Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945 [Unaltered reprint]
 9783110964899, 9783598116353

Table of contents :
Band I: 1939-1941
Übersicht zur Gesamtausgabe
Vorwort zur Gesamtausgabe 1999
Kritische Randbemerkungen
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung zur dritten Auflage
Vorwort
Einleitung
Kapitel I. Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. die Kriegsziele der deutschen Monopole
Kapitel II. Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn
Kapitel III. Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat
Kapitel IV. Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa
Kapitel V. Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion
Anhang. Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes“ (1940, 1941)
Band II: 1941 - 1943
Frontmatter
Übersicht zur Gesamtausgabe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel I. Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UDSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen
Kapitel II. Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt
Kapitel III. Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus
Kapitel IV. Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter
Kapitel V. Rationalisierung und Kriegsproduktion
Kapitel VI. Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus
Kapitel VII. Kapitalkonzentration und Kriegsprofit
Kapitel VIII. Die deutsche Landwirtschaft im Kriege
Anhang
Band III. 1943-1945
Frontmatter
Übersicht zur Gesamtausgabe
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel I. Das Krisenjahr 1944. Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation
Kapitel II. Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen
Kapitel III. Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien)
Kapitel IV. Zerfall des Okkupationssystems (Studien)
Kapitel V. Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg
Kapitel VI. Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen
Kapitel VII. Agonie und Katastrophe 1945
Kapitel VIII. Die Kriegsfinanzierung
Anhang
Register zur Gesamtausgabe
Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld

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Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945

Bandi: 1939-1941 Band II/1 und 2: 1941-1943 Band III/1 und 2: 1943-1945

Dietrich Eichholtz

Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945 Bandi

1939-1941

K-G-Saur München 2003

Die vorliegende Ausgabe ist ein Nachdruck des von 1969 bis 1996 im Akademie - Verlag, Berlin, erschienenen dreibändigen Werkes, ergänzt durch ein Vorwort, Kritische Randbemerkungen und ein Gesamtregister: Band I: 3., durchgesehene Auflage 1984, Band II: 1985, Band III: 1996.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Θ Gedruckt auf säurefreiem Papier © 2003 by Κ. G. Saur Verlag GmbH, München Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. Druck/Bindung: Druckhaus Beltz, Hemsbach ISBN 3-598-11635-7 (5 Bände)

Übersicht zur Gesamtausgabe

BANDI Vorwort zur Gesamtausgabe 1999 Kritische Randbemerkungen (von Gustavo Corni) Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung I Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole II Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn ΙΠ Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat IV Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa V Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion Anhang Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940, 1941) Bemerkungen zur Bibliographie Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D II/l Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Der Überfall des faschistischen deutschen Imperialismus auf die UdSSR. Wirtschaftliche Blitzkriegsillusionen II Der Zusammenbruch des wirtschaftlichen Blitzkriegskonzepts. Konzentration der staatsmonopolistischen Regulierungsgewalt III Die Wende des Krieges und das kriegswirtschaftliche Konzept des deutschen Imperialismus IV Die Arbeitskräftesituation. Zur Lage der deutschen Werktätigen und ausländischen Zwangsarbeiter

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Übersicht zur Gesamtausgabe B A N D II/2

Inhaltsverzeichnis V Rationalisierung und Kriegsproduktion VI Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus VII Kapitalkonzentration und Kriegsprofit Vin Die deutsche Landwirtschaft im Kriege (von Joachim Lehmann) Anhang 1. Ausstoß-Übersicht 1940-1944: Waffen, Geräte und Munition 2. Ausschüsse und Ringe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (Stand Mitte Juli 1943) [Beilage] 3. Aufgabenverteilung beim Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion und Generalbevollmächtigten für Rüstungsaufgaben im Vierjahresplan nach dem Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 [Beilage] 4. Verzeichnis der Tabellen 5. Quellen- und Literaturverzeichnis B A N D III/l Inhaltsverzeichnis Vorwort Abkürzungsverzeichnis I Das Krisenjahr 1944. Klimax und Verfall der kriegswirtschaftlichen Organisation II Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen III Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter (Studien) IV Zerfall des Okkupationssystems (Studien) B A N D III/2 Inhaltsverzeichnis V Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg (von Berthold Puchert) VI Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen (von Karl Heinz Roth) VII Agonie und Katastrophe 1945 VIII Die Kriegsfinanzierung (von Manfred Oertel) Anhang 1. Koautoren des Buches 2. Verzeichnis der Tabellen 3. Quellen- und Literaturverzeichnis Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld [? milage] Register zur Gesamtausgabe

Vorwort zur Gesamtausgabe 1999

Dem Leser liegt hiermit ein unveränderter, seitengetreuer Nachdruck der dreibändigen „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945" vor (gebunden in fünf Bänden). Die Neuausgabe dieses Werkes ist eine besondere verlegerische Tat Von 1969 bis 1996 erschienen, konnte es bisher infolge der Umstände zu keinem Zeitpunkt als Ganzes auf dem Markt angeboten werden und ist inzwischen vollständig vergriffen. Die unveränderte Neuauflage bietet die einzige Möglichkeit, es der interessierten Öffentlichkeit binnen kurzer Frist verfügbar zu machen. Band I erlebte drei Auflagen (1969; 1971; 1984). Band II erschien 1985; ein wohl nicht geringer Rest seiner Auflage verschwand in der „Wende"panik 1989/90 auf bis heute nicht restlos aufzuklärende Weise, zusammen mit Hunderttausenden anderer verlagsfrischer DDR-Bücher. Band III erschien im Herbst 1996 und ist seit Anfang 1998 vergriffen. Jeder Band galt bei seinem Erscheinen als wissenschaftliche Pionierleistung und stand schon auf Grund der Fülle an ganz überwiegend zum ersten Mal publiziertem Quellen- und Zahlenmaterial an der Spitze der internationalen Forschung. In der ausführlichen Analyse dieses Materials wurden im Werk von Anfang an neue Wege beschritten, was internationale Beachtung fand. Auch in dieser Beziehung galt und gilt es als ein Standardwerk zur Thematik. Einen Grundzug dieser Analyse erkannte schon bei Erscheinen des ersten Bandes der damalige Nestor der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichtsschreibung, Wilhelm Treue, allerdings mit größtem - aus der Schärfe der damaligen Auseinandersetzungen um die NS-Vergangenheit erklärbarem - Widerwillen: Die Begründung und Behauptung einer Gegenposition gegen den herrschenden erzkonservativen Trend der weitgehenden Ausklammerung der Expansions- und Kriegszielpolitik des deutschen Großkapitals, seiner Beteiligung an Kriegsvorbereitung, „Neuordnungs"- und Raubpolitik und der Leugnung seiner maßgeblichen Mitverantwortung für die schon in den Nürnberger Prozessen aktenkundig gewordenen NS-Verbrechen. (Die Zeit, 9. 1. 1970, „DDR-Angriff gegen die .Monopole'") Ziel der Gesamtpublikation war es von Anfang an, das Thema in seiner ganzen Breite zu erfassen, so auch das vorhandene statistische Zahlenwerk aufzubereiten. Eine Reihe von ausgewiesenen Fachkollegen und Freunden hat zu bestimmten, von einem Autor allein in dieser Qualität gar nicht darzustellenden Themenbereichen wertvolle Beiträge geliefert und daran mitgewirkt, daß das Werk dem genannten Ziel zumindest sehr nahe kommt

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Vorwort zur Gesamtausgabe

Schwerpunkte und besondere Stärken des Ganzen liegen in folgenden Bereichen: 1) Imperialistischer Wirtschaftsexpansionismus: Der Wirtschaftsimperialismus des deutschen Großkapitals, eine stets zu wenig beachtete Kriegsursache, trat in den Kriegszielplanungen führender Konzerne und Großbanken und besonders in ihren ungeheuerlichen Plänen zur „Neuordnung" Europas und der Welt zutage. Expansionismus und Revanchismus waren Beweggrund dafür, daß maßgebliche Kreise der Wirtschaftselite sich schon in der Vorbereitung des Krieges eng mit der politischen und militärischen Führung des NS-Regimes verbanden; sie bauten das industrielle Fundament für den Krieg aus und zeichneten dem Regime die wirtschaftsstrategischen Grundlinien für kontinentale und schließlich weltweite Eroberungen vor. In der zweiten Kriegshälfte wandelten sich ihre „Neuordnungs"planungen in ausgedehnte Planungen und Vorbereitungen für die Nachkriegszeit. 2) Militärisch-industrieller Komplex (rüstungs- und kriegswirtschaftliche Führungsstrukturen, Produktionsregulierung): Nach chaotischer Konzeptionslosigkeit in der Wirtschaftsführung während der ersten (,JBlitzkriegs")Phase verdrängten das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition (später für Rüstung und Kriegsproduktion) und die sich eng mit ihm verbindenden großen Rüstungskonzerne die traditionellen Rüstungsinstitutionen (Wehrmachts- und Ministerialbürokratie) weitgehend aus der Lenkung der Kriegswirtschaft. Seit 1941/42 übten die Rüstungsuntemehmen in ihrer „Selbstverantwortungs"organisation mittels der vom Ministerium auf sie delegierten Machtfülle die beherrschende Regulierungsgewalt in der Kriegswirtschaft aus. Diese besondere Ausprägimg des militärisch-industriellen Komplexes veränderte die Produktions- und Unternehmensstrukturen. Sie führte zu rasch wachsendem Produktionsausstoß und zugleich zu einem Investitionsboom in der Rüstungsindustrie von bis dahin unbekanntem Ausmaß und ermöglichte dieser darüber hinaus eine enorme, von der Öffentlichkeit sorgfaltig verborgene Profitmacherei. Diese Prozesse hatten gravierende Folgen für die Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland. 3) Plünderung, Ausbeutung und „Arisierung" in den besetzten Ländern: Während die Wehrmacht sich der Kriegsbeute - Waffen, Rüstungsgüter, Rohstoffe - bemächtigte und jahrelang aus den okkupierten Ländern lebte, gingen die deutschen Wirtschaftsbehörden, die Großindustrie unter Führung der Reichsgruppe Industrie und der Wirtschaftsgruppen und die Großbanken an die Realisierung einer auf Terror, Rassismus und Massenmord fundierten europäischen „Neuordnung". Ihr Interesse galt in erster Linie dem Eindringen in Wirtschaft und Kapitalverhältnisse der besetzten westeuropäischen Länder und der Aneignung der gewaltigen wirtschaftlichen Ressourcen der UdSSR. 4) Zwangsarbeit: Einem in seiner Unmenschlichkeit unübertroffenen Zwangsregime unterwarfen die deutschen Behörden und Unternehmen viele Millionen ausländische Zivilisten, Kriegsgefangene und Konzentrationslagerhäftlinge, zu denen noch ein erheblicher Teil der arbeitenden Bevölkerung in den besetzten Gebieten gezählt werden muß. Nach der willkürlichen Skala einer rassistischen „Ordnung" wurden Unfreiheit und Zwang, Arbeitsbedingungen, materielles Elend, Hunger, moralische Entwürdigung vielfältig und bis ins kleinste abgestuft. Die Zwangsarbeit der KZ-Häftlinge stellte eine besondere Form des Massenmords und des Genozids dar („Vernichtung durch Arbeit"). Die Zwangsarbeit ganzer Völkerschaften war darüber hinaus ein Bestandteil der Kriegszielvorstellungen der NSFührung und der deutschen Eliten („Großraumwehrwirtschaft"; „Neuordnung" Europas; „Generalplan Ost").

Dietrich Eichholtz

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In diesen Themenbereichen liegen Hypotheken deutscher Geschichte, die sich auch nach 60 Jahren keineswegs erledigt haben, wie schon ein Blick auf die aktuellen Nachrichtenmeldungen zur „Wiedergutmachung" und Entschädigung von Holocaust-Opfern, KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiten ausweist. Ein Werk, dessen Bände im Laufe von 30 Jahren entstanden, nimmt begründeterweise den Charakter einer historischen Ausgabe an, die durchaus der kritischen Reflexion bedarf; um so mehr, als hier einer der seltenen Fälle vorliegt, in denen ein Werk zu einem Teil als anerkannte Arbeit eines DDR-Historikers erschien, zum anderen Teil seinen erfolgreichen Abschluß nach dem Untergang der DDR im vereinigten Deutschland fand - ein Tatbestand, der selber von historischem Interesse für die heutige „DDR-Forschung" ist. Der erste Band ist 30 Jahre nach seinem Erscheinen selbstredend überholungsbedürftig, besonders was die Einarbeitung des neuesten Wissensstandes, d. h. neuer und neu zugänglicher Quellen und einer sehr großen Zahl inzwischen erschienener Veröffentlichungen betrifft. Doch er enthält bereits den roten analytischen Faden des Gesamtwerks und bietet etwa im Dokumentenanhang, der mehr als ein Drittel des Bandtextes ausmacht - eine Fülle damals gänzlich unbekannten, geradezu sensationellen Quellenmaterials, das leider bis heute recht zögernd rezipiert wird. Kritikwürdig sind eher bestimmte andere Schwächen dieses Bandes, die in minderem Maße auch in Teilen des zweiten Bandes anzutreffen sind. Gustavo Corni (Università di Trento) hat sie in seiner Einführung deutlich angemerkt Diese Schwächen liegen nach meinem heutigen Urteil in der Art und Weise der Analyse und noch mehr in deijenigen der Darstellung. Nicht etwa in der - voll und ganz vertretbaren, ja notwendigen und zu fordernden - antifaschistischen „Parteilichkeit", sondern in einer passagenweise sehr spürbaren, aber unnötigen Ideologisierung und Politisierung, erklärbar aus der Atmosphäre des Kalten Krieges und den allen Zeitgenossen erinnerlichen ideologischen Auseinandersetzungen, in denen es auch unter Fachkollegen - zumal zwischen marxistischen und konservativen nicht immer loyal zuging. Ideologisierung findet zum Beispiel statt, wenn eine Kontinuität zwischen dem faschistischen (NS-) und dem bundesdeutschen Kapitalismus bloß plakativ herausgestrichen wird, ohne daß (wie im dritten Band) Zusammenhänge und Entwicklungslinien konkret analysiert werden; oder wenn es der für den Autor selbstverständlicher Parteinahme für den Sozialismus als Weltanschauung und anzustrebendes Gesellschaftssystem an dem notwendigen kritischen Verhältnis zum „real existierenden Sozialismus" mangelt. Störend wirkt schließlich die Hypertrophie der den Imperialismustheorien Lenins, Hilferdings und anderer entlehnten Begriffe (Monopole; Finanzkapital) und die Überstrapazierung von damals in heftiger Diskussion stehenden Begrifflichkeiten wie Monopolgruppen, staatsmonopolistische Gruppierungen, staatsmonopolistischer Regulierungsmechanismus u. ä., die allein durch ihre Häufung keineswegs überzeugen. Inhaltlich handelte und handelt es sich aber sehr wohl um für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wichtige, diskutierenswerte Begriffe und Thesen, mit denen die marxistische Forschung bei den maßgeblichen Historikern des Westens weithin auf eine Mauer der Unkenntnis, der harschen Ablehnung und des Verschweigens stieß, obwohl sie auf reichliches, neues Quellenmaterial gestützt waren. Im Gesamtwerk finden sich eine Fülle von Ansatzpunkten für fruchtbare fachliche Diskussionen und Anregungen zu weiterführender Forschung, etwa solche, die sich näher mit

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Vorwort zur Gesamtausgabe

dem Verhältnis von Politik und Ökonomie, von Kriegführung und Kriegswirtschaft beschäftigen. Derartige Diskussionen waren bisher in aller Regel sehr ertragreich. Im Werk selbst sind die gedanklichen und Forschungsfortschritte in diesen und anderen Fragen deutlich genug auszumachen. Die Neuauflage ist ergänzt um die erwähnte kritische Einführung, die dankenswerterweise Gustavo Corni als ein mit der Materie bestens vertrauter Fachmann geschrieben hat, und dieses Vorwort. Die Register der drei Bände sind am Ende des letzten Bandes zusammengefaßt, ein Ortsregister ist neu erarbeitet worden. Ferner ist eine Filmkonkordanz für alle drei Bände zusammengestellt worden. Für diese Arbeit danke ich herzlich Martina Dietrich, Helma Kaden und Heidemarie Knischwitz. Juni 1999

Dietrich Eichholtz

Kritische Randbemerkungen Von Gustavo Comi (Università di Trento)

Zu den Folgen der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990 gehört die Auflösung des gesamten Apparats der Geschichtsforschung in der nunmehr verschwundenen Deutschen Demokratischen Republik. Unter der Beschuldigung, mit ihrer Tätigkeit in Forschung und Lehre das kommunistische Regime (die „zweite deutsche Diktatur") gestützt zu haben1, sind die meisten Historiker entlassen oder gezwungen worden, vorzeitig in Rente zu gehea Die Forschungszentren, die - entsprechend dem sowjetischen Modell - der Akademie der Wissenschaften unterstanden, sind geschlossen wordea 2 Mit einer vielleicht übermäßigen Eile wollte man so einer Disziplin den Totenschein ausstellen, die in mehr als 40 Jahren nicht wenige Zeichen ihrer Lebendigkeit gegeben hat.3 Bei diesem Kahlschlag, in den auf schmerzhafte Weise Hunderte von Menschen verwickelt wurden, ist recht wenig übriggeblieben. Die Pläne, einer gewissen, beschränkten Anzahl von Forschern der aufgelösten Republik Übergangslösungen zu bieten, reduzierten sich noch infolge der schwierigen Haushaltslage des heutigen Deutschlands. An den Fingern kann man an den (teilweise neuen) Universitäten auf dem Gebiet der neuen Bundesländer die Lehrenden zählen, die ihre wissenschaftliche Laufbahn im kommunistischen Deutschland durchmessen haben.

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Zur Rolle der DDR-Geschichtsschreibung bei der Legitimierung des kommunistischen Regimes hat alsbald eine intensive Publikationstätigkeit eingesetzt, die mitunter die Grenzen der wissenschaftlichen Diskussion überschritten hat. Um den Rahmen der Debatte abzustecken, nenne ich nur R. Eckert/W. KOttler/G. Seeber (Hrsg.), Krise — Umbruch — Neubeginn. Eine kritische und selbstkritische Dokumentation der DDR-Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1992 (mit einem Aufsatz von Eichholtz); G. Corni (Hrsg.), 1 muri della storia. Storici e storiografia dalle dittature alle democrazie 1945-1990, Trieste 1996. Vgl. auch die Studie von I. S. Kowalczuk, Legitimation eines neuen Staates. Parteiarbeiter an der historischen Front, Berlin 1997. Vgl. die Beitrage von J. Kocka und E. Weinzierl in Sulla „Abwicklung" nell'exDDR. In: Quaderni storici, 27, 1992. Für einen allgemeinen Oberblick verweise ich auf meinen Essay La ricerca storica marxista-leninista nella DDR. In: P. Rossi (Hrsg.), La storiografia contemporanea, Indirizzi e probleme, Milano 1987.

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Kritische Randbemerkungen

In diesem trostlosen Panorama erscheint es deshalb überraschend, daß eine wichtige, mehrbändige Untersuchung wie die „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945" von Dietrich Eichholtz zu ihrem Abschluß gekommen ist. Der erste Band dieses Werks wurde 1969 veröffentlicht, in zweiter Auflage 1971 und in dritter 1984 gedruckt, anläßlich des Erscheinens des zweiten Bandes (1985). Der dritte Band ist 1996 herausgekommen, wie die anderen beim Akademie Verlag in Berlin, dem offiziellen Verlag der Akademie der Wissenschaften der DDR. Einige Zahlen, die das „Gewicht" dieses Werkes beleuchten, das eine vierzigjährige Forscheriaufbahn vervollständigt: Der erste Band umfaßte 408 Seiten, der zweite 713 und der dritte sogar 803. Während der ersten Band zur Gänze das Weik von Eichholtz war, enthielten die beiden folgenden Bände Beiträge anderer Wissenschaftler. Im zweiten Band findet sich ein umfangreiches Kapitel über „Die deutsche Landwirtschaft im Krieg" von dem Rostocker Historiker Joachim Lehmann, einem Spezialisten für Agrargeschichte. Im dritten Band sind vier Koautoren vertreten. Karl Heinz Roth (Bremen) hat ein bedeutendes Kapitel über „Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen" geschrieben; Berthold Puchert (Potsdam) ist Autor des Kapitels - mehr oder weniger einer Monographie - „Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg"; Manfred Oertel (Stralsund) verdanken wir ein Kapitel über die Finanzierung des Kriegsaufwandes; Hagen Fleischer (Athen) trägt eine Dokumentation über den „Besatzungsalltag auf Kreta 19431944" bei. Es ist evident, daß ein Werk von diesem Ausmaß, das den größten Teil eines Wissenschaftlerlebens ausgefüllt hat, mit Beiträgen von außen realisiert werden mußte, und es ist eine Stärke des Autors - nicht eine Schwäche, meine ich - , auf diese Art seine „Grenzen" anerkannt zu habea Der Umfang der archivalischen und dokumentarischen Basis nahm von Band zu Band zu. Während im ersten Band die (doch sehr umfangreiche) Dokumentation ausschließlich aus Archiven der DDR, vor allem aus dem Zentralen Staatsarchiv, stammte, ist in den beiden folgenden Bänden die archivalische Basis beachtlich erweitert worden und umfaßt schließlich zahlreiche Bestände aus dem Bundesarchiv Koblenz, aus Archiven westlicher Unternehmen sowie aus ausländischen Archiven. Gänzlich fehlen hingegen Bezugnahmen auf sowjetische Archive. Zu den Verdiensten des Werkes zählt, daß Eichholtz die markantesten Daten seiner Untersuchungen in Form von Tabellen und Statistiken zusammengefaßt dargestellt hat: 206 im zweiten und 164 im dritten Band, beide Male durch einen Index leichter benutzbar gemacht Was den ersten Band betrifft, so scheint mir, daß der Autor eine Ausdrucksweise benutzt, die für jenen - in der Minderheit befindlichen - Teil der marxistisch-orthodoxen Geschichtsforschung der DDR charakteristisch war, der mühsam neuen methodologischen und analytischen Ansätzen und Schlußfolgerungen Raum zu geben versuchte. Diese Historiker gestalteten das starre Korsett der Orthodoxie flexibler, das besonders für die Neueste Geschichte galt. So sind die einleitenden Seiten noch in der traditionellen Ausdrucksweise der Orthodoxie verfaßt, und die erste Fußnote nimmt wie obligat, Bezug auf eine Schrift von Walter Ulbricht Im Band aber sucht Eichholtz Wege zu einer flexibleren Lesart der herrschenden Theorie des sogenannten Stamokap („staatsmonopolistischer Kapitalismus"). Er hält an der Interessenidentität zwischen Finanzkapital und Staat fest und zollt der These über die nahe bevorstehende Krise des kapitalistischen Systems Tribut; aber er spricht von einer

Gustavo Corni

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„neuen Rolle der Staatsmacht" (I, 5) und von dialektischen Wechselbeziehungen zwischen politischer und ökonomischer Sphäre. Nach seiner Auffassung verwuchsen „bestimmte Monopole, Gruppen von Monopolen oder auch ganze Monopolgruppen (Kohle/Eisen/Stahl; Chemie/Elektroindustrie) mit bestimmten Teilen des Staatsapparates und Parteiapparats" (I, 9); diese Verflechtung bildete zugleich die Grundlage für „heftige Auseinandersetzungen" (I, IS) über die beste Strategie, den geplanten Krieg zu gewinnen, ohne die delikaten inneren, sozialen Gleichgewichte zu störea So erklärt er, daß 1936 der Sieg Görings und seines „Vierjahresplans" als Strategie forcierter Kriegsvorbereitung nichts als ein Kompromiß zwischen „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung" war und daß die „Kanonen-statt-Butter"-Politik nicht nur in ökonomischer, sondern auch in sozialer Hinsicht unüberwindbare Grenzen hatte. Seit Ende der 50er Jahre widmet sich Eichholtz - 1930 in Danzig geboren und als Student und junger Wissenschaftler einer der ersten Schüler von Jürgen Kuczynski, dem hervorragenden Wirtschaftshistoriker der DDR - der Wirtschaftsgeschichte der Hitlerschen Periode und - allgemeiner - der Problematik des Faschismus. Auch als ein Kenner der archivalischen Dokumentation hat er sich hervorgetan.6 Als einer der ersten hat er die umfassenden Pläne zur ökonomisch-demographischen Neustrukturierung des eroberten (oder zu erobernden) Osteuropa („Generalplan Ost") untersucht und mit bis dahin unveröffentlichten Dokumenten die erstrangige Rolle beleuchtet, die wichtige kapitalistische Konzerne und Gruppen bei der Ausbeutung der besetzten Gebiete und der Planung einer neuen wirtschaftlichen „Ordnung" ganz Europas nach dem (siegreichen) Ende des Krieges gespielt haben. Auf diesem Gebiet haben die Historiker der DDR - Eichholtz dabei in der ersten Reihe - einen Beitrag geleistet, der, mit heutigen Augen gesehen, als originell und nutzbringend eingeschätzt werden muß, mit der Maßgabe, daß man von der unvermeidlichen ideologischen Komponente absieht. In jener Zeit tendierten die westlichen Historiker dazu, diese Aspekte zu vernachlässigen und ihre Aufmerksamkeit auf Hitler und seine Ideologie zu konzentrieren. Gerade die erwähnten „Neuordnungs"pläne, die von den großen monopolistischen Gruppen erarbeitet wurden, analysiert der Berliner Historiker sorgfältig. Er nimmt eine Gliede4

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Es ist also korrekt, Eichholtz zu den Urhebern der sogenannten These von den „Monopolgruppen" zu zahlen, die einen Schritt nach vorn im Vergleich zu den traditionellen kommunistischen Interpretationen darstellte; vgl. I. Kershaw, Der NS-Staat. Geschichtsinterpretationen und Kontroversen im Oberblick, Reinbek 1994, S. 84. Außer der „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft" sind zu nennen: D. Eichholtz/K. Gossweiler, Noch einmal: Politik und Wirtschaft 1933-1945. In: Das Argument 10 (1968). Generell zum Inhalt der seinerzeit stark beachteten Debatte der Autoren mit T. Mason, die weiterhin Aktualität besitzt, verweise ich auf meinen Essay „Tim Mason: l'impegno e il laboratorio della storia sociale". In: Passato e Presente, 10 (1991), S. 107-129; Mitarbeit von Eichholtz im Herausgeber- und Autorenkollektiv von Deutschland im zweiten Weltkrieg, u.d.Leitung v. W. Schumann (6 Bände, Berlin 1974-1983); D. Eichholtz/K. Gossweiler (Hrsg,.), Faschismusforschung. Positionen, Probleme, Polemik, Berlin 1980; D. Eichholtz/K. Patzold, Der Weg in den Krieg. Studien zur Geschichte der Vorkriegsjahre (1935/36 bis 1939), Berlin 1989; neuestens D. Eichholtz (Hrsg.), Krieg und Wirtschaft. Studien zur deutschen Wirtschaftsgeschichte 1939-1945, Berlin 1999. Siehe insbesondere D. Eichholtz/W. Schumann (Hrsg.), Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges, Berlin 1969. Siehe auch den Dokumentenanhang im vorl. Band I.

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Kritische Randbemerkungen

rung der deutschen Wirtschaftselite in „Gruppierungen" vor, deren Ziele und Strategien teilweise divergiertea Auf jeden Fall waren ihnen allen mit den Nationalsozialisten zwei Ziele gemeinsam: die vom Versailler Friedensvertrag festgelegte Ordnung zu beseitigen und Europa unter Einschluß der Räume und Ressourcen des Ostens „neuzuordnen". Ein zweiter Schwerpunkt der Analyse des Autors im ersten Band betrifft JDie Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn" (Kapitel II). Auch bei diesem fur die marxistische Orthodoxie fundamentalen Thema mangelt es seiner Position nicht an Nuancen. Das Regime war ihm zufolge stets bestrebt, die Arbeiterklasse, deren objektiv antagonistische Position es fürchtete, unter strengster Kontrolle zu haltea Terror allein reichte nicht hin, um den sozialen Frieden zu erhalten. Eichholtz analysiert die demagogischen Maßnahmen und die umfangreichen Zugeständnisse, die das Regime machen mußte, um sein Ziel zu erreichen. Im dritten Kapitel zeichnet Eichholtz die tiefgreifenden Umgestaltungen nach, die während der Anfangsphase des Krieges im Leitungssystem der Wirtschaft vorgenommen wurden. Auch hier hebt er hervor, wie einerseits wirtschaftliche und politische Interessen in Wechselbeziehung standen, andererseits scharfe Brüche und Gegensätze zum Austrag kamea So beobachtet er, daß Göring, offiziell immer noch Leiter der gesamten Kriegswirtschaft, lange versucht hat, eine Politik des geringsten Widerstands zu betreiben, die darauf gerichtet war, die Gegensätze und Reibungen zu minimieren. Im Mittelpunkt des Kapitels steht die Bildung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition unter Fritz Todt, die bereits als Anzeichen für das Scheitern der Göringschen Konzeption gelten kann. Das Thema der wirtschaftlichen Expansion der deutschen Industrieunternehmen und Banken, schon als Schwerpunkt des Gesamtwerks erwähnt, wird im Band im vierten Kapitel „Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa" abgehandelt. Ausführlich werden die „Neuordnungs"projekte der großen Unternehmen dargestellt, wobei besonderes Gewicht auf den Chemiekoloß IG Farben gelegt wird. Eichholtz schält die folgende Kausalkette heraus: „ökonomische Strategie der finanzkapitalistischen Gruppierungen politische Strategie - militärische Strategie - rüstungswirtschaftliche Strategie und Planung"; er fügt hinzu, daß es sich nicht um eine lineare Kausalität handele, da „komplizierte Wechselwirkungen, mannigfache Übersetzungen und Rückkopplungen" sie durchziehen, und er schließt diese entscheidende - von Doppeldeutigkeiten gewiß nicht freie - Passage mit der These, daß in jedem Fall die Gruppen des Finanzkapitals „das letzten Endes entscheidende, bestimmende Glied" blieben (1,162). Das fünfte und letzte Kapitel ist der wirtschaftlichen Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion gewidmet. Es spiegelt sich darin einerseits das Gewicht der enormen sowjetischen Ressourcen in der Erwartung der deutschen Planer wider, andrerseits kann das Kapitel in manchen Passagen als ein weiterer Tribut an den orthodoxen Kanon verstanden werden. Auch hier hebt Eichholtz die Rolle der großen deutschen Unternehmen und die enge, auch personelle Verflechtung zwischen den wirtschaftlichen Einrichtungen des Regimes und den Zentren der wirtschaftlichen Macht hervor. Mit dem Angriff auf die UdSSR endet nach Meinung des Autors die Phase der auf den „Blitzkriegen" beruhenden Wirtschaft, da sie sich für die neue Etappe des Konflikts als unzureichend erwies. Der zweite Band erschien erst sechzehn Jahre nach dem ersten, weil, wie der Autor im Vorwort erwähnt, andere Forschungsverpflichtungen offiziell den Vorrang hatten. Zugleich unterstreicht er die Kontinuität zum ersten Band in thematischer und analytischer Hinsicht. Der Band setzt mit der „Umrüstung" vom Sommer 1941 und ihrem Scheitern ein und be-

Gustavo Comi

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handelt ausführlich die nach der Niederlage vor Moskau in der Kriegswirtschaft eingeführten tiefen organisatorischen Umgestaltungen von Ende 1941/Anfang 1942. Diese Umgestaltungen mündeten in die schrittweise Durchsetzung der Linie von Todt und später von Albert Speer gegenüber der Strategie von Göring, der in erster Linie für den bisherigen Kurs der nur oberflächlichen und punktuellen Ausnutzung des deutschen wirtschaftlichen Kriegspotentials verantwortlich war. Eichholtz meint, daß in dieser kritischen Phase die grundlegenden Entscheidungen weder einsam von Hitler getroffen wurden noch das hauptsächliche Werk Todts oder Speers waren, sondern von den „Spitzen des deutschen Finanzkapitals" initiiert wurden (Π, 49). Es muß aber gesagt werden, daß der Autor hier den Quellenbeweis schuldig bleibt. Es stimmt, daß es Speer gelang, die Methode der „Selbstverantwortung der Industrie" durchzusetzen und den Industrieführem persönlich die Verwaltung der verschiedenen Rüstungssektoren zu übertragen. Dennoch bringt ein so guter Kenner der archivalischen Quellen wie der Autor kein Dokument dafür bei, daß es die Exponenten des Großkapitals waren, die die Entscheidungsinputs gaben. Er muß sich darauf beschränken zu zeigen (was jedoch nicht wenig ist), wieviele erstrangige Exponenten der Industrie in die verschiedenen Planungs- und Leitungszentren der Kriegswirtschaft berufen wurden. Das vierte Kapitel befaßt sich mit der Lage der Arbeiter. Der Autor stellt in reicher Dokumentation die Formen der Ausbeutung der deutschen und ausländischen (besonders der sowjetischen) Arbeitskräfte dar. Die deutschen Arbeiter waren in jeder Beziehung vor den ausländischen bevorzugt, die einer intensiven Ausbeutung unterworfen waren. Hier zeigt Eichholtz, daß die Brutalität der Behandlung der Zwangsarbeiter keineswegs den realen Interessen der Industrie entsprach, die im Gegenteil daran interessiert war, die wertvolle Arbeitskraft zu erhalten und sie hinreichend effizient einzusetzen. Darin sehe ich eine nicht unbeträchtliche Diskrepanz zu der Grundthese des Buches, der zufolge es in letzter Instanz die Interessen der Wirtschaft waren, die überwogen. Mit besonderem Nachdruck vertritt der Autor die Auffassung, daß das von der SS in den Konzentrationslagern praktizierte System der wirtschaftlichen Ausbeutimg nicht voll mit den Kriterien des kapitalistischen Profits harmonisierbar war, so daß die Ambitionen der SSWirtschaftler, insbesondere die Schaffung eines SS-Wirtschaftsimperiums, gerade durch die Opposition der Industrie blockiert wurden. Von Bedeutung scheint mir auch der Hinweis auf die „moralische Degradation" der deutschen Arbeiter durch die vom Regime gebotenen Anreize und Lockmittel und durch die Schlechterstellung der ausländischen Arbeiter zu sein. Das ergibt ein Bild, daß eindeutig im Gegensatz zu dem kanonischen einer stets reinen und antagonistischen Arbeiterklasse steht Die überaus harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der ausländischen Arbeiter, zumeist Zwangsarbeiter, hatten eben auch eine wichtige innenpolitische Funktion: „das entwickelte proletarische Klassenbewußtsein zu zerstören bzw. niederzuhalten" (Π, 280). Das fünfte Kapitel ist einer Analyse der Kriegsproduktion gewidmet. Bereich für Bereich stellt Eichholtz dar, wie Direktoren und Techniker der Unternehmen und Funktionäre des Regimes versuchten, mittels Rationalisierung die höchstmögliche Produktion zu organisieren: von Kohle und Stahl über Fahrzeuge und Maschinen bis zu den Hauptwaffen. Anschließend analysiert er die Ergebnisse der Kriegsproduktion einschließlich der Rohstoffe, der chemischen Syntheseproduktion, der Elektroenergie, des Bauwesens und der Entwicklung der „Wunderwaffen". Es liegt hiermit eine weit gespannte und detaillierte Untersu-

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Kritische Randbemerkungen

chung vor, bei der der Autor ausgiebig seine ausgezeichnete Sachkenntnis und seine außerordentliche Beherrschung der Quellen zeigen kann. Das sechste Kapitel ist der Untersuchung der Besatzungspolitik, besonders deijenigen in der Sowjetunion, gewidmet. Zunächst werden die Pläne und Erwartungen der politischen und wirtschaftlichen Machtzentren analysiert, danach die konkrete Praxis der Okkupanten untersucht Eine besondere Studie befaßt sich mit dem „Generalplan Ost", das heißt, mit jenem Komplex von Projekten fur eine sowohl demographisch-rassische als auch wirtschaftlich-soziale „Neuordnung" des besetzten Osteuropas, der auf Anweisung von Himmler ausgearbeitet wurde. Auch hier unterstreicht Eichholtz die unentwirrbaren Verknüpfungen zwischen Ideologie und Plänen der Nationalsozialisten und langfristigen Interessen des deutschen Monopolkapitals. Er verweilt auch kurz (zu kurz, möchte ich meinen) bei der Politik der Judenvernichtung. Es findet sich kein Hinweis darauf, daß diese Politik ideologische Motivationen hatte; hierin der marxistischen Orthodoxie verbunden, meint er hingegen, sie sei ganz und gar imperialistische Politik (Π, 448 ff.). Übrigens ist die Analyse hier nicht frei von Schwankungen: Der Autor neigt zu einer allgemeineren Beurteilung des „Generalplans Ost", nach der der Plan als Plan der Massenvernichtung im wesentlichen den „Sicherungs"interessen Hitlers und seines Regimes entsprach, und gerät so in einen „unlösbaren Widerspruch" (II, 457) zu den hauptsächlichen Wirtschaftsinteressen. Hieran sieht man, welch langen Weg Eichholtz zurückgelegt hat, sich von den Kanons der Orthodoxie zu lösen und dahin zu gelangen, sich einem „Primat der Politik" (Mason) anzunähern, den er Jahre zuvor noch brüsk abgelehnt hatte. Offensichtlich hat er aber in logischer und lexikalischer Hinsicht noch einige Schwierigkeiten, diese Loslösung klar auszudrücken. Das siebente Kapitel behandelt die Frage der Kriegsprofite. Der Autor stellt fest, daß das Regime den Erwartungen der Industrie in dieser Beziehung voll gerecht wurde. Bei dem Versuch, den gesamten von den deutschen Unternehmen erzielten „reinen Kriegsprofit" zu schätzen, kommt er auf die Zahl von 70 bis 80 Milliarden Reichsmark (II, 569); allein den Surplusprofit aus der Arbeit ausländischer Arbeitskräfte schätzt er auf 60 bis 70 Milliarden Mark (II, 530 f.). In einem zweiten Teil des Kapitels untersucht er das Phänomen der industriellen Konzentration, deren Rhythmus sich während des Krieges immer stärker beschleunigte. Bereits 1942 hielten kaum zwei Prozent aller Aktiengesellschaften die Hälfte des gesamten Aktienkapitals. Wenngleich unter den Bedingungen einer besonders konflikthaften Beziehung der Unternehmen zum politischen System gerade in diesem Punkt, galten Eichholtz zufolge auch während des Krieges die Grundelemente der kapitalistischen Logik und Ökonomik: Streben nach Profit, Optimierung der Ausbeutung der Ressourcen und der Arbeitskräfte, Expansionismus im internationalem Maßstab, aber auch unausweichliche Krisentendenzen. In einem ganz anderen gesellschaftlichen Umfeld erschien der dritte und abschließende Band, nämlich nach der Auflösung des kommunistischen Staates und seines Wissenschaftsapparats. Die ersten beiden Bände waren schon gleichsam Klassiker geworden, umfangreich zitiert und von den Fachleuten international sehr positiv beurteilt, wenn auch mitunter mit

Gustavo Comi

XVII

Distanzierung zur Interpretation.7 Im Vorwort zum dritten Band räumt Eichholtz ein, er habe weitere Überlegungen zur Methode angestellt, um den Gefahren eines zu rigiden Ökonomismus zu entgehen; dies habe um so näher gelegen, als in der Endperiode des Krieges „die Eingriffe politischer Institutionen ... in die wirtschaftlichen Abläufe von erheblicher Tragweite" waren (IH, XI). Er meint, daß die Substanz seiner Arbeit hieraus Gewinn gezogen hat. Insgesamt sind diese kurzen selbstkritischen Bemerkungen ziemlich zurückhaltend. Eichholtz räumt nur indirekt ein, selber zu streng ökonomistisch in der Analyse gewesen zu sein. Seine frühere Arbeit verleugnet er keineswegs, sondern legt den Akzent auf die Konsequenz und die Kontinuität der eigenen Forschersicht. Es ist nicht möglich, den Inhalt des dritten Bandes zu resümieren, der der umfangreichste ist und zudem eine Fülle von spezifischen Beiträgen enthält Deutlich sichtbar sind Veränderungen in der Gliederung. Die Ziele und Pläne der deutschen Wirtschaft treten verständlicherweise vollständig zurück; dafür untersucht Roth in einem umfangreichen Kapitel die immer problematischeren Projekte, die in Vorbereitung auf eine militärische Niederlage ausgearbeitet wurden. Das reichhaltigste Kapitel, geschrieben von Eichholtz selbst, ist dasjenige über die Kriegsproduktion. Hier zeigt er nochmals seine außerordentliche Meisterschaft in der Benutzung der Quellen. Danach folgen Kapitel über die „Lage der Arbeiter" und den Zerfall des Besatzungssystems, die im Titel den verkleinernden Zusatz „Studien" tragen. Der Autor ist sich letztlich der Unvollständigkeit seiner Arbeit angesichts der Vielschichtigkeit der hier behandelten Themen bewußt. Das ändert nichts daran, daß die Kapitel wie der ganze Band viele interessante und neue Denkanstöße enthaltea Interessante Bemerkungen macht der Autor in verschiedenen Kapiteln zu den agierenden Persönlichkeiten, insbesondere über den Wandel im Vertrauensverhältnis zwischen Hitler und dem eine Zeitlang schon als Hitlers Nachfolger gehandelten Rüstungsminister Speer. Dieses Anfang 1944 gestörte Verhältnis stabilisierte sich wieder auf Grund der Erfolge der Speerschen Rüstungsorganisation, was in der Einrichtung des Rüstungsstabes (August 1944) seinen Ausdruck fand, der die gesamte kriegswirtschaftliche Macht beim Rüstungsminister konzentrierte. Interessant und neu ist die Analyse des Leitungsapparats, den Speer in dieser Periode aufbaute; ihm schreibt Eichholtz es hauptsächlich zu, daß die Kriegswirtschaft trotz der von den Luftangriffen verursachten schweren Schäden so lange aufrechterhalten wurde. Gerade in diesen Teilen zeugt die Arbeit von der veränderten, erhöhten Aufmerksamkeit, die Eichholtz der Rolle der Persönlichkeit angedeihen läßt Eine derartige Konzentration auf die Persönlichkeit von Politikern, besonders von Hitler, Speer und Göring, wäre in den ersten beiden Bänden nicht denkbar gewesen. Frei von dogmatischen Behinderungen - freier und entschiedener als in den ersten Bänden - kann der Autor jetzt seine Gaben ins Feld führen. Tiefschürfend werden die sozialen und politischen Ursachen untersucht, die das Regime daran hinderten, möglichst alle Ressourcen auf die Kriegsproduktion zu konzentrieren. Die Konsumgüterindustrie konnte infolge der großen Zerstörungen an zivilen Wohnungen und Haushalten durch die Luftangriffe nicht so stark wie vorgesehen eingeschränkt werden und mußte ihre Produktion sogar erweitem. Dem offiziell kontrollierten Markt trat eine 7

Um nur einige wenige Beispiele zu nennen: G. Ránki, The Economics of the Second World War, Wien 1993; D. Rebentisch, Fahrerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1989; A. S. Milward, War, Economy, and Society 1939-1945, Berlceley/Los Angeles 1979.

XVIII

Kritische Randbemerkungen

Schwarzmarkt-Wirtschaft zur Seite, die von Regime geduldet werden mußte. Aus Gründen sozialer Stabilität schöpfte man die Möglichkeit, den Arbeitszwang für deutsche Frauen durchzusetzen, bis zum Ende nicht voll aus und versuchte statt dessen, die Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte mit einer immer widersprüchlicheren Mischung von „Zuckerbrot" und „Peitsche" zu verstärkea Freilich wird das Thema der ausländischen Arbeitskräfte nicht so systematisch wie in den beiden ersten Bänden abgehandelt, sondern vor allem in der Form von regionalen und speziellen „Studien". Ähnlich wird die Besatzungspolitik bzw. -Wirtschaft behandelt Besonders interessant scheint mir die Studie, die Eichholtz der Kollaboration von dänischen, niederländischen, belgischen und französischen Unternehmen bei der Ausbeutung der Ressourcen des besetzten Osteuropa (1941-1944) widmet Hier bewegt sich der Autor auf einem neuen Gebiet, wobei er nützliche Hinweise für weitere Untersuchungen gibt. Der dritte Band präsentiert sich also noch farbenreicher als die vorhergehenden: sowohl durch die Mitwirkung unterschiedlicher Wissenschaftler, westlicher und östlicher, mit spezifischen monographischen Studien, als auch dadurch, daß er einen offeneren Charakter hat, nicht mehr belastet durch den heiklen „Slalom" zwischen Kategorien und Methoden, der mir aus den Bedingungen einer strengen Kontrolle der historiographischen Produktion erklärbar erscheint. Zu wünschen wäre gewesen, daß Eichholtz den Band mit dem Versuch einer Schlußbetrachtung abgeschlossen hätte; aber das ist bei einem Weik von rund 2 000 Seiten, geschrieben in einer Zeitspanne von dreißig Jahren, vielleicht zu viel verlangt. Die „Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft" wird noch für viele Jahre ein unersetzliches Standardwerte sein. Zu hoffen ist zugleich, daß sie Anstoß für zahlreiche vertiefende Studien ist Und Lob gebührt dem Nachdruck dieses Werkes, das so einem größeren Publikum zugänglich gemacht wird

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkung zur dritten Auflage Vorwort Einleitung KAPITEL I

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole 1. Die Phase der unmittelbaren wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung 1936-1939 a) Die Vieijahresplanpolitik b) „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung". Wirtschaftspotential und kriegswirtschaftliches Potential c) Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Aufrüstung d) Krisenpunkte der staatsmonopolistischen Rüstungswirtschaft e) Deutschland im internationalen Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen

KAPITEL II

KAPITEL III

XXI XXIII 1

13

13 17 21 26 31

2. Kriegsziele und Kriegsplanung der deutschen Monopole a) Vieijahresplan und Monopole b) Das Kriegszielprogramm des deutschen Monopolkapitals

36 53

Zur Lage der Werktätigen nach Kriegsbeginn

64

1. Das Kriegsrecht in der Wirtschaft und die Lage der Werktätigen a) Das „Paket" der Kriegswirtschaftsgesetzgebung b) Das System der Zwangsrationierung c) Auswirkungen der Kriegswirtschaftsverordnung d) Erste Vorstöße zum Arbeitszwang für Frauen e) Anzeichen innerer Schwäche des Regimes

65 67 70 79 86

2. Die ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland a) Grundzüge einer Definition der Zwangsarbeit b) Die Entstehung des Zwangsarbeitssystems

88 92

Kriegswirtschaftliche Schwierigkeiten und Ergebnisse 1939/40. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat 1. Schwierigkeiten und Fehlschläge der wirtschaftlichen Mobilmachung . . .

103

2. Die erste Phase des Umbaus im staatsmonopolistischen Apparat a) Das Ende des „Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft". Das Reichsamt für Wirtschaftsausbau b) Die staatsmonopolistische Grundkonzeption der Monopole c) Die Bildung des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition . . d) Die Gründung der Reichsvereinigung Kohle

108 113 121 132

XX KAPITEL IV

Inhalt Die erste Phase der Expansion der deutschen Monopole in Europa 1. Wesenszüge der Expansion des deutschen Monopolkapitals a) Der zweite Versuch der deutschen Monopole zur gewaltsamen Neuaufteilung der Welt b) Exkurs: Die Hauptgruppierungen des Monopolkapitals und die Unterschiede in ihren Expansionsprogrammen c) Charakter und Methoden der wirtschaftlichen Expansion und Ausplünderung

KAPITEL V

144 147 158

2. Die „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" a) Die Kriegsziele des deutschen Imperialismus in den „Neuordnungs"Programmen der Monopole Die Länderberichte der Reichsgruppe Industrie Die Kriegszielprogramme der führenden Konzerne Eine neue konzeptionelle Variante des Reichswirtschaftsministeriums b) Der Beutezug der Monopole durch Europa. Der Interessenkampf bei der Verteilung der Beute

184

3. Hauptformen der Übernahme fremder Unternehmen und Kapitalbeteiligungen a) Das Institut der „Treuhandschaft". Die „Arisierung" b) Treuhandverwaltung und Eigentumsfrage

192 193

162 163 164 168 178

Die wirtschaftliche Vorbereitung auf den Krieg gegen die Sowjetunion 1. Die Expansionsstrategie des deutschen Imperialismus gegenüber der UdSSR a) Die Kriegsziele der Monopole b) Der Beutefeldzug gegen die Sowjetunion als Bestandteil der wirtschaftlichen Blitzkriegskonzeption

ANHANG

144

197 199 206

2. Die Rüstungsumstellungen. Das Wirtschaftspotential des faschistisch beherrschten Blocks Mitte 1941 a) Die Umstellungen des Rüstungsprogramms seit Juni 1940 b) Möglichkeiten und Grenzen der Erschließung des europäischen Wirtschaftspotentials für die deutsche Kriegswirtschaft

221

3. Der staatsmonopolistische Apparat für den Beutefeldzug a) Die Herausbildung des Apparats b) Die Entwicklung des Programms

231 238

Dokumente zur „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes" (1940,1941)

247

212

I. IG Farbenindustrie AG II. Ruhr-Montankonzerne und Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie III. Carl Zeiss Jena IV. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie V. Reichsgruppe Industrie und Wirtschaftsgruppen VI. Reichswirtschaftsministerium

248 294 339 348 351 365

Bemerkungen zur Bibliographie

379

Quellen- und Literaturverzeichnis

387

Vorbemerkung zur dritten Auflage

Anläßlich des Erscheinens von Band 2 der ,.Gcschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945" haben sich Autor und Verlag entschlossen, den ersten Band in neuer Auflage 1 herauszubringen. Die Forschung hat im Laufe der vergangenen Jahre viel neues Tatsachenmaterial zutage gefördert. Auch theoretische Probleme des Faschismus, des staatsmonopolistischen Kapitalismus, der Kriegszielstrategie des deutschen Monopolkapitalismus usw. sind in zahlreichen neueren Publikationen erörtert worden.2 Der vorliegende Band stand und steht im Mittelpunkt eines umfangreichen Meinungsaustausches. Was seine Grundsubstanz, sein theoretisches Fundament und nicht zuletzt sein politisch-ideologisches Anliegen betrifft, so hat er jedoch die Probe der Zeit bestanden. In der Arbeit am zweiten Band erwies sich — für den Leser überprüfbar — die Konzeption des Gesamtprojekts als richtig und tragfähig. Hierauf gründeten Autor und Verlag ihren Entschluß, den ersten Band, dessen frühere Auflagen seit langem vergriffen sind, zugunsten einer raschen Auslieferung unverändert nachzudrucken. 1 1. Aufl.: 1969; 2. Aufl.: 1971. 2 Siehe das ausführliche zusätzliche Literaturverzeichnis in Band 2.

Vorwort

Mit der ausführlichen Untersuchung der Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945, deren erster Teil in diesem Band vorliegt, soll einem wissenschaftlichen Bedürfnis Rechnung getragen werden, das keiner näheren Begründung bedarf. Die besondere politische und ideologische Bedeutung des Vorhabens steht außer Zweifel in einer Zeit, da auf dem VII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands als wichtigste Aufgaben der Geschichtswissenschaft in unserer Republik die Herausbildung eines wissenschaftlichen Geschiehts- und Weltbildes des sozialistischen Menschen und die Entwicklung seiner bewußten klassenmäßigen Einstellung zum sozialistischen Aufbau eindringlich hervorgehoben wurden. Es geht bei unserem Thema um Grundfragen einer Etappe deutscher Geschichte, ja der ganzen Periode imperialistischer Herrschaft in Deutschland. Es geht zugleich um die Auseinandersetzung mit einem der wichtigsten, charakteristischen Abschnitte jener geschichtlichen Vergangenheit, die in Westdeutschland noch Gegenwart ist — eine den Frieden in Europa und in der Welt ständig gefährdende Gegenwart. Die Gesamtdarstellung einer Geschichte der deutschen Wirtschaft im zweiten Weltkrieg wie auch ihre Teile werfen zahlreiche konzeptionelle Probleme auf, die sowohl inhaltlicher als auch methodischer Natur sind. Das in Angriff genommene Werk ist ein erster grundlegender Versuch, diese Probleme zu bewältigen. Mit dem vorliegenden ersten von drei geplanten Bänden werden Konzeption und Entwurf des Aufbaus für das ganze Vorhaben zur Diskussion gestellt. An dieser Stelle sollen einige Bemerkungen zur Periodisierung und zur methodischen Problematik der Darstellung und der Aufteilung des Gesamtwerkes Platz finden. Die Periodisierung der Wirtschaftsgeschichte des Krieges ist von der seines politischen und vor allem militärischen Verlaufs nicht zu trennen — weit weniger noch als bei der Behandlung längerer Zeiträume von geringerer Bewegtheit. Es liegt zwar keine Identität oder flache Parallelität der Entwicklungslinien, wohl aber ein komplizierter Synchronismus vor, bei dem die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland mächtige, ja übermächtige Impulse in — historisch gesehen — raschester Folge durch den äußerst dynamischen Verlauf der militärischen Ereignisse erhielt. Die charakteristische — dialektische — Wechselbeziehung zwischen moderner strategischer Kriegführung und Ökonomie besteht darin, daß einerseits wohl

Vorwort

XXIV

„Entwicklung und Veränderung der strategischen Anschauungen völlig von den ökonomischen Bedingungen und dem jeweiligen Entwicklungsstand der Produktiv· kräfte abhängen", andererseits aber wiederum „die Entwicklungsrichtung der Ökonomie auch unter Berücksichtigung strategischer Erwägungen gewählt wird und sich während eines Krieges fast völlig aus den Erfordernissen der Strategie ergibt." 1 Die Impulse des Kriegsgeschehens wirkten in verschiedenem Grade auf die einzelnen Gebiete der wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen bzw. staatsmonopolistischen Aktivität. Verlauf und Tempo der Veränderungen auf diesen Gebieten konnten sich durchaus asynchron entwickeln. Die Kompliziertheit des Synchronismus der Veränderungen in Politik bzw. Kriegführung und Ökonomie im zweiten Weltkrieg blieb auf die Methode der Einteilung und Unterteilung des Gesamtvorhabens nicht ohne Auswirkungen. Die Darstellung in Band I umfaßt die Kriegswirtschaft in der Zeit der militärischen „Blitzkriege" bis zum Überfall auf die Sowjetunion. In Band II wird die Geschichte der deutschen Wirtschaft in den folgenden beiden Perioden des Kriegsverlaufs untersucht werden (1941/43). Es sollen der Zusammenbruch der Blitzkriegsstrategie auch auf wirtschaftlichem Gebiet und der anschließende Versuch des deutschen Imperialismus behandelt werden, eine „totale", d. h. vollständig regulierte, „geplante" Kriegswirtschaft einzurichten. Band III wird das so geschaffene System auf seinem Höhepunkt und zugleich in seinen letzten großen Anstrengungen (etwa seit Herbst 1943), seine sich schnell vertiefende Agonie und schließlich seine Katastrophe darstellen. Wird eine relativ kurze historische Phase unter einer weitgefaßten Thematik ausführlich untersucht, so muß bei der Einteilung und Gliederung des Stoffes das sachliche Prinzip neben dem chronologischen eine wichtige Rolle spielen und sich besonders eng mit diesem verbinden. Im vorliegenden Band und in der Gesamtdarstellung wird in dieser Hinsicht ein neuer Versuch zur Diskussion gestellt. Bestimmte Hauptprobleme, sachliche Schwerpunkte, werden in jeder Periode, in jedem der drei Bände, zusammenhängend und ausführlich behandelt, mitunter auch des öfteren, wenn die Unterperiodisierung es erfordert (Kriegsziele des deutschen Monopolkapitals, Entwicklung des staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus, Lage der Werktätigen einschließlich der ausländischen Zwangsarbeiter, Wirtschaftspolitik in den okkupierten Gebieten). Andere Schwerpunkte werden ausführlicher erst für einen größeren, statistisch ergiebigen Zeitraum untersucht (industrielle Produktionsentwicklung, Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals, Entwicklung der Profite). Schließlich werden eine Reihe von Komplexen aus sachlichen oder chronologischen Gründen nur an einer oder an zwei Stellen des Gesamtwerks zusammenhängend behandelt (Landwirtschaft, Verkehr, Außenhandel, Kriegsfinanzierung, Potentialvergleiche, wirtschaftliche Auswirkungen der Luftangriffe). Die sachlichen Schwerpunkte werden so, innerhalb einer chronologischen Grunpstruktur, nach der Art selbständiger Studien untersucht und dargestellt. Jedoch 1 Militärstrategie,

unt. d. Red. v. W. D. Sokolowski, Berlin 1966, S. 42f.

Vorwort

XXV

bleibt nicht nur der chronologische, sondern auch der sachliche Zusammenhang des Ganzen gewahrt, indem konzeptionelle Grundfragen und theoretische Hauptprobleme wie die Kriegsplanung des deutschen Finanzkapitals, seine Expansionsziele und -richtungen, die Grundtendenzen der Entwicklung des staatsmonopolistischen Herrschaftsmechanismus und die spezifisch faschistischen Züge in der Kriegswirtschaft den roten Faden der Gesamtdarstellung bilden. Dieser rote Faden soll Band für Band, Etappe für Etappe wieder aufgegriffen und weiterverfolgt werden. Die Quellenbasis für Arbeiten zur Wirtschaftsgeschichte des Faschismus hat sich in der DDR in den letzten Jahren erheblich verbessert. Außer der Fülle des Materials früherer Konzernarchive, das — nach wie vor ungenügend genutzt — den Forschern in den Archiven der volkseigenen Betriebe zur Verfügung steht, haben die Staatliche Archivverwaltung der DDR und das Deutsche Zentralarchiv wertvolle Aktenbestände und zahlreiche Mikrofilme erworben und für die Forschung weitgehend erschlossen. Reiches archivalisches Material zur deutschen Geschichte der untersuchten Zeit und besonders zur Geschichte der faschistischen Okkupation enthalten die Archive befreundeter sozialistischer Länder. 2 Der Verfasser ist den Herren Professoren Jürgen Kuczynski und Wolfgang Schumann sowie den Mitarbeitern der Abteilung 1917—1945 des Akademieinstituts für Geschichte für guten Rat und freundschaftliche Kritik zu herzlichem Dank verpflichtet. Die Anfertigung der Register übernahm dankenswerterweise Herr Gerhard Haenel. 2 Eine kurze bibliographische Einleitung mit einer Würdigung und kritischen Wertung der Literatur zum Thema ist dem Quellen- und Literaturverzeichnis vorangestellt worden. Vorveröffentlichungen aus dem vorliegenden Band, die nur in besonderen Fällen zitiert werden, stellen ein Aufsatz in einem Sammelband und zwei Artikel im Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte dar. (Monopole und Staat in Deutschland 1917—1945, Berlin 1966, S. 3 3 - 5 9 , 1 9 3 - 1 9 9 ; Eichholtz, Dietrich, Zur Lage der deutschen Werktätigen im ersten Kriegsjahr 1939/40, in: J W G 1967, T. 1, S. 1 4 7 - 1 7 1 ; Csoüek, Roswitha/ Eichholtz, Dietrich, Zur wirtschaftspolitischen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion, in: J W G 1968, T. 1, S. 1 4 1 - 1 8 1 [teilweise]).

Einleitung

Die Geschichte der deutschen Wirtschaft im zweiten Weltkrieg ist ein Stück Geschichte des deutschen Imperialismus. Zweimal in unserem Jahrhundert rüstete der deutsche Imperialismus zum Krieg, zweimal führte er ihn, führte ihn auch wirtschaftlich unter Aufbietung aller Kräfte, die er für die schlechteste Sache, für sein größtes Verbrechen an der Nation mobilisieren konnte. Aus der Niederlage im ersten Weltkrieg zog er Lehren, deren Befolgung ihn zwanzig Jahre später nur um so gefährlicher und barbarischer werden, ihn um so skrupelloser Habe, Leben und Schöpferkraft des eigenen Volkes wie anderer Völker verwüsten und vernichten ließ. Sein Ziel war wiederum eine Neuaufteilung der Welt und ihrer Reichtümer unter seiner Führung, waren Kapitalanlagesphären, Absatzmärkte, Rohstoffquellen und Arbeitskräfte für das Finanzkapital. Wie den ersten, so führte er auch den zweiten Krieg um die Weltherrschaft, d. h. um die absolute Vormachtstellung in der Welt. Gegen Ende der zwanziger Jahre war Deutschland wieder in die Reihe der entwickeltsten, wirtschaftlich führenden imperialistischen Mächte aufgerückt. Expansionskraft und Aggressionsdrang potenzierten sich bei ihm mit dem Anwachsen seiner ökonomischen Stärke. Der deutsche Imperialismus war ein Imperialismus, dem man die Kolonien genommen hatte, ein Imperialismus, dessen Entwicklung dazu gehemmt war durch die finanziellen Lasten aus dem Kriege her und durch die den Monopolen lästige Beschränkung und Kontrolle, die die Siegermächte in bezug auf Rüstung, Finanzen usw. ausübten. Dementsprechend waren für die Entwicklung der faschistischen Bewegung in Deutschland von Anfang extremer Nationalismus und Chauvinismus charakteristisch; erst einmal an der Macht, verfocht der Faschismus vom ersten Tage an — wenn auch lange Zeit nicht unverhohlen — eine übersteigerte, zielgerichtete imperialistische Aggressivität nach außen. Mit dem Faschismus war eine Herrschaftsform des staatsmonopolistischen Kapitalismus geschaffen worden, die die Krise des Kapitalismus mit Terror im Innern und durch die Neuaufteilung der Welt nach außen überwinden sollte. 1 1 s. Ulbricht, Walter, Die Bedeutung und die Lebenskraft der Lehren von Karl Marx für unsere Zeit. Rede auf der wissenschaftlichen Session zum 150. Geburtstag von Karl Marx, 2.-4. 5. 1968, in : Neues Deutschland, 4. 5. 1968, S. 6.

2

Einleitung

Die Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939—1945 ist in erster Linie die Geschichte der Interessenpolarität und des Kampfes zwischen den herrschenden faschistisch-imperialistischen Kreisen als den Hauptkriegstreibern und dem deutschen Volk — die Geschichte des gräßlichen Triumphs, den die Profi tin teres sen des Finanzkapitals in dieser Zeit über die Lebensinteressen der Nation davontrugen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen einerseits die strategische und taktische kriegswirtschaftliche Konzeption des deutschen Monopolkapitals, seine Produktionsund Ausbeutungsmethoden, seine wirtschaftliche Expansion, seine Profitquellen und Profite, andererseits die wirtschaftliche Lage der werktätigen Massen, besonders der Arbeiterklasse, d. h. ihre materiellen Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen, ihre soziale und politische Stellung in dem „Militärzuchthaus" (Lenin) der staatsmonopolistischen Kriegswirtschaft, der Mißbrauch ihrer Produktivität und schöpferischen Aktivität in der Produktion für den imperialistischen Krieg, sowie nicht zuletzt der Einfluß des Kampfes der illegalen deutschen Arbeiterbewegung und der anderen antifaschistischen Kräfte auf die wirtschaftliche Entwicklung und die Lage der Klassen in Deutschland. Diese Grundthematik schließt notwendigerweise strukturelle Untersuchungen, d. h. Forschungen über die Klassenstruktur und ganz allgemein die Beachtung soziologischer Aspekte, in sich ein. Weiterhin werden analysiert: das Funktionieren des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft und seine inneren Gesetze und schließlich das wirtschaftliche Kriegspotential des deutschen Imperialismus, Struktur und Proportionen der Kriegswirtschaft, die tatsächlichen Ergebnisse und am Ende das katastrophale Desaster der wirtschaftlichen Kriegsanstrengungen. Eine ausführliche wissenschaftliche Analyse des Charakters der deutschen Kriegswirtschaft von 1939 bis 1945 steht noch aus. 2 Eine solche Analyse kann nicht bei der Betrachtung der einzelnen kriegswirtschaftlichen Erscheinungen stehenbleiben. Die deutsche Kriegswirtschaft m u ß untersucht und begriffen werden als besondere Form des kapitalistischen Reproduktionsprozesses, als spezifisches Entwicklungsstadium des staatsmonopolistischen Kapitalismus und schließlich als die Kriegswirtschaft eines faschistischen Regimes. Der Zusammenhang der genannten drei konzeptionellen Gesichtspunkte untereinander und mit den — teilweise übermächtig wirksamen — Faktoren des militärischen und politischen Geschehens darf nicht vernachlässigt werden. Nur in diesem Zusammenhang ist die besondere historische Form der deutschen Wirtschaft während des Krieges begreifbar. Die deutsche Kriegswirtschaft war eine kapitalistische Kriegswirtschaft. Sie ber u h t e auf der Ausbeutung der werktätigen Massen durch die Eigentümer der 2 Als erste Beiträge zum Thema s. Kuczynski, Jürgen, Studien zur Geschichte des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland 1918 — 1945 ( = derselbe, Die Geschichte der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 16) (im folgenden: Studien 1918—1945), Berlin 1963; Eichholtz, Dietrich, Probleme einer Wirtschaftsgeschichte des Faschismus in Deutschland, in: J"WG 1963, T. 3, S. 97 H.; vgl. auch Schröter, Alfred, Krieg-Staat-Monopol 1914-1918, Berlin 1965.

Einleitung

3

Produktionsmittel, besonders durch die Monopole und durch staatsmonopolistische Gruppierungen. Die grundlegenden ökonomischen Gesetzmäßigkeiten der (monopol-) kapitalistischen Ordnung wirkten im Kriege weiter, teilweise mit vervielfachter Energie. Insbesondere traf das auf das Gesetz des Monopolprofits und das Gesetz der Konzentration und Zentralisation der Produktion und des Kapitals zu. Selten in der Geschichte des deutschen Imperialismus profitierte das Monopolkapital so ungeheuerlich, selten schröpfte es die arbeitenden Massen so hemmungslos wie während, des Krieges. Der Krieg wurde zum Profitparadies für die großen Monopole. Zur Ausbeutung des Volkes auf direktem Wege gesellte sich seine schrankenlose Ausplünderung durch die Staatskasse. Die Finanzierung des Krieges, die in diesem Zusammenhang erörtert werden muß, war die bisher umfassendste Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten einer Handvoll von Rüstungsmonopolen. Die Konzentration und Zentralisation der Produktion in riesigen Rüstungsbetrieben machte im Kriege sprunghafte Fortschritte. Gewaltig ballte sich die Kapitalmacht in den Händen der großen Monopole zusammen. Die Konzentration des Kapitals wurde durch beispiellose Kriegsprofite enorm verstärkt. Stillegungen und Schließungen vieler Tausender kleinerer und mittlerer Betriebe und Zehntausender von Handwerksbetrieben sowie der Zwang für die übrigen, den Rüstungsmonopolen zuzuliefern, führten zu einer noch rascheren Zentralisation des Kapitals ; der Raub ausländischen Kapitaleigentums bedeutete eine zusätzliche Beschleunigung dieses Prozesses. Die ökonomischen Klassenziele des deutschen Finanzkapitals im Krieg waren kapitalistisch, imperialistisch. Den größten Profit erwarteten die Monopole erst als Frucht des Krieges: ihre Herrschaft über Europa und schließlich ihre Vorherrschaft in der Welt. Diese Kriegsziele waren die eigentliche Wurzel der faschistischen Aggression. Das System der ökonomischen Gesetze des Kapitalismus wies im Kriege wesentlich neue Züge auf. Der Reproduktionsprozeß des Kapitals, die Funktionen des kapitalistischen Wirtschaftsorganismus veränderten sich in erheblichem Maße.3 Binnen kurzem dominierte der Rüstungssektor eindeutig, absolut. Alle nicht „kriegswichtigen" Zweige der Produktion und Zirkulation gingen von nun an bis Kriegsende absolut zurück. Die Produktion von Waffen und Kriegsgerät stieg 1940 gegenüber 1939 stark an, auf etwa 180 Prozent. Dagegen sank die Erzeugung von Konsumgütern, die bisher insgesamt immer noch gestiegen war, um fünf Prozent, der Bau von Wohnungen um fast 50 Prozent. 4 Im Jahre 1940 waren durchschnittlich 50,2 3 vgl. die politökonomische Analyse der Kriegswirtschaft in den Vereinigten Staaten bei Wagner, Hans, Die zyklischen Überproduktionskrisen der Industrieproduktion in den USA in den ersten beiden Etappen der allgemeinen Krise des Kapitalismus (1914 - 1958), in: JWG 1964, T. 4, S. 11 ff., JWG 1965, T. 1, S. 27 ff., und besonders T. 2, S. 26ff. 4 s. Wagenführ, Rolf, Die deutsche Industrie im Kriege 1939—1945, 2. Aufl. (im folgenden: Industrie), Berlin 1963, S. 191; The Effects of Strategie Bombing on the German War Economy, (hg. ν. United States Strategie Bombing Survey. Overall Economic Effects Division. 31. Okt. 1945) (im folgenden: The Effects), Washington 1945, S. 231.

Einleitung

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Prozent aller in der deutschen Industrie Beschäftigten für die Wehrmacht tätig, d. h., sie produzierten für staatliche Rechnung. 5 Schon in dieser Phase der Kriegskonjunktur fiel also ein bedeutender Prozentsatz der gesellschaftlichen Produktion aus dem „normalen" Prozeß der kapitalistischen Reproduktion heraus, oder ging, exakter definiert 6 , als eine Form des gesellschaftlichen (parasitären) Konsums der herrschenden Klasse in die Abteilung Β (Konsumtionsgüter) des gesellschaftlichen Gesamtprodukts ein. Ein derartig hoher Anteil der Produktion auf staatliche Bestellung mußte das Gefüge der gesamten Wirtschaft stark verändern und dementsprechend auch Wirkungsweise und Auswirkungen solcher ökonomischen Gesetze wie desjenigen der Konkurrenz und der Anarchie in der Produktion und der Krisengesetze wesentlich modifizieren. Ebenso affizierten andere charakteristische Merkmale der imperialistischen Kriegswirtschaft — wie die schwere Disproportionierung der Wirtschaft (Hypertrophie der Rüstungs- und weitgehend auch der Grundstoffindustrien, Unterproduktion der Konsumgüterindustrien und ihre Devastation durch Devestition), die Aufhebung der chronischen Agrarkrise und die erzwungene Unterkonsumtion der werktätigen Massen — die Durchsetzung dieser Gesetzmäßigkeiten, hemmten sie, schoben sie hinaus oder verhinderten sie ganz. Der „normale" Reproduktionszyklus war durch ein ökonomisches System von äußerster Labilität, ein System staatsmonopolistischen Charakters, ersetzt, dessen Schicksal von dem Verlauf des Eroberungskrieges abhing und das unvermeidlich in einer Katastrophe für die Nation endete. Die deutsche Kriegswirtschaft stellte einen Reproduktionsprozeßbesonderer Art dar, dessen Ablauf und äußere Form ganz überwiegend und, jelänger, desto ausschließlicher von militärisch-politischen Faktoren bestimmt, dessen innere Form und Verfassung aber durch extreme Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus gekennzeichnet wurden. Unter staatsmonopolistischem Kapitalismus verstehen wir die neuen Strukturen und Entwicklungsformen, die der Imperialismus in Ökonomie und Politik seit einem halben Jahrhundert zunehmend hervorgebracht hat. Lenin stellte bereits im ersten Weltkrieg wichtige Veränderungen im Herrschaftssystem der kriegführenden imperialistischen Staaten, besonders Deutschlands, fest. Er definierte diese Erscheinungen unter dem Begriff des staatsmonopolistischen Kapitalismus als das Verwachsen von Monopolen und Staat zu einem einzigen Mechanismus imperialistischer Herrschaftsausübung, als Verschmelzung der Potenzen beider.7 Das Hinüberwachsen des monopolistischen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus ist ein Wesensmerkmal der allgemeinen Krise des Kapitalismus und der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus. Dieser Prozeß stellt eine aggressive Aktion und Reaktion der herrschenden imperialistischen Kreise angesichts des Drucks der Entwicklung der modernen Produktivkräfte und ange5 The Effects, S. 213. 6 s. Wagner, Hans, a. a. 0., in: JWG 1964, T. 4, S. 39f., 79ff. ; derselbe, Reproduktionsprozeß und Rüstung, i n : Wirtschaftswissenschaft, H. 1/1962, S. 80ff. 7 s. Analyse und Begriffsbestimmungen in den Werken Lenins, besonders aus J a h r e 1 9 1 7 ; Lenin, W. / . , Werke, B d . 24 ff.

dem

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sichts der Vertiefung aller Widersprüche des Kapitalismus dar; er spiegelt objektiv die Konfrontation und Auseinandersetzung des in seiner Herrschaft erschütterten Finanzkapitals mit den schweren ökonomischen und politischen Krisen, mit der Zuspitzung des Klassenkampfes und insbesondere mit dem Vormarsch des Sozialismus in der Welt wider. Diese neue Phase imperialistischer Entwicklung zeichnet sich durch eine qualitativ neue Rolle der Staatsmacht in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, besonders aber in der Gestaltung des kapitalistischen Reproduktionsprozesses aus. 8 Der imperialistische Staat wirkt mit umfassender Aktivität auf jene Bereiche ein; die Wirtschaft wird regulierenden Eingriffen von gesamtvolkswirtschaftlichen Ausmaßen und Auswirkungen unterworfen. Solche Eingriffe sollen die Erhaltung, Sicherung und Erweiterung der Profite der Finanzoligarchie und ihrer Macht überhaupt gewährleisten. Nach wie vor herrscht das Finanzkapital, herrschen die mächtigsten Monopolgruppen; sie vereinen ihre Macht mit den gewaltigen Potenzen des Staates zu einem einzigen Herrschaftsmechanismus. Die ihnen solcherart zuwachsenden staatsmonopolistischen Potenzen sichern ihnen zeitweise größere Manövrierfähigkeit. Sie erweitern ihnen vor allem den Spielraum für die Entwicklung der Produktivkräfte; aber sie ermöglichen ihnen auch die planmäßige, massenhafte Umwandlung von Produktivkräften in Destruktivkräfte, in Mittel der Zerstörung und Massenvernichtung. Diese Potenzen können in dem Maße vermehrt werden, in dem es der herrschenden Klasse gelingt, ihr staatsmonopolistisches Herrschaftssystem im Widerspruch zu den Lebensinteressen der arbeitenden Klassen auszubauen und zu vervollkommnen. Jener Mechanismus ist indessen keineswegs konfliktlos und einheitlich. Weder verändert der staatsmonopolistische Kapitalismus das Klassenwesen des Kapitalismus und Imperialismus, noch kann er dies System vor seinem schließlichen Untergang bewahren. Konkurrenz und Anarchie der Produktion und der gesellschaftlichen Verhältnisse überhaupt wirken auf höherer Ebene und in neuen Formen 8 s. besonders (auch für das Folgende) Ulbricht, Walter, Die Bedeutung des Werkes „Das Kapital" von Karl Marx für die Schaffung des entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus in der DDR und den Kampf gegen das staatsmonopolistische Herrschaftssystem in Westdeutschland. Referat auf der Internationalen wissenschaftlichen Session : 100 Jahre „Das Kapital", in : Neues Deutschland, 13.9.1967 ; Imperialismus heute. Der staatsmonopolistische Kapitalismus in Westdeutschland (Autorenkollektiv), Berlin 1965 (4. überarb. u. erweit. Aufl. 1967) ; unter den Beiträgen zur Diskussion s. Hemberger, Horst, u. a. Sechs Feststellungen zum staatsmonopolistischen Kapitalismus in Westdeutschland, in: Einheit, H. 1/1967, S. 74ff.; Giindel, Rudi, u.a., Zur Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus, Berlin 1967; Klein, Dieter, Über den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen im gegenwärtigen Imperialismus, in: Einheit, H. 7/1967, S. 890ff.; in den Begriffsbestimmungen abweichend und aus zu enger Sicht Kuczynski, Jürgen, Vorbemerkung zu : Baudis, Dieter, u. a., Aus den Geheimarchiven amerikanischer Monopole in Kuba: Die Planung bei Standard Oil (1957 - 1960), in: JWG 1966, T. 3, S. U f f . 2

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

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fort. Die Widersprüche des imperialistischen Systems reproduzieren sich auf größerer Stufenleiter und in neuen Dimensionen. Die faschistische Diktatur ist ein besonders exemplarischer Beleg für diese Thesen. Den reaktionärsten und aggressivsten Elementen des deutschen Finanzkapitals erschien es ausgangs der Weltwirtschaftskrise angeraten, ihre faschistische Herrschaft über das deutsche Volk zu errichten, d. h. ihre Macht mit den Potenzen eines faschistischen Regimes zu verschmelzen. Nurmehr den Faschismus hielten sie für fähig, ihnen mittels offenen Terrors und mit Hilfe von Demagogie und Massenverführung den gordischen Knoten innerer und äußerer Schwierigkeiten und Widerstände zu durchhauen, die sie daran hinderten, die arbeitenden Klassen rücksichtslos auszuplündern, forciert aufzurüsten, ihre Großmachtstellung zu restaurieren und schließlich mit der Expansion in Europa und über Europa hinaus zu beginnen. Der staatsmonopolistische Kapitalismus faschistischer Prägung war hochgradig entwickelter Imperialismus. Der faschistische Staat war ein Staat der Monopole, seine Politik konzentrierter Ausdruck der ökonomischen Verhältnisse, d. h. der Bedingungen und Bedürfnisse der Monopolherrschaft. Der Krieg war nicht die Ausgeburt irgendwelcher „dämonischen" Kräfte in und um Hitler; es war ein Krieg der Monopole um die Vorherrschaft in Europa und in der Welt. Das faschistische Regime war mit der Funktion betraut, einen solchen Krieg vorzubereiten und zu führen. Die Herrschaftsmethoden des Faschismus sollten jenen Kreisen das geeignete Mittel bieten, einerseits die arbeitenden Klassen, voran die Arbeiterklasse, der unumschränkten Ausbeutung durch die Monopole vollständig zu unterwerfen und sie als Schlachtvieh für den Krieg zu manipulieren, andererseits die Schwächen des deutschen Kriegspotentials durch angespannteste Rüstung und umfassende staatsmonopolistische Regulierung und Kontrolle wettzumachen. Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sollten in bisher nicht dagewesenem Umfang und einmaliger Intensität von dieser Regulierung und Militarisierung erfaßt und durchdrungen werden. Dies war objektiv der Versuch, zu einem vollständigen, „totalen" System staatsmonopolistischer Machtausübung zu gelangen; er führte schon vor 1939 zu weiterreichenden Resultaten, als man sie während des ersten Weltkrieges hatte erzielen können. In den Kriegsjahren 1939—1945 wurde er weitgehend verwirklicht — im Rahmen des „Großdeutschen Reiches" und des unmittelbar beherrschten Territoriums und in Formen, die den Kriegsverhältnissen entsprachen. 9 Die Rüstungs- und Kriegswirtschaft stellte das Kernstück dieses Systems dar. Vorzüglich auf wirtschaftliche > Gebiet waren Monopole und faschistischer Staat bestrebt, frühzeitig und von vornherein eine, wie sie meinten, siegversprechende staatsmonopolistische Organisation der Rüstungs- und Kriegswirtschaft zu schaffen. 9 Die Behandlung der staatsmonopolistischen Entwicklung 1933—1945 in Imperialismus heute, a. a. 0 . , S. 64 ff., wird der theoretischen und politischen Bedeutung, die die faschistische Zeil gerade unter diesem Aspekt hat, nicht gerecht.

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Das faschistische Regime erschien ihnen vor allem als die geeignetste Form eines „Militärzuchthauses für die Arbeiter" (Lenin). Sie vereinbarten mit Hitler schon vor 1933 ebenfalls den Aufbau einer staatlichen Zwangsorganisation der Wirtschaft unter dem Kommando der Monopolgewaltigen selbst. 10 Sie drängten auf eine möglichst radikale Umverteilung des Nationaleinkommens zugunsten der imperialistischen Aufrüstung. Führende Konzerne bereiteten schon Jahre vor dem Krieg gemeinsam mit der Naziclique die deutsche Wirtschaft nach dem Muster extremer staatsmonopolistischer Regulierung und Planung aus dem ersten Weltkrieg, nach dem — erweiterten — „Hindenburg-Programm", auf den neuen Krieg vor. 11 Im Krieg erreichte das staatsmonopolistische Zwangs- und Regulierungssystem seine bis dahin ausgeprägteste und vollkommenste Form. Es kulminierten in der Wirtschaft der Kriegsjahre auch jene bedeutenden Veränderungen in der ökonomischen Basis, auf die bereits Lenin hinwies. Schon im Verlauf der Aufrüstungsphase traten Staat und Monopole in immer engere, direktere ökonomische Beziehungen zueinander. Je enger und umfassender diese Beziehungen, desto stärker entwickelte sich der staatsmonopolistische Apparat. Es wurden Regulierungsfunktionen immer umfassenderen und einschneidenderen Charakters von staatlichen auf Monopolvertreter und -Institutionen übertragen und umgekehrt, bzw. es wurden zu diesem Zweck neue staatsmonopolistische Organe geschaffen, geleitet teils von behördlichen und Parteifunktionären, teils von führenden Monopolvertretern. Die Rüstungs- und Kriegsproduktion, jene „besondere Art der Volkswirtschaft", die „schon kein ,reiner' Kapitalismus mehr ist" 12 , war bereits im ersten Weltkrieg der wichtigste konstituierende Faktor für die höchst intensiven Formen des staatsmonopolistischen Kapitalismus, von denen Lenin bei seinen Hinweisen und Bemerkungen zum Wesen dieser Erscheinung ausging. Der zweite Weltkrieg brachte ein treibhausmäßiges Wachstum extremer, d. h. besonders intensiver und ausgedehnter Formen des Verwachsene von Monopolen und Staat, des Verschmelzens von staatlichen und monopolistischen Funktionen in Wirtschaft und Wirtschaftspolitik mit sich. Diese Formen entwickelten sich zu einem weitgehend vollständigen, umfassenden ökonomischen System des staatsmonopolistischen Kapitalismus, in dem Monopole, Militärs und faschistische Staats- und Parteiorgane über ein extrem ausgebildetes Instrumentarium für Regulierung und Kontrolle verfügten. Für kurze Zeit, bis zum Abbruch dieses „Experiments" durch das Kriegsende, war damit in Deutschland das Hinüberwachsen des monopolistischen in den staatsmonopolistischen Kapitalismus annähernd vollständig vollzogen. Der Krieg und seine außerordentlichen Anforderungen an die kapitalistische Wirtschaft — außerordentlich sowohl dem Ausmaß als auch der Qualität dieser Anforderungen, 10 s. Dok. NI-7990, Äff. Kurt v. Schröder, 2 1 . 7 . 1 9 4 7 , Fall VI, A D B 3, teilw. gedr. in : Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, S. 606f. 11 s. Kapitel I. 12 Lenin, W. / . , Den Sozialismus einführen oder aufdecken, wie die Staatskasse geplündert wird?, in: Werke, Bd. 25, Berlin 1960, S. 57. 2*

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nämlich dem Grad ihres gesellschaftlichen Charakters nach — schufen dafür entsprechende Bedingungen, denen im naturwissenschaftlichen Experiment etwa höchste Drücke und äußerste Grade von Reinheit entsprechen. Mit Krieg und Kriegsverlauf war unmittelbar und in akutester Weise das Schicksal der gesamten herrschenden Klasse verknüpft. Von seinem siegreichen Ausgang hing sowohl die Ausdehnung ihrer Herrschaft ab als auch deren Erhaltung; war der Sieg, so war auch ihre Herrschaft überhaupt in Frage gestellt. Der Krieg zwang die herrschende Klasse zur Anerkennung seines höchstgradig gesellschaftlichen Charakters auch in der Wirtschaft durch schärfste Formen staatsmonopolistischer Regulierung. Die Bemühungen von Monopolen und Staat um Regulierung und Planung der Volkswirtschaft im Kriege waren nichts anderes als der Versuch, um ihrer Kriegsziele und Rüstungsprofite willen das spontane, zerstörerische Wirken bestimmter wichtiger Produktions- und Marktgesetze zu hemmen und sogar ihre Auswirkungen gänzlich aufzuheben, der Versuch einer „Bändigung des kapitalistischen Milieus" 13 . Dazu bedurfte es eines übermächtigen gesellschaftlichen Hindernisses, wie Marx es in anderem, aber prinzipiell sehr wohl vergleichbarem Zusammenhang formulierte 14 , das sie selbst daran hinderte, die erwähnten Gesetzmäßigkeiten wie in Friedenszeiten in Gang zu setzen und in Gang zu halten. Es bedurfte eines „Staatsgesetzes", um bei der Marx'schen Formulierung zu bleiben, das sie zwang, in bestimmtem, durch sie selbst mehr oder weniger genau begrenztem Maß gewissermaßen wider die eigene Natur zu leben. Das Gelingen eines solchen Versuchs hing davon ab, inwieweit die herrschenden Kreise in der Lage waren, den Kampf der Volksmassen zeitweise zu paralysieren, die Widersprüche innerhalb der Kapitalistenklasse zu dämpfen und überhaupt den anarchischen Grundcharakter der kapitalistischen Ökonomik zu „regulieren". Die Gesetzmäßigkeiten und Widersprüche, die dem Funktionieren des staatsmonopolistischen Mechanismus in der Kriegswirtschaft zugrunde lagen, und der Wandel in den Formen dieses Mechanismus sind noch wenig erforscht. Einige allgemeine Gesetze staatsmonopolistischer Entwicklung lassen sich aber als Ergebnis der bisherigen marxistischen Untersuchungen deutlich herausschälen. Wird die Struktur des staatsmonopolistischen Kapitalismus als Verwachsen von Monopolen und Staat, als Verschmelzung der Potenzen beider, definiert, so sind als gesetzmäßige Elemente dieser Struktur Monopolgruppen und staatsmonopolistische Gruppierungen erkennbar. Während die von Kuczynski entdeckten Monopolgruppen15 sich mit dem Imperialismus selbst herausbildeten, sind Entstehung, Entwicklung und Konkurrenz von staatsmonopolistischen Gruppierungen als ein spezifisches Strukturgesetz des staatsmonopolistischen Kapitalismus zu definieren. Diese Gruppierungen sind zu unterscheiden von den Monopolgruppen 13 Giindel, Rudi, u. a., a. a. 0 . , S. 130. 14 vgl. Marx, Karl, Das Kapital, Bd. 1, in : Marx/Engels, S. 320. 15 s. Kapitel IV (Exkurs).

Werke, Bd. 23, Berlin 1962,

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sowohl wie von den Finanzgruppen, die Lenin charakterisiert, wenn zwischen ihnen allen auch wichtige historische und theoretische Zusammenhänge bestehen. Unter einer staatsmonopolistischen Gruppierung ist ein Interessen- und Machtkomplex zu verstehen, in dem bestimmte Monopole, Gruppen von Monopolen oder auch ganze Monopolgruppen (Kohle/Eisen/Stahl, Chemie/Elektroindustrie) mit bestimmten Teilen des Staatsapparates und Parteiapparats verwachsen. Staatsmonopolistische Gruppierungen werden durch staatsmonopolistische Institutionen und Organisationen wie Behörden (Ministerien, Vierjahresplanorganisation), „Selbstverwaltungs"-Organe der Wirtschaft (Reichsgruppen, Wirtschaftsgruppen, Reichsvereinigungen), lobbyistische Gruppen des Monopolkapitals („Kleiner Kreis" der Ruhrmontankonzerne), „Wirtschaftsberater des Führers" und andere repräsentiert. Sie sind von mehr oder weniger dauerhafter Konsistenz und konkurrieren innerhalb des Herrschaftsmechanismus um den entscheidenden Einfluß auf die Wirtschaftspolitik ebenso wie auf die von der Wirtschaftspolitik nicht abtrennbaren innen- und außenpolitischen Grundentscheidungen. Politischen Kursänderungen liegt häufig ein Führungswechsel zwischen staatsmonopolistischen Gruppierungen zugrunde. Einschneidende politische und militärische Ereignisse können ihrerseits einen solchen Führungswechsel verursachen. Während hier ein vorwiegend strukturelles Gesetz, das Gesetz eines Strukturzusammenhangs, vorliegt, kann als vorwiegend genetisches Gesetz (Entwicklungsgesetz) die Konzentration und Zentralisation staatsmonopolistischer Regulierungsgewalt bei den führenden Monopolen und Monopolgruppen formuliert werden. Das Wirken dieses Gesetzes ist während der ganzen Dauer des Krieges und auch in der Vorkriegszeit, in der Rüstungs- und Kriegswirtschaft ebenso wie in den anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nachzuweisen. Zu den wichtigsten spezifischen Merkmalen der deutschen Kriegswirtschaft, die durch den faschistischen Charakter des politischen Regimes verursacht wurden, zählte vor allem der offene, offizielle Terror insofern, als er in die Ökonomik, in die Produktion, bis zum letzten Arbeitsplatz eindrang; er griff besonders auch auf die eroberten und besetzten Gebiete über. Der faschistische Terror gegen die Werktätigen brachte ökonomische Ergebnisse. Die Gewalt wurde hier zweifellos zu einer erheblichen ökonomischen Potenz. Doch der Terror konnte auch in genau entgegengesetzter Richtung wirken, und tatsächlich wirkte er sehr negativ auf das Kriegspotential des deutschen Imperialismus ein. Dies traf — je später, desto stärker — besonders für die besetzten Gebiete zu. Die Politik der Eroberung mußte in Widerspruch zur effektiven wirtschaftlichen Ausnutzung und Ausbeutung des Eroberten geraten und zwangsläufig „unmoderne" Züge aufweisen, Züge, die einer „modernen" monopolistischen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik widersprachen. Aus Monopolkreisen und auch aus der obersten Naziclique waren während des ganzen Krieges Stimmen zu vernehmen, die es für Unverstand erklärten, im Krieg Arbeitskräfte, die man so dringend brauchte, verhungern zu lassen, „auszusiedeln", „sonderzubehandeln"oderandersmassenweiseauszurotten. Es handelte sich dabei um ein für die deutschen Imperialisten letzten Endes unlösbares Problem. Wollten sie die Menschen der okkupierten Länder zu effektiven

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Arbeitskräften für die Kriegswirtschaft der Monopole machen, so mußten sie ihnen das Leben und dazu einige Freiheit lassen, mußten ihnen mehr zu essen geben usw. Dann aber hätte sich ihr Widerstand in Umfang und Wirksamkeit leicht potenziert. Das war es, wovor Staat und Monopole die größte Furcht hatten; denn es war der Grundwiderspruch zwischen der herrschenden faschistisch-imperialistischen Clique und den Völkern, der da aufbrach, hier in der Form des Widerspruchs zwischen den Weltherrschafts- und -ausbeutungsplänen und den politischen Möglichkeiten der deutschen Imperialisten. So wurden ökonomische Notwendigkeiten, wie sie selbst Vertreter der herrschenden Klasse in der Kriegswirtschaft teilweise sahen und erkannten, verletzt, weil sie letzten Endes verletzt werden mußten. Terror allein erwies sich auch als untauglich dazu, die deutschen Werktätigen kriegswillig und opferfreudig zu stimmen. Die faschistischen Machthaber waren darauf angewiesen, sich ihren Krieg auch auf wirtschaftlichem Gebiet von einem Volk führen zu lassen, auf dessen allgemeine Kriegsbegeisterung sie trotz verbreiteter Verhetztheit und Verwirrung nicht rechnen durften. Sie waren daher nahezu bis zum letzten Tag des Krieges darauf bedacht, ein System bestimmter Zugeständnisse und sozialer Palliativa einzurichten und aufrechtzuerhalten. Diese Zugeständnisse, vielfach ausdrücklich mit der Furcht vor der Antikriegsstimmung des Volkes und den revolutionären Massenaktionen der Jahre 1917/18 begründet, gingen auf Kosten der Totalität der wirtschaftlichen Kriegführung sowie auf Kosten der unterjochten Völker. Nichtsdestoweniger blieb der Terror auch innerpolitisch das wichtigste Herrschaftsinstrument. Er verschärfte sich sogar noch um vieles. Auch diese tiefe Widersprüchlichkeit, aus der sich das Regime nicht befreien konnte, war ein Ausdruck des genannten Grundwiderspruchs. Als etwas historisch Neues traten ferner die spezifisch faschistischen Methoden bei der Plünderung und Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen Europas, besonders Osteuropas, hinzu, bei der Aufteilung der europäischen Reute durch den gewaltigen staatsmonopolistischen Apparat, der zu großen Teilen neu dafür geschaffen wurde. Das Ausmaß und die verbrecherischen Methoden der Ausplünderung der meisten Völker Europas durch den deutschen Imperialismus waren geschichtlich ohne Reispiel. Die grausame Ausbeutung von Millionen ausländischer Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen stellte ein besonders schändliches Kapitel in der Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft dar. Das Profitieren von billigsten, zwangsweise beigetriebenen ausländischen Arbeitskräften war für Monopole und Junker kein kriegsbedingter Ausnahmezustand, sondern allgemeines Kriegsziel. Die Form der Ausbeutung der ausländischen Arbeitskräfte wurde von rein faschistischen Methoden bestimmt. Schließlich nahm die faschistische Partei — verstanden als Summe aller Naziorganisationen — ihren Platz im staatsmonopolistischen System der vereinigten Macht von Monopolen und Staat ein. 16 Das hatte unter anderem zur Folge, daß die 16 vgl. auch Kuczynski, Jürgen, Darstellung der Lage der Arbeiter in Deutschland von 1933 bis 1945 {— derselbe, Die Geschicble der Lage der Arbeiter unter dem Kapitalismus, Bd. 6) (im folgenden: Lage der Arbeiter 1933-1945), Berlin 1964, S. 39ff.

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Struktur des staatsmonopolistischen Mechanismus und der Kampf der staatsmonopolistischen Gruppierungen untereinander komplizierter, unübersichtlicher und noch widersprüchlicher wurden. Die Gesetzmäßigkeit der Niederlage des deutschen Imperialismus 17 bedarf ausführlicher Detailuntersuchungen und entsprechender weiterer theoretischer Durchdringung. Es handelte sich bei ihr nicht um ein ökonomisches, sondern um ein gesamtgesellschaftliches Gesetz, das sich aus der allgemeinen, grundlegenden Gesetzmäßigkeit der gesellschaftlichen Entwicklung ableitete, derzufolge eine Gesellschaftsordnung (die sozialistisch-kommunistische, die den gesellschaftlichen Fortschritt der Menschheit verkörpert) die andere (die niedergehende, kapitalistische) ablöst. Diese zuletzt genannte Gesetzmäßigkeit hat zahlreiche Ableitungen und Erscheinungsformen. Wie alle spezifisch historischen Gesetzmäßigkeiten 18 ist sie ein wesentlich tendenzielles Gesetz, d. h., sie setzt sich im Klassenkampf der progressiven Kräfte gegen die alte herrschende Klasse durch, in einem Kampf, der die erbittertsten Formen annehmen kann, in dem die in ihrer Existenz bedrohte Reaktion zu den verbrecherischsten, grauenvollsten Mitteln greift und der auch in eine zeitweilige Niederlage des Fortschritts münden — aber nicht darin enden — kann. In der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus haben die Ideen des Friedens, der Humanität, der Demokratie und des Sozialismus dank dem Kampf der revolutionären Arbeiterbewegung und anderer fortschrittlicher Kräfte in den Völkern aller Länder tiefe Wurzeln geschlagen. In dieser Epoche hat ein politisches System wie der Faschismus keine Perspektive. Es ist gegen alle geschichtliche Vernunft. Die Entfesselung des zweiten Weltkriegs durch den deutschen Faschismus war ein Versuch, die tiefen Widersprüche zwischen Monopolherrschaft und Demokratie, zwischen Kapitalismus und Sozialismus im Interesse der deutschen Monopole zu lösen und die ganze Welt ihrem Diktat zu unterwerfen. Damit nahmen die inneren Widersprüche aber nur übernationale, weltumspannende Ausmaße an, und der Faschismus mußte unvermeidlich seiner Katastrophe entgegeneilen. Dieses unmenschliche System einer Clique von Räubern, Mördern und modernen Sklavenhaltern machte sich die Völker der ganzen Welt zum Feind und rief ihren immer erbitterteren Widerstand hervor, an dem es schließlich notwendig scheiterte. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion, auf die fortschrittlichste gesellschaftliche Ordnung in der Welt, trat klar zutage, daß die deutschen Kommunisten in ihrer wissenschaftlichen Voraussage über den „hoffnungslosen Krieg" (Berner Resolution) recht behalten würden. Der deutsche Imperialismus ging der größten Niederlage 17 s. Ulbricht, Walter, Zur Eröffnung der ersten sozialistischen Militärakademie in der Geschichte Deutschlands, Berlin 1959, S. 8ff. ; Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, Berlin 1966, S. 409 ff. 18 Zu Wesen und Problematik der spezifisch historischen Gesetze s. Gurewitsch, A. J Allgemeines Gesetz und konkrete Gesetzmäßigkeit in der Geschichte, in: Sowjetwissenschaft. Gesellschaftswissenschaftliche Beiträge, H. 2/1966, S. 177 ff.

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seiner Geschichte entgegen. Sein ökonomisches Potential stand wie sein militärisches und moralisches in unlösbarem Widerspruch zu seinen Kriegszielen. Die aus diesem Dilemma geborene „Blitzkriegs"-Strategie der deutschen Militaristen scheiterte am Widerstand des Sowjetvolkes und seiner Verbündeten. Im J a h r e 1945, mit der großen sowjetischen Januaroffensive, begann die Vernichtung des faschistischen Raubtiers in seiner eigenen Höhle. Als am 8. Mai die Herrschaft des Faschismus über Deutschland endete, sah sich das deutsche Volk dem wirtschaftlichen Chaos, dem materiellen und geistigen Ruin gegenüber. Dem Widerspruch zwischen den Kriegszielen und den wirtschaftlichen Potenzen des deutschen Imperialismus — wiewohl praktisch von größter Bedeutung — kam im Zusammenhang mit der Gesetzmäßigkeit jener Niederlage nur sekundäre Bedeutung zu. E r hatte den Rang einer historischen Besonderheit, die sich aus Geschichte und ökonomisch-geographischer Lage des deutschen Imperialismus ergab und die erleichternd und beschleunigend auf die Durchsetzung des allgemeinen Gesetzes wirkte. Das Gesetz selbst galt und gilt auch unabhängig von solchen zweitrangigen historischen Phänomenen und besonderen Widersprüchen. E s gilt heutzutage zum Beispiel auch in bezug auf die Vereinigten Staaten und deren Aggression in Vietnam, ohne daß hier ein derartiger Widerspruch vorwaltet. Trotzdem war die besonders explosive Widersprüchlichkeit, in die sich die herrschende Klasse Deutschlands in ihrem Krieg angesichts ihrer maßlosen Kriegsziele und des unzulänglichen Wirtschaftspotentials verstrickte, keine historisch zufällige Besonderheit des deutschen Imperialismus. Seine Lage war Teil der Situation des Weltimperialismus, und es war die Wirkung der ungleichmäßigen politischen und ökonomischen Entwicklung der imperialistischen Länder, die die Widersprüche des Imperialismus in Deutschland zu einem besonders komplizierten, für die herrschende Klasse unauflösbaren Knoten sich schürzen ließ. E s bestätigte nur von neuem die Gültigkeit des von Lenin entdeckten Gesetzes der Ungleichrnäßigkeit der E n t wicklung der kapitalistischen Länder, wenn in Deutschland eine Art schwächstes Kettenglied in der Reihe der imperialistischen Staaten entstanden war. Die Niederlage des deutschen Imperialismus ereilte dieses schwächste Glied. Im Zusammenhang damit setzte in Europa eine Reihe weltgeschichtlicher revolutionärer Veränderungen ein, unter denen die Entstehung des ersten sozialistischen Staates auf deutschem Boden einen hervorragenden Platz einnahm.

KAPITEL I

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis des deutschen Imperialismus für den zweiten Weltkrieg. Die Kriegsziele der deutschen Monopole

Sieben J a h r e angespannter Rüstung des deutschen Imperialismus bestätigten die warnende Voraussage der Kommunistischen Partei Deutschlands, daß der Faschismus Krieg bedeute. 1 Das außerordentliche Ausmaß der Kriegsvorbereitungen seit 1933 und die Rüstungsüberlegenheit des faschistischen Deutschlands bei Beginn des zweiten Weltkriegs legen Zeugnis davon ab, wie ernsthaft die deutschen Imperialisten und Militaristen ihre Niederlage von 1918 und den Schock der Novemberrevolution auf ihre Weise analysiert und wie gründlich sie ihre Lehren gezogen hatten. Zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten und latente soziale Konflikte im Innern, außenpolitische Klippen und Gefahren schränkten ihre Möglichkeiten ein. Trotzdem befand sich die deutsche Wirtschaft, gemessen an den Maßstäben des ersten Weltkrieges, schon vor Ausbruch des neuen Krieges in verschiedener Beziehung im Stadium einer Kriegswirtschaft. Vor allem galt dies für das „Militärzuchthaus" (Lenin), das Monopole und faschistische Machthaber für die Werktätigen eingerichtet hatten. Vielfältige Formen weitgehender Regulierung der Rüstungsproduktion, der Produktion und Verteilung von Rohstoffen und anderer Bereiche der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung waren seit Jahren in Anlehnung an das Muster des ersten Weltkrieges („Hindenburg-Programm") erprobt und entwickelt worden. Die Mobilmachungspläne für die Umstellung der Wirtschaft auf den Krieg lagen bis ins Detail ausgearbeitet vor.

1. D i e P h a s e der u n m i t t e l b a r e n wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung 1936-1939 a) Die

Vierjahresplanpolitik

Seit dem offenen Aufbau der faschistischen Luftwaffe (Erlaß vom 26. Februar 1935), dem Wehrpflichtgesetz vom 16. März und dem deutsch-britischen Flottenabkommen vom 18. Juni 1935 beschleunigte der deutsche Imperialismus seine Kriegsvorbereitungen in hohem Grade. Die Bestimmungen des Versailler Vertrags, früher 1 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 4, Berlin 1966, S. 328.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

soweit wie möglich umgangen, wurden nun offen durchbrochen. Der hochschnellenden Zahl der Rekrutierten entsprechend, wuchs die Beanspruchung der Wirtschaft für Bewaffnung, Ausrüstung und Unterhalt der Militärmaschine. Besonders in schweren Waffen, in Kriegsgerät und militärischen Bauten, die bisher nur schwer vor den internationalen Überwachungsorganen zu verbergen waren, blühte jetzt die Konjunktur. In Schlachtschiffen und Unterseebooten, Flugzeugen und Flugplätzen, Panzern und schwerer Artillerie meldete das Militär größten Nachholbedarf an. Nachdem alle wesentlichen Schranken für eine offene und unbegrenzte Aufrüstung gefallen waren, erhob sich vor Monopolkapital, Naziclique und Generalität das Problem der zukünftigen Strategie in seiner ganzen Größe. Es mußten das Ziel künftiger Rüstungen, ihr Ausmaß und einzuschlagendes Tempo annähernd bestimmt werden. Wie zu erwarten, wurde von der bisher demagogisch geforderten „militärischen Gleichberechtigung" aus Kurs auf die militärische und Rüstungsüberlegenheit des deutschen Imperialismus genommen. Diesen Kurs unterstützten alle Monopolgruppen. Die staatlichen Rüstungsausgaben machten einen gewaltigen Sprung nach oben. Nach allen verläßlichen Schätzungen verdoppelten sich die deutschen Rüstungsausgaben bereits im Haushaltsjahr 1935. Ein ähnlicher Sprung erfolgte im nächsten Jahr. Die Zehnmilliardengrenze wurde erheblich überschritten. Von 1935 an stieg auch der Anteil der Rüstungsausgaben am Nationaleinkommen schnell an. Er betrug 1938 — ohne die staatlichen und privaten Industrieinvestitionen des Vierjahresplans — etwas über 20 Prozent. 2 Damit und von nun an überstiegen die Rüstungsausgaben die Summe der volkswirtschaftlichen Bruttoinvestitionen. 3 J e höher die Wogen der Rüstungskonjunktur schlugen, desto schärfer und unvermittelter machten sich wirtschaftliche Schwierigkeiten bemerkbar. Die ersten ernsthaften Hemmnisse, die das beschleunigte Tempo der Kriegsrüstung in Frage stellten, tauchten im Außenhandel und in der Devisenwirtschaft auf. 4 Schachts Exportpolitik hatte zwar die qualitative Struktur des deutschen Außenhandels und seine geographische Richtung nicht unerheblich verändert, hatte ihn aber bei der 2 Die Schätzungen für 1938 (Hillmann, Stuebel, Kuczynski u. a.) bewegen sich zwischen 16,6 und 27 Prozent. Der angegebene Wert ist ein Mindestwert. E r erfaßt nicht alle für die Kriegsvorbereitung ausgegebenen Mittel, sondern nur die direkten Rüstungsausgaben; s. dazu die Aufstellung der deutschen Rüstungsausgaben auf S.31, nach der sich der Anteil der Rüstungsausgaben am Nationaleinkommen folgendermaßen entwickelte (Kalenderjahr; in Prozent): 1933 3 1936 17 1934 5 1937 19 1935 9 1938 20 3 s. Erbe, René, Die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik 1933—1939 im Lichte der modernen Theorie (Basle Centre for Economic and Financial Research, Series Β, Nr. 2), Zürich 1958, S. 109 . 4 s. Schweitzer, Arthur, Foreign Exchange Crisis of 1936, in: Zschr. f. d. gesamte Staatswissensch., Jg. 118 (1962) (im folgenden: Crisis), S. 2 4 3 - 2 7 7 .

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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anhaltenden schweren Stagnation des Welthandels nicht wesentlich über das Krisenniveau hinaus steigern können. Die forcierte Rüstung verschlang indessen Devisen für immer größere und kostspieligere Importe; besonders Kautschuk, Treibstoffe, Eisenerz, Stahllegierungsmetalle, Kupfer, Baumwolle, Leder waren im allgemeinen nicht anders als gegen Devisen auf dem Weltmarkt zu erlangen. Das Devisendefizit, das überwiegend aus Rüstungsaufträgen resultierte, belief sich von 1936 an jährlich auf rund eine Milliarde Reichsmark. Unter Monopolen, Militärs und Naziclique wurden seit F r ü h j a h r 1935 mehrere Wege zur Abhilfe diskutiert 5 : 1. Erhebliche Steigerung des Exports; 2. Aufbau und Ausbau der Erzeugung von synthetischen Ersatzstoffen für ausländische Rohstoffe; 3. Konsumtionsbeschränkung im Reich; 4. Verlangsamung des Tempos der Aufrüstung. Es gab mehrere, auch kombinierte „Lösungen", die jeweils bestimmte Gefahren f ü r das faschistische Regime überhaupt oder für seine Aufrüstung in sich bargen. In der Diskussion traten bedeutende Meinungsverschiedenheiten zutage. Eine erhebliche Konsumtionsbeschränkung für die Massen erschien den herrschenden Kreisen politisch zu riskant. Die Lösung einer echten Rüstungseinschränkung schied gleichermaßen für Monopole, Naziclique und Generalität von vornherein aus. Nach Ansicht der Gruppe um Schacht, Thomas und führende Kreise der Montanindustrie (Thyssen, Poensgen und andere) sollte das Tempo der Rüstung zeitweilig zugunsten des Exports — von Waren wie von Kapital — beschränkt, d. h., es sollte nicht so stark forciert werden wie vorgesehen. Das lag insbesondere im Interesse verschiedener Montankonzerne, die die augenblicklich günstige K o n j u n k t u r auf dem Weltmarkt zu nutzen und ihre Positionen auf den Außenmärkten zu erweitern trachteten. Ihre Linie deckte sich mit den Vorstellungen bestimmter Wehrmachtkreise von einer längerfristigen Rüstung konventionellen Stils und Tempos, der sogenannten Tiefenrüstung. In dieser Situation hing die Wahl des einzuschlagenden Weges — ceteris paribus — vom Kräfteverhältnis innerhalb des staatsmonopolistischen Apparates a b ; dieses wurde wiederum von den Zielen der verschiedenen Monopolgruppierungen und ihrer politischen Repräsentanten und von dem ökonomischen un.d politischen Gewicht bestimmt, mit dem sie diese Ziele vertraten. Nach heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus wählte man die am meisten imperialistische, am meisten chauvinistische Variante. Die aggressivsten Gruppen des deutschen Finanzkapitals (IG-Farben; die Großbanken, Flick, Krupp, Röchling und andere) versuchten gemeinsam mit der Naziclique, die Schwierigkeiten unmittelbar durch Druck auf die Lebenshaltung des Volkes (erste Formen der Rationierung) und auf längere Sicht durch die Autarkiepolitik des Vierjahresplanes zu überwinden. 5 vgl. Schweitzer, Arthur, Big Business in the Third Reich (im folgenden: Big Business), Bloomington (Ind.) 1964, S. 538.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Mit dem Vierjahresplan sollte, nach Hitler, erreicht werden, daß „auf all den Gebieten eine 100%ige Selbstversorgung eintritt, auf denen diese möglich ist", besonders in Treib- und Brennstoffen, Gummi, Eisen bzw. Eisenerz sowie in Textilrohstoffen. 6 Die eingesparten Devisen sollten der Einfuhr von Rohstoffen für die Rüstung und, soweit unumgänglich, von Lebensmitteln vorbehalten sein. Das war der Plan einer umfassenden „wirtschaftlichen Mobilmachung" in kürzester Frist. In vier Jahren sollte die Wirtschaft „kriegsfähig" sein. 7 Die Planungen sahen ein gewaltiges Bau- und Produktionsprogramm vor. ökonomisch bedeutete der Vierjahresplan eine Verlagerung bedeutender Ressourcen an Produktionsmitteln und Arbeitskräften aus dem Sektor der Friedensproduktion (teilweise aus den volkswirtschaftlichen Reserven) in den der Rüstungsproduktion. Neben den Rüstungsprogrammen der einzelnen Wehrmachtsteile rangierten jetzt als gleichberechtigt in der Dringlichkeit bei Kontingentierung und Finanzierung die Vierjahresplanvorhaben, seit 1938 besonders die „Programme" des G B Chemie („Gebechem"). 8 Diese Programme sahen eine rasche Steigerung der Produktion von Hydrierbenzin und Buna, von Leichtmetallen, Pulver, Sprengstoffen und Giftgasen und deren Ausgangsstoffen vor und enthielten Planungen für den Aufbau umfangreicher neuer Kapazitäten, vieler neuer Anlagen und Werke. Die politische Zielsetzung des Vierjahresplanes war unmißverständlich aus der Denkschrift Hitlers zu ersehen. Als Plan der wirtschaftlichen Vorbereitung der Mobilmachung sollte er die materiellen Voraussetzungen und Ressourcen dafür schaffen, um die Wehrmacht in vier Jahren „einsatzfähig" zu machen. 9 Die Vierjahresplanpolitik war eine planmäßige autarkische Politik unmittelbarer wirtschaftlicher Vorbereitung auf einen Krieg sowohl gegen die Sowjetunion als auch gegen die Westmächte einschließlich der Vereinigten Staaten. Ihr Ziel waren eine Erweiterung des rüstungswirtschaftlichen Potentials und eine Blockadefestigkeit, die für eine Reihe von „Blitzfeldzügen", für eine jeweils „rasche Kriegsentscheidung durch Vernichtungsschläge gleich zu Beginn der Feindseligkeiten" 1 0 ausreichten. 6 Treue, Wilhelm, Hitlers D e n k s c h r i f t z u m V i e r j a h r e s p l a n 1936, i n : V f Z , H . 2 / 1 9 5 5 , S. 204 ff. (im folgenden : Hitlers D e n k s c h r i f t ) . Z u r V i e r j a h r e s p l a n p o l i t i k , zu O r g a n i s a t i o n u n d P l a n u n g der V i e r j a h r e s p l a n i n s t i t u t i o n e n s. ausführlich Petzina, Dieter, A u t a r k i e politik i m D r i t t e n Reich, S t u t t g a r t 1968 (im f o l g e n d e n : A u t a r k i e p o l i t i k ) . 7 Treue,

Wilhelm,

Hitlers D e n k s c h r i f t , S . 210.

8 G e n e r a l b e v o l l m ä c h t i g t e r f ü r S o n d e r f r a g e n der chemischen E r z e u g u n g : offizielle B e z e i c h n u n g f ü r Carl K r a u c h , Mitglied des V o r s t a n d e s und des Z e n t r a l a u s s c h u s s e s der I G F a r b e n i n d u s t r i e AG u n d Stellv. L e i t e r der Reichsstelle f ü r W i r t s c h a f t s a u s b a u ( s p ä t e r : R e i c h s a m t f ü r W i r t s c h a f t s a u s b a u ) , die 1938 aus d e m V i e r j a h r e s p l a n a m t f ü r d e u t s c h e R o h - und W e r k s t o f f e hervorging. 9 s. Treue, Wilhelm,

Hitlers D e n k s c h r i f t , S . 210.

10 D o k . E C - 2 8 2 , F a l l V I , A D B 20, „ A r b e i t s b e r i c h t des G e n e r a l b e v o l l m ä c h t i g t e n des Ministerpräsidenten G e n e r a l f e l d m a r s c h a l l G e r i n g f ü r S o n d e r f r a g e n der chemischen E r z e u g u n g Dr. C. K r a u c h v o r d e m G e n e r a l r a t " , E n t w u r f v. 20./21. 4. 1939, D Z A / F S , I G - F a r b e n - P r o z c ß , F i l m N r . 413 (auch F a l l X I , A D B 119, D Z A P o t s d a m , N ü r n berger Prozesse, F a l l X I , Nr. 408, Bl. 104).

17

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitiing

Sie stellte außenwirtschaftlich zugleich den Versuch des deutschen Imperialismus dar, sich mittels planmäßiger „friedlicher" Durchdringung und Expansion innerhalb und außerhalb Europas, besonders aber in den Ländern Südosteuropas, eine möglichst solide Ausgangsbasis für einen solchen „Blitzkrieg" zu verschaffen. 11

b) „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung". Wirtschaftspotential und kriegswirtschaftliches

Potential

Die Resultate der deutschen Kriegsvorbereitung, besonders der wirtschaftlichen, standen während des Krieges und danach, besonders aber wieder in jüngster Zeit, im Mittelpunkt des politischen und wissenschaftlichen Interesses. Nach dem Kriege sind der Forschung sowohl wichtiges Zahlenmaterial zu diesem Thema als auch Material über die Diskussionen und Auseinandersetzungen in der politischen und militärischen Spitze des faschistischen Regimes über „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung" bekanntgeworden. In der bürgerlichen Geschichtsschreibung ist die deutsche Kriegsvorbereitung seit langem ein Streitobjekt. Soweit sich die — kaum ernsthaft zu bestreitende — Auffassung durchgesetzt hat, daß der deutsche Imperialismus für Kriege von begrenztem Ausmaß zwar wirtschaftlich vorbereitet und in der militärischen Rüstung seinen voraussichtlichen Gegnern einzeln überlegen war, aber in einem langen Krieg gegen eine starke Koalition militärisch wie wirtschaftlich mit größter Wahrscheinlichkeit unterliegen mußte, mangelt es durchweg an einer stichhaltigen Begründung hierfür. Die Verwunderung insbesondere angloamerikanischer Autoren nach dem Kriege darüber, daß Deutschland 1939 nicht auf einen Weltkrieg, sondern nur auf „Blitzkriege" vorbereitet war, erscheint um so echter, als selbst ihre Generalstäbe vorher die Lage ganz anders eingeschätzt hatten. Sie bieten eine Reihe mehr oder weniger plausibler, im ganzen oberflächlicher Erklärungen an 1 2 , ohne zum tieferen historischen Verständnis der Vorkriegssituation in Deutschland vorzustoßen. 13 Dieses Verständnis kann freilich nur gewinnen, wer das Gewirr der inneren und äußeren Widersprüche durchdringt und entflicht, in denen sich der deutsche Imperialismus bewegte und die ebenso seine Ziele und Absichten bestimmten wie seine Möglichkeiten begrenzten. 11 s. a. Abschnitt 2. 12 So ζ. B. Klein, Burton H., Germany's Economic Preparations for War, Cambridge (Mass.) 1959, S. 78ff. (Harvard Economic Studies, Bd. 109); Milward, AlanS., Die deutsche Kriegswirtschaft 1939-1945, Stuttgart 1966, S. 15ff. 13 Unter diesen Umständen nehmen immer häufiger auftretende revanchistische und offen faschistische Kräfte Anlaß, über „verpaßte Chancen" durch ungenügende Kriegsvorbereitung zu klagen oder — zunächst — die forcierte Aufrüstung und die besondere, außerordentliche Aggressivität und Expansionsgier des deutschen Imperialismus zu leugnen ; so Walendy, Udo, Wahrheit für Deutschland. Die Schuldfrage der Zweiten Weltkrieges, Vlotho/Weser 1965, der ungeniert A. J. P. Taylor und Β. H. Klein als Kronzeugen dafür reklamiert, daß der deutsche Rüstungsstand 1939 friedensmäßig niedrig und durchaus harmlos gewesen sei (S. 231 ff.).

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

In dem Meinungsstreit um „Breitenrüstung" und „Tiefenrüstung", der in den Vorkriegsjahren weite Kreise zog und in internem Rahmen häufig und offen zur Sprache kam, ging es im Grunde um nichts anderes als um die Möglichkeiten und Grenzen des deutschen kriegswirtschaftlichen Potentials. Generalmajor Thomas, Chef des Wehrwirtschaftsstabes des OKW, definierte das Problem: „Unter Breite einer Rüstung verstehe ich Zahl und Stärke der Friedenswehrmacht und die Vorbereitungen, die zu ihrer Vergrößerung im Kriegsfalle getroffen werden. Die Tiefe der Rüstung umfaßt dagegen alle Maßnahmen in Sonderheit materieller und wirtschaftlicher Natur, die der Versorgung im Kriege, also der Stärkung der Durchhaüemöglichkeit dienen. Über die augenblickliche Überlegenheit der Breite und ersten Schlagkraft unserer Rüstung sind wir uns bereits klar geworden . . . so darf ich wohl feststellen, daß wir auf dem reinen militärischen Rüstungsgebiet wohl unseren Vorsprung noch eine gewisse Zeit werden halten können, daß aber auf dem erweiterten wirtschaftlichen Rüstungsgebiet der Vorsprung leider (gar) nicht vorhanden ist und daß in der Rüstungstiefe die Westmächte uns vorläufig (immer) überlegen sein werden." 1 4 Die Blitzkriegsstrategie als Ausweg aus dieser Situation betrachtete Thomas nicht ohne Skepsis : „Die militärpolitische Führung wird immer einen kurzen Krieg fordern. Ob er geführt werden kann, wird nicht nur von uns, sondern auch vom Gegner abhängen.. . . Glückt dies nicht und kommt es zu einem Abringen wie im Weltkriege, so entscheidet die Tiefe der wehrwirtschaftlichen Kraft, d. h. die Durchhaltemöglichkeit." 15 Thomas skizzierte dreierlei Mittel und Wege, um „hier einen gewissen Ausgleich zu schaffen". Erstens müsse für den Fall des Krieges „eine Ausnutzung der Hilfsquellen der nordischen Staaten möglich" sein und „uns der Balkan mit seinen Vorräten und Vorkommen zur Verfügung" stehen; zweitens seien der Aufbau von Kapazitäten für kriegswichtige Produkte im Rahmen des Vierjahresplans fortzuführen und das gesamte Transportwesen auszubauen; drittens schließlich drängte Thomas darauf, mittels gesteigerten Exports entsprechend reichliche Vorräte und Reserven an Devisen und Gold wie auch an Rohstoffen und Lebensmitteln anzulegen. 16 Es offenbarte sich aber die tiefe Kluft zwischen Zielen und Mitteln, wenn er im gleichen Atemzuge wegen „psychologischer Auswirkungen" auf das Volk vor einer noch stärkeren Einschränkung der Konsumgüterproduktion warnen mußte. 17 Das Wirtschaftspotential des imperialistischen Deutschlands — die Gesamtheit seiner volkswirtschaftlichen Kapazitäten und Ressourcen — mußte sich, so bedeutend es war, für den voraussehbaren europäischen und Weltkrieg als unzureichend erweisen. Die Machthaber des Regimes zogen aus der partiellen Erkenntnis dieser Tatsache ihre Schlüsse. Auf wirtschaftlichem Gebiet zeigte sich das in dem Bestreben, das kriegswirtschaftliche Potential schon vor Kriegsausbruch durchgreifend 14 Dok. EC-028, I M T , Bd. 36, S. 119, 125, Vortrag von Thomas vor Herren des Auswärtigen Amts, 24. 5. 1939. — Meine Hervorh. — D. E. Eingeklammerte Wörter sind im Original des Dokuments gestrichen und durch die voranstehenden ersetzt worden. 15 Ebenda, S. 131, 122. 16 s. ebenda, S. 125, 130. 17 s. ebenda, S. 130f.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

19

zu vergrößern. Diesem Ziel diente, wie schon die Politik Schachts seit 1933/34, so in potenzierter Weise die Vierjahresplanpolitik. Das Problem für die herrschende Klasse bestand darin, die Wirtschaft so früh und so weitgehend wie möglich zu militarisieren, d. h. das kriegswirtschaftliche Potential bereits im Frieden auf Kosten der Sektoren der Friedensproduktion maximal zu erweitern und in möglichst großem Umfang zu mobilisieren. Das kriegswirtschaftliche oder rüstungswirtschaftliche Potential eines Landes ist eine komplexe Größe, die nicht in einer einzelnen Ziffer auszudrücken ist. Sie steht in einem bestimmten Verhältnis zum allgemeinen Wirtschaftspotential des betreffenden Landes und stellt, grob gesprochen, denjenigen Teil dieses Potentials dar, der für die Bedürfnisse der militärischen Macht und des Krieges unmittelbar zu mobilisieren ist. 18 Viele andere wichtige Kennziffern des allgemeinen Wirtschaftspotentials fließen in differenzierter Weise in diejenige des kriegswirtschaftlichen Potentials ein, ohne mit ihm identisch zu sein: das Arbeitskräftepotential, die Arbeitsproduktivität in Industrie und Landwirtschaft, die Leistungsfähigkeit des Verkehrswesens, die Höhe der Industrieproduktion und der Pro-Kopf-Produktion der Industrie, die Akkumulationsquote, die Proportionalität in der Wirtschaft, besonders das Verhältnis zwischen der Produktion von Produktionsmitteln und von Konsumgütern, das Entwicklungsniveau von Wissenschaft und Technik, die wirtschaftsstrategische Lage (Außenhandelsabhängigkeit, Verbindungswege), die eigenen Rohstoffressourcen, die verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche und die Bodenfruchtbarkeit. Das kriegswirtschaftliche Potential hat in bezug auf die materielle Seite seine theoretische Grenze im Wirtschaftspotential selbst, abzüglich der für die Reproduktion erforderlichen Mittel. Unter kapitalistischen Verhältnissen sind einer Annäherung des kriegswirtschaftlichen Potentials an diese Grenze jedoch unüberwindliche Schranken gesetzt. Die Devisenkrise und inflationäre Erscheinungen waren in Deutschland schon in der Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung Anzeichen zunehmender Veränderungen und daraus resultierender ernsthafter Störungen im kapitalistischen Reproduktionsprozeß. 18 Die Beziehungen zwischen kriegswirtschaftlichem und Wirtschaftspotential formuliert Kaldor, wenn er auch diese Begriffe nicht klar definiert und unterscheidet und daher stark vergröbert (Kaldor, Nicholas, The German War Economy (Manchester Statistical Society. Paper, read 22nd May, 1946), Manchester (1946), S. 4): „. . . the war potential of any country must be determined by at least one of the following four factors: the capital equipment of its industry, its available man-power, its supply of raw materials, and finally, the ability and skill of its industrial organisers, engineers and technicians . . . the ultimate limits to a country's war potential are set simply by the quantity and skill of its man-power, and by the richness of ores and minerals of the areas under its control or with which it is capable of trading." Hierzu kritisch Gurow, Α., Die kriegsökonomischen Theorien des westdeutschen Militarismus, Berlin 1961, S. 75 ff., der sich im einzelnen mit den bürgerlichen Auffassungen über die Faktoren des kriegswirtschaftlichen und des Wirtschaftspotentials und die Unterscheidung beider auseinandersetzt (ebenda, S. 84 ff.). Vgl. auch Lagowski, Α. N., Strategie und Ökonomie, Berlin 1959,. S. 28ff. ; Krieg, Armee, Militärwissenschaft, Berlin 1963, S. 317ff.

20

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Entscheidend aber hängen der Grad der Mobilisierung und Ausnutzung des kriegswirtschaftlichen Potentials und vor allem schon seine Größe im Vergleich zur gesamten Wirtschaftskraft eines Landes von dessen sozialer und staatlicher Ordnung und vom moralischen Faktor sowie vom Charakter des Krieges ab, den es führt. 1 9 Hier zeigte es sich nun, daß die schweren inneren und äußeren Widersprüche des faschistischen Regimes bedeutende Hindernisse für den Versuch des deutschen Imperialismus aufrichteten, das kriegswirtschaftliche Potential seinen Kriegszielen und -plänen anzupassen. Die inneren Widersprüche entsprangen dem Charakter der Monopolherrschaft in ihrer faschistischen Form. Darunter sind vor allem die unüberbrückbar tiefen sozialen und politischen Gegensätze zwischen der herrschenden Klasse und dem Volk zu nennen. Was immer einer noch vertieften Rüstung, einer „Tiefenrüstung", dienlich gewesen wäre, es hätte die Massen des arbeitenden Volkes einschließlich der Mittelschichten treffen müssen: Zwangsrekrutierung und Zwangsumsetzung von Arbeitskräften, Kürzung und qualitative Verschlechterung des Konsums („Kanonen statt Butter"), Anziehen der Steuerschraube, Einschränkung der Dienstleistungen, des Wohnungsbaus und der Konsumgüterindustrien. Hierin war wahrlich schon einiges geschehen. Aber die faschistische Führung fühlte den geringen Spielraum, der ihr blieb. Sie hatte um die Massen der Mitläufer, ihre eigentliche Massenbasis, zu fürchten. Zahlreich und hinreichend zufrieden mußte sie sie hinter sich wissen, ehe sie die Nation in einen abenteuerlichen, blutigen Krieg stürzte. Daraus erklärte es sich, daß die führenden Repräsentanten des Regimes nahezu während des ganzen Krieges eine starke Zurückhaltung und vermittelnde Vorsicht an den Tag legten, wenn es galt, das eigene Volk materiell schwerer zu belasten und ihm größere Entbehrungen aufzuerlegen. Die extreme Brutalität des Regimes und in späteren Kriegsjahren die militärische und außenpolitische Entwicklung ließen den Widerspruch, der hierin lag, immer krasser hervortreten. Auch die Interessengegensätze und -kämpfe innerhalb der herrschenden Schichten und Gruppen boten bedeutende Hindernisse für eine einheitliche Konzeption in der Rüstungswirtschaft ; sie verzögerten insbesondere auf Jahre hinaus ihren straffen, zentralisierten Aufbau. 20 Die äußeren Widersprüche ergaben sich aus dem internationalen Kräfteverhältnis, an dem der Versuch des deutschen Imperialismus, seine Herrschaft über Europa und die ganze Welt auszudehnen, mit historischer Notwendigkeit scheitern mußte. Zwar sahen die deutschen Imperialisten ihre gesetzmäßige Niederlage nicht etwa voraus; sie waren sich aber mehr oder weniger deutlich der Schwäche und Unzulänglichkeit ihres Wirtschafts- und Rüstungspotentials in einem Kampf gegen „fast die ganze übrige Welt" 2 1 bewußt. Dieses Potential „total" zu mobilisieren, erschien ihnen weder erfolgversprechend noch nötig und tunlich, vielmehr riskant, 19 s. Gurow, Α., a. a. O. 20 s. Kapitel III. 21 s. Dok. EC-282, Fall X I , A D B 119, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 408, Bl. 118, Arbeitsbericht Carl Krauchs . . ., 20./21. 4. 1939 (s. Anm. 10).

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

21

weil notwendigerweise von großer sozialer Sprengkraft. Sie begnügten sich mit der „Breitenrüstung", der Anhäufung einsatzbereiter militärischer Kraft. Für die nötige „Tiefe" in der Rüstung, d. h. für eine volle Ausschöpfung und eine den strategischen Zielen angemessene Ausdehnung des kriegswirtschaftlichen Potentials, sorgten sie nur im Rahmen der kurzfristigen, provisorischen Teillösungen, die der Vierjahresplan bot. Sie dachten, in der Blitzkriegsstrategie und deren wirtschaftlicher Komponente eine mögliche Lösung des — in Wirklichkeit unlösbaren — Widerspruchs zwischen Zielen und Möglichkeiten, zwischen ihren Weltherrschaftsplänen und dem begrenzten deutschen Rüstungspotential gefunden zu haben.

c) Die Ergebnisse der wirtschaftlichen

Aufrüstung

Die wirtschaftlichen Rüstungen des deutschen Imperialismus zum Kriege waren nichtsdestoweniger sehr beachtlich. Sie waren ungleich stärker und zielgerichteter als die aller anderen Staaten. Im folgenden sollen diese Rüstungen, besonders die Ergebnisse des Vierjahresplanes, auf ihre Stärken und Schwächen hin untersucht werden. Von 1937 an wuchsen die Investitionsziffern schneller als bisher 2 2 : Investitionen in der Industrie 1933-1939 Anlageinvestitionen Anteil d. Prod.(i. Md. RM) giiterindustrien (in Prozent) 1928 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939

2,6 0,6 1,1 1,6 2,2 2,8 3,7 4,4

66 55 66 75 76 77 80 81

Bei der Bewertung dieses Investitions-„Booms" dürfen wichtige Gesichtspunkte und Ziffern nicht außer acht gelassen werden. Erst 1937 übertraf die Summe der Industrieinvestitionen diejenige von 1928. Die von 1933 bis 1939 in der Industrie vorgenommenen Investitionen reichten etwa gerade dazu aus, die Desinvestitionen 22 In den Grenzen von 1937. Nach : Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, hg. v. Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets (im folgenden : Statistisches Handbuch), München 1949, S. 605; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, hg. v. Statistischen Reichsamt (im folgenden: Statistisches Jahrbuch) 1941/42, S. 610, 612; 1939/40, S. 583f. ; 1938, S. 565f. Siehe auch Wagenführ, Rolf, Industrie, S. 20 (ungenaue Quellenangabe); Erbe, René, a. a. O., S. 111. 3

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

22

seit 1929 zu kompensieren und den Produktionsapparat einfach zu reproduzieren. 23 Die zwanzigprozentige Steigerung des Nationaleinkommens 1938 gegenüber 1929 ging vor allem auf eine wesentlich höhere Ausnutzung vorhandener Produktionskapazitäten zurück. 24 E s gab keine umfassende Neuanlage in der Industrie. Aber sie erfuhr, besonders in ihrem Maschinenpark, eine erhebliche Modernisierung und Rationalisierung. Die überwiegende Masse des investierten Kapitals konzentrierte sich in den Produktionsgüterindustrien. Den „ B o o m " bezahlten zu einem nicht unbedeutenden Teil bereits vor dem Krieg die Konsumgüterindustrien mit der Devastation ihres Produktionsapparats. Von einer Erfüllung der hochgespannten Autarkiepläne von Monopolen und Staat konnte bei Kriegsbeginn keine Rede sein. Allerdings waren die für die Kriegführung empfindlichsten Lücken notdürftig gestopft. Erhebliche Produktionserfolge waren vor allem bei Treibstoffen und Gummi aufzuweisen. Deutsche

Treibstoffbilanz

{1934,1936,1938,1939)»

1934 1. Gesamtverbrauch an Mineralölerzeugnissen (in 1000 t) 3295 2. davon aus inländischen Rohstoffen 1038 (in 1000 t) 3. Anteil von 2 an 1 (in Prozent) 31,5 4. Gesamtverbrauch an Treibstoffen (Benzin, Benzol, Diesel) (in 1000 t) 2390 5. davon Erzeugung aus inländischen Rohstoffen (in 1000 t) 773 6. Anteil von 5 an 4 (in Prozent) 32

1936

1938

1939

4590

6150

ca. 7000-7200

1545

2373

ca. 2950-3000

34

39

3400

4575

ca. 5330

1267

1866

ca. 2280

37

41

ca.

ca.

42

43

23 s. Hillmann, H. C., Comparative Strength of the Great Powers, in : Survey of International Affairs 1939-1946. The World in March 1939, hg. v. A. Toynbee und F. T. Ashton-Gwatkin, London/New York/Toronto 1952, S. 437f.; Faingar, I. M., Die Entwicklung des deutschen Monopolkapitals. Grundriß, Berlin 1959, S. 207 f. 24 s. Hillmann.

H. C., a . a . 0 . , S . 458.

25 Quelle: Birkenfeld, Wolfgang, Der synthetische Treibstoff 1933—1945, Göttingen/Berlin/ Frankfurt a. M. 1964, S. 218f., 225. Verschiedentlich abweichende Zahlen in The Effects, S. 73 ff., u. Statistisches Handbuch, S. 310f. Über Ungepauigkeiten Inden Zahlen s. The Effects, S. 73 Anm. 1.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung 1934 7. davon (von 4) Erzeugung der Hydrierwerke (Benzin, Diesel) (in 1000 t) 153 8. Anteil von 7 an 4 6,4 (in Prozent)

23

1936

1938

1939

469

813

1012

14

18

ca. 19

Die Produktion von Treibstoffen auf einheimischer Rohstoffbasis stieg von 1934 bis 1939 auf das Dreifache. Ihr Anteil am Gesamttreibstoffverbrauch erhöhte sich im gleichen Zeitraum von rund 3 0 auf etwa 4 3 Prozent. Hieran war 1939 zur Hälfte die synthetische Produktion (Hydrier- und Synthesewerke) beteiligt, die fast auf das Achtfache gestiegen war. 2 6 B e i Kriegsbeginn arbeiteten 14 Hydrier- und FischerTropsch-Anlagen, sechs weitere waren im B a u . 2 7 Zugleich wurde die einheimische Erdölförderung von 1933 bis 1939 auf das Dreifache (knapp 7 5 0 0 0 0 1 ) gesteigert. Mit dem B a u des ersten Bunawerkes (Schkopau) des I G - F a r b e n - K o n z e r n s wurde 1936 begonnen. E i n J a h r später nahm das W e r k bereits die Produktion auf ( 3 5 0 0 t). Im J a h r e 1939 wurden rund 2 5 0 0 0 t B u n a erzeugt und etwa 2 0 Prozent des J a h r e s verbrauchs an K a u t s c h u k mit B u n a gedeckt. Das zweite W e r k (Hüls) begann 1940 mit der Bunaerzeugung. Als dieses W e r k 1941/42 auf vollen Touren lief, konnte der Kautschukbedarf — bei scharfer Kürzung des zivilen Verbrauchs knapp unter dem Friedensniveau liegend — vollständig aus der synthetischen Produktion gedeckt werden. In den ersten zwei Kriegsjahren aber m a c h t e die Kautschuklücke von anfangs mehr als 5 0 Prozent den deutschen Imperialisten schwer zu schaffen. 2 8 Die Steigerung der deutschen Eisenerzförderung von 1933 bis 1939 auf rund das Sechsfache (14,7 Mill, t) konnte die Auslandsabhängigkeit (60—65 Prozent) infolge entsprechend höheren Verbrauchs nicht herunterdrücken, zumal da der durchschnittliche Fe-Gehalt des in Deutschland geförderten Roherzes in der gleichen Zeit von 3 2 auf 27 Prozent zurückging. 2 9 Mittels schweren staatsmonopolistischen Druckes auf die Landwirtschaft versuchten die faschistischen Landwirtschaftspolitiker und -planer, die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, die in der Versorgung mit Nahrungs- und Futtermitteln bestand und die sie als eine der größten Gefahren für die Führung des kommenden Krieges ansahen. Die allgemeine Quote der Einfuhrabhängigkeit bei Nahrungsmitteln, die sich vor der Weltwirtschaftskrise (1927/28) noch auf 32 Prozent belief, war zwar schon 1933/34 auf 2 0 Prozent abgesunken, konnte aber bis 1938/39 nicht tiefer als bis auf 17 Prozent gesenkt werden. Mit 45 Prozent war die Unterbilanz bei F e t t 26 Quellen s. unter Anm. 61. 27 Klein, Burton H., a. a. O., S. 32; Birkenfeld, Wolf gang, a. a. O., S. 138, gibt nur sieben bzw. fünf Hydrierwerke an. 28 s. Statistisches Handbuch. S. 312; The Effects, S. 83 f. ; Treue, Wilhelm, Gummi in Deutschland, München (1955), S. 300. 29 s. Statistisches Handbuch, S. 281; Klein, Burton H., a. a. O., S. 50, 57, 116.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

am größten. Futtermittel mußten zu 30 Prozent importiert werden. 30 Der faschistische Staat konnte nicht umhin, große Vorrats- und Reservelager anzulegen, die zum Teil neu zu bauen und einzurichten waren. 31 Diese Vorratshaltung verschlang außerdem erhebliche Devisenmittel. In den letzten Vorkriegsjahren wurden recht umfangreiche Vorräte an kriegswichtigen Rohstoffen, Metallen und Treibstoffen angelegt. Reichlich sechs Monate konnte das faschistische Deutschland unter Blockade mit voller Kraft Krieg führen. Solche Vorräte existierten in Buntmetallen, Ferrolegierungsmetallen, Mineralöl, Naturkautschuk (für etwa zwei Monate), Eisenerz, industriellen Fetten. Die Ergebnisse der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung während des Vierjahresplans waren, wie überhaupt die Vorbereitung des deutschen Imperialismus auf den Krieg, zwiespältig. Der Vierjahresplan selbst stellte zunächst gewissermaßen einen Kompromiß zwischen den Konzeptionen der „Breitenrüstung" und der „Tiefenrüstung" dar. Ursprünglich umfassender geplant, stießen die Autarkiebestrebungen ebenso wie die Vorratshaltung, die Ausbeutung der werktätigen Massen wie die „Kanonen-statt-Butter"-Politik als ganze schon vor dem Krieg auf Grenzen. Auch in ihren späteren, bescheideneren Fassungen wurden die Planungen der Vierjahresplanbehörden nicht erfüllt. Dennoch waren die Produktionssteigerungen und die übrigen wirtschaftlichen Anstrengungen für den Krieg in dieser Zeit sehr beachtlich. Das Kernstück der unmittelbaren wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung waren die kostspieligen, teils privat, teils staatlich finanzierten, in jedem Fall staatlich subventionierten bzw. preisgarantierten Vierjahresplanvorhaben der Konzerne, besonders der IG Farbenindustrie AG und der Reichswerke „Hermann Göring". Die Produktion der neu errichteten Werke war oft unverhältnismäßig teuer und von minderer Qualität (synthetischer Treibstoff, Buna, Eisenerz, Zellwolle). Der Bunapreis war beispielsweise zunächst bei geringerer Qualität des Gummis dreimal so hoch wie der Weltmarktpreis für Naturkautschuk. Zur Produktion jedes Liters synthetischen Benzins mußten über fünf Kilo Steinkohle aufgewandt werden (pro kg Fliegerbenzin = 6 kg Steinkohle); ein Kilo Buna fraß — hauptsächlich wegen des enormen Energieverbrauchs — 20,5 kg, ein Kilo Aluminium 17,7 kg Steinkohle. Allein die Planvorhaben für die Benzinerzeugung waren für einen Kohleverbrauch bei Aufnahme der Produktion (1942/43) von 62 Millionen t Braun- und 26 Millionen t Steinkohle veranschlagt; das waren ein Drittel der Braunkohlen- und etwa 15 Prozent der Steinkohlenproduktion des Vorkriegsjahres 1937 (1938 betrug der Verbrauch dagegen 13 bzw. 1,2 Prozent). 32 Ungeachtet dessen, daß die Entwicklung 30 vgl. Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 95. 31's. Melzer, Rolf, Studien zur Agrarpolitik der faschistischen deutschen Imperialisten in Deutschland im System der Kriegsplanung und Kriegsführung 1933 bis 1941, phil. Diss. Rostock 1966, S. 34ff. 32 Berechnet nach: Dole. EC-282, Fall XI, ADB 119, Arbeitsbericht v. Carl Krauch vor dem Generalrat des Vierjahresplans, Entwurf v. 20./21. 4. 1939, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall XI, Nr. 408, Bl. 5ff. (dat. 28. 4. 1939); Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 1939/40, S. 165.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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der volkswirtschaftlichen Arbeitsproduktivität durch die großen Investitionen in diesen Produktionsbereichen ungünstig beeinflußt wurde, entstanden mit einem riesigen Aufwand an Mitteln und K r ä f t e n , der dem Volk wachsende Entbehrungen auferlegte, eine Reihe gewaltiger Produktionsanlagen. Obwohl das kriegswirtschaftliche Potential des deutschen Imperialismus auf volkswirtschaftlich so wenig effektive Weise mobilisiert und erweitert wurde, gewann hierdurch die Blitzkriegskonzeption Hitlers und des Generalstabs eine durchaus tragfähige wirtschaftliche Grundlage. U n t e r diesem Aspekt war der Vier jahresplan ein „relativer E r f o l g " 3 3 für die deutschen Imperialisten. Zu dem R e s u l t a t trugen allerdings die imperialistischen Annexionen unmittelbar vor dem Krieg nicht unwesentlich bei. Im März 1938 besetzten deutsche Truppen Österreich, im Oktober 1938 Teile der Tschechoslowakei. Von nun an standen dem deutschen Imperialismus die wirtschaftlichen Ressourcen und besonders das kriegswirtschaftliche Potential dieser Gebiete zur Verfügung. Im J a h r e 1939 wurden dort beispielsweise an Rohstahl 3,7 Prozent der im Reich (Grenzen von 1937) produzierten Mengen erzeugt, an Walzwerkfertigerzeugnissen 4,5 Prozent, an Braunkohle 10,2 Prozent, an Erdöl und Eisenerz (beides nur Österreich) 19,4 beziehungsweise 20,5 Prozent, an Graphit 108 Prozent, an Zellstoff 27,4 Prozent, an Leder 15,6 Prozent, an Elektroenergie (kWh) 8 Prozent. 3 4 Nach der Besetzung der übrigen tschechischen Gebiete im März 1939 erhöhten sich diese Ziffern teilweise beträchtlich, so bei Eisenerz auf 25,7 Prozent, bei Rohstahl auf 10,7 Prozent, bei Walzwerkfertigerzeugnissen auf 11,8 Prozent und bei Elektroenergie auf 11,6 Prozent. 3 5 Mit den Skodawerken geriet einer der führenden europäischen Rüstungskonzerne, mit der tschechischen Industrie überhaupt die sechststärkste Industrie in Europa (ohne Sowjetunion) in die Verfügungsgewalt des deutschen Imperialismus. Über die B e u t e an Waffen und Kriegsgerät notierte Generalquartiermeister Wagner im März 1939 „einfach erschütternde Zahlen". 3 6 Das bedeutende zusätzliche Potential kam freilich bis Kriegsbeginn noch nicht voll zur Wirkung. W a s die innere, strukturelle Vorbereitung der W i r t s c h a f t auf den Krieg betraf, so erlebten die „klassischen" Merkmale des staatsmonopolistischen Kapitalismus, die Lenin entdeckt h a t — öffentliche Regulierung der Produktion und der Verteilung, Zwangsregime gegenüber den Arbeitern (allgemeine Arbeitsdienstpflicht) — bereits lange vor Kriegsausbruch eine verderbendrohende Renaissance unter faschistischen Vorzeichen, d. h. unter Bedingungen, die ihrer extremen Ausprägung besonders förderlich waren. Schon J a h r e vor dem Krieg wurden Rohstoffmarkt, Außenhandel, Produktion und Markt der Landwirtschaft und Arbeitsmarkt weitgehend mittels Zwangsverbänden und Organisationen und durch Gesetz öffentlich reguliert. In der Reichsgruppe Industrie, in der Reichstelle für Wirtschaftsausbau und in der Behörde 33 34 35 36

Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 194. s. Statistisches Jahrbuch, 1941/42, S. 665ff. s. ebenda, S. 64 ff. Der Generalquartiermeister, München/Wien 1963, S.87, Brief von General Eduard Wagner an seine Frau, 30. 3.1939. — Es waren „vier Truppenübungsplätze dafür frei(zu)machen." (Ebenda). Siehe auch ebenda, S. 82f. (17. u. 18. 3. 1939).

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

des GB Chemie, in den Wirtschaftsgruppen usw. griffen die großen Monopole, höchst aktiv an der Kriegsvorbereitung teilnehmend, durch leitende Konzernvertreter selbst unmittelbar führend ein. In engster Zusammenarbeit mit Behörden und Militärs bereiteten sie mit Hilfe von „Mobplänen" und Kriegsspielen den deutschen Wirtschaftsorganismus auf den Krieg vor. Besonders gründliche Arbeit wurde geleistet, um die Arbeiterklasse unter staatsmonopolistische Kontrolle zu bekommen. Im J a h r e 1934 wurden Metall- und Landarbeiter an Beruf und Betrieb gebunden, Anfang 1935 wurde das Arbeitsbuch eingeführt, im Herbst 1936 und Anfang 1937 erfolgten verschärfte Zwangsbeschränkungen gegenüber Metall- und Baufacharbeitern. Die erste „Verordnung zur Sicherstellung des Arbeitskräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung" vom 22. J u n i 1938 schließlich f ü h r t e mit der gesetzlichen Fixierung der faschistischen „Dienstverpflichtung", die gegen jeden deutschen Staatsbürger ausgesprochen werden konnte, einen allgemeinen Arbeitszwang ein. 37 Damit fand der beginnende Krieg eine f ü r Friedenszeiten beispiellos entwickelte staatsmonopolistische Wirtschaftsregulierung und -Ordnung und ein Zwangsregime („Militärzuchthaus") gegenüber den Werktätigen vor, das teilweise sogar den im ersten Weltkrieg erreichten Stand übertraf.

d) Krisenpunkte der staatsmonopolistischen

Rüstungswirtschaft

Hillmann demonstriert in seiner materialreichen Arbeit die umfassenden wirtschaftlichen Kriegsvorbereitungen des deutschen Imperialismus und dessen Rüstungsvorsprung vor den übrigen Mächten. Abschließend formuliert er aber doch: "All the same, much more could have been done in the way of economic mobilization for war, if German planners had relied less on blitzkrieg strategy." 3 8 Diese Auffassung ist, wie wir gezeigt haben, unhistorisch und deshalb falsch. Mit ihr gerät der zitierte Verfasser in die Nähe der fragwürdigen Thesen von Burton Klein und verschiedener reaktionärer, offenes politisches Engagement zeigender Veröffentlichungen. Natürlich sind die Rüstungsanstrengungen eines Landes, seine Rüstungsproduktion, seine Rüstungsausgaben und auch die Erweiterung seiner Rüstungskapazität nicht gleichbedeutend mit dieser Kapazität selbst, mit seinem rüstungswirtschaftlichen Potential. In der „Realisierung" dieses Potentials schon in Friedenszeiten sind indessen jedem kapitalistischen Staat bestimmte Grenzen gesetzt, besonders durch den Widerstand der Volksmassen, aber auch durch ökonomische Krisenerscheinungen, die einer überhitzten Rüstungskonjunktur eigentümlich sind. Schließlich 'können auch taktische Gegensätze innerhalb der herrschenden imperialistischen Kreise und — meist damit im Zusammenhang stehend — relative Schwäche und 37 s. dazu Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 1440., 218ff.; derselbe, Studien 1918-1945, S. 147ff.; Mason, T. W., Labour in the Third Reich, 1933-1939, in: Past & Present, Nr. 33, Apr. 1966, S. 136. 38 Hillmann, H. C., a. a. O., S. 490.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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Uneinheitlichkeit des staatsmonopolistischen Apparats Ausmaß und Tempo jenes Prozesses negativ beeinflussen. Die genannten Faktoren werden ihrerseits viel eher zu Grundursachen von außenpolitischen und militärstrategischen Planungen und, im Falle des faschistischen Deutschlands, zum Demiurg der „Blitzkriegsstrategie", als umgekehrt eine derartige Strategie zur Ursache der wirtschafts- und rüstungspolitischen Grundlinie, wiewohl die Strategie, erst einmal ausgearbeitet, natürlich ihrerseits bedeutenden Einfluß auf Wirtschaftspolitik und Rüstungsplanung haben muß. Alle genannten Faktoren haben in der deutschen Rüstungswirtschaft vor dem Krieg eine bestimmte Rolle gespielt. Besonders wichtig sind in unserem Zusammenhang die ökonomischen Krisenerscheinungen, die die Wirtschaft in den letzten Jahren vor Kriegsausbruch immer stärker kennzeichneten. Schon geraume Zeit vor dem Krieg wurde die Überspannung der deutschen Wirtschaft durch die maßlosen Rüstungs- und Autarkiebestrebungen an verschiedenen kritischen Punkten offensichtlich. Die wichtigsten Krisenpunkte waren Arbeitskräfte- und Materialmangel und — damit zusammenhängend — das Lohn- und Preisproblem sowie die Bedrohung der Währung durch Inflationsgefahr. Bereits 1937 trat in wichtigen Zweigen der Industrie Arbeitskräftemangel auf. 39 Die „Vollbeschäftigung" im Frieden, zu einer Zeit, da die neuen Rüstungs- und Vierjahresplanziele noch nicht im entferntesten erreicht waren, stellte Monopole und Naziführung vor die weitreichendsten ökonomischen und politischen Probleme. Zwar vervollständigten sie umgehend den staatsmonopolistischen Zwangsapparat und versuchten insbesondere, die Freizügigkeitsbeschränkungen bis zu einer Art wahrer Leibeigenschaft fortzuführen 40 ; Überfluß an Aufträgen und „Vollbeschäftigung" verschlechterten aber die Bedingungen für die staatsmonopolistische Regulierung des Arbeitsmarktes ständig und erschwerten sie mehr und mehr. Sie brachten einen ökonomischen Mechanismus in Gang, der das ganze Regulierungssystem außer Funktion zu setzen drohte. 41 Besonders der gesetzlich vorgeschriebene Lohnstopp, eine der wichtigsten Waffen des Monopolkapitals gegen die Arbeiterklasse seit 1933, begann in seiner Wirkung ernsthaft nachzulassen. Den leistungssteigernden Antreibermethoden in der Industrie stand keine echte, allgemeine Lohnsteigerung gegenüber. Die Arbeiter, denen der staatlich organisierte Terror die Möglichkeit zu umfassendem, geschlossenem Kampf um höhere Löhne nahm, strebten in wachsender Zahl danach, bei besser zahlenden Unternehmungen Arbeit aufzunehmen. Die zunehmende Fluktuation wurde unter den Bedingungen der staatsmonopolistisch straff organisierten Rüstungswirtschaft zu einer besonders wichtigen Form des ökonomischen Klassenkampfes. In der Rüstungsindustrie setzten sich lohntreibende Tendenzen durch. Die Rüstungsbetriebe warben einander immer häufiger Arbeitskräfte ab. Trotz aller 39 s. Kuczynski, Jürgen, L a g e der Arbeiter 1933—1945, S. 152. 40 E b e n d a , S. 218 ff. 4 1 Sehr aufschlußreiche Tatsachen hierüber in: Mason, T. W., L a b o u r in the Third Reich, S . 126 ff.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegszicle

gesetzlichen Hindernisse, die dem freien Arbeitsplatzwechsel entgegenstanden, wuchs die Fluktuation der Arbeitskräfte in Industrie und Landwirtschaft. Der v e r s t e c k t e und offene W i d e r s t a n d gegen die B e s c h r ä n k u n g der Freizügigkeit, besonders gegen die Zwangsverpflichtungen („Dienstverpflichtungen"), nahm zu. Diese F o r m des ökonomischen Klassenkampfes nahm seit 1937 bedeutende Ausmaße an und wurde zur wichtigsten F o r m des wirtschaftlichen Kampfes der Arbeiterklasse gegen das Monopolkapital. Die Arbeiter wandten hiermit eine den außerordentlich schwierigen und komplizierten Bedingungen des Klassenkampfes adäquate Kampfform an. Die Fluktuation vollzog sich nicht vollständig spontan. Die Quellen zeugen im Gegenteil vielfach von solidarischem Handeln. „Die schon früher erwähnte Abwanderung der Gefolgschaften von geringer zahlenden Betrieben zu besser zahlenden hielt unvermindert an. Zu vermuten sei neuerdings ein stiller Nachrichtenaustausch über Lohnhöhen verschiedener Betriebe, wahrscheinlich durch Übersendung von L o h n t ü t e n . Von einzelnen Betriebsführern würde die Stimmung der Arbeiterschaft als miserabel bezeichnet. F a s t alle F a c h a r b e i t e r hätten das Bestreben, von ihren F i r m e n weg und zur Großindustrie zu k o m m e n . " 4 2 E i n J a h r später berichteten die „Treuhänder der A r b e i t " von zunehmenden Aktionen der Arbeiter im Lohnkampf ; Lohnsteigerungen seien nur noch mit Zwangsmaßnahmen aufzuhalten. 4 3 Im F r ü h j a h r 1 9 3 8 nahm die Abwanderung auch aus rüstungswichtigen Betrieben, besonders aus dem Bergbau, offenbar massenhaften Umfang an. Konzerne wie Salzdetfurth/Mansfeld forderten „schleunige und wirkungsvolle Maßnahmen . . ., wenn der Verlust an Arbeitskräften nicht zu empfindlichen Rückgängen in unserer wichtigen Produktion führen soll." 4 4 Sie verlangten nach der gesetzlichen Verfügung einer einschneidenden Beschränkung der Freizügigkeit für Bergarbeiter. 4 5 Solche Forderungen wurden immer massiver auch von den zentralen Monopolorganisationen wie den Fachgruppen und Wirtschaftsgruppen (besonders von der Wirtschaftsgruppe Bergbau) vertreten. Die „Verordnung zur Sicherstellung des Arbeitskräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer B e d e u t u n g " 4 6 vom 22. J u n i 1938 entsprach schließlich weitgehend den W ü n schen der Monopole; ihr zufolge konnte jeder Deutsche zu jeder beliebigen Arbeit zwangsweise herangezogen werden. Der K a m p f um Freizügigkeit und um höhere Löhne fand damit keineswegs sein Ende. Während die herrschende Klasse noch stärkere Mittel staatsmonopolistischer Zwangsregulierung verlangte 4 7 , wuchs der Widerstand der Arbeiter gegen 42 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 8947, Bl. 220f., Auszug aus den wirtschaftlichen Lageberichten der Regierungspräsidenten usw. v. Dez. 1936, Januar 1937 (Sachsen, Thüringen, Westfalen). 43 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 10293, Bl. 356ff., Auszug aus den Monatsberichten der Reichstreuhänder der Arbeit f. Jan. u. Feb. 1938. 44 BA Mansfeld, Nr. 480, Bd. 2, Mansfeldscher Kupferschieferbergbau AG an Landesarbeitsamt Halle, 6. 5. 1938. 45 Ebenda. 46 RGBl. 1938 I S. 652. 47 s. Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933—1945, S. 219f. (Protokoll d. Bespr. zwischen Thomas, Poensgen u. a., 23. 9. 1938).

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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„Leistungssteigerung", Arbeitshetze und Überarbeit, Lohnabzüge und Zwangsdienstverpflichtungen trotz des gesteigerten Naziterrors zu mehreren größeren organisierten Aktionen in den wichtigsten Industriegebieten und bei den Westwallbauten an. Diese Kampfaktionen endeten vielfach mit Teilerfolgen der Arbeiter. 48 Die Situation war für die Faschisten kompliziert und gefährlich. Sie konnten den Lohnstopp nicht durchsetzen, es sei denn mit derart gesteigertem Terror und staatsmonopolistischem Druck, daß die bedeutenden sozialen und politischen Schwierigkeiten, vor denen sie standen, sich vervielfachen mußten. Der Krieg stand vor der Tür, und „Leistungssteigerung" in der Rüstung war es, was sie brauchten. Gewalt und Terror erwiesen sich hier weitgehend als untauglich. Monopole und Faschisten suchten dringend nach Stimulantien, welche Arbeitsfreudigkeit und -leistung der schon jetzt hart ausgepreßten Arbeiter heben sollten. Allerdings mußten dabei selbstverständlich Methoden außer Betracht bleiben, die die Interessen des Finanzkapitals ernstlich hätten verletzen können. Die Montankonzerne zeigten schon großen Verdruß, als Göring, beunruhigt durch die Produktionsentwicklung und durch Fluktuation und Stimmung unter den Bergarbeitern, im Bergbau die bisher geltenden Prinzipien des Lohnstopps selbst durchbrach. Die Locklöhne und Zuschläge, die der Bergbau den Bergarbeitern nach der „Göringverordnung" 49 für Überarbeit und höhere Akkordleistungen zahlen sollte, zeitigten kaum Erfolge, sondern riefen den passiven Widerstand der schon bis aufs äußerste ausgebeuteten Arbeiter hervor. „Auf unseren Zechen", so berichtete Vorstandsmitglied Klingspor über die Kohlengruben des Salzdetfurth-Konzerns, „ist die Leistung ganz trostlos. Abgesehen von den vielen Ausfällen an Krankfeiernden, Urlaubern usw., ist ein starker Abfall pro Mann und Schicht zu verzeichnen." 50 Die Produktion in der Industrie stockte ferner wegen Materialmangels hier und da, mitunter sogar in der Rüstungsindustrie. Die Zufuhren an Importrohstoffen waren unzureichend und unregelmäßig. Die deutsche Grundstoffindustrie war an der Grenze ihrer Kapazität angelangt. Im Steinkohlenbergbau zeigte sich akuter, schwerer Mangel an Arbeitskräften. Die Eisen- und Stahlkonzerne waren mit Aufträgen überhäuft und setzten immer längere Lieferfristen. Die Klagen darüber häuften sich besonders im Frühjahr-Sommer 1939. In dieser Situation ließ sich auch der Preisstopp nur mit starkem staatsmonopolistischem Zwang aufrechterhalten — soweit von Preisstopp überhaupt die Rede sein konnte. Die Preisfestsetzung für Rüstungsgüter war und blieb im wesentlichen eine Domäne der Rüstungsmonopole. Dadurch stand der gesamte Rüstungsmarkt von vornherein außerhalb des Preisstopps und wirkte als selbständiger inflationärer 48 s. Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 5, S. 231 f. 49 s. „Verordnung zur Erhöhung der Förderleistungen und des Leistungslohnes im Bergbau" (sog. Göringverordnung) vom 2. März 1939, RGBl'. 1939 I S. 482f. Siehe auch Jonas, Wolf gang, Das Leben der Mansfeld-Arbeiter 1924 bis 1945 (Gesch. d. Fabriken u. Werke, Bd. 1), Berlin 1957, S. 3490. 50 BA Mansfeld, Nr. 524, Walter Klingspor an Rudolf Stahl, Vorstandsvorsitzender des Konzerns, 13. 7. 1939.

30

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Faktor. Das System des Preisstopps selbst war bereits an zahllosen anderen Stellen durchlöchert worden. Es richtete sich immer einseitiger gegen die kleinen Gewerbetreibenden, gegen die Bauern und gegen die Konsumgüterindustrien und schürte die soziale Unzufriedenheit dieser Kreise und Schichten. Die wirtschaftlichen Krisenerscheinungen liefen zusammen und kulminierten in den inflationistischen Tendenzen. Der Zuwachs an Produktion und Beschäftigung ging in den letzten Jahren vor dem Krieg ganz überwiegend auf Rechnung der Rüstungsaufträge und -bauten sowie der Vierjahresplanbauten, was die Staatsfinanzen in bisher unbekanntem Maße beanspruchte. Die Reichsschulden wuchsen in raschem Tempo. Mit hoher Geschwindigkeit arbeitete die Notenpresse. Der Umlauf von Banknoten (in den Grenzen von 1937) stieg von Anfang 1933 bis Anfang 1939 auf über das Doppelte an; rund 60 Prozent dieser Zunahme brachte allein das J a h r 1938. 51 Dem wachsenden Geldumlauf stand keine entsprechend erweiterte Reproduktion der Volkswirtschaft gegenüber; ein immer bedeutenderer Teil des Nationaleinkommens wurde von Unterhaltung, Bewaffnung und Ausrüstung der faschistischen Militärmaschinerie absorbiert. Vor den akuten inflationistischen Gefahren konnten die Spitzen des faschistischen Regimes ihre Augen nicht verschließen. In zahlreichen Denkschriften, Rundschreiben, Konferenzen und Besprechungen schlugen sich die Auseinandersetzungen um dieses Problem nieder. In dem Memorandum Schachts und des Reichsbankdirektoriums für Hitler vom 7. Januar 1939 52 war von einem drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems die Rede. Reichspreiskommissar Josef Wagner hatte sich, wie er erleichtert im September 1939, nach Erlaß der Kriegswirtschaftsverordnung, schrieb, „schon vor Beginn der kriegerischen Verwicklungen entschlossen . . . , der sich für die Preispolitik immer gefahrvoller gestaltenden Entwicklung der Verhältnisse in der deutschen Wirtschaft durch einschneidende Maßnahmen entgegenzutreten." 53 Das Phänomen einer inflationären Rüstungskrise stellte das faschistische Regime vor unlösbare Probleme. Das seit 1935 eingeschlagene Tempo der Aufrüstung mußte bei den begrenzten ökonomischen Ressourcen zu den skizzierten krisenhaften Widersprüchen führen; diese Krise wiederum mußte sich verlangsamend auf das Rüstungstempo auswirken. Damit jedoch drohten die Kriegsziele, die sich der deutsche Imperialismus gesteckt hatte, in unerreichbare Ferne zu rücken. Dieser Mangel an wirtschaftlicher Durchhaltefähigkeit, verbunden mit innenpolitischsozialer Unsicherheit des Regimes, gewann erheblichen Einfluß auf wirtschaftspolitische und auch auf außenpolitische und strategische Entschlüsse der Naziführer und Militärs. 51 Dok. EC-369, I M T , Bd. 36, S. 370f., Denkschrift des Reichsbankdirektoriums für Hitler, 7. 1. 1939. 52 Ebenda, S. 365ff. ; vgl. auch Dok. EC-419, IMT, Bd. 36, S.492ff., Reichsfinanzminister Schwerin v. Krosigk an Hitler, 1. 9. 1938. 53 Erlaß des Reichspreiskommissars an den Leiter der Reichswirtschafts kammer vom 9. Sept. 1939, in: Mitteilungsblatt des Reichskommissars für die Preisbildung, Jg. 1939, T. I, S. 392 (Nr. 38, 18. Sept. 1939).

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

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Die Rüstungskrise war nichts anderes als der Eklat der Widersprüche einer staatsmonopolistischen Kriegsvorbereitung in dem von Monopolen und Naziclique betriebenen Ausmaß. In ihr fand der tiefere Widerspruch zwischen den Kriegszielen und dem ökonomischen Potential des deutschen Imperialismus augenfälligen Ausdruck; in ihr zeichnete sich schon die Gesetzmäßigkeit der Niederlage Hitlerdeutschlands im zweiten Weltkrieg ab. e) Deutschland im internationalen Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen Ein internationaler Vergleich der wirtschaftlichen Rüstungen und Ressourcen für die Zeit vor Ausbruch des Krieges muß sowohl die Aufwendungen für die Rüstung selbst erfassen als auch das Rüstungs- bzw. Kriegspotential und schließlich die wirtschaftliche Stärke der betreffenden Länder überhaupt. An derartigen Vergleichen herrscht noch Mangel, was wohl vor allem der schwierigen Quellenlage zuzuschreiben ist. Soweit vorhanden, geben die oft sehr stark differierenden Angaben Anlaß zu höchster Vorsicht und zu genauester Prüfung. Schon die Angaben über die deutschen Rüstungsausgaben von 1933 bis 1939 schwanken zwischen etwa 50 und 90 Milliarden RM. 5 4 Es ist hier nicht der Platz, die Problematik dieser Berechnungen zu erörtern. 55 Unter Berücksichtigung der Quellen und Werte von Hillmann 56 , Stuebel 5 7 und Schweitzer 58 sowie nach Umrechnung der Fiskal- auf Kalenderjahre ergeben sich zunächst folgende grobe Zahlen: Rüstungsausgaben des Reiches 1933—1939 (in Md. RM) 1933 (Febr.-Dez.) 1934 1935 1936 1937 1938 1939 (Jan.-Aug.) Rüstungsausgaben der zivilen Ressorts

1,5 2,8 5,5 11,0 14,1 16,6 16,3

Zusammen

71,8

4,0

54 vgl. die Zusammen- und Gegenüberstellungen bei Mason, T. W., Some Origins of the Second World War, in: Past & Present, Nr. 29, Dezember 1964, S. 78f., und bei Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 128f. Neue Werte bei Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 33011. 55 vgl. Diskussion und Berechnungsmethodik bei Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 128 ff. 56 Hittmann, H. C., a. a. 0., S. 452ff., 492f. 57 Stuebel, Heinrich, Die Finanzierung der Aufrüstung im Dritten Reich, in: EuropaArchiv, H. 12/1951, S. 4128ft. 58 Schweitzer, Arthur, Big Business, a. a. 0 .

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

32

Zu dieser Summe von rund 72 Md. R M sind die Ausgaben für Unterhalt, Ausrüstung und Ausbildung der paramilitärischen Gliederungen der N S D A P und ähnlicher Organisationen (SS, S A , N S F K , N S K K , Organisation T o d t usw.) hinzuzurechnen. 59 Kuczynski weist nach, daß auch die Länder und Gemeinden aus ihren Mitteln Ausgaben für die Rüstung tätigten. 6 0 Bei vorsichtiger Schätzung dürfte sich damit die Summe der direkten Rüstungsausgaben des deutschen Imperialismus von 1933 bis 1939 auf etwa 78 Milliarden

Mark

belaufen.

Dieser Summe müssen weitere bedeutende Beträge sowohl für direkte als auch für indirekte

Rüstungsausgaben

zugeschlagen

werden.

Erstens

sind die

geheimen

Aufrüstungsfonds der Reichswehr insbesondere aus,den Jahren 1933 und 1934 zu berücksichtigen, verschiedene „schwarze Kassen", deren Zahl und genauer

Um-

fang immer noch im Dunkeln liegen. Zweitens hat Kuczynski zumindest für das Haushaltsjahr 1936 nachgewiesen, daß die W e h r m a c h t sehr beträchtliche Nachforderungen über den Rüstungsetat hinaus anmeldete, die wohl weitgehend befriedigt wurden. 6 1 V o r allem aber sind in der genannten Summe die wichtigsten indirekten Rüstungsausgaben nicht enthalten, nämlich die staatlichen

Zuschüsse,

Subventionen, Preisgarantien usw. für die Vierjahresplanvorhaben, deren Gesamtinvestitionssumme allein für 1937—1939 m i t rund 9 Milliarden R M geplant war, desgleichen keine privaten Investitionen in der Vierjahresplan- und überhaupt in der Rüstungsindustrie. Es gibt also keinen Zweifel daran, daß die Rüstungsausgaben des deutschen I m perialismus von A n f a n g 1933 bis zum 1. September

1939 den v o n

Kuczynski

errechneten Gesamtbetrag von 90 Milliarden R M erreicht und womöglich noch überschritten haben. Bei dem folgenden internationalen Vergleich der Rüstungsausgaben sind Angaben und Umrechnungen zugrunde gelegt, die, abgesehen v o n den zu niedrig berechneten W e r t e n für Deutschland, einen relativ zuverlässigen Eindruck machen. 6 2 Rüstungsausgaben der Großmächte (umgerechnet in Md. Dollar) Summe 1935-1938 USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich

4,3 12,5 4,8 3,7

1938 1,1 4,5) 1,9 1,0

Deutschland Italien Japan

Summe 1935-1938

1938

15,9 3,8 5,5

5,7 0,8 2,5

59 s. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918 — 1945, S. 131 f. ; Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 332. 60 s. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 132. 61s. ebenda, S. 133, 213ff. 62 s. Hillmann, H. C., a. a. O., S. 454. Die Zahlen für die Sowjetunion sind mit Vorsicht und Vorbehalt zu verwerten, entstammen aber relativ unverdächtigen Quellen (Völkerbundstatistik). Sehr zweifelhafte Vergleichszahlcn über die „Rüstungsproduktion" druckt

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

33

Nach diesen Zahlen rüstete der deutsche Imperialismus in clen Vorkriegsjahren fast doppelt so stark wie der englische und französische zusammengenommen. Den Rüstungen des faschistischen Dreierblocks konnten die vier Hauptmächte der späteren Antihitlerkoalition nur vereint, und auch dann noch denkbar knapp, Paroli bieten. Die internationale Bilanz der Rüstungsanstrengungen demonstrierte eine eindeutige Überlegenheit des faschistischen Deutschlands über seine westlichen und östlichen Nachbarn. Von wesentlicher, j a von entscheidender Bedeutung für den Verlauf des kommenden Krieges mußte die Dauerhaftigkeit dieser Rüstungsüberlegenheit oder, anders ausgedrückt, das Verhältnis des deutschen rüstungswirtschaftlichen Potentials zu dem der voraussichtlichen Kriegsgegner sein. Bei den zahlenmäßigen Vergleichen, die hier angestellt werden, kann freilich nur die materielle Seite des Problems, und auch diese nur stark vereinfacht, berücksichtigt werden. Die brauchbaren Berechnungen von Hillmann beziehen sich auf das J a h r 1937. Sie basieren auf dem Verhältnis zwischen der Produktion von Produktionsgütern (capital goods) als für die Erzeugung von Kriegsmaterial entscheidendem Produktionssektor und der gesamten Fabrikproduktion (manufacturing output); dieses Verhältnis ist gewichtet mit der relativen industriellen Stärke der Länder 6 3 : Anteil der Großmächte am rüstungswirtschaftlichen in Prozent USA

41,7

(Sowjetunion

14,0) 10,2

Großbritannien Frankreich Deutschland

4,2 14,4

Italien

2,5

Japan

3,5

Zusammen

Potential der Welt (1937)

90,5

Angesichts dieser Zahlen erscheint der deutsche Rüstungsvorsprung schon in anderem Lichte. Das Kräfteverhältnis war, was das rüstungswirtschaftliche Potential betraf, weit weniger günstig für die faschistische Seite, als es die Ziffern der Wagenführ (Wagenführ, (Goldsmith,

Raymond

Rolf,

Industrie, S. 23) von Sternberg bzw. von Goldsmith ab

VF., The Power of Victory. Munition. Output in World W a r II.

Military Affairs, 1946, S. 72 ff.). 63 s. Ilillmann,

H. C., a. a. 0 . , S. 446. Unter manufacturing output wird die Industrie-

produktion mit Ausnahme von Bergbau, Bauindustrie und Stromerzeugung verstanden, unter capital goods industries Maschinenbau, Schiffbau, Fahrzeugbau,

Metallwaren-

industrie, Chemieindustrie, Optische und Feinmechanische Industrie und ein Teil der Montanindustrie (besonders Eisenmetallurgie) ; s. ebenda, S. 432, 444. Die Auslegung dieses Begriffes ist zweifellos zu eng. — Die Zahlen für die Sowjetunion sind hier mit nicht zweifelsfreien Methoden 432, 439) ; s. Anm. 62.

korrigierte Werte der Völkerbundstatistik (s. ebenda, S. 429,

Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

34

Rüstungsproduktion bzw. der Rüstungsausgaben anzeigten. Das bedeutete zugleich, daß der Grad der Ausnutzung oder „Realisierung" des rüstungswirtschaftlichen Potentials — das Verhältnis des effektiven Standes der Rüstung zum rüstungswirtschaftlichen Potentials — in den faschistischen Staaten in den Vorkriegsjahren weitaus höher war als in den anderen Staaten. Der deutsche Imperialismus führte allerdings, neben den USA, mit weitem Vorsprung in der Produktion von Werkzeugmaschinen, diesem „Schlüssel zur Aufrüstung", und hatte dadurch vorzügliche Möglichkeiten, sowohl seine Rüstungskapazitäten rasch zu erweitern als auch die gesamte Industrie in kurzer Frist den Kriegsbedingungen anzupassen und auf die Produktion von Kriegsmaterial umzustellen. Deutschland produzierte 1938—1939 doppelt so viel vergleichbare Werkzeugmaschinen wie Großbritannien. Der deutsche Bestand an Werkzeugmaschinen (1938 rd. 1,3 Mill. Stück) betrug ebenfalls das Doppelte des britischen, übertraf sogar den der USA und war etwa dreimal so hoch wie der der Sowjetunion. Schließlich war der Anteil der Mehrzweckmaschinentypen in Deutschland weit höher als in den anderen Ländern. Der deutsche Imperialismus war damals die in dieser Beziehung bestausgerüstete und bezüglich der Umstellung auf die Kriegsproduktion bestvorbereitete Macht der Welt. 64 Die allgemeinsten und auf die Dauer immer entscheidenden materiellen Faktoren im Kräfteverhältnis zwischen rüstenden bzw. kriegführenden Staaten sind die wirtschaftliche Gesamtstärke und das wirtschaftliche Gesamtpotential. Das rüstungswirtschaftliche bzw. kriegswirtschaftliche Potential ist, wenn auch in unserem Zusammenhang die wichtigste und komplexeste, doch nur eine von vielen Kennziffern der gesamten Produktivkraft eines jeden Landes oder einer Gruppe von Ländern. Von den anderen wichtigen Kennziffern können hier nur zwei untersucht werden. Ein Vergleich der Industrieproduktion der untersuchten Länder führt zu ähnlichen, nur noch deutlicheren Ergebnissen wie der ihres Rüstungspotentials 65 : Anteil der Großmächte an der Weltindustrieproduktion ( manufacturing output) in Prozent 1937

1938

USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich Deutschland Italien Japan

35,1 14,1 9,4 4,5 11,4 2,7 3,5

28,7 17,6) 9,2 4,5 13,2 2,9 3,8

Zusammen

80,7

79,9

64 8. Hiümann, H. C., a. a. O., S. 452. 65 s. ebenda, S. 439. Bezüglich der Begriffsbestimmung (manufacturing output) und der Zahlen für die Sowjetunion s. Anm. 62 u. 63.

Die Phase der unmittelbaren Kriegsvorbereitung

35

Das J a h r 1938 war für die westlichen kapitalistischen Länder, besonders für die USA, ein J a h r der Krise. Trotzdem bleibt klar ersichtlich, daß alle aus dem Vergleich der rüstungswirtschaftlichen Potentiale zu ziehenden Schlüsse hier in verstärktem Maße zutreffen. Höchst aufschlußreich sind schließlich die ungefähren Vergleichszahlen für die Entwicklung der Arbeitsproduktivität 6 6 : Produktivität je Arbeitsstunde 1937 (Zuwachs gegenüber 1929·, in Prozent) USA (Sowjetunion Großbritannien Frankreich Deutschland Italien Japan

20 70)

20 33 9-10 9-10 21

Daß das faschistische Deutschland in der Entwicklung seiner Arbeitsproduktivität zurückblieb, muß — trotz verschiedener äußerer Einwirkungen auf diese E n t wicklung 67 — als ein typisches Zeichen der inneren, sozialen Schwäche des Regimes gewertet werden. 68 Der deutsche Imperialismus entfesselte den Krieg als hinter den USA und der Sowjetunion drittstärkste Industriemacht der Welt. Er hatte seit 1933 mit allen verfügbaren Mitteln gerüstet und seit spätestens 1935 im Tempo der Aufrüstung alle anderen Staaten übertroffen. Bei Kriegsbeginn war er ihnen auf dem Gebiet der Rüstungsproduktion überlegen. In den letzten Vorkriegsjahren hatte er seine Rüstungskapazitäten stärker erweitert. Den Roh- und Treibstoffmangel hatten Monopole und S t a a t erheblich verringert. Auf kürzere Kriege waren sie also wirtschaftlich durchaus vorbereitet. Der staatsmonopolistische Apparat zur öffentlichen Regulierung der Rüstungswirtschaft und zu deren Überleitung in die Kriegswirtschaft war seit Jähren, zu großen Teilen schon seit 1933/34, entwickelt und erprobt worden. Der deutsche Rüstungsvorsprung wurde aber mit wachsender innerer Labilität und Disproportionalität der Volkswirtschaft erkauft. Für eine überhitzte Rüstungs66 s. ebenda, S. 433. Nach Hillmanns Zahlen (ebenda, S. 439) lag die Sowjetunion im absoluten Stand der Arbeitsproduktivität zwar hinter den führenden USA, hatte aber bereits 1937, soweit es die Produktivität je beschäftigten Industriearbeiter betraf, sowohl Großbritannien als auch Deutschland eingeholt bzw. überholt. Das Produktivitfitsniveau Großbritanniens als 100 gesetzt, ergaben sich nach Hillmann annähernd 108 für Deutschland, 116 für die Sowjetunion und 220 für die USA. 61 vgl. ebenda, S. 437 f. 68 s. dazu auch Mason, T. W., Labour in the Third Reich, 1933-1939, a. a. 0 . , S. 131ff.; Kuczynski, Jürgen, Lage der Arbeiter 1933-1945, S. 177 ff., 238 f., 258 f.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

konjunktur typische Krisenerscheinungen traten vehement auf und zeitigten unmittelbare Auswirkungen auf die politischen und militärischen Entschlüsse. Die ökonomischen Ressourcen des deutschen Imperialismus waren auf die Dauer sehr mangelhaft und unsicher, sein kriegswirtschaftliches Potential war begrenzt. Demgegenüber stand die Tatsache, daß seine Vorherrschaftsansprüche in Europa und seine Weltherrschaftspläne ihn in erbitterten Gegensatz sowohl zur Sowjetunion als auch zu den imperialistischen Weltmächten bringen mußten. In der allgemeinen wirtschaftlichen Stärke war er seinen voraussichtlichen Kontrahenten unterlegen; er konnte seine Position im wesentlichen nur durch rasche militärische Eroberungen großen Stils und entsprechende wirtschaftliche Expansion „verbessern". Diese Tatsachen ließen die Katastrophe für den deutschen Imperialismus am Ende eines langwierigen Krieges gegen die übrigen Weltmächte bereits im voraus erkennen.

2. Kriegsziele und Kriegsplanung der deutschen Monopole a) Vier jahresplan

und Monopole

Der Vierjahresplan, den Hitler im September 1936 auf dem Parteitag der faschistischen Partei in Nürnberg mit großem propagandistischem Aufwand verkündete, war nach den Verlautbarungen des Regimes aus Mangel und Bedrohung geboren und sollte angeblich der Verteidigung der Existenz und der wirtschaftlichen Lebensgrundlagen des deutschen Volkes dienen. Nichtsdestoweniger schimmerte die aggressive expansionistische Grundlinie des Planes klar genug durch die wüsten antikommunistischen und antisowjetischen Tiraden der Rede Hitlers hindurch, als er seinen fanatisierten Anhängern voller Demagogie zurief: „Wenn der Ural mit seinen unermeßlichen Rohstoffschätzen, Sibirien mit seinen reichen Wäldern und die Ukraine mit ihren unermeßlichen Getreideflächen in Deutschland lägen, würde dieses unter nationalsozialistischer Führung im Überfluß schwimmen. Wir würden produzieren, jeder einzelne Deutsche würde mehr als genug zu leben haben." 6 9 Umfassenderen und deutlicheren Aufschluß über die eigentlichen Ziele der Vierjahresplanpolitik gab die geheime Denkschrift Hitlers vom 26. August 1936. 70 Der Vierjahresplan war ein Instrument der aggressiven Politik der reaktionärsten, kriegslüsternen Kreise des deutschen Finanzkapitals. Wenn es Mangel war, der beim Vierjahresplan Pate stand, so war es der Mangel an Expansionsmöglichkeiten für die Monopole; und es waren die Mängel des kriegswirtschaftlichen Potentials des deutschen Imperialismus, die mit seiner Hilfe behoben werden sollten. Die Vierjahresplanpolitik war eine Politik unmittelbarer wirtschaftlicher Vorbereitung 69 Völkischer Beobachter, 14. 9. 1936. 70 s. Treue, Wilhelm, Hitlers Denkschrift, S . 204ff. ; s. a. Abschnitt 1. — Das D a t u m der Denkschrift wurde präzisiert nach Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 547.

Kriegsziele und Kriegsplanung

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auf den imperialistischen Krieg. Erich Neumann, ständiger geschäftsführender Staatssekretär Görings in der Yierjahresplanorganisation, formulierte ihr Ziel fünf Jahre später ohne Umschweife: „So kam es denn darauf an, Deutschland militärisch und wirtschaftlich in einen Zustand zu bringen, in dem es mit Aussicht auf den größten Erfolg in die politische Auseinandersetzung über die Großraumlösung eintreten konnte. Diese mußte zweierlei Ergebnisse bringen, nämlich erstens die Wiederherstellung der durch den Vertrag von Versailles zerstörten eigenen Wirtschaftsgrundlagen des deutschen Volkes und sodann eine Ausdehnung des deutschen Einflußbereichs, die es gestattet, die eigenen Wirtschaftskräfte im notwendig bleibenden Umfange von außen her zu ergänzen, also auch durch Ausgestaltung des Wechselverkehrs mit benachbarten Gebieten Leben und Gedeihen des deutschen Volkes vollends und auf die Dauer sicherzustellen." 71 Der Plan und die Politik einer wirtschaftlichen „Selbstversorgung" oder Autarkie entsprachen nicht nur den unmittelbaren Profitwünschen der aktiv an der Vierjahrespolitik beteiligten Monopole, sondern ebenso auch ihren expansionsstrategischen Vorstellungen. Der Plan sollte die wirtschaftliche Basis für ihre weitgespannten imperialistischen Zielsetzungen bilden. Nicht „nur" um den unmittelbaren Profit aus den Vierjahresplaninvestitionen und aus den Rüstungsgeschäften überhaupt, um den Profit aus dem Schweiß der deutschen Werktätigen, war es ihnen zu tun ; es ging ihnen vor allem um jenen gewaltigen Profit, der nur aus dem Blut ganzer Völkerschaften, ja Erdteile gemünzt werden konnte. Das massenhafte Blutvergießen war nur die Fortsetzung der Schweißauspressung mit anderen Mitteln, mittels Kriegs. Die These der bürgerlichen Geschichtsschreibung, daß Hitler und die faschistische Partei sich der großen Konzerne nur bedienten oder gar die „Wirtschaft" zwangen, ihren Zielen zu dienen, weil sie ihrer industriellen und wissenschaftlichen Kapazitäten nicht entraten konnten, entstellt den Sachverhalt vollständig. In Wirklichkeit war die Vierjahresplanpolitik der Weg des deutschen Finanzkapitals selbst zu seinem Krieg und zu seinen Kriegszielen, den es unter Zuhilfenahme der politischen und militärischen Potenzen der Hitlerclique und der Hitlerwehrmacht endlich und schleunigst durchmessen wollte. 72 Das Jahr 1935 leitete mit der Proklamation der allgemeinen Wehrpflicht eine neue Phase der militärischen Aufrüstung ein. Das Rüstungsgeschäft wuchs sprunghaft mit der hochschnellenden Zahl der Divisionen, Panzerkorps, Flugzeuggeschwader und Kriegsschiffe. Aber die wirtschaftlichen und politischen Machthaber sahen 71 Dok. NID-13 844, Fall X I , A D B 120D, DZA Potsdam, Nürnberger Prozesse, Fall X I , Nr. 413, Bl. 251, Vortrag Neumanns vor der Verwaltungsakademie Berlin, 29. 4. 41. — Neumann war zur Zeit des Vortrage geschäftsführender Staatssekretär des Generalrats des Vierjahresplans. Im Jahre 1942 wählten ihn die Kalikonzerne zum Nachfolger des verstorbenen Generaldirektors des Deutschen Kalisyndikats, August Diehn. 72 Petzina ist der einzige nichtmarxistische Autor, der sich auf diesem Gebiet, das für die bürgerliche Geschichtsschreibung allgemein mit einem Tabu belegt ist, immerhin an eine neue Fragestellung herantastet; s. Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 27ff.; derselbe, IG-Farben und nationalsozialistische Autarkiepolitik, in: Tradition, H. 5/1968, S. 250G. 4

Eicbholtz, Kriegswirtschaft I

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

weiter. Der nun in greifbare Nähe rückende Krieg forderte auf allen Gebieten Entscheidungen strategischer Natur. An diesen Entscheidungen beteiligten sich die Konzern- und Bankherren unmittelbar und führend in hohen staatsmonopolistischen Funktionen. Sie planten die Strategie der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung, berechneten und beurteilten die weittragenden wirtschaftlichen Konsequenzen des nahenden Krieges. Die deutschen Monopole glaubten sich nun ihren alten Zielen — Liquidierung des Versailler Systems und seiner Folgen, Beherrschung Europas, Vorherrschaft in der Welt — um vieles näher. Das beflügelte ihre Aktivität und Initiative. Sie unterbreiteten den faschistischen Staats- und Parteibehörden dringende, mehr oder weniger weitblickende und umfassende Vorschläge, Pläne und Forderungen. Zugleich lagen sie untereinander in zunehmend erbittertem Kampf um für die neue Aufrüstungsphase günstige staatsmonopolistische Ausgangspositionen. Der Saarindustrielle Hermann Röchling, Beherrscher des Röchling-Konzerns, konferierte und korrespondierte seit Herbst 1935 mit Göring über Autarkiepläne. Sein erstes Ziel, die Einverleibung des Saargebiets in das faschistische Deutschland, war erreicht; schon bereitete er sich auf den Kampf um größere Ziele vor, nunmehr in Form einer „möglichen kriegerischen Auseinandersetzung". 73 Für diesen Fall war er davon überzeugt, „daß wir genug Eisenerze in Deutschland hätten, um unseren Bedarf zu decken." Er machte Göring nach dessen Ernennung zum „Beauftragten für den Vierjahresplan" eine plausible Rechnung auf: „Die große Aufgabe, Deutschland im Notfalle ganz mit eigenen Erzen zu versorgen, umfaßt m. E. mindestens die Herstellung von 14 Millionen Tonnen Roheisen im Jahr, so viel als wir in den Jahren 1916 und 1917 etwa zur Verfügung hatten. Unsere Gegner verfügten über eine vier- bis fünfmal so große Erzeugung und konnten aus ihr jede beliebige Eisenmenge für die Kriegsführung zur Verfügung stellen. Unsere Truppen waren nicht reichlich mit der nötigen Munition versorgt, auch nicht reichlich mit den sonstigen Erfordernissen. Dabei mußte die Eisenbahn einen unerhörten Raubbau an ihrem Material treiben . . . Es ergibt sich also die Folgerung, daß wir mindestens die Roheisenmenge des Krieges mit 14 Millionen Tonnen Eisen im J a h r zur Verfügung haben müssen, wenn wir einigermaßen unsere Bedürfnisse decken wollen. Sie werden vielleicht sagen, daß Sie das auch möchten, daß das aber nicht erreichbar sei. Ich würde Ihnen darauf erwidern: ,Da die Erzmengen vorhanden sind, wir auch immer noch Menschenreserven haben, so ist nicht einzusehen, warum dieses Ziel nicht erreicht werden kann'." 74 Auch Krupp und Flick setzten sich für den Plan ein, den deutschen Imperialismus von der im Kriegsfall gefährdeten Einfuhr an Eisenerz weitgehend unabhängig zu machen. Sie zählten zu den Stützen der staatsmonopolistischen Vierjahresplangruppierung, die sich um den Kern dieser Gruppierung, den Interessen- und Machtblock Göring/IG-Farben, sammelte. 73 Hermann Röchling an Göring, 27. 3. 1937, gedr. in : Emesseti, Schreibtisch. Ein Dokumentenfund, Berlin 1947, S. 73fi. 74 Ebenda, S. 74 ff.

T. R.,

Aus Göringa

Kriegsziele und Kriegsplanung

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Der I G - F a r b e n - K o n z e r n nahm im Vierjahresplan eine dominierende staatsmonopolistische Position ein. 7 5 Von Anfang an lagen Produktions- und

Investitions-

planung im Vierjahresplan wie auch die Durchführung der Pläne weitgehend monopolisiert in den Händen der Vertreter des I G - F a r b e n - K o n z e r n s . Der Anteil der Chemieinvestitionen an den Gesamtinvestitionen betrug 91,5 Prozent. Im ersten J a h r 1936/37 entfielen dabei auf den Konzern 7 6 : Von der Gesamtsumme der industriellen Investitionen

6 6 , 5 Prozent

Von den Investitionen auf dem chemischen S e k t o r einschließlich Mineralölproduktion

72,7 Prozent

ausschließlich Mineralölproduktion

85,7 Prozent

Die Rolle dieses größten deutschen Konzerns in Geschichte und Vorgeschichte des Vierjahresplans gibt unmittelbar Aufschluß über ein

Schlüsselproblem aller Ge-

schichte der Vorkriegs- und Kriegszeit: über die Haltung der deutschen Monopole zum Krieg und über die Kriegsziele, die sie konkret verfolgten. Die direkten Fäden zur Nazipartei, die Carl Dulsberg und Carl Bosch schon geraume Zeit vor 1933 über ihre „jungen L e u t e " wie ligner, Gattineau und Bütefisch geknüpft h a t t e n , wurden nach der Machtübertragung an die Hitlerclique zu einem festen Netz staatsmonopolistischen Einflusses ausgebaut. Bosch, der spätestens seit Mai/Juni 1933 wochenlang „in Berlin in unmittelbarer Verbindung mit der Regierung gewesen" und in dieser Zeit von Hitler „zu R a t e " gezogen worden w a r 7 7 , brachte dem Konzern als unmittelbare und vorläufige F r u c h t seiner höchst aktiven politischen und wirtschaftspolitischen Bemühungen das Feder-Bosch-Abkommen vom Dezember 1933 ein. 7 8 Zugleich h a t t e er noch im Sommer 1933 direkte Beziehungen zum Heer (Heereswaffenamt) und zur Luftwaffe (Reichsluftfahrtministerium) 75 Über den überragenden materiellen und personellen Einfluß des Konzerns auf die Vierjahresplanorganisation s. Kuczynski, Jürgen, Studien 1918—1945, S. 178II. ; Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 123f.; Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 539, 545. 76 s. Dok. NI-10035 u. NI-10036, Fall VI, ADB 32, Äff. Werner Hagert, 25. 7. 1947, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 416. 77 Bericht von Crane u. Ewing (vom Dupont-Konzern) über ihre Deutschlandreise und ihre Besprechungen mit C. Bosch (Reise vom 9. bis 14. Juli 1933), vom 17. Juli 1933, Dok. Ν1-9784, Fall VI, ADB 3, DZA/FS, IG-Farben, Film Nr. 410: „. . . während der jüngsten Wochen zeigte er (Hitler — D. E.) seine Beharrlichkeit, indem er das radikalere Element der Partei in seine Schranken wies und indem er die Industrieführer sich zu Rate zog. Dr. Bosch warin Berlin in unmittelbarer Verbindungmitder Regierung gewesen, und tatsächlich verbringt er praktisch seine ganze Zeit zwischen seiner Wohnung in Heidelberg und den Regierungsstellen in Berlin". — Zu den Auseinandersetzungen dieser Zeit innerhalb des staatsmonopolistischen Apparats, besonders zwischen den Monopolgruppierungen, s. Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre, phil. Diss. Berlin 1963 (im folgenden: Die Rolle des Monopolkapitals), S. 371 ff. ; vgl. auch Petzina, Dieter, Hauptprobleme der deutschen Wirtschaftspolitik 1932/33, in: VfZ, H. 1/1967, bsd. S. 45ff. 78 Zum Feder-Bosch-Abkommen s. Gossweiler, Kurt, Die Rolle des Monopolkapitals, S. 298 f.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

geknüpft. 7 9 Anlaß für diese Vorstöße waren die voraussehbaren großen Rüstungsgeschäfte mit synthetischem Kautschuk und Treibstoff. Bei Staatssekretär Erhard Milch im Reichsluftfahrtministerium hatte für Bosch ein „guter Bekannter" sondiert, nämlich Albert Vogler, Konzernchef der Vereinigte Stahlwerke AG 8 0 , der anscheinend sogar Hitler selbst deswegen eingeschaltet hatte. 8 1 Diese wichtige Verbindung, die zu Göring führte, ließ Bosch durch Carl Krauch, einen der fähigsten und skrupellosesten jüngeren Konzerndirektoren, wahrnehmen. Es war der IG-Farben-Konzern, es war Krauch, der zum ersten Mal schon 1933 den Begriff „Vierjahresplan" für seine umfassenden staatsmonopolistischen Rüstungsprogramme und -Vorschläge verwendete. Krauch bezeichnete damit im Spätsommer 1933 ein von ihm vorgelegtes Produktionsprogramm für synthetische Treibstoffe ; dieses war Inhalt einer Denkschrift, die der Konzern am 14. September 1933 Staatssekretär Milch übersandte. 8 2 Die erste „Vierjahresplandenkschrift" war also ihrem Ursprung nach sogar ein reines IG-Farben-Produkt. Und nicht nur ihrem Ursprung nach: „Ich hoffe, daß ich Ihnen mit dieser Abhandlung grundlegende Unterlagen für eine Ausweitung der deutschen Treibstoffwirtschaft gegeben habe", hieß es in Krauchs Begleitbrief 83 , und in der Denkschrift selber wurde bereits die Einsetzung eines Treibstoffkommissars gefordert. 84 79 s. Dok. Ν1-306, Fall VI, ADB 6, „Besprechungen über Buna", IG-Aktenauszüge 1933—1938, gefertigt August 1945 v. Ernst Struss u. v. Rohdemann, DZA/FS, IGFarben-Prozeß, Film Nr. 410. — Birkenfeld verschweigt alle wesentlichen Aktivitäten des Konzerns (Birkenfeld, Wolf gang, Ά. a. 0.). Sein Buch ist ein Musterbeispiel dafür, wie durch konsequentes Schweigen über alle wesentlichen Zusammenhänge faustdicke Monopolapologetik entsteht. 80 Dok. NI-5930, Fall VI, ADB 24, Vogler an Krauch, 10. 8. 1933, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 414; Dok. NI-6767, Fall VI, ADB 3, Vernehmung v. Carl Krauch, 16. 4. 1947, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 410. 81 Vermutbar nach Hitler, Adolf, Libres Propos sur la guerre et la paix recueillis sur l'ordre de Martin Bormann (frz. Fassung von François Genoud), Paris (1952), S. 250f. (Nr. 128, 27. Jan. 1942): „Vogler m'a fait la proposition, en 1933, de nous fournir deux millions de tonnes d' essence synthétique en l'espace de trois ans, à la condition que nous nous engagions pour une durée de dix ans à acheter toute sa production à un prix fixé d'avance. . . . Il était prévu que la' I. G. Farben financerait la construction des usines." 82 Begleitschreiben vom Krauchan Milch, 14. September 1933, Dok. NI-4718, Fall VI, ADB 6, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 410: „Um auf ein fest umrissenes Produktionsprogramm zu kommen, ist in der Abhandlung für die Ausweitung der Fabrikation ein 4-Jahresplan zugrunde gelegt." 83 Ebenda. 84 „. . . it would be necessary to appoint a commissar for carrying out the necessary steps." (Zit. in: Schweitzer, Arthur, Business Power under the Nazi Regime, in: Ztschr. f. Nat.ökonomie, Bd. 20, Jg. 1960, H. 3—4/1960, S. 432. Schweitzer stellt zu dem Zusammenhang zwischen diesem Memorandum des Konzerns und dem späteren faschistischen Vierjahresplan, wenn auch zurückhaltend, so doch zutreffend fest: „IG-Farben can . . . claim credit for having contributed to the ideas t h a t culminated in the original Four Year Plan." (Ebenda). Birkenfeld (1964) kennt die auischlußreiche Denkschrift selbst nicht. (Birkenfeld, Wolfgang, a. a. O., S. 62, Anm. 7).

Kriegsziele und Kriegsplanung

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Krauch baute die staatsmonopolistischen Positionen des Konzerns in den folgenden Jahren aus. Als im Jahre 1935 die letzten politischen Schranken für die Aufrüstung, insbesondere der Luftwaffe, fielen, erreichte die staatsmonopolistische Aktivität des Konzerns neue Höhepunkte. Mit dem Übergang zum offenen Aufbau der Luftwaffe erhielt das RLM neue bedeutende Möglichkeiten, die Luftrüstung selbst — aus eigenem E t a t — und in potenziertem Umfang zu finanzieren; es war nicht mehr auf den Umweg über Schachts Dienststellen angewiesen. Damit witterten auch die Herren des IG-Farben-Konzerns Morgenluft. Sie entwickelten eine emsige Aktivität in neuen, ausgedehnten Verhandlungen wegen synthetischen Kautschuks und Treibstoffs und versuchten zugleich, sich feste staatsmonopolistische Positionen zu sichern. Allem Anschein nach schalteten sie sich auch maßgeblich in die strategischen Fragen der Luftrüstung ein und begannen, in immer engerer Verfilzung mit dem Göringschen Apparat ihre allgemeine politische Linie durchzusetzen. Mitte 1935 luden sie Staatssekretär Milch in die Versuchszentren der synthetischen Produktion ein. Milch schrieb nach seinem Besuch an Krauch: „Lieber Herr Krauch ! Zunächst möchte ich Ihnen ganz besonders für die freundliche Aufnahme danken, die wir bei Ihnen in Oppau gefunden haben. Bei allen Teilnehmern haben die dortigen Vorführungen und Erklärungen einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Ich persönlich habe auch sofort General Göring berichtet, der sich ebenfalls für gerade diese Fragen interessiert. Sobald sein Sommerurlaub vorbei ist, hat er vor, Sie in aller Ruhe nach Karinhall in der Schorfheide zu bitten und mit Ihnen die großen Gesichtspunkte auch seinerseits zu besprechen." 85 Auf Milchs Wunsch entsandte der Konzern sofort einen seiner Spezialisten als „Verbindungsoffizier" in das Amt C (Technisches Amt) des RLM. Krauch konnte es. seiner Antwort an Milch zufolge, kaum erwarten, von dem Termin jener angekündigten Einladung zu Göring benachrichtigt zu werden. 86 Ende August 1935 oder etwas später muß dann die höchst bedeutsame Aussprache zwischen Göring und Krauch stattgefunden haben, in der der neue staatsmonopolistische Machtblock Göring/IG-Farben aus der Taufe gehoben wurde. 87 Es wird kein Zufall sein, daß Hitler kurz nach diesen Ereignissen, auf dem Parteitag im September 1935, in seiner Proklamation zum ersten Mal die Grundgedanken des Vierjahresplanes in noch knappen, aber schon klaren Umrissen formulierte. Angesichts der Schwierigkeiten im Außenhandel, so hieß es dort, „haben wir uns entschlossen, durch die Produktion eigener Werkstoffe Deutschland vom Import unabhängig zu machen." Hitler zählte diese Werkstoffe auf: „Benzin aus Kohle . .., deutsche Faserstoffe, künstlicher Gummi, Erschließung eigener Ölquellen, eigener 85 Dok. NI-4718, Fall VI, A D B 6, Milch an Krauch, 23. 7. 1935, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 410. 86 s. Dok. NI-4718, Krauch an Milch, 27. 7. 1935, a. a. 0 . 87 Krauch war 1947 vor dem US-Militärgerichtshof in Nürnberg offensichtlich bestrebt abzuleugnen, daß eine solche Besprechung stattgefunden habe, und gab unter Eid eine entsprechende Erklärung ab, die aber — sicherlich absichtlich — unklar und mehrdeutig gehalten war; s. Trials of War Criminals, Bd. 7, S. 612.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

alter und neuer Erzlager". 8 8 Hier tauchten die „großen Gesichtspunkte" wieder auf, die zwischen Göring und K r a u c h besprochen worden waren ! Der Verlauf der folgenden Ereignisse läßt keinen Zweifel an der führenden Rolle des IG-Farben-Konzerns beim Zustandekommen des Vierjahresplans. Krauch, nunmehr „maßgeblicher Berater von Göring" 8 9 , erzielte ganz außergewöhnliche Erfolge bei der S t ä r k u n g der staatsmonopolistischen Position seines Konzerns. Im April 1936 wurde Göring Rohstoff- und Devisenkommissar. Seine Vollmachten griffen ganz wesentlich in die Kompetenzen des Reichswirtschaftsministers (Schacht) ein. Die Idee, sich zum Kommissar für die einheimische Treibstofferzeugung ernennen zu lassen, hatte Göring — sachlich in voller Übereinstimmung mit dem IGFarben-Konzern — schon im März geäußert. 9 0 Der spiritus rector des endgültigen Aufbaus des Rohstoff- und Devisenkommissariats und -stabes darf, allen vorangehenden und nachfolgenden Ereignissen und Entwicklungen zufolge, im IGFarben-Konzern gesucht werden. Göring — nach Hitler die mächtigste politische Figur im S t a a t e — zu dieser Idee zu inspirieren und gerade ihm zu diesem Amt zu verhelfen, der als absoluter Dilettant in ökonomischen Fragen eben völlig abhängig von R a t und Politik der „ F a c h l e u t e " und „ B e r a t e r " sein und bleiben mußte, war taktisch ein geschickter Zug. Taktiken dieser Art waren den Monopolen sehr geläufig und waren typisch für die faschistische Zeit. Jedenfalls wurden sogleich nicht nur das Büro Keppler, sondern auch ein sich später ständig vergrößerndes IG-Fachleute-Team unter Carl Krauch in Görings S t a b inkorporiert. Das „ A m t für deutsche Roh- und Werkstoffe" des Vierjahresplans, in dem Krauchs Gruppe im Herbst 1936 aufging, stellte den Grundstock und den wichtigsten zentralen Teil der umfangreichen Vierjahresplanbehörden dar. Zunächst aber setzte in den Monaten Mai bis August 1936 ein fieberhaftes Treiben unter allen wirtschaftspolitisch interessierten staatsmonopolistischen Gruppierungen ein. Alle Parteien und Gruppierungen, die an den Auseinandersetzungen um den einzuschlagenden rüstungswirtschaftlichen Kurs beteiligt waren, forderten umfassendste staatsmonopolistische Vollmachten. Schacht drängte im August auf Entscheidungen zu seinen Gunsten. Göring hielt ihn hin. E r hatte a m 15. August von der Krauch-Gruppe („Forschung und Entwicklung") einen mit größter Beschleunigung ausgearbeiteten Bericht zur L a g e erhalten und war damit bei Hitler gewesen. 9 1 Hitler arbeitete ebenso prompt. Unter Verwendung des Krauchschen Berichts stellte er in wenigen Tagen seine Vierjahresplan-Denkschrift zusammen, die in dem staatsmonopolistischen Gruppenkampf endgültig den Ausschlag zugunsten der Gruppierung um Göring/IG-Farben gab. 88 Proklamation Hitlers an den Parteitag, verlesen 11. 9. 1935, Völkischer Beobachter, 12. 9. 1935, S. 3. 89 Dok. NI-8084, Fall VI, ADB 39, Äff. Lothar Mischke, 18. 4. 1947, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 416. 90 vgl. ιSchweitzer, Arthur, Big Business, S. 538. 9 1 s . Anatomie des Krieges, Berlin 1969, Dok. 46; vgl. ferner Schweitzer, Arthur, Big Business, S. 547; derselbe, Crisis, S. 156 ff.; vgl. auch Verhör Paul Körner, 12. März 1940, I M T , Bd. 9, S. 175.

Kriegsziele und Kriegsplanung

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Arthur Schweitzer beschreibt treffend den Anteil, den der

IG-Farben-Konzern

unmittelbar an dieser Denkschrift h a t t e : „ K r a u c h ' s department not only provided the first proposals for producing substitutes according to a predetermined plan but this plan also suggested to the Nazis the basic ideas t h a t led to the specific goals — save point seven — in Hitler's m e m o r a n d u m . " 9 2 Das bedeutet: Hitler brachte seine Vierjahresplan-Denkschrift, dieses Schlüsseldokument faschistisch-imperialistischer Aggressivität, in enger m i t dem IG-Farben-Konzern

Zusammenarbeit

(über ,Göring-Krauch) zustande. Der

IG-Farben-

Konzern setzte also gegen vorsichtigere und zurückhaltendere Stimmen auf die Blitzkriegsstrategie und auf einen Plan wirtschaftlicher „Selbstversorgung" und Autarkie. Der Vierjahresplan war nichts anderes als seine wirtschaftliche Blitzkriegskonzeption. Nach Anlage und Stoßrichtung der Planungen war jeder Zweifel daran ausgeschlossen, daß der Krieg, der hiermit wirtschaftlich vorbereitet wurde, sich nicht nur gegen die Sowjetunion, sondern auch gegen diejenigen imperialistischen S t a a t e n richten sollte, die eine Wirtschaftsblockade gegen den deutschen Imperialismus verhängen, ihm insbesondere die kriegswichtigen Rohstoffe Erdöl und K a u t s c h u k sperren konnten. J e d e m Urteilsfähigen mußte das in die Augen springen. Der Plan war eine wirtschaftliche Kriegserklärung an die westlichen imperialistischen S t a a t e n , einschließlich der U S A , und legte so eine

expansioni-

stische Hauptstoßrichtung des deutschen Monopolkapitals bzw. der mit dem Vierjahresplan verbundenen Monopolgruppierung bloß. Die auf Krieg berechnete Linie des größten deutschen Konzerns zeigte sich unmittelbar und unübersehbar im J a h r e 1938, als sich Konzeption und Organisationsstruktur des Vierjahresplans auf Initiative und unter führender Mitwirkung dieses Konzerns änderten. „An die Stelle der ursprünglichen, auf Eigenversorgung gerichteten Planungen t r a t das Ziel direkter Vorbereitung der Mobilmachung, das einen Übergang von der relativ weitgefaßten Plankonzeption zur Konzentration auf nur wenige kriegswichtige Produkte bedeutete." 9 3 E s war Krauch mit seinen S t ä b e n in der Vierjahresplanbehörde und im Konzern selbst, der diese Änderungen förmlich mit Brachialgewalt durchsetzte. Göring h a t t e die offizielle Leitung des Amtes für deutsche R o h - und Werkstoffe, der zentralen Vierjahresplanbehörde, und einiger Abteilungen dieses Amtes erst Oberst Fritz L ö b und anderen Offizieren aus dem Generalstab der Luftwaffe übertragen, augenscheinlich um ein Gegengewicht gegen die Wirtschaftsbehörden des O K H

unddesOKW

zu schaffen. Als Löb in seinem Planbericht über das erste J a h r des Vierjahresplanes (Herbst 1937) eine wenig erfolgreiche Bilanz vorweisen mußte, darüber hinaus die dominierende Stellung des I G - F a r b e n - K o n z e r n s ignorierte und durch Schaffung eines „Reichsrohstoffamtes"

für sich unumschränkte

Vollmachten

verlangte 9 4 ,

wurde er im Laufe der folgenden Monate durch Krauch unter Assistenz von Paul 92 Schweitzer, Arthur, Crisis, S. 176. 93 Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 116. 94 Dok. NI-8590, Fall VI, ADB 5, Bericht Lobs vom 30. Okt. 1937, gedr. in: Jürgen, Studien 1918-1945, S. 222ÍI., 171f.

Kuczynski,

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

Körner, Görings Staatssekretär und persönlichem Vertreter im Vierjahresplan, der Unfähigkeit überführt, überspielt und schließlieh entfernt. Gritzbach sagte über die Ereignisse aus: „Dank seiner umfassenden Kenntnis der Materie setzte Krauch unschwer seinen Standpunkt in Sachaufgaben durch. Ebenso widersprach er auch irrigen Auffassungen und übersteigerten Forderungen, selbst wenn sie von höchster Stelle kamen. Unter anderem legte er klar, daß die Löbschen Planungen von Fehlschlüssen ausgingen. Er ersetzte sie durch einen eigenen, den sogenannten Krauchplan, der nach mehrfachen Besprechungen im Büro Körner dann in Karinhall mit Göring festgelegt und in die Tat umgesetzt wurde." 9 5 In jenen Monaten des Jahres 1938 wickelten sich die Ereignisse mit Blitzesschnelle ab. Der lG-Farben-Konzern bestimmte das Tempo. Anfang des Jahres brachte Krauch Oberst Löb zu Fall. Aus dem Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe, das Löb geleitet hatte, entstand die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, eine höhere Reichsbehörde, deren faktischer Leiter Krauch wurde. Doch der Konzern wollte mehr. Er drängte auf eine rüstungswirtschaftliche Koordinationszentrale mit außerordentlichen Vollmachten. Im Juni bestellte Krauch, vermutlich mit Wissen und Billigung Görings, ein offizielles Schreiben aus dem Konzern an sich selbst. IG-Direktor Otto Ambros, einer seiner Vertrauten, schrieb ihm diesen Brief am 27. Juni. Er enthielt das staatsmonopolistische Programm des IG-Farben-Konzerns 9 6 : „Es muß eine einzige verantwortliche Stelle, nach Art des englischen Verteidigungsministeriums, geschaffen werden, die alle Fragen der Forschung, der Planung, der Finanzierung und vertraglichen Regelung und der Überwachung der Ausführung entscheidet und als Stimme für (vermutlich s t a t t : der — D. E.) Wehrmacht und aller zuständigen Reichsministerien Geltung hat. Als vorbereitendes Gremium sollte sich diese obige Stelle ein Kuratorium aus verantwortlichen Vertretern des Heeres, des Reichsiinanzministeriums, der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau und der Industrie bilden, das wie einst der Verteidigungsrat' im Weltkrieg die Vorschläge ausarbeitet und zur Entscheidung vorlegt. Dieser Rat lenkt die Vorsehung (muß heißen: Forschung — D. E.) und bestimmt die Planung, besonders die Reihenfolge der Projekte. Das Verteidigungsministerium veranlaßt dann die Finanzierung und vertragliche Regelung durch das Wirtschaftsministerium und die Ausführung, Materialbeschaffung, den Arbeitseinsatz, die Regelung der Tariffragen etc. durch die Stelle des Vierjahresplanes, also durch die Reichsstelle für Wirtschaftsausbau. Was wir brauchen, wenn die deutsche Aufrüstung in dem notwendigen Tempo und 95 Dok. NI-9767, Fall VI, A D B 25, Äff. Erich Gritzbach, 14. Aug. 1947, DZA/FS, IGFarben, Film Nr. 413. 96 Dok. NI-5687, Fall VI, A D B 20, Ambros an Krauch, 27. Juni 1938, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 413. Hervorhebungen nach dem Original bzw. nach der Prozeßkopie. — Zu dem Briei vgl. auch Petzina, Dieter, Autarkiepolitik, S. 118f. Für (las Folgende s. a. Anatomie des Krieges, a. a. 0 .

Kriegsziele und Kriegsplanung

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nach nationalen Grundsätzen durchgeführt werden soll, ist, daß nur eine verantwortliche Stelle uns gegenübersteht." Unschwer ist aus diesem Dokument der absolute Führungsanspruch des IG-FarbenKonzerns in der geforderten rüstungs- bzw. kriegswirtschaftlichen Organisation abzulesen. Er gedachte ihn vor allem durch die Reichsslelle für Wirtschaftsausbau wahrzunehmen, in dem erwähnten obersten Kuratorium oder Verteidigungsrat aber außerdem noch durch industrielle Vertreter, d. h. durch Abgesandte unmittelbar aus dem Konzern. Der Konzern setzte sein Programm nicht völlig durch. Aber auf dem Chemiegebiet gelang es ihm, seine Positionen im staatsmonopolistischen Apparat auf Kosten vor allem der Wehrmachtsstellen erheblich zu erweitern und zu stabilisieren. Am 30. Juni 1938 löste der „Krauchplan", nach seiner Bestätigung am 12. Juli auch „Karinhallplan" und offiziell „Wehrwirtschaftlicher neuer Erzeugungsplan" genannt, die umfangreichen Planungen des Amts für deutsche Roh- und Werkstoffe angesichts ihres offensichtlichen Scheiterns ab. 97 Der Krauchplan enthielt stark forcierte Programme nurmehr für den Ausbau der Produktion von Mineralöl, Buna und Leichtmetallen sowie — neuerdings — von Pulver, Sprengstoffen. Kampfstoffen (d. h. von Giftgasen, vor allem von Lost) und deren Vorprodukten. Er war auf vier Jahre angelegt (bis 1942/43), so daß der Vierjahresplan von 1936 sich de facto in einen sechsjährigen Plan verwandelt hatte. Doch die deutschen Imperialisten beabsichtigten nicht, ihre Expansions- und Kriegspläne dementsprechend hinauszuschieben. Bis zum 13. August 1938 arbeitete Krauch mit seiner Gruppe den sogenannten Schnellplan für Pulver, Spreng- und chemische Kampfstoffe einschließlich der Vorprodukte aus, der von nun an einen besonderen Teil innerhalb des Krauchplans bildete. Er sah eine zusätzliche Steigerung von Kapazitäten und Produktion vor, mit dem Ziel, die faschistische Wehrmacht bis zum Herbst 1939 maximal zu versorgen und zum Losschlagen vorzubereiten. „Mit dem Schnellplan", so hieß es in der Begründung des Dokuments, „ist nach Ansicht der beteiligten Stellen sowie der durchführenden Industrie die maximale Steigerungsmöglichkeit bis Herbst 1939 erschöpft. Der Schnellplan ist im einzelnen abgeglichen und volle Übereinstimmung erzielt zwischen OKW(Wstb) OKH(WaA) Dr. K r a u c h . Der vorliegende Schnellplan ist ab jetzt die gemeinsame Grundlage des Vorgehens aller beteiligten Stellen. Bis Ende 1939 wird nach dem Schnellplan die Kapazität so weit erhöht, daß auf allen Gebieten praktisch die größte im Weltkrieg noch erzielte deutsche Erzeugungsmöglichkeit erreicht wird." 9 8 Hiermit war der Termin des frühestmöglichen Kriegsbeginns wahrlich schon äußerst präzise vorherbestimmt und vorausgeplant. 97 s. Dok. Nl-8839, Fall VI, ADB 20, „Der beschleunigte Plan", 30. 6. 1938, DZA/FS, IG-Farben-Prozeß, Film Nr. 4 13/600; Dok. NI-8800, Fall VI, ADB 20, „Wehrwirtschaftlicher neuer Erzeugungsplan", 12. 7. 1938, a. a. O. — Die angegebenen Nürnberger Dokumente enthalten jeweils nur die Begründungen der Pläne bzw. Auszüge aus ihnen. 98 Dok. Ν1-8797, Fall VI, ADB 20, „Schnellplan vom 13. 8. 1938", a. a. O.

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Die wirtschaftliche Ausgangsbasis. Die Kriegsziele

In der „Zusammenfassung" der ersten Fassung des Schnellplanes hatte Krauch, wie ähnlich schon im ursprünglichen Planentwurf vom 10. Juni unmiß verständlich die entsprechenden Vollmachten für sich gefordert: „Es muß ganz ausdrücklich bemerkt werden, daß der hier wiedergegebene beschleunigte Ausbauplan nur dann verwirklicht werden kann, wenn eine grundsätzlich neue und straffe Zusammenfassung von Planung und Durchführung in einer einzigen Hand erfolgt." 100 In der endgültigen Fassung vom 13. August hieß es nochmals: „Die Durchführung des Schnellplanes ist nur möglich, wenn ganz besondere (kriegsmäßige) Vollmachten der für die Durchführung verantwortlichen Stelle gegeben werden." 101 Diese Forderungen wurden alsbald mit Krauchs Ernennung zum GB Chemie weitgehend erfüllt. Göring ging dabei systematisch vor, um dem Widerstand besonders der Wehrmachtsstellen gegen Krauchs Bevollmächtigung zu begegnen. Am 16. Juli 1938 richtete er ein Rundschreiben an die Reichsminister, in dem er erklärte, er werde angesichts der politischen Lage, besonders aber infolge der „Notwendigkeit der beschleunigten Durchführung des Vierjahresplanes und der Mobbereitschaft" gezwungen sein, „über alle Bedenken hinweg auf besonders entscheidenden Gebieten sogenannte Generalbevollmächtigte zu ernennen", die berechtigt wären, „auf den ihnen zugewiesenen Sondergebieten alle Maßnahmen zu treffen und alle Behörden und Dienststellen mit den hierfür notwendigen Weisungen zu versehen. Diesen Weisungen ist unverzüglich Rechnung zu tragen, da dieselben in meinem Auftrage erteilt werden." Einsprüche hätten „keinerlei aufschiebende Wirkung". 102 Am 22. August 1938 ernannte Göring Krauch zu seinem Bevollmächtigten — kurze Zeit darauf zum Generalbevollmächtigten — „für die Erzeugung von Mineralöl, Kautschuk und Leichtmetallen, von Schieß- und Sprengstoffen sowie für die Erzeugung von chemischen Kampfmitteln". „Es ist Ihre Aufgabe", so hieß es weiter in der Bevollmächtigung Krauchs, „die Durchführung der Erzeugungsprogramme mit jedem möglichen Nachdruck zu fördern, hierzu die laufenden Arbeiten fortlaufend zu kontrollieren, ihnen entgegentretende Hindernisse schnellstens auszuräumen und für ihre ordnungsgemäße Weiterführung alle notwendigen Voraussetzungen zu sichern." 103

99 Dok. NI-8799, Fall VI, ADB 20, „Zusammenfassung des Erzeugungsplanes für Pulver, Sprengstoffe, Chemische Kampfstoffe einschl. der Vorprodukte", Stand am 10. 6. 1938, a. a. 0 . 100 Dok. NI-8841, Fall VI, ADB 20, „Zusammenfassung eines beschleunigten Erzeugungsplanes für Pulver und Sprengstoffe und chemische Kampfstoffe einschl. der Vorprodukte", 30.6.1938, a . a . O . ; s . a . Fall VI, Protokoll, S. 848 ff., 856, Archiv der Glówna Komis ja Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Warschau (im folgenden: GK). 101 Dok.NI-8797, Fall VI, ADB 20, „Schnellplan vom 13. 8. 1938", a. a. O. 102 Dok. EC-278, Fall VI, ADB 24, Rundschreiben des Beauftragten für den Vierjahresplan an die Reichsminister u. den preuß. Finanzminister, 16. 7. 1938, DZA/FS, IG-FarbenProzeß, Film Nr. 414/601. 103 DZA Potsdam, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 18353, Bl. 54 (auch = Dok. NI13901). — Krauchs offizieller Titel war, einigermaßen, vorsichtig formuliert, t) Bevoll-

Kriegsziele und Kriegsplanung

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Am gleichen Tage erließ Göring einen „Befehl zur Durchführung des wehrwirtschaftlichen neuen Erzeugungsplanes sowie des Schnellplanes". Darin wird die beherrschende Position sichtbar, die Krauch nunmehr einnahm und die einen tiefen Einbruch in die Kompetenzen der Wehrmachtsstellen und des Reichswirtschaftsministeriums darstellte. Der Befehl hatte folgenden Wortlaut 104 : „1) Die Gesamtleitung der Durchführung des für den Ausbau von Pulver-, Sprengstoff- und K-Stoflabriken sowie ihrer Vorprodukte befohlenen wehrwirtschaftlichen neuen Erzeugungsplanes sowie des Schnellplanes wird Herrn Dr. Krauch übertragen. Er trägt somit die volle Verantwortung für die zeitgerechte Durchführung des Programms und die Bereitstellung der hierfür erforderlichen Mittel (Geld, Stahl, Baustoffe, Arbeitskräfte usw.). 2) Die Durchführung des Erzeugungsplanes hat in engstem Einvernehmen mit der Wehrmacht nach folgender Aufgabenverteilung zu erfolgen: a) Programm und Planung: Dr. Krauch Bei Aufstellung des Programms und der Planungen sind die von der Wehrmacht zu vertretenden militärischen Gesichtspunkte zugrunde zu legen und die von dieser vertretenen chemisch-technischen Erfordernisse weitgehend zu berücksichtigen. b) Baudurchführung·.

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284

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

3. Pharmazeutische Produkte, Dental-Produkte, Schädlingsbekämpfungsmittel und vet. med. Produkte „ B a y e r " . Sera und Impfstoffe B e h r i n g w e b k e Auf Grund der unter 1/3 geschilderten erheblichen Schädigungen des pharmazeutischen Geschäftes der IG sowie ferner auf Grund der Tatsache, daß die deutsche pharmazeutische Industrie und hier vor allem „Bayer" durch die Nachkriegsentwicklung ihre wissenschaftliche und wirtschaftliche Qualifikation erbracht haben, halten wir die Verwirklichung folgender Forderungen nicht nur für gerechtfertigt, sondern insbesondere auch zur Erreichung eines planvollen Neuaufbaues in Europa für notwendig. A. Es wäre zu fordern die Rückgabe sämtlicher beschlagnahmten Warenzeichen auf pharmazeutischem Gebiet. Alle Warenzeichen, die im Weltkrieg beschlagnahmt und nach dem Kriege mangels Möglichkeit der prozessualen Sicherung als Freizeichen gehandhabt wurden und uns daher verlorengingen, müssen den Besitzern zurückgegeben und als Warenzeichen mit rückwirkender Kraft eingetragen und gesichert werden. B. Der französische Markt muß den Firmen der deutschen pharmazeutischen Industrie zur freien Konkurrenz geöffnet werden. In einzelnen wichtigen pharmazeutischen Produkten ist diese freie Konkurrenz durch Konventionsabsprachen zu steuern. Die Verwirklichung dieses Wunsches erscheint durch die unter II. vorgetragenen Wünsche als hinreichend gesichert. Von der Seite der pharmazeutischen Industrie ist hierzu im einzelnen folgendes noch zu bemerken: zu I 1)

Als Maximalzollbelastung für pharmazeutische Spezialitäten kommt höchstens eine Belastung von 10 bis 15% auf den Freigrenzewert in Frage, zu III A c) Bei der Ermittlung des Ertrages vom Umsatz erscheint uns für das pharmazeutische Geschäft ein Prozentsatz von 5% vom Umsatz für angemessen. C. Daneben sind verschiedene in Frankreich bestehende Verwaltungsvorschriften für das pharmazeutische Geschäft im Hinblick auf deren hemmende Wirkung zu beseitigen bzw. abzuändern : a) Die Gleichstellung der deutschen mit den einheimischen pharmazeutischen Erzeugnissen bei Ausschreibungen und sonstigen Auftragsvergebungen der französischen Behörden und öffentlichen Einrichtungen ist sicherzustellen. b) Die zum Schutze der einheimischen Serum-Industrie erlassenen Bestimmungen müssen fallen, so daß die ungehinderte Einfuhr von deutschen Sera und Impfstoffen gewährleistet ist. c) Es muß verhindert werden, daß die an sich vorhandene chauvinistische Einstellung vor allem der Ärzte und Apothekerkreise in Frankreich von amtlichen Stellen dadurch zum Nachteil der deutschen pharmazeutischen Industrie gefördert wird, daß die Verwendung einheimischer Heilmittel empfohlen, gefördert oder gar vorgeschrieben wird. Es muß dafür Sorge getragen werden, daß solche Praktiken auch nicht auf verwaltungsprotektionistischem Wege eingeführt werden. Zustände, wie sie beispielsweise beim Verband der französischen Tierärzte bestehen, müssen beseitigt, zumindest müssen die deutschen Firmen als gleichberechtigte Lieferanten zugelassen werden. d) Auf dem Gebiet der Pflanzenschädlmgsbekänvplung muß die dem heutigen wissenschaftlichen Stand nicht mehr Rechnung tragende Bestimmung des Anwendungs-

I. IG Farbenindustrie AG

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Verbotes von Quecksilbersaatbeizmitteln fallen, damit insbesondere im Interesse der französischen Landwirtschaft die moderne Schädlingsbekämpfung und Saatgutbeizung zu breitester Anwendung gelangen kann. D. Es ist im Interesse der im allgemeinen Teil ausgeführten Notwendigkeit, die gesamte pharmazeutische Industrie im Europäischen Großraum unter Führung der deutschen pharmazeutischen Industrie organisch und zielstrebig auf die Zukunftsaufgaben auszurichten, erforderlich, der französischen pharmazeutischen Industrie den ihr zukommenden Platz anzuweisen. Hauptsächlich sollte die französische pharmazeutische Industrie ihr Augenmerk auf den Inlandsmarkt richten. Der Export sollte nur unter gleichzeitigen Preisabsprachen und marktrcgelnden Vereinbarungen mit den deutschen Firmen der pharmazeutischen Industrie erfolgen. Dies trifft insbesondere zu für die wichtigsten pharmazeutischen Chemikalien, wo sie einen Teil der Gesamtabsprachen für die ganze Welt darstellen. Es bleibt vorbehalten, die in diesem Zusammenhang vorzubringenden Vorschläge der deutschen pharmazeutischen Industrie noch gesondert vorzulegen. Zur Sicherung eines solchen Zusammengehens auf den Exportmärkten sollte entweder die Form finanzieller Beteiligung oder der Anschluß an deutsche Exportorganisationen im Ausland ins Auge gefaßt werden. Diese geplante Zusammenarbeit macht es auch erforderlich, die internationalen Verflechtungen der französischen pharmazeutischen Industrie festzustellen und zu prüfen, um sie gegebenenfalls den neuen Verhältnissen anzupassen und auf diese Weise zu verhindern, daß deutsches Gedankengut an außerkontinentale Firmen gelangt. Insbesondere wird auf die Gefahr hingewiesen, die darin besteht, daß zur Zeit in Frankreich tätige Chemiker in Zukunft in dritte Länder auswandern und dort unter Verwertung der ihnen zur Kenntnis gelangten französischen und evtl. deutschen Herstellungsverfahren einheimische nationale Industrien ins Leben rufen, die sich wiederum auf den deutschen Export nachteilig auswirken. Im Zuge der Vereinbarungen müßte auch noch festgelegt werden, daß die zwischen uns und den französischen Firmen Société Parisienne d'Expansion Chimique (Specia), Paris, Les Laboratoires Français de Chiniio-Thérapie (Chimio), Paris, Société des Usines Chimiques Rhône-Poulenc, Paris unter dem Druck der damaligen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgeschlossenen Lizenzabkommen über wichtige pharmazeutische Spezialitäten außer Kraft treten. Soweit dabei den französischen Firmen eine tatsächliche Leistung bei den einzelnen Produkten zukommt, könnten neue Lizenz-Verträge auf einer gesunden Basis abgeschlossen werden, die den französischen Partnern die Vorteile gewähren, die ihnen auf Grund ihres tatsächlichen Anteils an der Entdeckung des Präparates zukommen. Bezüglich des Serumgeschäftes sollen wirtschaftliche Absprachen über den Absatz der französischen Sera und Impfstoffe, insbesondere des Instituts Pasteur, getroffen werden, und zwar ähnlich wie bei der pharmazeutischen Industrie in der Weise, daß der französische Inlandsmarkt dem freien Wettbewerb geöffnet wird, während für den Export die französischen Serumhersteller, ähnlich wie für das pharmazeutische Gebiet vorgeschlagen, gehalten sein sollen, sich mit der deutschen Industrie über Preisfragen und Marktregelungen zu verständigen. Dadurch soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die Ent-

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

deckung der antitoxischen Blut-Immunität und die darauf beruhende Begründung der Serumtherapie eine deutsche Schöpfung ist. Eine besondere Regelung ist auch erforderlich für das Dentalgeschäft in Frankreich, das •durch besonders komplizierte internationale Verflechtungen gekennzeichnet ist. Die Versorgung des französischen Marktes mit Dental-Produkten erfolgt zum großen Teil durch •die Firma de Trey (USA, England, Schweiz), die sich durch finanzielle Beteiligung an den wichtigsten französischen Dentaldepots ihre Marktstellung stark gesichert hat. Im Interesse der deutschen Industrie von Dentalprodukten ist anzustreben, daß deutsche Dentalprodukte auch auf dem französischen Markt zum Zuge kommen, wobei dieses evtl. durch entsprechende Vereinbarungen mit der führenden Firma de Trey erreicht werden sollte. Hier wäre zu verlangen, daß die bisher überwiegend aus England und USA getätigten Bezüge in Zukunft auf Deutschland umgelagert werden. Auf dem Carpule-Gebiet sollte die Firma Rhône-Poulenc angehalten werden, mit uns zu •einer Vereinbarung zu kommen, da ihre Scurocain-Zylinder-Ampulle eine Nachahmung unserer gesetzlich geschützten Carpule darstellt. Eine solche Neuregelung der Beziehungen müßte schließlich französischerseits noch durch •ein Errichtungsverbot für Betriebe der pharmazeutischen Industrie ergänzt werden; darüber hinaus wären eine Reihe von kleinen und kleinsten Laboratorien, die zumeist nur örtliche Bedeutung haben, zu schließen.

4. Photographika Für die zukünftige Gestaltung und den Neuaufbau der Ausfuhr deutscher photographischer Produkte nach Frankreich wäre es erwünscht, wenn der weitere Ausbau der französischen photographischen Industrie, soweit er sich auf Produkte erstreckt, die durch deutsche Kapazitäten abgedeckt werden könnten, verhindert würde. Um das weitere Bestehen der französischen photographischen Industrie sicherzustellen, •wird ein Zollschutz von 5 % für die photographischen Produkte, einschließlich Kino-Rohfilm, der französischen Industrie als ausreichend angesehen. Hierbei sollte dieser Zoll Deutschland als Präferenzzoll eingeräumt werden, während für die photographische Industrie des übrigen Auslandes (also die amerikanischen und englischen Photoprodukte) ein Zoll von 25% für die Einfuhr nach Frankreich vorgesehen werden sollte. Kontingente halten wir unter diesen Umständen für überflüssig. Sie sollten daher aufgehoben werden. Um auch an der Versorgung der französischen Kolonien teilnehmen zu können, wäre die Gleichstellung in der Zollbehandlung der deutschen photographischen Produkte mit den französischen Produkten zweckmäßig. Die französische Photoindustrie sollte sich in ihrem Absatz auf Frankreich und die französischen Kolonien beschränken. Exporte in dritte Länder sollten nur nach Abstimmung mit den Notwendigkeiten des deutschen Exportes vorgenommen werden.

5. Riechstoffe Für die zukünftige Gestaltung der Ausfuhr synthetischer Riechstoffe nach Frankreich wird es notwendig sein, die bestehenden Einfuhrhemmnisse zu beseitigen, insbesondere den Zoll von 20 plus 5 % auf 10% einschließlich aller Nebenspesen herabzusetzen. Hierbei sollte

1. IG Farbenindustrie AG

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berücksichtigt werden, d a ß der Zoll nicht nur auf synthetische Riechstolle, sondern auch auf Riechstoff·Kompositionen Anwendung findet; wobei u n t e r Kompositionen Mischungen von ö l e n , Harzen und synthetischen Riechstoffen zu verstehen sind.

6. Kunstspinnfasern Die Wünsche f ü r die zukünftige Gestaltung des Aufbaues und der Entwicklung der deutschen Ausfuhr nach Frankreich werden hinsichtlich der Zellwolle (Vistra, Cuprama, Lanusa, Aceta-Faser) durch die Fachgruppe Chemische Herstellung von Fasern bzw. die WirtschaftsgTuppe Chemie f ü r die gésamte deutsche Zellwoll-Industrie an das Reichswirtschaftsministerium eingereicht. Hinsichtlich der Kunstseide wäre es erwünscht, wenn zur Vermeidung weiterer Schäden, die der deutschen Kunstseide-Industrie durch die Yerkaufspolitik der französischen Konkurrenz auf den verschiedenen Auslandsmärkten entstanden sind, eine Regelung durch ähnliche Richtlinien vorgenommen wird wie diese f ü r die deutschen F a b r i k a n t e n innerhalb der Vereinigung deutscher Kunstseide-Erzeuger besteht. Im einzelnen werden die Wünsche für die gesamte deutsche Kunstseide-Industrie durch die Vereinigung deutscher KunstseideErzeuger über die Wirtschaftsgruppe Chemie präzisiert.

7. Stickstoff und Stickstoffprodukte Auf dem Stickstoffgebiet Anregungen f ü r die zukünftige Gestaltung der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich zu geben, ist im Zuge dieser Ausarbeitung nicht ohne wesentliche Einschränkungen möglich. Einerseits ist die französische Produktion, wie schon im Rahmen der europäischen Stickstoffkonvention (CIA) vor dem jetzigen Kriege, so erst recht in Z u k u n f t nicht von der gesamten europäischen Stickstoßproduktion zu t r e n n e n und dementsprechend abgesondert zu b e t r a c h t e n . Die Gestaltung der deutsch-französischen Beziehungen auf dem Stickstoffgebiet ist vielmehr in die Konstruktion einzupassen, die nach endgültigem Abschluß dieses Krieges im großdeütschen W i r t s c h a f t s r a u m Platz greifen wird. Andererseits : Diese Konstruktion zu bestimmen, ist nicht die Aufgabe der IG allein, sondern des Stickstoff-Syndikats, in dem die Interessen sämtlicher deutscher Stickstofferzeuger gewahrt werden. Demgemäß sollen ins einzelne gehende Vorschläge f ü r die zukünftige Gestaltung der Beziehungen der europäischen Stickstoff-Industrien untereinander dem Stickstoff-Syndikat überlassen bleiben. An dieser Stelle seien daher nur in groben Umrissen die dabei bedeutungsvollen Probleme angedeutet. Um die Stickstoffwirtschaft innerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes zu ordnen und ihr Verhältnis zu der übrigen Welt festzulegen, sind drei H a u p t p r o b l e m e einerseits in sich zu lösen und andererseits miteinander in Einklang zu bringen : 1. Die Entwicklung der Landwirtschaft im europäischen R a u m und ihre Beziehungen zu den A g r a r m ä r k t e n der Welt ; 2. die O r d n u n g der europäischen Stickstoffmärkte u n t e r Berücksichtigung eines handelspolitisch gebotenen Chilesalpeterimports sowie die Regelung des Stickstoffexports aus dem europäischen Wirtschaftsraum auf die Stickstoffmärkte der Welt und 3. die Steuerung der Stickstoff-Industrialisierung in den Grenzen des großdeutschen Wirts c h a f t s r a u m e s und die Einflußnahme auf die Entwicklung der übrigen Stickstoffk a p a z i t ä t e n der Welt.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Diese Probleme sind in vielfacher Hinsicht eng miteinander verflochten, so daß sie im Zuge einer Neuordnung der Stickstoffwirtschaft sämtlich in ihrer Wechselwirkung zueinander Berücksichtigung finden müssen. Unter diesen großen Gesichtspunkten ergibt sich für die Stickstoff-Situation in Frankreich unter Berücksichtigung der Tatsache, daß die Stickstofferzeugung Frankreichs bis zum Ausbruch des Krieges nicht ausreichte, um den eigenen Bedarf dieses Landes zu decken, und beachtliche Mengen eingeführt werden mußten (schwefelsaures Ammoniak, Natronsalpeter usw. für Düngezwecke sowie Salmiak und Harnstoff für technische Zwecke), folgende Notwendigkeit : Eine Beteiligung der französischen Industrie am Export sollte auch in Zukunft unterbleiben. Diese Forderung begründet sich zunächst mit der vorstehend geschilderten bisherigen Situation; sodann wird darauf aufmerksam gemacht, daß der Gesamtverbrauch Frankreichs an Stickstoffdüngemitteln in 1938/39 rund 180000 t Ν betrug. Vergleicht man diese Ziffer mit einem Verbrauch während derselben Zeit in Deutschland (einschließlich Ostmark) von 745000 t N, so ergibt sich, daß eine starke Ausweitung des Verbrauchs an stickstoffhaltigen Düngemitteln im Lande selbst möglich ist. Der Stickstoffaufwand betrug in Frankreich im Mittel rund 5 kg Reinstickstoff für ha landwirtschaftliche Nutzungsfläche gegenüber beispielsweise 32,6 kg in Belgien und 21,4 kg in Deutschland. Sodann muß darauf hingewiesen werden, daß Frankreich sich die in jahrelangen Forschungen ausgearbeiteten Verfahren der IG angeeignet hat und durch eine Werkspionage an· läßlich der Besetzung von Oppau den Ausbau seiner eigenen synthetischen StickstoffIndustrie wesentlich beschleunigen konnte. Im Dezember 1931 hat das Stickstoff-Syndikat mit dem Comptoir Français de l'Azote, Paris, einen Vertrag geschlossen, der dem Stickstoff-Syndikat die Präferenz für die Deckung des Zusatzbedarfes Frankreichs an Natronsalpeter einräumt. Dieser Vertrag wurde durch einen Notenwechsel der beiderseitigen Regierungen bestätigt. Es erfolgte alljährlich eine Verständigung über die von Deutschland zu liefernden Mengen, wobei Lieferwünsche anderer Produzenten (Norwegen, Chile, USA) im Rahmen der Kartellabmachungen jeweils Berücksichtigung fanden. Der Vertrag ist nicht gekündigt. Für die Zukunft ist erwünscht, daß Deutschland — in ähnlicher Weise wie für andere Märkte vorgeschlagen — eine Präferenz für den gesamten Zuschußbedarf an Stickstoff jeder Art erhält. Mit dieser Maßnahme soll insbesondere die nordamerikanische Einfuhr sowie die Chilesalpeter-Einfuhr ausgeschlossen bzw. kontrolliert werden. Der Chilesalpeter kann ersetzt werden durch andere synthetische Stickstoffprodukte, wie dies auch in Deutschland geschehen ist. Für die Sicherstellung des deutschen Exportes nach Frankreich sind sowohl für die deutsche Ware als auch für fremde Ware — sofern sie durch Vermittlung von Deutschland exportiert wird — folgende bestehenden Exportbehinderungen nach Frankreich zu klären bzw. zu beseitigen : Lizenzsystem Chaisse de Péréquation Abgabe von 4—5 Pfg. kg Ν (zugunsten der französischen Stickstoff-Industrie und Landλν-irtschaft) Prohibitiver Zoll auf technische Stickstoffprodukte. Entsprechend der politischen Entwicklung wird wahrscheinlich mit einer Kontrolle der Rüstungsindustrie ill den Ländern, die sich mit Deutschland im Kriegszustand befanden bzw. noch befinden, zu rechnen sein. Es wäre darauf aufmerksam zu machen, daß aus wehr-

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I. IG Farbenindustrie AG

wirtschaftlichen Gründen auf dem Gebiet des technischen Stickstoffes eine derartige Kontrolle zweckmäßigerweise schon mit den Rohmaterialien, ζ. B. mit Salpetersäure und Ammonsalpeter, beginnen sollte. Diese Kontrolle wäre u. a. eine Aufgabe f ü r eine nach den Plänen des Stickstoff-Syndikates neu zu schaffende „Zentralstelle" beim Stickstoff-Syndikat, Berlin, die in einer Konvention alle stickstoffhaltigen Düngemittel — also auch Kalkstickstoff, der von dem einstigen Kartell nicht berücksichtigt worden war — und stickstoffhaltigen P r o d u k t e f ü r technische Zwecke erfassen würde. Schließlich erscheint es in diesem Zusammenhang wichtig, auf die Tatsache hinzuweisen, daß bei der in Norwegen domizilierten Norsk Hydro Aktiengesellschaft, zu der die IG enge technische und kaufmännische Beziehungen unterhält, französisches Kapital interessiert ist. Dieser Besitz ist aber sehr stark verteilt und wird stimmenmäßig größtenteils durch französische B a n k e n vertreten. Einzelaktionäre sind die IG und ihre Schweizer Freunde, die IG Chemie in Basel.

8. E i n f u h r Zur Frage der E i n f u h r ist zu erwähnen, daß die IG aus Frankreich, bzw. seinen Kolonien und Mandatsgebieten, in den letzten J a h r e n durchschnittlich pro J a h r f ü r rd. RM 1.100.000,und zwar insbesondere Chromerz, Phosphat, Bauxit, Riechstoffe, Antimon etc. eingeführt h a t . Die IG ist selbstverständlich in hohem Maße d a r a n interessiert, daß die E i n f u h r dieser P r o d u k t e auch in Z u k u n f t gesichert bleibt. Wir nehmen aber davon Abstand, an dieser Stelle konkrete Vorschläge oder Anträge zu formulieren, da die I m p o r t e dieser P r o d u k t e f ü r die IG, gemessen an den Importbedürfnissen des Reiches, relativ klein sind und wir im übrigen annehmen, daß die durch die zuständigen Reichsstellen zu treffende Regelung der E i n f u h r aus Frankreich auch die Wünsche der IG berücksichtigen wird. Es darf vorbehalten bleiben, die in dieser Zusammenstellung genannten Anregungen und Vorschläge gegebenenfalls zu ergänzen sowie auf weijere Probleme, die sich im Zuge der Verhandlungen ergeben sollten, noch im einzelnen einzugeben.

3) Aktennotiz leitendem

von Jost

Mitarbeiter

vom 7. August

Terhaar,

der Wirtschaftspolitischen

Abteilung

des

IG-Farben-Konzerns,

1940

Als Ergebnis einer Rücksprache zwischen Herrn von Schnitzicr und Herrn Frank-Fahle ist der Unterzeichnete b e a u f t r a g t worden, n u n m e h r gemäß dem Wunsch von H e r r n von Schnitzler die bisher vorliegenden Unterlagen über die Friedensplanung, nämlich

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

1. den Brief 2. den allgemeinen Teil 3. das Frankreich-Material an die vorgesehenen amtlichen Stellen zu übergeben. Die Übermittlung an MD Schlotterer vollzog sich im Rahmen einer zweistündigen Unterhaltung über die zugrunde liegenden Probleme und — soweit es wegen des umfassenden Materials möglich war — auch über grundsätzliche und wichtige Einzelfragen des IG-Materials. Die prinzipielle Reaktion von MD Schlotterer auf das ihm von uns vorgetrageen Material war, sowohl was das methodische Vorgehen als auch die grundsätzliche Auffassung und die von der IG aus vorgenommene Bewertung der Einzelfragen angeht, durchaus positiv. Mit dieser günstigen Reaktion ist demgemäß das von Κ. A. geplante Vorgehen der länderweisen Darstellung der in dieser Aufzeichnung gewählten Reihenfolge ebenso gedeckt wie die innere Organisation unseres Materials, d. h. der Aufbau unseres Materials, wie er in dem Brief an MD Schlotterer vorgesehen ist. Es ist wichtig zu betonen, daß MD Schlotterer nicht nur die zweckmäßige, innere klare Formulierung unserer spezifischen Wünsche für notwendig hielt, sondern auch die grundsätzliche und breitere Darlegung des allgemeinen Teiles, der historischen Entwicklung und die von uns vorgesehene Formulierung der allgemeinen Wünsche. Ebenso hielt MD Schlotterer es für richtig, den allgemeinen Teil so aufzubauen, wie er aufgebaut ist, und stimmte der diesem allgemeinen Teil zugrunde liegenden Beweisführung (Führung der deutschen Chemie 1914; nachfolgende Relativierung durch Versailles; Notwendigkeit der Wiederherstellung dieser Führung im Rahmen der Neuordnung) vollauf zu. Die Aussprache über die einzelnen Punkte war im wesentlichen auf die Besprechung des Farben-Teils konzentriert, der bekanntlich den gravierendsten Wunsch der IG enthält. MD Schlotterer war der Auffassung, daß die von uns gewählte Formulierung keineswegs ein übermäßiges Petitum darstelle, sondern sich nach seiner Auffassung wahrscheinlich organisch in die Entwicklung der Friedensplanung eingliedere. Zu dem im Zusammenhang hiermit besprochenen Wunsch der Franzosen über eine baldige Aussprache mit der deutschen Farbstoffindustrie verwies er auf die Zweckmäßigkeit, diese Dinge im engsten Einvernehmen mit Ges. Hemmen zu bearbeiten, sich aber vor dieser Verhandlung mit den Franzosen mit Dr. Ungewitter grundsätzlich abzustimmen, damit die von uns privatwirtschaftlich für zweckmäßig gehaltene Beteiligung nicht den allgemeinen volkswirtschaftlichen Aspekten widerspreche, die von Dr. Ungewitter zu betrauen sind. Sollte die Abstimmung mit Dr. Ungewitter Schwierigkeiten ergeben, so ist MD Schlotterer bereit, über derartige Divergenzen mit uns noch einmal ausführlich zu sprechen. Zu den auf diesem Wege grundsätzlich gebilligten Verhandlungen mit den Franzosen in Wiesbaden betonte MD Schlotterer die Notwendigkeit, die Verhandlungen erst dann materiell aufzunehmen, wenn in der ersten Verhandlung ausreichend geklärt ist, daß die Franzosen nicht kommen, um durch Vorwegnahme von Verhandlungen einen günstigen Besitzstand auszuhandeln, sondern offensichtlich erkennen lassen, daß sie aus echter Notwendigkeit bereit sind, den Primat der deutschen Farbstoffindustrie anzuerkennen. Als weiterer Beispidfall wurde die Angelegenheit Kodak besprochen. MD Schlotterer teilt eindeutig unsere Auffassung, daß es notwendig ist, die Amerikaner mit allen nur verfügbaren Mitteln aus der französischen Produktion zu entfernen. Die Entschiedenheit, mit der MD Schlotterer diese These vertritt, läßt keinen Zweifel darüber, daß man in der Auswahl dieser Mittel keineswegs wählerisch zu sein braucht. Die gleiche Billigung fand die Chemikalien-These der Bildung von langfristigen Syndikaten.

I. IG Farbenindustrie AG

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Die vorgebrachten Formal-Wünsche betr. Präferenzzölle, Kontingente, Errichtungsverbote, Genehmigungspflicht wurden von MD Schlotterer insgesamt als mögliche Mittel der Regulierung des deutsch-französischen Wirtschaftsverhältnisses bezeichnet. E r unterstrich hierbei insbesondere, daß er es begrüße, in welchem Maße sich die IG an der Überlegung derartiger Fragen der handelspolitischen Technik beteiligt. MD Schlotterer wird uns, nachdem er Muße genug gehabt hat, das Dokument eingehend zu lesen, sowohl seine endgültige Auffassung mitteilen, als auch Hinweise geben, die möglicherweise bei der Bearbeitung kommenden Materials zu verwerten sind. Die von MD Bergemann angeregte Unterhaltung mit MR Imhof ergab die gleiche grundsätzliche Zustimmung wie bei MD Schlotterer. MR Imhof begrüßte insbesondere die Ausführungen der IG über eine besondere Art der europäischen bzw. deutschen Präferenzierung, die er bei der Konkretisierung der von ihm geplanten Europa-Klausel verwerten zu können glaubt. Interessant ist im einzelnen folgendes : 1. Daß es in der Tat selbstverständlich ist, aus der machtpolitischen Überlegenheit Deutschlands jetzt endgültig eine von Deutschland klar gesteuerte wirtschaftspolitische Überlegenheit über Frankreich zu konstruieren. Dabei denkt MR Imhof keineswegs an eine •Verkrüppelung Frankreichs, sondern an eine gesunde Retablierung der französischen Wirtschaft, die aber eindeutig in jedem Falle den deutschen Interessen einzuordnen wäre. 2. Die von der IG geplante Methode wurde von ihm, sowohl was die Beteiligung, die Zölle,, die Kontingente, die Errichtungsverbote, die Genehmigungspflicht usw. angeht, gutgeheißen. Interessant war dabei im einzelnen, daß er die bloß 50%ige Beteiligung der IG f ü r „sehr honorig" hielt; außerdem glaubt er, daß die Möglichkeiten privatwirtschaftlicher Verständigung in diesem Sinne maximal ausgeschöpft werden sollten, aber nicht in einem Kompromiß, das zu Lasten Deutschlands geht. 3. MR Imhof erklärte sich mit den allgemeinen Wünschen der IG betr.. Niederlassungsrecht und Steuerpolitik vorbehaltlich näherer Prüfung einverstanden und hielt die von uns gewählte Formulierung für zwar schwer erreichbar, aber grundsätzlich so wichtig, daß er sie auch in seine Planung aufnehmen will. Zur Reihenfolge der weiteren Bearbeitung betonte MR Imhof, daß es zweckmäßig sei, nach Holland und Belgien, Dänemark beschleunigt zu bearbeiten. Die auf Wunsch von MD Bergemann geführte Unterhaltung mit MR Schultze-Schlutius. ergab ohne jede Einschränkung das gleiche Bild mit gleicher Zustimmung. MR SchultzeSchlutius empfahl zusätzlich lediglich, das Material auch dem neuen Frankreich-Referenten, Oberregierungsrat Klesper im RWM und O F R J a h n k e zuzuleiten, was mittlerweile erfolgt ist. Dagegen hielt er die Zuleitung an Herrn Sagert 1 (Kapitalbeteiligungs-Referat) unterallen Umständen nicht jetzt für erforderlich. Wir schlagen vor, zu diesem P u n k t die Rückkehr von MD Bergemann abzuwarten. Die Übergabe an die Wirtschaftsgruppe konnte nicht gegenüber Dr. Ungewitter erfolgen,, der sich auf einer längeren Dienstreise befindet, sondern ist nach Rücksprache mit Herrn Dietrich der zuständigen Prüfungsstelle (Herrn Born) gegenüber erfolgt. Wir halten diese Vorschaltung von Herrn Born, der tatsächlich der in jeder Weise zuständige Sachbearbeiter für den ganzen Fragenkomplex ist, für außerordentlich glücklich, da das übergebene Material das berechtigte Interesse von Herrn Born in einem so hohen Maße befriedigt hat, daß wir annehmen können, in ihm einen zuverlässigen Anwalt unserer Methode gegenüber Herrn Ungewitter gewonnen zu haben. Dieser Umstand wiegt um so schwerer, als. 1 Muß Saager heißen - D. E.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

die von Herrn Ungewitter bevorzugte Methode nicht mit unserer Methode im Einklang steht. Letzterer Umstand trat bei der Übergabe unseres Materials an Herrn Born in gewissem Umfange in Erscheinung. Die Vorgehensweise der Wirtschaftsgruppe zielt nach den Ausführungen von Herrn Born darauf ab : 1. Eine Reihe von wirtschaftspolitischen Prinzipien auszuarbeiten, die für die Gestaltung im europäischen Chemiesektor maßgebend sein sollen. Diese Vorwegnahme von Gestaltungsprinzipien für die Chemie zielt darauf ab, im RWM gewissermaßen ein Passepartout für die chemische Industrie zu erwirken, damit sie im Rahmen der vom RWM gebilligten Prinzipien selbständig das organisiert, was ihr zweckmäßig erscheint. Das grundlegende Gestaltungsprinzip der Wirtschaftsgruppe ist, wie wir nach Einsichtnahme in den schon ausgearbeiteten Entwurf feststellen konnten, eindeutig das Kartellprinzip. In derartigen geplanten Kartellen freiwilligen Zusammenschlusses soll jeweilig die gesamte europäische Industrie organisiert werden, um in dieser Organisation Produktion und Absatz unter deutscher Führung und gemäß den deutschen Interessen zu regulieren. Die Außenverbindung dieser Kartelle gegenüber außereuropäischen Ländern soll in der Form von besonderen, den Kartellen angeschlossenen Syndikaten geregelt werden. 2. Herr Ungewitter beabsichtigt, eine formale Gesamtregelung dieser Art MD Schlotterer vorzuschlagen, diesem Vorschlag einige praktische Beispiele beizugeben — ζ. B. Kartellregelung für Teerfarben, Stickstoff und ähnliche, ins Gewicht fallende Standardprodukte —, um aus der Billigung dieser Vorgehensweise durch Herrn Schlotterer dann die Berechtigung zu erhalten, gemäß einer solchen Modellregelung es der deutschen Industrie zu überlassen, wie sie ihre unter staatlicher Aufsicht funktionierenden Kartelle organisiert und verwaltet. 3. Herr Born erklärte spontan, daß diese Vorgehensweise hauptsächlich deswegen von der Wirtschaftsgruppe gewählt wurde, um eine Überbürokratisierung in der Behandlung der Friedensprobleme zu vermeiden. Er erklärte, die Selbstauflösung der Bürokratie der Wirtschaftsgruppe usw. sei eigentlich auch ein Teil der an MD Schlotterer zu machenden Vorschläge — er unterließ aber, darauf hinzuweisen, daß die Bürokraten zwar in der Wirtschaftsgruppe verschwinden, dafür aber um so lebendiger in der Geschäftsführung, in der Kontrolle und der Steuerung der Kartelle und Syndikate wieder auftauchen. Jedenfalls läßt diese interessante Argumentation der Wirtschaftsgruppe, soweit sie bisher überblickt werden kann, nicht erkennen, daß seitens des Herrn Ungewitter keine Neigung besteht, auch in Zukunft sich lebhaft um die Gestaltung der deutschen chemischen Industrie, so wie er sie sieht, zu kümmern. Es mag sein, daß sich die Gesichtspunkte des Herrn Ungewitter durchaus mit unseren Notwendigkeiten decken. Da diese Konkurrenz aber keineswegs verbürgt ist und für die Zukunft sichergestellt werden kann, bleibt es notwendig, die Politik Ungewitters um Erlangung des oben erwähnten Passepartouts genau zu verfolgen, vorläufig skeptisch zu beurteilen und evtl. zu versuchen, auf die Gestaltung dieser von ihm geplanten formalen Generalregelung einen gewissen Einfluß zu gewinnen. Letzteres sollte aber erst dann energischer versucht werden, wenn sich aus einer noch mit MD Schlotterer und MD Bergemann zu führenden Unterhaltung ergibt, daß eine solche Generalregelung im RWM für praktisch und sinnvoll gehalten wird. Es ist zur Feststellung der Reaktion der Wirtschaftsgruppe wichtig, zu unterstreichen, daß Herr Born uns schon jetzt gebeten hat, uns auch über die Generalregelung Gedanken zu machen, da dies eine gute Ergänzung der wertvollen Arbeit sei, die wir jetzt über Frankreich vorlegten. Wir haben Herrn Born hierzu erklärt, daß wir Frankreich überhaupt als Modell nicht nur für die jetzt nachfolgenden, vom RWM erbetenen Länderdarstellungen betrachten,

I. IG Farbenindustrie AG

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sondern darüber hinaus als ein Schulbeispiel für die gesamte sachliche Überlegung erachten die zur Frage der Großraumgestaltung notwendig ist. Herr Born begrüßte diese Synthese beider Auffassungen sehr und glaubt, daß in dieser Zusammenarbeit programmatischer Art der Wirtschaftsgruppe und empirischer Art der IG die richtige Synthese für eine glückliche Erledigung der Friedensplanung gegeben sei. Wir haben anschließend in fast zweistündiger Unterhaltung das gesamte Programm der IG mit Herrn Born behandelt. Herr Born hat in dieser Unterhaltung sowohl die unserer Ausarbeitung zugrunde liegende Tendenz, als auch die Ausarbeitung der einzelnen Abschnitte unserer Arbeit sowie die formulierten Wünsche grundsätzlich für sehr gut gehalten. Er war zur Tendenz unserer Anträge lediglich der Auffassung, daß die von uns vorgebrachten Petita wohl nur minimale Forderungen seien, die wir bei einer Verschärfung des Kurses gegenüber Frankreich von uns aus sicherlich noch schärfer formulieren könnten, ohne daß unsererseits privatwirtschaftliche Interessen gefährdet würden. Wir haben dieser allgemeinen Formel zugestimmt. Zu den Einzelwünschen unserer Denkschrift hatte Herr Born keine Ergänzungen vorzubringen. Falls bei einer sorgfältigen Lesung seinerseits noch Bemerkungen zu machen sind, wird er uns sofort verständigen. Interessant waren nebenher noch folgende Einzelheiten: 1. Es erscheint Herrn Born außerordentlich schwierig, das Problem Kodak/Europa zu lösen, da ganz gegen den Wunsch der Wirtschaftsgruppe die deutsche Kodak anscheinend die Absicht hat, das Erbe der europäischen Kodak anzutreten. 2. Es war aus den Ausführungen des Herrn Born eindeutig zu erkennen, daß sich die Reichswerke Hermann Göring für den belgischen Solvay-Komplex interessieren, was um so bemerkenswerter ist, als die deutsche Solvay-Gesellschaft wegen Kapitalmangel kaum in der Lage sein dürfte, dieses Problem zu lösen. 3. Herr Born war der Auffassung, daß das A KU-Problem/Holland bereits als geregelt angesehen werden kann. 4. Herr Born glaubt, daß wir auch untersuchen sollten, ob die IG ein irgendwie geartetes Interesse an der Unilever hat. 5. Herr Born erklärte ferner, daß er auf lange Sicht gesehen die Zollfrage nicht für besonders vordringlich hält bzw. daß die W'irtschaftsgruppe zur Zeit damit beschäftigt ist, einen neuen Tarif auszuarbeiten. 6. Herr Born glaubt zu wissen, daß die zur Zeit noch bestehende Zollgrenze Reich/Protektorat zum 1. Oktober d. J . aufgehoben wird.

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Eichholtz, Kriegswirtschaft I

II. Ruhr-Montankonzerne und Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie 1

1) Aus dem Protokoll von Erich Tgahrt2 über die Besprechung im „Kleinen Kreis" vom 7. Juni

19403

Kleiner Kreis, Düsseldorf, 7. 6. 40, nachmittags. Anwesend die Herren : Poensgen Vogler Klöckner Lübsen Flick Lliscl' Zangen (zeitweilig) Winkhaus Tgahrt i) Zangen berichtet: Funk sagt: Steuerfragen gelten als erledigt. Funk verlangt, daß Wirtschaft Zurückhaltung übt, ζ. B. in der Besitzfrage in Lothringen, ferner in bezug auf Dividenden. Erhöhungen seien während des Krieges nicht angebracht. . . . 4) Besetzte Gebiete: RWM und OKH haben Steinbrinck zum Generalbevollmächtigten für Erz- und Eisenindustrie in Luxemburg und Belgien eingesetzt. Holland : Frage, ob Hochofenwerk Ijmuiden arbeiten soll, oder ob Erze und Roheisen nach Deutschland zu bringen sind. Wigru 4 hat sich für Stillegung ausgesprochen. Belgien : Falkenhausen, Raeder, Posse. Steinbrinck hat Kommission eingesetzt, Bulle (GHH) und Wesemann und kleiner Stab zur Besichtigung der Werke. Eisenreferent soll Herr Schwede werden. Der Kleine Kreis ist der Ansicht, daß die belgischen Werke erhalten bleiben sollen. 1 Dit· Dokumente stammen — mit Ausnahme von i\'r. 1,2 und 11 — sämtlich aus einem Aktcnband (Archiv des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Berlin, Deutsche Bank, Nr. 4374, Bd. 19, Fotokopie des Originals). Der Band mit dem Titel „Industrielle Interessen im besetzten Gebiet und Protektorat" enthält Berichte, Aktenabschriften usw. der Hoesch AG für Karl Kimmich, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, der Aufsichtsratsvorsitzer der Hoesch AG war. Ergänzend zu den hier erstmals gedruckten Dokumenten s. Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses, hsg. v. Karl-Heinz Thielehe, Berlin 1965 (im folgenden: Fall 5). 2 Vorstandsvorsitzer der Hoesch AG. 3 Archiv des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Berlin, Deutsche Bank, Nr. 4374, Bd. 16, Fotokopie des Originals. — Über dieselbe Sitzung existiert ein weiteres Protokoll von Ernst Poensgen, der gewöhnlich die Sitzungen des „Kleinen Kreises" einberief und leitete (gedr. in: Fall 5, S. 215ff.). 4 Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie (Leiter: Ernst Poensgen).

II. Die Ruhr-Monlankonzerne

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Luxemburg: Franzosen haben bei Belvalhütte und Diflerdingen Zerstörungen an Gas- und Elektr.-Zentrale vorgenommen und Arbeiter und Ingenieure verschleppt. Herr Steinbrinck hat Chaumet (Alois Mayer ist in Paris) vor die Frage gestellt, ob Arbed in eigener Verantwortung arbeiten will, was bejaht wurde. Leitung Hadir (Lemaire) hat sich zunächst zur Untersuchung der Inbetriebnahmemöglichkeit und ggf. Instandsetzung bereit erklärt, zur Frage der Inbetriebsetzung keine Stellung genommen. Deutsche Überwacher: Berve für Arbed, für Differdingen Meier-Dortmund und FaustLübeck. Bezahlung der von den Werken zur Verfügung gestellten Beamten von den Werken selbst. Zunächst Untersuchung der Werke, ob sie technisch bald in Gang gesetzt werden können, was vermutet wird. Vor einer Vorverlegung der Front um mindestens 10 km sei aber an Inbetriebnahme nicht zu denken. (Das soll auch für die Saar gelten!). Mit einer baldigen Erklärung Luxemburgs zum Reichsgebiet wird gerechnet. Vorräte bei den Luxemburger Werken: Stoßtrupps zur Feststellung, einige hundert t Walzerzeugnisse sollen schon planlos nach Deutschland verschickt worden sein. Frühere Besitzverhältnisse und neue Regelung: Es scheint nur Röchling vorgestoßen zu sein. Vereinigte Stahlwerke haben erklärt, daß sie während des Krieges nichts unternehmen. Sie haben nur gewünscht, daß auf ihre früheren Werke Beobachter aus ihrem Stab gesetzt werden. Dieser Standpunkt wird gebilligt. Alle Werke erheben aber für später Anspruch auf ihren früheren Besitz. Flick macht Vorbehalte, weil im Osten ganz anders verfahren worden sei. Hierzu wird von Poensgen bemerkt, daß Röchling in der Laurahütte schon ein Haar gefunden habe, daß die Saar auch keinen Wert mehr auf den Ausbau von Donaueschingen lege. Krupp erklärt, daß das Reich an K. herangetreten sei, damit dort gewisse Erzeugnisse („im östlichen Luftschutzkeller") hergestellt werden. Für freie Erzgruben (nicht früherer Besitz) wird gemeinsame Bewirtschaftung durch die deutschen Werke in Aussicht genommen. Über den etwaigen Erwerb von Hütten aus französischem Besitz wurde nicht gesprochen. Verteilung der Minette: Zunächst Saar — sobald es so weit ist — versorgen, ggf. Luxemburg, soweit in Betrieb gesetzt, alsdann rheinisch-westfälische Werke nach Erzschlüssel. Finanzierung der Erzgruben bei Inbetriebsetzung: nach dem Erzschlüssel, Verteilung der Erze ebenso. Dies alles als Übergang. . . .

2) Aktennotiz über den Vor Ira g von Jakob Wilhelm Reichert, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende vor den Chefs der Marinerüstung am 14. Juni 19401

Industrie,

Betrifft: Eisen und Kohle im neuen deutschen Machtbereich, die Grundlage für die zukünftige deutsche Eisenindustrie A ktenvermerk Auf Grund eines Vortrages, den der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe „Eisen schaffende Industrie", Dr. J . W. Reichert, am 14. 6. 40 im kleineren Kreise gehalten hat, wird nachstehend eine kurze Zusammenfassung des Vortrages übermittelt. 1 Bundesarchiv Koblenz, Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, R 13 I, Nr. 1004. — Die Aktennotiz einschl. Vortragsniederschrift stammt aus dem Oberkommando der Kriegsmarine (M Wa Wi) und trägt das D a t u m vom 27. Juni 1940. 20"

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Ferner werden als Anlagen beigefügt: 1.) Abdruck einer im Dezember 1917 vom Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller und Verein deutscher Eisenhüttenleute an die Reichs- und Oberste Heeresleitung gerichteten Denkschrift: „Zur Einverleibung der französisch-lothringischen Eisenerzbecken in das deutsche Reichsgebiet", 2.) „Die Kräftebilanz der kriegführenden Mächte in Kohle und Eisen von 1929—1938". 1.) Lage 1938: a) Kohle Aus den Angaben der zum Vortrag vorgelegten „Kräftebilanz der kriegführenden Mächte in Kohle und Eisen von 1929—1938" wurde vom Vortragenden die ungleiche Verteilung der Kohlevorkommen auf die kriegführenden Staaten und die Überlegenheit der Kohlewirtschaft Deutschlands klargelegt. Der durch die operativen Erfolge Deutschlands verursachte Ausfall der Produktion der nordfranzösischen Gruben für Frankreich und die als Folge der Besetzung der Kanalhäfen eingetretene Behinderung der englischen Zufuhr verschieben das Bild weiter zu deutschen Gunsten. b) Eisenerz Dem Kohlereichtum steht die ausgesprochene Mangellage Deutschlands an Eisenerzen gegenüber, wohingegen Frankreich über ausgedehnte Erzvorkommen, unter ihnen das bedeutendste Europas, das lothringische Minettebecken, verfügt, dessen Erzgehalt entgegen früheren deutschen Schätzungen von französischen Sachverständigen neuerdings mit 11 Milliarden t Gesamtvorkommen angegeben wird, wovon nach den gegenwärtigen wirtschaftlichen Betrachtungen mindestens 7 Milliarden t Roherz als abbauwürdig angesehen werden können. 2.) Die deutsche Eisenwirtschaft der Zukunft Die Grundlagen der Eisen- und Stahlindustrie sind Erz, Schrott, Kohle. Die wirtschaftliche Ausnutzung der vorhandenen Rohstoffvorkommen und Hüttenwerke zum Aufbau einer Eisenindustrie, die den höchsten wehrwirtschaftlichen Ansprüchen gewachsen ist, erfordert die Vereinigung der Bergbau- und Hüttenbezirke über die bisherigen Staatsgrenzen hinaus sowie die betriebswirtschaftliche Zusammenfassung von Gruben und Hütten. Die Erzversorgungsbasis muß innerhalb der deutschen Staatsgrenzen liegen, um von der Notwendigkeit der Einfuhr über See — Schweden — im Ernstfalle freizukommen. Schon vor dem Weltkriege ging die Wirtschaftsstrategie der westdeutschen Konzerne dahin, ihre Unternehmen nicht einseitig auf einer der beiden Grundlagen (Kohle und Erz) aufzubauen. In dieser Weise haben mehrere Stahlgesellschaften der Ruhr und der Saar in Lothringen und Luxemburg eigene Gruben und Hütten betrieben. Die zukünftige Rohstahl-Jahreserzeugung Großdeutschlands kann nach Anschluß der holländischen, belgischen, luxemburgischen und lothringischen Hütten — bei Annahme der Aufrechterhaltung einer Jahresproduktion an Rohstahl in den bisherigen Reichsgrenzen von rd. 25 Mili. J a t o — mit im Kriegsfall 35 Mili. J a t o angenommen werden. In Friedenszeiten kann mit Hilfe eingeführter ausländischer Erze (Schweden, Afrika, Rußland) die Rohstahlgewinnung auf 40 und mehr Millionen J a t o gesteigert werden. Die organische Zusammenfassung und Einordnung der Gruben und Hütten im neuen Westraum erfordert:

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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a) Ausbau der Transportwege zu Wasser und zu Lande, b) sinnvolle Produktions- unci Marktordnung für die gesamte Eisen- und Stahlindustrie Großdeutschlands, c) Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, insbesondere auf dem Weltmarkt, mittels einer weitblickenden Preis- und Lohnpolitik. Zu a) : Zur Verhüttung der lothringischen Erze reicht die Saarkohle weder qualitativ noch quantitativ aus. Infolgedessen sind Schienen- und Wasserstraßen auszubauen, u. a. das alte Projekt der Kanalisierung von Mosel und Saar wieder aufzunehmen. Zu b) : Die Herstellung der verschiedenen Stahlsorten ist innerhalb Großdeutschlands unter Berücksichtigung wehrwirtschaftlicher und wirtschaftlicher Erfordernisse, aber auch unter Berücksichtigung der Standorte der Gruben (Transportfrage!) und der Werkseinrichtungen der verschiedenen Hüttenbezirke zu verteilen. Zu c): Da die Ausfuhr von Erz und Schrott grundsätzlich zu stoppen und nur Halb- und Fertigerzeugnisse auszuführen sind, spielen die Gestehungskosten die ausschlaggebende Rolle, um gegenüber dem Stahlblock der USA konkurrenzfähig zu sein. Im Sinne der zukünftigen Gestaltung ist die Zerstörung oder Verschrottung der Eisen- und Stahlwerke im neuen Westraum zu verhindern. Infolgedessen sind : die heutigen Bestände zu ermitteln, entstandene Schäden zu beseitigen und Inbetriebnahmen vorzubereiten und durchzuführen. Diese Gedankengänge entsprechen durchaus der Auffassung des deutschen Generalbeauftragten für die belgisch-luxemburgische Eisen schaffende Industrie, K. Kapt. a. D. Steinbruck. 3.) Die zukünftige Versorgung Englands und Restfrankreichs a) England England hat im Vertrauen auf seine Seeherrschaft wirtschaftliche Vorteile wehrwirtschaftlichen Erfordernissen vorangestellt und so aus rein händlerischen Überlegungen heraus sich auch für den jetzigen Kriegszustand nur mangelhaft gerüstet. Eine Eindeckung in Erz und Schrott zwecks Schaffung von Kriegsreserven erfolgte nicht; die Kapazitäten der englischen Hüttenanlagen werden mangels ausreichender Eisenrohstoffe nicht voll ausgenutzt. b) Frankreich Die Rohstahlkapazität Restfrankreichs ist mit 21/ 2 bis 3 Mili. J a t o anzunehmen. 4.) Zusammenfassung Wäre zur Zeit des Frankfurter Friedens 1871 schon die große Bedeutung der Fortsetzung der im Moseltal zutage tretenden Erzbecken bis weit über die Stadt Briey hinaus erkannt worden, dann ist anzunehmen, daß damals schon die ganzen Minette-Erzvorkommen Lothringens von Deutschland übernommen und damit der französische Revanchekrieg erschwert worden wäre. Frankreich empfand seinerseits nach dem Versailler Diktat, also nach Wiedergewinnung des gesamten Lothringer Erzbeckens, noch mehr als früher den Zwang zur Sicherung ausreichender Kohlenversorgung und strebte im Ruhrkampf die Vereinigung einer großen Kohlenbasis mit seinen Erzschätzen an. Auf diesem Wege hätte sich Frankreich die Hegemonie über Europa gesichert und Deutschland die Aufrüstung unmöglich gemacht. Nunmehr kann Deutschland durch Vereinigung der Erz- und Kohlenbecken den Frieden sichern, ferner Frankreich an der Wiederaufrüstung hindern. Wirtschaftlich kann Deutsch-

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

land seine Weltstellung dadurch kräftigen, daß es neben der Kohle auch das Eisen in großen Mengen fremden Völkern liefern kann. Politisch müssen sich infolgedessen die europäischen Staaten mit dieser Neuordnung abfinden.

3) Aus dem Schreiben von Ernst Poensgen1 an die Mitglieder des „Kleinen Kreises" vom 27. Juni 1940, mit dem als Anlage beigefügten Schreiben von Poensgen an Reichswirtschaftsminister Walther Funk vom 24. Juni 19402 Sehr geehrte Herren, am 24. d. M. habe ich eine Unterredung mit Herrn von Hanneken3 gehabt und ihm hierbei den verabredeten Brief in der in Abschrift beiliegenden endgültigen Fassung übergeben. Im übrigen sind folgende Punkte besprochen worden: 1) Treuhänderische Verwaltung in Lothringen Herr Steinbrinck hatte von Herrn Terboven gehört, ihm solle neben Luxemburg und Belgien auch Lothringen übertragen werden. Herr von Hanneken teilte mit, daß dieser Wunsch des Herrn Terboven nicht erfüllt werde, er habe seinerseits für die Verwaltung der Lothringer Hütten Herrn Hermann Röchling vorgeschlagen. Daneben wolle er einen Generalbevollmächtigten für alle Minetteerzgruben vorschlagen, also für die Lothringer und Luxemburger Minette gemeinsam. Man habe ursprünglich an Herrn Wittke gedacht, wahrscheinlich werde aber Herr Raabe von den Reichswerken mit dieser Aufgabe betraut werden, wobei Herr von Hanneken Herrn Raabe darauf verpflichten werde, daß er nur objektiv im gesamtdeutschen Interesse zu arbeiten habe und nicht etwa für die Reichswerke; er solle Erze schaffen, nicht aber über die zukünftigen Verteilungspläne Vorschläge machen. 2) Minetteabsatz Herr von Hanneken sagte, die dringendste Gegenwartsaufgabe sei die, die Saar mit Minette zu beliefern, damit sie wieder in Gang komme. Daß dies auch der Standpunkt der Ruhrwerke ist, geht aus Absatz 2) unseres Briefes hervor. Herr von Hanneken hatte Bedenken wegen des Punkt 2) des Schreibens an den Herrn Reichswirtschaftsminister, in dem die Ruhrwerke etwa überschüssiges Erz verlangen, er meinte, das stände ganz Deutschland zu. Er hat sich dann aber mit dieser Fassung einverstanden erklärt. Inzwischen ist die Erzlieferung aus Differdinger Beständen an die Saar bereits aufgenommen worden. Lieferungen nach Belgien oder zur Ruhr kommen aus Verkehrsgründen zunächst nicht in Frage. Die Möglichkeit, die Luxemburger und nordfranzösischen Gruben 1 Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Stahlwerke AG und Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie. 2 Das Schreiben an Funk wurde in erster Fassung auf der Sitzung des „Kleinen Kreises" am 7. Juni 1940 beschlossen (s. Dokument Nr. 1). Diese Fassung s. gedr. in: Fall5, S. 218 f. 3 Unterstaatssekretär im Reichswirtschaftsministerium und Generalbevollmächtigter für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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wieder in Betrieb zu setzen, wird von Herrn Bornitz von Zollhaus-Blumberg zur Zeit untersucht. Es liegen hier Minensperrungen der Franzosen vor. 3) Die künftigen Eigentumsverhältnisse an den Lothringer Gruben Hierzu unser Brief, der die Gerüchte ausräumen soll, als ob die Ruhrwerke oder einzelne von ihnen Annexionsgelüste hätten. Herr von Hanneken bestätigt, daß solche Meinungen bei den Behörden bestanden und verweist auf die Denkschrift Schoen aus dem Jahre 1934, womit die sogenannte Interessengemeinschaft schon Ansprüche angemeldet habe. Es wird ihm erläutert, daß diese Denkschrift nicht zum Zwecke der Erwirkung neuer Annexionsansprüche gemacht worden sei, sondern als Abschluß der 15 Jahre dauernden Verhandlungen um die Liquidation der früheren deutsch-lothringischen Gruben und Hütten. Ob man diese Interessengemeinschaft später bei Geltendmachung von Ansprüchen als Organ benutzen wolle oder nicht, werde noch geprüft werden. Ich habe betont, daß juristische Ansprüche der alten Besitzer an den Gruben und Hütten nicht bestanden, wohl aber moralische, da die Entschädigungen zwischen 6 bis max. 10% der nachgewiesenen Vermögenswerte schwankten, die deutschen Besitzer daher zu 90—95% ausgefallen seien. Herr von Hanneken führte aus, der Standpunkt des Herrn Generalfeldmarschall und seines Ministers sei der, gegenwärtig keinerlei Interessenkämpfe der Beteiligten zuzulassen. Wer jedoch früher dort einen Besitz gehabt habe, der solle wieder zu dem Besitz kommen. Wie dies stattfinden solle, darüber sei noch nichts besprochen worden. Der Standpunkt des Herrn Generalfeldmarschalls sei: wer schlecht abgefunden worden sei, müsse in irgendeiner Form am Besitz wieder beteiligt werden. Aber während des Krieges solle nichts entschieden werden. Er (von Hanneken) besitze ein Schreiben des Herrn Generalfeldmarschalls, wonach er seine Willensmeinung dem Herrn Generalfeldmarschall mitzuteilen habe, der sich die letzte Entscheidung vorbehalte. Nun müsse er betonen, daß, je zeitiger man die Probleme anfasse und absolut neutral vorbereite, um für die Zukunft die Dinge klarsetzen zu können, um so leichter werde er seine Vorschläge formulieren und dem Herrn Generalfeldmarschall vorlegen können.' Er bitte mich, ihm die Unterlagen hierfür zu beschaffen, wie es 1914 gestanden habe, wie die damalige Besitzverteilung war, wie hoch die Abfindungen oder Entschädigungen, welche die einzelnen Besitzer bekamen, und welchen Standpunkt die Wirtschaftsgruppe hinsichtlich der zweckmäßigen Neuverteilung einnimmt. Herr von Hanneken bittet, hierbei nicht allein vom Besitzstand des Jahres 1918 auszugehen, sondern auch die neuesten Forschungen zu berücksichtigen. Nun erhalte man die Verfügung auch über das ganze französische Erzgebiet. Es sei daher zu prüfen, ob eine Abrundung der Besitze möglich sei, damit einheitliche Felder zwecks einheitlicher Betriebsführung geschaffen werden könnten. Ich habe der Aufforderung des Herrn von Hanneken entsprechend Herrn Dr. Reichert mit einer diesbezüglichen Aufstellung beauftragt, die ich nach Fertigstellung in unserem Kreise vorlegen werde. Herr von Hanneken hat seinerseits Herrn Dr. Kiegel beauftragt, sich mit den gleichen Fragen zu befassen. Er werde vielleicht noch weitere Persönlichkeiten zu Vorschlägen heranziehen, wie ζ. B. Herr Röchling dem Gauleiter Bürckel Vorschläge gemacht habe, die sehr loyal gehalten seien, auch gegenüber den Ruhrwerken. Auf den de Wendel'schen Besitz würden wohl die Hermann-Göring-Werke reflektieren. 4) Besitzverhältnisse in Oberschlesien Auf meinen Hinweis, daß man in Oberschlesien schon vor Friedensschluß entgegen früher gemachten Zusagen Besitzverteilungen vorgenommen habe, ohne die frülieren Haupt-

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beteiligten (Vereinigte Stahlwerke und Mitteldeutsche Stahlwerke) überhaupt zu fragen, verweist Herr von Hanneken auf den Wunsch des Führers, Krupp ein Ausweichwerk zu schaffen. Im übrigen sei eine endgültige Übertragung weder bei Krupp noch bei Röchling vorgenommen worden, welch letzterer sicher heute froh sein würde, wenn er seine Interessen im Westen wieder übernehmen könne. δ) Friedensvertragswünsche (Rdsch. Tgb. Nr. 9642 R / W der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie vom 26. 6. 40 4 ) Von der Reichsgruppe sind die Wirtschaftsgruppen gebeten worden, etwaige Wünsche zur Kenntnis zu bringen. Die Frage wird kurz berührt und hingewiesen auf den früheren deutschen Besitz in der Normandie, im französischen Kolonialbesitz (Konzession Gebr. Mannesmann Marokko) und anderen. 6) Badischer Doggererzbergbau Die am Doggererzbezug interessierten Herren der Saar bedrückte eine gewisse Sorge, weil ich erklärt haben sollte, der Ausbau des Werks in Zollhaus-Blumberg käme nicht mehr in Frage. Ich habe Herrn von Hanneken erwidert, ich müsse wohl einen speziellen Freund haben, der ihm immer wieder angebliche Äußerungen meinerseits hinterbrächte. Ich wisse, daß er, Herr von Hanneken, an dem Dogger-Ausbau festhalte, das könnte den Werken an der Ruhr gleichgültig sein, da sie ja uninteressiert seien. Die Saarwerke müßten selbst wissen, wo ihre Zukunft liege, ich wolle mich hier nicht einmischen. . . . Herr Steinbrinck wird in nächster Woche voraussichtlich einen oder zwei Tage in Düsseldorf sein und hat den Wunsch, unserem Kreis über seine bisherigen Arbeiten zu berichten. Es kann daher sein, daß ich Sie ganz plötzlich, ohne vorher den Termin abstimmen zu können, einladen muß, ggf. bitte ich, im Verhinderungsfall einen Vertreter zu senden. [Anlage] Gelegentlich einer Besprechung mit Herrn Generaldirektor Zangen ist Ihrerseits die Frage angeschnitten worden, daß die deutschen Eisenwerke nicht heute schon Ansprüche erheben möchten, um in den Besitz etwa dauernd in den Machtbereich des deutschen Reiches fallender Gruben und Hütten im Minette-Bezirk zu kommen. Ich gestatte mir, Ihnen mitzuteilen, daß diese Angelegenheit im Kreise der folgend aufgeführten Werke dieser Tage eingehend besprochen worden ist, nämlich Gutehoffnungshütte Oberhausen AG, Oberhausen/Rhld., Hoesch-Aktiengesellschaft, Dortmund, Klöckner-Werke AG, Duisburg, Fried. Krupp AG, Essen, Mannesmannröhren-Werke, Düsseldorf, Vereinigte Stahlwerke AG, Düsseldorf. Ich darf Ihnen die einmütige Auffassung der oben genannten Werke in dieser Frage wie folgt präzisieren: 1) Solange der Krieg dauert, also bis zum Friedensschluß, sehen die obigen Werke vollständig davon ab, auf Grund früherer Rechte irgendwelche Ansprüche auf Übertragung von Eigentums- oder Bezugsrechten an Minette-Gruben im Minette-Bezirk oder an Hüttenwerken in Luxemburg bzw. Lothringen zu erheben, wobei sie unterstellen, daß auch von keiner anderen Seite etwa angemeldete Ansprüche ihnen in Zukunft entgegengehalten wenden und vor den ihrigen bevorzugt werden. 4 Das bezeichnete Rundschreiben der Wirtschaftsgruppe s. gedr. in: Falló,

S . 220ff.

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2) Wenn noch während des Krieges Erze (Minette) aus dem Kriegsgebiet oder aus Luxemburg aus Vorräten geliefert oder aus Neuförderungen bezogen werden können, so erkennen die Werke das unbedingte Vorrecht der etwa in Betrieb zu setzenden Werke im besetzten Gebiet oder der Saarhütten auf diese Mengen an. Sollte über den Bedarf dieser Werke hinaus weitere Minette verfügbar sein, so erheben die oben genannten Werke Anspruch darauf, daß ihnen das Bezugsrecht hierfür zusteht. 3) Die oben genannten Werke behalten sich vor, nach Ausgang des Krieges ihre Ansprüche anzumelden, die darauf hinausgehen, daß sie die Möglichkeit haben, ihre verloren gegangenen Bezugsrechte wieder aufleben zu lassen, oder diejenigen Gruben und H ü t t e n in einer noch zu vereinbarenden Weise zurückzuerhalten, welche vor dem Weltkriege ihr ganzes oder teilweises Eigentum waren und von ihnen betrieben worden sind. Außer den oben genannten Werken haben auch andere deutsche Gesellschaften in ElsaßLothringen vor dem Weltkriege Beteiligungen und Besitz gehabt; die oben genannten Werke sind selbstverständlich der Meinung, daß dieser Vorbehalt in gleicher Weise für die anderen deutschen Gesellschaften zutrifft. 4) Über den früheren Besitz der oben genannten Werke hinaus sind in Lothringen weitere bedeutende Erzvorkommen vorhanden. Es erscheint verfrüht, heute schon über die etwaige Betriebsweise dieser Gruben Erwägungen anzustellen. Die Werke sind der Meinung, daß diese Frage zunächst offen bleiben muß. Vielleicht könnte es zweckmäßig erscheinen, wenn aus diesen Erzgruben zunächst ein Gemeinschaftsbetrieb der gesamten deutschen Eisen schaffenden Industrie gemacht würde.

4) Aktennotiz von Fritz vom Bruck1 vom 7. Juli 1940 Besprechung der Herren Generaldirektor Tgahrt und Direktor Dr. vom Bruck mit Herrn Dr. Reichert 2 am 4. 7. 40 Aus der Unterredung ist folgendes festzuhalten: J) Herr Röchling sei von Gauleiter Bürckel offiziell als Sonderbevollmächtigter für die Gruben und H ü t t e n für Lothringen ernannt worden. Die Bestätigung durch Generalfeldmarschall Göring stehe noch aus, sei aber zu erwarten. Der Geltungsbereich von Herrn Steinbrinck als Sonderbevollmächtigter für die Eisen schaffende Industrie beschränke sich nicht nur auf Belgien und Luxemburg, sondern daneben auch auf den Bezirk Longwy. 2) Gauleiter Bürckel habe Anspruch erhoben, über die zukünftige Gestaltung der Gruben und H ü t t e n souverän zu entscheiden, insbesondere auch über die zukünftigen Besitzverhandlungen. Diese Auffassung würde in Widerspruch stehen zu den Mitteilungen von Herrn von Hanneken, wonach Göring die Entscheidung nach Anhören von v. Hanneken treffen würde. 3) Herr Röchling habe Herrn Bürckel bereits einen Bericht über die Gruben und Hüttenindustrie Lothringens vorgelegt. Der Bericht sei der Wirtschaftsgruppe nicht zugänglich gemacht worden, obwohl man darum gebeten habe. Röchling habe erklärt, daß er seinen 1 Direktor der Hoesch AG und Leiter der Berliner Geschäftsstelle des Hoesch-Konzerns. 2 Jakob Wilhelm Reichert, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie.

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Bericht auf ausdrückliche Anordnung von Biirckel angefertigt habe, der ihn berufen habe und dem gegenüber er sich infolgedessen allein verantwortlich fühle. Er habe aber Herrn Dr. Reichert einen Auszug aus seinem Bericht zukommen lassen. Aus dem Bericht ginge hervor, daß a) der gesamte französische Besitz restlos abgelöst werden solle ; es solle also den Franzosen auch keine Minderheitsbeteiligung verbleiben. b) Den H ü t t e n solle ein ausreichender Grubenbesitz gesichert sein. Eine starre Festhaltung an dem früheren Besitz in dieser Hinsicht sei nicht erwünscht ; man könne einen zweckentsprechenden Austausch vornehmen. c) Die Erze sollen in erster Linie zur Bedarfsdeckung f ü r die Saar, f ü r Deutsch- und Französisch-Lothringen und Luxemburg dienen. Belgien war in diesem Zusammenhang nicht genannt. — Der überschreitende Betrag solle der Ruhr zur Verfügung gestellt werden. Nach Ansicht von Herrn Dr. Reichert wird die Roheisenerzeugung in den besagten Gebieten 10—12 Mill, t betragen; es werden also mindestens 36 Mill, t Erze benötigt. Das entspricht etwa der Förderung der letzten Jahre. Herr Tgahrt erwiderte, daß danach für die Ruhr ja nicht viel übrig bliebe. Herr Dr. Reichert bezweifelt dies ; er wies darauf hin, daß in einem Jahre schon einmal eine Förderung von 53 Mill, t erreicht worden sei, und daß diese Zahl für die Zukunft mindestens ohne Schwierigkeit aufrecht erhalten werden könne. d) Auf unsere Frage, ob bereits ins Auge gefaßt sei, eine Kommission aus allen Interessenten nach Lothringen zu entsenden, um sich von dem Zustand der Werke und Gruben zu überzeugen, erwiderte Herr Reichert, daß eine solche Besichtigung auf Veranlassung von Röchling bereits stattgefunden habe. 4) Als Ergebnis erfolgte eine längere Unterhaltung über die Frage der Besitzansprüche. Herr Reichert stellte auf Grund des ihm überreichten Auszuges des Berichtes von Röchling fest, daß bezüglich der Werke Deutsch-Lothringens wohl im großen und ganzen durch die Ansprüche der früheren Besitzer verfügt wäre. Für diejenigen Werke, die früher keine Hütten besessen hätten, kämen aber die zahlreichen Werke in Französisch-Lothringen in Frage. Nach Auffassung von Herrn Dr. Reichert müsse jeder berechtigte Interessent ohne Schwierigkeiten zum Zuge kommen können. Im Gegensatz zu früheren Äußerungen von Herrn Reichert und anderen Herren der Wirtschaftsgruppe scheint er jetzt von dem Standpunkt etwas abgerückt zu sein, die früheren Besitzverhältnisse bei der zukünftigen Besitzverteilung stark in den Vordergrund zu stellen. — Auf meinen Hinweis, daß die Verquickung früherer Besitzverhältnisse mit der Geltendmachung neuer Besitzansprüche nicht sehr glücklich gewesen sei und gerade in dieser Aufmachung überall sehr viel Staub aufgewirbelt habe, erwiderte Herr Reichert, daß er gern wissen möchte, wer diese Version in Umlauf gebracht habe. (Nach meiner Kenntnis muß allerdings die Wirtschaftsgruppe bei der Herausstellung der Interessengemeinschaft als auch der für die zukünftigen Verhandlungen vorgesehenen Organisation unbedingt mitgewirkt haben.) Herr Dr. Reichert betonte, daß nach seiner Auffassung alle Werke einen Anspruch hätten, und daß dieser Anspruch in Anbetracht der Fülle der Objekte doch sicherlich auch befriedigend gelöst werden könne. E r jedenfalls würde seine Bemühungen auf dieser Basis und nach dieser Richtung abstellen. Daß das Reichswirtschaftsministerium nicht daran denke, nur frühere Besitzer zum Zuge kommen zu lassen, ginge aus einer Bemerkung von Ministerialrat Schmitt bezüglich eines von Mannesmann gestellten Anspruches hervor, der erklärt h a b e , d a ß a u c h dieser A n s p r u c h berücksichtigt werden müsse.

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5) Herr Tgahrt stellte unsere Stellungnahme zur Besitzfrage nochmals klar heraus. Er erhob in aller Form unseren Anspruch auf die Möglichkeit des Erwerbs eines guten und großen Hüttenwerks, nebst Gruben. Zur Begründung dieses Anspruchs führte er etwa folgendes aus : a) Die Verquickung früherer Besitzverhältnisse mit neuen Besitzansprüchen sei schon deswegen unzweckmäßig, weil hierdurch in der Öffentlichkeit der Gedanke aufkommen könne, als wolle die Schwerindustrie aus der neuen politischen Lage Sondervorteile für sich ziehen. Dieser Eindruck müsse unter allen Umständen vermieden werden. b) Nicht die früheren Besitzer hätten die Gebiete zurückerobert, sondern das gesamte deutsche Volk durch seine Armee. Es sei daher abwegig und unratsam, Ansprüche auf Grund des früheren Besitzes zu erheben. Man könne vielmehr nur an den Staat herantreten mit der Bitte, bezüglich der notwendigen Neuverteilung allen sachlich berufenen Interessenten gleiche Chance zu geben, unbeschadet eines Prioritätsanspruches der früheren Besitzer. Alle berechtigten Interessenten müßten einen gleichen Start haben; das sei die einzig mögliche logische Folge der politischen Situation. c) Der Prioritätsanspruch der früheren Besitzer dürfe aber nicht durch verschiedene Preisgestaltung zu einem offenbaren wirtschaftlichen Nachteil der früher Nichtbeteiligten führen. Es müsse insbesondere berücksichtigt werden, daß die früheren Besitzer teils direkt, teils indirekt, in verschiedenen Formen entschädigt worden waren, und daß darüber hinaus die etwa verbliebenen Verluste durch Abschreibungen gedeckt seien. Zudem sei in einigen Fällen die Rechtsnachfolge zum mindesten zweifelhaft. d) Wenn wir nicht zum Zuge kämen, so bestände für uns die schwere Gefahr, in unserer Wettbewerbsfähigkeit ernsthaft gefährdet zu werden, da die auf der guten Gestehungsgrundlage arbeitenden lothringischen Hütten möglicherweise eine ganz andere Preispolitik treiben könnten. e) Gegenüber den anderen früher nichtbeteiligten Werken, wie Mannesmann, Krupp, GHH und Flick, sei Hoesch noch durch besondere personelle Verhältnisse benachteiligt. 6) Herr Tgahrt fragte Herrn Dr. Reichert, ob er ihm bezüglich der Wahl eines Werkes Ratschläge erteilen könne. Herr Reichert gab hierauf keine klare Antwort und verwies in diesem Zusammenhang auf belgische Werke ; er nannte insbesondere Ougrée-Marihaye und Providence. Herr Tgahrt wies darauf hin, daß die gute Ertragslage der belgischen Werke im wesentlichen auf den günstigen Lohnverhältnissen beruht habe ; diese seien für die Zukunft zweifelhaft, da die Lohnverhältnisse sicherlich eine grundlegende Änderung erfahren würden. Die Frage, ob das den belgischen Gesellschaften zur Verfügung stehende französische Kapital ebenfalls durch deutsches abgelöst werden würde, konnte Herr Reichert nicht beantworten. Diese Frage sei bisher noch nicht erörtert worden. Er persönlich könne sich die Lösung so vorstellen, daß man hier ähnlich verfahre wie seinerzeit Frankreich an der Saar, d. h., daß sich Deutschland bei den maßgeblichen belgischen Werken, zum mindesten soweit französischer Besitz vorhanden gewesen sei, 60% des Kapitals sichere. 7) Bezüglich der „Arbed" konnte uns Herr Reichert auch nichts Konkretes mitteilen. Er hält es aber für möglich, daß die Arbed in einzelne Teile zerschlagen wird. 8) Das gleiche scheint Röchling bezüglich de Wendel zu planen. 9) Auch bezüglich der Hadir konnte uns Herr Dr. Reichert nichts berichten. 10) Herr Dr. Reichert versicherte, daß die Vereinigten Stahlwerke keinen Anspruch auf Ilagendingen erhöben. Hagendingen sei früher bei Thyssen gewesen, und der Thyssen-Besitz sei an das Reich übergegangen.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Herr Dr. Reichert versichert nochmals, daß er sich als Treuhänder für die ganze Eisen schaffende Industrie betrachte und in diesem Sinne auf eine gerechte Lösung der Fragen hinwirken werde. Herr Tgahrt bat Herrn Dr. Reichert, Herrn Poensgen von dem Verlauf der Unterredung Kenntnis zu geben und ihm insbesondere Mitteilung zu machen, daß wir Ansprüche auf ein geeignetes Hüttenwerk mit Grube erheben. — Herr Tgahrt wird .sich auch noch persönlich mit Herrn Poensgen ins Benehmen setzen. Herr Dr. Reichert hält es für zweckmäßig, bei dem vorgesehenen Besuch bei Herrn von Hanneken die Besitzfrage nicht anzuschneiden, es sei denn, daß der General von sich aus auf die Angelegenheit zu sprechen käme. — Herr Tgahrt pflichtet dieser Auflassung bei.

5) Ergänzung

von Erich

Tgahrt vom 8. Juli

1940

zur Aktennotiz con Fritz vom Bruck vom 7. Juli

19401

Vorbemerkung: Am 5. 7. war ich, gemeinsam mit Herrn vom Bruck, mit den Herren Herbert Göring2, Ministerialdirektor Gramsch 3 und Professor Paschke zusammen. Aus der Unterhaltung mit diesen Herren ist folgendes festzuhalten: Zu 1) Nach Herbert Göring ist der Auftrag an Herrn Röchling ausschließlich von Herrn Bürckel erteilt. Er hat die Aufgabe, den Zustand der Hütten und die Möglichkeiten ihrer Inbetriebsetzung festzustellen. Ein gleicher Auftrag soll Herrn Wittke von Dillingen erteilt worden sein für die Gruben. Mit Ausführung dieses Auftrages soll die Aufgabe der beiden Herren als erloschen anzusehen sein. Über die von Herrn Dr. Ernst Poensgen gemeldete Betrauung des Herrn Raabe mit der Ingangsetzung der Minettegruben ist nichts bekannt geworden. Zu 4) Es hat den Anschein, als ob Herr Steinbrinck sich bemühe, daß bei der Arbed als Treuhänder die Vereinigten Stahlwerke eingesetzt würden. Röchling wünsche die Betreuung der Carlshütte (früher Besitz von Röchling) und von Hagendingen. Herr Herbert Göring betonte, daß als oberster Grundsatz ganz klar ausgesprochen wäre, daß die Ansprüche aus alter Zeit nicht aufleben und niemand sich unter Berufung darauf einen Sondervorteil verschaffen könne. Zu 10) Aus Anlaß meines Besuches bei Herrn von Hanneken habe ich Herrn vom Bruck bei dem Genannten eingeführt. Ich habe außer meinem persönlichen Glückwunsch zur Ernennung zum Generalleutnant lediglich die Lieferung von Salzgittererzen der Reichswerke an die Ruhrhütten besprochen und dabei das gewünschte Ergebnis, d. h. sehr starke Herabsetzung der Lieferungen, erzielt. Herr von Hanneken hat von sich aus über die besetzten Gebiete nichts gesagt. Ich habe aber mit Herrn vom Bruck gesprochen, daß er gelegentlich Herrn Ministerialrat Schmitt aufsucht und zwanglos diese Frage nach folgender Richtung hin bespricht: Wir sind selbstverständlich damit einverstanden, vor Beendigung des Krieges keinerlei Wünsche zu äußern, vorausgesetzt, daß dies auch von anderer Seite nicht geschieht, bzw. daß etwaige Wünsche unbeachtet bleiben. Grundsätzlich haben wir allerdings den Wunsch, anerkannt zu sehen, daß Hoesch — ebenso wie die übrigen großen Werke des rheinisch-westfälischen 1 s. Dokument 4. 2 Vetter Hermann Görings ; Leiter der Verwaltung Berlin der Vereinigte Stahlwerke AG ; Vertrauensmann des Flick-Konzerns und der Vereinigten Stahlwerke. 3 Friedrich Gramsch, Ministerialdirektor beim Beauftragten für den Vierjahresplan.

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Bezirks — das Anrecht darauf habe, eine Hütte mit ausreichendem Grubenbesitz zu erwerben, falls irgendeinem der deutschen Werke ein solches Zugeständnis gemacht würde. Da man sich indes bemüht, die Werke wieder in Gang zu bringen, wird für die Betreuung jedes einzelnen Werks ein deutscher Leiter eingesetzt werden müssen. Es besteht naturgemäß die Vermutung, daß der bei einem Lothringer, Luxemburger oder belgischen Werk eingesetzte deutsche Treuhänder, falls er von einem der großen Hüttenkonzerne Deutschlands kommt, seine Aufgabe darin sieht, die Übernahme des betreffenden Werks durch seinen Konzern vorzubereiten, und daß auch die Betreuung selbst einen Fingerzeig und ein gewisses Anrecht nach dieser Richtung hin gibt. Ist das aber der Fall, so liegt auf der Hand, daß die Frage der etwaigen Besitzverteilung in Lothringen von den amtlichen Stellen vor Kriegsschluß angefaßt werden muß, und sogar vor Einsetzung irgendeines Treuhänders für ein besonderes Werk. Durchbrochen ist dieser m. E. notwendige Grundsatz bereits bei den Luxemburger Werken durch die Einsetzung des Herrn Berve bei der Arbed und von Herrn Meier bei Hadir. Es muß deshalb klargestellt werden, welche Absichten in dieser Hinsicht die amtlichen Stellen haben. Das gleiche gilt für den Grubenbesitz. Auch hier soll weder über alte vermeintliche Ansprüche, noch über neue Wünsche gesprochen werden. Es wurde aber in Berlin bekannt, daß Bergassessor Dr. Willing (Vereinigte Stahlwerke), der Leiter der Gruppe Erzbergbau, vom RWM den Auftrag erhalten hat, auf Grund seiner inzwischen erfolgten Besichtigung innerhalb von 3 Tagen Vorschläge über die Verteilung der Erzgruben in Lothringen zu machen. Auch das ist schlechterdings unmöglich, wenn obiger Grundsatz aufrechterhalten werden wird.

6) Schreiben von Fritz com Bruck an Erich Tgahrt com 8. Juli 1940 Betr.: Lothringische Hütten. Rücksprache mit Herrn Ministerialrat Schmitt am 8. 7. 40. Sehr verehrter Herr Tgahrt! Ich habe eingangs betont, daß ich vertraulich den Rat des Herrn Schmitt in der obigen Angelegenheit einholen wollte. Zunächst habe ich unseren Standpunkt noch einmal in kurzen Worten dargelegt, wie er auch bereits in der Rücksprache mit Herrn Dr. Reichert zum Ausdruck gekommen ist. Ich habe betont, daß wir volles Verständnis dafür haben, daß 1) der Staat, dessen Armeen den Raum erobert haben, in erster Linie seinen Anspruch geltend machen kann, 2) kein Rechtsanspruch auf Besitzerwerb von irgendeiner Seite bestellt, 3) alle aus diesem Grunde einen gleichen Start haben, 4) diese Frage während des Krieges nicht entschieden werden kann, 5) der Staat in wohlverstandenem Eigeninteresse einer späteren Besitzerwerbung durch die Werke der Saar und Ruhr sicher sympathisch gegenüberstehen würde. Es erschiene mir aber zweckmäßig, einmal vertraulich mit ihm diese Dinge zu besprechen, damit nicht der Eindruck entstände, als ob wir grundsätzlich uninteressiert seien, und weil wir auf der anderen Seite der Ansicht wären, daß, da ja doch später einmal die Frage des Besitzerwerbs akut werden würde, diese Dinge einer gewissen Vorbereitung bedürften. 1) Herr Schmitt wies zunächst auf die Vereinbarung hin, die mit der Eisen schaffenden Industrie getroffen sei dahingehend, daß diese Frage während des Krieges nicht ange-

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schnitten werden solle. Er betonte gleich, daß er meine Rücksprache selbstverständlich nicht als in irgendeiner Weise gegen diese Vereinbarung verstoßend betrachte, da sie vertraulich geführt sei und ich von ihm lediglich eine Auskunft über den Stand der Dinge erwarte. Zwei Werke haben sich offenbar an diese Vereinbarung nicht gehalten und haben sich schriftlich an das Reichswirtschaftsministerium gewandt. Daraufhin hat Herr von Hanneken Herrn Poensgen noch einmal auf diese Vereinbarung hingewiesen. 2) Der Sonderbevollmächtigte f ü r die Erzgruben ist nicht Wittke, sondern Raabe von den Reichswerken. 3) Auf meinen Hinweis, daß von den Sonderbevollmächtigten für die Leitung der einzelnen Gruben und H ü t t e n Persönlichkeiten aus der Eisen schaffenden Industrie herangezogen würden, und daß im Hinblick auf die Vorbereitung des späteren Besitzerwerbs doch sicherlich auch Persönlichkeiten von Werken ausgewählt würden, die später Ansprüche auf diese besonderen Werke hin geltend machen würden, erwiderte Herr Schmitt, daß dem nicht so sei. Die Persönlichkeiten würden gewissermaßen eine militärische Einberufung erhalten und hätten ihre Tätigkeit treuhänderisch und auf ihre Person abgestellt auszuüben, ohne damit irgendeinen Anspruch des Werkes zu begründen, dem sie angehören. Der Staat behielte sich vollkommen freie Hand, und die Tatsache, daß ein Angehöriger eines Werkes die treuhänderische Verwaltung einer lothringischen H ü t t e übernähme, gäbe dem Werk nicht den allergeringsten Anspruch auf spätere Berücksichtigung. E r stellte anheim, sich mit den Herren Steinbrinck, Röchling oder Raabe in Verbindung zu setzen, wenn wir den Wunsch hätten, geeignete Persönlichkeiten zur Verfügung zu stellen, und wies darauf hin, daß es zweckmäßig sei, die erste Garnitur zu wählen, da es sich ja um schwierige Aufgaben handle. Eine militärische Rangstellung sei bei der Auswahl zu empfehlen. 4) Auf meine Bemerkung, daß bezüglich der Besitzverhältnisse an den Gruben Vorschläge kurzfristig unterbreitet werden sollen, erwiderte Herr Schmitt, daß Herr Poensgen treuhänderisch den Auftrag erhalten habe, einmal die Besitzverhältnisse im Jahre 1919 klarzulegen, ohne damit jedoch den Staat bei seinen zukünftigen Entscheidungen in irgendeiner Weise zu binden und ohne auch jetzt schon Besitzansprüche zu formulieren. Er betonte immer wieder, daß Ansprüche überhaupt nicht beständen, und wies darauf hin, daß auch diejenigen Werke, die früher Besitz gehabt hätten, doch entschädigt und abgefunden worden seien. Das schließe nicht aus, daß man diesen Werken bei dem Erwerb einen Prioritätsanspruch einräume. Es müsse allerdings dabei nach organischen Gesichtspunkten verfahren werden; man würde sich in keinem Falle starr an den früheren Besitzstand halten. 5) Ich wies darauf hin, daß wir früher nur an einigen Gruben beteiligt waren, eine H ü t t e aber nicht besessen hätten, daß wir aber den Anspruch erhöben, gegebenenfalls auch eine namhafte H ü t t e erwerben zu können. — Herr Schmitt ließ durchblicken, daß eine solche Möglichkeit ja doch in dem früheren Französisch-Lothringen, unter der Voraussetzung, daß dies deutsch werden würde, sicher gegeben wäre. Aus den Ausführungen des Herrn Schmitt ist zusammenfassend festzustellen: 1) Es hat niemand einen Anspruch. 2) Alle haben den gleichen Start. 3) Die früheren Besitzer haben bezüglich ihres Besitzes gegebenenfalls eine Art Vorkaufsrecht. 4) Es besteht die Möglichkeit auch für diejenigen Werke, die früher keine H ü t t e besessen haben, eine solche zu erwerben, und zwar in erster Linie in FranzösischLothringen.

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5) Die zur kommissarischen Verwaltung der Werke herangezogenen Persönlichkeiten werden militärisch eingezogen und üben ihre Tätigkeit auf eigene Verantwortung aus, ohne spätere Ansprüche der Werke zu begründen, denen sie angehören. Wie Sie sehen, kann man mit den aufgestellten Grundsätzen zufrieden sein, sofern sie wirklich durchgeführt werden. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

7)

Aktennotiz von Erich Tgahrt vom 9. Juli

1940

Bei meinem gestrigen Besuch bei Herrn Dr. Ernst Poensgen erfuhr ich folgendes : Poensgen bestätigt, daß der Bericht Röchling bei Herrn Bürckel vorliegt, daß Röchling sich aber geweigert hat, den Bericht der Wirtschaftsgruppe zu geben. Er hat aber in einem Schreiben an Dr. Reichert die wichtigsten Punkte seines Berichtes bekanntgegeben. Es sind die folgenden: Röchling empfiehlt eine vollkommen neue Aufteilung des Erzbesitzes, so daß jedes Hüttenwerk an der Saar in Ostfrankreich und Luxemburg auf der Grundlage seiner jetzigen Erzeugungsmöglichkeit auf 100 Jahre Erz-Reserven hat. Er empfiehlt ferner die Zusammenfassung von mehreren Hüttenwerken zu je einer Einheit von 1 Million t Rohstahl. Schließlich will er für die politische und wirtschaftliche Führung — und demnach den Besitz der großen Werke — neben den Ostfranzosen und Luxemburgern in erster Linie die Saarländer betreuen, weil sie die Mentalität der Ostfranzosen am besten verstünden. (Diese Empfehlung bedeutet naturgemäß im wesentlichen die Überlassung der ganzen ostfranzösischen Hüttenwerke an die Saarländer und bestenfalls noch einiger Werke an die Vorbesitzer und die Reichswerke.) Schließlich bringt Röchling zum Ausdruck, daß die Minette zu 60% kalkig und zu 40% kieselig, gegebenenfalls sogar 50 : 50, abgebaut werden sollte, damit nicht ein Raubbau mit kalkiger Minette getrieben wird. (Nach meiner Kenntnis ist der Vorrat an kalkiger Minette wesentlich größer als der an kieseliger Minette. Das wird man aber wahrscheinlich aus Gutachten feststellen können.) Röchling ist der Meinung, daß über die oben dargelegte Versorgung hinaus auch eine gewisse Ausfuhr nach Belgien, und zwar etwa 2 Millionen t jährlich, und vor allem nach Rheinland/Westfalen zugelassen werden sollte. Poensgen ist von Schmitt aufgefordert worden, seinerseits Vorschläge zu machen. Poensgen versucht, mit Röchling gemeinsame Linie zu finden, und hat für heute eine Besprechung mit Röchling in Berlin verabredet. Er hat gemeinsam mit Vogler Richtlinien aufgestellt, die im wesentlichen folgendes besagen: Feststellung, daß 7 Milliarden t Erz in Ostfrankreich und in Luxemburg anstehen mit rund 2'/ 4 Milliarden t Fe. Erfordernisse: 1) Felderbereinigung 2) Nach vollkommen neuer Planung Versorgung der Hütten in Ost-Frankreich, Saar und Lothringen für 75 Jahre 3) Zusammenlegung von Hüttenwerken benachbarter Lage auf solche von 600000 t Jahresleistung 4) Die unter 2) nicht gebrauchten Erze sollen zur Verfügung der großdeutschen Eisenindustrie gehalten werden. Verteilung nach der Roheisen-Kapazität. Bewirtschaftung nach übergeordneten Gesichtspunkten. Deutsche Erze sollen als Reserve bestehen bleiben und nur insoweit abgebaut werden, als es die Erhaltung des Grubenzustandes und die Wirtschaftlichkeit der Hüttenwerke zuläßt.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

5) Neben diesen Gesichtspunkten treten Privatansprüche zurück. Es soll aber den früheren Besitzern ein gewisses Vorrecht eingeräumt werden, falls man diesem Gedanken überhaupt zuneigt; deshalb Feststellung der Besitzlage vor 1914. Ich habe Herrn Poensgen gebeten, bei seinen Vorschlägen keinesfalls über die 600000 t Jahresleistung der Stahlwerke hinauszugehen, weil sonst zu wenig zur Verfügung stünden, um die zu erwartenden Ansprüche zu befriedigen, zumal in den Vorschlägen von Poensgen auch angedeutet ist, daß auch die Verteilung der Stahlwerke unter Umständen nach der jetzigen Rohstahl-Kapazität erfolgen soll. E r hat mir das zugesagt mit dem Hinzufügen (unter strengster Vertraulichkeit), daß er mit Herrn Vogler darüber einig sei, daß die Vereinigten Stahlwerke nur den Wunsch hätten, Differdingen zu erhalten. Von Klöckner liege naturgemäß der Anspruch auf Kneuttingen vor, die Reichswerke möchten de Wendel und Hagendingen haben, und was die Saarwerke beanspruchten, wäre noch nicht klar. Es wäre auch die Frage, ob bei der Übernahme der Hüttenwerke in deutsche Verwaltung nicht die alten französischen und belgischen Vorbesitzer berücksichtigt werden sollten, damit man für den Absatz Unterstützung hat und auch sonst eine vertrauensvolle Zusammenarbeit herbeiführen kann. Wie mit der Arbed verfahren werde, sei unbestimmt. E r persönlich wäre für eine Erhaltung dieses gewachsenen Gebildes und ggf. Überführung der französischen Mehrheit in deutschen Besitz. Krupp habe in letzter Zeit in aller Form den Anspruch erhoben, Hüttenwerke in Lothringen zu erwerben. Das habe in Berlin sehr verschnupft. Röchling hat die Firma Otto Wolff mit der Treuhänderschaft für die Hütten und Gruben im Gebiet von Nancy betraut. General Bührmann ist zum Inspekteur für RohstoffFragen im ganzen Gebiet ernannt worden. Raabe ist jetzt bestellt für alle Minettegruben, einschließlich Luxemburg, mit der Aufgabe, die Gruben in Betrieb zu setzen. Ich habe Poensgen noch gebeten, Herrn Reichert zu veranlassen, mich dauernd unterrichtet zu halten, was er mir zusagte.

8) Schreiben von Fritz vom Bruck an Erich Tgahrt vom 10. Juli 1940 B e t r . : Lothringen — Hütten und Gruben Sehr verehrter Herr Tgahrt! Herrn Dr. Reichert habe ich in der obigen Angelegenheit heute aufgesucht und ihn zunächst kurz ins Bild gesetzt über die Ausführungen, die Ministerialrat Schmitt bei meinem Besuch vom 8. ds. Mts. gemacht hat. Herr Reichert berichtete dann kurz über die gestern stattgefundene Unterredung zwischen Herrn Poensgen und Herrn Röchling, die im wesentlichen sehr harmonisch verlaufen sei. Insbesondere habe sich Röchling ohne weiteres dem Vorschlage von Herrn Poensgen angeschlossen, die Betriebseinheiten auf einer Basis von etwa 600000 t Kapazität zusammenzuschließen anstatt von 1 Million t, wie Röchling ursprünglich vorgesehen hatte. Herr Reichert hatte eine Notiz über die Besprechung in Form eines Briefes an Herrn Poensgen angefertigt, die er mir zu lesen gab. Eine Abschrift des Briefes, um die ich zur Überlassung und Weitersendung an Sie bat, wollte er nicht herausgeben ; er wollte auch nicht, daß von mir Notizen gemacht wurden. Herr Reichert meinte, daß die in der Besprechung erwogenen Planungen noch gänzlich unverbindlich seien und daß er es daher nicht wünsche, daß über die Einzelheiten Diskussionen stattfänden. Herr Poensgen würde sich die Fragen

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sowieso noch sicherlich 8 Tage lang durch den Kopf gehen lassen, und es stände uns natürlich frei, uns mit Herrn Poensgen erneut in Verbindung zu setzen. — Da ich in das Schreiben nur kurz Einblick nehmen konnte, kann ich den Inhalt im folgenden nur unverbindlich und in großen Zügen und ohne Gewähr für die Richtigkeit wiedergeben. Danach sieht das Bild etwa so aus, daß man den Raum von Deutsch- und FranzösischLothringen einschließlich des Gebietes von Nancy und einschließlich Luxemburg und des belgischen Werkes Athus zugrunde gelegt hat. Innerhalb dieses Gebietes befinden sich nach der Aufstellung, die der Besprechung zugrunde lag, 30 Werke. Diese Aufstellung wird Herr Reichert uns überlassen. Herr Tosse wollte eine Abschrift anfertigen lassen; ich erwarte noch heute die Übersendung derselben und werde sie dann an Sie weiterleiten. Die Aufteilung sieht, soweit ich sie im Gedächtnis habe, und ohne die in dem Brief vor gesehene Reihenfolge einzuhalten, etwa folgendermaßen aus : Longwy dazu Gorcy II. Gruppe La Chiers | Réhon Í III. Gruppe Senelle Sauines HussignyGodbrange. IV. Gruppe Micheville V. Gruppe Homécourt | Auboué j VI. Gruppe Hagendingen VII. Gruppe Kneuttingen VIII. Gruppe Diedenhofen I X . Gruppe Rombach Maizières X . / X I . Gruppe de Wendel Hayingen Moyeuvre Joeuf X I I . Gruppe Pont-à-Mousson X I I I . Gruppe Pompey Neuves Maisons. Champigneulles J X I V . Gruppe Differdingen

Kapazität 600000 t 50000 t

I. Gruppe

640000 t 825000 t etwa

4800001 600000 t reichlich

über etwa

1 Million t 1 Million t 500000 t (?) 625000 t 300000 t

über

1,2 Millionen t

etwa

200000 t 650000 t

Wie Sie sehen, ist der luxemburgische und belgische Raum in dieser Gruppeneinteilung mit Ausnahme von Differdingen nicht erfaßt. Es wäre also möglich, aus den hier befindlichen Kapazitäten sicherlich noch zwei Gruppen in der vorgesehenen Größenordnung zusammenzustellen. Diese Gruppierung ist, wie Herr Reichert ausdrücklich betonte, völlig unverbindlich. Man wisse ja auch noch nicht, wie groß die Zahl der Interessenten sei. Sollten sich noch mehr Interessenten herausstellen, so könnte man j a die Anzahl der Gruppen erhöhen, indem man für die einzelne Gruppe eine geringere Kapazität vorsähe. Es können auch, wenn es Ihnen zweckmäßig erscheint, noch andere Gegenvorschläge gemacht werden. 21

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

310

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"'

In jedem Falle aber erscheint es mir unbedingt notwendig, die Fühlung mit Herrn Poensgcn aufzunehmen und sich schnellstens darüber klar zu werden, welche Ansprüche wir konkret zu stellen gedenken. Bezüglich der Gruben soll eine Felderbereinigung stattfinden, ebenso wie auch die Hüttenwerke nach organischen Gesichtspunkten zusammengefaßt werden sollen, wie das in den Vorschlägen auch bereits berücksichtigt sei. Was mit den Gruben geschehen solle, die nicht zu einem der aufgeführten 30 Werke gehören, sei noch offen. An einen Gemeinschaftsbesitz denke man nicht. Bezüglich der Gruben hat eine Aufstellung zugrunde gelegen, die Herr Schoen gemacht h a t . Bei flüchtiger Durchsicht mußte ich feststellen, daß Hoesch nur bezüglich seiner Beteiligung an der Grube Reichsland erwähnt, aber die Grube J a r n y nicht aufgezählt war. Dabei stelltees sich heraus, daß Herr Schoen die gesamten Gruben in Französisch-Lothringen vergessen hatte. Interessant war an dem Bericht des Herrn Reichert, daß für einzelne Gruppen offenbar schon über Interessenten gesprochen worden ist, so ζ. B. bezüglich: a) Micheville : Hier hatte m a n an G H H gedacht. — Auf meine Frage, ob die G H H etwa einen diesbezüglichen Wunsch geäußert habe, erklärte Herr Reichert, dem sei nicht so, doch habe die G H H früher einmal die Absicht gehabt, unmittelbar neben Micheville ein Werk zu errichten. — Hieraus möchten wir ersehen, daß alle solche Erwägungen noch sehr abstrakter Natur gewesen seien und noch keineswegs irgendwie feste Konturen angenommen, hätten. b) Homécourt-Auboué : Hier ist offenbar an Neunkirchen gedacht worden. c) Pont-à-Mousson : Hier hat man an Halberger H ü t t e gedacht. d) de Wendel : Hier hat m a n die Reichswerke als Interessent vorgemerkt. e) Rombach : Concordia, unter Hinweis auf den Spaeter'schen Vorbesitz. f) Diedenhofen: für Röchling. g) Hagendingen: beansprucht ebenfalls Röchling als Entschädigung für die Maxhütte. h) Kneuttingen: für Klöckner. i) Differdingen: wird von den Vereinigten Stahlwerken beansprucht. Den Arbed-Komplex hat m a n offenbar zunächst ganz herausgelassen. Der Name „Hoesch" sei auch ganz allgemein genannt worden, doch nicht im Zusammenhang mit irgendeiner Hütte, da man diesbezügliche Wünsche unsererseits bisher nicht vorgetragen habe. Grundsätzlich ist gegen die Aufteilung der H ü t t e n aus sachlichen Gesichtspunkten heraus, im allgemeinen wohl nicht viel einzuwenden. Man sollte meinen, daß die Zahl der Interessenten nicht größer ist, als sie in dem Plan der Wirtschaftsgruppe durch die Gruppeneinteilung vorgesehen ist. Es müßte sich also auf dieser Basis doch eigentlich eine Einigung erzielen lassen. Frei sind nach der Rücksprache zum mindesten die Gruppen Longwy, Chiers und Pompey. Da wir auf die letztere ja wohl keinen Wert legen, würden in erster Linie also die beiden. Gruppen Longwy und Chiers in Frage kommen. Selbstverständlich ist aber über Micheville und Homécourt oder Senelle das letzte Wort nicht gesprochen. Gerade Homécourt wurde mir sowohl von Herrn Spannagel als auch von anderer Seite als sehr gutes Werk geschildert. Die belgischen Hütten sind zunächst einmal aus diesem Komplex herausgelassen, wenn man. von Chiers und Réhon absieht, die Ougrée und Providence gehören. Es würde also nicht ausgeschlossen sein, unbeschadet der Vormerkung für eine der Gruppen später noch Ansprüche auf belgische H ü t t e n bzw. die Arbed oder Teile der Arbed geltend zu machen.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

311

Im Zusammenhang mit französischen Beteiligungen an belgischem Besitz, von denen man heute noch nicht weiß, in welcher Form sie abgelöst werden sollen, möchte ich noch aus eigener Initiative, ohne Zusammenhang mit der Reichert'schen Unterhaltung, auf einige interessante Bergwerke im Campine-Bezirk hinweisen. Es handelt sich um folgende drei Gesellschaften : a) Société des Charbonnages de Limburg/Meuse Sitz Brüssel Förderung 1937: 1263 000 t Konzessionen : 4 910 ha b) Société Anonyme des Charbonnages Coursel-lez-Beeringen Förderung 1937: 1146000 t Konzessionen: 4950 ha c) Société des Charbonnages, Winterslag Sitz Brüssel Förderung 1937: 872000 t Konzessionen: 3963 ha Bei allen drei Kohlengesellschaften ist französisches Kapital beteiligt. — Das CampineGebiet ist, soweit ich höre, noch sehr aussichtsreich. — Auf Hinweise im südlichen Kohlenbezirk Belgiens habe ich verzichtet, weil man von hier nicht übersehen kann, in welchem Umfange die Werke bereits abgebaut sind. — Anschließend wies Herr Reichert darauf hin, daß Herr Poensgen die von dem Reichswirtschaftsministerium gewünschte Aufstellung über die Besitzverhältnisse des Jahres 1918 eingereicht habe. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Ihre Stellungnahme möglichst bald erfahren könnte. Auch eine etwaige Beteiligung unsererseits bei Rombach braucht meiner Ansicht nach bei der Aufteilung der Gruppen zunächst nicht berücksichtigt zu werden, da es sich gegebenenfalls ja um eine interne Vereinbarung mit dem vorgesehenen Vorbesitzer handeln würde. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

9) Aktennotiz

von Erich Tgahrt vom 12. Juli

1940

Betr. Lothringische Hütten und Gruben Herr vom Bruck hatte die Frage gestellt, ob es nicht angebracht wäre, nachdem in der Besprechung zwischen den Herren Poensgen und Röchling bereits Namen als Interessenten für die eine oder andere Stahlwerksgruppe in Ostfrankreich genannt worden sind, unsererseits auch mit bestimmten Wünschen hervorzutreten. Ich habe Herrn vom Bruck dahin beschieden, daß es in. E. verfrüht sei, bestimmte Wünsche zu äußern in einer Zeit, in der noch nicht einmal die grundsätzlichen Wünsche von einzelnen Werken vorgetragen würden. Wenn es ihm aber in einer Unterhaltung mit Dr. Reichert angebracht erscheine, Andeutungen zu machen, so möge er nach der Beurteilung meiner Vorstandskollegen und vor mir folgende Wertigkeit zur Kenntnis nehmen. Ausgeschieden sind bei dieser Beurteilung de Wendel, Hagendingen, Kneuttingen, Rombach und die Arbed, weil sie wohl kaum für einen in Frage kommen, der nicht alte Rechte vorweisen kann, oder die Hermann-GöringWerke. Bei der Beurteilung der nachstehenden Reihenfolge ist ferner der vorhandene Erzbesitz in Rücksicht gezogen, obgleich es fraglich ist, daß das in Zukunft bei der Neuauf21*

312

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

teilung der Erze eine wesentliche Rolle spielen wird. Unberücksichtigt sind gelassen die reinen Hochofenwerke, die früheren Besitzungen der Saar und diejenigen Gruppen, die noch weniger erwünscht sind, als No. 4 der nachfolgenden Aufstellung: 1) Homécourt, sehr guter Erzbesitz im Briey-Becken, günstige Frachtlage für Erze und wahrscheinlich auch leidlich gut ausgebautes Werk. 2) Aciéries de Longwy, befriedigende Erzgrundlage, darunter auch etwas im Briey-Becken, technisch wahrscheinlich im Verhältnis zu den anderen Hütten recht gut in Stand. Nachteil: Entfernung von der Briey-Erzgrundlage, während die Erze im Longwy-Becken natürlich sehr nahe sind und wahrscheinlich für die Fertigerzeugnisse geringere Fracht besteht. 3) Micheville: Einheitliches Werk mit guter Erzgrundlage im Longwybecken, aber technisch wahrscheinlich weniger gut als Aciéries de Longwy. 4) Réhon & La Chiers: im Longwy-Becken, z. Zt. keine gute Erzgrundlage, 2 getrennte Werke. Ich habe heute Herrn Poensgen angerufen und ihn gefragt, wie die Dinge weiter laufen werden. E r sagte mir, daß er von General von Hanneken gebeten worden sei, am Donnerstag nächster Woche seine Vorschläge zu machen. Auf meine Frage erklärte Poensgen, daß diese Vorschläge natürlich nur grundsätzlicher Art wären und daß er sich davor hüten werde, irgendeinen Namen für die Verteilung der Gruppen auf die deutschen Interessenten anzugeben. Im Anschluß an Berlin wird er dann einige Tage nach Süddeutschland und der Schweiz fahren. Er hat die Absicht, den Kleinen Kreis für Ende der übernächsten Woche zu einer Besprechung einzuladen.

10) Aktennotiz

von Alfred Brüninghaus1

vom 17. Juli

1940

Besprechung mit Ernst Poensgen am 16. Juli 1940 Ich erwähnte eingangs, daß wir den Eindruck hätten, daß bereits manche Gesellschaften bestimmte Wünsche hinsichtlich des Erwerbs Luxemburger und Lothringer Werke vorbrächten, daß wir es infolgedessen nunmehr für angebracht hielten, dies auch zu tun. Poensgen bestätigte die Richtigkeit dieser Ansicht. Es wäre jetzt Zeit, die Fragen zur Klärung zu bringen, und er würde am Donnerstag mit von Hanneiren darüber sprechen. Zu diesem Zweck hätte er eine Aufstellung von 14 Werksgruppen gemacht und darin für von Hanneken diejenigen rot unterstrichen, die früher in deutschem Besitz waren. Es seien also genügend Objekte vorhanden, um alle Interessenten zu befriedigen. Von Seiten der Reichswerke würde bereits kräftig vorgearbeitet. Sie erhöben Anspruch auf de Wendel, Hagendingen, Homécourt und Arbed. Die Vereinigten Stahlwerke würden, um den Reichswerken den Wind aus den Segeln zu nehmen, nur Differdingen beanspruchen. Dazu solle Athus kommen. Auf meinen Einwand, daß dieses letztere doch nur ein unbedeutendes reines Hochofenwerk sei, erwiderte er, das stimme. Man wolle aber diesen Teil von Belgien zu Luxemburg schlagen. Auf meine Frage, welche Reflektanten in Betracht kämen, meinte er, vor allem die Saarwerke, außer den rheinisch-westfälischen Werken dann wohl nur noch Flick, daneben Schering, die Stumm G. m. b. H., vielleicht auch die Familie Später-Oswald, als Vorbesitzer. 1 Vorstandsmitglied der Hoesch AG.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

313

Wegen der Bewertung der Werke habe er sich gerade die verschiedenen Bilanzen — darunter auch die Hoesch-Bilanz — vorgenommen und festgestellt, daß je t Jahreserzeugung Rohstahl RM 40,— bis RM 45,— Anlagewerte zu Buch ständen. Hier sei die Verfeinerung abzuziehen, so daß man mit RM 35,— zu rechnen hätte. Man könne auch den Kurs der Pariser Börse zu einem bestimmten Termin zugrunde legen. Er gedächte, von Hanneken vorzuschlagen, den Kaufpreis der Gruben abzudecken durch eine Förderabgabe für 10 Jahre. Ein ähnliches Verfahren wäre auch bei den Stahlwerken möglich. Wir kamen dann auf die Besichtigung der Werke zu sprechen. Ich versuchte zu erfahren, wer dort Besichtigungen vornähme. Genannt wurden die Herren von den Reichswerken, von Röchling und Herr Faust vom Hochofenwerk Lübeck. Ich brachte darauf unsere Wünsche vor: 1.) Majorität der Arbed, falls wir nicht mit den Reichswerken kollidieren würden, 2.) Rombach, 3.) Longwy, 4.) Homécourt. Poensgen meint, die. Frage der Verteilung müßte demnächst im kleinen Kreis besprochen werden. Bei der Arbed würden wir mit den Interessen der Vereinigten Stahlwerke kollidieren, die wegen der Adolf-Emil-Hütte besonderes Interesse an der Arbed hätten. Er hätte an die Möglichkeit des Erwerbes der Arbed-Aktien durch ein Konsortium der Stahlwerke gedacht. Es müßte nicht gerade die Majorität sein. Bemerkung: M. E. spielt bei der Bewertung der Werke auch die Arbeiterfrage eine große Rolle. In Luxemburg und dem alten Deutsch-Lothringen liegt sie am günstigsten, wenn auch in diesen Gebieten voraussichtlich großer Mangel an Arbeitskräften besteht. Schon vor dem Weltkrieg wurden in Luxemburg sehr viel Italiener auf den H ü t t e n beschäftigt. Die Werke in Französisch-Lothringen und im Bassin von Longwy haben rein französische Arbeiterschaft. Ich sprach mit Herrn Overdiek, früher Stahlwerkschef bei Harkort-Eicken, z. Zt. Pensionär von uns, der noch vor 2 Jahren in Rombach gewesen war. Sein Vater war technischer Leiter während des Baues und lange Jahre des Betriebes von Rombach. Overdiek hatte den Eindruck, daß jetzt mehr deutsch in Rombach gesprochen wurde als vor dem Weltkrieg. Andererseits wäre dort ein buntes Völkergemisch gewesen, u. a. von Tongkinesen, Anamiten 2 usw., ein Beweis dafür also, daß es an Arbeitskräften fehlt. Während zur Zeit der Inbetriebsetzung der Luxemburger und Lothringer Werke ein starker Zuzug von der Saar und von Rheinland und Westfalen vorhanden war, kann damit heute natürlich nicht mehr gerechnet werden. Wenn nicht eine weitgehende Rationalisierung unter Programmvereinfachung durchgeführt werden kann, muß dauernd mit fremdländischen Arbeitskräften gerechnet werden, ganz abgesehen von den rein französischen Sprachgebieten. 2 Gemeint sind Arbeiter aus Tonking und Annam (heute = Vietnam) — D. E.

314

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

11) Aktennotiz vom 19. Juli 1940 mit den Vorschlägen Ernst Poensgens zur „Neuordnung" in Frankreich und Luxemburg1

der Eisenindustrie

Zur Lage in den Westgebieten Entwurf eines Vorschlages der Wirtschaftsgruppe Eisen schallende Industrie für eine Verteilung der Hüttenwerke Lothringens, Luxemburgs und Süd-Belgiens Die Wirtschaflsgruppe Eisen schaffende Industrie hat einen Vorschlag für eine Verteilung der Hüttenwerke in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien entworfen. In diesem Vorschlag ist der Wunsch der „Vereinigten Stahlwerke", auf den Kohlenbesitz in LothringenLuxemburg hinzuweisen, berücksichtigt. Ebenfalls ist wunschgemäß der Verteilungsgedanke nach einzelnen deutschen Hüttengesellschaften fallen gelassen. Dagegen ist der Vorschlag der „Vereinigten Stahlwerke", der sich mit den Inlandspreisen und der Inlandsförderung beschäftigt, nicht aufgeführt, da Großdeutschland aller Voraussicht nach auch späterhin eine Politik stetiger Preise und Löhne betreiben wird. Der Entwurf hat folgenden Wortlaut : „Die Bedeutung des lothringisch-luxemburgischen Wirtschaftsgebiets einschließlich des sogenannten Briey-Beckens beruht auf seinem bedeutenden Minette-Vorkommen, Die neuesten Feststellungen französischer Bergbausachverständiger haben ergeben, daß in dem gesamten Becken rd. 7 Milliarden to Roherz mit etwa 2,2 Milliarden to Fe-Gehalt liegen sollen. Für die mir gestellte Aufgabe, diese Eisenerzvorräte in den großdeutschen Wirtschaftsraum einzugliedern, stelle ich die nachfolgenden Gesichtspunkte in den Vordergrund : 1) Zur zweckmäßigen Bewirtschaftung des ganzen Erzvorkommens wird eine Felderbereinigung eingeleitet, und zwar mit dem Ziele, die Erzvorräte nach Lage, Menge sowie kalkiger und kieseliger Beschaffenheit zu ordnen. Mit der Frage der Felderbereinigung beschäftigt sich bereits im Auftrage der Wirtschaftsgruppe Bergbau Herr Bergassessor a. D. Willing. E r dürfte noch einige Zeit für seine Angaben benötigen, wenn er über die Erzreserven einzelner Gruben ein genaues Bild gewinnen will. 2) Gemäß der Planung nach Ziffer 1 werden den Saarhütten, den Luxemburger und Lothringer Hüttenwerken so umfangreiche Erzvorräte übereignet bzw. zum Erwerb angeboten, daß den jetzt vorhandenen Hochöfen entsprechend ihrer Durchschnittsleistung eine etwa 75-jährige Lebensdauer gewährleistet ist. 3) Soweit die nach Ziffer 1 und 2 durchgeführte Felder- und Grubenzuteilung noch freie Erzmengen ergibt, werden diese der sonstigen großdeutschen Eisenindustrie zur Verfügung gestellt. Soweit hieran ζ. B. die Ruhrhütten beteiligt werden, kann als Beteiligungsquote gleichfalls die vorhandene Roheisenkapazität zugrunde gelegt werden. Die Bewirtschaftung der freien Erzmengen muß nach übergeordneten nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Stellt man sich auf den Standpunkt, daß die inländischen Erzvorkommen zwecks Verlängerung ihrer Lebensdauer zu schonen sind, dann ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, möglichst große Erzmengen einzuführen. Man wird also insoweit die Erzförderung im großdeutschen Wirtschaftsraum in Anspruch nehmen, als es die Aufrechterhaltung der Betriebe einerseits, die wirtschaftlichen Erfordernisse andererseits vorschreiben. 1 Bundesarchiv Koblenz, Reichswirtschaftsministerium, R 7 I X , Nr. 153, Bl. 36—46. — Die Aktennotiz stammt aus dem Reichswirtschaftsministerium.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

315

4) In diesem Zusammenhang ist auch auf die Brennstofffrage und damit auf die Transporterfordernisse hinzuweisen. Es erscheint zweckmäßig, ζ. B. Erzsendungen zur Ruhr mit entsprechenden Kohlen- und Koksmengen zu den Erzgebieten zu verkoppeln. Es darf übrigens nicht übersehen werden, daß ein Teil der deutschen Altbesitzer Kohlengruben in Lothringen-Luxemburg gehabt hat. Wenn diese Frage auch nicht die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie näher angeht, so sollte sie doch nicht in diesem Zusammenhange vergessen werden. 5) Was den sonstigen Minette-Absatz anbelangt, so sind etwa 6 Millionen to Lothringer und Luxemburger Erze jährlich nach Belgien gegangen. Man könnte für die belgischen Hüttenwerke im Rahmen ihrer bisherigen Bezüge weiterhin Minette in den Plan einstellen. Diese Minette-Lieferungen nach Belgien über das bisherige Maß zu steigern, würde jedoch nicht den nationalwirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechen. 6) Nächst der Felderbereinigung der Erzvorkommen werden die im Gebiete der lothringischluxemburgischen Erzvorkommen gelegenen Hüttenwerke zweckmäßigerweise nach den Gesichtspunkten ihrer örtlichen Lage, ihrer Größe und ihrer Eigenart in neue Werksgruppen zusammengefaßt. Dabei soll mit Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit eine Größenordnung von mindestens 600000 to jährlicher Kapazität der Hochofen- bzw. Stahlwerke den Regelfall bilden. Sollte jedoch mit Rücksicht auf die noch nicht zu übersehende Zahl der Bewerber die vorgesehene Größenordnung nicht passen, könnte man von der untenstehend (Ziffer 12) vorgesehenen Zusammenlegung absehen und eine andere Verteilung ins Auge fassen. Kurz, es erscheint richtig, von einem starren Zusammenlegungs- und Verteilungsplan abzusehen. 7) Hinter die nationalwirtschaftlichen Gesichtspunkte treten die Besitzfragen zurück. Es erscheint mir aber selbstverständlich, daß den früheren deutschen Altbesitzern ein Vorkaufsrecht zusteht, wenn und sobald die Überführung des jetzigen Fremdbesitzes in deutschen Privatbesitz durchgeführt wird. Aus diesem Grunde ist für das Gesamtgebiet der Besitzbestand vom Herbst 1918 genau festzustellen, um danach etwaige Angebote an die Altbesitzer zu machen. Die Frage, inwieweit auch die etw£^ vor 1914 schon von fremden Besitzern bewirtschafteten Werke deutschem Besitz zugeführt werden müssen, betrachte ich nicht als zu meiner Aufgabe gehörig. Sollten diese Werke in deutschen Besitz überführt werden, dann erscheint es mir gerecht, die Erwerbsmöglichkeiten nach der Leistungsfähigkeit der Bewerber zu staffeln. Nur wirtschaftlich gesehen könnte es zweckmäßig erscheinen, die französischen, belgischen und luxemburgischen Vorbesitzer unterbeteiligt zu lassen, um zu den (wohl richtig: ihnen — D. E.) Beziehungen aufrechtzuerhalten. Ob und inwieweit aber politische Gesichtspunkte hiergegen sprechen, sollte meines Erachtens von Fall zu Fall geprüft werden. 8) Man wird im Zuge der Beteiligung neuer Werke den „Hermann-Göring-Werken" eine entsprechende Vorzugsstellung einräumen müssen. 9) Zum Schluß der grundsätzlichen Vorschläge sei noch darauf hingewiesen, daß dem französischen Wirtschaftsraum — von sonstigen Vorkommen abgesehen — in Nordwestfrankreich, nämlich in der Normandie und der Bretagne, in unmittelbarer Nähe der atlantischen Küste gelegen, ein zweites großes Erzgebiet zur Verfügung steht. Der dortige Vorrat ist auf 4 bis 5 Milliarden bei einem Fe-Gehalt von durchschnittlich 45 Prozent zu schätzen. Es handelt sich hier in der Hauptsache um Eisencarbonate. Dieses Erzbecken kann infolge seiner günstigen Lage zum Kohlengebiet des Pas de Calais noch stark an Bedeutung gewinnen. Die dortige Förderung, die zum großen Teil aus koksfähiger Kohle besteht, belief sich vor Kriegsausbruch auf 35 Millionen to jährlich. Das genannte nordwestfranzösische Erzgebiet ist vor dem Weltkrieg von deutschen Werken erschlossen worden. Auch das

316

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

erste normannische Hochofenwerk bei Caen ist von einem Deutschen (August Thyssen) errichtet worden. Ferner waren es die deutschen Hüttengesellschaften „Deutsch-Lux", „Gutehoffnungshütte", „Hoesch" und „Phönix", welche außer „Thyssen" die normannischen Erzfelder erschlossen haben. Die frühere Erzförderung belief sich dort auf etwa 2 Millionen to, die Roheisenerzeugung auf 300000 to. Während der französischen Bewirtschaftung in den letzten 25 Jahren haben sich diese Zahlen nicht wesentlich geändert. 10) Soweit Mitglieder unserer Wirtschaftsgruppe in Lothringen und Luxemburg zu den Altbesitzern (Ziffer 6) gehörten, sind folgende Gesellschaften zu nennen, die als Anlage 2 beigefügt werden. 11) Was die im Räume Lothringen und Luxemburg liegenden Hüttenwerke betrifft, die zu einer Neuverteilung kommen können, so handelt es sich um folgende 30 Betriebe : Hüttenwerke in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien 1. Lothringen Name und Standort

1. S. A. Métallurgique d'Aubrives et Villerupt, Aubrives (Ard.), (Hochofenwerk und Gießerei) 2. Cie. des Forges de Châtillon, Commentry et Neuves-Maisons, Gruppe Ost: Neuves-Maisons, ChampigneuUes b/Nancy (Gemischtes Werk) 3. S. A. des Hauts-fourneaux de la Chiers, Longwy-bas (Gemischtes Werk) 4. Soc. Métallurgiques de Gorcy, Gorcy b/Longwy (Gemischtes Werk) 5. Soc. Métallurgiques de Knutange, Nilvange (Gemischtes Werk) 6. S. A. d'Aciéries de Longwy, Mont St. Martin (Gemischtes Werk) 7. Soc. Lorraine Minière et Métallurgique, Thionville (Gemischtes Werk) 8. Cie. des Forges et Aciéries de Ia Marine et d'Homécourt, Homécourt (Gemischtes Werk) 2 Nicht aufgefunden — D. E.

Zahl der Hochöfen

Jährl. Kapazität (geschätzt) t

100000

450000

450000

50000

10

1000000

600000

585000

475000

II. Die Ruhr-Montankonzerne Name und Standort

317 Zahl der Hochöfen

9. Société des Forges, Hautsfourneaux et de Mines de fer de Maxéville, Maxéville (Hochofen und Gießerei)

90000

10. S. A. de Aciéries de Micheville, Micheville-Villerupt (Gemischtes Werk) 11. S. A. des Forges et Aciéries du Nord et de l'Est, Valenciennes (Werk Jarville, stillgelegt seit 1923) 12. Soc. des Hauts-fourneaux et Laminoirs, Werk Frouard b/Nancy (Gemischtes Werk) 13. Forges et Aciéries du Nord et Lorraine, Ückingen 14. S. A. des Hauts-fourneaux et Aciéries de Pompey, Pompey (Gemischtes Werk) 15. S. A. des Hauts-fourneaux et fonderies de Pont-à-Mousson, Pont-à-Mousson (Hochofen und Gießerei) Werk Auboué (westl. Metz) 16. S. A. des Hauts-fourneaux de Sauines J e a n Raty et Cie., Sauines (Hochofen und Gießerei) Werk in Hussigny-Godbrauge b/Longwy 17. Soc. des Mines et Usines de Redange-Dilling (stillgelegt) 18. Soc. Lorraine des Aciéries de Rombas, Werk Rombach (Gemischtes Werk) 19. Soc. Métallurgiques de Senelle-Maubeuge, Senebelle b/Longwy (Gemischtes Werk) 20. Soc. Minière des Terres Rouges, Audun-le-Tiche (Deutsch-Oth) (Hochofenwerk) 21. „Werk" Werk in Maizières (stillgelegt) 22. De Wrendel et Cie., Joeuf (Gemischtes Werk)

Jährl. Kapazität (geschätzt)

460000

200000

200000 400000

200000

200000 165000

225000 100000 90000

625000

500000

4 6

250000 1000000 75000 550000

318

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Name und Standort

23. Les Petits [Fils] de F. de Wendel, Hayange und Moyeuvre (Gemischtes Werk) 24. Hadir Werk Ottange (Reines Hochofenwerk) 25. S. A. des Laminoirs, Hauts-fourneaux, forges, fonderies et Usines de la Providence, Werk Réhon b/Longwy (Gemischtes Werk)

Zahl der Hochöfen

Jährl. Kapazität (geschätzt) t

18

1200000

135000

225000

II. Luxemburg 1. Arbed, Werk Düddingen (Gemischtes Werk) Arbed, Emilhütte in Belval (Gemischtes Werk) Arbed, Hütte in Esch 2. Hadir, Werk Differdingen Werk Rümelingen (stillgelegt) 3. Steinfort, Steinfort (stillgelegt) 4. Ougrée-Marihaye, Werk Rodingen (Gemischtes Werk)

6 5.

2800000

10

600000

3 3 200000

III. Süd-Belgien 1. Hochofenwerk in Athus

2

12) Es wird vorgeschlagen, die in Ziffer 11) genannten Hüttenwerke in bestimmte Werksgruppen zusammenzufassen. Hierbei gehe ich von dem Gedanken aus, daß man örtlich benachbarte Werke verschmelzen könnte und daß man dabei, wie in Ziffer 6) bemerkt, aus wirtschaftlichen Gründen eine Leistungsfähigkeit in Höhe von 600000 to jährl. Erzeugung an Roheisen oder Rohstahl einhalten könnte. 13) Es wird vorgeschlagen, unter Hinweis auf Ziffer 6) die in Ziffer 11) genannten Hüttenwerke wie folgt zusammenzufassen : Gruppe I : Chiers in Longwy-bas (Ziffer 3) mit 5 Hochöfen zu 450000 to mit dem Werk Réhon b/ (Ziffer 2) „ 5 „ „ 225000 to Longwy der Providence zusammen

mit 10





675000 to

I I . Die Ruhr-Montankonzerne Gruppe I I : Aciéries de Longwy in Mont St. Martin mit Gorcy b/Longwy

319

(Ziffer 6) (Ziffer 4)

mit 1»

zusammen Gruppe I I I : Senelle b/Longwy mit Sauines Hussigny-Godbrange

(Ziffer 19) (Ziffer 16) (Ziffer 16)

11 mit » »»

zusammen Gruppe I V : Rombach mit Maizières

(Ziffer 18) (Ziffer 18)

mit H

(Ziffer 2) (Ziffer 12) (Ziffer 14)

mit n >»

zusammen





8 Hochöfen zu 4



12







7 Hochöfen zu 4 4



15



600000 to 50000 to 650000 to



5 Hochöfen zu »» 5 „ 2 „ »» 12

zusammen Gruppe V : Neuves-Maisons, Champigneulles b/Nancy mit Frouard b/Nancy Pompey

9 Hochöfen zu » 2 „

»J



500000 to 225000 to 100000 to 825000 to 625000 to 300000 to 925000 to

450000 to 200000 to 200000 to 850000 to

Gruppe V I : Kneuttingen

(Ziffer 5)

mit 10 Hochöfen zu 1000000 to

Gruppe V I I : Ückingen

(Ziffer 13)

mit

4 Hochöfen zu

400000 to

Gruppe V I I I : Diedenhofen

(Ziffer 7)

mit

4 Hochöfen zu

585000 to

Gruppe I X : Homécourt mit Auboué

(Ziffer 8) (Ziffer 15)

mit »

7 Hochöfen zu 3 „ >1

475000 to 165000 to

10 Hochöfen zu

640000 to

zusammen Gruppe X : Micheville

(Ziffer 10)

mit

6 Hochöfen zu

460000 to

Gruppe X I : Pont-à-Mousson mit Villerupt

(Ziffer 15) (Ziffer 1)

mit

5 Hochöfen zu 2 „

200000 to 100000 to

7 Hochöfen zu

300000 to

11

zusammen Gruppe X I I : „Werk" mit stillgelegtem Werk in Maizières

(Ziffer 21)

mit

(Ziffer 21)

11

zusammen

6 Hochöfen zu 1000000 to 3



11

75000 to

9 Ilochöfca zu 1075000 to

320

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Gruppe X I I I und X I V : Die De Wendel gehörigen Betriebe in Hayange, Moyeuvre und De Wendel [Joeuf] (Ziffer 23 u. 22)

mit 26 Hochöfen zu 1750000 to

Roheisenkapazität sollte in 2 Gruppen zerlegt werden, und zwar in eine Gruppe MoyeuvreJoeuf und in eine weitere Gruppe Hayange. Gruppe X V : Differdingen Rümelingen Ottange

(Ziffer 2 Luxemb.) (Ziffer 2 „ ) (Ziffer 24)

mit 10 Hochöfen zu 600000 to „ 3 „ „ (stillgelegt) „ 3 „ „ 135000 to

zusammen

16 Hochöfen zu

735000 to 200000 to

Gruppe XVI : Rodingen

(Ziffer 4 Luxemb.)

mit 5 Hochöfen zu

Gruppe X V I I : Arbed

(Ziffer 1 Luxemb.)

mit 16 Hochöfen zu 2000000 to

Gruppe X V I I I : die stilliegenden Werke a) Maxéville

(Ziffer 9)

mit 3 Hochöfen zu

90000 to

b) Jarville

(Ziffer 11)

mit

4 Hochöfen zu

200000 to

c) Redange-Dilling

(Ziffer 17)

mit 3 Hochöfen zu

d) Steinfort (Ziff. 3 Luxemb.) bleiben am besten weiter stillgelegt."

mit 3 Hochöfen zu

90000 to 0

12) Schreiben con Fritz com, Bruck an Paul Körner1 vom 2. August 1940 Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Im folgenden erlaube ich mir unter Bezugnahme auf unsere heutige Unterredung, Ihnen weisungsgemäß nochmals auf diesem Wege unsere Wünsche vorzutragen. Ich darf mir versagen, nochmals die allgemeinen Gesichtspunkte herauszustellen, die ich Ihnen vorzutragen Gelegenheit hatte und die Ihre Billigung fanden. Unter der Voraussetzung, daß das Reich aus Gründen der Zweckmäßigkeit und aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu der Entscheidung kommen sollte, den Werken der deutschen Eisen schaffenden Industrie Gelegenheit zum Erwerb lothringischer bzw. luxemburgischer Gruben und Hütten zu geben, würde auch die Hoesch AG den Wunsch haben, einen geeigneten Anteil zu erwerben. Wir gehen dabei von der Erwägung aus, daß unsere Anlagen in Dortmund zum Teil dringend erneuerungsbedürftig sind. Es würde sich für uns in der nächsten Zeit aus diesen Gründen die Notwendigkeit ergeben, größere Investitionen vornehmen zu müssen. Wenn nun die gesamtdeutsche 1 Staatssekretär, Stellvertreter Hermann Görings als Beauftragten für den Vierjahresplan, Aufsichtsratsvorsitzer der Reichswerke „Hermann Göring".

II. Die Ruhr-Montankonzerne

321

Kapazität um die der lothringisch-luxemburgischen Hütten vermehrt wird, so würden solche Investitionen eine Gesamtkapazitätsausweitung bedeuten, für die unter den eben genannten Umständen ein volkswirtschaftlicher Bedarf nicht vorliegen würde. Andererseits würde unsere Wettbewerbsfähigkeit Einbuße erleiden, .venn uns die Möglichkeit eines Ausgleichs versagt bliebe. Es wäre also unseren Interessen und damit auch den Gesamtinteressen besser gedient, wenn wir geeignete Anlagen in Lothringen bzw. Luxemburg erwerben könnten. Es sind also rein produktionstechnische Gesichtspunkte, die uns den Erwerb wünschenswert erscheinen lassen würden. Unter Zugrundelegung dieser produktionstechnischen Erwägungen würde die Arbed uns am geeignetsten erscheinen, die in unserem Fertigungsprogramm bestehenden Lücken auszufüllen bzw. Neuinvestitionen zu ersparen. Sollten die Reichswerke AG für Erzbergbau u. Eisenhütten „Hermann Göring" sich indessen ebenfalls für den Erwerb der Arbed interessieren, so würden wir unsere diesbezüglichen Wünsche zurückstellen. In diesem Falle würden wir gegebenenfalls Wert darauf legen, die Gruppe Longwy, d. h. die Aciéries de Longwy und eines der in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Werke (Réhon oder La Chiers) zu erwerben. Diese Gruppe würde ebenfalls in unser Erzeugungsprogramm passen, und es wäre uns die Möglichkeit gegeben, von Neuinvestitionen Abstand nehmen zu können. Ich hoffe, daß diese kurzen Angaben für eine gegebenenfalls ins Auge gefaßte Unterrichtung des Herrn Reichsmarschall genügen ; selbstverständlich stehe ich Ihnen jederzeit mit weiteren Unterlagen zur Verfügung. Ich bin mit ausgezeichneter Hochachtung und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener

13) Schreiben von Fritz vom Bruck an Erich Tgahrt vom 2. August 1940 Betr. : Erwerb einer lothringischen Hütte. Rücksprache mit Herren Reichert, Kimmich. Graniseli, Schlotterer Sehr verehrter Herr Tgahrt! 1) Herr Dr. Reichert hatte in der lothringischen Frage nichts Wesentliches zu berichten. Seit 10 Tagen etwa wären keine Wünsche mehr an ihn herangetragen worden. — Man sei zur Zeit dabei, die Unterlagen für die Überprüfung der Kapazitäten anzufertigen und nacli Feststellung der wirklichen Leistungsfähigkeit der Werke einen erneuten Vorschlag über die Aufteilung der Gruben und Hütten zu machen. — Herr Reichert hat davon Kenntnis genommen, daß wir auf die Gruppe Longwy Wert legen. Er erwähnte noch, daß als Sachbearbeiter für die lothringische Frage im Reichswirtschaftsministerium Herr Dr. Küttner von der Fachgruppe Edelstahl (Ihnen bekannt) bestellt worden sei. Herr Küttner habe ihn aber bisher noch nicht aufgesucht. Ich halte diese Bestellung für unerheblich. Sicherlich wird Herr Dr. Küttner keinerlei Einfluß auf die Gestaltung der Dinge nehmen. Das schließt. : nicht aus, daß ich ihn nach Rückkehr von meinem Urlaub gelegentlich einmal in anderer Angelegenheit aufsuche und bei der Gelegenheit auch gesprächsweise und unverbindlich die lothringische Frage streife.

322

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

2) Herr Dr. Kimmich 1 berichtete über den Vertrag, den Otto Wolfï mit Ougrée-Marihaye bezüglich einer gemeinsamen Exportvertretung abgeschlossen habe. Dieser Vertrag habe trotz großer Empörung der Konkurrenz die Billigung von Herrn von Hanneken gefunden. Damit habe sich Otto Wolff in geschickter Weise eine Hypothek auf das Gesamtunternehmen gesichert, so daß für andere bezüglich Ougrée-Marihaye nach seiner Auffassung nichts mehr zu machen sei. Dies gilt nach der Ansicht von Herrn Kimmich auch für La Chiers, das wir im Zusammenhang mit Longwy evtl. erwerben wollen. Herr Kimmich empfiehlt, daß wir schnellstens handeln, wenn wir irgendwelche Wünsche bezüglich belgischer Werke haben sollten. Ich habe in diesem Zusammenhang auf die Providence verwiesen. Herr Kimmich stellte die Hilfsstellung der Deutschen Bank gegebenenfalls in Aussicht, da die Deutsche Bank gute Beziehungen zur Société Générale habe. Wie Sie wissen, gehört die Providence zu den Werken, die von der Société Générale kontrolliert werden. E r erwähnte, daß 5 oder 6 Konzerne bereits mit konkret ausgearbeiteten Vorschlägen an ihn herangetreten seien. Ich habe Herrn Kimmich über meine Unterredung mit den Herren Gramsch und Körner unterrichtet. 3) Herr Gramsch, der Sie grüßen läßt, hat immer noch nichts mit der lothringischen Frage zu tun. E r meinte, daß sich Staatssekretär Körner diesen Komplex zur persönlichen Bearbeitung vorbehalten habe. Sein persönlicher R a t geht, nachdem ich ihn auf den Fall Wolff-Ougrée hingewiesen hatte, jjahin, ein fait accompli zu schaffen, was in diesen bewegten Zeiten sicherlich das Richtige wäre. Ich würde empfehlen, die Verbindung mit der Providence in der geeigneten Form möglichst bald aufzunehmen. Hierfür wären Herr Jaissle zusammen mit Herrn Gockel ja wohl geeignet. Es wäre zu überlegen, wie man taktisch am klügsten in dieser Angelegenheit vorgeht. Es wird den Belgiern ja ohne weiteres klar sein, daß der französische Anteil an ihren Werken nicht aufrechterhalten werden kann, und ich könnte mir vorstellen, daß es ihnen sehr willkommen sein würde, mit einem guten deutschen Konzern rechtzeitig Fühlung aufzunehmen, um eine reibungslose Abwicklung des französischen Besitzes sicherzustellen und gleichzeitig ein möglichst störungsfreies Weiterarbeiten ihrer Werke unter Aufrechterhaltung ihres Besitzanteils zu gewährleisten. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch nochmals an die Campine-Gruben. 4) Herr Dr. Schlotterer vertrat die Auffassung, daß die Vereinigten Stahlwerke durch die Art ihres bisherigen Vorgehens im Reichswirtschaftsministerium sehr viel Boden verloren hätten. Das gälte auch f ü r einige andere Unternehmen. Das Reichswirtschaftsministerium würde sich durch die Tatsache, daß es den Vereinigten Stahlwerken und anderen Werken gelungen sei, Treuhänder in eine Reihe von Werken zu entsenden, nicht veranlaßt sehen, sich bei der zukünftigen Besitzaufteilung hierdurch irgendwie beeinflussen zu lassen. Man halte daran fest, eine Lösung zu finden, die allen berechtigten Interessen dienen könne. — Ich bin mit verbindlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr sehr ergebener 1 Karl Kimmich, Hoesch AG.

Vorstandsmitglied der Deutschen Bank,

Aufsichtsratsvorsitzer der

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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14) Schreiben von Karl Kimmich an Erich Tgahrt vom 6. August 1940 Sehr geehrter Herr Tgahrt, Ich sprach heute in anderem Zusammenhang mit Herrn Röchling über die verschiedenen schwerindustriellen Werke im Westen. Dabei kamen wir auch auf Aciéries de Longwy. Er sagte, daß er dieses Werk kürzlich besichtigt habe und einen recht guten Eindruck von ihm gewonnen hätte. Das Thomaswerk wäre allerdings nicht so gebaut, wie er es sich dächte, aber alles in allem liege hier eins der auch technisch guten Objekte vor. Herr Röchling selbst scheint sich neben der Karlshütte für Hagendingen und Diedenhofen zu interessieren. Er sei erst dafür gewesen, Einheiten von 1 Million t zu bilden, stimme aber nunmehr dem Plan Ernst Poensgens zu, daß man auf 600000 t herabgehen solle. Es würden sich dann genügend gute Objekte ergeben, so daß jeder Interessent Aussicht auf eines hätte. Dieser Tage wurde ich ferner von einem Industriellen mit abfälligen Bemerkungen darauf angesprochen, daß Hoesch nicht weniger als vier Objekte, und zwar erst Arbed, dann Homécourt, dann Rombach und schließlich Longwy angemeldet habe. Es scheint auch — obwohl ich dessen nicht sicher bin —, daß diese Wünsche an amtliche Stellen weitergegeben worden sind. Ich habe sofort erklärt, daß dies die erste Überlegung bei Hoesch gewesen sei und daß ich es unschön fände, aus solchen Sachen Kapital zu schlagen. Sie sehen aber daraus, wie gut es war, daß Sie meiner Anregung sogleich gefolgt sind, nicht eine Reihe von Objekten zu nennen, sondern nur eines, dessen Erwerb man auch produktionstechnisch entsprechend vertreten kann. Wegen Rombach glauben weder Flick noch Röchling, daß trotz der juristischen Konstruktionen des Herrn Dr. Dechamps Herr Berckemeyer als sogenannter Rechtsnachfolger qua Concordia Aussicht auf Erfolg hat. Ich hörte auch von sehr eingeweihter Seite, daß Herr Berckemeyer seine Position als sehr schwach ansieht. Wegen der Arbed schweben Überlegungen unter den Industriellen, entweder eine Realteilung oder aber einen Verkauf der Aktien an das Publikum vorzunehmen, wobei allerdings fraglich ist, wieweit man dabei kommt, weil man die Luxemburger nicht enteignen will. Mit freundlichen-Grüßen Ihr sehr ergebener

15)

Aktennotiz

von Fritz vom Bruck vom 20. August

1940

Besprechung der Herren Generaldirektor Tgahrt und Dr. vom Bruck mit Herrn Dr. Reichert am 20. 8. 40. Aus der Besprechung mit Herrn Dr. Reichert ist bezüglich der lothringischen Frage folgendes festzuhalten: 1.) Die Feststellungen über die Kapazität der Hütten können als abgeschlossen gelten. Die Vorschläge sind von den hierzu Beauftragten Herrn von Hanneken überreicht worden. Es hat den Anschein, als ob Herr von Hanneken sich im wesentlichen den Vorschlägen der Wirtschaftsgruppe, die ihm durch Herrn Poensgen überreicht worden sind, anschließen wird.

324

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Die Vorschläge der Reichsstelle Eisen und Stahl 1 , die im übrigen Herrn Reichert nicht bekannt sind, haben offenbar nicht angesprochen. Herr Küttner, der, wie ich bereits berichtete, vom RWM zur Mitarbeit in den lothringischen Fragen herangezogen wurde, wird sich demnächst an Ort und Stelle begeben, die Werke besichtigen und alsdann auch seinerseits einen Vorschlag ausarbeiten. 2.) Die Tatsache, daß die Zollgrenzen entsprechend der alten Reichsgrenze vor 1914 verschoben worden sind, ist kein Hinweis auf die spätere endgültige Grenzziehung. Man ist überzeugt, daß die endgültige Grenze obere Maas—Aisne—Oise—Kanal sein wird. Danach wären also auch Gebiete wie Maubeuge, Valenciennes und Lille mit eingeschlossen. Teilweise ist man allerdings der Ansicht, daß Pas de Calais und Artois zu Belgien kommen sollen. Das zusammenhängende Erzgebiet wird man sicherlich nicht trennen. 3.) Den belgischen bzw. luxemburgischen Besitz dürfte man aller Voraussicht nach nicht antasten. Bezüglich des französischen Besitzes gehen die Meinungen auseinander. Während Röchling völlige Ablösung des französischen Besitzes empfiehlt, ist Poensgen der Ansicht, daß man von Fall zu Fall auch französische Minderheitsbeteiligungen belassen könne. 4.) Arbed Man neigt zu der Auffassung, daß dieses Unternehmen in seiner Totalität erhalten werden soll. Die luxemburgische Minorität soll nicht angetastet werden. Wer die Mehrheit erwerben wird bzw. kann, steht noch dahin. Vielleicht kommen auch mehrere Werke in Frage. Von einem Anspruch der Firma Krupp auf die Arbed war Herrn Reichert nichts bekannt. 5.) Erzgruben Herr Reichert glaubt nicht, daß die Erzgruben einheitlich in staatliche Verwaltung genommen werden, ist vielmehr der Auffassung, daß sie an private Interessenten entsprechend dem zukünftigen Hüttenbesitz aufgeteilt werden, allerdings unter zweckmäßiger Neugestaltung der Besitzverhältnisse. Die Berechnungen von Bichelonne hält man für zu optimistisch, weil die Raubbaumethoden der französischen Gewinnung nicht gebührend berücksichtigt sind. Diese Methoden müssen auf alle Fälle abgestellt werden. Herr Raabe sei der Auffassung, daß man bei der Erzgewinnung auch auf Erze unter 2 8 % heruntergehen könne. Auf diese Weise würden die Vorräte gestreckt und würden mengen- und zeitmäßig dann an die Berechnung von Bichelonne herankommen. 6.) Hermann-Göring-Werke Der Vorschlag der Reichsstelle sieht scheinbar vor, daß die Roheisenkapazität der Reichswerke einschließlich der bereits vorhandenen bzw. im Ausbau begriffenen Werke insgesamt 6 Millionen t jährlich umfassen soll. Nach Ansicht von Herrn Reichert ergeben die bisherigen Werke einschließlich Protektorat und Ostmark bei Belassung auf Ausbaustufe I von Salzgitter und Linz mindestens 3 Millionen, so daß nach diesem Vorschlage äußerst 3 Millionen der lothringischen Kapazität für die Reichswerke abgezweigt würden, evtl. aber auch nur 2 Millionen. Hanneken soll dieser Vorschlag zu weitgehend sein. 7.) Auf die Frage von Herrn Tgahrt, ob ihm zu Ohren gekommen sei, daß man unsere lothringischen Forderungen als sehr umfangreich und unmäßig bezeichnet habe, erwiderte Herr Reichert, daß man ihm allerdings gesagt habe, wir verlangten entweder die Arbed oder die de Wendel-Gruppe. Wir wiesen demgegenüber darauf hin, daß zwar der Besitz der Arbed bei uns erwogen worden sei, daß aber bezüglich de Wendel weder Erwägungen angestellt, noch Wünsche in irgendeiner Form geäußert worden wären. Wir hätten, wie ich 1 Auszugsweise gedr. in: Fall 5, S. 222ff.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

325

ihm ja auch bereits vor einigen Wochen mitgeteilt hatte, unsere Wünsche auf die Gruppe Longwy beschränkt. 8.) Auf die Frage von Herrn Tgahrt, ob noch ein anderer Interessent für Longwy aufgetaucht sei, erwiderte Herr Reichert, daß dem in der Tat so wäre. Es würde von gewisser Seite der Gedanke propagiert, nicht nur die bestehenden Hüttenwerke von Ruhr und Saar zum Zuge kommen zu lassen, sondern auch dem sogenannten Nachwuchs Gelegenheit zum Erwerb zu geben. E r deutete an, daß nach dieser Richtung hin persönliche Wünsche von Steinbrinck laut geworden seien und daß er dabei wohl Longwy im Auge habe. 9.) Herrn Reichert war nicht bekannt, ob außer Otto Wolff — Ougrée noch andere Bestrebungen ähnlicher Art von Seiten unserer deutschen Konzerne im Gange seien.

16)

Aktennotiz von Fritz vorn Bruck vom 22. August

1940

Eingehende Rücksprache der Herren Generaldirektor Tgahrt und Dr. vom Bruck mit Herrn General von Hanneken am 22. 8.40 Als besonders wichtig ist aus der Unterredung folgendes festzuhalten: I. Lothringische Fragen: 1.) Körner-Brief Als Herr Tgahrt diese Frage anschnitt, erklärte Herr von Hanneken, daß er diese Erörterung erwartet habe und sie von sich aus angeschnitten hätte, wenn es von uns aus nicht geschehen wäre. Unsere Wünsche bezüglich Lothringens seien ihm aus der Denkschrift bekannt, die wir Herrn Staatssekretär Körner überreicht hätten. Herr Tgahrt stellte richtig, daß es sich hierbei nicht um eine Denkschrift gehandelt habe, sondern um ein privates kurzes Schreiben des Unterzeichneten, das auf Grund einer mündlichen Unterhaltung zwischen Herrn Körner und dem Unterzeichneten auf Veranlassung des ersteren abgefaßt worden sei. v. H. meinte, daß es doch zweckmäßiger gewesen wäre, sich an ihn zu wenden, denn von ihm müßten ja doch die Vorschläge an den Reichsmarschall weitergeleitet werden, und er stände sich mit Staatssekretär Körner so gut, daß er über alle Vorgänge stets sofort unterrichtet würde. E r hätte sich überlegt, ob er in unserem Vorgehen einen Verstoß gegen seine diesbezügliche Verordnung erblicken sollte, hätte aber von irgendwelchen Maßnahmen Abstand genommen, da wir uns — wie er sagte — diesbezüglich in sehr guter Gesellschaft befänden. Am Ende der Erörterungen, die sich in durchaus freundschaftlicher Weise abspielten, bat Herr v. H. darum, sich in Zukunft doch immer direkt an ihn wenden zu wollen; er stände uns für alle Fragen jederzeit zur Verfügung. Tg. erklärte, daß wir in der ganzen Situation etwas im Dunkeln getappt wären, da wir uns über die ganze Lage keine befriedigende Übersicht hätten verschaffen können. Für uns wäre der Erwerb einer lothringischen Hütte eine lebenswichtige Frage, in Rücksicht auf die sonst eintretenden Wettbewerbsverschiebungen gegenüber denjenigen Firmen, die Besitz in Lothringen erwerben würden, v. H. entgegnete darauf, daß diese Sorge an sich verständlich, aber unbegründet sei, denn es stände ja nirgendwo geschrieben, daß Hoesch bezüglich seiner Wünsche nicht berücksichtigt werden solle. 2.) Herr Poensgen habe den Auftrag erhalten, a) einen geeigneten Vorschlag über eine nach organischen Gesichtspunkten aufgeteilte Gliederung des fraglichen Hüttenbesitzes und der Erzgruben auszuarbeiten und 22

Eichholtz, Kriegswirtschaft I

326

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes' 1

b) mit den einzelnen Werken Fühlung zu nehmen, um die jeweiligen Wünsche festzustellen und zu klären und sie möglichst in Einklang miteinander zu bringen. Er habe Herrn Poensgen gewissermaßen als „Teesieb" eingebaut, um auf diese Weise in die Vorstadien der Verhandlungen nicht eingreifen zu müssen. 3.) Man würde in erster Linie die früheren Besitzverhältnisse bei der Neuverteilung berücksichtigen. Tg. erwiderte, daß wir j a früher keine Hütten in Lothringen besessen hätten und wir dann j a gerade benachteiligt wären, was wir unter allen Umständen vermeiden wollten, v. H. erwiderte, daß ja etwa 14 Gruben vorgesehen seien und daß daher auch für uns noch eine Grube übrig bleiben würde. Bezüglich der Abgeltung scheine man allerdings geneigt zu sein, den früheren Besitzern für evtl. entstandenen Schaden bei der Entschädigung einen günstigeren Preis einzuräumen. 4.) Die Arbed käme weder für uns noch für ein anderes einzelnes Werk in Frage. Sie soll als selbständiges Unternehmen schon im Hinblick auf ihre ausgezeichnete Export-Organisation erhalten bleiben. Der französische Besitz müsse selbstverständlich in den deutschen übergehen, wobei man an eine Gemeinschaftsübernahme denke. 5.) Wir nahmen von diesen Ausführungen Kenntnis und erklärten v. H., daß der Vorschlag Arbed ein privater Vorschlag des Unterzeichneten gewesen sei, daß unser offizieller Wunsch vielmehr in Richtung auf Gruppe Longwy ginge, wie wir ja auch alternativ bereits in dem Schreiben an Körner und auch in den Erklärungen gegenüber Herrn Reichert angegeben hätten. 6.) Es müsse die Frage geprüft werden, ob es nicht evtl. zweckmäßig wäre, den Franzosen einen Minderheitsbesitz von etwa 25% zu belassen. Einmal würde hierdurch der Erwerb für die deutschen Werke billiger sein, und zum anderen könnte man die Franzosen auf diese Weise vielleicht veranlassen, von einem Neuaufbau der Hüttenindustrie in der Normandie Abstand zu nehmen. 7.) Der Otto-Wolff-Vertrag, auf den Tg. hinwies, sei von ihm ohne Bedenken gebilligt worden, da er erst nach Beendigung der Kriegshandlungen in Kraft trete. Tg. wies darauf hin, daß damit also der Weg für ähnliche Vorgehen in Belgien freigegeben sei, wogegen v. H. keinen Einspruch erhob. II. Oberschlesien 1.) Herr v. H. berührte sodann die oberschlesische Frage. Er wunderte sich, daß man von Seiten der Ruhr dem Osten so wenig Interesse entgegenbrächte. Die einzige Firma, die sich entschlossen habe, ihre Interessen in großzügiger Weise im Osten auszubauen, sei Krupp. Krupp werde 100 Mill, in Oberschlesien investieren. Flick dagegen zöge sich nunmehr aus Oberschlesien zurück, nachdem sein Anspruch auf die Bismarckhütte mit Hinweis auf die Priorität von Krupp zurückgewiesen sei. Tg. verwies auf die schlechte Beschaffenheit der oberschlesischen Werke, von denen die Bismarckhütte ja doch immer noch die relativ beste sei, und auf die dementsprechend erforderlichen gewaltigen Investitionen. 2.) Der Unterzeichnete schnitt darauf die Frage Trzyniec an. Die Frage des Unterzeichneten, ob Trzyniec endgültig den Reichswerken zugedacht sei, verneinte v. H. entgegen allen bisherigen Gerüchten. Die Reichswerke würden Trzyniec nicht erhalten. Bezüglich Trzyniec seien keinerlei Zusicherungen oder Abmachungen nach einer anderen Seite getroffen. Unsere Frage, ob denn Trzyniec evtl. von uns erworben werden könne, bejahte v. H. durchaus. Er würde uns bei diesen Bestrebungen auf der ganzen Linie unterstützen. Tg. erklärte, daß wir für diese Frage ein ernstes Interesse hätten und daß wir ihr sofort nähertreten würden. Zu diesem Zwecke müsse natürlich zunächst die Möglichkeit einer Besichtigung bestehen, v. H. bat, sich dieserhalb mit Oberbürgermeister a. D. Winkler,

II. Die Ruhr-Montankonzerne

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dem Leiter der Treuhand-Hauptstelle Ost, Berlin, in Verbindung setzen zu wollen, unter Berufung auf unsere Unterredung. Den Einwand von Tg., daß wir einen Erwerb von Trzyniec nur ins Auge fassen könnten, wenn uns dadurch der Weg zu einem Erwerb einer lothringischen Hütte, auf die wir keineswegs verzichten würden, nicht verbaut würde, begegnete v. H. mit der ausdrücklichen Zusicherung, daß dem nicht so sei, daß vielmehr, sofern unsere Finanzkraft es ertrage, dem Erwerb einer lothringischen Hütte neben Trzyniec nichts im Wege stünde. Wir sind so verblieben, daß die Besichtigung schnellstens durchgeführt werden soll und wir alsdann mit konkreten Vorschlägen an v. H. herantreten werden. 3.) In diesem Zusammenhang ließ v. H. durchblicken, daß er die Möglichkeit eines Erwerbes von Hütten für einige Werke aus finanziellen Gründen bezweifeln müsse. So würde doch Krupp bei der starken Interessenahme im Osten wohl kaum noch Finanzkraft genug besitzen, um auch im Westen eine Hütte zu erwerben. III. Erzverteilung 1.) Tg. trug v. H. in kurzen Worten den Tatbestand vor. v. H. erklärte, daß er mit uns insofern völlig einer Meinung sei, als die Zuteilung armer deutscher Erze unbedingt genau dem Prozentsatz der Gesamtzuteilung entsprechen müsse und daß keine Sonderstellung für Spezial-Eisenfertiger eingeräumt werden dürfe. Er bedauerte, daß solche Fragen nicht im Kreise der Werke selbst in anständiger Weise geregelt werden könnten, und empfahl den nochmaligen Versuch einer Verständigung. Tg. sagte dies zu, verwies aber vorsorglich darauf, daß für den Fall, daß eine solche Verständigung nicht zu erzielen sei, er sich an ihn wenden würde, mit dem Ersuchen, eine Vermittlung zu übernehmen, v. H. erklärte sich hierzu bereit. 2.) Tg. verwies darauf, daß die Frage der Verteilung armer deutscher Erze ihre ganze Bedeutung erst erhalte, wenn man sie mit der Schrott-Zuteilung verbinde. Durch vermehrte Verhüttung armer deutscher Erze und geringere Stahlzuteilung vermehre sich der wirtschaftliche Nachteil gegenüber den Bessergestellten entsprechend, v. H. erkannte das Unbefriedigende eines solchen Zustandes durchaus an. Er meinte, es sei zu überlegen, ob man nicht eine Ausgleichskasse für sämtliche Werke einschließlich der Reichswerke schaffte, die in diesem Sinne einmal bereits an ihn herangetreten seien. Tg. stimmte dem Gedanken einer Ausgleichskasse durchaus zu, hält aber die Beschränkung auf die Ruhr für zweckmäßiger. 3.) v. H. beklagte sich in diesem Zusammenhang über mangelnde Initiative und bedauerliche Einseitigkeit der Herren Poensgen und Reichert. Er verwies darauf, daß aus diesem Grunde Fragen an das Ministerium zur Entscheidung herangetragen würden, die eigentlich im Rahmen der Industrie selbst getroffen werden müßten. Wenn das Ministerium dann solche Entscheidungen träfe, so beschwere man sich nachher über die fortschreitende Bürokratisierung. Die Schuld hierfür läge in erster Linie an dem kurzsichtigen Verhalten der Unternehmer selbst. Dein Ministerium liege nichts ferner als eine unnütze Reglementierung. IV. Künftige Eisenlage 1.) Der angekündigte Bedarf der Wehrmacht für die Friedenszeit sei noch größer als die derzeitigen Kriegsanforderungen. Daneben würden für ein gewaltiges Bauprogramm sehr große Eisenmengen benötigt. Es wäre daher für absehbare Zeit mit einer Knappheit an Eisen und Stahl zu rechnen. 2.) Aus diesem Grunde sei an einen Abbau der Bewirtschaftung von Eisen und Stahl gar nicht zu denken. Selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die belgisch-luxemburgisch-lothringischen Hütten zukünftig zur Verfügung ständen, denn es bestände die Verpflichtung, den Eisenbedarf ganz Europas zu decken. 22«

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

17) Rundschreiben der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende an die Mitglieder des Beirats der Wirtschaftsgruppe vom 7. September 1940

Industrie

Im Auftrage unseres Herrn Wirtschaftsgruppenleiters teilen wir Ihnen m i t : „Im Verfolg des Rundschreibens vom 26. Juli 1940 hat der Leiter unserer Wirtschaftsgruppe, Herr Generaldirektor Dr. Ernst Poensgen, am 5. September 1940 Herrn Generalleutnant von Hanneken seinen Vorschlag über die Felderbereinigung in Lothringen und die Schaffung von neuen Werksgruppen vorgelegt. Dieses Gutachten 1 wird zur Zeit vervielfältigt und wird Ihnen alsdann zugeleitet werden. Ilerr Generalleutnant von Hanneken hat sich damit einverstanden erklärt, daß nunmehr Interessenten für Erzgruben und Hüttenwerke sich bei Herrn Poensgen melden. Er hat Herrn Poensgen gebeten, ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß die Erwerbungen nur flogen eine angemessene Bezahlung gemacht werden können, und weiter darauf hinzuweisen, daß nach den derzeitigen Erfahrungen die Gestehungskosten sowohl für Minette wie für Roheisen, Rohstahl und Stahlprodukte gegenüber denjenigen vor diesem Kriege erheblich steigen werden. Da Herr Poensgen dieser Tage seinen Urlaub antritt, wird die Zusendung der Gutachten an Sie durch Herrn Bergassessor a. D. Willing, Dortmund, erfolgen. Wir bitten Sie, diesem auch Ihre etwaigen Wünsche bis zur Rückkehr von Herrn Poensgen zu übermitteln."

18) Aktennotiz

von Fritz vom Bruck vom 22. Oktober

1940

Aus der Unterredung der Herren Tgahrt, Lipp, vom Bruck mit Herrn Dr. Ivüttner am 21. 10. 1940 ist folgendes festzuhalten: Der Auftrag des Herrn Dr. Küttner beschränkt sich räumlich auf das gesamte Minettegebiet, umfaßt also nicht die sonstigen nordfranzösischen Industriebezirke. I. Gruben Bei einer Beschränkung auf 28% bei kalkigen und 30% Fe bei kieseligen Erzen kommt man nach Dr. Küttner zu einer Gesamtmenge von etwa 6 Milliarden t. Dabei ist man ausgegangen von einer Abbauwürdigkeit der Flöze, die zwischen 1,3 und 1,5 m schwankt. Von diesen Erzvorräten sind etwa 3,4 Millionen t für die Hütten des Minettegebiets vorgesehen. Weitere 670 Millionen t Vorräte sollen für die Saarhütten reserviert werden. Bezüglich weiterer 770 Millionen t ist an Gemeinschaftsbesitz gedacht worden. Bisher hat Dr. Küttner aber bei allen Werken für einen solchen Gemeinschaftsbesitz keine Gegenliebe gefunden. Das letzte Wort über die Aufteilung ist noch nicht gesprochen. Weitere etwa 470 Millionen t sind als Reserve gedacht und sollen eventuell für Erweiterungen bestehender Hütten, bzw. Anlage neuer Werke, bzw. dort zur Verfügung gestellt werden, wo sich später herausstellen sollte, daß die Aufteilung den Erzeugungsverhältnissen nicht gerecht geworden ist. Es würden dann noch etwa 650 Millionen t verbleiben. Hier handelt es sich um bisher noch nicht verliehenen Besitz. Aus dem Gemeinschaftsbesitz sollen die Ruhrwerke versorgt werden, ferner Belgien und ein Teil von Nordfrankreich. Nicht dagegen sind zu be1 Das „Gutachten" konnte bisher nicht aufgefunden werden; es ist vermutlich weitgehend identisch mit Poensgens Entwurf vom 19. Juli 1940 (s. Dokument 11).

II. Die Rulir-Montankonzerne

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teiligen Ilsede, Flick und die Reichswerke. Außerdem sollen die H ü t t e n des Minettebezirks aus ihrem eigenen ihnen zuzuteilenden Erzvorrat ihre Besitzerwerke an der Ruhr gegebenenfalls noch mit Überschußerzen versehen. Das Verhältnis von kieseliger zu kalkiger Minette ist ziemlich genau 50 : 50. Am Westrande des Nancy-Beckens hat man neuerlich gute kalkige Erze festgestellt. In diesem Gebiete werden auch vorwiegend die für die Saar bestimmten Gruben liegen, da von hier aus zur Saar gute Wasserfracht besteht. II. Hütten 1) Longwy (Mont St. Martin) Herr Tgahrt unterrichtet Herrn Dr. Küttner über den Inhalt eines Ferngesprächs mit Herrn Poensgen von Ende voriger Woche. Herr Poensgen habe ihn nochmals gefragt, ob er denn nicht bei Longwy und Chiers für Hoesch bleiben wolle. Er habe aus den Aufstellungen ersehen, daß man entgegen unserem Wunsche uns für Réhon und Senelle vorgesehen habe. Herr Küttner erklärte hierzu, es müsse sich hier um einen Irrtum von Herrn Poensgen handeln. Er, Poensgen, habe von sich aus Hoesch für die Gruppe 1, d. h. f ü r Chiers -+- Réhon -f Senelle vorgeschlagen. Für die Gruppe 2, die Longwy einschließlich Gorcy enthält, habe er Mannesmann in Vorschlag gebracht. Darüber bestände für Herrn Dr. Küttner nicht der geringste Zweifel. Es müsse sich also Herr Poensgen geirrt haben. In diesem Zusammenhang konnten auch noch verschiedene Auffassungen bezüglich der Beschaffenheit der Hochöfen bei Longwy festgestellt werden. Während Herr Poensgen Herrn Tgahrt gegenüber diese Beschaffenheit als besonders gut bezeichnete, hält sie Herr Küttner für besonders schlecht. Das Bemerkenswerte an Longwy ist nach Dr. Küttner das sehr umfangreiche Walzprogramm und die durchweg moderne Einrichtung der Walzwerke. Aus diesem Grunde hat Gauleiter Simon den Plan gefasst, Longwy + Chiers keinem der großen Konzerne zu geben, sondern hier möglichst eine selbständige Gesellschaft zu schaffen, sei es als Gemeinschaftsbesitz, sei es in Hand eines Bankenkonsortiums. Es kann als sicher angenommen werden, daß Herr Poensgen Ende voriger Woche bereits über dahingehende Pläne des Gauleiters unterrichtet gewesen ist. Wir haben unseren Anspruch auf Longwy zuzüglich Chiers nicht aufgegeben. Bei Gorcy handelt es sich um ein kleines Hochofenwerk mit einer Jahresleistung von etwa 50000 t. 2) Réhon und Senelle Die Rohstahl-Kapazität von Réhon berechnet Herr Küttner auf etwa 415000 t jährlich, die von Senelle auf etwa 360000 t. Die Rohstahl-Kapazität beider Werke liegt also nicht unwesentlich über der von Longwy. Die Beschaffenheit der Hochöfen ist durchschnittlich im ganzen etwas besser als bei Longwy. Die Stahlwerke sind bei beiden Werken leidlich. Bei Senelle kommt noch ein Martinwerk mit 2 Öfen von je 50 t hinzu ; Erweiterungsmöglichkeit vorhanden. Das Walzprogramm beider Werke ist nicht sehr umfangreich. Bei Réhon ist hervorzuheben eine ausgezeichnete und sehr leistungsfähige Blockstraße. Man könnte ins Auge fassen, einen Teil der StahlKapazität von Senelle in Réhon abzuwälzen, sofern eine billige Verbindung zwischen den Werken hergestellt werden kann. Herr Küttner wollte sich dieserhalb erkundigen. Beachtlich ist ferner bei Réhon eine moderne Schienenhärterei und ferner zwei moderne Bandstraßen bis 450 mm Breite. Über die Walzwerksanlagen von Senelle konnte Herr Küttner nichts Bemerkenswertes angeben.

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Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

Es wurde vereinbart, daß Herr Dr. Kiittner am Sonnabend dieser Woche nochmals bei Herrn Tgahrt vorspricht, um ihm über seine Unterlagen, die er bei der Besprechung nicht zur Hand hatte, noch einige Angaben zu machen. 3) Reichswerke Von Seiten v. Hanneken ist auf seinen Vorschlag hin für die Reichswerke vorgesehen Hagendingen und Moevern. Ob sich die Reichswerke hiermit zufriedengeben, steht nicht fest. Herr Raabe macht weitere Ansprüche geltend unter Berufung auf den zukünftigen Anteil der Reichswerke an der Gesamterzeugung von etwa 25%. Die beiden oben genannten Werke haben eine Kapazität von etwa 1,3 Millionen t. 4) Röchling Für Röchling ist außer der Karlshütte Hayingen vorgesehen. Gauleiter Bürckel legt entscheidenden Wert darauf, daß der de Wendel-Besitz zerschlagen wird und nicht in einer Hand bleibt. Deswegen hat man Hagendingen und Hayingen ausgetauscht. Das dritte Werk von de Wendel, Joeuf, ist völlig veraltet und soll verschwinden. Die Blockstraße und die Drahtstraße von Joeuf sind für Homécourt vorgesehen. 5) Nachdem der Plan von Gauleiter Simon bezüglich Longwy bekannt wurde, hat man Mannesmann auf Homécourt verwiesen. 6) Für Rombach hat Flick seine Ansprüche angemeldet, und zwar hundertprozentig. Eine Beteiligung der Familie Spaeter oder der Konkordia käme für Flick nicht in Frage. Herr Flick hat Herrn Dr. Küttner am Donnerstag voriger Woche diesbezüglich erklärt, daß er auf das ganze Rombach Anspruch erhebe, da er im Osten keinerlei Ansprüche mehr geltend mache. Ich komme hierauf später zurück. Außerdem erhebt nach wie vor Konkordia bzw. die Familie Spaeter, und zwar ebenfalls selbständig, für sich allein Anspruch auf Rombach. Wir haben Herrn Dr. Küttner mitgeteilt, daß wir ursprünglich auch einmal an Rombach gedacht haben. Zu Rombach hinzukommen soll noch Auboué, das räumlich mit der Rombacher H ü t t e markscheidet und eine gute Ergänzung zu Rombach darstellt. 7) Die Gutehoffnungshütte erhebt Anspruch auf Micheville und begründet diesen Anspruch mit dem schweren Programm dieser Hütte, das ihr gestatten würde, das eigene Ausbauprogramm einzuschränken. Dr. Küttner betont, daß der Anspruch der G H H ebenso wenig anerkannt sei wie die anderen bisher geltend gemachten Ansprüche, und daß daher auch Hoesch einen Anspruch auf Micheville geltend machen könne. Herr Küttner hob nochmals hervor, daß Micheville durchweg über sehr gute Anlagen verfüge. 8) Für Klöckner ist unbestritten Kneuttingen vorgesehen, 9) desgleichen unbestritten Ückingen für Neunkirchen. 10) Für Otto Wolff soll Pompey und Neuves Maisons vorgesehen werden. 11) Pont-à-Mousson soll zur Halbergerhütte kommen, entsprechend seinem Erzeugungsprogramm. 12) Entgegen den bisherigen Plänen scheint man im RWM nun doch mit der Absicht umzugehen, Burbach von der Arbed abzutrennen und es mit Dillingen und St. Ingbert zu vereinigen. Dagegen ist Gauleiter Simon, der die Arbed unverändert beieinander lassen möchte. 13) Differdingen ist bekanntlicli für die Vereinigten Stahlwerke vorgesehen. 14) Für den jüngeren Nachwuchs sind, wie bereits mitgeteilt, die Werke Athus, Rodingen, R a t y mit Sauines und Hussigny und Villerupt in Aussicht genommen. Herr Steinbrinck hat Ansprüche bezüglich Athus geltend gemacht, die Herren Faust und Hahl für Rodingen. Sauines 4· Hussigny haben eine Roheisenerzeugung von etwa 1800001 jährlich. Die Hochofenanlage und auch die Gießereien sollen gut sein.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

331

15) Ob und welches Werk Krupp zugeteilt werden soll, ist noch offen. Im RWM steht man auf dem Standpunkt, daß Krupp im Westen keine Interessen geltend machen könne, da er sich sehr stark im Osten ausbreiten werde. Krupp selbst dagegen macht entschieden Ansprüche im Westen geltend. Bisher ist für Krupp keine Hütte ins Auge gefaßt. Sollte Krupps Anspruch anerkannt werden, bzw. die Reichswerke größeren Anspruch geltend machen können, so würde das natürlich eine völlige Neugruppierung bedingen. Ganz allgemein betonte Herr Küttner nochmals, daß endgültige Festlegungen noch nicht erfolgt seien, vielmehr erst auf Entscheidung des Reichsmarschalls hin erfolgen würden. Er erwarte, daß der Plan vom Reichsmarschall bald verabschiedet und den Werken die diesbezüglichen Vorschläge zugeleitet werden können. Alsdann soll auch Besichtigungsmöglichkeit bestehen. Er betonte nochmals, daß seine Vorschläge auf Geheiß von v. Hanneken sehr stark nach den Wünschen der beiden Gauleiter ausgerichtet worden seien. III. Was die Arbeiterverhältnisse in Französisch-Lothringen anbetrifft, so gab Küttner zu, daß sie als schwierig zu bezeichnen sind. E r wollte aber diesbezüglich einen Unterschied zwischen Longwy, Briey und Nancy nicht gelten lassen. Eine weiterverarbeitende Industrie soll im Minettegebiet nach den Planungen des RWM nicht aufgebaut werden. IV. Berg und Hütten Wie oben bereits mitgeteilt, habe Herr Flick erklärt, daß er im Osten keine Ansprüche mehr geltend machen wolle. Er habe als Mitaktionär von Königs- und Laurahütte auf dieses Werk Anspruch erhoben unter der Bedingung, daß ein gewisser Kohlenbesitz bei den Werken verbleibt. Sollten die Reichswerke entgegen der derzeitigen Planung doch noch auf die in Frage kommenden 2—3 Kohlengruben verzichten, so würde Herr Flick seine Ansprüche auf Königs- und Laurahütte geltend machen. In diesem Falle würden Ansprüche von Flick bezüglich Trzynietz nicht erhoben werden. Trzynietz habe er nur als Ersatz für Laurahütte in Erwägung gezogen. Die Frage des Herrn Dr. Küttner, ob Hoesch, wenn er Berg und H ü t t e n erhielte, darüber hinaus auch im Westen Anspruch erhöbe, wurde von Herrn Tgahrt ausdrücklich bejaht. Herr Tgahrt wies darauf hin, daß General von Hanneken uns seinerzeit f ü r Trzynietz interessiert und dabei ausdrücklich bemerkt habe, daß diejenigen Werke, die sich im Osten interessierten, im Westen eine ganz besonders bevorzugte Berücksichtigung erfahren sollten. Diese Auffassung wurde uns auch später nochmals von Oberst John bestätigt. Herr Küttner schien hierüber etwas erstaunt zu sein, nahm aber diese Mitteilung zur Kenntnis.

19) Schreiben von Ernst Poensgen an Erich Tgahrt vom 23. Oktober 1940 mit der als Anlage beigefügten Liste der Zuteilungsvorschläge von Poensgen und Küttner vom 18. Oktober 1940 Sehr geehrter Herr Tgahrt, es gibt in Longwy zwei Werke, die so nebeneinander liegen, wie früher die Phönix und die Rheinischen Stahlwerke. Wenn eine 30 m lange Rohrleitung f ü r das Gas hergestellt ist, können sie wie ein Werk zusammenarbeiten. Diese sind: 1) Société Anonyme des Hauts-Fourneaux de la Chiers in Longwy-Bas 2) Société Anonyme des Aciéries de Longwy in Mont St. Martin.

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

332

In dem Begleitschreiben, das ich meinem Gutachten an Herrn von Hanneken mitgegeben habe, habe ich ausgeführt, daß technisch diese beiden Werke eigentlich zusammengenommen werden müßten, was ich empfehlen würde, daß ich aber vorläufig davon Abstand nähme, um bei der unbekannten Anzahl von Reflektanten die Anzahl der Objekte nicht zu vermindern. Ich habe nun von Herrn Dr. Reichert unter dem 5. 8. die Mitteilung erhalten, daß Herr Dr. Bruck mitgeteilt habe, falls die Arbed für Hoesch nicht erreichbar sein solle, interessiere sich Ihre Gesellschaft für die S. A. des Aciéries deLongwyin Mont St. Martin und für das Nachbarwerk von S. A. des Hauts Fourneaux de la Chiers in Longwy-Bas, also nach meiner Meinung für die beiden oben genannten Werke. In meinem ersten Vorschlag an Herrn von Hanneken hatte ich, wie oben gesagt, die Zusammenlegung nicht vorgenommen und hatte eine Gruppe I gebildet, bestehend aus: Chiers, Réhon und Senelle-Maubeuge mit zusammen 1 Mio t Kapazität, und diese Gruppe I war für Ihre Gesellschaft vorgesehen. Nachdem ich aber dann von Herrn Dr. Küttner gehört hatte, daß er seinerseits für die Zusammenlegung dieser beiden Werke für eine Gruppe einträte, habe ich ihm gesagt, dann wäre dies doch ein geeignetes Objekt für Hoesch. Ich habe dann für die Besprechung mit Herrn Dr. Küttner eine Liste aufgestellt, in welcher die Vorschläge für die Zuteilung einmal nach Vorschlag Poensgen und einmal nach Vorschlag Küttner aufgeführt waren. Von dieser am 18. d. M. aufgestellten Liste finde ich noch ein Exemplar, das ich als Anlage beifüge. Wie Sie sehen, habe ich hier für Sie Chiers und Mt. St. Martin vorgesehen, während Herr Dr. Küttner für Sie aus meinem ersten Vorschlag Senelle-Maubeuge und Réhon herausgegriffen hatte, und zwar habe ich während dieser Besprechung mit Herrn Dr. Küttner noch mit Ihnen telefoniert und habe Sie dahin verstanden, daß Ihre Wünsche auf diese kombinierte Gruppe gingen, während Sie mir heute sagten, daß Sie nur auf die S. A. des Aciéries de Longwy in Mont St. Martin reflektierten, bei deren Zusammenfassung mit Gorcy die Roheisenerzeugung nur etwa 550000 t beträgt. Herrn Dr. Küttner habe ich Durchdruck dieses Schreibens gegeben. Mit freundlichen Grüßen Ihr sehr ergebener

[Anlage] Vorschläge der Zuteilung der Werke der Eisen schaffenden Industrie in Lothringen, Luxemburg und Süd-Belgien Bewerber

Vorschlag Poensgen

Vorschlag Küttner

1 2

Krupp Flick

3

Mannesmann

? Rombach Auboué Homécourt (Joeuf)

4

Hoesch

Hagendingen Rombach Homécourt a) Mont-Saint-Martin Gorcy b) Homécourt Joeuf beantragt Chiers Mont- Saint-Martin

Lfd.

Senelle Réhon

II. Die Ruhr-Montankonzerne

333

Bewerber

Vorschlag Poensgen

5 6 7 8

Gutehoffnungshütte Klöckner Concordia Ver. Stahlwerke

9 10 11

A ugust- Thyssen- H. Gewerkschaft Rheinstahl Otto Wolff

Micheville Kneutingen Rombach Differdingen einschl. Rümelingen und Oettingen Hagendingen

12 13

Dillingen Röchling

? Karlshütte

14 15

Burbach Halberger Hütte

16

Reichswerke

? Pont-à-Mousson Auboué de Wendel

17 18

Arbed Faust/Hahl

19

Steinbrinck

Lfd.

Grubenfelder Ückingen

selbständig Rodingen (oder Athus) Rodingen (oder Athus)

Vorschlag Küttnei Micheville Kneutingen —

Differdingen

-



Pompey- Ückingen Neuves Maisons ? Karlshütte Hayingen ? Pont-à-Mousson Mövern Hagendingen selbständig Rodingen Athus

20) Schreiben (Schnellbrief) des Reichswirtschaftsminislers an den Leiter der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, Ernst Poensgen, vom 21. Februar 19411 Betrifft : Eisenhüttenwerke in Lothringen und Luxemburg Der Herr Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches hat auf Grund der Vorschläge des Herrn Generalbevollmächtigten für die Eisen- und Stahlbewirtschaftung angeordnet, daß die Eisenhüttenwerke in Lothringen und Luxemburg nunmehr in verantwortliche Hände überführt und durch einzelne Persönlichkeiten oder zur Betriebführung geeignete Unternehmungen der Eisen schaffenden Industrie im Auftrage des Reichs betreut, geleitet und auf eigene Rechnung betrieben werden sollen. Diesen Treuhändern soll nach Eintritt friedensmäßiger Wirtschaftsverhältnisse Gelegenheit gegeben werden, das von ihnen betriebene Werk käuflich zu erwerben, soweit nicht durch entsprechende Umstände eine Änderung der Verhältnisse eintritt. Die Unternehmer müssen sich verpflichten, bei einer 1 Dieser Erlaß über die endgültige Verteilung der lothringischen und luxemburgischen Hüttenwerke stimmt im Kontext nicht vollständig mit der ursprünglichen Fassung vom 31. Januar 1941 überein (gedr. in: Falló, S. 245ff.).

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

334

Erwerbung den von ihnen übernommenen Besitz weder ganz noch teilweise ohne Zustim mung des Reiches an Dritte unmittelbar oder mittelbar zu verkaufen. Als Treuhänder sind bestimmt : für Lothringen : Werk

Vorbesitzer

Treuhänder

1)

Karlshütte

Hauts Fourneaux et Aciéries de Thionville

2)

Kneuttingen

3)

ückingen

Société Métallurgique de Knutange Forges et Aciéries de Nord et Lorraine

4) 5)

Rombach Machern

Société Lorraine des Aciéries de Rombas

6) 7)

Hayingen Mövern-Rosslingen

Les Petits-Fils de F. de Wendel et Cie.

Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke GmbH Völklingen/Saar Klöcknerwerke AG Duisburg Neunkircher Eisenwerk AG vorm. Gebr. Stumm Neunkirchen (Saar) Fried. Flick KG Berlin W 9 Bellevuestr. 12 a Reichswerke Hermann Göring unter Bildung einer bes. Abt. Lothringen

8) 9)

Hagendingen Safe

Union Consommateurs de Produits Métallurgiques et Industriels (U. P. M. J.)

W

für Luxemburg: 1)

Rodingen

2) 3)

DifTerdingen Oeningen

4) 5)

Rümelingen Walzwerk St. Ingbert

6) 7) 8) 9) 10) 11)

Esch-Schifflingen Belval Rote Erde Düdelingen Deutsch-Oth Dommeldingen

12)

Burbach

Société Anonyme d'OugréeMarihaye „Hadir" Société des Hauts Fourneaux et Aciéries de Diiïerdange-St. IngbertRumelange »»

„Arbed" Aciéries Réunies de BurbachEich-Dudelange

Die Herren Dr. Faust und Hahl in Gemeinschaft Vereinigte Stahlwerke AG, Düsseldorf

AG der Dillinger Hüttenwerke Dillingen (Saar) Die Gesellschaft bleibt als selbst. Gesellsch. mit dem Sitz in Luxemburg unter Beibehalt u n g der Bezeichnung „Arbed", aber unter Einführung eines deutschen Firmennamens erhalten Die Burbacherhütte wird selbständige Tochterges. mit dem Sitz in Saarbrücken-Burbach.

II. Die Ruhr-Montankonzerne

335

Ich habe die Chefs der Zivilverwaltungen in Lothringen und Luxemburg gebeten, für ihren Bereich sofort die obengenannten Treuhänder zu berufen, damit die aus einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeit zu erwartenden günstigen Folgen für die Erzeugung so rasch wie möglich eintreten. Der Entwurf der von mir zu genehmigenden Betriebsverträge und die spätere Bewertung der Werke sollen durch eine Kommission von Sachverständigen unter Beteiligung der in Frage kommenden Behörden vorgenommen werden. Als Vorsitzer der genannten Kommission habe ich einen bewährten und anerkannten Fachmann der Eisen schaffenden Industrie, den Hüttendirektor Dr. ing. E. h. Hugo Klein, Vorstandsmitglied der Hüttenwerke Siegerland AG in Siegen, Hindenburgstr. 5—7, bestimmt, der bereits Kommissionen der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie zur Beurteilung von Hüttenwerken in der Ostmark und in Oberschlesien geführt hat. Ich bitte um umgehende Benennung eines Vertreters Ihrer Gruppe für diese Kommission. Ich lege Wert darauf, daß ein Vertreter genannt wird, der hauptamtlich bei Ihnen tätig ist.

21) Schreiben von Erich Tgahrt an Alfred Kurzmeyer1 vom 8. Mai

1941

mit der als Anlage beigefügten Aktennotiz

von Tgahrt vom 8. Mai

1941

Sehr geehrter Herr Kurzmeyer, zu Ihrer vertraulichen Unterrichtung sende ich Ihnen anbei mein Diktat über meine Unterhaltung mit Herrn von Hanneken vom 2. 5. 41. Da ich mit Herrn von Hanneken und Herrn vom Bruck zu Abend gegessen habe, war die ganze Unterhaltung privater Natur. Sie bewegte sich naturgemäß auch noch auf vielen anderen Gebieten. So habe ich beispielsweise die Frage angeschnitten, ob man denn durch den Erwerb von Aktien eines Unternehmens seine Wünsche dem RWM gegenüber untermauern könne. Auch hierzu hat Herr von Hanneken eine ausweichende Stellung eingenommen. Ich muß vermuten, daß die Entscheidungen über die Zuteilung von Hüttenwerken der Einflußnahme von Herrn von Hanneken weitgehend entzogen sind, so daß er sich nicht in der Lage sieht, etwas zuzusagen oder auch nur in wirkliche Aussicht zu stellen. Auch der Hinweis, daß wir, wenn auch nicht durch alten Besitz eines Hüttenwerks, so doch immerhin durch anteiligen Grubenbesitz in Lothringen und der Normandie berechtigte Ansprüche auf Berücksichtigung erheben könnten, weil die Wiederherstellung des Grubenbesitzes infolge der in Aussicht genommenen Neuregelung ja nicht möglich wäre, konnte Herrn von Hanneken aus seiner Zurückhaltung nicht hervorbringen. Dabei glaube ich, mit Recht die Überzeugung haben zu dürfen, daß der Genannte weder gegen Hoesch, noch gegen seine Verwaltung in irgendeiner Weise eingestellt ist. Die Unterlagen von Herrn Moise über Delfoye-Matthieu sind inzwischen bei mir eingegangen. Obgleich es sich nach der Beschreibung höchstwahrscheinlich um recht alte Werke handeln dürfte, die nur mit großem Aufwand instandgesetzt werden können und bei denen auch die Rohstoffgrundlage fehlt, habe ich Herrn Moise heute telegraphiert, daß wir bereit wären, zwei Sachverständige zur Besichtigung und Erstattung eines Gutachtens hinzuschicken. Das Gutachten würden wir dann natürlich auch Herrn Moise geben. Wenn der Erwerb der Mehrheit für uns kein Interesse haben sollte, so werden wir Herrn Moise un1 Direktor der Deutschen Bank.

336

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

verzüglich drahtlich unterrichten, damit er noch Gelegenheit nehmen kann, sich in der ihm nach anderer Seite vorschwebenden Richtung zu bemühen. Der Militärbefehlshaber hat etwa 20 führende Herren der Industrie für den 10. 5. zu Vorträgen und zum Abendessen nach Brüssel eingeladen. Ich fahre zusammen mit Herrn Ernst Poensgen am Sonnabendvormittag im Auto nach Brüssel, und wahrscheinlich schon am Sonntag wieder zurück. Ich hoffe, Sie vorher noch am Fernsprecher zu erreichen. Mit freundlichen Grüßen Ihr sehr ergebener

[Anlage] Betr. : Unterhaltung mit Herrn General von Hanneken, gemeinsam mit Herrn vom Bruck, am Freitag, den 2. 5. 1941 Ich sagte Herrn von Hanneken, daß zwei Tatsachen mich veranlaßt hätten, ihn kurzfristig um diese Besprechung zu bitten. In dem kürzlich erschienenen Geschäftsbericht der Mannesmannröhren-Werke werde darauf hingewiesen, daß zur Versorgung der eigenen Walzbetriebe die Rohstahlerzeugung der Mannesmannbetriebe nicht ausreiche und daß deshalb zusätzliche Leistungsmöglichkeiten von mehreren hunderttausend Tonnen Rohstahl geschaffen werden müssen. Dieser geschickte Hinweis deute darauf hin, daß Mannesmann die Absicht habe, Ansprüche im Westen ganz besonders mit dieser Notwendigkeit der Erweiterung der Rohstahlleistungsfähigkeit zu begründen. Zu gleicher Zeit hätte ich erfahren, daß Mannesmann bei Homécourt bereits einen technischen und einen kaufmännischen Herrn aus seinem Mitarbeiterstabe zur Verwaltung dieses Werks sitzen habe. Das wieder deute darauf hin, daß man im Ministerium geneigt sein könnte, auf die Wünsche von Mannesmann einzugehen. Wenn durch die spätere Grenzziehung mit Frankreich die Möglichkeit gegeben wäre, daß wir unseren Wünschen entsprechend ein Werk für uns selbst bekämen, und entsprechend unseren Anregungen bevorzugt Réhon mit Ausbaufähigkeit auf 600000 t Rohstahl, so könnte ich mir nichts Besseres wünschen, als daß auch Mannesmann befriedigt werde. Da aber immerhin doch Grund zu der Annahme bestünde, daß die Grenzziehung so erfolge, daß Réhon nicht in unseren Besitz kommen könnte, erneuerte ich die schon mehrfach vorgetragenen Wünsche daliin, daß in diesem Falle uns eine 50%ige Beteiligung an Micheville, und falls auch Micheville nicht zum Reich kommen sollte, eine 50%ige Beteiligung an Homécourt, zugestanden werde. Daß dieses Werk und Joeuf, wenn auch außerhalb der alten Reichsgrenze liegend, in den deutschen Grenzraum eingeschlossen würden, sei ja wohl mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Bei dieser Gelegenheit fragte ich, ob Joeuf noch frei wäre. Ursprünglich hätte man darüber gesprochen, daß Joeuf in so schlechter Verfassung sei, daß es nicht lohne, es als Werk weiter bestehen zu lassen. Mittlerweile hätte ich von Dr. Vosgerau, der mehrere Monate den Stahlwerks-Verband in Metz vertreten habe, gehört, daß Joeuf durchaus nicht in so betrübenswertem Zustande wäre, daß es nicht mit einigermaßen normalen Mitteln in Ordnung zu bringen wäre. Ich hätte außerdem gehört, daß auf Joeuf neuerdings Röchling Anspruch erhebe. Herr von Hanneken erklärte hierzu, daß Joeuf zu dem Gesamtbesitz von de Wendel gehört habe und demgemäß jetzt auch in den Gesamtbesitz der Reichswerke Hermann Göring, Abteilung Westmark, falle. Zu dem ersten vorgetragenen Wunsch bemerkte Herr von Hanneken ausweichend, daß es doch allemal besser wäre, eine hundertprozentige Beteiligung als eine fünfzigprozentige

II. Die Ruhr-Montankonzerne

337

zu haben. E r sei persönlich der Auffassung, daß die Verhältnisse sich so entwickeln würden, daß wir ein eigenes Werk für uns bekämen. Im übrigen, meinte er, bestünde ja auch noch die Möglichkeit, den Versuch zu machen, im Wege freier Verhandlung mit den Franzosen oder Belgiern ein Werk zu erwerben. Wenn auch Herr Galopin mit den ihm unterstehenden Werken für solche Verhandlungen wohl nicht zu haben wäre, so wäre Baron de Launois von Ougrée-Marihaye ja bekanntlich auf diesem Gebiete zugänglicher. Ich erklärte Herrn von Hanneken, daß wir zu Letzterem keine Beziehungen hätten. Abgesehen davon wäre die Stimmung bei diesem Herrn wohl durch die Wegnahme von Rodingen für die Herren Faust und Hahl für neuerliche Verhandlungen auf diesem Gebiete sicher nicht sehr günstig. Und schließlich bestünden auch ältere Beziehungen zwischen Otto Wolf! und der OugréeMarihaye-Gruppe. Wenn wir ein eigenes Werk bekämen, so würden wir das bestimmt auch vorziehen. Die 50%ige Beteiligung an Micheville oder Homécourt wäre nur eine Notmaßnahme für uns bei Ausfall eines hundertprozentigen Erwerbs, dann aber auch von größter Wichtigkeit. Entscheidend bleibe immer, welche Werke innerhalb der deutschen Reichsgrenze liegen würden. Nach der sehr zurückhaltenden Einstellung des Herrn von Hanneken besteht die Gefahr, daß wir leer ausgehen, falls nur Micheville und Homécourt, oder gar nur Homécourt, zum Reich kommen sollten. Unter diesen Umständen erscheint es mir richtig, unsere Wünsche nach einer 50°/ 0 igen Beteiligung bei einem dieser Werke im Falle der Unmöglichkeit des hundertprozentigen Erwerbs einer Hütte im Westen dem RWM schriftlich zu unterbreiten und zu prüfen, welche anderen Wege noch gangbar sind, um unsere Ansprüche zu untermauern.

22)

Schreiben der Hoesch AG

an das Reichswirtschaftsminislerium

vom 16. Mai

1941

Betr. Erwerb bzw. Beteiligung an einer Hütte im Westen Wir nehmen Bezug auf unsere verschiedenen mündlichen Besprechungen und erlauben uns, dem von uns vorgetragenen Wunsche noch einmal in aller Form schriftlich Ausdruck zu geben. Die Möglichkeit der Zuteilung von H ü t t e n an Gesellschaften der Schwerindustrie, die bisher noch nicht bedacht worden sind, hängt von der politischen Grenzziehung zwischen Deutschland und Frankreich ab. Die Entscheidung des Führers und die Vereinbarung mit Frankreich über diese Frage stehen noch aus. Falls diese Grenzziehung es gestatten sollte, haben wilden Wunsch, das Werk Réhon ganz für uns zu erwerben mit dem Recht des Ausbaues auf 600000 t Rohstahl jährlich. Falls Réhon nicht in die deutsche Grenze einbezogen werden sollte, dagegen das Werk Micheville oder das Werk Ilomccourt zu Deutschland kommen sollte, haben wir den Wunsch, eine 50%ige Beteiligung entweder an dem Werk Micheville oder an dem Werk Homécourt zu erhalten. Zur Begründung dürfen wir wiederholt darauf hinweisen, daß der Erwerb einer Hütte im Westen mit dem zugeteilten Erzbesitz durch uns von lebenswichtiger Bedeutung für unsere Zukunft ist, weil ohne einen solchen Erwerb eine starke Beeinträchtigung unserer Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den glücklicheren Unternehmungen des engeren Ruhrbezirks die Folge sein würde. In diesem Zusammenhang möchten wir bemerken, daß wir bis zum Ende des Weltkrieges an den Gruben J a r n y und Reichsland in Lothringen und Saint André, Bully und Maltot

338

Anhang: „Neuordnung des europäischeil Großwirtschaftsraumes"

in der Normandie beteiligt gewesen sind. Da infolge der beabsichtigten Neuordnung des Grubenbesitzes im ostfranzösischen Becken offenbar nicht damit zu rechnen ist, daß wir wieder in den Genuß unseres früheren Eigentums kommen können, glauben wir, hieraus den Wunsch herleiten zu dürfen, hinsichtlich des Erwerbs einer Hütte oder einer hälftigen Beteiligung an einem Werk bevorzugt behandelt zu werden. Wir rechnen zuversichtlich auf Ihr Verständnis für unseren Antrag und die Erfüllung unserer Bitte, falls überhaupt eine Möglichkeit dazu bestehen sollte. Heil Hitler!

III. Carl Zeiss Jena

Memorandum

von Karl

Hauptgeschäftsführer

Albrecht,

der Wirtschaftsgruppe

Feinmechanik

und Optik, vom Juli

19401

Entwicklungsmöglichkeiten der optischen und feinmechanischen Industrie in Europa und Übersee 1. Allgemeine Erörterung der künftigen Entwicklungsmöglichkeiten Die deutsche optische und feinmechanische Industrie ist führend in der ganzen Welt und verfügt über den bei weitem größten Anteil an der Weltausfuhr in optischen und feinmechanischen Erzeugnissen. Hinzu kommt die Tatsache, daß sie wahrscheinlich den größten Binnenabsatz aller optischen und feinmechanischen Industrien aufweist 2 , demzufolge also bei weitem die größte Kapazität besitzt. 3 Ihre überlegene Stellung gewann sie auf der Grundlage wissenschaftlicher Forschungsund Entwicklungsarbeiten, verbunden mit technischer Präzisionsarbeit und exakter Fabrikationskontrolle. Einen wesentlichen Einfluß auf ihre Entwicklung gewann auch die Tatsache der Herstellung optischen Glases in Deutschland, welche bei ihrer Entstehung staatlicherseits, und zwar nicht zuletzt aus wehrpolitischen Erwägungen, gefördert wurde. 4 Außer Deutschland gelten die folgenden Länder als Produktionsländer der Optik und Feinmechanik : Frankreich, G roßbritannien, Italien, USA, Japan. Von diesen Industrien hat sich diejenige in Frankreich, Großbritannien und USA im allgemeinen auf natürliche Weise entwickelt, während — und dies gilt in erster Linie für die optische Industrie in engerem Sinne — bei Italien und Japan — soweit optische Erzeugungsstätten auch in anderen Ländern bestehen auch für diese — meist politische bzw. wehrpolitische Erwägungen die Grundlage der Entwicklung abgaben. Die Erfahrungen des 1 Betriebsarchiv des VEB Carl Zeiss Jena, Nr. W 54. — Die Denkschrift wurde in der Leitung der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik angefertigt, die völlig vom Zeiss-Konzern beherrscht war. Sie entsprach dem „Allgemeinen Teil" des vom IG-FarbenKonzern ausgearbeiteten „Neuordnungs"-Programms (s. Anhang I) und wurde ebenfalls gleichzeitig mit gesonderten „Berichten" über die einzelnen Länder verfaßt. Die Marginalia auf dem Original der Denkschrift stammen von Paul Henrichs, Leiter der Wirtschaftsgruppe und Geschäftsleiter des Zeiss-Konzerns, und sind im Text bzw. in den Anmerkungen berücksichtigt. 2 Marginale : z. Zt. ! 3 Marginale: USA 4 Marginale: ungenügende Glasarten?

340

Anhang: „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes"

großen Krieges von 1914—1918 haben in vielen Ländern ein Streben nach möglichst weitgehender Autarkie in der Rüstungsoptik ausgelöst. Es wird für die zukünftige Gestaltung der Dinge entscheidend sein, wieweit in Europa außerhalb Deutschlands die Herstellung von Rüstungsoptik als politisch erwünscht oder unerwünscht zu bezeichnen ist. Soweit deutscherseits ein solches wehrpolitisches Interesse anderer Länder nicht als berechtigt anerkannt werden kann bzw. aus wehrpolitischen Gründen Deutschland die Weiterführung, Neugründung oder Weiterentwicklung optischer Rüstungsbetriebe in anderen Ländern ausschließen will, ergeben sich aufgrund der deutschen Erfahrungen seit 1918 gewisse Richtlinien zu wirkungsvoller Einflußnahme. Rekanntlich enthielten die Versailler Bestimmungen für die deutsche optische Industrie das Verbot der Herstellung von Militäroptik für eigenen oder fremden Redarf. Ausschließlich der Firma Carl Zeiss wurde gestattet, Militäroptik im geringen Umfange des Redarfs des 100000-Mann-Heeres zu fertigen. Wenn damals nicht die Nederlandsche Instrumenten Companie (Nedinsco) in Venlo gegründet worden wäre, die nach Lizenzen der Firma Carl Zeiss arbeiten konnte und die Möglichkeit hatte, die verschiedenen Staaten der Welt zu beliefern, wäre es auch der Firma Carl Zeiss nicht möglich gewesen, auf militäroptischem Gebiet, einschließlich dem Gebiet der Flugabwehrgeräte, die Entwicklungsarbeiten zu betreiben, welche nunmehr wiederum zur Überlegenheit der deutschen Militäroptik geführt haben. Wenn weiterhin der deutschen optischen Industrie in ihrer Zivilfertigung nicht die Möglichkeit unbeschränkter Entwicklung für den Absatz im In- und Auslande geblieben wäre, dann würde keine Produktionskapazität von auch nur einigermaßen zureichendem Ausmaße für die deutsche Aufrüstung auf optischem und feinmechanischem Gebiet bestanden haben. Aus dieser Erkenntnis ergibt sich die Notwendigkeit, überall dort, wo aus politischen Gründen künftighin optischen Rüstungsbetrieben die Existenzberechtigung zu versagen ist, Maßnahmen zu treffen, daß eine Abwanderung in andere Länder sowie eine Umstellung auf Zivilfertigung ausgeschlossen wird. Geeignete Maßnahmen hierzu werden im weiteren Verlauf dieser Ausführungen gegeben. Eine besonders wichtige Steuerungsmöglichkeit für die Entwicklung der optischen Industrien in den verschiedenen Ländern besteht in der Verfügungsmöglichkeit über das optische Glas. 5 Es wird daher in folgendem auch auf die optischen Glashütten des In- und Auslandes kurz einzugehen sein. Rei der Notwendigkeit, auch nach Schaffung eines europäischen Wirtschaftsgroßraumes deutscherseits Überseeexport zu betreiben, wird die deutsche optische und feinmechanische Industrie in erster Linie dazu berufen sein, sich dieser Überseeausfuhr zumindest in gleichem Ausmaße wie vor Ausbruch des derzeitigen Krieges zu widmen. Sie wird außerhalb Europas mit der japanischen optischen und feinmechanischen Industrie im wesentlichen nur im japanischen Machtbereich zu rechnen haben. Sie wird in der Welt als ernste Konkurrenz die amerikanische optische und feinmechanische Industrie antreffen. 6 Es wird also darauf ankommen, sie hierfür konkurrenzfähig zu halten. Rei ihrer qualitativen Überlegenheit wird es im europäischen Raum nur des Grundsatzes bedürfen, daß der deutschen Optik und Feinmechanik in allen Ländern des europäischen Raumes gleiche Startbedingungen mit der bodenständigen Industrie der einzelnen Länder geboten werden, um ihr ohne staatliche Unterstützung oder Bevorzugung einen solchen Marktanteil in diesem Raum zu sichern, daß sie die Produktionsmöglichkeiten amerikanischen Aus5 Marginale: ? 6 Marginale: Frankreich in einzelnen Sparten. England in englischen Kolonien, abgesehen von einzelnen Spezialitäten

III. Carl Zeiss Jena

341

maßes auch hinsichtlich der mengenmäßigen Fertigung haben resp. 7 übertreffen wird, so daß unter der Voraussetzung der Angleichung der wichtigsten Fertigungskosten, d. h. der Lohnhöhe, und der Verhinderung künstlicher Veränderung der Kostengrundlage durch Währungsmanipulationen, eine natürliche Überlegenheit in der Welt gegeben s ses M •η a c Co O bo a & S

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332

Rationalisierung und Kriegsproduktion

Tabelle 52 Das „ Waffenprogramm" von 1942 und seine Erfüllung (Auswahl; Monatsdurchschnitt bzw. Monatsproduktion in Stck.) Waffentyp

Produktion Programmziel im Jahre 1941

Zielmonat

Tatsächliche Produktion im Zielmonat

Karabiner 98 k MG 1. Gr. W. 36

113212 7126 484

250000 13000 750

Dezember 1943 Juli 1943 Dezember 1942

378

1500

Dezember 1942

172

500 500

November 1942 November 1942

1.1. G. 18 s. I. G. 33 1. F. H. s. F. H. 10 cm Kanone 18 2 cm Flak

93 41 97 43 9 623

170 80 600 150 75 1320

Juli 1943 Juli 1943 Dezember 1943 Dezember 1943 Juli 1943 Dezember 1942

3,7 cm Flak 8,8 cm Flak 0,5 cm Flak

100 156 43

1000 300 100

Dezember 1943 Juli 1943 Dezember 1943

207153 14641 750 (November 1942) 1555 (Januar : 529 290 (Januar 170 77 660 182 35 1706 (Januar 424* 373 117

s. Gr. W. 34 5 cm Pak 38 7,5 cm Pak 40

-

* Minderausstoß wegen Umstellung auf eine Neukonstruktion Quelle: Weyres-v. Levetzow, S. 67, S. 70f.

Tabelle 53 Produktion ausgewählter Arten von Waffen 1942/1943 (in Stck.) Waffentyp

1942

1943

Karabiner-Selbstlader Κ 41 und Κ 43 MG 42 Sturmgewehr 44 Granatwerfer 8 cm und 12 cm Flammenwerfer Flieger-MG 131 Flieger-MG 151 Le. Feldhaubitze 10-cm-Kanone 10,5-cm-Gebirgshaubitze 40 12,8-cm-Flak

6778 17915 91 9780 4618 7275 24909 1285 135 30 65

94806 119875 31218 22955 11480 35022 57647 4337 454 104 298

Quelle: Bleyer, Rüstungsbericht; „Ausstoß-Übersicht".

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

333

Wohl der neuralgischste Punkt für das faschistische Heer war die Panzerabwehr. Neue Abwehrwaffen und schwere Pak wurden mit äußerster Beschleunigung produziert, ohne daß sie die Wirkung der sowjetischen Panzerwaffe wesentlich herabmindern konnten. Die 7,5-cm-Panzerabwehrkanone Pak 40 war 1943 das meistproduzierte Heeresgeschütz. Die Produktion der Panzerabwehr(raketen)geräte „Panzerschreck" und „Panzerfaust" lief im August 1943 an und erreichte größere Serien erst im letzten Quartal des Jahres. „Im allgemeinen war das deutsche Heer, ungeachtet aller Rückzüge und Verluste, Anfang 1944 besser mit Waffen ausgerüstet als zu Beginn des Rußlandkrieges." 1 7 7 Tabelle 54 Produktion von Panzerabwehrwaffen

1942/1943 (in Stck.)

Waffentyp

1942

1943

Leichte Pak bis 7,5 cm (ohne Pak 40) 7,5-cm-Pak 40 8,8-cm-Pak 43 Panzerschreck („Ofenrohr") Panzerschreck-Geschosse Panzerfaust (Faustpatronen)

6651 2112 — — —

10437 8739 1155 50830 173 000 350000

Quelle: „Ausstoß-Übersicht" ; Schnellberichte R E F ; Deutschlands Rüstung im Zweiten S. 23 (leichte Pak).

Weltkrieg,

Panzer Der Panzerwagen war für die Faschisten in den Jahren 1941 und 1942 die entscheidende Offensivwaffe ihrer Landstreitkräfte, mit der sie auf dem Hauptkriegsschauplatz, an der deutsch-sowjetischen Front, die Entscheidung des Krieges herbeiführen wollten. Die Forderungen der Wehrmacht nach mehr Panzer- und motorisierten Infanteriedivisionen beherrschten die sogenannten Panzerbesprechungen bei Hitler. 1 7 8 Die aufeinanderfolgenden „Panzerprogramme" beschrieben bis zum Frühjahr 1942 allerdings eine Fieberkurve, deren Einschnitte im Sommer 1941 von den Illusionen des Göringprogramms und Ende 1941/Anfang 1942 von bestimmten Einsichten in die Kampfkraft der sowjetischen Panzerabwehr geprägt waren. 1 7 9 Die Panzerbesprechung am 29. November 1941, über deren Hintergrund die bürgerliche Historiographie mancherlei Legenden gesponnen hat, 1 8 0 bedeutete insofern eine Wende, 177 The Effects, S. 187. 178 Saur, Stichworte, numeriert die Panzerbesprechungen mit Todt: Nr. 1: 18.2. 1941; Nr. 2: 26. 5. 1941; Nr. 3: 29. 11. 1941; Nr. 4: 23. 1. 1942. 179 Vgl. ebenda, Panzerbesprechung Nr. 3 und 4. 180 Ludwig behauptet ζ. B., ohne zuverlässige Quellen anzugeben: „Am 29. November 1941 wurde Hitler in einer der Zusammenkunft von Vertretern der Wehrmacht und der Industrie vorausgehenden Vorbesprechung von Todt aufgefordert, den rüstungstechnisch und militärisch verlorenen Krieg mit politischen Mitteln zu beenden." Als „Beweis" führt Ludwig an: „Die Niederschrift der folgenden Hauptbesprechung in der Reichskanzlei erweist, daß sich Hitler erst in einem seiner langen Monologe wieder zu fassen vermochte." (Ludwig, Karl-Heinz,

Rationalisierung und Kriegsproduktion

334

als Hitler, inspiriert von Todt und den Leitern des Sonderausschusses Panzerwagen, angesichts schwerster Panzerverluste seit Oktober 181 die moderne Massenproduktion einheitlicher und vereinfachter Konstruktionen als kriegsentscheidendes Problem nannte und sich scharf gegen das Nebeneinander- und Gegeneinanderkonstruieren ausgeklügelter Panzertypen aussprach: „Es ist ein bitterer Irrtum zu glauben, daß wir in der Ausschöpfung fabrikatorischer Möglichkeiten ein führender Staat sind. Die Konstruktionen stehen im Gegensatz zu den praktischen Produzierungsmöglichkeiten." Es müsse „sehr viel weitgehender bei den Konstruktionen auf die Produktion Rücksicht genommen werden. Es empfiehlt sich, hierzu vornehmlich die Privatindustrie beratend heranzuziehen. ... Durch Vereinfachung der Konstruktionselemente muß die flüssige Massenproduktion gefördert werden." 182 In der Folgezeit setzten das Munitionsministerium und die Rüstungsmonopole den Kurs auf die Massenproduktion modernerer, schwererer Panzer allmählich durch. Er schlug sich 1942 allerdings noch weniger im Produktionsausstoß und in der Verminderung des oft beklagten Typenwirrwarrs nieder als vielmehr in der konstruktiven und fabrikatorischen Vorbereitung der Produktion solcher Panzer. Förster/Paulus stellen im Hinblick auf 1942 mit Recht fest: „Weder gelang es, das Bauprogramm zu vereinfachen und auf wenige Typen bzw. deren Arten zu begrenzen, noch konnten die Fertigungszahlen schnell nach oben gedrückt werden." 183 Mit dem „Adolf-Hitler-Panzerprogramm" unternahmen die herrschenden Kreise im Jahre 1943 eine gewaltige kriegswirtschaftliche Kraftanstrengung. Mit einer nie dagewesenen Panzerstreitmacht wollten sie die Initiative an der deutsch-sowjetischen Front unter allen Umständen wieder an sich reißen. Daten zur Entstehung

des

„Adolf-Hitler-Panzerprogramms"

„7.-9. Sept. 1942 AH fordert ein Panzerprogramm mit Ziel Frühjahr 1944 von 1100 gepanzerten Fahrzeugen (800 Stück Panzer und 300 Sturmgeschütze) und 300 S FL. 21. Sept. 1942 Führer fordert eine wesentliche Steigerung der Panzerproduktion, da besonders schwere Panzer erneut von besonderer Bedeutung. Die 90 Porsche Versuchstiger sollen auf Sturmgeschütz mit Die wohlreflektierten „Erinnerungen" des Albert Speer, in GWU, 11/1970, S. 699f.). Diese Behauptungen sind aus der Luft gegriffen und stützen sich allein auf obskure „Mitteilungen" Walter Rohlands (nach Janssen, S. 33). In Wirklichkeit wurde von Hitler in diesen Tagen gemeinsam mit Todt und dem OKW der „geniale" Erlaß vom 3. 12. 1941 verfaßt (s. S. 297f., ferner S. 35 f.). Die Ausführungen Hitlers auf der „Hauptbesprechung", d. h. der Panzerbesprechung, waren, jedenfalls nach dem Schmundt'schen Protokoll, klar und präzis und liefen voll und ganz auf die in dem genannten Erlaß niedergelegten kriegswirtschaftlichen Richtlinien hinaus (s. d\Protokollin ZStA Potsdam, FS, Film 1742). — Ludwig, der sich 1968 noch eher skeptisch gegenüber den Erfindungen Rohlands und Janssens verhielt (Ludwig, Karl-Heinz, Die deutsche Kriegs- und Rüstungswirtschaft 1939—1945. Ein Bericht über den Forschungsstand, in Militärgeschichtliche Mitteilungen, 2/1968, S. 153f.), bezog also 1970 eine eindeutig apologetische Linie, die er später (1974) zu einem System der Verklärung Todts als „Widerstands"helden gegen Hitler ausbaute {Ludwig, Technik, S. 382 f., S. 388 ff. und passim). 181 Siehe The Effects, S. 165. 182 ZStA Potsdam, FS, Film 1742, Prot. d. „Panzerbesprechung" v. 29. 11. 1941, v. 7. 12. 1941. 183 Förster, Gerhard/Paulus, Nikolaus, Abriß der Geschichte der Panzerwaffe, Berlin 1977, S. 205.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

335

8,8 L 71 umgearbeitet werden (wurden am 12. 5. [1943] mit 200 mm Frontfpanzerung] ausgeliefert) . 2. Okt. 1942 Vorführung Sturmgeschütz I I I mit eingebauter 1FH. Vorlage von Zeichnungen der SFL auf Fahrgestell IV für 8,8 Pak und sFH. Forderung je 100 bis 12. 5. 1943 (wurde voll gehalten). 2. Okt. 1942 Forderung eines organischen Sturmgeschützes mit neuem Spezial-sIG auf Fahrgestell IV zum Frühjahr 1943 (Auslieferung der ersten 60 erfolgte zum 12. Mai [1943]. Das neue Sturmgeschütz wurde von Skoda geschaffen). 5. Nov. 1942 Vormittags telefonische Führer-Forderung an Speer auf höchste Steigerung der Tiger. Sofortige Zusammenziehung aller Beteiligten in Kassel. Nachmittags dort Festlegung, daß gegenüber dem am 3. 11. aufgestellten Plan von 13 Stück 25 Stück im November fertig werden müssen. (Zahl wurde gehalten und wesentlich erhöht aufgestelltes Programm für folgende Monate noch überschritten) . 8. Nov. 1942 Beginn der Panzerkommissionssitzung auf der Wartburg. 9. Nov. 1942 Fortsetzung der Panzerkommissionssitzung auf der Wartburg. Entscheidung über Tiger II und Aussprache über Motor- und Getriebefragen. 2. Dez. 1942 Erste Vorlage eines Entwurfes für das Adolf-Hitler-Programm. Vorführung neuer Panzertypen. 26. Dez. 1942 Besuch bei MAN betreffend Panther-Anlauf. 3. Jan. 1943 Panzerbesprechung bei AH. Streichung des „Leoparden". Entscheidung für „Mäuschen" nach Vorschlag von Porsche. Bau bei Krupp, Montage bei Alkett. 17. Jan. 1943 Führerbesprechung betreffend starke Steigerung der Panzerproduktion. Zusage für eine entsprechende Vollmacht über Vordringlichkeit. Telegrafische Rücksprache mit Rohland. Zuvor mündliche Zusage von mir, daß Sturmgeschütz und Panzer IV sofort, Panther und Tiger ab Mai bei größten Anstrengungen gegenüber Entwurf bisheriges AH-Programm gesteigert werden können (trotz schriftlich festgelegter Einwände von Hauptausschuß und Waffenamt voll gehalten). 18. Jan. 1943 Fernschreiben von Dr. Rohland (Hauptausschuß) und General Philipps (Heereswaffenamt), daß Panzerproduktion nicht nur nicht gesteigert werden kann, sondern bisherige Zusage nicht gehalten werden könnte, da größte Schwierigkeiten. Neue Planung sei nicht vor Juni möglich. 22. Jan. 1943 AH unterschreibt die in der Zwischenzeit mit allen Beteiligten abgestimmte Panzervollmacht für das erhöhte AH-Programm. 22. Jan. 1943 „Aufruf an die Rüstungsschaffenden im Panzerbau (Anschlag)." 184 Mehrere n e u e große P a n z e r w e r k e , wie das in F a l k e n s c e ( D e m a g - K o n z e r n ) , w u r d e n seit A n f a n g 1943 b u c h s t ä b l i c h aus d e m B o d e n g e s t a m p f t . B e d e u t e n d e K a p a z i t ä t e n a n d e r e r P r o d u k t i o n s z w e i g e , b e s o n d e r s d e r K r a f t f a h r z e u g i n d u s t r i e , w u r d e n auf P a n z e r p r o d u k t i o n umgestellt, e t w a S e k t o r e n des M A N - K o n z e r n s u n d d e r F i r m a B o r g w a r d , 1 8 5 a b e r auch 184 Zusammengestellt aus Saur, Stichworte. Zum Hitler-Panzerprogramm s. a. S. 121 ff. 185 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 9088, Bl. 225 f., Prot. d. Sitzung d. Wigru Fahrzeugindustrie v. 24. 3. 1943, Ausführungen d. neuen Leiters Wilhelm Schaaf. 23

Eichholtz II

336

Rationalisierung und Kriegsproduktion

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Die Entwicklung der Kriegsproduktion

337

das Werk des Daimler-Benz-Konzerns in Berlin-Marienfelde, das bisher Schnellbootmotoren hergestellt hatte. 1 8 6 Im Jahre 1943 lagen Höhepunkt und Abschluß einer technischen Umbewaffnung auf dem Panzersektor, der auch in der Statistik sichtbar wurde. Der Rüstungsminister erklärte auf der Sitzung der Panzerkommission am 21. Dezember 1943, die neuen Panzertypen seien nun zu einem solchen Stand der Entwicklung geführt worden, „daß darauf die künftige Serienfertigung basieren könne. Nunmehr müsse der Schwerpunkt der Arbeiten auf die Verbesserung der geschaffenen Typen gelegt werden." 1 8 7 (Tabellen 55 und 56) Die Produktionssteigerung bei leichten Panzerwagen zog keine Vergrößerung der eigentlichen Panzerwaffe nach sich. Hier handelte es sich hauptsächlich um einen Zuwachs an Mannschaftstransportwagen (Schützenpanzerwagen) mit einem Gefechtsgewicht von rund 6 bis 8,5 Tonnen. 1 8 8 Der mittelschwere Panzerwagen I I I lief im Jahre 1943 in der Produktion aus zugunsten des Panzers I V (beide mit einem Gefechtsgewicht zwischen 22 und 25 Tonnen) und der schweren Panzer, vor allem des „Tigers" (55 Tonnen) und des „Panthers" (ca. 45 Tonnen). 1 8 9 Das wirkte sich dahingehend aus, daß 1943 das J a h r des größten relativen Zuwachses an Gefechtsgewicht während des ganzen Krieges war, ferner auch das J a h r des absolut größten Zuwachses an Stückzahl. Diese Tatsache wiegt um so schwerer, als im letzten Quartal gegnerische Luftangriffe auf Kassel (Henschel) und Berlin (Alkett, Daimler-Benz, Ardelt) erhebliche Produktionsverluste verursachten. 1 9 0 In der Panzerproduktion spiegelte sich 1943 zugleich der allmähliche, zuerst zögernde Übergang von der Offensiv- zur Defensivbewaffnung des Heeres in aufschlußreicher Weise wider. Schon im ersten Halbjahr 1943 wies die Produktion von Sturmgeschützen — relativ schnellen, beweglichen Panzerfahrzeugen ohne Drehturm mit großkalibrigen Geschützen und starker Frontpanzerung, die eine wirksame Panzerabwehr darstellten — eine besonders rasch steigende Tendenz auf. Allerdings nahmen zugleich die Produktionszahlen von Panzerkampfwagen, der wichtigsten Angriffswaffe des faschistischen Heeres, bedeutend zu, unter weitgehender Umstellung auf die neuen, schweren Typen. Sturmgeschütze und Selbstfahrlafetten (Geschütze auf Panzerchassis mit schwächerer Panzerung) hielten aber, zusammengenommen, den Panzerkampfwagen seit Anfang 1943 zahlenmäßig die Waage.

Kraftfahrzeuge191 Bis 1941 erlitt der Kraftfahrpark der Wehrmacht kaum Verluste. Hingegen war die Beute groß. Die Produktion sank; dennoch stiegen die Bestände. Die Angaben über die Produktion für 1941 sind allerdings lückenhaft und besonders widersprüchlich. 192 186 BA Koblenz, R 3/1576, Daimler-Benz AG an RMfRuK, 2. 2. 1944 (Rationalisierungsbericht). 187 BA Koblenz, R 3/1548, Redeprot. i. Auszug aus d. Bericht der Panzerkommission v. 11. 1. 1944. 188 In der Statistik werden diese leichtgepanzerten Fahrzeuge häufig nicht unter Panzerwagen geführt, sondern unter Kraftfahrzeugen, was die meisten statistischen Differenzen erklärt (s. ζ. B. The Effects, S. 163, Tab. 86, u. S. 278f., Tab. 104f.). 189 Gewichtsangaben nach Förster/Paulus, S. 209 ff. 190 Weyres-v. Levetzow, S. 142. 191 Hierunter sind in der diesbezüglichen Rüstungsstatistik zu verstehen: LKW, PKW, Krafträder, Zugkraftwagen u. a. ungepanzerte (Halb-)Kettenfahrzeuge. 192 Die Angaben über LKW für 1941 differieren um fast 40 Prozent zwischen 62400 (Bleyer, Rüstungsbericht; The Effects, S. 175; Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 24) und 23*

Rationalisierung und Kriegsproduktion

338 Tabelle 57 Produktion von Kraftfahrzeugen 1939—1944 Jahr

LKW" (Stck.)

davon für Wehrmacht (Prozent)

PKW (Stck.)

davon für Wehrmacht (Prozent)

1939 1940 1941 1942 1943 1944

101745 87888 86147 80512 92959 77177

32 61 59 72 80 87

250788 67561 35165 27895 34478 21656

8 42 77 87 95 97

* Offensichtlich incl. „Maultier" 3 t (ab 1942) und 4,5 t (ab 1943) ; vgl. Bleyer, Rüstungsbericht, S. 363 Quelle: The Effects, S. 281, Tab. 108. Einigermaßen sicher ist, daß im J a h r e 1942, nach den außergewöhnlich hohen Verlusten im Herbst 1941 und im Winter 1941/42, die Kraftfahrzeugproduktion allgemein und vor allem auch die LKW-Produktion zu steigen begann. Der Zuwachs an LKW-Produktion kam jedoch gänzlich aus Werken in den faschistisch besetzten Gebieten (ζ. B . Renault und Ford in Frankreich), die bereits 1942 drei Achtel der Gesamtproduktion lieferten. 1 9 3 Die Inlandproduktion ging sogar zurück. Während die Wehrmacht 1942 im allgemeinen noch ausreichend mit Fahrzeugen versorgt war und ihre Vorräte noch auffüllen konnte — auch auf Rechnung des wesentlich höheren Wehrmachtantcils an der Produktion —, führten die horrenden Verluste bei Stalingrad eine Wende herbei. Mit einem Schlag gingen rund 50000 L K W verloren; die PKW-Verluste beliefen sich auf mehr als die Jahresproduktion 1942, die Verluste an Zugkraftwagen überschritten die halbe Jahresproduktion. Das daraufhin bedeutend erhöhte Produktionsprogramm für L K W wurde jedoch nur zu rund 80 Prozent, dasjenige für Zugkraft wagen zu 85 Prozent erfüllt. Der fortschreitende Aderlaß der Kraftfahrzeugindustrie an Produkt ionsknpazitäten zugunsten anderer Sektoren der Rüstung, besonders der Panzerproduktion, die kurze Decke an gelernten Arbeitskräften, Werkzeugmaschinen und Rohstoffen hinterließen Wirkung. Dennoch war das J a h r 1943 das J a h r der insgesamt größten Produktionssteigerung bei Kraftfahrzeugen. Besonders hohe Ausstoßzahlen erreichten schwere Zugkraftwagen und Spezialfahrzeuge für die deutsch-sowjetische Front. 80 147 ( The Effects, S. 281, Tab. 108). Die Zahlendifferenzen für die folgenden Jahre erklären sich fast restlos aus Hinzurechnung oder Ausklammerung der Produktion des „Raupenschleppers Ost" (seit 1942) und der ungepanzerten S F L „Maultier" (Werferträger mit 3 t (seit 1942) und 4,5 t (seit 1943) zur bzw. aus der LKW-Produktion. In Tabelle 57 werden die Zahlen der langen Reihe aus The Effects, S. 281, Tab. 108, verwendet (Zahlen aus dem HA Kraftfahrzeuge). 193 The Effects, S. 175; hiernach auch das Folgende.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

339

Tabelle 58 Produktion von ausgewählten Kraftfahrzeugtypen 1940—1944 (in Stck.)

1940 1941 1942 1943 1944

1940 1941 1942 1943 1944

Krafträder

KettenKrad

LKW 3 t

?

?

? 37700 33080

420 985 2450 4490

? 43800 51804 49472 38053

Maultier (Werferträger) 3 t

_

-





1635 13000 7310

1452 14012 11921

Zugkraftwagen (ungepanzert) 11 und 3 t 8 t 18 t

AckerSchlepper

3824 4741 4440 4857 2181

?

996 1320 1392 3251 3298

240 240 384 643 834

Raupenschlepper Ost

? o 14860 10880

Quelle: Bleyer, Rüstungsbericht; Schnellberichte (Krafträder und Ackerschlepper). Flugzeuge Die Zahlen ü b e r die deutsche Flugzeugproduktion differieren in den verschiedenen Quellen 1 9 4 n i c h t unerheblich. Die Gesamtausstoßzahlen gehen allerdings n u r selten u m m e h r als fünf P r o z e n t auseinander. Doch die Klassifikation der Flugzeuge w a r je n a c h der erfassenden Stelle ( L u f t f a h r t m i n i s t c r i u m / O b c r b e f e h l s h a b e r der L u f t w a f f e ; Rüstungsministerium bzw. J ä g e r s t a b ; U n i t e d States Strategie Bombing Survey) so unterschiedlich, d a ß beispielsweise die Zahlen der Bomber, aber auch der J ä g e r in den Statistiken stark voneinander abweichen. 1 9 5 In den folgenden Tabellen werden aus statistischen Gründen die veri rauenswürdigen u n d ausführlichen Zahlen des USSBS-Abschlußberichts in zwei verschiedenen Klassifikationen b e n u t z t . Fest steht, d a ß es sich in allen angegebenen Quellen um produzierte Flugzeuge handelte, von denen nach der statistischen E r f a s s u n g ein b e s t i m m t e r , m i t Kriegsdauer wahrscheinlich zunehmender, a b e r schwer feststellbarer P r o z e n t s a t z wegen bei der A b n a h m e festgestellter Mängel, wegen Schäden oder Vernichtung während der Ü b e r f ü h r u n g v o m Produktions- zum A b n a h m e - bzw. E i n s a t z o r t seinem Bestimmungszweck n i c h t z u g e f ü h r t wurde. 1 9 6 194 Vor allem Bleyer, Rüstungsbericht·, „Produktionszahlen"; The Effects u. a. Reports des USSRS; Groehler, Geschichte des Luftkriegs; Wagenführ. 195 Siehe z. B. die Gegenüberstellung in The Effects, S. 149. 196 So stellte beispielsweise Milch am 17. 12. 1943 fest (ZP-P, 51. Sitzung) : „Der Ausstoß von 2352 Flugzeugen (Oktober 1943 — D. E.) ist kein echter Ausstoß. Es haben fix und fertig soundsoviel hundert Flugzeuge mehr dagestanden als in einem normalen Monat wegen der Wetterlage ... daß 200 bis 300 Flugzeuge mehr gestanden haben, die nicht abgeliefert sind. Nun kommt eine größere Zahl von Flugzeugen dazu, bei denen alles von der Zelle ab fertig ist und bloß die Schraube fehlt oder ein Kondensator oder ein anderes Instrument, das über Bombenschäden kaputtgegangen ist. Unsere Plätze sind vollgestopft mit Flugzeugen."

Rationalisierung und Kriegsproduktion

340 Tabelle 59 Produktion von Flugzeugen 1939—1944

Kriegsflugzeuge insgesamt darunter Stck. Prozent Jlil. Zu- Jäger Prozent Jhl. Zu- Bomber Prozent Jhl. Zu1939=100 wachs Stck. 1939 = 100 wachs Stck. 1939 = 100 wachs 1939 1940 1941 1942 1943 1944

8295 10826 11776 15556 25527 39807

100 131 142 188 308 480

31 9 32 64 56

1856 3106 3732 5213 11738 28926

100 167 201 281 632 1559

2877 3997 4350 6539 8589 6468

67 20 40 125 146

100 139 151 227 299 225

_ 39 9 50 31 -25

Quelle: The Effects, S. 277, Tab. 102.

Die Verschiebung in der Flugzeugproduktion zugunsten der Jagdflugzeuge seit Anfang 1943 hatte Einfluß auf das durchschnittliche Gewicht je Flugzeug (Zellengewicht), das von seinem Höhepunkt im Jahre 1942 (6,16 Tonnen) auf 5,55 Tonnen im Jahre 1943 und auf 4,39 Tonnen im Jahre 1944 sank. 197 Insgesamt rechnete man für ein Jagdflugzeug mit einem Aufwand an Arbeitsstunden von nur einem Sechstel bis einem Achtel gegenüber dem für einen schweren Bomber. 1 9 8 Allerdings schwankten die faschistischen Luftkriegsstrategen und Luftrüstungsplaner in der Frage der Priorität für die Jägerproduktion, wie an der Statistik im Detail abzulesen, bis weit in das Jahr 1944 hinein. 199 Einen differenzierteren Einblick in die Verschiebungen zwischen den einzelnen Flugzeuggattungen geben Zahlen, die nach der Klassifikation des Reichsluftfahrtministeriums (Technisches Amt) zusammengestellt wurden. Tabelle 60 Produktion von Flugzeugen 1941—1944

1941 1942 1943 1944

(Monatsdurchschnitte)

Flugzeuge insgesamt

Verteidigungsflugzeuge (Tagjäger, Nachtjäger, Zerstörer)

Angriffsflugzeuge (Kampfflugzeuge, Fernerkunder)

Taktisch eingesetzte Flugzeuge (Nahaufklärer, Schlachtflugzeuge, Seeflugzeuge)

952 1274 2091 3328

308 455 891 2152

291 409 459 300

105 156 354 527

Quelle: Schnellberichte R E F ; The Effects, S. 149, Tab. 84 (geringfügige Abweichungen). 197 The Effects, S. 276, Tab. 101. 198 Wagenfuhr, S. 75 f. 199 Siehe Groehler, Geschichte des Luftkriegs, S. 388ff. ; s. a. die monatl. Ausstoßzahlen 1943 in The Effects, S. 156, Tab. 85.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

341

Die bedeutsame Veränderung in der Luftwaffenrüstung, die sich hiermit anbahnte, wurde durch die Entwicklung der Luftkriegslage an den Fronten, besonders an der deutschsowjetischen, vor allem aber auch über Deutschland selbst erzwungen. Seit Frühjahr 1943 vervielfachten die westlichen Alliierten ihre Angriffe aus der Luft. Tabelle 61 Angriffsziele der angloamerikanischen Jahr bzw. Quartal

1941 1942 1943 1/43 11/43

m/43 IV/43

Flächenziele (u. a. Wohngebiete) 13131 35420

Bomber und abgeworfene Bombenlast 1941—1943

Flugzeugproduktion





4 1392 1880 969

15039 36243 39200 28964

Kugellagerindustrie

— —

294 1119

(int)

Transportwesen

Verschiedene Ziele

Insgesamt

7123 701

13407 9651

1199 1291 1916 6138

11678 7076 16491 15515

33662 45773 187050 27920 46377 60018 52734

Quelle: The Effects, S. 2 f .

Als sich die deutsche Luftabwehr gegen die in großer Höhe fliegenden Bomber als relativ wirkungslos erwies, standen die Faschisten vor der Notwendigkeit, ihre Luftkriegs- und Luftrüstungsstrategie zu ändern. Im Juli 1943 forderte die Zentrale Planung bereits „lapidare Entscheidungen" angesichts der von Speer als Schlüsselproblem betrachteten Frage: „Können wir mehr Jäger, mehr Zerstörer usw. bauen, und was legen wir dafür still?" Der Rüstungsminister erklärte sogar, er sei „der Meinung, daß wir unter Umständen mit weniger Panzern auskommen, dafür aber mehr Flugzeuge brauchen". 200 Auch Generalfeldmarschall Milch, Chef der Luftwaffenrüstung, betonte, „daß wir noch viel mehr Tabelle 62 Die meistgebauten deutschen Kriegsflugzeuge 1939—1945 (in Me 109

Ju 88

1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945

449 1719 2764 2673 6388 14765 3140

69 2538 3348 3661 3654 3286 355

Summe

31887*

16911

FW 190

Stck.)

Me 110

He 111

Ju 87

Ju 52

Fi 156 (Storch)

68 1474 5001 1104

156 1158 974 659 1730 1525 45

452 758 950 1357 1405 756

143 603 500 960 1672 1012

145 388 502 503 887 379

-

-

46 170 431 607 874 410 11

7647

6257

— — —

5678 (6478)**

4890

-

2804

2549

* Summenfehler in der Quelle.** Mit den vor dem 1. 9. 1939 gebauten Maschinen Quelle: Ploetz, Geschichte des Zweiten Weltkrieges, 2. Aufl., Würzburg 1960, 2. Teil, S. 128. 200 ZP-P, 29. 7. 1943, 44. Sitzung.

342

Rationalisierung und Kriegsproduktion

Jäger haben müssen". 201 Im Luftwaffengeneralstab und in der obersten faschistischen Führungsspitze setzte sich allerdings der Gedanke an eine vorwiegend defensive Luftkriegsstrategie allgemein erst ein gutes halbes Jahr später durch.

Kriegsschiffe

Während 1941 noch ein großes Kriegsschiff (Schlachtschiff „Tirpitz") neu in Dienst gestellt wurde, erfolgte 1942/43 der Baustopp für alle weiteren Neu- und Umbauten von Großkampfschiffen. Der Kriegsschiffbau stand von nun an gänzlich im Zeichen der U-Boot-Rüstung. Doch auch das U-Boot als einzige der Kriegsmarine verbliebene offensive Waffe von Belang wurde seit dem Frühjahr 1943 mehr und mehr ausgeschaltet. Gingen 1941 im Vergleich zum U-Boot-Neubau 16 Prozent und 1942 38 Prozent der Boote verloren, so waren die Bootsverluste seitdem infolge der überlegenen U-Boot-Abwehr der Alliierten so hoch, daß von Mai bis Dezember 1943 von 204 neu in Dienst gestellten Booten 183 als Verlust registriert wurden (90 Prozent). 202 Tabelle 63 Bau von Kriegsschiffen

1940—1944

Unterseeboote Zerstörer Stck. WasserDurchschn. verdräng. Tonnage (1000 t) je Boot (Stck.) 1940 1941 1942 1943 1944

50 219 222 292 283

? 162 193 221 234

?

?

738 869 757 825

5 3 6 o

Torpedoboote (Stck.) ? 6 6 6 6

Minensuchboote u. Torpedofangboote (Stck.) ? ? 36 66 32

Schnellboote (Stck.) ? 36 36 41 63

Quelle: DZW, Bd. 4, S. 110 (U-Boot-Bau); abweichende Zahlen: Schnellberichte R E F ; Bleyer, Rüstungsbericht (U-Boot-Tonnage) ; „Ausstoß-Übersicht" (übriger Schiffbau) ; abweichende Zahlen: Schnellberichte REF.

Munition

Nach einem relativ kräftigen „Spurt" 2 0 3 in der Munitionsproduktion von April bis Juli 1940, der wohl weniger der Tätigkeit des neuernannten Reichsministers für Bewaffnung und Munition als vielmehr der längerfristigen Angriffsplanung gegen Westeuropa zuzuschreiben war, sank die Produktion wieder, besonders nachdem die Programme für „Barbarossa" erfüllt und übererfüllt und alle Lager und Depots mit Munition vollgestopft waren. 201 Prot. d. GL-Besprechung am 27. 7. 1943, zit. nach Janssen, S. 180. 202 DZW, Bd. 4, S. 110. 203 The Effects, S. 179.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion Tabelle 64 Munitionserzeugung Munition insgesamt GQu •Tonnen

1940 1941 1942 1943 1944

865000 540000* 1270000 2558000 3350000

343

1940—1944

Prozent Jhl. 1940 Zu= 100 wachs

100 62 147 296 387

_ - 38 + 135 + 101 + 31

darunter (1000 Schuß) Gewehr-, Sonstige Pistolen-, InfanterieMG- u. MP- munition Munition 2952520 1343720 1340320 3174800 5375440

29424 19736 40014 118444 170629

1. Flak- u. ArtillerieBordwaffen- munition munition von 7,5 cm an aufwärts ca. 75000 77366 129767 196332 262687

27000 27075 56800 92950 107900

* Ploetz, S. 126, gibt 740000 an; beide Zahlen sind unsicher Quelle: Bleyer, Rüstungsbericht (überprüft nach Produktionszahlen). Von Beginn des Krieges gegen die U d S S R a n h a t t e die W e h r m a c h t einen ganz u n e r w a r t e t hohen Munitionsverbrauch, so d a ß die B e s t ä n d e rasch sanken. Der Verbrauch an Munition f ü r die 10,5-cm-Feldhaubitze beispielsweise b e t r u g 1941 das 50fache der Produktion. 2 0 4 Die Heeresleitung geriet E n d e 1941 förmlich in P a n i k u n d sandte verzweifelte Fernschreiben an die Rüstungsinspektionen m i t Forderungen „auf höchsten Ausstoß" an Munition, besonders an Artilleriemunition. 2 0 5 N a c h d e m die Krise des Winters ü b e r s t a n d e n war, legten Munitionsministerium u n d H e e r e s w a f f e n a m t ein neues Munitionsprogramm fest, 2 0 6 das H i t l e r am 15. April 1942 gemeinsam m i t d e m neuen W a f f e n p r o g r a m m (14. April) bestätigte. 2 0 7 E s b e s t a n d aus einem „ S o f o r t p r o g r a m m " , das bis März 1943 erfüllt sein sollte, u n d einem „Erweiterungsp r o g r a m m " , dessen F o r d e r u n g e n bis E n d e 1944, zum Teil bis Mitte 1945 reichten. 2 0 8 Hierin w a r bereits eine k ü n f t i g e Munitionserzeugung in der U k r a i n e ( „ I w a n - P r o g r a m m " ) m i t e x o r b i t a n t e n Produktionszahlen eingeplant. Ungeachtet der enormen Anforderungen, die das P r o g r a m m an die Industrie stellte, wurden seine Positionen überwiegend erfüllt. Allerdings blieben einige der wichtigsten Munitionsarten erheblich h i n t e r dem Planziel zurück. (Tabelle 65) In A n b e t r a c h t des relativ niedrigen Standes von 1941 wies die Munitionserzeugung im J a h r e 1942 insgesamt u n d in vielen Munitionsarten die größte Steigerungsrate während des ganzen Krieges auf. Das Drei- u n d Mehrfache der Vorjahresproduktion w u r d e jeweils erzielt bei Munition f ü r P a n z e r a b w e h r - u n d Kampfwagengeschütze sowie f ü r die übrige 204 Ebenda, S. 188. 205 Ζ StA Potsdam, FS, Film 3398, FS OKI! (Chef HRüst/BdE) an Rüln, 30. 12. 1941, u. a. Stücke. Siehe S. 43 f. 206 Siehe FB, 21./22. 3. 1942, Punkt 3ff. 207 Weyres-v. Levetzow, S. 78ff.; hiernach auch das Folgende. Siehe auch FB, 4. 4. 1942, Punkt 9ff.; FB, 28./29. 6. 1942, Punkt 23ff. 208 In einem Fall waren die Planzahlen sogar bis zum 2. Quartal 1946 fortgeschriehen (10-cmKanone 18).

Rationalisierung und Kriegsproduktion

344

Tabelle 65 Das „Führer-Munitionsprogramm," von 1942 und seine Erfüllung (Auswahl; bzw. Monatsproduktion in 1000 Schuß) Munitionsart

Produktion im Jahre 1941

Programmziel

Zielzeitraum

Infanteriepatronen

76000

350000

?

1. Gr.W. 36 s. Gr.W. 34 7,5 cm Pak 40 7,5 cm K W K u. StuG. Kan. 1. I.G. 18 s. I.G. 33 1. F.H. s. F.H. 10 cm Kanone 18 8,8 cm Flak 10,5 cm Flak

120 135 73 81 35 296 221

150 1500 450 550 800* 150 3000 1000

25

500

996

2000

52

150

-

Monatsdurchschnitt

Tatsächliche Produktion

298400 (Dezember 1943) Ziel erreicht Mai 1944 226 (November 1942) Ende 1943 1775 (Dezember 1943) Mitte 1943 260 (Juni/Juli 1943) Ende 1943 600 (Dezember 1943) April 1943 1055 (April 1943) Februar 1943 182 (Februar 1943) Anfang 1944 3452 (Januar 1944) Ende 1944 617 (Dezember 1943) (Ziel nie erreicht) ? 150 (Dezember 1943) (Ziel nie erreicht) ? 1136 (Dezember 1943) (Ziel nie erreicht) ? 201 (September 1943)

' Forderung auf 1000 erhöht (Nov. 1942) Quelle: Wey res-ν. Levetzow, S. 82. Tabelle 66 Produktion von Artilleriemunition (von 7,5 cm an aufwärts) 1940—1944 (in 1000 Schuß)

1940 1941 1942 1943 1944

Insgesamt

davon für Pak u. KWK

27000 27075 56800 92950 107900

1738 875 5250 18000 19400

Sonst. Artiii. (ohne Flak)

Flak

Nebelwerfer

20290 9400 32500 56000 67600

3664 15400 16700 16600 18400

1308 1400 2350 2350 2500

Quelle: Bleyer, Rüstungsbericht. Artillerie (ohne Flak), ferner bei Granatwerfermunition, bei Minen und bestimmten Arten von Flugzeugbordwaffenmunition. Die Erzeugung von Infanteriemunition blieb dagegen noch unter dem Vorjahresstand. (Tabelle 66) Insgesamt war das Heer 1942 hinreichend mit Munition versorgt, wenn es auch von der Hand in den Mund lebte, d. h., die Produktion ersetzte etwa den V e r b r a u c h . V o n 1943 an 209 The Effects, S. 181 u. S. 188.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

345

Tabelle 67 Produktion ausgewählter Munitionsarten 1942/1943 (in 1000 Schuß) Munitionsart

1942

1943

Zuwachs in Prozent

Infanteriemunition (Karabiner, MG, MP) Handgranaten S- und T-Minen 8 cm Gr.W. 36 7,5 cm Pak 40 7,5 cm KWK 1. I.G. 18 s. I.G. 33 17 cm Kanone 12,8 cm Flak

793000 18294 3612 6790 1295 1812 4145 606 74 44

2453000 59281 18816 16151 4176 7916 9448 2236 212 548

209 224 421 138 223 337 128 269 186 1145

Quelle: Bleyer, Rüstungsbericht; Schnellberichte REF; „Ausstoß-Übersicht" (1. I.G. 18).

überstieg der Verbrauch bei fast allen Waffenarten ständig die Produktion, obwohl der Ausstoß neue Dimensionen erreichte. Anfang 1944 waren die Munitionsbestände, vorsichtig ausgedrückt, „alles andere als ausreichend". 210 Die Produktion von Heeresmunition stieg seit 1942 unvergleichlich schneller als diejenige für Luftwaffe und Kriegsmarine, und zwar von 1941 bis 1943 auf weit mehr als das Fünffache, während beispielsweise die Produktion von Abwurfmunition (Bomben) 1942 zwar um 17 Prozent stieg, 1943 aber noch unter den alten Stand zurückfiel. 211 Die prozentuale Verteilung der Munitionsproduktion auf Heer, Luftwaffe, Marine und Flak deutet klar auf den Vorrang der deutsch-sowjetischen Front hin.

Tabelle 68 Munitionserzeugung für Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine und Flak 1939—1944 ( in Prozent der Gesamterzeugung) Jahr bzw. Quartal 1939/IV. Quartal 1940* 1941 1942 1943 1944*

Heer

Luftwaffe

61 52 30 46 65 68

17 28 32 25 14 11

* Summenfehler infolge von Rundungen Quelle: The Effects, S. 284, Tab. 113. 210 Ebenda, S. 188. 211 Ebenda, S. 286, Tab. 115.

Kriegsmarine 10 8 10 8 4 4

Flak 12 13 28 21 17 18

346

Rationalisierung und Kriegsproduktion

„ Wunderwaffen " Entwicklung und Produktion der sogenannten Wunderwaffen, neuartiger Konstruktionen von Vernichtungswaffen, wurden seit 1943 mit verstärktem Tempo betrieben. 2 1 2 Die wichtigsten Entwicklungen dieser Art, die vor Kriegsende noch in die Serienproduktion gingen und — in beschränktem Umfang — an der Front eingesetzt wurden, waren die Flügelbombe mit Raketenantrieb V 1 (Fi-103, „ Kirschkern") und die Mittelstreckenrakete V 2 (A 4). Von keiner dieser „Wunder-" oder „Vergeltungswaffen" wurden im J a h r e 1943 schon nennenswerte Stückzahlen produziert, kein E x e m p l a r gelangte an die Front. Aber unter dem Eindruck der Niederlagen an der Wolga und bei Kursk erhielten diese Waffen die höchste Dringlichkeitsstufe der Kriegswirtschaft, und ihre Serienfabrikation wurde fieberhaft vorbereitet. Große Mengen an Maschinen, an Rohstoffen (Edelstahle, Aluminium) und an elektrischer Ausrüstung für die Produktion der Flugkörper wurden anderen Programmen entzogen. Den „Werkzeugmaschinenbedarf für das Gerät A 4 " beispielsweise bezifferte der Sonderausschuß A 4 bereits am 24. J u n i 1943 auf 800 Maschinen, darunter 328 „schwer zu beschaffende Maschinen". 2 1 3 Als der Luftangriff vom 18. August 1943 auf die Heeresversuchsanstalt Peenemünde die Produktion der V 2 um viele Monate zu verzögern drohte, waren die Verantwortlichen gezwungen, als Ausweichlösung riesige unterirdische Produktionsanlagen vorzubereiten. Hierzu versicherten sich Rüstungsminister und Monopole der Hilfe der S S bei der rücksichtslosen „Einschaltung" vieler Tausender von KZ-Häftlingen. In dem Wunsch, wenn schon nicht quantitativ, so doch qualitativ in der Rüstungsproduktion wieder Überlegenheit zu erlangen, setzten auch die Verantwortlichen der Luft- und Marinerüstung auf neue Waffensysteme. Die Luftwaffe entwickelte — außer der V 1 — Flugzeuge mit Strahlantrieb, von denen der J ä g e r Me 262 noch vor Kriegsende in die Serienproduktion ging, die Marine U-Boote mit von Luftsauerstoff unabhängigem Turbinenantrieb (Walter-U-Boot) und „Elektroboote" mit Batterien höchster Leistung für Ferneinsatz und permanente Unterwasserfahrt, darunter ein Großboot mit 1621 Tonnen (getaucht 1819 Tonnen) Wasserverdrängung (Typ X X I ) . Zum bewaffneten Einsatz kamen nur wenige Boote in den letzten Kriegswochen. 2 1 4 All diese Waffen und zahlreiche andere Projekte wurden 1943 und später von den verschiedensten Wehrmacht- und behördlichen Stellen ohne Koordinierung konzipiert und entwickelt. „Koordinationspläne scheiterten schon seit 1943 einfach daran, daß niemand vorauszusagen wußte, welche Kampfmittel zu welchem Zeitpunkt einsatzfähig sein und welcherart (bzw. wieviel — D. E.) Treibstoff sie benötigen w ü r d e n . " 2 1 5 Die wissenschaftliehe und technische Entwicklung der Atombombe hielten die zentralen Rüstungsdienststellen für zu langwierig und zu unsicher, als daß sie sie auf ähnliche Weise förderten wie die V-Waffen. Immerhin beschäftigten sich schon vor „ B a r b a r o s s a " wissen212 F a k t e n über die E n t w i c k l u n g der „ W u n d e r w a f f e n " bei Ludwig, T e c h n i k , S . 444 f f . ; ferner Irving, David, G e h e i m w a f f e n ; Lusar, Rudolf, Die d e u t s c h e n W a f f e n u n d G e h e i m w a f f e n des Z w e i t e n Weltkrieges u n d ihre Weiterentwicklung, 5. Aufl. München 1964. Siehe a u c h S . 154 f. 213 B A K o b l e n z , R 13 I I I / 6 9 , A u f s t e l l u n g des S A 4, S t a n d 24. 6. 1943. 214 Siehe die A n g a b e n in Geschichte des zweiten Weltkrieges 1939—1945, B d . 1 0 : Die e n d g ü l t i g e Z e r s c h l a g u n g des faschistischen D e u t s c h l a n d , B e r l i n 1982, S . 324 f. ; ferner DZW, Bd.4, S . 107. 215 Ludwig,

Technik, S . 460.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

347

schaftliche Institute, etwa der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und des Reichspostministeriums damit. Beispielsweise führten sie „Versuche zur Gewinnung neuer Energiequellen durch Atomzertrümmerung" durch und beantragten beim Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt des OKW eine höhere Dringlichkeitsstufe für den Bau entsprechender Apparate durch den österreichischen Elektrokonzern Elin AG mit dem Hinweis „auf die Bedeutung der Atomzertrümmerung für die Herstellung von Bomben mit ungeheurer Sprengwirkung"^ Die deutschen Machthaber waren also von den mit der Materie Vertrauten durchaus über die grauenvollen Möglichkeiten der Atombombe informiert. 217 Einer der Propagandisten der Bombe war Goebbels, der sich bereits im März 1942 ausführlich Vortrag halten ließ : „Die Forschungen auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung sind so weit gediehen, daß ihre Ergebnisse unter Umständen noch für die Führung dieses Krieges in Anspruch genommen werden können. Es ergäben sich hier bei kleinstem Einsatz derart immense Zerstörungswirkungen, daß man mit einigem Grauen dem Verlauf des Krieges, wenn er noch länger dauert, und einem späteren Kriege entgegenschauen kann. ... Die deutsche Wissenschaft ist hier auf der Höhe, und es ist auch notwendig, daß wir auf diesem Gebiet die Ersten sind; denn wer eine revolutionäre Neuerung in diesen Krieg hineinbringt, der hat eine um so größere Chance, ihn zu gewinnen." 218 Die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf diesem Gebiet wurden schließlich angesichts der Niederlagen des Jahres 1943 beschleunigt, die dafür aufgewendeten Mittel erhöht. „Die größten Summen, die für die Uranforschung ausgeworfen wurden, gingen an die deutsche Industrie — die Auergesellschaft und die Degussa für Uran, die I.G. Farben für eine Schwerwasseranlage, die Firmen Hellige und Anschütz für die Prototypen der Ultrazentrifugc." 2 1 9 Doch der tatsächliche Rückstand in der experimentellen und Anwendungsforschung, die Konkurrenz der verschiedenen Dienststellen und Forschungsgremien und die erfolgreiche Aufklärungs- und Störungstätigkeit der internationalen Widerstandsbewegung verhinderten es, daß diese furchtbare Waffe in die Hände der deutschen Imperialisten geriet. Später, vor dem Nürnberger Gericht, kommentierte Speer diesen Tatbestand zynisch: „Wir waren leider nicht so weit .,." 2 2 0 Vor der Anwendung von Giftgas, auch von neuentwickelten Gasen furchtbarster Wirkung, die der IG-Farben-Konzern produzierte, schreckten die Faschisten zurück, weil sie wußten, daß ihre Gegner darauf vorbereitet waren und allein schon auf Grund ihrer Luftüberlegenheit fürchterliche Vergeltung hätten üben können. 221 Bedeutende Leistungen deutscher Erfinder, Konstrukteure und Ingenicure, die auf der internationalen Grundlagenforschung der zwanziger und dreißiger Jahre aufbauten, wurden derart zur Produktion von schrecklichen Vernichtungswaffen mißbraucht. Die 2 1 6 ZStA Potsdam, FS, Film 8273, K T B WiRüAmt/Stab, Eintr. v . 5. 5. 1941 üb. Besprechung mit Maj. Grube (WNV) und Dr. Gladenbeck (RPostM). 217 Siehe Irving, David, Der Traum von der deutschen Atombombe, Gütersloh, 1967, S. 1 0 9 f f . Irving erwähnt zahlreiche diesbezügliche Besprechungen zwischen Vertretern von Wissenschaft, Politik und Wirtschaft (unter Teilnahme von Göring, Speer, Vogler, des Reiclisforschungsrats, des H W A usw.). Siehe auch Ludwig, Technik, S. 240, S. 242f. 2 1 8 ZStA Potsdam, FS, Film 10804, Goebbels-TB, Eintr. v. 21. 3. 1942. 2 1 9 Irving, Der Traum von der deutschen Atombombe, S. 238; s. a. S. 240 Anm. 220 IMG, Bd. 16, S. 579, Vernehmung Speers am 21. 6. 1946. 2 2 1 Groehler, Der lautlose Tod, S. 204 ff. Über Produktionsplanung, Hauptproduktionsstätten und Produktion von Giftgas ebenda, S. 154ff., S. 3 0 1 und passim.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

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herrschenden Kreise hofften selbst auf die erträumte außergewöhnliche, sowohl vernichtende als auch abschreckende Wirkung dieser Waffen ; zugleich sollte die offiziell gesteuerte Flüsterpropaganda darüber den „Durchhaltewillen" der Bevölkerung stärken und sie weiterhin, bis zum „ E n d s i e g " , in ihrer Botmäßigkeit halten.

c) „Sonderfragen der chemischen

Erzeugung"

Seit 1938 war der Vierjahresplan ein Investitions- und Produktionsprogramm der unmittelbaren Kriegsvorbereitung. 2 2 2 In seinen Schwerpunkten konzentrierte er sich scharf auf wenige Produkte, die unerläßlich für die Kriegführung bzw. im direktesten Sinne Kriegsmittel waren: Mineralöl, synthetischer Kautschuk, Leichtmetalle, Pulver, Sprengstoff und chemische Kampfstoffe (Giftgas). Planung und Exekutive für diesen Teil des Plans übernahm ein besonderes, von Gering neugeschaffenes Amt, das des „Generalbevollmächtigten für Sonderfragen der chemischen Erzeugung". Die zahlreichen übrigen Programme des Vierjahresplanes wurden mitsamt den diversen d a f ü r ernannten Generalbevollmächtigten wieder in die traditionell zuständigen Fachbehörden eingegliedert (Reichswirtschaftsministerium u.a.). Der Vierjahresplan existierte wohl noch als mehr oder weniger geschlossenes Programm, jetzt in Gestalt des Wehrwirtschaftlichen Neuen Erzeugungsplans, aber nicht mehr als einheitliche Organisation. Damit wiederum war die einheitliche Durchführung des Plans von vornherein in F r a g e gestellt. Als a m 5. Dezember 1939 IG-Farben-Vorstandsmitglied Krauch (seit 1940 Aufsichtsratsvorsitzer) als G B Chemie zugleich zum Leiter des neugebildeten Reichsamts für Wirtschaftsausbau berufen wurde, 2 2 3 war eine „unmittelbare Verschmelzung des wichtigsten industriellen Bereichs des Vierjahresplans mit dem größten deutschen K o n z e r n " 2 2 4 eingetreten. Der G B Chemie und das Reichsamt für Wirtschaftsausbau als sein Exekutivapparat waren nunmehr die einzigen bedeutenden selbständigen Abkömmlinge der ehemaligen Vierjahresplanorganisation. Das wirtschaftspolitische Programm des G B Chemie und seine Machtfülle gingen allerdings schon 1939 weit über die der ursprünglichen Vierjahresplanorganisation hinaus. E s war de facto ein gesondertes Chemierüstungsministerium entstanden, ein „ R e i c h s a m t " tatsächlich im alten Sinne des Wortes, auf seinem breiten Produktionssektor jedenfalls von ungleich größerer Durchschlagskraft als das Kriegsamt des kaiserlichen Deutschlands. Das militärische und ökonomische Konzept, auf dem der Vierjahresplan beruhte, war die Blitzkriegsstrategie und die rasche Einrichtung eines im wesentlichen störungsfreien, faschistisch beherrschten europäischen „Großwirtschaftsraumes" für spätere Auseinandersetzungen mit den anderen imperialistischen Weltmächten. E s schien zunächst aufzugehen, scheiterte dann aber vollständig nach dem 22. J u n i 1941. D a m i t hing das wechselvolle Geschick des Vierjahresplans zusammen. Kriegsbedingtem Wandel waren sowohl die Institutionen selbst als auch ihre Produktions- und Investitionsprogramme, und hier wiederum verschiedene Programme in unterschiedlichem Ausmaß und Zeitmaß, unterworfen. 222 Band I, S. 16f., S. 4 5 f f . Hiernach auch das Folgende. Ferner Petzina, S . 116 ff. 223 Band I, S. 109. 224 Petzina, Autarkiepolitik, S . 123.

Autarkiepolitik,

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

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Allgemein hingen U m f a n g u n d T e m p o der Kapazitätserweiterungen von der Verfügung ü b e r Baustoffe, besonders B a u s t a h l , ü b e r Maschinen u n d A p p a r a t u r e n u n d ü b e r Arbeitsk r ä f t e a b ; diese wiederum hauptsächlich von der Dringlichkeit, die dem jeweiligen Prog r a m m offiziell zugesprochen war. Dringlichkeiten u n d Prioritäten aber wechselten je nach militärischer Lage u n d strategischer Situation. Charakteristisch war in den ersten beiden Kriegsjahren besonders die m e h r oder weniger gegenläufige E n t w i c k l u n g des Ausbaus der Treibstoff- u n d der Pulver- u n d Sprengstoffk a p a z i t ä t e n . Von S o m m e r 1940 an w u r d e das hohe T e m p o des Pulver- u n d Sprengstoffausbaus etappenweise gedrosselt, weil in den bisherigen Feldzügen wenig Munition verb r a u c h t u n d große Vorräte a n g e h ä u f t worden waren. F o r c i e r t w u r d e dagegen der f ü r kurze Zeit nach Kriegsausbruch verlangsamte Ausbau der K a p a z i t ä t e n f ü r synthetischen Treibstoff u n d insbesondere f ü r Flugzeugbenzin, der in der zweiten H ä l f t e 1941 u n t e r der Flagge des Göringprogramms seinen H ö h e p u n k t erlebte. 2 2 5 Als die Generalvollmacht des B e a u f t r a g t e n f ü r den Vierjahresplan im F r ü h j a h r 1942 de facto auf den GB R ü s t u n d auf die Zentrale P l a n u n g überging, s t a n d der GB Chemie eine kritische P h a s e durch. H ä t t e er sich n i c h t in das neue kriegswirtschaftliche Konzept eingeordnet, so wäre er diesem f r ü h e r oder später ohne Zweifel u n t e r g e o r d n e t worden, etwa in Gestalt eines „Hauptausschusses Chemie". 2 2 6 I m m e r h i n setzte Göring in den damaligen Verhandlungen den ihm verbliebenen Einfluß d a f ü r ein, die letzte starke Position des alten Vierjahresplanes zu wahren u n d R e i c h s a m t u n d GB Chemie als selbständige Dienststellen zu erhalten. „Als die Frage der Reorganisation der deutschen W i r t s c h a f t im J a h r e 1942 a u f k a m " , bezeugte später in N ü r n b e r g F r i t z t e r Meer, Mitglied des Vorstands u n d des allmächtigen Zentralausschusses des IG-Farben-Konzerns, „schlug H a n s Kehrl v o m Reichswirtschaftsministerium vor, d a ß ein Teil der chemischen Industrie u n t e r Krauchs Reichsamt in das Reichswirtschaftsministerium z u r ü c k g e f ü h r t werden sollte, u n d einige Vorschläge gingen sogar so weit, d a ß das ganze R e i c h s a m t aufgelöst werden sollte. J e d o c h wurde die Organisation K r a u c h als ausgezeichnet u n d leistungsfähig a n e r k a n n t , auch in der A u s f ü h r u n g wichtiger Aufgaben von weitreichender B e d e u t u n g . " 2 2 7 Speer r ä u m t e ein, d a ß K r a u c h als „sozusagen , r e i c h s u n m i t t e l b a r ' " galt. 2 2 8 E i n e wesentliche B e g r ü n d u n g f ü r die Notwendigkeit, sich m i t dem GB Chemie zu arrangieren, sah er in dem technischen u n d P r o d u k t i o n s m o n o p o l der IG F a r b e n . „ H e u t e sind wir", so d r ü c k t e er dies bei späterer Gelegenheit aus, „im chemischen F o r t s c h r i t t einzig u n d allein auf die Arbeit von I G - F a r b e n angewiesen." 2 2 9 Ohne Eingriffe in die P r o g r a m m e ging es freilich n i c h t ab. Sogleich nach seiner E r n e n n u n g z u m Minister setzte Speer eine Kürzung des B a u v o l u m e n s des G B Chemie f ü r 1942 durch, besonders bei langfristigen Mineralöl- u n d L e i c h t m e t a l l - B a u v o r h a b e n , allerdings auf der Basis eines zäh ausgehandelten Kompromisses. 2 3 0 D e r GB Chemie m u ß t e f o r t a n die Birkenfeld, Treibstoff, S. 164. Siehe auch S. 16 ff. Siehe S. 65. ZStA Potsdam, Fall VI, Film 412, Dok. NI-5184, Erkl. unter Eid von ter Meer v. 29. 4. 1947. Ebenda, Film 413, Dok. NI-5821, Zeugenvernehmung Speers v. 12. 3. 1947. Ebenda, Film 410, Dok. NI-4043, Speer an Himmler, 26. 7. 1944 (betraf das Projekt einer Fabrik für hochtoxische Giftgase in Falkenhagen; vgl. Groehler, Der lautlose Tod, S. 287 u. passim). 230 Wichtigste Belege s. ZStA Potsdam, FS, Film 8398, Memo Krauchs f. Göring betr. „Kürzung des Bauvolumens für die Zeit vom 1.4.-31. 12. 1942", v. 25. 3. 1942; AN WiRüAmt üb. Bespr. bei Göring am 2. 4. 1942, v. 9. 4. 1942; WNE-Fassungen v. 15. 3. und 10. 5. 1942; 225 226 227 228 229

350

Rationalisierung und Kriegsproduktion

Forderung an Stahl und Eisen für seine Bauvorhaben wie andere Kontingentträger an die Zentrale Planung herantragen. Einwände gegen die Entscheidung konnte er immerhin in einer Sondersitzung vorbringen; in solchen Fällen aber kam stets eine Einigung zustande. Auch im Herbst 1943, als die wesentlichen Vollmachten des Reichswirtschaftsministers auf den Rüstungsminister übergingen, blieb Krauchs Organisation unangetastet, obwohl sie 1939 formell dem Reichswirtschaftsministerium „nachgeordnet" worden war. Damals bot Speer nach seiner Aussage in Nürnberg Krauch die Leitung der Abteilung (Amtsgruppe?) Chemie im Rohstoffamt an, die Krauch aber ablehnte. Er zog verständlicherweise die weitaus unabhängigere und mächtigere Position vor, die er besaß, erklärte sich aber zu einer noch engeren und „reibungslosen" Zusammenarbeit bereit. 2 3 1 Im J a h r e 1943 zwangen die militärischen Realitäten die faschistischen Planer zu erneuten großen Investitionsaufwendungen für die Grundstofferzeugung des GB Chemie, vor allem für Treibstoff, Stickstoff, Nebelsäure und Buna. Die Zentrale Planung mußte Krauch daher ein faktisch ungekürztes Bauvolumen zugestehen: „Das gesamte Bauvolumen des GB Chem in Höhe von 750 Mio. RM (790 - 38 Einsparungen) wird um 100 Mio. gekürzt (vor allem beim Leichtmetallausbau Norwegen — D. E.); die Kürzung wird vom GB Chem selbst vorgenommen und beschleunigt nachgewiesen werden. Für die neuen Bauvorhaben erhält GB Chem zusätzlich 100 Mio. RM, so daß das Bauvolumen des GB Chem insgesamt für 1943 750 Mio. (beträgt)." 232 Die Position des GB Chemie im kriegswirtschaftlichen Regulierungsmechanismus nahm zwar an spezifischem Gewicht erheblich ab, und in seiner Entscheidungskompetenz war er stark beschnitten; „mit der Ernennung des Ministers Speer ging sein Einfluß zurück", sagte in Nürnberg Friedrich Jähne, Vorstandsmitglied der IG Farben industrie AG, durchaus treffend aus. 233 Jedoch an der vom GB Chemie regulierten Produktion bestand ein so dringender Bedarf für die unmittelbare Kriegführung, besonders an der deutschsowjetischen Front, aber auch für den an kritischer Bedeutung für die gesamte Kriegswirtschaft zunehmenden Luftkrieg, daß diese vom IG-Farben-Konzern kontrollierte Institution bis Kriegsende ein bedeutender Machtfaktor in der Kriegswirtschaft blieb. Stickstoff:

Pulver

und

Sprengstoff

Die Rohstoffbasis für Pulver und Sprengstoff war in erster Linie Stickstoff, der fast ausschließlich im Lande selbst produziert wurde. 1938/39 entstammten 73 Prozent des Stickstoffs der Haber-Bosch'schen Ammoniaksynthese, 13 Prozent wurden aus Karbid gewonnen, 14 Prozent als Nebenprodukt der Kokereien. 234 Die zwei größten Synthesewerke — Leuna und Ludwigshafen-Oppau, beides Betriebe des IG-Farben-Konzerns—erzeugten allein 50 Prozent, zusammen mit acht weiteren Werken 80 Prozent des Stickstoffs.

231 232 233 234

ebenda, Film 8630, AN W i R ü A m t betr. „Vorschlag für die Aufteilung des Bauvolumens auf die Wehrmachtsbedarfsträger durch den GB Bau", v . 21. 3. 1942, etc. Siehe auch Weyres-v. Levetzow, S. 83 f. Ζ StA Potsdam, Fall VI, Film 413, Dok. NI-5821, Zeugenvernehmung Speers v. 12. 3. 1947. ZP-E, 22. 4. 1943, 37. Sitzung. ZStA Potsdam, Fall VI, Film 4 1 1 , Dok. NI-5168, Erkl. unter Eid von Friedrich Jähne v. 29. 5. 1947. The Effects, S. 85. Hiernach auch das Folgende.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

351

Tabelle 69 Produktion (in 1000

von Stickstoff

1939-1944

tN)

Jahr

Erzeugung

1939 1940 1941 1942 1943 1944

1020 1008 1021 955 920 668

Quelle: The Effects, S. 86, Tab. 49; Schnellberichte (1944). Der Stickstoffbedarf der Wehrmacht für Pulver und Sprengstoffe war während des Krieges stets gesichert. Man verzichtete auch auf Importe aus den besetzten Ländern, beließ diesen den Stickstoff für die Herstellung von Düngemitteln, nahm ihnen aber dafür Lebensmittel und andere Agrarprodukte. 2 3 5 Die deutsche Landwirtschaft erhielt an Stickstoff in F o r m von Düngemitteln im Düngejahr 1943/44 (Juni—Mai) 36 Prozent weniger als im Durchschnitt der ersten drei Kriegsjahre, aber mit 55 Prozent des Verfügbaren doch noch eine recht beträchtliche Menge. Im J a h r e 1943 machten sich bereits Stromabschaltungen in der Stickstoffindustrie bemerkbar. 2 3 6 Die Pulver- und Sprengstoffprogramme des G B Chemie und des IG-Farben-Konzerns aus dem J a h r e 1938, besonders der sogenannte Schnellplan für Pulver, Spreng- und Kampfstoffe und chemische Vorprodukte in seiner zweiten Fassung vom 13. August 1938, 2 3 7 Tabelle 70 Verbrauch

von Stickstoff

(Düngejahr

Juni—Mai,

Jahr

1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

durch Wehrmacht in 10001

und Landwirtschaft

1938/39—1943/44

N)

Aufkommen (Produktion plus Import)

davon Wehrmacht

Landwirtschaft

982 1072 1005 1003 960 906·

35 47 84 108 165 235

745 841 789 739 632 501

* Schätzung Quelle:

The Effects,

S . 87, T a b . 52.

235 So Bütefisch in seiner Vernehmung am 2. 8. 1945 in Nürnberg; zit. in The Effects, S. 86. 236 Siehe ZP-P, 22. 11. 1943, 50. Sitzung: Auf dieser Sitzung wurde die Befürchtung geäußert, daß nach dem vorgelegten Abschaltplan die Stickstoffproduktion bis zu 35 Prozent Ausfall erleide und daß damit „Düngemittel gleich Null wird". 237 Band I, S. 45ff.; Petzina, Autarkiepolitik, S. 119, S. 124ff. 24

EichtaolU I I

352

Rationalisierung und Kriegsproduktion

bildeten die Grundlage für die unmittelbare Kriegsvorbereitung auf diesem Sektor und wurden imKrieg je nach militärischer und kriegswirtschaftlicher Situation fortgeschrieben bzw. revidiert.Die Rohstoffsituation legte diesen Plänen zwar keine Beschränkung auf, aber jede Mehrproduktion von Pulver und Sprengstoff als „Endprodukte komplizierter chemischer Synthesen" 2 3 8 erforderte aufwendige Investitionen. Ein umfänglicher und äußerst forcierter Ausbauplan sollte die deutsche Kapazität auf das Mehrfache der bisherigen bringen — bei Pulver von 5000 auf 18000 Tonnen monatlich, bei Sprengstoff von 5400 auf 18000Tonnen Edelsprengstoff bzw. auf 34000 „verschnittenen" Sprengstoff — eine Höhe, die nach Krauchs Vorstellungen vom kommenden Krieg ganz unzureichend war und „das Mindeste dessen darstellt, was erfolgen muß". 2 3 9 Nach dem „Wehrwirtschaftlichen Neuen Erzcugungsplan" vom 12. Juli 1938 waren diese Ziele bis 1941 zu erreichen. Der erwähnte Schnellplan stellte f ü r die wichtigsten Vorhaben schon um die Hälfte verkürzte Zieltermine. Der Pulver- und Sprengstoffverbrauch der Wehrmacht blieb bis 1941 weit hinter der Erzeugung zurück. Seit Mitte 1940 verlangsamte sich das Tempo der Kapazitätserweiterung gegenüber den ursprünglichen Plänen. Erst nach dem Überfall auf die UdSSR, besonders seit der Winterschlacht 1941/42, stieg der Verbrauch auf ein Mehrfaches und geriet in ein angespannteres Verhältnis zur Produktion. Seitdem rangierte das Pulver- und Sprengstoffprogramm stets in der höchsten Dringlichkeitsstufe. Die fieberhaften Planungen seit dem F r ü h j a h r 1942 240 gipfelten in einem Programm, das — im Einklang mit dem Munitionsprogramm — bis etwa Anfang 1944 annähernd eine Verdoppelung der Pulver- und der Sprengstofferzeugung vorsah. 2 4 1 Die vorgegebenen Ziffern wurden weitgehend erfüllt und sogar übererfüllt, 2 4 2 allerdings um den Preis gewaltiger Aufwendungen an Investitionsmitteln, Maschinerie, Baukapazität und Ausgangsstoffen wie Kohle. Bis Mitte 1944 litt die Munitionsindustrie keinen ernsthaften Mangel an Pulver und Sprengstoff. Tabelle 71 Produktion und Verbrauch von Pulver und Sprengstoff 1939—1944 (in 1000 t) Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944

Pulver Produktion

Sprengstoff Wehrmacht- Produktion verbrauch

?

5 26 53 91 160

75 112 148 238 258

?

Wehrmachtverbrauch

?

?

168 230 291 410 496

70 165 256

? ?

Quelle: The Effects, S. 87, Tab. 51; Schnellberichte (1944). 238 Eichholtz, Zum Anteil des IG-Farben-Konzerns ..., S. 96 (Arbeitsbericht des GB Chemie vor dem Generalrat des Vierjahresplans, Fassg. v. 21./22. 4. 1939). 239 Ebenda, S. 97. 240 Siehe FB, 4. 4. 1942, Punkt 16. 241 FB, 28./29. 6. 1942, Punkt 38ff. Ferner FB, 23.-25. 7. 1942, Punkt 24f. (betr. Erhöhung des Plans, Aufwendungen usw.); FB, 10.-12. 8. 1942, Punkt 35 (Abschluß der Planung). Siehe auch Weyres-v. Levetzow, S. 84 ff. 242 Weyres-v. Levetzow, S. 88 (Tabelle).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

353

Treibstoff Das faschistische Deutschland, vor d e m Krieg selbst ohne erhebliche eigene Erdölförderung u n d zu etwa 70 P r o z e n t auf den I m p o r t , f a s t ausschließlich aus Amerika, angewiesen, 2 4 3 w a r dennoch bis zum F r ü h j a h r 1944 f ü r die Kriegführung, wenn auch „auf einer Von-derHand-in-den-Mund-Basis" 2 4 4 u n d abgesehen von zeitweiligen u n d punktuellen Krisen, im allgemeinen hinreichend m i t Treibstoff versorgt. Diese wichtige Tatsache ist mehreren Gründen zuzuschreiben, d a r u n t e r der anfänglichen B e v o r r a t u n g f ü r den Krieg, der rücksichtslosen Aneignung der großen in W e s t e u r o p a erbeuteten Vorräte, der jahrelang erheblichen E i n f u h r e n aus R u m ä n i e n u n d auch der r a u b b a u a r t i g e n A u s b e u t u n g der eigenen u n d der bedeutenderen österreichischen E r d ö l v o r k o m m e n . In erster Linie a b e r w a r sie der Vierjahresplanpolitik zuzuschreiben, deren Schwergewicht von Anfang an auf den Investitionsprogrammen des GB Chemie bzw. des I G - F a r b e n - K o n z e r n s u n d bei diesen wiederum auf der Erzeugung von synthetischem Treibstoff gelegen h a t t e . Deutschland produzierte im Kriege als einziger S t a a t der Welt in großem M a ß s t a b Mineralölprodukte auf synthetischer Basis, 2 4 5 u n d diese synthetische P r o d u k t i o n leistete den entscheidenden Beitrag zur Versorgung der Kriegsmaschine des Aggressors m i t Treibstoff. Der S c h w e r p u n k t des S y n t h e s e p r o g r a m m s lag auf den Hydrierwerken. Bis zum Kriegsausbruch gelangten sieben H y d r i e r w e r k e zur P r o d u k t i o n , von denen das größte, d a s Leunawerk, allein ein Drittel der K a p a z i t ä t aufwies. Drei weitere Werke befanden sich kurz vor Produktionsbeginn, und der B a u von zweien w a r in Angriff genommen worden. I m J a h r e 1943 produzierten 13, im F r ü h j a h r 1944 15 Hydrierwerke. 2 4 6 Neun FischerTropsch-Synthesewerke erzeugten dagegen Mineralölprodukte in H ö h e von etwa einem Sechstel der H y d r i e r p r o d u k t i o n . Die Planungen des G B Chemie von 1938/39 gingen von der K a p a z i t ä t von 2,4 Millionen Tonnen P r o d u k t i o n aus eigenen Rohstoffen im J a h r e 1938 aus, n a h m e n eine „Mob-Bed a r f s d e c k u n g " von 13,83 Millionen Tonnen an u n d stellten als Ausbauziele f ü r 1942/43 etwa 8,3 Millionen (1943: 9,2 Millionen) u n d f ü r 1944 r u n d 11 Millionen Tonnen. 2 4 7 Dieses P r o g r a m m w a r allerdings von vornherein illusionär, weil es d u r c h seine u n e r h ö r t e n Anforderungen an B a u k a p a z i t ä t , B a u s t o f f e n (Stahl), A r b e i t s k r ä f t e n u n d schließlich Kohle u n d Energie bei Betrieb der W e r k e sogar ohne Kriegsausbruch die übrigen Kriegsvorbereitungen u n d die P r o p o r t i o n e n der gesamten Volkswirtschaft in irreparablem A u s m a ß gestört h ä t t e . 2 4 8 Krieg u n d Kriegsverlauf revidierten Ziele u n d Termine. So e x p a n d i e r t e die deutsche Mineralölerzeugung zwar in großem Stil, vor allem auf R e c h n u n g der synthetischen P r o d u k t i o n ; aber hinsichtlich der „ P l a n e r f ü l l u n g " blieb Mineralöl eine der schwächsten Positionen des Vierjahresplancs. 2 4 9 243 The Effects, S. 68. 244 Ebenda, S. 72. 245 Hierunter wird hier, wie auch in den Tabellen, die Produktion auf Kohlebasis verstanden, also IG-Hydrierung, Fischer-Tropsch-Synthese, Braunkohleschwelung bzw. Kohlenteerdestillation sowie Benzolgewinnung. 246 Birkenfeld, Treibstoff, S. 138ff. 247 Wie Anm. 238; Petzina, Autarkiepoütik, S. 125; Birkenfeld, Treibstoff, S. 231, Tab. 21. 248 Siehe z. B. die Alarmrufe des RWiM wegen der Abenteuerlichkeit der GB-Chemie-Planungen, besonders auf dem Treibstoff- und Aluminiumgebiet, in bezug auf die verfügbaren Gesamtmengen an Kohle und Energie, in BA Koblenz, R 7/478—480. 249 Siehe Petzina, Autarkiepolitik, S. 181 f. 24·

Rationalisierung und Kriegsproduktion

354

Im J a h r e 1938 kamen von dem — international nicht sehr bedeutenden — deutschen Gesamtaufkommen an Mineralölprodukten in Höhe von über sieben Millionen Tonnen 1,6 Millionen aus synthetischer Produktion, 0 , 6 Millionen aus eigener Erdölförderung, 4 , 4 Millionen aus Übersee und 0,6 Millionen aus kontinentalen Importen. Im September 1939 entsprach die synthetische Produktion einer J a h r e s k a p a z i t ä t von 2,3 Millionen Tonnen. 2 5 0 Bis 1943 erreichte sie ihren Höhepunkt mit 5,75 Millionen Tonnen, das waren über 5 0 Prozent des Jahresaufkommens. Tabelle 72 Aufkommen an Mineralöl 1939—1944 (in Jahr

1939 1940 1941 1942 1943 1944

10001)

Mineralöl insgesamt (geschätzt)

davon Synthetische ErdölProduktion förderung

8200 7600 10000 9500 11300 6830

2200 3348 4116 4920 5748 3830

885 1469 1584 1678 1880 1991

Import von MineralölProdukten 5165 2075 2807 2359 2766 960*

Erzeugung in besetzten Gebieten -

332 370 576 360

* Nur Fertigprodukte Quelle: The Effects, S. 75, Tab. 37 (vermutlich nicht ohne Doppelzählungen); Schnellberichte (1944); Statistisches Handbuch, S. 280 (Erdölförderung; geringfügige Unterschiede zu The Effects und Birkenfeld, Treibstoff, S. 217, Tab. 1). Die überlieferten Zahlen über das Gesamtaufkommen an Mineralölprodukten und K r a f t stoffen stammen aus Quellen m i t großen Differenzen, die nicht vollständig aufklärbar sind, zumal die statistischen Unterlagen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Amter und Institutionen stammen. Zum Teil rühren diese Differenzen von dem Unterschied zwischen Treibstoff („Kraftstoffe" einschl. Schmierstoffe) und Mineralölprodukten insgesamt h e r (hierunter fallen auch technische Benzine, Benzol, Paraffin, B i t u m e n u. a.), ferner aus der unterschiedlichen Zurechnung des Rohöls und seiner Verarbeitungsstufen, besonders bei Importen (Doppelzählungen). (Tabellen 72 und 73) Die Prognosen über die Treibstofflage während der Vorbereitung zu „ B a r b a r o s s a " und auch später klangen düster. Aber die vermehrten rumänischen Lieferungen halfen aus. Auch Einschränkungen in der deutschen Kriegswirtschaft selbst machten Treibstoff für die W e h r m a c h t frei. E i n E r l a ß Hitlers vom 12. November 1941 über die „Sicherstellung der Kraftstoffe für die Kriegführung im J a h r e 1 9 4 2 " 2 5 1 leitete drastische Spar- und Umstell ungsmaßnahmen (Holzgasgenerator) ein, auch in den okkupierten und abhängigen 250 The Effects, S. 73. 251 ZStA Potsdam, FS, Film 2313. — Allerdings war schon im Dezember 1941 die Zuteilung von Vergaserkraftstoff an die gewerbliche Wirtschaft gegenüber September 1939 von 163000 auf 41000 t, diejenige von Dieselkraftstoff von 120000 auf 50000 zurückgegangen (Weyres-v. Levetzow, S. 59 (zit. Tomberg-Bericht)).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

355

Tabelle 73 Aufkommen und Verbrauch an Kraftstoffen 1940—1944 (in 10001) Jahr

Kraftstoff- Kraftstoffaufkommen verbrauch

davon Wehrmacht- Prozent verbrauch

1940 1941 1942 1943 1944

6389 8120 7619 8956 5769

3005 4567 4410 4762 ?

5856 7305 6483 6971 ?

51 62,5 68 68 ?

Quelle: Wagenführ, S. 171 (Aufkommen), S. 55 (Verbrauch); Schnellberichte (Aufkommen 1944; ohne Treibgas). Ländern. Der systematisch eingeschränkte „zivile" deutsche Verbrauch betrug in den folgenden Jahren bei Benzin nur noch etwa ein Achtel, bei Dieselkraftstoff ein Drittel des Vorkriegsverbrauchs. 252 Dennoch begann im Jahre 1942 auch bei der Wehrmacht „die Zeit des Lavierens und immer stärker werdenden Einschränkens". 253 Eine temporäre Krise, mehr eine Transportals eine Treibstoffkrise, hemmte den Vormarsch der motorisierten Truppen während der Sommeroffensive der Wehrmacht in die südöstliche Richtung, besonders ausgerechnet jener 1. Panzerarmee, die sich in schnellem Vorrücken der kaukasischen Erdölquellen, der erhofften Rettung aus aller Not, bemächtigen sollte. 254 Um die Angriffsspitzen dieser Armee mit Treibstoff zu versorgen, setzte die Luftwaffe Transportflugzeuge ein. Sogar Kamelkarawanen schleppten Treibstoff für die Panzer. Mehr noch als Heer und Marine begann 1942/43 die Luftwaffe die angespannte Lage zu spüren. Ein Defizit an Flugzeugbenzin, das ausschließlich in einer Reihe von Hydrierwerken erzeugt wurde, scheint zuerst durch drastische Treibstoffkürzungen für das Pilotentraining der Flugzeugführerschulen aufgefangen worden zu sein. 255 Gekürzt wurden Exporte, besonders die Lieferungen an Italien. Auch 1943, in dem J a h r des höchsten Verbrauchs, aber auch der höchsten Produktion, herrschte an Treibstoff kein für die deutschen Imperialisten gefährlicher Mangel. Dennoch machte sich auf militärischem Gebiet schon zunehmend der Zwang spürbar, „die operativen Planungen im großen dem verfügbaren Treibstoff anzupassen". 256 Diesmal erschwerte eine Transport- und Nachschubkrise den Rückzug vom Donec an den Dnepr im Juli/August 1943. 257 Insgesamt standen mindestens 10 Millionen t Mineralölprodukte zur Verfügung, 258 darunter etwa 9 Millionen t Treibstoff. 252 253 254 255 256 257

The Effects, S. 77f. Birkenfeld, Treibstoff, S. 156. Siehe S. 485. The Effects, S. 73. Birkenfeld, Treibstoff, S. 158. BA Koblenz, R 3/1987, Keitel an Speer, 25. 3. 1944 ; Keitel erinnerte hier daran, „daß wir mit unserem Kw.-Betriebsstoff schon zweimal einer äußerst ernsten Krise entgegengegangen sind, einmal im August/September (1942) am Terek und bei Stalingrad, das zweite Mal im Juli/August 1943 bei der Absetzbewegung vom Donez auf den Dnepr". 258 Nach den „Statistischen Schnellberichten zur Kriegsproduktion", Stand: Febr. 1945. Die

Rationalisierung und Kriegsproduktion

356

Im Frühjahr 1944, unmittelbar vor der alliierten Luftoffensive gegen die Hydrierwerke, war die Treibstofflage insgesamt jedoch „äußerst angespannt" 2 5 9 , besonders was Flugzeugbenzin und was den „zivilen" Verbrauch innerhalb der deutschen Kriegswirtschaft betraf, aber auch bei Treibstoff für Heer und Marine, die bei großer Einfuhrabhängigkeit 2 6 0 von der Hand in den Mund lebten.

Synthetischer

Kautschuk

Von den 102000 t Kautschuk, die 1938 in Deutschland verbraucht wurden, stammten 90 Prozent aus Überseeimporten. 261 Bei Kriegsausbruch produzierten zwei Werke, in Schkopau und Leverkusen, nach dem Verfahren ihres Hauptaktionäres, der IG Farbenindustrie AG, mit einer Kapazität von 27500 t pro J a h r synthetischen Kautschuk (Buna); 90 Prozent davon erzeugte Schkopau. Dem scharfen Rückgang an Kautschukaufkommen, der bei einem Krieg mit Wirtschaftsblockade einsetzen mußte, sollten auf lange Sicht die Planungen des Krauchplans begegnen. Der Krauchplan von 1938 sah vor, die vorhandene Kapazität an Synthesekautschuk von jährlich 5000 t bis 1942/43 auf 120000 t zu steigern 2 6 2 ; in der Planfassung vom Oktober 1940 war vorgesehen, die Produktion, ausgehend von der damaligen Kapazität von 40000 t, bis 1942 auf 110000 und bis 1944 auf 150000 t zu b r i n g e n . 2 6 3 Eine zweite Großanlage für synthetische Produktion, nach Schkopau, war bei Kriegsausbruch bereits in Westdeutschland im Bau (Hüls/Marl) und produzierte seit August 1940. Bunawerk III entstand nach dem Sieg der Wehrmacht im Westen in Ludwigshafen und lief im März 1943 an. Buna werk IV, bei Auschwitz geplant, gelangte nicht zur Produktion. Tabelle 74 Aufkommen und Verbrauch von Kautschuk Aufkommen davon insgesamt Synth. Produktion 1939 1940 1941 1942 1943 1944

99 57 96 123 124 104

22 40 69 98 117 104

1939—1944 (in

Verbrauch

E x p o r t (synth. Kautschuk)

95 67 74 92 91 96

1 5 15 32 25

Prozent

22 70 72 80 94 100

10001)

?

Quelle: The Effects, S. 83, Tab. 4 3 ; S. 84, Tab. 45. Abweichende Zahlen in Wagenführ, Tab. 13, und Treue, Wilhelm, Gummi in Deutschland, München 1955, S. 185.

259 260 261 262 263

S. 170,

obige Tabelle 72 (nach The Effects) ist vermutlich nicht frei von Doppelzählungen (dort: 11,3 Mill. t). The Effects, S. 78. Siehe ζ. Β . ZP-P, 22. 11. 1943, 50. Sitzung; schon auf dieser Sitzung hieß e s : „Die Situation ist im Augenblick infolge der (ausbleibenden — D. E.) Transporte aus Rumänien katastrophal." The Effects, S. 83. Hiernach auch das Folgende. Wie Anm. 238. Petzina, Autarkiepolitik, S. 146.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

357

Allein Schkopau, Hüls und die Anlage in Leverkusen, die stets den Charakter einer Kleinund Versuchsanlage behielt, produzierten 1942 schon mehr Kautschuk, als 1938 überhaupt produziert und importiert wurde. Naturkautschuk, der bei einigen Produkten nur schlecht durch Buna zu ersetzen war, fiel bis 1942 noch hinreichend in Form von Importen und Beute an. Die Versorgung mit Kautschuk war auf diese Weise 1942 und 1943, im wesentlichen auch 1944, durchaus gesichert. Dieser Tatbestand war eines der hervorstechendsten Ergebnisse der Vierjahresplanpolitik. 2 6 4 Am 22. J u n i 1943 war ein vereinzelter Luftangriff auf Hüls zu verzeichnen, der das Werk allerdings die Produktion von rund drei Monaten, etwa 12000 t, kostete. 265 Erst mit der Luftoffensive der anglo-amerikanischen Bomber auf die — jeweils benachbarten — Hydrierwerke, von deren Wasserstoff- und Gaslieferungen die Bunaproduktion abhängig war, sank die Produktion.

d) Grund- und

Rohstoffe

In allen rüstungswichtigen Grundstoffen, außer bei Kohle, herrschte im Vorkriegsdeutschland starke Auslandsabhängigkeit. Wenn diese Stoffe im Kriege dennoch bis in das J a h r 1944 hinein für die wesentlichen Rüstungsprogramme im allgemeinen „völlig ausreichend" 266 vorhanden waren, so deshalb, weil die deutsche Kriegswirtschaft — abgesehen von zum Teil drastischen Verbrauchseinschränkungen und Ersatzlösungen — aus den vielfach erheblichen Vorräten, nach den „Blitzkriegs"erfolgen in West- und Nordeuropa vor allem aus der reichhaltigen Beute und, auf längere Sicht, aus der Produktion der besetzten Gebiete, aus den von ihr ausgebeuteten Ressourcen Südosteuropas und aus Importen von verbündeten und neutralen Ländern versorgt wurde.

Kohle

Die deutsche Rüstungsproduktion, ja die gesamte Kriegswirtschaft basierte in höherem Maße als in jedem anderen Land auf Kohle, weil die synthetische Produktion auf Kohle aufgebaut war und die Energiebasis, fast nur auf Kohlekraftwerke und -gaswerke gestützt, 2 6 7 durch die synthetische Produktion einschließlich Stickstoff und durch die Aluminiumerzeugung zusätzlich angespannt war. Hauptverbraucher von Kohle und Koks war und blieb allerdings die Metallurgie, die im Jahre 1938 46 Prozent des Gesamtver264 Siehe ebenda, S. 182. 265 The Effects, S. 8 4 ; s. a. ZStA Potsdam, FS, Film 5683, AN W W i S t a b , 22. 6. 1943. - Am 2. 7. 1943 wurde angesichts der Folgen dieses Luftangriffs auf der Sitzung der Zentralen Planung beschlossen, das im Bau befindliche Bunawerk Auschwitz mit einer Kapazität von 2 0 0 0 0 t Buna pro J a h r beschleunigt zu errichten und die Erhöhung der Kapazität auf 3 0 0 0 0 t vorzubereiten. Krauch forderte zu diesem Zweck 1 0 0 0 neue Montagearbeiter an und verlangte, daß „zusätzlich Häftlinge aus dem KZ-Lager Auschwitz abgegeben werden" ; außerdem müsse „das Auschwitz-Gebiet befriedet" werden (ZP-E, 2. 7. 1943, 43. Sitzung). 266 The Effects, S. 71. 267 Kaum mehr als 12 Prozent der Energieerzeugung basierte auf Wasserkraft (The Effects, S. 114 f.).

Rationalisierung und Kriegsproduktion

358

Tabelle 75 Kohlenförderung 1938/39-1943/44 (Braunkohle in Steinkohleeinheiten umgerechnet; in Mill, t) Kohlenwirtschaftsjahr (April—März)

Insgesamt

1938—39 1939-40 1940-41 1941-42 1942-43 1943-44

240,3 267,7 315,5 317,9 340,4 347,6

davon Annektierte Gebiete *

Prozent

8,0 34,0 76,0 76,4 90,1 98,5

3,3 12,7 24,1 24,0 26,5 28,3

* Umfaßt Österreich, Sudetenland und Protektorat, Polnisch-Oberschlesien und Elsaß-Lothringen Quelle: The Effects, S. 94, Tab. 57 (Umrechnungsverhältnis 4 zu 1). Tabelle 76 Stein- und Braunkohlenförderung 1938/39—1943/44 (Mill, t) Kohlenwirtschaftsjahr (April—März)

Steinkohle („Großdtschl.")

davon Ruhr

1938—39 1939-40 1940-41 1941-42 1942-43 1943-44

187,5 204,8 247,9 248,3 264,5 268,9

126,9 129,5 129,8 129,2 131,2 125,4

Braunkohle

Hartbraun· kohle u. Anthrazit

199,6 211,6 226,8 235,1 248,9 252,5

12,6 23,8 25,9 26,1 30,8 34,0

Oberschlesien 26,9 44,6 86,4 83,7 94,0 100,1

* Fast ausschließlich aus Österreich und „Sudetengau". Siehe auch Statistisches Handbuch, S. 280 Quelle: The Effects, S. 92, Tab. 55; S. 93, Tab. 56. brauche an Steinkohle und vier Prozent desjenigen an Braunkohle verbrauchte, 2 6 8 gefolgt von Energieerzeugung und Transport (Reichsbahn). Die deutsche Kohlenbilanz verbesserte sich wesentlich durch die Annexion fremder Gebiete, besonders Polnisch-Oberschlesiens. 269 Nach den Eroberungen des Jahres 1940 erheischte die Aufrechterhaltung der Wirtschaft der besetzten Länder West- und Nordeuropas allerdings eine bedeutende zusätzliche Exportmenge; diese Exporte dienten dem deutschen Imperialismus dazu, sich das Wirtschaftspotential jener Länder, beispielsweise die Stahlkapazitäten Frankreichs, Belgiens und Luxemburgs, weitgehend nutzbar zu machen. Kohlenexporte waren auch unabdingbar 268 Ebenda, S. 92. 269 Siehe auch S. 492.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

359

als Gegenlieferung für Schlüsselimporte der Kriegswirtschaft, etwa für schwedisches Erz und rumänisches Erdöl. Staatssekretär Landfried kennzeichnete die Funktion des deutschen Kohlenexports treffend: „Unter Export figuriert ja alles, was von uns unmittelbar abhängig ist: Dänemark, wo unsere Ernährung mit i l¡¡¿ daran hängt, Frankreich, Griechenland, Norwegen, Kroatien, Jugoslawien, Ostland, Spanien, Portugal, Rumänien, die Schweiz — unmittelbar kriegswichtig für uns —, und Schweden und Italien als die Länder, die zu Buche schlagen. Es ist ja eigentlich kein E x p o r t ; es ist j a lediglich die Aufrechterhaltung unserer eigenen Betriebe, die wir drüben für uns laufen haben." 2 7 0 Tabelle 77 Binnenabsatz und Export von Kohle 1938/39—1943/44 (Braunkohle gerechnet ; in Mill, t) Kohlenwirtschaftsjahr (April—März)

Insgesamt

1938-39 1939-40 1940-41 1941-42 1942-43 1943-44

251 263 320 326 344 342

davon Industrie 88 94 105 109 110 112

in Steinkohleeinheiten

Transportwesen

Yersorgungs- Hausbrand betriebe

Export

23 24 30 31 33 35

30 32 37 41 45 46

36 26 40 38 51 49

48 53 68 65 62 55

um-

Quelle: The Effects, S. 96, Tab. 58. Die Zahlen sind nicht direkt vergleichbar mit denen aus Tabelle 75 und 76, da sie Kohle auch in Form von Koks und Briketts enthalten. Der deutsche Steinkohlenbergbau, von dessen Erzeugung — besonders in Form von verhüttbarem Koks — die Stahlproduktion und damit die gesamte Rüstung so wesentlich abhing, war, soweit es die Förder- und Versorgungsanlagen unter und über Tage anbetraf, technisch verhältnismäßig gut ausgerüstet. VorOrt dagegen war die Technik wenig modern; Abbaumaschinen waren selten, und es gab kaum mechanische Beladegeräte und Förderbänder. Im europäischen Maßstab war dennoch vor dem Kriege die Arbeitsproduktivität in Deutschland (Förderung pro Mann und Schicht) die höchste nach Polen und den Niederlanden. 271 Unter diesen Umständen wurde die Arbeitskräftesituation und besonders das Sinken der Arbeitsproduktivität im Kriege zum Hauptproblem der Steinkohlenförderung. Der Druck der „Leistungssteigerung" hatte hier unmittelbarer noch als in anderen Zweigen der Rüstung „das Resultat einer erschreckenden Verbindung von extensiver, und intensiver Ausbeutung". 2 7 2 Doch die Kohlemagnaten konnten es trotz aller Antreiberei nicht dahin bringen, daß die Arbeitsproduktivität auf der in den letzten Vorkriegsjahren erreichten Höhe blieb. Im Jahre 1942 fiel die Förderung je Untertagearbeiter und Schicht an der Ruhr sogar doppelt so stark wie in den beiden vorangegangenen Kriegsjahren. 273 Bis Ende 1943 sank die Schichtleistung auf unter 1220 kg und lag damit um 25 Prozent niedriger als 1939 (1630 kg). 27 * 270 271 272 273 274

ZP-P, 23. 10. 1942, 16. Sitzung. The Effects, S. 91. Kuczynski, Alltag, Bd. 5, S. 195. Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 287. The Effects, S. 94.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

360

Rein zahlenmäßig erhielt der Kohlenbergbau f ü r die eingezogenen deutschen Bergarbeiter bis einschließlich 1943 ausreichenden Ersatz durch ausländische Zwangsarbeiter. Im Steinkohlenbergbau verdoppelte sich annähernd die Zahl der Zwangsarbeiter von Mai 1942 bis Mai 1943 und stieg bis Ende des Jahres noch einmal u m fast 50 Prozent. 2 7 5 Die Gesamtzahl der Bergarbeiter wuchs dadurch erheblich, die Produktion dagegen kaum. Die Zwangsarbeiter erreichten — nach Berechnungen aus dem Ruhrkohlenbergbau — n u r durchschnittlich 60 Prozent der Leistung der deutschen Arbeiter. Die Arbeitsproduktivität der überalternden deutschen Bergarbeiterschaft ließ infolge der einseitigen u n d unzureichenden Ernährung, der Uberarbeit und der durch die Luftangriffe hervorgerufenen Übermüdung und Nervosität unaufhaltsam nach. Hierin lag der Hauptgrund f ü r die ständig angespannte Kohlensituation. Tabelle 78 Arbeitskräfte Monat

1942 Oktober November Dezember 1943 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

und Arbeitsproduktivität Arbeitskräfte insgesamt

im Steinkohlenbergbau

Oktober 1942 bis Dezember

in 1000

davon ausländ. Schichtförderanteil pro Kopf Zwangsarbeiter der bergmänn. Belegschaft (kg) (incl. Kriegsgefg.) Gewogener Ruhrrevier Durchschnitt aller Reviere

707 713 741

167 175 205

1367 1364 1336

1384 1379 1338

746 740 736 740 738 755 762 767 793 808 818 813

214 214 220 225 224 243 252 259 288 306 320 327

1336 1367 1368 1355 1337 1320 1298 1284 1261 1225 1218 1215

1328 1366 1350 1339 1301 1276 1244 1216 1190 1170 1170 1172

1943

Quelle: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 396, Dok. NI-2819, „Reichsvereinigung Kohle. Statistischer Bericht Nr. 11. Die deutsche Kohlenwirtschaft in den Monaten April bis Dezember 1943. Berlin, Mai 1944".

Die Reichsvereinigung Kohle erfüllte ihre Voranschläge und Produktionsauflagen, die jeweils eine erhebliche Steigerung der Förderung vorsahen, nämlich elf Prozent f ü r 1942/43 und 21 Prozent für 1943/44, daher bei weitem nicht. S t a t t elf wurden nur 6,5 Prozent, s t a t t 21 nicht einmal zwei Prozent erreicht. 2 7 6 275 Wagenführ, S. 154f.; ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 396, Bl. 64, Dok. NI-2819, „Reichsvereinigung Kohle. Statistischer Bericht Nr. 11. Die deutsche Kohlenwirtschaft in den Monaten April bis Dezember 1943", Mai 1944. 276 The Effects, S. 94 (Tab.).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion Der „Schlüsselrohstoff":

Eisen und

361

Stahl

Bei Kriegsausbruch war Deutschland, wie schon 1914, der bedeutendste Stahlproduzent Europas, allerdings weit hinter den USA. Zwar ging die Produktion im 4. Quartal 1939 und im 1. Quartal 1940 zurück und brauchte bis Anfang 1941, ehe sie wieder auf den Vorkriegsstand kam, aber nicht wegen Unterbrechung der Erzzufuhr, wie ursprünglich von der herrschenden Klasse befürchtet, sondern vor allem wegen der längerdauernden Stillegung der grenznahen Saarhütten. Tabelle 79 fìoheisenproduktion

1Ö38—1944 (in Mill, t)

Jahr

Deutschland bzw. „Großdeutschland"

Besetzte Gebiete *

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

18,5 18,5 15,5 21,4 22,2 24,2 19,05

3,0 2,9 3,8 1,5

* (Rest-)Polen, Belgien, Nordfrankreich und Meurthe-et-Moselle, Niederlande (Protektorat seit 1941 unter „Großdeutschland" erfaßt) Quelle: The Effects, S. 258f., Tab. 79; S. 260, Tab. 80. Tabelle 80 Rohstahlproduktion

1938-1944

(in

Mill.t)

Jahr

Deutschland bzw. „Großdeutschland"

Besetzte Gebiete *

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

23,3 23,7 21,5** 28,2 28,7 30,6 25,9

3,6 3,4 4,0 2,65

* Wie bei Roheisen (Tabelle 79) * * Yorkriegsdeutschland Quelle: The Effects, S. 250f., Tab. 7 1 ; S. 252, Tab. 72.

Die Erzimporte und -Vorräte reichten über die kritische Zeitspanne hin, bis nach der Niederlage Frankreichs die lothringisch-luxemburgischen Minettevorkommen in deutsche Hand fielen. Danach war die Erzversorgung einschließlich der deutschen Eisenproduktion verhältnismäßig stabil und gesichert. (Tabelle 81) Der Produktionszuwachs bei Rohstahl seit 1938 bis zu „Barbarossa" durch Annexion und Okkupation belief sich auf 35 bis 40 Prozent; der Kapazitätszuwachs lag noch weit

Rationalisierung und Kriegsproduktion

362

Tabelle 81 Förderung und Import von Eisenerz 1937—1944 (in Mill, t) Jahr

Erzförderung

1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

9,8 15,0 ? 19,5 36,0 33,8 36,0 26,1

Fe-Inhalt

?

Erzimport (einschl. bes. Geb.) 20,6 21,9 18,5 10,0 17,4 16,8 20,2 6,5

2,8 4,3

5,7 10,8 10,2 10,9 7,8

Quelle: The Effects, S. 247, Tab. 66 u. 67. Tabelle 82 Walzwerkserzeugnisse * 1939-1944

(in

Mill.t)

Jahr

Deutschland bzw. „Großdeutschland"

Besetzte Gebiete * *

1939 1940 1941 1942 1943 1944

17,3 15,1*** 19,7 19,2 21,3 17,2

2,9 2,6 2,9 2,0

* Fertigerzeugnisse, Halbzeug und Schmiedestücke " Wie bei Roheisen * * * Vorkriegsdeutschland Quelle: The Effects, S. 249, Tab. 70. höher. 2 7 7 Ahnliches traf auf Roheisen zu und, in vermindertem Maße, auch auf Walzwerkserzeugnisse. Die seit 1937 vorgenommene „Kontingentierung" von Eisen und Stahl, d . h . die Aufteilung des verfügbaren „ Kontingentgewichts" 2 7 8 mittels „ K o n t r o l l n u m m e r n " auf die „ B e d a r f s träger", erlitt im Krieg bald ein Fiasko. Die verteilten Kontingente überstiegen die Produktion und konnten nicht mehr fristgemäß bzw. in voller Höhe beliefert werden. 277 Siehe S. 494 f. 278 Für die Berechnung des Kontingentgewichts (hier etwas vereinfacht) dienten die Zahlen der Rohblockerzeugung an Stahl abzüglich 25 Prozent Walzwerksabfälle und zuzüglich des Eisen- und Stahlgusses sowie des Roheisenexports. Seit 1943 ging die Berechnung unmittelbar von dem Fertiggewicht der Walzwerkserzeugnisse aus und bezog außer dem Guß auch die Schmiedestücke gesondert ein; dieses kompliziertere System veränderte aber das Ergebnis nur geringfügig. (Nach BA Koblenz, R 13 1/1138, Memo Wigru E s l (Reichert) betr. „Die deutsche Eisen- und S tahlbc wirtschaftung", o. D. (Nov. 1943); s. a. d. Berechnung in ZP-E, 3. 11. 1942, 23. Sitzung). Siehe ferner Weyres-v. Levetzow, S. 49.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

363

Das rief einen fehlerhaften, inflatorischen Kreislauf von Bedarfsanmeldungen und Kontingentzuweisungen hervor, der sich besonders nach dem erheblichen Produktionsrückgang im W i n t e r (Januar/Februar) 1942 derart beschleunigte, „daß wir", wie Speer sich später ausdrückte, „eine überkontingentierte S u m m e m i t uns herumzutragen hatten, die zehn Millionen Tonnen betrug, also zehn Millionen Tonnen über dem, was tatsächlich erzeugt wurde, wurden im Laufe von drei J a h r e n zusätzlich ausgegeben". 2 7 9 Die drastische Neuregelung im Frühjahr/Sommer 1 9 4 2 2 8 0 steuerte der Desorganisation eine Weile, aber Ende 1943 stellte der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie fest, „daß man offenbar wieder in den alten Fehler verfallen i s t " ; 2 8 1 es seien im ersten H a l b j a h r 1943 über acht Prozent, im 3. Quartal über zehn Prozent mehr zugeteilt als prbduziert worden. Die Verteilung von Eisen und S t a h l als Schlüsselrohstoff war die wichtigste Aufgabe der Zentralen Planung. Die Reichsvereinigung Eisen h a t t e der Zentralen Planung ihre Produktionsprogramme vorzulegen und die erzielten Produktionsergebnisse abzurechnen. Eine Woche nach Gründung der R V E h a t t e Röchling als ihr Vorsitzer bereits einen „Vorschlag für eine Erhöhung der Rohstahlerzeugung im Großdeutschen Reich und seinen Einflußgebieten" parat, 2 8 2 der als nächstes Ziel eine Steigerung der Produktion von 3 1 , 8 auf 3 6 Millionen t Rohstahl jährlich vorsah. „Die Planung", so erläuterte Röchling den Konzernvertretern in der Bezirksgruppe Südwest, „geht auf 2 Y 2 Millionen [t] Fertiggewicht monatlich in Deutschland und seinen Einflußgebieten." 2 8 3 Allerdings h a t t e er auf lange S i c h t noch ganz andere P l ä n e : „ I m europäischen Großraum müssen wir auf 8 5 Millionen t Rohstahl jährlich k o m m e n . " 2 8 4 Der endgültige Plan der R V E vom 13. J u l i 1942, betitelt „Leistungssteigerung der Eisen schaffenden Industrie", den Röchling, Rohland, Alfried Krupp und der ebenfalls anwesende Vogler am 15. J u l i 1942 in der Zentralen Planung zur Diskussion stellten, 2 8 5 sah vor, von einer Erzeugung von bisher rund 2,1 Millionen t Walz- und Gußgewicht (Kontingentgewicht) pro Monat auf 2,65 Millionen t im 4. Quartal 1942 zu kommen. Als Voraussetzungen für die Mehrproduktion stellte die R V E ein gutes Dutzend Bedingungen, darunter die Bereitstellung von Arbeitskräften, Kohle und Energie, Schrott, 2 8 6 Maschinen, Baukapazit ä t , aber auch außergewöhnliche, unmittelbar surplusprofitträchtige Forderungen wie die „sofortige Erhöhung der Phosphorgrenzen um 0 , 0 1 Prozent für mindestens 8 0 Prozent aller S M - S t ä h l e " , d. h. eine Verschlechterung der Qualität bei Siemens-MartinStahl, und die „Freigabe des Kokillenbedarfes als Umlaufmaterial", d. h. eine verkappte Preiserhöhung durch Verkürzung der Amortisationsfrist für Kokillen um ein Mehrfaches. Speer, Sauckel und Pleiger sicherten die Erfüllung aller wesentlichen Bedingungen zu. 279 280 281 282 283

ZP-P, 2. 3. 1943, 35. Sitzung. Siehe S. 84 f. BA Koblenz, R 13 1/1138, Reichert an Poensgen, 3. 11. 1943. Ebenda, R 13 1/674, Röchling an Speer, 8. 6. 1942. Ebenda, R 13 1/596, Rede Röchlings üb. d. „Neuorganisation der deutschen Eisenwirtschaft" auf d. Sitzg. d. Bezirksgruppe Südwest der Wigru Esl am 10. 6. 1942. 284 Ebenda. 285 ZP-E, 15. 7. 1942, 10. Sitzung (Anlage: Plan v. 13. 7.); hiernach auch das Folgende. Siehe auch Fall 5, S. 172f., Dok. NI-2522, Bericht der RVE für Juli 1942, v. 15. 8. 1942. 286 „Von Rußland muß mehr Schrott hereinkommen." (Röchling; s. Anm. 283). Ausführlich auch Weyres-v. Levetzow, S. 51ff.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

364

A m 22. J u l i erging der Beschluß der Zentralen Planung als Auftrag an die R V E : „Der von der Reichsvereinigung aufgestellte Plan ist durchzuführen." 2 8 7 Die Mitte August vor Hitler feierlich abgegebene Verpflichtung der „Heiligen Drei Könige" wurde freilich schon E n d e Oktober/Anfang November für unerfüllbar erklärt 2 8 8 ; damit war abzusehen — so hieß es offiziell im Protokoll der Zentralen Planung —, „daß die Kontingentsmengen für (die Q u a r t a l e — D. E.) IV/42 und 1/43 nicht die für die Rüstungs- und Kriegswirtschaft erforderliche Höhe erreichen". 2 8 9 Der endlos diskutierten Gründe g a b es viele. Als wichtigster wurde der Arbeitskräftemangel genannt. Die wesentliche, letzte Ursache war indessen die inzwischen eingetretene Lage an der deutsch-sowjetischen Front, die sich vor allem im Rückgang der Zwangsatbeiterlransporte und in der schwierigen Transportsituation — hier für Kohle und Erz — bemerkbar machte. Trotzdem kletterte die Produktionskurve in den beiden Quartalen um die Jahreswende 1942/43 aufwärts und erreichte ihren Höhepunkt im März 1943. Tabelle 83 Rohstahlerzeugung und Kontingentgewicht, IV. Quartal 1942 und I. Quartal 1943 (in Monat bzw. Quartal

Rohstahlerzeugung

Kontingentgewicht

Oktober 1942 November Dezember

? ? ?

2391 2364 2404

Durchschnitt 4. Quartal

3006

2386

Januar 1943 Februar März

2971 2858 3127

2524 2412 2596

Durchschnitt 1. Quartal

2985

2511

10001)

Quelle: The Effects, S. 252, Tab. 72 u. 73 (Erzeugung) ;ZP-E, 22. 4. 1943, 38. Sitzung (Kontingentgewicht). Nichtadäquate Zahlen bei Wagenführ, S. 168, Tab. 9. Die Aufwärtsbewegung inspirierte die R V E nicht nur zu einer „Erzeugungszusage" für d a s 3. Q u a r t a l 1943 von wiederum 2,65 Millionen t Kontingentgewicht je Monat (22. April) — wenig später erhöht auf 2,75 Millionen t (4. Mai) und sogar auf 2,8 Millionen t (5. Mai) 2 9 0 —, sondern zur gleichen Zeit auch zu langfristigen neuen, ausufernden „Leistungssteigerungsplänen" mit Planziffern von monatlich 3,35 Millionen t Rohstahl bzw. 2,8 Millionen t 287 288 289 290

ZP-E, 22. 7. 1942, 11. Sitzung. Siehe auch S. 91. So besonders auf der 19. Sitzung der Zentralen Planung am 28. 10. 1942. ZP-E, 3. 11. 1942, 23. Sitzung. Siehe jeweils ZP-E. — Am 4. 5. 1943 (40. Sitzung) wurde in diesem Zusammenhang ein Erlaß der Zentralen Planung „über die Einbeziehung der Ukraine in die Eisen- und Metallbewirtschaftung des Reiches" beschlossen.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

365

Kontingentgewicht, zu erreichen bis Mai 1943, von 3,65 bzw. 3,00 Millionen t (bis Oktober 1944) und von 4,00 bzw. 3,25 Millionen t (bis April 1945). 291 Diese Planvorstellungen von April/Mai 1943, unterschrieben von Röchling, Rohland und Alfried Krupp, basierten in starkem Maße auf der erwarteten Erzeugung bzw. „Mehrerzeugung" von Stahl, Erz und Mangan in der Ukraine sowie auf Stahlzufuhren aus dem neubesetzten Teil Frankreichs. Die RVE forderte für ihre Realisierung allein schon an zusätzlichem Koks sofort monatlich 700000 t und später 1,1 Millionen t je Monat (ohne Ukraine). 2 9 2 Hieraus wurde nichts mehr. Während des Mai und J u n i 1943 sank die Roheisenproduktion wegen schwerer Luftangriffe auf das Ruhrgebiet um zehn Prozent, die Rohstahlerzeugung sogar um mehr als zehn Prozent. 293 Im Sommer zerschlugen sich endgültig die Hoffnungen der Faschisten auf eine Stahlerzeugung in der Ukraine. 2 9 4 Die Rohstahlproduktion erreichte nie wieder das Niveau der genannten beiden Quartale. 2 9 5 Die faschistischen Planer fanden unter diesen Umständen keinen Ausweg aus der Mangellage und damit aus jenem Dilemma, an dem die deutsche Kriegswirtschaft seit den Diskussionen über „Breiten"- und „Tiefen"rüstung laborierte. Zugunsten der Produktion von Waffen und Kriegsgerät hätte man die eisenfressenden Investitionen in der Rüstungsindustrie, besonders die längerfristigen, radikal einschränken können. Aber es war nicht zu übersehen, daß man noch mit einem langen, kräftezehrenden Krieg rechnen mußte, und schon jetzt erwies sich auf zahlreichen Gebieten, beispielsweise bei Flugbenzin, Pulver und Sprengstoffen, Hüttenkoks und verschiedenen neuen Waffenarten, eine Kapazitätsausweitung als dringend erforderlich. „Wir wissen aber alle genau", argumentierte Speer, „daß wir niemals die Eisenmengen für diese Programme gleichzeitig nebeneinander schaffen können." 296 Das Ergebnis waren Kompromisse, die selbstverständlich die Probleme nicht lösten. Es ist aber nicht zu übersehen, daß die hartnäckigen Bemühungen der RVE, hinter denen die geballte Kraft des staatsmonopolistischen Regulierungsmechanismus in der Kriegswirtschaft und ebenso der politische Druck und der Terror gegen die deutschen und ausländischen Arbeiter standen, in jener für Nazideutschland militärisch höchst kritischen Phase des Krieges, die seine Wende bedeutete, Umfang und Niveau der Produktion nicht nur hielten, sondern sogar auf eine bisher nicht erreichte Höhe hoben. Auf der Grundlage dieser Steigerung schritt die eigentliche Rüstungsproduktion — unter starker Verminderung 291 BA Koblenz, R 41/237, RVE an RMfBuM, 28. 5. 1943. - Seit Anfang April 1943 hatten Hitler und Speer die Möglichkeiten einer langfristigen Erhöhung des monatlichen Kontingentgewichts an Stahl um 1 Mill, t über den Stand vom März diskutiert. Die RVE nahm in einem Schreiben vom 10. 4. Stellung (Weyres-v. Levetzow, S. 124f.). Vier Tage später war sogar eine illusionäre „Führerforderung" auf 4 Mill, t Kontingentgewicht im Gespräch (FB, 14. 4. 1943, Punkt 6). 292 BA Koblenz, R 41/237, RVE an RMfBuM, 28. 5. 1943. 293 ZStA Potsdam, FS, Film 3654, „Tätigkeitsbericht des Hauptringes Eisenerzeugung im 2. und 3. Quartal 1943", v. 10. 10. 1943. 294 Siehe S. 473 ff. 295 Eine nochmalige Erhöhung im 1. Quartal auf 9,2 Mill, t beruhte auf der Einberechnung der Erzeugung in Norditalien und in Zentralfrankreich (The Effects, S. 252, Tab. 72). 296 ZP-P, 12. 2. 1943, 32. Sitzung. — Als Aushilfsmaßnahme ordnete Speer einen Investitionsund Baustopp an. Man werde dann „nach einem halben Jahr weitersehen, ob wir die Pannen, die durch die ganzen Ereignisse im Osten eingetreten sind, so ausgebügelt haben, daß wir weitermachen können" (ebenda).

Rationalisierung und Kriegsproduktion

366

des spezifischen Materialverbrauchs („Einsatzgewicht") — rasch und ununterbrochen voran. Die Qualitätsstähle (Siemens-Martin- und Elektrostahl) stiegen in der Produktion schneller als Thomasstahl. Am raschesten wuchs der Produktionsanteil des hochqualifizierten Elektrostahls. Fortschritte machte ferner die Aufarbeitung von Thomasstahl zu Qualitätsstahl (windgefrischter Austauschstahl), die Mitte 1943 rund zehn Prozent der Thomasstahlmenge betraf. 297 Tabelle 84 Zusammensetzung der Rohstahlerzeugung 1937—1944 (ohne besetzte Gebiete; in Mill, t) Jahr

Rohstahl insgesamt

davon Thomasstahl

SM- und Elektrostahl

darunter Elektrostahl *

Prozent von Rohstahl**

1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

19,85 23,3 23,7 21,5 26,6 27,1 30,6 25,85

8,0 9,3 9,2 6,8 10,5 11,1 12,5 9,2

11,9 14,0 14,5 14,7 16,1 16,0 18,1 16,6

0,7 1,0 1,2 1,4 1,8 2,0 2,8 2,9

3,4 4,2 5,2 6,7 6,8 7,3 9,1 11,0

* Incl. geringer Mengen von Tiegelstahl. Vgl. die Zahlen für das Reichsgebiet von 1937 in Statistisches Handbuch, S. 289 * * Geringfügige Unstimmigkeiten infolge von Rundung der absoluten Zahlen Quelle: BA Koblenz, R 13 1/1138, Reichert an Poensgen, 3. 11. 1943: Schnellberichte (1943 u. 1944).

Nichteisenmetalle Die Skala der Metalle, die außer Eisen für die Kriegsrüstung des deutschen Imperialismus von höchster Bedeutung waren, umfaßte ein gutes Dutzend: Leichtmetalle, besonders Aluminium, Schwermetalle wie Kupfer und Blei und schließlich die Stahlveredler bzw. Ferrolegierungsmetalle. Eine deutsche Produktion auf eigener Grundstoff-(Erz-)basis gab es nur bei wenigen dieser Metalle, vor allem bei Zink, Kobalt und Blei. Fünf Sechstel des benötigten Zinkerzes, zwei Drittel des Kobalterzes und die Hälfte des Bleierzes wurden 1938 in deutschen Bergwerken gefördert 298 ; der Zinkerzanteil erhöhte sich noch nach der Annexion Polnisch-Oberschlesiens. In allen anderen Fällen war Deutschland in hohem Maße, in mehreren Fällen vollständig importabhängig. Die meisten Erz- und Metallzufuhren kamen bis zum Kriegsausbruch aus Übersee, so überwiegend Kupfer, Zinn und Nickel, Antimon, Molybdän, Wolfram, Mangan und Vanadium. 299 297 BA Koblenz, R 13 1/1138, Memo Wigru Esl (s. Anm. 278 u. 281). 298 The Effects, S. 109. 299 Siehe ebenda, S. 109, Tab. 62.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

367

In Deutschland selbst existierte eine entwickelte, in wenigen großen Werken konzentrierte Raffineriekapazität, die von einer Handvoll Konzerne, voran die Vereinigten Aluminiumwerke (VAW/Viag-Konzern), die IG Farben, Salzdetfurth, Metallgesellschaft, Norddeutsche Affinerie und Degussa, beherrscht wurden. Insgesamt gelang es den deutschen Imperialisten, den dringendsten Anforderungen der Kriegswirtschaft an den genannten Metallen bis gegen Ende des Krieges nachzukommen, ungeachtet wechselnder zeitweiliger „Engpässe". Die Erweiterung der einheimischen Ressourcen (Erz- bzw. Bauxitförderung) machte im ganzen nur geringfügige Fortschritte. Im Jahre 1942 wurde durch die eigenen Rohstoffressourcen der Bedarf an Kupfer zu 12,5 Prozent, der an Blei zu 51 Prozent, der an Zink zu 79 Prozent, der an Zinn zu 13 Prozent und der an Nickel nur zu zehn Prozent gedeckt. 3 0 0 Erheblich wuchs dagegen die deutsche Raffinerie-(Hütten-)kapazität für Leichtmetalle. Aluminium, von dem Deutschland bisher mehr als jedes andere Land erzeugte, bedeutete f ü r die Luftwaffenrüstung etwa dasselbe, was das Eisen für die übrige Rüstung. Obwohl die Produktion stark stieg, wurden die vorgesehenen Mengen nicht erreicht, vor allem weil das Rohmaterial (Bauxit), das ebenso wie der größte Teil der schon aufbereiteten Tonerde aus dem Ausland bezogen wurde, nicht kontinuierlich zu beschaffen war, und weil später Stromabschaltungen die höchst energieaufwendige Tonerdegewinnung und Aluminiumverhüttung beeinträchtigten. Schon im Herbst 1942 konstatierte man in der Zentralen Planung: „Die Steigerungen, die wir vorausberechnet hatten, sind nicht in dem vorgesehenen Maße eingetreten, weil gerade in der Aluminiumfertigung erhebliche Ausfälle eingetreten sind, die in geringem Maße auf Energiemangel, in der Hauptsache aber auf Tonerdemangel zurückzuführen sind." 3 0 1 Die Metallproduktion f ü r den Krieg wurde, abgesehen von der deutschen Urproduktion, aus mehreren Quellen gespeist. An vorderster Stelle stand die Ausplünderung der Ressourcen der annektierten und okkupierten Gebiete, zuerst durch Beschlagnahme und Abtransport der dort vorgefundenen Vorräte, dann durch systematische Ausbeutung der Tabelle 85 Produktion

und Verbrauch von Aluminium

1938—1944 (in 1000 t)

Jahr

Hüttenaluminium

Umschmelzaluminium

Aluminiumverbrauch *

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

165,6 199,5 211,3 233,6 264,0 250,1 244,2

30 40 54 82 90 104** 118

176,6 204,0 256,0 274,8 273,4 248,8 267,3

* Ohne Ausfuhr ** Schnellberichte: 128 Quelle: Statistisches

Handbuch,

S. 293; The Effects, S. 263, Tab. 83 (Umschmelzaluminium).

300 B A Koblenz, R 2/5359, Wigru Bergbau (an RMdF), 22. 7. 1943. 301 ZP-P, 23. 10. 1942, 16. Sitzung. 25

Eichholtz II

368

Rationalisierung und Kriegsproduktion

Lagerstätten zugunsten der deutschen Kriegswirtschaft. Eine Bilanz der bis 1943 insgesamt aus allen besetzten Gebieten abtransportierten Metallmengen ergab in drei Positionen ein beeindruckendes Bild „Kupfer etwa 300000 t, davon rd. 260000 t allein aus Frankreich; Blei etwa 96000 t, davon rd. 75000 t allein aus Frankreich; Zinn etwa 14000 t, davon rd. 11000 t allein aus Frankreich"; 3 0 2 das entsprach, gemessen am deutschen Verbrauch des Jahres 1939, fast einem Jahresverbrauch an Kupfer, mehr als dem Doppelten des Jahresverbrauchs an Zinn und etwa 40 Prozent des Jahresverbrauchs an Blei, während der Kriegszeit jedoch einem noch weit höheren Satz. 3 0 3 Aus der laufenden Produktion der besetzten Gebiete wurden abtransportiert — um nur einige besonders bedeutende Posten zu nennen — — Bauxit aus Frankreich und Jugoslawien — Kupfer aus Jugoslawien, Norwegen, Belgien — Blei aus Jugoslawien — Zink aus Polen — Nickel und Molybdän aus Norwegen — Chrom aus Jugoslawien — Mangan aus der Ukraine. 3 0 4 Eine zweite, wichtige Quelle blieb bis 1944 die Einfuhr aus neutralen und verbündeten Ländern, beispielsweise von Bauxit aus Ungarn, Blei aus Italien, Nickel aus Finnland, Chrom aus der Türkei und Wolfram aus Spanien und Portugal. 3 0 5 Drittens spielten die schon geraume Zeit vor dem Krieg angehäuften Vorräte eine große Rolle, besonders zur Überbrückung des Mangels in der ersten Periode des Krieges. Auf die Höhe der Bestände wurde auch während des Krieges sorgfältig geachtet. Trotz vielfältiger Schwankungen blieben sie im allgemeinen bis ins zweite Halbjahr 1944 hinein beträchtlich hoch. 306 Große Erleichterung der Mangellage schaffte die drastische Einschränkung des Verbrauchs verschiedener Metalle, besonders von Kupfer, Zinn, Blei und Nickel. Der „zivilen" Industrie und dem Handwerk wurde der Rohstoff entzogen. Durch zahllose „Verwendungsverbote" blieb gesichert, daß kein rares Metall in Konsumgüter verschiedenster Art flöß. Der allgemeine Produktionsrückgang in der Konsumgüterindustrie und im Baugewerbe selbst ersparte wiederum viel Metall zugunsten der Rüstung. Außerdem wurden Ersatzstoffe entwickelt oder andere Metalle substituiert; das wichtigste Beispiel hierfür ist der Austausch von Kupfer gegen Aluminium in elektrischen Leitungen und ähnlichen Erzeug302 B A K o b l e n z , R 3 / 1 8 6 8 , Memo R W i M betr. „ E n t w i c k l u n g der deutschen M e t a l l v e r s o r g u n g seit K r i e g s b e g i n n u n d V o r a u s s c h a u bis z u m J a h r e 1 9 4 6 " , J u l i 1943. 303 Vgl. T a b . 86. 304 W a s die A u s b e u t u n g f r e m d e r R e s s o u r c e n b e t r i f f t , so sind die s t a t i s t i s c h e n D a t e n l ü c k e n h a f t , u n g e n a u u n d v i e l f a c h u m s t r i t t e n (s. d. kritischen B e m e r k u n g e n sowie d a s u m f a n g r e i c h e Material bei Jäger, Jörg-Johannes, Die w i r t s c h a f t l i c h e A b h ä n g i g k e i t des D r i t t e n R e i c h e s v o m A u s l a n d , d a r g e s t e l l t a m Beispiel der S t a h l i n d u s t r i e , Berlin (West) 1969, p a s s i m ) . D a , abgesehen v o n der g e n a u e n G e b i e t s a b g r e n z u n g , verschiedene V e r a r b e i t u n g s s t u f e n u n d Metallg e h a l t e b e r ü c k s i c h t i g t werden m ü s s e n , b e f i n d e t sich die S t a t i s t i k der N i c h t e i s e n m e t a l l e f ü r den u n t e r s u c h t e n Z e i t r a u m allgemein in einem Z u s t a n d der „ K o n f u s i o n " (The Effects, S . 109). 305 E i n i g e P o s i t i o n e n in Wagenführ, S . 5 4 ; kritische E i n w ä n d e g e g e n W a g e n f ü h r s Zahlen bei Jäger, S . 276. 306 Siehe The Effects, S . 1 1 0 f f . (Tabellen).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion Tabelle 86 Hüttenproduktion Jahr

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

369

und Verbrauch von Kupfer, Blei und Zink 1938—1944 (in 10001)

Kupfer Produktion (Rohkupfer)

Verbrauch

Blei Produktion (Fertigblei)

69 67 51 47 41 37 30

324 292 372 238 221 219

185 186 175 173 149 174 146

Verbrauch 283 248 224 277 238 221

196

Zink Produktion

194 231 318 317 314 312 260

Verbrauch 292 295 330 448 449 382 330

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 293 (Produktion) ; Schnellberichte (Bleiproduktion 1943 u. 1944) ; The Effects, S. 263, Tab. 83 (Verbrauch). Wesentlich niedrigere Zahlen (wahrscheinl. ohne Beute etc.) in Statistisches Handbuch, S. 293 („Versorgung"). nissen. So ging der K u p f e r v e r b r a u c h von 448000 t im J a h r e 1938 auf 221000 t im J a h r e 1943 zurück, derjenige von Zinn im gleichen Zeilraum von 20400 auf 9500 t, derjenige von Nickel von 12400 auf 9 4 0 0 t. 30 ? Λη n ä c h s t e r Stelle sind die Anstrengungen von Konzernen u n d Forschungsinstitutionen zu nennen, Metalle, besonders Legierungsmetalle, u n t e r e i n a n d e r zu substituieren oder ihren Gehalt in den Legierungen ohne große Q u a l i t ä t s e i n b u ß e zu v e r m i n d e r n (etwa mittels O b e r f l ä c h e n h ä r t u n g bei Panzerplatten). Konzernvertreter wie E d u a r d H o u d r e m o n t u n d P a u l Goerens (Krupp) beschäftigten sich m i t ministerieller U n t e r s t ü t z u n g maßgeblich m i t diesen Problemen und erreichten bedeutende Einsparungen an Stahllegierungsmetallen, besonders an W o l f r a m u n d Chrom. Schließlich griffen die Verantwortlichen schon f r ü h nach dem persönlichen E i g e n t u m der Bürger an Metallgegcnständen, zwangen I n s t i t u t i o n e n wie die Kirche zur Ablieferung von Metall (Glocken), griffen auch in Bereiche der Konsumgüterindustrie plündernd ein u n d planten weitere Raubzüge u n d Vernichtungsaktionen gegen das materielle K u l t u r g u t u n d das Volksvermögen der Nation. Von 1940 bis 1942 wurden auf diese Weise 98257 t Kupfer, 18346 t Blei u n d 7180 t Zinn f ü r den Krieg mobilisiert, in erster Linie aus der „Metallspende" der Bevölkerung, aus der Glockenabnahme u n d aus der Requirierung von Kupferwalzen aus Textilbetrieben u n d von Schriftmetall aus Druckereien. 3 0 8 Seit 1942/43 griff man auch auf Kupferkessel u n d K u p f e r d ä c h e r zurück und plante offiziell f ü r die J a h r e von 1944 bis 1946 a u ß e r d e m die Requirierung von Orgelpfeifen, S t a r k s t r o m k a b e l n , Bleikielen von Segeljachten, Feuerbuchsen aus Lokomotiven, Beleuchtungskörpern u n d Gehäusen von Registrierkassen, die Demontage der Gardinen- u n d Teppichstangen, Kupferboiler, Tür- u n d Fenstergriffe „in allen H ä u s e r n " , die „ A u s k ä m m u n g " von Antiquitätenläden u n d Pfandleihen u n d von stillgelegten Betrieben u n d Einzelhandelsgeschäften, die „ A u s k ä m m u n g der Museen" und die „Erfassung der einstweilen zurückgestellten Denkmäler". 3 0 9 307 Ebenda, S. 111. 308 Wie Anm. 302. 309 Wie Anm. 302. 25·

Rationalisierung und Kriegsproduktion

370 Tabelle 87 Planung von Metall-„Mobilisierungsmaßnahmen'"

für die Jahre 1943—1946

Jahr

Metall

Menge

davon „als sicher angenommen'

1943

Kupfer Blei Zinn Kupfer Blei Zinn Kupfer Blei Zinn Kupfer Blei Zinn

66000 12250 735 65680 21325 3550 81520 8650 4165 70500 1775 1640

60000 10000 600 40000 10000 1500 40000 5000 1200 24000 500 900

1944

1945

1946

(int)

Quelle: BA Koblenz, R 3/1868, Memo RWiM, Juli 1943, „Entwicklung der deutschen Metallversorgung seit Kriegsbeginn und Vorausschau bis zum J a h r e 1946," Anlage „Metallaufkommen aus Mobilisierungsmaßnahmen im Reich 1943—1946 (Voranschlag)". I m S e p t e m b e r / O k t o b e r 1942 g a b es, wie in d e r Zentralen P l a n u n g verlautete, „einen H ö h e p u n k t der M o b i l i s a t i o n " von K u p f e r , 3 1 0 u n d noch im H e r b s t 1943 stellte Kehrl an gleicher Stelle fest, m a n sei bei K u p f e r „noch a m besten dran, weil die Mobilisationsm a ß n a h m e n s t a r k angezogen h a b e n u n d die V e r b r a u c h e z u r ü c k g e g a n g e n s i n d " . 3 1 1 Man b r a u c h e sich, so b e s t ä t i g t e der R e i c h s b e a u f t r a g t e f ü r Metalle, Müller-Zimmermann, „ f ü r die nächsten zwei J a h r e ... keine S o r g e n zu m a c h e n " . Wolken a m Horizont zogen f ü r die faschistischen P l a n e r a u f , als die Lieferungen v o n B l e i u n d Zink aus den italienischen G r u b e n auf S a r d i n i e n fortfielen. 3 1 2 B e s o n d e r s B l e i sei ein „ d u n k l e r P u n k t " , berichtete Müller-Zimmermann. „ B l e i können wir d u r c h s c h ä r f s t e Mobilisierung noch schaffen, so wenn wir in den G r o ß s t ä d t e n n u r noch eine T a g e s z e i t u n g erscheinen lassen. A u c h bei den behördlichen großen Druckereien, wie R e i c h s d r u c k e r e i , R e i c h s m ü n z e , müßten wir die W i d e r s t ä n d e überwinden können. D a s s e l b e gilt f ü r den D r u c k v o n T e l e f o n b ü c h e r n . " Inzwischen h a t t e die M e t a l l „ m o b i l i s i e r u n g " teilweise schon groteske Züge a n g e n o m m e n , „ I m übrigen ist d a s B l e i s a m m e l p r o b l e m auch ein Benzinproblem, weil d a s B l e i a u s einer U n m e n g e von kleinen u n d Kleinstbetrieben, Druckereien usw. g e s a m m e l t werden muß. Vielleicht können wir d a auf die Hilfe der F l a k k o m m a n d o s zurückgreifen." Die V e r s o r g u n g der deutschen K r i e g s m a s c h i n e r i e m i t Ferrolegierungsmetallen hing z u m allergrößten Teil von deren B e s c h a f f u n g aus den besetzten Gebieten u n d d u r c h I m p o r t e a u s d e r T ü r k e i (Chrom) u n d F i n n l a n d (Nickel) a b . I m J a h r e 1943 ging die E r z e u g u n g von legiertem S t a h l in einem S p r u n g u m f a s t 5 0 P r o z e n t in die Höhe. Als größter „ E n g p a ß " stellte sich Chrom heraus. Der R ü s t u n g s m i n i s t e r wies in einer D e n k s c h r i f t v o n E n d e 310 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung. 311 Ebenda, 15./16. 9. 1943, 47. Sitzung. Hiernach auch das Folgende. 312 Sardinien wurde im Oktober/November 1943 endgültig von der Wehrmacht geräumt.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

371

Tabelle 88 Bedarfsdeckung in Ferrolegierungsmetallen bei Ausfall der Lieferungen vom Balkan der Türkei (Chrom), aus Nikopol (Mangan), aus Finnland (Nickel) und aus (Molybdän) (Stand Ende 1943; l)

Bestand Inland Zugang Inland (monatl.) Verbrauch (monatl.) Bedarfsdeckung (Monate)

(Chrom), aus Nordnorwegen

Mangan

Nickel

Chrom

Wolfram

Molybdän

Silizium

140000

6000

21000

1330

425

17900

-

-

8100*

100"

15500

750

19

10

3751

5,6

160

10,6

15,5

4200

69,5

7000

7,8

6,4

* Durch neue Rückgewinnungsmcthoden im Ilochofenprozeß" " " „Grube Frankenthal, Schlesien, und Abfälle" Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 1732, Denkschrift Speers für Hitler v. 12. 11. 1943 betr. „Die Legierungsmetalle in der Rüstung und die Bedeutung der Chromzufuhren aus dem Balkan und der Türkei". 1 9 4 3 3 1 3 auf d i e w i r t s e h a f t s s t r a t c g i s c h e B e d e u t u n g des B a l k a n s h i n , v o n dessen „ E r h a l t u n g " in i h r e m M a c h t b e r e i c h den d e u t s c h e n I m p e r i a l i s t e n — v o r a u s g e s e t z t , d a ß „ g e s i c h e r t e Verhältnisse" aufrechtzuerhalten wären — das Schicksal der gesamten Kriegswirtschaft a b z u h ä n g e n schien.

e) Maschinen,

Bauten,

Investitionen

Maschinenbau D e r d e u t s c h e M a s c h i n e n b a u w a r ein h o c h e n t w i c k e l t c r I n d u s t r i e z w e i g m i t r u n d G000 Bet r i e b e n , e i n e r Million B e s c h ä f t i g t e n , 9 4 3 1 Millionen R M U m s a t z (1942) 3 1 4 u n d e i n e m d i v e r s if iziert en P r o d u k t i o n s p r o g r a m m v o n H u n d e r t e n E r z e u g n i s s e n u n d T a u s e n d e n E r z e u g n i s t y p e n . K a p i t a l k o n z e n t r a t i o n u n d M o n o p o l i s i e r u n g w a r e n im S c h w e r m a s c h i n e n b a u , im L o k o m o t i v b a u u n d in einigen a n d e r e n Zweigen a u s n e h m e n d h o c h . In den m e i s t e n B e r e i c h e n des M a s c h i n e n b a u s a b e r k o n k u r r i e r t e n g r ö ß e r e , m i t t e l g r o ß e u n d eine Vielzahl kleinerer Betriebe miteinander. Insgesamt beschäftigten die 50 größten Betriebe m i t jeweils ü b e r 3 0 0 0 B e s c h ä f t i g t e n e t w a 20 bis 25 P r o z e n t aller A r b e i t s k r ä f t e ; d e m g e g e n ü b e r b e s c h ä f t i g t e n zwei D r i t t e l aller B e t r i e b e 100 u n d w e n i g e r A r b e i t s k r ä f t e . 3 1 5 Die S t a t i s t i k 313 ZStA Potsdam, FS, Film 1732, Denkschrift Speers für Hitler betr. ,,Die Legierungsmetalle in der Rüstung und die Bedeutung der Chromzufuhren aus dem Balkan und dor Türkei", 12. 11. 1943. 314 BA Koblenz, R 3/167, Statistik der Wigru Maschinenbau (Wigru an Planungsamt, 22. 1. 1944). 315 ZStA Potsdam, FS, Film 10604, Aufstellung üb. die größten Betriebe in 13 Wirtschaftsgruppen, o. V., o. D.; The Effects, S. 46f.

372 Tabelle 89 Betriebsgrößenslruktur Umsatz

Bis 1 Mill. RM 1 - 2 , 5 Mill. RM 2 , 5 - 1 0 Mill. RM 10 Mijl. RM und darüber

Rationalisierung und Kriegsproduktion

in der Werkzeugmaschinenindustrie Zahl der Firmen (in Prozent aller Firmen) 1944 1938

1938 und 1944 (nach dem

Umsatz)

Anteil am Gesamtumsatz (Prozent) 1938

1944

62,8 16,5 17,3

66,2 16,1 14,9

13,1 14,1 45,2

12,9 17,5 42,5

3,4

2,8

27,6

27,1

Gesamtzahl der Firmen ( = 1 0 0 %)

351

465

Quelle: The Effects, S. 229, Tab. 34. Tabelle 90 Die größten Maschinenbauunternehmen

und ihr Umsatz 1942 (in Mill.

Firma Fried. K r u p p AG, Essen Rheinmetall-Borsig AG, Berlin-Tegel Klöckner-Humboldt-Deutz AG, Köln-Deutz Heinrich Lanz AG, Mannheim Vereinigte Kugellagerfabriken AG, Schweinfurt Rheinmetall-Borsig AG, Düsseldorf Demag AG, Duisburg Gebr. Poensgen AG, Düsseldorf-Rath Henschel & Sohn G m b H , Kassel Kugelfischer G. Schäfer & Co., Schweinfurt Daimler-Benz AG, S t u t t g a r t - U n t e r t ü r k h e i m Knorr-Bremse AG, Berlin MAN (Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg), Augsburg Zalinradfabrik Friedrichshafen Wiener Lokomotivfabriks AG, Wiener-Neustadt Zusammen

RM)

Umsatz 225,9 142,2 133,7 110,6 108,7 104,4 98,0 95,1 92,5 83,2 67,7 66,5 65,5 60,0 59,0 1513,0

Quelle: BA Koblenz, R 3/167, Bericht Wigru Maschinenbau für R M f R u K (Planungsamt), 22. 1. 1944. der Werkzeugmaschinen indu strie ist einigermaßen repräsentativ für den gesamten Maschinenbau. (Tabelle 89) Die 15 umsatzstärksten Maschinenbauunternehmen vereinigten 16 Prozent des Gesamtumsatzes auf sich. Von den sechs größten dieser Firmen gehörten vier als Konzernwerke bzw. Maschinenbauabteilungen zu drei führenden, vertikal gegliederten Rüstungskonzernen. (Tabelle 90) Der deutsche Imperialismus ging wohlausgerüstet m i t Maschinerie in den Krieg und blieb es auch während der Kriegsjahre. Von einer erheblichen latenten Überschußkapazität in

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

373

der Ausrüstung m i t Werkzeugmaschinen zeugten sowohl die geringe B e s c h ä f t i g t e n q u o t e je produzierende Werkzeugmaschine in der Industrie (konstant etwa 2,3 gegenüber 5,7 in Großbritannien) als auch die schwache Besetzung der zweiten u n d dritten Schicht selbst in wichtigsten Zweigen der Rüstungsproduktion. 3 1 6 Mangel an spezieller Maschinerie u n d Ausrüstung t r a t allerdings in expandierenden Industrien wie der synthetischen Treibstoff-, der Elektrostahl- u n d der Energieerzeugung auf. Die Gesamtproduktion des Maschinenbaus (jeweilige Grenzen) stieg einschließlich derjenigen von Kriegsgerät von 1938 bis 1942 auf 162 Prozent (von 1936 bis 1942 auf 248 Prozent). Das hohe Vorkriegstempo h a t t e sich v e r m i n d e r t , doch die Steigerung setzte sich fort. A m schnellsten wuchs die Erzeugung von Kriegsgerät, nämlich auf 462 Prozent, die des übrigen Maschinenbaus (Neufabrikation) auf 142 P r o z e n t ; der E x p o r t ging auf 66 P r o z e n t bzw. von 14,7 auf 5,9 Prozent zurück. 3 1 7 Tabelle 91 Produktion und Beschäftigung im Maschinenbau 1938—1942 (jeweilige Grenzen) Jahr

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Gesamtproduktion

davon „Kriegsgerät" Millionen RM

5806,6 6650,4 7693,6 9080,4 9431,0 (7411,7) (7286,1)

540,8 700,0 1536,5 2120,3 2500,0 2601,5 3264,2

Prozent

Gesamtbeschäftigtenzahl (Jahresende) in 1000

9,3 10,5 20,0 23,3 26,5 (35,1) (44,8)

810 860 959 977 1000 1150 ?

Quelle: BA Koblenz, R 3/167, Bericht Wigru Maschinenbau für Planungsamt, 22. 1. 1944; The Effects, S. 219, Tab. 19 (1943 u. 1944); in Klammern anders berechnete Werte („Altreich"?). Tabelle 92 Produktion von Werkzeugmaschinen 1938—1944 Jahr

Stück

„Wert" (Mill. RM)

Gewicht (1000 t)

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

182849 199361 199490 197960 165969 140084 110377

615 695 793 858 821 790 654

? 264 288 306 288 273 223

Quelle: The Effects, S. 224, Tab. 26. Siehe auch Wagenführ, S. 162f. 316 The Effects, S. 43f. 317 Wie Anm. 314. Siehe auch Tabelle 91.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

374

Die Aussagefähigkeit der Umsatz- oder „Wert"zahlen ist allerdings begrenzt. Das Gewicht der Maschinentypen nahm vielfach erheblich zu, und noch weit stärker stieg ihr „Wert", d. h. ihr Preis, während die Stückzahl sich weniger hob oder sogar abnahm. Typisch hierf ü r sind die Angaben aus der Werkzeugmaschinenindustrie. (Tabelle 92) Eine zweite Einschränkung muß in bezug auf den Anteil der Produktion von „Kriegsgerät" gemacht werden. Unter der nicht als „Kriegsgerät" deklarierten Erzeugung standen dem Umsatz nach an vorderster Stelle Wälzlager (Kugellager), Zahnräder und Getriebe sowie Verbrennungsmotoren, 3 1 8 also Zulieferteile, die zu einem sehr hohen Prozentsatz unmittelbar in die Produktion von Waffen und Kriegsgerät einflossen. Damit erweisen sich die Zahlen, mit denen die-Maschinenbaustatistik den Produktionsanteil an Kriegsgerät auswies, als fragwürdig. Dieser Anteil stieg ihr zufolge von zehn bis zwölf Prozent im J a h r e 1939 auf etwa 30 Prozent im J a h r e 1942, 319 lag aber 1942 und 1943 bei Anrechnung der direkten Zulieferungen zur Rüstungsendfertigung ohne Zweifel wesentlich höher, wahrscheinlich über 50 Prozent bzw. im Jahre 1944 zwischen 60 und 70 Prozent. In der Studie des USSBS-Abschlußberichts über die Investitionsgüterindustrien 3 2 0 werden außer den Angaben der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau, die vier Fünftel der Investitionsgüterproduktion regulierte, mit Recht auch diejenigen der Wirtschaftsgruppe Stahl- und Eisenbau (für Heizanlagen und Kessel sowie Eisenbahnwaggons) und der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie (für schwere elektrische Ausrüstungen) herangezogen. Auf diese Weise wird ein vollständigeres und realistischeres Bild von der Entwicklung der Produktion von Investitionsgütern und damit der Investitionen selbst gewonnen, und die Tabelle 93 Produktion von Investitionsgütern

1939 1940 1941 1942 1943 1944

"

1939—1944 (in 1000 t)

Werkzeugmaschinen

Übriger Maschinenbau

Heizanlagen u. Kessel

Eisenbahnmaterial (Lokomotiven u. Waggons)

Schwere elektr. Ausrüstungen (Kraftwerks- u. Leitungsbau u. a.) *

276,6 288,4 314,7 290,0 272,6 218,1**

2199,4 1922,6 1979,2 1881,2 1500,0 986,6

775,9 774,2 893,8 872,0 770,1 521,0

525,9 605,0 772,4 931,3 1145,2 906,0

699 912 1250 1408 1388 1383

* Absatz in 1000 RM Statistisches Handbuch,

S. 295: 244,0

Quelle: The Effects, S. 217, Tab. 16; S. 218, Tab. 17. 318 Siehe Anm. 314. 319 Ebenda; etwas höhere Werte bis 1944 in The Effects, S. 219, Tab. 19: 1938 11,0 Prozent 1942 32,7 Prozent 1939 12,6 Prozent 1943 35,1 Prozent 1940 24,4 Prozent 1944 44,8 Prozent 1941 28,8 Prozent 320 The Effects, S. 43ff. u. S. 217ff.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

375

bedeutenden U m s c h i c h t u n g e n , die sich während des Krieges besonders im Maschinenbau vollzogen, lassen sich klarer erkennen. (Tabelle 93) D e r Maschinenbau vereinigte in sich einen recht geringfügigen S e k t o r der Konsumgüterproduktion (etwa Kleinschreibmaschinen, Haushaltsnähmaschinen, b e s t i m m t e Haushaltsgeräte und Armaturen), einen im Krieg schnell wachsenden S e k t o r der Produktion von B e w a f f n u n g und Munition u n d den für den Industriezweig charakteristischen Sektor der Produktion v o n P r o d u k t i o n s m i t t e l n . Zwischen diesen Sektoren fanden einschneidende Verschiebungen statt. Während der Konsumgütersektor immer umfassenderen Produk-

Tabelle 94 Zweige des Maschinenbaus

mit starker Produktionszunahme

Produktionszweig

Zunahme Schwere elektrische Ausrüstungen Werkzeugmaschinen Lokomotiven Kompressoren und P u m p e n Kraftmaschinen A r m a t u r e n und Maschinenteile Maschinen- und Präzisionswerkzeuge Feuerwehrgeräte Abnahme Baumaschinen Textilmaschinen Büromaschinen Maschinen für Lebensmittelindustrie Nähmaschinen Druckmaschinen Maschinen für Papiererze ugung und -Verarbeitung I Iolzvcrarbeitungsmaschinen Maschinen f. Schuh- u. Lederindustrie Wäschereimaschinen Registrierkassen

oder -abnahme 1943 gegenüber 1938

Produktion (Mill. RM) 1938 1913

Veränderung (Prozent)

699 650 125 449 290 259

1383 858 675 594 496 484

+

200 25

356 139

+ 78 + 453

309 223 201

275 113 102



172 101 61

85 39 12



93 62

29 52

-

28 15 11

13 7 0,1



Vergleichszahl Arbeitskräfte *

98

+ 25

+ 32

+ 6 + 180

+ 440 + 32 + •71 + 87

— —

— —

-



-

+ + -

4 45 9

+ 132 + 103

11 49 49

-

38 67 69

50 61 80 1

-

74 77

-

86

69 \ 16

-

50

53 52 99

-

77 50 99

* Die Vergleichszahl zeigt die prozentuale Veränderung in der Zahl der Arbeitskräfte (nur Lohnarbeiter) im J a n u a r 1914 gegenüber Juli 1939 an Quelle: The Effects, S. 218, Tab. 17 (Produktion; Prozentzahlen von nicht gerundeten Ausgangszahlen berechnet); S. 222, Tab. 23 (Arbeitskräfte). Siehe auch (unwesentlich abweichend) Statistisches Handbuch, S. 296f.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

376

tionseinschränkungen unterworfen wurde, 3 2 1 vollzogen sich im Produktionsmittelsektor tiefgreifende Umschichtungen. E s schrumpfte vor allem die Produktion von Maschinen für die Ausrüstungen von Zweigen der Konsumgüterindustrie wie Textil-, Druck- und Papierindustrie, während die Produktion von Maschinen für die Ausstattung alter und neuer Rüstungsbetriebe — vom Munitions-, Panzer- und Flugzeugwerk bis zur B u n a f a b r i k und zum Kraftwerk — einen bedeutenden Aufschwung nahm. (Tabellen 93 und 94) Einschneidende Regulierungsmaßnahmen trafen Wehrmacht und Behörden im Verlauf des J a h r e s 1942, u m die Maschinen konzentriert den Schwerpunktprogrammen der Rüstung zuzuführen und den nicht „kriegsnotwendigen" Bezug von Maschinen zu drosseln. Im J u n i wurde eine zentrale Maschinenbeschaffungsstelle der Wehrmacht ins Leben berufen. 3 2 2 A m 22. Dezember erließ der Bevollmächtigte für die Maschinenproduktion/ Reichsstelle für Maschinenbau eine Anordnung, nach der sogenannte Bedarfsprüfungsstellen geschaffen wurden, die die „Notwendigkeit jeder Beschaffung von Maschinenbauerzeugnissen" scharf prüfen sollten. „Als Bedarfsprüfungsstelle ist zuständig derjenige Sonderausschuß oder Sonderring ..., in dessen Bereich das zu bestellende Maschinenbauerzeugnis eingesetzt werden s o l l . " 3 2 3 Tabelle 95 Anteilmäßige Gliederung der Maschineninvestitionen Industriewirtschaft davon: Rüstungsendfertigung Grundstoffe davon: Bergbau Eisen u. Stahl Mineralöl Chemikalien Verkehr Landwirtschaft Sonstige

1943 (in

Prozent)

77,5 30,4 53,7 63,2 11,1 11,1 13,6 10 8,6 3,9

Quells: Weyres-v. Levetzow, S. 115f. Zur H a u p t a u f g a b e des Maschinenbaus wurde es im Kriege offensichtlich, die fabrikatorische Ausrüstung der Rüstung umfassend zu stärken und zu erneuern, in allererster Linie diejenige der Rüstungsendfertigung selbst, aber auch die ihrer Grund-, Roh-, Treibstoff- und Energiebasis. Dieser Aufgabe gegenüber trat bis in die letzte Kriegsperiode hinein sogar die maßgebliche Beteiligung des Maschinenbaus an der unmittelbaren 321 Siehe z. B. den „Neuen Plan" der Wigru Maschinenbau (Fachgruppe Büromaschinen) für die Produktion von Schreibmaschinen v. 10. 2. 1943 (BA Koblenz, R 13 III/282), in dem die Produktion von 16070 Maschinen (monatlich) aus 13 Firmen („Alter Plan") auf 5400 Maschinen aus 5 Firmen zusammengestrichen wurde. Großfirmen wie Mercedes und Wanderer gingen völlig zur Rüstungsproduktion über. 322 Weyres-v. Levetzow, S. 43. 323 Anordnung 1/43 des Bevollmächtigten für die Maschinenproduktion als Reichsstelle Maschinenbau über die Auftragsregelung für Maschinenbauerzeugnissc v. 22. 12. 1942, zit. ebenda.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

377

E r z e u g u n g von W a f f e n u n d K r i e g s g e r ä t z u r ü c k . A n g a b e n aus d e r W e r k z e u g m a s c h i n e n industrie zufolge gingen w ä h r e n d des K r i e g e s nie w e n i g e r als 7 0 P r o z e n t ihrer E r z e u g u n g in die R ü s t u n g s i n d u s t r i e (im engeren S i n n e ) bzw. an die W e h r m a c h t s e l b s t ; E n d e 1 9 4 2 e r r e i c h t e dieser A n t e i l 7 5 P r o z e n t u n d ü b e r s c h r i t t 1 9 4 3 / 4 4 zeitweise sogar 8 0 P r o z e n t . 3 2 4 S e l t e n wird f e r n e r so k l a r wie bei d e m V e r g l e i c h der P r o d u k t i o n s - m i t der A r b e i t s k r ä f t e e n t w i c k l u n g in den a u f g e f ü h r t e n Zweigen des M a s c h i n e n b a u s , wie s c h a r f die R a t i o n a l i sierungsschraube

angezogen

und

wie a u s s c h l i e ß l i c h

die

Produktionssteigerung

durch

gesteigerte Ausbeutung —gesteigerte Arbeitsproduktivität, hauptsächlich aber gesteigerte A r b e i t s i n t e n s i t ä t — e r r e i c h t w u r d e ; b e i fallender P r o d u k t ion stieg die A u s b e u t u n g in n i c h t geringerem Maße.325

Bauwesen

D i e t i e f g r e i f e n d e n U m s c h i c h t u n g e n i m M a s c h i n e n b a u k o r r e s p o n d i e r t e n m i t schwerwiegenden

Veränderungen

in der I n v e s t i t i o n s e n t w i c k l u n g .

Zu e i n e r g e n a u e r e n

Analyse

der

I n v e s t i t i o n e n d e r K r i e g s z e i t b e d a r f es . a b e r e i n e r ergänzenden U n t e r s u c h u n g des B a u wesens, dessen P r o d u k t i o n gleichfalls eine e n t s c h e i d e n d e m a t e r i e l l e V o r a u s s e t z u n g für die I n v e s t i t i o n s t ä t i g k e i t war. I m M a i 1 9 3 9 e x i s t i e r t e n im B a u w e s e n rund 2 8 0 0 0 I n d u s t r i e - und 2 3 9 0 0 0

Handwerks-

b e t r i e b e m i t j e w e i l s 8 6 1 0 0 0 bzw. 1 6 2 4 0 0 0 B e s c h ä f t i g t e n . D a v o n v e r r i c h t e t e n B a u t ä t i g k e i t i m engeren S i n n e ( H o c h - , T i e f - und S t r a ß e n b a u ) 7 5 0 0 I n d u s t r i e - u n d 8 0 0 0 0 I l a n d w e r k s f i r m e n m i t 7 5 6 0 0 0 bzw. 1 0 9 6 0 0 0 B e s c h ä f t i g t e n . 3 ^ Die B e s c h ä f t i g t e n z a h l s a n k während des K r i e g e s sowohl in der I n d u s t r i e als a u c h im H a n d w e r k schnell, i n s g e s a m t auf 4 4 P r o z e n t im J a h r e 1 9 4 3 ; in diesem

Arbeitskräfte-

b e s t a n d w a r ein a u ß e r g e w ö h n l i c h h o h e r P r o z e n t s a t z a u s l ä n d i s c h e r A r b e i t s k r ä f t e

ent-

halten. (Tabelle 96) Außerdem

beschäftigte

Millionen

Arbeitskräfte,

die

Organisation

darunter

1,13

Todt

noch

Millionen

(76

im

November

Prozent)

1944

anderthalb

ausländische

Zwangs-

arbeiter.32' Die P r o d u k t i o n s l e i s t u n g a n s c h e i n e n d wegen W e h r m a c h t und

des B a u w e s e n s fiel noch s t ä r k e r a b als die B e s c h ä f t i g t e n z a h l ,

des Abzugs gerade der j ü n g e r e n , leistungsfähigen

Bauarbeiter

wegen der geringeren A r b e i t s p r o d u k t i v i t ä t der ausländischen

zur

Zwangs-

a r b e i t e r ; in der R a t i o n a l i s i e r u n g der P r o d u k t i o n b l i e b das B a u w e s e n v e r s t ä n d l i c h e r w e i s e h i n t e r anderen P r o d u k t i o n s z w e i g e n weit z u r ü c k . ( T a b e l l e 9 7 ) Auch h i e r sind die a u s w ä r t i g e n B a u p r o j e k t e der O T n i c h t einbegriffen, die von 1 9 4 1 bis 1 9 4 3 einen immensen U m f a n g a n n a h m e n ( B a u von D u r c h g a n g s s t r a ß e n , B r ü c k e n , E i s e n b a h n e n im W e s t e n und Osten — 1 9 4 3 s t r a ß e F i n n l a n d " usw.). 324 The Effects,

„bis zum K a u k a s u s " —, auf d e m B a l k a n , „ E i s m e e r -

Nach e i n e r Aufstellung der O T - E i n s a t z g r u p p e n v e r w a l t u n g

vom

S. 4 8 f .

325 Der Talbestand ist eindeutig auch bei Berücksichtigung der Preissteigerungen, die Tabelle 94 nicht ausweist. 326 The Effects, S. 235, Tab. 45. 327 Ebenda, S. 238, Tab. 50. — Es handelte sicli offenbar hauptsächlich um zwangsweise verschleppte bzw. bei den Rückzügen „rückgeführte" Personen; vordem im besetzten Gebiet war der Prozentsatz zweifellos noch erheblich höher.

378

Rationalisierung und Kriegsproduktion

Tabelle 96 Beschäftigte im Bauwesen 1939—1944

(Vorkriegsgrenzen

; jeweils 31. 5.; in

Jahr

Beschäftigte in Industriebetrieben

darunter Ausländische Zwangsarbeiter * (Prozent)

Beschäftigte darunter in Handwerks- Ausländische betrieben Zwangsarbeiter * (Prozent)

1939 1940 1941 1942 1943 1944

906 713 733 518 443 434

?

1624 1008 1036 721

?

41 46 50 53

701 682

1000)

? ? 21 28 30 ?

* Zahlen aus geringfügig differierenden Quellen Quelle: The Effects, S. 62, Tab. 36 (Beschäftigte); S. 236, Tab. 47 und S. 237 Tab. 49 Tabelle 97 Volumen der Bautätigkeit (Preise von 1938; in Md. Jahr 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

1938—1944 RM)

Bauvolumen 13,0 12,8 8,6 6,9 4,7 4,0 3,6-3,8

Quelle: The Effects, S. 55, Tab. 28. April 1 9 4 4 betrugen die B a u s u m m e n f ü r 1 9 4 1 z u n ä c h s t 1 , 2 6 5 Milliarden R M , f ü r 1 9 4 2 schon 2 , 7 1 Milliarden und für 1 9 4 3 sogar 4 , 1 Milliarden R M . 3 2 8 Auf h ö h e r e m Niveau als die B a u t ä t i g k e i t blieb die P r o d u k t i o n von B a u m a t e r i a l i e n wie Z e m e n t , Ziegeln und Kies. ( T a b e l l e 9 8 ) A n g e s i c h t s der undifferenzierten A n g a b e n ü b e r die allgemein rückläufige

Entwicklung

der B a u t ä t i g k e i t f ö r d e r t eine A n a l y s e ihrer h a u p t s ä c h l i c h e n T y p e n e r s t a u n l i c h e R e s u l t a t e zutage. I m J a h r e 1 9 3 8 flöß eine h o h e I n v e s l i t i o n s s u m m e in den B a u von Straßen straßen.

und

Wasser-

Die M i t t e l für den S t r a ß e n b a u stiegen von 1 9 3 2 bis 1 9 3 8 von 1 5 1 auf 1 7 8 4 Millionen

R M ( d a r u n t e r ü b e r 9 0 0 Millionen R M für A u t o b a h n e n ) , diejenigen f ü r den B a u von W a s s e r straßen und H ä f e n von 9 4 auf 247 Millionen R M , so d a ß die G e s a m t s u m m e ü b e r zwei Milliarden R M b e t r u g . 3 2 9 328 BA Koblenz, R 3 / 1 8 0 8 . 329 Statistisches Jahrbuch, 1941/42, S. 609.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion Tabelle 98 Produktion von Baumaterialien Jahr

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

(Steine und Erden) 1938—1944

Baumaterialien insgesamt (phys. Volumen; 1938=100)

darunter Zement (1000 t)

100 100,6

1287 1313 970 1118 806 942 908

72,4 74.0 49,3 55,6 56.1

Quelle : The Effects, S. 304f.

379

Dachziegel (Mill. Stck.)

(Monatsdurchschnitt)

HolzwollcLeichtbauplatten

(1000 m2) 103 105 69 69 57 72 73

2210 2640 2254 2342 2237 2438 2264

S. 243, Tab. 56 und 57. Geringfügig abweichend Statistisches

Handbuch,

In den ersten Kriegsjahren gingen Straßen- und Wasserstraßenbau verhältnismäßig langsam zurück, fielen dann 1943 und 1944 aber „praktisch auf Null". 330 F ü r 1944 wurden — einschließlich der normalen Straßenerhaltung und -reparatur — f ü r den Höchstfall nur noch drei Prozent der Investitionssumme von 1938 veranschlagt, die möglicherweise nicht einmal mehr verbraucht wurden. Im Jahre 1936 erreichte der Bau von Wohnungen seinen Höhepunkt — Verdreifachung des Standes von 1932 — mit einer Bausumme von 2,2 Milliarden RM und bezifferte sich auch im Jahre 1938 noch mit 2,15 Milliarden RM. 331 Im Kriege ging der Wohnungsbau rasch auf 15 bis 20 Prozent im Jahre 1943 zurück; 1944 lag die Zahl der fertiggestellten Wohnungen — allerdings ohne Hinzurechnung der Baracken und „Behelfsheime" — noch darunter, etwa bei einem Siebentel derjenigen von 1939. 332 Der Bau von Befestigungen, darunter in erster Linie des sogenannten Westwalls („Siegfried-Linie"), verschlang zwischen 1938 und 1940 ungefähr zwei Milliarden RM. 333 Mit dem Feldzug in Westeuropa und der Niederlage Frankreichs im Jahre 1940 hörte der Festungsbau auf. Spätere Bauten, wie den „Atlantikwall" und den „Ostwall", errichteten OT und Wehrmacht in den besetzten Gebieten mit den dort aufgebrachten Materialien und Arbeitskräften. Blieb der Bau von industriellen Anlagen. Der Industriebau hatte in der Aufrüstungsperiode und insbesondere im Zeichen des Vierjahresplanes erhebliche Ausmaße erreicht. Sein Anteil an den Industrieinvestitionen insgesamt kann nur geschätzt werden. Diese Investitionen stiegen bis 1939 auf 4,432 Milliarden RM an (1936=2,159 Milliarden RM). 334 Der Bauanteil wird sich annähernd auf zwei Milliarden RM belaufen haben. 3 3 3 Der Industriebau war, wie sich herausstellt, der einzige große Bereich, in dem die Bau330 331 332 333 334 335

The Effects, Statistisches The Effects, Ebenda, S. Statistisches The Effects,

S. 59. Jahrbuch, 1941/42, S. 610f. S. 59. 60. Jahrbuch, 1941/42, S. 612. S. 55.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

380

tätigkcit bis 1943 auf der erreichten Höhe blieb, ja während der Jahre 1941 und 1942 offensichtlich — so wie es die Entwicklungskurve des Maschinenbaus belegte — noch zunahm. 3 3 6 Waren für 1939 die Industriebauten auf zwei Milliarden RM zu schätzen, so gab das Planungsamt sie gemäß der nachfolgenden Tabelle f ü r 1943 mit rund 1,9 Milliarden RM an. Hierzu müssen sinngemäß auch die aufgeführten Bausummen f ü r die Energiewirtschaft, ein sicherlich beträchtlicher Teil derer f ü r das Verkehrswesen und nicht zuletzt zu großen Teilen die Summen f ü r den Barackenbau gerechnet werden, der bis in die Zeit der Industrie,,Verlagerung" hinein so gut wie ausschließlich der Unterbringung von Zwangsarbeitern, oft direkt auf dem Werkgelände, diente. Damit belief sich der Bauanteil an den industriellen Investitionen des Jahres 1943 auf schätzungsweise 2,5 bis 3 Milliarden RM. Tabelle 99 Gliederung der Bauirwestitionen

1943 („Großdeutschland";

Industriebau davon : Rüstungsendfertigung Übrige Fertigwarenindustrie Grund-, Roh- und Treibstoffindustrie davon : Mineralöl Chemikalien Kohle Übrige Bauten für Energiewirtschaft Bauten für Verkehrswesen Bauten für Landwirtschaft Öffentliche Gebäude (darunter WM, Luftschutz usw.) insgesamt Wohnungsbau davon: Baracken Übriger Wohnungsbau Insgesamt Quelle: The Effects,

in Mill.

RM)

1892 699 141 992 302 261 126 303 392 525 343

1167 856 291 565 5175

S. 59, Tab. 32. Siehe auch Weyres-v. Levetzow, S. 115 (Prozentzahlen).

Zu berücksichtigen sind hier freilich nicht unerhebliche Preisveränderungen, d. h. Verteuerungen, seit 1938/39. Von untergeordneter Größenordnung waren 1943 dagegen noch solche Industriebauten, die mit der Verlagerung von Rüstungsbetrieben oder mit der Reparatur von Bombenschäden zusammenhingen und die somit nicht oder nicht in erster Linie zur Erweiterung, sondern zur Erhaltung der vorhandenen Substanz an Produktionskapazität in der Rüstung beitrugen. Die schroffe Reduzierung des Gesamtbauvolumens seit Kriegsbeginn hatte sich bis 1943 also nicht im geringsten beim Industriebau, d. h. bei den Investitionen im Produktionsbereich, ausgewirkt, sondern war ganz und gar auf Kosten der anderen Bereiche der 336 Falsche bzw. schwankende Beurteilung bei Wagenführ,

S. 38 u. S. 56 ff.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

381

Bautätigkeit gegangen — und zwar in der Weise, daß, wie auch an der Entwicklung des Maschinenbaus zu erkennen, die Industrieinvestitionen sich immer ausschließlicher auf die Rüstungsindustrie konzentrierten.

Industrielle

Anlageinvestitionen

W i e es die Daten aus der Entwicklung des Maschinenbaus und der Bauwirtschaft übereinstimmend bestätigen, hielten die industriellen Investitionen bis 1943 nicht nur ihr hohes Vorkriegsniveau, während alle anderen volkswirtschaftlichen

Investitionen, be-

sonders einschneidend die im Wohnungsbau und im öffentlichen Bauwesen, zurückgingen, sondern sie erhöhten sich in den Jahren 1941 und 1942 noch sehr erheblich. Bei W a g e n f ü h r Tabelle 100 Industrielle Anlageinvestitionen 1928, 1932,1935—1944 (ohne Energiewirtschaft) Jahr

Industrielle Brutto-Anlageìnvestitionen

Anteil an den volkswirtsch.

Brutto-Anlageinvestitionen (Mill. R M ; nicht (Prozent) preisbereinigt)*

1928 1932 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942

2615 439 1636 2159 2843 3691 4432 4 861 5254 5564

1943 1944

4 906 3505

19,1 10,4 15,5 19,5 21,7 24,2 25,6 31,8 35,0 36,6 ca. 40 ca. 40

davon „Vierjahresplan"investitionen (Mill. RM)

— — —

750 1500 1950 2100 2490 2490 1970 0 ·>

Zum Vergleich : Brutto-Anlage- Netto-Anlageìnvestitionen Investitionen (nur im Gebiet der B R D ; preisbereinigt; Preise von 1950 in Mill. DM-West) 2379 462 1819 2366 3113 3967 4 729 5261 5537 5869 5079 3541

+ 726 - 625 + 286 + 792 + 1472 + 2235 + 2872 + 3255 + 3361 + 3514 + 1669 -3561

' Die Zahlen für die Kriegsjahre (1940—1944) sind von Westdeutschland (Krengel) und „Mitteldeutschland" (Kupky) interpoliert auf das sogn. Altreich nach den Werten für 1939, demnach allgemein noch zu niedrig wegen der starken Expansion „Großdeutschlands" im Krieg und wegen des zunehmenden Gewichts der Rüstungsproduktion einschließlich Investitionen in den östlichen Reichsgebieten. Das Verhältnis zwischen Ausrüstungs- und Bau-Anlageinvestitionen blieb in den Kriegsjahren mit rund 3,2 zu 1 so gut wie konstant. Quelle: Statistisches Handbuch, S. 605 (bis 1939); Krengel, Rolf, Die langfristige Entwicklung der Brutto-Anlage-Investitionen der westdeutschen Industrie von 1924 bis 1955/56, in Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 2/1957, S. 170ff. ; Kupky, Helmut, Die langfristige Entwicklung der Brutto-Anlage-Investitionen der mitteldeutschen Industrie von 1924 bis 1955, in: ebenda, S. 398ff. (1940-1944); Petzina, Autarkiepolitik, S. 183 (Vierjahresplan) ; Krengel, Rolf, Anlagevermögen, Produktion und Beschäftigung der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik von 1924 bis 1956, Berlin (West) 1958, S. 98, S. 106 (Gebiet der BRD).

382

Rationalisierung und Kriegsproduktion

finden sich zwar verschiedentlich zutreffende Feststellungen darüber, daß „zum Teil noch bedeutende Kapazitätserweiterungen vorgenommen wurden" 3 3 7 ; doch schränkt dieser Autor sie fälschlich auf den Rohstoffsektor ein, „vor allem auf vier Erzeugnisbereiche — Mineralölsynthese, Buna, elektrischen Strom und Elektrostahl". 338 Radikal änderte sich allerdings die Investitionsstruktur innerhalb der Industrie. Diese Umstrukturierung war in ihren Anfängen schon in den Vorkriegsjahren (Vierjahresplan) zu erkennen gewesen. In den ersten Jahren des Krieges setzte sie sich insofern mit Abstrichen durch, als die Industrie in größerem Umfang auch „normale" Investitionen tätigte, d. h. Investitionen, die gewissermaßen unabhängig vom Kriegszustand bzw. in Vorbereitung auf die bald erhofften Nachkriegsgeschäfte vorgenommen wurden, zweifellos auch in Zweigen der Konsumgüterindustrie. Seit 1942/43 sorgte eine verschärfte staatsmonopolistische Regulierung durch Munitionsministerium und Zentrale Planung dafür, daß Maschinen und Baukapazitäten immer ausschließlicher und einseitiger der Rüstungsindustrie zugeteilt wurden. In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 scheinen sich Veränderungen in der Investitionsentwicklung angebahnt zu haben, die in verschiedene Richtungen zielten. Im Juli/August begannen angesichts des Scheiterns der Kursker Offensive und der zu erwartenden sowjetischen Gegenoffensive intensive Beratungen und Planungen darüber, wie — vor allem auf Kosten von Investitionen, ζ. B. im Bergbau (Kohle), aber auch in der eigentlichen Rüstungsindustrie — nach „Stufenplänen" Eisen und Stahl „abgezweigt" werden könnten, um sofort mehr Munition und anderes Kriegsgerät zu erzeugen. „Die Lage auf dem Munitionsgebiet des Heeres, auf dem Gebiet der Flakmunition, der Bombenfertigung, der Kraftfahrzeugversorgung, der Fliegerschädenbeseitigung und der Flugmotorenfertigung erfordert Maßnahmen zur zusätzlichen Bereitstellung von Eisen." 3 3 9 Es müsse, so Hitler, „durch Umlegung von Investitionen auf Sicht Eisen freigemacht werden". 340 Am 4. August legte Speer Hitler einen Plan vor, der vorsah, die längerfristigen Programmzielc bei Waffen („Waffen-Endprogramm") „terminlich zurückzustellen", d. h. die laufenden Investitionen zu kürzen, „um die dafür zur Zeit in die Fertigung von Werkzeugmaschinen, Bauten, Einrichtungen und Vorrichtungen fließenden Materialien für die laufende Produktion freizubekommen". 341 „Dasselbe soll für Panzer aufgestellt werden." 3 4 2 Zur gleichen Zeit aber machte sich in der Industrie ein verstärkter und zunehmender Investitionsdrang bemerkbar, der sich eindeutig auf Ersatz- und Neuinvestitionen für den — wie auch immer gearteten — Übergang zur Nachkriegswirtschaft richtete. Diese Entwicklung konnte offenbar auch durch die staatsmonopolistischen Restriktionsmaßnahmen nicht völlig eingedämmt werden. „Es kann kein Zweifel darüber bestehen", schrieb Kehrl, Chef des Planungsamtes, Ende 1943, „daß der Drang zur Substanz, zur Verbesserung des Betriebes, zur normalen Friedensreparatur, zu Ersatz- und Neuinvesti337 Ebenda, S. 56. 338 Ebenda, S. 57. Die von W. angeführten Statistiken (Kapitalinvestitionen insgesamt und „Gewerblicher und öffentlicher Hochbau") sollen anscheinend den starken Abschwung während der Kriegsjahre demonstrieren und sind wegen ihrer Undifferenziertheit für unser Thema irrelevant (ebenda, S. 160). 339 FB, 8. 7. 1943, Punkt 7. 340 Saur, Stichworte, 8. 7. 1943. 341 FB, 4./5. 8. 1943, Punkt 1. 342 Saur, Stichworte, 4. 8. 1943 (Hinzufügung Saur: „Programm wurde später trotz Absetzung der Bauten in ursprünglicher Höhe erreicht").

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

383

tionen in der ganzen Wirtschaft übermächtig ist und in konträrem Gegensatz zu den Erfordernissen der Kriegswirtschaft im fünften Kriegsjahr steht, die eine Abbremsung der Investitionen zugunsten ... des laufenden Rüstungsausstoßes verlangen. ... Der Sog, der ... von der Seite privatwirtschaftlicher Überlegungen ausgeht, ist übermächtig und wird sogar durch die Steuerpolitik begünstigt (Abschreibungen)." 3 '' 3 Im J a h r e 1944 ging das stürmische Wachstum an industriellen Kapazitäten in Abbau über, vor allem weil die Produktion der Investitionsgüterindustrien zurückging, aber auch weil die Luftangriffe der Anglo-Amerikaner nunmehr die Substanz ernsthaft minderten und weil Maschinenbau und Bauwesen in immer größerem Umfang mit Reparaturen, mit der Wiederherstellung von Kapazitäten und mit aufwendigen Untertageverlagerungen beschäftigt waren. Ohne die hohen und gezielten Investitionen der vorhergehenden J a h r e ist jedoch der Produktionsaufschwung in der Rüstung des deutschen Imperialismus nicht zu erklären, der im J u l i 1944 seinen Höhepunkt erreichte und in vielen Arten von Kriegsgerät bis Ende des J a h r e s anhielt. Außerordentlich tiefgreifende Auswirkungen hatte die Investitionspolitik des deutschen Imperialismus auch auf die Nachkriegszeit. Wenn man nämlich die Kriegsschäden gegen die Investitionen der Kriegszeit aufrechnet, so erhält man — nach Krengel für Westdeutschland — überraschend niedrige Maßzahlen der wirtschaftlichen Zerstörung: „Ab 1944, als sich die Wirksamkeit der Luftangriffe vervielfachte, schrumpfte in allen Bereichen der Industrie das Brutto-Anlagevermögen der westdeutschen Industrie so stark, daß im Saldo der Investitionen einerseits, der Kriegsschäden andererseits in den letzten sechzehn Monaten des zweiten Weltkrieges das Brutto-Anlagevermögen der westdeutschen Industrie im Durchschnitt dieser Zeit jeden Monat um 1 vH verringert wurde, anfangs weniger, später wesentlich m e h r . " 3 4 4 Da das gesamte Brutto-Anlagevermögen der Industrie aber 1943, im Ausgangsjahr für diese Berechnung, dank der Investitionen der Kriegsjahre weit größer war als 1939, stand der deutsche Imperialismus den Siegermächten bei Kriegsende de facto mit einem eher noch stärkeren, wenn auch strukturell völlig deformierten industriellen Apparat gegenüber. Selbst die Demontagen und das Investitionsdefizit der J a h r e 1945 bis 1948 drückten, nach Krengel, das Volumen des Brutto-Anlagevermögens der westdeutschen Industrie dank jenen Rüstungsinvestitionen nicht unter dasjenige von 1939. 3 4 5 Die Masse der Bevölkerung hingegen lebte nach dem Krieg jahrelang in großem materiellen Elend, dessen Wurzeln im imperialistischen Raubkrieg und in hohem Maße gerade in der Kriegsinvestitionspolitik der Rüstungsmonopole lagen. 343 Kehrl an Friedrich Dorn, 28. 12. 1943, zit. b. Weyres-v. Levetzow, S. 117. 344 Krengel, Rolf, Anlagevermögen, Produktion und Beschäftigung der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik von 1924 bis 1956, Berlin (West) 1958, S. 13f. 345 Ebenda, S. 14, S. 94 f. — Krengel entblättert mit seinen Berechnungen ausdrücklich und vollständig das westdeutsche Nachkriegs-,, Wirtschaftswunder" (ebenda, S. 15). Wesentlich unschärfer und ungenauer, aber in der Tendenz ähnlich Pritzkoleit, Kurt, Gott erhält die Mächtigen. Rück- und Rundblick auf den deutschen Wohlstand, Düsseldorf 1963, S. 125ff.

26

Eichholtz II

Rationalisierung und Kriegsproduktion

384 f)

Konsumgüter

Während der „Blitzkriegs"feldzüge ging die Konsumgüterproduktion nur in bescheidenem Umfang zurück. Nach anfänglichem Absinken, v o r allem infolge der Einziehungswelle, 347 spielte sie sich 1940/41 unter der offiziell propagierten Losung der „friedensähnlichen Kriegswirtschaft" auf einen Stand von nur wenigen Prozent unter dem Vorkriegsniveau ein. Weit stärker als die Produktion war allerdings der zivile Konsum gefallen. Stattdessen trat die Wehrmacht mit etwa verdoppelten Aufträgen als Kunde auf. Tabelle 101 Produktion und Absatz der Konsumgüterindustrie (Index: 1939 = 100)

1939—1944

Jahr

Produktion

Absatz an die Prozent vom Zivilbevölkerung * Gesamtumsatz

1939 1940 1941 1942 1943 1944

100 94,1 95,7 86,1 90,8 85,4

100 90,4 88,2 74,4 73,9 72,3

82,8 79,6 77,0 72,4 68,1 67,8

* Gesamtumsatz abzüglich direkter und mittelbarer Absatz an die Wehrmacht; also offenbar einschl. des Exports und der Lieferungen von „sonstigem kriegswichtigen Bedarf", d. h. an Reichsbahn, Reichspost, RAD, OT, DRK, Luftschutzgliederungen der NSDAP usw. (s. ZStA Potsdam, Fall VI, Film 413, Dok. PS-1456, Prot, der Besprechung Gen. Thomas' „mit Vertretern der Wirtschaft" am 9. 1. 1941) Quelle: The Effects, S. 130, Tab. 77. Der Anteil an der Konsumgüterproduktion, den die Wehrmacht erhielt, nahm dementsprechend zu, kletterte aber offenbar erst seit dem Frühjahr 1942 in verschiedenen Zweigen kräftig aufwärts. (Tabelle 102) Die Statistik der Wehrmachtsaufträge war ohne Zweifel unvollständig. Die RGI meldete schon für Sommer/Herbst 1940 höhere Zahlen in einer Reihe von wichtigen Industrie. 346 Unter Konsumgüterindustrie wird im folgenden allgemein der Bereich der in Tabelle 102 aufgeführten Wirtschaftsgruppen erfaßt, wenngleich selbstverständlich auch Teile der metallverarbeitenden, der feinmechanischen und optischen, der Elektroindustrie usw. dazuzurechnen sind. 347 Bis Anfang J u n i 1940 war die Zahl der männlichen Arbeiter durch Einziehung und „Auskämmung" um über 30 Prozent zurückgegangen in der Textil- und Lederindustrie, um 20 bis 25 Prozent in der Bekleidungs-, der holzverarbeitenden und keramischen Industrie, in der Brauerei und Mälzerei und in der Papierverarbeitung (ZStA Potsdam, IG-Farben-Prozeß (Fall VI), Film 413, Dok. PS-1456, KTB WiRüAmt, Protokoll d. Bespr. v. General Thomas „mit Vertretern der Wirtschaft" am 9. 1. 1941). Nach Beendigung des Feldzugs im Westen waren der Konsumgüterindustrie wieder Arbeitskräfte zugeführt worden, zum Beispiel „Weltkriegsteilnehmer" (aus dem ersten Weltkrieg) und „Wirtschaftsbeurlaubte" (s. ebenda, passim).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

Tabelle 102 Anteil der Wehrmachtsaufträge 1942 und 1943

385

an Produktion

und Beschäftigung

Industriezweig bzw. Wirtschaftsgruppe

Anteil der Lieferungen für die Wehrmacht am Umsatz (Prozent) Frühj. Juli III. Quar1942 1942 tal 1943

Textilindustrie Lebensmittelindustrie Bekleidungsindustrie * Holzverarb. Industrie Druck Lederindustrie Papiererzeugung Papierverarb. Industrie Keramische Industrie Glasindustrie Brauerei u. Mälzerei Zuckerindustrie Spiritusindustrie

32

42

16 58 17 37 25 25 22 32 0 0

22 65 19 42

η

ν

Insgesamt

?



?

?

29 25 32 ρ *>



44 25 23 68

1 43 0 40 0 37 8 5



in der

Konsumgüterindustrie

November 1943 Zahl d. Be- davon für schäftigten WM-Aufträge (in 1000) (Prozent) 888,1 454,1 319,9 289,5 202,4 180,6 124,4 107,7 99,3 92,7 78,8 59,4 22,0

44 25 23 68 20 63 37 40 28 37 8 5 32

2924,9

38

* Erfaßt wird nur die Lohnarbeit, d. h. Herstellung aus Wehrmachtsmaterial, „in der Fertigung wahrscheinlich 40 bis 50 v. II." (R 3/1802) Quelle: BA Koblenz, R 3/1802, Aufstellung „Anteil der Wehrmacht am industriellen Absatz. Stand Frühjahr 1942", v. 19. 6. 1943 (mit hs. Ergänzungen „Juli 1942") ; Wagenführ, S. 174, Tab. 4 (III/1943) ; S. 158, Tab. 4 (Nov. 1943).

zweigen: „Die Belegung d u r c h die W e h r m a c h t s f e r t i g u n g ist in allen Zweigen der Verbrauchsgüterindustrie wesentlich größer, als man es sich im allgemeinen vorstellt. Sie betrug beispielsweise in der Bekleidungsindustrie a m E n d e des ersten Kriegsjahres 55 Prozent, in der Lederindustrie 47,5 u n d in der Textilindustrie 43,6 Prozent. Auch Glasindustrie (34,6 Prozent), Keramische Industrie (27,3 Prozent), Spiritusindustrie (29,4 Prozent) und Lebensmittelindustrie (17,9 Prozent) sind in verhältnismäßig größerem Maße d u r c h Wehrmachtslieferungen in Anspruch genommen." 348 Ein ausreichendes Kriterium f ü r die Lebenshaltung der Bevölkerung war die Statistik der K o n s u m g ü t e r p r o d u k t i o n freilich auch aus mehreren anderen Gründen n i c h t : wegen der— sehr differenzierten — Rationierung von Lebensmitteln und Konsumgütern, wegen der Qualitätsverschlechterung vieler Waren einschließlich von Lebensrnitteln, wegen der schleichenden Inflation u n d n i c h t zuletzt wegen der zusätzlichen „privaten" Versorgung breiterer Kreise aus den besetzten Gebieten. Im J a h r e 1942 verzeichnete die Konsumgüterindustrie insgesamt den stärksten Rückgang während des Krieges in Höhe von zehn P r o z e n t ; noch schneller sank der „zivile" U m s a t z 348 Ebenda. 26·

386

Rationalisierung und Kriegsproduktion

(16 Prozent). Damit „dürfte der an die Zivilbevölkerung gelangte Teil nur noch 5 0 bis 6 0 v. H. des Vorkriegsstandes erreicht haben, etwa ein Zehntel weniger also als im Tief der schwersten Wirtschaftskrise Mitte 1 9 3 2 " . 3 4 9 I m J a h r e 1943 stieg die Produktion der Konsumgüterindustrie noch einmal um rund fünf Prozent. Doch der Anteil, der davon tatsächlich dem zivilen S e k t o r zugute kam, nahm etwa im gleichen Verhältnis ab. Die Produktionserhöhung wurde von der Wehrmacht aufgesaugt; die Produktion für den zivilen Verbrauch blieb annähernd auf dem S t a n d des Vorjahres. Die Zahl der Beschäftigten in der Konsumgüterindustrie schwankte im Laufe des J a h r e s 1943 heftig, blieb aber insgesamt fast konstant. 3 5 0 Angesichts der lautstarken Propaganda des „totalen Krieges" waren diese Tatsachen erstaunlich genug. Der Rüstungsminister, ein Verfechter weitgehender Stillegungsmaßnahmen in der Konsumgüterindustrie, erreichte bei Hitler im April 1943 vorerst das Einverständnis des „Führers" damit, „daß durch Einstellung von Produktionen im Laufe der Zeit Dinge, die nicht mehr für den totalen Krieg erwünscht sind, automatisch zur Einstellung kommen. ... Dieses Prinzip sei auch sonst überall anzuwenden, da es leichter und mit weniger Aufregung (unter der Bevölkerung — D. E.) zum Erfolg führt als Verb o t e . " 3 5 1 I m übrigen verlangte Hitler „eindringlich", „daß Mangelerscheinungen im R e i c h " — er nannte beispielsweise „Fahrräder für Rüstungsarbeiter" — „zunächst zuungunsten der besetzten Gebiete abgestellt werden müssen". 3 5 2 I m Oktober 1943 sprach Speer sich vor der Parteiprominenz mit Schärfe gegen den Überkonsum an aufwendigen Gebrauchsgegenständen aus und gab drastische Produktionseinschränkungen und -stillegungen auf zahlreichen Gebieten bekannt. 3 5 3 E r g r i f f besonders den „ L u x u s " der Wehrmacht an, die zum Beispiel noch 8 2 4 0 0 0 Reit- und Offiziersschaftstiefel im J a h r erhielt. Die Wehrmacht bezog, nach Speer, pro J a h r von insgesamt 12 Millionen kg Bürobedarfsartikeln 11,08 Millionen kg, von 730 Millionen Flaschen 440 Millionen, von einer Million Klosetts 6 2 0 0 0 0 , von 8 8 0 t Klaviersaitendraht 8 0 0 t ( ! ) , fast die gesamte Scherenproduktion in Höhe von 4,4 Millionen S t ü c k und 6,2 Millionen Dienststempel. E i n e Besonderheit des Bedarfs und Verbrauchs an Konsumgütern besteht darin, daß die Bevölkerung bei fehlender Warendecke noch eine sehr dehnbare Zeit lang m i t dem vorhandenen Vorrat auskommt — abgesehen von Lebensmitteln und kurzlebigen Gütern wie bestimmten Arten von Arbeits- und Kinderkleidung, Waschmitteln, Schreibwaren usw. Auf dieses Konsum„polster" — einen Teil des Volksvermögens — rechneten die Verantwortlichen, wenn sie die „zivile" Erzeugung der Bekleidungsindustrie so weit drosselten, daß im J a h r e 1943 beispielsweise Wäsche und Kleidung für Kleinkinder, Knaben und Mädchen, sogar Windeln und Unterwäsche, nur noch in minimalen Mengen von weniger als einem S t ü c k ( W i n d e l n = f ü n f Stück) j e 1 0 0 0 Einwohner produziert wurden. 3 5 4 Als unabweisbar stellte es sich aber im Laufe desselben J a h r e s heraus, die „ausgebombte" Zivilbevölkerung notdürftig mit den wichtigsten Gebrauchsgütern zu versehen, Glas oder 349 Wagenführ, S. 49. — W. bezieht diese Aussage unter unveränderten statistischen Voraussetzungen auf das J a h r 1944. 350 Siehe The Effects, S. 211, Tab. 9. 351 F B , 25. 4. 1943, Punkt 4. — Mit Verboten waren offizielle Anwendungsverbote gemeint, ζ. B . in der Schönheitspflege. 352 Ebenda. 353 ZStA Potsdam, FS, Film 3570, Rede in Posen am 6. 10. 1943. Hiernach auch das Folgende. 354 Wagenführ, S. 174 ff., Tab. 5.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

387

TabeUe 103 Produktion ausgewählter Verbrauchsgüter 1942 und 1043 Warenart

Bettstellen (Holz) Kleiderschränke Küchenschränke Küchen- u. Wohnzimmertische Stühle Tafelglas (1000 m2)

1942

1943

(Monatsdurchschnitt) Steigerung 1943 (Prozent)

29200 14400

73900 28700

153 99 52

etwa 26300 etwa 228000 4 272

35500 340000 5388

35 49 26

Quelle: The Effects, S. 272, Tab. 96 u. 97; abweichend Wagenführ, S. 50; S. 173, Tab. 3.

Pappe zum Ersatz geborstener Fensterscheiben zu produzieren usw. Ende 1943 waren mehr als sechs Prozent des Wohnraums in Deutschland durch Luftangriffe völlig zerstört oder schwer beschädigt. 355 Bei den Möbeln für die Geschädigten handelte es sich um einfach konstruierte, billig herzustellende Massenware, die im Rahmen des sogenannten „Kriegsauflagenprogramms" vom Oktober 1942 356 standardisiert worden war. Nach der Verordnung über das „Kriegsauflagenprogramm" sollte allgemein „die Erzeugung von Gebrauchsgütern ausschließlich auf die Herstellung versorgungswichtiger Waren beschränkt und deren Bereitstellung gesichert werden". Dies durchzusetzen, gelang dem damit beauftragten Reichswirtschaftsminister anscheinend nur ganz unzureichend. Jedenfalls sah sich ein J a h r später der Rüslungsminister angesichts der Lage zu größeren Zugeständnissen an die Bevölkerung genötigt und versicherte Hitler gegenüber, „daß beabsichtigt ist, im Zuge der Übernahme der sonstigen Kriegsproduktion (vom Reichswirtschaftsminister — D. E.) die Bedarfsgüter für die Bevölkerung, insbesondere für die Ausgebombten, durch Schaffung von einfachen Gebrauchstypen und zum Teil auch durch Erhöhung der dafür notwendigen Kontingente teilweise wesentlich zu erhöhen". 357 In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 stieg auch der Bedarf an Textilien und Bekleidung für Ausgebombte sprunghaft. Die allgemeine Belieferung der Kleiderkarten der Bevölkerung wurde im August 1943 ausgesetzt. Nur bei nachgewiesenem Bombenschaden bzw. gegen besondere „Bezugscheine" war Ware erhältlich. Doch nicht einmal alle Opfer der Luftangriffe konnten versorgt werden; die Produktion der Bekleidungsindustrie lag nach offiziellen Schätzungen um ein Drittel unter dem Minimum des Kriegsbedarfs. 358 Ende des Jahres war die Zahl der benötigten „Bekleidungseinheiten" — vollständige Ausstattung zweier Personen mit Kleidern und Wäsche — auf monatlich 300000 gestiegen. 359 355 The Effects, S. 131. 356 Siehe RGBl. 1942 I, S. 607 f., „Verordnung über die Bereitstellung versorgungswichtiger Waren" v. 16. 10. 1942. Hiernach auch das Folgende. Das Reichswirtschaftsministerium stellte lange Listen solcher „Waren des Kriegsauflagen-Programms" mit mehreren hundert Warenarten zusammen (s. ZStA Potsdam. RWiM, Nr. 10282, Bl. 114 ff.). 357 FB, 6./7. 12. 1943, Punkt 12. 358 The Effects, S. 134. 359 Ebenda.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

388 Tabelle 104 Produktion und Verteilung von Geschirr 1943 (in 1000

Stck.)

Warenart/Quartal

Produktion

davon (Prozent) an Ausgebombte an andere Zivilisten

Teller

12084 13864 14141 14617 1265 1566 1510 1571 9188 11638 11677 11730

23 26 30 41 18 20 25 37 18 19 25 37

I. II. III. IV. Schüsseln I. II. III. IV. Tassen I. II. III. IV.

Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal Quartal

47 39 23 9 44 40 26 10 57 45 26 9

Quelle: The Effects, S. 273, Tab. 98. Siehe auch Wagenführ,

S. 177, Tab. 6 (fehlerhaft).

In allen wichtigen Bereichen (Textilien, Lederwaren, Haushaltwaren, Möbel usw.) verschlechterte sich die Qualität erheblich und hielt infolge der häufigen Verwendung von Ersatzstoffen in Güte und Haltbarkeit keinen Vergleich mehr mit den Vorkriegserzeugnissen aus. Beispielsweise machte im J a h r e 1 9 4 3 / 4 4 (1. 7.—30. 6.) die Produktion von leichten Straßenschuhen, die nur den neunten Teil (vier Monate) der durchschnittlichen Lebensdauer von Lederschuhen aufwiesen, bereits 42 Prozent der Erzeugung aus. 37 Prozent der Rohstoffe für Lederwaren bestanden aus Ersatzstoffen einschließlich Holz (2,6 Millionen Holzschuhe 1943); 1 9 3 8 / 3 9 waren es 15 Prozent gewesen. 360 Die Wehrmacht wurde selbstverständlich vorzugsweise mit Lederschuhen beliefert; für die zivilen VerTabelle 105 Produktion von Konsumgüterii

in den besetzten Gebieten 1943

Warenart

Köper für Berufskleidung (1000 m) Einheits-Uniformtuch (1000 m) Schlafdecken (1000 Stck.) Schwerleder (t Salzgewicht) Lederarbeits- und Berufsschuhe (1000 Paar) Holzarbeitsschuhe (1000 Paar) Bettstellen (Stck.) Kleiderschränke (Stck.)

Produktion (Monatsdurchschnitt) 897 773 407 5000

27 30 19 29

290 1020 12900 4500

25 39 17 16

Quelle: Schnellberichte. Siehe auch Wagenführ, 360 Ebenda, S. 135; Wagenführ,

In Prozent der Produktion in „Großdeutschland"

S. 50.

S. 51.

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

389

braucher einschließlich der Ausgebombten, auf die nur 28 Prozent des Gesamtverbrauchs entfielen (1938/39: 6 4 Prozent), 3 6 1 blieb so gut wie ausschließlich Schuhwerk aus Ersatzstoffen mit geringer Haltbarkeit übrig. Zweifellos bot den deutschen Imperialisten im J a h r e 1943 die Produktion von Konsumgütern in den faschistisch okkupierten Gebieten, die in diesem J a h r den höchsten S t a n d während des Krieges erreichte, noch einen gewissen Ausgleich und verhinderte ein stärkeres Absinken des Verbrauchs bzw. der Qualität bei Waren des zivilen Bedarfs, diente aber auch vorrangig der Auffüllung der Wehrmachtbestände.

g)

Elektroenergie362

Im J a h r e 1939 gab es in Deutschland (mit Österreich und „Sudelengau") 8 2 5 7 große und kleine Kraftwerke m i t einer Kapazität von insgesamt 16 bis 17 Millionen Kilowatt und einer Produktion von 6 6 , 3 Milliarden Kilowattstunden ( U S A : 130,3). Von ihnen waren 1964 (24 Prozent) öffentliche (staatliche, regionale, kommunale) Werke; sie vereinigten 5 8 Prozent der Kapazität auf sich und produzierten 5 6 Prozent der Elektroenergie. Die Werke lagen verstreut über das ganze L a n d ; aber der Grad ihrer Konzentration war insofern beachtlich, als die 113 größten Werke (1,4 Prozent) 51 Prozent der Kapazität besaßen und über 5 6 Prozent des gesamten Stroms erzeugten. Als Basis der Erzeugung diente (1941) in den öffentlichen Werken zu vier Fünfteln Kohle (zu 55 Prozent Steinkohle, zu 45 Prozent Braunkohle) und zu einem Fünftel Wasserkraft; die privaten Werke nutzten Wasserkraft höchstens zu fünf Prozent, im übrigen gleichfalls Kohle sowie Gas (zu etwa 10 bis 15 Prozent). In den J a h r e n der Aufrüstung war die Produktion von Elektroenergie gewaltig gestiegen. Von 1934 bis 1939 hatte sie sich mehr als verdoppelt. Doch da die Schaffung neuer Kapazitäten bei weitem hinter der Produktionssteigerung zurückblieb, war diese wesentlich durch vollere Auslastung der vorhandenen (Überschuß-) Kapazität erzielt worden, die im J a h r e 1934 noch 35 bis 4 0 Prozent betragen hatte. Diese Reservekapazität war schrittweise aufgezehrt worden, so daß sie bei Kriegsbeginn „praktisch gleich Null" war. 3 6 3 Im Kriege wuchsen Kapazität und Produktion verhältnismäßig langsam, aber stetig, durchschnittlich etwa um sechs Prozent pro J a h r : von 16,9 Millionen Kilowatt Anfang 1940 auf 22 Millionen Ende 1944 — ein Ergebnis großen Investitionsaufwands — bzw. von 66,3 Milliarden Kilowattstunden im J a h r e 1939 auf 8 6 Milliarden 3 6 4 im J a h r e 1943; das waren in jedem Fall insgesamt etwa 30 Prozent. Die öffentlichen Werke wiesen eine höhere Steigerungsrate auf als die privaten. Im J a h r e 1943 (Stand April) waren noch 30 Kraft361 The Effects, S. 135. 362 Die Angaben dieses Abschnitts sind (soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt) der konzentrierten Studie in The Effects, S. 114 ff. u. S. 264 ff., entnommen. Einige Angaben auch bei Wagenführ, S. 21, S. 52 u. passim. Zur Versorgung der Zivilbevölkerung mit Hausbrandkohle, Gas und Strom s. Mehl, Lutz, Energie im Kriege. Die zivile Versorgung 1939—1945, Kaiserslautern 1977. 363 The Effects, S. 115f. (Zit. aus undat. (1945) Bericht des Reichslastverteilers). 364 Viel zu niedrige Werte für 1942 bis 1944 bei Wagenführ, S. 52 (Tab.), die vermutlich nur die öffentlichen Werke erfassen (s. hingegen ebenda, S. 21). Andere Werte und Berechnungsgrundlagen auch in Statistisches Handbuch, S. 335.

Rationalisierung und Kriegsproduktion

390

Tabelle 106 Kapazität der Kraftwerke (öffentliche Hand,) und Stromerzeugung 1940-1945 (in 1000 kW) Jahr

Nennleistung zu Jahresanfang

Kapazitätszuwachs im laufenden Jahr Prozent

Stromerzeugung (Mrd. kWh)

1940 1941 1942 1943 1944 1945

9500 10360 10890 11920 12700 13300

860 530 1030 780 600

37,9 43,4 46,5 47,3 48,7 ρ



9,1 5,1 9,5 6,5 4,7 —

Quelle: The Effects, S. 117, Tab. 69 (Kapazität) ; Mehl, S. 200 (Erzeugung). Siehe auch Wagenführ, S. 58 (Tab.). Abweichende Zahlen in anderen Berichten und Aussagen (s. The Effects, S. 116; S. 117, Tab. 71). werke oder S t a u s t u f e n im Bau, d a r u n t e r auch Großprojekte, die noch viele J a h r e zur Fertigstellung gebraucht h ä t t e n . 3 6 5 Daß die P r o d u k t i o n trotz der ständig angespannten Energiesituation n i c h t im geringsten schneller wuchs als die K a p a z i t ä t , illustrierte den verzweifelten Mangel an Reservekapazität. 3 6 6 Außerdem k l a f f t e bereits zwischen der N e n n k a p a z i t ä t der Werke u n d ihrer tatsächlich verfügbaren K a p a z i t ä t eine empfindliche Lücke, weit größer als in normalen Zeiten üblich. Sie m a c h t e — m i t großen Schwankungen — bei den öffentlichen Werken in der zweiten H ä l f t e 1942 u n g e f ä h r 20 Prozent aus u n d lag im J a h r e 1943 noch erheblich höher. Schuld waren hieran vor allem die infolge der Überlastung der Anlagen anwachsenden R e p a r a t u r - u n d Überholungsarbeiten. „Wir haben in dieser Jahreszeit", so berichtete S t a a t s s e k r e t ä r Schulze-Fielitz (GIWE) im November 1942 v o r der Zentralen Planung, „nichtgewollte R e p a r a t u r e n [an Anlagen für] etwa 700000 k W , die wir im vorigen J a h r n i c h t g e h a b t haben, ... W i r sehen also ein ganz deutliches Ansteigen auch der R e p a r a t u r k u r v e u n d müssen auch d a r a n denken, d a ß sehr viele dieser K r a f t w e r k e 20 bis 30 J a h r e alt sind." 3 6 7 Im J a h r e 1943 t r a t e n verschiedentlich schon größere Schäden u n d Ausfälle d u r c h L u f t a n g r i f f e auf. H a u p t a b n e h m e r von Elektroenergie w a r die Rüstungsindustrie. Gesamtindustrie u n d Eisenbahn beanspruchten 1939 r u n d 92 Prozent, die H a u s h a l t e u n d öffentlichen Gebäude dagegen n u r 6,4 Prozent des Elektrizitätsverbrauchs. 3 6 8 Nach D a t e n aus d e m J a h r e 1944 verbrauchten von d e m Industriekontingent aus den öffentlichen Kraftwerken die verschiedenen Betriebe der Großchemie, voran die synthetische Treibstoff- u n d Stickstoffproduktion, 37 Prozent, die Werke f ü r die Erzeugung von Leichtmetallen, Ferrolegierungsmetallen u n d Elektrostahl weitere 21 Prozent, Bergbau u n d Eisenmetallurgie 20 P r o z e n t u n d die F e r t i g u n g von Kriegsgerät 11 Prozent. Innerhalb des Energieverbrauchs der 365 Mehl, S. 192. 366 In derselben Periode, von 1939 bis 1943, wuchs in den USA die Kapazität um 22,3 Prozent, die Produktion aber um 69,4 Prozent (von 130,3 auf 220,7 Milliarden Kilowattstunden) ( The Effects, S. 118). 367 ZP-P, 17. 11. 1942, 27. Sitzung. 368 Vgl. die Aufgliederung in Statistisches Handbuch, S. 337 (mit geringfügigen Unterschieden).

Die Entwicklung der Kriegsproduktion

391

Industrie verschoben sich die Proportionen während d e r Kriegsjahre stark zugunsten der chemischen, besonders der synthetischen P r o d u k t i o n . Als Faustregel galt, d a ß zur E r zeugung einer Tonne B u n a 40000 Kilowattstunden Elektroenergie aufzuwenden w a r e n ; die entsprechenden Zahlen f ü r A l u m i n i u m waren 25000, f ü r Magnesium u m 20000, f ü r Stickstoff 11000 u n d f ü r synthetischen Treibstoff 3 0 0 0 Kilowattstunden. Das J a h r 1942 bildete einen W e n d e p u n k t in der Energiesituation. E s begann die Zeit des Mangels u n d d a m i t der Verbrauchseinschränkungen u n d Stromabschaltungen. Der zu großen Teilen schon vor d e m Krieg eingerichtete staatsmonopolistische A p p a r a t auf dem Energiesektor (Generalinspektor f ü r Wasser u n d Energie, Reichsstelle f ü r Energiewirtschaft, Reichslastverteiler) v e r f ü g t e — jeweils nach Billigung d u r c h die Zentrale P l a n u n g — allgemeine Kürzungen des Monatsverbrauchs an Energie, Begrenzungen f ü r den Verbrauch in den Spitzenbelastungszeiten und weitere partielle Verbrauchskürzungen gemäß sogen a n n t e n Abschaltlisten. E i n differenziertes Ausnahmeverfahren nach Prioritätslisten vervollständigte das Regulierungssystem. Stromkürzungen fanden hauptsächlich während der W i n t e r m o n a t e s t a t t , d. h. zu Zeiten des B e d a r f s h ö h e p u n k t s u n d des geringsten Angebots an Wasserkraft. Sie setzten im Okt o b e r 1941 ein u n d steigerten sich J a h r f ü r J a h r . Tabelle 107 Kürzungen des Spitzenbedarfs an Elektroenergie (Prozent des Bedarfs)

1941/42 1942/43 1943/44 1944/45

Oktober

November

Dezember

Januar

1,2 4,4 3,2 6,1

2,9 4,0 7,8 14,2

2,2 3,9 7,1 17,7

2,7 3,5 2,5 29,1

Quelle: The Effects, S. 120, Tab. 73. Angaben in kWh sind nicht verfügbar. Die Energiesituation wurde immer m e h r zu einem F a k t o r , der auch in Kernbereichen der faschistischen Kriegswirtschaft zu Schwierigkeiten u n d sogar zu Produktionseinschränkungen f ü h r t e , besonders in der elektrochemischen u n d metallurgischen Industrie. Hin und wieder m u ß t e die A l u m i n i u m p r o d u k t i o n gedrosselt werden. Im November 1943 zogen Stromabschaltungen bei synthetischein Stickstoff einen P r o d u k t i o n s r ü c k g a n g von 12,5 Prozent u n d bei Elektrostahl von 20 Prozent nach sich. Seit E n d e 1943 erwies sich die Elektrizitätsversorgung fast p e r m a n e n t als unzureichend im Verhältnis zum Bedarf der Rüstungsindustrie.

K A P I T E L VI

Zur Kriegsziel- und Okkupationspolitik des deutschen Imperialismus

1. Das deutsche Finanzkapital und die Kriegszielplanungen nach dem 22. Juni 1941 Nach Absicht der herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands diente der von langer Hand geplante Überfall auf die UdSSR der Vernichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung — ihrem wichtigsten imperialistischen Klassenziel. Das machte letzlich die neue Qualität dieses Raubzuges im Vergleich zu den vorangegangenen aus. Die Niederwerfung der Sowjetunion sollte ihnen zugleich die endgültige Herrschaft über Europa verschaffen und ihr wirtschaftliches Potential für den „Kampf gegen Kontinente", 1 d. h. für die künftigen Auseinandersetzungen mit den anderen imperialistischen Mächten um die Weltherrschaft stärken. In der Praxis der deutschen Okkupanten erwies sich dieser Raubzug daher als eine neue Stufe extrem gesteigerter imperialistischer Brutalität und faschistischer Barbarei. Mit den ersten militärischen Erfolgen glaubten sie schon, ihren Zielen zum Greifen nahe zu sein. Vom äußersten Grad der Geheimhaltung befreit, gingen sie nun mittels jener schon von den „Neuordnungs"-Programmen des Jahres 1940 her gewohnten Kombination von euphorischer Plänemacherei und brutal-nüchterner Kalkulation daran, Konzeptionen und Pläne dafür zu entwerfen, wie Europa zu beherrschen und auszubeuten und wie die nächsten Schritte zur Weltherrschaft vorzubereiten seien. Vorrangiges Interesse zeigten die Reichsgruppe Industrie und die Wirtschafte- und Fachgruppen, die staatsmonopolistischen Organe des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition und alle bedeutenden Konzerne und Banken an der Inbesitznahme der sowjetischen Betriebe und Bodenschätze und am Aufbau eines diesem Zweck dienlichen Okkupationsregimes. Darüber hinaus aber formulierten die führenden Monopole ihre Vorstellungen von Kriegszielen, die weit über diese unmittelbare Zielsetzung hinausreichten. Sie knüpften damit unmittelbar an ihre „Neuordnungs"- und „Wunschprogramme" von 1940 an, schrieben sie aber auf einer neuen Stufe fort, indem sie das sowjetische Territorium und Wirtschaftspotential als ein Kernstück des zu errichtenden „Großwirtschaftsraumes" darin einschlossen. Auf der Grundlage derartiger Vorstellungen und Pläne bildete sich das gesamte faschistische Okkupationsregime im besetzten Europa weiter aus. a) Die „Neuordnungs"-Planung

1941/42

In den ersten Wochen und Monaten nach dem 22. J u n i 1941 richteten sich die Konzerne, Fach- und Wirtschaftsgruppen, beflügelt von den militärischen Erfolgen, auf die Inbesitznahme der verschiedenen Wirtschaftsgebiete und Industriezweige in der UdSSR ein. 1 Fall Barbarossa,

S. 148, Niedersehr, üb. Ausführungen Hitlers vor d. Generalität, 9. 1. 1941.

Finanzkapital und Kriegszielplanungen

393

Binnen acht Tagen nach der Invasion im Osten erschienen, ausgerüstet mit langfristig vorbereiteten, marschbereiten Wirtschaftsorganisationen f ü r die zu besetzenden Gebiete und mit Bergen aufbereiteten statistisch-wissenschaftlichen Materials, die großen Montankonzerne, der IG-Farben-Konzern, Zeiss, Siemens und AEG auf der Bildfläche und meldeten ihre Forderungen auf die Beute an. Solche Forderungen und andere Aktivitäten betreffend Plünderung, Raub und Ausbeutung in der Sowjetunion sind von folgenden Konzernen und staatsmonopolistischen Institutionen schon f ü r die Zeit vom 22. bis 30. J u n i 1941 b e k a n n t 2 : Wirlschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, Wirtschaftsgruppe Werkstoffverfeinerung, Fachgruppe Edelstahl, Krupp, Reichswerkc „Hermann Göring", Hoesch, Otto Wolff, Gutehoffnungshütte, Maxhütte (Flick-Konzern), Schoeller & Bleckmann Stahlwerke AG, IG F a r b e n 3 ; Vereinigte Stahlwerke, F l i c k 4 ; Rüstungsbeirat des Reichsministers für Bewaffnung und Munition, Fachgemeinschaft Eisen- und Metallindustrie (fachliche Vereinigung von 12 Wirtschaftsgruppen innerhalb der RGI), BergmannElektricitäts-Werke AG (Siemens-Konzern), Zeiss, Dynamit-AG vorm. Alfred Nobel & Co. (IG-Farben-Konzern) 5 ; Oberschlesisches Institut f ü r Wirtschaftsforschung, Oberhütten 6 . Der Aktivität der Wirtschaftsgruppe Textilindustrie unter ihrem Leiter Hans Croon, Inhaber der mit der Deutschen Bank verbundenen Aachener Tuchfabrik G. I I. & J. Croon, und dem Einfluß großer Textilkonzerne wie des Dierig-Konzerns war es zuzuschreiben, daß bereits Anfang Juli die Gründung einer Gesellschaft ins Auge gefaßt wurde, die vom Reichswirtschaftsministerium mit allen Vollmachten f ü r die Ausplünderung und Ausbeutung der sowjetischen Textilindustrie und Texlilrohstoffwirtschaft versehen werden und in der „die private Tcxlilwirtschaft in jeder Hinsicht dominieren" 7 sollte. Die Deutsche Bank verfolgte dieses Vorhaben mit dem größten Interesse und drang bei Croon darauf, „auch bei der neuen sich bietenden Möglichkeit führend mitzuwirken". 8 Hermann Josef Abs erinnerte sich einige Zeit danach: „Vor Wochen habe ich dieserhalb Herrn Kehrl angerufen, der bemerkte, wir seien die ersten, die sich anböten — für alle sei Gelegenheit genug, Geld zu geben." 9 Am 10. Juli beschlossen die Chemickonzerne unter Führung des IG-Farben-Konzerns gemeinsam mit dem Rcichswirtschaftsministcrium über ein ausgefeiltes System der Beherrschung der sowjetischen Chemieindustrie durch die deutschen Großfirmen und Syndikate und durch spezielle „Ostgesellschaften" (Chemie Ost GmbH, Stickstoff Ost GmbH usw.). 10 2 Nach dem Datum der jeweiligen Quelle geordnet. 3 Czollek, Roswitha/Eichlioltz, Dietrich, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941, in ZfG, 1/1967, S. 7 2 f f . ; Band I , S. 202ff. 4 Fall 5, S. 257. 5 Anatomie des Krieges, S. 340 f., Dok. 167. 6 EichhoÜz, Dietrich/Hass, Gerhart, Zu den Ursachen des zweiten Weltkrieges und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus, in ZfG, 7/1967, S. 1168ff. Siehe auch Band I, S. 204f. 7 Anatomie des Krieges, S. 342, Dok. 169, A N Elkmann (stellv. Direktor d. Deutschen Bank), 9. 7. 1941. 8 Ebenda. 9 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. A 11, Bd. 11, Marginale Abs' v. 25. 8. 1941 an AN Kimmichs, 19. 8. 1941. — Hans Kehrl, selbst Textilindustrieller, war damals Generalreferent und Spezialist für Okkupationsfragen im Reichswirtschaftsministerium. Er hatte bedeutenden Anteil an der Gründung der in Rede stehenden „Ost-Faser-Gesellschaft mbH" am 4. 8. 1941. 10 Anatomie des Krieges, 10. 7. 1941.

S. 343, Dok. 170, Protokoll der Vorstandssitzung der IG Farben,

394

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Auch beim Siemens-Konzern nahmen die Projekte für die Expansion nach Osten Gestalt an. 1 1 Am 14. Juli teilte die Leitung von Siemens-Schuckert ihren Werken mit, daß kein Grund zur Beunruhigung hinsichtlich der sogenannten Russenaufträge aus der Zeit vor dem 22. Juni vorliege, zumal ein wesentlicher Teil der Fabrikate „für die Rohstoffgewinnung in dem bisherigen Gebiet der U d S S R vorgesehen waren und voraussichtlich auch dort zur Verwendung gelangen sollen. Hierbei ist ζ. B. an Ausrüstungen für Kraftanlagen, für die Erdölindustrie, für Berg werkseinrichtungen und für das Transportwesen gedacht." 1 2 In den folgenden Wochen stellte die Zentrale des Siemens-Konzerns eine gesonderte Organisation für die besetzten sowjetischen Gebiete auf die Beine, an deren Spitze mit Richard Dicrcks (Siemens & Halske) und Hermann Reyss (Siemens-Schuckert) maßgebliche Vorstandsmitglieder standen. Diercks und Reyss waren der Konzernleitung verantwortlich für „alle Fragen, die im Zusammenhang stehen mit der eventuellen Betreuung russischer elektrotechnischer Fabriken, elektrischer Zentralen ... sowie [für] alle übrigen Organisationsfragen, die für das Wiederingangsetzen einer Organisation dieser Gebiete für unser späteres Geschäft in Betracht kommen". 1 3 Zu den aggressivsten Kräften des deutschen Monopolkapitals gehörten seit eh und je die Leicht- und Buntmetallkonzerne, voran die Metallgesellschaft, Mansfeld, Giesche, Degussa, Preußag, die Vereinigten Aluminium-Werke und — nicht zuletzt — der in der Nichteisenmetallindustrie stark engagierte IG-Farben-Konzern. Sie waren in der WirtO ö schaftsgruppe Metallindustrie, insbesondere in den Fachgruppen Metallerzbergbau und Metall erzeugende Industrie, zusammengeschlossen und hatten sich überdies seit Jahresfrist eigens „zum Zwecke einer großzügigen Planung auf dem Gebiet der Metallgewinnung im neu sich bildenden .Großeuropäischen Wirtschaftsraum'" in „Metallkreisen" organisiert. 14 Die beiden Fachgruppen, die schon am 29. Mai 1941 per Rundschreiben mit dem lakonischen Betreff „Großraumwirtschaft" ein Verzeichnis der erhofften Beute, eine „Zusammenstellung über die Metallversorgung Rußlands sowie über die in Rußland vorhandenen Metallerzvorkommen, Gruben und Metallhütten", versandt hatten, gaben ihren Mitgliedern am 17. Juli ein weiteres Vademekum über die „wichtigsten Erzeugungsstätlen im europäischen Rußland" an die Hand. 1 5 Das besondere Interesse der Metallkonzerne erregte der Kaukasus; nichtsdestoweniger verzeichneten ihre generalstabsmäßig erarbeiteten Wirtschaftskarlen der U d S S R — so die des Mansfeld-Konzerns vom Juli — auch die Bodenschätze im Ural, in Westsibirien, in Kasachstan und in Mittelasien. 16 Aus der Fülle weiterer „Wirtschaftsberichte" und Memoranden, die einen integrierenden Bestandteil des Kriegszielprogramms des deutschen Imperialismus bildeten, stammten die gewichtigsten aus den Büros der Großkonzerne, der führenden Monopolverbände, staatsmonopolistischen Vereinigungen und Institutionen. Allein in der Volkswirtschaftlichen Abteilung des IG-Farben-Konzerns entstanden in der Zeit von Juni 1941 bis Dezember 1942, soweit bisher bekannt, mindestens 15 sogenannter Vowi-Berichte über die industriellen Reichtümer der U d S S R . Schon während der ersten Monate des Krieges flössen die Planung des wirtschaftlichen 11 Siemens — Rüstung — Krieg — Profite. Von einem Autorenkoll. unter Leitg. v. Hans R a d a n d t , Berlin, o. J . (1961), S. 39/41. 12 Z S t A Potsdam, Siemens AG, Nr. 5378, Bl. 186 R , Rs. v. 14. 7. 1941. 13 Ebenda, Bl. 176, R s . v . 9. 9. 1941. 14 Band, I, S. 349. 15 Radandt, Mansfeld, S. 262 f. 16 Ebenda, S. 267.

Finanzkapital und Kriegszielplanungen Tabelle 108 Wirtschaftspolitische

Ausarbeitungen über die UdSSR 1941/1942

395

(Auswahl)

Herkunft bzw. Verfasser

Titel

Datum

IG Farben

Rohstoffvorkommen und Förderung in der Sowjetukraine und in den angrenzenden Gebieten „Wirtschaftsstruktur der UdSSR" „Sowjet-Ukraine" „Materialsammlung über Lagerstätten, eisenschaffende und eisenverarbeitende Industrie im europäischen Gebiet der ehem. UdSSR" („Bericht Nr. 3") „Die Stickstoffindustrie in der UdSSR" „Kapazitäten der russischen Montanindustrie" „Firmenbericht. Die Werke der Eisen schaffenden Industrie in Rußland. I. Europäischer Teil'" „II. Asiatischer Teil" „Erdöl in Rußland"

Juni 1941

Reichsgruppe Industrie (dto.) Reichswerke „Hermann Göring"

Stickstoffsyndikat Demag Vereinigte Stahlwerke

(dto.) Reichsstelle für Bodenforschung Institut für Konjunkturforschung IG Farben Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie Statistisches Reichsamt

„Rohstoffbilanz Kontinentaleuropas unter Einschluß des Europäischen Rußland und Nordafrikas" „Erdöl und Erdgas im Kaukasus" „Die Wirtschaft des Kaukasus unter besonderer Berücksichtigung der Chemischen Industrie" „UdSSR. Wirtschaftsatlas. Teil I : Rohstoffe"

9. Juli 1941 9. Juli 1941 Juli 1941

Juli 1941 1. August 1941 August 1941

Oktober 1941 1941 1941 29. April 1942 Juni 1942 1942

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 10629, 10671, 10674-10677; BA Koblenz, R 13 I, Nr. 1146; Archivalische Quellennachweise zur Geschichte der chemischen Industrie, Nr. 6, Wolfen 1974, S. 53 ff. ; Radandt, Mansfeld, S. 263 f. Raubzugs und Überlegungen über die künftige, von einem beherrschten Europa aus zu verfolgende imperialistische Strategie zu ersten Vorstellungen übergreifenden Charakters zusammen. Reichaußenminister v. Ribbentrop rechnete gewiß mit einer aktivierenden Wirkung des deutschen Vorbilds auf die japanische Regierung, gab aber zugleich die in den maßgeblichen Kreisen des Regimes allgemein herrschende Auffassung wieder, als er die deutsche Botschaft in Tokio am 28. Juni 1941 über die Auswirkungen der bevorstehenden „Endkampflösung der russischen Frage in ihrer Totalität" instruierte: „Die von unserer militärischen Aktion binnen verhältnismäßig kurzer Zeit zu erwartende Zerschlagung der russischen Macht wird den Sieg Deutschlands auch über England zur unwideruflichen Tatsache machen. Wenn Deutschland im Besitze der russischen Ölquellen und Getreidefelder ist, ist damit für das gesamte Europa die ausreichende Versorgung sichergestellt, so daß auch die englische Blockade überhaupt völlig gegenstandslos wird. Die unmittelbare Landverbindung nach Ostasien wird bei dieser Gelegenheit ebenfalls hergestellt." Anschließend hieß es: „Auf diese Weise sind dann alle Voraussetzungen gegeben, die die von den Achsenmächten beabsichtigte Neuordnung des europäischen Raumes ermöglichen." 17 17 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 260, Bl. 157 f., Telegr. v. 28. 6. 1941; s. a .Anatomie gression, S. 21.

der Ag-

396

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Hermann Josef Abs, Vorstandsmitglied und „Außenminister" der Deutschen Bank, ging von einem noch weiter reichenden Horizont expansionistischer Interessen und Kriegsziele aus, als er am 17. J u l i vor dem Handelspolitischen Ausschuß der Reichswirtschaftskammer (ΗΡΑ), dem führende Repräsentanten des Finanzkapitals und der Reichsgruppe Industrie angehörten, einen vielbeachteten Vortrag mit dem Titel „Europa und USA in wirtschaftlicher Betrachtung" hielt. 18 Ihn beschäftigten, wie er darin eingangs darlegte, die Probleme und Schwierigkeiten einer „Regelung des zukünftigen Verhältnisses Europa — USA"; er werde sich als Referent vor allem mit den „wirtschaftlichen Tatsachen und Voraussetzungen" befassen, „die für eine kommende Neuordnung der Beziehungen zwischen den beiden Großräumen Europa und US-Amerika vorhanden sind oder geschaffen werden müssen". Dann ging er auf das wirtschaftliche Kräfteverhältnis zwischen den beiden „Großräumen" und auf die neue Situation im Kampf um die Weltherrschaft ein und erläuterte die nächsten Schritte, die unternommen werden müßten, um mit Erfolg in die künftige Auseinandersetzung mit den USA einzutreten. Die zentrale Frage für Abs war, wie Kontinentaleuropa zu einem nach innen und nach außen einheitlichen wirtschaftlichen „Großraum" unter deutscher Herrschaft zusammenzuschließen sei, damit man mit den USA von der Position der Stärke aus verhandeln könne. Dabei sei zu berücksichtigen, so hob er hervor, „daß der Begriff Kontinentaleuropa, unter dem man bisher die europäischen Staaten ohne Großbritannien und Rußland verstand, durch die kriegerischen Entwicklungen im Osten eine neue Prägung erhalten wird. Auch die Wirtschaft Rußlands wird zum mindesten in wesentlichen Teilen einem zukünftigen kontinentaleuropäischen Wirtschaftsraum zuzuzählen sein. Welchen Zuwachs dieser Raum dadurch an Erzeugungs- und auch an Verbrauchskraft erhält, ist naturgemäß im gegenwärtigen Stand der Entwicklung gar nicht abzuschätzen. Jedenfalls wird er auch unter dem Gesichtspunkt der Selbstversorgung mit wichtigen Gütern eine weitere Abrundung erfahren." Abs' umfassendes strategisches Konzept und seine ausführlichen handels- und währungspolitischen Darlegungen waren im Vortragstext freilich in zurückhaltende und vorsichtige Formulierungen gezwängt. 19 In der anschließenden Diskussion, die einige Unsicherheit 1 8 Z S t A Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 2 1 9 1 3 , Bl. 269—307; Auszüge gedr. in Anatomie des Krieges, S. 3 4 5 f f . , Dok. 1 7 3 (hiernach auch das Folgende). — Mitglieder des Η Ρ Α w a r e n (unter insgesamt 26 V e r t r e t e r n der Rüstungskonzerne und Großbanken, der Konzerne des Außenund Uberseehandels, der Reichsgruppe Industrie usw.) Abs, Hermann Fellinger (DidierK o n z e r n ; RGI), Emil Ilelffericli (Hapag), Oscar R. Henschel (Henschel-Konzern), K a r l Lindemann (C. Melchers & Co./Norddeutscher Lloyd), A u g u s t Rohdewald (Reichs-KreditGesellschaft) Hellmuth Roehnert (Rheinmetall-Borsig/Reichswerke „Hermann Göring") und W i l h e l m W o h l f a r t h (Zeiss-Ikon/Zeiss-Konzern). U n t e r den Gästen der Tagung a m 17. J u l i befanden sich A u g u s t Diehn (Kalisyndikat), Georg v . Schnitzler (IG Farben), Oskar Sempell (Vereinigte Stahlwerke), A l b e r t Pietzsch (Leiter der Reichswirtschaftskammer) und mehrere andere führende Repräsentanten v o n R W K und R G I , ferner Offiziere des O K W und leitende B e a m t e aus der Reichskanzlei, dem Auswärtigen A m t , dem Vierjahresplan, dem Reichswirtschafts- und dem Reichsfinanzministerium. Von besonderem Interesse ist die Tatsache, daß es dem W i d e r s t a n d s k ä m p f e r und K u n d s c h a f t e r A r v i d Harnack gelang, in seiner Eigenschaft als A m e r i k a r e f e r e n t i m Reichswirtschaftsministerium an der Sitzung teilzunehmen (s. ebenda ( Z S t A Potsdam), Bl. 3 3 2 f f . , Protokoll der Sitzung). 19 Der V o r t r a g s t e x t lag in hektographierter Form den Tagungsteilnehmern v o r und wurde v o n A b s auch später noch verschiedentlich an interessierte Bekannte aus Bank- und Regierungskreisen — beispielsweise an Emil Puhl, Vizepräsidenten der Reichsbank — verschickt. Auf Formulierung und A u f b a u des Manuskripts h a t t e n diese weite Verbreitung und natürlich die

Finanzkapital und Kriegszielplanungen

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und mangelndes Verständnis unter seinem Publikum verriet, t r a t Abs daher ein weiteres Mal auf und skizzierte „zur Gewinnung eines richtigen Standpunktes" ohne Umschweife sein imperialistisches Kriegszielprogramm: „1· sei davon auszugehen, daß Deutschland nach dem Krieg Europa beherrscht, 2. auch Europa ist nach dem Krieg auf USA nicht angewiesen, 3. der Ferne Osten und Südamerika stehen dem europäischen E x p o r t offen, 4. der Lebensstandard der amerikanischen Arbeiter wird steigen, 5. erhöhte Kosten werden Amerika zwingen, mit Europa zu verhandeln, 6. die Südostgebiete und die osteuropäischen Gebiete gehören in den deutschen Bereich und werden zu einem höheren Lebensstandard geführt." Was den „höheren Lebensstandard" f ü r Südost- und Osteuropa betraf, so handelte es sich um eine euphemistische Umschreibung f ü r gewisse, von den deutschen Monopolen „genehmigte" Investitionen in für sie interessanten Wirtschaftszweigen, vor allem aber f ü r profitable Fertigwarenausfuhr als „Gegenleistung" f ü r die Ausplünderung der Rohstoffressourcen. Oscar R. Henschel, Chef des Henschel-Konzerns, brachte die Ansichten der Anwesenden auf eine Formel: „Europa sei nicht wesentlich auf Amerika angewiesen, da uns nach dem Krieg auch der russische Raum mit seinem Reichtum offenstehe." Die Ausführungen von Abs kamen an Bedeutung und Tragweite anderen grundlegenden Dokumenten jener Zeit wie etwa den am Tag zuvor von Hitler im engen Kreise abgegebenen Erklärungen zu den Kriegszielen in der U d S S R 2 0 oder auch der berüchtigten Weisung Nr. 32 2 1 durchaus gleich. Das darin enthaltene strategische Konzept erschloß die tiefsten Beweggründe f ü r den Krieg des imperialistischen Deutschlands um die Weltherrschaft. Es zeichnete wesentliche Expansionslinien des deutschen Finanzkapitals vor, die zugleich mit traditionellen Expansionsinteressen der Deutschen Bank und der von ihr geführten Finanzgruppe identisch waren: Südosteuropa, Osteuropa, Lateinamerika, Ostasien. 22 Was Abs als durchaus aktuelles Problem einkalkulierte, war die offene Konfrontation des „neugeordneten" Europas mit den USA und die verdeckte Auseinandersetzung mit dem japanischen Imperialismus um die außereuropäischen „Großräume". F ü r die wirtschaftspolitische, speziell die außenhandels- und währungspolitische Seite dieser Auseinandersetzungen legte er ein detailliertes, weitreichendes Programm vor. F ü r die „Neuordnungs"-Planer der Konzerne, Konzerngruppen und Industriezweige behielten in der Regel Zukunftsplanungen ihre Bedeutung auch neben den Aufgaben, die durch die „Erweiterung des Raumes nach Osten" auf die Tagesordnung rückten, „die zu einer weitgesteckten Planung nötigen und bei denen zunächst Privatinteressen werden Tatsache Einfluß, daß mit den USA noch kein Kriegszustand herrschte; die offene militärische Konfrontation war zwar einkalkuliert, lag aber, wenigstens zu diesem Zeitpunkt, nicht im Interesse der deutschen Imperialisten. Schließlich spielte der Umstand eine Rolle, daß der Vortrag in seinen Grundzügen schon vor dem 22. Juni 1941 vorbereitet worden war (s. ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 21913, verschied. Stücke seit April/Mai 1941). 20 IMG, Bd. 38, S. 86ff., Dok. L-221, Aufzeichnungen Bormanns üb. Bespr. bei Hitler am 16. 7. 1941; teilw. gedr. in Fall Barbarossa, S. 331ff., Dok. 105. 21 Fall Barbarossa, S. 73ff., Dok. 11. 22 Zum Kern der Expansionsinteressen der genannten Finanzgruppe gehörten, wenn auch nicht unmittelbar von Abs' Thema berührt, traditionellerweise ebenfalls der Nahe Osten und das gewaltige mittelafrikanische Kolonialreich, für dessen Bildung seit Jahresfrist umfassende Planungen vorlagen. (Zu den kolonialen Kriegszielen s. Lakowski, Richard, Die Kriegsziele des faschistischen Deutschland im transsaharischen Afrika, Phil. Diss. Berlin 1970; Eichholtz, Dietrich, Die Kriegszieldenkschrift des Kolonialpolitischen Amtes der N S D A P von 1940, in ZfG, 3/1974, S. 308ff.).

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in den Hintergrund treten müssen". 2 3 Die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht und die erträumten kolossalen Perspektiven im Osten beflügelten d a s deutsche Finanzkapital in seinem Drang, im bereits besetzten bzw. beherrschten Teil Europas fertige Tatsachen und endgültige Zustände zu schaffen und den europäischen „Großwirtschaftsraum" unter seiner Führung beschleunigt zusammenzuzimmern. Deutlicher als bisher schälten sich bestimmte Schwerpunkte in seiner „Friedensplanung" heraus. Seine expansiven Bestrebungen richteten sich ebenso intensiv wie auf den „ O s t r a u m " auf die anderen Eckpfeiler des geplanten „Großwirtschaftsraumes" : Westeuropa, Südosteuropa, Nordeuropa (besonders Norwegen). Sie sollen im folgenden an Beispielen demonstriert werden. Im Zentrum des Kriegszielprogramms der deutschen Montankonzerne stand nach wie vor die Herrschaft über den französischen Minettebergbau und die Hüttenwerke in Frankreich, Luxemburg und Belgien. Die Herrscher über Kohle und Stahl an Ruhr und S a a r gehörten schon im ersten Weltkrieg zu den militantesten Verfechtern der Annexion des gesamten lothringischen Erzbeckens. 2 4 Seit Anfang 1941 arbeitete eine vom Reicliswirtscliaftsminister eingesetzte und bevollmächtigte dreizehnköpfige Kommission von maßgeblichen Interessenvertretern der Monopole, nach ihrem Leiter Hugo Klein „ Klein-Kommission" genannt, sogenannte Gutachten über die „Verteilung" der Eisen- und Stahlindustrie in Frankreich, Belgien und Luxemburg an die deutschen Interessenten aus. Wenige Wochen vor dem Überfall auf die U d S S R hatte die Kommission ihren ersten Bericht, das „Gutachten über die Bewertung der luxemburgischen und lothringischen Werke", 2 5 vorgelegt, dessen Kardinalforderung lautete: „Nach Ansicht der Kommission besteht ein erhebliches allgemeines Interesse daran, daß der Eigentumsübergang der Werke an die Treuhänder baldigst erfolgt und daß den Treuhändern baldigst bindende Zusagen hinsichtlich des Eigentumserwerbs sowie des Übernahmepreises gegeben werden." 2 6 Unverzüglich setzte die Kommission, nun mit neun Mitgliedern, ihre Arbeit jenseits der Annexionsgrenzen fort und erstattete schließlich im J u l i 1942 ihren zweiten umfänglichen Bericht über „Die Hüttenwerke im Minettegebiet, in Belgien und Nordfrankreich", den sogenannten Klein-Bericht. 2 7 Der Kommission war ursprünglich die Aufgabe gestellt worden, die Bedeutung der Hüttenwerke im besetzten Westen für das „neugeordnete" Europa und insbesondere für die Stahl Versorgung im Kriege festzustellen. Doch sie beschäftigte sich in ihrem zweiten Bericht, vor allem im Schlußabschnitt über die „Unteilbarkeit des Gesamtgebietes", in erster Linie mit der Erzbasis. Der Bericht wurde zu einem 23 Band I, S. 350, Geschäftsbericht d. Fachgruppe Metallerzeugende Industrie, Februar 1942. 24 Ausführlich hierzu EichhoUz, Dietrich, Das Minette-Revier und die deutsche Montanindustrie, in ZfG, 7/1977, S. 816 ff. ; hiernach auch das Folgende. Siehe ferner Volkmann, Hans-Erich, L'importance économique de la Lorraine pour le l i l e Reich, in Revue d'histoire de la deuxième guerre mondiale, Nr. 120/1980, S. 69ff. Vgl. auch Deutschland im ersten Weltkrieg, Bd. 1, S. 356ff.; Bd. 2, S. 166f.; Bd. 3, S. 81f. 25 ZStA Potsdam, Fall V, Film 405, Dok. NI-5487 (F), Auszug aus d. „Gutachten über die Bewertung der luxemburgischen und lothringischen Werke gemäß Schreiben des Herrn Reichswirtschaftsministers vom 21. 2. 1941", März/April 1941. — Außer Klein, dem 1. Stellv. Vorsitzer des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, zählten zu den Kommissionsmitgliedern u. a. Jakob Wilhelm Reichert (Hauptgeschäftsführer der Wigru Esl), Carl Küttner (FachgruppeEdelstahl), Jacob Herle (Haupttreuhandstelle Ost) und Bernhard Skrodzki (Geschäftsführer der RGI). 26 Ebenda. 27 ZStA Potsdam, FS, Film 10637. Hiernach auch das Folgende. — Kommissionsmitglieder waren u. a. J . W. Reichert und Carl Raabe (Flick-Konzern).

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„plaidoyer ... pour le rattachement de Briey, Longwy et Nancy à l'Allemagne". 2 8 „Wer im Minettebergbau führen will", so war darin zu lesen, „müsse die Verfügung über die Gruben von Longwy und Briey besitzen." Am Schluß hieß es, teils fordernd, teils beschwörend, mit deutlichem Hinweis auf die Notwendigkeit einer baldigen politischen Grenzziehung: „Weder die deutsche Friedens- noch die Wehrwirtschaft können auf dieses unentbehrliche Eisenerz- und Eisengebiet verzichten." E s war ferner insbesondere Südosteuropa, das in den Augen der deutschen Imperialisten im Zusammenhang mit den militärischen Ereignissen auf dem Balkan und in der Sowjetunion eine Neubewertung erfuhr. Nach der Okkupation Jugoslawiens und Griechenlands und nach der Zerschlagung der U d S S R fiel ihnen nach ihrer Berechnung ganz Südosteuropa wie ein reifer Apfel in den Schoß und gelangte als sicheres ökonomisches Hinterland auf unabsehbare Zeit und unwiderruflich unter deutsche Vorherrschaft. Am 7. November 1941 hielt der Sttdostausschuß der R G I unter der Leitung von Max ligner, Vorstandsmitglied der IG Farben industrie AG, seine konstituierende Sitzung ab. Seine Gründung war die Krönung einer seit langem intensiv betriebenen Beschäftigung des deutschen Finanzkapitals mit den Zielen und Methoden seiner weiteren Expansion nach Südosten. E s waren im wesentlichen die auch im Mitteleuropäischen Wirtschaftstag (MWT) vertretenen monopolistischen Kreise, die sie seit Monaten vorbereitet hatten. 2 9 Sie schufen sich im Südostausschuß ein zentrales staatsmonopolistisches Organ, das als unentbehrliche und unumgängliche Beratungsstelle für die faschistische Regierung, je nach Bedarf auch selbst mit Regierungsvollmachten ausgestattet, die Expansion des deutschen Imperialismus nach Südosteuropa vorantreiben, lenken und kontrollieren und die gesamte Planungs- und organisatorische Tätigkeit auf industriellem Gebiet bei sich zusammenfassen sollte. Der Ausschuß bediente sich seiner sieben Länderausschüsse als ausführender Organe und benutzte auch den MWT und die mit ihm konkurrierende Südosteuropa-Gesellschaft als Hilfsinstitutionen. 3 0 Konzeptionelle Gedanken über die deutsche Expansionsstrategie gegenüber Südosteuropa hatte im September 1941 Ulrich v. Hasseil entwickelt, der im Vorstand des MWT tätig war. Hasseil, ein reaktionärer Konservativer, der den oppositionellen Kreisen um Beck und Goerdeler angehörte, bejahte es als „ A u f g a b e " der faschistischen Koalition, nach dem Krieg „die Ordnung wesentlicher Teile des europäischen Kontinents auch wirtschaftlich führend in die Hand zu nehmen". 3 1 E r plädierte für eine auf lange Sicht berechnete Politik der Einbeziehung Südosteuropas als verläßliches politisches und wirtschaftliches Hinterland in den Machtbereich des deutschen Imperialismus. E r erklärte sich für ein „Lenken der Industrialisierung" in diesem R a u m von deutscher Seite aus und gegen ihr Verbot — wie überhaupt gegen eine Wirtschaftspolitik, die „kurzsichtig den Standpunkt des fremden kapitalistischen Ausbeuters einnimmt". 3 2 Eine solche Taktik der langfristigen ökonomischen Infiltration deckte sich mit den Vorstellungen führender Vertreter der deutschen Investitionsgüter- und Exportindustrie, aber auch der an einer aktiven Investitions- und Kreditpolitik interessierten Großbanken, 28 Freymond, Jean, Les industriels allemands de l'acier et le bassin minier lorrain (1940—1942), in Revue d'histoire moderne et contemporaine, Bd. 19, 1972, S. 42. 29 Siehe die einschlägigen Dokumente in Anatomie der Aggression, S. 130 ff., und in Griff nach Südosteuropa, S. 136f. u. S. 142f., sowie die Einl. ebenda, S. 52ff. 30 Siehe Griff nach Südosteuropa, S. 50 ff. (Einl.) u. 136 f. (Zangen an v. Wilmowsky, 7. 8. 1941.) 31 Anatomie der Aggression, S. 138, Denkschrift v. Hassells, Sept. 1941. 32 Ebenda, S. 147 f. 27

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besonders der Deutschen B a n k , die industriell u n d finanziell stark im Südosten engagiert war. So gehörte Abs zu denen, die v. Hassell zu seiner „überaus klaren u n d eindringlichen Darstellung" 3 3 beglückwünschten. Nordeuropa bildete v o m 22. J u n i 1941 an in den Vorstellungen der deutschen Imperialisten eine Randzone des gewaltigen Kontinentalblocks, der bis zur Linie Archangelsk — Astrachan u n d weiter reichen sollte. In dieser neuen Dimension n a h m die wirtschaftliche B e d e u t u n g Nordeuropas f ü r sie teilweise stark ab. Das betraf vor allem das schwedische Eisenerz, in der Perspektive die dänische Lebensmittelerzeugung u n d schließlich auch die finnischen Holzressourcen. Die genannten Güter sollten reichlicher, billiger u n d ohne Umweg ü b e r den üblichen Außenhandel aus den besetzten sowjetischen Gebieten fließen. Auf anderen Gebieten planten die deutschen Machthaber eine enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen Nordeuropa u n d dem besetzten sowjetischen Territorium. So sollte die norwegische Aluminiumindustrie m i t B a u x i t aus N o r d r u ß l a n d versorgt werden. 3 4 Weniger b e k a n n t ist der Plan der „Beschlagnahme der Fischereiflotte im Weißen Meer u n d ihre(r) Ü b e r f ü h r u n g nach Norwegen, u m die Ausnutzung ihrer F ä n g e f ü r Deutschland über norwegische Verarbeitungsbetriebe zu ermöglichen". 3 5 Diese Aktion war in der Gesamtkalkulation der Faschisten einbegriffen, nach der in der sogenannten Waldzone, d. h. in dem gesamten mittleren u n d nördlichen Teil der R S F S R bzw. des europäischen Teils der U d S S R , zahllose Millionen Menschen dem H u n g e r t o d e preisgegeben werden sollten. 36 Seit der Besetzung Norwegens im F r ü h j a h r 1940 h a t t e sich das hauptsächliche wirtschaftliche Interesse der O k k u p a n t e n auf „zusätzliche Versorgungsmöglichkeiten f ü r Deutschland m i t A l u m i n i u m " 3 7 gerichtet. Die Leichtmetallproduktion auf der Basis der dortigen unbegrenzten Energieressourcen an W a s s e r k r a f t galt ihnen n i c h t n u r als eine einmalige 33 Griff nach Südosteuropa, S. 155, Abs an v. Hassell, 24. 11. 1941. — Eine Eintragung in v. Hasseils geheimem Tagebuch vom 20. September 1941 (v. Hassell, Ulrich, Vom Andern Deutschland, Frankfurt a. M./Hamburg 1964, S. 201 f.) vervollständigt das Bild von der ambivalenten Haltung des reaktionären Flügels der bürgerlichen Oppositionellen zum imperialistischen Krieg und zu den Kriegszielen. Wie die meisten anderen Anhänger dieses Flügels schwankte v. Hassell zu jener Zeit zwischen der Furcht vor den Folgen einer Niederlage im Kampf gegen die anglo-amerikanische Übermacht und der Hoffnung, die Sowjetunion und damit den Sozialismus vernichtend zu schlagen: „Vielleicht werden die Erfolge dieser Tage in Rußland (am 19. September fiel Kiev — D. E.) die Stimmung ... in der ganzen Welt in einem für die deutsche Sache günstigen Sinne beeinflussen. Gelingt es, Petersburg, das Donezgebiet, sogar Maikop und schließlich auch Moskau zu nehmen, so würde Rußland als wirklich gefährlicher Feind ausscheiden. Die Versorgungsbasis würde stärker und die Aussicht auf Sieg für die Gegner geringer. Das wäre dann wirklich der Augenblick, um eine Friedensmöglichkeit zu schaffen. Tatsächlich wird aber durch diese Erfolge zwar die gegnerische Siegeschance augenblicklich vermindert, aber die Basis für einen deutschen Sieg keineswegs geschaffen. Der Augenblick dürfte also unter keinen Umständen, wie alle bisherigen, verpaßt werden." 34 Siehe Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 249 ff. Ausführlich zum Platz Nordeuropas im deutschen Kriegszielprogramm Eichholtz, Dietrich, Expansionsrichtung Nordeuropa, in ZfG, 1/1979, S. 17 ff. 35 IMG, Bd. 36, S. 152, Dok. EC-126, „Wirtschaftspolitische Richtlinien für Wirtschaftsorganisation Ost, Gruppe Landwirtschaft", v. 23. 5. 1941. 36 Siehe Band, I, S. 238ff.; vgl. d. vorl. Bd., S. 454f. 37 Entwurf einer Ausarb. d. Volkswirtschaîtl. Abt. des IG-Farben-Konzerns für das OKW v. 19. 4. 1940; zit. b. Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 253.

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Chance, auf diesem Gebiet die deutsche Vormachtstellung in der Welt a u s z u b a u e n ; sie sollte zugleich die Grundlage f ü r eine rasche Vergrößerung der deutschen L u f t w a f f e bilden. I m besetzten E u r o p a , so stellt Milward f ü r diese Zeit fest, „ k a m kein anderes Einzelvorhaben an B e d e u t u n g dem Aluminiumplan (für Norwegen — D. E.) gleich". 3 8 I m Oktober 1940 wurde der „ Koppenbergplan" aus der T a u f e gehoben, ein kolossales P r o j e k t f ü r den Ausbau der norwegischen A l u m i n i u m k a p a z i t ä t e n auf ein Mehrfaches m i t Hilfe der verfügbaren Wasserkräfte. 3 9 An diesem P r o j e k t entzündete sich ein u n a u f h ö r licher, heftiger interner Konkurrenzkampf zwischen den „Aluminiuminteressenten", die sich in zwei mächtigen staatsmonopolistischen Gruppierungen gegenüberstanden: der Gruppe V A W (Viag) — Dresdner B a n k — Reichsfinanzministerium u n d der G r u p p e IG Farben/Vierjahresplan — B a n k der Deutschen L u f t f a h r t — Reichsluftfahrtministerium (bzw. Generalluftzeugmeister). F ü h r e n d e r R e p r ä s e n t a n t der ersten Gruppierung w a r Ludger Westrick (VAW); maßgebliche Vertreter der zweiten waren Heinrich Koppenberg u n d Wilhelm Moschel (IG Farben). Dem IG-Farben-Konzern ging es n i c h t n u r u m eine f ü h r e n d e Beteiligung a m A u f b a u u n d an der N u t z u n g gewaltiger P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t e n f ü r Leichtmetall. Der Zugriff auf die norwegische Wasserkraftenergie erschien ihm vor allem als Schlüsselproblem f ü r unabsehbare perspektivische Möglichkeiten auf dem gesamten z u k u n f t s t r ä c h t i g e n Gebiet der elektrochemischen u n d elektrometallurgischen Produktion. Das norwegische A l u m i n i u m p r o j e k t der deutschen Imperialisten erhielt m i t dem Überfall auf die U d S S R n i c h t n u r gewaltigen Auftrieb infolge des „allgemeinen Klimas des Optimismus", 4 0 das sich hinsichtlich der „ N e u o r d n u n g " ausbreitete; es schien auch materiell auf eine neue Basis gestellt zu sein. Sogleich am 23. J u n i 1941 auf der Sitzung bei Göring ü b e r die Aluminiumgrundlage f ü r das „ G ö r i n g p r o g r a m m " beschloß m a n , „daß die im Norden Rußlands gelegenen B a u x i t v o r k o m m e n , auf denen sehr beachtliche Tonerdefabriken liegen, in erster Linie zu einer Bedarfsdeckung f ü r Norwegen herangezogen werden sollen". 4 1 Der „Leichtmelall-Ausbauplan Norwegen" wurde im zweiten H a l b j a h r 1941, gleichrangig m i t dem Mineralölprogramm, nun umfänglicher und „rationeller" konzipiert als 1940, z u m Schlüsselprojekt der deutschen Blitzkriegs- u n d Weltherrschaftsstrategen. Die neuen Ereignisse bewogen den I G - F a r b e n - K o n z e r n , seine „Friedensplanung" f ü r Norwegen v o m Mai 1941 zu überarbeiten u n d zu ergänzen. In seinen zusätzlichen „Vorschlägen" vom 15. S e p t e m b e r 1941 ging er davon aus, d a ß der „Ausbau der industriellen K a p a z i t ä t des Landes ... n u n m e h r wohl als Teil der Gesamtplanung anzusprechen" sei, „die auf die Neuordnung des kontinentaleuropäischen W i r t s c h a f t s r a u m e s gerichtet ist". 4 2 Sie enthielten eine vollständige Konzeption f ü r eine t o t a l v o m deutschen Imperialismus abhängige u n d von ihm ausgebeutete norwegische W i r t s c h a f t u n d d a m i t ein Modell f ü r die deutsche Wirtschaftspolitik auch in anderen Ländern Nord- u n d Westeuropas. Die IG-„Friedensplanung" vom Mai 1941 wurde in wesentlichen P u n k t e n ergänzt, vor allem d u r c h die F o r d e r u n g nach vollständiger U n t e r o r d n u n g der norwegischen Industrie u n t e r 38 Milward, Norway, S. 171. 39 Ausführlicher ebenda, S. 171 ff. ; Petrick, Fritz, Zur Finanzierung des „Leichtmetallausbau Norwegen", in Beiträge zur Geschichte des Ostseeraumes, Greifswald 1975, S. 171 ff. 40 Milward, Norway, S. 198. 41 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 263, Dok. 1, AN üb. d. Sitzung bei Göring am 23. 6.1941. 42 Eichholtz, Die Norwegen-Denkschrift des IG-Farben-Konzerns, S. 51, Dok. 4, „NorwegenDenkschrift", Fassung v. Sept. 1941. Hiernach auch das Folgende. 27*

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„deutsche Bedürfnisse". Vorausgegangen war dieser Forderung die Eroberung der Aktienmehrheit des Norsk-Hydro-Konzerns, einer entscheidenden Position in der norwegischen Wirtschaft, die die größten und ausbaufähigsten Industriezweige des Landes — Schwerchemie (Stickstoff) und Leichtmetallindustrie — völlig unter deutsche Kontrolle brachte. 4 3 In Anbetracht der zukünftig geplanten bzw. bereits im B a u befindlichen Investitionsvorhaben in diesen Zweigen war die norwegische Wirtschaft in akuter Gefahr, binnen kurzem überfremdet zu werden und zu einem bloßen wirtschaftlichen Anhängsel des deutschen Imperialismus herabzusinken. Am 4. Dezember 1941 unternahm Generalfeldmarschall Milch im Auftrag Görings einen erneuten Versuch, die Auseinandersetzungen zwischen den beteiligten Konzernen bzw. Gruppierungen um die „Aufteilung der europäischen Interessengebiete auf die einzelnen Aluminiuminteressenten" beizulegen/ 1 '' E s stellte sich heraus, daß inzwischen in Anbetracht der Fülle an eroberten Ressourcen bereits eine vorläufige Einigung erzielt worden war. Danach sollten Norwegen und „Nordrußland" das ausschließliche „Interessengebiet" der IG-Farben-Koppenberg-Gruppe bilden, während die V A W dafür m i t „Südrußland" sowie den einträglichsten und reichsten Vorkommen und Unternehmen in Südosteuropa abgefunden wurde. Frankreich sollte von beiden gemeinsam ausgebeutet werden. Das zerstörte Aluminiumwerk in Zaporoz'e am Dnepr sollte unter der Leitung der V A W langfristig und in großem Maßstab wieder aufgebaut werden. Hingegen neigte die Mehrheit der Versammelten dazu, einen Teil des aufgeblähten norwegischen Aluminiumprojekts im Hinblick auf den „außerordentlichen Nachteil" zu streichen, den — wie Krauch es formulierte — „die Erstellung dieser rüstungswirtschaftlichen Industrie in einer so großen Konzentration so weit von der deutschen Einflußsphäre entfernt" in sich berge. Tatsächlich beschlossen die Teilnehmer der Beratung, den „Leichtmetallausbau Norwegen" zu reduzieren. Koppenberg nannte in seiner Information für Reichskommissar Terboven die Gründe dafür allerdings vollständiger; sie seien „in der neueren militärischen Entwicklung zu suchen sowie in dem Verkehrsproblem und dem immer größer werdenden F r a c h t [räum] mangel". 4 5 Der feste Besitz der in der U d S S R eroberten wirtschaftlichen Ressourcen erschien den deutschen Imperialisten aber auch zu jenem Zeitpunkt noch, da ihr Angriff im Osten bereits zum Erliegen gekommen war, auf erdenkliche Zeit als gesichert. Immerhin waren ausgedehnte Gebiete der Sowjetunion, mehrfach größer als Deutschland, und gewaltige landwirtschaftliche und industrielle R e i c h t ü m e r in ihre Gewalt geraten, darunter der westliche Teil des Donecbeckens. In der ersten Novemberhälfte, als die Vorbereitungen auf eine zweite — die letzte — Offensive gegen Moskau noch einmal große Hoffnungen auf eine baldige Beendigung des Krieges bei ihnen erweckten, setzte noch einmal eine Phase intensiver Konferenzen und B e r a tungen über grundsätzliche Probleme der faschistischen Wirtschafts- und Okkupationspolitik ein. Göring legte zusammenfassende Richtlinien für die Ausbeutung der wirtschaftlichen Ressourcen und Arbeitskräfte des Sowjetlandes auf lange S i c h t vor. Zur gleichen 43 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 257; Fall 6. Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG-Farben-Prozesses, Hrsg. u. eingel. von Hans Radandt, Berlin 1970, S. 162f., S. 230ff. ; EichhoUz, Expansionsrichtung Nordeuropa, S. 20 f. 44 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 264 ff., Dok. 2, AN üb. d. Sitzung b. Milch am 4. 12. 1941 (teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 365f., Dok. 185). Hiernach auch das Folgende. 45 Petrick, Zwei Schlüsseldokumente, S. 259 (zit. AN f. Terboven v. 9. 12. 1941 ψ . Bericht Koppenbergs v. 8. 12. 1941).

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Zeit formulierten die führenden Kreise der Reichsgruppe Industrie ihre Kriegszielvorstellungen u n d legten in neugebildeten Gremien wie d e m Südostausschuß und dem Ostr e f e r a t 4 6 die k ü n f t i g e wirtschaftliche Expansionsstrategie fest. Am 7. N o v e m b e r 1941, dem Tage der G r ü n d u n g des Südostausschusses der R G I , befaßten sich die Spitzen der R G I im kleinsten Kreis, zu dem Wilhelm Zangen n u r die leitenden Vorstandsmitglieder der Deutschen u n d der Dresdner Bank, Abs u n d Carl Goetz, hinzugeladen h a t t e , m i t den infolge der „politischen Veränderungen im Osten ... neu entstehenden Problemen". 4 7 S t a t t Zangen u n d Rudolf Stahl, die dringend zu der gleichzeitig s t a t t f i n d e n d e n Sitzung bei Göring „über die Ausrichtung der Kriegswirtschaft auf das R ü s t u n g s p r o g r a m m " 4 8 geladen waren, leitete Ewald Löser, damals das maßgebende Direktoriumsmitglied des Krupp-Konzerns, die Beratung. Anstelle von Abs w a r J o h a n n e s Kiehl anwesend, außer ihm u n d Goetz H a n s - G ü n t e r Sohl (Vereinigte Stahlwerke), Wilhelm Rudolf Mann (IG-Farben) u n d Friedrich Brockhüs (Flick-Konzern). 4 9 Man zog Bilanz ü b e r rund ein Vierteljahr räuberischer A k t i v i t ä t der staatsmonopolistischen Maschinerie der Ostgesellschaften und b e f a n d sie als unzulänglich. U m bei der Besitzergreifung, I n b e t r i e b n a h m e u n d „mögliehst schnellen u n d wirksamen" Ausbeutung des sowjetischen Industriepotentials in Z u k u n f t „die P r i v a t w i r t s c h a f t wirksam einzuschalten u n d zu verhüten, d a ß sich die Monopolbetriebe (gemeint sind die Ostgesellschaften — D. E.) sozusagen auf die Dauer m i t eignen Leulen u n d m i t eignen U n t e r n e h m u n g e n einrichten", beschloß m a n , auf eine Änderung des bisherigen Verfahrens hinzuwirken. Die W i r l s c h a f t s g r u p p e n sollten f o r t a n den Ostgesellschaften im konkreten Fall die „am besten geeignete F i r m a benennen, die u n t e r festgesetzten Bedingungen m i t ihrem ganzen S t a b e u n d u n t e r eigner V e r a n t w o r t u n g die Verwaltung ü b e r n i m m t " . Löser, der den Vorsitz innehatte, v e r t r a t hierbei im A u f t r a g von Zangen n i c h t s anderes als die Meinung der Ruhrkonzerne, die a m Vortag im „Kleinen Kreis" f ü r die W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie entsprechende Beschlüsse gefaßt h a t t e n . 5 0 Verbal bot die RGI den Behörden zugleich den Verzichi dor Industrie auf den Anspruch auf spätere E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g an u n d wollte auch die zu benennenden „ B e t m m n g s " F i r m e n zu Erklärungen der A r t veranlassen, „daß sie von irgendwelchen Bemühungen betreffs Erwerbs eines russischen Betriebes Abstand nehmen werden". Diese Gest e sollte es den staatlichen Stellen erleichtern, ihre Skrupel gegen das vorgeschlagene Verfahren abzubauen, das im Grunde auf eine Vermischung des ursprünglich ins Auge gefaßlen Systems, nach dem die sowjetischen Betriebe mittels Treuhand- bzw. P a c h t v e r t r a g s an die deutschen Konzerne verteilt werden sollten, mit demjenigen ihrer zentralen Verwaltung durch die Ostgesellschaften hinauslief. Der Eigentumsverzicht war natürlich cum grano salis zu verstehen, und die Herren verständigten sich augenzwinkernd d a r ü b e r : „Natürlich 46 Zur Gründung des Ostreferats der RGI s. Schumann, Neue Dokumente der Reichsgruppe Industrie zur „Neuordnung" Europas, S. 434f., Dok. 11, Rs. d. Hauptgeschäftsführers der RGI, 16. 12. 1941. 47 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 21851, Bl. 54, Einladg. von Zangen fur Abs, 24. 10. 1941. 48 Ebenda, FS, Film 2325, Niedersehr, üb. d. Sitzung i. RLM, 7. 11. 1941. Siehe S. 34 f. 49 Ebenda, Deutsche Bank, Nr. 21851, Bl. 55ff., AN Kiehl üb. d. Sitzung, 7.11.1941. Hiernach auch das Folgende. 50 Siehe BA Koblenz, R 13 1/608, Bl. l l l f . , Protokoll d. Besprechg. zwischen RWiM (v. Ilanneken) und Wigru Esl am 6. 11. 1941; ebenda, Nr. 621, Bl. 14, Protokoll d. Sitzung d. Kleinen Kreises am 30. 10. 1941.

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war man sich darüber klar, daß diejenige Gesellschaft, die einen Betrieb einmal erfolgreich betreut hat, damit tatsächlich eine größere Aussicht auf einen etwaigen späteren Erwerb erlangt h a t . " 5 1 Löser schlug überdies vor, den Behörden zu empfehlen, der faschistische S t a a t solle schon jetzt Anteilscheine „auf irgendwelchen späteren Erwerb in Rußland" verkaufen, damit „von vornherein ... die allmähliche Privatisierung dieses Gebietes tatsächlich festgelegt wird". Doch die übrigen Sitzungsteilnehmer lehnten diesen Vorschlag, der die Gemüter einigermaßen erhitzte, als „verfrüht" ab. Als Göring am 8. November 1941 „allgemeine Grundsätze" über die in den besetzten sowjetischen Gebieten auf lange Sicht einzurichtende „Kolonialwirtschaft" vortrug, 5 2 warf allerdings das Scheitern der Blitzkriegsstrategie schon seinen Schatten auf die Beratung. Zwischen den Zeilen stand in den Kolonialisierungsrichtlinien vom 8. November, daß der Krieg im Osten im J a h r e 1942 werde fortgesetzt werden müssen. Daher lag ihr Schwerpunkt — unverändert gegenüber der „Grünen Mappe" — auf der kurzfristigen, größtmöglichen „Nahrungsmittel- und Rohstoffproduktion" für die deutsche Kriegswirtschaft als dem „obersten Gesetz jedes wirtschaftlichen Handelns in den neubesetzten Ostgebieten". Am gleichen Tag, an dem Göring mit den Kolonialisierungsrichtlinien vor sein Publikum trat, tagte der Außenhandelsausschuß der R G I . Dort zog man Bilanz über zwei J a h r e „Neuordnung E u r o p a s " und steckte die Perspektive ab. Hermann Fellinger, Leiter des Ausschusses und Chef des von der Deutschen B a n k beherrschten Konzerns der Didier-Werke AG, formulierte in „programmatischen Ausführungen" 5 3 von „grundsätzlicher B e d e u t u n g " 5 4 die „offizielle A u f f a s s u n g " 5 5 der Leitung der R G I von der „Neuordnung E u r o p a s " . Das große Ziel, das es jetzt zu verwirklichen gelte, sei „die Großraumwirtschaft in einem kontinentaleuropäischen Wirtschaftsblock". 5 6 Dazu gehöre „die Anwendung unserer vernünftigen Wirtschaftsgrundsätze und Wirtschaftsplanungen" auf diesen „Großraum", die „auf Grund unserer Machtstellung" erfolgen müsse. 5 7 Fellinger fuhr fort: „Wir streben eine bestmögliche Erschließung der Rohstoffquellen an und die Hebung der Produktion selbst mit dem Endziel einer möglichst hohen Erzeugung auf Grund sinnvoller, d. h. wirtschaftlich vernünftiger Planung." F ü r diese „Aufbauarbeit" sei eine „Führung notwendig, die wir allerdings für Deutschland beanspruchen ... Auf dem industriellen Sektor steht diese Führungsaufgabe der Reichsgruppe Industrie zu als der berufenen Vertretung der deutschen Gesamtindustrie." Ihr Außenhandelsausschuß habe „das Programm für die wirtschaftliche Neuordnung im gesamten kontinentaleuropäischen Raum zusammenzustellen und durchzuführen". 5 8 51 Über die Auseinandersetzungen um die Eigentumsübertragung s. S. 411 ff. 52 Eichhoüz, Dietrich, Die Richtlinien Görings für die Wirtschaftspolitik auf dem besetzten sowjetischen Territorium vom 8. November 1941, in Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", Nr. 1-2/1977 (im folgenden: Die Richtlinien Görings), S. 73ff. (S. 83ff.). 53 Anatomie des Krieges, S. 360, Dok. 182, AN Albrecht üb. d. Sitzung d. Ausschusses am 8. 11. 1941, v. 12. 11. 1941 (Datum des Anschreibens). Das vollständige Dokument bei Schumann, Neue Dokumente der Reichsgruppe Industrie zur „Neuordnung" Europas, S. 429ff. 54 Anatomie der Aggression, S. 152, Dok. 32, Bericht d. RGI üb. d. Sitzung am 8. 11. 1941 mit Auszug aus der Ansprache Fellingers. 55 Anatomie des Krieges, S. 360, Aktennotiz Albrecht. 56 Anatomie der Aggression, S. 154, Bericht RGI. 57 Anatomie

des Krieges,

S . 360f., Aktennotiz Albrecht.

58 Anatomie der Aggression, S. 155, Bericht RGI.

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I m Dezember zerbrach vor Moskau endgültig die Blitzkriegsstrategie. In W e h r m a c h t u n d Kriegswirtschaft k a m es zu personellen Revirements u n d folgenreichen Umstellungen auf die Situation eines längerwährenden Krieges. Doch es kann n i c h t davon die Rede sein, d a ß die deutschen Monopole etwa ihr Kriegszielprogramm revidierten oder auch n u r ihre Expansionsgier zeitweilig zügelten. I m Gegenteil, sie w a r t e t e n u m die Jahreswende 1941/42 m i t neuen, phantastischen Ausarbeitungen u n d Plänen auf, gerade so, als ob sie die deutsche Militärmaschine j e t z t erst recht anpeitschen u n d weiter vorantreiben wollten. Die perspektivischen Pläne u n d Vorschläge der deutschen Montankonzerne f ü r den „europäischen G r o ß w i r t s c h a f t s r a u m " sahen die Z u s a m m e n f ü g u n g der gesamteuropäischen bzw. im deutschen Machtbereich befindlichen Eisenerzressourcen, H ü t t e n w e r k s - u n d Walzwerkskapazitäten zu einem gewaltigen Stahlerzeugungsblock, d e m größten der Welt, vor. Den zitierten Memoranden ü b e r das Minette-Revier s t e h t eine j ü n g s t entdeckte Denkschrift ü b e r die sowjetische Schwerindustrie im Dnepr-Donec-Industrierevier gegenüber. Nach gründlichen Besichtigungen u n d Recherchen an Ort u n d Stelle 5 9 erörterte m a n demzufolge in maßgeblichen Kreisen der R u h r k o n z e r n e verschiedene Varianten der B e h a n d lung der sowjetischen Stahlindustrie u n d erwog schließlich zwischen S p ä t h e r b s t 1941 u n d F r ü h j a h r 1942 einen aberwitzigen u n d barbarischen Plan — der im übrigen voll u n d ganz m i t d e m zur gleichen Zeit erörterten „Generalplan Ost", d e m „ O s t r a u m " - P r o g r a m m der S S - F ü h r u n g , übereinstimmte. 6 0 In einem M e m o r a n d u m von Georg Bulle (Gutehoffnungshütte), einem der „Rußlandspezialisten" der R u h r k o n z e r n e u n d des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute, w u r d e n i c h t der W i e d e r a u f b a u der weitgehend zerstörten bzw. rechtzeitig ins Innere der Sowjetunion a b t r a n s p o r t i e r t e n Werke und Werkseinrichtungen befürwortet, sondern die „Umsiedlung d e r russischen Eisenindustrie" nach Deutschland. „Die freiwerdenden Maschinen u n d E i n r i c h t u n g e n werden bei I n s t a n d h a l t u n g u n d Ausbau d e r deutschen Stahlindustrie m i t b e n u t z t , die ukrainischen Eisenerze werden im Volksdeutschen W i r t s c h a f t s r a u m v e r h ü t t e t u n d dienen hier zur Sicherstellung der notwendig werdenden Ausweitung der deutschen Stahlerzeugung, von der aus die wachsende deutsche Bau-, Maschinen- u n d Schiffsindustrie u n d daneben auch der ukrainische Inlandsbedarf befriedigt wird. Dazu wäre nötig, d a ß die Werke ü b e r w a c h t werden, bis ihre Anlageteile in den deutschen Werken gebraucht werden, u m d a n n u n t e r deutscher f a c h m ä n n i s c h e r Leitung a b g e b a u t zu werden, wobei deutsche Montageleiter kurzzeitig benötigt werden. Gleichzeitig m ü ß t e n die B a h n - u n d Wasserwege zwischen der Ukraine u n d Ostdeutschland zur A u f n a h m e der Massentransporte von E r z erweitert werden. Die deutschen östlichen Kohlenreviere Schlesien u n d Böhmen u n d vielleicht auch die O s t m a r k würden sich f ü r die V e r h ü t t u n g der Osterze einzurichten h a b e n . " Die W a h l der „Umsiedlungs"variante wurde u n t e r anderem m i t Kriegserfordernissen b e g r ü n d e t ; die tieferen Gründe aber wurzelten u n ü b e r s e h b a r in der imperialistischen Weltherrschaftsstrategie des deutschen F i n a n z k a p i t a l s : „1) Mit der Umsiedlung der H ü t t e n w e r k e k a n n sofort begonnen werden, w ä h r e n d eine Wiederherstellung ohne die m i t der Kohlenzufuhr unsicher gewordene I n b e t r i e b n a h m e vorläufig aufgeschoben werden m u ß . 2} J e t z t , d. h. im Kriege, k a n n Deutschland die f ü r den W i e d e r a u f b a u nötigen Maschinen 59 Siehe S. 461. 60 Müller, Rolf-Dieter, Industrielle Interessenpolitik im Rahmen des „Generalplans Ost", in MilitärgeschicMiche Mitteilungen, 29, 1/1981, S. 128ff., Dok. 9, Bericht von Georg Bulle an J. W. Reichert (Wigru Esl) v. 10. 11. 1941 (mit Anschreiben v. 30. 3. 1942). Hiernach auch das Folgende. Zum „Generalplan Ost" s. S. 430ff.

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n i c h t ohne Schädigung ihres Einsatzes f ü r die innerdeutsche kriegswichtigere P r o d u k t i o n liefern u n d wird die E n t l a s t u n g d u r c h ukrainische Anlageteile f ü r die nötige Modernisierung der bestehenden H ü t t e n u n d den Ausbau der Ostwerke begrüßen. 3) J e t z t im Kriege k a n n Deutschland die f ü r den ukrainischen H ü t t e n w e r k s a u f b a u benötigten F a c h k r ä f t e , techn. Leiter u n d vor allem Werkmeister, n i c h t ohne Schädigung der inländischen Rüstungsindustrie freistellen, da schon jetzt a n diesen K r ä f t e n s t a r k e r Mangel herrscht. Die Montageleiter f ü r die Umsiedlung können dagegen gut gestellt werden, da d a f ü r in Deutschland Maschinenfachkräfte eingespart werden. 4) Auf weite Sicht b e d e u t e t die Umsiedlung f ü r Deutschland die Vermeidung der Gefahr, die darin liegt, d a ß auf slawischem Gebiet die breite Basis einer Rüstungsindustrie, wie sie eine Stahl- u n d Eisenerzeugung darstellt, neu ersteht. 5) Auf weite Sicht benötigt Deutschland die ukrainische Erzreserve (10 Mill, t F e = 1 5 Mill, t S t a h l / J a h r ) zur Sicherstellung der deutschen Stahlerzeugung im Volksdeutschen R a u m . Denn die anderen deutschen Erzgrundlagen reichen n i c h t f ü r die gewollte u n d später benötigte Stahlerzeugung von 50 Millionen jato, da die Minette n u r m a x . 20 Mill, t Stahlerzeugung (13 Mill, t Fe) u n d Skandinavien m a x . 15 Mill, t S t a h l (10 Mill, t Fe) ermöglicht u n d die anderen Vorkommen klein (Ilsede u. a.), unsicher (Afrika, Spanien u. a.) oder schlecht (Inland) sind. Wegen der Schlüsselstellung der Stahlindustrie darf diese andererseits n i c h t auf slawischem R a u m im fernen Osten, sondern m u ß zwischen Maas u n d Memel liegen. D a h e r m u ß das ukrainische Erz in Deutschland u n d n i c h t in der Ukraine v e r h ü t t e t werden, a m besten im deutschen Osten. Schließlich darf n i c h t vergessen werden, d a ß es 6) auf weite Sicht f ü r Deutschland von Vorteil ist, d a ß die U k r a i n e von den Russen ihrer Industrie b e r a u b t wurde (gemeint sind die Evakuierungen vor dem deutschen E i n m a r s c h — D. E.) u n d n u r als Agrarland m i t starker Bevölkerungsdichte zu v e r m e h r t e r Agrarerzeugung u n d zum Austausch seiner A g r a r p r o d u k t e gegen die I n d u s t r i e p r o d u k t e gezwungen ist. Die Ukraine k a n n j e t z t zwangsläufig an der Sicherstellung der deutschen E r n ä h r u n g s wirtschaft u n d des deutschen Industrieabsatzes mitwirken. Aus allen diesen Gründen wäre es erwünscht, wenn die deutsche Regierung baldigst die Umsiedlung der ukrainischen Eisenindustrie in den inneren deutschen R a u m als notwendig a n e r k e n n t u n d die Sicherstellung der Anlagen verfügte, ehe deutsche Militär- oder Verwaltungsstellen aus n a t ü r l i c h e m Ordnungsbedürfnis oder im Wunsche, der deutschen Stahlversorgung zu dienen, auf weite Sicht falsche Wiederherstellungsarbeiten beginnen." Die geschäftsmäßig-nüchterne Sprache dieses Berichts, der keineswegs ein Geheimdokum e n t war, k o n n t e n i c h t d a r ü b e r hinwegtäuschen, d a ß es sich bei der formulierten Forderung u m den Plan eines ungeheuerlichen Industrieraubs u n d n i c h t n u r der Versklavung, sondern der Dezimierung des ukrainischen Volkes handelte. I m I G - F a r b e n - K o n z e r n kursierten Mitte J a n u a r 1942 Listen der großen sowjetischen Kunststoff-, K a u t s c h u k - u n d Weißfarbenwerke m i t der nachdrücklichen „ E m p f e h l u n g " , „darauf zu achten, wenn die in der Aufstellung genannten Orte von den deutschen Truppen besetzt werden, d a m i t wir d a n n m i t den zuständigen behördlichen Stellen sofort F ü h l u n g n e h m e n können". 6 1 Die a u f g e f ü h r t e n Werke waren sozusagen geographisch g e o r d n e t : Sie standen in der Reihenfolge ihrer erwarteten E r o b e r u n g d u r c h die W e h r m a c h t . An d e r Spitze rangierten die großen Werke in Leningrad, Moskau u n d in der Ukraine. Doch es 61 ZStA Potsdam, FS, Film 3966, Listen u. Begleitschreiben (Diktierzeichen: Bgt) v. 14. 1. 1942 für Grebe (Kunststoffe), Dr. Albers (Kautschuk) u. Dr. Weiss (Weißfarben) ( = Dok. NI-7468).

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fehlten keineswegs Werke in Batumi, Erevan', Celjabinsk (Farbwerke), Sumgajt, Celkar und sogar Novosibirsk (Kautschukwerke). Krauch selbst h a t t e u m die Jahreswende Unterredungen mit Göring über außerordentlich schwerwiegende Fragen der deutschen Eroberungsstrategie. Nach seinem Brief vom 27. J a n u a r 1942 62 zu urteilen, hielt er den weiteren Vormarsch zum Kaukasus, an die Quellen des Erdöls, nach wie vor f ü r selbstverständlich und unabdingbar. Noch weit mehr lag es ihm am Herzen, Göring davon zu überzeugen, daß die Erdölfelder von Kirkuk im Irak ein lohnenswertes, ja ein noch weit ergiebigeres Ziel darstellten, da dort das Öl „unter eigenem Gasdruck" zutage trete und nicht, wie im Kaukasus, durch Pumpen gewonnen werden müsse. Jede Bohrung bringe dort, so argumentierte er, im Vergleich zum Kaukasus das Zehn- oder gar Hundertfache an Förderung. Eine Tabelle und eine wirtschaftsgeographische Skizze, die Krauch seinem Schreiben beifügte, veranschaulichten mit reichlichem Zahlenmaterial die Förderverhältnisse nicht nur der kaukasischen und irakischen, sondern mit gleicher Ausführlichkeit und Eindringlichkeit auch die der ägyptischen Felder. Krauch befaßte sich schon mit den näheren Umständen der Eroberung des Vorderen Orients: „Im Fall von Zerstörungen d ü r f t e die Wiederherstellung der vollen Leistung in Vorderasien mit viel geringerem Aufwand an Material, Zeit und Arbeit möglich sein, als im Kaukasus." Krauch, Aufsichtsratsvorsitzer des IG-Farben-Konzerns, Chef des Reichsamts f ü r Wirtschaftsausbau und GB Chemie sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Konti Öl, stärkte also mitten in einer kritischen militärischen Situation der Nazi- und militärischen Führung den Rücken und erinnerte sie nachdrücklich daran, daß die in der berüchtigten Weisung Nr. 32 vom J u n i 1941 63 vorgezeichnete Strategie als eine der wichtigsten Voraussetzungen f ü r das Expansionsprogramm der deutschen Imperialisten verbindlich bleibe. 64 E r t a t das als der Wortführer maßgeblicher Kreise des Finanzkapitals, die eine Verständigung über die künftige Stiptegie f ü r dringlich hielten. Seinem Brief an Göring gingen ausführliche Beratungen in der Leitung der Konti Öl anläßlich der Aufsichtsratssitzung dieser Gesellschaft am 13. J a n u a r 1942 voraus. 65 Nur wenig später steckte man im Auswärtigen Amt die zwischen Krauch und Göring besprochene Eroberungsstrategie genauer a b : „Das Ziel unseres Vormarsches im arabischen Raum wird neben der Besetzung der Länder Irak, Syrien und Palästina der Suez-Kanal und der Persische Golf sein. ... Vorbereitet werden m u ß die Übernahme der Erdölanlagen in den verschiedenen Gebieten Arabiens und

62 Ebenda, Film 8398, Krauch (GB Chemie) an Göring betr. „Vergleich Erdölgebiete Kaukasus und Vorderasien". 63 Fall Barbarossa, S. 73 ff., (Entwurf der) Weisung v. 11. C. 1941. 64 Im O KW schlug man zu jener Zeit unter dem Eindruck der Niederlage vor Moskau zaghaftere, ja geradezu klägliche Töne an. In einer Studie des WiRüAmtes von Januar/Februar 1942, in der hauptsächlich nachgewiesen werden sollte, daß das Göringprogramm „schon aus Treibstoffgründen absolut unmöglich" durchzuführen sei, sprach man nur im Konjunktiv von der Möglichkeit, „im Verlauf des Krieges noch in den Besitz der russischen Erdölvorkommen (zu) gelangen". Abschließend hieß es: „Eines aber ist klar: Ohne das russische ö l können wir selbst den geringen in unserer Hand befindlichen russischen Raum bei weitem nicht vollkommen ausnutzen. Aber vor allem: Ohne das russische ö l muß die deutsche Kriegführung von jetzt ab in ständig zunehmendem Maße erlahmen." (ZStA Potsdam, FS, Film 10667, Teil-Ms. einer Treibstoffdenkschrift des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes (Tomberg?), höclistwahrsch. Jan./Feb. 1942). 65 Siehe S. 482 f.

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I r a n s . " 6 6 Gerade dieses Ziel b e s t i m m t e , dem Autor der zitierten Ausarbeitung, F r i t z Grobba, zufolge, eine der speziellen Aufgaben des u n t e r seiner Leitung gebildeten S t a b e s : „Vorbereitung des Abschlusses von A b k o m m e n über die Ü b e r n a h m e der Konzession d e r Irak Petroleum Comp, u n d die Stellung von Beratern u n t e r Beteiligung der Abteilung Ha. Pol. (des A A — D. E.) sowie der innerdeutschen Stellen." 6 7 D a m i t rückte also jetzt in das S t a d i u m konkreter u n d z u n e h m e n d intensiver Planungen, was bereits ein J a h r zuvor auf d e r Gründungssitzung der K o n t i ö l — der in dieser Hinsicht wichtigsten „innerdeutschen Stelle" — als das „Hochziel" ihrer Gründer, der Creme des deutschen Finanzkapitals, apostrophiert worden w a r : H a n d zu legen auf das Erdölimperium d e r Royal D u t c h Shell a m Persischen Golf. 68 Der entscheidende Zugriff auf dieses I m p e r i u m sollte ü b e r den Kaukasus erfolgen. Die beschriebene lebhafte A k t i v i t ä t der herrschenden Kreise u n d insbesondere das Vorgehen Krauchs erhellen die eminente Rolle der Erdölstrategie in den Kriegsplänen des deutschen F i n a n z k a p i t a l s u n d lassen erkennen, welchen hervorragenden Platz das Erdöl in seinem Weltherrschaftskonzept einnahm. W ä h r e n d der Sommeroffensive der Wehrm a c h t t r a t die von K r a u c h vorgezeichnete Linie wieder ganz deutlich zutage, als beispielsweise a m 10. J u n i 1942 die Teilnehmer der „Olsitzung" bei Göring so t a t e n , als seien die irakischen Erdölquellen schon in ihrer Gewalt. 6 9 Damals scheuten sich die deutschen Imperialisten auch keineswegs, ihre Aspirationen auf ein Erdölimperium gleich d e m des britischen u n d US-Imperialismus schwarz auf weiß zu veröffentlichen. In der Schriftenreihe einer wohlrenommierten technischen Zeitschrift schrieb ein gewisser B i r k : „Großdeutschland als f ü h r e n d e r S t a a t der W i r t s c h a f t s e i n h e i t E u r o p a erstrebt f ü r diesen K o n t i n e n t n i c h t n u r die reichlich vorhandenen Kohlenvorräte, sondern auch die in seinem Lebensraum anstehenden Erdölschätze zu mobilisieren. ... Die Macht- und Monopolstellung des britischen u n d nordamerikanischen Kapitals in der E r d ö l w i r t s c h a f t der Welt m u ß gebrochen werden, u m den Weg f ü r eine Neugestaltung der Mineralölversorgung als der Grundlage industrieller B e t ä t i g u n g u n d verkehrlicher E n t w i c k l u n g aller Völker und Wirtschaftseinheiten f r e i z u m a c h e n . " 7 0 Die W e h r m a c h t p r o p a g a n d a b e h a u p t e t e noch im J a n u a r 1943, als die faschistischen T r u p p e n v o m K a u k a sus zurückfluteten, das deutsche Heer werde „die Voraussetzungen d a f ü r schaffen, d a ß auch uns unser Anteil an den Rohstoffquellen der Welt und n i c h t zuletzt an den Mineralölvorkommen der E r d e gesichert wird". 7 1 Die Sommeroffensive 1942 b r a c h t e eine letzte Blütezeit f ü r Kriegszielplanungen u n d 66 ZStA Potsdam, Auswärtiges Amt, Nr. 61123, Bl. 176f., Ausarbeitung von Fritz Grobba für v. Ribbentrop, 5. 2. 1942: „Vordringen Deutschlands über den Kaukasus nach dem arabischen Raum"; vgl. auch Anatomie des Krieges, S. 377, Dok. 192. 67 Ebenda (ZStA), Bl. 193, Kurzfassung der gleichen Ausarbeitung u. d. T. „Vormarsch Deutschlands nach dem arabischen Raum". — Gesandter z. b. V. Fritz Grobba war der Bevollmächtigte des AA beim Sonderstab Felmy, einer Kampf- und Diversionstruppe, die vom OKW für den Nahen und Mittleren Osten in Bereitschaft gehalten wurde. 68 Siehe DZW, Bd. 1, S. 556. 69 EichhoÜz, Dietrich, Der Raubzug des faschistischen deutschen Imperialismus zu den Erdölquellen des Kaukasus 1941—1943, in JfG, 1976, Bd. 14 (im folgenden: Erdölquellen), S. 462ff., Dok. 1. Siehe auch S. 484f. 70 Birk, Karl, Kraftstoffwirtschaft der Welt, in Schriftenreihe der Zeitschrift Deutsche Technik, H. 11, Berlin (1942), S. 67 und 72. 71 ZStA Potsdam, FS, Film 10699, (Lehr-)Vortrag v. TKVR Simons vom 28. 1. 1943 üb. „Das Erdöl".

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-programme. Allerdings verlagerten sich ihre Schwerpunkte. In gewisser Weise sollte auch das „Verbot der Friedensplanungen" d u r c h Hitler, Göring u n d Speer, 7 2 wiewohl vor allem auf die Konstruktion u n d P r o d u k t i o n von Erzeugnissen bezogen, die Energien der Konzerne u n d staatsmonopolistischen Gremien stärker darauf lenken, das W i r t s c h a f t s p o t e n t i a l der besetzten L ä n d e r u n m i t t e l b a r in das deutsche Kriegspotential einzubeziehen und es kurzfristig f ü r die Kriegführung n u t z b a r zu m a c h e n . Hiergegen h a t t e n die Monopole nichts einzuwenden, zumal es f ü r sie auf der H a n d lag, d a ß , solange der Krieg n i c h t siegreich beendet war, die „ N e u o r d n u n g s " - P l a n u n g e n letzten Endes Luftschlösser bleiben m u ß t e n . W a s die besetzten sowjetischen Gebiete betraf, so verlegten sich die deutschen Monopole auf die Intensivierung ihrer räuberischen Tätigkeit in den Ostgesellschaften u n d a u ß e r h a l b dieser Organisationen auf die G r ü n d u n g zahlloser „ O s t f i r m e n " . Hier sollten vollendete Tatsachen der „ N e u o r d n u n g " geschaffen werden. U m sich die sowjetischen W i r t s c h a f t s ressourcen rascher n u t z b a r zu machen, waren sie zeitweise sogar bereit, kollaborationswillige, antisowjetische Unternehmerkreise aus den Niederlanden, aus Norwegen, Dänem a r k , Frankreich, Ungarn u n d anderen S t a a t e n an der Ausplünderung u n d systematischen A u s b e u t u n g b e s t i m m t e r Bereiche der O k k u p a t i o n s w i r t s c h a f t teilhaben zu lassen. 7 3 Die RGI u n t e r s t ü t z t e u n d förderte den räuberischen Drang der deutschen Industriellen, sich in den besetzten sowjetischen Gebieten festzusetzen, m i t ihrem ganzen Gewicht u n d Einfluß. In d e r von ihr herausgegebenen Zeitschrift „Die Ostwirtschaft" verhieß ihnen im F r ü h j a h r 1942 ein Leitartikel: „Keiner, der ein Interesse d a r a n h a t , sich im Osten zu betätigen, wird zu kurz k o m m e n . " 7 4 Im September frohlockte der gleiche Leitartikler, Chefredakteur H a n s Thode, die militärische Entwicklung, besonders die E i n n a h m e des gesamten Donec-Industriereviers, biete n u n „die Möglichkeit ..., im Osten eine W i r t schaftspolitik auf längere Sicht zu betreiben". 7 5 Zur H a u p t s o r g e der Konzerne, der R G I u n d der W i r t s c h a f t s g r u p p e n wurde die Frage der zukünftigen E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g an die jetzt einstweilen als „ T r e u h ä n d e r " bzw. „ P a t e n " eingesetzten deutschen U n t e r nehmen. 7 6 Die F l u t der Wirtschaftsberichte, Studien u n d statistischen Ausarbeitungen von Konzernen, Wirtscliaftsinslituten u n d staatlichen Stellen ü b e r alle wirtschaftlich bedeutenden L ä n d e r der Welt stieg im J a h r e 1942 noch an. Im M i t t e l p u n k t der A u f m e r k s a m k e i t der Bearbeiter standen Südosteuropa, Afrika, der Nahe u n d Ferne Osten. 7 7 Von besonderem Interesse ist eine Ausarbeitung der Kontinentale ö l AG v o m 15. J u l i 1942 ü b e r „Die 72 Siehe Janssen, S. 66 ff. 73 Siehe Groehler/Schumann, Zu den Bündnisbeziehungen ..., S. 636f. ; DZW, Bd. 2, S. 419f. ; Eichholtz, Expansionsrichtung Nordeuropa, S. 27 ff. 74 Thode, Hans, Lebensraum im Osten, in Die Ostwirtschaft, Nr. 3/1942 (März), S. 37. 75 Derselbe, Unternehmertum im Osten, in ebenda, Nr. 9/1942 (Sept.), S. 125f. Auswahl von Artikeln aus „Die Ostwirtschaft"', Jg. 1942. Nr. 3 (März) „Lebensraum im Osten" Nr. 6/7 (Juni/Juli) „Europäische Gemeinschaftsaufgabe Osten" „ „ „Deutsche Handelsunternehmen in den besetzten Ostgebieten" „ „ „Die Erdölindustrie im Nordkaukasus" Nr. 9 (September) „Unternehmertum im Osten" 76 Siehe S. 415ff. u. S. 466f. 77 Zahlreiche derartige Ausarbeitungen und Memoranden in ZStA Potsdam, FS, Film 10613 ff. ; s. a. Arcliivalische Quellennachweise zur Geschichte der chemischen Industrie, Nr. 6, Wolfen 1974.

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Mineralölwirtschaft Ägyptens", 7 8 die zeitlich zusammenfiel mit dem weitesten Vordringen d e u t s c h e r u n d italienischer Truppen in Richtung auf Kairo. Damals meldete beispielsweise auch die Deutsche Bank ausdrücklich ihre Ansprüche auf Übernahme der kolonialistischen Positionen Großbritanniens in Ägypten und „im übrigen Vorderen Orient" an. 7 9 Das hervorstechendste Ergebnis der Kriegszielplanungen des Jahres 1942 war das Ostasienprogramm der RGI, das vom März datiert, aber ähnlich wie der „Klein-Bericht" schon seit längerem vorbereitet worden war. Im Ostasienprogramm, 8 0 von seinen Verfassern im Ostasienausschuß der RGI „Wunschprogramm der deutschen Wirtschaft für die Durchführung der deutsch-japanischen Zusammenarbeit im großostasiatischen Wirtschaftsraum" genannt, stellten die deutschen Monopole an den japanischen Verbündeten die Forderung nach gleichberecliigter Teilnahme an der „Neuordnung im großostasiatischen R a u m " . Unter „Gleichberechtigung" verstanden sie, „daß deutsche Staatsangehörige (lies: deutsche Monopole — D. E.) in jeder Beziehung nicht schlechter gestellt sein dürfen als japanische" und ebenso wie die diesen R a u m beherrschenden japanischen Monopole „starke Bevorzugung" gegenüber anderen Mächten genössen. Das hieß im einzelnen: „Vorzugsweise Lieferung von Rohstoffen an Deutschland ... Vorzugsweiser Bezug von deutschen Industrieerzeugnissen ... Betätigung und Einrichtung von Stützpunkten eines deutschen Bankinstituts in sämtlichen Gebieten des großostasiatischen Raumes", nämlich der f ü r diesen Zweck vollständig zu reorganisierenden Deutsch-Asiatischen Bank, und nicht zuletzt freie Betätigung der deutschen See- und Luftverkehrsunternehmen und Versicherungskonzerne, „unbeschränkt durch monopolistische Tendenzen" der japanischen Konkurrenten. Mit dem Ostasienprogramm griff das deutsche Finanzkapital weit über die Grenzen Europas hinaus und bereitete eine ökonomische Expansion über gewaltige Entfernungen in Räume der anderen Hemisphäre vor, die die japanischen Imperialisten erobert hatten oder zu erobern planlen. Sein Kriegszielprogramm erwies sich darin eindeutig als Weltherrschaftsprogramm. In jenem Dokument lag schon der Keim späterer Zusammenstöße und tiefgreifender Auseinandersetzungen mit den Japanern beschlossen, denen man mit einer schwächlichen Klausel über den „Grundsatz der Gegenseitigkeit" Sand in die Augen zu streuen gedachte. Auch die „Neuordnungs"-Planung und -Politik des deutschen Finanzkapitals blieb freilich nicht von den Auswirkungen der Niederlage vor Moskau verschont. Das machte sich in erster Linie dort bemerkbar, wo es gewisse Rücksichten auf andere kapitalistische P a r i n e r im „Großwirtschaftsraum" zu nehmen gall. Überall wo die deutschen Konzerne, beispielsweise in der Elektroindustrie 8 1 und in der Autoindustrie 8 2 , den Versuch unternahmen, neue, unter ihrer Führung stehende intereuropäische Kartelle und Konventionen aufzubauen, 78 ZStA Potsdam, FS, Film 10616. 79 Ebenda, Deutsche Bank, Nr. 10275, Bl. 133, A N Abs (für Weigelt), 4. 7. 1942. 80 Auszugsweise gedr. in Anatomie des Krieges, S. 387ff., Dok. 200. Hiernach auch das Folgende. Zur Zusammensetzung des Ostasienausschusses s. ebenda, S. 390, sowie Band I, S. 154 ff. Neuerdings s. Das Bündnis der Rivalen. Der Pakt Berlin — Tokio. Neue Dokumente zur Ostund Südostasienpolitik des faschistischen deutschen Imperialismus i m zweiten Weltkrieg. Hrsg. u. eingel. von Karl Drechsler, Berlin 1978, S. 44 ff. u. S. 127ff. (Dok. 33). 81 Siehe Wandschneider, Hermann, Pläne der deutschen Elektrokonzerne zur „Neuordnung der europäischen Wirtschaft" im zweiten Weltkrieg, in JfW, 1970, T. 4, S. 219ff. 82 Siehe ZStA Potsdam, FS, Film 4638, div. Stcke. üb. d. Verhandlungen d. „Vorläufigen Kommission für die Zusammenarbeit der europäischen Automobilindustrie", 1941/42.

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zeigten sich im Jahre 1942 zunehmend Argwohn und Widerstand bei ihren Partnern, sei es aus besetzten Ländern wie Frankreich, den Niederlanden und Dänemark, sei es aus verbündeten und Satellitenstaaten wie Italien und Ungarn. Dieser Widerstand gegen „die betonte Herausstellung einer deutschen F ü h r u n g " 8 3 versteifte sich in dem Maße, in dem sich der deutsche Vormarsch in der U d S S R verlangsamte und in dem die Abhängigkeit der Kriegswirtschaft und Kriegführung Hitlerdeutschlands vom Potential der besetzten Länder offenkundig wurde. Unter derartigen Umständen blieb dem deutschen Finanzkapital nichts weiter übrig, als bescheidenere Formeln für eine „Zusammenarbeit" zu finden — intern immer „von dem Gesichtspunkt aus . . ., daß Deutschland sein Kriegsziel, nämlich ein geeintes Europa, unter starker deutscher Wirtschaftsführung erreicht". 8 4

b) Der Eigentumsanspruch und die sozialistischen in der

der Monopole Produktionsverhältnisse

UdSSR

Von Anfang an beschäftigte die deutschen Monopole die Frage nach der endgültigen Übernahme der sowjetischen „Staatswirtschaft" in ihre Hände. Diese Frage betraf nicht nur den Kern ihrer Raub- und Expansionsinteressen. Die Abschaffung der sozialistischen Formen des Eigentums an den Produktionsmitteln „ f ü r immer" erschien ihnen nach der Vernichtung des Sowjetstaates und im Zusammenhang mit dieser als der entscheidende Schritt zum Sturz der verhaßten sozialistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Fleisch vom Fleische der weltweiten imperialistischen Konterrevolution, verfolgte das deutsche Finanzkapital die Restauration des Kapitalismus in der U d S S R als das grundlegende Klassenziel seines Krieges. Die herrschenden Kreise des Regimes waren sich in bezug auf dieses Ziel vollständig einig. Keine einheitlichen Vorstellungen bestanden dagegen hinsichtlich der Methoden und des Zeitpunkts der „Reprivatisierung". Beim Erdöl beispielsweise stand von vornherein eine Lösung des Problems in Gestalt der Kontinentale ö l AG fest, einer privatrechtlichen Monopolgesellschaft mit starker staatlicher Beteiligung und u n t e r dem dominierenden Einfluß der großen Industrie- und Bankkonzerne. 8 5 Die sowjetischen Bergbau- und Hüttenbetriebe waren zunächst zu Dutzenden den deutschen Montankonzernen als „Patenbetrieben" mit späterem (wenn auch nicht offiziell fixiertem) Eigentumsanspruch bzw. Vorkaufsrecht zugeteilt und zugesagt worden. 8 6 Die allgemeinen Vorstellungen der deutschen Monopole werden etwa den Vorschlägen des Zeiss-Konzerns 8 7 entsprochen haben, die für die erste Zeit lukrative Pachtverträge zwischen dem Reich und den deutschen 83 Wandschneider, S. 242, Dok. 11, Niedersehr, üb. eine Sitzg. v. Wirtschaftsstellen der Elektroindustrie, 16.6. 1943; s.a. ebenda, S. 224. — Das Zitat bezieht sich auf die Versuche der deutschen Elektrokonzerne seit Sommer 1941, ein europäisches Kartell („Europa-Konvention Elektroindustrie") gemeinsam mit den dänischen, französischen, niederländischen, italienischen und ungarischen Firmen zusammenzuzimmern. 84 Ebenda, S. 238, Dok. 8, AN Riepka, 3. 6. 1942; s. a. ebenda, S. 226. 85 Siehe Band, I, S. 235 ff. 86 Siehe Czollek/EichhoÜz, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941, S. 72ff. ; Band I, S. 202f. 87 Anatomie der Aggression, S. 132 ff., Dok. 28, Vorschläge des Zeiss-Konzerns f. d. Wigru Feinmechanik und Optik, 18. 8. 1941.

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Firmen vorsahen. Alle Risiken und Kosten während dieser Zeit wurden darin auf den Reichsfiskus bzw. Wehrmachtsetat abgewälzt. Der springende P u n k t bestand in dem Vorbehalt, daß die Pächtergesellschaften „das gepachtete Werk erwerben können, wenn die endgültige Gestaltung der politischen, staatsrechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im besetzten russischen Gebiet zu übersehen ist und das Deutsche Reich die Veräußerung der Werke beabsichtigt". 8 8 Ende J u l i 1941 hatte sich aber eine andere Linie durchgesetzt, vertreten offenbar von der Vierjahresplangruppierung um Göring, den I G - F a r b e n und dem Reichs werke-Konzern und von deren Stützen im Reichswirtschaftsministerium. Als bei einem gemeinsamen Frühstück leitender Persönlichkeiten des Otto-Wolf-Konzerns m i t Ministerialdirigent Holtz vom Reichswirtschaftsministerium „über die praktische Gestaltung der künftigen Wirtschaftsorganisationen in Rußland" gesprochen wurde, erklärte Holtz, „daß man inzwischen von dem ursprünglichen Gedanken der Patenschaft der verschiedenen Industriekonzerne über die einzelnen russischen industriellen Betriebe wieder abgekommen sei, und zwar aus dem Grunde, weil man befürchtet, daß sich hieraus für die Zukunft gewisse Besitzansprüche der betreuenden Konzerne entwickeln könnten. Vielmehr wolle man die von den Konzernen benannten Herren als Einzelpersonen im Reichsauftrage bei den verschiedenen Werken einsetzen. E r — Holtz — sei sich dabei jedoch vollkommen darüber im klaren, daß praktisch das Ergebnis im wesentlichen das gleiche sei wie bei dem ursprünglichen Plan, da sich die eingesetzten Herren doch mehr oder weniger auf die hinter ihnen stehenden Konzerne oder deutschen Werke arbeitsmäßig stützen müßten. Trotz dieser Änderung in der grundsätzlichen Einstellung sei nach wie vor beabsichtigt, ... die bereits für bestimmte Werke vorgesehenen Herren auch tatsächlich dort einzusetzen." 8 9 J e n e „Änderung in der grundsätzlichen Einstellung" gehörte schon zur Vorgeschichte der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ost m b H ( B H O ) , deren Gründung am 27. J u l i von Göring angekündigt und am 20. August offiziell vollzogen wurde. 9 0 B e i dieser Gelegenheit verkündete Göring indessen ausdrücklich, daß weder die zentrale Verwaltung ganzer Wirtschaftszweige durch die B H O und andere Ostgesellschaften noch die treuhänderische Verwaltung anderer Zweige wie ζ. B . der chemischen Industrie die „Endlösung" darstelle. Sobald wie möglich sei vielmehr „die Verpachtung von Betrieben an Deutsche" anzustreben. 9 1 Intern ließ man ferner durchblicken, „daß sich in der Richtung der Reprivatisierung der großen Staatskonzerne (also nicht nur der Reichswerke) der Führer und der Reichsmarschall vollkommen einig seien". 9 2 Die Gruppierung um Göring zog solcherlei Wechsel auf die Zukunft sicher nicht ohne die Nebenabsicht, die deutschen Montanmagnaten zu besänftigen. Dies erschien ihnen um so angebrachter, als die Montankonzerne nun ohne sichere Garantien auf künftigen Besitz viele versierte Kräfte an die B H O abtreten sollten. Die Herren von Kohle und S t a h l waren tatsächlich stark verschnupft wegen der über ihren Kopf hinweg getroffenen neuen Regelungen. Zu allem Überfluß erklärte Unterstaats88 Ebenda, S. 134f. 89 Wojewódzkie Archiwum Panstwowe w Katowicach, Oberschlesischer Berg- und Hüttenmännischer Verein (Gleiwitz), Nr. 35, AN Reichard, 23. 7. 1941. 90 Siehe CzoUek, Roswitha/ Eichholtz, Dietrich, Zur wirtschaftspolitischen Konzeption des deutschen Imperialismus beim Überfall auf die Sowjetunion, in JfW, 1968, T. 1, (im folgenden: Konzeption) S. 163 ff. 91 Ebenda, S. 164 (Göring-Erlaß v. 27. 7. 1941). 92 Anatomie des Krieges, S. 348, Dok. 174, AN Burkart f. Flick, 13. 8. 1941.

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Sekretär v. Hanneken ihnen die bevorstehende Gründung der B H O — e r n a n n t e sie „gewissermaßen eine russische Viag" 9 3 — ausdrücklich damit, daß bei der bisher in Aussicht genommenen Zuteilung der sowjetischen Werke an deutsche Konzerne „für die Zukunft zu leicht Anwartschaften f ü r die deutschen Firmen hergeleitet werden könnten". E r n s t Poensgen antwortete namens der Konzerne gereizt, „daß sie keine Aspirationen h ä t t e n " . Das war freilich eine billige Geste; dieser „Verzicht" war in der — sehr realistischen — Annahme begründet, daß, nach Poensgens Worten, „wir die Firmen dort in völlig zerstörtem Zustand vorfinden würden". Als sich Poensgens Annahme im Herbst bewahrheitete, ließen Zangen und er durch den „Kleinen Kreis" der Ruhrmontankonzerne einen Beschluß f ü r die durch diesen Kreis de facto beherrschte Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie darüber formulieren, „daß die alten Werke nicht die Absicht haben, sich in Rußland festzusetzen". 9 4 Die Wirtschaftsgruppe sollte den Beschluß „den Behörden u n d der Ostgesellschaft" — in deren Verwaltungsrat inzwischen die Verfasser dieser durch und durch heuchlerischen Erklärung selbst eingezogen waren ! — übermitteln. Immerhin ließen sie sich ein Schlupfloch offen und erklärten sich zugleich bereit, „Patenschaften über einzelne Werke zu übernehmen und personell diese Werke auszustatten"; doch wollten sie, wie es weiter hieß, „aus einer solchen Patenschaft heraus keinerlei Anspruch erheben ..., solche Werke später zu erwerben oder als Eigentum zugeteilt zu bekommen". Monate später, als wichtige Werke des Donec-Reviers instandgesetzt waren und zu produzieren anfangen sollten, hörte man es indes anders. Intern wurde der Göring-Erlaß vom 27. Juli 1941 in der f ü r die Montankonzerne entscheidenden Frage ganz richtig interpretiert: „Besonders interessant an dem Erlaß ist der Hinweis, daß die Monopolverwaltung bzw. die einstweilen ausschließliche Übertragung an Verwaltungsgesellschaften n u r aus dem Grunde geschieht, weil mangels am Ort bestehender Organisationen und mit Rücksicht auf die gewaltigen Aufgaben und gebotene Eile die Einschaltung von Monopolgesellschaften bzw. Gesamtverwaltungsgesellschaften erforderlich ist — daß es sich dabei aber in keiner Weise um ein Endstadium, sondern nur um eine vorübergehend notwendige Maßnahme handeln kann. Grundsatz ist, daß ein dauerhafter und durchgreifender positiver Erfolg nur von der staatlich gelenkten Privatwirtschaft erwartet werden kann — und daß deshalb angestrebt werden muß, die Betriebe sukzessive später in die Privatinitiative zu überführen." 9 5 Der beschriebene Vorgang erinnert stark an jene Farce, die dieselben Beteiligten im Sommer 1940 anläßlich der Verteilung der lothringischen Hüttenwerke inszenierten. 96 Die Verlangsamung des Vormarsches in der Sowjetunion, die vorgefundenen umfassenden Zerstörungen und der nie erlahmende Widerstand der Sowjetbevölkerung gegen die Restauratoren des Kapitalismus schufen f ü r die Okkupanten enorme Schwierigkeiten, die sie veranlaßten, das System der zentralisierten staatsmonopolistischen „Ostgesellschaften" beizubehalten und noch auszubauen. Im Spätherbst 1941, als das Scheitern der Blitzkriegs93 ZStA Potsdam, Fall X , Film 425, Dok. NI-050, Prot. d. Besprechg. zwischen RWiM (v. Hanneken) und Wigru Esl, 25. 7. 1941. Hiernach auch das Folgende. — Immerhin beteuerte auch v. Hanneken, sich auf Göring berufend, „daß später eine Reprivatisierung durchgeführt würde" (ebenda). 94 BA Koblenz, R 13 1/621, Prot. d. Sitzg. d. Kleinen Kreises, 30. 10. 1941. Hiernach auch das Folgende. 95 Fall 5, S. 258, Dok. NI-5284, AN Kaletsch f. Flick üb. Besprechg. mit Walter Tengelmann, 13. 8. 1941. - Über Tengelmann s. S. 463 f. 96 Siehe Band. I, S. 193ff. u. S. 294ff. (bes. 298ff.).

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Strategie offenbar war, traten die Erörterungen über die Eigentums- und „Reprivatisierungs"-Frage gegenüber dem Streben nach raschestmöglicher Ausnutzung der sowjetischen Wirtschaftsressourcen für die Fortführung des Krieges in den Hintergrund. Als Göring a m 8. November 1941 die „Allgemeinen Grundsätze für die Wirtschaftspolitik in den neubesetzten Ostgebieten" 9 7 vor den Spitzenvertretern von S t a a t und Wirtschaft darlegte, klangen seine Bemerkungen über eine spätere Klärung der Eigentumsverhältnisse in der U d S S R , demgemäß sehr zurückhaltend. Alle landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebe in den besetzten Gebieten — von Göring fälschlich rundweg als „Eigentum des Sowjetstaates" bezeichnet — seien „dem Reich zugefallen". Überall seien vorderhand „endgültige Änderungen der Eigentumsrechte grundsätzlich ausgeschlossen, bis die Gebiete in den Verband des Großdeutschen Reiches aufgenommen worden sind. Daher ist prinzipiell nur Treuhänderverwaltung zulässig. Treuhänderverwaltung berechtigt den Treuhänder nicht zu späterem Erwerb des Besitztums." Görings Ausführungen zu diesem Punkt verrieten insgesamt Widersprüchlichkeit und Unsicherheit. Die sowjetischen Betriebe sollten „prinzipiell den Firmen oder den Persönlichkeiten übergeben werden, welche d a s erforderliche Sachverständnis haben und ähnliche Anlagen besitzen oder in Betrieb haben". Diese Firmen müsse man aus ihrer Tätigkeit einen „angemessenen Nutzen" ziehen lassen. Auf den Gebieten aber, wo Monopolgesellschaften tätig waren, sollten „vorläufig die früheren Bestimmungen in K r a f t bleiben". In gewissem Gegensatz zu dem versprochenen „angemessenen Nutzen" stand ferner der hier erstmals entwickelte Plan, „durch billige Produktion und Aufrechterhaltung des niedrigen Lebensniveaus", d. h. durch kolonialen R a u b b a u übelsten Stils, in erster Linie den faschistischen S t a a t zu bereichern und „die sich aus dem Kriege ergebende Schuldenlast des Reiches zum größten Teil durch Einkünfte, die aus den neu besetzten Ostgebieten herauszuziehen sind", zu decken. Im ganzen gesehen, t a t Göring mit den neuen Richtlinien in den Augen der deutschen Monopolisten einen Schritt zurück gegenüber dem, was er im Sommer zur Frage der „Privatisierung" des sowjetischen sozialistischen Eigentums geäußert hatte. F a s t am gleichen Tage trat, wie schon gezeigt, die R G I mit ihrer Gegenposition auf. 9 8 Die folgende Zeit stand offenbar im Zeichen interner Auseinandersetzungen u m die Eigentumsfrage. Als Ministerialdirektor Gustav Schlotterer am 21. November 1941 im Reichswirtschaftsministerium über „grundsätzliche Fragen des Einsatzes der Ostgesellschaften" sprach, charakterisierte er, einlenkend und den Eindruck von Görings Auftreten etwas korrigierend, die Ostgesellschaften als „Übergangserscheinungen auf dem Wege vom russischen Staatseigentum zu verpflichtetem Privateigentum, von kriegswirtschaftlicher zu kolonialer Nutzung". 9 9 Der stets hervorragend informierte IG-Farben-Konzern hatte zur Bearbeitung der die Sowjetunion betreffenden Fragen bei seiner Wirtschaftspolitischen Abteilung eigens eine „Ostverbindungsstelle" geschaffen. In einem Lagebericht dieser Stelle f ü r den Konzernvorstand vom 3. J a n u a r 1942 1 0 0 bezeichnete man die Ostgesellschaften „lediglich als 97 EichhoÜz, Die Richtlinien Görings, S. 83 ff. Hiernach auch das Folgende. 98 Siehe S. 403 f. 99 „Niederschrift über die am 21. November 1941 im Reichswirtschaftsministerium stattgefundene Besprechung über grundsätzliche Fragen des Einsatzes der Ostgesellschaften", zit. nach Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 77. 100 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 419, Dok. NI-2996, „Lagebericht der Ostverbindungsstelle über

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Zweckgebilde", die nach Kriegsende „in irgendeiner Form von der Privatwirtschaft abgelöst" würden. Hitler selbst habe die feste Absicht, „möglichst der Privatwirtschaft freie Bahn zu lassen". Die „Grundtendenz" gehe „jedenfalls dahin, jetzt schon die Selbstverantwortung der zur Zeit noch treuhänderisch eingesetzten Betriebsführer zu erhöhen und durch Gewinnbeteiligung, die als Vorstufe zur Reprivatisierung angesehen werden kann, die Voraussetzungen für ein selbständiges Unternehmertum zu schaffen". Ungeachtet dieser optimistischen Gesamteinschätzung riet die Ostverbindungsstelle angesichts der ungeklärten militärischen und politischen Lage zu starker Zurückhaltung. Sie deutete an, „daß zur Zeit für industrielle Aktivität im Osten noch keine echte Chance besteht", und zog den Schluß, daß „industrielle Planungen grundsätzlich für absehbare Zeit nicht am Platze sind", solange die offizielle Konzeption, den Osten „als reines Agrar- und Rohstoffland zu betrachten", aufrechterhalten werde. Die Diskussion um die Eigentumsverhältnisse wurde, je näher es auf die sehnlich erwartete Sommeroffensive zuging, mit um so vermehrter Heftigkeit wieder aufgenommen. Die deutschen Monopole waren nicht gewillt, sich in der Eigentumsfrage mit unsicheren Versprechungen abspeisen zu lassen. Obwohl die straffe staatsmonopolistische Regulierung durch Zentrale Planung und BHO in ihrem Klasseninteresse lag und ihnen auch viele außergewöhnliche Vorteile und Erleichterungen bot, kollidierte sie in dieser Grundfrage doch heftig mit den Konzern in teressen und in der Tendenz sogar mit einem Grundinteresse des Finanzkapitals. Frühjahr und Sommer 1942 waren charakterisiert von ihrem energischen Bestreben, die Frage eindeutig zu ihren Gunsten zu klären. Nachdrücklich und mit Erfolg bestanden sie darauf, daß die faschistische Führung ihre Eigentumsansprüche bestätige. In Görings Erlaß vom 20. Mai 1 0 1 und dem Rosenbergs vom 28. Mai 1942 102 freilich gab es gegenüber den bisher kursierenden Richtlinien Neues nur in bestimmten juristischen Formeln und Ressortfragen. Das „gesamte bewegliche und unbewegliche Vermögen der UdSSR, ihrer Gliedstaaten, Körperschaften, Verbände und Zusammenschlüsse, das der Wirtschaft gedient hat", wurde als „Wirtschaftssondervermögen" definiert. 103 Seine Verwaltung wurde de jure auf das Rosenbergministerium übertragen, dessen Zustimmung bei „Verfügungen, insbesondere Veräußerungen" 1 0 4 einzuholen war. Görings Erlaß war, anstatt „für die Zukunft klare Verhältnisse zu schaffen" l o s , sehr widersprüchlich und nur dazu geeignet, öl ins Feuer zu gießen. Zwar kehrte die verwaschene Formulierung wieder, daß die treuhänderische Verwaltung von Sowjeteigentum

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Rußland", 3. 1. 1942 (teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 369 f., Dok. 187). Hiernach auch das Folgende. Richtlinien für die Führung der Wirtschaft in den neubesetzten Ostgebieten (Grüne Mappe), T. II, Sept. 1942, S. 123, „Grundsätze für die treuhänderische Verwaltung in den besetzten Ostgebieten" (Göring an Rosenberg), 20. 5. 1942. Ebenda, S. 124, „Verordnung über die Wirtschaftssondervermögen", 28. 5. 1942. Ebenda (§ 1). Ebenda. Ebenda, „Grundsätze ...". Hiernach auch das Folgende.—Keinesfalls auf die Gegenliebe der Monopole konnte Göring mit seinem Hinweis auf die „großen Erfahrungen" der Haupttreuhandstelle Ost in den annektierten polnischen Gebieten stoßen, die er zu nutzen verlangte (ebenda). Der Chef der HTO, Max Winkler, hatte bei Göring wenige Wochen zuvor darauf gedrungen, der „Zersplitterung des Treuhandwesens" durch die „Errichtung einer besonderen Dienststelle des Reichsmarschalls — Generalbevollmächtigter für Treuhandverwaltungen" ein Ende zu machen (ZStA Potsdam, FS, Film 375, AN Winkler f. Göring, 21. 4. 1942).

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d u r c h Ostgesellschaften oder Einzelfirmen „ z u r Vorbereitung u n d Erleichterung d e r späteren Privatisierung" dienen solle. E s sollten „insbesondere im Ostland", wohl vorwiegend in den baltischen Republiken der U d S S R , „möglichst bald die eine Höchstleistung verbürgenden europäischen (d. h. kapitalistische — D. E.) W i r t s c h a f t s f o r m e n wiederhergestellt werden". Die Monopolgesellschaften, die „an die sowjetrussische W i r t s c h a f t s f o r m erinnern", seien d a h e r „im allgemeinen n u r f ü r eine begrenzte Übergangszeit vorgesehen". Aber d e r Tenor des Erlasses w a r die B e t o n u n g des Sowjeteigentums als „Sondervermögen des Reiches", dessen späterer „Erlös" zur „Abdeckung der Kriegskosten" vorgesehen war. „Endgültige Besitzregelungen", hieß es, seien „grundsätzlich bis auf weiteres ausgeschlossen". T r e u h ä n d e r u n d P ä c h t e r h ä t t e n „keinerlei A n r e c h t auf späteren E i g e n t u m s e r w e r b " . Als T r e u h ä n d e r seien „möglichst weitgehend Einzelpersonen u n d n i c h t große Betriebsgesellschaften" einzusetzen. Bei späterer „Verwertung" des sowjetischen E i g e n t u m s werde — hier f a n d sich eine h ä u f i g strapazierte demagogische F o r m e l wieder — die „ R ü c k s i c h t auf die F r o n t k ä m p f e r ausschlaggebend sein". Die P r a x i s der Okkupationsherrschaft s t r a f t e allerdings diese Prinzipien von vornherein Lügen. Zwei Tage später schon, a m 22. Mai 1942, m u ß t e Göring in einer „ A n o r d n u n g ü b e r die Herstellung von W a f f e n u n d Munition u n d den Ausbau der Energiewirtschaft in den besetzten Ostgebieten" 1 0 6 d e m GB R ü s t , also Speer, „das u n m i t t e l b a r e Verfügungsrecht ü b e r die von ihm b e s t i m m t e n F e r t i g u n g s s t ä t t e n " ü b e r t r a g e n . Es wurde die I n s t i t u t i o n der „ P a t e n f i r m a " geschaffen: „Zur Wiederherstellung, E i n r i c h t u n g u n d z u m Betrieb der F e r t i g u n g s s t ä t t e n sind leistungsfähige F i r m e n des Reiches als P a t e n f i r m e n einzusetzen." D a m i t w a r klar, d a ß die sowjetischen Großbetriebe, soweit v e r f ü g b a r u n d n u t z b a r , in die H ä n d e der deutschen Rüstungsmonopole gelangen würden. U m sich zu salvieren u n d von den erwähnten Prinzipien noch etwas zu retten, h a t t e Göring lediglich eine wirkungslose Floskel hinzugesetzt, nach der es „erwünscht" war, „eine größere Zahl von F i r m e n heranzuziehen." E s w a r der Reichsminister f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition, Albert Speer, der den entscheidenden Vorstoß bei Hitler u n t e r n a h m , u m den Monopolen von oberster Stelle verbindlich die k ü n f t i g e E i g e n t u m s ü b e r t r a g u n g bestätigen u n d zusagen zu lassen. Den Anlaß zu seiner Intervention boten bezeichnenderweise eben der Ausbau des Donec-Reviers z u m deutschen R ü s t u n g s z e n t r u m u n d die personellen u n d materiellen Schwierigkeiten, die dabei a u f t r a t e n . In Speers Protokoll der „ F ü h r e r b e s p r e c h u n g " v o m 4. J u n i 1942 hieß es l a p i d a r : „Der F ü h r e r k o m m t bei dieser Gelegenheit wieder darauf zurück, d a ß er keine Monopolgesellschaften im Osten wünscht, sondern d a ß die P r i v a t i n i t i a t i v e einzuschalten sei." 1 0 7 Es folgte u n m i t t e l b a r eine Arbeitsnotiz des Ministers: „ K ö r n e r — Pleiger Mitteilung".«» Die A r g u m e n t e Speers, die zu Hitlers Äußerung f ü h r t e n , waren bereits vorher Gegenstand von Beratungen in f ü h r e n d e n Kreisen der Rüstungskonzerne u n d der kriegswirtschaftlichen Organisationen gewesen. So schrieb Heinrich Wisselmann, Leiter der W i r t s c h a f t s 106 Ζ StA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19467, Göring-AO v. 22. 5. 1942; Okkupation, Raub, Vernichtung. Dokumente zur Besatzungspolitik der faschistischen Wehrmacht auf sowjetischem Territorium 1941-1944. Hrsg. v. Norbert Müller, Berlin 1980, S. 228f., Dok. 91. 107 FB, 4. 6. 1942, Punkt 34. 108 Ebenda. — Diese wichtige Notiz, die Körner als Stellvertreter Görings und faktischen Leiter des Wirtschaftsführungsstabes Ost und Pleiger als Chef der BHO betraf, fehlt — wie vieles andere — bei Boelcke in seiner Aktenpublikation (Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 135).

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g r u p p e B e r g b a u , m i t B e z u g auf B e s p r e c h u n g e n von E n d e M a i im R e i c h s w i r t s c h a f t s m i n i s t e r i u m , er h a l t e es „ f ü r d u r c h a u s z w e c k m ä ß i g , die B e t r e u u n g einzelner Ostbetriebe denjenigen K o n z e r n e n zu übergeben, die sich d a z u bereit erklärt h a b e n , P a t e n s c h a f t e n i m S i n n e des v o n Herrn Minister S p e e r g e m a c h t e n Vorschlages zu übernehmen. Wenn diesen G e s e l l s c h a f t e n , wie m i r v o n Ihnen m i t g e t e i l t worden ist, noch d a z u die A n w a r t s c h a f t auf die s p ä t e r e Ü b e r e i g n u n g d e r betreuten Werke in A u s s i c h t gestellt wird, so h a b e ich die b e s t i m m t e Zuversicht, d a ß diese Arbeiten zu d e m g e w ü n s c h t e n , u n b e d i n g t n o t w e n d i g e n Ziele f ü h r e n werden. Die P a t e n f i r m e n werde ich Ihnen von F a l l zu F a l l n a m h a f t machen." 109 Die neue „ F ü h r e r e n t s c h e i d u n g " m a c h t e binnen k u r z e m als behördeninternes S c h r i f t s t ü c k die R u n d e . J a k o b Wilhelm R e i c h e r t , H a u p t g e s c h ä f t s f ü h r e r der W i r t s c h a f t s g r u p p e E i s e n s c h a f f e n d e I n d u s t r i e , ü b e r m i t t e l t e d e m O s t r e f e r a t d e r R G I a m 22. J u n i I n f o r m a t i o n e n ü b e r dieses D o k u m e n t , d a s m a n sechs T a g e zuvor im R e i c h s w i r t s c h a f t s m i n i s t e r i u m den Herren d e r W i r t s c h a f t s g r u p p e n u r „ a u s den A k t e n v o r g e l e s e n " u n d nicht überlassen h a t t e . 1 1 0 „ D a r i n wird B e z u g g e n o m m e n " , so berichtete Reichert, „ a u f eine B e s p r e c h u n g des Herrn R e i c h s m i n i s t e r s Dr. S p e e r m i t dem F ü h r e r , u n d zwar in d e m S i n n e einer H e r a n ziehung russischer H ü t t e n w e r k e u n d B e r g w e r k e z u r S t e i g e r u n g des R ü s t u n g s p o t e n t i a l s . In dieser V e r b i n d u n g ist die F r a g e a u f g e w o r f e n worden, ob die Werke besser von p r i v a t e n T r e u h ä n d e r n g e f ü h r t werden, u m m i t allen Mitteln zu einem beschleunigten W i e d e r a u f b a u zu k o m m e n . F e r n e r ist schon d a v o n die R e d e , daß die d a f ü r noch zu b e s t i m m e n d e n p r i v a t e n K o n z e r n e die B e t r i e b e nach d e m K r i e g e behalten k ö n n t e n . " 1 1 1 Wahrlich ein d u r c h s c h l a g e n d e r E r f o l g der Monopole, der die bisherige, h a u p t s ä c h l i c h von d e r V i e r j a h r e s p l a n g r u p p i e r u n g v e r f o c h t e n e K o n z e p t i o n s t a r k erschütterte u n d v o n der überragenden Position zeugte, die die K r ä f t e u m d a s Munitionsministerium inzwischen im s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e n M a c h t a p p a r a t erlangt h a t t e n ! I m W i r t s c h a f t s s t a b Ost faßte m a n die j ü n g s t e E n t w i c k l u n g Mitte J u n i z u s a m m e n : „ W e n n a u c h n a c h wie v o r die F r a g e der endgültigen Zuerkennung des E i g e n t u m s r e c h t s an Betrieben g e g e n w ä r t i g noch nicht entschieden werden k a n n , wird es j e d o c h möglich sein, den in den Ostgebieten betreuend t ä t i g e n F i r m e n Zusagen d a r ü b e r zu m a c h e n , d a ß ihre B e m ü h u n g e n u n d materiellen A u f w e n d u n g e n a n e r k a n n t u n d auch in d e r Z u k u n f t ber ü c k s i c h t i g t w e r d e n . " 1 1 2 Vor einem größeren G r e m i u m v o n Vertretern der zentralen faschistischen B e h ö r d e n , der O k k u p a t i o n s v e r w a l t u n g e n u n d d e r Ostgesellschaften b e k r ä f t i g t e S c h l o t t e r e r im A u g u s t 1942 diesen S t a n d p u n k t : „ D i e Ostgesellscliaften h a b e n in den besetzten Ostgebieten die k o m m e n d e P r i v a t w i r t s c h a f t vorzubereiten. N e b e n u n d in ihnen soll sich d a h e r schon j e t z t d e r d e u t s c h e E i n z e l u n t e r n e h m e r b e t ä t i g e n ... B e i einer späteren Verwertung ... h a b e n ein moralisches A n r e c h t auf B e r ü c k s i c h t i g u n g alle diejenigen F i r m e n und Einzelpersonen, die j e t z t selbstlos u n d erfolgreich a m W i e d e r a u f b a u der Wirtschaft mitarbeiten."113 109 110 111 112

BA Koblenz, R 13 X X / 4 2 , H. 2, Wisselmann an RWiM 3. 6. 1942. Ebenda, R 13 1/1074, Wigru E s l an R G I (Ostreferat), 22. 6. 1942. Ebenda. Wirtschaftsstab Ost, Materialsammlung, (KTB-)Eintragg. v. 15. 6. 1942, zit. bei Dallin, S. 397f. 113 ZStA Potsdam, F S , Film 10636, „Zusammenfassung der in der Sitzung vom 7. August 1942 vor Vertretern der beteiligten Obersten Reichsbehörden und der Ostgesellschaften gehaltenen Referate über die Aufgaben der deutschen Wirtschaft in den besetzten Ostgebieten", 12. 8. 1942·, Okkupation, Raub, Vernichtung, S. 237, Dok. 95. 28*

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Die .RGI gab jetzt in „Die Ostwirtschaft", dem offiziellen Organ ihres Ostreferats, das Signal zu weiteren Vorstößen. Angesichts der zeitweiligen Erfolge der faschistischen Sommeroffensive richtete sie die unmißverständliche Forderung an die staatlichen Stellen und Leitungsorgane der Kriegswirtschaft, es solle „von verantwortlicher Seite die Trennung von staatlicher Lenkung und Unternehmerinitiative jetzt in Angriff genommen werden". 1 1 4 Die „Organisation der gewerblichen Wirtschaft", d. h. in erster Linie die RGI und ihre Wirtschaftsgruppen, sollte bei der Überführung des Sowjeteigentums in Monopoleigentum entscheidend mitwirken. Die Treuhandverwaltung habe ihre Aufgabe als Ubergangslösung erfüllt; die bisherigen Treuhänder seien nun an erster Stelle dazu „berufen, in den von ihnen aufgebauten Betrieben endgültig zu bleiben". Auf diesen Leitartikel beriefen sich auch andere Unternehmerorgane, etwa der exklusive „Wirtschafts-Ring". Es gelte, hieß es dort, auf dem besetzten sowjetischen Territorium „neue Eigentumsgrundlagen zu schaffen" und mit einer „Teilung der Gewalten" auf wirtschaftlichem Gebiet zu beginnen. 115 Man begrüßte die Berufung von „Patenfirmen" und forderte f ü r sie juristisch bindende Zusagen f ü r die spätere Eigentumsübertragung. Ihren praktischen Niederschlag fand die Entwicklung nach der „Führeräußerung" vom 4. J u n i 1942 vor allem in den von November 1942 an zwischen der B H O und deutschen Konzernen abgeschlossenen „Patenschafts"-Verträgen nach den „Grundsätzen f ü r die Führung von Patenschaftsbetrieben der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ost m. b. H. (BHO)". 1 1 6 Auf dem Wege über diese Verträge gerieten binnen weniger Monate die bedeutendsten Werke der sowjetischen Eisenmetallurgie (Hütten, Stahl- und Walzwerke) und des Schwermaschinenbaus im Donecrevier und im Dneprbogen unmittelbar in die Verfügungsgewalt der deutschen Montankonzerne und einer Handvoll weiterer Rüstungskonzerne. Alfried Krupps Aussage nach dem Krieg zeugte davon, daß die Monopole die darin enthaltene Klausel über die spätere Eigentumsregelung, so zurückhaltend sie nicht zuletzt aus Gründen der Demagogie u n d der Täuschung der eigenen Anhängerschaft 1 1 7 formuliert war, als feste Eigentumszusage auslegten. Der Konzern hätte, wie Krupp sich ausdrückte, jene Vertragsklausel „begünstigt", „wonach die Fa. Krupp, falls es später zum Verkauf dieser russischen Betriebe an die Privatindustrie kommen sollte, ein Vorkaufsrecht vertraglich zugesichert bekam. Ohne dieses Vorkaufsrecht wäre nämlich die Gefahr vorhanden gewesen, daß ein anderes Unternehmen in den Genuß der von uns dort hineingesteckten Erfahrungen gekommen wäre." 118 Die Niederlage von Stalingrad machte wederden praktischen Versuchen, in der Eigentumsfrage vollendete Tatsachen zu schaffen, noch den grundsätzlichen Erörterungen über diese Frage ein Ende. Im Gegenteil, „unter dem Druck der Kriegsereignisse wuchs bei den zentralen staatlichen Instanzen die Bereitschaft, das Prinzip der , Zurückstellung der Veräußerung des nationalisierten Wirtschaftsvermögens in den besetzten Ostgebieten' 114 Thode, Unternehmertum im Osten, S. 125f.; hiernach auch das Folgende. Siehe auch Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 90. 115 Der Wirtschafts-Ring, Nr. 42/1942 (16. 10. 1942), S. 912f., zit. bei CzoUek, Faschismus und Okkupation, S. 84. 116 Teilw. gedr. in Anatomie des Krieges, S. 411, Dok. 217. Ausführlich hierzu S. 466f. 117 Vor allem waren Hinweise auf spätere Anrechte und Ansprüche der „Frontkämpfer" und „Kriegsteilnehmer" ein ständiges Argument in Behörden- und Parteikreisen gegen „vorzeitige" Eigentumsübertragungen, das ihnen, abgesehen von seinem demagogischen Gehalt, von innenpolitischer Relevanz zu sein schien. 118 ZStA Potsdam, Fall X , Film 615, Dok. NIK-10330, Äff. Krupps v. 7. 7. 1947.

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aufzugeben". 1 1 9 Die Baltische Öl G m b H , Tochtergesellschaft der Kontinentale Öl AG, setzte noch im November 1943 einen regelrechten K a u f v e r t r a g m i t d e m Reichsministerium f ü r die besetzten Ostgebiete ü b e r die von ihr ausgebeuteten Ölschieferwerke in Estland durch. 1 2 0 Wenn es den deutschen Imperialisten auf d e m besetzten sowjetischen Territorium dennoch weder in der L a n d w i r t s c h a f t noch in der Industrie gelang, die sozialistischen Produktionsverhältnisse ihrem Wesen nach zu beseitigen, so w a r das der Festigkeit der sozialistischen Gesellschaftsordnung zuzuschreiben. Die S o w j e t m a c h t wurde n i c h t n u r an der F r o n t durch die heldenhafte Rote Armee v e r t e i d i g t ; auch die Masse der Bevölkerung in den besetzten Gebieten, d u r c h tausende F ä d e n u n d unterirdische K o n t a k t e mit ihr verbunden, bewies ihr in der schwersten Situation ihre Treue. Sie leistete den O k k u p a n t e n einen unablässigen, allumfassenden u n d vielgestaltigen Widerstand, der wesentlich dazu beitrug, d a ß die Verwaltung der W i r t s c h a f t d u r c h die fremden Ausbeuter überall n u r ephemeren, provisorischen C h a r a k t e r t r u g .

c) Pläne für die Amortisation

der deutschen

Kriegsschulden

Als die deutschen Imperialisten E n d e 1941 gerade in der U d S S R m i t ihrer Blitzkriegsstrategie Fiasko erlitten, wo sie sich auf dem schnellsten Wege u n d m i t dem relativ geringsten A u f w a n d a m u n g e h e m m t e s t e n bereichern wollten, t a u c h t e ein Problem s t ä r k e r u n d m i t v e r m e h r t e r A k t u a l i t ä t vor ihnen auf, das m i t dem Anspruch der Monopole auf schrankenlose A u s b e u t u n g d e r R e i c h t ü m e r des Sowjetlandes im Zusammenhang stand u n d gleichermaßen einen Bestandteil ihres Kriegszielprogramms bildete. Es handelte sich u m die Deckung der Kriegskosten. A m Maßstab der Staatsschulden (Reichsschuld) gemessen, wiesen diese Kosten in der Periode der Vorbereitung u n d des Beginns der Aggression gegen die U d S S R die höchsten Steigerungsraten w ä h r e n d des ganzen Krieges auf. Tabelle 109 Die Reichsschuld 1937/38-1942/43

(in Md.

RM)

Haushaltsjahr

Reichsschuld

Zuwachs gegenüber dem Vorjahr (in Prozent)

1937/38 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43

19,2 30,7 47,9 86,0 137,7 195,6

(13) 60 56 80 60 42

Quelle: Andexel, Ruth, Imperialismus — Staatsfinanzen, Rüstung, Krieg, Herlin 1968, S. llOff. — Die tatsächlichen Kriegskosten waren selbstverständlich bedeutend höher und wurden außer aus der Reichsschuld aus den Staatseinnahmen und aus den aus den besetzten und abhängigen Ländern gepreßten Werten (Besatzungskosten, Clearing) gespeist. 119 Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 100. Einen diesbezüglichen Briefwechsel zwischen Rosenberg und Göring v. April 1943 s. in Okkupation, Raub, Vernichtung, S. 250ff., Dok. 101.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Die Kosten des Krieges stiegen immer rascher, aber der endgültige Genuß seiner F r ü c h t e , anscheinend schon g r e i f b a r nahe, war d a n k d e m W i d e r s t a n d des Sowjetvolkes plötzlich in die Ferne e n t r ü c k t . Die Realisierung eines Kriegsziels — Bezahlung der Kriegsschulden bzw. Deckung weiterer Kriegskosten — inachte der Verwirklichung anderer — u n m i t t e l b a r e Bereicherung des F i n a n z k a p i t a l s u n d schleunige Restauration privatkapitalistischer Eigentumsverhältnisse in der U d S S R zu seinen Gunsten — zunehmende Konkurrenz. K r u p p d i r e k t o r Löser spürte wohl das Dilemma der herrschenden Klasse, als er a m 7. Nov e m b e r 1941 im engsten Kreise von R G I - S p i t z e n v e r t r e t e r n u n d Großbankenchefs m i t jenem „etwas phantastischen P l a n " 1 2 1 h e r v o r t r a t , der gewissermaßen beide Fliegen m i t einer Klappe schlagen sollte. Das Reich sollte „gegebenenfalls Anteilsrechte auf irgendwelchen späteren E r w e r b in R u ß l a n d im W e r t e der betreffenden Papiere ausgeben". D a m i t wollte Löser sowohl erreichen, d a ß „die allmähliche Privatisierung dieses Gebietes tatsächlich festgelegt wird", als auch „daß der Reichsfinanzminister entsprechende Geldsummen erhält, K a u f k r a f t abgeschöpft wird, u n d d a ß auf diese Weise eingeleitet wird, d a ß das Reich die ihm gegebenenfalls zufallenden riesigen Vermögenswerte des Ostens zur Verminderung d e r Kriegsschulden b e n u t z t " . Selbst an das A r g u m e n t der Sorge u m die „ F r o n t k ä m p f e r " h a t t e Löser offenbar g e d a c h t ; er schlug vor, an d e m Geschäft „weitere Kreise im Sinne der persönlichen U n t e r n e h m e r s c h a f t " zu beteiligen und „ n i c h t n u r die politisch weniger beliebten Konzerne". I h m schwebte also d a s System der „Volksaktie" auf der Basis des n a c k t e n imperialistischen Raubes vor. Erschien den übrigen Sitzungsteilnehmern eine solche Lösung allgemein auch „verf r ü h t " , 1 2 2 so blieb der reale Kern des in d e m Vorschlag fixierten Widerspruchs doch bestehen. Göring formulierte die langfristigen Ansprüche des S t a a t e s a m folgenden T a g e : „Es ist der klar ausgesprochene Wille des Führers, d a ß die d u r c h den Krieg e n t s t a n d e n e Schuldenlast des Reiches zum größten Teil aus den E i n n a h m e n abzudecken ist, die aus den neubesetzten Ostgebieten herausgezogen werden m ü s s e n . " 1 2 3 Die Ostgesellschaften erhielten die Auflage, die sogenannten Schleusengewinne, d. h. die Differenz zwischen den Preisen in den besetzten Gebieten u n d den deutschen Preisen u n d in ähnlicher Weise die erhebliche Lohndifferenz an die Reichskasse abzuführen. 1 2 4 H i t l e r selbst u n t e r s t ü t z t e den Reichsfinanzminister in seinem Bestreben, Preise u n d Löhne u n t e r allen U m s t ä n d e n auf niedrigstem Niveau zu halten. 1 2 3 „Die Gewinne aus den Preisunter120 Siehe Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 100f. 121 Ζ StA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 21851, Bl. 55 ff. (57), AN Riehl (Deutsche Bank) über die Sitzung, 7. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende. 122 Ebenda, Bl. 58: „Der ganze Plan ist in dem gegenwärtigen politischen und militärischen Zustande verfrüht, insbesondere solange man noch nicht weiß, wie das politische Schicksal des besetzten Russengebietes, namentlich der Ukraine, sein wird. Die praktische Verteilung der russischen Reichtümer auf Grund der Shares in angemessener Weise unter die ShareBesitzer würde großen Schwierigkeiten begegnen. ... Schließlich ist nicht zu verkennen, daß bei der Konstruktion der Anteilsbesitzer ohne eigenes Risiko auf dem Rücken des Reiches spekuliert, dem bei einer anders gearteten Entwicklung, als sie dem Vorschlag zugrunde liegt, allein die ganze Last zufallen würde." (Lösers Plan enthielt vorsorglich das Recht des Anteilseigners auf Umtausch seiner Shares „nach Kriegsende" gegen Reichsanleihe zum Nominalwert). 123 Eichholtz, Die Richtlinien Görings, S. 109. 124 Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 83. 125 Picker, S. 207f. (Tischgespr. v. 25. 3. 1942). — Hitlers Äußerungen zur Kriegsschuldenthematik s. ferner ebenda, S. 273 (12. 4. 1942), S. 311f. (4. 5. 1942), S. 318 (6. 5. 1942).

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schieden zwischen Ostgebieten und Reichsgebieten müßten", so erklärte er im März 1942 zustimmend zu einem Memorandum aus dem Ministerium, „ausschließlich dem Reich zufließen." 1 2 6 Dieser „Führerweisung" entsprach auch der diesbezügliche Passus in Görings „Grundsätzen für die treuhänderische Verwaltung in den besetzten Ostgebieten" vom 20. Mai 1942. 127 Allerdings trogen die hochgespannten Erwartungen, die man in die Schleusengewinne setzte. Reichsfinanzminister Schwerin v. Krosigk beschwerte sich bitter darüber, daß die Ostgesellschaften eher Zuschüsse aus dem Staatssäckel verlangten, als daß sie Überschüsse und Gewinne ablieferten. 128 Aus dem „Osten" könnten, so meinte er, jährlich 20 Milliarden RM gepumpt werden; allerdings müßten „die besetzten Ostgebiete finanziell weit stärker angespannt werden, als es gegenwärtig der Fall ist", und vor allem müsse „die staatliche Präponderanz untermauert" werden. Das deutsche Finanzkapital nahm angesichts solcher Forderungen und Vorschläge eine zwiespältige Haltung ein. Selbstverständlich hatte es ein wesentliches Interesse an der Sanierung der Staatsfinanzen, da in den Tresoren der Großbanken und Konzerne bedeutende — und wachsende — Summen an Reichsschuldverschreibungen lagerten. Doch das Interesse der großen Monopole und Monopolgruppierungen richtete sich gleichfalls und mit besonderer Vehemenz auf die unmittelbare Bereicherung in den okkupierten Ländern, in erster Linie auf die ungehinderte Ausbeutung der sowjetischen Gebiete und auf die Privatisierung der Sowjetwirtschaft. Eine spezifische Interessenlage ergab sich in diesem Zusammenhang für die Großbanken. Mit der maßgeblichen Funktion, die sie im System der Kriegsfinanzierung innehatten, 129 verfestigte sich die gegenseitige Abhängigkeit von Staat bzw. Staatsfinanzen und Banksystem. Ihr Schicksal war damit enger und unmittelbarer mit demjenigen der Staatsfinanzen verknüpft als das einer beliebigen Gruppe von Industriekonzernen. Es war daher kein Zufall, daß der Repräsentant einer Großbank, nämlich Karl Rasche, Vorstandsmitglied der Dresdner Bank, im Dezember 1941 in der renommiertesten und verbreitetsten Unternehmerzeitschrift „Der deutsche Volkswirt" seine Idee des „vielleicht größten Amortisierungsplanes der bisherigen Wirtschaftsgeschichte" 1 3 0 zur Diskussion stellte. Bei näherer Betrachtung war Rasches Plan eine Fortentwicklung der Ideen, die Ewald Löser einen Monat zuvor den Teilnehmern der erwähnten RGI-Sitzung — darunter Vertretern der Deutschen Bank und der Dresdner Bank — erläutert hatte. 1 3 1 Als ein hauptsächliches Ziel erklärte Rasche die „Mobilisierung" der in der U d S S R geraubten „volkswirtschaftlichen Vermögenswerte" zum Zwecke der „Verzinsung und Tilgung aller Auslagen des Krieges und der nachfolgenden Investierung'szeit". Er schlug ganz im Sinne Lösers die Ausgabe von Anteilscheinen vor, deren konkrete Form er sich variabel vorstellte: „Man kann den Interessenten je nach Charakter, Beruf und Eignung die Ostwerte übertragen gegen Barzahlung und damit viel von der zur Zeit unbeschäftigten 126 Ebenda, S. 208. 127 Wie Anm. 101. 128 Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 485, Bl. 164 ff. (170), Dok. NG-4900, Memo Schwerin v. Krosigks für Göring u. a. betr. „Verwaltung, Wirtschaft und Finanzen der besetzten Ostgebiete", 4. 9. 1942 (sog. Hyänenbrief). Hiernach auch das Folgende. 129 Siehe Andexel, S. 101 ff. 130 Rasche, Karl, Gesicherter Ostraum — stabile Gesamtwirtschaft, in Der deutsche Volkswirt, 16. Jg., Nr. 12/13, v. 19. 12. 1941, S. 394. Hiernach auch das Folgende. 131 Siehe Anm. 121.

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Kaufkraft binden; man wird Aktien schaffen können und diese gegen mehr oder weniger schnelle Tilgung dem privaten Markte zur Verfügung stellen können; auch Obligationen könnte man ausgeben für öffentliche und private Unternehmungen und schließlich in größtem Umfang von der Rente (d. h. von Rentenpapieren, ζ. B . Pfandbriefen — D. E . ) Gebrauch machen. ... Dabei ist j e nach Sinn und Zweck der Vergebung jede Variante für die einzelnen Interessenten: Kriegsteilnehmer, Vierjahresplan-Unternehmer, Neubauern, Landeseinwohner usw. denkbar." Das war freilich schon eine durchdachtere, ausgefeiltere Konzeption, nach der man breiten Kreisen des eigenen Volkes mit dem Köder der wirtschaftlichen Reichtümer der Sowjetunion das Geld bzw. das Kapital für die „Investierungszeit" aus der Tasche locken, der Finanzoligarchie aber die „Aktien" m i t „mehr oder weniger schneller Tilgung", d. h. mit aufgeschobener Bezahlung, reservieren wollte. Die Niederlage an der Wolga entzog diesem imperialistischen Wunschtraum den Boden, so daß derartige Pläne fernerhin nicht — wenigstens nicht öffentlich — weiter erörtert wurden.

d) 1943 : Alte und neue

Illusionen

Die Niederlage an der Wolga setzte für die Kriegszielplanung der deutschen Imperialisten eine einschneidende Zäsur. 1 3 2 Der Krieg trat in die für seine Urheber kritische Phase. Diese Niederlage und der wachsende Widerstand der Völker in den besetzten und Satellitenländern veränderten die Prioritäten der faschistischen „Neuordnungs"- und Okkupationspolitik wesentlich. Die herrschenden Kreise Hitlerdeutschlands waren gezwungen, ihre Kriegszielplanung „stärker den Realitäten des Krieges anzupassen". 1 3 3 Als Bestandteil und Ergebnis von intensiven, zum Teil mit Erbitterung geführten internen Diskussionen und Auseinandersetzungen, die im Herbst 1942 einsetzten, im Frühjahr/ Sommer 1943 ihren Höhepunkt erreichten und gegen Ende des J a h r e s „einen gewissen A b s c h l u ß " 1 3 4 fanden, entstand eine neue F l u t von Verlautbarungen, geheimen Memoranden, internen Plänen und Programmen. Auf zweifache Weise wurde darin der Versuch unternommen, die „Friedensplanung" dem veränderten militärischen und politischen Kräfteverhältnis anzupassen. Sie wurde einerseits mehr und mehr dem Zweck untergeordnet, die maximale Ausbeutung der ökonomischen und militärischen Ressourcen des faschistisch beherrschten Europas und das Besatzungsregime in den okkupierten Ländern als Ganzes zu sichern. Im demagogischen Gewand einer „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" und eines „Europäischen Staatenbundes", basierend auf der alten reaktionären, antisowjetisch akzentuierten Europa- und Abendlandideologie, vielfach vorgesehen für eine gezielte, propagandistisch wirksame Veröffentlichung bzw. Verbreitung, sollte diese Spielart der „Neuordnungs"-Planung die Voraussetzungen dafür schaffen, „die Kräfte Europas für unseren Sieg weitgehendst zu mobilisieren und einen Zustand 132 Siehe Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 99 ff. Ausführliche Erörterung der Thematik bei Nestler, Ludwig, Ansätze zur Modifikation der Kriegszielplanung und der Okkupationspolitik Hitlerdeutschlands (Herbst 1942 bis Frühjahr 1943), in Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Wettkrieg", Nr. 3 - 4 / 1 9 7 8 , S. 3 ff. 133 Anatomie der Aggression, S. 23. 134 Piskol, Konzeptionelle Pläne und Maßnahmen, S. 98.

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herbeizuführen, der uns nach innen entlastet und uns nach außen dem Gegner gegenüber stärkt." 135 Soweit andererseits die territorialen Expansionsziele des deutschen Imperialismus hinfort erörtert wurden — das geschah freilich immer seltener —, wurde zunehmend Zurückhaltung geübt. Korrekturen an den bisherigen maßlosen Zielen wurden vorgeschlagen. Die „Bürgschaft des Erfolges", so hieß es in einer der wichtigsten Denkschriften jener Zeit, liege darin, sich „mit dem Erreichbaren (zu) begnügen". 1 3 6 In das Zentrum der Erörterungen über die „Neuordnung" rückte die „russische Frage", d. h. das Problem, wie durch gewisse Veränderungen in der Politik gegenüber den Völkern der U d S S R eine günstige Wendung auf dem wichtigsten Kriegsschauplatz herbeigeführt, zumindest aber das Eroberte gehalten, gesichert und fest in den europäischen „Großwirtschaftsraum" integriert werden könne. Alle Versuche, eine neue Konzeption der „Neuordnungs"-Planung und der Außenpolitik überhaupt zu entwickeln und durchzusetzen, ordneten sich in die seit Sommer 1943 immer deutlicher sich ausprägende faschistische Strategie ein, auf „Zeitgewinn" hinzuarbeiten, „bis die latenten Gegensätze zwischen Engländern, Amerikanern und Sowjetrussen zum Tragen kommen, unser Produktionsapparat den veränderten Verhältnissen unter der rasch ansteigenden Luftgefahr angepaßt ist und unsere neuen Waffen sich umfassend auswirken". 1 3 7 Was die Dokumentation und Analyse der Kriegszieldiskussion der untersuchten Periode betrifft, an der sich die Wehrmachtführung und die Spitzen des Partei- und Behördenapparats ebenso wie führende Kreise des Finanzkapitals und maßgebliche Vertreter des staatsmonopolistischen Apparats der Kriegswirtschaft beteiligten, so ist dazu bereits eine Reihe wichtiger Arbeiten erschienen. 138 Das Schwergewicht der Untersuchung liegt im folgenden auf der Beteiligung von Repräsentanten der Monopole und anderer führender Kräfte des kriegswirtschaftlichen Apparats an dieser Diskussion, einem noch unzureichend erforschten Aspekt des Themas. Ende November 1942, als sich die Katastrophe an der Wolga bereits abzuzeichnen begann, hob Reichswirtschaftsminister F u n k es öffentlich als eine der vordringlichsten wirtschaftspolitischen Aufgaben hervor, „die gesamten europäischen Wirtschaftskräfte zu mobilisieren und eine europäische Wirtschaftspolitik mit der klaren Zielsetzung einheitlich auszurichten, damit die europäische Wirtschaft in der Zukunft krisen- und blockadefest 135 Aktennotiz von Cecil v. Renthe-Fink (AA), 9. 9. 1943, zit. in: Drechsler, Karl/Dress, Hans/ Hass, Gerhart, Europapläne des deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg, in ZfG 7/1971, S. 927 ; DZW, Bd. 4, S. 308. Siehe auch Anatomie der Aggression, S. 25 u. S. 198ff., Dok. 43ff. 136 Eichholtz, „Wege zur Entbolschewisierung ...", S. 44 (Denkschrift v. Richard Riedl üb. „Die russische Frage", März 1943). 137 Anatomie der Aggression, S. 191, Dok. 41, Aufzeichnung von Botschafter Rudolf Rahn für Ribbentrop, 19. 8. 1943. — Inwieweit die geschilderte Konzeption „rein taktischen und propagandistischen Charakter" trug (Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 104), ist in hohem Maße eine Frage der Bewertung der objektiven Realität durch die an ihrer Herausbildung Beteiligten. Die neuen taktischen Varianten in der „Neuordnungs"- und in der Okkupationspolitik entstanden jedenfalls auf der Grundlage objektiver Veränderungen im militärischen und politischen Kräfteverhältnis, die ernsthafte Differenzen auch in grundsätzlichen Fragen aufkommen ließen. 138 Eichhx>Uz, „Wege zur Entbolschewisierung ..."; Anatomie der Aggression ; Weltherrschaft Visier; Konzept für die „Neuordnung" der Welt; Nestler; u. a.

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wird". 1 3 9 General E m i l Leeb, Chef des Heereswaffenamtes, griff diese F o r d e r u n g auf u n d konkretisierte sie dahingehend, d a ß „ein europäisches R ü s t u n g s p r o g r a m m nach Eignung u n d K a p a z i t ä t auf E u r o p a umgelegt werden" müsse. 1 4 0 Die militärischen Ereignisse der nächsten Monate zwangen die Faschisten bereits, von d e m ihnen geläufigen Rezept der offenen Gewalt abzurücken. Die Auseinandersetzungen der Folgezeit u m die Europakonzeption drehten sich zu einem wesentlichen Teil gerade u m das Problem, m i t welchen Mitteln u n d nötigenfalls auf welchen Umwegen m a n den „ F ü h r u n g s a n s p r u c h " des deutschen Imperialismus in E u r o p a bei so offensichtlichem u n d wachsendem Unvermögen u n d Mangel an Repressivkräften durchsetzen könne. Als die Creme der Finanzoligarchie in die Diskussion eingriff, waren inzwischen Pläne der westlichen Alliierten f ü r eine wirtschaftliche — kapitalistische — Nachkriegsordnung 1 4 1 b e k a n n t geworden. Sie gewannen schnell an P o p u l a r i t ä t u n t e r den herrschenden Kreisen der neutralen Länder, der Satellitenstaaten u n d den kollaborierenden bourgeoisen K r ä f t e n in den okkupierten Ländern, zumal der Sieg der h i n t e r diesen Plänen stehenden Mächte n u n m e h r als sehr wahrscheinlich anzusehen war. Hierauf reagierte die deutsche Großbourgeoisie sehr empfindlich. Die Teilnehmer der Sitzung des Beirats der Reichsbank a m 24. J u n i 1943 1 4 2 befaßten sich ausführlich m i t möglichen Gegenaktionen. Man dürfe, so ä u ß e r t e sich Ministerialdirigent Reinhardt, der „ P r o p a g a n d a " der Gegner m i t jenen Plänen „nicht tatenlos zusehen", da sonst der E i n d r u c k entstehen könne, Hitlerdeutschland mangele es an jeglicher „ K o n z e p t i o n " f ü r die „ N e u o r d n u n g " wirtschaftlicher, besonders finanzieller Verhältnisse der Nachkriegszeit. K u r t Lange, Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums, erklärte, die „zuständigen deutschen Stellen" sollten „ m i t einem gesamteuropäischen W i r t s c h a f t s p l a n herauskommen, in dem d a v o n ausgegangen wird, d a ß Deutschland m i t den anderen Ländern einen f ü r alle Teile ersprießlichen H a n d e l treiben w i r d " ; m a n müsse insbesondere die südosteuropäischen Länder m i t Hilfe von großzügigen Versprechungen ü b e r die Bezahlung ihrer Clearingforderungen beruhigen. H e r m a n n J . Abs' Vorschlag ging in die gleiche R i c h t u n g : „Deutschland h a b e wohl k a u m die Möglichkeit, diesen Plänen etwas ähnliches entgegenzustellen. Hingegen könnten wir zeigen, welche Vorteile m i t einer großzügigen Handelspolitik verbunden sind." Die Impulse, die von dieser B e r a t u n g des Kerns der Finanzoligarchie ausgingen, waren zweifellos bedeutend. Schon seit Anfang J u n i durch die Leitung der R G I vorbereitet, wurde eine „Neugestaltung der Auslandswerbung" auf breiter F r o n t von den großen Monopolen in Angriff genommen. Den Anregungen Wilhelm Zangens zufolge sollte „die deutsche W i r t s c h a f t s w e r b u n g im Ausland ein neues Gesicht erhalten". 1 4 3 Der Sinn der

139 Funic, Walther, Staatliche Lenkung und Unternehmerinitiative, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 29. 11. 1942. 140 Anatomie des Krieges, S. 412ff., Dok. 218, Denkschrift von General Emil Leeb, 1. 12. 1942. Siehe S. 137 u. S. 327. 141 Vor allem die Beschlüsse von Hotsprings (8. 5.-3. 6. 1943) und die auch propagandistisch verwendeten Pläne für die Sanierung der kapitalistischen Wirtschafts- und Währungswelt nach dem Krieg (Morgenthau-White-Plan ; Keynes-Plan) ; s. Anatomie ¿1er Aggression, S. 26 f. 142 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 21004, Protokoll der Sitzung des Beirats der Reichsbank v. 24. 6.1943. Hiernach auch das Folgende. Desgl. Piskol, Joachim, Zur Entwicklung der außenpolitischen Nachkriegskonzeption der deutschen Monopolbourgeoisie 1943 bis 1945, in JfW, 1969, T. 2 (im folgenden: Nachkriegskonzeption), S. 330. 143 Anatomie des Krieges, S. 429 tf., Dok. 233, Protokoll der Sitzung der Propagandakommission des IG-Farben-Konzerns v. 21. 7. 1943. Hiernach auch das Folgende.

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Aktion bestand — wie zum Beispiel in den entsprechenden Richtlinien des IG-FarbenKonzerns — darin, gegenüber dem „Amerika-Nimbus" die „führende und helfende Stellung Deutschlands in der europäischen Außenwirtschaft während des Krieges überzeugend dar(zu)legen" und zugleich m i t Argumenten der Europa- und Abendlandideologie „Verständnis für die wirtschaftlichen und sozialen Nachkriegsziele Deutschlands (zu) verbreiten". Zu den Initiatoren der Aktion gehörten das Reichswirtschaftsministerium und der Präsident des Werberats der deutschen Wirtschaft, Heinrich Hunke. Hunke, Herausgeber der faschistischen Wirtschaftszeitschrift „Die Deutsche Volkswirtschaft", war als Gauwirtschaftsberater des Gaues Berlin enger Mitarbeiter von Goebbels. Die Deutsche B a n k hatte ihn gerade erst zum Mitglied ihres Vorstands berufen. Seit längerem h a t t e er sich, Seite an Seite m i t F u n k , als Sprecher der taktisch wendigeren und vorsichtigeren Fraktion der deutschen Monopolbourgeoisie in Angelegenheiten der „Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" profiliert. I m September 1943 faßte er den Stand der Diskussion um die Europakonzeption in seinen „10 Thesen der deutschen und europäischen Wirtschaftspolitik" zusammen, die er in seinem Vortrag über „Kernfragen des wirtschaftspolitischen Kampfes in der Gegenwart" erläuterte. 1 4 4 E r trat darin mit dem propagandistisch verwertbaren Resümee der Auffassungen der genannten Fraktion auf, zu denen sich nun, unter dem Zwang der Situation, die Hauptkräftc des Monopolkapitals bekannten. Hunke versprach den „europäischen Nationen" — den „deutschen Ordnungs- und F ü h rungsanspruch in E u r o p a " vorausgesetzt — die „Entwicklung der europäischen Produktivkräfte" mit deutscher Hilfe, dauerhafte gegenseitige Wirtschaftsbeziehungen, Vollbeschäftigung und „Sicherung und Erhöhung des Lebensstandards durch eigene Kraft und gemeinsame A r b e i t " . 1 4 5 Das „Privateigentum" an Produktionsmitteln, die Achtung der „Unternehmerpersönlichkeit" und „das R e c h t , ihre Wirtschaft nach autonomen Grundsätzen zu betreiben", sollten ungeschmälert bleiben. Hunkes Artikel trug einen wesentlich defensiveren Charakter als ähnliche Arbeiten aus den vorangegangenen Kriegsjahren. E r betonte, es sei „keine Planwirtschaft" zu befürchten; der deutsche „Ordnungs- und Führungsanspruch" sei „weder ein Herrschaftsanspruch noch der Versuch einer Ausb e u t u n g " ; es gebe auch keine „Ausplünderung Europas" durch Deutschland. „Deutschland plündert Europa nicht aus, sondern ermöglicht auch während des Krieges das Funktionieren der anderen europäischen Volkswirtschaften." Der Pferdefuß schaute allerdings deutlich heraus. E s gebe eine „Minimalforderung" gegenüber den „europäischen Nationen", so hieß es, nämlich „jederzeitigen Zugang zu den lebensnotwendigen Gütern und Ausschöpfung der Produktivkräfte Europas zur gemeinsamen Verteidigung". Die Thesen Hunkes waren nach Aussage ihres Autors mit maßgeblichen Vertretern der Kriegswirtschaft abgesprochen, darunter mit Hans Kchrl, der seine Zustimmung sicherlich nicht ohne Einvernehmen m i t Speer und F u n k bekundete. 1 4 6 Der engere Kreis der Verfechter der neuen „Europa"konzeption zeichnete sich durch die Dominanz von Großbankenvertretern sowie durch eine enge ökonomische bzw. staatsmonopolistische Verflechtung, sogar auffälligerweise durch vertraute persönliche Be144 Weltherrschaft im Visier, S. 358f., Dok. 148, Artikel Hunkes in „Die Deutsche Volkswirtschaft", Nr. 27, 3. Sept.-heft 1943 (Auszug); DZW, Bd. 4, S. 155ff.; s. a. Piskol, Nachkriegskonzeption, S. 331. 145 Weltherrschaft im Visier, S. 358 f. (Artikel Hunkes) ; hiernach auch das Folgende. 146 Siehe Piskol, Nachkriegskonzeption, S. 331f.

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Ziehungen aus, etwa zwischen F u n k (Reichswirtschaftsministerium/Reichsbank), Abs (Deutsche B a n k ) , Zangen (RGI/Mannesmann/Deutsche B a n k ) , Fischböck (CreditanstaltBankverein/Deutsche B a n k ; zugleich Generalkommissar für Wirtschaft und Finanzen in den besetzten Niederlanden), Blessing (Unilever/Deutsche B a n k ) , R e i t h i n g e r u n d Ugner(IG Farben) und Hunke (Werberat der deutschen Wirtschaft/Deutsche B a n k ) . 1 4 7 Wichtige Verbindungslinien liefen von dieser Gruppe zum Auswärtigen Amt, zu Speer und zu Goebbels. Eigentlich neu war diese Konzeption nicht, die s t a t t offener Gewalt, Annexion und ungeregelter Ausplünderung eine politische und vor allem ökonomische Zusammenarbeit mit der Bourgeoisie der unterworfenen und abhängigen Länder unter Führung Hitlerdeutschlands auf Kosten der arbeitenden Massen und auf der Basis des gemeinsamen Antikommunismus und Antisowjetismus vorsah. Ursprünglich war sie die Konzeption des Kerns der genannten Gruppe gewesen. Im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1943 aber vereinigte sich auf ihrer Basis offensichtlich die Mehrheit der deutschen Großbourgeoisie. Hierin eingeschlossen waren die Kreise um Goerdeler und v. Hassell, die freilich m i t ihrem Drängen auf ein Bündnis m i t dem anglo-amerikanischen Imperialismus und m i t ihrem Verzicht auf einen ausdrücklichen „deutschen Führungsanspruch" vorläufig noch isoliert dastanden. 1 4 8 Die deutschen Imperialisten waren nach Stalingrad bereits zu stark dem Druck der Ereignisse ausgesetzt, als daß sie ihre neue Europakonzeption hätten in die T a t umsetzen können, was — ganz abgesehen von den inneren und äußeren Widerständen — erhebliche organisatorische Vorbereitungen und entsprechende politische Vollmachten erfordert hätte. Immerhin diente diese Konzeption anscheinend jener politischen Gruppierung als außenpolitische Plattform, die sich im ersten Halbjahr 1943 für kurze Zeit um Speer, Goebbels und Göring zu bilden begann. 1 4 9 Tatsächliche Fortschritte in dieser Richtung machte die Zusammenfassung der europäischen Wirtschaftsressourcen für den faschistischen Krieg durch das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion. I m September 1943 gingen auf das Rüstungsministerium die Kompetenzen des Reichswirtschaftsministeriums über; damit konzentrierten sich dessen Vollmachten in den besetzten Ländern beim Rüstungsminister, insbesondere diejenigen auf dem Gebiet der Rohstoffwirtschaft. Unmittelbar danach Schloß Minister Speer mit dem Minister der Vichyregierung Bichelonne ein offizielles deutsch-französisches Industrieabkommen ab. Vom Rüstungsministerium ging auch die Gründung des „Europakreises" im Herbst 1943 aus, die Hans Kehrl im Auftrage Speers betrieb. Dieser Arbeitsgemeinschaft, die „alles (umfaßte), was in der Wirtschaft Hitlerdeutschlands Rang und Namen h a t t e " , wurde die Aufgabe gestellt, „den planvollen und schnellen Einsatz aller europäischen Wirtschaftskräfte" für eine „erfolgreiche Verteidigung der ,Festung E u r o p a ' " zu gewährleisten. 1 5 0 Das für die deutschen Imperialisten schwierigste Problem war die „Russische F r a g e " . Hier ging es für sie um Leben und Tod. Hier stand ihnen der Sozialismus als Gegner gegenüber, m i t dem keine Kollaboration und keine imperialistische Verständigung denkbar 147 Vgl. auch die Mitgliedschaft im „Europakreis" (später: „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen") nach Schumann, Nachkriegsplanungen, S. 398 ff. 148 Siehe Eichholtz, Wege zur Entbolschewisierung ...", S. 22; Pishol, Nachkriegskonzeption, S. 332ff. ; Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 114 f. 149 Bleyer, Totaler Krieg, S. 115f.; Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 112. 150 Konzept für die „Neuordnung" der Welt, S. 106 f. ; s. a. Schumann, Nachkriegsplanungen, S. 398 ff.

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war. Und hier lag für sie zugleich der tiefere Sinn des ganzen Krieges: die Vernichtung der sozialistischen Ordnung, die Aneignung und Ausbeutung des sowjetischen Wirtschaftsund Kräftepotentials „für immer" und damit der Aufstieg zur ersten Weltmacht, zum „Herrschaftsvolk im weltgeschichtlichen S i n n e " . 1 5 1 F ü r die meisten anderen europäischen Länder sah die faschistische Europakonzeption von 1943 die politische Souveränität oder T*eilsouverän itat und die wirtschaftliche Autonomie vor oder Schloß sie zumindest nicht aus. In der U d S S R aber sollten die staatliche Ordnung zerstört und die sozialistischen Produktionsverhältnisse liquidiert werden. Wesentliche Abstriche von den ursprünglichen Kriegszielen kamen hier für die deutschen Imperialisten noch weit weniger in Frage als im übrigen Europa. Daher stießen jegliche Vorstellungen und Vorschläge für eine Modifikation der Expansions- und Okkupationspolitik gegenüber der U d S S R auf heftige Opposition aus den eigenen Reihen. 1 5 2 Raffiniertere, elastischere Methoden der Unterwerfung, Unterdrückung und Ausbeulung hatten seit Sommer/Herbst 1942, unter dem unmittelbaren Eindruck des sowjetischen Volkswiderstands, Vertreter des Rosenbergministeriums und der Generalität vorgeschlagen; sie erhielten Unterstützung aus Kreisen, die dem Finanzkapital eng verbunden waren. 1 5 3 Die Skala der in Erwägung gezogenen Änderungen in der Politik gegenüber den Völkern der U d S S R war umfangreich. Sie reichte von der Einschränkung der Massenerschießungen, Brandschatzungen und Deportationen über die Einstellung der „Untermenschen"- und Kolonial- bzw. Kolonisierungspropaganda bis zur Gewährung einer Scheinsouveränität an Marionettenregierungen aus Weißgardisten und verräterischen Kollaborateuren unter Schürung der inneren Gegensätze. 1 5 4 Ihren Höhepunkt erreichten die Kontroversen nach Stalingrad, im F r ü h j a h r 1943. Zu dieser Zeit erschien der gewichtigste von jenen Beiträgen zum Thema, die unmittelbar aus den Kreisen der deutschen Finanzoligarchie stammten. E s war die annähernd 200 Seiten starke Denkschrift von Richard Riedl, betitelt „Die russische Frage. Gedanken zur Neugestaltung Osteuropas", die mit einer Empfehlung aus dem IG-Farben-Konzern an Hitler geleitet wurde. 1 5 5 Riedl, als Ehren- und Vorstandsmitglied des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages mit weiten Kreisen der Finanzoligarchie intim bekannt und mit Abs, 151 Weltherrschaft im Visier, S. 336, Dok. 139, Denkschrift von Giselher Wirsing über „Die Zukunft der deutschen Herrschaft in Rußland", August 1942. 152 Die Konzeption der „politischen Hebel" und insbesondere der Scheinsouveränität für einzelne Staatsgebilde auf sowjetischem Boden wurde im Mai 1943 von Hitler als unreal abgelehnt (DZW, Bd. 3, S. 343ff.). 153 Ein Beispiel hierfür ist die Denkschrift Wirsings (Anm. 151), die gegen Ende 1942 mit gleichem Wortlaut auch unter dem Titel „Westlicher Imperialismus oder deutsche Ordnung im Osten?" an das Reichswirtschaftsministerium und andere Stellen versandt wurde (BA Koblenz, R 7 X I I / 1 3 a ) . Die Tageszeitung „Münchner Neueste Nachrichten", deren „Schriftleiter" Wirsing war, befand sich im Besitz der Chefs des Haniel-Konzerns (Gutehoffnungshütte). Es ist anzunehmen, daß sich die Auffassungen der Konzernleitung und ihr nahestehender Kreise, ζ. B. der Deutschen Bank, in der Denkschrift des versierten Nazijournalisten und SDAgenten Wirsing widerspiegelten. Von Paul Pleiger, Leiter der BHO, der R V K und des Montankonzerns der Reichswerke „Hermann Göring", ist bekannt, daß er nach Stalingrad die Linie des Rosenbergministeriums unterstützte (Anatomie des Krieges, S. 420, Dok. 223, AN über Besprechung bei Rosenberg, 22. 1. 1943; DZW, Bd. 3, S. 345). 154 Siehe Vojna ν tylu vraga, Vypusk 1, Moskau 1974, Kap. VI ; DZW, Bd. 2 u. 3, passim; Daliin, passim. 155 EichhoUz, „Wege zur Entbolschewisierung ... ", S. 13ff. Hiernach auch das Folgende.

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ligner, v. Wilmowsky, Neubacher, v. Hassell und anderen persönlich verbunden, stand dem IG-Farben-Konzern und der Deutschen Bank besonders nahe. Seine Denkschrift war eines der seltenen Dokumente, die sich seinerzeit nicht nur mit den strittigen Fragen der Okkupationspolitik, sondern auch und vor allem ausführlich mit dem Kriegszielprogramm und m i t der Gesamtstrategie des deutschen Imperialismus befaßten. Sie lag vermutlich Hitler vor, oder es wurde ihm Vorlrug darüber gehalten. Jedenfalls spielten ihre Grundgedanken in den anschließenden Auseinandersetzungen im „Führerhauptquartier" eine wesentliche Rolle. Aus der Denkschrift sprach die mehr oder weniger klare „Einsicht", daß die U d S S R — wenigstens dieses Mal — nicht vollständig zu besiegen sei. Damit Deutschland nicht in die „gefährlichste Phase des Erschöpfungskrieges" gerate, war es nach Riedl vordringlich, „politische Hebel" ausfindig zu machen, „die zum Sturze des Bolschewismus und zur Sprengung des staatlichen Gefüges der U d S S R angewendet werden können". E r schlug eine Politik der „organischen Auflösung Rußlands in seine nationalen Bestandteile" mit dem Ziel vor, aus dem Bestand der Gemeinschaft der Sowjetvölker „einen möglichst großen Teil abzulösen und dem ,Neuen Europa' anzugliedern", in erster Linie die um das Stalingrader Gebiet und um „Ciskaukasien" (mit Baku) vergrößerte Ukraine — also das Herzstück des deutschen Kriegszielprogramms. Insgesamt umfaßte der nach Riedls Plan zum deutschen Machtbereich zu schlagende Teil der U d S S R etwa 70 Millionen Menschen, nahezu die Hälfte ihrer Bevölkerung. Dieses gewaltige Potential an Arbeitskräften, das zugleich eine enorme Ausweitung des Absatzmarktes f ü r die deutsche Industrie bedeutet hätte, war der zentrale Posten in Riedls Berechnungen; in diesem Zusammenhang bezeichnete er die Kolon is ierungs- bzw. „Aussiedlungs"pläne als abwegig und irreal. Das wirtschaftliche Hauptziel bestand nach Riedl darin, die abzuspaltenden und zu zerstückelnden Teile der U d S S R in den „wirtschaftlichen Großraum Europa" einzubeziehen, dessen Errichtung er als eine Zwischenphase vor weiteren Auseinandersetzungen um die Weltherrschaft ansah. Als zentrales Anliegen der Denkschrift schälte sich der Gedanke heraus, daß eine wirtschaftlich einträgliche und politisch dauerhafte Integration der besetzton Gebiete in den Machtbereich des deutschen Imperialismus ohne Mitwirkung der Bevölkerung nicht möglich sei. Ihre Mitarbeit und „Hilfe" einschließlich militärischer Hilfskontingente müsse aber — u n t e r „rascher" und ..gründlicher" Beseitigung aller sowjetischen Funktionäre — erkauft werden mit „nationaler Freiheit", d. h. mit dem Zugeständnis einer politischen Scheinsouveränität f ü r die Ukrainer, die Weißrussen und die Völker der baltischen Sowjetrepubliken. Von einem anderen Gesichtspunkt, nämlich dem „Arbeitseinsatz der Fremdvölkischen" aus, kam Wilhelm Tengelmann, Vorstandsvorsitzer der Bergwerksgesellschaft Hibernia AG, zu ähnlichen Forderungen und Folgerungen wie Riedl. Man müsse ständig im Auge behalten, so hieß es in seinem „Erfahrungsbericht" vom 1. Mai 1943 156 , „daß der Osten in der Zukunft unseres Volkes eine wichtige Rolle spielen wird". Besonders „den Ukrainer brauchen wir"; alles in allem müßten die sowjetischen Zwangsarbeiter so behandelt und beeinflußt werden, „daß sie sich später in ihrer Heimat zur deutschen F ü h r u n g und ihrem 156 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 727, Bl. 89ff., Dok. Pleiger-465, Denkschrift von Wilhelm Tengelmann über „Erfahrungen aus dem Arbeitseinsatz der Fremdvölkischen im Ruhrbergbau, unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Bergwerksgesellschaft Hibernia Aktiengesellschaft, Herne", 1. 5. 1943. Hiernach auch das Folgende.

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Wollen bekennen und damit selbst zu Trägern der von uns gelenkten europäischen Neuordnung werden". Es bedarf keiner näheren Erörterung des illusionären Charakters der aufgeführten Kriegszielforderungen einschließlich der hier unmittelbar von Monopolvertretern verfochtenen raffinierteren, „moderneren" Variante der Unterdrückung und Ausbeutung, der Taktik der Scheinzugeständnisse und der inneren Aufweichung. Nach dem Scheitern der Kursker Offensive verschwand die Hoffnung auf einen Sieg in breiten Kreisen des Finanzkapitals. 1 5 7 Angesichts des Vormarsches der Sowjetarmee erwiesen sich noch vor kurzem aufgestellte Programme wie dasjenige Riedls als bloße Fetzen Papiers. Kriegszielforderungen, insbesondere Annexionsforderungen, wurden von nun an nur noch spärlich laut und nahmen sich gegenüber früher in der Regel erheblich kleinlauter und „bescheidener" aus. Freilich gingen die Meinungen darüber weit auseinander, was man in der eigenen Herrschaftssphäre werde halten können. Während beispielsweise Paul Pleiger Anfang September noch damit rechnete, in das zu räumende DonecIndustrierevier bald wieder siegreich einzuziehen 158 , steckte Ernst Wagemann, Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung und dem IG-Farben-Konzern engstens verbunden 159 , das Feld der zu realisierenden Eroberungsziele schon wesentlich enger ab. Er halte es, so führte er in einer Rede Ende J u l i 1943 vor internem Kreise aus, für richtig, jetzt „Frieden zu schließen" : „Wir würden dann halb Polen, halb Italien und den Balkan behalten und könnten im übrigen auf die Ukraine verzichten." 1G0 Die Auffassung Wagemanns — der mit v. Hasseil in engen dienstlichen und persönlichen Beziehungen stand 1 6 1 — näherte sich damit derjenigen der Gruppierung um Carl Goerdeler. Diese Gruppe hatte sich seit Ende 1942 „im Osten [für] die Grenzen von etwa 1914" 162 , also für „halb Polen", als Kriegszielforderung ausgesprochen. Mit der unentwegt strapazierten antisowjetischen Begründung, „daß alle europäischen Völker westlich Rußlands sich gegen eine russische Übermacht und Vorherrschaft sichern müssen", formulierte sie das, als nach ihrer Meinung maßvolle Mindestforderung, noch einmal ausdrücklich in ihrem für die britische Regierung bestimmten „Friedensplan" vom Sommer/Herbst

157 Zu Beginn der Offensive waren offenbar noch einmal Erwartungen und Hoffnungen aufgeflackert. So ging Friedrich Theodor Prinz zu Sayn und Wittgenstein zu dieser Zeit über die Creditanstalt in Wien die Deutsche Bank um Hilfe an bei dem „Rückerwerb" seiner „russischen Güter". Direktor Franz Heinrich Ulrich war in einiger Verlegenheit, was seinem „lieben Prinzen" zu antworten sei. Er halte es für „verfrüht, Verhandlungen darüber zu führen", schrieb er schließlich der Creditanstalt; er glaube, „daß in der Reprivatisierung, wie sie dem Prinzen Wittgenstein vorschwebt, unsererseits nichts getan werden kann. Wie im übrigen seine Mitteilungen, die auf einer Größenordnung von 3 0 0 0 0 0 Morgen und mehr basieren, anzusehen sind, lasse ich dahingestellt." (ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. A 1, Bd. 37, Ulrich an Walter Tron, 19. 7. 1943). 158 Siehe S. 475. 159 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 414, Dok. NI-6544, Affid. Max ligner, 30. 4. 1947. 160 Ebenda, FS, Film 3345, FS Gauleiter Lauterbacher (Südhannover-Braunschweig) an Bormann, 4. 9. 1943. 161 v. Hassell, Vom Andern Deutschland, passim. 162 Spiegelbild einer Verschwörung. Die Kaltenbrunner-Berichte an Bormann und Hitler über das Attentat v o m 20. Juli 1944. Geheime Dokumente aus dem ehemaligen Reichssicherheitshauptamt. Hrsg. vom Archiv Peter für historische und zeitgeschichtliche Dokumentation, Stuttgart 1961, S. 236f., „Erklärung zur Atlantik-Charta", 13. 12. 1942.

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1943. 1 6 3 Die „europäische Sicherung gegen R u ß l a n d " 1 6 4 umschloß in den Plänen der Gruppe außer der auf besagte Grenze zurückgeschraubten Annexionsforderung die feste Absicht, als nach Osten vorgeschobenen Kordon das restliche Polen und die baltischen Sowjetrepubliken unter Kontrolle und im Herrschaftsbereich des „europäischen Großwirtschaftsraumes" zu behalten und auch Südosteuropa als Interessensphäre des deutschen Imperialismus zuverlässig abzuschirmen. Diesem Programm entsprach die dringende, später (November 1944) im Gefängnis niedergelegte Forderung Goerdelers, „die Russen auf die Linie Peipus-See — D n j e s t r zurückzuwerfen". 1 6 5 S e i t S o m m e r 1943 war die militärische Führung Hitlerdeutschlands nicht mehr in der Lage, ein offensives Konzept zu entwickeln. Diese Tatsache spiegelte sich deutlich in der Kriegszielplanung und -programmatik wider. Allmählich schob sich anstelle der imperialistischen Expansion in Europa und über Europa hinaus stärker und stärker ein anderes Ziel in den Vordergrund: die Sicherung der eigenen Klassenherrschaft über eine mögliche Niederlage hinaus. Doch noch weit bis weit in das J a h r 1944 hinein hatten die Vorstellungen der deutschen Imperialisten von der Beendigung des Krieges nach wie vor die Erfüllung wesentlicher Kriegsziele in Europa zur Voraussetzung — Ziele, die sie vor allem als „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft" und im Osten als „Sicherung" möglichst weit hinausgeschobener Grenzen gegenüber der Sowjetunion artikulierten.

Exkurs: Politische und ökonomische Hintergründe des „Generalplans Ost" Mit dem 22. J u n i 1941 öffneten sich die Schleusen für den extremen und vernichtungswütigen Antisowjetismus, der von Anfang an den Kern der außenpolitischen Doktrin des faschistischen Regimes und seiner Ideologie ausgemacht hatte. E s offenbarte sich der menschen- und fortschrittsfeindliche Charakter des Faschismus in seiner T o t a l i t ä t . Das Klassenkonzept der reaktionärsten Elemente des deutschen Finanzkapitals fand einen besonders barbarischen Ausdruck im berüchtigten „Generalplan O s t " 1 6 6 (GPO), dem eine 163 Anatomiedes Krieges, S. 432ff. (S. 435), Dok. 236, „Friedensplan"Goerdelers, Sommer/Herbst 1943. 164 Ebenda, S. 435. 165 Ritter, Gerhard, Carl Goerdeler und die deutsche Widerstandsbewegung, Stuttgart (1954), S. 536, Anm. 100. 166 Siehe die Dokumentationen (in dt. Sprache) bei Pospieszalski, Karol Marian, Hitlerowska polemika ζ „Generalplan Ost" Reichsführera SS, in Przeglqd Zachodni, 2/1958, S. 346ff. ; Reiher, Helmut, Der Generalplan Ost, in VfZ, 3/1958, S. 281 ff. ; Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, Hrsg. v. Reinhard Opitz, Köln 1977, S. 869ff.; Madajczyk, Czeslaw, Generalplan Ost (im folgenden: GPO), in Przeglqd Zachodni, 3/1961, S. 66ff.; desgl. in Polish Western Affairs, 2/1962, S. 391 ff. (mit erweiterter Einl. in Englisch; im folgenden wird hiernach zitiert). Die wissenschaftliche Analyse des GPO wurde neuerdings fortgeführt in der profunden Studie von Kárny, der ich wesentliche Anregungen verdanke (Kárny, Miroslav, Generálni plán Vychod, in Ceskoslovensky casopis historicky, 3/1977, S. 345ff.). Siehe ferner General'nyj plan „Ost", in Voenno-istoriceskij zurnal, 1/1960, S. 83 ff. ; Zastavenko, GJTel'puchovskij, B., Dopolnitel'nye dannye o „General'nom plane ,Ost', in ebenda, 7/1964, S. 119 ff. ; Nedorezov, A. /., Fasistskie plany germanizacii slavjanskich stran ν gody vtoroj mirovoj vojny, in Nemecko-fasistskij okkupacionnyj rezim (1941—1944gg.), S. 129ft. ; Noskova, Α. F., General'nyj plan Ost. Κ itogam izucenija ν sovetskoj i pol'skoj istorièeskoj literature,

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Schlüsselbedeutung hinsichtlich des Charakters der geplanten Weltvorherrschaft des deutschen Imperialismus unter faschistischem Vorzeichen zukommt. Der Generalplan Ost hatte mehrere Fassungen, von denen bisher nur eine als vollständiges Dokument aufgefunden worden ist. Das Zustandekommen der Fassungen und ihr Zusammenhang untereinander sind, durch verlogene Zeugenaussagen einiger Beteiligter vor den Kriegsverbrechertribunalen nach dem Krieg zusätzlich verwirrt, von der Forschung bisher nicht einwandfrei geklärt und werden in der Literatur, auch in der marxistischen, oft ungenau dargestellt. 1 6 7 In bekannten Arbeiten bürgerlicher Autoren wird der GPO in seiner Bedeutung unterschätzt und mißdeutet. 1 6 8 Die Pläne der „Germanisierung" und „Aussiedlung" für die seit 1938/39 besetzten bzw. annektierten tschechischen und polnischen Gebiete waren nicht von vornherein Bestandteile eines „Generalplans" oder „Gesamtplans" (Himmler); mit diesen Begriffen wurde offensichtlich erst im Zusammenhang mit dem Überfall auf die U d S S R operiert. Vorher — und auch noch nachher — arbeiteten die Faschisten in bezug auf die „Polenfrage" mit einem „Nahplan" (oder mehreren „Nahplänen") für die annektierten Gebiete 1 6 9 und einem „Fernplan", wobei die Substanz des „Fernplans" aus den bisher bekannten Dokumenten nicht ersichtlich ist. 1 7 0 Erst mit dem 22. J u n i 1941 rückten diese Pläne in eine neue Dimension und gingen in die Gesamtplanung des G P O ein. Der Begriff „Generalplan Ost" stammte, wahrscheinlich von Himmler selbst angeregt, entweder aus dem Reichssicherheitshauptamt ( R S H A )

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in Sovetskoe slavjanovedenie, 3/1965, S. 72ff. ; ausführlicher dieselbe, Zachvatniceskie plany gitlerovskoj Germanii na vostoke Evropy, in Issledovanija po slavjano-germanskim otnosenijam, Moskau 1971, S. 178ff.; Besymenski, Lew, Sonderakte „Barbarossa". Dokumente, Darstellung, Deutung, Stuttgart 1967, S. 238ff. ; Madajczyk, Czeslaw, Dalsze dokumenty dotycz^ce Generalnego Planu Wschodniego, in Dzieje Najnowsze, 3/1971, S. 195ff. ; Bezymenskij, L. Α., General'nyj plan „Ost", Zamysel, celi, rezul'taty, in Voprosy istorii, 5/1978, S. 74 ff. ; Müller, Rolf-Dieter, Industrielle Interessenpolitik im Rahmen des „Generalplans Ost". So Bezymenskij ; Ramme, Alwin, Der Sicherheitsdienst der SS. Zu seiner Funktion im faschistischen Machtapparat und im Besatzungsregime des sogenannten Generalgouvernements Polen, Berlin 1970, S. 217 ff. ; s. auch die verhältnismäßig ausführliche Behandlung der Problematik in DZW, Bd. 2, S. 118ff., S. 427ff., S. 435, S. 445; Bd. 3, S. 368. Siehe Reitlinger, Gerald, Ein Haus auf Sand gebaut. Hitlers Gewaltpolitik in Rußland 1941 bis 1944, Hamburg 1962; Daliin. Siehe die Dokumentationen von Datner, Szymon/Gumkowski, Janusz/ Leszczynski, Kazimierz, Wysiedlenie ludnosci ζ ziem polskich wcielonych do Rzeszy, in Biuletyn Glównej Komisji Badania Zbrodni Hitlerowskich w Polsce, Bd. 12, Warschau 1960; Szulc, Waclatv, Wysiedlenie ludnosci polskiej w twz. Kraju warty i na Zamojszczyznie oraz popelnione przy tym zbrodnie, in ebenda, Bd. 21, Warschau 1970; Luczak, Czeslaw, Wysiedlenia ludnosci polskiej na twz. ziemiach wcielonych do Rzeszy 1939—1945, in Documenta Occupationis, Bd. 8, Poznaá 1969; ferner Madajczyk, Czeslaw, Polityka III Rzeszy w okupowanej Polsce, Bd. 1, Warschau 1970, (im folgenden: Polityka), S. 306ff. (S. 336); Kárny, S. 346f., S. 357ff. Kárny, S. 357ff. (360f.), argumentiert in dieser Frage überzeugend gegen Auffassungen wie die von Heiber, S. 285, der den „Fernplan" mit dem GPO identifiziert. — Die „Germanisierungs"pläne für die tschechischen Gebiete seit 1938, die vor allem im Sommer 1940 in umfangreiche Programme gefaßt wurden, sind dokumentiert in Die Vergangenheit warnt. Dokumente über die Germanisierungs- und Austilgungspolitik der Naziokkupanten in der Tschechoslowakei, zus.gest., mit Vorw. u. Anm. versehen v. Václav Král, Auswahl d. Dok. v. Karel Fremund u. Václav Král, Prag 1960. Eichholtz II

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oder — da es sich um einen Fachausdruck des Landesplanungswesens handelt — aus dem Planungsamt des „Reichskommissars f ü r die Festigung deutschen Volkstums" (RKF). 1 7 1 Als Bezeichnung eines bestimmten Plandokuments wurde er f ü r drei aus den Quellen bekannte Schriftstücke verwendet : 1. f ü r den von SS-Standartenführer Prof. Dr. Konrad Meyer(-Hetling), Hauptabteilungsleiter (HA I I : Planung) im Stabshauptamt des R K F 1 7 2 , zugleich Direktor des Instituts f ü r Agrarwesen und Agrarpolitik der Berliner Universität, f ü r Himmler verfaßten Plan vom 15. Juli 1941, der bisher nicht aufgefunden wurde. Sein Inhalt ist begrenzt rekonstruierbar nach den diesbezüglichen Bemerkungen von Meyer in dem unter 3) angeführten Dokument sowie in seinem Begleitschreiben an Himmler vom 15. Juli 1 7 3 ; 2. f ü r eine Ausarbeitung des RSHA, A m t I I I (SD Inland), Gruppe I I I Β (Volkstum und Volksgesundheit), f ü r die der Leiter der genannten Gruppe, SS-Standartenführer Dr. Hans Ehlich, verantwortlich zeichnete. Dieses Dokument s t a m m t von Ende 1941/Anfang 1942 und wurde bisher ebenfalls nicht aufgefunden. Es existiert jedoch ein umfangreiches Memorandum von Regierungsrat Dr. Erhard Wetzel, als Vertreter des Rassenpolitischen Amtes der Reichsleitung der N S D A P verantwortlicher Mitarbeiter f ü r Rassenpolitik in Alfred Rosenbergs.Reichsministerium f ü r die besetzten Ostgebiete mit vielfältigen Beziehungen zu den mit der Materie beschäftigten faschistischen Behörden und Institutionen, vom 27. April 1942, betitelt „Stellungnahme und Gedanken zum Generalplan Ost des Reichsführers SS" 1 7 4 , in dem die wichtigsten Fakten des RSHA-Plans referiert und ausführlich kommentiert und kritisiert wurden; 3. f ü r die Denkschrift Konrad Meyers „Generalplan Ost. Rechtliche, wirtschaftliche und räumliche Grundlagen des Ostaufbaues", datiert vom J u n i 1942, Himmler aber schon am 28. Mai 1942 zugesandt. 1 ^ Die Ausarbeitung Meyers vom 15. J u l i 1941 entstand binnen drei Wochen und steckte laut Begleitbrief „zunächst in großen Zügen den Umfang des künftigen durchführbaren Siedlungswerks ab, d. h., er (der GPO — D. E.) behandelt den sich aus dem Vorhandensein verfügbarer Siedlerfamilien ergebenden Siedlungsanspruch, die Siedlungsgebiete und -abschnitte sowie deren Fassungsvermögen". 1 7 6 Sie enthielt also Grundsätze und Vorschläge f ü r die perspektivische „Germanisierung" der bis Mitte 1941 in den faschistischen Machtbereich gefallenen Gebiete Polens. Außerdem wurde darin angesichts des erwarteten raschcn Zusammenbruchs der U d S S R „die Abgrenzung neuer Siedlungsgebiete unter Zugrundelegung einer Entwicklung von 30 Jahren vorgesehen" und der „Gedanke" geäußert, diese Gebiete durch sogenannte Siedlungsmarken f ü r immer unter feste deutsche 171 Ηeiber, S. 285. 172 R K F war Himmler. Die Dienststelle des R K F unter SS-Brigadeführer — später SS-Gruppenführer und SS-Obergruppenführer — Ulrich Greifelt m i t mehreren Hauptabteilungen (später: Ämtern), durch Hitler-Erlaß v o m 7. 10. 1939 gegründet, hatte seit dem 21. 6. 1941 den Status eines S S - H a u p t a m t e s . Meyer wurde 1942, nun Chef des A m t e s VI und bald darauf der Amtsgruppe C, zum SS-Oberführer befördert. 173 Siehe Eichholtz, Generalplan Ost, S. 256, Dok. 2. 174 Vollständig in deutscher Sprache abgedruckt bei Pospieszalski, S. 346—369; Heiber, S. 281 bis 325 (mit weiteren Dokumenten) ; Europastrategien des deutschen Kapitals 1900—1945, S. 8 6 9 - 8 9 4 . 175 V o l l s t ä n d i g i n d e u t s c h e r S p r a c h e a b g e d r u c k t bei Madajczyk, 176 Siehe Eichholtz, Generalplan Ost, S. 256, Dok. 2.

G P O , S. 391—442.

Exkurs: Hintergründe des „Generalplans Ost"

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Kontrolle zu bringen. 1 7 7 Die Denkschrift enthielt auch schon Zahlen über deutsche Menschenreserven f ü r die Siedlung. Meyer übernahm sie 1 9 4 2 in seine zweite Denkschrift. Diese Zahlen könnten aus dem R S H A beschafft worden sein, in dessen Ausarbeitung die gleichen oder ähnliche Ziffern auftauchten. 1 7 8 Das zweite Dokument, ein offenbar nur wenige Seiten umfassendes Papier, entstand zwischen Spätherbst 1 9 4 1 und Anfang 1942 im R S H A . 1 7 9 Es beruhte auf den inzwischen von Hitler, Himmler und Heydrich formulierten Äußerungen über die Kolonialisierung und Kolonisierung 1 8 0 des zukünftig beherrschten „Ostraums" bis zum Ural und die zu diesem Zweck geplante dutzendmillionenfache Ausrottung der einheimischen Bevölkerung 1 8 1 , ferner auf den „Erfahrungen" des Massenmordes, die zu jener Zeit Wehrmacht und S S , insbesondere die SS-„Einsatzgruppen", in den besetzten sowjetischen Gebieten sammelten. Die Ausarbeitung beschäftigte sich zwar auch mit der Besiedlung der ins A u g e gefaßten Gebiete durch Deutsche, hauptsächlich aber mit der Ausrottung bzw. „Aussiedlung" 1 8 2 der ansässigen Bevölkerung — wie überhaupt das R S H A nach eigener Charakterisierung in der „Volkstumspolitik" als seine vordringliche A u f g a b e die „negativ ausmerzende" ansah, im Gegensatz zu der „positiv auslesenden" anderer Amter. 1 8 3 In die Planung war ein Areal einbezogen, das das gesamte besetzte Polen, die baltischen Sowjetrepubliken, große Teile Belorußlands und die „Westukraine" (die Gebiete von 2itomir, Kamenec-Podolsk und teilweise von Vinnica) umfaßte. In dem Kommentar 177 Siehe Madajczyk, GPO, S. 435, S. 409; für die folgenden Angaben s. ebenda, S. 437/440. Außer den Siedlungsmarken schlug Meyer anscheinend auch schon die ebenfalls in der GPO-Fassung vom Mai 1942 (s. u.) wieder auftauchende Planung von „Siedlungsstützpunkten" vor. Jedenfalls trug Himmler Hitler im Juli 1941 „Projekte für eine sofortige Kolonisierung sowjetischer Territorien durch die Schaffung deutscher Stützpunkte" vor (nach Noskova, Zachvatniceskie plany ..., S. 184). 178 Siehe die Analyse dieser Zusammenhänge bei Kárny S. 374 f. Irreführend dagegen Heiber, S. 289. 179 Die Anhaltspunkte für diese Datierung des Dokuments sind folgende : Wetzel hatte Kenntnis von seiner Entstehung im R S H A seit November 1941 (Pospieszalski, S. 347), notierte am 7. 2. 1942, „daß der Generalplan Ost von dieser Stelle (RSHA - D. E.) stammt" (Weltherrschaft im Visier, Dok. 131, S. 319) — was möglicherweise, aber nicht zwangsläufig vom Abschluß der Arbeit an dem Dokument zeugt —, und verfaßte bis zum 27. 4. 1942 sein Memorandum darüber. 180 Unter Kolonialisierung wird hier die Errichtung eines kolonialen Ausbeutungssystems, unter Kolonisierung dagegen die (Deutsch-)Besiedlung verstanden. 181 Yon dem Bach-Zelewski bezeugte in Nürnberg eine Rede Himmlers vor zwölf SS-Gruppenführern bereits von Anfang 1941, in der die Ausrottung von 30 Millionen Slawen als „der Zweck des Rußlandfeldzuges" verkündet wurde {IMG, Bd. 4, Nürnberg 1947, S. 535ff. (536), Zeugenvernehmung Erich von dem Bach-Zelewskis am 7. 1. 1946). Programmatische Äußerungen Hitlers im genannten Zusammenhang fielen in der Besprechung vom 16. 7. 1941 (Fall Barbarossa, Dok. 105, S. 331 ff.). Am 2. 10. 1941 erläuterte Heydrich den Spitzen der „Protektorats"verwaltung, wie eine „deutsche Oberschicht" gegen die „Sturmflut Asiens" „bis weit nach Rußland hinein, bis weit an den Ural" vorzuschieben sei, der die einheimischen Bewohner als „Heloten" zu dienen hätten (Die Vergangenheit warnt, S. 125, Dok. 19). 182 Der faschistische Begriff der „Aussiedlung" war zu jener Zeit in aller Regel entweder eine Tarnbezeichnung oder eine euphemistische Wendung für die physische Ausrottung (s. die Analyse bei Kárny, S. 377f.). 183 Heiber, S. 285 (zit. Nürnbg. Dok. NO-1761). 29·

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Wetzeis vom April 1942 wurde betont, daß „in der Zwischenzeit" anscheinend „neue Siedlungsprojekte", nämlich „Ingermanland" (Gebiet von Leningrad), die anschließenden russischen Gebiete bis zur Linie Ladogasee — Waldaj-Höhen — B r j a n s k , der Dnepr-Bogen, „Taurien" (Gebiet von Cherzon) und die Krim, in die Planungen aufgenommen worden wären. 1 8 4 Auf dem untersuchten Territorium — also noch ohne Berücksichtigung der zuletzt genannten Gebiete — war vorgesehen, nach dem Krieg von insgesamt 45 Millionen Einwohnern 31 Millionen nach „Westsibirien" auszusiedeln. F ü r die einzelnen Nationalitäten waren Prozentzahlen angegeben: E s sollten 80 bis 85 Prozent der polnischen, 75 Prozent der belorussischen und 6 5 Prozent der „westukrainischen" Bevölkerung deportiert werden. Die restlichen 14 Millionen sollten als Arbeitskräfte dableiben und im Verlauf von etwa 3 0 J a h r e n , soweit als „eindeutschungsfähig" bewertet, „umgevolkt" werden. D a m i t sei, so bemerkte Wetzel, offensichtlich die bisherige „Tendenz" der Dienststelle des R K F aufgegeben worden, „die eindeutschungsfähigen Fremdvölkischen in das Altreich abzuschieben". An anzusiedelnden Deutschen standen demgegenüber laut Plan (nach Wetzeis Zusammenstellung) 4,55 Millionen zur Verfügung, vor allem „Umsiedler" aus „ R u ß l a n d " . Die bereits ansässigen bzw. angesiedelten Deutschen und ihre biologische Vermehrung, ferner „in gewissem Umfange die Einwanderung von Siedlern aus anderen germanischen Ländern" eingerechnet, kam Wetzel auf eine Zahl von insgesamt acht Millionen nach 3 0 J a h ren; im G P O hingegen seien zehn Millionen vorgesehen, was er für zu hoch gegriffen hielt. Die Schrift Wetzeis, eines beschränkten, aber um so gefährlicheren, typisch faschistischen „Rassenplaners", stellte ein wichtiges ergänzendes Dokument zum G P O dar, obwohl der Verfasser von seiner dienstlichen Position aus kaum wesentlichen Einfluß auf die eigentliche Planung gehabt haben dürfte. In seinem ausführlichen kritischen K o m m e n t a r beschäftigte er sich hauptsächlich m i t den „Schwierigkeiten" des Plans, die er vor allem in dem „biologisch"-zahlenmäßigen Mißverhältnis zwischen siedlungswilligen Deutschen und der Masse der verbleibenden Bevölkerung sah, aber auch in der vorgesehenen zwangsweisen Deportation von durchschnittlich 70 Prozent der Bevölkerung; zumal da den Zurückbleibenden „ziemlich klar sein [werde], daß eine solche zwangsweise Evakuierung den Untergang ihrer Brüder und Schwestern zur Folge haben dürfte". Die Bevölkerungszahl der in Frage kommenden Gebiete hielt er von vornherein für wesentlich höher (60 bis 65 Millionen), als vom R S HA geschätzt; allerdings wußte er sehr wohl, daß viele Millionen J u d e n , Kommunisten, Partisanen usw. nach den faschistischen Plänen schon während des Krieges ausgerottet werden sollten. 1 8 5 Der Sinn der Vorschläge Wetzeis ging dahin, zwischen den einzelnen Nationalitäten, zwischen landwirtschaftlicher und städtischer Bevölkerung, zwischen der „rassenmäßig bedingten stumpfen Masse" und der Intelligenzschicht (diese sei in allen Fällen zu isolieren, zu liquidieren oder zu deportieren) stärker zu differenzieren, um dem „Interesse der deutschen Ostpolitik" besser zu dienen, „andere Völker für sich (soll wohl heißen: sich für sie — D. E . ) verbrauchen zu lassen". Hierzu gehörte der Gedanke, neben der „Eindeutschung" in Deutschland oder den besetzten Gebieten und neben der Deportation der 184 Dies und das folgende nach dem Wetzel-Memorandum (Pospieszalski, S. 347ff. ; S. 297 ff.). 185 Kárny, S. 366f.

Heiber,

Exkurs: Hintergründe des „Generalplans Ost"

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„Unerwünschten" nach Sibirien 1 8 6 auch die Methoden der administrativen, technischen usw. Hilfsdienste durch geeignete „Unerwünschte" bei der Verwaltung des eigentlichen russischen Riesengebietes umfassend anzuwenden. Diese Idee stammte freilich nicht allein von Wetzel. Als Teilnehmer einer Besprechung im Rosenberg-Ministerium am 4. Februar 1942 protokollierte er befriedigt, daß sich — wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck des „Blitzkriegs"fiaskos vor Moskau — die anwesenden Vertreter des RSHA, des Rasse- und Siedlungshauptamtes (RuSHA) und des R K F , einhellig mit dieser Idee befreundeten; „die Deutschen", so erklärte der Vertreter des R K F „müßten die Stellung der Spartiaten, die aus Letten, Esten u. dgl. bestehende Mittelschicht die Stellung der Periöken, die Russen dagegen die Stellung der Heloten haben". 1 8 7 Die territoriale Aufspaltung Rußlands, die „rassische Auslaugung" und die „Zerstörung der biologischen K r a f t " des russischen Volkes, das, wie Wetzel klagte, trotz seiner „besonderen Gefährlichkeit" im GPO „so gut wie gar nicht erwähnt" würde, bildeten einen wesentlichen P u n k t seiner Untersuchung. Schließlich erwog Wetzel, wie der Siedlungsunlust der Deutschen zu begegnen, d. h. wie die Aussicht auf einen Siedlerhof oder ein „Waldgut" im Osten verlockend zu machen sei. Auch die biologische Vermehrung des „Deutschtums" gegenüber den Einheimischen beurteilte er bei Anwendung entsprechend rigoroser Maßnahmen gegen die Letztgenannten auf lange Sicht optimistisch. Immerhin seien auch „die USA, Kanada und Australien von den Angelsachsen kolonisiert und besiedelt worden ... obwohl nicht gleich Millionen und aber Millionen von Siedlern zur Verfügung standen". Die umfangreiche Denkschrift vom 28. Mai 1942 (84 maschinenschriftliche Seiten zuzüglich Tabellen und Grafiken) wurde von einer größeren Gruppe von Wissenschaftlern u n t e r Meyers Leitung etwa zur gleichen Zeit verfaßt, als Wetzel seinen Kommentar schrieb. Sie wies zwar keinen äußerlich sichtbaren, wohl aber einen inneren Zusammenhang mit dem GPO des R S H A auf. Meyer war am 2. J a n u a r 1942 zum Vortrag bei Himmler gewesen, als der RSHA-Plan gerade in Himmlers Hände gelangt sein mußte, und h a t t e von ihm „Richtlinien und Arbeitsaufträge" erhalten. 1 8 8 Die Denkschrift stellte sowohl eine grundsätzliche Überarbeitung als auch eine umfangreiche Ergänzung seiner Ausarbeitung vom Juli 1941 dar. Kárny schreibt treffend: „Der Generalplan Ost von Meyer-Hetling ist kein gewöhnliches Werk. Nur ganz vereinzelt wird der Historiker solch eine erschütternde Verbindung von Wissenschaft und Verbrechen finden. Der Generalplan, der aus dem RSHA hervorging — das ist einfach ein flüchtig zusammengenähter Plan des Völkermordes und einer dauerhaften Beherrschung von menschenentleerten Gebieten als Grundlage f ü r noue Eroberungen. Der Plan täuscht nichts anderes vor, hat keine wissenschaftlichen Ambitionen." 1 8 9 Meyers Plan dagegen war das, wonach Himmler jetzt verlangte, da die Wehrmacht sich 186 In Sibirien sah Wetzel für die Zukunft ebenfalls einen „europäischen Siedlungs- und Rohstoffraum", der „bis z u m Baikalsee stets altes europäisches Siedlungsgebiet war" und es auch wieder werden sollte, gerade „im Hinblick auf die großasiatische Idee" des japanischen Konkurrenten; in einem solchen „europäischen" Protektorat unter deutscher Oberherrschaft sah er im Geiste schon „die Industriegebiete v o n Kusnezk, Nowosibirsk und Karaganda ... mit voller Kraft arbeiten". 187 Weltherrschaft im Visier, S. 320 (f.), Dok. 131. 188 Eichholtz, Generalplan Ost, S. 259. — Himmler wird Meyer vermutlich zumindest mit der Existenz und den H a u p t d a t e n des R S H A - P l a n s bekannt gemacht haben. 189 Kárny, S. 371.

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auf die Sommeroffensive vorbereitete, die der U d S S R endgültig den Todesstoß versetzen sollte. E s handelte sich u m einen „Plan, in dem Gelehrsamkeit steckte, eine entwickelte Technik der wissenschaftlichen Arbeit, die E r f i n d e r k r a f t u n d der Ehrgeiz der f ü h r e n d e n Wissenschaftler des faschistischen Deutschlands", einen P l a n , „der die verbrecherischen P h a n t a s m a g o r i e n Hitlers u n d Himmlers zu einem vollendet ausgearbeiteten System f ü h r t e , d u r c h d a c h t bis in alle entscheidenden Details, durchgerechnet bis zur letzten Mark". 1 9 0 Meyers P l a n 1 9 i enthielt eine k o m p l e t t e S y s t e m a t i k der „Germanisierung": eine genaue Skizze der Aufgliederung u n d der inneren S t r u k t u r der k ü n f t i g e n „Siedlungsräume", eine ausführliche Darlegung der einzurichtenden juristischen u n d a d m i n i s t r a t i v e n „Siedlungso r d n u n g " , insbesondere die Kodifikation des L a n d r a u b s in F o r m eines neuen E i g e n t u m s rechts an Grund u n d Boden, u n d schließlich eine detaillierte Aufstellung ü b e r den A u f w a n d (Arbeitskräfte, finanzielle Mittel) des gesamten, auf den Z e i t r a u m von 25 bis 30 J a h r e n angelegten Vorhabens. Die von Meyer vorgezeichneten drei Kategorien von „Siedlungsräumcn" waren von n u n an fester Bestandteil der Auffassungen u n d des Begriffsschatzes der d a m i t b e f a ß t e n zentralen faschistischen Organe, voran Himmlers u n d seiner A p p a r a t e : 1) Gebiete, die „innerhalb kürzester F r i s t zu vollwertigen Reichsgauen a u s z u b a u e n " bzw., nach einer von H i m m l e r m i t Vorliebe verwendeten Formulierung, „total einzudeutschen" wären192 ; 2) sogenannte Siedlungsmarken („Marken des Reichcs"), untergliedert in Kreise u n d Ämter, die „an der vordersten F r o n t des deutschen Volkstums eine besondere Reichsa u f g a b e h a b e n " . In diesen Gebieten sei, so Meyer, „zur lebenswichtigen Sicherung des Reiches n i c h t n u r der Einsatz von Machtmitteln u n d Organisation, sondern gerade von deutschen Menschen als bodenständiger Bevölkerung notwendig. Hier soll in vollkommen f r e m d e r Umwelt deutsches Volkstum m i t d e m Boden verwurzelt u n d in seinem biologischen Bestand f ü r die D a u e r gesichert werden." Die Marken sollten im P l a n z e i t r a u m — u n d zwar bereits während der ersten drei J a h r f ü n f t e — zu 50 Prozent „eingedeutscht" w e r d e n ; 3) sogenannte Siedlungsstützpunkte ( S t ä d t e m i t starken deutschen Garnisonen, umgeben von deutschen Dörfern) an K n o t e n p u n k t e n längs der zu den Siedlungsmarken f ü h r e n d e n Eisenbahnlinien u n d A u t o s t r a ß e n . Sie sollten zu 25 bis 30 Prozent „eingedeutscht" werden. Territorial v e r s t a n d Meyer u n t e r den „total einzudeutschenden" Gebieten die bereits annektierten Teile Polens; er bezeichnete drei große Tcrritorialkomplexe als k ü n f t i g e Siedlungsmarken, d a v o n zwei auf Himmlers „Weisung" — das Leningrader Gebiet („Ingerm a n l a n d " ) u n d die Krim m i t dem Gebiet Cherzon („Gotengau") — u n d einen nach eigenem Vorschlag, nämlich das „Memel-Narew-Gebiet", d. h. litauisches, belorussisches u n d polnisches Gebiet etwa bis zur Linie Klaipeda-Kaunas einschließlich des damaligen 190 Ebenda. 191 Im folgenden zit. nach Madajczyk, GPO. 192 Eine „totale Eindeutschung" konnte nach dem SS-Konzept entweder durch Teilbesiedlung mit Deutschen und „Umvolkung" der restlichen einheimischen Bevölkerung oder aber durch „Gesamtbesiedlung" mit Deutschen erfolgen. Als Frist für die „Eindeutschung" der Landwirtschaft der annektierten polnischen Gebiete hatte Himmler fünf Jahre festgesetzt; Meyer veranschlagte in seinem Stufenplan für die hierzu notwendigen materiellen Maßnahmen „für die Errichtung der landwirtschaftlichen Betriebe, der Nahversorgungsbetriebe und der Nebenanlagen" wenigstens 15 Jahre, bis zum völligen Abschluß 30 Jahre (Madajczyk, GPO, S. 428ff.).

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Bezirks Bialystok 1 9 3 ; schließlich nannte er 36 Siedlungsstützpunkte, davon 14 im Generalgouvernement (darunter Warschau, Krakau, Lublin und fast alle anderen großen Städte), 14 in den baltischen Republiken bzw. auf dem Wege nach „Ingermanland" und acht in der Ukraine zwischen der Ostgrenze des Generalgouvernements und dem „Gotengau". Die Siedlungsstützpunkte, im Abstand von etwa 100 km angelegt, sollten je rund 2000 km 2 — die Größe von ein bis zwei Landkreisen in Deutschland — umfassen. Die Zahlen über den Bedarf an deutschen Siedlern, die er wahrscheinlich in Zusammenarbeit mit dem R S H A erkundet hatte 1 9 4 , entnahm Meyer hauptsächlich seinem Plan aus dem Vorjahr und nannte zusätzlich „eine derzeit nicht zu überblickende Anzahl von Rußlanddeutschen" sowie 650000 bis 750000 Esten, Letten und Litauer und 80000 Goralen, die „von dem nichtgermanischen Volkstum durch systematische Auslese und Leistungszucht gewonnen werden" könnten. Mit insgesamt 5,65 Millionen an „verfügbaren Siedlern" konnte nach seiner Meinung der „Bedarf" gedeckt werden, den er mit 1,5 Millionen für die annektierten Gebiete, 1,99 Millionen für die Marken und 1,36 Millionen für die Stützpunkte errechnete. Die in Meyers Plan niedergelegten territorialen Ansprüche und auch das von ihm beanspruchte Menschenreservoir gingen also weit über den GPO des R S H A hinaus. 195 Meyer 193 Die zu Meyers GPO gehörenden Karten sind nicht auffindbar; schätzungsweise betrug die darin vorgesehene Fläche der drei „Marken" 100000 bis 120000 km2; „Ingermanland" (ohne die möglicherweise hinzugerechneten Gebiete von Novgorod und Pskov) = 20 000 bis 25000; „Gotengau" = 50 000 bis 60000; „Memel-Narew-Gebiet" = 30000 bis 35000 knA 194 Zwischen dem RSHA-Plan (nach Wetzel) und Meyers GPO bestanden folgende Entsprechungen hinsichtlich der „verfügbaren Siedlerkräfte" :

Siedler aus Deutschland „Lagerumsiedler" „Streudeutschtum" (aus Südost- und Osteuropa) „Volksdeutschtum aus Übersee" „Germanische Siedler aus Nord- und Westeuropa" „Rußlanddeutsche" „Einzudeutschende" Esten, Letten, Litauer und Goralen Zusammen

Meyer (binnen 25 Jahren)

RSHA (binnen 30 Jahren)

3990000 100000

3700000 20000 (+30000)

500000 160000

200000

150000 600000 750000 5650000

4550000

*) Bei Meyer „eine derzeit nicht zu überblickende Anzahl" (Madajczyk, GPO, S. 440). 195 Heiber, der von Meyers Denkschrift damals, im Jahre 1958, nur die Zusammenfassung (s. Eichholtz, Generalplan Ost, S. 260ff., Dok. 5) kannte, behauptet im Gegenteil, es handle sich um „ein vergleichsweise recht bescheidenes Programm" (Heiber, S. 290) gegenüber dem des R S H A ; ähnlich auch Eisenblätter, der den RSHA-Plan für identisch hält mit Meyers GPOFassung vom 15. 7. 1941 und Wetzeis Memorandum in diesem Zusammenhang falsch interpretiert (Eisenblätter, Gerhard, Grundlinien der Politik des Reichs gegenüber dem Generalgouvernement 1939-1945, phil. Diss. Frankfurt a. M. 1969, S. 212; s. auch S. 205 f. Anm. 4; S. 206f ).

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plädierte ferner f ü r eine bedeutende Erweiterung des Machtbereichs Himmlers im Osten und forderte, die Siedlungsmarken „für die Dauer des Aufbaus" vollständig „aus ihrem bisherigen staatsrechtlichen Territorialverbande auszugliedern und unmittelbar u n t e r dem Führer der Hoheitsgewalt des Reichsführers-SS als Reichskommissar f ü r die Festigung deutschen Volkstums ... zu unterstellen". Die Siedlungsstützpunkte, die als „SS- und Polizeistützpunkte höherer Ordnung" auszubauen wären, sollten im Hinblick auf die „Eindeutschung" ebenfalls dem R K F unterstellt werden; ihm sollte „die ausschließliche Verfügungsgewalt über den gesamten zu Siedlungszwecken anfallenden Grund und Boden in den Ostgebieten" zustehen. Auf weitergehende Zukunftsaussichten und Spekulationen ausführlicher einzugehen, vermied Meyer. Es sei Aufgabe der „nächsten Generation", so hieß es in dem kurzen „Ausblick", „erstmalig die nördliche und südliche Richtung der historischen Germanenzüge zu einem in der Mitte geschlossenen Raum zu verbinden und d a m i t endgültig der europäischen Kultur zu sichern". Die veränderten Kriegsumstände nach der Schlacht bei Moskau und die Erfahrungen der Okkupanten mit dem sowjetischen Volkswiderstand bewogen Meyer jedoch, gegenüber dem RSHA-Plan ein verändertes „Verhältnis zu den Umvölkern" zu fordern. Bei ihm, der vorher ohne Zweifel — sicherlich schon im GPO vom 15. J u l i 1941 — von der von Himmler als Voraussetzung f ü r die deutsche „Ostraum"planung statuierten „Dezimierung der slawischen Bevölkerung um dreißig Millionen" ausgegangen war 1 9 6 , klang es jetzt anders: „Da auf die Mitarbeit der in den Gebieten jetzt bodenständigen Bevölkerung nicht verzichtet werden kann, muß die zu schaffende Völkerordnung im Ostraum auf eine Befriedung der dortigen Einwohner abzielen. Diese Befriedung wird dadurch erreicht, daß die nötige Bereitstellung von Siedlungsland f ü r die Ansetzung deutscher Menschen nicht wie bisher durch Evakuierungen, sondern durch Umsetzung der bisherigen Bewohner auf anderem Kolchose- und Sowchoseland mit gleichzeitiger Verleihung von Bodenbesitzrecht erfolgt. Diese Umsetzung muß gebunden sein an eine sinnvolle Auslese nach dem Leistungsprinzip und mit einem sozialen Aufstieg der positiven Kräfte des fremden Volkstums Hand in Hand gehen." F ü r einen überzeugten faschistischen „Volkstums"- und Siedlungsplaner war das ein bemerkenswertes Zugeständnis an die reale Kriegslage, wenn auch pragmatische Beweggründe — Beschaffung von Millionen billiger (Zwangs-)Arbeitskräfte f ü r den „Ostaufbau" — sicher eine sehr große Rolle dabei spielten und die gewählte Formulierung eine „Aussiedlung" der „negativen" Kräfte nicht nur anheimstellte, sondern einschloß. Ausdrücklich erwähnte Meyer zum Beispiel die städtische Bevölkerung der „Marken", die radikal zu dezimieren sei: „Im Ingermanland wurde die künftige Stadtbevölkerung mit 200000 (1939: 3200000) angenommen, im Gotengau die Stadtbevölkerung auf 650000 verringert (1939: 790000)." In dieser Rechnung war die geplante Auslöschung Leningrads einbegriffen. Die Enturbanisierung und Reagrarisierung der besetzten sowjetischen Gebiete war ein konzeptioneller Grundbestandteil des GPO, dessen Klassengehalt im weiteren noch analysiert werden wird. Himmler antwortete schon nach wenigen Tagen, der GPO gefalle ihm „insgesamt ganz gut". 1 9 7 E r äußerte sich zu dem Problem der „Aussiedlung" nicht direkt; seine kritischen Bemerkungen zielten aber gerade darauf hin. E r war nicht einverstanden damit, „das 196 Siehe Anm. 181 {IMG, Bd. 4, S. 536). 197 Eichholtz, Generalplan Ost, S. 264, Doit. 6. Hiernach auch das Folgende.

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Generalgouvernement und d a s gesamte Ostland nur mit Stützpunkten zu versehen". E s müsse „die totale Eindeutschung von Estland und Lettland sowie des gesamten Generalgouvernements mit enthalten sein". In die gleiche Kategorie fiel für Himmler das „Protektorat Böhmen und Mähren". In Litauen plante er sogar eine „Gesamtbesiedlung" durch Deutsche, da man dort „ m i t einer Eindeutschung der vorhandenen Bevölkerung weniger rechnen" könne. Die Gesamtfrist für den G P O setzte er kurzerhand von 25 bis 30 auf 20 J a h r e herunter. In einer fast zur selben Zeit gehaltenen Rede zählte er unter den Gebieten, die binnen 20 Jahren nach dem Kriege „total deutsch besiedelt" werden würden, auch die Krim und „Ingermanland" auf. 1 9 8 Von Meyer verlangte er jetzt einen „Gesamtsiedlungsplan" (auch: „ G e s a m t p l a n " ; „Generalbesiedlungsplan") „in der F o r m wie der Generalplan Ost" zur Vorlage bei Hitler. Zunächst wollte er einen überschläglichen Entwurf haben, „aus dem klar hervorgeht, was wir insgesamt an Menschen, Arbeitern, Geldmitteln usw. brauchen, und weiterhin, was wir in jedem einzelnen der vier Fünfjahrespläne brauchen". Während der Offensive der Wehrmacht im Sommer/Herbst 1942 erreichte die Beschäftigung der SS-Führung mit dem G P O ihren Höhepunkt. Wie Himmler das Material auswertete, das Meyers Fassung ihm bot, zeigte die zitierte Rede vom 9. Juni. Am 16. September stellte er den versammelten S S - und Polizeiführern den G P O in barbarischer Offenheit und Ausführlichkeit vor, sprach schon von „Siedlungsperlen" an Don und Wolga und schwelgte in weiteren Plänen, die er auf 400 bis 500 J a h r e berechnete; dann sollten die Gebiete bis zum Ural so weit germanisiert sein, daß „ s t a t t 120 M i l l i o n e n 5—600 Millionen Germanen vorhanden sind". 1 9 9 Während der Offensive ordnete Himmler im Vorgefühl des Sieges zugleich umfangreiche Maßnahmen zur Realisierung des G P O an. In der zweiten Julihälfte befahl er S S Obergruppenführer Friedrich Wilhelm Krüger, Staatssekretär und Himmlers Statthalter in der Regierung des Generalgouvernements, und SS-Gruppenführer Odilo Globocnik, dem S S - und Polizeiführer im Distrikt Lublin, die seit längerem geplante „Eindeutschung" der Kreise Zamosc und Lublin-Land 2 0 0 ; im August handelte er mit dem „Reichskommissar Ukraine", Gauleiter Erich Koch, „Germanisierungen" größeren Stils in der Ukraine, nahe Himmlers Feldquartier „Hegewald" (Gebiet Zitomir), bei Vinnica und bei Korosten a u s 2 0 1 ; noch im Oktober/November beauftragte er den S S - und Polizeiführer für die Krim, „alles Notwendige für eine Planung und spätere Besiedlung der Krim mit deutschen Menschen zu veranlassen" 2 0 2 . 198 Himmler, Heinrich, Geheimreden 1933 bis 1945 und andere Ansprachen, hrsg. v. Bradley F. Smith and Agnes F. Peterson mit einer Einführung v. Joachim C. Fest, Frankfurt a. M./ Berlin (West)/Wien 1974, S. 158, Rede Himmlers vor Oberabschnittsführern und Hauptamtschefs der SS, 9. 6. 1942. 199 Ζ StA Potsdam, FS, Film 3608. Auszüge aus der Rede in Weltherrschaft im Visier, S. 339 f., Dok. 140. 200 DZW, Bd. 2, S. 136, S. 445. 201 Ebenda, S. 435; Koehl, Robert L., RKFDV. German Resettlement and Population Policy 1939—1945. A history of the Reich Commissioner for the Strengthening of Germandom, Cambridge 1957, S. 151 f. Es handelte sich außer um „Hegewald" um die Umgebung von Hitlers Hauptquartier „Wehrwolf" bei Vinnica („Eichenhain") und um den für beide Orte wichtigen Eisenbahnknotenpunkt Korosten an der Hauptstrecke nach Kiev. 202 BA Koblenz, R 70 (Sowjetunion)/35, „Bericht über die Arbeitsergebnisse des vom

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A m weitesten schritt die Realisierung des G P O im Gebiet von Zamosc voran, wo E n d e N o v e m b e r 1942 auf barbarischste Weise die ersten Massen„aussiedlungen" in Angriff genommen wurden. Die verschiedenen Phasen der „Aktion Zamosc" („Aussiedlungen", „Umsiedlungen", „Befriedungsaktionen") erstreckten sich auf über ein Dreivierteljahr, bis ausgangs des Sommers 1943. 203 Der Kreis Zamosc — er war in Meyers GPO-Fassung als „ S i e d l u n g s s t ü t z p u n k t " verzeichnet — u n d b e n a c h b a r t e Kreise des Distrikts Lublin sollten in das erste deutsche „Großsiedlungsgebiet" im Generalgouvernement verwandelt werden. Dieses Gebiet h a t t e f ü r die faschistischen Planer die B e d e u t u n g eines entscheidenden K n o t e n p u n k t e s : Es sollte erstens ein „ S i e d l u n g s s t ü t z p u n k t " a m H a u p t k o m m u n i k a t i o n s w e g von Deutschland n a c h „ T a u r i e n " bzw. der Krim (und d a m i t auch z u m kaukasischen Erdöl) sein u n d zweitens als Pfeiler einer deutschen „Yolkstumsbrücke" zwischen einem „germanisierten" B a l t i k u m und Südosteuropa (Bessarabien — Siebenbürgen) dienen. Der U m f a n g der „Aussiedlungen" u n d „Umsiedlungen" auf sowjetischem Territorium w a r sowohl in A n b e t r a c h t der faschistischen Planungen als auch im Vergleich zu d e m ZamoscP r o j e k t geringer. Die Zeit, die den Faschisten auf sowjetischem Boden blieb, w a r zu kurz, als d a ß sie den G P O d o r t in größerem U m f a n g in die Praxis h ä t t e n umsetzen können. I m m e r h i n n a h m e n die „Aussiedlungen" im J a h r e 1942 in Litauen u n d im Gebiet Zitomir größeren U m f a n g an. Sie betrafen einige Zehntausend Menschen u n d erfaßten mehrere h u n d e r t t a u s e n d H e k t a r . 2 0 4 Auf der Krim wurden im J a h r e 1943 bis September/Oktober, als die R ä u m u n g d u r c h die Faschisten begann, zwölf sogenannte Landbezirke „zu deutschen Dörfern gemacht". 2 0 5 Allerdings waren m i t der Zielsetzung des G P O von Anfang a n u n t r e n n b a r auch die Massenm o r d e verbunden, die die S S - E i n s a t z g r u p p e n in Z u s a m m e n a r b e i t m i t der W e h r m a c h t begingen, u n d später die Endlösung der J u d e n f r a g e ; allein bis O k t o b e r / N o v e m b e r 1941 fielen den E i n s a t z g r u p p e n in der U d S S R ü b e r 300000 Sowjetbürger, v o r allem B ü r g e r jüdischer H e r k u n f t und Kommunisten, zum Opfer. 2 0 6 Das gleiche traf auf die Massenmorde an sowjetischen Kriegsgefangenen u n d in d e m grausamen Krieg gegen die P a r t i s a n e n zu, insbesondere bei den „Befriedungs"aktionen in den davon betroffenen Gebieten. In einem weiteren Sinne gehörte schließlich auch das Z w a n g s a r b e i t s p r o g r a m m der deutschen Imperialisten zum G P O , das allein schätzungsweise fünf bis sechs Millionen aus ihrer H e i m a t d e p o r t i e r t e sowjetische Menschen u m f a ß t e . Im H e r b s t 1942 lief sich die deutsche Offensive überall fest. Trotzdem ließ H i m m l e r a m 12. N o v e m b e r an seinen A u f t r a g vom 12. J u n i erinnern. Meyer meldete sich a m 13. Nov e m b e r 1942 noch einmal zum Vortrag bei ihm u n d lieferte ihm d a n n a m 23. Dezember

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R. f. d. F. d. V. dem SS- und Polizeiführer für die Krim zugeteilten Kommandos zur Wahrnehmung der Aufgaben des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums in der Zeit vom Winter 1942/43 bis zum Frühjahr 1944", v. 31. 5. 1944. Ausführlicher s. DZW, Bd. 2, S. 445; Bd. 3, S. 368; Zamojszczyzna — Sonderlaboratorium SS, 2 Bde., Warschau 1977. Litauen: Madajczyk, GPO, S. 399; Koehl, RKFDV, S. 149f.; Zitomir: Siehe Anm. 201. Wie Anm. 202. DZW, Bd. 2, S. 125 ff. — Wilhelm berechnet unter Berücksichtigung der lückenhaften und komplizierten Quellenlage die Zahl allein der jüdischen Menschen, die von den Faschisten auf sowjetischem Territorium umgebracht wurden, auf insgesamt über 2,2 Mill. (Krausnick, Helmut/Wilhelm, Hans-Heinrich, Die Truppe des Weltanschauungskrieges. Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938—1942, Stuttgart 1981, S. 621.

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die gewünschte „Zusammenstellung von Grundzahlen und Karten als Unterlage f ü r einen Generalsiedlungsplan", die bisher nicht aufgefunden wurde. 2 0 7 Ungeachtet der inzwischen grundlegend veränderten Kriegslage wollte Himmler auch diese „Faustzahlen" nach oben korrigiert wissen; er teilte Meyer am 12. J a n u a r 1943 als seine autoritative Meinung m i t : „In den Ostsiedlungsraum ist Litauen, Lettland, Estland, Weißruthenien und Ingermanland ebenso wie die ganze Krim und Taurien einzubeziehen. Diese genannten Gebiete müssen total eingedeutscht bzw. total besiedelt werden." 2 0 8 Das letzte Dokument über die Weiterführung des GPO und des Generalsiedlungsplanes ist offenbar ein Schreiben Meyers an Himmler vorn 15. Februar 1943. 209 Meyer teilte darin mit, er sei dabei, die im Dezember 1942 vorgelegten „Unterlagen für einen Generalsiedlungsplan" umzuarbeiten, und schickte eine Karte und eine Tabelle mit. Auf der Karte waren die „Räume" gekennzeichnet, auf die sich nunmehr seine Untersuchungen erstreckten; aus der Tabelle ergab sich ein „erster Überblick über den Umfang (vermutlich: dieser Räume — D. E.) und den derzeitigen Bevölkerungsstand". Beide Dokumente sind der Forschung nicht bekannt. Weiter ist offensichtlich — trotz anderslautender Information des Stabshauptamtes des R K F 2 1 0 — weder der GPO noch der Generalsiedlungsplan gediehen. Die Niederlage bei Stalingrad, die Wende des Krieges, die auch der „Gesamtplanung" ein Ende setzte, vorhinderte weitere „Großaktionen" und Aufträge Himmlers zur Realisierung des GPO. Wo indessen weiter „germanisiert" wurde, stießen die Faschisten auf erbitterten Volkswiderstand. Im Falle von Zamosc beteiligten sieh breile Bevölkerungskreise in vielen Teilen Polens daran. 2 1 1 Trotz bestialischer „Befriedungsaktionen" griff der Widerstand unaufhaltsam um sieh. Die Okkupationsbehörden sahen die landwirtschaftliche Produktion in den betroffenen Gebieten als „einschneidend gefährdet" an und schalteten deswegen schließlich Staatssekretär Herbert Backe und Göring ein. Himmler mußte die „Aktion Zamosc" im März 1943 einstellen lassen und Mitte Mai einen allgemeinen Befehl darüber erlassen: „Im Hinblick auf die gesamtpolitische Lage ist die Weiterbesiedlung (mit Deutschen — D. E.) zunächst einzustellen. . . . Jede Absiedlung von Polen ist bis auf weiteres untersagt." 212 So endete die praktische Ausführung des GPO, kaum daß sie begonnen, mit einem Fiasko. Die militärischen Niederlagen an der deutsch-sowjetischen Front, der Partisanen- und Volkswiderstand verurteilten die SS-Variante der Vernichtung des Sozialismus wie alle anderen Varianten zum Scheitern. Der GPO war in seinen Grundbestandteilen, besonders aber in seinem politischen H a u p t aspekt, keine Originalschöpfung Hitlers, Himmlers oder anderer faschistischer Ideologen. E r h a t t e seine unmittelbaren Vorläufer in der Ostpolitik des deutschen Imperialismus. Siehe EichhoUz, Generalplan Ost, S. 269, Dok. 10. Siehe ebenda, S. 270, Dok. 11. Siehe ebenda, S. 271, Dok. 12. Hiernach auch das Folgende. In einem Schreiben der Dienststelle des R K F an den Persönlichen Stab Himmlers v o m 7. 4. 1943 werden die am 15. 2. 1943 an Himmler geschickten Anlagen (Karten und Tabelle) — offenbar irrtümlich — als „umgearbeiteter Generalsiedlungsplan" bezeichnet (ZStA Potsdam, FS, Film 3350). 211 DZW, Bd. 3, S. 368. 212 ZStA Potsdam, FS, Film 13380, FS Himmlers an Krüger, 17. 5. 1943, zit. in FS Himmlers an Greifelt, 18. 5. 1943.

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Diese datieren mit dem Beginn der imperialistischen Ära und traten während des ersten Weltkrieges massiert in den Kriegszielprogrammen der reaktionärsten Kreise der Monopolbourgeoisie, der Großagrarier und der Intelligenz zutage. In der Kriegszieldenkschrift des Alldeutschen Verbandes vom September 1914, die Heinrich Claß, der Verbandsvorsitzende, verfaßt und die Krupp, Hugenberg u. a. maßgebende Vertreter der Großindustrie angeregt bzw. gebilligt hatten 2 1 3 , wurden die territorialen Forderungen an das zaristische Rußland d a m i t begründet, Deutschland müsse den russischen Feind in Bevölkerungszahl und -Wachstum so schwächen, „daß er in alle Zukunft nicht in der Lage sein wird, uns in gleicher Weise zu gefährden". 2 1 4 Die Denkschrift sah eine „umfangreiche Vertreibung der Bevölkerung und eine Besiedlung durch deutsche Bauern" 2 1 5 vor. Vertrieben werden sollten ebenfalls die Bewohner der zu annektierenden Gebiete Ost- und Nordostfrankreichs. 2 1 6 Hinter eine „Kolonisierung" von Belgien, Estland und Kurland stellte sich im Dezember 1914 der Kriegsausschuß der deutschen Industrie. 217 Höhepunkte der Planung und Propaganda einer millionenfachen Vertreibung aus Gebieten des damaligen Russischen Reiches waren die Denkschriften der Unternehmerverbände aus Industrie, Landwirtschaft und Mittelstand vom 10. März und 20. Mai 1915 und die sogenannte Professorendenkschrift vom 8. Juli desselben Jahres. Hier wurde gefordert, „daß der im Westen zu erwartende große industrielle Machtzuwachs ein Gegengewicht durch ein gleichwertiges im Osten zu erwerbendes Landwirtschaftsgebiet finden muß", um „eine großangelegte deutsche ländliche Besiedlung sowie die Zurückführung der im Auslande, namentlich in Rußland, lebenden und jetzt entrechteten deutschen Bauern in das deutsche Reichs- und Wirtschaftsgebiet zu ermöglichen" und „die Wehrkraft Deutschlands durch genügende Vermehrung seiner Bevölkerung Rußland gegenüber zu stärken". 2 1 8 Die „Gewinnung von ausreichendem landwirtschaftlichem Siedlungsgebiet", so hieß es — vorausweisend auf die faschistische „Blut-und-Boden"-Ideologie — in der Denkschrift vom 20. Mai 1915, sei notwendig „zur Sicherung der aus einer starken Landwirtschaft fließenden Quellen unserer nationalen Volkskraft, insbesondere unserer Volksvermehrung, und d a m i t zur Stärkung unserer militärischen Kraft". 2 1 9 In der von 1347 Intellektuellen unterzeichneten Professoreneingabe, die vom Alldeutschen Verband u n t e r führender Beteiligung von Emil Kirdorf, Hugenberg, Carl Dulsberg, Stresemann und Vertretern der Großagrarier wie Gustav Roesicke und Wolfgang Kapp 213 Deutschland im ersten Weltkrieg, Bd. 1, S. 358f. 214 Weltherrschaft im Visier, Dok. 29, S. 93, „Denkschrift betr. die national-, wirtschafts- und sozialpolitischen Ziele des deutschen Volkes im gegenwärtigen Kriege". 215 Deutschland im ersten Weltkrieg, Bd. 3, S. 104. 216 Weltherrschaft im Visier, Dok. 29, S. 93; s. auch ebenda, Dok. 23, S. 82, Denkschrift v. Hermann Röchling, 3 1 . 8 . 1914: „In dem Erzgebiet (von Longwy-Briey — D. E.) wohnen heute fast nur Italiener, Elsaß-Lothringer und Polen, Leute, die durch Deutsche zu verdrängen sind ... Hierfür würde ich sein, wenn es mit Rücksicht auf sonstige, allgemeine Interessen durchzuführen ist." 217 Ebenda, Dok. 32, S. 101, Aufzeichnung Stresemanns über Audienz bei Reichskanzler Bethmann Hollweg und Staatssekretär Delbrück am 8. 12. 1914. Delbrück erwähnte in diesem Zusammenhang „eine nicht sehr erwünschte und wenig wertvolle estländische Landbevölkerung" und, als weitere „unerwünschte Zugabe", die „auf der niedrigsten Kulturstufe stehenden polnischen Juden" (ebenda). 218 Ebenda, Dok. 35, S. 109f., Denkschrift v. 10. 3. 1915. 219 Ebenda, Dok. 36, S. 112 f., Denkschrift v. 20. 5. 1915.

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organisiert worden war, sprach man ungeschminkt vom „Germanentum" und von der „Barbarenflut aus dem Osten". 220 Der Abschnitt „Rußland" enthielt in nuce alle Grundelemente und Argumente, einschließlich der rassenideologischen, die für den GPO charakteristisch waren. Sind also die klassenmäßigen — ökonomischen, politischen und ideologischen — Wurzeln der Konzeption des GPO in der Geschichte des deutschen Imperialismus deutlich zurückzuverfolgen 221 , so fügten sich doch im GPO die verschiedensten reaktionären Tendenzen aus der Geschichte des Kapitalismus und Imperialismus unter der Klammer des barbarischsten Rassismus auf neue Art zusammen und wurden in eine neue Form gegossen. In dieser Form schienen sie dafür geeignet zu sein, breiten Schichten des deutschen Volkes die geplanten Verbrechen plausibel zu machen, sie leichter hineinzuziehen und tiefer darin zu verstricken. 222 Als qualitativ neues Element erschienen im GPO der Umfang, die Größe und Schwere dieser Verbrechen, sowohl was ihre geographische Ausdehnung als was die Zahl der betroffenen Menschen und vor allem die ins Auge gefaßten Methoden der Massenvertreibung bzw. Ausrottung anging. Dies erklärt sich vor allem aus der Reaktion des deutschen Imperialismus auf die neue historische Situation, der er sich nach der Oktoberrevolution gegenübersah. Im ersten Weltkrieg noch ein Weiterbestehen des — möglichst weitgehend zu schwächenden — zaristischen bzw. kapitalistischen Rußlands einkalkulierend, sahen seine reaktionärsten Repräsentanten nach 1917 ihre „nationale" und welthistorische Mission darin, die sozialistische Sowjetunion auszulöschen und den „riesenhaften Kuchen" (Hitler) als „Großraum" einem deutschen Weltreich einzuverleiben. Die faschistische Theorie neudimensionierter „Großräume" begriff den „Ostraum" als wesentlichen, ja als einen Hauptbestandteil eines „Großgermanischen Reiches", welches wiederum eine Voraussetzung für die dauerhafte Realisierung der Konzeption des GPO war. 223 Untersuchenswert ist ferner die Frage, inwieweit andere traumatische Erfahrungen der deutschen Imperialisten mit dem Befreiungskampf der Völker ausgangs des ersten Weltkrieges und während der revolutionären Nachkriegskrise zum extremen Charakter dieser Konzeption beigetragen und die „Sicherung" durch Ausrottung und Deutschbesiedlung zu ihrem Kernpunkt haben werden lassen ; vor allem das Auseinanderbrechen des österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaates, ferner die „Erfahrungen" der Freikorpsbanden im Baltikum und in Oberschlesien. Hitler selbst war maßgeblich daran beteiligt, aus dem Wust reaktionärer und barbarischer Ideen, die seit Jahren, ja schon seit Jahrzehnten in imperialistischen bzw. großbürgerlichen 220 Ebenda, Dok. 38, S. 119, S. 121, Denkschrift v. 8. 7. 1915; Deutschland im ersten Weltkrieg, Bd. 2, S. 169 f. 221 Weitere Quellen z. B. bei Petzold, Joachim, Zu den Kriegszielen der deutschen Monopolkapitalisten im ersten Weltkrieg (Dokumentation), in ZfG, 6/1960, S. 1369ff. ; Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 13 ff. 222 Joachim C. Fest tut die „Lebensraum"- und „Großreich"-,,Visionen" Hitlers und Himmlers als „Wahnsystem" ab, das, als „singulares", d. h. ausschließlich an die genannten Personen gebundenes Phänomen entstanden, sogleich wieder mit dem „Dritten Reich" verschwunden sei und nichts als die „Ideenlosigkeit des nationalsozialistischen Machtwillens selber" widergespiegelt habe (Einl. zu Himmler, S. 13ff., S. 22). 223 Siehe Eichholtz, Dietrich, „Großgermanisches Reich" und „Generalplan Ost". Einheitlichkeit und Unterschiedlichkeit im faschistischen Okkupationssystem, in ZfG, 9/1980, S. 838 ff.

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Kreisen verbreitet waren, eine neuartige Völkermordkonzeption zusammenzufügen. 2 2 4 Eine solche „ideologische Transformationsarbeit" 2 2 5 war natürlich ebensowenig ein Novum in der Geschichte der bürgerlichen Ideologie wie das ideelle Substrat dieser Arbeit. Auch die „Monomanie" 2 2 6 , mit der Hitler der selbstverfertigten Ideologie bis zu seinem Ende anhing, ist durchaus üblich bei faschistischen Ideologen und Politikern und kann ihre persönliche Ausstrahlungskraft gegenüber anfälligen Klassen und Schichten steigern. Bürgerliche Historiker sehen darin freilich nach wie vor einen Grund, Hitler zu einem Fall „mehr f ü r den Psychiater als f ü r den Historiker" 2 2 7 und damit ihn und die Herrschaft des Faschismus zu einer singulären und nicht erklärbaren Erscheinung der deutschen Geschichte zu machen. Als Hitler in „Mein Kampf" (1924) die „Bodenpolitik der Z u k u n f t " beschwor, die den „Germanenzug" in das nach seiner Meinung zusammenbruchsreife „Riesenreich im Osten" lenken müsse, 228 k n ü p f t e er an durchaus bekanntes imperialistisches Gedankengut an. E r wandelte in den geistigen Spuren beispielsweise seines Parteigängers und Mitputschisten Ludendorff, der seinerzeit selbst das „Land Ober-Ost" als zukünftig deutsch zu besiedelndes Gebiet aus der Taufe heben half. 2 2 9 In Anlehnung an die geopolitischen Ansichten der Schule Karl Haushofers konzentrierte er sich in seinen Forderungen auf die östliche Expansionsrichtung, d. h. auf die Zerstörung der sozialistischen Sowjetunion. 2 3 0 Immerhin handelte es sich bei Hitler damals n u r um den Führer einer noch nicht sehr bedeutenden, gerade an einem Putsch gescheit erten Partei, und seine Ideen hätten keine Chance auf Realisierung zu erhalten brauchen. Bereits von mächtigen Kreisen der Schwerindustrie protegiert, präzisierte er wenige Jahre später in seinem sogenannten Zweiten Buch (1928) die „Bodenpolitik der Zukunft" als „Raumpolitik" der „Ausbreitung des eigenen Volkes", also als Vertreibung, Vernichtung oder mindestens Versklavung anderer Völker. 231 224 Zu den „wissenschaftlichen" Vorläufern dieser Konzeption s. u. a. Petzold, Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus; Heise, Wolf gang, Aufbruch in die Illusion. Zur Kritik der bürgerlichen Philosophie in Deutschland, Berlin 1964 ; Heyden, Günter, Kritik der deutschen Geopolitik. Wesen und soziale Funktion einer reaktionären soziologischen Schule, Berlin 1958. fc. 225 Faschismus und Ideologie 1, Berlin (West) 1980, S. 75 (Das Argument, Sonderband AS 60). 226 Siehe Hildebrand, Klaus, Hitlers „Programm" und seine Realisierung 1939—1942, in Kriegsbeginn 1939. Entfesselung oder Ausbruch des Zweiten Weltkrieges?, hrsg. v. Gottfried Niedhart, Darmstadt 1976, S. 180. Auch die „zynische Distanz zur eigenen Ideologie" bei den faschistischen Führern (sehr weitgehend aufgefaßt bei Petzold, Joachim, Die objektive Funktion des Faschismus im subjektiven Selbstverständnis der Faschisten, in ZfG, 4/1980, S. 370) verblieb selbstverständlich innerhalb der engen Schranken ihres reaktionären Klassenbewußtseins bzw. innerhalb des beschränkten Spielraums, den die Interessen der von ihnen repräsentierten herrschenden Klasse ihnen ließen. 227 So Hillgruber, Andreas, Quellen und Quellenkritik zur Vorgeschichte des Zweiten Weltkrieges, in Kriegsbeginn 1939, S. 392 (f.). 228 Hitler, Adolf, Mein Kampf, 6. Aufl., Berlin 1930, S. 742. 229 Siehe Strazas, A. S., „Zemlja Oberost" i germanskie celi na vostoke ν gody pervoj mirovoj vojny, in Voprosy istorii, 8/1964, S. 49ff. ; s. auch Koehl, Robert Lewis, A Prelude to Hitler's Greater Germany, in The American Historical Review, 1/1953, S. 53, S. 55f. ; Czollek, Faschismus und Okkupation, S. 15f. 230 Heyden, S. 112ff. ; Petzold, Konservative Theoretiker des deutschen Faschismus, S. 133. 231 Hitlers Zweites Buch. Ein Dokument aus dem Jahr 1928, eingel. u. komment. v. Gerhard L. Weinberg, Stuttgart 1961, S. 79; s. ferner S. 78ff., 99f., 105, 219f.

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Die wesentlichen Zäsuren der weiteren Ausarbeitung des Konzepts des GPO — hier nur in knappster Form zu nennen — waren die Errichtung der faschistischen Diktatur, der Kriegsbeginn 1939 und der 22. Juni 1941. Nachdem die reaktionärsten und aggressivsten Kräfte des Finanzkapitals die Faschisten an die Macht geschoben hatten, konnte furchtbares politisches Unheil aus der ideologischen Drachensaat erwachsen. Seit dem 30. Januar 1933 wurde die „Bodenpolitik der Zukunft" zu einer Staatsmaxime. Hitler beschäftigte sich schon 1935 mit der „Technik der Entvölkerung" und äußerte zu Hermann Rauschning: „Wir haben die Pflicht zu entvölkern, wie wir die Pflicht der sachgemäßen Pflege der deutschen Bevölkerung haben. Es wird eine Technik der Entvölkerung entwickelt werden müssen. Was heißt entvölkern, werden Sie fragen. Ob ich ganze Völkerstämme beseitigen wolle? Jawohl, so ungefähr, darauf wird es hinauslaufen. Die Natur ist grausam, darum dürfen wires auch sein. Wenn ich die Blüte der Deutschen in die Stahlgewitter des kommenden Krieges schicke, ohne auch nur um das kostbare deutsche Blut, das vergossen wird, das leiseste Bedauern zu verspüren, sollte ich dann nicht das Recht haben, Millionen einer minderwertigen, sich wie das Ungeziefer vermehrenden Rasse zu beseitigen, nicht indem ich sie ausrotten lasse, sondern nur indem ich systematisch verhindere, daß sich ihre große natürliche Fruchtbarkeit auswirkt. Beispielsweise indem ich die Männer jahrelang von den Frauen getrennt halte. ... Es gibt viele Methoden, einen unerwünschten Volksstamm systematisch und verhältnismäßig schmerzlos, jedenfalls ohne viel Blutvergießen, zum Aussterben zu bringen." 232 Diese Ideen, nun zu einem tragenden politischen Konzept des Regimes geworden, waren zu keiner Zeit ein absolutes Geheimnis, sondern wurden in den herrschenden Kreisen des Finanzkapitals durchaus erörtert. Hjalmar Schacht etwa erkannte ihre Tragweite; er war sich — damals verständlicherweise nicht ohne Skepsis — darüber im klaren, „daß man auf der ganzen Ostlinie für deutsche Siedlung nur Platz machen könnte durch eine glatte Entvölkerung der betreffenden Gebiete". 233 Auch nach dem 30. Januar 1933 hätte den faschistischen Rasseplanern der Weg zur blutigen Praxis versperrt werden können. Erst der vom deutschen Imperialismus entfesselte Krieg eröffnete ihnen diesen Weg. Mit der Niederwerfung Polens begann die erste Phase der Realisierung des „Ostraum"konzepts. Alle Vollmachten auf diesem Gebiet erhielt bezeichnenderweise Heinrich Himmler, der mit seinem Apparat für die innere Sicherheit und politische Stabilität des faschistischen Regimes zu sorgen hatte. Nach Hitlers Erlaß „zur Festigung deutschen Volkstums" vom 7. Oktober 1939 legte sich Himmler die Bezeichnung „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums" zu.234 Seine Auf232 Rauschning, Hermann, Gespräche mit Hitler, Zürich/Wien/New York 1940, S. 129. 233 An Ritter v. Epp, 1935 ; zit. nach Booms, Hans, Der Ursprung des Zweiten Weltkrieges — Revision oder Expansion? in Kriegsbeginn 1939, S. 70, S. 91. Siehe auch Trevor-Roper, Hugh Redwald, Hitlers Kriegsziele, in VfZ, 2/1960, S. 130, der, nicht ohne apologetische Absicht, ein Memorandum Schachts gleichen Inhalts an Hitler von 1934 erwähnt (ohne Quellenangabe). Vermutlich spielte hierbei das notorische Interesse Schachts, Epps, der Deutschen Bank usw. an Kolonialzielen besonders in Afrika als ein wichtiges Motiv mit, das sie vor einer einseitigen Ostorientierung mit den geringen Realisierungschancen warnen ließ, die sie sich zu jener Zeit ausrechneten. 234 IMG, Bd. 26, S. 255, „Erlaß des Führers und Reichskanzlers zur Festigung deutschen Volkstums v o m 7. Oktober 1939". — Im Erlaß kam die Bezeichnung „Reichskommissar" nicht vor; zu Himmlers Selbsternennung s. Buchheim, Hans, Die S S — D a s Herrschaftsinstrument, in Anatomie des SS-Staates, von Hans Buchheim u. a., Bd. 1, Olten/Freiburg i. Br. 1965,S. 220ff.

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gaben waren laut Erlaß die „Zurückführung" der Auslandsdeutschen, „die Gestaltung neuer deutscher Siedlungsgebiete durch Umsiedlung" und „die Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten". Hitler verlangte, wie er kurz zuvor Rosenberg gegenüber geäußert hatte, daß vor die bisherige deutsche Grenze „ein breiter Gürtel der Germanisierung und Kolonisierung" geschoben und eine „deutsche Kornkammer" geschaffen werde. 235 Polen war, langfristig gesehen, für die Faschisten Vorfeld und Erprobungsfall für die „Bodenpolitik der Zukunft". Aber der Verlauf des Krieges brachte es mit sich, daß sich nur dort, in den annektierten Gebieten Polens und in Teilen des Generalgouvernements, während einer fünfjährigen Okkupationsdauer das „Germanisierungs"verbrechen in großem Maßstab und in allen entscheidenden Stufen vollzog. Von der Ghettoisierung und Vernichtung der polnischen Juden über die Expropriation, „Aussiedlung" und Ermordung von Millionen Polen, über die Politik der „Deutschen Volksliste" und die Ansiedlung von aus allen Himmelsrichtungen herbeigetriebenen Deutschen und „Deutschstämmigen" bis zur „Aktion Zamosc" und zum Raub „gutrassiger" polnischer Kinder geschah in diesen Gebieten so viel Ungeheuerliches, daß jeglicher Versuch, den GPO als „bloßen" Plan, als „Tagtraum" und „Schimäre" zu bagatellisieren 236 , in gefährlicher Apologetik enden muß. Im GPO finden sich — allerdings in neuen Größenordnungen — die gleichen, schon 1939/40 für Polen entwickelten Grundzüge des Vorgehens wieder: der sich immer weiter hinausschiebende „Gürtel der Germanisierung und Kolonisierung", die Konstruktion von „Volkstumsbrücken", „Großsiedlungsgebieten" und „Siedlungsstützpunkten" im weiter östlich vorgelagerten Raum zwecks „Einkesselung" des „Völkerbreis" und maximaler Desintegration des eroberten Raumes „in möglichst viele Teile und Splitter", die „rassische Siebung", „blutliche Germanisierung" und schließliche Liquidierung der übrigbleibenden „Inseln" fremden „Volkstums". 237 Die Grundidee des GPO, nämlich das Hinausschieben des „Siedlungsgürtels" nach Osten, wurde, entsprechend dem Kriegsverlauf, etappenweise fortentwickelt. In der ersten Etappe bildeten die annektierten polnischen Gebiete diesen Gürtel; in der zweiten kam das Generalgouvernement hinzu. Diese beiden Etappen wurden offenbar in Meyers GPO-Fas235 Das politische Tagebuch Alfred Rosenbergs aus den Jahren 1934/35 und 1939/40, hrsg. u. erläut. v. Hans-Günther Seraphim, Göttingen/Berlin(West)/Frankfurt a. M. 1956, S. 81 (29. 9. 1939). Hitler hatte, wie Rosenberg in seinem Tagebuch festhielt, zu diesem Zeitpunkt schon das komplette Programm für das zukünftige Vorgehen gegenüber Polen parat: „Er wolle das jetzt festgelegte Gebiet in drei Streifen teilen : 1. zwischen Weichsel und Bug : das gesamte Judentum (auch aus dem Reich), sowie alle irgendwie unzuverlässigen Elemente. An der Weichsel einen unbezwingbaren Ostwall — noch stärker als im Westen. 2. An der bisherigen Grenze ein breiter Gürtel der Germanisierung und Kolonisierung. Hier käme eine große Aufgabe für das gesamte Volk: eine deutsche Kornkammer zu schaffen, starkes Bauerntum, gute Deutsche aus aller Welt umzusiedeln. 3. Dazwischen eine polnische Staatlichkeit'. Ob nach Jahrzehnten der Siedlungsgürtel vorgeschoben werden kann, muß die Zukunft erweisen." (Ebenda). 236 Heiber, S. 291 f. ; Grami, Hermann, Zur Diskussion über die Schuld am Zweiten Weltkrieg, in Kriegsbeginn 1939, S. 469. 237 Nach der Darstellung bei Kárny, S. 354 ff., der hauptsächlich Himmlers Rede vom 29. 2. 1940 vor den Gauleitern der NSDAP und sein berüchtigtes Memorandum für Hitler betr. „Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten" vom 15. 5. 1940 ( V f Ζ, 2/1957, S. 196ff.; hier undatiert) analysiert; s. auch Anm. 235.

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sung vom 15. J u l i 1941 erfaßt. Die dritte, schnell überholte E t a p p e (zusätzlich die baltischen Sowjetrepubliken, Belorußland, große Teile der Ukraine) spiegelte sich im RSHAPlan von Ende 1941/Anfang 1942 wider. Die nächste, vierte E t a p p e war diejenige, die Himmler im J a n u a r 1942 Meyer als Richtschnur f ü r die GPO-Fassung vom Mai 1942 miLgab (hinzutretend „Ingermanland" und „Gotengau"). Die folgenden Etappen waren dann mit dieser Fassung selbst und mit den schon beschriebenen weitergehenden Forderungen Himmlers an den GPO identisch. 238 In organisatorischer Hinsicht unternahmen die Faschisten bereits vor dem Uberfall auf die U d S S R erhebliche Anstrengungen, ihren Herrschaftsmechanismus f ü r die erwarteten neuen Ziele und Aufgaben einzurichten. Die „Germanisierungs"politik in Polen stand unter der Leitung des RSHA, das in dieser Funktion zugleich als Dienststelle des R K F a u f t r a t . Verantwortlicher Sonderreferent Heydrichs für die zentrale Bearbeitung der Deportationen u n d „Umsiedlungen" war seit Dezember 1939 Adolf Eichmann (Amt I V = Gestapo). 239 Im Laufe des Jahres 1941 gingen die entsprechenden Vollmachten an das A m t I I I (SD Inland) über, 2 4 0 in dem dann der GPO in seiner Fassung von Ende 1941/Anfang 1942 entstand. Eine Fülle von vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen und Anordnungen Hitlers, der SS, der Wehrmacht und anderer faschistischer Machtorgane f ü r „Barbarossa" zeugt davon, wie frühzeitig u n d umfassend die ideellen und organisatorischen Voraussetzungen f ü r die entscheidende Etappe, f ü r diese völlig neue Dimension der faschistischen „ R a u m politik" geschaffen wurden. Anfang 1941 verkündete Himmler in der erwähnten Rede auf der Wewelsburg vor dem engsten Kreis seiner SS-Gruppenführer die Vernichtung von 30 Millionen Slawen als „Zweck des Rußlandfeldzuges". 2 4 1 Eine Reihe unmenschlicher Befehle und Richtlinien des O K W („Richtlinie auf Sondergebieten zur Weisung Nr. 21 (Fall Barbarossa)" vom 13. März 1941; „Richtlinie f ü r die Behandlung politischer Kommissare" [Kommissarbefehl] vom 6. J u n i 1941; „Erlaß über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ,Barbarossa'" [Gerichtsbarkeitsbefehl] vom 13. Mai 1941; der Grundlegende Befehl des Oberbefehlshabers des Heeres „Regelung des Einsatzes der Sicherheitspolizei und des SD im Verband des Heeres" vom 28. April 1941 u. a.) 2 4 2 und die Bildung der SS-Einsatzgruppen 2 4 3 bereiteten den organisierten Völkermord schon vor dem Überfall auf die U d S S R vor. Am 21. J u n i 1941 verlieh ein Erlaß Himmlers der „Dienststelle des Reichskommissars f ü r die Festigung deutschen Volkstums" den Status eines S S - H a u p t a m t s u n t e r der neuen Bezeichnung „ S t a b s h a u p t a m t " , aufgegliedert in Amtsgruppen und Ämter; das neue Amt verfügte über ein sich ständig ausdehnendes Netz von Beauftragten des R K F in den besetzten Gebieten Polens und — nach dem 22. J u n i 1941 — in der U d S S R . Die riesigen Apparate anderer H a u p t ä m t e r (RSHA, R u S H A , Volksdeutsche Mittelstelle) standen dem R K F 238 239 240 241

Kdrny, S. 368 f. DZW, Bd. 1, S. 470. Kdrny, S. 359f., S. 369f. Siehe Anm. 181 (IMG, Bd. 4, S. 536). Nach der Nürnberger Quelle in der Regel fälschlich: Weselsburg. 242 Siehe die Dokumentation in Okkupation, Raub, Vernichtung; zum Kommissarbefehl ausführlich Jacobsen, Hans-Adolf, Kommissarbefehl und Massenexekutionen sowjetischer Kriegsgefangener, in Anatomie des SS-Staates, S. 161 ff. (S. 198ff.) ; s. auch MüUer, Wehrmacht und Okkupation, S. 61 ff. 243 DZW, Bd. 1, S. 560; Bd. 2, S. 125. 30 Eichholtz I I

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für seine speziellen Aufgaben zur Verfügung. 244 Damit war der organisatorische Mechanismus zur Realisierung des GPO geschaffen, der nach Meinung seiner Urheber der ungeheuerlichen Zielsetzung des „Ostaufbaus" und seinen Problemen gewachsen war. Das Kardinalproblem für den Faschismus, die Vernichtung der revolutionären Arbeiterbewegung, die das Hitlerregime im Inneren bereits verwirklicht zu haben glaubte, nahm nach dem 22. J u n i 1941 den Charakter der weltweiten kriegerischen Auseinandersetzung an. Die faschistischen Ideologen, die seit eh und j e die sozialen Antagonismen auf Rassengegensätze abgeschoben, den Klassenkampf in einen Rassenkampf umgefälscht und die bewegende Ursache der gesellschaftlichen Entwicklung auf diese Weise von der dem Imperialismus gefährlichen Realität ins Mystisch-Transzendentale fortgerückt hatten, legten den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion als Rassenkampf in neuer Dimension aus. Damit wandelte sich auch der Stellenwert des Antisemitismus, des Kerns der deutschfaschistischen Rassenideologie, der vorher — besonders bis 1939 — in allererster Linie eine innenpolitische Funktion auszufüllen hatte. Die faschistischen Machthaber gingen von der Politik des Pogroms und der Vertreibung zu der des Massen- und Völkermords über 2 4 5 , die sich nunmehr aber nicht allein gegen die jüdischen und jüdisch-herkünftigen Menschen, sondern auch gegen die Völker Osteuropas, voran die Völker der Sowjetunion, richtete. Der Antisemitismus erwies sich deutlicher als je vorher als die Ausgangsstufe zu unvergleichlich umfassenderen Formen des Rassismus, nicht nur in Theorie und Ideologie, sondern in der barbarischen Praxis des Genozids. E r verschmolz auch in der Selbstverständigung und in der Propaganda der Faschisten stärker als vorher mit Antikommunismus und Antisowjetismus. So lüftete das Regime im Grunde selber den Mantel des Geheimnisses, der über dem sozialen Gehalt des Antisemitismus lag. Die klassenmäßige Funktion des Rassismus im Imperialismus und seiner besonders ausgeprägten Form während der faschistischen Diktatur in Deutschland ist bereits von marxistischer Seite untersucht worden. 246 Als ideologische Hülle für den rationalen 2 4 7 imperialistischen Kern des GPO spielt er in unserer Analyse eben dieses Kerns nur eine sekundäre Rolle. Als formbestimmendes Element übernahm allerdings die Ideologie gerade beim GPO als spezifischem Teil des imperialistischen Kriegszielprogramms eine charakteristische Rolle. B e i den beteiligten SS-Amtern und -Planern handelte es sich um diejenigen faschistischen Organe, die arbeitsteilig für die Entwicklung und Verbreitung der Rassenideologie mit Vorrang verantwortlich waren. Rabiaten Repräsentanten dieser 244 Buchheim, S. 223ff.; Koehl, RKFDV, S. 84. 245 Pätzold, Kurt, Von der Vertreibung zum Genozid. Zu den Ursachen, Triebkräften und Bedingungen der antijüdischen Politik des faschistischen deutschen Imperialismus, in Faschismusforschung, S. 205ff. 246 Siehe derselbe, Faschismus, Rassenwahn, Judenverfolgung. Eine Studie zur politischen Strategie und Taktik des faschistischen deutschen Imperialismus (1933—1935), Berlin 1975; Drobisch, Klaus/Goguel, Rudi/Müller, Werner, Juden unterm Hakenkreuz. Verfolgung und Ausrottung der deutschen Juden 1933—1945. Unter Mitarbeit v. Horst Dohle, Berlin 1973. 247 Die Völkervernichtung bzw. Ausrottung der Juden, erst einmal schlechtweg als irrationales Ereignis charakterisiert, angesichts dessen „es der Vernunft die Sprache verschlägt" (Eberhard Jaeckel, zit. nach Faschismus und Ideologie 1, S. 72), kann von bürgerlichen Ideologen ohne Mühe als „metahistorisch" aus der Geschichte und Kontinuität imperialistischer Herrschaft ausgeklammert werden.

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Ideologie, besonders Himmler selbst, diente sie zugleich als eigene Ersatzreligion, deren Schöpfer zu sein sie sich dünkten. Nimmt man aber nun, wie bürgerliche Autoren dies tun, die ideologische Erscheinung für das ganze Wesen, die ideologische Hülle für den sozialen Inhalt, so gelangt man zu der grundfalschen These, es handle sich beim GPO um nichts weiter als um eine Ausgeburt des faschistischen Rassenwahns, die mit den Interessen des Kapitals entweder unvereinbar war oder zumindest absolut nichts mit ihnen zu tun hatte. 2 4 8 Doch wenn es auch nicht einfach ist, unter der ideologischen Verkrustung und Verformung die politischen und ökonomischen Zielsetzungen des G P O zu erkennen, so lassen sie sich immerhin historisch wie theoretisch einwandfrei herausschälen und darstellen. Der G P O war nur ein Teil der vielfältigen Kriegszielplanungen der deutschen Imperialisten und auch nur ein Teil — gewissermaßen die SS-Variante — der Planungen für den „Ostr a u m " , von denen besonders die unter Görings und unter Rosenbergs Federführung zustandegekommenen (ablesbar etwa aus der „Grünen Mappe" und „Braunen Mappe") bekannt sind. 2 4 9 Freilich war der GPO nicht nur die am langfristigsten angelegte Planung, sondern er zog auch eine extreme Konsequenz des Völkermordes aus der Fülle der anderen Pläne. E r stellte die am ausgeprägtesten rassistische Variante dar, die drei beherrschende Aspekte aufwies: 1) die Ausrottung und, was weitgehend dasselbe bedeutete, die Deportation von zahllosen Millionen von „rassisch unerwünschten" Einheimischen, vor allem von Angehörigen slawischer Völker; 2) den vorwiegend agrarischen Charakter der Neubesiedlung durch Deutsche, „Eingedeutschte" oder Angehörige anderer „germanischer" Völker; 3) die Helotenstellung kolonialer Zwangsarbeiter, die für ungezählte weitere Millionen derjenigen Einheimischen vorgesehen war, die nicht ausgerottet bzw. nicht „eingedeutscht" werden sollten. Fragen wir angesichts dieser Tatsachen nach dem Verhältnis des G P O zu den Expansionsund Ausbeutungsinteressen der imperialistischen Bourgeoisie, so erweist sich das Problem als verwickelt. Auf den ersten Blick widersprechen die genannten drei Hauptaspekte diesen Interessen: Die millionenfache Ausrottung der einheimischen Bevölkerung beraubte das Monopolkapital ausbeutbarer Arbeitskräfte; die Tendenz zur Reagrarisierung drängte Industrie- und Bankkapital beim „ O s t a u f b a u " in den Hintergrund; die Helotenstellung der verbleibenden städtischen und ländlichen einheimischen Bevölkerung erschwerte oder verhinderte ihre Ausbeutung als freizügige und erst recht als qualifizierte Lohnarbeiter. Diese Widersprüche wurden übrigens von Zeitgenossen — Monopolkapitalisten, Militärs, Politikern des faschistischen Regimes — erkannt und diskutiert. 2 5 0 248 Hildebrand behauptet ζ. B., Hitlers „Programm", worunter er seine „dogmatischen" rassenpolitischen Grundanschauungen und Ziele versteht, habe „im Prinzip genau das Gegenteil dessen" beinhaltet, „was jene politischen Kräfte, die ihm 1933 zur Macht verhalfen, von ihm erwarteten" (Hildebrand, S. 222). Joachim C. Fest nennt Himmlers Vorstellungswelt im gleichen Zusammenhang ein „Wahnsystem", „das nur ernstgenommen zu werden verdient, weil es für einige Zeit, immerhin, Geschichte gemacht hat" (Einl. zu Himmler, S. 15). Ähnlich Heiber, S. 292. 249 Siehe die breite Dokumentierung in Weltherrschaft im Visier; Konzept für die „Neuordnung" der Welt; DZW Bd. 1 - 6 ; usw. 250 Siehe die Dokumentierung in Weltherrschaft im. Visier; Konzept für die „Neuordnung" der Welt; EichhoÜz, „Wege zur Entbolschewisierung . . . " ; neuerdings Rolf-Dieter Müller. 30*

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Dort, wo die Fragestellung akute ökonomische Interessen berührte, in erster Linie in den annektierten polnischen Gebieten, nahm die deutsche Finanzoligarchie sofort und unumwunden Stellung. Die RGI befaßte sich in einer Grundsatzerklärung vom 26. September 1941 ausdrücklich damit: „Die Notwendigkeit und Dringlichkeit der allgemeinen, also auch der gewerblichen Besiedlung der eingegliederten Ostgebiete können bei den an der Besiedlung beteiligten Stellen als bekannt vorausgesetzt werden. Die wesentlichen Ziele der Besiedlung erstrecken sich ebenso sehr auf die völkische Eindeutschung der eingegliederten Gebiete und die Bildung eines rassisch einwandfreien Menschenwalles gegen den weiteren Osten, wie auf die Wiedererrichtung und den Ausbau einer leistungsfähigen Wirtschaft. Ein Primat der einen vor der anderen Teilaufgabe kann nicht anerkannt werden, weil es nur stören würde. Das Gesamtziel heißt: Rassisch gesunde Menschen auf wirtschaftlich gesunder Grundlage. Die Besiedlung der eingegliederten Ostgebiete ist zwar eine sehr vordringliche Aufgabe und verlangt daher eine besondere Förderung. Diese Aufgabe ist aber nur eine Teilaufgabe der großdeutschen Planung. Gesund ist die Wirtschaft im Osten nur dann, wenn sie auf die gesamtdeutsche Wirtschaft abgestellt ist und wenn die gesamtdeutsche Wirtschaft blüht." 2 5 1 Diese „eindeutige Absage der Reichsgruppe Industrie an den Primat der Rassenpolitik" 252 hatte eine erhebliche Bedeutung für die Zurückdrängung des Einflusses des R K F auf die Wirtschaft im Osten. Sie betraf aber nur den Primat des Rassismus über die Ökonomie und war, wie R.-D. Müller zutreffend feststellt, „keine generelle Absage an die nationalsozialistischen Kolonisationspläne für den ,Ostraum'". 2 5 3 Ähnliche Auseinandersetzungen spielten sich im Sommer 1942 ab. 254 Auch unter den GPO-Experten selbst — Himmler, Heydrich, Meyer, Wetzel — gab es, wie die zitierten Dokumente zeigen, abgestufte Meinungen und Diskussionen sowohl über Ausmaß und Methoden der „Aussiedlung" als auch über die zukünftige Rolle der Städte bzw. der (Rohstoff-)Industrie. Hitler erwärmte sich für die „Aussiedlungs"- und Agrarsiedlungspläne Himmlers 255 , förderte aber zur gleichen Zeit maßgeblich die Konzeption und die Maßnahmen Görings, Speers, Pleigers und der beteiligten Rüstungsmonopole und Großbanken, die sich anschickten, die sowjetische Großindustrie in großem Stil und auf lange Sicht wieder in Gang zu setzen (Dnepr-Donec-Gebiet; Erdölförderung im Kaukasus) und für die deutsche Kriegswirtschaft und Kriegführung produzieren zu lassen. 256 Ganz falsch wäre es, aus der Existenz der erwähnten Widersprüche zu schließen, daß der GPO und die imperialistischen Interessen des Monopolkapitals unvereinbar und ohne Zusammenhang miteinander wären. Der Grundwiderspruch und die tiefe Labilität des imperialistischen Systems unter dem Vorzeichen der faschistischen Diktatur kamen gerade darin in voller Schärfe zum Ausdruck, daß die konsequenteste, radikalste Durchsetzung und Verteidigung jener Interessen die Faschisten zu Mitteln und Methoden greifen ließ, die eben denselben Interessen zuwiderlaufen mußten. 2 5 7 251 252 253 254 255 256 257

Müller, Rolf-Dieter, S. 122, Dok. 7. Ebenda, S. 110. Ebenda. Ebenda, S. 113. Siehe z. B. Picker, S. 329ff., Tischgespr. v. 12. 5. 1942; S. 484f. (27. 7. 1942). Vgl. dagegen die einseitige Interpretation von Hitlers Haltung bei Heiber, S. 303 Anm. 20. Kaiser konstatiert mit Recht ein „Spannungsverhältnis" zwischen den ökonomischen Bedürfnissen des Monopolkapitals und den gleichzeitigen politischen Bedürfnissen seiner faschistischen Herrschaft (Kaiser, Peter M., Monopolprofit und Massenmord im Faschismus. Zur

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Im Zeitalter der antiimperialistischen Revolution und des Sieges des Sozialismus müssen sich solche Mittel, anscheinend unentbehrlich zur Erreichung weitreichendster imperialistischer Zielsetzungen, gegen diese selbst kehren, sie gefährden und in letzter Konsequenz aufheben. Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus ruft die Kräfte, die ihn beseitigen, nicht nur auf den Plan, er bringt sie selbst hervor in Gestalt der modernen Arbeiterklasse, ihres Kerns, des groß industriellen Proletariats, und der revolutionären Arbeiterbewegung, die sich in der U d S S R zum ersten Male eine ökonomische, politische und militärische Basis schuf. Wollte der deutsche Imperialismus — als Vorreiter des Weltimperialismus — diese Entwicklung rückgängig und für immer unmöglich machen, seine Herrschaft also für immer stabilisieren, so mußte er Mittel anwenden, die letztlich auch Charakteristika seiner eigenen Entwicklung negierten. Solche Widersprüche „zwischen den politischen Sicherungserfordernissen und den unmittelbaren Gewinninteressen" 2 5 8 kennzeichneten die deutsche Kriegführung und Kriegszielplanung seit dem 22. J u n i 1941. Der Gedanke, die besetzten Gebiete der U d S S R , aber auch die anderen okkupierten Länder, auf die Dauer zu beherrschen und auszubeuten, war zutiefst irreal. Der Versuch, eine solche „tausendjährige" imperialistische Fremdherrschaft zu errichten, konnte nur immerwährenden Krieg und Kriegszustand bedeuten oder Ausrottung der betroffenen Völker und damit ihres Widerstandes. „Und die Hitler und Himmler waren im allgemeinen konsequent genug zu erkennen, daß dies gar keine Alternative war, sondern daß ihnen zur Erfüllung ihrer Ziele im Grunde nur ein Weg offenstand: Krieg bis zur Ausrottung. Ein Endergebnis, das für die Monopole nicht befriedigend sein konnte." 259 Die Grundmotivation für den G P O war keine rassenideologische, sondern eine ausgesprochen politische, nämlich das Interesse an der „Sicherung" des einmal eroberten riesigen Raumes im Osten. Diese „Sicherung" — ein Schlüsselwort der imperialistischen Expansionsund Okkupationspolitik überhaupt — richtete sich gegen den Widerstand der unterworfenen Völker, im „ O s t r a u m " vor allem gegen den unbeugsamen Widerstand des Sowjetvolkes, dem die Faschisten sich vom ersten Tag an gegenübersahen. Schon die erwähnte Übertragung der Vollmachten für die „Festigung deutschen Volkst u m s " bei Kriegsbeginn an Himmler, durchgesetzt gegen den Widerstand verschiedener konkurrierender faschistischer Institutionen, und der Ausbau von Funktion und Apparat des R K F am 21. J u n i 1941 ließen den Vorrang erkennen, den die Sicherheit bzw. „Sicherung" haben mußten und tatsächlich hatten, als es an die Ausführung der geplanten Verbrechen an anderen Völkern ging. In den Händen der S S wuchsen der rationale Kern dieser Verbrechen („Sicherung", d. h. dauerhafte Beherrschung durch Unterdrückung bzw. Ausrottung) und die irrationale rassistische Hülle aufs engste zusammen. Erklärtermaßen war der Krieg gegen die U d S S R ein „Vernichtungskampf". Hitler schärfte seinen Generalen schon am 30. März 1941 ein: „Wenn wir es nicht so auffassen, dann werden wir zwar den Feind schlagen, aber in 30 Jahren wird uns wieder der kommuökonomischen Funktion der Konzentrations- und Vernichtungslager im faschistischen Deutschland, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 1975, 5, Sonderdruck, S. 5), das auch in anderen als faschistischen Regimes auftritt. Siehe auch die Auseinandersetzung mit bürgerlichen „Mittelstands"theoretikern (darunter ultraradikalen) in dieser Frage bei Opitz, Reinhard, Über die Entstehung und Verhinderung von Faschismus, in Das Argument, 1974, 7-9, S. 570 ff. 258 Kaiser, S. 5. 259 Band I, S. 90 f.

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nistische Feind gegenüberstehen." 2 6 0 A m 16. J u l i 1941 traf er, berauscht von den Anfangserfolgen der W e h r m a c h t , „grundsätzliche Feststellungen" ü b e r die Ziele u n d Methoden des Krieges gegen die U d S S R . 2 6 1 Mit Schärfe hob er den Z u s a m m e n h a n g zwischen der Verwandlung des „Riesenraumes" in eine Kolonie des deutschen Imperialismus u n d der „Befriedung" bzw. „Sicherung" des E r o b e r t e n hervor. Die eroberten Gebiete m ü ß t e n „so rasch wie möglich befriedet werden; dies geschehe a m besten d a d u r c h , d a ß m a n jeden, der n u r schief schaue, totschieße." Der Partisanenkrieg habe, so Hitler, „auch wieder seinen Vorteil: er gibt uns die Möglichkeit auszurotten, was sich gegen uns stellt." „ E r schießen, Aussiedeln etc." n a n n t e H i t l e r „notwendige M a ß n a h m e n " f ü r die angestrebte „endgültige Regelung". F ü r alle Z u k u n f t d ü r f e „westlich des U r a l " nie erlaubt werden, „daß ein anderer W a f f e n t r ä g t als der Deutsche" ; immer müsse der deutsche Soldat „das Regime sicherstellen". Die politische u n d militärische „Sicherung" der deutschen H e r r s c h a f t h a t t e übrigens im Entscheidungsfall bei Hitler den Vorrang vor der „Rassenpolitik". In Gesprächen m i t H i m m l e r a m 5. April 1942 erklärte er beispielsweise m e h r f a c h im gleichen Sinne, „er sei an sich kein besonderer F r e u n d von allen Eindeutschungsversuchen, soweit es n i c h t gelinge, sie weltanschaulich zu sichern", d. h. „eine einwandfreie weltanschauliche Ausrichtung dieser (eingedeutschten — D. E.) Elemente auf das germanische Reich" zu gewährleisten. D a m i t wies er, wie B o r m a n n an dieser Stelle vermerkte, die H o f f n u n g e n Himmlers auf „blutsmäßige Fischzüge" in den besetzten Ländern, d. h. insbesondere auf den organisierten R a u m „gutrassiger" Kinder, als „finstere Theorie" ab. 2 6 2 Dementsprechend variierte H i m m l e r diese „Theorie" u n d brutalisierte sie ins Maßlose. Am 16. September 1942 erläuterte er den in seinem F e l d q u a r t i e r versammelten SS- u n d Polizeiführern seinen „ersten G r u n d s a t z " : „Jedes gute B l u t . . ., das Sie irgendwo im Osten treffen, können Sie entweder gewinnen oder Sie müssen es t o t s c h l a g e n . " 2 6 3 Der heldenmütige W i d e r s t a n d des Sowjetvolkes b e s t ä r k t e ihn in der Folgezeit n u r noch in seiner fixen Idee. In der P r a x i s des barbarischen K a m p f e s gegen die P a r t i s a n e n a b e r k a m der reale Kern dieser Idee zum Vorschein : E r habe, so erklärte er a m 16. Dezember 1943 vor Befehlshabern der Kriegsmarine, „grundsätzlich den Befehl gegeben, auch die Weiber u n d Kinder dieser P a r t i s a n e n u n d Kommissare u m b r i n g e n zu lassen". 2 6 4 I m S o m m e r 1942, w ä h r e n d der Vorbereitung der „Endlösung der J u d e n f r a g e " im Generalg o u v e r n e m e n t u n d der „Aktion Zamosc", m i t der die Verwirklichung des G P O in großem Stil beginnen sollte, formulierte H i m m l e r in einem Schreiben an Krüger die doppelte — 260 Halder, Bd. 2, S. 337, Eintr. v. 30. 3. 1941 (Rede Hitlers vor der Generalsversammlung). 261 Fall Barbarossa, Dok. 105, S. 331 ff., Protokoll Bormanns über Besprechung Hitlers mit Göring, Rosenberg, Keitel, Lammers und Bormann am 16. 7. 1941 (Niirnbg. Dok. L-221). Hiernach auch das Folgende. — Nach Hitler sollten „Reichsgebiet" und „deutschbesiedelt" werden: das gesamte Baltikum, die Westukraine (Galizien), die Krim mit umfangreichem Hinterland im Norden, das Gebiet der Wolgadeutschen, „das Gebiet um Baku", ferner die Halbinsel Kola „wegen der großen Nickelvorkommen" (ebenda). 262 Picker, S. 253, S. 255, Tischgespr. v. 5. 4. 1942. 263 Ζ StA Potsdam, FS, Film 3608. 264 Ebenda, Film 1571 (Rede auch in gedruckter Form). Der Gedanke, „germanisches Blut in der ganzen Welt zu holen, zu rauben und zu stehlen, wo ich kann", hatte sich bei Himmler schon vor dem Krieg ausgeprägt (Himmler, S. 38, Rede vor den SS-Gruppenführern am 8. 11. 1938) und kulminierte in seinen Reden in Posen und Bad Schachen im Oktober 1943 (4. 10 = PS-1919; 6. 10; 14. 10 = L-070; 24. 10).

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ideologische und politische — Zwecksetzung der gesamten „Ostraumpolitik" der S S ; die geplanten Maßnahmen seien „zu der im Sinne der Neuordnung Europas notwendigen ethnischen Scheidung von Rassen und Völkern sowie im Interesse der Sicherheit und Sauberkeit des deutschen Reiches und seiner Interessengebiete erforderlich". 2 6 ? Himmler hatte Eile, „die großen deutschen Lebensadern an Straßen und B a h n e n " , die sich nach den Plänen der deutschen Sommeroffensive 1942 bis mindestens an die Wolga, an den Kaukasus und bis B a k u erstrecken sollten, „an ihren S c h n i t t p u n k t e n " durch „Siedlungsstützpunkte" zu „sichern". 2 6 6 Die ersten Befehle und Maßnahmen zur praktischen Durchführung des G P O datieren aus dieser Zeit und kosteten in den folgenden Monaten viele Zehntausend polnische und sowjetische Bürger die materielle Existenz und in den meisten Fällen das Leben. I h r voller Sinn erschließt sich uns allerdings erst aus der Tatsache, daß Himmler im August 1942 m i t allen Vollmachten für die Bekämpfung der Partisanen in den Reichskommissariaten versehen wurde. 2 6 7 Die „Sicherung" der „Lebensadern" h a t t e eine äußerst akute Bedeutung erlangt, und Himmler nahm die Gelegenheit wahr, das Rezept des G P O gegen den Volkswiderstand zu erproben. „Das ist die beste S i c h e r u n g ! " 2 6 8 Sowohl die Deutschbesiedlung als auch die weitgehende Agrarisierung der menschenentleerten Gebiete hatte unter dem Vorzeichen der „Sicherung" eine eminent politische Bedeutung. Deutsche bzw. germanische „ R a s s e " war in diesem Zusammenhang ein ideologisch verfremdetes und verschlüsseltes Synonym für eine politisch zuverlässige Einwohnerschaft. Die politische Zuverlässigkeit im faschistischen Sinne sollte durch großbäuerliche Siedlerhöfe (40 bis 100 ha) und Landgüter (250 ha und mehr) auf dem besten verfügbaren B o d e n 2 6 9 erkauft bzw. belohnt, durch Militär und Terrororgane gesichert und durch den inneren und äußeren Druck der „fremden R a s s e " erzwungen werden. An diesem P u n k t liefen allerdings mannigfache Ideenstränge im G P O zusammen, darunter solche, die einen abstrus-vorsintflutlichen Charakter trugen wie die Vergötzung des „germanischen B a u e r n t u m s " und seines „Bluts und B o d e n s " ; doch sie fügten sich hier alle in das dominierende „Sicherungs"konzept ein. 2 7 0 Ein bisher von der Forschung vernachlässigtes Problem in unserem Zusammenhang ist die weitgehende Identität der Ausrottungs- und Agrarisierungskonzeption des G P O m i t den Plänen zur Vernichtung der größten sowjetischen Städte, der organisatorischen und geistigen Zentren der revolutionären Arbeiterbewegung. Der gemeinsame politische Nenner, auf den beide zu bringen sind, ist bisher noch nicht untersucht worden. 265 266 267 268

ZStA Potsdam, FS, Film 5548, Himmler an Krüger, 19. 7. 1942. AN (Himmlers?) v. 21. 7. 1942, zit. nach Heiber, S. 290. DZW, Bd. 2, S. 433 f. (Weisung Nr. 46 d. OKW v. 18. 8. 1942). ZStA Potsdam, FS, Film 3608, Rede Himmlers v. 16. 9. 1942. Von dem Bach-Zelewski, im August 1942 von Himmler zu seinem „Sonderbevollmächtigten für die Bandenbekämpfung" ernannt, bezeugte später vor dem Nürnberger Gericht den engen Zusammenhang, der für die faschistische Führung zwischen den Massenmorden bei der Partisanenbekämpfung und der Zielsetzung des GPO bestand; er bekräftigte es gegenüber dem Vertreter der sowjetischen Anklagebehörde, „daß der Kampf gegen die Partisanenbewegung ein Vorwand für die Ausrottung der slawischen und jüdischen Bevölkerung war" ( I M G , Bd. 4, S. 538, Zeugenvernehmung v. d. Bachs am 7. 1. 1946).

269 Madajczyk, GPO, S. 437. 270 Überdies hatten die genannten reaktionären Ideen eine mit diesem Konzept indirekt zusammenhängende, deutlich antiproletarische Komponente.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

E s ist eine geschichtliche, den Imperialisten geläufige Erfahrung, daß die Arbeiterklasse die führende K r a f t des antiimperialistischen Widerstandes und die Kommunisten seine Organisatoren sind. Dieser lebhaften Erfahrung der deutschen Monopolbourgeoisie verdankte der deutsche Faschismus die Macht, j a seine Existenz. Die S S , deren Hauptfunktion im System der faschistischen Herrschaft die „Sicherung" des Regimes durch Terror war, zog daraus für den „ O s t r a u m " die ihr gemäße Schlußfolgerung: Der Widerstand müsse durch Terror gebrochen werden; gegen die sowjetische Bevölkerung, die bolschewistisch „verseucht" sei, müsse die äußerste Form des Terrors, die Ausrottung, angewandt werden. Nachweislich richtete sich der Vernichtungswille im „ O s t r a u m " in erster Linie gegen die städtische Millionenbevölkerung, vor allem gegen die Arbeiterklasse solcher S t ä d t e wie Leningrad, Moskau, Kiev und Stalingrad. Die „dumpfen Massen" (Wetzel) außerhalb der S t ä d t e seien, so argumentierten die Faschisten, dezimiert und führerlos als „Arbeitsvolk" wohl zu beherrschen, nicht aber die Industriearbeiterschaft der Großstädte. Staatssekretär Herbert Backe, der Agrardiktator des deutschen Imperialismus, der barbarischen antisowjetischen Haß und nackte Furcht vor dem „Bolschewismus" mit der wissenschaftlich-nüchternen Kalkulation eines „Großraum"strategen verband, forderte bereits a m 23. Mai 1941 in den berüchtigten „Wirtschaftspolitischen Richtlinien für Wirtschaftsorganisation Ost, Gruppe Landwirtschaft" die radikale „Zerstörung der russischen Verarbeitungsindustrie in der Waldzone", d. h. im gesamten Nichtschwarzerdegebiet der R S F S R einschließlich Moskaus und Leningrads. 2 7 1 Die landwirtschaftlichen Überschüsse des Schwarzerdegebietes sollten ausschließlich nach Westen fließen und die Autarkie und „Blockadefestigkeit" des von Deutschland beherrschten europäischen „Großwirtschaftsraumes" sichern. „Die Konsequenz ist die Nichtbelieferung (mit Nahrungsmitteln - D. E . ) der gesamten Waldzone einschließlich der wesentlichen Industriezentren Moskau und Petersburg. . . . Daraus folgt zwangsläufig ein Absterben sowohl der Industrie wie eines großen Teils der Menschen in den bisherigen Zuschußgebieten . . . Viele 10 Millionen von Menschen werden in diesem Gebiet überflüssig und werden sterben oder nach Sibirien auswandern müssen." Als „Begründung" für diesen Plan führten B a c k e und sein Mitautor, Ministerialdirektor Hans-Joachim Riecke, neben der erwähnten wirtschaftspolitischen Zielsetzung an, „daß das Großrussentum, ob in zaristischer oder bolschewistischer Prägung, stets ein grundsätzlicher Feind nicht nur Deutschlands, sondern Europas ist". Daß es aber hauptsächlich die „bolschewistische Prägung" der Industriearbeiterschaft war, die Backe Widerstand und Aufstand befürchten ließ, kam, wenn auch verklausuliert, an anderer Stelle zur Sprache: E s werde „nach Kenntnis der russischen Mentalität und der Vorgänge, wie sie nach dem Weltkrieg und im Kriegskommunismus sich äußerten", nicht vertretbar sein, „die russische Verarbeitungsindustrie (einschließlich des Maschinenbaus) . . . zu erhalten". Die größten Städte der U d S S R als Zentren des Weltsozialismus und der revolutionären Arbeiterbewegung sollten, so hatte es die faschistische Führung von Anfang an vor, der vollständigen, barbarischen Vernichtung preisgegeben werden. Dieser Plan beschäftigte Hitler stark, besonders zur Zeit der deutschen Offensive, d. h. im Sommer 1941 und im Sommer 1942. Am 5./6. J u l i 1941 befaßte e r s i e h mit dem Schicksal Moskaus: „Moskau als Sitz dieser Lehre (des Bolschewismus - D. E.) werde vom Erdboden verschwinden, 271 IMG, Bd. 36, S. 135 ff. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Teilabdr. in Weltherrschaft im Visier, S. 298 ff.

E x k u r s : H i n t e r g r ü n d e des „ G e n e r a l p l a n s O s t "

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sobald die wertvollen Güter weggebracht sind; mit den Russen der dortigen Fabriken zu arbeiten, sei uns nicht möglich." 2 7 2 Unmittelbar danach» am 8. Juli, hielt Generaloberst Franz Halder, Chef des Generalstabs des Heeres, Vortrag bei Hitler. Als Ergebnis der Besprechung notierte er: „Feststehender Entschluß des Führers ist es, Moskau und Leningrad dem Erdboden gleich zu machen, um zu verhindern, daß Menschen darin bleiben, die wir dann im Winter ernähren müßten. Die Städte sollen durch die Luftwaffe vernichtet werden. Panzer dürfen dafür nicht eingesetzt werden. .Volkskatastrophe, die nicht nur den Bolschewismus, sondern auch das Moskowitertum der Zentren beraubt'." 2 7 3 Am 16. Juli wiederholte Hitler, er wolle Leningrad „dem Erdboden gleich machen lassen", um es dann „den Finnen zu geben". 2 7 4 Wenige Monate später drohte Leningrad tatsächlich das Schicksal der völligen Vernichtung. Im Herbst wurde im OKW und im O K H beschlossen, die Stadt solle, ebenso wie später Moskau, durch Artilleriebeschuß und Luftbombardements vernichtet werden. Die Faschisten prüften mehrere Varianten der hermetischen Abriegelung der Stadt, um ihre Millionenbevölkerung durch Granaten, Bomben, Minen und vor allem durch Hunger auszurotten. 2 7 5 Im Stab der vor Leningrad stehenden 18. Armee erwog man die „Vorteile" einer vollständigen Aushungerung: ,,a) Ein großer Teil der kommunistischen Bevölkerung Rußlands, der gerade unter der Bevölkerung von Petersburg zu suchen ist, wird damit ausgerottet, b) Wir brauchen 4 Millionen Menschen nicht zu ernähren." 2 7 6 Ungefähr zur selben Zeit traf man ähnliche Vorbereitungen zur Vernichtung Moskaus. „Diese Stadt", so äußerte sich Hitler bei einem Besuch im Hauptquartier der Heeresgruppe Mitte, „dürfe von keinem deutschen Soldaten betreten werden. Sie sei in weitem Bogen einzuschließen. Kein Soldat, kein Zivilist, ob Mann, Frau oder Kind, dürfe sie verlassen. Jeder Versuch sei mit Waffengewalt zurückzuweisen. E r habe Vorkehrungen getroffen, um Moskau und seine Umgebung mittels riesiger Anlagen zu fluten und im Wasser zu ertränken. Wo bisher Moskau stehe, werde ein gewaltiger See gebildet, der die Metropole des russischen Volkes den Blicken der zivilisierten Welt für immer entziehen werde." 2 7 7 Dieselben Wunschgedanken eines entmenschten Antikommunismus richteten sich auf Stalingrad. In einer Besprechung zwischen Hitler, Halder und Generalfeldmarschall Wilhelm List am 31. August 1942 notierte Halder: „Stalingrad: Männliche Bevölkerung vernichten, weibliche abtransportieren." 2 7 8 Dieser Plan des Massenmordes war mit der 272 Hitler, Adolf, Monologe i m F ü h r e r h a u p t q u a r t i e r 1941—1944. Die A u f z e i c h n u n g e n Heinrich H e i m s , hrsg. v . Werner J o c h m a n n , H a m b u r g 1980, S . 39. 273 Halder, B d . 3, S . 53, E i n t r . v . 8. 7. 1941 ( V o r t r a g bei Hitler). Z u m g e p l a n t e n S c h i c k s a l L e n i n g r a d s u n d M o s k a u s s. a u c h Besymenski, S . 2 2 9 f f . ; ebenso KTB des OKW, B d . 1, S . 1021, D o k . - a n h a n g , „ S o n d e r a k t e , A n l a g e 13, 8. 7. 1941". 274 Wie A n m . 2 6 1 ( F a l l Barbarossa, S . 334). 275 DZW,

B d . 2, S . 53, S . 56 ( F a k s i m i l e : V o r t r a g s n o t i z W F S t / A b t . L / W a r l i m o n t , v . 21. 9. 1941).

276 Okkupation, Raub, Vernichtung, S . 7 5 f . , D o k . 19, S t u d i e a u s d e m A O K 18 v . 4. 11. 1 9 4 1 ; s. a u c h Müller, W e h r m a c h t u n d O k k u p a t i o n , S . 121 f. Wie d e r a r t i g e P l ä n e der V e r n i c h t u n g v o n Millionenstädten realisiert werden sollten, zeigte s p ä t e r d a s S c h i c k s a l der S t a d t W a r s c h a u , an der die F a s c h i s t e n v o m A u g u s t 1944 an g r a u s a m e R a c h e f ü r den W a r s c h a u e r A u f s t a n d n a h m e n u n d m i t aller K o n s e q u e n z ein V e r n i c h t u n g s e x e m p e l s t a t u i e r t e n (s. DZW, B d . 6, K a p . 9 ; i m Druck). 277 ι S c h l a b r e n d o r f f , Fabian v., Offiziere gegen Hitler, F r a n k f u r t a. M . / H a m b u r g 1959, S . 6 1 (nach d e m Zeugnis des a n w e s e n d e n Obst. H e n n i n g v . T r e s c k o w ) . 278 Halder, B d . 3, S . 514, E i n t r . v . 31. 8. 1942 (Anlage z. K T B : „ N o t i z e n a u s B e s p r e c h u n g m i t L i s t bei Hitler u. Einzelnotizen v o m 31. 8. 1 9 4 2 " ) .

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

A b s i c h t d e r F a s c h i s t e n b e g r ü n d e t , die S t a d t , s o b a l d erobert, politisch zu „ s i c h e r n " : „ D e r F ü h r e r befiehlt, daß b e i m E i n d r i n g e n in die S t a d t die g e s a m t e m ä n n l i c h e B e v ö l k e r u n g beseitigt werden soll, d a S t a l i n g r a d m i t seiner eine Million zählenden, durchweg k o m m u nistischen E i n w o h n e r s c h a f t besonders gefährlich s e i . " 2 7 9 An diesen grauenvollen, in ihrer politischen Zielsetzung bis z u m E x z e ß k o n s e q u e n t e n Vern i c h t u n g s p l ä n e n h a t t e die W e h r m a c h t f ü h r u n g maßgeblichen Anteil. In gleicher Weise korrespondierte d a s K o l o n i a l i s i e r u n g s p r o g r a m m Görings m i t den politischen Intentionen des G P O . N a c h diesem P r o g r a m m , hinter d e m eine maßgebliche F r a k t i o n des deutschen F i n a n z k a p i tals s t a n d und d a s auch Hitler v e r t r a t , sollte d a s S o w j e t l a n d in ein kolonial a u s g e b e u t e t e s u n d beherrschtes deutsches D o m i n i u m , in ein A g r a r - u n d R o h s t o f f a n h ä n g s e l des deutschen I m p e r i a l i s m u s v e r w a n d e l t werden. 2 8 0 D a s „ S i c h e r u n g s " k o n z e p t des G P O sollte n a c h A u f f a s sung d e r S S , und n i c h t nur der S S , die politische G r u n d v o r a u s s e t z u n g d a f ü r schaffen. E i n schlagender Beweis f ü r die enge innere V e r w a n d t s c h a f t des K o l o n i a l i s i e r u n g s p r o g r a m m s m i t d e m G P O waren die schon zitierten Richtlinien B a c k e s . 2 8 1 In ihnen schlugen sich — in voller Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t Görings P r o g r a m m 2 8 2 u n d , wie in diesem, u n t e r weitgehendem Verzicht auf ideologische B e m ä n t e l u n g , vielmehr m i t eiskaltem K a l k ü l — u n m i t t e l b a r w i r t s c h a f t l i c h e Interessen der führenden f i n a n z k a p i t a l i s t i s c h e n Kreise nieder: — die S c h a f f u n g einer europäischen A g r a r a u t a r k i e auf K o s t e n der U d S S R ( U k r a i n e bzw. S ü d r u ß l a n d ) , die diesen Kreisen u n a b d i n g b a r schien f ü r die weltweite F o r t s e t z u n g des Krieges gegen die Anglo-Amerikaner, die a b e r a u c h im F r i e d e n durch Verbilligung d e r L e b e n s m i t t e l ü b e r L o h n d r u c k und D u m p i n g u n s c h ä t z b a r e P r o f i t v o r t e i l e v e r s p r a c h ; — die V e r f ü g u n g ü b e r unerschöpfliche R o h s t o f f r e s s o u r c e n (vordringlich waren land- und forstwirtschaftliche R o h s t o f f e , E r d ö l , Eisen und S t a h l , M a n g a n , L e i c h t m e t a l l ) ; 279 Κ TB des OKW, B d . 2/1, Frankfurt a. M. 1963, S. 669, Eintr. v. 2. 9. 1942. 280 Siehe auch Band I, S. 238ff. In Görings Richtlinien vom 8. 11. 1941 wurde die Vernichtung der großstädtischen Bevölkerung in der gleichen barbarischen Kaltschnäuzigkeit angekündigt : „Die städtische Bevölkerung kann nur ganz geringfügige Lebensmittelmengen erhalten. Für die Großstädte (Moskau, Leningrad, Kiew) kann einstweilen überhaupt nichts getan werden. Die sich hieraus ergebenden Folgen sind hart, aber unvermeidlich." (Eichholtz, Die Richtlinien Görings, S. 93). 281 Siehe Anm. 271. — Diese Verwandtschaft personifizierte sich bereits in Backe selbst, der in Vollmacht des Beauftragten für den Vierjahresplan (Göring) Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft in Deutschland und weitgehend auch in den besetzten Gebieten leitete und zugleich — als SS-Gruppenführer — mit Himmler („unser Freund Backe") in bestem Einvernehmen stand. Bezeichnend war eine Meldung des Deutschen Nachrichtenbüros (DNB) vom 24. 7. 1942; danach „hat Staatssekretär Backe im Einvernehmen mit dem Reichsführer S S , Heinrich Himmler, den Amtschef im Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums, SS-Oberführer Prof. Dr. Konrad Meyer, zum Planungsbeauftragten für die Siedlung und ländliche Neuordnung beim Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, beim Reichsleiter für Agrarpolitik und beim Reichsbauernführer bestellt" (ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19619, Personalakte Backe). Zu der mehrfachen Personalunion zwischen R K F und Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft s. auch Buchheim, S. 237 f. (nicht ohne apologetische Tendenz hinsichtlich der Haltung des genannten Ministeriums) ; ferner Koehl, R K F D V , S. 164. 282 Die drei wichtigsten Dokumente, die das Göringsche Programm beinhalten, sind die „Grüne Mappe" vom J u n i 1941 ( F a l l Barbarossa, Dok. 112, S . 363ff.), Görings Erlaß v. 27. 7. 1941 [Okkupation, Raub, Vernichtung, Dok. 76, S. 178ff.) und das sogenannte Bergmann-Protokoll über die Besprechung v. 8. 11. 1941 (Eichholtz, Die Richtlinien Görings, S. 83 ff.).

Exkurs: Hintergründe des „Generalplans Ost"

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— die Verfügung über Millionen von (Zwangs-)Arbeitskräften f ü r schwere und eintönige Arbeiten (Landwirtschaft, Rohstoffwirtschaft, Bauwirtschaft); — die Erschließung eines beispiellos großen Absatzmarktes f ü r deutsche industrielle Fertigerzeugnisse, der gerade bei weitgehender Ausschaltung der sowjetischen verarbeitenden Industrie konkurrenzlos hohe Profite abwerfen mußte (Landmaschinen und Geräte, Kunstdünger, industrielle Konsumgüter, Bewaffnung, Fahrzeuge usw.). 283 Diese Konzeption stimmte durchaus mit dem GPO überein und h a t t e sein „Sicherungs"konzept zur direkten Voraussetzung. Wenn nun trotzdem die politischen Absichten in ihrer Konsequenz — Ausrottung und Agrarisierung — ökonomische Interessen zu durchkreuzen drohten bzw. durchkreuzt hätten, so war dies ein f ü r die deutschen Imperialisten letzten Endes unlösbarer, in ihrem Kriegszielprogramm und ihrem faschistischen Herrschaftssystem begründeter Widerspruch. Es war „der Grundwiderspruch zwischen der herrschenden faschistisch-imperialistischen Clique und den Völkern, der da aufbrach, hier in der Form des Widerspruchs zwischen den Weltherrschafts- und Ausbeutungsplänen und den politischen Möglichkeiten der deutschen Imperialisten" 284 im Zeitalter des Übergangs vom Kapitalismus zum SoziaIismus. Spiegelte der GPO in rassenideologischer Verhüllung eine — politisch dominierende — extrem annexionistische Linie in der deutschen Großbourgeoisie wider, so h a t t e er dementsprechend auch Kritiker innerhalb dieser Klasse. Breitere Kreise, einschließlich auch annexionistischer Kräfte, erfaßte die kritische Stimmung endlich im Herbst 1942, als die Sommeroffensive der Wehrmacht sich festgelaufen hatte, und mit Schärfe setzte die Diskussion um die Kernpunkte des GPO nach der Niederlage von Stalingrad ein. An ihr beteiligten sich Militärs, Vertreter des Finanzkapitals, führende faschistische Politiker und höhere Beamte, Nazi-Wissenschaftler und -Schriftsteller. 2 8 5 Im F r ü h j a h r 1943 wurde in einer ganzen Reihe von Denkschriften in weitgehender Ubereinstimmung offen gefordert, die „Germanisierungs"ziele einzuschränken und die „alten Methoden der Kolonialpolitik und imperialistischen Expansion" aufzugeben, die man „zur Not noch gegenüber den Negern Afrikas und Australiens" 2 8 6 , aber nicht mehr „auf dem 283 Backe hatte ausdrücklich gefordert, Südrußland müsse „seine industriellen Verbrauchsgegenstände aus Deutschland bzw. aus Europa" beziehen. „Die russische Konkurrenz der Waldzone muß daher fallen" (Weltherrschaft im Visier, Dok. 126, S. 298). Gauleiter Erich Koch, der „Reichskommissar Ukraine", hielt noch im Juni 1943 daran fest, daß die Zukunft der Ukraine einerseits in ihren „Siedlungsmögliclikeiten", andrerseits aber darin läge, „für Europa . . . ein Absatzland erster Ordnung zu schaffen" (Daliin, S. 175). Der Zusammenhang zwischen agrarischer Siedlung im Osten und der Schaffung v o n Absatzmärkten für die deutsche Industrie findet sich schon 1928 bei Hitler: Beende man „in großzügigster Weise die Raumnot unseres Volkes im Osten", so brauche es „seinen Landnachwuchs nicht mehr als Fabrikarbeiter in die Großstädte zu schieben", sondern könne ihn „als freie Bauern auf eigener Scholle" ansiedeln und werde damit „der deutschen Industrie ein inneres Absatzgebiet erschließen, das sie langsam v o m tobenden Kampf und dem Geraufe um den sogenannten Platz an der Sonne in der übrigen Welt entziehen und entheben kann" ( Hitlers Zweites Buch, S. 218f.) Siehe auch Hitler, Monologe, S. 331, S. 334 (6. 8., 8. 8. 1942). 284 Band, I , S. 10. 285 Über Diskussionen und Modifikationen des allgemeinen Kriegszielprogramms seit Herbst 1942 s. Nestler; ferner DZW, Bd. 2, S. 4 2 1 f . ; Bd. 3, S. 337ff., S. 409ff. 286 Eichholtz, „Wege zur Entbolschewisierung . . .", S. 33 (Riedl-Denkschrift).

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

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Boden Europas" 2 8 7 anwenden könne. Die „Siedlungsziele" seien „so zu stecken, daß bei einem Optimum an neuem Volksboden möglichst wenige Völker v o n ihnen betroffen werden und dadurch in Gegensatz zu uns geraten und wir der Freundschaft der übrigen desto sicherer sein können (Polen gegen uns, Ukrainer f ü r uns)". 2 8 8 Jetzt dürfe „die Erreichung kriegswichtiger Nahziele nicht durch Propagierung uferloser Siedlungsziele unmöglich gemacht werden". 2 8 9 A m ausführlichsten argumentierte gegen die „Germanisierungs"pläne der frühere österreichische Politiker und Altfaschist Richard

Riedl, Vorstands-

bzw.

Ehrenmitglied des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages, Mitglied des Handelspolitischen Ausschusses

der

Reichswirtschaftskammer,

Konzernunternehmungen

Aufsichtsratsvorsitzer

und

-mitglied

von

usw., in seiner Denkschrift über die „russische F r a g e " v o m

März 1943.290 Die militärischen Ereignisse an der deutsch-sowjetischen Front hatten all diesen Kritiken und Vorschlägen jedoch schon längst die Substanz entzogen. Die Stalingrader Schlacht hatte den G P O wie alle anderen Varianten imperialistischer Eroberungsstrategie hinfällig gemacht. Fanden die ersten Maßnahmen seiner praktischen Durchführung im wesentlichen im Frühjahr 1943 ihr Ende, so wurde die Planung selbst etwa um dieselbe Zeit eingestellt. Als Meyer bei H i m m l e r wegen der Fortsetzung seiner A r b e i t am „Generalsiedlungsplan" anfragte, antwortete H i m m l e r : „Ja, ich besinne mich. Das liegt auf meinem Arbeitstisch. Ich denke schon an diese D i n g e . " 2 9 1 In der T a t , Himmler, dessen Apparat unmittelbar m i t dem Widerstand der unterjochten Völker konfrontiert war und dem sich die Schwierigkeiten des Vorhabens, Europa zu unterdrücken, so konkret und umfassend wie keinem anderen darboten, 2 9 2 ließ sich nicht davon abbringen, bis zuletzt

auf die „Germanisierungs"strategie des G P O zu setzen.

Hartnäckig hielt er insbesondere an dem bereits im Frühjahr 1943 gescheiterten Plan fest, im Distrikt Lublin und im angrenzenden Galizien „die östlichen Grenzgebiete des Generalgouvernementes als erstes m i t einer deutschen Bevölkerung zu versehen". 2 9 3 A n f a n g Juli kam er — in Erwartung eines neuen Offensiverfolges der Wehrmacht — m i t Generalgouverneur Hans Frank überein, „bis Anfang des Jahres 1944 die Besiedlung des Kreises

287 B A Koblenz, R 6/60 a, Denkschrift „24 Thesen zur Lage" von Theodor Oberländer, 15. 3. 1943. 288 Ebenda. Das gleiche Argument brachte zur selben Zeit der Vorstandsvorsitzende des HiberniaKonzerns, Wilhelm Tengelmann, ein enger Freund Görings, vor: „Den Polen werden wir nie für uns gewinnen, den Ukrainer brauchen wir" (ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 727, Bl. 102, Dok. Pleiger-465, Memorandum „Erfahrungen aus dem Arbeitseinsatz der Fremdvölkischen im Ruhrbergbau, unter Berücksichtigung der Verhältnisse bei der Bergwerksgesellschaft Hibernia Aktiengesellschaft, Herne", 1. 5. 1943). 289 Weltherrschaft im Visier, Dok. 146, S. 354, Studie von Oberländer v. Juni 1943. 290 Wie Anm. 286. 291 Nachtrag zu der Dokumentation ,,Generalplan Ost", in VfZ, 1/1960, S. 119 (ohne genaue Datierung: „April 1943"); Bezymenskij, S. 84, gibt als Quelle hierfür eine Aktennotiz von SS-Obersturmbannführer Brandt (Persönl. Stab RFSS) v. 10. 6. 1943 über eine Mitteilung Meyers (an Brandt?) v. 15. 5. 1943 an. 292 In Bad Schachen äußerte er sich darüber zu seinem Publikum: „ W o wir ein Land besetzt haben, da mögen uns die Leute nicht. Es ist doch merkwürdig, daß die Leute uns nicht mögen . . ." (IMG, Bd. 37, Dok. L-070, S. 499, Rede v. 14. 10. 1943 vor Wehrmachtsbefehlshabern). Das Folgende nach Eichholtz, „Großgermanisches Reich" und „Generalplan Ost", S. 839 f. 293 Eichholtz,

Generalplan Ost, S. 272, Dok. 13 (Himmler an Hans Frank, 3. 7. 1943).

Exkurs: Hintergründe des „Generalplans Ost"

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Zamosc und die Deutschwerdung der alten Hansestadt Lublin" durchzusetzen. 294 Die bereits angelaufene zweite Phase der „Aktion Zamosc" ( J u n i bis August 1943) trug angesichts der umfassenden Gegenwehr der Bevölkerung, besonders des Partisanenwiderstandes, fast ausschließlich den Charakter einer „Befriedungsaktion". Die Offensive der Roten Armee an der gesamten mittleren und Südfront machte schließlich das „Siedlungsproblem" der Faschisten vollends hinfällig. Analysiert man Himmlers Reden aus der folgenden Zeit, von Herbst 1943 bis Anfang 1945, als er nach Hitler wohl der mächtigste politische Repräsentant des Regimes war, so kehrte in ihnen stereotyp die Frage nach dem „Endziel" des Krieges wieder, das stets in gleicher Weise als ein dreifaches formuliert wurde: Als erstes Ziel wurde das Hinausschieben der Grenzen „Großdeutschlands" und damit der „Volkstumsgrenze" um 500 Kilometer nach Osten verkündet. Dies war zwar anscheinend ein bescheidenerer Anspruch als der noch 1942/Anfang 1943 in den letzten Fassungen des GPO erhobene, zielte aber trotzdem auf die „Eindeutschung" mindestens der baltischen Sowjetrepubliken, ganz Polens und der westlichen Teile Belorußlands und der Ukraine als „Volkstumsbrücke" nach Südosteuropa. „Das zweite Große, was uns als Aufgabe gestellt ist", verkündete Himmler, „ist das Gewinnen und das Eingliedern der germanischen Völker, der Norweger, Dänen, Niederländer und Flamen, in das germanische Reich. Wenn wir diese 25, 30 Millionen besten Blutes unserem Volkskörper anfügen können, diese 25 bis 30 Millionen, die Brüder und Schwestern unserer Rasse und unseres Blutes sind, dann vergrößern wir die Basis unseres Volkes von 90 auf rund 120 Millionen." 295 Diese beiden Ziele erreicht, würde es an die Verwirklichung des dritten gehen, an die „Neuordnung" des „deutschen germanischen Weltreiches" 2 9 6 , einschließlich des übrigen Europas. Noch am 3. August 1944 erklärte Himmler alle diese Ziele für „unverrückbar". Weit vor die Siedlungsgrenze müsse die „Wehrgrenze" geschoben werden; die Luftwaffe müsse „im Osten — sprechen wir es ruhig aus — am Ural stehen". Denn für den „künftigen Luftkrieg" sei ein „Spielraum von 2000, 3000 km" nötig. 297 Diese mindestens bis in die zweite Hälfte des Jahres 1944 hinein vertretene Linie erwies sich angesichts des Kriegsverlaufs als Utopie, als blanker Wahnsinn. Politik und Ideologie der faschistischen Führer hatten sich zu diesem Zeitpunkt gegenüber den Klasseninteressen der Monopolbourgeoisie, denen sie entsprungen waren, in wesentlichen Bereichen bereits in einem Maße verhärtet und verselbständigt, daß ernsthafte Widersprüche innerhalb der herrschenden Klasse aufbrachen, die am 20. J u l i 1944 offenen Charakter annahmen. Doch es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß es das Ceterum censeo der reaktionärsten und aggressivsten Elemente des Finanzkapitals blieb, die sozialistische Ordnung in der U d S S R zu beseitigen und den Widerstand des Sowjetvolkes durch die „Ausrottung des Bolschewismus" zu liquidieren. 294 295 296 297

Ebenda. ZStA Potsdam, FS, Film 4141, Rede Himmlers v. 24. 5. 1944 (in Sonthofen vor Generalen). Ebenda, Film 3361, Rede v . 25. 7. 1944 (in Grafenwöhr vor Offizieren). Ebenda, Rede v. 3. 8. 1944 (in Posen vor Reichs- und Gauleitern).

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

2. Studien zur Wirtschaftspolitik der Okkupanten in den besetzten Gebieten der UdSSR a) Stahl und Kohle

(Dnepr-Donec-Gebiet)

In der zweiten Augusthälfte 1941 fielen Krivoj Rog mit seinen Eisenerz- und Nikopol mit seinen bedeutenden Manganerzvorkommen in die Hand faschistischer Truppen. Am 25. August gab die Rote Armee Dnepropetrovsk auf. Mitte Oktober drangen die deutschen Offensivverbände ins Donec-Revier ein. Dort wurden sie im Laufe der nächsten Wochen zum Stehen gebracht. Im Süden nahmen SS-Truppen noch am 21. November Rostov, doch die sowjetische Südfront warf sie im Verlauf ihrer Gegenoffensive bis Anfang Dezember wieder an den Mius zurück. Die Front verlief zu diesem Zeitpunkt mitten durch das Industrierevier, vom Donec östlich Slavjansk über Krasnyj Luc den Mius entlang bis nach Taganrog am Asovschen Meer. Erst im Juli 1942 trat die Wehrmacht an diesem Abschnitt wieder zur Offensive an. Der im Herbst 1941 besetzte Teil des Reviers blieb fast zwei Jahre unter faschistischer Herrschaft (Oktober 1941—September 1943), der 1942 besetzte östliche Teil nur ein halbes Jahr (Juli 1942—Februar 1943), der nördliche Teil 298 über ein Jahr (Juli 1942—September 1943). Über das Donec-Becken als Ganzes verfügten die deutschen Imperialisten also nur ein halbes Jahr, nämlich von Juli 1942 bis Februar 1943, hingegen mehr als zwei Jahre über die Industriestädte im Dneprbogen und zweieinhalb Jahre über Nikopol und Krivoj Rog (bis Februar 1944). Für die enge Verflechtung der wirtschaftlichen mit den militärischen und politischen Interessen in der Kriegführung und Kriegszielpolitik des deutschen Imperialismus und für ihre erstrangige Bedeutung für sein Kriegszielprogramm liefert die faschistische Okkupation des Dnepr-Donec-Industriegebiets einen durchschlagenden Beweis. Auf dieses gewaltige Industriegebiet, auf dem Kontinent nur dem Ruhrgebiet vergleichbar, hatten seit Sommer 1941 die deutschen Monopole konkrete Ansprüche angemeldet. Es sollte ihnen vor allem Mangan- und Eisenerz liefern. Die oberschlesischen Montankonzerne beispielsweise betrachteten es als ihr künftiges „Vorland", d. h. als Rohstoff- und Ergänzungsraum. 299 Später, nach der Niederlage vor Moskau, wollte man es zu einer unmittelbaren wirtschaftlichen Hilfsquelle ersten Ranges für die Armeen des Aggressors machen. Schon im Dneprbogen war das Bild, das sich den Eroberern bot, für sie wenig ermutigend. Durch Sprengungen und durch Feuer waren die Förderanlagen und elektrischen Installationen des Bergbaus in Krivoj Rog und in Nikopol vernichtet oder schwer beschädigt worden. Die wichtigsten Maschinen und Aggregate hatten rechtzeitig ins Innere der Sowjetunion abtransportiert werden können. So fehlten in 13 großen Hütten, Stahl-, Walz- und Röhren werken des Dneprgebiets von 26400 Elektromotoren 23850.300 Das große Dneprkraftwerk war gesprengt; im Staudamm klaffte eine Bresche von 190 m Breite und 18 m Tiefe.301 Eine weitere gewaltige Enttäuschung erwartete die Eindringlinge, als sie den westlichen 298 Das Gebiet etwa zwischen Slavjansk, westlich Vorosilovgrad (Lugansk) und Krasnyj Luc. 299 Bandi, S. 204 f. 300 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 722, Bl. 19, Dok. Pleiger-201, Reisebericht von Küttner u. Steck über „Die Eisenindustrie im Dnjeprbogen", Nov. 1941. 301 Zagorul'ko/Judenkov, S. 108.

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Teil des Donec-Reviers „größtenteils zerstört" 3 0 2 vorfanden. Hier war es den sowjetischen Verteidigern gelungen, Evakuierung und Zerstörung systematisch vorzubereiten und vollständiger durchzuführen als im Dnepr-Gebiet. Es gäbe, so berichtete der Bergbaubeauftragte der Wirtschaftsinspektion Süd aus Staline, „keine einzige Zeche, die unmittelbar — selbst bei Vorhandensein von Energie — betriebsfähig wäre". 303 Die Berichte der Konzernfachleute, die, eilig in die Uniform von „Sonderführern" und „Kriegsverwaltungsräten" (KVR) gesteckt, Gruben und Werke manchmal noch unter Beschüß unmittelbar hinter der Frontlinie in Augenschein nahmen, bestätigten das. 304 Die Wirtschaftsinspektion Süd bzw. die B H O 3 0 5 hatten zunächst alle Hände voll damit zu tun, ein Minimum an Kohle für den notdürftigsten Bedarf des Manganerzbergbaus, des Transportwesens und der Truppe zu beschaffen. Noch bis Ende 1942 deckten umfangreiche Kohlenlieferungen aus Oberschlesien den Bedarf „etwa bis zur Dnjeprlinie" 3 0 6 und belasteten nicht nur die deutsche Kohlebilanz, sondern vor allem die ohnehin äußerst angespannte Transportsituation im Süden der Front aufs empfindlichste. Weiter östlich griffen die Okkupanten zunächst auf die Kohlenhalden zurück. „Die eigene Förderung (im DonecBecken — D. E.) erreichte erst gegen Ende 1942 eine nennenswerte Höhe, etwa 20000 Tonnen gleich 10 Prozent der russischen Förderung." 307 Die Wasser- und Kohlekraftwerke des Dnepr-Donec-Gebiets waren ebenso nachhaltig 302 Halder, Bd. 3, S. 278 (Eintr. üb. 10. 1 0 . - 3 . 11. 1941). 303 Bericht Nr. 2 des Sonderbeauftragten für Bergbau der Wirtschaftsinspektion Süd, 13. 11. 1941; zit. nach Riedel, Matthias, Bergbau und Eisenhüttenindustrie in der Ukraine unter deutscher Besatzung (1941—1944), in VfZ, 3/1973, S. 256. Zur Wirtschaftsinspektion Süd s. Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 91f., S. 144f. 304 BA Koblenz, R 13 1/1141 bis 1143 u. 1147. — Mitunter erkannten die (unten aufgeführten) Experten widerwillig an, „daß schon die älteren gemischten Hüttenwerke der Ostukraine einen Vergleich mit ähnlichen deutschen Werken nicht zu scheuen brauchen und daß die Neuanlagen eine sehr ernsthafte Konkurrenz für die Eisen schaffende Industrie aller anderen Länder zu werden begannen, soweit es deren Planung und technische Ausrüstung betrifft". (Ebenda, Nr. 1141, Bericht Wesemann). Erste Berichte deutscher Konzernfachleute über die Montanindustrie

in der Ukraine 1941:

Verfasser

Berichtszeitraum

Betreff

KVR Dr. Georg Bulle (Gutehoffnungshütte)

23. Aug. bis 15. Sept. 1941

Eisenhüttenwerke und Gruben in der Westukraine (Dneprbogen) „Die Eisenindustrie im Dneprbogen"

KVR Dr. Carl Küttner Sept./Nov. 1941 (Fachgruppe Edelstahl/ Flick-Konzern) u. KVR Steck KVR Dr. Ulrich Faulhaber Okt. 1941 Dnepr-Industriegebiet (Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie) KVR Dr. Fritz Wesemann Okt./Nov. 1941 „Die Eisenhüttenwerke (Maxhütte /Flick- Konzern) der Ostukraine" 305 Zur BHO S. 412 ff. — Seit März 1942 verwaltete die BHO den Steinkohlenbergbau im DonecRevier selbst (ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 417, Bl. 187, Dok. NI-4332, Arbeitsbericht der BHO für das Jahr 1942, Dez. 1942/Jan. 1943). 306 Ebenda, Nr. 722, Bl. 63, Dok. Pleiger-208, Äff. Hans Nagel, 17. 4. 1948. 307 Ebenda.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

zerstört wie die Anlagen des Kohlenbergbaus, so daß sich ein folgenschwerer circulus vitiosus ergab: Es fehlte an Elektroenergie, um die Kohlenschächte wieder in Betrieb zu setzen, insbesondere um die abgesoffenen Gruben leerzupumpen ; der chronische Mangel an Kohle wiederum verschlechterte die Energiebilanz weiter. Die militärischen Rückschläge seit November 1941, die umfangreichen Zerstörungen, der fortdauernde, umfassende aktive und passive Widerstand der Sowjetbevölkerung und die außerordentlichen organisatorischen und Transportschwierigkeiten im Industrierevier, das zum großen Teil noch mitten im Operationsgebiet lag, ernüchterten die herrschenden Kreise. Der Eifer der Konzerngewaltigen erlahmte, und sie neigten mehr und mehr dazu, sich jene Schwierigkeiten zunächst ohne umfangreichen Einsatz eigener Kräfte und Mittel mit Hilfe der Wehrmacht und der Behörden beiseiteräumen zu lassen. Ihr unmittelbares Interesse konzentrierte sich immer vorrangiger darauf, Erze und andere Rohstoffe, besonders Mangan, rücksichtlos nach Deutschland abzutransportieren. Dringend verlangten sie ferner die Rückkehr ihrer in großer Zahl nach Osten entsandten Spezialisten. Auf einer Sitzung des Wirtschaftsführungsstabes Ost am 18. Dezember 1941 unter Vorsitz von Paul Körner erklärten es die Anwesenden daher für notwendig, „die aus der deutschen Industrie für den Osteinsatz herausgezogenen Kräfte in möglichst großem Umfang wieder in die Heimat zu entlassen", darunter in erster Linie die leitenden Fachkräfte. 3 0 8 In Gestalt der B H O setzte sich unter den gegebenen Umständen — wenn auch nicht reibungslos — eine entwickelte Form der staatsmonopolistischen Herrschaft über die Reichtümer und Ressourcen des Montanbereichs im eroberten sowjetischen Gebiet durch, verbunden mit konzentrierter Regulierungsgewalt, die auf stärkster Einschaltung der Machtmittel des faschistischen Staates basierte. Durch den Vorsitzer ihres Verwaltungsrats, Staatssekretär Paul Körner, war die B H O eng mit dem Namen und dem politischen Prestige Görings verknüpft, als dessen Stellvertreter Körner sowohl die Geschäfte des Beauftragten für den Vierjahresplan führte als auch den Wirtschaftsführungsstab Ost leitete. Mit Paul Pleiger regierte in der Gesellschaft seit ihrer Gründung — zunächst unter der Bezeichnung eines Geschäftsführers — ein besonders skrupelloser und versierter Vertrauensmann der deutschen Kohlemagnaten, der als Vorstandsvorsitzer des Montankonzerns der Reichswerke „Hermann Göring", als Vorsitzer der R V K und als Reichsbeauftragter Kohle bereits über eine beachtliche staatsmonopolistische Machtfülle und zudem über enge, direkte Verbindungen zu führenden Repräsentanten von Partei, Staat und Wehrmacht 3 0 9 verfügte. Am 10. J a n u a r 1942 ernannte Göring Pleiger zum „Reichsbeauftragten für die Kohle in den besetzten Gebieten" 3 1 0 und dehnte damit seine Vollmachten auf den ganzen Machtbereich Hitlerdeutschlands aus. Selbstverständlich schleusten die Konzerne ausgesuchte Manager und Vertrauensleute in die entscheidenden Positionen der B H O . Die maßgeblichen Mitarbeiter der B H O , die in Berlin oder unmittelbar an Ort und Stelle, in Dnepropetrovsk, Zaporoz'e und Stalino, 308 Ebenda, Nr. 416, Bl. 188, Dok. EC-38 M, „Vom Chef Wi Stab Ost am 23. 2. 44 genehmigte Gliederung für die Materialsammlung zur Geschichte des Wi Stab Ost", 21. 2. 1944 (hier: Niedersehr, üb. d. Sitzung d. Wirtschaftsführungsstabes Ost v. 18. 12. 1941). 309 Von Pleigers „engsten" Verbindungen zur Wehrmacht erwähnte Generalmajor Hans Nagel, seinerzeit Chef der Wirtschaftsinspektion Süd, „insbesondere (diejenigen) mit dem Generalquartiermeister Wagner, dem General Stapf (1942—1944 Chef des Wirtschaftsstabes Ost — D. E.) und der Wirtschaftsinspektion Süd" (ebenda, Nr. 722, Bl. 66, Dok. Pleiger-208, Äff. Nagel, 17. 4. 1948). 310 BA Koblenz, R 10 VIII/3 (nach Riedel, S. 261).

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t ä t i g waren, h a t t e n f r ü h e r wichtige Posten in den f ü h r e n d e n Konzernen u n d Verbänden der deutschen Montanindustrie inne. Vielfach h a t t e n sie als Kriegsverwaltungschefs Generalsrang. Den Bereich des Bergbaus leitete Erich Winnacker, schon in den dreißiger J a h r e n Mitglied des Verwaltungsrats des österreichischen, maßgeblich von den Vereinigten Stahlwerken kontrollierten u n d s p ä t e r v o m Reichswerke-Konzern majorisierten AlpineMontan-Konzerns. W i n n a c k e r war zugleich Chef d e r G r u p p e Bergbau in der W i r t s c h a f t s inspektion Süd. Verantwortlich f ü r den metallurgischen Sektor waren Konzernexperten wie P e t e r Lillig, Eisenfachmann aus d e m Röchling-Konzern, u n d H e r b e r t Monden, vorher in f ü h r e n d e r Position in der oberschlesischen Montanindustrie (Oberhütten-Konzern) tätig. Heinrich Korschan, Vorstandsmitglied im Krupp-Konzern, v e r t r a t die Kruppsche Kanonendynastie. Eine besonders exponierte Rolle spielte W a l t e r Tengelmann aus der b e k a n n t e n Familie von Montangewaltigen, seit 1930 Mitglied, später Vorsitzer des Vorstands d e r Essener Steinkohlenbergwerke AG (Flick/Vereinigte Stahlwerke). Im Kriege reaktiviert, w a r er in Monopol- u n d Militärkreisen allgemein als „ R i t t m e i s t e r T e n g e l m a n n " b e k a n n t . I m S o m m e r 1940 h a t t e er sich bereits als „ B e a u f t r a g t e r des O K W - W i R ü A m t f ü r die E r z g r u b e n in Lothringen" betätigt. 3 1 1 Zu Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion lancierten ihn die R u h r m a g n a t e n — sicherlich n i c h t ohne P r o t e k t i o n Görings, d e r m i t seinem B r u d e r Wilhelm Tengelmann (Hibernia) eng b e f r e u n d e t w a r — in eine Schlüsselfunktion. In den ersten Monaten nach d e m Eindringen der W e h r m a c h t ins Dnepr-Donec-Gebiet w a r die sogenannte G r u p p e Tengelmann (auch: K o m m a n d o Tengelmann) als militärischer V e r b a n d des „ S o n d e r b e a u f t r a g t e n f ü r Bergbau der Wirtschaftsinspektion S ü d " — eben Tengelm a n n s — tätig. Sie folgte der k ä m p f e n d e n T r u p p e auf dem F u ß e u n d h a t t e in bezug auf die Montanindustrie der U d S S R denselben räuberischen A u f t r a g u n d ähnliche militärische Vollmachten u n d Befehlsbefugnisse wie die Mineralölkommandos auf d e m Erdölgebiet. In der P r a x i s verhielt es sich so, d a ß Tengelmann als der S o n d e r b e a u f t r a g t e d e r W i r t schaftsinspektion der G r u p p e Tengelmann die nötige Befehlsgewalt verschaffte. E n d e 1941 h a t t e sich der Zustand eingebürgert, d a ß Offiziere des S o n d e r b e a u f t r a g t e n zu Dutzenden „bei der G r u p p e Tengelmann Dienst t u n " . 3 1 2 Der Kern d e r ' G r u p p e bestand aus qualifizierten Kadern u n d Beutespezialisten. Kernbestand 45 2 3 14 50 24

der „Gruppe Tengelmann"

Ende

1941313

Akademiker aus dem Bergbau Akademiker aus dem Hüttenwesen Akademiker aus dem Maschinenbau Techniker (Maschinenbauschule bzw. Technische Lehranstalt) Bergleute (Steigerklasse) Bergleute (Oberklasse)

Die G r u p p e Tengelmann w a r vor allen anderen Interessenten an O r t u n d Stelle. Die f ü h r e n d e n Konzerne erhielten so entscheidende I n f o r m a t i o n e n aus erster H a n d . F ü r die B H O leistete die E i n h e i t Vorerkundung u n d Vorarbeit. I m Z u s a m m e n h a n g m i t der E r n e n n u n g Pleigers z u m R e i c h s b e a u f t r a g t e n f ü r die Kohle in den besetzten Gebieten erlosch im J a n u a r 1942 die F u n k t i o n des g e n a n n t e n Sonder311 ZStA Potsdam, FS, Film 8290, Meldung Tengelmanns an WiRüAmt, 21. 7. 1940. 312 Ebenda, Film 3964, Anlage z. Bericht d. Stellv. Sonderbeauftragten für Bergbau der Wirtschaftsinspektion Süd v. 4. 1. 1942. 313 Ebenda. 31

Eichholtz II

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beauftragten für Bergbau, und die Gruppe Tengelmann übernahm nach ihrer Umbildung in das „Technische Bataillon 26 (mot) Bergbau" (TB 26) weitgehend seine Vollmachten. Das TB 26 bestand aus einem umfänglichen Bataillonsstab und drei Kompanien; ihm konnten als „Verstärkung" jederzeit „Fachleute" in Sonderführeruniform zugeführt werden. 3 1 4 Seine Mannschaft setzte sich aus militärischen Erkundungs- und Sicherungstruppen, Polizei- und SS-Einheiten, Geheimdienstagenten, Pionieren und Bergleuten zusammen. Seine fachlichen Weisungen erhielt es von der BHO, die zu diesem Zweck eine besondere Verbindungsstelle einrichtete. Überdies war dem Bataillon ein „Arbeitsstab" der BHO angegliedert, der aus Tengelmann selbst als Bataillonskommandeur und drei weiteren Konzernexperten bestand. 3 1 5 Die militärischen Unterstellungsverhältnisse waren kompliziert und vermutlich auch umstritten. In einem Entwurf für den Einsatzbefehl des Bataillons von Anfang 1942 hieß es, es sei „der Wirtschaftsinspektion Süd unterstellt" 3 1 6 ; doch war hier eine Streichung vorgenommen und dafür „1. Panzerarmee" eingefügt worden — jener faschistische Eliteverband also, dessen Bestimmung es schon bei der Offensive des Vorjahres gewesen war, als vorderster Stoßkeil die begehrtesten wirtschaftlichen Reichtümer des Sowjetlandes in seine Gewalt zu bringen. Das TB 26 war ein Truppenteil des Heeres. Seine Aufgaben — „Sicherung", Wiederaufbau und Weiterführung von Bergbau und Eisenmetallurgie ostwärts des Dnepr und des Dneprbogens nach dem „Gesamtplan" der BHO 3 1 7 — stellten ihm die großen Konzerne, im einzelnen Fall vermutlich intern und direkt, im allgemeinen und offiziell über Wirtschaftsführungsstab Ost, Wirtschaftsstab Ost und BHO. Erst während der Vorbereitung der faschistischen Sommeroffensive 1942 entstanden neue, langfristige Pläne für das Dnepr-Donec-Gebiet, die darauf zielten, die Produktionsstruktur im gesamten Industrierevier erheblich umzugestalten. In Hitlers Weisung Nr. 41 vom 5. April 1942 3 1 8 wurde als Hauptziel der Offensive der „Durchbruch in den KaukasusR a u m " 3 1 9 und nach Stalingrad festgelegt. Bis B a k u waren immerhin 1200 k m zu bewältigen. Hierzu waren rund zweieinhalbtausend Kilometer bis zur deutschen Grenze zu rechnen, so daß sich ungeheure Nachschub- und Transportprobleme ergeben mußten. Dem sollte abgeholfen werden. Es entstand ein sehr umfängliches Produktionsprogramm für Munition, die in der Ukraine erzeugt werden sollte, das sogenannte Iwanprogramm. „In der Ukraine sollen große Munitionsfertigungen aufgezogen werden", so vereinbarten Hitler und Minister Speer am 14./15. April 1942. 320 Bei dieser Gelegenheit bedang sich Speer weitgehende Vollmachten für die besetzten sowjetischen Gebiete a u s : „Die technischen Fragen in den besetzten Ostgebieten (Straßenbau, Wasserstraßen, Energieversorgung und Rüstungsbauten) sollen sowohl in Planung wie in Durchführung zentral von meinen Dienststellen geplant und ausgeführt werden." 3 2 1 Er notierte ferner für das geplante Munitionsprogramm: „Die vorhandenen Fabriken m i t neuen Maschinen, diese 314 Ebenda, „Dienstanweisung für den Kommandeur des Technischen Bataillons 26 (mot) Bergbau", o. D. (wahrsch. Anfang Feb. 1942). 315 Ebenda, „Besondere Anordnung für den Einsatz des Technischen Bataillons 26 (mot) Bergbau im Bereich der Heeresgruppe Süd", o. D. (Entwürfe v. Feb. 1942). 316 Ebenda. 317 Ebenda, „Dienstanweisung . . ." (wie Anm. 314). 318 Der zweite Weltkrieg. Dokumente, S. 153 ff. 319 Ebenda, S. 154. 320 FB, 14./15. 4. 1942, Punkt 19. 321 Ebenda, Punkt 17.

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jedoch in primitiver Bauweise ohne Rücksicht auf Verschwendung an Platz u n d Arbeitern. Das Aufziehen der Munitionsfertigung u n d der gesamten zugehörigen I n d u s t r i e soll u n a b h ä n g i g v o m Reichsminister Ost (gemeint war Alfred Rosenberg — D. E.) in direktem Verkehr geschehen." 3 2 2 Diese Entscheidung fügte sich in das große militärstrategische Konzept u n d in die Kriegszielplanung der deutschen Imperialisten ein, zu deren Verwirklichung die Sommeroffensive dienen sollte. E s ging u m die Schaffung eines großen R ü s t u n g s z e n t r u m s in der Ukraine, sozusagen auf halbem Wege z u m Kaukasus, z u m Persischen Golf u n d nach Indien. Die Beratungen m i t Speer hierüber beflügelten Hitlers P h a n t a s i e d e r a r t , daß er im Kreise seiner V e r t r a u t e n den Plan einer „viergleisigen" Eisenbahnmagistrale zwischen Oberschlesien u n d dem Donecbecken erörterte, die eine Spurweite von vier Metern haben u n d auf d e r a u ß e r dem G ü t e r v e r k e h r doppelstöckige Schnellzüge m i t einer Geschwindigkeit von 200 k m / h verkehren sollten. 3 2 3 „ N u r so sei es möglich, den O s t r a u m — insbesondere wirtschaftlich — so zu erschließen, wie es unseren Plänen e n t s p r ä c h e . " 3 2 4 A m 22. Mai schließlich bevollmächtigte Göring Speer als GB Rüst, die „Herstellung von Kriegsgerät" auf sowjetischem Territorium in Gang zu bringen. „Zu diesem Zweck erhält der G B - R ü s t das u n m i t t e l b a r e Verfügungsrecht über die von ihm bestimmten Fertigungss t ä t t e n . " In den sowjetischen Betrieben sollten „leistungsfähige Firmen des Reiches als P a t e n f i r m e n " eingesetzt werden. 3 2 5 Die Wochen bis zum Beginn der Sommeroffensive vergingen m i t Sondierungen des Reichsministers f ü r B e w a f f n u n g u n d Munition, der W e h r m a c h t , der B H O u n d der Rüstungskonzerne hinsichtlich der Möglichkeit, in der Ukraine „eine Munitionsfertigung größten U m f a n g s zur E n t l a s t u n g der H e i m a t i n d u s t r i e aufzuziehen". 3 2 6 H e r m a n n Röchling, Vorsitzer der R V E , erhielt a m 18. J u n i von Göring die Bestallung als „ R e i c h s b e a u f t r a g t e r f ü r Eisen u n d Stahl in den besetzten Gebieten" 3 2 7 , die der Position von Pleiger in der Kohlewirtschaft entsprach. Diese F u n k t i o n ü b e r t r u g er f ü r die „Ostgebiete" (und f ü r die Niederlande) seinem Stellvertreter W a l l e r Roliland. 3 2 8 A m 28. J u n i ordnete Hitler „ f ü r den schnellen W i e d e r a u f b a u " der Kohlenförderung im Donecgebiet „eine Reihe von S o n d e r m a ß n a h m e n " an. 3 2 9 Anfang J u l i 1942 erging der A u f t r a g Speers an E d m u n d Geilenberg, im Dnjepr-Donec-Gebiet die „Möglichkeit baldiger A u f n a h m e der Munitionsfertigung zu erkunden u n d einen H ü t t e n p l a n aufzustellen". 3 3 0 Geilenberg wurde offiziell zu Speers „ B e a u f t r a g t e m f ü r die Munitionsfertigung in der Ukraine" ernannt. 322 Ebenda, Punkt 19. 323 Picker, S. 299f., Tischgespr. v. 27. 4. 1942. 324 Ebenda, S. 300. — Schramm mißdeutet in seinem ausführlichen Vorwort (ebenda, S. 91) diese Auslassungen Hitlers unter Mißachtung der Zusammenhänge als „Wachtraum". 325 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 19467, AO des BfV „über die Herstellung von Waffen und Munition und den Ausbau der Energiewirtschaft in den besetzten Ostgebieten", 22. 5. 1942; Okkupation, Raub, Vernichtung, S. 228f., Dok. 91. 326 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 722, Bl. 50, Dok. Pleiger-204, „Auszüge aus dem Kriegstagebuch des Wirtschaftsstabes Ost", Eintr. v. 31. 5. 1942. 327 Ebenda, FS, Film 10608, Erlaß Görings, 18. 6. 1942. 328 Ebenda, Rs. Röchlings, 20. 11. 1942. 329 BA Koblenz, R 41/270, Hitler-Erlaß v. 12. 10. 1942 betr. „Wiederaufbau der Mineralölindustrie im Kaukasus". 330 Wie Anm. 326 (Bl. 51, Eintr. vom 9. 7. 1942). 31*

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Auf diese Weise baute der Munitionsminister gemeinsam mit seinen großindustriellen Mentoren und den Fachkräften der Rüstungskonzerne eine besondere staatsmonopolistische Organisation für das große Munitionsprojekt auf. Die B H O betrachteten sie lediglich als eines von mehreren Instrumenten, deren sie sich zu seiner Durchführung bedienten. Die bürokratisch-straffe Zusammenfassung der Schwerindustrie im besetzten sowjetischen Gebiet, besonders der metallurgischen und der eisenverarbeitenden Werke, bei der B H O empfanden sie als ein wesentliches Hemmnis für die Entfaltung der Initiative der großen Konzerne — d. h. für die Wahrnehmung ihrer eigenen Profitinteressen —, die für sie die Grundlage des Erfolgs war. Die Konzerne selbst wollten und sollten die eigentlichen Träger des „Iwanprogramms" sein, hinter dem die höchste Dringlichkeit stand; damit nämlich schienen allseitige Staatshilfe, rascher Erfolg und hoher Profit gesichert. Am 4. J u n i 1942 regte Speer Hitler zu der bereits erwähnten „Führermeinung" an, „daß er (Hitler — D. E.) keine Monopolgesellschaften im Osten wünscht, sondern daß die Privatinitiative einzuschalten sei". 3 3 1 Diese Äußerung wurde mit Sicherheit vorrangig im Hinblick auf das „Iwanprogramm" bzw. auf die Eisen- und Stahlindustrie der Ukraine erwirkt. Darauf deutet auch eine „ B e m e r k u n g " Walther Schiebers hin, die Anfang Mai in einem Gespräch zwischen Schieber und Flick fiel; danach existierte schon zu dieser Zeit „der Plan . . ., den bisherigen Monopolcharakter der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft aufzulockern. Zumindesten will man auf dem Gebiet der Rüstungsindustrie für größere Gebiete einzelne Großkonzerne aus Deutschland als Betreuungsfirmen heranziehen." 3 3 2 De facto wurden jedenfalls die in Frage kommenden sowjetischen Rüstungswerke im Laufe der folgenden Monate weitgehend aus dem unmittelbaren Verfügungsbereich der B H O herausgelöst und mittels eines Systems von sogenannten Patenschaften zu Dutzenden an die deutschen Rüstungskonzerne „verteilt". An dieser „Neuregelung in der ukrainischen Montanindustrie" 3 3 3 nahmen Konzerne wie Flick, Krupp, Mannesmann, Reichswerke „Hermann Goring", Vereinigte Stahlwerke und Gutehoffnungshütte unmittelbaren Anteil. Wiederum — wie schon zu Beginn des Krieges gegen die U d S S R — schlugen Beutegier und Konkurrenzneid der Großkonzerne hohe Wellen. Die sowjetische Eisen- und Stahlindustrie vom Dnepr bis zur Wolga stand jetzt, im Sommer/Herbst 1942, zur „Verteilung"; angesichts der Anfangserfolge der faschistischen Offensive „verteilte" man sogar schon die Stalingrader Werke. 3 3 4 Am 3. November 1942 unterzeichnete Pleiger die „Grundsätze für die Führung von Patenschaftsbetrieben der Berg- und Hüttenwerksgesellschaft Ost m. b. H. (BHO)". 3 3 5 Die in diesem Dokument enthaltenen Regelungen waren ein Kompromiß zwischen den verschiedenen, mitunter divergierenden Interessen der B H O und des Munitionsministeriums, der staatlichen Institutionen und der Konzerne. Die sowjetische Montanindustrie blieb nach der faschistischen Definition „wirtschaftliches Sondervermögen des Deutschen Reiches". Die B H O blieb Gesamttreuhänder dieses Vermögens. Sie übernahm auch die gesamte Finanzierung des Aufbaus der Betriebe, insbesondere die Investitionen. „Die Patenschaft ist ein Treuhandauftrag der B H O an den P a t e n . " (§ 1) Der „Patenbetrieb" 331 332 333 334

FB, 4. 6. 1942, Punkt 34; siehe S. 416f. Fall 5, S. 160, Dok. NI-1697, AN üb. Bespr. zw. Flick, Burkart u. Schieber, 6. 5. 1942. Ebenda, S. 275 ff., Dok. NI-3680, AN von Küttner für Flick, 6. 8. 1942. Ebenda, S. 274 f., Dok. NI-3664, AN Flicks üb. Bespr. mit Pleiger, 13. 7. 1942. - Vgl. dagegen die üble Apologetik bei Riedel, S. 269ff.

3 3 5 Z S t A P o t s d a m , F a l l X I , N r . 4 1 7 , B l . 1 7 3 f f . , D o k . N I - 3 6 8 9 (A.) ; h i e r n a c h a u c h d. F o l g e a d e .

Siehe auch Anatomie

cles Krieges, S. 411, Dok. 217.

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der U d S S R

467

sei, so hieß es weiter, „weder rechtlich noch wirtschaftlich ein Teil des Heimatbetriebes". Der P a t e führte den Betrieb „im Namen und für Rechnung der B H O " . (§ 10) Allerdings wog der letzte Paragraph schwer zugunsten der „ P a t e n " : „Die B H O wird sich dafür einsetzen, daß der P a t e bei der endgültigen Regelung der Eigentumsverhältnisse an den Industriebetrieben in den besetzten Ostgebieten nach Maßgabe seiner Mitarbeit an dem Aufbau der dortigen Wirtschaft berücksichtigt wird." (§ 23) Allein schon die Tatsache, daß man einen solchen Paragraphen anfügte, warf ein bezeichnendes Licht auf die komplizierte Interessenkonstellation und auf vorangegangene Konflikte. Die größten schwerindustriellen Komplexe brachten der Flick-Konzern, der ReichswerkeKonzern und der Krupp-Konzern an sich. Die Mitteldeutsche Stahlwerke AG (FlickKonzern) und die Reichswerke AG für Berg- und Hüttenbetriebe „Hermann Göring" gründeten Ende 1942 gemeinschaftlich die Dnjepr-Stahl G m b H , eine „Patengesellschaft", in der F l i c k die Führung erhielt. 3 3 6 Während die Stahlwerke Braunschweig G m b H , ein Konzernbetrieb der Reichswerke, bei der Teilung der Beute vorwiegend die Werke in Zaporoz'e erhielt, „wo die Munitionsfertigung im wesentlichen aufgezogen werden" sollte, übernahm es F l i c k , „die ganze Eisen schaffende Seite zu betreuen", 3 3 7 und bemächtigte sich der großen Stahl-, Walz- und Röhrenwerke im Raum Dnepropetrovsk. Krupp setzte sich in Mariupol (Zdanov) fest, wo er mehrere große, weniger stark zerstörte Stahl- und Walzwerke übernahm, und legte ferner seine Hand auf die Neue Maschinenfabrik Kramatorsk. Die Liste der „Patenfirmen" erfaßte auch eine große Zahl weiterer deutscher Rüstungskonzerne. Im März 1943 stellte man auf einer Sitzung des Verwaltungsrates der B H O fest, daß an „Patenschaften" nunmehr „alles vergeben worden sei, was zur Verfügung stände". 3 3 « (Tabelle 110) Der Wiederaufbau der Schwerindustrie im Dncpr-Doncc-Gebiet war für die deutschen Imperialisten ein schwieriges, aufwendiges und letzten Endes hoffnungsloses Unterfangen, m i t dem sie zudem gerade in einer Zeit schwerster Kämpfe im Süden der deutsch-sowjetischen F r o n t (Sommer 1942 bis F r ü h j a h r 1943) beschäftigt waren. F ü r das „Iwanprogramm" mußten fast alle Maschinen in Deutschland bestellt und von dort angeliefert werden. Die Reparatur der Kraftwerke und die Wiederaufschließung der Kohlenschächte, die ebenfalls neue Maschinen, Elektromotoren, Turbinen und Aggregate erforderten übernahmen deutsche Großfirmen wie die A E G , die für die Wiederinbetriebnahme des Dneprkraftwerks bei Zaporoz'e verantwortlich war, und die Deutsche Bergwerks- und Hüttenbaugesellschaft m b H (Reichswerke-Konzern). Die Investitionen der B H O für diese Zwecke machten nach verschiedenen Schätzungen der Beteiligten insgesamt einen Betrag zwischen 100 und 200 Mill. RM aus. 3 3 9 Ahnlich wie im Fall der Raffinerieanlagen für das kaukasische Erdöl nutzten die deutschen Imperialisten auch hier die Bereitschaft von Kreisen der französischen und belgischen Bourgeoisie zur „Zusammenarbeit" in den besetzten sowjetischen Gebieten aus, die sie notfalls aber auch mit massivem politischen Druck und durch Beschlagnahme erzwangen. Die B H O und die mit ihr verbundenen deutschen Monopole verwirklichten 1942 ihren 336 Fall 5, S. 283f., Dok. NI-3666, AN v. Küttner f. Flick, 26. 10. 1942; ebenda, S. 284, Dok. NI-5289, AN Flicks üb. Telef. mit Pleiger, 11. 11. 1942. 337 Ebenda, S. 283. 338 Ebenda, S. 280, Dok. NI-3660, Prot. Flicks üb. d. Sitzung d. Verwaltungsrats der BHO, 31. 3. 1943. Ein anderes Protokoll über diese Sitzung in: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 417, Bl. 205 ff. (212), Dok. NI-5261. 339 Ebenda, verschied. Affid. (Nagel, Schieber, II. Kuhlmann).

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

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Tabelle 110 „Verzeichnis der Patenfirmen" der Β HO, Stand Ende 1942/ Anfang 1943

(Auswahl)

„Patenfirma"

Sowjetischer Betrieb

Dnjepr-Stahl GmbH

Hütte „Dzerzinskij" in Dneprodzerzinsk (Kamenskoje) Waggonfabrik „Pravda" in Dneprodzerzinsk Hütte „Petrovskij" in Dnepropetrovsk Werk „Lenin" in Dnepropetrovsk Kokschemisches Werk „ Kalinin" in Dnepropetrovsk Werk DSMO in Dnepropetrovsk Hütte „Liebknecht" in Niznedneprovsk Werke „Komintern" I—III in Niznedneprovsk Werk „Artem" in Niznedneprovsk Werk „Zaporozstal'" in Zaporoz'e Werk „Molotov" in Dnepropetrovsk

Reichswerke „Hermann Göring" Stahlwerke Braunschweig GmbH (Reichswerke-Konzern) Fried. Krupp AG

Vereinigte Stahlwerke AG Mannesmannröhren-Werke AG Hoesch AG Gutehoffnungshütte AG

Klöckner-Werke AG Dortmund-Hörder Hüttenverein AG Dortmunder Union Brückenbau AG Siemens-Schuckertwerke AG Brown, Boveri & Cie. AG Dynamit Nobel AG Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG (Wasag)

Hütte Zaporoz'e Hütten „Azovstal'" I und II in Mariupol' Röhrenwerk „Kujbysev" in Mariupol' Werk „Il'ic" in Mariupol' (Neue) Maschinenfabrik „Stalin" in Kramatorsk Hütte „ Kirov" in Makeevka Hütte „Andreev" in Taganrog Röhrenwerk Taganrog Hütte Krivoj Rog Hütte Kramatorsk (Alte) Maschinenfabrik „Ordjonikidze" in Kramatorsk Hütte „Frunze" in Konstantinovka Hütte Staline Hütte „Ordzonikidze" in Enakievo (Rykovo) Hütte Staline (Stahlbauabteilung) Werk Rucenkovo (teilweise) Fertigungsbetrieb in Stalino Werk „Vorosilov" in Dnepropetrovsk (teilweise) Hütte Zaporoz'e (als „Unterpate")

Quelle: ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 722, Bl. 106ff., Dok. Pleiger-214, Anlage 6 („Verzeichnis der Patenfirmen") z. Arbeitsbericht der BHO für das Jahr 1942, Jan. 1943. Plan, sich wertvolle Anlagen für den Wiederaufbau des Dnepr-Donec-Gebietes, besonders schwere Walzenzugmotoren, „aus stillgelegten Werken der Eisen schaffenden Industrie in den besetzten belgischen und französischen Gebieten" zu verschaffen. „Mit Hilfe des Militärbefehlshabers", so hieß es im Arbeitsbericht der BHO für das Jahr 1942, „gelang das teilweise durch Verhandlungen mit der Französischen Regierung, teilweise durch Beschlagnahme". 340 Die BHO und die „Patenfirmen" konnten sich nicht nur auf die Ressourcen des deutschen 340 Ebenda, Fall XI, Nr. 417, Bl. 198 (f.), Dok. NI-4332, Arbeitsbericht der BHO für das J a h r 1942, Jan. 1943 (Auszug).

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der UdSSR

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und besetzten europäischen Hinterlandes und auf die nachhaltige Hilfe der Zentralen Planung, des Munitionsministeriums und anderer zentraler Institutionen stützen, sondern sie genossen auch an Ort und Stelle bei Wehrmachtführung und Okkupationsbehörden Vorzugsrechte. Pionier-, B a u - und andere Spezialtrupps der Wehrmacht sowie F r o n t einheiten der O T wurden für ihre Zwecke abkommandiert. Selbst zahlreiche Generale standen unmittelbar in ihrem Dienst: „Der Hüttenverwaltung Ukraine wurden, ebenso wie den sonstigen Β HO-Verwaltungen, die in der Ukraine tätig waren, mehrere Generale zur Unterstützung zugewiesen, ζ. B . die Generale von R ü d t und Breithaupt. Ihre Aufgabe war es, gegenüber den militärischen und zivilen deutschen Stellen die Wirkungsmöglichkeit der Berghütte Ost in vernünftigem Sinne zu v e r s t ä r k e n . " 3 4 1 Die sowjetische Bevölkerung lieferte den deutschen Eindringlingen einen täglichen Kampf um jede Tonne Kohle und um jedes Kilogramm Metall. I m Donecrevier arbeiteten m i t besonderem Erfolg konspirative Gruppen, die zur Tarnung als Kollaborateure auftraten und Posten in der Okkupationsverwaltung bekleideten. „Die illegale Gruppe, die in den leitenden deutschen Organen für die Nutzung der Betriebe des Donecbeckens wirkte, h a t t e ihre Leute in vielen deutschen Wirtschaftsstellen, in Werken und Gruben. Die Illegalen gewannen das Vertrauen der Hitlerfaschisten, organisierten Diversionsakte und hintertrieben im breiten Umfang die Wiederherstellungsarbeiten. Sie stellten die technische Dokumentation so auf, daß die am schwersten beschädigten Fabriken und Gruben vorrangig wiederhergestellt werden sollten. Infolgedessen vergeudeten die Okkupanten bedeutende Mittel und viel Zeit. Betriebe, Gruben, Werkhallen und Aggregate hingegen, die unbedeutende Reparaturen verlangten, erklärte man für nicht wiederherstellbar. Auf diese Weise wurde ζ. B . das Sujewo-Kraftwerk, eines der größten im Donezbecken, für ,nicht nutzbar' befunden." 3 4 2 Trotz größter Anstrengungen, trotz grausamen Terrors gelang es den Okkupanten nur mit Mühe, die Produktion allmählich, stockend wieder in Gang zu bringen. Ende Dezember 1942 waren im Donecbecken an Elektroenergie nach dem Jahresbericht der B H O für 1942 „erst 5 Prozent der früher installierten Leistung wieder einsatzfähig". 3 4 3 Die Förderung von Steinkohle erreichte am Jahresende 1942 kaum einen viel höheren Prozentsatz. Waren im März 1942 aber noch weniger als 1 0 0 0 0 t Kohle gefördert worden, so belief sich die Förderung im Dezember immerhin auf 3 9 2 0 0 0 t 3 4 4 und erreichte Anfang 1943 maximal 1 9 0 0 0 t pro Tag. 3 4 5 Die Produktion von Rohstahl kam erst im Oktober 1942 in geringem Umfang in Gang. 3 4 6 Im Dezember 1942 waren 11 von 18 Hüttenwerken wieder in Betrieb, produzierten allerdings insgesamt nur ganze 5 0 0 0 t. 3 4 7 Im letzten Quartal 1942 wurden monatlich im Durchschnitt 8 0 0 0 bis 1 0 0 0 0 t Fertigerzeugnisse aus Eisen und S t a h l produziert — von Panzerteilen und Maschinen bis zu Schrauben und Nägeln. 3 4 8 341 342 343 344 345

Ebenda, Fall X I , Nr. 722, Bl. 72, Dok. Pleiger-209, Äff. Heinrich Kuhlmann, 11. 6. 1948. Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Bd. 5/1, Moskau 1974, S. 544. ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 417, Bl. 184, Dok. NI-4332 (wie Anm. 340). Ebenda, Bl. 188. Ebenda, Bl. 208, Dok. NI-5261, Prot. d. Sitzung d. Verwaltungsrates der BHO, 31. 3. 1943. Insgesamt wurden im Donecrevier unter der Besatzung 4,1 Mill, t gefördert (Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 156f.; nach deutschen Angaben). 346 BA Koblenz, R 13 1/660, Aufstellung üb. Rüstungs- und Rohstoffbetriebe i. d. besetzten sowj. Gebieten, o. D. (wahrsch. Juli 1943). 347 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 417, Bl. 201, Dok. NI-4332 (wie Anm. 340). 348 Ebenda, Bl. 201 f.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Die Inbetriebnahme des Eisenerzbergbaus von Krivoj Rog war „zurückgestellt" worden, 349 da vordringlich der Manganerzbergbau in Nikopol wiederhergestellt werden sollte. So montierten die Okkupanten in Krivoj Rog „mehrere 10000 t " Maschinen und anderes Material ab und transportierten es in „mehrere(n) Tausend Eisenbahnwaggons" nach Nikopol. Auch Arbeitskräfte aus Krivoj Rog verschleppten sie in großer Zahl dorthin. Bis Ende 1942 gab es keine Förderung von Eisenerz; dafür waren 347000 t Erzvorräte fortgeschleppt und durch die R V E verkauft worden. Erst Anfang 1943 lief die Förderung in Krivoj Rog an. Im Mai 1943 wurden 32000 t Erz gefördert 3 5 0 — weniger als zwei Prozent einer Monatsproduktion in der Vorkriegszeit. 351 Insgesamt förderten die Okkupanten nur 2030001 Erz.ssi Wesentlich günstiger sah es für die deutschen Imperialisten bei Mangan aus. Im Spätherbst 1941 begannen die ersten Erzgruben bei Nikopol wieder zu arbeiten. Die Okkupanten setzten rücksichtslos alles daran, die Förderung dieses wichtigsten Ferrolegierungsmetalls rasch zu steigern. Obwohl „die maschinentechnische Ausrüstung des Manganerzbergbaus vollkommen erneuert werden" mußte, 353 wurden bis einschließlich Dezember 1942 an Roherz 642000 t ( = 106400 t Mn-Gehalt) und an Konzentrat (vorwiegend aus Erzvorräten) 103000 t (45000 t Mn-Gehalt) gefördert. 3 5 4 Die Jahresproduktion 1942 entsprach etwa der Hälfte der sowjetischen Vorkriegsjahresproduktion. Immerhin deckten die im J a h r 1942 geraubten 125 700 t Mangan 102 Prozent des deutschen Manganverbrauchs. 3 5 5 Im Jahre 1943, für das die Eindringlinge ursprünglich eine Verdoppelung des Ergebnisses von 1942 geplant hatten, 3 5 6 lauteten die entsprechenden Zahlen 164800 t und 97 Prozent. 357 Ausgerechnet als sich die Wende des Krieges bei Stalingrad abzeichnete, wiegten sich die verantwortlichen kriegswirtschaftlichen Institutionen Hitlerdeutschlands in großen Hoffnungen für das J a h r 1943. Im Januar 1943 würde das Dneprkraftwerk wieder Strom liefern; damit, so rechneten sie, werde die Kohlenförderung einen schnellen Aufschwung nehmen, die Hütten könnten rascher in Betrieb genommen werden und würden mit Kohle aus dem Donecbecken und mit Erz aus Krivoj Rog den Rohstoff für das „Iwanprogramm" produzieren. Speer äußerte sich am 19. Dezember gegenüber Pleiger optimistisch, die Zentrale Planung rechne fest damit, daß vom Frühjahr, spätestens von Mitte 1943 an „die Erzeugung der Ukraine in die gesamte Eisenverteilung eingebaut werden" könne. 358 Inzwischen waren auch die deutsche Aluminiumindustrie und die chemische Industrie in die Planungen einbezogen worden; der G B Chemie wollte Sprengstoffwerke bauen, die Vereinigte Aluminium-Werke AG und die Luftwaffe planten ein Aluminiumwerk bei Zaporoz'e. 349 350 351 352 353 354 355

E b e n d a , Bl. 188 (ff.) ; hiernach auch das Folgende. Siehe auch Riedel, S. 272. B A Koblenz, R 13 1/660 (wie Anm. 346). Zagorul'ko/Judenkoc, S. 238. Wie Anm. 349. Ζ S t A P o t s d a m , Fall X I , Nr. 417, Bl. 190, Dok. NI-4332 (wie Anm. 340). E b e n d a , B l . 195. Jäger, Jörg-Johannes, Die wirtschaftliche Abhängigkeit des Dritten Reiches vom Ausland, dargestellt a m Beispiel der Stahlindustrie, Berlin (West) 1969, S . 205, T a b . 2 6 ; etwas höhere Zahlen ebenda, S . 211, T a b . 28. 356 Z S t A P o t s d a m , Fall X I , Nr. 417, Bl. 212, Dok. NI-5261 (wie Anm. 345). 357 Jäger, S . 205, T a b . 26. 358 Z S t A Potsdam, F S , Film 11246, Speer an Pleiger, 19. 12. 1942.

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der U d S S R

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Ende Januar/Anfang Februar 1943 forcierten die sowjetischen Truppen der Südwestfront zwischen Charkov und Slavjansk auf breiter Front den Donec und stießen von Nordosten her tief in das Donecbecken hinein. Sie drangen in der ersten Februarhälfte bis auf wenige Dutzend Kilometer nach Stalino und Dnepropetrovsk vor. Zugleich vertrieb die sowjetische Südfront den Feind aus dem östlichen Revier und warf ihn bis an den Mius zurück. 3 5 9 Die Durchbrüche der Sowjetarmee zwangen das faschistische Oberkommando zu raschen Entschlüssen. Schon E n d e J a n u a r ging der Streit darum, ob man den Südabschnitt der deutsch-sowjetischen Front an Don und Donec nicht verkürzen und wenigstens einen Teil des Donecbeckens räumen solle. Hiergegen hatte Hitler erbittert und grundsätzlich opponiert. F ü r ihn ging es seit Stalingrad um „den ganzen Sinn dieses Feldzuges". 3 6 0 In seiner Auffassung von der „Unmöglichkeit, das Donezgebiet aufzugeben", 3 6 1 wurde er durch die ständigen dringenden Vorstellungen Speers und anderer führender Repräsentanten der Kriegswirtschaft und der Rüstungsmonopole bestärkt: „4. Februar 1943. Reichsminister Speer und der Generaldirektor für das Donezbecken Pleiger halten dem Führer Vortrag über die Lage in der Rüstungsindustrie. Ohne das Donezbecken, dessen jährliche Produktion 6 bis 7 Millionen t (Stahl — D. E.) betrage, sei keine Steigerung der Rüstung möglich. Der Führer erklärt, das Donezbecken dürfe nicht aufgegeben werden, da er dann nicht weiter Krieg führen k ö n n e . " 3 6 2 Hitler erhielt in den ersten Februartagen von Speer eigens eine Denkschrift 3 6 3 über die Lage im Industrierevier und die Dringlichkeit des „Iwanprogramms". Von der Notwendigkeit, auf die Stellungen am Mius zurückzugehen, konnte Generalfeldmarschall v. Manstein Hitler erst überzeugen, nachdem er — v. Manstein — am 6. Februar seine letzte „ T r u m p f k a r t e " ausgespielt h a t t e : „ K u r z vor meinem Flug nach Lotzen (zu Hitler — D. E.) war der Vorsitzende des Präsidiums der Reichsvereinigung Kohle, Paul Pleiger, in meinem Hauptquartier gewesen . . . E r hatte mir gesagt, daß der Besitz der Kohlevorkommen um Schachty, also in dem Teil des Donezbeckens, der ostwärts des Mius lag, in keiner Weise ausschlaggebend sei." Die dort gewonnene Kohle sei angeblich nicht verkokbar und nicht brauchbar für die deutschen Lokomotiven. „Diesem Einwand hatte Hitler vom Standpunkt der Kriegswirtschaft nichts mehr entgegenzusetzen!" 3 6 4 U m einen Zusammenbruch der Südfront abzuwenden, wurden schließlich weitreichende operative Entschlüsse gefaßt. Das Oberkommando der Wehrmacht ließ frische Kräfte aus Westeuropa und aus Deutschland, darunter Eliteverbände der Waffen-SS, heranführen und sie im gefährdeten Frontabschnitt konzentrieren. In der zweiten Februarhälfte drängten die Faschisten in starken Gegenstößen die sowjetische Südwestfront auf das nördliche Donecufer zurück. 3 6 5 Hitler flog selbst zweimal nach Zaporoz'e ins Hauptquartier der Heeresgruppe Süd, „um von dort aus die Operationen im Südteil der Ostfront zu leiten". 3 6 6 359 Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd. 3, Berlin 1964, S. 133ff. ; Ersov, A.G., Osvobozdenie Donbassa, Moskau 1973, S. 60ff. 360 Hitlers Lagebesprechungen, S. 84 (12. 12. 1942). Siehe auch DZW, Bd. 3, S. 78f. 361 von Manstein, Erich, Verlorene Siege, Bonn 1955, S. 442. 362 Greiner, Helmuth, Die Oberste Wehrmachtführung 1939-1943, Wiesbaden 1951, S. 436f. 363 Bisher nicht aufgefunden, jedoch erwähnt in Hitlers Lagebesprechungen, S. 122, Anm. 1. 364 von Manstein, S. 443. 365 Siehe DZW, Bd. 3, S. 80/82, S. 84 ff. 366 Greiner, S. 439; s. a. von Manstein, S. 454 u. 467. — Hitler war vom 17. bis 19. 2. u. am 10. 3. 1943 in Zaporoz'e.

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

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Diese Operationen waren ein schlagendes Beispiel für den engen Zusammenhang zwischen den Kriegszielen des deutschen Finanzkapitals und der militärischen Operationsführung. Zwar entsprach diese Strategie im allgemeinen und in großen Zügen stets dem Weltherrschaftsprogramm der Monopole; diesmal jedoch folgte sie ihm unmittelbar und entsprach im operativen Rahmen sogar im Detail den deutlich formulierten Interessen der Monopolherren und Rüstungschefs. Die Erfolge der Operationen vom Februar/März 1943 gaben den Spitzenvertretern der deutschen Kriegswirtschaft wieder ein trügerisches Gefühl der Sicherheit. Sie bauten fest auf eine endgültige Stabilisierung der militärischen Lage; vor allem hegten sie große Hoffnungen auf die für den Sommer vorgesehene Offensive. Bei dem Ausbau und der Ausbeutung der Industrie am Donec und Dnepr schlugen sie ein fieberhaftes Tempo an. Gerade jetzt versprachen ihre anderthalbjährigen Anstrengungen Früchte zu tragen. Seit J a n u a r 1943 lieferte das Dneprkraftwerk Energie. Die Kohleförderung stieg nach dem Einbruch im Februar und März wieder relativ rasch an. Die Transportlage war einigermaßen stabil. Immerhin verschob sich der Schwerpunkt der Planungen im F r ü h j a h r 1943 stärker vom Donecbecken zum Dnepr. Hier baue man, so argumentierte die Leitung der Dnjepr-Stahl GmbH Ende Mai gegenüber den Berliner Stellen, „in einem strategisch weniger gefährlichen Gebiet". 367 Ein so begehrtes Objekt wie die Röhrenwerke in Mariupol (Zdanov) schätzte man nun plötzlich auch deswegen geringer ein, weil die Eroberung der Erdölquellen des Kaukasus, f ü r deren Ausbeutung die Röhrenproduktion vorrangig in Gang gesetzt werden sollte, inzwischen in weite Ferne gerückt war. 368 „Das Schwergewicht des Aufbaus liegt heute", so hieß es in dem zitierten Schreiben, „in der Ukraine selbst, womit im Herbst vorigen Jahres nicht in diesem Umfang gerechnet werden konnte. Dnjepropetrowsk liegt weit hinter der Front und ist der Schlüsselpunkt der ganzen ukrainischen Position des Reiches." 369 Kurz darauf — im J u n i — inspizierten die Spitzenmanager der deutschen Kriegswirtschaft selber diese „Schlüsselposition". Nacheinander bereisten Pleiger, Speer und Geilenberg Tabelle 111 Geplante Erzeugung von IFH-Munition lFH-Munition

Oktober 1943 Dezember 1943 März 1944 September 1944

und Rohstahl im Dnepr-Donec-Gebiet Rohstahl (für die entsprechende Menge an Blöckchen, Draht, Profilen)

5000 Schuß 100000 „ 250000 „ 750000 „

Juli 1943 November 1943 Dezember 1943 September 1944

235 t 4700 t 11700 t 35000 t

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 3965, Dnjepr-Stahl GmbH an BHO, 24. 5. 1943, Bericht (Monden/Dnjepr-Stahl) über Besuch Geilenbergs vom 19. bis 22. 6. 1943, vom 24. 6. 1943. 367 ZStA Potsdam, FS, Film 3965, Dnjepr-Stahl GmbH an BHO, 24. 5. 1943. 368 Ebenda. — Vom 30. 6. 1943 datierte eine Marginalnotiz (v. Carlowitz) auf dem zit. Schreiben v. 24. 5. 1943: „Pleiger hat bereits entschieden, daß Liebknecht (Hüttenwerk in Dnepropetrovsk/Niznedneprovsk ; statt „Kujbysev" in Mariupol — D. E.) in Betrieb gesetzt wird. Paten 50 % Mannesmann, 50 % Dnjepr- Stahl." 369 Ebenda, Dnjepr-Stahl GmbH an BHO, 24 . 5. 1943.

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der UdSSR

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Tabelle 112 „Pleigerplan" und tatsächliche Kohlenförderung für die Okkupanten im Donecrevier

Dezember 1942 Januar 1943 Juli 1943 Ende 1943 Ende 1944

Plan (Monatsförderung)

Förderung

500000 t 750000 t 800000 t 900000 t 2 - 2 , 5 Mill, t

392000 t 450000 t 455600 t

Quelle: Zusammengestellt nach ZStA Potsdam, FS, Film 3964, Bericht der BHO, Abt. Donezkohle, f. Juni 1942 (Anlage) ; ebenda, FS, Film 3965, Dnjepr-Stahl GmbH an BHO, 24. 5. 1943; ferner Fall XI, Nr. 417, Bl. 208, Dok. NI-5261, (wie Anm. 345). Tabelle 113 Vorausberechnung der Energieversorgung des Dneprund des Donecgebiets (in kW)

Sommer 1943 Anfang 1944 Ende 1944

Dneprgebiet

Donezgebiet

170000 350000 450000

90000 150000 170000

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 3965, Dnjepr-Stahl an BHO, 24. 5. 1943; vgl. auch die Zahlen Krauchs (ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 11712, Bl. 128, „Energiesituation in der Ukraine. Voraussichtlicher Stand Sommer 1944", Anlage z. Schreiben d. GB Chemie an das RWiM, 22. 9. 1942). das Dncpr-Donec-Gebiet. Der Munitionsminister sah sich hier zwar gezwungen, Abstriche vom „ I w a n p r o g r a m m " a n z u k ü n d i g e n 3 7 0 ; im allgemeinen herrschte a b e r E u p h o r i e vor. Die in diesen Wochen des J u n i 1943 festgelegten enormen Planzahlen u m f a ß t e n in der Regel den Zeitraum bis H e r b s t bzw. bis E n d e 1944. (Tabellen 111—113) Die P r o d u k t i o n von l F H - M u n i t i o n vom S e p t e m b e r 1944 h ä t t e der H ä l f t e der d u r c h s c h n i t t lichen monatlichen deutschen G e s a m t p r o d u k t i o n des J a h r e s 1942 entsprochen. 3 7 1 Als schwächsten P u n k t in ihren Plänen b e t r a c h t e t e n die Faschisten die Energieversorgung. Doch auch hier tagen weitreichende Planungen und Vorausschätzungen vor. I m J u l i 1943 scheiterte das U n t e r n e h m e n „Zitadelle", die Sommeroffensive der Wehrm a c h t bei Kursk, schon im Verlauf der ersten Woche. A m 12. J u l i 1943 t r a t die Sowjetarmee nördlich von Kursk, drei Wochen später südlich der S t a d t zur Gegenoffensive an. In der zweiten A u g u s t h ä l f t e ging der Angriff in eine allgemeine Offensive gegen die Heeresgruppen Mitte und Süd über. Anfang S e p t e m b e r begannen die Faschisten aus d e m Donecgebiet zurückzufluten. Am 9. S e p t e m b e r wurde Stalino frei, a m 10. S e p t e m b e r Mariupol. Am 22. S e p t e m b e r erreichten sowjetische T r u p p e n zwischen Dnepropetrovsk u n d Zaporoz'e den Dnepr. Am 14. Oktober m u ß t e n die O k k u p a n t e n Zaporoz'e, am 25. Oktober Dnepropetrovsk räumen. 3 7 2 370 Ebenda, Bericht (Monden/Dnjepr-Stahl) üb. Besuch Speers am 17./18. 6. 1943, v. 18. 6. 1943. 371 Bleyer, Rüstungsbericht, S. 364. 372 Tschuikotv, IV. /., Gardisten auf dem Weg nach Berlin, Berlin 1976, S. 83ff.; Ersov, S. 181 ff.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Wo immer die Okkupanten dazu noch Zeit und Mittel fanden, praktizierten sie die verbrecherische Politik der „Verbrannten E r d e " mit wütender Konsequenz und generalstabsmäßiger Exaktheit. 3 7 3 Mit der Wehrmacht arbeiteten hierbei die Vertreter der B H O und der Monopole Hand in Hand. Sie sahen ihr Ziel darin, vor der planmäßigen Zerstörung aller Lebensgrundlagen des Sowjetvolkes möglichst alles f ü r die Kriegswirtschaft brauchbare Material - Rohstoffe, Halbzeug, Maschinen und Anlagen ebenso wie Lebensmittel aller Art — und außerdem die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung nach Westen zu verschleppen. Das Konzept der „ R ä u m u n g " und „Ausschlachtung" war bereits b e i d e n früheren Rückzügen, insbesondere seit Anfang 1943, mit größter Skrupellosigkeit befolgt worden. Nunmehr nahm seine Realisierung neue Dimensionen an. Im J u l i 1943 faßten die Verantwortlichen der B H O - im Zusammenhang mit der Neufassung des „Iwanprogramms", der Kohle- und Energieplanungen — die Ausschlachtung zahlreicher in Frontnähe gelegener Werke (Kerc, Taganrog, Mariupol, Stalino, Makeevka, Konstantinovka, Kramatorsk) und die Konzentration der Produktion in den leistungsfähigsten Betrieben weiter im Hinterland ins Auge. Schon zu dieser Zeit wanderten wertvolle Maschinen und ganze Produktionsausrüstungen nach Deutschland. 3 7 4 Nachdem in Char'kov am 6. August die „ R ä u m u n g " 3 7 5 eingesetzt hatte, begann man im Donecgebiet am 10. August, die „Auflockerung" vorzubereiten. 3 7 6 Von Mitte des Monats an wurden wichtige Vorprodukte f ü r das „Iwanprogramm", insbesondere Siemens-Martin-Stahl, auf Anordnung Speers aus dem Revier nach Deutschland abtransportiert. Auch mehr und mehr Kohlenzüge mit Haldenkohle wanderten gen Westen. Als erste S t a d t sollte Taganrog „ g e r ä u m t " werden. 3 7 7 Im L a u f e einer viertägigen Zusammenkunft vom 19. bis 22. August besprachen Hitler und Speer ausführlich die Situation im Donecgebiet. Hitler legte, so vermerkte Speer, „ausdrücklich fest, daß das Donezgebiet weiter in unserem Besitz bleiben soll", fügte aber, vermutlich auf Drängen des Ministers, in Erwägung einer möglichen „erzwungenen R ä u m u n g " hinzu, daß „alles, was im Donezgebiet nicht unbedingt notwendig ist, von dort zu verschwinden habe". 3 7 8 Kraftwerksanlagen und Werkshallen sollten abgebaut bzw. zum Abtransport vorbereitet, Rohstahlblöcke beschleunigt abgefahren werden. 3 7 9 Von dieser Genehmigung machten die kriegswirtschaftlichen Organe umgehend reichlichen Gebrauch. Vom 1. September an jagte ein „ R ä u m u n g s " - B e f e h l den anderen. Am 8. September erschien Hitler wiederum im Hauptquartier der Heeresgruppe S ü d in Zaporoz'e und beriet mit v. Manstein die L a g e an Ort und Stelle. 3 8 0 Drei Tage später wurde für den 373 Siehe hierzu Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 248ff. ; Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion, Bd. 3, passim; DZW, Bd. 4, S. 165ff. 374 ZStA Potsdam, FS, Film 3964, Bericht (ο. V.) üb. d. Reise Pleigers in die Ukraine vom 30. δ. bis 10.6.1943, v. 11.6.1943; Fall ,5, S. 281f., Dok. NI-5219, Mitteldeutsche Stahlwerke AG an Eisenwerksgesellschaft Maximilianshütte AG, 22. 7. 1943. 375 Unter „Räumung" wird hier die totale Ausraubung des Gebiets, die Verschleppung aller materiellen Güter und der Bevölkerung und schließlich die planmäßige, vollständige Zerstörung vor der militärischen Räumung verstanden. 376 Riedel, S. 274 f. 377 Ebenda. 378 FB, 19.-22. 8. 1943, Punkt 15. 379 Ebenda. 380 von Manstein, S. 526 f.

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der UdSSR

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Bereich der Wirtschaftsinspektion S ü d befohlen, ostwärts des Dnepr eine 40 k m breite Wüstenzone zu schaffen. 3 8 1 Damit w a r der Ernst der Lage auch jenen Konzernvertretern und Rüstungsdienststellen klar, die bisher noch nicht m i t einem endgültigen Rückzug, sondern d a m i t gerechnet hatten, in absehbarer Zeit — ähnlich wie im Februar/März 1943 im nördlichen Teil des Reviers — wieder nach Stalino und Taganrog zurückkehren zu können. Noch in den ersten Septembertagen w a r Pleiger unverzüglich zu v. Manstein geflogen und h a t t e ihm in dieser Annahme „Lähmung" und Demontage statt Sprengung und Vernichtung vorgeschlagen. 3 8 2 Er mußte sich von den Generalen eines anderen belehren lassen. Entschied er noch a m 8. September, „daß auch in Kriwoj Rog die Fertigung für das Iwan-Programm eingeschaltet werden soll", 383 so erhielt er schon zwei Tage später vom Rüstungsminister die Anweisung, dieses Programm „vollständig" abzubauen. 3 8 4 Am 17. September, m i t Beginn der „ R ä u mung" der Dneprstädte, ordnete er auf Weisung Speers „das Auslaufen der Iwan-Fertigung" auch in Zaporoz'e, ihrem Zentrum, an. 3 8 5 Das hektische Tempo, in dem die deutschen Okkupanten sich aus dem Donecgebiet zurückziehen mußten, hinderte sie daran, das Revier nach ihren Plänen zu „räumen". Ein bedeutender Teil der Maschinen und Anlagen, die zur „Ausschlachtung" bzw. zum Abtransport vorgesehen waren, blieb zurück und fiel der Zerstörung durch die Spezialtrupps und Sprengkommandos der 6. Armee und der 1. Panzerarmee anheim. Mehrere Wochen Zeit verblieb den Eindringlingen dagegen im Dneprgebiet für die räuberische Ausplünderung des Landes vor der allgemeinen Zerstörung. Die Vernichtung alles dessen, was zurückblieb, überließen die Vertreter der Rüstungskonzerne und der BHO freilich keineswegs allein den Militärs. Sie bereiteten die Zerstörungen selbst fachmännisch vor und kontrollierten nach Möglichkeit auch den Erfolg. F ü r die Sprengung der Werke und lebenswichtigen Anlagen von Mariupol sollte „die im Donezgebiet eingesetzte Kompanie des Bergbaubataillons, verstärkt durch Sonderführer der BHO, mit Rücksicht auf die außerordentliche Bedeutung von Mariupol für die Russen und die Wichtigkeit einer gründlichen Zerstörung zur Verfügung gestellt werden". 3 8 6 Hier vollbrachten die Faschisten denn auch ihr Zerstörungswerk m i t besonderer Rücksichtslosigkeit und Brutalität. In Zaporoz'e übernahm die dortige BHO-Zentrale selbst die Verantwortung für die Vernichtung des für das „Iwanprogramm" vorgesehenen Großwerkes: „Die Zerstörung wurde a m 22. September 1943 durch Herrn S t a a t s r a t Pleiger befohlen. Gestellte Frist 4—5 Tage . . . Das Werk ist zerstört. Verbrauchte Munition 59 t Sprengstoff und 60 Stück Fliegerbomben (500 k g ) . " 3 8 7 Die Daten über die Gesamtbeute der Okkupanten an „ R ä u m u n g s g u t " sind unvollständig und widersprüchlich. Die beim Rückzug aus dem Donecgebiet und der östlichen Ukraine 381 Riedel, S. 280.

382 Ebenda, S. 282f. 383 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 416, Bl. 189, Dok. EC-38 M, „Vom Chef Wi Stab Ost . . . " (Wie Anm. 308), KTB-Eintr. v. 8. 9. 1943. 384 Ebenda, KTB-Eintr. v. 10. 9. 1943. 385 Ebenda, KTB-Eintr. v. 17. 9. 1943. 386 Ebenda, Nr. 417, Bl. 219f., Dok. NI-6371 ( = Auszug aus Dok. EC-38 M), „Vom Chef Wi Stab Ost . . ." (wie Anm. 308), KTB-Eintr. v. 4. 9. 1943. 387 Ebenda, Nr. 455, Bl. 48, Dok. NID-15571, Bericht d. BHO, Zaporoz'e, an Pleiger, 1. 10. 1943. — Als vorläufige Meldung ging am gleichen Tag ein Telegramm an Pleiger ab: „Verlassen heute Saporoshje nach gründlichen Sprengungen." (Ebenda, FS, Film 11246).

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Kriegsziel- und Okkupatioiispolitik

geraubten industriellen und landwirtschaftlichen Produkte und Produktionsmittel wurden nach deutschen Angaben mit insgesamt 3000 Eisenbahnzügen abtransportiert. 388 Nach einem Bericht der Wirtschaftsinspektion Süd vom 5. November 1943 wurden aus dem Donecgebiet 248 Waggons Raubgut aus dem Steinkohlenbergbau (Pumpen, Motoren, Transformatoren, Schalter, Kabel usw.), 413 Waggons aus den Werken der Eisenmetallurgie (Maschinen, Anlageteile, Asbest, Ferrolegierungs- und andere NE-Metalle usw.) und 67 Waggons an „Rücklaufgut" der Elektrizitätswerke (Turbinen, Transformatoren, Elektroden, Kabeltrommeln, NE-Metalle usw.) verschleppt. 389 Aus dem Gebiet der Dneprstädte einschließlich Kievs meldete man 3437 Waggons Raubgut aus Werken der Eisenund Stahlindustrie und 518 Waggons aus den Elektrizitätswerken. 390 Verzweifelte Anstrengungen unternahmen die Faschisten, um wenigstens Krivoj Rog und besonders Nikopol zu halten, und nahmen dafür sogar ernste militärstrategische Nachteile in Kauf. 391 Die außerordentliche Bedeutung des Nikopoler Mangans hatten die deutschen Imperialisten seit Stalingrad mehrfach erörtert. Schon im Februar 1943, als, wie die RVE es formulierte, „anscheinend nach der militärischen Seite wichtige Entscheidungen getroffen werden" mußten, 392 erarbeitete die Reichsvereinigung einen Bericht für Hitler und das OKW, in dem es — sicherlich nicht ohne Zweckpessimismus — warnend hieß, der Ausfall der Produktion von Nikopol bedeute „zum mindesten einen Ausfall von 42 Prozent bei der Rohstahlerzeugung". 393 In einer ausführlicheren Analyse von Ende Februar berechnete sie den Ausfall in der Rohstahlproduktion, wenn nach neun Monaten voll aufrechterhaltener Erzeugung die Bestände aufgezehrt sein würden, sogar auf fast drei Viertel der Planmenge für 1943.394 Am 30. September/1. Oktober 1943 hielt Speer Hitler „über die Bedeutung des Nikopoler Manganerzes für die Stahlerzeugung" Vortrag und unterrichtete Generalstabschef Zeitzier danach in Hitlers Auftrag im gleichen Sinne. 395 Speer bestärkte Hitler offensichtlich in der Hartnäckigkeit, mit der er darauf bestand, den Dneprbrückenkopf östlich von Zaporoz'e auf jeden Fall zu halten. Am 11. November — Zaporoz'e war inzwischen längst befreit — hielt der Rüstungsminister Hitler Vortrag über „Die Bedeutung von Nikopol und Kriwoj Rog für die deutsche Eisenerzeugung". 396 Werde Nikopol aufgegeben, so argumentierte er, dann würden die deutschen Manganbestände binnen 18 bis höchstens 24 Monaten erschöpft sein und die Stahlerzeugung weitgehend zum Erliegen kommen. Es werde zudem „eine wesentliche Erschwerung jeder Steigerung der Eisenerzeugung" eintreten, da die Stahlwerkskapazität durch die Umstellung auf mangansparende Verfahren stärker beansprucht und ausgelastet werde.

388 Müller, Wehrmacht und Okkupation, S. 260. 389 Riedel, S. 279ff. 390 Ebenda, S. 281. Weitere unsichere Zahlenangaben in Fall 5, S. 289, Dok. NI-4500, und in Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 289 (gibt für den „Dneprbogen" ohne Quellenhinweis 7800 Waggons „mit Wirtschaftsgütern, Maschinen, Fabrikanlagen und Rohstoffen gewerblicher Betriebe" an). 391 Medlicott, W. N., The Economic Blockade, Bd. 2, London 1959, S. 646. 392 Vermerk der R V E betr. Nikopol, 15. 2. 1943, zit. b. Jäger, S. 208. 393 Ebenda. 394 Vermerk der RVE betr. Nikopol, 26. 2. 1943, zit. ebenda. 395 FB, 30. 9 . - 1 . 10. 1943, Punkt 21. 396 ZStA Potsdam, FS, Film 1732 ; hiernach auch das Folgende.

Zur Wirtschaftspolitik in den besetzten Gebieten der U d S S R

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Schließlich würden in diesem Falle zusätzlich 10000 Facharbeiter benötigt werden, die von der neuen Einziehungsaktion ausgenommen werden müßten. Die Wehrmachtführung unternahm daraufhin verstärkte Anstrengungen zur Verteidigung der Dneprlinie südlich von Zaporoz'e. 397 Der Brückenkopf östlich von Nikopol war der am stärksten ausgebaute und blieb der am längsten umkämpfte aller deutschen Dneprbrückenköpfe. 398 Ende J a n u a r 1944 traten die sowjetischen Truppen in der Südukraine erneut zum Angriff an, nahmen am 8. Februar Nikopol und befreiten am 23. Februar Krivoj Rog. Damit fand die Herrschaft der deutschen Imperialisten über das Industriegebiet an Dnepr und Donec unwiderruflich ihr Ende.

b) Erdöl

(Kaukasus)

Erdöl, der unentbehrliche und zukunftsträchtige Rohstoff, war ein vorrangiges wirtschaftliches Kriegsziel der deutschen Imperialisten. Es war ihr jahrzehntealter Traum, ein Erdölimperium zu besitzen, gleich dem der britischen und nordamerikanischen Konkurrenten. Waren im ersten Weltkrieg die westlichen Alliierten — nach dem geflügelten Wort Lord Curzons, das seinerzeit in eingeweihten Kreisen umging — auf einer Woge von ö l zum Sieg getragen worden, so wollte diesmal der deutsche Imperialismus auf sowjetischem ö l gleichsam zum „Endsieg" schwimmen. Diese Erdöl„strategie" gewann im Rahmen der Kriegszielplanung im zweiten Weltkrieg ein ganz anderes, ungleich bedeutenderes Gewicht als im ersten Weltkrieg. Das hing mit der rasch fortschreitenden Motorisierung, ferner mit der überall stark gestiegenen volkswirtschaftlichen Bedeutung der Chemie und verwandter Industriezweige, in Deutschland außerdem mit dem überragenden staatsmonopolistischen Einfluß des IG-Farben-Konzerns zusammen. Es rührte aber zugleich von dem Treibstoffmangel f ü r militärische Zwecke her, der der Wehrmachtführung Sorgen machte. Die Unzulänglichkeit der eigenen Produktion und Zufuhr von Treibstoff drohte die uferlosen imperialistischen Eroberungspläne aufs empfindlichste zu beschneiden. Die dünne Treibstoffdecke mußte einer weiträumigen und vielseitigen Kriegführung mit modernen Mitteln ernste Beschränkungen auferlegen. Bisher hatte die synthetische Produktion die Lücken notdürftig gestopft und „Blitzfeldzüge" mäßig großen Zuschnitts ermöglicht. Mit dem Überfall auf die UdSSR nahm der Krieg völlig neue Dimensionen an. Nach Berechnungen der Militärs von Anfang 1941 mußte schon von Mitte August des gleichen Jahres an eine bedrohliche Situation entstehen, da dann die Treibstoffbestände voraussichtlich aufgezehrt waren und nur noch die laufende Produktion zur Verfügung stand. 399 Die „Wiederauffüllung der Treibstoffbestände", so hieß es in einem Exposé des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des OKW zur „Treibstofflage Barbarossa" vom Mai 1941, sei „nur möglich, wenn später Großeinfuhr aus neuen Gebieten erfolgt". 400 397 Vgl. von Manstein, S. 563ff. 398 Tschuikow, S. 86; Leljusenko, D. D., Moskva — Stalingrad — Berlin — Praga. Zapiski komandarma, 2. Aufl., Moskau 1973, S. 205ff. 399 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 415, Bl. 56, Dok. PS-1456, AN v. General Thomas üb. Vortrag b. Keitel u. Jodl am 8. 2. 1941; ebenda, Bl. 48, AN v. Thomas üb. Vortrag b. Göring am 26. 2. 1941, v. 27. 2. 1941. 400 ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 16. 5. 1941.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Der Krieg gegen die UdSSR sollte den gordischen Knoten zerschlagen und die Aggressoren an die Quellen des kaukasischen Öls, nach Majkop, Groznyj und vor allem nach Baku führen. Deutscherseits rechnete man mit einer Erdölförderkapazität der kaukasischen Reviere von etwa 28 Millionen t (Baku 22,5 Millionen, Groznyj 3 Millionen, Majkop 2,5 Millionen) und mit der Nutzung einer Reihe von modernen Großraffinerien. 401 Die Eroberung der Erdölquellen des Kaukasus war eines der beiden wichtigsten wirtschaftlichen Ziele des imperialistischen Klassen- und Raubkrieges gegen die UdSSR. Die Devise der berüchtigten „Grünen Mappe" vom Juni 1941 lautete: „Soviel wie möglich Lebensmittel und Mineralöl für Deutschland zu gewinnen, ist das wirtschaftliche Hauptziel der Aktion." 402 In der abenteuerlichen faschistischen Strategie stellte die Verfügung über das sowjetische Erdöl eine entscheidende wirtschaftliche Voraussetzung dafür dar, nach der Vernichtung des Sowjetstaates Weltmachtstellung und Weltherrschaft des deutschen Imperialismus erfolgreich gegen dessen große imperialistische Konkurrenten durchzusetzen. Die militärischen Planungen für den Einfall in das Kaukasusgebiet, die im Juli 1941 beschleunigt wurden, fanden ihre Grundlage bereits in der Weisung Nr. 21 („Fall Barbarossa") vom 18. Dezember 1940403, später ausdrücklich in der Weisung Nr. 32 („Vorbereitungen für die Zeit nach Barbarossa") vom 11. Juni 1941 404 und in der Ergänzung zur Weisung Nr. 33 vom 23. Juli 1941, in der befohlen wurde, sobald wie möglich „über den Don nach Kaukasien vorzustoßen" 405 . Seit Juni/Juli 1941 standen spezielle Wehrmachteinheiten als Beuteerfassungstrupps für Erdöl und Erdölanlagen auf Abruf bereit. Am 3. Juni wurde das Mineralölkommando Süd in Stärke eines Bataillons gebildet, das Ende Juni das westukrainische Erdölgebiet von Borislav/Drogobyc besetzte. Am 23. Juli setzte sich das Mineralölkommando Nord in Marsch, das die estnischen ölschiefergruben in Besitz nehmen sollte. 406 Im Juli wurde das Mineralölkommando Κ (Kaukasus) aufgestellt, das für die Besetzung des Hauptziels, der kaukasischen Erdölquellen, vorgesehen war. 407 Alle genannten Einheiten waren von Konzernspezialisten durchsetzt bzw. wurden von solchen geleitet. Mitte Juli 1941 fielen endgültige Entscheidungen über die politische Form des zu errichtenden Besatzungsregimes und über die personelle Besetzung der zukünftigen „Reichskommissariate". Am 17. Juli teilten Göring und Keitel General Thomas das Ergebnis der Beratung bei Hitler vom Vortag 408 mit. Für die Ukraine, das „Ostland" und das Moskauer 401 Birkenfeld, Wolfgang, Illusionen am Kaukasus 1942/43, in Wissenschaft, Wirtschaft und Technik. Studien zur Geschichte. Hrsg. von Karl-Heinz Manegold, München 1969 (im folgenden: Kaukasus), S. 85. 402 Fall Barbarossa, S. 365, Dok. 112. 403 Ebenda, S. 140 ff., Dok. 36; s. a .Gretschko, A.A., Die Schlacht um den Kaukasus, Berlin 1971, S. 32ff. 404 Fall Barbarossa, S. 73 ff., Dok. 11. 405 Hitlers Weisungen für die Kriegführung, S. 143. 406 Kasper, Hanns-Heinz, Das Erdöl in den Raubplänen des deutschen Faschismus in Vorbereitung und bei der Durchführung des zweiten Weltkrieges, in JfW, 1976, T. 3, S. 73. 407 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 417, Bl. 120f., Dok. NI-2021, „Aufgabenstellung der Gruppe Mineralöl bei Wi Stab Ost, den Wi In, Wi Kommandos und Außenstellen" (mit Anschreiben RWiM an Konti öl), 22. 7. 1941. Hiernach auch das Folgende. 408 IMG, Bd. 38, S. 86 ff., Dok. L-221, Aufzeichnungen v. Bormann üb. Besprechung b. Hitler am 16. 7. 1941.

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Gebiet seien drei Reichskommissare ernannt, derjenige für den Kaukasus sei dagegen „noch nicht bestimmt. Der Führer wünscht aber, daß als wirtschaftlicher Leiter für den Kaukasus der Gesandte Neubacher eingesetzt wird." 4 0 9 Hermann Neubacher, ein österreichischer Altfaschist, war in den 30er Jahren vom IGFarben-Konzern als Verbindungs- und Vertrauensmann für Österreich und „für das IG-Geschäft in Südosteuropa" ausgebildet worden. 410 Im Krieg nahm er, von Göring und Hitler protegiert, von Krauch und ligner inspiriert und instruiert, höchst bedeutende politische Positionen im Ministerrang ein. 411 Mit Neubacher war also ein Mann der IG Farben und der Konti ö l „als Petroleumkommissar für ganz Rußland mit Sitz in Maikop vorgesehen". 412 Neubacher selbst brüstete sich in der Folgezeit damit, daß er „auf Weisung des Führers einen Reichssonderauftrag für die Erdölwirtschaft der besetzten bisher sowjetrussischen Gebiete übernehmen" sollte 413 , und stellte bereits seine „Einsatzstäbe" für den Kaukasus zusammen. Mit Krauch (GB Chemie), E. R. Fischer ( Reichs Wirtschaftsministerium ; Konti öl) 4 1 4 , Heinrich Bütefisch (Leiter der Wirtschaftsgruppe Kraftstoffindustrie) und Neubacher hatte der IG-Farben-Konzern seine Repräsentanten und Vertrauensleute an führender Stelle in allen für die Erdöl- und Treibstoffpolitik des deutschen Imperialismus entscheidenden staatlichen und staatsmonopolistischen Machtorganen. Am 22. Juli 1941 erhielt die Konti ö l vom Reichswirtschaftsministerium die Vollmacht, auf dem besetzten sowjetischen Territorium „alle erforderlichen Maßnahmen mit Nach409 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 415, Bl. 34, Dok. PS-1456, AN v. Thomas üb. Vorträge bei Göring und Keitel am 17. 7. 1941, v. 18. 7. 1941. — Ursprünglich, noch vor dem Überfall auf die UdSSR, soll Göring Neubacher als Reichskommissar für das Kaukasusgebiet benannt haben (Dattin, S. 254). Dallins Aussagen zu unserem Thema sind insgesamt äußerst dürftig und vielfach irreführend. 410 Anatomie des Krieges, S. 168f., Dok. 61. — Seine enge Verbindung zum IG-Farben-Konzern, Ausgangspunkt und Basis für seine gesamte spätere Tätigkeit, erwähnt Neubacher in seinen nach dem Krieg geschriebenen Memoiren mit keinem Wort (Neubacher, Hermann, Sonderauftrag Südost 1940-1945, 2. Aufl., Berlin(West)/Frankfurt a. M. 1957). 411 Wichtige Funktionen Neubachers: Januar 1940 — „Sonderbeauftragter für Wirtschaftsfragen bei der Deutschen Gesandtschaft in Bukarest" (Ende) 1941 — Gesandter I. Klasse und „Bevollmächtigter für Erdölangelegenheiten im Südosten" Oktober 1943 — Sonderbevollmächtigter Hitlers für die „einheitliche Führung des Kampfes gegen den Kommunismus im Südosten". (Radandt, Hans, Die IG Farbenindustrie AG und Südosteuropa bis 1938, in JfW, 1966, T. 3, S. 179ff. ; Griff nach Südosteuropa, passim). 412 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 9593, Bl. 112, AN Weigelt für Abs, 29. 10. 1941. 413 Neubacher an Hans Frank, 18. 8. 1941, zit. b. Radandt, Die IG Farbenindustrie AG und Südosteuropa bis 1938, S. 180. 414 Ernst Rudolf Fischer, seit 1929 Prokurist, später Direktor im IG-Farben-Konzern, Ende 1932 von Krauch und ligner mit der Einarbeitung ins Erdölgebiet beauftragt, wurde seit 1933 auf diesem Gebiet unter Berücksichtigung seiner aktiven Mitgliedschaft in der NSDAP vom Konzern in maßgebliche wirtschaftspolitische Positionen lanciert. Als Abteilungsleiter für Mineralöl im Reichswirtschaftsministerium in besonders engem Kontakt zu Göring, war er seit Gründung der Konti ö l leitendes Vorstandsmitglied dieser Gesellschaft (neben Karl Blessing und Hans Brochhaus) und zugleich Geschäftsführer der Borussia GmbH, jener staatlichen Beteiligungsgesellschaft, die die absolute Aktienmajorität der Konti ö l verwaltete (s. Band I, S. 235 ff.). 32 Eichholtz II

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druck zu betreiben", d. h. in erster Linie „im eigenen Namen oder durch Tochtergesellschaften sämtliche der Mineralölwirtschaft dienenden Anlagen in Besitz" zu nehmen. 415 Man bestätigte ihr nochmals das „ausschließliche Recht zur Gewinnung, Verarbeitung und zum Handel von Mineralölerzeugnissen" und erklärte die „Gruppen Mineralöl bei Wi Stab Ost, den Wi In, Wi Kommandos und Außenstellen" zu ihren ausführenden Organen. Die genannten militärischen Organe und die der Konti öl bzw. ihrer Tochtergesellschaften sollten der Einfachheit und der „Personalersparnis" halber „bis auf weiteres, wenigstens in ihren führenden Personen, personengleich sein". Auch Göring bestätigte der Konti öl, wie schon in der „Grünen Mappe", ihre umfassenden und ausschließlichen Vollmachten. 416 Die Konti öl verwandelte sich binnen kürzester Frist in einen ausgedehnten Konzern, der seine räuberischen Fangarme über ganz Ost- und Südosteuropa ausstreckte. Tabelle 114 Tochtergesellschaften

der Kontinentale

Ol AG (Stand vom 13. Januar

Gründungsdatum Kontinentale Öl GmbH * Baltische ö l GmbH Ostland ö l Vertriebs GmbH Ukraine ö l Vertriebs GmbH Ost ö l GmbH Kontinentale Transport AG

Mai 1941 Juli 1941 Oktober 1941 ? ? September 1941

1942)

Kapital (RM) 1000000 1 0 0 0 000 50000 50000 100000 3500000

* Mit 4 rumänischen Tochtergesellschaften, die mit rd. 23 Prozent an der rumänischen Erdölproduktion beteiligt waren Quelle: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 417, Bl. 337ff., Dok. NI-10162, Protokoll der 2. Sitzung des Aufsichtsrats der Konti ö l am 13. 1. 1942 (Bericht Blessing); s. a. Czollek/Eichholtz, Konzeption, S. 173 f.

Die Ost öl GmbH (Ostöl), vermutlich im August 1941 ins Leben gerufen, sollte unter den Tochtergesellschaften der Konti öl die wichtigste Rolle spielen. Ihr waren Übernahme und Betrieb der kaukasischen Erdölquellen vorbehalten. Ende 1941 hatte diese Gesellschaft bereits für rund 16 Millionen RM Bohrgeräte, Fahrzeuge und andere Betriebsmittel gekauft, „für den ersten Einsatz" weitere Aufträge in Höhe von 70 bis 75 Millionen RM an die deutsche Industrie vergeben und über diese Summen Kreditverträge mit den Großbanken abgeschlossen. 417 Es vergingen kaum Wochen, seit der Konti Öl grünes Licht für ihre Betätigung auf dem besetzten sowjetischen Territorium gegeben war, da klangen die Fanfaren der ersten militärischen Erfolge schon gedämpfter. Ende Juli/Anfang August führte der heldenhafte Widerstand der sowjetischen Truppen die Operationspläne der Wehrmacht immer mehr ad absurdum. Noch am 23. Juli hatte Generaloberst Halder, Generalstabschef des Heeres, Hitler über die Termine des weiteren deutschen Vordringens Vortrag gehalten: „Etwa in einem Monat (25. 8.) kann man unsere Truppen annehmen um Leningrad, um Moskau, in 415 Wie Anm. 407 (Bl. 115 ff.) Hiernach auch das Folgende. 416 Czollek/Eichholtz, S. 162f., S. 174f. 417 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 417, Bl. 341f., Dok. NI-10162, (Bericht Blessing) u. Bl. 353 (Bericht Fischer).

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L i n i e Orel — K r i m . A n f a n g O k t o b e r a n d e r W o l g a , Anfang November um Baku, Batum." 418 D i e D a t i e r u n g e n H a l d e r s g a l t e n f ü r d i e Ziele, die H i t l e r u n d G e n e r a l f e l d m a r s c h a l l v. B r a u c h i t s c h sich in d e r a m V o r t a g a b g e f a ß t e n E r g ä n z u n g z u r W e i s u n g N r . 3 3 4 1 9 g e s t e c k t h a t t e n . D o c h s c h o n eine W o c h e s p ä t e r e r g i n g u n t e r d e m D r u c k d e r h e r o i s c h e n V e r t e i d i g u n g s a n s t r e n g u n g e n d e r S o w j e t a r m e e d i e W e i s u n g N r . 34, in d e r H i t l e r d e n V o r s t o ß n a c h K a u k a s i e n u n d a n d e r e Ziele „ v o r e r s t z u r ü c k z u s t e l l e n " 4 2 0 b e f a h l . I m W e h r w i r t s c h a f t s - u n d R ü s t u n g s a m t d e s O K W b r a c h e n E n d e J u l i 1941 e r n s t e Zweifel a u f : „ F r a g e , w a s auf d e m M i n e r a l ö l g e b i e t n u n zu t u n ist, d e n n e t w a s m u ß g e t a n w e r d e n . N u r n o c h 2 M o n a t e Zeil. R u s s i s c h e E i n f u h r e n zeitlich u n d m e n g e n m ä ß i g u n s i c h e r . Chef R o [ h s t o f f a b t e i l u n g ] will einen G r u n d p l a n a u s a r b e i t e n f ü r d e n u n g ü n s t i g s t e n F a l l , d. h . o h n e j e d e E i n f u h r e n a u s R u ß l a n d . A u s w e g n u r E i n s c h r ä n k u n g e n . M a n k a n n d a n n viell e i c h t g e r a d e so h i n k o m m e n . " 4 2 1 A m 29. J u l i z e i c h n e t e d e r Chef des A m t e s , G e n e r a l T h o m a s , im Beisein E . R . F i s c h e r s ein t r i s t e s B i l d v o n d e r T r e i b s t o f f l a g e im k o m m e n d e n W i n t e r : „ B e d a r f r u n d 1 1 7 0 0 0 0 m o t o , Deckung r u n d 700000 m o t o (deutsche und rumänische Erzeugung); Fehlbedarf rund 4 0 0 0 0 0 m o t o , o h n e V o r r a t s b e s t a n d v o n 1 M o n a t s v e r b r a u c h f ü r m i l i t ä r i s c h e Oper a t i o n e n . " 4 2 2 F i s c h e r i n d e s s e n w a r m i t e i n e m A u s w e g b e i d e r H a n d : „Alle B o h r g e r ä t e in D e u t s c h l a n d , U n g a r n u n d R u m ä n i e n e i n s e t z e n . Auf diese W e i s e v i e l l e i c h t z e h n p r o z e n t i g e S t e i g e r u n g d e r E r z e u g u n g zu e r r e i c h e n . " 4 2 3 A m f o l g e n d e n T a g v e r z e i c h n e t e d i e gleiche Quelle F i s c h e r s „ A n s i c h t , d a ß A n t o n e s c u k e i n e p o l i t i s c h e n S c h w i e r i g k e i t e n m a c h e n w i r d , w e n n w i r w ä h r e n d des Krieges die E r d ö l v o r r ä t e R u m ä n i e n s a u f s ä u ß e r s t e a u s b e u t e n . " 4 2 4 Auf d e r B e s p r e c h u n g v o m 4. A u g u s t b e i G e n e r a l W a r l i m o n t im W e h r m a c h t f ü h r u n g s s t a b ü b e r d i e v o r a u s s i c h t l i c h e T r e i b s t o f f l a g e im W ' i n t e r 1941/42 w u r d e e n t s p r e c h e n d d e n A n r e g u n g e n F i s c h e r s als w i c h t i g s t e s A u s h i l f s m i t t e l „ f ü r einige M o n a t e " d i e „ S t e i g e r u n g d e r r u m ä n i s c h e n E r d ö l f ö r d e r u n g d u r c h r ü c k s i c h t s l o s e n A b b a u ( R a u b b a u ) " , f ü r d i e sich G ö r i n g b e i M a r s c h a l l A n t o n e s c u e i n s e t z e n sollte, a u s d r ü c k l i c h „ i m H i n b l i c k auf a n f a l l e n d e russische V o r k o m m e n (Maikop u n d Grosny)" vorgesehen.425 Vergleichbares f a ß t e m a n f ü r U n g a r n ins A u g e . W a r l i m o n t s E r w a r t u n g e n f ü r 1941 w a r e n zu d i e s e r Zeit a l l e r d i n g s n o c h h o c h g e s p a n n t : „GenQu skeptisch bezüglich B a k u , W a r l i m o n t dagegen optimistischer." 426 I m L a u f e d e r H e r b s t m o n a t e z e r s c h l u g e n sich m e h r u n d m e h r s o w o h l d i e m i l i t ä r i s c h e n „ B l i t z k r i e g s " - H o f f n u n g e n als a u c h d i e w i r t s c h a f t s p o l i t i s c h e n Z i e l s e t z u n g e n d e r d e u t s c h e n I m p e r i a l i s t e n . J e t z t w e c h s e l t e n b e i d e n O k k u p a n t e n illusionäre H o f f n u n g e n auf d a s E r d ö l 418 419 420 421 422 423 424 425

Haider, Bd. 3, S. 107, Notizen f. Vortrag b. Hitler v. 23. 7. 1941 (meine Hervorh. - D. E.). Hitlers Weisungen für die Kriegführung, S. 142ff. (datiert v. 23. 7. 1941). Ebenda, S. 145 (30. 7. 1941). Ζ StA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 28. 7. 1941. - Der letzte zit. Satz ist von Thomas hs. gestrichen. Ebenda, Eintr. v. 29. 7. 1941. Ebenda. Ebenda, Eintr. v. 30. 7. 1941. Ebenda, Film 1775, Aufzeichnungen v. Major Rudelsdorff (WiRüAmt) über Besprechung b. General Warlimont (Wehrmachtführungsstab/Chef L) am 4. 8. 1941 (Äußerungen v. Oberst Becht (WiRüAmt/Chef Ro)). — Göring und auch Hitler verhandelten in diesem Sinne im November 1941 mit Mihai Antonescu ( A d a P , Serie D, Bd. 13/2, S. 689ff., Dok. 505, und S. 726ff., Dok. 519, Besprechungen vom 26. u. 28. 11. 1941). Rumänien wurden als „Ausgleich" Beteiligungen an den künftigen Großölinteressen im Mittleren Osten", an „russischen und iranischen Petroleuminteressen" angeboten (S. 690).

426 ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 5. 8. 1941. 32*

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mit pessimistischen Beurteilungen und Berechnungen der Treibstofflage. E s trafen niederschmetternde Nachrichten über die Evakuierungen und umfassenden Zerstörungen ein, die die sowjetischen Verteidiger vor dem Einmarsch der Wehrmacht fast überall noch hatten vornehmen können. „Aus Maikop kaum etwas zu erwarten", notierte Thomas in diesem Zusammenhang ahnungsvoll. 4 2 7 Die Beherrscher der Konti ö l ließen sich währenddessen nicht im geringsten von ihren intensiven Vorbereitungen auf die Eroberung des Kaukasus abbringen. Ihr militärischer Stoßtrupp, das vorzüglich ausgerüstete Mineralölkommando K(aukasus), arbeitete sich über Odessa und Cherzon in Richtung Rostov vor. Diese Einheit — in Bataillonsstärke — unterstand der Wirtschaftsinspektion S ü d des Wirtschaftsstabes Ost, hatte aber außerdem unmittelbare Verbindungen sowohl zu diesem selbst als auch zu den Leitern und Spezialisten der Konti ö l . Ihr Kommandeur war Rittmeister Erich Will, ein Schwager von Hugo Stinnes 4 2 8 , im Zivilberuf Vorstandsmitglied der Gewerkschaft Elwerath, des größten deutschen erdölfördernden Unternehmens, dessen maßgeblicher Eigentümer (im Besitz von mindestens 312 der 1000 Kuxe) die Wintershall AG war. 4 2 9 Elwerath und Wintershall zählten beide zu den Gründerfirmen der Konti ö l . Will spielte für den Kali-Erdöl-Konzern Wintershall-Elwerath eine ähnliche, allerdings nicht derart bedeutende Rolle wie Neubacher für den IG-Farben-Konzern. 4 3 0 Noch Ende Oktober ließen die Herren der Konti Öl die Herstellung einer besonderen „Funkverbindung von Maikop nach B u k a r e s t " vorbereiten, die „ a m 1. 12. stehen" sollte. 4 3 1 Der Plan, eine „Kaukasus-Pipeline" zu legen, wurde hingegen aufgegeben, „da der B a u mindestens 2 J a h r e dauern würde". 4 3 2 Dafür nahm man im Oktober/November ein großes Programm für den B a u von Erdöl-Kesselwaggons in Angriff. 4 3 3 Die Rückeroberung von Rostov Ende November und die große Gegenoffensive der Sowjetarmee Anfang Dezember vor Moskau durchkreuzten vorläufig alle Planungen der Konti öl, die, wie Fischer a m 13. J a n u a r 1942 vor dem Aufsichtsrat ausführte, „weisungsgemäß damit gerechnet (hatte), im Herbst vorigen Jahres im Kaukasus zum E i n s a t z zu kommen". 4 3 4 E r ließ bei dieser Gelegenheit auch die „wiederholte Verlegung des Termins" nicht unerwähnt, die ständig Änderungen an den Einsatzplänen und -Vorbereitungen erforderlich gemacht habe. 4 3 5 Blessing und Fischer versicherten, die Vorbereitungen für den „ K a u k a s u s e i n s a t z " würden nichtsdestoweniger mit Nachdruck vorangetrieben; sie 427 Ebenda, Film 8274, K T B WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 22. 10. 1941. 428 Ebenda, Deutsche Bank, Nr. A 1, B d . 32, AN Sippell für Abs, 11. 1. 1941. 429 Kasper, Hanns-Heinz, Die Erdölgewinnung Deutschlands in der Zeit von 1933 bis 1945, Diss. (Β) T U Freiberg 1974 (im folgenden: Kasper, Erdölgewinnung), S. 17, S. 259 u. S. 265 (Datierungen bei Kasper nicht exakt). 430 Funktionen Wills (nach Kasper, Erdölgewinnung, S. 75ff., S. lOlf. u. S. 65) : 1939 — Leiter der Erdölkommission der Wehrmacht 1940 — Sonderbevollmächtigter für die Erdölwirtschaft im Generalgouvernement 1941 — Leiter des Mineralkommandos Süd (L'vov). 431 ZStA Potsdam, F S , Film 8274, K T B WiRüAmt/Stab, Eintr. v. 23. 10. 1941. - In Bukarest hatte Neubacher seinen Dienstsitz. 432 Ebenda, Eintr. v. 24. 10. 1941. 433 Ebenda. 434 Ebenda, Fall X I , Nr. 417, Bl. 353, Dok. NI-10162, Protokoll der 2. Sitzung des Aufsichtsrats der Konti ö l a m 13. 1. 1942. 435 Ebenda, Bl. 353 f.

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verlangten aber, daß zur rechten Zeit die benötigten Hunderte von Fachkräften, das Bohrmaterial usw. zur Verfügung gestellt würden. Man müsse davon ausgehen, so erklärten sie, „daß die Russen bei ihrem Abzug aus den kaukasischen Erdölfeldern Bohrgeräte und Raffinerien abgebaut und abtransportiert haben, wie dies in gleicher Weise in anderen bereits besetzten Erdölgebieten erfolgte". 436 Aufsichtsratsvorsitzer Walther Funk stellte der Gesellschaft als Reichswirtschaftsminister entsprechende staatliche Maßnahmen — „seien sie auch noch so drastisch" — in Aussicht. 437 Als der Sommer näherrückte, richteten sich die Konti ö l und ihre Exekutivorgane beschleunigt auf die sehnlichst erwartete neue Offensive ein. Am 29. März 1942 wurde in Anbetracht der Bedeutung und des Umfangs des Kaukasusvorhabens durch Erlaß des OKW das Mineralölkommando (K) zur Technischen Brigade Mineralöl (TBM) umgebildet und erweitert, die aus drei Bataillonen und einer ganzen Reihe von Sondereinheiten bestand 4 3 8 und im Spätsommer 1942 über 6500 Mann zählte. 439 Zum Kommandeur der TBM wurde Erich Homburg ernannt, ein hochdekorierter General aus Görings Luftwaffe. Chef des Stabes der TBM war Will, nun zum Major avanciert. 4 4 0 Damit war auf dem Höhepunkt der faschistischen Sommeroffensive, deren Hauptziel Baku war, „eine große Organisation geschaffen worden mit Tausenden von Arbeitern, die hinter der Front warteten, bis der Zutritt zu den Mineralölfeldern freigemacht worden war." 4 4 0 a Die tatsächliche Leitung dieser Organisation lag, nach Krauchs Aussage, in den Händen von Neubacher und Fischer. 4 4 0 b Auch alle anderen Schlüsselpositionen in der TBM hatten Fachleute der Großkonzerne inne. Das Unterstellungsverhältnis der Brigade war und blieb unklar. Obwohl Göring jegliche Vollmachten hinsichtlich des kaukasischen Öls und der TBM auf Grund von Hitlers Ermächtigung für sich reklamierte, unterstand die TBM im Operationsgebiet faktisch dem jeweiligen Armeewirtschaftsführer. Sie bemühte sich indessen noch vor Beginn der Offensive um die direkte Unterstellung unter den Chef des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes, General Thomas, 441 und unterstand schließlich, nach Thomas' Entmachtung, dem Chef des Wirtschaftsstabes Ost, General Stapf. Anfang 1942 begannen die Verhandlungen der Konti öl mit französischen Industriekreisen. Die deutsche Seite erbot sich, die Franzosen an dem erhofften großen Ölgeschäft zu beteiligen; die Gegenleistung bestand im Abbau und in der Ausschlachtung französischer Erdölraffinerien, die die Konti öl in der U d S S R wieder montieren wollte. Blessing behauptete nach dem Kriege, die französischen Industriellen — „jedenfalls einige"(!) — seien „von der Idee im damaligen Zeitpunkt begeistert" gewesen. 442 Es kam jedoch trotz zunehmenden Drucks auf die französische Seite kein Ubereinkommen zustande. Im Sommer 436 437 438

Ebenda, Bl. 3 5 3 . Ebenda, Bl. 3 3 5 . Ebenda, F S , Film 1 8 1 0 , Durchführungsanordnung v . General Thomas v . 7. 4. 1 9 4 2 zum O K W - E r l a ß v . 29. 3. 1942.

439 440 440a 440b 441

Birkenfeld, Kaukasus, S. 86. Thomas, S. 3 3 1 f. ; Kasper, Erdölgewinnung, S. 1 0 1 f. Z S t A Potsdam, Fall VI, Film 4 1 0 , Dok. NI-6524, A f f i d . K r a u c h , 29. 4. 1947. Ebenda. Ebenda, F S , Film 1 8 2 8 , TBM an W i R ü A m t , 13. 5. 1 9 4 2 . - Dieser A n t r a g w u r d e gestellt, obwohl die Erlasse v o m 2 9 . 3 . und v o m 7. 4 . 1 9 4 2 (s. A n m . 438) bereits die Unterstellung unter Chef O K W / W i R ü A m t vorsahen. Ebenda, Fall X I , Nr. 178, Bl. 8 8 , Prozeßprotokoll, Zeugenvernehmung Blessing, 9. 9. 1984.

442

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ging die Konti öl zu Drohungen und Gewaltmaßnahmen über. Hierbei schob sie Göring, den GB Chemie (Krauch) und andere Dienststellen vor. 443 Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der deutschen Imperialisten standen im Jahre 1942 zunehmend unter dem Einfluß ihrer Treibstoffkalamität. Der Treibstoffmangel erlegte den operativen Planungen der Wehrmacht bereits Beschränkungen auf und beengte vor allem die Panzer- und Luftwaffenverbände in ihrer Beweglichkeit und Operationsfreiheit. Schließlich spielte er eine wesentliche Rolle bei der Wahl der strategischen Hauptstoßrichtung der faschistischen Sommeroffensive. Hitler und das OKW bezeichneten schon in der Weisung Nr. 41 vom 5. April 1942 als erste und wichtigste Aufgabe der Offensive die „Hauptoperation im Südabschnitt . . . mit dem Ziel, den Feind vorwärts des Don zu vernichten, um sodann die ölgebiete im kaukasischen Raum und den Übergang über den Kaukasus selbst zu gewinnen". 444 Keitel bekannte im Beisein von Thomas und Riecke unter sechs Augen: „Klar ist, daß die Operationen des Jahres 1942 uns an das öl bringen müssen. Wenn dies nicht gelingt, können wir im nächsten J a h r keine Operationen führen." 445 In die gleiche Kerbe schlug Hitler, als er am 1. Juli 1942, zu Beginn der Offensive, auf einer Oberbefehlshaberbesprechung bei der Heeresgruppe Süd in Poltava großspurig, doch nicht ohne das Bewußtsein möglicher Gefahr erklärte: „Wenn ich das öl von Maikop und Grosny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren." 446 Grecko kommt nach einer Analyse der Strategie des faschistischen Oberkommandos zu dem Schluß, „daß sich die Tendenz, die Hauptkräfte der deutschen Streitkräfte auf den Südflügel der sowjetisch-deutschen Front zu verlagern, um so stärker geltend machte, je deutlicher es sich abzeichnete, daß der Gedanke des Blitzkrieges' scheitern würde und mit einem längeren Krieg zu rechnen war". 447 Die Beweggründe für den Feldzugsplan des Sommers 1942 waren freilich nicht rein kriegswirtschaftlicher Natur. Dieser Plan war „vor allem von politischen Motiven diktiert" 448 , d. h., er sollte nicht nur die kaukasischen Ölquellen in die Gewalt der deutschen Imperialisten bringen, sondern mit der Eroberung Stalingrads und des Kaukasus der Sowjetunion selbst den Lebensfaden abschneiden und zugleich den Weg freimachen für eine offensive Kriegführung gegen das britische Weltreich in Richtung Naher Osten — Mittlerer Osten — Indien. 449 So hing im Jahre 1942 das Schicksal der Völker dieses Raumes unmittelbar vom Widerstand des Sowjetvolkes ab. Ende Juni 1942 begann zwischen Voronez und Rostov die faschistische Sommeroffensive. Unter dem Eindruck der ersten Angriffserfolge fand am 10. Juli bei Göring in seinem ostpreußischen Hauptquartier eine „ölsitzung" statt, auf der die Verantwortlichen der 443 Siehe Eichholtz, Erdölquellen, S. 474, Dok. 1; S. 499, Dok. 4. — Blessing bestritt in Nürnberg diesen Tatbestand und behauptete genau das Gegenteil: Die Konti ö l und besonders Fischer hätten gegen derartige Methoden Widerstand geleistet! (ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 178, Bl. 9 3 f . ; ebenda, Nr. 179, Bl. 106ff., Vernehmung Blessing ν . 10. 9. 1948. 444 Der zweite Weltkrieg. Dokumente, S. 154, Dok. 36. 445 ZStA Potsdam, FS, Film 1829, A N v. Thomas üb. Besprechung b. Keitel am 28. 5. 1942 („Vorbesprechung"), v. 1. 6. 1942. — Hans-Joachim Riecke, Ministerialdirektor im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, war zugleich Chef der Hauptgruppe Landwirtschaft im Wirtschaftsstab Ost. 446 IMG, Bd. 7, S. 290, Prozeßprotokoll, Zeugenvernehmung v. G FM Paulus am 11. 2. 1946. 447 Gretschko, S. 35. 448 Ebenda, S. 36. 449 Grundlegend zur Strategie des faschistischen deutschen Imperialismus gegenüber dem Nahen und Mittleren Osten Tillmann, Heinz, Deutschlands Araberpolitik i m zweiten Weltkrieg, Berlin 1965; desweiteren Hirszowicz, Lukasz, III Rzesza i Arabski Wschód, Warschau 1963.

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Konti öl bzw. der Ostöl gemeinsam mit Göring in engstem Kreise letzte Vorbereitungen für den Vormarsch der TBM und der Erdölspezialisten der Monopole unmittelbar hinter den Angriffsspitzen der Wehrmacht trafen. Die Sitzung diente dem Zweck, noch rechtzeitig eine Reihe von Entscheidungen höchsten Orts zu veranlassen, die den Chefs der Konti Öl vorrangig erschienen. Das Protokoll der Sitzung ist — ebenso wie das der zweiten Sitzung am 21. November 450 — ein in seiner Prägnanz einmaliges Dokument sowohl imperialistischer Expansionsgier als auch des entwickelten und komplizierten Zusammenspiels und Ineinandergreifens militärischer, politischer und wirtschaftlicher Macht innerhalb des staatsmonopolistischen Mechanismus. Die Vertreter der Ölgesellschaften führten die Verhandlungen geschickt, so daß Göring, den sie in seinem selbstgefälligen Bramarbasieren nicht störten, alle für sie wichtigen Entscheidungen in ihrem Sinne traf bzw. vorbereiten ließ. Er versprach vor allem Arbeitskräfte. Als die Rede auf diesen heiklen Punkt kam, zeigte es sich, daß die Anwesenden im Erfolgsrausch der Offensive bereits die baldige Eroberung der irakischen Erdölfelder (Mosul, Kirkuk) als sicher einkalkulierten. Göring versprach rasche Förderung des Öltankerbaus. Er sagte auf die Insinuation von Fischer hin ausdrücklich die gewaltsame Enteignung der französischen Raffineriebesitzer zu für den Fall, daß kein Abkommen zwischen ihnen und der Konti Öl über den Abbau und Abtransport ihrer Raffinerien in Richtung Osten zustandekäme. Er gebrauchte starke Worte wegen der vermeintlich zu geringen Zahl an verfügbaren Bohrausrüstungen und stellte die Hilfe sowohl der Zentralen Planung als auch speziell des Hermann-Göring-Konzerns in Aussicht. Er hatte vor allem seinen Einfluß bei Hitler geltend gemacht, damit die TBM, die „schon Wochen vorher westlich Rostov bereitgestellt war", 451 unmittelbar zum Gefolge der vordersten Stoßarmeen — in Richtung Kaukasus waren die 1. und 4. Panzerarmee vorgesehen — gerechnet wurde. Damit bestand auch die Chance, die ungeheuren Mengen an Bohrgeräten und anderem Material, die der Fracht von 80 bis 100 Güterzügen entsprachen, gleichzeitig mit dem Truppennachschub in die ölreviere zu transportieren. Für besonders dringende Transporte ins ölgebiet standen der Konti Öl sogar Flugzeuge der Luftwaffe zur Verfügung. Nach der Weisung Nr. 45 vom 23. Juli 1942, die die Hauptstoßkraft der deutschen Verbände nach Stalingrad und nach dem Süden — zur östlichen Schwarzmeerküste und zum Kaukasus — lenkte, waren „die gesamte Ostküste des Schwarzen Meeres" und „das Höhengelände von Maikop und Armawir in Besitz zu nehmen", weiterhin „der Raum um Grosny zu gewinnen" und schließlich „der Raum um Baku in Besitz zu nehmen". 452 Diese Operationen liefen unter dem Tarnnamen „Edelweiß". 453 In der ersten Augustwoche stießen Eliteeinheiten der 1. deutschen Panzerarmee — die zum Teil durch Flugzeuge mit Treibstoff versorgt werden mußten 4 5 4 — von Nordosten her nach Majkop vor. Am 9. August drangen die ersten Panzer in die Stadt ein; am folgenden Tag wurde sie von der Sowjetarmee geräumt. Schon am 1. August hatte das Oberkommando der Heeresgruppe A angeordnet, „die demnächst in Rostov eintreffende Beide Protokolle gedr. in EichhoUz, Erdölquellen, S. 462 ff. Hiernach auch das Folgende. Thomas, S. 331. Der zweite Weltkrieg. Dokumente, S. 175, Dok. 38. Siehe die umfassende Darstellung des strategischen Hintergrunds des Planes „Edelweiß" und des Verlaufs der Kampfhandlungen bei Ibragimbejli, Chadzi Mural, Krach „Edel'vejsa" i Bliznij Vostok, Moskau 1977. 454 ZStA Potsdam, FS, Film 18429, KTB der Heeresgruppe A, Eintr. v. 2. 8. 1942. 450 451 452 453

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Vorausabteilung der Mineralölbrigade sei bei ihrem Erscheinen in Rostov sofort über die Brücke (die einzige unzerstörte Donbrücke der Stadt — D. E.) zu führen, sie würde anschließend hinter der 1. Pz.Armee weiter vorgezogen werden". 455 Die Erdölfelder lagen aber noch weit südwestlich „in dem bergigen und urwaldähnlichen Gelände" 4 5 6 der Hochtäler, die ins Gebirge führten, und erstreckten sich etwa parallel zur Kammlinie des Kaukasus von Nordwest bis Südost über eine Länge von über 100 km. Von der Stadt waren sie im Durchschnitt 60 bis 70 km entfernt. In der zweiten Augusthälfte gelangten die deutschen Truppen unter erbittertster Gegenwehr in den südöstlichen älteren Teil des Erdölgebiets, und erst in der ersten Oktoberhälfte besetzten sie auch den nordwestlichen Teil. Anfang September gelang es den Faschisten, einen Brückenkopf jenseits des Terek in Richtung auf Ordjonikidze und Groznyj zu bilden; ihre wiederholten Versuche, weiter durchzubrechen und Groznyj zu erobern, scheiterten jedoch blutig. Damit blieb auch Baku, die Hauptstadt Sowjetazerbaidzans, für sie unerreichbar. Vor Groznyj eroberten die Okkupanten Anfang Oktober das am weitesten westlich gelegene Ölfeld bei Malgobek etwa zur Hälfte. Weiter kamen sie nicht. Die Sonden dort lagen unter ständigem Beschüß von sowjetischer Seite, so daß die Erkundertrupps der TBM sich damit begnügen mußten festzustellen, daß der Zerstörungsgrad der gleiche war wie im Majkoper Revier. 4 5 7 Ende Oktober resümierte die T B M : „Der betriebliche Zustand aller Felder ist von Malgobek bis zur Tamanhalbinsel, wie fachlicherseits vorausgesagt, der gleiche: intensivste Zerstörungen der Übertageeinrichtungen, völlige Vernagelung der Bohrungen, weitgehende Materialevakuierung. Sonden mit guter Produktion sind am sorgfältigsten zerstört. Abgesehen von üblichen Methoden: Hineinwerfen von Steinen und Eisenteilen, Fallenlassen von Gestänge und Steigerohren und Verzementierungen, wurden eigens zu diesem Zweck Stahlpilze von 30—40 kg Gewicht eingebaut, deren Köpfe genau in die Verrohrung passen und am Fuß bewegliche Klemmbacken tragen, die, falls es gelingen sollte, den Pilz zu fassen, auf das verdickte Fußende rutschen und gegen die Verrohrung festklemmen." 4 5 8 Die meisten Felder waren stark vermint. „Gesprengt und ausgebrannt waren auch das Kraftwerk in Apscheronskaja und die Raffinerie in Krasnodar, die mit dem Ölgebiet durch eine Pipeline verbunden war und unter anderem auch Flugbenzin erzeugt hatte." 4 5 9 Die ölfelder von Majkop lagen bis Ende Oktober, mit Ausnahme von etwa fünf Wochen im August/September, in der Hauptstoßrichtung der Kaukasusgruppierung der Wehrmacht. Auf Biegen oder Brechen sollten sich die deutschen Truppen hier längs der Straße und Eisenbahn in südwestlicher Richtung über das Gebirge nach Tuapse durchkämpfen. Doch gerade hier stießen sie auf härtesten Widerstand. 20 Kilometer vor Tuapse blieb der deutsche Angriff am 23. Oktober endgültig stecken, etwa 75 Kilometer von Majkop entfernt. Kein Wunder, daß den Spezialisten der TBM während dieser und der folgenden Zeit wohl Aufräumungsarbeiten, kaum aber Wiederaufschluß-, Bohr- und Gewinnungsarbeiten größeren Stils möglich waren, zumal da Teile des Erdölreviers in unmittelbarer 455 E b e n d a , E i n t r . v . 1. 8. 1942. 456 E b e n d a , E i n t r . v . 21. 8. 1942. 457 Birkenfeld, K a u k a s u s , S . 9 0 ; Z S t A P o t s d a m , F S , F i l m 18429, K T B der H e e r e s g r u p p e A , E i n t r . v . 6. 10. 1942. 458 Okkupation, Raub, Vernichtung, S . 242, D o k . 97, B e r i c h t T B M (Schlicht) v . 28. 10. 1942. 459 Birkenfeld, K a u k a s u s , S. 87.

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Frontnähe blieben. General Thomas stellte später fest, „daß die Mineralölbrigade lange Zeit im Gebiet von Maikop im Feuer des Feindes arbeiten m u ß t e " . 4 6 0 Zudem halfen die Partisanen und Widerstandskämpfer, den Plan der Eindringlinge zu durchkreuzen, die die deutsche Kriegsmaschinerie m i t sowjetischem Erdöl speisen wollten. Von den 142 Partisanenabteilungen und -gruppen, die im Gebiet von Krasnodar und Ordjonikidze operierten, zeichneten sich durch besondere A k t i v i t ä t jene Abteilungen aus, in denen Arbeiter des Majkoper ölreviers kämpften. 4 6 1 Unter diesen Umständen, denen die prekäre Nachschub- und Transportlage, der Treibstoffmangel und später auch das hereinbrechende Herbst- und Winterwetter zuzuzählen waren, half auch ein dringender Befehl Hitlers vom 12. Oktober 1942 über den „Wiederaufbau der Mineralölindustrie im K a u k a s u s " 4 6 2 wenig. Mit diesem E r l a ß sollten der K o n t i Öl die einheimischen Arbeitskräfte und der Materialnachschub gesichert werden. Die Arbeiter sollten so ernährt werden, „daß ihre Arbeitswilligkeit und Arbeitsfähigkeit gewährleistet i s t " ; ihr Abzug zu anderen Arbeiten wurde untersagt. Material und Ausrüstung waren in der höchsten Dringlichkeitsstufe zu produzieren und als Wehrmachttransporte beschleunigt heranzufahren. Das Eisenbahnnetz im Erdölgebiet sollte vordringlich instandgesetzt werden. Von den ungeheuren Schwierigkeiten und unlösbaren Problemen, vor denen die deutschen Imperialisten standen, zeugte die zweite „Ölbesprechung", die am 21. November 1942 bei Göring stattfand, 4 6 3 zwei Tage bevor die deutsche 6. Armee in Stalingrad eingeschlossen wurde. Der Kreis der aktiven Teilnehmer der Sitzung war im wesentlichen der gleiche wie auf der Sitzung vom 10. J u l i . Die Hauptvertreter der K o n t i Öl, Fischer und Bentz 4 6 4 , standen unter dem frischen Eindruck einer Inspektionsreise ins Ölgebiet von Majkop. „Das war die größte E n t t ä u s c h u n g " , gab Fischer zu, als er von den vorgefundenen Zerstörungen und von dem entschlossenen Widerstand des Sowjetvolkes berichtete. 4 6 5 E s sei weniger aufwendig und zeitraubend, überall neu zu bohren. Habe man jedoch die Bohrausrüstungen m i t unsäglicher Mühe an Ort und Stelle geschafft, so tauchten immer wieder starke Sprengtrupps der Partisanen auf, um die Bohrstellen wieder wegzusprengen. Man müsse praktisch — so Fischer — „jede Bohrung m i t Drahtverhau und mit S t ü t z p u n k t e n " versehen. 4 6 6 Zugleich waren die Eindringlinge wütend entschlossen, das einmal Eroberte nicht wieder preiszugeben, und von dem abenteuerlichen Drang beseelt, den Raubzug im J a h r e 1943 fortzusetzen, um möglichst bald an die ergiebigsten Quellen des kaukasischen Öls zu gelangen. 460 Thomas, S. 332. 461 Velikaja otecestvennaja vojna Sovetskogo Sojuza 1941—1945. Kratkaja istorija, 2. Aufl., Moskau 1970, S. 181. 462 BA Koblenz, R 41/270, Befehl Hitlers betr. „Wiederaufbau der Mineralölindustrie im Kaukasus" v. 12. 10. 1942. 463 Siehe EichhoUz, Erdölquellen, S. 483ff., Dok. 4. 464 Professor Alfred Bentz, der Vierjahresplan-„Beauftragte für die Förderung der Erdölgewinnung", führender Kopf in der Reichsstelle bzw. im Reichsamt für Bodenforschung, eine Kapazität auf dem Gebiet der Erdölfördertechnik und -förderung, stellte sein wissenschaftliches Können in engster Zusammenarbeit mit den Erdölmonopolen der Konti Öl und dem GB Chemie ganz in den Dienst der Kriegsvorbereitung des faschistischen Regimes und der räuberischen imperialistischen Expansion im Kriege. 465 EichhoUz, Erdölquellen, S. 488 (Dok. 4). 466 Ebenda, S. 487.

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Inzwischen hatte sich nördlich der deutschen Kaukasusfront, nicht mehr als 500 Kilometer von Majkop entfernt, jene grundlegende Veränderung der militärischen Lage vollzogen, die die Kriegswende herbeiführte. Am 19. November 1942 setzte die sowjetische Offensive bei Stalingrad ein. Am 23. November war der eiserne Einkesselungsring um die Stadt geschlossen. Aber erst als Mitte Dezember der Entsatzversuch von Kotel'nikovskij aus zusammenbrach und Ende des Monats starke sowjetische Kräfte im Gcgenschlag in Richtung Rostov erheblich an Boden gewannen, begriffen die Okkupanten, daß die Tage ihrer Herrschaft am Kaukasus gezählt waren. General Thomas beschrieb die Situation so: „Da man während der Zeit der Stalingradkämpfe immer noch hoffte, das ölgebiet von Maikop noch halten zu können, war es für den wirtschaftlichen Führungsstab Ost sehr schwer zu bestimmen, wie lange die umfangreichen Transporte für den Wiederaufbau des ölgebietes weiter nach dem Maikop-Gebiet laufen sollten." 467 Die um diese Zeit wieder aufgewältigten 13 Bohrsonden des Reviers brachten etwa sieben Tonnen Rohöl pro Tag. 468 Neubohrungen waren in Angriff genommen worden. Von etwa 10000 t Material, die trotz größter Transportschwierigkeiten bis in das zentrale Materiallager in Armavir gelangt waren, hatten etwa 1500 t das Revier selbst erreicht. Der „Großeinsatz der Bohrgeräte", von dem die faschistischen Planer träumten und der ihnen schon im April 1943 eine Monatsproduktion von 10000 t Öl 469 sichern sollte, fand aber nicht mehr statt. Anfang Januar 1943 begann der Rückzug der Wehrmacht von Kaukasus, Terek und Kuban über fast 600 Kilometer, der sich vielfach in rasche Flucht verwandelte. Die Okkupanten ließen Waffen und Kriegsgerät in großen Mengen, Plünderungsgut und sogar Verwundete zurück. 470 Zwar befürworteten es die Experten noch am 5. Januar, die Instandsetzung der Raffinerie von Krasnodar und die Planungsarbeiten für eine weitere, neue in Armavir fortzuführen. Doch man rechnete „vorläufig" nicht mehr mit einem weiteren Aufschluß der ölfelder ; die angelaufene deutsche Produktion von Hunderten von Bohrgeräten sollte gestoppt werden. „Das Hauptmateriallager der Brigade", so hieß es, „muß jetzt weiter zurückverlegt werden. Wir haben leider noch kein bis ins einzelne gehendes Zerstörungsprogramm zur Verfügung." 471 Am 17. Januar erhielt die TBM in Majkop den Räumungsbefehl; am Tage darauf begann sie mit dem Rückzug. „Zerstörungskommandos" blieben einstweilen zurück, um auf Befehl die „Zerstörungspläne" auszuführen. 472 Am 22. Januar einigten sich Staatssekretär Paul Körner, Leiter des Wirtschaftsführungsstabes Ost, und General Stapf, Chef des Wirtschaftsstabes Ost, darüber, daß, wie es in einer Tagebuchnotiz des Wirtschaftsstabes Ost beschönigend hieß, „der Schwerpunkt nunmehr der Ölschiefer in Estland" sei und „daß die Kräfte der TBM anderwärts zum Einsatz gelangen" sollten. 473 Tags darauf, in

467 Thomas, S. 374. 468 Birkenfeld, Kaukasus, S. 90. Hiernach auch die folgenden Zahlenangaben. 469 Ende Oktober 1942 war in der TBM mit 7500 t monatlich im April, mit 45000 t im Juli und mit 82500 t im Oktober 1943 gerechnet worden (Okkupation, Raub, Vernichtung, S. 243f., Dok. 97, Bericht TBM v. 28. 10. 1942). 470 Velikaja otecestvennaja vojna Sovetskogo Sojuza 1941—1945, S. 226; Thomas, S. 370. 471 Okkupation, Raub, Vernichtung, S. 248ff. (249), Dok. 100, AN WiAmt üb. Bespr. b. General Thomas mit E. R. Fischer, Bentz u. a. am 5. 1. 1943. 472 Birkenfeld, Kaukasus, S. 90. 473 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 416, Bl. 201f., Dok. PS-3013, „Vom Chef Wi Stab Ost am

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letzter Minute, gab Göring den Befehl zur Zerstörung der Anlagen des Majkoper Reviers. 4 7 4 A m nächsten Tag, d e m 24. J a n u a r , wurde Armavir, das wichtigste Schlupfloch f ü r die flüchtende TBM, bereits von der Sowjetarmee befreit. Die O k k u p a n t e n k o n n t e n in ihrer drangvollen Eile das dortige riesige „vorgeschobene Vorratslager" der TBM, das 10000 t Material, d a r u n t e r zehn k o m p l e t t e Bohranlagen, enthielt, n i c h t m e h r auflösen, die Vorräte n i c h t m e h r abtransportieren. Sie sprengten es in die Luft. 4 7 5 Die TBM selbst e n t k a m m i t Mühe. Die Brigade, „die nach Weisung der Obersten F ü h r u n g erst m i t der fechtenden T r u p p e die Mineralölgebiete verlassen sollte, verlor auf ihrem Rückzug die Masse des Materials u n d k a m stark dezimiert bis in die Gegend westlich Rostow zurück". 4 7 6 Am 29. J a n u a r rückten erste sowjetische Partisanenabteilungen in Majkop ein. 477 E n d e des Monats w a r das Gebiet von Majkop befreit. Wenige Wochen später trugen die K o n t i ö l u n d die Chefs der deutschen Kriegswirtschaft ihren „Ostölplan" zu G r a b e : „Der gesamte Ostöl-Plan einschließlich Cherson k a n n im Zusammenhang m i t der Lage im Osten stillgclegt werden." 4 7 8 D a m i t verschwand das Ol des Kaukasus aber noch keineswegs aus dem Kriegszielprogramm der deutschen Imperialisten. In der schon zitierten programmatischen Ausarbeitung von Richard Riedl ü b e r „Die russische Frage" vom F r ü h j a h r 1943 4 7 9 t r a t dies deutlich hervor. Die Ukraine, d o r t als zukünftiger Satellitenstaat m i t politischer Scheinsouveränität konzipiert, sollte im Osten bis auf die Linie Donbogen — Stalingrad — W o l g a m ü n d u n g u n d im Südosten bis zum Kaukasus erweitert werden. Doch hielt Riedl es f ü r „bedeutungslos", wieviel von „Ciskaukasien", das nach seinen Vorstellungen bis nach B a k u reichte, letzten Endes „zur künftigen U k r a i n e geschlagen oder als südöstliche G r e n z m a r k u n t e r (deutsche — D. E.) militärische Verwaltung gestellt werden" würde, da dieses Gebiet „ f ü r R u ß l a n d . . . in jedem Falle verloren" gehe. 4 8 0 Solchen Plänen u n d W u n s c h t r ä u m e n entsprachen die militärischen Planungen noch bis in den S p ä t s o m m e r 1943 hinein. J e n e r P u n k t , von d e m aus die Faschisten in erneutem Anlauf „Ciskaukasien" aus den Angeln heben wollten, w a r die Taman-Halbinsel, der sogenannte Kuban-Brückenkopf oder „Gotenkopf". Hitler h a t t e noch a m 21. J a n u a r 1943, als die Heeresgruppe A ihm meldete, es würden in den Brückenkopf etwa 500000 Mann z u r ü c k g e f ü h r t werden, geäußert, „in diesem Falle k ö n n e das ölgebiet in Maikop in den Gotenkopf m i t einbezogen werden". 4 8 1 Obwohl diese Illusion wenige Tage darauf zerstob, hielt er zäh an seiner Absicht fest, „am K u b a n einen weitgedehnten Brückenkopf (zu) beh a u p t e n , aus dem er zu gegebener Zeit den Griff nach dem ö l des Kaukasus zu erneuern gedachte". 4 8 2 Am 13. März 1943 erhielt die Heeresgruppe A den strikten Befehl, „den

474 475 476 477 478 479 480 481 482

23. 2. 1944 genehmigte Gliederung für die Materialsammlung zur Geschichte des Wi Stab Ost" (KTB-Eintr. v. 22. 1. 1943). Ebenda, Eintr. v. 23. 1. 1943. Thomas, S. 374; Birkenfeld, Kaukasus, S. 90. Thomas, S. 370. — Birkenfeld gibt an, die TBM sei über die Halbinsel Kerc zurückgeführt worden (Birkenfeld, Kaukasus, S. 90). Gretschko, S. 343. ZStA Potsdam, FS, Film 1726, AN üb. Besprechung zwischen Krauch, Schieber (RMfBuM) und Kehrl (RWiM) am 25. 2. 1943, v. 26. 2. 1943. Siehe Eichholtz, „Wege zur Entbolschewisierung . . .", S. 28ff. Ebenda, S. 35. ZStA Potsdam, FS, Film 18429, KTB der Heeresgruppe A, Eintr. vom 21. 1. 1943. v. Mansiein, S. 423.

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Gotenkopf und die Krim auf jeden Fall zu halten". 4 8 3 Bis September verteidigten mehrere hunderttausend Mann und unverhältnismäßig starke Kräfte der Luftwaffe, 4 8 4 die die Faschisten dringend auch an anderen Abschnitten der Front hätten brauchen können, verbissen die Taman-Halbinsel bis zur Kuban-Mündung sowie Stadt und Hafen Novorossijsk. Nach der Kursker Schlacht im Juli/August 1943, von der eine allgemeine Offensive der Sowjetarmee ihren Ausgang nahm, nach der Befreiung von Charkov (23. August) und nach dem Durchbruch durch die Miusstellung gingen die sowjetischen Truppen Anfang September auch am Kuban zum entscheidenden Angriff über. Das deutsche Oberkommando, das seit Mitte August den Rückzug aus dem Brückenkopf „in Aussicht" genommen hatte, 4 8 5 gab den endgültigen Befehl zur Räumung und „Räumungszerstörung" am 4. September 1943.486 In diesem Befehl fand sich die berüchtigte grundsätzliche Anweisung, nur „verbrannte Erde" zurückzulassen: „Der Gegner muß ein auf lange Zeit voll unbrauchbares, unbewohnbares, wüstes Land, wo noch monatelang Minensprengungen vorkommen, übernehmen." 4 8 7 Am 9. Oktober 1943, nach dreißigtätigem erbittertem Kampf, war die Taman-Halbinsel völlig von den Okkupanten befreit. „Das Tor zum Kaukasus", so hieß es an diesem Tag im Tagesbefehl des Oberbefehlshabers der sowjetischen Nordkaukasusfront, General I. E. Petrov, „ist für die Feinde unserer Heimat endgültig zugeschlagen." 488 Damit hatte die Erdölstrategie des deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg ihr Fiasko erlitten. F ü r immer war der jahrzehntelang gehegte und nie aufgegebene Wunschtraum des deutschen Finanzkapitals zerschellt, auf den Erdölquellen des Kaukasus ein ölimperium als Fundament für sein Weltmacht- und Weltherrschaftsstreben zu gründen.

3. Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik Die wirtschaftliche Ausbeutung der annektierten und okkupierten 4 8 9 Gebiete begann — seit 1938 — jeweils unmittelbar mit der Besetzung des betreffenden Landes. In der zweiten Hälfte des Jahres 1940 nahm sie einen systematischen und auch geographisch umfassenden Charakter an, wurde 1941 auf den Balkan, 1941/42 auf umfangreiche Gebiete der UdSSR ausgedehnt und erreichte 1943 ihr intensivstes Stadium. Daß der deutsche Imperialismus seit Mitte 1940 außer über „Großdeutschland" über das Potential weiter Teile Europas von der Bretagne bis zu Bug und San verfügte, spielte kriegswirtschaftlich bereits 1941 eine Rolle, als das hervorragend bewaffnete und ausgerüstete faschistische Millionenheer in die Sowjetunion einfiel. 490 Jener Umstand wurde 483 KTB d. führung 484 Groehler, 485 KTB d. 486 Ebenda, 487 Ebenda,

OKW, B d . 3/2, S. 1421, Dok. 7, „Operationsbefehl Nr. 5 (Weisung für die K a m p f der n ä c h s t e n Monate)" des O K H v. 13. 3. 1943. Geschichte des Luftkriegs, S. 3 5 5 f f . OKW, B d . 3/2, S. 944, Eintr. v. 14. 8. 1943. S. 1455, Dok. 25, Befehl des O K H v. 4. 9. 1943. S. 1455.

488 Zit. b. Gretschko, S. 491. 489 I m folgenden sind unter „okkupierten" bzw. „besetzten" Gebieten die annektierten Gebiete in der Hegel bzw. sinngemäß als Inbegriffen zu verstehen ; notwendige Unterscheidungen werden ausdrücklich vermerkt.

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

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auch zu einem gewichtigen innenpolitischen F a k t o r in Deutschland. Das Bewußtsein, in E u r o p a ü b e r gewaltige Ressourcen zu verfügen, u n d die H o f f n u n g auf ein entsprechendes Wohlleben d r ä n g t e n selbst bei m a n c h e m , der d e m Regime m i t Vorbehalten gegenüberstand, die Regungen der V e r n u n f t zurück u n d erleichterte den Machthabern die Manipulierung der Hirne. F ü r die J a h r e 1942 u n d 1943 u n d selbst noch f ü r 1944 k a n n das, was die O k k u p a n t e n an W i r t s c h a f t s k r a f t aus den besetzten Gebieten in ihre Kriegswirtschaft h i n ü b e r p u m p t e n , in seiner B e d e u t u n g gar n i c h t hoch genug eingeschätzt werden. Der beschleunigte Aufschwung der R ü s t u n g s p r o d u k t i o n , erzielt t r o t z des Z u s a m m e n b r u c h s der Blitzkriegsstrategie vor Moskau und der Wende des Krieges bei Stalingrad, wäre ohne die rücksichtslose A u s b e u t u n g dieser Gebiete ebenso wenig d e n k b a r gewesen wie d e r relativ hohe materielle Lebensstand a r d der deutschen Bevölkerung, insbesondere die Höhe ihrer Lebensmittelrationen. In zwei P u n k t e n war der wirtschaftliche Beitrag der besetzten Gebiete f ü r die deutschen Imperialisten von entscheidender Bedeutung. Ohne die geraubten industriellen Rohstoffe, besonders Kohle, Eisenerz, Stahl u n d Stahlveredler, B a u x i t u n d Kupfer, u n d ohne die Fron der ausländischen Zwangsarbeiter in Deutschland h ä t t e n sie ihren Krieg nach dem Scheitern der Blitzkriegsstrategie n i c h t m e h r lange weiterführen können. F e r n e r sollte das deutsche „ E r n ä h r u n g s p r o b l e m " 4 9 1 im Krieg (und f ü r alle Z u k u n f t ) gelöst werden, hauptsächlich d u r c h die E r o b e r u n g der S o w j e t u k r a i n e u n d anderer sowjetischer Gebiete. In dieser Hinsicht erfüllten sich allerdings die hochgespannten E r w a r t u n g e n der deutschen Imperialisten n i c h t . Doch die insgesamt aus d e m besetzten E u r o p a herausgepreßten Lebensmittelmengen waren beträchtlich. Ein Teil der Industrie in den besetzten L ä n d e r n produzierte ferner auf Bestellung deutscher Militärdienststellen u n d Kriegswirtschaftsbehörden Waffen, Kriegsgerät u n d militärische Ausrüstung f ü r die faschistische W e h r m a c h t . 4 9 2 Ein wichtiger Gradmesser f ü r die Ausplünderung der okkupierten L ä n d e r waren Clearingschulden u n d Besatzungskosten, die beiden wichtigsten Finanzierungsmethoden, m i t deren Hilfe die O k k u p a n t e n diese L ä n d e r a u s b e u t e t e n . Eine e x a k t e u n d vollständige Bezifferung des Gesamtergebnisses der faschistischen Beute u n d Ausbeutungspolitik in den okkupierten Gebieten E u r o p a s ist nicht möglich. In der faschistischen W i r t s c h a f t s s t a t i s t i k ist der Gebietsstand der okkupierten Gebiete gesondert ausgewiesen, k a u m jemals dagegen derjenige der annektierten Gebiete. E i n e Reihe schwer ins Gewicht fallender F a k t o r e n der wirtschaftlichen A u s b e u t u n g u n d Ausplünderung l ä ß t sich gar n i c h t oder n u r sporadisch erfassen, vor allem die Requisitionen u n d Plünderungen d u r c h die T r u p p e u n d die einzelnen O k k u p a n t e n , die Verluste der besetzten L ä n d e r d u r c h die manipulierten Währungsrelationen, die organisierten oder regellosen S c h w a r z m a r k t k ä u f e der Besatzer, ihre Bereicherung a n „ R ä u m u n g s g u t " u n d die m a s s e n h a f t e Vernichtung von W i r t s c h a f t s g ü t e r n auf dem Rückzug.

490 Der Wert der gesamten bis Sommer 1941 von den deutschen Okkupanten aus den besetzten Gebieten geraubten Wirtschafts- und anderen Güter ist mit 9 Milliarden £ (90—100 Md. RM) geschätzt worden (Kravcenko, G. S., Voenno-promyslennye potencialy SSSR i Germanii i effektivnost' ich ispol'zovanija ν vtoroj mirovoj vojne, in: Vtoraja mirovaja vojna, 1. Buch: Obscie problemy, Moskau 1966, S. 58). 491 AdaP, Serie D, Bd. 13/1, S. 311, Dok. 239, Telegramme Ribbentrops an Deutsche Botschaft Tokio, 25. 8. 1941, bzw. an alle übrigen Missionen, 26. 8. 1941. 492 Nach grober Schätzung für 1943 20-25 Prozent. Siehe S. 507f.

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Der A u s n u t z u n g des W i r t s c h a f t s p o t e n t i a l s der besetzten Gebiete waren freilich Grenzen gesetzt. D e r W i d e r s t a n d der Völker in seinen vielfältigen F o r m e n zerstörte die H o f f n u n g der Aggressoren d a r a u f , dieses P o t e n t i a l in ein effektives „ G r o ß r a u m " - S y s t e m der Kriegswirtschaft zu integrieren. Vor allem traf das auf die besetzten sowjetischen Gebiete zu. Dort, wo sich durchschnittlich zwei J a h r e lang Industriereviere u n d Rohstoffressourcen von gewaltiger K a p a z i t ä t in ihrer H a n d befanden, gelang es ihnen weder bei Eisenerz, noch bei Kohle u n d Stahl, geschweige denn bei Erdöl, nennenswerte Mengen herauszuholen. 4 9 3 Hinzu k a m , d a ß Krieg u n d O k k u p a t i o n die originären W i r t s c h a f t s s t r u k t u r e n der okkupierten L ä n d e r vielfach weitgehend zerstörten u n d ihre W i r t s c h a f t so tief ruinierten, d a ß die P r o d u k t i o n in weiten Bereichen der verarbeitenden Industrie u n d der L a n d w i r t s c h a f t auf einen Bruchteil des Vorkriegsstandes a b s a n k .

a) Grund- und Rohstoffe Die Annexion Polnisch-Oberschlesiens u n m i t t e l b a r nach Kriegsbeginn verbesserte die Kohleh'ùaiÎL des deutschen Imperialismus wesentlich. Die Förderleistung in PolnischOberschlesien — 41,65 Millionen t Steinkohle im letzten Vorkriegsjahr 1938/39 (Kohlenw i r t s c h a f t s j a h r v o m April bis März) — stieg in den folgenden J a h r e n auf 70 Millionen t (1943/44) oder 26 P r o z e n t der „großdeutschen" Produktion. 4 9 4 I m J a h r e 1943/44 erzeugten die a n n e k t i e r t e n Gebiete (Polnisch-Oberschlesien, Elsaß-Lothringen, die tschechischen Gebiete u n d Österreich) a n n ä h e r n d 98,5 Millionen t Kohle insgesamt (Braunkohle im Verhältnis 4,5 zu 1 auf Steinkohleneinheiten umgerechnet); das waren 28,3 P r o z e n t der „großdeutschen" Produktion. 4 9 5 Aus Polnisch-Oberschlesien k a m e n f e r n e r e t w a 7 Millionent Tabelle 115 Kohlenförderung im deutschen Machtbereich 1939/40—1943/44 (Braunkohle in Steinkohleeinheiten umgerechnet ; in Mill, t) Kohlenwirtschaftsjahr (Apr.—März)

„Großdeutschland"

davon: annektierte Gebiete

in Prozent

1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

267,7 315,5 317,9 340,4 347,6

34,0 76,0 76,4 90,1 98,5

13 24 24 27 28

Okkupierte Gebiete

(96,9) 87,3 89,9 89,3 84,7

Quelle: The Effects, S. 94, Tab. 57. Unter annektierten Gebieten sind hier Elsaß-Lothringen, die tschechischen Gebiete („Czechoslovakia"), Österreich und Polnisch-Oberschlesien verstanden. Der Verbleib der Zahlen für Luxemburg ist nicht ersichtlich. — Geringfügige Differenzen zwischen Prozentsätzen und absoluten Ausgangszahlen können sich ergeben, wenn die absoluten Zahlen abgerundet sind; die Prozentsätze sind nach den ungerundeten Zahlen berechnet. 493 Zagorul'ko/Judenkov, S. 252ff. 494 The Effects, S. 92. Unbegründet hoch ist die ebenda, S. 71, ohne genaues Datum genannte Zahl von 90 Mill, t; ganz sicher zu niedrig sind dagegen die bei Madajczyk, Polityka, Bd. 2, S. 546, Tab. 50, angegebenen Zahlen (um 40 Mill, t tüx 1943/44). 495 The Effects, S. 94, Tab. 57.

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Koks (15 Prozent der deutschen Erzeugung). 496 Die okkupierten Gebiete (ohne annektierte) förderten im gleichen Jahr 84,7 Millionen t Kohle, die hauptsächlich im jeweiligen Lande selbst verbraucht wurden — mittelbar zum beträchtlichen Teil ebenfalls für deutsche Zwecke, besonders in Frankreich und Belgien. 497 Die Versorgung der metallurgischen Industrie mit Eisenerz war Anfang des Krieges eine der großen Sorgen der deutschen Imperialisten. Im sogenannten Altreich (Grenzen von 1937) wurden 1939 an Eisenerz (Fe-Gehalt) 3,7 Millionen t gefördert, in den bis zum Kriegsausbruch annektierten Gebieten zusätzlich 1,2 Millionen t. 498 Diese Mengen deckten 35,4 Prozent des deutschen Eisenerzverbrauchs. 499 Der Feldzug im Westen 1940 brachte das größte der damals bekannten europäischen Eisenerzlager, das Minettegebiet in Ostfrankreich und Luxemburg, in die Verfügungsgewalt der Aggressoren, die damit ihre Versorgungslage mit einem Schlag wesentlich gebessert sahen. Bei keineswegs voller Auslastung förderte der Minettebergbau von Juli 1940 bis Juli 1944 — zu rund 60 Prozent seiner Kapazität in den annektierten Gebieten Lothringens und Luxemburgs befindlich 500 — 35 Millionen t Eisenerz (Fe-Gehalt). 501 Demgegenüber betrug die deutsche Produktion (Grenzen von 1939) im gleichen Zeitraum 28 Millionen t und die Einfuhr aus Schweden 23,3 Millionen t. 502 Knapp ein Drittel der geförderten Minette wurde nach Deutschland verladen, etwa 43 Prozent verarbeiteten die lothringische und die luxemburgische MetallurTabelle 116 Anteil der annektierten und okkupierten Gebiete an der deutschen Eisenerzversorgung 1939-1944 (in 1000 t Fe-Gehalt)

1939 1940 1941 1942 1943 1944

Erzverbrauch („Großdeutschland")

davon aus annekt. Gebieten

13900 11699 17055 17521 18468 13500

1203 874 6280 6249 7566 4748

aus okkup. Gebieten (Frankreich u. Norwegen)

170 2327 2653 2710 ?

Spalte 2 u. 3 in Prozent v. Spalte 1

9 9 51 51 56 ?

Quelle: Jäger, S. 108, Tab. 10, S. 187, Tab. 22 u. S. 189, Tab. 23. - Für 1940 (2. Hälfte) fehlen in Spalte 2 und 3 offenbar die deutschen Minettebezüge aus Lothringen und Luxemburg; ab 15. 8. 1940 erschienen sie nicht mehr in der Einfuhrstatistik, in die deutsche Produktionsstatistik gingen sie aber erst ab Januar 1941 ein. Nach The Effects, S. 247, App. Tab. 67, wurden 1940 aus „Belgien und Luxemburg" 629000 t Eisenerz (mit etwa 32 Prozent Fe-Gehalt) eingeführt. 496 497 498 499 500

Ebenda, S. 71. Ebenda, S. 71 u. S. 94, Tab. 57. Jäger, S. 71, Tab. 7. Ebenda, S. 131, Tab. 16. Ebenda, S. 179, Tab. 20. Nicht wesentlich differierende Zahlen bei Milward, The New Order and the French Economy, S. 215, Tab. 37. 501 Jäger, S. 180, Tab. 21. 502 Ebenda.

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Kriegsziel- und Okkupationspolitik

gie, und das restliche Viertel wurde im verbleibenden französischen Gebiet und in Belgien verhüttet. 5 0 3 Das hier verhüttete Erz ging freilich zu einem annähernd gleich hohen Prozentsatz in die deutsche Rüstungsproduktion ein wie das in Deutschland selbst erzeugte Eisen, sei es durch Stahlausfuhr nach Deutschland, sei es durch Rüstungslieferungen auf „verlagerte" deutsche Aufträge. Das in Deutschland (eingeschlossen Lothringen und Luxemburg) verarbeitete Eisenerz stammte seit 1941 zu mehr als 50 Prozent aus den annektierten Gebieten. Stahl w a r das wichtigste Grundmaterial f ü r die Rüstungsproduktion. Durch Expansion und Krieg erlangten die deutschen Imperialisten binnen weniger J a h r e die Verfügung über mehr als das Doppelte der ursprünglichen Kapazität der deutschen Stahlindustrie, die schon vordem eine der größten der Welt war. Betrug die Kapazität im „Altreich" vor dem Kriege etwa 23 Millionen t Rohstahl im J a h r , so erweiterte sie die Besetzung Österreichs und der tschechischen Gebiete um 3,3 Millionen t, 5 0 4 Polens um 2,1 Millionen t, 5 0 5 Frankreichs um 10 Millionen, Belgiens um 4,3 und Luxemburgs um 2,9 Millionen t.50® Hauptsächlich durch die Annexionen bis Sommer 1940 wuchs die deutsche Rohstahlkapazität von 23 auf ca. 39 Millionen t. 5 0 7 In den okkupierten Gebieten (vor allem in Belgien, Nordfrankreich, Meurthe- et- Moselle) verblieben weitere 14 bis 18 Millionen t, so daß die deutschen Montangewaltigen mit 43 bis 57 Millionen t Rohstahl in ihrem unmittelbaren Machtbereich rechneten. 5 0 8 Nicht einberechnet w a r hierin die Kapazität des Dnepr-Donec-Reviers, das sich zwei J a h r e lang unter faschistischer Besetzung befand. Die tatsächliche Produktion von Rohstahl lag erheblich unter der Kapazitätsgrenze, in „Großdeutschland" zu etwa einem Fünftel, im gesamten deutschen Machtbereich sogar um ein Drittel. 5 0 9 Die annektierten und okkupierten Gebiete erzeugten im J a h r der höchsten Gesamtproduktion (1943) 40 Prozent allen Rohstahls, nämlich fast 14 Millionen t. Davon kamen nur 4 Millionen t aus den okkupierten, knapp 10 Millionen t aus den annektierten Gebieten. 510 (Tabelle 117) Für die deutsche Kriegswirtschaft unentbehrliche Grundstoffe waren die Stahlveredler, vor allem Ferrolegierungsmetalle wie Mangan, Nickel, Chrom und Wolfram, die, dem Rohstahl beigeschmolzen, diesem erst die für Hochleistungs- bzw. Edelstahl charakteristische Härte, Zähigkeit und Korrosionsbeständigkeit verleihen. Zwei der wichtigsten unter ihnen, nämlich Mangan und Chrom, gewannen die deutschen Imperialisten ausschließlich oder ganz überwiegend aus der Ausbeutung okkupierter Gebiete. Die Vorkommen an Mangan bei Nikopol (Ukraine) und bei Ciatura (Grusinien) waren für 503 504 505 506 507

Ebenda, S. 179. The Effects, S. 101. Jäger, S. 175. The Effects, S. 101. Jäger, S. 301. Nach differierenden Angaben der Wigru Eisenschaffende Industrie von 1945 (10. 1.) belief sich die Kapazität des „Altreichs" 1938 auf ca. 24 Mill, t und stieg bis 1943 um ca. 2 Mill, t ; die Kapazität der annektierten Gebiete mit etwa 1 1 Mill, t hinzugerechnet, ergab sich hiernach für 1943 eine Gesamtkapazität „Großdeutschlands" von rund 37 Mill. Tonnen Rohstahl (Schumann, Nachkriegsplanungen der RGI, Dok. 4, S. 286). 508 Jäger, S. 301. 509 Ebenda, S. 302; Schumann, Nachkriegsplanungen der RGI, Dok. 4, S. 286 (Ausnutzung in „Großdeutschland" = 83 Prozent).— Jäger (S. 302ff.) nennt als Ursachen der Nichtauslastung vorrangig Koks- und Arbeitskräftemangel. 510 The Effects, S. 252, Tab. 7 2 ; Schumann, Nachkriegsplanungen der RGI, S. 268 u. 284.

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

495

Tabelle 117 Rohstahlerzeugung im deutschen Machtbereich 1939—1944 (in Mill, t)

1939 1940 1941 1942 1943 1944

„Großdeutschland", annektierte und besetzte Gebiete

davon : annektierte und besetzte Gebiete

Spalte 2 in Prozent von Spalte 1

23,9 23,1 32,0 31,0 34,6 28,5

2,3 3,9 11,2 10,5 13,9 10,2

10 17 35 34 40 36

Quelle: Jäger, S. 305, Tab. 47; Statistisches Jahrbuch, 1941/42, S. 75 + . Abweichende Werte für Spalte 1 (1941 = 31,8; 1942 = 32,1) bei Wagenführ, S. 52; The Effects, S. 250ff., Tab. 71 u. 72. Tabelle 118 Raub sowjetischen Manganerzes 1941—1943 (in 1000 t

2. Hälfte 1941 1. Hälfte 1942 2. Hälfte 1942 1. Hälfte 1943 2. Hälfte 1943 Insgesamt

Mn-InhaÜ)

Verbrauch in „Großdeutschland"

davon: Raub aus der UdSSR

Spalte 2 in Prozent von Spalte 1

63,8 55,7 67,4 84,1 85,8 356,8

25,5 39,0 86,7 94,8 70,0 316,0

40 70 129 113 82 89

Quelle: Jäger, S. 205, Tab. 26. die deutschen Monopole ein wichtiges wirtschaftsstrategisches Kriegsziel. In der ersten Periode des Krieges hatten sich die großen Manganvorräte Hitlerdeutschlands auf weniger als die Hälfte verringert. 511 Die Eroberung des Erzreviers von Nikopol im August 1941 schien die Mangansorgen der deutschen Rüstungskonzerne zu beheben. Über zwei Jahre lang konnten sie sich auf das größte Manganerzvorkommen Europas stützen, das sie — nach Abtransport großer vorgefundener Erz- und Manganbestände — rücksichtslos ausbeuteten. (Tabelle 118) In Wirklichkeit lagen die Verhältnisse für die Okkupanten noch weit günstiger. Rechnet man die in der Statistik nicht enthaltenen schwächerprozentigen Erze (bis zu 30 Prozent Mn-Inhalt) und die an dritte Länder gelieferten Mengen hinzu, so liegt die Gesamtmenge des aus der U d S S R geraubten Mangans um über 35 Prozent höher, nämlich bei 428400 t. 5 1 2 511 Jäger, S. 197. 512 Ebenda, S. 206. — Nach Sorokin, G. M., u. a., Nemecko-faäistskaja sistema ograblenija i ekonomiceskoj ekspluatacii okkupirovannych territori] SSSR, in: Nemecko-fasistskijokkupacionnyj rezim, S. 160, entsprach das einer Gesamtmenge von 1,136 Mill, t Erz und Konzentraten. Nach deutschen Quellen sind insgesamt 1,782 Mill, t abtransportiert worden (ZStA Potsdam, FS, Film 10694, Aufstellung des OKW/Feldwirtschaftsamt v. Nov. 1944). 33 Eichholtz II

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

496

Der bedeutend steigende Verbrauch wurde also während der angegebenen Zeit und noch darüber hinaus voll aus den sowjetischen Gebieten gedeckt; längere Zeit hindurch füllten sich sogar die Vorräte stark auf. Bei Kriegsbeginn versiegten auch bei Chromers die wichtigsten Bezugsquellen des deutschen Imperialismus. Die vorhandenen Bestände an Chrom schmolzen, wie bei Mangan, bis zum Feldzug auf dem Balkan auf weniger als die Hälfte zusammen. 5 1 3 Wieder änderte der Krieg die Lage grundlegend. Die deutschen Okkupanten legten 1941 Hand auf alle Chromerzgruben Jugoslawiens und Griechenlands, einschließlich jener besonders wichtigen Vorkommen, die in dem an Bulgarien gefallenen Teil Mazedoniens lagen. Im September 1943 fielen auch die bis dahin von Italien ausgebeuteten albanischen Gruben in deutsche Hand. Tabelle 119 Anteil der okkupierten Länder Südosteuropas an cler deutschen Chromerzversorgung 1941—1944 (in 10001 ausbringbarem Cr-InhaÜ)

1941 1942 1943 1944 (Jan.—Nov.) Mai 1941 bis Nov. 1944 insges.

Chromerzverbrauch „Großdeutschlands" *

Lieferungen aus Jugoslawien, Griechenland u. (ab Herbst 1943) Albanien

Spalte 2 in Prozent von Spalte 1

25,6 21,7 35,8 37,4

4,4 28,4 22,1" 35,6

17 131 62 95

103,0

89,6

87

" Der deutsche Gesamtchromverbrauch war (auf Rechnung des Eingriffs in die Bestände und der Einfuhr von Chrommetall) größer als der angegebene Chromerzverbrauch und betrug von 1939 bis 1944 jährlich durchschnittlich rund 40000 Tonnen (The Effects, S. 264, Tab. 83; Jäger, S. 264, Tab. 39). * * Dagegen ist die Zahl für 1943 in Spalte 2 vermutlich zu niedrig. Franz Neuhausen, der „Generalbevollmächtigte für den Metallerzbergbau Südost", meldete für dieses Jahr eine Förderung von 1668011 Erz mit 35953 t Chrominhalt (davon 27105 t = 7 5 Prozent allein aus Mazedonien, 8397 aus Griechenland, der Rest aus Serbien und Nordalbanien). Ursprünglich geplant war eine Menge von 480001 (ZStA Potsdam, FS, Film 10749, Bericht Neuhausens v. 26. 4. 1944). QueUe: Jäger, S. 255, Tab. 37 u. S. 263, Tab. 38. (Ausbringbarer Chrominhalt = 7 5 bis 85 Prozent des analytischen Chrominhalts). Fast die Hälfte 5 1 4 der gesamten deutschen Chromerzeinfuhr (ausbringbarer Cr-Inhalt) in den Jahren 1941 bis 1944 (123000 Tonnen) stammte nach diesen Angaben aus den okkupierten Gebieten Jugoslawiens (55832 Tonnen); die nächstgrößten Lieferanten waren Griechenland (25991) und Albanien (7734 Tonnen). 515 Außer Chromerz wurden jährlich 513 Jäger, S. 248. 514 Nach den Angaben Neuhausens (ZStA Potsdam, FS, Film 10749, Bericht Neuhausens v. 26. 4. 1944) wahrscheinlich mehr als die Hälfte. 515 Jäger, S. 255, Tab. 37 (Mai 1941 bis November 1944).

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

497

einige tausend Tonnen Chrommetall und Ferrochrom eingeführt; auch diese Mengen kamen vorwiegend aus okkupierten Ländern (Norwegen, Frankreich, seit 1943 Italien), ferner aus Schweden. 516 Als größter Aluminiumproduzent der Welt war Deutschland fast vollständig auf die Einfuhr von Bauxit angewiesen, jenem Mineral, aus dem nahezu die Gesamtmenge des f ü r die Kriegswirtschaft neben Eisen wichtigsten Metalls hergestellt wurde. Die Bauxitlager Frankreichs — nach Ungarn Hauptexporteur von Bauxit — befanden sich ausschließlich in Südfrankreich, vor allem im italienisch besetzten Gebiet. Doch politischer Druck der deutschen Okkupationsmacht und weitgehende Absperrung der Franzosen vom übrigen Absatzmarkt bewirkten, daß die französische Bauxitförderung seit Ende 1940 weitestgehend der deutschen Kriegswirtschaft nutzbar gemacht wurde. Die französische Bauxitproduktion erreichte 1942 annähernd die Vorkriegshöhe und dehnte sich in den folgenden anderthalb Jahren unter dem Druck der deutschen Lieferforderungen weit über ihre frühere Kapazitätsgrenze aus. Tabelle 120 Produktion französischen Bauxits für die deutsche Kriegswirtschaft 1940—1944 (in 1000 t)

1940 1941 1942 1943 1944 (Jan.-Juni)

Französische Produktion

davon Lieferungen nach Deutschland

Spalte 2 in Prozent von Spalte 1

489,0 586,3 644,2 912,1 ?

? 232,1 230,7 484,4 240,2

? 40 36 53 ?

Quelle: Milward, The New Order and the French Economy, S. 238, Tab. 47.

Der Anteil der französischen Lieferungen am deutschen Bauxitverbrauch belief sich 1941 ungefähr auf 93 Prozent, 1942 auf 84 Prozent. 517 Im ersten Halbjahr 1944 betrug der Anteil der französischen Lieferungen an der deutschen Bauxiteinfuhr, bei der außerdem nur Ungarn und — mit Abstand — Jugoslawien (Kroatien) eine Rolle spielten, immerhin noch 38 Prozent (ohne J u n i = 45 Prozent). 518 Von der seit 1942 stark absinkenden französischen Aluminiumerzeugung gingen von Mitte 1940 bis Mitte 1944 insgesamt 52 Prozent (104000 Tonnen) nach Deutschland. 519 Bezieht man die Aluminium- und Tonerdelieferungen ein, so brachte Hitlerdeutschland 1941 bereits 70 Prozent, 1942 dagegen 80 Prozent und 1943/1944 (1. Halbjahr) einen noch beträchtlich höheren Prozentsatz der französischen Bauxitproduktion an sich (1938=12 Prozent). 520 Nach unvollständigen Angaben reichten diese Mengen und die übrige Einfuhr hin, um den deutschen Bauxitbedarf mit Überschuß zu befriedigen. 5 2 1 516 517 518 519 520 521 33*

Ebenda, S. 264. Ebenda; The Effects, S. 263, App. Tab. 83 (hier keine Zahlen für die übrigen Kriegsjahre). Milward, The New Order and the French Economy, S. 240, Tab. 49. Ebenda, S. 239, Tab. 48. Ebenda, S. 238 f. Angaben nur für 1941 und 1942 in The Effects, S. 263, App. Tab. 83 (Aufkommen (Metallinhalt) 272400 bzw. 332400 t, Verbrauch 250200 bzw. 275400 t).

498

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

Die Versorgung der Wehrmacht und der Kriegswirtschaft mit Treibstoff war ein kritischer

Punkt ersten Ranges. Die synthetische Produktion von Treibstoff in Deutschland erreichte ihren hohen Stand im Kriege nicht zuletzt auf Kosten jener Ressourcen an Kohle.— ihrem Ausgangsstoff —, die in den besetzten Gebieten in die Verfügungsgewalt der deutschen Imperialisten gerieten. Doch synthetische Produktion und Einfuhr allein konnten den Verbrauch an Mineralölerzeugnissen bei weitem nicht decken. Die Erdölförderung in Deutschland und in den okkupierten Gebieten deckte während der Kriegsjahre nur zwischen 25 und reichlich 40 Prozent des Verbrauchs. 522 Die bis Kriegsausbruch forciert vorangetriebene Förderung in Deutschland wurde von 1941 an stark abgebremst, sicherlich schon im Hinblick auf den noch für dieses Jahr erwarteten Zustrom kaukasischen Erdöls. Die Förderung auf den produktiveren Feldern in Österreich hingegen trieb man, ohne vor raubbauähnlichen Gewinnungsmethoden zurückzuschrecken, von 1939 bis 1944 auf das Zehnfache hoch. 523 Ahnliches nahmen sich die Okkupanten in Polen und in den sowjetischen Westgebieten vor; doch der Widerstand der Bevölkerung und der Partisanen 524 ließ die Produktion dort selbst 1943, auf ihrem Höhepunkt, weit hinter dem Vorkriegsstand zurückbleiben. 525 Tabelle 121 Anteil der Erdölförderung 1938-1944 (in 1000 t)

annektierter

Verbrauch „Großdeutschlands" an Mineralölprodukten (Kraftstoffe u. Schmieröl) 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

6150 ? 5856 7305 6483 6971 üb. 5000

und okkupierter

Gebiete am Treibstoffverbrauch

Deutschlands

Deutsche Erd- Erdölförderung Spalte 3 ölförderung in Österreich, Galizien in Prozent („Altreich") (Polen) u. Westvon Spalte 1 ukraine (UdSSR)

540 716 1056 901 742 710 719

52* 173** 538 867 1247 1504 1514

1 ? 9 12 19 22 ca. 30

* Nur Österreich ** Nur Österreich und Polnisch-Galizien. Bei der Errechnung der Prozentziffern wurde die geringfügige Mengendifferenz zwischen gefördertem Erdöl und daraus hergestellten Mineralölprodukten nicht berücksichtigt Quelle : Siehe Anm. 522. 522 Diese und die Zahlen der folgenden Tabelle sind nach verschiedenen Quellen errechnet bzw. zusammengestellt, die nicht in jedem Fall übereinstimmen, was sich nur teilweise aus verschiedenen Berechnungsgrundlagen erklärt ( W a g e n f ü h r , S. 172; Birkenfeld, Treibstoff, S. 218, Obers. 3; Kasper, Erdölgewinnung, S. 59, S. 68, S. 71 u. S. 81; vgl. ferner The Effects, S. 75, Tab. 37; Statistisches Handbuch, S. 501). 523 Kasper, Erdölgewinnung, S. 71. 524 Über die wirkungsvollen Aktionen der Partisanen General S. A. Kowpaks im westukrainischen Erdölrevier (Sommer 1943) s. Werschigora, Pjotr, Im Gespensterwald, Berlin 1958, S. 632ff. 525 Kasper, Erdölgewinnung, S. 74 (Anm. 1) u. S. 81.

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik b) Landwirtschaftliche

499

Produkte

In der zweiten Septemberhälfte 1941 rollten — spektakulär angekündigt und propagandistisch breit ausgeschlachtet — die ersten Lebensmitteltransporte aus den besetzten sowjetischen Gebieten nach Deutschland. Gleich anfangs nahmen diese Transporte, die für die Faschisten eine wichtige innenpolitische Funktion zu erfüllen hatten, erheblichen Umfang an. Während der ersten drei Wochen trafen 3 3 Züge mit Vieh und 3 5 0 Eisenbahnwaggons mit hochwertigen Lebensmitteln in Deutschland ein, an Vieh allein insgesamt 1 8 5 4 7 Rinder, 727 Schweine und 1 3 0 4 Schafe. 52 « Der Ausgang der Schlacht vor Moskau goß Wermut in den Wein der Eroberer. Anders, als sie es sich gedacht hatten, lag in der folgenden Zeit, bis zum Ende der Okkupationsherrschaft, die wesentliche Bedeutung der Lebensmittelressourcen der besetzten sowjetischen Gebiete für die deutschen Imperialisten „nicht eigentlich in der Belieferung des Reichs (die in beinahe höherem Maße durch das kleine Generalgouvernement durchgeführt Tabelle 122 In den besetzten sowjetischen

Gebieten geraubte Agrarprodukte

Produkt

1941/42 *

1943

1944 (1. Quartal)

Zusammen

Getreide * * Fleisch*** Fett° (davon Butter) Kartoffeln Rauhfutter Zucker Eier (Mill. Stck.) Fisch 0 0 Hülsenfrüchte Gemüse u. Obst 00 Textilrohstoffe 000

3999 386 288 (108) 1768 883 149 575 25 95 219 39

4653 169 286 (64) 1408 1332 231 498 41 99 268 22

641 25 16

9293 581 620 (207) 3282 2508 401 1079 68 210 503 85

W 105 293 22 6 1 16 16 24

1941/42—1944 (in 1000 t) Davon nach Dt. transportiert 1301 73 320 (21) — —

62 133 1 32 10

?

' Von der Gründung der ZHO (17. 7. 1941) bis Ende 1942 * * Brot- und Futtergetreide einschl. Mahlerzeugnisse und Saatgut *** Einschl. Lebendvieh (Schlachtgewicht) und Geflügel. Unter den vom Rosenbergministerium abgerundeten ZHO-Zahlen (Dok. PS-327, abgedr. in Anatomie des Krieges, S. 464, Dok. 262) weicht die Gesamtziffer für Fleisch (622000 t) als einzige gegenüber den hier angeführten Gesamtzahlen (Spalte 4) beträchtlich nach oben ab ° Butter, Öle und Ölsaaten (öle und Ölsaaten in Handelsfett umgerechnet). Spalte 4 incl. 30000 t Butter für die Wehrmacht, die nicht über die ZHO abgerechnet wurden 00 Einschl. Konserven. Hinsichtlich Obst und Obstkonserven keine Angaben für das 1. Quartal 1944 000 Flachs, Hanf, Baumwolle, Wolle und Tierhaare Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 10634, „Fünfter Arbeitsbericht" der ZHO; für Textilrohstoffe: Anatomie des Krieges, S. 471, Dok. 267, Gesamtbericht der Ost-Faser GmbH f. 1941—1944. 526 ZStA Potsdam, FS, Film 10634,1. „Arbeitsbericht" der ZHO f. d. Zeit v. 17. 7. bis 21. 10. 1941.

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

500

wird), sondern in der Entlastung des Reichs (und seiner Transportmittel) von der Belieferung der an der Ostfront kämpfenden Truppen m i t vielen Erzeugnissen". 5 2 7 Von den nach Deutschland gelangenden sowjetischen Agrarprodukten stammten 94,5 Prozent aus der Ukraine. 5 2 8 Nur die Ölfrüchte spielten eine ausschlaggebende Rolle in der innerdeutschen Versorgungsbilanz. 5 2 9 (Tabelle 122) Die hier wiedergegebenen Zahlen der ZHO erfaßten weder die von der W e h r m a c h t 5 3 0 noch die von den zivilen Okkupationsbehörden unmittelbar getätigten Requisitionen, Plünderungen, Schwarzmarktkäufe und „ R ä u m u n g e n " . An „Räumungsgütern" transportierte die ZHO auf den Rückzügen 3 2 9 0 0 Waggons ab, darunter 2 2 4 0 0 m i t Getreide, Ölsaaten, Saatgut usw. und 9 0 0 0 m i t Landmaschinen und sonstigen Produktionsmitteln beladen. 5 3 1 Nach sowjetischen Quellen und Berechnungen wurden an Getreide allein in der Ukraine im J a h r e 1941 rund 1 Million t beschlagnahmt und für Zwecke der Okkupanten verwendet. In den J a h r e n 1942 und 1943 raubten die Faschisten in den besetzten sowjetischen Gebieten jährlich etwa 4,1 bis 4,2 Millionen t Getreide und 1,1 Millionen t Fleisch. Demnach lagen die Gesamtziffern der Ausbeutung des Landes von 1941 bis 1944 weitaus höher als die ZHO-Zahlen; bei Getreide betrugen sie mindestens 10 Millionen t, bei Fleisch schätzungsweise 3 Millionen t. Diese Mengen brachten die Okkupanten auf, indem sie die Landwirtschaft ohne Saatgut ließen und die sowjetischen Bauern m i t s a m t ihren Familien dem Hunger preisgaben. 5 3 2 Außer den besetzten sowjetischen Gebieten spielten auch Polen, Frankreich und Dänemark eine bedeutende Rolle in der Ernährungsbilanz des deutschen Imperialismus. Den Hauptteil der polnischen Agrarüberschüsse erzeugten die annektierten Gebiete (Wielkopolska, Pomorze). Dort war, wie das I n s t i t u t für Weltwirtschaft 1945 rückblickend feststellte, „in den vier J a h r e n , in denen die E r n t e in vollem Umfange der deutschen Ernährungswirtschaft zugute kam, ein (jährlicher — D. E . ) Überschuß von einer Mill, t Getreide (bzw. entsprechender Mengen Mehl) und 2 0 0 0 0 0 t Zucker mindestens möglich und dürfte auch erreicht worden sein, ganz abgesehen von den weiteren durch Konsumbeschränkung zu erzielenden (! — D . E . ) Mengen". 5 3 3 E s waren die Hungerrationen der polnischen Bevölkerung im „Warthegau" und in Danzig-Westpreußen in Höhe von 53 bis 57 Prozent der deutschen, 5 3 4 die hier schönrednerisch m i t „Konsumbeschränkung" umschrieben wurden. Das Ablieferungssoll der annektierten polnischen Gebiete betrug 527 Ebenda, Film 2348, „Der kriegswirtschaftliche Beitrag Osteuropas für das Reich 1936—1944" (Ausarb. d. Instituts für Weltwirtschaft), o. D. 528 Ebenda, Film 10634, „Fünfter Arbeitsbericht" der ZHO für die Zeit v. 1.7. 1943bis31.3. 1944 (v. 15. 7. 1944). 529 Ebenda, Film 2348, „Der kriegswirtschaftliche Beitrag Osteuropas . . .". 530 Nach — sicherlich zu hoch gegriffener — Schätzung der ZHO (ebenda, Film 10634, „Fünfter Arbeitsbericht" der ZHO) machten ihre Lieferungen an die Wehrmacht 80 Prozent dessen aus, was die deutschen Truppen an landwirtschaftlichen Produkten zum eigenen Verbrauch insgesamt aus dem Lande entnahmen. 531 Anatomie des Krieges, S. 464, Dok. 262, Anlage z. Schreiben Rosenbergs an Bormann v. 17. 10. 1944 (PS-327). 532 Sorokin u. a., S. 159. 533 ZStA Potsdam, FS, Film 2348, „Der kriegswirtschaftliche Beitrag Osteuropas . . .". 5 3 4 Madajczyk,

P o l i t y k a , B d . 2, S . 4 4 , T a b . 8 4 . N a c h der Kalorienzahl berechnet auf eine Familie

m i t drei K i n d e r n v o n 7 b i s 12 J a h r e n .

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

501

während der Erntejahre 1942/43 und 1943/44 an Getreide 3,1 Millionen t, das waren über 13 Prozent des der Landwirtschaft in Deutschland (Vorkriegsgrenzen) auferlegten Kontingents. 535 Sie waren damit in dieser Beziehung nächst den besetzten Gebieten der UdSSR das am meisten ausgeplünderte von allen okkupierten und annektierten Gebieten. Aus dem Generalgouvernement, dessen Bevölkerung, besonders in den Städten, nach Generalgouverneur Hans Franks Worten auf dem „absoluten Aushungerungsstatus" 536 lebte, wurden erhebliche Mengen an Agrarprodukten nach Deutschland abgefahren. Tabelle 123 Lieferungen landwirtschaftlicher bis 1943/44 (in t)

Produkte aus dem Generalgouvernement nach Deutschland

Wirtschaftsjahr

Getreide

Vieh

Fett

Kartoffeln

Zucker

1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

40000 58000 633470 571682

7510 21498 54272 53768

800 900 7235 1355*

121000 134000 434350 387741

4500 4465 28666 27546

' Geplante „Ausfuhr". Wesentlich abweichende Zahl (7700 Tonnen) bei Fajkowski, ogniu, Warschau 1972, S. 37 Quelle: Madajczyk,

1940/41

Józef, Wies w

Polityka, Bd. 1, S. 533, Tab. 46.

Die französischen Lebensmittellieferungen erklommen nach dem Scheitern des Blitzkrieges binnen eines Jahres den ersten Platz in der deutschen „Import"-Statistik. Unter zunehmendem Druck der Okkupanten erzwungen, sollten sie gemeinsam mit den erhöhten Lieferungen aus dem Generalgouvernement und aus anderen besetzten Ländern die ausgefallenen Bezüge aus dem erträumten großen Agrarimperium auf sowjetischem Boden ausgleichen. 537 Tabelle 124 Lieferungen französischer Agrarprodukte an Deutschland 1940/41—1943/44 (in

10001)

Wirtschaftsj ahr

Getreide

Fleisch

Fett

Kartoffeln

Wein (Mill. 1)

1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

1160 950 1429 1423

162 146 253 211 (133)

16 45 22 ?

43 20 (58) 296 375

396 397 459 401

(230) (220) (330) (260)

Quelle: Nach Milward, The New Order and French Economy, S. 257 f., Tab. 53 u. 54 (in Klammern grobe Abweichungen der dort angegebenen Quellen untereinander) ; Fett: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 391, Bl. 7, Dok. NG-1053, „Zahlen zur deutschen Kriegsernährungswirtschaft", o. D. 535 Ebenda, S. 62, Tab. 88. — Der Beginn des Ernte- oder Wirtschaftsjahres ist für Getreide und Fett der 1. August, für Fleisch der 1. September; nicht einheitlich wird das Wirtschaftsjahr für Kartoffeln, Zucker usw. berechnet (Beginn in der Regel 1. September oder 1. Oktober). 536 Piotrowski, Stanislaw, Hans Franks Tagebuch, Warschau 1963, S. 380, Tagebucheintr. v. 14. 12. 1942 (Rede Franks vor Politischen Leitern der NSDAP). 537 Vgl. Milward, The New Order and the French Economy, S. 255.

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

502

Der Zwangsbeitrag Dänemarks zur deutschen Kriegsernährungswirtschaft war bei Fleisch und B u t t e r außergewöhnlich groß. Die dänische landwirtschaftliche Produktion ging unter der deutschen Besatzung schroff zurück, so bei Fleisch von 4 8 8 0 0 0 t im J a h r e 1939 auf 2 7 5 0 0 0 t im J a h r e 1942 (1943: 2 8 1 0 0 0 t), bei B u t t e r im gleichen Zeitraum von 1 8 3 0 0 0 auf 1 0 9 0 0 0 t (1943: 1 2 5 0 0 0 t ) . 5 3 8 Dementsprechend sanken die Lieferungen nach Deutschland. Trotzdem lieferte Dänemark immer noch mehr B u t t e r als alle anderen okkupierten Gebiete ; die Fleischlieferungen wurden nur von denen aus den besetzten sowjetischen Gebieten und aus Frankreich übertroffen. Tabelle 125 Dänische Lebensmittellieferungen

an Deutschland 1940/41 —1943/44 (in

Wirtschaftsjahr

Fleisch

Butter

Käse

Fisch

1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

190 183 62 (80) 150

64,6 35,8 37,9 52,0

5,6 4,8 2,7 4,0

101 113 93 104

10001)

Quelle: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 391, Bl. 10, Dok. NG-1053, „Zahlen zur deutschen Kriegsernährungswirtschaft", o. D.; 1943/44: Ebenda, F S , Film 10630, Aktennotiz (BfV/Geschäftsgruppe Ernährung) v. 22. 8. 1944 (Zahl in Klammern ebenda) ; ζ. T. stark nach oben und unten abweichende Zahlen ebenda, Film 13430, Statist. Aufstellung (hs.) „laut Reichsbevollmächtigtem"). E i n e relativ vollständige Übersicht über den R a u b landwirtschaftlicher Produkte für das in dieser Hinsicht aufschlußreichste J a h r (1942/43) ließen Minister Herbert B a c k e und seine rechte Hand, Ministerialdirektor Riecke, Anfang 1944 anfertigen, als sie über die Erfüllung von Görings Anfang August 1942 erhobenen Forderungen an die besetzten Gebiete zu berichten h a t t e n . 5 3 9 Görings stark vom Wunschdenken beeinflußte Auflagen waren zwar von vornherein auf realistischere Zahlen zurückgeschraubt, aber dennoch überwiegend nicht erreicht worden. Immerhin ergaben sich beeindruckende Ziffern für dieses J a h r , in dessen Verlauf sich der deutsche Machtbereich weiter als in allen anderen Kriegsjahren ausdehnte. Die Wende des Krieges, die während dieses J a h r e s an der deutschsowjetischen F r o n t eintrat, konnte sich bis J u l i 1943 auf das Ausmaß der agrarischen Ausbeutung der okkupierten Gebiete, selbst in der U d S S R , noch nicht allgemein und durchgreifend auswirken. (Tabelle 126) Mit größeren Lücken läßt sich eine ähnliche Bilanz für das folgende Wirtschaftsjahr aufstellen. (Tabelle 127) An den B e r i c h t Rieckes vom J a n u a r 1944 Schloß sich eine Aufstellung an, die trotz ihrer Unvollständigkeit und trotz Unstimmigkeiten in bezug auf andere Zahlen doch Aufschluß über die Tendenz der Gesamtentwicklung von 1940 bis 1943 gibt. (Tabelle 128) 538 ZStA Potsdam, F S , Film 13764, Aufstellung (IG Farben/Volkswirtsch. Abt.?) nach dänischen statistischen Quellen, Dez. 1944. 539 ZStA Potsdam, F S , Film 10649, „Abschlußbericht über die Abwicklung der ReichsmarschallForderungen im IV. Kriegswirtschaftsjahr für die besetzten Ostgebiete sowie für Frankreich, Belgien, Niederlande, Norwegen, Protektorat Böhmen und Mähren, Generalgouvernement, Serbien-Banat", 7. 1. 1944 (unterzeichn. : Riecke). — Nicht berichtet wurde über Dänemark und Griechenland; die annektierten Gebiete blieben außer Betracht. Eine erste Fassung des Berichts (ohne Sowjet. Gebiete) stammte v. 15. 10. 1943 (ebenda).

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik Tabelle 126 Raub von Agrarprodukten (in 1000 t)

aus annektierten und okkupierten Gebieten, Wirtschaftsjahr

Getreide

Besetzte Gebiete der U d S S R Polen davon Generalgouvernement Frankreich

Fleisch (Fisch)

Fett (Käse)

1359

262 (13) 130

256 (3) 28

633 1400

54 250

7 27 (12) 38 (3) 8 (11) 1 19

2910

Dänemark

7

Niederlande Protektorat Serbien und Banat Belgien Norwegen insgesamt**'

503

22 189 120 51 -

5319

62 (93) 35 13 5 —

8 624

— -

317

1942/1943

Kartoffeln

Zucker (Marmelade)

Gemu.se und Obst

Heu und Stroh

1251

151* (21) 208

256"

1550

1670 434 296 —

?

117



377

109 770







29

139

19

88

148 5 40



25 135 2368

391

498

239 39 9 131 78



22 31 13 ?

?

* Ausdrücklich als „Mindestmengen" bezeichnet (ohne Berücksichtigung zusätzlicher „Entnahmen" durch die Truppe usw.) * * Nur 11 Monate (1. 9.-31. 7.) * * * Zahlen aus dem Riecke-Bericht; stimmen nicht mit der vorliegenden ergänzten Tabelle überein. — Infolge Quellenvergleichs ergeben sich Unterschiede zu DZW, Bd. 2, S. 430 Quelle: Wie Anm. 539; für Polen und Dänemark: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 391, Bl. 5ff., Dok. NG-1053, „Zahlen zur deutschen Kriegsernährungswirtschaft", o. D. ; ferner die in Tab. 122 und 125 angegebenen Quellen. Die deutschen Lieferungen („Zuschüsse") an die okkupierten Gebiete — einschließlich der Lieferungen an die Okkupationsorgane — waren für die drei abgerechneten Wirtschaftsjahre bei Fleisch gleich Null, bei Getreide betrugen sie knapp 1,3 Millionen t, bei Fett 118000 t.540 Gemessen am jährlichen Durchschnitt der Getreideernten 1942 und 1943 in Deutschland (18,8 Millionen t), 5 4 1 bedeuteten jene sechs Millionen t Getreide, die die Okkupanten 1942/43 nach eigenen Angaben aus den besetzten Gebieten pumpten 5 4 2 , 32 Prozent; auch bei Abzug von 241000 t „Zuschüssen" lag dieser Anteil über 30 Prozent. Das Aufkommen von Fleisch in Deutschland selbst belief sich 1942 auf 2,37 Millionen t, im J a h r e 1943 nur noch auf 1,859 Millionen t. 5 4 3 Die aus der Tabelle für 1942/43 ablesbaren 765000 t Fleisch aus den okkupierten Gebieten, berechnet auf das Eigenaufkommen 1942 bzw. auf den Durchschnitt von 1942 und 1943, machten 32 bzw. 36 Prozent aus. 540 541 542 543

Ebenda. Statistisches Handbuch, S. 124. Siehe Tabelle 126 (auch für die folgenden Berechnungen im Text). Statistisches Handbuch, S. 231.

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

504 Tabelle 127 Raub von Agrarprodukten

aus okkupierten Gebieten, Wirtschaftsjahr 1943/1944 (in Getreide

Fleisch (Fisch)

Generalgouvernement* 437 Frankreich * * 1265

36 163

Dänemark

35

Niederlande * * *

21

150 (104) 17

Protektorat * Serbien und B a n a t 0 Belgien 0 0 Norwegen 0 0 0

146 186 27

14 4 -

5 (307)

-

Fett (Käse)

_ 21 (11) 52 (4) 7 (1,5) 1 13 -

10001)

Kartoffeln

Zucker

Gemüse und Obst

Heu und Stroh

339 372

24

? 183

59 623



?

4

12

189

13

245

43 6 37 174

59 8 10 -

-

58 27 15

? 372 36 8 158 64

* 1. 9 . - 3 1 . 5. (9 Monate) ** 1. 8.-30. 6. (11 Monate) 8 . 8 . - 8 . 7. (11 Monate) 0 1. 9.-30. 4. (8 Monate) 00 1. 9 . - 3 0 . 6. (10 Monate) 000 Angaben für 8 Monate (Fleisch; Kartoffeln), 9 Monate (Fisch; Gemüse u. Obst) bzw. 10 Monate (Heu u. Stroh). Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 10630, Zusammenstellung über Lieferungen 1943/44, 20. 7. 1944; ebenda, AN v. 22. 8. 1944 (Dänemark) ; ebenda, Film 10637, „Lieferforderungen des Reichsmarschalls für das V. Kriegswirtschaftsjahr 1943/44 an die besetzten und eingegliederten Gebiete und Stand der Lieferungen bis Ende Juni 1944 für die wichtigsten Nahrungs- und Futtermittel in t", 18. 8. 1944 (nur Frankreich, Belgien, Niederlande u. Norwegen). Vgl. auch Quellenangaben für Tabelle 123 u. 124.

Tabelle 128 „Gesamtbilanz" der Ausbeutung 1940/41-1943/44 (in 1000 t) Wirtschaftsjahr 1940/41 1941/42 1942/43

1943/44 ( „ P l a n " )

der Landwirtschaft

der okkupierten

Fleisch

Fett

Getreide 1272 3232 ( 2 0 0 0 = 6 2 o/ 0 ) 5319

269 468 (262 = 5 6 o/ 0 ) 624

( 2 9 1 0 = 5 5 o/o)

(262 = 4 2 o/ 0 )

4200 ( 1 7 3 0 = 4 1 o/ 0 )

(148 = 3 3 %)

455

Gebiete

137 140 ( 8 4 = 6 0 o/ 0 ) 317 ( 2 5 6 = 8 0 o/o) 109 ( 6 8 = 6 2 o/ 0 )

Quelle; Wie Anm. 539. In Klammern Anteil der besetzten sowjetischen Gebiete.

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

505

Gemessen am deutschen Butteraufkommen machten allein die dänischen Lieferungen 1942/43 ( 3 7 9 0 0 t) zusätzlich sechs Prozent, von 1940 bis 1944 insgesamt fast acht Prozent aus, also nicht ganz den deutschen Verbrauch eines Monats pro J a h r . 5 4 4 Aus den besetzten sowjetischen Gebieten holten die deutschen Imperialisten 1942/43 rund 7 0 0 0 0 t , wovon freilich nur etwa 1 0 0 0 0 t nach Deutschland gelangten; das waren insgesamt über 11 Prozent des deutschen Butteraufkommens. 5 4 5 Was Ölfrüchte anbetraf — die Rohstoffgrundlage für Margarine, Speiseöl und hochwertige F u t t e r m i t t e l —, so war Hitlerdeutschland ganz überwiegend auf Lieferungen von außen angewiesen. In den J a h r e n 1942 und 1943 kamen durchschnittlich 70 Prozent dieser „Einfuhren" aus den besetzten sowjetischen Gebieten. 5 4 6 An Kartoffeln wurden 1942 und 1943 in Deutschland 50,5 und 36,1 Millionen t geerntet. 5 4 7 Die aus der Tabelle zu errechnende S u m m e von 3 , 6 Millionen t machte hiervon sieben (gegenüber 1942) bzw. acht Prozent (gegenüber dem Durchschnitt beider J a h r e ) aus.

c) Waffen

und

Kriegsgerät

Der Umfang der Wehrmachts-,, Verlagerungsaufträge" schwankte in den J a h r e n 1941 bis 1943 stark. E r bewegte sich — den lückenhaften deutschen Quellen zufolge, die zweifellos Schätzungen enthalten 5 4 8 — zwischen drei und sechs Milliarden RM. (Tabelle 129) F ü r 1942 ist insgesamt ein beträchtlicher Rückgang der Wehrmachtsaufträge erkennbar. Wahrscheinlich hatte hierauf die Konzentration und rasche Erhöhung der Rüstungsproduktion im „großdcutschen" R a u m wesentlichen Einfluß, die Rohstoffe und Arbeitskräfte in stark vermehrtem Umfang aus den besetzten Gebieten nach Deutschland abzog. Der Rückgang betraf fast ausschließlich die westeuropäischen Länder, deren Anteil Ende 1941 etwa 90 Prozent betrug, im Oktober 1942 aber nur noch knapp 80 Prozent ausmachte. 5 4 9 Demgegenüber stieg relativ und absolut der Auftragsbestand im Generalgouvernement, ferner (mit Abstand) in Dänemark und (unter Schwankungen) in Norwegen. Die Auslieferungen an Rüstungsgütern blieben im J a h r 1942 insgesamt offenbar um einiges hinter den Auftragsprogrammen zurück. Einem Auftragsbestand von rund 5,5 Milliarden RM am Ende des Vorjahres (1. Dezember 1941) standen in den ersten neun Monaten des J a h r e s 1942 Lieferungen im Werte von 3,25 Milliarden R M gegenüber. 5 5 0 Doch die Diskrepanz zwischen Aufträgen und Lieferungen blieb auf längere S i c h t — nach dem Beispiel des Generalgouvernements zu urteilen — geringfügig. (Tabelle 130) Von den gesamten Lieferungen aus Rüstungs-,,Verlagerungen" entfielen im J a h r e 1943 auf Frankreich 40 Prozent, auf Belgien/Nordfrankreich 17 Prozent und auf die Niederlande und das Generalgouvernement j e 14 Prozent. 5 5 1 544 545 546 547 548

Ebenda, S. 215; s. Tabelle 125. Ebenda; s. Tabelle 126. ZStA Potsdam, FS, Film 2348, „Der kriegswirtschaftliche Beitrag Osteuropas . . .". Statistisches Handbuch, S. 124f. Die Statistik umfaßte die „unmittelbaren und erkennbaren mittelbaren" Welirmachtsaufträge ( Thomas, S. 358). ' 549 Siehe Tabelle 129. 550 Thomas, S. 358. 551 ZStA Potsdam, FS, Film 4571, „Wehrwirtschaftliche Erkenntnisse von 5 Kriegsjahren", Ausarbeitung des OKW/Feldvvirtschaftsamt (W. Tomberg), November 1944.

506

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

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Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

507

Nach französischen Nachkriegsberechnungen belief sich die Produktion von Kriegsmaterial einschließlich militärischer Bauten für deutsche Zwecke von 1940 bis 1944 wertmäßig auf zehn Prozent (115 Milliarden ffrs.) sämtlicher in Frankreich von den Okkupanten in Anspruch genommener Produkte und Dienstleistungen. 552 Ein beträchtlicher Teil der sonstigen Industrieproduktion für die Besatzungsmacht (186 Milliarden ffrs.) dürfte allerdings hinzuzurechnen sein. 553 Frankreich lieferte insbesondere LKW und andere Fahrzeuge (von 1941 bis 1943 im Gesamtwert von rund 22 Milliarden ffrs.), Flugzeuge und Flugmotoren (15 Milliarden ffrs.) und Erzeugnisse der Elektro- und der feinmechanischen und optischen Industrie (9 Milliarden ffrs.). 554 Im Jahre 1942 wurden 35421 LKW, im folgenden Jahr 16533 LKW produziert; das waren 44 bzw. 15 Prozent der gesamten deutschen LKW-Produktion. 553 Der Anteil der annektierten Gebiete an der deutschen Rüstungsproduktion läßt sich nicht einmal annähernd genau feststellen. Er war zweifellos hoch, vermutlich sogar unverhältnismäßig hoch, da Gebiete wie Österreich und die westlichen Teile Polens in besonders raschem Tempo zu Rüstungsstätten „Großdeutschlands" ausgebaut und überdies in späteren Kriegsjahren bei der Verlagerung kriegswichtiger Produktion aus luftkriegsgefährdeten Gebieten bevorzugt wurden. Zuverlässig geschätzte Zahlen für einzelne Waffenarten und -typen existieren für Österreich. Tabelle 131 Anteil Österreichs an der Rüstungsproduktion (ausgewählte Waffenarten; in Prozent) Karabiner ( Κ 98 k) MG (MG 34 u. 42) MPi (MP 40 u. 42) 15 cm Kanone 18 1. F. H. s. F. H. 8,8 cm Flak 36

*

11 12 40 fast 100 18 7 13

„Großdeutschlands"

Panzer IV Jagdtiger Jagdflugzeug Me 109

52 100 29

Quelle: Schausberger, Norbert, Rüstung in Österreich 1938-1945, Wien 1970, S. 178.

Hingegen war, abgesehen vom „Protektorat Böhmen und Mähren", der Anteil der okkupierten (nicht annektierten) Gebiete an der Produktion von Waffen, Gerät und Ausrüstung für die Wehrmacht, im Verhältnis zur Kapazität dieser Gebiete und zur Produktion in Deutschland, nicht sehr bedeutend. Es kann nicht davon die Rede sein, daß die Okkupanten das kriegswirtschaftliche Potential des faschistisch beherrschten europäischen „Großraums" in dieser Hinsicht voll ausgenutzt hätten. Daran hinderten sie der Widerstand der Völker in seinen vielfältigen Formen und ferner ihr eigenes Sicherheitsbedürfnis gerade bei der Produktion von Waffen und Waffensystemen. Außerdem zogen es die deutschen Rüstungskonzerne vor, die besetzten Länder an Rohstoffen und Arbeitskräften leerzu552 553 554 555

Milfvard ,The New Order and the French Economy, S. 276, Tab. 61. Ebenda. Ebenda, S. 133, Tab. 16. Ebenda, S. 132, Tab. 15 ; The Effects, S. 281, App. Tab. 107 (hier etwas höhere Gesamtzahlen als bei Bleyer, Rüstungsbericht, S. 363 ; nach den dort angeführten Zahlen des Speer-Berichts vom 27. 1. 1945 ergeben sich 45 bzw. 20 Prozent).

508

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

plündern, und waren bestrebt, Produktionsmittel, Material, Arbeitskräfte, Produktionserfahrungen und -geheimnisse ausschließlich zum eigenen Profit auszunutzen. In bestimmten Bereichen der Rüstung trug die Industrie der okkupierten Gebiete allerdings doch in erheblichem Maße dazu bei, die Wehrmacht mit Rüstungsgütern zu versorgen, insbesondere auf dem Gebiet des Schiffbaus, der Elektrotechnik (Nachrichtengerät) und der Optik, der Produktion von Kraftfahrzeugen und Flugzeugen. Tabelle 132 Arvteil okkupierter Gebiete an der deutschen Rüstungsproduktion

Frankreich Belgien/Nordfr. Niederlande Generalgouvernement Dänemark Norwegen Serbien Zusammen

im Jahre 1943 (in

Prozent)

Waffen

Munition

Kraftfahrz.

Schiffbau

Flugzeuge

Nachr.gerät

Opt. Gerät

1,5 0,8 0,1

1,4 0,7 0,1

11,9 1,3 0,8

6,4 11,9 14,0

6,5 0,1 1,1

5,0 10,7 8,3

2,8 0,2 3,5

1,8 0,3 0,3

3,9

1,2 0,3 0,7

1,0 0,1

3,6 0,5 0,5

1,6



0,3

-

1,5 1,9

-



-

-

-

-

-

0,1

-

-

4,8

6,4

16,2

35,7

8,9

28,6

8,1

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 4571, „Wehrwirtschaftliche Erkenntnisse von 5 Kriegsjahren", November 1944 (errechnet auf der Basis der „Lieferungswerte"; ohne Berücksichtigung der annektierten Gebiete und des Protektorats). — Die aufgeführten Zahlen bzw. Lieferungen gingen — als „verlagerte" Produktion — in der deutschen Statistik unmittelbar in die Ziffern der deutschen Rüstungsproduktion ein und sind in der Regel nicht oder nur unter Schwierigkeiten wieder auszusondern. Mißt man die in der Tabelle angegebenen Gesamtanteile nach einem sehr groben Verfahren am Anteil des Gesamt-,,Werts" der einzelnen Gruppen an der deutschen „Rüstungsendfertigung", 5 5 6 so betrugen die Anteile der besetzten Gebiete an der Gesamtproduktion des Jahres 1943 an Waffen und Kriegsgerät: bei Waffen 0,42 Prozent bei Munition 1,8 Prozent bei Kraftfahrzeugen 0,68 Prozent beim Schiffbau 3,0 Prozent bei Flugzeugen 3,4 Prozent Die Produktion der besetzten Gebiete in diesen fünf Gruppen machte im J a h r e 1943 also insgesamt 9,3 Prozent der „deutschen" Rüstungsproduktion (Waffen und Kriegsgerät) aus. Hinzuzurechnen sind, abgesehen von den restlichen, nicht umrechenbaren Gruppen, die Produktionsziffern der annektierten Gebiete und des Protektorats. B e i einem ungefähren Gesamtwert der Rüstungsproduktion („Rüstungsendfertigung") des Jahres 1943 von 25 Milliarden RM 5 5 7 beliefen sich jene 9,3 Prozent auf rund 2,3 Milliarden RM. 5 5 8 Anders 556 Siehe Wagenführ, S. 69, Tabelle ; dortige Werte auf der Basis gleichbleibender Preise errechnet (s. a. The Effects, S. 144f.). 557 Errechnet nach Wagenführ, S. 73; s. a. The Effects, S. 145. 558 Diese Summe liegt unter den angeführten Zahlen für die Wehrmachtsaufträge (um ca. 40 bis 45 Prozent), da in den letztgenannten Beträge für Nachrichten- und optisches Gerät,

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik

509

ausgedrückt: Die Produktion von Waffen und Kriegsgerät in den okkupierten Gebieten deckte den Wehrmachtsbedarf im Jahre 1943 f ü r einen reichlichen Monat — unter Hinzuziehung des Protektorats schätzungsweise f ü r anderthalb Monate.

d) Clearingschulden und Besatzungskosten Clearingschulden und Besatzungskosten waren die beiden wichtigsten Finanzierungsmethoden, die die deutschen Imperialisten bei der Ausbeutung und Ausplünderung der okkupierten Länder anwandten, soweit sie es überhaupt f ü r nötig hielten, den Schein einer Bezahlung bzw. gegenseitiger Handelsbeziehungen zu wahren. Die Schulden im bilateralen „Verrechnungsverkehr" (Clearingverkehr) entstanden aus Warenlieferungen und Dienstleistungen der besetzten, aber auch der verbündeten und Satellitenländer mit Deutschland, denen keine entsprechenden deutschen Gegenlieferungen gegenüberstanden. Sie stiegen während des Krieges von wenigen hundert Millionen auf viele Milliarden Reichsmark. Sie waren ein wichtiger Gradmesser f ü r die Ausplünderung vor allem der okkupierten Länder. In den Clearingbilanzen der Faschisten wurde zumeist n u r jener Teil der Clearingschulden sichtbar, den die sogenannten Verrechnungskonten aufwiesen. Tabelle 133 Clearingschulden Deutschlands bei den Hauptgläubigern des Verrechnungsverkehrs 1939—1944 (in Mill. RM) Gesamt- davon: summe Frankreich

Ende 1939 Ende 1940 Ende 1941 Ende 1942 Ende 1943 Ende 1943 Ende 1944

Belgien

Ungarn

Dänemark

Jugoslaw. (Serbien u. Kroatien)

Rumänien

Slowakei

Okt. 409



770



54

10



33

23

90

7

179



59

65



Okt. Okt. 2991

653

524

130

342

57

348

185

7365

2232

1636

525

534

156

573

265

14064

5240

3610

976

911

881

669

426

14185

5812

3873

1049

1009

946

697

460

15852

6164

3996

1180

1046

940

701

488

Okt. Okt. Dez. Jan.

Quelle: ZStA Potsdam, FS, Film 1816, Aufstellung des OKW/Wehrwirtschaftsamt, o. D. ; für Okt. 1943, Dez. 1943 und Jan. 1944: ebenda, Film 8398, Aufstellungen (OKW/Feldwirtschaftsamt) v. 24. 1. und 23. 2. 1944. — Gesamtsummen bereinigt von sog. Guthabensalden. Bekleidung, Maschinen, allgemeines Wehrmachtsgerät, sog. handelsübliches Gerät u. a. enthalten waren (s. Thomas, S. 358).

Kriegsziel- und Okkupationspolitik

510

Ende 1943 entfielen hiernach auf vier okkupierte Länder 82 Prozent der angegebenen Schuldensumme. Die allgemeine Steigerungsrate war annähernd richtig wiedergegeben. Ein noch deutlicheres Bild bietet sich — sowohl hinsichtlich der absoluten Höhe der Schulden als auch im Hinblick auf die Reihenfolge der geschädigten Länder — sobald die mehreren Ländern als Äquivalent aufgedrängten „Reichspapiere" 5 5 9 (Reichsschatzanweisungen) einberechnet werden. Tabelle 134 Clearingschulden

Deutschlands 1943/1944 (incl. Schulden in Reichspapieren;

Gesamtsumme davon: Frankreich Niederlande Belgien Generalgouvernement Protektorat Jugoslawien (Serbien u. Kroatien) Dänemark Rumänien Ungarn Bulgarien Schweiz Slowakei

6. 11. 1943

30. 6. 1944

31. 7. 1944

23085

31600

33216

5315 3775 3636 3649 1092

7902 5593 4710 4162 2425

8217 5805 5395 4265 2459

876 916 682 988 544 589 444

1252 1233 1068 982 823 647 561

1404 1264 1134 1006 816 658 574

in Mill. RM)

Quelle: ZStA Potsdam, Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 56 f., 165 f. u. 182 f., Ausarbeitungen vom 6. 11. 1943, 8. 7. und 10. 8.1944. Auf den ersten sieben Plätzen rangierten danach okkupierte Länder mit einem Gesamtanteil von 87 Prozent (31. J u l i 1944), darunter das Generalgouvernement, die Niederlande und das Protektorat, die ohne Berücksichtigung der Anlage ihrer Guthaben in diesen Papieren, die die offene, staatlich organisierte Ausbeutung durch Hitlerdeutschland nur notdürftig verschleierte, hinterste Plätze einnahmen. Die deutschen Schulden auf ihren Verrechnungskonten betrugen, zusammengerechnet, weniger als 100 Millionen RM. 5 6 0 Die deutsche Auslandsverschuldung stieg in ihren beiden Hauptformen seit 1940/41 unaufhaltsam und mit wachsendem Tempo. (Tabelle 135) Die Problematik der Bewertung derartiger Zahlen und Berechnungen erhellt schon die Tatsache, daß die besetzten sowjetischen Gebiete darin als Clearingschuldner Deutschlands aufgeführt wurden. Der „Außenwirtschaftsverkehr" mit diesen Gebieten war so manipuliert, daß er „nur zum Teil über Clearing abgerechnet" 5 6 1 wurde. Man verrechnete Liefe559 ZStA Potsdam, Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 56 f., Aufzeichnung der Reichsbank (Volkswirtsch. Abt.) „Über die Pläne zur Lösung des Clearingproblems", 15. 11. 1943. 560 Ebenda, FS, Film 8398, Aufstellung (OKW/Feldwirtschaftsamt) per 31. 12. 1943, v. 24. 1. 1944. 561 Nürnbg. Dok. EC-86, Auszug aus der Ausarbeitung der Forschungsstelle für Wehrwirtschaft „Die finanziellen Leistungen der besetzten Gebiete bis 31. März 1944" vom 10. 10. 1944, gedr. bei Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 342.

Kriegswirtschaftliche Resultate der Okkupationspolitik Tabelle 135 „Deutsche Clearingschulden Clearing

Ende Ende Ende Ende Ende Sept.

1939 1940 1941 1942 1943 1944

335 953 3251 8052 14253 19967

511

und sonstige Auslandsschulden"

1939—1944 (in Mill.

in Reichspapieren angelegte Guthaben Niederld. Gen.-gouv. Protekt.



1289· 2440* 4187 6045

1 749 1738* 2786 4442

Balg.

-



781* 993 1161 2340

103 305 567 689

RM)

Zusammen 335 954 6172* 13528* 22954 33483

" Ergänzt durch ZStA Potsdam, Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 8, Ausarbeitung über die „Entwicklung der deutschen Clearingverschuldung" v. 31. 5. 1943 Quelle: ZStA Potsdam, Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 188, Aufstellung über „Deutsche Clearingund sonstige Auslandsschulden" v. 1. 1. 1944. rungen aus Deutschland an Okkupationsdienststellen, Ostgesellschaften und deutsche „Ostfirmen" gegen geraubte, nach Deutschland abtransportierte, zu Minimalpreisen (Großhandelspreisen) verkaufte Landesprodukte. Auch bei den verschiedenen Arten von Besatzungskosten blieb die Ausplünderung der besetzten sowjetischen Gebiete in den Berechnungen und Berichten der Faschisten außer B e t r a c h t . Mit der übergroßen Gier und Eile, in der sie die sowjetischen Ressourcen auszubeuten und ihr kriegswirtschaftliches Potential aufzufüllen trachteten, hielt selbst die bürokratische Pedanterie des Regimes nicht Schritt. B e i einem Versuch, die finanziellen Ergebnisse der Okkupationspolitik in der U d S S R zu erfassen, mußten seine Initiatoren selbst zugeben, der errechnete Gesamtbetrag — mit 4,5 Milliarden RM geringer als der Norwegens — sei in der T a t „unwahrscheinlich niedrig" und müsse um Milliardenbeträge höher gelegen haben. 5 6 2 U n t e r diesen Umständen bleibt jede Berechnung der Besatzungskosten und überhaupt der finanziellen „Leistungen" der okkupierten Gebiete bruchstückhaft und fragwürdig. Soweit Ziffern über Besatzungskosten vorliegen, ist zu berücksichtigen, daß diese Kosten sich nicht ausschließlich in wirtschaftlich relevanten Vorgängen niederschlugen, daß sie in der Regel Quartier-, Transport- und andere Leistungen für die Okkupanten nicht abdeckten und daß die verschiedenen Zwangskurse der Reichsmark sowie die Schwarzmarktpreise bzw. -käufe die Reichsmarkrechnung in unterschiedlicher Richtung verfälschend beeinflußten. Ungefähre Relationen zwischen den Zahlungen einiger okkupierter Länder an Bes.atzungskosten und vergleichbaren finanziellen Tributen sind in einer Ausarbeitung der „Forschungsstelle für Wehrwirtschaft" vom Herbst 1944 erkennbar. (Tabelle 136) Die Gesamthöhe der bezahlten Besatzungskosten lag nach Schätzungen der B a n k für Internationalen Zahlungsausgleich (1944) für den Zeitraum von J u l i 1940 bis S e p t e m b e r 1944 bei 8 4 Milliarden RM, denen 9,1 Milliarden R M an abgezwungenen „Darlehen" an das Reich zuzurechnen wären. 5 6 3 Die Gesamtsumme der von Hitlerdeutschland erpreßten 562 Ebenda, S. 343. 563 Larder, Max, Die Finanzierung des Krieges, Luzern 1950, S. 104, Tab. 34

Eichholtz I I

Kriegsziel- und Okkupatiorispolitik

512

Tabelle 136 Besatzungskosten und ähnliche tributare Zahlungen okkupierter Länder bis 31. März 1944 (in Mrd. RM) Generalgouvernement Protektorat Frankreich Belgien Niederlande Dänemark Norwegen

1,6 2,4 34,3 5,7 8,4 1,4 5,0

hauptsächlich „Wehrbeitrag" hauptsächlich „Matrikularbeitrag" Besatzungskosten Besatzungskosten Besatzvingskosten Zentralbank-,, Kredite" Besatzungskosten (ca. 35 Prozent) und Zentralbank-,, Kredite"

Quelle: Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 33iff.; Zahlen von Auswirkungen der Schwarzmarktpreise bzw. -käufe wieder bereinigt. „europäischen Mittel" belief sich f ü r den genannten Zeitraum einschließlich 31,5 Milliarden RM Clearingschulden auf 124,6 Milliarden RM. 564 Nach Schätzungen Kuczynskis f ü r fünf volle J a h r e (1940—1944) auf der Grundlage derselben Quelle betrug sie — einschließlich der Beiträge der annektierten Gebiete — 140 bis 145 Milliarden RM. 565 Rechnet man als finanzielles Ergebnis der Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter in Deutschland annähernd 70 Milliarden RM 5 6 6 hinzu, so k o m m t man auf eine Summe, die das Anderthalbfache eines durchschnittlichen jährlichen deutschen Nationaleinkommens während der Kriegszeit ausmacht. 5 6 7 564 565 566 567

Ebenda. Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 135. Siehe S. 530f.; Drobisch/Eichhoüz, S. 638. Vgl. Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 133 („Volkseinkommen").

KAPITEL VII

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit Milch: Es gibt viele Leute, die haben ihr Vaterland im Herzen, aber ihren Betrieb auch noch im Kopf. Rohland: Man kann sagen, daß das beides absolut parallel läuft. Denn wenn man die Produktion steigern kann, ist jeder bei der Hand. (Zentrale Planung, 23. Besprechung, betr. Eisenkontingentierung)

3. November 1942,

Von der faschistischen D i k t a t u r versprach sich das deutsche Finanzkapital Ausbeutungsbedingungen, die seinen Profit maximieren sollten: unerschütterliche Stabilität seiner ökonomischen und politischen Herrschaft, vollständige Unterwerfung der Arbeiterklasse unter ein Regime ungestörter Ausbeutung und eine Erweiterung seiner imperialistischen Wirtschaftsmacht zur europäischen Vormacht und zur ersten W e l t m a c h t . Im Kriege sollten alle diese Träume reifen. Tatsächlich verschaffte die vom Krieg angeheizte Rüstungskonjunktur den daran teilhabenden Unternehmen, voran den großen Konzernen, einen einzigartigen Profitsegen und eine unerhörte Steigerung ihrer ökonomischen und staatsmonopolistischen Machtpositionen — während sich die Lage der deutschen Werktätigen rapide verschlechterte, Millionen von ausländischen Zwangsarbeitern unter Terror und Hunger fronten und das B l u t von Hunderttausenden deutschen Soldaten zu Profit aus der Okkupation und Ausplünderung fremder Länder umgemünzt wurde. 1. D e r M e c h a n i s m u s d e r P r o f i t m a c h e r e i a) LSÖ und

Festpreissystem

Vor 1938 waren Preise für Rüstungsgüter auf der Basis der Ausschreibung der Wehrmachtsaufträge vertraglich vereinbart worden, 1 seit Ende dieses J a h r e s nach den offiziellen „Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund der Selbstkosten bei Leistungen für öffentliche Auftraggeber" ( L S Ö ) . 2 Der zu zahlende Preis setzte sich nach L S Ö aus den nachgewiesenen und überprüften Kosten („Selbstkosten") und einem darauf berechneten Gewinnzuschlag („Nutzenzuschlag") zusammen. E i n extremes Beispiel für die Auswirkungen des L S Ö Systems waren die „Kolonialverträge" des G B B a u (Todt) für die Baufirmen beim „Westw a l l " b a u : „Der Unternehmer hatte nur die von ihm geleisteten Ausgaben nachzuweisen. Diese bekam er m i t einem prozentualen Gewinnaufschlag vom S t a a t ersetzt. J e höher also die Ausgaben wurden, um so größer war auch der Gewinn. Daraus erwuchs geradezu eine Prämie für unwirtschaftliche Arbeitsweise. Der Unternehmer sparte nicht m i t Materialien, jede Lohnerhöhung brachte ihm einen zusätzlichen Gewinn. Das Ergebnis war, daß in den betroffenen Gebieten des Westens das Preis- und Lohngefüge schwer erschüttert wurde." 3 Die Profite stiegen nach dieser Regelung bedeutend, obwohl die Wehrmachtstellen (Abteilung bzw. Amtsgruppe Vertrags- und Preisprüfwesen des Wehrwirtschafts- und Rü1 Thomas, S. 134. 2 RGBl. 1938 I, S. 1624f., v. 15. 11. 1938; s. hierzu Zumpe, S. 269f. 3 Schwerin v. Krosigk, Lutz Gf., Es geschah in Deutschland. Menschenbilder unseres Jahrhunderts, Tübingen/Stuttgart 1951, S. 298. 34*

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

stungsamtes) durch Prüfungen und Kontrollen auf die Preise drückten. Aber die Expansion der großen Rüstungsunternehmen erforderte gewaltige Finanzmittel für Ersatz, Erneuerung und Erweiterung der Produktionsanlagen und der maschinellen Ausrüstung. Das Verhältnis zwischen ihrem Drang nach Rationalisierung und Ausdehnung einerseits und der Höhe der Profite andererseits erschien den Konzernen zunehmend unbefriedigend, die ständige Kontrolle und wiederholte Preisprüfung durch betriebsfremde Offiziere der Wehrmacht überaus lästig. Außerdem erhielten wenig rentabel arbeitende Betriebe mitunter verhältnismäßig hohe Preise, da die Kosten des Produkts dem Preis zugrundelagen; so fühlten sich die führenden Rüstungsmonopole gegenüber kleineren Unternehmen benachteiligt. Der Anreiz zu Rationalisierung, längerfristigen Investitionen und aufwendiger Entwicklungsarbeit blieb gering, und es rentierte sich für die Produzenten, den Kostenaufwand möglichst hoch zu halten. Damit waren „aber auch gleich mehr Arbeitskräfte und Material gebunden", 4 also erhebliche Verluste an kriegswirtschaftlicher Effizienz zu verzeichnen. Die Vorbereitungen für eine Änderung des Preissystems datierten von der Einsetzung Todts als Reichsminister für Bewaffnung und Munition im März 1940. 5 Die führenden Repräsentanten der deutschen Rüstungsmonopole, auf die Todt sich stützte, verlangten als eine der wichtigsten und vordringlichsten Maßnahmen eine offizielle Neuordnung des Systems der Rüstungspreise. Hierin sahen sie eine wesentliche Basis für die Sicherheit und Stabilität hoher Profite. Es war die in den zahlreichen Besprechungen jener Tage deutlich ausgesprochene „Auffassung der Industrie . . ., daß durch die Neugründung des Ministeriums für Bewaffnung und Munition die Preisprüfung der Wehrmacht wesentlich eingeschränkt werden sollte". 6 Ende März/Anfang April lagen Todt schon „Anregungen der Bildung von Gruppenpreisen" vor, 7 die von Walter Borbet (Vereinigte Stahlwerke), Emil Gobbers (Mannesmann) und anderen stammten. „Der Angriff richtete sich gegen die L S Ö " , berichteten die Vertreter des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes verbittert. „Die Industrie will einen individuell festgesetzten, aber völlig unantastbaren Festpreis." 8 Die Auseinandersetzungen um das Preissystem dauerten offensichtlich lange. Sicher erleichterten es die zeitweiligen militärischen Erfolge den Verantwortlichen, die vorgeschlagene grundlegende Änderung aufzuschieben. Wahrscheinlich aber lagen die Ursachen für die große Verzögerung, mit der das Festpreissystem eingeführt wurde, tiefer. Die Entscheidung Görings über diese Kardinalfrage der Kriegswirtschaft ließ, den spärlichen Angaben Milwards zufolge, 9 deshalb so lange auf sich warten, weil die Vicrjahresplan-Organisation das vorgeschlagene neue System heftig bekämpfte. Hieran ist sicher etwas Wahres; die Hintergründe für diesen Kampf bleiben allerdings im Dunkeln. Die Vierjahresplan-Organisation — das war zu jenem Zeitpunkt weitgehend ein Synonym für das 4 ZStA Potsdam, F S , Film 2313, Protokoll der Sitzung beim G L M am 2 2 . 1 0 . 1 9 4 1 (Ausführungen von William Werner). 5 Siehe ausführlich Band I, S. 121 ff. 6 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 1778, Anlagebericht zum K T B W i R ü A m t / A b t . Vertrags- und Preisprüfwesen (1. 4.—30. 6. 1940); s. a. Anatomie des Krieges, S. 243ff., Dok. 114, A N von K a r l Albrecht über die Sitzung der R G I a m 27. 3. 1940. 7 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 1778, K T B W i R ü A m t / A b t . Vertrags- und Preisprüfwesen, Eintr. v . 4. 4. 1940 über Bespr. beim R M f B u M . 8 E b e n d a , Anlagebericht (wie Anm. 6). 9 Milward, Kriegswirtschaft, S. 65f.

Der Mechanismus der Profitmacherei

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Reichsamt f ü r Wirtschaftsausbau und den „Wehrwirtschaftlichen Neuen Erzeugungsplan", beides u n t e r der Ägide Krauchs und seiner IG-Farben-Experten. Es ist also anzunehmen, daß es um den vom Festpreissystem zu erwartenden Profitboom f ü r die Großproduzenten von Waffen und Kriegsgerät ging, den die Gruppe um Göring und Krauch nicht ausufern lassen wollte. Die synthetische, die übrige chemische Industrie und auch andere, Grund- und Rohstoffe erzeugende Industriezweige konnten bei diesem System, das sich nicht auf sie anwenden ließ, durchaus ins Hintertreffen der Profitkonkurrenz geraten. Im ersten Weltkrieg waren in dieser Hinsicht gewisse Erfahrungen gesammelt worden. 10 Ein anderer, womöglich gewichtigerer Grund f ü r die Verzögerung wurzelte im Gesamtinteresse der herrschenden Klasse. Bei Zumpe, die freilich die gründliche Wandlung in der Preis- und Profitpolitik verkennt, welche das Festpreissystem mit sich brachte, findet sich der f ü r unseren Zusammenhang relevante Hinweis auf die „Erfahrungen, die der erste Weltkrieg hinsichtlich der riesigen Kriegsgewinne und der politischen Auswirkungen auf die Massenstimmung gebracht hatte". 1 1 Diese Erfahrungen bewogen die deutschen Machthaber, das Festpreissystem erst einzuführen, nachdem sie korrespondierende Verordnungen über Gewinn- und Dividendenbeschränkung offiziell erlassen hatten — Gesetze, die allerdings überwiegend optischen bzw. propagandistisch-deklaratorischen Charakter trugen. 1 2 Die zeitliche Abfolge der Aktionen 1941/42 war nicht zufällig: 12. Juni 1941 — Dividendenabgabeverordnung 13 20. Juni 1941 — erste Verlautbarung Görings über Änderung der „Gewinnbemessung 6. November 1941 31. März 1942 19. Mai 1942

bei Rüstungsaufträgen" 1 4 — Erlaß und Richtlinien Görings über Festpreise 1 5 — Gewinnabführungsverordnung 1 6 — Rahmenerlaß über Einheits- und Gruppenpreise 17

Am 20. J u n i 1941 wandte sich Göring an den Reichsfinanzminister und den Reichspreiskommissar und ersuchte sie, bis spätestens zum 1. J u l i neue Richtlinien f ü r die „Gewinnbemessung bei Rüstungsaufträgen" zu entwerfen : „Die Bemessung des Gewinns bei Vergebung von Rüstungsaufträgen ging bisher nach dem Umsatz oder dem betriebsnotwendigen Kapital. In diesem Verfahren liegt kein Anreiz zu starker Ausnutzung der Betriebskapazität. Im Kriege kommt es mir aber ausschließlich auf den Anreiz zu höchster Ausbringung an Kriegsgerät beigeringstem Aufwand a n . " 1 8 Von einem Ersatz der „Selbst10 Über die Hintergründe der Groener-Merton-Denkschrift v o m 1 2 . 7 . 1917 s. Gossweiler, Kurt, Großbanken, Industriemonopole, Staat. Ökonomie und Politik des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland 1914-1932, Berlin 1971, S. 76ff. 11 Zumpe, S. 270f. 12 Siehe auch S. 533 ff. 13 RGBl. 1941 I, S. 323ff., „Verordnung zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen (Dividendenabgabeverordnung)" v. 12. 6. 1941. 14 ZStA Potsdam, FS, Film 2312. 15 Ebenda, Film 2354. 16 RGBl. 1942 I, S. 162, „Verordnung über die Erfassung außergewöhnlicher Gewinnsteigerungen während des Krieges (Gewinnabführungs-Verordnung, GAV)" v. 31. 3. 1942. 17 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 8442, Bl. 19 R u. ff.. „Anordnung über Einheits- oder Gruppenpreise" ( B f V / R K f. d. Preisbildung) v. 19. 5. 1952 ( = DRA, Nr. 117, v. 21. 5. 1942). 18 Ebenda, FS, Film 2312, Verfg. B f V an RMdF und R K f. d. Preisbildung betr. „Gewinnbemessung bei Rüstungsaufträgen" v. 20. 6. 1941. Hiernach auch das Folgende.

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

kostenpreise" der LSÖ durch feste Preise war hier noch gar nicht die Rede, sondern nur von „Leistungszu- bzw. -abschlagen . . . neben der bisherigen Gewinnberechnung". Allerdings sollte geprüft werden, „inwieweit der Leistungszuschlag steuerfrei belassen werden kann, damit nicht durch Steuern oder Gewinnabschöpfung das erstrebte Ziel wieder gefährdet wird". Erst im November kam Göring auf das Thema zurück, diesmal angesichts des Scherbenhaufens des Blitzkriegskonzepts. Erlaß und Richtlinie vom 6. November 1941 19 standen ohne Zweifel im Zusammenhang mit den großen zentralen Beratungen, die Göring an den folgenden Tagen abhielt, besonders mit der Konferenz am 7. November, die sich mit der „Ausrichtung der Kriegswirtschaft auf das Rüstungsprogramm" beschäftigte. 20 Sie dürften unter nachdrücklicher Assistenz von Todt zustandegekommen sein. „Rüstungsaufträge müssen hiernach", so hieß es in dem Begleiterlaß zu den „Richtlinien für die Preis- und Gewinnbemessung bei Rüstungsaufträgen", „grundsätzlich zu Festpreisen, und zwar zu gleichen Festpreisen für alle Auftragnehmer, vergeben werden. Bei der Ermittlung der Festpreise sind die Verhältnisse der guten, nicht der mittleren Betriebe zugrunde zu legen." Die Richtlinien unterschieden zwischen „Einheitspreisen" und — zunächst noch nicht weiter differenzierten — „Gruppenpreisen". Sämtliche Festpreise sollten von Arbeitsstäben festgelegt werden, bestehend aus „Sachbearbeitern der Wehrmacht, des Munitionsministeriums und des Preiskommissars". Die Zentralidee des neuen Preissystems war der Fortfall der Besteuerung der Kriegsgewinne: „Haben der Reichskommissar für die Preisbildung oder die von ihm beauftragten Stellen den Festpreis bestätigt, unterliegen die daraus anfallenden Gewinne nicht der Gewinnabführung nach § 22 KWVO." In den folgenden Monaten fanden die Festpreise in Form von Einheits- und Gruppenpreisen Eingang in ausgedehntere Bereiche der Rüstungsproduktion. Sie kamen, wie das Heereswaffenamt mißbilligend mitteilte, „im Gegensatz zu den früheren Verfahren nicht durch vertragliche Vereinbarungen zwischen der Lieferfirma und dem Wehrmachtsteil, sondern durch einseitige Festsetzung durch den (gemäß Göring-Erlaß jeweils eingesetzten — D. E.) Arbeitsstab zustande". 21 Einheitspreise, „nach den Unterlagen der bestarbeitenden Betriebe" 22 ermittelt, galten für alle Produzenten des betreffenden Produkts. Wurden Preise für Rüstungsgüter als Einheitspreise anerkannt, so blieben sie für die Dauer des Krieges bzw. des Auftrags unverändert bestehen. Da der erzielte Gewinn „vom Preiskommissar nicht weiter untersucht und abgeschöpft" 23 wurde, konnten die großen, modern eingerichteten Rüstungsbetriebe, in der Regel die führenden Monopolfirmen, weitgehend unkontrollierte, enorme Profite und Surplusprofite machen: „Die am rationellsten arbeitende Fabrik hat den größten Gewinn." 24 Wo mehrere oder zahlreiche Unternehmen mit stark unterschiedlicher individueller Profit19 Ebenda, Film 2354, Erl. Görings betr. „Gewinnbemessung bei Rüstungsaufträgen" und „Richtlinien für die Preis- und Gewinnbemessung bei Rüstungsaufträgen" v. 6. 11. 1941. Hiernach auch das Folgende. 20 Siehe S. 34 f. 21 Ζ StA Potsdam, FS, Film 3398, Rs. HWA an Rüln, 10. 2. 1942. 22 BA Koblenz, R 3/1547, Rede Speers auf der Gauleitertagung in München am 24. 2. 1942. 23 Ebenda. — Der nicht abzuführende Mehrgewinn wurde pro rata der Umsätze errechnet (s. BA VEB Pentacon, o. Nr., Protok. d. Besprechung in der Betriebsdirektion am 18. 6. 1942). 24 Anatomie des Krieges, S. 373, Dok. 189, Protokoll von Karl Albrecht über die Sitzung des Großen Beirats der RGI am 13. 1. 1942 (Ausführungen Todts).

Der Mechanismus der Profitmacherei

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rate gleichartige Rüstungsgüter produzierten, wurden Gruppenpreise in zwei oder mehr Kategorien eingeführt. Der (niedrigste) „Gruppenpreis I " war mit denselben Bedingungen verbunden wie der Einheitspreis. Die Gruppenpreise II und höher genossen dagegen keine Steuerbegünstigung. Die Festpreise lagen nach Thomas etwa zehn Prozent unter dem erreichten Durchschnittsniveau 2 5 und entsprachen damit den Produktionsbedingungen der leistungsfähigsten Unternehmen, d. h. in der Regel der großen Rüstungsfirmen. Die fortschreitende Rationalisierung gab in erster Linie wiederum den großen Monopolfirmen die mannigfaltigsten Möglichkeiten, ihren Profit zu vermehren, ja zu vervielfachen. Endgültig scheint sich das Festpreissystem unter Speer durchgesetzt zu haben, der, wie auf anderen Gebieten, auch auf dem der Preispolitik den Einfluß sowohl des Beauftragten für den Vierjahresplan als auch der Wehrmachtstellen zurückdrängte und schließlich ausschaltete. Der langerwartete Rahmenerlaß über das Festpreissystem erschien jedenfalls erst am 19. Mai 1942, unterschrieben vom neuen Reichspreiskommissar Hans Fischböck (seit Februar 1942), einem eng dem Finanzkapital, besonders der Deutschen Bank verbundenen Mann, „im Einvernehmen" mit dem Munitionsminister, dem OKW und dem Reichswirtschaftsminister. 2 6 Soweit zu Einheits- oder Gruppenpreisen I geliefert wurde, entfiel die Gewinnabführungspflicht nicht nur gemäß § 22 KWVO, sondern jetzt auch gemäß § 5 GAY. Der Gesetzgeber drängte massiv auf die Einführung von Festpreisen: „Unternehmen, die nicht zu Einheitspreisen oder zu Gruppenpreisen I liefern, müssen damit rechnen, daß sie bei der Vergebung von Aufträgen gegenüber solchen Unternehmen benachteiligt werden, die den Auftrag zu Einheitspreisen oder Gruppenpreisen I ausführen. Bei einer Einschränkung der zu vergebenden Aufträge können diese in erster Linie solchen Unternehmen entzogen werden, die nicht zu Einheitspreisen oder zu Gruppenpreisen I liefern. Mit der Entziehung der Aufträge entfällt auch die darauf gestützte Bevorzugung bei der Zuweisung von Hilfsmitteln (Arbeitskräfte, Rohstoffe, Betriebsmittel)." (§§ 4a und 4b) Das Festpreissystem wirkte als ein sehr starker ökonomischer Hebel sowohl für die Steigerung der Produktion, besonders durch Großserienfertigung, als auch für ihre Rationalisierung und Modernisierung. Das war eine der wesentlichen Ursachen dafür, daß die Rationalisierung in der Rüstungsindustrie seit Anfang 1942 so rasche und umfassende Fortschritte machte. Der Reichsminister für Bewaffnung und Munition wies im folgenden sämtliche Versuche der Wehrmacht, des Reichsfinanzmuiisteriums und des Reichspreiskommissars ab, den Rüstungsproduzenten die sich aus dem Festpreissystem ergebenden Profitmöglichkeiten in irgendeiner Weise zu beschneiden. Karl M. Hettlage, Generalreferent für Wirtschaft und Finanzen im Munitionsministerium, betonte bei jeder Gelegenheit nachdrücklich, „daß sein Ministerium grundsätzlich gegen eine Besteuerung sei, die den Leistungswillen töte". 2 7 Anfang 1943 erwirkte Speer von Hitler eine wichtige Ermächtigung, über die er notierte: „Der Führer ist . . . damit einverstanden, daß ich ihm einen Erlaß vorlege, nach dem ich berechtigt bin, zur Erreichung einer Leistungssteigerung erforderlichenfalls Preisänderungen festzusetzen, und nach dem ich zu Preisänderungen an Rüstungsgütern durch den 25 Tilomas, S . 138. 26 Wie Anm. 17. Hiernach auch das Folgende. — Aufschlußreich ist die Nichtbeteiligung des Reichsfinanzministers. 27 B A Koblenz, R 2/20934, Aktennotiz v o m 16. 1. 1943 üb. interminist. Bespr. betr. Regelung der Gewinnabführung am 12. 1. 1943.

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Preiskommissar vorher meine Zustimmung geben muß." 2 8 Gleichzeitig unternahm er einen entscheidenden Vorstoß, alle Regulierungsvollmachten auf dem Gebiet der Rüstungspreise weitgehend bei sich zu konzentrieren, und setzte es durch, daß das Wehrwirtschaftsamt des OKW im April 1943 das Vertrags- und Preisprüfwesen an das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition abtrat. 2 9 Diesen Erfolg baute der Minister mittels wichtiger Erlasse vom 11. August 1943 aus. 3 0 Nach Übernahme der produktionsregulierenden Funktionen des Reichswirtschaftsministeriums erließ der Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion äußerst weitherzige Profitrichtlinien auch für die nicht unmittelbar Rüstungsgüter produzierende Industrie. Nach den „Preisberichtigungsgrundsätzen" vom 10. November 1943 waren der doppelte LSÖ-Gewinn oder 25 Prozent der „angemessenen Selbstkosten" als Gewinn zu tolerieren, ehe behördlich angeordnete Preissenkungen in Frage kamen. Die Festpreise wurden noch einmal für unabänderlich erklärt. 31 Ein J a h r später erklärte der Rüstungsminister eine Senkung dieser Preise ausdrücklich nur bei „vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Preisverstößen von erheblicher Tragweite" für zulässig. 32 Im Jahre 1944 ging mit der Regulierungsvollmacht in der Luftrüstung auch die Abteilung Preisbildung des Reichsministers der Luftfahrt auf das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion über. „Wir haben nun also endlich", so schrieb Hettlage voller Genugtuung, „eine einheitliche Preisbildung, Preisprüfung und Preisberichtigung für alle Rüstungsaufträge, ohne Rücksicht darauf, welcher Wehrmachtsteil oder welche andere Dienststelle des Reiches privatrechtlich als Auftraggeber auftritt." 3 3 In diesem Zusammenhang beanspruchte das Rüstungskontor nunmehr die Vereinnahmung sämtlicher „Preisberichtigungsbeträge aus Rüstungsaufträgen" und setzte sich damit endgültig und vollständig gegenüber dem — wie Hettlage sich ausdrückte — „verengten Denken uniformierter Ressortpartikularisten" 3 4 durch. Zu welch unglaublich hohen Profiten das Festpreissystem im Laufe der Kriegsjahre führte, soll an dieser Stelle nur mit einer Meldung des Leiters des Produktionsamtes für Verbrauchsgüter im Rüstungsministerium vom J u l i 1944 beleuchtet werden, daß in einem Textilgroßbetrieb (Leipziger Wollkämmerei), der auf Munitionsfertigung umgestellt worden war, der Preis von Rohlingen für Infanteriegeschosse „auf ein Zehntel des ursprünglichen Preises im Rüstungsbetrieb gesenkt werden" konnte. 3 5 Entscheidende Roh- und Grundstoffe für die Kriegswirtschaft wie Kohle und Eisen fielen nicht unter die Festpreisregelungen ; doch konnte die Montanindustrie von dem allgemeinen Profitauftrieb natürlich nicht unbeeindruckt bleiben. Im Jahre 1941 waren zwar die Ruhr28 F B , 18. 1. 1943, P u n k t 24. 29 Thomas, S. 371. Siehe auch S. 132. 30 Z S t A P o t s d a m , F S , Film 4566, G B - R ü s t - „ E r l a ß über die Preisbildung bei Rüstungsaufträgen (Rüst-Preis-Erlaß)" (auch in Nachrichten des RMfBuM, Nr. 28, v. 6. 9. 1943, Ani. 1) und 1. Durchführungserl. (Preis-Org.-Erlaß) v. 11. 8. 1943. 31 B A Koblenz, R 2/5245, Rechnungshof d. Dt. Reiches an R M d F , 15. 2. 1945. 32 Ebenda. — Vergebens opponierte der Reichsfinanzminister; seine v a g e Drohung beispielsweise, „es sei beabsichtigt, ab 1943 oder 1944 die Gruppenpreise zunächst zu V 2 und im folgenden J a h r voll der Gewinnabführung zu unterwerfen", nahm niemand ernst (ebenda, R 2/5242, A N R M d F üb. Besprechung im R M f R u K a m 18. 4. 1944, v. 20. 4. 1944). 33 Ebenda, R 3/1741, R M f R u K (Hettlage) an R M d F , 24. 10. 1944. 34 Ebenda. 35 Ebenda, R 3/1551, Seebauer an Speer, 18. 6. 1944.

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Montankonzerne im Bewußtsein ihrer gesichert erscheinenden Monopolprofite noch „übereinstimmend der Meinung, d a ß im Kriege an den Preisen nichts geändert werden soll". 3 6 Ein J a h r später sah das aber schon anders aus. B e i passender Gelegenheit trugen die Chefs der Reichsvereinigungen Kohle und Eisen — Pleiger, Röchling, Rohland und Alfried Krupp — in Speers Gegenwart Hitler ihre Auffassung von der „unhaltbaren Verkaufspreisentwicklung für Kohle, Roheisen, Halbzeug und Schrott" vor und erklärten eine „Neufestsetzung" der Preise als „dringendst geboten". 3 7 Hitler akzeptierte diese Forderung und erklärte sich auf Speers Vorschlag m i t Preiserhöhungen ab 1. J a n u a r l 9 4 3 einverstanden, die allerdings „auf die Preisbasis der breiteren Bevölkerung keinen Einfluß" haben, sondern „im wesentlichen auf die Fertigungsproduktion der Eisen schaffenden Industrie gelegt werden" sollten 3 8 ; als Gegenleistung sollte die seit längerem diskutierte Produktionssteigerung bei Kokskohle und Roheisen für das IV. Quartal gesichert werden. 3 9 Außer der offiziellen „Plünderung der Staatskasse" (Lenin) durch das Festpreissystem waren es Übergewinne der vielfältigsten Art, an denen sich die Unternehmer bereicherten. Der Reichsrechnungshof stellte gegen Ende des Krieges eine ganze Liste solcher Übergewinne (nach § 22 KWVO „nicht vertretbare Mehrerlöse") zusammen, die „zu Schädigungen der Reichskasse bei gleichzeitiger im Kriege ungerechtfertigter Begünstigung von Unternehmern und Unternehmerzusammenschlüssen" 4 0 in Höhe von mehreren Milliarden RM jährlich führten : — Übergewinne aus überhöht abgeschlossenen Festpreisen (oder Selbstkostenfestpreisen, Markt- und Listenpreisen) — Übergewinne infolge zu hoher Richtpreise (mit Nachkalkulation) im Rüstungssektor — Übergewinne infolge behördlich zu hoch festgesetzter Einheits- und Gruppenpreise (erwähnt wurden „außerordentlich hohe Gewinne" von 38 Prozent und mehr) — Übergewinne aus behördlich zugelassenen überhöhten, aus wirtschaftspolitischen Gründen nicht gesenkten Preisen (ζ. B. für Seife, einige Nahrungsmittel u. a.) — Übergewinne infolge unternehmerseits nicht rechtzeitig vorgenommener, nach § 22 KWVO notwendiger Preissenkungen — Übergewinne aus begangenen Verstößen gegen das Preisrecht außer § 22 KWVO (Preiserrechnungsvorschriften, Höchstpreisanordnungen usw.) Selbstzufriedenheit und Verlogenheit mischten sich demgegenüber in dem 1943/44 verfaßten Berichtswerk des ehemaligen Chefs des Wehrwirtschafts- und Rüstungsamtes des OKW, General Thomas, der die Preisprüfungspolitik des OKWr als erfolgreiches Instrument zur Eindämmung und Abschöpfung von „überhöhten" Profiten und als Grundvoraussetzung für die Einführung der Festpreise pries. 4 1 Anders hatte es sich im August 1942 36 Ebenda, R 13 1/1059, Prot. d. Sitzung d. Kleinen Kreises, 30. 10. 1941: s. ebenda, Sitzung v. 14. 8. 1941. 37 FB, 13. 8. 1942, Punkt 45. 38 Ebenda, Punkt 45 u. 46. 39 Diese Auflage wurde nicht erfüllt (s. S. 363 f.) ; daher — und aus anderen Gründen — fand keine allgemeine Preiserhöhung statt. Pleiger jedenfalls behauptete noch im März 1943, er habe für eine Kohlenpreiserhöhung die „Ermächtigung des Führers" ; er verzichte aber darauf in Anbetracht der Entwicklung der allgemeinen Lage (BA Koblenz, R 2/5359, Pleiger an Schwerin v. Krosigk, 3. 3. 1943). 40 BA Koblenz, R 2/5245, Rechnungshof d. Dt. Reiches an RMdF, 15. 2. 1945. Hiernach auch das Folgende. 41 Thomas, S. 134 ff.

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Kapitalkonzeiitration und Kriegsprofit

angehört, als ersieh im Kreise der Rüstungsinspekteure über das „Verhalten der Industrie", auchhinsichtlich des Festpreissystems, aussprach: „Es ist ja grundsätzlich so, daß, wenn irgendein Neuer kommt oder eine neue Einrichtung geschaffen wird, die Industrie mit dieser neuen Einrichtung geht, weil sie glaubt, dort mehr erben zu können, als es bei der alten geschehen i s t . . . Das ist nun mal das Verhalten der Industrie." 4 2

b) Abschreibungen Die Abschreibungen (Amortisationen), normalerweise wertmäßiger Ersatz der sich während der Produktion verbrauchenden bzw. der moralisch verschlissenen fixen Kapitalteile und als solche ein wichtiger Preisbestandteil, erhielten in der Rüstungs- und Kriegskonjunktur eine neuartige Funktion. „In den Aktiengesellschaften", so heißt es in Gölls Analyse allgemein, „werden die Abschreibungen nicht nach der tatsächlichen Wertübertragung, sondern nach finanzpolitischen Gesichtspunkten bemessen." 43 Nachdem 1935/36 in Deutschland die Rüstungskonjunktur voll eingesetzt hatte, waren sie in immer größerer Proportion zu einem Mittel der Ausplünderung der Staatskasse zu Lasten des werktätigen Volkes, zu einem Mechanismus der Realisierung von Höchstpreisen und Surplusprofiten geworden. Rüstungswerke, die f ü r den Bedarf und auf Bestellung der Wehrmacht und der zivilen Rüstungsbehörden (Vierjahresplan, später Reichsministerium f ü r Bewaffnung und Munition) gebaut wurden, kamen in den Genuß einer vorteilhaften offiziellen Amortisationsregelung. Werkzeuge und Maschinerie konnten mit 20 bis 25 Prozent, die Baulichkeiten und die übrige Einrichtung mit 10 Prozent, insgesamt also etwa zum doppelten Satz, abgeschrieben werden. Verschiedene Arten von „Sonderabschreibungen" waren üblich, ζ. B. solche auf Grund des Besitzes der Unternehmen an Steuergutscheinen des „Neuen Finanzplans" aus dem Jahre 1939. 44 In der Konzernpraxis waren allerdings — unter Umgehung der Bestimmungen des Handelsgesetzbuches — schon seit jeher Höchstsätze f ü r Abschreibungen üblich, jedenfalls was Maschinen, Werkzeuge und anderes Inventar betraf. So war es die jährliche „Gewohnheit" wahrscheinlich der meisten Monopolunternehmen, daß „Maschinen und maschinelle Anlagen, Werkzeuge, Betriebs- und Geschäftsinventar in der Bilanz auf RM 1,— abgeschrieben" wurden. 45 Bei Siemens & Halske betrug die Summe dieser Anschaffungen, die „entsprechend der bisherigen Übung sofort abgeschrieben werden", im Geschäftsjahr 1942/43 allein 23,7 Millionen RM, die „vorweg zu Lasten des Rohüberschusses verrechnet sind". 4 6 Besonders begünstigt waren die sogenannten Ostwerke der Konzerne. Es handelte sich — wie beispielsweise beim Komplex der Auschwitzer Werke des IG-Farben-Konzerns — um 42 Wagner, S. 179 (zit. Rede Thomas' vor den Rüstungsinspekteuren in Hannover am 29. 8. 1942; Ζ StA Potsdam, FS, Film 1741). 43 Göll, Günter, Bilanzen und Profite. Leitfaden für die externe Analyse der Jahresabschlüsse westdeutscher Aktiengesellschaften, Berlin 1958, S. 157. 44 Zumpe, 295f.; Faingar, S. 240; ZStA Potsdam, Fall X, Film 421, Dok. NIK-12801, Jahresbericht d. Fried. Krupp AG f. 1939/40 (erwähnt „Sonderabschreibungen auf Grund unseres Steuergutscheinbesitzes"). 45 ZStA Potsdam, Statistisches Reichsamt, Nr. 2704, Bl. 99, Angaben der Robert Bosch GmbH ; s. a. Koebel- Tusk, S. 29f. 46 ZStA Potsdam Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 29, AN Deutsche Bank (Rosier) ν. 28. 4. 1944.

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Fabriken und Anlagen, die in den östlichen, schwächer industrialisierten Gauen, in den seit 1939 annektierten Gebieten oder im Generalgouvernement errichtet wurden. Diese Werke konnten — nach Aussage Georg v. Schnitzlers (IG Farben) — als Ganzes mit 20 Prozent jährlich, d. h. in fünf Jahren, die Maschinen sofort mit 80 Prozent abgeschrieben werden. 47 Diese Regelung — eine gesetzlich forcierte Beschleunigung des Kapitalumschlags — trieb den ausgewiesenen Kostenanteil für verbrauchtes fixes Kapital um ein Mehrfaches über die tatsächlichen Kosten hinaus; im gleichen Maße stiegen — bei garantierten Kostenpreisen — die Profite. Anscheinend erhöhten sich die genannten Sätze noch im Verlauf des Krieges; denn v. Schnitzler sagte 1945 in einer anderen beeideten Erklärung aus, daß bei den Ostwerken „die gesamten Anlagen im Anlagejahr abgeschrieben werden konnten". 48 „Die unmittelbare Folge davon war", so fuhr er fort, „daß die IG, obschon sie etwa 500 Millionen Mark durchschnittlich während der letzten Jahre ausgab, ihr Kapital nicht beträchtlich zu vermehren brauchte und daß die Bilanz der IG unter ,Betriebe und Anlagen' einen praktisch gleichbleibenden Betrag aufwies." 49 Die Angaben über die tatsächliche Höhe der Amortisationen sind selbst für die Vorkriegsjahre spärlich. Der durchschnittliche Abschreibungssatz in der Industrie betrug etwa sieben Prozent; der IG-Farben-Konzern schrieb demgegenüber im Jahre 1939 allein 171,2 Millionen RM oder 27,4 Prozent seines Grundkapitals ab. 50 Die „Ostabschreibungen" der Fabrikanlagen seiner „Ostwerke" beliefen sich von 1941 bis 1944 auf die unglaubliche Summe von 431,5 Millionen RM. 51 Das Statistische Reichsamt stellte in einer Studie bereits für 1939 fest, die Anlageabschreibungen der untersuchten 52 Großunternehmen der Grundstoff- und Rüstungsindustrie „übersteigen . . . die — bereits reichlichen — Abschreibungen des Jahres 1936 um mehr als 50 vH (ohne Sanierungsabschreibungen). Damit haben die Abschreibungen ihren ursprünglichen Charakter, den durch die Nutzung der Anlagen bedingten Kapitalverschleiß auszugleichen, vollständig verloren; sie sind vielmehr zu einem Finanzierungsinstrument geworden." 52 c) Milliardengeschenke aus der Staatskasse (Investitionskredite, Subventionen, Steuerpolitik) Die Finanzierung des Aufbaus des deutschen Rüstungspotentials und seines weiteren raschen Ausbaus im Kriege geschah zu einem beträchtlichen Teil durch Staatsgelder. Neben staatlichen Anreizen zu privatmonopolistischen Investitionen wie Preis- und 47 Ebenda, Fall VI, Film 410, Dok. NI-5197, Affid. v. Schnitzlers v. 9. 8. 1945 (enthalten in Sammelaffid. v. 27. 3. 1947). 48 Fall 6, S. 83, Affid. v. 8. 8. 1945 (in Sammelaffid. v. 18. 3. 1947). 49 Ebenda. 50 Faingar, S. 249 (Mill. RM) : Jahr

Grundkapital

Amortisationen

1937 1938 1939

514,5 605,0 624,8

105,1 135,7 171,2

51 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 416, Dok. NI-10016, Affid. Helmut Deichfischer, 21. 6. 1947. 52 Ebenda, Statistisches Reichsamt, Nr. 196, Bl. 24, Bericht vom Juli 1941 über „Entwicklung der industriellen Finanz- und Ertragslage 1936—1939".

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Kapitalkonzentration und Kriegeprofit

Absatzgarantien und Kriegsrisikoklausel 53 nahmen die Gewährung staatlicher bzw. staatsgarantierter („reichsverbürgter") Kredite an die Rüstungsmonopole und ihre direkte Subventionierung im Krieg noch weit größere Ausmaße an als in den Vorkriegsjahren. Die Konzerne bevorzugten sie besonders, wenn, dem akuten Kriegsbedarf entsprechend, Kapazitäten ausgebaut wurden, deren Rentabilität ihnen nach Kriegsende nicht genügend gesichert erschien. Nach Fertigstellung der Projekte drängten sie nichtsdestoweniger auf eine Privatisierung und erhielten tatsächlich mittels „Kapitalschnitts" oder als „verlorene Zuschüsse" Millionen und aber Millionen als Geschenke aus der Staatskasse. Es waren in den Vorkriegs- und Kriegsjahren eine Reihe von staatlichen und staatlichprivatmonopolistischen Investitions-Rüstungsbanken u n d -Finanzierungsinstituten entstanden wie die Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft m b H (Wifo), die Heeres-Rüstungskredit-AG, die Bank der Deutschen L u f t f a h r t AG (bis 6. J u l i 1940: L u f t f a h r t k o n t o r GmbH) und die Rüstungskontor G m b H , die die Investitionsvorhaben der Konzerne großzügig bevorschußten und bedeutende Teile ihrer Kredite von vornherein zu „verlorenen Zuschüssen", d. h. zu Millionengeschenken an die Monopole erklärten. Ihnen waren häufig Institutionen bzw. Gesellschaften angeschlossen, die ihren nicht geringen Beteiligungsbesitz verwalteten; ferner unterhielten sie Tochtergesellschaften oder Filialen in den besetzten Gebieten. Die Rüstungskontor GmbH wurde vom Reichsminister für Bewaffnung und Munition im April 1942 gegründet 5 4 und von Karl M. Hettlage, Generalreferint für Wirtschaft und Finanzen im Ministerium, geleitet. Sie stellte den am weitesten entwickelten Typ der genannten Rüstungsfinanzierungsinstitutionen dar, die sowohl Kreditgeschäfte betrieben und eigene Beteiligungen bzw. Unternehmen verwalteten (so das Rüstungskontor u. a. die Mittelwerk GmbH) als auch Zuschüsse und Subventionen zahlten und besondere Vorhaben der staatsmonopolistischen Regulierungsorgane zur Entlastung der Rüstungsindustrie entweder in kaufmännischer Manier abwickelten oder à fonds perdu finanzierten (so das Rüstungskontor etwa die „Generatorenaktion", die „Barackenaktion", die „Schrottaktion" und die „Kupfer-Ausbauaktion" 5 5 ). Das Rüstungskontor, gegründet mit einem Gesellschaftskapital von nur einer Million RM (Anfang 1944 Erhöhung auf 25 Millionen RM), verfügte über hunderte Millionen RM; diese Gelder h a t t e der Reichsfinanzminister pauschal zur Verfügung zu stellen, dessen Beschwerden über die große Zahl „bedenklicher oder mindestens undurchsichtiger Fälle" 5 6 53 Auch: Kriegswagnisklausel: Verpflichtung des Reiches bzw. der Kreditgeber, das investierende Rüstungsunternehmen steuerlich oder anderweitig finanziell zu „entlasten", falls die Kriegsaufträge wegfielen oder wesentlich zurückgingen (s. Wey res-f. Levetzow, S. 192f.). 54 Verschiedentlich findet sich als Gründungsdatum Mai 1942 (BA Koblenz, R 3/1789, Ausarb. üb. „Aufgaben des Rüstungskontors", v. 17. 2. 1943, ο. V.), bei Janssen, S. 41, sogar der 13. 7. 1942 (in Fehlinterpretation der Quelle: Nachrichten des RMfBuM, Nr. 8, 7 . 8 . 1942). Speer erwähnte aber die Gründung als „veranlaßt" bereits in seiner Rede v o m 18. 4. 1942 (BA Koblenz, R 3/1547, Rede vor den Gauwirtschaftsberatern, Gauamtsleitern für Technik und Gauobleuten der D A F am 18. 4. 1942). 55 BA Koblenz, R 3/1789, A N RMfBuM betr. „Aufgaben des Rüstungskontors", 1 7 . 2 . 1 9 4 3 ; ebenda, R 2/21736, A N RMdF, 13. 4. 1944. - Generatorenaktion: Umbau von L K W auf Antrieb durch Holzgasgeneratoren; Barackenaktion: Bau von Zwangsarbeiterwohnbaracken für Rüstungskonzerne; Kupfer-Ausbauaktion: Ersetzung des K. in Elektrizitätsleitungen durch Aluminium und Eisen (einschl. besetzte Länder Westeuropas). 56 Ebenda, R 2/21736, A N RMdF v. 13. 4. 1944; s. a. Aktennotiz v. 18. 5. 1942.

Der Mechanismus der Profitmacherei

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von Geschäften des Rüstungskontors wirkungslos blieben. Demgegenüber erhielten die Deutsche Industriebank (Muttergesellschaft der Heeres-Rüstungskredit-AG) und die B a n k der Deutschen Luftfahrt Kreditkontingente vom Reichswirtschaftsministerium. Diese Kontingente wuchsen von insgesamt 750 Millionen RM Mitte 1940 auf 1,1 Milliarden R M Mitte 1941, auf 1,7 Milliarden RM Mitte 1942 und schließlich auf 2,5 Milliarden R M Mitte 1944. 5 7 Außerdem griffen die genannten Banken ohne Zweifel auf reichlich fließende Kreditquellen privater (Groß-)Banken und anderer Geldinstitute zurück. Die HeeresRüstungskredit-AG allein bezifferte ihr Gesamtkreditvolumen Ende März 1943 auf 1,25 Milliarden, Ende März 1944 auf ungefähr 2 Milliarden RM. 5 8 Von den zahlreichen Methoden der staatlichen Investitionsfinanzierung von Rüstungsbauten gehörten das „Montan-Schema" und das „ I G - S c h e m a " zu den geläufigsten. Nach dem Montan-Schema ging der B a u eines Rüstungswerkes so vor sich, „daß die Muttergesellschaft (also der Rüstungskonzern oder eine von ihm für diesen Zweck bestimmte Zweig- oder Tochtergesellschaft — D. E.) auf Grund eines Auftrages des H W A eine F a b r i k anlage baut. Die Fabrikanlage gehört dem R e i c h . " 5 9 Als Träger und Eigentümer des so entstandenen Werks fungierte eine von der W e h r m a c h t (HWA) geschaffene „Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie m b H " (Kurzname: Montan). 6 0 „Die Muttergcsellschaft gründet eine Tochtergesellschaft, die dann die von der Mutter gebaute F a b r i k anlage pachtet und betreibt. Der Pachtzins besteht in einem Prozentsatz des B r u t t o betriebsüberschusses der P ä c h t e r i n . " 6 1 Der IG-Farben-Konzern beispielsweise gründete eigens für den B a u reiner Rüstungswerke nach dem Montan-Schema als „Muttergesellschaft" die Luranil-Baugesellschaft m b H . Die fertiggestellten Werke wurden an eine „Tochtergesellschaft" verpachtet; im Fall der drei großen Giftgasfabriken Gendorf, Dyhernfurth und Falkenhagen war das die Anorgana G m b H . Die Sprengstoffkonzerne D y n a m i t Nobel AG und Wasag bauten entsprechende Fabriken selbst und ließen sie von ihren Tochterunternehmen Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse m b H und Deutsche Sprengstoffchemie G m b H betreiben. 6 2 Unter I G - S c h e m a verstand man, „daß dem Reich gegenüber sowohl für den B a u wie auch für die P a c h t nur eine Gesellschaft t r i t t , daß also von der Gründung einer besonderen Gesellschaft für die Anpachtung und den Betrieb abgesehen wird. Der Pachtzins richtet sich nicht nach dem Betriebsüberschuß der Anlage, sondern nach der für die Anlage erforderlichen Amortisation und Verzinsung." 6 3 Dieses Verfahren zogen die Monopole überall dort vor, wo sie es wegen der Verzahnung von Produktionsanlage und Produktion m i t anderen Werken des Konzerns für „nicht erwünscht" hielten, „daß Gestehkosten und Verkaufspreise einer Kontrollmöglichkeit durch das Reich unterworfen werden". 6 4 57 Ebenda, R 3/460, „Rüstungs- und Kriegsfinanzierung im 3. Reich", o. D. (Nachkriegsausarbeitung). 58 Bericht der Heeres-Rüstungskredit-AG für das Geschäftsjahr 1943/44, zit. bei Weyres-v. Levetzow, S. 195. 59 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 412, Dok. NI-5685, AN (IG-Farben-Konzern) üb. Bespr. in Troisdorf, 31. 1. 1939. 60 Siehe ebenda, Rechnungshof des Deutschen Reichs, Nr. 5499 u. 5500, div. Stcke. — Die Gesellschaft änderte im Juni 1944 ihren Namen in „Montan Industriewerke GmbH". 61 Wie Anm. 59; Fallò, S. 139. 62 Wie Anm. 59. 63 Ebenda. 64 Ebenda.

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Im Verlauf des Krieges störte die Monopole am Montanschema mehr und mehr die ständige Kontrollaufsicht des Staates bzw. der militärischen Dienststellen. Äußerst schwierig war es, die Eigentumstitel des Reiches durch Privatisierung wieder abzulösen, was bei günstiger Produktions- und Profitsituation nahelag und einen bedeutenden Anreiz für die Konzerne geboten hätte. Schließlich zeigte sich die Montan in den Augen der Monopolgewaltigen vielfach zu kleinlich. „Bei aufzustellenden Maschinen im Inland", notierte Hermann J . Abs (Deutsche Bank) über eine Unterredung mit Günther Quandt am 23. September 1942, „steht die Wehrmacht auf dem Standpunkt, daß Deutsche Waffen solche Maschinen, die auch im Frieden verwandt werden können, selbst zu finanzieren hat, während die Wehrmacht lediglich Maschinen, die reine Kriegsverwendung haben, zu finanzieren übernimmt. Quandt will in der nächsten Zeit die Unterhaltungen fortsetzen, mit dem Ziel, alle Investitionen auf Kosten von Deutsche Waffen abzulehnen." 6 5 Seit Herbst 1942 gewann das Munitionsministerium zunehmend Einfluß auf die Montan und begann Anfang 1943 mit einem Ausverkauf der Werke an die Rüstungskonzerne. 66 Die Pulver-, Sprengstoff- und Giftgaserzeugung, die synthetische Produktion und die Flugzeugproduktion waren Zweige mit besonders hohem Anteil an staatlichen Finanzierungsmitteln und -hilfen. Allein der IG-Farben-Konzern erhielt im Laufe der Vorkriegsund Kriegsjahre an staatlichen Beteiligungen, Krediten und Subventionen 4,9 Milliarden Tabelle 137 Staatliche Investitionsmittel, Kredite und Subventionen für den IG-Farben-Konzern 1933—1945 (in MiU. RM) I. Investierungen des Reichs a) Investierungen der Montan in Werken betrieben von der IG Farbenindustrie AG davon: Döberitz 12 Wolfen 20,3 Schkopau 10 Auschwitz 16 Anorgana GmbH davon: Gendorf 145 Dyhernfurth 135 Dynamit AG GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse Chemische Werke Hüls GmbH (Marl) Monturon GmbH (Falkenhagen) Deutsche Sprengchemie GmbH Eibia GmbH Westfälische-Anhaltische Sprengstoff AG Waren-Commissions AG b) Investierungen der Bank der Deutschen Luftfahrt AG c) Investierungen der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft mbH d) Andere Investierungen des Reichs in Werken der IG

180 1985,7 15 90 402 286,7 46,7 4,8 182,7 66 96

Zusammen:

3693,9

58,3

280

65 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 15807, Bl. 167, AN Abs betr. Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG, 23. 9. 1942. 66 FB, 6./7. 2. 1943, Punkt 16; GroeMer, Der lautlose Tod, S. 239; s. a. ebenda, S. 232f.

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II. Kredite des Reichs an die IG Farbenindustrie AG und an IG-kontrollierte Gesellschaften a) Kredite des O K H darunter : Ludwigshafen 3 Heydebreck 16 b) Kredite der Bank der Deutschen Luftfahrt und des Reichsluftfahrtministeriums darunter : Schkopau 40 Staßfurt u. Aken 44 Heydebreck 80 Auschwitz 30 Moosbierbaum 65 Merseburg (Leuna) 68 Hüls 30 Pölitz 47,4 c) Kredite der Wirtschaftlichen Forschungsgesellschaft m b H (für Pölitz) d) Kredite der Deutschen Bau- und Bodenbank (für Pölitz) e) Kredite der Deutschen Industriebank (für Auschwitz u. Pölitz) f) Andere Kredite des Reichs (für Schkopau und Hüls) Zusammen : I I I . Zuschüsse (Subventionen) des Reichs für Vertragsanlagen darunter: Staßfurt Aken Bitterfeld IV. „Osthilfe" Steuersubventionen (IG Farbenindustrie AG und Ammoniakwerk Merseburg GmbH) infolge „Ostabschreibungen" 1941—1944 davon: Einsparungen an Körperschaftssteuer Gewinnabführung Gewerbeertragssteuer V. Verlorene Zuschüsse des Reichs davon: Moosbierbaum Staßfurt Insgesamt

19,5

457,1

14,7 3,8 35,6 188,5 719,2 77,5

30,5 21,5 9,2

359,9

233,8 95,2 30,9 40,9 30 10,9 4891,4

Quelle: ZStA Potsdam, Fall VI, Film 416, Dok. NI-10016, Affid. Helmut Deichfischer, 21. 6 . 1 9 4 7 (zu Dok. NI-10004, „Finanzielle Verbindung zwischen der IG und den Dienststellen des Reiches und der Wehrmacht").

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RM, darunter 360 Millionen RM „Oststeuerhilfe", 41 Millionen „verlorene Zuschüsse" und 720 Millionen RM an Krediten, die durch erhöhte Abschreibungen getilgt wurden. 6 7 Die deutsche Flugzeug- und Flugmotoren industrie war zu einem nicht unerheblichen Prozentsatz mit Hilfe von Geldern aus der Staatskasse aufgebaut worden und entwickelte sich im Kriege mit Staatshilfe in großem Tempo weiter. Der S t a a t bzw. die Wehrmacht trat in der Regel nicht selbst als „öffentlicher" Investor und Eigentümer von Beteiligungen auf. Die Beteiligungen wurden von der B a n k der Deutschen L u f t f a h r t als zwischengeschalteter staatsmonopolistischer Institution gehalten, in deren Aufsichtsrat neben Beamten des Reichsluftfahrt- und des Reichsfinanzministeriums Hellmuth Roehnert (Rheinmetall-Borsig/Reichswerke), August Kolb (Degussa) und andere Monopolvertreter saßen und die nach privatkapitalistischen Usancen wirtschaftete. Die Beteiligungen der B a n k der Deutschen L u f t f a h r t erreichten mit 267 Millionen RM Ende 1939, 539 Millionen RM im J a h r e 1942 und 856 Millionen RM im J a h r e 1944 eine beträchtliche Höhe. 6 8 Im Verhältnis zum Gesamtkapital bzw. zu den Gesamtinvestitionen der Flugzeugindustrie war das allerdings ein recht geringer Betrag. Demgegenüber wurde den Konzernen der Luftwaffenrüstung während des Krieges mittels „ K a p i t a l s c h n i t t s " — Herabsetzung und Neufestsetzung des Werts der ursprünglichen Tabelle 138 Herkunft des investierten Kapitals

in der Flugzeugindustrie (Stand Januar 1942; in Mill. RM)

I. Eigene Mittel der Flugzeugindustrie (einschl. Bankkredite) bis 31.8. 1939 ab 1.9.1939 zusammen davon: Beteiligungen der Bank d. Dt. bis 31. 8. 1939 Luftfahrt : ab 1. 9. 1939 Kredite der Bank der Deutschen bis 31. 8. 1939 Luftfahrt: ab 1. 9. 1939 II. öffentliche Mittel

bis 31. 8. 1939 ab 1. 9. 1939 zusammen

davon: Beihilfen III. Gesamtfinanzierung rund

bis 31. 8. 1939 ab 1. 9. 1939

1237 4006 5243 269 537 267 1512 360 1174 1534 219 621 6777

Quelle: BA Koblenz, R 2/5551, „Übersicht über die Investierung und Finanzierung der Luftwaffenrüstungsindustrie", Stand 23. 1. 1942. 67 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 416, Dok. NI-10004, Affid. Helmut Deichfischer v. 21. 6. 1947; Fall 6, S. 37. 68 BA Koblenz, R 2/5550, AN RMdF v. 12. 12. 1939; ebenda, R 2/5551, AN RMdF v. 24. 7. 1942 u. 30. 9. 1944. — Hauptposten der Beteiligungen waren 260 Mill. RM = 97,56 Prozent der Aktien der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (1942).

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Investitionen beim Verkauf (Reprivatisierung) staatlicher Unternehmen bzw. Produktionsanlagen — rund eine Milliarde RM zugeschanzt. 69 Die Firma Heinkel bespielsweise, die vor dem Krieg nur über ihr Stammwerk bei Rostock verfügte, war auf diese Weise gegen Kriegsende zu einem Großkonzern mit 18 Werken geworden. 70 Ähnlich verfuhr die Kriegsmarine, die großzügig den Ausbau der Werften finanzierte. 71 Eine bedeutende Quelle der Bereicherung, die ausschließlich für die großen Monopole flöß, waren Lücken und Ausnahmeregelungen im Steuerwesen. Steuerbetrug im großen, getarnt und gedeckt von einer Plejade gewiefter Konzernjuristen und geduldet von der Staatsbürokratie, war schon immer ein Privileg der Großunternehmen. Das komplizierte bürgerliche Steuerrecht ließ hier stets Raum für großangelegte Manipulationen. Anläßlich einer Prüfung des Steuergebarens des Krupp-Konzerns drückte der Reichsfinanzminister diesen Tatbestand zurückhaltend mit der Bemerkung aus, es käme „bei Großunternehmungen oft vor, daß die eine oder andere Frage erst im Zuge einer Betriebsprüfung geklärt und entschieden wird". 72 Steuernachlässe dienten in verschiedenen Formen als unmittelbare Investitionshilfen. So bestimmte ein nicht veröffentlichter Erlaß des Reichsfinanzministers vom 22. J u l i 1942, daß bei „außergewöhnlichen Verhältnissen", vor allem bei dem „Ausbau von Rüstungsanlagen" für die Wehrmacht, wenn „die Mittel hierfür sonst aus der Reichskasse in anderer Form aufgebracht werden müßten", den betreffenden Betrieben ihre Gewinnabführungsbeträge teilweise oder „in voller Höhe belassen oder überlassen werden" sollten. 73 In der gleichen Richtung wirkten die „Oststeuerhilfe" und die allgemeinen Steuererleichterungen für Kapitalbeteiligungen im Ausland—,d. h. vor allem in den besetzten Gebieten. Deutsche Kapitalbeteiligungen in anderen Ländern Europas begünstigte ein Erlaß vom 24. Dezember 1942, demzufolge die Körperschaftssteuer auf die Gewinnanteile aus diesen Beteiligungen „teilweise oder ganz erlassen" werden konnten. 74 Im Reichswirtschaftsministerium wurde hierzu die Meinung vertreten, eine derartige steuerliche Begünstigung solle „nur dann (als) gerechtfertigt" zugestanden werden, „wenn das deutsche Bankunternehmen (im konkreten Fall die Bank der Deutschen Arbeit — D. E.) auch tatsächlich durch die Größe der Beteiligung einen maßgebenden Einfluß auf das Institut gewinnt". 75 Bisher ist nur wenig über die enormen Steuervorteile bekannt, die der Staat den großen Konzernen gewährte. Es handelte sich dabei im ganzen zweifellos um die Größenordnung von vielen hundert Millionen, ja um Milliarden RM. Einer der großen Profiteure in dieser Hinsicht war der Salzdetfurth-Konzern. Als der neben dem Wintershall-Konzern größte deutsche Kalikonzern kaufte Salzdetfurth in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre sämtliche Aktien des Mansfeld-Konzerns einschließlich der seit 1933 vom Staate voll subventionierten „Kupfergesellschaft" (Mansfeldsche Kupferschieferbergbau AG) auf 7 6 und 69 Wie Anm. 57. Bei Hinzurechnung der Summen für Heer und Kriegsmarine „müßten Beträge angesetzt werden, die das Mehrfache von 1 Mrd. RM erreichen" (ebenda). 70 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 11. 71 Siehe ζ. B. Hieke, Ernst, H. C. Stiilcken Sohn. Ein deutsches Werftschicksal, Hamburg 1955, S. 141 f. 72 BA Koblenz, R 2/20881, RMdF an RWiM, 2. 5. 1940. 73 Ebenda, R 13 1/628, Rs. der Bezirksgruppe Nordwest der Wigru Esl, 13. 8. 1942. 74 Ebenda, R 13 X X / 4 5 , H. 2, Rs. Wigru Bergbau v. 4. 1. 1943 betr. Erlaß RMdF v. 24. 12. 1942. 75 ZStA Potsdam, RWiM, Nr. 10079, Bl. 5, AN v. 13. 9. 1943. 76 Radandt, Mansfeld, S. 145f., S. 164 f. 35

Eichholtz I I

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

schröpfte bereits damals (1937/38) anläßlich der Umgründung des Konzerns im Kalibereich den Staat auf dem Wege eines Steuernachlasses. 77 Im Jahre 1942 unternahm der Konzern, dessen Reich sich inzwischen über Kohle, Kali und Salz, Kupfer, Erdöl in Deutschland und über geraubte Rohstoffressourcen und Produktionsstätten in vielen Ländern Europas erstreckte, einen massiven Versuch, durch einen großen Coup seine gewaltig angeschwollenen Profite der Besteuerung möglichst weitgehend zu entziehen. Dazu sollte das Organschaftsprinzip auf den Gesamtkonzern angewandt, d. h. der Konzern einschließlich seiner „Organgesellschaften" steuerlich als ein Einheitsunternehmen behandelt werden. Auf diese Weise sollten die Profite der hochrentablen gegen die Profite bzw. Verluste der wenig rentablen (darunter die subventionierten) Betriebe aufgerechnet und dann erst besteuert werden. Rudolf Stahl, Vorstandsvorsitzer des Konzerns und stellvertretender Leiter der RGI, stellte dem Reichsfinanzminister nicht ohne politisch-erpresserische Töne vor, es müsse „sich doch ein Weg finden lassen, um im Sinne der steuerlichen Gerechtigkeit die den nationalsozialistischen Grundsätzen angepaßte Fortentwicklung von undurchsichtigen Konzerngebilden alter Art (vermutlich ein Seitenhieb gegen den Wintershall-Konzern — D. E.) in neue, dem heutigen Empfinden angepaßte klare und durchsichtige Konstruktionen steuerlich zu begünstigen, zum mindesten aber nicht zu benachteiligen". 78 Obwohl die zuständigen Ministerialreferenten gegen den Antrag votierten, wurde dem Verlangen des Konzerns in Form einer „Einzelbegünstigung" stattgegeben. 79 Die „Stützung" des Mansfeldschen Kupferschieferbergbaus belief sich nach Aufzeichnungen aus dem Reichswirtschaftsministerium im Jahre 1943 auf 34,5 Millionen und im Jahre 1944 auf 39,5 Millionen RM.80 Hoch subventioniert wurden auch andere Konzerne des Metallerzbergbaus (Stoiberger Zink; Schlesag) und viele weitere Monopolunternehmen. Eines der größten Geschäfte mit Steuer- und überhaupt mit Staatsgeldern zugunsten privatmonopolistischen Besitzstandes machte der Krupp-Konzern. Hitler unterschrieb im November 1943 eigens ein Reichsgesetz, die sogenannte Lex Krupp („Erlaß des Führers über das Familienunternehmen der Firma Fried. Krupp"). 81 Dieses Gesetz war auf jahrelanges Betreiben und persönliche Vorstellungen der Krupps bei Hitler zustandegekommen und schuf — nach dem Plan der Krupps für alle Zeiten — ein besonderes Vermögens- und Erbrecht für die Familie Krupp und für den Krupp-Konzern. Wegen der „überragende(n), in ihrer Art einzigartige(n) Verdienste um die Wehrkraft des deutschen Volkes", die sich die Firma, der Präambel des Erlasses zufolge, erworben hatte, wurde Bertha Krupp als Inhaberin des Kruppschen Familienvermögens und Hauptaktionärin (de facto Alleinaktionärin) der Fried. Krupp AG ermächtigt, „mit diesem Vermögen ein Familienunternehmen mit besonders geregelter Nachfolge zu errichten". Dem Reichsfinanzminister wurde es übertragen, die Besteuerung des neu zu gründenden Unternehmens und im Falle des Eintritts jener „besonders geregelten Nachfolge" die Erbschaftssteuer „im Sinne dieses Erlasses zu regeln". Alfried Krupp übernahm das gesamte Konzernvermögen offiziell von seiner Mutter Bertha Krupp. Der Konzern, mit Wirkung vom 15. Dezember 1943 in eine Personalgesellschaft (laut Satzung: Einzelhandelsunternehmen) umgewandelt, sollte sich 77 78 79 80 81

BA Koblenz, R 2/20898, div. Stcke. Ebenda, R 2/20899, Stahl an Schwerin v. Krosigk, 27. 3. 1942. Ebenda, RMdF an Stahl, 31. 12. 1942 und 19. 1. 1943. Ebenda, R 7/342, Ausarb. üb. „Stützung des Mansfeld'schen Kupferschieferbergbaus", o. D. RGBl. 1943 I, S. 655 f., Erlaß v. 12.11.1943 ; hiernach auch das Folgende. Siehe auch Manchester, S. 436 ff.

Der Mechanismus der Profitmachern

529

in aller Z u k u n f t stets in H ä n d e n eines K r u p p als des Universalerben u n d „Alleininhabers" befinden. E r wurde d a m i t z u m industriellen E r b h o f , zur ewigen P f r ü n d e der Familie K r u p p erklärt. D e r wesentliche Zweck des Gesetzes b e s t a n d darin, der Familie K r u p p bei der Ü b e r n a h m e des Konzernvermögens von B e r t h a K r u p p u n d der Konzernleitung von Gustav K r u p p d u r c h ihren Sohn Alfried unzählige Millionen a n E r b s c h a f t s s t e u e r zu ersparen. Das Konzernvermögen w a r — ohne die „treuhänderisch" oder u n t e r „ P a c h t " verwalteten Betriebe in den faschistisch besetzten Gebieten — auf ü b e r eine Milliarde RM gestiegen; z u r Z e i t der Machteinsetzung Hitlers h a t t e es etwa 260 Millionen R M 8 2 betragen. Eine vorsichtige Berechnung des Reichsfinanzministeriums ergab ohne Anrechnung der Villa Hügel 959 Millionen RM, davon 656 Millionen RM Betriebsvermögen der AG, Beteiligungen im W e r t e von 188 Millionen RM u n d W e r t p a p i e r e im N e n n w e r t von 115 Millionen RM. 8 3 Die K r u p p s c h e Steuerschuld im Erbschaftsfall h ä t t e insgesamt erheblich m e h r als 400 Millionen RM betragen, 8 4 eine S u m m e , die jeder bürgerliche S t a a t gegen eine n a m h a f t e staatliche Beteiligung an dem K a p i t a l des betreffenden U n t e r n e h m e n s h ä t t e ablösen lassen können. Selbst nach der U m w a n d l u n g in eine Einzelfirma h ä t t e n , t r o t z Anwendung aller legalen Kniffe, etwa 120 Millionen RM gezahlt werden müssen. 8 5 U n t e r der n a t i o n a l s o z i a l i s t i s c h e n " D i k t a t u r f a n d sich 1944 — m i t t e n im Krieg, als auf den Schlachtfeldern Ströme von Blut flössen — eine andere „Lösung" : K r u p p sollte j ä h r l i c h fünf P r o z e n t des als steuerpflichtig auszuweisenden Gewinns, d. h. etwa fünf Millionen RM, „auf u n b e g r e n z t e Zeit" an das Reichsfinanzministerium a b f ü h r e n . 8 6 Seine volle B e d e u t u n g erlangte das „ E r b h o f g e s e t z " f ü r einen der größten Montan- u n d Rüstungskonzerne E u r o p a s erst nach d e m U n t e r g a n g der faschistischen D i k t a t u r , als Deutschland in S c h u t t u n d Asche lag, Alfried K r u p p aber nach kurzem A u f e n t h a l t im N ü r n b e r g e r Kriegsverbrechergefängnis sein gesamtes Vermögen, nach Berechnungen seiner eigenen Anwälte i m m e r noch milliardenschwer, aus der Beschlagnahmemasse der A m e r i k a n e r zurückerhielt. Die Restauration der Alleinherrschaft der Krupps ü b e r einen d e r größten Konzerne d e r B R D — u n d s p ä t e r der „Europäischen W i r t s c h a f t s g e m e i n s c h a f t " — geschah auf der Grundlage des Sondergesetzes Hitlers aus dem J a h r e 1943.

d) Superprofite

aus

Zwangsarbeit87

Die weltweite V e r f ü g u n g ü b e r Rohstoffquellen, A b s a t z m ä r k t e u n d Kapitalanlagesphären, erklärtes Ziel des deutschen Imperialismus u n d das Kernstück der geplanten „ N e u o r d n u n g " der R e i c h t ü m e r der Welt, h a t t e f ü r ihn n u r Sinn u n t e r der Voraussetzung, d a ß die leben82 ZStA Potsdam, Fall X, Film 421, Dok. D-192, Vermögenszusammensetzung im Krupp-Konzern (bis 1937). 83 Ebenda, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 7188/1, Bl. 195f., Hedding (RMdF) an Joeden (Krupp), 12. 6. 1943. 84 Ebenda, Bl. 251ff., Aufzeichnung RMdF, 12.5.1944 (genauer Betrag: 413,2 Mill. RM). Mittels der unseriösesten Manipulationen und „Entgegenkommen" wurden schließlich 81,9 Mill. RM als äußerstes Minimum herausgerechnet (BA Koblenz, R 2/20902, AN RMdF, Mai 1944). 85 ZStA Potsdam, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 7188/1, AN RMdF, 10. 6. 1943. 86 Ebenda, Bl. 281 R, Schwerin v. Krosigk an Lammers, 18. 9. 1944. 87 Das Folgende basiert auf Drobisch/Eichholtz, S. 626, S. 637f. Die Profit-Gesamtsumme wurde überprüft und korrigiert. Vgl. auch in diesem Bd. S. 243ff. u. 281 ff. 35·

530

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

dige Arbeitskraft von Millionen Menschen solche Profitquellen zum Fließen brachte. Dies strebte er um so nachdrücklicher und aggressiver an, als ihm lukrative Quellen besonders profitabler Ausbeutung fehlten, wie Arbeiter aus Kolonien, Farbige oder anderweitig diskriminierbare Bevölkerungsteile, über die die USA, England und Frankreich verfügten. Als während des Krieges Arbeitskräfte aus vielen Ländern Europas zu Millionen in Deutschland Zwangsarbeit leisteten, war dies eine spezifische Form ihrer Ausbeutung und der Bereicherung des deutschen Finanzkapitals. Im allgemeinen ist die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte in entwickelten imperialistischen Ländern so alt wie Imperialismus und Kolonialismus selbst. Im ersten Weltkrieg hatte der deutsche Imperialismus bereits Erfahrungen mit dem Masseneinsatz von Zwangsarbeitern im eigenen Land gemacht. Im zweiten Weltkrieg sollte wiederum die massenhafte Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte, wiewohl selbst wesentliches Kriegsziel, zugleich ein Mittel dafür bieten, gewaltige Eroberungsziele über den ganzen Erdball mit unverhältnismäßig geringem eigenen ökonomischen Potential zu verfolgen. Nicht einfach der Heißhunger nach Mehrarbeit und Mehrwert, sondern die Gier nach Surplusprofit war ein treibendes Motiv der faschistischen Zwangsarbeitspolitik und des betrieblichen Zwangsarbeitsregimes. Geringste Ansprüche, höchste und sicherste Profite erwarteten die Rüstungsmonopole von denjenigen Zwangsarbeitern, deren Arbeitskraft sie am ungeniertesten, ohne Rücksicht auf Gesundheit und Leben auspressen, die sie am barbarischsten antreiben und terrorisieren konnten und die sie den geringsten Lohn und anderen Aufwand kosteten. Daher rührte die wachsende Vorliebe der Monopole für sowjetische Zwangsarbeiter, für Kriegsgefangene — unter ihnen wieder an erster Stelle sowjetische — und auch für KZ-Häftlinge. 8 8 Ende 1944 arbeiteten in Deutschland über 8 Millionen, mit KZ-Häftlingen aller Nationalitäten wohl fast 9 Millionen Zwangsarbeiter. Die Fluktuation, hervorgerufen durch Tod, Flucht und Verhaftung, durch Unfall und Krankheit sowie durch Kontraktablauf, war so groß, daß die Gesamtzahl der deportierten ausländischen Zwangsarbeiter einschließlich der kriegsgefangenen und der KZ-Zwangsarbeiter mit 14 Millionen keineswegs zu hoch geschätzt ist. Gegen Ende des Krieges waren von den ausländischen Zwangsarbeitern etwa 40 Prozent sowjetische Bürger, 25 Prozent waren französischer und 15 Prozent polnischer Nationalität. Ihre Gesamtzahl setzte sich aus etwa 6 Millionen Zivilarbeitern, 2 Millionen Kriegsgefangenen und über einer halben Million KZ-Häftlingen sowie etwa 170000 Justizhäftlingen zusammen. Ein Überschlag der gesamten Profite von Staat und Wirtschaft aus der Zwangsarbeit während der Kriegsjahre, der sich auf eine durchschnittliche Zahl von 4,5 Millionen Zwangs88 Vgl. S. 281 ff. — Ein abscheuliches Tauziehen zwischen Monopolen und faschistischem S t a a t setzte beispielsweise mit der K a m p a g n e der R V K v o m Februar/März 1943 ein, die verlangte, das an die Wehrmacht bzw. an den S t a a t zu zahlende Entgelt für die Arbeit sowjetischer Kriegsgefangener — laut G B A „bereits sehr entgegenkommend gestaltet" ( B A Koblenz, R 2/5359, Rs. G B A v. 17. 2. 1943; d. dortige Berechnung s. S. 218 d. vorl. Arbeit) — auf etwa ein Viertel (!) herabzusetzen (ebenda, A N R M d F v . 27. 2. und Pleiger an Schwerin v . Krosigk, 3. 3. 1943). Die Forderung des Kohlenbergbaus wurde binnen wenigen Monaten weitgehend erfüllt; im J a h r e 1944 k a m der gesamte B e r g b a u in den Genuß der ausgehandelten „Vorzugsregelung" (s. RABI. 1944 I, S. 137, GBA-Verfügung üb. „Bezahlung der Kriegsgefangenenarbeit im B e r g b a u " v . 25. 3. 1944; vgl. RABI. 1943 I, S. 477 ff., G B Α.-Verfügung üb. „Bezahlung dei Kriegsgefangenenarbeit" v. 8. 9. 1943). Siehe ausführlich Streit, S. 273ff., bsd. S . 2 8 0 f f .

Konzentration von Kapital und Profit

531

arbeitern, auf eine Mehrwertrate von 100 Prozent (in Anbetracht der geminderten Arbeitsproduktivität sowie des überwiegend einfachen Charakters der geleisteten Arbeit) und auf eine durchschnittliche Entlohnung von 5 0 Prozent gegenüber dem Tariflohn (ohne Zuschläge) eines ungelernten deutschen Arbeiters ( 1 5 0 0 bis 1 8 0 0 R M jährlich) bezieht, ergibt eine S u m m e von 6 0 bis 70 Milliarden R M . Die genannte S u m m e ist ein Mindestwert; der Sparzwang, der Hungerzwang, die Konsumbehinderung durch Mangel an Waren bleiben darin unberücksichtigt.

2 . K o n z e n t r a t i o n v o n K a p i t a l und P r o f i t

a)

Unternehmensstatistik

Der Konzentrationsprozeß in der deutschen Wirtschaft erreichte bis zum J a h r e 1943 nach der offiziellen Statistik eine solche Stufe, daß ein Sechstel aller Aktiengesellschaften ü b e r genau fünf Sechstel des gesamten Aktienkapitals und zwei Prozent der Aktiengesellschaften übeT die Hälfte des Aktienkapitals verfügten. Berücksichtigt man allerdings den tatsächlichen S t a n d der monopolistischen Verflechtung in der deutschen Wirtschaft, so wird man diese Zahlen noch wesentlich korrigieren müssen. Nach Faingar ist anzunehmen, daß sich n i c h t nur die Hälfte, sondern „wenigstens zwei Drittel des deutschen Aktienkapitals im Besitz oder unter der Kontrolle dieser 150 Gesellschaften befanden, die n u r zwei Prozent aller Aktiengesellschaften a u s m a c h t e n " . 8 9 Während die Zahl der Aktiengesellschaften sich in den Kriegsjahren, bei unwesentlichen Schwankungen, nicht veränderte, wuchs die Zahl der Gesellschaften m i t einem Aktienkapital von fünf Millionen R M und darüber sehr beträchtlich, um fast die Hälfte, die Zahl der Kapitalriesen m i t 5 0 Millionen R M Aktienkapital und darüber sogar auf fast das Doppelte. Auf Rechnung dieses Akkumulationsprozesses kletterte das durchschnittliche K a p i t a l j e Aktiengesellschaft bedeutend in die Höhe. E s stieg also nicht nur der Anteil der großen Aktiengesellschaften am gesamten Aktienkapital — und zwar ungleich schneller als in „friedlichen" Zeiten —, sondern die Bourgeoisie als Ganze akkumulierte im Kriege gewaltige Reichtümer, so daß sich in der Größenskala der Unternehmungen das Niveau allgemein stark nach oben hin verschob. (Tabelle 139) Dem Anschein der Zahlen nach schritt der Konzentrationsprozeß vor allem durch Kapitalakkumulation voran, die in allen Größenklassen der Aktiengesellschaften vor sich ging, weniger aber durch weitere Zentralisation der Kapitalmacht, d. h. durch die Aufsaugung der kleineren Kapitale durch die großen. Doch ging m i t der Kapitalakkumulation die weitere Zentralisation des Monopoleigentums an den Produktionsmitteln bei der Finanzoligarchie einher; es war „gleichzeitig", wie es in einer Analyse des Statistischen Reichsamts von Mitte 1944 hieß, „eine Zusammenfassung des verstreuten Aktienbesitzes erfolgt, die sich nicht nur auf die Ballung im Rahmen der Konzerne beschränkt, sondern die auch für eine Einzelpersönlichkeit, eine Familie oder eine Gruppe gilt, die häufig eine große Zahl von Aktionären abgelöst haben. Von dieser Entwicklung sind auch Börsenpapiere 89 Faingar, S. 38. F. zählt zu den 108 größten Aktiengesellschaften (s. Tab. 139) die 42 GmbH mit mehr als 20 Mill. RM Gesellschaftskapital (1942) hinzu.

532

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Tabelle 139 Die Aktiengesellschaften in Deutschland 1938—1943

1938 1939 1940 1941 1942 1943

1938 1939 1940 1941 1942 1943

Gesamtzahl der AG

GesamtAktienkapital der AG (Md. RM)

Durchschnittskapital je AG (Mill. RM)

Zahl der AG Prozent der Aktienmit 5 Mill. Gesamtzahl kapital RM u. mehr der AG (Md. RM) Aktienkapital

5518 5353 5397 5418 5404 5367

18,7 20,3 21,5 24,9 29,1 29,7

3,4 3,8 4,0 4,6 5,4 5,5

616 669 693 779 877 896

11,2 12,5 12,8 14,4 16,2 16,7

14,4 16,0 17,0 20,2 24,2 24,9

Zahl der AG mit 50 Mill. RM u. mehr Aktienkapital

Prozent der Gesamtzahl der AG

Aktienkapital (Md. RM)

Prozent des gesamten Aktienkapitals

59 63 71 89 107 108

1,1 1,2 1,3 1,6 2,0 2,0

7,3 8,0 8,9 11,2 14,1 14,6

38,8 39,2 41,2 45,0 48,4 49,5

Prozent des gesamten Aktienkapitals

76,6 78,8 79,1 81,1 83,2 83,3

Quelle: Wirtschaft und Statistik, H. 7/1944, 8/1943, 6/1942, 17/1941, 21/1940; dazu auch Faingar, S. 35ff. e r f a ß t worden, von denen m a n f r ü h e r a n n a h m , d a ß hier eine besonders weite S t r e u u n g des Aktienbesitzes b e s t e h e . " 9 0 Mochte die Zahl der Aktiengesellschaften auch stagnieren, so vollzogen sich doch bedeutsame Veränderungen in der Besitzstruktur, auch solche, die keinen Niederschlag in der Statistik fanden. Zunächst ist zu berücksichtigen, d a ß stillgelegte U n t e r n e h m e n u n d U n t e r n e h m e n m i t stillgelegten Betrieben u n d Betriebsteilen de j u r e u n d in d e r S t a t i s t i k fortexistierten, die im anderen Falle eine noch stärkere K a p i t a l k o n z e n t r a t i o n h ä t t e ausweisen müssen. Diese Betriebe — überwiegend aus den u n t e r e n Größenklassen — waren aus d e m Produktionsprozeß ausgeschieden u n d sahen sich von der K a p i t a l a k k u m u l a t i o n , von ihren Märkten u n d von der technischen Weiterentwicklung ausgeschlossen. W e i t erheblicher wirkte sich die Tatsache aus, d a ß die staatsmonopolistische Rüstungsorganisation den Prozeß der vertikalen u n d horizontalen Monopolisierung auf d e m Wege der Zentralisation des Kapitals sehr s p ü r b a r beschleunigte. Die großen R ü s t u n g s p r o d u zenten b a n d e n zahlreiche kleinere u n d m i t t l e r e Betriebe als Zulieferer von Geräteteilen, B a u g r u p p e n u n d Zubehör fest a n sich, in der Regel d u r c h offizielle A n o r d n u n g der Ausschuß- und Ringleiter. Sie brachten sie vielfach d u r c h Nachbaulizenzen u n d technische 90 ZStA Potsdam, Statistisches Reichsamt, Nr. 2823, Bl. 75, Ausarb. f. d. Reichswirtschaftsminister, 26. 5. 1944.

Konzentration von Kapital und Profit

533

Beratung in vollständige wirtschaftliche Abhängigkeit. Viele von diesen abhängigen Betrieben fielen der Kapitalübermacht der Rüstungskonzerne und Banken zum Opfer. Sie blieben wohl de jure selbständige Betriebe, wurden aber unter der Hand ausgekauft, oder die bisherigen Eigentümer wurden auf dem Wege von Kapitalerhöhungen zum Zweck von Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen von den investierenden bzw. emittierenden Großunternehmen und Banken majorisiert. Die Vermögensverteilung bei den Kapitalgesellschaften nach der amtlichen Erhebung für 1940 bestätigte den Tatbestand konzentrierter ökonomischer Macht der Großunternehmen. Die Gesellschaften mit einer Million RM Kapital und darüber (12,4 Prozent aller Kapitalgesellschaften) vereinigten 90,7 Prozent des Gesamtvermögens aller Kapitalgesellschaften auf sich, diejenigen mit fünf Millionen RM Kapital und darüber (3,5 Prozent) 72,8 Prozent und diejenigen mit zehn Millionen RM Kapital und darüber (1,8 Prozent) 62,2 Prozent des Gesamtvermögens. 91 Tabelle 140 Vermögen der „nichtnatürlichen Personen" (NNP)

NNP insgesamt davon: Kapitalgesellschaften insgesamt darunter: Kapitalgesellschaften (in Klammern: NNP) mit 1 Mill. RM Vermögen und mehr dto. mit 5 Mill. RM Vermögen und mehr dto. mit 10 Mill. RM Vermögen und mehr

1940

Anzahl

Prozent

Gesamtvermögen (Md. RM)

Prozent

54542

100

38,5

100

31185

57,2

34,4

89,4

3875 (4412)

7,1 8,1

31,3 (33,6)

81,1 87,3

1086 (1187) 559 (603)

2,0 2,2 1,0 1,1

25,1 (26,5) 21,4 (22,5)

65,1 68,8 55,6 58,3

Quelle: BA Koblenz, R 2/24140, Vermögenssteuerstatistik 1940. Vorläufige Ergebnisse, Sept. 1942. Prozente nach den ungerundeten Zahlen.

b) Die Dividendenabgabeverordnung

vom 12. Juni

1941

Die außergewöhnlich hohe Rate der Steigerung des Gesamtaktienkapitals in den Jahren 1941 und 1942 erklärt sich vorwiegend aus den umfangreichen Kapitalaufstockungen, die die Konzerne in diesen Jahren vornahmen. Diese Erscheinung hing mit Änderungen in der Dividendengesetzgebung zusammen, ja sie war ein Bestandteil derselben. Anlaß für die neue „Verordnung zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen (Dividendenabgabeverordnung)" (DAV) vom 12. J u n i 1941 war die Ablauffrist des Dividenden91 Siehe Tabelle 140.

534

Kapitalkonzentration und Kriegeprofit

beschränkungsgesetzes vom 4. Dezember 1934, 92 des sogenannten Anleihestockgesetzes. Von Reichswirtschaftsminister Funk erfuhren die Banken, die Reichsgruppe Industrie usw. schon im März 1941, es sei „damit zu rechnen, daß Dividenden einer AG über 6 Prozent einer Sonderbesteuerung unterworfen werden und daß gleichzeitig AG, die als unterkapitalisiert anzusehen sind, die Gelegenheit zu einer .Berichtigung' ihres Kapitals erhalten". 9 3 Auch Hitler beteiligte sich an der Diskussion über die geplante Verordnung. 94 Die interne Begründung des Verordnungsentwurfs enthüllte den innenpolitischen Kern der Maßregel; es müsse eben doch, so hieß es darin, „politisch den Vorstellungen und Voreingenommenheiten weiter Kreise der Bevölkerung Rechnung getragen werden. Um eine Dividendenpolitik sicherzustellen, die auch bei der Verteilung von wirtschaftlich durchaus berechtigten Gewinnen das optisch für die Höhe von Dividenden erwünschte Ausmaß nicht überschreitet, bedarf es, wie dies auch in anderen Ländern geschehen ist, besonderer Maßnahmen." 9 5 Bis zum J u n i berieten die zuständigen behördlichen und staatsmonopolistischen Gremien und die Monopole — in erster Linie Reichswirtschaftsministerium, Großbanken und RGI — in Permanenz. Heftig wurde um die für die Monopole günstigsten Modalitäten gestritten. Die D A V 9 6 begrenzte schließlich die Dividendenausschüttung und -auszahlung auf in der Regel sechs Prozent des Gesellschaftskapitals — insoweit keine Neuerung gegenüber dem Anleihestockgesetz von 1934. Bei höheren Ausschüttungen war dagegen neuerdings die Abgabe von 50 bis 400 (!) Prozent der Mehrausschüttung an den Staat vorgeschrieben. Doch es war zugleich dafür gesorgt, daß die Dividenden, die seit den Vorkriegs jähren fast überall in der Kriegswirtschaft in unaufhörlichem Ansteigen begriffen waren, den Aktionären nicht beschnitten zu werden brauchten. Die Kriegsgewinne waren zu hoch, als daß die Monopole, selbst unter Zuhilfenahme all ihrer Bilanzkünste und -manipulationen, die Dividende, jenen Teil des Gewinns, der nach den Worten Carl Fürstenbergs, eines führenden Bankiers der Weimarer Zeit, auf keine Weise mehr zu verstecken ist, unter den gegebenen Bedingungen dauernd hätten auf sechs Prozent oder darunter halten können. Die Verordnung ließ den Kapitalgesellschaften nicht nur freie Hand, sondern forderte ausdrücklich dazu auf, ihr Aktienkapital um so viel zu „berichtigen", daß der gleiche Dividendenbetrag, der bisher zum Beispiel zehn, zwölf oder 15 Prozent des Aktienkapitals ausmachte, künftig nur sechs Prozent des erhöhten Aktienkapitals darstellte. In diesem 92 RGBl. 1934 I, S . 1222 f. „Gesetz über die Gewinnverteilung bei Kapitalgesellschaften (Anleihestockgesetz)", v . 4. 12. 1934 (mit einer Gültigkeitsfrist v o n drei (Geschäfts-) Jahren) ; verlängert auf i n s g e s a m t sechs J a h r e durch RGBl. 1937 I, S. 1340, „Gesetz zur Änderung des Anleihestockgesetzes", v. 9. 12. 1937. — Siehe dazu Zumpe, S. 91 u. S. 290f., und Kuczynski, L a g e der Arbeiter, B d . 6, S. 22, die nachweisen, daß dieses „Dividendenbeschränkungsgesetz", das den Ausschüttungssatz auf 6 Prozent beschränkte, Mehrbeträge hingegen längerfristig in einem F o n d s für zu erwerbende Reichsanleihen festlegte, sich „tatsächlich nicht gegen die Großkapitalisten, sondern gegen das Klein- und Mittelbürgertum" (Kuczynski) richtete und den Monopolen eine Ä r a der „Selbstfinanzierung" ihrer Erweiterungsinvestitionen pp. eröffnete. 93 Z S t A P o t s d a m , Deutsche B a n k , Nr. 21166, „Mitteilungsblatt der Zentrale für die Direktionen der Zweigniederlassungen", 18. 3. 1941. 94 E b e n d a , A N für Rösler, 24. 3. 1941. 95 E b e n d a . 9 6 RGBl.

1941 I, S . 323ff., „Verordnung zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen

d e n a b g a b e Verordnung)" v . 12. 6. 1941. Hiernach auch das Folgende.

(Dividen-

Konzentration von Kapital und Profit

535

Bilanzkunststück lag das ganze Geheimnis jener Welle von Kapitalaufstockungen bei nahezu allen wichtigen Rüstungsunternehmen. Das war der Kern einer Aktion, die in der Öffentlichkeit demagogisch als Gewinnbeschränkung der Konzerne, als „Opfer" der Industrie ausgegeben wurde und die ganz wesentlich mit dem Ziel in Szene gesetzt worden war, die „psychologisch untragbaren" 9 7 hohen Dividenden während der Kriegszeit für die Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. In Erwartung der Verordnung hatten die Monopole seit Beginn des Jahres 1941 die Hauptversammlungen verschoben, die Entscheidung über die Dividendensätze ihrer Unternehmen vertagt, ihre Dividendenerklärungen für 1940 zurückgehalten oder den Gewinn einbehalten. Sie beschlossen nachträglich Kapitalberichtigungen oder bereiteten solche für 1942 vor, die das Grundkapital oft verdoppelten, mitunter sogar auf ein Mehrfaches aufstockten. Vielfach lag diesen Kapitalaufstockungen eine echte Unterkapitalisierung zugrunde, d. h. ein durch das Anwachsen der produktiven Fonds verursachtes Zurückbleiben in der Kapitaldeckung; grundsätzlich aber war es die abnorme Höhe der Profite aus der Kriegskonjunktur, die den Rüstungsunternehmen bei der Gewinnverteilung pro rata des Aktienkapitals Schwierigkeiten machte. Ihre überwältigende ökonomische Macht war ebenso wie ihr Profit so auffällig angewachsen, daß dieser Tatsache Rechnung getragen werden mußte. In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 war der Prozeß der Kapitalberichtigungen im wesentlichen abgeschlossen, und die Aktionäre der Rüstungskonzerne hatten durch die Ausgabe zusätzlicher Aktien oder durch die ÜberStempelung der alten Aktien mit neuen, höheren Beträgen Milliardengeschenke erhalten. Tabelle 141 Kapitalaufstockungen der Aktiengesellschaften vom 12. Juni 1941,1941-1943

auf Grund der

Dividendenabgabeverordnung

Zahl d. Aktienkapital (Mill. RM) aufstockd. AG vorher nachher Juni-Dezember 1941 Januar-Dezember 1942 Januar-Oktober 1943 Insgesamt Quelle: Wirtschaft und Statistik,

Aufstockung (in Prozent)

340 807 125

2004 5427 1083

3238 8107 1448

61,6 49,4 33,7

1272

8514

12793

50,2

H. 7/1944 u. 8/1943.

Pritzkoleit 98 kommt auf Grund detaillierter Berechnungen insgesamt auf sehr ähnliche Werte. (Tabelle 142) Fast ein Viertel aller Aktiengesellschaften hatte ihr Nominalkapital um insgesamt über 50 Prozent erhöht. Das Gesamtkapital aller deutschen Aktiengesellschaften (1940) war dadurch um fast 20 Prozent angestiegen. Hinzu kamen annähernd 1,2 Milliarden RM an Kapitalerhöhungen bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung, so daß sich der gesamte Aufstockungsbetrag auf rund 5,5 Milliarden RM belief." Diese beispiellose 97 Die Deutsche Volkswirtschaft, 98 Pritzkoleit, S. 52 ff. 99 Faingar, S. 40.

Nr. 11-12/1943, zit. b. Faingar, S. 41.

536

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Tabelle 142 Kapitalberichtigungen Zahl der Gesellsch.

31 40 14 136 30 56 7 28 26 16 65 42 19 102 29 29 172 63 129 20 16 45 13 19 9 53 34 3 43

1289

1941—1943

Wirtschaftszweig bzw. Wirtschaftsgruppe

Kapitalberichtigung von Mill. auf Mill. RM RM

um Mill, RM

um Prozent

Bergbau u. Kraftstoffind. Eisenschaffd. Ind., Eisenu. Stahlbau, Gießereien Metallindustrie Maschinenbau Fahrzeugindustrie und Fahrzeugzubehör Elektroindustrie Feinmechanik und Optik Werkstoffverfeinerung u. verwandte Eisenind.zweige Eisen-, Stahl- u. Blechwaren Metallwaren u. verwandte Industriezweige Steine u. Erden, Glas u. Keramik Bau- u. Grundstücksgesellsch. Holzverarb. Ind., Sägewerke Chemische Industrie Papiererzeugg. u. -verarb., Druck, Film Leder, Schuhe, Linoleum Textil- u. Bekleidungsind. Lebensmittel- u. Getränkeind. Brauereien und Mälzereien Zuckerfabriken Spiritusindustrie Handel Holding- it. Finanziergs.gesellschaften Banken u. Kreditanstalten Treuhand- u. Revisionsgesellschaften Energieversorgung Verkehr und Spedition Gaststätten- u. Beherbergungsgewerbe Versicherungen dto. (eingezahltes Kap.)

1374880

1965970

591090

42,99

362259 173248 489890

576834 299926 800672

214575 126678 310782

59,23 73,12 63,44

224691 758818 21894

324387 1394326 40771

99696 635508 18877

44,37 83,75 86,22

36246 62117

57456 137752

21210 75635

58,52 121,76

42920 208901 95035 14950 1507294

53900 295606 155389 23095 2176786

10980 86705 60354 8145 669492

25,58 41,51 63,51 54,48 44,42

80040 85176 465191 158895 371523 87665 19850 144896

143339 130452 719564 314039 552445 143228 29440 217836

63299 45276 254373 155144 180918 55563 9590 72940

79,08 53,16 54,68 97,64 48,70 63,38 48,31 50,34

263339 199855

349686 329505

86347 129650

32,79 64,87

4270 1293222 111729

9930 1734460 169148

5660 441238 57419

32,55 34,12 51,39

5832 256163 165123

8914 353136 262676

3082 96973 97553

52,85 37,86 59,08

8920789

13507992

4587199

51,42

Insgesamt

Quelle: Pritzkoleit, S. 60f.

Konzentration von Kapital und Profit

537

Profitausschüttung in Aktienform speiste sich zu etwa 60 Prozent aus den sogenannten stillen Reserven (via Höherbewertung der Aktiva), die nirgends ausgewiesen wurden, das Nominalkapital der Gesellschaften aber in der Regel um ein Vielfaches überstiegen. 100 Der Rest flöß aus den offenen Reserven (Rücklagen) der Bilanz. „So erleben wir augenblicklich", schrieben die „Leipziger Neuesten Nachrichten" am 21. September 1941, „eine Bilanzrevolution größten Stils." 101 Da die an der Aufstockung beteiligte Gruppe von Aktiengesellschaften so gut wie alle großen Gesellschaften mit über 5 Millionen RM Aktienkapital umfaßte — ihr durchschnittliches Kapital je Gesellschaft betrug vor der Aufstockung 6,7 Millionen, nachher 10 Millionen RM —, wurde auch das wirkliche Tempo und Niveau der Konzentration des Kapitals und der Profite, wenn auch immer noch undeutlich, erkennbar. Um besonders hohe Beträge erhöhten Unternehmen ihr Kapital, die sich an Rüstungsaufträgen und an entsprechenden Investitionen förmlich überfressen hatten und sprunghaft wachsende Profite akkumulierten. Tabelle 143 Kapitalberichtigungen

ausgewählter

Unternehmen auf Grund

Firma

Aktienkapital (Mill. RM) vorher nachher

Dürener Metallwerke AG (Quandt-Konzern) Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (Quandt-Konzern) Preß- und Walzwerk AG, Düsseldorf (Vereinigte Stahlwerke) Fritz Werner AG Siemens & Ilalske AG Mitteldeutsche Stahlwerke AG Continental Gummi-Werke AG Arado Flugzeugwerke GmbH Accumulatoren-Fabrik AG (Quandt- Konzern) Siemens-S chuckertwerke AG Deutsche Industriebank AG Degussa Zellstoffabrik Waldhof AG Vereinigte Kugellagerfabriken AG Wasag (IG-Farben-Konzern) Christian Dierig AG Heinrich Lanz AG Philipp Holzmann AG Kalle & Co. AG (IG-Farben-Konzern) Pittler-Werkzeugmaschinen AG Vereinigte Aluminium-Werke AG Quelle: Pritzkoleit,

DAV1940/41—1942/43

4 17,5

Erhöhung auf Prozent

20

500

70

400

5,69 3,6 140 28 34 20

22,76 12 400 75 88,4 50

400 333 286 268 260 250

21,25 120 100 34 33,25 30 25 23,5 18 12,9 10 5 40

46,75 240 200 68 66,5 60 50 47 36 25,8 20 10 75

220 200 200 200 200 200 200 200 200 200 200 200 188

S. 6 3 f f . ; div. Aktenbände des Reichsfinanzministeriums (BA Koblenz, R 2).

100 Ebenda; siehe auch Göll. 101 Zit. bei Wenzel, S. 227 (ff.).

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

538

Der Spitze eines Eisbergs vergleichbar, wurde so ein Teil der bis dahin erzielten Profite des deutschen Finanzkapitals sichtbar, und schlaglichtartig wurde das krasse Mißverhältnis zwischen der Bereicherung der Großbourgeoisie am Kriege und der Verschlechterung der Lage der werktätigen Bevölkerung beleuchtet. Ganz und gar auf „optische" Wirkung war die Gewinnabführungsverordnung (GAV) vom 31. März 1942 102 berechnet. Ihr zufolge konnte der Reichsfinanzminister bei „außergewöhnlichen Gewinnsteigerungen" die Abführung eines jeweils von ihm festzusetzenden Gewinnanteils auf ein besonderes Gewinnabführungskonto beim Finanzamt verlangen. Über die Verwendung der Beträge wollte der Finanzminister „nach Beendigung des Krieges" verfügen (§ 1). Ferner sollten Körperschaften mit einem Einkommen von mehr als 500000 RM im J a h r den anderthalbfachen Kriegszuschlag zur Körperschaftssteuer zahlen (§ 2). Eine Durchführungsverordnung vom gleichen Datum 1 0 3 erklärte jedoch den auf der Basis von Einheitspreisen und Gruppenpreisen I erzielten Umsatz nach entsprechendem Antrag für ausgenommen von dieser Bestimmung (§ 5). Damit war klar, daß die Verordnung sich in keiner Weise gegen die Rüstungsmonopole richtete, sondern daß ausschließlich die an der Kriegskonjunktur mitverdienenden Unternehmen der „zivilen" Produktion, d. h. insbesondere die Masse der kleineren und mittleren Betriebe, stärker zur Kriegsfinanzierung herangezogen werden sollten.

c) Investitionen und „ursprüngliche

Akkumulation"

Kriegskonjunktur und Profitüberfluß boten den Rüstungsunternehmen hervorragende Investitionsmöglichkeiten und erhöhten den Investitionsanreiz. In Investitionen sahen sie eine günstige Gelegenheit, einen großen Teil des Profits anzulegen. In den Jahren 1939 bis 1943 nahmen die Investitionen in der Rüstungsindustrie ein solches Ausmaß an, daß diese Zeit zu einem Höhepunkt in der Geschichte der deutschen Kapitalinvestitionen überhaupt wurde. 104 Diese Investitionen stärkten in erster Linie die Macht der führenden Rüstungskonzerne und Großbanken. Die IG Farbenindustrie AG, neben den Vereinigten Stahlwerken der größte private deutsche Konzern, investierte 1941 bis 1943 allein 1,7 Milliarden Reichsmark, mehr als jemals sonst in ihrer Geschichte. (Tabelle 144) Die Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (VIAG), die Holdinggesellschaft des VIAG-Konzerns, eines der größten staatlich kontrollierten deutschen Konzerne, investierte im J a h r e 1943 allein über ihre 100-prozentigen Tochtergesellschaften (Vereinigte Aluminium-Werke AG, Useder Hütte, Ilse Bergbau AG, R W E und andere) rund 220 Millionen RM. 105 Der größte Konzern der Luftwaffenrüstung, der Junkers-Konzern, nahm im Jahre 1941 Investitionen in Höhe von 165 Millionen RM, 1942 sogar solche in Höhe von 307 Millionen RM vor. 106 Friedrich Flick hatte allein für seinen Konzernbesitz an der Ruhr (Harpen/Essener Steinkohle) im ersten Kriegsjahr ein Investitionsprogramm von Dutzen102 RGBl. 1942 I, S. 162, „Verordnung über die Erfassung außergewöhnlicher Gewinnsteigerungen während des Krieges (Gewinnabführungs-Verordnung GAV)", v. 31. 3. 1942. 103 Ebenda, S. 162ff., „Erste Verordnung zur Durchführung der Gewinnabführungs-Verordnung", v. 31. 3. 1942. 104 Siehe S. 381 ff. 105 BA Koblenz, R 2/17664, AN RMdF v. 13. 6. 1944. 106 Ebenda, R 2/5484, AN RMdF (o. D.).

Konzentration von Kapital und Profit Tabelle 144 Investitionen des IG-Farben-Konzerns

539

1933,1936,1938-1944

(in Mill.

RM)

1933

1936

1938

1939

1940

1941

1942

1943

1944

IG Farbenindustrie AG Tochtergesellschaften (100 o/0 Be teil.) Übrige Konzerngesellschaften

28

128

245

184

151

258

400

449

362

5

43

117

88

92

155

140*

2

11

42

86

114

99

65

Summe * *

36

181

404

359

358

512

605

88*

59*

45*

? ?

582

* Schätzung ** Summendifferenzen infolge Abrundung der Einzelposten Quelle: ZStA Potsdam, Fall VI, Film 413, Dok. NI-10001, Erkl. unter Eid v. Helmut Deichfischer, Juni 1947.

den Millionen RM aufgestellt. Er schrieb Mitte 1940 an Ernst Buskühl, Generaldirektor von Harpen, „daß wir es zusammen mit Essener Steinkohle aus Überschüssen bzw. steuerfreien Abschreibungen wohl im Laufe von 4—5 Jahren durchführen könnten in der Annahme, daß wir hieraus jährlich 12—15 Mio Mark für Neubauten aufbringen könnten". 10 ? Die Investitionen wurden aus drei Finanzierungsquellen gespeist: aus Eigenmitteln der Rüstungskonzerne („Selbstfinanzierung"), aus staatlichen Kredit- und Subventionsmitteln und aus Mitteln des privaten Bankkredits. Nach dem Urteil offizieller Beobachter vollzog sich ein „tiefgreifender Wandel" gerade auf dem Gebiet der Finanzierungsmethoden; „während das Wachstum zunächst mit Hilfe der Aktie und der Schuldverschreibung genährt wurde, wie es auch dem Sinne der Aktiengesellschaft grundsätzlich entspricht, hat sich im Laufe der Zeit die Selbstfinanzierung oder die Finanzierung im geschlossenen Kreis immer stärker durchgesetzt." 108 Die Selbstfinanzierung wurde durch die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik begünstigt und stellte eine der Hauptformen der Profitverwendung dar. Die Konzerne bedienten sich ihrer mit Vorliebe bei risikolosen, auf lange Sicht profitablen Investitionsvorhaben, bei denen sie eine Einflußnahme des Staates oder eine Abhängigkeit von den Banken nicht wünschten oder möglichst gering halten wollten. Die brutalste Form der Bereicherung der deutschen Monopolbourgeoisie, der Erweiterung und Konzentration ihrer wirtschaftlichen Macht, war das, was Kuczynski „eine Rückkehr zu den alten Methoden der primitiven, der ursprünglichen Akkumulation" 109 nennt: der Raub von Kapital, d. h. von Unternehmen und ganzen Unternehmenszweigen, zuerst im eigenen Land durch „Arisierung", dann, seit 1938, in unvergleichlich größerem Maßstab in den annektierten und okkupierten Gebieten. Dem ökonomischen Wesen der Sache nach handelte es sich freilich nicht um Akkumulation von Kapital, d. h. um Kapitalanhäufung durch Ausbeutung, und auch nicht um jene „Expropriation der großen Volksmasse von Grund und Boden und Lebensmitteln und Arbeitsinstrumenten", 110 die Marx die „Vor107 FaU5, S. 231, Dok. NI-3513, Flick an Buskühl, 23. 6. 1940. 108 ZStA Potsdam, Statistisches Reichsamt, Nr. 2823, Bl. 75, Ausarbeitung für den RWiM, 26. 5. 1944. 109 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 40. 110 Marx, S. 789 f.

Kapitalkonzeiitration und Kriegsprofit

540

geschickte des Kapitals" n e n n t , sondern u m gewaltsame, d u r c h Krieg u n d faschistischen Terror ermöglichte Zentralisation bereits v o r h a n d e n e r K a p i t a l e 1 1 1 im nationalen u n d im internationalen Maßstab. So umfassend diese Methode a b e r auch im besetzten E u r o p a a n g e w a n d t wurde, so geringfügig w a r in den Augen der deutschen Imperialisten das hierin Erreichte gegenüber ihren Plänen f ü r die Z u k u n f t , die sich ü b e r Kontinente erstreckten. 1 1 2 I m m e r h i n trugen die Annexionen u n d Kriegszüge des deutschen Imperialismus zwischen 1938 u n d 1942 in b e d e u t e n d e m Maße zur Kapitalkonzentration in den H ä n d e n der Finanzoligarchie bei. 1 1 3

d) Führende

Rüstungskonzerne

Die deutschen Montankonzerne monopolisierten vollständig den Steinkohlenbergbau, den Eisenerzbergbau, die Eisen- u n d Stahlerzeugung u n d die Walzwerke sowie weitgehend auch den Braunkohlenbergbau. Sie reichten in ihrem vertikalen A u f b a u alle tief in die verarbeitende, speziell in die Rüstungsindustrie (im engeren Sinne) hinein. Die deutsche Montanindustrie wurde eindeutig von den Ruhrkonzernen majorisiert, während an der R u h r wiederum die Vereinigte Stahlwerke AG (Stahltrust) dominierte. Ihre Monopolstruktur blieb während des Krieges weitgehend u n v e r ä n d e r t . Zwei Großkonzerne t r a t e n allerdings zu dem guten D u t z e n d 1 1 4 v o r h a n d e n e r h i n z u : Die Reichswerke „ H e r m a n n Göring", im J a h r e 1937 in Vorbereitung des Krieges zur A u s b e u t u n g der F e - a r m e n deutschen Eisenerzlagerstätten geschaffen, zum gewaltigen Montan-, Rüstungs- u n d Schiffsreedereikonzern aber erst durch den R a u b bzw. die Verfügungsgewalt ü b e r Betriebe u n d ganze Industriezweige im außerdeutschen Machtbereich des deutschen Faschismus aufgestiegen ; ferner der B e r g h ü t t e - K o n z e r n m i t Sitz in Teschen (Cieszyn), der, u n t e r F ü h r u n g der Deutschen B a n k stehend, polnisch-oberschlesische u n d tschechische Montanreviere aus französischem u n d anderem f r e m d e n Besitz z u s a m m e n f a ß t e . Der Riesenkonzern der Vereinigten

Stahlwerke war im J a h r e 1936, e r m u n t e r t d u r c h die

111 Am ehesten könnte man beim Raub sozialistischer Betriebe im faschistisch besetzten Gebiet der UdSSR von einem Versuch bzw. von Methoden „ursprünglicher Akkumulation" im Sinne der gewaltsamen Schaffung kapitalistischer Produktionsverhältnisse aus nichtkapitalistischen Produktionsverhältnissen sprechen, da hier tatsächlich ein „historische(r) Scheidungsprozeß von Produzenten und Produktionsmittel" (ebenda, S. 753) in imperialistischer, geschichtlich pervertierter Form — vom Sozialismus zurück zum Kapitalismus — vollzogen werden sollte. 112 Siehe S. 392 ff. 113 Weit übertrieben erscheinen allerdings angesichts der in unserer Untersuchung zutage geförderten Daten die quantitativen Aussagen in der von Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 41, aufgestellten These : „In den Jahren 1938 bis 1942 spielte die gewöhnliche Form der Akkumulation, wie wir sie bis dahin gekannt hatten, in Deutschland trotz der Riesenprofite der schwerindustriellen Monopolisten nicht mehr die größere Rolle. Der bei weitem überwiegende Teil des jährlich akkumulierten Kapitals kam aus primitiver, aus ,ursprünglicher' Akkumulation durch Raub und Terror. Der Charakter der Akkumulation war fundamental verändert, war in vielem ähnlich dem vor mehreren hundert Jahren, ja, ging darüber hinaus in der Betonung des Raubkrieges als bestem Mittel der Akkumulation." 114 Ruhr·. Vereinigte Stahlwerke, Krupp, Hoesch, Haniel (Gutehoffnungshütte), Klöckner, Mannesmann; Mitteldeutschland/Ruhr: Flick; Oberschlesien: Oberhütten-Ballestrem, Schaffgotsch, Donnersmarck, Pleß; Saar: Röchling, Stumm, Dillinger Hütte; ferner einige staatliche (Preußag) und kleinere bzw. gemischte Konzerne.

Konzentration von Kapital und Profit

541

von ihm geförderte und gestützte Hitlerregierung, auf Initiative des Aufsichtsratsvorsitzers Fritz Thyssen mit Hilfe der Deutschen Bank reprivatisiert worden. 115 Einen gewissen Positionsverlust des Konzerns im Gefüge der staatsmonopolistischen Machtverhältnisse verursachten zeitweise der Widerstand führender Konzernvertreter gegen die Gründung der Reichswerke 116 im Jahre 1937 und die Emigration von Fritz Thyssen 117 im Jahre 1939. Doch der faschistische Staat machte keinerlei Anstalten, das Vermögen des Emigrierten zu enteignen oder wenigstens den Kapitalanteil Thyssens als des führenden Großaktionärs der Vereinigten Stahlwerke zu verstaatlichen ; es wurde im Dezember 1939 lediglich ein „Treuhänder" für das Thyssenvermögen in Person von Otto Steinbrinck, einem der Generalbevollmächtigten des Flick-Konzerns, der damit zum Stahltrust übertrat, eingesetzt. 118 Den Aufsichtsratsvorsitz übernahm der bisherige Vorstandsvorsitzer Albert Vogler, die Graue Eminenz des deutschen Finanzkapitals, seit 1933 ein vertrauter Ratgeber Hitlers. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges vereinigten die Betriebe des Stahltrusts 25,5 Prozent der deutschen Steinkohlenförderung, 26,5 Prozent der Koksproduktion, 38,1 Prozent der Roheisen- und annähernd 40 Prozent der Stahlerzeugung auf sich und beschäftigten 400000 Arbeiter und Angestellte. 119 Der Stahltrust, mit seinen hundertfältigen Verbindungen zu anderen Industrieunternehmen und Banken, Kartellen, Unternehmerverbänden, technischen Vereinen usw. neben der IG Farben die mächtigste Gruppierung des deutschen Finanzkapitals, stellte selbst ein Agglomerat von annähernd 20 (Unter-) Konzernen dar, die ungefähr 600 Betriebe mit einem Kapital von vier bis fünf Milliarden RM kontrollierten. 120 Der Stammkonzern allein (Aktienkapital: 460 Millionen RM) besaß im Jahre 1942 Beteiligungen in Höhe von nominal 814,4 Millionen RM. 121 Vogler machte sich im Krieg als Mentor Fritz Todts und vor allem Albert Speers unentbehrlich und besetzte viele Dutzende der wichtigsten Positionen im Apparat der Ausschüsse und Ringe des Munitions- bzw. Rüstungsministeriums mit seinen Vertrauten, unter ihnen an erster Stelle Vorstandsmitglied (bzw. stellvertretender Vorstandsvorsitzer) Walter Rohland, der im Herbst 1943 den Vorstandsvorsitz des Konzerns übernahm. Rohland galt in der Kriegswirtschaft seit 1940 mit Rccht als „Panzerdiktator" (Leiter des Hauptausschusses Panzerwagen) und seit 1942 auch als „Eisendiktator" (Stellvertre115 Gossweiler, Kurt, Die Vereinigten Stahlwerke und die Großbanken, in JfW, 1965, T. 4, S. 37ff. 116 Siehe Band 1, S. 51. Ausführlich s. Riedel, Matthias, Eisen und Kohle für das Dritte Reich. Paul Pleigers Stellung in der ΝS-Wirtschaft, Göttingen/Frankfurt a. M./Zürich 1973; hierzu kritisch Zumpe, Lotte, Kohle-Eisen-Stahl 1936/37, in JfW, 1980, T. 1, S. 137ff. 117 Thyssen, einer der frühesten Förderer und eifrigsten Parteigänger der Hitlerfaschisten, verfocht einen aggressiven Antisowjetismus und „Drang nach Osten", zweifelte aber daran, daß Hitlerdeutschland gegen die vereinten westlichen Mächte militärisch Erfolg haben könnte. Das „Blitzkriegs"- und das Vierjahresplankonzept mußten nach seiner Auffassung scheitern. Er blieb im September 1939 nach der Kriegserklärung Großbritanniens und Frankreichs in der Schweiz, wo er sich damals aufhielt. Unmittelbar vor seiner Reise hatte er in einem offenen Telegramm an Hitler diesen als Verräter am Nationalsozialismus bezeichnet, weil er einen Pakt mit dem Bolschewismus geschlossen habe (AGK Warschau, Fall VI, Bd. 7, Protokoll S. 2041, Zeugenvernehmung Günther Frank-Fahle). 118 119 120 121

Über Steinbrinck s. Fall 5, S. 357 ff. Faingar, S. 48. Ebenda, S. 49. Ebenda, S. 78. Vor dem Kriege: 680 Mill. RM.

542

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

tender Leiter und der eigentlich führende Repräsentant der RVE und des Hauptrings Eisenerzeugung). Der Konzern der Vereinigten Stahlwerke, von jeher ein Hort des Groß- und Alldeutschtums, war ein Vorreiter der „Neuordnung des europäischen Großwirtschaftsraumes". Im Unterschied zum IG-Farben-Konzern und zum Beispiel auch zum Flick-Konzern zogen seine Repräsentanten aber mehr im Hintergrund die Fäden und wirkten über die von ihnen majorisierten Verbände, Syndikate und Kartelle an der „Friedensplanung" mit. Seine Beherrscher, voran der mit allen politischen Wassern gewaschene und taktisch geschickte Vogler, wußten, daß sie dank ihrer wirtschaftlichen Machtfülle ihr „Recht", das Recht des Stärkeren, würden fordern können, wenn es so weit wäre; bis dahin aber wollten sie die von ihnen im „Kleinen Kreis", in der Wirtschaftsgruppe usw. geführten kleineren Konkurrenten innerhalb der Montangruppierung und auch die Regierung nicht durch allzu weitgehende und offenherzige Forderungen verprellen. Die Expansion des Konzerns über die deutschen Grenzen hinaus erfaßte zunächst Österreich. Den maßgeblichen Einfluß auf den Alpine-Montan-Konzern mußte er freilich, wenn auch zu günstigen Bedingungen, den Reichswerken abtreten — infolge seiner in dieser Phase gegenüber der Vierjahresplan-Gruppierung geschwächten staatsmonopolistischen Position 122 ; um so intensiver betrieb er die,, Umgestaltung und Rückgliederung des BöhlerKonzerns in das Deutsche Reich" 123 , der vordem durch die Einrichtung einer Holdinggesellschaft in der Schweiz der Kontrolle und eventuellen Eingriffen des österreichischen Staates entzogen worden war. Über die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie und über offiziell bevollmächtigte Kommissionen nahm er maßgeblichen Einfluß auf die „Neuordnung" der polnisch-oberschlesischen Montanindustrie (1939), besonders aber auf die Verteilung der lothringischen und luxemburgischen Hüttenwerke (1940/41)124 und auf die perspektivische Planung der „Neuordnung" des gesamten Minettereviers (1942)125. Im Jahre 1942 setzte er sich als eine der führenden „Patenfirmen" der BHO im Herzen des Donecreviers fest (Stallilo, Makeevka usw.). 126 Der Krupp-Konzern, schon in der Zeit der geheimen Wiederaufrüstung vor 1933 eine Keimzelle für die spätere Kriegsrüstung, war im Krieg auf Grund seiner hohen Produktion von Stahl, besonders von Edel- und Spezialstählen, 127 seiner leistungsfähigen Maschinenbau· und Stahlbaukapazität, seiner zahlreichen Patente und Lizenzen auf Verfahren und Produkte und der langjährigen Produktionserfahrung seiner Fach- und Spezialarbeiter einer der wichtigsten, auf manchen Gebieten der führende Produzent von Geschützen, Panzern und Kriegsschiffen (U-Booten). Im Bereich des Konzerns, der kurz vor dem Krieg etwa 110000 Beschäftigte hatte, arbeiteten nach fünf Kriegsjahren in Deutsch122 Siehe Band I, S. 48ff. ; mit anderen Akzenten neuerdings Zumpe, S. 192ff. u. S. 208ff. Über die Kontroverse um die Alpine Montan und den ausgehandelten Kompromiß s. Karner, Stefan, Die Eingliederung der österreichischen Montanindustrie in die deutsche Kriegsrüstung: Die Alpine Montan 1938-1945, in Der Anschnitt, 1/1981, S. 17ff. 123 BA Koblenz, R 2/20898, Ausarb. für RMdF, 23. 6. 1939. 124 Siehe Bandi, S. 294 ff. ; Fall 5, S. 214 ff.; Anatomie des Krieges, S. 257ff. ; DZW, Bd. 1, S. 385ff. 125 Hierzu ausführlich EichhoUz, Das Minette-Revier und die deutsche Montanindustrie, S. 816ff. 126 Siehe S. 468. 127 Zwei Betriebe des Krupp-Konzerns erzeugten allein neun bis zehn Prozent des gesamten in Deutschland produzierten Edelstahls (BA Koblenz, R 3/1803, Produkten-„Speziallisten" (RMfRuK), Stand: 1. 12. 1944).

Konzentration von Kapital und Profit

543

land und den besetzten Gebieten schließlich fast 280000 Arbeitskräfte, darunter annähernd 100000 ausländische Zwangsarbeiter. 1 2 8 Während der Konzern im Krieg allein in „Großdeutschland" 81 Betriebe umfaßte, einen Gesamtumsatz von jährlich nicht viel weniger als einer Milliarde RM hatte und mit einem Kapitalvermögen von über einer Milliarde RM arbeitete (1933: ca. 260 Millionen RM), wies er sein Aktienkapital wie in den Vorkriegsjahren mit fiktiven 160 Millionen RM aus. 1 2 9 Allein an unmittelbaren Rüstungsaufträgen von Heer und Kriegsmarine erhielt Krupp während vier Kriegsjahren, von 1939/40 bis 1942/43, insgesamt 840 Millionen RM. 1 3 0 Chef dieses Konzerns, der Q u a l i t ä t und Tempo der deutschen Aufrüstung von Anfang an maßgeblich mitbestimmte, war bis 1943 Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, danach sein Sohn Alfried. Gustav Krupp hatte im Frühjahr 1933 den Reichsverband der deutschen Industrie auf faschistische Bahnen bzw. auf Aufrüstungskurs übergelenkt. 1 3 1 Im J a h r darauf hatte er sich Hitler noch tiefer verpflichtet, als er ihn zur Ausschaltung der SAFührung a m 30. J u n i 1934 ermutigte. 1 3 2 So hatte er stets großen Einfluß auf Hitler und Tabelle 145 Roheisenerzeugung, Stahlerzeugung und Umsatz des Krupp-Konzerns 1943/44

1932/33, 1933/34,1938/39

Geschäftsjahr

Roheisen (1000 t)

Rohstahl Anteil an der dt. (10001) Gesamtprod. (Prozent)

Anteil an davon: Gesamtder dt. Elektrostahl umsatz Gesamtprod. (1000 t) (Mill. RM) (Prozent)

1932/33 1933/34 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

665 1196 2017 1649 1553 1450 1572 1401

13,9 15,4 10,5 10,8 8,1 7,1 6,5 6,2

12,0 12,1 8,7 8,9 6,9 6,4 5,4 ?

838 1307 2098 1851 1766 1678 1670 1536

26 48 129 144 178 190 178 184

bis

191 298 759 775 892 959 770 ?

Quelle: ZStA Potsdam, Fall X , Film 421, Dok. NIK-13035 und NIK-13037, „Statistisches Handbuch der Fa. Krupp", September 1944. 128 Manchester, S. 470 (für Deutschland und besetzte Gebiete 277966 Beschäftigte des Konzerns per 30. 9. 1944). In den 81 Betrieben des Konzerns in „Großdeutschland" arbeiteten von 1940 bis 1945 insgesamt 70000 zivile ausländische Arbeitskräfte, 23000 Kriegsgefangene und 5000 KZ-Häftlinge (AGΚ Warschau, Fall X, Bd. 95, ADB 32, Dok. NIK-13173, Affid. Hans Schade, 16. 12. 1947). 129 Affid. Schade (s. Anm. 128); Faingar, S. 51; ZStA Potsdam, Fall X , Film 421, Dok. D-192, „Zusammenstellung und Vergleich des eigenen Vermögens des Krupp-Konzerns" (bis 1937). 130 ZStA Potsdam, Fall X , Film 421, Dok. NIK-13035, „Statist. Handbuch der Fa. Krupp", Sept. 1944. Dagegen 1932/33: 9 Mill. RM. 131 Anatomie des Krieges, S. 109ff., Dok. 24, Gustav Krupp an Hitler, 25. 4. 1933, und ebenda, S. 123 ff., Dok. 35, Entwurf einer Denkschrift des Reichsstandes der Deutschen Industrie, v. 13. 2. 1934; ZStA Potsdam, Fall X, Film 423, div. Dok. (NI-904, NI-909, NI-910, D-353, NIK-5982). 132 Gossweiler, Kurt, Die Rolle der Monopolbourgeoisie bei der Herbeiführung der Röhm-Affäre, Phil. Diss., Berlin 1963, S. 494. 36

Eichholtz II

544

Kapitalkoiizentration und Kriegsprofit

behielt bis weit in den Krieg die Möglichkeit direkten Zugangs zu ihm. 133 Bei den Rüstungsdienststellen war der Konzern teils seiner Profitgier und seines Monopolanspruchs, teils seiner konservativen Leitungsmethoden wegen nicht sonderlich beliebt 134 , setzte sich aber in entscheidenden Fragen häufig auf direktem Wege über Hitler durch. Seine persönliche Freundschaft mit Hitler hielt sich Krupp im Krieg durch besonders sinnige „Geschenke" warm. 135 In der staatsmonopolistischen Rüstungsorganisation des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition war der Krupp-Konzern vor allem gegenüber den Vereinigten Stahlwerken in einer verhältnismäßig schwachen Position. Die drei großen Hauptausschüsse für Panzer, Waffen und Munition wurden nach dem Ausscheiden Erich Müllers als Leiter des Hauptausschusses Waffen im Jahre 1942 136 von Konkurrenten Krupps geleitet. In der Reichsvereinigung Eisen war das Ungleichgewicht zwischen den beiden stellvertretenden Leitern Rohland und Alfried Krupp augenfällig. Eine maßgeblichere Rolle spielten Vertreter Krupps in technischen Kommissionen für die Entwicklung von Kriegsgerät und für den Einsatz bzw. Ersatz von Mangel- und Austauschmetallen (Paul Goerens, Eduard Houdremont, Erich Müller). Der Krupp-Konzern zeigte sich während des Krieges als einer der aggressivsten Räuber und Plünderer unter den Aasgeiern137, die sich auf die Reichtümer der besetzten Länder stürzten. Sein Beutezug begann in Österreich und erstreckte sich ohne Auslassung über Polen, die Tschechoslowakei, die Länder West-, Nord- und Südosteuropas bis in die UdSSR, wo die Krupps sich in der Ukraine ein zweites Industrieimperium aufzubauen gedachten. Ihre Hand lag vom Donec bis zum Atlantik, vom Nordkap bis zum Mittelmeer auf Dutzenden von geraubten (enteigneten, beschlagnahmten, „gepachteten") Industriebetrieben, besonders Erzgruben, Maschinenfabriken, Werften. 138 Die Kruppvertreter gingen, ähnlich wie die IG-Farben-Chefs 139 , sogar so weit, einen widersetzlichen Repräsentanten der ausländischen Finanzwelt — in diesem Fall ein Mitglied des französischen

133 Trials, Bd. 9, Washington 1950, Fall X, S. 781ff., Zeugenvern. von Karl-Otto Saur, 8. 6. 1948. Siehe auch ZStA Potsdam, Fall X, Film 422, Dok. NIK-8032, Chronik der Besuche Hitlers bei Krupp von 1934 bis 1940 (zehn Besuche). 134 Trials, Bd. 9, Fall X, S. 834f., Zeugenvern. von Walther Schieber, 27.5.1948. Schieber erwähnte beispielsweise Einwände Krupps gegen die Methoden des RMfRuK, besonders gegen die Einrichtung der Werksbeauftragten des Ministeriums ; der Konzern sei schwerfällig, ineffektiv, das „Sorgenkind", die „Reichsbahn in der Industrie" gewesen (ebenda, S. 842). 135 Zum 20. 4. 1942 „schenkte" er Hitler den ersten produzierten „Tiger"-Panzer; Hitler würdigte das als „sein schönstes Geburtstagsgeschenk" (ZStA Potsdam, Fall X, Film 421, Dok. NIK11350, Speer an Krupp, 28. 4. 1942). Drei Monate später „verschenkte" Krupp das erste fertige „Gustav"-Geschütz („Eiserner Gustav", auch „Dora"), das schwerste Geschütz des Krieges (80 cm) ; er wolle, so schrieb er Hitler, „von einer Berechnung dieses Erstexemplars absehen" (ebenda, Film 422, Dok. D-375, Krupp an Hitler, 24. 7. 1942). Siehe auch Manchester, S. 419. 136 ZStA Potsdam, Fall X, Film 428, Dok. NIK-11803, Affid. Erich Müller, 24. 6. 1947. 137 Trials, Bd. 9, Fall X, S. 501, Zeugenvernehmung von Arthur Rümann, 22. 1. 1948. Die Bezeichnung „Aasgeier" stammt von Rümann, der am 18. 5. 1940 Alfried Krupp und andere Industrielle bei der „Verteilung" holländischer Industrieobjekte anhand einer Landkarte beobachtete. 138 Ausführliches Material in AG Κ Warschau, Fall X, Bd. 104 ff. (ADB 51ff.). 139 Siehe Band I, S. 55.

Konzentration von Kapital und Profit

545

Zweiges der Familie Rothschild — durch französische Kollaborateure der SS in die Hände zu spielen, so daß er in Auschwitz umkam. 140 Friedrich Flick baute seinen Familienkonzern nach dem ersten Weltkrieg mit Kriegsprofiten auf. Durch vielfältige Finanzmanipulationen und mit staatlicher Hilfe ständig erweitert, war der Konzern schon in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre maßgeblich in Schlesien (Oberhütten), im Ruhrgebiet (Stahltrust) und in Mitteldeutschland (Mittelstahl) beteiligt. Nach 1933 baute Flick ihn vor allem auf dem verbrecherischen Wege von „Arisierungen" größten Stils aus, gefördert und gedeckt von den Spitzen der politisch herrschenden Faschislenclique. 141 E r war einer der aktivsten Befürworter und Antreiber der Aufrüstung. Seit Anfang 1932 hatte er sich politisch mehr und mehr auf die Hitlerfaschisten orientiert. Seine Beziehungen zu Hitler und besonders zu Göring wurden bald außerordentlich eng. E r unterstützte Göring unmittelbar nach dem 30. Januar 1933 beim Aufbau der Luftrüstung und stellte ihm in der Person von Heinrich Koppenberg einen seiner Konzerndirektoren für die Leitung des Junkers-Konzerns zur Verfügung; fortan produzierte sein Konzernwerk ATG (Allgemeine Transportanlagen GmbH, Leipzig) selber JunkersMaschinen. 142 Später stand er „im Gegensatz zu anderen Industriellen" mit Göring bei der umstrittenen Gründung und bei der Konsolidierung der Reichswerke im Bunde. 143 Dafür stellte sich Göring mit seinem Namen und seinem politischen Gewicht hinter das „Arisierungs"vorhaben Flicks gegen die Gebrüder Petschek — das größte und profitabelste seiner Art überhaupt. 144 Flick war eines der prominentesten Mitglieder des „Freundeskreises des Reichsführers-SS" und ließ seine hieraus resultierenden Verbindungen — ζ. B . bezeugte SS-Obergruppenführer Karl Wolff, Himmlers enger Vertrauter, später ein „freundschaftliche(s) Verhältnis zwischen Flick und mir" 1 4 5 — zugunsten seines Konzerns spielen, unter anderem bei der Beschaffung von Arbeitskräften aus Konzentrationslagern. 146 Zu Kriegsbeginn besaß Flick — hinter dem Stahltrust und Krupp der drittgrößte deutsche Stahlproduzent — eine gewaltige Stahl- und Braunkohlenbasis in Mitteldeutschland, Norddeutschland und Bayern, umfangreiche Steinkohleninteressen im Ruhrgebiet und eine große Zahl bedeutender, über ganz Deutschland verstreuter Maschinen-, Lokomotivund Waggonbaufabriken, vor allem in Schlesien, Sachsen, in Berlin-Brandenburg und im Siegerland, und produzierte Panzerteile, Waffen, Munition und Flugzeuge. Im Jahre 1939 beschäftigte er 80000, im Jahre 1944 über 130000 Menschen; in der letztgenannten Zahl waren schätzungsweise 60000 ausländische Zwangsarbeiter enthalten. 147 Der Flick140 Manchester, S. 404 ff. 141 Fall 5, S. 353ff., Studie über „Die ,Arisierungen' des Flick-Konzerns" (von Karl-Heinz Thieleke). 142 Zu Koppenberg s. Thyssen, Fritz, I Paid Hitler, London/New York 1941, S. 270f.; zur ATG s. Fall 5, S. 108ff. 143 Trials, Bd. 6, Fall V, S. 579f., Zeugenvern. v. Erich Gritzbach, 3./4. 6. 1947; s. a. ebenda, S. 245, Dok. NI-3488, Göring an Flick, 13. 8. 1937. 144 Fall 5, S. 394 ff. (Studie Thieleke). 145 ZStA Potsdam, Fall VI, Film 420, Dok. NI-6025 F, Affid. Karl Wolff, 30. 4. 1947. 146 Siehe Fall 5, S. 178; Drobisch, Ausbeutung, S. 50 f. 147 Fall 5, S. 178 (Schätzung der Hrsg.) ; die US-Anklagebehörde im Flick-Prozeß schätzte die Anzahl der Beschäftigten wahrscheinlich zu niedrig, nämlich auf über 120000, darunter über 40000 Zwangsarbeiter (ebenda, S. 26ff., Schlußplädoyer d. Anklagevertretung, 24. 11. 1947). 36·

546

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Konzern u m f a ß t e schließlich u n m i t t e l b a r 132, m i t Tochter- u n d Enkelgesellschaften etwa 300 Kapitalgesellschaften. Die G r u p p e Flick v e r f ü g t e ü b e r ein Kapitalvermögen von insgesamt 2,5 bis 3 Milliarden R M 1 4 8 ; „das von ihm (Flick — D. E.) kontrollierte K a p i t a l d ü r f t e etwa dreimal so groß gewesen sein." 1 4 9 I m J a h r e 1943 bezifferte sich der Reingewinn allein aus elf H a u p t w e r k e n des Konzerns auf 182,5 Millionen RM. 1 5 0 I m Kriege w a r Flick Präsidiumsmitglied beider Reichsvereinigungen des Montansektors, saß im Beirat der W i r t s c h a f t s g r u p p e Eisen schaffende Industrie u n d w a r nach d e m Einfall in die U d S S R in f ü h r e n d e r Position (Mitglied des Verwaltungsrates) in der B H O tätig. Seine K o n z e r n b e a u f t r a g t e n n a h m e n in der deutschen Rüstungsorganisation wichtige Positionen ein, vor allem auf den Gebieten der (Edel-)Stahlerzeugung u n d des Maschinenbaus. Der Konzern h a t t e die ungefügen Brocken der Petschek-„Arisierung" noch n i c h t v e r d a u t , da griff Flick im S o m m e r 1940 schon m i t größter Skrupellosigkeit in den Kampf d e r Montankonzerne u m die „Verteilung" der ostfranzösischen u n d luxemburgischen Montanu n t e r n e h m e n ein u n d sicherte sich gegen heftige Konkurrenz (Röchling, Hoesch) die „ T r e u h a n d s c h a f t " über die R o m b a c h e r H ü t t e n w e r k e (Société Lorraine des Aciéries de Rombas), eines der modernsten u n d rentabelsten lothringischen Stahlwerke. 1 5 1 H a t t e er in Polnisch-Oberschlesien trotz dem von ihm angemeldeten „grundsätzlichen A n s p r u c h " 1 5 2 auf b e d e u t e n d e Teile der B e u t e gegenüber den Reichswerken u n d K r u p p den kürzeren gezogen, so errang er 1941/42 neben den Reichswerken die f ü h r e n d e Position bei der Aufteilung der Schwerindustrie des Dnepr-Donec-Industriereviers in „ P a t e n s c h a f t e n " . Die W e r k e der sowjetischen Stahlindustrie im Dneprbogen, die das R o h m a t e r i a l f ü r das „ I w a n " - M u n i t i o n s p r o g r a m m liefern sollten, wurden der m i t den Reichswerken gemeinsam gegründeten D n j e p r - S t a h l G m b H zugeschlagen u n d gerieten „ u n t e r F ü h r u n g von Mittelstahl" 1 5 3 , d . h . in die H ä n d e von Flick. Die R o h s t a h l k a p a z i t ä t der a c h t von Flick zu betreibenden sowjetischen H ü t t e n w e r k e überstieg m i t 2,8 Millionen Tonnen pro J a h r u m 50 Prozent die gesamte Vorkriegskapazität des Flick-Konzerns (1939= 1,86 Millionen t). 1 5 4 Eine besonders stürmische K a p i t a l k o n z e n t r a t i o n vollzog sich beim Konzern der Reichswerke „Hermann Göring". I m J a h r e 1937 w a r die „Reichswerke AG f ü r E r z b e r g b a u u n d E i s e n h ü t t e n , H e r m a n n G ö r i n g ' " als staatliches H i l f s u n t e r n e h m e n des Vierjahresplans auf der sehr unsicheren ökonomischen Basis der kärglichen u n d noch k a u m erschlossenen deutschen Eisenerzvorkommen m i t Reichsmitteln gegründet worden. In Österreich u n d in den annektierten Gebieten der Tschechoslowakei sowie mittels „Arisierung" in Deutschland h a t t e sich der Konzern 1938/39 d u r c h den R a u b zahlreicher großer, l u k r a t i v e r U n t e r nehmen aus verschiedenen Branchen, d a r u n t e r w e l t b e k a n n t e r R ü s t u n g s u n t e r n e h m e n wie des Alpine-Montan-Konzerns u n d der Skodawerke, d e r m a ß e n aufgebläht, d a ß bereits A n f a n g J u l i 1939 eine Konzernholdinggesellschaft „AG Reichswerke , H e r m a n n G ö r i n g ' " gebildet worden war. Das ursprünglich bescheidene K a p i t a l der Montangesellschaft von 148 Faingar, S. 52. 149 Ogger, Günter, Friedrich Flick der Große, 3. Aufl., Bern/München/Wien 1971, S. 233; s.a. ebenda, S. 382ff. (Anhang). 150 Ohlsen, Manfred, Milliarden für den Geier oder Der Fall des Friedrich Flick, Berlin 1980, S. 306. 151 Fall 5, S. 214, S. 222ff., S. 234ff. (versch. Stücke). 152 Ebenda, S. 237, Dok. NI-2505, Flick an Poensgen, 2. 10. 1940. 153 Ebenda, S. 284, Dok. NI-5289, AN Flick, 11. 11. 1942. Siehe auch S. 466f. 154 Fall 5, S. 286 (Dok. NI-3671, Prot. d. Bespr. bei Mittelstahl am 14. 1. 1943) u. S. 477.

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Konzentration von Kapital und Profit

5 Millionen RM war schon im April 1938 auf 400 Millionen erhöht worden; dasjenige der Holdinggesellschaft betrug erst 100 Millionen, wenig später bereits 150 Millionen RM. 155 Nach Kriegsbeginn verleibte sich der Konzern erneut in größtem Umfang Bergwerke, Hütten, Fabriken und Beteiligungen aller Art in Polen, in Frankreich und in anderen besetzten Ländern ein. Im August 1940 wurde daraufhin eine Aufgliederung des Gesamtkonzerns unter der Holdinggesellschaft in drei Unterkonzerne, einen sogenannten Montanblock, einen Waffenblock und einen Schiffahrtsblock, beschlossen. Diese Neugliederung wurde schließlich am 17. J a n u a r 1941 vertraglich fixiert. Das Kapital der Holdinggesellschaft wurde hierbei auf 250 Millionen RM erhöht. 156 Struktur des Reichswerke-Konzerns

(Stand 17. Januar 1941 )

AG Reichswerke „Hermann Göring" (Aktienkapital 250 Mill. RM)

~ Reichswerke AG für Berg- und Hüttenbetriebe „Hermann Göring" (Aktienkapital 560 Millionen RM)

Reichswerke AG für Waffen- und Maschinenbau „Hermann Göring" (Aktienkapital 80 Millionen RM)

I

Reichswerke AG für Binnenschiffahrt „Hermann Göring" (Aktienkapital 12,5 Millionen RM)

Allein im Montanblock waren 24 Tochterunternehmen, darunter führende Montanunternehmen in Österreich, der Tschechoslowakei, Polen und Frankreich, vereinigt. Die Beteiligungen an Unternehmen, die das Reich in diesen Block bei dessen Gründung einbrachte, machten ein Kapital von insgesamt über 1,1 Milliarden RM aus. 157 Diese Beteiligungen wurden unterbewertet und nur zur Hälfte des Betrages in die Aktiva der neuen Gesellschaft eingesetzt, um durch Unterkapitalisierung die Steuern niedriger und die Profite höher zu halten. Der Reichswerke-Konzern befand sich fast vollständig in Reichsbesitz; über 90 Prozent der Stammaktien hielt das Reich in Gestalt des Reichswirtschaftsministeriums. Er war also kein Teil der „Parteiwirtschaft". 1 5 8 Neumann hielt ihn fälschlich für „den Versuch der Partei, die ökonomische Basis für ihre Herrschaft zu schaffen". 159 Ebenso wenig war er eine Privatdomäne Görings, 160 auch wenn Göring sich selbst gern als „obersten Chef des Konzerns" 161 apostrophierte. Leitung und Kontrolle des Gesamtkonzerns wie der 155 ZStA Potsdam, FS, Film 3961, Yowi-Bericht (IG-Farben) über „Konzernaufbau und Entwicklung der Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten .Hermann Göring' " vom 19. 10. 1939 (Chronik). 156 Siehe ebenda, Fall X I , Nr. 399, Bl. 4 ff., Dok. NID-13842, Bericht der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Dresdner Bank über den Ilermann-Göring-Konzem v. 21. 12. 1940; ebenda, Bl. 64, Dok. NID-13956, Paul Körner an RMdJ, Januar 1941. 157 Ebenda, Statistisches Reichsamt, Nr. 448, Bl. I f f . , „Reichswerke ,Hermann Göring'. Die Konzernunternehmungen. Stand 3 1 . 3 . 1941". 158 So Neumann, S. 354 ff. 159 Ebenda, S. 358. 160 So etwa Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 3 8 ; s. dazu Eichholtz, Faschismus und Ökonomie, S. 67 f. 161 ZStA Potsdam, FS, Film 3962, Göring an Pleiger, 31. 8. 1940. - Den Anspruch, Chef des Konzerns zu sein, konnte Göring weder auf ökonomische noch auf juristische Grundlagen,

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

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Unterkonzerne und Tochtergesellschaften lagen — unter einer Art von Oberaufsicht Görings als Beauftragten für den Vierjahresplan — in den Händen einer kleinen Clique von Finanz- und Rüstungsgewaltigen, hohen faschistischen Beamten und Militärs und staatsmonopolistischen Funktionären der Vierjahresplangruppierung, darunter Paul Körner (Vierjahresplanbehörde), Hans Kehrl und Hermann v. Hanneken (Reichswirtschaftsministerium), die Generale Thomas und Leeb, Hellmuth Roehnert (RheinmetallBorsig), Heinrich Wisselmann (Preußag), Paul Pleiger und Paul Raabe (Generaldirektoren des Montanblocks). Mit einem Kapital von über 900 Millionen RM ohne Beteiligungen und mit der Verfügung über ein Gesamtkapital von über 2,5 Milliarden RM 1 6 2 trat der Konzern jetzt gleichrangig neben den IG-Farben-Konzern und die Vereinigten Stahlwerke, deren heftigster Konkurrent er geworden war. Nur diese konnten sich mit ihm messen; und sogar sie drohte er zu überflügeln mit seinem ganz auf die Kriegsproduktion ausgerichteten Produktionsprogramm, das von der Gewinnung des Erzes und der Kohle bis zum fahrbereiten Panzer, zum fertigen Geschütz und zur Sprenggranate reichte, und mit den rund 600000 Werktätigen, die für den Konzern schufteten. Für die Hauptwerke des Konzerns liegt eine genauere Aufstellung der Arbeitskräftezahlen vor. Im J u n i 1944 waren von den in der Tabelle angegebenen 416477 Beschäftigten 32 Prozent in den besetzten und annektierten tschechischen Gebieten, 23 Prozent in Polen, 13 Prozent in Österreich und nur 22 Prozent in Deutschland (Grenzen von 1937) tätig. 1 6 3 Tabelle 146 Beschäftigte in den Hauptwerken des Reichswerke-Konzerns Monat

Dezember Juni 1942 Dezember Juni 1943 Dezember Juni 1944 Dezember

1941 1942 1943 1944

1941—1944

Beschäftigte insgesamt

darunter: Ausländische Zwangsarbeiter einschl. Kriegsgefangene

in Prozent

306423 317631 350640 372804 407374 416477 373401

130084 142077 171466 189997 235192 244291 215116

42,5 44,7 48,9 51,0 57,7 58,7 57,6

Quelle :Overy, R. /., Göring's „Multinational Empire". Beitrag zum Internationalen Symposium „International Business and Central Europe 1 9 1 9 - 1 9 3 9 " (MS), o. D., Tab. 3 ( = U S S B S Special Paper Nr. 3, betr. Hermann-Göring-Werke). sondern nur auf seine Funktion als Beauftragter f ü r den Vierjahresplan stützen. Jener Anspruch war daher jeweils nur so gewichtig wie die genannte staatsmonopolistische Position. 162 Wie Anm. 155. — Faingar, S. 54, erwähnt ausländische Schätzungen bis zu 6 Md. RM (für 1943). 163 U S S B S Special Paper Nr. 3, betr. Hermann-Göring-Werke, zit. nach Overy, R. J., Göring's „Multinational Empire". Beitrag zum Internationalen Symposium „International Business and Central Europe 1 9 1 9 - 1 9 3 9 " (MS), o. D., Tab. 3.

Konzentration von K a p i t a l und Profit

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Die Machtexpansion der Reichswerke war den privaten deutschen Konzernen und Großbanken, voran den Montankonzernen, ein Dorn im Auge. Sie billigten es dem Staatskonzern wohl in einem gewissen Umfang zu, in den annektierten und okkupierten Gebieten in staatlichem Besitz befindliche Montanbetriebe in seine Verwaltung zu übernehmen — immer aber mit dem Vorbehalt einer späteren Reprivatisierung bzw. einer umfassenden „Neuordnung" der Besitzverhältnisse in den genannten Ländern. Ferner waren sie zuzustimmen bereit, wenn die Reichswerke als Staatskonzern an ihrer Stelle und zu ihren Gunsten besonders heikle Probleme beispielsweise der „Arisierung" 1 6 4 oder der Enteignung ausländischer Kapitalisten auf brachiale Weise lösten. Doch war ihnen natürlich die weiterreichende Zielsetzung, die die Vierjahresplangruppierung schon von Anfang an mit den Reichswerken verfolgte, nicht verborgen geblieben. Pleiger rief im Frühjahr 1940, auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Chefmanager des Konzerns, Göring diese Zielsetzung ins Gedächtnis: E s gelte, so schrieb er ihm damals, als eine der „Aufgaben" der Reichswerke seit ihrer Gründung, „aus den Stammwerken den größten europäischen Konzern zu entwickeln und mit ihm die wirtschaftspolitische Führung in der deutschen Montanindustrie zu übernehmen". 1 6 5 Vorerst ließ sich freilich der zügellose Expansionsdrang des unter dieser Devise angetretenen Konzerns nicht kanalisieren. Erste Veränderungen traten im Laufe des Jahres 1941 ein. Mit Pleigers Bestellung zum Vorsitzer der R V K im März 1941 verpflichteten die Montankonzerne, besonders die Ruhrkonzerne, sich ihn fest, wenn es sich dem äußeren Anschein nach auch umgekehrt verhielt. 166 Pleiger selbst, später nach Gründen für die Annahme des Vorsitzerpostens befragt, gab eine aufschlußreiche Antwort, die ein Licht auf die Auseinandersetzungen der Jahre 1941/42 warf: „Ich wollte mich von dem Vorwurf reinigen, daß ich Staatskapitalismus betriebe." 1 6 7 Mit dem Einfall in die Sowjetunion bereitete sich anscheinend jene „Periode des Rückgangs der H G W " 1 6 8 vor, die die späteren Ereignisse des Jahres 1942 bewirkten. Schon die Gründung der B H O im August 1941 ließ, wenn auch noch in kompromißhafter Form, erkennen, daß die Reichswerke in der U d S S R nicht wie bisher in anderen Ländern würden schalten und walten können — obwohl es sich bei den sowjetischen Industriebetrieben ausnahmslos um staatliches Eigentum handelte. Gegen die Anwendung der bisherigen Methoden des Industrieraubs im Montanbereich, die die Reichswerke eindeutig bevorteilten, versteifte sich der Widerstand der deutschen Monopole. Bei den völlig veränderten Maßstäben der Expansions- und Ausbeutungspolitik in der U d S S R , mit denen die deutschen Imperialisten rechneten, hätte sonst eine Majorisierung der Schwerindustrie durch einen Staatskonzern befürchtet werden müssen. Dieser Widerstand fand zunehmende Resonanz bei Todt (später bei Speer), bei Hitler und schließlich auch bei Göring. Ende 1941 äußerten sich führende Repräsentanten der Reichswerke, vermutlich von Göring dazu aufgefordert, über eine mit teilweiser Reprivatisierung verbundene Reorganisation des von Göring verächtlich als „Ramschladen" qualifizierten Konzerns. Pleiger plädierte dafür, die Montanbetriebe, weil sie unrentabel seien (!), unbedingt unter 164 165 166 167 168

So bei der „Arisierung" des Ignaz-Petschek-Besitzes (Fall 5, S. 434ff., Studie Thieleke). Z S t A P o t s d a m , F a l l X I , Nr. 714, Bl. 8, Dok. Pleiger-101, Memo Pleiger f. Göring v . 2 0 . 4 . 1 9 4 0 . Siehe Band I, S. 132 ff. Z S t A P o t s d a m , Fall X I , Nr. 396, B l . 19, Dok. NI-3342, Affid. Pleiger, 17. 1. 1947. E b e n d a , F S , Film 3961, Schriftl. Zeugenerklärung von Rudolf Diels (1942/43 Vorstandsvorsitzer des Schiffahrtsblocks) über „Gründung und Wachsen der HGW, 1 9 3 7 - 1 9 4 2 " , v . 17. 6. 1947.

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

550

Staatseinfluß zu belassen und ihnen den schützenden Namen „Gering" nicht zu entziehen. 169 Wilhelm Voss, Vorstandsvorsitzer des Waffenblocks, schlug vor, einige Waffenund Maschinenfabriken zu reprivatisieren. 170 Am 23. März 1942 ordnete Goring die Auflösung der bisherigen Konzernstruktur an. 171 Die Dachgesellschaft (AG Reichswerke „Hermann Göring") wurde liquidiert. Die drei Blöcke unterstellte Göring sich unmittelbar. Der Montanblock blieb als Staatskonzern bestehen. Der vergleichsweise unbedeutende Schiffahrtsblock verblieb ebenfalls unter staatlichem Einfluß. Was die wichtigsten Unterkonzerne und Tochtergesellschaften des Waffenblocks betraf, besonders Skodawerke, Brünner Waffen und Steyr-Daimler-Puch — also die profitabelsten aller Konzernunternehmen —, so sollte „ihre Rücküberführung in Privathand eingeleitet werden". 172 Die Auflösung des Waffenblocks geschah noch im Laufe des Jahres 1942. 173 Die Blockholding (Reichswerke f ü r Waffen- und Maschinenbau „Hermann Göring") wurde liquidiert, ihr Apparat mit 300 Angestellten bestand aber anscheinend weiter fort. 174 Die beschriebenen Vorgänge änderten nichts an der Existenz und am Umfang des Reichswerke-Konzerns als Montankonzern und damit an seiner Grundsubstanz. Aber sie beendeten die von der Finanzoligarchie unkontrollierte Ausbreitung dieses Staatskonzerns in der Wirtschaft und hatten damit — verbunden mit der gleichzeitigen Reprivatisierung anderer staatseigener Unternehmen — grundsätzliche Bedeutung als erneute, ausdrückliche und prinzipielle Absage des faschistischen Regimes an alle Verstaatlichungstendenzen. Der Montankonzern der Reichswerke konsolidierte sich in der folgenden Zeit. Sein Umsatz stieg 1943 auf über 2,4 Milliarden RM; das waren 163 Prozent gegenüber 1941.175 Der Tabelle 147 Umsatz des „Montanblocks" des Reichswerke-Konzerns 1941—1944 (in Mill. Jahr

1941 1942 1943 1944

RM)

Gesamtumsatz

darunter: Deutschland (Grenzen v. 1937)

AlpineMontanGruppe

Oberschles. Betriebe

Betriebe im „Protektorat" u. im „Sudetengau"

1491 1930 2433 2342

364 584 683 699

156 205 327 371

243 307 348 344

483 552 724 698

Quelle: Overy, S. 26 ( = USSBS Special Paper Nr. 3, betr. Hermann-Göring-Werke). 169 Ebenda, Film 3962, Pleiger an Göring, 9. 12. 1941; s. a. ebenda, „Vorschlag Pleiger zum Aufbau der Hermann-Göring-Werke" v. 9. 11. 1941. 170 Ebenda, Voss an Göring, 7. 11. 1941. 171 Ebenda, Anordnung Görings v. 23. 3. 1942. 172 Ebenda, Rs. Pleigers an die Vorstände im Montanblock, 29. 4. 1942. 173 Ebenda, Film 3961, Ausarb. (RWiM) : „Der Zuwachs an staatlichen Unternehmungen in Privatrechts form durch die Einbeziehung der Reichswerke AG ,Hermann Göring' " (Herbst 1944). — Die Steyr-Daimler-Puch AG war übrigens früher zu 93 Prozent in (österreichischem) Staatsbesitz gewesen (ebenda). 174 Wie Anm. 168. 175 Overy, S. 26.

Konzentration von Kapital und Profit

551

gesamte Reichs werke-Konzern (Montan- und Schiffahrtsblock) umfaßte im Jahre 1944 278 Unternehmen mit 2,51 Milliarden RM Kapital. 1 ™ Der Reichs werke-Konzern besetzte wichtige Positionen im staatsmonopolistischen Apparat der Kriegswirtschaft. Die Schlüsselstellung auf dem Kohlesektor hatte als Vorsitzer der RVK Pleiger selbst inne. Als Hauptgeschäftsführer (später Vorsitzer des Präsidiums und des Verwaltungsrates) der BHO verwaltete er die in den besetzten sowjetischen Gebieten vorgefundene Beute an Montanbetrieben und -rohstoffen für die deutschen Monopole. Edmund Geilenberg wurde im F r ü h j a h r 1942 von Speer zum Leiter des Hauptausschusses Munition bestellt. Wenig später übertrug er ihm die Leitung des „Iwan"Munitionsprogramms in der Ukraine. 177 Die Repräsentanten der Reichswerke waren also mit ihren staatsmonopolistischen Funktionen fest in das System der Regulierung der Kriegswirtschaft integriert. Sie verfügten wohl über diktatorische Befugnisse auf den ihnen zugewiesenen — meist besonders komplizierten und risikovollen — Aufgabengebieten, hatten aber die Auflagen der zentralen kriegswirtschaftlichen Instanzen, in erster Linie der Zentralen Planung und des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition, zu erfüllen und standen unter ihrer Oberleitung, Kontrolle und Kritik. In dieser neuen Kräftekonstellation spiegelten sich der Machtverfall Görings als Beauftragter für den Vierjahresplan und die mehr und mehr dominierende Stellung des Munitionsministers und der ihn stützenden Kräfte wider. Der IG-Farben-Konzern war neben den Vereinigten Stahlwerken das gewaltigste Monopolgebilde in der deutschen Wirtschaft. Er galt als der größte Chemietrust der Welt. E r hatte dem Stahltrust voraus, daß er einen ganzen Industriezweig, die Chemieindustrie, auf allen entscheidenden Teilgebieten vollständig oder maßgeblich monopolisierte und daß er in noch ungleich höherem Maße ein internationales Monopol darstellte, das sich seit seinem Bestehen 1 7 8 den kapitalistischen Weltmarkt auf weiten Gebieten der Chemie mit zwei oder drei ausländischen Konzernen teilte. Die IG war, von den älteren Gebieten der chemischen Produktion (Grundchemikalien, Farben, Pharmazeutika, Photographika) ausgehend, in das Gebiet der synthetischen und Kunststoffe vorgestoßen und hatte sich dort im Laufe von kaum zwei Jahrzehnten eine absolute Monopolstellung verschafft. Durch die industrielle Nutzung der Stickstoffsynthese beherrschte sie einen großen Teil des Weltstickstoff- und Düngemittelmarktes und gewann über das Stickstoffmonopol und über zahlreiche speziell entwickelte Grundstoffe eine monopolartige Stellung bei der Herstellung von Pulver und Sprengstoff. Die synthetische Erzeugung von Treibstoff und anderen Mineralölprodukten mittels eines technisch und industriell günstigen Hydrierverfahrens verschaffte ihr seit Anfang der dreißiger Jahre ein weitgehendes Monopol auf diesem für Aufrüstung und Krieg ebenfalls entscheidend wichtigen Gebiet, auf dem Gebiet des Flugzeugbenzins sogar ein totales Monopol. Vollständig monopolisierte sie die Produktion von künstlichem Kautschuk (Buna), die seit 1936 in industriellem Maßstab anlief. Von großer Bedeutung für die Wehrmacht waren die von ihr entwickelten Giftgase (1943: 95 P r o z e n t = IG-Produktion). Auf die IG entfiel ferner ein bedeutender Anteil der Leichtmetallproduktion (Aluminium, 176 ZStA Potsdam, FS, Film 3961, Tabelle (StRA) „Die Unternehmungen der ,HermannGöring'-Konzerne nach Zahl und Kapital. Stand am 31. März 1944". 177 Siehe S. 65 u. 465. 178 Auf umfangreichen Gebieten der chemischen Erzeugung reichte die weltweite Monopolstellung der Gründerfirmen des Konzerns bis vor seine Gründung im Jahre 1925, teilweise bis zum Anfang des Jahrhunderts zurück.

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

552

Tabelle 148 Produktion des IG-Farben-Konzerns con Erzeugnissen, in denen die Wehrmacht wiegend vom Konzern abhängig war, 1936,1938—1940,1943 (in 1000 t) Jahr

1936 1938 1939 1940 1943

Synthet. StabilisaKautschuk toren (100 % Abhängigkeit) (100 o/0) 0,8 5,7 22,0 40,7 118,0

1,4 1,8 2,7 4,0 10,9

Tetraäthylblei

Magnesium

(100 o/0)

— —

5,4 7,6

ganz oder über-

Stickstoff

(88 o/0)

Pulver (70) und Sprengstoff (84 % )

11,6 13,0 16,6 18,4 27,4

40,4 68,7 80,8 101,6 353,0

400 520 554 557 600

(75 o/0)

Quelle: ZStA Potsdam, Fall VI, Film 420 , Dok. NI-10008 u. NI-10010, Erkl. unter Eid v. Er Struss v. 21 u. 22. 6. 1947. Magnesium). Der weltweite E x p o r t des Konzerns machte ihn zum wichtigsten Devisenlieferanten für den faschistischen S t a a t ; verschiedene für die Aufrüstung äußerst wichtige Rohstoffe konnten nur über das Netz der IG-Auslandsverbindungen aus fremden Ländern und Erdteilen beschafft werden. Kurzum, ohne die I G h ä t t e der deutsche Faschismus keinen Krieg führen können. Mochten also die Vereinigten Stahlwerke oder der Reichswerke-Konzern mehr Menschen beschäftigen oder auch einen höheren Umsatz aufweisen, so war doch ihre Stellung in der deutschen Wirtschaft, wie Georg v. Schnitzler 1945 vor dem US-Militärgericht bekundete, nicht m i t der des IG-Farben-Konzerns zu vergleichen; „sowohl das Ausmaß ihrer Tätigkeit als auch die Möglichkeiten der Gewinnerzielung waren bei beiden bedeutend begrenzter".™ Das Aktienkapital der I G Farbenindustrie A G betrug in den 30er J a h r e n knapp eine Milliarde R M und stieg im Juni/Juli 1942 durch Kapitalberichtigung und Kapitalerhöhung auf 1,42 Milliarden RM. 1 8 0 Die gerühmte angebliche „breite Streuung" des Aktienkapitals war im Krieg so weit abgebaut und die Konzentration des Kapitalbesitzes in wenigen Händen so vorangeschritten, daß bei dem Aktienumtausch (1942 bis 1944) von 1,6 Millionen Kleinaktien zu 100 und 200 R M im J a h r e 1941 (im Werte von insgesamt 3 0 0 Millionen R M = 3 7 , 5 Prozent) schließlich 1944 nur noch 1,3 Millionen (im Werte von insgesamt 229 Millionen R M = 1 6 , 4 Prozent) übrigblieben. 1 8 1 Der Konzernumsatz erreichte und überschritt während des Krieges die Drei-Milliarden-Grenze. 1 8 2 Die Investitionen des Konzerns stiegen von 36 Millionen R M im J a h r e 1933 auf über 6 0 0 Millionen RM im J a h r e 1942.1S3 Die I G besaß 6 2 eigene Werke, dazu 100-prozentige Beteiligungen an 70 Firmen und 50bis 100-prozentige Beteiligungen an weiteren 119 Firmen — insgesamt rund 400 Inlands179 Zit. bei Faingar, S. 56 f. 180 Davon 80 Mill. RM in Vorzugsaktien mit 12,5-fachem Stimmrecht. 181 Nach ZStA Potsdam, Fall VI, Film 412, Dok. NI-8935, Satzung der IG Farbenindustrie AG v. 1938 (mit Anhang). Für 1938 lauteten die Ziffern: 299 Mill. RM in Kleinaktien = 41,5 Prozent des Grundkapitals von 720 Mill. RM. 182 Siehe Tabelle 152. 183 Siehe Tabelle 144.

Konzentration von K a p i t a l und Profit

553

Beteiligungen und 500 Beteiligungen an ausländischen Firmen. 1 8 4 Alles in allem kontrollierte der Konzern ein Kapital von schätzungsweise sechs bis acht Milliarden RM. 1 8 5 Der Konzern beschäftigte im Jahre 1939 150000, im Jahre 1942 185000 und 1944 (Oktober) schließlich rund 240000 Menschen, darunter 83300 ausländische Zwangsarbeiter einschließlich KZ-Häftlingen. 1 8 6 Im Krieg arbeiteten im Konzern über 3000 Chemiker (1943) ; davon waren annähernd 1300 mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt (1940). 187 Die Gesamtkosten der wissenschaftlichen Arbeiten im Kriege beliefen sich jährlich auf 100 bis 110 Millionen RM. 1 8 8 Die IG verfügte über mehr als 40000 wertvolle Patente, die ein unschätzbares zusätzliches Kapital darstellten. 189 Nach Machtantritt der Faschisten erwies sich die IG Farben als Motor und Nährerin der Aufrüstung und baute ihre vielfältigen Beziehungen zu Nazipartei und Staatsapparat zu einem festen Netz staatsmonopolistischen Einflusses aus. 1 9 0 Zur zentralen Figur in diesem Netz wurde Carl Krauch. Schon 1933 war er als Boschs Verbindungsmann zur Luftwaffe (Göring) mit der Vorbereitung des Feder-Bosch-Abkommens 1 9 1 betraut. 1935 sprach er in internen Beratungen mit Milch und Göring die „großen Gesichtspunkte" 1 9 2 der Aufrüstung nach Ausrufung der Wehrpflicht durch und war maßgeblich beteiligt am Zustandekommen des neuen staatsmonopolistischen Machtblocks Göring/IG Farben, der 1936 in der Vierjahresplanorganisation seine organisatorische Form fand. Die neue Generalkonzeption der wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung des faschistischen Deutschlands, institutionalisiert im Vierjahresplan, sollte ursprünglich kein geringerer als Aufsichtsratsvorsitzer Carl Bosch selbst verwirklichen, der aber auf Anraten seines Freundes Vogler, wie schon 1933, Krauch benannte. 193 Als GB Chemie (seit August 1938), als Leiter des Reichsamts für Wirtschaftsausbau (seit Dezember 1939) 1 9 4 und nach Boschs Tod (1940) als Aufsichtsratsvorsitzer des Konzerns vereinigte Krauch im Krieg eine einzigartige staatsmonopolistische Machtfülle auf sich. Die Expansionsinteressen des IG-Farben-Konzerns waren umfassend wie seine Produktions- und Profitinteressen. 195 Es waren die Interessen der in dieser Hinsicht am weitesten entwickelten, am meisten chauvinistischen und imperialistischen Elemente des deutschen Finanzkapitals, wie sie in ähnlich globaler Spannweite die Deutsche Bank vertrat. Die Hauptexpansionslinien und -richtungen dieser Kräfte schlugen sich deutlich, vielfach bis ins Detail, in den faschistischen Kriegs- und Eroberungsplänen nieder (Südosteuropa; Westeuropa; Ukraine/Kaukasus; Naher und Mittlerer Osten; Vorherrschaft gegenüber dem anglo-amerikanischen Imperialismus). Die IG Farben vertrat diese Interessen im Kriege (und schon vor dem Krieg) in einer Dominanz und mit einer Durchschlagskraft, wie 184 Fall 6, S. 65, S. 67 (Eidesstattl. Erklärung v . Werner Hagert, 26. 7. 1947). 185 Faingar, S. 57. 186 Ζ S t A Potsdam, Fall V I , Film 420, Dok. NI-3761, Diagramm „Belegschaftsbewegung" (Affid. E r n s t Struss, 20. (31.) 1. 1947) ; ebenda, Dok. NI-11411 ( = Abschrift aus NI-3761). 187 Faingar, S. 5 5 ; Z S t A Potsdam, Fall VI, Film 413, Dok. NI-9487, Affid. E r n s t Struss, 30. 8. 1947. 188 E b e n d a (Affid. Struss). 189 Fall 6, S. 175 (Urteilsbegründung). 190 Hierzu ausführlicher Band I, S. 39ff. 191 Vom 14. 12. 1933; s. Deutsche Geschichte in Daten, Berlin 1967, S. 704. 192 Z S t A P o t s d a m , Fall V I , Film 410, Dok. NI-4718, Milch an Krauch, 23. 7. 1935. 193 Ebenda, Film 414, Dok. NI-10386, Affid. Paul Körner, 29. 8. 1947. 194 Siehe Band I, S. 108 ff. 195 Hierzu ausführlich ebenda, S. 55ff., S. 144 ff.

554

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

sie ihrer weltweiten Monopolstellung u n d ihrer staatsmonopolistischen Position im faschistischen Deutschland entsprachen. Die beiden beherrschenden deutschen Elektrokonzerne, Siemens u n d A E G , monopolisierten die P r o d u k t i o n auf ihrem Gebiet w ä h r e n d des Krieges in überwältigender Weise. Die Regulierung der R ü s t u n g s p r o d u k t i o n d u r c h die Ausschüsse u n d Ringe besorgten m i t großer Ausschließlichkeit Vertreter dieser beiden Monopolriesen. Sie stellten überdies in Gestalt der Konzernchefs Lüschen 1 9 6 (Siemens) u n d Bücher (AEG) zwei der wichtigsten B e r a t e r des Rüstungsministers. Beide Konzerne waren aufs engste m i t der Deutschen B a n k verbunden. 1 9 7 N a c h den Beschäftigtenzahlen der W i r t s c h a f t s g r u p p e Elektroindustrie arbeiteten bei Kriegsbeginn (1. Oktober 1939) von insgesamt 492000 Beschäftigten in 2119 F i r m e n der Branche allein im Siemens-Konzern 135000 u n d im A E G - K o n z e r n 77000, in den von Siemens u n d A E G gemeinsam beherrschten K o n z e r n u n t e r n e h m e n weitere 34000, zusammen also r u n d 246000, d. h. 50 Prozent. 1 9 8 Dieser Konzentrationsgrad verstärkte sich während des Krieges allem Anschein nach noch erheblich. 1 9 9 Die P r o d u k t i o n s k a p a z i t ä t der beiden Großkonzerne, die stetig u n d s t a r k anwuchs, war nach drei J a h r e n Krieg so gut wie vollständig auf R ü s t u n g s p r o d u k t i o n und auf die P r o d u k t i o n von Ausrüstungen f ü r Investitionsvorhaben von Rüstungsindustrie u n d W e h r m a c h t umgestellt. (Tabelle 149) Der Siemens-Konzern war, nach der IG F a r b e n u n d den Vereinigten Stahlwerken, der d r i t t g r ö ß t e deutsche Industriekonzern. E r w a r das größte Monopolunternehmen der Elektrotechnik in E u r o p a u n d d a s zweitgrößte in der Welt. Die Spitze des Konzerns, der aus einer k a u m überschaubaren Vielzahl von m i t e i n a n d e r verflochtenen U n t e r n e h m e n bzw. Kapitalbeteiligungen bestand, bildeten die Siemens & Halske AG, die eigentliche Konzernholding, u n d die Siemens-Schuckertwerke AG. Das A k t i e n k a p i t a l allein dieser beiden Gesellschaften bezifferte sich bis April 1942 auf 260 Millionen RM, seit Mai — durch Kapitalerhöhungsbeschlüsse der Generalversammlungen — auf 640 Millionen RM. Das tatsächliche Gesamtvermögen beider Gesellschaften betrug dagegen ü b e r 1,6 Milliarden RM. 2 0 0 Die Bilanz der Siemens & Halske AG wies Kapitalbeteiligungen in H ö h e von 196 Friedrich Lüschen war seit 1941 Stellv. Vorstandsvorsitzer der Konzern-Holding Siemens & Halske AG. 197 Die Verbindungen zwischen Siemens und der Deutschen Bank waren traditionell eng (Bericht über die Ermittlungen in bezug auf die Deutsche Bank (Omgus-Bericht, Nov. 1946), in dt. Sprache hrsg. v. Institut für Marxistische Studien und Forschungen, Frankfurt/Main 1971 (im folgenden: Bericht über die Deutsche Bank), S. 117ff., S. 348ff.). Bei der AEG trat in der zweiten Hälfte der 20er Jahre im Zuge der damaligen Konzentrationswelle die Deutsche Bank als führende Bankverbindung an die Stelle der Berliner Handelsgesellschaft — ein Kennzeichen der „Ära Bücher". (Koebel-Tusk, S. 94ff.). 198 BA Koblenz, R 13 V/184, Aufstellung der Wigru über Beschäftigtenzahlen, Stand v. 1. 10. 1939. Die Beschäftigtenzahl in der Elektroindustrie stieg während des Krieges auf rund 700000 (1944), der Nettoumsatz von 4 Mrd. RM (1939) auf rund 6,5 Mrd. RM (1944); BA Koblenz, R 13 V/120 und 121, Aufstellungen der Wigru v. 18. 7. und 4. 1. 1945. 199 Die monopolistische Konzentration in der Elektroindustrie ist wegen der Abhängigkeit kleinerer Konzerne und Firmen von der AEG und Siemens noch als erheblich höher anzunehmen. Ζ. B. deuten auch bei der AFA-Gruppe und beim DCGG-Konzern (s. Tab.) Kapitalverbindungen und die Zusammensetzung der Aufsichtsräte auf eine enge Zusammenarbeit mit der AEG hin. Die AFA galt früher sogar als „Unterkonzern" der AEG (Saling's BörsenJahrbuch für 1928/29, S. 7). 200 Bericht über die Deutsche Bank, S. 350.

Konzentration von Kapital und Profit

555

Tabelle 149 Beschäftigte der größten Unternehmen der Elektroindustrie, 1. Oktober 1939 und 30. November 1943 Firma

AEG, Berlin Siemens-Schuckertwerke AG, Berlin Siemens & Halske AG, Berlin Telefunken GmbH, Berlin Accumulatoren-Fabrik AG, Berlin (AFA) Osram GmbH, Berlin Brown, Boveri & Cie. AG, Mannheim/ Heidelberg C. Lorenz AG, Berlin Sachsenwerk Licht- und Kraft AG, Niedersedlitz Elin und Schorch-Werke AG f. elektr. Industrie, Wien Gema Ges. f. elektroakust. u. mechan. Apparate mbH, Berlin Siemens-Planiawerke AG, Berlin Vereinigte Eisenbahn-Signal werke GmbH, Berlin Voigt & Haeffner AG, Frankfurt a. M. Siemens-Reinigerwerke AG, Berlin De Te We Dt. Telefonwerke u. Kabelindustrie AG, Berlin

Konzerazugehörigkeit am 30. 11. 1943

Beschäftigtenstand a m 1. 10. 1939

am 30. 11. 1943

16889 5656 11579

91075 77840 65924 31031 13925 13296

BBC ITT (GEC)

8732 9608

12500 11448

AEG

5354

6626

DCGG

(3898)

5210

Siemens

? 4238

5171 5068

Siemens DCGG Siemens

2178 4162 3327

4965 4630 4277

Siemens

3972

4211

AEG Siemens 1 Siemens J AEG Quandt-Gruppe Siemens und AEG

·>

63343 110548

Quelle: BA Koblenz, R 13 V/184, Aufstellungen über Beschäftigtenzahlen per 1. 10. 1939 und per 30. 11. 1943, o. D. 389 Millionen RM aus. 2 0 1 Damit übte der Siemens-Konzern maßgeblichen bzw. beherrschenden Einfluß auf über 1 0 0 Firmen innerhalb Deutschlands aus und w a r an rund 200 ausländischen Firmen beteiligt. 2 0 2 Die Gesamtbelegschaft des „Hauses Siemens" — d. h. Mutter- und lOOprozentige Tochtergesellschaften — erreichte Mitte 1943 fast eine Viertelmillion. 2 0 3 Der Konzernumsatz betrug 1944 rund zwei Milliarden RM. 2 0 4 Die gesamte Produktionskraft des Konzerns stand im Dienste der Rüstung. Die SiemensSchuckertwerke A G berichtete beispielsweise Ende 1943, sie sei „fast ausschließlich nur noch f ü r vordringliche kriegswichtige Aufgaben tätig". 2 0 5 Das Hauptwerk von Siemens & 201 Ζ StA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 2, AN Rosier, Deutsche Bank, über Aufsichtsratssitzung von Siemens & Halske, 26. 2. 1943. Siehe auch Faingar, S. 78. 202 Bericht über die Deutsche Bank, S. 118. 203 Ζ StA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 25, Bericht d. Direktion von Siemens & Halske an den Aufsichtsrat, 30. 12. 1943 (Beschäftigte im Geschäftsjahr 1932/33: 61000). 204 Bericht über die Deutsche Bank, S. 118. 205 ZStA Potsdam, Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 26, Bericht der Direktion der SiemensSchuckertwerke AG an den Aufsichtsrat, 30. 12. 1943.

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Halske (Wernerwerk) produzierte Mitte 1943 seinem Umsatz nach zu 80 Prozent für die Wehrmacht; davon ging die Hälfte an die Luftwaffe. 206 Siemens war derjenige Konzern, der neben den Vereinigten Stahlwerken und den IG Farben die stärksten Positionen im staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft innehatte. Friedrich Lüschen, Vorstandsmitglied und später stellvertretender Vorstandsvorsitzender von Siemens & Halske, spielte als enger Vertrauter des Munitionsministers und als Hauptausschuß- und Hauptringleiter eine herausragende Rolle. Rudolf Bingel, Vorstandsvorsitzer von Siemens-Schuckert, saß im Engeren Beirat der RGI und war als prominentes Mitglied des Freundeskreises Himmler Förderer der SS und Verbindungsmann des Konzerns zur SS-Führung. Der Konzern war, nicht zuletzt dank dieser unmittelbaren Beziehung, führend an der Ausbeutung von KZ-Häftlingen und ähnlich diskriminierter und terrorisierter Deutscher jüdischer Abkunft beteiligt. Hanns Benkert, Vorstandsmitglied (Stellv.) von Siemens-Schuckert, stand in besonders enger, persönlichfreundschaftlicher Bekanntschaft mit Todt 2 0 7 und gehörte, erst als Hauptausschußleiter, später, unter Speer, als „Reichsbeauftragter für Normung und Typung", zum inneren Kreis der Spitzenrepräsentanten des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition. Zugleich war er im Gesamtkonzern, zusammen mit Wolf-Dietrich v. Witzleben (Vorstandsmitglied von Siemens & Halske und von Siemens-Schuckert), hauptverantwortlich für die Ausbeutung der mindestens 60000 ausländischen Zwangsarbeiter, der KZ-Häftlinge und der jüdischen Zwangsarbeiter. 208 Wichtige staatsmonopolistische Positionen besetzte der Konzern ferner mit Karl Küpfmüller und Philipp Keßler.208® Das Aktienkapital der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Höhe von 180 Millionen RM, dessen Sperrminorität (25 Prozent) sich seit 1929 in US-amerikanischen Händen (GEC/Morgan-Gruppe) befand, wurde 1942 im Zusammenhang mit der Fusion A E G - Gesfürel auf 260 Mülionen RM erhöht 2°9 und 1943 auf 264 Millionen RM „berichtigt". Die mit dieser Summe noch immer um etwa 100 Prozent unterkapitalisierte Gesellschaft beherrschte durch ein ausgedehntes und kompliziertes Beteiligungssystem zahlreiche Elektrofirmen, besaß darüber hinaus aber auch mehrheitliche oder maßgebliche Beteiligungen an mächtigen Industrieunternehmen und führenden Rüstungsmonopolen anderer Branchen, darunter die Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH, die Ago-Flugzeugwerke GmbH, die Deutsche Werft AG, die Büssing NAG, die Hirsch (Finow) Kupfer- und Messingwerke AG, die Borsig-Lokomotiv-Werke GmbH, die Hochtief AG und die Olympia Büromaschinenwerke AG. „Ursprünglich auf dem Gebiete der reinen Elektroindustrie tätig", so hieß es schon in „Saling's Börsen-Jahrbuch für 1928/29", „hat sie sich durch ihre Finanzierungsgesellschaften und durch eigene Beteiligungen finanzieller und technischer Art auf das große Gebiet der verarbeitenden Montanindustrie und Feinmechanik aus-

206 Wie Anm. 203 (Bl. 24 R). 207 Siemens — Rüstung — Krieg — Profite. Von einem Autorenkollektiv unter d. Leitung von Hans Randandt, Berlin o. J. (1961), S. 53f. 208 Siehe ebenda, S. 48 (1942). Nach dem Bericht über die Deutsche Bank, S. 358, beschäftigte der Konzern Ende 1944 nur 35000 ausländische Zwangsarbeiter, was unwahrscheinlich ist. 208a In der zweibändigen hausgemachten Konzembiographie (Siemens, Georg, Der Weg der Elektrotechnik. Geschichte des Hauses Siemens, 2. Aufl. Freiburg/München 1961) sind der staatsmonopolistischen Position und Aktivität des Konzerns während des Krieges nur wenige nichtssagende Zeilen gewidmet (Bd. 2, S. 342). 209 Angaben, wenn nicht anders vermerkt, nach Koebel- Tusk.

Konzentration von Kapital und Profit

557

gedehnt und Elektrizitätswerke sowie elektrische Bahnen m i t s a m t deren Kohlenversorgung durch Erwerb von Braunkohlengruben ihrem Machtbereich eingegliedert." 2 1 0 Beteiligungen besaß die A E G in Höhe von 266 Millionen RM (1942). 2 1 1 Der U m s a t z des Konzerns (Mutter- und lOOprozentige Tochtergesellschaften) betrug 1942 1,6 bis 1,7 Milliarden RM. Der Konzern beschäftigte zu dieser Zeit 175000 Arbeitskräfte (1932: 30000). Der Anteil der ausländischen Zwangsarbeiter stieg innerhalb etwa eines J a h r e s (1941/42) von 25 auf 35 Prozent der Belegschaft. „ S e i t mehr als anderthalb Jahren haben wir darauf hingewiesen", so erklärte AEG-Vorstandsmitglied Otto Koehn auf der Fabrikdirektorenkonferenz des Konzerns a m 5. November 1942, „daß der einzige Weg aus dem Arbeitskräftemangel die Heranschaffung ausländischer Arbeitskräfte ist. Die A E G hatte damit auch einen großen Erfolg, denn von den in der Industrie eingesetzten Fremdarbeitern hat sie mehr als 5 Prozent, von einzelnen Nationen sogar 6 bis 8 Prozent erhalten." 2 1 2 Einzelne Werke, wie die Borsig-Lokomotiv-Werke G m b H , beschäftigten zu über 70 Prozent ausländische Zwangsarbeiter. 2 1 3 Im AEG-Konzern wurden fast alle Arten von Rüstungsgütern hergestellt, besonders aber elektrische Ausrüstungen für Flugzeuge, U-Boote und andere Kriegsschiffe, Artillerie, Panzer und V-Waffen. Schon zu Anfang des Krieges hatte die Produktion für den Krieg absoluten Vorrang. Wenige Monate nach Kriegsbeginn notierte Karl Kimmich (Deutsche Bank) nach einer Aufsichtsratssitzung des Konzerns: „Die Zusammensetzung des jetzigen Auftragsbestandes wurde wie folgt bekanntgegeben: E x p o r t 17 Prozent, Wehrmacht 51 Prozent, Vierjahresplan 30 Prozent, Zivilgeschäft 2,3 Prozent." 2 1 4 Der Einfluß des USA-Monopolkapitals auf den Konzern war beträchtlich 2 1 5 und wirkte nicht nur durch seine direkte Kapitalbeteiligung an der A E G , sondern auch durch seine Verflechtungen mit der A E G nahestehenden Unternehmen wie Osram, C. Lorenz AG, Mix & Genest A G und Gesfürel. Die seit Jahrzehnten bestehenden Verbindungen zwischen G E C und A E G schlossen monopolistische Produktions- und Patentvereinbarungen ein; so bestand schon seit der Zeit vor dem ersten Weltkrieg ein Abkommen über kostenlosen Patentaustausch, das zuletzt im J a h r e 1938 auf die Dauer von 17 Jahren verlängert worden war. 2 1 6 Im Krieg blieb der AEG-Konzern in Verbindung zu seinen amerikanischen Geschäftsfreunden. Nach dem Eintritt der U S A in den Krieg, als er im Hinblick auf seine amerikanischen Beziehungen vorsichtiger zu taktieren gezwungen war, gaben ihm sein großes Gewicht in Rüstungsproduktion und Rüstungsorganisation und seine beispiellosen Kriegsprofite den nötigen Rückhalt, um etwaige Nachteile aus seiner „Profitbrüderschaft" (Koebel-Tusk) mit den USA-Monopolen auszuschalten. Schon im Oktober 1940 fand der sogenannte Ausgleich zwischen Siemens und A E G statt, bei dem die beiden Konkurrenten die meisten bisher gemeinsam beherrschten Unternehmen unter sich aufteilten. Die Firma Telefunken gehörte danach vollständig zum AEG-Konzern — der auf diese Weise nach Meinung seiner Direktion „ein einmaliges, 210 211 212 213 214 215 216

Zit.in Radandt, Hans, AEG, ein typischer Konzern, Berlin 1958 (im folgenden: AEG), S. 7. Faingar, S. 78. Zit. bei Radandt, AEG, S. 48f. K T B d. Borsig-Lokomotiv-Werke, Dez. 1942, zit. ebenda. Zit. bei Radandt, AEG, S. 34; AN v. 3. 2. 1940. Siehe auch Faingar, S. 176 f. BA Koblenz, R 2/20900, Vorstände der AEG und der Gesfürel an den RWiM, 13. 10. 1941.

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

glänzendes Geschäft" machte. 2 1 7 Siemens brachte bei dieser Gelegenheit die BergmannElektricitäts-Werke AG, die Vereinigte Eisenbahn-Signalwerke G m b H und die Klangfilm G m b H gänzlich an sich. Osram blieb gemeinschaftlicher Besitz (mit GEC-Beteiligung). 2 1 8 Offensichtlich verfolgten die Spitzen beider Konzerne bei dieser „Interessenabgrenzung" gewichtige Ziele sowohl ökonomischer, als auch politischer Art. J e d e r wollte auf seine Weise für die kommende Auseinandersetzung des deutschen mit dem anglo-amerikanischen Imperialismus gewappnet sein, wobei die Beurteilung des voraussichtlichen Ausgangs dieses Kräftemessens — deutsche Allein- bzw. Vorherrschaft oder Kondominium über die Welt — differieren mochte. Ein J a h r später, im Oktober 1941, betrieb die A E G mit Hilfe der Deutschen B a n k die erwähnte Fusion mit der Gesfürel (Gesellschaft für elektrische Unternehmungen AG), einer alten, bedeutenden Holdinggesellschaft der deutschen Elektroindustrie, die vielfältige Fäden mit ausländischen Monopolen, auch mit der G E C und mit der A E G selbst verbanden. Ausgestattet mit einem Aktienkapital von 80 Millionen RM, brachte die Gesfürel der A E G zahlreiche florierende Produktionsbetriebe (Hirsch Kupfer, die LudwigLoewe-Fabriken, Norddeutsche Kabelwerke, Ago) und weitere erhebliche Beteiligungen, besonders an Unternehmen der Elektrizitätsversorgung, ein. 2 1 9 Auch diese Fusion war Bestandteil einer verborgenen, langfristigen Konzernstrategie. Zu einer Zeit, wo das Eingreifen der U S A in den Weltkrieg nur noch eine Frage der Zeit war, schlugen die Chefs der A E G mehrere Fliegen mit einer Klappe. Sie verminderten durch eine mit der Fusion verbundene Kapitalerhöhung ihrer Gesellschaft den Kapitalanteil der I G E C (Internationale Holding der GEC) von 25 auf 18 Prozent und beseitigten dadurch weitgehend die Gefahr, daß bei Beschlagnahme der IGEC-Beteiligung als „Feindvermögen" durch den faschistischen S t a a t dieser irgendwie störend in die Konzernführung eingreifen konnte. Zugleich hatte die Gesfürel, auf Grund eines 1936 abgeschlossenen, zeitlich unbeschränkten Abkommens mit der I G E C über das gegenseitige Vorkaufsrecht auf ihre resp. AEG-Aktien, „ f ü r den Fall, daß es zu kriegerischen Verwicklungen mit den Vereinigten Staaten und dadurch zur Beschlagnahme und eventuellen Verwertung amerikanischen Besitzes in Deutschland kommt, bei dem Treuhänder für das ausländische Vermögen in Deutschland ihr Vorkaufsrecht angemeldet". Schließlich, so argumentierten die fusionierenden Parteien, „dürfte der amerikanischen Gesellschaft" — in Anbetracht jenes „freundschaftlichen Abkommens über die allgemeine Zusammenarbeit als Großaktionäre der A E G " — „der Besitzübergang auf Gesfürel am ehesten erträglich erscheinen. Im Falle der jetzt beabsichtigten Fusion mit Gesfürel ginge dann mit allen deren Rechten auch deren Vorkaufsrecht für die amerikanischen AEG-Aktien auf die A E G über, die auch zu gegebener Zeit Anspruch darauf erheben würde. Auch in diesem Fall würden die Amerikaner sich mit diesem Besitzübergang abfinden, da sie j a bisher mit A E G in freundschaftlicher Weise zusammengearbeitet haben." Auch der uneingeweihte Beobachter erkennt, daß es sich bei diesem Plan um ein im voraus mit der I G E C abgekartetes Manöver handelte, dazu veranstaltet, „daß ihre (der A E G — D. E.) industriellen Beziehungen zu der amerikanischen Gesellschaft auch für die Nachkriegszeit möglichst wenig gefährdet werden". Der Fusionsvertrag, beschlossen auf der 217 Radandt, AEG, S. 35 (zit. Protok. von Karl Kimmich, Deutsche Bank, üb. Präsidialsitzung der AEG v. 12. 12. 1940). 218 Abweichend Faingar, S. 79, S. 177. 219 Das Folgende nach BA Koblenz, R 2/20900, Vorstände der AEG und der Gesfürel an den RWiM, 13. 10. 1941.

Konzentration von Kapital und Profit

559

AEG-Hauptversammlung vom 19. Februar 1942, trug den Absichten seiner Initiatoren voll Rechnung; die Fusion wurde heuchlerisch auf den 1. Oktober 1941 zurückdatiert. Die Positionen des AEG-Konzerns im staatsmonopolistischen Mechanismus der Kriegswirtschaft waren ausnehmend stark, aber doch — wenigstens seit 1942 — mit denjenigen des Siemens-Konzerns nicht zu vergleichen. Es hat den Anschein, als ob sich Konzernchef Hermann Bücher, von Anbeginn an einer der Mentoren von Minister Todt, nach dem Scheitern des Blitzkriegskonzepts und angesichts des Kriegseintritts der USA, obwohl noch als Mitglied des „Reichsrüstungsrates" nominiert, von der aktiven Mitwirkung an exponierter Stelle zurückzog. Spitzenpositionen nahmen immerhin Vorstandsmitglied (stellv.) Hans Heyne als Hauptausschußleiter und Vorstandsmitglied Waldemar Petersen als Leiter einer Entwicklungskommission (Fernschießen) ein. Ursprünglich kam auch Philipp Keßler, Mitglied des Engeren Beirats der RGI 22 °, unter Todt Vorsitzer des Munitionsbeirats bzw. des Rüstungsbeirats und Leiter des Hauptausschusses Munition, später einer der engsten Mitarbeiter Speers, aus dem Konzernbereich der AEG (und Siemens'). Beide Elektro-Großkonzerne waren führend an der „Neuordnung Europas" beteiligt — etwa an der Abfassung der räuberischen „Länderberichte" der RGI 2 2 1 und anderer „Wunschprogramme", an den Verhandlungen über „Europa-Konventionen" unter deutscher Führung 222 und, nicht zuletzt, an der „Auftragsverlagerung" und der „Betreuung" von „Patenbetrieben" in den besetzten westeuropäischen Ländern 223 . Größtes Interesse zeigten sie am niederländischen Philips-Konzern. Dieser bedeutende Konkurrent geriet während des Krieges unter deutsche „Treuhandverwaltung", in der hauptsächlich AEGVertreter regierten. Philips wurde bereits als deutsches Eigentum betrachtet: „Das ist eine deutsche Firma. Es ist praktisch ein Zweigbetrieb der Firma Telefunken." 224 Besonders intensive Vorkehrungen und Maßnahmen trafen die Elektrokonzerne für die Ausplünderung und Aneignung der Betriebe und Ressourcen der UdSSR und für die Erschließung der dort erwarteten unbegrenzten Absatzmöglichkeiten.225 In der feinmechanisch-optischen Industrie riß der Zeiss-Konzern die „absolut führende Rolle" an sich. 226 Dieser weltbekannte und auf seinem Gebiet weltgrößte Konzern steigerte seinen Umsatz während der faschistischen Herrschaft auf das Zehnfache. Die Produktion für die Wehrmacht stieg im Stammbetrieb Carl Zeiss Jena von etwa einem Drittel des Gesamtumsatzes 1931/32 auf über 80 Prozent in den Kriegsjahren. (Tabelle 150) Die einzigartige Monopolstellung von Zeiss führte dazu, daß der Konzern seine Forderungen bei Wehrmacht und Behörden, beispielsweise nach Investitionskrediten, nach Höchstpreisen für Rüstungsgüter und nach Alleinentscheidung über Vergabe von Nachbaurechten, jedesmal durchsetzte. Ohne Konkurrenz war der Konzern bei der Besetzung der entscheidenden staatsmonopolistischen Positionen in der Kriegswirtschaft. Seine Leiter, in erster Linie Paul Henrichs und Heinrich Küppenbender, regierten unumschränkt an der Spitze der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik, der Reichsstelle für 220 Nach Ludwig empfand Todt Keßler „zuweilen als einen ,νοη der Reichsgruppe Industrie entgegengestellten P a r t n e r ' " ( L u d w i g , Technik, S. 362; ohne Quellenangabe). 221 Siehe Band I, S. 164 ff., S. 351ff. 222 Siehe Wandschneider, S. 219ff. 223 Siehe Siemens — Rüstung — Krieg — Profite, S. 41. 224 ZP-P, 26. 1. 1943, 30. Sitzung (Speer). 225 Siemens — Rüstung — Krieg — Profite, S. 39/41; Radandt, A E G , S . 46f. 226 Carl Zeiss Jena, Einst und jetzt. Von einem Autorenkollektiv unter Leitg. von Wolfgang Schumann, Berlin 1962, S. 538.

37 Elchholtz II

Kapitalkoiizentration und Kriegsprofit

560 Tabelle 150 Umsatz von Carl Zeiss Jena

1938—1944

Jahr

Gesamtumsatz (Mill. RM)

davon Militärumsatz (Prozent)

1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

115 142 170 216 189 236 104

63 74 78 82 81 82 80

Quelle: Carl Zeiss Jena. Einst und jetzt, S. 510. optische und feinmechanische Erzeugnisse, der beiden Sonderausschüsse für optisches und feinmechanisches Gerät und schließlich des im September 1943 gebildeten Hauptausschusses Feinmechanik und Optik. Die Rationalisierung im Industriezweig ging auf diese Weise so vor sich, „daß die Betriebe des Zeiss-Konzerns, vor allem das Stammwerk in J e n a , zum Mittelpunkt des gesamten Industriezweiges erklärt wurden, in denen — auch im Hinblick auf die Zeit nach dem Kriege — neue Geräte entwickelt und gefertigt wurden, während die anderen Betriebe entweder als Zulieferbetriebe ihr Dasein fristeten oder die einfachen Gerätegruppen überwiesen bekamen. D e r Machtanspruch des Zeiss-Konzerns zeigt sich hier auch im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung, die im System des staatsmonopolistischen Kapitalismus zur fast ausschließlichen Domäne des Zeiss-Konzerns wurden." 2 2 7 Die imperialistische Expansionsgier des Zeiss-Konzerns schlug sich im Krieg in seinen berüchtigten, weltumspannenden „Neuordnungs"programmen nieder 2 2 8 , die er, so weit die faschistische W e h r m a c h t gelangte, mittels kaum verhüllten Raubes und staatsmonopolistischer Produktionskontrolle im gesamten besetzten Europa zu verwirklichen suchte.

3 . G e s a m t p r o f i t : 1 0 0 Milliarden Die veröffentlichten Bilanzen, Kapitalgesellschaften werden Manipulationen zu geradezu gegenüber der Öffentlichkeit

Gewinn- und Verlustrechnungen und Geschäftsberichte der mittels einer nur schwer durchschaubaren Vielfalt von perfekt ausgeführten Täuschungs- und Betrugsmanövern und nicht zuletzt auch gegenüber den Wirtschafts- und

227 Ebenda, S. 535f. 228 Siehe in erster Linie das Memorandum vom Juli 1940 über die „Entwicklungsmöglichkeiten der optischen und feinmechanischen Industrie in Europa und Übersee" ( B a n d 1, S. 339ff.), ferner die „Vorschläge für die Inbetriebnahme russischer optischer und feinmechanischer Industriewerke durch deutsche Fachfirmen" vom August 1941 (Carl Zeiss Jena, S. 548ff.). Ausführlich dazu Schumann, Wolfgang, Das Kriegsprogramm des Zeiss-Konzerns, in ZfG 4/1963, S. 704 ff. Siehe ferner derselbe, Der Zeiss-Konzern im System des staatsmonopolistischen Kapitalismus während des Faschismus, in JfW, 1962, T. 4, S. 115ff. Neuerdings Das Bündnis der Rivalen, S. 18ff. u. Dok.-teil.

Gesamtprofit: 100 Milliarden

561

Finanzbehörden des Staates. Allerdings spielt bei der Täuschung der Öffentlichkeit die politische Taktik und Vorsicht gegenüber den Ausgebeuteten, Abhängigen und Konkurrenten, bei dem Betrug an den Behörden hingegen der erstrebte ökonomische Vorteil die entscheidende Rolle. „Die Bilanzen werden so weitgehend gefälscht, daß sich nur ein sachkundiger Bilanzleser mit Hilfe umständlicher analytischer Berechnungen ein Bild von den wirklichen Vorgängen in einer Aktiengesellschaft machen k a n n . " 2 2 9 Die gewaltige Kapitalakkumulation der Rüstungskonzerne und Großbanken während der Kriegsjahre geschah sowohl auf dem Wege der Akkumulation des eigenen Profits als auch auf dem der Akkumulation von Fremdkapital (Aktienemissionen, Fusionen, Kredite, Anleihen) und Staatsgeldern. Letzten Endes war und ist es der im kapitalistischen Betrieb bzw. im Konzern erzeugte Profit, der gültigen Aufschluß ebenso über die wirtschaftlichen Verhältnisse wie über die Ausbeutungsbedingungen gibt und von dem zugleich seine ökonomische Stärke, seine zukünftige Entwicklung und weitgehend auch sein politischer Einfluß abhängen. Gerade aber die tatsächliche Menge und Zusammensetzung des Profits ist das bestgehütete Geheimnis in der Welt des Finanzkapitals. In den Geschäftsberichten der Konzerne, die bis 1942 veröffentlicht und 1943, teilweise auch noch 1944, unveröffentlicht vorlagen, erschienen Zahlenangaben über Roh- und Reingewinne (auch: Brutto- und Nettogewinne). Die Reingewinne wurden von 1941/42 an so berechnet, daß sie in der Regel jeweils sechs Prozent des Aktienkapitals entsprachen, d. h. der höchstzulässigen bzw. ohne progressive zusätzliche Abgaben ausschüttbaren Dividende. Diese Ziffern sind für die Analyse wertlos. Doch auch bei Fortschreibung der Ziffern aus den früheren Jahren bleiben die Profitmassen unerfaßt, die sich in Bilanzposten wie Rücklagen, Rückstellungen und anderen Reservefondsbildungen niederschlugen. Der in den Bilanzen und Berichten der Kapitalgesellschaften ausgewiesene Reingewinn „ist nur ein Bruchteil des tatsächlich aus den Arbeitern herausgepreßten P r o f i t s " , nur „eine winzige Restgröße" dieses Profits. 2 3 0 Göll führt dem Leser in seiner verdienstvollen Arbeit anhand der internen, vertraulichen Bilanzen eines kleineren Rüstungskonzerns, der Julius Pintsch K G (bis 1936: Julius Pintsch AG), 2 3 i die riesige Diskrepanz zwischen dem öffentlich ausgewiesenen und dem tatsächlichen Profit vor Augen. (Tabelle 151) „Dieses Beispiel erschöpft noch nicht einmal alle Varianten der Prof it Verschleierung, da die vielen Möglichkeiten der Unterbewertung und Uberbewertung der Kapitalteile, die eigentlichen Bewertungsmanipulationen, nur zum Teil zum Ausdruck k o m m e n . " 2 3 2 Eine interne Vermögensrechnung des Krupp-Konzerns wies an Reserven, die in der Bilanz offengelegt wurden, schon f ü r die Vorkriegsjahre etwa die neunfache Summe und an „inneren" Reserven, die darin versteckt waren, etwa die fünffache Summe des ausgewiesenen Reingewinns aus. Unter die offenen Reserven rechneten die gesetzlichen Reserven und Sonderrücklagen, Rückstellungen verschiedener Art (als weitaus größter Reserveposten) und Wertberichtigungen; unter die inneren oder stillen Reserven bedeutende

229 Göll, S. 58. 230 Ebenda, S. 57. 231 Die Julius Pintsch K G war ein vom Philips-Konzern (Deutsche Gruppe) kontrollierter Unterkonzern (Elektroindustrie/Maschinen- und Anlagenbau) ; zu Kriegsbeginn beschäftigte das Unternehmen 1200, im November 1943 über 2000 Arbeiter und Angestellte (BA Koblenz, R 13 V/184, Aufstellungen der Wigru Elektroindustrie per 1. 10. 1939 u. per 30. 11. 1943). 232 Göll, S. 57.

37*

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Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

Tabelle 151 Interne Profitberechnung der Julius

Pintsch KG 1942

Reingewinn laut Handelsbilanz — plus Abschreibung auf Steuergutscheine — plus Sonderabschreibungen — plus Unternehmerlohn — plus Spenden — plus Rückstellungen für Gewinnabführung — plus Zahlungen an die Gesellschafter — plus Steuervorauszahlungen — plus Steuernachzahlungen

17136 210000 4200000 306088 139223 980710 1392800 4314347 3291333

RM RM RM RM RM RM RM RM RM

— minus Gewinnvortrag 1941 — minus Entnahme aus der Rücklage

14851637 RM 823061 RM 414736 RM

Reingewinn laut interner Rohbilanz

13613840 RM

Quelle:

Göll,

S. 57.

Summen an weiteren Wertberichtigungen (auf Vorräte, Außenstände, Beteiligungen, Wechsel, Wertpapiere) und Rücklagen verschiedener Art. 233 Innerhalb des Siemens-Konzerns, den man international wegen seines immensen Besitzes an Beteiligungen „Super Holding Company" zu nennen pflegte, bestritt die Konzernholding, Siemens & Halske, im Geschäftsjahr 1942/43 ihren gesamten Dividendenbetrag (13,1 Millionen RM) mit den Erträgnissen aus ihren Beteiligungen, 234 die sich auf 19,5 Millionen RM beliefen, „so daß der gesamte Überschuß aus der eigenen Fabrikation von Siemens & Halske intern zu Abschreibungen und [zurl Stärkung der inneren Reserve verwendet worden sein muß". 235 Auch nach der spektakulären Erhöhung des Aktienkapitals im Mai 1942 von 140 auf 400 Millionen RM verfügte Siemens & Halske noch über enorme Reserven. In einer Geheimnotiz hielt Oswald Rosier (Deutsche Bank) als Ergebnis der Aufsichtsratssitzung am 26. Februar 1943 fest: „In den Beständen liegen RM 120 Mill. Reserven (nicht aktivierte Gemeinkosten) und in den Wertpapieren RM 20 Mill. Mehrwert gegenüber dem jetzigen Börsenkurse." 236 Auch der Bruttogewinn ist „ein von den Kapitalisten außerordentlich verwirrter Begriff, der kein richtiges Bild von den tatsächlichen Profiten der Industrie gibt". 237 Immerhin enthält er einige Bestandteile des Gesamtprofits mehr, darunter den größten Teil der erwähnten offenen Reserven; ferner Steuern und andere Abführungen an den Staat, die unmittelbar der Erhaltung, Sicherung und Erweiterung der Herrschaft des Finanzkapitals 233 Z S t A Potsdam, Fall X , Film 421, Dok. D-192, „Zusammenstellung und Vergleich des eigenen Vermögens des Krupp-Konzerns", o. D. — Per 30. 9. 1937 betrugen die offenen Reserven des Konzerns 153,4 Mill. RM (fast so viel wie das gesamte Aktienkapital von 160 Mill. RM), die inneren Reserven 76,6 und der ausgewiesene Reingewinn ganze 16,2 Mill. RM (ebenda). 234 Höhe der Beteiligungen: 388,655 Mill. RM (ebenda, Deutsche Bank, Nr. 18861, Bl. 2, AN Rosier ν . 26. 2. 1943). 235 Ebenda, Bl. 30, AN Rosier ν . 28. 4. 1944. 236 Ebenda, Bl. 3, A N Rosier ν . 26. 2. 1943. 237 Faingar, S . 247.

563

Gesamtprofit: 100 Milliarden

als Ganzes dienen und so mittelbar, zugleich aber auch direkt in Form von Staatsaufträgen, den einzelnen Monopolen wieder zugute kommen. Um jenen Gesamtprofit genauer zu bestimmen, der den Rüstungsunternehmen für die Kapitalakkumulation und zur Gewinnausschüttung verbleibt, und dabei von realeren Größen auszugehen, kann man, wie Faingar vorschlägt, einen bestimmten Prozentsatz des Bruttogewinns oder des Umsatzes zugrundelegen. 238 Für den IG-Farben-Konzern kamen nach dem Krieg interne Daten ans Licht, nach denen sich ein einigermaßen zutreffendes Bild ergibt. Tabelle 152 Umsatz und Profit des IG-Farben-Konzerns

1932,1933,1936-1944

(in Mill.

RM)

Jahr

Umsatz (Verkäufe)

Bruttogewinn (aus Verkäufen)

Reingewinn *

Bilanzgewinn

Reingewinn* in Prozent v. Umsatz v. Bruttogewinn

1932 1933 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

876 894 1297 1515 1647 1990 2158 2539 2904 3116 2565

71,5 122,1 250,8 295,7 274,2 376,7 374,6 477,3 571,7 549,4 322,3

47,0 73,5 140,2 188,1 191,3 240,0 298,3 316,3 266,9 300,5 148,8

47,0 49,1 55,4 48,1 55,2 56,1 58,8

5,4 8,2 10,8 12,4 11,6 12,1 13,8 12,5 9,2 9,6 5,8

71,1 77,3 81,7 85,0

65,7 60,2 55,9 63,6 69,8 63,7 79,6 66,3 46,7 54,7 46,2

* Reingewinn „vor der Verwendung des Gewinns für Reserven etc." Quelle: Z S t A P o t s d a m , Fall VI, Film 410, Dok. NI-10002 u. NI-10003, Affid Helmut Deichfischer, 11. 6. 1947.

Scharf markiert sich auch hier der Unterschied zwischen dem bilanzmäßig ausgewiesenen und dem konzernintern festgelegten, wohl nicht sehr wesentlich verkürzten Reingewinn. Dieser betrug in den Kriegsjahren durchschnittlich zehn bis elf Prozent (zwischen 6 und 14 Prozent) des Umsatzes und durchschnittlich 60 Prozent (zwischen 46 und 80 Prozent) des Bruttogewinns. 2 3 9 Etwa von der Basis der Höchstsätze aus läßt sich der tatsächliche Reingewinn auch anderer Rüstungskonzerne in angenäherter Größe feststellen. 240 Nach einer derartigen Berechnung aus verschiedenen Quellen kommt Faingar bei der Summierung des Reingewinns von sieben der bedeutendsten deutschen Konzerne während 238 E b e n d a , S . 250. — Spätestens für die Kriegsjahre greift Faingar jedoch gegenüber den angeführten Zahlen des Krupp- und des IG-Farben-Konzerns viel zu niedrig, wenn er feststellt, „ f a s t zwei Drittel" der Gewinne der Aktiengesellschaften seien „nicht ausgeschüttet worden, sondern als ,stille Reserven' liegengeblieben". (Ebenda, S. 40). 239 Faingars Berechnungsmethode (25 bis 30 Prozent des Bruttogewinns oder 15 bis 20 Prozent des Umsatzes) erscheint demgegenüber als nicht akzeptabel. (Ebenda, S. 250). 240 Daß der Profitanteil in den J a h r e n 1941 bis 1944 absank, ist allerdings ganz unwahrscheinlich und muß gesteigerter Bilanzverschleierungskunst zugeschrieben werden.

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der gesamten Zeit von 1933 bis 1945 auf die Ziffer von 20 Milliarden RM (Deutsche Bank 5 Md.; IG Farben 4 Md.; Vereinigte Stahlwerke 3 Md.; Reichswerke 3 Md.; Siemens 2 Md.; Krupp 2 Md.; Flick 1 Md.). 241 Auf die Kriegsjahre dürften von dieser Summe mindestens 12 Milliarden RM entfallen. Die genannten Verhältniszahlen sind für die Kriegsjahre nur als grobe Annäherungswerte Tabelle 153 Profite con Rüstungsfirmen Jahr

Belegschaft

(Zulieferbetrieben) Umsatz (Mill. RM)

Voigt & Haeffner AG, Frankfurt a. M. 1939 4683 33,1 1940 5246 35,8 1941 5934 39,7

1939—1943 Reingewinn lt. Handelsbilanz (Mill. RM)

Berichtigter Betriebsgewinn* (Mill. RM)

Dto. in Prozent v. Umsatz

(DCGG-Konzern) 0,5 0,5 0,7

7,6 7,2 7,2

22,8 20,2 18,2

Ernst Leitz GmbH, Wetzlar 1940 3542 21,5 1941 3302 26,2 1942 3088 22,6

1,0 4,7 0,4

3,8 6,2 4,1

17,5 23,8 18,2

Kochs Adernähmaschinenwerke AG, Bitterfeld 1940 1710 10,7 1941 1812 10,8 1942 1908 12,5

(Oetker-Konzern) 0,2 2,1 0,15 2,0 0,15 1,9

20,0 18,0 15,0

Aluminiumwerke 1941 1270 1942 1133 1943 1278

2,8 1,6 2,5

14,6 8,4 12,0

Göttingen GmbH 19,1 18,5 20,7

Gustav Fischer KG, Zöblitz — in 1000 Reichsmark — 1941 80 1942 84 1943 92

2,8 1,6 2,5

(Erzgeb.) 387 480 562

Friedrich Fleitz OHG. Albrechts (Suhl) — in 1000 Reichsmark — 1941 7 72 1942 8 79 1943 11 62

45 74 100

67 98 127

38 46 29

38 46 29

17 20 22

52,3 57,8 46,9

* Dem Betrieb verbleibender Gewinn ( = ausgewiesener Reingewinn plus als Reserven etc. verwendete Gewinnteile) Quelle: BA Koblenz, R 2/5240 bis R 2/5243, „Auswertung der steuerlichen Sonderprüfungsberichte" (über Betriebsprüfungen 1942—1944) ; Prozentberechnung nach den ungerundeten Zahlen. 241 Ebenda, S. 248ff. — Aus diesen Profiten flössen auch gewaltige Privateinkünfte für die Monopoleigentümer und Spitzenmanager. Friedrich Flick zahlte beispielsweise allein an Einkommensteuer 7,9 Mill. RM für 1942 und 8,3 Mill. RM für 1943 (ZStA Potsdam, FS, Film 3960, AN Flick für Kaletsch, 23. 2. 1945).

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zu betrachten. Das belegt die Tatsache, daß mittlere Unternehmen, darunter konzernzugehörige Firmen, und sogar viele kleinere Betriebe — etwa in der Größenordnung zwischen 30 und 300 Beschäftigten —, die als Zulieferer und Unterlieferanten an dem florierenden Kriegsgeschäft partizipierten, „Riesengewinne" 2 4 2 erzielten. Den faschistischen Behörden fiel es Anfang 1944 auf, „daß ganz allgemein die kleinen und mittleren Betriebe zu hohe Gewinnsätze erzielten, daß unangemessene Gewinne insbesondere bei Unterlieferungen entstanden wären und daß weiter die Gewinne in der Werkzeugmaschinenbranche vielfach übersetzt sind". 2 4 3 Hier wurden mitunter Nettoprofite von 20, 30, j a 50 und mehr Prozent des Umsatzes gemacht. (Tabelle 153) Hinter derartigen Klagen über zu hohe Gewinne gerade der kleinen Betriebe steckte — außer der Furcht vor politisch unliebsamem Aufsehen — eine gehörige Portion Heuchelei. Diese Betriebe hatten einfach nicht dieselben schier unbegrenzten Möglichkeiten wie Großbetriebe und Konzerngesellschaften, ihre Profite zu verstecken. Ferner waren sie es gewöhnt, ihrem Betrieb hohe Gemeinkosten, besonders die f a u x frais der Unternehmensbürokratie, möglichst weitgehend zu ersparen, und sei es auf Kosten der Mitarbeit und Mehrarbeit der Kleinunternehmer und ihrer Familien selbst. Schließlich beanspruchten sie, wie aus den Akten zu ersehen, ihre wenig umfangreiche und oft überalterte Maschinerie tatsächlich bis zum äußersten, wurden dabei aber von ihren Auftraggebern an flüssigen Mitteln sehr knapp gehalten. Was die Gesamtmasse der Kriegsprofite und ihre Konzentration bei den großen Rüstungsmonopolen betraf, so hatten die scheinbar extrem hohen Profitraten zahlreicher kleiner und mittlerer Betriebe darauf wegen der verhältnismäßig geringfügigen absoluten Größe der Profite keinerlei nennenswerten Einfluß. Nichtsdestoweniger warf es ein Schlaglicht gerade auf die vermutbaren Riesenprofite der Rüstungsmonopole, wenn kleinere Betriebe, wie die in der Tabelle aufgeführte Firma Fischer, die im Frieden Spielzeug hergestellt hatte, binnen vier Kriegsjahren mit der Produktion von Blechteilen für die Luftrüstung ihren Gewinn auf d a s Zehnfache gegenüber den Vorkriegs jähren steigern konnte. 2 4 4 B e i der Friedrich Reitz OHG, einem Lieferanten von Waffenteilen, übertraf der berichtigte Reingewinn eines J a h r e s d a s gesamte Betriebsvermögen. 2 4 5 Doch auch der berichtigte Reingewinn der Aluminium werke Göttingen G m b H mit rund 1200 Mann Belegschaft, die Aluminium-Stahl-Sicherheitsmuttern in Großserie ( 1 9 4 3 = 240 Millionen St.) herstellte, kam 1943 der Höhe des Betriebsvermögens ( E i n h e i t s w e r t = 2,49 Millionen RM) gleich. 2 4 6 In einer Analyse der „Ertragslage der Industrie" 2 4 7 gelangte d a s Statistische Reichsamt im J a h r e 1941 nach vorsichtigen internen Berechnungen und Schätzungen zu der Feststellung, daß in den Jahren unmittelbar vor dem Kriege die Profitsituation bei der untersuchten repräsentativen Auswahl von Großunternehmen der Rüstungs- und Grundstoffindustrie „wesentlich günstiger" gewesen sei, als es der für 1938 und 1939 ausgewiesene Reingewinn in Höhe von unverändert 6,7 Prozent des bilanzmäßigen Eigenkapitals 242 BA Koblenz, R 2/5241, Bericht von Steuerinsp. Bode über Betriebsprüfungen, 29. 11. 1943. 243 Ebenda, R 2/5242, AN RMdF v. 20. 4.1944 über d. Bespr. betr. Gruppenpreise beim RMfRuK am 18. 4. 1944. 244 Ebenda, R 2/5243, Erklärung der Fa. Fischer v. 24. 6. 1944. 245 Ebenda, R 2/5242, Prüfungsbericht (1944). 246 Ebenda, R 2/5243, Prüfungsbericht (1944). 247 ZStA Potsdam, Statistisches Reichsamt, Nr. 2702, Bl. Iff., „Ertragslage der Industrie", AN StRA v. 7. 5. 1941. Hiernach auch das Folgende.

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

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anzeigte. „Erhöht man die sichtbaren Gewinne um die vorsichtig geschätzten übermäßigen Abschreibungen und Rückstellungen", so komme man für die Jahre 1937—1939 auf einen Reingewinn von „wenigstens 15 Prozent des eingezahlten Aktienkapitals oder wenigstens 10 Prozent des bilanzmäßigen Eigenkapitals". An anderer Stelle wurden 13 Prozent des (ζ. T. nicht volleingezahlten) Nominalkapitals als Richtsatz für den durchschnittlich erzielten Reingewinn angegeben. Für die Kriegsjahre müssen noch erheblich höhere Sätze angenommen werden, besonders nach Einführung des Festpreissystems. Daß die Schätzungen des Statistischen Reichsamts sehr zurückhaltend waren, belegen Gewinnzahlen, die von der Wirtschaftsgruppe Maschinenbau berechnet wurden. Danach betrug bei einer Auswahl von etwa einem Sechstel aller Maschinenbaufirmen der als steuerpflichtig ausgewiesene Gewinn 248 von 1938 bis 1940, also noch vor Einführung des Festpreissystems, durchschnittlich 19 Prozent des Aktienkapitals. 249 Bei vier ausgewählten Firmen, die „Wehrmachtsgerät" produzierten, belief sich dieser Satz durchschnittlich auf 35 Prozent. 250 Von der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie liegen bis 1944 die Umsatzzahlen (NettoAbsatz) vor. 251 Berechnet man daraus nach den Verhältnissätzen der IG-Farben-Übersicht (Tabelle 152) den berichtigten Reingewinn, so erhält man Werte, die die Größenordnung annähernd richtig wiedergeben. Tabelle 154 Umsatz

(Netto-Absatz)

und geschätzter

Mindestprofit

(aus

Umsatz)

in der Elektroindustrie

1932,1933,1936-1944

(in Miü.

RM)

Jahr

Umsatz

Geschätzter Reingewinn (berichtigt) aus Umsatz

In Prozent

1932 1933 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

1224 1260 2268 2500 3200 3990 4300 5180 5370 5916 6500*

66 104 245 310 372 481 594 645 494 571 377

5,4 8,2 10,8 12,4 11,6 12,1 13,8 12,5 9,2 9,6 5,8

* Geschätzt durch Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie Quelle: BA Koblenz R 13 V/121, Statistik der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie (Januar) 1945. 248 In den für die Finanzbehörden bestimmten internen Steuerbilanzen der Kapitalgesellschaften müssen „außer dem größten Teil der für Steuern ausgewiesenen Beträge auch die [die] steuerlich anerkannten Abschreibungen übersteigenden Beträge sowie überhaupt die still und offen akkumulierten Teile des Profits dem handelsrechtlichen , Reingewinn' hinzugesetzt werden" (Göll, S. 89). 249 BA Koblenz, R 13 III/353, Statistik der Wigru Maschinenbau, 30. 12. 1941. 250 Ebenda. 251 Ebenda, R 13 V/121, Statistik der Wigru Elektroindustrie, (Januar) 1945.

Gesamtprofit: 100 Milliarden

567

Leider sind diese Schätzungen des Reingewinns für die Jahre von 1941 bis 1944 besonders unzuverlässig, in erster Linie, weil ein Rückgang des Profitanteils am Umsatz und damit der Profitmenge, ebenso wie beim IG-Farben-Konzern, so auch hier ganz unwahrscheinlich ist. Solche in der Elektroindustrie außergewöhnlich hohen Gewinne, die nicht aus dem Umsatz, sondern zum Beispiel aus Beteiligungen flössen, sind gar nicht erfaßt. Das Reichsfinanzministerium drängte immer aufs neue, aber vergeblich, darauf, von der Woge des Profits, auf der die Rüstungsindustrie schwamm, mehr abzuschöpfen, d. h. in die Staatskasse zurückzuleiten. Bezeichnend für die Situation war etwa das Vorhaben von Staatssekretär Fritz Reinhardt, im Jahre 1943 aus einer umfassenden, für mehrere Jahre rückwirkenden Buch- und Betriebsprüfung etwa 4,5 Milliarden RM zusätzlich für die Reichskasse zu gewinnen. 252 Ebenso bezeichnend war das Scheitern dieses Plans. General Walter v. Unruh, von Hitler im November 1942 bevollmächtigt, in Wehrmacht und Staatsapparat den kriegsmäßigen Einsatz und die zweckmäßige Tätigkeit aller dort Beschäftigten zu überprüfen, 253 bedeutete Reinhardt, von seinem aufwendigen Vorhaben Abstand zu nehmen; er gab ihm den vielsagenden Hinweis, „daß die Industrie bereit sein würde, als Abgeltung früher steuerlich nicht erfaßter Betriebsüberschüsse einen Zuschlag zu den früheren Steuern zu zahlen" 2 5 4 — eine Auskunft, die zweifellos auf einer Absprache zwischen v. Unruh und maßgeblichen Vertretern der Industrie (RGI) basierte. Aufschlußreich an dieser Episode bleibt die Unverfrorenheit des monopolistischen Profitanspruchs der Rüstungsindustrie, versehen mit einer Prise schlechten Gewissens wegen ihres unwiderlegbaren Kriegsgewinnlertums. Das honorige Angebot der Monopolherren deutete unbeabsichtigt wieder auf den förmlichen Überfluß an Profit hin, den der Krieg ihnen verschaffte. 255 Die Gesamtprofite der herrschenden Klasse des faschistischen Deutschlands sind nicht exakt zu erfassen. In diese Summe flössen die verschiedensten Faktoren ein, von denen freilich alle ihrem Wesen nach auf die Ausbeutung und Ausplünderung der werktätigen Massen des eigenen Volkes und der unterjochten fremden Völker zurückzuführen sind. Nach unseren vorläufigen Kenntnissen kann nur der Versuch unternommen werden, nach vorhandenen statistischen Indizien zu einem Näherungswert für die Rüstungswirtschaft zu kommen. Einen ungefähren, aber verhältnismäßig realen Anhaltspunkt für eine Berechnung des industriellen Gesamtprofits bietet die Körperschaftssteuerstatistik. Die Körperschaftssteuer ist eine Einkommenssteuer und wird bei Körperschaften, d. h. juristischen Personen, 252 ZStA Potsdam, Reichskanzlei, Film 1949Í, Bericht v. Staatssekr. a. D. Mussehl (Stellv. von Gen. v. Unruh) an Killy (Rkzl.), 29. 1. 1943. 253 Siehe DZW, Bd. 3, S. 181. 254 Wie Anm. 252. 255 Aus diesem Überfluß bestritt die Rüstungsindustrie ζ. B. auch ihre Beiträge zur „Gemeinschaftshilfe der deutschen Wirtschaft" an die RGI, die davon bis Ende 1943 Stillegungsbeihilfen und laufende Stillegungsunterstützungen in Höhe von 117 Mill. RM auszahlte (BA Koblenz, R 12 1/26, Vertraul. Material d. Nachrichtenstelle der RGI, Jan. 1944). Die Zahlungen der RGI bewegten sich im Einzelfall zwischen monatlich 20,— RM und 3,3 Mill. RM (ebenda, R 13 XX/198 H. 1, Bericht d. RGI v. 16. 2. 1943). „Finanziell mache die Stillegung nichts aus", erklärte Zangen, „da andere Betriebe dafür mehr Umsatz haben." (ZStA Potsdam, FS, Film 8273, KTB WiRüAmt, Eintr. v. 16. 1. 1942 üb. Unterredung Thomas' mit Zangen). Großzügige Unterstützungen zahlte auch die Reichsgruppe Handel an stillgelegte Betriebe.

Kapitalkonzentration und Kriegsprofit

568

insbesondere bei Kapitalgesellschaften und anderen wirtschaftlichen Unternehmungen, auf der Grundlage des Einkommens, d. h. des als steuerpflichtig auszuweisenden Gewinns, berechnet und erhoben. Nach der vom Reichsfinanzministerium bis 1941 aufgestellten Körperschaftssteuerstatistik stieg das Gesamteinkommen aller Körperschaften von 1939 bis 1941 von 7,3 auf 10,75 Milliarden RM, darunter das der Kapitalgesellschaften (Aktiengesellschaften und GmbH) von 6,5 auf 9,5 Milliarden RM. Die Körperschaften mit zwei Millionen RM Einkommen und darüber vereinigten davon allein 4,6 bzw. 7,1 Milliarden RM auf sich.256 Tabelle 155 Einkommen der unbeschränkt Körperschaftssteuerpflichtigen

1939—1941

Anzahl

Index

Gesamteinkommen (Mill. RM)

Index

Unbeschränkt Körperschaftssteuerpflichtige insgesamt 1939 1940 1941

78416 81919 83299

100 100 100

7326 8661 10746

100 100 100

Davon: Kapitalgesellschaften 1939 1940 1941

19501 19829 21328

Unbeschränkt Körperschaftssteuerpflichtige mit 2 Mill. RM Einkommen und mehr 1939 1940 1941

544 626 754

24,9 24,2 25,6

6483 7536 9516

88,5 87,0 88,5

0,7 0,8 0,9

4558 5419 7121

62,2 62,6 66,3

Quelle: BA Koblenz, R 2/24140, Vorläufige Ergebnisse der Körperschaftssteuerveranlagung für 1939 und für 1940 „nach den Aufzeichnungen des Statistischen Reichsamts" vom März 1942 bzw. vom April 1943 sowie Tabelle für 1941, o. D. Zumpe 2 5 7 hat auf Grund anderer Quellen die Körperschaftssteuererträge nach den jeweiligen Steuersätzen (30 Prozent bis 1940/41, 37,5 Prozent im Jahre 1941/42 und 48,75 Prozent seit 1942/43 umgerechnet und weiterführende, etwas höhere Zahlen 2 5 8 erhalten, die bis 1943/44 in der Tendenz dieselbe Entwicklung nachweisen. Die dort sichtbare Stagnation der Gewinne gerade in den späteren Kriegsjahren entspricht jedoch in keiner Weise der Realität. Zu jener Zeit herrschte das Festpreissystem, das einen immer größeren Teil der Produktion der Besteuerung und damit der vorgenommenen Berechnung entzog. „Insofern", bemerkt Zumpe mit Recht, „gibt die Entwicklung der 256 BA Koblenz, R 2/24140, Vorläufige Ergebnisse der Körperschaftssteuerveranlagung für 1939, 1940 und 1941, v. März 1942, April 1943 und Tabelle (o. D.). 257 Zumpe, S. 410, Anm. 4. 258 Höher u. a. vermutlich deswegen, weil bei Zumpes Art der Berechnung alle und nicht nur die „unbeschränkt" Körperschaftssteuerpflichtigen erfaßt werden.

Gesamtprofit: 100 Milliarden

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Tabelle 156 Entwicklung des Bruttogewinns (Einkommens) Jahr

Bruttogewinn (Mill. RM)

Index

1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

8055 10758 11617 13655 13982 13651

100 134 144 170 174 169

aller Körperschaftssteuerpflichtigen 1938/39—1943/44

Quelle: Zumpe, S. 410, Anm. 4; dort irrtümlich Milliarden statt Millionen. Indexberechnung von mir korrigiert. Körpcrschaftsstcuer auch nur die Tendenz, keinesfalls aber die tatsächlich Gewinncxplosion wieder."

erfolgte

259

Schließt man von diesen Zahlen 2 6 0 auf die Gesamtsumme der P r o f i t e der „ K ö r p e r s c h a f t e n " während der Kriegsjahre und berücksichtigt Bilanzverschleierungen, Stcuernachlässe usw., so gelangt man zu einer Summe, die wohl über 100 Milliarden R M liegen dürfte. N i c h t berücksichtigt werden können, wohlgemerkt, die Bereicherung der Monopole durch Raub und Plünderung und die bereits behandelten Milliardengescbenke aus der Staatskasse. Von der genannten Summe ist ein Viertel bis ein Drittel als „normaler" P r o f i t aus der zivilen Produktion zu betrachten, die nicht den unmittelbaren Bedürfnissen der Kriegführung diente. Es sind also nach dieser groben Schätzung als reiner Kriegsprofit des deutschen Finanzkapitals 70 bis 80 Milliarden R M zu veranschlagen. 261 259 Zumpe, S. 410. 260 Die hier vorgelegten Ergebnisse der Körperschaftssteuerstatistik weisen die von uns bisher benutzten Zahlen aus zweiter Hand als fehlerhaft aus (s. Anatomie des Krieges, S. 32f.; DZW, Bd. 4, S. 510f.). 261 Faingar schätzt die Summe der Staatsaufträge an die Industrie während des Krieges auf ungefähr 700 Mrd. R M und die Profite, die davon dem Monopolkapital zufielen, gleichfalls auf 70 bis 80 Mrd. R M (Faingar, S. 253).

KAPITEL V i l i

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege Von Joachim Lehmann

1. Die Kriegsvorbereitung In der Periode von der Machtübertragung an den Faschismus bis zum Vorabend des Krieges wurde der deutschen Landwirtschaft ein umfassendes System staatsmonopolistischer Regulierung der Produktion und Verteilung auferlegt. Bereits bestehende Einrichtungen des Staatsapparates erfuhren durch die neue Zwangsorganisation des Reichsnährstandes eine entscheidende Ergänzung. Die Ausübung massiven staatsmonopolistischen Drucks zielte auf die absolute Integration der Landwirtschaft in die Vorbereitung eines imperialistischen Krieges und auf die Ausrichtung dieses Wirtschaftszweiges auf die Kriegserfordernisse.1 1 Zur allgemeinen agrarpolitischen Ausgangslage vgl. Lehmann, Joachim, Rahmenbedingungen für die Kriegsvorbereitung der deutschen Landwirtschaft in den dreißiger Jahren, in WZ der Wilhelm-Pieck-Universität Rostock, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, H. 9/1983, S. 48ff. Zur staatsmonopolistischen Organisierung der Landwirtschaft zu Beginn der faschistischen Diktatur Zumpe, Wirtschaft und Staat, S. lOlff., Lehmann, Joachim, Untersuchungen zur Agrarpolitik und Landwirtschaft im faschistischen Deutschland während des zweiten Weltkrieges (1942-1945), Diss. A, Rostock 1977, S. 3ff., Melier, Rolf, Studien zur Agrarpolitik der faschistischen deutschen Imperialisten in Deutschland im System der Kriegsplanung und Kriegsführung 1933 bis 1941, Phil. Diss. Rostock 1966, S. 1-94, Herferth, Wilhelm, Der Reichsnährstand — ein Instrument des Faschismus zur Vorbereitung des zweiten Weltkrieges (unter besonderer Berücksichtigung des Aufbaus des Reichsnährstandes in den Jahren 1933 bis 1935), Phil. Diss. Berlin 1961, S. 78ff., sowie Hoeft, Klaus-Dieter, Die Agrarpolitik des deutschen Faschismus als Mittel zur Vorbereitung des zweiten Weltkrieges, in ZfG, H. 12/1959, S. 1205 ff. Prinzipielle marxistische Einschätzungen bei Hoernle, Edwin, Der Kampf um die Bauernschaft, derselbe, Deutsche Bauern unterm Hakenkreuz, in Edwin Hoernle — Ein Leben für die Bauernbefreiung. Das Wirken Edwin Hoernles als Agrarpolitiker und eine Auswahl seiner agrarpolitischen Schriften, Berlin 1965, S. 443f., 469f., derselbe, Die Agrarpolitik der Nationalsozialisten und die Aufgaben der KPD, in Edwin Hoernle — Zum Bündnis zwischen Arbeitern und Bauern. Eine Auswahl seiner agrarpolitischen Reden und Schriften, Berlin 1972, S. 193 ff. Bei Gies, Horst, Der Reichsnährstand — Organ berufsständischer Selbstverwaltung oder Instrument staatlicher Wirtschaftslenkung?, in ZAA, 21. Jg. 1973, S. 216 ff., derselbe, Aufgaben und Probleme der nationalsozialistischen Ernährungswirtschaft 1933—1939, in WG, H. 4/1979, S. 466 ff. und derselbe, Die Rolle des Reichsnährstandes im nationalsozialistischen Herrschaftssystem, in Der „Führerstaat": Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 270ff. bleibt der Aspekt der Kriegsvorbereitung weitgehend unberücksichtigt. Klarer die Aussage von Farquharson, John E., The Plough and the Swastika. The NSDAP and Agriculture in Germany 1928-45, London/Beverly Hills 1976,

Die Kriegsvorbereitung

571

Wenngleich den Kriegstheoretikern und -planem des deutschen Imperialismus die tieferen Ursachen der Niederlage im ersten Weltkrieg im wesentlichen verborgen bleiben mußten, flössen gewisse „Erfahrungen" in die nach 1933 praktizierte Politik der Vorbereitung der deutschen Landwirtschaft auf einen neuen Krieg ein. Dies erforderte, die mit Sicht auf die Industrie unvergleichlich schwächere private Konzentration und Zentralisation des agrarischen Kapitals und der Produktion durch eine staatsmonopolistische Zwangsvereinigung der Landwirtschaft zu kompensieren. 2 Ein entscheidender organisatorischer Schritt für die volle Einbeziehung der Landwirtschaft in das staatsmonopolistische System der Vorbereitung einer Kriegswirtschaft war die Errichtung der Zwangsorganisation des Reichsnährstandes im September 1933.3 Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Richard Walther Darré, erhielt entsprechende Vollmachten aus dem Zwangskartellgesetz vom 15. Juli 1933. Im Reichsnährstand wurden zwangsweise alle land- und ernährungswirtschaftlichen, forst- und holzwirtschaftlichen Betriebe, die landwirtschaftlichen Genossenschaften, Betriebe des Landhandels, der Lebensmittelindustrie, die neu eingerichteten wirtschaftlichen Vereinigungen auf dem Gebiet der Land- und Ernährungswirtschaft zusammengeschlossen, was die Zwangsmitgliedschaft aller Mitarbeiter einschloß. Die Organisation des Reichsnährstandes, formell eine „berufsständische" Einrichtung und als solche Darré in seiner Eigenschaft als Reichsbauernfiihrer unterstellt, war vertikal in Landes-, Kreis- und Ortsbauernschaften gegliedert, die faktisch den Staatsapparat auf dem Lande dadurch unterbaute, daß sie „der Dienst- und Fachaufsicht des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft unterstellt" wurde und „der Rechnungsprüfung durch den Rechnungshof des Deutschen Reiches" unterlag. 4 Horizontal waren ihre Organe auf der Ebene der Reichsführung, der Landes- und Kreisbauernschaften in anfangs vier, später drei Hauptabteilungen — „Der Mensch" (Ideologie), „Der Hof" (Produktion) und „Der Markt" — gegliedert. Mit ihr war der zentralisierte staatsmonopolistische Lenkungsapparat geschaffen, der aus der Sicht der Monopole notwendig erschien, um die zersplitterte landwirtschaftliche Produktion und deren Verteilung für die ihr zugedachte Funktion zusammenzufassen. Ein wichtiges Instrument faschistischer Agrarpolitik sowohl in

S. 106. Bemerkenswert die bei Kutz, Martin, Kriegserfahrung und Kriegsvorbereitung. Die agrarwirtschaftliche Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg in Deutschland vor dem Hintergrund der Weltkrieg I — Erfahrung (MS), Hamburg 1982, S. 22ff., eingenommene Position zum Verhältnis von Krisenbewältigung und Kriegsvorbereitung. 2 Bei Melzer (S. 8) eine zu absolute Sicht der Vorgänge. 3 RGBl. 1933, I, S.488, Gesetz über die Errichtung von Zwangskartellen vom 15.7.1933; RGBl. 1933, I, Gesetz über die Zuständigkeit des Reiches für die Regelung des ständischen Aufbaus der Landwirtschaft vom 15. 7. 1933, S. 495 ; RGBl. 1933, I, Gesetz über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes und Maßnahmen zur Markt- und Preisregelung landwirtschaftlicher Erzeugnisse vom 13. 9. 1933, S. 626. Ergänzende und weiterführende Verordnungen, insgesamt neun, bis Februar 1935. 4 Tornow, Werner, Chronik der Agrarpolitik und Agrarwirtschaft des Deutschen Reiches von 1933-1945, Berichte über Landwirtschaft, 188. Sonderheft, Hamburg/Berlin 1972, S. 13. Dieses Unterstellungsverhältnis wurde geregelt durch die Erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstandes, RGBl. 1933, I, S. 1060, vom 8. 12. 1933, das Gesetz zur Erhaltung und Hebung der Kaufkraft, RGBl. 1933, I, S. 233, vom 24. 3. 1933 und eine Verfügung des Reichsernährungsministers vom 17. 8. 1934, Dienstnachrichten des Reichsnährstandes, (im folgenden DR) Nr. 8, vom 20. 10. 1934, S. 100.

572

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

ökonomischer als auch in politischer Hinsicht stellte das Reichserbhofgesetz vom September 1933 5 dar. 6 F ü r die Kriegsvorbereitung bleibt, auch unter Beachtung bestimmter Einschränkungen, 7 festzuhalten, daß eine zeitweilige Stärkung kapitalistisch wirtschaftender bäuerlicher Betriebe erreicht wurde, die zwar an sich dem Streben des Monopolkapitals nach weiterer Konzentration der landwirtschaftlichen Produktion entgegenstand, aber unter den gegebenen Bedingungen im Interesse einer raschen Vorbereitung auf die Kriegserfordernisse in Kauf genommen wurde. 8 Wesentliches Ziel aller eingeleiteten Maßnahmen war die Verringerung der Auslandsabhängigkeit beiNahrungs- und Futtermitteln. Die Autarkie-Parole von der „Erringung der Nahrungsfreiheit" hatte im allgemeinen kriegswirtschaftlichen Kontext noch eine 5 RGBl. 1933, I, S.685, 29. 9. 1933. Dazu Verordnungen ebenda, v. 19. 10. 1933, 19. 12. 1933, 27.4.1934, 24.7. 1933 und 4 . 7 . 1 9 3 5 ; Vorstehende Verordnung wurde aufgehoben und neu zusammengefaßt durch die Erbhofrechtsverordnung, RGBl. 1936, I, S. 1069, 21. 12. 1936. und die Erbhofverfahrensordnung ebenda, S. 1082, 21. 12. 1936. Einige der von der Landbevölkerung als besonders drückend empfundenen Bedingungen wurden bereits in einer Verordnung vom 26. 4. 1939, ebenda, S. 843 und dann unter dem Druck der Kriegsereignisse durch Verordnungen vom 28. 9. 1940, RGBl. 1940, I, S. 1311 vom 22. 1. 1941 und RGBl. 1941, I, S. 60, entscheidend aber durch die sog. Erbhoffortbildungsverordnung vom 30. 9. 1943, RGBl. 1943, I, S. 549 verändert. 6 Zur Diskussion darüber siehe: Zumpe, Wirtschaft und Staat, S. 104ff. referiert die Ausführungen von Helling, Gertrud, Zur Bodenpolitik des deutschen Imperialismus zwischen 1918 und 1945, in JfW, 1963, T. 3, S. 24ff., Mottek, Hans/Becker, Walter/Schröter, Alfred, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Ein Grundriß, Bd. 3, Berlin 1974, S. 306, Paterna, Erich u. a., Deutschland von 1933 bis 1939, Berlin 1969, S. 66f., Kotow, G. G., Agrarverhältnisse und Bodenreform in Deutschland, I. Teil, Berlin 1959, S. 60 f., Hoeft, Klaus-Dieter, Zur Agrarpolitik des deutschen Imperialismus von 1933 bis zur Gegenwart, Berlin 1960, S. 48ff., Herferih, (Diss.) S. 75f., 207f., Melzer, S. 14 — zu ergänzen wären Petruschow, Α., Agrarverhältnisse in Deutschland und die Agrarreform, Berlin 1948, S. 218, Ilerferth, Wilhelm, Der Reichsnährstand — ein Instrument der Kriegspolitik des faschistischen deutschen Imperialismus, in WZ Universität Rostock, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, H. 2/3/1968, S. 228f. — und plädiert, ausgehend von der These, daß Marktordnung und Erbhofgesetz die „eigentliche staatsmonopolistische Substanz des Reichsnährstandes" bildeten, für die Einbeziehung des Problems der landwirtschaftlichen Verschuldung in die Bewertung des Gesetzes. Kuczynski, Jürgen, Standardwerk über das deutsche Monopolkapital, in : Neues Deutschland, 5./6. 7. 1980, hält Zumpes Beweisführung für das Reichserbhofgesetz noch nicht für ausreichend. Grundmann, Friedrich, Agrarpolitik im Dritten Reich. Anspruch und Wirklichkeit des Reichserbhofgesetzes, Hamburg 1979. 7 Lehmann, Rahmenbedingungen, S. 49. 8 Detaillierte und umfassende Aussagen bei Jatzlauk, Manfred, Untersuchungen zur sozialökonomischen Struktur der deutschen Landwirtschaft und zur Entwicklung ihrer Pflanzenproduktion zwischen 1919 und 1939 (Eine Analyse statistischer Massendaten auf der Grundlage von Veröffentlichungen des Statistischen Reichsamtes). Phil. Diss. A, Rostock 1982, S. 169ff. Helling, S. 25, berechnet für 1939 auf der Grundlage des Statistischen Jahrbuches für das Deutsche Reich 1941/42, S. 112, insgesamt 689665 Erbhöfe mit einem Anteil von 2 1 , 5 % an der Gesamtzahl der Betriebe und 38 % an der Gesamtbetriebsfläche. Auf den hiermit verbundenen Konzentrationsprozeß machte bereits Neumann, S. 457ff., aufmerksam; ferner v. Saldern, Adelheid, Mittelstand im „Dritten Reich". Handwerker- und Einzelhändler-Bauern, Frankfurt/New York 1979, S. 78, 87f., Grundmann, S. 101 ff.

Die Kriegsvorbereitung

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besondere devisenwirtschaftliche Komponente. 9 Es galt nämlich, den Devisenbedarf für landwirtschaftliche Importe zugunsten der Rüstungswirtschaft zu beschneiden. Mittels der ab 1934 propagierten und geführten „Erzeugungsschlachten" 1 0 wurde dies durch eine Steigerung und in gewissem Umfange auch Umstrukturierung der inländischen Produktion angestrebt. Schwerpunkte der „Erzeugungsschlacht" waren die Steigerung der tierischen Produktion, deren Umstellung auf die wirtschaftseigene Futterbasis, die Erweiterung des ölpflanzenanbaus und die Ausweitung der Futterkulturen. Insgesamt gesehen konnte der Selbstversorgungsgrad von 80 Prozent im Jahre 1933/34 nur auf 83 Prozent im Jahre 1938/39 erhöht werden. 11 Besonders deutlich war kurz vor Kriegsbeginn die Einfuhrabhängigkeit bei F u t t e r mit 30 Prozent und bei Fett mit 43 Prozent. Staatssekretär Herbert Backe hob in einer späteren Veröffentlichung die angeblich „unbestreitbaren Erfolge" der „Erzeugungsschlacht" hervor, die zu erheblichen Reservebildungen geführt hätten, mußte aber gleichzeitig eingestehen, daß „auf einzelnen und sehr wichtigen Gebieten zeitweise noch dauernde Verknappung nicht zu vermeiden" war. 12 Jedenfalls hatte die Bevölkerung wegen strategischer Rücklagen auch von der relativen Mehrerzeugung letztlich nichts. 1 3 Bestand das Hauptziel der „Erzeugungsschlachten" in der Intensivierung der Produktion, So mußte diese durch entsprechende marktregulierende Schritte flankiert werden, wenn sie den vorgesehenen Effekt erbringen sollte. 14 Diesem Zweck diente die Marktordnung des Reichsnährstandes. Organisatorische Pfeiler des Marktordnungssystems bildeten die Hauptvereinigungen und Reichsstellen. Ebenfalls basierend auf dem Zwangskartellgesetz vom 15. Juli 1933 und bis Ende 1935 im wesentlichen ausgebildet, wurden die Hauptvereinigungen Träger des Warenverkehrs auf dem Binnenmarkt, während die Reichsstellen primär den landwirtschaftlichen Außenhandel kontrollierten. Dieses Instrumentarium ermöglichte die Kontrolle und Lenkung der Warenströme, die Regulierung des Preissystems und der Ver9 Petzina, Autarkiepolitik, S. 30ff., S. 91. 10 Von Herbert Backe auf dem 2. Reichsbauerntag im November 1934 verkündet, wenngleich bei der Begründung natürlich nicht die Kriegsvorbereitung, sondern aktuelle Sorgen der Bauern und die Devisenknappheit die Argumente hergaben (Backe, Herbert, Leistung für das Volk, in: Das Ende des Liberalismus in der Wirtschaft, Berlin 1938, S. 27ff.). Siehe auch Lovin, Clifford R., Die Erzeugungsschlacht 1934-1936, in ZAA, 22. Jg. 1974, S. 209ff. 11 Petzina, Autarkiepolitik, S. 95; vgl. Band I, S. 23f., abweichende Zahlen bei Klein, Burton H., Germany's Economic Preparations for War, Cambridge, Mass. 1959, S. 49, der auf der Grundlage einer unveröffentlichten Studie von Emil Woermann, „Die Ernährungslage der Welt", eine Steigerung von 81 auf 89 % erwähnt. Zweckoptimistisch und daher unrealistisch die bedeutend höher liegenden Werte von Ertel, H., Die Grundlagen der deutschen Volksernährung, Leipzig 1938, S. 63. 12 Backe, Herbert, Um die Nahrungsfreiheit Europas, Leipzig 1942, S. 19. 13 Kuczynski, Lage der Arbeiter, Bd. 6, S. 240. 14 Als Reaktion auf die Agrarkrise waren bereits seit 1930 entsprechende Schritte unternommen worden (Tornow, S. 72, Zumpe, 112f.), die nach 1933 als „Ergebnis alter Forderungen der Großgrundbesitzer . . ., wie auch akuter tiefgehender Widersprüche und sozialökonomischer Auswirkungen, die insbesondere durch die Agrar- und Wirtschaftskrise verschärft worden waren, wie auch der planenden Vorbereitung eines neuen Krieges" (Zumpe, S. 121) schnell und systematisch fortgeführt wurden. Backe qualifizierte entsprechende Maßnahmen unter Hugenberg als „erste(n) praktische(n) Versuch der Marktordnung, der sehr gut gelang." (BA Koblenz, Nachlaß Backe, Nr. 3, Großer Bericht Ziegenhain, 1946, Bl. 14f.).

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Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

arbeitung sowie eine Beeinflussung des Verbrauchs bereits in der Phase der Kriegevorbereitung. Vor allem aber trennte die Marktordnung, im Zusammenhang mit dem Festpreissystem, den unmittelbaren Produzenten gewissermaßen vom Markt und brachte ihn dadurch in weitere direkte Abhängigkeit von staatlichen bzw. halbstaatlich-staatsmonopolistischen Organen. Von besonderer „wehrwirtschaftlicher" Bedeutung war die den Reichsstellen übertragene Aufgabe der Vorratshaltung. In die Kriegsvorbereitungen wurden zunehmend auch die Landwirtschaftswissenschaften einbezogen. Nachdem in Verbindung mit den „Erzeugungsschlachten" bereits 1934 eine gewisse Konzentration der Forschungskapazität erfolgt war, wurde dieser Prozeß mit der Bildung des sogenannten Forschungsdienstes als einer Reichsarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftswissenschaften im Mai 1935 auf eine neue Stufe gehoben.15 Gegliedert in sieben vom Sachgebiet her unterschiedenen Arbeitsgemeinschaften sollte der Forschungsdienst das landwirtschaftswissenschaftliche Potential zusammenfassen und gezielt für die Lösung der als vordringlich erachteten Probleme einsetzen, ζ. B. in bezug auf die Hebung der Bodenfruchtbarkeit, die Rationalisierung und Technisierung, die Konservierung und Lagerung landwirtschaftlicher Produkte und die Erarbeitung neuer Verarbeitungstechnologien. Mit der Verkündung des Vierjahresplanes 1936, der einen neuen Abschnitt der Kriegsvorbereitung einleitete und Veränderungen im staatsmonopolistischen Mechanismus der Gesamtwirtschaft zur Folge hatte 16 , begann auch eine neue Phase der Agrarpolitik. Innerhalb des Apparates des Vierjahresplanes wurde eine Geschäftsgruppe Ernährung eingerichtet. Ihr oblag es, im Rahmen der praktischen Kriegsvorbereitung über die Person ihres Leiters die Maßnahmen des Reichsernährungsministeriums und des Reichsnährstandes mit denen des Vierjahresplanes zu koordinieren. Zum Leiter der Geschäftsgruppe Ernährung bestimmte Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan den Staatssekretär Darrés, Herbert Backe. Durch die Struktur und die Kompetenzen des VierjahresplanApparates war Backe gegenüber seinem Minister weisungsberechtigt. Faktisch bedeutete dies, daß Darré mehr und mehr den Einfluß auf die Agrarpolitik verlor,17 weil Backe in wesentlichen Fragen Auffassungen vertrat, die sich von denen seines formellen Vorgesetzten unterschieden.18 Dabei handelte es sich neben aktuellen agrarwirtschaftlichen Problemen vor allem um den Standort und die Funktion des Reichsnährstandes im politisch-ideologischen und ökonomischen System des Faschismus. Die Divergenzen bezogen sich auf die Frage, ob der Reichsnährstand oder die faschistische Partei für die ideologische Beeinflussung der Landbevölkerung zuständig sei, und auf das Unterstellungsverhältnis des Reichsnährstandes zum Reichsernährungsministerium. Die ideologisch verbrämten „berufsständischen" Sonderinteressen Darrés und seiner An15 Erlaß des Reichserziehungsministers und Reichsernährungsministers betr. die Errichtung des Forschungsdienstes (Reichsarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftswissenschaft), i n : Meyer, Konrad, Forschung für Volk und Nahrung, Sonderheft 8, 1938, S. 4. 16 Band I, S. 13ff. 17 Lovin, S. 220: „Auch eine Durchsicht der Protokolle des Generalrates des Vierjahresplans macht klar, daß die effektive Kontrolle der Agrarpolitik aus den Händen Darrés genommen worden war." Nicht zu folgen ist Lovin hingegen bei der Interpretation der VierjahresplanPolitik als Ende der „Erzeugungsschlachten". Zur dominierenden Stellung Backes s. auch Carroll, S. 131. 18 Siehe ζ. Β . Backes Position zur Regelung der Fettwirtschaft (BA Koblenz, R 26 IV/4, Bl. 17, Protokoll der Sitzung des Kleinen Ministerrates am 21. 10. 1936).

Die K r i e g s v o r b e r e i t u n g

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hänger wirkten sich zunehmend störend auf die Politik der Kriegsvorbereitung aus. 1 9 Die im Rahmen des Vierjahresplanes eingeleiteten Maßnahmen bauten auf „Erzeugungsschlacht" und Marktordnung auf und zielten auf eine maximale Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion sowie eine möglichst weitgehende Verwertung der Produkte. Unter den konkreten politischen und ökonomischen Bedingungen wirkten Bemühungen um Flurbereinigung nur sehr bedingt. 2 0 Die Auflagen und Zwangsmaßnahmen für den Fall einer unterstellten „schlechten Wirtschaftsführung" hingegen, die bisher schon für Erbhöfe gegolten hatten, wurden mit der „Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung" vom 23. März 1937 auch auf alle anderen Betriebe ausgedehnt. 2 1 Diese Verordnung sah Repressalien bis hin zur E insetzung von Treuhändern oder zur Zwangsverpachtung vor, sie erlaubte im Zusammenhang mit der für das Wirtschaftsjahr 1936 erstmals eingeführten „Hofkarte" 2 2 , einem Zwangsnachweis von über 150 betriebswirtschaftlichen Informationen, die Regulierung und Überwachung jedes Betriebes. Damit degradierte sie den Bauern zum Erfüllungsgehilfen der faschistischen Agrarpolitik ohne eigene Einflußmöglichkeit. Eine ebenfalls im März 1937 eingeführte intensive Wirtschaftsberatung 2 3 komplettierte das staatsmonopolistische Zwangsinstrumentarium; kein Bauer durfte sich einer solchen „Wirtschaftsberatung", d. h. Kontrolle seiner gesamten Tätigkeit, entziehen. Staatliche Preisregulierungen wurden systematisch für eine beschleunigte Erschließung vorhandener Produktionsreserven eingesetzt. Diesem Ziel dienten 1937/38 Preissenkungen für Stickstoff- und Kalidüngemittel sowie für Landmaschinen und Geräte. Gleichzeitige Erhöhung der Erzeugerpreise für Kartoffeln, Roggen und Milch stimulierten zusammen mit den Preissenkungen für Betriebsmittel die landwirtschaftliche Produktion in bestimmtem Umfange. Die erwähnten Preisregulierungen bedeuteten keine Aufhebung der Preisschere zwischen den von der Landwirtschaft benötigten industriellen Produktionsmitteln und den landwirtschaftlichen Erzeugnissen. 24 Zudem wurden durch die Preis19 Als Beispiel der langwierige S t r e i t zwischen Darré und D A F über Zuständigkeiten bei der „ B e t r e u u n g " ausländischer A r b e i t s k r ä f t e in den J a h r e n 1938 und 1939 ( Z S t A P o t s d a m , Reichskanzlei, F i l m 19578). 20 RGBl. 1936, I, U m l e g u n g s g e s e t z v o m 26. 6. 1936, S . 518. RGBl. 1937, I, Reichsumlegungsv e r o r d n u n g v o m 16. 6. 1937, S. 629. RGBl. 1936, I, E r s t e Verordnung zur Reichsumlegungso r d n u n g v o m 27. 4. 1938, S . 425. RGBl. 1937, I, G r u n d s t ü c k v e r k e h r s b e k a n n t m a c h u n g v o m 26. 1. 1937, S . 34. 2 1 RGBl. 1937, I, 23. 3. 1937, S . 422. 22 E i n g e f ü h r t ebenfalls a m 23. 3. 1937; vgl. Melzer, S . 23. Ihre Zielstellung b e s t a n d nach den Worten des Leiters der R e i c h s h a u p t a b t e i l u n g I I , B r u m m e n b a u m , darin, die „ E r z e u g u n g bis z u m letzten B a u e r n h o f hinaus zu übersehen und zu l e n k e n " ( M i t t e i l u n g e n für die Landwirtschaft, H . 46/1935, S . 981). 23 A n o r d n u n g des Reichsbauernführers betr. W i r t s c h a f t s b e r a t u n g v o m 2 0 . 3 . 1 9 3 7 , i n : DR, Nr. I I a , 22. 3. 1937. 24 Klemm, Volker u. a., Agrargeschichte. Von den bürgerlichen A g r a r r e f o r m e n bis zur sozialistischen L a n d w i r t s c h a f t in der D D R , Berlin 1978, S . 126. U m f a s s e n d e S a c h i n f o r m a t i o n e n bei Hanau, Arthur/Plate, Roderich, Die deutsche landwirtschaftliche Preis- u n d Marktpolitik i m Zweiten Weltkrieg, Quellen und F o r s c h u n g e n zur Agrargeschichte, B d . 28, S t u t t g a r t 1975, S . 5 ff. (Zur K r i t i k an den grundsätzlichen Positionen der Autoren vgl. Klemm, Volker, L a n d wirtschaftliche Preis- und Marktpolitik - f ü r wen?, in JfW, 1978, T. 2, S . 177ff.). Ferner e. Saldern, S . 71, e. Kruedener, Jürgen, Zielkonflikte in der nationalsozialistischen Agrarpolitik. E i n B e i t r a g zur L e i t u n g s p r o b l e m a t i k in zentral gelenkten W i r t s c h a f t s s y s t e m e n , in Zeitschrift f ü r W i r t s c h a f t s - u n d Sozialwissenschaften, H . 4/1974, S . 3 4 8 f . 38

Eichboltz II

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Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Veränderungen besonders die Einnahmen für die traditionellen Erzeugnisse des Großgrundbesitzes erhöht, weit weniger für die der bäuerlichen Produktion. Kleinere bäuerliche Betriebe waren außerdem noch häufig auf den Zukauf aus der Produktion von Großbetrieben angewiesen. Auch die Preiskorrekturen hinsichtlich der Förderung einer Mechanisierung und breiteren Anwendung mineralischer Dünger kamen vor allem agrarkapitalistischen Betrieben zugute. 25 Die „besonders bevorzugte Rolle" 26 des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit seinem Aufgabengebiet zeitigte im agrarischen Bereich frühzeitig institutionelle Konsequenzen für den Mobilmachungsfall ebenso wie für umfassende vorbereitende Maßnahmen. Noch vor der Proklamation der „Erzeugungsschlacht" wurde beim Reichsbauernführer ein „Sonderbeauftragter für Ernährungssicherung" installiert 27 und stellte eine am 1. April 1934 eingerichtete „Ernährungswirtschaftliche Forschungsstelle" jährliche Kriegsernährungspläne auf. 28 Auf breiterer Ebene wurde diese Arbeit ab Mai 1936 von neuen „Dienststellen für Ernährungssicherung" fortgeführt 2 9 , die als Zentralstelle beim Reichsbauernführer und in gleicher Weise bei Landes- und Kreisbauernführern tätig wurden. Sie waren mit der jährlichen Ausarbeitung sogenannter Ernährungsbilanzen beauftragt, die die gesamte Produktion und den erwarteten Bedarf, namentlich der faschistischen Wehrmacht, auszuweisen hatten. 30 Ihnen oblag es, für den Ernstfall nach einer Art Mobilmachungskalender einen „Generalstabplan für die ernährungswirtschaftliche Mobilmachung" 31 zu erstellen und damit auch die Absicherung des Kräftebedarfs für die im Rahmen der Kriegsernährungswirtschaft ins Auge gefaßten Institutionen und die Abstimmung aller ernährungswirtschaftlichen Maßnahmen mit dem Reichsernährungsministerium, der faschistischen Partei und der Wehrmacht. Im Stabsamt des Reichsbauemführers war die Abteilung A für die Ausarbeitung der Kriegsernährungspläne verantwortlich. 32 Der Koordinierung und Abstimmung diente ein 1937 vom „Generalbevollmächtigten für 25 Jatzlauk, S. 305f., Klemm, u. a., Agrargeschichte, S. 135ff. ; ferner Aussagen für Großbetriebe über 100 Hektar bei Pfahl, Robert/Wilke, Jürgen, Zur Anwendung mathematisch-statistischer Methoden in der Agrargeschichte — Eine kliometrische Studie zur Geschichte der deutschen Landwirtschaft in der Zeit des Faschismus, dargestellt anhand von ökonomischen Daten der Struktur und Entwicklung landwirtschaftlicher Großbetriebe im Kreis Güstrow/Mecklenburg (1936—1943/44), mit einem Kapitel zu mehrdimensionalen statistischen Methode „Faktorenanalyse", Diss. Β, Berlin 1979, S. 79ff. 26 IMG, Bd. 36, S. 225, Dok. EC-177, Niederschrift über die 2. Sitzung des Arbeitsausschusses der Referenten für die Reichsverteidigung. 27 Sondergeld, E. L., Landwirtschaftliche Erzeugungspolitik im 2. und 1. Weltkrieg, Wirtschaftsu. sozialwiss. Diss. (MS), Frankfurt/M. 1944, S. 13. 28 IMG, Bd. 36, S. 261, Dok. EC-258, Die Vorbereitung der wirtschaftlichen Mobilmachung durch den Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft, Stand Ende Dezember 1937. 29 Anordnung des Reichsbauemführers betr. die Errichtung einer Stelle für Ernährungssicherung vom 29. 4. 1936, in DR, Nr. 183, 29. 4. 1936, S. 227. ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 556, Bl. 34ff., Dok. C 396/NID-15305, Bericht der Stelle für Ernährungssicherung beim Reichsbauernführer vom 14. 2. 1939. 30 Meinhold, Willy,Die landwirtschaftlichen Erzeugungsbedingungen im Kriege, Jena 1941, S. 8. 31 Untermann, F., Kriegsernährungswirtschaft. Die Generalstabsarbeit der Ernährungssicherung, in Odal, H. 11/1939, S. 948f. 32 Herferth, Wilhelm, Der faschistische „Reichsnährstand" und die Stellung seiner Funktionäre im Bonner Staat, in ZfG, H. 5/1962, S. 1059.

Die Kriegsvorbereitung

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die Kriegswirtschaft" auf der Grundlage des geheimen Reichsverteidigungsgesetzes vom 21. März 1935 gebildeter Führungsstab, in dessen Referat „Ernährung und Landwirts c h a f t " das Reichsernährungsministerium m i t einem Experten aus seiner Abteilung I I (Erzeugung und Landwirtschaft) vertreten war. 3 3 U m die gleiche Zeit fielen bereits die vorbereitenden Entscheidungen über die Unterstellung der Produktions- und Marktabteilungen des Reichsnährstandes sowie der Hauptvereinigungen unter das Reichsernährungsministerium im Mobilmachungsfall, da diesem formaljuristisch auf der Ebene der Provinzen und Kreise ein entsprechender Unterbau fehlte. 3 4 Der unmittelbaren Vorbereitung auf den Krieg diente ebenso eine vom Reichsernährungsministerium und Reichsnährstand gemeinsam entwickelte „Rahmenverordnung über die Organisation der Kriegsernährungswirtschaft", die als Grundlage für alle Gesetze in bezug auf die Kriegsernährungswirtschaft gedacht war und deren Entwürfe bis Mitte 1 9 3 8 vorlagen und ab September 1938 den Landes- und Kreisbauernführern als Geheimsache m i t dem T i t e l „Verordnungen zur Einführung der Kriegsernährungswirtschaft" zugestellt wurden. 3 5 Am Ende des gleichen J a h r e s erhielt die „Ernährungswirtschaftliche Forschungsstelle" den Auftrag, im Verlaufe des ersten Quartals 1939 prognostisch die Lage der Ernährungswirtschaft des faschistischen Deutschlands für die Zeit bis 1. August 1939 und weiterführend für das erste und zweite W i r t s c h a f t s j a h r eines angenommenen Krieges zu ermitteln. 3 6 Diese Arbeit sollte alle Einzelheiten und Teilgebiete von der Produktion über die Bildung von Reserven bis zur Verteilung auf die verschiedenen Bedarfsträger berücksichtigen und vor allem die erwarteten und denkbaren Auswirkungen des Krieges auf Erzeugung und Verbrauch analysieren. Der als „Geheime Reichssache" vorgelegte Kriegsernährungsplan vom 1. April 1 9 3 9 3 7 kennzeichnete die Situation in der R i c h t u n g , daß die ins Auge gefaßten Nahrungsrationen quantitativ gedeckt werden könnten, daß aber qualitativ erhebliche Probleme zu erwarten seien. Darüber hinaus machten die E x p e r t e n auf den Ertragsrückgang aufmerksam, der m i t zunehmender Kriegsdauer durch den Entzug von Arbeitskräften und Betriebsmitteln sowie die verschlechterten Außenwirtschaftsbedingungen zwangsläufig eintreten würde. Hinsichtlich der Vorräte wurde darauf hingewiesen, daß diese nur einen zeitweiligen Ausgleich für die zu erwartenden Produktionsausfälle im Gefolge des Krieges darstellen könnten. I m Rahmen der Teilmobilmachungen vom Herbst 1938 und vom F r ü h j a h r 1939 kam es zu einer Überprüfung und Vervollkommnung des Instrumentariums. Zur Erlangung möglichst exakter Unterlagen über Wirtschaftsablauf und -Verhältnisse vom Reichsmaßstab bis hinunter zum einzelnen B e t r i e b waren seit J a h r e n bereits die bestehenden E r h e b u n g e n 3 8 durch neue Formen in Regie des Reichsnährstandes ausgebaut und ergänzt worden 3 9 . 33 34 35 36

Ζ StA Potsdam, Fall X I , Nr. 454, Bl. 14, Dok. NID-15675. Melzer, S. 39. Ζ StA Potsdam, Fall X I , Nr. 556, Bl. 35, Darré-Anklage. Der gesamte Vorgang ebenda, Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (im folgenden RMEL), Nr. 825/2. 37 Ebenda, Bl. 8 ff. 38 Vgl. Dillfvitz, Sigrid, Quellen zur sozialökonomischen Struktur der Bauernschaft im Deutschen Reich nach 1871, in JfW, 1977, T. 2, S. 237ff. 39 Für das Folgende s. Fensch, Hans-Ludwig, Arbeiten und Ziele des Reichsnährstandes auf dem Gebiet der bäuerlichen Betriebsforschung, in Meyer, Konrad, Agrarpolitik — eine völkische Grundwissenschaft, Neudamm 1943, S. 69 ff. 38*

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Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Die seit Jahrzehnten gebräuchlichen Varianten der Buchführungsstatislik, des Berichterstatterdienstes und der Reichsbodenschätzung ergaben eine Fülle von Angaben, die aber relativ lange Auswertungszeiten und geschulte Berichterstatter erforderten. Die vollständige Aufnahme des Kulturbodens bot den Kreisbauernschaften die Grundlage für rigorose Eingriffe in die Erzeugungsplanung und Ordnung jedes Betriebes. Die bereits erwähnte „Hofkarte" war von jedem Betriebsleiter selbst zu führen. Sic bot bei ordnungsgemäßer Führung ein vollständiges Bild der wirtschaftlichen Situation des Betriebes. Die Führung der Hofkarten war Gegenstand einer umfassenden Aufklärungskampagne, wurde aber zugleich durch Strafandrohung erzwungen. Sie stellten dann im Kriege die wesentliche Grundlage für Eingriffe in die Betriebsführung dar. Wesentlich auf den Angaben der Hofkarten aus den einzelnen Ortsbauernschaften basierend, wurden für die Kreisbauernschaften sogenannte Kreiswirtschaftsmappen zusammengestellt, die alle signifikanten Daten dieser Organisationsebenc enthielten. Ihre weitgehende Vergleichbarkeit machte sie für größere administrative Einheiten zu einem wichtigen Instrument der Zwangsregulierung der landwirtschaftlichen Produktion, der Kontingentierung und Verteilung von Ernährungsgütern, aber auch der Zuteilung von Produktionsmitteln und Arbeitskräften. In entsprechender Weise existierten statistische Unterlagen für die einzelnen Landesbauernschaften. Die Politik intensiver Kriegsvorbereitung 40 der Landwirtschaft im Vierjahresplan zeigte bedeutende Belastungen mit unübersehbaren negativen Auswirkungen. Auf dem Sechsten Reichsbauerntag 1938 sah sich Darré zu bemerkenswerten Eingeständnissen gezwungen. Er meinte, wachsender Kritik seitens führender Kräfte der faschistischen Partei wie auch zunehmender Unzufriedenheit unter der werktätigen Landbevölkerung durch die doch recht offene Darlegung bestehender Schwierigkeiten begegnen zu können, und gestand ein, „wie sehr die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, wie Arbeitsnot und Überlastung der Bauersfrau, heute beinahe im Widerspruch" zu Standardpostulaten faschistischer Agrarideologie stünden und daß der Zeitpunkt gekommen sei, „wo eine grundsätzliche Lösung des Problems unaufschiebbar wird". Die — natürlich nicht so bezeichnete — Kriegsvorbereitung habe dazu geführt, „daß die Verhältnisse auf dem Lande . . . eine Entwicklungsrichtung einzuschlagen beginnen, welche unserem Volkskörper nicht wieder gutzumachende Schäden zufügen können". 41 Backe kam Ende Januar 1939 zu einer bezeichnenden Analyse. „1. Der heutige Intensitätsgrad der deutschen Landwirtschaft hat im allgemeinen im Ackerbau seinen Höchststand erreicht. 2. Die Ausnutzung erheblicher Produktionsreserven, insbesondere in der Veredelungswirtschaft, scheitert an den Preisverhältnissen. 3. Der Entzug von rd. 400000 Landarbeitern seit 1933 gefährdet erstens die Beibehaltung

40 Im Zusammenhang mit dem dabei angewandten Instrumentarium werden die Interpretationsprobleme bürgerlicher Autoren besonders deutlich, etwa Saldern, S. 71; Kruedener, S. 356f., stellt eine „moral suasion" als Variante zur Lösung des permanenten faschistischen Dilemmas von Ziel und Potential heraus. Eine in dieser Hinsicht offensichtliche Verkennung der historischen Realität auch bei Schreiner, Günter, Die Entwicklung der deutschen Agrarstrukturpolitik von der Reichsgründung im Jahre 1871 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, in Berichte über Landwirtschaft, Neue Folge, H. 2/1975, S. 297. 41 Darré, Richard Walther, Aufbruch des Bauerntums. Reichsbauerntagsreden 1933 bis 1938, Berlin 1942, S. 115, 111, 116.

Die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft

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der heutigen Intensität, zweitens hat er über sehr große Lohnerhöhungen zu einer Krise in der Landwirtschaft geführt. 4. Diese Krise in der Landwirtschaft ist keine gleichmäßige sondern trifft der Natur der Dinge nach diejenigen Betriebe, die auf stärkste und dauernde Handarbeit angewiesen sind. Das sind Veredelungsbetriebe, d. h. die Bauernbetriebe. Während die Betriebe mit überwiegendem Ackerbau und geringer Veredelungswirtschaft heute noch eine Rente finden, da sie ja neben der Möglichkeit der Mechanisierung und damit Leuteersparnis auch noch eine Hilfe durch Arbeitsdienst, Heer, Landdienst, ausländische Wanderarbeiter usw. erfahren, brechen die Veredelungsbetriebe, d. h. die Bauernwirtschaften unter dem absoluten Mangel o an Arbeitskräften und infolge c der

Lohnerhöhungen zusammen, δ. Zusammenbrechende Bauernschaft und Mangelversorgung an Veredelungsprodukten, wie Butter, Speck, Schmalz, Eier, stehen somit in kausalem Zusammenhang." 4 2 Dieser Bilanz von sechs Jahren faschistischer Agrarpolitik bleibt wenig hinzuzufügen. Berichte aus der Landwirtschaft zu diesem Zeitpunkt belegen die Aussagen des Staatssekretärs sehr lebendig. 43 Wenngleich die Landwirtschaft im Vergleich zum ersten Weltkrieg aus der Sieht der herrschenden Klasse ungleich besser für den neuen Krieg präpariert war, konnte von einer Erreichung der weitgesteckten Ziele, insbesondere im Hinblick auf die verringerte Einfuhrabhängigkeit, nur sehr bedingt die Rede sein. 44 Unverkennbaren Erfolgen dieser Politik, 4 5 die durchweg mit einer unerhört intensivierten Ausbeutung der werktätigen Schichten der Landbevölkerung verbunden war, standen erhebliche Schwächepunkte gegenüber.

2. Die s t a a t s m o n o p o l i s t i s c h e Organisation der Kriegsernährungswirtschaft Nach der Entfesselung des zweiten Weltkrieges gingen die faschistischen Agrarpolitiker daran, auch die Landwirtschaft in Deutschland auf die „durchaus neuen Bedingungen" des Krieges, die „einen qualitativen Einschnitt von grundsätzlicher Bedeutung" 4 6 darstellten, einzustellen. Waren alle wesentlichen bisher unternommenen Schritte auf den einkalkulierten Kriegsfall orientiert gewesen, so kam es nach dem 1. September 1939 vorwiegend darauf an, den für diesen Fall vorbereiteten staatsmonopolistischen Apparat in Gang zu setzen. Die seit 1933 durchgeführten Maßnahmen erlaubten im Landwirtschaftssektor in besonderer Weise, die aus innenpolitischen Gründen angestrebte Fiktion einer „Friedenswirtschaft" 4 7 aufrechtzuerhalten, indem demagogisch auf die praktisch seit langem unter dem Aspekt des Krieges verfolgte Agrarpolitik verwiesen wurde. Neben solchen gewissermaßen strategischen agrarpolitischen Komponenten wie Reichs42 B A Koblenz, R 2/18872, Denkschrift „Darstellung der Lage der Landwirtschaft in Frieden und K r i e g " vom 20. 1. 1939. 43 Z S t A P o t s d a m , Reichskanzlei, Film 19578, Denkschrift „Die L a g e der bayerischen Landwirtschaft im Frühjahr 1939", Reichsstatthalter von E p p a m 1. 3. 1939 an Lammers. 44 Backe, Nahrungsfreiheit, S. 162. 45 Diesen Aspekt betont Kuczynski, Alltag- Bd. 5, S. 66. 46 Band, I, S. 64. 47 Vgl. ebenda, S. 69, DZW, Bd. 1, S. 198f.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

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nährstand mit Marktordnung und Reichserbhofgesetz waren seit längerem gezielte Bemühungen festzustellen, den im engeren Sinne kriegswirtschaftlichen Mechanismus im Bereich der Landwirtschaft aus der Taufe zu heben. Alle Fakten belegen die immer wieder selbstgefällig von führenden faschistischen Agrarpolitikern und ihren Klienten vorgebrachten Einschätzungen, daß mit 1933 „die Zeit der Pazifierung der Agrarpolitik" beendet w u r d e ; 4 8 „alle Maßnahmen a b 1934 praktisch als Maßnahmen für den totalen Krieg anzusehen" waren. 4 9 S u m m a summarum konstatierte Darré im November 1939: „Die ganze Arbeit der Agrarpolitik seit der Machtergreifung stand bereits unter dem Zeichen der Vorbereitung für einen eventuellen K r i e g . " 5 0

a)

Von August

1939

bis

1941/42

Von grundlegender Bedeutung für die weitere Entwicklung unter den Bedingungen des imperialistischen Krieges war die a m 27. August 1939 herausgegebene „Verordnung über die Wirtschaftsverwaltung" 5 1 , in der Fragen der Ernährung und Landwirtschaft ausführlich Berücksichtigung fanden. § 2 der Verordnung ermächtigte den Reichsernährungsminister für seinen Zuständigkeitsbereich, „Dienststellen, Organisationen der wirtschaftlichen Eigenverwaltung und sonstige Stellen . . . ganz oder teilweise der staatlichen Verwaltung zu unterstellen, in staatliche Verwaltungsbehörden einzugliedern oder aufzulösen". In Abschnitt III wurde die Errichtung von Landes- bzw. Provinzialernährungsämtern bei den jeweiligen Obersten Landesbehörden und die Unterstellung der Reichsnährstandsorganisation unter das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft bzw. die Landesernährungsämter angeordnet. § 9 schließlich bestimmte die Bildung von Ernährungsämtern auf der unteren Verwaltungsebene der Kreise. Die Wirtschaftsverwaltungsverordnung vervollkommnete und fixierte juristisch all die bisher unternommenen Schritte in Richtung auf Konzentration der Verantwortung und Zentralisation des Apparats, die seit 1933 unternommen worden waren. Die nun auch juristische Unterstellung des angeblich „berufsständischen" Reichsnährstandes unter den faschistischen S t a a t s a p p a r a t änderte in der Praxis der täglichen Arbeit k a u m etwas, die er nun, unter den Bedingungen des Krieges, als Unterbau des Reichsernährungsministeriums in einer seit längerem erprobten territorialen und sachlichen S t r u k t u r erfüllte. Hier offenbarten sich wichtige Merkmale des staatsmonopolistischen Kapitalismus, insbesondere die Regulierung und Verteilung der Produktion durch den S t a a t in engem Zusammenwirken mit anderen, speziell geschaffenen Organisationen. Teile des Reichsnährstandes — die Dienststelle des Reichsbauernführers mit dem S t a b s a m t und dem Verwaltungsamt — blieben personell weitgehend erhalten und verblieben auch etatmäßig bei dieser Organisation. 5 2 Sie arbeiteten auf dem Gebiet der politisch-ideologischen und fachlichen Anleitung mit den Abteilungen A der Ernährungsämter zusammen. Bestehen blieb auch die vor allem mit der ideologischen Beeinflussung befaßte Reichshauptabteilung I „Der Mensch" und die ihr nachgeordneten Ressorts in den Landes- und Kreisbauernschaften. 4 8 Meinhold,

S . 7.

49 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 73, Bl. 141, Dok. NG-021, Rede Backes am 6. 2. 1943. 50 Ebenda, Nr. 392, Bl. 12, Dok. NG-453, Denkschrift Darrés „Aufgaben der Produktion in der Landwirtschaft im Kriege". 5 1 RGBl.

1939, I , S . 1495 f f . , 27. 8 . 1939.

52 ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 901, Bl. 235.

Die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft

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Da die vollständige staatsmonopolistische Regulierung des Nahrungsmittelmarktes nur durch die volle Verfügungsgewalt der beauftragten staatlichen Dienststellen über die entsprechenden Agrarprodukte durchführbar erschien, legte am 27. August 1939 eine „Verordnung zur vorläufigen Sicherstellung des lebenswichtigen Bedarfs des deutschen Volkes" 53 faktisch die RationierungD der wichtigen Lebensmittel fest und stellte ZuwiderD handlungen unter strenge Strafen. Am 28. August veröffentlichte der Reichsernährungsminister eine „Verordnung über die öffentliche Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen". 54 Sie stellte de facto bereits vier Tage vor dem Überfall auf Polen die Einführung der Kriegsernährungswirtschaft dar. § 1 bekräftigte die öffentliche Bewirtschaftung zum Zwecke der „Sicherung der Versorgung der Bevölkerung und Wehrmacht mit Lebens- und Futtermitteln" und die Zuständigkeit des Reichsernährungsministers für die Regelung von Erzeugung, Bewirtschaftung und Verbrauch landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Diese umfassende Vollmacht und Zuständigkeit wurde für die Ernährungsämter in § 3 präzisiert, die für die „ordnungsgemäße Wirtschaftsführung in den Erzeugerbetrieben Sorge zu tragen sowie alle Maßnahmen zur Sicherstellung des Anbaus, der Viehhaltung, der Ernte und der rechtzeitigen Ablieferung von Erzeugnissen sowie der Bewirtschaftung und Verteilung zu treffen" hatten. Untergliedert wurde die Arbeit der Ernährungsämter nach § 5 in die beiden Komplexe Bedarfsdeckung und Verbrauchsregelung. Diese beiden Bereiche, in der Praxis als Abteilungen A und Β bezeichnet, wurden für ersteren aus den Produktions- (Hauptabteilung II „Der Hof") und Marktabteilungen (Hauptabteilung III „Der Markt") in den Landes- und Kreisbauernschaften des Reichsnährstandes gebildet, während die Aufgaben des zweiten von staatlichen Dienststellen der Verwaltung wahrgenommen wurden. Unter den insgesamt 37 Paragraphen, die detaillierte Festlegungen enthielten, kam den §§ 21 (Beschlagnahme) und 26 (Sicherung des Vollzugs) besonderes Gewicht zu. Die Beschlagnahme, als wesentliche Voraussetzung für die Bewirtschaftung, begann auf dem Acker und im Stall und endete faktisch erst mit der Aushändigung des Produkts an den Verbraucher. Für die Durchführung der Zwangsmaßnahmen wurde gegebenenfalls polizeiliche Mitwirkung ausdrücklich vorgesehen. Bestimmungen über Auskunftspflicht, Geheimhaltungspflicht und Strafvorschriften vervollständigten diesen Prototyp eines kriegswirtschaftlichen Gesetzes, dessen Anliegen darin bestand, „die politische Knebelung, die verschärfte Terrorisierung und forcierte Manipulierung des Volkes durch eine möglichst umfassende wirtschaftspolitische Regulierung" als dem Hauptzweck aller kriegswirtschaftlichen Gesetzgebung 55 auf einem wichtigen Teilgebiet zu ergänzen. Die Bewirtschaftsverordnung regelte die Verschmelzung der produktions- und verteilungsrelevanten Teile der Reichsnährstandsorganisation mit dem faschistischen Staatsapparat, was die in der Regel durch die Landes- und Kreisbauernführer übernommene Leitung der Ernährungsämter auf der jeweiligen Stufe unterstrich. Dieser ziemlich reibungslose Übergang der erwähnten Teile des Reichsnährstandes dokumentiert eine neue Qualität der Entwicklung des staatsmonopolistischen Lenkungs- und Regulierungsmechanismus im Bereich der Landwirtschaft und muß gleichzeitig als Nachweis für die kriegsorientierte Struktur und Effizienz der Entwicklung dieser Organisation gelten. 53 RGBl. 1939, I, S. 1498, 27. 8. 1939 54 Ebenda, S. 1521, 28. 8. 1939. 55 DZW, Bd. 1, S. 198.

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Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Die Wirksamkeit der gefundenen Konstruktion, die durch eine „funktionelle Verschmelzung der Verantwortlichkeit sowohl für die Erzeugungs- als auch für die Verteilungspolitik" gekennzeichnet war, 5 6 schien aus eben diesem Grund gewährleistet zu sein. Die am 4. September vom Ministerrat für die Reichsverteidigung erlassene Kriegswirtschaftsverordnung 5 7 drohte in ihrem § 1, betreffend „Kriegsschädliches Verhalten", demjenigen, der zum lebenswichtigen Bedarf der Bevölkerung gehörende Rohstoffe und Erzeugnisse — ohne Zweifel fielen landwirtschaftliche Produkte unter diese Sammelbezeichnung — „vernichtet, beiseiteschafft oder zurückhält und dadurch böswillig die Deckung des Bedarfs gefährdet", Gefängnis, Zuchthaus und sogar die Todesstrafe an. Elf Tage nach der Bewirtschaftungsverordnung, am 7. September 1939, wurde ein ganzes Bündel von Verordnungen über die öffentliche Bewirtschaftung der wichtigsten Lebensmittel und sonstigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse erlassen, die alle mit dem 25. September in Kraft traten. 5 8 Im Vollzug des § 36 der Bewirtschaftungsverordnung vom 27. August 1939 legte der Reichsernährungsminister fest, daß die jeweils zuständigen Hauptvereinigungen und Reichsstellen die Bewirtschaftung zu übernehmen hätten. Gleichzeitig enthielten die Verordnungen genaue Anweisungen über die Lebensmittelkarten, die von nun an das Leben der Menschen im faschistischen Deutschland begleiteten. Besonders wichtig als statistisches Planungsmaterial auf Reichsebene waren die sogenannten „Kriegsernährungsbilanzen" 5 9 . Sie wurden im Rahmen der Planungen für ein Kriegswirtschaftsjahr (1. August bis 31. Juli) vom Reichsernährungsministerium erarbeitet und ständig überprüft. Ihre Basis bildeten die amtlichen Ernteschätzungen, die Viehzählungen, die Ein- und Ausfuhrstatistiken, die Berichte der Verwaltungen der okkupierten Gebiete, die Meldungen der Reichsstellen und Hauptvereinigungen über die Vorräte, die Bevölkerungsstatistik und die aktuellen Verbrauchsziffern der einzelnen Verbrauchergruppen. Untergliedert in eine Einnahmen- und Ausgabenseite, wiesen sie einerseits die eigene Ernte, vorhandene Vorräte, die Übergangsbestände aus dem vorhergehenden Wirtschaftsjahr und die Einfuhren aus anderen Ländern, d. h. in der Mehrzahl der Fälle das Raubgut aus Überfallenen Ländern, und andererseits den gesamten Verbrauch der Zivilbevölkerung und der Wehrmacht, die für industrielle Verarbeitung benötigten Mengen landwirtschaftlicher Produkte, Ausfuhren, Saatgut sowie Schwund und andere Verluste aus. Bereits vor Beginn eines neuen Wirtschaftsjahres wurden auf Schätzungen beruhende erste Bilanzentwürfe erarbeitet. Laufende Überprüfungen ergaben relativ frühzeitig Anhaltspunkte dafür, ob die Bilanz ausgeglichen sein würde oder ob mit einem Fehlbetrag zu rechnen sei. Ein solches Ergebnis bildete dann die Grundlage für die Entscheidungen der politischen Führung über notwendige Rationskürzungen bzw. mögliche Rationserhöhungen. Defizite in der Ernährungsbilanz versuchte man auf dem Wege gesteigerter Ausplünderung der okkupierten Länder auszugleichen. Nach Abschluß der Vorarbeiten wurden die Bilanzentwürfe in einer Zusammenkunft von Vertretern des Reichsernährungsministeriums, des Reichsnährstandes, der Hauptvercinigungen und Reichsstellen abschließend besprochen und vom Reichsernährungsminister persönlich genehmigt. Hiernach erfolgten weiter kontinuierliche Kontrollen durch 56 57 58 59

Melzer, S. 54. RGBl. 1939, I, S. 1609, 4. 9. 1939. Ebenda, S. 1609, 4. 9. 1939. Zu den Kriegsernährungsbilanzen ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 550, Bl. 70ff., Dok. IV Β 16, Affid. Hans-Joachim Riecke; Riecke, Hans-Joachim, Ernährung und Landwirtschaft im Kriege, in Bilanz des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1953, S. 338.

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die Hauptvereinigungen und das Reichsernährungsministerium, um bei einschneidenden Veränderungen, ζ. B . bei Mißernten oder nach der Befreiung besetzter Gebiete, neue Bilanzen aufzustellen und entsprechende Rationsveränderungen zu veranlassen. Auch während des laufenden Wirtschaftsjahres erfolgte eine kontinuierliche Überwachung. Eine Abschlußbilanz gab das tatsächliche Aufkommen und den realen Verbrauch wieder. In den ersten Kriegsjahren bestimmten — im Zusammenhang mit der faschistischen Blitzkriegsstrategie zu betrachtende — insgesamt noch vergleichsweise zurückhaltende Methoden das Vorgehen. Das im Zuge der Kriegsvorbereitung entwickelte Instrumentarium wurde weiterentwickelt und veränderten Situationen angepaßt. Gestützt auf das nach Zehntausenden zählende Heer der Reichsnährstandsfunktionäre, die gehalten waren, in den Dörfern eng mit den Bürgermeistern und den Ortsgruppenleitern der N S D A P zusammenzuwirken, wurde durch die Kombination von intensiver Propaganda, Kontrollen und exemplarischen Strafen eine relativ große Effektivität erreicht. Beispielsweise aber war man bemüht, Kontrolle als landwirtschaftliche „Beratung" zu tarnen. Ein solches Beratungswesen 6 0 war ebenfalls bereits in den Vorkriegsjahren im Rahmen der „Erzeugungsschlachten" aufgebaut worden. Aus den Einziehungen zur faschistischen Wehrmacht ergaben sich im Krieg verstärkte Notwendigkeiten für die fachliche Beratung der allein auf dem Hof zurückgebliebenen Bauersfrauen. Andererseits mußten auch viele qualifizierte Fachberater Kriegsdienst leisten. Der Kräftemangel wurde durch die Einbeziehung mittlerweile annektierter Gebiete überfallener Nachbarstaaten in das Beratungssystem verschärft. Bemühungen unterschiedlicher Art um Abhilfe mündeten in eine straffe zentrale Lenkung, Anleitung und Führung durch Ministerium und Reichsnährstand. Bereits im Frühjahr 1940 erließen die verantwortlichen faschistischen Stellen eine verschärfte „Verordnung über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften auf dem Gebiet Bewirtschaftung bezugsbeschränkter Erzeugnisse" 6 1 , die hohe Strafen für Verstöße gegen Anordnungen der Bewirtschaftungsstellen vorsah. Die Ernährungsämter konnten die Strafanträge stellen. Im Zusammenhang mit einer bereits im Oktober 1939 von Himmler an die Polizei ergangenen Anweisung zur Unterstützung des Reichsnährstandes 6 2 stand ein komplettes System von Repressivmaßnahmen zur Verfügung. E s lag ausschließlich an den Möglichkeiten, die sich für die Faschisten aus den Anfangserfolgen ihrer Kriegsmaschine ergaben, daß ein derart umfassendes System der Unterdrückung mit Rücksicht auf die Stimmung und Haltung der Landbevölkerung noch verhältnismäßig vorsichtig angewandt wurde. Unabhängig davon deuteten sich für die Landwirtschaft im Winter 1939/40 erste Probleme an, die sich zwangsläufig aus Einziehungen und aus dem Rückgang in der Belieferung mit Produktionsmitteln für die landwirtschaftliche Erzeugung ergaben. 63 Im Gegensatz zu der faschistischen Propaganda, die von einer absolut gesicherten Ernährungslage ausging, sah Staatssekretär Herbert Backe am 14. Februar 1940 auf einer Sitzung des Generalrats des Vierjahresplanes „in der heutigen Beruhigung der Öffentlichkeit in bezug auf die 60 Vgl. hierzu Z S t A P o t s d a m , F a l l X I , Nr. 392, B l . 50f., Dok. NG-453, Denkschrift D a r r i s „ A u f g a b e n der P r o d u k t i o n in der L a n d w i r t s c h a f t i m K r i e g e " v o m 27. 11. 1939; ebenda, B l . 82, D o k . NG-453, S t e l l u n g n a h m e Darrés z u m „ K r i e g s e r z e u g u n g s p l a n der L a n d w i r t s c h a f t (10. 11. 1939)" v o m 27. 11. 1939. 6 1 RGBl. 1940, I, S . 610, 6. 4. 1940. 62 Melzer, S . 67. 63 Vgl. S . 5 9 6 f f .

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sichergestellte Ernährung die größte Gefahr". 6 4 Um seinen Vorschlägen zur Erhaltung und teilweisen Steigerung der Produktion Nachdruck zu verleihen, macht er auf die „Fehler" im ersten Weltkrieg aufmerksam. Diese hätten dazu geführt, daß damals nach dem Ausbleiben des erhofften schnellen Sieges „die Erzeugungskraft der Landwirtschaft unwiderbringlich dahin" gewesen sei. Vor diesem Hintergrund hielt er es f ü r erforderlich, „daß eine ähnliche Alternative nicht wieder eintritt, zumal auch nach einem kurzen siegreichen Krieg die Nahrungssorgen f ü r lange J a h r e fortbestehen werden." Backes Überlegungen bildeten kurze Zeit später die Substanz von Görings „Appell an das Landvolk", mit dem der deutschen Landwirtschaft fortgeschriebene und präzisierte „Erzeugungsschlachten" als Kriegsprogramm oktroyiert wurden. 65

b) Von 1941¡42 bis 1943 Die militärische Lage Ende 1941, gekennzeichnet durch das Scheitern des „Barbarossa"Planes und die Niederlage der Wehrmacht vor Moskau, nötigte die faschistische Führung, sich auf einen längerfristigen Krieg zu orientieren. Das staatsmonopolistische Leitungssystem in der Kriegswirtschaft wurde im Laufe des ersten Halbjahres 1942 wesentlich umgestaltet. 6 6 In diesem Gesamtzusammenhang sind die Vorgänge um die Ablösung Darrés Anfang Mai 1942 einzuordnen. Unmittelbarer Anlaß waren Schwierigkeiten im Ernährungssektor, die sich in den Rationskürzungen des Frühjahres 1942 niederschlugen. Tatsächlich aber lagen die Gründe tiefer und datierten bereits aus der Vorkriegszeit. Angesichts der Kriegslage wurde die Haltung der faschistischen Führungsclique zu Darré entscheidend beeinflußt von der Meinung über seine Fähigkeiten hinsichtlich praktischer Produktionspolitik und „Ernährungssicherung". Die Effizienz der von Darré betriebenen Politik bezweifelten einflußreiche Repräsentanten des faschistischen Regimes mehr und mehr. 67 Diese argwöhnten, daß seine vordergründige ideologisch orientierte „Blut und Boden"-Politik die Gefahr einer Vernachlässigung der brennenden aktuellen Ernährungsfragen in sich berge. Zugleich tangierten das Fortbestehen der Reichshauptabteilung I als eingeschworene Hausmacht Darrés und die von ihr verfolgte Konzeption einer Sonderstellung der Bauern in der Gesellschaft den Führungsanspruch der faschistischen Partei. 6 8 Mit Staatssekretär Backe war für ein Revirement in der Leitung der Agrarpolitik eine personelle Alternative vorhanden, die bei den sich mehrenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus der Sicht der faschistischen Machthaber bessere Voraussetzungen f ü r eine Politik im Interesse der Fortführung des Krieges bot. Backe hatte seit seiner Übernahme 64 Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 392, Bl. 116f., Dok. NG-1408, Ausführungen Staatssekretär Backes im Generalrat (des Vierjahresplanes J. L.) am 14. 2. 1940. 65 Nationalsozialistische Landpost (im folgenden NS-Landposl), 23. 4. 1940. 66 Vgl. S. 41 ff. 67 Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 546, Bl. 119, Dok. IB 28, Verhör Görings am 6 . 9 . 1 9 4 6 ; Goebbels, Joseph, Tagebücher, S. 205 (19. 5. 1942), S. 208 (21. 5. 1942). Details siehe Lehmann, Untersuchungen, S. 16ff. 68 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 546, Bl. 106, Dok. IB 25, Affidavit Günther Pacyna am 1. 8. 1948; NS-Parteikorrespondenz, Nr. 148, 27.6. 1942. Zur grundsätzlichen Haltung der NSDAP Pätzold/Weißbecker, S. 305, 336 f., 345. Ein Hinweis auf bereits seit längerem vorhandene Reibungen in BA Koblenz, NS 35/4, Abschrift eines Schreibens Darrés an Heß vom 7. 3. 1938.

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in die Führung des Reichsnährstandes und des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft im Jahre 1933 sein Interesse auf land- und ernährungswirtschaftliche Aufgaben und hiermit verbundene wirtschaftspolitische Fragen konzentriert. Bereits in den dreißiger Jahren hatte er auf erzeugungspolitischem und betriebswirtschaftlichem Gebiet die zur Vorbereitung der Landwirtschaft auf den Krieg getroffenen Entscheidungen maßgeblich beeinflußt. Seine Übernahme in den Vierjahresplan-Apparat Ende 1936 hatte seine Einflußmöglichkeiten auf die Agrarpolitik erheblich erweitert. Backe hatte faktisch seit Kriegsbeginn die Führung der Agrarpolitik, der Land- und Ernährungswirtschaft inue. Die formelle Abschiebung Darrés ließ bis zum 20. Mai 1942 auf sich warten. Mit diesem Tage wurde Darre in einen „Krankheitsurlaub" geschickt und gleichzeitig Backe mit der Führung der Ämter Darrés als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, als Reichsbauernführer und als Reichsleiter im Reichsamt für Agrarpolitik der Reichsleitung der NSDAP betraut.69 In einer programmatischen Rede am 27. Juni 1942 in Hannover formulierte Backe in eindeutig gegen Darré zugespitzter Formulierung Grundpositionen seiner Politik: „Die zukünftigen Aufgaben können nicht durch verschwommene Romantik gelöst werden, sondern nur durch einen realen Idealismus. Nicht wer etwas gemacht hat, ist wesentlich, sondern daß etwas gemacht wird. Nicht Prestige oder Zuständigkeit sind entscheidend, sondern allein die Aufgabe an sich." 70 Bestimmend für die Verwendung Backes war seine fachliche Qualifikation, die ihn nach Ansicht der herrschenden Klasse geeignet erscheinen ließ, das ihm übertragene Ressort zu reorganisieren und zu leiten. Weitere „Vorzüge" Backes ergaben sich in den Augen der faschistischen Führungsclique aus der weitgehenden Übereinstimmung mit Himmler in beiderseits interessierenden Grundfragen, insbesondere in der Siedlungs- und „Germanisierungs"politik, aus der engen Zusammenarbeit mit Göring im Vierjahresplan und aus einem positiven Verhältnis zu Bormann, da er den absoluten Anspruch der faschistischen Partei auf die „Menschenführung" auch im agrarischen Bereich bedingungslos respektierte. Dem überzeugten Faschisten Backe wurde die „weltanschauliche und politische Ausrichtung des Landvolkes . . . im Rahmen der Menschenführung der Partei" 7 1 übertragen, wodurch nun „mehr noch als bisher . . . der politische Führungsgrundsatz der Partei hervortreten" 72 konnte. Folgerichtig löste er unverzüglich die bislang noch weiterbestehende Reichshauptabteilung I des Reichsnährstandes auf und übertrug ihre Aufgaben, „soweit es sich um solche der politischen Führung handelt(e)", dem dann im September in „Reichsamt für das Landvolk" umbenannten „Reichsamt für Agrarpolitik" der NSDAP. 73 69 ZStA Potsdam, Pressearchiv des ehemaligen Reichslandbundes, R. W. Darré 12 (alte Signatur). Bl. 59, DNB-Meldung vom 23. 5. 1942. Ausführlicher zu Ablauf und sachlichen Hintergründen der Ablösung Darrés Lehmann, Untersuchungen, S. 15ff., 20ff. und 72ff. 70 NS-Landpost, Nr. 27, 3. 7. 1942. 71 Großdeutscher Pressedienst, Nr. 152, 3. 7. 1942. 72 NS-Parteikorrespondenz, Nr. 148, 27. 6. 1942. Äußerungen Backes nach dem Krieg in Internierungshaft über Differenzen mit Bormann (BA Koblenz, Nachlaß Backe, Nr. 3, Großer Bericht Ziegenhain, 1946, S. 40f.) und eine eindeutig apologetische Eidesstattliche Erklärung Prof. Carl-Heinrich Denckers, Bonn, vom 19. 12. 1948 im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens von Backe (ebenda, Nr. 9) entsprechen den historischen Tatsachen nicht. 73 Völkischer Beobachter, (im folgenden VB), Nr. 249, 6. 9. 1942.

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Aus der Sicht der faschistischen M a c h t h a b e r bot Backe, der „eine Reihe grundsätzlicher Neuordnungen im Agrar- u n d E r n ä h r u n g s s e k t o r v e r k ü n d e t e u n d sich zu einer Konzent r a t i o n u n d zu einer Aktivierung der K r ä f t e b e k a n n t e " , 7 4 d u r c h die konsequente Weiterf ü h r u n g seiner bereits in der Konzeption zur „Erzeugungsschlacht" entwickelten G r u n d sätze die besten Voraussetzungen, die er d u r c h bereits in den dreißiger u n d zu Beginn der vierziger J a h r e entwickelten Vorstellungen ü b e r die Organisation einer den Interessen der deutschen Monopole untergeordneten arbeitsteiligen europäischen L a n d w i r t s c h a f t ergänzte. 7 5 U n t e r der Voraussetzung der von ihm als gegeben b e t r a c h t e t e n „Sprengung der R a u m enge" forderte er den „ E i n s a t z der gesamten deutschen Volkswirtschaft f ü r die Durchf ü h r u n g der deutschen Agrarpolitik m i t d e m Ziele, eine f ü r J a h r h u n d e r t e lebensfähige S t r u k t u r der L a n d w i r t s c h a f t in Mitteleuropa zu erreichen." 7 6 Backe ging bei seiner Konzeption der „ G r o ß r a u m - L a n d w i r t s c h a f t " von einer leistungsfähigen L a n d w i r t s c h a f t in Deutschland aus, die „ m i t ihrem Kampf u m die Nahrungsfreiheit den Weg gewiesen h a t , den auch die übrigen S t a a t e n zu beschreiben h a b e n " . 7 7 Den geraubten u n d okkupierten Gebieten, die „die Rolle des bisherigen W e l t m a r k t e s ü b e r n e h m e n " 78 sollten, wurden „die reichen E r f a h r u n g e n " faschistischer Agrarpolitik zur „zentralen, geordneten F ü h r u n g der gesamten E r n ä h r u n g s w i r t s c h a f t . . . zur V e r f ü g u n g " 7 9 gestellt. Eine kontinentaleuropäische E r n ä h r u n g s w i r t s c h a f t „als Zusammenschluß der Völker gleicher oder verw a n d t e r Rasse u n d gleichen R a u m e s " 8 0 h a t t e n i c h t „die Autarkie jedes einzelnen europäischen S t a a t e s " , sondern vielmehr „die Autarkie des Großraumes K o n t i n e n t a l e u r o p a " 8 1 zum Ziel. Der Machtpolitiker Backe kalkulierte n ü c h t e r n , d a ß bei der gegebenen Dominanz Deutschlands den Opfern solcher Politik k a u m m e h r übrig blieb, als „ n u n m e h r um so m e h r Verständnis f ü r k o n s t r u k t i v e P l ä n e " 8 2 des faschistischen Aggressors zu h a b e n . Ihren deutlichsten Ausdruck f a n d die gegen die Rechte u n d Interessen der europäischen Völker gerichtete Politik Backes in seiner Beteiligung an der P l a n u n g u n d D u r c h f ü h r u n g des verbrecherischen Uberfalls auf die Sowjetunion. Auf landwirtschaftlichem Gebiet w a r dieser R a u b z u g von ihm wesentlich initiiert u n d hauptsächlich zu v e r a n t w o r t e n . 8 3 Backe b r a c h t e f ü r eine solche Aufgabe auf G r u n d seiner H e r k u n f t , seines Lebensweges und seiner Qualifikation — er w a r sogenannter R u ß l a n d deutscher u n d h a t t e sich wissenschaftlich m i t der russischen L a n d w i r t s c h a f t b e f a ß t 8 4 — 74 Zeitschriftendienst des Reichsnährstandes (im folgenden ZD), 29. 6. 1942. 75 Hierzu und zu weiteren Aspekten Lehmann, Joachim, Faschistische Agrarpolitik im zweiten Weltkrieg. Zur Konzeption von Herbert Backe, in ZfG, H. 10/1980, S. 948ff. 76 Deutsche Agrarpolitik (im folgenden DAP), H. 1/1942, S. 7. 77 I nternation ale Agrarrundschau (im folgenden IAR), H. 2/1941, S. 13. 78 DAP, H. 1/1942, S. 7. 79 Bache, Nahrungsfreiheit, S. 235. 80 Ebenda, S. 216. 81 Ebenda, S. 218. 82 IAR, H. 2/1941, S. 11. 83 Band I, S. 2381.; Backe wurde — nach einer bereits vorher geführten Unterredung — am 12. 4. 1941 mit entsprechenden Vollmachten versehen, die „unter allen Umständen strengstens geheim zu halten" waren (BA Koblenz, Nachlaß Darré, Nr. 20, Ermächtigung Backes als Leiter der Geschäftsgruppe Ernährung durch Körner vom 12. 4. 1941, Geheime Reichssache!, Abschrift). 84 Backe hatte 1925/26 eine Dissertation „Die russische Getreidewirtschaft als Grundlage der Landund Volkswirtschaft Rußlands" geschrieben, die dann aber von ihm nicht eingereicht wurde.

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aus der S i c h t und Interessenlage der Monopole besonders gute Voraussetzungen mit. 8 5 Alle Äußerungen Backes in Hinblick auf die U d S S R waren gekennzeichnet von einem blindwütigen Antikommunismus, gepaart m i t einer barbarischen, kaum vorstellbaren Menschenverachtung. 8 6 B a c k e reorganisierte die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft nach seinen Plänen. Auf der Grundlage der „Führererlasse" zur Verwaltungsvereinfachung vom 28. August 1939 und vom 25. J a n u a r 1 9 4 2 8 7 ging er daran, „eine klare Aufgabenverteilung zwischen dem Reichsamt für Agrarpolitik, dem Reichsnährstand und dem Reichsernährungsministerium durchzuführen. Gleichzeitig ergab sich die Möglichkeit grundsätzlicher Verwaltungsvereinfachung und die Gliederung einer einfachen und klaren Organisation, in der alle verfügbaren Kräfte auf das wesentlichste konzentriert werden k o n n t e n . " 8 8 Solch ein Prinzip ermöglichte die Verlagerung auf produktionsrelevante Schwerpunkte ebenso wie das Arrangement m i t der faschistischen Partei, an die die politischen Kompetenzen der nunmehr aufgelösten Reichshauptabteilung I übergingen. Der Reichshauptabteilung I I , in der man die Dienststelle eines Reichsgefolgschaftswartes neu einrichtete, wurden aus der ehemaligen R H A I die „berufliche, soziale, wirtschaftliche und rechtliche Betreuung des Landvolkes einschließlich der Gefolgschaft, des Arbeitseinsatzes und die Durchführung der neuen Bodenordnung" übertragen. 8 9 Eine in der Folge neugebildete R H A I hatte reine Verwaltungsaufgaben und wurde, statt bisher von einem ehrenamtlichen Mitarbeiter, von einem B e a m t e n geleitet. Mit einer Anordnung Backes vom 29. Mai 1 9 4 2 9 0 wurden zudem die seit Kriegsbeginn mehr oder weniger sporadischen Entscheidungen in bezug auf die Verwaltungsvereinfachung durch systematisch angesetzte und durchgreifende Maßnahmen in deutlich erweitertem Umfange und mit erheblicher Konsequenz weitergeführt oder ersetzt. Verfahrenswege wurden durch erhöhte Entscheidungsbefugnis unterer Dienststellen verkürzt und wenig effektive

In Vorbereitung des Überfalls auf die UdSSR veröffentlichte er sie 1941 „Nur für den Dienstgebrauch" im Eigenverlag. In einem neuen Vorwort ging er davon aus, daß die Aufgabe, „ein Großraumeuropa zu schaffen, . . . gebieterisch die Einbeziehung dieses Raumes (des europäischen Teils der Sowjetunion — J . L.) in die großeuropäische Wirtschaft" verlange. „Das Fernziel muß Steigerung der Erzeugung sein, die Nahaufgabe steht aber eisern vor uns : ausreichende Überschüsse für Europa zuliefern" (ebenda, S. I, IV). Weiteres s. Lehmann, Agrarpolitik, S. 54f. ; ferner Brandt, S. 57f- ; Dallin, S. 51. 85 Zu dieser Problematik Lehmann, Untersuchungen, S. 38ff. 86 In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, daß Backe in seinem gewissermaßen persönlichen Rechenschaftsbericht während seiner Internierung diesen Themenkreis völlig ausklammert (BA Koblenz, Nachlaß Backe, Nr. 3, Großer Bericht Ziegenhain, 1946). Vgl. auch Lehmann, Joachim, Zum Aussagewert biographisch-historischer Quellen zur Agrargeschichte des Faschismus in Deutschland, in Probleme der Agrargeschichte des Feudalismus und Kapitalismus, (im folgenden PAFK), T. XIV, Rostock 1982, S. 41 f. 87 Ζ StA Potsdam, RMEL, Nr. 945, Bl. 76ff., Abschrift zu IC 2 - 2 8 2 betr. Verwaltungsvereinfachung (ohne Datum, 1943). 88 Backe, Herbert, Gesunde Agrarpolitik — Voraussetzung einer gesunden Ernährungswirtschaft, in Der Vierjahresplan, H. V/1942, S. 314. 89 Ebenda, S. 314f. 90 Die Angaben folgen Berichten im ZStA, RMEL, Nr. 344, Bl. 76, Abschrift zu IC 2 - 2 8 2 (ohne Datum, 1943), und Nr. 945, Bl. 45ff., Reichsbauernführer an Goebbels am 16. 8. 1944.

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Berichtsverfahren eingestellt. Gänzlich liquidiert wurden der „Persönliche Stab des Reichsbauernführers" und die sieben Hauptabteilungen des Stabsamtes. Darüber hinaus entfielen alle Sonderbeauftragten und Sonderdienststellen ebenso wie etliche Referate und Abteilungen innerhalb der weiterbestehenden Struktur. Nach dem Schema der Berliner Zentrale erfolgte die Umgestaltung der Landes- und Kreisbauernschaften. Ein Nebeneffekt der Rationalisierung des Apparats bestand darin, daß vor allem solche Einrichtungen fortfielen, die prononciert die Positionen Darrés vertreten hatten. Anfang 1943 begann dann eine weitere Konzentration im Bereich der Marktordnung durch die Bildung neuer Zusammenschlüsse und die Zusammenfassung bereits bestehender Hauptvereinigungen und Reichsstellen. 91 Diese Aktion war Mitte Mai beendet, ohne daß sie am Prinzip der bisher verfolgten staatsmonopolistischen Marktregulierung etwas änderte. Ende 1942 wurde das „Institut für europäische Landbauforschung und Ernährungswirtschaft" gegründet, mit dessen Leitung der Hallenser Landwirtschaftsprofessor Emil Woermann betraut wurde. 92 Hauptaufgabe dieses Vierjahresplan-Institutes war im Zuge einer angestrebten Verwissenschaftlichung die Analyse der Land- und Ernährungswirtschaften europäischen Länder, um zu zuverlässigen Angaben über deren Liefermöglichkeiten für die faschistische Kriegsmaschine zu gelangen. 93 Woermann war als Mitarbeiter Backes und im Auftrag des „Mitteleuropäischen Wirtschaftstages" ab 1942 verstärkt vor allem in Südosteuropa unterwegs. 94 Wiederholte Tagungen des Forschungsdienstes befaßten sich ebenfalls mit Problemen der Nutzung des europäischen Landwirtschaftspotentials für die Pläne des deutschen Imperialismus. Von solchen Zusammenkünften wurde berichtet, daß „wirklich brauchbare Ergebnisse für die wirtschaftspolitische Führung" erzielt wurden. 95 Die angespannte Versorgungslage erklärte die große Aufmerksamkeit, dis die faschistische Agrarführung der vollständigen Ablieferung aller Produkte durch die landwirtschaftlichen Betriebe widmete. Die verständlichen Versuche der Bauern, den Ablieferungszwang zumindest teilweise zu durchbrechen, nahmen zu. 96 Für die Ahndung dieser „Vergehen" wurde ein umfangreicher Strafenkatalog angewandt, der die offensichtlich nicht mehr ausreichende propagandistische Beeinflussung mehr und mehr ergänzte und in der Wirkung ersetzte. Drakonische Strafen sollten die Ablieferung erzwingen und die Verbreitung der Hinterziehung eindämmen. Ende 1942 wurde beispielsweise ein Bauer wegen Schlachtung

91 RGBl., I, 7.1. 1943, S. 22, 30. 4. 1943, S. 173, 11. 5. 1943, S. 303. 92 Universitätsarchiv Halle (UAH), Nr. 17209, Personalakte Woermann, Bl. 87. Vgl. auch ZStA, Fall XI, Nr. 143, S. 66, Verhör Hans-Joachim Riecke am 13. 8. 1948. 93 Ebenda und bei Riecke, Hans-Joachim, Ernährung und Landwirtschaft im Kriege, in Bilanz des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg/Hamburg 1953, S. 341 sowie in der Tendenz ähnlich bei Kehrl, S. 206 findet sich die apologetische Behauptung, daß das Institut mit seinen Arbeitsergebnissen zu einer Korrektur überhöhter Lieferforderungen der politischen Führung hätte beitragen sollen. 94 UAH, Nr. 17209, Bl. 81f., Bl. 179ff. 95 DAP, H. 3/1942, S. 96. 96 Staatsarchiv Weimar (StAW), Thüringisches Ministerium des Inneren, Nr. 68, Landrat von Arnstadt am 23. 4. 1942, ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 391, Dok. PS - 914, S. 46, Rede Backes vor Reichs- und Gauleitern der NSDAP am 6. 2. 1943 in Posen.

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eines nicht gemeldeten Schweins zu neun, seine Ehefrau zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. 97 In der Frage des zunehmenden politischen Drucks auf die Landbevölkerung arbeitete Backe engstens mit Bormann zusammen. Am 12. Juni 1942 wies er alle Abteilungen des Reichsernährungsministeriums „mit allem Nachdruck darauf hin, daß es notwendig ist, bei allen wichtigen ernährungswirtschaftlichen Maßnahmen die Parteikanzlei rechtzeitig zu beteiligen. Die angespannte Ernährungslage wird weitgreifende Maßnahmen in den nächsten Monaten erforderlich machen. Diese Maßnahmen werden keinen Erfolg haben, wenn sie nicht seitens der Partei und ihrer Gliederungen rechtzeitig und gründlich politischpsychologisch vorbereitet und untermauert wurden." 98 In der Praxis wurde die faschistische Partei von der Parteikanzlei bis hin zur letzten Ortsgruppe in den Pressionen eingeschaltet. Als ein besonders wirksames Mittel zur Kontrolle des einzelnen Betriebes wurden die sogenannten „Hofbegehungen" angesehen. Bis Mitte 1942 waren die Begehungen nur sporadisch von einem wechselnden Personenkreis vorgenommen worden. Im Sommer 1942 veranlaßte „die für dieses Jahr zu erwartende Versorgungslage" den Reichsbauernführer zu der Forderung, „die Erfassung und Ablieferung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse noch mehr als bisher durch Hofbegehungen sicherzustellen". 99 Im Spätsommer 1942 setzte daraufhin eine verstärkte Propaganda für die Hofbegehungen ein. Ausgehend von den stark erweiterten Aufgaben der Hofbegehungen, als deren Ursache der Krieg und die durch ihn geschaffenen Bedingungen herausgestellt wurden, sprach man offen die Funktion der Begehungen als Hilfsmittel zur Leistungssteigerung an. Grundsätzlich und detailliert nahm der Reichsobmann des Reichsnährstandes, Gustav Behrens, im Frühjahr 1943 zu den umfassenden Aufgaben der Hofbegehungskommissionen Stellung 100 , indem er detailliert die Kontrolle von Erzeugung und Marktleistung regelte. Zusammengefaßt lautete die Aufgabenstellung: „Die höchstmögliche Erzeugungs- und Marktleistung zu erreichen, ist das wesentlichste Ziel des Einsatzes der Hofbegehungskommissionen.'' 101 Ein Problem für die Initiatoren der großangelegten Hofbegehungsaktion ergab sich bei der Auswahl für diesen Zweck geeigneter Personen. Ahnlich wie bei anderen Zwangsmaßnahmen war die Bereitschaft zur Mitwirkung unter der Dorfbevölkerung nicht übermäßig stark. Sah der Einzelne keine Möglichkeit, sich der Mitarbeit in einer derartigen Kommission zu entziehen, so versuchte er in der Regel zumindest alles zu tun, um sich bei Nachbarn oder Verwandten nicht unbeliebt zu machen. Eine solche Sachlage veranlaßte die verantwortlichen Kräfte im Reichsnährstand zu wiederholten Stellungnahmen hinsichtlich der Anforderungen, die an Mitglieder der Hofbegehungskommissionen

97 ZD, Nr. 90, 23. 11. 1942; ähnlich Nr. 14, 22. 2. 1943, StAW, Thüringisches Wirtschaftsministerium, Nr. 304, Preisüberwachungsstelle, 17. 7. 1943. 98 ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 2348, Reichsminister und Reichsbauernführer am 12. 6. 1942 an Abt. I—IX des Reichsernährungsministeriums. Vgl. auch ebenda, Fall XI, Nr. 391, Dok. PS-914, S. 46, Rede Backes vor Reichs- und Gauleitern der NSDAP am 6. 2. 1943 in Posen. 99 Staatsarchiv Magdeburg (im folgenden StAM), Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 118, Schnellbrief des Reichsbauernfiihrers an die Landesbauernschaften vom 17. 7. 1942 betreffend Hofbegehungen. 100 NS-Landpost, Nr. 18, 5. 3. 1943. 101 Ebenda.

590

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

zu stellen seien. Derartige eindringliche Appelle erfolgten sowohl zentral 1 0 2 als auch regional 103 . Zur Instruktion der Kommissionsmitglieder wurden regelrechte Versammlungswellen veranstaltet, in denen den Beteiligten vor allem eine Motivation der durchzuführenden Maßnahmen vermittelt werden sollte. Den Kommissionsmitgliedern wurde es zur Pflicht gemacht, „für die Verbreitung dieser Gedankengänge auch im Rahmen der Hofbegehung weitestgehend Rechnung zu tragen". 1 0 4 Die zentralen Orientierungen bezüglich der Hofbegehungen forderten zunehmend die Beteiligung der Bürgermeister und der Ortsgruppenleiter der faschistischen Partei, um auf diese Weise die Hof- und Flurbegehungen zu einer Rechenschaftslegung der gesamten Ortsbauernschaft werden zu lassen. Im Ergebnis einer solchen Überprüfung sollten alle diejenigen, „welche nicht ordnungsgemäß gewirtschaftet haben", festgestellt und öffentlich angeprangert werden. 105 Die Hofbegehungen erlaubten gleichzeitig die Kontrolle über alle betriebswirtschaftlichen Angaben der Bauern. Falschangaben, ζ. B. bei Viehzählungen, führten zu immer mehr verschärften Strafen. 1 0 6 Im Januar 1943 wurde die Verordnung zur Sicherung der Landbewirtschaftung vom 23. März 1937 neu gefaßt. 1 0 7 Sie verfolgte das Ziel, unter Vereinfachung des Verfahrens Betriebsinhaber zur exakten Befolgung erteilter Produktionsauflagen zu zwingen. Die angedrohten Repressalien reichten bis zur Zwangsversteigerung. 108 Vielfach wurden durch die Dienststellen des Reichsnährstandes Treuhandverfahren gegen säumige Produzenten eingeleitet. Bauern wurden „als Hemmschuh für die Leistungsfähigkeit des Betriebes" diffamiert oder wegen angeblich fehlender Leistung „nicht mehr geduldet". 1 0 9 Zwangsverpachtung, Abmeierung oder Treuhandverwaltung waren für sie das Ergebnis der erklärten Absicht, Betriebe „überwachen, beraten und betreuen zu lassen, um den geordneten Wirtschaftsablauf . . . sicherzustellen". 110 Diese Zwangsmaßnahmen fanden ab 1941/42 zunehmend Anwendung und trafen oft die auf dem Hof verbliebenen Frauen der zum Kriegsdienst eingezogenen Bauern. Bezeichnend für den Klassencharakter dieser Maßnahmen war die unterschiedliche Konsequenz bei ihrer Durchsetzung, die sich in einer sehr viel schonenderen Behandlung von Gutsbesitzern oder -pächtern äußerte. 111 Zur gleichen Zeit widmete die faschistische Agrarführung der „Hofpatenschaft" erhöhte Aufmerksamkeit. An sich als freiwillige Vereinbarung zwischen dem Betriebsleiter oder seinem Stellvertreter und einem Hofpaten als besondere Form der Wirtschaftsberatung 102 Ebenda, vgl. Anm. 67. 103 StAM, Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 118, Landesbauernführer an Kreisbauernschaften, 27. 10. 1943. 104 E b e n d a , Landesbauernführer an Kreisbauernschaften, o. D., betr. Versammlungen 1. bis 6. 2. 1943. 105 E b e n d a , Landesbauernführer an Reichsbauernführer a m 5. 6. 1943. 106 ZD, Nr. 90, 23. 11. 1942. Staatsarchiv Dresden (StAD), Reichsnährstand, Nr. 11, Protokoll einer Dienstbesprechung der Hauptabteilung I I a m 29. 3. 1943. 107 RGBl., I, 20. 1. 1943, S . 29, S. 35. 108 Zeitungsdienst des Reichsnährstandes (im folgenden ZdR), Nr. 36, 15. 2. 1943. 109 S t A W , Landesbauernschaft Thüringen, Nr. 84 b ; Beispiele s. Lehmann, Joachim, Maßnahmen der faschistischen Führung zur Aufrechterhaltung und Steigerung der Produktion in der deutschen Landwirtschaft während des zweiten Weltkrieges, in PAFK, T. V I I , 1977, S. 102, Anm. 17. 110 S t A W , Landesbauernschaft Thüringen, Nr. 220, § 2 der S a t z u n g des „Landwirtschaftlichen Treuhandverbandes für die Landesbauernschaft Thüringen, G m b H . " v o m 16. 3. 1940. 111 Ebenda, Nr. 625, Nr. 677, hierin viele Beispiele für eine derartige Praxis.

Die staatsmonopolistische Organisation der Kriegsernährungswirtschaft

591

gedacht, sollte sie den sich aus den Einziehungen ergebenden fachlichen Problemen bei der Bewirtschaftung abhelfen. U n t e r den Bedingungen wachsender Einberufungen aus der Landwirtschaft bei gleichzeitig erhöhten Forderungen an die Produktion nahm die Übertragung einer Hofpatenschaft in vielen Fällen den Charakter einer Zwangsmaßnahme an, für die die gesetzlichen Bestimmungen jederzeit eine Handhabe boten. Einzelheiten wurden in einer Anordnung des Reichsbauernführers vom F r ü h j a h r 1943 einheitlich geregelt. 1 1 2 F ü r die faschistischen Agrarpolitiker stellte die Hofpatenschaft die höchste F o r m all jener Aktivitäten dar, die in der Propaganda unter der Sammelbezeichnung „Gemeinschaftshilfe" zusammengefaßt wurden. Die „Gemeinschaftshilfe" nahm im Verlaufe des Krieges einen zunehmend umfassenden Charakter an. Handelte es sich anfangs vornehmlich um nachbarliche Hilfeleistungen, beschränkt auf gelegentliche Aushilfen vor allem in E r n t e zeiten, so wurden daraus nach und nach zum Teil Formen der kollektiven Maschinennutzung und begrenzten Arbeitsteilung in den Gemeinden. Zur Verbrämung der elementaren kriegswirtschaftlichen Interessen knüpfte die Propaganda an die verlogene Parole einer „Volksgemeinschaft" an, die die klassenbedingten Interessenunterschiede der großen Mehrheit der Bauern und der herrschenden Klasse kaschieren sollte. B e i der Organisierung und Durchsetzung der „Gemeinschaftshilfe" wurden staatliche Zwangsmaßnahmen und gezielte Propaganda kombiniert eingesetzt 1 1 3 und alle verfügbaren landwirtschaftlichen Organisationen einbezogen. Dennoch sind die verschiedenen Formen der Gemeinschaftshilfe im Vergleich zu anderen Maßnahmen alles in allem als relativ freiwillige Handlungen der Bauern oder ihrer Angehörigen zu beurteilen. Neben dem engmaschigen Netz von beschränkenden Bestimmungen, Maßregeln und massiven Repressionen wandte das Regime unter dem Druck der Kriegsereignisse auch die T a k t i k von Zugeständnissen an. E i n Manöver solcher Art nahm es m i t der Erbhofgesetzgebung vor. Nachdem bereits in der ersten Periode des Krieges geringfügige Modifikationen am Erbhofgesetz vorgenommen worden waren, erfolgte m i t der Erbhoffortbildungs-Verordnung vom 30. September 1 9 4 3 1 1 4 eine entscheidende Korrektur, die einige als besonders ungerecht und drückend empfundene Bestimmungen aufhob oder abschwächte. Dabei handelte es sich vor allem um die Besserstellung der überlebenden Ehegatten, T ö c h t e r und anderer traditionell berechtigter, seit 1933 aber rechtloser Familienangehöriger und die teilweise Durchbrechung des Belastungsverbotes. Vor allem der Beruhigung der eingezogenen Bauern sollten ein „Führererlaß" vom 28. J u l i 1 9 4 2 1 1 5 und eine Verordnung vom 17. März 1 9 4 3 1 1 6 dienen, die den Eigentums- und Besitzwechsel an landwirtschaftlichen Grundstücken erst einschränkten und dann für die Dauer des Krieges untersagten. Eine intensive propagandistische Beeinflussung sollte die Politik der faschistischen Führung möglichst wirksam unterstützen. Die Bedeutung der ideologischen Massenbeeinflussung kam nicht zuletzt darin zum Ausdruck, daß neben einer umfangreichen Nutzung des Rundfunks die vielfältigen Publikationsorgane des Reichsnährstandes 112 ZD, Nr. 16, 1. 3. 1943. 113 StAW, Thüringisches Wirtschaftsministerium, Nr. 189, Bl. 10, Landrat Arnstadt am 12. 3. 1942, StAM, Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 184, Mitteilung 5/43 der Landesbauernschaft vom 4. 1. 1943. 114 RGBl., I, 30. 9. 1943, S. 549. 115 RGBl., I, 28. 7. 1942, S. 481. 116 RGBL, I, 17. 3. 1943, S. 144. 39

Eichholtz II

592

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

erhalten blieben, obwohl in anderen Bereichen Zeitungen und Zeitschriften bereits in erheblichem Umfange ihr Erscheinen einstellen mußten. Die Niederlagen der Jahre 1942 und 1943 führten auch unter der Landbevölkerung zu einer realistischeren Beurteilung der Lage. Als Indiz dafür können die verbreiteten Versuche gelten, das engmaschige Netz der Erfassung und Ablieferung zu durchbrechen. Das Regime setzte dagegen in engem Zusammenwirken seine propagandistische Beeinflussung, massiven Druck und Terror sowie in bedingtem Maße auch Zugeständnisse ein — letztlich untaugliche Mittel, die auch auf diesem Gebiet „immer krasser zutage tretenden Widersprüche zwischen dem Potential der faschistischen Kriegswirtschaft und den Kriegszielen des deutschen Imperialismus zu überbrücken". 117

3. Die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft u n d die Arbeitskräftesituation Einer komplexen und umfassenden Analyse der Entwicklung der Sozialstruktur und der wichtigsten sozialökonomischen und ökonomischen Kennziffern in der deutschen Landwirtschaft unter den Bedingungen des imperialistischen Krieges stellen sich bisher bedeutende Hindernisse entgegen. Während für die Weimarer Republik und die ersten Jahre der faschistischen Diktatur des Monopolkapitals in Deutschland die in dieser Richtung zu stellenden Fragen ihre grundsätzliche Beantwortung gefunden haben, 118 bleibt für die Zeit des Krieges wegen der komplizierten Quellenlage das Problem offen. Die fehlenden statistischen Unterlagen in dieser Hinsicht für die Kriegsjahre und die Tatsache, daß die nach dem Kriege durchgeführten Erhebungen wegen vielfältiger, zum Teil methodischer und zum Teil territorialer Veränderungen einen repräsentativen Vergleich nicht zulassen, erlauben auf der Grundlage der bisher aufgefundenen Quellen keine befriedigenden Aussagen in Hinblick auf das eingangs erwähnte Problem. Die bisher zur Geschichte der deutschen Landwirtschaft im Kriege vorgelegten Arbeiten widerspiegeln diese Situation deutlich. 119 Wenngleich also Aussagen etwa zur Entwicklung der einzelnen Betriebsgrößenklassen, zur Anwendung von Lohnarbeit, zur Maschinenanwendung oder zum Viehbesatz in den einzelnen Kriegsjahren nicht möglich sind, erscheint es doch denkbar, auf der Grundlage eines verstreuten, teilweise auch fragmentarischen und damit in seiner Aussage gelegentlich eingeschränkten Materials die Produktionsbedingungen der Landwirtschaft im Kriege an Hand der Bereitstellung von Landmaschinen und Geräten, mineralischem Dünger und der Möglichkeiten zum Einsatz von Arbeitskräften zu kennzeichnen. 117 Grundriß der deutschen Geschichte, S. 473. 118 Vgl. Jatzlauk, S. 44ff., 182ff. 119 Vgl. insbesondere Peuker, Eduard/Starck, Heinz, Die Rolle der landwirtschaftlichen Produktion und Nahrungsgüterwirtschaft in der Kriegsvorbereitung des deutschen/westdeutschen Imperialismus, Diss. Β, Hochschule für Ökonomie Berlin-Karlshorst, Berlin 1973, auch Melzer, Lehmann, Untersuchungen, und Hanau/Plate, Farquharson, S. 221ff.

593

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

a)

Betriebsgrößenstruktur

Die Gruppierung der landwirtschaftlichen Betriebe nach Umfang der ihnen zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Nutzfläche birgt Gefahren in sich. Diese liegen in der Anwendung des Nutzflächenumfanges als einziges Kriterium unter den Bedingungen einer kapitalistischen Landwirtschaft. 120 Die Außerachtlassung solch wichtiger Merkmale wie Anwendung von Lohnarbeit, Maschinenanwendung, Großviehbesatz u. ä. müssen bei der intensiven Landwirtschaft, mit der wir es zu tun haben, dann zu einem verschleierten und verzerrten Bild führen, wenn man von einer ausschließlichen Einteilung auf der Grundlage der landwirtschaftlichen Nutzfläche weitgehende Schlußfolgerungen hinsichtlich der Sozialstruktur ableiten will. Unter diesen einschränkenden Prämissen darf deshalb die nachfolgende Beschreibung der Betriebsgrößenverhältnisse nur bedingt als Charakterisierung der sozialen Struktur gesehen werden. Wegen fehlender Unterlagen für die Zeit des Krieges muß auf die Erhebung aus dem Jahre 1939 zurückgegriffen werden. Tabelle 157 Zahl und landwirtschaftliche Nutzfläche nach Betriebsgrößenklassen, Deutsches Reich 1939 Zahl 0 , 5 - 2 ha 2 5ha 5 - 20 ha 20 - 1 0 0 ha über 100 ha

1136098 932898 1332291 412191 36064

Gesamt

3849542

% 29,5 24,2 34,6 10,7 0,9 100

LNF in ha 1123486 2820222 11751043 11063192 6283905 33041848

% 3,4 8,5 35,6 33,5 19,0 100

0 LNF 0,99 3,02 8,82 26,84 174,24 8,58

Quelle: Statistik des Deutschen Reiches, Bd. 560, S. 54.

Bei der Betrachtung der Aufstellung fällt besonders die Relation zwischen proletarischen und kleinbäuerlichen Betrieben auf der einen und mittel- und großbäuerlichen Betrieben auf der anderen Seite in bezug auf die Anzahl dieser Wirtschaften und von ihnen bearbeiteten landwirtschaftlichen Nutzfläche ins Auge. Während erstere beiden Größengruppen bei einem Anteil von 53,5 Prozent an der Zahl der Betriebe über ganze 11,6 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche verfügten, standen den anderen beiden Gruppen bei einem Anteil von 45,4 Prozent an der Zahl 69,7 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Verfügung. Die nur 1,1 Prozent aller Betriebe ausmachenden kapitalistischen Großbetriebe gar konnten 18,6 Prozent der Fläche nutzen. Am Vorabend des zweiten Weltkrieges bot die Landwirtschaft, nicht zuletzt im Ergebnis von sechs Jahren faschistischer Agrarpolitik, das Bild einer nach wie vor im Vergleich zur Industrie bedeutend zersplitterten Produktion. Der Proletarisierungsprozeß war seit der Machtübertragung an den Faschismus ebenso vorangetrieben worden wie die kapita120 Vgl. Lenin, Das kapitalistische System der modernen Landwirtschaft, in: Werke, Bd. 16, S. 431 ff-, ders., Neue Daten über die Entwicklungsgesetze des Kapitalismus in der Landwirtschaft, I. Folge: Kapitalismus und Landwirtschaft in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Werke, Bd. 22, S. 51 f., Dillmtz, Sigrid, Die Struktur der Bauernschaft von 1871 bis 1914. Dargestellt auf der Grundlage der deutschen Reichsstatistik, in: JfG, 1973, Bd. 9, S. 50ff., Jatzlauk, S. 44 ff. 39·

594

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

listische Konzentration. Dies äußerte sich in der Erhöhung der Zahl der Betriebe und der Zunahme der Betriebsfläche der Größengruppen von 10 bis 100 Hektar. 1 2 1 Dieses Ergebnis zeigte sich jedoch „weniger in der Konzentration der Bodenbewirtschaftung als vielmehr in der Konzentration der Arbeitskräfte, der Viehbestände und der Maschinen in den Betrieben über 20 ha Betriebsfläche." 1 2 2 Für die Annahme, daß sich im Grundgefüge der für 1939 skizzierten Struktur während des Krieges nichts gravierend veränderte, gibt es verschiedene Anhaltspunkte. Einmal muß in diesem Zusammenhang der tatsächliche Umfang von Veränderungen in der viel längeren Zeit zwischen den Kriegen in Betracht gezogen werden. 123 Zum anderen gilt es, konkrete Bestimmungen im Bereich des Bodenrechtes zu berücksichtigen. Bereits im Juli 1940 wurde eine Reichspachtschutzordnung erlassen, 124 deren Zielstellung wohl primär in einer weitgehenden Einschränkung des Pachtwechsels zur Sicherung einer kontinuierlichen Produktion zu sehen ist. Ein zwei Jahre später veröffentlichter „Erlaß des Führers über die Einschränkung des Verkehrs mit landwirtschaftlichen Grundstücken" 1 2 5 zielte in die gleiche Richtung, wobei zusätzlich noch der Aspekt einer Beruhigung der zum Kriegsdienst eingezogenen Bauern ausdrücklich Berücksichtigung fand. Eine neuerliche Verordnung von März 1943 1 2 6 untersagte schließlich von diesem Zeitpunkt an unter Bezug auf den Erlaß vom Juli 1942 den gesamten, bisher noch möglichen eingeschränkten Besitzwechsel an Grund und Boden.

b) Die landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Produktionsmittel Bodennutzung Im Unterschied zur Betriebsgrößenstruktur ist die Entwicklung der Bodennutzung für die Jahre 1939 bis 1944 zu belegen. Die in den nachfolgenden Abschnitten zu untersuchende Anwendung von Landtechnik, Versorgung des Bodens mit Nährstoffen und die Lage bei den Arbeitskräften sind als Bedingungen landwirtschaftlicher Produktion immer Vor dem Hintergrund der Nutzung des Hauptproduktionsmittels Boden in der Landwirtschaft zu sehen. (Tabelle 158) Bereits in den Jahren der Kriegsvorbereitung seit 1933 hatte die landwirtschaftliche Nutzfläche laufend abgenommen. Die erhebliche Zunahme von 1939 zu 1940 erklärt sich durch die Annexion dieses Zeitraumes. In den Jahren des Krieges setzte sich die Abnahme der landwirtschaftlichen Nutzfläche fort. Im Vergleich beider Zeiträume ist der bedeutend größere Umfang des Rückgangs zu konstatieren, der erst von 1943 zu 1944 etwas gebremst wurde, als es zunehmend an die Substanz der Produktionsmöglichkeiten überhaupt gifgDieser Prozeß muß in Relation zur Entwicklung des Umfanges von öd- und Unland betrachtet werden. Während dieser Teil des Bodenfonds von 1933 bis 1939 in steigendem 121 122 123 124 125 126

Kotow, S. 124 ff. Jatzlauk, S. 179. Vgl. die Grundaussagen bei Jatzlauk. RGBl. 1940,1, S. 1065, Verordnung zur Vereinheitlichung des Pachtnotrechtes v o m 30. 7. 40. RGBl. 1942, I, S. 481, 28. 7. 42. RGBl. 1943, I, S . 144, 17. 3. 43.

595

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation Tabelle 158 Bodennutzung 1933—1944, Reichsgebiet 1937' (ausgewählte Positionen in ha) Jahr

Landw. Nutzfläche

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

28863297 28781322 28752377 28746842 28724103 28537175 28535469 28729683 28646826 28576574 28498233 28459376

öd- und Unland 1504897 1486664 1460438 1430978 1394363 1305363 1197851 1213240 1213591 1226290 1244332 ca. 1250000

Wege und Eisenbahnen

Übungs-, Flugpl. etc.

1474270 1481036 1488486 1503638 1473574 1548320 1556622 1565904

326528 386446 363870 415009 ca. 499000

* Ab 1940 einschließlich des annektierten Sudeten- und Memelgebietes. Quelle: Statistical Handbook of Germany, Office of Military Government of Germany, Ministerial Collecting Center, Economics Division, Fürstenhagen 1946, La A II 2. Dieses zweisprachige hektographierte, lediglich für den Gebrauch der amerikanischen Militärregierung verbreitete Material enthält als eine Art Vorläufer von Statistisches Handbuch von Deutschland 1928—1944, Herausgegeben vom Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebietes, München 1949, teilweise umfangreicheres und detaillierteres statistisches Material als dieses.

Tabelle 159 Bodennutzung 1933—1944 (Gliederung der landwirtschaftlichen Reichsgebiet 1937 (ausgewählte Positionen in ha) Jahr

Ackerland

Wiese

Weide

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

19839428 19715563 19404563 19421771 19408527 19176513 19125667 19163465 19063844 18867184 18736069 18682604

5625829 5623072 5658841 5641284 5607530 5586646 5637431 5632174 5712761 5628295 5658174 5982418

2653734 2681263 2909887 2902905 2914848 2926095 2895188 3066754 3120147 3197164 3211783 3126350

Quelle: Statistical Handbook, La A II 1.

Nutzfläche)

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

596

Maße reduziert werden konnte, nahm er im Verlaufe des Krieges seit 1940 in wachsendem Maße zu. Die teilweise Unterbrechung dieser Entwicklung von 1943 zu 1944 erklärt sich aus der gleichzeitigen Abbremsung der Entwicklung bei der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Wesentlich für die hier interessierenden Zusammenhänge ist die Entwicklung der Fläche für Verkehrsbauten sowie für Übungs- und Flugplätze. Die hier ausgewiesenen Zahlen, die ab 1940, m i t einer, den Trend n i c h t widerlegenden Ausnahme, eine stetige Zunahme erkennen lassen, belegen einen Landbedarf vor allem für militärische Zwecke. B e i der Betrachtung der landwirtschaftlichen Nutzfläche für den hier interessierenden Zeitraum fallen ebenfalls bedeutsame Veränderungen auf. (Tabelle 159) Der Anteil des Ackerlandes verringerte sich von 1940 bis 1944 um ca. 4 8 1 0 0 0 Hektar. Dieser Prozeß verlief in den einzelnen J a h r e n uneinheitlich und wurde von 1943 zu 1944 ebenfalls erheblich in seinem Ausmaß reduziert. Die sich gleichzeitig vollziehende Zunahme des Umfangs von Wiesen und Weiden glich den Verlust an Ackerfläche nicht voll aus. Die Ursachen für die Veränderungen in der S t r u k t u r der landwirtschaftlichen Nutzfläche müssen primär und entscheidend in der noch zu untersuchenden Entwicklung der Arbeitskräftelage und der Situation auf dem Betriebsmittelsektor gesucht werden. Dauergrünland erforderte einen wesentlich geringeren Technikeinsatz und Aufwand an Arbeit im allgemeinen, qualifizierter Arbeit im besonderen. In diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, daß die Ausweitung der Fläche des Dauergrünlandes parallel lief m i t einer E i n schränkung der Ackerweide und des Futteranbaus auf dem Ackerland. 1 2 7 Das Hauptproduktionsmittel Boden verzeichnete also während des gesamten Kriegsverlaufes eine laufende Abnahme des Anteils der landwirtschaftlichen Nutzfläche am Gesamtbodenfonds, ein Prozeß der innerhalb der landwirtschaftlichen Nutzfläche seine Widerspiegelung beim Anteil des Ackerlandes fand. In beiden Fällen wurde der Verlauf vom J a h r e 1943 zu 1944 quantitativ abgebremst, da eine weitere Reduzierung im bisherigen Tempo die Grundlagen der Ernährung entscheidend gefährdet hätte.

Landmaschinen

und Geräte

Die in Vorbereitung des Krieges zu verzeichnenden Bemühungen um die Steigerung der Agrarproduktion erforderten objektiv eine quantitativ wie qualitativ gesteigerte Maschinenanwendung. Die eingeleiteten Maßnahmen in dieser Richtung brachten relative Erfolge insofern, als zwar eine Zunahme der Maschinen in der Landwirtschaft erreicht wurde 1 2 8 , das Niveau der technischen Ausrüstung im Vergleich zur Industrie jedoch niedrig war und wegen der Ertragslage der Landwirtschaft hinter den aus den Forderungen an die Landwirtschaft abzuleitenden Notwendigkeiten und den Liefermöglichkeiten der Industrie zurückblieb. Die eindeutige Sachlage zwang führende faschistische Agrarpolitiker zu entsprechenden Eingeständnissen. 1 2 9 Die forcierte Aufrüstungspolitik verhinderte den Vollzug des technischen Fortschritts sowohl entsprechend den gesellschaftlichen 127 Woermann, Emil, Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Ernährungswirtschaft, in: DAP, Heft 4/5, 1944, S. 117. 128 Vgl.Melzer, S. 207ff.; Zampe, S. 282f.; Pfahl/Wilke, S. 38f., 79ff., 148, Jatzlauk, S. 305, Klemm u. a., Agrargeschichte, S. 136 f. 129 Vgl. Rede Darrés auf dem VI. Reichsbauerntag, in: NS-Landpost, 2. 12. 1938; Backe, N'ahrungsfreiheit, S. 196 ff.

597

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

Erfordernissen als auch in bezug auf die angestrebte Ernährungsautarkie, 130 machte „die Anwendung moderner Maschinen . . . zur Steigerung der natürlichen Fruchtbarkeit der Erde unmöglich." 131 Unter den Erzeugungsbedingungen des Krieges kam dem Einsatz landwirtschaftlicher Technik bei den Versuchen zur Aufrechterhaltung und Steigerung der Produktion besondere Bedeutung zu. Die aus den Niederlagen der faschistischen Wehrmacht 1941/42 und verstärkt 1942/43 herrührenden Anforderungen an die Landwirtschaft und die aus der konkreten Ernährungssituation abgeleiteten Auflagen zur Steigerung des Hack-, Ölfruchtund Zwischenfruchtanbaus waren bei permanenten Arbeitskräfteproblemen ohne umfassenden Maschineneinsatz nur unter größten Schwierigkeiten zu erfüllen. Der Absatz landwirtschaftlicher Maschinen entwickelte sich im Kriege wie aus Tabelle 160 ersichtlich. Tabelle 160 Jährlicher Absatz von Landmaschinen (in 1000 1938

1939

RM)

1940

1941

1942

1943

1944

465256 542785 (in %, 1939=100)

491047

504875

493027

459177

263075

85,7

90,4

93,0

90,7

84,5

48,4

100,0

Quelle: The Effects, S. 218, Tab. 17 u. S. 219, Tab. 18.

Einem deutlichen Rückgang unmittelbar nach Kriegsbeginn folgte eine Steigerung — die auch im Zusammenhang mit dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 und deren Ausplünderung zu sehen ist — und hieran anschließend ab 1942 ein unaufhaltsames und zunehmendes Absinken bis 1944. Zur Ermittlung der tatsächlichen Zuführung von Landmaschinen an die Landwirtschaft in Deutschland ist der Auslandsabsatz landwirtschaftlicher Maschinen heranzuziehen. Tabelle 161 Jährlicher Export von Landmaschinen (in 1000

RM)

1938

1939

1940

1941

1942

1943

1944

40900

42500

32000

56800

103900

-

37300

Quelle: The Effects, S. 219, Tab. 20.

Die effektive Belieferung der deutschen Landwirtschaft sank also noch schneller als der Gesamtabsatz, da der Export hiervon abzuziehen ist. Der Exportanteil scheint immer relativ hoch geblieben zu sein, wie der Vergleich von 1938 und 1944 ergibt. Wenngleich die Spitzenwerte von 1941 und 1942, verbunden mit dem Höhepunkt faschistischer Expansion, nicht mehr erreicht wurden, blieb das Vorkriegsniveau doch annähernd 130 Hoernle, Edwin, Der deutsche Faschismus zerstört die Landwirtschaft, in: Kommunistische Internationale, H. 2/1939, S. 178ff., zitiert bei Melzer, S. 207. 131 Ders., Bauern unterm Hakenkreuz, in: Edwin Hoernle — Bauernbefreiung, S. 493.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

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erhalten. 1 3 2 Der Zwang zur vollen Ausnutzung aller noch im faschistischen Machtbereich liegenden landwirtschaftlichen Ressourcen scheint bei deren zunehmender Beschränkung durch das siegreiche Vordringen der Sowjetarmee und im Ergebnis des Befreiungskampfes der Völker Südosteuropas diese Entwicklung stimuliert zu haben. Auch der Vergleich des Absatzes von Landmaschinen m i t dem des Gesamtmaschinenbaus verdeutlicht die Einschränkung dieses Maschinenbauzweiges. Betrug das Verhältnis 1938 noch 4 6 9 , 8 zu 4 9 3 1 , 9 Millionen RM, so war es 1944 eines von 306,4 zu 5 4 3 9 , 3 Millionen RM. 1 3 3 E i n e r Steigerung des Gesamtmaschinenbauabsatzes von 10,3 Prozent stand eine Verringerung bei Landmaschinen von 34,8 Prozent — bei einem gleichzeitigen Rückgang des Landmaschinenanteils am Gesamtabsatz von 9,5 auf 5 , 6 Prozent — gegenüber. E i n e Vorstellung von der Einschränkung der Produktionskapazität vermittelt ein Vergleich der Beschäftigtenzahl in der Landmaschinenindustrie. Diese sank von 6 5 5 0 0 im J u l i 1939 Tabelle 162 Entwicklung der landwirtschaftlichen Eisenkontingente 1939—1944 (Grundkontingent, enthaltend, Landmaschinen, Schlepper, Ernährungswirtschaftliche Maschinen, Verpackung, Unterhaltungsbedarf der landwirtschaftlichen Betriebe) Quartal und Jahr

Menge in t

1/39 11/39 II 1/39 IV/39 1/40 11/40 III/40 IV/40 1/41 11/41 III/41 IV/41 1/42 II 42 III/42 IV/42 1/43 11/43 III/43 IV/43 1/44 11/44 III/44 IY/44

200000 200000 200000 130000 149500 154750 153350 159850 169838 197000 187000 174000 174250 174000 174000 165000 154500 121994 124500 90500 92500 88500 89000 61000

Quelle: ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 1583, Bl. 53. 132 Es muß angemerkt werden, daß die Angaben für Landmaschinen in The Effects, Statistical Handbook und Statistischem Handbuch offensichtlich wegen unterschiedlicher Provenienz ζ. T. erhebliche Abweichungen zeigen, die bei der gegebenen Quellenlage nicht verifizierbar sind. 133 Statistisches Handbuch, S. 2961.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

599

auf 37100 im Januar 1944,134 d. h. auf 56,6 Prozent des Standes von 1939, wobei zu beachten ist, daß auch diese Beschäftigten nicht mehr ausschließlich mit der Fertigung von Landmaschinen befaßt waren. Die Lage in Teilbereichen der Produktion entsprach der Gesamtsituation. Verluste an Produktionsstätten durch Bombenangriffe, der Ausfall bislang okkupierter Gebiete als Rohstoffquelle, vor allem aber die Priorität der Rüstung bedingten ein rapides Absinken der Landmaschinenproduktion. Eine Grundbedingung für die Produktion landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte stellte die entsprechende Materialbereitstellung dar. Bei der Beurteilung der Wirksamkeit von Materialkontingenten ist zu beachten, daß sie wegen der angeführten Gründe keineswegs mehr dem Produktionsgewicht entsprachen. (Tabelle 162) Der laufende Abbau der Kontingente wurde unterbrochen durch eine gewisse Aufstockung im Zuge der Vorbereitung und der ersten Phase des Überfalls auf die Sowjetunion mit dem Ziel, für deren umfassende Ausplünderung auch landwirtschaftstechnisch gerüstet zu sein. Diese Entwicklung stagnierte Mitte 1942 und mündete in einen, nur von geringfügigsten Aufstockungen unterbrochenen, permanenten Abbau bis Ende 1944 ein. Eine prozentuale Berechnung macht dies noch deutlicher. Ende 1944 standen schließlich noch gut 30 Prozent des Kontingentes von Anfang 1939 zur Verfügung. Für ein reduziertes „Kriegsbauprogramm" weniger Typen waren vor diesem Hintergrund folgende Produktionsergebnisse zu verzeichnen: Tabelle 163 Fertigungszahlen

von Landmaschinen

(int)

Quartal

1/43

IV/43

11/44

% von 1/43

Drillmaschinen Dreschmaschinen Vielfachgeräte Grasmäher Mähbinder Kartoffelroder Molkereimaschinen

4750 7750 6240 10000 15000 9400 2672

1225 1400 860 7000 1900 1000 1500

600 700 400 1500 850 500 750

13 9 7 15 6 5 29

Quelle: ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 1595/1, Bl. 25.

Diese Fertigungszahlen sind relevanter als die Zuteilungskontingente an das Reichsernährungsministerium, da die eingeschränkten Produktionskapazitäten der Industrie eine Verarbeitung selbst der verringerten Zuteilungen immer weniger zuließen. 135 Ein bereits 1928 durch das Reichsernährungsministerium ins Leben gerufene „Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft" (RKTL) war im Rahmen der Kriegsvorbereitung bei der Untersuchung landtechnischer Fragestellungen mit dem Themenkomplex der Typisierung, Normung, Materialeinsparung und Serienfertigung befaßt gewesen. Unter den Bedingungen des Krieges und vor dem Hintergrund der aufgezeigten 134 The Effects, Appendix, S. 222, Tabelle 23. 135 Vgl. Lehmann, Joachim, Probleme der Versorgung der deutschen Landwirtschaft mit Landmaschinen und Geräten im zweiten Weltkrieg, in JfW, 1981, T. 1, S. 65.

600

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Materialzuteilung mußten diese Probleme an Bedeutung gewinnen. Staatssekretär Backe orientierte in diesem Zusammenhang darauf, unter Verzicht auf Neuentwicklungen und der damit verbundenen Stagnation des technischen Niveaus dafür zu sorgen, „daß genügend Maschinen für die gesamte Landwirtschaft bereitgestellt werden, um die notwendige Tiefenwirkung zu erzielen." 136 Mit dieser Zielstellung forderte er umfassende Typisierung und hiermit einhergehende Serienproduktion. 137 Die durch den Krieg entstandenen Bedingungen begünstigten auch die bislang an der profitorientierten Konkurrenzsituation gescheiterten Vorhaben der Serienfertigung und Typenbereinigung. Daraus ergaben sich Folgen für die konkurrierenden Hersteller dergestalt, daß nur noch „erfahrene Produzenten mit Service" im Geschäft blieben,138 was in der Regel bedeutete, daß die ökonomisch stärksten und einflußreichsten Produzenten zumindest vorerst ihre Positionen behaupten und ausbauen konnten. Es ist der Erwähnung wert, daß ausgerechnet Otto Sachs von der marktbeherrschenden Firma Lanz, gleichzeitig Leiter des Sonderausschusses Ernährungswirtschaftliches Gerät, besondere Verdienste um die Typenbereinigung bescheinigt wurden. 139 Der Zusammenhang mit dem Ausbau der Monopolstellung von Lanz, die im Gegensatz zu kleineren Produzenten für die Serienfertigung bestens gerüstet war, liegt auf der Hand. Gerade die Großen der Branche nutzten die Rationalisierungsbemühungen zur rigorosen Ausschaltung schwächerer Konkurrenten mit dem Hinweis auf angebliche Erfordernisse des Krieges. Gleichzeitig wurde unter dem Credo „Entscheidend ist nicht staatliche Lenkung, sondern Unternehmerinitiative" argwöhnisch darüber gewacht, daß die „unternehmerische Freiheit" nicht angetastet wurde. Das erklärte Ziel bestand darin, „die Bewegungsfreiheit der Unternehmer unter Erhöhung ihrer Selbstverantwortung zu fördern mit dem Zweck, in unternehmerischer Selbstverwaltung die größtmögliche Leistungssteigerung zu erreichen." 140 Dieser Forderung nach weitergehender Einschaltung von Monopolvertretern in diesen staatsmonopolistischen Lenkungsapparat wurde im Zuge der Vereinfachungsmaßnahmen im staatlichen Lenkungsapparat durch eine Anordnung des Bevollmächtigten für Maschinenproduktion entsprochen, 141 wodurch auch die Möglichkeiten für den zunehmenden Konzentrationsprozeß in der Landmaschinenindustrie sich verbesserten. Das Organ des unter dem Vorsitz des engen Backe-Mitarbeiters Hans-Joachim Riecke stehenden RKTL, „Technik in der Landwirtschaft", vertrat in einem redaktionellen Vorwort zu einem Beitrag von Otto Sachs folgende Auffassung: „Die deutsche Landtechnik, bisher aufgelockert in ihrem Gefüge, sehr vielgestaltig, aber mit vielen Parallellinien, konzentriert sich unter der Wucht des Krieges. Konzentration aber bedeutet Verdichtung und Härte." 142 Mit dieser Entwicklung folgte die Landmaschinenindustrie dem allgemeinen Trend in der Kriegswirtschaft des faschistischen Deutschland 1942/43.143 136 137 138 139 140 141 142 143

Backe, Nahrungsfreiheit, S. 175. Derselbe, Technik und Landwirtschaft, in: Odal, H. 4/1941, S. 257. Der Vierjahresplan, H. V/1942, S. 236. ZSTA Potsdam, RMEL, Nr. 2009, Bl. 36, Material für Ehrenpromotion Otto Sachs, o. D. (September 1942). Hanke, WJMüller, H., Unternehmerinitiative und staatliche Lenkung in der Landmaschinenindustrie, in: Technik in der Landwirtschaft, H. 1/1943, S. 2. Erwähnt ebenda. Ebenda, H. 7/43, S. 95. DZW, Bd. 3, S. 235ff.

601

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

Besorgten Stimmen 1 4 4 wegen der möglichen nachteiligen Folgen von Konzentration und Serienproduktion für den technischen Fortschritt wurde massiv entgegengetreten. Otto Sachs verneinte rundweg einen Stillstand in der Landtechnik und verwies auf durch den Krieg ausgelöste „schöpferische Initiative", 1 4 5 während Riecke die staatsmonopolistische Arbeitsteilung in der Weise kennzeichnete, daß er dem Staat die Grundlagen- und Sonderforschung zuwies und der Industrie deren praktische Anwendung und Umsetzung bei gleichzeitiger Koordinierungsfunktion des RKTL 1 4 6 . Bereits 1942/43 begannen sich Probleme bei der Verarbeitung der zugeteilten Materialkontingente abzuzeichnen. Tabelle Eisen-

164 und Stahlkontingente

Strohpressendraht Kartoffelkörbe landw. Ketten Schaufeln/Spaten Gabeln Sicheln Sensen Pflugschare Eggenzinken Maschinenersatzteile

für ausgewählte

landwirtschaftliche

Bedarfsartikel

(Einsatzgewicht

Kontingente IV/42 u. 1/43

Lieferungen ab 1. 10. 42 bis 31. 3. 43

Rückstand am 31. 3. 43

4 500 2500 4040 900 2800 280 900 17321 1400 889

2092,5 1385,2 2794,2 385,5 1925,8 83,2 650,4 14001,1 681,9 454,3

2407,5 1114,8 1245,8 514,5 874,2 148,8 249,6 3319,9 718,1 434,7

in t )

Quelle: ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 1582, Bl. 167.

Die Ursache hierfür muß in der Konkurrenz der mit absoluter Priorität versehenen Rüstung gesehen werden. 147 Die Materialzuteilung entsprach also keineswegs mehr der realen Produktion. Ungeachtet dessen wurde ein zäher Kampf um die Stahlkontingente geführt. Kürzungen veranlaßten Backe bereits im Sommer 1942 zu einer Grundsatzerklärung gegenüber Rüstungsministcr Speer. 148 Die in ihr berücksichtigten Argumente, bezogen auf die essentielle Funktion der Landwirtschaft in der faschistischen Kriegswirtschaft, fanden auch in der Folgezeit immer wieder Anwendung. Dem Argument der immer mehr beschränkten Produktionskapazität begegnete Backe mit einer Stellungnahme des Bevollmächtigten für die Maschinenproduktion Karl Lange, der zu diesem Zeitpunkt 144 Als Beispiel für die ab 1943 wiederholt deutlich werdenden Sorgen um ein Zurückbleiben auch der Forschung mit der hieraus abgeleiteten Forderung zur Errichtung einer staatlichen Einrichtung, etwa einer Reichsstelle für Landmaschinenforschung, Freiherr von Ow, Um die deutsche Bauerntechnik, in: Technik in der Landwirtschaft, H. 6/1943, S. 89ff. 145 Sachs, Otto, Stillstand in der Landtechnik, ebenda, H. 7/1943, S. 9 5 f f . 146 Riecke, Hans-Joachim, Kritik, ebenda, H. 8/1943, S. 121 f. 147 ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 1595/1, Bl. 68, Backe an Speer am 21. 10. 43. Er machte darauf aufmerksam, daß als Ergebnis umfassender Produktionsbeschränkungen „der größte Teil der Kapazität der Landmaschinenfabriken nunmehr für die Rüstung zur Verfügung steht." 148 Ebenda, Nr. 1941, Bl. 129f., Backe an Speer am 20. 8. 42.

602

Die d e u t s c h e L a n d w i r t s c h a f t i m K r i e g e

die Verarbeitung des von Backe geforderten Kontingentes glaubte zusichern zu können. 149 Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Klagen aus den Landesbauernschaften unternahm das Reichsernährungsministerium ständig Vorstöße in dieser Hinsicht. 150 Die Gesamtlage veranlaßte Backe bereits Anfang 1943, als das ganze Ausmaß der Einschränkungen noch nicht abzusehen war, zu dem Eingeständnis, daß alles, was in Zukunft an Maschinen und Geräten noch zu erwarten sei, nicht produktionsentscheidend sein könnte. 1 5 1 Agrarpolitiker haben wiederholt ihre Forderungen nach gesteigerter Landmaschinenproduktion oder doch zumindest der Erhaltung des bestehenden Ausstattungsgrades mit eindrucksvollen Zahlen hinsichtlich der Möglichkeiten zur Steigerung der Arbeitsproduktivität zu untermauern versucht. 1 5 2 Das Fehlen elementarer Voraussetzungen mußte diese Argumentation letztlich wirkungslos machen. Die faschistische Agrarführung suchte einen Ausweg aus der durch die reduzierte Landmaschinenerzeugung entstandenen Lage in der oktroyierten Nachbarschafts- oder Gemeinschaftshilfe und der Bildung nachbarlicher oder genossenschaftlicher Maschinengemeinschaften. Eine solche Form der Erschließung materiell-technischer Produktionsreserven, im Grundsatz bereits vor dem Krieg begonnen, 153 wurde nun bedeutend intensiviert. Sie „entsprach dem Profitstreben der großen Maschinenbesitzer und stellte ein mit halbfeudalen Elementen — Abarbeit, Handdienste, Produkten rente — durchsetztes kapitalistisches Produktionsverhältnis dar". 1 5 4 Solche von der Nazipropaganda als praktizierte „Volksgemeinschaft" mißdeutete Kooperation brachte die Faschisten in Argumentationsschwierigkeiten, 155 da „einige geistig irrlichternde Gemüter" hierin eher „den Anfang eines Weges zur Kollektivierung" zu erblicken meinten. 156 Das durch Treibstoffprobleme erzwungene Ausweichen auf tierische Zugkraft 1 5 7 äußerte sich in der zunehmenden Zahl eingestellter Pferde und in einem steigenden Ochsenbestand. 1 5 8 Ganz wesentlich war die Entwicklung durch den Rückgriff auf die in höchster Weise intensivierte Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft durch alle Arten der Handarbeit gekennzeichnet. Vor allem die massenhafte Zwangsarbeit von Ausländern und Kriegsgefangenen bot für den deutschen Imperialismus diesen „Ausweg". Die erhöhte Arbeitsbelastung auch der deutschen Werktätigen in der Landwirtschaft darf in diesem Zusammenhang nicht übersehen werden. Das technische Potential der deutschen Landwirtschaft erlitt im Kriege durch reduzierte Ausstattung, Veralterung wegen fehlender Ergänzung und erheblich erhöhten Verschleiß ganz entscheidende Einbußen, die sich relativ langfristig auswirkten. Schon 1941 hatte Backe, bezogen auf Untersuchungen des Instituts für Konjunktur149 E b e n d a , B l . 132. 150 Vgl. Lehmann,

P r o b l e m e , S . 75.

151 Z S t A P o t s d a m , F a l l X I , N r . 391, B l . 40, D o k . P S - 9 1 4 , R e d e B a c k e s vor den Reichs- u n d G a u l e i t e r n der f a s c h i s t i s c h e n P a r t e i a m 6. 3. 43 in P o s e n . 152 B e i s p i e l s w e i s e e b e n d a , Nr. 411, Doli. R - 1 2 4 , B l . 1 3 6 f . , A n l a g e zur 39. S i t z u n g der Z e n t r a l e n P l a n u n g a m 23. 4. 1943. 153 Melzer, S . 211. 154 DZW, B d . 2, S . 321. 155 Lehmann, M a ß n a h m e n der faschistischen F ü h r u n g , S . 89 ff. 156 S t a a t s a r c h i v S c h w e r i n (im f o l g e n d e n S t A S ) , S o n d e r a r c h i v „ V d g B " , N r . G 80, A b s c h r i f t a u s ZdR, N r . 244, 1. 12. 43, Backhaus, Karl-Heinz, Deutsche Agrarpolitik stärkt Leistungsbcreitschaft. 157 The Effects,

S . 133.

158 Statistisches

Handbuch,

S . 190.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

603

forschung, berechnet, daß der Investitionsbedarf der deutschen Landwirtschaft nur auf dem Gebiet landwirtschaftlicher Maschinen und Geräte ca. 12 Milliarden Reichsmark betrage. 159 Die Größenordnungen des Problems werden, bezogen auf die 8,4 Milliarden Gesamtinvestitionen der Landwirtschaft im Zeitraum 1925 bis 1934, deutlich. Die volkswirtschaftlichen Dimensionen erhellen aus dem Umstand, daß durch immer geringere Zuführung von Landmaschinen und mit erhöhter Belastung verbundenem wachsenden Verschleiß der Investitionsbedarf mit jedem Kriegsjahr nur zunehmen konnte. Behauptungen von einer ausreichenden Landmaschinenherstellung bis 1943, einer gesicherten Ersatzteilversorgung und einer den Erfordernissen genügenden Rohstoffzuteilungspolitik des Reichsernährungsministers 160 wurden durch diese Tatsachen widerlegt.

Düngemittel

Wegen ihrer, bezogen auf die Betriebsgröße, vergleichsweise universalen Anwendungsmöglichkeiten kam den Düngemitteln eine besondere Bedeutung zu. Mineralische Handelsdünger waren in den dreißiger Jahren an der Versorgung der Böden mit den wichtigsten Pflanzennährstoffen mit etwa 60 Prozent beteiligt. Mit der „Verordnung zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung" vom 9. November 1939 161 wurden die erfolgreichen Bemühungen um verstärkte Nutzung von Handelsdünger weitergeführt. Die Bedeutung der Mineraldünger ließen sie in Grundsatzdokumenten faschistischer Agrarpolitik im Kriege entsprechende Berücksichtigung finden. 162 Einer kurz nach Kriegsbeginn durchgeführten Analyse, die die Veränderungen herausstellte und negative Folgen verminderter Düngergaben unterstrich, Schloß Darré die dringende Forderung nach dem Neubau von Stickstoffwerken und nach erhöhter Phosphateinfuhr an. 163 Einige Monate später kennzeichnete Backe die angespannte Versorgung mit Handelsdünger, um dadurch eine verbesserte Versorgung durchzusetzen. 164 Der Generalbevollmächtigte für Sonderfragen der chemischen Erzeugung, Carl Krauch, dagegen glaubte zu diesem Zeitpunkt, von einer „gesicherten Düngemittelversorgung" ausgehen zu können. 165 Zwei Jahre später war die Entwicklung offensichtlich. Ende April 1943 mußte Woermann in der Zentralen Planung 166 die entscheidenden Rückgänge in der Stickstoff- und Phosphat-

159 160 161 162

163 164 165 166

Vgl. Backe, Nahrungsfreiheit, S. 197f. Vgl. Riecke, Ernährung und Landwirtschaft, S. 343. RGBl., Teil I, S. 2261. Ausführlicher hierzu Lehmann, Joachim, Produktionsbedingungen der deutschen Landwirtschaft im zweiten Weltkrieg. Das Beispiel Düngemittel, in: WZ der Univ. Rostock, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, H. 7/8/1979, S. 479f. ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 392, Bl. 52, Dok. NG-453, Denkschrift „Die Aufgaben der Produktion der Landwirtschaft im Kriege" vom 27. 11. 1939. Ebenda, Bl. 103ff., Dok. NG-1408, Ausführungen im Generalrat (des Vierjahresplanes, J. L.) am 14. 2. 40. NS-Landpost, 16. 2. 40 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 411, Bl. 129f. Dok. R-124, Referat „Die Ernährungslage und die Voraussetzungen zur Erhaltung der Produktionsleistung der deutschen Landwirtschaft", 39. Sitzung der Zentralen Planung am 23. 4. 43.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

604

Versorgung konstatieren. Die Kalilieferungen waren bis zu diesem Zeitpunkt relativ ausreichend geblieben. Woermann unterstrich seine ernsten Bedenken mit dem Hinweis, daß weitere Einschränkungen in der Düngerversorgung zu einem nicht nur proportionalen, sondern ständig zunehmenden Rückgang der Erträge führen müssen. Der aus eigener Produktion zu gewinnende Kalidünger konnte von der Landwirtschaft in folgendem Umfange verbraucht werden. Tabelle 165 Kaliverbrauch (in 10001 Reingehalt 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943

K20)

719 820 949 941 1156 1256 1216 1366 1225 1348 1150

Quelle: Hanau/Plate, S. 21. Zusammengestellt auf der Grundlage von Statistiken im Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich, Wirtschaft und Statistik sowie unveröffentlichten Zusammenstellungen des Reichsernährungsministeriums. Vergleiche ergaben weitgehende Übereinstimmungen mit anderweitig verfügbaren Material unterschiedlicher Provenienz.

Der Verbrauch wurde ab 1937 entscheidend erhöht und lag auch während des Krieges bis 1943, bei Schwankungen in den einzelnen Jahren, zwischen 34 und 59 Prozent über dem Durchschnittsverbrauch der Jahre 1933 bis 1936. Hier spielt der Versuch, durch erhöhten Kalieinsatz den akuten Phosphormangel wenigstens teilweise auszugleichen, eine bestimmende Rolle. Diese Entwicklung verdeutlichen auch die Hektarverbrauchszahlen. Diese Quelle läßt größere Schwankungen erkennen. Eine für 1943 ausgewiesene nochmalige Tabelle 166 Verbrauch und Produktion von Kali 1939

1940

1941

1942

1943

Kaliverbrauch (pro ha LNF in kg K 2 0) 37,42 31,26 38,82 36,67

39,33

Veränderungen in Prozent gegenüber 1929 -16,5 +3,7 -2,0

+5,1

Quelle: Auskunft des Vereinigten Betriebsarchivs des VEB Kombinat Kali, Staßfurt, Brief vom 6. 5. 75.

Produktionsbedinguiigen, Arbeitskräftesituation

605

Steigerung des Hektarverbrauchs stünde hiernach im Zusammenhang mit einer erweiterten Gesamtproduktion im Vorjahr. Der landwirtschaftliche Kalkverbrauch zeigte folgendes Bild: Tabelle 167 Kalkverbrauch (in 1000t Reingehalt CaO) 1936/37

1937/38

1938/39

1939/40

1940/41

1673,8

2052,8

1966,9

1866,9

2251,9

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 187.

Auch hier fällt die bedeutende Zunahme ab 1937 auf bei uneinheitlicher Entwicklung in den beiden ersten Kriegsjahren. Nach den vorhandenen Unterlagen ist davon auszugehen, daß man bemüht war, 1942/43 und 1943/44 das Niveau von 1940/41 zu halten. Sowohl Kali als auch Kalk wurden aus inländischen Ressourcen gewonnen. Bei Phosphorsäure lag eine völlig andere Situation vor. Abgesehen von Thomasmehl als einem Nebenprodukt bei der Stahlgewinnung, bestand in diesem Fall absolute Importabhängigkeit. Der Phosphordüngerverbrauch nahm nachstehende Entwicklung. Tabelle 168 Phosphorsäureverbrauch (in 1000 t Reingehati P20 ) 462 1933 1934 545 636 1935 1936 606 1937 690 762 1938 454 1939 1940 351 1941 319 1942 340 1943 335 Quelle: Hanau/Plate,

S. 21.

Nach der Erhöhung 1937 trat unmittelbar mit Kriegsbeginn ein gravierender Rückgang ein, der, bezogen auf 1937 und 1938 34 bzw. 40 Prozent ausmachte. Im Verhältnis zum Durchschnitt der Jahre 1933 bis 1936 betrug er immerhin auch fast 20 Prozent. Bis 1941 setzte sich der Abbau fort. In diesem Jahr stand nur noch etwa 57 Prozent des Durchschnittsverbrauchs von 1933 bis 1936 zu Buche. 1942 kam es zu einer geringfügigen Aufstockung, die auch 1943 gehalten wurde. Die bis 1942 reichenden Berechnungen Woermanns für den Hektarverbrauch vermitteln bis zu diesem Zeitpunkt das Bild eines einheitlichen und nichtsdestoweniger rapiden Rückgangs der Phosphordüngeranwendung.

606

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Tabelle 169 Verbrauch an Phosphorsäure (in kg Reinstickstoff pro ha

LNF)

1938

1939

1940

1941

1942

24,0

26,7

15,8

12,3

11,8

Quelle: Woermann, Emil, Zehn Jahre Erzeugungsschlacht und Ernährungswirtschaft, in: H. 4,5/1944, S. 118.

DAP,

Die m i t Kriegsbeginn einsetzende einschneidende Verbrauchsdrosselung fällt dabei besonders ins Auge. Stickstoff nahm wegen seiner unmittelbaren und schnellen Wirksamkeit, der breiten Möglichkeit der Anwendung und seiner hohen E f f e k t i v i t ä t bei Ertragssteigerungen unter den Handelsdüngemitteln eine Sonderstellung ein. Die Bedingungen des Krieges verstärkten diese Rolle. Durch den verstärkten Hackfruchtanbau und die Ausweitung der Ölpflanzenflächen wuchs seine Bedeutung. Tabelle 170 Verbrauch an Stickstoff (in 10001 Reingehalt N) 1933/34 1934/35 1935/36 1936/37 1937/38 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

382,9 426,8 490,7 571,7 634,4 718,2 704,4 675,6 661,0 600,0 482,0

Quelle: Werte bis 1940/41, Statistisches Handbuch, S. 187, für 1941/42, ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 411, Dok. R-124, Bl. 55, Protokoll der 20. Sitzung der ZP vom 29. 10. 42, für 1942/43, ebenda, Bl. 86, Protokoll der 29. Sitzung der ZP vom 18. 11. 42, für 1943/44, ebenda, Bl. 197, Protokoll der 57. Sitzung der ZP vom 18. 5. 44. Die Zunahme des Verbrauchs erfolgte in den dreißiger J a h r e n kontinuierlicher, wenngleich auch hier m i t einem deutlichen Sprung zu 1937. Bezogen wiederum auf den Jahresdurchschnitt 1933 bis 1936 wurde bei Kriegsbeginn mehr als die Hälfte zusätzlich verbraucht. Nun setzte ein stetiger Rückgang ein, der sich ab 1942/43 zunehmend erhöhte. 1943/44 war fast das Niveau von 1933 bis 1936 erreicht. Eine andere wichtige Quelle für die Geschichte der faschistischen Kriegswirtschaft ergibt in der Verbrauchsmenge erheblich abweichende, für die prozentuale Entwicklung in den J a h r e n 1942/43 und 1943/44, bezogen auf 1938/39, aber fast identische Werte. (Tabelle 171) Die Hektargaben gingen von 21,5 kg 1938/39 auf nur noch 11,5 kg im J a h r e 1943/44 zurück. 1 6 7 167 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg, S. 264.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation Tabelle 171 Verbrauch an Stickstoffdünger 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 "geschätzt

607

(in 1000 t)

745 841 789 739 632 501 *

Quelle: The Effects, Werte an.

S. 87, Tab. 52. Hanau/Plate,

S. 21, geben ab 1941 ζ. T. bedeutend niedrigere

Die Zusammenhänge mit der Gesamtsituation erhellt ein Vergleich mit der Entwicklung des direkten Wehrmachtsverbrauches. Tabelle 172 Direkter Wehrmachtscerbrauch 1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

an Stickstoff (in

10001)

35 47 84 108 165 235

Quelle: The Effects, S. 88, Tab. 53. Die Steigerung des Wehrmachtsbedarfs um ca. 6 7 0 Prozent im J a h r e 1943/44, bezogen auf 1938/39, und immerhin noch 5 0 0 Prozent, bezogen auf 1939/40 als Basisjahr, dokumentieren die direkte Konkurrenz des imperialistischen Krieges. Die Lage im Transportwesen wirkte sich unter den Bedingungen der Priorität militärischer Transporte, zunehmender Verluste und Zerstörungen durch Luftangriffe zunehmend beschränkend auf den Eisenbahntransport der Düngemittel aus. 1 6 8 Das Regime unternahm vielfältige Anstrengungen, um die zunehmend geringeren Düngermengen möglichst effektiv einzusetzen. Aus sogenannten Härtefonds wurden zusätzlich zu den immer geringeren Kontingenten bestimmte Mengen zugeteilt. Aber auch die Härtefonds wurden in Abhängigkeit von der Gesamtsituation laufend reduziert. Grundlage für die Zuteilung von Zusatzkontingenten bildete die Hofkarte und entscheidend die Marktleistung des Betriebes. Härtefonds, ursprünglich nur für Stickstoff und Phosphordünger vorgesehen, wurden 1943 auch für Kali gebildet. Die Einführung eines Systems von Bezugskarten sollte den administrativen Vollzug des Zuteilungsverfahrens sichern. Eine Pressekampagne unterstützte derartige Lenkungsmaßnahmen. Die Nutzung des anfallenden Wirtschaftsdüngers wurde als Ausgleich für die fehlenden Mineraldünger propagiert. Dem nach Q u a n t i t ä t und Qualität unterschiedlich in jedem Betrieb anfallenden Dung kam bei der Milderung der Folgen des Stickstoffausfalls B e deutung zu. Der Stickstoffgehalt des Stallmistes war im Kriegsverlauf jedoch auch zurück168 Vgl. Lehmann, 40

Eichhol U l i

Produktionsbedingungen, S. 483 ff.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

608

gegangen. Das lag vor allem an der rückläufigen Eiweißversorgung der Viehbestände m i t entsprechenden Folgen für die Qualität des Stallmistes. Die Stickstoffdüngung wiederum beeinflußte entscheidend den Eiweißertrag des Grünlandes. Hier war ein Kreislauf durchbrochen. Die Bedeutung des Düngerproblems führte zu seiner laufenden Erörterung auch in der faschistischen Führungsspitze. 1 6 9 Freilich konnten dabei die unlösbaren Widersprüche zwischen beschränktem Potential und Rüstungserfordernissen auf der einen und dringendstem landwirtschaftlichen Bedarf auf der anderen Seite nicht gelöst werden. Dies wird beispielsweise erkennbar bei dem Vorschlag, „wenigstens vorübergehend diese Folgen der ungenügenden Kaliversorgung etwas abzuwenden . . . durch besonders gute Bodenbearbeitung und Kulturmaßnahmen den Kaligehalt des Bodens stärker aufzuschließen, soweit diese Maßnahmen unter den Kriegsverhältnissen durchführbar sind". 1 7 0 Diese Verhältnisse nun waren bestimmt von der dargestellten Lage in der Landtechnik und der noch zu untersuchenden Arbeitskräfteproblematik. Die dabei gegebenen Sachzwänge ließen derartige Absichten kaum realisierbar erscheinen. Die bei Düngemitteln besonders deutliche und an die Substanz gehende kriegsbedingte Unterversorgung m i t landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wurde bereits unmittelbar nach Kriegsende bestätigt. 1 7 1 E s lag dabei in der N a t u r der Sache, daß die Wirkung der Unterversorgung der Böden, der an ihnen getriebene Raubbau, schon unmittelbare, vor allem aber Langzeitwirkungen zeigten. Dieser Umstand — begünstigt durch die meteorologische Situation 1944/45 — ließ die katastrophalen Folgen des Raubbaus b e i den Hektarerträgen voll erst nach Kriegsende zutagetreten.

c)

Arbeitskräfte

Die deutsche Landwirtschaft hatte seit Jahrzehnten durch die Landflucht erhebliche Einbußen an Arbeitskräften erlitten. Diese Tendenz verstärkte sich unter den Bedingungen intensiver Rüstung und Kriegsvorbereitung. Von 1933 bis 1939 verringerte sich die Zahl land- und forstwirtschaftlicher Berufsangehöriger um fast 1,5 Millionen. Dieser Aderlaß ließ den Arbeitskräftemangel schon vor 1939 zum „zentralen agrarpolitischen P r o b l e m " werden. 1 7 2 Die hieraus erwachsenden Schwierigkeiten versuchte das faschistische Regime bereits vor dem Kriege auf zwei grundsätzlichen Wegen zu bewältigen. E s handelte sich dabei um die Erschließung deutscher Arbeitskräftereserven und — in dem Maße, wie diese aus unterschiedlichsten Gründen mehr und mehr erschöpft waren — um die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte. Die Zahl der statistisch erfaßten Ausländer in der Landwirtschaft nahm ab 1937 sprunghaft zu. Mit fast 1 9 0 0 0 0 stellten sie 1938/39 mehr als 43 Prozent aller ausländischen Arbeiter in Deutschland. 1 7 3 169 Beispielsweise ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 1941, Schnellbrief Backes vom 20. 8. 42 an Speer; Nr. 2039, Fernschreiben Bormanns vom 19. 4. 1942 an Backe. Besprechung zwischen Speer und Hitler am 1. und 13. bis 15. 5. 1943, zitiert in: Deutschlands Rüstung, S. 252, S. 264. 170 Becker, Α., Gegenwartsfragen der Kalidüngung, in: Die Landware, Nr. 178, 10. 12. 43. 171 The Effects, S. 133. 172 StAW, Landesbauernschaft Thüringen, vorl. Nr. 301, Landesbauernführer Peuckert auf einer Dienstbesprechung der Leiter der Arbeitsämter am 10./11. 9. 1942 in Weimar, S. 1. 173 Vgl. Lehmann, Joachim, Ausländische Arbeiter in Deutschland 1933 bis 1939. Zum Umfang, zur Entwicklung und Struktur ihrer Beschäftigung, in Fremdarbeiterpolitik des Imperialismus, (im folgenden FAP) H. 8, Rostock 1980, S. 19.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

609

Der vom faschistischen deutschen Imperialismus entfesselte Krieg bot nun neue Möglichkeiten, die lange und unrühmliche Tradition der Ausländerbeschäftigung in der Landwirtschaft in bisher unbekanntem Ausmaß und in einer neuen verbrecherischen Qualität fortzusetzen. Der Drang nach der besonders profitablen Ausbeutung ausländischer Arbeiter wurde zusätzlich dadurch stimuliert, daß die deutsche Landwirtschaft im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweigen besonders stark von Einziehungen zur faschistischen Wehrmacht betroffen war. Bereits in der ersten Periode des Krieges mußten 40 bis 45 Prozent der männlichen Arbeitskräfte Kriegsdienst leisten. 174 In Thüringen lag die Zahl am 1. Mai 1941 bei 64 Prozent und wurde für 1. Februar 1942 mit 80 bis 85 Prozent aller wehrpflichtigen landwirtschaftlichen Arbeitskräfte angenommen. 175 Die zunehmenden Verluste, besonders an der deutsch-sowjetischen Front, mußten die Lage verschärfen. Ende 1942 betrug die Zahl der uk-Gestellten aus der Landwirtschaft 647 657. 1 7 6 Das waren 12,3 Prozent aller als unabkömmlich geltenden Männer der Jahrgänge 1897 bis 1925, ein vergleichsweise bescheidener Anteil für einen so wichtigen Zweig der Volkswirtschaft. In den ersten vier Monaten des Jahres 1943 mußte die Landwirtschaft mit 96024 Bauern und Landarbeitern wiederum den relativ höchsten Beitrag zu Neueinziehungen leisten. 177 Es bleibt zudem zu beachten, daß neben den quantitativen Einbußen ein zahlenmäßig nicht auszudrückender Verlust an Fachwissen und Qualifizierung eintreten mußte. Unmittelbar nach Entfesselung des Krieges wurde die Masse der polnischen Kriegsgefangenen in die Landwirtschaft gelenkt und zivile Arbeitskräfte aus Polen in Aussicht gestellt. 1 7 8 Dabei spielte die Einbringung der Hackfruchternte ebenso eine Rolle wie die vorliegenden Erfahrungen mit Ausländern, die den Apparat des Reichsnährstandes und des Reichsernährungsministeriums im Zusammenspiel mit den Arbeitseinsatzbehörden schnell wirksam werden ließen. Maßlose Forderungen der Agrarführung, Backe verlangte beispielsweise am 20. Dezember 1939 die Deportation von 1,5 Millionen polnischer Landarbeiter zum Einsatz in der deutschen Landwirtschaft, 1 7 9 wirkten sich durchaus aktivierend auf die Verschleppungen aus, ohne daß das angestrebte Ausmaß zu diesem Zeitpunkt erreicht wurde. Trotz des Zwangseinsatzes der Ausländer nahm der Ersatzbedarf der Landwirtschaft in Abhängigkeit von den Einziehungen laufend zu. Anfang 1942 wurde er auf 8 6 0 0 0 0 Arbeitskräfte beziffert. 1 8 0 Mindestens 6 0 0 0 0 0 davon sollten durch Zwangsdeportationen bereitgestellt werden. Diese Aufgabe sollte der zum Generalbevollmächtigten für den Arbeits174 Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 415, Bl. 140, Dok. PS-1456, v. Zitzewitz-Muttrin als Vertreter der Landwirtschaft auf einer Industriellenberatung bei General Thomas am 3. 1. 1941. 175 StAW, Landesbauernschaft Thüringen, vorl. Nr. 301, Zuarbeit Dr. Thein für Landesbauernführer Peuckert, betr. Arbeitseinsatz, vom 7. 1. 42. 176 ZStA Potsdam, Film Nr. 19481, zitiert in DZW, Bd. 3, S. 186. 177 Ebenda, Film Nr. 3583, Bericht des GBA vom 9. 6. 1943, zitiert in ebenda, S. 212. 178 Staatsarchiv Magdeburg (im folgenden StAM), Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 244, Bl. 75, Reichsbauemführer an Landesbauernschaften vom 21. 9. 39, Bl 77. Reichsbauernführer an Landesbauernschaften vom 23. 9. 39. 179 Seeber, S. 117. Ebenda, S. 114ff. ausführliche Darlegungen zur frühen Phase der Entwicklung. Umfangreiches Material in den Dokumentationen Praca przymusowa Polaków pod panowiem Hitlerowskim 1939—1945, Documenta Occupationis X , Poznañ 1976, PoJozenie polskich robotników przymusowych w Rzeszy 1939—1945, Documenta Occupationis IX, Poznan 1975. 180 StAW, Landesbauernschaft Thüringen, vorl. Nr. 301, Peuckert auf einer Dienstbesprechung der Leiter der Arbeitsämter am 10./11. 9. 1942 in Weimar, S. 2. 40«

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

610

einsatz 1 8 1 ernannte Gauleiter v o n Thüringen, Fritz Sauckel, lösen, dem für die Belange der Landwirtschaft der thüringische Landesbauernführer Rudolf Peuckert als „Beauftragter für den Arbeitseinsatz in der Landwirtschaft und

Kriegsernährungswirtschaft"

zur Hand ging. Das Bemühen um den Arbeitskräftebedarf der Landwirtschaft fand seinen Niederschlag in dem am 20. A p r i l 1942 veröffentlichten Programm Sauckels. 182 Ausgehend von dem „Grundsatz", „ S a a t und Ernte des deutschen Bauerntums und aller unter deutscher Kontrolle stehenden europäischen Gebiete m i t dem Ziel höchster Erträge zu sichern", wurde als „ L ö s u n g " aus dessen Sicht nun „neben der totalen Erfassung aller deutschen Arbeitskräfte die Hereinnahme fremder Arbeitskräfte zur dringendsten N o t wendigkeit". Die zeitliche Festlegung der Zwangsarbeitertransporte auf die Monate Mai und Juni sollte sichern, „daß die Hereinnahme fremder Arbeitskräfte . . . auch für die landwirtschaftlichen Arbeiten im Sektor der deutschen Ernährungswirtschaft noch unter allen Umständen

wirksam

werden kann".

Die in Verwirklichung

dieses

Programms

einsetzende brutale Menschenjagd in weiten Teilen Europas erbrachte, verbunden m i t einer wahren Sklaverei für die Opfer, folgende Ergebnisse, die den bisher erreichten U m f a n g der Zwangsarbeit für Zivilisten noch bedeutend ausweiteten. Tabelle 173 Arbeitskräfte in der deutschen Landwirtschaft 1939—1044 (ohne Handel, Molkereien, Forst etc.), Stichtag 31. 5. jeden Jahres, Reichsgebiet 1. 9.1939 (in 1000) 1939

,

Arbeitskräfte (Deutsche, Ausländer, Kriegsgefangene Männer, Frauen) 10850 Männer 4671 Frauen 5979 Deutsche 10732 Ausi. u. Kriegsgef. 118

Fischfang,

1940

1941

1942

1943

1944

10345 4641 5703 9684

10360 4839 5520 8949 1411

10898 4897 6002 8969 1929

10973 4746 6227 8743 2230

10862 4507 6355 8460 2402

661

Quelle: Statistical Handbook, Part I, Β, 1 a—f, zur kritischen Analyse der Angaben zum Umfang der Deportationen und des Zwangsarbeitereinsatzes s. Kap. IV, Abschn. 2 c sowie Seeber, S. 89 ff. Trotz der zu machenden Einwände hat sich für die vergleichende Betrachtung des gesamten Kriegszeitraums die Heranziehung dieser Quelle bewährt. Nach dem Rückgang der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte v o n 1939 zu 1940 um rund 500000 änderte sich dieser Zustand erst wieder 1942. Von da ab blieb die Zahl der Gesamtbeschäftigten bis 1944 leicht über dem Ausgangswert v o n 1939. Allerdings traten in der Struktur der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte Veränderungen ein. 1941 verringerte sich der bis dahin konstante Frauenanteil, erreichte 1942 wieder das N i v e a u von 1939

um

1940, und dann bis 1944 leicht anzusteigen. Innerhalb der Gruppe der Frauen ging der A n t e i l deutscher Frauen von 99,6 Prozent im Mai 1939 bis September 1944 auf 87,7 Prozent zurück. 183 D a m i t entsprach die Entwicklung dem Trend des Rückgangs der deutschen Arbeitskräfte überhaupt, deren Zahl 1944 mit 8460000 nur noch knapp 78 Prozent aller in der Landwirtschaft Tätigen ausmachte. 181 Vgl. Kap. I V ; DZW, Bd. 2, S. 312; Eichholtz, Vorgeschichte des GBA, S. 339ff. 182 S t A W , Thüringisches Ministerium des Innern, Nr. 1638, Bl. 77, hieraus die folgenden Zitate. 183 Prozentzahlen berechnet auf der Basis von The Effects, S. 203, Tab. 2.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

611

Tabelle 174 Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft des faschistischen Deutschland 1939—1944 (in

Gesamtwirtschaft Landwirtschaft Ausländer in Gesamtwirtschaft Kriegsgefangene in Gesamtwirtschaft Ausi. u. Kgf. zus. Ausländer in Landwirtschaft Kriegsgefangene in Landwirtschaft Ausi. u. Kgf. zus.

1000)

1939

1940

1941

1942

1943

1944

39415 10850

36042 10345

36281 10350

35671 10898

36527 10973

35730 10862

301

S03

1753

2645

4837

5295

301

348 1151

1316 3069

1489 4134

1623 6460

1831 7126

118

412

769

1170

1561

1767

249 661

642 1411

759 1929

669 2230

635 2402





118

Quelle: Statistical Handbook, P a r t I, B, la—f, 6a, g, 7a, g, 8a, g. Die Versorgung der Landwirtschaft m i t Arbeitskräften ist immer zu sehen im Zusammenhang m i t der Gesamtwirtschaft. Hiernach verlief die Entwicklung bei der Landwirtschaft kontinuierlicher als in der gesamten Wirtschaft. Generell fällt die ständige Zunahme der ausländischen Zwangsarbeitskräfte von 1939 bis 1944 auf. Nur die Zahl der eingesetzten Kriegsgefangenen nahm seit 1943 ab. Weitere Aufschlüsse ermöglicht eine prozentuale Umrechnung der absoluten Zahlen. Tabelle 175 Arbeitskräfte in der Kriegswirtschaft des faschistischen 1939 in Prozent Gesamtwirtschaft = 100 Landwirtschaft Ausländer Kriegsgefangene Ausi. u. Kgf. zus. Ausi. u. Kgf. in Gesamtw. =100 Ausländer Kriegsgefangene Landwirtschaft = 100 Ausländer Kriegsgefangene Ausi. u. Kgf. zus. A usi. u. Kgf. in Landw. = 100 Ausländer Kriegsgefangene Ausi. u. Kgf. in Gesamtw. =100 Anteil der Landwirtschaft Quelle: s. Tabelle 174

27,53 0,76 -

0,76 100,00 —

1,09 -

1,09 100,00 —

39,2

Deutschland

1940

1941

1942

1943

1944

28,70 2,23 0,96 3,19

28,56 4,83 3,63 8,46

30,55 7,41 4,17 11,58

30,04 13,24 4,44 17,68

30,40 14,82 5,12 19,94

69,76 30,24

57,12 42,88

63,98 36,02

74,87 25,13

74,30 25,70

3,98 2,40 6,38

7,43 6,20 13,63

10,73 6,96 17,69

14,22 6,10 20,32

16,27 5,84 22,11

62,33 37,67

54,50 45,50

60,65 39,35

70,00 30,00

73,56 26,44

57,4

46,0

46,7

34,5

33,7

612

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Bemerkenswert erscheint die Zunahme des Anteils landwirtschaftlicher Arbeitskräfte bis 1942. Auch 1943 und 1944 traten grundsätzliche Veränderungen nicht ein. Absolut kontinuierliche Steigerung verzeichnete sowohl der Zwangseinsatz ziviler ausländischer Arbeitskräfte wie auch von Kriegsgefangenen. Die Relationen zwischen beiden Gruppen unterschieden sich in der Landwirtschaft von der Gesamtwirtschaft durch einen während der gesamten Kriegszeit höheren Anteil von Kriegsgefangenen. Hervorzuheben ist dann die Tatsache, daß, prozentual gesehen, die Landwirtschaft während des ganzen Krieges immer einen höheren Anteil fremder Arbeitskräfte, bezogen auf die Gesamtzahl der Beschäftigten dieses Bereiches, verfügbar hatte. Allerdings n a h m die Differenz sowohl absolut als auch im Verhältnis ab. Eine solche Festellung darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Vergleich von Gesamtwirtschaft und Landwirtschaft die absolute Dominanz letzterer im J a h r e 1940 in den folgenden Jahren abgebaut wurde. Ab Mitte des Jahres 1940 t r a t eine Veränderung zugunsten vor allem der gewerblichen Wirtschaft ein. 184 Dies war „offensichtlich der erhöhten Initiative der Monopole zuzuschreiben, die nicht mehr zugunsten der Landwirtschaft zurückstehen wollten". 1 8 5 Zunehmendes und erfolgreiches Streben der Monopole nach der profitablen Ausbeutung ausländischer Zwangsarbeiter veranlaßte faschistische Agrarpolitiker zu ständiger Betonung der Ansprüche der Landwirtschaft. Backe n a n n t e die „Beschaffung der erforderlichen Arbeitskräfte" einen der beiden „entscheidenden F a k t o r e n " f ü r den Erfolg der „Kriegserzeugungsschlacht" 1942. 186 Als programmatisch darf auch eine Verlautbarung Peuckerts angesehen werden: „Die Produktions- und Leistungskraft Deutschlands baut auf zwei das ganze tragende Säulen auf: Die Ernährung u n d Rüstung. Jede dieser Säulen braucht eine feste u n d unerschütterliche Fundierung in dem Einsatz, aller verfügbaren Kräfte u n d verstärkter Arbeitsleistung jedes Einzelnen." 1 8 7 Ein J a h r später, im März 1943, n a h m Backe erneut Gelegenheit, vor der faschistischen Führungsspitze „in der Befriedigung des Arbeitskräftebedarfs das entscheidende Ernährungsproblem" auszuweisen. 188 Zwei Sachverhalte veranlaßten zu derartigen Stellungnahmen u n d Forderungen. Es handelte sich um die Zurückdrängung der landwirtschaftlichen Interessen bereits bei der Zuteilung'ausländischer Arbeitskräfte u n d um die sich alljährlich wiederholende Umverteilung dieser Kräfte aus der Landwirtschaft besonders in Rüstung, Bergbau u n d Forstwirtschaft. Zunehmend erfolgte hier eine Bevorzugung des industriellen Bereichs, vor allem der Rüstungsmonopole, die bei der Ausbeutung der Zwangsarbeiter immer deutlichere Vorteile gegenüber der Landwirtschaft erringen konnten. 1 8 9 Dieser Drang wurde schließlich nur begrenzt durch den systemerhaltenden Aspekt der Notwendigkeit landwirtschaftlicher Produktion f ü r die Weiterführung des Krieges. Ein besonderes Problem ergab sich f ü r das faschistische Regime aus den konkreten Einsatzbedingungen der Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft, die eine kasernierte Unterbringung 184 185 186 187 188

Vgl. Band I, S. 94 f. Ebenda, S. 95. VB, Nr. 80/81, 21./22. 3. 1942. ZdR, Nr. 91, 22. 4. 1942. Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 391, Bl. 35, Dok. PS-914, Backe am 6. 2. 1943 vor Reichs- und Gauleitern in Posen. 189 Ausführlicher hierzu Lehmann, Joachim, Zum Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter in der deutschen Landwirtschaft während des zweiten Weltkrieges (unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1942 bis 1945), in: FAP, Η. 1, Rostock 1974, S. 143ff.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

613

u n d kolonnenweise Arbeit in der Regel n u r auf G ü t e r n zuließen. D e r beim E i n s a t z in bäuerlichen Betrieben k a u m zu u n t e r b i n d e n d e K o n t a k t m i t den Deutschen b a r g f ü r die Faschisten die politische G e f a h r der Ausstrahlung von Menschen in sich, die n i c h t seit J a h r e n ihrer intensiven Beeinflussung ausgesetzt waren. 1 9 0 Diese Gefahren v e r s t ä r k t e n sich nach d e m Überfall auf die Sowjetunion u n d der m a s s e n h a f t e n Verschleppung sowjetischer Bürger, die n i c h t n u r den H a ß aller Überfallenen Völker e m p f a n d e n , sondern diesen m i t dem politischen Wissen des Bürgers eines sozialistischen Landes verbinden k o n n t e n . Diese F u r c h t h a t t e noch im F e b r u a r 1939 Darré v e r a n l a ß t , den geplanten E i n s a t z ausländischer Kriegsgefangener m i t d e m A r g u m e n t abzulehnen, d a ß diese „Zersetzungsherde . . . f ü r die sowjetisch-russische P r o p a g a n d a " werden könnten. 1 9 1 D a m i t w a r bereits zu einem f r ü h e n Z e i t p u n k t ein Moment angesprochen, d a ß sich wie ein roter F a d e n d u r c h die faschistische Zwangsarbeiterpolitik im zweiten Weltkrieg zog, nämlich die Angst vor der A u s s t r a h l u n g s k r a f t der Ideen des Sozialismus. U n t e r den k o n k r e t e n Kriegsbedingungen m u ß t e n derartige Überlegungen h i n t e r ökonomischen Zwängen zurücktreten, ohne d a ß sie jemals aus d e m Auge verloren wurden. Abschließend m u ß d a v o n ausgegangen werden, d a ß die unmenschliche A u s b e u t u n g von Millionen Ausländern einen entscheidenden F a k t o r d a f ü r darstellt, d a ß die l a n d w i r t s c h a f t liche P r o d u k t i o n a u f r e c h t e r h a l t e n werden k o n n t e . Neben ausländischen Zwangsarbeitern bildeten deutsche A r b e i t s k r ä f t e , die bislang noch nicht in S c h w e r p u n k t b e r u f e n eingesetzt waren, ein weiteres denkbares Reservoir zur Befriedigung des Bedarfs der L a n d w i r t s c h a f t . N a c h Lage der Dinge k o n n t e es sich hierbei vornehmlich u m den Zwangseinsatz von F r a u e n u n d Jugendlichen, u m den zeitweiligen Einsatz von Reichsarbeitsdienst u n d faschistischer W e h r m a c h t sowie in einem sehr begrenzten U m f a n g e u m Umsetzungen aus anderen Berufen handeln. Wichtige Grundlagen stellten die „Verordnung zur Sicherstellung des A r b e i t s k r ä f t e b e d a r f s f ü r Aufgaben von besonderer staatspolitischer B e d e u t u n g " 1 9 2 , die Dienstpflichtverordnung 1 9 3 , eine „Verordnung ü b e r den E i n s a t z der älteren S c h u l j u g e n d " 1 9 4 u n d „Richtlinien zur Sicherung der L a n d b e w i r t s c h a f t u n g " 1 9 5 dar, die d u r c h Festlegungen f ü r den Reichsarbeitsdienst, die H i t l e r j u g e n d , die faschistische P a r t e i u n d die W e h r m a c h t ergänzt wurden. Bei der Beurteilung dieses Potentials ist zu berücksichtigen, d a ß es zum ganz überwiegenden Teil aus n i c h t s t ä n d i g e n A r b e i t s k r ä f t e n bestand. Die Frage des Einsatzes deutscher A r b e i t s k r ä f t e s t a n d in engem Z u s a m m e n h a n g m i t dem Verlauf des Krieges. Dies wird unterstrichen d u r c h die relativ z u r ü c k h a l t e n d e H a n d h a b u n g der gegebenen Möglichkeiten bis 1941. Die Niederlage der faschistischen Armeen vor Mosk a u u n d die sich aus ihr ergebenden Folgen m u ß t e n das Interesse an deutschen Arbeitsk r ä f t e n ebenso verstärken wie das an der A u s b e u t u n g der Ausländer. I m R a h m e n der u m die J a h r e s w e n d e 1941/42 einsetzenden B e m ü h u n g e n zur Erschließung des deutschen Arbeitskräftereservoirs h a t t e besondere B e d e u t u n g die „Verordnung ü b e r den E i n s a t z zusätzlicher A r b e i t s k r ä f t e f ü r die E r n ä h r u n g s s i c h e r u n g des deutschen Volkes" v o m

190 191 192 193 194 195

Zu diesem Problem ebenda, S. 148 ff. Ζ StA Potsdam, Fall XI, Nr. 454, Dok. NID-14941, Bl. 13. RGBl. 1938, I, 23. 6. 38, S. 652. Ebenda, 14. 2. 39, S. 206 f. Ebenda, 22. 9. 39, W. 1867 f. Am 27. 3. 40 und 19. 4. 41 vom RMEL erlassen, StAW Reichsnährstand, Handakte B, RMdl vom 25. 4. 40, Bl. 5, zitiert bei Melzer, S. 153 bzw. ZdR, Nr. 102, 6. 5. 1941.

614

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

7. März 1942.196 Sie stellte für die Landwirtschaft gewissermaßen den Vorgriff dar auf Maßnahmen, die ein J a h r später für die gesamte Kriegswirtschaft eingeleitet wurden. Mit ihr wurde das doppelte Ziel verfolgt, sowohl „alle in den Dörfern noch vorhandenen Renserven an landarbeitskundigen und landarbeitsfähigen Kräften zu mobilisieren", 197 als auch zu verhindern, „daß die auf dem Lande wohnhaften Frauen sich in nicht vertretbarer Weise und immer noch zunehmenden Maße der landwirtschaftlichen Arbeit entziehen". 198 In engem Zusammenwirken von faschistischer Partei, staatlichen Stellen und Reichsnährstand wurden in Dörfern „Dreierausschüsse", bestehend aus Bürgermeister, Ortsbauernführer und Ortsgruppenleiter, gebildet, die die in Frage kommenden Arbeitskräfte „mit Rücksicht auf die an der Erstellung beteiligten örtlichen Stellen" 199 in streng geheimgehaltenen „Stammrollen" zu erfassen hatten. Ergänzende und verschärfende Bestimmungen enthielt die von Sauckel am 27. Januar 1943 erlassene Meldepflichtverordnung, die auf dem Hitlererlaß vom 13. Januar basierte. 200 Die Wirksamkeit der Göring-Verordnung vom März 1942 und der Meldepflichtverordnung vom Januar 1943 muß skeptisch beurteilt werden. Da der Anteil der mit diesen erfaßten Männern fünf Prozent kaum überschritt, 201 erscheint es zulässig, die Entwicklung des Fraueneinsatzes als Kriterium heranzuziehen. Eine Mitteilung von Ende Juli 1942 202 gab bei 1,1 Millionen Meldungen aus mehr als 58000 Gemeinden 813000 tatsächlich eingesetzte Kräfte an. Bei einem Frauenanteil von rund 95 Prozent waren von diesen wiederum 90 Prozent nur für einen zeitweiligen Einsatz in Arbeitsspitzen der Landwirtschaft vorgesehen. In diesen Zahlen ist nur die propagandistische Unterstützung der Verordnung zu sehen. Tatsächlich erhöhte sich die Zahl der weiblichen deutschen Arbeitskräfte von Mai 1941 bis Mai 1942 um 304 000.203 Gleichzeitig ging der Anteil deutscher Frauen an weiblichen Arbeitskräften in der Landwirtschaft um 2,5 Prozent zurück. Bis zum Mai 1943 reduzierte sich die Zahl um 8000. Aufs Ganze gesehen blieb der Umfang der Beschäftigung weiblicher deutscher Arbeitskräfte während des ganzen Krieges unter dem Wert von Mai 1939. Der einschneidende Abbau von 1939 zu 1940 um 360000 und von 1940 zu 1941 um weitere 320000 wurde niemals kompensiert. Erst im Sommer 1944 wurde der Stand von Mai 1940 wieder knapp überschritten. Der seit 1942 zu verzeichnende, bezogen auf 1939 größere Umfang der Frauenbeschäftigung hatte seine Ursache in der Beschäftigung ausländischer Zwangsarbeiterinnen. Dem rücksichtlosen Fraueneinsatz stellte sich ein Grundproblem entgegen, daß für die faschistische Führung darin bestand, den Widerspruch zu lösen, der sich aus der jahrelangen demagogischen Propaganda über die Rolle der Frau in der Gesellschaft und den nun auftretenden ökonomischen Zwängen ergab. 204 196 RGBl. 1942, I, S. 105. 197 Dr. Hatesaul, Landarbeit sichert die Kriegsernährung, in: NS-Landpost, 20. 3. 1942. 198 StAW, Thüringisches Wirtschaftsministerium, Nr. 189, Bl. 3, Präsident des Landesarbeitsamtes Mitteldeutschland am 7. 9. 1942 an die Arbeitsämter. 199 Ebenda, Bl. 1, Streng vertrauliches Schreiben des Präsidenten des Landesarbeitsamtes Mitteldeutschland an die Thüringische Landesregierung vom 11. 3. 1942. 200 Zur Entstehung und den Zielen der Meldepflichtverordnung vgl. Bleyer, Totaler Krieg; DZW, Bd. 3, S. 188f. 201 Vgl. Lehmann, Mobilisierung S. 553 f. 202 VB, Nr. 211, 30. 7. 1942. 203 Diese und die folgenden Angaben nach The Effects, S. 203, Tab. 2. 204 Vgl. hierzu Melzer , S. 139ff. ; Lehmann, Mobilisierung, S. 552 ff.

Produktionsbedingungen, Arbeitskräftesituation

615

Hinzu kam eine gewisse ökonomische Absicherung der Soldatenfrauen durch ihnen gewährte Geldleistungen des Staates. All dies ist vor dem Hintergrund der Tatsache einer ungeheuren Arbeitsbelastung der Landbevölkerung zu sehen. Bereits 1941 waren Arbeitszeiten zwischen 75 und 9 0 Wochenstunden ermittelt worden. 2 0 5 Besonders „die bis aufs Mark zusammengeschundene deutsche B a u e r s f r a u " 2 0 6 h a t t e die „normale" Doppelarbeit in Haushalt und auf dem Hof zu verrichten und mußte bei Einziehung des Mannes sowohl dessen Arbeit wie Verwantwortung zu großen Teilen übernehmen. Die unerhörten Belastungen auch der werktätigen Deutschen in der Landwirtschaft veranlaßten zu Forderungen, „die Bauern und in erster Linie die Bäuerinnen in ihrer Arbeitskraft nicht völlig zum Erliegen k o m m e n " zu lassen. 2 0 7 Eine derartige Lage zwang zu ständigem, wenn auch in der Regel zeitlich unterschiedlich begrenztem Einsatz von faschistischer Wehrmacht, Reichsarbeitsdienst, Hitlerjugend, Angehörigen des sogenannten Pflichtjahres und Landjahres und der Schuljugend. 2 0 8 Der insgesamt nur bedingte E f f e k t bei den Anstrengungen zur Mobilisierung deutscher Arbeitskräfte hatte unterschiedliche Gründe. Zum einen war die Masse der deutschen Bevölkerung nicht bereit, freiwillig noch mehr für den Krieg zu leisten. Hinzu kam die F u r c h t vor Stimmungseinbrüchen. Die offensichtliche Divergenz von politischen Rücksichten und ökonomischen Zwängen bewirkte eine schwankende Haltung in der faschistischen Führung und hatte lange Zeit eine dilatorische Behandlung des Problems zur Folge. Die Verschleppung ausländischer Zwangsarbeiter in die deutsche Landwirtschaft begünstigte, j a ermöglichte eine zurückhaltende Politik in dieser Frage. Gerade die verbrecherische Zwangsarbeiterpolitik hatte zum Ergebnis, daß der Ausfall deutscher Arbeitskräfte ab 1942 in der Landwirtschaft quantitativ mehr als ausgeglichen wurde. Diese Beurteilung muß berücksichtigen, daß deren Arbeitskräftebestand ζ. B . infolge von Umsetzungen in die Rüstungsindustrie jahreszeitlich sehr schwankte. In den Arbeitsspitzen entstand regelmäßig ein n i c h t zu befriedigender Bedarf. Auch der eingeschränkte Einsatz von Landtechnik führte zu erhöhtem notwendigen Aufwand an menschlicher Arbeit. Der erwähnte quantitative Ausgleich entsprach jedoch niemals einem Ausgleich des Verlustes an qualitativer fachlicher Substanz durch Einziehungen von landwirtschaftlichen Fachkräften und Betriebsleitern. Trotz dieser Einschränkung bleibt zu konstatieren, daß große Belastung der deutschen Werktätigen und die hemmungslose Ausbeutung der ausländischen Arbeiter eine wesentliche Voraussetzung für die „Leistung" war, die die Landwirtschaft im Gefüge der faschistischen Kriegswirtschaft erbrachte. Objektiv führte dies zu einer Stärkung des faschistischen Potentials und damit der Möglichkeiten zur Verlängerung des Krieges.

205 Grewe, Wilm, Das deutsche Dorf im Kriegseinsatz, in: ZdB, Nr. 228, 4. 12. 41. 206 StAW, Landesbauernschaft Thüringen, Nr. 304, Dwinger, Edwin Erich, Und die Landwirtschaft?, S. 3. 207 StAM, Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 241, Lagebericht der Landeshauptabteilung II vom 1. 7. 1942. 208 Vgl. hierzu Lehmann, Mobilisierung, S. 556ff.

616

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

4. Landwirtschaftliche Produktion a)

Pflanzenproduktion

Die Frage, „Was brauchen wir an Produktion im Kriege?" beantwortete Darré Ende 1939 auf die Pflanzenproduktion bezogen mit folgenden Aufgaben für die Landwirtschaft: „1. insgesamt höhere Ernten, 2. Erweiterung, mindestens Erhaltung des Hackfruchtanbaus, 3. Verbreiterung einer wirtschaftseigenen Futtergrundlage (Zwischenfruchtanbau, Silo, Luzerne, zweckmäßige Weidewirtschaft, Mais usw.), 4. die Erreichung einer für die deutsche Volkswirtschaft notwendigen Faserpflanzenversorgung, 5. verstärkten Gemüseanbau, 6. Ölpflanzenanbau." 209 Die notwendige Bewegungsfreiheit in der Steuerung der Pflanzenproduktion über eine Verschiebung im Anbaugefüge sollte vor allem durch gesteigerte Hektarerträge erreicht werden. Die Grenzen solcher Veränderungen in der Struktur des Anbaus wurden von vornherein deutlich gemacht: „Sie erzielen nur einen Scheinerfolg. Das Loch entsteht jedoch dann an einer anderenStelle und trifft die Produktion mit unverminderter Kraft." 210 Der Freiraum für eine Ausweitung des Olfruchtanbaus zur Deckung des Mindestfettbedarf konnte am ehesten auf dem Wege einer Reduzierung des Sommergersteanbaus geschaffen werden, weil die Sommergerste für die menschliche Ernährung wohl kaum eine Rolle spielte. Neben den bestimmenden Faktoren Arbeitskräfte, Landmaschinen und Geräte sowie Düngemittel hatte naturgemäß das Wetter nachhaltigen Einfluß auf die Erträge. Die schlechten Ernten bei Getreide 1942, bei Kartoffeln 1941 und 1943, bei Ölfrüchten in den Wirtschaftsjahren 1940/41 und 1942/43 und bedingt bei Zuckerrüben 1943 waren wesentlich auf Auswinterungsschäden, fehlenden oder übermäßigen Niederschlag, extreme Witterungsbedinungen allgemein zurückzuführen. 211 Die Aufgabenstellungen für die Landwirtschaft führten unter Beachtung der konkreten Produktionsbedingungen zu produktionspolitischen Forderungen und Weisungen, deren aus den Sachzwängen sich ergebendes Grundschema im Kriegsverlauf relativ variabel der jeweils gegebenen Lage angepaßt. wurde. Die im Prinzip bereits im Verlaufe der „Erzeugungsschlachten" ausgegebenen Parolen hatten für die Pflanzenproduktion auch im Kriege folgenden Inhalt: 212 1. Keine Einschränkungen der Brotgetreideflächen 2. Erzielung von Höchsterträgen im Hackfruchtanbau, vor allem bei Kartoffeln und Zuckerrüben 3. Höchstleistungen im Gemüseanbau 4. Steigerung des Ölsaatenanbaus Zur Erreichung dieser Ziele wurde wiederum gefordert: 1. Sorgsamste Bodenbearbeitung 209 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 392, Bl. 17, Dok. NG-453, Denkschrift Darrés „Aufgaben der Produktion in der Landwirtschaft im Kriege". 210 Ebenda, Bl. 21. 211 Beispielsweise ergab sich aus den 82 Frosttagen des Winters 1941/42 die Notwendigkeit, 2,5 Millionen Hektar ausgewinterte landwirtschaftliche Nutzfläche im Frühjahr 1942 umzubrechen und neu zu bestellen. Vgl. DAP, 1. Jg., 4/1943, S. 128. 212 NS-Landpost, Nr. 49, 4. 12. 42, „Die Erzeugungsschlacht im 4. Kriegsjahr", Rede Backes in Posen am 29. 11. 42.

Landwirtschaftliche Pro duktion

617

2. Beste Pflege des Wirtschaftsdüngers 3. Größtmöglicher Saatgutwechsel 4. Geschickteste Ausnutzung der vorhandenen Arbeitskräfte 2 1 3 Mit der Prämisse „ B r o t , Kartoffeln, F e t t und Gemüse sind die Grundlagen unserer Volksernährung" wurde die Anbauplanung jährlich Modifikationen unterworfen. Bestimmend hierfür waren die Arbeitskräfte- und Betriebsmittellage, witterungsbedingte Ausfälle, die sich verändernde Verbrauchsstruktur und nicht zuletzt die vom Kriegsverlauf abhängigen unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ausbeutung der landwirtschaftlichen Ressourcen überfallener, okkupierter oder abhängiger Länder. F ü r 1942/43 bestanden Prioritäten wegen der großen Auswinterungsschäden und des hierdurch bedingten Anbaurückgangs darin, diesen wettzumachen, ohne die S t r u k t u r erheblich zu verändern. Eine gewisse Ausnahme bildeten die Hackfrüchte. B e i dem Primat erhöhter Hektaranträge faßte man für Kartoffeln eine beschränkte Erweiterung auf Kosten des Hafers ins Auge, indem man hier auf die Ausplünderung der Sowjetunion spekulierte. Zuckerrüben sollten eventuell durch Abstriche bei Runkeln und Futterrüben verstärkt angebaut werden. Der Ölfruchtanbau war zum Ausgleich der Schäden und zur Erfüllung der Forderungen der Fettversorgung zu steigern, eine Festlegung, die auch für 1943/44 galt. Darüber hinaus galt für Brotgetreide der Durchschnitt der J a h r e 1938 und 1939 als Maßstab. U n t e r dem Zwang der Entwicklung bei den Düngemitteln fanden Hülsenfrüchte neben ihrer Nahrungsfunktion verstärkt als Stickstoffsammler Beachtung.

Tabelle 176 Brotgetreide ; Anbau, Erträge und Ernte 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

Anbaufläche in ha

Hektarerträge Erntemenge in dt in t

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

6841728 6688601 6646213 6598256 6130568 6301642 6280619 5871517 6037143 5095566 5773029 5632499

20,9 18,1 18,3 17,9 18,6 22,5 21,0 18,2 19,2 18,1 20,8 18,3

14331447 12140333 12145346 11813374 11383378 14184313 13207276 10656370 11602403 9225515 11984581 10293804

Quelle : Statistical Handbook, La Β 3.

213 Hierbei hatte man den sehr unterschiedlichen Arbeitsaufwand für die verschiedenen Kulturen im Auge. Bei insgesamt relativ geringem Arbeitsaufwand bei Getreide und hohem Arbeitsbedarf für Hackfrüchte lagen ζ. B. die Werte für Getreide bei ca. 70, für Rüben aber bei 540 Stunden pro Hektar. Vgl. ZdB, Nr. 13, 2. 4. 43 (nach Berechnungen für Pommern). Die Grundrelationen bleiben von sicher anzunehmenden regionalen Unterschieden unberührt.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

618 Tabelle 177 Brotgetreideanbau. Erträge und Ernte im Durchschnitt der Jahre 1934-1939 = A undl940-1944 = Reichsgebiet 1937 Fläche in ha

Erträge in dt/ha

Erntemenge in t

A 6440983,1 Β 5681950,8

19,40 18,92

12478503 10752534

Quelle: Die Berechnungen erfolgten hier und für die noch folgenden Durchschnittsberechnungen auf der Grundlage der relevanten Angaben im Statistical Handbook. Die E n t w i c k l u n g der P f l a n z e n p r o d u k t i o n in Deutschland, ablesbar an Anbaufläche, H e k t a r e r t r ä g e n u n d E r n t e m e n g e n , soll im folgenden exemplarisch 2 1 4 dargestellt werden. F ü r die Getreideerzeugung bestand die Notwendigkeit u n d d a m i t Absicht d a r i n , die Versorgung m i t Brot u n d N ä h r m i t t e l n sowie d e m u n b e d i n g t benötigten F u t t e r g e t r e i d e zu sichern. (Tabelle 176 u n d 177) Die beiden Brotgetreidearten Roggen u n d Weizen zusammengenommen, n a h m e n A n b a u fläche u n d H e k t a r e r t r ä g e sowie hieraus folgend die E r n t e m e n g e , bezogen auf den D u r c h schnitt der Vorkriegsjahre, ab. Die Durchschnittsberechnungen nivellieren solche Ausn a h m e n wie die Auswinterungen 1942 oder die besonders witterungsbegünstigte E r n t e 1943. I m Vergleich zu den J a h r e n vor 1940 ging die Anbaufläche u m d u r c h s c h n i t t l i c h f a s t 760000 ha zurück, die H e k t a r e r t r ä g e sanken u m einen Zentner, und die jährliche E r n t e menge verringerte sich u m durchschnittlich 1 7 2 6 0 0 0 t . Ahnlich verlief die E n t w i c k l u n g bei F u t t e r g e t r e i d e . Tabeüe 178 Futtergetreide ; Anbau, Erträge und Ernte 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

Anbaufläche in ha

Hektarerträge Erntemengi in dt in t

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

5139691 5169103 4915230 4931519 5153682 4951426 5134059 5296492 4 977170 5369628 4449507 4339148

21,7 18,1 19,8 20,2 20,8 24,0 21,6 20,5 19,2 21,2 21,2 18,4

11136572 9331963 9718467 9956807 10706637 11895727 11092837 10842430 9575271 11369150 9416636 7976877

Quelle: Statistical Handbook, La Β 8. 214 Eine umfassendere und mehr Fruchtarten als hier möglich einschließende Behandlung s. Lehmann, Joachim, Pflanzenproduktion im faschistischen Deutschland während des zweiten Weltkrieges, in: WZ der Univ. Rostock, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, H. 1/2, 1980, S. 21 ff. (im folgenden: Pflanzenproduktion).

619

Landwirtschaftliche Produktion Tabelle 179 Futtergetreide : Anbau, Erträge und Ernte im Durchschnitt der Jahre 1934-1939 = Aund 1940-1944 = Β Reichsgebiet 1937 Fläche in ha

Erträge in dt/ha

Erntemenge in t

A 5044168,8 20,75 10450406,0 Β 4886388,4 20,10 9836073,6 Quelle : Berechnet nach Tabelle 178 Absolut gesehen ging auch hier die Anbaufläche und relativ noch stärker die Erntemenge zurück, wobei die Hektarerträge erst gegen Kriegsende deutlich abfielen. Den Gesamtüberblick über die Getreideversorgung des faschistischen Deutschlands geben folgende Tabellen : Tabelle 180 Getreideernte und Einfuhren von Getreide 1939/40—1944/45, Reichsgebiet 1. 9.1939 (in 1000 t) 1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

1944/45

Ernte Einfuhren

25121 3835

27489 2353

23947 3560

23895 4425

23263 6433

25328 6073

Gesamt Einfuhren in «/o

28956 13,2

29842 7,8

27507 13,2

28320 15,6

29696 21,7

31401 19,3

Quelle: Brandt, S. 610, mit Bezug auf Woermann, Emil, Schaubilder zur deutschen und euro päischen Ernährungswirtschaft, Berlin 1944. Tabelle 181 Getreideversorgung Deutschlands 1938/39—1943/44, Reichsgebiet 1. 9.1939 (in

Mill.t)

Anfall und Verbrauch

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

1939/401943/44

Erntemenge Einfuhrüberschuß Anfangs bestand

29,6 2,5 4,8

27,5 2,1 8,8

24,0 2,2 7,5

22,7* 5,1 1,8

23,9" 4,6 2,5

121,7 17,0 8,8

Verfügbare Menge

36,9

38,4

33,7

23,6* 3,0 3,1 29,7

29,6

31,0

147,5

3,0 13,2 11,7*

2,9 12,8 11,4*

2,9 14,5 10,5'

14,7 68,4 61,3

Saat und Schwund Menschl. Verzehr Verfütterung

3,0 12,4 12,7

3,0 14,1 13,8

2,9 13,8 13,9

Verbrauch insg.

28,1

30,9

30,6

27,9

27,1

27,9

144,4

8,8

7,5

3,1

1,8

2,5

3,1

3,1

Endbestand

* ab 1941/42 kann für die Erntemengen infolge von Minderangaben der Produzenten bei den Brotgetreideflächen mit höheren Erträgen gerechnet werden, die vornehmlich der Verfütterung zugute kamen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache würden sich etwa folgende Werte ergeben: Erntemenge 23,9 23,2 24,9 Verfütterung 12,0 11,9 11,5 Verbrauch insg. 28,2 27,6 28,9 Quelle: Hanau/Plate, S. 49. Die Abweichungen ab 1941 ergeben sich daraus, daß Brandt die Minderangaben der Produzenten für Brotgetreide zugunsten der Futterfläche ausgleicht. Solche falschen Angaben wurden gemacht, um sich zumindest teilweise der Ablieferungspflicht für Brotgetreide zu entziehen. Schätzungen ebenda S. 46ff. nehmen für 1941 eine Mehrernte von ca. 300000 Tonnen, für 1942 von 500000 Tonnen und für 1943 von mehr als einer Million Tonnen an, die wohl hauptsächlich für die Fütterung von Selbstversorgervieh Verwendung fand.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

620

Die Erntemengen nahmen, mit Ausnahme des witterungsbegünstigten Jahres 1943, deutlich ab. Da offensichtlich die Grenze der Yerbrauchsdrosselung 1942/43 erreicht war, konnten die jeweiligen Anfangsbestände, ein Gradmesser für die Solidität und Ausgewogenheit der Bilanz, keinesfalls mehr den volkswirtschaftlichen Erfordernissen genügen. Die Reduzierung der Anfangsbestände ließ der frühzeitigen Einbringung und Ablieferung der Ernte im Kriegsverlauf zunehmende Bedeutung zukommen. Durch ökonomische Anreize ebenso wie durch massiven Druck wurde hier das angestrebte Ziel sicherlich mit regionalen Unterschieden und mit Verlängerungserscheinungen im letzten Kriegsjahr weitgehend erreicht. 215 Die Prophezeiungen Backes vom Anfang des Jahres 1940, daß bei einer nur zehnprozentigen Änderung gegenüber einer Normalgetreideernte ein Ausfall entstünde, „der fast die gesamte Brotgetreidereserve, die in jahrelangen Anstrengungen aufgestapelt wurde, innerhalb eines Jahres aufbraucht", 216 waren damit mehr als in Erfüllung gegangen. Den Hackfrüchten kam unter dem Aspekt einer möglichst intensiven Bodennutzung besondere Bedeutung zu. Ihr vergleichsweise hoher Nährwertertrag und die VerschieTabelle 182 Kartoffeln; Anbau, Erträge und Ernte 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

Anbaufläche in ha

Hektarerträge Erntemenge in t in dt

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

2888817 2906650 2750294 2792572 2887839 2893010 2833917 2812471 2744695 2777073 2664720 2704362

152,6 160,9 149,1 165,9 191,5 175,9 182,0 188,9 158,7 181,9 135,4 142,9

44071412 46780621 41015558 46323564 55309725 50894104 51625554 53119251 43555689 50243776 36068947 38645333

Quelle: Statistical Handbook, La Β 22. Tabelle 183 Kartoffeln ; Anbau, Erträge und Ernte im Durchschnitt der Jahre 1934-1939 = A und 1940-1944 = Β, Reichsgebiet 1937 Fläche in ha

Erträge in dt/ha

Erntemenge in t

A 2844040,3 Β 2740664,2

170,88 161,56

48658187,7 44336599,2

Quelle : Berechnet nach Tabelle 182 215 Vgl. hierzu Lehmann, Pflanzenproduktion, S. 25 ff., insbesondere Tabellen 19 bis 22 dort. 216 ZStA Potsdam, Fall XI, Nr. 392, Bl. 93, Dok. NG-1408, Rede Backes am 14. 2. 40 im Generalrat (vermutlich des Vierjahresplanes, J. L.).

621

Landwirtschaftliche Produktion

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Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

622

bungen im Verbrauch veranlaßten zu ständig wiederholten Forderungen nach Beibehaltung oder gar Ausdehnung ihres Anbaus. Die Kartoffelerzeugung hatte bei den Verbrauchsgewohnheiten sowohl für die Verfütterung als auch für die menschliche Ernährung fundamentale Bedeutung. (Tabelle 182 u. 183) Von 1941 bis 1944 zeigte die Anbaufläche bei einem insgesamt uneinheitlichen Bild eine Abnahme, die sich in Grenzen hielt. Die mit Jahresbeginn 1942 verstärkt propagierte Anbauerweiterung ging wesentlich von erwarteten Rückgängen beiden Hektarerträgen aus. Die Berechtigung dieser aus der L a g e bei Arbeitskräften, Landtechnik und Düngemitteln abgeleiteten Befürchtungen belegen die Hektarerträge, die bis 1942 relativ hoch blieben, dann aber entscheidend zurückgingen. Die Minusdifferenz bei der Erntemenge betrug im Durchschnitt der Kriegsjahre über 4 3 2 0 0 0 0 t Kartoffeln. Die im Ganzen gesehen ungewöhnliche Bedeutung der Kartoffelversorgung im Kriege als Nahrungsmittel und Futtermittel erfordert die Berücksichtigung der Entwicklung von Aufkommen und Verbrauch. (Tabelle 184) Tabelle 184 offenbart bei rückläufigen Erntemengen das Bemühen, durch vermehrte Einfuhren, die auch den R a u b aus den okkupierten Ländern enthielten, d a s Defizit a b zugleichen. Besonders auffällig ist die Umkehrung der Relation zwischen der Verwendung als Futtermittel und für den menschlichen Verzehr. Das mußte bei der völligen Abhängigkeit der Schweinebestände von der jeweiligen Kartoffellage die Fleisch- und Fettversorgung stärksten» beeinflussen. Ständig verschärfte Ablieferungsauflagen, veränderte Sortierungsvorschriften, die auf einen erhöhten Speisekartoffelanteil zielten, sowie Verfütterungsverbote f ü r Kartoffeln, die als Nahrungsmittel verwendbar erschienen, verhinderten den planmäßigen Wiederaufbau der Schweinebestände. Der Rückgang der technischen Verarbeitung hatte ähnliche Gründe. Der Zuckerrübe kam als der Frucht mit dem höchsten Nährwertertrag hervorragende Bedeutung zu. Ihre Verwendbarkeit für die menschliche Ernährung in F o r m von Zucker und ihr E i n s a t z als Futtermittel sicherten ihr einen besonderen Platz. Tabelle 185 Zuckerrüben; Anbau, Erträge und Ernte 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

Anbaufläche in ha

Hektarerträge Erntemenge in dt in t

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

304051 356484 372687 388723 455443 501771 502943 536878 543536 547398 543993 543139

282,2 291,6 283,6 311,2 344,7 309,8 333,4 307,4 296,0 299,6 268,5 251,7

Quelle : Statistical Handbook, La Β 23.

8578909 10394343 10567953 12095827 13701278 15545731 16769799 16503186 16086105 16402663 14607216 13670809

Landwirtschaftliche Produktion

623

Tabelle 186 Zuckerrüben; Anbau, Erträge und Ernte im Durchschnitt der Jahre 1934-1939 = A und 1940-1944 = B, Reichsgebiet 1937 Fläche in ha

Erträge in dt/ha

Erntemenge in t

A 429675,16 Β 542994,20

312,38 284,68

13179155 15453995

Quelle : Berechnet nach Tabelle 185

Zu Kriegsbeginn eingeleitete Maßnahmen zur Erweiterung des Zuckerrübenanbaus (Preisanreize, Zuschüsse, Naturalprämien) schlugen sich in der Entwicklung der Anbaufläche nieder. Bei Hektarerträgen und Erntemengen hingegen offenbarte sich die Tatsache, daß Rüben wohl hohe Flächenerträge erbringen, die jedoch mit ebenso hohen Ansprüchen an die Bodenbearbeitung und Nährstoffzufuhr verbunden sind. Trotz der hier bestehenden Probleme lag die Erntemenge, begründet in der Anbauerweiterung, während des gesamten Krieges bedeutend über dem Durchschnitt der Vorkriegsjahre. Im Vergleich von 1944 und 1939 allerdings standen bei einem um mehr als 40000 ha erweiterten Anbau fast 3100000 t Zuckerrüben weniger zur Verfügung. Der absolut wie relativ hohe Arbeitsaufwand für Hackfrüchte, damals bei Rüben wiederum doppelt so hoch wie bei Kartoffeln, konzentrierte sich in bestimmten Arbeitsspitzen, die rationell nur mit nichtständigen Arbeitskräften zu bewältigen waren. Diese waren mit zunehmender Kriegsdauer und immer angespannterer Gesamtarbeitskräftelage immer schwieriger zu bekommen. Sowohl Anbaufläche wie auch Erträge wurden von ausreichender Arbeitskräftebereitstellung wesentlich mitbestimmt. Konnten zusätzliche Arbeitskräfte nicht rechtzeitig bereitgestellt werden, waren Ernteverluste unvermeidlich. Die unter der Bezeichnung „Fettlücke" bekannte Einfuhrabhängigkeit bei der Fettversorgung führte im Zuge der Kriegsvorbereitungen zur Wiederaufnahme bzw. zur Ausweitung des Anbaus von Ölfrüchten. Im Kriege mußten die anhaltende oder zeitweilige Unterbrechung der Handelsbeziehungen zu den traditionellen Fettlieferanten ebenso wie die eingeschränkten Möglichkeiten zum Kraftfutterimport für die einheimische Butterproduktion das Problem noch evidenter werden lassen. Eine mit 50—60 Prozent im letzten Vorkriegsjahr relativ geringe Selbstversorgung bei Fetten zwang zur Inkaufnahme des in Hinblick auf Auswinterungsgefahr und Schädlingsanfälligkeit risikoreichen Anbaus von Ölfrüchten. Die wichtigsten Ölfrüchte waren, in der Reihenfolge ihrer Bedeutung, Raps und Rübsen, in deutlichem Abstand gefolgt von Leinsamen, Mohn und Hanfsamen. Lein und Hanf wurden außerdem als Faserpflanzen genutzt. Rückstände bei der ölgewinnung fanden als Viehfutter Verwendung. Die Anbaufläche für Ölfrüchte wurde von 1933 bis 1939 um mehr als das Zehnfache erweitert. 217 Von Kriegsbeginn bis 1944 erfolgte noch einmal eine Zunahme von über 450 Prozent. An dieser Entwicklung waren die verschiedenen Pflanzen in unterschiedlichem Umfange beteiligt. 218 217 Siehe Tab. 187.

218 Vgl. Lehmann, Pflanzenproduktion, S. 30f., Tab. 30 bis 35. 41 Eichholtz 11

624

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

1940/41 und 1942/43 war der Anbau besonders stark durch Auswinterungen beeinträchtigt. Im Kriege dominierten eindeutig Raps und Rübsen. Der Leinsamenanbau zeigte ein vergleichsweise stabiles Niveau. Der das Bild bestimmende Rapsanbau wurde mit Ausnahme des stark witterungsbeeinträchtigten Jahres 1942 von 32 Prozent 1941 über 56 Prozent 1943 auf schließlich 63 Prozent des gesamten ölfruchtanbaus im Jahre 1944 erhöht. Eine solche enorme Zunahme wurde durch gezielte Lenkungsmaßnahmen erreicht. Neben Preissubventionen gab es Naturalprämien in Form von Ölkuchen, Speiseöl und -fett sowie zusätzliche Kontingente von Stickstoffdünger. 2 1 9 Dabei kam es zu Versuchen vieler Bauern, durch bloße Meldung, aber nicht durch tatsächlich erfolgten Ölfruchtanbau in den Besitz des so dringend benötigten Stickstoffs zu gelangen. 220 Die in Kombination mit diesen Anreizen angewandte Propaganda und der massive Druck durch den Reichsnährstand führten während des Krieges zu einem faktischen Anbauzwang für diese Kulturen. Die Störanfälligkeit des ölfruchtanbaus schlug sich in sehr schwankenden Hektarerträgen nieder. Die Erntemenge wurde trotz der zusätzlichen Düngergaben, die wegen der eminenten Bedeutung der inländischen Fettproduktion gewährt werden mußten, nicht durch hohe Flächenerträge, sondern primär durch Extensivierung des Anbaus beeinflußt. Die Bedeutung der inländischen Fettproduktion nahm noch zu, da die Entwicklungen im Kriegsverlauf nicht nur den Ausgleich der fehlenden Einfuhren, sondern auch die Kompensation des Minderaufkommens an Schichtfetten erforderten. Die Anbauverhältnisse zwischen den vorstehend untersuchten Kulturen vermittelt folgende Tabelle: Tabelle 187 Entwicklung des Anbauverhältnisses (in 1000 ha und Prozent)

auf dem Ackerland

Jahr

Brotgetreide ha %

Futtergetreide ha %

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

6842 6689 6646 6598 6131 6302 6281 5872 6037 5096 5773 5632

5140 5169 4915 4932 5154 5951 5134 5296 4977 5370 4450 4339

42,7 41,8 42,6 42,1 39,2 37,9 40,0 37,7 39,0 33,9 38,9 38,3

32,1 32,3 31,5 31,4 33,0 35,9 32,7 34,0 32,2 35,8 30,0 29,4

in Deutschland

1933—1944

(Auswahl),

Hackfrüchte ha %

Ölfrüchte ha

%

4020 4098 3970 4026 4198 4210 4182 4236 4215 4294 4180 4252

10 39 69* 106 120 123 109** 167 247 245 422 494

0,1 0,2 0,4 0,7 0,8 0,7 0,7 1,1 1,6 1,6 2,8 3,4

25,1 25,6 25,5 25,8 27,0 25,4 26,6 27,2 27,2 28,7 28,2 28,9

* Ohne Hanf und Mohn ** Ohne Mohn Quelle: Auf berechnet.

der Grundlage der einschlägigen Tabellen des Statistical

Handbook

überschlägig

219 StAM, Landesbauernschaft Sachsen-Anhalt, Nr. 479, Bl. 42 ff., Landesbauernführer an Kreisbauernschaften, 13. 4. 44. 220 Ebenda; s. auch Wochenblatt der Landesbauernschaft Danzig-Westpreußen, Nr. 43, 18. 12. 43.

Landwirtschaftliche Produktion

625

Die Angaben machen deutlich, daß es gelang, größere Deformierungen des Anbaugefüges zu verhindern. Eine zwar reduzierte, aber ausreichende Brotversorgung und die Befriedigung eines unbedingt notwendigen Futterbedarfs ließen weitere Einschränkungen des Getreideanbaus nicht zu und bildeten so die volkswirtschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Grenzen des Anbaus von Hack- u n d Ölfrüchten. Zu berücksichtigen waren auch die eingetretenen Veränderungen in der S t r u k t u r des Verbrauches. Der Ausfall an F e t t und Fleisch verursachte Bemühungen in Richtung auf einen relativen Ausgleich durch erhöhten Brot-, Nährmittel- und Speisekartoffelkonsum. Die Grundrelationen zwischen Getreide und Hackfrüchten blieben im Kriege im Grunde u n b e r ü h r t . Eine gewisse Abnahme des Anbaus von Brotgetreide und stärker noch von Futtergetreide zugunsten einer stabilen und leicht erhöhten Anbaufläche bei Hackfrüchten im Vergleich zu den Vorkriegsjahren ist erkennbar. Die Ausweitung des ö l f r u c h t a n b a u s erfolgte vor allem auf Kosten des Futtergetreides. Die Anbauerweiterung ging dabei über das Maß hinaus, das von den Sachverständigen des Reichsernährungsministeriums 1939 betriebswirtschaftlich f ü r vertretbar gehalten worden war 2 2 1 , sollte nicht, neben Schwierigkeiten in der Fruchtfolge, eine unliebsame Konkurrenz f ü r den Zuckerrübenanbau eintreten. Generell ist festzuhalten, daß die Anbaufläche f ü r diese wichtigen Kulturen m i t entscheidender Bedeutung f ü r das Nahrungsaufkommen sich mit einem Rückgang von 1939 bis 1944 von rund 990000 H e k t a r um mehr als das Doppelte des Verlustes an Ackerland im gleichen Zeitraum verringerte. 2 2 2 Das Verhältnis von Ackerland und Grünland mit der besonderen Bedeutung von letzterem f ü r die Futtergrundlage blieb in dem Uberblick unberücksichtigt. Die Pflanzenproduktion h a t t e durch die Bereitstellung entsprechender Futtermengen die unmittelbaren Vorleistungen f ü r die Tierproduktion zu erbringen. Der Futterbedarf wurde neben der inländischen Produktion nicht unwesentlich durch Importe gedeckt. 1938 wurden immerhin 3,7 Millionen Tonnen verschiedener F u t t e r getreide eingeführt. Das entsprach etwa einem Drittel der zu diesem Zeitpunkt v e r f ü t t e r t e n Menge. F ü r die Beurteilung der Kriegssituation ist die H e r k u n f t dieser Mengen von Bedeutung. Tabelle 188 Herkunft der deutschen Getreideimporte Herkunftsgebiet Länder, mit denen sich das faschistische Deutschland Ende 1939 im Kriegszustand befand USA Mittel- und Südamerika

1938 (in

Weizen

Mais

Prozent) Gerste

22,4

2,0

13,9

19,2 12,3

57,5 31,9

29,9 2,1

Quelle: ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 392, Bl. 29, Dok. NG-453. 221 ZStA Potsdam, Fall X I , Nr. 392, Bl. 21, 55, Denkschrift Darrés „Aufgaben der Produktion in der Landwirtschaft im Kriege" ; Bl. 77, Stellungnahme Darrés zu „Anregungen zum Kriegserzeugungsplan in der deutschen Landwirtschaft". Beides v o m 27. 11. 39. 222 Siehe S. 595, Tab. 159. 41*

626

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

Faktisch stammten bei Weizen über die Hälfte, bei Mais über 80 Prozent und bei Gerste über 45 Prozent der Importe aus Ländern, die im Verlaufe des Krieges als Bezugsquellen ausfielen. Besonders gravierend waren die kriegsbedingten Ausfälle bei ölkucheneinfuhren, was zu entsprechenden Umstellungen in der Futtergrundlage mit wachsenden Anforderungen an die Produktion in Deutschland zwang. Tabelle 189 Umstellung der Futtergrundlage Jahr

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

für die Milcherzeugung

verfügbare Menge an Ölkuchen

Ernte von Luzerneheu

1000 t 2051 1583 1229 1164 1244 1475 1220 800 500 345 375 -

Quelle: Hanau/Plate,

in Deutschland 1939—1944, Reichsgebiet 1937

1000 t

Ernte von Zuckerrübenblättern und -köpfen Mio t

F a s s u n g s r a u m der festgefügten Gärfutterbehälter 1000 cbm

1791 1611. 2334 2997 2988 2797 2999 2504 2523 2232 2010 2139

6,43 7,80 7,93 9,07 11,78 11,66 12,57 12,38 12,06 12,30 10,96 10,25

920 2320 3920 5220 6620 7523 8078 — — — — -

S . 82.

Bereits 1933 wurden die Importe gedrosselt und durch eine Monopolabgabe verteuert. Der Einschnitt mit Kriegsbeginn ist auffällig. Orientierungen gingen in Richtung des Ausbaus der wirtschaftseigenen Futtergrundlagen über Verbilligung des Handelsdüngers, subventionierten Grünlandumbruch mit dem Ziel intensiver Nutzung als Wiese und Weide. In Abhängigkeit von den Gesamtentwicklungstendenzen in der Pflanzenproduktion während des Krieges konnte das Aufkommen an Rauh- und Gärfutter gesteigert werden. Die bedeutende Entwicklung beim Silobau setzte sich im Kriege wegen der allgemeinen Probleme bezüglich der Baustoffe und Arbeitskräfte nicht fort. Die Gesamtlage der Pflanzenproduktion führte zu Forderungen nach intensiviertem Futteranbau. Dieser brachte jedoch, sei es auf Wiesen, Weiden oder auch im Ackerfutterbau bei einem Bedarf von etwa einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche die relativ niedrigsten Nährwerterträge je Flächeneinheit. Die Kollision zwischen dem Primat der menschlichen Ernährung in Zusammenhang mit veränderten Verbrauchsstrukturen 2 2 3 und dem Futterbedarf führte zu Verfütterungs223 Vgl. Tab. 181, 184. ImVerlaufe des Krieges war der menschliche Verzehr an pflanzlichen [Nahrungsmitteln um 25 Prozent gestiegen ( Z S t A P o t s d a m , Fall X I , Nr. 411, Bl. 201, Dok. ¡R-124, Die Ernährungslage und die Produktionsleistung der deutschen Landwirtschaft, 'Referat Woermanns auf der 57. Tagung der Zentralen Planung, 18. 5. 44) ; NS-Landpost, 9. 7. 43.

627

Landwirtschaftliche Produktion

verboten und Ersatzlösungen von zweifelhaftem Wert, wie beispielsweise der Verbitterung von Grünfutter und Rüben an Schweine. 224 Für reine Futterkulturen, wie beispielsweise die Futterrübe, mußten bei erheblich ausgeweitetem Anbau bedeutende Ertragsrückgänge hingenommen werden. Bezogen auf 1939, gingen bis 1944 die Erntemenge um 7450000 t, die Hektarerträge um fast 150 dt zurück, und dies bei einer Anbauflächenerweiterung von mehr als 160000 Hektar. Die allenthalben festzustellende Konkurrenz von Menschen- und Tiermagen mit der Einengung der Futterbasis als Folge konnte auch durch verstärkten Heuanbau nicht entschärft werden. Tabelle 190 Heu (enthaltend Klee-, Luzerne- und Wiesenheu); Anbau, Erträge und Ernie 1933-1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

Anbaufläche in ha

Hektarerträge in dt

Erntemenge in t

1939 1940 1941 1942 1943 1944

7276031 7459325 7418575 7361120 7502738 7565366

43,6 45,1 41,9 41,3 42,1 42,1

36237804 32533664 33441466 30821186 31000005 31837318

Quelle: Statistical Handbook, La Β 34.

Auch die Erntemenge der während der Kriegsvorbereitung verstärkt angebauten Lupinen verringerten sich von 1939 bis 1944 von 100438 auf 79645 t. 225 Das inländische Maisaufkommen ging sowohl wegen Anbaurückganges als auch wegen sinkender Hektarerträge von 103514 1 1939 auf 39263 11944 zurück. 2 ^ Ende 1944 mußte in einer Lagebeurteilung resümierend festgestellt werden, daß „die größlm Schwierigkeiten im sechsten Kriegsjahr zweifellos auf dem Gebiet der Futterwirtschaft zu überwinden" seien.227 Der aus Einfuhren und aus deutscher Erzeugung verfügbare lvraftfutterrest war von 25,1 Millionen t bei Kriegsbeginn auf 15,5 Millionen t 1943/44 gesunken. 228 Die dargestellten Beispiele der Produktionsentwicklung der für die Ernährung und Verfütterung besonders signifikanten Fruchtarten erlauben eine zusammenfassende Beurteilung. Die dem deutschen Imperialismus zur Verfügung stehenden Ressourcen auch auf landwirtschaftlichem Gebiet mochten im Rahmen der Blitzkriegsstrategie ausreichen. Mit dem Scheitern dieser abenteuerlichen Konzeption mußten mehr und mehr ökonomische Gesetzmäßigkeiten wirksam werden und sich gegen die faschistischen Aggressoren wenden. Auf die Crux faschistischer Agrarpolitik machte Woermann im April 1943 aufmerksam: „. . . auf der einen Seite das Bestreben der Landwirtschaft, arbeits- und dünger224 VB, 21. 9. 44, Bericht über Arbeitsbesprechung des Reichsausschusses für Schlachtvieherzeugung beim Reichsbauernfiihrer. 225 Berechnet nach ebenda, La Β 17, La Β 18. 226 Statistical Handbook, La Β 9. 227 Die Ernährungswirtschaft an der Wende des fünften Kriegsjahres, in DAP, Η. 12/1944. 228 Siehe Anm. 223, Referat Woermann.

628

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

intensive Kulturen, die ernährungswirtschaftlich besonders leistungsfähig sind, im Anbau auszudehnen, auf der anderen Seite stark verminderte Nährstoffzufuhr (Stickstoff und Phosphorsäure) und schlechtere Versorgung m i t Betriebsmitteln (Treibstoff, Maschinen und Geräte etc.). I m Anbaugefüge 1942/43 sind gewisse extensivierende Tendenzen . . . nicht zu verkennen. Die Tabellen zeigen außerdem einen Rückgang der ha-Erträge, der sich bei den düngerintensiven Kulturen und bei der S t r o h e r n t e 2 2 9 am stärksten durchsetzt." 230 B e t r a c h t e t man die Pflanzenproduktion insgesamt, so bleibt festzustellen, daß die intensive Vorbereitung des Krieges auf diesem Gebiet relative Erfolge in der Richtung zeigte, daß es in seinem Verlaufe gelang, die E r n t e n bei grundsätzlich sinkender Tendenz, m i t Unterschieden bei den einzelnen Kulturen, über einen längeren Zeitraum auf einem Niveau zu halten, das eine Ernährungskatastrophe verhinderte. Im Vergleich zum ersten Weltkrieg vollzog sich der Rückgang der Ernteerträge erheblich langsamer (Tabelle 191). Tabelle 191 Entwicklung der Ernten 1914-1918 und 1939-1944, Reichsgebiet 1. ausgewählte Kulturen (in Prozent des Vorkriegsdurchschnittes)

9.1939,

Getreide

Kartoffeln

Zuckerrüben

Jahresdurchschnitt 1908-1913 1914 1915 1916 1917 1918

100 98 80 80 56 64

100 99 118 55 76 64

100 110 67 66 64 60

Jahresdurchschnitt 1935-1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

100 104 90 84 86 92 78

100 105 106 88 101 75 80

100 126 122 119 120 117 100

Quelle: Woermann, Schaubilder, zit. bei Riecke, S. 324. In der Versorgung wirkten sich die Ernterückgänge so lange n i c h t voll aus, wie Einfuhren sie kompensierten. 2 3 1 Diese sogenannten Einfuhren bestanden hauptsächlich aus den Ergebnissen der Ausplünderung von okkupierten Ländern Europas bzw. aus Lieferungen 229 Stroh war in seiner Doppelfunktion als Futter und als Streu für die Viehzucht besonders wichtig. 230 ZStA, Fall X I , Nr. 411, Dok. R-124, Bl. 135, Die Ernährungslage und die Voraussetzungen zur Erhaltung der Produktionsleistungen der deutschen Landwirtschaft, Referat von Woermann auf der 39. Sitzung der Zentralen Planung am 23. 4. 1943. 231 Siehe Tab. 180, 181, 184.

Landwirtschaftliche Produktion

629

der Satellitenstaaten des faschistischen Deutschlands, deren Landwirtschaft den Bedürfnissen der faschistischen Kriegsmaschine rigoros untergeordnet wurde. 232 Bis zum Wirtschaftsjahr 1942/43 waren die Ernterückgänge, sofern sie nicht eindeutig witterungsbedingt waren, nicht entscheidend. Von da an begann sich aber allgemein ein progressiver Rückgang der Hektarerträge und damit der Erntemengen einzustellen, der seine Ursachen in den durch den Krieg verursachten Beschränkungen bei den Betriebsmitteln hatte. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt setzten sukzessive die Langzeitwirkungen verminderter Düngergaben und der Vernachlässigungen bei der Bodenbearbeitung aus den Vorjahren ein.

b)

Tierproduktion

Eine Beurteilung der Tierproduktion bei der insgesamt angespannten Ernährungslage muß berücksichtigen, daß bei der Verwertung pflanzlicher Erzeugnisse durch den Tiermagen ein erheblicher Kalorienverlust eintritt. Hieraus folgten Anstrengungen, die bereits dargestellt wurden, den menschlichen Verzehr pflanzlicher Nahrung zu steigern und gleichzeitig die Aufnahme tierischer Produkte zu drosseln. Aus dieser Absicht und den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen ergab sich die Notwendigkeit, den Viehbestand dem nach Abzug des menschlichen Nahrungsbedarfes verbleibendem Futterrest anzupassen. Es bedarf in diesem Zusammenhang einer Beachtung der bereits erwähnten Wechselwirkung zwischen reduziertem Gesamtlebensmittelangebot im. Kriege und der sich daraus ergebenden auch ungesteuerten Verlagerung der menschlichen Ernährung hin zu pflanzlichen Produkten. Der Zusammenhang von Futtermenge und Viehbestand bestimmte demgemäß von Anfang an entscheidend die Politik auf diesem Gebiet, wesentlich geprägt von der grundlegenden Bedeutung der Rinder- und Schweinebestände mit ihrer Doppelfunktion als Fett- und Fleischlieferanten. Der Rindviehbestand und seine Leistungen wurde primär unter dem Aspekt der Butterproduktion betrachtet. Alle Maßnahmen faschistischer Agrarpolitik im Hinblick auf die Erhaltung und Versorgung des Rinderbestandes sind unter dem Blickwinkel einzuordnen, daß Butter als wichtigste inländische Fettquelle für die Ernährungsbilanz angesehen wurde. (Tabelle 192) Die Angaben verdeutlichen eine nur geringe Einbuße am Gesamtbestand während des Krieges. In Abhängigkeit von der Futterlage ist eine uneinheitliche, jedoch keinesfalls sinkende Tendenz festzuhalten. Die Zahl der Milchkühe nahm von 1939 bis 1944 sogar kontinuierlich zu. Die Verluste im Bestand am Vorabend des Krieges und im ersten Kriegsjahr müssen verstärkt auftretender Maul- und Klauenseuche zugeschrieben werden. Solche bemerkenswerten Entwicklungen sind aus der kardinalen Funktion des Rindviehbestandes als Fettlieferant zu erklären und auch aus der Tatsache der besseren Energieausnutzung des Futters bei der Milcherzeugung im Vergleich mit der Fleischproduktion. 233 (Tabelle 193) 232 Vgl. Lehmann, Agrarpolitik, S. 948 ff. 233 DAP, H. 12/1944. Eine Kalorie Rindfleisch erforderte 24 Kalorien, eine Kalorie Milch 4 Kalorien Futtereinsatz.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

630

Tabelle 192 Rinderbestand 1933-1944, Reichsgebiet 1937 (in 1000 Stck.) Jahr

Rinder, gesamt

davon Milchkühe

auf 100 ha Gesamtfläche

je 100 Einwohner

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

19811 19266 18938 20088 20503 19434 19948 19663 19432 19102 19589

9994 10154 10059 10038 10173 10108 9881 9962 9979 10051 10139 10258

42,1 40,9 40,2 42,7 43,6 42,4 42,4 41,8 41,3 40,6 41,6

30,0 29,0 28,3 29,8 30,2 29,2 28,8 28,2 27,7 27,0 28,1

-

-

-

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 190, 215. Tabelle 193 Erzeugung und Verwendung von Kuhmilch 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Durchschnittsertrag je Kuh kg

Gesamterzeugung 1000 t

als Frischmilch verbraucht 1000 t

verarbeitet

2484 2419 2406 2530 2501 2492 2567 2445 2387 2242 2252 2265

24829 24558 24200 25400 25445 25185 25363 24358 23816 22531 22839 23231

7674 7935 7815 7941 7666 7900 7324 5083 4700 4681 4641 4549

14142 14142 13885 14759 15034 14545 15441 17058 17091 15980 16320 16848

1000 t

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 215. Die in den Vorkriegs jähren gesteigerte Gesamterzeugung fiel von 1939 bis 1942 auf einen Tiefwert ab, erholte sich in den beiden folgenden Jahren etwas, ohne jedoch die Größenordnungen bis 1941 je wieder zu erreichen. Die Erklärung liegt in der Abnahme der Milchleistung der Kühe, die wegen der Futtermittellage nicht gehalten werden konnte, trotz einer gewissen Steigerung ab 1942. Der erholte Gesamtbestand konnte unter dieser Bedingung die Gesamterzeugung nur bedingt beeinflussen. Umfassende Bemühungen um die möglichst optimale Erfassung und Nutzung der Milch drückten sich in einer Reduzierung des Frischmilchverbrauches und in einem hohen Verarbeitungsanteil im Kriege aus, der 1944 den höchsten Stand erreichte.

Landwirtschaftliche Produktion

631

Erreicht wurde dies durch die mit allen Mitteln des Regimes durchgesetzte Milchablieferungspflicht und die damit verbundenen rigorosen Einschränkungen der Verfütterung von Frischmilch, des Eigenbedarfs der Kuhhalter und des Absatzes direkt vom Hof. 234 Allgemeine Überwachung führte zur Schließung privater Zentrifugen, zum Probemelken in den Ställen und mündete in Verwarnungen und Bestrafungen. Derart massiver Druck hatte zur Folge, daß schließlich 1943/44 rund vier Fünftel der Gesamterzeugung 235 in den ebenfalls schärfstens überwachten Molkereien angeliefert und verarbeitet wurden Damit war eine wesentliche Voraussetzung dieser wichtigen Fettquelle durch die zuständige Hauptvereinigung der deutschen Milch- und Fettwirtschaft gegeben. Tabelle 194 Herstellung von Butter 1933-1944, Reichsgebiet

1937 (in 1000 t)

Jahr

in Molkereien

in der Landwirtschaft

Gesamt

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

254,6 282,5 312,0 383,6 416,9 410,0 463,1 573,0 591,4 595,1 615,7 606,7

195,9 170,8 140,0 112,5 100,0 97,5 84,4 54,0 39,3 27,9 20,7 18,0

450,4 453,2 452,0 496,1 516,9 507,5 547,5 627,0 630,7 623,0 636,4 624,7

Quelle: Statistisches

Handbuch, S. 215.

Unter diesen Voraussetzungen stieg die Butterproduktion vom letzten Vorkriegsjahr bis 1944 um mehr als 23 Prozent. Gleichzeitig wurde der Anteil von in der Landwirtschaft hergestellter Butter von knapp 20 auf nur rund 3 Prozent gesenkt. Neben der besseren Lenkungsmöglichkeit wurden durch die Verbutterung in Molkereien Verluste vermieden, die im Eigenbutterungsverfahren unvermeidlich waren. Der reale Effekt der erhöhten Butterproduktion für die Fettversorgung muß jedoch mit gewissen Vorbehalten betrachtet werden. (Tabelle 195) Während die Milchfetterzeugung sank, stieg die Butterproduktion. Die Mehrerzeugung von Butter wurde aber auf Kosten eines zunehmend beschränkten Verbrauchs an Trinkmilch und Aufzuchtfutter erkauft. Die Butterstatistik machte nur einen Teil des bislang „unsichtbar" verzehrten Fettes statistisch erkennbar. Einer realen Erhöhung des Konsums, wie sie die Statistik der Butterherstellung vorgaukelt, fehlten elementare Voraussetzungen. Die gesteigerte Butterproduktion stellte auch deshalb keine echte Mehrerzeugung dar, weil vielfältige Maßnahmen, von denen die Frischmilchentrahmung und die Erhöhung des Wasseranteils der Butter am bekanntesten sind, den sonst in anderen 234 Ebenda, S. 215. 235 Hanau/Plate, S. 76.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

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Landwirtschaftliche Produktion

633

Milchprodukten, wie Käse und Quark, enthaltenen Milchfcttverzehr lediglich statistisch erfaßbar machten. Eine wichtige und für die real erreichte Milchproduktion wirksame Maßnahme bestand in den ab 1935 vorerst selektiv eingeführten Milchleistungsprüfungen. Mit ihnen wurde behördliche Eingriffe in die Betriebsführung hinsichtlich einer leistungsbezogenen F ü t t e rung ermöglicht. Unter den Bedingungen der Futterlage im Kriege lag deren Bedeutung auf der Hand. Trotz großer Personalprobleme wurde nach einem Abfall zu Kriegsbeginn d e r Anteil des überprüften Bestandes m i t Ausnahme des J a h r e s 1943 (49 Prozent) immer auf mehr als der Hälfte gehalten. 2 3 6 Im Charakter der Milchleistungsprüfungen t r a t zudem immer mehr eine Verschiebung hin zu einer Überwachung der Ablieferung ein. Im Vergleich zu der fundamentalen Bedeutung der Milchproduktion hatte die Rindfleischerzeugung relativ untergeordnetes Gewicht. 2 3 7 Tabelle 196 Rinderschlachtungen 1933—1944, Reichsgebiet 1937 (in Stck.) Jahr

Rinder insgesamt

davon Auslandstiere

Kühe

davon Auslandstiere

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

3507716 4058967 4078147 3148716 3842536 4271479 3867573 3836140

35764 74043 117856 198275 190373 166723 196194 301974

1549294 1891780 2095994 1729436 1965036 2107592 2017396 2031420

18929 39111 60595 106603 100199 78296 124595 212544



3346000 3368719 2430032







594029 405103 263067

1870000 1838756 1530537

348439 196247 148218

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 222. Kennzeichnend ist eine langsame Abnahme der Schlachtungen im Kriege, deren Tempo sich von 1943 zu 1944 steigerte. Dies erklärt sich teilweise aus der leichten Zunahme 1943, die aus Forderungen der faschistischen W e h r m a c h t resultierte und aus den dezimierten, im Wiederaufbau begriffenen Schweinebeständen n i c h t abgedeckt werden konnte. Auslandstiere hatten 1940 bis 1943 eine außergewöhnliche Bedeutung durch den R a u b in den okkupierten Gebieten. I h r sinkender Anteil gegen Kriegsende belegt die zunehmend beschränkten Möglichkeiten der Ausplünderung. F ü r die Schlachtungszahlen ties J a h r e s 1944 ist zu beachten, daß in der zweiten Hälfte des J a h r e s durch Räumungsvieh aus den kriegsbedrohten Gebieten Deutschland eine erhöhte Schlachtquote entstand.

236 Ebenda, S. 84. 237 Diese Feststellung bezieht sich aussschließlich auf die Relation Milch zu Fleisch. Bei der verfügbaren Fleischmenge pro Kopf der Bevölkerung stieg der Anteil des Rindfleisches (Rind und Kalb) bezogen auf die Schweinefleischmenge, bei insgesamt laufend zurückgehenden Zahlen, von 5?,3 Prozent 1939 auf 81,9 Prozent 1943 und 77,4 Prozent 1944.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

634

Die Preise für Rindfleisch blieben so niedrig, daß sie die Erhaltung eines leistungsfähigen Milchviehbestandes stimulierten. 238 Für die konkreten Konsummöglichkeiten war die real verfügbare Fleischmenge vo-n entscheidender Bedeutung. Tabelle 197 Verfügbare Rindfleischmenge 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Rindfl.

Kalbfl.

Menge je Kopf der Bevölkerung in kg Kalbfl. Rindfl.

820 900 935 790 910 1080 1010 911

190 213 206 192 212 211 197 189

12,58 13,72 13,98 11,73 13,42 15,70 14,57 13,05

Menge in 1000 t





788 697 522

2,91 3,25 3,08 2,85 3,12 3,07 2,84 2,74





11,14 9,73 7,08

200 164 183

2,83 2,29 2,49

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 230. Unmittelbar mit Kriegsbeginn setzte ein Rückgang ein, der ab 1942 die Werte der Krisenjahre 1932/33 deutlich unterschritt und bei fortwährend zunehmendem Tempo 1944 seinen Tiefpunkt erreichte. Der wechselhafte Verlauf bei Kalbfleisch hatte seine Ursache in Futtermangel, der zu an sich nicht erwünschten Schlachtungen zwang. Fürden statistischen Pro-Kopf-Verbrauch stand 1944 schließlich die Hälfte des Jahres 1938 zur Verfügung. Eine Gegenüberstellung der durchschnittlichen Schlachtgewichte läßt die Qualitätsminderung im Schlachtrindangebot erkennbar werden. Der Rückgang des Gewichts erklärt den Rückgang der verfügbaren Fleischmenge teilweise mit. Tabelle 198 Durchschnittliche Schlachtgewichte 1938 und 1944, Reichsgebiet 1937 (in kg je Stck.) Jahr

Rinder

1938 1944

255 231

·

Ochsen bis 2 J.

Bullen bis 2 J .

Kühe

Färsen

Kälber

228 192

216 184

251 229

219 186

42 31

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 230. 238 Vgl. Lehmann, Joachim, Tierproduktion in Deutschland unter den Bedingungen des zweiten Weltkrieges. Zu den ökonomischen Voraussetzungen für die Nachkriegsentwicklung, in: WZ der WPU Rostock, Ges.- u. sprachwiss. Reihe, H. 1/1981, S. 45, (im folgenden: Tierproduktion).

Landwirtschaftliche Produktion

635

Die Abnahme der Schlachtgewichte war vornehmlich auf die Verschlechterungen der Kraftfuttergaben qualitativ wie quantitativ zurückzuführen. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß trotz der bereits gemachten Einschränkungen die Milchproduktion im Verein mit der Ausweitung des ölfruchtanbaus entscheidend dazu beitrug, vor allem in der zweiten Kriegshälfte einen Zusammenbruch der Fettversorgung zu verhindern. Auch Rindfleisch gewann bei der insgesamt abnehmenden verfügbaren Fleischmenge anteilmäßig an Bedeutung. Solchen relativen Erfolgen auf dem Gebiet der Milch- und Buttererzeugung stand auf dem Gebiet der Schlachtfetterzeugung durch Schweinehaltung ein ganz anders gearteter Prozeß gegenüber. Innerhalb der Kriegsernährungswirtschaft hatte das Schwein Bedeutung als Lieferant von Fleisch, Fett und Leder. Neben Butter und pflanzlichen ölen stellte die Schweinemast die dritte bedeutende inländische Fettquelle dar. Fett wurde aber bei der auf Fleisch orientierten Mast erst in zweiter Linie erzeugt. Vier Fünftel der Mast dienten der Fleisch- und nur ein Fünftel der Fetterzeugung. In den letzten Vorkriegsjahren entfielen mehr als 60 Prozent der verfügbaren Fleischmenge auf Schweinefleisch. 239 Der Umfang der Schweinehaltung hing in ganz besonderem Maße von der verfügbaren Futtermenge ab. Im Unterschied zur Rinderhaltung — die mit etwa 90 Prozent Rauhund Saftfutter ermöglicht wurde, das der menschlichen Ernährung nicht unmittelbar nutzbar gemacht werden konnte — trat bei dem hauptsächlichen Schweinefutter Kartoffeln und Getreide eine direkte Konkurrenz von Mensch und Tier auf. 240 Die schwankende Futtergrundlage, vor allem bei Kartoffeln, erforderte eine entsprechende Anpassung der Bestände. Die Produktion wurde nicht von der Schweinezahl, sondern von der Futtermenge bestimmt, die auch den Ausmästungsgrad beeinflußte. Die angestrebte hohe Ausmästung mit entsprechend höherem Fettgewinn erforderte nun progressiv Tabelle 199 Schweinebestand, 1933—1943, Reichsgebiet 1937 (in 1000 Stck.) Jahr

Gesamt

davon Zuchteber

Zuchtsauen

Schlacht- und Mastschweine

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943

24014 23298 22827 25892 23847 23567 25240 21578 18303 15025 16549

113 107 109 108 87 87 88 84 68 62 98

2026 1791 1958 2039 1657 1840 1869 1567 1302 1187 1531

6309 6744 6409 7574 7991 7664 7782 7621 7024 6323 5874

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 190. 239 Nach Statistisches Handbuch, S. 231, berechnet. 240 Vgl. S. 616 ff.

636

Die deutsche L a n d w i r t s c h a f t i m K r i e g e

wachsende Futtermengen. Die hier gegebenen Grenzen hätten einen solchen Weg nur über die weitere Reduzierung der ohnehin schon devastierten Bestände ermöglicht. In Verbindung mit der Lage bei der Pflanzenproduktion, dem Ausfall von Importen und den veränderten Verbrauchsgewohnheiten der Menschen bei dem zunehmenden Fleischund Fettmangel ergab sich die in Tabelle 199 wiedergegebene Entwicklung der Schweinebestände. Die drastische Reduzierung seit Kriegsbeginn führte zu einem absoluten Tiefstand 1942 mit einem Bestand von nur noch rund 62 Prozent des Vorkriegsdurchschnitts. Die schlechte Kartoffelernte von 1941 wirkte sich hier stark aus. Diese Lage und vor allem der gravierende Abbau bei Zuchtsauen 2 4 1 ließen befürchten, daß in Zukunft nicht einmal für eine Normalernte genügend Verwerter mehr vorhanden sein würden. Organisatorisch durch die Einrichtung von sogenannten Leistungsausschüssen auf allen Ebenen der Reichsnährstandsorganisation vorbereitet, konzentrierten sich die Gegenmaßnahmen der Agrarplaner vor allem auf den Futterbereich durch Preisanreize und Absatzgarantien. 2 4 2 Ein ganzes Bündel von Maßnahmen brachte gewisse Erfolge. Die Bestände insgesamt und besonders die der Zuchtschweine erholten sich 1943 bei einem weiteren Rückgang der Schlacht- und Mastschweine. Die Grenzen dieser Vermehrung wurden von der Futtergrundlage bestimmt. Der für den Wiederaufbau der Bestände besonders bedeutsame Fundus an Zuchttieren ließ schon Mitte 1944 wieder eine klare Unterbrechung der Aufwärtsentwicklung erkennen. 243 Alle Pläne für Bestandsaufstockungen wurden ausschließlich von der vorhandenen Futtermenge bestimmt. > B Tabelle 200 Schweinebestand 1934/35-1943/44 Sept./Aug.

1934/35 1935/36 1936/37 1937/38 1938/39 1939/40

und verfügbare

Kartoffelfuttermenge

verfügbare Kartoffelmenge je Schwein in k g 736 705 765

Reichsgebiet 1937

1008

1938/39 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 Quelle: Hanau/Plate,

953 814 962

Reichsgebiet 1. 9. 1939

797

861 604 845 591 S . 105.

241 Hanau/Plate, S . 104. 242 Vgl. Lehmann, Tierproduktion, S . 4 4 ; Hanau/Plate, 243 Vgl. Lehmann,

Tierproduktion, S . 45.

S . 110f.

637

Landwirtschaftliche Produktion

Die Angaben in Tabelle 200 machen diesen Zusammenhang ebenso ablesbar wie die Tatsache der betrieblichen Schwankungen bei der pro Schwein verfügbaren Menge, ein Resultat des geschilderten Anpassungszwanges, und den folgenschweren Tiefstwert 1943/44. Auch die im Rahmen von Schweinemastverträgen bereitgestellten Futtermengen gingen zurück und deckten schließlich nur noch 50 bis 70 Prozent der erforderlichen Mengen. Mangel an Eiweißfuttermitteln durch Fortfall von Magermilch und fast bedeutungslose Fischmehleinfuhr bedingten eine Verlängerung der Mastdauer, die zur Senkung der Mindestschlachtgewichte zwang. 244 Tabelle 201 Schlachtungen

von Schweinen

1933—1944, Reichsgebiet

1937 (in Stck.)

Jahr

Hausschlachtungen

gewerbliche Schlachtungen

davon Auslandstiere

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

8547888 9174842 8659349 8906862 9369898 8588309 8650367 8350613

13946553 14969478 14128411 14532249 15287728 14012504 14147770 12897883

13587 12873 101021 380796 464000 482597 535227 554509







6485000 6489236 4906547

Quelle: Statistisches

4328000 4469134 6973712

97157 117917 122495

Handbuch, S. 223.

Die Zahl der Hausschlachtungen nahm während des Krieges fast kontinuierlich ab, wobei es von 1940 zu 1942 einen erkennbaren Sprung gab. Bis 1942 erklären sie sich aus der futterbedingten Dezimierung des Bestandes. Ab 1943 erlaubten die Bemühungen um seinen Wiederaufbau eine leichte Zunahme der Schlachtungen. Bei den gewerblichen Schlachtungen wurde nach einem schon bedeutenden Abfall 1940 in den folgenden Jahren rigoros weiter gekürzt. Der Anstieg 1944 ist aus einer erneuten Anpassung an den Futterrest zu erklären sowie beschränkten Möglichkeiten der Hausschlachtung und sicher auch zusätzlichen Schlachtungen in Räumungsgebieten. Die für den möglichen Verbrauch wichtige verfügbare Fleischmenge ist wohl der klarste Nachweis für die Auswirkungen des Krieges. (Tabelle 202) Die Auswirkungen des dezimierten Bestandes wurden durch die reduzierten durchschnittlichen Schlachtgewichte — von 102 kg 1938 auf 96 kg im Jahre 1944 245 — noch verschärft. Bezogen auf 1939, standen schließlich 1944 nur noch 44 Prozent der Fleischmenge und 41 Prozent des Pro-Kopf-An teils zur Verfügung. 244 ZStA Potsdam, RMEL, Nr. 2340, Bl. 6, Reichsbauernführer an die Landeshauptabteilungsleiter III, 1. 3. 44.

245 Statistisches

Handbuch, S. 230.

Die deutsche Landwirtschaft im Kriege

638 Tabelle 202 Verfügbare Schweinefleischmenge 1933—1944, Reichsgebiet 1937 Jahr

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944

Fleischmenge in 1000 t

Fleischmenge je Kopf der Bevölkerung in kg

1654 1791 1757 1878 1874 1863 2071 1800

25,37 27,31 26,28 27.88 27,63 27,09 29.89 25,76

1304 927 911

18,42 13,08 12,36

Quelle: Statistisches Handbuch, S. 231. Der A b b a u der Schweinebestände hatte zwei wesentliche Auswirkungen. Zum einen erlaubte er eine Erhöhung des direkten menschlichen Verzehrs an Getreide und Kartoffeln. Zum anderen zog in den ersten Kriegsjahren der Verbraucher zeitweiligen Nutzen aus dem Abbau. Entscheidend war jedoch, daß aus der Substanz gewirtschaftet wurde, ohne daß sie reproduziert werden konnte. Das reduzierte Schweinefleischaufkommen zwang so 1943 in beschränktem Maße zu Eingriffen in die Rinderbestände. 2 4 6 Hoffnungen auf eine Kompensation der prekären L a g e durch verstärkte Einfuhren machte die Kriegslage zunichte. Im Anschluß an die Behandlung des ölfruchtanbaus, der Buttererzeugung und der Schweineproduktion ist es möglich, die Fettbilanz der faschistischen Kriegsernährungswirtschaft zu beleuchten. (Tabelle 203) Im Vergleich zu der stark sinkenden Schlachtfettproduktion und der unsicheren Erzeugung pflanzlicher Fette war die Butterproduktion anteilmäßig wie auch in der Kontinuität der stabilste F a k t o r der Fettversorgung. B e i Schlachtfetten wie bei Margarinerohstoffen und Speiseöl war der Anteil im Kriege in Abhängigkeit vom Schweinebestand bzw. von der Anbaufläche recht schwankend. F ü r beide Gruppen nahm die Bedeutung der inländischen Produktion bis Kriegsende bei insgesamt bedeutend verringertem Verbrauch ständig zu. Die immer kritischere Futtermittellage rückte einen relativ unbedeutenden Teil der Viehwirtschaft, die Kleintierhaltung, in den Blickpunkt faschistischer Agrarpolitik im Kriege. Tatsächlich hatte die Kleintierhaltung mit Ausnahme der Hühner im Gegensatz zu anderen Tierarten im Kriege einen Anstieg, zum Teil um das Mehrfache, zu verzeichnen. 246 Backe, Erzeugungsschlacht, S. 105.

Landwirtschaftliche

Produktion

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Kriegswirtschaft in Zahlen

177

Im Jahre 1943 war die Panzerwaffe in den Plänen Hitlers und der Generalität jene besondere Waffe, mit der sie im Osten die strategische Initiative wiedererlangen wollten. Jetzt, 1944, hofften sie, mit ihr die Rote Armee, den offensivsten und in den Augen der politischen und wirtschaftlichen Führung gefährlichsten Gegner, wenigstens von den deutschen Grenzen fernzuhalten. Charakteristisch für den Wandel der Situation und der strategischen Orientierung war der Übergang vom Panzerkampfwagen, der schnellen Offensivwaffe, zum Sturmgeschütz als bevorzugtem Panzertyp. Sturmgeschütze und die aus ihnen entwickelten Jagdpanzer (mit langrohrigen Geschützen) waren ebenfalls schnell und beweglich, aber auch dafür geeignet, mit ihrem meist starr eingebauten Geschütz aus der Stellung heraus den Angriffen der überlegenen sowjetischen - später auch der englisch-amerikanischen - Panzertruppen zu begegnen.263 In der zweiten Jahreshälfte 1944 wurde sogar die Produktion der seit 1942 immer stärker forcierten schweren Panzer zugunsten von Sturmgeschützen und leichteren Panzeijägern zurückgenommen, was sich in der Abnahme des durchschnittlichen Panzergewichts widerspiegelte.264 Tabelle 62 Panzerproduktion

nach Gewicht, 1939—1945 (in t) Gewicht (Monatsdurchschnitt)

1939 (Sept.-Dez.) 1940 1941 1942 1943 1.Hälfte 2.Hälfte 1944 1.Hälfte 2.Hälfte 1945(Jan - März)

1 375 2 902 6 393 10 368 27 115 21 223 33 007 45 715 43 345 48 085 33 353

Durchschnittsgewicht je Panzerfahrzeug 22,2 21,2 20,2 20,1 27,0 25,5 28,1 28,9 29,1 28,6 25,4

Quelle: The Effects, S. 278 ff., Tab. 104 und 105. Dort ungenaue Berechnung einiger Monatsdurchschnitte.

263 Zu den Panzertypen und ihrer technischen Ausstattung s. v. Senger und Etterlin; Spielberger, Walter J./Wiener, Friedrich, Die deutschen Panzerkampfwagen III und IV mit ihren Abarten 1935 1945, München 1968. - Speer erklärte dem japanischen Botschafter Oshima, man wolle durch die Sturmgeschütze „die jetzige Pak ablösen, also gewissermaßen nur noch eine fahrende Pak produzieren, weil die stehende zu große Verluste hat." (BAP, FS, Film 1740, Rede Speers v. 8.8.1944). 264 Hierbei hat anscheinend auch der Stahlmangel eine Rolle gespielt. Speer erwirkte Ende September 1944 Hitlers Zustimmung zur Produktionsumstellung von den StG III und IV, soweit mit kurzem Geschütz, auf den 38(t)-Jagdpanzer, der nur ein Einsatzgewicht von 14,5 t Stahl hatte (gegenüber 241); FB, 21.-23.9.1944, Punkt 10; Boelcke, Deutschlands Rüstung, S. 412.

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

178

Neun Panzerfirmen hatten 1943 einen Produktionsanteil von über 90 Prozent an fertig montierten Panzern: Alkett (Berlin-Borsigwalde), Miag (Braunschweig), das österreichische Nibelungenwerk von Steyr-Daimler-Puch (St. Valentin), Vomag (Plauen), Krupp-Gruson (Magdeburg), MNH (Maschinenfabrik Niedersachsen, Hannover), Henschel (Kassel), Daimler-Benz (Berlin-Marienfelde) und MAN (Nürnberg).265 1944 schoben sich die tschechischen Firmen Skoda und BMM (Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik, Brünn) als Produzenten des Sturmgeschützes 38 (t) (Jagd-38) auf vordere Plätze. Die größten Panzermotorenwerke waren Maybach (Friedrichshafen) und Daimler-Benz (Berlin-Marienfelde). Als Zulieferer für die Panzerwerke (Wannen, Türme, Geschütze, Fahrwerk, Ausrüstung) arbeiteten große Teile der deutschen Industrie, besonders der Stahlindustrie und des Maschinenbaus. Verlagerungen gab es in den Werken der Panzermontage nur vereinzelt, etwa im Fall Vomag, wo im Sommer 1944 die Fertigung von Kleinteilen mit 50 Prozent der Werkzeugmaschinen verlagert wurde, oder im anders gelegenen Fall von Alkett (Tochter von Rheinmetall-Borsig). Nach Bombenschäden bei Alkett im Herbst 1943 entstanden in Falkensee (Montage) und in Berlin-Spandau (Wannen) große Ausweichwerke. In weit größerem Umfang verlagerten wichtige Zulieferer ihre Produktion (Motoren, Getriebe, Kugellager). Maybach-Motoren produzierte inzwischen in wachsender Zahl das Auto-Union-Werk in Chemnitz-Siegmar, so daß der schwere Angriff auf Friedrichshafen in der Nacht vom 27. zum 28. April 1944266 keinen gefährlichen Einbruch nach sich zog. Als das Werk in Siegmar am 11. September 1944 schwer angegriffen wurde, war Friedrichshafen wieder voll in Produktion.267 Tabelle 63 Produktion von Maybach-Panzermotoren 1944 Januar - April insges. Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

bei Auto-Union AG, Werk Chemnitz-Siegmar, 1944/45 (in Stck.) 1945

245 361 700 800 800 198 312 210 293

Januar Februar

250 350

Quelle: USSBS, Munitions Division, Auto-Union AG, Chemnitz und Zwickau, 1945, 1947, S. 6. 265 USSBS, Tank Industry Report, S. 11, Tab. 3; führend: Alkett (26,6 Prozent), Miag (14,3), Nibelungenwerk (13,7). 266 Saur, 28., 29. u. 30. 4. 1944: „Schwerster Angriff auf Friedrichshafen (Panzermotoren und -getriebe und [Do] 335).... Besuch in Friedrichshafen. Umfassende Hilfsaktion notwendig. Deshalb Weiterflug zum Berghof. ... Bericht an AH (Hitler - D. E.) über Friedrichshafen. Erforderliche Unterstützung wird in vollem Maße befohlen. Motor- und Getriebefertigung sowie Sturmgeschütze werden in die gleiche Dringlichkeit wie das Jägerprogramm eingereiht." 267 Siehe USSBS, Munitions Division, Auto-Union AG, Chemnitz u. Zwickau, 1945, 1947, S. 2 f.

Kriegswirtschaft in Zahlen

179

Erst im August 1944 und in den folgenden beiden Monaten wurden die meisten großen Panzerwerke und verschiedene Motorenwerke gezielt bombardiert und damit bis Jahresende, nach Schätzungen des USSBS, 18 bis 20 Prozent der Kapazität, etwa der Produktion von 2 000 Panzern entsprechend, ausgeschaltet.268 Seit Januar/Februar 1945 trafen weitere Angriffe die Werke. Die Luftangriffe auf die Panzerwerke waren „im ganzen kein Erfolg". Den USSBS-Experten fiel besonders auf, wie resistent die Produktion in vielen Fällen gegen Gebäudeschäden war. Wirksamer sei die Lahmlegung des Verkehrswesens ab Oktober/November 1944 gewesen, der hauptsächliche Grund für den Produktionsabfall Anfang 1945.269 Die chaotischen Transportverhältnisse erschwerten schließlich auch die Auslieferung der Panzer an die Fronten. Die Treibstoffsituation machte schließlich die volle operative Ausnutzung der Panzerbestände unmöglich, was sich während der Ardennenoffensive im Dezember 1944270 und während des Kampfes um Oberschlesien in der zweiten Januarhälfte zeigte. Tabelle 64 Schäden durch Luftangriffe in drei Panzerwerken, unbenutzbar gemachten Werksfläche) Henschel, Kassel („Tiger") 1944 August September Oktober November Dezember 1945 Januar Februar März

-

48,0 45,3

August 1944 - März 1945 (in Prozent der jeweils

MAN, Nürnberg („Panther")

-

23,6 37,0

Krupp-Gruson,Magdeburg (Panzer IV)

42,2 7,5 10,9

-

-

-

0,2

-

-

34,4 -

9,0

14,7 2,6 -

4,6 6,6 -

Quelle: USSBS, Tank Industry Report, S. 16, Tab. 6. - Den Berechnungen lag nur die für die Panzerproduktion eingesetzte Fläche zugrunde, bei Krupp-Gruson ζ. B. 17 Prozent (USSBS, Munitions Division, Friedrich Krupp Grusonwerke Magdeburg, 1945, 1947).

Wenn die Produktion bis zum Januar 1945 ständig stieg bzw. ihre Höhe hielt, so lag das nicht zuletzt an ihrer Regulierung und Rationalisierung durch den Hauptausschuß Panzerwa268 USSBS, Tank Industry Report, S. 15; S. 19; The Effects, S. 170 (hier wird behauptet, daß „alle elf Montagewerke" angegriffen und getroffen worden seien). 269 USSBS, Tank Industry Report, S. 19. 270 DZW, Bd. 6, S. 127: „Anstelle der für notwendig gehaltenen fünf Verbrauchssätze für Treibstoff standen durchschnittlich nur 1,5 bis 1,8 Verbrauchssätze zur Verfügung, d. h., die Fahrtstrecke der Panzerverbände war auf 70 bis 90 Kilometer beschränkt." (Nach einer Notiz (Gen.Qu.?) vom 15.12.1944, dem Vortag der Offensive).

180

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

gen und das Technische Amt des Rüstungsministeriums. Sie steuerten die gesamte Produktion einschließlich Zulieferungen, Materialfluß und Arbeitskräftenachschub offensichtlich sehr effektiv und elastisch, obwohl sie in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 nicht mehr in der obersten Dringlichkeitsstufe rangierte, was sich im Januar 1945 im „Notprogramm" freilich wieder änderte, wenigstens für die wichtigsten Panzertypen, so für den „Panther".271 Erfolgreich war die Arbeit des Hauptausschusses und seiner Unterausschüsse und Kommissionen auch darin, Material einzusparen. Als in der zweiten Hälfte 1944 die wichtigsten Chrom- und Nickelimporte ausfielen, war zum Beispiel das Problem des Ersatzes dieser Legierungsmetalle durch andere, besonders durch Mangan, bereits gelöst. Daß die von Hitler vorgegebenen Planzahlen gerade für Panzer besonders weit über den tatsächlich erreichten lagen272, hatte seine Ursache kaum in mangelnder Effizienz der Industrie, auch weit weniger in Kriegseinwirkungen, als vielmehr darin, daß inzwischen - auf dem Hintergrund der ungeheuren Anspannung der gesamten deutschen Wirtschaftskraft im Jahre 1944 - die Kapazität dieses Zweiges der Rüstung weitgehend erschöpft war und daß Hitler dessenungeachtet die Erfolgszahlen des „Adolf-Hitler-Panzerprogramms" aus der ersten Hälfte 1943 immer weiter hochrechnete. Die Katastrophe für die deutsche Panzerwaffe hatte freilich ihren letzten Grund in den nicht wieder gutzumachenden Verlusten an den Fronten und in der vielfachen Überlegenheit der Alliierten. Schon 1943 hatten die drei alliierten Mächte 68 000 Panzer produziert, weit mehr als das Fünffache der deutschen Erzeugung; allein die UdSSR erzeugte mehr als das Doppelte (24 100).273 Von Juni 1944 an hatten auch die deutschen Verluste - obwohl schon seit Stalingrad rapide anwachsend - eine neue Dimension. In fünf Monaten gingen 10 000 Panzer verloren. Der Heeresbestand, vorher auf 14 000 angewachsen, ging damit bis zum 1. November auf 12 000 zurück - in einer Zeit, wo an vier Fronten mehr Panzer denn je gebraucht worden wären.274

h) Kriegsschiffe Großkampfschiffe wurden seit 1942/43 nicht mehr gebaut bzw. nicht mehr zu Ende gebaut. Auch Zerstörer und Torpedoboote erwiesen sich als Waffen, die stumpf geworden waren. Ihre artilleristische Bewaffnung war schwach, die Gelegenheit zum Torpedoschuß nurmehr seltener Zufall.275 Wo sie sich blicken ließen, waren sie eine leichte Beute der überlegenen gegnerischen Luftwaffe und Marine. Obwohl durch hohe Verluste in den Vorjahren dezimiert, wurden 1944 nur noch zwei Zerstörer und sechs Torpedoboote gebaut. Schnellboote und Minenräumboote entstanden 1944 noch in wachsender Stückzahl, außerdem Küstensicherungsboote und Lastschiffe (Prähme).276 Die Produktion von Schnell271 272 273 274 275 276

USSBS, Tank Industry Report, S. 18 f. The Effects, S. 168 f. Ebenda, S. 168. Ebenda, S. 169 f. Siehe Breyer, Siegfried, Die deutsche Kriegsmarine 1935-1945., Bd. 2, Friedberg/H. 1986, S. 8. Ausführliche Statistik s. II, Anh. 1, S. 668 f. („Ausstoß-Übersicht 1940-1944. Waffen, Geräte und Munition", Stand 6.2.1945).

Kriegswirtschaft in Zahlen

181

booten wollte der Rüstungsminister von monatlich drei Stück in den Vorjahren auf 17 Stück im Dezember 1944 steigern und behauptete, man werde „zweifellos ohne weiteres 30 bis 40 Stück im Monat schaffen", freilich nur, wenn die „außerordentlich schwer herzustellenden, komplizierten Motoren" in ausreichender Zahl bereitstünden.277 Tatsächlich stieg die Produktion auf je sechs bis acht Boote zwischen Mai und September 1944, fiel aber danach mit einem Schlag auf drei Boote zurück. Im Frühjahr 1944 ging eine Reihe rasch entwickelter sogenannter Marine-Kleinkampfmittel in Produktion. Hierbei handelte es sich um Kleinst-U-Boote („Seehund", „Molch", „Biber", „Hecht") von neun bis zwölf Meter Länge, mit wenigen Tonnen Wasserverdrängung und Elektroantrieb, die Torpedos - bei einigen Typen seitlich angehängt - an den Feind bringen sollten; ferner um Ein-Mann-Doppeltorpedos („Marder", „Neger") und um Sprengboote („Linse", „Wal"), die als geballte Ladung erst von einem Fahrer, dann, nach Absprung des Fahrers, von einem Leitboot ins Ziel gesteuert wurden.278 Die ersten nennenswerten Auslieferungen aus der Serienproduktion scheinen im Juli erfolgt zu sein: „Auf dem Gebiet der Kleinkampfmittel ist die Serienfertigung für 'Hecht' und 'Molch' angelaufen. Es werden abgeliefert: 7 Stück 'Hecht' und 38 Stück 'Molch' ... 'Linse' werden bis Ende des Monats 75 Stück fertiggestellt." Für „Biber" galt ähnliches: „19 Stück werden abgeliefert."279 In den letzten Kriegsmonaten wurde vorrangig „Seehund" produziert. Den Schwerpunkt der Marinerüstung bildete der U-Boot-Bau. Die deutsche Führung sah sich 1943 gezwungen, die U-Bootwaffe gänzlich auf neue Bootstypen (XXI und XXIII) mit Elektroantrieb umzurüsten, da die herkömmlichen Boote wegen ihres häufigen Auftauchens und ihrer geringen Unterwassergeschwindigkeit von den alliierten Flugzeugen und Schiffen mittels neuartiger Ortungs- und Abwehrtechnik zu Dutzenden, ja zu Hunderten versenkt wurden.280 Die Umrüstung auf die neuen U-Boot-Typen hatte hohe Priorität für das Rüstungsministerium, dem die Marinerüstungsdienststellen seit Juni/Juli 1943 weitgehend untergeordnet waren. Im Juni war ein letztes Flottenbauprogramm des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine für fünf Jahre verkündet worden, das reichlich utopische Ziele enthielt, so den Bau von acht Zerstörern im Jahr und von 40 U-Booten monatlich.281 Im September 1943 übertrug Dönitz Entwicklung und Bau der neuen U-Boote „mit vollständig neuen Unterwassereigenschaften" 282 dem Rüstungsministerium und dessen Hauptausschuß Schiffbau, der die Fachleute der großen Werften und der Zulieferindustrien auf diese Aufgabe konzentrierte. „Bereits im November des Jahres [1943]", so Speer, „haben wir trotz des Risikos, das auf uns lastet, wenn diese neuen U-Boote große Änderungen [nötig] haben sollten und damit die Investition

277 BÄK, R 3/1553, Rede Speers vor den Gauleitern der NSDAP, 3.8.1944. 278 Siehe Breyer, Siegfried/Koop, Gerhard, Die deutsche Kriegsmarine 1935-1945, Bd. 3, Friedberg/H. 1987, S. 86 ff. Zum Einsatz dieser Waffen s. DZW, Bd. 6, S. 179 ff. 279 Chronik, 11.7.1944. 280 Siehe DZW, Bd. 4, S. 105 ff. 281 Lakowski, Richard, U-Boote. Zur Geschichte einer Waffengattung der Seestreitkräfte, 3. Aufl., Berlin 1989, S. 259. 282 So Speer in seiner Rede vor den Gauleitern der NSDAP, 3.8.1944 (s. Anm. 277). Hiernach auch das Folgende.

182

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

in diese neue Fertigung umsonst gewesen wäre, auf meine Verantwortung die Serienfertigung aus der Zeichnung heraus befohlen". Im Dezember sprach Dönitz vor den Befehlshabern der Kriegsmarine in den höchsten Tönen von den „genialen Maßnahmen" Speers, „der die Produktion Europas in der Hand hat". Die Übergabe der Marinerüstung und der Werftindustrie in den Bereich des Rüstungsministeriums einschließlich der Privatisierung der marineeigenen Werften werde sich lohnen: „Wir werden im kommenden Sommer 60 U-Boote im Monat gebären. Schnellboote ... werden wir hochziehen auf 17, 25, 30 pro Monat".283 Im Laufe des Frühjahrs und Sommers 1944 wurde dann der Bau aller anderen Typen eingestellt, bis auf wenige Versuchsboote auch derjenige von sogenannten Walter-U-Booten, die mit einem neuen, zusätzlichen Wasserstoffperoxyd-Antrieb des Ingenieurs Walter ausgerüstet waren (XVII, XVIII und XXVIW). Der forcierte U-Boot-Bau verknappte bestimmte Rohstoffe und Produktionskapazitäten bedenklich. Was Blei für die Akkumulatorenbatterien der neuen U-Boote betraf, so sah Speer langfristige „drakonische Maßnahmen" vor, „in der Hauptsache auf dem Gebiet des Buch- und Zeitungsdruckes, auch für die Jahre 1945 und 1945" 284. jgj. ,j o r t befindliche Bleisatz sollte Schritt für Schritt beschlagnahmt und eingeschmolzen werden. Schon im Dezember 1943 hatte der Rüstungsminister die Produktion von Elektrolokomotiven (außer Industrieloks) einstellen lassen, um die gesamte Motorenbaukapazität auf die Erzeugung der neuen U-Boot-Elektromotoren zu konzentrieren.285 Die neuen U-Boote, so beschied er Ganzenmüller (Reichsverkehrsministerium) in der Zentralen Planung, „die schon in kurzer Zeit... in größerer Serie kommen sollen, benötigen zum Übergang ziemlich fast die gesamte Kapazität der elektrotechnischen Industrie auf dem Gebiete." Hauptausschußleiter Lüschen (Siemens) erklärte es für „völlig ausgeschlossen", im Jahre 1944 neben der U-BootFertigung noch E-Loks zu produzieren. Hitler selbst, meinte Speer, werde auf der U-BootBesprechung am 2. Januar 1944 entscheiden müssen.286 Diese Entscheidung fiel auch, als Hitler am 2. Januar Speer, Lüschen und eine ganze Reihe anderer Experten empfing.287 Noch ein Jahr später scheinen wesentliche Probleme der technischen Ausrüstung der Boote offen gewesen zu sein. So war etwa „die Frage, ob das neue U-Boot Typ 21 mit einem modernen Funkmeßperiskop in getauchtem Zustand versehen werden kann, noch lange nicht gelöst". Damit, so das Urteil der Experten, hinke das Boot „weit hinter dem modernen Stand der Technik" hinterher.288 Die Fertigung der Elektromotoren und -akkumulatoren erwies sich als eines der gegen Luftangriffe besonders empfindlichen Glieder der sonst mit Hilfe der Technologie des Sektionsbaus in verschiedene Vorfertigungs- und Montagestätten auseinandergezogenen Produk-

2 8 3 IMG, Bd. 35, D o k . D - 4 4 3 , S. 110; S. 113, Rede Dönitz' v. 17.12.1943. 2 8 4 B Ä K , R 3/1576, Speer an Dönitz, 2 6 . 7 . 1 9 4 4 . 2 8 5 Ebenda, Speer an Degenkolb, 15.12.1943. 2 8 6 ZPP, 52. Sitzung, 2 1 . 1 2 . 1 9 4 3 . 2 8 7 FB, 1 .-4.1.1944, Punkt 5. D i e ausführliche Besprechung mit Lüschen und anderen höchstrangigen Spezialisten erstreckte sich auch auf das Problem der Ortung und Flugzeugabwehr der U - B o o t e (ebenda, Punkt 6). Siehe auch Saur, 2.1.1944. 2 8 8 B Ä K , R 3 / 1 9 5 6 , Speer an Dönitz, 6 . 1 . 1 9 4 5 .

183

Kriegswirtschaft in Zahlen

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C3 00

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

184

tionskette des U-Boot-Baus. Mitte Januar 1945 beispielsweise fielen von den fünf Akkumulatorenwerken vier aus, so daß man mit dem Bau der Bootskörper zeitweilig „weit im Vorlauf' war.289 Auch die Verluste an Booten durch Luftangriffe waren hoch, besonders seit Ende März 1945. „Seit dém 30.3. wurden in Häfen und Werften insgesamt 24 U-Boote versenkt und 12 weitere beschädigt. Von den gesunkenen U-Booten waren 9 vom Typ XXI, von denen 4 im April auslaufen sollten."290 Der unverhältnismäßig große Aufwand, der mit dem Bau der neuen U-Boote noch in der letzten Kriegsperiode getrieben, und die Vorschußlorbeeren, die ihnen zuteil wurden, waren vertan. Das jeweils erste Boot lief zwar am 17. April (XXIII) und am 19. April 1944 (XXI) vom Stapel291; die Erprobung der Boote machte aber so viele Mängel sichtbar, daß erst im Februar 1945 die ersten kleinen Boote zum Fronteinsatz auslaufen konnten; das erste große Boot folgte nicht eher als am 30. April.292 In den letzten Kriegswochen seit dem 1. April liefen noch etwa 60 Boote der neuen Typen aus ihren Heimathäfen in Richtung auf die Stützpunkte in Norwegen aus.293 Von Ende Januar/Anfang Februar 1945 ist möglicherweise das letzte überlieferte Programm der Marinerüstung datiert, das monatliche Planziffern für das Jahr 1945 auswies. Es korrigierte die Zahlen des bisher gültigen Plans teils nach unten, teils nach oben und stellte anscheinend das „Notprogramm" der Marinerüstung dar. Tabelle 66 „Notprogramm " der Marinerüstung für 1945 ( in Stck. je Quartal)

[Eisen-] Kontingentgewicht pro Einheit (t)

Zerstörer Torpedoboote Schnellboote R-Boote

Quartale I.

II.

Plan alt neu

Plan alt

neu

Plan alt

neu

Plan alt

III.

3 300

1

_

1

_

1

_

1

1 865

4

2,25

4

2,25

3

2,25

3

120 95

75 25

51 36

75 25

51 36

75 25

Jahr 1945

IV.

51 36

75 25

neu

_ 2,25 51 36

Plan alt 4

neu .

14

9

300 100

204 144

289 Ebenda, Speer an Hanke, 18.1.1945. 290 KTB d. OKW, Bd. IV/2, S. 1626, „Niederschriften über Teilnahme des OB der Kriegsmarine an den Führerlagen", Auszug v. 10.4.1945. 291 Saur, 17. u. 19.4.1944. 292 Damit erfüllten sich auch die bereits gedämpften Hoffnungen der Marine vom Oktober 1944 nicht: „Ob.d.M. hofft, im Januar 1945 mit den ersten Booten des Typs XXIII, im Februar mit etwa 40 Booten des Typs XXI zum Einsatz zu kommen." (Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939 - 1945, München 1972, S. 604; Ndschr. über Besprechung im Führerhauptquartier, 13.10.1944, v. 16.10.1944). 293 Siehe DZW, Bd. 6, S. 184.

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 66

185

(Fortsetzung)

[Eisen-] Kontingentgewicht pro Einheit (t)

Quartale I.

II.

Plan alt neu

Plan alt

III.

neu

M-Boote 572 27 28 28 28 U-Boote: XXVIW 932 2 2 6 6 XXI 1475 96 96 81 81 XXIII 206 Weiterbau eingestellt Sonstige Typen laufen aus

Jahr 1945

IV.

Plan alt

neu

Plan alt

neu

Plan alt

neu

28

28

28

28

111

112

30 66

30 66

36 66

36 66

74 309

74 309

Quelle: BÄK, R 3/1959, Bl. 48 f., Tab. „Kriegsschiffbau" 1945, ο. V. o. D. (vermutlich RMRuK/ PlAmt, Januar/Februar 1945).

i) Waffen Waffen für die Wehrmacht (Handfeuerwaffen, Granatwerfer, Geschütze, Panzer-, Flugzeugund Schiffsbewaffnung) rollten bis Ende 1944 in ununterbrochenem Strom und immer noch wachsender Zahl von den Fertigungsstraßen und Fließbändern. Während die Panzer- und Fahrzeugindustrie im Sommer 1944 erstmals systematisch bombardiert wurden, waren Waffen- und Munitionserzeugung nie das Ziel solcher Angriffe, wenn auch große Waffenschmieden wie etwa Krupp, der Bochumer Verein, Rheinmetall-Borsig und der Dortmund-Hörder Hüttenverein bei den Luftangriffen auf das Ruhrgebiet, Berlin und andere Industriestädte nicht selten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Von 1942 an stieg die Produktionskurve bei Waffen stark und mit Regelmäßigkeit an. 1943 war gegenüber dem Voijahr ein Anstieg von 70 Prozent, 1944 ein solcher von 50 Prozent zu verzeichnen. 1944 begann eine Reihe neuer Betriebe mit effektiven Maschinentypen zu produzieren. Die Front erhielt neu entwickelte automatische und halbautomatische Handfeuerwaffen, schwerere Mörser und Geschütze, besonders Pak, Flak und Geschütze in gepanzerten Fahrzeugen.294 Seit Stalingrad und Tunis wuchsen jedoch die Verluste in unaufholbare Größenordnungen hinein. Da nunmehr die Wehrmacht die Überlegenheit der alliierten Land-, Luft- und Seestreitkräfte erst richtig zu spüren bekam, konnten alle Produktionsanstrengungen der deutschen Waffenproduzenten die Unterlegenheit und die verlorene Kampfkraft der Wehrmacht nicht wettmachen. Die Waffenproduktion des Jahres 1944 reichte zwar für die Ausrüstung von 250 bis 256 Divisionen aus. Alles, was produziert worden war, ging aber auch wieder verloren: Anfang 1945 waren die Bestände an Waffen ungefähr genau so hoch wie Anfang 1944.295 294 The Effects, S. 183. 295 The Effects, S. 188.

186

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

Tabelle 67 Waffenproduktion und Waffenverluste (Heer), Januar - September und November 1944 (in Stck.) Waffenart

Monatsdurchschnitt Januar - September Fertigung für Heer

Pistolen MP 48 u. 40 Sturmgewehr 44 Gewehre MG 2 cm Flak 30 u. 38 2 cm Flak Vierling 3,7 cm Flak 18, 3 6 , 4 3 7,5 cm Pak auf Räd. u. aufSf. 8,8 cm Pak auf Räd. u. aufSf. 8 cm Gr.W. 12 cm Gr.w. le. I. G. 18 s. I. G. 33 Geb.Gesch. 36 le. F. H. 18 u. 18/40 auf Räd. u. auf Sf. s. F. H. auf Räd. u. aufSf. s. 10 cm Κ

86 16 14 187 20

000 100 550 700 500 460 38 104

Verluste

87 19 2 385 23

Verluste in % von Fertigung

Novemberfertigung für Heer

000 110 445 546 336 478 44 64

101 119 17 205 114 104 116 62

89 22 55 213 28

256 740 100 300 741 402 30 164

914

738

81

1 025

118 1 840 380 197 115 37

115 2 110 208 328 135 22

97 115 55 166 117 59

216 2 380 400 186 201 32

708

640

90

905

207 ?(53)

207 70

100 132

271 75

Quelle: BAP, FS, Film 1732, „Fertigung, Zuweisung und Verluste von Waffen", ο. V., 18.12.1944.

Die gewaltigen Mengen von Waffen für das Heer konnten also kaum die Frontverluste ersetzen. Weit größer als die Produktion waren die Verluste an Gewehren und Infanteriegeschützen. Auch in qualitativer Hinsicht verlor die Wehrmacht den Wettlauf, was besonders bei der Luftabwehr, aber auch bei der Panzerabwehr schwerwiegende Folgen nach sich zog. Anfang 1944 war die Ausrüstung mit Artillerie eher schwächer als zu Beginn des Krieges gegen die UdSSR. Es hatte auf diesem Gebiet auch keine wesentliche technische Weiterentwicklung gegeben. Die Zahl der Geschütze über 7,5 cm war gestiegen, hauptsächlich weil Pak und Panzer schwerer bewaffnet worden waren. Unzureichend war 1944/45 trotz bedeutender Produktionssteigerung die Zahl der schweren Geschütze für gepanzerte Fahrzeuge. Mit Geschützen über 15 cm war die Wehrmacht - im Vergleich zu den US-Streitkräften - außergewöhnlich schlecht ausgerüstet.296 296 The Effects, S. 187 f.

Kriegswirtschaft in Zahlen Tabelle 68 Waffenproduktion

187

1940-1945

Karabiner Autom Infantriewaffen

Granat- Flieger-Leichte Geschütze darunter: werfer bord- Flak (Artiii.) MP 44 waffen ab 7,5 darunter: (Sturmaufwärts schwere Pak gewehr) Flak 8,8 cm

Geschütze ab 7,5 cm in gepanzerten Fahrzeugen

Monatsdurchschnitt 1940 1941 1942 1943 1944 IV.Quartal

112 642 14 113212 27 113619 26 179 105 36 188 439 65 175 623 105

1945 Januar Feb.

165 329

240 071 394 282 2 601 590 23 488 202 50 300

97 995 41 683

94 365 352 889 815 2 682 1 913 7 903 2 575 22 433 3 657 28 046

1 749 16411

607 016 040 965 243 772

458 591 999 2 242 3 390 3 775

118 198 304 495 644 706

65 156 214

30 86 194 741 1 271 1 684

5 247 2 430

2 174 1 696

574 331

115 132

1 680 936

1 2 2 4 4

-

Quelle: BAP, FS, Film 1732, „Produktionszahlen 1940-1945".

Das Infanterierüstungsprogramm für 1944, dessen Zahlen nach Saur „aus Erkenntnissen" gewonnen waren, „die Speer bei den Frontbesuchen [Ende 1943] gemacht hatte", wurde im Januar 1944 mit Industriellen und Militärs „besprochen und eingeleitet".297 Offiziell stellte es der Minister dem „Führer" aber erst nach seiner Krankheit, im Juni, vor und erhielt Hitlers Unterschrift.298 Das Programm, das als wesentlicher Bestandteil in das „Siegesprogramm" des Frühjahrs/Sommers 1944 einging, lief bis Ende des Jahres in den meisten Positionen mehr oder weniger plangemäß; dagegen blieben die Zahlen des Flakprogramms vom August, das die gleiche Dringlichkeit wie das Jägerprogramm erhielt, illusorisch.299 Die militärische Lage, die sich von Ende Juni an radikal verschlechterte, änderte die Grundlagen für die Heeresprogramme, kaum daß Hitlers Unterschrift trocken war. Am 6. Juli hielt der Generalquartiermeister dem „Führer" Vortrag „über Materialverlust bei den Rückzügen im Osten"300, und Hitler ordnete eine „Stoßaktion" für Infanteriewaffen an, damit „neben einer allgemeinen Produktionssteigerung bereits ein erhöhter Ausstoß in der Zeit zwischen dem 20. und 25. Juli zur Auslieferung kommt".301 Von nun an bewegte sich die Kurve der „Führerforderungen" nach „Sonder-" und „Gewaltaktionen" im Gleichklang mit der mi297 298 299 300 301

Saur, 17.1.1944; femer Weyres-v.Levetzow, S. 137 f. FB, 19.-22.6.1944, Punkt 25; s. a. FB, 3.-5.6.1944, Punkt 17. FB, 18.-20.8.1944 (Nachtrag), Punkt 10; FB, 19.-22.6.1944, Punkt 29. Saur, 6.7.1944. FB, 6.-8.7.1944, Punkt 14.

188

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen

litärischen Lage und entfernte sich dabei immer weiter von den realen Möglichkeiten der Rüstung. Tabelle 69 Infanterie- und Flakwaffenprogramm für 1944 (Soll und Ist) Gerät

Karabiner MG Pak 1. F. H. s. F. H. 2 cm Flak Vierling 3,7 cm Flak Einling 3,7 cm Flak Zwilling 8,8 Flak 37 8,8 Flak 41 10,5 cm Flak 12,8 cm Flak Einling 12,8 cm Flak Zwilling

Soll für Dez. 1944

Ist (Stück) Juni

450 000 30 000 1 500 1 070 360

246 294 20 803 1 192 778 265

1 000 1 000 500 1 000 (März 45) 500 (Nov. 44) 200 300 50

Juli

Nov.

Dez.

268 080 24 148 1 180 869 273

229 919 28 741 1 251 909 315

218 406 31 339 1 238 930 301

351 659*

464 865

576 744

471 1 004

529

486

506

715

118 62*

103 67

55 44

77 94

*) Zahl der Rohre (bei allen Ist-Angaben) Quelle: Weyres-v. Levetzow, S. 139; Flak-Ist-Zahlen teilweise korrigiert nach „Ausstoß-Übersicht 1940-1944" (II, S. 656 ff.).

Die Luftangriffe, besonders die Angriffe auf das deutsche Verkehrswesen, führten seit Ende 1944 auch bei Waffen und Munition zu erheblichen Produktionseinbußen. Berechnungen gibt es nur für alle Fertigerzeugnisse (finished goods). Hier betrugen diese Verluste im Dezember 1944 etwa 10 Prozent, im Januar 1945 schon 22 Prozent.302 Das August-Flakprogramm kam, Speers Schilderung zufolge303, Mitte August nach Auseinandersetzungen im Führerhauptquartier zwischen ihm, Generalleutnant Adolf Galland, dem Befehlshaber der Jagdflieger, und Hitler zustande. Es gelang Speer und Galland nicht, Hitler von seinen irrealen Programmforderungen abzubringen, zu deren Erfüllung er das gerade erst mit Datum vom 15. Juli von ihm genehmigte neue Flugzeug-(Jäger-)programm (7 400 Flugzeuge als Ziel für Ende 1946)304 auf die Hälfte zusammenzustreichen befahl. Hitler reagierte offenbar so heftig auf den Druck der zunehmenden Treibstoffnot, eher aber noch darauf, daß die Hak seit Mai 1944 erstmals höhere Abschußzahlen meldete als die Jäger, die

302 The Effects of Strategie Bombing on German Transportation (Garland Series), S. 90. 303 Speer, Erinnerungen, S. 415 ff. Hiernach auch das Folgende. Siehe dazu auch d. folgd. Abschn. (Munition). 304 Saur, 8.7.1944.

189 schwer mit dem neuen, starken Jagdschutz der alliierten Bomberverbände zu kämpfen hatten.305 Der Rüstungsminister erklärte später, es sei „der erste Befehl Hitlers" gewesen, „den weder Saur noch ich befolgten."306 In der „Führerbesprechung" sicherte er sich einstweilen durch den Hinweis ab, es mangele an elektrischen Kommando- und Funkmeßgeräten, die „aus Kapazitätsgründen weder voll im gleichen Maße noch im gleichen Tempo hochlaufen können".307 Entsprechend den Geschützzahlen sollte die Flakmunition „unter kurzfristigem Hochlauf in spätestens sieben Monaten" 308 gesteigert werden; hier setzte der schon zu dieser Zeit spürbare Mangel an Pulver und Sprengstoff und an deren Vorprodukten den hochfliegenden Plänen enge Grenzen. Der Mangel an Flakwaffen und -munition war nur ein Aspekt des Desasters. Die Flak machte wertmäßig 1943/44 zwar 25 bis 30 Prozent der gesamten Waffenproduktion aus309; aber ihre Effektivität war angesichts der schnellen zahlenmäßigen und technischen Entwicklung der alliierten Luftstreitkräfte erschreckend gering. Trotzdem konnte die deutsche Luftabwehr natürlich auf Flak nicht verzichten und fühlte den Mangel an allen Ecken und Enden. Nach der „Big Week" Ende Februar 1944 zog man Flakeinheiten von großen Städten ab, um damit Industriegebiete und Großbetriebe besser zu schützen.310 Am 17. Juli, während der Belorussischen Operation der Roten Armee, notierte der Rüstungsminister ahnungsvoll: „Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die ortsfeste Flak von den Städten in den Osten (als Panzerabwehrwaffe - D. E.) abgezogen werden muß."311 Im November schließlich, während der Verkehrskatastrophe, schlug Speer in seiner Ruhrdenkschrift vor, „durch Verzicht auf Flak bei wichtigsten Rüstungswerken" tausend Rohre zum Schutz der Verkehrsknotenpunkte zusammenzuziehen.312 Hitler sah sich noch zweimal, im November und im Januar, veranlaßt, „einen absoluten Schwerpunkt für die Herstellung von Flakgerät und -munition sowie zur Konzentration der Kräfte auf die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet" zu befehlen und „vor allen anderen Dringlichkeiten" einzuordnen.313 In den letzten Kriegsmonaten war die schwere Hak häufig im Erdkampf eingesetzt. 100 Batterien nahmen im Dezember 1944 an der Ardennenoffensive teil, vielfach als reguläre 305 Dem stand der enorme Aufwand an Flakmunition gegenüber. Nach Boog (Boog, Horst, Die deutsche Luftwaffenführung 1935-1945, Stuttgart 1982, S. 211) verschoß die 8,8 Flak 36 je Flugzeugabschuß rund 16 000 Granaten, die modernere 8,8 Flak 41 immer noch 8 500 Granaten. Siehe auch Schabel, S. 260. 306 Speer, Erinnerungen, S. 417. 307 FB, 18.-20.8.1944 (Nachtrag), Punkt 10. 308 Ebenda, Punkt 21. 309 The Effects, S. 187. 310 The Effects, S. 185. 311 BAP, FS, Film 5884, Speer an Saur, 17.7.1944. 312 BAP, FS, Film 1732, Denkschrift Speers für Hitler üb. „Lage im Ruhrgebiet", 11.11.1944. 313 FB, 1.-4.11.1944, Punkt 32; FB, 3.-5.1.1945, Punkt 1. Vom 4.11.1944 datierte ein entsprechender Erlaß Hitlers „über die sofortige kurzfristige Steigerung des Flakwaffen- und Munitionsprogramms" (BAP, FS, Film 1772).

190

Kriegsproduktion. Zahlen und Analysen oo 00

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14.2. 15.2.,

Stadtgebiet

Berlin

Magdeburg

194 Das Daimler-Benz-Buch, S. 441.

Angreifende Flugzeuge

Abgeworfene Bombenlast (t)

937

2 266

1 751

3 914

299

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg Tabelle 104

(Fortsetzung)

Datum

Stadtgebiet

Angreifende Flugzeuge

Abgeworfene Bombenlast (t)

15.2. 22.123.2. 25-/26.2. 18.3. 28.3. 31.3. 10.4. 14./15.4.

Cottbus „Clarion"* Berlin Berlin Berlin Brandenburg Oranienburg Potsdam

435 18 188 1066 1221 384 265 417 512

1 064 7 2 795 3 091 1038 719 1 211 1 716

Quelle: Groehler, Bombenkrieg, S. 422 f. - *) Clarion = Großoperation gegen das deutsche Eisenbahnund Straßennetz.

„Von Ende Februar an", so erinnerte sich eine Französin, die seit dem 1. Oktober 1944 als Ravensbrück-Häftling im Werk Genshagen arbeitete, „ging das übermäßige Arbeitstempo, das wir seit unserer Ankunft hatten vorlegen müssen, zurück. Es gab keine Kohle mehr, alle Augenblicke fiel der Strom aus, und die Maschinen liefen nur noch im Zeitlupentempo. Doch uns ging es dadurch nicht viel besser, denn wir mußten den Ausfall der Maschinen durch Handarbeit ersetzen."195 Ein Mithäftling, eine damals 17-jährige ungarische Jüdin, berichtete, man habe etwa um Ostern herum keine Arbeit mehr für die Häftlinge gehabt. „Man trieb uns in den Wald zum Reisigklauben für die Zivilbevölkerung." Kurz nach Ostern wurden die KZ-Häftlinge aus dem Werk evakuiert und über Sachsenhausen nach Ravensbrück zurücktransportiert.196 Die Abschiebung der KZ-Häftlinge lag voll und ganz auf der Linie der Konzernleitung, die sich zu dieser Zeit auch bemühte, „die gesamten SS-Häftlinge abzustoßen", und die die Mehrheit der ausländischen Arbeiter, „diese uns womöglich noch verhöhnenden Arbeitsunlustigen", loswerden und sie SS- oder Parteistellen zuschieben wollte.197 Der Konzern war bereits dabei, die Weichen von der Kriegs- auf die Nachkriegswirtschaft umzustellen. Es gab anscheinend noch einmal eine Evakuierungswelle aus dem Werk Genshagen nach dem Westen Deutschlands; eine Aktion, die nun, da die Rote Armee sich in Pommern auf Stettin zu bewegte und im Westen Trier und Köln in die Hände der Alliierten übergingen, der Rettung der restlichen wertvollen Maschinen für die Nachkriegszeit galt.

195 Roth/Schmid/Fröbe, S. 321 (s. Anhang, Dok. II). 196 Ebenda, S. 325 f. (s. Anhang, Dok. III). 197 Ebenda, S. 368 ff., div. Dok., Anfang März 1945.

300

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Dokumente: Zwangsarbeiter im Werk Dokument I „ Wir waren ja niemand". Aus dem Bericht eines ehemaligen russischen Zwangsarbeiters über die Jahre 1942 bis 1945 im Daimler-Benz-Flugmotorenwerk Genshagen/Ludwigsfelde Wir haben einmal nachts, einmal tags, einmal nachts, einmal tags gearbeitet. Jede Woche wurde gewechselt. Und am Sonntag noch dazu. Aber am Sonntag nicht zwölf Stunden, und auch nicht jeden Sonntag. Am Sonntag war manchmal auch frei. Aber wenn die Produktion es verlangt, da heißt's: Du, du, du, ihr müßt vorbereiten, damit die anderen mitkommen. Ich war zuerst an der Fräsmaschine. Mein Vorgänger an der Maschine war auch ein Russe, er hat's mir gezeigt. Mein Meister hat die Teile hingestellt. Da. Fertig. Nach zwei Tagen war ich schon reif, da ist's gelaufen.... Die es nicht gleich begriffen, die haben Schläge bekommen. So haben sie uns zur Arbeit angetrieben. Das waren Zivilisten im Werk, die wollten uns ja auf die vorgeschriebene Anzahl hochschrauben. Und den ganzen Tag, los, los, auf, auf, das hat schon jeder gewußt, was das heißt. Als wir nach Genshagen kamen, da waren schon die Belgier da, waren schon Holländer da, aber nicht allzu viele, es waren auch Deutsche dabei, ältere Semester, kann man sagen, oder Schwerverwundete, Invaliden waren dabei... Durch uns hat sich die ganze Lage verändert. Gerade was die Produktion betrifft. Da waren 24 Blöcke vorgeschrieben pro Tag, Motorenblöcke, 12 Zylinder. 24 Stück pro Tag, das war die Norm. Als aber die Russen da waren, wurde so lange hochgeschraubt, bis zu 96, das mußte erreicht werden, und dafür haben sie geschlagen. Da entstand schon Haß, im Werk drin. Wenn ich fräse, und er macht zum Beispiel Gewinde zum Kerzeneindrehen, und dazwischen ist Kontrolle, der kontrolliert, ob's richtig ist, das war ein Deutscher, ein Stück weiter da war's schon ein Belgier oder Holländer. Wenn ich dahinten geprügelt werde, da muß ich doch irgendwie mehr machen, also hatten die anderen keine Wahl, das ist doch ein Laufband ... Natürlich ging das nicht auf einmal von 24 auf 96. Man hat's zunächst einmal bis auf 30 hochgebracht. Dann weiter, weiter und weiter. Und dann hat man eben die Feindschaft gekriegt, auch mit anderen Ausländern. Später habe ich auch die Gewinde geschnitten, für die Zündkerzen. Zuerst mit der Hand. Dahinter war Kontrolle, man durfte ja nicht überschneiden. Sowie ein rotes Kreuz auf dem Motorblock stand, wurde man unsicher. Wer hat den Fehler gemacht? Da wurde Sabotage vorgeworfen. Das konnten sie auslegen, wie sie wollten, wir waren ja niemand. Es ist passiert, daß sie Leute weggeholt haben. Die hat man nie mehr gesehen. Das war selten. Aber es kam vor. Wir haben Motoren gemacht. Nicht vollständige Flugzeuge, aber vollständige Motoren. Wie die eingesetzt wurden, das hat uns niemand erklärt, aber das konnten wir uns denken. Man hat's gemacht, um nur seine eigene Haut zu retten. Verweigern? Die haben uns viel, viel zu viel eingeschüchtert. Wenn irgend etwas war, da war's egal, was er gerade in der Hand gehabt hat, ob Lagerkommandant oder Vorgesetzter, im Lager wie im Werk, da ist zugeschlagen worden, wie beim Stück Vieh, und noch schlimmer.... „Potsdam". Ist in Potsdam auch etwas gewesen? „Potsdam". So hat's geheißen, wenn

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

301

irgendwas los war: „Potsdam". So haben die Meister uns gedroht: „Potsdam". Paß bloß auf, sonst „Potsdam". Bei uns ist das ganze Zimmer verschwunden, von Odessa, die besten Leute, mindestens neun Personen, und sind nie mehr aufgetaucht. Vorher sind sie noch vom Lagerkommandant geschlagen worden. Er hat ein Stuhlbein herausgerissen, massiv, gedrechselt, und sie durchgeprügelt, daß ich gedacht habe, kann überhaupt ein Mensch so wüst sein.... Unsere Halle 13, die hat der Amerikaner bombardiert, bevor wir nach Neckarelz gekommen sind, am Sonntagmittag, um zwölf. Uns hat's geschmissen, von einer Wand zur anderen. Oben ist alles ausgebrannt, wir waren im Keller. Da sind sehr viele ums Leben gekommen, von den Russen, von den Franzosen ... Und als wir rausgekommen sind, lebendig, da hat man gesehen, was der Angriff angerichtet hat, der erste Gedanke war, da war doch die Kantine irgendwo, und da in die Kuttereimer reinlangen, und ein paar Krautblätter rausholen, die da waren, vermischt mit Brikettasche ... Und da habe ich meinen Obermeister kommen sehen, den Hallenleiter, und habe gedacht, jetzt mußt du dich aber ducken ... Das ist automatisch, instinktiv, kann man sagen, wenn du einen Vorgesetzten gesehen hast, und du bist nicht an deinem Platz irgendwo, da mußt du dich ducken. Nach der Bombardierung haben wir noch etwas aufräumen müssen, man hat zum Teil Personen gefunden, die zerrissen waren, man schaute, wer das ist - aber das ist ein Kapitel für sich, ich konnte das nicht machen. Dann sind alle Russen, die Übriggeblieben waren, wieder in Waggons gekommen, Richtung Süden vermutlich. Und wie wir in Neckarelz ankamen, war das Lager schon da. Es war nicht so groß wie in Ludwigsfelde, und es war auch kein Stacheldraht da. Und da ist man irgendwie so seelisch ein bißchen erleichtert, wie, kein Stacheldraht? Ein Gefühl wenigstens ... Auf dem Wege zur Arbeit wurden wir auch nicht bewacht, sondern marschierten in Gruppen über die Brücke hinüber, in den Stollen rein, die Treppe hoch. Vielleicht gab es in Neckarelz auch besseres Brot, daß man es schneiden konnte. Quelle: Das Daimler-Benz-Buch, S. 474 ff. Dokument II Aus dem Erlebnisbericht einer Französin (Häftling im KZ Ravensbriick; seit Oktober 1944 im Daimler-Benz-Flugmotorenwerk Genshagen/Ludwigsfelde) Die Motorenstraße nahm die große zentrale Halle des Gebäudes vollständig ein; dort mußten wir zwei von uns bereits vollständig montierte Triebwerke an einem gemeinsamen Chassis befestigen. In der Mitte der Halle befand sich ein kleines Band, dem ich zugeteilt war; dort wurden die jeweiligen Einzelmotoren zusammengesetzt. An diesem kleinen Band arbeiteten etwa zwanzig Frauen, Polinnen und Französinnen; das Ganze bildete eine geschlossene Einheit, eine Art kleiner Fabrik in der großen. Meister Hermann, ein Werkmeister, der jeden Morgen aus Berlin kam, war der Leiter der Abteilung. Wir bekamen unsere Anweisungen nur von ihm und konnten die Arbeit nur auf sein Zeichen hin verlassen; auch setzte er sehr oft durch, daß wir Überstunden machten und erst lange nach unseren Kameradinnen gehen konnten. Zu Anfang verbreitete Hermann Schrecken in unseren Reihen. Er war ein Deutscher von etwa vierzig Jahren, groß und dick, lächelte nie, trug einen langen, grauen Kittel und ausladende Stiefel, die ihm den Spitznamen „Muschik" eingebracht hatten. Am ersten Tag

302

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

empfing er uns reichlich barsch und zeigte jeder die Arbeit, die sie zu machen hatte; danach legte er nicht mehr mit Hand an, sondern beschränkte sich darauf, mit geschwellter Brust und hocherhobenem Kopf zwischen den Frauen, die er zu beaufsichtigen hatte, auf und ab zu gehen. Er erlaubte keinerlei Nachlässigkeit und verlangte regelmäßige und ständige Höchstleistungen. Wenn eine von uns einen Fehler machte oder am Fließband eine Verzögerung verursachte, geriet er in heftigen Zorn und brüllte, daß es in der ganzen Halle zu hören war. Ich glaube, er muß der Prototyp des engstirnigen Nazis gewesen sein, der alle Befehle, die er erhält, buchstabengetreu und mit blinder Gewissenhaftigkeit ausführt, der niemals eine Arbeitsanweisung seiner Vorgesetzten in Frage stellt und sich nicht einmal vorstellen kann, daß man all seinen Anordnungen nicht unverzüglich und gewissenhaft nachkommen könnte. Im Laufe der folgenden Monate entwickelten sich die Gefühle, die ich ganz zu Anfang Hermann gegenüber empfand, etwas mehr zu seinen Gunsten.... Eines Tages hatte er einen Wortwechsel mit einer Aufseherin. Sie war ein junges Mädchen von etwa zwanzig Jahren, die offensichtlich nichts von Montage verstand. Sie wollte in rüder Weise Ratschläge erteilen; Hermann bat sie kühl, ihre Kompetenzen nicht zu überschreiten. Als sie ihm den Rücken gekehrt hatte, blieb ihm nicht mehr die Zeit, einen Blick voll tiefer Verachtung, der ihr galt, vor uns zu verbergen. Ich begann, Hermann weniger tief zu hassen. Seine Haltung bestätigte mir, daß er mit uns nur deshalb so hart umging, weil er Angst hatte, Ärger mit der Direktion zu bekommen. Ich ahnte, daß Hermann der Typ des Deutschen war, der nicht von Natur aus grausam ist und gewiß nicht die Verantwortung trägt, sondern ein unbewußter Zeuge der Schandtaten des großen Reiches ist, gelähmt in seinem vielleicht ansonsten aufrechten und großzügigen Wesen durch den Egoismus eines Mannes, der eine gute Arbeit oder ein einträgliches Amt besitzt, die er aufs Spiel setzen würde. Hermann verlangte Höchstleistungen von unseren armen, ausgemergelten Körpern, doch er überschüttete uns nie mit Sarkasmus oder Schikanen, sondern beschränkte sich darauf, eine drakonische Betriebsordnung auf den Buchstaben genau zu befolgen.... [Morgenappell im Fabrikgelände] Diesen Moment hatten die Herren des Lagers gewählt, um uns ihre letzten Mitteilungen zu machen. So sehen wir uns von einer ganzen Armee von Aufseherinnen umringt. Sicher geht etwas Außergewöhnliches vor sich, das zu einem solchen Aufgebot morgendlicher Kräfte Anlaß gibt. Man führt uns schweigend und sehr langsam zur letzten Einzäunung des Fabrikgeländes. Es weht ein wütender Nordwind, und die Stimmung ist bedrückt. Plötzlich wird uns die Erklärung mit jedem Stück, das wir näher herankommen, klarer: eine Frau hängt im Stacheldraht. Eine nach der anderen müssen wir an diesem entsetzlichen Schauspiel vorbeidefilieren; eine junge Russin, Nioura, hängt dort, erstarrt, schief, eine Zange in der Hand, fast möchte man glauben, ein gewaltiger Atemzug hätte sie in seinen Sog gezogen. Die Unglückliche war vergangene Nacht durch einen elektrischen Schlag getötet worden. Wir verstehen sehr wohl, was geschehen ist; wir wissen alle, daß die Drahtzäune unter Strom stehen, und wahrhaftig, es konnte niemandem in den Sinn kommen, diese Drähte mit einer Metallzange zu durchschneiden. All das sieht zu sehr nach einer gestellten Szene aus; man hat die Ärmste mit Gewalt hierher gebracht und sie um des Exempels willen mit der Zange in der Hand in den Zaun geworfen. In Deutschland hat man es gern, wenn eine Lektion von jedem einfach und schnell verstanden wird, und man schreckt so wenig vor einem Mord zurück! Der Strom wird für einen Augenblick abgeschaltet, und eine ihrer Kameradinnen muß sie aus dem Stacheldraht reißen. Jetzt liegt sie ausge-

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

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streckt in dem unbebauten Gelände inmitten der Trümmer, und die Prozession geht weiter, an der Leiche vorbei. Mit einem Wort, der Kommandant hatte einfach beschlossen, uns an diesem Morgen zusammenkommen zu lassen, um uns mitzuteilen, daß die Zäune unter Strom stehen, und er hatte diesen kleinen Einfall gehabt, um die Lektion „lebendiger" zu gestalten.... Ungefähr zu dieser Zeit strich man uns das Salz. Wir mußten eine süßliche Suppe essen, die uns ganz zu Anfang anekelte, an die man sich aber sehr schnell gewöhnte. Von Zeit zu Zeit geschah es, daß die Kohlrüben, die karrenweise in riesige Kessel geworfen wurden, am Boden des Behälters festbuken und anbrannten: das gab der Suppe einen Geschmack, der sehr geschätzt wurde. Zumindest schmeckte sie dann nach irgend etwas! Etwas später verwöhnte man uns dann mit Madensuppen. So nannten wir eine Suppe aus verdorbenem Korn, in dem die Würmer alles Eßbare ersetzt hatten. Die Säcke stammten aus einem Lagerbestand, den man wirklich beim besten Willen nicht mehr dem Vieh geben konnte. Man schickte sie gnädigerweise uns. Trotz allem empfand man am Anfang gegen diese Löffel voller Tierchen ein bißchen Widerwillen. Doch man gewöhnte sich daran, wie an alles andere. Marie-France jedoch weigerte sich, die Suppe zu essen, und ich erinnere mich an eine drollige Szene, bei der ich Tränen lachte: Marie-France versuchte, oben in ihrem Taubenschlag 0 sitzend, vergeblich, einige Löffel ohne Maden hinunterzuwürgen. Zu diesem Zweck untersuchte sie sie bedächtig und warf die Maden hinunter; dort landeten sie jedoch regelmäßig im Teller von Marguerite, die unter ihr saß; diese war so in ihren dampfenden Teller vertieft, daß sie die hinzukommenden Maden nicht einmal bemerkte und gut und gern die doppelte Ration mit Appetit verzehrte. Diese von beiden mit so viel Ernst ausgeführte Szene erheiterte die ganze kleine Gruppe, die sie miterlebte, beträchtlich. Der Hunger war sicher eine der schlimmsten Martern in diesem Lager, jedoch war er noch nicht das, worunter ich am meisten litt. Die Kälte sollte mir weit schlimmere Qualen bereiten.... Meinem Motor gegenüber führte ein langes Rohr von der Decke herunter, das von der Waschmaschine kam, wo die Motoren gewaschen wurden. Ständig lief dort ein Strom kochenden Wassers hinunter, und diese Rohr war der Fixpunkt, den alle Frauen vom kleinen Band und viele andere ständig im Auge hatten. Man mußte einen Moment abpassen, wo Hermann und andere Vorgesetzte fort waren, aufpassen, daß keine Aufseherin in Sichtweite war, sich vergewissern, daß sich kein Schwarzwinkel2' in der Nähe befand, rasch zum Rohr rüberspringen, sich der Länge nach mit dem Körper dagegenlehnen und ganz schnell zurücklaufen. Wie sehr ließ dieses Rohr mich zur Jammergestalt werden! Wie oft bin ich dorthin gelaufen, obwohl ich ganz genau wußte, daß ich Schläge bekommen würde. Ich mußte um jeden Preis ein bißchen Wärme bekommen. Und was habe ich an kräftigen Ohrfeigen von der Aufseherin bekommen, wenn ich den Gang überquerte! Aber weder diese noch die Fußtritte der in der Demontageabteilung beschäftigten deutschen Frauen schafften es je, mich zurückzuhalten. Eines Tages goß Paul, der Chef der Demontageabteilung, einen großen Eimer kochenden Chlors nach mir; ich erlitt starke Verbrennungen und hatte schreckliche Schmerzen. Marie-France half mir und behandelte mich. Da sie wußte, wie schlecht ich die Kälte vertrug, behielt sie die Umgebung der Wärmequellen im Auge und sagte mir in zuvorkommender Weise Bescheid, wenn dort die wenigste Gefahr bestand. Der Hunger ist für so viele Kameradinnen schrecklich und entwürdigend gewesen; für mich war er dies weit weniger als die Kälte.

304

Arbeitskräftebeschaffung. Die Lage der Arbeiter

Die entsetzlichsten Augenblicke, die am schwersten zu ertragen waren, lagen sicher am Ende des Monats. Dann mußten wir den ganzen Tag und die ganze Nacht in der Fabrik bleiben, um zu arbeiten, bekamen jedoch keinerlei zusätzliche Nahrung. Wir mußten alle angefangenen Motoren fertigstellen, die Bestandsaufnahme des Materials vornehmen und die gesamte Fabrik saubermachen. Mit leerem Magen, von der Arbeit übermüdeten Gliedern und steifgefrorenen Fingern mußten wir dann noch gegen den Schlaf kämpfen. Am Ende des ersten Monats, den wir in der Fabrik verbrachten, wurde jeder Augenblick eine Qual. Wir hatten uns noch nicht an dieses Sträflingsdasein gewöhnt, und wirklich fielen uns die Augen zu, und der Kopf sank auf den Motor. Dann kam die Aufseherin und weckte uns mit einer kräftigen Ohrfeige. Was habe ich in dieser ersten Nacht für Ohrfeigen bekommen! Und wir mußten schnell machen, sehr schnell, damit morgens alles fertig war. Die Frauen am Anfang des Bandes, die früher fertig waren als die am Ende, machten sich daran, gründlich sauberzumachen, zu fegen, riesige Mülleimer zu schleppen und so weiter. 1) Gemeint ist die oberste Pritsche des mehrstöckigen Bettgestells. 2) Politische Häftlinge trugen den roten Winkel auf der KZ-Kleidung. Den schwarzen Winkel trugen kriminelle Häftlinge, Prostituierte und als „Asoziale" bezeichnete Gefangene. Quelle: Mallet, Mireille, Sous le signe du triangle, Dijon 1949, nach der dt. Übersetzung in: Roth/Schmid/Fröbe, S. 308 ff. Kursives im französischen Original deutsch. Dokument III Aus dem Bericht einer jungen ungarischen Jüdin (seit November Ravensbriick; seit Dezember 1944 im Daimler-Benz-Flugmotorenwerk felde)

1944 Häftling im KZ Genshagen/Ludwigs-

Während dieser Tage, etwa um Ostern herum, ging ich mal nachts aufs Klosett. Der Weg führte an der Stube der diensthabenden Aufseherin vorbei, wo sich die Häftlinge gewöhnlich für ein Weilchen das meist angestellte Radio anhörten. Im Dienstraum hielten sich einige Aufseherinnen auf, deren Gespräch ich mithören konnte. Sie debattierten darüber, was mit uns geschehen solle. Man erwog drei Möglichkeiten: 1.) Die Fabrik mit den Häftlingen sprengen, 2.) Sprengen und die Häftlinge nach Ravensbrück evakuieren, 3.) die Fabrik stehen lassen und die Häftlinge vernichten. Selbstverständlich verbreitete ich, was ich gehört hatte. Die nächsten Tage hatten wir auch im Hof schon keine Arbeit mehr. Man trieb uns in den Wald zum Reisigklauben für die Zivilbevölkerung. In jener Zeit wurden wir neu eingekleidet und erhielten die bekannte Konzentrationslager-Ausrüstung, aber wieder ohne Kopfbedeckung. ... Etwa zwei Tage nach Ostern wurden wir aus Genshagen evakuiert. Nach Empfang einer Tagesration marschierten wir etwa fünf bis sechs Kilometer nach Berlin-Zehlendorf. Von hier fuhren wir mit der U-Bahn durch Berlin durch; ich entsinne mich, daß wir den Anhalter Bahnhof passierten. Nach dem Aussteigen mußten wir wieder eine kleine Strecke gehen, bis wir beim Lagerort in Oranienburg-Sachsenhausen ankamen. Hier verteilte man uns auf einige Frauenblocks, die noch nicht sehr überfüllt waren. Da Sachsenhausen nur Männerlager

Rüstungswirtschaft und Arbeiterleben in der Provinz Brandenburg

305

gewesen war, hatte man die Männerblocks nicht isoliert, und so konnten wir die männlichen Häftlinge sehen. Wir erhielten die Lagersuppe und übernachteten. Am nächsten Morgen wurde während des Appells plötzlich erklärt, daß sich alle Häftlinge, deren Nummern ausgerufen wurden, gesondert aufstellen sollten. Wir bemerkten bald, daß es sich dabei nur um Jüdinnen handelte, was uns sehr bedrückte. Zunächst sagte man uns, wir sollten in ein Bad geführt werden. Die Sache schien mir nicht geheuer. Nachdem wir uns in einem Vorraum hatten entkleiden müssen, trieb man uns sehr brutal in das sogenannte Bad hinein. Daß man uns keine Seife gab, beunruhigte uns. Mir schien es außerdem unheimlich, daß die Fenster dicke Gummi-Abdichtungen hatten, aber ich schwieg über meine Beobachtung. So standen wir in diesem Raum, der mir hermetisch abgesperrt erschien, dicht gedrängt, und warteten vergeblich auf Wasser. Ich kann die Zeit nicht abschätzen, die wir so verbrachten, aber um eine Stunde handelte es sich mindestens, doch konnten es auch drei Stunden gewesen sein. Die psychische Wirkung auf uns war katastrophal, die Verzweiflung war allgemein, manche erlitten Schreikrämpfe und andere Zustände, andere wurden hysterisch oder irrsinnig. Ich selbst verhielt mich ganz still und ergab mich fatalistisch in die Lage. Ich hoffte auf ein möglichst schnelles Ende. Als die Situation schon unerträglich geworden war, rissen zwei SS-Männer plötzlich eine Tür auf und fingen an zu schreien: „Raus, raus, raus mit euch!" Wir wurden nackt, wie wir waren, in einige Lastautos getrieben. Ich entsinne mich nur, wie ich mit anderen Frauen dicht zusammengepreßt war. Man fuhr uns zu einem anderen Bad, offensichtlich das wirkliche Bad des Lagers. Man gab uns Seife, Handtücher und gewährte uns ein warmes Brausebad, das auf uns eine gute psychische Wirkung hatte. Nachher erhielten wir unsere ursprüngliche Ausrüstung zurück, wenn es auch nicht individuell die gleichen Stücke waren, die jede einzelne von uns empfing. Während der Badeprozedur schauten uns junge SS-Männer zu, die in gemeinster Weise sexuell ordinäre Späße über uns machten. Nach den vorangegangenen Erlebnissen berührte es mich überhaupt nicht mehr. Es fiel mir auch auf, daß einige von unserer Gruppe hier fehlten, die ich später nie mehr wiedersah. Man erzählte uns später, daß man uns habe vergasen wollen, doch die Nähe der Russen hätte das inopportun erscheinen lassen, weil die SS keine zusätzliche Belastung mehr wünschte. Als wir alles hinter uns hatten, wurden wir etwa 80 Personen - unsere jüdische Gruppe aus Genshagen mit vielleicht noch einigen anderen jüdischen Mädchen - in einen offenen Güterwagen verladen.... Wir fuhren ab und kamen noch vor Einbruch der Dämmerung in Ravensbrück an. Dort wurden wir ausgeladen und ins Lager geführt. Wir mußten abermals ein Bad über uns ergehen lassen, nachdem wir einige Zeit auf dem Hauptplatz gestanden hatten. Einmal tauchte da unsere alte polnische Blockälteste auf, fiel mir um den Hals und sagte in ihrem seltsamen Akzent: „Kinder, ihr habt Glück! Vor einer Stunde wurde das Krematorium vernichtet." Quelle: Fejer, Eva, Als Dolmetscherin im Werk Genshagen, nach: Roth/Schmid/Fröbe, S. 325 f. - Ostern war am 1./2. April 1945.

Kapitel IV

Zerfall des Okkupationssystems (Studien)

1. Wirtschaftskollaboration und „Ostgesellschaften" in besetzten Ländern (1941-1944) a) Zum Begriff der wirtschaftlichen

Kollaboration

Wer sich mit Weltkriegs- und Okkupationsgeschichte befaßt, muß von einem anderen Begriff der Kollaboration ausgehen, als die Politiker und Juristen es während der Auseinandersetzungen und Prozesse der Nachkriegszeit taten. Kollaboration ist für den Historiker zunächst ein doppelter Untersuchungsgegenstand. Sowohl auf der Seite der deutschen Besatzungsmacht als auch in Kreisen der besetzten Länder setzte sie eine Gemeinsamkeit bestimmter Interessen voraus, materielle und institutionelle Grundlagen zur Realisierung dieser Interessen, die Bereitschaft zu kollaborieren, und außerdem eine bestimmte Strategie, zumindest aber Vorstellungen im taktischen Bereich. Gerade auf dem Gebiet der Wirtschaft wird deutlich, daß Kollaboration von zwei verschiedenen handelnden Subjekten getragen wurde, die selbständig und relativ autonom waren. Die der Kollaboration zugrunde liegenden politischen, sozialen und politischen Interessen waren stets zwieschlächtiger Natur: In bestimmten Bereichen stimmten sie überein, in anderen nicht. Madajczyk spricht allgemein von zwei aufeinander reagierenden „Subsystemen", einem „leitenden" (die Okkupanten) und einem „untergeordneten" (die Okkupierten)'; eine Idee, die auf unser Thema sinnentsprechend angewandt werden kann. Es wäre zu diskutieren, ob der Begriff nicht in einem engeren Sinne zu definieren ist, als die Historiker es in der Regel tun. Nach meinem Dafürhalten liegen gesellschaftliche Kräfte und Kreise, schließlich auch Individuen, die sich in vollständige Abhängigkeit von den Deutschen begaben und sich den deutschen Kriegsinteressen restlos unterordneten, streng genommen nicht mehr im Bereich dessen, was wir spezifisch als Kollaboration begreifen und untersuchen sollten. Das trifft zum Beispiel auf die SS-Söldner aus den verschiedenen Ländern zu, die unter deutscher Führung dienten und von den Deutschen bezahlt und versorgt wurden, die aber in manchen Publikationen gerade als Musterfall der Kollaboration gelten. Wer gänzlich seine nationale Identität aufgab und sich als Teil der deutschen Macht begriff - zum Beispiel auch als Teil der Okkupationsmacht in den besetzten sowjetischen Gebieten - , der erfüllte den eigentlichen Tatbestand der Kollaboration schon nicht mehr.2 Damit wollen wir 1 Madajczyk, Czesbw, Chaos, Systemhaftigkeit oder System? Das Dritte Reich in der Phase der militärischen Expansion. In: Deutschland und Europa in der Neuzeit. Festschr. f. Karl Otmar Frhr. von Aretin zum 65. Geburtstag. Hrsg. v. Ralph Melville u. a„ 2. Hbbd., Stuttgart 1988, S. 946. 2 Louis De Jong unterscheidet in einer frühen Arbeit klar zwischen „Verrat" und Kollaboration (De Jong,

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nicht die Durchlässigkeit der Grenze zwischen der Kollaboration und dieser Form der totalen freiwilligen Assimilation übersehen, besonders innerhalb der landeseigenen faschistischen Verbände und Bewegungen. Gehen wir also davon aus, daß die Kollaborateure in den besetzten Ländern eben dadurch ihren Namen „verdienten", daß sie sowohl die eigenen, von denen der Okkupationsmacht unterschiedenen politischen, wirtschaftlichen etc. Interessen bedienten als auch dem Okkupanten das Land regieren und ausbeuten, „Ruhe und Ordnung" bewahren und ihm dabei seine eigenen militärischen, Verwaltungs- und Arbeitskräfte sparen halfen. Dann liegt der klassische Fall von Kollaboration in den verschiedenen Arten von Zusammenarbeit (politisch, militärisch, wirtschaftlich, kulturell) zwischen der Besatzungsmacht und den herrschenden Eliten in den besetzten Ländern vor, d. h. denjenigen Kräften, Gruppen und Klassen, in deren Verfügung oder unter deren Einfluß sich die hauptsächlichen Machtmittel und Ressourcen befanden. Den Ausdruck „klassischer Fall" oder „klassische Form" gebrauche ich unter dem Vorbehalt, daß die so verstandene Kollaboration sowohl auf deutscher Seite als vor allem auch von Seiten der erwähnten Eliten und Führungsschichten in sich ein breites Spektrum hatte und in bezug auf Zielsetzung, Umfang und Intensität außerordentlich zahlreiche Varianten aufwies. Das bezieht sich auf die Ebene der Regierungen und landeseigenen Behörden ebenso wie auf die der beteiligten Wirtschaftskreise. Welche großen Unterschiede bestanden zum Beispiel zwischen der Kollaboration der vom deutschen IG-Farben-Konzern eindeutig unter kriminellen Druck gesetzten und majorisierten Etablissements Kuhlmann, der Kollaboration der französischen Produktionsminister François Lehideux und Jean Bichelonne und der Kollaboration der belgischen Finanzgruppen und Konzerne, repräsentiert vor allem durch Alexandre Galopin bzw. die Société Générale de Belgique! Die Kollaborationspolitik beider Seiten stand stets in hohem Grade unter dem Einfluß der allgemeinen militärischen und politischen Lage. Dies bezog sich in erster Linie auf den militärischen Kriegsverlauf. Aber auch die jeweilige politische Atmosphäre, d. h. die Ziele und praktizierten Methoden der Okkupationsmacht, besonders die Ausprägung der Terrorherrschaft, und der Widerstand im Lande wogen schwer in bezug auf die Haltung der kollaborationswilligen Kreise. Der Kriegs verlauf zeigte auf beiden Seiten wesentliche Wirkungen. Die wichtigsten Zäsuren waren einerseits die deutschen militärischen Erfolge 1940/41 und im Sommer 1942, andererseits die deutsche Niederlage vor Moskau und der Kriegseintritt der USA (Dezember 1941) und die Ereignisse des Winters 1942/43 (deutsche Besetzung Südfrankreichs; deutsche Niederlage bei Stalingrad; britische Offensive in Nordafrika; Beschlüsse der Konferenz von Casablanca) und die folgenden deutschen Niederlagen und Rückzüge. Die Wirkung dieser Einschnitte scheint in der Regel gegenläufig gewesen zu sein. Siegesgewißheit und Siegeseuphorie potenzierten Expansionismus, Annexionismus und Führungsambitionen auf deutscher Seite und verengten den Spielraum für Zugeständnisse an Kollaborateure. Niederlagen und wirtschaftliche Schwierigkeiten wiederum machten die deutsche Seite in der Suche nach kollaborationswilligen Hilfskräften kompromißbereiter, ohne daß sie etwa auf verschärfte politische Repression verzichtete. Louis, Zwischen Kollaboration und Résistance. In: Das Dritte Reich und Europa, München 1957, S. 138 f.)

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Umgekehrt wuchs in den besetzten Ländern mit der Ausdehnung des deutschen Machtbereichs und der Konsolidierung der deutschen Herrschaft über Kontinentaleuropa die Geneigtheit, mit den Okkupanten zu kollaborieren, und deren Niederlagen waren es, die von der Zusammenarbeit mit den Deutschen abschreckten und den Einfluß der Kollaborateure in Politik und Wirtschaft schwächten. Die allgemeine Linie der Kollaborationspolitik auf deutscher Seite war außerordentlich unbestimmt und großen Schwankungen unterworfen, sogar in bezug auf ein und dasselbe Land (etwa Frankreich). Diese Linie und die Schritte zu ihrer Realisierung bestimmten sich fast ausschließlich durch Maßstäbe taktischer und kaum je strategischer Natur. Eine wirklich großzügige Konzeption auf lange Sicht war von vornherein unmöglich gemacht einerseits durch die Maßlosigkeit und die Unmenschlichkeit der deutschen Kriegsziele und andererseits durch die Erwartungshaltung der Okkupationsmacht bzw. ihre Ungewißheit in bezug auf den endgültigen deutschen Sieg. Paralysierend wirkten zusätzlich die Fehl- und Vorurteile führender NS-Größen, voran Hitlers und Görings, und der Zuständigkeitenwirrwarr und Kompetenzkampf zwischen den deutschen Stellen. Auch wenn wir den wohl am weitesten gehenden und deswegen sehr aufschlußreichen Fall der Kollaboration auf wirtschaftlichem Gebiet untersuchen - nämlich die Einbeziehung von politischen und Unternehmerkreisen besetzter nord- und westeuropäischer Länder in die wirtschaftliche Ausbeutung und Kolonialisierung der okkupierten Gebiete der UdSSR - , so stellen wir fest, daß es von deutscher Seite keine klaren Vorstellungen über Lenkung, Ausmaß, Dauer, Konsequenzen und Perspektiven dieser Zusammenarbeit gab.3 Die eigentliche Politik der wirtschaftlichen Kollaboration spielte sich deutscherseits auf der Ebene der Wirtschafts- und Militärwirtschaftsbehörden, der staatsmonopolistischen Untemehmensgruppen (Wirtschaftsgruppen, Reichsvereinigungen, Hauptausschüsse des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition (bzw. für Rüstung und Kriegsproduktion) und der führenden Banken, Konzerne und Konzerngruppen (darunter Deutsche Bank, Dresdner Bank, IG Farben, Montankonzeme, Metallkonzerne, Maschinenbaukonzerne) ab. Nähere Untersuchungen stehen aus, werden aber sicherlich Erkenntnisse über interessante Gruppenund Phasenunterschiede liefern. Vorläufig läßt sich, wenigstens für Westeuropa, eine frühe Phase der vorwiegend von deutschen militärischen Stellen, in geringerem Maße vom Auswärtigen Amt und Reichswirtschaftsministerium, von Wirtschaftsgruppen und einzelnen deutschen Konzernen gesteuerten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rüstung bzw. Rüstungszulieferung (Flugzeug-, Kraftfahrzeugindustrie) und eine spätere ausmachen, die mit der Ausmanövrierung Görings als oberster Lenkungsinstanz für die Wirtschaft durch Albert Speer im Laufe des Jahres 1942 einsetzte, aber erst im Herbst 1943 nach einem neudimensionierten Konzept einer „europäischen Produktionsplanung" voll anlaufen sollte.4 Für Analyse und Beurteilung erscheinen reale Abstufungen in der Intensität und Wirksamkeit der Wirtschaftskollaboration wesentlich, je nachdem, ob es sich um die Lieferung von 3 Selbst in den Hoch-Zeiten der Idee des „Großgermanischen Reiches", etwa 1942, und in den Verhandlungen mit Faschisten wie Quisling und Mussert hatte diese Idee in den Vorstellungen Hitlers, Himmlers und ihres Kreises stets den Sinn einer rigorosen Unterwerfung der betreffenden „germanischen" Länder, ihres „Anschlusses" bis hin zu ihrer staatlichen Auslöschung. 4 Vgl. II, S. 159 ff.

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Kriegsmaterial an die Deutschen handelte, um die Produktion anderer Waren und um Dienstleistungen für die deutsche Wehrmacht, um Warenlieferungen und Dienstleistungen für die deutsche Wirtschaft oder um zivile, „friedliche" Produktion. Für solche Abstufungen gab es bestimmte völkerrechtliche Grundlagen, auf die sich zum Beispiel belgische Wirtschaftsvertreter mit gewissem Erfolg beriefen, wenn es um die Vermeidung offensichtlicher Rüstungsproduktion für die Deutschen ging. Jedoch waren die Grenzen zwischen den genannten Abstufungen überaus unscharf, und natürlich konnte jede Art wirtschaftlicher Aktivität für die Okkupanten leicht durch eine andere substituiert werden. Albert Speer und Bichelonne machten sogar ein System daraus, als sie im Herbst 1943 übereinkamen, bzw. den Plan entwickelten, die französische Konsumgüterindustrie in großem Stil für den deutschen Bedarf arbeiten zu lassen, damit entsprechende Kapazitäten und Arbeitskräfte in Deutschland für die Rüstungsproduktion frei würden. Die wirtschaftliche Kollaboration in den besetzten Ländern setzte also gemeinsame ökonomische und politische - zumindest innenpolitische - Interessen mit den Okkupanten voraus. Solche Interessen waren bei den kapitalistischen Eliten der besetzten west- und nordeuropäischen Länder, die hier untersucht werden und die sämtlich einen verhältnismäßig hohen industriellen Entwicklungsstand aufwiesen, durchaus vorhanden. Eine allgemeine Verweigerung aller wirtschaftlichen Tätigkeit in einem entwickelten Industrieland ist, im Gegensatz zur Einstellung der politischen, schlechterdings nicht denkbar. Eine solche Verweigerung gab es natürlich auch nicht in den besetzten sowjetischen Gebieten, wennschon die Verhältnisse dort anders lagen infolge der Industrieverlagerung nach Osten, des Fehlens von privatem kapitalistischem Eigentum und der bedeutenden Dimension des von der KPdSU initiierten, geführten und kontrollierten Widerstands. In West- und Nordeuropa herrschte dagegen weithin das privatkapitalistische Unternehmertum, stark dominiert von großen Konzernen und Finanzgruppen (besonders in Belgien, wo die Société Générale etwa 800 Unternehmen beherrschte und damit, nach differierenden Quellenangaben, 30 bis 60 Prozent des gesamten industriellen Vermögens kontrollierte). Jahrzehntelange traditionelle geschäftliche Verbindungen und auch kapitalmäßige Verflechtung bestanden mit dem deutschen Großkapital (etwa bei Solvay; AKU; Unilever; Norsk Hydro). Die wirtschaftliche Kollaboration fußte auf Interessen, die die Kollaborateure mit den Okkupanten einschließlich der deutschen Wirtschaftskreise gemeinsam hatten, und auf spezifischen eigenen. Gemeinsame Interessen existierten an der - Aufrechterhaltung der Produktion, des Verkehrs usw., auf deutscher Seite in erster Linie bei denjenigen Produkten und Dienstleistungen, an denen die deutsche Wehrmacht, Wirtschaft (Rüstung) und Bevölkerung partizipierten; - Aufrechterhaltung von „Ruhe und Ordnung" durch Beschaffung von Arbeit und Existenzmitteln für die Masse der Bevölkerung; - Weiterführung der alten Geschäftsverbindungen mit Deutschland und - möglicherweise Beteiligung an dem großen (ost-) europäischen Beutekuchen; - Umstellung der Volkswirtschaft auf die neuen außenwirtschaftlichen Bedingungen (Rohstoffbezug; Absatzmärkte). Im letztgenannten Punkt überwog womöglich schon ein spezifisches Interesse des besetzten Landes. Spezielle Interessen waren vor allem gerichtet - auf die Aufrechterhaltung des Eigentums an den Produktionsmitteln;

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- auf die Bewahrung der Verfügungsgewalt an diesen Produktionsmitteln; - auf die profitable Verwertung des darin angelegten Kapitals und damit der Möglichkeit der Amortisierung, der Investitionen und der angemessenen Bestreitung der eigenen Existenz; - nicht zuletzt auch auf die Erhaltung und Erweiterung des Eigentums und der wirtschaftlichen Macht über das wie auch immer beschaffene Kriegsende hinaus. Louis De Jong, dem wir die einzige ausführliche, sehr anregende Auseinandersetzung mit den Problemen der wirtschaftlichen Kollaboration verdanken, wird hier für die Niederlande konkreter: Ziel der niederländischen Kollaborateure war es, der deutschen Kapitalinfiltration (-„Verflechtung") und der Einsetzung deutscher Kommissare vorzubeugen, auch die auf die Betriebe und in den Betrieben vordringenden niederländischen Faschisten („NSB'ers") zu bremsen, die Arbeiter so lange wie möglich im Betrieb zu halten - das hieß bald: sie vor der Rekrutierung zur Arbeit in Deutschland zu bewahren - und die Versorgungslage der Bevölkerung vor drastischem Absturz zu sichern.5 Freilich, wenn man moralisiert und die Ehrenhaftigkeit und Uneigennützigkeit solcher Zielsetzungen einseitig und übertrieben hoch bewertet, möchte man diese Art von Kollaboration schon in die Nähe des Widerstands rücken, wie das belgische Historiker auch tatsächlich tun.6 Für die niederländische Unternehmerschaft und Wirtschaftsbürokratie bleibt De Jong bei nüchterneren, abgewogeneren Feststellungen. Der Kern der Sache, meint er, ist nicht die 5 De Jong, Louis, Het Koninkrijk der Nederlanden in de tweede wereldoorlog, Bd. 7/1, s' Gravenhage 1976, S. 124. Siehe neuerdings Hirschfeld, Gerhard/Marsh, Patrick (Hrsg.), Collaboration in France. Politics and Culture during the Nazi Occupation, 1940-1944, Oxford etc. 1989, S. 8 ff. (dtsch. Ausgabe Frankfurt a. M. 1991; mit einem Beitrag von Michel Margairaz über „Deutschland, Vichy und die ökonomische Kollaboration"). Der Band von Hirschfeld/Marsh ebenso wie La France et Γ Allemagne en guerre, septembre 1939 - novembre 1942. Hrsg. Claude Carlier/Stefan Martens, Paris 1990, enthalten zahlreiche Analysen über die politische und ideologisch-kulturelle Kollaboration, aber nur am Rande Aussagen über Wirtschaftskollaboration. Für die vorliegende Arbeit konnten nicht ausgewertet werden Margairaz, Michel, L'Etat, les finances et Γ économie. Histoire d'une conversion, 1932-1952, 2 Bde., Paris 1991, und Vinen, Richard, The Politics of French Business 19361945, Cambridge U. P. 1991. Nach diesen und anderen Titeln und nach der belgischen und niederländischen Literatur zu urteilen, wächst aber das wissenschaftliche Interesse, wie an der Kollaboration im allgemeinen, so auch an der Wirtschaftskollaboration. Femer enthalten zahlreiche ältere Arbeiten wichtiges Material zur Thematik, etwa Jäckel, Eberhard, Frankreich in Hitlers Europa, Stuttgart 1966; Milward, Alan S., The New Order and the French Economy, Oxford 1970; derselbe, The Fascist Economy in Norway, Oxford 1972; Klemm, Peter Fritz, German Economic Policies in Belgium from 1940 to 1944, 1972 (Diss., Univ. of Michigan); Gillingham, John, Belgian Business in the Nazi New Order, Gent 1977. 6 Etwa Verhoeyen, Etienne, Les industriels belges entre collaboration et résistance: le moindre mal. In: LOccupation en France et en Belgique 1940-1944. Hrsg. Etienne Dejonghe, Bd. 1, Lille 1987, S. 367 ff.: „Concluons: les grands industriels belges ont 'collaboré' avec Γ occupant, non pas pour le servir, mais pour lui nuire." (S. 376). Im selben Band s. a. De Vlaminck, Michael, L'industrie de rarmement en Belgique sous Γ occupation (1940-1944) (S. 379 ff.), der eingangs den programmatischen Titel einer eigenen Veröffentlichung zitiert: Les industriels belges sous Γ occupation en 1940-1944: collaborer afin de nuire à Γ occupant, produire dans la perspective de Γ après-guerre" (Vlaminck, M. De/Vos, L. D., in: Revue Belge d'Histoire Militaire, Mai - Juni 1985).

312 im hergebrachten Völkerrecht so wichtige Unterscheidung zwischen der Produktion für militärische, d. h. deutsche, und für nichtmilitärische Zwecke. Der Unterschied im Nutzen für die Okkupanten ist hier nicht so groß, ist nicht prinzipieller Natur. „Der Kern der Sache bestand in einem grundlegenden Konflikt: Es war ein niederländisches Interesse, daß Deutschland den Krieg verlor, und daß demzufolge, ungeachtet aller Risiken und Nachteile, den Deutschen das niederländische Wirtschaftspotential vorenthalten wurde; - und es war auch ein niederländisches Interesse, daß die Bevölkerung ihre Arbeit behielt und nicht deportiert wurde oder verhungerte, und daß demzufolge das niederländische Wirtschaftspotential den Deutschen zur Verfügung (beschikking) gestellt wurde." 7 Absurd wäre es, sagt De Jong, die gesamte arbeitende Bevölkerung vor den Richter zu bringen, weil sie mit ihrer Arbeit zur Verstärkung des deutschen Kriegspotentials beigetragen hat. Doch an den kollaborierenden einheimischen Verwaltungsapparat, an die niederländischen Unternehmerverbände und Unternehmen (20 000 Betriebe arbeiteten für die deutsche Zentralauftragsstelle) und auch an die Gewerkschaftsführer müsse man die Frage nach dem nationalen Sinn und dem moralischen Recht der Kollaboration stellen. Man könne zwar billigerweise nicht danach fragen, ob sie die deutschen Aufträge überhaupt weitergegeben und bearbeitet hätten; aber die Frage müsse lauten: „In welchem Maße habt ihr das getan? Habt ihr ein Maximum oder ein Minimum abgeliefert? Habt ihr überall, wo euch das möglich war, innerhalb der auferlegten Zusammenarbeit Widerstand geleistet (tegengewerkt)?"8 Was das niederländische Departement für Handel, Gewerbe und Schiffahrt und die zwölf Reichsbüros (ähnlich den deutschen Reichsstellen) insgesamt betrifft, so fällt De Jong ein klares Urteil. „... muß man sagen, daß Widerstand im Sinne von Verzögerung bei der Ausführung deutscher Aufträge sich erst nach den April-Mai-Streiks von 1943 deutlich abgezeichnet hat; man hat also mit diesem Widerstand innerhalb der auferlegten Zusammenarbeit sehr spät begonnen." 9 Ein Untersuchungsfeld für sich ist die soziale und politische Motivation der wirtschaftlichen Kollaboration. Produktion und Versorgung auch unter deutschem Diktat weiterzuführen, hieß zunächst „Ruhe und Ordnung" im Lande aufrechtzuerhalten. Wesentlich erscheint mir aber in diesem Zusammenhang, daß das Verhältnis zwischen den Unternehmern und ihren Beschäftigten unter der Okkupationsherrschaft erheblichen Veränderungen unterworfen war. Auf der einen Seite entstand hier ein neuer, zusätzlicher, verschärfter Gegensatz. Die Kräfte, die aktiven Widerstand leisteten, bekämpften die Kollaborateure erbittert und befanden sich in offensichtlichem, verschiedentlich auch offen ausgetragenem Gegensatz zu der großen Mehrheit der Arbeitenden, besonders zu denjenigen, die mittelbar oder direkt für die deutsche Kriegs- und Unterdrückungsmaschinerie produzierten. Andererseits hatte die Okkupationsherrschaft mit ihren Folgen - nationale Erniedrigung und Unterdrückung, bestimmte Formen des Terrors, die zunehmende soziale Not im besetzten Land auch eine gewisse dämpfende Wirkung auf die Klassengegensätze. In Belgien entwickelte die großindustrielle Unternehmerschaft von sich aus gezielt eine Strategie, die die Konfron-

7 De Jong, Bd. 7/1, S. 126. 8 Ebenda, S. 128. 9 Ebenda, S. 129.

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tation mit den Organisationen der Arbeiterbewegung vermied und auf eine „alliance structurée et opérative" 10 hinauslief. Freilich waren erhebliche Teile der Bourgeoisie im allgemeinen, der Unternehmerschaft im besonderen tief befangen im Antisozialismus und Antikommunismus; und es war gerade ihr militanter Antisowjetismus, der, von deutscher Seite nach Kräften geschürt, ein gut Teil ihrer Motivation bei der Gründung von „Ostgesellschaften" und „Ostausschüssen" ausmachte. Es waren derselbe Antisowjetismus und die Furcht vor einem Sieg der UdSSR über Nazideutschland, die viele Kollaborateure in den späteren Kriegsjahren bis zuletzt an der Zusammenarbeit mit der Okkupationsmacht festhalten ließen. Eine pauschale Beurteilung der wirtschaftlichen Eliten als Kollaborateure, auch wenn sie Geschäfte mit den Deutschen machten, für Bedürfnisse der Okkupationsmacht produzierten und direkt nach Deutschland lieferten, ist nicht angebracht. Sowohl nach Individuen als auch nach Gruppen wird hier eine sehr beachtliche Differenzierung festzustellen sein. Nach Gruppen: Bestimmte Wirtschaftskreise orientierten sich, in Übereinstimmung mit den hauptsächlichen deutschen Kapitalgruppen, strategisch auf den - neuzuordnenden - europäischen Großraum. Obwohl sie mit der angemaßten „deutschen Führung" in diesem Großraum rechnen mußten, entwickelten sie auch einen eigenen offensiven Expansionismus. Dieser kann kaum mit größerer Klarheit nachgewiesen werden als bei den Initiatoren und Gründern der erwähnten „Ostgesellschaften". In dieser Gruppe fanden sich besonders militante antisozialistische und antisowjetische Kräfte, in der Regel mit großer Affinität zur faschistischen bzw. NS-Ideologie. Als eine weitere, sehr umfangreiche Gruppe können wir die vorsichtigeren Kollaborateure erkennen, die sich von Anfang an oder im späteren Verlauf des Krieges gegen eine deutsche Niederlage rückzuversichern suchten, sowohl bei der jeweiligen Exilregierung als verschiedentlich auch bei Kreisen des Widerstands. Hierzu gehörten, allerdings nicht in der Regel, politisch liberalere, sozial aufgeschlossenere Unternehmerkreise. Keine scharfe Grenze gab es sicherlich zwischen dieser und einer dritten Gruppe, die wirtschaftlich traditionell westlich, vor allem britisch orientiert war und politisch zur nationalbewußten, nicht selten auch zur demokratischen und „pazifistischen" (Lenin) Fraktion der Bourgeoisie gehörte. Diese Gruppe stand, wenn zur Zusammenarbeit mit den Okkupanten gedrängt, auf komplizierte Weise zwischen Kollaboration und Widerstand. 10 Gotovich, José, Résistance en Belgique et dans le Nord de la France. In: LOccupation ... (wie Anm. 6), Bd. 2, Lille 1988, S. 755. Gotovich hebt den Unterschied zu Frankreich hervor: „Le patronat français, de son côté, pratique la répression à outrance au même titre que Γ occupant" (ebenda). Zwischen den belgischen Gewerkschaften und dem Comité Central Industriel kam es dagegen zu höchst aufschlußreichen Vereinbarungen: „Principes et méthodes de collaboration paritaire" (10. April 1942); und der sog. „Pacte Social" (bestätigt am 20. April 1944), der im Hinblick auf die Nachkriegszeit vier grundsätzliche „options" enthielt: 1 ) Diskussion über sozioökonomische Konflikte soll in einem Klima des sozialen Friedens stattfinden; 2) das (bestehende) Kräfteverhältnis (rapport des forces) zwischen Arbeitern und Unternehmern soll aufrechterhalten werden; 3) Der soziale Fortschritt wird vom Wirtschaftswachstum und von der Produktivität abhängen; 4) Die Sozialpolitik bleibt beschränkt auf eine Politik der Erhöhung der Einkommen und auf deren Sicherheit, nicht auf ihre Umverteilung. (Hemmerijck, Rik, Les syndicats unifiés et leur doctrine syndicale. Ebenda, S. 804 f.).

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Allgemein sind die traditionellen Kapitalbeziehungen und Kapitalinteressen der involvierten Finanzgruppen, Konzerne und Betriebe zu untersuchen, die sich mitunter über die ganze Welt erstreckten (etwa bei der Société Générale de Belgique und beim Solvay-Konzern, der Banque de Paris et des Pays-Bas, bei Philips oder Royal Dutch Shell) meist aber doch ihren Schwerpunkt in der einen (deutschen bzw. europäischen) oder in der anderen (atlantischen, kolonialen) Richtung hatten. Nach Individuen: Im einzelnen waren die Beziehungen zwischen den Vertretern der Okkupationsmacht und der deutschen Wirtschaft einerseits, den Repräsentanten von Wirtschaftsverwaltung, Industrie und Bankwesen in den besetzten Ländern andererseits von unübersehbarer Vielfalt. Stanley Hoffmann drückt das pointiert aus, wenn er sagt, es habe so viele Formen von Kollaboration gegeben, wie es Kollaborateure gab." Kollaborations- geschichte wird also nicht auskommen ohne Berücksichtigung individueller Umstände und Besonderheiten. Hierin ist vielleicht in der belletristischen Literatur bisher mehr geleistet worden als in der Geschichtsschreibung.12 Das vorrangige Interesse des Historikers sollte besonders (früheren) Geschäftsverbindungen, bestimmten politischen Verbindungen und Affinitäten der Akteure, aber auch Beziehungen verwandtschaftlicher Natur, etwa zu Exilund Widerstandskreisen, ferner speziellen persönlichen Erfahrungen mit dem Okkupationsregime und mit deutschen Geschäftspartnern gelten. Im besonderen Fall konnte Kollaborationswilligkeit wohl auch als Alibi für Widerstandstätigkeit dienen.

b) „Ostgesellschaften" Kollaboration

als Extremfall wirtschaftlicher

und

politischer

Der „Osteinsatz" besetzter Länder auf wirtschaftlichem Gebiet, d. h. die Kollaboration der betreffenden Länder mit Nazideutschland bei der Kolonialisierung und Ausbeutung der besetzten sowjetischen Gebiete, ist eine von der Forschung bisher kaum erschlossene Materie - ungleich schlechter erschlossen etwa als die des Einsatzes von SS-Freiwilligen und anderer militärischer Handlangerschaft im Osten. Und doch kann uns gerade die Erforschung dieser Thematik einen besonders interessanten und sehr differenzierten Einblick in die Komplexität wirtschaftlicher und politischer Kollaboration verschaffen. Theoretische Analysen, verallgemeinernd-vergleichende Arbeiten sind nicht vorhanden. Nur Louis De Jong hat in einem Abschnitt seiner vielbändigen Geschichte der Niederlande im Zweiten Weltkrieg den „Oostinzet" der Niederländer, besonders die Nederlandse Oostcompagnie (NOC), ausführlicher untersucht.13 Sein hauptsächliches Material betrifft die nie11 Hoffmann, Stanley, Collaborationism in France during World War II. In: Journal of Modern History, Jg. 40 (1968), S. 375. 12 Auch in der deutschen Literatur; s. Hauser, Harald, Wo Deutschland lag (1947). 13 De Jong, Bd. 6/1, s' Gravenhage 1975, S. 449 ff. Nur in einer Fußnote erwähnt bei Hirschfeld, Gerhard, Fremdherrschaft und Kollaboration. Die Niederlande unter deutscher Besatzung 1940-1945, Stuttgart 1984, der den wichtigen Bestand R 6 des Bundesarchivs Koblenz (Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete) nicht ausgewertet hat und den „Oostinzet" unzulässig verkürzt als „SS-Ostexpansion" charakterisiert (S. 193; S. 288, Anm. 316); keine Erwähnung neuerdings in Eu-

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derländischen Beteiligten, also in erster Linie die Nationaal-socialistische Beweging (NSB) von Anton Adrian Mussert und Meinoud Marinus Rost van Tonningen, die Generalsekretäre, insbesondere den Chef der Wirtschaftsdepartements, Hans Max Hirschfeld, und die niederländischen Geschäftskreise und Unternehmerorganisationen. Deutlich schwächer kommt bei De Jong der deutsche Einfluß ins Bild. Der niederländische Oostinzet wird im folgenden in einer Fallstudie ausführlicher untersucht. Er stellte die umfangreichste und entwickeltste Form der Kollaboration dieses Typs dar. In Dänemark befaßte sich nach dem Krieg eine parlamentarische Kommission mit Fragen der Kollaboration und untersuchte auch das Zustandekommen des sogenannten Ostraumausschusses des dänischen Außenministeriums (Udenrigsministeriets 0strumsudvalg). Erich Thomsen benutzt die gedruckten Berichte und Quellen dieser Kommission.14 Seine Darstellung des dänischen Ostraumausschusses beruht ferner auf Akten des deutschen Auswärtigen Amts. In Dänemark spielten, anders als in den Niederlanden, die einheimischen Faschisten anscheinend so gut wie keine Rolle bei der Konzeption und Ausführung des Vorhabens. Bekannte Unternehmer, „hervorragende und kapitalkräftige Geschäftsleute"15, und ein Minister der sozialdemokratisch geführten Regierung waren Gründer und Betreiber des Ostraumausschusses, der unmittelbar von Außenminister Erik Scavenius gefördert wurde und als offizieller Ausschuß seines Ministeriums firmierte. Die NOC und der dänische Ostraumausschuß waren, abgesehen von zwei niederländischen Neben- bzw. Unterorganisationen, die einzigen „arbeitenden" Ostgesellschaften, beide 1941 durch Arbeitsausschüsse und Kommissionen vorbereitet und in der ersten Hälfte des Jahres 1942 gegründet. Sie unterschieden sich aber nicht nur in bezug auf die politische und soziale Herkunft ihrer Gründer und Mitglieder, sondern auch im Umfang ihrer tatsächlichen Aktivitäten in den besetzten sowjetischen Gebieten. Einen wesentlichen Bereich der Geschichte der beiden aktiven Ostgesellschaften hat die Forschung - fast vollständig auch De Jong - bisher ausgespart, nämlich ihr tatsächliches Wirken im Osten, d. h. den Aufwand an Arbeitskräften, Produktionsmitteln und investiertem Kapital und das Verhältnis dieses Aufwands zum erzielten Erfolg. Nicht zu reden von den Arbeits- und Lebensverhältnissen der vielen tausend Arbeiter, Bauern, Fischer, Landwirtschaftsexperten, Ingenieure und Unternehmer - unter denen übrigens, wie wir bei De Jong lesen, nicht wenig Gauner, Abenteurer und Glücksritter waren. Die nach dem Osten gesandten Arbeitskräfte waren zu einem bestimmten, nicht bekannten Prozentsatz dort nur für kurze Zeit tätig, zu einem anderen Teil aber blieben sie noch bis weit in das Jahr 1944 hinein, zumindest im Baltikum und in Weißrußland, verschiedentlich auch im Generalgouvernement. Viele von ihnen hat ein hartes Schicksal, Gefangenschaft und Tod, ereilt. ropa unterm Hakenkreuz, Bd. 3: Die faschistische Okkupationspolitik in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden (1940-1945). Hrsg. von Ludwig Nestler u. a., Berlin 1990. 14 Thomsen, Erich, Deutsche Besatzungspolitik in Dänemark 1940-1945, Düsseldorf 1971, S. 88 ff. Die Quellen in Beretning til Folketinget afgivet af den af Folketinget... nedsatte Kommission ..., Bd. V, und Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, Kopenhagen 1948; 1954. 15 Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, Kopenhagen 1954, S. 1142, Dok. 595, Aufzeichnung v. Weizsäcker über Gespräch mit Gesandten Otto Mohr, 6.11.1941.

Zerfall des Okkupationssystems Fallbeispiel: Niederlande Gerade die Niederlande waren es, deren Aktivitäten in den besetzten sowjetischen Gebieten sich häufig in den Spalten der deutschsprachigen Presse niederschlugen. „Die Niederlande", so hieß es in einer deutschen Presseinformation vom Juli 1942, „haben den neuen europäischen Ostgedanken sich bekanntlich am weitesten zu eigen gemacht."16 „Großgermanische" Siedlungspläne waren von Himmler und seinen Ämtern, besonders dem Amt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums, schon bald nach Beginn des Krieges mit ausdrücklichen Hinweisen auf die Beteiligung von Niederländern (in Himmlers Auffassung: inclusive Flamen) erörtert worden. Im erwähnten Himmlerschen Reichskommissariat war die Rede von zwei bis drei Millionen Niederländern, die „umgesiedelt" werden könnten, Himmler zufolge hauptsächlich im Rahmen der „nach dem Kriege geplante(n) Ostsiedlung".17 Sehr bald nach dem 22. Juni 1941 setzte die Vorbereitungsphase für den niederländischen „Osteinsatz" auf UdSSR-Territorium ein, an der sich zahlreiche deutsche Dienststellen und Institutionen und unterschiedlich einzuschätzende niederländische behördliche, Geschäftsund NSB-Kreise beteiligten. Die wichtigsten Organisationen des niederländischen „Osteinsatzes" waren die Nederlandse Oostcompagnie (NOC), der „Werkdienst Ukraine" (später: „Werkdienst Holland"), die Culano („Commissie tot uitzending van landbouwers naar OostEuropa") und der „SS-Frontarbeiter"-Einsatz. Die vorliegende Untersuchung ist auf die Oostcompagnie konzentriert, deren Kontrollfunktion sich später, im September 1942 bzw. Anfang 1943, auch auf den Werkdienst Holland und die SS-Frontarbeiter erstreckte. Die Culano muß immerhin erwähnt werden als besonders früh, schon im Sommer 1941 aufgebaute Siedlerorganisation. Arthur Seyß-Inquart, Reichskommissar für die besetzten Niederlande, hatte unmittelbar nach dem Überfall auf die Sowjetunion die niederländische „Volksgemeinschaft" dazu aufgerufen, ihre Kräfte in den Dienst der Ausbeutung der eroberten und zu erobernden Gebiete in Osteuropa zu stellen. Auf einer Kundgebung im Stadion des Eisclubs Amsterdam am 27. Juni 1941 propagierte er den umfassenden „Osteinsatz". Deutschland kämpfe im Osten für Europas Zukunft; „das niederländische Volk müsse die Energie auf Osteuropa richten, die es bisher in Ost- und Westindien investiert habe". „Niederländer, schaut nach dem Osten!", rief er aus.18 Schon im August 1941 bildete sich ein entsprechender „Organisationsausschuß" beim niederländischen Landwirtschaftsministerium bzw. beim amtierenden Generalsekretär.19 Um diese Zeit hatte Hitler Staatssekretär Herbert Backe „die Ermächtigung gegeben, holländische und dänische Landwirte für die Bewirtschaftung der eroberten sowjetrussischen Gebiete anzusetzen". Backe suchte vornehmlich Betriebsführer für „große Betriebe" und „Assistenten" in Gestalt von „landwirtschaftlichen Vorarbeitern, möglichst mit Maschinenkenntnis16 Β AP, FS, Film 10612, „Der europäische Aufbaueinsatz im Ostraum", Information d. Pressestelle des Werberats der deutschen Wirtschaft, 27.7.1942. 17 Zitat nach Ulrich Greifelts „Bericht über die Vorarbeiten zur Gewinnung von holländischen und flämischen Siedlern für die neuen Ostgebiete" (in Polen) v. 9.5.1941; femer (2-3 Millionen) nach Schreiben Greifelt an Himmler, 11.6.1940; in: De Jong, Bd. 6/1, S. 451. 18 Nach De Jong, Bd. 5/1, s' Gravenhage 1974, S. 104; S. 117 f. 19 BÄK, R 6/440, Bl. 1 f., AN für RMfbO (Graf Grote, Den Haag), 10.12.1941.

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sen". Dafür wurde der niederländischen Staatsverwaltung „ein Anteil an den Mehrerträgen in Form von Brot- und Futtergetreide zugesichert".20 So entstand noch im Laufe des Jahres 1941 die Culano, ins Leben gerufen von Hans Max Hirschfeld, Generalsekretär beider großer Wirtschaftsdepartements21, S. L. Louwes, Generaldirektor des Reichsbüros für die Lebensmittelversorgung (dem Wirtschaftsministerium unterstellt) und C. Staf, Direktor der Nederlandse Heide-Maatschappij. Insgesamt hat die Culano etwa 600 landwirtschaftliche Arbeitskräfte nach dem Osten vermittelt, darunter ein gut Teil niederländische Nazis, „mancherlei Abenteurer, ganze und halbe Analphabeten".22 NSB-Führer Mussert war anscheinend nicht begeistert von dieser Art eines pragmatischen Tauschhandels von Arbeitskräften gegen Getreide. Er, dem die Selbständigkeit der Niederlande als „großniederländischer Staat" mit einem umfangreichen Kolonialreich im großgermanischen Staatenbund - bei Mussert: „großdietse Reich" - vorschwebte,23 vertrat eine Konzeption großräumiger Ansiedlung von Niederländern im Osten. Er verhandelte am 3. Januar 1942 mit Rosenberg und „legte besonderes Gewicht darauf, daß (die) Siedlung von Niederländern im geschlossenen Verbände durchgeführt würde. ... Mussert bat, daß es sich dabei um ein Gebiet am Meer handeln soll. Auf meine Frage, ob nicht ein großer Fluß genüge, bejahte Mussert auch das, wenn dieser Fluß ins Schwarze Meer führe." 24 Die deutschen Stellen wichen in diesem Punkt geflissentlich aus und legten sich nicht fest. Bei Generalkommissar Fritz Schmidt in Den Haag verständigte man sich intern darüber, daß „in den ersten fünf Jahren an eine Besiedlung nicht zu denken sei und man nur Facharbeiter und Ingenieure für die Anlaufzeit brauche".25 Hitlers und Himmlers Zukunftsvorstellungen liefen den großholländischen Plänen durchaus zuwider. De Jong interpretiert sie allerdings unzulänglich, wenn er Himmlers entschiedene Ablehnung der „dietschen Reichsidee" und seine Konzeption der „Eindeutschung" der

20 Ebenda. 21 Die niederländischen Generalsekretäre leiteten, ursprünglich vom exilierten Kabinett beauftragt, während der Besatzungszeit als „eine Art Staatssekretärsausschuß" (s. Hirschfeld, S. 86 ff.) ähnlich wie in Belgien die Ministerien (Departements). Hans Max Hirschfeld stand denjenigen für Handel, Gewerbe und Schiffahrt und für Landwirtschaft und Fischerei vor. G. Hirschfeld (S. 243, wie Anm. 13) neigt dazu, die Generalsekretäre kritisch als „Organe der Besatzungsmacht" (so General H. G. Winkelman) zu charakterisieren. Näheres über die sehr zwiespältige Rolle von H. M. Hirschfeld (Bankfachmann; seit 1931 im Wirtschaftsministerium; nach Kriegsende „ehrenvoll" entlassen) z. B. bei Hirschfeld, S. 129 ff.; S. 259 f., Anm 108. 22 De Jong, Bd. 6/1, S. 449 (zit: Schreiben v. J. S. (?) an Culano, 15.2.1942). - Die Gesamtzahl ist mit 600 sicher zu niedrig angegeben; im RMfbO-Bericht „Tätigkeit und Leistungen der Chefgruppe Ernährung und Landwirtschaft in den besetzten Ostgebieten" vom Herbst (Nov.?) 1944 wurden allein 900 Niederländer angegeben, die zur Zeit der größten Ausdehnung des deutschen Machtbereichs als „germanische Ausländer" in der Landwirtschaft eingesetzt waren (BÄK, R 6/34, Bl. 13). 23 Siehe etwa Umbreit, Hans, Auf dem Weg zur Kontinentalherrschaft, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 5/1, Stuttgart 1988, S. 333; Hirschfeld, S. 168 ff. 24 AN RMfbO (Rosenberg) über Empfang von Mussert am 3.1.1942, 5.1.1942; zit. in De Jong, Bd. 6/1, S. 450 (vgl. Anm. 28). 25 „Bericht über die Dienstbesprechung bei GK Schmidt", 5.1.1942, zit. ebenda, S. 450 f.

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Niederlande - in seiner Terminologie: Niederdeutschland - 2 6 mit Hitlers unpräzisen, schwankenden, sehr oft situationsbedingten Äußerungen27 gleichsetzt. Mussert beauftragte „mit der Bearbeitung des Ostgeschäftes" 28 einen seiner Gauleiter (districtsleider), A. W. J. Borggreven, der bereits seit Ende 1941 im Auftrag Hans Fischböcks, des Generalkommissars für Finanzen und Wirtschaft, und unter Leitung des Chefs der deutschen Zentralauftragsstelle, Erwin Nimtz, die Handwerkeranwerbung für den „Werkdienst Ukraine" organisierte.29 Ende Januar 1942 wurde Borggreven ins Ostministerium eingeladen. Rosenbergs Beamte machten ihm klar, daß sie Arbeitskräfte für Straßenbauten, Unterkunftsbauten und Flußräumung, außerdem Spezialisten für Verkehr, Mineralölindustrie, Hüttenwesen und Kohlenbergbau brauchten.30 Die Initiative bei der Gründung der Nederlandse Oostcompagnie lag aber schließlich in den Händen von Rost van Tonningen, Musserts Parteigenossen und Rivalen, einem der SS besonders nahestehenden NSB-Wirtschaftler, der seit Frühjahr 1941 mit Himmlers Hilfe auf wichtige Posten der niederländischen Kollaborationsverwaltung geschleust worden war (Präsident der Niederländischen Bank; Generalsekretär im Finanzministerium und im Ministerium für besondere wirtschaftliche Aufgaben).31 Ganz klar sind die Umstände dieser Gründung allerdings nicht, weder was das Verhältnis zwischen deutscher und niederländischer Initiative noch was den Anteil des „falschen Sektors" 32 und der seriösen Kreise der niederländischen Geschäftswelt, oder was das genaue Gründungsdatum betrifft. Im Februar 1942, nach der Reise von Borggreven, setzte anscheinend eine lebhafte Diskussion um den „Osteinsatz" und ein Gerangel verschiedener Interessenten und Interessengruppen ein.33 Mehrfach war insbesondere von einer Beteiligung der Royal Dutch Shell Co. 26 Himmler an Heydrich und Redieß, 16.2.1942 (zit. ebenda, S. 453): „Ich kann es mir aber nicht vorstellen, daß einzelne Staaten dieses germanischen Reiches nun besondere Gebiete bekommen, also daß Nordrußland norwegische oder dänische Provinzen bekäme, daß die Niederlande irgendeinen anderen Teil Rußlands als Provinz bekämen. Dies halte ich für unmöglich." 27 IMG, Bd. 27, S. 288, Dok. PS-1520, Vermerk Rosenbergs „über eine Unterredung mit dem Führer", 8.5.1942: „Der Führer meint, im Prinzip die Holländer ruhig nach dem Osten hereinzulassen, denn wenn es nicht mehr als 1000 Menschen seien, dann könnten sie verdaut werden. Er wünsche nur keine großen Kolonien." Hitler bezog sich auf den Umfang der Besiedlung, Himmler hingegen, der durchaus ein Verfechter der Massenumsiedlung war, auf die staatliche Qualität der besiedelten Territorien. 28 BÄK, R 6/440, Bl. 7, AN Rosenberg über Besprechung mit Mussert am 3.1.1942, 5.1.1942 (vgl. Anm. 24). 29 Siehe De Jong, Bd. 6/1, S. 454 ff. 30 BÄK, R 6/440, Bl. 9, AN RMfbO über Reise Borggreven, 20.-23.1.1942. 31 Siehe BÄK, R 58/977, Rost van Tonningen an Himmler, 22.9.1942. Zur Biographie Rosts s. De Jong, Bd. 1, s' Gravenhage 1969, S. 372 ff.; Hirschfeld, passim (s. etwa S. 274 f., Anm. 70); neuestens Berger, Peter, Meinoud Marinus Rost van Tonningen, Vertreter des Völkerbundes in Österreich. Ein Forschungsbericht. In: Zeitgeschichte, 18. Jg. 1990/91, H. 11/12, S. 351 ff. (besd. 359 ff.). 32 „foute sector": im Niederländischen stehender Ausdruck für NSB-Anhängerschaft. 33 Soweit vom RMfbO beobachtet, ist dies dokumentiert in BÄK, R 6/440. Seyß-Inquart nahm an der Diskussion tätigen Anteil. Nachdem er bei den niederländischen Stellen durchgesetzt hatte, daß das Land rückwirkend ab Juli 1941 monatlich 50 Mill. RM als „Beitrag zur Kriegführung gegen den Bolschewismus" in die deutsche Kriegskasse zahlte, sagte er seinen Partnern (also offenbar den Ge-

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bzw. ihrer niederländischen Tochtergesellschaften „an der Erschließung der russischen Erdölvorkommen" die Rede, wozu 20 000 Fachkräfte und entsprechendes Gerät gestellt werden könnten34; die Shell solle, so bauten die Deutschen vor, unter Leitung des betreffenden Reichskommissars (Kaukasus) oder der Kontinentale Öl AG arbeiten.35 Aufschlußreich war zu dieser Zeit das Verhalten der Deutschen Handelskammer für die Niederlande, der maßgebliche deutsche Wirtschaftskreise angehörten, etwa Hermann J. Abs (Deutsche Bank), Carl Lüer (Dresdner Bank) und der Kölner Bankier Kurt Frhr. v. Schröder. Die Kammer machte in ihrer Zeitschrift „Niederlande. Deutsch-Niederländische Wirtschaftszeitschrift" schon seit 1941 kräftig Propaganda für die „Riesenaufgabe" der, jungen Völker, ... das weite russische Land wieder zu einem Produktions- und Absatzgebiet ersten Ranges für ganz Europa (zu machen)." 36 Die Zeitschrift führte Anfang 1942 eine neue Spalte „Blick nach Osten" ein; die Kammer bestellte den Generalreferenten des Generalkommissars für Finanzen und Wirtschaft zu ihrem „Bevollmächtigten für Ostfragen". „Auf Wunsch des Reichswirtschaftsministeriums und des Ministeriums für die besetzten Ostgebiete setzte sich die Kammer sehr stark für die Werbung und Heranziehung von geeigneten Fachkräften für die besetzten Ostgebiete ein." 37 Ende März 1942 wurde im Reichskommissariat in Den Haag „beschlossen, einen Arbeitsausschuß für den niederländischen Einsatz in den besetzten Ostgebieten bei Generalkommissar Schmidt... zu bilden".38 In diesem Ausschuß saßen nur die Referenten des Reichskommissariats, und so war er von vornherein ein totgeborenes Kind. Bald wurde auch amtlich, in Besprechungen zwischen Reichskommissariat und Ostministerium, festgestellt, daß der Ausschuß „in dieser Form nicht geeignet war, ... die in Holland freiliegenden Wirtschafts- und Arbeitskapazitäten für den Einsatz im Osten zu mobilisieren".39 Im April schaltete sich Rost van Tonningen in die Verhandlungen ein, der „bereits seit langer Zeit" 40 - unter anderem als Generalsekretär für Finanzen - mit dem „Osteinsatz" befaßt war. Von Himmler und Rosenberg protegiert, schob sich Rost an die „Führung in dieser Sache".41 Im Ostministerium begrüßte es Rosenbergs Sonderbeauftragter für den „Ostein-

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neralsekretären) zu, dafür einzutreten, „daß in dem neugewonnenen Siedlungsraum im Osten die niederländischen Interessen auch im Hinblick auf die durch die gegenständlichen Zahlungen erbrachte Leistung angemessene Berücksichtigung finden" (Europa unterm Hakenkreuz, Band 3, S. 175, Dok. 81, Seyß-Inquart an Reichsfinanzminister Schwerin v. Krosigk, 9.2.1942). BÄK, R 6/440, Bl. 20 f., AN RMfbO über Besprechung Alfred Meyer mit Mussert, 19.2.1942. Ebenda, Bl. 39, AN RMfbO über Besprechung in Holland, 28.2.1942. BAP, Deutsche Bank (F), Nr. Ρ 7270, Artikel „Damals und heute", gez. J. W. B„ in: Niederlande. Deutsch-Niederländische Wirtschaftszeitschrift. Organ der Deutschen Handelskammer für die Niederlande und der Zentralauftragsstelle für die besetzten niederländischen Gebiete, Nr. 13/41, 1.8.1941. Ebenda, Jahresbericht des Schatzmeisters der DHK f. d. Niederlande f. d. Geschäftsjahr 1942, vorgetr. am 27.3.1942. BÄK, R 6/440, Bl. 79, AN RMfbO, 2.4.1942. Ebenda, Bl. 112, AN RMfbO, 12.5.1942 (betr. Reise Dr. Coste in die Niederlande). Ebenda, Bl. 35, AN RMfbO, 4.3.1942. Siehe Eigendarstellung Rosts in BÄK, R 58/977, Rost an Hans Rauter, 25.3.1944; s. a. ebenda, Rost an Himmler, 22.9.1942.

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satz", Walter Malletke, daß Rost nun eine „feste" und „arbeitsfähige" Organisation gründen werde, zumal da bei „allen beteiligten Kreisen der Banken, der Industrie und des Handels ... in Holland ein großer Wille vorherrscht, diesen Problemen näherzutreten und sie in die Praxis umzusetzen".42 Trotz seiner hohen Verwaltungsämter hatte Rost nicht den maßgeblichen Einfluß innerhalb der niederländischen Geschäftswelt, über den dagegen während der Besatzungszeit Hirschfeld und dessen Freund Henri Louis Woltersom, ein Rotterdamer Bankier und Präsident der niederländischen Unternehmerorganisation (Organisatie-Commissie [seit April 1942: Raad] voor het Bedrijfsleven),43 verfügten. Er begriff, daß seine Pläne für den Osten „nur verwirklicht werden konnten, wenn große niederländische Unternehmen zur Mitarbeit bereit waren".44 Sein wichtigster Verhandlungspartner, Woltersom, erklärte sich „für den Anfang" bereit, am „Osteinsatz" mitzuwirken, und sagte, „er nehme an, daß ein Teil der Rotterdamer Geschäftswelt sich (ebenfalls) dafür interessiere". De Jong bezweifelt zwar, „daß die Bereitschaft sehr tief ging"; doch in fortgesetzten Verhandlungen auf mehreren Ebenen gelang es Rost schließlich, das Gründungskomitee (den späteren Aufsichtsrat) der Nederlandse Oostcompagnie mit F. B. J. Gips, Vizepräsident des Woltersom'sehen Unternehmerverbands, einem im Ostgeschäft (Baltikum) erfahrenen Holzgroßhändler, und mit E. J. Voûte und F. E. Müller, den Bürgermeistern von Amsterdam und Rotterdam, zusammenzubringen.45 Woltersom selbst hatte freilich seine Teilnahme nicht definitiv zugesagt; über ihn sollten aber bis zur Bekanntgabe der Geschäftsgründung „einige herausragende Persönlichkeiten aus der gewerblichen Wirtschaft" gewonnen werden, die dem „Rat der Kommissare" der NOC beitreten würden. Anteilseigner der NOC gab es zunächst vier: den niederländischen Staat, die Nederlandse Bank und die Gemeinden Amsterdam und Rotterdam. Auf deutscher Seite sah man die Verhandlungen unter einem etwas anderen Aspekt. Ostministerium und Reichskommissariat schrieben sich die Initiative zu und beanspruchten die Oberaufsicht über die zu gründende Gesellschaft. Der Vertreter des Ostministeriums berichtete über die Ergebnisse seiner Reise im Mai nach Den Haag: „Es war möglich, Generalkommissar Schmidt zur Gründung der Gesellschaft zu veranlassen und die Vorarbeiten für deren Gründung zum Abschluß zu bringen. In dieser Gesellschaft wird ein maßgebender Einfluß der von dem Generalsekretär im holländischen Finanzministerium, Präsident Rost van Tonningen, geführten Wirtschaftsgruppe eingeräumt werden. Es ist in Aussicht genommen, den Vizepräsidenten des Hauptausschusses der gewerblichen Wirtschaft, F. B. J. Gips, mit der Geschäftsführung zu beauftragen. In der Gesellschaft werden alle Sparten der gewerblichen Wirtschaft (Industrie, Handel, Handwerk, Arbeitseinsatz, Verkehr, Banken) durch maßge42 BÄK, R 6/440, Bl. 103, AN RMfbO, 16.4.1942. 43 Ausführlicher über Woltersom s. Hirschfeld, S. 144 ff.: De Jong, Bd. 7/1, s' Gravenhage 1976, S. 22 f. Rost denunzierte Hirschfeld bei Himmler als Halbjuden, aber wegen seiner überragenden Kapazität und Stellung vergeblich: „Die Schwäche meiner Position liegt darin, daß auf dem staatlichen Sektor der Halbjude Hirschfeld das Wirtschaftsministerium besetzt. Wäre es Ihnen nicht möglich, beim Reichskommissar zu erwirken, daß in der Praxis Hirschfeld mir unterstellt wird?" (BÄK, R 58/977, Rost an Himmler, 22.9.1942). 44 De Jong, Bd. 6/1, S. 458. Hiernach auch das Folgende. 45 Zum Aufsichtsrat gehörte später auch De Kock van Leeuwen, Präsident der Handelskammer von Amsterdam.

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bende Persönlichkeiten vertreten sein. Für den landwirtschaftlichen Sektor wird eine einflußreiche Persönlichkeit von Generalkommissar Schmidt bestimmt werden. Die Finanzierung der Gesellschaft soll mit holländischem Kapital von voraussichtlich 20 Mill. Gulden erfolgen. Die Vorschläge über die zu gründende Gesellschaft werden in den nächsten Tagen hier (im Ostministerium - D. E.) eingereicht werden. Es ist in Aussicht genommen, auf Grund dieser Vorschläge noch vor Pfingsten in Holland im Benehmen mit dem Generalkommissar Schmidt und Minister Fischböck durch die von Rost van Tonningen geführten Wirtschaftskreise die Gesellschaft zu gründen." 46 Die Gründung fand dann aber überstürzt Anfang Juni 1942 statt, offenbar kurz bevor Rost, Gips, drei weitere „falsche" Niederländer und drei Vertreter des Reichskommissariats auf kurzfristige Einladung des Ostministeriums am 7. Juni für zwei Wochen über Berlin in die baltischen Republiken reisten.47 Bei ihrer Rückkehr fanden sie die niederländische Öffentlichkeit in stark verschlechterter Stimmung vor. Die Geschäftswelt war in hohem Maße vor den Kopf gestoßen, weil am 10. Juni einige große niederländisch-indische Plantagengesellschaften deutschen Verwaltern unterstellt worden waren; am 19. Juni geschah dies bei verschiedenen weiteren Gesellschaften. Nach Rosts denunzierender Darstellung „wurde verschiedenen der englandhörigen Gesellschaften mitgeteilt (durch einen sich auf den „Vierjahresplan" berufenden Offizier der Rüstungsinspektion - D. E.), daß sie nicht mit der NOC zusammenzuarbeiten brauchten. Unter ihnen befand sich auch die 'Internatio' aus dem Wirtschaftskreis Woltersoms, welche die Hauptrolle in der von Woltersom gesammelten Gruppe für den wirtschaftlichen Osteinsatz bildete." Unter diesen Umständen „zog Woltersom seine mit der NOC geplante Zusammenarbeit zurück." 48 Die Hintergründe dieser Angelegenheit bleiben unklar. Immerhin scheint Reichskommissar Seyß-Inquart selber „nachträglich in Anwesenheit sämtlicher Aufsichtsräte der NOC" von einer Sabotage der Arbeit der NOC gesprochen zu haben.49 Wahrscheinlich können Untersuchungen über die Rolle Fischböcks, der, obwohl Generalkommissar für Finanzen und Wirtschaft, nur am Rande mit der NOC-Gründung befaßt war, und über seine Beziehungen zu den Vierjahresplandienststellen, zur Deutschen Bank usw. näheren Aufschluß geben. Großes Aufsehen erregte es ferner, als am 9.Juni in groß aufgemachten Zeitungsartikeln über die Gründung der NOC von „Lebensraum für drei Millionen Niederländer" 50 die Rede war, den die Gesellschaft im Osten schaffen werde. Obwohl von freiwilliger Auswanderung geschrieben und Deportationsabsichten abgestritten wurden, erschien dies schon in Anbetracht der gewaltigen Zahl (ein Drittel der niederländischen Gesamtbevölkerung) nicht glaubhaft, und die Bevölkerung war tief beunruhigt, zumal da die Deutschen die Zahl wenige Tage später zwar weiter zu publizieren verboten, sie aber nicht dementierten. Die Widerstandsbewegung, der Londoner Rundfunk usw. befaßten sich intensiv mit dem Thema. 46 47 48 49 50

Wie Anm. 39(12.5.1942). De Jong, Bd. 6/1, S. 459. Wie Anm. 41 (Rost an Rauter). Ebenda. „Deutsche Zeitung in den Niederlanden"; „Het Nationale Dagblad"; nach De Jong, Bd. 6/1, S. 451 ff.; S. 459.

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Der Ruf der NOC war erheblich ramponiert. Der geschäftsführende Direktor der NOC, D. Krantz, sagte später aus, daß die Berge von Briefen und Angeboten, die die Gesellschaft erreichten, hauptsächlich von unsoliden und inkompetenten Leuten und die „Stapel von Bewerbungen ... fast ausschließlich von Gesinnungslumpen" kamen. Man habe ihm versichert, so beschwerte er sich bei Rost van Tonningen, „daß er sich seine Mitarbeiter unter sehr erfahrenen und umgänglichen Leuten werde aussuchen können ... Diese Kategorie von Personen ist, mit einer einzigen Ausnahme, nie aufgetaucht." 51 De Jong beschreibt anschaulich, wie schlecht die Leitung der NOC funktionierte und wie sinnlos die staatlichen Gelder - 15 Millionen Gulden - verschwendet wurden, vor allem „weil der für das Dritte Reich so typische bürokratische Kampf speziell in bezug auf die Erweiterung ihres Einflußbereiches in den besetzten Gebieten der Sowjetunion mit unglaublicher Zähigkeit geführt wurde".52 Dennoch spiegelt sich in den Quellen eine beachtliche Geschäftigkeit der NOC bis in das Jahr 1943 und sogar 1944 wider. Sie organisierte das Einsickern mehrerer tausend Niederländer in die besetzten sowjetischen Gebiete. Es handelte sich sowohl um Arbeiter und Techniker der Fischerei-, Land-, Forst- und Torfwirtschaft als auch um Bauarbeiter, Handwerker, Ingenieure und entsprechende Leitungskader. Auf dem Höhepunkt ihrer Verhandlungen und Aktivitäten befand sich die NOC anscheinend zwischen September 1942 und Februar 1943.53 Im September 1942 übernahm sie die Organisation des „Werkdienstes Holland" und zeichnete fortan verantwortlich für die Anwerbung und Schulung der Handwerker und Arbeiter. Als aber trotz der Zusage des Ostministeriums vom Mai 1943, daß sich diese mehreren hundert Arbeitskräfte, die überwiegend in der Ukraine tätig waren, nach einem Jahr Arbeit im Osten selbständig machen könnten, der Reichskommissar für die Ukraine, Erich Koch, sich nicht an die Abmachung halten wollte, stoppte die NOC die weitere Zuwanderung.54 Anfang 1943 wurde auch die SS-Frontarbeiter-Organisation der Kontrolle der NOC unterstellt. Bis dahin waren etwa 2 300 Bauleute von niederländischen Kleinunternehmern für das SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamt beschäftigt und von den Unternehmern in sehr vielen Fällen „auf schändliche Weise" behandelt und betrogen worden.55 Der zweite Direktor der NOC, P. S. Heerema, Standartenführer in der niederländischen SS, stellte die Organisation, die in eine neugegründete Tochtergesellschaft der NOC, die Nederlandse Oostbouw Ν. V., eingebracht wurde, von Freiwilligen- auf Zwangswerbung um. Bis Ende 1944 kamen so weitere 3 700 Niederländer in den Osten, teils über die niederländischen Arbeitsbüros von deutschen „Fachwerbern" zwangsverpflichtet, teils direkt aus den deutschen Straf- und Zwangslagern Ommen und Amersfoort verschickt. Seit Anfang 1944 steckte man die Arbeitskräfte zum Bunker- und Wegebau in Baubataillone der Waffen-SS. 56

51 Brief vom 27.3.1945; zit. ebenda, S. 459. „Gesinnungslumpen" auch im Original deutsch. 52 Ebenda, S. 460; desgl. BÄK, R 6/448, Bl. 66, Rost an v. Harder (RMfbO), 22.1.1943: „Wir haben zusammen maßlos viel Ärger gehabt, insbesondere durch die mangelnde Organisation einer so schnell aufgezogenen Aktion wie der Holländereinsatz." 53 Siehe Bericht Rosts an Himmler über Tätigkeit und Pläne der NOC, 22.9.1942 (BÄK, R 58/977). 54 De Jong, Bd. 6/1, S. 460. 55 Ebenda, S. 461. 56 Ebenda, S. 461 f.

323 Vierhundert bis fünfhundert „Bauern", von denen viele niemals eine Bauemwirtschaft geführt hatten, schickte die NOC von Herbst 1942 an auf Schulungsgüter (Wilna, Rovno) und Agronomenschulen (Baranovka). Bis zum Frühjahr 1943 sollten mindestens 300 bis 400 niederländische „Landwirtschaftsführer" ausgebildet werden, besonders „selbständige Stützpunktleiter auf Staatsbetrieben von etwa 10 000 ha".57 Eine niederländische „Wirtschaftskommission" handelte für die NOC Mitte Dezember 1942 mit dem Reichskommissar für die Ukraine aus, daß sie, wie im „Ostland" schon geschehen, ein „Modellgut" von 1 000 bis 1 500 ha mit eigenem Nutzungsrecht bewirtschaften werde; ferner sollte die Gesellschaft die Oberverwaltung über insgesamt 24 000 Morgen (6 000 ha) übernehmen.58 Den Chefs der NOC schwebte offenbar eine Zentralisierung des gesamten niederländischen „Osteinsatzes" in ihrer Hand vor. Sie gründeten zu diesem Zweck vom Spätherbst 1942 an eine ganze Reihe von Tochtergesellschaften: außer der erwähnten Nederlandse Oostbouw Ν. V. in gleicher Weise Gesellschaften für Oostbaksteen (für Ziegeleien), Oostbinnenvaart (vor allem für Flußschiffahrt), Oostbagger (für Flußregulierungs- und ähnliche Arbeiten) und für Osthandel. Anfang 1943 waren außerdem Gesellschaften für Fischfang, Reederei, Torfgewinnung und Holzwirtschaft in Gründung begriffen. 59 Den Beitrag der niederländischen Industrie zum Osteinsatz insgesamt schätzt De Jong sehr gering ein: „Fast die gesamte gewerbliche Wirtschaft lehnte den Osteinsatz ab. Nur einige Unternehmer, beinahe alles NSB-Leute, waren bereit, ihr Glück im Osten zu probieren, wo sie dann vielfach versuchen mußten, russische Staatsbetriebe wieder in Gang zu bringen: Ziegeleien, eine Holzschuhfabrik, einen Textilbetrieb, eine Wäscherei, eine Limonadenfabrik - alles recht unbedeutend. Ein niederländisches Unternehmen für Heizkraftwerke gründete Betriebe in Kiev und Rovno; es litt bald an Materialmangel".60 Das Kardinalproblem für die NOC war und blieb die Zurückhaltung der Masse der niederländischen Großunternehmen und der meisten einflußreichen Repräsentanten der niederländischen Wirtschaft. Ihre Skepsis und Ablehnung eines umfangreicheren industriellen und finanziellen „Osteinsatzes" hatte verschiedene Gründe. Die von Rost denunzierte „Englandhörigkeit" oder Rücksicht auf die Stimmung gegen die Besatzungsmacht - d. h. politische Vorsicht oder Überzeugung - war gewiß nur einer unter ihnen. Die gesamte Wirtschaft war auch wegen des deutschen Handstreichs gegen die großen Kolonial- und Plantagengesellschaften verärgert. Als die Bataafse Petroleum-Maatschappij (Tochtergesellschaft der Royal Dutch Shell Co.) von ihrem deutschen Verwalter im Sommer 1942 aufgefordert wurde, sich an der Wiederinbetriebnahme der - noch zu erobernden! - Ölförderanlagen am Kaspischen Meer (Baku) zu beteiligen, die schon vor der Oktoberrevolution vom alten Deterding-Unternehmen installiert worden waren, weigerten sich fast alle leitenden Mitarbeiter mitzutun. Es

57 BÄK, R 6/448, Bl. 11 ff., AN RMfbO über „Tagung der holländischen Wirtschaftskommission beim RKU", 10.-12.12.1942. Hiernach auch das Folgende. - Die Arbeit der niederländischen Kommission war „seit einem halben Jahr angelaufen" (ebenda). 58 Einige Angaben über die Güter im Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost (Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941-1943. Der Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost..., Hrsg. u. eingel. v. Rolf-Dieter Müller, Boppard 1991, S. 139 ff.). 59 BÄK, R 6/448, div. Stücke. 60 De Jong, Bd. 6/1, S. 463. Hiernach auch das Folgende.

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war femer die Rede davon, daß ein Einsatz der niederländischen Plantagengesellschaften „im großen Donbogen vorgesehen" sei.61 Auch diese Gesellschaften leisteten, nach De Jong, dem Drängen ihrer deutschen Verwalter auf Mitarbeit im Osten erfolgreich Widerstand.62 Freilich gab es in Kreisen der großen niederländischen Überseefirmen auch Befürworter einer Ostexpansion. Schwerin v. Krosigk, damals deutscher Finanzminister, erinnerte sich nach dem Krieg an ein Gespräch „mit einem der Direktoren einer der großen Kolonialfirmen Hollands" (1942?), die ihr Kolonialreich in Indonesien schon abgeschrieben hatten und „dem Ersatzgedanken gar nicht abgeneigt" waren.63 „Die Gesellschaft meines Gesprächspartners habe an Teeanbau im Großen auf der Krim gedacht. Ihm kam es darauf an zu wissen, ob man in Deutschland nur ihr Kapital wolle oder ob sie an die Erschließung Rußlands auch mit Menschen und Erfahrungen herangehen sollten." Letzteres sei eine Forderung, die auch der Reichskommissar unterstütze. Eines der schwerwiegendsten Probleme bestand darin, daß die niederländischen Unternehmer - wie alle anderen ausländischen Beteiligten - von den Deutschen keine festen Verträge oder bindende Zusagen auf künftige Eigentumstitel und gesicherten Profit erlangen konnten. Generalkommissar Fischböck hatte interessanterweise schon Ende April 1942 sehr weitgehende Konzessionsbestimmungen für die zu gründende niederländische Ostgesellschaft entworfen, die aber offensichtlich ohne jedes Echo blieben. Sie betrafen Stadt und Hafen Libau (Liepaja/Lettland) mit einem dazugehörigen landwirtschaftlichen Gebiet im Ausmaß von 500 000 ha. Außer dem Recht der ausschließlichen Bewirtschaftung und der Versorgung bzw. „Belieferung der Stadt und des Hafens sowie der landwirtschaftlichen Betriebe mit allen notwendigen Gütern der gewerblichen Wirtschaft" sollte die Gesellschaft alle „entbehrlichen" landwirtschaftlichen Erzeugnisse in die Niederlande verschiffen können. Wohl die wichtigste Bestimmung des Entwurfs war die, daß die niederländische Gesellschaft auf alles nicht für die einheimische Bevölkerung vorgesehene gewerbliche und landwirtschaftliche Eigentum „eine Option auf Erwerb des Eigentumsrechts ... zugunsten holländischer Interessenten auf angemessene Zeit und zu angemessenen Bedingungen" erhalten sollte.64 Ende des Jahres 1942 wurden im Ostministeriums „Grundsätze" für den Einsatz ausländischer Firmen vorbereitet, mit denen gerade die Eigentumsfrage als akutestes Problem gelöst werden sollte. Doch man kam über Diskussionen betreffend „eigentumsähnliche Verhältnisse, zum Beispiel Konzessionen", nicht hinaus.65 Nach der deutschen Niederlage bei Stalingrad im Winter 1942/43 erschlaffte die niederländische Initiative. Rost klagte Anfang März 1943, „der Pioniergeist der Holländer (sei) 61 BÄK, R 6/448, Bl. 22, AN RMfbO, o. D. 62 De Jong, Bd. 6/1, S. 463. 63 IfZ, ZS/A-20, NL Schwerin v. Krosigk, Bd. 12, „Persönliche Erinnerungen von Lutz Graf Schwerin v. Krosigk", Ms.-druck, o. D., S. 308. Hiernach auch das Folgende. 64 BÄK, R 6/440, Bl. 127 f., AN RMfbO, 30.4.1942, Anlage. 65 BÄK, R 6/448, Bl. 16, AN RMfbO über Besprechung am 1.11.1942, 3.11.1942. - Schwierigkeiten türmten sich auch im niederländischen Osthandel auf. Rost beschwerte sich darüber, „daß in Ländern wie Ungarn und Schweden die Handelsbewegungen mit dem Osten Zug um Zug erfolgen, während beim Einsatz eines niederländischen Handelsunternehmens keine einzige Gewähr gegeben wird, daß eine Gegenleistung in absehbarer Zeit erfolgen könnte". (Ebenda, Bl. 198, Rost an RMfbO (Malletke), 31.3.1943).

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nicht mehr vorhanden".66 Das Ostministerium vermerkte besonders kritisch, „daß seit der Dezembersitzung in Rowno bisher kein praktisches Resultat von Industrieverlagerungen erzielt sei", billigte aber der NOC in Anbetracht der starken oppositionellen Stimmung in den Niederlanden zu, „daß es ihr unmöglich sein würde, an namhafte holländische Industrielle auf freiwilliger Basis heranzukommen". Mit Rosts Taktik, der, „um nicht untätig zu sein, kleinere Industrielle, praktisch meist aus NSB-Kreisen, interessiert und diesen weitgehendste finanzielle Unterstützung zugesagt habe", gedachte man sich auf deutscher Seite aber nicht zufriedenzugeben. Deutsche Dienststellen seien jetzt in der Lage, „durch indirekten Druck namhafte Industrielle zur Industrieverlagerung zu veranlassen ... Direktor Brocke (von der Rüstungsinspektion Niederlande - D. E.) erklärte, daß der Rüstungsinspektion im Zuge des totalen Krieges jetzt ganz andere Machtbefugnisse und Möglichkeiten zur Verfügung ständen. So seien kürzlich bei den holländischen Reichsbüros67 je ein Vertreter der Rüln eingesetzt worden, um die Reichsbüros im Sinne der Rüln anzusetzen. Brocke sei der Generalbevollmächtigte für die gesamten Reichsbüros geworden. Er sei befugt, Anordnungen zu geben, Industrien verschrotten zu lassen, wie er auch praktisch jedes Mittel in der Hand habe, um sabotierende holländische Industrien zu zwingen. Auch habe er große Lager von Maschinen, die er zur Verfügung stellen könne. Aus diesen Mitteilungen dürfte sich ergeben, daß sich die Möglichkeiten der Mobilisierung der holländischen Industrien für den Osten eher verbessert als verschlechtert haben. Es ist jetzt weniger wichtig geworden, wie weit es der NOC gelingt, die Entpolitisierung durchzuführen. Es erscheint zweckmäßig anzustreben, daß die Industrien, die im Osten erwünscht sind, von Dir. Brocke vor die Frage gestellt werden, entweder auf freiwilliger Basis unter kaufmännischen Grundsätzen nach dem Osten zu gehen, oder zwangsweise ihre Industrien sofort verschrotten zu lassen." Diese brutale Kraftmeierei konnte am schließlichen Fiasko des „Osteinsatzes" nichts ändern. Ende März 1943 berichtete Rost in einem alarmierenden Brief an Malletke von der „Erschütterung des Vertrauens unserer Bauernschaft" wegen ihrer Behandlung im Osten (ganz abgesehen von der Aktivität der Partisanen, die unter ihnen viele Todesopfer forderte); von der „tiefen Empörung ... in den breiten Massen unserer Arbeiterschaft" wegen zahlreicher Vertragsbrüche von deutscher Seite (besonders gegenüber dem „Werkdienst Holland"); von der „Mißstimmung" unter den niederländischen „Betriebsführern und Experten" wegen der Erfolglosigkeit bzw. der Absage versprochener Reisen in den Osten; und schließlich von den „Verstimmungen in den Kreisen meiner Aufsichtsratsmitglieder" und ihrer Neigung, wegen der Hoffnungslosigkeit und Unergiebigkeit der Auseinandersetzungen mit den vielen deutschen Stellen zurückzutreten.68 Zwar vermittelte die NOC noch mindestens bis Anfang Mai 1943 weitere Hunderte niederländische Arbeiter und Handwerker nach dem Osten (Tabelle). Aber die Ereignisse des 66 Ebenda, Bl. 173R (171 ff.), Bericht RMfbO über Hollandreise 2.- 5.3.1943, 6.3.1943. Hiemach auch das Folgende. 67 Niederländisch: Rijksbureau; zwölf einflußreiche und personalstarke Institutionen zur Versorgung aller Bereiche der Industrie und Landwirtschaft mit Rohstoffen und anderen Waren. Unterstanden formell dem Wirtschaftsministerium. Entsprachen etwa den deutschen „Reichsstellen" mit ζ. T. ministeriellen Befugnissen (s. Hirschfeld, S. 128). 68 BÄK, R 6/448, Bl. 198 ff., Rost an RMfbO (Malletke), 31.3.1943.

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Frühjahrs 1943 - besonders der April-Mai-Streik und die Verhängung des Polizeistandrechts, das die niederländische Bevölkerung weit über 200 Todesopfer kostete - leiteten endgültig die Phase des Niedergangs der NOC und der Abwicklung ihrer Geschäfte ein, noch bevor die Sommer-Herbst-Offensive der Roten Armee sie aus einem großen Teil ihres Tätigkeitsgebiets vertrieb.69 Insgesamt unterstanden der NOC auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit - eingeschlossen die von ihr 1942/43 übernommenen Organisationen des „Werkdienstes Holland" und der niederländischen „SS-Frontarbeiter" - mindestens 7 000 niederländische Arbeitskräfte. Tabelle 105 Transporte niederländischer Arbeitskräfte in die besetzten sowjetischen Gebiete, 1. April-10. Mai 1943 1. April 3. April 4. April 6. April 8. April 14. April 15. April 16. April 20. April 27. April 29. April 30. April

23 1 18 3 3 6 29 6 25 5 37 10 7 3 3 30

Bauern für Rowno Tischler für Waka Τ Arbeiter für Werkdienst Holland landwirtschaftliche Führer nach Rowno Mann Baggerkommando Bauern für Waka Τ Bauern für Rowno Torfarbeiter für Kiew Torfarbeiter nach Baltoje Voke Torfarbeiter nach Kiew Arbeiter für Werkdienst Holland Arbeiter für Werkdienst Holland Arbeiter für „Wannte" Gärtner nach Waka Τ Bauarbeiter für Soetens, Rowno Baggerfachleute

Im Monat April 349 Bauarbeiter für den SS-Einsatz l.Mai 6. Mai 7. Mai 10. Mai

3 61 15 1 1

Fischer, Transportvorkommando nach Pleskau Fischer, Einsatz Peipussee, (nach) Pleskau Schiffsbauarbeiter für Werft U. S. Μ. Α., Kiew Maler für die Firma de Bok, Shitomir Maler für Firma de Bok, Shitomir.

Quelle: BÄK, R 6/448, Bl. 214, AN RMfbO/BfS für Rosenberg, 14.5.1943, Anlage; Umschrift der Ortsnamen wie im Dokument. Die Offensive der Roten Armee im Mittelabschnitt der deutsch-sowjetischen Front, die am 23. Juni 1944 begann und in wenigen Wochen bis an die Weichsel vorgetragen wurde, been69 Das Ostministerium konstatierte Mitte Mai 1943 ernüchtert, „aus politischen Gründen" sei in den Niederlanden „in antideutschen Kreisen stärkster Widerstand" gegen den „Osteinsatz" zu verzeichnen (ebenda, Bl. 197, AN RMfbO/BfS, 13.5.1943); s. a. ebenda, AN RMfbO/BfS (f. Rosenberg u. Meyer), 14.5.1943.

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dete den niederländischen Osteinsatz abrupt. Als viele niederländische Arbeitskräfte schon bald nach Beginn der Offensive von der NOC in die Heimat zurückgeschickt wurden, erschien es den deutschen Stellen noch „unverständlich, daß die Vertreter der NOC so unpolitisch handeln können." 70 Im August kündigte das Rosenbergministerium selber allen Holländern in der Landbewirtschaftungsgesellschaft Ostland zum Ende des Monats.71 Die Landbewirtschaftungsgesellschaft Ukraine begann bereits, Niederländer ins Generalgouvernement „auszuleihen".72 In den folgenden Wochen ging es in heftigen bürokratischen Auseinandersetzungen zwischen der NOC und deutschen Behörden darum, wo die niederländischen Fachleute, Bauern, Gärtner und Arbeiter einzusetzen seien, ob in Ostpreußen, im „Warthegau", in Pommern oder in der Kurmark (Oderbruch), oder weiter im Innern Deutschlands. Es war auch vom Rheinland die Rede; doch wollte man hiervon absehen, da „sonst leicht die feindliche Propaganda behaupten (könne), daß der Osteinsatz von der Ukraine jetzt bis zum Rhein zurückgezogen sei." 73 Anfang Oktober 1944 kesselte die Rote Armee die im Baltikum stehenden deutschen Truppen (HGr Nord) ein; im „Kurlandkessel" blieben mit unbestimmtem Schicksal auch einige Dutzend niederländische Landwirte und andere Kräfte der NOC zurück.74 Dänemark Als Hitler am 11. September 1941 den neuen dänischen Gesandten in Berlin, Otto Mohr, anläßlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens in der „Wolfsschanze" empfing, sprach er ihm gegenüber ausführlich „über die Notwendigkeit einer Beteiligung anderer Länder beim Wiederaufbau des Ostraumes".75 Die sozialdemokratisch geführte dänische Regierung und maßgebliche dänische Geschäftskreise reagierten sofort mit Angeboten zur wirtschaftlichen Mitarbeit. Schon vorher war in der dänischen Geschäftswelt unter wohlwollender Förderung des als Kapitaleigner der Dansk Cement Central A. S. selbst interessierten Verkehrsministers Gunnar Larsen der Plan entstanden, sich bei den Deutschen um „Konzessionen in der Forst- und Landwirtschaft sowie für die Ausbeutung von Bodenschätzen" im Baltikum zu bemühen.76 Die Dänen waren, wie Staatssekretär Ernst v. Weizsäcker feststellte, „die ersten, die sich bereit erklärten, sich mit uns gemeinsam auf dem bisher russischen Gebiet wirtschaftlich zu betätigen."77 Auf Initiative von Außenminister Erik Scavenius und Verkehrsminister Larsen trat schon am 22. Oktober 1941 in Kopenhagen ein Fünferausschuß zusammen, dem als Vorsitzender Thorkild Juncker, Ölmühlenbesitzer in Aarhus, wie Larsen als Inhaber früherer Beteiligun70 71 72 73 74 75 76

BÄK, R 6/446, Bl. 102, AN RMfbO/BfS, 7.7.1944. Ebenda, Bl. 137 f., AN RMfbO/BfS, 11.8.1944. Ebenda, Bl. 168, AN RMfbO/BfS, 18.8.1944. Ebenda, Bl. 151, AN RMfbO/BfS, 18.8.1944. Ebenda, Bl. 249, van Haarlem an Malletke, 12.10.1944. Thomsen, S. 88. Meissner, Gustav, Dänemark unterm Hakenkreuz. Die Nord-Invasion und die Besetzung Dänemarks 1940-1945, Berlin/Frankfurt a. M. 1990, S. 214 f. 77 Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, S. 1145, Dok. 598, v. Weizsäcker an Fritz Todt, 27.1.1942.

Zerfall des Okkupationssystems gen an Unternehmen im Baltikum direkt interessiert, außerdem der Fabrikant J. C. Hempel, der Unternehmer-Ingenieur Knud H0jgaard, der Großagrarier Folmer Lüttichau (Rohden) und in halboffizieller Eigenschaft Knud S. Sthyr, wie Larsen eng verbunden mit Dansk Cement Central A. S. und seit 1939 Leiter des Beratenden handelspolitischen Ausschusses des Außenministeriums, angehörten. Am 11. Dezember konstituierte sich dieser Ausschuß als „Arbejdsudvalget til Fremme af dansk Initiativ i 0st- og Syd0steuropa" (Arbeitsausschuß zur Förderung dänischer Initiative in Ost- und Südosteuropa). Er erhielt die nötigen „Fingerzeige", wie sich der Gesandte und Bevollmächtigte des Deutschen Reiches in Dänemark, Cecil v. Renthe-Fink, ausdrückte, aus Berlin.78 Damit hatte die dänische Regierung, wie im Auswärtigen Amt festgestellt wurde, „diesen Anlaß (Hitlers Äußerungen gegenüber Mohr - D. E.) benutzt, um den Gedanken einer Zusammenarbeit mit Deutschland im Rahmen einer wirtschaftlichen Neuordnung Europas nachdrücklich aufzugreifen, wobei der Schwerpunkt des dänischen Interesses bei der Wiederaufbauarbeit in den Ostgebieten lag. Dänischerseits ist im Einvernehmen mit der Kopenhagener Regierung ein aus hervorragenden Vertretern von Staat und Wirtschaft bestehender Ausschuß gebildet worden." 79 Im Frühjahr 1942 folgten Larsen und Juncker einer schon früher ausgesprochenen Einladung Rosenbergs, das Baltikum zu besuchen.80 Mitte Mai verhandelte der Gesandte Karl Schnurre in Kopenhagen im Auftrag des Auswärtigen Amts mit der dänischen Regierung, dem „Arbejdsudvalget" und anderen Repräsentanten der Wirtschaft über die künftige Zusammenarbeit beider Länder beim „Aufbau im Osten". Zuständig sollten die beiden Außenministerien und die bei diesen ressortierenden beiderseitigen Regierungsausschüsse sein. Der „Arbejdsudvalget" sollte die dänischen Interessen bündeln und „in seiner Stellung durch Delegierung amtlicher Persönlichkeiten gehoben werden". „Das dänische Interesse konzentriert sich auf folgende Fragengruppen: a) Investitionen zur Wiederingangsetzung früherer dänischer Betriebe (Zementfabrik Port-Kunda, Ölfabrik Libau u. a.). b) Personeller Einsatz von qualifizierten dänischen Kräften aus Industrie und Wirtschaft im Ostland und später auch in anderen Gebieten. Hierbei steht im Vordergrund die Frage der Rückkehr zahlreicher Dänen, die früher in den Baltenstaaten wirtschaftlich tätig gewesen sind, c) Fragen des Warenverkehrs, Lieferung von dänischen Erzeugnissen, insbesondere der Maschinenindustrie nach dem Ostland. Hierbei liegt naturgemäß das Hauptinteresse der Dänen daran zu erfahren, was ihnen als Gegenleistung in Aussicht gestellt wird. 4.) Besonderes Interesse fanden Anregungen von Juncker, die Frage von Anbauverträgen für Ölsaaten, insbesondere 78 BAP, Auswärtiges Amt, Nr. 61120, Bl. 107, Tel. Renthe-Fink an AA, 13.12.1941; s. a. Beretning til Folketinget..., Bd. V, Anlagen, S. 559. 79 Ebenda, Bl. 100, Aufz. v. Trützschler, 30.3.1942. 80 Helk, Vello, Dansk Ministerbesog i Balticum. In: Esti Teadusliku Seltsi Rootsis Aastaraamat/Annales societatis litterarum Estonicae in Svecia, Bd. X, 1985-1987, Stockholm 1988, S. 143 ff.; Thomsen, S. 90. Meissner, S. 216, erklärt den Zeitverzug mit der Verschlechterung der politischen Stimmung in Dänemark nach dem Kriegseintritt der USA. Rosenberg berichtete Hitler am 8. Mai über die hochgespannten Pläne der Dänen nach dieser Reise; es sollten in Port Kunda (Estland) bald 75 000 Tonnen Zement jährlich produziert, Torfgewinnung in großem Stil vorbereitet, große Gipswerke, Betonwerke und Holzschuhfabriken, Molkereien, Werften usw. betrieben werden (wie Anm. 27).

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Leinsaaten, im Ostlande zu prüfen. Dänemark hofft, auf diese Weise einen Teil der aus der Verwertung der Leinsaaten anfallenden Ölkuchen zu erhalten. Was auf dem Wege über die landwirtschaftliche dänische Ausfuhr in vollem Umfang [uns] zugute kommen würde." 81 Prompt wurde am 2. Juni 1942 der private „Arbejdsudvalget" in einen offiziellen „Ostraum-Ausschuß des Außenministeriums" (Udenrigsministeriets 0strumsudvalg) umgegründet, in dem dieselben Herren saßen, „mit Ausnahme von Herrn Knud Sthyr, der als Vertreter des Außenministeriums nunmehr diesem Ausschuß ein mehr offizielles Gepräge gibt." 82 Der Vorsitz blieb bei Juncker. Die Arbeit des Ostraumausschusses wurde stark gehemmt durch den deutschen Zuständigkeitsstreit zwischen Auswärtigem Amt und Ostministerium und - nicht zuletzt - dadurch, „daß keine Stelle bereit war, die Kosten des dänischen Einsatzes zu übernehmen".83 Die dänische Regierung weigerte sich, ihre Überschüsse auf dem deutsch-dänischen Clearingkonto für Leistungen dänischer Unternehmer im Osten zur Verfügung zu stellen, und räumte nur die Möglichkeit von Kompensationsgeschäften ein. Immerhin boten sich für die Finanzierung von Geschäften im Baltikum die dänische Landmandsbank und die von der Dresdner Bank kontrollierte Hansa-Bank in Riga an. Aus Clearingmitteln durfte nur ein mittelfristiger Kredit von bis zu 200 000 Kronen in Anspruch genommen werden, der für Lohnüberweisungen an Ingenieure und Spezialkräfte reserviert war, die in den Randstaaten der UdSSR arbeiteten. Dieser Kredit wurde nur in Höhe von knapp 18 000 Kronen beansprucht.84 Auf die zwischenstaatliche Ebene mag das Urteil des Wirtschaftsstabes Ost (OKW) zutreffen, nach dem „die mit der dänischen Regierung darüber (über den „Osteinsatz" - D. E.) geführten Verhandlungen nicht zu fühlbaren praktischen Ergebnissen (führten). Eine Einigung der beteiligten Dienststellen des Reichs über die Durchführung des Einsatzes war nicht zu erzielen." 85 Tatsächlich aber zeigten im Laufe des Jahres 1942 verschiedene dänische Firmen, mit oder ohne Vermittlung des Ostraumausschusses, geschäftliche Aktivität im Baltikum. Dem Leiter des Ausschusses, Juncker, wurde eine Ölmühle in Lettland, die ihm bis 1940 gehört hatte, „zur treuhänderischen Verwaltung überlassen." 86 Das Zementwerk Port-Kunda in Estland, an dem die Dansk Cement Central (Larsen; Sthyr) aus dem gleichen Grund lebhaftes Interesse zeigte, kam nach Reparatur des Werks und des Kraftwerks unter dänischer Leitung im August 1942, wenn auch unter Schwierigkeiten, wieder in Gang. Ingenieure mit Maschinen und Einrichtungen für die Torfgewinnung trafen aus Dänemark ein.87 Namentlich die Firma F. L. Smidth, Kopenhagen, die Geschäftspartnern von Larsen gehörte, setzte sich 1942 „wegen Maschinenlieferungen nach dem Osten" mit dem Ostministerium in

81 Bilag til Beretning til Folketinget ..., Bd. XIII1-6, S. 1148, Dok. 601, Tel. Schnurre an AA, 20.5.1942. 82 BAP, FS, Film 10655, Kurt A. Buck (HGF d. Dt. Handelskammer in Dänemark) an August Heinrichsbauer (HGF d. Südosteuropagesellschaft), 9.11.1942. 83 Thomsen, S. 91. 84 Beretning til Folketinget..., Bd. V, Anlagen, S. 560; s. a. Meissner, S. 217. 85 Die deutsche Wirtschaftspolitik ..., S. 142. 86 Ebenda. 87 Helk, S. 157.

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Verbindung und bekundete „lebhaftes Interesse für die Torfwirtschaft im Osten".88 Die Deutsche Handelskammer in Dänemark, die den Lauf der Dinge intensiv beobachtete, schrieb Anfang 1943 empfehlend an die Südosteuropagesellschaft: „Von Herrn Fabrikant J. C. Hempel, Mitglied des Ostausschusses des dänischen Außenministeriums, und drei Mitgliedern von Grosserer Societäts Komité, und zwar Direktor Jernert, Großhändler Bue Bj0rner und Großhändler Kaj Lundby, wurde vor einigen Monaten die Firma Transdania A/S, Kopenhagen, Klosterstraede 19, gegründet, die die Absicht hat, in erster Linie mit dem Ostland, der Ukraine und den Südoststaaten Handelsgeschäfte zu betreiben. ... Bei den Aktionären der Gesellschaft handelt es sich um angesehene Kaufleute, die volle Unterstützung für ihre Bestrebungen verdienen." 89 Trotzdem aber äußerte Juncker im September dem deutschen Gesandten gegenüber, die Dänen hätten im Reichskommissariat Ostland „enttäuschende" Erfahrungen mit der Wehrmacht (Abzug von Arbeitskräften) und mit den Behörden gemacht, und sprach von dem Plan, „den Schwerpunkt des dänischen Einsatzes nach Südrußland (zu) verlegen." 90 Nach der Wende des Krieges im Osten im Winter 1942/43 erlosch das dänische Interesse ebenso schnell, wie es ein Jahr zuvor entflammt war. Angesichts der zunehmenden deutschfeindlichen Stimmung und der großen Auguststreiks in Dänemark verhängte die deutsche Okkupationsmacht am 29. August 1943 den Ausnahmezustand und erzwang den Rücktritt der - in der Bevölkerung verhaßten - Regierung Scavenius. Diesen grundlegenden politischen Wandel nahmen die dänischen Kapitalkreise zum Anlaß, die Arbeit des Ostraumausschusses einzustellen.91 Dem neuen Reichsbevollmächtigten in Dänemark, Werner Best, blieb nichts weiter übrig, als alle Versuche, die dänische Mitarbeit wieder zu beleben, für „zur Zeit denkbar ungünstig" zu erklären. In seinem Bericht an das Auswärtige Amt92 von Ende November/Anfang Dezember 1943 hieß es, die „Abgabe einer größeren Anzahl von Landwirten würde sich zum Nachteil der dänischen Lebensmittellieferungen nach dem Reich auswirken. Auf dem gewerblichen Sektor sind Techniker und Fachleute, soweit sie in Dänemark entbehrlich sind, bereits in Deutschland eingesetzt, ohne daß damit der deutsche Bedarf auch nur annähernd befriedigt wäre. Außerdem aber erfordern die auf höheren Befehl in Angriff genommenen kriegswichtigen Arbeiten in Dänemark (u. a. Befestigungsarbeiten gegen eine Invasion - D. E.) gegenwärtig einen ganz besonders starken Einsatz von dänischen Firmen und Facharbeitern. Wir seien jetzt mehr denn je gezwungen, die gesamten dänischen Wirtschaftskräfte für die Kriegführung und die Sicherung unserer kriegsentscheidenden Bezüge aus Dänemark in Anspruch zu nehmen." 88 BÄK, R 7/589, Bericht d. RWiM-Verbindungsmannes im Wistab Ost üb. eine Reise nach Schweden u. Dänemark v. 4. bis 13.4.1943, 19.4.1943. Der Berichterstatter betonte, daß 1943 im Gegensatz zum Voijahr „das Interesse für die Torfwirtschaft im Osten erheblich gesunken sei". 89 BAP, FS, Film 10655, K. A. Buck an A. Heinrichsbauer, 30.1.1943. 90 Bilag til Beretning til Folketinget ..., Bd. XIII/1-6, S. 1153, Dok. 606, Tel. Renthe-Fink an AA, 11.9.1942. 91 Dies geschah am 31.8.1943. Geschäftsführer Niels Erik Wilhelmsen erhielt zum 1.Í0. seine Kündigung (Meissner, S. 218). Die Gesellschaft löste sich nicht auf, ließ aber ihre Geschäfte ruhen. 92 Referiert von Sts. Steengracht (Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, S. 1155 f., Dok. 608, Steengracht an Gauleiter Meyer/RMfbO, 18.12.1943). Hiernach auch das Folgende.

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Eines der wesentlichsten Probleme der dänischen Ostinteressenten artikulierte Best recht offenherzig; daß nämlich „eine Voraussetzung für eine künftige Verstärkung des dänischen Osteinsatzes eine endgültige Regelung bezüglich der Wiederherstellung des dänischen Privateigentums im Ostland wäre. Ohne eine solche Regelung werde sich schwer das nötige Interesse an Osteinsatz wecken lassen, insbesondere aber auch die dänische Finanzwelt für die Bereitstellung von Kapital nicht zu gewinnen sein." Norwegen Ähnlich wie in den Niederlanden war der „Osteinsatz" in Norwegen hauptsächlich ein Anliegen faschistischer Kreise. Anders als dort war die Quisling-Partei (Nasjonal Sämling; NS) in Norwegen an der Regierung (de facto seit September 1940; Einsetzung von Vidkun Quisling als Ministerpräsident am 1. Februar 1942), freilich kontrolliert und gegängelt von Reichskommissar Josef Terboven.93 Die norwegischen NS-Führer, von denen eine ganze Reihe früher politisch und geschäftlich in Rußland tätig gewesen waren, begrüßten den deutschen Überfall auf die UdSSR „mit Begehrlichkeit und Optimismus". Noch im Sommer und Herbst 1941 entstanden verschiedene Denkschriften über Norwegens Interesse an „Bjarmland" (Nordrußland), deren wichtigste von Quislings engem außenpolitischen Mitarbeiter Finn Sofus St0ren, dem Leiter des Direktorats für außenpolitische Orientierung (im Kultur- und Volksbildungsministerium), stammten. St0ren ging von einer militärischen Beteiligung Norwegens am Krieg gegen die Sowjetunion im Rahmen eines norwegisch-finnischen Verteidigungsbündnisses aus, die eine weitgehende Wiederherstellung der norwegischen Souveränität vorausgesetzt und die Bevormundung der Quisling-Regierung durch den Reichskommissar ausgeschaltet oder eingeschränkt hätte. Das ganze nördliche Rußland - von Kirov im Süden bis Novaja Semlja im Norden, von der finnischen Grenze bis zum Ural - sollte dann an Finnland und Norwegen fallen, „die gemeinsam einen Wall gegen Osten errichten könnten". (2. Oktober 1941) Fredrik Prytz, Holzhändler, ebenfalls hoher NS-Funktionär und Intimus von Quisling, später (1942) Finanzminister, plädierte dagegen für eine gesamtskandinavische Expansion und ließ vorsichtigerweise offen, ob das skandinavisch-germanische Siedlungsgebiet in Nordrußland Deutschland direkt unterstellt bliebe oder von dem zukünftigen skandinavischen Verteidigungsbündnis verwaltet werde. (13. September 1941) Die Denkschriften von St0ren und Prytz gelangten an Himmler und einige andere deutsche „Schlüsselpersonen", nicht dagegen an Terboven. Hier nahm die erste, euphorische Phase der norwegischen Ostraum-Träume schon ein jähes Ende. Himmler hatte keinerlei Verständnis für eine norwegische oder skandinavische Sonderstellung in den „germanischen Siedlungsgebieten", geschweige denn für die Abtretung eroberter Territorien. Alle derartigen Gedanken, schrieb er am 16. Februar 1942 an Heydrich und Wilhelm Redieß, HSSPF in Norwegen, seien „in netter, aber weltanschaulich klarer und bestimmter Form abzulehnen." 93 Das Material für diesen Abschnitt verdanke ich der Arbeit von Ole Kolsrud (Kollaborasjon og imperialisme. Quisling-regjeringens „Austrveg"-dr0m 1941-1944. In: Historisk Tidsskrift, Bd. 67, Oslo 1988, S. 241 ff.), der im folgenden auch die nicht näher belegten Zitate entstammen. Für wichtige Hinweise zum Thema bin ich Herrn Dr. Fritz Petrick, Greifswald, dankbar.

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Auch die deutsche Niederlage vor Moskau und der dauerhafte Verzicht auf Offensivhandlungen in Nordrußland trugen dazu bei, daß die Quisling-Politiker sich in der folgenden Zeit stärker auf pragmatische Versuche konzentrierten, von den deutschen Stellen Aufträge und Konzessionen für einen lukrativen „Osteinsatz" zu bekommen. St0ren und dem Handelsministerium gelang es, in engeren Kontakt mit dem Ostministerium zu kommen. Das Handelsministerium drängte auf die Genehmigung, ähnlich wie die Niederländer und Dänen eine Delegation von Vertretern der verschiedenen norwegischen Behörden und Wirtschaftszweige nach Osten zu entsenden. „Diese Kommission", so hieß es in der Vorlage von Sekretär Thorolf Fjeld Fretheim für Minister Eivind Blehr vom 9. Juli, „würde die Aufgabe haben, vor allem zu untersuchen, in welchen Teilen der besetzten Gebiete man am besten bei der Arbeit helfen könnte. Eine andere Mission, die die Delegation haben würde, wäre zu untersuchen, welche Liefermöglichkeiten künftig ζ. B. im Hinblick auf Getreide, Tabak, Rohphosphat, Öl, Baumwolle usw. bestehen. - Ebenso müßte man untersuchen, welche Produkte wir exportieren könnten." Im November 1942 kam ein „Studienausschuß des Handelsministeriums für norwegische Tätigkeit in den besetzten Ostgebieten" zustande, der allerdings in seiner Bedeutung weit hinter dem von St0ren schon 1941 gegründeten „Russischen Kontor" zurückstand. In diese Zeit fielen heftige Vorstöße Terbovens, den selbständigen Verhandlungen der Norweger mit Berliner Stellen ein Ende zu machen. Er beschwerte sich am 17. November bei Himmler über die „ganze Mentalität" der Norweger, „jede sich bietende Möglichkeit auszunutzen, auf mehreren Gleisen zu fahren, schräge Touren zu machen und eine deutsche Stelle gegen die andere auszuspielen". Es müsse gesichert bleiben, „daß Einladungen deutscher Stellen an norwegische Partei- und Staatsdienststellen nur über mich laufen, und daß ich bei jeglicher Art Schriftwechsel absolut eingeschaltet bleibe." Er hatte bereits am 31. Oktober Quislings Parteiminister Rolf J0rgen Vuglesang barsch davon verständigen lassen, daß allein Redieß verantwortlich sei für „1. Bearbeitung aller anfallenden Ostfragen, 2. Bearbeitung aller rassenpolitischen und rassenbiologischen Fragen, 3. Bearbeitung der Frage des politischen Bauerntums." Am Einspruch des Reichskommissariats scheiterte im Januar 1943 schließlich auch endgültig der vom Ostministerium unterstützte Plan, eine norwegische Ostgesellschaft (Norsk Ostkompani A/S) zu gründen. Trotzdem machte der norwegische „Osteinsatz" im Jahre 1943 gewisse Fortschritte, die vor allen Dingen den Aktivitäten St0rens und seiner Fähigkeit zuzuschreiben waren, „auf mehreren Gleisen zu fahren". Die Lage im Osten ließ es den Deutschen auch als dringend erscheinen, ausländische Hilfe, mit der deutsche Kräfte und Ressourcen entlastet werden konnten, ohne viel Federlesens zu akzeptieren. Die Linie des Ostministeriums setzte sich seit dieser Zeit stärker durch. St0ren, inzwischen unmittelbar in Quislings Regierungskanzlei tätig, nahm im Juni 1943 als ranghöchster Norweger in einer Studienkommission, die beim Ostministerium gebildet wurde, an einer dreitägigen Reise nach Rovno, dem Sitz des Reichskommissars für die Ukraine, Gauleiter Erich Koch, teil. Koch „sagte seine volle Unterstützung beim Einsatz des norwegischen Handwerks und der norwegischen Industrie zu." Die deutschen Wünsche richteten sich vordringlich auf den Einsatz von 150 jüngeren Handwerkern und auf die Mitarbeit - mit Leitungskräften und Maschinen - bei Produktion und Lieferung von Verpackungen für Konserven. Die norwegische Seite zeigte sich vorrangig interessiert an Betrieben der Holzin-

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dustrie (Produktion von Holzhäusern), an der Einrichtung von Sägewerken, an einer regelmäßig verkehrenden Schiffahrtslinie Oslo - Königsberg, an Bodenkonzessionen und an der Gründung einer Bodenkreditanstalt zur Finanzierung der damit zusammenhängenden Projekte. Um diese Vorhaben ging es in den Verhandlungen der nächsten Monate. Zuerst benutzten Quisling und St0ren die neue Konjunktur, um eine zentrale Institution für den gesamten „Osteinsatz" zu schaffen. „Der ganze Plan", schrieb St0ren am 26. Juni, „ist aber davon bedingt, daß sowohl die Initiative und die Leitung, aber vor allen Dingen die Kontrolle der Menschen, wie auch alle Verhandlungen in den Händen der Vertreter des norwegischen Staates liegen müssen. ... Es wird eine öffentliche Institution 'Austrveg' errichtet. Die Leitung dieser Institution wird vom Ministerpräsidenten ernannt." „Austrveg" wurde durch Erlaß Quislings vom 17. Juli 1943 aus St0rens Direktorat und dem „Russischen Kontor" ausgegründet und unterstand - unter St0rens Leitung - direkt dem Ministerpräsidenten. Hauptsitz der Organisation im Osten sollte Rovno werden, wozu es bis zur sowjetischen Offensive (Rovno wurde Anfang Februar 1944 befreit) nicht mehr kam. Die Organisation bemühte sich, Kontrakte norwegischer Firmen mit deutschen Okkupationsbehörden und Wirtschaftsinstitutionen, etwa zwischen der A/S Heggedal Bruk und dem Deutschen Torfinstitut für den Osten in Kauen (Kaunas), zu fördern, und betrieb besonders den Plan „der Möglichkeit der Überlassung eines Landesgebietes zur selbständigen Bewirtschaftung durch Norwegen" (St0ren in Berlin, 8. November 1943). • Im Juni 1943 war ein ukrainisches Landprojekt mit 500 000 ha im Gespräch gewesen. Im Oktober ging es um ein „Gebiet auf norwegische Rechnung" in der Gegend von Baranovici (Belorußland). Hierfür legte Georg Lund, der Büroleiter von „Austrveg", am 17. Dezember einen „Plan über die Verwaltung eines Gebietes von ca. 10 000 km2 mit 300 000 Einwohnern" unter einem „fylkeskommissar" (Distriktkommissar) und einem „Direktorat für innere Angelegenheiten" vor, deren Funktionen skizziert wurden: „Der Fylkeskommissar ist die oberste Behörde und nur gegenüber dem Ministerpräsidenten verantwortlich, nicht gegenüber dem einzelnen Ministerium in Norwegen. ... Das erste und Wichtigste in dieser unruhigen Gegend Europas ist die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung - das ist die Grundlage für die ganze Entwicklung ... Die slawische Mentalität ist nun einmal so: Sie hat Respekt vor der Macht und schätzt zugleich Gerechtigkeit und gute Behandlung. Und nicht umgekehrt! Die Macht muß also vor allem gehandhabt werden, gegebenenfalls selbst auf Kosten der Gerechtigkeit." Für die norwegischen NS-Politiker spielte dieses Projekt inzwischen eine zentrale Rolle; knüpfte doch der Gedanke eines norwegischen Mandatsgebiets und Fylkeskommissars wieder direkt an die imperialen Pläne von 1941 an. So wie Hitler seinen Reichskommissar in Norwegen hatte, würde Quisling seinen Fylkeskommissar in Baranovici haben! Norwegen würde auf dieser Basis eine Art gleichberechtigter Partner Deutschlands mit eigenem Mandatsgebiet sein und könne als solcher nicht selber in einem Protektoratsstatus belassen werden. Diese späten Illusionen der norwegischen Faschisten zerstoben schnell, teils wegen des Verhaltens der deutschen Behörden, größerenteils aber wegen der militärischen Katastrophen der nächsten Monate. Die versprochene Besichtigung des Projekts Baranovici fand nie statt. Einen letzten Versuch, im Distrikt Grodno eine anderes Mandatsgebiet zu erhalten,

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machte „Austrveg" im Juni 1944, unmittelbar vor Beginn der Belorussischen Operation der Roten Armee, die binnen Wochen sowohl Baranovici als auch Grodno befreite. Ob überhaupt norwegische Fachkräfte (Handwerker) und maschinelle Einrichtungen zum „Osteinsatz" gekommen sind, ist demnach zweifelhaft. Erste vereinbarte Maschinenlieferungen standen nach Mitteilung St0rens an das Ostministerium Mitte Dezember 1943 „versandbereit" da. Im Ostministerium hieß es schon Anfang November, daß sie „bereits unterwegs" seien. „Es solle noch in diesem Jahre von den Norwegern eine kleine Stadt von Blockhäusern für das Torfinstitut, Torfkraftwerk etc. (in Litauen - D. E.) gebaut werden." Gauleiter Koch jedenfalls war „enttäuscht" über die Untätigkeit der Norweger und war immer noch empört darüber, daß St0ren ihm seinerzeit nach seinem Besuch in Rovno so arrogant gedankt habe, „als ob ein Souverän dem anderen Souverän schreibe."94 Offensichtlich gab es mehrfache Gründe für das Fiasko des norwegischen „Osteinsatzes". Die deutliche Abneigung Terbovens gegen die norwegischen Pläne rührte sicher letztlich aus seinen allgemeinen Vorstellungen von der deutschen Ostexpansion her, die - so im „Generalplan Ost" - keine Protektorate anderer, auch verbündeter bzw. „germanischer" Staaten oder ähnliche territoriale Konzessionen vorsahen. Im speziellen Fall mußte gerade Quislings Konzept beim Reichskommissar auf Argwohn und Ablehnung stoßen; steuerte Quisling doch auf dem Wege der Ostexpansion sehr direkt sein Ziel der „nationalen Wiedergeburt" Norwegens an, indem er damit sowohl das Ansehen der Nasjonal Sämling in Norwegen entscheidend heben als sich auch Hitler im Osten als Bundesgenosse und selbständiger Partner andienen wollte. Daher engte Terboven die Regierung, die außenpolitisch sowieso nicht selbständig handeln konnte, systematisch auf einen sehr beschränkten Spielraum ein. Femer lähmten die Uneinigkeit und das Zögern der deutschen Stellen, die wohl Hilfe in Anspruch nehmen, nicht aber reale Konzessionen machen wollten, die norwegische Initiative. Auch zögerte allem Anschein nach die überwiegende Mehrheit der norwegischen Unternehmer bis zuletzt, sich an der Ausbeutung der besetzten sowjetischen Gebiete zu beteiligen, und wollte sich jedenfalls nicht von der Quisling-Regierung in dieses Abenteuer hineinziehen lassen. Frankreich Keine Notiz hat die Forschung bisher von den Bestrebungen in Frankreich und Belgien genommen, Ostgesellschaften und ähnliche Organisationen zur Ausbeutung des Ostens zu gründen. Nach der sicher überhöhten Bewertung des Wirtschaftsstabes Ost sind „im Rahmen der nicht unerheblichen Betätigung der gewerblichen Wirtschaft dieser Länder im Osten ... auch eine Reihe von landwirtschaftlichen Be- und Verarbeitungsbetrieben an belgische und französische Firmen zur treuhänderischen Verwaltung übergeben worden".95 Doch setzte eine derartige Betätigung erst 1942/43 ein, und die geplanten Gründungen von Ostgesellschaften blieben in statu nascendi oder in noch geringer entwickelten Vorstufen stecken. Seit Frühjahr 1942 war bei beiden beteiligten Seiten ein wachsendes Interesse daran festzustellen, das französische Wirtschaftspotential bei der Ausbeutung der besetzten Ostgebiete 94 BÄK, R 6/465, AN RMfbO/BfS üb. Bespr. beim RKU am 29.10.1943, 8.11.1943. 95 Die deutsche Wirtschaftspolitik..., S. 142.

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einzusetzen. Die deutsche Seite bemühte sich vorwiegend darum, französische Walzwerksund Kraftwerksausrüstungen und komplette Erdölraffinerien in die Ukraine und zum Kaukasus zu schaffen. Die französische Seite zeigte hier zunehmend Entgegenkommen, hatte aber weitergespannte Interessen. Anfang März 1942 wurde bei einem Besuch des Vichy-Ministers für industrielle Produktion, Lehideux, in Berlin verabredet, eine französische Raffinerie, „eine der größten und modernsten Raffinerien in Europa", „gegen die ausnahmsweise Zusicherung einer Beteiligung an dem Unternehmen in Rußland", wie Lehideux sie gefordert hatte, in die Südukraine (Cherzon) zu überführen. 96 Die deutsche Botschaft in Vichy signalisierte weitergehende „französische Bereitschaft und praktische Möglichkeiten ... zur Mitwirkung beim wirtschaftlichen Aufbau der Ostgebiete".97 Ostministerium und Vieijahresplanbehörde waren inzwischen einig darüber, daß man, ohne die deutsche Initiative erkennen zu lassen, breite französische Wirtschaftskreise dafür gewinnen solle, „sich durch Entsendung von Betriebsführern, Ingenieuren und Werkmeistern sowie durch die Mitnahme und Lieferung von Werkseinrichtungen am wirtschaftlichen Wiederaufbau der besetzten Gebiete der Sowjetunion zu beteiligen." Französische Großgrundund Bergwerksbesitzer hätten von sich aus „unter Führung von Nikolaus Freiherm von Fermor eine Interessengemeinschaft, vorläufig rein privater Natur, gebildet und mehr als eine Milliarde franz. francs flüssig gemacht. Zunächst hatte sich das Interesse dieser Werkgemeinschaft lediglich mit der Zuckerrübenindustrie befaßt, weitere Vorschläge über Bergbau, Petroleum und Textilindustrie aber der Botschaft in Aussicht gestellt."98 Rosenberg jedoch vermied zu diesem Zeitpunkt jede grundsätzliche Entscheidung, weil Hitler im vergangenen Herbst und Winter zwar „Skandinavien, Holland und Flandern" 99 mehrfach ausdrücklich in Verbindung mit einem künftigen „Osteinsatz" genannt hatte, nicht aber Frankreich als ein „nichtgermanisches" Land. Als Rosenbergs letztes Wort notierte man im Auswärtigen Amt, daß „in wohlbegründeten Einzelfällen einem Einsatz von französischen Firmen nichts entgegenstehe".100 Es dauerte fast noch ein Jahr, ehe Rosenberg Gelegenheit hatte, Hitlers „Zustimmung zu einem tatsächlichen Einsatz auch der französischen Industrie"101 im Osten einzuholen. Damit konnte „die Beteiligung Frankreichs am Wiederaufbau des Ostens auf breiter Grundlage vor sich gehen"102. Episode mag zunächst geblieben sein, daß im Februar 1943 Karl Rasche, Vorstandsmitglied und „Außenminister" der Dresdner Bank, Rosenbergs Sonderbeauftragten Malletke einlud, um ihm seine und seiner industriellen Freunde Interesse an einer „evt. neu zu gründende(n) französische(n) Gesellschaft" zu bekunden. Malletke vermerkte, die Dresdner Bank wolle anscheinend „mit der Bank de Paris et des Pays bas (sic!) eine Studiengesell-

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BAP, FS, Film 3716, Aufz. AA, 6.3.1942. Ebenda, Aufz. AA (Wiehl) üb. Bespr. mit Gesandten Rudolf Rahn, 23.4.1942. Ebenda, Aufz. A A (Walter f. Wiehl), 27.4.1942. BÄK, R 6/34a, Bl. 51, Aufz. Werner Koeppen (SA-Staf.; persönlicher Referent Rosenbergs) üb. „Abendtafel" b. Hitler, 17.10.1941. 100 BAP, FS, Film 3716, Aufz. AA (Walter f. Wiehl), 30.4.1942 (Nachtrag). 101 BÄK, R 6/465, Bl. 118, AN Rosenberg „Meldung an den Führer", 20.3.1943. 102 Ebenda, Bl. 115, Bericht RMfbO/BfS, 10.11.1943.

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schaft mit einem Kapital von etwa 5 Mili. fres, gründen, welche die Aufgabe haben soll, den Osteinsatz vorzubereiten." Er gab Rasche zu verstehen, daß das Rosenbergministerium zuständig sei und das Projekt gegebenenfalls prüfen werde. „An sich erscheine eine solche Gründung wertvoll, da dann ein einheitlicher Verhandlungspartner in Frankreich vorhanden sei. Unsympathisch ist dabei die Beteiligung von Bankkapital. Dr. Rasche äußerte dann noch, daß von französischer Seite aus erstklassige Namen der Gesellschaft auch in der Öffentlichkeit genannt werden würden." 103 Im März 1943 begannen lebhafte Verhandlungen und Vorarbeiten im Kreise von Ostministerium, Militärbefehlshaber und Laval-Regierung. Laval erklärte, „daß er einen Beitrag der französischen Industrie von Staats wegen wünsche, eine Gesellschaft dafür einzurichten gedenke und diesen Beitrag als Beitrag zum Kampf gegen den Bolschewismus anzusehen bitte."104 Mit Industrieminister Bichelonne (Nachfolger von Lehideux) und Finanzminister Pierre Cathala wurde die Entsendung einer offiziellen französischen Wirtschaftsdelegation in die Ukraine (Délégation économique française en Ukraine) vereinbart. „Die erste Reise der französischen Wirtschaftsdelegation unter Führung von Präsident Villemer in das Reichskommissariat Ukraine fand in der Zeit vom 26.6. bis 2.7.1943 statt. Als praktisches Ergebnis dieser Reise wurde eine Reihe von Vorschlägen für Industrie-Verlagerungen auf freiwilliger privatwirtschaftlicher Grundlage sowie Einsatzmöglichkeiten von französischen Baufirmen den Franzosen übergeben. Um die einzelnen Einsatzobjekte näher festzulegen, wurde eine zweite Reise von der französischen Wirtschaftsdelegation unter Führung von Herrn Tarot in die Ukraine in der Zeit vom 17. bis 24.8.1943 unternommen. Auf Grund dieser zweiten Reise erhielt die französische Wirtschaftsdelegation Optionen auf folgende Wirtschaftsobjekte in der Ukraine: Hotelübernahme, Übernahme einer Lackfabrik, Übernahme einer Wäscherei, Übernahme des Stanzwerkes Shidni-Bazar, Übernahme einer Fabrik für Schädlingsbekämpfungsmittel, sämtlich in Kiew gelegen."105 Anfang August 1943 verhandelten die Beteiligten über die Gründung der französischen Ostgesellschaft, von der Laval gesprochen hatte. Sie sollte die Form einer Société Anonyme haben, ausgestattet mit Staatsfinanzierung und Staatsgarantien.106 Zur Gründung selbst ist es anscheinend nicht mehr gekommen, wohl auch unter dem Eindruck der beginnenden großen Angriffsoperationen der Roten Armee in der Ukraine. Im Herbst und Winter zerschlugen sich alle Pläne, einesteils wegen der deutschen Winkelzüge gegen die von den Franzosen angemeldeten „Optionen" auf sowjetische Fabriken und Hotels (in Kiev und Zaporoz'e), anderenteils und endgültig infolge des deutschen Rückzugs aus der Ostukraine. Schon Mitte September hatte Bichelonne sich gegen die verschlechterten Bedingungen gewandt, die in den Protokollen der zweiten Delegationsreise vom August festgehalten wor103 BÄK, R 6/408, Bl. 76, AN RMfbO/BfS, 10.2.1943. Gemeinsam mit Rasche waren Hugo Stinnes und der „Vorsitzer des Vorstandes von Henkel-Persil", Dr. Richter, Malletkes Gesprächspartner. 104 Wie Anm. 101. 105 Wie Anm. 102 (Bl. 115 f.). Die französischen Optionen hatten sich nach der ersten Reise hauptsächlich auf eine Maschinenfabrik in Kiev, auf zwei technische Werkstätten in Zaporoz'e und auf zwei Hotels in Kiev erstreckt (ebenda, Délégation an MBH/MV-Chef, 3.8.1943). 106 Ebenda, AN MBH, 4.8.1943.

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den waren. Erstens wollte die deutsche Seite (Ostministerium und RKU) den Franzosen nur Treuhandverträge „auf unsicherer Grundlage" statt der ursprünglich vorgesehenen „Verträge von bestimmter und ziemlich langer Dauer" zugestehen; zweitens sollte der größte Teil der nach der Ukraine mitgeführten Maschinen, Einrichtungen und Materialien den französischen Unternehmen abgekauft werden und damit in deutsches Eigentum übergehen; schließlich sollten die französischen Leistungen nicht durch Gewinnüberlassung, sondern durch vom Umsatz abhängige Gehälter abgegolten werden. Bichelonne gab deutlich zu verstehen, daß es Voraussetzung für die „Niederlassung französischer Industrieller in der Ukraine" sei, „diesen die weitesten Garantien in bezug auf die Dauer ihres Einsatzes, das Eigentum an dem Material und auf ihren Gewinn zu geben." 107 Die deutsche Seite verstand sehr gut, daß hiermit die entscheidende Frage nach den „Grundlagen für (den) französischen Wirtschaftseinsatz" gestellt wurde.108 Anfang Oktober verhandelten Ostministerium und Militärbefehlshaber noch einmal darüber, wie „der französische Einsatz auf eine neue Grundlage gestellt werden" könne. Da aber inzwischen die Ukraine weitgehend verloren war - am 6. November befreite die Rote Armee Kiev - , „mußte der französische Einsatz bis auf weiteres zurückgestellt werden, da sämtliche Objekte in Gebieten lagen, die von den deutschen Truppen geräumt wurden."109 Im Dezember 1943 wurden alle Verhandlungen vertagt. Nichtsdestoweniger hielt man im Ostministerium an der Absicht fest, der französischen Regierung ersatzweise Objekte in Litauen anzubieten. Belgien Die ersten Bemühungen um den „Osteinsatz" in Belgien datieren ebenfalls aus dem Jahre 1942. Sie gingen von Anfang an von politischen und Unternehmerkreisen aus, die den faschistischen Bewegungen in Belgien angehörten oder nahestanden. Gegen Jahresende wurde ein „Belgisch-europäisches Syndikat für Landwirtschafts- und Industrieansiedlung" gegründet, „um die Möglichkeiten im Osten zu studieren und Material zu sammeln".110 Möglicherweise war diese Organisation identisch mit der „Rote-Erde-Gesellschaft", von der im Falkenhausen-Prozeß die Rede war und „die den Zweck verfolgte, die russischen Gebiete auszunutzen" (exploiter).1" Anfang Mai 1943, nach Verhandlungen mit Vertretern des Ostministeriums, reagierte der Militärbefehlshaber. Er begrüßte den vorgeschlagenen „Soforteinsatz im Osten auf der Basis der Freiwilligkeit" als „ein Mittel zur politischen Entspannung der inneren Lage Belgiens" und richtete noch im selben Monat ein „Ostreferat" beim Chef der Militärverwaltung ein, das es als seine Aufgabe betrachtete, auf die Gründung einer belgischen Ostgesellschaft hinzuarbeiten. Eine belgische Kommission sollte auf Reisen in den Osten geschickt werden.112 107 108 109 110 111 112

Ebenda, Bl. 98 f., Bichelonne an Elmar Michel (MBH/MV-Chef), 13.9.1943. Ebenda, Bl. 73, AN RMfbO/BfS, 13.9.1943. Wie Anm. 102 (Bl. 116). Die deutsche Wirtschaftspolitik..., S. 142, Anm. d. Hrsg. BÄK, All. Proz. 4 (Falkenhausen-Prozeß), Nr. 1 a-c, Vemehmg. Eggert Reeder, 13.12.1946. BÄK, R 6/468, AN MBH/WiAbt., 8.5.1943.

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Zunächst ereignete sich anscheinend wenig. Erst im September 1943 fuhr ein gewisser van Roey durch Vermittlung des Ostreferats nach Litauen und führte Besprechungen über den Einsatz belgischer Handwerker.113 Im Dezember lag der Satzungsentwurf für eine Ostgesellschaft vor. Als führend bei den Vorarbeiten zur Gründung der Gesellschaft wurde ein gewisser Mathieu Gilot genannt, „Wissenschaftler und Industrieller"; ferner war eine Reihe Unternehmer und anderer Interessierter mit mehr oder weniger starker Bindung zu faschistischen Organisationen beteiligt.114 Im Ostreferat gab man aber die Empfehlung aus, „daß im Augenblick von der Errichtung der Ostgesellschaft Abstand genommen werden sollte, da die gesamte öffentliche Meinung des Landes einer Ostbewegung zur Zeit völlig entgegenstehe." Daraufhin begann die Organisation (Société de l'Est - Oostmaatschappy; Société sans but lucratif) ihre Arbeit unter dem Etikett „Gesellschaft in Gründung", „ohne jedoch irgendwie im größeren Stil damit in die Öffentlichkeit zu treten".115 Ihre Leitung übernahm Gilot. Finanziert wurde sie „bis auf weiteres aus den Besatzungskosten beim Mil. Bef. in Belgien und Nordfrankreich".116 Über den Stand der Angelegenheit Ende April 1944 berichtete das Ostreferat des Militärbefehlshabers: „Um dem belgischen Osteinsatz eine innere Geschlossenheit und ein einheitliches Bild nach außen zu geben, ist die Herstellung von Uniformen veranlaßt worden, und es sind Abzeichen in Vorbereitung, die am Ärmel getragen werden sollen. ... Es sind eine Reihe besonders geeigneter kleiner und mittlerer Unternehmer herausgesucht worden, von denen vielversprechende Mustereinsätze im Osten (Litauen) erwartet werden können. Der erste Einsatz (Bauunternehmen Boi aus Brügge) ist am 23.3. d. J. nach Kauen in Marsch gesetzt worden und arbeitet dort bereits seit ca. drei Wochen mit einem Vorkommando. Er wird in kurzem mit ca. 40 - 50 belgischen Arbeitern und Handwerkern in Litauen tätig sein. Weitere Einsätze werden in den nächsten Wochen folgen (Bauunternehmen, Sägewerke, Einzelhandwerker, Techniker usw.)." Die Ostgesellschaft hatte „nach erheblichen Anfangsschwierigkeiten ein gleichmäßig gutes Verhältnis" zu den drei größeren faschistischen Gruppierungen in Belgien (Devlag, VNV, Rex-Bewegung), ungeachtet ihres heftigen Kampfes um die Führung in der Organisation. Die belgischen Generalsekretäre als Chefs der Kollaborationsverwaltung des Landes waren nicht bereit, die Gesellschaft zu finanzieren. Generalsekretär De Winter (Landwirtschaftsdepartement) erklärte sich sogar gegen jede belgische „Ostbetätigung". Viel mehr als „einige Kleineinsätze von belgischen Unternehmern"117 brachte die Gesellschaft in den folgenden Monaten nicht zustande. Als am 17. September 1944 die Dienststelle des Militärbefehlshabers aufgelöst wurde, fand ihre Tätigkeit ein sang- und klangloses Ende. Die Hauptkontrahenten der Okkupanten beim „Osteinsatz" waren demnach Kollaborationsregierungen, Unternehmer und Geschäftsleute, faschistische Parteien und Bewegungen. 113 Ebenda, Bericht d. Leiters des Ostref. üb. d. Reise (26.9.- 2.10.1943). 114 Ebenda, AN Ostref., 4.2.1944. Außer van Roey werden in der Quelle genannt Troosters, Inhaber einer Vermittlerfirma, und Petit (beide Rex-Bewegung), Schoorens (VNV), Mitarbeiter im Landwirtschaftsministerium, Boi (Devlag), Bauunternehmer aus Brügge, de Pauw und Servais. 115 Ebenda, Ostref. an RMfbO/BfS, 4.2.1944. 116 Ebenda, Bl. 114 f., „Erster Bericht des Ostreferates", 26.4.1944. 117 Ebenda, Memo Ostref., 24.7.1944.

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Wichtig ist die Beobachtung, daß gerade die Unternehmer, soweit sie nicht Mitglieder oder Sympathisanten der faschistischen Gruppen und Parteien waren, sich auffällig zurückhielten, mit Ausnahme der dänischen (was Frankreich betrifft, so reichen die Quellen zu einer exakten Beurteilung noch nicht aus). Die Mehrheit der „seriösen" Unternehmer in den Niederlanden, in Norwegen und Belgien, besonders das Großkapital, zog es vor, das abenteuerliche Geschäft im Osten den einheimischen Faschisten zu überlassen. Da walteten zweifellos geschäftliche Vorsicht und Furcht vor Kompromittierung im eigenen Land und gegenüber dem Exil vor, aber auch Mißtrauen gegenüber den Deutschen und, in nicht geringem Maße, politische Klugheit und eine reale Einschätzung des Kriegsverlaufs, die ihnen die Bildung der Antihitlerkoalition und der Kriegseintritt der USA erleichterten.

c) Das deutsche Interesse am ausländischen „ Osteinsatz" Die Politik der deutschen Seite in der Frage des ausländischen „Osteinsatzes" ist bisher nirgends zusammenhängend untersucht worden. Den Quellen nach waren verschiedene Führungsebenen und Dienststellen an der Formulierung und Praktizierung dieser Politik beteiligt. Die Untersuchung müßte sich vor allem auf Hitler selbst, auf Himmler und die relevanten SS-Dienststellen, auf das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, auf das Auswärtige Amt, die deutschen Wirtschaftskreise und Organisationen und die jeweils beteiligten Reichskommissare und Militärbefehlshaber erstrecken. Interessen und Standpunkte der deutschen Behörden und Organisationen waren durchaus unterschiedlich und konnten auch innerhalb ein und derselben Dienststelle differieren. Die Zeitumstände, besonders die Kriegslage, hatten, wie erwähnt, großen Einfluß. Der früheste Zeitpunkt, an dem sich Hitler über eine Beteiligung anderer Länder an der „Neuordnung" der besetzten und noch zu erobernden sowjetischen Gebiete äußerte, war der Herbst 1941. Damals, nach Abschluß der schweren Kämpfe um Smolensk, entwickelte Hitler recht ausführliche Ideen für eine künftige „gesamtdeutsche und europäische Wirtschaftsordnung" unter Ausnutzung der nord- und westeuropäischen „Rassen"- und Wirtschaftskräfte Ideen, die ihn noch einige Monate beschäftigen sollten: „Wir dürfen von Europa keinen Germanen mehr nach Amerika gehen lassen. Die Norweger, Schweden, Dänen, Niederländer müssen wir alle in die Ostgebiete hereinleiten; das werden Glieder des Reichs. Wir stehen vor der großen Zukunftsaufgabe, planmäßige Rassenpolitik zu treiben.... Was die Planmäßigkeit der Wirtschaft angeht, stehen wir noch ganz in den Anfängen, und ich stelle mir vor, es ist etwas wunderbar Schönes, eine gesamtdeutsche und europäische Wirtschaftsordnung aufzubauen. ... Nimmt man zusammen, was im europäischen Raum - Deutschland, England, nordische Länder, Frankreich, Italien - an Kräften zu schöpferischer Gestaltung schlummert, so muß man sich sagen: was sind daneben die amerikanischen Möglichkeiten?"" 8 118 Picker, Henry, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941-1942. Hrsg. v. Percy Ernst Schramm u. a., Stuttgart 1965 (2. Aufl.), S. 143 ff., Eintr. v. 8.-10.9.1941. Das gesamte Tischgespräch einschließlich der angeführten Zitate ist bei Heim - wahrscheinlich fehlerhaft - einen Monat früher (8.-11.8.1941) datiert (Adolf Hitler, Monologe im Führerhauptquartier 1941-1944. Die Aufzeichnungen Heinrich Heims. Hrsg. v. Werner Jochmann, München (Heyne) 1980, S. 54 ff.).

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Am 11. September legte er solche Gedankengänge zum ersten Mal vor einem Vertreter der apostrophierten Länder dar, nämlich vor dem neuernannten dänischen Gesandten Otto Mohr, der ihm in der „Wolfsschanze" sein Beglaubigungsschreiben überreichte. Seine „Gedanken über (den) europäischen Großraum, dessen Aufbau und die damit verbundene europäische Zusammenarbeit, besonders im Osten", machten damals auf die dänische Regierung und auf dänische Wirtschaftskreise „tiefen Eindruck"." 9 „Ich habe mir in diesen Tagen gedacht", so spann er wenige Wochen später seinen Gedankenfaden weiter, „ob man nicht doch die Wirtschaftsführer von Dänemark, Norwegen, den Niederlanden, Belgien, Schweden und Finnland zusammenrufen sollte, um ihnen ein Bild zu geben von den neuen Wirtschaftsmöglichkeiten? Die meisten Wirtschaftsführer besitzen ja keine Vorstellung von dem, wie sich uns der Kreislauf der Wirtschaft darstellt. Es sind das aber eben die Leute, die ein positives Interesse daran haben, daß sich für ihre Länder etwas tut. Macht man ihnen klar: Der Überschuß der Bevölkerung kann untergebracht und das Heimatland mit allem Nötigen versorgt werden, dann halte ich nicht für ausgeschlossen, daß sie mit fliegenden Fahnen zu uns übergehen. Der erste Schritt wird ähnlich sein wie seinerzeit bei der Zoll-Union." 120 Am 17. Oktober sprach er, „durch den (Reise-)Bericht von Dr. Todt angeregt", wiederum von der „Erschließung der russischen Weite" (einschließlich Ukraine, Krim und Kaukasus!) durch „deutsche" Straßen, Städte und Bauernhöfe: „In 10 Jahren werden dort 4, in 20 Jahren mindestens 10 Millionen Deutsche siedeln. Sie werden nicht nur aus dem Reich, sondern vor allem aus Amerika, aber auch aus Skandinavien, Holland und Flandern kommen. Auch das übrige Europa könne sich an dieser Erschließung der russischen Weite betätigen."121 Dänemark trat am 25. November dem Antikominternpakt bei. Aus diesem Anlaß empfing Hitler zwei Tage später den dänischen Außenminister Scavenius und hielt ihm einen ziemlich wirren und vagen Vortrag über die Aufgabe des „europäischen Blocks" bei der Erschließung des Ostens „für Europa". Man müsse „eine gemeinsame Wirtschaftspolitik betreiben und gemeinsam an die wirtschaftliche Erschließung Europas herangehen." 122 Am 14. Dezember 1941 instruierte Hitler, offensichtlich von den militärischen Ereignissen an der Ostfront ernüchtert, Rosenberg während einer längeren Unterredung, „daß er es nicht für zweckmäßig halte, die anderen Völker jetzt schon zur Mitarbeit (im Osten - D. E.) aufzufordern, da sie darin für später einen Rechtsanspruch erblicken könnten. Er tue das von Fall zu Fall in Einzelverhandlungen."123 Der „Führer" hat sich danach kaum mehr über Grundsatzfragen oder praktische Probleme des „Osteinsatzes" geäußert, obwohl Rosenberg und Himmler ihm nicht selten darüber Bericht erstatteten. Nach seiner Reaktion auf solche Berichte zu urteilen, betrachtete er später, im Unterschied zu seinen euphorischen, auf die Nachkriegszeit bezogenen Auslassungen 119 BAP, Auswärtiges Amt, Nr. 61120, Bl. 104, Telegr. Renthe-Fink an AA, 27.10.1941; gedr. in: Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, S. 1141, Dok. 594. 120 Hitler, Monologe, S. 79 f., 13.10.1941. 121 BÄK, R 6/34a, Bl. 51, Aufz. Werner Koeppen über „Abendtafel" bei Hitler, 17.10.1941. Dem Sinn nach identisch mit den Aufzeichnungen von Heim (Hitler, Monologe, S. 90 f., 17.10.1941). 122 AdaP, D, Bd. XIII. 1, Dok. 510, S. 705f.; s. a. Hillgruber, Staatsmänner, S. 655; S. 658. 123 IMG, Bd. 27, Nürnberg 1948, S. 270, Dok. PS-1517, Rosenbergs „Vermerk über Unterredung beim Führeram 14.12.1941".

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vom Herbst 1941, den „Osteinsatz" ganz pragmatisch als Entlastung der deutschen Militärund Okkupationsmacht im Osten, allerdings eher in bescheidenen Größenordnungen.124 Als Fachmann für die Ostsiedlung und für die „Germanisierung des Ostens" betrachtete er Himmler. Es ist aber nicht ersichtlich, ob er sich voll und ganz der grundsätzlichen Linie Himmlers und deijenigen SS-Stellen anschloß, die im Rahmen der „Festigung deutschen Volkstums" tätig und für den „Generalplan Ost" verantwortlich waren. Himmler konnte es sich nicht nur nicht vorstellen, daß andere Staaten bzw. Glieder des „germanischen Reichs" große, zusammenhängende Siedlungsgebiete („Provinzen") bekämen125, sondern ging im Sinne des „Generalplans Ost" von einer „Deutschbesiedlung" aus. Es hat ganz den Anschein, als schwebte ihm als selbstverständlich vor, auch die zu diesem Zweck aus allen anderen „germanischen" Ländern zusammenzuholenden Siedler „einzudeutschen". Schwankte Hitler also zwischen Zukunftsutopien von einer recht unbestimmten Art „europäischer" Zusammenarbeit im Osten und kleinlichen Bedenken bei der praktischen Anwendung seiner Ideen, so war Himmlers Linie, alle verfügbaren deutschen, „Volksdeutschen" und „germanischen" Kräfte als Deutsche oder Einzudeutschende in den „Ostraum" zu schleusen, schon klarer. Im Auswärtigen Amt und im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete sprach man 1942 jedenfalls von „vom Führer gebilligten Richtlinien" für die Beteiligung anderer Länder „am wirtschaftlichen Aufbau der Ostgebiete".126 Ob derartige Richtlinien ausdrücklich existierten oder ob man Hitlers Äußerungen vom Herbst 1941 als solche ansah, ist bisher nicht bekannt. Im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete faßte man sehr bald den „Osteinsatz" aus den besetzten Ländern als eigenen Auftrag auf. Die „Tendenz" des Ministeriums ging zunächst dahin, „das Ausland jeweils zu berücksichtigen, wenn von dort aus Einzelvorschläge gemacht würden, die sich in den Rahmen unserer Aufbaupläne gut einpaßten".127 Im Verlauf von Auseinandersetzungen mit dem Auswärtigen Amt um Zuständigkeit und Kompetenzen, besonders in Hinsicht auf Dänemark128, zog das Ostministerium im Laufe des Jahres 1942 alle Verhandlungsbefugnisse an sich und faßte die Organisation des „Osteinsatzes" bei einem besonderen „Beauftragten für Sonderfragen" (Walter Malletke) zusammen. Seit Frühjahr 1942 beschäftigte sich Malletke „mit der Frage, in den einzelnen besetzten Gebieten, wie Dänemark, Norwegen, Belgien, Kroatien usw. irgendeine Organisationsform zu schaffen, die eine Arbeitsfähigkeit gewährleistet".129 124 Rosenberg „über eine Unterredung mit dem Führer" am 8.5.1942 (s. Anm. 27). Siehe auch Rosenbergs Vortrag bei Hitler am 16./17.11.1943 über „die großangelegte Arbeit der Torfgewinnung und Torferforschung ... und die Anteilnahme der Holländer, Dänen und Schweden, die unter Umständen riesige Ausmaße annehmen könne, da Deutschland 60 Prozent der Torfvorkommen beherrsche." (BAP, Fall XI, Nr. 363, Bl. 96, PS- 039, AN Rosenberg „über Besprechung im Führerhauptquartier aml6./17.11.1943"). 125 Siehe Himmler an Heydrich und Redieß, 16.2.1942; zit. bei De Jong, Bd. 6/1, S. 453. 126 BAP, FS, Film 3716, Aufzeichnung AA über Stellungnahme d. RMfbO (Malletke), 30.4.1942. 127 Ebenda. 128 Siehe Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, Kopenhagen 1954, S. 1143 ff., div. Dokumente. 129 BÄK, R 6/440, Bl. 92, Malletke an Generalkommissar Fritz Schmidt (Reichskommissariat Niederlande), 4.4.1942. - Erörterung der Zuständigkeitsfragen auch bei Rolf-Dieter Müller (Die deut-

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Anfang August 1942 informierte Gustav Schlotterer130 die Vertreter der Obersten Reichsbehörden, der Okkupationsverwaltungen aus dem ganzen besetzten Europa und der deutschen Ostgesellschaften in knapper Form über den ausländischen „Osteinsatz". Er schränkte dessen Bedeutung auf die Entlastung der deutschen Wirtschaftskraft und ihrer „Engpässe" ein, vertrat also den meistverbreiteten reinen Nützlichkeitsstandpunkt, und betonte gleichzeitig die alleinige Zuständigkeit des Ostministeriums.131 Nach dem Scheitern des deutschen Vormarschs auf Stalingrad und zum Kaukasus nahmen die Aktivitäten des Ostministeriums noch ersichtlich zu; ja, es sieht so aus, als ob sie etwa im Mai/Juni 1943 ihren Höhepunkt erreichten. Als dann die Niederlagen und Rückzüge der Wehrmacht im Sommer und Herbst die Rechnungen der Okkupanten durchkreuzten, führte man die Verhandlungen mit den norwegischen und belgischen Partnern nach wie vor weiter, jetzt noch trotz aller Frustration darüber orakelnd, „daß im zukünftigen Europa eine systematisch gelenkte West-Ost-Wanderung sich geradezu als eine Sinngebung dieses mörderischen Ringens an der Ostfront ergeben wird und muß".132 Führende deutsche Wirtschaftskreise befaßten sich im Sommer 1942 mit dem ausländischen „Osteinsatz", als er, vor allem in Gestalt der Nederlandse Oostcompagnie, festere organisatorische Formen annahm und in der Euphorie neuer deutscher Siege im Osten breitere Publizität gewann. Regelmäßig beobachtete die Reichsgruppe Industrie in ihrem damals monatlich erscheinenden Organ „Die Ostwirtschaft" den Fortgang der Dinge bei der „Europäischen Gemeinschaftsaufgabe Osten". Im März 1942, als „das gesamteuropäische Interesse an der Neugestaltung der Ostgebiete ... noch recht gering zu sein (schien)"133, begrüßte Chefredakteur Hans Thode die Beteiligung „aller europäischer Völker" als „erwünschten Beitrag zum europäischen Neubau".134 In der Juni/Juli-Nummer wurden die NOC und der dänische „Arbeitsausschuß für die Ost- und Südostarbeit" (Vorläufer des Ostraumausschusses) vorgestellt. Die Zeitschrift beurteilte die Entwicklung positiv, bewertete aber die gefundenen organisatorischen Formen noch als kriegsnotwendige „Improvisation". Nicht zu übersehen war die Skepsis gegenüber weiterreichenden imperialistischen Aspirationen

130 131

132 133 134

sehe Wirtschaftspolitik ..., S. 138, Anm. 131). Malletke war seit April 1941 in Rosenbergs Stab und fungierte im Ministerium als Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitische Kooperation. Ministerialdirektor; Leiter der Chefgruppe W(irtschaft) des RMfbO und des Wirtschaftsstabes Ost; zugleich Hauptabteilungsleiter im Reichswirtschaftsministerium. „Die Beteiligung des Auslandes mit Menschen und Waren beim Wirtschaftsaufbau im Osten ist erwünscht, um deutsche Engpässe zu entlasten. In Holland, Dänemark und Ungarn sind bereits Gesellschaften als organisatorische Formen für den geschlossenen Einsatz dieser Volkswirtschaften gegründet worden. Alle Verhandlungen der (deutschen - D. E.) Ostgesellschaften mit dem Ausland bedürfen der vorherigen Zustimmung des Beauftragten für Sonderfragen im Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete, Oberbereichsleiter Malletke." (BAP, FS, Film 10636, „Zusammenfassung der in der Sitzung vom 7. August 1942 vor Vertretern der beteiligten Obersten Reichsbehörden und der Ostgesellschaften gehaltenen Referate über die Aufgaben der deutschen Wirtschaft in den besetzten Ostgebieten"). BÄK, R 6/468, MBH Belgien/Nordfrankreich, Ostreferat (Krausskopf) an Malletke, 30.10.1943. BAP, FS, Film 10632, „Die Ostwirtschaft. Zeitschrift für Wirtschaftsfragen des Ostens. Hrsg. im Auftrag der Reichsgruppe Industrie", Nr. 6/7-1942 (Juni/Juli). Hiernach auch das Folgende. Ebenda, Nr. 3 - 1942 (März).

Wirtschaftskollaboration und „Ostgesellschaften" (1941-1944)

343

anderer Länder, wie sie in dem Interview eines Niederländers (Minister a.D. F. E. Posthuma) für die Agentur „Europa-Kabel" publik wurden. Posthuma hatte, übrigens ganz wie Mussert, „die Ansiedlung der Niederländer-in geschlossenen Räumen" im Rahmen einer „großzügigen Kolonisierung in den europäischen Ostgebieten" für notwendig erklärt.135 Demgegenüber favorisierte „Die Ostwirtschaft" eine ganz andere Variante: „Zur bestmöglichen Erschließung der Ostgebiete kommt dem 'selektiven' Personaleinsatz (von Spezialisten für bestimmte Wirtschaftszweige - D. E.) überhaupt hervorragende Bedeutung zu." Grundsätzlich werde der Osteinsatz „unter deutschem Primat" stattfinden. Allerdings solle es im Osten keine „Gewinnsucht", keine „Ausbeutung", keine „Schlechterstellung" der anderen als „lästige Konkurrenten" geben. Man rang sich zu dem Fazit durch: „Es ist notwendig, auch in diesem Falle europäisch zu denken." Verschiedentlich referierte und kommentierte auch der Werberat der deutschen Wirtschaft (Präsident: Heinrich Hunke) in seinen Presseinformationen das Geschehen unter der ständigen Rubrik „Europäische Wirtschaftsgemeinschaft": „Beim Wiederaufbau und der Erschließung der Ostgebiete legt Deutschland bekanntlich großen Wert auf eine möglichst starke Beteiligung anderer europäischer Länder. Der Einsatz der beteiligten Länder erfolgt entsprechend ihrer geschichtlichen Entwicklung und beruflichen Spezialerfahrung."136 Für einen „so gesteuerten Einsatz" entwickelte der Werberat ein weit gediehenes, eigenwilliges Konzept. Für eine „Nordost-Gruppe" von Ländern (Niederlande; Dänemark) kämen „vorerst Lettland und Estland, später die weiteren Ostgebiete in Frage". Als „arteigene" Arbeitsgebiete wurden Torfgewinnung, Fischverarbeitung, Gartenbau und Viehzucht genannt, wofür Maschinen, Schiffe, Vieh, Saat- und Pflanzmaterial etc. von der Gruppe zu liefern wären. Zu einer „Südost-Gruppe" zählte der Werberat Ungarn und Rumänien, „mit den unmittelbar an Rumänien und Ungarn anstoßenden Gebieten", die sich mit Industrieabsatz und Rohstoffgewinnung bzw. mit dem Aufbau der annektierten Gebiete („Transnistrien") zu beschäftigen hätten. Zur gleichen Zeit bereiste der Hauptgeschäftsführer der Südosteuropagesellschaft, August Heinrichsbauer, ein erfahrener Wirtschaftsjournalist und Lobbyist der Großindustrie137, die skandinavischen Länder (Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland). Das eigentliche Anliegen seiner Reise war es, die wirtschaftlichen Interessen und Kräfte Nordeuropas daraufhin zu untersuchen, inwieweit mit ihrer Hilfe die wirtschaftliche „Neuordnung Europas" in Südosteuropa voranzutreiben sei. Der „Osteinsatz" interessierte ihn am Rande, insbesondere bei seinen Recherchen in Dänemark.138 Allgemein aufschlußreich ist das nüchterne Fazit, das er auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse und seiner Erfahrungen an Ort und Stelle zog. Die „Neuordnung Europas" müsse, so schrieb er in seinem vertraulichen Ab-

135 Zit. nach den Auszügen im Informationsbulletin der Pressestelle des Werberats der deutschen Wirtschaft, 27.7.1942 (BAP, FS, Film 10612). 136 Ebenda, „Der europäische Aufbaueinsatz im Osten" (27.7.1942). Hiernach auch das Folgende. 137 Heinrichsbauer war schon vor 1933 einer der wichtigsten Verbindungsleute zwischen Ruhrindustrie und NSDAP. 138 Siehe BAP, FS, Film 10655, Korrespondenz zwischen Heinrichsbauer und Kurt A. Buck, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Handelskammer in Dänemark, 1942/43.

344

Zerfall des Okkupationssystems

schlußbericht, „allen Völkern Europas und anderen Gewerbetreibenden einen Vorteil bieten. ... Nur zum alleinigen Vorteil Deutschlands oder aus einer Ideologie willen (sic! - D. E.)... wird man keinen Finger rühren." 139 Die Geschichte des ausländischen „Osteinsatzes", in erster Linie also der Ostgesellschaften, ist nur ein verhältnismäßig kleiner Abschnitt in der Kriegs-, Wirtschafts- und Okkupationsgeschichte, beleuchtet aber die Problematik der Kollaboration auf einzigartige Weise. Es handelt sich der hauptsächlichen Bestimmung der Gesellschaften nach um wirtschaftliche Kollaboration; doch lag ihnen bereits bei Planung und Vorbereitung ihrer Gründung ein besonderes politisches Konzept zugrunde (imperialistische „Neuordnung Europas", „Kampf gegen den Bolschewismus"). Soweit sie tatsächlich auf besetztem sowjetischem Territorium tätig wurden, übten sie nicht nur ökonomische, sondern auch politische und vielfach sogar militärische Funktionen aus; militärische nicht etwa nur beim Bau von Befestigungen und Straßen, sondern auch sehr unmittelbar bei der „Sicherung" von besetztem Terrain, von landwirtschaftlichen Betrieben und industriellen Objekten und insbesondere beim Antipartisanenkampf. Es bestand ein weiterer, noch weit wesentlicherer Unterschied zwischen den Wirtschaftskollaborateuren, die das einheimische Wirtschaftspotential und die eigene arbeitende Bevölkerung mit Nutzen für die Okkupanten und ihre Kriegsmaschine ausbeuteten, und den Kollaborateuren in den Ostgesellschaften. Die Ostgesellschaften beteiligten sich - freiwillig, ohne Sachzwang und äußeren Druck - an der Ausbeutung einer fremden, nämlich der Bevölkerung der besetzten sowjetischen Gebiete, und sie übten selbst Funktionen der Okkupationsherrschaft aus, mit ökonomischem, politischem und militärischem Gewinn für Nazideutschland. Ferner: Die Rolle der von den Ostgesellschaften angeworbenen Arbeiter, Bauern, Fischer und Handwerker ist neu zu bewerten. Im Hinblick auf ein beliebiges besetztes Land wäre es zwar denkbar, ist aber nach den realen Umständen und im Sinne einer entsprechenden Analyse des Kollaborationsbegriffs ganz abwegig, die dort arbeitende Bevölkerung als Kollaborateure zu bezeichnen. Beim „Osteinsatz" waren die gleichen Arbeiter, Bauern usw. aber Handlanger und Vollstrecker der deutschen Okkupationsherrschaft. Wie oft haben wohl niederländische „La-Führer" sowjetische Bauern geprügelt oder bei Deutschen denunziert, wie oft niederländische Handwerker ihre ukrainischen Hilfsarbeiter? Sie nahmen im Osten auf eine die deutschen Okkupanten direkt entlastende Weise an der Realisierung der wirtschaftlichen Ausbeutung, an der politischen Unterdrückung der Bevölkerung und auch an der militärischen Sicherung der deutschen Besatzungsherrschaft aktiven und zweifellos auch bewußten Anteil. Spätestens dann, wenn die Partisanen kamen oder die Truppen der Roten Armee das Land befreiten, wurde ihnen das handgreiflich klargemacht.

139 Ebenda, Film 10631, A. Heinrichsbauer: „Nordeuropa - Südosteuropa. Eindrücke von einer Skandinavienreise Ende Juli- Anfang August 1942" (vertraulich).

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan

345

2. Das Ende der Rohstofflieferungen aus den besetzten Balkanländern (Sommer/Herbst 1944) Die militärischen und politischen Ereignisse des Spätsommers 1944 leiteten den Zusammenbruch der Rohstoffversorgung der deutschen Wirtschaft ein. Daß Schweden die Handelsbeziehungen zum Reich einschränkte und schließlich abbrach und daß Finnland aus der „Waffenbrüderschaft" schied, war vorhersehbar gewesen. Doch der schwerste Schlag traf die Deutschen in Südosteuropa mit der sowjetischen Offensive, die am 20. August begann. In wenigen Wochen vertrieb die Rote Armee die Deutschen aus Rumänien und Bulgarien, verwandelte beide Länder von deutschen in eigene Verbündete, erzwang die Räumung Griechenlands von deutschen Truppen und kämpfte bald auf jugoslawischem und ungarischem Boden.

a) Der „Minimal-Wirtschaftsraum"

ohne „Südostraum"

Unmittelbar vor der Offensive, vom 18. bis 20. August, war Rüstungsminister Speer bei Hitler im Führerhauptquartier in Ostpreußen. In dem Protokoll dieser „Führerbesprechung" findet sich eine bemerkenswerte Notiz, die von der Forschung bisher kaum beachtet worden ist: „4. Der Führer legt einen 'Minimal-Wirtschaftsraum' fest, für den im einzelnen festgestellt werden soll, wie lange mit den vorhandenen Vorräten und den darin vorhandenen Produktionen eine gesteigerte Rüstung durchgeführt werden kann." 140 Hitler ging also davon aus, daß die Wehrmacht einen bestimmten Raum werde halten können, und verlangte Auskunft darüber, ob und wie lange Deutschland mit den Rohstoffen dieses Raumes den Krieg durchhalten werde. Nach Speers Denkschrift „Metalle" vom 5. September 1944141 lassen sich Hitlers Vorstellungen von einem solchen Raum rekonstruieren, den lange Zeit behaupten und beherrschen zu können der „Führer" anscheinend überzeugt war. Er rechnete mit dem möglichen Verlust der norwegischen, schwedischen und finnischen Rohstofflieferungen, bezeichnete aber exakt nur die zu haltenden Grenzen im Süden und Südosten: „... für Italien - Südraum der Alpen, Besitz des Raumes östlich Triest; in Kroatien - die Savelinie; in Ungarn - die Theißlinie." Sowohl Hitler als auch Jodl, Chef des Wehrmachtführungsstabes, hatten vor noch nicht langer Zeit die „Beherrschung des Balkans als Bestandteil der Festung Europa aus operativen, militärpolitischen und wirtschaftlichen Gründen (als) kriegsentscheidend"142 angesehen. Hitler hatte noch drei Wochen zuvor, am 31. Juli 1944, die Bedeutung des Balkans und die spezifische Rolle des bulgarischen Verbündeten hervorgehoben.143 Jetzt, offenbar unter dem 140 141 142 143

FB, 18.-20.8.1944, Punkt 4; Chronik, 20.8.1944. Siehe auch Kapitel I, Abschn. 5 im vorl. Bd. BÄK, R 3/1525. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Saur, 5.9.1944. IMG, Bd. 37, S. 652, Dok. L-172, Rede Jodls vor den Reichs- und Gauleitern, 7.11.1943. Hitlers Lagebesprechungen, S. 589 f., 31.7.1944: „Denn ohne Bulgarien ist es uns praktisch gar nicht möglich, die Sicherung des Balkanraums so vorzunehmen, daß wir aus Griechenland usw. Erz bekommen. Wir brauchen dazu Bulgarien unter allen Umständen. Auch für die Sicherung gegen Banden usw. brauchen wir Bulgarien."

Zerfall des Okkupationssystems

346

frischen Eindruck der seit dem Morgen des 20. August aus dem Raum Ia§i - Kisinev hereinbrechenden sowjetischen Offensive, erwogen beide die Räumung bzw. den erzwungenen Rückzug von der Balkan-Halbinsel. Der Rüstungsminister hatte kaum ein Jahr zuvor, im November 1943, für Hitler drei Denkschriften über die Rohstofflage auf dem Eisen- und Stahlgebiet verfaßt, die sich auf Zufuhren aus den besetzten Gebieten, aus Schweden und der Türkei bezogen.144 Die Voraussetzungen von damals waren, was das Halten von Krivoj Rog und Nikopol betraf, schon lange hinfällig. Die deutsche Herrschaft über das französisch-luxemburgische Minette-Revier, seit 1941 Spitzenlieferant von Eisenerz145, ging im August 1944 verloren. Die schwedischen Eisenerzlieferungen schrumpften infolge Ausfalls der schwedischen Schiffstransporte seit Mitte August auf 40 bis 50 Prozent und nach Sperrung der schwedischen Hoheitsgewässer Ende September 1944 auf ein Minimum.146 Die Nickelgruben von Petsamo, die deutsche Truppen ungeachtet der finnisch-sowjetischen Verhandlungen vom August/September (Waffenstillstand am 19. September) besetzt hielten, wurden am 14. Oktober vor der andrängenden Roten Armee geräumt. Wie sahen Speers Berechnungen jetzt aus, wo er den möglichen Verlust des Balkans, halb Ungarns und Italiens hinzuzurechnen hatte? Seinen - anscheinend in Eile recherchierten Ziffern zufolge war bei einigen Rohstoffen schon im Laufe des Jahres 1945 mit einem Totalausfall für die Rüstung zu rechnen (Schwefel, phosphorarme Eisenerze). Der allgemeine Zusammenbruch der Kriegsproduktion war mit dem Jahresende 1945 bzw. Anfang 1946 zu erwarten (Ausfall von Aluminium, Chrom, Antimon, Ferrosilizium, Molybdän und Wolfram). Für Mineralöl - den kritischsten Punkt - fehlten überhaupt derartige Angaben in der Denkschrift.147 Tabelle 106 Auslauftermineftirdie

Produktion im

„Minimal-Wirtschaftsraum" Rohprodukt

Rüstung

Bemerkungen

- Ausfall Ungarns

1.6.1945 1.3.1945

1.1.1946 1.1.1946

75' > Restproduktion 25' > Restproduktion

Chrom - Totalausfall Balkan

1.7.1945

1.1.1946

Antimon - Ausfall der Slowakei u. Ungarns

1.8.1947 1.7.1945

1.2.1948 1.2.1946

Aluminium

144 „Die Bedeutung von Nikopol und Kriwoj Rog für die deutsche Eisenerzeugung", 11.11.1943; „Die Bedeutung der Zufuhr an schwedischen und norwegischen Eisenerzen für die deutsche Eisenerzeugung", 11.11.1943; „Die Legierungsmetalle in der Rüstung und die Bedeutung der Chromzufuhren aus dem Balkan und der Türkei", 12.11.1943; sämtlich in BAP, FS, Film 1732. Siehe auch II, S. 370 f.; S. 476 f. 145 Jäger, S. 180; S. 183 ff. 146 Ebenda, S. 191 f. 147 Vgl. aber 3. Hydrierdenkschrift Speers f. Hitler, 30.8.1944, in Birkenfeld, Treibstoff, S. 250 ff. Jäger (S. 306 ff. u. passim) ist der einzige, der die Denkschrift „Metalle" in dieser Hinsicht ausgewertet hat.

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan

347

Tabelle 106 (Fortsetzung) Rohprodukt

Rüstung

u. Norwegen (einschl. Wolframeinsatz)

1.10.1945

1.4.1946

Wolfram

1.10.1945

1.4.1946

Nickel - Ausfall Südnorwegen

1. 1.1946

1.7.1946

Bemerkungen

Molybdän - Ausfall Balkan

50 % Restproduktion

1.8.1948

Zink - Ausfall Balkan u. Norwegen

1.6.1947

Kupfer

1.12.1946

Blei-Ausfall Balkan

1. 1.1948

Ferrosilizium - Ausfall Italiens, Norwegens, Schwedens - mit Einsatz von Karbidöfen

1. 1.1945 1. 5.1945

1.7.1945 1.2.1946

Manganerz - Ausfall der Slowakei u. Ungarns

1. 1.1947 1.12.1945

1.6.1946

1. 6.1945

1.6.1945

30-50 % Restproduktion Zellwolle Kürzungen um 50 % bis Ende 1945; dann wieder volle Deckung

1.4.1946 1. 6.1945

1.5.1946 1.9.1945

30 % Restproduktion 60-65 % Restproduktion

Schwefel - mit Produktion Norwegens, ohne deutsche Produktionssteigerung - Ausfall Norwegen, mit 8 0001 deutscher Monatsproduktion Rest 1944; 1945 steigend auf 16 000 t (ab 1.2.1945) Eisenerze - phosphorreich für Thomasstahl - phosphorarm für SM- u. Elektrostahl

Quelle: Wie Anm. 141 (Denkschrift „Metalle"). Mit diesen Ziffern gab Speer dem „Führer" zu verstehen, daß im „Minimal-Wirtschaftsraum" die Chance, einen längeren Krieg zu führen, nicht mehr gegeben sei; daß vielmehr schon im Laufe des Jahres 1945 die deutsche Kriegswirtschaft - selbst bei „normalem" Ablauf, d. h. bei Ausbleiben von Störungen und Katastrophen (Luftkrieg!) - in rasende Talfahrt geraten und bald am Nullpunkt angelangt sein werde. Im Text der Denkschrift kam dies noch klarer als in den Ziffern zum Ausdruck, am deutlichsten im Abschnitt über die Chromversorgung. Schon in der Metalle-Denkschrift vom Votjahr war auf die hundertprozentige deutsche Einfuhrabhängigkeit bei Chrom, dem wichtigsten Stahllegierungsmetall, und vor allem auf die Notwendigkeit der Erzbezüge aus den besetzten Balkanstaaten hingewiesen worden. 148 „Chrom ist unbedingt erforderlich für die Herstellung von 90 Prozent aller legierten Stähle."

148 Wie Anm. 144 (Denkschrift v. 12.11.1943). Hiernach auch das Folgende.

348

Zerfall des Okkupationssystems

Schon damals waren die deutschen Vorräte an Ferrolegierungsmetallen bei Chrom am geringsten (5,6 Monate). Rechne man sämtliche Bestände an Chrom und Chromerz in Italien, auf dem Balkan und in den türkischen Häfen149 zusammen, so lasse sich diese Ziffer auf 8,4 Monate erhöhen. „In bandenbesetzten Gebieten Albaniens lagern weitere 9 000 Tonnen Erz, gleich 1 400 Tonnen reines Chrom". Das bedeute eine Erhöhung auf 8,8 Monate. „Mit einer monatlichen Förderung von Chromerz kann gerechnet werden in Griechenland 3 100 Tonnen = 630 Tonnen Chrom, in Bulgarien150 7 600 Tonnen = 1 620 Tonnen Chrom, in Serbien 100 Tonnen = 20 Tonnen Chrom, in Albanien 600 Tonnen = 130 Tonnen Chrom, in Türkei 2 000 Tonnen = 500 Tonnen Chrom, [zusammen] 2 900 Tonnen Chrom. ... Voraussetzung für die Abdeckung des Chrombedarfs und damit [für die] Erzeugung aller Legierungsstähle ist die Erhaltung des Balkans und die Sicherung der Erztransporte. Wenn der Balkan und damit die Türkei ausfallen, ist die Abdeckung des Chrombedarfs derzeit nur auf 5,6 Monate ... sichergestellt. Das bedeutet nach einer Aufzehrung der Rohblockbestände ... ein Auslaufen der verschiedenen wichtigsten Rüstungszweige (sämtliche Flugzeuge, Panzer, Kraftfahrzeuge, Panzergranaten, U-Boote, fast die gesamte Geschützfertigung) ein bis drei Monate nach diesem Termin, da bis dahin die in der Zulieferung steckenden Reserven aufgebraucht sind." Diese Prognose wurde im September 1944 in der Denkschrift „Metalle" einfach fortgeschrieben. Sie hatte jetzt allerdings einen ungleich aktuelleren, bittereren Sinn für die Beteiligten. Zwar waren die Metallbestände per 1. August 1944 höher als 1943 (33 000 t gegenüber 21 000), aber auch der monatliche Verbrauch war von 3 750 auf 3 900 t gestiegen. Wenn die Legierungsumstellungen gelängen, schrieb Speer, so könnte diese Zahl auf 3 200 bis 3 500 gedrückt werden. „Das bedeutet, daß die vorhandenen Mengen nach Aufhören der Lieferungen aus dem Balkan für zehn Monate ausreichen. Unter Berücksichtigung der Lager- und Durchlaufzeit der verarbeitenden Werke würde die davon abhängige Produktion, d.h. die gesamte Rüstungsproduktion, am 1. Januar 1946 auslaufen." Man kann annehmen, daß Hitler von Speers Berechnungen und Warnungen beeindruckt war. Doch scheint er von vornherein mit dem Gedanken des „Minimal-Wirtschaftsraums" keine großzügige verteidigungsstrategische Idee verbunden zu haben. Am 22./23. August 1944 fand die bekannte Aussprache Hitlers mit dem Oberbefehlshaber Südost, Generalfeldmarschall Maximilian v. Weichs, statt, als deren Ergebnisse der „Führerbefehl" an Weichs vom 26. August anzusehen ist. Das Grundanliegen des Befehls bestand ausdrücklich darin, „auch bei veränderter Lage", d. h. bei weiterem Vordringen der Roten Armee oder bei einer alliierten Landung von der Ägäis oder Adria aus, „das kriegswirtschaftlich wichtige Gebiet des mittleren Balkans fest in der Hand zu behalten und die wichtigsten Verkehrsverbindungen im Südostraum offenzuhalten". Um die Kräfte hierfür zu konzentrieren, rang Hitler sich 149 Mit der Türkei bestand 1943/44 ein zweijähriger Liefervertrag auf Chromerz (Jäger, S. 258 ff.; s. a. Kap. V d. vorl. Bd.). 150 Bezieht sich v. a. auf das bulgarisch besetzte Mazedonien.

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan

349

dazu durch, die Verlagerung von Truppen aus Süd- und Mittelgriechenland nach dem mittleren Balkan anzuordnen und die „Zurücknahme der gesamten Truppen und Einrichtungen südlich der Linie Korfu - Ioannina - Kalabaka - Olymp" vorbereiten zu lassen.151

b) Die Chromerzlieferungen vom Balkan und ihr Ende Jäger hat schon 1969 darauf aufmerksam gemacht, daß die entscheidende Rolle der Rohstoffe aus den besetzten Gebieten Südosteuropas für die deutsche Kriegswirtschaft in wirtschaftshistorischen Arbeiten nicht ausreichend erkannt und berücksichtigt worden ist.152 Dabei war es den führenden Kreisen in Deutschland, besonders seinerzeit den Industrievertretern in der Reichsstelle für Wirtschaftsausbau, schon vor dem Krieg klar, daß im „Mobfall" die deutsche „Großraumwehrwirtschaft" ohne die selbstverständliche Einbeziehung des Balkans nicht denkbar, insbesondere das Chromproblem ohne Rückgriff auf Jugoslawien bzw. Mazedonien nicht zu lösen war.153 Chrom war als das wichtigste Stahllegierungsmetall unersetzbar, und das kriegführende Deutschland war seit 1939 bzw. seit 1941 vollständig auf die Lieferungen aus den besetzten Balkanländern angewiesen. In den Vorkriegsjahren waren die Türkei und die Südafrikanische Union die Hauptbezugsquellen. An dritter Stelle stand Griechenland. Tabelle 107 Deutsche Chromerzeinfuhr,

1936 1937 1938 1939 (Jan. - Aug.)

1936-1939

123,4 132,2 176,4 157,2

(in 10001) davon (in Prozent) Türkei Südafrika

Griechenland

53 49 30 61

7 9 8 12,5

30 35 32 21

Quelle: Jäger, S. 151, Tab. 18.

Südafrika fiel mit Kriegsbeginn als Bezugsland aus. Die Türkei verlängerte den bis zum 31. August 1939 laufenden Handelsvertrag mit Deutschland nicht mehr und lieferte bis Jahresende nur noch 18 4001 Erz; sie setzte erst wieder im März 1943 mit Lieferungen ein. Die UdSSR verpflichtete sich im deutsch-sowjetischen Handelsvertrag vom 11. Februar 1940, binnen einem Jahr 100 0001 zu liefern, exportierte aber bis zum 22. Juni 1941 tatsächlich nur

151 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 355, Dok. 307, Befehl Hitlers an GFM Maximilian v. Weichs, 26.8.1944. 152 Jäger, S. 257 u. passim. 153 Eichholtz, Die „Großraumwehrwirtschaft" für den großen Krieg, S. 89 ff.; S. 118 f.

350

Zerfall des Okkupationssystems

26 300 t. Immerhin machten ihre Lieferungen im Jahre 1940 71 Prozent der extrem geschrumpften deutschen Importe aus.154 Tabelle 108 Deutsche Chromerzeinfuhr,

1939-1941

(in 10001) davon (in Prozent)

1939 ( S e p t . - D e z . )

36,3

Türkei Griechenland

51 17

1940

37,0

UdSSR Jugoslawien Griechenland

71 12 4

3,4

Jugoslawien Bulgarien

65 29

1941 (Jan. - Apr.)

Quelle: Jäger, S. 247, Tab. 36.

Demnach sank die Einfuhr bis April 1941 auf sechs Prozent der friedensmäßigen Einfuhr. Die politischen und militärischen Verhältnisse - besonders die britische Seeblockade und die Tatsache, daß die großen jugoslawischen (mazedonischen) Chrombergwerke von britischem Kapital beherrscht waren - machten es den Deutschen unmöglich, mehr als minimale Mengen Erz vom Balkan zu beziehen. Die Folge des Mangels war, daß die deutschen Chromreserven in anderthalb Jahren auf die Hälfte sanken. Der Rest (im April 1941 weniger als 29 0001 Cr) deckte bei dem damaligen Verbrauch noch den Bedarf von zehn Monaten.155 Die deutsche Besetzung Jugoslawiens und Griechenlands änderte die Situation grundlegend. Zwar befanden sich nach der Aufteilung der Beute alle wichtigen Chromerzvorkommen in bulgarischer (Mazedonien) oder italienischer Hand (Griechenland; Albanien). Die deutschen Behörden und Rüstungskonzerne setzten es aber durch, daß die Bergwerke „für die Dauer des Krieges" von der deutschen Besatzungsmacht betrieben wurden und ihre Förderung der deutschen Kriegswirtschaft zur Verfügung stand.156 Die Verwaltung aller Bergwerke lag beim „Generalbevollmächtigten für den Metallerzbergbau Südost", Franz Neuhausen (zugleich „Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft in Serbien"), einem Vertrauensmann Hermann Görings. Die einzelnen Werke wurden teils von Wehrmachtsoffizieren bzw. -einheiten (Wehrwirtschaftliches Bergbaubataillon Südost; Technisches Bataillon 26 mot. (Bergbau)), teils von der Organisation Todt und von Vertretern deutscher Konzerne (meist in der Uniform von Sonderführern) „betreut" und geleitet. Erhebliche Investitionen wurden getätigt, besonders zur Modernisierung des Übertagebetriebs, der Verlade- und Transportanlagen und -strecken; sie beliefen sich allein in Albanien

154 Jäger, S. 245. 155 Ebenda, S. 248. 156 Ebenda, S. 249 ff. Hiemach auch das Folgende.

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan

351

während des einen Jahres unter deutscher Besetzung (September 1943 - September 1944) auf sieben Millionen RM. In Skopje (Mazedonien) wurde die damals größte Erzaufbereitungsanlage Südosteuropas errichtet, die im Frühjahr 1944 in Betrieb ging. Tabelle 109 Chromverbrauch Jahr

1938 1940 1941 1942 1943 1944**

und -einfuhr Deutschlands 1938, 1940-1944

Verbrauch

Einfuhr insges.

40,1 31,3 25,6 21,7 35,8 37,4

49,9 10,4 8,6 32,8 32,8 48,8

darunter aus: Jugo- Griechenslaw. land-

Bulg.

1,5 2,1 15,3 14,7 24,6

0,9 3,6 1,7 1,3 1,0

0,6 2,3 13,0 6,0 4,7

(in 10001 Cr*)

Alban.

-

-

1,4 6,3

Vom Balkan insges.

In % der Einfuhr

In % vom Verbrauch

9,1 3,0 8,0 30,1 23,4 36,6

18 29 93 92 71 75

23 10 31 139 65 98

**) Jan.-Nov. Quelle: Jäger, S. 255 u. 263, Tab. 37 u. 38. - *) Ausbringbarer Chrominhalt (= 75-85 Prozent des analytischen Chrominhalts). Tabelle ist mit den voranstehenden Tabellen (betr. Chromerz) nicht direkt vergleichbar.

An der deutschen Einfuhr gemessen, kamen 1941 und 1942 aus den Balkanländern 93 bzw. 92 Prozent, dagegen 1943 und 1944 infolge der wieder einsetzenden türkischen Lieferungen 71 bzw. 75 Prozent. Somit verschaffte sich NS-Deutschland in den okkupierten Balkanländern über drei Jahre lang eine Versorgung seiner Wirtschaft mit Chrom in „friedensmäßiger" Höhe. Die Bergbauabteilung des Reichswirtschaftsministeriums (Oberberghauptmann) rechnete im August 1943 die Metall- bzw. Erzlieferungen des Balkans für 1943 auf ihren Anteil am deutschen Gesamtaufkommen hoch. Chrom machte dabei 65 Prozent aus, Antimon 40 Prozent, Blei 18 bis 19 Prozent, Kupfer 15 Prozent und Bauxit 10 bis 12 Prozent. Der Beitrag des Balkans zur deutschen Metallversorgung sei wesentlich, vor allem was die genannten Metalle betreffe, der Schutz der Gruben, besonders der kleineren Chrom- und Antimonanlagen, dringlich. „Ein Teil dieser Betriebe ist bereits von Banden überfallen, vielfach zerstört worden. Die Produktion fiel oft für Monate aus. Die wichtigsten Chromerzgruben werden jetzt von Bergbausoldaten und Landesschützen gesichert. ... In Kürze werden weitere Bergbausoldaten vor allem auf den Großanlagen zum Einsatz kommen." 157 Die größten Chromerzgruben lagen im bulgarisch besetzten Mazedonien (nordwestlich und nordöstlich von Skopje), mehrere kleinere in Griechenland. Die Erzförderung in Albanien in den großen Gruben Kukes und Letaj wurde unmittelbar nach der Übernahme aus italie-

157 BAP, FS, Film 3365, Ausarb. RWiM/OBH üb. „Bedeutung des Balkans für die Rohstoffversorgung der deutschen Rüstungsindustrie", 6.8.1943.

352

Zerfall des Okkupationssystems

nischer Verwaltung (September 1943) in Gang gebracht und erweitert; später wurden weitere Gruben betrieben. Für 1944 veranschlagte die Bergbauabteilung eine Ausbeute von 201 100 t Chromerz im Südostraum (53 500 t Metallinhalt), etwa ein Drittel mehr als im Voijahr.158 Der Zuwachs sollte ganz überwiegend aus den albanischen Gruben kommen. Tatsächlich war die Ausbeutung der Chromerzbergwerke bis August 1944 erfolgreich. Jedoch erzielten die Okkupanten diesen Erfolg in ständigem, kräftezehrendem Abwehrkampf gegen die Partisanen. Seit Herbst/Winter 1943 stand mehr und mehr der gesamte Metallerzbergbau im besetzten Südosteuropa unter der Wirkung der Partisanentätigkeit. „Abgesehen von zum Teil erheblichen Sachschäden infolge Vernichtung von Maschinen, Werkzeugen und Transportmitteln und infolge Wegnahme von Sprengstoffen, Tragtieren, Lebensmitteln und Geld sind die Überfälle der Banditen fast ausnahmslos mit zum Teil großen Förderausfällen verbunden." 159 Immer mehr bewaffnete Kräfte waren notwendig, um zum Betrieb des Bergbaus „die Voraussetzungen zu schaffen, die in der Befriedung der weiteren Umgebung und der Sicherung der Transportwege sowie dem Schutz der Betriebe gegen Bandenangriffe und im bescheidenen Rahmen gegen Luftangriffe bei den besonders wertvollen Objekten bestehen müßten." Am 21. April 1944 stellte die Türkei ihre erst im März des Voqahres wieder aufgenommenen Chromerzlieferungen ein, wenn auch gewisse Erzmengen anscheinend noch bis November Deutschland erreichten.160 Daraufhin erging ein „Führerauftrag zur Durchführung der Steigerung der Chromerzförderung", der offensichtlich die deutschen Dienststellen zu vermehrter Aktivität angetrieben und mit erweiterten Vollmachten und Befugnissen ausgestattet hat.161 Hiermit hing wohl die Benennung des Generals des Transportwesens Südost im Mai als Bevollmächtigter für die Steigerung der Chromerztransporte zusammen; seither fuhren diese Transporte wie Wehrmachtsgut mit Wehrmachtsfahrtnummern.162 Im Sommer 1944 war die Sicherung der Bergwerke „auf Grund ihrer kriegsentscheidenden Bedeutung" zur erstrangigen „taktischen Aufgabe" der gesamten Besatzungsstreitkräfte geworden, wie das der Generalstab der 2. Panzerarmee festlegte.163 158 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 278, Dok. 201, Aufz. RWiM/OBH üb. Bespr. v. 18.10.1943, betr. Chromerzförderung in Albanien, 2.11.1943. 159 Ebenda, S. 297, Dok. 226, RWiM/OBH an OKW/WWiStab, 17.1.1944. 160 Jäger, S. 259 f. Wahrscheinlich ist es aber, daß in der Statistik Monate später Lieferungen und Transporte aus früheren Monaten auftauchten, wie das auch in der Außenhandelsstatistik häufig geschah (s. Kap. V im vorl. Bd.). 161 „Führerauftrag ..." v. 25.4. (?) 1944; bekanntgegeben in zwei OKW-Befehlen v. 1.5.1944 (im Wortlaut bisher nicht bekannt); Erwähnung in BAP, FS, Film 10642, GBM Südost an RWiM/ OBH, 10.6.1944. Der GBM Südost teilte hierin mit, daß im „Führerauftrag" seine Anträge vom April „vom Führer vollinhaltlich angenommen" worden seien. Diese Anträge und Forderungen richteten sich, nach Aufzeichnungen über verschiedene Besprechungen, allgemein auf eine „Befriedung des Südostraumes" und speziell auf die „sofortige Beschaffung" von LKW und LKWReifen, auf die „Bereitstellung von Maschinen, Material und vor allem Grubenholz" und auf die Beschaffung von Arbeitskräften (ebenda, AN RWiM/OBH v. 24.4. und v. „Mai" 1944). 162 Jäger, S. 256, Anm. 3. 163 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 338, Dok. 284, Richtlinien d. Chefs d. Gen.-stabs der 2. Panzerarmee, 4.7.1944.

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan

353

Ende August wandte sich Oberberghauptmann Oskar Gabel persönlich an das Feldwirtschaftsamt des OKW mit der dringenden Aufforderung, die Wehrmacht müsse den Metallerzbergbau des „Südostraums" schützen. „Am allerwichtigsten ist Chromerz, da Chrom bei der Herstellung von Edelstahlen durch andere Metalle nur in geringem Umfang ersetzt werden kann, wobei die Austauschmetalle selbst zu den Mangelmetallen gehören. Es gibt in Europa keine andere Möglichkeit, Chromerz zu gewinnen, außer auf dem Balkan... Der Schutz des Chromerzbergbaus und der Chromerztransporte muß daher als eine der vordringlichsten Aufgaben der deutschen Wehrmacht angesehen werden. ... Nach diesen Gesichtspunkten betrachtet, ergibt sich für den Schutz der Bergwerksanlagen folgende Einstufung der einzelnen Betriebe oder Grubenbezirke: 1. Chromerzbergbau im Räume von Skopje und Nordalbanien. Eine Aufgabe dieses Gebietes würde die schwerwiegendsten Folgen für die deutsche Stahlveredelung nach sich ziehen. 2. Chromerzbergbau von Valandovo (Bahnstrecke Skopje - Saloniki) und in Südalbanien. 3. Chromerzbergbau in Mittelgriechenland (Grube Domokós an der Bahnlinie Skopje - Athen)."164 Etwa zu dieser Zeit, Ende August/Anfang September 1944, führten die militärischen und Transportverhältnisse zur weitgehenden Einstellung des gesamten Bergbaus im Südosten. Die Sicherungstruppen wurden unter dem Druck der seit Juli von Montenegro aus nach Serbien geführten Partisanenoffensive überall von den Bergwerken und Betrieben abgezogen bzw. immer weiter ausgedünnt. Die Hauptverkehrsverbindungen von Mazedonien und Griechenland nach Belgrad und Agram (Zagreb) waren die neuralgischsten Punkte der Erztransporte. „Durch kommunistische Sabotage und die Auswirkung der in verstärktem Maße sich fortsetzenden feindlichen Luftangriffe erfuhr die Verkehrslage eine erhebliche Verschlechterung; allein im Zeitraum eines Monats fielen über 100 Lokomotiven aus; die Oststrecke war seit Anfang August überhaupt nicht mehr, die Weststrecke nur noch teilweise befahrbar." 165 In der ersten Septemberhälfte setzte die endgültige Krise ein. Von Weichs berichtete Jodl: „Mit den politischen und operativen Feinderfolgen im rumänischen (fälschlich zit.: russischen - D. E.) und bulgarischen Raum koordiniert sind die roten Bandenverbände im Innern des Südostraumes zum entscheidenden Angriff auf die Verkehrslinien und Machtpositionen der Besatzungstruppe angetreten. Schwerpunkt liegt einwandfrei in Serbien und Mazedonien. ... Tatsächlich ist es Tito bereits gelungen, im Zusammenwirken mit der anglo-amerikanischen Luftwaffe den durchlaufenden Eisenbahnverkehr von Griechenland nach Belgrad fast völlig lahmzulegen".166 Hier mischte Hitler selbst sich ein, der sich durch die Gefahren für die Chromversorgung beeindruckt zeigte: „Führer legt größten Wert darauf, daß Chromgebiet im Südosten gehalten wird, daher (sind) 5 000 Mann Luftwaffe im Südosten (zu) belassen."167 Eine ausführliche Darstellung der Krise im September 1944 stammt vom Chef des Wehr164 Ebenda, S. 356, Dok. 309, RWiM/OBH an OKW/FWiAmt, 30.8.1944. - Es folgten in der Aufstellung Molybdän und Schwefelkies (Mackatica), Antimon (Gruben in Westserbien), Blei, Zink, Wismut (Trepéa), Kupfer (Bor) und Bauxit (Mostar u. a.). 165 Ebenda, S. 370, Dok. 329, Lagebericht Chef WWiStab Südost f. III. Quartal 1944, 30.9.1944. 166 Ebenda, S. 366 f., Dok. 323, v. Weichs an Jodl, 20.9.1944. 167 IfZ, ED 115, NL Jodl, Bd. 3 (Tagebuch Jodl), 23.9.1944.

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Zerfall des Okkupationssystems

wirtschaftsstabes Südost: „Dadurch, daß das bulgarische Okkupationskorps aus Serbien abmarschierte und sich in Mazedonien der bulgarische Freund in einen Feind verwandelte, entfielen die Sicherungen bei allen Bergwerken in Mazedonien und dem größten Teil der Bergwerke in Serbien. Vermehrte Überfälle kommunistischer Banden waren die Folge. Die immer wieder in Besprechungen mit Mbfh. Südost und insbesondere OB Südost erneuten Versuche, die Sicherungen durch andere Kräfte zu ersetzen, scheiterten daran, daß die zur Verfügung stehenden geringen deutschen Truppen und die auf ihrer Seite kämpfenden serbischen Verbände nur zur aktiven Bekämpfung der kommunistischen gut ausgerüsteten Banden und der (Sicherung der) äußerst gefährdeten Verkehrswege Verwendung finden mußten. ... Weisung von OKW/WFSt, die im Laufe des Monats September mehrfach gegeben wurden, die Chromerzbetriebe und das Kupferbergwerk Bor unbedingt zu halten und noch die Haldenbestände abzutransportieren, konnten angesichts der weiteren Entwicklung der militärischen Lage und wegen des Ausfalls der Bahnen nicht durchgeführt werden".168 In der Tat, das OKW und Hitler selbst schalteten sich mehrfach durch verzweifelte Haltebefehle (12., 18., 21. September) in das Geschehen ein. Nachdem Speer den „Führer" am 21. oder 22. September noch einmal vor Rohstoffschwierigkeiten durch „Absetzbewegungen" gewarnt hatte169, forderte Hitler umgehend „mündlich ..., daß alles geschehen müsse, um die auf Halde liegenden Bestände abzufahren und darüberhinaus den Metallerzbergbau wieder anlaufen zu lassen. Die Heeresgruppe habe die dazu notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu treffen." 170 Dabei war die Aussichtslosigkeit derartiger „Führerentscheidungen" allen Beteiligten klar. Der Rüstungsminister selbst hatte schon am 6. September die OT-Einheiten von den Bergwerken zurückgezogen. Niemand rechnete denn auch zu dieser Zeit, unter den dramatischen Umständen der Partisanenoffensive, des Vormarschs der Roten Armee in Ostungarn und des deutschen Rückzugs aus Südgriechenland, noch mit entsprechenden konkreten, operativen Befehlen an die Heeresgruppe F und den Chef des Transportwesens. Während im September die Chromerzförderung auch auf den letzten Gruben eingestellt wurde, gelang es anscheinend trotzdem noch bis in den Oktober hinein, bestimmte Mengen an Erz von den Gruben und Halden abzufahren, allerdings unter ständigem Kampf um Waggons und LKW bzw. um den Schutz oder die Wiederherstellung der Hauptverkehrsverbindungen. Noch am 28. September meldete Neuhausen als „abtransportfähig" fünf Züge mit Chromerz (2 5001), die „südlich Mitrovica auf der Strecke" lagen, und 5 0001 Erz und 6001 Konzentrat in Zostoff und Radusa (Mazedonien). In Saloniki wären Hunderte Tonnen Chromerz versandbereit. „Alle übrigen Erzvorräte, insbesondere Chromerze in Nordalbanien, sind erst nach Wiederherstellung der Sicherheit und technischer Wiederinstandsetzung greifbar." 171 Tatsächlich konzentrierten sich in diesen Wochen die Bemühungen und Aktionen der zentralen und Okkupationswirtschaftsbehörden ganz auf den Eitransport. Der Oberberghauptmann forderte in einer grundsätzlichen Ausarbeitung über „Die gegenwärtige Bedeutung des 168 WieAnm. 165. 169 FB, 21.-23.9.1944, Punkt 17. 170 BAP, FS, Film 10642, AN BfV v. 25.9. üb. Telef. v. 23.9.1944 mit VOffz. RMRuK d. Chefs OKW. Dort auch die erwähnten Befehle des OKW/WFSt. 171 Ebenda, Bericht GBM Südost an BfV, 28.9.1944.

Das Ende der Rohstofflieferangen vom Balkan

355

zentralen Balkans für die Versorgung der deutschen Rüstungsindustrie mit mineralischen Rohstoffen", es sei „mindestens Abtransport von Chromerzen aus dem Raum Skopje und Nordalbanien dringend geboten."172 Jäger setzt das Ende aller Erztransporte mit der Eroberung Belgrads durch sowjetische und jugoslawische Streitkräfte am 20. Oktober 1944 an.173 Die Stillegung und Räumung und die nach Maßgabe der Möglichkeiten der Okkupanten durchgeführte Zerstörung der Bergwerke und der dazugehörigen Produktions- und Transportanlagen liefen freilich in den betroffenen Ländern unterschiedlich ab. In Griechenland fiel die Chromerzausfuhr 1943 gegenüber 1942 fast auf die Hälfte. Die ersten Partisanenaktionen gegen die Chromerzgruben fanden in den Wintermonaten 1942/43 statt. Im Februar/März 1943 führten diese Aktionen zur Stillegung mehrerer Gruben. Nach Angaben des Wehrwirtschaftsstabes Griechenland handelte es sich um die Gruben Olympos, Elafina, Chromion und Tsangli.174 Seit Ende Juli 1944, so meldete Hermann Neubachers Athener Vertreter, beherrschten die Deutschen in Griechenland „kein größeres zusammenhängendes Gebiet mehr".175 Aus Generaloberst Alexander Lohrs Weisung vom 4. August, „aus dem Lande noch herauszuholen, was möglich ist"176, sprach wohl schon resignative Einsicht in diese Realität. Trotzdem wuchs die griechische Chromerzausbeute noch bis August 1944 ständig an. Der Förderausfall bei den stillstehenden Gruben wurde durch die Leistungen der übrigen, besonders der Grube Domokós, die insgesamt mehr als die Hälfte der griechischen Erzausbeute lieferte, mehr als wettgemacht. Von Januar bis August 1944, wurde fast so viel Erz abgefahren (94 Prozent) und nicht viel weniger gefördert (85 Prozent) als im ganzen Jahr 1943.177 Tabelle 110 Förderung und Abtransport von Chromerz aus Griechenland, 1942 - August 1944 (in t) Förderung 1942 1943 1944, Januar - August Insgesamt ( 1 . 1 . 1 9 4 2 - 1.9.1944)

Abtransport

49 600 38 000 32 300

62 000 33 000 31 000

119 700

126 800

Quelle: Wie Anm. 177.

172 Ebenda, Ausarb. RWiM/OBH, 14.9.1944. 173 Jäger, S. 254. 174 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 361, Dok. 316, Bericht d. Gruppe Bergbau des WWiStab Griechenland an FWiAmt d. OKW, 10.9.1944. Hiernach wurden vom 1.1.1942 bis 1.9.1944 im griechischen Raum 119 7001 Chromerz gefördert (1942: 49 600; 1943: 38 000; 1944: 32 100) und 126 8001 nach Deutschland abtransportiert; Zahlen, die zumindest für 1943 und 1944 offensichtlich weitaus zu hoch liegen (vgl. Tab. ). 175 AdaP, E, Bd. VIII, S. 259, Dok. 136, Kurt v. Graevenitz an Neubacher, 28.7.1944. 176 Zit. in Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 74. 177 BAP, FS, Film 10660, GBM Südost/Beauftr. Griechenland, „Monatsbericht August und Abschlußbericht üb. d. Metallerzbergbau Griechenland", 10.9.1944.

356

Zerfall des Okkupationssystems

„Am 31.8.1944 erhielt das im griechischen Bergbau arbeitende Technische Batl. 26 (mot.) 'Bergbau' den Befehl, alle griechischen Gruben mit Ausnahme von Domokós (Chrom) und Axioupolis (Molybdän) zu räumen." 178 Zwei Tage später mußte auch Domokós geräumt und mit einem Erzvorrat von 20 0001 den Griechen übergeben werden;'nicht ohne daß die Deutschen die Grube absaufen und wichtige Anlagen- und Maschinenteile mitgehen ließen. Als verkehrsmäßig „abgeschnitten" wurde Griechenland am 6. September gemeldet, „da die Bahnstrecken an verschiedenen Stellen durch Luftangriffe so nachhaltig zerstört sind, daß die Wiederherstellung 3 - 4 Wochen in Anspruch nehmen dürfte." 179 In Mazedonien, dem Hauptlieferanten von Chromerz, gab es Mitte 1944 größere Produktionsausfälle, nachdem bereits Förderung und Erzabtransport von 1942 und 1943 weit übertroffen waren. Daß der Transport zuerst noch zügig lief, ist zum Teil wahrscheinlich den rigorosen Maßnahmen des OKW nach dem erwähnten „Führerauftrag" zuzuschreiben. Die bulgarischen Sicherungskräfte zogen schon früh, Anfang September, von Mazedonien ab. „Laut Mitteilung Oberbauleiter Skopje beginnen die Bulgaren, den mazedonischen Raum zu verlassen. Dadurch entbrennen umfangreiche Bodenkämpfe." 180 Vorerst blieben die Gruben noch von deutschen Bergbausoldaten besetzt. „Es wird jedoch nicht gearbeitet, da die militärischen Aufgaben die Soldaten völlig auslasten."181 Zwischen dem 9. und 17. September wurden sämtliche Bergwerke in Mazedonien geräumt. „Das Bergbaubataillon - soweit in Mazedonien eingesetzt - erhielt endgültig am 9.9.1944 vom Wehrmachtsbefehlshaber Mazedonien den Befehl, die Gruben zu verlassen und die Sicherung der Eisenbahn und Nachschubstraßen zu übernehmen." 182 Auch hier wurden die Gruben überall „gelähmt" und zum Absaufen gebracht. Fraglich ist, ob und wie lange noch Haldenerz abgefahren werden konnte. Die albanischen Chromerzgruben, die teils in Altalbanien, teils im Kosovo-Gebiet lagen, fielen im September 1943 mit dem Einmarsch der deutschen 2. Panzerarmee nach Albanien unter deutsche Regie. Sofort nach der militärischen Besetzung ernannte der „Generalbevollmächtigte für den Metallerzbergbau Südost" einen Beauftragten „zur Wahrung der deutschen Bergbauinteressen" in Tirana, „welcher das Einverständnis der (gerade erst mit deutscher Hilfe installierten - D. E.) vorläufigen albanischen Regierung für die Übernahme der Chromerzgruben durch die reichseigene Südost-Montan GmbH herbeiführen konnte".183 Von Oktober 1943 bis August 1944 stieg die Chromerzförderung auf das Dreißigfache, auf über 10 000 Tonnen im August, d. h. fast auf die Höhe der mazedonischen Gruben.

178 BÄK, R 3/1967, Bl. 22, „Vorläufiger Bericht" des GBM Südost f. Sept. 1944, 17.9.1944. Auch das Folgende hiernach und nach ebenda, Monatsbericht des GBM Südost für August und September 1944, 1.10.1944. 179 BAP, FS, Film 10642, AN RWiM/OBH üb. Telef. mit GBM Südost, 6.9.1944. 180 Ebenda, AN RWiM/OBH, 1.9.1944. 181 WieAnm. 179. 182 WieAnm. 178(1.10.). 183 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 402, Dok. 364, Abschlußbericht d. Mil.-verwaltung Südost, 10.4.1945.

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan Tabelle 111 Förderung und Abtransport Monate; in t)

357

von Chromerz aus Albanien, Oktober 1943 - August 1944

Förderung

(ausgewählte

Abtransport

Oktober 1943 Januar 1944 April 1944 Juli 1944 August 1944

354 1 263 5 800 7 761 10 267

894 652 6 570 5 203

Insgesamt (Oktober 1943 - August 1944)

42 902

28 832

Quelle: Wie Anm. 183; für April 1944: Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 325, Dok. 266, Monatsbericht RWiM betr. Albanien für April 1944; für Juli 1944: BAP, FS, Film 10638, OKW/FWiAmt, Monatsbericht für Juli.

Die südalbanischen Gruben, von denen bis zur Räumung nur eine in Betrieb genommen werden konnte184, wurden schon am 28. August 1944 „unter Rückführung sämtlichen wichtigen Materials" geräumt.185 In Nordalbanien und im Kosovo-Gebiet verschlechterte sich im September die Lage schnell. In einigen Gruben scheint die Förderung noch bis Mitte September ungestört weitergelaufen zu sein; andere Informationen besagen, daß doch schon am 10. September „wegen der völligen Unmöglichkeit, auch die geringsten Erzmengen noch zum Abtransport zu bringen", die Aufgabe der Gruben befohlen worden sei. Am 11. September „lagen in Albanien etwa 30 0001 Chromerz, ohne daß Aussicht auf Abtransport in absehbarer Zeit bestand." 186 Im Kosovo-Gebiet stellte zur gleichen Zeit (10. September) wegen der „Zuspitzung der Lage" die Eisenbahn den Eitransport ein; neun Züge lagen fest wegen der Zerstörungen an der Brücke von Mitrovica.187 „Während im August nur unbedeutende Bedrohungen der Grubenreviere durch rote Banden erfolgten, nahm die Tätigkeit der Partisanen im September schnell zu und zwang nach verschiedenen Überfällen und lebhaften Kämpfen zur Räumung aller Gruben, da eine Verstärkung der Sicherung bei der gegebenen Kräftelage unmöglich war und Teile der Sicherungstruppe (Skanderbeg-Division) desertierten." Am 12. September zog das Bergbaubataillon (1. Kompanie) nach Serbien ab; „der Beauftragte Albanien des GBM schloß sich mit der Gefolgschaft der Südostmontan unter Mitnahme des fahrbereiten Kraftfahrparks an." 184 Vor allem die Aktivität der Partisanen hinderte die Deutschen an der Ausbeutung der südalbanischen Gruben. Ende Mai 1944 erbat Rüstungsminister Speer Himmlers Hilfe, d. h. Stellung von SS-Polizeieinheiten, „unter deren Schutz die Gewinnung und der geregelte Abtransport der Chromerze ohne Zweifel sichergestellt werden könnte." (BÄK, R 3/1583, Bl. 49, Speer an Himmler, 27.5.1944). 185 Wie Anm. 178(1.10.). 186 Wie Anm. 178(17.9.). 187 Wie Anm. 178 (1.10.); hiernach auch das Folgende.

Zerfall des Okkupationssystems

358

Ursprünglich, im Herbst 1943, hatten die deutschen Behörden verschiedene, jedenfalls aber hohe Ziffern für die Chromerzförderung bzw. -einfuhr 1944 vom Balkan veranschlagt: dem Chromgehalt nach zwischen 44 000 Tonnen (Reichswirtschaftsministerium) und 53 000 Tonnen (Reichsstellen) bzw. 55 700 Tonnen (Beauftragter für Chromerzbergbau Südost; einschl. 2 200 Tonnen aus Bulgarien). Den deutschen Gesamtbedarf errechnete das Reichswirtschaftsministerium damals auf 58 500 Tonnen. Mit 36 600 Tonnen (nach den Zahlen von Jäger) tatsächlicher Einfuhr in neun bis zehn Monaten hatte die deutsche Besatzungsmacht die anteilige Erfüllung der Planziffern mit 80 bis 90 Prozent durchgesetzt188 - ein angesichts der Widerstände und Schwierigkeiten erstaunliches Ergebnis. Der GBM Südost ging von noch günstigeren Zahlen aus: „Eine Zusammenstellung der Soll- und Ist-Ziffern für die ersten acht Monate des Jahres 1944 ergibt folgendes Bild: Soll: 111 6001 Erz mit einem Chrominhalt von 29 9241, Ist: rund 170 2001 Erz mit einem Chrominhalt von rund 41 9001. Das ergibt für diese acht Monate eine Mehrleistung, die der Menge nach rund 58 6001 Erz (plus 52 Prozent) und dem Gehalt nach rund 11 9501 Chrom (plus 40 Prozent) beträgt."189 Tabelle 112 Chromerzförderung und -abfuhr aus Jugoslawien (Mazedonien), bis August 1944 (in t Cr-Inhalt)

Januar Februar März April Mai Juni Juli August

Januar

Insgesamt* (Abfuhr)

Mazedonien Förderung

Abfuhr

„Soll" lt. Planung für 1944

2 3 4 5 5 7 7 6

1 305 1 850 2718 3 137 3 993 4 801 4 772 4 235

1 150 1 822 3 281 4 074 4 058 4 879 4719 4 540

1 2 2 2 2 2 3 3

Abfuhr

„Soll"

Albanien Förderung

Abfuhr

„Soll"

678 667 648

722 722 722

401 495 446

374 374 374

237 006 375 454 747 074 323 680

Griechenland Förderung Januar 1944 Februar März

Griechenland und Albanien,

596 710 1 277

327 485 835

938 020 148 148 420 455 148 148

188 Jäger, S. 255 f. = ausbringbarer Cr-Inhalt; (15 bis 25 Prozent unter dem analysierten Cr-Inhalt); Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 278, Dok. 201, Aufz. RWiM üb. Bespr. am 18.10.1943, 2.11.1943; ebenda, S. 353, Dok. 302, Bericht d. GBM Südost, 21.8.1944; s. a. Tab. 112. Der GBM Südost rechnete allein für Januar bis Juli 1944 43 000 t gefördertes Chrom ab - zweifellos eine geschönte bzw. Fehlrechnung. 189 Wie Anm. 178(1.10.).

Das Ende der Rohstofflieferungen vom Balkan Tabelle 112

(Fortsetzung) Griechenland Förderung

April Mai Juni Juli August

359

853 586 840 823 902

Abfuhr

„Soll"

593 919 994 1 004 922

722 765 765 765 765

Albanien Förderung

1 1 1 2

730 281 548 937 379

Abfuhr

„Soll"

787 749 1 178 1 600 1 218

374 782 782 782 782

*) Bis Juni einschl. einer geringen Menge Chromerz aus Serbien. Quelle: Β AP, FS, Film 10638, Monatsberichte des GBM Südost.

Bleibt noch die Beurteilung des letzten Aktes vor dem endgültigen Abzug der Okkupanten: der Zerstörung der in ihrer Hand befindlichen Produktions- und Transportanlagen. Alle Bergwerke, Förderanlagen, dazugehörige Kraftwerke wurden, wann immer nur Gelegenheit dazu blieb, „teilweise gelähmt, teilweise zerstört".190 Die offizielle Weisung des Beauftragten für den Vierjahresplan vom 8. September 1944 lautete, überall zu „lähmen", dagegen bis auf Ausnahmen nicht zu „zerstören", mit dem Argument, die Feinde verfügten über genug Chrom und Kupfer, für Deutschland seien die Balkangruben jedoch die einzige Quelle, und man müsse sie nach Wiedereroberung sofort weiternutzen. „1. Die Bergwerksbetriebe sind durch Ausbau funktionswichtiger Organe zu lähmen. 2. Aus den Bergwerksbetrieben sind nur solche Maschinen abzutransportieren, die im Reich eingesetzt und mit Sicherheit abgefahren werden können. 3. Im Blei-Zink-Betrieb Trepca ist [nur] die Hütte zu zerstören. 4. Im übrigen sind keine Zerstörungen vorzunehmen."191 Doch scheint die Weisung schon auf Grund ihres späten Datums vielfach nicht mehr rechtzeitig an Ort und Stelle gelangt zu sein. Die weiteren Zerstörungen von Wirtschaftsobjekten - Häfen, Brücken, Bahnhöfen, Eisenbahnstrecken und rollendem Material - hatten zwar in der Regel keine ausschließlich wirtschaftliche Zwecksetzung, sollten aber gerade die wirtschaftliche Regenerations- und Entwicklungskraft des geräumten Landes auf Jahre hinaus lähmen. In Griechenland sprengten die Okkupanten bei ihrem Rückzug 52 Straßenbrücken, zerstörten 68 Eisenbahnbrücken, Anlagen und Einrichtungen von 42 Bahnhöfen, ließen 73 Lokomotiven und 505 Waggons abstürzen, zerstörten Flugplätze und Häfen.192 Im Hafen von Saloniki wurden große und kleine Dampfer, Schlepper und Segler versenkt, „sämtliche Molen, Kräne und Einrichtungen durch Sprengung und die Hallen durch Feuer vernichtet. Desgleichen wurden die Bahnhöfe

190 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 377, Dok. 337, Ani. ζ. Bericht OB Südost/OQu an Chef d. Gen.-stabs b. OB Südost, 15.10.1944. 191 BAP, FS, Film 10642, BfV an GBM Südost betr. ARLZ-Aktion im Bergbau Südost, 8.9.1944. Die Weisung erging „im Einvernehmen" mit dem RMRuK. 192 Europa unterm Hakenkreuz, Bd. 6, S. 381, Dok. 342, Meldung d. Oberkommandos der HGr. E an GFM v.Weichs, 31.10.1944.

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Zerfall des Okkupationssystems

und Gleisanlagen restlos zerstört. Sachverständige äußerten, daß es 10 Jahre dauern würde, um die umfangreichen Zerstörungen wiederherzustellen".193 Auch Albanien könne, so berichtete die deutsche Militärverwaltung kurz vor Kriegsende nun mit falschem Bedauern - nach der Sprengung eines Großteils der Brücken und der Zerstörung der Häfen des Landes „in seiner modernen Entwicklung hierdurch um Jahrzehnte zurückgeworfen werden".194

3. Besatzungsalltag auf Kreta 1943-1944. Eine Dokumentation Von Hagen Fleischer

a) Die deutsche Besatzungsherrschaft

bis zur italienischen

Kapitulation

Bereits im Juni 1941 hatte die „Führerweisung" Nr. 31 der unter schweren Opfern eroberten Insel Kreta eine „Sonderstellung" zugewiesen: „Organisation und Aufbau dieser Basis, ihrer Sicherung und ihrer Versorgung ist im Südostraum die zur Zeit vordringlichste Aufgabe" 195 . Obgleich Hitler den Wünschen seines Bundesgenossen partiell entgegenkommt und von den vier kretischen Präfekturen (Nomarchien) die östliche (Lasithi) italienischer Besatzung unterstellt, so ist doch auch diese „in allen taktischen Fragen, die sich auf die einheitliche Verteidigung der Insel beziehen", dem deutschen „Kommandanten der Festung Kreta" unterstellt, einem Luftwaffengeneral, der weitgehend autonom die vollziehende Gewalt ausübt. Die anderen „Gaue" 196 (Chania, Rethymnon, Heraklion) unterstehen ohnehin deutscher territorialer Verwaltung. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, die nahezu allgemein anerkannte These vom totalen territorialen Desinteresse des NS-Regimes an Griechenland zu korrigieren.197 Tatsächlich hatte seit 1941 namentlich die Seekriegsleitung des Oberkommandos der Marine (OKM) ihr langfristiges Interesse an dem unversenkbaren Flugzeugträger bekundet; im Juli 1942 unterbreitet sie dem Führerhauptquartier eine elfseitige Denkschrift, in der die Eventualität einer Überlassung Kretas an die Italiener entschieden abgelehnt wird: Nicht nur für die Dauer des Krieges, sondern erst recht danach komme der Insel „für die Überwachung des ganzen Südostraumes ... im Rahmen des europäischen Sicherheitssystems die Bedeutung einer Schlüsselstellung zu". Diese Feststellung gelte nicht nur der „hervorragend wichtigen" militärischen Bedeutung dieses „beherrschenden Riegels für die Dardanellen und die Gesamtägäis" und „in Ergänzung deutscher Stützpunkte am Schwarzen Meer"; vielmehr sei „auch 193 Ebenda, S. 380 f., Dok. 341, Tät.-bericht d. Gruppe Geh. Feldpolizei 621 üb. d. Zeit v. 13. bis 29.10.1944,5.12.1944. 194 Wie Anm. 183. 195 Hitlers Weisungen für die Kriegführung, S. 124 (9.6.41). 196 Wiederholt wird die griechische Verwaltungseinheit Nomos bzw. Nomarchie mit „Gau" übersetzt. In der Praxis kann sich dieser Vorschlag aber nicht gegenüber dem altgewohnten Terminus „Präfektur" (oder auch Kreis) durchsetzen. 197 Vgl. Fleischer, Hagen, Geostratigika schedia tis nazistikis Gemianías già ti metapolemiki Kriti, Histórica, 16 (Juni 1992), S. 135-158, sowie dortige Literatur- und Quellenhinweise.

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besonders in politischer Hinsicht... der Besitz Kretas in deutscher Hand im Frieden von entscheidendem Wert", da damit die „Machtstellung Großdeutschlands den Balkanländern und der Türkei gegenüber eindeutig dokumentiert" und die „russisch-asiatische Machtausstrahlung" eingedämmt werde. Zum Schluß ihrer Lagebetrachtung verweist das OKM ein weiteres Mal nachdrücklich auf die herausragende Bedeutung Kretas (vergleichbar jener Maltas für England!) im Kriege und insbesondere „für den Frieden"; somit wird „der politischen Führung die Erhaltung Kretas in deutschem Besitz im seestrategischen, wirtschaftlichen und politischen Interesse der großdeutschen Belange dringend" angeraten.198 Hitler, der (bei Tische) seine Position zum Thema permanenter mediterraner Außenposten eines künftigen deutschen Großreichs mehrfach revidiert und sich zeitweise mit der Einrichtung einer KdF-Station „begnügen" will, stimmt schließlich einer Intervention Raeders zu.199 Zu diesem Zeitpunkt ist die Insel aber bereits ohnehin eines der Gebiete mit der höchsten Besatzungsdichte in ganz Europa, und die drei Wehrmachtsteile verbauen ungeheure Betonmengen, als planten sie zumindest für die bewußten tausend Jahre. Alexander Andrae, der im Sommer 1941 General Student als Inselkommandanten ablöst, versucht, sich von der harten Repressalienpolitik seines Vorgängers abzusetzen und bietet der Zivilbevölkerung demonstrativ die Hand der Versöhnung.200 Diese Politik der „Befriedung" bleibt nicht ohne Erfolg. Parallel hierzu unternimmt es der Festungskommandant wiederholt, seine eigenen, ohnehin beträchtlichen Vollmachten weiter auszubauen und unter Umgehung hierarchischer Zwischenglieder (namentlich des Befehlshabers Südgriechenland) ein direktes Unterstellungsverhältnis zum Wehrmachtsbefehlshaber Südost zu erreichen oder gar in eigener Regie mit Berliner Dienststellen zu verhandeln. Cum grano salis erwirbt sich daher Andrae wegen seiner „äußerst weitreichenden Autonomie und seiner Machtfülle" auf Kreta den Beinamen „Kaiser".201 Hartnäckig versucht er im Frühjahr 1942, „seine" Insel vom ökonomischen Chaos des Festlands und der hyperinflationären Drachme zu lösen - bezeichnenderweise gleichzeitig mit den analogen (und schließlich erfolgreichen) Bemühungen der Italiener, auf den von ihnen de facto annektierten Ionischen Inseln eine „Ionische Drachme" einzuführen. Für sein Projekt einer kretischen Separatwährung (gedeckt durch Olivenöl und andere einhei198 BA/MA, RM 7/235: Nr. 1. Ski. Ib (plan) 1381/42g. K. Chefs., Lagebetrachtung, 28.7.1942; (Passagen in Schreiber, Gerhard, Italien im machtpolitischen Kalkül der deutschen Marineführung 1919 bis 1945, Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, 62 (1982), S. 263f.). 199 Vgl. Wagner, Gerhard (Hrsg.), Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939-1945, München 1972, S. 409 (26.8.42); Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, S. 272 (8.5.42); andere Zitate in: Fleischer, Geostratigika, S. 143 ff. - Die Marineführung war von derartigen Vorstellungen noch nicht einmal im Winter 1944/45 (nach der Räumung des griechischen Festlands!) gänzlich geheilt. Vgl. die Denkschrift des Generaladmirals Saal Wächter „zu Raumerweiterungs- und Stützpunktfragen" (Schreiber, Gerhard, Zur Kontinuität des Groß- und Weltmachtstrebens der deutschen Marineführung, Militärgeschichtliche Mitteilungen, 2 (1979), S. 154). 200 Vgl. insbesondere das zweisprachige „Mitteilungsblatt für Kreta", passim (v.a. 17/18/25/27.9.41). 201 Archives Diplomatiques, Paris (AD), Guerre 1 9 3 9 ^ 5 , Vichy-Europe, vol. 395: Légation Française en Grèce 49/30.5.42 (an Außenministerium).

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mische Produkte) gewinnt der General in Berlin das OKW, das Reichsfinanzministerium und die Reichsbankdirektion; doch das Reichswirtschaftsministerium und insbesondere das von der Athener Gesandtschaft alarmierte Auswärtige Amt bringen das „Ölgeld-Experiment" wegen seiner inhärenten finanztechnischen Schwierigkeiten und politischen Auswirkungen letztlich zu Fall.202 Im Herbst 1942 fällt Andrae nach einem Konflikt mit Göring in Ungnade und wird abgelöst; doch auch sein Nachfolger General Bruno Brauer, obgleich Veteran der Operation „Merkur", steuert einen relativ gemäßigten Kurs gegenüber der kretischen Bevölkerung. Auch der neue Kommandant wandelt in seiner Wirtschaftspolitik zumindest zeitweise auf Andraes Spuren, scheut er doch auch vor groben Eingriffen in die zivilen Verwaltungsbefugnisse und die Steuerhoheit des Athener Regimes nicht zurück. So erhebt Bräuer in eigener Machtvollkommenheit „in den drei deutschen Kreisen" (Präfekturen) eine Umlage in Milliardenhöhe zur Verbesserung der Lage der Wehrmachtsarbeiter - ohne die Gesandtschaft, den Sonderbeauftragten Südost des AA oder zumindest den Oberbefehlshaber Südost auch nur zu informieren. Erst als die verärgerten Italiener die politischen Stellen von dieser Eigenmächtigkeit in Kenntnis setzen, protestieren letztere beim Auswärtigen Amt, das seinerseits das OKW zum Eingreifen veranlaßt. Die Aktion wird gestoppt, das gesammelte Geld wird - wie noch auszuführen ist - auf eine Art sozialen Zwecken zugeführt, die es dem Festungskommando erlaubt, einen Gesichtsverlust zu vermeiden.203 Auf einer anderen Ebene sollte nicht unerwähnt bleiben, daß die kretische Berglandschaft heimatliche Assoziationen insbesondere bei Süddeutschen und „Ostmärkern" wachruft; darüber hinaus finden die Einheimischen vor dem gestrengen, „rassenbiologisch" geschulten Blick der Besatzer eher Gnade als die Festlandsgriechen: die Kreter werden als solider und arbeitsamer eingestuft, was damit erklärt wird, daß namentlich in abgelegenen Regionen der Insel die dorische Komponente noch deutlich wahrnehmbar sei.204 Unter dem Strich bleiben dem aufmerksamen Beobachter Indizien für langfristige deutsche Aspirationen nicht verborgen. So hegt etwa der Geschäftsträger der Vichy-Regierung keine Zweifel an der Absicht der Besatzer, „Bismarcks Fehler von 1878" (als „ehrlicher Makler" den Briten Zypern ohne Gegenleistung zu überlassen), nach gewonnenem Krieg auf Kreta zu korrigieren.205 Doch die Deutschen dementieren jede solche Intention206, und die bis heute gültige Lehrmeinung vom territorialen Desinteresse Berlins am griechischen Raum ist als einer der wenigen Langzeiterfolge der deutschen Propaganda - wenn auch auf einem „Nebenkriegsschauplatz" - zu werten.

202 Interviews Andrae und Altenburg mit Vf.; Memoranden, Protokolle etc. in BÄK, R 2/14569, Bl. 49-61; PA AA, R 27320, Bl. 45 f. 203 BAP, AA, Nr. 68610: Reichsbeauftragter Griechenland an AA, 847/15.3.43; Nr. 68611: 1241/ 20.4.43. 204 Siehe etwa: Geiseler, Erich, Kreta nach einem Jahr Aufbauarbeit. Ein starkes fleißiges Volk erarbeitet sich seine Zukunft. Donauzeitung, 28.6.42; weitere Quellenangaben in: Fleischer, Geostrati gika, S. 154 ff. 205 AD, Guerre 1939^*5, Vichy-Europe, vol. 395: Légation Française en Grèce 49/30.5.42 (an Außenministerium). 206 Kritikos Kiryx (Kretischer Herold), 29.11., 2.12.43.

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b) Die Besatzungsmacht als Kontrollorgan Administration Nach der italienischen Kapitulation unternimmt es die neugeschaffene Dienststelle des Militärbefehlshabers Griechenland, zusammen mit allen anderen Kommandanturen auch den „Territorialbereich der Festung Kreta" mit einer vorläufigen Dienstanweisung207 fester einzubinden. Von den zugewiesenen Aufgaben sind in diesem Zusammenhang folgende von besonderer Bedeutung: „1.) Aufrechterhalten von Ruhe und Ordnung in ihrem Bereich, Sicherung der militärischen und wehrwirtschaftlichen Objekte.... 5.) Aufsicht über die Zivilverwaltung. Oberfeldkommandant, Feld- und Ortskommandanten führen nach den Weisungen des Mil. Befh. Griechenland ... in ihrem Bereich die Aufsicht über die gesamte Zivilverwaltung einschl. der griechischen Verwaltungspolizei... Sie haben dafür zu sorgen, daß die Verwaltung im Gange bleibt und rechtlich geordnete Zustände herrschen. Die zivile Rechtsprechung bleibt grundsätzlich unberührt, soweit nicht die Zuständigkeit der Kriegsgerichte gegeben ist ... Die Präfekten, Unterpräfekten, Bürgermeister und Gemeindevorsteher sind an die Weisungen der Feld- und Ortskommandanten gebunden. Wo bisherige Vorstände der Verwaltungen geflüchtet sind, oder ihre Verwendung unzweckmäßig erscheint, legen die Ortskommandanten dem Oberfeldkommandanten bzw. dem Feldkommandanten Vorschläge für die Neubesetzung der Stellen durch angesehene und zuverlässige Personen der einheimischen Bevölkerung vor.... 6.) Regelung des Wirtschaftslebens. Der Oberfeldkommandant, die Feld- und Ortskommandanten sorgen ... für die Inganghaltung der Wirtschaft und ihre Ausnutzung für die Bedürfnisse der deutschen Kriegswirtschaft ... III. Zuständigkeit der Kommandanten. ... zuständig für Anordnungen und Maßnahmen, die sich auf ihren Befehlsbereich beschränken. Sie holen vor Anordnungen und Maßnahmen von grundsätzlicher Bedeutung, insbesondere vor allen Maßnahmen, die sich auf die Wirtschaft und die Finanzen des Landes auswirken, oder die von allgemein politischer oder militärischer Bedeutung sind, die Zustimmung des Mil. Befh.Griechenland ein ...Der Kommandant der Festung Kreta ist ermächtigt,Rechtsverordnungen für seinen Befehlsbereich zu erlassen. Die Verordnungen sind vor ihrer Veröffentlichung - von Eilfällen abgesehen - dem Mil. Befh. Griechenland vorzulegen. IV. Verkehr mit anderen Dienststellen. Der Verkehr mit dem Bevollmächtigten des Reichs, dem Sonderbeauftragten des Reichs für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland sowie der Verkehr mit den griech. Zentralbehörden ist ausschließlich dem Militärbefehlshaber Griechenland vorbehalten ... Der Kommandant der Festung Kreta ist an diese Weisung nicht gebunden ... 207 BA/MA, RW 40/126: Militärbefehlshaber Griechenland Ia/Qu. - Br.B. Nr. 2557/43 gKdos, 16.10.43 (an Kdt. Festg. Kreta, u. a.).

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V.

Gerichtsbarkeit Die Gerichte der Oberfeld- und Feldkommandanturen sind zuständig zur Verfolgung von Straftaten ... der Landeseinwohner, soweit dadurch Interessen der Deutschen Wehrmacht berührt werden." Bereits aus dieser Weisung werden die erweiterten Vollmachten des Festungskommandanten ersichtlich. In der Praxis zieht jener Vorteil aus der perennierenden Kontroverse zwischen den in Griechenland bzw. auf dem Balkan führenden territorialen und taktischen Kommandobehörden. Letztere, die Heeresgruppen E bzw. F, protestieren beim OKW, der Kommandant einer Festung könne nicht einem Territorialbefehlshaber unterstehen; das gleiche gelte für die kretischen Kreiskommandanturen.208 Dank dieser ungelösten internen Fehde, die trotz gelegentlicher und sich wiederholt aufhebender Weisungen bis zum Besatzungsende weiterschwelt, verfestigen sich die gewonnenen Freiräume der Kommandanten Bräuer bzw. (ab Anfang Juli 1944) Friedrich Wilhelm Müller zu nahezu uneingeschränkter Autonomie.209 Wie unter solchen Vorzeichen die zivile Selbstverwaltung auf Kreta unter deutscher Aufsicht praktiziert wurde, läßt sich in den unter abenteuerlichen Umständen geretteten, wenn auch lückenhaften Akten der Präfekturen Rethymnon und insbesondere Iraklion (Heraklion) verfolgen. Überliefert ist eine oft bis ins kleinste Detail gehende deutsch-griechische Behördenkorrespondenz (sowie die innergriechischen Weiterungen aus den Anordnungen der deutschen Dienststellen); doch fehlt leider die Gegenüberlieferung aus internen deutschen Akten.210 Diese Dokumentation stützt sich daher nahezu ausschließlich auf die vorgenannten Bestände, die jetzt im Historischen Archiv Kretas (IAK) einlagern. Was die Besetzung der Spitzenpositionen in der griechischen Verwaltung betrifft, lassen die Besatzungsbehörden der jeweils übergeordneten hierarchischen Ebene den Griechen bis zu einem gewissen Grade freie Hand. Gegen unliebsame personalpolitische Entscheidungen behält man sich ein Vetorecht vor; ergeben sich erst später belastende Momente, wie korrupte oder unfähige Amtsführung, anglophile Einstellung, .jüdische Versippung", wird je nach Schwere den griechischen Vorgesetzten die Ablösung befohlen, empfohlen, oder auch nur zur Erwägung gestellt. Im allgemeinen erfahren die deutschen Stellen von der „Verfehlung" ohnehin erst durch „wohlmeinende" griechische „Vertrauensleute", die sich von der Denunziation eigene Vorteile versprechen; mangelnde Effizienz wird hingegen oft genug deutscherseits beanstandet. Hinsichtlich der Neubesetzungen finden sich in den Akten oft Anregungen seitens der Besatzungsbehörden, auf denen letztere jedoch nicht unbedingt bestehen. Hartnäckiger zei-

208 BA/MA, RH 19 VII/10, Bl. 141, 147; 59053/4, Bericht Kronsbein 11.11.43; RW 40/168: Kdt. Festung Kreta, Ia 3000/44 gKdos 3.7.44; Fleischer, Hagen, Im Kreuzschatten der Mächte. Griechenland 1941-1944. (Okkupation - Resistance - Kollaboration), Frankfurt 1986, S. 369 ff. 209 Die Kehrseite der Medaille besteht darin, daß nach Kriegsende den ehemaligen Festungskommandanten die volle Verantwortung für alle Vorkommnisse auf der Insel zugeteilt wird. So werden am 20. Mai 1947, dem sechsten Jahrestag der „Operation Merkur", Bräuer und Müller in Athen füsiliert, ihr Vorgänger Andrae erhält viermal lebenslänglich, wird aber auf (bundes-)deutschen Druck Anfang 1952 begnadigt. 210 Auch die einschlägigen Bestände des BA/MA (namentlich Kdt. d. Fstg. Kreta, aus RW 40, und 22. Inf. Div., aus RH 26-22) tragen relativ wenig zu dieser Thematik bei.

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gen sie sich bei der Besetzung von Schlüsselpositionen, so etwa als Anfang 1943 der eigene Günstling Ioannis Passadakis, der sich zuvor als Präfekt von Iraklion im deutschen Sinne bewährt hatte, auf den Sessel des Ministergouverneurs gehievt wird. 2 " Weitaus am häufigsten rotiert das Nachfolgekarussell bei den Bürgermeistern. Am schnellsten läuft die Prozedur, wenn der alte Amtsträger „seine Stellung dazu benutzt, unsaubere Geschäfte zu machen", und sich die Kreiskommandantur die Erregung der betroffenen Bevölkerung(smehrheit) zu eigen macht. Zwei Tage nach Abgang, einen Tag nach Erhalt des deutschen Ersuchens antwortet der Präfekt, die Ablösung sei bereits vollzogen, nachdem polizeiliche Untersuchungen „zum Teil die Beschuldigungen der Bewohner" bestätigt hätten.212 In Fällen von Unterschlagung und ähnlichen Machenschaften tragen also die deutschen Stellen im Interesse der Effizienz sowie des eigenen Ansehens der vorherrschenden Meinung Rechnung (und beziehen dabei auch die Frage der Nachfolge mit ein); mit noch größerem Nachdruck betreiben sie den personellen Wechsel, sobald dem Amtsträger offenbar die notwendige Autorität abgeht, „sich den Ortseinwohnern gegenüber durchzusetzen".213 Das wohl wichtigste Indiz für eine solche Diagnose ist das Fehlen , jegliche(r) Initiative in der Gestellung der Arbeiter" für die Bedürfnisse der Wehrmacht.214 Arbeitsmarkt Hitlers frühe Weisung, Kreta zur Festung auszubauen, ist mit den Arbeitskraftresourcen der Wehrmacht und dem Potential einheimischer Freiwilliger (oder Arbeitsloser) auch nicht annähernd zu erfüllen. Anders als auf dem Festland, wo sich die deutschen Bedürfnisse lange aus dem städtischen Proletariat decken lassen und erst Anfang 1943 ergänzende Pläne einer Zivilmobilmachung ausgearbeitet werden (die dann gegenüber dem mittlerweile organisierten Widerstand nicht durchzusetzen sind)215, besteht auf Kreta seit den ersten Besatzungstagen eine prinzipielle Arbeitsverpflichtung: „Nach Aufforderung durch eine deutsche Dienststelle oder den Bürgermeister" kann die gesamte arbeitsfähige Bevölkerung, „ohne Ansehen des Berufes, Alters und Geschlechts", zu jeder Tätigkeit herangezogen werden. In der Praxis sind primär die Männer zwischen 16 und 45 (oder auch bis zu 60) Jahren betroffen, die ein Viertel ihrer Zeit (alle zwei Monate 15 Tage) den neuen Herren zur Verfügung stellen müssen. Nach verschiedenen Modifikationen erfolgt im Februar 1943 eine neue, teilweise ver211 Passadakis gehört zu den wenigen namhaften Kollaborateuren, die sich einer nahezu „unbedingten" Kollaboration verschrieben haben. (Fleischer, Hagen, Kollaboration und deutsche Politik im besetzten Griechenland. In: Europa unterm Hakenkreuz. Okkupation und Kollaboration (19381945), S. 395). 212 IAK, PI, v. 5al: KKI an PI, 26.7.43; PI an KKI, 28.7.43. 213 IAK, PI, v. 7a: KKI an PI, 13.3. u. 2.4.44 - Wenn hingegen ein Bürgermeister sich bewährt und Durchsetzungsvermögen gegen „Drückeberger" bewiesen hat, unterstützen ihn die deutschen Behörden gegen innergriechische Widerstände und lehnen es sogar ab, seinem eigenen Rücktrittswunsch wegen physischer und psychischer Erschöpfung zu entsprechen, (v. 7a, KKI an PI, 15. 12.43). 214 IAK, PI, v. 7a, KKI an PI, 25.11.43 u. 1.3.44. 215 Fleischer, Kreuzschatten, S. 167,625.

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schärfte Verordnung des Festungskommandanten, die auch die obligatorische Stellung von Arbeitstieren sowie schwere Strafen für Fälle von „Arbeitsverweigerung" vorsieht.216 Der Erfolg bleibt wiederum gering. Trotz der obligatorischen Registrierung bei den neugeschaffenen „Arbeitsämtern" verstehen es viele Kreter, sich der Arbeitsverpflichtung auf die eine oder andere Art zu entziehen; insbesondere auf dem Lande - wo der Hauptteil der Bevölkerung in oft unzugänglichen Bergdörfern lebt und ohnehin die kargen und primitiven Gegebenheiten der kretischen Landwirtschaft mit einem hohen Zeiteinsatz kompensieren muß - ist die Bereitschaft zur dürftig gelohnten „Angaria" (Fron) noch geringer. Schon früh überträgt daher die Besatzungsmacht die Verantwortung für die listenmäßige Erfassung und die anschließende Rekrutierung der benötigten Arbeitskräfte den Kommunen und namentlich den Bürgermeistern. Letztere sucht man dabei wechselweise mit Zuckerbrot und Peitsche gefügig zu machen: durch bevorzugte Zuteilung knapper Lebensmittel oder Repressalien, Kontributionen, die auferlegt oder erlassen werden, und ähnliches mehr. Dieser frustrierende Kleinkrieg bildet insbesondere während der ersten Okkupationsphase bis zum Sommer 1943 eines der deutschen Hauptanliegen, wobei der Bau eines Großflughafen in Tymbaki, an der strategisch wichtigen, aber verkehrsmäßig unerschlossenen Südküste wohl ein Prozent der kretischen Bevölkerung beschäftigt. Tymbaki wird damit zum Symbol der Knechtschaft und Unterdrückung, und infolge des passiven Widerstandes der Zwangsverpflichteten verzögert sich die Fertigstellung von Monat zu Monat, bis der Verlust Nordafrikas den Flughafen nicht nur unnötig, sondern (als potentielle Einfallpforte der Alliierten) geradewegs zu einem Risikofaktor macht: Daraufhin werden die Anlagen von ihren eigenen Erbauern gesprengt.217 Nach der italienischen Kapitulation vermindert sich der deutsche Bedarf an Arbeitskräften. Nicht nur stellen die ehemaligen Bundesgenossen ein nicht unerhebliches Potential an „Hilfswilligen", sondern auch der Festungsbau wird allen gegenteiligen Direktiven zum Trotz aus praktischen Gründen eingeschränkt, während das nach strategischen Gesichtspunkten erweiterte Straßennetz weitgehend fertiggestellt ist. Aber nicht einmal die reduzierten deutschen Ansprüche sind durch den freiwilligen Arbeitsmarkt zu decken, zumal die Gegenkampagne des Widerstands zunehmend an Effizienz gewinnt. Gegen die auf Kommunalebene geübte Verschleppungsstrategie richtet sich die im November 1943 erneuerte Forderung der Kreiskommandantur, „das Verzeichnis der noch ausstehenden Gemeinden mit der Anzahl aller arbeitsfähigen Männer im Alter von 1 6 - 6 0 Jahren einzureichen". Nach über zwei Monaten liegen nur für wenige Gemeinden die Zahlen vor, da die meisten Dorfschulzen auch wiederholtes Nachfragen ignorieren - trotz zwischenzeitlicher Ablösung des Chefs der griechischen Arbeitsbehörde. Im Mai 1944 folgt eine weitere deutsche Mahnung mit dem Ziel, die „säumigen Gemeinden" zu veranlassen, ihrer

216 Verschiedene Verordnungen in IAK, PI, v.l u.a.; Paratiritis (Beobachter), 17.2.43 (= Dok. 1): Vgl. auch Xylander, Marlen v., Die deutsche Besatzungsherrschaft auf Kreta 1941 - 1945, Freiburg 1989, S. 40 ff.; Hadziiossif, Christos, Griechen in der deutschen Kriegsproduktion. In: Herbert, Ulrich (Hrsg.), Europa und der „Reichseinsatz", S. 214 ff. 217 Archiv Universität Kreta, Rethymnon: Final Report on SOE Missions in Crete, 1941-1945 (unveröff.; im weiteren: Final Report).

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Meldepflicht nachzukommen,218 doch die Erfolge bleiben wiederum gering, wie die bis zum Okkupationsende erhaltenen Akten zeigen. Solch „arbeitssäumiges" Verhalten konnten sich allerdings nur solche Ortschaften erlauben, die - im wörtlichen Sinne - weit vom Schuß lagen, d. h. weitab von den Zentren permanenter deutscher Präsenz. Ohnehin waren die reicheren Gemeinden in der Regel leichter zugänglich und mußten daher bei „Mißachtung einer auferlegten Pflicht" mit gestaffelten Strafmaßnahmen rechnen.219 Darüber hinaus benutzt die Besatzungsmacht das Mittel der zusätzlichen Arbeitsverpflichtung, über das normale „Soll" hinaus, als Strafe für andere Vergehen.220 Andererseits sind auch die deutschen Behörden bereit, gewisse Bevölkerungsgruppen von der Arbeitspflicht zu befreien, so etwa Kriegsinvaliden, Beamte und bewaffnete Kollaborateure. Das gleiche gilt für eingeschriebene Schüler, obgleich man bei älteren Jahrgängen argwöhnt, es könne sich um Drückeberger von der Pflichtarbeit handeln.221 Abschließend sei noch angeführt, daß auf Kreta die Werbung für den Arbeitseinsatz im Reich noch unbedeutender ist als im übrigen Griechenland, da die lokale Bedarfslücke wie auch der erforderliche Transportaufwand weitaus größer sind. Erst 1944 verschiebt sich das Bild etwas angesichts der Priorität, die der Heimatfront auch auf dem Arbeitsmarkt eingeräumt wird. Nicht nur werden einige hundert „Bandenverdächtige" ins Reich transportiert, sondern auch eine Werbeaktion wird aufgezogen.222 Der Erfolg bleibt gering; hinzu kommen - gerade bei weiblichen Freiwilligen - unvorhergesehene Probleme mit dem kretischen Sittenkodex.223 Produktion, Handel und Verteilung Bei allem deutschen Interesse, „freie" Arbeitskraftkapazitäten abzuschöpfen, bemüht sich die Besatzungsmacht doch, die Produktion nicht nur nicht zu beeinträchtigen, sondern nach Möglichkeit zu erhöhen. Unproduktive Tätigkeiten wie das Kartenspiel sind daher verpönt, entsprechende Etablissements werden geschlossen, und selbst das traditionelle Kafeneion, in dem der (männliche) Grieche ungezählte Stunden verbringen kann, gilt plötzlich als schlechte Adresse und darf erst nach Ende der offiziellen Arbeitszeit seine gastliche Tür öffnen. Die Landwirtschaft, von der (zusammen mit der Fischerei) schon zu Friedenszeiten fast 70 Prozent der Bevölkerung leben,224 muß unter den verschärften Bedingungen der Besatzung einen noch höheren Anteil aufbringen. Die deutschen Behörden tragen diesem Umstand Rechnung, wenn sie für die Verteilung von Saatgut, Dünge- und Schädlingsbekämpfungsmitteln sorgen. Oft genug sind Prioritäten abzuwägen. Kompromisse sind erforderlich, sobald aufwendige „strategische Bauarbeiten" in zeitlich gebundenen Phasen der Feldbestellung anfallen, sowie insbesondere auch in den sogenannten Sperrzonen - Dörfer und Re218 219 220 221 222 223 224

Siehe Dok. 2 a/b und 3. Dok. 4. Dok. 6. IAK, PI, v. 6, KKI an PI, 3.11.43; PI an KKI, 12.11.43. Dok. 7, u.a. Dok. 8. Ruprecht, Paul, Kretas Wirtschaftsstruktur, Hamburger Fremdenblatt, 11.6.41.

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gionen, deren Einwohner wegen „Bandenbegünstigung" oder (in Nähe der Südküste) infolge der Gefahr feindlicher Anlandungen evakuiert worden sind. Zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen werden namentlich für das Einbringen der wertvollen Olivenernte getroffen.225 Eine regelmäßige Feldbestellung oder auch nur Beweidung in den Sperrzonen bleibt dennoch untersagt. Damit erhalten militärische Überlegungen den Vorrang gegenüber dem ansonsten angewandten Grundsatz, das Brachliegen fruchtbarer Böden sei unter allen Umständen zu verhindern.226 Bei der Verteilung der Ernte bzw. der Produktion hat die Wehrmacht im allgemeinen den ersten Zugriff. Insbesondere ist das der Fall bei Mangelwaren der verschiedensten Art, von Eiern und Frischgemüse bis zu Zigaretten.227 Das für die Besatzer angeforderte Kontingent ist gelegentlich höher als die (zumindest die offiziell gemeldete) Gesamtproduktion, doch sind Modifizierungen nach oben und unten möglich. Saisonbedingte Versorgungsengpässe (im Frühjahr) an Obst und Gemüse werden überwunden, indem die Mehrzahl der Gemeinden im Umkreis der großen Garnisonen ihre gesamte Produktion an die zentrale Verteilerstelle der Wehrmacht abliefern muß, was leichter zu kontrollieren ist, als die Kontingentregelung. Für die Betroffenen ist damit allerdings die zusätzliche Problematik verbunden, daß nicht nur der Verkauf auf dem freien Markt unter Strafe steht, sondern auch die Abgabe an andere deutsche Stellen228, was in der Praxis nicht immer durchzusetzen ist. Allzuoft sind umherstreifende Einheiten (oder auch „Einzelkämpfer") bemüht, den eigenen Küchenzettel aufzubessern, sei es mit Aufkäufen unter mehr oder weniger sanftem Druck, mit Requirieren (ζ. T. als Repressalie getarnt) oder auch mit offenem Diebstahl. Wenn die betroffenen Landwirte sich bei den deutschen Behörden beschweren - in der Regel „ohne ausreichende Hinweise" zur Identifizierung der uniformierten Täter229 - verlaufen die ohne sonderlichen Eifer eingeleiteten Untersuchungen zumeist im Sande. In manchen Fällen hilft allerdings die Klage über deutschen (oder auch italienischen) Lebensmittelraub den Einheimischen, eigenen Verbrauch bzw. Abgaben an benachbarte Partisanengruppen zu verschleiern.230 Anzuführen ist, daß nach dem katastrophalen Hungerwinter 1941/42 die kriegführenden Mächte sich mit schwedischer Vermittlung auf eine bemerkenswerte Hilfsaktion geeinigt halten: Kanadischer Weizen und andere Viktualien werden bei Gewährung freien Geleits auf schwedischen Schiffen nach Griechenland transportiert - unter der Bedingung, daß alle im Lande produzierten Nahrungsmittel der einheimischen Bevölkerung vorbehalten bleiben; von den Besatzungstruppen verbrauchte oder - als „Überschuß" - exportierte Produkte sind durch mindestens gleichwertige Einfuhren zu kompensieren. Dieses im Zweiten Weltkrieg

225 Vgl.Dok. 29. 226 Vgl. IAK, PI, v. 7/3, PI an KKI, 4.4.44; KKI an PI, 2.5.44. Nach einer 1942 erlassenen Verordnung kann sogar , jeder Einwohner Kretas das aus Faulheit vernachlässigte Feld eines anderen" unentgeltlich anbauen und das erforderliche Saatgut unter äußerst günstigen Bedingungen (wenn nicht gratis!) erhalten, (v. 6a/5, E. Iatrakis an Festungskommandanten, 15.7.43). 227 IAK, PI, v. 6, KKI an PI, 20.11. u. 23.12.43; v. 8, KKI an PI, 2.5.44. 228 IAK, PI, v. 8, KKI an PI, 2.5.44. 229 Vgl. weiter unten. 230 Interview des Vf. mit dem ehemaligen Partisanenführer Manolis Paterakis.

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einmalige Übereinkommen wurde im großen und ganzen eingehalten,231 zumindest was die registrierten deutschen Entnahmen betraf. Gelegenheiten zu „nahrhaften Übergriffen" bot sich insbesondere im Kontext von „Bandenunternehmungen"232. Auch wenn das „Beutevieh" an Sammelstellen abzuliefern war und damit der „friedliebenden Bevölkerungsmehrheit" zugute kommen sollte, konnte man doch damit rechnen, daß sich die beteiligten deutschen Einheiten ihren „Zehnten" bereits einbehalten hatten.233 Die Kompensationen für deutschen Verbrauch durch Importe sind zudem auf Kreta weit schwieriger als auf dem Festland - namentlich ab Ende 1943, als die alliierten Versenkungsziffern in die Höhe schnellen und die Versorgung der Insel mit auch nur dem Allernotwendigsten zu einem Dauerproblem der deutschen Führung wird. Dennoch respektiert letztere, daß die einheimische Getreideproduktion - bei Streckung mit Surrogatstoffen wie Johannisbrot - noch nicht einmal für die Insulaner ausreicht; auch bei dem für den griechischen Verbraucher unabkömmlichen Olivenöl wird die Aufsicht im Rahmen des obigen Abkommens dem Internationalen Roten Kreuz (IRK) überlassen.234 In der Praxis ist das IRK allerdings genötigt, sich der organisatorischen Hilfe der Kollaborationsbehörden und damit auch der Besatzungsmacht zu bedienen235; dieser Beistand wird nur zu bereitwillig gewährt, kann doch damit eine Ausdehnung der Lebensmittellieferungen auf die Partisanen weitgehend verhindert werden. Das wirtschaftspolitische Grundkonzept hinter den deutschen Maßnahmen ist Schwankungen unterworfen, wenn auch unter dem Strich eine „Liberalisierung" zu beobachten ist. Einen Wendepunkt bildet dabei die im Oktober 1942 einsetzende Aktion des „Sonderbeauftragten für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland", Hermann Neubacher, der nicht ohne Erfolg die „denkbar verruchteste kriegswirtschaftliche Ketzerei" anstrebt: die Herstellung eines freien Marktes.236 Die Listen der Höchstpreise für „lebenswichtige Güter"237, die in den beiden ersten Besatzungsjahren das Bild der Tagespresse bestimmten, verschwinden plötzlich, und lediglich „Preistreiberei und Wuchergewinne" sind strafbar. Da diese in der Praxis oft nicht durchsetzbare Drohung nur bedingten Erfolg zeigt, versuchen lokale griechische Behörden wiederholt, das vertraute Höchstpreissystem zu reaktivieren, werden jedoch jeweils zur (neuen) Ordnung zurückgerufen.238 Länger in Kraft bleiben die 231 Vgl. Fleischer, Kreuzschatten, S. 116-127: „Hunger, Brot und Propaganda". 232 S. etwa Metzsch, Friedrich-August v., Die Geschichte der 22. Infanterie-Division 1939-1945. Kiel 1952, S. 61: „Die Unternehmungen gegen die Gruppen des Bandenführers Panduwas [Bandouvas] waren ziemlich erfolglos ... Es gelang lediglich, große Schaf- und Ziegenherden aus dem Gebirge abzutreiben und den Banden damit ihre Ernährungsgrundlage zu entziehen." 233 Zum offiziellen Einbringen der „Beute" in sog. Wehrmachtsgüter, vgl. Anm. 279 u. Dok. 26. Hier ist zu berücksichtigen, daß etwa zum Jahresende 1943 die Truppe auf Kreta nur für sieben Tage mit Frischfleisch bevorratet war (BA/MA, RH 19 VII/23, Bl. 390, 29.12.43). 234 Dok. 9. 235 Dok. 10. 236 Fleischer, Kreuzschatten, S. 174 ff. 237 I. Getreide; II. Brot; III. Hülsenfrüchte; IV. Gemüse; V. Obst; VI. Verschiedenes (Zucker, Öl, Milchprodukte etc.); VII. Fleisch und Geflügel; VIII. Fische; IX. Käse; X. Honig; XI. Seife; XII. Kohle. 238 IAK, PRe, v. 1: Vizegouverneur Kreta, 41/30.6.44 vertr. an Gendarmerie-HQ Rethymnon.

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Lohntabellen,239 deren Höchstsätze auch griechische Unternehmer nicht überschreiten dürfen, um eine Abwertung von Wehrmachtsarbeitern zu verhindern. Im September 1943 fallen die von den Italienern in „ihrer" Präfektur errichteten Handelsschranken, und die Insel wird wieder zu einer wirtschaftlichen Einheit. Als dann aber Großhändler und Spekulanten die lokalen Preisunterschiede ausnützen, indem sie etwa das in einem Kreis billig aufgekaufte Getreide horten und anderswo zu einem günstigen Zeitpunkt absetzen, erwirkt einer der betroffenen Nomarchen240 die Intervention der Besatzungsmacht. Die erlassenen Ausfuhrsperren zwischen den Kreisen für bestimmte Agrarprodukte bewähren sich jedoch nicht und laufen zudem den von Neubacher verschriebenen Prinzipien entgegen. So werden sie am 1. Februar 1944 mit sofortiger Wirkung wieder aufgehoben.241 Voraussetzung hierfür ist die zwischenzeitliche Steigerung der Warendecke durch die deutscherseits angeregte Gründung einer „Import-Union" zur Stimulierung und Verbilligung des Handels mit dem Festland.242 Diese Initiative wie auch das bereits im Sommer 1943 gegründete reichseigene Unternehmen „Überlandtransport"243 sollen die Versorgung der kretischen Bevölkerung erleichtern, während ihre Überschüsse gemeinnützigen Zwecken zugeführt werden. Wie in lancierten Pressemeldungen herausgestrichen wird, erhalten beide beträchtliche „deutsche Subventionen" - unerwähnt bleibt, daß diese Zahlungen zum Teil zumindest aus der zuvor unbefugt vom Festungskommandanten erhobenen Umlage bzw. dem damit eingerichteten Sonderkonto getragen werden.244 Ganz allgemein wird das Interesse der Militärverwaltung deutlich, Hunger und allzu krasse soziale Ungerechtigkeiten (und damit eine Steigerung des Widerstandspotentials) zu verhindern; umgekehrt erhofft man sich von einer „ausreichenden" Versorgung der Bevölkerung auch deren „Pazifizierung".245 Zugleich gilt es aber auch, die Produzenten bzw. Lieferanten bei Laune zu halten. So werden etwa die gefangenen Fische zu gleichen Teilen an die Wehrmacht, die Bedürftigen und die Fischer verteilt, wobei allerdings die deutschen Abnehmer für sich selbst den Preis erheblich reduzieren.246 239 Dok. 1 1 . - Die Tabelle zeigt die Abstufungen in der Bewertung der verschiedenen Berufsgruppen. Da zu diesem Zeitpunkt keine Höchstpreise mehr festgesetzt werden, hat der Vf. die folgende Analogie aus älteren Tabellen errechnet. Danach entspricht etwa der Tageshöchstlohn eines Qualitätsfacharbeiters (s. A. 4.b) dem Gegenwert (im Einzelhandel) von wahlweise 32 Eiem, 8 Oka Kartoffeln, 4,8 Oka Linsen oder 3,5 Oka Hammelfleisch (1 Oka = 1,28 kg). Der Brotpreis wurde hier nicht herangezogen, da er auf dem real existierenden grauen Markt den größten Schwankungen unterworfen ist. 240 IAK, PI, v. 6a, PI an KKI, 17.11.43. 241 IAK, PI, v. 7b, KKI an PI, 1.2.44. 242 Dok. 12, publiziert in: Kritikos Kiryx, 2.12.43; vgl. auch: PI, v. 7b, Bericht über die Kontrolle der Geschäftsführung der Import-Union (an KKI), 16.1.44. 243 Dok. 13. 244 Interview Altenburg mit Vf.; vgl. Anm. 202. - Vgl. auch die Weisung des Festungskommandanten (PI, v. 5al, 7.10.43) an die Bank von Griechenland, „aus dem Konto 'Sonderumlage für Wehrmachtsarbeiter' 225 Mili. Dr. für die Krankenhäuser usw. in den Kreisen Iraklion und Lassithion" auszuzahlen; ähnlich: v. 7/3, S. 173 (7.5.44). 245 Interview Andrae mit Vf.; vgl. IAK, PI, v. 6, KKI an PI, 12.5.44. 246 Dok. 14 a/b.

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Fürsorge für die Bedürftigen Im Dezember 1943 verfügt der Festungskommandant die Einrichtung von Volksküchen, „um den tatsächlichen Bedürfnissen der wirklich armen Bevölkerung Rechnung zu tragen" 247 . Die benötigten Mittel sind aus verschiedenen Quellen aufzubringen; den wichtigsten Faktor bildet dabei das IRK und dessen direkt oder indirekt geleisteten Beihilfen - einschließlich des Verfügungsrechts über die Hälfte der „Konzentration", die obligatorische Abgabe der einheimischen Grundnahrungsmittel. Aber auch die Zigarettensteuer sowie von der Besatzungsmacht kontrollierte Aktiva werden in den großen „Suppentopf' geworfen. Abgesehen von zahlreichen technischen Fragen bei der Vorbereitung, beschäftigt die Organisatoren namentlich das Problem „gerechter" Auswahlkriterien, damit jene in den Genuß der Gratisverpflegung kommen, die am meisten darauf angewiesen sind.248 Die Zahl dieser Ärmsten der Armen wird für Iraklion vorerst auf 1 000 angesetzt, und bis zum Vorabend der Befreiung erhöht sich die Zahl der Volksküchenbenutzer lediglich um 10 Prozent. Daneben werden aber im ganzen Kreis 5 058 Benutzer von „Kinderküchen" gezählt,249 da der (sogar einige Wochen früher einsetzenden) Schulkinderspeisung die gleiche Priorität eingeräumt wird wie der Erwachsenen-Volksküche. Die Schüler (und die Lehrer) erhalten zumindest einige Tage in der Woche „sehr nahrhafte" Gratis-Brötchen aus Mischkorn, Olivenöl und Rosinen.250 Aber selbst die laut Weisung vorrangig belieferte Schulspeisung bzw. die dafür vorgesehenen Bestände sind Eingriffen ausgesetzt. So wird Anfang März die Verteilung der Brötchen für über einen Monat eingestellt, da entgegen dem Versorgungsplan 6 1/2 (von 15) Tonnen Getreide anderweitig abgezweigt wurden - auf Befehl des griechischen Ministergouverneurs für seine Wachkompanie und die Beamtenschaft sowie auf Weisung der Kreiskommandantur an die griechischen Wehrmachtsarbeiter.251 Obwohl sich im nachhinein die deutsche Führung bemüht, die Wiederholung solcher Vorkommnisse zu vermeiden, ist ein Prinzipienkonflikt unverkennbar. Einerseits soll mit der Unterstützung der Bedürftigsten der sozialen Gerechtigkeit Genüge getan werden, andererseits sprechen Opportunitätsgründe für die Förderung bestimmter Bevölkerungsgruppen mit wichtiger Funktion für die eigene Position (Beamtenschaft, Sicherheitsorgane; die „griechische Kompanie" aus bewaffneten Kollaborateuren, etc.). Die Übergänge in der Motivierung sind oft genug fließend, da die Hilfestellung für beide genannten Kategorien „pazifizierend" wirkt oder doch zumindest wirken soll; zudem laufen die ohnehin chronisch unterbezahlten Beamten unter den Bedingungen einer jeder Gehaltsanpassung weit vorauseilenden Hyperinflation bereits Gefahr, als „Neu-Arme" ihren sozialen Status zu verlieren. Aufschlußreich für die Wertung der Prioritäten ist etwa der bereits zitierte Versorgungsplan für die Bevölkerung, der außer Volks- und Kinderküche noch Gendarmerie, Feuerwehr und Staatsbeamte einbezieht.252 Gleiches gilt für die Ölzuteilung. Nachdem diesbezügliche 247 Dok. 15. - Die Initiative greift auf einige mehr oder weniger erfolgreiche Versuche des Voijahres zurück. 248 Ebd., PI, v. 8, KKI an PI, 2.2.44; v. 7/3, KKI an PI, 5.2.44. 249 IAK, PI, v. 8: PI an KKI, 20.8.44. 250 Dok. 16 a/b. 251 IAK, PI, v. 7a: PI an KKI, 5.4.44. 252 IAK, PI, v. 7/3, KKI an PI, 5.2.44.

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Unterlassungen vorgekommen sind, weist der Kreiskommandant die Präfektur an, „vor jeder allgemeinen Verteilung die sozialen Einrichtungen wie Kinderküchen, Volksküchen usw. zu versorgen"253. Als die nächste Aufstellung dann aber nur solche Einrichtungen sowie (ohne quantitative Aufschlüsselung) „Staatsbeamte und sonstige unbemittelte Personen" nennt, die zudem den Löwenanteil erhalten haben, wittert die Kreiskommandantur Unrat; sogar eine Reorganisation des Verteilungssystems wird erwogen, da die Versorgung der Bevölkerung und namentlich der „wirklich bedürftigen" Kreise „eine vordringliche und wichtige Aufgabe" 254 sei. Diese Überlegungen werden wieder aufgenommen, als dann, dem jahreszeitlichen Rhythmus gemäß, unter den Kretern die Bereitschaft zum aktiven Widerstand steigt und die „Kernbanden" in den Bergen anschwellen läßt. Im Mai 1944 legt die Kommandantur dem Präfekten nahe, den „Kreis der zu Unterstützenden" über die Volksküchenbenutzer hinaus weiter zu ziehen, „um Unruhen unter der übrigen armen Bevölkerung zu vermeiden"255. Zu diesem Zwecke wird „die Erfassung der tatsächlich unterstützungsbedürftigen Personenkreise" verlangt, d. h. im Klartext aller - vom Beamten bis zum Rentner - auf ein festes Einkommen angewiesener Personen. Als dann jedoch die Präfektur 39 318 Bedürftige namhaft macht, d. h. nahezu ein Viertel der Gesamtbevölkerung, bremst die Militärverwaltung: Die Richtzahl von 25 000 dürfe keinesfalls überschritten werden; im Rahmen der Reduzierung seien aus den neuen Listen die Wehrmachtsarbeiter zu streichen, deren Versorgung nunmehr deutscherseits aus anderen Quellen geregelt werde.256

c) Protektion und Repression Die „Sonderzuteilungen" - Stimulans und Belohnung So wie die Auferlegung zusätzlicher Kontributionen eine erprobte Methode der Besatzungsmacht ist, ihr Mißfallen über das Verhalten der Bevölkerung spürbar (im wahrsten Sinne des Wortes) unter Beweis zu stellen, so erhält die außerordentliche - individuelle oder, seltener, kollektive - Zuteilung von Nährmitteln die Funktion einer Belohnung für geübtes (oder zu übendes) „Wohlverhalten". Aber auch in diesen Fällen fehlt die Komponente der sozialen Not nur selten. Mit dem Gießkannenprinzip werden lediglich die vom Kommandanten der Festung Kreta persönlich verfügten Sonderzuteilungen an besonderen Festtagen verteilt - in erster Linie zu Weihnachten, aber auch zu Ostern und am griechischen Nationalfeiertag (25. März). Die Volks- und Kinderküchen geben Fleischgerichte aus; an alle Einwohner werden Lebensmittel (Öl, Getreide, Rosinen, Hülsenfrüchte etc.) und andere begehrte Güter (Seife, Salz, Zigaretten) ausgeteilt. Die deutsche Seite legt Wert auf rechtzeitige Verteilung, damit „der Sinn und Zweck" der Aktion erfüllt wird, sowie auf entsprechende Verlautbarungen in der Presse.257 Einige Male sind aber einzige Nutznießer - neben den Volksküchenbe253 254 255 256 257

IAK, IAK, IAK, IAK, Dok.

PI, v. 7B6: KKI an PI, 10.1.44. PI, v. 7/3: PI an KKI, 7.3.44; KKI an PI, 21.3.44. PI, v. 6: KKI an PI, 12.5.44. PI, v. 7/1: KKI an PI, 28.5.44; PI an KKI, 1.7.44; v. 8: KKI an PI, 13.8.44. 17a/b, 18a/b.

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nutzem - die „unmittelbaren Wehrmachtsarbeiter" 258 , was nicht nur der Vereinbarung mit dem IRK zuwiderläuft, sondern zumindest in einem Fall auch einer deutschen Hilfsaktion Abbruch tut.259 Bei den kalenderunabhängigen Sonderzuteilungen reagiert die Militärverwaltung zumeist auf diesbezügliche Gesuche, obgleich manchmal eine Vorabstimmung stattgefunden haben dürfte - namentlich wenn der Bittsteller bei einer deutschen Dienststelle beschäftigt ist und gar zusätzliche Faktoren hinzukommen, wie bei der notleidenden Mutter dreier unmündiger Kinder, die zugleich fleißige Putzfrau und Witwe eines gefallenen Kollaborateurs ist. 260 Nach Möglichkeit geholfen wird auch Mittellosen, die sich zum Arbeitseinsatz in Deutschland verpflichtet hatten und aus anerkannten Gründen zurückkehren mußten261 oder die glaubhaft machen können, daß sie wegen ihrer Deutschfreundlichkeit vor (oder während) der Okkupation Verfolgungen ausgesetzt waren oder es immer noch sind.262 Positiven Bescheid erhält auch der Beamtenbund von Iraklion, der einen Zuschuß in Naturalien für seine darbenden Mitglieder erbittet, „damit sie sorglos ihre Pflicht erfüllen zu Gunsten der deutschen und der griechischen Behörde". 263 Erfolg hat auch der Antrag der Beamten von Ano-Archane, vom Sekretär bis zum Totengräber: Ihre erhöhte Arbeitsbelastung - da die Gemeinde die größte im Kreis und zudem Divisionssitz ist - wird deutscherseits anerkannt; zudem hätten Beamte kaum die Möglichkeit, „Handel zu treiben und dadurch lebensnotwendige Güter zu erwerben". 264 Bemerkenswerterweise benutzen die deutschen Stellen den Brotkorb wiederholt zu einer Art Wiedergutmachung für eigene Maßnahmen. Auf Antrag des Bürgermeisters und des Popen wird eine Gemeinde, deren Emte für die Wehrmacht beschlagnahmt wurde, zum Teil entschädigt; dabei greift der Festungskommandant persönlich ein - nach abschlägigem Bescheid der Kreiskommandantur. 265 Eine Unterstützung wird auch der Mutter gewährt, deren Mann und Ernährer sich seit Monaten in einem deutschen Geisellager befindet, 266 sowie den Witwen von Kretern, die deutscherseits „versehentlich" oder aus einem Mißverständnis erschossen wurden. Dabei ist es hilfreich, wenn der so jäh Verblichene ein Wehrmachtsarbeiter war267 oder aber das Gesuch von einem unverdächtigen Gewährsmann unterstützt wird - etwa einem Jederzeit nach Kräften" im deutschen Sinne bewährten Bürgermeister. 268

258 259 260 261 262 263 264 265 266 267 268

IAK, PI, v. 7a: KKI an PI, 16.3.44. Vgl. oben, Anm. 251. IAK, PI, v. 5al: Fest.-Pi.-Abschn.-Gr. 1/8 an PI, 23.5.43. Dok. 19. Dok. 20, bzw. PI, v. 6/5a: Gesuch N. G. Mavrakis an KKI, 1.12.43. IAK, PI, v. 6: Beamtenbund Iraklion an PI, 1.12.43: für die Bewilligung vgl. v. 7/3: KKI an PI, 5.2.44. IAK, PI, v. 6: Ortskdt. Ano-Archane an KKI, 3.12.43; KKI an PI, 6.12.43; v. 7a: Gemeinde AnoArchane an PI, 13.4.44 u. Ortskdtr. Ano-Archane an PI, 18.4.44. IAK, PI, v. 7, S. 145, 147,1041. IAK, PI, v. 6: Gesuch Olga Dretaki an KKI, 18.11.43; KKI an PI, 20.11.43. Dok. 21. IAK, PI, v. 7B5: Bürgermeister und Ortskdt. Thrapsano an KKI, 25.1.44; KKI an PI 26.1.44.

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Nicht unerwähnt bleiben sollte jene Kategorie der Bedürftigen, deren Versorgung auch ohne eigenen Antrag von den deutschen Behörden initiiert wird, da sich letztere für geleistete Dienste - gleich welcher Art - erkenntlich zeigen wollen. Dazu gehören die ehrenamtlich arbeitende Dolmetscherin der vielbeschäftigten Ortskommandantur Ano Archane269 sowie die „Hinterbliebenen von Opfern des Mordterrors" der Widerstandsbewegung.270 Schließlich wird die Präfektur in regelmäßigen Abständen angewiesen, dem Personal der „Dienststellen B" (I, II und III) verbilligtes Öl und Getreide auszugeben. Nur über die begleitenden griechischen Aktenstücke war es möglich, die schamhaft verhüllende Initiale zweifelsfrei (als Bordell) zu entschlüsseln.271 Die Zivilbevölkerung als Bittsteller Die meisten Eingaben aus der Zivilbevölkerung, entweder direkt an die deutschen Behörden oder über die Präfektur, betreffen das bereits abgehandelte Thema der Lebensmittelversorgung. Überraschend selten sind - zumindest in den erhaltenen Akten - die Gnadengesuche wegen Urteilen der deutschen Militärgerichte, die im Falle eines positiven Bescheides oft gebündelt zu besonderen Anlässen bekannt gemacht werden, so etwa zu „Führers Geburtstag".272 Relativ häufig erscheinen hingegen die Anträge, die eine Kompensation für die verschiedensten Akte von Okkupantenwillkür zum Inhalt haben. Abgesehen davon, daß diese Bittschriften aus begreiflichen Gründen zumeist euphemistisch-vorsichtig formuliert sind, liegt die primäre Voraussetzung natürlich darin, daß der jeweilige Willkürakt auch nach den Kriterien der neuen Herren ein solcher ist. Das ist der Fall insbesondere bei Eigentumsvergehen, wobei die bezeugende griechische Behörde beflissen zwischen der „geregelten Beschlagnahme" der deutschen Stellen und dem unautorisierten Requirieren durch umherstreifende (oft italienische) Soldaten unterscheidet.273 Klagen über italienische Übergriffe werden übrigens auch nach dem Seitenwechsel Badoglios laut, wobei viele der Täter zweifellos „Hilfs- oder Kampfwillige" waren, die sich dem einstigen Achsenpartner verdingt haben.274 Wenn aber der Verdacht gegen die Italiener primär damit begründet wird, daß Zivilisten aus objektiven Gründen nicht als Täter in Frage kommen,275 kann eine Beteiligung von Wehrmachtsangehörigen nicht ausgeschlossen werden, auch wenn der klageführende Gemeindevorsteher es für inopportun erachtet, eine solche Eventualität anzudeuten. Bei Verlusten von Zugtieren sind die Chancen für eine zumindest partielle Entschädigung geteilt. So wird für ein beim Zusammenstoß mit einem deutschen LKW getötetes Pferd „aus Billigkeitsgründen" eine finanzielle Abfindung gezahlt,276 wohingegen der Eigentümer eines 269 Dok. 22 a/b. 270 IAK, PI, V.8: KKI an PI, 13.7.44. - Die am 27.7.44 vom Präfekten eingereichte Liste enthält die Namen von 29 Opfern, die jeweils unbemittelte Familien mit 2 bis 5 Mitgliedern zurücklassen. 271 Dok. 23; auch PI, v. 7: S. 692-694, 766-771. 272 Z. B. Kritikos Kiryx, 20.4.44. 273 IAK, PI, v. 6: Gendarmerie-Wachstation Embaros 2.8.42; u. a. 274 IAK, PI, v. 6: Fliegerhorstkdtr. an KKI, 2.11.43; KKI an PI, 3.11.43; u. a. 275 IAK, PI, v. 7a: Bürgermeister von Mallia über PI an KKI, 6.4.44. 276 IAK, PI, v. 7a: KKI an PI, 6.3.44.

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unter ähnlichen Umständen verendeten Esels weniger glücklich ist.277 Komplizierter ist der Fall des „armen Landwirtes", der nach der Tochter (Arbeitseinsatz im Reich) auch sein Maultier (Beschlagnahme) verloren hat. Für das (als Kompensation für die Tochter?) erbetene Getreide wird der Vater an die Präfektur verwiesen, jedoch ohne entsprechende Weisung an letztere; vor einer eventuellen Freigabe des Tieres muß die betreffende Einheit benannt werden, was dem Antragsteller nicht möglich ist.278 Eindeutig ist hingegen die Entscheidungsgrundlage, wenn bei „Sühneaktionen" Vieh abgetrieben wird: Auch bei Nachweis des Verbleibs ist eine Rückgabe an den Eigentümer a priori ausgeschlossen.279 Allen diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Interessen oder auch nur das Ansehen der Wehrmacht in irgendeiner Weise betroffen waren. Wenn die zitierte Dienstanweisung für die Territorialbefehlshaber diesen auferlegt, „dafür zu sorgen, daß die Verwaltung im Gange bleibt", beinhaltet das auch die Sorge um die Wahrung einer gewissen Autorität der landeseigenen Verwaltung: Im Rahmen des Möglichen ist die These einer, wenn auch eingeschränkten, Unabhängigkeit des Kollaborationsregimes und des ihr unterstehenden administrativen Apparats bei der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Dementsprechend leitet die Militärverwaltung wiederholt Gesuche und Beschwerden in innergriechischen Streitfällen an die Präfektur weiter mit dem Vermerk, es handele sich um Angelegenheiten, die die griechischen Behörden angingen: „Es wird daher ersucht, von dort aus weitere Weisung zu erteilen".280 Das Kriterium der „innergriechischen Angelegenheit" wird allerdings recht flexibel gehandhabt, und oft sieht die eine oder andere deutsche Stelle einen Ansatzpunkt, der eigenes Eingreifen rechtfertigt - namentlich wenn ein Günstling protegiert werden soll. Von derartigen Interventionen, bei denen die Kommandantur auch in innergriechischen Angelegenheiten als Spitze der griechischen Verwaltungspyramide fungiert, wurde bereits in anderem Zusammenhang auf die Neubesetzung von Bürgermeisterposten verwiesen - eine Praxis, die mit den Grundsätzen der deutschen Militärverwaltung konform geht. Weitaus problematischer ist das Insistieren auf einer Sondergenehmigung für einen griechischen Mitarbeiter, um diesem - trotz gegensätzlicher Weisungen des Ministergouverneurs - einen Zusatzverdienst zu verschaffen.281 Ähnliches gilt für den Eingriff in einen Erbschaftsstreit - obschon nur in 277 Dok.24. 278 Dok. 25. 279 Dok. 26. - Die Eingliederung des Beuteviehs in „Wehrmachtsgüter" steht in flagrantem Widerspruch mit den internationalen Abmachungen zur Griechenlandhilfe. Entsprechende Mahnungen des Mbfh. Griechenland werden von der Hgr. E nicht weitergegeben, da sich nach ihrer Überzeugung „die Truppe an einen derartigen Befehl nicht halten würde". Daraufhin ersucht auf der vorgesetzten (Balkan-) Ebene der Mbfh. Südost den OB Südost (Hgr. F) um einen „klarstellenden Befehl an die Truppe": In Ortschaften, deren Zerstörung im „Bandenkampf' notwendig werde, seien Vorräte und lebendes Vieh - „in den Grenzen des militärisch Zulässigen" - sicherzustellen und dem zuständigen Präfekten zur Versorgung der Bevölkerung zu übergeben. Im Hinblick auf die Kompensationspflicht sei es „der Truppe untersagt, Lebensmittel oder Vieh als Beute für ihren Verbrauch in Anspruch zu nehmen". (BA/MA, RW 40/86: Mbfh. Südost, Ia, 1336/44 geh., 6.3.44). 280 IAK, PI, v. 5al: KKI an PI, 2.12.43; u. v. a. 281 IAK, PI, v. 7/3: Ortskdt. Ano Archane an PI, 22.10.43; Ders. an KKI, 26.4.44; u. a.

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die Nutzungs- und nicht die Eigentumsrechte - um das Brachliegen von Feldern zu verhindern.282 In klarem Gegensatz zur Direktive des Mbfh. Griechenland, die zivile Rechtsprechung „grundsätzlich unberührt" zu lassen,283 steht jedoch das Ersuchen der Kreiskommandantur an die Strafkammer Iraklion, das gegen einen „fleißigen" (Wehrmachts-)Arbeiter anhängige Verfahren niederzuschlagen und den Kläger - der als reicher, unsozialer Querulant abqualifiziert wird - „darauf hinzuweisen, daß zur Führung unberechtigter Prozesse gegenwärtig keine Zeit vorhanden ist".284 Ein flagranter Eingriff in die Reservatrechte der griechischen Administration ist auch die Weisung an die Präfektur, sechs verdiente Feuerwehrleute zu befördern und ihre Bezüge zu erhöhen - nachdem es die griechische Regierung trotz wiederholter Erinnerung „nicht für notwendig erachtet" hatte, auf entsprechende deutsche „Vorschläge" zu reagieren.285 Es bedarf keiner weiteren Beispiele, um zu zeigen, daß die deutschen Stellen über ihre „Zuständigkeit" selbst entscheiden - also darüber, ob die vielzitierten Interessen der Wehrmacht „berührt" sind oder nicht. Widerstand und Repression Im Rahmen dieser Studie ist der kretische Widerstand286 nur insoweit von Interesse, als er Reaktionen der Besatzungsmacht herausfordert, die das Alltagsleben auf der Insel beeinträchtigen - unter Ausklammerung der großen „Säuberungsaktionen". In diesem Kontext ist daher anzumerken, daß auf Kreta ein weitgehendes Gleichgewicht zwischen der kommunistisch kontrollierten EAM und dem nationalistischen Widerstand herrscht - im Gegensatz zum Festland, wo die EAM fast überall deutlich dominiert. Die Beziehungen zwischen den beiden Lagern sind nicht eben herzlich, doch können besonnene Führer auf beiden Seiten zum Leidwesen der Besatzungsmacht - den Ausbruch des Bürgerkriegs zumindest so lange verhindern, wie der äußere Feind auf der Insel steht. Wiederholt versucht die Wehrmacht, zumindest einige der in Familienclans zersplitterten nationalistischen Gruppen zu sich herüberzuziehen, doch gelingt ihr das nur in der ersten Besatzungsphase und dann wieder wenige Wochen vor dem eigenen Abzug, als deren Stillhalten mit einigen Wagenladungen leichter Waffen buchstäblich erkauft wird.287 In der Zwischenzeit aber ist die Wehrmacht kaum in der Lage festzustellen, ob hinter einem Sabotageakt, Hinterhalt oder Scharmützel eine „rote" oder eine „blaue Bande" steckt, umsoweniger als deren Einflußsphären sich vielfach überlappen. Dementsprechend achten auch die deutschen Strafkommandos bei der Auswahl ihrer 282 283 284 285 286 287

IAK, PI, v. 7/3: PI an KKI, 4.4.44; KKI an PI, 2.5.44. Vgl.Anm. 207. IAK, PI, v. 5al: KKI an Strafkammer Iraklion, 10.11.43. IAK, PI, v. 7/3: KKI an PI, 9.3.44; u. v. a. Eine kurze Übersicht enthält Xylander, S. 66 ff. Im ersten Fall (1942) handelt es sich um Manolis Bandouvas, den bekanntesten nationalistischen Partisanenführer; auch im September 1944, trotz der zwischenzeitlichen erbitterten Konfrontation, ist wiederum eine „Bande" des Bandouvas-Clans an diesen Kontakten beteiligt. (Fleischer, Hagen, Contacts between German Occupation Authorities and Major Greek Resistance Organizations. Sound Tactics or Collaboration? In: John O. Iatrides (Ed.), Greece in the 1940s. A Nation in Crisis, Hannover, N.H., and London, 1981, S. 49 f.).

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„Sühnegefangenen" nur selten auf das Kriterium der (ohnehin oft verschwommenen) ideologischen Zugehörigkeit - obgleich die Kollaborationsbehörden immer wieder zugunsten „der besten und konservativsten Gesellschaftsschicht" vorstellig werden.288 Tatsächlich folgt aber der blutigste deutsche Rachezug ausgerechnet einer Fehlkalkulation des Nationalistenführers Bandouvas. Um die Anlandung britischer Schnell- und Unterseeboote und deren Kontaktaufnahme mit dem kretischen Widerstand zu verhindern, hatte die Militärverwaltung im August 1943 die Errichtung von Sperrzonen in den küstennahen Gebieten sowie die Evakuierung der dort ansässigen Bevölkerung veranlaßt.289 Eine zur Überwachung dieser Maßnahmen eingesetzte Kompanie fallt dabei in einen Hinterhalt von Bandouvas, der wenige Tage nach dem italienischen Seitenwechsel und angesichts der Gerüchte von einer bevorstehenden alliierten Invasion den Zeitpunkt zum Losschlagen gekommen glaubt. Da er nach seinem Überfall schließlich auch die Gefangenen tötet, artet die deutsche Vergeltungsaktion in eine Blutorgie aus. Mitte September 1943 werden ein Dutzend Dörfer der Eparchie (Unterbezirk) Víanos mehr oder weniger dem Erdboden gleichgemacht; mindestens 440 Einwohner - darunter auch Greise, Frauen und Kinder - fallen den Kugeln der Pelotons zum Opfer, oder werden auf grausamere Weise zu Tode gebracht.290 Der größere Teil der Eparchie wird daraufhin zur Sperrzone erklärt. Die (überlebenden) Einwohner haben ihre Dörfer binnen acht Tagen zu verlassen, doch wird ihnen „gestattet, ihr Hab und Gut einschl. ihres Viehbestands mitzunehmen". Lediglich „herrenloses Vieh" ist an die Wehrmacht abzuliefern.291 Eine letzte Fristverlängerung „endet unwiderruflich" am 6. November 1943. Danach droht jedem, der im Sperrgebiet angetroffen wird, Erschießung ohne vorherige Warnung.292 Selbst die dortigen Brunnen werden systematisch zerstört.293 Wie bereits erwähnt, werden dennoch Ausnahmegenehmigungen für die Einbringung der wichtigen Olivenernte,294 aber nicht für Beweidung durch Herden gegeben. Dieses Weideverbot gilt auch für die „normalen" (3-km-) Sperrzonen und namentlich für die als besonders landungs- und bandengefährdet geltende Südküste.295 Der Grund liegt darin, daß die Wanderhirten - im Gegensatz zu den seßhaften und somit leichter kontrollierbaren Ölbauern - nicht zu Unrecht als wichtigste Informanten der Partisanen gelten. Damit erklärt sich auch die bereits Anfang des Jahres erlassene Verordnung, die den Hirten bei Todesstrafe verbietet, bei Annäherung deutscher Truppen „Pfeifsignale" zu geben296 - ihre seit alters bewährte Methode, Herde und Hunde zu dirigieren ... So entbehrt es nicht der Pikanterie, wenn die Vertriebenen feststellen müssen, daß in ihren Olivenhainen deutsche Einheiten nicht nur ungestört ernten, sondern auch Herden weiden lassen, die sie anderswo beschlagnahmt haben.297 288 Vgl. Dok. 27. 289 Dok. 28. 290 Vgl. den im Auftrag der griechischen Regierung erstellten Bericht: Ekthesis tis Kentrikis Epitropis diapistoseos omotiton en Kriti, Iraklion 1983, S. 43-55. 291 IAK, PI, v. 5al: KKI an PI, 16.9.43. 292 IAK, PI, v. 6a: KKI, Bekanntmachung 23.10.43. 293 BA/MA, RH 19 VII/71: Kdt. Festung Kreta, Lagebeurteilung, 12.10.43. 294 Dok. 29; vgl. auch: IAK, PI, v. 6: KKI an PI, 22.10.43. 295 Dok. 28; insbesondere auch: IAK, PI, v. 7b: KKI an PI, 3.1.44. 296 Paratiritis (Beobachter), 7.1.43. 297 IAK, PI, v. 6: PI an KKI, 16.11.43.

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Erwiesene „Feindbegünstigung" in schweren Fällen, Sabotage, verbotener Waffenbesitz und namentlich deutsche Verluste an Menschenleben werden von der Wehrmacht blutig „gesühnt". Eben um solche Rückschlüsse zu verhindern, wird der Presse oft untersagt, die Nachricht von den Exekutionen zu publizieren,298 wobei natürlich auch das jeweilige Ausmaß von „Aktion" und „Reaktion" eine Rolle spielt, sowie die gerade dominierende Tendenz in der Besatzungspolitik. Aufschlußreicher, namentlich im Kontext dieser Studie, als die brutale Monotonie der blutigen Vergeltungsmaßnahmen299 ist die Palette der „Wirtschaftsrepressalien", bei deren Festlegung die Okkupanten oft Findigkeit und ein bemerkenswertes kaufmännisches Talent unter Beweis stellen. Den größten Spielraum haben die deutschen Behörden, wenn die Täter bekannt sind. Ihr Vermögen kann dann entschädigungslos eingezogen werden, oft zugunsten der bereits erwähnten Wehrmachtsgüter300, die daher dem Widerstand ein beständiger Dorn im Auge sind.301 Weniger radikale Maßnahmen ergehen gegen Offiziere, die ihrer wöchentlichen Meldepflicht nicht nachkommen und flüchtig sind: Ihr Vermögen wird nicht angetastet, lediglich die Auszahlung von Gehältern bzw. Pensionen an die Familienangehörigen eingestellt.302 Hingegen wird die nächste Kommune zur Verantwortung gezogen, wenn die Täter unbekannt sind oder ihr Vermögen nicht für die Kompensation der zu ahndenden „Wehrmittelbeschädigung" ausreicht. Zumeist handelt es sich dabei um Kabelsabotage, die nicht nur relativ leicht zu bewerkstelligen ist, sondern dem Urheber auch materiellen Gewinn verspricht. Die Grenzlinie zwischen Widerstandshandlung und Diebstahl ist daher nicht immer eindeutig zu ziehen.303 Von den 17 im August 1944 (im Juli 27) registrierten Fällen von Kabelsabotage wird nur einmal der Schuldige ermittelt, in allen anderen Fällen werden Sühnemaßnahmen zu Lasten der lokalen Bevölkerung angeordnet,304 da diese die deutsche „Befriedungsaktion" und die entsprechenden Aufrufe 305 mißachtet habe. Die Strafe ist in Geld oder, öfter, in Naturalien zu zahlen; die Eintreibung wird dem Gemeindevorstand übertragen. Als etwa die Stadt 298 Dok. 30. 299 Bis heute steht nicht fest, wie hoch dieser blutige Tribut war. Nach keineswegs erschöpfenden Recherchen ermittelten die kretischen Präfekturen 1945/46 folgende „vorläufige" Zahlen: Kreis Chania: 1 432 Exekutierte; Rethymnon: 905; Iraklion: 924; Lasithi (bis zum September 1943 unter ital. Besatzung): 213. (Fleischer, Hagen, I Machi tis Kritis. Skepseis già mia nea prosengisi. In: Kriti, Istoria kai politismos, Iraklion 1987, Bd. II, S. 515). 300 IAK, PI, v. 7/3, KKI an PI, 17.5.44: vgl. auch Dok. 26. - In anderen Fällen wird die „Beute" wohl für die deutschen „philanthropischen Subventionen" verwendet. 301 So machten die Partisanen bei einem Überfall auf das Wehrmachtsgut Asomatos beträchüiche Beute; die deutschen Verluste beliefen sich auf 6 Tote, 11 Verwundete und 16 Vermißte. (BA/MA, RW 40/173: Kdt. Festung Kreta, Tagesmeldung 12.9.44). 302 Siehe etwa die Namensliste in IAK, PI, v. 8: KKI an PI, 30.8.44. 303 Charakteristisch ist etwa der von deutschen wie auch griechischen Gewährsleuten dem Vf. berichtete Ausbau von Minen aus Minenfeldern, der den lokalen deutschen Dienststellen anfangs große Sorge bereitete, bis sich herausstellt, daß die „Saboteure" die Dynamitladung zum (Raub-) Fischen benötigten... 304 BA/MA, RW 40/172: GFP Gruppe 621, Tätigkeitsbericht 27.8.44. 305 So etwa Dok. 31.

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Rethymnon von der dortigen Kreiskommandantur dazu verurteilt wird, für die Unterbrechung einer militärischen Telefonleitung und die Entwendung von 110 m Kabel binnen einer Woche eine Entschädigung von 70 Mill. Drachmen306 aufzubringen, werden zehn Millionen aus der Kommunalkasse gezahlt. Für den großen Rest macht der Gemeinderat 108 natürliche oder auch juristische Personen mit Beträgen zwischen 100 000 und 4 Mill. Drachmen haftbar.307 Gelegentlich wird in solchen Fällen aber auch die Besatzungsmacht als schlichtende Instanz um eine gerechtere Verteilung der Lasten angerufen - so etwa als ein Bürgermeister die Hälfte der zu zahlenden Kontribution einem benachbarten Kloster aufbürdet.308 Wiederholt gewährt die Besatzungsmacht Rabatt, als etwa wegen einer isolierten Widerstandshandlung in einem (anderen) Kloster dessen gesamter Getreidevorrat (über dem Ernährungsminimum) beschlagnahmt wurde und auf Antrag des Abtes nahezu die Hälfte zur „Weiterführung des Gutsbetriebs" zurückgegeben wird. Entscheidend ist hierbei der positive Gesamteindruck vom Landwirtschaftsbetrieb, den der offensichtlich kompetente „Kreislandwirt" bei seiner Inspektion gewinnt.309 Anders gelagert ist die Sabotage an der Fernsprechleitung, bei der die nächste Ortschaft zum Ersatz des entstandenen Schadens in Geld sowie einer „Naturalkontribution von 500 Oka Kartoffeln" an die Heeresintendantur verurteilt wird. Als der Gemeindevorstand eine geistesgestörte Frau als Täterin namhaft macht, akzeptiert die Kommandantur diese Erklärung - nicht ganz glaubhaft beim Aushacken und Stehlen von 30 m Kabel - , läßt die Entschuldigung aber nur bedingt gelten: In Kenntnis der Geisteskrankheit der Frau hätte die Dorfgemeinschaft sie hindern müssen, sich den Leitungen zu nähern. Dennoch wird die Strafe auf 300 Oka reduziert.310 Liegt der Tatort zwischen zwei oder mehr Gemeinden, so wird die zu leistende Kontribution - Geld und Naturalien wie Öl, Rosinen, Wein, aber auch lebendes Vieh - nach dem Prinzip größtmöglicher „Gerechtigkeit"311 aufgeteilt. Gleiches gilt für Dienstleistungen wie Überwachungsverpflichtungen und Fronarbeit.312 Aus dem Rahmen fällt schließlich eine Art materieller Buße, die deutscherseits insbesondere zum Ende der Besatzungszeit verhängt wird: die Lieferung von Särgen „für die durch Bandeneinsatz gefallenen deutschen Soldaten".313

306 Dieser Betrag entspricht nach Berechnungen des Vf. (vgl. Dok. 11) etwa 100 Monatsgehältern männlicher „hochschulmäßig vorgebildeter Kräfte in verantwortlichen Stellen" (leitende Diplomingenieure, Ärzte mit abgeschlossener Hochschulbildung etc.). 307 IAK, PRe, v. la, S. 20-24: Gemeinderats-ProtokoU, 5.1.44. 308 IAK, PI, v. 7a, S. 919 ff., 930 f. 309 IAK, PI, v. 6: Kreislandwirt, Bericht an KKI, 31.10.43; KKI an PI, 11.11.43; u. a. 310 IAK, PI, v. 5a2, S. 75/81. 311 Vgl. etwa die Aufteilung der Kontributionen im Verhältnis 4:1, als ein wichtiges Kabel 200 m nach dem Ortsausgang von Ano Archane in Richtung von Kato Archane durchschnitten wird. (IAK, PI, v. 6: KKI an PI, 9.11.43). 312 Dok. 32 a/b/c. 313 Dok. 33; ebenso IAK, PI, v. 8: KKI an PI, 12.8.44; u. a.

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d) Die „Kernfestung" Nach der bereits erwähnten Eskalierung der „Bandentätigkeit" in der ersten Augusthälfte 1944 antwortet die deutsche Führung mit harten Schlägen. Nach eigenen Angaben werden 13 Dörfer zerstört, etwa „500 Banditen und Banditenhelfer" erschossen, Hunderte andere festgesetzt; bei Großrazzien in den Städten unter dem bezeichnenden Codenamen „Rattenfänger" werden allein am 1. September 343 Gesuchte verhaftet. Nachdem sich auf diese Art die Lage „weitgehend beruhigt" hat,314 sind die Voraussetzungen dafür gegeben, relativ unbehelligt den Rückzug einzuleiten. Dabei gibt der Festungskommandant Weisung, „mutwillige und sinnlose Zerstörungen" zu unterlassen, „um den guten Ruf der deutschen Wehrmacht... nicht durch einen banditenmäßigen Abzug auszulöschen".315 Da die Briten trotz überwältigender Überlegenheit in der Luft und zur See die deutschen Absetzmanöver anfangs fast überhaupt nicht stören, sondern diskreten „Geleitschutz" zu geben scheinen, kann das Gros der deutschen Besatzung auf Kreta (sowie auf dem gesamten ägäischen Archipel) binnen zwei Wochen auf das Festland gebracht werden. Auf sowjetische und sonstige Proteste setzen jedoch in der zweiten Septemberhälfte heftige britische Bomberattacken ein, welche die deutschen Transportleistungen empfindlich reduzieren. Daraufhin ringt sich das OKW zum schweren Entschluß durch, die Inselevakuierung einzustellen, um nicht den ganzen Zeitplan umzuwerfen.316 Am 21. September wird Inselkommandant Müller angewiesen, anderntags dem Kommandanten der Festungsartillerie Hans Benthack die Befehlsgewalt über die verbleibenden deutschen Kräfte zu übergeben. Letztere seien im Westteil der Insel zur Verteidigung einer „Kernfestung" - und zwar „bis zur letzten Patrone" - zusammenzufassen. Die Verteidiger sind befehlsgemäß „von der Größe dieser soldatischen Aufgabe ... durchdrungen"317, zuvörderst stellen sie aber - bei der Räumung von Iraklion in der ersten Oktoberwoche - händlerisches Geschick unter Beweis. Verschiedene Gerätschaften sowie Personen- und Lastkraftwagen „in gutem Zustand" werden an die Zivilbevölkerung verkauft, wobei man als Bezahlung deutsches und griechisches Geld sowie Goldsovereigns akzeptiert.318 Insbesondere aber lassen sich die Deutschen - nach Geheimverhandlungen mit dem Metropoliten und anderen griechischen Offiziellen - für 80 bzw. 100 Goldpfund das Versprechen abkaufen, die für die Versorgung der Insel lebenswichtigen Hafenanlagen nicht zu sprengen.319 Die Absicherung nach oben erhält Benthack, indem er der Heeresgruppe E telegraphiert, mit der vorbereiteten Sprengung gingen „hochkulturelle Werte aus minosscher (sie) und venezianischer Zeit verloren". Außerdem drohten Unruhen unter der Bevölkerung, die bislang die Räumungsvorbereitungen „durch Tat und loyale Haltung" unterstützt hätten.320 314 BA/MA, RW 40/170: Kdt. Festung Kreta, Ia, Lagebericht 12.9.44; RW 40/172: Frontaufklärungstrupp 382,7.9.44. 315 BA/MA, RW 40/170: Kdt. Fstg. Kreta, Räumungsbefehl, 8.9.44. 316 Fleischer, Kreuzschatten, S. 525,532 f. 317 BA/MA, RH 19 VII/43: Okdo HgrE, Ia an Kdt. Fstg. Kreta, 21.9.44. 318 Kritikos Kiryx, 28.9., 30.9.44. 319 Final Report on SOE Missions in Crete, S. 42, bzw. Petrakis, E. L., I Ethniki Organosis Kritis (EOK) Tmima Irakliou kata tin Germanikin Katochin, Iraklion 1953, S. 66 f. 320 BA/MA, RH 19 VII/49, Teil 1: Kdt. Fest. Platz Kreta, Ia, an Obkdo Hgr. E, Ia, 28.9.44.

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Nach der Räumung des weitaus größten Teils der Insel Anfang Oktober - zur gleichen Zeit, da der Generaladmiral Saalwächter noch zur Einverleibung Kretas nach gewonnenem Krieg rät321 - verteidigen 11 828 Deutsche, ein knappes Fünftel der einstigen Maximalstärke, sowie einige tausend italienischer Hiwis die „Kemfestung" im Umkreis von Chania und der strategisch wichtigen Sudabucht.322 Die neue Front besteht anfangs nur aus einer gedachten Linie, wird dann aber mittels Minen, Stacheldraht und ständiger Patrouillen notdürftig gesichert. Doch profitiert die „Division Kreta" von der Uneinigkeit zwischen „Nationalisten" und „Kommunisten", so daß es nur vereinzelt zu Kämpfen kommt. Mangels sichtbarer Feinde argwöhnt man daher deutscherseits, „daß der Gegner systematisch mit verseuchten Dirnen arbeitet"323. Zum brennendsten Problem für das Restkommando gestalten sich jedoch die Ernährungsschwierigkeiten. Diese gehen zum Teil darauf zurück, daß in der ersten Phase Händler aus dem freien Athen mit Seglern „Unmengen von Drachmen" in die Kernfestung bringen und alles aufkaufen, bis die Militärverwaltung einige Schiffe mit „Konterbande" beschlagnahmt und ein kurzfristiges Ausfuhrverbot verhängt. Zugleich setzt sie - fast drei Jahre nach Andraes Plänen einer „Öldrachme" - den Verkaufspreis der von ihr kontrollierten Schlüsselprodukte (Strom, Wasser, Betriebsstoff) in Olivenöl fest (bzw. in Zigaretten für kleinere Beträge) und verlangt für die Ausfuhr (von Öl, Seife, Orangen) in den unbesetzten Teil der Insel Getreide im gleichen Wert; auch mit dem Festland kommt der Wirtschaftsverkehr allmählich in geregeltere Bahnen. Für den eigenen Bedarf treiben die Besatzer einen einträglichen Handel mit ausrangiertem Wehrmachtsgut; dennoch müssen die Brot- und Fleischrationen reduziert werden, „obgleich weitere einschneidende Kürzungen ohne Ausgleichmöglichkeit nicht mehr tragbar erscheinen". Von der Truppe bewirtschaftete Gärten liefern Gemüse, und da im Bereich der Kernfestung bislang kaum Getreide angebaut wurde, ergeht Befehl, für jeweils 100 Mann einen Hektar Getreide auszusäen. Als Saatgut steht allerdings fast nur Hafer zur Verfügung, Kohlrüben und Mais sollen zur Streckung dienen. Doch wird die Ernte nicht vor Mitte Juli 1945 möglich sein, und die vorhandenen Lebensmittel reichen höchstens bis Ende Mai.324 Der befürchteten Versorgungslücke kommt zwar die allgemeine Kapitulation der Wehrmacht zuvor, doch belassen die britischen Verbindungsoffiziere auf der Insel den Deutschen ihre Waffen und betrauen sie in bestimmten Bereichen sogar mit der .Aufrechterhaltung der Ordnung". Damit soll angesichts der rivalisierenden kretischen Partisanenverbände 321 Vgl. Anm. 199. 322 Fleischer, Kreuzschatten, S. 533. Die Richtzahl von 50 000 Deutschen auf der Insel (alle Wehrmachtsteile eingeschlossen) wurde im letzten Quartal 1943 mehrmals knapp über- oder unterschritten. (Vgl. die Intendantenberichte der Hgr. E zum Versorgungsproblem in BA/MA, RH 19 VII/23 und RH 19 VII/75). Die Iststärke sinkt im ersten Halbjahr 1944 kontinuierlich und beläuft sich am 28.8. noch auf 34 250 Deutsche (24 100 Heer, 7 050 Luftwaffe und 3 100 Marine); die 22 550 als „Fechtende Teile" Eingestuften sind mit „1. Dringlichkeit" für die Evakuierung vorgesehen und verlassen auch größtenteils die Insel; zurück bleiben die meisten der 2. (9 450 Versorgungstruppen und Trosse) und 3. Dringlichkeitsstufe (2 250 Fechtende Teile mit „geringem Kampfwert" sowie fast alle der 6 500 „Fremdstämmigen" der 4. und letzten Dringlichkeitsstufe. (RH 19 VII/44). 323 BA/MA, RH 19 VII/49, Kdt. Fest. Kreta Ia, 663/44 gKdos., Lagebericht 7.12.44. 324 Ebd. - Vgl. auch: Vlontakis, Stavros G., I Ochira Thesis Kritis, Athen 1976, passim.

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die Sicherheit der Ex-Okkupanten vor der Vergeltung der Einheimischen garantiert werden; weiterhin spielt der Gedanke an die Vereitelung eines Putschversuchs der Linken mit. Da der schubweise Abtransport in die nordafrikanischen Gefangenenlager sich bis Anfang Juli hinauszieht, sind die Soldaten der „Kernfestung" - wenn auch als Schattenexistenzen eines absurden Theaters - die letzten organisierten Waffenträger der „Großdeutschen Wehrmacht".325

e) Dokumente* Alle Dokumente aus IAK (PI/PRe) mit Band- und, sofern paginiert, Seitenangabe. Dokument 1 (Paratiritis, 17.2.43) Kdt. der Festung Kreta, Verordnung vom 13.2.1943 1. Alle arbeitsfähigen Einwohner sind zu jeder Arbeitsleistung und Gestellung von Arbeitstieren für die Besatzungsmacht verpflichtet. Die Aufforderung hierzu erfolgt durch Dienststellen der Besatzungsmacht oder den Bürgermeister. 2. Alle Gemeinden sind verpflichtet, auf Anforderung eine festgesetzte Zahl von Arbeitskräften oder Tieren zu stellen. 3. Alle Unternehmer sind verpflichtet, auf Aufforderung bestimmte Arbeiten auszuführen. 4. Keine Arbeitskraft darf ihren Arbeitsplatz ohne Genehmigung der Dienststelle verlassen oder aufgeben. 5. Arbeitskräfte, Unternehmer, Bürgermeister usw. haben alles zu unterlassen, was die Belange der Besatzungsmacht schädigt, sie haben die gegebenen Befehle zu befolgen und die übertragenen Arbeiten und Aufträge gewissenhaft auszuführen. Das Beschädigen von Arbeitsgerät, Fahrzeugen, Tieren, Materialien usw. ist verboten. 6. Wer den vorstehenden Bestimmungen zuwiderhandelt, wird als Arbeitsverweigerer oder Saboteur mit Geldstrafe, Gefängnis oder Zuchthaus, in schweren Fällen mit dem Tode bestraft. Gegen Gemeinden, die die festgesetzte Zahl von Arbeitskräften und Tieren nicht stellen, werden außerdem Kontributionen verhängt. 7. Diese Anordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung vom 26.6.1941 außer Kraft. Dokument 2 a/b (PI, v. 7/3, S. 243, 230) Verfügung KKI an PI, 12.11.43 Die Kreiskommandantur ersucht, das Verzeichnis der noch ausstehenden Gemeinden mit der Anzahl aller arbeitsfähigen Männer im Alter von 1 6 - 6 0 Jahren einzureichen. Verßgung KKI an PI, 16.5.44 Von einer Anzahl Gemeinden steht immer noch die Zahl der arbeitsfähigen Männer aus. Es ist zu veranlassen, daß die säumigen Gemeinden nun endlich die Zahl ihrer arbeitsfähigen Männer melden. Dokument 3 (PI, v. 8) Aus der Verßgung KKI an PI, 7.12.43 Die in letzter Zeit bei der griechischen Arbeitsbehörde gemachten Erfahrungen lassen es notwendig erscheinen, daß ein Wechsel in der Leitung (Direktor und Stellvertreter) vorgenommen wird. Darüber 325 Vgl. Fleischer, Kreuzschatten, S. 534 f.

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hinaus ist zu prüfen, ob nicht weitere Arbeitskräfte bei der Behörde eingespart werden können, zumal jetzt in den Wintermonaten der Arbeitsumfang wesentlich geringer wird. Nach Ansicht der Kreiskdtr. genügt es vollständig , wenn ein zuverlässiger, arbeitsfreudiger und energischer Leiter eingesetzt wird, dem neben der Dolmetscherin noch 1 - 2 weibliche Hilfskräfte zur Verfügung stehen. Die Gesamtaufsicht wird nach wie vor durch die Kreiskommandantur ausgeübt. Dokument 4 (PI, v. 6, S. 767) Aus der Verfügung KKI an Gemeinde Alagni (über PI), 25.10.43 Die zuständige Bauleitung hat der Kreiskdtr. mitgeteilt, daß die Gde. Alagni seit langem unter 50% des verpflichteten Arbeiterkontingents für die Baustelle zur Verfügung stellt. Dies bedeutet... Mißachtung einer auferlegten Pflicht. Vorausgesetzt nun, daß die Gemeinde künftighin das verpflichtete Kontingent restlos stellt und eine freiwillige Buße von 500 Oka Öl bis zum 10.11.43 leistet, will die Kreiskdtr. von weiteren Strafmaßnahmen absehen. Bei weiterer Säumnis hat aber die Gemeinde mit schweren Repressalien zu rechnen. Dokument5 (PI, v. 6, S. 488) Aus dem Ersuchen PI an KKI, ¡5.11.43 Fast alle Dienststellen [sind] dazu übergegangen, die vom Arbeitsamt übernommenen griechischen Arbeiter für eine Dauer von 30 - 40 Tagen zu beschäftigen, obwohl der entsprechende Befehl des Kommandanten der Festung Kreta dahin lautet, daß diese Arbeiter jede 15 Tage abgewechselt werden sollen ... Wir bitten Sie gefl. eine entsprechende Anweisung an die deutschen Einheiten zu geben, damit sie die Arbeiter jede 15 Tage abwechseln, damit sie auch in der Lage sind, ihren eigentlichen Arbeiten nachzugehen, um leben zu können. Dokumente (PI, v. 6, S. 734) Aus der Verfügung KKI an PI, 1.11.43 In der Nacht zum 26/27.10.43 wurden in der Gegend von Ano und Kato Assîtes von einem englischen Flugzeug Waffen, Munition und Bekleidungsstücke abgeworfen. Ein Teil dieser Sachen wurde freiwillig und auf Veranlassung des Bürgermeisters abgeliefert. Die Bevölkerung ist zur Ablieferung der restlichen Gegenstände bei Androhung schwerster Strafen... aufgefordert worden. Schwerere Vergeltungsmaßnahmen sind mit Rücksicht auf das vernünftige Verhalten eines Teiles der Bevölkerung ... im Augenblick nicht beabsichtigt. Ab sofort sind jedoch, außer den lt. Verpflichtungsbescheid der Kreiskommandantur zu gestellenden Arbeitskräften, von der Gemeinde Ano Assîtes 15 und von der Gemeinde Kato Assîtes 25 arbeitsfähige Männer zusätzlich zum Ausbau des Weges ... zu stellen. Die Gestellung der Arbeiter erreicht ihr Ende, sobald die Straße nach Meinung des Ortskommandanten fertiggestellt ist. Es liegt daher in der Hand der Arbeiter, die Zeitdauer der Heranziehung selbst zu bestimmen. Dokument 7 (PI, v. 7a/3d) Aus der Verfügung KKI an PI, 7.4.44 Beiliegend übersendet die Kreiskdtr. je 3 Werbeblätter zum Anwerben griech. Arbeitskräfte für den Einsatz im Reichsgebiet. Es wird ersucht, auf den Inhalt... in der Presse hinzuweisen; außerdem sind die Werbeblätter an geeigneter Stelle sichtbar anzubringen. Meldungen von Personen beiderlei Geschlechts nimmt die Kreiskdtr. jederzeit entgegen. Dokument 8 (PRe, v. 1, S. 63 f.) Aus dem Schreiben Deutsches Konsulat Chania an PRe, 29.2.44 Die Evangelia Johanna Sklavaki, geb. 7.3.26, ... kam als Hausschwangere in die Universitäts-Frau-

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enklinik in Tübingen, wo sie nun kurz vor ihrer Entbindung steht. Das Mädchen macht einen äußerst schwermütigen Eindruck, bedingt durch die völlige Trennung vom Elternhaus und von der Heimat. Johanna denkt aber nicht daran, an die Eltern zu schreiben, da sie die strengen Sitten auf Kreta achtet und fürchtet... Ich frage nun an, ob nicht durch Ihre Vermittlung die Eltern doch verständigt werden können. Trotz der strengen Moral müssen ja wohl auch Vater und Mutter sich sehr sorgen um den Verbleib des Kindes. Dokument 9 (PI, v. 6, S. 215) Aus der Verfügung KKI an PI, 29.12.43 Nach einer Vereinbarung zwischen ... dem Vertreter der schwedischen Regierung für die Hilfsaktion in Griechenland einerseits und dem Sonderbevollmächtigten des AA für den Südosten andererseits ist festgelegt worden, daß das Olivenöl auf Kreta durch das IRK erfaßt wird. Erwerb und Ausfuhr von Olivenöl ist nur der vom IRK beauftragten Firma Eläon gestattet. Um die Erfassung des Olivenöls ... zu erleichtern, ist von sämtl. Ölpressenbesitzern des Kreises folgendes zu melden: ... a) Name und Wohnort des Produzenten ..., b) die angelieferte Menge Oliven, c) die hergestellte Menge Olivenöl. Die Bürgermeister sind für die Richtigkeit vor allem der Angaben unter b) und c) verantwortlich zu machen ... - Noch nicht ganz geklärt ist die Frage, in welcher Weise die von der Truppe und Bevölkerung auf Kreta benötigte Ölmenge gesammelt wird. Auf jeden Fall wird aber dafür Sorge getragen werden, daß diese Ölmengen vor jeglichem Export von der Fa. Eläon zur Verfg. gestellt werden müssen. Dokument 10 (PI, v. 7b5, S. 16f.) Aus der Verfügung KKI an PI, 25.1.44 Das IRK hat die restliche Getreidemenge des Konzentrationsbestandes zur Verteilung durch die griech. Verwaltungsorganisationen freigegeben. Durch Verfg. d. Kdtn. d. Fstg. gelangen somit an nachstehende Organisationen folgende Mengen zur Verteilung: 1) Volksküche 3 to, außerdem täglich 100 g Hülsenfrüchte an die Volksküchenteilnehmer ...; 2) Gendarmerie 9 to; 3) Feuerwehr je Kopf und je Monat 5 Oka Getreide und zusätzlich je Familienmitglied (Frau und Kinder) eine Oka Getreide; 4) Schulkinder 3,6 to. (Mit der Verteilung ist sofort zu beginnen und zwar ist für die Monate Januar bis März je 1/3 der vorstehenden Mengen auszugeben.) 5) Beamte: Die Verteilung von 13 to erfolgte bereits durch Verfg. v. 15.1.; 6) 100 to durch die Importunion an die Bevölkerung lt. Verfg. v. 19.1. - Zu diesen Verteilungen wird bemerkt, daß von keiner Seite ein Anspruch auf ... Weizen besteht, sondern daß im stärksten Umfang Gerste und Hafer, wovon z.Zt. noch die größten Bestände vorhanden sind, ausgegeben werden ... Von der verbleibenden Restmenge ... darf nur auf Anweisung der Kreiskdtr. ausgegeben werden. Dokument 11 (Paratiritis, 24.10.43) Kdtd. Festung Kreta, Lohntabelle (ab 1.10.43) A. Männliche Stundenlöhner (alle Angaben in Drachmen): 1. Meister (Leiter einer Werkstatt), Schachtmeister, Poliere 2. Meister (Leiter einer Teilwerkstatt), Hilfspoliere etc. 3. Vorarbeiter, Leiter einer Kolonne, Maschinisten etc. 4. Facharbeiter, a) mit schweren oder gefahrlichen Arbeiten b/c) Qualitäts-/übrige Facharbeiter 5. a/b) Kraftwagenführer mit/ohne bes. techn. Ausbildung 6. Angelernte Arbeiter 7. Ungelernte Arbeiter 8. Lehrlinge und Jugendliche bis zu 16 Jahren B. Weibliche Stundenlöhner:

1 310 1 180 1 050 920 850/790 920/ 790 730 660 290

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690/520/390 1/2/3. Vor-/Fach-/Hilfs-/arbeiterin Jugendliche bis zu 16 Jahren 260 Männliche Monatslöhner: Leitende Diplomingenieure, Ärzte pp. 388 000 Hochschulmäßig vorgebildet, in nicht leitender Stellung 305 000 Gehobene technische u. Bürokräfte mit guter Fachbildung 239 000 Dolmetscher (volle Sprachbeherrschung in Wort/Schrift) 388 000 Einfache techn. Kräfte, Portiers mit Deutschkenntnissen 206 000 a) Sprachmittler (auch weibl. Dolmetscher) 282 000 b) Portiers ohne deutsche Sprachkenntnisse 140 000 7. Köche/Chefköche 162 000/195 000 D. Weibliche Monatslöhner: 1. Ärztinnen 239 000 2. Erstklassige Stenotypistinnen mit Deutschkenntnissen 206 000 3. Stenotypistinnen mit Sprachkenntnissen, geringe Praxis 162 500 4. Technische Hilfskräfte, Pflegedienst 162 500 5. Bürokräfte mit deutschen oder fremden Sprachkenntnissen 140 000 6. Bürokräfte ohne Sprachkenntnisse; perfekte Köchinnen 118 000 7. Serviermädchen, Putzfrauen pp. 92 000 E. Verheiratete männl. Kräfte erhalten tägl. Familienzulage 2 000 F. Besondere Lohnzuschläge dürfen gezahlt werden: a) für besonders schwere oder gefahrliche Arbeiten 16% b/c/d) für Überstunden, Sonn-, Feiertags- u. Nachtarbeit (22-5h) 50% G. Bei Gestellung von Tieren u. Karren darf gezahlt werden: Esel/Maultier/Pferd das 2/3/4fache Esel/Maultier o. Pferd mit Karren u. Geschirr das 4/6-7fache Esel/Maultier o. Pferd mit Karren ohne Geschirr das 3/5-6fache des Stundenlohns eines ungelernten Arbeiters (s. A7) Bei Gestellung des Futters durch den Auftraggeber ist für die Tiere nur die Hälfte der vorstehenden Sätze zu zahlen. Anmerkung: Die Arbeitskräfte sind grundsätzlich nach der Tätigkeit zu entlohnen, die sie tatsächlich verrichten. 4. C. 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Dokument 12 (PI, v. 7/1, S. 72) Aus der Weisung Kdt. d. Festung Kreta, ChefGenst., an KKI, 21.3.44 Zur Verbilligung der eingeführten Lebensmittel einerseits und zur Erhöhung des Anreizes zur Einfuhr nach Kreta für die Importeure andererseits ist ab sofort... folgendermaßen zu verfahren: 1. Dem Importeur sind bis zu 50 % der eingeführten Waren zum Verkauf auf dem freien Markt zu überlassen. Dafür ist der Preis der durch die Import-Union übernommenen Waren entsprechend zu drücken. Der Prozentsatz, um den der auf Grund der Kalkulation angesetzte Preis gedrückt werden kann, kann nicht starr festgelegt werden, da sich dieser im allgemeinen nach der Gewinnspanne richtet, die der Importeur mit den freigelassenen Waren auf dem freien Markt erzielen kann. Das besagt, daß der Preis für die durch die Import-Union übernommenen Waren um so stärker gedrückt werden kann, je größer die Spanne zwischen dem kalkulierten Preis und dem des freien Marktes ist. 2. Da die Import-Union ständig an den von ihr einzulegenden und die übernommenen Waren zu kreditierenden Geldmitteln verliert, ist die Provision auf die eingeführten Waren mit 7 % anzusetzen. 3. Die Reduzierung der von der Import-Union zu übernehmenden Waren soll nicht zu einer Verschlechterung der Versorgung der Bevölkerung führen. Dies ist dadurch zu erreichen, daß durch die

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Präfektur die Zahl der tatsächlich armen Bevölkerungskreise ermittelt und nur an diese die Verteilung der durch die Import-Union übernommenen Lebensmittel vorgenommen wird. Was die armen Bevölkerungskreise betrifft, so kommen hier in erster Linie die auf einen festgesetzten Lohn bzw. ein festes Gehalt angewiesenen Bevölkerungsschichten in Frage, also vor allem die Beamten und Wehrmachtsarbeiter. Hinzu tritt derjenige Kreis, der nicht in der Lage ist, sich auf dem freien Markt den Lebensunterhalt zu verdienen, also jene Leute, die schon jetzt zu einem Teil in den Volksküchen erfaßt sind ... Die Kreiskdtm. haben hierbei die Präfekten in jeder Hinsicht zu unterstützen. Dokument 13 (PI, v. 8) Aus der Verfügung Kdt. Festung Kreta (über KKI) an PI, 20.6.44 Es wird ersucht, nachstehende Notiz zu übersetzen u. in der Ztg. „Kritikos Kiryx" in einer der nächsten Ausgaben veröffentlichen zu lassen: Das reichseigene Unternehmen „Überlandtransport". Das reichseigene Unternehmen „Überlandtransport" wurde von deutscher Seite u. mit ausschließt, deutschen Mitteln im Juli 1943 gegründet u. hat die alleinige Aufgabe, den gemeinnützigen Zwecken Kretas zu dienen. Das Unternehmen untersteht der Führung des Kommandanten der Festung Kreta, Militärverwaltung; mit der Leitung der Geschäfte ist G. E. Daskalakis-Chania beauftragt. Die in Dienst gestellten 4 Lastkraftwagen wurden von Deutschland nach Kreta gebracht... Obwohl das Deutsche Reich Eigentümer u. Betreuer des Unternehmens ist, verzichtet es auf alle Einnahmen ..., die nach Abzug der notwendigen Betriebskosten ... ausschließlich griechischen Wohlfahrtszwecken zugeführt werden. Dokument 14 a/b (PI, v. 7B3, S. 1230, v. 7/3, S. 170) Verfügung KKI an (griech.) Hafen-Kdt. Iraklion, 4.2.44 Durch Verfg. d. Kdtn. d. Fstg. ist mit Wirkung vom 1.2. der Preis für Fische auf 15 000 Dr. je Oka für die Wehrmacht und 50 000 Dr. je Oka für die bedürftige Bevölkerung festgesetzt worden. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, daß die Ergebnisse des Fischfangs zu drei gleichen Teilen für die Wehrmacht, für die bedürftige Bevölkerung und für die Fischer zu verteilen sind. Verfügung KKI an PI, 8.5.44 Der Preis für Fische wurde mit sofortiger Wirkung auf 120 000 Dr. je Oka für die Wehrmacht und auf 240 000 Dr. je Oka für die bedürftige Bevölkerung festgesetzt. Die Generalverwltg. Kreta wurde angewiesen, die Steuer für Fische für die Wehrmacht und für die bedürftige Bevölkerung zu erlassen. Dokument 15 (PI, v. 8) Aus der Verfügung KKI an PI, 30.12.43 Um den tatsächlichen Bedürfnissen der wirklich armen Bevölkerung Rechnung zu tragen, hat der Kdt. d. Fstg. Kreta durch Verfg. v. 24.12. angeordnet, daß nunmehr Volksküchen einzurichten sind. Die Präfekten haben zu diesem Zweck der Kreiskdtr. eine Aufstellung derjenigen armen Personen einzureichen, die unbedingt auf eine Aufnahme angewiesen sind. Bei Auswahl dieser Personen sind in erster Linie folgende Faktoren zu berücksichtigen: a) Arbeitsunfähigkeit, b) Alter u. Schwäche, c) Krankheit und d) Witwen mit kleinen Kindern. Vor Aufstellung der Liste sind die entsprechenden Fürsorgevereine von Iraklion darüber zu hören. Für die Volksküchen sind noch folgende Richtlinien gegeben worden: Wenn irgend möglich, sollen die zugewiesenen Nahrungsmittel dem Sinn einer Volksküche entsprechend gekocht werden und am Ort der Volksküche den vorgesehenen Personen ... übergeben werden. Der Vorteil des Kochens der Lebensmittel - statt einer Ausgabe in Natura - liegt darin, daß die Lebensmittel auch tatsächlich für Nahrungszwecke verwandt werden ... Nachstehende Tages-Mindestsätze an Lebensmitteln sind den Volksküchen zuzuweisen: 100 g Hülsenfrüchte, 50 g Mehl, 30 g Öl, 20 g Rosinen und 5 g Salz ... Es wird anheimgestellt, daß die Kreiskdtn. im Rahmen ihrer Verfügungsmöglichkeiten in Zusammenarbeit mit den Präfekturen diese Sätze er-

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höhen ... Da die Zuverlässigkeit und die Fähigkeit der für die Leitung solch einer sozialen Einrichtung benötigten Personengruppe (z.B. Präfekt, Bürgermeister, Kirche) in den einzelnen Kreisen verschieden ist, wird es den Kreiskdtrn. überlassen, welche Personen sie mit der Einrichtung der Volksküche beauftragen ... Die bisher zur Verbilligung der Waren von der Gruppe MV der Import-Union zugewiesenen Geldmittel sind ab sofort der Volksküche zur Verfg. zu stellen. Weiterhin sind ab sofort der Volksküche die aus der Sozialabgabe eingezogenen Geldmittel... zu einem noch festzusetzenden Prozentsatz zu übergeben. Inwieweit der griech. Staat, die Generalverwaltg. Kreta bzw. die reiche Bevölkerung Geldmittel... geben werden, muß noch geklärt werden. Dokument 16 a/b (PI, v. 7b5, S. 69, 58) Aus der Verfügung KKI an PI, 12.12.43 Der Präfektur werden hiermit... 1,2 Tonnen Getreide für die Schüler und Lehrerschaft sämtlicher Schulen der Stadt Iraklion zugewiesen. Diese Getreidemenge ist aus den Konzentrationsbeständen zu entnehmen. Voraussichtlich wird die entnommene Menge vom IRK erstattet werden ... Um das Brot für die Schulkinder nahrhaft zu machen, sollen wie im Voijahre Rosinen und Olivenöl hinzugesetzt werden. Aus der Vollzugsmeldung PI an KKI, 10.2.44 In Erledigung Ihrer Schreiben vom 10.1.44 und 1.2.44 teilen wir Ihnen mit, daß die Zuteilung der Schulkinderspeisungen ... seit dem 10.1.44 begonnen hat. Wir verteilten 3 850 Brötchen dreimal pro Woche. Sie waren aus Mischkorn, Öl und Rosinen hergestellt und waren 40 Dram schwer ... Die Zuteilung ... hat einen sehr guten Anklang gefunden, nachdem sie sehr nahrhaft sind und gratis geliefert werden. Dokument 17 a/b (PI, v. 6, S. 283, 280) Aus der Verfügung KKI an PI, 11.12.43 Der Kdt. d. Fstg. Kreta hat durch Verfg. vom 6.12. für den Kreis Iraklion folgende Sonderzuteilungen von Lebensmitteln an die Bevölkerung zum Weihnachtsfest genehmigt: 1) 10 t Olivenöl (aus Naturalsteuer), 2) 45 t Rosinen, 3) 8 t Seife, 4) 22 t Getreide. Diese Menge kann aus der Getreidesteuer entnommen werden ... 5) Salz. Die Ausgabe wird in das Ermessen der Präfektur gestellt und hängt von den vorhandenen Beständen ab. 6) Zigaretten ... Aus der Vollzugsmeldung PI an KKI, 20.12.43 In Erledigung Ihres Schreibens vom 11.12.43 beehren wir uns, Ihnen bekanntzugeben, daß ... beginnt die Zuteilung an die Bevölkerung ... (jeweils pro Kopf): 1-3) je 100 Dramia Olivenöl, Seife, Hülsenfrüchte; 4) 200 Dramia Gerste; 5) 50 Dramia Makkaroni; 6) 15 Dramia Tomatenbrei; 7) 2 Oka Rosinen; 8) 7 Schachteln Zigaretten pro Raucher. Betreffende Bekanntmachung ist... veröffentlicht. Dokument 18 a/b (PI, v. 7a, S. 848, 846) Aus der Verfügung KKI an PI, 16.3.44 Am ... griech. National-Feiertag ist in der Volksküche eine mit den zugewiesenen Geldmitteln zu ermöglichende verbesserte Kost (Heisch, Gemüse usw.) auszugeben. Entsprechender Bericht ist... einzureichen. Aus der Vollzugsmeldung PI an KKI, 26.3.44 Am 25.3.44, gelegentlich unseres Nationalfeiertages, ist sowohl an die Volksküchen als auch an die Kinderküchen Fleischgericht gegeben worden. Außerdem hat jede Familie der Teilnehmer eine halbe Oka Seife bekommen, all dies ist gratis an die Teilnehmer abgegeben worden und hat den besten Eindruck hervorgerufen.

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Dokument 19 (PI, v. 5al, S. 91) Verfügung KKI an PI, 8.5.44 Der Überbringerin dieses Schreibens, die infolge Krankheit ihrer Tochter aus dem Arbeitseinsatz in Deutschland zurückkam und hier mittellos ist, sind aus den dortigen Beständen etwas Öl und Seife auszuhändigen. Dokument 20 (PI, v. 6, S. 464) Gesuch des Priesters Emm. Venianakis an KKI, 23.11.43 Hiermit beehre ich mich Sie ergebenst zu bitten, um Genehmigung durch die Präfektur Iraklion für Gewährung von 100 Oka Getreide zum Ernährung meiner Familie. Bei dieser Gelegenheit verpflichte ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß mein wirtschaftlicher Zustand z.Zt. sehr schlecht ist, da ich überhaupt kein Vermögen habe und wegen meines Berufes als Priester die Lebensmitteln meiner 7köpfigen Familie von dem sog. Schwarzhandel nicht leicht beschaffen kann. Außerdem ich aus einer Herzkrankheit leide und meine Frau z. Zt. schwanger ist. Vermerken Sie bitte, daß ich von vorneherein ein Freund der deutschen Politik bin und als solcher habe ich alles mögliche für die deutschen Behörden getan, so daß schäme ich mich nicht sagen, daß mein Leben sich in Lebensgefahr befindet. - Ihren wohlwollenden Entscheid entgegensehend, danke ich Ihnen im voraus. Dokument 21 (PI, v. 6, S. 476f.) Aus dem Gesuch der Witwe Eleni Maravgaki an KKI, 17.11.43 Ich beehre mich Ihnen hiermit ergebenst mitzuteilen, daß mein Gatte Georg Maravgakis, welcher als Arbeiter bei den Bauwerken auf dem Flugplatz Kasteiii tätig war, ist bei dem Zahlungsbüro ... gewesen, um sein Tagelöhne zu erhalten. Weil aber in dem Büro viele Arbeiter waren, hat er seine Tagelöhne nicht bekommen und er ist von Kasteiii weggegangen, wie es dunkel wurde und ohne zu wissen, daß die Sperrstunde vorbeigegangen ist. - Wie er bei der deutschen Wache bei Agios Ioannis vorbeiging, hat ihn die Wache gerufen stehenzubleiben; weil er aber taub war, hat er natürlich nicht gehört und so wurde er von dem Posten erschossen und er hat ohne irgendeinen Schutz mich und seine [8] waisen Kinder.... Da ich Herr Kreiskommandant vollständig mittellos bin, und ich und meine Kinder an Hunger leiden, so bitte ich Sie mir eine passende Menge von Getreide gewähren zu wollen. KKI an PI, 21.11.43 Ur. der Präfektur zugeleitet mit dem Ersuchen, die Gesuchstellerin nach Möglichkeit zu unterstützen. Dokument 22 a/b (PI, v. 6, S. 233f.) Ortskommandantur Ano Archane an KKI, 26.11.43 Die griech. Staatsangehörige Angelika Psaldakis ist seit Mitte Sept. 1943 als Dolmetscherin bei der Ortskommandantur beschäftigt. Sie versieht ihren Dienst in vorzüglicher Weise, ohne hierfür eine Entschädigung zu verlangen. Es wird gebeten, der P. den Ankauf von Lebensmitteln (Getreide usw.) zu verbilligten Preisen zu ermöglichen. Aus der Verßgung KKI an PI, 1.12.43 Der Griechin Angelika Psaldakis aus Ano Archane sind 30 Oka Getreide, 5 Oka Hülsenfrüchte und 3 Oka Öl... gegen Bezahlung anzuweisen. Dokument 23 (PI, v. 7a, S. 771) Verßgung KKI an PI, 20,3.44 Gegen diese Anweisung sind der Dienststelle Β. 144 kg Öl zum Preis von 30 000 Dr. je kg (und) 22 kg Getreide zum Preis von 10 000 Dr. je kg gegen Bezahlung abzugeben.

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Dokument 24 (PI, v. 7a, S. 639f.) Aus dem Gesuch des Nikolaus Arvanitakis an KKI, 8.3.44 Am 6. März 1944 während ich mit meinem Esel, den ich mit frischem Käse etwa 60 Oka beladen hatte, ... unterwegs nach Iraklion war, ganz plötzlich ein deutsches LKW mit Kennzeichen WL 412990, das mit blitzender Geschwindigkeit entgegenfahrte, mein Esel in einem Augenblick überfahrte und damit der Esel sofort verendete. Zugleich die 60 Oka Käse im ganzen vernichtet wurden. Da ich, sehr geehrter Herr Kommandant, ein armer Bauer bin und ausschließlich durch die Benutzung meines Esels die Lebensmitteln meiner 7köpfigen Familie (davon 5 unmündige Kinder) verdiene, hätte ich Sie ergebenst gebeten, um Gewährung eines anderen der Wehrmacht nicht notwendigen Esels, um ich die Lebensmitteln meiner Familie weiter verdienen zu können. Andernfalls entscheiden Sie, was Sie über richtige Regelung meiner Angelegenheit meinen. KKI, Ur. zurück über PI, 24.3.44 Die Einheit des Lkw. 412990 kann von hier nicht ermittelt werden. Zur Bearbeitung vorliegenden Antrags ist daher noch die Angabe der Dienststelle erforderlich. Dokument 25 (PI, v. 7a, S. 702f.) Gesuch des Johann N. Prinaris an KKI, 3.2.44 Meine Tochter Marie Prinari nach der Einnahme der Insel von den deutschen Truppen hat sie bei der Wache in Strubula als Putzmädchen gearbeitet und seit 2 1/2 Jahre ist sie nach Deutschland gefahren, wo sie ihre Dienste der deutschen Wehrmacht leistet. Da ich ein armer Landwirt bin und meine Familie, welche aus 10 Personen besteht, nicht ernähren kann, so erlaube ich mir, Ihnen die Bitte zu richten mir eine anpassende Menge von Getreide genehmigen und mein Maultier von der Beschlagnahme befreien zu wollen, damit ich meine Familie erhalten kann. KKI, Ur. zurück über PI, 7.2.44 Für eine Getreidezuteilung ist die Präfektur zuständig. Wegen der Freigabe eines Maultieres ist der Kreiskdtr. zunächst mitzuteilen, welche Einheit das Tier beschlagnahmt hat und wo und seit welcher Zeit es für die Dienststelle eingesetzt ist. Dokument 26 (PI, v. 7b5, S. 103) Gesuch des Bürgermeisters E. Chantsidakis an KKI, 12.1.44 Am 26.8.43 bei der Zerstörung der Ortschaft Worisa wurden mir von den deutschen Soldaten ein zweijähriger, schwarzer Bulle, eine Zuchtsau und noch drei kleine Schweine abgenommen. Da es mir ohne das Rind unmöglich ist, meinen Acker zu bestellen, kann ich meine Familie nicht ernähren. Darum bitte ich um Rückgabe des Rindes und der Zuchtsau, die in Ambelusos (Wehrmachtsgut) sind. KKI, Ur. zurück über PI, 25.1.44 Dem Antrage des Evangelos Chantsidakis kann nicht entsprochen werden. Dokument 27 (PI, v. 8) Aus dem Gesuch Plan Kdt. Festung Kreta (Müller), 28.6.44 Excellenz, Sie erlauben mir Ihnen hiermit meinen herzlichsten Glückwunsch gelegentlich der Übernahme Ihrer neuen Amtspflichten zu übermitteln, und Ihnen zu wünschen auch die höchsten militärischen Grade und Auszeichnungen für das Wohl der tapferen deutschen Nation und die Rettung der europäischen Kultur und des Christentums zu bekommen. Wie Ihnen ... bekannt sein wird, sind die letzte Zeit in der Stadt Iraklion und aus einigen Dörfern ca. 50 Personen festgenommen worden ... Die meisten dieser Personen stammen aus den wissenschaftlichen, kaufmännischen und Landwirtschaftskreisen,... welche keine Beziehungen mit Verbrechern und Kommunisten haben,... gehören der besten und konservativsten Gesellschaftsschicht, und interessiert sich ganz besonders die gesamte Bevölkerung für ihr Schick-

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sal. Mit der Zuversicht, daß dank Ihrer gerechten und wohlwollenden Entscheidung wird Recht gegeben, bitte ich Sie den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochachtung entgegennehmen zu wollen. Dokument 28 (PI, v. 6a, S. 940) Aus der Weisung KKI an PI, 10.8.43 Der Kommandant der Festung Kreta hat durch Verfügung vom 24.7.43 für den Bereich der West-, Südund Ostküste die Neueinrichtung einer Sperrzone von 3 km Tiefe befohlen. Auf Grund dieses Befehls wird angeordnet: 1) Die Sperrzone ist aus Gründen der Sicherheit... in vollem Umfang zu evakuieren. Die Evakuierung ist durch die Präfektur durchzuführen und muß bis zum 24.8.43 vollzogen sein ... 3) Das Ableiten der Bevölkerung hat in möglichst weit von der Küste entfernt liegende Räume zu erfolgen. Sämtliche Hirten sind gleichfalls mit ihren Herden aus der Sperrzone zu entfernen ... 6) Ab 25.8.1943 wird auf jede Person, die in der Sperrzone angetroffen wird, geschossen. Dokument 29 (PI, v. 6, S. 639f.) Verfügung KKI an PI, 11.11.43 Ich ersuche beiliegende Bekanntmachung in den Zeitungen Kritikos Kiryx und Paratiritis veröffentlichen zu lassen. Gleichzeitig sind die Bürgermeister der angrenzenden Gebiete durch die Präfektur noch besonders zu verständigen, daß nicht durch Nichtbeachtung der Vorschriften unliebsame Zwischenfälle entstehen...: Den Eigentümern der Olivenhaine im Sperrgebiet ... wird die Einbringung der Olivenernte in der Zeit vom 15. November bis 15. Dezember einschließlich gestattet... a) Die Ernte ... im Randgebiet der Sperrzone ... kann derart erfolgen, daß dieses Gebiet ab 7.00 Uhr morgens betreten wird; es ist dann bis 16.00 Uhr wieder zu verlassen ... b) In den entlegeneren Teilen ..., von denen aus eine tägliche Rückkehr nicht möglich ist, können die mit der Ernte beschäftigten Personen auch während der Nachtzeit im Gebiet verbleiben. Sie haben sich jedoch vor Betreten des Gebietes bei der Ortskommandantur ... zu melden. Die Ortskommandantur erteilt ihnen einen auf ihren Namen lautenden Ausweis ... Außerdem bestimmt die Ortskommandantur im Einvernehmen mit der Truppe, an welchen Plätzen eine geschlossene Übernachtung stattzufinden hat. Dieser Übemachtungsplatz darf nach 16.00 Uhr nicht mehr verlassen werden. Personen, die sich nach dieser Zeit noch außerhalb der Lager befinden, laufen Gefahr, als Banditen behandelt und erschossen zu werden. Dokument 30 (PI, v. 6, S. 226) Verfügung KKI an PI, 23.12.43 Die Griechen 1) Emm. Vidakis, 2) Jos. Kanakosakis, 3) Matthäus Kalsadakis, alle aus Panajia, 4) Emm. Lambrakis aus Arkalochori und 5) Manolis Disperakis aus Kamares wurden wegen besatzungsfeindl. Verhaltens bzw. wegen Feindbegünstigung und verbotenen Waffenbesitz zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde bei Ziffer 1 - 4 am 14.12. und bei Ziffer 5 am 30.11. vollstreckt. Die Bürgermeister der in Frage kommenden Gemeinden sind davon zu unterrichten. Eine Veröffentlichung in der Presse ist untersagt. Dokument 31 (PI, v. 7b, S. 107) Presseaufruf „An die griechische Bevölkerung im Raum Iraklion und im Ostteil Kretas" (KKI an PI, 25.1.44) Die Besatzungsmacht stellt fest, daß in den letzten Wochen die Sabotagen an Kabelleitungen zugenommen haben. Das bedeutet einen Bruch der Befriedungsaktion, die auf der Insel allgemein mit großem Erfolg begonnen hatte. Die Besatzungsmacht sieht vorläufig davon ab,... mit verschärften Maßnahmen gegenüber der Zivilbevölkerung zu antworten ... Die Bevölkerung wird aufgefordert, alle verdächtigen Elemente ... zur Anzeige zu bringen. Bei weiteren Sabotagefällen sieht sich die Besatzungsmacht gezwungen,... einzuschreiten.

Besatzungsalltag auf Kreta

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Dokument 32 a/b/c (PI, v. 7a, S. 660, 657, 468) Aus der Verfügung KKI an PI, 12.3.44 Etwa 3 km westl. des Dorfes Kalessa wurde am 29.2. eine Kabelsabotage festgestellt... Es handelt sich innerhalb kurzer Frist um den zweiten Sabotagefall. Als Vergeltungsmaßnahme wird verfügt: 1. Vorverlegung der Sperrstunde auf 19 h für die Dauer von 2 Monaten, 2. Zwangsarbeit von 20 männl. Personen für die Dauer von 2 Wochen, ... und 3. Abgabe einer Naturalkontribution von 500 Oka Öl und 1000 Oka Wein als Ersatz für entstandenen Schaden. Aus der Verfügung KKI an PI, 26.3.44 Wie nachträgl. festgestellt wurde, liegt die Sabotagestelle nicht direkt im Gemeindebereich Kalessa, sondern im Gebiet der Gemeinde Kavrochori, und zwar in unmittelbarer Nähe der Gemarkungsgrenzen der Gemeinden Kalessa und Tilissos. Die ... Naturalkontribution ... ist daher auf die drei Gemeinden ... je zu einem Drittel umzulegen ...; außerdem sind die in Ziffer 2 erwähnten 20 männl. Personen aus allen drei Gemeinden anteilmäßig heranzuziehen. Aus der Verfügung KKI an PI, 6.4.44 Innerhalb kurzer Zeit hat sich im Bereich der o. a. Gemeinden nunmehr die 3. Kabelsabotage ereignet. Alle Bemühungen zur Ermittlung des Täters und der Aufruf an die Einwohner zur Mithilfe ... waren bisher erfolglos. Für die Tat und für den entstandenen Schaden müssen daher die 3 Gemeinden zur Verantwortung gezogen werden ... 1) Als Ersatz des entstandenen Schadens haben an die Zahlmeisterei der Kreiskdtr. bis zum 15.4. zu bezahlen die Gemeinde Krussona 20 Mill., die Gemeinde Tilissos ... und die Gemeinde Kalessa [je] 10 Mili. Dr.; 2) werden den Gemeinden folgende Naturalkontributionen auferlegt: der Gemeinde Krussona die Ablieferung von 20 Schafen an den Wehrgutsbetrieb Ambelusos, der Gemeinde Tilissos die Ablieferung von 500 Oka Öl... und der Gemeinde Kalessa die Ablieferung von 1 000 Oka Rosinen.... Termin für die Ablieferung ist der 15.4., Nichteinhaltung ... hat Verdoppelung der Kontributionen zur Folge. 3) wird den Gemeinden ... die Überwachung der Fernsprechleitungen für die Dauer eines Monats ... auferlegt... Im übrigen wird allen 3 Gemeinden nochmals anheimgestellt, mit allen Mitteln darüber zu wachen, daß künftighin Sabotageakte vermieden werden. Weitere Vorfälle hätten schärfste Vergeltungsmaßnahmen zur Folge. Dokument 33 (PI, v. 8) Verfügung KKI an PI, 8.8.44 Für die durch Bandeneinsatz gefallenen deutschen Soldaten sind bis Mittwoch den 9. August 10 Uhr früh an die Kreiskommandantur 9 Särge zu liefern. *) In den Dokumenten werden zumeist die griechischen Gewichtsmaße verwendet: 1 Oka = 400 Dram(ia) = 1,28 kg; 1 Dram = 3,2 g. Rechtschreibung und Grammatik der Dokumente sind beibehalten worden, sofern das Verständnis nicht beeinträchtigt wird.

Kapitel V

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg Von Berthold Puchert

1. Zur Vorgeschichte und Begriffsbestimmung a) Zur Vorgeschichte Wenn Hitler und seine Umgebung das Ziel Autarkie anvisierten, dachten sie an einen künftigen „deutschen Lebensraum", der von der übrigen Welt wirtschaftlich unabhängig sein sollte.1 Um andere Staaten und Völker nicht vorzeitig zu womöglich koordiniertem Widerstand zu provozieren, vermieden sie es, die geographischen Ausmaße dieses „Lebensraum"begriffes klar zu definieren. Dem Mosaik einzelner Äußerungen, beginnend schon mit Hitlers Buch „Mein Kampf', kann aber entnommen werden, daß letztlich der gesamte europäische Kontinent, vorrangig dessen östliche Hälfte, gemeint war. Das war allerdings das Fernziel. Der „Lebensraum" mußte erst einmal unter deutsche Herrschaft gebracht werden, wozu im einen oder anderen Fall ökonomische Mittel und Gewaltandrohung ausreichen mochten, zumindest größere Staaten und Völker aber militärisch niedergerungen werden mußten, und zwar - so hoffte man - sukzessive in jeweils kurzen Blitzkriegen mit Regenerationspausen. Die Naziführer waren sich durchaus dessen bewußt, daß bis dahin neben der Ausschöpfung innerdeutscher Ressourcen und der Beute in den unterworfenen Territorien Außenhandel mit souveränen Staaten unumgänglich blieb: Nahrungsmittel, Rohstoffe und wenigstens bestimmte Halb- und Fertigprodukte der Industrie waren zu importieren, und zur Aufbringung der dafür erforderlichen Zahlungsmittel mußten zahlreiche deutsche Erzeugnisse, darunter im Inland selbst dringend benötigte Industriewaren, exportiert werden, wobei in der Phase der Kriegsvorbereitung durch den Export auch Mittel zu beschaffen waren, um durch wenigstens partielle Verzinsung und Tilgung älterer Schuldverpflichtungen andere Staaten, die die deutsche militärische Aufrüstung argwöhnisch beobachteten, zu besänftigen und von koordinierten Reaktionen abzuhalten. Im vorliegenden Kapitel soll gezeigt werden, daß und wie der deutsche Außenhandel seine Rolle als notwendiger Faktor für die Führung des Krieges in seinen verschiedenen Phasen einschließlich der Kriegsvorbereitung spielte. 1 Vgl. u. a. Döring, Dörte, Deutsche Außenwirtschaftspolitik 1933-35. Die Gleichschaltung der Außenwirtschaft in der Frühphase des nationalsozialistischen Regimes, Berlin 1969, S. 36; Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg (im folgenden: Das Deutsche Reich), Bd. 1, Stuttgart 1979, S. 195 ff.; Volkmann, Hans-Erich, Außenhandel und Aufrüstung in Deutschland 1933-1939. In: Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, Düsseldorf 1975, S. 83; Boelcke, Willi Α., Deutschland als Welthandelsmacht 1930-1945, Stuttgart 1994, S. 31 ff.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Die Außenhandelssituation2 und die, zwar nicht nur, jedoch in erheblichem Maße dadurch bedingte Devisenlage waren in den ersten Jahren des NS-Regimes denkbar ungünstig. Gerade deshalb aber bestand eine für einschneidende handels- und devisenpolitische Zwangsmaßnahmen günstige Atmosphäre, über die Erleichterung diktatorischer Eingriffe in das Wirtschaftsleben hinaus, die sich schon aus der Abschaffung des parlamentarischen Systems ergab. Ungünstig war, daß mit dem Ende der Weltwirtschaftskrise Rohstoffe, die wegen der Belebung der Industrieproduktion, aber auch zur Deckung der mit der Verminderung der Arbeitslosigkeit zunehmenden Massennachfrage nach Nahrungs- und anderen Bedarfsgütern vermehrt importiert werden mußten, auf dem Weltmarkt vorrangig teurer wurden, während äußere Nachfrage nach deutschen Fertigwaren mengenmäßig nur langsam zunahm und zudem die auf dem Weltmarkt damit erlösbaren Preise nicht adäquat anstiegen, ganz zu schweigen von den während der Krise in vielen Ländern errichteten bzw. erhöhten administrativen Einfuhrschranken. Durch den deutschen Warenexport ließen sich folglich die für den Warenimport nötigen Zahlungsmittel nicht in ausreichendem Maße beschaffen, und es mangelte auch an Devisen, um die Auslandsschulden, die trotz wesentlicher Entlastung von Reparationsverpflichtungen immer noch hoch waren, gebührend zu bedienen, was Voraussetzung für neue Anleihen und Kredite aus anderen Ländern gewesen wäre. Vor diesen Schwierigkeiten hätte in jener Zeit auch jede andere Regierung Deutschlands gestanden: Sie erfuhren enorme Verschärfung durch den mit Hitlers Machtantritt eingeschlagenen Kurs der systematischen Kriegsvorbereitung. Doch dieser brauchte anfangs nicht zur Begründung einschneidender handels- und devisenpolitischer Maßnahmen offen verkündet zu werden, weil die ökonomische Zwangslage infolge der Weltwirtschaftskrise vielen als Begründung plausibel genug erschien. Nachdem seit dem 30. Januar 1933 in Fortführung schon seit 1930 üblicher Antikrisenmaßnahmen3 diese und jene Einzelverordnung erlassen worden war, machte der am 2. August 1934 mit der Wahrnehmung des Amtes des Reichswirtschaftsministers beauftragte Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht von einer am 3. Juli 1934, vor seiner Ernennung, erfolgten, bis zum 30. September 1934 befristeten Generalermächtigung Gebrauch und gab im September und Oktober 14 Verordnungen, Runderlasse und dergleichen4 heraus, die in der Öffentlichkeit zusammenfassend als „Neuer Plan" bezeichnet wurden. Die im Einvernehmen mit dem Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erlassene „Verordnung über den Warenverkehr" trägt das Datum vom 4. September 1934.5 In den kommenden Monaten und Jahren wurde dieses Paket durch Hunderte weiterer Vorschriften konkretisiert.6 2 Vgl. u. a. Döring; Zumpe, Lotte, Wirtschaft und Staat in Deutschland 1933 bis 1945 (= Wirtschaft und Staat in Deutschland, Bd. 3), Berlin 1980, S. 22 ff. 3 Zu Devisenbewirtschaftungs- und Einfuhrkontrollmaßnahmen 1931-1934 siehe Döring, S. 58-65. 4 Als Anlagen abgedruckt in: Die Neuregelung des deutschen Außenhandels. Ein praktischer Wegweiser durch die geltenden Bestimmungen unter Mitwirkung von Sachbearbeitern der amtlichen Stellen und des Reichsstandes der deutschen Industrie. Hrsg. v. Franz Reuter, Berlin o. J. (1934), S. 77-132 (im folgenden: Die Neuregelung). 5 RGBl. 19341, S. 565. 6 Ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank sprach von 242 Runderlassen allein im Jahre 1935: Schlieper, Gustaf, Banken und Außenhandel. Schriftenreihe der Finanzwochenschrift „Die Bank", H. 4,1936, S. 14.

Vorgeschichte und Begriffsbestimmung

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In dem für uns hier wichtigsten Runderlaß Nr. 1/34 Ü.St. vom 11. September 1934 hieß es: „Mit dem 24. September 1934 tritt eine Neuregelung der Devisenbewirtschaftung für die Wareneinfuhr in Kraft. Danach werden die Überwachungsstellen für den Regelfall an Stelle der Devisenstellen Organe der Devisenbewirtschaftung, soweit die Bezahlung der Einfuhr von Waren aus dem Ausland in Frage steht.... Zweck der Neuregelung ist, unter Aufgabe des bisherigen Systems der allgemeinen Devisengenehmigungen für die Einfuhr und des nur als Übergangsregelung gedachten Repartierungsverfahrens die Wareneinfuhr in Übereinstimmung mit dem Devisenaufkommen der deutschen Wirtschaft zu bringen und zu erreichen, daß das größtmögliche Maß an Sicherheit für die Bezahlung der Einfuhr geschaffen wird. Zu diesem Zweck werden Devisenbescheinigungen für die einzelnen Einfuhrgeschäfte ausgestellt. Die Einfuhr von Waren, für die eine Devisenbescheinigung nicht erteilt ist, ist nicht verboten; jedoch kann der Einführer keinesfalls damit rechnen, daß er die erforderliche Genehmigung zu ihrer Bezahlung erhält." 7 Die Neuregelung galt für die Wareneinfuhr aus allen Bezugsländern (bis Februar bzw. März 1935 mit Ausnahme der Sowjetunion und des Saargebietes). Das deutsche Warenverzeichnis, das Tausende von Einzelposten enthielt, wurde jetzt in 24 große Warengruppen eingeteilt, und die in diese Gruppen nicht einzuordnenden Warenarten faßte man zu einer 25. Gruppe zusammen, so daß es keine Ware gab, die nicht unter das neue Regulierungssystem gefallen wäre. Dementsprechend wurden 25 Überwachungsstellen eingerichtet, davon vier unter dem Namen „Reichsstelle"8. Bei letzteren handelte es sich um bereits bestehende Institutionen zur innerdeutschen Marktregulierung für landwirtschaftliche Erzeugnisse, durch die zugleich die Agrareinfuhr im Detail reguliert worden war, noch ehe der „Neue Plan" herauskam. Die deutschen landwirtschaftlichen Erzeuger und Verarbeiter benötigten bereits seit Frühjahr/Sommer 1933 für jede Warenpartie, die sie auf den deutschen Markt bringen wollten, einen Übernahmeschein der für das jeweilige Produkt zuständigen Reichsstelle. Ebenso konnten ausländische Agrarprodukte nur auf dem deutschen Markt umgesetzt werden, nachdem sich der Importeur einen solchen Übernahmeschein beschafft hatte9 - falls ihm das gelang. Jeder entsprechende Antrag an diese Reichsstellen (für landwirtschaftliche Produkte) und nun auch an die Überwachungsstellen (für nichtlandwirtschaftliche Produkte) mußte mit einer Vielzahl von Dokumenten untersetzt werden. Ein derartiger Aufwand überforderte insbesondere kleinere Geschäftsleute und ließ sie oft resignieren. Traditionelle Geschäftsbeziehungen zum Ausland wurden infolge der bürokratischen Prozeduren, die schnelles Zugreifen bei günstigen Gelegenheiten auf fremden Märkten nahezu ausschlossen, gelockert oder gingen ganz verloren, was amtlicherseits oftmals durchaus erwünscht war. Doch selbst wenn der Importeur alle Papiere beibrachte, war der Erfolg seines Bemühens davon abhängig, ob ihn die zuständige Überwachungsstelle an dem in der Regel nicht für alle Antragsteller ausreichenden Devisenkontingent beteiligte. Erklärtes Ziel des „Neuen Planes" war es, die Wareneinfuhr mit dem Devisenaufkommen aus dem Warenexport in Übereinstimmung zu bringen. Zu diesem Zweck wurden die diver7 Die Neuregelung, S. 88 f. 8 Ebenda, S. 15 ff. 9 RGBl. 1933 I, S. 143 ff.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

sen Devisenbestimmungen aus den Voijahren im „Gesetz über die Devisenbewirtschaftung" vom 4. Februar 1935 straff systematisiert.10 In der am selben Tag herausgegebenen Durchführungsverordnung" wurde festgelegt: „Die Waren, die aus dem deutschen Wirtschaftsgebiet ausgeführt werden, sind für die Zwecke der Devisenbewirtschaftung anzumelden." Für jede exportierte Warenpartie war eine Exportvaluta-Erklärung abzugeben, und die eingenommenen Devisen mußten der Reichsbank oder einer von dieser ermächtigten Devisenbank zum Kauf angeboten werden, sofern nicht eine Genehmigung vorlag, mit den empfangenen ausländischen Zahlungsmitteln oder Forderungen in ausländischer Währung bestimmte Einfuhren oder andere Zahlungsverpflichtungen im Ausland zu begleichen. Um wirtschaftspolitisch besonders erwünschte, d. h. in zunehmendem Maße: rüstungswichtige Importe zu erleichtern, gab es Ausnahmen von der Genehmigungsprozedur der Überwachungsstellen. In diesen Fällen fungierten die Landesfinanzämter als Devisenstellen - bei sehr hohen Beträgen direkt die Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung - , während die Überwachungsstellen, deren Beiräte aus Vertretern der betreffenden Branchen in Normalfallen eine gewisse Mitwirkungsmöglichkeit besaßen, in diesen Sonderfällen nicht entscheiden, sondern sich höchstens gutachterlich äußern durften, was für die staatliche Genehmigungsinstanz unverbindlich war. Zu den wichtigsten dieser Ausnahmefälle zählten „die Bezahlung eingeführter Waren im Wege des privaten Verrechnungsgeschäfts", „die Verwendung von Rohstoffkrediten zur Bezahlung eingeführter Waren" und „die Bezahlung eingeführter Waren aus freigegebenen Ausfuhrerlösen auf Grund eines Rohstoffkreditgeschäfts", also Transaktionen, die große Firmen mit ausgebildeten Organisationsapparaten, breitem Sortiment an Produkten und Leistungen sowie meistens nicht einseitiger Orientierung auf Einfuhr oder Ausfuhr eher zustandezubringen und abzuwickeln vermochten als die meisten kleineren Firmen.12 Um anderen Ländern Anreize zum Kauf deutscher Waren zu bieten und zugleich die notwendige Erhöhung unverzichtbarer Importe nach Deutschland ohne größere Beanspruchung der insgesamt zu knappen Devisen zu ermöglichen, gab Schacht die Losung „Kaufe bei deinem Kunden" aus und forcierte die bilaterale Clearing-, also devisenfreie Verrechnung der wechselseitigen Rechnungsbeträge auf der Ebene der Zentralbank Deutschlands und des jeweiligen Handelspartnerlandes. Diese Methode war seit 1931/32 zwischen verschiedenen Staaten in Übung gekommen. Wie Boelcke formuliert, verwandelte „der Clearing- oder Verrechnungsverkehr ... die ,Bardevise' in eine ,Warendevise'. Bilaterale Clearingverträge schlossen in erster Linie kapitalarme Schuldnerländer miteinander, bei denen der multilaterale Ausgleich nicht funktionierte." 13 Die Einschränkung „in erster Linie" ist zu beachten, denn die Interessenlage der verschiedenen Länder war zu kompliziert, als daß sie sich einfach in zwei Gruppen an Verrechnungs- oder an Zahlungsabkommen objektiv Interessierter einteilen ließen. Das zeigt die folgende Aufzählung: Im Jahre 1937 besaß Deutschland Verrechnungsabkommen mit Argentinien, Bulgarien, Chile, Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, 10 RGBl. 1935 I, S. 106-113. 11 Ebenda, S. 114 ff. Dazu Richtlinien ebenda, S. 119-152. 12 Weiteres dazu: Puchert, Berthold, Einige Probleme des deutschen Außenhandels 1933-1939. In: JfW, 1989, T. I (im folgenden: Einige Probleme), bes. S. 66 ff. 13 Boelcke, S. 37.

Vorgeschichte und Begriffsbestimmung

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Iran, Italien, Jugoslawien, Kolumbien, Lettland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Spanien, Schweiz, Tschechoslowakei, Türkei, Ungarn, Uruguay sowie mit der Sowjetunion.14 Während das Abkommen mit der UdSSR auf die Besonderheiten der dortigen Gesellschaftsordnung reagierte, ergaben sich die Verrechnungsabkommen mit „starken" Partnern wie u. a. den Niederlanden aus deren Bestreben, die Tilgung deutscher Schuldverpflichtungen wirksamer zu sichern. Dagegen hatten BelgienLuxemburg, Frankreich, Großbritannien, Irland, Japan, Kanada, Mandschukuo, Neuseeland, die Südafrikanische Union und Syrien-Libanon mit Deutschland Zahlungsabkommen abgeschlossen.15 Mit Raffinesse hatte die deutsche Delegation in den Verhandlungen mit Großbritannien verhindert, ähnlich wie gegenüber den Niederlanden durch ein Verrechnungsabkommen Bewegungsspielraum bei der Tilgung alter Schuldverpflichtungen einzubüßen.16 Nicht in jedem Fall lag es also im Interesse „starker" Partnerländer, mit Deutschland Zahlungsabkommen abzuschließen, sich der umständlichen, den Waren- und Kapitalfluß eher hemmenden Clearingmethode zu verweigern. Diese funktionierte ja nur insoweit, als es Lieferungen und Leistungen gegenseitig zu verrechnen gab. Für einen einseitigen Lieferüberschuß waren doch wieder freie Devisen erforderlich. Eine ausgeglichene Handelsbilanz zwischen zwei Ländern stellte ein nirgends erreichtes und praktisch nicht erreichbares Ideal dar. Gerade Deutschland mußte vor allem seinen Rohstoffbedarf in Ländern decken, die nur in geringem Maße für den Absatz deutscher Industrieprodukte in Betracht kamen, und häufig galt dies auch umgekehrt, wobei Ausfuhrüberschuß in devisenkräftige Länder natürlich erwünscht war, weil damit freie Devisen zu beliebigen Einkäufen auf dritten Märkten verfügbar werden konnten (tatsächlich beanspruchten Gläubigerländer einen Teil davon für die Verzinsung und Tilgung älterer deutscher Schulden, ζ. T. unter Androhung eines deutscherseits durchaus unerwünschten Zwangsclearings17). Im entgegengesetzten Fall, d. h. bei nicht im Clearing oder mit Devisen bezahlbarem deutschen Einfuhrüberschuß, der sich in „eingefrorenen" Reichsmark-Guthaben ausländischer Handelspartner niederschlug, wurden diese auf dem Umweg über „Ausländer-Sonderkonten für Inlandszahlung" (Aski) genötigt, durch zusätzliche Warenkäufe und andere in Deutschland zu tätigende Ausgaben ihre Guthaben „aufzutauen". Diese Methode wurde gegenüber Gläubigern aus vielen Ländern, sehr häufig und in erheblichem Umfang aber aus südosteuropäischen Staaten angewendet und von letzteren mangels anderer Absatzmärkte zwangsläufig gern akzeptiert, was sie immer mehr in wirtschaftliche und auch in politische und militärische Abhängigkeit von Deutschland brachte. Allerdings traf die Anwendung dieser Methode bald und dann zunehmend auf Schwierigkeiten in Deutschland selbst, weil die Rüstungskonjunktur die Herstellung von Erzeugnissen für den Export hemmte. Deshalb wurde 1935 ähnlich rigoros wie in den Vormonaten für die Einfuhr, ein Kontroll-, Regulierungs- und Förderungssystem für die Ausfuhr installiert.18 Für die sachverständige Regulierung des Exports, wozu die Prüfung aller diesbezüglichen Geschäftsunterlagen, insbesondere die faktische Preisfestlegung, gehörte, wurden auf Anord14 15 16 17 18

Ebenda, S. 56. Ebenda, S. 61. Ebenda, S. 59 f. Purchert, Einige Probleme, S. 75. U. a. Zumpe, S. 144 f.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

nung des Reichswirtschaftsministers vom 18. Juni 1935 unter Leitung der Wirtschaftsgruppen stehende, mit staatlichen Machtbefugnissen ausgestattete „Prüfungsstellen" eingerichtet. Alle (außer kleinen) Firmen der jeweiligen Branche hatten differenzierte Umlagebeträge in Ausgleichskassen einzuzahlen19, aus denen Exportprämien finanziert wurden, die die Differenzen zwischen (höheren) Inlands- und (niedrigen) Auslandsabsatzpreisen decken sollten. Exportforderung und -förderung blieben in den Vorkriegsjahren, aber auch während des Krieges unumgänglich, um die notwendigen Importe finanziell zu ermöglichen. Der Vieijahresplan, dessen erklärtes Ziel es war, die gravierendsten Engpässe in der Rohstoffversorgung abzumildern, bewirkte, wenigstens fürs erste, daß der Einfuhrbedarf noch enorm anwuchs. Schon 1934, aber auch nach dem Kriege20, gab es Diskussionen darüber, warum Schacht ein so aufwendiges, bürokratisches, von ihm selbst in der Öffentlichkeit als „etwas Scheußliches" 21 bezeichnetes Regulierungssystem für den Außenhandel errichtete und vehement dagegen auftrat, daß Deutschland, wie andere Länder zuvor, eine Abwertung der Währung gegenüber dem Ausland vornahm. Hier ist nicht der Raum, um alle Argumente zu erörtern, die weit über die Außenhandelsproblematik hinausgehen und insbesondere von den NS-Führern immer für wichtig gehaltene massenpsychologische Aspekte, aber auch Auslandsschulden, Arbeitslöhne, Binnenmarktpreise u. a. tangieren. Bei einer Abwertung der Reichsmark gegenüber anderen Währungen wäre die Einfuhr verteuert, also gehemmt, und die Ausfuhr stimuliert worden. So generell betrachtet hätte die Abwertung den damals für den deutschen Außenhandel gewünschten Effekt gebracht, ohne daß eine Regulierungsadministration nötig gewesen wäre. Allerdings hätten die für die Herstellung der Exportprodukte erforderlichen Rohstoffimporte die Selbstkosten erhöht, und es wäre dann durchaus nicht sicher gewesen, daß sich deutsche gegenüber britischen Industriewaren auf dem Weltmarkt preislich als konkurrenzfähig erwiesen hätten, denn England genoß ja aufgrund der Ottawa-Verträge vom 20. August 1932 Vorteile im Commonwealth, darunter beim Rohstoffkauf. Unter friedlichen Umständen hätte dieses Problem aber von der in den zwanziger Jahren technologisch modernisierten und insofern nicht nur den englischen Konkurrenten überlegenen deutschen Industrie wohl gemeistert werden können. Angesichts des sofort nach Hitlers Regierungsantritt eingeschlagenen Kurses auf Kriegsvorbereitung wären aber erhöhte Importpreise für Rohstoffe sowohl für die Rüstungsproduktion als auch für die Anlegung von Vorräten für die Kriegszeit hinderlich gewesen. Überdies war es zumindest ungewiß, ob ohne administrative Außenhandelsregulierung der Exportdrang das deutsche Industriepotential nicht im Übermaß, d. h. auf Kosten der Rüstungsproduktion, beansprucht hätte. Jedenfalls wäre bei relativ freier Entfaltungsmöglichkeit für den deutschen Außenhandel (ganz frei von staatlichen Eingriffen war er nie gewesen) dessen Abhängigkeit von Schwankungen auf dem Weltmarkt und neuen Krisenerscheinungen der Weltwirtschaft größer gewesen, und der absehbar mehrjährigen Hochkonjunktur der rüstungsbezogenen Wirtschaftsbranchen hätte das nur abträglich sein können. 19 Beispiele s. Puchert, Einige Probleme, S. 72. 20 Kritisch insbesondere Radkau, Joachim, Entscheidungsprozesse und Entscheidungsdefizite in der deutschen Außenwirtschaftspolitik 1933-1940. In: Geschichte und Gesellschaft, 1/1976, S. 39 ff. 21 In einer Ansprache in Weimar am 29.10.1934, zit. ebenda, S. 39.

Vorgeschichte und Begriffsbestimmung

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Es lag am prinzipiellen politischen Kurs der Regierung Hitler, wenn die Reichsbank entschieden gegen die offene Abwertung der Reichsmark gegenüber anderen Währungen auftrat, wobei Schacht sich zur demagogischen Ersetzung des Wortes Abwertung durch das Wort Entwertung verstieg. Das hinderte ihn aber nicht, in Gestalt verschiedener Verrechnungskurse in Handelsabkommen und differierender Wechselkurse für nichtkommerzielle Zwecke tatsächlich Teilabwertungen der Reichsmark zu praktizieren, die allerdings den meisten Menschen nicht bewußt wurden, sofern sie nicht als Geschäftsleute oder Reisende direkt mit diesen Manipulationen zu tun hatten. Trotz der Reorganisation des Reichswirtschaftsministeriums sowie - gerade bezüglich des Außenhandels - der Vierjahresplan-Organisation 193822 und Schachts zunehmender Entmachtung in beiden von ihm ausgeübten höchsten wirtschafts- und währungspolitischen Ämtern, aus denen er schließlich im November 1937 bzw. Januar 1939 ganz ausschied, blieb der von ihm 1934/35 geschaffene Regulierungsmechanismus für den Außenhandel auch in den letzten Vorkriegsjahren im wesentlichen unverändert. Er war eben so angelegt, daß sich die Regulierung in jeder jeweils für vorrangig erachteten sachlichen und geographischen Richtung vollziehen ließ, sofern objektiv möglich. Und auch die wenige Tage vor Kriegsbeginn herausgegebene „Verordnung über den Warenverkehr" vom 18. August 193923 unterschied sich nur so unwesentlich von Schachts gleichnamiger Verordnung vom 4. September 1934, daß man feststellen kann: Das 1934/35 errichtete Regulierungssystem wurde auch für die Steuerung des deutschen Außenhandels während des Krieges für geeignet gehalten. Geht hieraus schon hervor, daß die oberste Führung des Hitlerreiches und die Wirtschaftskreise, die auf sie Einfluß besaßen, keinen besseren Weg kannten, den Außenhandel für das politisch vorgegebene volkswirtschaftliche Ziel einzuspannen, so konnten sie sich auch durch die Statistik bestärkt fühlen. Selbstverständlich hätte der Außenhandel dem deutschen Volk wirklich nutzen können, wenn er als Bestandteil einer Friedenswirtschaft seine friedlichen Bedürfnisse bedient hätte. Das war aber mit dem allgemeinen Kurs der systematischen Kriegsvorbereitung nicht vereinbar. Nachdem die vor der Weltwirtschaftskrise traditionell passive Handelsbilanz (der hoher Kapitalimport in der Zahlungsbilanz gegenüberstand) während der Krise mit bis zu 2,87 Mrd. RM aktiv geworden war, hatte das Jahr 1934 einen Passivsaldo von 284 Mill. RM gebracht, der nun aber keine Kompensation durch Kapitalimport erfuhr. In den folgenden Jahren Schloß dann die Handelsbilanz mit 111 (1935), 550 (1936) und noch 443 Mill. RM (1937) Plussaldo ab. Schachts Zielstellung, den deutschen Import im Rahmen des Devisenaufkommens zu halten, war insoweit erreicht, jedoch auf einem Niveau, das 1937 nach laufenden Preisen (die nach dem Krisentiefstand bereits wieder einige Jahre des Anstiegs erlebt hatten) mit 5,468 Mrd. RM beim Import und mit 5,911 Mrd. RM beim Export nur wenig über dem Stand des Krisenjahres 1932 und weit unter dem Stand der vorangegangenen Krisenjahre lag.24 Legt man jedoch die Preisbasis von 1928 zugrunde, so sah der Index so aus:

22 AO Görings v. 4.2.1938. „Der Vieijahresplan", 2. Jg., Folge 2, Berlin, Februar 1938, S. 65. 23 RGBl. 19391, S. 1431 ff. 24 Zumpe, S. 155.

400

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Tabelle 113 Der deutsche Export und Import, 1932-1937

(Preisbasis von 1928; in Mill. RM; 1929 = 100)

Jahr

Export

Import

1932 1933 1934 1935 1936 1937

59 56 50 54 59 69

70 69 73 66 64 75

Quelle: Zumpe, Lotte, Wirtschaft und Staat in Deutschland 1933-1945, Berlin 1980, S. 155.

Nach Festpreisen war der Saldo von 1932 an stets wieder passiv, wie vor der Weltwirtschaftskrise üblich. So betrachtet war Schachts Vorhaben gescheitert. Nur war das akute Problem der deutschen Außenhandelsregulierung eben die Bezahlbarkeit im Fälligkeitsjahr, d. h. nicht zu Festpreisen, während das strategische Problem durch die Erringung des „deutschen Lebensraumes" gelöst werden sollte. Im letzten vollen Vorkriegsjahr 1938 kam es dann trotz aller Regulierung wieder zu einem Passivsaldo sowohl nach Fest- als auch nach laufenden Preisen auf einem noch niedrigeren Wertniveau als 193725, was offenbar mit dem Preisanstieg auf dem Weltmarkt für rüstungswichtige Rohstoffe, die angesichts der Kriegsgefahr nun auch von anderen Ländern verstärkt nachgefragt wurden, und mit der trotz aller Exportförderung starken Exportmüdigkeit infolge der Rüstungsaufträge in Deutschland zusammenhing. Dieser Sachverhalt konnte in der Gedankenwelt von Hitlers Umgebung - sofern dort Außenhandelsfragen überhaupt ins Kalkül gezogen wurden - nur den Drang verstärken, sich der leidigen Rohstoffimportprobleme durch Ausdehnung des eigenen Machtbereichs auf die Rohstoffquellen möglichst weitgehend und schnell zu entledigen. Auch in der geographischen Umorientierung der Handelsströme, die eine Folge der Bilateralisierung war und die Auswirkungen der im Kriegsfall zu erwartenden britischen Blockade wesentlich vermindern sollte, war man bis 1938 ein Stück, aber bei weitem nicht entscheidend vorangekommen.26 Südosteuropa lieferte 1938 nur 12,1 Prozent, Großbritannien (mit Dependenzen) jedoch immer noch 16,5 Prozent, Lateinamerika (ohne britische und französische Dependenzen) 15,4 Prozent (ein gewollter relativer Wachstumserfolg, der aber gerade sehr blockadeanfällig war), Skandinavien und Finnland 10,3 Prozent der gesamten deutschen Einfuhr, deren wichtigste Bezugsregionen damit genannt sind.27 Ähnliche Anteile hatten die Zielregionen der deutschen Ausfuhr, die aber - wie dargelegt - damals die Hauptfunktion zu erfüllen hatte, Zahlungsmittel für die Einfuhr zu beschaffen.

25 Ebenda, Tabellen 33 u. 34. 26 Neuerdings dazu Boelcke, S. 49-55. 27 Ausführlicher, speziell über den südosteuropäischen Anteil am deutschen Außenhandel in den dreißiger Jahren: Puchert, Einige Probleme, S. 75-81.

Vorgeschichte und Begriffsbestimmung

401

b) Begriffsbestimmung Während sich der Begriff „Deutscher Außenhandel" in der Vorkriegszeit unstrittig mit dem Übergang der Ware über die Grenze des gesetzlich fixierten „deutschen Wirtschaftsgebietes"28, das mit wenigen Abweichungen dem deutschen Reichsgebiet entsprach, definieren und seine Umsätze sich demgemäß exakt messen lassen, ist dieses Kriterium, dessen sich die amtliche Handelsstatistik weiterhin bediente, in den Kriegsjahren sachlich für die Begriffsbestimmung nicht ohne weiteres akzeptabel. Als Export und Import wurden jetzt nicht nur Umsätze mit souveränen Staaten (d. h. Neutralen oder Verbündeten), sondern auch mit Territorien, die unter deutscher Okkupation standen, verbucht, während ins Deutsche Reich eingegliederte, d. h. völkerrechtswidrig annektierte Gebiete - formal ganz im Sinne des Gesetzes über die Handelsstatistik - nicht mehr in dieser erschienen. Für Warenbewegungen zwischen Deutschland und solchen okkupierten Gebieten, in denen nicht einmal zum Schein eine einheimische Regierung etabliert worden war, verbietet sich m. E. von vornherein die Bezeichnung „Außenhandel". Das betrifft unbedingt das Generalgouvernement und besetzte Gebiete der Sowjetunion, gilt aber auch für Norwegen, Griechenland und Serbien, wo die Besatzungsbehörden zwar einheimische Minister duldeten oder selbst einsetzten, ihnen faktisch jedoch keinen Entscheidungs- und Handlungsspielraum beließen. Für von deutschen Truppen besetzte Gebiete, in denen eine einheimische Regierung existierte und unter deutscher Aufsicht mehr oder minder selbständig amtierte (Dänemark, Vichy-Frankreich) oder deren ins (gegenüber Deutschland) feindliche Ausland geflohene Regierung hohe Beamte mit der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben beauftragt hatte, die in dieser Eigenschaft von der Besatzungsmacht akzeptiert wurden (insbesondere die Niederlande und Belgien), fällt die Entscheidung schwerer, ob und inwiefern deren Warenverkehr mit Deutschland als Außenhandel anzusehen ist. Dementsprechend wird im vorliegenden Kapitel differenziert vorgegangen und gelegentlich ein Blick auf diese Gebiete geworfen. Grundsätzlich gelten für uns aber okkupierte Länder nicht als Außenhandelspartner, weil für ihren Warenverkehr mit Deutschland nicht die Bedürfnisse der Volkswirtschaft dieser Länder, sondern die der Besatzungstruppen und der deutschen Kriegswirtschaft maßgeblich waren. Im wesentlichen wurde die Ausplünderung okkupierter Gebiete durch Formen des Außenhandels lediglich bemäntelt, was in manchen Ländern einheimischen Unternehmern und Politikern die Zusammenarbeit bzw. Kollaboration mit der Besatzungsmacht erleichterte und für sie profitabel war, gegebenenfalls sogar positive Nebeneffekte für die einheimischen Arbeitenden abwerfen mochte. In einer im Juni 1944 angefertigten „Aufgliederung der Clearingsalden durch die Deutsche Verrechnungskasse" wurde zwar gesagt, in der Außenhandelsstatistik des Statistischen Reichsamts seien „Wareneinfuhren für deutsche Rechnung in das besetzte Gebiet und Warenausfuhren für deutsche Rechnung aus dem besetzten Gebiet... nicht enthalten".29 Diese Aussage, die - sofern sie überhaupt zutrifft - lediglich Formfragen des Zahlungs- und 28 Vgl. die Vorbemerkungen zum Hauptabschnitt „Auswärtiger Handel" in jedem Jahrgang des Statistischen Jahrbuchs für das Deutsche Reich. 29 BÄK, R 7/3628, RWiM III Gr. 7 an Kirchfeld, 22.6.1944.

402

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Verrechnungsverkehrs beantwortet, widerlegt in keiner Weise unsere vorher getroffene Einschätzung, unterstreicht eher die Nützlichkeit der Einschaltung einheimischer Unternehmer der okkupierten Gebiete in den Warenverkehr mit Deutschland. In einem Schreiben aus dem Reichswirtschaftsministerium an die Reichsgruppe Industrie vom Januar 1941 lesen wir: „Ich pflichte grundsätzlich Ihrer Auffassung bei, daß Lieferungen an die Wehrmacht in den besetzten Gebieten nicht als Ausfuhrlieferungen anzusehen sind. Solche Lieferungen werden auch - soweit sie als Lieferungen an die Wehrmacht erkennbar sind - im ZAV nicht gefördert. Das Gleiche dürfte für Lieferungen an andere deutsche Dienststellen in den besetzten Gebieten gelten, die lediglich den eigenen Bedarf dieser Dienststellen zu decken bestimmt sind."30 Die Einschränkung der Anwendbarkeit des genannten Grundsatzes wurde jedoch durch ein Kartellbeispiel ergänzt, wo dem Grundsatz zum Trotz der Transport der Ware über die deutsche Zollgrenze als Ausfuhr gewertet werden sollte.3' Der postulierte Grundsatz wurde also keineswegs konsequent angewendet. Im übrigen überstiegen die Warenlieferungen aus dem in dieser Beziehung wichtigsten okkupierten Land, Frankreich, nach Deutschland bei weitem die im Clearing verrechneten Beträge (einschl. Dienstleistungen), die sich laut Abschlußbericht der Deutschen Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft vom Waffenstillstand 1940 bis Ende August 1944 auf elf Milliarden Reichsmark beliefen (bei verrechneten deutschen Gegenleistungen in Höhe von 2,5 Mrd. RM, so daß der letzte deutsche Schuldsaldo 8,5 Mrd. RM betrug).32 Im Abschlußbericht wurde nämlich auch mitgeteilt, daß über die auf den Clearingkonten gebuchten Lieferungen aus Frankreich nach Deutschland hinaus weitere Warenlieferungen in Höhe von noch einmal fast der Hälfte dieser Beträge aus den von Frankreich gezahlten Besatzungskosten finanziert wurden: „Die weiter aus den angesammelten Besatzungskostenguthaben erfolgten Aufkäufe von Mangelwaren im schwarzen Markt in Höhe von allein zirka 3 Mia RM sowie die mit den in Frankreich ausgegebenen, aber aus den Besatzungskosten wieder eingelösten Reichskreditkassenscheinen getätigten Einkäufe in Höhe von abermals 2 1/2 Mia RM kamen überwiegend der Heimat in Gestalt von Waren zugute." 33 Das entsprach mehr als 17 Prozent aller während der Okkupationszeit gezahlten französischen Besatzungskosten. Diese Angaben beweisen wohl zur Genüge, wie wenig die Warenbewegung zwischen okkupierten Gebieten und dem deutschen Reichsgebiet mit echtem Außenhandel gemein hatte, selbst wenn in dem betreffenden Lande eine eigene Regierung existierte und die Besatzungsmacht sich in wirtschaftlichen (und anderen) Fragen offiziell darauf beschränkte, eine „Aufsichtsverwaltung" auszuüben. Im Unterschied zur amtlichen Handelsstatistik bezog übrigens der interministerielle Handelspolitische Ausschuß (ΗΡΑ), der wie schon zuvor, so auch in den Kriegsjahren die deutsche Außenhandelspolitik koordinierte, konsequent die besetzten Gebiete mit Ausnahme Dänemarks und Frankreichs nicht in seine Beratungen und Entscheidungen ein.34 30 BÄK, R 7/3451, Bl. 168, Schwitzkowski an RGI, 31.1.1941. - Das ZAV (Zusatzausfuhrverfahren) war 1935 zur Exportförderung und -prämierung eingeführt worden. 31 Ebenda, Bl. 168R. 32 BÄK, R 7/2287, 6. Tätigkeits- und Abschlußbericht der Deutschen Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft, S. 11. 33 Ebenda,S. 1 2 . - M i a = Milliarden. 34 Boelcke.S. 138.

Vom September 1939 bis zum 2. Quartal 1940

403

Die folgenden Ausführungen sind in Abschnitte entsprechend den Phasen des Krieges unterteilt: vom September 1939 bis zum 2. Quartal 1940, vom 3. Quartal 1940 bis zum 2. Quartal 1941, vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943, vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945. Es werden alle für den deutschen Außenhandel wichtigen Partnerländer bzw. -regionen behandelt, sofern sie in der jeweiligen Kriegsphase als Außenhandelspartner (im oben ausgeführten Sinne) in Erscheinung traten.

2. Vom September 1939 bis zum 2. Quartal 1940 a)

Allgemeines

Bei einem ersten Blick in die Statistiken erscheinen die Einschränkungen für den deutschen Außenhandel, die der Kriegsausbruch Anfang September 1939 mit sich brachte, prozentual nicht so fühlbar wie die beim Kriegsausbruch 1914. Von der deutschen Einfuhr waren 1913 fast 80 Prozent und von der deutschen Ausfuhr fast 75 Prozent auf Länder entfallen, die 1914 zu Feindstaaten wurden oder mit denen wegen der britischen Blockade praktisch kaum noch Transportverbindungen aufrechterhalten werden konnten. Bei Kriegsbeginn 1939 betrugen die entsprechenden Anteile (1938) nur rund 50 bzw. rund 40 Prozent.35 Zum Teil ergab sich das aus der im vorigen Abschnitt skizzierten Regulierung und Umorientierung des deutschen Außenhandels im Zuge der Kriegsvorbereitung. Dabei hatte, anders als vor dem Ersten Weltkrieg, die Importquote sogar eine Aufblähung durch über den laufenden Bedarf hinausgehende Einfuhr strategischer Rohstoffe zur Reservebildung erfahren.36 Allerdings erstreckte sich 1939 die Unterbrechung von Außenhandelsverbindungen in relativ stärkerem Maße als 1914 auf den Import rüstungs- und kriegswichtiger Waren. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war 1939 im Vergleich zu 1914, daß zunächst weniger Staaten in den Krieg eintraten. Infolgedessen blieben mehr Staaten insbesondere in der Nähe Deutschlands als faktische oder zumindest als potentielle Handelspartner erhalten. Was in manchen Fällen noch wichtiger war: Neutrale bzw. „nichtkriegführende" Staaten konnten als Vermittlungs- und Transitländer für dringend benötigte Warenbezüge aus überseeischen und anderen fernen Ländern dienen. Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß zwischen den Westmächten und der UdSSR keine Einigung über die kollektive Abwehr des Aggressors zustande gekommen war. Indem die Sowjetunion den Nichtangriffspakt und Wirtschaftsverträge mit Deutschland abschloß, erhielt sie gerade im Herbst 1939, nach der beiderseitigen raschen Okkupation Polens, erheblich größeres Gewicht als Handelspartner und Transitland für Deutschland als in den letzten Vorkriegsjahren. Infolgedessen konnten Bemühungen der Westmächte, wie 1914 durch Seeblockade Deutschland vom Weltmarkt abzuschneiden, nur begrenzte Effekte zeitigen. Hinzu kam, daß 35 Puchert, Berthold, Außenhandel und Okkupationswirtschaftspolitik 1939-1945. In: Zumpe, Wirtschaft und Staat, Bd. 3, S. 366 f. (= Kap. 13; im folgenden Puchert, Außenhandel). 36 Jäger, besonders Kap. III. - Boelcke, S. 67, meint jedoch: „Weitgehend mißlang die devisenfinanzierte Rohstoffbevorratung für den ins Auge gefaßten Krieg." Sicherlich ließ sich gerade beim Ankauf und Import strategischer Rohstoffe nicht überall und immer der Devisenmangel durch die Clearingmethode meistern.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

die Westmächte im ersten halben bis dreiviertel Jahr des Zweiten Weltkrieges ihre vorhandenen militärischen Möglichkeiten zur Blockierung der deutschen Handelsbeziehungen über See nicht konsequent ausschöpften. Dafür waren ökonomische Gründe und politische Erwägungen maßgebend. Bei Kriegsbeginn (teils schon seit dem Frühjahr 1939) waren die diplomatischen Aktivitäten37 beider kriegführender Seiten gegenüber den neutralen Staaten zwar auch darauf gerichtet, diese zur Benachteiligung der jeweiligen Gegenseite im Warenaustausch zu bewegen. Doch wurde dieses Ziel anfangs wohl nicht sonderlich nachdrücklich angesteuert; in britischen Regierungskreisen herrschte sogar gewisse Scheu davor, auf die Neutralen stärkeren Druck zu diesem Zwecke auszuüben, wofür man sich auf negative Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg berief 38 . Im Vordergrund der diplomatischen Aktivitäten stand auf beiden kriegführenden Seiten das Ziel, sich selbst die Fortsetzung der Lieferung dringend benötigter Waren aus neutralen Ländern zu sichern. Der Stand der internationalen Arbeitsteilung, die historisch entstandene Verflechtung und wechselseitige Abhängigkeit der Volkswirtschaften der europäischen Länder bewirkten offenbar, daß die kriegführenden Mächte es vorzogen, den Neutralen im Prinzip „normalen Handel" mit der Gegenseite zuzubilligen, d. h. mehr oder weniger die Berechtigung, Handelsumsätze bis zur durchschnittlichen Höhe der in den letzten Vorkriegsjahren getätigten beizubehalten. Es entsprach ganz dieser Linie, wenn die britische Seeblockade in den ersten drei Kriegsmonaten (bis 27. November 1939) überhaupt nicht gegen den Export39 deutscher Waren, sondern nur darauf gerichtet war, den direkten oder indirekten Transport von Waren, die als Konterbande galten, nach Deutschland zu unterbinden. Mit der Kontrolle der neutralen Schiffe bezüglich für deutsche Abnehmer bestimmter Güter waren für die Produzenten, die Handelsfirmen und die Schiffahrt der neutralen Länder hoher bürokratischer Aufwand, Zeitverlust und Mehrkosten beim Ansteuern der britischen Kontrollhäfen (in den Downs, Kirkwall, Gibraltar, Haifa, Aden) und beim sich zuweilen länger hinziehenden Aufenthalt dort verbunden40, ganz zu schweigen von den Gefahren, die zu Kriegsgebieten erklärte Meeresabschnitte bargen. Deshalb waren neutrale Unternehmen und Regierungen - so sehr sie diplomatisch gegen Schwarze Listen41 und andere Beeinträchtigungen ihrer internationalen Handelstätigkeit protestierten - in der Praxis mehr oder weniger dazu bereit, den britischen Konsulaten gegenüber schriftliche Garantieerklärungen abzugeben, daß von den auf dem Seeweg importierten Waren keine Partie nach Deutschland reexportiert werde42, sowie auch in eigenen Häfen (also im Hoheitsgebiet neutraler bzw. nicht37 Puchen, Außenhandel, S. 370 ff.; speziell bezüglich Schwedens siehe Wittmann, Klaus, Schwedens Wirtschaftsbeziehungen zum Dritten Reich 1933-1945, München/Wien 1978, Kap. IV. 38 Vgl. dazu Medlicott, William N., The Economic Blockade, Bd. I, London 1952 (2. Aufl. 1978), S. 37 f. (im folgenden: Medlicott I). 39 Ebenda, S. 117. 40 Ebenda, S. 52 ff. und 70 ff.; BAP, AA 67864, Bl. 37, Metallgesellschaft AG an Keppler, 8.11.1939. 41 Näheres hierzu siehe Boelcke, S. 125. 42 BAP, AA 67935, Bl. 11 f., Clodius u. v. Mackensen an AA, Rom, 12.10.1939; BAP, AA 67864, Bl. 47 ff., Deutsches Konsulat Triest an AA, 2.11.1939; ebenda, Bl. 41R, Wiehl an Deutsche Botschaft Rom, 17.11.1939; ebenda, Bl. 58 ff., Rüter an div. Reichsministerien u. militärische Kommandostellen, 1.2.1940.

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kriegführender Staaten), ζ. B. noch während der ersten Monate des Jahres 1940 in den italienischen Häfen Triest und Genua, ihre Schiffsladungen von alliierten Beamten kontrollieren zu lassen und gegebenenfalls dabei festgestellte Konterbande in alliierte Häfen zu befördern, damit dort prisenrechtliche Verfahren stattfinden könnten, die in der Regel zur Beschlagnahme führten.43 Einer konsequenteren Praktizierung der Seeblockade Deutschlands durch die weit überlegene britische Flotte, verstärkt durch die französische Kriegsmarine, standen in den ersten Kriegsmonaten auch politische Erwägungen entgegen. Weder in London und Paris noch in Berlin hatte man den Gedanken einer Aufhebung des (ohnehin praktisch fast nur symbolischen) Kriegszustandes untereinander ganz aufgegeben. Der Verwirklichung dieses Gedankens hätte ein effektiverer Einsatz der Kriegsschiffe auf beiden Seiten nur schaden können. Daher ließ der Oberbefehlshaber der deutschen Kriegsmarine, Generaladmiral Erich Raeder, dänische Handelsschiffe auf Englandkurs teilweise schonen44 und verbot auf Weisung Hitlers deutschen Kriegsschiffen zeitweilig auch Angriffe auf französische Schiffe und Häfen wie auch bestimmte Aktivitäten gegen die britische Schiffahrt.45 Auf der anderen Seite ließ die britische Flotte in den ersten Kriegsmonaten die vielen Schiffe mit deutscher Kohle von Rotterdam und Antwerpen nach Italien ungehindert passieren46, und die französische Kriegsmarine handhabte die ihr obliegende Konterbandekontrolle im Ligurischen Meer, d. h. die Verhinderung des Imports spanischer Waren, darunter kriegswichtiger Rohstoffe, über Italien nach Deutschland, außerordentlich lax.47 Dazu trug eine völlige Fehlkalkulation der britischen Diplomatie bezüglich Italiens bei. Zwar war allgemein bekannt, daß die faschistische Regierung Italiens am 22. Mai 1939 mit Nazideutschland den „Stahlpakt" sowie davor und danach auch andere Abkommen abgeschlossen hatte, wodurch sie sich als Verbündeter Deutschlands bekannte. Im September 1939 erklärte sie dann aber weder Polen noch England oder Frankreich den Krieg. Vielmehr versuchte Mussolini in der letzten August-Dekade auf Drängen militärischer Kreise und seines Außenministers Galeazzo Ciano, Hitler für eine Neuauflage des Münchener Abkommens statt der Entfesselung des Krieges zu gewinnen, womit er allerdings nur die Verschiebung des Angriffs auf Polen um einige Tage bewirkte.48 Darauf basierte die Spekulation britischer Regierungskreise, das sich als „nicht kriegführend" bezeichnende Italien könnte wie 1915 (als es trotz seiner Zugehörigkeit zum Dreibund auf seiten der Westmächte in den Krieg eingetreten war) von der Kriegsteilnahme auf seiten Deutschlands abgehalten und vielleicht sogar zum Verbündeten der Westmächte gemacht werden 49 Diese Spekulation ist nicht so unsinnig, wie sie nachträglich erscheinen mag. Vergessen wir nicht, daß Italien in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre wegen seiner Kriegsabenteuer in Ostafrika und in Spanien sei43 Β AP, AA 67864, Bl. 65 ff., Eisenlohr an OKW, 10.2.1940. 44 Puchert, Außenhandel, S. 372; vgl. auch Medlicott I, S. 167. 45 Das Deutsche Reich, Bd. 2, Stuttgart 1979, S. 164; Madajczyk, Czesiaw, Polityka III Rzeszy w okupowanej Polsce, Bd. I, Warschau 1970, S. 88; derselbe, Die Okkupation Nazideutschlands in Polen 1939-1945, Berlin 1987, S. 50. 46 Erst ab 1.3.1940 hatte die britische Flotte Befehl, diese Transporte zu unterbinden. 47 Medlicott I, S. 509. 48 AD AP, D, VII, bes. die Dok. 271, 320, 349, 3 9 5 , 4 1 1 , 4 1 7 , 4 1 8 , 4 7 4 , 4 7 8 . 49 Medlicott I, S. 280.

406 ne politischen und ökonomischen Interessen in Österreich und in Südosteuropa großenteils dem deutschen Konkurrenten und Rivalen hatte kampflos opfern müssen.50 Auch dürfte die tiefe Verstimmung Mussolinis über die schäbige Handlungsweise seines Verbündeten Hitler, der im Widerspruch zu dem vereinbarten Zeitplan einseitig bereits 1939 den Krieg provozierte und damit in Mussolinis Sicht Italien dem Zusammenbruch preisgab51, den Westmächten kaum völlig verborgen geblieben sein. Allerdings existierten nach wie vor die Vormachtansprüche Italiens im Mittelmeerraum, die sich dann im Frühsommer 1940 als vorrangig erwiesen, als Frankreich unter den Schlägen der deutschen Wehrmacht militärisch zusammenbrach und die italienische Regierung sich mit dem Kriegseintritt auf Seiten Deutschlands beeilen zu müssen glaubte, um zur Verwirklichung dieser Ansprüche nicht etwa zu spät zu kommen.

b) Italien Daß die italienische Regierung im Herbst 1939 aus militärischen und wirtschaftlichen Erwägungen vor der Kriegserklärung zurückschreckte, erwies sich sehr schnell als vorteilhaft nicht nur für Italien, sondern auch für die deutsche Kriegswirtschaft. In gewisser Weise hatten Regierungskreise beider Seiten eine solche Situation schon vorher ins Kalkül gezogen und im Rahmen ihrer Ressortkompetenzen (die aber gewiß nicht für die Entscheidung über Krieg oder Frieden maßgebend waren) vorbereitet. In diesen Aktivitäten verflochten sich aggressive faschistische Komplizenschaft mit kapitalistischer Profitsucht und Konkurrenz gegeneinander. Während die deutschen Truppen noch dabei waren, Polen zu erobern, andererseits aber die britische und französische Kriegserklärung an Deutschland zwar nicht aktive Kampfhandlungen an der deutschen Westfront nach sich gezogen, jedoch einen länger währenden Krieg in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt hatten, meldete der Vorsitzende des deutschen Regierungsausschusses52 für Wirtschaftsverhandlungen mit Italien, Carl Clodius, am 14. September 1939 aus Rom an das Auswärtige Amt in Berlin53: „Italiener praktisch bereit, Handel Deutschlands mit dritten Ländern über Italien mit allen Mitteln zu fördern." Insoweit also Bündnistreue. Doch gab es hierfür natürlich objektive Schranken, und diese eigneten sich auch dafür, subjektiv ausgenutzt, d. h. nach Möglichkeit überhöht zu werden. Clodius fahrt in seinem telegraphischen Bericht fort: „Finanziell sind Möglichkeiten jedoch sehr beschränkt, weil Italiener erklärten, bei eigener Devisennot müßten alle Zahlungen für Warenbezüge und Fracht aus dritten Ländern in Devisen bezahlt werden. Darüber hinaus verlangten sie allgemein Zahlung Seefracht in Devisen und erklärten sich nur nach 50 Vgl. u. a. „Der deutsche Volkswirt", 10. Jg., Nr. 7 v. 15.11.1935, S. 301; ebenda, Nr. 20 v. 14.2.1936, S. 914 f.; Schinzinger, Francesca, Kriegsökonomische Aspekte der deutsch -italienischen Wirtschaftsbeziehungen 1934-1941. In: Kriegswirtschaft und Rüstung 1939-1945, Düsseldorf 1977, S. 169 f. 51 AD AP, D, VII, Dok. 226 u. 364. 52 Mit allen Staaten, mit denen Deutschland Clearingverträge auf dem Gebiet des Außenhandels abgeschlossen hatte, wurde der bilaterale Handel durch permanente Regierungsausschüsse beider Partnerstaaten reguliert. 53 BAP, AA 67927, Bl. 68 f., Clodius an AA, Rom 14.9.1939.

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starkem Drängen bereit, wenigstens bisherigen Zustand (Verkehr über Adriahäfen im clearing) vorläufig aufrecht zu erhalten." Die italienischen Devisenforderungen klingen zunächst ganz plausibel, weil es sicherer erscheinen mußte, auf international gut angesehene Valuten lautende fremde Wechsel in der Hand zu halten als nur ein Guthaben auf dem Clearingkonto angerechnet zu bekommen. Die Devisenbilanz Italiens für das Jahr 1940 wies jedoch eine so starke Besserung auf 54 , daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß diese aus den Dienstleistungen für Deutschland erwachsen war. Die italienischen Behörden und die am Transit nach Deutschland beteiligten italienischen Firmea spielten in den neun Monaten ihrer „nonbelligerenza", als sie gegenüber ihren deutschen Partnern am längeren Hebelarm saßen, immer wieder im Grunde wirkliche, aber deshalb zugleich auch gern übertriebene „Devisennot" aus, um aus den Kriegsverhältnissen Extraprofite zu ziehen. Im Unterschied zu 1914 existierten 1939 nur sehr geringe deutsche Kapitalanlagen und Guthaben im Ausland, die zur Finanzierung von dringend benötigten Warenimporten eingesetzt werden konnten. Deshalb waren deutsche Firmen und Regierungsstellen sehr darum bemüht, bestehende Exportmärkte vor allem in Ländern, aus denen der Zugang leicht versperrt werden konnte, sobald die britische Blockade auch auf deutsche Exporte ausgedehnt werden würde, mit Hilfe von Partnern aus dritten Ländern sich zu bewahren oder auch erst zu öffnen. Dies gelang in einzelnen Fällen über verschiedene neutrale Nachbarländer Deutschlands, besonders systematisch aber über Italien. Schiffstransporte falsch deklarierter deutscher Warenpartien unter italienischer Flagge würden selbstverständlich nicht lange realisierbar sein. Darüber machte man sich keine Illusionen. Umso mehr war man bemüht, die Möglichkeiten dazu zu nutzen, solange sie bestanden, d. h. solange die Gegenseite sie aus den genannten politischen Erwägungen heraus, aber auch infolge ihres noch ungenügend funktionsfähigen Economic-Warfare-Systems nicht zunichte machte. Exportseitig besonders aktiv war in dieser Hinsicht die IG Farbenindustrie AG mit ihrem weitverzweigten internationalen Netz von Tochterfirmen, Kapitalbeteiligungen, Kartellpartnern und Handelsagenturen.55 In Voraussicht der über kurz oder lang erfolgenden Sperrung der Seeverbindungen für den getarnten deutschen Handelstransit über Italien war 1939 auf Hitlers Wunsch eine italienische Luftlinie unter dem Namen LATI errichtet worden, die in deutschem Auftrag auf der Route Rom-Spanien-Dakar-Brasilien relativ regelmäßig pharmazeutische Erzeugnisse, Propagandamaterial und anderes nach der iberischen Halbinsel und nach Lateinamerika transportierte und auf dem Rückweg (nach Meinung des damals im britischen Ministerium für Wirtschaftskriegführung tätigen William N. Medlicott) ständig wesentliche Mengen Glimmer, Industriediamanten, Platin und andere Metalle von geringer Masse, aber strategischem Wert heranschaffte. 56 Die LATI konnte ihren Betrieb, seit Sommer 1940 nach unregelmäßigem geheimem Flugplan, bis zum Kriegseintritt der USA Ende 1941 fortsetzen. So sehr Italien dem deutschen Außenhandel bis zum Mai 1940 (und mittels der LATI noch 54 BAP, AA 68971/17a, Bl. 56, v. Bismarck an AA, Rom 9.5.1941. 55 Β AP, AA 67867, Bl. 190 ff., Streng vertraulicher Bericht Weber (Cofa Mailand) u. Müller (Wipo Berlin der IG Farben), Innsbruck 12.6.1940, unter d. Überschrift „Getarnter Export"; vgl. auch Medlicott, William N„ The Economic Blockade, Bd. II, London 1952 (2. Aufl. 1978), S. 165 (im folgenden: Medlicott II). 56 Wie Anm. 55 (beide Quellen).

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länger) als Transitland diente, so war es doch vor allem selbst Import- und Exportpartner. Mit Kriegsbeginn überholte es in dieser Beziehung nicht nur Großbritannien, sondern auch die USA (1940 dann auch die Niederlande und Schweden). So wurde Italien zum führenden Liefer- und Abnehmerland des deutschen Außenhandels. Wie zuvor bestanden Italiens Lieferungen zum erheblichen Teil in Obst, Südfrüchten und Wein, während die Rohstoffe für die Industrie (Zinkerz, Schwefelkies, Bauxit sowie Textil- und Rohstoffe für chemische Erzeugnisse) den kleineren Teil ausmachten und nicht durchweg in größeren Mengen als zuvor geliefert wurden. Unter der Vielzahl aus Deutschland zugelieferter Warenarten nahm Kohle nach Kriegsbeginn noch größeren Anteil als zuvor ein, weil England seinen Kohlenexport stark reduzierte bzw. (nicht nur nach Italien) ganz einstellte. Ungeachtet Hermann Görings kurz nach Kriegsbeginn veröffentlichter Einschätzung, die die Zeitschrift „Der deutsche Volkswirt" zu der Überschrift „Kohlen sind Bardevisen" veranlaßte57, ließ die britische Flotte Schiffe mit deutscher Kohle von holländischen und belgischen nach italienischen Häfen in den ersten Kriegsmonaten unbehelligt passieren. Damit ermöglichte sie, insbesondere von der Zahlungsseite her, ganz wesentlich die Beibehaltung und den Ausbau des deutsch-italienischen Warenaustauschs. Wie der Leiter der Handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes, Emil Wiehl, am 30. August 1939 seinen besorgten Vorgesetzten, Reichsaußenminister Joachim v. Ribbentrop und Staatssekretär Ernst Frhr. v. Weizsäcker, mitteilte, beruhte die vertragsmäßige Zusage an Italien, monatlich 755 000 t Kohle zu liefern, darauf, daß davon 630 0001 wie bisher auf dem Seeweg transportiert würden.58 Für militärische Zwecke würden sogar noch Eisenbahnwaggons abgezogen, also die Kohlenlieferungen per Bahn nach Italien reduziert werden. Was aber schwerer wog: Selbst bei Gestellung von mehr Waggons galten im Ergebnis vom Oktober 1938 bis Februar 1939 angestellter Analysen deutscher und italienischer Eisenbahnsachverständiger die Bahnlinien über die Alpenpässe als zu wenig durchlaßfähig für „einen geordneten Transport in anormalen Fällen" 59 , d. h. also auch für eine Verlagerung der Kohlentransporte von Schiffen auf die Schienenwege. Indem die britische Flotte erst ab März 1940 die Lieferung deutscher Kohle nach Italien auf dem Seeweg unterband, hatte sie den Achsenmächten genügend Zeit gelassen, durch organisatorische Verbesserungen und Baumaßnahmen sowie durch Zuhilfenahme schweizerischer Schienenwege einen Zustand herbeizuführen, der es ihnen erlaubte, das britische Angebot an Italien, ihm englische Kohle zu liefern und dafür finanzielle Erleichterungen einzuräumen (sicher in der Absicht, die „Achse" zu destabilisieren), zu konterkarieren, indem als Ergebnis eines Blitzbesuchs Ribbentrops am 13. Mai 1940 ein Abkommen über die Lieferung von einer Million Tonnen deutscher Kohle monatlich nach Italien abgeschlossen wurde.60 Diese Menge, um etwa ein Drittel höher als vorher vertraglich vereinbart, nannte einige Tage später auch der italienische Handelsminister Raffaelo Riccardi in einer Rede mit dem Hinweis, daß alles auf dem Landwege transportiert würde.61 Falis hierbei nicht zu Propagan57 „Der deutsche Volkswirt", 13. Jg., Nr. 50 v. 15.9.1939, S. 2414. 58 ADAP, D, VII, Dok. 464. 59 BAP, AA 68730, Bl. 65, Drittes Geheimes Protokoll des Deutschen u. des Italienischen Regierungsausschusses v. 13.2.1939. 60 Medlicott I, S. 303 f. 61 BAP, AA 68971717a, Bl. 50 f., v. Mackensen an AA, Rom 24.5.1940.

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dazwecken übertrieben wurde (was man in England annahm), hieß das, daß wenigstens auf diesem wichtigen Sektor der bald erfolgende Kriegseintritt Italiens eine gewisse Absicherung erfahren hatte.

c) Spanien und Portugal Am 19. Oktober 1939 informierte Wiehl seinen Minister in einer speziellen Aufzeichnung über die Möglichkeiten und die bereits in den ersten Kriegswochen aufgetretenen Schwierigkeiten des Handelsverkehrs mit Spanien: „Die Regelung der Wirtschaftsbeziehungen mit Spanien unter den Kriegsverhältnissen bietet besondere Schwierigkeiten, da der Warenverkehr nur im getarnten Transit über Italien möglich sein wird, solange die Seeverbindungen den Störungen durch die Feindmächte unterliegen. Unser Interesse ist, auf diesem Wege möglichst viele spanische Rohstoffe hereinzubekommen und die Spanier abzuhalten, Rohstofflieferungen nach den Feindmächten wieder aufzunehmen. Die spanische Regierung hat unserem Botschafter mehrfach ihren besten Willen versichert, die vor Kriegsbeginn in Aussicht genommene wirtschaftliche Zusammenarbeit trotz des Krieges nach' Möglichkeit durchzuführen." Wiehl wies jedoch gleich darauf hin, daß die Ergebnisse „im Vergleich zu den früheren Plänen nur verhältnismäßig gering sein können".62 Diese Einschränkung bezog sich auf die Schwierigkeiten des getarnten Transits über Italien. Nur angedeutet war eine andere Befürchtung, die sich in der Folge als stichhaltig erwies: Das Franco-Regime werde bemüht sein, der ihm als Dank für Hitlers Hilfe im Bürgerkrieg abgenötigten Unterordnung unter wirtschaftliche Forderungen des deutschen Imperialismus63 zu entkommen, indem es seine Wirtschaftsbeziehungen zu England entwickelte. Ein solches Bemühen ergab sich nicht nur aus dem subjektiven Wollen der extrem-nationalistischen, deshalb auch gegenüber den Machenschaften ihrer angeblichen Freunde aus Berlin, sich wie Kolonialherren Bodenschätze anzueignen, allergischen64 neuen Machthaber Spaniens. Es war wegen der Abhängigkeit des Landes von Nahrungsmittel- und Rohstoffimporten, die aus Deutschland damals gar nicht kommen konnten, sowie aus finanziellen Gründen objektiv geradezu notwendig, zumal in der schweren Wirtschaftskrise im Gefolge des Bürgerkrieges. Diesen Umstand nahmen die Westmächte als Ansatzpunkt für ihre Verhandlungen mit Madrid. Nachdem die französischen Verhandlungspartner in den ersten Monaten nicht recht vorangekommen waren, übernahm die britische Regierung die Federführung für die alliierte Seite und brachte einen Komplex von Kriegshandelsabkommen mit Spanien zustande, der am 18. März 1940 unterzeichnet wurde und im wesentlichen folgendes beinhaltete:

62 BAP, AA 67865, Bl. 42, Aufzeichnung Wiehl für Reichsaußenminister (RAM), 19.10.1939. 63 Ruhl, Klaus-Jörg, Spanien im Zweiten Weltkrieg. Franco, die Falange und das „Dritte Reich", Hamburg 1975, S. 40 f. - Dort S. 309 f. weitere Literaturhinweise. 64 Smyth, Denis, The Moor and the Money-lender: Politics and Profits in the Anglo-German Relations with Francoist Spain 1936-1940. In: Von der Konkurrenz zur Rivalität. From Competition to Rivalry. Das britisch-deutsche Verhältnis in den Ländern der europäischen Peripherie 1919-1939. The Anglo-German relationship in the countries at the European periphery, 1919-1939. Hrsg. v. Marie-Luise Recker, Stuttgart 1986, S. 143-174 (im folgenden: Von der Konkurrenz).

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„1. Ein Handels- und Zahlungsabkommen, das die Errichtung eines Clearingsystems vorsah, um die Rückzahlung aufgelaufener Schulden an das Vereinigte Königreich zu gewährleisten und zugleich den laufenden Handel mit der Sterlingzone zu finanzieren; 2. ein Anleiheabkommen, welches Spanien einen Betrag von zwei Millionen Pfund Sterling für Ausgaben in der Sterlingzone gewährte; 3. ein Abkommen, wonach gewisse Güter die alliierten Kontrollen nach Spanien passieren konnten, jedoch nicht ohne alliierte Zustimmung reexportiert werden durften." 65 Die spanische Regierung hatte sich demnach nicht dazu verpflichten müssen, etwa den Export in Spanien erzeugter Güter nach Deutschland zu beschränken. Angesichts der sowieso starken Opposition einer Reihe führender Falangisten gegen die Lockerung der Zusammenarbeit mit Deutschland und Italien hätte ein britischer Versuch, eine solche Verpflichtung durchzusetzen, gewiß die Verhandlungen scheitern lassen. Unter den objektiven ökonomischen Bedingungen, denen das Franco-Regime unterlag, boten die genannten Abkommensbestimmungen jedoch der britischen Seite genügend Möglichkeiten, durch verzögerte oder eingeschränkte Erfüllung von Lieferzusagen Madrid von Fall zu Fall zur Nachgiebigkeit gegenüber alliierten Interessen zu bewegen. Insbesondere in den ersten Kriegsmonaten erstreckte sich der deutsche Import aus Spanien im getarnten Transit über Italien, den Ruhl als „relativ unbedeutend" einschätzt66 und wohl deshalb nicht näher untersucht, keineswegs nur auf kleinere Warenpartien, sondern auch auf Eisenerze. Weil sich die tatsächlichen Auftraggeber, u. a. die Metallgesellschaft Frankfurt/Main und die Fried. Krupp AG 67 sowie Otto Wolff, Köln,68 schwerlich vor den vielen an solchen Transaktionen beteiligten Italienern und Angehörigen dritter Staaten sowie vor alliierten Konsularbeamten und Geheimdienstagenten verheimlichen ließen69, weil ferner die Versicherungen sich weigerten, im Beschlagnahmefall für falsch deklarierte Warensendungen Zahlungen zu leisten70, und weil schließlich Vermittler, Spediteure und Reedereien neutraler Firmen ihre Eintragung in die alliierten Schwarzen Listen fürchteten71, was die Mehrkosten für den getarnten Transit zusätzlich in die Höhe trieb, fand diese Methode, den deutschen Handel mit der Iberischen Halbinsel und mit überseeischen Ländern fortzusetzen, insgesamt quantitativ eng begrenzte Anwendung. Doch müssen einzelne Transaktionen für die beteiligten Firmen und für die deutsche Kriegswirtschaft durchaus von Bedeutung gewesen sein, wenn man solche Risiken und Mehrkosten nicht scheute. Die portugiesische Regierung, seit dem 17. März 1939 durch einen Freundschafts- und Nichtangriffspakt mit Franco-Spanien verbündet und seit dem spanischen Bürgerkrieg politisch und außenhändlerisch stärker als früher auf Deutschland orientiert, war nichtsdestowe65 66 67 68 69

Medlicott I, S. 510. Ruhl, S. 41. BAP, AA 67866, Bl. 3, Plessen an AA, Rom 28.12.1939. BAP, AA 67865, Bl. 175 f., Otto Wolff Köln Abt. Ausland Niederlassung Berlin an AA, 4.12.1939. BAP, AA 67866, Bl. 46, Graeff an AA, Rom 29.11.1939. - Auch in anderen Berichten wird darauf hingewiesen. 70 Ebenda, Bl. 111, Reichsstelle f. d. Außenhandel, Wingen, an AA, 25.1.1940, mit Abschrift einer Mitteilung von der Fa. Soc. An. Mercantile Esportazioni Mesport, Genua. 71 Ebenda, Bl. 165, Reichsstelle f. Steine u. Erden, Klessen, an AA, mit Abschrift einer Mitteilung der Deutsch-Südamerikanischen Bank AG Zweigniederlassung Hamburg v. 12.1.1940.

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niger daran interessiert, die traditionellen Handels- und Kapitalbeziehungen zu Großbritannien zu pflegen. Sie vermied in den seit September 1939 mit Unterbrechungen geführten Verhandlungen, sich durch die britische Seite bezüglich ihrer Handelsbeziehungen mit Deutschland festlegen zu lassen. Im Londoner Ministerium für Wirtschaftskriegführung war man in den ersten Monaten des Jahres 1940 der Auffassung, „daß Portugal zunehmend ein Entrepôt für den deutschen Handel wird. Im Abkommen mit Italien war eine starke Zunahme des Handelsvolumens vorgesehen, und Güter von Wert für Deutschland gingen in großen Mengen nach Italien. Eine wachsende Zahl kleiner, aber wertvoller Güter erreichte und verließ die Halbinsel auf dem Luftwege; es war ζ. B. bekannt, daß fünf Tonnen portugiesischen Wolframs auf der deutschen Luftlinie von Spanien nach Italien zum Versand gebracht wurden." 72 Schließlich gelang es den britischen Unterhändlern aber Ende Mai/Anfang Juni 1940, das ökonomische Interesse der portugiesischen Regierung für ein dreiseitiges Übereinkommen zu wecken, das u. a. vorsah, daß mit englischer Finanzhilfe Nahrungsmittel aus den portugiesischen Kolonien und anderen Ländern für den Verbrauch in Spanien gekauft und auf portugiesischen Schiffen herangeschafft wurden. Auf Grund des vorhin genannten britisch-spanischen Abkommens durften diese Waren nicht reexportiert werden. Im Zusammenhang mit dieser Übereinkunft entwarf der portugiesische Regierungschef Antonio Oliveira Salazar ein Protokoll, das er zusammen mit Francisco Franco (der sich am 12. Juni 1940 als „nicht kriegführend" erklärt hatte) am 29. Juli 1940 unterzeichnete. Hierin wurde der Wille beider Staaten bekräftigt, ihre Unabhängigkeit zu bewahren und an den mit dritten Staaten abgeschlossenen Verträgen festzuhalten. In Anbetracht des eben errungenen militärischen Sieges Deutschlands über Frankreich bedeutete dieses Protokoll und das britisch-portugiesisch-spanische Kolonialwaren-Abkommen einen wichtigen Erfolg für Großbritannien, womit zumindest eine angesichts der Kriegslage im Sommer 1940 drohende einseitige Bindung Portugals und Spaniens an die Achsenmächte vermieden wurde.73

d) Nordeuropa und Baltikum Nachdem die Regierungen der vier nordischen Staaten schon in den vorangegangenen Monaten grundsätzliche Absprachen mit der deutschen und der britischen Regierung über die Aufrechterhaltung ihrer Außenhandelsbeziehungen im Kriegsfall getroffen hatten, bekräftigten sie auf dem Treffen ihrer Minister- bzw. Staatspräsidenten am 18./19. September 1939 in Kopenhagen das Prinzip des „normalen Handels".74 Allerdings wollte die deutsche Regierung - im Gegensatz zur britischen - darunter auch den Reexport durch die Neutralen importierter Waren nach Deutschland verstehen, was dann in vielen konkreten Fällen für das betreffende Land Schwierigkeiten mit der anderen kriegführenden Seite nach sich zog. Relativ wenig beeinträchtigt wurde bis Anfang April 1940 der dänische Handel, weil beide kriegführenden Seiten objektiv daran interessiert waren: England wollte, wie gewohnt, Produkte der dänischen Viehzucht beziehen, womit Dänemark Devisen erlöste, die es zum 72 Medlicott I, S. 513. 73 Vgl. dazu ebenda, S. 510-515. 74 Medlicott II, S. 21; BAP, AA 67734, Bl. 152 f., Telegramm v. Hassel (und v. Renthe-Fink) an AA, Kopenhagen 2.9.1939, u. a.

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Kauf von Futtermitteln in Übersee benötigte. Deutschland bedurfte der Lieferung von Butter und anderen tierischen Produkten aus Dänemark, weshalb es die eben genannten Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der dänischen Viehzucht bestehen lassen mußte. So genossen dann dänische Handelsschiffe auf Grund eines bürokratischen Meldeverfahrens75 von Fall zu Fall Schonung beim Passieren der Seeblockadegebiete beider Kriegsflotten, was allerdings dänische Schiffsverluste nicht ganz ausschloß. Daß und warum die Briten den Handel der Neutralen und so auch Schwedens mit dem deutschen Machtbereich vornehmlich mit behutsameren Methoden zu beeinflussen suchten, wurde bereits erwähnt. Dagegen war Schweden bei der Fortführung seines Handelsverkehrs mit Großbritannien und überhaupt mit überseeischen Partnern deutscherseits starken Pressionen ausgesetzt. Das ging so weit, daß die deutsche Kriegsmarine die von Schweden auf vier Seemeilen verbreiterten schwedischen Territorialgewässer76 häufig verletzte77, um Handelsschiffe unter schwedischer und anderer Flagge zu kontrollieren. Dabei ging es wohl nicht so sehr um die Unterbindung bestimmter Transporte, als vor allem darum, Schweden, das in den ersten Kriegsmonaten mit beiden Kriegsparteien über Kriegshandelsabkommen verhandelte und dabei verständlicherweise aus Zugeständnissen78 oder auch Pressionen der einen Seite Argumente gegenüber der anderen Seite zum angestrebten eigenen Nutzen ableitete, zu einer härteren Verhandlungsposition gegenüber Großbritannien und zu mehr Nachgiebigkeit gegenüber Deutschland zu bewegen. Dem Geschick der schwedischen Unterhändler gelang es aber, in zwei Kriegshandelsabkommen im Dezember 1939 mit Großbritannien (am 7. Dezember unterzeichnet, am 20. in Kraft getreten, aber erst am 28. Dezember in einem allgemein gehaltenen, Details vermeidenden Kommuniqué bekanntgegeben) und mit Deutschland (am 22. Dezember unterzeichnet und ebenfalls ohne Nennung von Details publik gemacht) grundsätzlich die handelspolitische Neutralität ihres Landes zu bewahren.79 Doch sah sich Schweden bereits in der ersten Phase des Krieges zu Zugeständnissen kriegswirtschaftlicher Art80 an Deutschland genötigt, um überhaupt noch Schiffe in und aus Richtung Nordsee und Atlantik einigermaßen sicher verkehren lassen zu können. Diese Zu75 BAP, AA 67765 betr. „Handelsbeziehungen zwischen fremden Staaten. Dänische Lebensmittelschiffe nach England 18.10.1939 bis 29.1.1940" (div. Anträge), u. AA 67766, dgl. „30.1.1940 bis...". 76 Schwedens bereits im 19. Jh. verfochtener Anspruch auf vier statt, wie üblich, drei Seemeilen breite Territorialgewässer beruhte darauf, daß am Ostseeausgang bei Falsterbo innerhalb von drei Meilen nur Schiffe mit 5 m, in der vierten Meile aber solche mit 8 m Tiefgang fahren konnten (s. Wittmann, S. 160 ff.). 77 Das Deutsche Reich, Bd. 2, S. 160 f. - Im Dezember 1939 arbeitete die deutsche Seekriegsleitung sogar eine Studie für die eventuelle Besetzung der südschwedischen Landschaft Skäne (Schonen) aus, um die Ostseeausgänge vollständig unter deutsche Bewachung zu bringen. Ebenda, S. 161. 78 Als ein solches sollte angesehen werden, daß am Beginn der letzten Verhandlungsphase der Handelspolitische Ausschuß, der nicht wußte, daß das schwedisch-britische Abkommen bereits perfekt war, sich darauf einigte, daß „etwa 60 - 80 in deutschen Häfen zur Konterbandeuntersuchung festgehaltene, nach neutralen Häfen konsignierte schwedische Schiffe großenteils freigelassen werden sollten" (Wittmann, S. 165, unter Berufung auf das HPA-Protokoll vom 7.12.1939): 79 Zu den Verhandlungen über die beiden „Kriegshandelsabkommen" s. Wittmann, S. 153-169. 80 Indem Schweden letztlich seine beiden Verhandlungspartner dazu bewog, in dem besonders für seine Eisenerzlieferungen nach Deutschland bedeutsamen Streit um den Begriff,.Normaler Handel"

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geständnisse erfuhren nach der Okkupation Norwegens und noch massiver im Zusammenhang mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion solche für einen Neutralen äußerst bedenkliche Steigerung wie die Zulassung des Transits deutscher Militärtransporte. Der Transport kriegswichtiger schwedischer Exporte nach Deutschland, insbesondere der quantitativ und vor allem qualitativ für unentbehrlich gehaltenen 81 Eisenerze aus Mittel- und Nordschweden, unterlag faktisch keiner kriegsbedingten Beeinträchtigung, sofern er auf der Ostsee erfolgte. Das geschah durchgängig mit den für die Herstellung von Qualitätsrüstungsstahl, speziell Siemens-Martin-Stahl, besonders geeigneten phosphorarmen Eisenerzen aus mittelschwedischen Gruben, die sich zum Teil in deutschem Kapitalbesitz befanden 82 . Wegen der regelmäßig fast das halbe Jahr andauernden Vereisung des Bottnischen Meerbusens mußten dagegen die in Nordschweden geförderten phosphorreicheren Eisenerze, die für die Herstellung von Thomas-Stahl Verwendung fanden und den Hauptanteil an den Erzvorkommen Schwedens und auch an seinen Erzexporten ausmachten, überwiegend über den norwegischen Hafen Narvik verschifft werden83, von wo aus deutsche Schiffe vorzugsweise dicht unter der Küste, also innerhalb der Territorialgewässer neutraler Staaten, den Weitertransport nach Deutschland vornahmen. Das war allerdings großen Schiffen nur streckenweise möglich. Das Chartern norwegischer Schiffe begrenzte der deutsche Devisenmangel, zumal bereits für die bei Fahrten dicht entlang der Küste unentbehrlichen norwegischen Lotsen erhebliche Devisenbeträge aufzuwenden waren.84 Von September 1939 bis März 1940 wurden über Narvik 2 112 000 t Eisenerz verschifft, das waren 1 570 000 t weniger als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.85

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1938 als Basisjahr zu akzeptieren (Wittmann, S. 158), verfolgte es gewiß vorrangig eigene wirtschaftliche und soziale Interessen. Zugleich kam es damit aber der deutschen Position sehr weit entgegen, das Jahr 1939 zu nehmen (ebenda, S. 155), in dessen Lieferziffern sich die Rüstungskonjunktur besonders stark niederschlug, und wies die britische Forderung ab, die letzten zehn Jahre vor Kriegsbeginn zur Berechnungsbasis zu machen (ebenda, S. 157), die damit wegen der Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise wesentlich niedriger ausgefallen wäre. Der deutschen Führung wie auch den Montanindustriellen galten schwedische Eisenerze sogar noch nach dem Sommer 1940, als die lothringischen Minettelagerstätten und die Erzgruben Französisch-Nordafrikas zur Verfügung standen, als unverzichtbar. - Zum Meinungsstreit von Historikern darüber siehe vor allem Karlbom, Rolf, Sweden's Iron Ore Exports to Germany, 1933-1944. In: The Scandinavian Economic History Review, XIII (1965), S. 65 ff.; Milward, Alan S., Could Sweden have stopped the Second World War? In: Ebenda, XV (1967), S. 127 ff.; Jäger, Jörg-Johannes, Sweden's Iron Ore Exports to Germany, 1933-1944. A Reply to Rolf Karlbom's Article on the same Subject. In: Ebenda, S. 139 ff.; Karlbom, Rolf, Swedish Iron Ore Exports to Germany, 19331944. A Reply. In: Ebenda, XVI (1968), S. 171 ff. Wittmann, S. 115 f. 1935-1938 schwankte Narviks Anteil an der gesamten Verschiffung von Eisenerz aus Nord- und Mittelschweden zwischen 49 und 55 Prozent, während sich der Rest auf Luleâ, Oxelösund und andere Ostseehäfen verteilte; Fritz, Martin, German Steel and Swedish Iron Ore 1939-1945, Göteborg 1974, S. 66 f. (im folgenden: Fritz, German Steel). BAP, AA 68730, Bl. 67-68R, „Vermerk über die Besprechung über Fragen des deutsch-norwegischen Warenverkehrs unter besonderer Berücksichtigung der Fragen des Seetransportes zwischen Deutschland und Norwegen am 9.10.1939 im AA". Nach: Fritz, German Steel, S. 43, Tab. 18.

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Nach der 6. Sitzung des Alliierten Obersten Kriegsrates am 28. März 1940 in London, wo die Verschärfung der Wirtschaftskriegführung beschlossen wurde86, begann die britische Flotte mit dem Minenlegen auf diesen Erztransportrouten, zunächst am 8. April 1940 in der norwegischen Dreimeilenzone vor Narvik. Mit der deutschen militärischen Okkupation Dänemarks und Norwegens entstand kurz danach eine vollkommen andere strategische Situation, auch in handelspolitischer Hinsicht. In der vielfältigen Warenpalette der deutschen Gegenlieferungen für die beileibe nicht nur aus Eisenerzen bestehenden Importe aus Schweden spielte Kohle die herausragende Rolle. Sie wurde in Skandinavien besonders dringend benötigt, nachdem die anfänglich noch aufrechterhaltenen87 Lieferungen aus England weggefallen bzw. stark zurückgegangen waren88. Kohle zu liefern, fiel Deutschland unter Ausnutzung der polnischen Gruben89 leichter als die Lieferung mancher anderer in Skandinavien benötigter Waren. Neben Kohle und Koks war Schweden vornehmlich daran interessiert, Walzwerkserzeugnisse, Koksroheisen und Kali aus Deutschland zu beziehen, wofür sich die deutsche Seite hohe Lieferverpflichtungen einzugehen bereitfand, als über Einzelprobleme der konkreten Realisierung des Kriegshandelsabkommens weiterverhandelt wurde. Dabei wurde auch eine handelspolitisch wohl einmalige „Preiswaage" vereinbart: Ein auf der Basis der 1939 für die wichtigsten zwischen Schweden und Deutschland ausgetauschten Waren zur Anwendung gelangten Preise errechnetes festgeschriebenes Preisrelationensystem, das den unter den Kriegsumständen zu erwartenden Preisauftrieb einschränken und für beide Seiten ausgleichen sollte. Das System der „Preiswaage", das nicht nur Eisenerz und Kohle, sondern anfangs 30 Prozent, später bis zu 90 Prozent aller zwischen beiden Ländern gehandelten Ware erfaßte, blieb bis 1944 in Funktion. Daß dieses System auf schwedische Anregung überhaupt zustandekam und dann auch beibehalten wurde, daß dank diesem System „die von Schweden während des Krieges für deutsche Kohle bezahlten Preise um 60 bis 70 Prozent unter denen lagen, die in der Schweiz dafür aufgebracht werden mußten" und daß infolgedessen - im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas - die Preise innerhalb Schwedens relativ stabil blieben, zeugt von der Bedeutung, die die deutsche Kriegswirtschaft dem Handelspart86 BAP, AA 67864, Bl. 225 ff., Bericht der Deutschen Gesandtschaft, v. Selzam an AA, Den Haag 16.4.1940. - Premierminister Chamberlain erklärte dazu: „If we are to bring this war to a close with the least possible destruction and dislocation of our common spiritual and material civilisation we must deprive Germany of the materials most essential for the prosecution of her aggressive policy. The Allies are therefore determined to prosecute the economic war to the utmost of their power." (Ebenda, Bl. 225R). 87 Salmon, Patrick, Anglo-German Commercial Rivalry in the Depression Era: the Political and Economic Impact on Scandinavia 1931-1939. In: Von der Konkurrenz, S. 119. 88 In Danemark bemühte sich die deutsche Diplomatie noch im März 1940 darum, die beabsichtigte dänische staatliche Monopolisierung des Kohlehandels zu beeinflussen. Durch Halbierung der seit Kriegsbeginn stark erhöhten Kohlenpreise sollte die englische Konkurrenz auf dem Kohlenmarkt ausgestochen und kontinuierliche Lieferungen von Lebensmitteln nach Deutschland gesichert werden. Β AP, AA 67771, Bl. 154 ff., van Scherpenberg an RMEL u. RWiM, 28.3.1940. 89 In den dreißiger Jahren blieb Polen nur einmal (1937) unter 40 Prozent Anteil an der Steinkohlenbelieferung Schwedens, womit es mehr oder weniger gleichauf mit England und weit vor Deutschland lag (Wittmann, S. 138 ff.).

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ner Schweden beimaß, und von der zielbewußten Nutzung dieser Situation durch Stockholm.90 Problematischer als mit den bisher genannten drei nordeuropäischen Staaten gestaltete sich in der hier zu behandelnden ersten Phase des Krieges der Handel mit Finnland. Der alte Handelsvertrag und das dazugehörige Verrechnungsabkommen liefen zum Jahresende 1939 aus, und einen neuen zu vereinbaren, fiel in Anbetracht des sowjetisch-finnischen Krieges und seiner Folgen recht schwer.91 Durch den eben abgeschlossenen Nichtangriffs- und Freundschaftsvertrag mit der UdSSR sah sich Hitler genötigt, die von Finnland gewünschten Kriegsmateriallieferungen abzulehnen. Nur 50 Flakgeschütze durften noch ausgeliefert werden, um die im Oktober 1939 getroffene Vereinbarung, daß Finnland weitere drei Jahre lang seine gesamte Kupferproduktion nach Deutschland liefere, die Kupferförderung noch steigere und das Nickelvorkommen Nivala erschließe, nicht preiszugeben.92 Das führte in Finnland zu Mißstimmung, gerade auch in Geschäftskreisen, die sich in Unlust zum Kauf deutscher Waren niederschlug.93 Ferner war für die deutsche Kriegswirtschaft der Bezug von Nickel und Molybdän aus dem nordfinnischen Petsamogebiet unentbehrlich. Durch die Kampfhandlungen in Mitleidenschaft gezogen, verblieb dieses Gebiet nach Friedensschluß zwar bei Finnland, doch war die Sowjetunion bestrebt, dort die Bergbaukonzession zu erwerben, was Lieferungen nach Deutschland zumindest in Frage gestellt hätte.94 Die deutsch-sowjetische Interessenkonkurrenz bot der finnischen Regierung Verhandlungsspielraum. Den Wegfall der englischen Kohlelieferungen, die vor dem Kriege 70 Prozent des finnischen Bedarfs gedeckt hatten, hätte Finnland notfalls durch seinen Holzreichtum kompensieren können. Jedenfalls konnte es auf diesem Felde deutschem Druck leichter widerstehen als andere Länder. Nach dem finnisch-sowjetischen Friedensschluß war dann die finnische Schiffahrt daran interessiert, in der Ostsee Aufträge zu erhalten95, da ihr ja der Zugang zu den Weltmeeren (außer von Petsamo aus) praktisch kaum noch offenstand. Alles in allem müssen die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und Finnland vom Spätherbst 1939 bis zum Mai 1940 als ungeregelt bezeichnet werden.

90 Wittmann, S. 170 ff. (Zitat S. 172). 91 BAP, AA 67820, Bl. 257-261R, Vermerk über deutsch-finnische Wirtschaftsbesprechungen am 18., 20. und 24.10.1939, Berlin 26.10.1939; ebenda, Bl. 270 f., Aufzeichnung Wiehl für RAM v. Ribbentrop u. Staatssekretär v. Weizsäcker, 18.11.1939; ebenda, Bl. 272 u. R, Aufzeichnung van Scherpenberg für v. Weizsäcker u. Wiehl, 18.12.1939. 92 BAP, AA 67795, Bl. 35R, van Scherpenberg an Schnurre (ζ. Z. Moskau), 25.10.1939; BAP, AA 67822, Bl. 73, Aufzeichnung Besser über die Sitzung (leitender Beamter d. RWiM u. d. AA) am 28.3.1940 betr. Finnland (Bl. 71 ff.). - Vgl. auch Das Deutsche Reich, Bd. 2, S. 153. 93 BAP, AA 67795, Bl. 38 ff., Wigru Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel, Abt. Außenhandel, 27.10.1939 (o. Adressatenangabe); ebenda, Bl. 83 ff., Reichsstelle f. d. Außenhandel an AA u. das RWiM, 2.4.1940, mit Kopie eines Schreibens der Fa. Hartkopp & Krüger an die Rheinisch- Westfälische Wasserreinigungs-Gesellschaft mbH Hannover, Helsingsfors 26.2.1940. 94 BAP, AA 67822, Bl. 73 f. (wie in Anm. 92). - Siehe auch Jäger, S. 229 f. 95 BAP, AA 67822, Bl. 113, Aufzeichnung Deutsche Gesandtschaft über Verhandlungen von Ges. Schnurre (AA) und MR Ludwig (RWiM) mit dem finnischen Außenminister Tanner u. a., Helsinki 3.5.1940.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Der Handel der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen mit Großbritannien, das trotz starker Zunahme des deutschen Anteils in den letzten Vorkriegsjahren wichtigster Handelspartner dieser Länder geblieben war96, konnte bei Kriegsausbruch deutscherseits rigoros unterbunden werden, und die baltischen Exporteure mußten froh sein, für ihre aufgestauten Waren nun zusätzlichen Absatz in Deutschland auf Clearingbasis statt gegen Valuta zu finden.

e) Südosteuropa und Türkei Da es dem deutschen Imperialismus in den Vorkriegsjahren nur teilweise gelungen war, die südosteuropäischen Staaten wirtschaftlich an sich zu binden, und da die Westmächte ihre mehr oder weniger starken Kapitalpositionen in diesen Ländern keineswegs - wie zuweilen behauptet worden ist - aufgegeben hatten, war diese Region gerade in der Anfangsphase des Krieges Austragungsort des Wirtschaftskrieges zwischen den miteinander im Kriegszustand befindlichen Staaten. Während die Regierungen Südosteuropas und der Türkei einerseits unter dem Druck beider Seiten deren Forderungen teilweise nachgeben mußten, vermochten sie andererseits auch - in unterschiedlichem Grade - sich gewissen Handlungsspielraum zu bewahren und partielle Vorteile, ζ. B. in der Preisgestaltung, zu gewinnen. Es sollte sich aber sehr bald zeigen, wie sehr ihre Handelsbeziehungen von der Entwicklung der Kriegslage abhängig waren. Diese Feststellung bezieht sich keineswegs nur auf Jugoslawien und Griechenland, die im April/Mai 1941 militärisch okkupiert wurden. Daß die meisten südosteuropäischen Staaten damals von beiden kriegführenden Seiten umworben wurden, ergab sich hauptsächlich daraus, daß ihr Boden eine Reihe kriegswichtiger Rohstoffe barg, die Deutschland sich zu sichern und die England ihm vorzuenthalten trachtete. Großbritanniens Pre-emptive-policy richtete sich besonders auf das Chromerz der Türkei, Griechenlands, Norwegens und Jugoslawiens, jener vier Herkunftsländer, von denen die deutsche Kriegswirtschaft nicht durch die britische Seeblockade abgeschnitten werden konnte.97 Obwohl in den vorangegangenen Jahren mehr als die Hälfte der deutschen Chromimporte aus der Türkei gekommen war und auch insgesamt Deutschland den größten Anteil am türkischen Außenhandel eingenommen hatte, gelang es Großbritannien mit verschiedenen Mitteln, nicht zuletzt durch attraktivere Kredite, als sie Reichswirtschaftsminister Funk der türkischen Regierung in Aussicht stellen konnte98, aber verständlicherweise auch unter dem Eindruck der italienischen Okkupation Albaniens, die Türkei im Mai 1939 mehr oder 96 Hinkkanen-Lievonen, Maija-Liisa, Britain as Germany's Commercial Rival in the Baltic States, 1919-1939. In: Von der Konkurrenz, S. 39 f. - Siehe auch Volkmann, Hans-Erich, Ökonomie und Machtpolitik. Lettland und Estland im politisch-ökonomischen Kalkül des Dritten Reiches (19331940). In: Geschichte und Gesellschaft 2/1976, S. 471-500. 97 Medlicott I, S. 261. Siehe auch Kap. IV im vorl. Band. 98 Zu Funks Angebot vom Oktober 1938 und dem (dann aber nicht ratifizierten) Kreditabkommen vom 16.1.1939 s. BAP, AA 68764, Bl. 188 f., Aufzeichnung Ripken für Wiehl, 27.2.1942; BAP, AA 68751, Bl. 18 ff., Aufzeichnung Clodius für den RAM, 15.4.1942; Wortlaut des Kreditabkommens v. 16.1.1939 u. d. dazugehörigen Vertraulichen Protokolls mit den Warenlisten: AA 68749, Bl. 250-254R.

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weniger auf seine Seite zu ziehen. Am 12. Mai 1939 wurde eine britisch-türkische gegenseitige Beistandserklärung abgeschlossen und am 23. Juni durch eine französisch-türkische ergänzt. Diese Erklärungen waren die Vorstufe zu dem damals bereits angekündigten, am 19. Oktober 1939 nicht zuletzt unter dem Eindruck des deutsch-sowjetischen Paktes zustandegekommenen Bündnis und galten für den Fall eines Angriffes, der zum Krieg im Mittelmeer führen würde. Auf dieser Grundlage taktierte die türkische Regierung dann in den folgenden Jahren sehr geschickt, um ihr Land aus militärischen Aktionen herauszuhalten." Das deutsch-türkische Abkommen vom 25. Juli 1938 lief am 31. August 1939 aus, womit zwischen beiden Staaten handelspolitisch ein vertragsloser Zustand eintrat.100 Wenn damit auch nicht jeglicher Handelsverkehr aufhörte, so beinhaltete er doch gerade die türkischen Erzeugnisse nicht, auf die es der deutschen Kriegswirtschaft ankam. Nachdem Deutschland 1939 die Rekordmenge von 114 5001 Chromerz aus der Türkei importiert hatte, wurde durch Vertrag vom 8. Januar 1940 die gesamte türkische Chromerzproduktion für die Zeit bis Anfang 1943 an England (und Frankreich) verkauft.101 Fast ebenso erfolgreich waren die Westmächte bezüglich des griechischen Chromerzes trotz der sprichwörtlichen Abhängigkeit des ganzen griechischen Wirtschaftssystems vom Tabakexport nach Deutschland. Nach der britisch-französischen Garantieerklärung für Griechenland vom April 1939 (Kredite für griechische Einfuhren) kam am 23. August 1939 zwar noch ein deutsch-griechisches Handelsabkommen zustande, doch wurde dieses durch ein britisch-griechisches Abkommen vom 26. Januar 1940 ausgehöhlt: England kaufte für mindestens 500 000 £ griechischen Tabak, den es eigentlich nicht benötigte, charterte 60 griechische Seeschiffe und sagte zu, Griechenland mit Kohle zu beliefern. Vor allem erreichte es damit, daß ihm Griechenland 55 000 t Chrom verkaufte, während nach Deutschland nur 1 000 t geliefert werden durften. Diese Quote mußte später etwas erhöht werden, da Griechenland für den erwarteten Krieg mit Bulgarien Munition kaufen wollte, die Großbritannien ihm nicht liefern konnte und die Deutschland ihm nur gegen Chrom zu verkaufen bereit war.102 Die wohldosierte Genehmigung, Kürzung oder Verweigerung von Waffenlieferungen an die Staaten des sprichwörtlichen „Pulverfasses Balkan" (gewünscht auch, aber keineswegs nur, um die in den Vorjahren in Deutschland eingefrorenen Clearingguthaben ζ. T. „aufzutauen") war überhaupt ein Instrument, das die deutschen Regierungsvertreter und Hitler persönlich gerade 1939 und Anfang 1940 immer wieder einsetzten, um die Regierungen Südosteuropas und der Türkei zu kriegswirtschaftlichen Leistungen zu nötigen und auch politisch gefügig zu machen.103 In Jugoslawien erreichten sie damit, daß die Regierung im September 1939 ihre Absicht verkündete, Erze aus den in französischem (Bor) und britischem (Trepca) Kapitaleigentum 99 Krecker, Lothar, Deutschland und die Türkei im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt am Main 1964, S. 39 ff. u. passim. 100 BAP, AA 68765, Bl. 131, v. Süßkind-Schwendi an den RMRuK o. D. (wohl Ende 1943). 101 Ebenda; Krecker, S. 78; Jäger, S. 244 f. 102 Medlicott I, S. 267 f. 103 Siehe besonders Hitlers Grundsatzfestlegung und seine Entscheidungen zu konkreten Wünschen Rumäniens, der Türkei, Bulgariens und Jugoslawiens, die der Chef des OKW am 22.7.1939 Wiehl übermittelte (BAP, AA 68736, Bl. 25 f.).

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befindlichen Minen gegen Zahlung in Dinar (statt vertragsgerecht in weltmarktüblichen Valuten) aufzukaufen, um damit Waffen zu erwerben. Am 5. Oktober 1939 Schloß sie ein Abkommen mit Deutschland über den Kauf von Waffen und Militärgerät für 50 Mill. RM im Austausch gegen landwirtschaftliche Erzeugnisse, aber auch Rohkupfer, Blei, Bleikonzentrate, Aluminium und Antimon. In den folgenden Monaten gelang es wiederum der britischen Regierung, indem sie u. a. jugoslawischen Importen die Passage durch die Seeblockade erleichterte, die jugoslawische Regierung dazu zu bewegen, daß sie die Rohstofflieferungen nach Deutschland nicht weiter erhöhte. Insbesondere hatte sie wohl Erfolge bei der Verhinderung von Chromerzlieferungen nach Deutschland.104 Trotz der mit großem Aufwand betriebenen Entwicklung der synthetischen Produktion bildete die Versorgung der deutschen Streitkräfte und anderer Bedarfsträger mit Treibstoff einen absoluten Engpaß. Mineralöllieferungen erwartete die deutsche Kriegswirtschaft in erster Linie von Rumänien, das 1938 in der Warengruppe „Erdöl und Teer, roh" mit mengenmäßig weniger als zwei Prozent und wertmäßig 1,3 Prozent der deutschen Einfuhr an fünfter Stelle aller Lieferländer und in der Warengruppe „Kraftstoffe und Schmieröle" mit weniger als zwölf Prozent der Menge und knapp 16 Prozent des Wertes an dritter Stelle gestanden hatte.105 Mit Kriegsbeginn war Rumänien jedoch neben der Sowjetunion, mit der die Handelsbeziehungen erst einmal wieder normalisiert werden sollten, das einzige Lieferland, von dem Deutschland nicht durch die alliierte Blockade abgeschnitten war. Trotz des Wirtschaftsvertrages vom 23. März 1939 war aber gerade die Belieferung Deutschlands mit Erdöl keineswegs gesichert, da sich dieser Zweig zu fast 70 Prozent in vorwiegend englisch-holländischem und französischem sowie auch amerikanischem Kapitalbesitz befand. Bei Kriegsbeginn war sogar die Zerstörung der Erdölfelder erwogen worden.106 Ab Oktober 1939 beteiligten sich die genannten Erdölgesellschaften an der vom London Hankey Committee koordinierten Boykottpolitik, indem sie überhöhte Preise für ihr Erdöl verlangten, die Produktion der Tochtergesellschaften durch die Muttergesellschaften aufkauften und deutschen Bestellern den Verkauf verweigerten. Die rumänische Regierung wagte nicht dagegen aufzutreten, weil sie auf die britische Unterstützung in den strittigen Grenzfragen gegenüber der UdSSR, Ungarn und Bulgarien rechnete. Eine geheime Abmachung mit Deutschland, Öl gegen Waffen zu tauschen, wurde in den innenpolitischen Wirren nach der Ermordung des Ministerpräsidenten Armand Cälinescu am 21. September 1939 nicht wirksam. Schließlich gab aber wieder die deutsche Bereitschaft, Waffen zu liefern, den Ausschlag: Im Dezember 1939 garantierte die rumänische Regierung die vom Reichswirtschaftsministe104 Medlicott I, S. 261 ff. - Grenzebach jr., William S., Germany's informal empire in east-central Europe. German economic policy toward Yugoslavia and Rumania, 1933-1939, Stuttgart 1988, S. 168 ff., räumt den jugoslawischen Erzlieferungen Vorrang vor denen landwirtschaftlicher Erzeugnisse ein. Seiner Meinung nach waren die Briten nicht vollständig über das Ausmaß der jugoslawischen Kapitulation informiert. (Ebenda, S. 172, Anm. 112). 105 Berechnet nach: Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1939/40, Tab. VII, 11. 106 Hierzu und zum folgenden s. Das Deutsche Reich, Bd. 4, Stuttgart 1983, S. 330 ff. - Wie die massive ausländische Kapitalkonzentration die Verhandlungsführung der rumänischen Regierung und die Realisierung der staatlichen Abmachungen in den Wochen vor und nach Kriegsausbruch beeinflußte, läßt Grenzebach, Kap. X, ganz außer acht.

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rium geforderte monatliche Lieferung von 130 000 t Erdöl und wertete den Leu ab, womit die von den Ölgesellschaften vorgenommenen Preiserhöhungen ihren prohibitiven Charakter einbüßten. Im Januar 1940 richtete sie dann das Generalkommissariat für Erdöl ein, dem die in alliiertem Besitz befindlichen Gesellschaften den Verkauf von Erdöl und dessen Lieferung nach Deutschland nicht verweigern konnten. Nachdem am 6. März 1940 eine vorläufige Vereinbarung über die Lieferung von 200 000 t Erdöl gegen polnische und tschechische Beutewaffen unterzeichnet worden war, kam am 27. Mai 1940 der Öl-Waffen-Pakt zustande, der eine feste Preisrelation zwischen den von Rumänien zu liefernden Mineralölerzeugnissen, unabhängig von deren jeweiligen Tagespreisen am Markt, und den ihm zu liefernden Waffen festlegte.107 Diese für die deutsche Seite sehr profitable Kompensationsbasis blieb bis Oktober 1940 in Geltung. Inzwischen hatte das rumänische Staatsgebiet eine wesentliche Verkleinerung erfahren (was die rumänische Regierung durch ihre Zugeständnisse an Nazideutschland zu verhindern gehofft hatte), und der militärische Zusammenbruch Frankreichs hatte Rumänien auch den Rückhalt durch die Westmächte entzogen. Für die nächsten Jahre war Rumänien politisch, wirtschaftlich und militärisch zum Vasallen des Hitlerregimes geworden. In allen Ländern Südosteuropas betrieb Großbritannien durch die speziell zu diesem Zweck gegründete United Kingdom Commercial Corporation Ltd. eine Pre-emptive-policy. Deren Erfolg blieb aber recht begrenzt, weil alles in allem nicht genügend Geldmittel für umfassende Aufkäufe von Rohstoffen und Lebensmitteln zur Verfügung gestellt wurden, vor allem aber, weil England die von den südosteuropäischen Ländern gewünschten Rüstungsgüter und sonstigen Produkte der Schwerindustrie nicht liefern konnte oder wollte. Dennoch zogen die südosteuropäischen Länder in ihrem Handel mit Deutschland zeitweilig Nutzen aus diesen britischen Wirtschaftskriegsaktionen, indem sie während der hier behandelten Phase des Krieges auch deutsche Käufer zur Zahlung höherer Preise veranlassen konnten.108

f ) Sowjetunion, Ferner und Mittlerer

Osten

Nachdem der Warenaustausch zwischen Deutschland und der UdSSR vornehmlich aus politischen Gründen jahrelang minimal gewesen war, konnte nach Unterzeichnung der wirtschaftlichen und politischen Verträge vom August/September 1939 das anvisierte Ziel, das Anfang der dreißiger Jahre existierende Niveau wieder zu erreichen, selbst bei gemeinsamem Bemühen nicht schnell erreicht werden. Hinzu kam, daß das gegenseitige Mißtrauen, dessen Abbau ohnehin schon Zeit erfordert hätte, gleich neue Nahrung erhielt, als die deutsche Delegation zur Eröffnung der Wirtschaftsverhandlungen am 8./9. Oktober 1939 einen fertig aus107 BAP, AA 68735, Bl. 10-16, „Geheime Vorläufige Vereinbarungen" v. 6.3.1940, Bukarest, gez. v. Slavescu u. Neubacher, mit Anlagen; ebenda, S. 35 ff., Abkommen über den Austausch von deutschem Kriegsgerät und rumänischen Mineralölerzeugnissen, gez. v. Slavescu u. Neubacher, Bukarest 22.5.1940. 108 BAP, AA 67864, Bl. 226, Deutsche Gesandtschaft, v. Selzam an AA, Den Haag 16.4.1940; BÄK, R 63/293, Bl. 121, „Die industriewirtschaftlichen Folgen des Rückganges (und Zuwachses) des deutschen politischen Einflusses auf Südosteuropa seit 1938", Ausarbeitung o. Vf. o. D.

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formulierten Vertragsentwurf für ein Sofortprogramm (das j a gerade erst ausgehandelt werden sollte) mit maximalen deutschen Forderungen vorlegte. Schwendemann, Verfasser eines vor kurzem erschienenen Buches über die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen 1939-1941, bezeichnet es als „um so erstaunlicher", daß Außenhandelskommissar Anastas Mikojan auf dieses Konzept, das der Sowjetunion quasi den „Status eines Juniorpartners in Diensten der deutschen Kriegswirtschaft" zuwies, bereits am 10. Oktober mit weitreichenden generellen Zusagen antwortete.109 Ich sehe das etwas anders: Anfang Oktober war die Situation für Moskau im Grunde genommen nicht anders als am 23. August 1939. Trotz der Kriegserklärungen hatte sich aus dortiger Sicht die Konstellation zwischen den Großmächten nicht verändert. Der Krieg zwischen ihnen mochte fortgesetzt werden, und die Sowjetunion wollte nicht direkt hineingezogen werden. Doch Moskaus Befürchtung, die kriegführenden Mächte könnten sich arrangieren und gemeinsam gegen die Sowjetunion vorgehen, war ebenfalls weiter aktuell. Also wollte man in Moskau Zeit gewinnen. In den folgenden Wochen waren dann manche großen Worte, auch generelle Versprechen zu hören, und diese wurden allerseits propagandistisch verwendet. Tatsächlich wurde aber langwierig und zäh um die konkreten Konditionen des künftigen Handelsverkehrs gerungen. Die Verzögerungen ergaben sich nicht nur aus Mißtrauen, und dieses wurde auch nur gelegentlich einmal direkt ausgesprochen. Das langsame Anlaufen des eigentlichen Warenaustausches hatte vor allem objektive Gründe. Nachdem die sowjetische Seite grundsätzlich klargestellt hatte, daß Gleichberechtigung und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Lieferungen und Gegenlieferungen die Basis der Wirtschaftsbeziehungen bilden müßten, stand fest, daß nennenswerte sowjetische Getreide- und sonstige Rohstofflieferungen nicht erfolgen könnten, ehe nicht wenigstens die dringendsten Bestellungen auf deutsche Industrieprodukte, die die sowjetische Seite beziehen wollte, untergebracht sein würden (für die Fertigstellung bestimmter Maschinen ist in aller Regel mehr Zeit als für die Bereitstellung von Rohstoffen erforderlich). In aller Regel erfolgen Detail Verhandlungen auf unterer, fachmännischer Ebene, zumal wenn es um Industrieprodukte geht, die speziellen Wünschen des späteren Anwenders entsprechen sollen. In unserem Falle zogen sich die Werkbesichtigungen, Modellvorführungen und Auseinandersetzungen um Preise zusätzlich in die Länge. Das lag einmal daran, daß die früheren Geschäftsbeziehungen zwischen bestimmten Werken jahrelang unterbrochen gewesen waren, also nicht wie bei ständigen Geschäftspartnern Produktionsprofil, Preis- und sonstige Konditionen des betreffenden Werkes dem Besteller von vornherein mehr oder weniger bekannt waren. Zweitens ging es den sowjetischen Interessenten um die Besichtigung von neuesten Waffen, die zwar generell genehmigt worden war, aber in vielen Einzelfällen auf Hemmnisse wegen der selbstverständlich gegebenen Spionagegefahr stieß. Drittens war die sowjetische Bürokratie und die nach der kaum abgeklungenen Säuberungswelle im Partei-, Staats-, Militär-, Sicherheits- und Wirtschaftsapparat ja verständliche Scheu vor der Verantwortung ein zeitraubender Faktor: vor der Unterzeichnung eines Lieferauftrages fragte man lieber in Moskau nach. Auf deutscher Seite behinderten im Herbst 1939 noch mehr als vor dem Krieg der Widerspruch zwischen Rüstungs- und Exportauftrag und die hohen Preisforderungen der Industrieunternehmen Vertragsabschlüsse. 109 Schwendemann, Heinrich, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941. Alternative zu Hitlers Ostprogramm?, Berlin 1993, S. 89 f.

421 Im Widerstreit der interessierten deutschen Instanzen um die Frage, ob als Gegenleistung für die dringend gewünschten sowjetischen Rohstoffe ein Teil der für die Wehrmacht bestimmten Kontingente an Rohstoffen, Maschinen und Waffen für den Export in die Sowjetunion abgezweigt werden könne, wurde schließlich Hitler Anfang Dezember 1939 um Entscheidung gebeten. Schon ganz auf seinen Frankreichfeldzug fixiert, verbot er, zu Lasten der Wehrmacht Rohstoffe für sowjetische Produktionsaufträge einzusetzen, das laufende Rüstungsprogramm etwa durch kurze Lieferfristen in die UdSSR zu beeinträchtigen, insbesondere Maschinen für die Munitionsherstellung abzugeben. Lieferungen in die UdSSR sollten nur im Rahmen der ohnehin reduzierten Exportkapazitäten, d. h. unter Zurückstellung von Ausfuhren an andere Handelspartner erfolgen.110 Um die Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR nicht faktisch enden zu lassen, ehe sie wieder richtig begonnen hatten, formulierten die interessierten Ressorts Kompromißvorschläge, die darauf hinausliefen, einen Teil der bestellten militärischen durch zivile Industrieprodukte zu ersetzen, die Lieferfristen über mehrere Jahre zu strecken, für die Herstellung von Maschinen für die UdSSR zusätzliche sowjetische Eisenlieferungen anzufordern. Diese „Kompromiß"-Vorschläge hätten wenig Chancen gehabt, die erwarteten sowjetischen Lieferungen zu retten, zumal die sowjetische Kommission sowieso mit vielen ihrer Bestellwünsche erfolglos geblieben, zugleich mit überhöhten Preisforderungen konfrontiert worden war und nach Vertagung der Verhandlungen am 13. Dezember 1939 nach Moskau zurückkehrte. Als der deutsche Botschafter Friedrich Werner Graf von der Schulenburg am 14. Dezember 1939 Mikojan das „Kompromiß"-Angebot überreichte, erhielt er am 15. Dezember zur Antwort, Deutschland müsse auf jeden Fall für die sowjetischen Rohstoffe einen entsprechenden Gegenwert leisten, aber nicht zu überhöhten Preisen. 1 " Obwohl am 18. Dezember 1939 in Moskau die Delegationsverhandlungen wieder aufgenommen wurden, war zum Jahresende kein Vorankommen in Sicht. Am 31. Dezember schaltete sich dann Stalin direkt ein, übernahm faktisch die Verhandlungsführung, indem er entgegenkommende Vorschläge unterbreitete, in den folgenden Wochen allerdings angesichts neuer deutscher Forderungen auch nicht vor der Drohung zurückschreckte, die Verhandlungen abzubrechen, schließlich aber mit seinen deutschen Verhandlungspartnern, die er für Übermittler der Meinung Hitlers hielt, das Wirtschaftsabkommen vom 11. Februar 1940 abschloß. Darin waren die bis 11. August 1941 aus der UdSSR zu liefernden Mengen im Gesamtwert von 655 Mill. RM, davon 420 - 430 Mill. RM bis 11. Februar 1941, die deutschen Gegenleistungen an Marine- und Luftwaffengerät detailliert aufgezählt, für „zivile" Industrieprodukte, hauptsächlich Investgüter, jedoch nur ein Reichsmarkrahmen festgelegt. Dem ständigen deutschen Drängen nachgebend, erklärte sich die sowjetische Seite bei der Fixierung der Mengenraten und Fristen damit einverstanden, daß die Kompensierung der sowjetischen Rohstofflieferungen der ersten zwölf Monate (d. h. bis 11. Februar 1941) durch deutsche Gegenlieferungen sich bis zum 11. Mai 1941 erstrecken könne. Analog sollte dann im zweiten Vertragsjahr verfahren werden, so daß das Gesamtvolumen des auf zwei Jahre ausgelegten Abkommens in Höhe von beiderseits 655 Mill. RM von sowjetischer Seite am 11. August 1941 und deutscherseits am 11. Mai 1942 erfüllt sein würde. In bestimmten Zeitab110 Ebenda, S. 114 f. 111 Ebenda, S. 119 f.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

ständen sollten die wechselseitigen Lieferungen bilanziert werden, wobei der Seite, die nicht genügend empfangen hatte, das Recht eingeräumt war, ihre Lieferungen zeitweilig einzustellen." 2 Weshalb Stalin zum Jahreswechsel 1939/40 persönlich die Verhandlungsführung übernahm, erklärt Schwendemann wohl zu Recht mit der Reaktion der Westmächte auf den sowjetisch-finnischen Krieg, insbesondere dem am 2. Dezember 1939 von Franklin D. Roosevelt verkündeten, vor allem auf Rüstungstechnologie bezogenen „moralischen Embargo" der USA,113 die bis dahin noch militärische Güter an die UdSSR verkauft hatten, mit den französischen und britischen Angriffsvorbereitungen auf den Kaukasus und dem verstärkten Bestreben Stalins, Hitler von einem Arrangement mit den Westmächten zurückzuhalten. Da die deutsche Öffentlichkeit den auf Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen basierenden Abkommenstext nicht kannte, fiel es der NS-Propaganda leicht zu verkünden, das Tor im Osten stehe nun weit offen, die britische Blockade werde fortan wirkungslos sein. Faktisch kamen die gegenseitigen Lieferungen auch in den Wochen und Monaten nach Abschluß des Wirtschaftsabkommens vom 11. Februar 1940 nicht recht in Schwung. Das Abkommen war zunächst einmal nicht mehr als eine - wichtige - Willenserklärung beider Seiten, die aber durch konkrete Lieferverträge zwischen Werken, Handelsorganisationen u. dgl. untersetzt werden mußte. Hier wirkten wieder die gleichen Hemmnisse auf beiden Seiten wie in den Vormonaten. Es machte sich auch weiterhin Moskaus politische Vorsicht angesichts der unklaren Kriegslage und der alliierten militärischen Vorbereitungen gegenüber der UdSSR bemerkbar. Wieder dominierte Stalins Bemühen, Zeit zu gewinnen, es mit keiner der kriegführenden Seiten völlig zu verderben (mit England wurden Wirtschaftsverhandlungen angebahnt), sich nicht irreversibel an eine Seite zu binden. Ein wirklicher Durchbruch bei den Liefervertragsabschlüssen erfolgte erst gegen Ende Mai 1940, als der Ausgang des deutschen Frankreichfeldzugs abzusehen war. Die Statistiken sprechen eindeutig gegen Auffassungen, wonach Hitler ohne die sowjetischen Rohstofflieferungen nicht die Offensive im Westen hätte beginnen können" 4 . In einer nicht für die Öffentlichkeit bestimmten, „als Materialsammlung bearbeitet(en)" Abhandlung des Schlesischen Instituts für Wirtschafts- und Konjunkturforschung Breslau vom August 1940 heißt es: „Zwischen Deutschland und der Sowjetunion ist die Vereinbarung getroffen worden, den Gesamtumfang des Warenverkehrs möglichst schnell auf das bisher erreichte größte Niveau zu bringen. Das wäre für die deutsche Einfuhr das Jahr 1930 mit insgesamt 436 Mill. RM und für die Ausfuhr nach der Sowjetunion das Jahr 1931 mit einem Betrage von 763 Mill. RM ... Die bisherige Gesamteinfuhr Deutschlands aus der Sowjetunion war während des 1. Halbjahres 1940 annähernd so groß, wie die Einfuhr von drei Mona112 Ebenda, S. 145. 113 Ebenda, S. 120. 114 So insbesondere Friedensburg, Ferdinand, Die sowjetischen Kriegslieferungen an das Hitlerreich. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 1962, Nr. 4, S. 331-338; Hillgruber, Andreas, Hitlers Strategie, Politik und Kriegführung 1940-1941, Frankfurt am Main 1965, S. 31; eine differenziertere Einschätzung gab schon damals Birkenfeld, Wolfgang, Stalin als Wirtschaftspartner Hitlers (1939-1941). In: Vierteljahrsschrift zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Bd. 53, 1966, S. 477-510.

Vom September 1939 bis zum 2. Quartal 1940

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ten im bisherigen Höchstjahr. Die Ausfuhr nach der Sowjetunion war während des 1. Halbjahres 1940 insgesamt nur annähernd so groß wie die durchschnittliche Ausfuhr eines Monats im bisherigen Höchstjahr." 115 Von Dezember 1939 bis Mai 1940 beliefen sich alle sowjetischen Lieferungen zusammen (zu annähernd 40 Prozent noch auf Basis des Kreditabkommens vom 19. August 1939) auf 99,6 Mill. RM (nach anderen Angaben weniger), womit sie beträchtlich weniger als zehn Prozent der gesamten Einfuhr Deutschlands ausmachten. Als wichtigste Waren, die bis Ende Mai 1940 geliefert wurden, sind Getreide/Hülsenfriichte, hauptsächlich Gerste, für 36,9 Mill. RM und Mineralöl für 25,3 Mill. RM zu nennen, während Chromerz, Manganerz, Kupfer, Nickel und Zinn gar nicht, Platin für 2,0 und Phosphate für 0,5 Mill. RM aus der UdSSR nach Deutschland gelangten.116 In einer als „Vertrauliche Reichsbank-Sache" gekennzeichneten Niederschrift vom 18. Juni 1940 über eine Tagung der Reichsstelle für den Außenhandel, an der auch die Leiter aller Außenhandelsstellen teilnahmen, hielt Reichsbankdirektor Rudolf Eicke fest, der Referent, Ministerialdirigent Gustav Schlotterer, habe sich darüber beklagt, daß die Sowjetunion die deutschen Erwartungen enttäuscht habe." 7 In der Gegenrichtung gab aber der Stand erst recht Grund zur Enttäuschung: Bis 31. Mai 1940 waren Exporte für 16 Mill. RM im Rahmen des Kreditabkommens vom 19. August 1939 und für 43,5 Mill. RM im Rahmen des Wirtschaftsabkommens vom 11. Februar 1940 zu verbuchen, wobei vom letztgenannten Posten weniger als die Hälfte in Warenform geliefert, der Rest als Anzahlung auf den an die UdSSR verkauften, noch im Bau befindlichen Kreuzer „Lützow" und für Konstruktionszeichnungen und andere Unterlagen zum Nachbau von Investitionsgütern und Militärgerät angerechnet worden waren." 8 Aus den zahlreichen Gutachten von Wirtschaftsexperten, die der Wehrwirtschaftsstab des Oberkommandos der Wehrmacht gleich bei Kriegsbeginn eingeholt hatte, war übrigens hervorgegangen, daß die euphorische Einschätzung des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Raeder, und einiger anderer Militärs sowie auch Hitlers, dank dem Vertrag mit der UdSSR sei die britische Blockade „schon fast zum Scheitern verurteilt", von Anfang an nicht geteilt wurde. Ausschlaggebende Wirkung versprach man sich erst nach zwei bis drei Kriegsjahren.119 In britischen Regierungskreisen beurteilte man die deutsch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen jenes Zeitabschnitts anscheinend ebenfalls recht nüchtern. Nach einer Prüfung dieser Frage war das Ministerium für Wirtschaftskriegführung im Oktober 1939 zu der Auffassung gelangt: „... wenn die Sowjetunion ihre eigene Wirtschaft nicht zerstören will und Deutschland nur ihren normalen exportfähigen Überschuß schickt, dann würde die wirtschaftliche Unterstützung, die Deutschland erhielte, .negligible' sein. Wenn die Sowjetunion 115 BÄK, R 2/17307, Übersicht über den deutsch-russischen Waren- und Zahlungsverkehr, zit. nach Schwendemann, S. 370, Tab. 5. 116 BÄK, R 7/3413, „Zahlen zur Entwicklung des deutschen Außenhandels seit Kriegsbeginn", S. 7 f. 117 BAP, Deutsche Reichsbank 6612, Bl. 621-629, „Der Außenhandel der Zukunft", Niederschrift Eicke, 18.6.1940. 118 Schwendemann, S. 178. 119 Das Deutsche Reich, Bd. 4, S. 99 ff.

424 aus politischen Gründen einige Opfer brächte, um Deutschland mit Rohmaterial zu versorgen, so könnten alle Defizite Deutschlands an Mangan, Asbest und Phosphaten und bis zum zweiten und dritten Kriegsjahr wesentliche Teile seines Bedarfs an Erdöl, Baumwolle und Eisenerz gedeckt werden. Die Sowjetunion könnte Deutschland nicht mit Kupfer, Nickel, Zinn oder einer Reihe seltener Legierungsmetalle versorgen, es sei denn aus ihren eigenen Vorräten oder indem sie das Entrepötgeschäft aufnimmt." Irrtümlicherweise glaubte das Ministerium, die UdSSR könne nicht in nennenswertem Maße Nahrungs- und Futtermittel außer Ölsaaten und Ölkuchen liefern. Die Hemmung durch Transportschwierigkeiten wurde besonders für Erdöllieferungen nach Deutschland überschätzt.120 Vorteilhaft für die deutsche Seite waren unter den Bedingungen der britischen Seeblockade die Transitwege durch die Sowjetunion, vor allem für Importe aus Japan, der Mandschurei (besonders Sojabohnen zur Schließung der „Fettlücke")'21, dem Iran, mit dem am 8. Oktober 1939 ein neues Wirtschaftsabkommen geschlossen wurde122, und auch aus China, mit dem allerdings infolge des japanisch-chinesischen Krieges der Warenaustausch schon länger rückläufig war123. So wichtig der Transit durch die Sowjetunion zweifellos war, ist er aber doch nicht nur durch den strengen sibirischen Winter, sondern auch durch andere Faktoren begrenzt worden: die für manche Warenarten unproportional hohen Transportkosten, alliierte Repressalien gegen asiatische Geschäftspartner und gegen die UdSSR selbst, die daher weder fähig noch willens war, in Übersee Tarnkäufe strategischer Rohstoffe für Deutschland zu tätigen124, sowie die mangelnde Zahlungs- und Gegenlieferfähigkeit und -Willigkeit der deutschen Seite gegenüber den fernöstlichen Partnern, nicht zuletzt aber auch mangelnde japanische Kooperationsbereitschaft. Der Umsatzrückgang infolge der Seeblockade konnte mittels des Eisenbahntransits über sowjetisches Territorium nicht annähernd kompensiert werden. Bei der Behandlung der Kriegsphase 1940/41 wird eine zusammenfassende Wertung des tatsächlichen Nutzens des Transits über Sowjetterritorium vom Herbst 1939 bis Juni 1941 erfolgen.

g) Schweiz, Niederlande,

Belgien,

Luxemburg

Der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg standen in der hier zu behandelnden Phase des Krieges neben Transitrouten durch Deutschland und Italien auch Verkehrswege über alliiertes Territorium bzw. durch von den Alliierten beherrschtes Seegebiet zur Ver120 Medlicott I, S. 316 f. 121 Β AP, AA 68 971/6, Bl. 2 ff., Aufzeichnung „Streng vertraulich zu persönlicher Information auf Grund vertraulicher Aussprache mit Staatsrat Wohlthat", Bl. 2, o. Vf. o. D. 122 BAP, AA 68762, Bl. 26-32, Aufzeichnung über Verhandlungen in Teheran, o. Vf., 28.10.1939, mit Vertraulichem Protokoll v. 8.10.1939; BAP, AA 68722, Bl. 112, Handakten Clodius, Deutschiranisches Wirtschaftsabkommen v. 8.10.1939. 123 BAP, Deutsche Bank (F) 21702, Bl. 1-8, „Was können wir noch in China tun?" Wirtschaftspolitischer Vortrag, gehalten von Dr. G. Probst, Chef der Siemens China Company, am 7.12.1939 in der China-Studiengesellschaft Berlin. 124 Dies war, wie manches andere auch, mit großen Worten zugesagt und sogar in das Wirtschaftsabkommen v. 11.2.1940 aufgenommen worden. - Schwendemann, S. 143.

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fügung. Ihre Neutralität mußte dabei von beiden kriegführenden Seiten aus eigenem Interesse mehr oder weniger respektiert werden. Die Schweiz und Deutschland hatten sich bereits im September 1938 und im Juni 1939 auf diplomatischem Wege gegenseitig die wohlwollende Prüfung der Frage der Beibehaltung des Durchgangsverkehrs im Kriegsfall zugesichert.125 Dagegen bedurfte es noch mehrmonatiger Verhandlungen, bis die Schweiz auch mit den Westmächten im Rahmen des War Trade Agreement vom 24. April 1940 eine vertragliche Regelung für ihre Warendurchfuhr erreichte. Wie den Westmächten selbstverständlich bewußt war, konnte die deutsche Kriegswirtschaft aus dieser Durchlöcherung der alliierten Blockade zumindest indirekt Nutzen ziehen. Zeugt dieser Vertragsabschluß davon, daß die Schweiz durchaus nicht als schwächlicher Spielball zwischen den Großmächten zu behandeln war, so nicht minder auch das Verhalten Deutschlands, das, statt bei Kriegsbeginn zusätzliche Bestellungen bei der schweizerischen Industrie piazieren zu können, erst einmal durch das Abkommen vom 24. Oktober 1939 genötigt wurde, in den letzten Vorkriegsmonaten aufgelaufene Schulden zu tilgen: Durch zusätzliche Warenlieferungen aus Deutschland wurde aus dem 80 Mill. Franken betragenden Rückstand bis zum Frühjahr 1940 ein deutsches Guthaben von 40 Mill. Franken auf dem Clearingkonto.126 Die Statistik des schweizerischen Warenaustausches insgesamt und speziell mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, den neutralen Staaten Europas und Amerikas für 1938, 1939 und das volle Jahr 1940 weist stabile Werte aus127, im Unterschied zu den Jahren danach, als zwar der Gesamtwert der Ein- und Ausfuhr stieg, aber die Umsätze mit den einzelnen Partnerländern deutlich die Kriegsumstände widerspiegelten. Luxemburg schlug im September 1939 zunächst vor, im Interesse strikter Neutralität alle Stahl- und Eisenexporte in kriegführende Staaten für die Dauer des Krieges einzustellen. Es wurde aber von Berlin sofort gezwungen, das Prinzip „Normaler Handel" zu akzeptieren.128 Anfang 1940 kam es dann in Berlin zu heftigen Auseinandersetzungen mit einer belgischluxemburgischen Wirtschaftsdelegation. Ihr wurde vorgeworfen, daß sich Belgien in seinem Handel mit Deutschland ganz danach richte, was England ihm erlaube, d. h., daß die belgische Regierung „eine Haltung eingenommen hätte, die er (Ministerialdirektor Wiehl vom AA - Β. P.) als ganz besonders wenig neutral ansprechen müsse".129 Als konkretes Beispiel führte Wiehl an, das belgisch-französische Eisen-Koks-Abkommen habe zur Folge, daß bis Februar 1940 eine Verdreifachung der Eisenausfuhr nach England einträte, während Deutsch125 BAP, AA 68744, Bl. 21 f., Verbalnote an die Schweizerische Gesandtschaft in Berlin, 28.6.1939. 126 Homberger, Heinrich, Schweizerische Handelspolitik im Zweiten Weltkrieg, Erlenbach-Zürich/ Stuttgart 1970, S. 30. - Der Verfasser war an den komplizierten Verhandlungen der Schweiz mit den Kriegsparteien während aller Kriegsjahre maßgeblich beteiligt. 127 BAP, AA 68818, Bl. 2 f., Statistisches Reichsamt Abt. II, „Einfuhr der Schweiz nach Herkunftsländern", und Bl. 20, Statistisches Reichsamt Abt. II, „Ausfuhr der Schweiz nach Bestimmungsländern". 128 Medlicott II, S. 21. 129 BAP, AA 68898, Bl. 49 f., Aufzeichnung Sabath über eine Besprechung von Wiehl, Gesandten Eisenlohr und VLR Sabath mit MD Gérard vom belgischen Außenministerium, 12.1.1940; ebenda, Bl. 52-53R, Aufzeichnung o. Vf. über eine Besprechung im RWiM mit belgisch-luxemburgischer Wirtschaftsdelegation, Berlin 12.1.1940.

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land nur die Hälfte seiner früheren normalen Bezüge erhalten solle. Da Belgien (wohl wegen der Schwierigkeit, Kohle aus England zu bekommen) großen Wert auf die Lieferung deutscher Kohle legte, sagten die deutschen Vertreter nur 20 Prozent der früheren Menge zu, um damit die belgisch-luxemburgische Wirtschaftsunion zu größeren Minette-, Eisen- und Stahllieferungen nach Deutschland sowie zur Vermietung von 10 000 Eisenbahnwaggons zu nötigen.130 In diesen Verhandlungen kamen im übrigen sehr beredt die hier eingangs angesprochenen, sich aus der internationalen Arbeitsteilung ergebenden wechselseitigen Abhängigkeiten zum Ausdruck.

3. Vom 3. Quartal 1940 bis zum 2. Quartal 1941 a)

Allgemeines

Für den deutschen Außenhandel erfolgte im Juni 1940 ein wichtiger Einschnitt. Mit Italiens Kriegseintritt endete die Periode, in der manche deutschen Importe und Exporte aus und nach neutralen und sogar feindlichen Ländern im gebrochenen Transit über Italien geleitet werden konnten. In gewisser Weise übernahm diese Funktion dann aber Frankreich. Nach dem Waffenstillstand standen die industriellen und landwirtschaftlichen Produktionskapazitäten sowohl des besetzten als auch des zunächst noch unbesetzten Frankreich der deutschen Kriegswirtschaft zur Verfügung. Anders als in Polen erfolgten die Lieferungen und Gegenlieferungen aber in Formen des Außenhandels, die für die französischen Unternehmer effektive Zahlungen (wenn auch zum großen Teil aus dubiosen Quellen wie dem Besatzungskostenkonto) und damit Profite bedeuteten. Diese Juniorpartnerschaft und Profitchance war zugleich ein Stimulus, von der deutschen Kriegswirtschaft besonders dringend benötigte Rohstoffe aus den französischen Kolonien, die die Pétain-Regierung anerkannten, sowie aus anderen überseeischen Gebieten nach Frankreich zu importieren und dann nach Deutschland zu reexportieren. Ferner rückte mit der Unterwerfung Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs, der Niederlande, Dänemarks und Norwegens und mit dem immer stärkeren Einfluß Deutschlands auf die mit ihm befreundeten oder verbündeten sowie auf die verbliebenen neutralen Staaten eine bedeutsame Neuerung in den Bereich des Möglichen: Ein europäisches Zentralclearingsystem131, mit dem Außenhandelsverrechnungen nicht mehr wie bisher jeweils zwischen zwei Partnerländern, sondern multilateral mit Berlin als Verrechnungszentrum132 erfolgen sollten. Es „dient der organischen Vorbereitung der europäischen Großraum Wirtschaft... Seine Verwirklichung wird ohne Verzug in die Wege geleitet."133 Der zuletzt zitierte Satz aus der Voll130 Ebenda, Bl. 50R. 131 Näheres siehe: Puchert, Außenhandel, S. 390 ff. 132 Offenbar erhob Ende 1941 die italienische Regierung den Anspruch, daß neben Berlin auch Rom als Verrechnungszentrum und dementsprechend neben der Reichsmark die Lira als Leitwährung fungieren sollte; BÄK, R 7/3283, Bl. 143, Schreiben o. Vf. (mit Bleistift: Reichsbankdirektor Puhl) an Manlio Masi, Generaldirektor des italienischen Schatz- und Währungsministeriums, 12.12. 1941, als Antwort auf dessen Schreiben v. 15.11.1941. 133 Ebenda, Bl. 36, Schultze-Schlutius an Göring, Berlin 19.7.1940.

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zugsmeldung des Reichswirtschaftsministeriums an Göring galt zu diesem Zeitpunkt (Juli 1940) im Rahmen des sogenannten Inneren (oder engeren) Kreises. Den Äußeren (oder weiteren) Kreis einzubeziehen, faßte man anfangs erst für die Nachkriegszeit ins Auge; doch trat unter dem Eindruck der militärischen Erfolge dieses Vorhaben bereits 1941 in seine Realisierungsphase.134 Die Zuordnung zu den beiden Kreisen war folgendermaßen gedacht: „In das Zentralclearing ist zunächst der gegenseitige Zahlungsverkehr aller von Deutschland politisch und tatsächlich beherrschten Gebiete, das sind Luxemburg, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, Generalgouvernement, Protektorat und Slowakei, einzubeziehen - engerer Kreis. Außerdem sind über Berlin abzurechnen und damit dem Zentralclearing anzugliedern alle hierfür geeigneten Zahlungsvorgänge zwischen den Gebieten des engeren Kreises und den von Deutschland wirtschaftlich beherrschten Staaten, das sind Schweden, Schweiz, Ungarn, Rumänien, Jugoslawien und Bulgarien, und den Staaten, die im übrigen mit den Gebieten des engeren Kreises z. Zt. im Handelsverkehr stehen; ζ. B. Italien, Griechenland, Türkei, Iran, UdSSR, Spanien und Portugal - weiterer Kreis."135 Für sich genommen und unter anderen Umständen hätte ein Zentralclearingsystem ein großer Fortschritt zur kontinentalen ökonomischen Integration sein können. Es war jedoch ein Instrument, in gewissem Sinne ein erster Schritt, zur Schaffung des vom deutschen Imperialismus seit langem angestrebten und nun mit faschistischen Gewaltmethoden zu errichtenden Großwirtschaftsraumes unter deutscher Führung, wobei die Gewalt teils brutal-offen und teils, in ideologische Phrasen verpackt, ausgewählten Kapitalskreisen anderer europäischer Länder Juniorpartnerschaft konzedierend, angewendet wurde.136 Die britische Seite trug der neuen Situation auf dem Kontinent in der Weise Rechnung, daß sie den gesamten Frachtschiffverkehr über den Atlantik nach und von Kontinentaleuropa ab 1. August 1940 zu unterbinden ankündigte, sofern die neutralen Schiffe sich nicht dem „Navicert"- bzw. dem „Certificate of origin and interest"-System unterwürfen.137 Das von britischen Behörden auf Antrag ausgestellte „Navigation certificate" (Navicert) bedeutete die Zusage für das neutrale Schiff, mit seiner Ladung die britische Blockade in Richtung Europa passieren zu dürfen; das ebenfalls auf Antrag von britischen Behörden ausgestellte „Certificate of origin and interest" (COI) bestätigte, daß die vom europäischen Kontinent abgehende 134 Ebenda, Anlagen zum in Anm. 132 genannten Schreiben: Bl. 144 ff., „Vermerk zum italienischen Memorandum betr.: Zweiseitiges Clearing und mehrseitiges Clearing", sowie Bl. 147, „Übersicht über den Stand des über Berlin geleiteten mehrseitigen Verrechnungsverkehrs in Europa". 135 BAP, AA 68939, Bl. 127 ff., Anlage zum HPA-Protokoll v. 23.7.1940; auszugsweise wiedergegeben bei Puchert, Außenhandel, S. 391. 136 Wegen des differenzierten machtpolitischen Herangehens siehe u. a. den Bericht des die Großraumplanungen koordinierenden Reichswirtschaftsministers Funk an Göring, 6.8.1940, und dessen Antwort v. 17.8.1940, abgedruckt bei: Freymond, Jean, Le Ule Reich et la réorganisation économique de l'Europe 1940-1942. Origines et projets, Genève 1974, Annexes, S. 242 ff. - Übrigens protestierte der Reichsaußenminister dagegen, daß bei der „Planung und Gestaltung des deutscheuropäischen Wirtschaftsraumes" seine Kompetenzen beschnitten wurden. - BAP, AA 68766, Bl. 8-9R, v. Ribbentrop an Göring, 9.7.1940. 137 Medlicott I, S. 422; BAP, AA 67866, Bl. 313 ff. (dgl. AA 68759, Bl. 6 ff.), Rüter an div. Reichsministerien, das OKW u. a. betr. „Verschärfung des britischen Wirtschaftskrieges zur See", 1.8.1940.

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Fracht aus neutralem Ursprungsland stammte und daß dort zur Herstellung der Ware keine oder nur geringe deutsche Zulieferungen (einschl. Kohle zur Energieerzeugung) verwendet worden waren (meistens wurden maximal 25 Prozent, gelegentlich aber auch nur fünf Prozent „enemy-content" zugelassen). Natürlich hing die Realisierung der in dieser Ankündigung steckenden Warnung an neutrale Schiffahrts- und Handelsunternehmen, nicht den Interessen der deutschen Kriegswirtschaft zu dienen, von der - immer wieder als unzureichend beklagten - Kraft der Kriegsflotte ab, die Kontrolle der Schiffahrt über den Atlantik effektiv zu handhaben.'38 Ebensowenig waren die deutsche Kriegsmarine und Luftwaffe imstande, die als Reaktion auf die britische Maßnahme am 17. August 1940 proklamierte „totale Blockade"139 der britischen Inseln auch nur einigermaßen vollständig zu verwirklichen. Hinzu kam auf deutscher Seite, daß man sich darüber im klaren war, daß eine gewisse Duldung der internationalen Arbeitsteilung zwischen neutralen europäischen Ländern und überseeischen Partnern einschließlich solcher in Feindstaaten durchaus im Interesse der deutschen Kriegswirtschaft lag.140 b)

Italien

Waren vor Italiens Kriegseintritt ein Drittel seiner Importe von seinem Haupthandelspartner Deutschland gekommen und ein Viertel seiner Exporte dorthin gegangen141, so erreichten im Zeitraum von Juni bis Dezember 1940 die entsprechenden Anteile 47 bzw. 41 Prozent.142 Von der großen Bedeutung, die Erzeugnisse der Landwirtschaft, des Garten- und Weinbaus traditionell für die italienische Ausfuhr nach Deutschland besaßen, und dem durch die alliierte Blockade zugespitzten Bedarf Deutschlands ausgehend, vereinbarten die Landwirtschaftsminister beider Länder, Richard Walter Darre und Tassinari, auf ihrem Treffen am 30. September 1940 in Verona weitreichende Grundsätze für die weitere Zusammenarbeit.143 An erster Stelle stand die Vereinbarung, daß sich die italienischen Erzeuger auf die Spezifik des deutschen Marktes einstellen und dort einen „gesicherten Absatz zu auskömmlichen, mög138 Medlicott I, S. 423. - Noch schwerer als die Sanktionen gegen das ohne diese Urkunden angetroffene Schiff wog, daß alle Schiffe der betreffenden Reederei gemäß dem „Ship-warrant scheme" künftig von allen Dienstleistungen in Territorien unter britischer Herrschaft wie Kohle- und Trinkwasserversorgung, Trockendocks, Reparaturen, Versicherung und Lagerung von Frachtgut ausgeschlossen blieben. (Ebenda, S. 422). 139 Β AP, AA 67864, Bl. 262-263R, Ritter an die deutschen Botschaften in Ankara, Madrid, Moskau, Rom (Quirinal), Tokio u. die deutschen Gesandtschaften in allen neutralen europäischen Staaten, 27.9.1940. 140 Ebenda, Bl. 262R. 141 BAP, AA 68971/17a, Bl. 50 f., v. Mackensen an AA betr. „Ausführungen des Ministers (für Handels- und Zahlungsverkehr - Β. P.) Riccardi über Gegenwartsfragen der italienischen Handelspolitik", Rom 24.5.1940. 142 Ebenda, Bl. 55, v. Bismarck an AA betr. „Erklärungen des italienischen Ministers für den Warenund Zahlungsverkehr zur Handelspolitik Italiens", Rom 9.5.1941. 143 BAP, AA 67935, Bl. 165 ff., „Verständigung über die deutsch-italienische Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Landwirtschaft", Darré u. Tassinari, Verona 30.9U940.

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liehst stabilen Preisen", jedoch ohne „unangemessene Gewinne" haben sollten. In Expertengesprächen wurden in den folgenden Monaten die Grundsätze auf den verschiedenen Sektoren konkret untersetzt.'44 Zu dieser Zeit kann man bezüglich der Handelsbeziehungen noch nicht von einem Satellitenverhältnis Italiens zu Deutschland sprechen. Im Gegenteil: In ihrer Siegermentalität wagten italienische Regierungs- und Wirtschaftskreise im Sommer 1940 auch die eine oder andere Kraftprobe mit deutschen Konkurrenten, worüber sich u. a. die IG Farbenindustrie AG beschwerte.145 Reibungen gab es auch wegen der gemeinsamen deutsch-italienischen Kontrolle des französischen Außenhandels146 sowie wegen der Behandlung italienischer Kapitalanteile in den unter deutscher Okkupationsverwaltung stehenden Ländern, so wegen des 25prozentigen italienischen Kapitalanteils an der Internationalen Schlafwagengesellschaft mit Sitz in Brüssel.147 Es ist wohl zum Teil auch auf die mit dem Kriegseintritt verbundene Verstärkung von Nationalismus und Chauvinismus zurückzuführen, wenn Autarkietendenzen, die sich bereits in den Voijahren bemerkbar gemacht und im Gesetz über das „Prodotto Nazionale" ihren Niederschlag gefunden hatten, in der zweiten Hälfte des Jahres 1940 in einigen Industrieund Handelszweigen mit Unterstützung der Verwaltungsbehörden in verstärktem Maße im Konkurrenzkampf mit den deutschen Geschäftspartnern zum Ausdruck kamen. Nach dem Wegfall anderer wichtiger Handelspartner trafen die mit Hilfe staatsmonopolistischer „Einfuhrgesellschaften" errichteten Einfuhrhemmnisse zwangsläufig hauptsächlich deutsche Lieferfirmen sowie italienische Produktions- und Handelsunternehmen, an denen deutsches Kapital beteiligt war oder in denen deutsche Staatsangehörige leitende Posten bekleideten. In erster Linie wirkte diese Form des Konkurrenzkampfes im Konsumgütersektor, aber auch beim Absatz von Chemikalien und elektrotechnischen Erzeugnissen. Gerade in diesen Zweigen erleichterte das Gesetz über das „nationale Produkt" die „häufig sklavische Nachahmung" deutscher Markenerzeugnisse, denen das italienische Patentrecht ohnehin nur wenig Schutz bot.148 Als ein Motiv für Einfuhrbehinderungen darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß das Clearing, das für Italien passiv geworden war, durch die nunmehr in noch höherem Maße benötigten Kriegsmaterial- und Rohstofflieferungen erheblich belastet wurde. Kriegswichtige Lieferungen nach Italien besaßen auch deutscherseits Priorität: In den ersten Monaten des Jahres 1941, als in Deutschland die Produktion für den Export nicht mehr als

144 BAP, AA 67936, Bl. 511-514R, Protokoll über Sachverständigenbesprechungen in Wien, 17.-20.3.1941. 145 Ebenda, Bl. 221 ff., IG Farbenindustrie AG (v. Schnitzler u. Pabst) an das RWiM, 17.8.1940; ebenda, Bl. 293 f., Deutsches Generalkonsulat Mailand, weitergeleitet durch Deutsche Botschaft an AA, Rom 21.11.1940. 146 Ebenda, Bl. 265 f., Aufzeichnung o. Vf. zur Vorlage bei Staatssekretär v. Weizsäcker u. RAM v. Ribbentrop, 28.11.1940. 147 Ebenda; vgl. auch ebenda, Bl. 319 u. 319R, Memorandum v. 3.12.1940, paraphiert „C1 A.G." (offenbar: Carl Clodius u. Amadeo Giannini, Vorsitzende der beiden Seiten des deutsch-italienischen Regierungsausschusses). 148 Β AP, A A 68940, Abhandlung über die deutsch-italienischen Handelsbeziehungen, o. Vf. o. D. (offenbar nach September 1940), Bl. 5, 7 , 9 f., 21 f., 58, 80, 83 ff.

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vordringlich anerkannt war, wurde hiervon der Export nach Italien (und in die UdSSR) ausgenommen.149

c) Spanien und Portugal Mit der militärischen Besetzung der französischen Atlantikküste bis Biarritz und der Herstellung der sicheren, wenn auch mit ihrer beschränkten Durchlaßfahigkeit nicht die weggefallenen Transportmöglichkeiten über See kompensierenden Eisenbahnverbindung zwischen Spanien und Deutschland begann keineswegs eine Periode eindeutiger enger Zusammenarbeit zwischen diesen beiden von Faschisten regierten Staaten. Ideologische Gemeinsamkeiten und die Hoffnung auf deutsche Unterstützung bei der Eingliederung Gibraltars und von Teilen Nordafrikas in den spanischen Herrschaftsbereich hielten sich in den herrschenden Kreisen Spaniens mehr oder weniger die Waage mit der Furcht vor indirekter oder gar direkter Beherrschung durch Hitlerdeutschland. Hinzu kam Spaniens Abhängigkeit von Nahrungsmittel· und anderen Zufuhren aus Übersee, die durch die britische Flotte abgeschnitten werden konnten. Spanische Regierungsmitglieder schwankten ständig zwischen den Kriegsparteien, doch Franco verstand es, durch gelegentliche Zugeständnisse an beide Seiten sowie auch durch Ministerwechsel zwischen den Kriegsparteien zu balancieren, die aktive Kriegsbeteiligung Spaniens zu vermeiden (außer der späteren, mehr symbolischen Entsendung der „Blauen Division" an die deutsch-sowjetische Front), und seine Diktatur über das Kriegsende hinaus beizubehalten. In der hier zu behandelnden Phase des Krieges übertrafen allerdings die spanischen Lieferungen nach Deutschland die Gegenlieferungen um das Mehrfache. In der deutschen Einfuhrstatistik für das erste Halbjahr 1941, die, wie gesagt, auch die okkupierten Gebiete aufführte, lag Spanien mit 89,5 Mill. RM zwar nur an 13. Stelle (hinter Italien, Frankreich, Niederlande, Belgien, Dänemark, Sowjetunion, Schweden, Norwegen, Ungarn, Rumänien, Schweiz, Slowakei), doch machte der Einfuhrüberschuß 70,5 Mill. RM aus, weit mehr als der gegenüber anderen selbständigen Staaten.150 Das läßt sich nicht nur schlechthin mit dem aktuellen Kräfteverhältnis erklären. Zu berücksichtigen ist auch, daß die deutsche Seite sich in einem vertraulichen Protokoll vom 28. Februar 1941 zwar bereit fand, die restlichen beträchtlichen Forderungen aus ihren Lieferungen und Leistungen an die Franquisten während des Bürgerkrieges 1936 - 1939 bis nach Kriegsende zu stunden151, gerade dadurch aber der spanischen Seite Zugeständnisse hinsichtlich der Verrechnung aktueller Handelssalden abverlangen konnte. Allerdings könnte sich in der genannten Bilanz auch bereits eine verfeinerte Praxis der britischen Wirtschaftskriegführung niedergeschlagen haben, die zuvor - wie sich in Südosteuropa gezeigt hatte - einerseits zu sparsam und andererseits zu wenig differenziert angewen149 BAP, AA 68792, Bl. 23, Reichsstelle f. d. Außenhandel, „Kurze Zusammenfassung der Berichte der Außenhandelsstellen über die derzeitige Ausfuhrlage. Stand am 1. Mai 1941", 14.5.1941. 150 Nach: BAP, AA 68759, Bl. 47 ff., „Deutsche Außenhandelsbilanz für das erste Halbjahr 1941", vom AA am 25.10.1941 den deutschen Missionen und Berufskonsulaten übersandt. 151 Ruhl, S. 41.

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det worden war, um nennenswerte Wirkung zu erzielen: die Pre-emptive-policy. Jetzt verfolgten die Beauftragten des britischen Ministeriums für Wirtschaftskriegführung nicht das Ziel, riesige Mengen solcher Rohstoffe, die die deutsche Kriegswirtschaft dringend benötigte, aufzukaufen und damit ihren Export ins deutsche Herrschaftsgebiet zu minimieren, sondern sie erwarben lediglich sorgfältig errechnete kritische Mengen bestimmter Warenarten, womit sie auf dem spanischen und portugiesischen Markt (auch in anderen neutralen Ländern) einen solchen Preisauftrieb auszulösen beabsichtigten, daß die deutschen Aufkäufer letztlich zur Reduzierung der Mengen, die sie zu bezahlen imstande waren, gezwungen werden würden. Die britische Pre-emptive-policy bezog sich seinerzeit auf der iberischen Halbinsel besonders auf Zinn, Wolfram und die nach britischer Auffassung „gefährlich hohen" Kupfervorräte, aber auch auf andere Warenarten, bei denen man für die nächste Zukunft fühlbaren Mangel im deutschen Herrschaftsbereich erwartete, wie Futtermittel, Fische, Fisch- und Pflanzenöle. Die Pre-emptive-policy wurde durch eine jeweils nur auf kurze Fristen (zwei bis drei Monate) fixierte Rationierung der Mengen bestimmter Rohstoffe, die die Blockade zwecks Einfuhr in neutrale bzw. nichtkriegführende Staaten passieren durften, ergänzt und wirksam unterstützt. Den gestiegenen Preisen für Waren, die Deutschland importierte, standen erhöhte Preise für deutsche Exportwaren gegenüber. Dagegen setzte die britische Wirtschaftskriegführung auf bestimmten Märkten die Waffe der Preisunterbietung ein, nachdem in London nach den Mißerfolgen der ersten Kriegsphase begriffen worden war, daß man sich nicht darauf beschränken durfte, den Neutralen Rohstoffe, die sie sonst nach Deutschland absetzten, abzukaufen, sondern daß man ihnen auch Waren liefern mußte, die sie sonst als Gegenleistung für ihre Waren aus Deutschland erhielten.152 Im Unterschied zum deutsch-spanischen Warenverkehr blieben die Umsätze des Handels zwischen Deutschland und Portugal insgesamt recht gering, wobei die Bilanz im ersten Halbjahr 1941 sogar leicht aktiv für die deutsche Seite ausfiel.153 In der zweiten Jahreshälfte 1940 und darüber hinaus hatte der britischen Pre-emptive-policy entgegengewirkt, daß der deutschen Kriegswirtschaft große Mengen strategischer Rohstoffe in Frankreich als Beute zugefallen waren, darunter auch Wolfram. Dagegen erfuhr der deutsch-britische Aufkaufkampf um Wolfram keine Abschwächung durch das „Loch im Osten": Aus dem traditionell wichtigsten Förder- und Bezugsgebiet, dem Fernen Osten, flöß auf dem Landweg durch die Sowjetunion entgegen Erwartungen und vertraglichen Vereinbarungen - wie Jäger nachweist154 - praktisch kein Wolfram der deutschen Kriegswirtschaft zu. Die auf diesem Wege nach Deutschland gelangten Mengen reichten nicht einmal zur Produktion der damit zur Lieferung an die UdSSR herzustellenden Fertigwaren aus. So tobte denn trotz der in Frankreich erbeuteten Bestände in Portugal und Spanien ein verbissenes Ringen um Wolframerze, die - sofern sie nicht in Gruben gewonnen wurden, die sich bereits in britischem oder deutschem Kapitalbesitz befanden - nicht selten aus Lagerstätten, die in Friedenszeiten keiner Konkurrenz standgehalten hätten, mit primitivsten Methoden gefördert und abtransportiert wurden 152 Medlicott I, S. 424 f., 5 1 5 , 5 2 6 ff. 153 WieAnm. 150. 154 Jäger, S. 267 f.

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und stark steigende Preise erbrachten, wobei auch der spanische bzw. portugiesische Staat reichlich Abgaben kassierte.155 Als Atlantikanrainer zogen Spanien und Portugal auch gewissen Nutzen aus der Haltung der USA zur britischen Blockade des europäischen Festlandes. Das Bestreben, sich die eigenen Geschäfte nicht beeinträchtigen zu lassen, möglichst noch bisherige Märkte der kriegführenden Länder für sich zu gewinnen, hatte die USA-Firmen mit ihrer Regierung schon seit Kriegsbeginn zu Protesten gegen „Schwarze Listen"156 und andere Praktiken der britischen Wirtschaftskriegführung bewogen. Gegen bewußte Mißachtung britischer Seeblockadebestimmungen durch Handels- und Schiffahrtsunternehmen der USA wagten die britische Regierung und ihre Flotte nicht so energisch aufzutreten, wie sie es gegenüber schwächeren Neutralen tat. In der hier zur Erörterung stehenden Kriegsphase stellten die USA ihre Warenlieferungen unter die Parole, man könne die Völker der neutralen und auch der von der deutschen Wehrmacht okkupierten Länder nicht verhungern lassen. Diese humanitäre Begründung wurde insbesondere für Vichy-Frankreich verlautbart.157 Eine für die Haltung der USA bezeichnende Episode sei in diesem Zusammenhang erwähnt: Im Hafen von Lissabon wurden auf ein brasilianisches Schiff deutsche Kanonen zum Transport nach Brasilien verladen. Als das Schiff trotz Verweigerung der britischen Genehmigung in See stach, wurde es von der Navy nach Gibraltar aufgebracht. Auf Intervention der USA-Regierung, die argumentierte, diese Kanonen würden zur „Stärkung der Verteidigung der westlichen Hemisphäre" benötigt, wurde schließlich doch britischerseits dieser Waffentransport genehmigt und das Schiff samt Ladung freigegeben.158 Realiter wurden mit diesen deutschen Kanonen Waren bezahlt, die in Südamerika ansässige deutsche Handelshäuser dort und ζ. T. auch in den USA beschafften, nach Spanien und Portugal verkauften und transportierten, damit sie von dort nach Deutschland gelangten.

d) Nordeuropa Das eroberte Norwegen befand sich fortan unter direkter deutscher Okkupationsverwaltung. Vertreter der verbliebenen oder unter Quisling installierten norwegischen Behörden konnten keine Handelsverhandlungen mit Deutschland führen und an Verhandlungen, die deutsche Beamte für Norwegen mit dritten Staaten führten, selten und dann nur beratend teilnehmen.159 Überhaupt konnte von echtem Außenhandel keine Rede sein.160 155 Ebenda, S. 270-278. 156 BAP, AA 68759, Bl. 1, Aufzeichnung Rüter betr. „Einstellung der neutralen Länder gegen die englische und französische .Schwarze Liste' ", 10.10.1939. 157 Vgl. dazu Medlicott I, S. 578-584. 158 Hierzu und zu ähnlichen Fällen vgl. ebenda, S. 494 ff; vgl. auch Boelcke, S. 172. 159 BÄK, R 7/3008, Länderbogen Norwegen. - Milward, Alan S., The Fascist Economy in Norway, Oxford 1972, der sich zwar stets des Terminus „Außenhandel" bedient und ein ganzes Kapitel seines Buches (S. 139-170) so betitelt, läßt doch keinen Zweifel daran, daß Quislings für die Wirtschaftsfragen zuständige Minister keinerlei Einfluß auf den Warenverkehr zwischen Norwegen und anderen Ländern ausüben konnten, falls sie darum überhaupt bemüht waren. 160 Die statistisch ausgewiesenen, die Vorkriegswerte übersteigenden Ziffern für Import, Export und

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Das ohne militärischen Widerstand besetzte Dänemark wurde anders behandelt. Selbstverständlich standen auch dort die Interessen des Okkupanten obenan, weshalb die britische Seekriegsführung mit vollem Recht ihre Blockade nach dem April 1940 uneingeschränkt auch auf Dänemark anwandte. Noch gab es aber eine dänische Regierung, deren begrenzte Befugnisse ihr immerhin gewissen Handlungsspielraum im Wirtschaftsleben des Landes beließen und im Warenaustausch mit Deutschland, mit den anderen okkupierten Ländern sowie mit selbständigen Staaten auf dem europäischen Festland in gewissem Grade auch dänische Interessen zur Geltung zu bringen gestatteten.161 So erreichte sie bereits im Juni 1940 Preisaufschläge bis zu 20 Prozent für Deutschland gelieferte dänische Agrarprodukte.162 Hinter der vorgeblich völkerrechtlich begründeten Sonderstellung Dänemarks 163 verbarg sich deutscherseits nüchternes Kalkül. Die durch den Wegfall der Futtermittellieferungen aus Übersee untergrabene, aber für die deutsche Kriegswirtschaft dringend benötigte Produktions- und Lieferfähigkeit der dänischen Viehzucht und landwirtschaftlichen Verarbeitungsindustrie ließ sich durch brutale Gewaltmethoden auch nicht einigermaßen aufrechterhalten, eher schon, indem man die dänischen Verwaltungsbehörden, Wirtschaftsverbände und letztlich die Produzenten und Händler durch Belassung von Gewinnmöglichkeiten und Entscheidungsfreiheit in Einzelfragen sowie Duldung eines für jene Zeit relativ hohen Ernährungsniveaus stimulierte. Trotz der Emährungsprobleme im deutschen Herrschaftsraum beschränkten sich die deutschen Behörden in Berlin und Kopenhagen darauf, mit der dänischen Regierung zu liefernde Mengen an Lebensmitteln, aber auch Gegenlieferungen, besonders von Kohlen und Koks,

Aktivsaldo sind daher irreführend. - Zur Ausnutzung Norwegens für die deutsche Kriegswirtschaft, die sich vor allem auf seine Schiffahrt (sofern nicht zu den Alliierten ausgewichen), besonders (wie zuvor) für den Transport schwedischer Eisenerze, seine Fischereiwirtschaft und die Verwendung der Wasserkraftreserven für die Entwicklung der Aluminiumherstellung erstreckte, siehe II, S. 400 ff., und weitere dort genannte Literatur. 161 Das deutsch-dänische Abkommen über den gegenseitigen Warenverkehr vom 1.3.1934 bzw. 24. 1. 1935 wurde auch für die Jahre 1941, 1942 und 1943 verlängert (BAP, AA 68711). Im Mai 1940 fanden wie in den Voijahren Verhandlungen des gemeinsamen Regierungsausschusses statt. Wenn diesmal auch die deutschen Wünsche bestimmend für die Ergebnisse waren, so wurden doch auch dänische Wünsche erörtert und ζ. T. in die Vereinbarungen aufgenommen (ebenda, Bl. 176-199, „Ergebnisse der Regierungsausschußbesprechungen vom Mai 1940" o. Vf., 18.5.1940, mit div. Anlagen, Protokollen etc.). Mit dritten Staaten verhandelten Bevollmächtigte der dänischen Regierung nach vorheriger Abstimmung ihres Verhandlungsprogramms mit deutschen Regierungsstellen (BAP, AA 67771, Bl. 246, van Scherpenberg an RMEL u. RWiM, 7.6.1940). 162 BAP, AA 67771, Bl. 256 ff., Niederschrift Meyer-Burckhardt (RMEL) über eine Besprechung am 19.6.1940 betr. „Preispolitik bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Dänemark"; ebenda, Bl. 255 u. 255R, Aufzeichnung van Scherpenberg für Wiehl, 27.6.1940. 163 Trotz militärischer Besetzung hatte die „Deutsche Regierung am 10.4.1940 der Dänischen Regierung die Aufrechterhaltung der dänischen Souveränität zugesichert"; BAP, AA 67768, Bl. 257-262 (Zitat Bl. 257), „Ergebnis der Verhandlungen der deutschen und dänischen Regierungsausschüsse über die Einfuhr dänischer landwirtschaftlicher Erzeugnisse nach Deutschland im zweiten Kriegswirtschaftsjahr", o. Vf. (wohl: Walter, Vorsitzender des deutschen Regierungsausschusses), o. D.

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auszuhandeln. Natürlich ging es dabei nicht ohne Druckmittel ab. Es blieb aber der dänischen Regierung überlassen, ob und wie sie innerhalb des Landes eine Lebensmittelbewirtschaftung vornahm. Die dänische Regierung führte weder 1940 noch später eine Fleisch- oder Eierrationierung für die dänischen Verbraucher ein. Für Butter und Margarine wurden Rationen festgelegt, doch gab es wohl auch reichlich andere Bezugsmöglichkeiten. Eine amtliche Einflußnahme auf Erzeugung und Aufkauf für deutschen Bedarf erfolgte hauptsächlich durch die Zuteilung der insgesamt ungenügenden Mengen importierter Futtermittel. Eingeengt wurde der Konsum der Bevölkerung nicht so sehr durch amtliche Bewirtschaftungsmaßnahmen wie durch Preisauftrieb auf dem Markt, der in einem amtlichen deutschen Bericht über das zweite Kriegswirtschaftsjahr (1. Oktober 1940 - 30. September 1941) auf „bis zu 80 Prozent der Voijahrespreise" für Rindfleisch beziffert wurde, dennoch aber wohl insgesamt nicht die Ausmaße wie in anderen Ländern erreichte.164 Die dänischen Fleisch-, Butter- und Käselieferungen an Deutschland waren im Wirtschaftsjahr 1940/41 größer als in den folgenden Jahren.165 Das ist vor allem auf den durch die Besetzung hervorgerufenen Verlust des wichtigsten dänischen Exportmarktes, England, und der Futtermittelimporte aus Übersee (weshalb viele Tiere zusätzlich geschlachtet werden mußten)166, vermutlich aber auch auf Lagerbestände zurückzuführen. Mit Finnland belebten sich die Handelsbeziehungen Deutschlands im zweiten Halbjahr 1940167, wenn man zunächst auch bemüht war, die dahinterstehenden, vor allem gegen die Sowjetunion gerichteten Motive vor dieser zu verbergen. Obwohl Hitlers Entschluß vom Sommer 1940, den Krieg gegen die UdSSR für 1941 vorzubereiten, selbstverständlich nur einem kleinen Kreis von Militärs anvertraut worden war, zog er offenbar eine Erwärmung der politischen Atmosphäre zwischen Berlin und Helsinki nach sich, die nach der offiziell reservierten Haltung Berlins während des sowjetisch-finnischen Krieges und nach dem Schock, den die Okkupation Dänemarks und Norwegens in deren Nachbarländern ausgelöst hatte, so schnell kaum zu erwarten gewesen war, wenn auch Befürchtungen, die Rote Armee werde wie kurz zuvor in Litauen, Lettland und Estland bald auch in Finnland einmarschieren, zu jener Erwärmung beitrugen.168 Daß sich diese atmosphärischen Veränderungen sehr schnell auch auf die deutsch-finnischen Handelsbeziehungen förderlich auswirkten, belegen das beiderseitige Abkommen, wonach Finnland künftig 60 Prozent der Nickelerzförderung des Petsamo-Reviers nach Deutschland liefern würde, die Aufhebung des Auslieferungsverbots für Waffen an Finnland ab August 1940 und das am 1. Oktober 1940 unterzeichnete sog. Veitjens-Abkommen über umfangreiche Waffenlieferungen. 169 Im Gegenzug räumte Finnland, das gerade mit der UdSSR in Verhandlungen über Konzessionsrechte an den Nickelerzgruben bei Kolosjoki 164 Ebenda. 165 Vgl. II, S. 502. 166 Dazu u. a. BÄK, R 7/3407, „Die wichtigsten dänischen Leistungen für Deutschland", S. 5, o. Vf., Kopenhagen 14.6.1944. 167 BAP, AA 68714, Bl. 96 f., Aufzeichnung Schnurre, 1.7.1940. 168 Das Deutsche Reich, Bd. 4, S. 367. 169 Ebenda. - Joseph Veitjens war Oberstleutnant der Luftwaffe und galt als persönlicher Freund Görings.

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(Petsamo) stand, Deutschland ein pauschales „Vorkaufsrecht auf alle das Großdeutsche Reich interessierenden Konzessionen in Finnland" ein.170 Hielt man in der IG Farbenindustrie AG und im Reichswirtschaftsministerium schon nach den Verträgen vom Juni und Juli 1940 den gesamten laufenden deutschen Nickelbedarf für gedeckt171, so Schloß die IG Farben doch am 19. Februar 1941 noch einen zusätzlichen Nickelerz-Liefervertrag mit der Petsamo-NikkeliOY ab.172 Mit der Überlassung seiner Nickelerzressourcen an die deutsche Kriegswirtschaft provozierte die finnische Regierung den Abbruch des Handelsverkehrs zwischen der UdSSR und Finnland.173 Diese nicht nur handelspolitischen Vorgänge wurden begleitet durch die finnische Erlaubnis, ab September 1940 deutsche Truppen in Stärke von 5 000 Mann mit ihren schweren Waffen über finnische Bahnlinien nach Nordnorwegen zu befördern und zu deren Schutz und Versorgung entlang der Strecke deutsche Wehrmachtstützpunkte mit weiteren 1 800 - 2 000 Mann Besatzung einzurichten, die anschließend bestehen blieben.174 Zu der immer enger werdenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit gehörte dann neben dem Austausch traditionell gehandelter Waren auch, daß im Frühjahr 1941, als in Finnland infolge der Schwierigkeiten mit dem Import aus Übersee175 die Lebensmittelrationen niedriger als im kriegführenden Deutschland lagen176, über Lebensmittellieferungen aus dem deutschen Herrschaftsraum nach Finnland verhandelt wurde. Die gelegentlich als Handelsvertrag bezeichneten177 Abmachungen vom 7. März 1941 boten die Basis dafür, daß Finnland nunmehr mit über der Hälfte seiner Importe und Exporte auf Deutschland orientiert war, bei starkem Überwiegen der Importe.178 Für Schweden war es infolge der deutschen militärischen Erfolge im April bis Juni 1940 noch komplizierter geworden, seine Neutralität nicht nur formell, sondern auch faktisch bei170 171 172 173 174 175

Ebenda, S. 372. Ebenda, S. 373. Ebenda, S. 374. BAP, AA 67822, Bl. 303, v. Blücher an AA, Helsinki 5.3.1941. Das Deutsche Reich, Bd. 4, S. 372. Der finnische Delegationsleiter v. Fieandt hatte sich Ende Juni 1940 verpflichtet, den Handel mit den Feindmächten Deutschlands einzustellen (BAP, AA 68714, Bl. 96a, Aufzeichnung Schnurre über die deutsch-finnischen Wirtschaftsvereinbarungen v. 29.6.1940, 1.7.1940), was aus objektiven Zwängen und wegen unterschiedlicher politischer Bestrebungen in finnischen Regierungskreisen dann nicht absolut befolgt wurde.

176 BAP, AA 67822, Bl. 305, Notiz van Scherpenberg über eine Besprechung mit MR Ludwig (RWiM), 18.3.1941. 177 Dagegen verwahrte sich vor allem aus diplomatisch-taktischen Rücksichten auf dritte Staaten LR van Scherpenberg in einem Schreiben v. 22.3.1941 an LR Kreutzwald (ebenda, Bl. 364). Am 31.12.1940 war die Geltungsdauer des Handelsvertrages vom März 1934 durch Notenwechsel zwischen Staatssekretär v. Weizsäcker und dem finnischen Gesandten Kivimäki erneut um ein Jahr, bis 31.12.1941, verlängert worden (BAP, AA 68714, Bl. 135 f., Noten v. 31.12.1940). 178 BAP, AA 68714, Bl. 144-150, „Vertrauliches Protokoll über die Verhandlungen zwischen einer deutschen und einer finnischen Delegation über Fragen des deutsch-finnischen Waren- und Verrechnungsverkehrs im Jahre 1941 vom 7. März 1941", gez. v. Blücher u. Witting, Helsinki 7. 3. 1941 ; BAP, AA 67822, Bl. 305, Notiz van Scherpenberg über eine Besprechung mit MR Ludwig, 18.3.1941; ebenda, Bl. 354 ff., „Bericht unseres Vertrauensmannes" v. 17.3.1941.

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zubehalten. Unter dem Damoklesschwert drohender militärischer Übergriffe, eventuell sogar des Einmarsches der Wehrmacht in schwedisches Territorium, versuchte die schwedische Seite, sich möglichst viel Handlungsspielraum zu bewahren, wobei sie bisweilen deutschen Forderungen nachgab und von vorherigen Abmachungen mit der britischen Regierung zumindest verbal abging. Bei den für Gespräche zwischen Diplomaten mitunter untypisch harten Auseinandersetzungen handelte es sich offenbar nicht nur um mit Berechnung inszenierte verbale Gefechte, die den Gesprächspartner zu Zugeständnissen bewegen sollten. Dahinter standen auf schwedischer Seite auch unterschiedliche Einstellungen der sozialdemokratisch dominierten Regierung und der Militärführung zu den kriegführenden Parteien. Deutscherseits wurde vor und nach dem 9. April 1940, als deutsche Truppen Dänemark besetzten und Norwegen eroberten, sehr wohl vermerkt, daß die norwegisch-schwedische Grenze, durch die gebirgige geographische Struktur begünstigt, schwedischerseits in einen verteidigungsfähigen Zustand versetzt und die für die deutsche Rüstungsproduktion überragend wichtige Eisenbahnlinie zwischen dem Eisenerzfördergebiet um das schwedische Kiruna und dem norwegischen Hafen Narvik auf schwedischer Seite an mindestens 17 Stellen zur Sprengung vorbereitet war.179 Abgesehen von Finnland mit seinem Nordmeerhafen Petsamo und von der UdSSR (mit der sich die politischen Beziehungen während des sowjetisch-finnischen Krieges denkbar schlecht gestaltet hatten) mit ihren den traditionellen Handelsrichtungen Schwedens großenteils nicht entsprechenden Transitwegen180 war der schwedische Außenhandel jetzt aber völlig vom Wohlwollen Berlins abhängig. Hatten schwedische Schiffe vor dem April 1940 noch von und nach Häfen der Westküste unter Nutzung der Territorialgewässer des neutralen Norwegen, den Seekriegsgebieten einigermaßen ausweichend, über den Atlantik fahren können, so wurde es jetzt unumgänglich, mit beiden kriegführenden Seiten Abmachungen auszuhandeln, um überhaupt noch irgendeinen Überseeverkehr aufrechterhalten zu können. Wie üblich, war ein Teil der schwedischen Handelsflotte auch bei Kriegsausbruch fern der Heimat unterwegs gewesen, und am 9. April 1940 hatte sich etwas mehr als die Hälfte ihrer Tonnage westlich der Skagerraksperre befunden. Beide kriegführenden Seiten waren nicht nur darauf bedacht zu verhindern, daß schwedische Schiffe Güter durch das Seekriegsgebiet hindurch beförderten, die dann eventuell dem Kriegsgegner zugute kämen, sondern wollten auch nicht zulassen, daß sich die jeweils jenseits der eigenen Blockadezonen und Minensperren befindliche schwedische Tonnage, die an den Kriegsgegner verchartert werden konnte, vergrößerte. Nach langwierigen Doppelverhandlungen der schwedischen Regierung, die nicht ohne für einen Neutralen bedenkliche Zugeständnisse, vor allem die schwedische Genehmigung zum Eisenbahntransit von Wehrmachtgut und deutschen Soldaten von und nach Norwegen, abliefen, wurde schließlich nach faktischer Zustimmung der britischen Regierung durch einen 179 Wittmann, S. 183 f. 180 Dennoch sollte deutscherseits angestrebt werden, daß durch die Länder des Nord- und Ostseeraums „nicht viel mehr als die normale Ausfuhr für Rußlands eigenen Bedarf ohne unsere Kontrolle exportiert werden kann". - Aus einer Vortragsnotiz vom 23.4.1940, in der Ergebnisse einer am 18.4.1940 stattgefundenen Besprechung mit dem für die Koordinierung der Fragen des Wirtschaftskrieges zuständigen Botschafter Ritter festgehalten sind; zitiert ebenda, S. 188.

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deutsch-schwedischen Notenwechsel vom 7. Februar 1941 der sogenannte Göteborg-Verkehr installiert: Unter sorgfältiger Kontrolle durch die im schwedischen Hafen Göteborg stationierte deutsche „Geleitscheinstelle" durfte, für vier verschiedene überseeische Regionen (Süd- und Zentralamerika, USA, Japan, China) differenziert fixiert, eine bestimmte Anzahl schwedischer Schiffe mit bestimmten deutscherseits genehmigungspflichtigen Waren und Personen an Bord in die Nordsee aus- und von dieser her einlaufen.181 Entgegen den deutschen Auflagen befolgten die schwedischen Kapitäne das Verlangen der britischen Kriegsmarine, auf dem Wege über den Atlantik die Färöer-Inseln anzulaufen, um dort auch von der anderen kriegführenden Seite kontrolliert zu werden. Beide Seiten wachten argwöhnisch über die Einhaltung der Balance zwischen in Göteborg von und nach Übersee ein- und auslaufenden Schiffen, wobei jedoch, wie die folgenden Jahre zeigten, mengen- und wertmäßig erheblich mehr in Göteborg angelandet als verschifft wurde.182 Der Göteborg-Verkehr, an dem Schweden aus Versorgungs- und Beschäftigungsgründen, aber auch um seine traditionellen Märkte für die Nachkriegszeit nicht ganz zu verlieren und um nicht völlig in den kontinentaleuropäischen Machtbereich Deutschlands eingebunden zu werden, vital interessiert war, wurde in den Jahren bis Kriegsende von beiden Kriegsparteien als Druckmittel auf die schwedische Regierung verwendet, entsprechend der Entwicklung des Kräfteverhältnisses erst mehr von deutscher, später mehr von alliierter Seite. Da aber beide Kriegsparteien auch ein gewisses eigenes Interesse an der Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens und der innenpolitischen Stabilität in Schweden hatten, blieb der GöteborgVerkehr trotz mehrmaliger zeitweiliger Unterbrechung doch grundsätzlich bis weit in das Jahr 1944 hinein in Funktion. Zu diesem Zeitpunkt war Schweden dank inzwischen geschaffener Vorratslager, die als ausreichend bis zum absehbaren Kriegsende gelten konnten, auf diesem Wege bereits nicht mehr erpreßbar. Die deutsche Kriegswirtschaft blieb 1940/41 zwar nach wie vor auf schwedisches Eisenerz angewiesen. Doch wie lange die schwedische Lieferbereitschaft mit Gegenlieferungen, insbesondere in Gestalt der dringend benötigten Kohle, erkauft oder ob sie mit militärischen Mitteln erzwungen werden würde, war in jener Kriegsphase die permanent vor der schwedischen Regierung stehende Kardinalfrage. Die Hoffnung der britischen Regierung, trotz der aktuellen Kriegslage Eisen, Stahl und Ferrochrom aus Schweden beziehen zu können, ließ sich unter diesen Umständen - trotz nahezu völliger britischer Kontrolle der Erdölversorgungswege Schwedens - kaum erfüllen. Sie mußte auch ihr Bemühen aufgeben, die schwedische Regierung zu bewegen, die Erzlieferungen nach Deutschland einzustellen, und mit deren Zusicherung vorliebnehmen, diese Lieferungen nicht über das Niveau von 1938 hinaus wachsen zu lassen.183 Neben der militärischen Bedrohung, deren Realisierbarkeit in Anbetracht der der Naziwehrmacht in anderen Teilen Europas gestellten Aufgaben möglicherweise in Stockholm überschätzt wurde, verfügte die deutsche Führung Schweden gegenüber vor allem über das Druckmittel, ausreichend, weniger oder gar keine Kohlen zu liefern, von deren Lieferung aus dem deutschen Herrschaftsraum die Aufrechterhaltung des schwedischen Wirtschaftslebens vollkommen abhing. 181 BAP, AA 68699, Bl. 9 ff., AA HaPol II an OKW, O KM, OBdL, RWiM, RMEL, RVM, 19.2.1941. 182 Vgl. Wittmann, S. 328, zitierte Statistik. 183 Medlicott I, S. 617.

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Während der bilateralen Regierungsausschußverhandlungen im November/Dezember 1940 erreichte die schwedische Seite für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 1941 Lieferzusagen in Höhe von 4 Mill, t Kohle und 1,7 Mill, t Koks.184 1938 waren aus Deutschland 653 0701 Steinkohle und 576 8501 Koks geliefert worden.185 Im selben Jahr hatte Schweden insgesamt 5 773 0001 Steinkohle und 1 940 0001 Koks importiert.186 Die deutschen Zusagen für 1941 blieben also um 31 Prozent bei Kohle bzw. zwölf Prozent bei Koks hinter Schwedens Gesamtimportbedarf des letzten vollen Vorkriegsjahres zurück. Berücksichtigt wurde aber die Tatsache, daß Schwedens Importe hauptsächlich nicht aus Deutschland, sondern aus England und Polen gekommen waren. Dem schwedischen Sortenbedarf in gewissem Maße Rechnung tragend, wurde in dem genannten Protokoll festgelegt, daß von den vereinbarten Mengen mindestens 720 000 t Kohle und 1,7 Mill, t (also die Gesamtmenge) Koks vom Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat und mindestens 2 520 0001 Kohle vom Oberschlesischen Steinkohlensyndikat geliefert würden. Den Rest des Kontingents sollten beide Syndikate untereinander aufteilen.187 Da die Deutsche Reichsbahn unter Waggonmangel litt, mußten die schwedischen Staatsbahnen 500 Güterwagen à 20 t Ladekapazität zur Miete nach Deutschland überführen, die ausschließlich für den Kokstransport aus dem Ruhrgebiet nach deutschen Verschiffungshäfen in Richtung Schweden Verwendung finden sollten.188 Bei den Festlegungen, wieviel Anteil an den Lieferungen nach Schweden dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat bzw. dem Oberschlesischen Steinkohlensyndikat zustünde, ging es gewiß nicht darum, Absatzmöglichkeiten für den Augenblick zu erschließen, denn an Kohle und Koks bestand im kriegführenden Deutschland reichlich Bedarf. Vielmehr waren die miteinander rivalisierenden deutschen Syndikate bestrebt, sich für den Konkurrenzkampf in der seinerzeit bald erwarteten Nachkriegszeit eine günstige Ausgangsposition zu verschaffen. Im ersten Halbjahr 1941 stand Schweden unter den Ländern, die von Deutschland nicht okkupiert oder faktisch beherrscht waren, in der deutschen Einfuhr und Ausfuhr jeweils an dritter Stelle (hinter Italien und der UdSSR), wobei die Handelsbilanz mit Schweden leicht aktiv für Deutschland ausfiel.189 Während Schweden in der behandelten Phase des Krieges einige bedenkliche Zugeständnisse an das Nazireich bezüglich der Auslegung des Neutralitätsstatus machte, blieb es seit Mitte 1940 gleichbleibend hart in der Ablehnung seiner Einbeziehung in die sogenannte „Neuordnung Europas", speziell in die Planung und Organisierung des „europäischen Großwirtschaftsraumes". Als Hauptargument wurde in Verlautbarungen immer wieder angeführt, daß Schwedens spezifische Wirtschaftsstruktur unbedingt den Zugang zum gesamten Weltmarkt erfordere und keine Autarkie, auch nicht im kontinentalen Maßstab, ertragen würde. Es wurde auch nicht die in nahezu allen Gesellschaftskreisen des Landes gehegte Befürch184 Β AP, AA 68739, Bl. 37R, Anlage 4 zum „Vertraulichen Protokoll über Besprechungen des deutschen und des schwedischen Regierungsausschusses für die Fragen des Zahlungs- und Warenverkehrs vom 2 5 . 1 1 . - 16.12.1940". 185 Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1939/40, Tab. VII 15, S. 309. 186 Ebenda, Internationale Übersichten Tab. D 17, S. 191* f. 187 WieAnm. 184. 188 Ebenda. 189 WieAnm. 150.

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tung verschwiegen, daß seine Eingliederung in den europäischen Großwirtschaftsraum unter dem Kommando des deutschen Imperialismus den bürgerlich-demokratischen Verhältnissen in Schweden den Todesstoß versetzen würde. Auch die gemäßigtere Wortwahl, deren sich Berlin in den späteren Kriegsjahren befleißigte, um doch noch sein Großraumvorhaben voranzubringen, fand in Schweden keinen Anklang.190 Diese grundsätzliche Verweigerung Schloß allerdings nicht aus, daß Schweden der -von Deutschland als dem Monopolverkäufer von Kohle und Koks auf dem europäischen Kontinent gestarteten Preisoffensive 1940/41 nachgab und im Gegenzug keine entsprechend starken Preiserhöhungen für seine Erze durchsetzen konnte. Immerhin bewirkte aber das faktisch verletzte, vertraglich aber immer wieder bekräftigte Prinzip der „Preiswaage", daß die Preisschere zwischen deutschen und schwedischen Lieferungen nicht so weit auseinanderklaffte, wie es im „Großwirtschaftsraum" sonst üblich war.191

e) Südosteuropa und Türkei Mit dem Kriegseintritt Italiens wurde das Mittelmeer zum Kriegsgebiet, was für die südosteuropäischen Länder192 und die Türkei weitere Erschwerungen ihres Handels mit den Alliierten193 und Partnern in Übersee brachte, zumal jetzt auch die Bahnverbindung Istanbul-Bagdad-Basra in Syrien italienischer Kontrolle unterlag. Gewollt oder ungewollt nahm die wirtschaftliche Orientierung dieser Länder auf Deutschland und Italien in der Jahresmitte 1940 zu. In der Türkei gewannen politische, militärische und wirtschaftliche Kreise, die mehr zu Deutschland als zu den Westmächten neigten, wieder gewissen Einfluß auf die Regierung.194 Verglichen mit der ersten Kriegsphase kam es zunächst zu einer leichten Belebung der Handelsbeziehungen der Türkei195 und Griechenlands196 zu Deutschland, und in

190 BAP, AA 68971/10, Bl. 1 ff., Deutsche Gesandtschaft, Thomsen, an AA, Stockholm 11.8.1944. 191 Olsson, Sven-Olof, German Coal and Swedish Fuel 1939-1945, Göteborg 1975, S. 162 f.; Wittmann, S. 198. 192 Berliner Börsenzeitung v. 15.3.1941, „Bulgariens gesicherte Versorgungslage". 193 Im Jahr 1940, im wesentlichen bis zum Mai, waren über Constante 497 306 t Mineralöl nach Großbritannien und 171 398 t nach Frankreich verschifft worden. Die britisch-französische Kapitalbeteiligung an der rumänischen Erdölförderung hatte sich bis dahin maßgeblichen Einfluß auf den Export dieses kriegswichtigen Rohstoffs bewahren können. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 1940 gelangten 1,4 Mill, t nach Deutschland, ins Protektorat Böhmen-Mähren und in die Slowakei (BAP, AA 68738/1, Bl. 13-37, Bericht des Sonderbeauftragten f. Wirtschaftsfragen, Neubacher, „Die rumänische Mineralölwirtschaft im Jahre 1940", Bukarest 24.1.1941 ). 194 BAP, AA 68696, Bl. 2 f., Notiz v. Weizsäcker für den RAM, 18.6.1940. 195 BAP, AA 68749, Bl. 228-249, Sonder- und Zahlungsabkommen über den deutsch-türkisehen Warenaustausch v. 25.7.1940. - Über britische Gegenmaßnahmen siehe Medlicott I, S. 601-611. 196 BAP, AA 68719, Bl. 117-120R, „Vertrauliches Protokoll über das Ergebnis der vierten gemeinsamen Tagung des Deutschen und des Griechischen Regierungsausschusses", unterzeichnet von den Ausschußvorsitzenden, Gesandter Morath und Varvaressos, Gouverneur der Bank von Griechenland, Athen 27.6.1940; ebenda, Bl. 127R, Abkommen betr. Bezahlung deutscher Kriegsmateriallieferungen an Griechenland, unterzeichnet von denselben Personen, Athen 27.6.1940.

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Jugoslawien wuchs der deutsche Anteil nicht nur am Warenaustausch197, sondern auch am Kapital der Industrie (auf Kosten des französischen)198. Die jugoslawische Regierung mußte sich Anfang August 1940 sogar verpflichten, an Hitlers Kriegsgegner keine Rohstoffe und landwirtschaftlichen Erzeugnisse mehr zu liefern199, und sich in dieser Hinsicht „einer vorherigen Verständigung" mit der deutschen Regierung darüber, ob noch gültige frühere vertragliche Abmachungen erfüllt werden durften, unterwerfen200. Sie gab im September 1940 auch deutschen Forderungen nach, die Bereitschaft zur Eingliederung ihres Landes in die angestrebte „europäische Großraumwirtschaft" zu erklären.201 Wie sich aber bald herausstellte, blieben die Türkei und Griechenland, stark schwankend schließlich auch Jugoslawien, im wesentlichen doch auf die Gegenseite orientiert, und dies nicht nur in politischer Beziehung. Die United Kingdom Commercial Corporation (UKCC) unternahm in den letzten Monaten des Jahres 1940 und Anfang 1941 außerordentliche Anstrengungen, um durch große Warenkäufe weit über Weltmarktpreis (nach deutschem Vorbild), doch auch durch die Lieferung dort benötigter Waren insbesondere die Türkei zur Reduzierung ihres Warenverkehrs mit dem deutschen Herrschaftsbereich zu bewegen. Nach vielleicht nicht ganz zuverlässigen Berechnungen der britischen Botschaft in Ankara gelang es, im Jahre 1940 gegenüber 1939 den wertmäßigen Anteil Deutschlands am türkischen Export und Import enorm herabzudrücken. Tabelle 114 Prozentuale Anteile einiger Länder am türkischen Außenhandel, 1939, 1940

Land

Export 1939

1940

Großbritannien Deutschland Rumänien Ungarn

5,73 37,29 1,40 1,22

10,36 8,69 10,76 5,81

Import 1939

1940

6,25 50,86 1,98 keine Angabe

14,02 11,73 15,68 keine Angabe

Quelle: Medlicott I, S. 610.

197 Β AP, AA 68726, Bl. 70 ff., „Elftes Vertrauliches Protokoll" v. 31.7.1940, unterzeichnet von den Vorsitzenden des Deutschen und des Jugoslawischen Regierungsausschusses, Landfried u. Pilja. 198 Dimitrijevic, Sergije, Das ausländische Kapital in Jugoslawien vor dem zweiten Weltkrieg, Berlin 1963, bes. S. 54. 199 Β AP, A A 68726, Bl. 76R-77, Notenwechsel zwischen den beiderseitigen Regierungsausschußvorsitzenden Pilja u. Landfried, 1.8.1940. 200 BAP, AA 68802/1, Bl. 26, Landfried an Pilja, Belgrad 28.9.1940. 201 BAP, AA 68726, Bl. 91 u. 91R, Aufzeichnung über eine Besprechung am 23.9.1940, Landfried u. Pilja, Belgrad 24.9.1940; BAP, AA 68802/1, Bl. 25 u. 25R, dgl.; ebenda, Bl. 23 f., Pilja an Landfried, Belgrad 24.9.1940, sowie dessen Bestätigung.

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Der Rückgang des deutschen Anteils erfuhr eine gewisse Kompensation durch den gewachsenen Anteil einiger Länder im deutschen Herrschaftsbereich. Türkische Firmen und Regierungsstellen umgingen damit die britischen Forderungen, bestimmte Warenarten nicht nach Deutschland zu liefern bzw. von dort zu beziehen. Und aus deutschen Akten ist bekannt, daß insbesondere ungarische Behörden und Firmen ihre Dienste anboten, Mangelwaren für die deutsche Kriegswirtschaft aus der Türkei und anderen Ländern zu beschaffen.202 Offenbar blieb aber der Erfolg solcher Bemühungen begrenzt. Gleiches dürfte auch auf eine deutschbulgarische Vereinbarung vom März 1941 zutreffen. Die Deutsche Reichsbank stellte der Bulgarischen Nationalbank Devisen bis zum Gesamtwert von acht Mill. RM für die Beschaffung von Rohstoffen für die bulgarische Wirtschaft zur Verfügung. Dazu wurde festgelegt: „Sollten sich für Bulgarien über den Betrag von 8 Millionen Reichsmark hinaus weitere Möglichkeiten zum Bezug wichtiger Rohstoffe ergeben, so ist die Deutsche Regierung damit einverstanden, daß die Reichsbank der Bulgarischen Nationalbank weitere Devisenbeträge mit der Maßgabe zur Verfügung stellt, daß Bulgarien die Hälfte dieser Bezüge Deutschland zum Ankauf anbietet."203 Im April/Mai 1941 wurden Jugoslawien204 und Griechenland durch deutsche, italienische und bulgarische Truppen okkupiert. Auf Grund „freundschaftlicher Vereinbarungen" waren bereits vorher deutsche Truppen in Rumänien und Bulgarien stationiert worden. Zur Jahresmitte 1941 befanden sich alle Länder Südosteuropas außer der Türkei im Herrschaftsbereich der Achsenmächte. Das bedeutete allerdings nicht, daß im Warenaustausch Bulgariens, Rumäniens und Ungarns mit Deutschland die einheimischen Wirtschaftskreise dieser Länder nicht mehr in der Lage gewesen wären, eigene Interessen zur Geltung zu bringen. Nicht nur formell-völkerrechtlich, sondern auch faktisch unterschieden sie sich in vielerlei Hinsicht von militärisch niedergeschlagenen, unter Okkupationsregime gestellten Ländern. Von allen südosteuropäischen Ländern hatte für die deutsche Kriegswirtschaft zweifellos Rumänien die größte Bedeutung, weil sein Erdöl für die Treibstoffversorgung der Wehrmacht unentbehrlich war. Erst in der zweiten Jahreshälfte 1940 gelang es nach innenpolitischen Kräfteverlagerungen in Rumänien, dieses Land wirtschaftlich aus seinen noch bis zum Mai 1940 wirksamen205 Kapital- und Handelsverbindungen insbesondere auf dem Erdölsektor mit den alliierten Ländern zu lösen und eindeutig auf Berlin zu orientieren. Infolgedessen 202 Β AP, AA 68825/1, Bl. 484 ff., „Niederschrift über das Ergebnis der Besprechungen, die anläßlich der Tagung des Deutschen und des Ungarischen Regierungsausschusses in Budapest vom 4. bis 16. Januar 1940 über bestimmte militärische Fragen stattgefunden haben", unterzeichnet v. F. M. Lt. v. Györffy-Bengyel, Gesandten v. Nickel (Vorsitzendem d. Ungarischen Regierungsausschusses), Gesandten Clodius (Vorsitzendem des Deutschen Regierungsausschusses) u. Radtke, speziell BI. 486 u. 486R, „III. Besondere Geschäfte"; Medlicott I, S. 677 f. 203 Β AP, AA 68691, Bl. 98, Vorsitzender d. Deutschen Regierungsausschusses für die Wirtschaftsverhandlungen mit Bulgarien, Landwehr, an den Vorsitzenden d. Bulgarischen Regierungsausschusses, Zonev, 28.3.1941. 204 Die Reichsstelle für den Außenhandel berichtete am 14.5.1941 (BAP, AA 68792, Bl. 12, „Kurze Zusammenfassung der Berichte der Außenhandelsstellen über die derzeitige Ausfuhrlage. Stand am 1. Mai 1941"), aus Jugoslawien seien bis in die kritischen Tage hinein „sehr gute Aufträge" eingegangen, Vorauszahlungen geleistet und alte Rechnungen bezahlt worden. 205 Siehe Anm. 193.

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wurde der bereits im Wirtschaftsvertrag vom März 1939 vorgesehene, gemeinsam und unter deutscher Ägide und Zielsetzung aufzustellende und zu realisierende Zehnjahresplan für die Entwicklung der rumänischen Volkswirtschaft erst gegen Jahresende 1940 durch konkrete Abmachungen praktisch in Angriff genommen.206 Vorausgegangen waren dem zwei für die, vordringlichen Interessen der herrschenden Kreise Rumäniens und deren Berücksichtigung durch Berlin charakteristische Vereinbarungen. Am 22. Mai 1940 kam ein „Abkommen über den Austausch von deutschem Kriegsgerät und rumänischen Mineralölerzeugnissen" zustande.207 Die rumänische Regierung, die jetzt mit staatlichen Machtmitteln die zusätzliche Lieferung von Mineralölerzeugnissen, auch durch die mit maßgeblicher britischer Kapitalbeteiligung tätigen Gesellschaften, nach Deutschland durchsetzte, wollte als Gegenleistung nicht etwa Produktionsmittel zur Entwicklung ihrer Industrie und Landwirtschaft, sondern Kriegsgerät, weil sie sich durch Nachbarn, vor allem die Sowjetunion, bedroht fühlte. Das Abkommen legte einen Zuschlag auf den Vorkriegspreis für rumänische Erdölerzeugnisse fest, zugleich aber auch Verrechnungszuschläge auf die damals üblichen Preise für Kriegsgerät, das künftig aus Deutschland und BöhmenMähren geliefert werden sollte, worunter sich dann jedoch, wenigstens zum Teil, auch erbeutete Waffen befanden. Da die Tagespreise für Erdöl schwankten, aber angesichts des begrenzten Angebots und der erwartungsgemäß zunehmenden Nachfrage nach oben tendierten, zielte die Verrechnungsregelung auf die Wahrung stabiler Preisrelationen zwischen Öl und Waffen. Die Regelung war noch im August 1944 in Geltung208. Die zweite Vereinbarung, mit der die herrschenden Kreise Rumäniens für eine einseitige, feste Zusammenarbeit mit Deutschland gewonnen wurden, war ein Protokoll vom 8. August 1940. Um eine „langfristige und großzügige Festsetzung der Mengen und Preise sicherzustellen und damit die Gesundung und Fortentwicklung der rumänischen Landwirtschaft zu gewährleisten", sagte die deutsche Seite zu, den „Getreideüberschuß Rumäniens zu festen Preisen zu übernehmen" bzw. „auszuführen".209 Nach den Erfahrungen der chronischen Agrarabsatzkrise war eine derartige Absatzgarantie auf der Basis fester Preise natürlich bestechend, doch bedeutete sie auch, daß Rumänien späterhin sich eventuell bietende profitablere Absatzchancen nicht ausnutzen konnte. Dennoch belegen diese beiden Beispiele, daß sich die deutsche Führung den herrschenden Kreisen Rumäniens gegenüber in jener Kriegsphase einer gewissen Konzilianz befleißigte, nach der vom Sonderbeauftragten für Wirtschaftsfragen bei der Deutschen Gesandtschaft in Bukarest, Hermann Neubacher, in anderem konkreten Zusammenhang (Finanzierung der deutschen Truppen in Rumänien) im Herbst 1940 verfolgten Maxime, daß eine „Schädigung der rumänischen Wirtschaftskraft ... über kurz oder lang auf die rumänischen Leistungen Deutschland gegenüber zurückwirken mußte. 206 BAP, AA 68735, Bl. 121 u. 121R, „Protokoll über die deutsch-rumänische Zusammenarbeit bei der Durchführung eines Zehnjahresplans für den Aufbau der rumänischen Wirtschaft", unterzeichnet v. Ges. Clodius, Staatssekretär Dimitriuc u. Grecianu, 4.12.1940. 207 Ebenda, Bl. 35-36R, Abkommen über den Austausch von deutschem Kriegsgerät und rumänischen Mineralölerzeugnissen, unterzeichnet v. Slavescu u. Neubacher, Bukarest 22.5.1940. 208 BÄK, R 7/2275, Clodius an Rüstungs- und Wirtschaftsminister General Dobre, Bukarest 11.8. 1944. 209 BAP, AA 68735, Bl. 45 ff., Protokoll, unterzeichnet v. Neubacher u. Wirtschaftsminister Leon, Bukarest 8.8.1940.

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Die kriegswichtige, ja kriegsentscheidende Bedeutung der rumänischen Mineralöllieferungen verbot von vornherein jedes Experimentieren."210 Hauptsächlich aus objektiven Gründen befand sich Rumänien in jener Phase des Krieges in einer weniger ungünstigen Situation als andere südosteuropäische Länder. Dafür war es aber im Frühjahr 1941, nach Besprechungen zwischen Göring und Ion Antonescu, in solchen Wirtschaftssektoren, an denen den herrschenden Kreisen Rumäniens weniger gelegen war, insbesondere im Groß- und Einzelhandel, einem besonders vehementen Germanisierungsdruck, ζ. T. unter dem Deckmantel der „Arisierung", ausgesetzt. 2 " Spätestens bei einem Wiener Treffen am 5. März 1941 erfuhr der rumänische Staatschef von einem viel schicksalsschwereren bevorstehenden Ereignis, als Göring ihn aufforderte, mit deutscher Hilfe noch im selben Jahr die rumänische Jahresproduktion an Erdöl um 1 Mill, t zu erhöhen, d. h. um die Menge, die aufgrund der deutsch-sowjetischen Verträge 1941 aus der UdSSR hätte importiert werden können.212

f ) Sowjetunion, Ferner und Mittlerer Osten Erst die Phase vom Juni 1940 bis zum Frühjahr 1941 kann als die einer wirklich engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Sowjetunion angesehen werden, wobei jede Seite durchaus ihre eigenen Interessen verfolgte. Zugleich wirkten in diesen Monaten, zumal seit dem September 1940, als sich zwischen beiden Staaten politische Konflikte vor allem bezüglich Südosteuropas anbahnten und zuspitzten, in der deutschen Führung zwei Linien der Haltung gegenüber der UdSSR. Diese wurden nicht in der Öffentlichkeit und auch intern nicht frontal verfochten. Stalin durchschaute dies nicht und zog deshalb fatale Schlußfolgerungen. Die eine, tatsächlich dominierende Linie verkörperte Hitler, der sich darin weitestgehend auf die Führung des Heeres und auf die NSDAP- und SS-Führer stützen konnte. Diese Linie verfolgte die Ostexpansion als unmittelbar in Angriff zu nehmendes Nahziel und setzte die Auseinandersetzung mit den außerkontinentalen Gegnern, Rivalen, Konkurrenten an die zweite Stelle. Die andere Linie verkörperten - keineswegs etwa als feste Gruppe - das Auswärtige Amt mit Ribbentrop, zeitweilig und nicht konsequent Göring, ferner verschiedene Wirtschaftskreise mit unterschiedlichen Konkurrenz- und sonstigen ökonomischen Interessen sowie - gewissermaßen autonom - Raeder und seine Admiralität213. Dieser nicht minder imperialistischen Strömung galt der Kampf gegen England und die Expansion in dessen Besitzungen in Asien und insbesondere im Nahen und Mittleren Osten als vorrangig, und dazu brauchte sie Frieden und enges wirtschaftliches Zusammenwirken, womöglich sogar ein Bündnis, mit der Sowjetunion. 210 BAP, AA 68736, Bl. 69, Neubacher an Gaus, 2.4.1942. 211 BÄK, R 63/127, Bl. 7 ^ 5 , Reiseberichte Stoeger (Wirtschaftskammer Wien) v. 24.2., 9.4. und 24.7.1941. 212 Schwendemann, S. 292. 213 Allerdings plädierte der Chef der Seekriegsleitung, Konteradmiral Kurt Fricke, in seinen „Betrachtungen über Rußland" vom 28.7.1940 dafür, aus wirtschaftspolitischen Gründen das Baltikum und einen Teil der Ukraine zu annektieren (Das Deutsche Reich, Bd. 4, S. 112).

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Hitler war vollauf mit der Vorbereitung des militärischen Überfalls auf die UdSSR beschäftigt und mischte sich - wie schon zuvor - in die Wirtschaftsbeziehungen zur UdSSR nur ein, wenn er ausdrücklich um eine Entscheidung gebeten wurde. Der nicht nur von sowjetischer, sondern auch von deutscher Seite ab Juni 1940 forcierte Handelsaustausch einschließlich der lange umstrittenen Auslieferung moderner deutscher „Musterwaffen" zum Nachbau (der natürlich Anlaufzeit, wenn auch weniger als sowjetische Eigenkonstruktionen, erforderte) diente ideal der Camouflage der militärischen Angriffsvorbereitungen. Schwendemanns durchgängig vertretene und belegte interessante Grundthese, die durch künftige Aktenfunde eher Erhärtung als Erschütterung erfahren dürfte, lautet an einer ausgewählten Stelle: „Stalin war bis zum 22. Juni 1941 nicht in der Lage, das Doppelgesicht der deutschen Politik zu erkennen. Der Kremlführer ging mit Sicherheit von seinem eigenen Selbstverständnis als Diktator davon aus, daß sein Gegenüber in Berlin die Zügel genauso fest in der Hand hielt und bezüglich der Sowjetunion das politische und wirtschaftliche Wechselspiel ähnlich handhabte wie er selbst. Daß Hitler in weiten Bereichen der deutsch-sowjetischen Beziehungen unbeteiligt war, stand außerhalb Stalins Vorstellungsvermögen. Hier liegt letztlich der Schlüssel zur Antwort auf die noch immer ungeklärte Frage, warum Stalin sich in seinem Urteil über Hitlers Absichten völlig verkalkuliert hatte und selbst angesichts des Aufmarsches der Wehrmacht im Frühjahr 1941 alle Warnungen vor einem deutschen Angriff in den Wind geschlagen hatte."214 Da sich die deutschen Unterhändler aus dem Auswärtigen Amt immer häufiger nicht an zuständige Fachreferenten oder Diplomaten, sondern „im Namen der Reichsregierung" an Mikojan, Molotov oder Stalin persönlich wandten, glaubte Stalin, sie überbrächten ihm die persönlichen Meinungen, Wünsche oder Antworten Hitlers. Und nüchterne Abwägung der Weltlage mußte ja in der Tat zu dem rationalen Schluß führen: Deutschland dürfe ohne Not keinen Zweifrontenkrieg beginnen, durch Eroberung kriegsverwüsteter sowjetischer Gebiete könne es kurz- und mittelfristig kaum so viel Getreide und Rohstoffe gewinnen wie durch die Pflege der immer besser in Gang kommenden Handelsbeziehungen; Realpolitik müsse doch wohl über die in „Mein Kampf' verkündeten rassistischen und antikommunistischen Ostexpansionsabsichten obsiegen. Um solcher Schlußfolgerung auch in Berlin nachzuhelfen und einer immer noch befürchteten, tatsächlich nicht ganz auszuschließenden Einigung der Kriegsgegner zu Ungunsten der UdSSR Nährboden zu entziehen, stellte sich Stalin nach dem überraschend schnellen deutschen Sieg über Frankreich demonstrativ an die Seite Hitlerdeutschlands, u. a. indem er einen Annäherungsversuch Churchills am 1. Juli 1940 brüsk zurückwies und vor allem die sowjetischen Lieferungen nach Deutschland forcierte. In den Monaten Juni bis August 1940 verließen laut Meldungen der Reichsstellen (wie alle Überwachungsstellen für die deutsche Einfuhr seit August 1939 hießen) Waren für 178,7 Mill. RM (Fob-Werte) die UdSSR einschließlich ihrer Häfen in Richtung Deutschland, was ca. 44 Prozent der Jahressumme von 1940 entsprach. Nach der deutschen Außenhandelsstatistik, die erst den Übergang der Waren in das deutsche Zollgebiet erfaßte, waren es im genannten Zeitraum 128,4 Mill. RM = ca. 34 Prozent der dort ermittelten Jahressumme; nimmt man wegen des Zeitverzuges die Angaben für Juli bis September 1940, so handelte es sich um Waren für 188,8 Mill. RM = ca. 49 Pro214 Schwendemann, S. 193 f.

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zent.215 Auch von deutscher Seite stiegen die vorher recht spärlichen Lieferungen jetzt stark an, trotz der befohlenen Rüstungsumstellung und obwohl in diesem Zusammenhang die Vorrangstellung der UdSSR unter den Exportländern aufgehoben wurde. Nach der deutschen Außenhandelsstatistik, die die Exportgüter nach dem Verlassen des deutschen Zollgebietes erfaßte, wurden in den Monaten Juni, Juli und August 1940 für 81,4 Mill. RM Waren in die UdSSR ausgeführt, was ca. 38 Prozent der Jahressumme von 1940 ausmachte.216 Sich seinerzeit an die Seite Hitlerdeutschlands und nicht Englands zu stellen, hielt Moskau auch im Interesse seiner Politik zur Ausdehnung des Staatsgebietes der UdSSR im Baltikum und in Südosteuropa für geboten. In der gegebenen Situation schien dies nicht der Zustimmung oder Duldung westlicher Mächte, sondern lediglich Deutschlands zu bedürfen. Berlin gewährte sie im Sommer 1940, obwohl sich damit die Frontlinie im künftigen Krieg nach Westen verschob. Dieser Scheinerfolg Moskaus sollte sich schon bald als Anlaß für diplomatische Konflikte, wenn auch nicht als Grund für den von Hitler sowieso beabsichtigten Aggressionskrieg gegen die Sowjetunion erweisen. Auch die Wirtschaftsbeziehungen näherten sich im Herbst 1940 einem kritischen Punkt, als die UdSSR wegen des erneuten Nachlassens der deutschen Lieferungen (infolge der Überforderung der Industrie mit Rüstungsaufträgen) von der Vertragsklausel Gebrauch machte, die eigenen Lieferungen zu kürzen, und in der zweiten Septemberhälfte sowie im Oktober 1940 ansatzweise Gespräche mit Großbritannien über eventuell aufzunehmende Handelsvertragsverhandlungen führte.217 Um die geplanten sowjetischen Rohstoff-, insbesondere die jetzt für vordringlich erachteten Getreidelieferungen zu retten, ordnete Göring am 15. Oktober 1940 alle Industrielieferaufträge für die UdSSR in die Dringlichkeitsstufe IA ein218 und gab die Weisung, bis zum 11. Mai 1941 die Erfüllung sowjetischer Bestellungen selbst auf Kosten eigener Rüstungserfordernisse nicht scheitern zu lassen219. Etwa zur gleichen Zeit wurden deutscherseits die lange umstrittenen, vorher erheblich überhöhten Preisforderungen für an die UdSSR zu lieferndes Marine- und Luftwaffengerät reduziert.220 Es lag wohl auch an Göring, daß bei Molotovs Besuch in Berlin im November 1940, der wegen der gegensätzlichen Interessen bezüglich Südosteuropas und Finnlands politisch denkbar negativ verlief, eine neue Belebung der ökonomischen Beziehungen eingeleitet wurde.221 Die immer wieder ins Stocken geratenen Verhandlungen über ein neues Wirtschaftsabkommen, das nahtlos an das Wirtschaftsabkommen vom 11. Februar 1940 anschließen sollte, wurden intensiviert. Bemüht, sich der deutschen Kriegswirtschaft schwer entbehrlich zu

215 216 217 218 219

Nach: Ebenda, S. 367 f., Tab. 2. Nach: Ebenda, S. 368, Tab. 3. Ebenda, S. 218, 220 f. Ebenda, S. 214 f. Der ad hoc beschlossene Feldzug gegen Jugoslawien und Griechenland machte dann eine Verschiebung des geplanten Überfalls auf die UdSSR bis zum als spätestmöglicher Termin angesehenen 22. Juni erforderlich. - Uneingeweihte brauchten hinter dem von Göring gesetzten Termin 11.5.1941 nichts Besonderes zu vermuten, weil zu diesem Datum ja eine Zwischenbilanzierung vereinbart war. 220 Schwendemann, S. 222 f. 221 Ebenda, S. 225 ff.

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erweisen, hoffte man in Moskau, den Krieg vom eigenen Lande fernzuhalten und mit Hilfe der deutschen Gegenlieferungen die eigene Verteidigungsfähigkeit zu vervollkommnen. Ergebnis der Verhandlungen waren das „Abkommen vom 10. Januar 1941 über die beiderseitigen Warenlieferungen auf Grund des Wirtschaftsabkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken vom 11. Februar 1940 in dem zweiten Vertragsabschnitt"222, d. h. für den Zeitraum vom 11. Februar 1941 bis zum 1. August 1942, und weitere Abkommen und Protokolle mit Regelungen u. a. betr. deutscher Interessen in den der UdSSR einverleibten baltischen Staaten. Tabelle 115 Im deutsch-sowjetischen Wirtschaftsabkommen Lieferungen (in Mill. RM)

vom 10. Januar 1941 vereinbarte

Vierteljahresabschnitt

Sowjetische Lieferungen

Deutsche Lieferungen

11.2.41-11.5.41 11.5.41-11.8.41 11.8.41-1.11.41 1.11.41-1.2.42 1.2.42 - 1 . 5 . 4 2 1.5.42 - 1 . 8 . 4 2 Insgesamt

115 170 87 86 86 86 630

117 143 142 142 86 630

gegenseitige

_

Quelle: Schwendemann, Heinrich, Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941, Berlin 1993, S. 255.

Wie schon 1940 praktiziert, sollten die Lieferungen zeitlich versetzt beginnen. Das bedeutete, daß die deutsche Seite neben den Lieferungen, die noch aus dem ersten Vertragsjahr ausstanden, bis zum 11. Mai 1941 keine Verpflichtungen zu erfüllen hatte, während die sowjetische Seite bis dahin wertmäßig bereits ca. 18 Prozent ihrer gesamten neu vereinbarten Exporte nach Deutschland realisieren sollte. Die deutschen Lieferrückstände aus dem Jahre 1940 waren beträchtlich, und es kam darüber immer wieder zu Kontroversen mit der sowjetischen Seite. Von einer solchen berichtet Mikojan in seinen Memoiren: „Einige Monate vor dem Beginn des Großen Vaterländischen Krieges schlug Deutschland vor, die Ausführung der bereits placierten Aufträge herabzusetzen. Ich empfing den deutschen Vertreter für Wirtschaftsfragen Schnurre. Im Namen seiner Regierung schlug er beharrlich vor, gegen eine entsprechende Menge Gold einen Teil unserer Werkzeugmaschinenbestellungen zu annullieren. Nachdem ich Schnurre angehört hatte, sagte ich ihm, ich persönlich sei gegen einen solchen Vorschlag, denn er laufe dem im August 1939 unterzeichneten Übereinkommen zuwider. ,Ihr habt einen entwickelten Werkzeugmaschinenbau', erklärte ich, ,und ihr habt die Möglichkeit, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen'. Über das Gespräch mit Schnurre informierte ich I. W. Stalin. An222 AD AP, D, Bd. 11, Dok. 637.

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gesichts der Hartnäckigkeit der Deutschen blieb uns nichts anderes übrig, als ihrem Vorschlag zuzustimmen." 223 Obwohl die sowjetische Seite in diesem Fall nachgegeben hatte, bemühte man sich in Berlin nun doch um bessere Erfüllung der eigenen Verpflichtungen. Dazu dürfte beigetragen haben, daß sowjetischerseits Anfang Februar 1941 die Zusage erfolgte, in der Zeit vom 11. Februar bis zum 11. August 1941 Deutschland 6 000 t Kupfer, 500 t Zinn, 1 500 t Nickel, 500 t Wolfram und 500 t Molybdän - strategische Rohstoffe, deren Abgabe lange umstritten gewesen war - zu liefern.224 Selbst wenn hiervon auch Produkte auf sowjetische Bestellung hergestellt werden sollten, war die Lieferung zu diesem Zeitpunkt doch sehr vorteilhaft für die deutsche Kriegswirtschaft. Insgesamt wurden vom Januar bis zum Juni 1941 mehr Waren als im ganzen Jahr 1940 aus Deutschland in die Sowjetunion geliefert. Tabelle 116 Die deutsche Ausfuhr in die UdSSR, Januar 1940 - Juni 1941 (in Mill. RM) Zeitraum

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Summe Gesamtsumme 1940/41

1940 3,0 1,8 2,6 8,1 15,1 30,8 25,8 24,8 19,9 14,2 25,0 37,7 208,8

1941 29,6 19,4 20,6 51,0 47,1 53,2

1. Halbjahr

220,9 429,7

Quelle: Schwendemann, S. 368 f., Tabelle 3 (nach Meldungen des Statistischen Reichsamtes: BA/MA, RW 45/13-15). Summe von mir korrigiert - Β. P.

223 Mikojan, A. I., V pervye mesjacy Velikoj Otecestvennoj Vojny (zum Druck vorbereitet v. S. A. Mikojan u. G. A. Kumanev). In: „Novaja i novejsaja istorija" 6/1985, S. 94. 224 Volkmann, Hans-Erich, NS-Außenhandel im „geschlossenen" Kriegswirtschaftsraum (1939-1941). In: Kriegswirtschaft und Rüstung 1939-1945, Düsseldorf 1977, S. 99.

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

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Tabelle 117 Die deutsche Einfuhr aus der UdSSR, Januar 1940 - Juni 1941 (in Mill. RM) Zeitraum

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Summe Gesamtsumme 1940/41

1940 4,7 10,2 9,7 16,7 21,1 34,2 26,6 67,6 94,6 42,4 28,0 27,0 382,8

1941 24,0 19,9 31,4 22,2 50,6 58,0

1. Halbjahr

206,1 588,9

Quelle: Schwendemann, S. 367 f., Tabelle 2 (nach den monatlichen Meldungen des Statistischen Reichsamtes über die Entwicklung des deutschen Außenhandels: BA/MA, RW 45/13 -15). Summe von mir korrigiert - Β. P.

Hier wurde die deutsche Außenhandelsstatistik anderen statistischen Erhebungen vorgezogen, weil sie die tatsächlich die deutsche Zollgrenze überschreitenden Güter registrierte. Die Zahlenangaben der Reichsstellen (für die Einfuhrgenehmigung) und der Prüfungsstellen (für die Ausfuhrgenehmigung) liegen naturgemäß höher. Daß die Importe aus der UdSSR in den letzten Monaten vor dem 22. Juni 1941 nicht noch höhere Werte aufweisen, hatte nicht zuletzt zwei Gründe, die nicht unerwähnt bleiben sollen. Sowjetisches Getreide wurde ab März 1941 Deutschland (im Unterschied zu anderen Märkten) verbilligt geliefert225, und seit April 1941 stauten sich die sowjetischen Güter an den Grenzen, weil die deutschen Eisenbahnen wegen ihrer Überlastung mit Truppentransporten außerstande waren, genügend Waggons für die Übernahme der sowjetischen Warenlieferungen bereitzustellen226. Interessanterweise erwiesen sich diese letzten Wochen wertmäßig auch als Höhepunkt der deutschen Ausfuhr in die UdSSR. Laut dem vom Wirtschafts- und Rüstungsamt des OKW erstatteten Kriegswirtschaftlichen Lagebericht Nr. 22 vom Juni 1941 lieferte die UdSSR in den vier Monaten Februar bis Mai 1941 insgesamt 597 716,6 t Getreide, Hülsenfrüchte und Ölkuchen, 19 780 t Baumwolle, 3 292,6 t Schwermetalle (einschl. Erze), 232,5 kg Platin und 193 835 t Erdöl und Erdölprodukte.227 225 Schwendemann, S. 317. 226 Ebenda, S. 323 u. 331. 227 Nach Boelcke, S. 145.

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Wenn auch die Zahlenangaben verschiedener deutscher Statistiken voneinander abweichen, stimmen sie doch tendenziell darin überein, daß die Handelsbilanz des ersten Halbjahres 1941 mit der UdSSR sich aus deutscher Sicht leicht aktiv gestaltete. In einer Information, die das Auswärtige Amt am 25. Oktober 1941 den Missionen und Berufskonsulaten übersandte, ist die deutsche Einfuhr aus der UdSSR mit 215,6 Mill. RM und die deutsche Ausfuhr dorthin mit 240,3 Mill. RM bewertet.228 Alles in allem blieb aber am Tage des deutschen Überfalls ein beträchtlicher Saldo zugunsten der Sowjetunion offen. Auch bei loyaler Einhaltung der Vereinbarungen hätte an diesem Stichtag aus deutscher Sicht ein Passivsaldo (in anderer Höhe) zu Buche geschlagen. In der ersten Juliwoche überreichte der Erste Stellvertreter des Volkskommissars für Außenhandel der UdSSR, Aleksej Krutikov, Vertretern der britischen Botschaft in Moskau eine Liste mit den Mengenangaben aller Warenarten, die die UdSSR vom 1. September 1939 bis zum 22. Juni 1941 nach Deutschland geliefert hatte. Diese Liste stimmte weitestgehend mit den Schätzungen überein, die das britische Ministerium für Wirtschaftskriegführung vorher vorgenommen hatte.229 Danach exportierte die Sowjetunion im gesamten Zeitraum 4,541 Mill, t Waren nach Deutschland, davon 0,146 Mill, t in den letzten vier Monaten des Jahres 1939, 3,033 Mill, t im Jahre 1940 und 1,362 Mill, t in den ersten fünf Monaten und drei Wochen des Jahres 1941. Die Hauptpositionen der Masse nach waren Gerste mit 968 0001, Grubenholz (props) mit 457 0001 und Holz zu Holzmasse für die Papierherstellung (pulp-wood) mit 404 0001.230 Gewiß vermitteln diese Mengenangaben allein kein ausreichendes Bild von der qualitativen Bedeutung der Warenlieferungen für die deutsche Kriegswirtschaft. Wichtiger in dieser Hinsicht sind etwa die 200 000 t Benzin, die ausschließlich im Jahre 1940 geliefert wurden, die 280 000 t fast ausschließlich 1941 gelieferten Erdölprodukte231 oder gar die quantitativ vergleichsweise geringen 165 0001232 zu zwei Dritteln im zweiten Halbjahr 1940 gelieferten Manganerze sowie die 23 000 t lediglich von September bis November 1940 gelieferten Chromerze233. Von letzteren hatte Deutschland 1938 insgesamt 176 0001, davon 60 0001 aus Südafrika und 53 0001 aus der Türkei, importiert, während an Manganerz insgesamt 426 0001 eingeführt worden waren, davon mehr als die Hälfte aus Südafrika, 48 000 t aus Brasilien und 61 0001 aus der Sowjetunion.234

228 BAP, AA 68759, Bl. 47 ff., „Deutsche Außenhandelsbilanz für das erste Halbjahr 1941". 229 Medlicott I, S. 667. - Die von Schwendemann, S. 372, Tab. 7, auf Grundlage von BÄK, R 2/17307 genannten Angaben der Reichsstellen liegen niedriger, weil dort Holz nicht einbezogen ist und die Lieferungen im Juni 1941 gar nicht erst enthalten sind. 230 Medlicott I, S. 667, von mir umgerechnet, Angaben in metric tons. 231 Nach der von Schwendemann, S. 374, Tab. 9b, verwendeten Quelle BÄK, R 3/1889 „Mineralöleinfuhr 1940-1942 nach Ländern und Sorten" wurden an Mineralöl 1940 ca. 607 000 t (= 32,5 Prozent der deutschen Gesamteinfuhr an Mineralöl) und 1941 ca. 268 000 t (= 10 Prozent) aus der UdSSR bezogen. 232 Nach den von Schwendemann, S. 375, Tab. 11, verwendeten Meldungen der zuständigen Reichsstelle (BÄK, R 2/17307) belief sich die Gesamtmenge 1940/41 auf ca. 185 0001. 233 Medlicott I, S. 667. - Ebenso die in Anm. 232 genannte Quelle. 234 Berechnet nach: Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1939/40, Tab. VII 11, S. 282.

450

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Wenn auch die Einschätzungen der Bedeutung der Sowjetunion als Transitland für die Überwindung der Auswirkungen der britischen Seeblockade innerhalb der deutschen Führung breit gefächert waren - Euphorie bei Hitler und Raeder, Nüchternheit bei Thomas, um nur Extreme zu nennen - , so steht doch fest, daß für Deutschland die Möglichkeit der Eisenbahnverbindung in den Fernen Osten und Teile des Mittleren Ostens einen Vorteil gegenüber der Situation im Ersten Weltkrieg verkörperte. Nachdem Ribbentrop und Molotov am 28. September 1939 in Moskau die Transitfrage grundsätzlich geregelt hatten, wurden am 8. Oktober 1939 iranische Lieferungen nach Deutschland vereinbart (22 500 t Baumwolle, etwa 6 0001 Wolle, 20 0001 Weizen, 10 0001 Gerste, 20 0001 Reis, 3 0001 Haare, für 3 Mill. RM Leder, für 1 Mill. RM Felle und für 25 Mill. RM Trockenfrüchte).235 Im Grunde genommen ging es dabei jedoch nur um die Fortführung des Handelsverkehrs der Vorkriegszeit.236 Vom September 1939 bis zum Mai 1941 gelangten insgesamt 108 0001 iranische Waren auf dem Bahnwege durch die UdSSR nach Deutschland.237 Es kam in diesem Zusammenhang auch zu Handelsvereinbarungen mit Afghanistan, die für dieses Land Absatzmöglichkeiten für seine Produkte offenhielten, die aber für die deutsche Kriegswirtschaft kaum von wesentlicher Bedeutung waren.238 Die deutsche Seite dürfte sich dafür hauptsächlich interessiert haben, um von diesem Nachbarland Britisch-Indiens aus Spionage- und Diversionstätigkeit betreiben zu können. Kriegswirtschaftlich wirklich interessant war der Eisenbahntransit durch die UdSSR für Deutschlands Warenverkehr mit dem Fernen Osten. Dabei war man sich in Berlin darüber im klaren, daß die früheren Handelsbeziehungen zum dort erstrangigen Handelspartner China großenteils durch die japanische Invasion zerstört worden waren.239 Um so mehr interessierte sich die deutsche Kriegswirtschaft für das offiziell verbündete Japan, das von diesem aus Landesteilen Chinas gebildete sogenannte Kaiserreich Mandschukuo sowie pazifische Gebiete im faktischen oder angestrebten Herrschafts- oder zumindest Einflußbereich Japans, darunter Französisch-Indochina und Niederländisch-Indien. Dabei übersah man wohl in Berlin zunächst die Tatsache, daß der japanische Imperialismus seine eigenen Expansions- und Herrschaftsziele verfolgte und daher auf längere Sicht Rivale des deutschen war. Die gegensätzlichen globalen Fernziele der beiden Verbündeten wirkten sich aber schon damals in ihren Außenhandelsbeziehungen aus.240 Mögen die klimatischen Verhältnisse an der transsibirischen Eisenbahn und auch bestimmte Eingriffe sowjetischer Stellen gelegentlich hinderlich gewesen sein, so dürften doch die eben angedeuteten interimperialistischen Widersprüche der Hauptgrund gewesen sein, 235 BAP, AA 68762, Bl. 26-32, „Aufzeichnungen über Verhandlungen des Verfassers in Teheran", o. Vf. (wohl Clodius), 28.10.1939; dabei Bl. 30, Vertrauliches Protokoll v. 8.10.1939. 236 BAP, AA 68722, Bl. 112-118, Deutsch-iranisches Wirtschaftsabkommen v. 8.10.1939; Wohlthat an UStS Bader 20.10.1935 (Notizen zu älteren Abkommen). 237 Medlicott I, S. 671. 238 Vom Januar 1940 bis zum Mai 1941 gelangten insgesamt 2 4301, fast ausschließlich Baumwolle, Wolle und getrocknete Früchte, aus Afghanistan über die UdSSR nach Deutschland (ebenda, S. 670). 239 BAP, AA 68971/6, Bl. 2 u. 4, Aufzeichnungen o. Vf. o. D. (vermutlich zwischen Februar und Juni 1941). 240 Vgl. dazu Puchen, Außenhandel, S. 380 f.

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weshalb der Warenaustausch zwischen den Herrschafts- bzw. Interessengebieten Deutschlands und Japans vom Herbst 1939 bis zum Frühsommer 1941 sich recht zähflüssig entfaltete. Hatte der Gütertransit aus Japan, Mandschukuo und China durch die Sowjetunion nach Deutschland im ganzen Jahr 1940 nur 166 000 t erreicht, so belief er sich in den ersten fünf Monaten des Jahres 1941 auf 212 0001.24' Diese Lieferungen verteilten sich auf eine Vielzahl von Warenarten. Angesichts des absoluten Defizits an bestimmten Legierungsmetallen waren für die deutsche Kriegswirtschaft auch geringe Mengen davon bedeutungsvoll. Ausschließlich im Jahre 1940 kamen aus dem Fernen Osten 260 t Antimonerz und 175 t Manganerz (bei einer deutschen Gesamteinfuhr von 156 0001 Manganerz im Jahre 1940242), ausschließlich 1941 ganze 22 t Nickel, ferner 24 t Antimon (Metall) im Jahre 1940 und weitere 18 t davon im Jahre 1941. Die auf diesem Wege gelieferte Gummimenge erhöhte sich von 3 1991 im Jahre 1940 auf 12 236 t im Januar-Mai 1941. Die weitaus am meisten ins Gewicht fallenden Lieferungen bestanden aus Soja- und japanischen Bohnen (1940 = 58 477 t; 1941 = 109 402 t), Walöl (1940 = 44 957 t; 1941 = 33 157 t) und Fischöl (1940 = 11 756 t; 1941 = 13 005 t). Obwohl die japanische Regierung darauf bestand, daß Mandschukuo vorrangig Japans Bedarf an Ölfrüchten zu decken hätte, handelte es sich bei den Sojabohnenlieferungen nach Deutschland, die übrigens durch einen deutschen „Überbrückungskredit zur Industrialisierung" der Mandschurei schon 1938 gewissermaßen vorausbezahlt waren243, um so nennenswerte Mengen, daß in einer Aufzeichnung, die 1941 im Auswärtigen Amt entstand, wohl etwas übertreibend erklärt wurde, dank diesen Lieferungen - dort allerdings höher als in den hier wiedergegebenen Transitzahlen veranschlagt - sei es „gelungen ..., die für uns besonders schwierige Fettlücke zu schließen".244 Wenn man Görings Vertrautem Helmuth Wohlthat im ersten Halbjahr 1941 eine „neue wichtige Sondermission" übertrug und ihn zu Verhandlungen nach Japan schickte, so nicht nur, um den Warenaustausch „ausschließlich kriegswichtige(r) Güter für beide Länder" auf höherem Niveau vertraglich abzusichern, sondern vor allem, um der Tendenz der japanischen Seite entgegenzuwirken, bereits zu diesem Zeitpunkt den gesamten Handel des Fernen Ostens mit Europa von Tokio aus zu steuern („den Handel im Yen-Block unter seiner unmittelbaren Leitung zu monopolisieren"245) und damit die angestrebte Nachkriegsordnung in Ostasien vorwegzunehmen, ohne daß Hitlerdeutschland, noch mit dem Krieg in Europa beschäftigt, bereits entscheidend im Sinne der eigenen Weltherrschaftsvorstellungen mitreden konnte.

g) Vichy-Frankreich und seine überseeischen Besitzungen Der deutsche Warenaustausch mit Frankreich nach dessen militärischer Niederschlagung bedarf einer differenzierten Betrachtung. Für die den deutschen Militärbefehlshabern in Paris und in Brüssel unterstellten Landesteile Frankreichs könnten wir uns auf unseren Vorsatz, 241 242 243 244 245

Medlicott I, S. 669 f.; dort auch die folgenden Detailangaben. Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1941/42, Tab. VII 11, S. 301. BAP, AA 68971/6, Bl. 4 (wie Anm. 239). Ebenda, Bl. 2. Ebenda, Bl. 5 f.

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unter Okkupationsregime gestellte Gebiete nicht als Außenhandelspartner zu betrachten, berufen. Doch den in der hier interessierenden Kriegsphase von Mitte 1940 bis Mitte 1941 unbesetzten Teil Frankreichs dürfen wir nicht auslassen, obwohl er vielfältiger Kontrolle durch militärische und zivile deutsche Stellen unterlag.246 Pétains „Etat Français" wurde insbesondere durch die USA, aber praktisch in gewissem Grade auch durch Großbritannien wie ein souveräner oder wenigstens als ein nicht völlig seiner Souveränität beraubter Staat behandelt, was intern einerseits mit humanitärer Rücksichtnahme auf die Bevölkerung, andererseits mit der Hoffnung, Diversionsmöglichkeiten im deutschen Herrschaftsraum erschließen zu können, motiviert wurde. Von deutscher Seite war schlau kalkuliert worden, daß sich durch die Nichtokkupation eines militärstrategisch und wirtschaftlich nicht vordringlich benötigten Teiles des französischen Mutterlandes und die Zulassung der Bildung einer kollaborationsbereiten Regierung die Chance bot, die Wirtschaftsressourcen nicht nur Südfrankreichs, sondern auch wenigstens eines Teils des französischen Kolonialreichs nutzen zu können. Dieses Kalkül ging in der hier behandelten Kriegsphase und noch einige Zeit darüber hinaus weithin auf. Zwar erweiterte die britische Regierung im Juli 1940 die Seeblockade auf das gesamte deutsche Herrschaftsgebiet in Europa einschließlich Französisch-Nordafrikas, doch ließ die Royal Navy einzeln fahrende französische Schiffe sowie Geleitzüge, die manchmal von französischen Kriegsschiffen, oft lediglich einer schwachbewaffneten Schaluppe, begleitet wurden, meistens unbehelligt die zur Sperrung bestgeeignete Straße von Gibraltar passieren. Die Aufrechterhaltung diplomatischer Beziehungen zwischen Washington und Vichy und amerikanische diplomatische Interventionen in London gegen entschiedene Wirtschaftskriegsmaßnahmen in bezug auf den Warenverkehr zwischen französischen Besitzungen in Nord- und Westafrika, zum Teil auch anderen überseeischen Ländern, und Vichy-Frankreich machten es möglich, daß nicht geringe Mengen diverser Rohstoffe über den Hafen Marseille (in London war „Marseilles Leak" ein geflügeltes Wort) der deutschen Kriegsindustrie zugeführt wurden.247 Die deutschen Wirtschaftspolitiker und Industriellen waren gewitzt genug, französische Handelsfirmen und Regierungspolitiker an diesen Geschäften mitprofitieren zu lassen. Seinerzeit entstand in der französischen Sprache das Wort „collabo", das nach 1945 gern vergessen wurde. Nach gewiß unvollständigen Angaben gelangten bis zum 30. Juni 1941 aus dem sich zur Vichy-Regierung bekennenden Teil der französischen Außenbesitzungen folgende Warenmengen über Frankreich nach Deutschland: 81 3901 Düngerphosphate, 29 9741 Ouenza-Eisenerze, 7 221 t Erdnußöl, 327 t Palmkernöl, 2 688 t Erdnußkuchen, 1 789 t Erdnußschrot, 1 000 t Kakao, 1 029 t Bananen, 1 400 t Quebrachoextrakt. Es waren jedoch erheblich mehr Waren über die Meere nach Südfrankreich herangeschafft worden, deren Weitertransport nach Deutschland sich durch den Mangel an Eisenbahnwaggons - gewiß nicht zuletzt wegen des Riesenbedarfs für den Aufmarsch der Wehrmacht zum Überfall auf

246 Bezüglich des Waren- und Zahlungsverkehrs mit anderen Ländern, auch mit dem besetzten Teil Frankreichs, siehe: BÄK, R 7/2257, Bericht o. Vf. o. D., Abschn. „Auswärtiger Waren- und Zahlungsverkehr"; BÄK, R 7/2281, „Tätigkeitsbericht der Deutschen Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft Paris-Wiesbaden für die Zeit vom Juli bis Dezember 1940", S. 31 f. 247 Vgl. Medlicott I, S. 423,453 ff., 558-568, 578 ff.

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die UdSSR - verzögerte, u. a. 12 258 t Erdnüsse, 4 2001 Palmkernöl, 11 0001 Erdnußkuchen und -schrot, 6 5001 Kakao.248 Die indochinesische Gesamtproduktion von 68 000 t Kautschuk sollte 1941 wie folgt aufgeteilt werden: 25 000 t an Deutschland, 15 000 t an Japan, 18 000 t an Frankreich, das verpflichtet war, 75 Prozent der auf 40 Prozent der Vorkriegserzeugung herabgesetzten Reifenproduktion nach Deutschland zu liefern, und ferner 10 000 t an sonstige Länder, in erster Linie an die USA, deren Lieferverträge aus der Vorkriegszeit respektiert werden sollten. Deutschland sollte 14 000 t bereits im ersten Halbjahr 1941 erhalten. Obwohl insgesamt schon 17 6301 in Indochina verschifft worden waren, trafen bis zum Juni 1941 nur 2 2001 in Deutschland und weitere 2 000 t in Frankreich ein.249 Neben der allgemeinen Kriegslage trugen zur Verzögerung auch die damaligen Annexionsbestrebungen Japans gegenüber Französisch-Indochina sowie französische Reaktionen auf die Weigerung der deutschen Verhandlungsdelegation bei, die „Gefälligkeit" des Pétain-Regimes mit dringend benötigten großen Kohlenlieferungen nach Südfrankreich und den französischen Kolonien zu honorieren. Im großen und ganzen blieben die Kohlenlieferungen auf die in Südfrankreich für die Aluminiumproduktion und die Sodaerzeugung benötigten Mengen sowie auf etwas Bunkerkohle beschränkt, d. h. sie sollten direkt von der deutschen Kriegswirtschaft bestimmten Zwecken dienen.250 Die amtliche deutsche Statistik wies für 1940 (mit Sicherheit erst nach dem Juni) für 224 Mill. RM Importe aus „Frankreich", dagegen nur für 13 Mill. RM Exporte dorthin251 und für das erste Halbjahr 1941 für 310 Mill. RM Importe und für 102 Mill. RM Exporte aus.252 Unter allen notwendigen Vorbehalten bedeutete das, daß „Frankreich" im Jahre 1940 an neunter Stelle im deutschen Import, an 27. Stelle im deutschen Export, im ersten Halbjahr 1941 dann an zweiter Stelle im deutschen Import und an 14. Stelle im deutschen Export stand.

h) Schweiz Mit der Niederlage Frankreichs und dem Kriegseintritt Italiens war die Schweiz vollständig von Territorien der einen kriegführenden Seite umgeben. Trotzdem entschied die britische Regierung nach heftigen Diskussionen zwischen dem Wirtschaftskriegsministerium und dem Foreign Office, die Ende Juli 1940 verschärften Blockadebestimmungen gegen vom Feind kontrollierte Gebiete nicht auf die Schweiz anzuwenden, mehr noch, ihr gewisse „economic assistance" zu gewähren, falls die Schweiz um die Wahrung ihrer Neutralität, um „einen gewissen Grad Unabhängigkeit von der Kontrolle durch die Achsenmächte" bemüht bliebe.253 Der Hauptgrund für Londons Kompromißbereitschaft war zweifellos der Wunsch, die-

248 BÄK, R 7/2283, 2. Tätigkeitsbericht der Deutschen Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft, S. 45 f. 249 Ebenda, S. 42 f. 250 Ebenda, S. 47. 251 Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1941/42, Tab. VII 12, S. 321. 252 Wie Anm. 150. 253 Medlicott II, S. 207.

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ses Land als internationales Finanzzentrum und zugleich Spionageschaltwerk existent zu halten. An beidem war auch Berlin interessiert. Trotz Frankreichs Ausscheiden wurde das englisch-französisch-schweizerische Kriegshandelsabkommen vom 25. April nicht außer Kraft gesetzt, durch das die Schweiz von quantitativen Restriktionen ihrer Einfuhr, wie sie anderen Neutralen auferlegt worden waren, frei blieb, lediglich gegen die schweizerische Garantie, die importierten Waren nicht „en état" (d. h. im gleichen Zustand, in dem sie importiert worden waren) ihrerseits zu exportieren. Ihren Export in verarbeitetem Zustand wollten die Westmächte also dulden, abgesehen von der Limitierung der Exporte bestimmter Klassen von Fertigprodukten an den Feind.254 Natürlich erschien die grundsätzliche Beibehaltung dieses Abkommens mit der deutsch-italienischen Okkupation bzw. Kontrolle Frankreichs unrealistisch, und zunächst kam auch keine Ware aus Übersee in der Schweiz an. Es gab aber ein gemeinsames Interesse Englands und der Schweiz an der Fortsetzung wenigstens eines Teils der früheren Industriewarenexporte nach England und in dessen Empire. Da die deutsche Kriegswirtschaft Produkte aus der Schweiz beziehen wollte, war sie indirekt ebenfalls an einem derartigen Kompromiß interessiert. Dadurch erklärt sich auch, daß deutscherseits ab 1. September 1940 ein Geleitscheinsystem galt, durch das gewisse schweizerische Exportgüter von Fall zu Fall seitens der deutschen Gesandtschaft in Bern zum Transit durch Deutschland oder Frankreich auch in Richtung England zugelassen werden konnten.255 Bis die britische Entscheidung, wieder Lieferungen aus Übersee in Richtung Schweiz durchzulassen, grundsätzlich fiel und während sie dann mit Verzögerung zur dosierten praktischen Anwendung kam, wurde verhandelt, wobei die britische Seite die schweizerischen Unterhändler nicht leicht unter Druck setzen konnte, weil die Schweiz vor Kriegsbeginn bereits größere Lagervorräte einiger Rohstoffe angelegt hatte.256 Gegenüber der deutschen Seite war die schweizerische Verhandlungsposition jetzt schwieriger. In der verkehrsgeographischen Insellage, in der sich die Schweiz seit dem Juni 1940 befand, war die Existenz wichtiger Zweige ihrer Industrie gefährdet, und damit drohte Massenarbeitslosigkeit. Von den 1939 getätigten Waffen- und Munitionsexporten der Schweiz im Werte von 64 Mill. Franken waren allein für 40 Mill, nach Frankreich und für 2 Mill, nach England gegangen, und in den ersten Monaten des Jahres 1940, als es noch möglich war, wurde dorthin für 26 bzw. 21 Mill. Franken geliefert.257 Die Palette der schweizerischen Exportprodukte war jedoch viel breiter und wies beileibe nicht nur Kriegswichtiges auf. Dafür mußte nun um Aufträge aus Deutschland und dessen Okkupationsgebieten geworben werden. Die Fortsetzung der Industrieproduktion der Schweiz hing zugleich davon ab, daß kontinuierlich Kohle aus Deutschland geliefert wurde. In dieser Situation sah sich die Schweiz genötigt, am 9. August 1940 erstmals Deutschland einen für die Zeit bis Ende Juni 1941 bestimmten Clearing-Kredit von 150 Mill. Franken mit Bundes-Transfergarantie zu gewähren, d. h. einen Kredit, der - anders als der sog. Kohlenkredit von 1917 - nicht in freien Devisen zur beliebigen Verwendung zur Verfügung gestellt 254 255 256 257

Ebenda. Medlicott I, S. 588. Ebenda, S. 586. Ebenda, S. 588.

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wurde, sondern ausschließlich zu Warenkäufen (und anderen Zahlungen) in der Schweiz verwendet werden konnte. Heinrich Homberger schreibt ihm den Charakter eines Arbeitsbeschaffungskredits zu258, zumal die Konditionen so gefaßt waren, daß auch Hersteller von nichtkriegswichtigen, sogar von als Luxusgüter klassifizierten Erzeugnissen bei der Auftragsvergabe Berücksichtigung fanden. „Mit der Institution des Clearing-Kredites ... ließ sich auch die Kohlenversorgung der Schweiz wenigstens bis zum Jahresende sichern."259 In dieser Feststellung Hombergers, der Direktor des Vororts (Vorstandes) des Schweizerischen Handels- und Industrievereins und in dieser Eigenschaft Mitglied der vom Bundesrat, d. h. der Regierung der Schweiz, ernannten „Ständigen Verhandlungsdelegation" war, klingt an, daß die Position der Schweiz in dieser Kriegsphase, als in Berlin Vorstellungen über die „Neuordnung Europas" und die Schaffung eines Großwirtschaftsraumes unter deutscher Führung Hochkonjunktur hatten, merklich schwächer als in der ersten Kriegsphase war. Obwohl immer mehr Industriebetriebe Aufträge aus Deutschland, darunter auch für Rüstungsgüter, hereinnahmen, wurde die Schweiz mit den nötigen Kohlen- und Eisenlieferungen bewußt hinter andere Länder zurückgesetzt.260 Bezeichnend für die damaligen Beziehungen ist der Inhalt des am 7. Februar 1941 in Bern unterzeichneten deutsch-schweizerischen Protokolls. Darin gewährte die Schweiz einen weiteren Vorschußkredit in Höhe von 317 Mill. Franken für deutsche Heeresbestellungen.261 Als Gegenleistung für die „erheblichen" Lieferungen „wichtigsten Kriegsmaterials" wurde der Schweiz die „Aufrechterhaltung der deutschen Kohlenlieferungen im bisherigen Umfang für die Monate Januar bis April 1941 einschließlich (ca. 145 000 to monatlich) zugesagt". Eine Zusage für längere Frist und für die erbetene größere Menge wurde verweigert. In einem internen Kommentar dazu wurde mitgeteilt, daß die Schweiz nach wie vor zwei Drittel ihrer Aluminiumproduktion nach Deutschland liefere, sofern weiterhin Tonerde aus Italien und Frankreich angeliefert werde. Interessant an diesen Verhandlungen Anfang des Jahres 1941 ist ferner, daß der chemischen Industrie der Schweiz jetzt die Ausfuhr von Anilinfarben und bestimmten Textilhilfsstoffen nach Ägypten, Britisch-Indien, Niederländisch-Indien, Australien, Neuseeland und Kanada deutscherseits genehmigt wurde. Der Grund dafür: Es sollte verhindert werden, daß Konkurrenten aus den USA diese in Friedenszeiten vielfach mit deutschen Waren belieferten Märkte an sich rissen. Dafür mußte sich die schweizerische Regierung bereit erklären, „auf die schweizerische Farbenindustrie einzuwirken, daß sie mit der deutschen Industrie Preisverständigungen trifft" (für den Absatz in europäischen Ländern). Ähnlich wurde auch Druck auf die Kunstseidenindustrie der Schweiz ausgeübt.262 258 259 260 261

Homberger, S. 49. Ebenda. BAP, AA 68763, Bl. 30, Sabath an div. Reichsministerien, OKW u. a„ 21.2.1941. Ebenda, Bl. 29. - Laut Homberger, S. 62, erklärte sich die Schweiz bereit, „zur Erleichterung der Plazierung deutscher Aufträge und der damit verbundenen Anzahlungen einen neuen ClearingKredit von 165 Mio Franken zu gewähren". 262 BAP, AA 68763, Bl. 29-32R, Sabath an div. Reichsministerien, OKW u. a„ 21.2.1941, Mitteilung über Wortlaute bzw. Inhalt des am 7.2.1941 in Bem unterzeichneten deutsch-schweizerischen Protokolls über die Gewährung eines weiteren Vorschuß-Kredits von 317 Mill, sfr für deutsche Heeresbestellungen sowie von Zusatzprotokollen.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Nach der amtlichen deutschen Statistik nahm die Schweiz 1940 mit 166 Mill. RM den 13. Platz in der deutschen Einfuhr und mit 273 Mill. RM den achten Platz in der deutschen Ausfuhr ein.263 In der schon mehrfach verwendeten, ebenfalls souveräne und okkupierte Länder gleichermaßen einbeziehenden internen statistischen Zusammenstellung besetzte die Schweiz im ersten Halbjahr 1941 mit 126 Mill. RM den elften Platz in der deutschen Einfuhr und mit 188 Mill. RM den achten Platz in der deutschen Ausfuhr.264 Im Jahre 1938 hatte sie auf dem 18. bzw. dem siebenten Platz gestanden.265

4. Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943 a)

Allgemeines

Die Phase vom Sommer 1941 bis zum Sommer 1943 (Mussolinis Sturz) ist bezüglich des deutschen Außenhandels dadurch gekennzeichnet, daß die Zahl der echten Außenhandelspartner in Europa infolge militärischer Okkupation weiterer Länder geringer wurde und daß die Verbindung zu den verbliebenen außereuropäischen Partnern infolge des Wegfalls der Transitmöglichkeiten über sowjetisches Territorium sowie durch die zunehmende Ausschaltung von Transitmöglichkeiten über Westeuropa sich immer weniger aufrechterhalten ließ. Zugleich gab es im Herbst 1941 von den beteiligten Ministerien mit unterschiedlicher Intensität genährte Bestrebungen, Unternehmer der verbündeten, okkupierten266 und neutralen Länder Südost-, West- und Nordeuropas an der vorgesehenen recht eigenartigen Rekapitalisierung267 der okkupierten Gebiete der Sowjetunion zu beteiligen, offiziell als „Heranziehung der europäischen Staaten zur wirtschaftlichen Erschließung der besetzten russischen Gebiete" bezeichnet.268 Am meisten Resonanz fand man damit in den Niederlanden und bei der in dieser Frage sehr kollaborationsbereiten Regierung Dänemarks.269 Schweden war zwar an einer Regelung für seine früheren Kapitalbeteiligungen in den 1940 der UdSSR eingegliederten baltischen Republiken interessiert, offenbar aber nicht an weiterem Engagement in einer europäischen Großraumwirtschaft unter deutscher Führung. Die Schweiz bekundete kein Interesse an einem wirtschaftlichen Engagement in den okkupierten Gebieten der UdSSR, welches deutscherseits auch nicht erwünscht war. Rumänien und Finnland hielt man in Berlin für genügend mit dem Verdauen der ihnen zugebilligten eroberten Gebietsteile be263 264 265 266

Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1941/42, Tab. VII 12, S. 321. Wie Anm. 150. Statistisches Jahrbuch f. d. Deutsche Reich 1939/40, Tab. VII 12, S. 293. Eichholtz, Dietrich, Wirtschaftskollaboration und „Ostgesellschaften" in NS-besetzten Ländern (1941-1944). In: Europa unterm Hakenkreuz: Okkupation und Kollaboration (1938-1945), Berlin/Heidelberg 1994, S. 433-459. In diesem Bd. s. Kap. IV Abschn. 1. 267 Sie sollten Produktionsstätten betreiben, in diese investieren, sie aber nicht als Privateigentum erwerben können. 268 BAP, AA 68701, Bl. 4-19, Clodius, „Denkschrift über den gegenwärtigen Stand der Vorbereitungen zur Heranziehung der europäischen Staaten zur wirtschaftlichen Erschließung der besetzten russischen Gebiete" für den RAM, den Staatssekretär u. a. leitende Beamte des AA, 21.11.1941. 269 Siehe Kap. IV, Abschn. 1.

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schäftigt. Bulgarien sollte wegen der traditionell großen Sympathien des bulgarischen zum russischen Volk gar nicht erst in Betracht gezogen werden.270 Insgesamt hegte man in Berlin im November 1941, als man noch an einen baldigen Zusammenbruch der Sowjetunion glaubte, wohl keine sonderlich großen Erwartungen, daß Unternehmer anderer europäischer Länder sich zu den angebotenen Bedingungen an der Ausbeutung der Ressourcen in den okkupierten sowjetischen Gebieten in nennenswertem Maße würden beteiligen wollen. Diese Bedingungen waren eigentlich sogar ein recht deutlicher Fingerzeig für kollaborationsbereite Ausländer, daß die Beute möglichst ungeteilt in deutschen Händen verbleiben sollte. „Die tatsächliche Heranziehung der Wirtschaft dieser Staaten hat sich bisher auf den Einsatz einer Anzahl von Fachleuten, so insbesondere holländische Landwirte, in den besetzten Ostgebieten beschränkt", resümierte Wiehl im Januar 1942.271

b) Italien Statistisch gesehen blieb Italien Deutschlands wichtigster Handelspartner. Das ergab sich allerdings hauptsächlich daraus, daß das faschistische Italien überhaupt nicht auf die zeitgemäßen wirtschaftlichen Anforderungen eines Krieges vorbereitet war. Wollte Hitler die Südflanke nicht preisgeben, so mußte er Mussolini mit Truppen (Deutsches Afrika-Korps), vor allem aber mit Waffen, Munition und sonstigem Militärgerät unterstützen. Angesichts der Lage und des Materialbedarfs an allen Fronten kann man die italienischen Gegenlieferungen schwerlich als adäquat ansehen, weder quantitativ noch qualitativ. Am 31. März 1943 wurde in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farbenindustrie AG eine ausführliche Studie „Die Mengen- und Preisentwicklung im deutsch-italienischen Außenhandel seit 1939" (Vowi 4807) fertiggestellt. Im folgenden sei die allgemeine Charakterisierung des gegenseitigen Warenaustauschs im Wortlaut wiedergegeben: „Nach seiner Warenzusammensetzung entsprach und entspricht der deutsch-italienische Außenhandel den durch Klima, Bodenschätze und Grad der Industrialisierung bedingten Verschiedenheiten beider Länder. Die deutsche Einfuhr aus Italien ... bestand in erster Linie aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen, nämlich Nahrungsmitteln: Obst, Südfrüchten, feinem Gemüse (Blumenkohl, Tomaten, Salat u. a. m.), Wein, Kartoffeln, Reis, und Textilrohstoffen wie Hanf und Seide. Die Bezüge an Quecksilber und Schwefel traten im Vergleich zu den genannten Waren zurück, aber sie bildeten den Löwenanteil der gesamten deutschen Einfuhr an diesen beiden Rohstoffen. An Halb- und Fertigwaren fielen nur Kunstseide und seidene und kunstseidene Gewebe ins Gewicht. Die Ausfuhr Deutschlands nach Italien ... enthielt nahezu ausschließlich Rohstoffe und Erzeugnisse der Industrie. Den alles andere weit überragenden Einzelposten bildeten Steinkohlen. Überwiegend wurden aber Fertigwaren ausgeführt: Maschinen für die verschiedensten Verwendungszwecke, Eisenwaren, Stab- und Formeisen, pharmazeutische Erzeugnisse, chemische Erzeugnisse. 270 Wie Anm. 268, Bl. 10,13 f. 271 Β AP, AA 68766, Bl. 42, Wiehl an die deutschen diplomatischen Missionen in Rom, Budapest, Sofia, Bern, Bukarest, Agram, Preßburg, Stockholm, Kopenhagen, Helsinki u. Brüssel, 13.1.1942.

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Die Handelsbilanz Deutschlands mit Italien Schloß in den letzten zehn Jahren vor dem Kriege Jahr für Jahr mit einem Aktivsaldo zugunsten Deutschlands.... Der Krieg hat die charakteristischen Züge des deutsch-italienischen Außenhandels nicht geändert, sondern nur noch schärfer ausgeprägt, denn unter dem Zwang der Blockade mußten die gegenseitigen zahlreichen Ergänzungsmöglichkeiten beider Volkswirtschaften so vollkommen wie möglich ausgeschöpft werden. Das gilt natürlich in ganz besonderem Maße für die Rüstungsproduktion, auf die die außerordentliche Zunahme der deutschen Lieferungen von Eisenhalbzeug nach Italien zurückzuführen sein dürfte. Von 1939 nach 1940 verdoppelte sich der Wert der deutschen Ausfuhr nach Italien, die Einfuhr von dort nahm um knapp 80 v. H. zu. Der deutsche Aktivsaldo verdreifachte sich und war größer, als es in den meisten Jahren vor dem Kriege die gesamte Einfuhr aus Italien gewesen war. Auf eine ähnlich starke Steigerung von Ein- und Ausfuhr 1941 gegenüber 1940 folgte 1942 nurmehr eine schwache Zunahme." 272 Nach komplizierten Berechnungen auf Grund unzureichender statistischer Angaben, deren Ergebnisse der Verfasser der zitierten Studie selbst mit starken Vorbehalten versieht, gelangte er zu folgenden Schlußfolgerungen: „Von den wichtigsten aus Italien bezogenen Waren erhielt Deutschland also 1942 nur 20 v. H. mehr als 1939, lieferte dagegen seinerseits von den wichtigsten Ausfuhrwaren im selben Jahr weit über die doppelte Menge nach Italien. Italien lieferte das wenige zum zweieinhalbfachen Preis, den es besonders im Jahre 1942 stark erhöht hatte; Deutschland lieferte zum nicht ganz verdoppelten Preis, der seit dem Jahre 1941 praktisch unverändert gehalten worden war. Setzt man diejenigen Einfuhrwaren, die 1941 die größten Posten bildeten, und die Steinkohlen als wichtigste Ausfuhrware zueinander in Beziehung dergestalt, daß man die Durchschnittswerte dieser Waren in Steinkohlen umrechnet, so ergibt sich, daß Deutschland bei der Mehrzahl dieser Einfuhrwaren seit 1939 erheblich mehr für sie in Steinkohlen aufwenden mußte als damals. Kaufkraft der wichtigsten Einfuhrwaren gegen Steinkohlen. Tonnen Steinkohlen [je Tonne Einfuhrware]

Rohseide Hanf Kartoffeln Äpfel Zitronen Apfelsinen Mandeln Blumenkohl

1939

1940

1941

1942

118,1 6,3 0,8 1,3 1,5 1,5 10,4 1,1

114,5 5,1 0,7 1,2 0,9 0,9 6,3 0,7

119,9 7,4 0,8 1,6 1,0 1,3 5,8 0,9

174,4 7,7 0,7 1,8 1,3 1,7 13,2 1,6

272 BAP, AA 67863, Bl. 286, Vowi-Bericht 4807 „Die Mengen- und Preisentwicklung im deutschitalienischen Außenhandel seit 1939" v. 31.3.1943.

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Die Rückgänge bei Kartoffeln und Zitronen, die besagen, daß beide gegenüber Steinkohlen billiger geworden sind, sind vielleicht die Folge der Abschnürung Italiens von seinen übrigen Exportmärkten, wenn es sich überhaupt um echte Preisrückgänge handelt. Es wäre grundsätzlich untersuchenswert, inwieweit Italien heute auf Deutschland als Abnehmer von unverkäuflich gewordenen Exportüberschüssen angewiesen ist. Umgekehrt ist das bestimmt nicht der Fall, denn Deutschland verfügt weder über überschüssige Kohle noch Eisen noch irgendwelche Waren, für deren Herstellung beide neben sonstigen Rohstoffen gebraucht werden." 273 Die eigenartige Verquickung von kriegsbedingter wechselseitiger Abhängigkeit zwischen den wirtschaftlich wie militärisch ungleich starken Bündnisgenossen Deutschland und Italien einerseits und ihrer Rivalität untereinander andererseits kam auch in Fragen der wirtschaftlichen Ausnutzung dritter Länder ihres aktuellen oder vermeintlich künftigen Herrschaftsraumes zum Ausdruck. Aus dem gemeinsam okkupierten Griechenland pumpten sowohl Deutschland als auch Italien, dem Hitler die „preponderanza" als Besatzungsmacht zubilligte, horrende Besatzungskosten heraus. Die Forderungen überstiegen das Vierfache der für 1941 veranschlagten griechischen Staatseinnahmen274. Aufgrund der wiederholten Memoranden des Finanzministers der unter dem Okkupationsregime amtierenden griechischen Regierung, Satirius Gotsamanis, sah man sich aber genötigt, die Belastung der griechischen Finanzen zu mildern, um nicht selbst die Ausnutzbarkeit des Landes für militärische und kriegswirtschaftliche Zwecke vollends zu untergraben.275 Dem von Hitler Mitte Oktober 1942 zum „Sonderbeauftragten für wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland" ernannten Hermann Neubacher, dem italienischerseits der Bankier d'Agostino gleichberechtigt zur Seite gestellt wurde, gelang es - nicht einmal pro forma die griechische „Regierung" beachtend - durch diktatorische Eingriffe personeller, materieller und finanzieller Art, auch gegenüber Wehrmacht- und anderen Dienststellen der Okkupanten, vorübergehend eine Abschwächung der Inflation und durch Organisierung von Nahrungsmittelzufuhren aus anderen südosteuropäischen Staaten und durch ein Verbot der Ausfuhr griechischer Grundnahrungsmittel sowie ihres Aufkaufs durch Besatzungstruppen und -dienststeilen eine gewisse Besserung der Lebensmittelversorgung der griechischen Bevölkerung zu erreichen.276 Während die vor dem Kriege großenteils nach Deutschland exportierte griechische Tabakproduktion Thrakiens und Mazedoniens östlich des Strymon, wo Bulgarien seit Mitte April 1941 nicht nur militärische Besatzungsfunktionen ausübte, sondern faktisch die Annexion betrieb277, nun als bulgarische Ausfuhr nach Deutschland gelangte, spielte sich um kriegs273 Ebenda, S. 289 f. 274 BAP, AA 68721, Bl. 10, Memorandum des griechischen Finanzministers Gotsamanis an den Bevollmächtigten des Deutschen Reiches, Gesandten Altenburg, Athen 10.10.1941. 275 Ebenda, z. B. Bl. 102 ff., Bericht Altenburg, Athen 25.9.1941, und Bl. 108-119, Stellungnahme des Wirtschaftsstabes beim Bevollmächtigten des Deutschen Reiches für Griechenland zum Memorandum über Griechenlands volks- und staatswirtschaftliche Lage, Athen 25.9.1941. 276 Vgl. dazu Fleischer, Hagen, Im Kreuzschatten der Mächte. Griechenland 1941-1944, Frankfurt a. M./Bem/New York 1986, S. 174 ff. 277 Ebenda, S. 67 ff.

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wirtschaftlich wichtige Erzeugnisse der italienisch besetzten Zone (fast alle Gebiete westlich und südlich des Olymp, zahlreiche Inseln im Ägäischen Meer sowie der östliche Teil von Kreta) von Anfang an bis zum Zusammenbruch des Mussolini-Regimes ein ständiges Ringen zwischen den beiden Achsenmächten ab. Immerhin konnte die deutsche Seite die Forderungen des italienischen Außenhandelskommissars, Italien an der Ausbeutung der gleich nach dem Einmarsch von deutschen Unternehmen aufgekauften, gepachteten oder auf andere Weise in Besitz genommenen griechischen Erzgruben zu beteiligen - obwohl es in Friedenszeiten, im Unterschied zu Deutschland, kaum Erze aus Griechenland bezogen hatte 278 -, wohl relativ leicht durch dilatorische Behandlung abwehren. Dagegen war die italienische Forderung nach Übergabe von 60 Prozent der griechischen Seidenkokonernte des Jahres 1941 (zum Vergleich: 1939 hatte Frankreich 63 Prozent, Deutschland 35 Prozent und Italien lediglich zwei Prozent gekauft) durch die Warnung untermauert, Italien könne sonst die von der deutschen Luftwaffe bestellten Vorprodukte für Fallschirme nicht liefern. (Kurz zuvor hatte die italienische Regierung dafür bereits einen Lieferstopp verhängt, um zusätzliche Kohlelieferungen aus Deutschland zu erzwingen.) Um die fast hundertprozentige Abhängigkeit seiner Luftwaffe von Italien auf diesem Gebiet zu überwinden, sorgte Göring daraufhin dafür, daß in Rumänien, Bulgarien und Serbien verstärkt Seidenkokons erzeugt wurden, deren Lieferungen an die deutsche Luftwaffe auf die Dauer von 15 Jahren vertraglich zugesichert werden mußte. Von den deutschen Verhandlungsführern verlangte Göring, die italienischen Ansprüche zurückzuweisen, die griechische Kokonernte vollständig für die deutsche Luftwaffe zu erwerben, und griechische Geschäftskreise an den Veredlungsarbeiten zu beteiligen, um auch auf diese Weise italienische Aufkäufer von Rohware aus dem Felde zu schlagen.279 Der Ausgang dieses Streits zwischen den Bundesgenossen hat sich nicht ermitteln lassen. Im August 1942, als sich Mussolini wie auch Hitler erneut im Siegesrausch befanden und in Italien öffentlich Pläne für die Ausgestaltung des „italienischen Lebensraumes" geschmiedet wurden, war die italienische Regierung bemüht, mit der deutschen Regierung eine verbindliche Regelung für die Ausübung der Herrschaft über Ägypten auszuhandeln, das man binnen kurzem erobern zu können glaubte. Die Unterstützung der italienischen Truppen durch das Deutsche Afrika-Korps und der gleichzeitig (gewiß hauptsächlich wegen des riesigen Bedarfs an der deutsch-sowjetischen Front) unzuverlässige deutsche Nachschub an Waffen, Munition und sonstigem Militärgerät riefen in Rom Mißtrauen bezüglich der Absichten des deutschen Verbündeten in Nordafrika hervor. Als deutsche und italienische Regierungsvertreter in Brioni über den gegenseitigen Wirtschaftsverkehr verhandelten, erhielt der deutsche Verhandlungsführer, Clodius, am 5. August 1942 vom Leiter der Handelspolitischen Abteilung das Auswärtigen Amtes, Wiehl, aus Berlin die telegraphische Weisung, italienischen Vorschlägen betreffs deutsch-italienischer Abmachungen über Ägypten zurückhaltend und hinhaltend zu begegnen.280 Der deutsche Botschafter in Rom, Hans-Georg v. Macken-

278 Β AP, AA 68721, Bl. 30-41, Vorschläge des italienischen Außenhandelskommissars für die Aufteilung der griechischen Ausfuhr 1941/42 und Anmerkung des deutschen Wirtschaftsstabes Athen dazu, o. Vf. o. D. (wohl Anlagen zu: Gotsamanis an Clodius, Athen 15.10.1941). 279 Ebenda, Bl. 44-46, „Vermerk Nr. 1 betr. Seide", o. Vf., Athen 13.10.1941. 280 BAP, AA 68760, Bl. 1, Wiehl an Clodius, 5.8.1942.

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sen, teilte in einem als „Geheime Reichssache" gekennzeichneten Telegramm vom 28. August 1942 seine Besorgnis über die Reaktion der italienischen Regierung auf die Haltung der deutschen Vertreter in Brioni mit. Der italienische Verhandlungsführer Amadeo Giannini sei aus Brioni „sehr verstimmt zurückgekommen" wegen „unserer Ablehnung, uns dort mit dem Achsenpartner offen über die aus einer gemeinsamen Besetzung Ägyptens sich ergebende wirtschaftliche Frage auszusprechen." Abschließend erklärte Mackensen: „Ich kenne die Gründe nicht, die einer offenen Aussprache über die wirtschaftliche Frage in bezug auf Ägypten entgegenstehen, möchte aber nicht unterlassen, auf die mit dieser Zurückhaltung verbundene Gefahr hinzuweisen."281 Am 19. September 1942 vermerkte Wiehl, „hinsichtlich der Abmachungen mit den Italienern betreffend Ägypten habe sich der Führer auf Vortrag des Herrn Reichsaußenministers nach wie vor gegen die Einsetzung einer Kommission ausgesprochen. Jedoch könne den Italienern eine Mitteilung gemacht werden, um ihre Befürchtungen zu zerstreuen. Es könne ihnen ganz klar gesagt werden, daß wir ihnen in Ägypten in jeder Hinsicht, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, die Vorhand lassen würden."282 Am 7. Oktober 1942 übermittelte Wiehl dann v. Ribbentrop einen „abgeänderten Entwurf' der von Rom erbetenen Erklärung: „Entsprechend dem Grundsatz, daß Italien in Ägypten das politische Primat zusteht, wird die Reichsregierung die Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Ägypten der Italienischen Regierung überlassen."283 Das klang konzilianter, ging aber kaum über Hitlers Entscheidung von Mitte September 1942 hinaus, die beim italienischen Verbündeten ein Gefühl der Genugtuung erzeugen sollte, aber die Frage der deutschen Beteiligung an der Ausbeutung Ägyptens im Grunde offenhielt. Ob es noch zur Überreichung dieser oder einer anderslautenden Erklärung an die italienische Regierung kam, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurden die italienisch-deutschen Truppen seit dem 23. Oktober 1942 durch eine britische Gegenoffensive aus dem von ihnen vorher eroberten ägyptischen Gebietsteil vertrieben und auch in Libyen zügig nach Westen zurückgedrängt. Am 7./8. November 1942 landeten obendrein alliierte Truppen in Französisch-Nordafrika. Absurd erscheint es, wie die Auseinandersetzungen zwischen dem deutschen und dem italienischen Imperialismus um Einflußsphären und Marktanteile in verschiedenen Gebieten Europas ungeachtet der Entwicklung der Lage an den Fronten fortgeführt wurden. Am 13. Oktober 1941, zu einer Zeit, als es so aussah, als ob sich in Europa alles nach den Vorstellungen der beiden Regimes entwickeln würde, hatten die Kunstfaserindustrien Deutschlands und Italiens mit Zustimmung der zuständigen Minister Funk und Riccardi den europäischen Markt einschließlich des Mittelmeergebietes für Gegenwart und Zukunft, insbesondere aber für die Nachkriegszeit mit erwartetem Absatzrückgang, in eine deutsche, eine italienische und eine gemeinsame Zone aufgeteilt. Trotz diverser Reibungen in der Praxis war diese Vereinbarung am 14. März 1942 nochmals bekräftigt worden. In Delegationsverhandlungen vom 6. bis 16. Dezember 1942 erklärte die italienische Seite jedoch, sie sei nicht gewillt, den Vertrag praktisch durchzuführen. „Italien möchte offensichtlich eine eigene Kunstfaserpolitik auch in Ländern, die Deutschland als Einflußgebiet zuerkannt worden waren, betreiben. 281 Ebenda, Bl. 2, v. Mackensen an AA, Rom 28.8.1942. 282 Ebenda, Bl. 45, Vermerk Wiehl, 19.9.1942. 283 Ebenda, Bl. 46, Wiehl an RAM, 7.10.1942. - Für die deutschen Truppen wurden Sonderrechte vorbehalten.

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Gerade dies muß aber unter allen Umständen vermieden werden", betonte der Staatssekretär im Reichswirtschaftsministerium, Friedrich Landfried, in einem Schreiben vom 10. Februar 1943 an Staatssekretär Frhr. v. Weizsäcker, in dem er dazu aufforderte, „Druckmittel" anzuwenden, um die italienische Regierung zur Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen „zu zwingen".284 Diese Zuspitzung der Auseinandersetzungen fiel genau in die Monate, als die deutschen und italienischen Truppen in Stalingrad und in Nordafrika vernichtende Niederlagen erlitten, als es also damit verbundenen brandaktuellen kriegswirtschaftlichen Problemen zu begegnen galt, statt sich über die Marktaufteilung nach dem Endsieg zu streiten. So beschwerte sich die italienische Regierung im November 1942, daß die Versorgung ihrer Truppen mit Waffen und Betriebsstoff aus Deutschland „völlig unzureichend" sei, „daß Italien auf gleicher Stufe mit anderen Ländern behandelt werde ..., daß in vielen Fällen auch die Lieferungen nach Italien im Rahmen eines allgemeinen Ausfuhrplanes ohne besondere Berücksichtigung der kriegswirtschaftlichen Bedürfnisse Italiens festgesetzt würden." 285 Im gleichen Monat richtete der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Keitel, einen beschwörenden schriftlichen Appell an den Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Speer: Das italienische Oberkommando habe ihm berichtet, „daß die italienische Rüstung unter dem Mangel an deutschen Lieferungen ganz erheblich leidet und in der Produktion, besonders an modernen Waffen wie Panzer und Pak, stärkstens in Rückstand geraten sei. Sowohl auf dem Kohle- wie auf dem Eisengebiet seien die laut Regierungsvertrag zugesicherten Mengen in großem Umfang hinter den Zusagen zurückgeblieben. Die neuerlich sehr starke Beanspruchung unseres italienischen Bundesgenossen und seine schweren Einbußen an Kriegsmaterial während der Rückzugskämpfe in Libyen erfordert, daß wenigstens die laut Regierungsvertrag zu liefernden Mengen auch tatsächlich zur Auslieferung kommen und daß Rückstände, soweit es die Gesamtlage irgend gestattet, nachgeholt werden. M. E. ist eine fühlbare Hilfe nunmehr umgehend geboten. Der Führer wünscht, daß Italien jetzt in jeder Hinsicht stärkstens zu stützen ist ,.."286 Der militärische und kriegswirtschaftliche Zusammenbruch Italiens schritt jedoch unaufhaltsam voran, bis schließlich im Juli 1943 Mussolini gestürzt wurde und im September 1943 die noch nicht durch die Alliierten eroberten Landesteile Italiens (wie auch Albanien und die italienischen Okkupationsgebiete in Griechenland, Jugoslawien und Frankreich) unter deutsche Okkupation fielen.

c) Spanien und Portugal In der deutschen Außenhandelsstatistik nahmen sich die Importe aus Spanien 1941 - 1943 trotz der sicheren Eisenbahnverbindung vergleichsweise gering aus. Im Kalenderjahr 1941 stand Spanien mit 146 Mill. RM an 13. Stelle (unmittelbar vor Finnland mit 145 Mill. RM), 1942 mit 166 Mill. RM an 14. Stelle und im vollen Kalenderjahr 1943 mit 210 Mill. RM 284 BAP, AA 68724, Bl. 15 ff., Landfried an v. Weizsäcker, 10.2.1943. 285 Ebenda, Bl. 5 f., Aktenvermerk, o. Vf. o. D. 286 Ebenda, Bl. 4, Keitel an Speer,... 11.1942 (Abschrift).

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(nach einer anderen Zusammenstellung 220 Mill. RM) an 15. Stelle.287 Hinter den genannten Wertsummen verbargen sich ζ. T. beträchtliche Preissteigerungen. In Durchschnittspreise von 1938 umgerechnet, handelte es sich 1941, 1942 und 1943 um Einfuhrsummen von 131 bzw. 81 bzw. 89 Mill. RM.288 Da Länder, die nicht okkupiert waren, in der Regel nur lieferbereit blieben, wenn sie wenigstens bestimmte Gegenlieferungen erhielten, mußten aus Deutschland, wahrscheinlich auch aus anderen Ländern des deutschen Herrschaftsbereichs, Waren für 57 bzw. 119 bzw. 190 Mill. RM nach Spanien exportiert werden.289 In diesen Werten sind natürlich ebenfalls Preiserhöhungen verborgen, insbesondere für die von Spanien gewünschten Waffen290, die das OKW wegen des sprunghaft zunehmenden Eigenbedarfs nur notgedrungen freigab. An den Importen aus Spanien291 hatten zwar Südfrüchte und andere pflanzliche Nahrungsmittel einen Anteil von fast 50 Prozent der Wertsumme und auch die Fischlieferungen waren nicht unwichtig für die Eiweißversorgung, doch unentbehrlich für die Kriegswirtschaft waren vor allem verschiedene Erze und Metalle, in erster Linie Wolfram. Den Monatsbedarf für Wolframkäufe in Spanien veranschlagte das Reichsministerium für Bewaffnung und Munition im April 1943 mit 150 t für ca. 15 Mill. RM.292 Gerade um das immer teurer werdende Wolfram tobte in Spanien und Portugal die Kaufkonkurrenz zwischen den kriegführenden Seiten. Dennoch kamen 1943 39,5 Prozent der deutschen Wolframeinfuhren aus Spanien.293 Die Bezugsmöglichkeiten wurden für die deutsche Kriegswirtschaft im Laufe der hier zu behandelnden Kriegsphase allerdings nicht nur aus ökonomischen Gründen geringer, sondern in starkem Maße auch, weil nach der Wende des Krieges, insbesondere im Mittelmeerraum, der spanische Staats-, Partei- und Militärchef Franco, aus außen- wie innenpolitischen Gründen scheinbar schwankend, tatsächlich aber sorgsam lavierend, immer entschiedener zu den Alliierten tendierte.294 Unter dem Eindruck der völlig veränderten militärischen Situation in Nordafrika setzte es Spanien durch, daß am 17. Dezember 1942 ein deutsch-spanisches Warenabkommen - seit dem Bürgerkrieg die erste formelle Vereinbarung über den deutsch-spanischen Warenverkehr - unterzeichnet wurde, nachdem die deutsche Seite der vorher monatelang umstrittenen spanischen Forderung nach vollem Saldenausgleich nunmehr in zügigen Delegationsverhandlungen innerhalb einer Woche zugestimmt hatte: Jede von Spanien gelieferte Rohstoffpartie mußte deutscherseits mit Waffen entsprechend einer bereits vorliegenden spanischen 287 Nach: BÄK, R 7/3639, Der deutsche Außenhandel in den Jahren 1938 bis 1943, a) Einfuhr; BÄK, R 7/3279, Statistisches Reichsamt, Anteil der wichtigsten Waren an der deutschen Einfuhr aus Spanien in den Jahren 1938, 1942 und 1943. 288 BÄK, R 7/3639, Die deutsche Wareneinfuhr in den Jahren 1939 bis 1943 aus 11 Ländern nach dem jeweiligen Preisstand und nach dem Preisstand von 1938. 289 Ebenda, Der deutsche Außenhandel in den Jahren 1938 bis 1943, b) Ausfuhr. 290 BÄK, R 7/3640, Abschn. „IV. Außenhandel" eines im Auftrag des Leiters des Planungsamtes beim GBRiist verfaßten Berichts zur deutschen Wirtschaftslage 1943/44. 291 BÄK, R 7/3279, (wie in Anm. 287). 292 BÄK, R 7/3648, HPΑ-Protokoll v. 16.4.1943. 293 BÄK, R 7/3280, Handschriftl. Entwurf „Spanien", o. Vf. o. D. 294 Ausführlich zu den deutsch-spanischen Verhandlungen und den Bemühungen deutscher Führungskreise, innenpolitische Auseinandersetzungen in führenden Kreisen Spaniens auszunutzen und anzuheizen, um Franco botmäßiger zu machen oder sogar zu stürzen, s. Ruhl, passim.

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Wunschliste bezahlt werden.295 Da die Wehrmacht, im Unterschied zu den ersten Kriegsjahren, nur unter Zurückstellung des dringenden Eigenbedarfs Waffen zum Export nach Spanien bereitstellen konnte, da aber andererseits die deutsche Rüstungsindustrie dringenden Bedarf besonders an Wolfram hatte und davon auch noch schnell Reserven eingelagert werden sollten, solange die Kriegslage überhaupt noch Wege zur Rohstoffbeschaffung offen ließ, befand sich die spanische Seite beim Feilschen um die Preise für die gegenseitigen Lieferungen im Vorteil. „Spanien, jahrelang von Deutschland als Rohstoffkolonie behandelt, stieg mit dem Erscheinen der Alliierten im Mittelmeerraum zu einem gleichberechtigten Handelspartner auf." 296 Diese Einschätzung Ruhls fällt im ersten Teil zwar etwas zu absolut aus (auf die objektiv bedingte, subjektiv von maßgeblichen Kreisen Spaniens gewünschte, aber auch für die deutsche Kriegswirtschaft nicht nur nachteilige Aufrechterhaltung des Handels mit überseeischen Ländern, der nur dank eines gewissen Handlungsspielraums der spanischen Regierung in ihrer Politik gegenüber Deutschlands Kriegsgegnern durchführbar war, ist hier bereits eingegangen worden). In der Konsequenz kann Ruhls Einschätzung aber nicht als Übertreibung angesehen werden. In Portugal hatten die Briten von vornherein ein Übergewicht besessen. Während Spanien sich seit Juni 1940 als „nichtkriegführend" bezeichnet und in der Zeit der militärischen Erfolge Deutschlands mit diesem sympathisiert hatte, ohne etwa mit den Westmächten zu brechen, betrachteten die Briten Portugal von vornherein als ihren Verbündeten, obwohl dessen Regierung sich offiziell neutral erklärte. Wichtiger waren jedoch die traditionellen Handelsund Kapitalbeziehungen beider Kriegsparteien zu Portugal. In den ersten Kriegsjahren hatte die deutsche Einfuhr aus Portugal insgesamt nur etwa ein Fünftel der - nicht hohen - deutschen Einfuhr aus Spanien betragen. 1942 kam sie dieser dann näher (121 Mill. RM aktueller Wert). 1943 stagnierten die Werte der Ein- und Ausfuhr zwischen Deutschland und Portugal. Dennoch war die deutsche Einfuhrsumme 1943 aus Portugal, in Vorkriegspreisen berechnet (31 Mill. RM), die höchste während des Krieges.297 Qualitativ jedoch war für die deutsche Kriegswirtschaft Portugal als Lieferant von Wolfram298 von überragender Bedeutung. Im März 1943 schätzte der interministerielle Handelspolitische Ausschuß die Lage wie folgt ein: „Es soll grundsätzlich auch weiterhin daran festgehalten werden, daß uns die Hälfte der Gesamtproduktion in Portugal an Wolfram zukommt (Prinzip der paritätischen Behandlung der Mächtegruppen). Praktisch ist die Durchführung dieses Grundsatzes aber zur Zeit nicht möglich, da die Jahresproduktion der in englischen Händen befindlichen Wolframgruben allein etwa 3 000 to beträgt, während die in portugiesischen und deutschen Händen befindlichen Gruben einstweilen nur etwa 1 200 to pro Jahr produzieren. Es soll daher de facto lediglich versucht werden, außer der deutschen auch die portugiesische Produktion möglichst weitgehend für Deutschland zu sichern; der ΗΡΑ ist 295 296 297 298

Ebenda, S. 164 f. Ebenda, S. 223. WieAnm. 288. Milward, The New Order, S. 244-253, gibt eine zusammenfassende Charakteristik dieses für die Rüstung überaus wichtigen Rohstoffs und zeigt dabei, daß sich portugiesische Lieferungen nicht durch forcierte Förderung in Frankreich ersetzen ließen.

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sich darüber klar, daß alles in allem bestenfalls die Lieferung von 2 100 to zu erreichen sein wird." 299 Weniger optimistisch urteilte zur gleichen Zeit der Leiter der Handelspolitischen Abteilung des Auswärtigen Amts, Wiehl, in einer Aufzeichnung für den Reichsaußenminister: Da sich die portugiesische Haltung auf englischen Druck hin versteift habe, sei damit zu rechnen, daß außer den 1 200 t, die die in deutschem Kapitalbesitz befindlichen Gruben förderten, nur die Hälfte der Förderung der im Eigentum von Portugiesen befindlichen Gruben erhältlich sein werde. Er empfahl, daß ein hochrangiger deutscher Diplomat in dieser Angelegenheit direkt beim Regierungschef Salazar vorstellig werden solle.300 Neben dem direkten Warenaustausch waren Spanien und Portugal für die deutsche Kriegswirtschaft nach wie vor wichtig für die Heranschaffung bestimmter Importe aus Südund Nordamerika sowie aus Ost- und Westafrika. Bis zum Kriegseintritt der USA geschah dies - wie bereits erwähnt - mit Flugzeugen der LATI sowie auf deutschen Blockadebrechern und Schiffen neutraler Staaten, die auf den atlantischen Inseln der iberischen Staaten genügend Schlupfwinkel zum Umladen von Konterbande auf deutsche U-Boote, hauptsächlich aber auf unverdächtige Küstenschiffe, Postdampfer, Fischkutter u. ä. fanden, die von alliierten Kriegsschiffen praktisch kaum kontrollierbar waren. Naturgemäß handelte es sich bei diesem kostspieligen Schmuggelverkehr um meist unauffällige Frachten relativ geringen Volumens, aber von hohem Wert. So transportierte die LATI vom 1. Dezember 1940 bis zum 11. Dezember 1941 laut Schätzungen des britischen War Trade Department 10 666 kg Glimmer, 4,3 kg Diamanten und 281,7 kg Platin, dem die Alliierten die größte Bedeutung für spezifische Erzeugnisse der deutschen Kriegsindustrie beimaßen, über den Atlantik zur iberischen Halbinsel. Als das State Department der USA im Oktober 1941 der Standard Oil Company of New Jersey drohte, sie auf die Schwarze Liste zu setzen, falls sie die Treibstoffversorgung der LATI- und der Condor-Flugzeuge nicht einstellte, wurde versucht, für solche Transporte zivile Fluglinien Spaniens und Portugals, vor allem aber die normale Paketpost zur iberischen Halbinsel zu benutzen.301

d) Nordeuropa „Nordeuropa bildete vom 22. Juni 1941 an in den Vorstellungen der deutschen Imperialisten eine Randzone des gewaltigen Kontinentalblocks, der bis zur Linie Archangelsk-Astrachan und weiter reichen sollte. In dieser neuen Dimension nahm die wirtschaftliche Bedeutung Nordeuropas für sie teilweise stark ab. Das betraf vor allem das schwedische Eisenerz, in der Perspektive die dänische Lebensmittelerzeugung und schließlich auch die finnischen Holzressourcen. Die genannten Güter sollten reichlicher, billiger und ohne Umweg über den üblichen Außenhandel aus den besetzten sowjetischen Gebieten fließen." 302 Solche (WunschVorstellungen fanden jedoch in den ersten Monaten des Krieges gegen die UdSSR noch 299 BÄK R 7/3648, HPA-Protokoll v. 26.3.1943. 300 BAP, AA 68734, Bl. 2 f., Vermerk Wiehl, 22.3.1943. - Als Sonderbevollmächtigter sollte Gesandter Eisenlohr nach Lissabon reisen. 301 Medlicottll, S. 166 ff. 302 Siehe II, S. 400.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

nicht und später, als der Vormarsch nicht wunschgerecht weiterging, erst recht keinen Niederschlag im praktischen Außenhandel und in Verhandlungen darüber. In den deutsch-schwedischen Regierungsausschuß-Besprechungen im September 1941 war von „den gesteigerten deutschen Ansprüchen auf Einfuhr schwedischer Waren und Inanspruchnahme schwedischer Dienstleistungen" die Rede. Trotz der jetzt weiter verschlechterten geopolitischen Situation Schwedens vermochten seine Vertreter auf angemessenen Gegenleistungen der deutschen Seite zu bestehen, eben weil diese in Anbetracht der neuen Dimension ihres kriegswirtschaftlichen Bedarfs noch mehr auf schwedische Lieferungen und Leistungen angewiesen war. Diesem erhöhten Bedarf sollte deshalb „durch entsprechend gesteigerte deutsche Ausfuhr nach Schweden Rechnung getragen" werden. Während die Bilanz des Handels mit Schweden seit langem im allgemeinen einen Aktivsaldo für Deutschland aufgewiesen hatte, brachten die mit dem Krieg gegen die Sowjetunion verbundenen Anforderungen an die deutsche Wirtschaft bereits Ende Juli 1941 einen Umschwung. „Um die jetzt durch die wachsende deutsche Clearingschuld entstandenen und für die nächste Zeit noch zu erwartenden Schwierigkeiten im deutsch-schwedischen Warenverkehr zu beheben oder wenigstens weitgehend abzumildern", wurden zunächst für den Rest des Jahres 1941 als „Übergangsmaßnahme" einige zusätzliche Vereinbarungen getroffen. Im Werte von mindestens 100 Mill, skr sollte Schweden im ersten Halbjahr 1942 zusätzlich Einkäufe deutscher Waren, insbesondere Kohle, Koks, Eisen und Chemikalien, vornehmen können. Bis dahin glaubte man ja in Berlin, den Rußlandfeldzug bereits siegreich abgeschlossen zu haben. Die deutsche Seite erklärte sich auch bereit, in den Monaten Oktober bis Dezember 1941 monatlich 255 t Schmieröl zu liefern. Wie stark das Interesse an der weiteren Lieferbereitschaft Schwedens war, zeigte wohl noch mehr die Festlegung, daß die laufenden Lieferungen von Benzin und Petroleum aus Rumänien nach Schweden, die der Ölexport GmbH Berlin bisher „frei rumänisch-ungarischer Grenzstation einschl. Taxe und Stempel" voll in freien Devisen bezahlt worden waren, ab 1. Oktober 1941 „bis auf weiteres jeweils zur Hälfte im Wege des deutsch-schwedischen Verrechnungsabkommens" abgegolten werden sollten303, obwohl doch freie Devisen auf deutscher Seite nach wie vor dringend benötigt wurden. Zugleich verzichteten die deutschen Unterhändler auch den Schweden gegenüber nicht darauf, die Handelspartner unter politisch-ideologischen Druck zu setzen: Man müsse sich durch ökonomisches Entgegenkommen dafür erkenntlich zeigen, daß deutsches Blut auch für ihren Schutz vor der bolschewistischen Gefahr geopfert werde. Daher sollte die schwedische Seite die Lücke zwischen den für die Auszahlungen an die schwedischen Lieferanten nötigen und den bei den Clearingverrechnungen anfallenden, aber wegen der deutschen Lieferrückstände dafür nicht ausreichenden Einzahlungen der schwedischen Empfanger deutscher Waren durch staatliche oder wenigstens staatlich verbürgte Kredite ausfüllen. In harten Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsausschüssen beider Staaten, die zum Teil auch Widerhall in der schwedischen Öffentlichkeit fanden, erklärte sich die schwedische Regierung schließlich Ende 1941 bereit, begrenzte Überbrückungskredite einzuräumen. In Berliner Regierungskreisen, die um negative Auswirkungen auf die schwedische Lieferbereitschaft 303 BAP, AA 68739, Bl. 52 f., Ergebnisprotokoll, unterzeichnet v. MD Walter u. MD Hägglöf, Stockholm 22.9.1941.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

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fürchteten, war man in den folgenden Monaten immerhin darauf bedacht, durch schnelle Tilgung den Übergangscharakter dieser Kredite zu respektieren.304 Offenbar ebenfalls zum Zwecke des Abbaus der deutschen Verschuldung an Schweden305 aus kriegswirtschaftlich für unentbehrlich gehaltenen Warenlieferungen sah sich die deutsche Führung genötigt, entschiedenen Forderungen der schwedischen Regierung - die die Verteidigungsfähigkeit ihres Landes damals erhöhte, um dem Druck auf den Neutralitätsstatus besser widerstehen zu können - nachzugeben und ihr im Dezember 1941, trotz des riesigen Nachschubbedarfs der deutschen Ostfront, vertraglich die Lieferung von 110 Haubitzen mit 300 000 Schuß Munition zuzusichern. Der der deutschen Planung gänzlich widersprechende Kriegs verlauf bewirkte dann, daß bis Anfang März 1943 nur 40 Haubitzen und 80 000 Schuß Munition an Schweden ausgeliefert wurden. Dennoch wagte es die deutsche Führung auch dann, wenige Wochen nach dem Debakel von Stalingrad, nicht, von ihrer Zusage an Schweden zurückzutreten. Vielmehr erging jetzt die strikte Weisung, monatlich nur (aber eben doch) vier Geschütze und 10 000 Schuß Munition freizugeben.306 Man hatte ja gerade im Januar 1943 Schweden dazu bewegen können, für 1943 unveränderte Lieferungen zuzusagen, sofern die deutsche Zusage, fünf Mill, t Kohle und 300 000 t Eisen zu liefern, erfüllt würde. Darüber hinaus hatte die schwedische Regierung einem „Gegenseitigkeitsgeschäft" zugestimmt, schwedisches Holzkohle-Roheisen gegen deutsches Koks-Roheisen zu tauschen. Schwedisches Holzkohle-Roheisen besaß zu diesem Zeitpunkt gesteigerte Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft, weil diese nach dem Verlust Nordafrikas an die Alliierten von dort keine phosphorhaltigen Eisenerze mehr bekommen konnte. Dagegen lehnte Schweden jetzt jegliches Entgegenkommen in Kreditfragen ab, nachdem die deutsche Seite die „von den Schweden mit 40 Mill. RM bevorschußten Lieferzusagen für Kriegsgerät von Ende 1941" nicht erfüllt und auch die von Schwedens Wirtschaft benötigte Kohle im Januar 1942 nur „unbefriedigend" geliefert hatte.307 Der Rückstand gegenüber den vereinbarten Mengen belief sich auf ein Drittel.308 Der Handelspolitische Ausschuß mußte am 21. Januar 1943 konstatieren, „daß Schweden als einziges europäisches Land sich den deutschen Kreditwünschen gegenüber ablehnend verhielt".309 Wie wenig die von Eichholtz angeführten Vorstellungen der deutschen Machthaber sich als real erwiesen, besagt ein von Mitarbeitern des Planungsamtes Mitte 1944 verfaßter Bericht. Darin wurde für 1942 ein Anteil der Einfuhr von 44,1 Prozent und für 1943 ein Anteil von 47,1 Prozent an der deutschen „Gesamtversorgung" mit Eisenerzen ausgewiesen und den Lieferungen aus Schweden eine erhebliche Rolle zuerkannt. Unter den neutralen Staaten nahm es im Kalendeijahr 1943 sowohl im Import wie im Export Deutschlands die erste Stelle ein.310 Im Jahre 1942 stand es in der deutschen Einfuhr mit 410 Mill. RM Ungarn 304 Wittmann, S. 263-273. 305 Neben aktuellen Handelsfragen stand die sukzessive Tilgung früherer Anleihen regelmäßig auf der Tagesordnung der bilateralen Regierungsausschüsse. 306 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 5.3.1943. 307 Ebenda, HPA-Protokoll v. 21.1.1943. 308 Olsson, S. 170, Tab. 14. 309 Wie Anm. 307. - Ausführlicher über das Problem des Clearingausgleichs siehe Wittmann, S. 263-282. 310 Wie Anm. 290.

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

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(541 Mill. RM) und Rumänien (429 Mill. RM) nach, wenn man den seinerzeitigen Preisstand zugrundelegt. Berechnet man jedoch die Einfuhr nach Durchschnittspreisen vom Jahre 1938, so stand Schweden auch 1942 eindeutig an der Spitze (mit 288 Mill. RM vor Ungarn = 266, Dänemark = 203, Bulgarien = 170, Rumänien = 152 Mill. RM). 3 " Legt man die laufenden Preise zugrunde, so befand sich Schweden 1942 in der amtlichen deutschen Statistik, die neben souveränen Staaten auch alle okkupierten Territorien wie ζ. B. das Generalgouvernement einbezog, auf der Einfuhrseite mit knapp fünf Prozent an achter Stelle312 und auf der Ausfuhrseite mit über fünf Prozent an siebenter Stelle.313 Während in Friedenszeiten ein großer Teil der schwedischen Eisenerzlieferungen witterungsbedingt (wegen der langwierigen Vereisung des Bottnischen Meerbusens) in norwegischen Häfen verschifft wurde, konnte dies 1941 - 1943 (und danach) nur in geringem Umfang geschehen, wie die folgende Tabelle ausweist. Tabelle 118 Skandinavische ErzVerschiffungen nach Deutschland, Januar 1942 - Oktober 1943 Zeitraum

Insgesamt (1000 t)

Schweden (1000 t)

Prozent

Norwegen (1000 t)

Prozent

1942 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember gesamt

375,6 77,8 73,9 330,6 939,4 1 262,7 1 177,0 1 177,7 1 184,1 895,4 774,4 754,3 9 022,9

359,2 59,4 58,6 281,3 860,1 1 140,7 1 105,1 1 132,1 1 142,3 868,9 749,0 724,8 8 481,5

96 76 79 85 92 90 94 96 96 97 97 96 94

16,4 18,4 15,3 49,3 79,3 122,0 71,9 45,6 41,8 26,5 25,4 29,5 541,4

4 24 21 15 8 10 6 4 4 3 3 4 6

1943 Januar Februar März April Mai Juni Juli

655,5 423,0 619,8 629,5 1 328,5 1 327,3 1 299,4

637,1 385,0 583,5 593,3 1 283,6 1 295,8 1 270,0

97 91 94 94 97 98 98

18,4 38,0 36,3 36,2 44,9 31,5 29,4

3 9 6 6 3 2 2

311 WieAnm. 288. 312 BÄK, R 7/3639 (wie in Anm. 287). 313 Wie Anm. 289.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943 Tabelle 118

469

(Fortsetzung)

Zeitraum

August September Oktober Jan. - Okt. gesamt

Insgesamt (1000 t)

Schweden (1000 t)

1 109,7 964,5 704,6 9 061,8

1 088,0 948,3 699,1 8 783,7

Prozent

Norwegen (1000 t)

98 98 99 97

21,7 16,2 5,5 278,1

Prozent 2 2 1 3

Quelle: BÄK, R 7/3273, Reichsvereinigung Eisen, Gochtmann an MR Ludwig (RWiM), Berlin 9.12.1943, Anlage „Skandinavische Erzverschiffungen nach Deutschland in den Jahren 1942 und 1943".

Demnach konnten nur von Februar bis April 1942 maximal knapp ein Viertel der Erzlieferungen über norwegische Häfen verschifft werden. Aus einem Bericht des Deutschen Konsulats in Luleâ vom Jahresende 1943 ergibt sich für 1942 und 1943 zwar eine etwas geringere Summe der nach deutschen Bestimmungshäfen verschifften Erzmengen314, doch es lief letztlich auf dasselbe hinaus, wenn weitere Erzmengen über andere erreichbare Häfen in Gebiete innerhalb des deutschen Herrschaftsraumes, insbesondere über dänische oder holländische Häfen transportiert wurden. In den Jahren 1942 und 1943 trug weit mehr als die Hälfte der für den Eitransport von Luleâ aus eingesetzten Schiffe (69 bzw. 59 Prozent) mit 54 bzw. 41 Prozent der Fracht die schwedische Flagge; 1942 und 1943 folgten - in unterschiedlicher Reihenfolge die deutsche, finnische, dänische und niederländische Flagge.315 Da es der deutschen Kriegsmarine gelang, sowjetische Unterseeboote an der Ausfahrt aus dem Finnischen Meerbusen zu hindern, kam es beim Eitransport zu Schiffsverlusten fast ausschließlich auf der Nordseeroute, und diese lagen 1943 niedriger als 1942.316 Im August und September 1943 traten dann im Eitransport von Schweden nach Deutschland Stockungen auf, einmal, weil sich infolge der schweren Luftangriffe auf Hamburg und Nordwestdeutschland die Liege- und Löschzeiten in den deutschen Nordseehäfen verlängerten, und zum anderen, weil die schwedischen Staatsbahnen am 20. September größere Reparaturarbeiten an der Erzbahn während der folgenden zwei Monate für unaufschiebbar erklärten - vielleicht in der seinerzeit entstandenen Kriegslage und angesichts von Churchills Ankündigung einer Invasion in Norwegen eine vorgeschobene Begründung.317 Es waren gewiß ganz ähnliche Beweggründe, die die schwedische Regierung veranlaßten, eine Verlängerung der unter den bedrohlichen Umständen Mitte 1940 eingegangenen Vereinbarungen über den Wehrmachttransit durch schwedische Hoheitsgebiete ab Mitte 1943 abzulehnen. Während der Laufzeit dieser Vereinbarungen waren auf den schwedischen Ei314 BÄK, R 7/3273, Bl. 33, Deutsches Konsulat Luleâ, Thomsen, an AA, „Erzausfuhr aus Nordschweden über Luleâ im Jahre 1943", 27.12.1943. 315 Ebenda, Bl. 34. 316 Ebenda. 317 Ebenda, Bl. 34 f.

470

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

senbahnen ca. 2,14 Mill, deutsche Soldaten und rund 100 000 Waggonladungen Wehrmachtsgut von und nach Norwegen, Finnland und der deutsch-sowjetischen Front befördert worden, und schwedische Kriegsschiffe und Flugzeuge hatten deutsche Truppen- und Militärfrachttransporter durch schwedische Hoheitsgewässer eskortiert, allein 1941 im Gesamtumfang von 650 000 BRT nach und von Finnland.318 In dem Maße, wie sich die Kriegslage für Hitlerdeutschland ungünstig gestaltete, fühlte sich Schweden auch ermutigt, der deutschen Seite Zugeständnisse zu verweigern, die besonderen Unwillen der anderen kriegführenden Seite zu erregen geeignet waren. Das zeigte sich 1943 auch im Streit um schwedischen Glimmer, der als der beste Europas galt. Wie Wittmann nach den Quellen berichtet, gelangte dieser zur Isolierung in Funkgeräten, Radioröhren u. ä. notwendige Rohstoff von „kriegsentscheidender Bedeutung", von dem Schweden mehr besaß, als die eigene Industrie benötigte, und dessen gesamten Produktionsüberschuß die AEG aufkaufen wollte, infolge restriktiver Handhabung des Ausfuhrlizenzverfahrens zunächst nur in geringen Mengen zumeist minderer Qualität nach Deutschland. 1942 war die schwedische Regierung dann „unter der Hand besonders in der Frage der Qualitäten zu Zugeständnissen bereit". 1943 verfestigte sich ihre Haltung wieder, so daß „nennenswerte Kontrakte nicht mehr zustande" kamen.319 Im Februar 1943 wurde im deutschen Auswärtigen Amt in Erwägung gezogen, die Staaten, die aus Rumänien Erdölprodukte bezogen, d. h. neben Italien und der Schweiz auch Schweden, an den „erhöhten Luftschutzkosten für die rumänischen Erdölgebiete" zu beteiligen. Die Argumentation lautete, Schweden und die Schweiz müßten „wenigstens einen ... indirekten Beitrag zu den Kosten des Kampfes gegen den Bolschewismus leisten". Tatsächlich ging es bei diesem Unterfangen doch eher darum, die deutsche Clearingverschuldung zu verringern, indem man die neutralen Abnehmer rumänischen Erdöls bewog, zur Finanzierung der Abwehr westalliierter Luftangriffe auf Rumänien Preiszuschläge auf von dort stammende Erdölprodukte zu entrichten.320 Die immer prekärer werdende Lage dämpfte nicht, sondern stimulierte zuweilen den Eifer deutscher Dienststellen bei der Suche nach Druckmitteln, mit denen sich erreichen ließe, daß Schweden seine Lieferungen und Leistungen fortsetzte und möglichst erhöhte, ohne daß man selbst angemessene Gegenleistungen erbringen müßte. Diesem Zweck diente auch eine nach dem Stand vom August 1943 von Handelsattaché Behrens bei der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm verfaßte „Untersuchung über die Blockadefestigkeit der schwedischen Volkswirtschaft". Der Verfasser gelangte zu der Schlußfolgerung: „Es ist Schweden gelungen, seine Abhängigkeit von der Kohle- und Kokseinfuhr, die noch in den Jahren 1940 und 1941 bei einer Liefersperre die schwedische Wirtschaft aller Voraussicht nach zum Erliegen gebracht haben würde, jetzt so weitgehend zu mildern, daß es in einem jetzt eintretenden Blockadefalle möglich sein wird, bei starken Verbrauchseinschränkungen auf nicht lebensnotwendigen Gebieten und unter gewissen Schwierigkeiten einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten zu 318 Wittmann, S. 256. 319 Ebenda, S. 246. 320 BAP, AA 68736, Bl. 225 ff., Aufzeichnung Lurtz für Wiehl, Clodius u. Tannenberg betr. „Beteiligung Italiens (Schwedens und der Schweiz) an den erhöhten Luftschutzkosten für die rumänischen Erdölgebiete", 25.2.1943.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

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überbrücken."321 Dafür wollte man in Schweden die vorhandenen Ressourcen an Holz und Torf einsetzen. Der Untersuchungsbericht nahm an, daß auch Schwedens Mineralölbedarf dank der erweiterten Ersatzstoffkapazität (Holz, Schieferöl, verschiedene Teeröle) großenteils überbrückt werden könne, wobei auf den Ausbau der Schieferölproduktion für die schwedische Kriegsmarine hingewiesen wurde.322 Den Gummi-Engpaß hielt der Verfasser infolge der britischen Blockademaßnahmen (wegen der Befürchtung, der Naturkautschuk würde nach Deutschland reexportiert werden) für prekär. Seiner Kalkulation nach hätten die Reserven eventuell sechs Monate vorhalten können. Für denselben Zeitraum veranschlagte er Reserven an Futter- und Düngemitteln sowie an Eisen, dagegen an Steinsalz mindestens für zwei Jahre.323 Gegenüber Dänemark hielt man deutscherseits auch in der Phase 1941 - 1943 an der formellen Respektierung der dänischen Regierung und anderer dänischer Institutionen fest. Davon versprach man sich - nicht ohne Erfolg324 - mehr Lieferungs- und Leistungsbereitschaft der dänischen Landwirtschaft und Industrie für Zwecke der deutschen Kriegswirtschaft, als eine direkte deutsche Okkupationsverwaltung hätte zuwege bringen können. Mit zunehmender Verschärfung der allgemeinen Kriegssituation wurde jedoch der Druck auf die dänischen Instanzen verstärkt, und es häuften sich Fälle direkter Eingriffe in das dänische Wirtschaftsleben unter Mißachtung der offiziellen Abmachungen. Als sich von 1942 auf 1943 die von der dänischen Nationalbank zu tragenden Aufenthaltskosten der deutschen Truppen in Dänemark mehr als verdoppelten325, resultierte dies nicht nur aus dem in Angriff genommenen aufwendigen Bau von Küstenverteidigungsanlagen. Entgegen der seit April 1940 geltenden Regelung, daß die Versorgung der in Dänemark stationierten deutschen Truppen als dänische Ausfuhr nach Deutschland verrechnet werden sollte326, tätigten nämlich nicht nur diese Truppen, sondern auch aus dem Reichsgebiet entsandte Kommandos Großeinkäufe in dänischen Schlachthöfen u. dgl. und ließen diese aus dem Aufenthaltskostenkonto finanzieren327. Die in den ausführlichen Darlegungen über landwirtschaftliche Lieferungen

321 BÄK, R 7/3275, Bl. 146, „Untersuchung über die Blockadefestigkeit der schwedischen Volkswirtschaft. Nach dem Stande von August 1943 verfaßt von Handelsattaché Behrens bei der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm". 322 Ebenda, Bl. 165 ff. 323 Ebenda, Bl. 175 ff. 324 Für 1941 sehr aussagekräftig: BAP, AA 68712, Bl. 18-33, Der Beauftragte für Wirtschaftsfragen, [Ebner], beim Bevollmächtigten des Deutschen Reiches (v. Renthe-Fink) an AA, Kopenhagen 31.1.1942. 325 BÄK, R 7/3407, Memorandum (aus dem dänischen Außenministerium) betr. die wirtschaftlichen Verhältnisse während des Krieges, S. 15, Kopenhagen 14.6.1944. 326 Ebenda, S. 16: Nur zwecks Transporterspamis sollten landwirtschaftliche Waren gleich in Dänemark bezogen werden können, statt erst als Export nach Deutschland und dann für die Verpflegung der deutschen Soldaten wieder zurück nach Dänemark befördert zu werden. Bei der „freundschaftlich vereinbarten Besetzung" war nämlich deutscherseits zugesagt worden, daß die deutschen Truppen von Deutschland aus versorgt würden. 327 BAP, AA 68712, Bl. 195 f., Fernschreiben AA an den Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in Kopenhagen (Best), Februar 1943.

472

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

aus Dänemark im Band II genannten Zahlen328 bedürfen also noch einer Ergänzung, die hier allerdings nicht mit exakten Ziffern belegt werden kann. Der Reichsbevollmächtigte in Dänemark wies seine Vorgesetzten in Berlin verschiedentlich darauf hin, daß solche eigenmächtigen Praktiken ihm die Erfüllung seiner Aufgaben erschwerten. Zweifellos trugen auch sie dazu bei, daß die Bereitschaft der Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht 1943 schroff abnahm, worauf diese Ende August 1943 mit der vollständigen Entwaffnung des dänischen Heeres329 und mit der Verhängung des militärischen Ausnahmezustandes330 reagierte. Da Großbritannien im Juni 1941 die weitere Gewährung von Navicerts für Getreidetransporte aus Amerika nach Finnland verweigerte, war letzteres fortan völlig auf den Warenaustausch mit Deutschland und den unter dessen Okkupation oder zumindestens Kontrolle stehenden europäischen Ländern angewiesen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, daß die USA nach ihrem Kriegseintritt weiterhin diplomatische Beziehungen zu Finnland unterhielten. Finnland war nicht nur bei der Einfuhr von Getreide, Maschinen und anderen Industriewaren, insbesondere aber von Kriegsmaterial, völlig den Entscheidungen Berlins ausgeliefert. Seine abhängige Stellung war auch dadurch gekennzeichnet, daß es durch seine aktive Teilnahme am Krieg gegen die UdSSR nicht mehr entfernt imstande war, die Importe durch Exporte zu bezahlen. Außer in der Textilindustrie, wo es wegen Rohstoffmangels viele Arbeitslose gab, an deren Produkten deutscherseits jedoch kein Einfuhrinteresse bestand331, mußten in Finnland infolge einer überaus hohen Einberufungsquote männlicher Arbeitskräfte zur Armee zahlreiche Betriebe ihre Erzeugung einschränken oder sogar stillegen, darunter gerade in einigen exportorientierten Zweigen (Schnittholz, Sperrholz, Zellulose, Papier). Dem beiderseitigen Interesse an vermehrter Nickel-, Kupfer-, Schwefelkies- und Molybdänförderung im Petsamo-Revier handelten deutsche Wehrmachtstellen in Finnland selbst zuwider. Mit deutscher Armeeverpflegung warben sie zahlreiche finnische Arbeitskräfte von den Bauvorhaben bei den Erzgruben und deren Aufbereitungs-, Transport- und Versorgungseinrichtungen ab, bis schließlich Mitte 1942 durch zusätzliche deutsche Lieferungen die Verpflegungssätze für die Belegschaft des Petsamo-Reviers und deren Familienangehörige erhöht wurden.332 Unter den genannten Umständen bedeutete es für die finnische Wirtschaft geradezu eine ruinöse Belastung, wenn ihre Exporte nach Deutschland dennoch wertmäßig zunahmen.

328 329 330 331

II, S. 502 ff. BAP, AA 68712, Bl. 212, Telegramm Ritter an Best, 27.8.1943. Ebenda, Bl. 222 f., Telegramm v. Ribbentrop an Best, 31.8.1943. Β AP, AA 67823, Bl. 43 ff., Aktenvermerk Deutsche Gesandtschaft Helsinki über die Besprechungen Schnurres u. Ludwigs am 23.-25.10.1941 mit finnischen Regierungsvertretern, 4.11.1941. 332 Ebenda, Bl. 127-128R, Aufzeichnung (wohl: van Scherpenberg) über deutsch-finnische Wirtschaftsvereinbarungen, 2.3.1942; ebenda, Bl. 193-199, Protokoll über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen dem deutschen und dem finnischen Regierungsausschuß über Fragen des deutsch -finnischen Waren- und Verrechnungsverkehrs v. 9.6.1942.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943 Tabelle 119 Die deutsche Einfuhr aus Finnland, 1939-1943

473

(in Mill. RM)

Jahr

1939

1940

1941

1942

1943

In laufenden Preisen In Durchschnittspreisen von 1938

76 83

79 73

145 123

149 105

272 155

Quelle: BÄK, R 7/3639, III Gr. 7 Krüger (?), Berlin 26.10.1944, „Das Volumen des deutschen Außenhandels in den Jahren 1939 bis 1943 berechnet nach dem Preisstand von 1938", Anlage „Übersicht 2: Die deutsche Wareneinfuhr in den Jahren 1939 bis 1943 aus 11 Ländern nach dem jeweiligen Preisstand und nach dem Preisstand von 1938".

In entgegengesetzter Richtung wurden nach dem jeweiligen Preisstand Waren im Werte von 80 Mill. RM (1939), 83 Mill. RM (1940), 253 Mill. RM (1941), 371 Mill. RM (1942) und 400 Mill. RM (1943) bewegt.333 Dabei ist zu beachten, daß sich die deutschen Exporte nach Finnland vorwiegend auf Warenarten erstreckten, bei denen der kriegsbedingte Preisanstieg besonders groß war. Nachdem Finnland aus einem Lebensmittellieferanten zu einem auf Getreidelieferungen aus dem deutschen Herrschaftsgebiet angewiesenen Lande geworden war und trotz „Führer"befehls seine Kohlen- (und Eisen-)bezugswünsche lediglich „mehr oder weniger erfüllt" werden konnten, forderte die deutsche von der finnischen Regierung im Juni 1942, Zwangsmaßnahmen gegenüber den privaten finnischen Holzindustriellen zu ergreifen, die nicht nur wegen des Arbeitskräftemangels, sondern auch aus finanziellen Gründen und wegen der drohenden Inflation mit Holzlieferungen nach Deutschland „zurückhaltend" geworden waren.334 Um die finnischen Holzlieferrückstände aus dem Jahre 1941 aufzuholen und 1943 mehr Holz, insbesondere Grubenholz, nach Deutschland heranzuschaffen, wurde deutscherseits eine Preiserhöhung zugestanden335 und die Bereitstellung ausländischer Arbeitskräfte (Polen, Norweger) zugesagt.336 Gerade die letztgenannte Lösung führte jedoch zu scharfen Interventionen der schwedischen und der USA-Regierung bei der finnischen Regierung, die seit Anfang 1943 ohnehin der wachsenden Friedensbewegung im finnischen Volke wie auch in Teilen der industriellen Unternehmerschaft und sogar innerhalb der Regierungsparteien mehr und mehr Tribut zu zollen begann.337 333 Wie Anm. 289. 334 BAP, AA 67823, Bl. 229 ff., Aufzeichnung Schnurre über das Ergebnis der deutsch-finnischen Wirtschafte Verhandlungen, 10.6.1942. 335 Β AP, AA 68714, Bl. 183, Note d. Vorsitzenden d. Deutschen Regierungsausschusses, Schnurre, an den Vorsitzenden des Finnischen Regierungsausschusses, v. Fieandt, Helsinki 18.8.1942. 336 Ebenda, Bl. 209 f., Der Vorsitzende der Deutschen Sachverständigenkommission für den Holzplan 1943, Gräbner, an den Vorsitzenden der Finnischen Sachverständigenkommission, Mecklin, Helsinki 9.11.1942; ebenda, Bl. 211 ff., (ergänzende) Niederschrift von Gräbner, Mecklin, Kahra. 337 BAP, AA 68715, Bl. 10 f., Fernschreiben Wiehl über RSHA an Reichskommissar in Oslo, Februar 1943; ebenda, Bl. 15, Telegramm Wiehl über RSHA an Senator Otte beim Reichskommissar in Oslo, 12.2.1943; ebenda, Bl. 18, Telegramm Blücher an AA, Helsinki 24.2.1943; ebenda, Bl. 35 f.,

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

e) Südosteuropa und Türkei Im Oktober 1941 initiierten Wilhelm Zangen und Tilo Frhr. v. Wilmowsky in einem gemeinsamen „Vorschlag der Reichsgruppe Industrie und des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages für die Wirtschaftsplanung im südosteuropäischen Raum" 338 Aktivitäten der noch getrennt voneinander mit Untersuchungen über Südosteuropa beschäftigten Institutionen (Institut für Wirtschaftsforschung Wien, Südostgemeinschaft der ostmärkischen Hochschulen Wien, Institut für Konjunkturforschung Berlin, Weltwirtschaftliches Institut Kiel, SüdosteuropaInstitut Breslau, Mitteleuropa-Institut Leipzig, Auslandswissenschaftliches Institut der Universität Berlin, Volkswirtschaftlicher Ausschuß des MWT Berlin und dessen Zweigstelle in Wien) zur Untersuchung der aktuellen Lage und der Entwicklungsmöglichkeiten der Wirtschaft der Länder Südosteuropas, besonders auch ihrer Beziehungen zur deutschen Wirtschaft. Diese Aktivitäten wollten sie - unter Einbeziehung der Zweigorganisationen der gewerblichen Wirtschaft Deutschlands - der einheitlichen Lenkung durch einen Wirtschaftswissenschaftlichen Planungsausschuß bei der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien unterstellen. In der Folgezeit kam es zur Formulierung von „Aufgaben der wirtschaftswissenschaftlichen Planung".339 In der (leider nicht datierten) Präambel eines solchen geheimen Planungsansatzes hieß es: „Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß der wirtschaftspolitische Einfluß Deutschlands in Südosteuropa heute an vielen Stellen wesentlich geringer und nur an wenigen Stellen größer ist als im Jahre 1938. Damals hatten wir im Südostraum praktisch die unbestrittene wirtschaftliche und politische Vorherrschaft. Wir waren fast ausschließlich die Rüstungslieferanten, hatten die größten Außenhandelsanteile, und durch die Clearingpolitik (Zweiseitigkeitsverkehr) hatten wir die Südostländer immer ,in der Zange'. Im jugoslawischen Raum bestimmten fast ausschließlich wir und überließen im übrigen den Rest des Außenhandels gern anderen Ländern, da uns damit die Sorge für den jugoslawischen Bedarf an Industrierohstoffen genommen war. Heute dagegen ist Laibach eine italienische Provinz, Dalmatien (Bauxit!) und Montenegro italienisch, der kaum lebensfähige kroatische Staat steht teilweise unter italienischem Einfluß, Griechenland noch stärker. Wenn man also den Westen der Balkanhalbinsel heute einheitlich industriepolitisch ordnen will, bedarf es einer Auseinandersetzung mit Italien (teilweise auch mit Ungarn und Bulgarien), die 1938 noch nicht nötig war. Auf Ungarn müssen wir heute mehr Rücksicht nehmen als früher, weil sie unsere Verbündeten sind. Der Gegensatz Ungarn-Rumänien erschwert zunächst nur unsere wirtschaftspolitischen Bemühungen. Demgegenüber haben wir in Rumänien in vieler Bezie-

Telegramm Blücher an AA, Helsinki 13.3.1943; ebenda, Bl. 45 f., Telegramm Blücher an AA, Helsinki 28.8.1943. 338 BÄK, R 63/293, Bl. 325 ff., „Vorschlag der Reichsgruppe Industrie und des Mitteleuropäischen Wirtschaftstages für die Wirtschaftsplanung im südosteuropäischen Raum", Zangen u. v. Wilmowsky, Oktober 1941. - Im August 1941 hatten sich die Reichsgruppe Industrie und der MWT über die organisatorische Grundlage für ihr gemeinsames Vorgehen bezüglich der südosteuropäischen Industrie verständigt. Siehe dazu: Griff nach Südosteuropa, S. 136 f. 339 BÄK, R 63/293, Bl. 87 ff., „Aufgaben der wirtschaftswissenschaftlichen Planung. Stand v. Juni 1942".

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

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hung wirtschaftspolitisch weitaus stärkeren Einfluß gewonnen als noch 1940, und mit Bulgarien läßt sich im allgemeinen mindestens gleich gut wie früher arbeiten. Das serbische Gouvernement muß sich vollständig unserem Einfluß beugen. Im Gesamtraum sind seit 1938 eine ganze Reihe von Grenzveränderungen vorgenommen worden, die die industriewirtschaftliche Lage vielfach völlig neu gestaltet haben." 340 Die ganze Aktion sollte sich nicht etwa in wissenschaftlichen Untersuchungen erschöpfen. Zangen und Wilmowsky ging es um praktische Maßnahmen. Daher schrieben sie: „Nach dieser Stellungnahme der praktischen Wirtschaft durch das Forum der jeweils zuständigen Reichsgruppen zu den von der SOEG-Wien ausgearbeiteten Planungsvorschlägen erfolgt nunmehr in der dritten Phase die politische Willensbildung durch die zuständigen Regierungsstellen. Diese sind nunmehr in der Lage, sich bei ihren Entscheidungen zu stützen sowohl auf die wirtschaftswissenschaftlich fundierten Gutachten der SOEG-Wien als auch auf die praktischen Erfahrungen der Wirtschaft. Im weiteren Verlauf der politischen Willensbildung spielen bekanntlich die zwischenstaatlichen Verhandlungen in den Regierungs- und deren Unterausschüssen eine entscheidende Rolle. In der letzten Phase der praktischen Durchführung werden grundsätzlich die zuständigen Reichsgruppen im Einvernehmen mit den Ministerien von Fall zu Fall entscheiden, ob die praktische Durchführung einzelnen Firmen, Konsortien oder wirtschaftlichen Organisationen zu übertragen ist, soweit nicht der Staat selbst bei Vorhaben bestimmter Art sich Leitung und Durchführung vorbehält."341 So viel zu Zielen und Wunschvorstellungen 1941/42. Schon bald scheint aufgrund der tatsächlichen Entwicklungen Ernüchterung eingetreten zu sein. Am 31. Mai 1943 schrieb der Hauptgeschäftsführer der Südosteuropa-Gesellschaft, August Heinrichsbauer, einem Dr. v. Rischka in Wien, daß „nach dem übereinstimmenden Willen des Auswärtigen Amtes und des Reichswirtschaftsministeriums in allen Südostfragen auch von uns kurz getreten werden muß ... wir uns passiv verhalten sollen ,.."342 Anhand damals nicht veröffentlichter amtlicher deutscher Außenhandelsangaben, auf die wir uns unter vielen Vorbehalten hinsichtlich der unzureichenden statistischen Erfassung343, der völkerrechtswidrigen Territorialgliederung u. ä., jedoch mangels besseren Materials stützen müssen, lassen sich die folgenden Tabellen zusammenstellen:

340 Ebenda, Bl. 117 f., „Die industriewirtschaftlichen Folgen des Rückganges (und Zuwachses) des deutschen politischen Einflusses auf Südosteuropa seit 1938", handschriftl.: „von Dr. Seifert erhalten". 341 Ebenda, Bl. 328 („Vorschlag"). - SOEG = Südosteuropa-Gesellschaft. 342 BÄK, R 63/251, Bl. 13R, Heinrichsbauer an v. Rischka, Wien 31.5.1943. 343 Ein wenig davon abweichende Angaben in: BÄK, R 7/3639, Die deutsche Wareneinfuhr in den Jahren 1939 bis 1943 aus 11 Ländern nach dem jeweiligen Preisstand und nach dem Preisstand von 1938.

476

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Tabelle 120 Die deutsche Einfuhr aus Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 (laufende Preise) Neutrale, verbündete und okkupierte Länder bzw. Landesteile

Türkei Bulgarien Rumänien einschl. „Transnistrien" Ungarn Kroatien Serbien, Albanien, Montenegro Griechenland

Mill. RM

1941

1942

1943

Prozent der deutschen Gesamteinfuhr 1941 1942

82 187

100 286

160 300

1 3

1 3

2 4

347 351 35

430 541 75

320 620 100

5 5 1

5 6 1

4 8 1

128 81

121 130

190 100

2 1

1 1

2 1

1943

Quelle: BÄK, R 7/3639, Der deutsche Außenhandel in den Jahren 1938 bis 1943, a) Einfuhr. Tabelle 121 Die deutsche Ausfuhr nach Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 (laufende Preise) Neutrale, verbündete und okkupierte Länder bzw. Landesteile

Türkei Bulgarien Rumänien einschl. „Transnistrien" Ungarn Kroatien Serbien, Albanien, Montenegro Griechenland

Mill. RM

1941

1942

1943

Prozent der deutschen Gesamtausfuhr 1941 1942

26 260

109 289

250 370

0 4

1 4

3 4

435 350 55

716 431 175

990 670 320

7 5 1

9 6 2

12 8 4

108 11

49 59

70 80

2 0

1 1

1 1

1943

Quelle: BÄK, R 7/3639, Der deutsche Außenhandel in den Jahren 1938 bis 1943, b) Ausfuhr.

Aus diesen Import- und Exportdaten ergibt sich die folgende Bilanzrechnung.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

477

Tabelle 122 Einfuhrüberschuß (-) bzw. Ausfuhrüberschuß (+) des deutschen Außenhandels gegenüber pa und der Türkei, 1941-1943 Herkunft- und Absatzgebiete

1941

1942

1943

Türkei Bulgarien Rumänien einschl. „Transnistrien" Ungarn Kroatien Serbien, Albanien, Montenegro Griechenland

-56 +73 +88

+9 +3 +286 -110 +100 -72 -71

+90 +70 +670 +50 +220 -120 -20

-1 +20 -20 -70

Südosteuro-

Quelle: Wie für die Tabellen 120 und 121.

Diese Bilanzrechnung könnte zu völlig wirklichkeitsfremden Schlußfolgerungen verleiten, wenn man drei Faktoren außer acht ließe: Erstens verbergen sich hinter den laufenden Preisen ganz unterschiedliche Steigerungsraten. Höheren Wertsummen standen keineswegs adäquat gewachsene Warenmengen gegenüber. In den Verhandlungen der bilateralen Regierungsausschüsse nahm das Feilschen um Preiszuschläge stets erheblichen Raum ein. Zweitens ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen: Je prekärer die militärische Situation und die innere Sicherheitslage in den südosteuropäischen Ländern wurde, desto mehr waren Waffen und anderes Militärgerät an den statistisch als deutsche Ausfuhr erfaßten Gütern beteiligt. Berücksichtigt man diesen Fakt, so werden die überwiegend aktiven Salden der deutschen Handelsbilanz gegenüber Südosteuropa im Verlauf der Jahre 1941 - 1943 plausibel, obwohl die Warenlieferungen aus den dortigen verbündeten und okkupierten Ländern bzw. Landesteilen insgesamt nicht sanken. Daß die deutsche Handelsbilanz gegenüber Rumänien trotz dessen großer Bedeutung als Erdöllieferant stark aktiv war, hing mit Rumäniens außerordentlich starker Beteiligung am Krieg gegen die Sowjetunion zusammen. Der recht hohe deutsche Aktivsaldo gegenüber Kroatien erklärt sich ähnlich. Die Ustascha-Regierung war zwar vom faschistischen Italien politisch abhängig, was ihre Vertreter in Handelsverhandlungen mit Deutschland gern zu nutzen versuchten, um die deutschen Vertreter zu größeren Konzessionen zu bewegen. Doch im Kampf gegen die Partisanen waren die kroatischen Faschisten mehr auf deutsche Waffenlieferungen (und direkten Einsatz deutscher Streitkräfte) angewiesen. Drittens darf diese Bilanz nicht mit Deutschlands Clearingverschuldung an die südosteuropäischen Länder verwechselt werden, in der auch frühere Verbindlichkeiten sowie Zahlungsverpflichtungen außerhalb des Warenverkehrs enthalten waren. So wurde z.B. die deutsche Clearingschuld gegenüber Bulgarien im März 1943 von amtlicher deutscher Seite mit rund 400 Mill. RM beziffert.344 Eine wesentlich größere Rolle, als die obigen Tabellen erkennen lassen, spielte in der deutschen Außenhandelspolitik als Funktionsfeld der Außenpolitik während der hier behandelten Kriegsphase 1941 - 1943 die Türkei. Seit Beginn des Krieges den Gegnern Deutsch344 BAP, AA 68709, Bl. 16, Aufzeichnung Morath für das Büro des RAM, 29.3.1943.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

lands zugeneigt, näherte sie sich diesem etwas während seines Vormarschs in das Territorium der UdSSR, besonders als große Teile der Küsten des Schwarzen Meeres unter deutsche Kontrolle geraten waren. Ganz wie es opportun schien, bezeichnete sich die Türkei in dieser Kriegsphase weiterhin als „nichtkriegführend" oder auch als „neutral". Angesichts der Lage auf dem Balkan und im östlichen Mittelmeer, aber auch im Irak, sowie der zunehmenden deutsch-sowjetischen Differenzen hatte sie bereits am 18. Juni 1941 mit Deutschland einen in der Öffentlichkeit oft als „Freundschaftsvertrag" bezeichneten Nichtangriffs- und Konsultativvertrag abgeschlossen, jedoch ohne die ihr als Köder angebotenen geheimen Zusatzprotokolle über Gebietserweiterungen auf Kosten Dritter. Zugleich hielt sie aber am Bündnis mit Großbritannien fest. Daß sich die Annäherung an Deutschland trotz eines am 9. Oktober 1941 zustande gekommenen Wirtschaftsabkommens und eines am 18. April 1943 abgeschlossenen „Abkommens zur Regelung des Waren- und Zahlungsverkehrs" 345 nicht allzu stark im Handelsumsatz niederschlug, zeigen die obigen Tabellen. Erheblichen Einfluß darauf hatte die bereits erwähnte Tatsache, daß die Türkei sich 1939 verpflichtet hatte, ihre kriegswirtschaftlich besonders wichtige Chromerzproduktion bis zum 7. Januar 1942 faktisch ausschließlich nach England zu exportieren, wobei der britischen Seite 1939 gleich eine entsprechende Option für das dann folgende Jahr (bis Januar 1943) eingeräumt worden war. In der Kriegssituation Anfang Oktober 1941 und erneut im Sommer 1942 sah sich die türkische Regierung dann veranlaßt, zunächst die den Briten 1939 eingeräumte Option zu realisieren, ihnen jedoch Lieferverträge für die folgende Zeit zu verweigern, dagegen den deutschen Unterhändlern Bereitschaft zur Erteilung von Ausfuhrbewilligungen für 12 0001 Kupfer, 7 0001 Baumwolle und 8 0001 Olivenöl zu bekunden, vor allem aber für 1943 und 1944 jeweils 90 000 t türkische Chromerzlieferungen zuzusagen. Das geschah allerdings unter der Bedingung, daß die deutsche Seite türkischen Kauf- und Kreditwünschen nachkäme, insbesondere in bezug auf Materialien und Maschinen für türkische Rüstungsfabriken, Ersatzteile für Flugzeuge und bestimmte Waffen, die der Türkei vorher von britischer Seite zugesagt worden waren, an deren Auslieferung jedoch in Ankara angesichts des britischen Eigenbedarfs und der durch die aktuelle Kriegslage erschwerten Transportverhältnisse Zweifel aufgekommen waren. In die diesbezüglichen deutsch-türkischen Verhandlungen wurde im Mai und im August 1942 auch Hitler persönlich eingeschaltet.346 Bis zum 7. Juli 1943 waren von der ersten Rate der vertraglich gebundenen Chromerzlieferungen in Höhe von 45 0001 dann aber nur 13 933 t realisiert347, und dies trotz der in einer 345 Näheres hierüber siehe Krecker, S. 176-189. 346 BAP, AA 68764, Bl. 41, FS Eisenlohr an Ritter, 4.10.1941; BAP, AA 68765, Bl. 35, Clodius an Numan Menemencioglu, Generalsekretär des türkischen Außenministeriums, Ankara 9.10.1941; ebenda, Bl. 38R, Clodius an Numan Menemencioglu, Ankara 9.10.1941; Β AP, AA 68764, Bl. 189, Ripken an Wiehl, 27.2.1942; Β AP, AA 68751, Bl. 38, Ripken, „Aufzeichnung betr. Verhandlungen mit der militärischen türkischen Sachverständigenkommission" für Wiehl, 4.6.1942; Β AP, AA 68764, Bl. 283 u. 283R, Ripken, „Aufzeichnung betr. den handelspolitischen Teil der Aufzeichnung für den Empfang des Türkischen Botschafters in Berlin, Saffet Arikan, beim Reichsaußenminister und beim Führer" an die Abt. Protokoll, 5.8.1942; vgl. auch Anm. 100. 347 Β AP, AA 68764, Bl. 416, Fachabteilung Ferrolegierungen der Wigru Chemische Industrie, Hoffmann, an OKW, Wirtschaftsstab, Gruppe Verkehr, 8.7.1943.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

479

Sitzung im Auswärtigen Amt am 24. Juli 1943 als „gut" bezeichneten Transportlage, die man in erster Linie für die Heranschaffung von Chromerz, Kupfer und Antimon nutzen wollte.348 Entscheidend für die schleppende Lieferung der türkischen Chromerze war nicht etwa deren mangelnde Bereitstellung, auch nicht Mangel an Transportraum oder Unsicherheit der Transportwege (ζ. B. durch die Dardanellen nach bulgarischen Häfen), sondern die Tatsache, daß der jegliche Planungen immer wieder übersteigende Bedarf der deutschen Ostfront die Auslieferung der der Türkei insbesondere durch das Abkommen vom 31. Dezember 1942, den sog. „Waffenkredit" 349 , zugestandenen Waffen und Rüstungsmaterialien stets aufs neue verhinderte, die Türkei aber Ausfuhrlizenzen nur im Maße der empfangenen deutschen Lieferungen Zug um Zug erteilte. Wie die Abmachungen dann in der inzwischen veränderten Kriegssituation nach Jahresmitte 1943 erfüllt wurden, wird im folgenden Abschnitt unserer Untersuchung zu behandeln sein. Was die hier zu erörternde Kriegsphase von Mitte 1941 bis Mitte 1943 anbetrifft, so muß festgestellt werden, daß auch in der Zeit der größten territorialen Machtausdehnung des Hitlerreiches die Türkei sogar auf dem Sektor der landwirtschaftlichen Erzeugnisse die vereinbarten Wertgrenzen der Lieferungen an Deutschland „nur in geringem Umfang in Anspruch genommen" hat.350 Dabei waren sich die deutschen Außenhandelspolitiker darüber im klaren, daß diese 1942, also in einer aus Berliner Sicht günstigen Kriegssituation getroffene Feststellung auch weiterhin Geltung behalten werde. Nicht nur schlechte Ernteergebnisse in der Türkei, sondern vor allem die jetzt infolge des Verlustes ihrer Rohstoffquellen im Fernen Osten forcierte Pre-emptive-policy Großbritanniens und der USA, die zugleich hohe eigene Lieferbereitschaft zeigten, sowie die dadurch natürlich motivierte türkische Verhandlungstaktik und praktische Handelspolitik wirkten sich für Deutschland nachteilig aus.351 Einen ähnlichen Balanceakt zwischen den Kriegsparteien zu vollführen, war den Regierungen der relativ souverän gebliebenen südosteuropäischen Staaten schon aus geographischen Gründen nicht möglich und hätte mindestens bis zum Jahreswechsel 1942/43 auch nicht der Lage- und Chancenbeurteilung durch die damals in Ungarn, Rumänien und Bulgarien maßgeblichen Politiker entsprochen. Wie schwach die Verhandlungsposition Bulgariens damals war, zeigt folgende Episode recht beredt: Als sich die deutsche Regierung genötigt sah, 20 Feld-Flugabwehrkanonen (Flak) zur Auslieferung an die Türkei freizugeben, verweigerte der bulgarische Ministerpräsident die Durchfuhrerlaubnis, weil er sein Land durch die Türkei militärisch bedroht glaubte. Es dauerte nur vier Wochen, bis die bulgarische Regierung dem deutschen Druck nach-

348 BAP, AA 67863, Bl. 426, Notiz Stock über eine Sitzung bei Ripken mit Vertretern des AA, des RWiM, des RMEL und des RMBuM, 27.7.1943. 349 Näheres dazu siehe Krecker, S. 183-189. - Um den Rückgriff auf Beutewaffen auszuschließen, hatte die Türkei auf der Festschreibung bestanden: „Dieses Kriegsgerät muß neu, deutscher Herstellung und von derselben modernen Beschaffenheit sein, wie es die deutsche Wehrmacht verwendet." Ebenda, S. 187. 350 Β AP, AA 68764, Bl. 311, Aktenvermerk „Der deutsch-türkische Außenhandel" o. Vf. o. D. (HaPol VII 3939/42, wohl Ende 1942). 351 Ebenda; ferner ebenda, Bl. 166 ff., Stellungnahme Ripken zur Aufzeichnung des ungarischen Gesandten v. 12.2.1942, für Wiehl, 19.2.1942.

480

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

gab.352 Der eigentliche Beweggrund für die bulgarische Weigerung war gewesen, daß bulgarische Wünsche, derartige Waffen als Entgelt für bulgarische Warenlieferungen zu erhalten, in Berlin mißachtet wurden. Als geradezu demütigend empfand man es in Sofia, daß 36 Hakgeschütze, deren Lieferung im Oktober 1941 vertraglich bei der Firma Rheinmetall gebunden worden war, noch im März 1943 deutscherseits zurückgehalten wurden, obwohl die bulgarische Seite wiederholt gemahnt hatte. „Für diese Flak scheint sich der König von Bulgarien persönlich zu interessieren", wurde dem Reichsaußenminister berichtet.353 In seinen Besprechungen mit Hitler und Ribbentrop Anfang Juli 1943 meldete dann König Boris schon weiterreichende Wünsche nach Waffen an, wobei der „Sicherung der Ruhe und Ordnung in Bulgarien und in dem von ihm besetzten Gebiet" von beiden Seiten hoher Stellenwert zuerkannt wurde.354 Auch in Ungarn stieß die Abwicklung des Handels- und Zahlungsverkehrs mit Deutschland zunehmend auf Schwierigkeiten. Im Unterschied zu Rumänien und Bulgarien wuchsen hier die Clearingspitzen zugunsten Ungarns, d. h., Ungarn erhielt nicht annähernd den Gegenwert für seine Lieferungen und Leistungen an Deutschland bzw. die in Ungarn befindlichen Einheiten der deutschen Wehrmacht. Daß sich bereits im Juli 1942 die Haltung der ungarischen Nationalbank zu Widerstand verhärtete, lag an ihrer ernsten Besorgnis um die ungarische Währung, die noch wuchs, als die ungarische Regierung von Berlin aus gedrängt wurde, jüdisches Kapital aus der ungarischen Volkswirtschaft „auszuschalten". Wegen der befürchteten negativen Folgen für die ungarische Geldwirtschaft widersetzte sich die Leitung der Nationalbank derartigen Maßnahmen, zunächst mit gewissem Erfolg. Nur mit Mühe ließ sich in diesem Zusammenhang der Rücktritt des Ministerpräsidenten Miklos Kailay vermeiden.355 Auch in Rumänien trat seit 1942 die Nationalbank aus Sorge um die Währung in zunehmendem Maße von deutscher Seite gestellten Forderungen entgegen. Im Oktober 1943, als Marschall Antonescu die Haltung der Bank eindeutig unterstützte, schrieb der deutsche Verhandlungsführer, Clodius, in einer Aufzeichnung für den Reichsaußenminister: „Das rumänische Verhalten ist genau wie im Vorjahre eine reine Erpresserpolitik. Dabei sind die rumänischen Zusagen aus dem Vorjahre keineswegs erfüllt worden. Statt 4 Millionen Tonnen Mineralöl werden wir ζ. B. im Laufe des Jahres 1943 höchstens 3 Millionen Tonnen erhalten, statt der zugesagten 90 000 Tonnen Ölsaaten sind nur 15 000 Tonnen geliefert worden. Die rumänische Nationalbank hat sich auch während des ganzen letzten Jahres bemüht, trotz unserer wiederholten Einsprüche die Lieferungen nach Deutschland möglichst zu sabotieren."356 352 BAP, AA 68750, Bl. 13, Telegramm Beckerle an AA, Sofia 10.12.1942; ebenda, Bl. 23 ff., FS v. Weizsäcker an Gesandtschaft Sofia, 18.12.1942; ebenda, Bl. 93, Telegramm Ripken an Botschaft Ankara, 9.1.1943. 353 Β AP, AA 68709, Bl. 17 f., Morath an das Büro d. RAM, „Aufzeichnung über den derzeitigen Stand der deutsch-bulgarischen Wirtschaftsbeziehungen", 29.3.1943. 354 Ebenda, Bl. 19, Schnurre an die Deutsche Gesandtschaft Sofia, 31.7.1943. 355 BAP, AA 68756, Bl. 222, Südosteuropa-Gesellschaft, Hauptgeschäftsführer Heinrichsbauer, an Clodius mit vertraulichem Bericht aus Budapest, Wien 18.8.1942. 356 BAP, AA 68736, Bl. 346, Aufz. Clodius für den RAM über die Verhandlungen mit Rumänien, 24.10.1943. - Nachdem die rumänische Armee an der Ostfront 25 Divisionen mit aller Ausrüstung

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

481

f ) Schweiz Auf den ersten Blick scheint die Schweiz in ihrer Insellage mitten im Herrschaftsraum der Achsenmächte 1941 - 1943 völlig von der übrigen Welt isoliert und daher ausschließlich vom Wohlwollen Berlins und Roms abhängig gewesen zu sein. Ganz so schwach war die Position der Schweiz jedoch nicht, und das schlug sich durchaus in ihren Außenhandelsbeziehungen nieder. Selbstverständlich kann nicht geleugnet werden, daß sich ihre Lage in jener Kriegsphase erheblich schwieriger gestaltete als vor dem Zusammenbruch Frankreichs im Frühsommer 1940. Neben anderen handelspolitischen Abkommen schlossen Deutschland und die Schweiz am 18. Juli 1941 eine bis Ende 1942 befristete Sondervereinbarung ab, in der die Schweiz einen Kredit für deutsche Verlagerungsaufträge und sonstige Warenbezüge bis zur Höhe von 850 Mill. Schweizer Franken einräumte. Dieser Kredit wurde dann nicht nur voll in Anspruch genommen, sondern durch Auftragserteilungen sogar um 500 Mill, sfr überschritten.357 Die deutsch-schweizerischen Abmachungen vom Juli 1941 veranlaßten die britische Regierung zu der offiziellen Ankündigung vom 10. September 1941, die Seeblockade auch auf die meisten Waren (davon ausgenommen wurden Nahrungs- und Futtermittel358) anzuwenden, die in die Schweiz transportiert werden sollten, von denen man aber in London nicht ohne Grund annahm, sie würden in der Schweiz zu Produkten verarbeitet, die dann an Großbritanniens Kriegsgegner geliefert werden würden.359 Die USA dagegen lieferten recht großzügig Waren an die Schweiz. Außer vom Profitmotiv ließen sie sich auch von der Überlegung leiten, daß eine Abschnürung der Schweiz vom Warenverkehr mit Übersee dieses Land nur noch mehr in Deutschlands Arme treiben müßte. Interessanterweise stiegen die Warenbezüge der Schweiz aus den USA nicht nur in der zweiten - im Unterschied zur ersten - Hälfte des Jahres 1941, d. h. vor dem Beginn des Kriegszustandes zwischen Deutschland und den USA, sondern noch mehr im Jahre 1942, wenigstens in den ersten Monaten360, wie aus den folgenden statistischen Angaben hervorgeht.

357 358 359

360

verloren hatte, befürchtete Antonescu, daß die intakt gebliebene ungarische Armee bei Kriegsende mit Gewalt die ungarischen Gebietsansprüche an Rumänien durchsetzen werde. Er fühlte sich immer mehr von Hitler im Stich gelassen. BAP, AA 68744, Bl. 5, Clodius, „Aufzeichnung über den Stand der Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz" für den RAM, 12.5.1943. Homberger, S. 25 u. 69 ff. Medlicott II, S. 212. - Über die faktisch gescheiterten britisch-schweizerischen Verhandlungen von Juli bis September 1941 siehe ebenda, S. 209 ff. - Laut Homberger, S. 70 f., wurden für die in die Schweiz verlagerten Aufträge zur Herstellung von Kriegsmaterial zusätzlich zu den Lieferungen für den schweizerischen Inlandkonsum und für die sonstige Exportproduktion Kohle und Eisen aus Deutschland geliefert. Medlicott II, S. 213.

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

482

Tabelle 123 Die Einfahr der Schweiz aus Deutschland, Großbritannien und den USA,

1938 1939 1940 1941 1942

1938-1942

Mill, sfr D

GB

USA

Prozent der Gesamteinfuhr GB D USA

403 438 410 645 643

87 100 86 14 20

125 133 198 150 235

25,4 22,4 22,3 32,1 31,7

5,4 5,3 4,7 0,7 1,0

4,5 7,1 10,7 7,5 11,6

Quelle: Β AP, AA 68818, Bl. 2 f., Statistisches Reichsamt, Einfuhr der Schweiz nach Herkunftsländern. - Zu Vergleichszwecken Angaben für Österreich auch 1938 von mir in die Angaben für Deutschland einbezogen - Β. P.

Wenn bei den Angaben für 1942 auch berücksichtigt werden muß, daß ein Teil der in diesem Jahre statistisch erfaßten Waren schon früher eingetroffen war und lediglich noch nicht die Zollgrenze passiert hatte, so darf man im Prinzip wohl doch feststellen: Mit der von den USA im Unterschied zu Großbritannien angewendeten Taktik wurde ein selbstbewußteres Auftreten der schweizerischen Unterhändler gegenüber ihren deutschen Verhandlungspartnern erreicht. Nicht nur blieb die Ausfuhr der Schweiz in die USA auch 1941 und 1942 recht hoch.361 Es wurde sogar durchgesetzt, daß bestimmte Warenpartien aus der Schweiz, an deren Bezug die britische Seite sehr interessiert war, zum Transit durch Deutschland oder von diesem okkupierte Länder zugelassen wurden, obwohl zu deren Produktion vermutlich auch deutsche Rohstoffe verwendet worden waren. Der „Compensation-deal" zwischen alliierter Blockade und deutscher Gegenblockade zeigt: Beide kriegführenden Seiten waren an einer gewissen Freizügigkeit des schweizerischen Handels selbst interessiert, so sehr sie natürlich grundsätzlich um effektive Wirtschaftskriegführung gegeneinander bemüht waren.362 Dieses Geflecht widersprüchlicher Interessen bot der Schweiz einigen Handlungsspielraum, der nicht an solchen Kriterien wie Größe des Territoriums, Stärke der bewaffneten Kräfte oder Handelsumsatz zu messen ist. Auch abgesehen von der Einwirkung der USA und Großbritanniens war die Schweiz gegenüber deutschem Druck nicht wehrlos. Als stärkstes deutsches Druckmittel (abgesehen von der Drohung mit militärischer Okkupation, deren Realisierungschancen äußerst fragwürdig waren und die nach dem Juni 1940 nie mehr erwogen wurde) galt die Verkehrs- und handelsmäßige Abschnürung der Schweiz von der Außenwelt. Diese hätte aber als Bumerang gewirkt. Zwar war die Schweiz, auch für ihren eigenen Bedarf, völlig auf Kohlen- und Eisenlieferungen aus Deutschland angewiesen. Umgekehrt aber war die süddeutsche Industrie weitestgehend von kontinuierlicher Versorgung mit elektrischem Strom aus der Schweiz ab361 BAP, AA 68818, Bl. 20, Statistisches Reichsamt, „Ausfuhr der Schweiz nach Bestimmungsländern". 362 Über den Verlauf der komplizierten britisch-schweizerischen Verhandlungen siehe Medlicott II, S. 213-235. - Sie führten schließlich im Dezember 1942 zu einem Kompensationsabkommen.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

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hängig, und die Eisenbahnverbindung durch die Schweizer Alpen und die dortigen leicht zu blockierenden Tunnel erwiesen sich für das Zusammenwirken zwischen Deutschland und Italien nach wie vor als unentbehrlich. Diese und weitere Gegendruckmittel, über die die Schweiz verfügte, bewogen die Außen- und Wirtschaftspolitiker in Berlin auch im Frühjahr 1943, als die Schweiz - der eingetretenen Wende des Krieges Rechnung tragend - nach Ablauf der Geltungsdauer der Sondervereinbarung vom Juli 1941 die Zusage eines ähnlich großen Kreditvolumens für künftige Lieferungen an die deutsche Kriegswirtschaft verweigerte und ein vertragsloser Zustand eintrat, auf Wirtschaftskriegsmaßnahmen gegen die Schweiz zu verzichten.363 Wenn auch vielleicht nicht im bisher üblichen Ausmaß, so sollte doch noch so viel wie möglich Lieferbereitschaft der Schweiz für die deutsche Kriegswirtschaft bewahrt werden. Damals unveröffentlichten Angaben des Statistischen Reichsamtes entnehmen wir die folgenden Informationen über einige wichtige Waren, die 1942 und 1943 trotz des mehrere Monate währenden vertragslosen Zustandes aus der Schweiz nach Deutschland importiert wurden. Zum Vergleich werden die Zahlen für 1938 zitiert. Wenn auch Mengenangaben bei den meisten typischen schweizerischen Erzeugnissen an sich wenig Aussagekraft besitzen, so führen wir sie dennoch auf, weil die sich aus der Entwicklung der Wertsummen ergebende Tendenz durch die Mengenentwicklung bekräftigt wird. Tabelle 124 Wichtige Warenarten der deutschen Einfuhr aus der Schweiz, 1938, 1942 und 1943 Warenart

1000 dt 1938

Einfuhr insgesamt 2 430,0 Käse 31,4 Eisenerz 1 200,0 Aluminium 36,6 Teerfarbstoff 8,7 Sprengstoff, Schießbedarf, Zündwaren 0 Eisenwaren 11,1 Werkzeugmaschinen 7,8 Elektrotechnische Erzeugnisse 3,0 Uhren 0,5 Feinmechanische u. optische Erzeugn. 0,1 Pharmaz. Erzeugn. 6,6

1942

1943

Mill. RM 1938

1942

1943

4 207,5 4,6 2 752,2 44,6 4,8 2,1 49,5 57,9 27,6 19,4

2 559,0 1,0 1 775,8 17,9 1,8 4,9 45,5 46,2 36,1 10,8

102,6 4,1 1,2 3,0 6,8 0 3,9 4,2 1,8 8,4

424,4 1,2 4,1 6,5 4,0 6,6 58,1 42,6 16,0 85,3

297,7 0,3 2,5 2,6 1,6 17,1 40,8 33,1 23,5 51,7

2,3 2,2

1,7 1,2

0,4 3,6

11,5 16,2

7,3 9,2

Quelle: BAP, AA 68818, Bl. 1, Statistisches Reichsamt, Anteil der wichtigsten Waren an der deutschen Einfuhr aus der Schweiz in den Jahren 1938, 1942 und 1943. 363 BAP, AA 68744, Bl. 5 ff., Clodius, .Aufzeichnung über den Stand der Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz" für den RAM, 12.5.1943; ebenda, Bl. 54 ff., Sabath, Aufzeichnung über eine Besprechung bei MD Wiehl betr. deutsch-schweizerische Verhandlungen, 21.5.1943; ebenda, Bl. 141 ff., Clodius, „Aufzeichnung über den Stand der Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz" für den RAM, 3.6.1943.

484

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Diese Tabelle zeigt deutlich die kräftige Zunahme rüstungswichtiger Importe bei starkem Rückgang der Einfuhr des typischen schweizerischen Konsumartikels Käse (allerdings auch von Teerfarbstoff, wofür wohl Kartellauseinandersetzungen verantwortlich waren, die während des Krieges im Zuge der „Neuordnung Europas" vor sich gingen). Aus der Tabelle geht ferner klar hervor, wie die deutsche Einfuhr einer Reihe rüstungswichtiger Güter aus der Schweiz 1943 rückläufig wurde. Jedoch stieg der Import von unmittelbar frontverwendungsfähigen Produkten, insbesondere in der Warengruppe „Sprengstoff, Schießbedarf, Zündwaren", weiterhin stark an, oder er blieb recht hoch, wie die Angaben für die Gruppe „Eisenwaren" ausweisen, in der Geschütze und andere Waffen enthalten waren. Offenbar konzentrierte man die knapp gewordenen Zahlungsmittel nunmehr in erster Linie darauf.

g) Vichy-Frankreich und seine überseeischen

Besitzungen

Mit dem Kriegseintritt der USA hörten die amerikanischen Lieferungen von Öl, Nahrungsmitteln, Kraftfahrzeugen und anderen Waren an Französisch-Nordafrika nicht auf.364 In Washington, aber auch in London hegte man die Hoffnung, auf diese Weise dort Sympathien für die Alliierten gegen die Achsenmächte zu gewinnen. Solange aber die Schlacht um Ägypten und anschließend um Libyen nicht entschieden war, erwiesen sich die Lieferungen eher als vorteilhaft für das Deutsche Afrikakorps, an das Treibstoff und Kraftfahrzeuge sowie Ersatzteile weitergeleitet worden sein sollen365, vor allem jedoch für die deutsche Kriegswirtschaft. Nach damaligen amtlichen britischen Berechnungen gelangten noch von Januar bis August 1942 über eine Million Tonnen Phosphate, 200 0001 phosphorarmes Eisenerz, 20 0001 Manganerz und 140 0001 Ölsaaten und Erdnüsse von Nordafrika nach französischen Mittelmeerhäfen, von dort aus großenteils nach Deutschland.366 Die zunehmenden Spannungen zwischen Washington und Vichy, die Besetzung Marokkos und Algeriens durch die Alliierten und die Vernichtung bzw. Vertreibung der deutschen und italienischen Truppen aus Libyen und Tunesien brachten den im Herbst 1941 noch recht lebhaften Warenimport aus zu Pétain haltenden französischen Überseeterritorien durch die Straße von Gibraltar nach Südfrankreich mehr und mehr zum Erliegen. Anfang August 1942 kamen in Marseille als nennenswerter Posten noch 2 000 Karat Industriediamanten an, die anschließend zur Hälfte nach Deutschland weiterbefördert und zur Hälfte in Frankreich für deutsche Aufträge verwendet werden sollten. Dabei handelte es sich um die erste Lieferung aus der Diamantenmine bei Dakar (Westafrika), wo ein kommissarischer Verwalter eingesetzt worden war, um die mit 50 000 Karat jährlich veranschlagte Produktion, die er auf 100 000 Karat steigern sollte, für die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar zu machen.367 Ruge zufolge hatten seit dem Waffenstillstand 1940 bis zum November 1942 insgesamt 540 französische Geleitzüge mit 1 750 Handelsfahrzeugen die Straße von Gibraltar passiert. 364 365 366 367

Medlicott II, S. 343-376. Ebenda, S. 356, 365, 367. Ebenda, S. 377. BÄK, R 7/2281, „Leistungen der französischen Wirtschaft für Deutschland", Stand 1.8.1942 (aus einem Bericht der Deutschen Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft Paris-Wiesbaden), S. 8.

Vom 3. Quartal 1941 bis zum 3. Quartal 1943

485

Laut derselben Quelle ermöglichte der Frachtschiffsverkehr von Französisch-Nordafrika nach Südfrankreich, der bereits im Oktober 1940 nahezu wieder den Vorkriegsstand erreicht hatte, bis zum November 1942 „eine Einfuhr von etwa 4 1/2 Millionen Gewichtstonnen, davon etwa 3/5 Phosphate und Erze, dazu 1,6-1,7 Millionen cbm Wein. Marokko lieferte in einem Jahr etwa 1/2 Million t, ungefähr ebensoviel wie im Frieden." Abschließend behauptete der deutsche Admiral noch lange nach Kriegsende: „Bis auf geringe Mengen, die im freien Markt von der Besatzungstruppe gekauft wurden, kam die gesamte Einfuhr der französischen Bevölkerung zugute." 368 Indem Vichy-Frankreich die Handelsverbindungen zu den ihm treu gebliebenen Überseeterritorien einbüßte, erübrigte es sich in den Augen der Okkupanten immer mehr, die offizielle Existenz der Vichy-Regierung zu beachten. Sie erteilten ihr in zunehmendem Maße Befehle, statt mit ihr zu verhandeln. Dennoch wurde die Fiktion französischer Souveränität nicht völlig aufgegeben. Französischen Kollaborateuren und den vielen französischen Unternehmern, die an ihren erheblichen Produktionsbeiträgen für die deutsche Kriegswirtschaft profitierten, blieb auf diese Weise das Alibi erhalten, nicht Handlanger der fremden Besatzer, sondern Patrioten des „Etat Français" zu sein. Auch nachdem ab November 1942 ganz Frankreich von deutschen und italienischen Truppen besetzt war, wurde die Waffenstillstandskommission nicht, wie zunächst erwogen, aufgelöst, sondern als Symbol französischer Souveränität beibehalten. Doch Hitler kommentierte diese Entscheidung gegenüber seinem Militärbefehlshaber in Frankreich im Dezember 1942, die französische Souveränität werde nur insoweit anerkannt, als sie „unseren Zwecken" diene369.

h) Ferner Osten Nach dem Wegfall des Eisenbahntransits über das Territorium der UdSSR war der gesamte Handel mit dem Fernen Osten ausschließlich auf Blockadebrecher angewiesen.370 Zugleich schieden Iran und Afghanistan als erreichbare Handelspartner aus, und die im Zusammenhang mit dem Staatsstreich im Irak deutscherseits eingeleiteten wirtschaftlichen und finanziellen Unternehmungen kamen infolge des Scheiterns des Staatsstreichs gar nicht erst zum Tragen.371 Mit der chinesischen Regierung unter Tschiang Kai Shek bestanden seit Mai 1941 keine diplomatischen Beziehungen und nicht die geringsten Handelsmöglichkeiten mehr, nachdem Berlin die Regierung unter Wang Ching Wei im japanisch okkupierten Teil Chinas anerkannt hatte. 368 Ruge, Friedrich, Der Seekrieg 1939-1945. Dritte erweiterte Aufl. Stuttgart 1962, S. 122 f. 369 Jäckel, Eberhard, Frankreich in Hitlers Europa, Stuttgart 1966, S. 260 f.; Milward, The New Order, S. 139. 370 Siehe dazu Michaud, T., Rohstoffe aus Ostasien, Die Fahrten der Blockadebrecher. In: Wehrwissenschaftliche Rundschau, Jg. 1955. 371 BAP, AA 68761, Bl. 47 ff., Notiz über eine Ressortbesprechung im AA am 23.8.1941 zur Vorbereitung des Besuchs des irakischen Ministerpräsidenten Gailani in Berlin. - In der Reichsdruckerei wurde der Druck neuer irakischer Geldscheine vorbereitet, damit sofort beim Einmarsch der Truppen der Achsenmächte im Irak eine neue Währung eingeführt werden könne (ebenda, Bl. 65 ff., Notiz in den Handakten Ripken).

486

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

Nachdem die französische Atlantikküste erobert worden war, hatte man im Herbst 1940 deutscherseits die Wiederaufnahme der Überseeschiffahrt vornehmlich von und nach Südund Mittelamerika zu organisieren begonnen. Diese sollte sich hauptsächlich auf seit Kriegsbeginn in überseeischen Häfen festliegende deutsche Frachtschiffe stützen, weil die in Europa verfügbaren bereits für Aufgaben der Kriegsmarine requiriert worden waren bzw. als für den Eitransport aus Schweden und Norwegen unentbehrlich galten, sofern überhaupt hochseetauglich. Ein Frachtverkehr zwischen Lateinamerika und dem deutschen Herrschaftsgebiet mit deutschen Schiffen kam jedoch faktisch nicht zustande: Teils aus eigenem Antrieb, teils unter dem Druck Britanniens und der USA verhinderten die südamerikanischen Regierungen die Ausfahrt der deutschen Schiffe, bereiteten deren Beschlagnahme vor (die ζ. T. abgewendet wurde, indem man deutscherseits Schiffe verkaufte oder sogar verschenkte, um für andere die Ausfahrgenehmigung zu erwirken), und die tatsächlich aus den gutbeobachteten Häfen der Ostküste ausgelaufenen deutschen Schiffe gingen großenteils verloren, meistens durch Selbstversenkung bei Herannahen britischer Kriegsschiffe. Dagegen gelang es, in Häfen der Westküste liegende deutsche Schiffe nach Japan zu überführen.372 Diese wurden später, ebenso wie bei Kriegsausbruch im Fernen Osten befindliche und einige bereits aus Europa dorthin durchgebrochene deutsche Frachtschiffe, mit kriegswichtigen Waren beladen, vorzugsweise in den trüben Wintermonaten in Richtung Biskaya in Marsch gesetzt. Von den zwei möglichen Routen nach dem Fernen Osten und zurück bevorzugten die Blockadebrecher die wesentlich längere um das Kap Hoorn ohne die Möglichkeit der Treibstoffaufnahme gegenüber der Route um das Kap der Guten Hoffnung mit Bunkeraufenthalt auf Französisch-Madagaskar und Anlaufmöglichkeiten in Häfen anderer vichytreuer westafrikanischer Kolonialgebiete 373 , was bis zur Eroberung Singapurs, Malayas und Niederländisch-Indiens durch die Japaner ohne weiteres verständlich ist. Die deutsche Kriegswirtschaft benötigte aus dem Fernen Osten viele Rohstoffe, wie Ölsaaten, Kautschuk, Zinn, Tungsten (Wolframerz) und Chinin, wofür sie hohe Kosten und Opfer nicht scheuen durfte. Möglicherweise war aber Japans Interesse an erfolgreichen Passagen von Blockadebrechern, auch Handels-Unterseebooten, noch größer, denn es verspürte nicht nur Mangel an Quecksilber, Pottasche, Kugellagern und bestimmten Chemikalien, sondern vor allem an neuesten Waffentypen. Im April 1943 informierte die deutsche die japanische Regierung auf deren Wunsch über den Umfang der in der Periode 1942/43 für die japanische Armee und Marine verschifften Waren. Von den 17 483 t für beide Auftraggeber verschifften Gütern waren demnach 5 211 t in Japan und 989 t im japanisch besetzten Singapur angekommen, 1 016 t auf zwei versenkten Blockadebrechern verloren gegangen und 5 9 3 0 1 noch unterwegs; weitere 4 337 t waren auf dem sie transportierenden Schiff, das umgekehrt war, wieder in einem Hafen des deutschen Herrschaftsgebietes eingetroffen. 374 Außer den direkten Militärlieferungen befanden sich an Bord der Blockadebrecher 13 190 t Kali und 8 420 t diverse Waren wie Maschinen, Motoren, Kugellager, Elektrolokomotiven, Edelstahl, Röhren, Draht, Hochdruckbehälter, elektrisches Material, ferner Chemikalien, Farben, 372 Pommerin, Reiner, Das Dritte Reich und Lateinamerika. Die deutsche Politik gegenüber Süd- und Mittelamerika 1939-1942, Düsseldorf 1977, S. 1 9 8 - 2 1 3 . 373 Medlicott II, S. 170 f. 374 BAP, AA 68725, Bl. 41 f., Memorandum „an Komuro übergeben", 19.4.1943, o. Vf.

Vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945

487

Arzneiwaren, Papier und Pappe, darüber hinaus Metallwaren vorwiegend für Mandschukuo und das japanisch besetzte China.375 Als Rückfracht wurde aus dem Fernen Osten auch Gold nach Europa befördert, das, in Deutschland in Schweizer Franken und schwedische Kronen eingelöst, zur Bezahlung der Aufenthaltskosten japanischer Diplomaten und japanischer Warenbestellungen in der Schweiz und Schweden dienen sollte. Für die auf acht Tonnen bezifferten Goldtransporte, die nicht zuletzt aus der Förderung der Philippinen und Niederländisch-Indiens stammten, war man deutscherseits bereit, U-Boote zur Verfügung zu stellen.376 Nach Ansicht Medlicotts haben die Alliierten 1942 an dieser Front versagt. Bei ihnen schätzte man, daß vom 1. Juli 1941 bis zum Juni 1942 aus Japan elf Schiffe in deutsch okkupierten Biskaya-Häfen angekommen seien, davon acht seit Jahresbeginn 1942. Diese Blockadebrecher sollen 55000 bis 600001 Fracht, großenteils Kautschuk, befördert haben. In entgegengesetzter Richtung sollen sechs Schiffe europäische Häfen verlassen haben. Von September bis November 1942 sollen neun Schiffe aus der Biscaya abgegangen sein, während drei Blockadebrecher aus dem Fernen Osten im November 1942 in Bordeaux eingetroffen seien. In Anbetracht des ernsten Fettmangels in Deutschland sollen im November 1942 Tankschiffe in Marsch gesetzt worden sein, um Speiseöl heranzuschaffen.377 In diesem Zusammenhang sei hier nur kurz erwähnt, daß Mandschukuo bemüht war, für seine Lieferungen von Ölpflanzen Preiserhöhungen durchzusetzen, wogegen die deutsche Seite dilatorisch verhandelte, entsprechend der Weisung, „auf jeden Fall einen Abbruch der wirtschaftlichen Verhandlungen zu vermeiden".378 Man sieht, welchen hohen Stellenwert sogar in der für die Koalition Berlin-Rom-Tokio prekären Kriegssituation des Jahres 1943 ökonomische Erwägungen, d. h. Profitkalkulationen für den Augenblick und für die Nachkriegszeit, besaßen.

5. Vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945 a)

Allgemeines

War am Beginn der im folgenden zu behandelnden Phase die Wende des Krieges auch längst eingetreten, so ließ sich zu diesem Zeitpunkt doch nicht exakt absehen, wie lange sich der Krieg noch hinziehen und ob die Antihitlerkoalition bis zuletzt Bestand haben würde. Im Herbst 1943 befand sich jedenfalls der europäische Kontinent mit Ausnahme Süditaliens, doch einschließlich der westlichen Teile der UdSSR noch relativ fest im Griff der bewaffneten Macht Deutschlands, von der auch die neutralen Staaten und Handelspartner Schweiz und Schweden nach wie vor umklammert waren und die auch die Türkei, Spanien und Portugal bei der Gestaltung ihrer Politik durchaus noch im Kalkül zu behalten hatten. 375 Ebenda. 376 Ebenda, Bl. 47 f., Aufzeichnung Clodius über eine Ressortbesprechung im AA betr. japanische Devisenwünsche, 11.6.1943; ebenda, Bl. 52 u. 52R, Vermerk Clodius über ein Gespräch mit dem japanischen Gesandten Matsushima, 18.6.1943. 377 Medlicott II, S. 171. 378 BAP, AA 68725, zwischen Bl. 42 u. 43, Telegramm Wiehl an die Deutsche Botschaft Tokio, 22.4. 1943.

488 Mit zunehmender Verschlechterung der Frontlage ließen sich dann aber die Einfuhrbedürfnisse für die deutsche Kriegswirtschaft kaum noch, jedenfalls weniger als in den Vorjahren, durch Gewaltandrohung oder -anwendung gegenüber Handelspartnern befriedigen. Insbesondere gegenüber Neutralen war es mehr als in den vorangegangenen Kriegsphasen geboten, den Grundsatz des gegenseitigen Nutzens zu achten, den wachsenden Schwierigkeiten zum Trotz durch Lieferung von ihnen gewünschter deutscher Produkte und prompte Zahlung, auch älterer Schulden, deren Lieferwilligkeit zu bewahren und zu stimulieren. Die Möglichkeiten dafür schwanden zusehends, vor allem, als man nicht mehr auf das große Wirtschaftspotential des okkupierten Frankreich zurückgreifen konnte. Gegenüber Satellitenstaaten wurde zwar auch 1944 nicht auf diktatorische Eingriffe in deren Volkswirtschaft verzichtet, doch sogar dabei blieb man zuweilen flexibel, um deren Frontwechsel nach italienischem Vorbild zu vermeiden oder wenigstens hinauszuzögern. Als im September 1943 der staatliche Führungsmechanismus der deutschen Kriegswirtschaft umgestaltet und wesentlich in der Hand Speers konzentriert wurde, dessen Amtsbezeichnung fortan „Reichsminister für Rüstung und Kriegsproduktion" lautete, erfuhr die Zuständigkeit des Reichswirtschaftsministers für Grundfragen der Außenhandelspolitik ausdrückliche Bestätigung, ebenso wie die Kompetenzen des Auswärtigen Amtes für die Führung der Außenhandelsverhandlungen.379 Nach Lage der Dinge ließ sich diese Regelung in der Praxis kaum auf die okkupierten Länder und Landesteile anwenden, deren Warenlieferungen nach Deutschland und deren Warenbezüge aus Deutschland auch in der Folgezeit statistisch als Außenhandel gebucht wurden, deren Produktionspotential jedoch weitestgehend in die Planungen des Rüstungsministeriums einbezogen war. Während man einer Reihe der verbündeten Regierungen trotz der faktischen militärischen Besetzung ihrer Länder durch deutsche Truppen noch Ende 1943 und 1944 ein gewisses Maß an Souveränität oder wenigstens Scheinsouveränität in der Gestaltung ihrer Außenhandelsbeziehungen zu Deutschland und zu dritten Ländern zugestand, ließ man die unter Mussolinis Leitung neugebildete faschistische Regierung in den noch nicht von den Alliierten eroberten Teilen Italiens sehr deutlich ihre bloße Marionettenrolle spüren. Aus einer „Aufzeichnung betreffend Finanzierung der Wehrmacht und des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion in Italien", die Schnurre am 6. Oktober 1943 für den Reichsaußenminister anfertigte, geht hervor, daß nicht nur „die Kosten für den laufenden deutschen Truppenbedarf' (monatlich ca. eine Milliarde Lire) von der neuen Mussolini-Administration als „Kriegskostenbeitrag" aufzubringen waren, sondern auch „die notwendigen Beträge ..., um die Durchführung des Führerauftrages an Reichsminister Speer, alle zur Sicherung der Kriegswirtschaft in Italien notwendigen Maßnahmen zu treffen, weiterhin zu ermöglichen. Es handelt sich hierbei um Aufkauf und Abtransport von Rohstoffen und Vorräten, um die Ingangsetzung und Umstellung von italienischen Betrieben, Arbeiterlöhne u. a. Der Betrag, der von dem Vertreter des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion gestern abend mitgeteilt wurde, beläuft sich auf zunächst 10-15 Mrd. Lire für die nächsten 2 Monate 379 BAP, AA 68754, Bl. 65-67R, Kommentar Schnurre zum „Führererlaß über die Konzentration der Kriegswirtschaft" v. 2.9.1943, 24.9.1943. - Über diesen Erlaß vgl. II, S. 146 ff., u. Herbst, S. 255-275.

Vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945

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... Die beteiligten Ressorts sind der Meinung, daß diese Beträge von der italienischen Regierung und den italienischen Banken auf dem Kreditwege flüssig gemacht werden müssen ... Ich habe in diesen Besprechungen darauf hingewiesen, daß die Anforderung derartiger Beträge die Finanzwirtschaft Italiens in kürzester Zeit sprengen und den Fortgang der schon vorhandenen Inflation beschleunigen wird". Schnurre bat, dies in Erwägung zu ziehen und eine spezielle Entscheidung Hitlers herbeizuführen.380 Was praktisch dabei herauskam, liest sich im Protokoll des interministeriellen Handelspolitischen Ausschusses der Reichsregierung vom 12. Februar 1944 als Äußerung von Clodius wie folgt: „Der Verkehr zwischen Italien und Deutschland kann seiner Meinung nach nicht in der Art gleichberechtigter Verhandlungen, sondern unter Wahrung der äußeren Form, wie dies auch schon bisher geschehen ist, wesentlich nur in der Form deutscher Verwaltungsanordnungen geregelt werden."381 In Anbetracht der systematischen wirtschaftlichen Ausplünderung Norditaliens, die in den folgenden Monaten noch intensiviert wurde, erübrigt sich für uns die weitere Untersuchung der deutsch-italienischen Außenhandelsbeziehungen. Am 30. September 1943 gab Staatssekretär Landfried im Auftrage des Reichswirtschaftsministers den vertraulichen „Allgemeinen Erlaß Nr. 76 Exp." an die Leiter der Prüfungsstellen und der Devisenstellen heraus382, womit im Sinne des „Führererlasses über die Konzentration der Kriegswirtschaft" der Außenhandel mit den verbliebenen Partnerländern noch straffer reguliert wurde. Darin heißt es: „Seit Kriegsbeginn sind die Preise für ausländische Erzeugnisse wesentlich stärker als die deutschen Inlandspreise gestiegen ... Die Bemühungen, durch zwischenstaatliche Vereinbarungen einen Preisstopp und eine Bindung der Preise mit europäischen Ländern herbeizuführen, haben ζ. T. nicht den erhofften Erfolg gehabt. Ausländische Erzeugnisse sind in einigen Vertragsländern trotz vereinbarter Preisbindung weiter im Preis gestiegen und zu den zwischenstaatlich vereinbarten Preisen nicht erhältlich gewesen. Wollte Deutschland nicht auf wichtige Einfuhrwaren überhaupt verzichten, mußten für ihren Bezug höhere Preise als die in den zwischenstaatlichen Vereinbarungen vorgesehenen angelegt werden. Einer solchen Entwicklung kann die deutsche Wirtschaftsführung nicht länger zusehen ..." Offenbar rechnete der Reichswirtschaftsminister nicht damit, auf dem Vereinbarungswege die Regierungen der Lieferländer zur Herabsetzung der Preisforderungen bewegen zu können. Dabei stellte er gewiß auch in Rechnung, daß Zugeständnisse der Regierungen wenig nützten, wenn die Produzenten und Händler anschließend nicht bereit waren, ihre Waren zu den herabgesetzten Preisen an deutsche Kunden zu verkaufen. Aus diesem Grunde kündigte der Minister an, er werde länderweise ermittelte Preiszuschläge für dorthin aus Deutschland zu exportierende Waren festlegen, deren Abführung zugunsten der Reichsfinanzen die Prüfungsstellen zu überwachen hätten. Auf diese Weise sollten zusätzliche Devisen erlöst werden, mit denen das Ansteigen der Einfuhrpreise kompensiert werden könne. Um auszuschließen, daß deutsche Exporteure aus Kulanz gegenüber alten Geschäfts-

380 BAP, AA 68723, Bl. 214 ff., Schnurre, „Aufzeichnung betreffend Finanzierung der Wehrmacht und des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion in Italien" für den RAM, 6.10. 1943. 381 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 12.2.1944. 382 BÄK, R 7/4544, „Allgemeiner Erlaß Nr. 76 Exp." des RWiM (StS Landfried) an die Leiter der Prüfungsstellen u. der Devisenstellen, 30.9.1943.

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Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

partnern im Ausland, vielleicht auch bereits im Hinblick auf die Absatzchancen nach dem Kriege, keine Preiserhöhungen vornähmen oder daß Kartelle sich auf ihre Höchstpreisklauseln beriefen, hatten die Ausführer die festgelegten Beträge auf jeden Fall, unabhängig vom tatsächlich beim Verkauf im Ausland erzielten Preis, eventuell also unter Schmälerung ihres Gewinns, auf ein bei der Deutschen Golddiskontbank eingerichtetes Konto „Mehrerlöse aus der Ausfuhr" abzuführen. Die Neuregelung galt ab 1. November 1943 für Ausfuhrgeschäfte nach Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Portugal, Rumänien, Schweiz, Serbien, Spanien, Türkei und Ungarn. Bemerkenswert ist, daß Schweden in dem Erlaß nicht genannt wurde. Auch dieser Erlaß zeugt davon, daß der deutsche Außenhandel im Herbst 1943 in immer größere Zahlungsschwierigkeiten geriet. Nur noch gegenüber Ländern, die einem absoluten deutschen Okkupationssregime unterworfen waren, ließen sich Clearingverrechnungen hemmungslos vornehmen. Ebendiese Länder hatten dann auch nach der internen amtlichen deutschen „Kontrollberechnung des Clearingstandes" vom 27. Januar 1945 den Löwenanteil an der im November 1944 nahezu 20 Milliarden Reichsmark erreichenden deutschen Clearingverschuldung, die sich selbstverständlich nicht nur aus Handelssalden, sondern in viel stärkerem Maße aus zahlreichen weiteren Posten der Zahlungsbilanz ergab.383 Gegenüber Ländern, die als Verbündete galten und denen man seinerzeit gewisse Reste wirtschafts- und währungspolitischer Souveränität belassen mußte, um sie weiter kollaborationswillig zu erhalten, bemühten sich die deutschen Regierungsvertreter, guten Willen zu einer partiellen Abtragung deutscher Schulden zu demonstrieren. Wie schon 1942 erwogen384, bot man Kapitalisten dieser Länder, etwa Ungarns, Rumäniens und der Slowakei, den „Rückkauf' in deutschen Händen befindlicher (zum Teil vorher französischer und belgischer) Kapitalanteile an einheimischen Gesellschaften sowie die Erwerbung von Minderheitsbeteiligungen an deutschen Aktiengesellschaften an.385 Auch wurde Firmen, beispielsweise in Rumänien, Bulgarien und der Slowakei, die regelmäßig, also voraussichtlich auch nach Kriegsende, deutsche Industriewaren bezogen, vorgeschlagen, schon während des Krieges Kaufverträge für die Nachkriegszeit abzuschließen, für die anstehende Clearingforderungen des betreffenden Landes an Deutschland als Vorauszahlung angerechnet werden sollten.386 383 BÄK, R 7/3636, „Kontrollberechnung des Clearingstandes" v. 27.1.1945. - Fast dieselbe Summe nennt das „Protokoll über die 3. ordentliche Sitzung des Verwaltungsrates der Deutschen Verrechnungskasse im Jahre 1944 am 30. November 1944 im Gebäude der Reichshauptbank Berlin" (BÄK, R 7/3638). 384 BÄK, R 7/3636, Aufzeichnung Schultze-Schlutius über die deutsche Clearing-Verschuldung per 7.7.1942. 385 BAP, AA 68752, Bl. 7 ff., Ungarische Gesandtschaft Berlin an AA, 21.4.1943; BÄK, R 7/3019, vertraul. Bericht Blessing, „Die rumänische Währungssituation", S. 6, 20.12.1943; BAP, AA 68745, bes. Bl. 9R, „Aufzeichnung über die Ergebnisse der in Preßburg in der Zeit vom 25. Januar bis 2. Februar 1944 geführten Deutsch-Slowakischen Regierungsausschußbesprechungen". 386 BÄK, R 7/3019, Blessing (wie in Anm. 385), S. 5; BAP, AA 68691, Bl. 295, „Vertrauliches Protokoll über die Achte Gemeinsame Tagung des Deutschen und Bulgarischen Regierungsausschusses in Sofia in der Zeit vom 26. Oktober bis 18. Dezember 1943"; BAP, AA 68819/2, Bl. 33, „Protokoll über die Achte Gemeinsame Tagung des Deutschen und des Slowakischen Regierungsausschusses in Wien und Preßburg vom 27. April bis 16. Juni 1944".

Vom Herbst 1943 bis zum Frühjahr 1945

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Wie wenig Vertrauen die ausländischen Handelspartner noch in das Clearingverfahren und in deutsche Schatzanweisungen und ähnliche Papiere setzten, wurde in der Sitzung des Handelspolitischen Ausschusses der Reichsregierung am 5. November 1943 deutlich, wo man die „neuerdings in fast allen Ländern auftauchende Forderung nach teilweiser Bezahlung unserer Bezüge in Gold oder Devisen" vermerkte.387 In diesem Zusammenhang sei auch die Ankündigung von Wiehl in der ΗΡΑ-Sitzung am 18. Januar 1944 erwähnt, „daß bei allen handelspolitischen Verhandlungen künftig die in Betracht kommenden Kreise der deutschen Privatwirtschaft so eingeschaltet werden sollen, daß jede etwa bestehende Beziehung zu einflußreichen Banken der Wirtschaft des Staates, mit dem die Verhandlungen geführt werden sollen, im Interesse einer Verbesserung des Verhandlungsergebnisses ausgenützt wird."388 Wiehl spekulierte wohl darauf, daß die ausländischen Banken deutschen Firmenchefs eher als der Reichsregierung Vertrauenskredit einzuräumen geneigt sein würden. Übrigens vertrat nicht nur Wiehl derartige Vorstellungen. „Praktiker" ganz offiziell in die Außenwirtschaftspolitik und in die administrative Außenhandelsregulierung „einzuschalten", d. h. nicht nur, wie seit langem schon, die Spitzen der Wirtschaftsverbände hinter den Kulissen und einzelne von ihnen zuweilen auch am Verhandlungstisch der bilateralen Regierungsausschüsse dezidiert Einfluß auf staatliche Entscheidungen nehmen zu lassen, sahen im Frühjahr 1944 führende Repräsentanten der Wirtschaft und maßgebliche Außenhandelspolitiker einschließlich des Reichswirtschaftsministers auch schon im Hinblick auf die Nachkriegszeit als geboten an.389 Daß man vom Herbst 1943 an sehr darauf bedacht war, Handelspartner in neutralen Staaten nicht zu verprellen, zeigt auch die damals zwischen verschiedenen Reichsbehörden geführte Diskussion über die eventuelle Anlegung einer „Roten Liste". Den Anstoß gab Anfang Oktober oder etwas früher der deutsche Botschafter in Madrid, Hans Heinrich Dieckhoff, der sich dazu durch „die völlig negative Haltung der Spanischen Regierung gegenüber unseren Vorstellungen und die unbedingte Notwendigkeit deutscher Gegenmaßnahmen" gegen die immer enger werdende Zusammenarbeit Spaniens mit den Alliierten veranlaßt fühlte.390 Schließlich einigte man sich, auf eine solche Boykottdrohung und Verrufserklärung im allgemeinen (insbesondere gegenüber Schweden, der Schweiz und der Türkei) zu verzichten und sie lediglich gegenüber Spanien, jedoch in gemäßigter Form, anzuwenden, indem man nur Firmen, „die uns gegenüber (sei es politisch, handelspolitisch oder in propagandistischer Betätigung) eine besonders feindselige Haltung einnehmen", auf eine „Rote Liste" setzte.391 In den internen Erörterungen deutscher Außenhandelspolitiker kam also ein gewisses Maß an realer Einschätzung der Chancen, die dem deutschen Kriegsaußenhandel verblieben waren, zum Ausdruck. In einer Aufzeichnung, die Anfang 1944 im Reichswirtschaftsministerium speziell über den Handel mit Südosteuropa angefertigt wurde, finden sich die Sätze: „Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß man gegenüber den verbündeten bzw. den Län387 388 389 390 391

BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 5.11.1943. Ebenda, HPA-Protokoll v. 18.1.1944. Ausführlich dazu: Herbst, S. 350-365. BAP, AA 68971/7, Bl. 1 ff., Aufzeichnung Schnurre für den RAM, 8.10.1943. BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 12.11.1943; bekräftigt im HPA-Protokoll v. 17.2.1944, ebenda.

492

Der deutsche Außenhandel im Zweiten Weltkrieg

dem unseres militärischen Machtbereichs mit Druckanwendung statt Warenlieferungen die gleichen oder doch ausreichende Ergebnisse nicht erzielen könnte ... Der einfachen Anwendung von Druck und Gewalt sind auf dem Außenhandelsgebiet verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt."392 Zugleich setzte man aber im Angesicht der drohenden Niederlage auf verstärkte Propaganda für eine „europäische Wirtschaftsgemeinschaft" unter deutscher Führung, u. a. mit der in Funks Vortrag vor der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien am 10. März 1944 - nicht zum erstenmal - verfochtenen These: Die Südosteuropäer sollten zur Rettung der europäischen Kultur vor dem bolschewistischen Ansturm beitragen, indem sie sich bereit fänden, die Clearingsalden zu finanzieren.393 In den herrschenden Kreisen Südosteuropas war die Furcht vor der anrückenden Roten Armee zweifellos groß, doch wies Funks These keinen Ausweg aus ihren ökonomischen Problemen. Zudem war im Frühjahr 1944 in den herrschenden Kreisen besonders Ungarns und Rumäniens das existentielle Bestreben im Wachsen, sich von Hitler ab- und den Westmächten zuzuwenden, um auf diese Weise ihr Land vor der Vernichtung und sowjetischer Besetzung zu bewahren, was sie sich vom Kampf an der Seite Hitlerdeutschlands nicht mehr versprachen. Der Absprang mißlang bzw. kam erst unmittelbar beim Einrücken der Roten Armee zustande. Spätestens in diesem Moment hörte jeglicher Außenhandel dieser Länder mit Deutschland auf, der zuletzt schon mehr auf Plündern und Abtransport der letzten Warenreserven und ζ. T. auch Produktions- und Transportmittel hinausgelaufen war. Zugleich verloren die südosteuropäischen Länder ihre Funktion als Transitweg aus und nach entfernteren Ländern. Ein anderes Resümee ist für diejenigen Länder und besetzten Gebiete zu ziehen, mit denen der Verkehr bis in das Frühjahr 1945 hinein nicht durch alliierte Truppen abgeschnitten wurde. Dies wird die regionale Betrachtung zeigen, die wir nun auch für die Phase vom Herbst 1943 bis zum Mai 1945 vornehmen wollen.

b) Spanien und Portugal Die Entwicklung der Kriegsereignisse war zu weit fortgeschritten, als daß neutrale und sogar früher befreundete Staaten noch durch die Androhung deutscher Repressalien, sogar militärischer Art, einzuschüchtern waren. Die seit 1942 an den Pyrenäenpässen stationierten, erst nach der im Juni 1943 erfolgten Ersetzung des Plans „Gisela" (ursprünglich „Ilona") durch den Plan „Nürnberg" großenteils abgezogenen, an der Ostfront dringend benötigten deutschen Truppen394 hätten zwar gegen eine alliierte Invasion Spaniens kaum etwas auszurichten vermocht, konnten aber in den andauernden Machtkämpfen innerhalb der franquistischen Führung als gewisser Rückhalt für die besonders deutschfreundlichen, antiwestlichen Kräfte, die sukzessive an Einfluß verloren, gelten. Im Verlaufe des Jahres 1943 hatte das immerhin 392 Griff nach Südosteuropa, Dok. 121, S. 237. 393 BÄK, R 63/239, Bl. 5a, (mit vielen Korrekturen versehene) Rededisposition für einen Vortrag des Reichswirtschaftsministers Funk vor der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien am 10.3.1944; vgl. die auszugsweise Wiedergabe in: Griff nach Südosteuropa, Dok. 127, S. 243 ff. 394 Ruhl, S. 132 ff. u. 220.

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schon bewirkt, daß Spanien weiterhin in das deutsche Herrschaftsgebiet exportierte und für seine Wolframlieferungen deutsche Waffen in Zahlung nahm, obwohl es ausgeschlossen war, daß damit der technische Rückstand seiner Armee hätte aufgeholt werden können. Auch darf man wohl nicht außer acht lassen, daß sowohl das Franco- als auch das SalazarRegime entschieden antikommunistisch eingestellt und nicht nur etwa wegen eventueller Repressalien nach wie vor Hitlerdeutschland gegen die Sowjetunion zu unterstützen bereit waren, wobei sie die inneren Widersprüche in der Antihitlerkoalition einkalkulierten. „Es bleibt offen und bedarf somit noch einer Untersuchung, ob die USA und Großbritannien nicht indirekt durch die Duldung der iberischen Rohstoffimporte nach Deutschland den sowjetischen Partner, an dessen Front die Masse der deutschen Truppen stand, zu schwächen suchten."395 Solche Gedankengänge sind auch noch zur Jahreswende 1943/44, als die deutsche Wehrmacht immerhin noch tief in sowjetischem Territorium kämpfte, nicht als ganz abwegig anzusehen. Entsprechende Spekulationen verloren aber wegen des Kriegsgeschehens zusehends an Boden. Im Mai 1944 schließlich waren sowohl Portugal als auch Spanien nach Verhandlungen mit den USA und Großbritannien höchstenfalls noch bereit, die Wolframausfuhr aus solchen Gruben, die sich in deutschem Kapitaleigentum befanden, ins deutsche Herrschaftsgebiet zu genehmigen. Resignierend beschloß der ΗΡΑ Mitte Mai 1944, daß nunmehr die Unterzeichnung der Vereinbarung über die Rückzahlung der Forderungen, die aus der deutschen Hilfe für Franco während des Bürgerkrieges gegen die rechtmäßige Regierung der Spanischen Republik resultierten, beschleunigt herbeigeführt werden müsse.396 Die alliierte Landung in der Normandie und die Befreiung Frankreichs von der deutschen Okkupation setzte einige Wochen später lediglich den Schlußpunkt unter den bereits vorher fast zum Erliegen gekommenen deutschen Handelsverkehr mit der iberischen Halbinsel. Wenn in einer internen amtlichen deutschen statistischen Zusammenstellung397 die Einfuhr aus Spanien im Zeitraum Januar bis September 1944 mit 107,7 Mill. RM im Unterschied zu 206,5 Mill. RM im gleichen Zeitraum 1943 angegeben ist, so widerspiegelt diese Halbierung des Werts bei weitem noch nicht die Realität, sondern die durch die Umstände stark verzögerte Erfassung. Das wird ganz deutlich, wenn man den Einfuhrwert vom September 1943 (7,0 Mill. RM) mit dem doppelt so hohen (14,0 Mill. RM) im September 1944 ausgewiesenen vergleicht, als längst keinerlei Verkehr mit Spanien mehr möglich war.

c) Nordeuropa Am 31. August 1943 erhielt der Bevollmächtigte des Deutschen Reiches in Dänemark, Werner Best, vom Reichsaußenminister die folgende Weisung: „Auf Grund einer Entscheidung des Führers tragen Sie als Bevollmächtigter des Reiches auch während des militärischen 395 Ebenda, S. 223. 396 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 16.5.1944. 397 BÄK, R 7/3639, „Der deutsche Außenhandel mit wichtigen Ländern", Anlage zu einer Ausarbeitung (o. Vf. o. D., offenbar: 4. Quartal 1944) über „Der deutsche Außenhandel unter dem Einfluß der militärischen und politischen Entwicklung. Die Ergebnisse für August und September".

494 Ausnahmezustandes die politische Verantwortung in Dänemark. Daraus ergibt sich insbesondere, daß es allein Ihre Sache ist, eine an die Stelle der bisherigen dänischen Regierung tretende neue Zentralinstanz zu bilden und ihr die politischen Weisungen zu geben, die Beziehungen zum Königshaus zu regeln, Presse und Rundfunk zu leiten und die Wirtschaft zu regeln". In militärischen Belangen hatte Best Einvernehmen mit dem deutschen Militärbefehlshaber herbeizuführen.398 Damit war die im April 1940 geschaffene Fiktion einer in „freundschaftlichem Einvernehmen" erfolgten Besetzung Dänemarks durch deutsche Truppen endgültig aufgegeben. Dennoch hielt es die deutsche Führung für opportun, im Unterschied zur schonungslosen Ausplünderung der meisten okkupierten Länder die kriegswirtschaftliche Ausbeutung Dänemarks rationell zu gestalten. Ende April 1944 nahm der ΗΡΑ Kenntnis „von der erfreulichen Entwicklung der dänischen Lebensmittellieferungen nach dem Reich und von der Entscheidung des Führers, laut welcher Dänemark mit allen Waren zu beliefern sei, die notwendig sind, um die Produktionskraft der dänischen Wirtschaft zu erhalten." 399 Von der ganz anders gearteten Situation in Finnland zeugt die in derselben Sitzung erfolgte Mitteilung des Gesandten Schnurre, „daß aus besonderen Gründen die vertraglich festgelegten Lieferungen von Getreide und Zucker nach Finnland vorläufig nicht durchgeführt werden, ebenso fänden keine Vorauslieferungen von Waren statt und würden zusätzliche finnische Lieferungswünsche vorerst nicht berücksichtigt. Dagegen seien die zuständigen Wirtschaftsressorts ersucht worden, vertraglich zugesagte sonstige Lieferungen an Finnland fristgemäß durchzuführen und jede Gefährdung unserer kriegswichtigen Bezüge aus Finnland zu vermeiden." 400 Es ging der deutschen Führung inzwischen nur noch darum, so viel Nickel 401 und andere Rohstoffe wie möglich aus Finnland herauszuholen und unmittelbar frontverwendungsfahige Waren zu liefern, wobei offenbar fest einkalkuliert wurde, daß sich Finnlands Waffenstillstand mit der Sowjetunion und der Frontwechsel des bisherigen Bundesgenossen nicht mehr vermeiden ließen. Beides erfolgte dann im September 1944. Seit Herbst 1943 gestaltete sich auch die Einfuhr kriegswirtschaftlich besonders wichtiger Waren aus Schweden schwieriger. Das ergab sich zum einen selbstverständlich aus der für Deutschland immer ungünstiger werdenden Kriegslage, den alliierten Drohungen mit Repressalien gegen Schweden und dem dadurch sowie durch den zunehmenden Druck aus der schwedischen Arbeiterbewegung forcierten Bemühen schwedischer Wirtschaftskreise, ihre Beziehungen zu den USA und Großbritannien, insbesondere mit Blick auf die Nachkriegszeit, zu verbessern.402 Zum anderen hatte die Verminderung der schwedischen Lieferbereitschaft jedoch einfach ökonomische Gründe. Auf letztere sei hier zunächst eingegangen.

398 399 400 401

BAP, AA 68712, Bl. 222, Telegramm v. Ribbentrop an Best, 31.8.1943. BÄK, R 7 / 3 6 4 8 , HPA-Protokoll v. 25.4.1944. Ebenda. Jäger, S. 234, schlußfolgert (nachdem er sich mit unterschiedlichen statistischen Angaben über finnische Lieferungen von Nickelerz und Nickelmatte auseinandergesetzt hat), daß dadurch der deutsche Verbrauch des Jahres 1943 zu etwa 73 Prozent und der von Januar bis Oktober 1944 zu über 87 Prozent gedeckt worden sei. 4 0 2 BÄK, R 7 / 3 3 6 3 , Telegramm Walter (Vorsitzender d. deutschen Regierungsausschusses) u. Thomsen (deutscher Gesandter in Stockholm) an AA, Stockholm 14.12.1943.

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Obwohl in deutschen Regierungskreisen durchaus erkannt wurde, daß die Lieferbereitschaft Schwedens die Erfüllung seiner Kaufwünsche zur Voraussetzung hatte403, und obwohl wiederholt entsprechende Weisungen von höchster Stelle ergingen, erwies sich die deutsche Wirtschaft gegen Ende 1943 und erst recht 1944 als immer weniger fähig, die gewünschten Exporte, insbesondere von Kohle, Koks und Eisen, nach Schweden zu bewerkstelligen.404 Dem Versuch, in Ermangelung mancher anderer Waren deutsche Waffen zum Kauf anzubieten, setzten die schwedischen Unterhändler, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit in den Vorjahren nicht vertragsgerecht erfolgten deutschen Waffenlieferungen, Desinteresse entgegen.405 Indem die deutsche Seite immer weniger imstande war, in ausreichendem Maße Kohle zu liefern, wurde nicht so sehr das schwedische Wirtschaftsleben beeinträchtigt; denn Schweden hatte mit der Zeit Vorratslager angelegt406 und andere Maßnahmen vorbereitet, um sich im Blockadefall bis zum offensichtlich näherrückenden Kriegsende behelfen zu können.407 Vor allem bekam die schwedische Seite ein Argument mehr in die Hand, weshalb der ja kohleabhängige Transport schwedischer Massengüter (Eisenerz u. a.) nach Deutschland nicht in gewohnter Weise funktionieren könne. Wegen der wachsenden schwedischen Unlust zur Clearingverrechnung und Kreditierung des unausgeglichen gewordenen Warenaustauschs hielt der ΗΡΑ es für unumgänglich, in den ersten Monaten des Jahres 1944 für 20-25 Mill. RM Gold nach Schweden zu schaffen, um die schwedische Lieferbereitschaft für einige Zeit zu stimulieren.408 Beschwichtigungsmittel bewirkten nicht mehr viel. Im letzten „Kriegshandelsabkommen" vom 10. Januar 1944 mußte die deutsche Seite weitreichende finanzielle Leistungen zusagen: „Abgesehen davon, daß neue Clearingkredite nicht mehr gewährt wurden, mußten alle alten Kredite in Höhe von noch 81 Mill. skr. im Jahre 1944 zurückgezahlt werden, der weitaus größte Teil davon (70 Mill, skr.) sogar im ersten Halbjahr." 409 Diese Mitteilung ergänzt Wittmann an anderer Stelle durch das von Erik Boheman, Kabinettssekretär des schwedischen Außenministeriums, übernommene Resümee, „daß durch die schwedische Politik der deutsch-schwedische Handelsverkehr habe beendet werden können, ohne daß Schweden irgendwelche Forderungen an Deutschland hatte, während die Schweiz mit hohen Kreditrückständen abschloß" (in Höhe von 950 Mill, sfr.).410 So richtig es ist, gegen Jahresende 1943 und im Verlauf des Jahres 1944 politischen Gründen für das Nachlassen des schwedischen Interesses an lebhaften Handelsbeziehungen mit Deutschland die Hauptbedeutung zuzuweisen, so dürfen die genannten ökonomischen Griin403 Ζ. B. ebenda, „Vermerk betr. Besprechung mit Herrn Präsidenten Kehrl", 4.11.1943; ebenda, Funk an Speer, 15.2.1944. 404 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 23.12.1943. 405 Ebenda, HPA-Protokoll v. 3.12.1943. 406 Vgl. dazu Olsson, S. 269 ff. 407 Vgl. Anm. 321 u. 322. 408 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 3.12.1943. 409 Wittmann, S. 358. 410 Ebenda, S. 391, unter Berufung auf Boheman, Erik, Pâ vakt, Bd. 2, Stockholm (1964), S. 272. Bezüglich der schwedischen Restriktionen nahm G. Hägglöf, führender schwedischer Außenhandelspolitiker der Kriegsjahre, einen völlig entgegengesetzten, scharf kritischen Standpunkt ein, als er in den fünfziger Jahren die schwedische Kriegshandelspolitik im Zweiten Weltkrieg resümierte: Hägglöf, Gunnar, Svensk krigshandelspolitik under andra världskriget, Stockholm (1958), S. 282.

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de doch nicht unterschätzt werden. Hätte das kaufmännische Kalkül nicht nach wie vor eine große Rolle gespielt, so wäre schwer zu erklären, weshalb Schweden immer noch erhebliche Lieferungen von äußerster Wichtigkeit für die deutsche Kriegswirtschaft ausführte und dafür scharfe Angriffe und Drohungen von Seiten der Staaten der Antihitlerkoalition auf sich nahm, die im Juni 1944 ihren Kulminationspunkt erreichten (aus den USA und Großbritannien hauptsächlich wegen seiner Kugellager-, aus der UdSSR wegen seiner Eisenerzlieferungen nach Deutschland). 4 " Diese Proteste fanden starken Widerhall in der schwedischen Öffentlichkeit, und die Stockholmer Regierung hegte Befürchtungen, daß in diesem Zusammenhang Streiks ausbrächen. Dabei scheint die Eisenerzproblematik, die doch für die deutsche Kriegswirtschaft - zumal nach dem Verlust der nordafrikanischen und bald auch der spanischen und französischen Bezugsquellen - von immenser Bedeutung war, innenpolitisch für Schweden weniger brisant gewesen zu sein als die Kugellagerproblematik, obwohl die aus Schweden gelieferten Kugellager, sogar nach den alliierten Luftangriffen auf Schweinfurt, quantitativ (abgesehen von einigen Spezialtypen) nur einen kleinen Prozentsatz des deutschen Bedarfs deckten.412 Die Proteste gegen die Kugellagerlieferungen gingen jedoch vor allem von den USA aus. Dort drohte die Beschlagnahme schwedischer Kapitalanlagen und Schiffe sowie für die Nachkriegszeit der Boykott schwedischer Produkte. Deshalb zeigten sich die Bourgeoisie, die Regierung und auch die Arbeiterschaft Schwedens durch die amerikanischen Proteste mehr beeindruckt als durch die sowjetischen. Allerdings verfügte Berlin nach wie vor über ein Druckmittel. Noch war die deutsche Wehrmacht imstande, den sogenannten Göteborg-Verkehr als die einzige seinerzeit vorhandene Transportverbindung für Frachten und Personen zwischen Schweden und Übersee lahmzulegen. Die schwedische Regierung hatte diese Situation bei ihren Verhandlungen mit den Alliierten wiederholt erfolgreich ins Spiel gebracht, um deren faktische Zustimmung zur Fortsetzung kriegswichtiger Warenlieferungen an Deutschland zu erlangen. Selbstverständlich hing die Realisierung des von den USA und Großbritannien grundsätzlich auch für 1944 zugestandenen Junktims zwischen Göteborg-Verkehr und kriegswichtigen Exporten nach Deutschland von der weiteren Entwicklung der Kriegslage ab. Als im dritten Vierteljahr 1944 Schweden zwar immer noch durch die von deutschen Truppen besetzten Länder Norwegen und Dänemark von den westlichen Alliierten abgeriegelt war, Finnland und die sowjetische Ostseeküste jedoch überwiegend von deutschen Truppen frei wurden, kamen die schwedisch-deutschen Handelsbeziehungen, in deren Rahmen von Januar bis Mai 1944 immerhin noch fast 2 Mill, t Eisenerz nach Deutschland geliefert worden waren413, praktisch zum Erliegen. Im September 1944 wurden schwedischerseits die Kugellagerlieferungen nach Deutschland eingestellt (was aber durch die Lieferung von Kugellagerstahl und Kugellagermaschinen kompensiert wurde414), die Durchfuhr von Wehrmachtgut nach Norwegen völlig 411 BÄK, R 7/3271, Drahtbericht Deutsche Gesandtschaft Stockholm an das AA, 13.5.1944; ebenda, Aufzeichnung Schnurre o. D.; BÄK, R 7/3273, Deutsche Gesandtschaft Stockholm, Thomsen, an AA, 13.6.1944; BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 27.6.1944. 412 Wittmann, S. 248 f.; ausführlich: Fritz, Martin, Swedish Bali-Bearings and the German War Economy. In: The Scandinavian Economic History Review XXIII (1975), S. 15-34. 413 BÄK, R 7/3273, Bl. 103, Vermerk Ludwig (?), 18.7.1944. 414 Wittmann, S. 375 ff.

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gesperrt, die Auslieferung auf schwedischen Werften für deutsche Auftraggeber gebauter Schiffe verweigert, schwedischen Schiffen das Anlaufen deutscher Häfen untersagt und jeglichen ausländischen Schiffen das Befahren der schwedischen Territorialgewässer im Bottnischen Meerbusen und in der Ostsee verboten, was sich auch auf den Fährverkehr SaßnitzTrelleborg bezog.415 Über Häfen der schwedischen Westküste erfolgten in der Praxis weiterhin gelegentlich Transporte in den deutschen Machtbereich416, wie auch noch bis zum 7. Mai 1945 im Göteborg-Verkehr ohne Verlängerung der Vertragsgrundlage zwölf schwedische Schiffe ein- und fünf auslaufen konnten417. Deutscherseits entschloß man sich, von Gegenmaßnahmen gegen die schwedischen Restriktionen abzusehen, um nicht die Verweigerung jeglicher Eisenerzlieferung durch die schwedische Regierung zu riskieren.418 Wie derartige Güter transportiert werden sollten, blieb dabei offen. Auch als die für Mitte Dezember 1944 vorgesehenen Verhandlungen über den deutsch-schwedischen Wirtschaftsverkehr im Jahre 1945 durch die schwedische Regierung „im Hinblick auf die unklare Lage" abgesagt wurden, einigte man sich im ΗΡΑ am 16. Dezember 1944, nach dem 1. Januar 1945 von der Anwendung von Repressalien gegen den Göteborg-Verkehr abzusehen, in der Hoffnung, daß Schweden sich von den Alliierten die Erlaubnis zu weiterem Warenaustausch mit Deutschland verschaffen wolle und könne.419 Der angeblich tatsächlich unternommene Versuch scheiterte Mitte Januar 1945 endgültig.420 Betrachten wir abschließend die Mengenentwicklung des deutschen Eisenerzimports aus Schweden in den letzten Vorkriegsjahren und während des Krieges. Tabelle 125 Deutschlands Eisenerzimport aus Schweden, 1935-1944

(in 10001

Fe-Gehalt)

Jahr

Menge

Jahr

Menge

1935 1936

3 305 4 949

1940 1941

5 339 5 027

415 BÄK, R 7/3271, Aufzeichnung (Verfassername unklar) für den RAM, 23.9.1944; ebenda, Drahtbericht Deutsche Gesandtschaft Stockholm, 23.9.1944, mit dem Wortlaut einer „Aufzeichnung" des schwedischen Außenministers; ebenda, Vermerk 25.9.1944 mit Stellungnáhme zur vom AA gestellten Frage „Fortsetzung oder Abbruch der wirtschaftlichen Beziehungen zu Schweden?". 416 Über die Ausdehnung des Verbots auf die schwedische Westküste gab es widersprüchliche Meldungen bzw. Auffassungen. Möglicherweise lag es in der Absicht schwedischer Regierungs- und vielleicht auch Wirtschaftskreise, gewisse Verwirrung darüber entstehen zu lassen, um dem starken Druck der Alliierten, sich eindeutig auf ihre Seite zu stellen, auszuweichen. (Wittmann, S. 383 f.). Andererseits behinderten die schwedischen Staatsbahnen durch zögerliche Waggongestellung die hektischen Bemühungen deutscher Dienststellen und Unternehmer, die Frachtverladung in den verbliebenen deutschen Machtbereich von den Ost- auf die Westhäfen Schwedens „umzuleiten"; ebenda, S. 387. 417 418 419 420

Wittmann, S. 339. BÄK, R 7/3648, HPΑ-Protokoll v. 14.9.1944. Ebenda, HPA-Protokoll v. 16.12.1944. BÄK, R 10III/148, Bl. 2, Mitteilung aus dem Planungsamt, o. Vf. o. D.

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498 Tabelle 125

(Fortsetzung)

Jahr

Menge

Jahr

Menge

1937 1938 1939

5 450 5 395 6 226

1942 1943 1944

4 205 5 568 2 628

Quelle: Fritz, Martin, German Steel and Swedish Ore 1939-1945, Göteborg 1974, S. 34, Tab. 13, und S. 51, Tab. 25.

Die während des Krieges gelieferten Mengen entsprachen also ungefähr denen der Vorkriegsjahre, der schwedische Anteil am deutschen Import wuchs mit dem Ausfall anderer Bezugsquellen. Auch in der Phase der weiträumigen Eroberungen erwiesen sich insbesondere die phosphorarmen Erzsorten Schwedens als unersetzlich für die deutsche Kriegsindustrie, nicht zuletzt unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeitsrechnung der deutschen Hüttenwerke, die sonst mehr Kohle benötigt hätten.

d) Südosteuropa und Türkei Wie bereits ausgeführt, konnte die Türkei nach Ablauf ihres Vertrages mit England vom Mai 1939, der letzterem das Kaufmonopol für die gesamte türkische Chromerzproduktion bis Mitte Januar 1943 eingeräumt hatte, wieder - wie in der Vorkriegszeit - zur wichtigsten Chromerzbezugsquelle für die deutsche Rüstung werden. Bereits am 9. Oktober 1941 hatte die türkische Regierung zugesagt, für die Zeit vom 15. Januar bis zum 31. Dezember 1943 eine Menge von 90 0001 und für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1944 nochmals die gleiche Menge zur Ausfuhr nach Deutschland freizugeben, jedoch unter der Bedingung, daß aus Deutschland Gegenlieferungen an verschiedenen Waren, darunter Waffen, vertragsgerecht, d. h. auch termingerecht, in der Türkei einträfen.421 Da sich die deutschen Lieferungen wegen des über Erwarten stark gestiegenen Eigenbedarfs 1943 mehr oder weniger beträchtlich verzögerten, erteilte Ankara bis zum 6. November 1943 nur Zug um Zug Ausfuhrlizenzen für 30 500 t Chromerz422, d. h. für ein Drittel der vorgesehenen Jahresmenge. Obendrein gelang es der deutschen Seite nicht, den Abtransport der Erze aus der Türkei hinreichend kontinuierlich zu organisieren, obwohl Rüstungsminister Speer die Meinung vertrat, daß die Erztransporte aus der Türkei Vorrang sogar vor Militärtransporten genießen müßten.423 Es mangelte an Schiffsraum, mehr noch aber erwiesen sich die unzureichenden Kapazitäten der Eisenbahnverbindungen durch die südosteuropäischen Länder sowie der nach türkischer Argumentation durch den 1940 verhängten deutschen Lieferstopp verursachte Lokomotiven- und Waggonmangel der türkischen Staatsbahnen424 als Hemmnis. 421 422 423 424

BAP, AA 68765, Bl. 131 ff., v. Süßkind-Schwendi an RMRuK, 15.11.1943. Ebenda. Ebenda, Bl. 178, Aufzeichnung Ripken für Wiehl, 14.11.1943. Ebenda, Bl. 190 u. 190R, Telegramm Ripken an AA, Ankara 23.11.1943.

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Doch dürfte schon 1943 mitgespielt haben, was dann 1944 offensichtlich der Hauptgrund für den Rückgang des deutsch-türkischen Handelsverkehrs wurde: Im Unterschied zu Schweden war die Türkei nicht im deutschen Herrschaftsraum eingeschlossen; sie konnte infolgedessen ihre Außen- und Außenhandelspolitik viel mehr nach den eigenen Interessen gestalten. Nachdem die Entwicklung an der deutsch-sowjetischen Front dem 1941 einsetzenden zeitweiligen Liebäugeln mit Hitlerdeutschland, faktisch einem Jonglieren zwischen diesem und der Antihitlerkoalition, die Motivation entzogen hatte, schlug in den herrschenden Kreisen der Türkei im Frühjahr 1944 die Neigung zu den Westmächten voll und endgültig durch. Am 22. Oktober 1943 kam es zwar zum Abschluß eines neuen Abkommens, in dem die türkische Regierung die Erteilung von Lizenzen für 45 000 t Chromerz (also nichts Neues) und die deutsche Regierung die Bereitstellung der für den Abtransport des Chromerzes nötigen Lokomotiven und Waggons zusagten.425 Der deutsche Verhandlungsführer, Ministerialrat Frhr. v. Süßkind-Schwendi, wies in seinem Bericht aber darauf hin, daß die türkische Seite durch das Abkommen bestärkt werde, ihre bereits zuvor geübte Praxis fortzusetzen: „Die staatlichen Stellen sind in ihren Bestellungen sehr langsam und suchen sich Dinge aus, die lange Lieferfristen voraussetzen. Da wir in den Genuß der türkischen Erzeugnisse erst kommen, wenn die deutschen Waren geliefert sind, bedeutet das, daß wir diese Waren erst Ende des Jahres 1944 oder gar 1945 erhalten werden. Die deutschen Lieferzeiten betragen nämlich oft 18-22 Monate".426 Deutscherseits wurde versucht, die so sehr erwünschten türkischen Chromerzlieferungen durch ein Flugzeuggeschäft für drei Mill. RM zustande zu bringen. Doch: „Die Engländer versuchten, das Geschäft zu konterkarieren und haben den Türken große Sunderland- und Douglas-Maschinen zum Friedenspreis, d. h. etwa 1/3 des deutschen Preises, angeboten".427 Die daraufhin vom deutschen Botschafter in Ankara, Franz v. Papen, an Berlin gerichtete Anfrage, ob man den Preis der deutschen Flugzeuge ermäßigen könne, wurde dort abschlägig beantwortet.428 Am 20. April 1944 machte man sich im Handelspolitischen Ausschuß noch Hoffnungen, die türkische Regierung werde sich der alliierten Forderung widersetzen, die Lieferungen nach Deutschland weitestgehend - nämlich auf für die Kriegführung unwichtige Waren wie Rosinen, Feigen und Tabak - zu beschränken. Jedenfalls wollte man eine Unterredung zwischen dem türkischen Außenminister und dem deutschen Botschafter so verstehen. Man hoffte sogar, bereits mit Verhandlungen über Chromerzlieferungen für das Jahr 1945 beginnen zu können, und ließ sich zu deren Stimulierung landwirtschaftliche Maschinen, zum Teil vom Wirtschaftsstab Ost - also wohl auf dem Rückzug aus der Sowjetunion verschlepptes Gut - , zur Verfügung stellen.429 Doch schon am 25. April 1944 mußte der ΗΡΑ konstatieren, die Türkei habe „auf Feinddruck nach gewissem Widerstand" die Chromerzausfuhr am 21. April 1944 „überraschend" 425 Β AP, AA 68965, Bl. 1, Vermerk v. Süßkind-Schwendi über seine Reise nach Ankara (Bl. 1 ff.), 8.11.1943. 426 Ebenda, Bl. 3. 427 Ebenda, Bl. 4. 428 Ebenda. 429 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 20.4.1944.

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völlig gesperrt. Den Vertragsbruch wolle die deutsche Regierung aber nicht zum Anlaß nehmen, die Wirtschaftsbeziehungen abzubrechen.430 Tatsächlich erreichte die deutsche Seite auf diese Weise einen neuen Vertragsabschluß mit der Türkei für zwölf Monate, der sich auf weniger kriegswichtige türkische Erzeugnisse wie Baumwolle und Ölfrüchte erstreckte. In diesem Zusammenhang waren bis Anfang August 1944 deutscherseits Produkte im Werte von 30 Mill. RM zur Auslieferung an die Türkei fertiggestellt. Am 2. August 1944 brach die türkische Regierung jedoch die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland ab. Da sich dies ausdrücklich nur gegen das Deutsche Reich selbst richtete, wollte Berlin fortan versuchen, mittels der Marionettenregierungen der Slowakei und Kroatiens indirekte Kompensationsgeschäfte mit der Türkei zu betreiben, um auf diese Weise etwas Kupfer zu bekommen.431 Die interne statistische Angabe, wonach aus der Türkei im August 1944 für 12,5 Mill. RM und im September 1944 für 15,4 Mill. RM Waren nach Deutschland importiert worden seien, ist in Anbetracht der seinerzeitigen militärischen Situation auf der Balkanhalbinsel lediglich als stark verspätete Erfassung früherer Importe zu werten. Zum Vergleich: Für den September des noch weitaus günstigeren Jahres 1943 weist dieselbe Quelle einen viel niedrigeren Einfuhrwert (9,5 Mill. RM) aus.432 Im vorangegangenen Abschnitt war schon darauf hingewiesen worden, daß die rumänischen Machthaber im Jahre 1943 als Folge der schweren Menschen- und Materialverluste Rumäniens an der Ostfront verschiedentlich Vorwürfe gegenüber Hitlerdeutschland erhoben. Diesen begegnete Berlin vor allem mit der völlig den Realitäten entsprechenden Mahnung, daß Rumänien auf Gedeih und Verderb auf den deutschen Bundesgenossen im Kampf gegen die heranrückende Sowjetarmee angewiesen sei und deshalb alle rumänischen Ressourcen dafür nutzbar machen müsse. Zugeständnisse etwa in Gestalt der Berücksichtigung der finanziellen Schwierigkeiten Rumäniens hielten sich daher in engen Grenzen. In handelspolitischer Beziehung legt eine Mitteilung des deutschen Verhandlungsführers Clodius von dieser Haltung Zeugnis ab: „Auf meine Forderung hin hat die Rumänische Regierung sich bereits im September 1943, d. h. also unmittelbar nach dem sogenannten Waffenstillstand Italiens, bereit erklärt, das bisher nach Italien gelieferte Mineralöl in vollem Umfange für deutsche Rechnung weiter zu liefern. Da Rumänien für dieses Mineralöl aus Italien eine 100%ige Gegenleistung erhalten hat, bedeutet die Lieferung nach Deutschland, die ausschließlich zu Lasten einer weiteren Erhöhung der Clearingspitze erfolgt, für Rumänien ein erhebliches wirtschaftliches Opfer. Außerdem tritt für die rumänische Mineralölindustrie insofern ein Nachteil ein, als die von Italien gezahlten Preise erheblich höher waren als die deutschen Preise. Nur die von mir beim Marschall (Antonescu - Β. P.) geltend gemachten zwingenden militärischen und politischen Gründe haben die Rumänische Regierung daher im September dazu zu bewegen vermocht, der Lieferung des früher an Italien gegangenen Öls für deutsche 430 Ebenda, HPA-Protokoll v. 25.4.1944. - Wie Botschafter v. Papen berichtete, wurde tiirkischerseits aller verfügbarer Transportraum mobilisiert, um noch am Abend des 21.4.1944 218 Waggonladungen Chrom die Grenze passieren zu lassen. (Krecker, S. 189). 431 BÄK, R 7/3011, Vermerk über die Abteilungs- und Ressortleiterbesprechung der Hauptabt. III am 8.8.1944. 432 Wie Anm. 397.

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Rechnung zuzustimmen".433 Im Frühjahr 1944 schlug Clodius dann vor, Rumänien faktisch auf Kosten des okkupierten Norditalien eine „Entschädigung" zu gewähren, die darin bestehen sollte, „daß Rumänien die Möglichkeit erhält, 350 Mill. Lire gegen Bezahlung im deutsch-rumänischen Clearing (also im Dreiecksverkehr) zu erwerben. Diesen Betrag kann Rumänien nur unter unserer Kontrolle und nach unserer vorherigen Zustimmung von Fall zu Fall für Einkäufe in Italien verwenden." 434 Zugleich wurde Rumänien wieder eine Preiserhöhung für seine Mineralöllieferungen zugestanden, auf die Nazideutschland in dieser Kriegsphase ja besonders stark angewiesen war. Diese Preiserhöhung machte 30 Prozent aus und galt vom 1. November 1943 an.435 Mit Wirkung vom 1. März 1944 fand auch der Wunsch der rumänischen Seite, die Mineralölfrachten auf der Donau um 32 Prozent zu erhöhen, Zustimmung 436 Die Auseinandersetzungen um die Preise für rumänische Mineralöllieferungen an Deutschland, die sich auf Grund des sogenannten Ölpaktes vom 1. Oktober 1940 in einem stabilen Verhältnis zu den Preisen für deutsche Waffenlieferungen an Rumänien entwickeln sollten, dauerten bis in den August 1944 hinein an. Zu diesem Zeitpunkt teilte Clodius dem rumänischen Rüstungs- und Wirtschaftsminister, General Dobre, die Kennziffern der bis Ende 1943 erfolgten Preiserhöhungen mit. Tabelle 126 Preiskennziffern für den Austausch rumänischen Benzins gegen deutsches Rüstungsgerät, Gültig mit Wirkung vom

1. September 1939 6. März 1940 1. April 1941 1. Juni 1941 1. Mai 1942 1. November 1943

Kennziffern der von Deutschland zu zahlenden Preise für Benzin 60 Oktan 100 135 147 167 225 287

¡939-1943

Kennziffern der von Rumänien zu zahlenden Preise für Rüstungsgerät 100 135 176 200 254

Quelle: BÄK, R 7/2275, Clodius an Dobre, 11.8.1944.

Dieselbe Mitteilung enthielt die Ankündigung eines Preisaufschlags von 220 Prozent für Waffen, die nicht gegen Öl geliefert würden. Doch zwei Wochen später war das AntonescuRegime gestürzt, gehörte Rumänien nicht mehr zum faschistischen Block.

433 BAP, AA 68752, Bl. 50, Telegramm Clodius an das AA für Kehrl, Wien 3.3.1944. 434 Ebenda. 435 BAP, AA 68971/16a, Bl. 125, Protokoll über die Lieferung rumänischer Erdölerzeugnisse nach Deutschland v. 9.2.1944, unterzeichnet von Clodius u. Pétala. 436 Ebenda, Bl. 90R, „Vertrauliches Protokoll über das Ergebnis der 14. Gemeinsamen Tagung des Deutschen und des Rumänischen Regierungsausschusses" v. 9.2.1944, unterzeichnet von Clodius u. Razmerita.

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Auch im deutsch-bulgarischen Handel hatten die Preise seit Kriegsbeginn 1939 einen starken Anstieg erfahren. Im Juni 1944 belief sich der Index der deutschen Ausfuhrpreise auf 250 und der der bulgarischen sogar auf 312, wobei man in Berlin eine weitere Erhöhung auf 340-350 für wahrscheinlich hielt. Im Unterschied zum Reichswirtschaftsministerium vertraten das Auswärtige Amt und das Reichsernährungsministerium die Auffassung, daß „diese Preisunterschiede unter den gegenwärtigen Verhältnissen keine Rolle spielen (sollten). Bulgarien müsse nur die Verpflichtung übernehmen, vorzufinanzieren." 437 In Anbetracht der Kriegslage durfte Bulgarien also keine Bezahlung seiner Lieferungen mehr erwarten. Ungarns Bedeutung für die deutsche Kriegswirtschaft nahm mit dem Schrumpfen des deutschen Herrschaftsraumes zu. Um die Jahreswende 1943/44 waren die Investitionen und Ausbauarbeiten so weit vorangeschritten, daß man damit rechnete, daß Ungarn vom Mai 1944 an fast ein Drittel des deutschen Gesamtbedarfs an Mangan würde decken können438, was eine Verdoppelung der vorherigen ungarischen Lieferungen bedeutete. Im März 1944 abgeschlossene Verhandlungen hatten ferner eine Erhöhung der Bauxitausfuhr nach Deutschland von 950 0001 im Jahre 1943 auf 1,3 Mill, t im Jahre 1944 zum Ergebnis, ebenso die ungarische Zusage, die Bezugswünsche an Sperrholzplatten für den deutschen Jagdflugzeugbau voll zu erfüllen, sowie weitreichende Bereitschaft des ungarischen Finanzministeriums zur Finanzierung militärischer Verlagerungsaufträge aus Deutschland nach Ungarn 439

u. a. Am 19. März 1944 wurde Ungarn von deutschen Truppen besetzt. Dazu erklärte Ministerialdirektor Schlotterer am 4. April 1944 seinen leitenden Mitarbeitern im Reichswirtschaftsministerium, „daß Ungarn nicht als besetztes Gebiet etwa im Sinne von Frankreich, Italien oder Dänemark anzusehen ist. Vielmehr wird die ungarische Regierung als Vertragspartner und Souveränitätsträger anerkannt. Hierbei ist die Stellung des Gesandten des Deutschen Reiches in Ungarn sehr stark. Clearingsaldoerörterungen usw. haben von vornherein in den Hintergrund zu treten, da es einzig und allein auf die Einschaltung des ungarischen Potentials für die Zwecke der Kriegswirtschaft ankommt und der ungarische Finanzminister gegebenenfalls die Pflicht zur Finanzierung hat." 440 Was die Ausnutzung des ungarischen Industriepotentials anbetrifft, so vertrat ein Vertrauensmann der Südosteuropa-Gesellschaft in Budapest im August 1944 allerdings die Ansicht, die unter deutscher Kontrolle ergriffenen Rationalisierungsmaßnahmen in der ungarischen Industrie hätten keinen Effekt gebracht.441 Demgegenüber machte die finanzielle Ausplünderung Ungarns nun schnelle Fortschritte, insbesondere auf Grund eines neuen Finanzierungsabkommens, dessen Inhalt Anfang Juli 1944 im Reichswirtschaftsministerium wie folgt referiert wurde: „Ungarn zahlt alle Wehrmachtsausgaben und alle wehrmachtsähnlichen Ausgaben aus einem Kriegsfonds. Die gesamte Auftragsverlagerung wird aus einem Pengö-Sonder437 BÄK, R 7/3011, Vermerk über die Abteilungs- und Ressortleiterbesprechung der Hauptabt. III am 27.6.1944. 438 BAP, AA 68752, Bl. 38, Telegramm Clodius an AA für den RAM, Wien 23.2.1944. 439 Ebenda, Bl. 60 u. 60R, Telegramm Clodius an AA für den RAM, Wien 20.3.1944. 440 BÄK, R 7/3011, Vermerk über die Abteilungs- und Ressortleiterbesprechung der Hauptabt. III am 4.4.1944. 441 BÄK, R 63/129, Bl. 23 f., o. Vf., Budapest 23.8.1944.

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konto finanziert, das die Ungarische Regierung uniimitiert zur Verfügung stellt. Der normale Warenverkehr läuft weiter über das Clearing (sog. deutsch-ungarische Devisenkompensation). Auch das Clearing wird unbegrenzt bevorschußt".442 Inzwischen hatte die von Pfeilkreuzlern gebildete neue ungarische Regierung sich auch voll und ganz der von Berlin betriebenen Politik der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung angeschlossen, womit auch beträchtliche Finanzmittel für den Kriegsbedarf mobilisiert wurden. Die in dem genannten Referat enthaltene Mitteilung, die finanziellen Leistungen Ungarns sollten „aus dem Judenvermögen bestritten" werden443, dürfte jedoch den Umfang des Vermögens der ungarischen Juden und andererseits die Ausmaße der finanziellen Ausplünderung Ungarns nicht realistisch widerspiegeln. Da Ungarn im Unterschied zu den anderen Ländern Südosteuropas erst im Frühjahr 1945 vollständig aus dem Herrschaftsraum des deutschen Imperialismus herausgebrochen wurde, konnte die Statistik der deutschen Wareneinfuhr von dort seit Mitte 1944 noch einen gewissen Aufschwung verzeichnen, der durch die Räumungsaktionen forciert wurde444, die im größten Teil Ungarns nicht so überstürzt und unorganisiert wie in anderen Ländern vor sich gingen.

e) Schweiz Als die Schweiz sich unter dem Druck der Alliierten nicht mehr in dem vorher üblichen Umfang zu Warenlieferungen und Dienstleistungen und insbesondere zu deren Vorfinanzierung bereit zeigte, infolgedessen seit dem 16. Januar 1943 ein vertragsloser Zustand eingetreten und in Berlin Wirtschaftskriegsmaßnahmen gegen die Schweiz erwogen worden waren, hatte Hitler Anfang März 1943 entschieden, „daß man das Vorgehen gegen die Schweiz nicht auf die Spitze treiben, sondern sich dabei die Möglichkeit einzulenken offen halten sollte, selbst wenn man hierzu bei den deutschen Wünschen betreffend Vergebung neuer Rüstungsaufträge kürzer treten müsse".445 Nach einer nachdrücklicher und präziser gefaßten erneuten Weisung Hitlers war der vertragslose Zustand am 23. Juni 1943 durch eine Teilregelung abgelöst worden.446 Hitlers zunächst auf dieses für das „Panzerprogramm" und das „Fernsteuerprogramm" wichtige Etappenziel gerichtete Weisung an Speer und Ribbentrop blieb im Grunde genommen während der ganzen restlichen Kriegszeit Richtlinie für die deutsche Handelspolitik gegenüber der Schweiz, und die Regierung in Bern fand sich immer wieder bereit, auf der Basis jetzt nicht mehr lang-, sondern jeweils kürzerfristiger Regierungsvereinbarungen, bei Erfüllung entsprechender schweizerischer Gegenforderungen, die für die deutsche Kriegswirtschaft so wichtigen Handels-, Verkehrs- und Finanzbeziehungen aufrechtzuerhalten. Was letztere anbetraf, so ging es vor allem um die Goldarbitrage. Hierbei 442 BÄK, R 7/3011, Vermerk über die Abteilungs- und Ressortleiterbesprechung der Hauptabt. III am 4.7.1944. 443 Ebenda. 444 WieAnm. 397. 445 Β AP, AA 68743, Bl. 235, Aufzeichnung Wiehl für den RAM, 11.3.1943. 446 BAP, AA 68744, Bl. 252 ff., Aufzeichnung Clodius für den RAM, 27.6.1943.

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war „die Reichsbank auf die Hilfe der Schweiz ... auch weiterhin unbedingt angewiesen", wie der ΗΡΑ Ende 1943 konstatierte.447 In dieser Beziehung war die Schweiz von buchstäblich einzigartiger Bedeutung. Bei der Eroberung anderer Länder und bei der „Endlösung der Judenfrage" waren große Mengen Goldes in die Verfügungsgewalt der deutschen Machthaber gefallen. Die meisten neutralen Handelspartner scheuten sich aber, dieses dubiose Gold als Zahlungsmittel für Warenlieferungen und andere Leistungen anzunehmen, weil sie befürchteten, es eines Tages den Beraubten zurückerstatten zu müssen. Doch Schweizerfranken akzeptierten sie gern. Und die Schweizerische Nationalbank fand sich immer wieder bereit, „deutsches" Gold in Franken oder sonstige renommierte Devisen umzutauschen. Schätzungsweise hat sie im Laufe des Krieges für 1,6 Mrd. sfr „deutsches" Gold angekauft, allein für 529 Mill, sfr im Jahre 1943.448 So führten deutsch-schweizerische Verhandlungen zu einem neuen Abkommen, das aber nur auf die Monate Oktober bis Dezember 1943 befristet war. Die deutsche Seite hatte sich schon damit abfinden müssen, daß die Schweiz seit dem 1. Juli 1943 das eigentliche Kriegsmaterial und ab 1. August 1943 alle kriegswichtigen Güter einer „restriktiven Kontingentierung" unterwarf. Damit wollte das Land die Ausfuhr nach Deutschland autonom handelnd jeweils so einschränken, wie es das mit Rücksicht auf ihr Verhältnis zu den Alliierten für notwendig hielt. Für das Abkommen vom 1. Oktober 1943 wurden laut Homberger die zahlungsmäßigen Kontingente der schweizerischen Ausfuhr nach Deutschland grundsätzlich auf 45 Prozent und für Kriegsmaterial auf 36 Prozent des Wertes vom Jahre 1942 begrenzt.449 Im ΗΡΑ legte man das Abkommen allerdings so aus, daß lediglich „eigentliches Kriegsgerät" auf 80 Prozent des Wertumfangs von 1942 kontingentiert würde, dagegen „Zivillieferungen", darunter Aluminium und Werkzeuge, durchschnittlich 100 Prozent der vorher gültig gewesenen „Wertgrenzen" ausmachen dürften.450 Während die deutsche Seite vom August bis zum November 1943 wegen des gestiegenen Eigenbedarfs mit einem Teil der der Schweiz zugesagten Eisenlieferungen säumig blieb, versteifte sich in den jetzt fast permanent stattfindenden Verhandlungen die schweizerische Haltung. In Berlin löste das Auseinandersetzungen aus. Trat der Chef des Sonderstabes Handelskrieg und wirtschaftliche Kampfmaßnahmen im OKW, Admiral Otto Groos, dafür ein, die Schweiz einem Blockadedruck zu unterwerfen und zu prüfen, „ob Führerentscheidung (Vermeidung des Abbruchs) noch volle Geltung habe", so forderte das Auswärtige Amt (Wiehl) die Aufholung der Lieferrückstände und künftig die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber der Schweiz. Speer nahm eigenartigerweise die Haltung ein, „er könne notfalls auf die Rüstungslieferungen und äußerstenfalls sogar auf die Stromlieferungen verzichten". Den Ausschlag gab schließlich die von der Reichsbank (Reichsbankdirektor Reinel) unterstützte Argumentation des Reichswirtschaftsministeriums (Ministerialdirigent Carl-Gisbert Schultze-Schlutius): „Wenn wir daraus jetzt die Folgerung eines Abbruchs der Verhandlungen ziehen wollten, so würde damit unter allen Umständen der Kapitalverkehr in Fortfall kommen, 447 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 3.12.1943. 448 Bourgeois, Daniel, Les relations économiques germano-suisses 1939-1945. In: Revue d'histoire de la deuxième guerre mondiale, 1981, S. 57 u. 61. 449 Homberger, S. 94 f. 450 BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 13.10.1943.

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d. h. wir würden dann auch für militärische und andere nicht handelspolitische Belange keine sfrs mehr bekommen; unser Gold würde also für alle uns interessierenden Zwecke wertlos werden."451 Auch bei den erneuten Auseinandersetzungen in deutschen Regierungskreisen im März und Juni 1944, ob man weniger günstige Bedingungen in den Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz hinnehmen oder diese abbrechen solle, gab die Rolle dieses Landes als „Golddrehscheibe" den Ausschlag.452 Trotz starken alliierten Drucks, Unsicherheit der deutschen Leistungen, radikaler Kürzung des deutschen Mineralölangebots, Ungewißheit deutscher Tonerdelieferungen (aus Frankreich) für die Aluminiumproduktion sowie der unsicheren Transportsituation insbesondere in westlicher Richtung fand sich die schweizerische Regierung bereit, am 29. Juni 1944 ein neues Wirtschaftsabkommen mit Deutschland zu unterzeichnen, das bis zum 31. Dezember 1944 gelten sollte. Sie brachte lediglich eine Klausel ein, die eine Überprüfung der beiderseitigen Leistungen nach drei Monaten vorsah.453 In diese Zeit fiel die Verlagerung von 67 modernen kriegswichtigen Betrieben aus Italien nach Deutschland454, die wenigstens zum Teil auf der nach wie vor zur Verfügung stehenden Eisenbahntransitstrecke über schweizerisches Territorium erfolgte.455 Als sich im September 1944 die westalliierten Armeen der Westgrenze der Schweiz näherten, berief diese sich auf die Überprüfungsklausel. Jetzt waren in Berlin alle Ressorts einig in dem Wunsch, es wegen der „für uns wesentlichen Interessen - Gold- und Devisengeschäfte der Reichsbank, Transitverkehr, Stromlieferungen, Schwarzkäufe - " nicht zum Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen mit der Schweiz kommen zu lassen.456 Im Ergebnis der am 29. September 1944 beendeten gemeinsamen Überprüfungsverhandlungen457 verhängte die schweizerische Regierung mit Wirkung vom 1. Oktober 1944 eine Ausfuhrsperre für Kugel- und Rollenlager, Waffen, Flugzeuge, Zünder, Telefon- und Telegraphenapparate, Radioapparate (mit Ausnahme fertiger Empfangsgeräte für den zivilen Gebrauch), jegliche Bestandteile der aufgeführten Artikel, Sprengstoff und Munition.458 Die Ausfuhrsperre sollte gegenüber allen Ländern gelten, betraf aber faktisch nur eine kriegführende Seite: Alle diese Produkte waren bis dahin - trotz zunehmender Kürzungen - in beträchtlichen Mengen an Deutschland, dessen Verbündete und in sonstige Gebiete des deutschen Herrschaftsraumes geliefert worden. So erklärt es sich auch, daß die für den Zeitraum vom Januar bis zum September 1944 ausgewiesenen Werte der deutschen Einfuhr aus der Schweiz (163,1 Mill. RM) nur um 33 Prozent unter denen des gleichen Zeitraumes des Jahres 1943 (242,6 Mill. RM) lagen. Wie sehr man deutscherseits bemüht war, der Schweiz möglichst wenig Veranlassung zu geben, ihre 451 452 453 454 455 456 457

Ebenda, HPA-Protokoll v. 7.1.1944. Ebenda, HPA-Protokolle v. 20.3.1944 u. 5.6.1944. Ebenda, HPA-Protokoll v. 17.8.1944. Ebenda, HPA-Protokoll v. 23.8.1944. Homberger, S. 122, spricht von „Kriegsbeutegut" im Süd-Nord-Verkehr. BÄK, R 7/3648, HPA-Protokoll v. 14.9.1944. BÄK, R 7/3011, Vermerk über die Abteilungs- und Ressortleiterbesprechung der Hauptabt. III am 3.10.1944. 458 Β AK, R7/3364, Schnurre (Vorsitzenderd. Deutschen Delegation) an Hotz (Vorsitzender der Schweizerischen Delegation), Bem 29.9.1944.

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Bereitschaft zur Beibehaltung ihrer Lieferungen zu reduzieren, d. h. sie zu stimulieren, dem Druck der Alliierten möglichst wenig nachzugeben, ergibt sich aus den ausgewiesenen Werten der deutschen Ausfuhr in die Schweiz. Diese lagen in beiden Zeiträumen über den Einfuhrwerten und von Januar bis September 1944 (216,4 Mill. RM) nur um 14 Prozent unter denen des entsprechenden Zeitraumes 1943 (252,8 Mill. RM).459 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die deutsche Seite auch wegen ihrer Clearingverschuldung an die Schweiz allen Grund hatte, guten Willen zu demonstrieren. Von den neutralen Ländern war die Schweiz Mitte 1944 nämlich dasjenige mit den bei weitem höchsten Clearingforderungen an Deutschland (658,5 Mill. RM).460 Bis Ende November 1944 erhöhten sich diese weiter auf 680,6 Mill. RM.461 Dennoch begnügte sich die schweizerische Regierung in den Monaten November und Dezember 1944 damit, den Transitverkehr zwischen Deutschland und Italien mengenmäßig einzuschränken, während insbesondere die Stromlieferungen fortgesetzt wurden.462 Nachdem am 10. Februar 1945 deutsch-schweizerische Verhandlungen über die Verlängerung des bisherigen Wirtschaftsabkommens nach Auffassung der deutschen Delegation zum „zufriedenstellenden Abschluß" geführt hatten463, obwohl an den nächsten Tagen hochrangige Wirtschaftsdelegationen aus den USA, Großbritannien und Frankreich in Bern erwartet wurden (sie kamen am 11. und 13. Februar an)464, traf es die deutsche Seite um so härter, als der schweizerische Bundesrat am 16. Februar 1945 beschloß, die deutschen Guthaben in der Schweiz einzufrieren.465 Hiermit kam er einer alliierten Forderung nach, die auch in britischen Zeitungen erhoben worden war. Der Handel zwischen Deutschland und der Schweiz war allerdings in der Praxis infolge der desolaten Verkehrsverhältnisse innerhalb Deutschlands und auch infolge der Zerrüttung des Verwaltungsapparates bereits weitgehend untergraben.466 So muß man feststellen, daß die Schweiz - im Unterschied zu Schweden - bis zuletzt, auch noch nach dem genannten Beschluß vom 16. Februar 1945467, an den Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland festhielt. Als Argument dafür diente ihr gegenüber den Alliierten wie schon in den früheren Kriegsjahren - neben dem Neutralitätsgebot die Sorge um die Vermeidung einer Massenarbeitslosigkeit. Daß die Alliierten auch in den letzten Kriegsmonaten mit Sanktionen zurückhaltend waren, ergibt sich - ähnlich wie seitens der deutschen Regierung in den Vorjahren - aus der besonderen Rolle der Schweiz als internationales Finanzzentrum, die man für die Nachkriegszeit bewahren wollte. Ausdrücklich mit dieser Begründung 459 WieAnm. 397. 460 BÄK, R 7/2277, Bl. 2, „Stand der bei der Deutschen Verrechnungskasse geführten Sonder- und Verrechnungskonten am 15. Juli 1944". 461 BÄK, R 7/3636, „Kontrollberechnung des Clearingstandes November 1944", 27.1.1945. 462 BÄK, R 7/3282, „Monatsbericht Schweiz November 1944" o. Vf. o. D. 463 Ebenda, MR Storck (RWiM) an Generaldirektor König in Zürich, Hamburg 20.4.1945. 464 BAP, AA 68816, Bl. 9 ff., Deutsche Gesandtschaft Bern an AA, 20.2.1945; Homberger, S. 117 ff. 465 Ebenda (BAP), beigelegte Ausschnitte aus schweizerischen Zeitungen. 466 BÄK, R 7/3282, Notiz über eine Drahtmeldung der Deutschen Gesandtschaft in Bern v. 27.3. 1945. 467 Mit Datum vom 28.2.1945 wurde noch ein eigentlich schon gegenstandsloser Modus vivendi vereinbart. (Homberger, S. 121).

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widersprach der „Observer" im Februar 1945 der in der britischen Öffentlichkeit erhobenen Forderung, die Schweiz solle das Bankgeheimnis aufheben, damit die dorthin verbrachten Vermögenswerte von Naziverbrechern aufgedeckt werden könnten.468

β Ferner Osten Buchstäblich bis zuletzt wurden verzweifelte Anstrengungen unternommen, den kriegswichtigen Warenverkehr zwischen den schrumpfenden Herrschaftsgebieten des deutschen und des japanischen Imperialismus fortzusetzen. Im Januar 1944, als drei deutsche Blockadebrecher auf Heimatkurs versenkt worden waren, lehnte es Hitler als aussichtslos ab, erneut Dampfer nach dem Fernen Osten in Marsch zu setzen. Er wie auch Dönitz knüpften dagegen große Erwartungen an den neukonstruierten Unterseetransporter Typ XX, mit dessen voller Einsatzbereitschaft aber nicht vor Oktober 1945 zu rechnen war. Inzwischen sollten weiterhin die bisher schon verwendeten Typen von Handels-U-Booten versuchen, die britisch-amerikanische Blockade zu durchbrechen. Nach der in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 in Berlin-Karlshorst unterzeichneten bedingungslosen Kapitulation der Naziwehrmacht liefen vier deutsche Handelsunterseeboote britische Marinestützpunkte an: Das nach Europa unterwegs gewesene U 532 mit einer Ladung von 110 t Zinn (im Kiel), 8 t Wolfram, 8 t Gummi, 4 t Molybdän, ca. 0,5 t Chinin und 100 kg Kristallen und Selen, das in gleicher Richtung fahrende U 861 mit 52,5 t Wolfram, 55,5 t Zinn, 361 Gummi und 140 Pfd. Jodkristallen an Bord, auf Japankurs U 874, beladen mit 501 Quecksilber, 301 optischem Glas in Blöcken und Zink, sowie ebenfalls in Richtung Fernost U 875 mit 301 Quecksilber, 301 Blei und 301 optischem Glas.469 Offenbar hatte Dönitz also sogar noch nach dem Verlust der Häfen an der französischen Atlantikküste die schier aussichtslosen Versuche fortsetzen lassen, die Blockade der Seewege zwischen Europa und dem Fernen Osten zu durchbrechen, um wenigstens relativ geringe Mengen kriegswirtschaftlich besonders dringend benötigten Materials zu transportieren. Mit dem militärischen Zusammenbruch kam der deutsche Außenhandel, der seit dem Herbst 1944 auf minimale Reste zusammengeschrumpft war, ganz zum Erliegen. 468 BAP, AA 68816, Bl. 12, Deutsche Gesandtschaft Bern an AA, 20.2.1945, beigelegter Zeitungsausschnitt. 469 Medlicott II, S. 452.

Kapitel VI

Wirtschaftliche Vorbereitungen auf das Kriegsende und Nachkriegsplanungen Von Karl Heinz Roth

Im Juli/August 1943 geriet die deutsche Kriegsmaschinerie endgültig in die strategische Defensive.1 Durch die Erschütterungen in Kernbereichen seiner militärisch-strategischen Macht waren auch die bisherigen wirtschafts- und währungspolitischen „Friedensplanungen" des NS-Imperialismus aufs höchste gefährdet. Die diesbezüglichen geheimen Festlegungen der wirtschafts- und finanzpolitischen Reichsressorts, der Reichs- und Wirtschaftsgruppen sowie der Großunternehmen vom Juli/August 1940 erschienen mitsamt ihren radikalisierten Fortschreibungen vom Juni/Juli 1941 und Sommer 1942 endgültig2 obsolet. Alles in allem schien im Herbst 1943 eine grundlegende Revision und Anpassung der bisherigen Planungen für die Nachkriegszeit an die nun unwiderruflich gewordene militärisch-strategische Defensivkonstellation der faschistischen Herrschaft naheliegend. Tatsächlich können für die Zeit ab Herbst 1943 markante Querbeziehungen zu den strategisch-politischen Umbrüchen bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 nachgewiesen werden, auch wenn sich die Nachkriegsplanungen bei wachsender Profilierung in die Breite und Tiefe immer deutlicher von den sich dramatisch wandelnden Rahmenbedingungen abkoppelten.

1. Die erste Etappe der Nachkriegsplanungen vom Spätsommer 1943 bis Juli 1944 a) Initiativen zur Modifikation der

„Friedensplanungen"

Wie in allen Krisenperioden des Kriegs setzte seit dem Sommer 1943 eine Flut autorisierter wie unautorisierter Denkschriften über die Frage ein, wie allen Widrigkeiten zum Trotz doch noch ein siegreiches Ende und eine europäische Wiederaufbauperspektive unter deutscher Vorherrschaft zu sichern wären. Ernst Jünger verfaßte im Auftrag seines Mentors, des Hamburger Großkaufmanns Alfred C. Toepfer, der in Paris als Hauptmann der Wehrmacht-Abwehr von einem „Büro Toepfer" aus Schwarzmarktgeschäften zur Beschaffung strategischer Rohstoffe nachging, ein Pamphlet, in dem er in der ihm eigenen Diktion den „europäischen 1 Siehe DZW, Bd. 3, S. 517 ff., 591 ff. 2 Vgl. Nestler, Ludwig, Ansätze zur Modifikation der Kriegszielplanung und Okkupationspolitik Hitlerdeutschlands (Herbst 1942 bis Frühjahr 1943). In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1978, Nr. 3-4, S. 3-30.

510 Frieden" als „Ernte" des bisherigen legitimen „Einigungskrieges" beschwor: Wenn man den Gegner ganz für das „größere Reich" haben wolle, dann könne das nur „mit seiner Einwilligung geschehen." 3 Auch der Abwehr-Kollege Theodor Oberländer erhob neuerlich seine Stimme und warnte vor den aus dem Osten dräuenden Gefahren, falls die bisherigen kurzfristigen Pliinderungs- und Kolonialmethoden nicht durch eine langfristige Ausbeutungsplanung „mit entsprechender Menschenbehandlung" ersetzt würden.4 Reichs- finanzminister Schwerin v. Krosigk mischte sich in die „Ostplanung" ein und hielt es für allzu kurzsichtig, aus Furcht vor eventuellen „Nachkriegsansprüchen der Ostvölker" die angesichts der Standfestigkeit des sowjetischen Systems überfallig gewordene politische Unterscheidung zwischen „Bolschewismus" und „Rußland" weiter zu hintertreiben.5 Diese und andere Vorstöße sollten trotz ihrer manchmal weitreichenden Allianzen nicht überschätzt werden. Sie blieben Makulatur, sofern man von den nun einsetzenden taktischen Korrekturen im praktischen Umgang mit den west- und osteuropäischen Kollaborateuren sowie den „Ostarbeitern" absieht. Von den wortführenden und praxisbestimmenden Planungszentren wurden sie bezüglich der grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Probleme der Nachkriegsplanungen als unliebsame Einmischungen zurückgewiesen. Vorschläge des Auswärtigen Amts Von anderer Qualität waren die Initiativen, die das Auswärtige Amt startete. Schon Anfang April 1943 war ein interner „Europa-Ausschuß" gegründet worden, der den Vorgaben Ribbentrops zufolge den Anspruch einer „Vormachtstellung des Großdeutschen Reiches" bei der „Neuordnung Europas" vor allem mit dessen Bollwerkfunktion gegenüber der wachsenden „bolschewistischen Gefahr" begründen und auf diese Weise die um sich greifende Verunsicherung der Kollaborateure und „Neutralen" instrumentalisieren sollte.6 Dementsprechend waren bis zum Juni Vorschläge eingegangen, die unter anderem als Ausgleich für die den Vertragspartnern weiterhin verweigerte militärische und außenpolitische Souveränität wirtschaftspolitische Konzessionen vorschlugen. Ein „Europäischer Wirtschaftskongreß" sollte in Permanenz tagen, Konventionen zur Sicherung des „europäisch-afrikanischen Großraums" abschließen, ein Präferenzsystem für den innereuropäischen Warenaustausch verabschieden, das „europäische Zentralclearing" in die Richtung einer europäischen Währungsunion ausbauen und zu einer langfristigen Produktionsplanung überleiten.7 Unter dem Eindruck der inzwischen erlittenen strategischen Rückschläge meldeten sich ab Mitte August weitere Spitzenbeamte zu Wort. Rudolf Rahn forderte in einer Denkschrift, den jetzt dringlich gewordenen Zeitgewinn bis zur Überwindung der Defensivkonstellation durch 3 Jünger, Ernst, Der Friede. Als Privatdruck nach dem Krieg hrsg. v. Alfred Toepfer, Stuttgart 1965, S. 11,29,31. 4 Oberländer, Theodor, Bündnis oder Ausbeutung? Denkschrift vom Juni 1943. Auszugsweise in: Weltherrschaft im Visier, S. 353 ff.; Dok. Nr. 146 5 BÄK, R 2/24243, Bl. 114 f., Schwerin v. Krosigk an Ribbentrop, 9.12.1943. 6 Verfügung und Richtlinien Joachim von Ribbentrops über die Gründung eines Europa-Ausschusses v. 5.4.1943. In: Anatomie der Aggression, Dok. Nr. 38 f., S. 182 ff. 7 PA AA, NL Renthe-Fink, Bd. 11, Gesandter Hans Frohwein, Grundgedanken eines Planes für das neue Europa, Beilage zum Schreiben Frohweins an Rintelen, 7.6.1943.

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den in Bälde erwarteten Zusammenbruch der Antihitlerkoalition mittels einer politisch-propagandistischen Initiative abzusichern, die es gestatte, „den Kampfwillen der Gegner zu schwächen, die Widerstandsbewegungen innerlich auszuhöhlen" und „das Vertrauen der Anhänger einer europäischen Ordnung" wiederzugewinnen.8 Carl Clodius, der stellvertretende Leiter der Handelspolitischen Abteilung, präzisierte diese Überlegungen einen Tag später mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, den inzwischen weit gediehenen Europaplanungen der Westalliierten „mit positiven deutschen Plänen für die wirtschaftliche Neuordnung Europas nach dem Kriege" entgegenzutreten.9 Die „Unabhängigkeit Europas" erfordere einen engen „wirtschaftlichen Zusammenschluß der europäischen Völker", insbesondere die Abkopplung der landwirtschaftlichen Produktpreise vom Weltmarkt, die Beibehaltung eines gelenkten Außenhandels bei gleichzeitigem Abbau der Zollgrenzen sowie die Lockerung der Devisenbewirtschaftung durch freizügige Binnenwährung und multilateralen Verrechnungsverkehr. Diese Überlegungen formulierte der Sondergesandte Cecil von Renthe-Fink in den folgenden Wochen weiter aus.10 Er schlug die Gründung eines „Europäischen Staatenbunds" vor, der nunmehr die staatliche Souveränität zumindest der ins Auge gefaßten west- und nordeuropäischen Signatarstaaten vorsah, denn nur noch dadurch könnten diejenigen „Kräfte, die den Bolschewismus fürchten, sich aber durch Deutschland bedroht fühlen", davon abgebracht werden, „nach den mit den Bolschewisten verbündeten Angelsachsen zu schielen."1' Wirtschaftspolitisch griff er im wesentlichen die Überlegungen von Clodius auf. Das Planungskonvolut wurde dem Außenminister am 9. September, einen Tag nach der Bekanntgabe des italienisch-alliierten Waffenstillstandsabkommens, überreicht. Die Beteiligten einigten sich darauf, die Proklamation des Vorhabens so lange zu vertagen, bis sich die prekäre militärische und bündnispolitische Konstellation wieder stabilisiert hatte. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Interventionen aus dem Umfeld des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags und der IG Farben Nicht so schnell gab sich eine andere Machtgruppe geschlagen, die aus einem Kernbereich des Großkapitals heraus agierte, jedoch infolge der Umgruppierungen des NS-Wirtschaftssystems beim Übergang zum „totalen Krieg" ihre bislang im Rahmen der „Friedensplanung" behauptete Sonderstellung teilweise verloren hatte. Seit dem Herbst 1941 war der von Tilo von Wilmowsky und dem IG-Farben-„Außenminister" Max ligner geleitete Mitteleuropäische Wirtschaftstag (MWT) von der Reichsgruppe Industrie (RGI) und der seit Februar 1940 im Auftrag der wirtschaftspolitischen Spitzenbehörden agierenden Südosteuropa-Gesellschaft (SOEG) in die Zange genommen worden. 8 Aufzeichnung des Gesandten I. Klasse Rahn v. 19.8.1943. In: AD AP, Serie E, Bd. VI, Dok. Nr. 235, S. 413 ff. 9 PA AA, NL Renthe-Fink, Bd. 11, Aufzeichnung Nr. 87 des MD Clodius, 20.8.1943. 10 Die Denkschrift befindet sich mit den Vorentwürfen und dazugehörigen Korrespondenzen in: PA AA, ebenda. 11 Ebenda, AN Renthe-Fink für RAM betr. die Idee eines europäischen Staatenbundes, 9.9.1943.

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Im Ergebnis eines komplizierten Wechselspiels von Machtrivalität und - mit kriegswirtschaftlichen Engpässen legitimiertem - Kurswechsel in die Richtung kolonialistischer Ausbeutungsmethoden nun auch in Südosteuropa12 hatte die RGI „die große Säge" an den MWT gelegt13 und bis zum Frühsommer 1942 das ökonomisch wie theoretisch gleichermaßen einflußreiche Gespann Ilgner-Reithinger14 gezähmt. Als „primus inter pares" wurde ligner in das Korsett eines neugegründeten Südostausschusses der RGI eingepaßt und so allmählich an den Kurswechsel gewöhnt,15 und Reithinger mußte die Planungskompetenzen des Volkswirtschaftlichen Ausschusses des MWT an den wirtschaftswissenschaftlichen Plartungsausschuß der SOEG abgeben. Allerdings bot ihm seine Funktion als Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farben optimale Ersatzmöglichkeiten. Bis zum Fiasko des forcierten Ausplünderungskurses im Frühjahr 1944 gab nun die Handels- bzw. Außenwirtschaftsabteilung der Reichsgruppe Industrie im Bündnis mit den wirtschafts- und währungspolitischen Spitzenressorts den Ton an. Sie degradierte die komplementären Industriellenvertretungen der jeweiligen Südostländer zu Staffagen der eigenen Industrieausschüsse, die immer massiver in die Verhandlungen der bilateralen Regierungsausschüsse eingriffen. Jedoch machten die Wortführer der MWT-Strategie keineswegs nur gute Miene zum bösen Spiel, in dem sie nun ihrerseits nach Kräften mitmischten und auf diese Weise die Verwertungs- und Marktinteressen ihrer Großunternehmen wahrten. Sie reorganisierten vielmehr unterhalb der Ebene der radikalisierten wirtschaftspolitischen Leitlinien und Machtkonstellationen ihre Verbandsstrukturen.16 Dabei kam ihnen vor allem das von Ernst Wagemann geleitete Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Hilfe, das nun eine Reihe von Tochterinstituten gründete.17 In diesem Kontext schwang sich Richard Riedl, der Nestor der wirtschaftsimperialistischen Mitteleuropakonzeption, im Anschluß an seine umfangreiche Denkschrift über „Die Russische Frage" vom März 194318 und kurz vor seinem Tod (9. März 1944) zur Niederschrift eines programmatischen Vermächtnisses für die Nachkriegsplanung auf. 12 Kratz an Heinrichsbauer, 4.6.1942. Abgedruckt in: Griff nach Südosteuropa, Dok. Nr. 83, S. 182. 13 BÄK, R 63/170, Bl. 37, Aufzeichnung Kutsche, Mitarbeiter des Außenhandelsamts der Auslandsorganisation der NSDAP, 26.1.1942. 14 Max ligner war Vorstandsmitglied und Vors. des Südostausschusses der IG Farben; zugleich leitete er als Vizepräsident des MWT auch den Industrie-Beirat dieses Verbands. Anton Reithinger war zusätzlich zu seinen MWT-Funktionen (Beiratsmitglied und geschäftsf. Vors. des Volkswirtschaftlichen Ausschusses) Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farben. BÄK, R 63/253, Bl. 123 ff., AN Heinrichsbauer für Schirach, 24.3.1942. 15 BAP, Deutsche Bank, Ρ 6137, Ρ 6138, Ρ 6143, Ρ 6144, Ρ 6145, Ρ 10886. Dieser von der Forschung 16 bislang vernachlässigte Tatbestand, der zu einer entsprechenden Überschätzung der Bedeutung der SOEG führte, kann hier nicht näher dargestellt werden. Und zwar unter der Regie des MWT-Vorstandsmitglieds und DIW-Sonderbeauftragten v. Hassell. 17 Vgl. BÄK, R 11/111 ; Asendorf, Manfred, Ulrich von Hassells Europakonzeption und der Mitteleuropäische Wirtschaftstag. In: Jahrbuch des Instituts für deutsche Geschichte Tel Aviv, VII (1978), S. 387-419, hier S. 415 ff. BÄK, R 43 11/683 b, Richard Riedl, Die russische Frage. Gedanken zur Neugestaltung Osteuropas, 18 Wien, März 1943. Vgl. auch II, S. 427 f.; ergänzend Eichholtz, Dietrich, „Wege zur Entbolschewisierung und Entrussung des Ostraumes". In: JfW 1970/1, S. 13—14.

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Hatte Riedl schon in seiner der „Entbolschewisierung" und „nationalen Dekomposition des Ostraums" gewidmeten Alternativstudie zum „Generalplan Ost" der SS betont, daß die ökonomischen Ressourcen der um das Kaukasus-Baku-Gebiet erweiterten Ukraine, der Krim und des Baltikums nur dann in den „europäischen Großwirtschaftsraum" integriert werden könnten, wenn man den davon betroffenen Nationalitäten gewisse Souveränitätsrechte zugestehe und die Politik der „Volkstumsentflechtung" entsprechend mäßige,19 so war es ihm auch in der Ausarbeitung über den „Weg zu Europa" um die Zähmung allzu barbarischer „Herrschaftsgelüste" zugunsten ökonomischer Interessen zu tun.20 Er schrieb einleitend, es müsse Deutschland genügen, „Fahnenträger, nicht Herr Europas zu werden", denn nur auf diese Weise könnten die „Bundes-" und „Schicksalsgenossen" der Deutschen für die „Schaffung eines auf den Zusammenschluß freier Nationen begründeten europäischen Großraums" gewonnen werden. Zu diesem Zweck schlug Riedl einen mehrseitigen Bündnisvertrag vor, um die grundlegenden Voraussetzungen und Vertrauensgarantien eines „europäischen Wirtschaftsbündnisses" festzulegen. Dadurch sollten die Rahmenbedingungen für ein System zweiseitiger binneneuropäischer Präferenzverträge geschaffen werden, das Abkommen über Zoll- und Handelsfragen, Produktionslenkung, Verkehrssteuerung, energiewirtschaftliche Zusammenarbeit und sozialpolitische Kooperation umfaßte. Ein „Europäischer Wirtschaftsrat" bzw. „Präsidialausschuß" sollte über ihre Einhaltung und Weiterentwicklung wachen sowie die außenwirtschaftlichen Belange wahrnehmen. Dieses aus der Auseinandersetzung mit dem ersten weltwirtschaftlichen Nachkriegsplan von Keynes21 gewonnene und auf den „europäischen Großraum" projizierte Organisationsmodell stattete Riedl nun mit grundsätzlichen wirtschaftspolitischen Zielprojektionen aus: Abkehr vom geldpolitisch gesteuerten Konjunkturautomatismus, Vermeidung einer Demobilisierungskrise durch die Rückkehr zum Primat der zivilen Güterproduktion bei gleichzeitiger Nachfragestimulierung der aufgestauten Kaufkraft, und im Anschluß daran die „Erringung" von sieben „Sicherheiten" im Prozeß des Wiederaufbaus (Krisenfreiheit, Vollbeschäftigungs- und soziale Sicherheitsgarantien für die Arbeiterklasse, Beseitigung der Preisschere zwischen Industrie und Landwirtschaft, Konsum-, Verkehrs- und Handelssicherheiten sowie „Sicherheit und Freiheit der nationalen und kulturellen Entwicklung aller europäischer Völker, großer wie kleiner"). Brisant wurden diese konzeptionellen Anleihen bei den sozial- und wirtschaftspolitischen Nachkriegsdebatten der Westalliierten jedoch erst dadurch, daß Riedl auch bezüglich ihrer 19 Dies war der Hauptgrund für die wütende Zurückweisung durch das Rußland-Forschungsinstitut des RSHA. Vgl. BÄK, R 58/237, Wannsee-Institut, Stellungnahme zur Denkschrift „Die russische Frage" von Riedl, Juli 1943. 20 BAP, Deutsche Bank, Ρ 339, Bl. 19-61, Richard Riedl, „Weg zu Europa". Gedanken über ein Wirtschaftsbündnis europäischer Staaten, Wien 1944; die folgenden Zitate nach ebenda. Die Studie wurde bisher zweimal auszugsweise publiziert: Weltherrschaft im Visier, Dok. Nr. 153, S. 373 ff.; Europastrategien des deutschen Kapitals 1900-1945, Hrsg. Reinhard Opitz, Köln 1977, Dok. Nr. 150, S. 990 ff. (Neuaufl. 1994); jedesmal falsch datiert. 21 Vgl. zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des im April 1943 als Weißbuch der englischen Regierung veröffentlichten „Clearing Union"-Plans Moggridge, Donald (ed.), The Collected Writings of John Maynard Keynes, vol. XXV: Activities 1940-1944: Shaping the Post-War World: The Clearing Union, London/Basingstoke 1980.

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instrumentellen Ausstattung in aller Offenheit auf den Pfaden von Keynes wandelte und sie lediglich für die kontinentaleuropäische Großraumoption zurechtbog. Eine „Europabank" sollte die aus dem europaweiten Austausch von Waren und Leistungen entstehenden Forderungen und Verpflichtungen laufend ausgleichen, die damit zusammenhängenden Kreditoperationen abwickeln und zusätzlich auf der Grundlage eines bedeutenden eigenen Geschäftskapitals Wiederaufbaukredite gewähren bzw. vermitteln („Europäische Clearingstelle und Creditanstalt").22 Ihren Sitz sollte sie „aus Gründen politischen Taktes" analog der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einer der Hauptstädte der Bündnisstaaten haben, das Direktorium sollte von den Regierungen der Mitgliedstaaten ernannt werden und der Präsidialausschuß des Wirtschaftsrats eine Aufsichtsratsfunktion wahrnehmen. Und selbst in Sachen Kapitalausstattung ließ Keynes grüßen. Die Zentralbank eines jeden Bündnisstaats sollte in Landeswährung einen Betrag einzahlen, der dem durchschnittlichen Außenhandelsvolumen der letzten drei Vorkriegsjahre entsprach. Dann sollten zunächst die Austauschrelationen der Währungen untereinander festgelegt und anschließend mit einem neuen Giralgeld der Europabank, dem „Europagulden", in Relation gesetzt werden.23 Auf diese Weise könnten alle schwebenden Kredite durch die im Umlauf befindlichen Güter und Werte gedeckt werden und im Verein mit den zusätzlichen Fazilitäten der „Europabank" den Zahlungsbilanzausgleich von seinen krisenstimulierenden Auswirkungen befreien. Auch das Problem des Kaufkraftüberhangs und der „schwebenden Währung" sollte hier eine „europäische" Lösung finden.24 Offensichtlich blieb diese auf die europäische Überlebensperspektive des deutschen Imperialismus redimensionierte Anleihe Riedls bei Keynes zunächst in den Geheimregistraturen des engeren MWT-Umfelds verborgen. Dennoch diente das Memorandum in der Folgezeit nicht wenigen als Steinbruch und als internes Verständigungsinstrument.25 Im August/September 1944 diskutierte der „Europakreis" des Planungsamts sogar eine auszugsweise Publikation, danach zirkulierte es als Hintergrundpapier im „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen".26 ligner, Reithinger und der österreichische Industrielle Philipp von Schoeller versuchten darüber hinaus, das seit etwa August/September 1943 im Entstehen begriffene Riedische Vermächtnis in die laufende wirtschaftspolitische Praxis zu übersetzen. Als die deutschen Schulden im Verrechnungsverkehr mit dem Ausland im Herbst 1943 die 20-MilliardenGrenze überschritten und die handelspolitische Kooperation der Satellitenländer ernsthaft zu gefährden begannen, intervenierte Reithinger gegen einen Vorschlag des Reichsbankvizepräsidenten Kurt Lange, sich das Problem durch eine Kombination von Konten- Verschleierung und einmaliger Obligationsanleihe vom Hals zu schaffen.27 Er schrieb, der Konfliktstoff lasse sich nur dadurch entschärfen, daß man die binnenwirtschaftlichen Krisenerscheinungen der 22 23 24 25

BAP, Deutsche Bank, Ρ 339, Bl. 42 ff. Ebenda, Bl: 46 ff. Ebenda, Bl. 61 ff. Vgl. die Aufzeichnung des Leiters der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank, Ernst Wilhelm Schmidt, v. 11.12.1944 über die Europa-Denkschrift Riedls, BAP, Deutsche Bank, Ρ 10885, Bl. 371-386. 26 BÄK, R 3/1941, Bl. 8 f. (Besprechung des „Europakreises" am 29.8.1944). 27 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 72 ff., Vizepräsident Kurt Lange, Anregungen für eine Neuordnung des deutsch-europäischen Zahlungsausgleichs, August 1943.

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„Partnerländer" ernstnehme, ihnen mit einem „Bouquet" deutscher Vermögensreserven entgegenkomme und sie nach dem englisch-amerikanischen Vorbild im Rahmen einer „Südosteuropa-Konferenz" in einen langfristigen Klärungsprozeß einbeziehe.28 Zu recht witterte Rudolf Eicke, der Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank, darin Vorschläge zur Gründung eines „Europäischen Investment Trust", für dessen Fundierung jedoch die erforderlichen Devisen fehlten, während er die Abhaltung einer „Balkankonferenz" wegen der zu erwartenden Isolierung Deutschlands ablehnte.29 Ende November 1943 wurde Reithinger erneut im Auftrag ligners bei der Reichsbank vorstellig, und zwar diesmal bei Vizepräsident Emil Puhl.30 Da Deutschland im Gegensatz zu den Alliierten nur über vergleichsweise geringe Kapitalreserven verfüge, müßten diese so sparsam wie möglich zur „Erschließung der europäischen Wirtschaftskraft für die deutsche Rüstung" eingesetzt werden, schrieb er in einer sechsseitigen Denkschrift. Deshalb sei es höchste Zeit, eine „planvolle europäische Außenwirtschaft" in Gang zu bringen, Vertrauen und Mitarbeit der europäischen Partnerländer zurückzugewinnen und sie wieder „produktions- und lieferwillig" zu machen. Dies aber sei nur möglich bei Anerkennung ihrer politischen Souveränität und entsprechender Respektierung ihrer materiellen Interessen. Vor allem müßten die Wirtschaftspartner der Deutschen die Gewißheit haben, „im Rahmen einer europäischen Zusammenarbeit auch im Frieden nicht schlechter gestellt zu werden." Zum Ausgangspunkt einer Vertrauensoffensive sollte die Bereinigung der deutschen Clearingschulden in Südosteuropa gemacht werden, da diese Länder aufgrund ihres unentwickelten Kreditapparats am stärksten unter den inflationären Rückwirkungen litten. Der deutsche Saldo müsse vorbehaltlos anerkannt und ein Bündel von Maßnahmen (Warenvorausverkäufe auf deutsche Nachkriegslieferungen, Gutscheine auf Teillieferungen von landwirtschaftlichem Gerät, Obligationsanleihen auf der Basis eines standardisierten Teils des deutschen Aktienkapitals, Aufrechnung langfristiger deutscher Kredite) zu einem „Dispositionsfonds" geschnürt werden, um alle Salden abzudecken und den Zahlungsausgleich für die nächste Ernte zu sichern. Unter diesen Voraussetzungen müßten sodann auf einer „repräsentativen" Wiener Tagung die Prinzipien des künftigen „europäischen Zahlungsausgleichs" festgelegt werden. Auch dieser Anlauf wurde von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank zerpflückt.31 Spätestens jetzt dürfte den um ihre langfristige Südosteuropa-Perspektive bangenden MWT-Exponenten der Zynismus der Direktoren des finanz- und währungspolitischen Machtzentrums der NS-Diktatur bewußt geworden sein. Sie spielten den sich in den Clearingsalden widerspiegelnden Bankrott des „europäischen Wirtschaftsraums" herunter, indem sie die Schulden in eine Rangfolgeskala aufteilten, die Handelsparitäten nur noch im Geschäft mit den „Neutralen" respektierten, die kollaborierenden Eliten des Südostens dagegen 28 Ebenda, Bl. 77 ff., Dr. Reithinger, Bemerkungen zu den Anregungen für eine Neuordnung des Deutsch-Europäischen Zahlungsausgleiches, 21.9.1943 (Abschrift). 29 BÄK, R 28/98, Bl. 48 ff. (hier Bl. 56 ff.), Volkswirtschaftliche Abteilung der Deutschen Reichsbank, Dr. Eicke, über die Pläne zur Lösung des Clearingproblems, 15.11.1943. 30 Ebenda, Bl. 59 ff., Exposé, Beilage zum Schreiben Reithingers an Puhl, 30.11.1943. 31 Ebenda, Bl. 66 ff., Volkswirtschaftliche Abteilung der Deutschen Reichsbank, Dr. Eicke, Zu der Niederschrift von Dr. Reithinger über das Clearingproblem, 6.12.1943.

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den Widerstandsbewegungen preisgaben und letzten Endes wie in den besetzten Gebieten auf einen völlig vereinseitigten und geräuschlosen Ressourcentransfer durch die ultima ratio einer militärischen Okkupation setzten.32 Sicher waren die Reichsbankdirektoren nicht die einzigen, die in der ersten Phase der strategischen Defensive die von den übrigen wirtschaftlichen Machtgruppen immer stärker isolierte MWT-Initiative blockierten. Mit ihren Gegengutachten dokumentierten sie aber als erste eine durchdachte Radikalisierung der Optionen von 1940/41, indem sie genauso wie zwei Jahre zuvor die Reichsgruppe Industrie die südosteuropäische „Entwicklungsenklave" nun auch währungspolitisch zugunsten einer schrankenlosen und mit kriegswirtschaftlichen Sachzwängen gerechtfertigten Ausplünderung preisgaben. Ende März 1944 startete Max ligner einen letzten Versuch. Er schickte Puhl den ersten Entwurf für eine Ausarbeitung über die „Steigerung des europäischen Rüstungs- und Wehrwirtschaftspotentials" zu und lud ihn zu einer Sitzung des gerade konstituierten „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" ein, auf der sein Memorandum diskutiert werden würde.33 Es handelte sich im ersten Teil um eine konkretisierte Variante der letzten Reithinger-Denkschrift. Die dort entwickelten Sofortmaßnahmen zur Konsolidierung der Clearingschulden waren um den Vorschlag ergänzt, im Interesse „der organischen Intensivierung und Entwicklung der Wirtschaften" Südosteuropas schon jetzt mit umfassenden und entsprechend saldoaktiven Projektierungsmaßnahmen für industrielle und infrastrukturelle Großprojekte zu beginnen. Im zweiten Teil reproduzierte ligner sodann in allgemeinen Wendungen den Zielkatalog des Riedischen Europa-Memorandums, ohne jedoch den Ideengeber oder die brisanten, von Keynes entlehnten Instrumentarien beim Namen zu nennen. Die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank fiel auch über dieses Elaborat her und ließ ihren Auftraggeber Puhl wissen, „daß Herr Dr. ligner in der letzten Zeit immer dieselben Vorschläge lediglich in etwas abgewandelter Form einreicht, die in der Regel von Herrn Dr. Reithinger, dem Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der I.G. Farben, ausgearbeitet sind." 34 Da Reithinger jedoch das geheime „Reichsbankmaterial" nicht zur Verfügung stehe, dämonisiere er aus Unkenntnis das Verschuldungsproblem. Von den inzwischen auf 26 Milliarden RM aufgelaufenen Clearingschulden (16 Milliarden bei der Deutschen Verrechnungskasse und 10 Milliarden sonstige in Reichstiteln angelegte Auslandsverpflichtungen) entfalle der größte Teil auf die besetzten Gebiete. Für den bilateral geregelten Wirtschaftsverkehr seien nur etwa drei bis vier Milliarden RM Defizite von Belang, wobei im Fall der „Neutralen" politische und nicht Saldenprobleme den Handel erschwerten und in bezug auf Südosteuropa sich nur noch Rumänien mit großen Vorräten gegen den deutschen Zugriff sperre, indem es die deutschen Clearingschulden vorschiebe. Dagegen würden „alle anderen 32 Vgl. zur Politik der Reichsbank in den besetzten Gebieten Oertel, Manfred, Über die Deutsche Reichsbank im zweiten Weltkrieg, phil. Diss., Rostock 1979, bes. S. 56 ff., 145 ff. Siehe auch Kap. VIII im vorl. Bd. 33 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6449, Bl. 132, ligner an Puhl, 25.3.1944; Bl. 133 ff., ligner, Vorschläge zur Steigerung des europäischen Rüstungs- und Wehrwirtschaftspotentials, Erster Entwurf (Abschrift), 25.3.1944. 34 Ebenda, Bl. 128 f., Volkswirtschaftliche Abteilung der Deutschen Reichsbank, Dr. E. (= Eicke), Aufzeichnung v. 19.4.1944.

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Südostländer von uns heute schon so weitgehend ausgenutzt,... daß eine wesentliche Vermehrung der deutschen Einfuhr praktisch nicht möglich ist." Im Klartext hieß dies: Selbst für die Aufrechterhaltung von handelspartnerschaftlichen Fassaden gegenüber den südosteuropäischen Satellitenregimes hielt die Reichsbank Spielräume weder für möglich noch für erforderlich. Der Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen, der am 27. April 1944 über ligners Intervention debattierte, reagierte dagegen offensichtlich diplomatischer.35 Er rahmte ligner und Reithinger gleich mehrfach ein, indem er sie in den engeren Kreis, den Grundsatz-Ausschuß, und ligner allein in den Währungsausschuß kooptierte. Die „Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath" Auf ihre Weise geriet auch eine andere bedeutsame Stimme im Konzert der bisherigen „Friedensplanungen" ins Hintertreffen. Seit der Entfesselung des Kriegs hatte eine Gruppe von universitären Finanz- und Wirtschaftswissenschaftlern den Reichswirtschaftsminister in dessen Funktion als „Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft" gutachtlich betreut und sich dabei mit ausgesprochenen Kassandrarufen gegen die Preis- und Finanzpolitik der Blitzkriegsära hervorgetan.36 Da ihre „Kritik" aber eher auf eine rechtzeitige „Vertiefung" denn eine Zurücknahme der Rüstungsanstrengungen gerichtet gewesen war, war sie Anfang 1940 als neue „Klasse IV" („Erforschung der Völkischen Wirtschaft") im Rahmen der Akademie für Deutsches Recht (ADR) institutionalisiert worden und hatte mit einer umfassenden Beratung der ernährungs-, preis-, währungs- und handelspolitischen Problempakete der Kriegswirtschaft begonnen.37 Auf diese Weise hatten sich bis zur Kriegswende etwa 50 Spitzengelehrte der deutschen Finanz- und Wirtschaftswissenschaft in zeitweilig elf Arbeitsgemeinschaften gutachtlich zu den gravierendsten wirtschaftspolitischen Problemen - vor allem zur Steigerung des fiktiven Kaufkraftvolumens, zur dramatischen Verschlechterung der Zahlungsbilanzen und zur zunehmenden Unterhöhlung des Rationierungs- und Preisstoppsystems - geäußert.38 Seit Juni 1943 waren die Ausschüsse der „Klasse IV" jedoch „stillgelegt". Die Mehrzahl der Teilnehmer reüssierte jetzt unmittelbar in den Generalreferaten der jeweiligen Spitzenbehörden und führte ansonsten zusammen mit den Leitern der volkswirtschaftlichen Abteilungen von Großbanken und Großunternehmen den Dialog über die Grundsatzprobleme der Nachkriegswirtschaft in einem erstaunlich offenen Fachzeitschriftendiskurs weiter.39 35 Siehe unten die entspr. Abschnitte. 36 BÄK, R 7/4236. 37 BÄK, R 61/100, Bl. 16 ff.; Deutsche Geldpolitik (Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft, H. 4), Berlin 1941; Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese (ebenda, H. 6), Hrsg. Günter Schmölders, Berlin 1942. 38 Und zwar u. a. in den folgenden Arbeitsgemeinschaften: Außenwirtschaft (Leitung Andreas Predöhl), Finanzwirtschaft (Heinz Müller), Geld und Kredit (Hero Moeller) mit Untergruppe Grundsatzfragen (Hero Moeller), Preispolitik (Günter Schmölders), Volkswirtschaftslehre (Erwin v. Bekkerath). 39 Und zwar vornehmlich in den Zeitschriften Bank-Archiv (bzw. seit 1.4.1943 Bankwirtschaft), Finanz-

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Dagegen war die ursprünglich als „Zentralausschuß" für alle Gremien der Klasse IV vorgesehene „Arbeitsgemeinschaft Volkswirtschaftslehre" schon im März 1943 als „nicht kriegswichtig" suspendiert worden - allerdings nicht ohne den diskreten Hinweis an ihren Leiter Erwin von Beckerath, daß eine Fortsetzung der Veranstaltung als eine Art Privatissimum durchaus erwünscht sei.40 Die Hauptursache lag zweifellos darin, daß gerade dieser Grundsatzausschuß, von dem die anderen Gremien laufend mit Sonderaufgaben hatten versorgt werden sollen, längst an den widersprüchlichen Auffassungen seiner wichtigsten Teilnehmer gescheitert war. Auf den Sitzungen im November 1940 und Mai 1941 war zunächst ausgehend von den gerade erschienenen „Grundlagen der Nationalökonomie" Walter Euckens41 über „Ziele und Methoden der deutschen Wirtschaftslenkung" debattiert worden. Dabei war es zu extrem konträren Positionsbezügen gekommen.42 Eine um Hans Peter gescharte Minderheit hatte auf der Basis eines kreislaufanalytischen Steuerungsmodells für eine „gelenkte Volkswirtschaft" votiert, deren vollbeschäftigungsorientierte Dynamik durch einen nach entsprechenden sozialen Prioritäten ausgerichteten Staatsinterventionismus gesichert werden sollte. Dagegen hatte sich unter der Führung Euckens und Constantin von Dietzes eine starke Mehrheitsposition profiliert, die diese Vorstellungen schroff zurückwies, ihre theoretischen Analogien zur aktuellen kriegswirtschaftlichen Praxis als voreilige Anpassung an eine „anomale" Sonderkonstellation in Frage stellte und gegenüber allen Varianten der „kollektivistischen Zwangswirtschaft" den Idealtyp einer vollkommen konkurrenzgeleiteten „Verkehrswirtschaft" herausarbeitete. Bedeutsam war vor allem die zweite Phase des Diskurses, als sich die Regulationstheoretiker im Anschluß an die Bildung von regionalen Unterausschüssen zurückgezogen hatten und die Propagandisten der „Verkehrswirtschaft" in einer Freiburger bzw. Köln-Bonner Arbeitsgruppe unter sich geblieben waren. Denn diese mauserten sich nun keineswegs etwa zu Widersachern der „Wirtschaftslenkung" schlechthin, obwohl sie auch jetzt an der wertenden Prämisse festhielten, daß die Wirtschaftssubjekte nur bei vollständiger Konkurrenz optimale Haushalts- bzw. Produktionspläne zu erstellen vermöchten, die dann nachträglich über die jeweiligen Märkte anonym aufeinander abgestimmt würden. Vielmehr kamen sie angesichts des weltweiten Vormarschs der unterschiedlichsten „nichtmarktlichen" Planungssysteme und dabei vor allem der Kriegswirtschaft - zu der Auffassung, daß sich der erwünschte Alternativzustand wohl keineswegs mehr von selbst einstellen werde. Er müsse vielmehr durch eine grundsätzliche Umkehrung der bisher bekannten Methoden der Wirtschaftslenkung um 180 Grad erkämpft und danach immer wieder aufs neue gesichert werden. Nicht mehr, ob gelenkt werden sollte, stand in dieser zweiten Diskussionsphase zur Disposition, sondern die Frage des „Wie". Aufgabe der Wirtschaftslenkung der Zukunft sollte es sein, für

archiv, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, sowie Weltwirtschaftliches Archiv. Dazu jetzt auch Brackmann, Michael, Vom totalen Krieg zum Wirtschaftswunder. Die Vorgeschichte der westdeutschen Währungsreform 1948, Essen 1993, S. 36 ff. 40 ACDP, 1-256, A 017, Korrespondenzen zwischen v. Beckerath u. Adolf Lampe, März 1943. 41 Eucken, Walter, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940. Das Werk erlebte allein bis 1943 drei Auflagen. 42 Die Protokolle der beiden Sitzungen galten lange als verschollen. Sie sind jedoch im NL Lampes einsehbar. Vgl. zum folgenden ACDP, 1-256, A 027.

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den Wirtschaftsprozeß die Rahmenbedingungen eines quasi automatischen Preisausgleichs im freien Wechselspiel von Angebot und Nachfrage herzustellen. Indem sie die „freie Unternehmerinitiative" in den Idealzustand des „vollkommenen Wettbewerbs" als der angeblich effizientesten aller denkbaren Wirtschaftsordnungen hineinversetzte, beanspruchte die Ökonomengruppe um Walter Eucken, Constantin von Dietze und Franz Böhm für die Wirtschaftstheorie nicht weniger als die Exklusivverfügung über die Instrumente einer staatlichen Wirtschaftspolitik des „Liberalismus-Als-Ob". So entstand aus den Kontroversen der „Arbeitsgemeinschaft für Volkswirtschaftslehre" und ihres informellen Nachfolgers zwischen 1940 und 1944 jene ganz auf die Nachkriegsperspektive gerichtete ordo-liberale Systemtheorie der neueren deutschsprachigen Wirtschaftswissenschaft,43 die sich später in der Bundesrepublik unter der Parole „Soziale Marktwirtschaft" in einem weitgehend unveränderten Mehrheitsverhältnis gegen das jetzt als „demokratischer Sozialismus" firmierende Modell der „gelenkten Volkswirtschaft" durchsetzte. Als die frischgebackenen Ordo-Liberalen im Frühjahr 1943 ihren Pakt mit dem neuesten Überläufer Heinrich von Stackelberg besiegelten, der nun ebenfalls als Hauptmaxime allen Planens für die Übergangsetappe von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft die Tendenz zur „Selbstaufhebung" verwaltungswirtschaftlicher Maßnahmen proklamierte,44 hatte die auf Empfehlung des Reichswirtschaftsministeriums unter ihrem Leiter Erwin von Beckerath informell weitertagende „Arbeitsgemeinschaft" schon wieder Fahrt aufgenommen. Dies war nicht nur auf die Tatsache zurückzuführen, daß die mit theoretischen Standardwerken und scharfzüngigen Polemiken gegen die Pragmatiker der „gelenkten Volkswirtschaft" aufwartenden Wortführer des Primats der „freien Unternehmerinitiative" inzwischen deutlich im Trend der wirtschaftspublizistischen Meinungsbildung lagen. Vielmehr hatten die Mitglieder des übriggebliebenen Freiburger „Rumpfausschusses" der Arbeitsgemeinschaft nach einem fruchtlosen Streit zwischen ihrem Schriftführer Adolf Lampe und Walter Eucken über die Erarbeitung eines Grundsatzprogramms zur wirtschaftspolitischen Durchsetzung der „Verkehrswirtschaft" vereinbart, sich auf die Probleme beim Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft als konkret handlungsorientiertem Szenario zu beschränken.45 Sie waren damit einem inzwischen weit verbreiteten Bedürfnis entgegengekommen, und wegen ihrer bekannten Frontstellung gegen alle Arten des „Wirtschaftsdirigismus" galt die Arbeitsgemeinschaft eine Zeitlang als respektable Adresse für eine Koordination entsprechender langfristiger Planungen. Albert Pietzsch beispielsweise, der Leiter der Reichswirt43 Dafür waren neben den Diskussionsprotokollen seit Herbst 1941 (ACDP, 1-256, A 027 u. Κ 037/1) vor allem die folgenden Publikationen maßgebend, die im Umfeld der AG für Volkswirtschaftslehre und der AG für Preispolitik entstanden: Der Wettbewerb als Mittel..., Hrsg. Günter Schmölders; Stackelberg, Heinrich v., Grundzüge der theoretischen Volkswirtschaftslehre, Stuttgart/Berlin 1943; Eucken, Walter, Die zeitliche Lenkung des Wirtschaftsprozesses und der Aufbau der Wirtschaftsordnungen, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 159 (1944), S. 161-221. 44 Stackelberg, Heinrich v., Theorie und Systematik der Wirtschaftslenkung, Vortrag auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath am 21./22.3.1943, abgedruckt als Dok. Nr. 7 in: Der Weg in die Soziale Marktwirtschaft. Referate, Protokolle, Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath 1943-1947, Bearb. v. Christine Blumenberg-Lampe, Stuttgart 1986, S. 116 ff. 45 ACDP, 1-256, A 017, Lampe an Beckerath, 17.10.1941; Bauer/Dietze/Eucken/Lampe/Preiser: Systematik der wirtschaftspolitischen Aufgaben, Freiburg i. Br. 30.10.1941.

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schaftskammer, zeigte sich bereit, die von ihm behütete Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung bei der Reichswirtschaftskammer in einen entsprechenden Diskussionsverbund einzubringen.46 Ähnlich positiv reagierten auch Otto Christian Fischer, der Leiter der Reichsgruppe Banken, sowie der in seinem Auftrag agierende Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Bankwissenschaft und Bankwesen, Leo Drescher, die im August/September 1943 zeitweilig eine enge Kooperation mit der Freiburger Gelehrtengruppe ins Auge faßten47; weitere „erste Namen" aus der Reichsbank, der IG Farben und der Deutschen Bank wurden im August/September 1943 von Schriftführer Adolf Lampe gehandelt. Es hätte nicht viel gefehlt, und eine kleine Gelehrtengruppe hätte schon im Herbst 1943 einen großen Planungsverbund für Nachkriegsaufgaben in Gang gebracht, wie dies der Reichsgruppe Industrie dann erst ein Jahr später im buchstäblich letzten Augenblick gelingen sollte. Daß es nicht dazu kam, verdankte sich nicht zuletzt auch einem individuellen Zufall. Schriftführer und Motor der Freiburger Restgruppe war der Finanzwissenschaftler Adolf Lampe.48 Obwohl klassischer „Deflationist" und noch 1938 als umstrittener Theoretiker einer rein privatkapitalistisch verfaßten „Wehrwirtschaftslehre" hervorgetreten, wurde der wohl profilierteste Lobbyist ausgesprochen handelskapitalistischer Interessen innerhalb der akademischen Wirtschaftswissenschaft seit 1941/42 zur Gruppe der Ordoliberalen gezählt. Lampe hatte sich aber, wie die nun konkret werdende Nachkriegsdebatte rasch zeigte, ein eigenständiges Profil bewahrt, das er zugleich kompromißlos zum Kernstück der durch ihn koordinierten Planungsdebatten ausbaute. Lampes Konzept war den Partnern eines möglichen größeren Zusammenschlusses jedoch wegen der rigorosen Härte des übergangswirtschaftlichen Maßnahmenkatalogs ein Dorn im Auge. Wenn sich Lampe Pietzsch gegenüber anmaßte, die wirtschaftlichen Umstellungsprobleme nach Kriegsende auf rein monetärem Weg lösen zu wollen, konnte er bei ihm nur auf wenig Verständnis stoßen, denn der Leiter der Reichswirtschaftskammer verfügte dank der Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung über ein hochentwickeltes Problembewußtsein bezüglich der Zusammenhänge zwischen den rüstungsbedingten Disproportionalitäten der volkswirtschaftlichen Hauptabteilungen und der zunehmenden güterseitigen Unterbilanzierung der nominalen Massenkaufkraft. 49 Und allemal ein Repräsentant des Bankkapitals von der Statur Otto Christian Fischers war wenig geneigt, die Art und Weise, in der Lampe alle wichtigen Fragestellungen einer von ihm in Freiburg eingereichten Kriegszieldenkschrift vom Oktober 1943 wegeskamotierte, durchgehen zu lassen. Lampe bestritt nicht nur Fischers These, daß bei der Nachkriegsplanung inzwischen irreversibel gewordene ökonomische Strukturwandlungen in Rechnung zu stellen seien, sondern behauptete zusätzlich, daß der von Fischer befürchteten Massenarbeitslosigkeit ausschließlich durch ein monetär-fiskalpolitisches Maßnahmenbündel aus Lohnsenkungen, drastischen Lohn- und Einkommensteuererhöhungen sowie damit gekoppelten Zwangssparmechanismen vorgebeugt werden könne.50 46 47 48 49 50

ACDP, 1-256, A 017, Korrespondenz Lampe - Pietzsch 19.9.1942-6.4.1943. Ebenda, Korrespondenz Lampes mit Drescher und Otto Christian Fischer 3.8.1943-25.1.1944. Zum folgenden BÄK, R 7/4236, Bl. 351 ff.; R 61/60, Bl. 74 ff.; R 61/100, Bl. 40 f. ACDP, 1-256, A 017, Pietzsch an Lampe, 20.1.1943. Ebenda, Stellungnahme Lampes zur Anlage des Briefs von Otto Christian Fischer v. 21.10.1943, Betr. Fragen der Wirtschaft nach dem Kriege. Die Denkschrift Fischers fehlt in den Akten.

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Vor einem derart rigorosen Austeritätsprogramm zogen sich alle wichtigen Funktionsträger rasch wieder zurück, zumal sich der auch in Diskretions- und Personalfragen außerordentlich hemdsärmelig agierende Lampe der Brisanz des Vorhabens wohl kaum bewußt war und über die Zusammensetzung des möglichst hochkarätigen „Praktikerkreises" der Nachkriegsplanungsgruppe allein zu bestimmen sich anmaßte. So blieben die „Freiburger" nach einer durchaus verheißungsvoll begonnenen Sondierungsphase mit ihren nachkriegswirtschaftlichen Projektionen weitgehend allein. Das aber hatte zur Folge, daß sich der Chor der frischgebackenen Ordo-Liberalen gleich bei seiner ersten brisanten Generalprobe auf ein kompromißlos neoliberales Deregulationsmodell einstimmen ließ. Dieses Modell51 ging von einem kriegsbedingten volkswirtschaftlichen Substanzverlust aus, der die deutsche Wirtschaft insgesamt etwa auf das Wertschöpfungsniveau vor Beginn der Vieijahresplanperiode (Oktober 1936) zurückwerfen würde. Diesem Tatbestand sollte durch einen kompromißlosen „Mut zur Armut" und durch eine möglichst unverzügliche Rückkehr zur „Verkehrswirtschaft" Rechnung getragen werden. Aus dieser Negation aller wie auch immer begründeten Übergangslösungen wurden die geld-, fiskal- und lohnpolitischen Konsequenzen abgeleitet, die möglichst kurzfristig nach Kriegsende in Kraft treten sollten: Abstempelung aller umlaufenden Geldnoten oder Ausgabe einer neuen Geldwährung mindestens im Verhältnis vier zu eins, entsprechende Abwertung des gesamten auf den Banken deponierten Buchgelds mit anschließender Festlegung der Neubeträge als Zwangskapitalanleihe, sofortiger staatlicher Budgetausgleich und gleichzeitige Steuerreform mit maximaler Besteuerungsprogression im Bereich der kleinen und mittleren Einkommen, sowie last not least Senkung der Nominallöhne (!) mindestens auf das Niveau vor Oktober 1936. Trotz dieses extremen Restriktionskurses sollten die demobilisierten Soldaten und Rüstungsarbeiter nicht etwa über längere Zeit unter Waffen gehalten oder sonstwie öffentlich beschäftigt werden, weil die jetzt schlagartig erzwungene „Lohnelastizität" zu einer raschen Anpassung der Arbeitsmärkte führen und eine niedrig entlohnte Vollbeschäftigung vor allem im arbeitsintensiven Konsumgütersektor zur Folge haben würde. Um dies zu gewährleisten, sprach sich die Mehrheit der Teilnehmer für die Beseitigung des eingefrorenen Tariflohnsystems der NS-Diktatur aus, um einen ausschließlich betrieblichen Lohnbildungsprozeß auf niedrigstem Niveau in Gang zu bringen. Zusätzlich wollte sie den formal zwar wieder zuzulassenden, in dieser Frage jedoch völlig rechtlosen Gewerkschaften als zweites Sicherheitsventil der Niedriglohnpolitik die ausschließlich aus Arbeitnehmereinkommen zu bestreitende Arbeitslosenversicherung aufhalsen. Unter dem Schutz derartiger rigoroser arbeitspolitischer Restriktionen sollten sodann die Unternehmer den Aufbau der „Verkehrswirtschaft" in die Hand nehmen. Damit sie die Folgen der monetaristischen Roßkur, insbesondere das voraussehbare Hochzinsregime, dabei nicht allzu sehr drückten, wollten die Freiburger Gelehrten ihnen im Rahmen einer großzügigen Steuerreform die Sachsteuerbelastung weitgehend von den Schultern nehmen. Mit diesem aberwitzigen Vorhaben, auf die sich abzeichnende Katastrophe der deutschen Kriegswirtschaft eine die volkswirtschaftliche Substanz vollends ruinierende monetäre Deregulierung aufzupfropfen, kontrastierten ein paar mehr oder weniger hartnäckig verfochtene 51 Die wichtigsten verabschiedeten Leitsätze, Teilgutachten und Protokolle sind in der Edition Christine Blumenbergs-Lampes, Der Weg in die Soziale Marktwirtschaft, enthalten.

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Abschwächungsversuche. Gerhard Albrecht, ein seit dem Oktober 1943 hinzugezogener Sozialpolitiker,52 hielt es im Gegensatz zu seinen Fachkollegen für inopportun, die trotz der diesbezüglichen Absichtserklärungen des „Gesetzes zur Ordnung der nationalen Arbeit" von 1934 nie durchgeführte Abschaffung des überbetrieblichen Tariflohnsystems ausgerechnet im Augenblick des Waffenstillstands in die Tat umsetzen zu wollen.53 Walter Eucken schlug eine Zeitlang - aber keineswegs durchgängig - eine Zweiteilung der Nachkriegsplanung in Übergangs- und Wiederaufbauphase vor, wobei er in der ersten Phase die kriegswirtschaftlichen Lenkungsinstrumente (Preisstopp, Rationierungssystem, Devisenzwangswirtschaft) beibehalten wissen wollte, um die katastrophalen gesellschaftlichen Folgen eines abrupten Sprungs in die „Verkehrswirtschaft" zu vermeiden.54 Aber nur wenige haben sich so weit und so rechtzeitig von ihm abgegrenzt wie Günter Schmölders, der dem immer selbstherrlicher agierenden Schriftführer der Arbeitsgemeinschaft schon im März 1943 vorgeworfen hatte, mit seinem „Mut zur Armut" eine „unmögliche Parole" in Umlauf gebracht und mit seinen „radikalen Vorschlägen" jeglichen Bezug zum Problem der sozialen Rangordnungen und zu den psychologischen Auswirkungen der bevorstehenden Übergangszeit verloren zu haben. Deshalb überblicke Lampe auch nicht mehr, welches „Chaos der Verzweiflung" sein Versuch provozieren könnte, „Opfer durch Not und Mangel durch Elend ... überwinden" zu wollen.55 Trotz all dieser Relativierungen bleibt festzuhalten, daß sich die Verfechter des Ordoliberalismus unter der Regie Lampes auf eine extrem reaktionäre, arbeiterfeindliche und nicht zuletzt illusionäre erste wirtschaftspolitische Gemeinschaftsaktion verständigt hatten.

b) Die „Europa"-Konzeption des Planungsamts Rüstung und Kriegsproduktion

im Reichsministerium

für

Das Gesetz des Handelns lag zunächst bei einer Gruppe von Industriellen und wirtschaftspolitischen Funktionsträgern, die es nun unter dem Druck der militärischen und außenpolitischen Rückschläge zum Apparat des Speerschen Ministeriums hindrängte. Was sie in den beiden Monaten zwischen dem Konzentrationserlaß Hitlers vom 2. September und dem Speer-Funk-Erlaß über die Aufgabenverteilung in der Kriegswirtschaft vom 29. Oktober 1943 in den Reorganisationsprozeß einzubringen hatte,56 war beträchtlich. Ihr Bannerträger war Hans Kehrl, zuletzt Leiter der Hauptabteilung II und ständiger Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums bei der Zentralen Planung. Kehrl wechselte mit seinem gesamten Personal zu Speer über und baute neben dem Rohstoffamt das durch Göring-Erlaß vom 4. Septem-

52 BÄK, R 61/66 (biographisch-wissenschaftliche Daten Gerhard Albrechts); ACDP, 1-256, A 017 (Korrespondenz Lampe - Albrecht). 53 Vgl. die arbeitsmarkt- und lohnpolitischen Denkschriften Lampes und Gerhard Albrechts für die Arbeitsgemeinschaft. Abgedruckt in: Blumenberg-Lampe, Der Weg in die soziale Marktwirtschaft. 54 Walter Eucken, Anhang zum Protokoll der 2. Freiburger Tagung vom 24. - 26.7.1943, Beseitigung des Kaufkraftüberhangs in der Übergangswirtschaft, ebenda, Dok. Nr. 13 S. 182 ff. 55 ACDP, 1-256, A 017, Schmölders an Lampe, 11.3.1943. 56 Vgl. dazu Bd. II, S. 146 ff.

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ber geschaffene und seit dem 16. September für den gesamten deutschen Herrschaftsblock zuständige Planungsamt auf.57 Die Argumente für dieses Revirement erschienen allen Beteiligten zwingend. Die strategische Defensive habe einen langfristigen Abnutzungskrieg auf die Tagesordnung gesetzt, betonten sie. Deshalb sei die Zeit des „Herumimprovisierens" unwiderruflich zu Ende. Planmäßig müßten nun die brachliegenden ökonomischen Reserven des Reichs zur Steigerung des kriegswirtschaftlichen Potentials mobilisiert und durch die Einbeziehung der angeblich noch weitgehend ungenutzten Ressourcen seiner äußeren Herrschaftssphäre - insbesondere der industrialisierten Länder - erweitert werden. Dabei seien strukturverändernde Eingriffe nicht mehr zu vermeiden: Weitgehende Stillegung der Konsumgüterindustrie bei gleichzeitiger Nutzung ihrer Standorte für die durch den Luftkrieg erforderlich gewordene Dezentralisierung der Rüstungsunternehmen, „Umsetzung" ihrer Belegschaften und der Beschäftigten in Handel und Handwerk in die Rüstungsfertigung, Auftragsverlagerung der Verbrauchsgüter-, Halbfabrikate- und zuletzt auch Waffenproduktion ins besetzte und neutrale Ausland, aber auch rigorose „Ausräumung" des Fertigungspotentials in „unsicher" gewordenen Gebieten wie im Donez-Ukraine-Gebiet und in Norditalien. Mit der Gruppe um Kehrl hatte sich eine dynamische Managerschicht herausgebildet, die in der burschikosen Direktheit ihres Vorgehens und mit ihrem Glauben an die unbegrenzte wie gesellschaftsprägende Potenz der technisch-wissenschaftlichen Innovation spezifische Charakteristika aufwies. Sie übte gleichzeitig große Faszinationskraft auf die naturwissenschaftlich qualifizierten hohen und mittleren Funktionsträger der führenden Großkonzerne, auf die Gründergeneration der neuen „kontinentaleuropäischen" Mammutunternehmen der Rüstungswirtschaft sowie auf die Intellektuellen der Planungsstäbe und wirtschaftswissenschaftlichen Forschungszentren aus. Im Sog der von Kehrl repräsentierten Initiative zur technokratischen Improvisationsüberwindung waren Exponenten all dieser Sedimentierungen und binnenwirtschaftlichen Strukturwandlungen zu finden: Ernst Hellmut Vits und Max H. Schmid aus der synthetischen Spinnstoffindustrie, Wilhelm Voß als Hauptrepräsentant des privatisierten „Waffenblocks" der Reichswerke Hermann Göring, Ludger Westrick von der Vereinigte Aluminiumwerke AG, sowie Otto Neubaur und August Rohdewald von der Reichs-Kredit-Gesellschaft (RKG) als dem Hauptfinanzier dieser Neugründungen. Mit Karl Rasche von der Dresdner Bank sowie seinen ehemaligen Wiener Mitarbeitern Hans Fischböck und Walter Rafelsberger war Kehrl seit der Periode der ökonomischen „Eingliederungen" eng verbunden. Karl Blessing arbeitete ihm in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender der im März 1941 aus der Taufe gehobenen Kontinentale Öl AG zu. Auch bei den Statistikern und Ökonomen konnte Kehrl auf erste Adressen zurückgreifen. Rolf Wagenführ, der Leiter der Industrieabteilung des DIW, etablierte den statistischen Datenrahmen und das strategische Konzept eines Produktionsverbunds. Ferdinand Grünig von der Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung der RWK steuerte regionale Bran57 Der entscheidende Passus des Erlasses vom 16.9.1943 lautete: „3. Das Planungsamt hat... für die gesamte Kriegswirtschaft Erzeugungs- und Verteilungsplanungen aufzustellen, wobei die Bedarfsplanungen für den gesamten deutschen Machtbereich die Grundlage bilden sollen. Hierbei ist die Ein- und Ausfuhr zu berücksichtigen." Erlaß des GB Rüst u. RMRuK über die Aufgaben des Planungsamts v. 16.9.1943. In: Nachrichten, Nr. 30 v. 20.10.1943, S. 323.

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chenanalysen und eine Methodik zur volkswirtschaftlichen Gesamtbilanzierung bei. Erich Welter, der Propagandist einer kleinteilig zerlegten Massenproduktion für den „europäischen Markt",58 reflektierte als bewußt eingesetzter advocatus diaboli die Schwachstellen des sich nun realisierenden Planungsdenkens. Mit Bernhard Benning (RKG) gewann Kehrl einen der profiliertesten Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilungen der Großbanken. Hinzu kamen die engeren Mitarbeiter aus den Sonderreferaten des Reichswirtschaftsministeriums, vor allem der persönliche Referent Arnold Köster, dem Kehrl die Koordination der brisantesten Sonderfunktionen des Planungsamts zuwies, sowie der Reichsbeauftragte für Zellstoff und Papier und Manager der Ost-Faser GmbH, Friedrich Dorn, der zum Generalreferenten für Sonderaufgaben avancierte. Vorarbeiten für einen „Planungs-Stab Europa" Solche Exponenten, die an den entscheidenden Punkten ihren überragenden Sachverstand mit bedingungsloser Systemtreue zu übertünchen bereit waren, waren Kehrl willkommen. Sie erleichterten es ihm, mit den eigenen „friedensplanerischen" Denkfiguren der Jahre 1940 bis 194259 gegen die zunehmende Einschnürung der Handlungsmöglichkeiten des NS-Imperialismus anzurennen. Für Kehrl und seinesgleichen blieb der Krieg ein Mittel zur Etablierung des „Reichs" als technisch-wissenschaftliches Innovationszentrum für einen von ihm beherrschten ökonomischen „Großraum". Im Wechselspiel von Produktionszerlegung und Marktexpansion sollte die deutsche Volkswirtschaft die höchsten „Veredelungsgewinne" und Lohneinkommen für sich beanspruchen, zugleich aber auch ihre subalternen Nachbarn durch den fortlaufenden Abfluß moderner Fertigungsverfahren außerhalb des strategischen Innovationsbereichs an sich binden. Genau diese Perspektive sollte nun unter dem Primat einer „kontinentaleuropäischen" Rüstungsmobilisierung reaktiviert werden. Dabei brauchten die Planer etwa vier Monate, bis sie sich auf die wesentlichen Aspekte verständigt und ihre Teilfunktionen endgültig gegeneinander abgegrenzt hatten. Den ihnen am stärksten auf den Nägeln brennenden Diskussionsschwerpunkt umriß Köster, als er am 3. September 1943 einen „Vorschlag zur Mobilisierung der europäischen Wirtschaftsreserven" vorlegte.60 Angesichts der ständig sinkenden Leistungen der Fremdarbeiter sei es effizienter, deren Arbeitskraft in den jeweiligen Heimatländern zu verwerten, wenn gleichzeitig die dortigen Produktionsanlagen durch die Weitergabe von deutschem Know how modernisiert würden. Im Zweifelsfall müsse die wechselseitige Partnerschaft mit jedem Mittel erzwungen werden. Auf der Seite der deutschen Unternehmer seien es Ängste vor „Konkurrenz im Frieden", bei ihren Partnern eventuelle handelspolitische Barrieren, die es aus dem Weg zu räumen gelte. Ein „Sonderreferat Europa" des Planungsamts könnte Anstöße dazu geben, indem es entsprechende Kapazitätsunterlagen beschaffe und eine kleine Gruppe hochqualifizierter Manager als „Vertrauensmänner" heranziehe. 58 BÄK, R 61/66, Bl. 206 ff. (biographische Daten Erich Welter); Erich Welter, Der Weg der deutschen Industrie, Frankfurt a. M. 1943. 59 Beispielsweise BAP, RWM, Nr. 9827, Bl. 91 ff., Wandlungen der Wirtschaft in und nach dem Kriege. Rede Kehrls auf der Beiratssitzung der IHK Berlin am 27.3.1941; Kehrl, Hans, Rohstoffe im gemeinsamen Einsatz. In: Die Deutsche Volkswirtschaft 11 (1942), Nr. 29, S. 1048-1050. 60 BÄK, R 3/1941, Bl. 188 ff.

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Nachdem Speer auf der „Führerbesprechung" am 11./12. September 1943 grünes Licht für eine entsprechende „europäische Produktions-Planung" erhalten hatte,61 verfaßte Köster einen Tag später eine genauer durchdachte Ausarbeitung.62 Aufgrund eines nunmehr vieijährigen verlustreichen Kampfs für einen krisenfreien Wirtschaftsraum habe Deutschland die Berechtigung zur Führung Europas erworben. Damit sei es aber bislang eher schlecht als recht umgegangen. Statt die besetzten Länder „im Sinne einer europäischen Wirtschaftsordnung" zu „führen", habe es sie „verwaltet", „mehr oder weniger planvoll ausgenutzt" und seitens „feindlicher Volksschichten" einen immer größeren Haß auf sich gezogen. Gegenüber den „befreundeten" und neutralen Staaten führe es sich dagegen wie ein „zweifelhafter Schuldner" auf, der gegen „entwürdigende Sicherheiten" nur ein Minimum der dortigen Ressourcen zu nutzen verstehe, statt die europäischen Staaten „zu einer ... rüstungswirtschaftlichen Kampfgemeinschaft zusammenzufassen." Es sei undenkbar, diese Art von Wirtschaftsverhandlungen in einem Quasi-Friedenszustand fortzuführen, und weitaus sinnvoller, nach der Sicherung einer loyalen und opferbereiten Zusammenarbeit bei einer europäischen Gesamtplanung auch „auf die außerdeutschen Belange Rücksicht" zu nehmen. Im Rahmen des Planungsamts solle zur Durchsetzung dieser Alternativkonzeption ein übergeordnetes wirtschaftspolitisches Führungsorgan geschaffen werden, das als „Planungs-Stab Europa" vorgesetzte Instanz für alle einschlägigen Reichsressorts sein müsse. Indem dieser Planungsstab auch außerdeutsche Experten heranziehe, erhalte er Zugriff auf die Rüstungskapazitäten ihrer Länder und könne sich zusätzlich länderübergreifende Privatinitiativen nutzbar machen. Er solle sich ein umfangreiches volkswirtschaftliches Archiv zulegen, Ländersachbearbeiter gewinnen, mit Frankreich als erstem Schwerpunkt „Länder-Planungs-Gruppen" bilden und unter Rückgriff auf entsprechende Initiativen der Deutschen Akademie bzw. des Leiters des Werberats der Deutschen Wirtschaft Heinrich Hunke63 eine umfangreiche Propagandakampagne für die „europäische Wirtschafts-Kampfgemeinschaft" starten. Aus den Akten läßt sich nicht rekonstruieren, wann und mit welchen Modifikationen diese Konzeption verabschiedet worden ist. Wohl aber finden sich umfangreiche Belege dafür, wie sich die weiteren Aktivitäten bei gleichzeitiger Ausweitung der Fragestellungen in inhaltlicher Hinsicht und unter ausdrücklicher Einbeziehung der Nachkriegsperspektive allmählich strukturierten. Es gab Debatten über die qualifiziertesten wirtschaftswissenschaftlichen Zuträgereinrichtungen, bei denen Benning im Auftrag Kösters die Spreu vom Weizen sonderte und die ersten vier Zuschläge an das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Institut für Weltwirtschaft in Kiel, die Volkswirtschaftliche Abteilung der I.G. Farben und den Mitteleuropäischen Wirtschaftstag mitsamt den assoziierten Volkswirtschaftlichen Abteilungen der Großbanken und der Elektroindustrie verteilte.64 Auf den ersten, von

61 FB, 11./12.9.1943, Punkt 14. 62 BÄK, R 3/1941, Bl. 182 ff. 63 Hunke startete ebenfalls im September eine neue „Europa"-Kampagne, auf deren „Zehn Punkte" sich das Planungsamt in der Folgezeit immer wieder bezog: Hunke, Heinrich, Die Kernfragen des wirtschaftspolitischen Kampfes in der Gegenwart. In: Die Deutsche Volkswirtschaft 12 (1943), Nr. 27 (3. Septemberheft), S. 833-836. 64 Β AP, RMRuK, Nr. 41, Bl. 15, Benning, Betr. Forschungsstellen und sachverständige Persönlichkeiten auf dem Gebiete der europäischen Wirtschaftsplanung, 10.11.1943.

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Wagenführ im April 1943 gestarteten Anlauf zu einer „Europaplanung Eisen" wurde zurückgegriffen. Sie beinhaltete neben der Ausdifferenzierung von bezirklichen Versorgungsbilanzen und Sortenproblemen auch schon präzisierte Fragestellungen hinsichtlich der erwarteten Nachkriegskapazitäten.65 Kehrls Beauftragte wollten die Geschäftsführung des „Planungsstabs Europa" mit fünf Arbeitskreisen unterfüttern: Auslandsgeschäfte, Rohstofferschließung, Industriekapazitätsausnutzung, Devisen- und Clearingfragen, Wirtschaftspropaganda.66 Am 6. Dezember 1943 Schloß Kehrl die erste Planungsphase ab und schaltete per Rundschreiben zunächst die Reichsbeauftragten der Reichsstellen in die „Großraum-Planung" ein. Unter der Regie seines Generalreferenten Dorn seien zur Durchführung der dem Planungsamt übertragenen Aufgaben zusätzlich zum unmittelbaren deutschen Herrschaftsbereich auch die „Verbündeten" und „Neutralen" in die Europaplanung einbezogen worden. In diesem Kontext sollten jetzt die Reichsbeauftragten diejenigen Waren- und Wirtschaftsgruppen bearbeiten, bei denen sich durch Verschiebungen im Erzeugungs- und Handelsvolumen Einsparungs- und Rationalisierungseffekte erzielen ließen. Sie sollten entsprechende Bedarfsuntersuchungen einleiten und für jeden Lenkungsbereich kompetente Sachbearbeiter einsetzen. Im übrigen müsse das „Vorhaben planmäßiger Durchdringung des uns zugänglichen Wirtschaftsraumes ... im Hinblick auf die Einbeziehung von Wirtschaftsräumen außerhalb unseres unmittelbaren Machtbereiches geheim bleiben." 67 Während die nun in Gang kommenden Initiativen des Planungsamts nicht nur zur weiteren Steigerung der binnenwirtschaftlichen Rüstungsfertigung beitrugen, sondern auch die Desintegrationstendenzen des Wirtschaftsapparats deutlich abzubremsen begannen, waren ihre „europäischen" Effekte nur kurzfristig wirksam. Zwar wurden immerhin etwa 40 Prozent der deutschen Textil- und Bekleidungsproduktion nach Westeuropa verlagert, und es gelang eine erstaunliche Stabilisierung der Rüstungsfertigung im „Protektorat". Aber die erhofften längerfristigen Effekte blieben aus, weil es seit dem Frühjahr 1944 zunehmend an den erforderlichen Energie- und Transportkapazitäten für eine wirksame Produktionsverteilung innerhalb der gesamten deutschen Einflußsphäre mangelte und sich auch die chronische Devisenknappheit trotz aller raffinierten Ersatzoperationen nicht aus der Welt schaffen ließ. Der kurzfristige Effekt der „Europa"-Initiative läßt sich am ehesten dadurch erklären, daß Speer parallel zu den gerade erst anlaufenden Aktivitäten seiner Planer zur großen propagandistischen Umarmung des wohl wichtigsten ökonomischen Kollaborateurs der Deutschen ausholte. Jean Bichelonne68 war seit April 1942 französischer Minister für industrielle Produktion in der zweiten Regierung Laval und hatte sich seither publizistisch wie wirtschaftspolitisch immer wieder den Besatzern angedient.69 Dabei galt er als Spiritus rector jener Strö65 BÄK, R 3/1791, Bl. 185 ff. 66 BÄK, R 3/1941, Bl. 178 ff., Köster, Ideen zur europäischen Wirtschaftsgestaltung, 19.10.1943. 67 BÄK, R 3/1975, Bl. 2 f., Geheimschreiben Kehrls an die Reichsbeauftragten der Reichsstellen, Betr. Großraum-Planung, 6.12.1943. 68 Vgl. die biographischen Daten in: Arch. Nat., AJ 40, Nr. 540, dossier 1 ; Rousso, Henri, La Collaboration, Paris 1987, S. 40 ff. 69 Bichelonne, (Jean), Französische Wirtschaftspolitik im Rahmen des neuen Europa. In: Die Deutsche Volkswirtschaft 11 (1942), Nr. 36, S. 1391-1394; Telegramm Schleiers aus Paris an das AA v. 14.7.1943 über Besprechung mit Minister Bichelonne über Arbeitseinsatzfragen. Abgedruckt als Dok. Nr. 149 in A D AP, Serie E, Bd. VI, S. 251 f.

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mung innerhalb des französischen Patronats, die seit dem Fiasko vom Mai/Juni 1940 auf eine umfassende Wirtschaftsplanung setzte, um sich mit einem möglichst rasch wiederhergestellten ökonomischen Potential als würdiger Partner in die für langfristig stabil erachtete deutsche Vorherrschaft einzubringen. Unter maßgeblicher Beteiligung Bichelonnes hatte seither der „Planisme" als Teil der „Révolution nationale" Vichy-Frankreichs Einzug gehalten. Die „Comités d'Organisation" (CO) und das Zentralbüro zur Verteilung der Industrieprodukte (Office central de Répartition des Produits industriels - OCPRI) vom August/September 1940 hatten ein wirtschaftspolitisches Planungs-, Steuerungs- und Verteilungssystem aus dem Boden gestampft,70 das die Lenkungsbereiche und Reichsvereinigungen Kehrls weitgehend vorwegnahm71 und seither zwei Herren diente: Zum einen den Abschöpfungsoperationen der Wirtschaftsabteilung des Militärbefehlshabers in Frankreich, zum andern aber auch dem inneren Machtanspruch der den großindustriellen Konzentrations- und Rationalisierungsinteressen verpflichteten „Planifikateure" der französischen Volkswirtschaft. Mit dem Hauptexponenten dieser doppelbödigen Strategie einer ökonomischen Kollaboration mit den Deutschen trafen Speer und die Experten des Planungsamts am 17./18. September 1943 in Berlin zusammen. Sie rannten Bichelonne gegenüber offene Türen ein.72 Der Vichy-Minister für industrielle Produktion war bereit, entsprechend der erweiterten Zuständigkeit Speers auf dem Gebiet der Rohstoffe und der Produktion praktisch die gesamte französische Industriekapazität zur Verfügung zu stellen, was eine Vereinbarung über gleichartige Vorgehensweisen und Verantwortlichkeiten im besetzten Gebiet und in Südfrankreich einschloß. Auch die betrieblichen Arbeits- und Produktionsstrukturen sollten weitgehend einander angenähert werden. Zur Koordination sollte ein „Gremium zur strafferen Lenkung der europäischen Rüstungsproduktion" geschaffen werden, wobei Speer und Bichelonne „mit Frankreich den Anfang machen" wollten. Im Gegenzug erklärte sich Speer bereit, all den französischen Betrieben, „die für unsere Programme arbeiten, einen Schutz gegen die Arbeiterabziehungen im Rahmen des Sauckel-Programms zu gewähren." Ansonsten besiegelten Speer und Bichelonne mitsamt ihren jeweiligen Stäben das Verhandlungsergebnis mit dem „Gedanken der gemeinsamen Arbeit" und des Kampfs „für ein besseres Europa". Somit befanden sich Planung und wirtschaftspolitische Praxis in Sachen „Europa-Produktion" seit dem Herbst 1943 in frappierender konzeptioneller und zeitlicher Übereinstimmung. Dies gestattete es dem Rüstungsministerium tatsächlich, bis zum Kriseneinbruch des Frühjahrs/Sommers 1944 erhebliche Verlagerungseffekte zu erzielen und die Ausnutzung der industriellen Produktionskapazitäten des deutschen Einflußbereichs auf einen Höchststand zu bringen, auch wenn sich dies nicht mehr stabilisierend auswirkte. Grundsätzlich gelang dies, weil die neuerliche Welle der Auftragsverlagerungen in den jeweiligen Ländern Enkla-

70 Rousso, Henri, L'Organisation industrielle de Vichy (Perspectives et recherches). In: Revue d'histoire de la deuxième guerre mondiale 29 (1979), No. 113, S. 27^44; Margairaz, Michel, Deutschland, Vichy und die ökonomische Kollaboration. In: Hirschfeld, Gerhard/Marsh, Patrick (Hrsg.), S. 109-129. 71 So das Urteil der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farben schon im Mai 1942: BAP, IG Farben, Nr. A 3658, Die neue Industrie- und Arbeitsorganisation Frankreichs, 28.5.1942. 72 Aufzeichnung Schnurres vom 22.9.1943, Betr. Besuch des französischen Produktionsministers Bichelonne bei Reichsminister Speer; ADAP, Serie E, Bd. VI, Dok. Nr. 338, S. 573-575.

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ven des produktiven Überlebens schuf, die Betriebsbelegschaften vor Deportationen schützte und den Unternehmensleitungen neben der Kapazitätsgarantie Gewinne brachte. Ohne Zweifel muß der Anfangserfolg der „Europa-Planung" vor dem Hintergrund eines sonst drohenden zerstörerischen Ressourcentransfers gesehen werden.73 Dennoch genügt dieser Tatbestand allein nicht, um das aktive Umschwenken der rüstungsindustriellen Kapitalgruppen in einer Situation zu erklären, in der die Mehrheit der europäischen Unternehmer und Industriellenverbände unabhängig vom jeweiligen Status ihres Landes angesichts der unwiderruflich gewordenen Kriegswende längst zur passiven Resistenz übergegangen war und auf Nachkriegssozialpakte mit den im Untergrund reaktivierten Gewerkschaftsbewegungen zusteuerte. Offensichtlich stand das Bündnis zwischen Speer, Kehrl und Bichelonne für weitaus mehr, nämlich für eine ernstzunehmende konzeptionelle Übereinstimmung, die aus einem seit den 1930er Jahren europaweit verbreiteten antizyklischen „Planungsdenken" herrührte, dabei Streiks und Revolten der Arbeiterklasse als unproduktive Störungen des Wirtschaftsprozesses ablehnte und infolgedessen innen- wie außenpolitisch extrem antikommunistisch eingestellt war.74 Diese Strömungen waren im Nachwuchsmanagement aller europäischen Großunternehmen verankert und sahen im Herbst 1943 in der Offerte Speers und Kehrls eine letzte Bündnischance, die sich zur Hoffnung auf eine gemeinsame Nachkriegsgestaltung Europas verlängern ließ. Zu ihnen gehörten in Frankreich François Lehideux (Usines Renault), der zusammen mit den Deutschen die Kontrolle über den Weltautomobilmarkt anstrebte, aber auch Georges Painvin (Ugine), Raoul de Vitry (Péchiney) und Jules Aubrun (SchneiderCreusot). Im Protektorat Böhmen und Mähren stellte Jan Batá noch 1943/44 sein Ausbildungssystem den deutschen Rüstungsbehörden für Vorarbeiterkurse zur Verfügung, und auch die überragenden Waffenentwicklungen der Skoda-Werke können durch die relativ schmale deutsche Führungsschicht des reprivatisierten Konzerns allein nicht erklärt werden. Ähnliches gilt für die führenden Rüstungskonzerne in den Niederlanden, Belgien und Norwegen, aber auch in Schweden und der Schweiz. Im Bereich der Zellstoff- und Kunstfaserproduktion wurden europaweite Lenkungs- und Entwicklungsabkommen geschlossen, wobei die Kooperation zwischen den Vereinigten Glanzstoff-Fabriken AG und der Algemeene Kunstzijde Unie N.V. als vorbildlich galt.75 Einen Sonderfall stellte schließlich der BédauxKonzern, dar, eine in Amsterdam ansässige Holding-Gesellschaft zur Verwertung eines ar-

73 So ausdrücklich Frankenstein, Roger, Die deutschen Arbeitskräfteaushebungen in Frankreich und die Zusammenarbeit der französischen Unternehmen mit der Besatzungsmacht, 1940-1944. In: Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel. Achsenmächte und besetzte Länder, Hrsg. Waclaw Dlugoborski, Göttingen 1981, S. 211-223, hier S. 219 f. 74 Brun, Gérard, Technocrates et Technocratie en France, 1918-1945, Paris 1985. Diese Entwicklung wurde aber auch durch einen starken Flügel der Arbeiterbewegung unterstützt; vgl. Roth, Karl Heinz, Die Sozialpolitik des „europäischen Großraums" im Spannungsfeld von Okkupation und Kollaboration (1938-1945). In: Okkupation und Kollaboration, S. 461-565. 75 NA, RG 260, OMGUS FINAD 2/195/1-3 (Rolle der Deutschen Bank bei der Verflechtung zwischen VGF und AKU), FINAD 2/195/4 (Ernst H. Vits), ED Dec Br. 17/245-1/14 (Ralph H. Goldner, Final Report on the Investigation of the Algemeene Kunstzijde Unie N.V. Arnhem, and Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG, Wuppertal, 1.8.1946).

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beitswissenschaftlichen Verfahrens zur Leistungssteigerung, 76 die sich in die Übertragung der deutschen „lohnordnenden Maßnahmen" auf die westeuropäische Rüstungsindustrie einschaltete.77 Charles Bédaux, den ein ihm nahestehender deutscher Unternehmerkollege zu recht „für einen ehrlichen Deutschenfreund oder, vielleicht besser gesagt, für einen ganz besonders fanatischen Bekämpfer des Bolschewismus" hielt und entsprechend anpries,78 repräsentierte eine ganze Generation von großunternehmerischen Effizienzfanatikern. Aktenbestände aus der ehemaligen deutschen Feindvermögensverwaltung machen es zusätzlich möglich, die innere Struktur des rüstungsindustriellen Verbunds zu dechiffrieren, der nun durch die „Europa"-Initiative des Planungsamts einen letzten Entwicklungsschub erhielt. Im Gegensatz zu den englischen und vor allem US-amerikanischen Keynesianern, die im Rahmen des hoheitlichen „economic warfare" ihrer Länder wirksam gegen die deutschen Beteiligungen vorgingen und dabei auch einen unerklärten inneren Krieg gegen die eigene Hochfinanz führten,79 hatte die deutsche Feindvermögensverwaltung die ihrem Zugriff ausgesetzten Untemehmensniederlassungen des westlichen Auslands mit Samthandschuhen angefaßt. 80 In vielen Fällen war dieser Status quo freilich erst nach heftigen Auseinandersetzungen mit regionalen NSDAP-Instanzen erkämpft und wie beispielsweise im Fall Adam Opel AG/General Motors erst nach einem Machtspruch Görings Ende Oktober 1942 festgeschrieben worden.81 Bei der Deutschen Hollerith Maschinen GmbH (Dehomag), einer IBMTochter, wurde er dagegen erfolgreich gegen immer intensiver werdende „Verdeutschungsversuche" verteidigt, obwohl dieses Unternehmen die gesamte damalige Technologie der Datenerfassung und -aufbereitung beherrschte.82 Völlig reibungslos ging es dagegen bei der 76 Zur Internationalen Bédaux N.V. Amsterdam vgl. BÄK, NL Gerhard A. Westrick/1045; ergänzend Christy, Jim, The Price of Power. A Biography of Charles Eugène Bédaux, Toronto, Garden City, N.Y. 1984. 77 Arch. Nat., AJ 40, Nr. 846, Abschlußbericht der Hauptabteilung Arbeit beim Militärbefehlshaber in Frankreich (1944), B1.46f. 78 BÄK, NL Gerhard A. Westrick/172, Westrick an Halvor Sudeck, 2. 3. 1942. 79 Borkin, Joseph/Welsh, Charles Α., Germany's Master Plan. The Story of Industrial Offensive, New York 1943; Martin, James Stewart, All Honorable Men, Boston 1950; DuBois, Josiah E. Jr., The Devil's Chemists. 24 Conspirators of the International Farben Cartel who manufacture wars, Boston 1952; Gordon, David L./Dangerfield, Royden, The Hidden Weapon. The Story of Economic Warfare, New York 1976; Borkin, Joseph, Die unheilige Allianz der I.G. Farben. Eine Interessengemeinschaft im Dritten Reich, Frankfurt/New York 1981; Taylor, Graham D., The Axis Replacement Program: Economic Warfare and the Chemical Industry in Latin America, 1942-44. In: Diplomatic History 8 (1984), No. 2, S. 145-164. 80 Allerdings nur sie: Vermögenswerte der europäischen Juden in den annektierten Gebieten und in Osteuropa unterlagen Sonderbestimmungen und wurden weitgehend konfisziert. BÄK, R 87/9165 (Johannes) Krohn, Vorläufiger Tätigkeitsbericht des Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens, 1.2.1940-15.4.1945, v. 4.5.1945; BÄK, Ν 1430/13, Die Verwaltung feindlichen Vermögens im zweiten Weltkrieg. Bericht des Dr. Johannes Krohn, Staatssekretär a. D., Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens (von 1941 bis 1945), Heiligenkirchen 1949. 81 BÄK, R 87/6336, Bl. 48 ff.; Kugler, Anita, Die Behandlung des feindlichen Vermögens in Deutschland und die „Selbstverantwortung" der Rüstungsindustrie. Dargestellt am Beispiel der Adam Opel AG von 1941 bis Anfang 1943. In: 1999, 3 (1988), H. 2, S. 46-78. 82 In diesem Fall war auch Kehrl entgegen seinen sonstigen Gepflogenheiten wegen des extremen Sicher-

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C. Lorenz AG bzw. der Standard Elekrizitätsgesellschaft AG, den deutschen Töchtern des I.T.T.-Konzerns, zu, die während des Kriegs zum gefährlichsten europäischen Rivalen des Siemens-Konzerns aufstiegen und vom bisherigen Vorstandsvorsitzer Gerhard A. Westrick „verwaltet" wurden.83 Viele dieser Verwalter „betreuten" gleichzeitig diejenigen außerdeutschen Tochtergesellschaften ihrer Stammhäuser, die im Gefolge der militärischen Operationen unter deutsche Besatzungsherrschaft gerieten. Ein weiterer Schritt zur Konsolidierung auf europäischer Ebene war gerade im Gang, als die Initiative des Planungsamts einsetzte. Es würden europäische Holdinggesellschaften gegründet, die nun auch für die Tochtergesellschaften in den „befreundeten" und den „neutralen" Ländern zuständig waren und den „kontinentaleuropäischen" Neugründungen der Deutschen von 1941/42, insbesondere der Kontinentale Öl AG,84 verblüffend ähnelten. Gerhard A. Westrick beispielsweise pries die von ihm zu diesem Zweck mit Zustimmung des I.T.T.-Chefs Sosthenes Behn im Jahr 1943 konstituierte Europäische Elektro-Standard Verwaltungsgesellschaft mbH immer wieder als optimales Instrument zur europaweiten Leistungssteigerung für die deutsche Kriegswirtschaft.85 Ähnlich verlief die Entwicklung bei Opel/General Motors, der Dehomag und insbesondere bei denjenigen US-Niederlassungen, die wie Ford, die International General Electric Corp. und die New Yorker Finanzhäuser bzw. Investment-Trusts ihren europäischen Hauptsitz in VichyFrankreich beibehielten.86 Ihre stille Kollaboration mit den Deutschen war bis zum Augenblick der Befreiung glänzend,87 und sie forcierten mit ihren europaweiten Niederlassungen im Verein mit den „kontinentaleuropäischen" Neugründungen der Grundstoff- und Ersatzstoffsektoren den Trend zum „europäischen" Produktionsverbund. Dabei beteiligten sie sich im Dienst der deutschen Kriegsmaschinerie auch an all jenen Schandtaten, die den führenden deutschen Großunternehmen nach 1945 von den Ermittlern und Militärgerichten zu recht zur Last gelegt wurden.88 Somit standen hinter der von Kehrl unter kriegswirtschaftlichem Vorzeichen reaktivierten Parole der „kontinentaleuropäischen Großraumwirtschaft" handfeste Kapitalinteressen der Gegenwart, die sich zugleich mit klaren wirtschaftspolitischen Optionen für die Nachkriegs-

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heitsrisikos für eine Verstaatlichung, vermochte sich aber nicht durchzusetzen. Vgl. BÄK, R 87/ 6248, Kehrl an Krohn, 4.12.1942. BÄK, NLWestrick/1242, 1243. Vgl. zur Struktur und Entwicklung 1941 bis zum Kriegsende den Bestand BÄK, R 176. Die Kontinentale Öl AG wurde erst 1965 liquidiert, ihre Geschichte in der Übergangs- und Nachkriegsperiode ist noch unerforscht. Siehe I, S. 235 ff.; II, S. 477 ff. BÄK, NL Westrick/1067, Tagesordnung der Aufsichtsratssitzung der Europäischen Elektro-Standard Verwaltungsgesellschaft mbH am 10.7.1944. Arch. Nat., AJ 40/610, Dossiers 1-14. Beispielsweise unterhielt die Deutsche Botschaft Paris ihr Hauptkonto bis zur Befreiung bei der Pariser Niederlassung der Chase National Bank. Vgl. hierzu und generell zur Rolle der US-Großbanken in Vichy-Frankreich: FDRL, Henry Morgenthau Diaries, Book No. 804, Morgenthau an Saxon, 20.12.1944. Neben ihrer Beteiligung an der Ausbeutung von Zwangsarbeitern und der „Entjudung der europäischen Wirtschaft" taten sie sich vor allem durch die „Beuteerfassung" in den besetzten Ostgebieten hervor.

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zeit verbanden. Sie machen es überhaupt erst verständlich, warum eine Gruppe von etwa 250 Rüstungsmanagern und Wirtschaftsexperten es noch im Herbst 1943 für möglich hielt, die deutsche Vorherrschaft über Europa durch eine über die Produktionsausschüsse und Ringe sowie die Wirtschaftsgnippen hinausgehende Koordination des ökonomischen Potentials zu stabilisieren und zur strategischen Offensive zurückzukehren. Dabei wurden die für die Nachkriegsplanung zuständigen Sondereinrichtungen an mehreren Stellen in die Apparatur des Planungsamts eingebaut. Funktionsverteilung der Nachkriegsaufgaben im Planungsamt Leiter: Hans Kehrl Vertreter: Hans Fischböck Leitungsgruppe: Töpfer, Schüle - Wissenschaftliche Beratungsstelle: Carl (bis Juni 1944), Bosch, Langelütke, Bielinski, Hartmann Sonderaufgaben: Generalreferent Dorn - Aufbau der Großraumplanung/Sonderuntersuchungen: Humbert - Einsatz der Wissenschaft: Prof. Lohmann - Europa-Kreis: Köster, Hoffmann, Ermisch (Blessing, Vits) Hauptabteilung I Grundsatzfragen: Fromm, Huppert, Marquardt - Referat Berichtswesen: Benning Hauptabteilung II Querschnittsfragen: Bosch - Sonderaufgaben: Welter Hauptabteilung III Gesamtplanung: Baudisch, von Trotha Hauptabteilung IV Fachliche Planung: Kehrl, von Engelberg - Eisen- und Metallbewirtschaftung: Müller-Zimmermann - Eisen- und Metallverarbeitung: Stoffregen - Kraftstoffplanung: Ernst Rudolf Fischer - Chemieplanung: Kolb - Bekleidung/Konsumgüter: Fudickar Hauptabteilung V Planstatistik: Wagenführ, Bickert, Nieschlag, Fey, Mahnke Quelle: BÄK, R 3/108, Bl.34-37; Kehrl, S. 498 ff. Das Planungsamt ist als der erste Initiator jener großen Mobilisierungswelle der empirischen Wirtschaftswissenschaft anzusehen, die nun in zeitlichen Versetzungen und mit teilweise gegensätzlichen Fragestellungen über die Forschungslandschaft hinwegrollte. Für die von dem Textilindustriellen Hans Croon protegierte Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft des Münsteraner Ökonomieprofessors Alfred Müller-Armack und dessen Mitarbeiter bedeutete dies beispielsweise, daß ihnen von rasch aufeinander folgenden Auftraggebern oft zu den gleichen Problemfeldern Daten erst über Rationierungsmöglichkeiten,

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dann über kriegswirtschaftliche Mobilisierungsreserven und schließlich über Absatzchancen in der Nachkriegszeit abverlangt wurden.89 Geliefert wurden sie alle. Die Institutsleiter vom Schlag eines Miiller-Armack, Wagemann, Predöhl oder Hausleiter dienten mit ihren Mitarbeiterstäben nach- und nebeneinander allen seit dem Herbst 1943 in Gang gebrachten Varianten von kriegswirtschaftlicher Potentialentfaltung und Nachkriegsplanung. Der „Europa-Kreis" Ende 1943 entstand beim Planungsamt ein großindustrielles Beratergremium, der „EuropaKreis" (auch „Europa-Kränzchen"). Nach einer Reihe von Vorüberlegungen über die Veranstaltung von „Kehrl-Abenden" wurde das „Europa-Kränzchen" am 16. Dezember 1943 durch eine Ansprache des Leiters des Planungsamts eröffnet.90 Kehrl holte weit aus und rekapitulierte die bisherigen Höhepunkte und Rückschläge, die die „Friedensplanungen" seit der „Geburt der europäischen Idee" 1940 und dem „Europäischen Kreuzzug 1941" durchlaufen hätten. Er hob hervor, daß der zeitweilige Glaube der Europäer an den deutschen Sieg seit dem Winter 1941/42 wieder im Schwinden begriffen sei. Inzwischen müsse Deutschland, abgesehen vom unbehinderten Ressourcenabfluß aus den besetzten Gebieten („unendliches Clearing"), die Kriegslast allein tragen, und in die europäische Außen-, Handels- und Wirtschaftspolitik sei wieder Sterilität eingekehrt. Es gehe nicht an, daß die Unterstützungsleistungen der Wehrmacht für die europäischen Regimes als Schulden verbucht würden, da es sich dabei um „keine deutschen, sondern europäische Schulden" handle. Aus der Erkenntnis, daß der „totale Krieg" nicht nur für Deutschland, sondern für alle europäische Staaten gelte, müsse das Prinzip des „unendlichen Clearing" nun generell durchgesetzt werden. Auf normalen Regierungswegen sei es freilich nicht mehr möglich, die Ausnutzung des gesamten europäischen Rüstungs- und Wirtschaftspotentials voranzutreiben. Es müßten jetzt andere Wege gegangen werden. Der Planungsamtserlaß vom 16. September sowie die Verhandlungen mit Bichelonne seien erste Marksteine zur Überwindung der „Ideenlosigkeit von unserer Seite." In diese Richtung gelte es nun weiterzumarschieren, fuhr Kehrl fort. Durch Minderheitsbeteiligungen ausländischer an Reichsunternehmen müsse die Bereitschaft zur rüstungswirtschaftlichen Unterstützung Deutschlands verstärkt und durch flankierende außenwirtschaftliche Initiativen ergänzt werden. Da diese aber durch außenpolitische Rücksichten eingeengt und die offiziellen propagandistischen Möglichkeiten verschlissen seien, seien mehr private Wege einzuschlagen, um im kleinen Kreis Beziehungen von Industrie zu Industrie sowie „von Wirtschaftler zu Wirtschaftler" zu knüpfen und „allmählich größer werdend" die Voraussetzungen für die Gründung eines „Europäischen Wirtschaftsrats" zu schaffen. Durch den 89 Vgl. die Korrespondenz der „Sondergruppe N" der Hauptabteilung Ausland mit der Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft 1943/44 sowie die Aufstellungen über die von ihr eingereichten Denkschriften in: BA/MA, RW 19/458,459,479; als Beispiel für eine typische Denkschrift im Interesse des „europäischen Produktions-Plans": BA/MA, RW 19 Anhang 1/1405, Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft, Untersuchungen zur Marktforschung. Die Kapazitätsreserven der holländischen Industrie, April-August 1944. 90 BÄK, R 3/1941, Bl. 173 ff., Für Europakränzchen am 16.12.1943.

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Einfluß glaubwürdiger Privatunternehmer auf beide Seiten müsse es gelingen, die Regierungsausschußverhandlungen aufzulockern, die Preis-, Kaufkraft- und Clearingprobleme zu meistern und die „Orthodoxie der Reichsbank" zu überwinden. Im Dienst dieser Initiative sollten alle verfügbare Datenmaterialien gesammelt, Länderbeauftragte bestellt, Länderplanungsgruppen eingerichtet und durch „persönliche Werbung von Mann zu Mann" wichtige ausländische Exponenten für die „europäische Wirtschaftsgemeinschaft" mobilisiert werden. Schließlich war auch an die breite Weitergabe von technischem Know how „zur Hebung des europäischen Leistungsniveaus" und an die Gründung einer Clearingstelle für solche Handelsgeschäfte gedacht, „die sonst nicht zum Zuge kommen." Indem er den deutschen Angriffskrieg zum Verteidigungskrieg umdeutete, rechtfertigte Kehrl einerseits den sofortigen Übergang zu einer ultraaggressiven Wirtschaftspolitik gegenüber der gesamten europäischen Einflußsphäre, verband dies aber andererseits mit einer Kollaborations- und Integrationsofferte an eine kleine Minderheit aus dem ausländischen Großkapital. Die dahinter stehenden Produktionsplanungen für die Nachkriegszeit ließ er in seiner Gründungsrede noch unerwähnt. Für die Rekrutierung der großindustriellen Gründergruppe des „Europakreises" benötigten die von Kehrl damit beauftragten Organisatoren Karl Blessing und Arnold Köster mehr als einen Monat. Die ersten „Beauftragungsschreiben" gingen in der zweiten Januarhälfte 1944 an 15 Unternehmer heraus, wobei ihnen die „Bearbeitung" eines oder mehrerer Länder zugeteilt wurde. Weitere folgten bis Ende März, der Hamburger Tabakindustrielle Philipp F. Reemtsma war der letzte, der formell angeschrieben wurde und zusagte, laufend über die wirtschaftlichen Verhältnisse in Bulgarien, Griechenland und der Türkei zu berichten.91 Der Aufgabenkatalog war außerordentlich umfangreich. Die Mitarbeiter aus dem Big Business waren aufgefordert, ungenutzte produktive Reserven und industrielle Kapazitäten ausfindig zu machen, über die allgemeine wirtschaftspolitische sowie die spezielle handelspolitische Lage unter Berücksichtigung der entsprechenden Aktivitäten der Alliierten zu berichten, Vorschläge zum Know-how-Transfer und zur generellen Aktivierung der „europäischen Gemeinschaftsarbeit" zu machen, konkrete Einzelgeschäfte anzubahnen und durch Hinweise auf Störungsherde in der Kriegswirtschaft die „wirtschaftliche Kriegführung" zu verbessern. Einigen ging dieser riesige Katalog zu weit. Ludger Westrick beispielsweise wollte seine Mitarbeit auf die ursprüngliche mündliche Zusage beschränkt wissen, im Ausland seine Ohren aufzumachen.92 Andere wie beispielsweise Reemtsma aktivierten ihre eng91 Insgesamt gab es bis Ende März 1944 folgende „Länderbeauftragte" des „Europa-Kreises": Hermann J. Abs (Niederlande, Schweiz), Karl Blessing (Rumänien), Richard Eugen Dörr (Norwegen), Ernst Rudolf Fischer (Slowakei), Theodor Momra (Frankreich), Karl Rasche (Schweden, Ungarn), Philipp F. Reemtsma (Bulgarien, Griechenland, Türkei), August Rohdewald (Bulgarien, Rumänien), Max H. Schmid (Finnland, Schweden), Otto Steinbrinck (Belgien), Hugo Stinnes (Dänemark, Schweden), Alfred C. Toepfer (Frankreich, Portugal, Spanien), Ernst H. Vits (Niederlande) Wilhelm Voß (Rumänien, Serbien), Ludger Westrick (Frankreich, Ungarn), Leonhard Wolzt (Schweiz). Bis Juni kamen hinzu: Richard Karoli vom Vorstand der Deutschen Revisions- und Treuhand AG (Schweiz), Karl Lindemann vom Norddeutschen Lloyd bzw. der Firma Melchers & Co. (Schweiz) und der Leiter der Orient-Abteilung des Reemtsma-Konzems Wenkel als Vertreter Philipp F. Reemtsmas. 92 BÄK, R 3/1941, Bl. 135, AN Westricks über eine Besprechung mit Blessing am 8.3.1944.

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sten Mitarbeiter, und wieder andere begannen mit einer umfangreichen persönlichen Berichterstattung. Etwa 20 solcher großunternehmerischer Lageanalysen sind belegbar, aber nur eine Handvoll ist erhalten. Sie sind durchweg durch die katastrophalen Rückschläge geprägt, die die deutsche Wirtschaftspolitik in ihrer europäischen Herrschaftssphäre zwischen März und Juli 1944 erlitt, bevor dann auch die militärisch-politische Machtposition immer mehr zusammenbrach. Entsprechend verzweifelt war die Suche nach einem Rest von Handlungsspielraum, und je mehr dieser schwand, desto mehr rieten Kehrls großindustrielle Länderbeauftragte zu härtesten Gewaltmaßnahmen gegenüber den Satelliten bei gleichzeitig wachsender Konzessionsbereitschaft im Umgang mit den neutralen Ländern. Ende März 1944 resümierte Wilhelm Voß beispielsweise nach einem ausführlichen Rumänienbericht: Nur eine „zentrale", die militärische ergänzende „wirtschaftliche Kriegführung" sei noch in der Lage, gegen den Slogan etwas auszurichten, „daß es ja ebenso gut wäre, etwa das Getreide in die Donau zu schütten, als nach Deutschland zu liefern." 93 Eineinhalb Monate später hatte sich die Lage derart zugespitzt, daß August Rohdewald empfahl, „alle für uns brauchbaren Waren schnellstens zu erfassen und abzutransportieren, da Rumänien wegen der ständigen Verschlechterung seiner Versorgungslage in Kürze nicht mehr abgabebereit sein dürfte." 94 Ganz andere Töne schlug dagegen Hugo Stinnes an, einer der Skandinavien-Experten des Europa-Kreises. Angesichts des wachsenden Drucks der Anglo-Amerikaner auf Schweden fiel ihm zur Aufrechterhaltung der Handelsbeziehungen nichts anderes ein als eine möglichst gute Vorbereitung der zum Jahresende neuerlich anstehenden Vertragsverhandlungen, sowie bis dahin „die tadellose Erfüllung unserer Vertragsverpflichtungen".95 Später riet er davon ab, auf die „Schwarzen Listen" der Westalliierten „mit einer gleichen Maßnahme" zu antworten, und offerierte Köster umfassende Zollunionspläne, mit denen man trotz des Kriegs sofort „heraustreten" solle. In diesen Voten zeigte sich deutlich, wie dramatisch sich die Voraussetzungen für die Kehrische Europastrategie bis zum Sommer 1944 verschlechterten. Wie sollte eine an den Schlüsselsektoren orientierte Gesamtkonzeption noch greifen und irgendwelche Propagandaeffekte entfalten, wenn die praktische Wirtschaftskriegführung einerseits die Volkswirtschaften der Satellitenländer genauso zu plündern begann wie die besetzten Gebiete, und wenn andererseits die von den Alliierten unter Druck gesetzten neutralen Länder immer aufwendiger hofiert wurden? Aus den Protokollen des „Europa-Kreises" tritt dieses sich immer stärker verschärfende Dilemma hervor. Im Anschluß an einen mehr informellen Besprechungsturnus tagte er im März 1944 zweimal (am 1. und 15.), danach an jedem Monatsende einmal im Berliner Hotel Esplanade zumeist unter der Leitung Blessings.96 Neben einem Teil der Länderbeauftragten aus der Wirtschaft waren aus dem Planungsamt Arnold Köster, Friedrich Dorn (Protokollführer), Reinhold Krause und manchmal auch Erich Welter vertreten, während aus dem 93 Ebenda, Bl. 94 ff., Wilhelm Voß, Bericht über die Lage in Rumänien (Zitat Bl. 105). 94 Ebenda, Bl. 75, Köster an Kehrl, 10.5.1944 (mit Inhaltsreferat eines Rumänien-Berichts v. Rohdewald). 95 Ebenda, Bl. 40, Stinnes an Köster, 27.5.1944. 96 BÄK, R 3/1941. In der Akte sind Vermerke bzw. Protokolle über die Monatsbesprechungen am 15.3., 25.4., 30.5., 27.6. u. 29.8.1944 enthalten.

535 Amtschefbereich des Rüstungsministeriums vor allem der Rationalisierungskommissar Walter Rafelsberger und der Reichskommissar für die Preisbildung sowie Kehrl-Stellvertreter Hans Fischböck teilnahmen. Das Engagement der Diskutanten war unterschiedlich. Als ausgesprochene Aktivisten taten sich vor allem die Unternehmer Theodor Momm und Alfred C.Toepfer aufgrund ihrer zusätzlichen militärischen Funktionen hervor,97 während Blessing unter mehrfacher Hilfestellung durch Hermann J. Abs von der Deutschen Bank den konzeptionellen Rahmen definierte und das „technokratische" Unternehmerumfeld des Planungsamts im wesentlichen auf die Länderberichterstattung beschränkt blieb. Das ganze Unternehmen startete als eine Art „Board of Economic Warfare". In der ersten Phase verhandelte der Europakreis über verdeckte Operationen zur Beschaffung strategischer Rohstoffe, über Schwarzmarktverkäufe von Gold und Devisen in den südosteuropäischen Ländern zur Stützung der Wirtschaftsverhandlungen und der deutschen Zahlungsschulden sowie über Sonderaktivitäten zur Gewinnung kollaborationsbereiter Partner aus dem wirtschaftlichen Establishment der nordischen und südosteuropäischen Länder. Daran schloß sich im Mai eine zweite Periode an, in der die bislang verhandelten Themen zunehmend durch den Wirtschaftskollaps in Südosteuropa und durch den angelsächsischen Druck auf die neutralen Staaten überschattet wurden. Entsetzt wurde die zunehmende Wirksamkeit der USamerikanischen Embargolisten gegen Firmen und Einzelpersonen („proclaimed lists") zur Kenntnis genommen, wobei Toepfer die Ausgabe von Gegenlisten vorschlug, während Abs sie in eine „Referenzliste für die Nachkriegszeit" umgewandelt wissen wollte.98 Letztlich setzte sich auch auf der Diskussionsebene die in den Berichten schon vorgeschlagene dichotomische Kursänderung durch: „Kommissar"-Politik gegenüber den bankrotten südosteuropäischen Satelliten, und im krassen Gegensatz dazu eine Praxis der Samthandschuhe im Umgang mit den Wirtschaftseliten Portugals, Schwedens, der Schweiz, Spaniens und der Türkei. In der dritten Arbeitsphase, die sich im Juni/Juli anschloß, wurden diese Techniken wirtschaftlicher Kriegführung durch die späte Einsicht überlagert, daß man den Vordenkern des Planungsamts nun auch verstärkt bei der Verwirklichung ihrer längerfristigen ökonomischen Kollaborationskonzepte zur Hand gehen müsse. Wilhelm Voß hatte zuvor schon eine Liste kollaborationsbereiter südosteuropäischer Industrieller eingereicht. Ludger Westrick berichtete über sein Werben bei den Managern der europäischen Aluminiumindustrie, und Max H. Schmid stellte entsprechende Bemühungen um die schwedischen Hersteller von Zellstoff und synthetischen Fasern in Aussicht. Auch sonst war die Juni-Sitzung durch das Bestreben geprägt, die immer öfter zerreißenden Fäden zwischen wirtschaftlicher Realpolitik und Nachkriegsplanung wieder miteinander zu verknüpfen. Kehrl beschwor einmal mehr die Notwendigkeit, kleine Fachgremien aus deutschen und ausländischen Unternehmern zu gründen, vom Anspruch auf eine wirtschaftliche Monopolstellung Abstand zu nehmen und sich in diesem Rahmen vorbehaltlos der Frage der Nachkriegsgestaltung zu stellen. Gerade

97 Der Textilindustrielle Theodor M o m m leitete als Major der Reserve die Textilabteilung beim Militärbefehlshaber in Frankreich und wirkte als deutscher „Begleitoffizier" Bichelonnes, Toepfer betrieb im Rahmen der Wehrmacht-Abwehr von Paris die „unkonventionelle" Beschaffung von Legierungsmetallen aus Portugal und Spanien. 98 B Ä K , R 3/1941, Bl. 32 f.

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weil die Staatsführung nicht in der Lage sei, in dieser Hinsicht eine Generallinie vorzugeben, sollten die deutschen Teilnehmer sich zuvor bezüglich der Nachkriegsziele absprechen und „zu dieser Frage die seitens des Planungsamtes bereits laufenden Untersuchungen über eine kontinentaleuropäische Großraumplanung" heranziehen." Blessing ergänzte dieses Votum mit dem Hinweis darauf, die umfangreichen anglo-amerikanischen Nachkriegspläne vermöchten nicht darüber hinwegzutäuschen, daß „die Entwicklung seit dem Ende des ersten Weltkrieges die völlige Unfähigkeit dieser Länder zur Führung oder Neugestaltung der Weltwirtschaft bewiesen" habe.100 Mit dieser Argumentation ließe sich ihr Propagändaeffekt auf die Eliten der „Neutralen" leicht aus den Angeln heben, um den „Gedanken einer Neuordnung der Wirtschaft Kontinentaleuropas unter deutscher Führung" wieder attraktiv zu machen. Dieser optimistischen Einschätzung schloß sich Kehrl an und empfahl die Abfassung eines mit entsprechenden Zahlenmaterialien und Schaubildem unterfütterten Exposés. Dabei sei zusätzlich zu betonen, daß die „Neuregelung der europäischen Wirtschaft" keineswegs „unter dem einseitigen Exportdruck Deutschlands stehen" werde.

c) Das außenwirtschaftliche

Nachkriegsprogramm

Das Argument Kehrls und Bennings, Krieg und Frieden könnten nur noch durch massive Steigerung der Einfuhren bei gleichzeitiger Drosselung der Exporte gewonnen werden, war von Anfang an umstritten. Aber das Planungsamt hatte zunächst das Heft des Handelns in der Hand. Das Reichswirtschaftsministerium schien im Herbst 1943 personell und funktionell weitgehend ausgeschlachtet. Die Wirtschaftsgruppen gerieten immer mehr in den Sog der „planwirtschaftlichen" Lenkungsinstrumente, durch die das System der Hauptausschüsse und Ringe zunehmend überbaut wurde, und selbst die Statistische Abteilung der Reichsgruppe Industrie mußte sich in die Industrieberichterstattung und die Beschäftigtenmeldungen des Planungsamts einordnen. Jedoch formierten sich bis zum Jahreswechsel 1943/44 deutliche Gegenströmungen, die sich ab Februar/März 1944 auf einen gemeinsamen außenwirtschaftlichen Nenner verständigten und erst im Herbst im Kontext des allgemeinen ökonomischen Desintegrationsprozesses wieder ein Stück weit auseinanderrückten. Was sie bis dahin zusammenhielt, war das nach einer ersten Orientierungsphase entstandene gemeinsame Interesse an einer Blockade des sich in der „totalen Kriegswirtschaft" abzeichnenden sozioökonomischen Strukturwandels und der damit verbundenen Machtverschiebungen. Zusätzlich wollten und mußten auch die Gegenkräfte wirtschaftspolitisch zum „Endsieg" beitragen und diesen wiederum auf den Nachkrieg projizieren. Dafür entdeckten sie die Außenwirtschaft als adäquates Gegengewicht. Zentren des Geschehens waren das Reichswirtschaftsministerium, die Reichsgruppe Handel und die Reichsgruppe Industrie. Im Konzentrationserlaß vom 2. September 1943 waren dem Reichswirtschaftsministerium als Ausgleich für die Abgabe aller produktionsbezogenen Lenkungsinstrumente an das Rüstungsministerium die Zuständigkeiten für grundsätzliche wirtschaftspolitische Fragen, 99 Ebenda, Bl. 15 f., Kehrl auf der Sitzung des Europa-Kreises am 27.6.1944. 100 Ebenda, Bl. 17.

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für die Steuerung der Verbrauchsgüterversorgung und für die Koordination der Außenwirtschaft zugesichert worden. Es dauerte bis zum Jahresende, bis diese Funktionen im Gefolge eines personellen Revirements an der Spitze übernommen und allmählich neu miteinander koordiniert wurden. Den Zuschlag erhielt die Reichsgruppe Handel, deren Leiter und Hauptgeschäftsführer - Franz Hay 1er und Otto Ohlendorf - am 16. November 1943 zum Staatssekretär bzw. zum Chef der neuen Grundsatzabteilung (Hauptabteilung II) ernannt wurden, und in enger Abstimmung damit ein Exponent der außenwirtschaftlichen Interessen der Reichsgruppe Industrie, Franz Kirchfeld, der im Januar 1944 an die Spitze der Außenwirtschaftsabteilung (Hauptabteilung III) trat. Hinzu kamen Reorganisationsmaßnahmen in der Reichsgruppe Industrie selbst. Sie straffte ihre Außenhandelsabteilung und stattete sie als Abteilung Außenwirtschaft mit erheblich erweiterten Kompetenzen aus. Auf der Suche nach neuen, die Überlebensperspektive gegen die rüstungs- und planwirtschaftliche Lenkungslogik absichernden Handlungsmöglichkeiten griff die Spitze der Reichsgruppe Industrie nach anfänglichem Zögern ihrerseits zu und schickte eineinhalb Monate später mit dem Ferrostaal-Direktor Franz Kirchfeld, dem Textilindustriellen Hans Croon und Karl Albrecht, dem bisherigen Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik, drei Männer ins Rennen,101 die über die erforderliche Erfahrung und Härte für den keineswegs friktionslosen Pakt mit der nun fest im Reichswirtschaftsministerium verankerten Reichsgruppe Handel verfügten. Erst nachdem sich herausgestellt hatte, daß sich erstens aus der Not des Zusammenspiels von wirtschaftspolitischer Grundsatzkompetenz und radikalisierter außenwirtschaftlicher Praxis eine Tugend machen ließ, und daß sich zweitens das Bündnis zwischen Handel und Industrie trotz aller Reibungen als tragfähig erwies, kam es zeitweilig zu einer gemeinsamen Frontstellung gegen die immer radikaleren Struktureffekte der Speer-Kehrlschen Rüstungsdampfwalze und im Zusammenhang damit zu einem labilen Status quo hinsichtlich der längerfristigen Nachkriegsperspektiven. Diese Entwicklung setzte aber erst ab Frühjahr 1944 ein. Sie ist in den meisten Darstellungen ungerechtfertigterweise auf die gesamte Etappe seit den Revirements vom Herbst 1943 zurückprojiziert worden. Die Gründung des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" Die Nachrichten aus dem Südostausschuß der RGI und den übrigen Länderausschüssen zeigten, daß sich die Handelsbeziehungen vor allem mit den südosteuropäischen Satelliten von Monat zu Monat verschlechterten. Die unterschiedlichsten Vorschläge zur Remedur der wechselseitigen Blockaden wurden eingereicht und nacheinander verworfen.102 Es wurde außerdem immer dringlicher, den währungspolitischen Nachkriegsdebatten der Westalliierten eine fundierte Kritik entgegenzusetzen und die eigene „europäische" Währungspolitik zu überprüfen. Gegenüber diesen veränderten Anforderungen erschien der bisherige Außenhandelsapparat - Reichsstelle für Außenhandel, Devisenstellen, Prüfungsstellen, bilaterale Re101 BÄK, R 12 1/230-232 (Karl Albrecht); R 6/2135 (Hans Croon); R 7/37 u. 3004; R 91/1016; BAP, Deutsche Bank, Ρ 10882 (Franz Kirchfeld). 102 Beispielsweise BÄK, R 12 1/230, Tagesmeldung Albrechts vom 19.1.1944, Besprechung mit Hans Croon.

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gierungsausschüsse - genau so wie sein bisheriges Koordinationsinstrument, der Handelspolitische Ausschuß, viel zu erstarrt, als daß er rasch, unkonventionell und flexibel hätte reagieren können. Infolgedessen kam Karl Albrecht103, neuer Leiter der Abteilung Außenwirtschaft der Reichsgruppe Industrie (VI), im Dauerdialog mit dem RGI-Sonderbeauftragten für Außenwirtschaftsfragen Hans Croon und mit Friedrich von Poll, dem neuen Hauptgeschäftsführer der Reichsgruppe Handel, auf die Idee, ein von der Wirtschaft allein beherrschtes außenwirtschaftliches Lenkungsinstrument zu gründen, das sich der von Franz Kirchfeld geleiteten Hauptabteilung III des Reichswirtschaftsministeriums als Exekutivinstanz bedienen sollte. Von Poll signalisierte im Verlauf des Februar 1944 die grundsätzliche Bereitschaft Haylers, Ohlendorfs und Kirchfelds zu einem solchen Schritt, und Ende Februar stellten die beiden Reichsgruppenvertreter in Abstimmung mit Kirchfeld die Gründergruppe zusammen. Zur vorläufigen Festlegung von „Aufbau, Arbeitsgebiet und Arbeitsverfahren" kam es nach Verhandlungen zwischen Albrecht, Croon, von Poll und dem Wiener Industriellen Philipp von Schoeller am 13. März 1944.104 Zehn Tage später wurde der Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen im Sitzungssaal der Deutschen Industriebank gegründet.105 Erschienen waren neben den Initiatoren die ständigen Mitglieder, auf die sich die beiden Reichsgruppen geeinigt hatten: Karl Blessing, Hans Boden von der AEG, Max ligner und Philipp von Schoeller als Vertreter der Industrie sowie Otto Braun (Transdanubia Ein- und Ausfuhrhandelsgesellschaft mbH), Karl Lindemann, Edgar Michael von der Firma C. B. Michael und Carl von Schroeder (Staudt & Co.) als Repräsentanten des Handels. Zum Präsidenten wurde Hans Croon gewählt, Carl von Schroeder wurde Stellvertreter, und die Geschäftsführung teilten sich von Poll, Albrecht und Anton Reithinger von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farben. Den Kern des Gremiums bildeten somit Großindustrielle und Handelskapitalisten, die vor allem im Südostgeschäft engagiert waren und den Großhandel in den besetzten Gebieten kontrollierten.106 Deutlich unterrepräsentiert waren in der Gründungsphase Experten des Wirtschaftsverkehrs mit den neutralen Ländern, aber auch globale Handelsinteressen waren relativ schwach vertreten (Lindemann und Michael). Die Überschneidungen mit dem Europa-Kreis Kehrls beschränkten sich auf die Multifunktionäre Blessing und Lindemann, später wurden sie durch das Hinzutreten einiger Sachverständiger aus dem Großbankenspektrum (Abs und Rohdewald) und den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten (Andreas Predöhl, Emil Woermann) etwas dichter. Ein längerfristig angelegtes Rahmenprogramm wurde zunächst nicht verabschiedet, wohl weil einige Teilnehmer das Ganze anfänglich nur als eine Art Lobbyveranstaltung verstanden wissen wollten und im Zusammenwirken von Exportindustrie und Handel nach Möglichkeiten suchten, die „in einem wahren Schützengrabenkrieg 103 Karl Albrecht, geb. am 4.8.1902 in Rathenow, war von 1924 bis 1934 Prokurist und Abteilungsleiter in der Firma Emil Busch AG in Rathenow. Von 1934 bis zu seiner Ernennung zum RGI-Abteilungsleiter für Außenwirtschaft wirkte er als Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik. 104 BÄK, R 12 1/230, AN Albrechts, Betr. Arbeitsgemeinschaft für Außenwirtschaft, 13.3.1944. 105 Zum folgenden BÄK, R 1 l/104a; R 12 1/230; R 13 XV/68. 106 Zu den späteren personellen Erweiterungen und Unterausschüssen vgl. das Schaubild.

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der Bürokratien festgefahrenen Probleme" der Außenwirtschaft „auf ihre meist überraschend einfachen Grundlagen zurückzuführen." 107 Daß diese Erwartung trog, zeigten jedoch schon die unmittelbar darauf folgenden Ereignisse. Der Arbeitskreis für

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Präsident: Hans Croon (ab Oktober 1944: Karl Blessing) Stellvertreter: Carl von Schroeder Geschäftsführer: Friedrich von Poll Stellvertreter: Karl Albrecht Geschäftsführerkreis: von Poll, Albrecht, Günter Keiser, Kirchfeld, Anton Reithinger, Willy Lück (ab September 1944) Ständige Mitglieder: RGI-Vertreter: Karl Blessing, Hans Boden, Max ligner, Philipp von Schoeller RGH-Vertreter: Otto Braun, Karl Lindemann, Edgar Michael, Carl von Schroeder Unterausschüsse/Arbeitskreise: - Ernährungswirtschaftlicher Außenhandelsausschuß: Michael, von Poll (Gutachter: Woermann, Hahn) - Fertigungssicherung für den Export: Boden, Albrecht - Grundsatz-Ausschuß: ligner, Reithinger, von Schoeller - Preisstatistik: Reithinger, Albrecht, Georg Leipersberger - Währungsausschuß: Blessing, Braun, ligner, von Schoeller (Gutachter: Abs, Rohdewald; Schriftführer: Günter Keiser) - Ausschuß zur Begutachtung der weltwirtschaftlichen Entwicklung bei wichtigen Gütergruppen (ab Ende September 1944): - Agrarische Hauptprodukte Getreide, Fleisch, Fett (von Poll, Michael) - Baumwolle (Carl Albrecht, Lange) - Buntmetalle (Wilhelm Avieny) - Chemische Fasern (ligner, Reithinger) - Eisen und Stahl (Jakob W. Reichert) - Häute, Fette, Gerbstoffe (Carl von Schroeder, von Poll) - Holz (Hasslacher, Heske) - Kali (Stahl, Albrecht) - Kautschuk (ligner, Karl Ehrhardt, Reithinger) - Kohle (J. Regul) - Mineralöl (Blessing, Friedrich Dorn)

107 BÄK, R 12 1/231, AN Albrechts für Guth v. 27.4.1944 mit einem Auszug eines Schreibens des Staatssekretärs a. D. Ernst Trendelenburg an Croon ν. 14.4.1944.

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- Schwefelkies und Schwefel (Kissel) - Stickstoff (ligner, Reithinger, Puvogel) - Tabak (Söhring, Raabe) - Wolle (Alfred Müller-Armack) -Zellstoffe (Bracht) - Zucker (Karl Büchting, Ahlfeld) Quelle: BÄK, R 7/2121, 2128,2129,2135; R 121/230-233; BAP, Deutsche Bank, Ρ 339. Nachdem er gegen Ende der konstituierenden Sitzung drei Arbeitsgruppen zur Sicherung der Fertigung für den Export (Boden, Albrecht), für Preisstatistik (Albrecht, Reithinger und Georg Leipersberger von der Siemens-Schuckertwerke AG) und Clearingfragen (Blessing, ligner, Braun) gegründet hatte, begab sich der Arbeitskreis ins Reichsbankgebäude zu einem Empfang beim Reichswirtschaftsminister und Präsidenten der Deutschen Reichsbank.108 Bei dieser Gelegenheit setzte Funk einige Akzente, die erst Monate später von Hayler und Ohlendorf kopiert werden sollten. In der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik sei es jetzt vordringlich geworden, Privateigentum, freie Unternehmerinitiative und Leistungswettbewerb gegen die sich in den Lenkungssystemen immer mehr breit machenden „Rentner von Kontingenten" zu verteidigen, führte Funk aus. Zusätzlich müsse man nach Bereichen suchen, in denen der Abbau von kriegsbedingter Reglementierung vorexerziert werden könne, und dafür sei die Außenwirtschaft am ehesten geeignet. Hier müßten die „Praktiker" schon jetzt an die Front, um als „Exportprokuristen", Spezialkenner oder Spitzenmanager die Prüfungsstellen von den neu zu gründenden Beiräten aus flexibler zu machen, die richtige Atmosphäre für die immer schwieriger werdenden Verhandlungen zu schaffen und mit ihren „wirklich gute(n) Freunde(n) im Ausland ...auf der Jagd oder beim Golfspielen oder in Klubs die wichtigsten Dinge zu behandeln." 109 Funks Hoffnungen waren also hochgesteckt. Er ließ keinen Zweifel daran, daß er von den Unternehmern so etwas wie ein Geheimrezept erwartete, das die Verklammerung des Kampfs gegen den drohenden sozioökonomischen Strukturwandel im Innern mit einer außenwirtschaftlichen Initiative zur Rettung der Machtgrundlagen des NS-Imperialismus ermöglichte. Am Tag danach berichteten Croon, Kirchfeld und Albrecht auf einer Besprechung der Geschäftsführer der Wirtschaftsgruppen bei der Reichsgruppe Industrie über die Gründungssitzung.110 Dabei machten sie klar, daß sie die Aspirationen Funks teilten und energisch zu handeln gewillt waren. Jetzt war zusätzlich von einer vierten Arbeitsgruppe die Rede, die sich mit der „Behandlung der wirtschaftlichen Gestaltung der Zukunft" befassen sollte - ein erster Hinweis auf zusätzliche Aktivitäten im innersten Zirkel der RGI. 1 " Hans Croon forder108 Außenhandel braucht aktive Mitarbeit. In: Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 85 v. 26.3.1944. 109 BÄK, R 13 XV/68, AN Friedrich Wilhelm von Raumers über die Geschäftsführerbesprechung der RGI am 24.3.1944 (Bericht Croons über die Ansprache Funks). 110 BÄK, R 12 1/230, AN Albrechts über die Besprechung der Wirtschaftsgruppengeschäftsführer bei der RGI am 24.3.1944; BÄK, R 13 XV/68, AN Raumers v. 24.3.1944 (hieraus die folgenden Zitate). 111 Als sich der Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen konstituierte, Schloß Ludwig Erhard gerade seine Denkschrift über die Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung ab, mit der die Akti-

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te die Geschäftsführungen der Wirtschaftsgruppen auf, sich nun mit aller Kraft einzuschalten und ihre Existenzberechtigung unter Beweis zu stellen, zumal das Reichswirtschaftsministerium garantiert habe, die „Desavouierung von Männern der Wirtschaft, die sich für solche Zwecke herauszustellen bereit seien", um jeden Preis zu vermeiden. Franz Kirchfeld beschwor seinerseits die Notwendigkeit, dem ramponierten Reichswirtschaftsministerium auf die Beine zu helfen und sich mit vereinten Kräften an die gewaltigen außenwirtschaftlichen Probleme heranzumachen. Der Einsatz lohne sich durchaus, wie die neuesten Ereignisse zeigten. Bei den jüngsten Wirtschaftsverhandlungen mit der Schweiz sei es beispielsweise gerade noch einmal gelungen, die Transit- und „Golddrehscheibe" bei der Stange zu halten, ihre „Produktionskraft" weiter auszunutzen und das „bereits im Tischkasten fertige Devisengesetz" zu verhindern. Am Fall Kroatien habe er selbst klargestellt, daß es nicht mehr angehe, „von so einem lächerlichen Raubstaat so viel Wesen" zu machen. Die Zeit, in der Kroatien und die anderen kleinen Länder des Südostens den Deutschen für ihr „Kämpfen für Europa ... auf jeder Vertragsverhandlung gleich zu Beginn" die „Clearing-Spitzen unter die Nase" hielten, sei jetzt vorüber. Das „Problem Clearing-Spitze" müsse „sowohl für die Vergangenheit als auch für künftig endgültig in den Hintergrund treten", weil es als ausschließlich hausgemachte Inflationsfolge der Handelspartner anzusehen sei. Funk habe sich diesen Standpunkt zu eigen gemacht und jüngst in Wien eine Rede gehalten mit dem Ergebnis, „daß den Balkan-Staaten, diesen Unternehmen mit beschränkter Haftung', der Schreck ins Gebein gefahren sei."112 Dagegen sei die Frage der Sicherung der Produktion für den Export ein „kitzliges Thema", das aber auf jeden Fall angegangen werden müsse. Als Dritter im Bunde sekundierte Karl Albrecht Kirchfeld mit Berichten über die aktuellen Vertragsverhandlungen mit Dänemark, Ungarn und Frankreich. Dabei ergäben sich vor allem gegenüber den französischen Partnern neue Möglichkeiten, aber auch Initiativzwänge. Sie fühlten sich einerseits durch das Übergreifen des Kommunismus von Nordafrika auf das Festland bedroht und könnten jetzt leichter für die deutsche Arbeits- und Sozialverfassung interessiert werden. Andererseits gerieten sie immer stärker unter den Einfluß der westalliierten Nachkriegsdebatten, während sie meinten, daß von deutscher Seite „gar nichts in dieser Hinsicht geschehe ... Es sei dringend erforderlich, hier eine andere Atmosphäre zu schaffen und mit geeigneten Industriellen des Auslandes konkretere Erörterungen über derartige Themen zu pflegen."' 13 Alles in allem war die Geschäftsführung der Reichsgruppe Industrie entschlossen, im Zusammenspiel mit der Außenwirtschaftsabteilung des Reichswirtschaftsministeriums und ihren handelskapitalistischen Partnern ein wirtschaftspolitisches Instrument zu schaffen, das den außenwirtschaftlichen Kurs gegenüber den Satelliten radikal verschärfte, die neutralen Länder mit Konzessionen überhäufte und die Wirtschaftseliten Westeuropas mit Kollaborationsangeboten umwarb. Sie war damit unter umgekehrten Vorzeichen zu einer Konzeption vitäten des sogenannten Stahl-Kreises begannen; aber auch Fritz Laukisch, der Leiter der Nachrichtenstelle der RGI, beschäftigte sich seit März 1944 mit dem Nachkriegsbedarf an Landmaschinen. Vgl. BÄK, R 12 1/26. 112 Gemeint ist Funk, Walther, Die Länder des Südostens und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Rede, gehalten vor der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien am 10.3.1944, Wien 1944. 113 BÄK, R 13 XV/68, AN Raumers v. 24.3.1944.

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gelangt, die der wirtschaftspolitischen Praxis des Kehrischen Europa-Kreises im wesentlichen entsprach. Interessanterweise erfuhr Albrecht, zusammen mit von Poll der energischste und am besten informierte Aktivist des Arbeitskreises, erst Anfang August 1944 von dessen Existenz, und fühlte sich durch Blessing regelrecht hintergangen."4 Eine Exportoffensive als realer Hintergrund der Außenwirtschaftspläne Der Versuch, durch eine privatunternehmerische Initiative ausgerechnet die handelspolitischen Engpässe mit der Nachkriegsperspektive zu verbinden, hatte einen handfesten realen Hintergrund. So wie der „Europa-Kreis" Kehrls auf die ökonomische Kollaborationsbereitschaft der europäischen und internationalen Rüstungskonzerne setzen konnte, so verfügten auch die Protagonisten einer deutschen Außenwirtschaftsoffensive über ein Faustpfand: Die seit dem Herbst 1943 deutlich zunehmenden Außenhandelsaktivitäten der gesamten Wirtschaft. Wie repräsentative überlieferte Aktenbestände in Verbindung mit den einschlägigen Untersuchungsberichten des Westalliierten zeigen," 5 stieg das „informelle" Exportvolumen der führenden Großunternehmen seit Herbst 1943 explosionsartig. Über die Schreibtische der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie liefen beispielsweise innerhalb weniger Wochen Genehmigungsanträge für den Einstieg des Siemens-Konzerns in ein internationales Syndikat für Vakuumentladungsgeräte, um die Reservatländer des schweizerischen Marktführers mit pumpenlosen Gleichrichtern beliefern zu können; Telefunken wollte einen 100 Kilowatt starken Mittelwellensender in Schweden bauen; und die Bremer Atlas-Werke AG offerierten der schwedischen Kriegsmarine Unterwasser-Sonargeräte; alle diese Anträge wurden genehmigt. Genauso genehmigt wurde die großangelegte Verteilung von Nachkriegsaufträgen an die Tochtergesellschaften der deutschen Elektroindustrie in allen neutralen Ländern, die nun ausgebaut und umgerüstet wurden, um die Marktstellung bei Tonabnehmern, Quarz- und Gebrauchslampen, Wippen- und Gasdruckschaltern sowie Röhren und elektromedizinischem Gerät auszubauen. Währenddessen mobilisierte der IG-Farben-Konzern seine gesamten inund ausländischen „Pesetenkassen" und zementierte seit dem Herbst 1943 auf der iberischen Halbinsel seine beherrschende Stellung in der Pharma-, Farben- und Sprengstoffindustrie.116 So hatte ausgerechnet bei denjenigen Großunternehmen, die am stärksten in die „planwirtschaftliche" Rüstungsmobilisierung eingespannt waren, eine gewaltige Reaktivierung der außenwirtschaftlichen Aktivitäten eingesetzt, und sie wirkten nun zusammen mit den Großhandelsfirmen als Schrittmacher für den Übergang der gesamten Wirtschaft zu einer 114 BÄK, R 12 1/232, Albrecht, Tätigkeit des Planungsamtes auf dem Gebiete der Außenwirtschaft, Tagesmeldung der RGI-Abteilung VI v. 2.8.1944. 115 Vgl. zum folgenden BÄK, R 13 V/241-257 (Außenwirtschaftsaktivitäten der Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie seit 1943); FDRL, Harley Martin Kilgore Papers, Box No. 114, Study of the FEA Drafting Committee on the Treatment of the Allied Activities Relating to German Assets, Economic Activities and Industrial Personnel Outside Germany from the Standpoint of International Security (T.I.D.C. Project 25, Coordinated by Enemy Branch, Foreign Economic Administration), 6.8.1945. 116 BAP, IG Farben, Nr. A 2393 (Transaktionen für die IG-Farben-Tochtergesellschaften FNCE, Flix/Inquiresa und Martin S.A. seit Herbst 1943).

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„wilden Nachkriegsplanung". Was aus heutiger Sicht nicht nur skrupellos und zynisch, sondern auch konfus und widersprüchlich wirkt, wurde von den damaligen Wirtschaftsakteuren offensichtlich komplementär verstanden. Sie wollten einerseits die „Festung Europa" so effizient und so lange wie nur möglich verteidigen, andererseits klammerten sie sich durch die vorweggenommene Exportoffensive in den Wirtschaftsstrukturen der neutralen Länder so fest, daß die künftigen Sieger zu einer europäischen Nachkriegspolitik ohne wesentliche deutsche Beteiligung nur um den Preis radikaler struktureller Eingriffe auch in den neutral gebliebenen Ländern in der Lage waren. Aus dieser Sicht ergänzten sich die ökonomischen Nachkriegsplanungen des „Europa-Kreises" und des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" trotz der erheblichen Reibereien zwischen ihren führenden Akteuren durchaus. Für die Verwirklichung beider Varianten gab es genügend ausländische Partner, die zur Kollaboration bereit waren, weil sie sich eine europäische Nachkriegsperspektive ohne das Wirtschaftspotential der Deutschen nicht vorstellen konnten. Erst wenn man sich diese Logik der wirtschaftenden „Basis" vergegenwärtigt, werden die sich plötzlich überschlagenden außenwirtschaftlichen Aktivitäten der beiden Reichsgruppen in ihren realen wirtschaftspolitischen Bezügen nachvollziehbar, zumal ihre innere Existenzberechtigung durch die rüstungswirtschaftlichen Umstellungen bedroht war. Jetzt konnten sie sich auf einem neuen Terrain nützlich machen, indem sie es ihrer ins neutrale Ausland drängenden Klientel ersparten, den Devisen-, Reichs- und Prüfungsstellen gegenüber weiterhin mit fadenscheinigen Alibis um Ausnahmegenehmigungen zur „Industrieverschleppung" feilschen zu müssen. Ihre Aufgabe bestand folglich zunächst einmal darin, die hausgemachten administrativen Barrieren, die die „freie" Wirtschaftsexpansion ins neutrale Ausland bremsten, beiseitezuräumen und für eine möglichst pflegliche Behandlung der überlebenswichtig gewordenen Partner zu sorgen, während sie sich oft im gleichen Atemzug für die Ausweitung des Ausbeutungs- und Ausplünderungsregimes auf die bisherigen südosteuropäischen Satellitenregimes aussprachen. Die Aktivitäten des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" und der Außenwirtschaftsabteilung der Reichsgruppe Industrie Damit war für den Arbeitskreis der akute Handlungsrahmen vorgegeben. Seine wichtigste Aufgabe sah er zunächst darin, Abstriche von der laufenden Rüstungsfertigung zugunsten der Exportinteressen durchzusetzen, denn zur Absicherung des expandierenden informellen freien Kapitalverkehrs war jetzt die genaue Einhaltung der in den bilateralen Verträgen festgelegten offiziellen Lieferverpflichtungen - und somit die Verhinderung von „Clearingspitzen" - gegenüber den neutralen Ländern von größter Bedeutung. Der dafür eingesetzte Ausschuß nahm schon einen Tag nach der Konstituierung des Arbeitskreises die Verhandlungen mit Kehrl auf." 7 Der Leiter des Planungsamts war generell zur Zusammenarbeit und zu Konzessionen denjenigen Ländern gegenüber bereit, die wegen ihrer eigenen Exporte für die deutsche Rüstungsindustrie bedeutsam waren. Er weigerte sich jedoch strikt, für einen bestimmten Teil der deutschen Produktion generell eine Dringlichkeitsstufe für Exportzwecke zuzugestehen. Auf diesem Standpunkt beharrte er bis zum Juni, denn trotz der Pres117 BÄK, R 121/230, AN Albrechts über eine Besprechung mit Kirchfeld und Boden, 25.3.1944.

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sionen des Arbeitskreises war vom Reichswirtschaftsministerium zunächst „niemand Herrn Kehrl gewachsen", und der hielt weiter an seiner Meinung fest, „man müsse so viel wie nur möglich einführen und so wenig wie möglich ausführen." 118 Endlich kam am 19. Juni der Entwurf einer Vereinbarung zwischen Kehrl und Kirchfeld zustande, der die Exportplanung zwar weitgehend von den Vorgaben der durch das Planungsamt festzulegenden Einfuhrplanung abhängig machte, dem Reichswirtschaftsministerium aber endlich ein Eigenkontingent für „Normal"- und „Kompensationsgeschäfte" zugestand sowie zusätzlich Kirchfelds Weisungskompetenz gegenüber den Durchführungsinstanzen des AußenwirtschaftsVerkehrs (Reichs- und Prüfungsstellen) bekräftigte.119 Damit war der Hürdenlauf noch keineswegs beendet. Es kam zu Nachverhandlungen, weil Speer einzelne Passagen mißbilligte, und erst Anfang August 1944 war der Erlaß unter Dach und Fach.120 Jetzt konnten die seit April konstituierten Firmenbeiräte bei den für die exportwirtschaftlichen Rangfolge- und Devisenprobleme zuständigen Prüfungsstellen in Aktion treten - die zweitwichtigste Aufgabe im praxisbezogenen Zielkatalog des Arbeitskreises war damit ebenfalls erledigt.121 Parallel dazu schaltete sich der Arbeitskreis in die laufenden bilateralen Wirtschaftsverhandlungen ein. Da er aber wie der „Europa-Kreis" nur monatlich zu Vollsitzungen zusammentrat und die von der Reichsgruppe Handel übernommenen Vorbereitungsarbeiten oftmals zu wünschen übrig ließen, legte sich der Leiter der RGI-Außenwirtschaftsabteilung im Juni 1944 einen eigenen „Außenhandelsrat" zu, der mit den Industrievertretern des Arbeitskreises identisch war, die Vorsitzenden der RGI-Länderausschüsse als Sachverständige einbezog und nun mehr und mehr als „Küchenkabinett" des Arbeitskreises agierte.122 Dabei kam es zu einer verblüffenden Arbeitsteilung mit dem Europa-Kreis des Planungsamts in Sachen Südosteuropa. Während dieser vor allem in Rumänien eingriff, betrachtete der Arbeitskreis Kroatien und Ungarn als seinen besonderen Interventionsbereich. Er betrieb die Einsetzung Hans Bodens als „Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft" im Stab Veesenmayers, der vor Ort dafür sorgte, daß die „Clearingfrage ... in Zukunft in keiner Weise mehr ihren Einfluß auf die Höhe der ungarischen Lieferungen" ausübte.123 Umgekehrt unternahm Albrecht alles, was zur korrekten Erfüllung der Verträge mit den neutralen Ländern erforderlich war, und lancierte ab April/Mai im Umfeld des Arbeitskreises 118 BÄK, R 13 VI/45, Notiz Hausers über eine Besprechung mit Kirchfeld, 19.4.1944. 119 PA AA, R 106500, Planungsamt, Vereinbarung über Zusammenarbeit zwischen Reichswirtschaftsministerium und Planungsamt, 19.6.1944. 120 BÄK, R 12 1/232, Albrecht an v. Poll, Betr. Sicherung der Produktion für den Export, 19.7.1944; Albrecht, Tagesmeldung der Abteilung VI der RGI v. 27.7.1944; Tagesmeldung der Abteilung VI v. 22.8.1944. 121 Vgl. die laufende Berichterstattung Albrechts darüber in: BÄK, R 12 1/230-232. 122 BÄK, R 12 1/231, Albrecht an ligner, Betr. Bildung eines Außenhandelsrats bei der Reichsgruppe Industrie, 24.6.1944. Tatsächlich wurden die Vorsitzenden der RGI-Länderausschüsse zu den wichtigsten Beratern Albrechts, der nun zur Grauen Eminenz des Arbeitskreises aufstieg. Es waren dies Ernst Hanauer (AEG), Franz Hasslacher (Brüder Hasslacher & Co., Creditanstalt Bankverein Wien), Hans Lenze (Mannesmann-Export GmbH), Hans Reuter (Demag AG), Wilhelm Voß (AG vorm. Skodawerke) und Hermann Waibel (IG Farben). 123 Ebenda, Rundschreiben Albrechts, Abteilung VI der RGI, Betr. Ungarn, 9.6.1944.

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eine Reihe von Good-will-Touren in die neutralen europäischen Länder, um zur Aufhellung des sich immer stärker zum Nachteil der deutschen Interessen entwickelnden Verhandlungsklimas beizutragen. Dabei sondierte er das Terrain immer häufiger auf eigene Faust und benutzte den Arbeitskreis als legitimierenden Hintergrund für den Aufbau einer deutschen Wirtschaftslobby, die zugleich behutsam aus der bisherigen Symbiose mit der nazistischen Auslandspropaganda ausscherte. Die deutschen Auslandshandelskammern wurden als Stützpunkte für deutsche Anlageinteressen und als wirtschaftspolitische Informationsquellen vor allem hinsichtlich der Nachkriegsvorbereitungen der Gastländer reaktiviert. Präsidialmitglieder der deutschen Gruppe der Internationalen Handelskammer bezogen Horchposten und lieferten die ersten Analysen und Materialien zum Komplex der westalliierten Nachkriegsplanungen. Mit den Ergebnissen ihrer Recherchen ging Albrecht ab Juli 1944 in den nachkriegswirtschaftlichen Planungsgremien hausieren und degradierte den Arbeitskreis zunehmend zu einer Fassade der außenwirtschaftlichen Operationen der Reichsgruppe Industrie, indem er diese mit einem Informationsmonopol bezüglich des im Ausland geführten Nachkriegsdiskurses ausstattete. In Kooperation mit Ludwig Erhard, dem Leiter des im Frühjahr 1943 von der Reichsgruppe Industrie gegründeten und finanzierten Instituts für Industrieforschung, intensivierte Albrecht die periodische Herausgabe „Vertraulicher Informationen für die Deutschen Handelskammern im Ausland" bzw. von „Informationen zur Außenwirtschaft",124 in denen Nachrichten über die aktuelle Wirtschaftsentwicklung und die Nachkriegsdiskussionen der Neutralen und Westalliierten allmählich eine dominierende Stellung einnahmen. Dabei machte sich Albrecht immer mehr die Skepsis des Ökonomen Gunnar Myrdal zu eigen, der den im Februar 1944 gegründeten schwedischen Regierungsausschuß für Fragen der Nachkriegswirtschaft leitete, eine schwere Nachkriegsrezession in den USA voraussagte und in Erwartung des raschen Zerfalls der Antihitlerkoalition nach der Niederringung der NS-Diktatur vor einem zu großen „Friedensoptimismus" warnte.125 Die führenden Köpfe des Arbeitskreises legten anfanglich auch Wert auf eine solide Abstimmung der zu erwartenden außenwirtschaftlichen Nachkriegswirklichkeit mit ihren eigenen Gestaltungsvorstellungen. Dabei standen die Clearing- und Währungsdebatten, die eher eine Übergangskonstellation reflektierten, im Zentrum der Debatten. Über ihren Verlauf sind wir nicht detailliert unterrichtet, weil die Protokolle der auf die Gründungsveranstaltung folgenden drei Sitzungen vom 27. April, 27. Mai und 15. Juni 1944 verschollen sind. Auch die Arbeitsergebnisse des „Clearing- und Währungsausschusses" sowie des „Grundsatzausschusses" selbst sind nur unvollständig dokumentiert, die Argumentationslinien ihrer Denkschriften können nur indirekt aus einigen Kommentaren und Stellungnahmen rekonstruiert werden.

124 BÄK, R 12 1/232, AN Albrechts über eine Besprechung mit Erhard, Leiter des Instituts für Industrieforschung, über eine enge Zusammenarbeit zwischen der Abteilung VI und dem Institut in Nürnberg am 8./9.7.1944. 125 Gunnar Myrdal, Vaming for Fredsoptimism, Stockholm 1944; erste deutsche Ausgabe: Warnung vor Friedensoptimismus, Zürich/New York 1945. Albrecht war während einer Schwedenreise auf das Buch aufmerksam gemacht worden und besorgte eine Übersetzung. Die ersten Passagen verschickte er am 26.7.1944 an ligner, zuvor hatte er am 22.7. auch Ohlendorf auf Myrdal aufmerksam gemacht. Vgl. BÄK, R 12 1/232, Albrecht an Ohlendorf, Albrecht an ligner, 26.7.1944.

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Die Debatte begann auf der Monatssitzung am 27. April mit einer Auseinandersetzung über die erste Entwurfsfassung der Reithinger/Ilgner-Denkschrift zur „Steigerung des europäischen Rüstungs- und Wehrwirtschaftspotentials" vom 25. März 1944.126 Danach wurde sie offensichtlich mit dem Votum vertagt, das Memorandum in den Clearing- und Währungsausschuß einzubringen, der sich inzwischen ebenfalls konstituiert hatte und unter der Regie Blessings bzw. Günter Keisers, des Leiters der Statistischen Abteilung der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe, zusätzlich Gutachten von Abs und August Rohdewald einholte.127 Im Zentrum der Disputs standen einmal mehr die Verrechnungsschulden gegenüber den südosteuropäischen Ländern, wobei die bekannten Protagonisten eines weichen Kurses aus dem MWT-IG-Farben-Lager erneut mit dem Votum für eine mehr oder weniger gewaltstreichartige Schuldenannullierung zusammenstießen. Inzwischen handelte es sich aber nur noch um ein Sandkastenspiel, das Albrecht gleichwohl zusammen mit Erhard, Keiser und Reithinger fortzusetzen gedachte.128 Denn die Volkswirtschaften der südosteuropäischen Länder brachen im Juli/August endgültig zusammen, und damit erübrigten sich weitere Erörterungen. Spuren hinterließen sie allenfalls in einigen Reden, die Funk im Juni/Juli hielt, so in seiner propagandistisch extrem hochgespielten Königsberger Ansprache vom 7. Juli 1944, die als Gegenstück zu der am 1. Juli in Bretton Woods abgehaltenen Währungskonferenz der Alliierten gedacht war.129 In diesen im wesentlichen von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank verfaßten130 Auslassungen gab es einen einzigen konstruktiven wirtschaftlichen Gedankensplitter, nämlich die vage Andeutung einer möglichen Obligationsanleihe zur Konsolidierung der deutschen Clearingschulden. Bezeichnenderweise war es ausschließlich dieses winzige Relikt der Modifikationsvorschläge der MWT-IG-Farben-Gruppe in den Debatten des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen", das aus dem rhetorischen Gemisch von Immobilismus, Besserwisserei und hohlen Propagandaphrasen herausragte und entsprechend registriert wurde.131 Derartige 126 Vgl. oben den Abschn. „Interventionen ...". 127 BÄK, R 7/3636, Undatierter Vermerk aus der Hauptabteilung Außenwirtschaft (III Gr. 1) des RWM über den „Blessingausschuß" des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen. 128 BÄK, R 12 1/232, AN Albrechts über eine Besprechung mit Erhard am 8./9.7.1944. 129 BÄK, R 7/2005, Walther Funk, Wirtschaftsordnung gegen Währungsmechanismus, Rede in Königsberg/Pr. am 7.7.1944. Abgedruckt in: Die Deutsche Volkswirtschaft 13 (1944), Nr. 21, S. 601-609. Funk hielt die Rede aus Anlaß des 400jährigen Bestehens der Universität Königsberg. Zur Vor- und Nachbereitung vgl. BÄK, R 11/2121; BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7023. 130 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7023, Bl. 239-270, Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank, Entwurf einer Ansprache für Herrn Reichswirtschaftsminister ... - Der Entwurf stimmt mit den wesentlichen Passagen des endgültigen Redetexts überein. Herbst hat den Stellenwert der Ansprache überschätzt. Sie brachte nur noch die hinter den Kompromißbemühungen notdürftig versteckte Hilflosigkeit des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen und der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank zum Ausdruck; Herbst, S. 305 ff. 131 Beispielsweise veröffentlichte die Zeitschrift „BankWirtschaft" zwei anonyme Stellungnahmen, in denen sie diesen Vorschlag einerseits hervorhob, andererseits aber die alliierten Währungspläne als einen richtigen Schritt zur Lösung des Dilemmas von Zahlungsbilanzgleichgewicht und unabdingbarer weltwirtschaftlicher Nachkriegsexpansion verteidigte: Wirtschafts- oder Währungsordnung? In: Bankwirtschaft 1944, Nr. 14, S. 274—276; Eine Saldenanleihe zur Abtragung der Clearingschulden? ebenda, S. 276-277.

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Marginalien vermochten aber nicht darüber hinwegzutäuschen, daß der NS-Imperialismus den währungs- und wirtschaftspolitischen Nachkriegsplanungen der Alliierten nichts mehr entgegenzusetzen hatte.

d) Erste Grundsatzdokumente der Reichsgruppe Industrie Die bisher untersuchten Ansätze wirtschaftspolitischer Instanzen zur Nachkriegsplanung zeichneten sich durch einen klaren Praxisbezug aus. In den Kreisen von Großkapital und Hochfinanz wurden aber auch Stimmen laut, die sich für eine von praktischen Interventionserfordernissen unabhängige Vorbereitung auf das Kriegsende aussprachen, um sich in einer eigenständig entwickelten Planungsvariante über den letzthin gemeinsamen Nenner ihrer oft divergenten strategischen Interessen klarzuwerden. So wie die Großunternehmen schon damals bei der Vorbereitung strategischer Investitionen die unterschiedlichsten Entscheidungsvarianten abzuklären pflegten, so legte sich jetzt die Reichsgruppe Industrie einen autonomen Planungsbereich zu, der mit den Arbeiten des „Europa-Kreises" und des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" nur locker verknüpft war und die wirtschaftspolitischen Fragestellungen ausschließlich aus der Perspektive privatwirtschaftlicher Handlungsautonomie ausleuchtete. Als Ergebnis wurde eine eigenständige Problemlösungsvariante angestrebt, die am „Tag X" unabhängig von den jeweiligen politischen, militärischen und territorialen Bedingungen des Friedensschlusses aus der Schublade gezogen werden konnte. Sie sollte dann als Grundlage für die jeweils konkreten Handlungsorientierungen und die damit verbundenen Interventionen bei den behördlichen Ressorts dienen. Die Forderung nach einem eigenständig entwickelten Instrumentarium zur Abklärung der bevorstehenden sozioökonomischen Strukturbrüche beim Übergang vom Krieg zum Nachkrieg wurde erstmals im Mai 1943 in verschleierter Form artikuliert, als das Kuratorium der knapp sieben Monate zuvor gegründeten „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" zum erstenmal tagte.132 Rudolf Stahl, der Vorstandsvorsitzende des Salzdetfurth-Konzerns und stellvertretende Leiter der Reichsgruppe Industrie,133 beantragte neben der Unterstützung 132 Zum folgenden NA, RG 260, FINAD 2/215/1. Die Gründung der „Förderergemeinschaft der deutschen Industrie" ging auf eine Initiative des Siemens-Konzerns zurück und erfolgte am 18.11.1942 in der Absicht, „der deutschen Wirtschaft in der Gefahr des Niedergangs beizustehen." Präsident wurde Hermann von Siemens, zu Vizepräsidenten wurden von den aus dem gesamten industriellen Spektrum delegierten Gründungsmitgliedern Hermann Schmitz (IG Farben), Albert Vogler (Vereinigte Stahlwerke) und Wilhelm Zangen (Leiter der RGI und Generaldirektor der Mannesmannröhren-Werke) gewählt. Als Schatzmeister wirkte Dr. Achenbach, der Geschäftsführer des Kuratoriums der Adolf-Hitler-Spende der gewerblichen Wirtschaft. 133 Rudolf Stahl, geboren am 20.4.1884 in Barmen, war zunächst wie Wilhelm Zangen Direktor im Demag-Konzern. 1929 wurde er zum Generaldirektor der Mansfeld AG für Bergbau-und Hüttenbetrieb ernannt, ab Mai 1935 wirkte er zusätzlich als Geschäftsführer des Salzdetfurth-Konzerns. Er wurde 1930 in den Vorstand des Reichsverbands der Deutschen Industrie kooptiert. Im Mai 1933 trat er der NSDAP bei. 1940 wurde er zum stellvertretenden Leiter und Mitglied des Engeren Beirats der Reichsgruppe Industrie ernannt. Er starb 1946. Vgl. Eckert, S. 243-277, hier S. 265 f.; Radandt, Hans, Kriegsverbrecherkonzern Mansfeld, S. 61 ff., 185 ff.

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von sechs anderen betriebs- und wirtschaftswissenschaftlichen Projekten die Schaffung eines von der Reichsgruppe Industrie getragenen „Instituts für Industrieforschung", weil die „wirtschaftlichen Fragen später wieder eine größere Rolle spielen würden" und es deshalb geraten erscheine, sich vorausschauend „eine gewisse Möglichkeit auf Einflußnahme und Mitwirkung zu sichern."134 Sein Votum wurde richtig verstanden, und das Kuratorium, in dem alle industriellen Hintermänner des späteren intellektuellen Nachkriegsplanernetzes der Reichsgruppe Industrie vertreten waren, bewilligte dem zunächst in Nürnberg domizilierten und später nach Bayreuth verlagerten Institut einen Dreijahresetat von jeweils 150 000 Reichsmark.135 Als im Oktober 1944 angesichts der jetzt akut gewordenen Projektausweitung „unter Heranziehung von heute freien wissenschaftlichen Kapazitäten" die Bewilligung zusätzlicher außerordentlicher Mittel aus dem 20-Millionen-Fonds der Förderergemeinschaft anstand, stimmte das Rumpf-Kuratorium bereitwillig einer Aufstockung der Mittel für das Institut für Industrieforschung auf 180 000 Reichsmark im Geschäftsjahr 1944/45 zu, obwohl der Verteilungsschlüssel zur Förderung technikwissenschaftlicher und wirtschaftswissenschaftlicher Projekte längst gesprengt war.136 Personelle Hintergründe Für die erfolgreiche Erarbeitung einer nachkriegsplanerischen Grundsatzvariante waren jedoch nicht nur die finanziellen Mittel für den Aufbau eines entsprechenden institutionellen Rahmens ausschlaggebend. Es mußten sich auch die dazu befähigten Experten anbieten und ausgewählt werden. Hier hatte die Spitze der Reichsgruppe Industrie schon einige Zeit vor der Antragstellung bemerkenswerte personalpolitische Entscheidungen getroffen, deren Hintergründe und Motivationen noch im Jahr 1977 anläßlich des 80. Geburtstags des ehemaligen Leiter des RGI-Instituts in einem bemerkenswerten Doppelspiel von Public Relations und geschichtswissenschaftlicher Hagiographie verschleiert worden sind.137 Da sie bis heute die Forschung über die deutschen wirtschaftlichen Nachkriegsplanungen bestimmen, ist an diesem Punkt eine etwas ausführlichere Rekonstruktion der historischen Tatsachen unumgänglich.

134 NA, RG 260, FINAD 2/215/1, Bericht über die 1. Sitzung des Kuratoriums der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie am 20.5.1943 in Berlin. 135 NA, RG 260, FINAD 2/215/1, Bewilligte Anträge im 1. ordentlichen Geschäftsjahr. Anlage 1 zum Bericht über die Tätigkeit der Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie, erstes erweitertes Geschäftsjahr vom 18.11.1942-31.3.1944; Anlage 3, Bewilligte Unterstützungen für die Zeit vom 1.4.1944-31.3.1945. 136 Ebenda, Niederschrift über die Aussprache gelegentlich der Zusammenkunft einiger Kuratoriumsmitglieder der Förderergemeinschaft der Deutschen Industrie am 25.10.1944 in der Reichsgruppe Industrie. 137 Vgl. Erhard, Ludwig, Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung. Faksimiledruck der Denkschrift v. 1943/44 mit Vorbemerkungen v. Erhard, Ludwig/Eschenburg, Theodor/Schmölders, Günter, Frankfurt a. M. 1977; Herbst, Ludolf, Krisenüberwindung und Wirtschaftsneuordnung. Ludwig Erhards Beteiligung an den Nachkriegsplanungen am Ende des Zweiten Weltkriegs. In: VfZ 25 (1977), S. 305-340.

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Ludwig Erhard war eine schillernde Figur mit einer spannenden intellektuellen Biographie.138 Der 1897 in eine Fürther Kaufleutefamilie Hineingeborene hatte im Dezember 1925 bei dem Frankfurter Soziologen Franz Oppenheimer mit einer Studie über „Wesen und Inhalt der Werteinheit" promoviert und war 1928 in das von Wilhelm Vershofen geleitete Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware in Nürnberg eingetreten, das mit der Handelshochschule Nürnberg assoziiert war. Das Institut vertrat zunächst vor allem die Marktinteressen der Porzellan- und Haushaltgeräteindustrie, avancierte aber nach Erhards Eintritt auch zum Repräsentanten der Marktforschung für den Textil- und Pharmasektor sowie die Zigarettenindustrie.139 Mit dieser allmählichen Arrondierung zu einem Instrument des gesamten Verbrauchsgüterspektrums kontrastierte jedoch die große Depression, die diese Wirtschaftssparte seit 1929 mit besonderer Wucht traf. Zusätzlich führte das Miterleben der sozialen Katastrophe seiner eigenen Schicht bei Erhard zu einer Rückbesinnung auf die imperialismuskritischen Strömungen im Umkreis des früheren akademischen Lehrers.140 In einem unveröffentlicht gebliebenen Traktat über „Die Überwindung der Wirtschaftskrise durch wirtschaftspolitische Beeinflussungen" 141 rechnete Erhard mit einer Armut erzeugenden Kapitalakkumulation ab, die nicht gesellschaftlichen „Reichtum, sondern bestenfalls wieder Kapital" schaffe, mit ihrer Jagd nach der „Rente" den Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch blockiere und jeglichen Ansatz zu volkswirtschaftlicher Rentabilität zerstöre. Deshalb müsse der Staat intervenieren, um der Wirtschaft im bewußten Handeln gegen ihre kurzsichtigen Profitinteressen wieder auf die Beine zu helfen. Während dieses konzeptionellen Wandels vom Unterkonsumtionstheoretiker zum Anhänger einer antizyklisch gelenkten Nachfragemobilisierung versäumte Erhard nicht, die Lösungsvorschläge der Neoklassiker vom Schlag eines Wilhelm Röpke zu geißeln, aber auch in äußerster Schärfe gegen das Wirtschaftsprogramm der Harzburger Front vom Leder zu ziehen, deren Hauptexponenten Hjalmar Schacht er „platter Ignoranz" und der „Notzüchtigung des Gedankens ... zu Zwecken politischer Karriere" bezichtigte.142 1933 mußte der inzwischen 36-jährige Vershofen-Mitarbeiter seine akademischen Pläne begraben. Im Institut ging es dagegen steil aufwärts. Erhard wurde in die Geschäftsleitung aufgenommen und Mitherausgeber der Institutszeitschrift „Der Markt der Fertigware", die jetzt bis 1939 als „Die deutsche Fertigware" firmierte.143 138 Aus der umfangreichen biographischen Literatur genügen lediglich zwei Beiträge historisch-wissenschaftlichen Ansprüchen: Mühle, Dieter, Ludwig Erhard. Eine Biographie, Berlin 1965; Laitenberger, Volkhard, Ludwig Erhard. Der Nationalökonom als Politiker, Göttingen/Zürich 1986. 139 Bergler, Georg, Die Entwicklung der Verbrauchsforschung in Deutschland und die Gesellschaft für Konsumforschung bis zum Jahre 1945, Kallmütz/Oberpfalz o. J.; Ders., Geschichte der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Nürnberg 1919-1961, Bd. II, Nürnberg 1969; Schäfer, Erich, Die Institutszeit in Nürnberg. In: Ludwig Erhard. Beiträge zu seiner politischen Biographie. Hrsg. Gerhard Schröder, Alfred Müller-Armack, Karl Hohmann, Johannes Gross u. Rüdiger Altmann, Berlin 1971, S. 603-613. 140 Fritz Sternberg, ein bekannter Marxist, der sich um eine Weiterentwicklung der Unterkonsumtionstheorie Rosa Luxemburgs bemühte, war bis 1923 Assistent Oppenheimers gewesen. 141 Die folgenden Zitate nach Laitenberger, S. 21 ff. 142 Zitiert nach Mühle, S. 25 f. 143 Ab 1939 erschien sie unter dem Titel „Markt und Verbrauch".

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Daß aber die Hochrüstungspolitik spätestens seit der Vieijahresplanperiode die heraufziehende „Marktordnung" gleichzeitig ökonomisch lahmlegte, konnte dem versierten Analytiker von Kostenstrukturen und Absatzverhältnissen nicht verborgen bleiben. Er reagierte darauf jedoch nicht etwa mit entsprechenden Distanzierungen, wohl weil das von ihm mitgetragene Institut im Gegensatz zur wirtschaftenden Klientel außerordentlich zu prosperieren begann, sondern verstieg sich zur Überidentifikation mit der nun einsetzenden Projektion der zugespitzten inneren ökonomischen Disparitäten auf eine ultraaggressive Expansionspolitik. Er entdeckte den Primat der Nation, die Preispolitik und Marktordnung aufgrund übergeordneten „sittlichen Rechts" zur „Erreichung nationaler Ziele" einzusetzen legitimiert sei und letztlich alles wirtschaftliche Handeln auf eine entsprechende Mittlerfunktion reduziere.144 Auch die Einzwängung des effektiven Verbrauchs im Doppelkorsett von Rationierung und Preiskontrolle erschien aufgrund übergeordneter nationaler Zielsetzungen gerechtfertigt, der dadurch bewirkte Mechanismus der Kaufkraftabschöpfung sollte lediglich durch eine „Steigerung der Leistungsergiebigkeit" und eine wohlüberlegte Politik der „Rangordnungen" gemildert werden. Und noch 1942 huldigte Erhard der sich angeblich abzeichnenden „Ordnung des europäischen Marktes" im Gefolge der „Ausweitung der wirtschaftlichen Räume", weil die derzeit stattfindende „Überwindung der alten Räume" durch „Notwendigkeiten höherer Art" bedingt sei.145 Im Januar 1939 wurde Josef Bürckel, der Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, anläßlich einer Wiener Veranstaltung des Instituts über die seit dem „Anschluß" drastisch gewandelten Absatzprobleme der „Ostmark"-Wirtschaft auf Erhard aufmerksam. Er ernannte ihn erst zum Sonderberater für Fragen der Konsumgüterindustrie, danach setzte er Erhard und mit ihm das Nürnberger Institut zur Evaluierung des gesamten Rationalisierungs- und Einverleibungsprozesses ein.146 Diese Kooperation wiederholte sich im Sommer 1940, als Bürckel zum Chef der Zivilverwaltung Lothringens avancierte. Erhard beriet ihn zunächst persönlich in Fragen der Wiederankurbelung der Verbrauchsgüterindustrie und verschaffte sich dann einen Dauervertrag zur Supervision der anlaufenden Reorganisation und Germanisierung der gesamten lothringischen Wirtschaft, den er auch nach seiner Trennung vom Nürnberger Institut und während seiner Tätigkeit für die Reichsgruppe Industrie beibehielt.147 Als unentbehrlicher Experte wirkte er aber auch hinsichtlich der ökonomischen Einverleibung des „neuen deutschen Ostraums", 144 Erhard, Ludwig, Einfluß der Preisbildung und Preisbindung auf die Qualität und die Quantität des Angebots und der Nachfrage. In: Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. Eine Festgabe aus dem Kreise der Nürnberger Schule zum 60. Geburtstage von Wilhelm Vershofen. Hrsg. Georg Bergler, Ludwig Erhard, Berlin 1939, S. 47-100, hier S. 56 f., 79 f., 83 f. 145 Erhard, Ludwig, Marktordnung, in: Die Führung des Betriebes. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wilhelm Kalveram. Hrsg. Karl Theisinger, Berlin/Wien 1942, S. 274-282, hier S. 281 f. 146 Bislang identifiziert: Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, Ostmarkberichte, Bd. I: Verbrauchsgüter, März 1940; Bd. II: Eisen und metallverarbeitende Industrie, März 1940; Bd. IV: Glas und Keramik, März 1940; Bd. V: Lederindustrie der Ostmark, März 1940. 147 Vgl. Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, Lothringen, Hauptbericht Teil I: Marktanalyse, Juli/August 1940; Teil II: Volk und Wirtschaft, Juli/August 1940. Daneben konnte bis jetzt etwa ein Dutzend Sonderberichte zu Lothringen identifiziert werden; vgl. BÄK, R 13 XV/123.

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wobei er und das Institut sich mit ihren bevölkerungsökonomisch begründeten Sanierungsund „Produktivierungs"-Vorschlägen besonders hervortaten.148 So war Erhard bis zum Frühjahr 1942 rastlos bestrebt, den „Notwendigkeiten höherer Art" die adäquaten ökonomischen Reproduktionsmöglichkeiten zu verschaffen, und das Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware wandelte sich unter seiner Federführung zu einem wichtigen und verschwiegenen Instrument der ökonomischen Annexionsplanung. Nach heftigen Auseinandersetzungen in der Leitung des Instituts und im Kuratorium der „Gesellschaft für Konsumforschung" mußte er indessen kurz danach aus allen seinen Nürnberger Funktionen ausscheiden. Derart spektakuläre intellektuelle Brüche hatten die zwei anderen Wirtschaftsanalytiker, die die Führungsspitze der Reichsgruppe Industrie in den von Rudolf Stahl geleiteten „Kleinen Kreis" der ersten Planungsphase kooptieren sollte, nicht aufzuweisen, aber auch sie galten bei den Eingeweihten als erstklassige Fachleute. Günter Keiser agierte in einem wirtschaftspolitischen Spannungsfeld, dessen Vordenker seit der Jahreswende 1942/43 im Wechselspiel von vertraulichem Diskurs und fachöffentlicher Debatte begonnen hatten, sich in einer von der Expansions- und „Neuordnungspolitik" ihres Sektors abgetrennten Diskussionsnische mit den künftigen Nachkriegsproblemen auseinanderzusetzen. Den tragenden Rahmen dieser Banken- und Bankiersdebatte bildeten das Deutsche Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen, die Volkswirtschaftlichen Abteilungen der Großbanken, die von Keiser geleitete Statistische Abteilung der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe und die ebenfalls von ihm verantwortlich mitredigierte Fachzeitschrift „Bankwirtschaft", die 1943 aus einer Fusion der Periodika „Die Bank" und „Bank-Archiv" hervorging. In strikter Trennung vom Immobilismus der Reichsbank entwickelte sich hier ein eigenständiges Milieu der Nachkriegsorientierung. Robert Arzet von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Berliner Handels-Gesellschaft reflektierte die Nachkriegsprobleme der AngloAmerikaner.149 Ernst Wilhelm Schmidt, der Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank, lieferte deren Vorstandsmitgliedern laufend Orientierungshilfen, wobei er beispielsweise die Hoffnungen des Leiters der Reichsgruppe Banken Otto Christian Fischer auf eine wesentlich von der „freien Wirtschaft" getragene Nachkriegsperspektive mit der Überlegung konfrontierte, daß sich auf diese Weise der Primat von Vollbeschäftigung und entsprechender Investitionsmobilisierung kaum realisieren ließe.150 Leo Drescher, der Leiter des Bankinstituts, wies auf die Notwendigkeit hin, bei den anstehenden Überlegungen die Lehren aus der Demobilmachungs- und Übergangszeit des Ersten Weltkriegs zu beherzi148 BA/MA, RW 19 Anhang 1/1304, Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware, Die Wirtschaft des neuen deutschen Ostraums, Vorbericht: Markt- und Betriebsstruktur, Juli 1941; Schlußbericht über die wirtschaftliche, zumal industrielle Struktur und über die Markt- und Betriebsverhältnisse unter Hinzufügung des ermittelten Zahlenmaterials, April 1943. Vgl. auch die Korrespondenz über den Vorbericht vom Juli 1941 in: PA AA, R 112961. 149 Arzet, Robert, Die Hintergründe der anglo-amerikanischen Währungskontroverse. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 5, S. 85-88; Ders. Ausländische Sorgen um die Finanzierung des industriellen Investitionsbedarfs, ebenda, Nr. 13, S. 252-254. 150 BAP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 10882, Bl. 641 ff., EWS (= Emst Wilhelm Schmidt), Bemerkungen zu der Denkschrift „Der Wiederaufbau der Friedenswirtschaft", 7.1.1944; Bl. 640, Begleitbrief Schmidts an Oswald Rosier, 10.1.1944.

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gen.151 Als volkswirtschaftlicher Repräsentant der Dresdner Bank arbeitete Kurt Hunscha schon 1942 die Kontroversen auf, die sich die in den Arbeitsgemeinschaften der Akademie für Deutsches Recht versammelten Hochschullehrer bisher um die Problematik von Kriegsfinanzierung und anschließender Schuldenkonsolidierung geliefert hatten.152 In diesem randständigen und für das Jahr 1943 einmaligen Konzert profilierte sich der 41jährige Keiser als wortmächtiger Generalist. Wie Erhard hatte er zunächst die aggressive Expansionspolitik seiner Branche argumentativ und planend begleitet.153 Im Verlauf des Jahrs 1942 hatte er eigenständige Beiträge zum binnenwirtschaftlichen Zusammenhang von volkswirtschaftlichem Potential, maximal finanzierbarem Rüstungsaufwand und der sich daraus ergebenden Konsolidierungsproblematik beigesteuert.154 In der Zeit vom Juni bis August 1943 zog er dann in einer Artikelserie gegenüber der Fachöffentlichkeit eine Zwischenbilanz der bisherigen bankeninternen Nachkriegsdebatte, die in ihrer Weitsichtigkeit und Eigenwilligkeit weit über das dabei entfaltete Argumentationsspektrum hinausragte.155 Den Ausgangspunkt seiner Reflexionen bildete die Warnung, daß man den Krieg durchaus auch noch nach dem Krieg verlieren könne, weil sich durch den Wegfall der „Opferbereitschaft" der Bevölkerung die ökonomischen Probleme im Vergleich zur Kriegswirtschaft noch weiter potenzierten. Jedenfalls seien die durch ihren stürmischen Phasenverlauf geprägten sozialen und politischen Wirren nach dem ersten Weltkrieg ein Menetekel, dem durch umfangreiche staatliche Ausgleichsinitiativen vorgebeugt werden müsse. Am kritischsten aber wurde es Keiser zufolge erst, sobald die Übergangskonstellation in eine dauerhafte Friedensordnung umschlagen würde. Aufgrund der Erfahrungen, die international bei der Überwindung der Depression von 1929 bis 1932 gesammelt worden seien, müsse im Interesse des Überlebens des Wirtschaftssystems vom irreversibel gewordenen Vorrang der Vollbeschäftigung und eines krisenfreien Wachstums ausgegangen werden. Die Staatsintervention sei der Schlüssel zur Problemlösung. Erstens gestatte sie es, die privaten Investitionsschwankungen auszugleichen und die dafür erforderliche Kreditschöpfung durch 151 BAP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 10907, Bl. 88 ff., (Leo) Drescher, Die Lösung von Nachkriegsproblemen auf Grund der deutschen Erfahrungen nach dem ersten Weltkrieg, 16.4.1943. Die Annahme Brackmanns, es habe sich dabei um eine Ausarbeitung der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Deutschen Bank gehandelt, ist zu korrigieren. Vgl. Brackmann, S. 152. 152 Hunscha, Kurt, Kreditfinanzierung im Kriege und Verflüssigungsproblem, in: Bank-Archiv 42 (1942), Nr. 21, S. 405^109; Ders., Technik und Grenzen der Staatsverschuldung, ebenda, Nr. 22, S. 431—435; Ders., Von der „vorläufigen" zur „endgültigen" Kriegsfinanzierung, ebenda, Nr. 6, S. 115-117. 153 Vgl. die einschlägigen Aufsätze und Kommentare Keisers in den Jahrgängen 1940-1942 des von ihm herausgegebenen „Bank-Archivs". 154 Keiser, Günter, Volkseinkommen und Kriegsfinanzierung. In: Bank-Archiv 42 (1943), Nr. 4, S. 76-80; Ders., Die Problemstellung der Volkseinkommensberechnung, ebenda, Nr. 9, S. 171-173; Ders., Die Abtragung des Kaufkraftüberhangs, ebenda, Nr. 14, S. 273-275. 155 Vgl. zum folgenden Keiser, Günter, Die Hypothek des Krieges. Überlegungen zur Nachkriegswirtschaft I. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 5, S. 93-96; Ders., Die Beseitigung des Geldüberflusses. Überlegungen zur Nachkriegswirtschaft II, ebenda, Nr. 7, S. 145-148; Ders., Planung der Pläne. Überlegungen zur Nachkriegswirtschaft III, ebenda, Nr. 8, S. 165-167; Ders., Die Sicherung der Vollbeschäftigung. Überlegungen zur Nachkriegswirtschaft IV, ebenda, Nr. 10, S. 207-211.

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die höheren Steuereinkünfte des Wiederaufschwungs wieder zu tilgen. Stabilisiert werde das antizyklische Wachstum zweitens aber erst durch eine gleichgewichtige Harmonisierung von Produktions- und Verbrauchsgütersektor, um in Gestalt langlebiger Konsumgüter (Kraftfahrzeuge, elektrische Hausgeräte und Eigenheime) dauerhafte Masseneinkommen zu erzeugen. Da es jedoch sehr schwer sein werde, die entgegenstehenden europäischen Marktbegrenzungen und Einkommensstrukturen zu überwinden, sei drittens ein zusätzliches Staatsbudget mit einem gesicherten produktiven Einkommenskreislauf von 25 bis 30 Prozent der gesamten Wertschöpfung erforderlich. Erst durch dieses staatliche Sachkapitalbudget werde der volkswirtschaftliche Kreislauf endgültig funktionsfähig, weil er durch Wohlstandsinvestitionen, zentral gesteuerte Massenproduktion, Verbrauchslenkung und Einkommensumverteilungen den krisenhaften Investitionszyklus des Privatkapitals endgültig verstetige und auf leicht lösbare „Spitzenprobleme" reduziere. Was Keiser hier vortrug, war eine hinter Loyalitätsbekundungen an die NS-Diktatur versteckte Präsentation der Doktrinen der Neo-Keynesianer der Oxford-Schule, die zu dieser Zeit das Licht der Welt erblickten. Keiser wurde denn auch nicht müde, gegen die Unkenrufe der Neoliberalen Friedrich von Hayek, Wilhelm Röpke und Gustav Cassel vom Leder zu ziehen. Ihr „Kollektivismus"-Verdikt wies er zurück und betonte, daß die prominenten Neoliberalen den internationalen Bemühungen um eine gerechte Weltordnung mit ihrer Behauptung, Vollbeschäftigungsstrategien zerstörten die Demokratie, einen Bärendienst erwiesen. Er sah die „Gefahr" heraufziehen, „daß die selbstsüchtigen Interessen des USA-Unternehmertums im Bunde mit der wissenschaftlichen Romantik Röpkeschen Stils noch einmal den Ausschlag geben, wenn es gilt, das zerstörte Wirtschaftsgefüge unserer Welt... wieder aufzubauen." 156 Das waren erstaunliche Äußerungen, die da im führenden Fachorgan der deutschen Großbanken publiziert wurden. Irgendwelche Einflüsse auf das sich zeitgleich etablierende Spektrum der deutschen Nachkriegsplanungen ließen sich denn auch nicht nachweisen. Auch von den „europäischen" Rettungsversuchen der MWT-IG-Farben-Gruppe bzw. der bürgerlichen Opposition unterschieden sie sich durch ihren Rekurs auf einen von den Realbezügen weitgehend abstrahierenden wirtschaftstheoretischen Duktus, obwohl Keiser zur gleichen Zeit dem wesentlich von der Riedl-Schule getragenen Clearing- und Währungsausschuß des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" zuarbeitete. Gerade diese Eigenschaft machte die Keiserschen Vorschläge jetzt aber für das Führungsgremium der Reichsgruppe Industrie attraktiv, weil es ja ein zunächst unverbindliches Planspiel anstrebte, das bewußt jenseits seines derzeitigen wirtschaftspolitischen Kurses angesiedelt war. Stahl und der RGI-Hauptgeschäftsführer Karl Guth wußten gleichwohl, wen sie da ihrem Nachkriegs-Vordenker Erhard an die Seite stellten, auch wenn sie sich über die langfristigen Auswirkungen zunächst keineswegs im klaren waren. Es entstand ein Arbeitszusammenhang, der nicht nur zur Synthese aller wirtschaftlichen Nachkriegsplanungen beitragen sollte, sondern bis Ende der 1950er Jahre Bestand hatte. Keiser hat Erhard in allen Etappen seiner Nachkriegskarriere als Chefplaner begleitet157 und im Zusammenspiel mit 156 Keiser, Günter, Vollbeschäftigung und „Kollektivismus". In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 9, S. 167-171, ZitatS. 171. 157 Vgl. BÄK, Bestand Ζ 32 (Sonderstelle Geld und Kredit); Β 102 (Keiser als Leiter der Unterabtei-

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den übrigen Theoretikern der Nachkriegsplanung den öffentlich immer denunzierten keynesianischen Hintergrund von „sozialer Marktwirtschaft" und „Wirtschaftswunder" gestaltet. Der Dritte im Bunde war Ferdinand Grünig. Diesem Ökonomen ging die wendige Anpassungsfähigkeit Erhards genauso ab wie das programmatische Charisma Keisers. Albert Pietzsch hatte ihn nach seiner Ernennung zum Präsidenten der Reichswirtschaftskammer Ende 1935 mit der Leitung einer „Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung" beauftragt.158 Grünig hatte im Krieg Zeit, seine in der Auseinandersetzung mit der großen Depression erarbeitete quantitative Kreislaufanalyse theoretisch zu verfeinern und auf die immer dramatischeren Verwerfungen des volkswirtschaftlichen Potentials durch den kriegswirtschaftlichen Zyklus anzuwenden.159 Da es dabei keine direkt greifbaren Daten über die Entwicklung des Staatshaushalts, die wachsende Kluft zwischen Geld- und Güterseite sowie das wachsende Ungleichgewicht zwischen Produktionsmittel- und Konsumgütersektor mehr gab, gründete er seine Analysen auf die Berechnung der Nettoeinkommen, um von hier aus eine Analogiegröße zur tatsächlichen Entwicklung des Sozialprodukts in die Hand zu bekommen. Dieses Verfahren war den konkurrierenden Methoden des Statistischen Reichsamts und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung eindeutig überlegen, aber gerade wegen seiner Aussagekraft zunehmend unerwünscht. Dem in einer weitgehend entmachteten Teilstruktur der „wirtschaftlichen Selbstverwaltung" überwinternden Grünig blieb somit nichts anderes übrig, als sich mit seinem quantitativen Forschungsansatz zunehmend der Frage zuzuwenden, wie sich die der Katastrophe zusteuernde Entwicklung auf die Nachkriegsperspektive auswirken würde. Insofern war Grünig genau der ergänzende Systematiker, den die Reichsgruppe Industrie für die Konsolidierung ihres Planspiels mit Hilfe der zentralen volkswirtschaftlichen Grunddaten benötigte. Die Kooptation in den „Kleinen Kreis" Stahls blieb jedoch auf Gutachterhonorare begrenzt. Im Gegensatz zu Erhard, der auch persönlich mit dem Salär eines RGIAbteilungsleiters etatisiert wurde, und zu dem im Bankenkontext fest verankerten Keiser war Grünig deshalb gezwungen, sich im Interesse der Arbeitsplatzsicherung gleichzeitig bei allen anderen Institutionen anzudienen, die sich mit Nachkriegsplanungen beschäftigten. Aber auch Grünig winkte eine Nachkriegskarriere. Als Abteilungsleiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung war er in den fünfziger Jahren damit beschäftigt, den westdeutschen Nachkriegsaufschwung laufend zu bilanzieren.160

lung I A - Wirtschaftspolitische Grundsatzfragen und Marshallplan - im Bundeswirtschaftsministerium). 158 Vgl. die archivalische Hinterlassenschaft dieser Abteilung in: BÄK, R 11/2171-2174. 159 BÄK, R 11/2173, Ableitung der privaten Einkommen und der Bedarfsdeckung aus dem Wert der gesamten Erzeugung sowie dem Staatsverschuldungszuwachs 1936-1943, Volkswirtschaftliche Bilanz Deutschlands 1938-1943 (Graphiken); R 11/2174, Industriestatistiken der Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung 1943. 160 Siehe etwa: Grünig, Ferdinand, Quantitative Betrachtungen zur Wirtschaftslage in Westdeutschland. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Hrsg. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Jg. 1952 ff.

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Planungsentwürfe und Grundsatzdebatten Wenn Rudolf Stahl auf der ersten Kuratoriumssitzung der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie von der Notwendigkeit sprach, die Nachkriegsinteressen der Wirtschaft durch die rechtzeitige Gründung eigener Forschungseinrichtungen abzusichern, dann reflektierte er dabei vor allem die vehementen Debatten über Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung, deren extreme Positionsbezüge die industriellen Interessen gleichermaßen gefährdeten. Als Hauptexponent der „Optimisten" hatte Otto Donner zunächst behauptet, die Finanzierung des staatlichen Rüstungsbedarfs sei völlig problemlos, während die Grenzen der Staatsverschuldung letztlich nur durch das zur Verfügung stehende volkswirtschaftliche Potential unter Abzug des absoluten Existenzminimums der Bevölkerung gesetzt seien, und auch ihre kurzfristige Annullierung nach Kriegsende bereite keine Probleme, denn das Volk habe sich anders als beim privaten Kredit- und Gläubigerverhältnis ja an sich selbst verschuldet.161 Im Gegensatz dazu hatte der an der Wiener Hochschule für Welthandel lehrende Robert Noll von der Nahmer als bekanntester Repräsentant der „Pessimisten" eine sofortige Stabilisierung des Staatshaushalts gefordert, wobei nun auch die Sachwertbesitzer aus Gerechtigkeit denen gegenüber, die nur über ihre Arbeitskraft verfügten, herangezogen werden und alle in den Preisen für Rüstungsgüter versteckten Abschreibungs- und Rückstellungsbeträge an den Fiskus abführen müßten.162 Aus der Sicht industrieller Interessen stritten hier Teufel und Beelzebub miteinander, denn im einen Fall wurde ihr gesamtes Wirtschaftspotential für Rüstungszwecke eingefordert, während sie im anderen auf alle vorbereitenden Maßnahmen für einen selbstfinanzierten Nachkriegsaufschwung verzichten sollten. Entsprechend suchte die Reichsgruppe Industrie nach gutachtlich untermauerten Gegenargumenten. Erhalten geblieben ist eine Ausarbeitung des Wirtschaftswissenschaftlers Ernst Walb vom Mörz 1943 „über die Frage der Abschreibung und Kriegsfinanzierung."163 Der Kölner Ordinarius zog gegen Noll von der Nahmer vom Leder und bezichtigte ihn des Rückfalls „in die Zeit des Klassenkampfs", vermochte aber dessen Argument, die Rückstellungsbeträge der Rüstungsunternehmen seien genauso fiktive Einkommen wie die auf den Sparkassen und Banken deponierte, nicht realisierbare Kaufkraft der Kleinsparer, letztlich nicht zu entkräften. Mit Propagandapamphleten war dem Großkapital jedoch seit dem Übergang zum „totalen Krieg" und zur strategischen Defensive nicht mehr gedient. Es benötigte wirtschaftstheoretisch untermauerte Legitimationsstützen. Hier sollte nun Erhards Institut für Industrieforschung eine erste Hilfestellung bieten, und tatsächlich wurde seine Denkschrift über „Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung" zum Ausgangspunkt der Planungsarbeiten des „Stahl-Kreises".

161 Donner, Otto, Die Grenzen der Staatsverschuldung. In: Weltwirtschaftliches Archiv 56 (1942 II), S. 183-226. Ein Jahr später argumentierte er weitaus vorsichtiger, ohne sich jedoch von dem Legitimationsansatz von 1942 zu distanzieren: Donner, Otto, Staatsform und Staatsverschuldung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 1, S. 1-5. 162 Noll v. d. Nahmer, Robert, Abschreibungen im Kriege - eine volkswirtschaftliche Unmöglichkeit. In: Die Deutsche Volkswirtschaft 10 (1941), Nr. 34, S. 1379-1380; Ders., Zur Diskussion um die Abschreibungen im Kriege, ebenda, 11 (1942), Nr. 5, S. 175-182. 163 BÄK, R 11/2171, Bl. 359-384.

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In der umfangreichen Denkschrift, die Erhard im März 1944 vorlegte, waren Donner und Noll von der Nahmer die einzigen Autoren, auf die er sich namentlich bezog.164 Im ersten Teil (Bl. 1 - 56) resümierte Erhard die grundsätzlichen Charakteristika und die deutschen Techniken der Kriegsfinanzierung. Dabei handle es sich um die reale Übertragung von Kaufkraftbeträgen des Volkseinkommens, die im Rüstungskonsum vernichtet würden. Der deutschen Methode stellte er dabei ein überaus positives Zeugnis aus. Da sie unsichtbar vorgehe, sei eine erstaunlich weitreichende Senkung der real verfügbaren Einkommen erfolgt, ohne den Betroffenen bewußt zu werden. Volkswirtschaftlich sei es belanglos, wann und inwieweit ein solcher Bewußtwerdungsprozeß darüber einsetze, wie weitgehend von den privaten Haushalten Kaufkraft nicht verausgabt und von den Rüstungsunternehmen nicht gedeckte Kaufkraft in Form von Löhnen und Profiten erzeugt werde. Allerdings seien entsprechende Wertberichtigungen an den den Verbrauchern und Erzeugern entzogenen Einkommen unabdingbare Voraussetzungen für jede wie auch immer geartete Wiederaufbauperspektive nach dem Krieg. Mit dieser erstaunlich affirmativen Tatsachenbeschreibung kontrastierte der zweite, dem Problem der Schuldenkonsolidierung gewidmete Hauptteil, der im ersten Drittel der Auseinandersetzung mit den von Erhard diagnostizierten „Scheinlösungen" der bisherigen Konsolidierungsdebatte gewidmet war (Bl. 57 - 138). Alle dabei bislang entwickelten Varianten, nämlich Schuldenannullierung, Vermögensabgabe, neoliberale Deregulierung und dosierte Inflation, lehnte Erhard ab, weil sie in unterschiedlichem Ausmaß das Ziel, nämlich die möglichst reibungslose und zugleich sozialverträgliche Reorganisation und Effektivierung des ökonomischen Nachkriegspotentials, gefährdeten. Den Vorschlag Donners zur kurzfristigen und pauschalen Kraftloserklärung aller Kriegsschulden fand er bestechend, jedoch unrealistisch. Um das Schuldenvolumen zu erfassen und zu legalisieren, sei eine längere Zeitspanne vonnöten, und außerdem gefährde er mit seinen sozial nivellierenden Ungerechtigkeiten und psychologischen Unzumutbarkeiten die Überlebensperspektive des Systems. Auch der Option, einen Teil der Staatsschuld durch begrenzte Preissteigerungen zu beseitigen, vermochte Erhard letztlich nichts abzugewinnen, denn es seien schon jetzt Inflationstendenzen in Gang gekommen, und deshalb würde sich die bisher so erfolgreiche Marginalisierung der Schwarzmärkte aufgrund der sinkenden Preisdisziplin nach Kriegsende nur dann durchhalten lassen, wenn bis zur definitiven Schuldenkonsolidierung am Preisstopp- und Rationierungssystem rigoros festgehalten werde. Aber auch das neoliberale Hoffen auf den Automatismus von Hochzins- und Niedrigpreispolitik fand bei Erhard keine Gnade. Ohne die Arbeitsgemeinschaft Beckerath-Lampe direkt zu referieren, attestierte er ihr, daß jeder Versuch, den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft mit rein privatwirtschaftlichen Methoden lösen zu wollen, noch extremer als zu Zeiten der großen Depression die Weiterexistenz der Gesellschaftsformation aufs Spiel setze. Als Hauptgegner identifizierte Erhard jedoch die Protagonisten einer Abgabe von Kapitalvermögen der unterschiedlichsten Art. Sie bildeten zwar keine geschlossene Front, und es sei ratsam, streng zwischen den rein finanzwirtschaftlich Engagierten und denjenigen zu unter164 Erhard, Ludwig, Leiter des Instituts für Industrieforschung Berlin-Nürnberg, Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung, März 1944, Bl. 6 0 , 1 7 0 ff. Im folgenden zitiert nach einer Kopie, die sich in der Bibliothek der HSG befindet.

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scheiden, die die Problemstellung mit Aspirationen auf eine grundlegende Sozialreform oder gar eine „Revolutionierung der Sozialordnung" verknüpften. Der Fronde der Finanztheoretiker sei entgegenzuhalten, daß jede Mobilisierung von Sachvermögen, die beispielsweise mit Hilfe hypothekarischer Deckungen über die Abschöpfung laufender Vermögenseinkommen hinausgehe, die sozioökonomischen Herrschaftsfundamente eines jeden Neuanfangs untergraben würde. Weitaus komplizierter sei dagegen die Auseinandersetzung mit den Sozialpolitikern, denn Noll von der Nahmer habe Recht mit seiner Behauptung, daß auch die stillen Untemehmensrücklagen und die offen ausgewiesenen Betriebserneuerungs- bzw. Warenbeschaffungsguthaben güterseitig ungedeckt und somit fiktiv seien.165 Jedoch müsse der Wiener Gelehrte dann auch den Beweis antreten, warum kleine Sparguthaben volkswirtschaftlich wichtiger seien als die Option auf Instandsetzungs- und Erneuerungsinvestitionen beim Übergang zur Friedenswirtschaft. Einer Radikallösung aber, die ganze Schichten expropriiere, sei eine Vorgehensweise vorzuziehen, die die Wiedergutmachungsfrage individuell ausdifferenziere. Denn alles, was die Sozialisierung im Namen gesellschaftlicher Gerechtigkeit erstrebe, könne auch über den Staat erreicht werden. Der Staat müsse den Gläubigern gegenüber zur „Schuldanerkennung" bereit sein, ihnen reinen Wein einschenken und ihren formalen Anspruch auf Sachgüter in eine „Nominalforderung" umwandeln. Dadurch würden zugleich die Voraussetzungen für einen vorrangigen Ersatz zerstörten Realeigentums geschaffen, während die abgeschöpfte Kaufkraft nur geringfügig zu verzinsen und zu amortisieren sei. Das war Erhards indirekte Antwort an jene Strömungen innerhalb der bürgerlichen Opposition, die sich für eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien aussprachen. Aus der ihm offensichtlich besonders ans Herz gelegten argumentativen Abwehr aller Ansprüche auf den Sachvermögensbestand entwickelte Erhard sodann seinen Handlungsentwurf für eine „reale Lösung" des Konsolidierungsproblems (Bl. 139 - 259). Dabei sei so vorzugehen, daß das rohe kriegswirtschaftliche Verfahren der vorläufigen Kaufkraftabschöpfung durch eine sinnvolle und sozialverträgliche endgültige Lastenverteilung abgelöst werde. Um ein „Durchbrechen" der Dämme zu verhüten, müsse der Staat in die Rolle des Alleinschuldners schlüpfen und alle Realansprüche an das Sozialprodukt in nominelle Kapitalforderungen umwandeln. Finanzwirtschaftlich sei dabei ein Doppelschritt erforderlich, nämlich die Umwandlung des gehorteten Notengelds in eine staatliche „Schuldsumme", wodurch sich der Notenumlauf von etwa 35 Milliarden auf das geschätzte Nachkriegsoptimum von etwa zwei bis vier Milliarden Reichsmark reduzieren ließe, und parallel dazu die ebenso rigorose Festlegung des gesamten bei den Sparkassen und Banken angelegten Buchgelds. Daran müsse sich eine lückenlose Registrierung des gesamten fiktiven Kaufkraftvolumens anschließen. Im nächsten Schritt sei dann die überschüssige Kaufkraft durch die Ausgabe staatlicher Schuldtitel festzulegen, und zwar unterschiedlich klassifiziert je nach der Herkunft des Gläubigeranspruchs. Auf diese Weise gerieten zunächst die Sparkassen und Banken aus der Schußlinie ihrer Gläubiger, denn diese seien nun nicht mehr in der Lage, mit Verweis auf den marktwirtschaftlichen Charakter der fiktiven Guthaben ihre „enttäuschten Hoffnungen" gegen die Kreditinstitute zu richten. Überhaupt seien erhebliche antikapitalistische „Ressentiments" zu erwarten. Wenn man jedoch bei der Stillegungsaktion zunächst die gesamten liquiden Unternehmensgelder miter165 Ebenda, Bl. 170 f.

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fasse, verlören auch sie ihre Angriffsfläche, und gleichzeitig sei dies auch eine erste Chance, um die während des Kriegs gegenüber der Rüstungsindustrie besonders benachteiligten strukturellen Verlierer aus Fertigwarenindustrie und Handel zu entschädigen, indem beispielsweise deren aufgelaufene Betriebserneuerungsguthaben zuerst wieder freigegeben würden. Alles in allem sei nur noch der Staat in der Lage, die Wirtschaftsverfassung zu retten und eine der volkswirtschaftlichen Rekonstruktionsperspektive angemessene Rangordnung der Entschädigungsleistungen durchzusetzen. Im letzten Abschnitt seines Gutachtens griff Erhard weit über den vorgegebenen finanzwirtschaftlichen Rahmen hinaus und entwarf ein umfassendes Aktionsprogramm (Bl. 211 ff.). Dabei separierte er drei Etappen, nämlich Demobilmachung, Konsolidierung und Wiederaufbau. Die Demobilmachungsphase sollte noch vollständig nach der kriegswirtschaftlichen Methode finanziert werden und die letzten noch vorhandenen volkswirtschaftlichen Reserven aufbrauchen, um die sektoralen Disproportionen der voraufgegangenen Ära zu beseitigen, die zurückkehrenden Soldaten auf Kosten der Zwangsarbeiter in die reorganisierte Produktionsstruktur einzuschleusen und die ersten Schritte zur Wiederbelebung des Handels einzuleiten. Sobald wieder ein akzeptables Sozialprodukt in Sicht war, sollte die finanzwirtschaftliche Konsolidierung in Angriff genommen werden, wobei, wie Erhard an anderer Stelle bemerkte, 166 eine im Gang befindliche Untersuchung Karl Albrechts die außenwirtschaftlichen Aspekte entsprechend beleuchten werde. Die anschließende Wiederaufbauphase sah Erhard am kritischsten, weil die Unternehmer nun durchstarten müßten, ohne wie noch in der Demobilmachungsperiode über ausreichende Betriebsmittel zu verfügen. Zwar würde ihnen der Staat vor allem durch die bevorzugte Freigabe ihrer zuvor konfiszierten Betriebsguthaben einmalig unter die Arme greifen. Aber letzten Endes seien sie jetzt auf sich allein angewiesen, denn nur wenn ein selbsttragender Aufschwung ohne ständige Staatsintervention in Gang komme, vermöchten sie eine autonom gestaltete Nachkriegsperspektive zu behaupten. Dies aber würde ihnen nur gelingen, wenn sie alle Ressourcen auf die Konsumgüterindustrie konzentrierten, weil nur dadurch eine unmittelbar greifende und sich selbst reproduzierende Mobilisierung kaufkräftiger Nachfrage gesichert sei. Erhard verwies dabei direkt auf seine Arbeiten aus der Zeit vor 1933. Jetzt hätte die Wirtschaft die einmalige und wohl auch letzte Chance, ihre falschen Antworten auf die Krise von 1929 bis 1932 zu korrigieren und sich vor einer neuerlichen „Bevormundung" durch den Staat zu schützen. Die Ära, in der das Privatkapital sich mit seinen kurzfristigen Eigeninteressen habe begnügen können, gehöre unwiderruflich der Vergangenheit an. Es müsse sich mit der Reichsgruppe Industrie als „organisierte(r) Spitze" zu einer „geschlossene(n) Phalanx zweckvollen Handelns" zusammenschließen 167 und dabei von den fruchtlosen Debatten um die „Wirtschaftsordnung" fernhalten, über die die Entwicklung längst hinweggegangen sei. Das Gebot der Stunde sei eine zu gemeinsamem Handeln befähigte freie Wirtschaft, die endlich zu einer Synthese mit den übergeordneten wirtschaftspolitischen Regulierungsfunktionen des Staats finde. Nur wenn die Wirtschaft „dieser Forderung in schicksalsschwerer Stunde gerecht" werde, dann habe sie „die Bewährung bestanden". 168 166 Ebenda, Bl. 207. 167 Ebenda, Bl. 252. 168 Ebenda, Bl. 264 b.

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Grünig war der erste, der sich zu diesem außergewöhnlichen Traktat äußerte. Er schrieb am 2. Mai 1944 an Stahl,169 er halte es für prinzipiell richtig, wenn sich Erhard mit seinen Vorschlägen zur Schuldenkonsolidierung ganz auf die vorrangig wiederherzustellende volkswirtschaftliche Leistung konzentriert habe. Es sei aber inakzeptabel, die Staatsschulden insgesamt einzufrieren und zu extrem niedrig verzinsten „Forderungen zweiten Grades" zu degradieren, weil dadurch eine gefährliche Lücke bei der definitiven Kaufkraftstillegung entstehe. Ihm schien es sinnvoller, die Gläubigerforderungen durch eine dosierte Preiserhöhung und eine zusätzliche Vermögensabgabe bei Kriegsende teilweise „zum Verschwinden zu bringen", um dann den verbleibenden Rest in ein dreiprozentig verzinstes und zu zwei Prozent zu tilgendes „nationales Sparguthaben" zu verwandeln - ein Vorschlag, den Grünig schon in seiner kreislauftheoretischen Studie von 1933 ausgearbeitet hatte und Stahl in Abschrift beilegte. Außerdem hielt Grünig die von Erhard zugrundegelegten Schätzziffern des Volkseinkommens für unzureichend. Ein Staatshaushalt in Höhe von nur 20 Milliarden Reichsmark sei undenkbar. Werde er aber nicht in realistisch ausgleichbaren Größen vorausberechnet, dann hänge das gesamte Konsolidierungsprogramm in der Luft. Grünig hat diese erste Stellungnahme in einer Ende Juni eingereichten Denkschrift über „Vorbereitende Arbeiten für die wirtschaftliche Demobilmachung und für die Ordnung der Friedenswirtschaft" ausführlich untermauert und ergänzt. Neu war ein Abschnitt über die außenwirtschaftlichen Aspekte der zu erstellenden volkswirtschaftlichen Bilanz, und zusätzlich wies der Verfasser auf die dringliche Beschaffung und Standardisierung der erforderlichen statistischen Unterlagen hin.170 Mit diesem Alternativvorschlag legte Grünig zweifellos entscheidende Schwächen des Erhard-Memorandums bloß, und erst auf der Grundlage seines volkswirtschaftlichen Bilanzierungsmodells konsolidierte sich der Gesamtrahmen für eine Systematisierung der Planungsarbeiten des „Stahl-Kreises". Den besonderen Qualitäten der Ausarbeitung wurde er jedoch nicht gerecht. Indem er sich von allen bisher diskutierten Varianten von Schuldenkonsolidierung und Nachkriegsplanung einschließlich des Diskurses der Freiburger Neoliberalen, der bürgerlichen Opposition und der Ideologen der „Wirtschaftsordnung" im Reichswirtschaftsministerium abgrenzte, hatte Erhard den Weg der Reichsgruppe Industrie zu einer eigenständigen Variante überhaupt erst freigemacht. Sein Vorschlag, die Wirtschaft in toto aus den finanzwirtschaftlichen Verstrickungen des Kriegs zu lösen und die gesamten Folgekosten dem Staat als Gesamtschuldner aufzuhalsen, war entscheidend für die Überlebensperspektive des Gesamtkapitals. Drei Tage später trafen sich Stahl, Erhard und Grünig zu einer Aussprache über die Erhard-Denkschrift und das weitere Vorgehen bei den vorbereitenden Arbeiten für die Umstellung auf friedenswirtschaftliche Verhältnisse.171 Hinsichtlich des ersten Punkts scheint Stahl dabei im großen ganzen der Stellungnahme Grünigs beigepflichtet, jedoch zugleich 169 BÄK, R 11/2171, Bl. 389 ff., Grünig an Stahl, 2.5.1944. 170 Ebenda, Bl. 452 ff., Ferdinand Grünig, Vorbereitende Arbeiten für die wirtschaftliche Demobilmachung und für die Ordnung der Friedenswirtschaft, 1. Entwurf, 29.6.1944; Bl. 437, Grünig an Pietzsch, 29.6.1944. 171 Ebenda, Bl. 386-388, AN Grünigs über die Besprechung Erhards u. Grünigs bei Stahl am 5.5. 1944.

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eine Grundsatzdiskussion blockiert zu haben und zunächst nur an einer Alternative zu Erhards finanzwirtschaftlichen Konsolidierungsvorschlägen interessiert gewesen zu sein. Die Diskutanten einigten sich auf eine Geld- und Vermögensabgabe in Höhe von 20 Prozent aller Geld- und Sachwerte, die in Schuldtitel des Reichs transferiert und die Schuldensumme um 200 Milliarden Reichsmark verringern sollten. Als zusätzliche Maßnahme hießen sie eine Preissteigerung um etwa 50 Prozent für gut, denn dadurch kam ein weiteres Drittel der Staatsschulden in Wegfall, so daß von der jetzt auf 500 Milliarden hochgerechneten Schuldensumme insgesamt nur noch 200 Milliarden Reichsmark übrigblieben. Durch diese Modifikationen im finanzwirtschaftlichen Bereich blieb Erhards strategisches Gesamtkonzept zwar letztlich unangetastet, es sollten aber auch zusätzliche Schritte unternommen werden, um Einzelfragen zu klären und es langfristig mit Hilfe des volkswirtschaftlichen Bilanzierungsansatzes von Grünig zu untermauern. Erhard selbst wurde „gebeten, seinen Bericht nochmals zu überholen und einen Auszug für eilige Leser zu fertigen." Zusätzlich sollte Keiser zusammen mit dem Sachbearbeiter der Reichsgruppe Banken eine Untersuchung über die Zusammensetzung der riesigen Geldvermögensbildung beisteuern und dabei die Gläubigeransprüche der Industrie an den Staat besonders herausarbeiten. Schließlich wurde Grünig mit einer Analyse der Anlagekapazitäten der einzelnen Wirtschaftssektoren als Bemessungsgrundlage für ihre materiellen Nachkriegsmöglichkeiten beauftragt. Dabei sollte er „Wirtschaftsgruppe um Wirtschaftsgruppe in mündlicher Verhandlung um die entsprechenden Auskünfte" bitten,172 während parallel dazu Erhards Institut für Industrieforschung repräsentative Industriebilanzen durchzuarbeiten gedachte, um die Frage „seinerseits ... ihrer Lösung ein Stück näher zu bringen". Die nächste Zusammenkunft sollte Anfang Juni stattfinden. Wir wissen nicht, ob und wann Keiser die Ergebnisse der ihm vom Vorläufer des „Kleinen Arbeitskreises" Stahls übertragenen Sonderuntersuchung eingereicht hat. Selbst wenn dies geschehen sein sollte, dann wurde die Expertise auf jeden Fall durch eine grundsätzliche Stellungnahme zur Erhard-Denkschrift überschattet, die Keiser unter Mitarbeit des inzwischen in seine Statistische Abteilung übergewechselten Otto Pfleiderer offensichtlich noch im Mai 1944 vorlegte. Im Gegensatz zu Grünig, der letztlich den gesamten Ansatz Erhards um 180 Grad zugunsten seines eigenen volkswirtschaftlichen Bilanzierungsmodells gewendet wissen wollte, ging Keiser ebenfalls von der „Beseitigung des Geldüberschusses nach dem Krieg" als einem Schlüsselproblem aus, dessen grundsätzliche Lösung erst den Weg zu einem gesamtwirtschaftlichen Neuanfang eröffne. 173 Erhard wolle nun den gesamten während des Kriegs aufgelaufenen Geldkapitalbesitz stillegen und zusätzlich die aus der Vorkriegszeit stammende Liquidität Verwertungsbeschränkungen unterwerfen. Das habe zur Folge, daß fast die gesamte Geldseite der Volkswirtschaft staatlich-zentral reglementiert werden müsse, und dies würde wiederum, da nun einmal das Geld über eine besondere natürliche Mobilität verfüge, zu nicht minder einschneidenden Bewirtschaftungsmaßnahmen zwingen als bei der Rationierung des Konsumgüterbedarfs.

172 Ebenda, Bl. 388. Das folgende Zitat ebenda. 173 BÄK, R 7/2316, Günter Keiser, Die Beseitigung des Geldüberschusses nach dem Kriege, o. D., 18 Bl.

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Für keine der beiden Bewirtschaftungsvarianten würden aber nach dem Krieg noch die psychologischen Voraussetzungen vorhanden sein. Vielmehr würde die Bereitschaft der breiten Massen zu Disziplin und weiterem Konsumverzicht weitgehend entfallen. Deshalb müsse nach einer Lösung gesucht werden, „die nicht nur den materiellen, sondern auch den psychologischen Gegebenheiten der Nachkriegszeit" entspreche. 174 Gewaltsame Zwangseingriffe müßten auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Gefragt sei ein durchdachter wirtschaftpolitischer Mittelweg zwischen totaler Liberalisierung und rigoroser Bewirtschaftung, der „das Problem elastisch durch ein ganzes System von Maßnahmen sowohl finanz-, geldund zinspolitischer wie güterwirtschaftlicher Natur sozusagen von allen Seiten anpackt." Daraufhin präsentierte Keiser eine aktualisierte und in vielem verfeinerte Variante seiner Nachkriegsreflexionen aus dem Voqahr. Zum Ausgangspunkt seiner Alternativvorschläge machte er die Überlegung, daß von der Gesamtsumme der überschüssigen Geldkapitalbildung nur der „labile", kurzfristig angelegte Teil gefährlich werden könne, weil er nach einer sofortigen gütermäßigen Realisierung dränge. Gerade diese Proportion werde aber überschätzt. Betrachte man sie lediglich als ein Ergebnis verlängerter Verbrauchsperioden und Verbrauchsverzichte, dann könne sie wirtschaftspolitisch derart manipuliert werden, daß sie als dynamisches Element ein ausgesprochenes „Aktivum für die Nachkriegszeit" darstelle.175 Ohne auf eine riskante Kreditausweitung zurückgreifen zu müssen, könne die schwebende Kaufkraft nämlich dazu genutzt werden, „rein auf der Grundlage dringlicher privater Verbrauchs- und Investitionswünsche" eine Vollbeschäftigungspolitik einzuleiten, statt auf künstliche Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zurückgreifen zu müssen. Letztlich ging es Keiser also darum, im Gegensatz zu Erhard, der den nachfragestimulierenden Wiederaufschwung erst nach einem radikalen, ganz auf die privatwirtschaftliche Machterhaltung orientierten Bruch mit den kriegswirtschaftlichen Hypotheken starten wollte, den in den Vorkriegs- und Kriegsjahren akkumulierten Konsumstau unmittelbar als Hebel für einen vollbeschäftigungsorientierten Wiederaufbauzyklus zu nutzen. Allerdings mußten auch in diesem Modell die Kaufkraftansprüche auf ein Maß zurückgestutzt werden, das dem erheblich reduzierten Verbrauchsgütervolumen der Nachkriegszeit entsprach. Um dies ohne große Friktionen zu gewährleisten, schlug Keiser im zweiten Hauptabschnitt seines Gegengutachtens ein ganzes Maßnahmenbündel vor. 176 Dabei sollten finanzund geldwirtschaftliche Operationen den Aktionsschwerpunkt bilden. Kombinierte man alle diese Operationen mit einer entschiedenen Niedrigzinspolitik und reduzierte man zusätzlich den freien Notenumlauf durch einen paritätischen Umtausch in neue Geldnoten, dann waren Keiser zufolge weitergehende Interventionen gegen das dann noch vorhandene Geldvolumen unnötig. Es konnte vielmehr unter der Vorbedingung, daß die Bewirtschaftungsmaßnahmen und der Preisstopp bis zum Durchgreifen der finanz- und geldwirtschaftlichen Manipulationen beibehalten und zuerst im dringlichsten Verbrauchsgüterbereich gelockert würden, zur Nachfragemobilisierung genutzt werden. Dabei gebührte der raschen Intensivierung der Verbrauchsgütererzeugung der Vorrang, und zwar unter bewußtem Verzicht auf Ausbauinvestitionen in der ersten Rekonstruktionsphase. Das Hauptge174 Ebenda, Bl. 2. 175 Ebenda, Bl. 3. 176 Ebenda, Bl. 5 ff.

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wicht war dabei auf die Erzeugung langlebiger Konsumgüter zu legen, um die noch vagabundierenden Kaufkraftpotentiale analog zum Volkswagen-Sparsystem in echte Sparkapitalien umzuwandeln. Alles in allem schwebte Keiser ein elastisches System vor, das abrupte „Gewaltmaßnahmen" weitgehend vermied und „die gestellte Aufgabe gleichzeitig von allen Seiten in Angriff' nahm.177 Es sei dann möglich, den Kaufkraftüberhang „in einem durchaus erträglichen Zeitraum abzutragen und damit der Gesamtwirtschaft wieder normale Arbeitsund Entwicklungsbedingungen zu sichern." Auf Keisers Gegenvotum folgte ebenfalls Ende Mai eine weitere Denkschrift, die, wie Erhard schon in seinem Grundsatzmemorandum angekündigt hatte, die außenwirtschaftlichen Aspekte des Konsolidierungsproblems in ihren grundsätzlichen Zusammenhängen beleuchtete. Ihr Verfasser war Karl Albrecht, der Leiter der Abteilung Außenwirtschaft der Reichsgruppe Industrie und starke Mann des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen". Er betonte einleitend, über die Außenwirtschaft der Nachkriegszeit ließen sich wegen ihrer besonderen Nähe zu „politischen und Grenzziehungsfragen" nur grundsätzliche Vorannahmen machen.178 Diese allerdings seien bedeutsam genug. Erstens müsse im Ergebnis der kriegswirtschaftlichen Strukturverschiebungen bei allen unmittelbar oder mittelbar kriegführenden Ländern von enorm vergrößerten Produktionskapazitäten ausgegangen werden, weshalb die Vollbeschäftigungsfrage im Anschluß an eine kurzfristige Übergangskonjunktur zur Deckung des Instandsetzungs- und Nachholbedarfs als dringlichstes Traktandum akut werde. In diesem Zusammenhang müsse zweitens die Exportperspektive gesehen werden. Vollbeschäftigung sei nur bei langfristiger Exportexpansion zu sichern, und deshalb müßten drittens die zusätzlich nötigen öffentlichen Nachfrageinstrumente unter Abstimmung mit den gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtserfordernissen zu einem erheblichen Teil auch den Investitionen für den Produktionsmittelsektor zugutekommen. Da aber wahrscheinlich alle Volkswirtschaften auf eine Synthese von Vollbeschäftigungspolitik und Exportexpansion zusteuerten, trete automatisch „die Frage der Konkurrenzfähigkeit in den Vordergrund des Interesses", fuhr Albrecht fort. Im übrigen war Albrecht in dieser ersten Reflexionsperiode noch davon überzeugt, daß die „Bildung von Großräumen durch Zusammenfassung nationaler Wirtschaften und sich ergänzender Wirtschaftsstruktur" als dominierendes Strukturmoment bestehen bleibe und insofern die „Feststellung der möglichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den so zu bildenden Großräumen" eine nachgeordnete Aufgabe darstelle. Mit diesen Denkschriften und Stellungnahmen gewann der „Kleine Kreis" Rudolf Stahls allmählich Konturen, und mit Ausnahme Stahls hatten alle Teilnehmer substantielle Beiträge für das Nachkriegsplanspiel im Arkanbereich der Reichsgruppe Industrie geleistet. Die Gesamtregie wurde dabei trotz der teilweise massiven Kritik an seinem Grundsatzmemorandum Erhard zugeschlagen, dessen Institut für Industrieforschung nun zum unangefochtenen Koordinationszentrum aufstieg. Unter Erhards Supervision wurden seither die weiterführenden Arbeitsvorlagen und Konzeptpapiere verfaßt. Sonderarbeitskreise konstituierten sich im Rahmen des Instituts, um die dort angesammelten und aufbereiteten Informationen der 177 Ebenda, Bl. 18. Das folgende Zitat ebenda. 178 BÄK, R 121/231, AN Albrechts, Betr. Nachkriegsfragen der Außenwirtschaft, 23.5.1944. Das folgende Zitat ebenda.

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Reichsgruppe Industrie auszuwerten und in die Debatten einzubringen. Referenten und Abteilungsleiter der Berliner Zentrale und ihrer regionalen Verlagerungsstellen, die sich an den Planungen beteiligen wollten, wurden ab jetzt von der RGI-Führung an Erhards Institut weiterverwiesen und von dort aus finanziert. Zu ihnen gehörte Paul Binder, der Leiter der Abteilung Geld- und Finanzwirtschaft (VI), den Erhard im Mai 1944 entsprechend über seine Koordinationsfunktion belehrte,179 aber auch der Leiter der RGI-Nachrichtenstelle Fritz Laukisch, der seit März 1944 im Rahmen des Albrechtschen Außenwirtschaftsprojekts an einer Spezialuntersuchung über die Kapazitäten des Landmaschinenbaus arbeitete und im Gegenzug den Nachkriegsbedarf der deutschen und südosteuropäischen landwirtschaftlichen Klein- und Mittelbetriebe an Mehrzweck- und Haushaltgeräten hochrechnete.180 Indessen blieb aus dem umfangreichen Themenspektrum des „Stahl-Kreises" ein Problemkomplex zunächst ausgeklammert, weil er von den aktuellen machtpolitischen Konstellationen nicht abgetrennt werden konnte: Die Arbeiter- und Sozialpolitik. Ihre Einbeziehung in die Aufgaben des Expertengremiums hätte nicht nur dessen Kompetenzen überfordert, sondern überhaupt den informellen und vorerst von allen Entscheidungskonstellationen abstrahierenden Planungsrahmen gesprengt. Mit diesem Minenfeld der Nachkriegsperspektive befaßte sich die Führungsgruppe der Reichsgruppe Industrie in der ersten Phase der strategischen Defensive deshalb ausschließlich innerhalb jener Gremien, die in die laufenden sozialpolitischen Aktivitäten involviert waren. Im Verlauf des April 1944 dämmerte es einigen Mitarbeitern der RGI-Führung, wie groß die Kluft zwischen dem mehr oder weniger passiv fortgeschriebenen sozialpolitischen Kurs und den inzwischen im makroökonomischen Bereich vorliegenden strategischen Nachkriegsoptionen geworden war. Den verängstigten französischen Industriellenkollegen könne man bei den geplanten Gesprächsrunden schon deshalb nicht mit einem fertig entwickelten Konzept gegenübertreten, weil man selbst über keine Klarheit bezüglich der sozialpolitischen Nachkriegsperspektiven mehr verfüge, schrieb Albrecht am 26. April an Guth.181 Auch in anderen Kernbereichen der Arbeiter- und Sozialpolitik schwand die „Fürsorgepflicht der Betriebsführer" zunehmend zu einer Randgröße. Diese Selbstwahrnehmung werde von den meisten Unternehmern geteilt, stellte der Engere Beirat der Reichsgruppe Industrie am 10. Mai im Anschluß an ein Überblicksreferat von Wilhelm Meinberg, dem Leiter des Sozialversicherungsausschusses der Reichsgruppe, fest.182 Das aber schien um so unerfreulicher, als gerade jetzt viele Unternehmer „angesichts der weitreichenden Liquidität" der Betriebe „ihr soziales Herz auf Kosten der Steuerzahler" entdeckten,183 ohne jedoch dadurch einen beherrschenden Einfluß auf die Arbeitsverhältnisse zurückzugewinnen. Aus dieser Einsicht entstand dann der konzeptionelle Ansatz für einen grundlegenden Kurswechsel. Die unternehmerische „Gefolgschaftsführung" sollte wieder mit aller Macht in den Vordergrund gerückt werden, und Zangen verkündete, er wolle ab sofort mit den Aus179 180 181 182

Erhard an Binder, Mai 1944, zit. nach Laitenberger, S. 36. BÄK, R 121/26, Fritz Laukisch an Friedrich Olk, 25.3.1944. BÄK, R 121/250. BÄK, R 12 1/225, Bericht über die Sitzung des Engeren Beirats der Reichsgruppe Industrie am 10.5.1944, AN Lohmanns v. 8.6.1944. 183 Ebenda, Schlußbeitrag Zangens.

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schußvorsitzenden aller arbeiter- und sozialpolitisch involvierten Gremien zu regelmäßigen Besprechungen zusammentreffen. Die Mai-Tagung des Engeren Beirats der Reichsgruppe Industrie war die Geburtsstunde des von Zangen geleiteten Arbeitskreises für Sozialwirtschaftliche Nachkriegsfragen, dessen Koordination Lohmann übernahm.

2. Die zweite Planungsetappe vom August 1944 bis zum Jahreswechsel 1944/45 Ein ganzes Bündel militärisch-politischer Rückschläge markierte im Juli/August 1944 das Ende der ersten strategischen Defensivphase des NS-Imperialismus.184 Entsprechend gravierend waren die Rückwirkungen auf alle Varianten von wirtschaftspolitischer Nachkriegsplanung, die sich bis zum Juli 1944 profiliert hatten. Die auf einen politischen Machtwechsel setzenden Konzeptionen der bürgerlichen Oppositionsgruppen gingen im Terror der Gestapo und des Volksgerichtshofs unter. Als Jean Bichelonne an der Seite Pétains nach Sigmaringen floh, war dies ein Menetekel für die Nachkriegsstrategie des Planungsamts und seiner europäischen Rüstungskollaborateure gleichermaßen. Unter dem gezielten Druck der alliierten Wirtschaftskriegführung begannen die neutralen Länder, ihre offiziellen Lieferungen von strategischen Rohstoffen und Gütern einzustellen, und immer mehr bislang „befreundete" Lieferanten schlossen sich dem Embargo an.185 Aber auch um die exportorientierten Nachkriegsvorbereitungen war es nicht mehr gut bestellt. Als die Teilnehmer der Weltwährungs- und Finanzkonferenz in Bretton Woods am 22. Juli 1944 auseinandergingen, hatten sie sich nicht nur programmatisch auf eine neue Weltordnung festgelegt, sondern auch zwei Resolutionen verabschiedet, die den Reichsbankdirektoren und den deutschen Auslandsinvestoren gleichermaßen zu schaffen machten. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sollte wegen ihrer Gold- und Devisenkollaboration mit der Reichsbank nach dem Krieg liquidiert werden (Resolution V), und in einer weiteren Resolution (VI) hieß es, die Vereinten Nationen würden alle Aktivitäten zur Identifikation und Ausscheidung bzw. Rückerstattung von feindlichen Auslandswerten unterstützen.186 Zusätzlich sollten sich die Signatarstaaten bei den neutralen europäischen Ländern dafür einsetzen, daß sie den Transfer von geraubtem und von Feindvermögen verhinderten. Auf der Grundlage dieser Beschlüsse wurde im August 1944 unter Federführung des USSchatzamts ein interministerieller Ausschuß gegründet, der unter dem Codewort „Safehaven" umfangreiche Untersuchungen über die internationale ökonomische Kollaboration sowie den deutschen Kapital- und Vermögensexodus in die neutralen Länder durchführte und mit Hilfe der US-Missionen in Bern, Istanbul, Lissabon, Madrid und Stockholm sowie in den Hauptstädten der befreiten Länder und Lateinamerikas eine wirksame Gegenkampagne initiierte.187 Auf diese Weise erhielten die bisherigen „Proclaimed Lists" eine weitaus effizi184 Zum folgenden AD AP, Serie E, Bd. VIII, S. 244 ff.; DZW, Bd. 6, S. 25 ff., 82 ff., 105 ff., 370 ff. 185 Zum folgenden u. a. Medlicott, vol. II, S. 454 ff. 186 Proceedings and Documents of the United Nations Monetary and Financial Conference in Bretton Woods, New Hampshire, July 1-22, 1944, vol. I, Washington 1948, S. 862 f., 939 f. 187 FRUS, Diplomatic Papers 1944, vol. II, Washington 1967, S. 213 ff.; ergänzend die brisante Teil-

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entere Operationsgrundlage.188 Das hatte zur Folge, daß sich nun diplomatische und „inoffizielle" Missionen aus NS-Deutschland und den alliierten Ländern in den Metropolen der europäischen „Neutralen" die Klinken buchstäblich in die Hand gaben. Genauso wie die kollaborierenden Rüstungsindustriellen gerieten die europäischen Teilhaber der präventiven deutschen Exportoffensive unter massiven Druck, zumal die einschlägigen Proklamationen von Bretton Woods im Februar 1945 auf der Konferenz von Jaita nochmals dahingehend präzisiert wurden, daß das gesamte deutsche Auslandsvermögen für Reparationszwecke konfisziert werden sollte. Somit befanden sich die deutschen Nachkriegsplanungen in all ihren Varianten und „wilden" Handlungsfeldern ab August 1944 in einer äußerst prekären Lage. Die Macht der militärisch-politischen Ereignisse hatte die „europäische Rüstungs- und Produktionsplanung" auf ein letztes Réduit zurückgedrängt. Und die erfahrenen Mitarbeiter des Finanzministers Henry Morgenthau, der Foreign Economic Administration und der Anti-Trust-Abteilung des US-Justizministeriums leiteten unter Berufung auf die Resolutionen von Bretton Woods eine präzise Gegenplanung gegen den deutschen Vermögensexodus ein, obwohl sie nur dessen „wilde" Automatik wahrgenommen hatten und ihnen die damit verbundenen langfristigen Projektierungen offensichtlich bis Kriegsende verborgen blieben.189 Unter Berücksichtigung dieser dramatisch verschlechterten Rahmenbedingungen mußten sich nun die deutschen Nachkriegsplanungen auf die zweite und letzte Phase der strategischen Defensive einstellen. Der „Europa-Kreis" des Planungsamts begann auf seiner Monatssitzung im Juli, zunächst vom wirtschaftspolitischen Interventionsfeld Südosteuropa Abschied zu nehmen, was das Rüstungsamt am Beispiel Griechenland zu dem Vorschlag veranlaßte, die deutschen Trupiiberlieferung der „Safehaven"-Akten der US-Botschaft in Bern: NA, RG 84, Foreign Service Post of the State Department, U.S. Embassy Bern, 850.3/SH - Q (Safehaven Projects); Gordon/Dangerfield, S. 164 ff.; Durrer, S. 131 ff., 184 ff. 188 Sie waren seit Anfang 1944 verstärkt von den US-Missionen eingesetzt worden, um auf die neutralen Länder Druck auszuüben, vgl. FRUS, 1944 II, S. 154 ff. 189 Daß der Informationsmangel enorm war, zeigt der propagandistische Aufwand, mit dem vor Kriegsende vage und unüberprüfte Geheimdienstberichte aus nachgeordneten Bereichen der deutschen Nachkriegsplanung hochgespielt wurden. Im Kern der alliierten Propaganda stand der Bericht eines Agenten des Deuxième Bureau über eine Straßburger Industriellentagung v. 10.8.1944. Es handelte sich dabei offensichtlich um ein Kompilat von Informationssplittern aus mehreren Besprechungen von mittleren Managern mit Vertretern der Verbindungsstelle Frankreich der Organisation der gewerblichen Wirtschaft, die tatsächlich häufiger ins „Rote Haus" in Straßburg einzuladen pflegte. Die meisten Namen der Teilnehmer waren akustisch verbalhornt und können nicht verifiziert werden. Das Geheimdienstmaterial selbst, das im Bulletin des State Department, in den Publikationen Morgenthaus, den Sitzungen des Kilgore-Unterausschusses und später von einigen DDR-Historikern immer wieder zitiert und unüberprüft in den Rang eines Schlüsseldokuments gehoben wurde, konnte inzwischen aufgefunden werden: FDRL, Henry Morgenthau Diaries, Book No. 806, SHAEF, Office of Assitant Chief of Staff, G-2, Intelligence Report No. EW-PA 128, 7.11.1944. Die erste behutsame Quellenkritik lieferte für die damalige DDR-Forschung Eichholtz, Dietrich, Das Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion und die Straßburger Tagung vom 10. August 1944 (Bemerkungen zu offenen Fragen). In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1975, Nr. 3/4, S. 5-21.

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pen aus ökonomisch unwichtig gewordenen Regionen in strategische Auffanglinien zurückzuziehen.190 Die letzte bis jetzt dokumentierbare Monatsbesprechung fand am 29. August unter der Leitung von Karl Blessing statt.191 Zuerst referierten die Länderbeauftragten. Besonders lebhaft wurden die politisch-militärischen Umwälzungen in Bulgarien und Rumänien erörtert, wo die Erdölkapazitäten Blessing zufolge bis zuletzt ausgenutzt worden waren, während Toepfer über den zunächst „erfolgreich" niedergeschlagenen Generalstreik der französischen Résistance und den unterbliebenen rechtzeitigen Abtransport kriegswirtschaftlich wichtiger Vorräte aus der Region Paris berichtete. Karl Lindemann wiederum war voll des Lobs über die Schweiz, deren Eliten sich ihrer langfristigen Abhängigkeit von der deutschen Kohle wohl bewußt blieben, während umgekehrt Deutschland alles unternehmen müsse, um den als Fassade für die „über den Schweizer Markt laufenden internationalen deutschen Finanzinteressen" lebenswichtigen Wirtschaftsvertrag nicht zu gefährden. Zu einer aufschlußreichen Kontroverse kam es gegen Ende der Sitzung. Erich Welter informierte die Teilnehmer über das Vorhaben, den Europa-Plan Richard Riedls vom Februar 1944 zu veröffentlichen, um anhand dieses „Vermächtnisses eines Europäers" endlich „den europäischen Ländern das Bild eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes" zu zeigen, „das leider in den früheren Jahren fehlte." 192 Funk habe unter der Voraussetzung zugestimmt, daß der von ihm mißbilligte „Währungsteil" nur im Anhang veröffentlicht werde. Dagegen erhob Lindemann schärfsten Protest. Riedls Konzeption sei ganz auf die südosteuropäischen Länder abgestellt gewesen und gerade in dieser Hinsicht durch die jüngsten Ereignisse überholt. Jetzt könne es nur noch darum gehen, die neutralen Länder, insbesondere Schweden und die Schweiz, anzusprechen, und ihnen gegenüber wäre die Veröffentlichung ein taktischer politischer Fehler. Der Streit hatte ein Nachspiel, denn Karl Lindemann setzte sich nicht nur mit Funk in Verbindung, sondern informierte auch Albrecht, mit dem er inzwischen eng im „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" zusammenarbeitete, über den Vorfall. Albrecht war konsterniert. Er sah nicht nur seine Vorbehalte gegenüber dem in allen Nachkriegsprojekten präsenten Blessing bestätigt, sondern witterte die Entstehung einer breiten Koalition, die den sich insgeheim formierenden nachkriegspolitischen Führungsanspruch der Reichsgruppe Industrie akut gefährdete. Der weitere Ablauf der Ereignisse liegt noch teilweise im Dunkeln, denn weder ließen sich die Protokolle der anschließenden Sitzungen des Europa-Kreises, der nachweislich noch am 26. September und 31. Oktober 1944 tagte,193 lokalisieren, noch existiert eine vollständige Niederschrift über die von Albrecht anvisierte Aussprache zwischen Blessing, ligner, Croon und Lindemann, die zwischen dem 14. und 21. September 1944 auf dem Landsitz ligners

190 BÄK, R 3/1941, Bl. 11, Vermerk aus dem Rüstungsamt für Kehrl, 31.7.1944. Der Vermerk bezog sich auf einen Bericht, den Blessing dem „Esplanade-Kreis" am 25.7. über die Hyperinflation in Griechenland erstattet hatte. Das Protokoll der Sitzung ist verschollen. 191 Ebenda, Bl. 3 ff., Protokoll Nr. 7 der Monatsbesprechung am 29.8.1944. 192 Ebenda, Bl. 8; die folgenden Zitate Bl. 9 f. Zu Riedl s. unter Abschn. 1: „Interventionen ...". 193 BAP, Deutsche Bank, Ρ 10883, Terminzettel für die Woche v. 30.10.-4.11.1944. Diesem Terminplan für die Vorstandsmitglieder der Deutschen Bank zufolge nahm Abs am 31.10. an einer „Besprechung des Kreises von Herrn Präsident Kehrl" im Hotel Esplanade teil.

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stattfand.194 Jedenfalls unterblieb die Veröffentlichung der Riedl-Denkschrift, mit der sich jetzt ausgerechnet das Planungsamt zu schmücken gedachte, um einerseits seine europäischen Rüstungskollaborateure auf seine letzten Anläufe zur operativ-strategischen Kriegswende einzuschwören und andererseits den bislang uneingeschränkt beanspruchten deutschen Monopolanspruch auf eine „europäische Produktionsplanung" taktisch abzuschwächen. Zusätzlich zirkulierte das wirtschaftspolitische Vermächtnis Riedls seit November 1944 in einer geringfügig überarbeiteten Fassung bei Teilnehmern des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" als Hintergrundmaterial.195

a) Die Verlagerung des Schwergewichts auf großindustrielle Außenwirtschaftspolitik und außenwirtschaftlich bestimmte Nachkriegsplanungen Vom Kapitalexport zur Kapitalflucht Was Lindemann Ende August 1944 auf der Sitzung des „Europa-Kreises" anläßlich seines Schweiz-Berichts und der Debatte um die Publikation der Riedischen Europa-Denkschrift äußerte, entsprach längst gängiger Wirtschaftspraxis. Seit dem Sommer intensivierten viele Unternehmensleitungen nochmals ihre Kapital- und Vermögenstransfers ins Ausland und wählten dabei immer prononcierter die neutralen Länder als Fluchtpunkt. Dabei beherrschten die klassischen exportorientierten Wirtschaftszweige das Geschehen keineswegs mehr allein. Ihnen traten jetzt Kapitalgruppen zur Seite, die sich erst im Verlauf von Hochrüstung und Kriegsproduktion konsolidiert hatten. Beispielsweise verkaufte der Daimler-Benz-Konzern jetzt seine modernsten Flugzeugmotoren in die Schweiz und nach Spanien.196 Er brachte Lizenzverträge für den Nachbau seiner schweren Lastkraftwagen unter Dach und Fach. Zusätzlich stattete er wichtige Patenunternehmen wie beispielsweise den Hispano-SuizaKonzem mit dem erforderlichen Know-how aus, um sich die iberischen und iberoamerikanischen Nachkriegsmärkte für jene Entwicklungslinien zu sichern, die „bereits seit dem Bürgerkrieg durch den entscheidenden Luftwaffeneinsatz der ,Legion Condor' dort bestens bekannt" waren.197 Der Exportgroßhandel versuchte, die verschlechterten Transportbedingungen durch neue Transittechniken und Luftfrachtverfahren abzugleichen. 198 Auch zweitrangige Unternehmen legten sich nun Auslandsvertretungen und Strohfirmen zu und verlagerten ihre entwicklungsträchtigsten Projekte in die neutralen Länder.199 194 BÄK, R 12 1/233, Albrecht an Reithinger, Betr. Einleitung neuer Arbeiten, 23.9.1944. Vgl. auch den folgenden Abschn. 195 Vgl. Β AP, Deutsche Bank, Ρ 339. 196 Archiv der Daimler-Benz AG (DB AG-Archiv), Haspel 4/41. 197 DBAG-Archiv, Haspel 6/56, Wilhelm Haspel und Fritz Nallinger an Emilio Kiechle, 11.9.1943. Die Aktivitäten kulminierten im Herbst 1944, vgl. ebenda. 198 BÄK, R 9 1/1623 (Gauwirtschaftskammer Hamburg und Hamburger Exportunternehmen). 199 BÄK, R 7 Anh. MCC/26 (Inhaltsreferat zu den Akten des Industriereferats des RWM über die Tarnung deutscher Auslandsbeteiligungen); BÄK, R 9 1/1720 (Kurierpost der Deutschen Botschaft Madrid für deutsche Unternehmensniederlassungen).

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Zur gleichen Zeit verkaufte die Elektroindustrie gleich 50 „Würzburg"-Geräte mit 150 Sätzen Reserveröhren nach Schweden im Rahmen eines bilateralen Kompensationsgeschäfts für Spitzentechnologie.200 Ansonsten schalteten auch die Elektrounternehmen auf langfristige Exportstrategien um. Die Auslandsabteilung der Siemens & Halske AG zog seit dem Herbst 1944 alle Register, um sich den Zuschlag für ein Trägerfrequenzsystem zur Modernisierung der spanischen Eisenbahnen zu sichern, weil damit langjährige Folgeaufträge verbunden waren.201 Sie Schloß aber auch Beraterverträge für den Bau einer Kupferraffinationsanlage in Asturien ab und verlagerte die Fertigung von Lichtbogen-Stahlöfen nach Schweden.202 Der AEG-Konzern, der sein „Ausbauprogramm" in Spanien bislang recht dilatorisch behandelt hatte, betrieb nun mit Macht die Modernisierung seines Zweigwerks in Tarrasca, um sich eine beherrschende Nachkriegsstellung beim Bau von Generatoren, Bahnmotoren und Schiffshilfsmaschinen zu sichern.203 Mit diesen Güter- und Kapitaltransaktionen ging der Aufbau strategischer Lagervorräte in den Freihäfen der neutralen Länder einher, denn nur auf diese Weise konnten die für die erste Nachkriegsperiode zu erwartenden Lieferschwierigkeiten aus Deutschland überbrückt werden. Da aber die Gegenmanöver der Alliierten ab Herbst 1944 immer wirksamer wurden und die Kollaborateure der Deutschen genauso verängstigten wie die seit den Hinrichtungen der Verschwörer des 20. Juli vollends gegen NS-Deutschland umgeschlagene öffentliche Meinung,204 wurden bei der gemeinsam betriebenen Verbesserung der Absicherungs- und Tarnungsmaßnahmen neue Wege beschritten. Als die schweizerische Banken- und Bankiersvereinigung im November 1944 die Kontenaktivitäten der deutschen Einleger offiziell auf das Durchschnittsvolumen des Voijahrs einfror, war dies vor allem für die seit längerem international operierenden deutschen Großunternehmen ein schwerer Schlag, weil sie aufgrund der Indizierung ihrer bisherigen Strohfirmen auf den „Proclaimed Lists" nur noch über wenige intakte Konten verfügten. So war beispielsweise der IG-Farben-Konzern nach der Enttarnung des Bankhauses Sturzenegger & Cie. und seiner anderen traditionellen schweizerischen Bankverbindungen ganz auf die Kooperationsbereitschaft der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) angewiesen, bei der er 1943 vorsorglich ein Kreditkonto eröffnet hatte.205 Der SKAKredit erlangte nun strategische Bedeutung für die Operationen der IG Farben. Seine Obergrenze (1,5 Millionen sFr.) wurde pro forma um ein Viertel gekürzt, indem 0,4 Millionen sFr. auf ein „Kredit-Deckungskonto" übertragen wurden. Auf diese Weise war das Nachkriegsrisiko der SKA abgesichert sowie das Kreditvolumen entsprechend dem Beschluß des Bankenverbands formal verringert, und trotzdem konnte die Zentral-Finanzverwaltung der IG Farben weiter über die bisherige Kreditsumme verfügen.

200 201 202 203

BA/MA, RW 19/449, Schweden-Bericht des Sachbearbeiters (Feldwirtschaftsamt?) 3/III b (o. D.). Dokumentiert in: BÄK, R 91/1720. BÄK, R 13 V/243. Ebenda, Geschäftsführung Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie an Devisenstelle Berlin, Betr. Antrag der AEG auf Belassung von Ptas. 2 000 000 aus den Mitteln der AEG Madrid zwecks Erweiterung der Fabrikhallen in Tarrasca. 204 BÄK; R 7/3004, Bl. 103 ff., Eduard Schmitz an Kirchfeld, 13.11.1944; BÄK, R 9 1/397 (Wirksamkeit der Schwarzen Listen). 205 BAP, IG Farben, Nr. A 2497, Bl. 3 ff. Hiernach auch das Folgende.

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Ähnlich einfallsreich agierten auch die argentinischen Geschäftspartner von Siemens, indem sie die für das argentinische Aufrüstungsprogramm besonders wichtige Tochtergesellschaft SEMA S.A. gegen eine entsprechende Rückkaufgarantie für die Nachkriegszeit verstaatlichten.206 Das Management des Osram-Konzerns versuchte dagegen, den bevorstehenden „Zwangsmaßnahmen" der chilenischen Regierung gegen seine Fabrik in Santiago dadurch zu entgehen, daß es sich wieder an seine traditionelle „außerdeutsche Gesellschafterin" erinnerte und die Niederlassung der International General Electric Corp. zum Verkauf anbot.207 Die Wege waren vielfaltig und verschlungen, die die Auslandsabteilungen der deutschen Unternehmen zusammen mit ihren ausländischen Partnern beschritten, um dem Ansturm der „Morgenthau-Boys" standzuhalten. Die mehr und mehr strategisch ausgerichteten „wilden" außenwirtschaftlichen Nachkriegsvorbereitungen der Großunternehmen wurden zunehmend durch Tendenzen zur Kapital· und Vermögensflucht überlagert. Im August 1944 stellten sich US-amerikanische Rentiers und französische Wirtschaftskollaborateure einem brisanten Projekt der Reichsbank, des SD und der Pariser Niederlassung der Bank der Deutschen Luftfahrt zur Verfügung. In Monaco wurde das Bankhaus J. Charles & Co. als Kommanditgesellschaft mit einem Stammkapital von 100 Millionen ffrs. gegründet, um eine „Plattform zu schaffen, auf der nach Beendigung des Krieges Gespräche mit den jetzigen Feindstaaten, insbesondere mit den USA, über die Aufnahme von Wirtschaftsbeziehungen stattfinden könnten."208 In der Türkei gingen die deutschen Bankniederlassungen zu großangelegten Goldverkäufen über und statteten eine wachsende Zahl von Vermögensflüchtlingen mit internationalen Devisen aus.209 Dagegen wurden entsprechende Goldgeschäfte in Schweden vorwiegend dazu genutzt, um deutschen Anlegern die Möglichkeit zu geben, sich in erstklassige schwedische Wertpapiere einzukaufen. Besonders hohe Provisionen erzielten einige deutsche Privatbanken schließlich dadurch, daß sie zusammen mit portugiesischen und spanischen Strohmännern in der Schweiz konvertible Devisen gegen Gold und andere Edelmetalle umtauschten und diese dann per Luftfracht in Portugal bzw. Argentinien deponierten. Bis zur offiziellen Registrierung ab Februar 1945 verteilte sich jedoch der größte Strom des deutschen Vermögensexodus auf etwa 10 000 Nummernkonten bei den Schweizer Banken, deren Volumen von alliierten Spezialisten auf zusammen 250 Millionen Dollar Bankdepositen und Gold bzw. Edelmetalle geschätzt wurde, während nach Angaben eines Vertreters der Reichsstelle für Außenhandel seit 1940 Devisen und andere mobile Vermögenswerte in Höhe von zwei Milliarden sFr. in die Schweiz verbracht worden waren.210 Auch ohne Kennt206 NA, RG 260 ED Dec Br. 17/241-3/25, Siemens-Report, Bl. 181. 207 Dagegen protestierten die Auslands-Organisation der NSDAP und das AA, weshalb der OsramVorstand im November 1944 bei Kirchfeld um Unterstützung nachsuchte; vgl. BÄK, R 7/3004, Bl. 33 ff. 208 BÄK, R 2/5530, Bl. 13 f., Vermerk aus dem RMdF über eine Besprechung mit Dr. Krengel, Bank der Deutschen Luftfahrt, am 19.8.1944 über das Bankhaus J. Charles & Co. 209 Vgl. zum folgenden FDRL, Harley Martin Kilgore Papers, Box No. 114, Economic Activities and Industrial Personnel outside Germany, S. 13 f., Appendix S. 31 ff. 210 NA, RG 84, Post Files Embassy Bern, 850.3/SH - Q, Caffery, Paris, an Secretary State Department, Betr. Safehaven, 13.8.1945.

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nis der übergreifenden Orientierungstendenzen konnten die Spezialisten der alliierten Stäbe aus der Analyse dieser Kapital- und Vermögensbewegungen den zwingenden Schluß ziehen, daß erstens außenwirtschaftliche Aspekte die ökonomischen Nachkriegsplanungen der Deutschen zu dominieren begannen, und daß dabei zweitens die neutralen europäischen Länder ab August/September 1944 zu den entscheidenden Bezugspunkten geworden waren. Bis dahin hatten sich aber die wirtschaftlichen Verflechtungen vor allem mit der Schweiz, Schweden, Portugal, Spanien und Argentinien schon derart verdichtet, daß die erst ab Januar/Februar 1945 richtig greifenden „Safehaven"-Operationen211 zu spät kamen und selbst weitreichende Gesetzesdekrete unterlaufen wurden.212 Dieser erstaunliche Erfolg der deutschen Kapitalflucht stellte sich jedoch nicht von selbst ein. Die ihn konstituierenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen mußten vielmehr anhand genau durchdachter Prioritäten hart erkämpft werden. An erster Stelle stand die weitere Verknüpfung der expandierenden schwarzen Devisen- und Kapitalmärkte mit den formellen Wirtschaftsvertragsbeziehungen. Alle deutschen Wirtschaftsführer und Verbandsfunktionäre, die über entsprechende Auslandsverbindungen verfügten, widmeten sich dieser Aufgabe bis zum Jahreswechsel 1944/45 mit Hingabe.213 Um die dafür immer häufiger unternommenen Reisen so intensiv wie möglich zu gestalten, wuchsen ihre vor Ort agierenden Korrespondenten und Vertreter in immer wichtigere Aufgaben hinein. Die Hartnäckigkeit, mit der sich beispielsweise Reichsbankvizepräsident Emil Puhl für die Aufrechterhaltung der „Golddrehscheibe" Schweiz einsetzte, wäre ohne das dauerhafte Engagement der Reichsbankvertreter bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich undenkbar gewesen.214 Fritz von Napolski, der Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer in der Schweiz, arrangierte für Albrecht Gesprächstermine mit führenden Schweizer Industriellen und beriet ihn bei seinen Überlegungen, die Reichsgruppe Industrie durch die „Lizenzvergabe" ihrer statistischen Erhebungsmethoden in eine dauerhafte Verbindung mit den schweizerischen Wirtschaftsverbänden zu bringen.215 In Schweden avancierte dagegen G. Riedberg zur unangefochtenen Grauen Eminenz der Reichsgruppe Industrie. Er arbeitete Albrecht, der u. a. im September 1944 vor der Deutschen Handelskammer in Stockholm referierte,216 als Kontaktmann und Lobbyist zu. Je mehr 211 Sie wurden erst jetzt wirksam, weil die Westalliierten nun in den laufenden Wirtschaftsverhandlungen Vergünstigungszusagen von der Erfassung und Festlegung der deutschen Auslandsvermögen abhängig machten. 212 Das war vor allem in Argentinien der Fall. Vgl. FDRL, Kilgore Papers, S. 36 f. (wie Anm. 209). 213 BÄK, R 12 1/10 , Rundschreiben der Abt. VI der RGI v. 28.2.1945, Betr. Außenwirtschaftsbeziehungen der Schweiz; Β AP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 31, Bl. 64 ff., Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses der Deutschen Bank am 2.11.1944. 214 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6741; NA, RG 260, FINAD 2/146/8, 11/15/1,11/402/2; Trepp, S. 129 ff. 215 BÄK, R 121/233. Wichtigster schweizerischer Korrespondenzpartner Albrechts war Heinrich Homberger, Direktor des Vororts des Schweizerischen Handels- und Industrie-Vereins in Zürich. 216 Karl Albrecht, Die Bedeutung der deutschen Außenhandelskammmern für die Pflege zwischenstaatlicher Wirtschaftsbeziehungen, Rede am 29.9.1944 anläßlich des zehnjährigen Bestehens der Deutschen Handelskammer Stockholm. Auszugsweise abgedruckt unter dem Titel: Albrecht, Karl, Einige Zukunftsfragen der Außenwirtschaft. In: Stahl und Eisen 64 (1944), Nr. 46/47,

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die Kollaborateure der Deutschen in den neutralen Ländern unter Druck gerieten und je schwieriger es für deutsche Unternehmens- und Verbandsleitungen wurde, an substantielle Informationen über die aktuellen Entwicklungen und die Nachkriegsperspektiven der wichtigsten künftigen Handelspartner heranzukommen, desto wichtiger wurden diese Kontaktleute. So wie Albrecht sich immer häufiger mit Napolski und Riedberg abstimmte, so gerieten die Auslands- und die Volkswirtschaftliche Abteilung der Deutschen Bank zunehmend unter den Einfluß der Berichterstattung ihres Stockholmer Korrespondenten Georg Conrad von der Goltz.217 In den Mittelpunkt dieser Aktivitäten rückte mehr und mehr das Bemühen, durch persönliche Kontakte, informelle Verhandlungen und geschicktes öffentliches Auftreten den Handlungsspielraum für die illegalen Kapital- und Vermögenstransfers so lange und so groß wie möglich zu halten, davon ausgehend die alliierten Interventionen durch entsprechende Nachkriegsvereinbarungen zu unterlaufen und die aktuellen sowie zukünftigen ökonomischen Voraussetzungen für die Wirtschaftsbeziehungen abzuklären. Da sich dabei die Vereinigten Staaten mitsamt ihren konzeptionellen Widersprüchen immer deutlicher als bestimmender Faktor der weltwirtschaftlichen und mehr und mehr auch der innereuropäischen Nachkriegsordnung abzeichneten, erinnerte man sich ab Spätherbst 1944 zusätzlich an manche Institution, die in den vergangenen Jahren aufgrund des Primats des „Großraumdenkens" obsolet geworden war. Vor allem der Deutsch-Amerikanische Wirtschaftsverband erlebte eine wahre Renaissance. Er wurde jetzt geradezu hofiert. Albrecht vergab im Oktober an den Verband Aufträge zur Beschaffung von Informationen über die Trends und Friktionen der nordamerikanischen Nachkriegsplanungen.218 Und auch die Leitung des Zeiss-Konzerns erneuerte Anfang Dezember 1944 in einem Brief an den Geschäftsführer des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverbands alte Loyalitätsgefühle an künftig wieder so wichtige Wirtschaftsverflechtungen, nachdem sie ihre iberoamerikanischen Beteiligungsinteressen erfolgreich vor unerwünschten Übergriffen geschützt hatte. Zweifellos, schrieb Paul Henrichs an H.E. Müncks, würden die Amerikaner „mit ihrer überwiegend wirtschaftlichen Einstellung ... sehr bald zur Erkenntnis kommen..., daß ein wirtschaftlich darniederliegendes Europa für sie von enormem wirtschaftlichen Schaden sein würde und umgekehrt ein gesundes Europa wesentlich zum Wohlstand Amerikas mit beitragen kann, daß ein gesundes Europa aber undenkbar ist ohne ein wirtschaftlich gesundes Deutschland."219 Reorganisation des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" Seit dem Spätsommer 1944 stand auch der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" zunehmend unter dem Einfluß dieser Umschichtungen im außenwirtschaftlichen Handlungskatalog der Unternehmen und Wirtschaftsverbände. Ähnlich wie der „Europa-Kreis" reflektierte er S. 759-760. Vgl. auch die nachträgliche Beschönigung dieser (fälschlich auf November 1944 datierten) Rede bei Albrecht, Karl, Das Menschliche hinter dem Wunder, S. 15 f. 217 BAP, Deutsche Bank, Ρ 10883, Ρ 10884 u. Ρ 10885, div. Korresp. 218 BÄK, R 12 1/233, Tagesmeldungen der Abteilung VI v. 12.10.1944 u. 2.12.1944. 219 Paul Henrichs, Geschäftsleiter von Carl Zeiss Jena, an Η. E. Müncks, Geschäftsführer des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverbands, 2.12.1944. Zit. nach Anatomie des Krieges, Dok. Nr. 264, S. 467.

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aber zunächst die neuesten Katastrophen in den Handelsbeziehungen. Auf der Vollsitzung am 8. August gab es noch heiße Diskussionen über die Preisstabilisierung im bilateralen Verrechnungsverkehr, und das Für und Wider einer Entsendung deutscher „Sachverständiger" in die Zentren der Hyperinflation wurde erörtert. Auf der darauffolgenden ersten Septembersitzung (14.9.) konstatierten die Teilnehmer dagegen nur noch, die jüngsten politisch-militärischen Ereignisse hätten „die bisherigen Ein- und Ausfuhrplanungen völlig über den Haufen geworfen". Alle Energie sollte jetzt darauf konzentriert werden, „die wirtschaftliche Ausnutzung des noch vorhandenen Raumes zugunsten Deutschlands zu forcieren." 220 Darauf folgte Mitte September eine kurze Zwischenperiode, in der zum letztenmal versucht wurde, im Spannungsfeld zwischen Privatwirtschaft und zentralbehördlicher Wirtschaftspolitik ein umfassendes Rahmenprogramm für die Nachkriegsplanungen auszuformulieren. Am 21. September 1944 erhielt ligner von Staatssekretär Hayler einen entsprechenden Auftrag, eine Konzeption zur Reorganisation des Arbeitskreises vorzuschlagen.221 Schon eine Woche später präsentierte er der Vollsitzung des Arbeitskreises ein Grundsatzpapier, in dem er empfahl, die bisherigen Ausschußarbeiten zu einer umfassenden statistischorganisatorischen Bestandsaufnahme der Weltwirtschaft zu erweitern und die dabei gewonnenen Ergebnisse mit einer Analyse der bis dahin bekanntgewordenen internationalen Währungs- und Wirtschaftsprobleme zu konfrontieren.222 Im Rahmen der Trenduntersuchungen sollten fünfzehn Arbeitsgruppen zusätzlich zu den reaktivierten Ausschüssen für die Bearbeitung der Währungs- und Ernährungswirtschaftsfragen die Kapazitäts-, Produktionsund Verbrauchsverhältnisse in bezug auf die wichtigsten Roh- und Grundstoffe studieren sowie die neuesten überseeischen Industrialisierungsprozesse untersuchen. Mit der Bearbeitung des zweiten problemorientierten Schwerpunkts wollte ligner dagegen den Grundsatzausschuß beauftragen. Auf diese Weise sollte der Arbeitskreis ab Oktober 1944 alle Kernprobleme der Nachkriegswirtschaft aus internationaler Perspektive thematisieren: Die Währungsdiskussion einschließlich der Kriegsschuldenfragen, die internationale Rohstoffpolitik, die Perspektive der Industrie im internationalen Nachkriegshandel, die Kartelldiskussion sowie die Wiederaufbau- und Vollbeschäftigungsprobleme. Es handelte sich um einen ernsthaften Versuch, die strategischen Defizite der ersten Planungsphase des Arbeitskreises durch ein empirisches und zugleich problemorientiertes Rahmenprogramm zu überwinden, dabei alle bedeutenden weltwirtschaftlichen Entwicklungen der jüngsten Zeit zu berücksichtigen und zugleich die Forderung Lindemanns nach einer aktualisierten Fortschreibung der Riedl-Denkschrift zu erfüllen. Der Vorschlag ligners wurde vom Arbeitskreis am 28. September einstimmig angenommen. Die Geschäftsführung erhielt den Auftrag, „mit den für die Bearbeitung der einzelnen Gebiete vorgesehenen Personen aus Praxis und Wissenschaft Verbindung aufzunehmen." Die ersten Teilergebnisse aus dem Roh- und Grundstoffgebiet sollten schon bis zur nächsten Sitzung vorliegen.223 220 So Schlotterer auf der Sitzung des Arbeitskreises am 14.9.1944, BÄK, R 12 1/232, Tagesmeldung der Abteilung VI der RGI v. 15.9.1944. 221 BAP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 339, Bl. 2, AN für Abs über einen Anruf Polls, 21.9.1944. 222 BAP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 339, Bl. 7-11, Entwurf ligner, Anlage zur Zusammenfassung der Ergebnisse der Sitzung des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen am 28.9.1944. 223 Ebenda, Bl. 6, Protokoll der Sitzung des Arbeitskreises am 28.9.1944.

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Jedoch hatte die Vereinbarung nicht einmal drei Wochen lang Bestand. Der Versuch der führenden Kapitalgruppen, den Arbeitskreis zum interessenübergreifenden Planungszentrum für ihre weit fortgeschrittenen informellen außenwirtschaftlichen Nachkriegsvorbereitungen auszubauen, stieß Anfang Oktober auf ein unerwartetes Hindernis. Seit Mitte August wirkte in der Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums ein ehrgeiziger Wirtschaftswissenschaftler namens Willy Lück, der als wirtschaftspolitischer Referent Ohlendorfs über einen gewissen Einfluß verfügte und den umfassenden Aufbau einer Volkswirtschaftlichen Abteilung plante. Dieser Mann drängte nun in den Geschäftsführerkreis des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" und machte sich anheischig, die erforderlichen Planungsunterlagen zu betreuen und die laufenden Projektarbeiten zu koordinieren.224 Damit waren die Weichen zu einer weitreichenden Funktionsveränderung gestellt. Der Arbeitskreis sollte seine Rolle als Pressure Group und „selbstverwaltetes" Koordinationsinstrument der Wirtschaft aufgeben und de facto zu einem Beratungsgremium der wirtschaftspolitischen Führung umstrukturiert werden. Es war klar, daß Hayler und Ohlendorf hinter Lück standen, und daß Albrecht, der das Trio seit August in die inzwischen weit gesteckten Nachkriegsvorstellungen der Reichsgruppe Industrie eingeweiht hatte,225 sich ein Stück weit verkalkuliert hatte. Am 10. Oktober verständigten sich Albrecht und Lindemann über diese für sie unerfreuliche Entwicklung und vereinbarten, daß Lindemann den ihm wegen des Ausfalls von Hans Croon angetragenen Vorsitz nur übernehmen solle, wenn wie bisher „die Geschäftsführung des Arbeitskreises in erster Linie durch Albrecht" erfolge.226 Diese Verabredung ließ sich jedoch auf der Geschäftsführersitzung, die am folgenden Tag stattfand, nicht durchsetzen. Lück war nicht abzuschütteln, ja er sollte über den ihm zugestandenen Kompetenzrahmen hinaus „auf jede Themenstellung im einzelnen" Einfluß nehmen dürfen. Somit stand, wie Albrecht notierte, die Entscheidung an, „ob der Arbeitskreis künftig ausschließlich ein ministerielles oder ein Selbstverwaltungsgremium wird."227 Tatsächlich vermittelte das schließlich ausgehandelte Ergebnis zwischen diesen beiden Extremen. Der Arbeitskreis, dessen Leitung nun ebenfalls Blessing übernahm, fungierte einerseits weiter als Koordinationsgremium außenwirtschaftlicher Unternehmerinteressen gegenüber der Außenwirtschaftsabteilung des Reichswirtschaftsministeriums; andererseits mußte er sich künftig mit einem Repräsentanten Haylers und Ohlendorfs arrangieren, der nicht nur einen hoheitlich-wirtschaftspolitischen Führungsanspruch vertrat, sondern auch Einblick in alle wichtigen Traktanden hatte. Damit hatte der Arbeitskreis aus der Sicht der privatwirtschaftlichen Nachkriegsinteressen die ihm gerade durch das RGI-Ilgner-Abkommen zugesprochene zentrale Steuerungsfunktion wieder verloren. Unter dem unmittelbaren Eindruck dieser Veränderungen vereinbarte Albrecht am 11. Oktober mit dem stellvertretenden Leiter der Reichsgruppe Industrie, Rudolf Stahl, eine entscheidende Forcierung der erst seit kurzem über die unverbindliche 224 BÄK, R 7/2121, Bl. 49 f., Arbeitsbericht des Referats II/l Dr. Lück von Mitte August bis Mitte Oktober 1944. 225 Ebenda, Bl. 12 f., 16 a, 19 ff. 226 BÄK, R 121/233, Albrecht, Tagesmeldung der Abteilung VI v. 10.10.1944,3. Besprechung mit Lindemann. 227 Ebenda, Albrecht, Tagesmeldung der Abteilung VI v. 11.10.1944.

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Expertenebene hinausgetriebenen Nachkriegsvorbereitungen der Reichsgruppe.228 Dafür nahmen die Unternehmensvertreter und Verbandsfunktionäre auf der Sitzung am 19. Oktober die weitgehende Demontage des Ilgner-Programms vom 28. September widerspruchslos hin.229 Erstens sollte die Währungsdiskussion von der Auseinandersetzung mit dem Abkommen von Bretton Woods Abstand nehmen. Dadurch verlor sie die ihr zugedachte Brisanz und spielte im Rahmen des Arbeitskreises praktisch keine Rolle mehr. Zweitens wurde die Analyse der Auswirkungen des Industrialisierungsschubs in den überseeischen Ländern auf den Nachkriegswelthandel vertagt. Auch die übrigen Verhandlungspunkte des Grundsatzausschusses wurden fallengelassen. Lediglich aus dem Paket der Trendanalysen blieb ein Punkt ungeschoren: Die Untersuchung der „weltwirtschaftlichen Entwicklung der wichtigsten Rohstoffe." Aber auch bei der Vergabe dieser fünfzehn Teilprojekte wurde betont, daß sie sich auf eine weltwirtschaftliche Lagediagnose und eine Entwicklungsprognose vom Unternehmerstandpunkt zu beschränken hätten, während „wirtschaftspolitische Schlußfolgerungen vom deutschen Standpunkt aus" der „Wirtschaftsführung vorbehalten" seien. Trotz dieser Beeinträchtigung seines Untersuchungsradius behielt der Arbeitskreis jedoch eine gewisse Bedeutung. Die Ergebnisse der nun anlaufenden Roh- und Grundstofferhebungen waren, wenn sie entsprechend gebündelt wurden, für gesamtwirtschaftlich orientierte Nachkriegsüberlegungen durchaus wertvoll. Auch die Aufgabe, die unterschiedlichen Interessenkonstellationen der wirtschaftlichen Machtgruppen laufend auszugleichen, blieb unter der Regie Blessings zumindest ein Stück weit erhalten. Nicht zu unterschätzen war drittens die Vermittlungsfunktion des Arbeitskreises zu Hayler und Ohlendorf. Die neuen Männer des Reichs wirtschaftsministeriums hatten sich durch ihr jüngstes Vorgehen zwar unzweideutig gegen den nachkriegswirtschaftlichen Alleinverantwortungsanspruch der Großunternehmen abgegrenzt, blieben aber zugleich taktische Bündnispartner und sicherten die Nachkriegsplanungen der Privatwirtschaft behördlich ab. Nach diesem neuerlichen Revirement betreute der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" seit dem 19. Oktober die nun in Angriff genommenen Roh- und Grundstoffanalysen. Angestrebt wurden möglichst prägnante und knappe Überblicksberichte ohne jeglichen wissenschaftlichen Apparat. Auf der Sitzung am 30. November 1944 wurden den Mitgliedern des Arbeitskreises die ersten Entwürfe über die weltwirtschaftliche Entwicklung im Mineralölbereich, bei der Eisen- und Stahlerzeugung, bei der Produktion von natürlichem und synthetischem Kautschuk sowie von Häuten, Fellen und Gerbstoffen zur Erörterung vorgelegt.230 Mitte Dezember verabschiedeten sie die Schlußfassung der beiden Denkschriften über die Perspektiven der Eisen- und Stahlindustrie sowie des Mineralölsektors und diskutierten die Rohentwürfe von Memoranden über künstliche Fasern, Baumwolle und die agrarischen Schlüsselprodukte Getreide, Fleisch und Fette.231 Anfang Februar 1945 wurden diese 228 Ebenda. 229 Β AP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 339, Bl. 12 ff., Zusammenfassung der Ergebnisse der Sitzung des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen am 19.10.1944. 230 Β AP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 339, Schreiben Polls an die Mitglieder des Arbeitskreises v. 22.11. 1944; BÄK, R 12 1/233, Albrecht, Tagesmeldung der Abteilung VI derRGI, 4.12.1944. 231 Β AP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 339, Bl. 72 f., Ergebnisbericht über die Sitzung des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen am 15.12.1944.

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zusammen mit einer Ausarbeitung über die Zuckerwirtschaft abschließend beraten und Entwürfe über die Weltmärkte für Wolle und Tabak besprochen.232 Am 1. März konnten die Mitarbeiter Ohlendorfs schließlich acht in ihrer Endfassung vorliegende Denkschriften auflisten, die aus dieser letzten Aktivitätsperiode des Arbeitskreises stammten.233 Die acht abgeschlossenen Rohstoff-Denkschriften des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" haben mit Ausnahme des Mineralölmemorandums und der Ausarbeitung über Häute, Felle und Gerbstoffe in den NS-Archiven überwintert. Die bisherige Forschung hat sie recht einseitig als Untersuchungen gedeutet, die pauschal eine extreme Importabhängigkeit der deutschen Nachkriegswirtschaft prognostiziert und sich schon jetzt eindeutig auf die USA als die kommende führende Weltwirtschaftsmacht orientiert hätten, von deren good will nun offensichtlich die elementaren Voraussetzungen für das Wiederingangkommen exportwirtschaftlicher Aktivitäten abhängig waren.234 Tatsächlich setzten die Gutachter des Arbeitskreises bis zur Jahreswende 1944/45 noch recht selbstbewußt auf andere Optionen. Sie betrachteten sich nach wie vor als führende Repräsentanten und „Sprecher" des europäischen Wirtschaftsblocks, dessen weltwirtschaftliche Reintegration nun zur Disposition stand. Dabei spielten sicher die Erfolge von Rüstungsintegration und vorweggenommener Außenwirtschaftsoffensive eine entscheidende Rolle. Jakob W. Reichert, der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, forderte für seine Branche umfangreiche binnenwirtschaftliche Stützungsmaßnahmen, die Sicherung der „Wiedereinverleibung Lothringens" und die Wiederaufnahme der schwedischen Eisenerzlieferungen, um die deutsche Eisen- und Stahlindustrie für den angesichts der Überkapazitäten sicher harten Konkurrenzkampf mit den USA gewappnet zu wissen.235 Und auch die IG Farbenindustrie AG fand reichliche Gründe für ihren Vorschlag, die inzwischen gigantisch vergrößerten deutschen Produktionskapazitäten für Synthesekautschuk trotz der überhöhten Gestehungspreise aufrechtzuerhalten. Die Palette reichte vom Hinweis auf die zu erwartende Devisenknappheit, die Kautschukimporte weitgehend verunmögliche, bis hin zu dem Vorschlag, den Aufbau konkurrierender Bunawerke in den „kleineren" Nachbarländern zu verhindern.236

232 Die Sitzung hatte ursprünglich schon am 19.1. stattfinden sollen. Vgl. ebenda, Poll an die Mitglieder des Arbeitskreises, 11.1.1945,23.1.1945, 26.1.1945. 233 BÄK, R 7/2121, Vermerk über die vorl. Denkschriften des Arbeitskreises, 1.3.1945: 1. Kautschuk (ligner, Karl Ehrhardt, Bearbeiter: Reithinger), 2. Baumwolle (Carl Albrecht von der Firma Albert Müller, Pearse & Co. in Bremen, Bearbeiter: Lange), 3. Chemische Fasern (ligner, Reithinger), 4. Häute, Felle und Gerbstoffe (Carl v. Schroeder, v. Poll), 5. Zur Mineralöl Wirtschaft der Welt (Blessing, Bearbeiter: Friedrich Dorn), 6. Zur Eisen- und Stahlwirtschaft der Welt (Reichert), 7. Die Lage der Weltzuckerwirtschaft und ihre Entwicklungstendenzen zu Beginn des Jahres 1945 (Karl Büchting, Bearbeiter: Ahlfeld), und 8. Der Weltmarkt der agrarischen Hauptprodukte Getreide - Fleisch - Fett (Ernährungswirtschaftlicher Außenhandelsauschuß, Edgar Michael, Bearbeiter: v. Poll unter Mitarbeit von Emil Woermann u. Walter Hahn). 234 Herbst, S. 370 ff.; Brackmann, S. 186 ff. 235 BÄK, R 7 Anh MCC/272, Jakob W. Reichert, Zur Eisen- und Stahlwirtschaft der Welt, Berlin (Dezember) 1944. 236 BÄK, R 7/2129, Ilgner/Ehrhardt/Reithinger, Kautschuk, o. D.

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Erst in den Schlußpassagen ihrer Ausarbeitungen wandten sich die Denkschriftenverfasser dem Problem zu, wie die von Fall zu Fall recht unterschiedlich gewichteten Importabhängigkeiten, Wechselkursfragen und Transferprobleme gelöst werden sollten, um die Überkapazitäten in der Übergangsperiode zu sichern und die längst schon vorweggenommene Außenwirtschaftsoffensive auf das sich anschließende Wiederaufbaujahrzehnt auszurichten. In diesen abschließenden Überlegungen machte sich dann auch eine gewisse Ratlosigkeit breit, denn die eigenen Produktionskapazitäten waren zu einseitig gewichtet und vermochten den unmittelbar nach Kriegsende zu erwartenden Nachholbedarf vor allem an Konsumgütern und Lebensmitteln nicht einmal partiell zu befriedigen. Die Disproportionalitäten verwiesen zwingend auf den Weltmarktausgleich. Diese Erkenntnis führte dann zu der mehr oder weniger vage formulierten Einsicht, daß die konkreten Voraussetzungen des außenwirtschaftlichen Überlebens letztlich vom Kriegsausgang abhängig waren und die USA dabei die größte Unbekannte darstellten. Der Grundtenor der Denkschriften des Arbeitskreises war somit zweideutig, und dies wurde zweifellos durch die seit den Oktoberverhandlungen vereinbarte konzeptionelle Verengung des Blickwinkels begünstigt. Die Option, die eigenen Herrschaftsansprüche zumindest zeitweilig unter den Tisch zu kehren und die letzte Karte auf die künftige Führungsmacht der Weltwirtschaft zu setzen, wurde in diesen Ausarbeitungen noch nicht einmal zwischen den Zeilen angedeutet. Dieser radikale Kurswechsel war nicht das Ergebnis der Tätigkeit des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen". Er avancierte erst in der Agoniephase des NSImperialismus zur herrschenden Meinung der großunternehmerischen Führungskreise. Aufgrund seiner konzeptionellen Enge, der daraus herrührenden prognostischen Ambivalenzen und seiner seit dem Oktober 1944 bestehenden Zwitterstellung zwischen unternehmerischer Selbstbestimmung und behördlicher Beratungsfunktion war der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" letzten Endes nicht in der Lage, Beiträge zu einer umfassenden Nachkriegsperspektive zu leisten. Die Folge war, daß sich die besonders problemorientierten wirtschaftlichen Machtgruppen mit ihren entscheidenden Fragestellungen zunehmend von ihm abwandten. Die MWT-IG-Farben-Gruppe zögerte diesen Schritt lange hinaus, was aufgrund der immer wieder gebremsten Initiativen ligners, Reithingers und von Schoellers besonders überrascht. Ihr Rückzug hatte für sie ja auch keineswegs ein Informationsdefizit zur Folge. Vielmehr versorgte sie die Volkswirtschaftliche Abteilung des IG-Farben-Konzerns unter der Regie des Sekretariatsleiters Gerhard Fürst, des späteren Direktors des Statistischen Bundesamts, mit immer dichteren Informationen über die bevorstehenden weltwirtschaftlichen Weichenstellungen. Dadurch wurde ihnen zunehmend bewußt, daß das bisherige Arrangement mit den europäischen Rüstungskonzernen und den Bankplätzen Zürich und Stockholm fürs wirtschaftliche Überleben nicht genügte. Die Musik wurde spätestens seit dem Sommer 1944 in Washington/New York und London gespielt, und zwar nicht nur hinsichtlich der europäischen „Neutralen" zum Nachteil der deutschen Pläne. Auch die Bankiers und der ihnen zuarbeitende Forschungsverbünd sahen sich mit ihren Nachkriegsreflexionen zunehmend weniger durch den „Europa-Kreis" und den „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" vertreten. Ihre Exponenten hatten sich im Gegensatz zu dem immer wieder intervenierenden Gespann Ilgner-Blessing-Reithinger-v. Schoeller längst auf die ersten Gehversuche der Reichsgruppe Industrie und ihre eigenen Diskussionszusammenhänge zurückgezogen. Deren Ergebnisse verglichen sie nun mit den angelsächsischen Nach-

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kriegsvorbereitungen. In weitgehender Übereinstimmung mit der Volkswirtschaftlichen Abteilung der IG Farben nahmen sie gegenüber dem minutiös reflektierten237 Verlauf der angloamerikanischen Währungsdiskussionen, deren durch Keynes gesetzten Auftakt sie jedoch von Anfang an skeptischer kommentiert hatten, eine zunehmend ablehnende Haltung ein. Der Leiter der Reichsgruppe Banken, Otto Christian Fischer, sah die Möglichkeit, in die kommende Weltordnung regionale Subsysteme einzubauen, weitgehend beeinträchtigt.238 Leo Drescher, der Geschäftsführer des Bankinstituts, schrieb, die US-Amerikaner hätten in den Sachverständigenverhandlungen und in Bretton Woods alle Versuche von Keynes, die Schuldnernationen der künftigen Weltwirtschaftsordnung zu stärken, zunichte gemacht.239 Günter Schmölders kam in einem Referat, das er im Bankinstitut hielt, zu dem Ergebnis, die Vereinbarungen von Bretton Woods hätten überwiegend „einen propagandistischen Charakter" und keiner der beteiligten Partner sehe „in ihnen eine wirkliche Lösung der behandelten Nachkriegsprobleme."240 So wurde den Bankiers und ihren Volkswirten zunehmend klar, daß die auf der gemeinsamen Grundlage eines antizyklischen Vollbeschäftigungsprogramms erhofften Anknüpfungspunkte für ein Nachkriegsarrangement zwischen einem weiterhin von den Deutschen „geführten" Kontinentaleuropa und der neuen Weltwirtschaftsordnung immer fragwürdiger erschienen. Die Bankiers waren wohl die ersten, die sich zähneknirschend auf die heraufziehende pax americana mit all ihren Unwägbarkeiten vorbereiteten, um sich unter radikal gewandelten weltwirtschaftlichen Bedingungen allmählich im europäischen Kontext wieder großzuhungern. Sie waren insoweit selbst dem umtriebigen Albrecht voraus, der erst im Verlauf der Auseinandersetzung mit den weltwirtschaftlichen Reflexionen Myrdals sowie der USABerichterstattung durch Herbert Gross die Unausweichlichkeit und Krisenanfälligkeit der heraufziehenden Nachkriegsordnung wahrnahm.241 Im Gegensatz zu den Exponenten der MWT-IG-Farben-Gruppe und der Hochfinanz behielt Albrecht jedoch auch in Grundsatzfragen einen taktischen Kooperationsstatus mit dem „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" bei, vermochte aber ebenfalls die zeitweilige Desintegration des großunternehmerischen Nachkriegsdiskurses nicht zu verhindern. Denn im September/Oktober 1944 war es noch keineswegs ausgemacht, ob der jetzt aus dem informellen Nischendasein heraustretende Nachkriegsplanerkreis der Reichsgruppe Industrie überhaupt zu einer Synthese finden würde. Um so intensiver sollte der „Stahl-Kreis" dann aber im entscheidenden Stadium auf die Erkenntnis des MWT-IG-Farben-Großbankenkomplexes zurückgreifen, daß jegliche ge237 Vgl. die laufende anonyme Dokumentation u. Kommentierung in: „Bankwirtschaft", Jg. 1943 f., die nach der Veröffentlichung des Weißbuchs über den Keynes-Plan einsetzte u. seither nicht mehr abriß. 238 Fischer, Otto Christian, Die Weltwährungspläne im Zwielicht. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 2, S. 25-27. 239 Drescher, Leo, Die Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 160 (1944), S. 235-248. 240 BAP, Deutsche Bank, Nr. Ρ 10907, Bl. 87, EWS (= Ernst Wilhelm Schmidt), Internationaler Währungsfonds. Besprechung im Bankinstitut (Referat Schmölders) v. 17.8.1944. 241 BÄK R 12 1/233, Albrecht, Vermerk, Betr.: Das amerikanische Nachkriegsproblem, 30.11.1944. In dieser Aufzeichnung diskutierte Albrecht den Aufsatz v. Gross, Herbert, Das amerikanische Nachkriegsproblem. In: Weltwirtschaftliches Archiv 60 (1944 II), S. 132-169.

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samtwirtschaftliche Nachkriegsplanung in der Luft hing, solange sie nicht die bislang erbrachten Vorleistungen präventiv mit dem ,.Nachkriegsbild" des künftigen globalen Hauptgläubigers und Hauptproduzenten abstimmte. Praktische Bedeutung erlangten diese Einsichten jedoch erst fünf Minuten vor Zwölf, als die Wirtschaft ihre Notstandsphase absolvierte und sich auf die Besetzung Deutschlands durch die alliierten Siegermächte einrichtete.

b) Die Nachkriegsvorstellungen der strukturellen (Handel, Konsumgüterindustrie)

Verlierer

Aber bevor es soweit war, kamen der Handel und die mittelständische Verbrauchsgüterindustrie als Hauptexponenten der kriegswirtschaftlichen Verlierer des „totalen Kriegs" zu Wort.242 Nachdrücklich meldeten sich jetzt die Interessenvertreter der durch die rüstungswirtschaftlichen Umbrüche des „totalen Kriegs" benachteiligten Wirtschaftssektoren zu Wort. Das Staatssekretariat und die Mitarbeiter der Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums verstanden sich als ihr legitimes Sprachrohr, und Otto Ohlendorf wuchs nun endgültig in die Rolle ihres Propheten hinein. Vom Ressentiment zur Gegenkonzeption Den Ausgangspunkt dieser sich seit August/September 1944 deutlich akzentuierenden Initiative bildete das Geheimwissen des sicherheitspolizeilichen Apparats, dessen Wirtschaftsexperten (Amtsgruppe III D des Inland-SD) über die Personalunion Ohlendorfs hinaus inzwischen eng mit der Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums verflochten waren. Ihrer Berichterstattung zufolge hatten sich die durch den weiteren Ausbau des Rüstungssektors erzwungenen sozioökonomischen Umbrüche seit dem Frühjahr 1944 krisenhaft zugespitzt. Das Ausmaß der Flucht aus der Reichsmark war inzwischen derart enorm, daß die sich nun konsolidierende Schattenwirtschaft des Tauschhandels und der Schwarzmärkte nicht mehr frontal bekämpft, sondern nur noch reguliert und überwacht werden konnte.243 Diese Reichsmarkabwertung „von unten" zeigte auf der geldwirtschaftlichen Seite die realen Grenzen von Kriegsfinanzierung und Kaufkraftabschöpfung auf. Mit ihr korrespondierten die seit den Auftrags- und Luftkriegsverlagerungen der Rüstungswirtschaft sprunghaft vertieften Verwerfungen von Güterwirtschaft und Verkehrsstruktur. Die Umsetzungs- und Stillegungs-

242 Nicht einbezogen war das Handwerk: dessen Repräsentanten reagierten auf die Zuspitzung ihrer sozioökonomischen Marginalisierung nicht mit neoliberalen Deregulierungskonzepten, sondern suchten ihre nur teilweise realisierten korporatistischen Utopien über die NS-Zeit hinwegzuretten. Vgl. John, Peter, Handwerkskammern im Zwielicht. 700 Jahre Untemehmerinteressen im Gewände der Zunftidylle, 1979, S. 156 ff., 161 ff.; v. Saldern, Adelheid ,"Alter Mittelstand" im „Dritten Reich". Anmerkungen zu einer Kontroverse. In: Geschichte und Gesellschaft 12 (1986), S. 235-243, hier S. 240 ff.; Boyer, Christoph, Zwischen Zwangswirtschaft und Gewerbefreiheit. Handwerk in Bayern 1945-1949, München 1992, S. 53 f. 243 SD-Bericht zu Inlandsfragen v. 20.1.1944 (Grüne Serie), v. 24.2.1944 (Gelbe Serie). Abgedruckt in: Meldungen aus dem Reich. Bd. 16, S. 6260 ff., 6367 ff.

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aktionen erschütterten mit ihren hochzentralisierten Entscheidungsprozessen nicht nur die wirtschaftspolitischen Mittelinstanzen,244 sondern brachten einen wachsenden „Teil der deutschen Mittelbetriebe zum Erliegen" und machten alle Ansätze zur regionalen Verkehrsentflechtung zu Makulatur.245 Was die Wirtschaftspolitiker des SD im stillen recherchierten, setzten die ministeriellen Mitarbeiter Haylers und Ohlendorfs politisch-publizistisch um, und in der Aura dieser Vorstellungen ließ sich auch Funk immer häufiger von ihnen die Redekonzepte vorformulieren.246 Den Tendenzen, das Rüstungsministerium endgültig zum Produktionsministerium auszubauen, hielten sie entgegen, daß daraus keineswegs eine der weiteren Einschränkung des Konsumgütersektors entsprechende Steigerung der Rüstungsfertigung resultieren, sondern sich lediglich die Bürokratisierung der Speer-Kehrlschen Lenkungsinstrumente weiter verstärken würde.247 Einem Redeentwurf für Hayler fügte die Pressestelle Ohlendorfs den Passus ein, der „Führerstaat" drohe endgültig zum „Planungsstaat" zu entarten, Hitler aber sei seinerzeit „zum Führer und nicht zum Planer geworden".248 Überall sahen sie die „Kräfte der Vermassung" auf dem Vormarsch, wetterten gegen die Lenkungsstellen, die sich immer mehr unternehmerische Kompetenzen aneigneten, und Ohlendorf sagte eine Entwicklung bis hin zum „Kommissar" voraus, „der letzten Endes dann die Betriebsführung selbst übernimmt." 249 Der zivile Sektor der Wirtschaft sei zum „Prügelknaben" geworden, auf dessen Kosten sich der Typus eines vom Rüstungsministerium gehätschelten „Überbetriebs" breitmache, in dem wie beispielsweise bei der IG Farben nur noch ganz wenige einen Überblick besäßen und Chemiker als „Beamte eines Kapitals" wirkten, das sich zufällig noch in Privathänden befinde. Noch schlimmer sei es um die Entwicklung in den öffentlichen Unternehmen bestellt, die sich pro forma eine privatwirtschaftliche Struktur übergestülpt hätten. Wie bei den Feinden sei auch in Deutschland die Planung auf den Vormarsch. Sie setze die Wirtschaft dem ungezügelten Druck der technischen Rationalisierung aus, um möglichst große Effekte mit minimalem Aufwand zu erzielen. Auf diese Weise entferne sich die Wirtschaft zunehmend von ihren „völkischen Zusammenhängen." Kein Zweifel: Speer und vor allem der angeblich dem „Amerikanismus" verfallene Kehrl waren nach einem knappen Jahr des erzwungenen Zusammenwirkens bei den wirtschaftspolitischen Repräsentanten der strukturellen Verlierer des „totalen Kriegs" zu Intimfeinden geworden. Zu dieser Gegnerschaft kamen seit dem Spätsommer 1944 all diejenigen dazu, die im Rahmen ihrer nachkriegswirtschaftlichen Überlegungen darangingen, sich mit den „Ideen des Gegners" anzufreunden. Die Gefahr, an der „ideellen Front" zu „unterliegen", war für 244 SD-Bericht zu Inlandsfragen v. 11.4.1944, Wirtschaft: Stimmen zu den Betriebsumsetzungen (Wißmann-Aktion). Abgedruckt ebenda, Bd. 16, S. 6476 ff. 245 SD-Bericht zu Inlandsfragen vom 26.6.1944, Wirtschaft, Stimmen zur Verkehrsentflechtung; v. 24.7.1944, Wirtschaft. Abgedruckt ebenda, Bd. 17, S. 6605 ff. u. 6666 ff. 246 BÄK, R 7/2002 (Redekonzepte der Pressestelle des RWM für Funk 1944/45). 247 BÄK, R 7/2133, Bl.42-48, Hayler, Einige Gesichtspunkte zum Vorschlag des Planungsamts (Abschrift), 11.8.1944. 248 BÄK, R 7/2006, Bl. 84 ff., Pressestelle, Fragen und Vorschläge für eine Rede von Staatssekretär Dr. Hayler, 29.12.1944, Zit. Bl. 92. 249 BÄK, R 7/2024, Ohlendorf auf der Arbeitsbesprechung des RWM über soziologische Fragen und Aufgaben am 1.12.1944, Bl. 23. Die folgenden Zitate ebenda, Bl. 22 ff.

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Hayler, Ohlendorf, Lorch und den inzwischen als Ghostwriter der Pressestelle hinzugekommenen Hans Wöckener weitaus größer als die aktuellen militärischen Rückschläge.250 Entsprechend intensiv bemühten sie sich um die Initiierung einer Gegenkampagne. Dabei versuchten sie, die katastrophale Bilanz der zusammengebrochenen Besatzungsherrschaft schönzureden251, und verurteilten die Südosteuropa-Politik der MWT-IG-Farben-Gruppe wegen ihrer strukturverzerrenden Auswirkungen auf das „deutsche Bauerntum".252 In dieser publizistisch-propagandistischen Orientierung kamen erstmalig auch Tendenzen zu einer generellen Kritik an den monopolkapitalistischen Regulationsmechanismen zum Vorschein, die über die Kritik an Kehrls „Planwirtschaft" hinausgingen. Artikuliert wurden sie jedoch nur im innersten Arkanbereich des Inland-SD. Auf einer Versammlung des RSHA/Amt III, die am 31. Oktober 1944 stattfand, führte Ohlendorf aus, die NS-Diktatur sei in den Krieg gezogen, ohne zuvor die Gelegenheit gehabt zu haben, das Militär und die Wirtschaft nach nationalsozialistischen Prinzipien umzugestalten.253 Stattdessen habe eine „Evolution" eingesetzt, die, wie die Ereignisse des 20. Juli gezeigt hätten, mißlungen sei. Nun aber habe eine „Revolution" in der Wehrmacht begonnen, und das Reichswirtschaftsministerium arbeite inzwischen mit aller Macht daran, sie auf die Wirtschaft zu übertragen. Wie Ohlendorf noch im Angesicht der Agonie aus „Negativem das Positive" hervorzubringen gedachte, wurde einen Monat später deutlich, als die Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums zusammen mit dem Inland-SD und einigen Repräsentanten aus Wirtschaftswissenschaft, Handel und mittelständischer Industrie eine Soziologenbesprechung veranstaltete.254 Das „Volk" müsse, so Ohlendorf in seiner Schlußansprache,255 wieder von dem ihm durch das „Fließband" aufgezwungenen „Massendasein" befreit werden. Die Großunternehmen seien wieder auf ihre „familienmäßigen Bindungen" zurückzuführen, und die Wiederherstellung überschaubarer Produktions- und Verteilungsstrukturen des Kleinund Mittelbetriebs sei ein erstrebenswertes Ziel. Entsprechend wollte er die Technik auf die Entwicklung kleiner Aggregate neu ausgerichtet wissen, um den wirtschaftenden Menschen wieder „zu einem echten dienenden Glied bei seinen völkischen Zielen" zu machen. Deshalb sei es vordringlich, bei der weiteren Gestaltung der Kriegswirtschafts- und -finanzpolitik nichts mehr zuzulassen, was die Tendenzen zur „Vermassung" verstärke, und sofort nach

250 BÄK, R 7/2006, Bl. 1 ff., Pressestelle, Unterlagen zum Vortrag von Staatssekretär Hayler in Feldafing, vorgeschlagener Titel: Die wirtschaftspolitische Verantwortung des Staates in der Praxis des sechsten Kriegsjahres, 18.1.1945. 251 BÄK, R 7/2025, Die Entwicklung des deutschen Außenhandels. Beilage zu einem Schreiben Lorchs an Ohlendorf, 2.8.1944; BÄK, R 7/2010, Bl. 7 f., Pressestelle, Deutsche Leistungen für Europa, 23.10.1944; BÄK, R 7/2002, Bl. 37 ff., Lorch, „Verantwortung für Europa", Redeentwurf für Funk auf der Weimarer Tagung des Deutschen Auslandwissenschaftlichen Instituts, Januar 1945. 252 BÄK, R 7/2024, Schlußansprache Ohlendorfs auf der Soziologenveranstaltung des RWM am 1.12.1944, Bl. 33. 253 BÄK, R 58/990, Bl. 198 ff., Stenogramm der Ansprache Ohlendorfs am 31.10.1944. 254 Von dieser „Arbeitsbesprechung des Reichswirtschaftsministeriums über soziologische Fragen und Aufgaben", die am 1.12.1944 stattfand, liegt ein vollständiges Protokoll mit einem Teil der gehaltenen Referate und den Diskussionsbeiträgen vor: BÄK, R 7/2024. 255 Ebenda, Bl. 20 ff. Die folgenden Zitate ebenda.

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dem Krieg müsse „die gesamte Ausrichtung unserer Produktion um 180 Grad gewendet" werden. Besonders aufschlußreich waren die bei dieser Gelegenheit in freier Rede vorgetragenen Reflexionen Ohlendorfs über die Nachkriegsplanungen des Großkapitals.256 Wenn man die Industriellen diesbezüglich befrage, dann könne man „im Schnitt hören, daß es darauf ankommt, innerhalb Europas aus dem Mittelpunkt des Binnenraumes heraus die wirtschaftliche Position der Produktionsverteilung usw. zu setzen." Sie strebten danach, „daß hier ein einheitlicher Wirtschaftsraum mit möglichst eigener Währung und ohne Zollschranken" entstehe. Es sei unglaublich, „in welch starkem Maße, ohne daß der Staat auf legalem Wege irgendwelche Kenntnis davon bekommen hat, die deutsche Industrie" mit Belgien, Frankreich, der Schweiz, „ja mit England und Amerika Friedenspolitik macht und hier Verständigungen herbeiführt über den Standort, über die Produktion, über die Preise, über die Verteilung, über die Räume, in denen die einzelnen Quoten zu vergeben sind." Die Wirtschaft habe sich ganz „in Richtung auf ihren eigenen Betrieb" fixiert und lasse dabei alle politischen und sozialen Aspekte außer Betracht. Würde sich diese Konzeption durchsetzen, dann würden sich innerhalb weniger Generationen die sozialen Unterschiede zwischen den Völkern verwischen, und zwar weitergehend als selbst in der Sowjetunion. Die zu erwartende Nachkriegsprosperität würde „auch völkisch gefahrlich werden". Es sei inakzeptabel, „solche rein industriellen Fragestellungen zum Ausgangspunkt einer europäischen Wirtschaftsgestaltung" zu machen. Deshalb komme es jetzt darauf an, „daß wir so viel Material in der Hand haben, ... zu verhüten, daß diese wirtschaftlichen Konventionen etwa auf Europa gestülpt würden." Diese Äußerungen erklären zum einen, in welcher Absicht die Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums dem „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" im Oktober Zügel angelegt hatte; zum andern machen sie deutlich, daß sich die strukturellen Verlierer der Wirtschaftspolitik des „totalen Kriegs" auf dem Weg zu einer eigenständigen Nachkriegsplanung befanden, die die Überlebensinteressen der eigenen bürgerlich-fraktionellen Basis in extrem neoliberalen Denkfiguren artikulierte und zugleich mit dem „völkischen" Vernichtungs- und Neuordnungsprogramm des RSHA verknüpfte. Dabei unterschieden sie jedoch streng zwischen Strategie und Taktik. Der Hauptfeind, gegen den es hier und jetzt im Bündnis mit den sich auf den Nachkrieg vorbereitenden Großunternehmen vorzugehen galt, war die rüstungstechnokratische „Planwirtschaft". Die Problematik der auf ihre Weise nicht weniger „leistungshemmenden" „Groß-Konzernbildung", die die gesellschaftssanitäre Rehabilitation des „Volkstums" ebenfalls von ihren ökonomischen Grundlagen abzutrennen drohte, sollte dagegen vorerst „noch nicht angeschnitten werden."257 Die Frage, die Ohlendorf bei seiner ersten Aussprache mit Albrecht am 10. August 1944 aufgeworfen hatte, nämlich wie es möglich wäre, der Massenproduktion der USA eine europäische Produktionsweise entgegenzusetzen, die diese nicht einfach kopierte,258 hatte er somit am 1. Dezember 1944 grundsätzlich beantwortet, den sich daraus notwendig ergebenden Dissens mit der Reichsgruppe Industrie aber bis zur Niederringung des Hauptfeinds „Planwirtschaft" vertagt. 256 Ebenda, Schlußansprache Ohlendorfs, Bl. 32 ff. Die folgenden Zitate ebenda. 257 BÄK, R 7/2006, Bl. 84 ff., Pressestelle, Fragen und Vorschläge für eine Rede von Staatssekretär Dr. Hayler, 29.12.1944 (Zit. Bl. 93) 258 BÄK, R 121/232, AN Albrechts über eine Besprechung mit Ohlendorf im RWM am 10.8.1944.

Nachkriegsplanungen Ansätze zu einer mittelständischen Nachkriegsplanung Dessenungeachtet hatten Hayler und Ohlendorf aber auch schon erste Schritte unternommen, um sich für diese aus taktischen Gründen zurückgestellte Konfrontationslinie der Nachkriegsära zu wappnen. Hatten sie sich in der ersten Phase der strategischen Defensive nur dem publizistisch-propagandistischen Ressentiment und der grundsätzlichen Forderung nach einer „alternativen" Wirtschaftsordnung als Kriegsziel hingegeben, so legten auch sie ab August 1944 die ersten Fundamente für eine vorausschauende wirtschaftswissenschaftliche Planung. Mitte August wurde Willy Lück, der bisherige Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung der Reichsmessestadt Leipzig, als Referatsleiter für wirtschaftspolitische Grundsatzfragen (II/l) in der von Ohlendorf geleiteten Hauptabteilung II des Reichswirtschaftsministeriums eingestellt. Lück erhob für seine Dienststelle den Anspruch, eine Übersicht über das volkswirtschaftliche Ganze zu gewinnen, indem einerseits Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspraxis ein neues Verhältnis zueinander fänden und andererseits durch spezielle Methoden der empirischen Wirtschaftsbeobachtung die aktuellen und zu erwartenden Verwerfungen der Wirtschaftslenkung dokumentiert würden.259 Damit war der Anspruch angemeldet, für das „Referat Lück" eine Richtlinienkompetenz gegenüber den anderen in der Hauptabteilung II zusammengefaßten ehemaligen Grundsatzreferaten des gesamten Ministeriums einzufordern, aber auch an den laufenden Entscheidungsprozessen der Außenwirtschafts- und Kreditreferate der Nachbar-Hauptabteilungen beteiligt zu werden. Dem ersten Dreimonatsbericht der Dienststelle zufolge gehörten dazu in der damaligen Logik wissenschaftspolitischer Praxis der Aufbau eines zentralen Wirtschaftsforschungsarchivs, einer Zentralbibliothek, einer zentralen Erfassungs- und Lenkungsstelle für wirtschaftswissenschaftliche Arbeiten, eines Kontaktnetzes mit den einschlägigen Spitzeninstituten sowie die eigenhändige Behandlung wirtschaftspolitischer Fragen im Auftrag Ohlendorfs.260 Für die Realisierung dieser veritablen Funktionsbeschreibung, die nach damaligen Größenordnungen Arbeitsplätze von mindestens 100 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abdeckte, standen Lück zur Zeit der Abfassung des Berichts jedoch neben einigen Hilfskräften nur zwei Diplomvolkswirtinnen zur Verfügung; die Zahl der ihm zuarbeitenden wissenschaftlichen Kräfte erhöhte sich bis Januar 1945 auf maximal fünf.261 Die realen Arbeitsmöglichkeiten waren also überaus bescheiden und beschränkten sich überdies auf etwa ein halbes Jahr. Interne Entlastung gab es nur insoweit, als einige Experten aus den im Sonderreferat V zusammengefaßten Grundsatzreferaten der Vor-Ohlendorf-Ära einsprangen und im Oktober aus einem Sonderprojekt „Konzernuntersuchungen" ein energisch agierendes Industriereferat hervorging. Mit diesen ernüchternden Tatsachen müssen jedoch die weitreichenden Kooperationsabsprachen konfrontiert werden, die Lück bis zum Jahreswechsel 1944/45 unter Dach und Fach 259 BÄK, R 7/2131, Bl. 20, Lück an Ohlendorf, Betr. Aufgabe der Wirtschaftsbeobachtung, 14.9.1944. 260 BÄK, R 7/2121, Bl. 49 ff., Arbeitsbericht des Referats II/l Dr. Lück von Mitte August bis Mitte Oktober 1944. 261 Es waren dies die Diplomvolkswirtinnen Hane, Pichmann, Dr. Wolfes, der Assessor Dr. Weiß und der nur als Halbtagskraft beschäftigte Diplomvolkswirt Jäger. Ebenda, Bl. 107 ff., Hane, Arbeitsbericht Referat II/l Dr. Lück, 9.1.1945.

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brachte. Es handelte sich dabei um die Konstruktion von „wissenschaftlichen Referaten", die bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in die Hauptabteilung II inkorporiert werden sollten und insofern das „Sonderreferat Liick" als eine Art Platzhalter für die angestrebte riesige Volkswirtschaftliche Abteilung ausweisen. Anfang Dezember wurden die Überreste der von Otto Donner geleiteten Wehrwirtschaftlichen Forschungsstelle bei der Vierjahresplanbehörde übernommen.262 Ferdinand Grünig, der methodische Impulsgeber von Planungsamt und Reichsgruppe Industrie gleichermaßen, wollte mit seiner gesamten Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung bei der Reichswirtschaftskammer in das Reichswirtschaftsministerium einrücken, kam aber nicht mehr dazu.263 Gleich mehrere Abteilungs- und Referatsleiter des weitgehend ausgeschlachteten Statistischen Reichsamts strebten seit November unter die Fittiche Ohlendorfs, und die wechselseitigen Bemühungen mündeten Anfang 1945 in Vorverträgen über den gemeinsamen Aufbau einer statistischen Zentralstelle sowie des schon im ersten Tätigkeitsbericht geforderten zentralen Wirtschaftsforschungsarchivs.264 Mentale Grundlage aller dieser Vorvereinbarungen und der damit verbundenen Jagd nach vagabundierenden wirtschaftspolitischen Informationsträgern265 war die gemeinsame Frontstellung gegen das Planungsamt, das sich seit nunmehr einem Jahr in der ihm eigenen Robustheit den wirtschaftswissenschaftlichen Institutionenkomplex weitgehend angeeignet und die nicht verwertbaren Reste ihrem Schicksal überlassen hatte. Das Bestreben, es der allmächtig gewordenen „Wissenschaftlichen Beratungsstelle" und der „Amtsgruppe Information" heimzuzahlen, war noch bis zum Exodus aus Berlin, der im Februar 1945 seine Schatten vorauswarf, vorherrschend.266 Es war ein bemerkenswertes Bündnis, das da in den letzten Kriegsmonaten zwischen den privatwirtschaftlichen und den wirtschaftswissenschaftlich qualifizierten Verlierern des „totalen Kriegs" zustande kam. Der Hunger nach erfassungswissenschaftlich fundierter Macht verwies Ohlendorf und Lück endgültig in die Rolle von Vorbereitungstätern, die fast ausschließlich von den Wechseln auf eine große Zukunft lebten. In gewisser Weise repräsentierten sie das letzte Aufgebot jener hoheitlichen „Lumpensammler", die die Reste der empirischen Wirtschaftsforschungslandschaft auf der Suche nach nachkriegsplanerischer Entscheidungskompetenz durchforsteten. Dabei brauchten sie sich nicht sonderlich anzustrengen, denn die Institutsleiter und Experten gaben sich bei ihnen aus eigenem Antrieb die Türklinken in die Hand. Nachdem der Bedarf des Planungsamts gedeckt war und sich auch der „Stahl-Kreis" immer stärker auf die Mitarbeit von RGI-Funktionären beschränkt hatte, konnten nur noch die mit dem InlandSD in Personalunion verwobenen Sonderresorts des Reichswirtschaftsministeriums Uk-Stellungen und Frontbeurlaubungen durchsetzen, staatliche Gelder beschaffen, bestimmte Forschungsvorhaben für „kriegswichtig" erklären lassen und sicherheitspolizeilichen Schutz vor Mißverständnissen seitens der NSDAP-Basis gewähren. Es handelte sich zuallererst um 262 Ebenda, Bl. 107 ff., Arbeitsbericht v. 9.1.1945. 263 Ebenda, Bl. 71 ff., Vermerk Pichmanns über eine Besprechung mit Grünig am 9.11.1944; R 7/2131, Grünig an Ohlendorf, 14.11.1944. 264 BÄK, R 7/2119 u. R 7/2121, div. Dok. 265 Beispielsweise die Archive einiger aufgelöster Wirtschaftszeitungen oder eine Sammlung von Unternehmensfestschriften, die Schacht angelegt und in der Bibliothek der Reichsbank deponiert hatte. Dokumentiert in: BÄK, R 7/2121, Bl. 2 8 , 4 7 , 1 3 3 f. 266 Vgl. ebenda, Bl. 138, Hartmann an Lück, 7.2.1945.

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banale institutionelle Überlebensreflexe, wenn beispielsweise Ernst Wagemann, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Ohlendorf zum starken Mann seines Verwaltungsausschusses machte,267 oder wenn Karl C. Thalheim, der Direktor des Weltwirtschafts-Instituts der Handelshochschule Leipzig, mit einer ganzen Liste von Vorschlägen „für die Übertragung kriegswichtiger Forschungsaufgaben" in die letzte sich bietende Marktlücke hineinstieß.268 Alles in allem ist es dem nie zur Volkswirtschaftlichen Abteilung ausgereiften „Referat Lück" nur in minimalen Ansätzen gelungen, die grundsätzlichen Ansprüche Haylers und Ohlendorfs auf eine faschistisch-neoliberale Nachkriegsgestaltung mit Hilfe eines breit angelegten wirtschaftspolitischen Datenerfassungs- und Zweckforschungsprogramms zu untermauern. Der Versuch, mittelständisch-wirtschaftliche Interessen dadurch politikfahig zu machen, daß aus den im Herbst 1944 noch vorhandenen Resten der empirisch-statistischen Wirtschaftsforschung ein ministerielles Informationszentrum gezimmert und zum Grundstock einer zentralen volkswirtschaftlichen Führungsabteilung ausgebaut wurde, kam nicht mehr zur Entfaltung. Es blieb bei dem Anspruch, eine umfassende Synthese von Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspraxis vorzuexerzieren, um unmittelbar nach Kriegsende eine Kehrtwende der gesamten Wirtschaftspolitik um 180 Grad einleiten zu können. Zwar verbuchten die Mitarbeiter Ohlendorfs auch erstaunliche Erfolge. Als wichtigster praktischer Außenposten wurde seit Anfang Oktober der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" zu einem ministeriellen Beratungsgremium redimensioniert. Die exportorientierte Wirtschaft anerkannte diesen Status quo, jedoch zog sich die Reichsgruppe Industrie als Repräsentant wirtschaftlicher Gesamtinteressen zurück und baute den bislang eher embryonal entwickelten eigenen Planungsschwerpunkt nun energisch aus. Aber auch jetzt suchten die Nachkriegsplaner der Industrie ein taktisches Arrangement mit Hayler, Ohlendorf und Lück, wobei vor allem die Kontakte und Korrespondenzen im November 1944 entscheidend waren.269 Insgesamt überwog die Bereitschaft beider Seiten zur Kooperation, weil sich beide Parteien hinsichtlich der Übergangskonstellation zur Nachkriegswirtschaft über wesentliche konzeptionelle Gemeinsamkeiten im Klaren waren: Den möglichst raschen Abbau der „Planwirtschaft" nach Kriegsende, die zumindest partielle Respektierung neoliberal-mittelständischer Überlebensinteressen in der Übergangsphase, und die Konsolidierung der Staatsschulden vor allem auf Kosten der vermögenslosen Kleinsparer. Diese wechselseitigen Übereinstimmungen erachteten die Repräsentanten der mittelständisch-wirtschaftlichen Nachkriegsinteressen trotz ihrer langfristigen Vorbehalte als ausreichend. Sie fanden sich bereit, die Nachkriegsvorbereitungen des Großkapitals mit Hilfe ihrer politisch-sicherheitspolizeilichen Machtinstrumente gegen allfällige Interventionen seitens der NS-Führung abzusichern.270 267 BÄK, R 7/2126. 268 BÄK, R 7/2131, Karl C. Thalheim, Vorschläge für die Übertragung kriegswichtiger Forschungsaufgaben an das Weltwirtschafts-Institut der Handels-Hochschule Leipzig, 31.10.1944. 269 Dokumentiert in: BÄK, R 7/2121 u. 2131. 270 Ansätze zu solchen Interventionen gab es durchaus, beispielsweise eine von der Parteikanzlei der NSDAP und der Reichskanzlei gemeinsam initiierte Kampagne zur Entfernung von Managern mit anglo-amerikanischen Beziehungen aus den Leitungspositionen der gewerblichen Wirtschaft. Sie wurde im Zusammenspiel von RWK und Hauptabteilung II des RWM abgebogen. Vgl. BAP, RWM, Nr. 9020.

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Über die Rolle eines Juniorpartners sind die Repräsentanten der strukturellen Verlierer des „totalen Kriegs" im Bürgertum aber nie hinausgekommen. Ihre Nachkriegsorientierungen verdichteten sich trotz einiger empirischer Ansätze nicht vom Gegenkonzept zur politisch handlungsfähigen Planung. Hierin war ihnen das am nächsten verwandte - wenn auch politisch anders verortete - neoliberale Deregulierungsprogramm der Arbeitsgemeinschaft Beckerath-Lampe haushoch überlegen. Die vergleichsweise weit entwickelten Nachkriegsoptionen ihrer Hauptkonkurrenten im Rüstungsministerium vermochten sie weder offen anzugreifen noch rechtzeitig mit Hilfe tragfähiger Gegenmodelle zu neutralisieren. Ihre zeitweiligen Eingriffe in die großunternehmerischen Gremien („Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen") führten nur kurzfristig zu einer Desintegration und wurden sehr schnell durch die Aktivierung der von der Reichsgruppe Industrie exklusiv betriebenen Planungsansätze überkompensiert. Zu dem großen Konsens der Akteure der Notstandsphase, der im Januar/Februar 1945 geschmiedet wurde, um die Wirtschaftssubstanz vor den Zerstörungen in der Schlußphase des Kriegs zu retten, leisteten sie genauso wenig einen Beitrag wie zu den vom Planungsamt parallel dazu im Bereich der Konsumgüterwirtschaft vorangetriebenen binnenwirtschaftlichen Vorgriffen, die den vollständigen Ruin des deutschen volkswirtschaftlichen Potentials verhindern sollten. Insofern sind die wirtschaftspolitisch-"völkischen" Visionen Ohlendorfs in der bisherigen Forschung nicht nur teilweise mißverstanden, sondern auch erheblich überschätzt worden.271 Die von Ohlendorf erträumte „Revolution" in der Wirtschaft blieb chancenlos. Der SS-Gruppenführer und Ministerialdirektor war letztlich nur eine nachgeordnete Figur, die die großindustriellen Nachkriegsplanungen ohne die Zusage substantieller Gegenleistungen beschützte und die mittelständischen Überlebensinteressen in einer hoffnungslos spät ansetzenden Initiative in das Konzert der wirtschaftlichen Nachkriegsvorbereitungen einbrachte.

c) Der „Stahl-Kreis"

der Reichsgruppe

Industrie

Konsolidierung des Planungsverbunds Am 1. August 1944 wandte sich Stahl an neun prominente Mitglieder des Engeren Beirats der Reichsgruppe Industrie bzw. des Kuratoriums der Förderergemeinschaft der deutschen Industrie.272 Er teilte ihnen mit, der Leiter des der Reichsgruppe „nahestehenden" Instituts für Industrieforschung habe im Rahmen „gewisser streng vertraulicher Vorarbeiten zu einzelnen Problemen des späteren Friedenswiederaufbaues" eine Denkschrift über die Konsolidierung der Kriegsschulden verfaßt, die „in einem ganz kleinen Kreise vorberaten worden" sei. Die Arbeitsgruppe habe den analytischen Schwerpunktteil gebilligt, jedoch gegen die daraus entwickelten „konsequenten, aber sehr einschneidenden" Vorschläge für die spätere Schuldenkonsolidierung erhebliche Bedenken angemeldet. Daraufhin sei Keiser, der sich schon zuvor im „Bankarchiv" über diese Problematik geäußert hätte, zu einem Korreferat „veranlaßt"

271 Vgl. Herbst, S. 276 ff., 320 ff., 445 ff. 272 BÄK, R 11/2171, Bl. 385, Rundschreiben Stahls an Heinrich Dinkelbach u. a., Betr. Schuldenkonsolidierung, 1.8.1944.

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Nachkriegsplanungen

worden. In ihm würden „andere, von psychologischen Gesichtspunkten diktierte Lösungsversuche des schwierigen Problems" aufgezeigt. Nun wollten Zangen und Stahl die beiden Vorschläge zunächst „in einem kleinen Sachverständigenausschuß" beraten lassen, bevor sie an behördliche Stellen weitergegeben würden, sofern „dies überhaupt im gegenwärtigen Zeitpunkt opportun" erscheine. Er lade deshalb zu einer vertraulichen Aussprache mit den bisherigen Mitarbeitern ein, die Ende August/Anfang September stattfinden könne. Als Anlage übersandte Stahl eine Kurzfassung des Erhard-Gutachtens und die Stellungnahme Keisers; auf Anfrage stand aber auch die ausführliche Fassung Erhards zur Verfügung. Wir wissen nichts über den Ablauf und die Ergebnisse des Zusammentreffens, aber es ist sicher, daß der „Sachverständigenausschuß" nach der Erörterung der Erhard-Keiser-Kontroverse nicht wieder auseinanderging, sondern ähnlich wie zuvor der „Europa-Kreis" und der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" mindestens einmal monatlich zu Vollsitzungen zusammentrat und zusätzlich Unterausschüsse bildete.273 Wie die im Archivbestand des Salzdetfurth-Konzerns überlieferten Restakten Stahls zeigen, blieb er darüber hinaus im Gegensatz zu den anderen Planungsgremien nicht nur bis Kriegsende aktiv, sondern bemühte sich sogar bis Herbst 1945 um die Kontinuität seiner Arbeiten.274 Dominiert wurde der „Sachverständigenausschuß" von Spitzenmanagern der Großkonzerne des Produktionsmittelsektors und der Großbanken. Als ständige Mitglieder nahmen neben Stahl und Zangen Heinrich Dinkelbach (Vereinigte Stahlwerke), Max Ebbecke (Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG), Friedrich Flick (Friedrich Flick KG), Carl Goetz (Dresdner Bank), Fritz Jessen (SiemensKonzern), Alfred Olscher (Reichs-Kredit-Gesellschaft), Philipp F. Reemtsma (H.F. und Ph.F. Reemtsma KG), Oswald Rosier (Deutsche Bank) und Hermann Schmitz (IG Farben) an den Vollsitzungen teil. Die Sitzungsprotokolle konnten bisher nicht lokalisiert werden, weil die Akten des Instituts für Industrieforschung und die Nachlässe der Hauptakteure - mit Ausnahme der Salzdetfurth-Bestände - nicht zugänglich oder vernichtet sind. Aus den Umgebungsmaterialien kann jedoch geschlossen werden, daß dieses Gremium genau die umgekehrte Entwicklung durchmachte wie der „Europa-Kreis" und der „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen". Es wurde umso aktiver, je näher das Kriegsende rückte, und dabei ging es von der Erörterung der grundsätzlichen Transformationsprobleme immer mehr zu den wirtschaftspolitischen Tagesfragen der heraufziehenden Notstandsphase über. Auch der „Kleine Kreis" der Fachgutachter und Experten wurde erweitert. Erhards Institut für Industrieforschung vermochte sich als „Clearingstelle" des „Stahl-Kreises" zu behaupten. Alle internen wie externen Aspiranten auf Mitarbeit wurden erst in den expandierenden Planungszusammenhang eingebaut, nachdem sie sich mit Erhard besprochen und dessen Plazet erhalten hatten.275 Keiser und Albrecht wurden im Verlauf des Juli endgültig kooptiert. Als weitere RGI-Mitarbeiter folgten bis Oktober die Abteilungsleiter Paul Binder (IV, Steuer-, Bank-, Kredit- und Finanzierungsfragen), Viktor Metzner (III, Marktordnung und Betriebswirtschaft) und Bernhard Skrodzki (II, Innere Wirtschaft und Verkehrswesen). Diese erwei273 Vgl. Brackmann, S. 169 f. 274 BAP, Salzdetfurth AG, Nr. 15 f., 25, 29, 159 f., 173, 176. Vgl. auch den Schlußabschn. dieses Kap. sowie Kap. VII im vorl. Bd. 275 Vgl. beispielsweise BÄK, R 121/233, Albrecht an Erhard, 25.9.1944; Albrecht an Thalheim, 9.10. 1944.

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terte Kerngruppe des „Kleinen Kreises" baute zusätzlich innerhalb der Reichsgruppe abteilungsspezifische Arbeitskreise für Nachkriegsfragen auf oder assoziierte sich mit schon bestehenden Einrichtungen, um den Unterausschüssen des Sachverständigenausschusses laufend zuzuarbeiten. Sie wurden entweder direkt durch das Institut für Industrieforschung getragen, so beispielsweise der Arbeitskreis Albrechts, der die europäischen Länderuntersuchungen übernahm, 276 oder unterhielten lockere Arbeitsbeziehungen, so Metzners Arbeitskreis für Betriebswirtschaft und Marktordnung sowie die von Bickert geleitete Statistische Abteilung (VIII), die Materialien zur Industrieberichterstattung, zur Außenhandelsstatistik und zur Prognose des Arbeitskräftepotentials einbrachte. Der Kontakt mit dem nach wie vor extern bleibenden und von Lohmann geleiteten Sozialwirtschaftlichen Planerkreis wurde dagegen unmittelbar durch die Spitze der Reichsgruppe Industrie vermittelt, und erst im Dezember avancierte das Schlüsselproblem der Nachkriegslohnordnung zu einem direkten Planungsbestandteil des „Stahl-Kreises". Seitens der Berliner Zentrale war ab August 1944 Albrecht für die Koordination der Arbeitskreise und Unterausschüsse zuständig. 277 Er betreute zusätzlich in laufender Abstimmung mit Erhard und Metzner die Kontakte mit externen wirtschaftswissenschaftlichen Institutionen und Einzelforschern. Der „Stahl-Kreis" Kleiner Kreis: Leiter: Rudolf Stahl Koordination: Ludwig Erhard/Institut für Industrieforschung, Karl Albrecht (Albrecht, Binder, Erhard, Grünig, Keiser, Metzner, Skrodzki, Stahl) Sachverständigenausschuß: Leiter: Wilhelm Zangen, Rudolf Stahl Koordination: Karl Guth (Dinkelbach, Ebbecke, Rick, Goetz, Guth, Fritz Jessen, Olscher, Reemtsma, Rosier, Schmitz, Stahl, Zangen) RGI-Arbeitskreise für Nachkriegsplanung: - Außenwirtschaft (Albrecht/Institut für Industrieforschung) - Betriebswirtschaft und Marktordnung (Metzner) - Binnenwirtschaft und Wirtschaftsgruppen (Skrodzki, Guth) - Geld- und Finanzwirtschaft (Binder) - Industrieberichterstattung/Arbeitseinsatz (Bickert, Grünig) - Sozialwirtschaft und Lohnordnung (Zangen, Lohmann, Mansfeld) Externe Mitarbeiter: (Koordination: Albrecht, Erhard, Metzner) - Hans von der Decken, Agrarreferat des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung - Edgar Michael, Ernährungswirtschaftlicher Außenhandelsausschuß

276 BÄK, R 12 1/233, Albrecht, Tagesmeldung der Abteilung VI v. 18.11.1944; Albrecht an Erhard, Betr. Zusammenarbeit mit unserer Abteilung VI, 22.12.1944. 277 Albrecht erhielt Anfang August von Stahl den Auftrag, eine Gesamtkonzeption für die Weiterentwicklung der Planungen zu erarbeiten, die jedoch nicht aufzufinden war. Vgl. BÄK, R 12 1/232, Vermerk Albrechts für Guth über eine Besprechung mit Stahl, Betr. Sonderarbeiten der Abteilung VI, 3.8.1944.

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- Karl Eugen Mössner, Volkswirtschaftliche und Statistische Abteilung der Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken - Karl C. Thalheim, Weltwirtschafts-Institut der Handels-Hochschule Leipzig - Walter Puttkammer, Leiter der Reichsstelle für Raumordnung - Einzelforscher: Hero Moeller, Heinrich Rittershausen Quelle: BÄK, R 7/2131; R 11/2171; R 121/24, 221,232, 233; R 13 1/665; NA, T-73, Roll 193;PRO, FO 935/138.

Die von der Förderergemeinschaft neben dem Institut für Industrieforschung finanzierten wirtschaftswissenschaftlichen Projekte wurden dazu fallweise aktiviert: So das Leipziger Weltwirtschaftsinstitut Karl C. Thalheims, das für die Länderuntersuchungen Albrechts Expertisen über die Nachkriegswirtschaft der Schweiz und Italiens beisteuerte;278 das Landwirtschaftsreferat des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, das die gesamte Praxis der bisherigen Lebensmittelrationierung entwickelt und gesteuert hatte;279 der Wohnungsbauexperte der Gemeinschaftsgruppe der Hypothekenbanken, Karl Eugen Mössner; der Ernährungswirtschaftliche Handelsausschuß des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen"; der Leiter der Reichsstelle für Raumordnung, Walter Puttkammer, und weitere Einzelforscher, die sich wie Hero Moeller und Heinrich Rittershausen beim voraufgegangenen Gelehrtenstreit der Akademie für Deutsches Recht um die Grenzen und Nachkriegsfolgen der Kriegsfinanzierung profiliert hatten.280 Am 10. August informierte Albrecht als Emissär Stahls erstmals Ohlendorf in allgemein gehaltenen Wendungen über die Vorhaben der Reichsgruppe Industrie.281 Darauf folgte eine Periode des Abtastens, die zunächst Ende September anläßlich der Auseinandersetzungen um den „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" zu einer wechselseitigen Terrainabgrenzung führte. Erst die Besprechungen im November, die jetzt Stahl selbst unter Einschaltung Erhards mit Ohlendorf arrangierte,282 erbrachten eine endgültige politische Absicherung durch die Grundsatzabteilung des Reichswirtschaftsministeriums und den Inland-SD. Daß es dazu kam, war nicht zuletzt auf das biographisch-konzeptionelle Profil Erhards zurückzuführen. Der vormalige ökonomische Annexionsexperte stammte nicht nur aus der Tradition und Umwelt der mittelständisch-industriellen Verlierer, sondern war auch bereit und willens, ihre Überlebensinteressen so weit wie möglich in das großunternehmerische Nachkriegs278 BÄK, R 121/232, Albrecht an Erhard, 25.9.1944. 279 Siehe v. d. Decken, Hans, Die Arbeiten des Agrarreferates im DIW 1929 bis 1945. In: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Institut für Konjunkturforschung), Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Institut für Konjunkturforschung) 1925-1945 in der Erinnerung früherer Mitarbeiter, Berlin 1966, S. 33 ff. 280 BÄK, R 7/2131, Exposé Erhards v. 14.11.1944; vgl. z. B. auch Moeller, Hero, Grenzen des Staatskredits. Im: Finanzarchiv 10 (1945), S. 490-517; Rittershausen, Heinrich, Die Zukunft der öffentlichen Schuld. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 158 (1943), S. 22-38. 281 BÄK, R 12 1/232, AN Albrechts über eine Besprechung mit Ohlendorf im Reichswirtschaftsministerium am 10.8.1944; vgl. auch BÄK, R 7/2121, Bl. 12, AN Lücks über eine Besprechung mit Albrecht am 18.8.1944. 282 BÄK, R 7/2131, Stahl an Ohlendorf, 14.11.1944, mit Exposé Erhards als Beilage; R 7/2120, Bl. 7, AN Lücks v. 20.11.1944; Herbst, S. 390 f.

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Szenario einzubringen. Zusätzlich machte Erhard mit einem eigens für Ohlendorfs Zwecke verfaßten Planungsexposé vom 14. November 1944 eine recht weitgehende Verbeugung vor den von ihm einige Monate zuvor so lebhaft ironisierten Ideologemen der „Wirtschaftsordnung".283 Die Voraussetzungen für eine Koexistenz waren also in der kritischen Übergangsphase der RGI-Planungen zur konkreten Entscheidungsfindung gegeben. Als dann im Januar 1945 die Notstandsphase einsetzte, spielten die neoliberal-faschistischen Axiome Haylers und Ohlendorfs letztlich keine Rolle mehr. Erweiterung und Synthese zum Überlebensprogramm So langwierig und zeitraubend wie die endgültige Konsolidierung des Planungsverbunds war auch die Synthese der bislang vorliegenden Grundsatzpapiere und Teilarbeiten zu einer Gesamtplanung. Jedenfalls wurde eine einigermaßen kohärente Zwischenbilanz erst am 14. November von Erhard versucht und Ohlendorf präsentiert, ohne jedoch zuvor vom Kleinen Kreis beraten worden zu sein.284 Erhard schrieb in seinem Exposé einleitend, den jetzt zu bündelnden Teilergebnissen der bislang „im engeren Kreis" geführten Nachkriegsdebatte läge jegliche „Interessenpolitik" fern; ihre Zusammenfassung sollte vielmehr die Verantwortlichen jenseits der laufenden Tagesprobleme „mindestens gedanklich auf die kommenden Aufgaben" vorbereiten. Um diese Aufgaben in ihrer ganzen Komplexität erfassen und zugleich in detaillierte wie arbeitsteilig aufeinander abzustimmende Einzelfragen aufschlüsseln zu können, verteilte er sie auf vier Schwerpunkte: Geld- und Währungspolitik, Handelspolitik, Probleme der innerdeutschen Wirtschaft, und wirtschaftspolitische Grundsatzfragen. Unter diesen Rubriken listete er sodann die schon vorliegenden Arbeiten auf und verknüpfte sie mit den laufenden bzw. projektierten Zusatzstudien, die im wesentlichen im Umfeld des Instituts für Industrieforschung und der Außenwirtschaftsabteilung der Reichsgruppe Industrie angesiedelt waren. Auch wenn man berücksichtigt, daß diese Zwischenbilanz offensichtlich unter extremem Zeitdruck zu Papier gebracht wurde, sticht ihr unsystematischer und streckenweise assoziativer Charakter ins Auge. Ihr fehlte der trotz aller Weitschweifigkeiten entschlossene Zugriff der ersten Grundsatzdenkschrift Erhards. Auffällig war auch, daß der Verfasser entscheidende und teilweise weit fortgeschrittene Beiträge wie die von Grünig und Keiser genauso unerwähnt ließ wie die Teilprojekte einiger Abteilungsleiter der Reichsgruppe Industrie, die sich längst Albrechts und Binders Engagement angeschlossen hatten. Das Exposé erweckt noch heute den Eindruck, als habe Erhard sein Institut für Industrieforschung über Jahre hinaus mit Projektaufträgen versorgen wollen, die relativ unverbindlich zu einem Gesamtvorhaben zusammengefaßt waren. Aufgrund dessen erging es Erhard wohl nochmals wie anläßlich der Präsentation seiner Grundsatzdenkschrift. Er provozierte ohne Zweifel erheblichen Widerspruch, denn die unerwähnt gebliebenen Mitarbeiter und Teilstudien waren inzwischen in dem Vorhaben wohl etabliert. Außerdem standen die Planungen im Gegensatz zur bisherigen Vorgehensweise ersichtlich unter Zeitdruck. Das schließliche Ergebnis waren deshalb nicht 283 BÄK, R 7/2131, Erhard-Exposé v. 14.11.1944. 284 BÄK, R 7/2131, Stahl an Ohlendorf, 14.11.1944, mit dem Exposé Erhards als Beilage. Die folgenden Zitate aus dem Exposé ebenda.

590 mehr Ergänzungsvorschläge oder kritische Stellungnahmen, sondern ein prägnanter Gesamtplan, der die Konzeptionsdebatten definitiv beendete, Erhards Industrieinstitut in den übergreifenden Rahmen integrierte und überdies erstmals von der Spitze der Reichsgruppe Industrie selbst verantwortet wurde. Fast genau einen Monat später übersandte Stahl das endgültige, sechs Seiten umfassende „Programm für die Bearbeitung wirtschaftlicher Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie" an Ohlendorf.285 Im Begleitbrief betonte er, nur ein „der weiteren Vertiefung in Einzelheiten" voraufgehendes Programm sei in der Lage, einen Überblick über die gesamte Fragestellung zu geben. Denn nur auf diesem Weg könne „bei der Fülle der Probleme, die sowohl die Güter- als auch die Geldseite und letzten Endes auch die wirtschaftspolitische Zielsetzung berühren, Klarheit darüber gewonnen werden, mit welchen Methoden sie im einzelnen anzufassen sind, welche sachverständigen Stellen zur Mitarbeit herangezogen werden müssen und in welcher Reihenfolge die Aufgaben zu bearbeiten sind." Von besonderer Bedeutung sei in der Programmskizze außerdem die „Unterscheidung von Übergangsstadium und Friedenswirtschaft". Die Reichsgruppe Industrie erhoffe sich auch dafür Ohlendorfs Einverständnis und ersuche um die Ermächtigung zur Weiterarbeit auf dieser Grundlage oder um Gegenvorschläge. Dem Programmpapier, das kurz danach auch dem Rüstungsministerium zugeleitet wurde und dessen Entscheidungen zur Umstellung auf verbrauchsorientierte Produktionsprogramme vom Februar 1945 wohl wesentlich beeinflußte,286 waren außerdem die ersten Teilergebnisse aus den seit Ende Oktober laufenden Erhebungen Skrodzkis bei den Wirtschaftsgruppen beigelegt. Der Duktus des nun folgenden Programmrahmens war klar und einfach. Auf eine knappe Vorbemerkung, die zusätzlich zu den im Begleitschreiben enthaltenen Begründungen die Auseinandersetzung mit den Belangen der übrigen Wirtschaftszweige und die bewußte Einbeziehung grundsätzlicher wirtschaftspolitischer Fragestellungen rechtfertigte, folgte im Gegensatz zum Exposé Erhards ein systematisch durchstrukturierter Themenkatalog. Als Kern der Fragestellung wurden die zu planenden geld- und güterwirtschaftlichen Eingriffe in das „Übergangsstadium" und die anschließende „Friedenswirtschaft" definiert, wobei die beiden aufeinander folgenden Perioden des Transformationsprozesses scharf voneinander abgegrenzt waren und in sich jeweils streng getrennt nach Güter- und Geldseite behandelt wurden. In der Demobilmachungsphase sollten die verbliebenen Produktionsmöglichkeiten vorrangig auf die Wiederherstellung der Verkehrsanlagen, die Sicherstellung der Ernährung, die behelfsmäßige Beschaffung von Wohnraum, eine erste Instandsetzung der Werksanlagen, die Umstellung großer Teile der Kriegs- auf Verbrauchsgüterproduktion und die Wiederbelebung des Außenhandels zur Sicherung der Rohstoffimporte konzentriert werden. Zur

285 BAP, FS, Film 3568, Reichsgruppe Industrie, Programm für die Bearbeitung wirtschaftlicher Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie, Beilage zum Schreiben Stahls an Ohlendorf, 13.12.1944. Siehe auch Kap. VII im vorl. Band. 286 Die komplette Version (mitsamt dem Anschreiben Stahls an Ohlendorf) befindet sich in einem Aktenkonvolut, in dem ansonsten nur Vorgänge aus der letzten Aktivitätsperiode des Rüstungsministeriums vom März/April 1945 sowie die ersten Verhöre Speers durch die FIAT enthalten sind (wie Anm. 285; dort verfilmt). Vgl. auch die erstmalige Teilveröffentlichung des Dokuments in Anatomie des Krieges, Dok. Nr. 266, S. 4 6 8 ^ 7 0 .

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währungspolitischen Flankierung war zunächst nur die Bindung der überschüssigen Kaufkraft vorgesehen, zusätzlich sollte die Fortsetzung des Lohn- und Preisstopps sowie die Frage einer Aufnahme von Auslandskrediten geklärt werden. Dagegen war bezüglich der friedenswirtschaftlichen „Planung auf lange Sicht" die grundsätzliche wirtschaftliche Zielsetzung in den Vordergrund gerückt: Abbau der „staatlichen Bewirtschaftung" und Ersetzung durch ein neues Gleichgewicht zwischen Privatinitiative und staatlicher Wirtschaftsführung, grundsätzliche Abstimmung zwischen Staats- und Zivilbedarf, aber auch zwischen Produktionsmittel- und Konsumgütersektor, sowie Grundsätze der „Marktordnung", der „Arbeitseinsatzpolitik" und der „Raumordnung für den Wiederaufbau". Nach ihrer Klärung sollten die Kernprobleme der Güterseite angegangen werden, wobei scharf zwischen Planungs- und Durchführungsphase unterschieden wurde. Die Aufstellung einer volkswirtschaftlichen Bilanz und der daraus abzuleitenden Prioritätspläne hatte sich endgültig als Kristallisationspunkt für die Strukturierung der auf die Demobilmachung folgenden Wiederaufbauperiode durchgesetzt. Von ihr aus definierten sich jetzt die Durchführungsschwerpunkte, nämlich Rationalisierung des gesamten Produktionsapparats, Wohnungsneubau und Wiederaufbau der zerstörten Städte, Reaktivierung der Außenwirtschaft, Intensivierung des Landwirtschaftssektors und Reorganisation des Handels. Mit ihr verzahnt waren umfangreiche geldpolitische Maßnahmen, die insofern noch weiter als bisher vorgesehen in die Wiederaufbauperiode hinausgezögert werden sollten. Erst jetzt sollten die Staatsschulden endgültig konsolidiert, der Staatshaushalt neu geordnet und ausgeglichen, eine definitive „Lohn- und Preisordnung" erlassen, das Kreditwesen geregelt und wohl auch eine Währungsreform („Währungsregelung") ins Auge gefaßt werden. Auf dieses Gesamtprogramm folgte ein umfangreicher Arbeitsplan. Aufgrund seiner arbeitsteiligen Abstimmung und der Komplexität der Themenstellung demonstriert er deutlicher als jedes andere Dokument, daß sich die Reichsgruppe Industrie bis Mitte Dezember 1944 unter fast ausschließlichem Rückgriff auf die Vorarbeiten des „Kleinen Kreises", des „Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen" und ihr eigenes intellektuelles Potential hinsichtlich der Nachkriegsplanung eine unangefochtene Führungsstellung gesichert hatte:287 „B. Arbeitsplan I. Materialbereitstellung: (teils Nutzbarmachung vorhandener Unterlagen - teils eigene Arbeiten) 1.) Berichte über Umstellungsprobleme der einzelnen Industriezweige Bearbeiter: Dr. Skrodzki 2.) Bericht über die Weltmarktsituation wichtiger Rohstoffe Bearbeiter: Dr. Albrecht/unter Verwertung der Arbeiten des Arbeitskreises Außenwirtschaft 3.) Voraussichtliches Arbeitskräftepotential Bearbeiter: Dr. Grünig/Bickert 4.) Bericht über die Ernährungssituation Michael-Ausschuß288 287 Wie Anm. 285. 288 Gemeint ist der von E. Michael geleitete Emährungswirtschaftliche Außenhandelsausschuß des Arbeitskreises für Außenwirtschaftsfragen.

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5.) Entwicklung von Methoden für die Aufstellung einer volkswirtschaftlichen Bilanz Bearbeiter: Dr. Grünig 6.) Auswertung der Industrieberichterstattung Bearbeiter: Bickert II. Wirtschaftspolitische Grundsatzarbeiten: 1.) Rangordnung der Bedarfsgruppen (Öffentlicher und privater Bedarf - Investitions- und Konsumbedarf) Bearbeiter: Dr. Keiser/Dr. Skrodzki 2.) Voraussetzungen und Erfordernisse einer Lohnordnung Bearbeiter: Dr. Mansfeld289 3.) Voraussetzungen und Erfordernisse einer Preisordnung Bearbeiter: Dr. Metzner/Rittershausen290/Paul Binder 4.) Ordnung der Vertriebsformen, -wege und -kosten Bearbeiter: Dr. Metzner/Dr. Erhard 5.) Gestaltung der Marktordnung Bearbeiter: Dr. Metzner 6.) Schuldenkonsolidierung und Finanzpolitik Bearbeiter: Dr. Erhard/Dr. Keiser 7.) Außenwirtschaft als Ergänzungswirtschaft Bearbeiter: Dr. Albrecht 8.) Währungsregelung Bearbeiter: Dr. Keiser/Dr. Erhard 9.) Grundsätze der Raumordnung Bearbeiter: Dr. Puttkammer/Reichsstelle für Raumordnung III. Güterwirtschaftliche Einzelaufgaben unter jeweiliger besonderer Heraushebung der notwendigsten Sofortmaßnahmen in dem Übergangsstadium: 1.) Umstellungsprobleme der Industrie (gegliedert nach Wirtschaftszweigen): a) Voraussichtlicher Bedarf an industriellen Erzeugnissen b) Rohstoffversorgung c) Arbeitseinsatz d) Anlagekapazität unter besonderer Berücksichtigung der Kriegsschäden e) Rationalisierungsmöglichkeiten f) Investitionsbedarf g) Finanzierungsfragen h) Sofortmaßnahmen während des Überganges Bearbeiter: Dr. Guth/Dr. Skrodzki

289 Wemer Mansfeld, seit Oktober 1942 Personaldirektor des Mansfeld-Konzems mit Generalvollmacht (Teil der Salzdetfurth-Gruppe), ehemaliger MD des Reichsarbeitsministeriums und im Januar/Februar 1942 Vorgänger des späteren GBA, Fritz Sauckel. 290 Im Original fälschlich „Riddershausen". Gemeint ist der Finanzwissenschaftler Heinrich Rittershausen.

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2.) Wohnungswirtschaftliche Aufgaben und Pläne unter besonderer Berücksichtigung ihrer Auswirkungen auf die Industrie Bearbeiter: Dr. Mössner 3.) Wiederaufbau der Verkehrsanlagen unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Industrie Bearbeiter: Dr. Renaud291 4.) Maßnahmen zur Sicherstellung der Ernährung und Intensivierung der Landwirtschaft in der Nachkriegszeit unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Industrie Bearbeiter: von der Decken/Bergengrün292 5.) Wiederaufbau der Außenwirtschaft Bearbeiter: Dr. Albrecht 6.) Volkswirtschaftliche Bilanz Bearbeiter: Dr. Grünig." Bei der Lektüre dieser wahrhaft umfassenden und hinsichtlich der Systematik der Transformationsvorbereitung historisch wohl einmaligen Programmkonzeption stellt sich natürlich sofort die Frage, inwieweit sie kurz vor dem Übergang zur handlungsorientierten Notstandsphase überhaupt noch realisiert und als eine Art Gegen-Handbuch genutzt werden konnte, um im Bereich der Wirtschaftspolitik die alliierten Nachkriegspläne entweder planvoll zu unterlaufen oder in das eigene Fahrwasser zu lenken. Wegen der schwierigen Quellenlage befindet sich die Forschung darüber noch in den Anfängen. Es kann wohl davon ausgegangen werden, daß zumindest ein Teil der Einzelarbeiten im Entwurfsstadium liegenblieb und ein exakt faßbarer großunternehmerischer „Generalplan 1945" nicht mehr verabschiedet wurde. Verschiedene Vorhaben wurden Ende Februar 1945 wegen der akut gewordenen Handlungszwänge vertagt, so beispielsweise der Abschluß der Untersuchung über „Voraussetzungen und Erfordernisse einer Preisordnung", für die Metzner, Rittershausen und Binder verantwortlich zeichneten.293 Einige der brisantesten Teilstudien sind verschollen, beispielsweise die von Keiser und Erhard übernommene Projektierung einer Währungsreform in der Wiederaufbauperiode oder die im November 1944 schon weit fortgeschrittene zweite große Studie Erhards über eine vollbeschäftigungsorientierte und antizyklisch ausgerichtete wirtschaftspolitische Globalsteuerung. Auch die von Werner Mansfeld verantwortete Skizzierung der Nachkriegslohnordnung fehlt in den Akten des Salzdetfurth-Konzerns, dessen Personalabteilung er ab 1943 leitete. Dennoch ist eine vorläufige Beurteilung möglich, weil einige Arbeitsergebnisse und Denkschriften aus der zweiten Arbeitsperiode vorliegen bzw. noch in den letzten Kriegsausgaben der Zeitschrift „Bankwirtschaft" und anderer Fachorgane der Wirtschaftsgruppen auszugsweise veröffentlicht wurden. Am umfangreichsten blieben die Beiträge Grünigs erhalten. Schon Anfang September schloß er für den „Stahl-Kreis" eine Denkschrift über den

291 Referent für Verkehrswesen in der von Skrodzki geleiteten Abteilung II (Innere Wirtschaft und Verkehrswesen) der RGI. 292 Referent für Industrieausbau, Auftragsverlagerung und Arbeitseinsatz in der Abteilung II der RGI. 293 BÄK, R 121/221, Metzner an Rittershausen, 28.2.1945.

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Ausgleich des öffentlichen Haushalts nach dem Krieg ab. 294 In ihr betonte er die Notwendigkeit der Haushaltsstabilisierung im Gleichschritt mit der Schuldenabwicklung, seiner Meinung nach der gravierendste Schwachpunkt der bislang projektierten finanzwirtschaftlichen Nachkriegsvorbereitungen. Ausgehend von einer aktualisierten volkswirtschaftlichen Bilanzschätzung revidierte er den ursprünglichen Ansatz der Erhard-Denkschrift ein Stück weit nach oben. Er kam zuletzt auf einen stabilisierten ersten Nachkriegshaushalt mit jeweils 36 Milliarden Reichsmark auf der Einnahmen- und Ausgabenseite. Dies gelang ihm jedoch nur dadurch, daß er eine erhebliche Anhebung der indirekten Einkommensbesteuerung mit einer Preissteigerung um etwa 50 Prozent kombinieren wollte, wodurch er zugleich eine psychologisch besonders geschickte Technik zur Senkung der Reallöhne um durchschnittlich zehn Prozent herausgefunden zu haben glaubte. Auf dieser Grundlage erarbeitete Grünig sodann bis November sein volkswirtschaftliches Bilanzschema, das nicht nur dem Planungsamt des Rüstungsministeriums zum abschließenden Potentialvergleich der kriegführenden Mächte diente,295 sondern auch als allgemeiner Rahmenplan in das definitive Nachkriegsprogramm der Reichsgruppe Industrie einging. 296 Den zweiten gut überlieferten Planungsschwerpunkt bilden die von Bernhard Skrodzki seit Ende Oktober 1944 forcierten Ausarbeitungen der Wirtschaftsgruppen über die akuten Umstellungsprobleme der Industriezweige.297 Am 31. Oktober schickte der Leiter der Binnenwirtschaftsabteilung der Reichsgruppe Industrie einen standardisierten Fragekatalog an die Geschäftsführungen der Wirtschaftsgruppen ab, der Anfang Dezember nochmals gemäß den inzwischen vereinbarten Prinzipien der volkswirtschaftlichen Bilanzerhebung überarbeitet und erweitert wurde. Darin wurden Schlüsseldaten zu allen wesentlichen Aspekten der Vorkriegs- und Kriegsentwicklung der jeweiligen Sektoren erhoben und mit prognostischen Angaben über die Nachfrageentwicklung, die Beschäftigungsverhältnisse, die Rohstoffsituation, die Kapazitätslage und die Exportentwicklung in der Nachkriegszeit verknüpft. Zusätzlich wurden Angaben über spezielle Probleme bei der Umstellung auf die Friedenswirtschaft erwartet. Am reibungslosesten funktionierte in den folgenden Wochen der Informationsabfluß aus den überwiegend konsumgüterorientierten Wirtschaftszweigen. Die Wirtschaftsgruppe Lederindustrie beispielsweise hoffte im wesentlichen wie nach dem ersten Weltkrieg auf eine rasche Freigabe der militärischen Vorräte und die umgehende Beseitigung der Bewirtschaftungsvorschriften, um die Umstellungsprobleme in freier unternehmerischer Initiative anpacken und die kritische Periode bis zum Eintreffen neuer Rohstoffimporte überbrücken zu können. 294 B Ä K , R 11/2171, Bl. 4 1 7 ^ 2 6 , Ferdinand Grünig, Zur Frage des Ausgleichs des öffentlichen Haushalts nach dem Kriege, 7.9.1944; Bl. 416, Begleitschreiben Grünigs zu der Denkschrift an Pietzsch, 9.9.1944. 295 BÄK, R 11/2171, Bl. 33 ff., Grünig, Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung der RWK, Die volkswirtschaftliche Gesamterzeugung und das Volkseinkommen, November 1944. 296 Vgl. auch die Teilveröffentlichung kurz vor Kriegsende: Grünig, Ferdinand, Grundlagen einer volkswirtschaftlichen Bilanz. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 5/6, S. 49-53. 297 Vgl. zum folgenden BÄK, R 7/2153, R 13 1/665, R 13 XI/22, R 13 XIV/245. Ergänzend Schumann, Wolfgang, Nachkriegsplanungen der Reichsgruppe Industrie im Herbst 1944. Eine Dokumentation. In: JfW 1972/III, S. 259-296.

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Besonders rasch antwortete der Geschäftsführer der mächtigen Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie. Jakob W. Reichert lieferte noch vor seiner vom „Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen" in Auftrag gegebenen Weltwirtschaftsanalyse eine Expertise über die binnenwirtschaftlichen Perspektiven seines Industriezweigs ab.298 Aber der Schein der Kooperationsbereitschaft trog. Statt exakter, territorial aufgeschlüsselter und am Frageschema orientierter Informationen präsentierte er überwiegend grobe Schätzziffern beispielsweise über die Entwicklung der Beschäftigung und der Anlagekapazitäten während der Kriegsjahre, betonte dafür aber um so mehr die Dringlichkeit vorbeugender Demobilmachungsmaßnahmen vor allem im Bereich der Belegschaftspolitik, damit die aus dem Krieg zurückkehrenden Hüttenwerker nicht noch einmal „revolutionären Hetzern" zum Opfern fielen. In Sachen Eisen- und Stahlindustrie verfügten die Nachkriegsplaner des „Stahl-Kreises" im Januar 1945 schließlich dennoch über einen hinreichenden Überblick über den kriegsbedingten Kapazitätsausbau und die Rationalisierungseffekte, aber hinsichtlich der Umsatzund Preisentwicklungen sowie des für die Prognose der Nachkriegsreserven besonders wichtigen Anteils der Wehrmachterzeugung blieben sie weiterhin auf ihre eigenen Schätzungen angewiesen. Die von ihnen erhofften lückenlosen volkswirtschaftlichen Grunddaten blieben nicht zuletzt auch deshalb fragmentarisch, weil die mächtigsten Partner nur einen beschränkten Beitrag zur inneren Konsolidierung der großindustriellen „Phalanx" zu leisten bereit waren. Umso dezidierter äußerte sich Binder, der Leiter der Geld- und Finanzwirtschaftlichen Abteilung der Reichsgruppe Industrie, über die Grundsätze der Preispolitik in der Nachkriegszeit.299 Für ihn war aus aktuellen wie grundsätzlichen Erwägungen die Ära der rein marktwirtschaftlichen Preisgestaltung unwiderruflich zu Ende. Die Gleichgewichtsfunktion des Preismechanismus sei nicht mehr intakt, weil im Gegensatz zur Theorie der klassischen Nationalökonomie keineswegs nur die aus der laufenden Erzeugung stammenden Einkommen am Markt als Nachfrage in Erscheinung träten, äußerte er einleitend. Zusätzlich werde sich dieses Phänomen in der Nachkriegszeit dadurch verschärfen, daß aufgrund der riesigen Wohnungs- und Substanzzerstörungen nur durch preissteuernde Lenkungsmaßnahmen ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage zu bewerkstelligen sei. Deshalb werde die Preispolitik zum zentralen Instrument der Produktions- und Verbrauchssteuerung avancieren. Aber auch Ludwig Erhard gab in einer seiner letzten Ausarbeitungen aus der Zeit vor dem Untergang der NS-Diktatur zu erkennen, daß eine gemäßigt-keynesianische Globalsteuerung der Nachkriegswirtschaft den gemeinsamen Nenner der inzwischen neunmonatigen Debatte des „Stahl-Kreises" darstellte. Der „staatliche Interventionismus" sei zu einer unwiderleglichen Tatsache geworden und könne deshalb nicht mehr einfach abgelehnt oder befürwortet werden, schrieb er im Januar 1945.300 Vollbeschäftigung und sozialer Wohlfahrtsstaat seien 298 BÄK, R 13 1/665, Bl. 17-34, Reichert, Zur Umstellung der Eisen schaffenden Industrie auf die Friedenswirtschaft, 10.11.1944. 299 Binder, Paul, Aufgaben der Preispolitik in der Nachkriegszeit. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 1, S. 3-6. 300 Erhard, Ludwig, Der Staatshaushalt in der volkswirtschaftlichen Bilanz, ebenda, Nr. 1, S. 1-3.

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zu Eckdaten geworden, an denen niemand mehr vorbeikomme, auch wenn ihre Aufwertung „zu einer Art neuem ökonomischen Prinzip" allein schon wegen der bislang fehlenden theoretischen Untermauerung übertrieben wirke - eine vorsichtige Abgrenzung gegen Keiser. Dennoch sei an der neuen volkswirtschaftlichen Einkommens- und Umverteilungsfunktion der öffentlichen Haushalte nichts mehr zu revidieren. Der alte Widerspruch, wonach sich die Wirtschaft einerseits immer „aus der Bevormundung durch den Staat" zu befreien trachtete und andererseits durch ihre Forderung nach einer „sozialwirtschaftlichen Ordnung" die Staatsintervention provoziert habe, löse sich zugunsten einer neuartigen volkswirtschaftlichen Dynamik auf. In der Übergangszeit stünden infolgedessen ausreichende wirtschaftspolitische Instrumente zur Verfügung, um die ungeheuren Diskrepanzen zwischen kaufkräftiger Nachfrage und „marktfähigem Sozialprodukt" so zu steuern, daß eine „Sprengung der sozialen Ordnung" vermieden werden könne. Aber auch beim Übergang zur friedensmäßigen Nachkriegswirtschaft werde der Staat als über den Parteiinteressen stehender Regulator bestehen bleiben, um eine dauerhafte „Rangordnung" des Anspruchs auf das Sozialprodukt durchzusetzen. Er werde sich schließlich zum „modernen Sozialstaat" transformieren, um die ihm obliegende Funktion der Einkommensumverteilung dauerhaft wahrzunehmen und sich zuletzt auf „jene große Planung" zu beschränken, die „soziale Harmonie" mit „wirtschaftlicher Leistung" optimal auszugleichen trachte. Dabei müsse der Sozialstaat aber immer innerhalb der kritischen Grenze eines stabilen Budgetausgleichs agieren und jede Reglementierung der autonomen Wirtschaftskräfte vermeiden. Mit diesen Ausblicken auf das nicht zuletzt auch von den wirtschaftspolitischen Hauptakteuren der Westalliierten favorisierte Zukunftspanorama hatten sich die Vordenker des „Stahl-Kreises" zu Beginn des Jahrs 1945 erstaunlich weit von der Wirklichkeit und den Zugzwängen des „totalen Kriegs" entfernt. Um so mehr sollte sich ihr Vorgriff auf die Ökonomie des Nachkriegs langfristig als realitätstüchtig erweisen. Denn es handelte sich um nichts anderes als die Vorwegnahme jenes keynesianischen Regulationsmodells, das die Gesellschaftsformation des Westens weit über die Periode der Nachkriegsrekonstruktion hinaus beherrschen sollte. Die beschriebenen programmatischen Leitlinien waren seit Anfang des Jahrs 1945 keineswegs mehr das Geheimwissen eines verschwiegenen Planerzirkels, sondern wurden zusätzlich zu den spezifischen Informationskanälen der Wirtschaft in der einschlägigen Fachpresse als Leitthemen gehandelt. Auf diese Weise entstand ein breiter nachkriegsorientierter Konsens, der sich zunehmend von den politisch-militärischen Machtstrukturen der NS-Diktatur ablöste.

3. Die Notstandsphase seit Januar 1945 Das Nachkriegsprogramm der Reichsgruppe Industrie war durch die stillschweigende Annahme geprägt, daß es nach dem Abschluß eines Separat- oder Kompromißfriedens weiterhin eine souveräne deutsche Zentralgewalt geben würde, die sich die wirtschaftspolitischen Übergangs- und Wiederaufbaupläne zu eigen machte und ihre Durchführung verantwortete. Diese Ausgangshypothese war seit Ende Januar/Anfang Februar 1945 nicht mehr aufrechtzuerhalten. Das Scheitern der Ardennenoffensive, der Generalangriff der Roten Ar-

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mee und die Abschlußerklärung der Jalta-Konferenz ließen jetzt vielmehr einen Kriegsausgang erwarten, der durch die alliierte Besetzung Deutschlands und die zumindest zeitweilige Aufhebung oder Beschneidung wesentlicher Regierungsfunktionen charakterisiert sein würde. Dieser militärisch-strategische Perspektivwechsel hatte einschneidende Folgen für die Nachkriegsplanung. Statt ihr Transformationsprogramm mehr oder weniger systematisch zu realisieren, würden sich die deutschen Wirtschaftseliten zusätzlich zum drohenden sozialen Chaos der Demobilmachungsperiode mit unterschiedlichen Militärregierungen, mit kurzfristigen Reparationsforderungen und mit der Gefahr struktureller Eingriffe seitens der Besatzungsmächte auseinanderzusetzen haben. Die Aussicht auf eine bedingungslose Kapitulation ließ darüber hinaus endgültig die Frage akut werden, welche der künftigen Sieger- und Besatzungsmächte überhaupt zu einem Arrangement mit dem sozioökonomischen Überlebensprogramm der deutschen Wirtschaftseliten fähig und willens war.

a) Hinwendung zu einer von den USA beherrschten Nachkriegs- Weltwirtschaft Zunächst rechneten die Vordenker des „Stahl-Kreises" mit den Doktrinen der „kontinentaleuropäischen Großraumwirtschaft" ab. Dabei brauchten sie nur jene Diskussionen abzuschließen, die seit dem Untergang der südosteuropäischen Kollaborationsregimes im Juli/ August 1944 begonnen hatten. Beispielsweise hatte Albrecht Anfang Dezember 1944 an die führenden Köpfe des Südostausschusses der Reichsgruppe Industrie eine anonyme Denkschrift verschickt,301 deren Verfasser die bilaterale Vertragsgrundlage des bisherigen, seit Beginn der 1930er Jahre initiierten „Südost-Geschäfts" als „Notlösung" bezeichnete. Als Industrialisierungsmodell sei das Konzept gescheitert, der deutschen Außenwirtschaft habe es dagegen mit seinen weit über dem Weltmarktniveau liegenden Preisen nur Schwierigkeiten gebracht. Selbst in großen Wirtschaftsräumen lasse sich offensichtlich die „Bildung von ökonomisch unbegründeten Austauschrelationen" nicht vermeiden. Die letztlich unausweichliche Schere zwischen wirtschaftlicher Leistung und Preisbildung führe über kurz oder lang zur inneren Zerrüttung, während die zunehmende Abkapselung der „Großräume" voneinander „notwendig eine Deroutierung der internationalen Währungsordnung" zur Folge habe. Die letzten Kriegsausgaben der Wirtschaftsfachpresse verliehen diesem selbstkritischen Kurswechsel auch öffentlich nachhaltig Ausdruck. Damit war der Weg frei zur Beantwortung der Frage, welche der künftigen Sieger- und Besatzungsmächte überhaupt in der Lage sein würde, einen substantiellen Beitrag zur Wiedereingliederung des deutschen Wirtschaftspotentials und damit der ökonomischen Führungsgruppen in die heraufziehende neue Weltwirtschaftsordnung zu leisten. Die Antwort war rasch gefunden, denn auch darüber brauchten sich die Teilnehmer der deutschen Nachkriegsplanung nur noch im Ergebnis materialreicher Untersuchungen zu verständigen. Mitte Oktober hatte Keiser die „bemerkenswerte und einzigartige" Fähigkeit des Wirtschaftssystems der USA gepriesen, neben der gewaltigen kriegswirtschaftlichen Expansion auch noch 301 BÄK, R 12 1/233, Anlage zum Schreiben Albrechts an ligner, Lenze u. Hanauer, 1.12.1944.

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den Massenkonsum im „Ergebnis einer energischen Erschließung der jeweiligen ungenutzten Produktivkräfte" zu steigern.302 Zwei Monate später war Grünig mit einer vergleichenden volkswirtschaftlichen Potentialschätzung gefolgt, die die USA weit vor Großbritannien einordnete;303 das war eine eindrucksvolle Ergänzung der kurz zuvor von der Redaktion der „Bankwirtschaft" abgeschlossenen Debatte über die wirtschaftspolitischen Gegensätze unter den Westalliierten. Was die Experten darlegten, bestätigten auch die Informanten und Verbandsfunktionäre. Von der Goltz, der Abs regelmäßig von Stockholm aus mit Insiderwissen versorgte, wies Anfang Februar auf die USA als Hauptfaktor einer jeden wirtschaftlichen Nachkriegsplanung hin.304 Der Geschäftsführer des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsverbands wiederum konnte seinem Korrespondenzpartner vom Zeiss-Konzern antworten, daß er sich jetzt großen Zuspruchs der gesamten Industrie erfreue.305 Es war somit ein Leichtes für Erhard, in der Phase der Agonie der NS-Diktatur jene Schlußfolgerungen zu ziehen, die aus der Perspektive der deutschen Wirtschaftseliten auf der Hand lagen.306 Klug handele, schrieb er in der letzten Ausgabe der ,3ankwirtschaft", wer jetzt bereit sei, sich den „überstaatlichen Einflüssen und Bindungen", die mit der Neuordnung der Außenwirtschaft einhergehen würden, weitsichtig zu unterwerfen. Es sei eine „Grundfunktion des Welthandels, über Staatsgrenzen hinweg zum Vorteil aller Volkswirtschaften den Abtausch echter Güteräquivalente" zu gewährleisten und die „zwischenstaatlichen Leistungsunterschiede" so weit wie möglich einzuebnen. Diesem Prinzip müßten aber auch die künftigen Kapitalgeber gehorchen. Kapitalexport sei nur noch als zeitlich befristete Hilfe für den Wiederaufbau gerechtfertigt. Er müsse dem Primat der Verbrauchsgütererzeugung genügen und immer innerhalb einer bestimmten Frist wieder getilgt werden. In diesem Sinn seien die USA wohl beraten, wenn sie sich auf die „geistige und sittliche Grundlage des Handels" besännen und darauf verzichteten, „ihre Macht und ihren Einfluß zum Nachteil der eigenwirtschaftlichen Entwicklung" in den Empfängerländern zu mißbrauchen. Es war die mit moralischen Appellen garnierte Deditio des Verlierers, der sich durch seinen vorauseilenden Gehorsam Milde und bevorzugte Behandlung durch die ökonomisch potenteste Siegermacht versprach. An der Aufmöbelung der ideologischen Feindbilder gegen die künftigen äußeren und inneren Feinde des Privateigentums sowie an Versuchen zur Spaltung des alliierten Lagers in letzter Minute waren die Nachkriegsplaner der wirtschaftspolitischen Gremien und „Selbstverwaltungsorgane" allerdings kaum beteiligt. Dieses Geschäft überließen sie in der Schlußphase des Kriegs weitgehend den wirtschaftspolitischen Propagandagremien und Ressortministern, die jetzt nach jedem Strohhalm griffen, um den Bruch der Antihitlerkoalition „in einem Zeitpunkt eintreten zu lassen, in dem wir noch auf den Beinen stehen."307 Es war 302 Keiser, Günter, Kriegsfinanzen im fünften Kriegsjahr. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 19/20, S. 375-378, hier S. 376. 303 BÄK, R 11/2171, Bl. 47 ff., Grünig, Volkswirtschaftliche Bilanz für Deutschland, Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Referat vor dem Beirat der RWK am 14.12.1944. 304 BAP, Deutsche Bank, Ρ 10884, Bl. 107-114, Bericht Nr. 4/45 an Abs, 7.2.1945. 305 Müncks an Henrichs, 3.1.1945. Zitiert in: Carl Zeiss Jena. Einst und Jetzt, Berlin 1962, S. 582. 306 Erhard, Ludwig, Kapitalexport und Welthandel. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 5/6, S. 53 ff. 307 BÄK, R 2/24242, Schwerin v. Krosigk an Goebbels, 6.4.1945.

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Reichsfinanzminister Schwerin von Krosigk und nicht etwa ein Exponent des „Stahl-Kreises", der den Tod des US-Präsidenten Roosevelt (am 12. April 1945) als „Gottesgeschenk" feierte und zur Mobilisierung des politischen Katholizismus der USA zugunsten eines antisowjetischen Separatfriedens durch den Vatikan aufforderte.308 Währenddessen kam Albert Speer auf die Idee, eine Delegation tschechischer Industrieller zum US-amerikanischen Hauptquartier nach Frankreich fliegen zu lassen, damit sie „dort mit ihren amerikanischen Verbindungen Verhandlungen über den Schutz der Tschechoslowakei vor den Bolschewisten" und die Bildung einer von den USA beschützten antikommunistischen Regierung in Gang brachten.309 Die relative Zurückhaltung auf der Ebene der antikommunistischen und antisowjetischen Propaganda bedeutete nicht, daß sich die Nachkriegsplaner etwa von den dahinterstehenden Zielen und den Bemühungen um ein pro-westliches „Mühlespiel" in letzter Minute distanziert hätten. Jedoch wußten sie um den illusionären Charakter dieses Wettlaufs vor der Niederlage und hielten es eher mit der Prophezeiung Gunnar Myrdals, daß die Antihitlerkoalition erst nach der deutschen Kapitulation - dann aber rasch und mit weitgehenden Folgen auseinanderfallen werde.310 Auch stand der Zynismus, mit dem sie die vom NS-Imperialismus zerstörten bzw. geschwächten europäischen Volkswirtschaften aus rein ökonomischen Erwägungen als Partner eines deutschen Wiederaufbaus abschrieben und nun auf die USamerikanische - sowie hilfsweise die britische - Karte setzten, hinter der antisowjetischen Propagandakampagne keineswegs zurück. Hinzu kommt, daß es gerade die Wirtschaftseliten waren, die parallel zu den nun einsetzenden panischen Massenfluchten vor der Roten Armee und den Volksaufständen in Südosteuropa alle irgendwie mobilisierbaren wirtschaftspolitischen Lenkungsinstrumente und Vermögenswerte auf leisen Sohlen aus Ost- und Südosteuropa sowie der künftigen sowjetischen Besatzungszone zurückzogen und in die künftigen westalliierten Besatzungsgebiete transferierten.

b) Überbetriebliche Aspekte der Notstandsplanung Den Auftakt zur Flucht der Zentralbehörden aus Berlin in die künftigen Westzonen gaben nicht zufällig jene Ressorts und Wirtschaftsverbände, die sich besonders intensiv bei den Nachkriegsdebatten engagiert hatten. Das Planungsamt und die Amtsgruppe Information des Rüstungsministeriums wurden schon Anfang Februar 1945 nach Blankenburg im Harz ausgelagert, während sich die Statistische Leitstelle in Wernigerode niederließ.3" Weitaus verschlungener waren die Wege, die die Beamten des Reichswirtschaftsministeriums drei Wochen später einschlugen.312 Zunächst setzte sich Ende Februar ein „Arbeitsstab Thüringen" 308 Ebenda, Schwerin v. Krosigk an Goebbels, 14.4.1945. 309 Bormann an den Staatsminister in Böhmen und Mähren, Karl Hermann Frank, 23.4.1945, Anatomie des Krieges, S. 491, Dok. Nr. 279. 310 Myrdal, S. 198 ff., 202 ff. 311 BÄK, R 7/2121, Bl. 140 ff., Vermerk Lücks u. Hartmanns über eine Besprechung bei Ohlendorf am 10.2.1945, Betr. Wissenschaftliche Abteilung und Generalarchiv des RWM. 312 Vgl. zum folgenden BÄK, R 7/42 u. 43; R 13 XIV/7 u. 11; Boelcke, Die deutsche Wirtschaft 1930 -1945, S. 347 ff.

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mit Funk an der Spitze nach Bad Salzungen ab, um die aus den östlichen Kreisstädten der Mark Brandenburg in den mitteldeutschen Raum fliehenden Stäbe der Reichsstellen zu einem „Arbeitsstab Versorgung" zusammenzufassen. Da jedoch das Planungsamt das Problem der Konsumgüterversorgung in Kooperation mit den einschlägigen Wirtschaftsgruppen längst angepackt hatte, schlug sich der Arbeitsstab Funks weiter nach Bayern durch, wo er in der zweiten Aprilwoche auf einen von Franz Hayler geleiteten „Arbeitsstab Süd" des Reichswirtschaftsministeriums stieß. Denn inzwischen hatte die in Berlin zurückgebliebene Führungsgruppe in Derenburg einen „Meldekopf ' gebildet und sich von hier aus in einen „Arbeitsstab Nord" und „Süd" aufgeteilt. Da sich bis Mitte April auch die meisten Großbanken nach Hamburg absetzten, formierte sich in diesen Wochen noch einmal ein relativ intaktes regionales Finanz- und Wirtschaftszentrum, das für die Konstituierung der Flensburger „Geschäftsführenden Reichsregierung" mit Speer und Ohlendorf als Spitzenrepräsentanten eines Produktions- und Wiederaufbauministeriums von großer Bedeutung war. Als zusätzlich ein abenteuerlicher Versuch des Reichsbankvizepräsidenten Emil Puhl, nach letzten Verhandlungserfolgen mit der Schweize-' rischen Nationalbank und der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich die für die französische Zone vorgesehene „Leitstelle der Reichsbank" in Speyer mit Hilfe eines von der BIZ verwalteten Golddepots aufzuwerten,313 scheiterte, avancierte auch die nach Hamburg ausgewichene „Reichsbankleitstelle" zur führenden Geldinstitution in der ersten Übergangsperiode. Dagegen konzentrierten sich die Reichsgruppe Industrie und die Wirtschaftsgruppen bei ihren Absetzbewegungen aus Berlin auf den mitteldeutschen Raum. Da ihnen dabei der genaue Verlauf der von den Alliierten im September und November 1944 festgelegten Zonengrenzen sowie die Berlinregelung314 zunächst unbekannt waren, ließen sie sich teilweise auf künftigem sowjetischem Besatzungsterritorium nieder und zogen sich im Verlauf des Juni zusammen mit der US-Army in die amerikanische Zone zurück. Die Hauptgeschäfts313 Puhl verhandelte im März/April 1945 mit der Leitung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der BIZ, um eine Aufhebung der Verhandlungsergebnisse zu erreichen, die kurz vor ihm eine von Lauchlin Currie geleitete US-Delegation erzielt hatte. Dies gelang ihm erstaunlich weitgehend. U. a. kaufte die SNB nochmals drei Tonnen Gold an, die sie selbst aus der Reichsbankstelle Konstanz abtransportierte. Weitere eineinhalb Tonnen wurden von der BIZ übernommen, blieben aber als deklariertes Eigentum der BIZ bis nach Kriegsende in Konstanz. Nachdem er die Währungsreserve Gold durch diesen Trick vor dem Zugriff der Alliierten geschützt hatte, versuchte sich Puhl von Konstanz aus mit Hilfe des BIZ in den Aufbau einer „Leitstelle" der Reichsbank in der Französischen Zone einzuschalten. Er wurde jedoch am 1.6.1945 inhaftiert. Vgl. NA, RG 260, FINAD 2/103/15 (Briefe Puhls an Funk aus der Schweiz v. 19., 23. u. 30.3. u. 6.4.1945; Smith, Arthur L., jr., Hitler's Gold. The Story of the Nazi War Loot, Oxford/New York/München 1989, S. 72 ff.; Trepp, S. 154 ff. 314 Die European Advisory Commission der Alliierten Mächte verabschiedete am 12.9.1944 in London ein Zonenprotokoll, das in den Grenzen v. 31.12.1937 eine Ost-, Nordwest- und Südwestzone sowie ein Sondergebiet Berlin mit Sektoren für die - zunächst - drei Besatzungsmächte vorsah. Vgl. FRUS, The Conferences at Malta and Yalta 1945, Washington 1955, S. 118-121, 124-127. Die deutsche Version enthält Deuerlein, Ernst, Die Einheit Deutschlands, Bd. I, Frankfurt a. M./ Berlin 1961, S. 314-318, 321-32.

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fiihrung, Zentralverwaltung und die Statistische Abteilung der Reichsgruppe Industrie quartierten sich bis dahin in Gera ein. 3 ' 5 Die Abteilung für Marktordnung und die Außenwirtschaftsabteilung kamen in Erhards Institut für Industrieforschung in Bayreuth unter, was angesichts der korrespondierenden Institutsmitgliedschaft der Abteilungsleiter Metzner und Albrecht nahe lag. Binders Abteilung für Geld- und Kreditfragen bezog Logis in Ilmenau in Thüringen, und Generaldirektor Stahl nahm die von Lohmann geleitete Abteilung für Sozialwirtschaft in der Roßlebener Nebenzentrale des Salzdetfurth-Konzerns auf. Nur Bernhard Skrodzki blieb mit einer Restgruppe in Berlin, so daß die intellektuelle Kerngruppe des „Stahl-Kreises" während der Notstandsphase weitgehend auf ein eng umgrenztes Gebiet in Sachsen-Anhalt, Thüringen, der Oberpfalz und Franken konzentriert war. Von einigen repräsentativen Akteuren der großindustriellen Nachkriegsplanung ist bezeugt, daß sie sich unverzüglich den einmarschierenden westalliierten Wunschpartnern andienten. Sie verhielten sich deutlich anders als die Führungskräfte der Wirtschaftsgruppen, die die erste Kontaktaufnahme mit den Militärkommandanten und Wirtschaftsoffizieren entweder bis zum Kapitulationstermin verzögerten oder an möglichst „unbelastete" Mitarbeiter delegierten, um sich die Weiterarbeit und einen mit „Off Limits"-Schild versehenen Militärposten zu sichern. Erhard wurde schon am 18./19. April, unmittelbar nach dem Einmarsch der US-Army, beim Fürther Stadtkommandanten vorstellig, ergatterte sich einen Spezialauftrag zur Wiederingangsetzung der Fürther Industrie und gab entschieden zu erkennen, daß er in Sachen Nachkriegswirtschaft zu Höherem berufen sei.316 Albrecht wirkte seit Anfang Mai als Verbindungsmann zwischen der Reichsgruppe Industrie, den Wirtschaftsgruppen und US-amerikanischen Wirtschaftsoffizieren.317 Auch die unter die Fittiche des SalzdetfurthKonzerns geschlüpfte Sozialwirtschaftliche Abteilung knüpfte noch im April ihre ersten Kontakte. Jedoch hielt dies ihre Mitarbeiter nicht davon ab, auch noch nach dem Einmarsch der Amerikaner mit der Vernichtung der Geheimakten der in Roßleben deponierten Registratur der Reichsgruppe Industrie fortzufahren.318 Daß sich auch die Statistische Abteilung der Reichsgruppe Industrie noch vor dem Kapitulationstermin mit ihrer Industrieberichterstattung in den Dienst des US-Oberkommandos stellte,319 vermag nach alledem nicht mehr zu überraschen. Unter der Supervision der westlichen Siegermächte konsolidierte sich im Anschluß an die Notstandsperiode in den von den anglo-amerikanischen Truppen besetzten Gebieten eine vierte wirtschaftspolitische Planungsphase, die noch vor dem Kapitulationstermin einsetzte und bis zum Beginn des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses im Herbst 1945 andauerte. Aber bevor es zu diesen neuen Partnerschaften kam, waren die Akteure des wirtschaftspolitischen Überlebensprogramms erst einmal der zermürbenden Flucht vor der Roten Armee 315 BÄK, R 12 1/24, Bl. 5 ff., Geschäftsverteilungsplan der Reichsgruppe Industrie, Gefolgschaftsstand v. 16.3.1945; BÄK, R 13 X/66, Alfred Möllers, Bericht an die Wirtschaftsgruppe Glasindustrie über die Geschäftsführerbesprechung der RGI am 23.3.1945. 316 Laitenberger, S. 44. 317 Vgl. BÄK, R 13 V/91; Albrecht, Karl, Das Menschliche hinter dem Wunder, S. 17 f. 318 BÄK, R 12 1/24, Bl. 26, Lohmann an Guth, 29.5.1945. 319 Ebenda, Bl. 11 ff., Johann Greim, Bericht über die Fühlungnahme eines Offiziers des amerikanischen Hauptquartiers mit der Reichsgruppe Industrie (Abteilung Statistik und Wirtschaftsbeobachtung) in Gera, 10.5.1945. Siehe Anatomie des Krieges, S. 492, Dok. Nr. 280.

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ausgesetzt. Dabei waren sie durch die unsicheren und höchst unkomfortablen Transportmöglichkeiten, durch chronische Übermüdung und nicht zuletzt durch das unmittelbare Miterleben von Massenfluchten und sozialer Demoralisierung erheblich in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Zweifel machten sich breit. Stahl schrieb Ende März an Friedrich Flick, man könne ,ja heute nur im Strom mitschwimmen und hoffen, daß man eines Tages doch noch das Ufer erreicht..."320 In trüben Augenblicken zog er sogar die moderaten Grundpositionen seiner intellektuellen Nachkriegsplaner in Zweifel und meinte hellsichtig, daß die Reichsschulden inzwischen wohl zwangsweise im Verhältnis Zehn zu Eins herabgesetzt werden müßten.321 Ähnlich erging es auch Hans Fischböck, dem stellvertretenden Leiter des Planungsamts und Reichskommissar für die Preisbildung, der Ende Februar den bisher von Bernhard Benning behaupteten Kurs des „Europa-Kreises" in der Frage der Schuldenkonsolidierung radikal revidierte und sich für eine mit einer Abwertung um 50 Prozent gekoppelte extreme Steuerbelastung der Kleinsparer aussprach.322 Je mehr sich aufgrund der Tagesereignisse die Frage nach der Sinnhaftigkeit der bisherigen mittelfristigen Planungsarbeit stellte, desto konsequenter schlossen sich jedoch die wirtschaftspolitischen Lenkungsstellen zu einem praxisbezogenen Bündnis zusammen, um die im RGI-Programm vom 13. Dezember 1944 geforderten „Sofort- und Notmaßnahmen im Übergangsstadium" 323 noch vor dem Ende der Kampfhandlungen in die Wege zu leiten. Fernab von den bisherigen Kontroversen und Rankünen bildete sich seit Januar/Februar im Hintergrund verschiedenster „Sonderbevollmächtigungen" und „Notprogramme" eine verschwiegene große Koalition, die vom Rüstungsministerium, der Reichsgruppe Industrie und den führenden Wirtschaftsverbänden getragen wurde und alle relevanten wirtschaftspolitischen Lenkungsinstanzen einbezog. Das erklärte Ziel war die Rettung der volks- und privatwirtschaftlichen Substanz gleichermaßen. Im nächsten Kapitel wird dargestellt,324 wie ab Ende Februar Maßnahmen eingeleitet wurden, die dem gesamtwirtschaftlich orientierten Notstandskatalog des „Stahl-Kreises" zur Instandsetzung der Verkehrsanlagen, zur Ankurbelung von Landwirtschaft und Ernährung, zum Wiederingangbringen der Verbrauchsgüterproduktion und zu Reparaturarbeiten an friedensmäßig wichtigen Werksanlagen entsprachen. Zusätzlich war diese Vorgehensweise mit Teilprojekten verknüpft, die den Einzelunternehmen als letzten „Ordnungszellen" der Gesellschaftsformation das Überleben in der Demobilmachungs- und Transformationsphase erleichtern sollten. Hier gab der Sachverständigenausschuß des „Stahl-Kreises" den Ton an,325 während die gesamtwirtschaftliche Um320 Rudolf Stahl an Friedrich Flick, 23.3.1945. Zit. nach Radandt, Kriegsverbrecherkonzern Mansfeld, S. 283. 321 So Stahl mehrfach seit April und zuletzt Anfang Juni 1945. Vgl. BAP, Salzdetfurth-Konzern, Nr. 160, Bl. 3-7, AN Stahls über eine Besprechung mit Ernst Schoen v. Wildenegg, 1.6.1945. 322 Hans Fischböck, Wiederherstellung der geldwirtschaftlichen Ordnung in Deutschland, Beilage zum Schreiben an Speer v. 27.2.1945. Referiert bei Piskol, S. 324 f. 323 BAP, FS, Film 3568, Reichsgruppe Industrie, Programm für die Bearbeitung wirtschaftlicher Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie (mit Anschreiben Stahls an Ohlendorf v. 13.12.1944). 324 Vgl. Kap. VII im vorl. Bd. 325 Vgl. BÄK, R 12 1/221, BAP, Salzdetfurth-Konzern, Nr. 29, 173.

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Steuerung vorrangig vom Planungsamt vorangetrieben wurde. Die Betriebe wurden weitgehend aus den Kampfhandlungen herausgehalten und ihre Zerstörung durch deutsche Sprengkommandos verhindert.326 Die Hortung von Roh- und Hilfsstoffen sowie Halbfabrikaten, die Kehrl noch im Oktober 1944 als „Landesverrat" gebrandmarkt hatte,327 erlangte nun die legitimierenden Weihen des Überlebenskampfs. Von den verschiedensten Behörden und Instanzen wurden den Betrieben nach entsprechendem Druck seitens der RGI-Lobby „Kredit"- und „Finanzhilfen" geradezu nachgeworfen, so daß die Überliquidität der Unternehmen gegen Kriegsende die Regel war und ansehnliche „Stammbelegschaften" trotz des Kohlen- und Elektrizitätsmangels zusammengehalten werden konnten. Auch der Abtransport von Maschinen, Anlagen, Vorrichtungen und Vermögenswerten aus der künftigen sowjetischen Einflußsphäre wurde der Verkehrskatastrophe zum Trotz zügig abgewickelt, und zwar unabhängig davon, ob die Genehmigungen der für die Betriebsverlagerungen zuständigen Instanzen vorlagen oder nicht.328

c) Der Ubergang der Großunternehmen in den Nachkrieg Alles in allem konnten die Großunternehmen auf eine Vielzahl wirtschafts- und geldpolitischer Hilfen zurückgreifen, um sich für einen Nachkrieg unter alliierter Besatzung zu rüsten. Die Konzernleitungen bedienten sich ausgiebig, entwickelten zusätzlich aber auch höchst originelle Eigeninitiativen. Dabei gingen sie in vielen Fällen von Initiativen aus, die sie spätestens seit dem Sommer 1944 in die Wege geleitet hatten. An erster Stelle stand das Bedürfnis nach kompetenter Krisenberatung und langfristig angelegter Personalpolitik. Blessing beispielsweise wirkte schon seit dem Herbst 1943 als stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Daimler-Benz AG und initiierte ein knappes Jahr später die Gründung einer „Wirtschaftspolitischen Abteilung" zur Koordination der Nachkriegsvorbereitungen des Rüstungskonzerns.329 Ähnliche Beratungsfunktionen übernahm offensichtlich auch Ludwig Kastl, der 1944 vom Aufsichtsrat in den Vorstand des MAN-Konzerns delegiert wurde.330 Aber nicht nur erfahrene Honoratioren und Nachkriegsplaner wurden geworben, auch energische Nachwuchskräfte waren gefragt. Sie wurden oft mit Leitungsfunktionen betraut, ohne den Vorständen oder Arbeitsausschüssen formell anzugehören. Ulrich Haberland war ein solches stimmberechtigtes „Schattenmitglied" des Vor326 Vgl. Kap. VII im vorl. Bd. 327 BÄK, R 7/2025, Auszug aus dem Protokoll einer Sitzung bei der RGI am 27.10.1944 (Referat Kehrls über die Rohstoffversorgung), Vermerk der Pressestelle des Reichswirtschaftsministeriums v. 4.11.1944. 328 Vgl. hierzu die aufschlußreichen Korrespondenzakten des seit dem September 1943 beim Rüstungsamt ressortierenden „Beauftragten für die Verlagerung der Elektroindustrie", der immer wieder zu nachträglichen Genehmigungen genötigt wurde: BÄK, R 3/270 bis 279 H. 2. 329 Das Daimler-Benz-Buch, S. 308 ff., 312 ff. 330 Vgl. Hetzer, Gerhard, Unternehmer und leitende Angestellte zwischen Rüstungseinsatz und politischer Säuberung. In: Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland, Hrsg. Martin Broszat, Klaus-Dieter Henke u. Hans Woller, München 1990, S. 551— 591, hier S. 562.

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stands von Bayer Leverkusen; er sollte aus optischen Gründen erst nach dem Krieg in den Vorstand berufen werden.331 Umgekehrt ging das Management des Krupp-Konzerns vor, das einen Direktor der Kaufmännischen Abteilung (Karl Eberhardt) 1943 mit der Gründung einer „Zentralstelle für Betriebsverlegungen" betraute und ein Jahr später in einen „kleinen Kreis" für Nachkriegsvorbereitungen kooptierte, ihn jedoch nicht in die zentralen Entscheidungsgremien aufnahm.332 Diese Personalrevirements waren mit unterschiedlich weitreichenden Eingriffen in die Konzernstruktur verbunden. Dabei wurde vor allem eine Verstärkung der Entscheidungsund Handlungsautonomie der Betriebsleitungen für den Fall angestrebt, daß die Kontakte zu den zentralen Leitungsgremien abrissen (Degussa AG).333 Manchmal wurden zusätzlich die verschiedenen Abteilungen der Berliner Hauptverwaltung zusammen mit den Aktenregistraturen auf die Zweigwerke verteilt und die Konzernspitze selbst in einen „Arbeitsstab" umgewandelt (Salzdetfurth-Konzern).334 Friedrich Flick inszenierte eine Pseudo-Entschachtelung seines Konzerns, um einerseits alliierten Eingriffen zuvorzukommen und andererseits der sich abzeichnenden Zonenaufteilung Deutschlands Rechnung zu tragen. Er gründete 1944 vier Holdinggesellschaften für die Hauptsparten mit Sitz in Düsseldorf, bezog im Februar 1945 eine „Ausweichstelle" in Sulzbach-Rosenberg, richtete in Berlin eine Restverwaltung ein und ließ aus der künftigen sowjetischen Besatzungszone zusätzlich zu den „Marschbefehlen" für das leitende Personal alle irgendwie mobilisierbaren Vermögens- und Anlagenbestandteile seines Imperiums abtransportieren.335 Zu diesen strukturellen Vorgriffen gesellten sich in vielen Fällen erste Schritte zur Wiederaufnahme der Friedensproduktion.336 Bayer Leverkusen und der Schering-Konzern schlossen ihre Bemühungen um die Entwicklung neuer Pharmazeutika, insbesondere in den Bereichen Hormon-, antiallergische und Penicillinpräparate, ab. In den Werkhallen der Rüstungskonzerne der Maschinenbauindustrie und der Metallverarbeitung wurden jene zivilen Abteilungsbereiche wieder ausgebaut, die schon immer als Sprungbrett zur Nachkriegsproduktion überlebt hatten. Die Gießerei des MAN-Konzerns beispielsweise nahm im Winter 1944/45 die Fertigung von Lokomotiv-Zylindern wieder auf, der allgemeine Maschinenbau verlegte sich auf die Produktion von Ersatzteilen, und die auf U-Boot-Dieselmotoren eingestellten Motorenwerke des Konzerns begannen mit der Reparatur von Schienenfahrzeugen. Im Daimler-Benz-Konzern kamen noch vor Kriegsende bedeutende konstruktive Neu331 IfZ, ZS 981, Carl Krauch, 1. Ordner, Vernehmung Krauchs v. 11.3.1947; Stokes, Raymond G., Divide and Prosper. The Heirs of I.G. Farben under Allied Authority 1945-1951, Berkeley/Los Angeles/London 1988, S. 31 f. 332 BÄK, All. Proz. 1 XIII, Fall Χ, Β 1, Dok. NIK-9515, Eidesstattliche Erklärung Karl Eberhardt, 2.7.1947. 333 Vgl. Piskol, Konzeptionelle Pläne und Maßnahmen der deutschen Monopolbourgeoisie, S. 319 f. 334 Β AP, Salzdetfurth-Konzern, Nr. 15, Rundschreiben Stahls an die Vorstandsmitglieder und Werkdirektoren, 14.3.1945. 335 BAP, Flick-Konzern, Nr. 520, 558,637, 860. 336 Vgl. zum folgenden Piskol, Konzeptionelle Pläne und Maßnahmen, S. 360 ff.; Ders., Zum Verhältnis von Finanzkapital und faschistischem Machtapparat in der Endphase des zweiten Weltkrieges (Juli 1944-Mai 1945). In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1978, Nr. 1/2, S. 5-51, hier S. 28 ff.; Herbst, S. 408 f.; Das Daimler-Benz-Buch, S. 318; Hetzer, S. 562 f.

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und Weiterentwicklungen bei Personenkraftfahrzeugen, landwirtschaftlichen Universalfahrzeugen und Diesel-Lastkraftwagen zum Abschluß. Für alle diese Umstellungsmaßnahmen mußten noch vor Kriegsende umfangreiche Mittel abgezweigt werden. Da die Finanzspritzen und Vorratsmobilisierungen aber keineswegs die umfangreichen Reservebildungen für die Übergangsperiode schmälern durften, entwickelten die Konzernleitungen phantasievolle Methoden zur Aufschatzung von Sachmitteln und disponiblen Geldreserven. Schon zu Zeiten der Gegensteuerungsversuche des Planungsamts hatte die Hortung von Rohstoffen und Halbzeug enorme Ausmaße angenommen, und dies erleichterte jetzt die zusätzliche Vorratsbildung. Allein in der Umgebung der Essener KruppWerke waren Anfang 1945 mehr als 100 000 Tonnen Fertig- und Halbfertigstähle deponiert.337 Vor allem die Rüstungsunternehmen wären beim Übergang in den Nachkrieg buchstäblich an ihren Vorräten erstickt, wenn sie sie nicht sorgfältig dezentralisiert und gespeichert hätten. Mit diesen horrenden Lagerbildungen korrespondierten energische Aktivitäten zur Vermehrung der liquiden Betriebsmittel, die, solange die zurückgestaute Inflation die Preise noch einigermaßen stabil hielt, ein direkter Gradmesser für die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit der Unternehmen blieben. Deshalb scheute das Management des Krupp-Konzerns keine Mühe, um ein aus der Ära Gustav Krupp stammendes Paket mit langfristigen Reichsanleihen in Höhe von 200 Millionen Reichsmark zu liquidieren, die Ansprüche auf den Ersatz von Kriegssachschäden rigoros geltend zu machen und die Außenstände insbesondere der öffentlichen Auftraggeber zügig einzutreiben.338 Bei Daimler-Benz wies der Finanzstatus seit dem Herbst 1944 erstaunliche Ziffern aus. Die liquiden Bankguthaben lagen mit mehr als 150 Millionen Reichsmark deutlich über dem Aktienkapital (120,256 Millionen Reichsmark), während der Wertpapierbesitz auf etwa 20 Millionen geschrumpft war.339 Allein für die Erstattung von Kriegssachschäden hatte die Stuttgarter Konzernspitze bis Ende November 1944 182,54 Millionen Reichsmark eingetrieben, von denen sie bis dahin lediglich 87 Millionen für Aufräumungs- und Instandsetzungsarbeiten verbraucht hatte. Die Geldfülle erreichte vor allem in den letzten Kriegsmonaten unglaubliche Dimensionen, weil das Generalreferat für Wirtschaft und Finanzen nun die Verluste der osteuropäischen „Kriegswerke" und Reparaturbetriebe auf der Basis des Soll-Ist-Vergleichs pauschal „nach Treu und Glauben" erstattete.340 Insgesamt wurde die Wirtschaft bis zur Kapitulation mit 28 bis 30 Milliarden Reichsmark zur Abgeltung von Kriegssachschäden und anderen mittelbaren Kriegsfolgekosten ausgestattet.341 Zusätzlich zu diesen personellen, strukturellen, produktionstechnischen und betriebswirtschaftlichen Vorgriffen auf den Nachkrieg engagierten sich einige Unternehmensleitungen auf spezielle Weise bei der weiteren Privatisierung des öffentlichen Technologie- und Pro337 338 339 340 341

Manchester, S. 551. Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Manchester, S. 547 f. DBAG-Archiv, Haspel 1/5, Monatlicher Finanzbericht v. 30.11.1944. Umfangreich dokumentiert in: BÄK, R 3/1829. BÄK, Β 127/11959, Gemeinsamer Deutscher Finanzrat, Niederschrift über die 1. Sitzung des Arbeitsstabes zur Feststellung der Reichsverschuldung am 25.7.1947 in Frankfurt a. M. (Ausführungen des Ministerialdirigentenen Schwandt, Bl. 6 f.).

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duktionssektors. Sie konnten dabei an jene zwei große Reprivatisierungswellen anknüpfen, die 1942/43 zunächst die Motoren- und Maschinenbaukapazitäten der Reichswerke „Hermann Göring" erfaßt342 und ein Jahr später mit der fast vollständigen Aushändigung des Arbeitskräftepotentials der Konzentrationslager an die Rüstungsindustrie und deren Untertageprojekte den Konzern des SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamts weitgehend marginalisiert hatten.343 Da infolgedessen im Gegensatz zu Italien ein strukturprägender öffentlicher Sektor nicht mehr existierte, konzentrierten sich die direkt mit den Nachkriegsvorbereitungen verknüpften Privatisierungsbemühungen im wesentlichen auf die Verfügungsgewalt über solche militärische Spitzentechnologien, von denen ein wesentlicher innovativer Effekt auf die zivile technische Nachkriegsentwicklung erwartet wurde. Die Ergebnisse dieser Bestrebungen waren von Fall zu Fall recht unterschiedlich. Beispielsweise endeten die Versuche der IG Farben, sich bei der Entwicklung eines Schwerwasserreaktors für die deutsche „Uranmaschine" ein Patentmonopol über das katalytische Austauschverfahren bei der Herstellung von schwerem Wasser zu sichern, in jeder Hinsicht mit einem Fiasko.344 Es gelang den IG-Managern nicht, die auf diesem Gebiet führende Forschergruppe auszuschalten, weil diese auf ein neues, weniger energieaufwendiges und von der IG Farben nicht kontrollierbares Trennungsverfahren auswich. Im Gegensatz dazu gelang es dem Management des Siemens-Konzern gegen Ende des Kriegs, den jahrelangen Streit um die Kontrolle der Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten bei der Raketenentwicklung zu seinen Gunsten zu entscheiden und zugleich einen bemerkenswerten technologischen Durchbruch zu erzielen.345 Bis zum Spätsommer 1943 hatten die Militärs und Techniker der Heeresversuchsanstalt Peenemünde alle Versuche des AEG-Konzerns und des ihm sekundierenden Generalreferenten Hettlage zur Privatisierung des Vorserienwerks für die Rakete A 4 („V 2") erfolgreich abgewehrt. Unter dem Eindruck der schweren alliierten Bombardements der deutschen Raketenkapazitäten war dann im September 1943 mit der Gründung der privatwirtschaftlich verfaßten, aber dem Sonderausschuß A 4 bzw. dem Generalreferat für Wirtschaft und Finanzen unterstellten „Mittelwerk GmbH" ein erster Schritt zur Privatisierung erfolgt. Zugleich hatte der Siemens-Konzern die Führung bei der Entwicklung und Fertigung der elektrischen Komponenten übernommen, weil es ihm inzwischen gelungen war, die Flugbahn der Rakete mittels zweier Vertikantkreiselgeräte zu stabilisieren. Im Juni/Juli 1944 wurde dann die endgültige Privatisierung der elektrotechnischen Sparte der deutschen Raketenrüstung durchgesetzt. 342 Vgl. Perz, S. 94 ff.; Wysocki, Gerd, Arbeit für den Krieg. S. 32 ff. 343 Vgl. vor allem Kaienburg, S. 283 ff., 291 ff.; Kárny, Das SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt, S. 153-169. 344 Vgl. zum folgenden Radkau, Joachim, Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft 1945-1975. Verdrängte Alternativen in der Kerntechnik und der Ursprung der nuklearen Kontroverse, Reinbek bei Hamburg 1983, S. 34 ff.; Walker, Mark, Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe, Berlin 1990, S. 148 ff., 174 ff. 345 Vgl. zum folgenden Siemens-Archiv, 35^14/Lc 168, Gerald Klein, Dokumentation zur Geschichte des Luftfahrtgerätewerk Hakenfelde LGW 1930-1945, München 1980; SAA, 35-70/La 856, K. W. Fieber, Zur Geschichte der deutschen Raketenrüstung, Klagenfurt, Mai 1965; Bomemann, Manfred, Geheimprojekt Mittelbau. Vom zentralen Öllager des Deutschen Reiches zur größten Raketenfabrik im Zweiten Weltkrieg, Bonn 1994.

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Derartige Aspekte unternehmerischer Nachkriegsvorbereitungen sind bisher weitgehend im Verborgenen geblieben. Dagegen sind die Techniken der Kapitalflucht aus Osteuropa und der späteren sowjetischen Besatzungszone im allgemeinen kein Tabu mehr. Dies ist durchaus bemerkenswert, denn der Exodus konzentrierte sich im allgemeinen auf jene Regionen, in denen die fallweise tschechischen, polnischen, sowjetischen, jüdischen oder auch „staatsfeindlichen" Vermögen unter bemerkenswert offener privatunternehmerischer Beteiligung aus der eigentumsschützenden Feindvermögensverwaltung herausgenommen und entsprechend sequestriert oder konfisziert worden waren.346 Bei ihren Entscheidungsfindungen für die Notstandsphase mußten die Planungsstäbe der Konzerne in der Eigentumsfrage zunächst einmal von der Wahrscheinlichkeit ausgehen, daß ihnen Gleiches mit Gleichem vergolten werden würde. Grundsätzlich transferierten die Unternehmensleitungen ihre mobilisierbaren Kapitalbestandteile vor allem deshalb in die künftigen Westzonen, weil deren künftige wirtschaftspolitische Administratoren in Sachen Konfiskationen und Reparationen die niedrigsten Gegenrechnungen in der Tasche hatten. Zusätzlich wurde diese vorbeugende Flucht vor wirtschaftspolitischen Vergeltungsmaßnahmem mit jener antikommunistischen Attitüde überbaut, die den Kalten Krieg schon vor der Niederlage der NS-Diktatur vorwegnahm. Vorbereitung und Durchführung der binnenwirtschaftlichen Kapitalflucht variierten recht erheblich. Am wenigsten bewegten sich die Unternehmen der öffentlichen Hand bzw. der Parteigliederungen, von denen beispielsweise die Leitung der Volkswagenwerk GmbH offensichtlich überhaupt nichts unternahm,347 während sich die Generaldirektoren der teilreprivatisierten Sektoren der Reichswerke „Hermann Göring" zu entsprechenden Aktivitäten aufrafften. 348 Auch ein Teil der Privatunternehmen beschränkte sich auf reine Vorsichtsmaßnahmen oder auf Operationen in einzelnen Schwerpunktbereichen. Der Vorstand des Schering-Konzerns beispielsweise entschied sich im Prinzip für seinen Traditionsstandort Berlin, suchte von Anfang an ein Arrangement mit den Wirtschaftsoffizieren der Roten Armee und richtete nur für den Fall einer Verstaatlichung aller Berliner Hauptwerke in Braunschweig eine Zweigniederlassung sowie ein Forschungslabor ein.349 Dagegen rechnete das Management des Phrix-Konzerns mit dem kompletten Verlust der in Osteuropa und Ostdeutschland aufgebauten produktiven Kapazitäten. Es veranlaßte die Direktionen seiner osteuropäischen und ostdeutschen Niederlassungen zum vollständigen Transfer der liquiden Mittel auf die Hamburger Zentrale, um mit ihrer Hilfe den Wiederaufbau und die Fortführung der westdeutschen Betriebe zu sichern.350

346 BÄK, Ν 1430/13, Johannes Krohn, Die Verwaltung feindlichen Vermögens im zweiten Weltkrieg, Heiligenkirchen 1949, Bl. 66 ff. 347 Schriftliche Mitteilung von Manfred Grieger, Mitarbeiter des von Hans Mommsen geleiteten Forschungsprojekts über den VW-Konzern in der NS-Zeit, an den Verfasser. 348 So betrieb beispielsweise der Generaldirektor des im Jahr 1942 teilreprivatisierten Steyr-DaimlerPuch-Konzerns seine Verlagerungsaktivitäten wesentlich in der Absicht, Anlagekapazitäten für die Nachkriegszeit zu sichern. Vgl. Perz, S. 160 ff., 170 ff. 349 Hamann, Hans-Jürgen, Die Schering AG 1945 bis 1949. Ein Unternehmen kämpft um sein Überleben, Berlin 1990. 350 Pritzkoleit, Kurt, Bosse-Banken-Börsen. Herren Uber Geld und Wirtschaft, Wien/München/Basel 1954, S. 14 ff.

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Die Führungsspitze des Siemens-Konzerns nahm hingegen, ähnlich wie Flick, DaimlerBenz oder Krupp, die Übergangsphase mit Hilfe eines breit gefächerten Aktionsprogramms vorweg.351 Im Oktober 1944 beschloß die Konzernleitung die „Räumungsverlagerung" aller Tochtergesellschaften und Niederlassungen östlich der Linie Warschau-Prag-Wien sowie kurz danach östlich der Reichsgrenze. Im Dezember schickte sie einen Emissär nach Stockholm, um sich über die künftige Aufteilung Deutschlands unter den Siegermächten Klarheit zu verschaffen. Das gelang ihr nur teilweise. Wie die Reichsgruppe Industrie und die meisten anderen Konzerne hielt sie die Elbe-Saale-Linie für die künftige Westgrenze der sowjetischen Besatzungszone, ging in Unkenntnis der Berlin-Regelung von einer vollständigen bzw. dauerhaften Besetzung Berlins durch die Rote Armee aus und nahm an, daß die annektierten Sudetengebiete auch weiterhin Reichsgebiet bleiben würden. Aufgrund dieser Fehlannahmen waren im Übergang zum Nachkrieg laufende Korrekturen erforderlich, wobei die US-Army vor und nach der Kapitulation umfangreiche logistische Unterstützung gewährte. Um die Jahreswende 1944/45 begann bei Siemens die entscheidende Aktionsphase. Die Konzernführung ließ jetzt wichtige technische Unterlagen in die Schweiz schaffen. Die ausländischen Tochtergesellschaften wurden mündlich angewiesen, ihre Lagerbestände auszubauen und ihre Rechnungen an das Stammhaus nicht mehr zu bezahlen, damit sie die Durststrecke bis zum Wiederingangkommen der Konzernverbindungen überstehen konnten. Entwicklungsprojekte der Spitzentechnologie und Teile des Zentrallabors wurden nach Oberfranken bzw. ins Sudetengebiet ausgelagert - so beispielsweise die „ReinstsiliziumGruppe" Walter Schottkys in das oberfränkische Schloß Pretzfeld - und Spitzenkräfte aus dem technischen und kaufmännischen Bereich aus der Wehrmacht zurückgeholt. Auch der Beschluß, auf der Basis der in Stockholm eingezogenen Nachrichten eine „Exilregierung" zur Sicherung von Handlungsfähigkeit und Überlebenschancen zu bilden, fiel um die Jahreswende 1944/45. Für Siemens & Halske wurde unter der Führung von Ernst von Siemens eine „Gruppenleitung" mit Sitz in München festgelegt, während für die „Gruppenleitung" der Siemens-Schuckertwerke Günther Scharowsky als Chef und zunächst Hof in Bayern als Zielort bestimmt wurden. Hinzu kamen ein Siemens-Schuckert-Ableger für das Rhein-Ruhrgebiet in Mülheim an der Ruhr und eine Untergruppe von Siemens & Halske München in Arnstadt, die für die vier Fabriken in Thüringen zuständig war. Am 7. Februar 1945 wurde das Personal in Marsch gesetzt. Die erste gemeinsame Sitzung der Gruppenleitungen fand Mitte Februar in Hof statt, wobei sie die kommenden Aufgaben in groben Zügen umrissen. „Unmittelbar nach Ende der Feindseligkeiten stand für die drei westlichen Besatzungszonen eine handlungsfähige und entscheidungskräftige Führungsmannschaft zur Verfügung, die schon im Mai 1945 mit der Inventur und der Sammlung aller Restaktiva des Hauses beginnen konnte, als Sammelbecken für die aus aller Welt herbeiströmenden Heimkehrer diente", Entwicklung und Konstruktion wieder aufbaute, die Reparatur der Werksanlagen 351 Vgl. zum folgenden HSG, Bestand Siemens-Konzern, Nr. 10, Von Groote, Der Wiederaufbau des Hauses Siemens 1945-1951, o. D; Nr. 16, Gerd Tacke, „Vom Aschenhaufen zum Weltunternehmen - Das Haus Siemens im und nach dem zweiten Weltkrieg", Vortrag vor dem ZFE-Kolloquium München am 17.1.1989; Berger, Heinz, Ursachen der Erhaltung und Restaurierung der Macht des AEG- und Siemens-Konzerns in den Westsektoren Berlins, phil. Diss., Berlin 1967, S. 56 ff.; Tacke, Gerd, Ein Beitrag zur Geschichte der Siemens AG, München 1976.

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koordinierte und den mehr oder weniger weitgehend demoralisierten Konzernangehörigen einen „psychologischen Auftriebseffekt" vermittelte. Sie „wußten wieder, daß es noch bzw. wieder ein Stammhaus gab und daß die Firma den Kampf um eine dauerhafte Weiterexistenz nicht aufgegeben hatte."352 Einem Teil der Berliner Großbanken scheint der Entschluß zur Standortverlagerung nicht so leicht gefallen zu sein.353 Während das Spitzenmanagement der Commerzbank seine gesamte Hauptverwaltung im Februar 1945 in einer perfekt getarnten Aktion an den juristischen Traditionsstandort Hamburg zurückverlegte, zögerten die Vorstände der Dresdner Bank und der Deutschen Bank diese Entscheidung bis in die letzten Kriegswochen hinaus. Dies war ohne die Inkaufnahme eines zu großen Risikos möglich, weil alle Bankenvorstände seit dem Herbst 1943 unter dem Druck des Luftkriegs umfangreiche betriebliche Umstrukturierungen durchgeführt hatten. Die Dresdner Bank hatte ein besonderes Filialbüro für Mittelund Ostdeutschland in Dresden bzw. Breslau gegründet, in Bad Nauheim eine Vorstandsgruppe West mit der Filialaufsicht für Westdeutschland gebildet, ihre Hauptbuchhaltung zusammen mit einer Regionalleitung Süd nach Würzburg verlegt und die nur noch für Norddeutschland zuständige zentrale Vorstandsgruppe auf einige Berliner Depositenkassen ausgelagert. Etwas anders war die Deutsche Bank vorgegangen. Sie hatte in Wiesbaden, Hamburg und Erfurt zwar ebenfalls „Verbindungsstellen Vorstand" eingerichtet, um ihre Filialen im Fall einer Unterbrechung der zentralen Führung unter Kontrolle zu halten, aber alle darüber hinausgehenden Vorstandsfunktionen zunächst weiter auf Berlin konzentriert und dann ab September 1944 für das Generalsekretariat in Meiningen eine „Bergungsstelle" aufgebaut. Damit waren auch in diesem Fall im Prinzip zwei spezifische bankenpolitische Übergangsprobleme schon gelöst: die Kontrolle des weit verzweigten Filialnetzes und die maximale Flüssighaltung der Aktiven, um auch im Fall von Massenabhebungen seitens der Einleger zahlungsfähig zu bleiben. Somit war im Februar/März 1945 nur noch das grundsätzliche Problem des künftigen zentralen Standorts offen. Die Entscheidung darüber wurde wie bei den Industriekonzernen davon abhängig gemacht, welche der Besatzungsmächte am wenigsten die Machtstrukturen in Frage stellte, d.h. die deutschen Universalgroßbanken intakt lassen und am frühesten als geldpolitische Drehscheibe für den Wiederaufbau heranziehen würde. Die positive Festlegung auf die neuen Hauptstandorte fiel weitgehend zugunsten der künftigen britischen Besatzungszone aus. Im Gegensatz zu den Managern der industriellen Großkonzerne und Wirtschaftsgruppen wartete die Hochfinanz mit dieser Festlegung offensichtlich so lange, bis sie exakte Informationen verfügbar hatte: bis sie sicher wußte, daß die Bank of England milder gestimmt war als das Treasury Department Morgenthaus, und bis sie auch die Details der 352 HSG, Bestand Siemens-Konzern, Nr. 16, Tacke, Vom Aschenhaufen zum Weltunternehmen, Bl. 11 f. 353 Vgl. zum folgenden Β AP, Deutsche Bank, Nr. 51-53, Nr. 72, Nr. 10883; NA, RG 260, FINAD 2/45/6, FINAD 2/46/4, FINAD 2/143/5, FINAD 2/148/16, FINAD 2/186/9, FINAD 2/194/2, FINAD 2/194/3, FINAD 11/531/9; 100 Jahre Commerzbank 1870-1970, Hamburg 1970, S. 76 f.; OMGUS, Ermittlungen gegen die Dresdner Bank, Hrsg. Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Nördlingen 1986, S. LXVII ff.; Horstmann, Theo, Die Alliierten und die deutschen Großbanken. Bankenpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland, Bonn 1991, S. 42 ff.

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künftigen Zonengrenzen kannte. Die Hauptverwaltung der Commerzbank nahm schon im März 1945 ihre Tätigkeit in Hamburg auf und transferierte alle liquiden Mittel der ostdeutschen Niederlassungen in die künftigen Westzonen. Für den Vorstand der Deutschen Bank war am 5. April 1945 klar, daß die „Bergungsstelle" Meiningen nicht mehr in Frage kam. Neue „Bergungsstelle" wurde ebenfalls Hamburg. Die Aufwertung zum „Führungsstab Hamburg" folgte eine Woche später. Am 13. April reiste Abs in einem Lastkraftwagen des Karstadt-Konzerns aus Berlin nach Hamburg ab, um zusammen mit Erich Bechtolf die Funktion eines „Vorstandsbevollmächtigten" wahrzunehmen. Die Hauptmasse der liquiden Mittel in Höhe von sieben Milliarden Reichsmark wurde zu ihrer Verfügung auf eine neu eingerichtete „Geldstelle Hildesheim" übertragen. Ähnlich ließ auch die Dresdner Bank die zunächst ins Auge gefaßte neue Zentralstelle Erfurt fallen. Sie gründete unter Alfred Holling einen „Führungsstab West" in Hamburg, während Hugo Zinßer in Frankfurt am Main eine „Zentraldirektion West" aufbaute. Auch die Vermögenswerte wurden breiter gestreut als bei der Commerzbank und der Deutschen Bank. Die Hauptmasse wurde auf vier Kopffilialen in den künftigen Westzonen übertragen. Im Gegensatz zu den Großbanken konnten die industriellen Großunternehmen nur die liquiden Bestandteile und die im technischen Know-how fixierten Teile ihrer Kapitalien in die künftigen Westzonen schaffen. Jedoch gelang ihnen auch der Transfer von Teilen ihres investierten Kapitals, indem sie die Bemühungen um die Verlagerung der Rüstungskapazitäten in unterirdische Anlagen und Bunkerbauwerke für diese Zwecke instrumentalisierten. Das Management des Daimler-Benz-Konzerns beispielsweise hatte sich lange und verschwiegen gegen die Verlagerungsaktivitäten des , Jägerstabs" bzw. des „Rüstungsstabs" zur Wehr gesetzt.354 Seit der Jahreswende 1944/45 wechselte es die Taktik und sorgte noch bis in die letzten Kriegswochen dafür, daß die Fertigungsstraßen und Stammbelegschaften des Flugmotorenwerks Genshagen und des nach Dubnica in der Slowakei ausgelagerten Flugmotorenwerks Ostmark in das Untertagewerk „Goldfisch" in Obrigheim am Neckar abtransportiert wurden. Der Osram-Konzem ließ dagegen das Untertagewerk „Richard II" in Leitmeritz als Verlagerungsort für sein Drahtwerk auch dann noch weiter ausbauen, als er im März 1945 in Gestalt des Untertageprojekts „Dogger" in Hersbruck sowie des Bunkerwerks „Weingut" in Mühldorf am Inn alternative Fluchtorte gefunden hatte, die ihm wegen ihrer Lage im künftigen westlichen Besatzungsgebiet nun weitaus attraktiver erschienen.355 Er nahm auf diese Weise an einer Revision der bisherigen Verlagerungspolitik teil, auf die sich die Großunternehmen der Elektroindustrie, die über eine eigenständige Verlagerungsbehörde verfügten, schon im November/Dezember 1944 verständigt hatten.356

354 Das Daimler-Benz-Buch, passim; Roth/Schmid, Die Daimler-Benz AG 1916-1948, S. 333 ff.; Perz, S. 170 ff. 355 Vgl. Landesarchiv Berlin, Außenstelle Breite Straße, Rep. 231, Nr. 500 bis 508; Raim, Edith, Die Dachauer KZ-Außenkommandos Kaufering und Mühldorf. Rüstungsbauten und Zwangsarbeit im letzten Kriegsjahr 1944/45, Landsberg a. Lech 1992; Kárny, Miroslav, „Vernichtung durch Arbeit" in Leitmeritz. Die SS-Führungsstäbe in der deutschen Kriegswirtschaft. In: 1999, 8 (1993), H. 4, S. 37-61; Vanselow, Gerd, KZ Hersbruck. Größtes Außenlager von Flossenbürg, o. O., 1992. 356 Vgl. BÄK, R 3/279 Heft 1; BA/MA, RW 19/197.

Die Notstandsphase seit Januar 1945

611

Diese Episode verknüpfte den Übergang der Großunternehmen in den Nachkrieg ein letztes Mal mit den Massenverbrechen der NS-Diktatur. Die im Rahmen der Untertageverlagerungen und Bunkerprojekte betriebene Kapazitätssicherung konnte nur funktionieren, indem die Arbeitskraft von KZ-Häftlingen bis in die letzten Kriegswochen rücksichtslos ausgebeutet wurde. Tausende von ihnen mußten sterben, damit die Werksleitungen möglichst große Anteile der in der Rüstungskonjunktur akkumulierten Anlagen, Fertigungsstraßen und Vorrichtungen über den Krieg hinaus retteten.357 Als sich dann die alliierten Truppen den Kathedralen der Vernichtungstechnologie näherten, begann der letzte Akt der Spurenvernichtung. Die Außenkommandos der Konzentrationslager wurden auf Drängen der Industrie geschlossen, die Insassen von der SS auf die Todesmärsche geschickt. Die schriftlichen Zeugnisse wurden, wo immer möglich, vernichtet. 357 Vgl. Fröbe, Rainer, Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen und die Perspektiven der Industrie, 1943-1945. In: Europa und der „Reichseinsatz", S. 351-383.

Kapitel VII

Agonie und Katastrophe 1945

Die deutsche Wirtschaft, immer wieder von Angriffswellen aus der Luft wie von Schlagflüssen getroffen und an Arbeitskräften und Rohstoffen langsam ausblutend, war Anfang 1945 nichtsdestoweniger noch nicht gelähmt. Die Produktion von Waffen und Gerät stand noch immer auf bedeutender Höhe. Mehrere Millionen Menschen1 waren mit Räum- und Reparaturarbeiten in den Rüstungsbetrieben, an Verkehrsanlagen und Kraftwerken beschäftigt und kämpften einen hartnäckigen, wenn auch immer wieder vergeblichen Kampf um die Durchlässigkeit der Verkehrsschlagadern, um jede Tonne Treibstoff und jedes Kilowatt Energie. An den Fronten gab es nur im Westen und Südosten Bewegung. Im Süden der Ostfront war Budapest Ende Dezember von der Roten Armee eingeschlossen worden. Zur selben Zeit hatte die deutsche Ardennenoffensive kurz vor Dinant (Meuse) ihren Wendepunkt erreicht; am 8./9. Januar 1945, nach vergeblichen deutschen Entlastungsangriffen im Elsaß, begann die Wehrmacht mit ihrem Rückzug auf die Ausgangsstellungen in der Nähe der Reichsgrenze. Es war nun klar, daß der Endkampf auf deutschem Boden kurz bevorstand. Der Sturm auf das Nazireich und seine Hauptstadt begann am 12. und 13. Januar 1945, als die Rote Armee von der Grenze Ostpreußens und der Weichsel bis zu den Karpaten zu ihrer großen, auf Wunsch der Westalliierten um acht Tage vorgezogenen Offensive antrat. Sie befreite Warschau (17.1.), Krakau und Lodz (19.1.) und besetzte binnen weiteren zehn Tagen fast das ganze oberschlesische Industriegebiet. Anfang Februar war von Rybnik (Oberschlesien) bis südlich von Stettin fast überall die Oder erreicht, an einigen Stellen überschritten.

1. Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion Die sowjetische Offensive war eine Katastrophe für die deutsche Wirtschaft. Mit dem Verlust Oberschlesiens fiel, nach der seit November 1944 immer offensichtlicheren verkehrsmäßigen Abschnürung des Ruhrgebiets, auch das zweite große schwerindustrielle und Rü1 Siehe Kap. II, Anm. 41. - Die geschätzten Zahlen erfassen Menschen, die in der Mehrzahl nicht ununterbrochen während der ganzen Zeit bis Kriegsende nur an der Beseitigung von Bombenschäden arbeiteten. Wenn Speer nach dem Krieg schätzte, „daß insgesamt an der Beseitigung der Fliegerschäden eine Million Arbeitskräfte gearbeitet haben" (IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 8, Vernehmg. v. 17.5.1945), so kann das der Mindestzahl der ständig damit Beschäftigten nahekommen.

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Agonie und Katastrophe 1945

stungszentrum aus. Damit war der kurzfristige Zusammenbruch der deutschen Kohlen- und Energiewirtschaft unabwendbar. Am 16. Januar stellte der Rüstungsminister Hitler „die ungeheure Wichtigkeit der [Kohlen-]Magistrale (Bahnlinie von Oppeln über Litzmannstadt nach Gotenhafen)" vor, die durch den frontalen sowjetischen Vorstoß auf Tschenstochau bedroht sei, und beschwor ihn, „daß es ausgeschlossen ist, auch nur vorübergehend eine verkehrsmäßige Abriegelung des oberschlesischen Industriegebietes zum übrigen Reich zuzulassen".2 Als das oberschlesische Revier zwei Wochen später in sowjetischer Hand war, sagte er ihm offenherzig das baldige Ende der deutschen Kriegsfähigkeit voraus. Oberschlesien, so schrieb er ihm am 30. Januar, „war noch das einzige sowohl transport- wie förderungsmäßig intakte Gebiet, aus dem die Wirtschaft des Reiches Qualitätskohle in großem Umfang erhalten konnte. Alle nun im Reich noch vorhandenen Rüstungskapazitäten können nur noch teilweise ausgenutzt werden, da sie weder mit der notwendigen Kohle, dem notwendigen Strom noch mit dem notwendigen Gas beliefert werden können."3 Er erwähnte vor allem die tödlichen Folgen für die Stahl- und Munitionserzeugung. „Es ist unmöglich, das deutsche Wirtschaftsleben auf lange Sicht mit der noch vorhandenen Steinkohle und mit der noch zu erzeugenden Rohstahlkapazität aufrechtzuerhalten. ... Die deutsche Rüstung wird nach dem Verlust von Oberschlesien nicht mehr in der Lage sein, auch nur im entferntesten die Bedürfnisse der Front an Munition, Waffen und Panzern, die Verluste an der Front und den Bedarf für die Neuaufstellungen zu decken. Das materielle Übergewicht des Gegners ist danach auch nicht mehr durch die Tapferkeit unserer Soldaten abzugleichen." Zugleich gingen binnen zwei bis drei Wochen weitere bedeutende Rüstungskapazitäten im „Generalgouvernement", im „Warthegau", in Ost- und Westpreußen, Ostbrandenburg, Teilen Hinterpommerns und in der östlichen Hälfte Schlesiens verloren oder wurden abgeschnitten; so etwa die Betriebe des Focke-Wulf-Konzerns in Marienburg und Posen, in Gassen und Sorau. Ferner büßte die Wehrmacht Waffen und Gerät in großen Mengen ein. Diesen Verlusten stand nun eine mit einem Schlage stark reduzierte Rüstungsproduktion gegenüber. So eilig auch neue Soldaten rekrutiert und die Einheiten des „Volkssturms" aufgestellt wurden, so wenig war die Produktion in der Lage, sie ausreichend mit Waffen und Munition zu versorgen. Es werde an Leuten „rücksichtslos aufs Äußerste" alles zusammengekratzt, räsonierte Göring auf der Lagebesprechung bei Hitler am 27. Januar, aber „die Waffen haben wir nicht".4 In den verlorenen Gebieten blieben in der Regel große Nachschub- und Reservebestände an Kriegsgerät und Wirtschaftsgütern zurück, ferner die überall eingerichteten militärischen und zivilen Lager und Magazine mit Bekleidung und Lebensmitteln, wenn sie nicht vorher noch von der eigenen Bevölkerung aufgebrochen und geplündert worden waren.

2 BAP, FS, Film 1734, Denkschr. Speers für Hitler, 16.1.1945. - Tschenstochau wurde am 17.1. von der Roten Armee genommen. 3 BAP, FS, Film 1732, Denkschr. Speers f. Hitler: „Zur Rüstungslage Februar-März 1945",30.1.1945. Hiemach auch das Folgende. 4 IMG, Bd. 33, S. 105, Dok. PS-3786.

Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion

615

Im Januar 1945 brach schließlich die Zeit der Flüchtlingsströme von Ost nach West an. Vor den sowjetischen Angreifern flohen Millionen Zivilisten panikartig zu Fuß, mit Handwagen, aus ländlichen Gebieten mit Pferdewagentrecks, kaum je mit der für Flüchtlingstransporte selten verfügbaren, überlasteten Bahn oder auf Schiffen. Die Zustände auf den Landstraßen während der sehr kalten Winterwochen spotteten jeder Beschreibung.5 Die Flucht forderte zahllose Opfer, besonders unter den Kindern. Am 19. Februar war im OKW die Rede davon, daß Flucht und Evakuierung aus den Ostgebieten bereits 8,35 Millionen Menschen erfaßt hätten.6

a) Das „Notprogramm" Die Produktion in den wichtigsten Rüstungsprogrammen sank im Januar bedeutend. Von den Planzahlen - einer Art verlängertem „Siegesprogramm" - wurde nur ein Bruchteil erreicht; bei Panzern 64 Prozent, bei Flugzeugen 62 Prozent, im Schiffbau 44 Prozent und bei Munition 64 Prozent.7 Das war nicht nur eine Auswirkung der sowjetischen Offensive; auch die westdeutsche Industrie befand sich in einem desolaten Zustand, den ein Bericht vom Oberrhein schilderte: „Alle Fertigungen leiden unter großen Schwierigkeiten durch Frontnähe, Verlagerungsausfälle, Fliegertätigkeit und Alarme, Transportschwierigkeiten, Kohle-, Energie-, Rohstoffmangel, Zulieferungen." 8 Das war die Situation, in der Hitler ein „Notprogramm der Rüstungsendfertigung" unterschrieb. Idee wie Entwurf dieses Programms stammten vom Rüstungsminister, der schon während der Herbstkrise im Ruhrgebiet in seinem Bericht vom 11. November 1944 davon gesprochen hatte, es sei nun „doch dringend erforderlich, daß sofort ein Notprogramm der Rüstung und Kriegsproduktion, das auf die derzeit gegebenen Verhältnisse eingeht, aufgestellt wird." 9 Man müsse die noch verfügbaren Zulieferungen, Bauleistungen usw. auf das Wichtigste, nämlich die Fertigstellung von Waffen und Gerät, konzentrieren. Zum Beispiel bei Abschaltung von Strom und Gas müsse klar sein, „was innerhalb eines solchen Notprogramms hier für die Rüstung auf jeden Fall weiter gefertigt werden muß." „Das hierfür aufzustellende Notprogramm", so hieß es damals in Speers Bericht für Hitler, „wird in einer Woche fertig sein und Ihnen dann zur Entscheidung vorgetragen werden. Dabei habe ich keinesfalls die Absicht, unserer Gesamt-Rüstungsplanung - die wir jeweils auf weite Sicht machen müssen - dieses derzeit negative Bild zugrunde zu legen; denn damit würden wir [uns] auf vielen Gebieten die Initiative nehmen.... Das Notprogramm mit seinen verringerten Lieferungen soll den Werken nur mitgeteilt werden, wenn es unumgänglich notwendig ist. Es ist also nicht beabsichtigt, sie allgemein zu unterrichten oder sie gar auf diese Höhe festzulegen. Das Ziel ist nach wie vor, mindestens die jetzige Rüstungsleistung zu halten und durchzuführen." 5 6 7 8 9

Siehe DZW, Bd. 6, S. 633 ff. KTB d. OKW, Bd. IV, S. 1327, Staatssekretärsbespr. v. 19.2.1945. Siehe auch Abschn. 2. Wagenführ, S. 116, Tab.; ebenda, S. 117, einige abweichende Zahlen. BAP, FS, Film 4640, AN Rüln Oberrhein, 6.2.1945. BAP, FS, Film 1732, Bericht Speers für Hitler betr. „Lage im Ruhrgebiet", 11.11.1944.

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Agonie und Katastrophe 1945

So vorsichtig sich der Minister auch ausdrückte - es erging ihm doch so wie häufig im letzten Kriegsabschnitt, daß er Hitlers Zustimmung erst später, aus Anlaß einer weiteren drastischen Verschlechterung der Lage erhielt. Am 23. Januar 1945, als die Rote Armee die Oder bei Oppeln und Brieg erreicht und begonnen hatte, das oberschlesische Industriegebiet von Nordwesten her zu umfassen, billigte und unterschrieb Hitler das „Notprogramm der Rüstungsendfertigung", dem zufolge 13 Erzeugnisgruppen „mit unbedingtem Vorrang gegenüber allen anderen Rüstungsfertigungen durchzuziehen" waren: „1) Sämtliche Handfeuerwaffen, Handgranaten und Faustpatronen, 2) Panzerminen, 3) Pak, 4) le. F.H. und s. F.H., 5) Flak, 6) 8 cm Granatwerfer, 7) Panzerwagen und Sturmgeschütze, 8) LKW, Zugkraftwagen und Schlepper, 9) Generatoren, 10) Tornisterfunkgeräte, 11) Sämtliche Hochleistungsflugzeuge mit Schwerpunkt auf (Me) 262, (Ta) 152, sowie (Fw) 190 und (Me) 109 nebst Ausrüstung, 12) U-Boot- und Schiffsreparatur, 13) Die Führergewaltaktionen Mistel, EZ 42, Störsender, Elefant." Zum Schiffbaureparaturprogramm gehörten auch - einschließlich Zulieferungen, Ersatzteilen und Munition - der Neubau der U-Boote XXI (bis zum 170. Boot) und XXIII (bis zum 70. Boot), des „Seehunds" (bis zum 450. Boot), die Produktion von U-Boot- und Torpedoakkumulatoren und von Torpedos.10 Das Notprogramm war in dieser Form nichts anderes als eine Einstufung in höchste Dringlichkeit. Die Bezeichnung war neu; und so fiel der offene Widerspruch zu der noch im Dezember 1944 für den 1. März 1945 angeordneten „Aufhebung aller Dringlichkeitsregelungen" weniger deutlich ins Auge." Allerdings sollte es sich bald herausstellen, daß Fertigungen außerhalb des Notprogramms überhaupt keine Chance mehr hatten, über Kohle, Energie, Transportraum, Material und Arbeitskräfte zu verfügen und massenhaft eingestellt werden mußten und daß auch die Einstufung des Notprogramms als absolut vorrangig - später als allein gültig - illusorisch war angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs. Für das Notprogramm führte Hitler den Schutz der Arbeitskräfte vor Einziehungen wieder ein. Die seit 12. Januar laufende SE-VI-Einziehungsaktion hatte gerade den „Totalschutz" aufgehoben, sogar für das Flakprogramm vom 4. November 1944. Am 31. Januar 1945 verfügte Hitler dagegen, „daß alle im Notprogramm beschäftigten Facharbeiter mit Ausnahme des Jahrganges 1928 und jünger von jeder Einziehung freizustellen sind, sofern sie nicht vollwertig vor allem durch Fachkräfte stillgelegter Betriebe ersetzt werden können." Dies gelte auch für die „Eisen schaffende Industrie, Zulieferungsindustrie sowie für die Betriebe, die die Ausrüstung dafür fertigen, Optik, Elektrotechnik usw." 12 Die zuerst noch einigermaßen überschaubare Einordnung der Rüstungsgüter in das Notprogramm wurde im Februar mehr und mehr verwässert. Neue Listen des Technischen Amts 10 BAP, FS, Film 1730, RErl. Speer, 23.1.1945. Mistel = Huckepackflugzeug bzw. -gleitbombe auf Langstreckenflugzeug (mit Sprengladung von über vier Tonnen gegen Kraftwerke u. ä.); EZ 42 = Entfernungszünder für Hak; Störsender = gegen Bomberradar; Elefant = Sturmgeschütz (Porsche) mit 8,8-cm-Geschütz. 11 Nachrichten, Nr. 51, 10.1.1945, Erl. RMRuK, 14.12.1944; dazu „Erläuterungen" u. DfAO d. Planungsamts v. 21.12. bzw. 14. u. 21.12.1944 (ebenda). „Planung statt Dringlichkeit" sollte der neue Grundsatz sein; bei zunehmender Knappheit greife die Dringlichkeitseinstufung nicht mehr. „Die Vielfalt der Bedarfsgesichtspunkte, die in einem verknappten Wirtschaftsgefüge auftreten, kann nicht durch Dringlichkeitsanordnungen geregelt werden." (Ebenda, Erl. RMRuK, 14.12.1944). 12 BAP, FS, Film 1730, hier in: AN MAN Augsburg, 2.2.1945.

Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion

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und des Produktionsamts enthielten Dutzende neuer Positionen bzw. Erzeugnisse, eingeschlossen Gasschutzgerät, Erntebindegarn, Babywäsche, Krücken und Särge.13 Die Zulieferindustrie war mit einem kaum zu überblickenden Produktionssortiment beteiligt; eine Liste der feinmechanisch-optischen Industrie etwa enthielt Ziel- und Richtfernrohre, Kreiselgeräte, Zeit- und Abstandszünder, Bombenzielgeräte, Kommandogeräte, Torpedo-Vorhaltrechner, Sturzflugvisiere, Nachtvisiere.14 Das Technische Amt ordnete an: „Reparatur und Ersatzteile der im Notprogramm enthaltenen Geräte gehen grundsätzlich vor Neufertigung." 15 Seit dem 28. Februar gehörten zum Notprogramm auch „alle Betriebe, die der Grundernährung des Volkes (Brot, Fleisch, Milch, Fett usw.) dienen." 16 Speer räumte selbst ein, „daß das Notprogramm zunächst einen große Breite hat." 17 Der Sinn, den die deutsche Führung ursprünglich im Notprogramm sah, beruhte auf einer fatalen Illusion: Durch Komplettierung und forcierte Fertigstellung der wichtigsten Waffen sollte die Wehrmacht in die Lage versetzt werden, das Ruhrgebiet und Oberschlesien wiederzugewinnen bzw. wieder voll in die deutsche Rüstung einzubeziehen. Ob und wie das gelingen würde, blieb offen. „Anschließend an das Komplettierungsprogramm", erklärte Speer unbestimmt, aber aufschlußreich, „kommt das eigentliche Notprogramm, welches sich dann auf den noch vorhandenen Rohstoffen und Halbzeugbasis aufbaut." 18 Eine Mengenplanung war mit dem Notprogramm anfangs nicht verbunden; es war ja lediglich „als Ergänzungsprogramm gestartet, d. h., die Hauptausschüsse waren verpflichtet festzustellen, welche wesentlichen Teile irgendeines Panzers schon vorhanden waren, um dann den Rest dazu zu komplettieren." 19 Dennoch gab das Rüstungsministerium später, Ende Februar, Planzahlen vor, sogar in Form von Gruppenindizes. Die Märzzahlen wurden aber, außer bei leichten Infanteriewaffen, nirgends erreicht, mehrfach schon im Monat der Planaufstellung um über die Hälfte unterschritten (Flugzeuge, Panzer, schwere Infanteriewaffen, leichte Artillerie20). Nebenher galten pro forma, etwa beim Hauptausschuß Waffen, die überdimensionierten Planzahlen weiter, die von den Programmen von 1944 für 1945 fortgeschrieben worden waren.21

13 BAP, FS, Film 1732, Erlasse RMRuK v. 13.2. (PrAmt) u. 14.2.1945 (TAmt); BÄK, R 3/1772, Anlage z. Rs. RMRuK, 13.3.1945 (Krücken und Särge). 14 Ehem. BA des VEB Pentacon Dresden, Nr. 431, o. D. 15 Wie Anm. 13 (14.2.1945). Neuproduktion und Reparaturen wurden zu dieser Zeit in der Produktionsstatistik nicht immer voneinander abgehoben. Nach Wagenführ, S. 116, stieg beispielsweise die Reparaturquote, bezogen auf die Gesamtzahl der an die Truppe abgelieferten Flugzeuge, von 18 Prozent im Oktober auf 25 Prozent im Dezember 1944. 16 BAP, FS, Film 1732, RErl. RMRuK, 28.2.1945. 17 BAP, FS, Film 4640, AN Rüln Oberrhein betr. Bespr. in Heidelberg, 26.2.1945. 18 Ebenda. Siehe auch Wagenführ, S. 117 f. (mit Ausführungen Kehrls v. Frühjahr 1945). 19 IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 8, Vernehmg. v. 22.5.1945 (Bl. 23). 20 BAP, RWiMin, Nr. 20308, Bl. 29, Erl. RMRuK (PlAmt) betr. „Richtlinien zur Durchführung des Notprogramms der Rüstung und Kriegsproduktion", 1.3.1945. Siehe auch Wagenführ, S. 118. 21 BAP, FS, Film 1727, „Waffenplanung" für 1945/46, div. Dok. (darunter Planzahlen v. 16.1., 1.3. u. 24.3.1945).

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Agonie und Katastrophe 1945

Tabelle 127 Planzahlen des „Notprogramms", März, Juni, August 1945, und Ist-Zahlen Dezember 1944, Januar und März 1945 (Index; Januar/Februar 1942 = 100) Ist-Zahlen Jan.45

„Notprogramm"Planzahlen 1945 März Juni

Aug.

März 1945

331

295

215

294

126

270

126

582

284

351

443

422

162

46

1 275

514

444

572

572

208

47

354 530 684 159

173 385 408 148

233 373 136 120

237 389 191 24

237 389 191 24

178 227 168* 148*

76 61

Panzer

598

557

715

294

126

221

31

Flugzeuge

224

231

280

136

49

Dez.44 Waffen Leichte Infanteriewaffen Schwere Infanteriewaffen Leichte Artillerie Schwere Artillerie Schwere Flak Bordwaffen Nebelwerfer

Ist-Zahlen

In Prozent vom Plan

*) Ist Februar 1945. Quelle: Wagenführ, S. 118; S. 178 ff. - Märzzahlen (Ist) erscheinen als sehr unsicher, schon wegen Ausfalls vieler Nachrichtenverbindungen. Die Herstellungsanweisungen im Rahmen dieses „Planes" an die Ausschüsse bzw. die B e triebe - im vorliegenden Fall der holzverarbeitenden Industrie - waren mit folgenden Weisungen verbunden: „1.) Die Produktionsaufgabe im Notprogramm ist zunächst für die Monate März bis Juni auszuschreiben. 2.) Für diese Fertigung sind in erster Linie vorhandene Vorräte zu verarbeiten." Die Betriebe hatten für diese Produktion Energie (Strom, Kohle, Gas) und Transportraum sicherzustellen und die Freistellung der Facharbeiter zu beantragen. 22 Die Handhabung der Planung löste vielerlei Irritationen aus. Am 23. Februar gab der Rüstungsminister in einem Erlaß seine Auffassung von dem zeitlichen Ablauf des Notprogramms bekannt. In der „Stufe I " waren danach in der Rüstungsendfertigung Eisen und Stahl in den zur Verfügung stehenden Mengen, ferner die „ausgezählten" (!) Bestände an Material bzw. Geräteteilen nur für das Notprogramm und zwar „im wesentlichen zur Komplettierung der Gerätefertigung" zu verwenden. Wenn Vormaterial und Lagerbestände aufgebraucht seien, „geht die Stufe I in die Stufe II über, bei der der Produktionsplan auf die verbleibende 22 BÄK, R 3/1772, RErl. RMRuK, 13.3.1945.

Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion

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Materialzulieferung allein abgestellt werden muß." 23 Die Märzfassung des Notprogramms lief unter der Bezeichnung „vorläufiges endgültiges Notprogramm".24 Es war inzwischen allen Beteiligten klar, daß das Notprogramm „nicht als ein Minimalprogramm, sondern als Maximalprogramm anzusehen" war.25 Mehr oder weniger offiziell existierte ein „Notprogramm I", „das unter keinen Umständen abgeschaltet werden kann" 26 , und ein „Notprogramm II". Schon im Februar konnte nicht mehr davon die Rede sein, daß zentrale Vorgaben und Programme planmäßig realisiert wurden. In einigen Gebieten, etwa in Thüringen und anderen Teilen Mitteldeutschlands, war ein erheblicher Ausstoß an bestimmten Waffen, besonders an leichten Infanteriewaffen, noch kurze Zeit vor Kriegsende zu verzeichnen. In anderen Gebieten dagegen sank die Produktion schon im Februar ins Bodenlose. „Die Kohlenzulieferungen", hieß es Ende des Monats in Südwestdeutschland, „sind zur Zeit so schlecht, daß kaum die Kraftwerke und der Ernährungssektor versorgt werden können ... [und] daß das Notprogramm nur bis 10 Prozent mit Kohlen versorgt werden kann." 27 Jeder Beteiligte mußte das Notprogramm als Eingeständnis der Niederlage erkennen. Dennoch beschworen verantwortliche Leiter der Rüstungsproduktion wie Amtschef Saur „ein neues, ganz großes Wunder der Deutschen Rüstung": „Es ist in diesem und den nächsten Monaten möglich, bei unerhört sorgfältiger Planung eine Rüstungsendfertigung zu erzwingen von einer Höhe, die die Welt in Erstaunen setzen wird und der Kriegslage eine entscheidende Wendung zu geben vermag." 28

b) Verkehrschaos und Kohlennot Die Zerrüttung der Gesamtwirtschaft, die sich seit den Luftangriffen auf das Verkehrswesen im Oktober/November 1944 abgezeichnet hatte, wurde mit jeder Angriffswelle der alliierten Bomber und Schlachtflieger tiefer und umfassender. Die Alliierten, deren Flugplätze jetzt unmittelbar hinter der deutschen Westgrenze und in Norditalien lagen, erreichten zu jeder Zeit leicht jedes beliebige Ziel auf deutschem Boden. Nach dem Scheitern der Ardennenoffensive schalteten die alliierten Luftstreitkräfte annähernd drei Monate lang mit den schwersten Bombardierungen des ganzen Krieges systematisch und wiederholt die Knotenpunkte und Hauptstrecken des deutschen Verkehrswesens aus, griffen hundertfach Flugzeugwerke und Flugplätze an, gaben der Treibstoffindustrie den Rest und trafen zahllose Male Elektrizi-

23 BAP, RWiMin, Nr. 20308, RMRuK-"Richtlinien zur Durchführung des Notprogramms der Rüstung und Kriegsproduktion", 23.2.1945. 24 BÄK, R 13 XII/vorl. 508, Prot. d. Sitzung des Produktionsbüros d. Wigru Chemische Industrie, am 8.3.1945,9.3.1945. 25 Ebenda. 26 BAP, FS, Film 4640, AN Rüln Oberrhein, 6.2.1945. 27 Ebenda, AN v. 25.2.1945. 28 BÄK, R 3/300, Sammelbericht Rüstungsstab, 10.2.1945. Siehe dagegen ebenda, 8.2.1945: „Notprogramm bei jetziger Kohlentransportlage von eisenschaffender Industrie nicht zu halten... Scharfe Reduktionen... erforderlich."

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Agonie und Katastrophe 1945

tätswerke, Rüstungsbetriebe und Werke der Grundstoffindustrie mit zerstörerischer Wirkung. Schon die Angriffe im vierten Quartal 1944 hatten katastrophale Produktionseinbrüche verursacht. Zur Zeit der Ardennenoffensive, d. h. seit Mitte Dezember, konzentrierten die britischen und amerikanischen strategischen Luftstreitkräfte ihre Angriffe auf das Gebiet Köln - Koblenz - Trier und dehnten sie bald in Richtung Kaiserslautern und Saarbrücken aus. Später waren die Rheinbrücken im Rücken der Deutschen ein wichtiges Ziel. 29 Tabelle 128 Produktion und Vorräte der Vereinigte Stahlwerke AG, 4. Quartal 1944 (in Prozent gegenüber 4. Quartal 1943) Roheisenproduktion Rohstahlproduktion Erzvorräte (Importerze) Koksproduktion Kohlenvorräte bei den Werken GBAG-Kohlenförderung Koks vorräte bei den Werken Erzvorräte (deutsche Erze) GBAG-Kohlenvorräte GBAG-Koksvorräte

dem

-76,51 -75,51 -55,18 -55,17 -51,89 -36,76 -34,35 -27,22 +831,32 +1 308,34

Quelle: Mierzejewski, S. 147, Tab. 7. 1. - GBAG = Gelsenkirchener Bergwerks AG; Kohlenbasis und Hauptkoksproduzent des Stahlwerke-Konzerns.

Anfang Januar 1945 war bereits ein Tiefpunkt in der Kohlen Versorgung erreicht, der zum Beispiel in der chemischen Industrie zu Stillegungen führte. „Was die theoretischen Zuteilungsquoten betrifft, so liegt folgende neue Einteilung vor: A) 80-100prozentige theoretische Kohlenzuteilung für die Gebiete östlich Schwerin, Breslau, Reichenberg, Linz... B) 10-20prozentige Zuteilung, wenn nicht gänzlicher Ausfall: Hamburg, Bremen, Kiel, Kassel, Hannover, Koblenz, Saarbrücken, Stuttgart, Karlsruhe, Elsaß-Lothringen, Luxemburg. C) Berlin, Breslau, Dresden können nur mit oberschlesischer Steinkohle rechnen. Weitgehende Einschränkungen sind zu erwarten. D) Ungeklärt ist die Versorgungsmöglichkeit in Weimar, Magdeburg und Wiesbaden. E) Als Inselbezirke gelten Münster, Düsseldorf, Köln." 30 Von Ende Januar 1945 an erneuerten die alliierten strategischen Luftstreitkräfte ihre massierten Angriffe auf Eisenbahnziele und Schiffahrtswege nordöstlich und südlich des Ruhrgebiets, besonders auf die Verschiebebahnhöfe und großen Viadukte. Die taktische Luftwaffe, vor allem Jagdbomber mit Bomben und Raketengeschossen, zerstörten Bahnhöfe, Eisenbahnstrecken und rollendes Material; Jagdflugzeuge nahmen Lokomotiven und Waggons unter Beschüß. 29 USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 14 (ff.). Hiernach auch das Folgende. 30 BÄK, R 13 VII/vorl. 508, Prot. d. Sitzung des Produktionsbüros d. Wigru Chemische Industrie am 4.1.1945, 5.1.1945.

Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion

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Schwere Angriffe trafen süddeutsche und österreichische Bahnstrecken. Auf Ansuchen der Roten Armee bombardierten starke Kräfte die Verkehrsverbindungen um Berlin, Cottbus und im sächsischen Raum. Die zweitägige Operation „Clarion" (22. und 23. Februar), ausgeführt mit gewaltigen, aber zersplitterten Kräften - jeweils 9 788 und 8 400 Flugzeuge31 - , richtete sich gegen Verkehrsanlagen in ganz Deutschland. Sie sollte überall ausdrücklich die alliierte Luftüberlegenheit demonstrieren und - ebenso wie zur gleichen Zeit die beispiellosen Flächenbombardements gegen Wohn- und Kulturstädte - die Moral der deutschen Bevölkerung brechen. Ende Februar 1945, während im Westen die alliierten Truppen in heftigen Kämpfen überall bis zum Rhein aufschlossen und sich auf den Flußübergang vorbereiteten, begann die entscheidende Phase der Isolierung des Ruhrgebiets aus der Luft. Der abgestimmte Plan der alliierten Luftwaffenstrategen sah vor, - in einem großen Bogen von Bremen weseraufwärts über Bielefeld bis nach Koblenz jede Eisenbahnverbindung durch Zerstörung einer besonders wichtigen Brücke bzw. eines Viadukts zu unterbrechen; - sämtliche wichtigeren Bahnhöfe, Strecken, Stellwerke und Hauptwerkstätten innerhalb der Sperrlinie mit schweren und fortgesetzten Angriffen außer Betrieb zu setzen; - ergänzend mit Tieffliegern immer wieder Züge und Ausweichstrecken anzugreifen und auf diese Weise weiträumig Verkehrsbehinderungen herbeizuführen. Die Ziele dieses Plans waren zweifach. In strategischer Hinsicht sollte die Rüstungsindustrie des Ruhrgebiets von den Zulieferungen aus dem übrigen Deutschland gänzlich abgeschnitten und seine Ausfuhr dorthin, besonders von Steinkohle, unterbunden werden. Taktisch gesehen, sollten nach dem Plan Ausrüstung und Nachschub der deutschen Verteidigungskräfte rechts des Rheins unterbunden werden. Am 23./24. März 1945, als die alliierte Offensive über den Rhein hinweg begann, war das Ruhrgebiet „praktisch vollständig" isoliert.32 An 16 von 18 der im Plan bezeichneten Brücken und Viadukte waren ein oder mehrere Bögen zerstört. Mehr als 20 der 25 Verschiebebahnhöfe und großen Stellwerke an der Peripherie des Gebiets waren schwer beschädigt, zahlreiche kleinere Bahnanlagen schwer getroffen. Die taktischen Fliegerkräfte hatten im Februar und März 113 Brücken, mehr als 4 000 Lokomotiven und 28 000 Waggons aller Art zerstört; mehr als 5 000 Streckenunterbrechungen kamen auf ihr Konto. Ende März, als die alliierten Truppen östlich des Rheins zügig ins Innere Deutschlands vorstießen, verlagerte sich der Schwerpunkt der Angriffe auf das deutsche Verkehrswesen in den Raum Halle - Leipzig - Chemnitz. Von Mitte April an trafen letzte schwere Schläge die Verbindungen zwischen Berlin und dem sächsischen Raum, die Strecken in der westlichen Tschechoslowakei und die weiteren Verbindungen durch Österreich in das Gebiet der - im Planungsstadium steckenbleibenden - „Alpenfestung" oder „Reichsfestung Tirol". Ende April gab es für die strategischen Bomberkräfte der Alliierten keine lohnenden Ziele mehr. Wenn die deutsche Wirtschaft, wie Speer aussagte, nach Aufzehrung der Kohlenvorräte in der Rüstung schon Anfang 1945 „vor der Kohlenkatastrophe auf breiter Basis" stand33, so 31 Groehler, Bombenkrieg, S. 423. 32 Wie Anm. 29 (S. 15). 33 IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 8, Vemehmg. v. 20.5.1945.

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waren die Machthaber nach dem Verlust Oberschlesiens, „der mir dann praktisch den letzten Stoß gab in der gesamten Rüstung" 34 , und unter dem Bombenhagel der nächsten Wochen und Monate bar jeder Möglichkeit, die Katastrophe aufzuhalten und die Rüstung auch nur im bescheidensten Rahmen zu stabilisieren. Die Transportmöglichkeiten für Kohle steuerten in den letzten Kriegsmonaten die Produktion, umfassender und durchgreifender, als es jemals vorher die Regulierung der Kriegswirtschaft bewirkt hatte. Die wichtigsten Kennziffern für den wirtschaftlichen Zusammenbruch im Februar und März 1945 waren dementsprechend die Wagengestellung der Reichsbahn, vor allem für Steinkohle, die Versorgung der Energiebetriebe und der Stahlwerke mit Kohle und Koks, die Kohlenvorräte der Kraftwerke und der Reichsbahn selbst und die Stahlerzeugung.

Tabelle 129 Wagengestellung der Reichsbahn, Juli 1944 - März 1945 (in 1 000 Waggons) Wagen insgesamt

Giiterwagen

davon (in 10-t-Einheiten) für Steinkohle für Braunkohle

für Steinkohle (RBD Essen)

1944 Juli August September Oktober November Dezember

4216 4 123 3 630 3 472 3 180 2 679

3 3 3 3 2 2

970 941 442 242 976 571

1 481 1 394 1 086 883 850 889

668 667 612 568 542 508

586 565 436 252 232 253

1945 Januar Februar März

2 170 1 092 465

1 878 1 069

691 319 369

475

282 208 70

Quelle: Wagenführ, S. 94 Tab.; Mierzejewski, S. 191 f., Tab. A 3 und A 4; RBD Essen: USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 82, Exh. 82 (Fehler in d. Legende).

34 Ebenda, Bd. 7, Vernehmg. v. 19.5.1945.

Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion Tabelle 130 Kohletransport

und Reichsbahnvorräte

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an Steinkohle, Juli 1944 - März 1945

Steinkohleverschiffung üb. d. DortmundEms-Kanal (Schleuse Münster); 10001

Züge mit Ruhrkohle für Süddeutschland

Juli 1944 August September Oktober November Dezember

753 663 473 126 40 208

766 635 518

Januar 1945 Februar März

25* 167* 25*

257 177 24

Vorräte an RB-Kohle in RBD-Abteilungen südl. d. Mains (jeweils Monatsende; in Tagen) München Stuttgart

24,5 23,1 12,5 1,5 0,5 0,5** 1,0**

28,4 22,1 4,8 0,7 0,2 0,2** 1 7**

*) Kanaltransport insgesamt (Schleuse Münster). **) Einschl. Braunkohle. Quelle: USSBS, The Effects of Strategie Bombing on German Transportation, S. 82, Exh. 85; S. 83, Exh. 86 u. 87. Siehe auch ebenda, S. 23 f.

Hinter den Zahlen der Statistik verbargen sich chaotische Zustände. Die rücksichtslose Verlegung von 45 Divisionen an die Ostfront, darunter ein Drittel von der Westfront, Ende Januar und im Februar35 belastete das deutsche Verkehrsnetz zusätzlich aufs schwerste. Die Reichsbahn verhängte drastische Verkehrssperren. „Eine Vorstellung von der Situation gibt die Tatsache, daß in den Sperrbezirken von 100 Wagen evtl. drei bis fünf, in den nicht gesperrten Bezirken etwa zehn bis zwölf Wagen gestellt werden.... Zur Zeit sind 60 Prozent mehr Züge abgestellt als Ende Dezember." 36 „Die Reichsbahn", hieß es Mitte Februar, „fährt zur Zeit ein Viertel dessen, was verlangt wird. Darin sind aber auch die Wehrmachtstransporte enthalten. Die Generalverkehrssperre wird aufrechterhalten, zum Teil auch die Gebietsund Streckenverkehrssperren."37 Anfang März erörterte die Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie die Lage: „Die Verkehrsbezirke Berlin, München, Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Halle sind festgefahren und bewegungsunfähig. Aus Berlin geht praktisch nichts heraus und nichts hinein.... Die Versuche, mit Blitzmarken und Panzerzetteln zu helfen, sind nicht immer vollkommen gelungen.... Die Panzerzettel haben sich verschieden gut bewährt. Im Bezirk Halle wurden ζ. B. von 59 ausgegebenen Panzerzetteln nur sechs honoriert, während sie in anderen Reichsbahndirektionen lOOprozentig Erfolg hatten.... Wie schwierig die Dinge liegen, geht daraus hervor, daß pro Woche in der ganzen Chemie nur sieben Koh35 DZW, Bd. 6, S. 513. 36 BÄK, R 13 Xll/vorl. 508, Prot. d. Sitzung d. Produktionsbüros d. Wigru Chemische Industrie am 18.1.1945, 19.1.1945. 37 Wie Anm. 36 (Sitzung am 15.2., Prot. v. 16.2.1945).

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lenzüge zur Verfügung stehen. Außerdem seien drei Reichskohlenzüge, die ohne Begleitung fuhren und für Hoechst bestimmt waren, praktisch unterwegs verlorengegangen. Nur ein halber Zug kam an." 38 In einem amtlichen Bericht aus München von Mitte März hieß es: „Die Bestände beim Münchener Kohlenhandel sind bis auf geringe Mengen Koks und Anthrazit, die in diesen Tagen noch für die Versorgung von Lazaretten, Krankenhäusern, Heimen und Gärtnereien abgefahren werden, völlig erschöpft." 39 Am 7. März 1945 erklärte die Reichsvereinigung Kohle offiziell ihren Bankrott. Pleiger berichtete dem Rüstungsminister, die Kohlenwirtschaft sei am Ende.40 Die Kohlenreviere seien, so beschrieb er die „ganz außerordentliche Zuspitzung der Lage, insbesondere den fortschreitenden Verfall der Leistungen im Kohlenverkehr", entweder verloren (Oberschlesien), „infolge der Verkehrsschwierigkeiten für die allgemeine Kohlenversorgung ... praktisch ausgefallen" (Ruhr), abgeriegelt (Niederschlesien) oder, wie die Braunkohle, „durch den zunehmenden Verfall der Wagengestellung aufs empfindlichste betroffen". „Kennzeichnend für die Gesamtlage ist die werktägliche Wagengestellung: Im Februar/März 1944 betrug diese durchschnittlich 76-77 000 Einheiten; an Stelle der im Sinne des Notprogramms zugesagten rund 36 000 Einheiten ist sie auf zur Zeit etwa 20 000 Einheiten zurückgefallen. Gleichfalls ist in Ausfall gekommen der Binnenwasserversand Rhein - Main, Oder sowie der gebrochene Verkehr Magistrale - Ostsee und nahezu vollständig der Verkehr DortmundEms- und Mittellandkanal. Selbst Rei[chs]ko[hlen]züge für vordringlichste Verbraucher, ja sogar Züge mit Wehrmachtfahrtnummern können bei der jetzigen Entwicklung den Empfängern nicht zugeführt werden." Pleiger erklärte unter den gegebenen Bedingungen den Zusammenbruch für unvermeidlich: „Solange die völlig untragbaren Verhältnisse im Verkehrswesen andauern, ist es nicht mehr möglich, die Kohlenversorgung wichtigster Verbraucher aufrechtzuerhalten, die umfassenden Einbrüche der Kohlenversorgung der Rüstungsindustrie zu beheben und den Zusammenbruch wichtigster Sektoren, namentlich des Verkehrs und der Elektrizitäts- und Gaswerke, zu vermeiden." Das Rheinisch-Westfälische Kohlensyndikat hielt am 28. März seine letzte Sitzung ab, zahlte seinen Mitarbeitern einen Monatslohn aus und vertagte sich auf die Zeit nach Kriegsende.41 Die Eisen- und Stahlerzeugung verfiel rapide. Anfang Januar wurden noch Berechnungen auf der Basis von 40 Prozent der Produktion von 1943 angestellt, die allein für die Rüstungsendfertigung monatlich 870 000 t Eisen vorsahen.42 Nach dem Ausfall Oberschlesiens 38 Wie A n n . 36 (Sitzung am 1.3., Prot. v. 2.3.1945). 39 Zit. in Boelcke, Die deutsche Wirtschaft, S. 338. 40 BAP, FS, Film 3381, Bericht Pleiger an Speer betr. „Kohlenwirtschaftliche Lage", 7.3.1945. Hiernach auch das Folgende. 41 Mierzejewski, S. 174. - Die Zustände im Post- und Fernmeldewesen waren ähnlich katastrophal. Ein „kriegswichtiges" Telegramm, am 6. März von Leipzig nach Oberhausen (GHH) aufgegeben, kam vor der Besetzung Oberhausens durch die Alliierten ( 11.4.) nicht mehr an, sondern traf erst im Oktober 1945 nach Freigabe des Postverkehrs zwischen den Besatzungszonen ein (Haniel-Archiv, 4001016/7, AN GHH, 30.10.1945). 42 BÄK, R 3/1842, Bl. 1, AN RMRuK/PlAmt, 11.1.1945.

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herrschte vollständige Verwirrung darüber, wieviel Eisen und Stahl noch erzeugt werden könne. Die Prognose für Februar - immer noch „Produktionsprogramm" genannt - schwankte von 400 000 (Speer) bis 1,2 Millionen Tonnen (RVE). „Es besteht Klarheit darüber, daß in großen Zügen fast nur noch die Munitionsfertigung berücksichtigt werden kann." 43 Dabei blieb es bis zum Ende. Speers Forderung in seiner Rede im Ruhrstab am 7. März ging schon von ganz irrealen Vorstellungen von den Produktionsmöglichkeiten im März aus: „Rohstahlerzeugung für Granatstahl steht vor der Erzeugung für alle anderen Zwecke. 2/3 der gesamten Eisenerzeugung ist für Munition vorgesehen, 1/3 für Waffen, Panzer usw." 44 Noch vor der alliierten Offensive über den Rhein hinweg lagen im Ruhrgebiet bereits alle linksrheinischen und die Werke in der 8-km-Zone rechts des Rheins still. Tabelle 131 Eisen- und Stahlerzeugung, März 1943, März 1944, September 1944 - März 1945 (in 1 0001)

März 1943 März 1944 1944 September Oktober November Dezember 1945 Januar Februar März, 1. Dekade März, 2. Dekade

Roheisen Reich

Ruhrgebiet

Rohstahl Reich

Ruhrgebiet

2 456 2 374

1 011 923

3 121 3 031

1294 1 197

1 382 1 147 846 625

808 567 390 256

1 976 1 695 1 314 1006

1 096 768 495 299

544 402

320 246 50 27

825 591

388 269 62 40

Quelle: BÄK, R 13 1/630, Bl. 3, „Tagesordnung zur Sitzung des engeren Beirates der Nordwestgruppe" (Wigru ESI), 24.3.1945.

Seit Anfang des Jahres 1945 lagen alle großen Treibstoffwerke und 20 Prozent der kleineren einschließlich der Raffinerien still; nur Pölitz produzierte anfangs noch mit seit langem eingeschränkter Kapazität. Als „Folgerung" ergab sich für das OKW, „daß das Heer weitgehend entmotorisiert", d.h. die Panzergrenadiere „zu Fuß oder mit Rad bewegt" werden müßten. Seit dem 13. Januar fiel auch Pölitz aus. Die Produktion von Flugzeugbenzin sank damit auf Null. Die OKW-Reserven beliefen sich Ende Januar auf maximal die Hälfte des „vordringlichen Bedarfs" eines Monats (40 000 t). Am 11. Februar befahl Jodl „die rücksichtslose Be-

43 BÄK, R 13 1/600, Bl. 5, Niedersehr, üb. d. RVE-Vorsitzerbespr., 1.2.1945, v. 5.2.1945. 44 BÄK, R 13 1/592, Bl. 24, „Tagesordnung (zur) Sitzung engerer Beirat Nordwest" (Wigru Esl), 10.3.1945.

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schränkung aller Luftwaffeneinsätze"; geflogen werden dürfe nur an Schwerpunkten des Kampfes und „da, wo andere Mittel keinen Erfolg versprechen." 45 Besser sah es mit den Spezialtreibstoffen aus. Für die Me 262 war Ende Februar - bei geschätzten 12 0001 Monatsbedarf - noch für zweieinhalb Monate Treibstoff vorhanden46; er wurde gar nicht voll in Anspruch genommen, da es an Maschinen und Piloten fehlte. Ende März ging das ungarische Erdölgebiet verloren. Am 17. April mußte die Wehrmacht Zistersdorf (Österreich) und damit die letzten Erdölquellen räumen, aus denen sie sich versorgte. Die Produktion von Waffen und Gerät folgte auf dem Weg in den Zusammenbruch mit einiger Verzögerung. In verschiedenen Bereichen, besonders bei den Schwerpunktprogrammen (leichte Infanteriewaffen, Hochleistungsflugzeuge, U-Boote, Flak) waren meist größere Materialreserven und ein Vorlauf an angearbeiteten Teilen vorhanden. Primitivere Waffen und Waffen ohne großen Material- und Arbeitsaufwand wurden noch im März in erheblicher Zahl fertiggestellt (Panzerfaust; Panzerschreck; Marinekleinkampfmittel). Mit Primitivbauweisen, etwa in der Flugzeugindustrie (Holzbauteile, ζ. B. Leitwerke und Luftschrauben; Kunststoff statt Holz)), wich man Materialengpässen und Lieferstockungen aus. Nicht aufzufangen waren die Einbrüche in der Munitionserzeugung. Die Munitionslage wurde sowohl von der Stahlkrise als auch vom Mangel an Pulver und Sprengstoff bestimmt. Die Auswirkungen auf diesen Gebieten zeigten sich schlaglichtartig an der am 25. Januar befohlenen Aufstellung von sogenannten „fahrradbeweglichen Panzeqagdkommandos" bei den Heeresgruppen Mitte und Weichsel. 600 solcher Kommandos wurden gebildet, die aus acht Soldaten, einem Unteroffizier und einem Offizier auf Fahrrädern bestanden und mit je einem Gewehr (Sturmgewehr) und zwei Panzerfäusten ausgerüstet waren.47 Im April wurden an der Westfront weitere derartige Truppen zum 1. Panzerjagdregiment formiert.48 Der Rüstungsstab verfügte angesichts des Vormarschs der Roten Armee von der Weichsel an die Oder die sofortige „Aufstellung von Panzemahkampftrupps bei allen Rüstungsbetrieben entscheidender Bedeutung einschl. Lägern [und] insbesondere Industrieflugplätzen, um zu verhindern, daß einzelne durchgebrochene Panzer die Tätigkeit unterbrechen und lahmlegen." Die Beweglichkeit dieser von Offizieren auszubildenden Trupps - in Stärke von jeweils etwa einer Gruppe - sollte „durch Bereithalten von Kraftfahrzeugen und Fahrrädern" angestrebt (!) werden. „Ausrüstung mit Gewehren, MG und MPi, sowie reichliche Ausstattung von Panzerfaust und anderen Panzernahkampfmitteln sowie Mitgabe von Minen." 49 Auch Robert Ley wollte sein „Freikorps Adolf Hitler" aus 10 000 „Aktivisten" von Partei und Volkssturm, die eigentlich in den von Alliierten besetzten Gebieten Terror und Sabotage

45 KTB des OKW, Bd. IV/2, S. 1317 ff., Notizen WFSt/Qu v. 3.1., 13.1., 28.1. u. 11.2.1945 (Befehl Chef WFSt). 46 Siehe Kehrl, S. 428 (betr. 28.2.1945). 47 DZW, Bd. 6, S. 517. Siehe auch: 1945. Das Jahr der endgültigen Niederlage der faschistischen Wehrmacht. Dokumente, ausgew. u. eingel. v. Gerhard Förster u. Richard Lakowski, Berlin 1975, S. 112 f., Dok. 14, Vortragsnotiz v. GO Heinz Guderian, 24.1.1945. 48 DZW, Bd. 6, S. 560. 49 BÄK, R 3/3011, Firmenvertreter von Focke-Wulf im Rüstungsstab an Focke-Wulf Cottbus und Sorau, 26.1.1945; s. a. BAP, FS, Film 10759, AN RüKdo Magdeburg, 5.3.1945.

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verüben sollten, „zu Panzerbekämpfungsverbänden zusammenfassen, die nur mit Panzerfaust, Sturmgewehr und Fahrrad ausgestattet sind."50 Zu dieser Zeit hatte der Rüstungsminister längst die Bewaffnung des Volkssturms, der laut NS-Propaganda modern, sogar mit Panzern ausgerüstet sein sollte, mangels Waffen und Munition gestoppt.51 Was die Panzerfauste betraf, so ging der Sprengstoffmangel so weit, „das der in ... Blindgängern (d. h. in feindlichen Bomben - D. E.) vorhandene Sprengstoff von der Deutschen Wehrmacht für die Sprengladung bei der Panzerfaust unbedingt gebraucht wird." Für die Luftschutzpolizei jedoch, zu deren Aufgaben das Sammeln und Abtransportieren von Blindgängern gehörte, stand kein Treibstoff zur Verfügung. 52 Die Front litt schwer unter dem Mangel an Munition, der Kampfkraft und Widerstandswillen lähmte. Generaloberst Jodl machte folgende Rechnung auf: „Munition im Februar(:) Neun Züge à 4501 = 4 0501. 4 3001 täglich im Osten verschossen. 1 2001 im Westen und Südwesten und Südosten. Nachschub 4 1501. OB West soll 1 0001 pro Tag bekommen." 53 Demnach konnte mit Nachschub nur in Höhe von 75 Prozent des Verschusses gerechnet werden. Ende März notierte Jodl lakonisch für die Westfront (Niederlande): „ M a n g e l an Artillerie- und Infanteriemunition. 10 bis 12 Patronen pro Tag. ... Männer genügend ... Es fehlen Waffen." 54 Der Hauptausschuß Munition zog eine Gesamtbilanz: „Solange aber die Grundübel, nämlich der Luftterror und die fast lahmgelegten Transportmöglichkeiten, nicht beseitigt (werden) und die erforderliche Rohstoff- und Halbzeugbasis nicht zur Verfügung gestellt wird, sind wir einfach machtlos. Der Schrei nach Munition wird unter den gegenwärtigen Verhältnissen von Monat zu Monat größer werden und muß unerbittlich zu den schwersten Folgen führen." 55 Die „Führerbesprechungen" dieser Zeit vermitteln den gespenstischen Eindruck der Sinnlosigkeit und der völligen Blindheit des „Führers" gegenüber der Realität. Während Saur, der Speer vertrat, zum Beispiel nicht umhin konnte, Hitler „auf die schwerwiegenden bevorstehenden Einbrüche" bei der Rohstahl- und Munitionserzeugung aufmerksam zu machen - er rechnete für März 1945 nur noch mit 150 000 bis 160 000 Tonnen Rohstahl gegenüber 3,2 Millionen Tonnen im März 194456 - stellte Hitler nach wie vor Forderungen nach dem „Hochlauf' und dem „Höchstausstoß" von Waffen und Munition und nach der Entwicklung neuer Waffentypen. 50 BÄK, NL 118/59, Goebbels-Tagebuch, Eintr. v. 29.3.1945. Siehe auch DZW, Bd. 6, S. 551 f.; S. 641 f. 51 „Der Herr Reichsminister hat vorübergehend jede Lieferung von Waffen, Munition und Gerät an den Volkssturm mit sofortiger Wirkung gesperrt, da zunächst die Wehrmacht selbst voll versorgt werden muß." (BÄK, R 3/300, Sammelbericht Rüstungsstab, 10.2.1945). 52 BÄK, R 13 III/79, A N 12.2.1945 (Wigru Maschinenbau?). 53 IfZ, ED 115, NL Jodl, Bd. 3, TB Jodl, Eintr. v. 12.2.1945. 54 Ebenda, Eintr. v. 29.3.1945. 55 BÄK, R 3/3027, Bl. 7, HA Munition, Jahresleistungsbericht 1944", 20.3.1945. 56 FB, 22.3.1945, Punkt 1. Letzte FB: 14. u. 26.2., 8. u. 22.3.1945.

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Groß waren nach wie vor die regionalen und örtlichen Unterschiede. Produktionsstockungen und Phasen angespanntester Produktion lösten häufig einander ab. Von der Einstellung und den Managerqualitäten der leitenden Persönlichkeiten in den Betrieben hing in den letzten Kriegsmonaten viel ab. In der Regel propagierten sie Durchhalteparolen, trieben die Belegschaften unnachsichtig an und improvisierten mit größter Energie, um weiterproduzieren zu können. Ihre Motivation war unterschiedlich; Angst vor dem Kriegsende und mißgeleitetes Pflichtbewußtsein spielten eine große Rolle: „Nicht den Laden hängen lassen und sagen, es hat gar keinen Zweck. Ich stelle mir vor, wenn ich versage, arbeite ich unter einem russischen Juden und mache Schanzarbeit. Und das möchte ich nicht. Viele Menschen in Deutschland scheinen das noch nicht kapiert zu haben. Wir denken, wenn es nur endlich zu Ende ist, dann gibt es wieder Schweinebraten usw. Das ist dieselbe Dummheit wie nach dem vorigen Krieg.... Wenn die Truppen an allen Fronten nach Waffen schreien, muß der mitteldeutsche Raum sie liefern. Wer soll es denn sonst tun?" 57

c) Hektische

Organisation

Die Organisationsmaschinerie des Nazireichs lief in den ersten Monaten des Jahres 1945 noch auf hohen Touren. Doch sie arbeitete, zumindest was die Kriegswirtschaft betraf, zunehmend im Leerlauf. Auf dem Papier wurden bedeutende organisatorische Anstrengungen gemacht und immer neue Kommissare mit neuen Vollmachten geschaffen, um die Wirtschaft auf die veränderten Verhältnisse einzustellen und funktionsfähig zu halten. Alle diese Anstrengungen versandeten. Tatsächlich reagierte der in einzelne Teile auseinanderbrechende Wirtschaftsorganismus nur noch mit konvulsivischen Bewegungen und wurde von einer rasch um sich greifenden Lähmung erfaßt. Die zentralen Punkte, um die die bürokratischen Aktivitäten kreisten, waren in dem allgemein durch das Notprogramm abgesteckten Rahmen die Regulierung des Verkehrs, die Organisation der Wiederherstellungsarbeiten vor allem an den Reichsbahnanlagen, der Aufbau neuer regionaler Lenkungsorgane der Kriegswirtschaft und die Beschaffung der notwendigen Arbeitskräfte und ihre Sicherung vor Einziehungen - zugleich aber auch die Bewältigung des Problems der überschüssigen Arbeitsbevölkerung einschließlich der Flüchtlinge. In die Krisenorganisation (Zentralverkehrsleitstelle und Bezirksverkehrsleitungen) hatte der Rüstungsminister schon im Dezember 1944 seine „Bevollmächtigten für Wirtschaftstransporte" geschleust.58 Zum Bevollmächtigten in der Zentrale ernannte er Fritz Rudorf, Vorstandsmitglied der Bank der Deutschen Luftfahrt, einen bewährten Krisenmanager. Unter Rudorf arbeiteten 31 Bezirksbevollmächtigte in den Reichsbahndirektionen; er konnte jeweils auch Gebietsbevollmächtigte ernennen. Die Organisation unterstand dem Planungsamt. Sie kontingentierte den Waggonzulauf in die einzelnen Wirtschaftsgebiete, regelte die Rangfolge der Wirtschaftstransporte und stellte „Transportstufenpläne" auf. Sie wirkte ferner an den Erlassen über Verkehrssperren und die jeweiligen „Ausnahmen" mit. 57 Β AP, FS, Film 10759, Prot. d. Sitzung beim RüKdo Magdeburg am 27.2.1945 (Zit. Dir. Klein, Ringführer Torpedos). 58 BÄK, R 3/1848, Erl. GBRüst, 5.12.1944. Hiernach auch das Folgende. Siehe auch Kehrl, S. 419 ff.

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Über die Kollisionen mit dem Reichsverkehrsministerium und dem Reichswirtschaftsministerium und deren Beauftragten setzte sich Speer schließlich Mitte Februar hinweg, als er, unter dem Vorwand der Krankheit des Verkehrsministers, von Hitler anweisen ließ, „daß ... Herr Reichsminister Speer kommissarisch die Geschäfte der Reichsbahn führt". 59 Wenige Tage später, am 18. Februar, setzte Hitler einen Verkehrsstab unter der Leitung Speers ein. Der Rüstungsminister verfügte danach über „den gesamten Transportraum für Wehrmacht, Rüstung, Ernährung und Wirtschaft", abgesehen von den operativen Wehrmachttransporten (Truppen und Ausrüstung), und war für diesen Bereich „weisungsberechtigt an die Reichsministerien, die Bedarfsträger und die Reichsverteidigungskommissare." 60 Speer bereitete die ihm neuerdings Unterstellten in einem ausführlichen Runderlaß auf „außerordentlich harte und einschneidende Entscheidungen" vor.61 Einen der Versuche, der Verkehrskatastrophe zu begegnen, leitete er mit dem Erlaß vom 1. März über den „Einsatz von Arbeitskräften zur Schadensbeseitigung bei Verkehrsanlagen" ein. Darin ordnete er eine „sofortige Vervielfachung" der Kräfte an. „Es müssen in den nächsten vier bis sechs Wochen 700 000 bis 800 000 Arbeitskräfte neu für diesen Zweck zum Einsatz kommen." Bei den Verkehrsknotenpunkten und Verschiebebahnhöfen müßten ständig starke Kräfte für Reparaturarbeiten zur Verfügung stehen. „Es muß dafür gesorgt werden, daß diese Arbeitskräfte immer unmittelbar nach einem erfolgten Angriff mit den Wiederherstellungsarbeiten beginnen können. Irgendwelche Zeitverluste - auch um Stunden - dürfen unter keinen Umständen eintreten." Daher müßten die Leute an den empfindlichen Verkehrspunkten konzentriert bleiben, um nach den „voraussichtlich immer wieder folgenden Angriffen" sofort an Ort und Stelle zu sein.62 Im Bereich der Rüstungskommission Xlb (Magdeburg) waren allein 66 000 Kräfte zu stellen „1) aus den aus geräumten Ost- und Westgebieten insbesondere in Trecks zurückgeführten Kräften, 2) den frei zur Verfügung stehenden Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen sowie 3) aus den durch Energie- usw. Mangel für immer oder [zeitweilig] freiwerdenden Arbeitskräften." 63 Der Erfolg dieser außergewöhnlichen, verzweifelten Maßnahme ist in jeder Hinsicht fraglich. Doch eine gewisse Konzentration solcher ständigen Schadenskolonnen wird - zumindest gebietsweise - zustandegekommen sein. Goebbels jedenfalls, der Speer noch am 3. März gelobt hatte, er sei „in diesem Punkte der richtige Mann am richtigen Platz. Er versteht es, eine enorme Schwierigkeit in ihrer Wurzel zu fassen" 64 , machte sich am 24. März die Kritik „der Partei" zu eigen, die sich dagegen wehre, „daß Speer Hunderttausende untätiger Menschen im Westen herumsitzen hat, die auf feindliche Luftangriffe warten sollen, um die Verkehrsschäden wieder zu beheben." 65 59 FB, 14.2.1945, Punkt 5. 60 BÄK, R 3/300, Ani. ζ. Sammelbericht des Rüstungsstabes v. 24.2.1945, Hitler-Erlaß v. 18.2.1945; s. a. BÄK, R 13 V/162, Rs. RGI, 5.3.1945. 61 BÄK, R 13 V/162, RErl. RMRuK, 19.2.1945. 62 BÄK, R 3/1778, Erl. RMRuK betr. „Einsatz von Arbeitskräften zur Schadensbeseitigung bei Verkehrsanlagen", 1.3.1945. 63 BAP, FS, Film 10759, Fernschr. RMRuK an RüKommission Xlb Magdeburg betr. „Vervielfachung der Arbeitskräfte für die Wiederinstandsetzung der Verkehrsanlagen", 8.3.1945. 64 BÄK, NL 118/58, Goebbels-Tagebuch, Eintr. v. 3.3.1945. 65 BÄK, NL 118/59, Goebbels-Tagebuch, Eintr. v. 24.3.1945. Ähnlich auch Jodl: „1 1/4 Millionen

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Am 18. März ernannte der Rüstungsminister einen „Generalkommissar für die Wiederherstellung der Reichsbahnanlagen" in Gestalt des OT-Einsatzgruppenleiters Eckhard Bürger.66 Zweifellos entlastete er sich damit zugleich von der unlösbarsten aller Aufgaben, zu einer Zeit, als er das Kriegsende greifbar nahe sah. Seit Anfang März 1945 setzte der Minister, assistiert vor allem von Kehrl, in Erwartung des Zusammenbruchs „in vier bis acht Wochen" 67 eindeutig neue Prioritäten. Unter den Transportgütern rückte er - neben Reichsbahnmaterial - Nahrungsmittel an die erste Stelle, sogar vor Kohle.68 Die Beteiligten an der Orientierung auf ein Ernte- und Ernährungsprogramm für 1945 - Speer, Kehrl, Backe, Riecke - , das, nach Kehrl, schon Ende 1944 in Angriff genommen wurde69, taten sich nach dem Kriege viel darauf zugute, „für die Ernährung unseres Volkes" 70 vorgesorgt zu haben. Ihre und der deutschen Wirtschaftselite Sorge um das Volk war evident; aber es war hintergründig weit mehr eine Furcht vor dem Volk - was besonders unverhüllt die innenpolitischen Vorkehrungen des Regimes zeigten. Dem Zerfall der zentralen Rüstungsorganisation in regionale, immer weniger miteinander kommunizierende Bereiche trug der Rüstungsminister durch die Ernennung von Rüstungsbevollmächtigten Rechnung. Die Zentralgewalt des Ministeriums wurde im Laufe des Februar und März 1945 auf sechs Rüstungsbevollmächtigte delegiert, deren Stäbe nach dem Modell des von Vogler geleiteten Ruhrstabs organisiert wurden. „Der Rüstungsbevollmächtigte kann alle Speer unterstehenden Dienststellen seines Rüstungsbezirkes einschließlich OT und Transportkorps mit Weisungen versehen. Er führt die ihm übertragenen Aufgaben im Benehmen mit den zuständigen Reichsverteidigungskommissaren (d. h. mit den Gauleitern - D. E.) durch." 71 In Anbetracht der Ohnmacht der zentralen ministeriellen Instanzen schuf man hiermit für die noch mehr oder weniger funktionierenden „größeren rüstungswirtschaftlich Arbeiter im Ruhrgebiet. Liegen herum, fressen und tun nichts - sie müssen an der Bahn arbeiten. Eisenbahn soll sie abgelehnt haben." (IfZ, ED 115, NL Jodl, Bd. 3, TB Jodl, Eintr. v. 23.3.1945). 66 BÄK, R 3/1778, Erl. RMRuK, 18.3.1945; s. a. BAP, RWiMin, Nr. 20308, Bl. 23, Rs. RMRuK (PlAmt), 3.4.1945, nach dem die Anordnungen Bürgers „uneingeschränkten Vorrang vor allen anderen Maßnahmen, einschließlich der Geilenbergmaßnahmen", hatten. 67 IMG, Bd. 42, S. 421, Dok. Speer-23, Denkschrift Speers f. Hitler betr. „Wirtschaftslage März April 1945 und Folgerungen", 15.3.1945. 68 Mierzejewski, S. 175 (zit. Speer-Richtlinien v. 14.3.1945). Für Anfang März sind differierende Anweisungen Speers überliefert. Im OKW notierte man am 6. März: „Es wurden folgende Dringlichkeitsstufen für Eisenbahntransporte festgelegt: 1) Wehrmachtstransporte (Operationen und Nachschub), 2) Kohle, 3) Ernährung, 4) Notprogramm von RuK, 5) Flüchtlinge (praktisch also keine Flüchtlingszüge mehr)." (KTB des OKW, Bd. IV/2, S. 1150). In seiner Rede im Ruhrstab am 7. März nannte der Minister „Truppentransporte an erster Stelle. Es folgten die Ernährung und Ernährungsräumung. Dann folgten erst Rüstungstransporte. Diese Reihenfolge ist auch entscheidend für die Widerstandskraft der Bevölkerung, die pfleglich zu fördern ist." Werde diese Reihenfolge eingehalten, dann sei allerdings, so Speers „persönliche Auffassung", „kein Raum mehr für Flüchtlingstransporte vorhanden." (BÄK, R 13 1/592, Bl. 24, „Tagesordnung (zur) Sitzung engerer Beirat Nordwest" (Wigru Esl), 10.3.1945). 69 Kehrl, S. 421 ff. 70 Ebenda, S. 421. 71 Erlaß RMRuK, 8.2.1945; zit. nach Tagesmeldung RGI v. 17.2.1945 (Anatomie des Krieges, S. 486 f., Dok. 274). Hiernach auch das Folgende.

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Das „Notprogramm". Der Zusammenbruch von Verkehr und Produktion

zusammenhängenden Räume" Organe mit allen Vollmachten, „starke wirtschaftliche Selbsthilfe" zu organisieren und für die Erfüllung des Notprogramms durch „erhöhten Ausgleich der Produktionsvoraussetzungen" (Arbeitskräfte, Verkehr, Nachrichtenmittel, Kohle, Energie, Wasser) zwischen den betreuten Unterinstanzen, namentlich den Rüstungskommissionen, zu sorgen. Tabelle 132 Rüstungsbevollmächtigte des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Stand Mitte März 1945 Bezirk

Ausdehnungsbereich

Name

Sitz

Ernennungsdatum

Rhein-Ruhr

2 Rü.kommiss.

Albert Vogler (Vereinigte Stahlwerke)

EssenKettwig

6.12.1944

Albert Speer

Berlin

BerlinBrandenburg

Anfang Februar

Südwest (Saargebiet, Rheinhessen, Baden, Württemberg)

4 Rü.kommiss.

Heinrich Kelchner (Röchling-Konzern) GWiB Westmark

Heidelberg (vorher Metz; Ulm)

Anfang Februar

OderMoldau; später: Südost

5 Rü.kommiss., Protekt., Ungarn, Slowakei

Hans Malzacher (BerghütteKonzern)

Prag

14.2.1945

Nordwest

Süd (Bayern, „Bayr. Ostmark", Tirol) Mitte (Thüringen, Sachsen, Hannover, Braunschweig)

1 Rü.kommiss., Dänemark 2 Rü.kommiss.

Stellvertreter: Franz Leitner (Böhler-Konzern) Otto Wolff (MAR Hapag usw.) Vors. Rü.-komm. Stellv. GWiB Georg Seebauer Amtschef RMRuK Präs. GWK

Salzburg

Hamburg

12.3.1945

München

13.3.1945

unbesetzt

Quelle: Nachrichten, Nr. 55, 15.3.1945, „Einsatz von Rüstungsbevollmächtigten"; „Bildung der Rüstungsbezirke Südwest, Südost und Nordwest": Β AP, RWiM, Nr. 20308, Bl. 24, Erl. RMRuK, 12. u. 13.3.1945.

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Agonie und Katastrophe 1945

„Ich habe", so hieß es in einem späteren Erlaß Speers, „im Einvernehmen mit dem Leiter der Parteikanzlei für einzelne Bezirke, die für ein einigermaßen autarkes Wirtschaften geeignet und mit einer starken Industriekapazität versehen sind, Rüstungsbevollmächtigte eingesetzt. Ziel ist die Erreichung einer möglichst dezentralen Führung der Rüstung und Kriegsproduktion." 72 Der Rüstungsbevollmächtigte vertrat die Zentrale in seinem Bezirk in „engster Arbeitsverbindung" mit der Mittelinstanz, in erster Linie mit den Vorsitzern der Rüstungskommissionen. Sein Arbeitsstab, „der in der Zahl zwar klein, aber in seiner Leistung hervorragend sein muß", sollte aus, „den besten Persönlichkeiten seines Bezirks oder geeigneten Mitarbeitern der Zentralinstanz" bestehen. In den Arbeitsstäben waren die Arbeitsgebiete Kohle und Eisen, Energie, Rüstung, sonstige Kriegsproduktion, Arbeitseinsatz, Bau usw. vertreten. Ferner arbeiteten die Verkehrsbevollmächtigten im Stabe mit. Den Rüstungsbevollmächtigten wurden Haupt[bezirks]beauftragte der Ausschüsse und Ringe beigeordnet. Sie waren zugleich für den Fall des „Notstands" ermächtigt, sich „in die Vorbereitung und Auslösung von Räumungs- und Lähmungsmaßnahmen entscheidend einzuschalten."73

2. Soziales Chaos a)

Flüchtlinge

Mit der sowjetischen Offensive im Januar setzten sich Flüchtlingsströme in Bewegung, die binnen kurzem ein riesiges Ausmaß annahmen und bis Kriegsende eines der größten und kompliziertesten Probleme für die Innen- und Wirtschaftspolitik des Regimes bildeten. Schon in der zweiten Januarhälfte zogen Trecks mit drei bis vier Millionen Evakuierten aus Ost- und Westpreußen, dem östlichen Schlesien und dem „Warthegau" westwärts.74 In der Regel waren die Evakuierungen - im offiziellen Sprachgebrauch wurden die Begriffe Flucht und Flüchtlinge möglichst vermieden - von den Behörden, Wehrmachts- und Parteidienststellen Hals über Kopf unter Strafandrohung angeordnet. Doch der Begriff der Zwangsevakuierung trifft nicht die ganze Wahrheit; denn die große Mehrheit der betroffenen Bevölkerung war durch Berichte und Gerüchte über das Verhalten der sowjetischen Truppen und durch die antisowjetische Greuelpropaganda, die gerade in den letzten Kriegsmonaten einen neuen Höhepunkt erreichte, aufs Äußerste verunsichert und verängstigt und setzte den Räumungsbefehlen kaum irgendwelchen Widerstand entgegen. So gaben Millionen von Menschen Haus, Hof und Habseligkeiten auf und bewegten sich - vielfach zu Fuß - bei großer winterlicher Kälte und unter katastrophalen Verhältnissen auf den gleichzeitig von der Wehrmacht benutzten Rückzugs- bzw. Nachschubstraßen in Richtung Westen. Die Sterblichkeit auf den Trecks und Märschen war groß, besonders unter den Kindern und Säuglingen. Die Wehrmachtseinheiten gingen bei ihrem Rückzug mit Beschlagnahmen von Pferden und Fahrzeugen offensichtlich mit äußerster Rücksichtslosigkeit gegen 72 BAP, RWiMin, Nr. 20308, Bl. 34, RErl. RMRuK betr. „Einsatz von Rüstungsbevollmächtigten", 27.2.1945. Hiemach auch das Folgende. 73 Wie Anm. 71 (Anatomie des Krieges, S. 487). 74 Siehe DZW, Bd. 6, S. 633 ff.

Soziales Chaos

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die fliehenden Menschen vor; es mußten Befehle erlassen werden, nach denen „zivile Fahrzeuge jeder Art" von der Wehrmacht nur ausnahmsweise beschlagnahmt werden durften, wenn sie „für unerläßliche Kampfzwecke ... (Einsatz mit der Deichsel nach Osten!)" bestimmt waren.75 Zahlen über die Flüchtlingsströme sind nur als recht grobe Annäherungswerte vorhanden. Sie nahmen in dem wachsenden Chaos der letzten Kriegsmonate, je länger, desto mehr den Charakter von Schätzungen an. Tabelle 133 Zahlenangaben über Flüchtlinge und aus luftgefährdeten Gebieten Evakuierte, Januar - März 1945

28. Januar 19. Februar 6. März 6. März

3,5 Mill. 8,35 Mill. 10 Mill. 16,5 Mill.

24. März

19 Mill.

(nur Osten) (nur Osten)

Quelle: KTB/OKW, Bd. IV, S. 1324 KTB/OKW, Bd. IV, S. 1327 KTB/OKW, Bd. IV, S. 1147 „Führungshinweis" (Reichsleitung d. NSDAP?) Sts. Stuckart/Mdl (Goebbels-Tagebuch)

In einer internen Information für Behörden und Parteidienststellen („Führungshinweis") vom 6. März 1945 wurden „Zahlen über Rückführung aus feindbedrohten Gebieten und Umsiedlung aus Gründen Luftterror" genannt: „Räumungsbewegung im Reich insgesamt 16 500 000. Davon Ost 8 350 000, West 1 421 000, durch Luftterror 4 884 000".76 Die wehrfähigen Männer unter den Flüchtlingen unterlagen - soweit zu realisieren lückenloser bürokratischer „Erfassung" und schärfsten „Einsatz"bestimmungen. Der „Erlaß über Erfassung der wehrfähigen Männer des zivilen Bereichs aus den geräumten Gebieten im Osten" vom 3. Februar trug die Unterschriften von Keitel, Bormann und Sauckel. Erfaßt werden sollten durch Ortsgruppenleiter, Einwohnermeldeämter, Polizeidienststellen und Lebensmittelkartenstellen die Jahrgänge 1897 bis 1928. Das Wehrbezirkskommando entschied in Zusammenarbeit mit NSDAP-Kreisleitung und Arbeitsamt „unter Anlegung eines strengen Maßstabes", ob eine Uk-Stellung zu verlängern sei oder ob die Zuführung zum RAD in Frage komme (Jahrgang 1928); sämtliche übrigen Männer wurden dem Heer bzw. der Ausbildung im Ersatzheer zugewiesen.77 Am 22. Februar wurde dieser Erlaß erweitert; „schnelle und scharfe Maßnahmen zur Erfassung aller wehrfähigen Männer" erstreckten sich jetzt auch auf die noch zu räumenden und auf die Luftschädengebiete. Von den erfaßten Männern jetzt bis Jahrgang 1929 (15-jährige!) - wurden zuerst diejenigen ausgesiebt, die die Wehrmachtstellen wegen „Unentbehrlichkeit für kriegsentscheidende Aufgaben in der Heimat", 75 1945. Das Jahr der endgültigen Niederlage ..., S. 116, Dok. 17, Befehl Chef OKW, 28.1.1945; s. a. BÄK, R 5/8, RErl. RMdl, 29.1.1945; KTB des OKW, Bd. IV/2, S. 1324 f. - Hitler weigerte sich, wie Speer berichtet, regelmäßig, sich Fotos vom Flüchtlingselend anzusehen (Speer, Erinnerungen, S. 430; S. 441). 76 Β AP, FS, Film 10709.

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d. h. an Ort und Stelle, reklamierten. Alle übrigen Wehrfähigen wurden nach den „planmäßigen Rückwärtsbewegungen (Trecks)... in den Auffangräumen erfaßt." 78 So vervielfachten die Trennung unzähliger Familien und die Ungewißheit über das Schicksal der betroffenen Angehörigen das Flüchtlingselend. In Ostpreußen wurden zum Beispiel von 2,2 Millionen deutscher Bevölkerung 500 000 bis 600 000 Männer zurückgehalten.79 Für die Rüstungsbetriebe war die Parole ausgegeben, „bis zum letzten Augenblick zu arbeiten" 80 ; aber die Erfahrungen während der stürmischen Wochen der sowjetischen Offensive besagten, daß dieses Rezept in den meisten Fällen untauglich war. Soweit überhaupt noch eine normale Arbeit durchzusetzen war, stellte es sich heraus, „daß zwar bis zum letzten Augenblick gearbeitet wird, die Früchte dieser Arbeit und die gesamte Einrichtung aber restlos verlorengehen."81 Zum Abtransport in letzter Minute waren Bahnwaggons bzw. Kraftstoff erforderlich, die dann aber nicht mehr zu beschaffen waren. Die Arbeiter der Rüstungsbetriebe gehörten also in der Regel zu den letzten, die evakuiert wurden. In Posen, das am 25. Januar von sowjetischen Truppen eingeschlossen wurde, ließen die Verantwortlichen sowohl die Bevölkerung als auch das große Focke-Wulf-Werk im Stich. „Große Bestände an Spezialbohrern und Flugzeugteilen hat man liegen gelassen", hieß es in einem Bericht für den SD. „Die leitenden Herren von Focke-Wulf haben es vorgezogen, die Lastwagen mit Privatsachen zu beladen und wegzuschaffen.... Auch für den Abtransport der deutschen Familien des Werkes hat sich die Betriebsführung nicht eingesetzt, ebenso wenig für die Gefolgschaftsmitglieder. Von denen ist ein Teil bereits am 18. und 19. in Richtung Bremen (zum Stammwerk - D. E.) abgefahren, wo sie sich am 24. noch nicht im Betrieb gemeldet hatten. Es ist nicht abzusehen, wie das Gefolgschaftsamt wieder seine Gefolgschaftsmitglieder zusammenholen will, da sämtliche Unterlagen in Posen-Kreising liegen geblieben sind.... Der Arbeitsausfall durch diese mangelhafte Rückführung der Gefolgschaft ist noch nicht zu übersehen. Etwa 900 deutsche Gefolgschaftsmitglieder, zum Teil Fach- und Spezialarbeiter, werden bis heute noch nicht im Arbeitseinsatz sein. Außerdem hat man es versäumt, die polnischen Fachkräfte in die Außenwerke Cottbus und Sorau mitzunehmen. Da ein Teil der Polen gute Fachkenntnisse besitzt, sind auch hier wertvolle Kräfte verlorengea ft"?

gangen. Die Flucht von Millionen erschwerte die wirtschaftliche Lage im verbleibenden Reichsgebiet durchschlagend, ganz abgesehen von den schweren sozialen und psychologischen Problemen und Langzeitfolgen für die Betroffenen, die sie mit sich brachte. Schon in den Richt77 78 79 80

BÄK, R 13 V/vorl. 162, Gemeinsamer Erl. Chef OKW/Leiter d. Parteikanzlei/GBA, 3.2.1945. KTB des OKW, Bd. IV/2, S. 1328, Zsf. d. Erlasses v. 22.2.1945. Wie Anm. 76. BÄK, R 3/3011, Hauptwerksbeauftragter des Focke-Wulf-Konzerns im Rüstungsstab an Otto Lange, Beauftr. f. d. Flugzeugprogramm im Rüstungsstab, 13.2.1945. Berichtet wurde üb. die FockeWulf-Werke in Posen, Marienburg, Gassen und Sorau. Hiernach auch das Folgende. 81 In einer völlig gescheiterten Aktion versuchte der Rüstungsstab am 26. und 27. Januar, aus dem Focke-Wulf-Werk in Posen Vorrichtungen zu bergen; doch die Stadt war schon am 25. Januar von der Roten Armee eingeschlossen worden. (BÄK, R/3011, Bericht d. Anlaufbeauftragten Focke-Wulf Cottbus an O. Lange, 29.1.1945). 82 BÄK, R 58/976, Bericht SD Lüneburg an RSHA, 10.2.1945.

Soziales Chaos

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linien des Innenministers nahm sich die Liste der in dieser Situation zu lösenden Aufgaben beachtlich aus: „Die Menschen in Arbeit zu bringen;... ihre Versorgung in geordnete Bahnen zu lenken; den Räumungsfamilienunterhalt zu leisten; ihre Pferde, ihr Vieh und ihre bewegliche Habe einer volkswirtschaftlich richtigen Verwendung zuzuführen; das öffentliche Vermögen von dem persönlichen Eigentum zu trennen und sicherzustellen ...; das industrielle und landwirtschaftliche Lähmungsgut sicherzustellen; die Anmeldung der Kriegsschäden entgegenzunehmen." 83 Es entstand ein großer zusätzlicher Bedarf an Konsumgütern, besonders Möbeln und einfachen Haushaltswaren, deren Produktion sich 1943/1944 zwar in einer Reihe von Positionen (Bettstellen, Schüsseln, Becher, Bratpfannen, Eimer) in Anbetracht der vielen „Ausgebombten" erhöht hatte, jetzt aber der sprunghaft steigenden Nachfrage in keiner Weise mehr genügte. Die Ernährungslage verschärfte sich ebenfalls drastisch. Der Effekt hinsichtlich der Arbeitskräftesituation war zwiespältig. Für die Arbeitskraft"reserven", die hereinströmten, war vielerorts keine Verwendung mehr. „Besonders durch die weitgehende Abschaltung von Betrieben und Betriebsteilen, durch den Zustrom von Geflüchteten und Rückgeführten aus den geräumten Gebieten sind in erheblichem Umfang Arbeitskraftreserven verfügbar geworden." 84 Ohne Zweifel erleichterten aber die Zuwandernden in einigen Bereichen und Regionen die Arbeitskräftelage. Eine genauere Analyse ist hier um so schwieriger, als die Arbeitsbehörden selbst immer weniger informiert waren, die Verbindungen unter den örtlichen, Gau- und zentralen Behörden immer schlechter wurden; so war im März offenbar jeder „Überblick über die Arbeitseinsatzlage verlorengegangen".85 Jedenfalls scheint die Landwirtschaft seit Februar/März gebietsweise viel besser als zuvor mit Arbeitskräften ausgestattet gewesen zu sein - mit Arbeitskräften, die bei den Landwirten notdürftig untergekommen waren und wohl meist, wenn überhaupt, nur mit einigen Naturalien entlohnt wurden. „Durch die Flüchtlingsströme wird die Landwirtschaft zur Zeit mit Kräften gut versorgt werden können." 86 Bestimmte Arbeiterkategorien wurden gezielt gesucht. „Aus den oberschlesischen Flüchtlingsströmen sind Bergarbeiter vorgesehen: für das Ruhrgebiet 5 000, für das Sudetenland 3 500, für die Steiermark 3 000, für Mitteldeutschland 3 000, für Waldenburg 800.... Es sind bestimmte Treckstraßen und Verpflegungsplätze festgelegt, an denen schon ein Aussieben der qualifizierten Facharbeiter erfolgen soll."87 Der Rüstungsstab forderte Kräfte für die Waffenproduktion an: „Führungskräfte des Maschinenbaus aus dem Osten weitestgehend für

83 84 85 86

BÄK, R 43 11/692, Bl. 27 Rs., RErl. GB f. d. Reichverwaltung, 9.2.1945. BÄK, R 41/290a, Bl. 39, Rs. GBA/Reichsinspektion, 9.2.1945. Ebenda, Bl. 52, AN eines Mitarb. d. RArbMin/GBA üb. d. Lage in Westfalen, (Anfang) März 1945. Ebenda, Bl. 57, GBA/Reichsinspektion, 2.3.1945. - Reichsfinanzminister Schwerin v. Krosigk rief in seinen scharfmacherischen Briefen an Goebbels nach schnellen und umfassenden Einziehungen der Arbeitslosen und Flüchtlinge zur Wehrmacht und verlangte zum Beispiel: „Ein uk-gestellter Bauer, der eine aus dem Osten geflüchtete Bauernfamilie bei sich aufnimmt, kann nunmehr ohne weiteres an die Front gehen, denn er hat für seinen Betrieb ausreichende Aufsicht und Arbeitskräfte bekommen." (BAP, Fall XI, Nr. 342, Dok. NG-4683, v. Krosigk an Goebbels, 27.2.1945). 87 Wie Anm. 84 (Bl. 39 R u. 40).

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Agonie und Katastrophe 1945

Waffenfertigung einsetzen." 88 Selbstverständlich hatten auch die Arbeitsämter Anweisung für die „Erfassung der wehrfähigen deutschen Männer des zivilen Bereichs aus den geräumten Gebieten im Osten".89 Der Erfolg der beschriebenen Facharbeiteraktionen ist unsicher. Die militärische Lage und der Zugriff von Wehrmacht, Partei und „Volkssturm" auf alles, was ein Gewehr oder eine Panzerfaust tragen konnte, machte ihn, je länger, desto mehr hinfällig. „Rückführungsmaßnahmen von Facharbeitern aus Räumungsgebieten illusorisch durch uneingeschränkte Verteidigungsbefehle vom Inhaber der vollziehenden Gewalt." 90 Insgesamt gesehen, war die Lage der Flüchtlinge auch im Restreich katastrophal. Die Verwaltungsbehörden waren nicht mehr Herr der Lage. Viele Aufnahmegebiete weigerten sich, mehr Flüchtlinge aufzunehmen; Gauleiter drohten, die Grenzen ihres Gaues für Aufzunehmende zu schließen.91 „Die einzelnen Gaue", schrieb Goebbels, „sind zu 400 Prozent überbelegt. ... Das Reich ist nun ziemlich eng geworden. Infolgedessen haben wir uns entschlossen, aus dem Westen nicht mehr zu evakuieren." 92 Als Hitler am 18. März während des amerikanischen Vormarschs im Saargebiet und auf Mainz „entgegen den bisherigen Weisungen", aber offensichtlich in Übereinstimmung mit seinem am nächsten Tag erlassenen „Nero-Befehl" anordnete, die Gebiete westlich des Rheins einschließlich Saarpfalz „sofort, hinter dem Hauptkampffeld beginnend, von sämtlichen Bewohnern zu räumen" 93 , da rief dieser Befehl nicht nur Unmut und Widerstand bei seinen engsten Vertrauten hervor. Hitler verliere stark an Autorität, meinte Goebbels, weil er auf der Räumung im Westen bestehe, die „reine Theorie" sei und praktisch gar nicht durchgeführt werden könne. „Die Bevölkerung geht einfach nicht weg, und genügend Machtmittel stehen uns in diesem Raum nicht zur Verfügung, um eine Räumung zu erzwingen." 94 Auch im Osten zeigte sich jetzt Widerstand gegen Evakuierungen. Und doch bewegten sich bis Ende April immer noch weitere Flüchtlingskolonnen aus dem Osten, dem „Protektorat Böhmen und Mähren" und aus Niederösterreich westwärts. Erst am 29. April ordnete das OKW „für den deutschen Nordraum" an, daß nur freiwillige Evakuierungen in Frage kämen und „keinerlei Zwang" mehr ausgeübt werden solle.95 Die überwältigende Mehrheit der deutschen Flüchtlinge und Vertriebenen kam jedenfalls nicht erst nach dem Krieg, sondern - entgegen den von der Propaganda des Kalten Krieges geprägten, bis heute virulenten Vorstellungen breitester Kreise der deutschen Gesellschaft in den letzten Monaten des Krieges, vor allem von Januar bis März 1945, aus dem Osten ins Innere Deutschlands. Ihr Exodus, der sich teils freiwillig, ganz überwiegend aber unter dem mit Strafandrohung und vielfach mit brutaler Gewalt und Zerstörungswut exekutierten 88 89 90 91 92 93

BÄK, R 3/300, Sammelbericht Rüstungsstab, 14.2.1945. Wie in Anm. 84 (Bl. 40). Ebenda, Bl. 45, GauAA Westfalen-Nord an GBA/Reichsinspektion, 23.2.1945. DZW, Bd. 6, S. 636. BÄK, NL 118/58, Goebbels-Tagebuch, 4.3.1945. BAP, FS, Film 1732, RErl. Keitel mit „Führerbefehl", 18.3.1945. - Hitler waren Widersetzlichkeiten der Bevölkerung verschiedener Ortschaften gegen die Verteidigung und Zerstörung ihrer Dörfer gemeldet werden (Speer, Erinnerungen, S. 444 f.). 94 BÄK, NL 118/59, Goebbels-Tagebuch, 27.3.1945. 95 KTB des OKW, Bd. IV/2, S. 1591 f., Befehl Chef OKW, 29.4.1945.

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Zwang der Wehrmacht-, Partei- und sonstigen NS-Organe vollzog, war einer der bestimmenden Faktoren des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruchs des „Dritten Reichs".

b) „Starker Wandel der

Arbeitseinsatzlage"

Nach der SE-VI-Aktion waren vom 1. Februar bis 31. Juli 1945 aus den Jahrgängen 1901 und jünger 788 000 Mann für die Wehrmacht zu stellen.96 Der Befehl Hitlers vom 3. Januar, der die Aktion auslöste, hob den Totalschutz gegen jedweden Abzug von Arbeitskräften auf, den bis dahin zum Beispiel das Geilenbergprogramm und das Flakprogramm (vom 4. November 1944) genossen. Der Rüstungsminister gab Anweisung, einige Kategorien von Arbeitskräften „nach Möglichkeit weitgehend zu schonen".97 Intern scheinen die Anweisungen des Ministers viel bestimmter und weitgehender gewesen zu sein. In einem Rundschreiben vom 12. Januar an die Betriebe des Ruhrgebiets erklärte die RVE, von der SE-VI-Aktion seien Werkzeugmacher und Vorrichtungsbauer und erfahrene Industrieflugzeugführer als Einflieger auszunehmen. „Weitestgehend zu schonen" seien darüberhinaus so gut wie alle damals vorrangigen, großen Rüstungsprogramme (Flak, „Hochleistungsflugzeuge", U-Boote, das Infanterierüstungsprogramm einschließlich Panzer und Kraftfahrzeuge, Erzbergbau, Erdölförderung, Eisen schaffende Industrie und wichtigste Zulieferindustrien). „Nach Möglichkeit zu schonen", so hieß es schließlich, seien Entwicklung und Forschung.98 Die sowjetische Offensive bot Speer die Gelegenheit, das Notprogramm bei Hitler durchzusetzen und damit den umfassenden Schutz der dafür Arbeitenden wieder einzuführen.99 Der Kampf um die Arbeitskräfte hatte angesichts des Energiemangels, der Verkehrsnot und der daraus resultierenden Stillegungen immer weniger etwas mit tatsächlichem Arbeitskräftemangel zu tun, um so mehr aber mit dem Bestreben der Unternehmen, ihre besten Kräfte, die sie für die Nachkriegszeit unbedingt brauchen würden, nicht in letzter Minute noch sinnlos verheizen zu lassen. Als Goebbels nach zwei Monaten eine Bilanz der SE-VI-Aktion zog, mußte er feststellen, daß die Einziehungen aus der Rüstung bei weitem hinter den geforderten Zahlen zurückgeblieben waren. Es stünden sogar noch Forderungen aus dem Septemberprogramm 1944 offen, klagte er; „im Hinblick auf die Anrechnung der von der Rüstung abgegebenen kvVolkssturmmänner, Schanzarbeiter, Notaufgebotskräfte usw. steht aber noch die schwierige Aufgabe bevor, diese zum Teil wahrscheinlich im Einsatz befindlichen Männer aufzufinden und ihnen Einberufungsbefehle zuzustellen bzw. Ersatz von der Rüstung zu verlangen und zu erhalten."100 Im Laufe des Januar kam es zu einer wesentlichen Veränderung der Arbeitskräftesituation und -politik. „Der starke Rückgang der Kohleversorgung und damit der Bereitstellung von 96 97 98 99 100

BÄK, NL 118/106, Memo Goebbels für Hitler, März (nicht abgeschickt). BAP, FS, Film 3642, Erl. RMRuK, 5.1.1945. BÄK, R 10 III/28, Bl. 12, Rs. RVE/Außenstelle Nordwest, 12.1.1945. Siehe Abschn. 1. Wie Anm. 96.

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Energie infolge der gegnerischen Offensive im Osten, der Luftangriffe und der durch sie verursachten Verkehrsschwierigkeiten führte zu einem starken Wandel der Arbeitseinsatzläge."101 Im November drängten die Arbeitsbehörden noch ausdrücklich darauf, keine „Verlegenheitsbeschäftigung" zuzulassen. „Es ist nicht an der Zeit, Kräfte vorsorglich zu horten oder durch Inanspruchnahme gesetzlicher Möglichkeiten auf Eis zu legen. Mit Verkürzung der Arbeitszeit, Gewährung von mehr oder weniger Zwangsurlaub, Zahlung von Ausfallvergütungen, Verlegenheitsbeschäftigungen und ähnlichem ist kein Krieg zu gewinnen, sondern nur mit dem stärksten und schnellen Einsatz aller Kräfte an der richtigen Stelle. Insbesondere dürfen auch keine Beurlaubungen von Halbtagsfrauen oder auch von Frauen mit Familie erfolgen." 102 Tatsächlich aber bahnte sich jener Wandel schon an. Das Gauarbeitsamt Westfalen-Süd stellte beispielsweise im selben zitierten Rundschreiben einen ganzen Katalog von „Überbrückungs"maßnahmen bei Arbeitsausfällen von kürzerer und von längerer Dauer zusammen, der selbst die „Durchführung von Forstarbeiten" aufführte. Aus der Wirtschaft hörte man zur selben Zeit schon erheblich schärfere Töne. Die Gauwirtschaftskammer Schleswig-Holstein verlangte nach einem „durch die derzeitige Lage notwendig werdenden Wandel in der arbeitseinsatzpolitischen Mentalität"; die zunehmende Zahl der „durch die unglückliche Entwicklung der Transportverhältnisse" und der Kohleund Rohstoffsituation freigesetzten Arbeitskräfte müsse beschäftigt werden. Notwendig sei eine „Umschaltung der Arbeitskräftebewirtschaftung". In den kriegswirtschaftlich wichtigen Betrieben des zivilen Sektors gebe es „noch immer Möglichkeiten zur produktiven Beschäftigung". Solange der „Schrumpfungsprozeß" in der Rüstungsindustrie anhalte, müsse man „weitgreifende(n) Umschichtungen im Ansatz der Arbeitskräfte und auch in der allgemeinen Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs" ins Auge sehen.103 Am 15. Dezember 1944 machte sich die Reichsgruppe Industrie in einem Schreiben an den GBA zur Sprecherin solcher Forderungen nach einer „notwendigen Kursänderung". Sie fügte ihnen den Vorschlag hinzu, „notfalls Beurlaubungen aus der unmittelbaren Rüstungsfertigung ... an den zivilen Sektor" auszusprechen. Einen Monat später erhielt die RGI eine negative Antwort.104 Inzwischen spürten aber auch die regionalen Arbeitsbehörden immer stärker die „Stockungen im Arbeitseinsatz": „Die Einsatzmöglichkeiten für Frauen aus dem Kreise der Meldepflichtigen schrumpften in den schwerindustriellen Bezirken ... zusammen ... Aus der Stockung im gesamten Arbeitseinsatz ergibt sich zwangsläufig auch eine solche in der Weiterführung der Tk-Maßnahmen (Tk = Totaler Krieg - D. E.)." Zugleich wurden auch die 101 Wie Anm. 84; weitgehend wörtl. Übernahme aus dem Erlaß vom 28.1.1945 (s. Anm. 106). 102 BÄK, R 41/290a, Bl. 7 ff., Rs. GauAA Westfalen-Süd an AÄ, 21.11.1944. Hiernach auch das Folgende. 103 BÄK, R 121/339, Präs. GWiK Lübeck an d. Präs. d. GauAA Rendsburg, 22.11.1944. 104 Ebenda, RGI an GBA, 15.12.1944, betr. „Vermeidung einer Freisetzung von Arbeitskräften infolge Unterversorgung der Rüstungsindustrie mit Rohstoffen durch vorübergehende Beurlaubung in kriegswichtigen Betrieben des zivilen Sektors"; GBA an RGI, 15.1.1945: „Von einer Änderung der Arbeitseinsatzlage kann z. Zt. noch nicht gesprochen werden."

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zunehmenden Entlassungen weiblicher Arbeitskräfte, die „Arbeitszeitstreckungen" und „vorübergehenden Freistellungen" stillschweigend als gegeben hingenommen.105 Am 28. Januar 1945 unterzeichneten Bormann, Speer und Sauckel einen „Erlaß über den planvollen Einsatz der Arbeitskräfte bei Fertigungsstockungen".106 Er trug den „Geheim"Vermerk, war offiziell an die Reichsverteidigungskommissare, die Vorsitzer der Rüstungskommissionen und die Präsidenten der Gauarbeitsämter gerichtet, kursierte aber verständlicherweise auch in der Industrie.107 Der Erlaß fixierte zunächst in dürren Worten die katastrophalen Zustände in der Energie- und Verkehrswirtschaft, die „eine völlige oder weitgehende Abschaltung von Betrieben und Betriebsteilen" zur Folge hatten. Das war nicht gerade eine Neuigkeit für die Betroffenen, hatte aber eine erhebliche psychologische Bedeutung, weil die Realität hier wohl zum ersten Mal in einer Verlautbarung von offizieller und höchst autoritativer Stelle klar in Worte gefaßt wurde.108 Der Erlaß war ganz von der Befürchtung diktiert, die Arbeiter könnten in dem Durcheinander des Zusammenbruchs, während Arbeitsmangel und Arbeitslosigkeit zunahmen, der Kontrolle durch das Regime entgleiten. Die darin ausführlich aufgezählten Maßnahmen, für welche Wirtschaft, Arbeitsbehörden und Parteistellen gleichermaßen verantwortlich gemacht wurden, hatten alle den Sinn, die freiwerdenden Arbeitskräfte auf keinen Fall aus dem festen Griff der Betriebe und Behörden zu entlassen. In noch energieversorgten und in wenig Energie verbrauchenden Produktionsbereichen sollten „die leistungsfähigsten Kräfte" gegebenenfalls in drei und vier Schichten bzw. in verlängerten Schichten „zur größtmöglichen Leistungsausnutzung" zusammengefaßt werden. Das war bereits weithin graue Theorie, ebenso wie die Forderung, „die verfügbaren hochwertigen Fachkräfte aus den Grenzgebieten überbezirklich in die intakten Rüstungskapazitäten des mitteldeutschen Raumes umzusetzen". Und so füllte den größten Teil des Erlasses ein buntes Allerlei von „beispielhaften" Vorgaben für Ersatz- und Notbeschäftigungen: - Reparatur an Produktionsanlagen, - Wiederherstellung von Verkehrsanlagen, Instandsetzung von Lokomotiven und Schadwagen, - Be- und Entladen von Waggons und Schiffen, - Hilfe für die Land- und Forstwirtschaft, - Überholung von Maschinen, Maßnahmen der Rationalisierung, - betriebliche Luftschutzmaßnahmen, - Beseitigung von Bombenschäden aller Art, auch an Wohnungen, - Stellungsbau, - Behelfsheimbau, - Sammlung von Schrott, Metallen und Holz in zerstörten Häusern, - Holzeinschlag, Gewinnung von Generatorholz und Holzkohle, Einrichtung von Holzkohlemeilern, - und schließlich „geschlossene Ausbildung im Deutschen Volkssturm". 105 BÄK, R 41/290a, Bl. 16R, GauAA Westfalen-Süd an GBA, 15.1.1945. 106 Ebenda, Bl. 22 ff. Hiernach auch das Folgende. 107 In bezug auf die Reichsgruppe Industrie und eine Reihe von Konzernvertretern dokumentiert in BÄK, R 121/339. 108 In der Folgezeit waren wörtliche Übernahmen aus dem Erlaßtext bei Behörden üblich.

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Außerbetrieblich sollten Arbeiter möglichst in Gruppen und, soweit es sich um Deutsche handelte, „vorzugsweise im Wege der vorübergehenden Überlassung" eingesetzt werden. Dem gesteigerten Interesse der Unternehmen, sich von wenig produktiven Arbeitskräften zu trennen und vor allem die Reste der bewährten Kernbelegschaften zu halten, trug die Bestimmung über die „Tk-Frauen" Rechnung: „Freiwerdende weibliche Arbeitskräfte, die auf Grund der Meldepflichtverordnungen eingesetzt wurden, insbesondere Hausfrauen, können mit ihrem Einverständnis auf jederzeitigen Abruf von ihrer Arbeit ohne Fortzahlung von Bezügen beurlaubt werden." Sauckel ritt eigenmächtig eines seiner Steckenpferde, als er seinen Behörden Anfang Februar empfahl, „bei der Behandlung der Hausgehilfinnen- und Pflichtjahrfragen (könne) etwas großzügiger verfahren werden. Grundsätzlich sollen gute Hausgehilfinnen wieder als solche eingesetzt werden, jedoch nur in Familien, in denen es wirklich notwendig ist."109 Der Erlaß vom 28. Januar gewährte den unteren Behörden mehr Spielraum und legte den Schwerpunkt der „Arbeitseinsatz"politik auf die Lenkung der Arbeitskräfte an Ort und Stelle. „Die starke zentrale Steuerung des Arbeitseinsatzes muß ... eingeschränkt werden."110 Doch der Krieg ließ keine Gewöhnung an irgendeine Realität mehr zu, weil er sie in hohem Tempo veränderte und die deutsche Wirtschaft immer tiefer in die Katastrophe geriet. Von Anfang Februar bis Ende März gab es zwar keine umfassende Landoffensive der Alliierten. Aber überall schoben sie sich in harten Kämpfen immer näher an die zentralen Bereiche Innerdeutschlands heran. Es war die Zeit der Flüchtlingsströme, denen die Behörden zunehmend hilflos gegenüberstanden. Zugleich war der enge Raum zwischen Rhein und Oder der Schauplatz der schwersten und anhaltendsten Luftangriffe des Krieges. Eine Folge des Erlasses und der Dezentralisierung der Arbeitskräftelenkung war die, daß nun alle örtlichen und bezirklichen Stellen - Wirtschaft, Wehrmacht, Behörden und Partei direkt in den Kampf um Arbeitskräfte eingriffen. Dieser Kampf nahm an Heftigkeit nicht ab, obwohl ständig viele Hunderttausende aus den beschriebenen Gründen für kürzere oder längere Zeit „freigesetzt" waren, Millionen Flüchtlinge eintrafen und man allgemein „zahlenmäßig fast von einer Arbeitslosigkeit sprechen" konnte. Männliche Arbeitskräfte wurden den Betrieben besonders bei Produktionsstockungen nach Luftangriffen „von allen möglichen Stellen weggeschnappt... (ζ. B. auch vom Volkssturm)". 1 " Wehrmacht und Partei befahlen Schanz- und Befestigungsarbeiten großen Ausmaßes. Einen zentralen Kräftebedarf von 100 000 Mann für „Ausbau und Erweiterung von Flugplätzen ... für die schnellfliegenden Maschinen" meldeten zentrale Stellen „als kriegsentscheidend und vordringlich".112 Ständig waren große Mengen von Arbeitskräften mit der Reparatur und Wiederherstellung der Verkehrsanlagen und -mittel beschäftigt. Im rheinisch-westfälischen Industriegebiet war bald die gesamte „Arbeitseinsatz"lage „gekennzeichnet durch Behebung und Beseitigung umfangreicher Betriebs- und Verkehrsschäden durch dauernde Luftangriffe". 113 109 Wie Anm. 84 (Bl. 40R). 110 Wie Anm. 84 (Bl. 39R). 111 BÄK, R 13 XII/508, Prot. d. Sitzung d. Produktionsbüros der Fagru Chemische Industrie am 18.1 v. 19.1.1945. 112 Wie Anm. 84 (Bl. 40). 113 BÄK, R 41/290a, Bl. 44, GauAA Westfalen-Nord an GBA/Reichsinspektion, 21.2.1945.

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Die Betriebe wiederum meldeten die durch Luftschäden freigewordenen Arbeitskräfte nicht mehr und handelten bei der Beseitigung der Schäden aus „Betriebsegoismus", d. h., sie suchten es nach Möglichkeit zu vermeiden, Kräfte nach außen abzugeben. „Stark beeinträchtigt wird die Erfassung und Lenkung überschüssiger Arbeitskräfte auch durch die Ausschüsse, Ringe und Stoßtrupps der Rüstungsorganisation, indem sie freie Arbeitskräfte intern unter Ausschaltung der Arbeitseinsatzverwaltung umsetzen."114 Auch die Gauarbeitsbehörden waren zu dieser Zeit schon hilflos: „Versteckte Arbeitslosigkeit scheint in gewissem Umfange schon eingetreten zu sein, sie wird aber von den Betrieben nicht gemeldet. Durch die Selbstherrlichkeit der Organe der Rüstungswirtschaft bleiben der Arbeitseinsatzverwaltung Kräftebewegungen verborgen, in die sie regulierend eingreifen müßte."115 In einem Erlaß des Rüstungsministeriums von Mitte März hieß es: „Durch den vorübergehenden Mangel an Kohle und Strom und infolge sonstiger Fertigungsschwierigkeiten sowie durch die Rückführung von Arbeitskräften aus den evakuierten Ostgauen" sei zur Zeit eine „Entspannung in der Arbeitseinsatzlage insbesondere hinsichtlich Hilfsarbeiten" eingetreten.116 In der Reichswirtschaftskammer wurden Mitte Februar auf der Basis des Erlasses vom 28. Januar weitreichende Konzepte einer „Umstellung von Maschinenarbeit auf Handarbeit" entworfen, die ausdrücklich eine massive Senkung von Produktion und Produktivität in Kauf nahmen. Die Vorschläge der Kammer waren unverkennbar mit dem Blick auf das nahende Kriegsende verfaßt: - „Intensivste Ausbildung von Arbeitskräften für rationelle Handarbeit", - „Umstellung auf zeitlich längere, materialsparende Methoden", - „Rückfließen der Arbeitskräfte in die Büros ... in Haushalt, Schulen und Hochschulen", - „Zuführung von Arbeitskräften in ... soziale Betreuungsaufgaben", - „Gewinnung bzw. Wiedergewinnung allen erreichbaren Materials", etwa „aus fliegerbeschädigten Werkstätten und Häusern", - „Gewährung besserer Möglichkeiten zur freizeitlichen Erholung der Kräfte", etwa Möglichkeiten, „ihre Gärten bestens zu bestellen", - „Ausweitung des Reparaturwesens" (Handwerk). Zwei Kernforderungen tauchten hier auf, die, wie wir sehen werden, zur gleichen Zeit im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Reichsgruppe Industrie standen. Es handelte sich um die „grundsätzliche Erhaltung einer deutschen Stamm-Mannschaft" für die Betriebe und um das Abstoßen von Zwangsarbeitern: „Bei der Abgabe von Arbeitskräften aus der Wirtschaft sind grundsätzlich zunächst freizustellen 1) KZ-Häftlinge, Juden und Kriegsgefangene, 2) Ausländer".117 Die letzten von den Arbeitsämtern gemeldeten Zahlen über die in der Wirtschaft neu eingesetzten Arbeitskräfte zeigten einen schroffen Abwärtstrend, obwohl auch die gerade eingetroffenen Flüchtlinge, die sich zur Arbeit meldeten, ferner auch evakuierte ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene erfaßt worden sein müßten. 114 115 116 117

Ebenda, Bl. 45, GauAA Westfalen-Nord an GBA/Reichsinspektion, 23.2.1945. Ebenda, Bl. 47, GauAA Westfalen-Nord an GBA/Reichsinspektion, 24.2.1945. BÄK, R 3/1778, RErl. RMRuK, 15.3.1945. BÄK, R 12 1/339, Entwurf RWiK/Prof. Friedrich betr. „Umstellung der Betriebe auf die veränderte Arbeitslage", 13.2.1945.

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Tabelle 134 „Meldung über die der Wirtschaft neu zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte ", 1944, Januar - Februar 1945 (in 1000) Insgesamt

davon: Deutsche

Ausländer

Kriegsgefangene

Monatsdurchschnitt 1944

241

139

86

16

Januar 1945 Februar 1945

89 64

47 30

33 25

10 9

Quelle: BÄK, R 41/284, Bl. 172. - Unstimmigkeit (Januar 1945) durch Rundung.

c) Elend der deutschen

Arbeiter

Die Daumenschrauben des „Totalen Krieges" waren den deutschen Arbeitnehmern bereits 1943 und 1944 angelegt worden. Ein schwer zu überschauendes Gestrüpp von Verordnungen hatte sie der unumschränkten Verfügungsgewalt des Kapitals, der Arbeitsbehörden, der Polizei, der Partei, der DAF und der Wehrmacht unterworfen. Ausgehend von der „Anordnung Nr. 13 zur Sicherung der Ordnung in den Betrieben" vom 1. November 1943 hatten sich ihre Arbeitsverhältnisse wesentlich verschlechtert." 8 Die Unternehmensleitungen („Betriebsführer") konnten ferner Gefolgschaftsmitglieder „dauernd oder vorübergehend auf (einer) anderen Arbeitsstätte beschäftigen (Versetzung, Abordnung)", sofern dies „zur Erfüllung unaufschiebbarer Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung ... geboten" war.119 Diese Bestimmung wurde Anfang 1944 offiziell so weit ausgelegt, daß Arbeiter bei Arbeitsplatzverlust nach Luftangriffen auch in andere Betriebe „umgesetzt" werden konnten, „in der Regel im Wege der Dienstverpflichtung für begrenzte Zeit". Sie galten dann „als von ihrem früheren Betrieb vorübergehend beurlaubt." 120 Die allgemeine 60-Stunden-Woche, in weiten Teilen der Industrie bereits seit langem üblich und in großen Bereichen der Rüstung auf 72 Stunden ausgeweitet, war im August 1944 auch gesetzlich fixiert worden.121 Für von ihrer Familie getrennt lebende Arbeiter und 118 RArbBl. 1943 I S. 543. Im Mittelpunkt der AO des GBA stand ein ausführlicher Katalog von Strafen (Verwarnungen, Geldstrafen bis zur Höhe eines Wochenverdienstes, Anzeigen beim Arbeitsamt, bei Ausländem bei der Polizei) bei Verstößen „gegen die Ordnung (Arbeitsdisziplin) oder Sicherheit des Betriebes" (§ 2). 119 RArbBl. 1943 I S. 544, „AO zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei anderweitigem Einsatz des Gefolgschaftsmitgliedes", 1.11.1943. 120 RArbBl. 1944 I S. 66, GBA-"Erlaß über Maßnahmen des Arbeitsrechts und Arbeitseinsatzes sowie über besondere Hilfsleistungen bei Fliegeralarm und Fliegerschäden", 25.1.1944 (§ 19). Siehe auch Werner, S. 349. 121 RGBl. 19441 S. 191, VO über die Sechzigstundenwoche, 31.8.1944. Die Geltung der 48-StundenArbeitswoche wurde formell nicht aufgehoben; zwölf Stunden wurden als Überstunden definiert und bezahlt (§ 1). Siehe auch Werner, S. 335 ff.

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Angestellte gab es seit dem 1. Januar 1944 nur noch alle sechs Monate eine Familienheimfahrt, für Ledige nur einmal im Jahr.122 Die Abwehrbeauftragten der Betriebe unterstanden seit dem 30. Juni nicht mehr der Wehrmacht, sondern dem SD.123 Im Herbst 1944 wurden die Richtlinien zur „Sicherung der Ordnung in den Betrieben" erweitert, wesentlich verschärft und vereinheitlicht.124 Die Verletzung der „Pflichten" der Gefolgschaftsmitglieder - unbegründetes Fehlen, ,3ummelei", unerlaubte Entfernung von Aufenthalts- und Arbeitsort - wurde jetzt reichseinheitlich unter öffentlich-rechtliche Strafandrohung gestellt. Die Strafen - Gefängnis, Geldstrafen in begrenzter Höhe, Ordnungsstrafen, Einbehaltung von Lebensmittelzulagen, Krankengeldabzug, Nacharbeit usw. - wurden teils von der Polizei und Behörden, teils von den Unternehmensleitungen vollstreckt. Hermann Röchling trat im Januar 1945 an den Rüstungsminister mit dem Vorschlag heran, ein „Kriegsstrafrecht für die gesamte Kriegswirtschaft" zu schaffen. In seinem Entwurf für einen derartigen Strafkodex stellte er die „Forderung" auf, „alle in der Rüstung stehenden Personen unter soldatische Gesetze zu stellen und wie beim Militär dem Vorgesetzten das Strafrecht zu übertragen." Es habe sich im Westen gezeigt - so Röchling - , „daß die derzeitigen Machtbefugnisse der Betriebsführer unter den gegenwärtigen Verhältnissen zu gering «125

seien. Das Jahr 1945 trug den Krieg nach Deutschland hinein. Seit dem Durchbruch der Roten Armee bis an die Oder sahen sich Millionen „vor die nackte Existenzfrage gestellt", wie es in einem der letzten SD-Berichte hieß. „Das ganze Volk ist ohne Unterschied von einer täglich drückender gewordenen Sorge erfüllt. Mit den Evakuierten und Flüchtlingen aus dem Osten ist das Grauen des Krieges in alle Städte und Dörfer des eng gewordenen Reiches gelangt. Die Luftangriffe haben den einigermaßen normal gewesenen Lebensablauf in einem Ausmaß zerschlagen, daß es für jeden spürbar wird. Die Bevölkerung leidet schwer unter dem Bombenterror. Die Verbindung zwischen den Menschen ist weitgehend abgerissen. Zehntausende von Männern an der Front sind bis heute ohne Nachricht, ob ihre Angehörigen, ihre Frauen und Kinder, noch am Leben sind und wo sie sich befinden. ... Hunderttausende von Frauen bleiben ohne Nachricht von ihren Männern und Söhnen, die irgendwo draußen stehen, sie sind ständig von dem Gedanken erfüllt, daß sie nicht mehr unter den Lebenden sein könnten."126 In einem Punkt ist dieser Bericht freilich zu korrigieren. Die Unterschiede zwischen den frontnahen Räumen und den Gebieten Mitteldeutschlands sowie diejenigen zwischen den großstädtischen Ballungsgebieten und den ländlichen Regionen waren durchaus nicht verschwunden, sondern zeigten sich zweifellos krasser als je vorher. Sicher hatte auch in der Landbevölkerung so gut wie jede Familie Kriegsopfer - Tote, Verwundete, Flüchtlinge - zu 122 Β AP, IG Farben, Zefi, Nr. 269, „Arbeits- und sozialrechtliche Umschau", Januar 1944. 123 BÄK, R 58/797, Erl. Chef OKW, 30.6.1944. 124 RArbBl. 1944 I, S. 359, „Zweite Anordnung zur Sicherung der Ordnung in den Betrieben" v. 23.9.1944; Werner, S. 354 f.; BÄK, R 13 V/160, Rs. RGI, 3.10.1944. Hiernach auch das Folgende. 125 BÄK, R 13 1/600, Bl. 9, Niedersehr, üb. d. RVE-Vorsitzerbespr. v. 19.1.1945. 126 Meldungen aus dem Reich, S. 6734 f., Bericht (SD) aus Akten der Geschäftsführenden Reichsregierung Dönitz von Ende März 1945. Siehe ausführlicher DZW, Bd. 6, S. 616 ff.

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beklagen und lebte in der Gefahr, den Vater, Ehemann oder Sohn in letzter Minute zur Wehrmacht eingezogen zu sehen bzw. an der Front zu verlieren. Aber die städtisch-industrielle Bevölkerung war noch in ganz anderem Maße betroffen: durch die Zerstörung ihrer Wohnungen und Arbeitsplätze aus der Luft, durch den Tod im Bombenhagel, durch die tägliche und nächtliche Angst vor neuen Angriffen, durch Gas- und Stromausfall und, nicht zuletzt, durch die einschneidende Verschlechterung der Ernährungs- und Versorgungslage. Die Rüstungsarbeiter und ihre Familien hatten das schwerste Los. In denjenigen Betrieben, die noch ohne Stockungen und Ausfälle produzierten, nahm die Länge des Arbeitstages und die Zahl der Sonderschichten oft noch zu, ungeachtet des fehlenden Schlafs in den Bombennächten und der Mangelernährung. Zahllose Arbeiterfamilien lebten getrennt, sei es wegen der Evakuierung von Frauen und Kindern aus den bombengefährdeten Städten, sei es wegen der Abkommandierung der Männer zu Schanzarbeiten („Maulwurfaktion"), in Ausweichbetriebe oder zu Sondereinsätzen verschiedener Art. Die interne Praxis der Unternehmer, unbequeme, bei ihnen unbeliebte Arbeiter loszuwerden, indem sie sie zu solchen Einsätzen oder sogar aus der Uk-Stellung zur Wehrmacht freigaben127, wirkte zu dieser Zeit zweifellos besonders stark disziplinierend. Ein Hoesch-Arbeiter berichtete nach dem Krieg über die Vorschrift, daß die Werkseisenbahn wegen der Fliegergefahr im Dunkeln ohne Licht gefahren werden mußte: „Weigerte sich ein Lokführer wegen der damit verbundenen Gefahr, im Dunkeln zu fahren, so drohte Strafversetzung." 128 Am 26. Januar 1945 wurde die Urlaubssperre, die schon 1944 verschiedentlich ausgesprochen worden war, erneuert.129 Dem stand die umgekehrte Praxis von Hunderten von Betrieben entgegen - ihre Zahl wuchs täglich - , Arbeiter wegen Produktionsausfalls in „Urlaub" zu schicken, wenn sie sie nicht gerade profitabel ausleihen konnten. Von Arbeitslosigkeit durfte offiziell nicht gesprochen werden, aber tatsächlich handelte es sich um nichts anderes. „Jedermann spürt, daß der totale Krieg unter den Schlägen der feindlichen Luftwaffe zu Bruch geht. Für Hunderttausende, die in den letzten Monaten in den Arbeitsprozeß hereingeholt worden sind, ist in den Betrieben und Büros kein Platz mehr. Immer mehr Fabriken, in denen die Gefolgschaften wissen, daß ihre Tätigkeit für die Rüstung lebenswichtig ist, müssen feiern. Das Herumlaufen um jede Arbeitskraft wird abgelöst durch eine rasch um sich greifende Arbeitslosigkeit."130 Gesetzlich war es den Unternehmern bis Kriegsende vorgeschrieben, ihren Beschäftigten bei „kriegsbedingtem Arbeitsausfall" 16 Tage lang 100 Prozent ihres Bruttoarbeitsentgelts, danach 60 Prozent (Ledige) bzw. 80 Prozent (Verheiratete) ihres Verdienstausfalls zu zahlen. Bei „Aufräumungs- und Wiederherstellungsarbeiten zur Beseitigung von Fliegerschäden" waren sie zur „Zahlung des vollen Arbeitsentgeltes" verpflichtet. Die Unternehmen wiederum konnten besondere staatliche „Zahlungshilfen" beantragen. Aber die Betriebe fanden es offensichtlich billiger und bequemer, bei wegen Frontnähe stehender Produktion - das betraf 127 Siehe ζ. B. ehem. BA des VEB Arzneimittelwerk Dresden (vorm. von Heyden), I, Nr. 38, div. Dokumente (Ende Dezember 1944). 128 Hoesch-Archiv, Nr. 968, Bericht Thomas Kulczak, in „Jubilare erzählen" (aufgenommen 1955-1960). 129 BÄK, R 13 V/162, Rs. Wigru Elektroindustrie (zit. GBA-AO v. 26.1.1945). 130 Wie Anm. 126 (S. 6736).

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schon während des März die überwiegende Zahl der großen Betriebe des Ruhrgebiets - alle unbeschäftigten wehrfähigen Kräfte, auch die für das Notprogramm zurückgestellten, „den Wehrbezirkskommandos zur eventuellen Einziehung namhaft zu machen"; ausgenommen sollten nur wichtige Fachkräfte werden. „Alle übrigen in Frage kommenden männlichen Kräfte, auch wiederum die laut Notprogramm zurückgestellten, sind dem Volkssturm zur Verfügung zu stellen. Etwa dann noch verbleibende und nicht benötigte Kräfte sind dem Arbeitsamt anzubieten." 131 Die Verkehrskatastrophe hatte schon des öfteren zu Auslieferungsschwierigkeiten bei Lebensmitteln geführt; aber erst im Februar/März 1945, nach dem Verlust der deutschen Ostgebiete, setzte die Krise in der Ernährungssituation für die deutsche Bevölkerung ein. Am 5. März trat eine scharfe Kürzung der Lebensmittelrationen in Kraft. Rückwirkend ab 5. Februar wurden die Lebensmittelkarten der 72. und 73. Zuteilungsperiode von zusammen acht auf neun Wochen verlängert. „Deshalb fand für die Woche vom 2. (Ostermontag - D. E.) bis 8. April 1945 keine Zuteilung statt, so daß der 74. Versorgungszeitraum erst am 9. April 1945 begann und nur drei Wochen umfaßte." 1 3 2 Für diese letzte Periode wurden aber zum Beispiel im eingekesselten Ruhrgebiet gar keine Karten mehr ausgegeben. Nach der Ankündigung im „Völkischen Beobachter" vom 28. März sollte es in der 74. Zuteilungsperiode als Tagesration 243 Gramm Brot für Erwachsene, d. h. etwa vier Scheiben, 143 Gramm für Kinder, 3 6 Gramm (14 Gramm) Fleisch, 18 Gramm Fett, 11 Gramm Nährmittel, 18 Gramm Zucker, neun Gramm Käse und Quark geben. 133 In einem Brief aus Berlin vom 3. April hieß es: „Die meisten haben schon seit vergangener Woche kein Stück Brot und sollen weiterhungern bis zum nächsten Montag; dann gelten erst die neuen Karten. Eine einzige Lebensmittelkarte (statt Brotkarte, Fleischkarte usw. - D. E.) haben sie herausgegeben, da darfst du nichts darauf kaufen, nur nach Aufruf; eine Nummernkarte, da wird kein Mensch daraus schlau." 134 Tabelle 135 Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung 1945 (in Kalorien; täglich) Zuteilungsperiode

71. Periode (8.1.-4.2.) 72. Periode (5.2.-4.3.)

Schwerstarbeiter Soll Ist

Schwerarbeiter Soll Ist

Langarbeiter Soll Ist

Normalverbraucher Soll Ist

4 500

3 600

3 000

2 400

3 424 3 150

2 723 2 480

2 416 2 215

2 021 1 828

131 BÄK, R 13 1/592, Bl. 25 f., „Tagesordnung (zur) Sitzung engerer Beirat Nordwest" (Wigru Esl), 10.3.1945; Bl. 2 f., „Tagesordnung (zur) Sitzung engerer Beirat Nordwest", 9.4.1945 (Entgeltzahlung). 132 Schmitz, Hubert, Die Bewirtschaftung der Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter 1939-1950. Dargestellt am Beispiel der Stadt Essen 1956, S. 40. 133 Die Befreiung Berlins. Eine Dokumentation. Hrsg. und eingel. v. Klaus Scheel, Berlin 1985 (2. Aufl.), S. 67, Dok. 17 (Tabelle). 134 Ebenda, S. 73, Dok. 22, Brief v. Elisabeth Regler, 3.4.1945.

646 Tabelle 135 Zuteilungsperiode

Agonie und Katastrophe 1945 (Fortsetzung) Schwerstarbeiter Soll Ist

73. Periode (5.3.-8.4.) 74. Periode (9.4.-29.4.)

Schwerarbeiter Soll Ist

Langarbeiter Soll Ist

Normalverbraucher Soll Ist

3 023

2 366

2 088

1 701

2 482

2 085

1 551

1 551*

*) Durchschnittliche Kalorienzahl 1 4 1 2 mit regionalen Unterschieden. Quelle: DZW, Bd. 6, S. 619.

„Erstmalig in diesem Krieg", so berichtet der SD, „macht sich die Ernährungsfrage empfindlich bemerkbar. Die Bevölkerung wird mit dem, was sie hat, nicht mehr satt. Kartoffeln und Brot reichen nicht mehr aus. Die Großstadtfrauen haben jetzt schon Mühe, das Essen für die Kinder zu beschaffen." 135 Die NSDAP sah eine Hungersnot voraus und gab Ernährungsrichtlinien heraus, die „für die Volksemährung wichtige neuartige Nahrungsmittel" empfahlen: Rapskuchen und Rapsschrot, Kastanienmehl, Eichelkaffee, Zucker- und Futterrüben, Serradella, Klee und Luzerne, Wildpflanzen, zur „Verbesserung der Eiweißlage" sogar Frösche und Schnecken, ferner Kiefer- und Fichtennadelabsud gegen Vitaminmangel.136 Die Haltung der Arbeiterschaft war weithin von Apathie und dumpfem Fatalismus, von Furcht und von dem verzweifelten Willen bestimmt, mit ihren Familien zu überleben. „Auflehnung war auch in den letzten Monaten des Nazi-Regimes lebensgefährlich." 137 Obwohl die Bevölkerung von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung beherrscht war, war Widersetzlichkeit selten, und die Arbeit, soweit vorhanden, wurde nach Möglichkeit pünktlich getan. Freilich: „Der Zweifel am Sinn des weiteren Kampfes zerfrißt die Einsatzbereitschaft".138 Ein verbreitetes Mittel, nicht des Widerstands, wohl aber der Abwehr der körperlichen und seelischen Überforderung waren die Krankschreibungen, „die in den letzten Kriegsmonaten bei den deutschen Männern häufig zehn Prozent der männlichen deutschen Belegschaft erreichten und überschritten."139 Es gab Fälle wie den der Freitaler Stahlindustrie (FlickKonzern), wo im April „25 Prozent der gesamten männlichen Gefolgschaftsmitglieder" krankgemeldet waren.140 135 Wie Anm. 126 (S. 6735). Wörtlich übereinstimmend, aber mit fraglichem Datum (Januar) als Denkschrift Ohlendorfs zit. in DZW, Bd. 6, S. 618; s. a. ebenda, S. 618 ff. 136 Kuby, Erich, Das Ende des Schreckens. Dokumente des Untergangs, Januar bis Mai 1945, München 1961, S. 93 ff. (94), Richtl. des Reichsamts f. Volksgesundheit der NSDAP, 5.4.1945; s. a. DZW, Bd. 6, S. 619. 137 Werner, S. 354. 138 Wie Anm. 126(6734). 139 Werner, S. 353 f. 140 BAP, Flick-Konzern, Nr. 1048, Bl. 33, AN Gesundheitshaus FSI für Dir. Fickert, 30.4.1945, betr. Meldung Fickerts v. 28.4.1945. Der Betriebsarzt hielt dem Direktor vor, es handele sich „um eine

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Zu untersuchen wären eine ganze Reihe von Versuchen und Tricks, mit denen Arbeiter der Verpflichtung zu bestimmten Arbeiten und der Einziehung zur Wehrmacht zu entgehen strebten, etwa die „Vortäuschung von Krankheiten als Mittel zur Befreiung von der Wehrund Arbeitsdienstpflicht".141 Schon seit Jahresfrist überprüften Gestapostellen in enger Zusammenarbeit mit den Abwehrbeauftragten der Unternehmen und mit den Amts- und Betriebsärzten systematisch Krankheitsfälle unter den deutschen Arbeitern, aber auch unter den Ausländern und Kriegsgefangenen. Recherchen der Stapoleitstelle Kattowitz und der Stapostelle Bremen ergaben Dutzende Fälle, wo insbesondere Wehrdienstpflichtige sich Entzündungen, offene Wunden, Darm- und Augenbeschwerden und Fieber mit Hilfe von Benzin, Chinin, Graphitpulver, Milchinjektionen, Nieswurz usw. beigebracht, andere Krankheiten simuliert hatten. „Es konnten wiederholt Feldpostbriefe angehalten werden, in denen Frontsoldaten durch ihre Angehörigen Nieswurz mit einer Gebrauchsanweisung übersandt wurde.... Die von den Stapo(leit)stellen Kattowitz und Bremen bearbeiteten Fälle beweisen, in welch hohem Maße die Schlagkraft der Wehrmacht und die Rüstungsindustrie durch die Vortäuschung von Krankheiten gefährdet ist." In den Wirren der letzten Wochen und oft unter Ausnutzung der Fliegeralarme ereigneten sich zunehmend Diebstähle, besonders Lebensmitteldiebstähle. Doch zweifelsfrei waren es nicht selten auch Lebensmittelhändler, die einen Diebstahl fingierten, um eigene Betrügereien und Unterschlagungen zu vertuschen.142

d) Ausländische

Zwangsarbeiter

Während des Jahres 1944 hatte die Lage der ausländischen Arbeiter sich verschlechtert, ihre Arbeitsleistung sich hingegen „in der Gesamttendenz stark erhöht".143 Die „Erlaßmaschine" der Arbeits- und Sicherheitsbehörden des Regimes hatte „auf Hochtouren, aber im Leerlauf gearbeitet.144 Am 25. März 1944 war der Ostarbeiterlohn dem der polnischen Arbeiter ange-

Frage der Disziplin und der Haltung Ihrer Gefolgschaftsmitglieder; dafür ist nicht allein der Betriebsarzt, sondern auch der Betriebsführer und der Betriebsobmann verantwortlich." (Ebenda). 141 BÄK, R 58/1058, Bl. 15 f., Bericht d. Stapoleitstelle Kattowitz, September 1944. 142 Größere spontane Aktionen, vor allem Plünderungen von Lebensmittellagern und -läden, setzten fast immer erst dann ein, wenn die NS- und Gestapogrößen geflohen waren, der Repressionsapparat sich aufgelöst hatte oder gelähmt war. Über eine Ausnahme berichtete Goebbels am 8. April: „In Berlin-Rahnsdorf haben zum ersten Male seit Beginn des Krieges kleinere Volksaufläufe stattgefunden." 200 Männer und Frauen hätten zwei Bäckerläden geplündert - am Ende jener Woche, in der die Rationenkürzung sich am empfindlichsten auswirkte. Goebbels veranlaßte, daß zwei der Beteiligten enthauptet wurden (BÄK, NL 118/60, Goebbels-TB, 8. und 9.4.1945). Ähnlich über den Vorfall (drei Hinrichtungen) s. Die Befreiung Berlins 1945, S. 105, Dok. 60, Erinnerungsbericht v. Walter Zimmermann (14.2.1974). 143 Herbert, Fremdarbeiter, S. 294. 144 Ebenda, S. 269. Angesichts der ausführlichen Analyse von Herbert sollen an dieser Stelle nur einige Schlaglichter auf Spätphase und Endkrise des Zwangsarbeitssystems geworfen werden. Siehe auch Kap. III.

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glichen worden.145 Diese „Gleichstellung" hatte in erster Linie bürokratische, nicht zuletzt finanztechnische Gründe146; „eine Besserstellung der Ostarbeiter hat man erst in zweiter Linie im Auge gehabt".147 Für den größeren Teil der Ostarbeiter - die niedriger entlohnten, die jüngeren und die Frauen - war die neue Regelung sogar mit Verdiensteinbußen verbunden.148 Ungleich wichtiger, ja buchstäblich lebenswichtig war die Frage der Ernährung, in erster Linie wieder der Ostarbeiter. Es häuften sich im Sommer und Herbst Eingaben der Wirtschaft, in denen sich ständig der Vorwurf wiederholte, „daß nach einstimmiger Ansicht der Ostarbeiter die weitaus beste und billigste Ausländerarbeitskraft darstellt, die wir haben, und daß es ganz unverständlich ist, daß die Verpflegung der überwiegend als untüchtig oder sogar faul festgestellten übrigen Ausländer wesentlich reichlicher und hochwertiger ist. 149 ... daß gerade sie (die Ostarbeiter - D. E.) als die besseren und damit für uns wertvolleren Arbeitskräfte ernährungsmäßig schlechter gestellt sind als die übrigen ausländischen Arbeiter."150 Die seit Ende Juni 1944 verfügte „Reichszulage" für Ostarbeiter und sowjetische Kriegsgefangene151 hatte Ernährungsminister Herbert Backe, ein Protagonist der imperialistischfaschistischen Zielsetzungen im Osten und der rassistischen Diskriminierung der dort lebenden Völker, „an die Leistung gebunden, wobei auch persönlicher Einsatz und Haltung berücksichtigt sind".152 Gemeinsam mit der DAF hatte er verfügt: „Es sind drei Leistungsstufen zu unterscheiden: I.) über 100 Prozent der deutschen Leistung, II.) 90-100 Prozent der deutschen Leistung, III.) unter 90 Prozent der deutschen Leistung. Die Gruppe II erhält in Zukunft den neuen Verpflegungssatz ohne jede Einschränkung, während die Gruppe III den bisherigen Verpflegungssatz unter Beibehaltung der Brotkürzung bekommt unter Zubilli-

145 RGBl. 1944 I S. 68, „Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter" (Göring/Himmler/Lammers), 25.3.1944. Dem Wortlaut der VO nach sollten für die Ostarbeiter „die gleichen Lohn- und Gehaltsbedingungen wie für sonstige ausländische Arbeitskräfte" gelten. Tatsächlich aber hatten sie, statt wie bisher die „Ostarbeiterabgabe", jetzt die „Sozialausgleichsabgabe" von 15 Prozent zu zahlen, wie die polnischen und die Arbeitskräfte aus den baltischen Staaten (vgl. II, S. 217 ff.). Zulagen (für Familien und Kinder) gab es nicht; hingegen mußten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge voll abgeführt werden. Weitere Beschränkungen (bezügl. Feiertagszuschläge, Arbeitsrecht und Arbeitsschutz, Trennungsentschädigungen) enthielt die Durchführungs-VO vom 26.3.1944 (RGBl. 1944 I 70). 146 Finanzminister Schwerin v. Krosigk stellte es nach dem Krieg als sein Verdienst dar, daß im Frühjahr 1944 endlich „entsprechend meinem Vorschlag die Ostarbeiter lohnmäßig und lohnsteuermäßig den deutschen (?! - D. E.) Arbeitern gleichgestellt wurden." (BAP, Fall XI, Nr. 199, Bl. 12, Protokoll v. 29.9.1948, Vernehmg. Schwerin v. Krosigk). 147 BÄK, R 13 V/161, Rs. RGI, 10.8.1944. 148 Siehe ζ. B. BÄK, R 121/229, Rs. RGI, 4.8.1944 u. a. Dok. 149 Ebenda, GWK Ost-Hannover an RWiK, 5.8.1944. 150 Ebenda, Bezirksfachgemeinsch. Eisen- u. Metallind. in der GWK Franken an RGI, 30.10.1944. 151 Siehe Kap. III, Abschn. 2. Zu den weiteren Verhandlungen im Juli/August 1944 s. Herbert, Fremdarbeiter, S. 267, der aber den Zusammenhang mit der „Reichszulage" nicht herstellt. 152 BÄK, R 13 V/160, Rs. RGI, 4.10.1944 (bezieht sich auf RErlasse RMEL v. 26.7. und 22.9. und auf Rs. DAF/Amt f. Arbeitseinsatz v. 11.8.1944). Hiemach auch das Folgende.

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gung der erhöhten Zuckerration und der Marmelade- und Quarkmenge, dagegen unter Fortfall der Käseration. Aus den hierbei gemachten Einsparungen an Fleisch (50 g), Fett (88,75 g) und Käse (31,25 g) pro Woche werden die Zulagen für besondere Leistungen der Gruppe I bereitgestellt.... Zu berücksichtigen ist ferner, daß die Prämiierten der letztgenannten Gruppe einschließlich der ihnen verabfolgten Prämien niemals mehr an Lebensmitteln erhalten dürfen als der deutsche Lagerarbeiter (d. h. lagerverpflegter Arbeiter - D. E.) derselben Gruppe. Ferner ist bei ungenügenden Leistungen der Zulageempfänger (Schwerst-, Schwer- und Langarbeiter - D. E.) ebenfalls unter Berücksichtigung des erwähnten Dreistufensystems eine Kürzung der Zulagen bis zur Hälfte möglich. ... sie können Verwendung finden für die Prämiierung der Leistungsstufe I. Bei dieser Gelegenheit wird ausdrücklich betont, daß auch für den Fall, daß Reserven für die Prämien nicht mehr zur Verfügung stehen, da evtl. eine Leistungsstufe III nicht mehr existiert, keine Mehranforderungen bei den Ernährungsämtern erfolgen dürfen." Die Entscheidung über die Eingruppierung lag in der Willkür der Betriebsleitungen, „nach Vorschlag des Meisters, des (DAF-)Betriebsobmannes und des Lagerführers". Die offiziellen Verhandlungen mit dem russischen Überläufergeneral Andrej Wlassow im November/Dezember 1944 zwangen die deutsche Seite dazu, bestimmte Diskriminierungen der Ostarbeiter aufzuheben. Von einer grundsätzlichen Verbesserung der Ernährung war offenbar nicht die Rede.153 Im März 1945 traf daher die Rationenkürzung die Ostarbeiter am unteren Ende der Verpflegungsskala besonders schwer. Schon am 1. Februar wurde angeordnet, daß von der 72. Zuteilungsperiode an, also ab 5. Februar, sämtliche Zulage- und Zusatzkarten für ausländische Arbeitskräfte wegfielen.154 Nach Luftangriffen kam es anscheinend in den letzten Kriegsmonaten häufig vor, daß ausländische Arbeiter tagelang kein Essen bekamen. „Bereits an verschiedenen Tagen erhielten die Ausländer in unserem Betrieb wegen dieser Schwierigkeiten überhaupt kein Essen oder konnten dasselbe erst am späten Nachmittag einnehmen." 155 Der SD jammerte über den Mangel an Beschäftigung für Ausländer: „Hunderttausende von Ausländern, die uns wertvolle Hilfe leisteten, werden zu unnötigen Mitessern."156 Schon Anfang Februar meldeten die deutschen Industriellen, vertreten durch RGI und 153 Herbert, Fremdarbeiter, S. 268. Wlassow hat das Ernährungsproblem, wenn auch möglicherweise erst später, vorgebracht; das ist Görings Zusage ihm gegenüber Anfang Februar 1945 zu entnehmen, „daß auch er sich sofort für eine Gleichstellung der Ostarbeiter in bezug auf Lohn, Verpflegung und allgemeine Behandlung mit den übrigen ausländischen Arbeitern einsetzen werde." Man habe, so Görings späte Einsicht, „aus Unkenntnis kapitale Fehler" in der Politik gegenüber der Sowjetunion gemacht (BAP, FS, Film 713, AN SS-Hauptamt/Russ. Leitstelle üb. „Unterredung bei Reichsmarschall Göring", 4.2.1945). 154 Hoesch-Archiv, G 7 c 1, Gewerbeaufsichtsamt Dortmund an Hoesch-Lagerverwaltg., 1.2.1945. 155 Ebenda, Hoesch-HausmiHeilungen, 19.3.1945 (betr. Dortmunder Drahtseilwerke GmbH/HoeschKonzern). 156 Wie Anm. 126 (S. 6736). - Zehntausender Zwangsarbeiter entledigten sich die Rüstungsuntemehmen dadurch, daß sie sie zu Befestigungsarbeiten und sogar zum Volkssturm freigaben. Die BASF hatte beispielsweise „zum Teil seit Monaten und Wochen schon etwa 4 000 größtenteils ausländische Arbeitskräfte zum Schanzen abgestellt" (BAP, Fall VI, Film 420, ADB 68, Bl. 82 ff., Dok. NI-2831, Protokoll d. Direktionspostsitzung, Ludwigshafen, 20.2.1945).

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Reichswirtschaftskammer, bei den Behörden eine ihrer schwersten Sorgen an: Wie konnte man die ausländischen Arbeitskräfte, wie vor allem die KZ-Häftlinge und Kriegsgefangenen rechtzeitig loswerden? Am 8. Februar formulierte die RGI in einer geheimen Besprechungsunterlage dieses Problem in aller Schärfe: „1) Die Betriebe müssen das Recht erhalten, ζ. B. die KZ-Häftlinge, Juden und Kriegsgefangenen an die zuständigen Dienststellen (Stalag, Gestapo, Arbeitsamt) zurückzugeben. 2) Die Betriebe sollen das Recht haben, Ausländer, die sie nicht mehr für die Produktion benötigen, dem Arbeitsamt zurückzugeben. Soweit hierbei geschlossene Läger dem Arbeitsamt zur Verfügung gestellt werden, hat dieses das gesamte Lager zu übernehmen und kann die dort untergebrachten Ausländer für öffentliche Arbeiten einsetzen."157 Die Reichswirtschaftskammer äußerte sich in offenbar abgestimmter Weise sehr ähnlich: „Bei der Abgabe von Arbeitskräften aus der Wirtschaft sind grundsätzlich zunächst freizustellen 1) KZ-Häftlinge, Juden und Kriegsgefangene, 2) Ausländer, soweit die Genannten nicht zur Aufrechterhaltung der Fertigung unentbehrlich sind."158 RGI-Geschäftsführer Lohmann verhandelte am 14. Februar beim GBA als dringlichstes über eben dieses Thema: „Zu 1) Berechtigung der Betriebe, die KZ-Häftlinge, Juden und Kriegsgefangenen an die zuständigen Stellen zurückzugeben. Timm [GBA] bejaht diese Notwendigkeit."159 Das grundsätzliche Bestreben der Industrie, alle Ausländer loszuwerden, stieß ebenfalls auf behördliches Verständnis; aber viele Millionen Menschen konnte das Regime beim besten Willen nicht „mit Trecks zurückschicken".160 „Zu 2) Berechtigung der Betriebe, Ausländer, die sie nicht für die Produktion benötigen, dem Arbeitsamt zurückzugeben. Hier weist Timm darauf hin, daß im ganzen Reich etwa 7 Millionen ausländische Arbeitskräfte vorhanden sind. Rechnet man die Familien, insbesondere der Ukrainer usw., hinzu, beträgt die Zahl mehr als 8 Millionen. Allein in Berlin befinden sich 6-700 000 Ausländer. Versuche, ausländische Arbeitskräfte in größerer Zahl von Berlin an andere Gaue abzugeben, haben ein negatives Ergebnis gezeitigt. Die Reichsbahn kann keinen Waggon für den Transport zur Verfügung stellen; sonstige Verkehrsmittel können auch nicht eingesetzt werden. Die ausländischen Arbeitskräfte mit Treck bei der gegenwärtigen Witterung auf die Landstraße zu schicken, ist mißlich, zumal für Unterkunft und Verpflegung auf Zwischenstationen gesorgt werden muß. Falls das nicht klappe, bestehe die Gefahr des Plünderns. Die Gefahr sei größer, als die ausländischen Arbeitskräfte hier zu belassen. Immerhin sei vorgesehen, etwa 150 000 Ausländer für Stellungsbau, Aufräumungsarbeiten, Herausholen von Kohle und Eisenteilen aus zerstörten Häusern und dergl. anzusetzen. Wenn man Ausländer in größerem Umfange dem Arbeitsamt zwecks Einsatz bei öffentlichen Arbeiten zur Verfügung stelle, so sei es wichtig, die Ausländer in ihrem bisherigen Lager schon wegen Sicherstellung von Unterkunft und Verpflegung zu belassen und geschlossen einzusetzen."161

157 BÄK, R 12 1/339, „Umstellung der Betriebe auf die veränderte Arbeitslage", 8.2.1945 (wahrscheinl. Vorlage f. d. Bespr. d. „Stahlkreises" am 8.2.). 158 Ebenda, „Entwurf! Umstellung der Betriebe auf die veränderte Arbeitslage", 13.2.1945, ο. V. (Aktenz. Fr/M, d. i. RWiK/Prof. A. Friedrich). 159 Ebenda, AN Lohmann/RGI über Besprechungen beim GBA (Timm u. Steinmann), 14.2.1945. 160 Wirtschaftsfacharchiv der Kaliindustrie (vorm. Staßfurt, jetzt Β AP), A II, Sa, la, AV, Nr. 104, Vorlage Lohmann/RGI f. Sitzg. am 8.2.1945. 161 Wie Anm. 159.

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Im Ruhrgebiet sprach am 7. und 8. März der Rüstungsminister mit den Spitzen des Ruhrstabs über die „im Falle eines drohenden Feindeinmarsches" akuten Probleme. In Berlin, so Speer, sei bereits „entschieden worden, daß Holländer, Ungarn, Tschechen, Slowaken, Norweger, Dänen, soweit sie entbehrlich sind, in ihr Heimatgebiet abgeschoben werden." Die Industriellen verlangten den Abtransport der Kriegsgefangenen und zivilen Ausländer, soweit eine Produktion „wegen der Frontnähe" nicht mehr möglich sei; man müsse gegebenenfalls einen entsprechenden „Befehl" über die örtlichen Parteidienststellen bzw. beim Reichsverteidigungskommissar/Gauleiter erwirken. „Unzuverlässige Ausländer sind möglichst frühzeitig vorweg abzutransportieren. Anzeige an örtliche Vertretung der Stapoleitstelle."162 Angesichts eines solchen Vorgehens der RGI, der Reichswirtschaftskammer und der Konzerne kann die seit den Nürnberger Industrieprozessen so häufig strapazierte Behauptung, die Arbeit für deutsche Rüstungsunternehmen habe die Zwangsarbeiter, besonders die Juden und KZ-Häftlinge, vor dem schlimmsten bewahrt, nicht aufrechterhalten werden. Es mußte den genannten Institutionen und Industriellen klar sein, daß die „Rückgabe" insbesondere von KZ-Häftlingen, Juden und „unzuverlässigen Ausländern" an SS und Gestapo unter den damaligen Umständen einem Todesurteil gleichkam.163 Nach Herbert teilte sich die ausländische Arbeiterschaft des Ruhrgebiets schon seit Sommer 1944 in drei Gruppen: Die eine, größte, lebte weiter im Lager und ging mehr oder weniger regelmäßig ihrer Arbeit nach. „Die zweite Gruppe war ausgebombt worden und wartete in den Ruinen der Städte auf die Befreier, während die dritte Gruppe das Ruhrgebiet verließ und versuchte, in den landwirtschaftlichen Regionen des Umlands sich bis Kriegsende durchzuschlagen."164 An anderer Stelle heißt es vorsichtiger in bezug auf die Datierung: „So begann in den industriellen Ballungszentren Deutschlands sukzessive seit dem Herbst 1944 eine von den Behörden nicht mehr zu überblickende Abwanderung Tausender von Ausländern in die umliegenden agrarischen Gebiete."165 Wahrscheinlich ist dieses Datum für den Reichsdurchschnitt immer noch zu früh angesetzt. In den letzten Kriegswochen freilich wird die zuletzt geschilderte Entwicklung sehr beschleunigt worden sein, nicht zuletzt dadurch, daß die Unternehmen mehr oder weniger hemmungslos bestrebt waren, ihre Zwangsarbeiter - lebende Beweise ihrer Teilhabe an der NS-Barbarei - loszuwerden. Es ist fraglich, ob unter den Tausenden von Ausländern, die aus dem Chaos der Städte flohen und in ländliche Gebiete einsickerten, sehr viele Osteuropäer - Polen und besonders Ostarbeiter - waren. Für diese barg eine solche Flucht immer noch ein tödliches Risiko. Die Hysterie der NS-Dienststellen und Terrororgane, die seit Jahr und Tag mit Ausländerunruhen und -aufständen rechneten, erreichte erst jetzt ihren Höhepunkt. Jedenfalls setzte ein wochen-, vielleicht monatelanges Verschwinden die Hilfe und Solidarität von Deutschen voraus. Diese gab es, und das ist eines der interessantesten, am wenig162 BÄK, R 13 1/592, Bl. 24 ff., „Tagesordnung (zur) Sitzung engerer Beirat Nordwest" (Wigru Esl), 10.3.1945. 163 Hierzu neuestens Barbara Hopmann u. a., Zwangsarbeit bei Daimler-Benz, Stuttgart 1994, S. 79 f. 164 Herbert, Fremdarbeiter, S. 339. 165 Ebenda, S. 325.

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sten aufgehellten und wohl auch sehr komplizierten Probleme des Verhaltens der deutschen Bevölkerung. Es handelte sich schließlich um dieselbe Zeit, in der die erwähnte Hysterie und Ausländerphobie breitere Bevölkerungskreise erfaßten. In der von männlichen Arbeitskräften so stark entblößten Landwirtschaft wird die zusätzliche Arbeitskraft eines aus seinem Betrieb und Lager entwichenen ausländischen Arbeiters geschätzt worden sein, der sich spätestens bei der Frühjahrsbestellung 1945 außerordentlich nützlich machen konnte. Hier wie überall spielte die Aussicht auf das Kriegsende eine sehr große Rolle und damit das Bestreben, sich für die näherrückende Besatzung durch den Feind eine Rückendeckung, ein gutes Leumundszeugnis zu verschaffen. Die Naziorgane hatten aber alle Hände voll mit der Verfolgung auch solcher Menschen zu tun, die sich uneigennützig in Gefahr begaben, frei von opportunistischer Berechnung und von Rückversicherungsabsichten. „Der Volksgerichtshof hat sich laufend mit Fällen zu befassen, in denen Kriegsgefangenen oder ausländischen Zivilarbeitern Fluchthilfe geleistet worden ist."166 Hier handelte es sich oft zweifellos um echte Widerstandshandlungen. Einen Monat vor Kriegsende scheinen die Terrorbehörden und der Spitzelapparat nicht mehr Herr der Lage gewesen zu sein: „Die Fälle würdelosen, defätistischen, staatsabträglichen und hochverräterischen Verhaltens deutscher Volksgenossen, auch solcher in amtlicher Eigenschaft, gegenüber ausländischen Zivilarbeitern und Kriegsgefangenen häufen sich täglich derart, daß eine berichtsmäßige Erfassung überhaupt nicht mehr möglich ist."167 Präventive Maßnahmen gegen befürchtete Revolten, größere Unruhen und Aufstände der ausländischen Arbeiter, voran der Ostarbeiter, waren seit Frühjahr 1943 ein mehr und mehr ausuferndes Betätigungsfeld für die bewaffneten und Terrororgane des Regimes. Sie standen schon im Mittelpunkt der „Walküre"-Planungen der Wehrmacht, deren sich die Verschwörer des 20. Juli als Tarnung bedienten, und wurden später regional und betrieblich in anderen Formen (Stichworte „Gneisenau", „Schill", „Yorck" u. a.) weitergeführt.168 Himmler drängte in seiner Grundsatzverordnung vom 25. September 1944169, als die Alliierten an den deutschen Grenzen standen, „unter allen Umständen (auf) die Sicherstellung der Ordnung und Disziplin unter den fremdvölkischen Arbeitern, Verhütung von Sabotageakten, Verhinderung der Bildung von Widerstandsgruppen und aufrührerischen Zusammenschlüssen usw." Betrieben und Behörden wurden sorgfältigste Beobachtung, Bespitzelung und Meldung auch der „geringsten Wahrnehmungen" an Abwehrbeauftragte und Polizei, Verstärkung der betrieblichen Knüppelgarden (Werkschutz, Werkscharen), der Abwehrtätigkeit und der Propaganda unter den Zwangsarbeitern vorgeschrieben. „Unter keinen Umständen dürfen irgendwelche Forderungen entgegengenommen oder darf die geringste Nachgiebigkeit gezeigt werden."

166 BÄK, R 22/951, Reichsjustizmin. an Oberreichsanwalt beim VGH, 4.1.1945. Es seien, so hieß es in dem zit. Schreiben, „härteste Strafen" gegen Helfer und Flüchtlinge erforderlich. 167 DZW, Bd. 6, S. 616 (zit. Bericht SD-Leitabschnitt München, „Die gegenwärtige Lage auf dem Ausländersektor", 7.4.1945). 168 Quellen aus dem Münchener Raum in BAP, FS, Film 10784 u. 10785. Siehe auch Herbert, Fremdarbeiter, S. 322 f. 169 IMG, Bd. 35, S. 52 ff., Dok. D-226, „Anordnung zur Sicherung der Disziplin und Leistung der ausländischen Arbeiter", 25.9.1944. Hiernach auch das Folgende.

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In der Endphase des Krieges kostete die wachsende Verfolgungshysterie Tausende von ausländischen Arbeitern das Leben und gipfelte in den Mordorgien des März und April 1945, für die das RSHA und, von ihm ausdrücklich gedeckt, die örtlichen Stellen der Gestapo, der Sipo und des SD und der Kripo unmittelbare Verantwortung trugen.170 Von wesentlicher, auslösender Wirkung war offenbar der Befehl Kaltenbrunners vom 6. Februar 1945 an alle Polizeidienststellen, gedacht als Orientierung in der zunehmend chaotischen Situation in den zerbombten Städten, im Verkehrs- und Nachrichtenwesen.171 „In Ausrichtung auf BdS und Inspekteur (der Sipo und des SD - D. E.) haben Dienststellenleiter in eigener Zuständigkeit und Verantwortung zu entscheiden.... Über Sonderbehandlungen von Ostarbeitern bei todeswürdigen Verbrechen (weit auszulegen) entscheidet Dienststellenleiter. Bei anderen Ausländern und Reichsdeutschen mit BdS, Inspekteur bzw. HSSPF abstimmen.... Erwarte von allen Dienststellen höchste Einsatzbereitschaft, Verantwortung, kräftiges Zupacken, kein Zaudern. Jeden Defätismus in eigenen Reihen rücksichtslos mit schärfsten Maßnahmen ausmerzen."

e) „Soziales

Sofortnotprogramm"

Zwangsarbeiteraufstände waren eine Gefahr, der man glaubte durch bewaffnete Zurüstungen und Terror vorbeugen zu können. Noch weit bedrohlicher erschien den Verantwortlichen in Wirtschaft und Politik der Schatten von 1918: die Möglichkeit, daß Revolution und Bürgerkrieg die kapitalistische Ordnung an ihrer Wurzel treffen könnten. Die Bewältigung der sogenannten Demobilisierungskrise bildete seit Herbst 1944, in einer akuten Phase dann seit Februar 1945 einen immer gewichtigeren, sich immer mehr in den Vordergrund schiebenden Bestandteil der Überlebens- und Nachkriegsplanungen der herrschenden Kreise des Regimes, in erster Linie der führenden Wirtschaftskreise.172 Aus der Erfahrung von 1918/19 signalisierte als einer der ersten der österreichische Altpolitiker und Nazianhänger Richard Riedl, ein vom deutschen Großkapital geschätzter Wirtschaftsexperte, die drohende Gefahr. In seiner Anfang 1944, kurz vor seinem Tod, verfaßten Denkschrift „Weg zu Europa. Gedanken über ein Wirtschaftsbündnis Europäischer Staaten (W. E. St.)" wies er auf die dringendste Aufgabe einer Antirevolutionsstrategie hin: „Geht der Krieg zu Ende, so verlangt die von der Front in die Heimat zurückkommende Masse der Soldaten Arbeit, Verdienst, Eingliederung in das wirtschaftliche Leben der Heimat. Es ist dies das Mindeste, was sie nach ihrem Opfergang durch die Hölle des Krieges erwarten können und was ihnen gewährleistet werden muß, wenn man nicht wieder erleben will, was wir nach dem ersten Weltkrieg mit Grauen erlebt haben." 173 Die Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie unter ihrem weltkriegserfahrenen Hauptgeschäftsführer Jakob Wilhelm Reichert war es, die ein weiteres deutliches Signal setzte. 170 Ausführlich Herbert, Fremdarbeiter, S. 314 ff., S. 327 ff., S. 336 ff.; femer DZW, Bd. 6, S. 643 f. 171 BÄK, R 58/243, Bl. 370, Fernschr. „an alle BdS, IdS, KdS u. Stapo(leit)stellen"; „gilt auch sinngemäß f. Kripo u. CdS", 6.2.1945. Hiernach auch das Folgende. Nicht erwähnt bei Herbert, Fremdarbeiter. 172 Zum Gesamtproblem der Nachkriegsplanungen s. Kap. VI. 173 Europastrategien des deutschen Kapitals. Hrsg. v. Reinhard Opitz, Köln 1977 (Neuaufl. 1994), S. 1001 (dort falsche Datierung).

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Von der Geschäftsführung der Reichsgruppe Industrie Ende Oktober 1944 zu einer ausführlichen Stellungnahme zur absehbaren „Umstellung auf die Friedenswirtschaft" aufgefordert, schnitt Reichert das Problem der Demobilisierung und des Rückstroms der Arbeitskräfte von der Front an. 1918/19, so warnte er, „strömten viele Zehntausende von Hüttenarbeitern in ihre Heimat zurück, kriegsmüde und größtenteils durch revolutionäre Hetzer aufgepeitscht. Sie fanden aus Mangel an Friedensaufträgen zunächst meist keine nutzbringende Arbeit."174 Der jetzige Weltkrieg werde, so schrieb Reichert vorsichtig, ohne Zusammenbruch enden; immerhin wären ähnliche Probleme zu bewältigen: „Für die aus dem Felde zurückkehrenden Gefolgschaftsmitglieder muß nach Kräften gesorgt werden. Vordringlich ist die Fürsorge für Nahrung, Kleidung und Wohnung der Belegschaften. Das erfordert namentlich hinsichtlich der Unterkunft ungeheuer große Maßnahmen ... Unter Berücksichtigung der länger als 1918 dauernden Demobilmachung sollte die Abgabe der ausländischen und weiblichen Arbeitskräfte entsprechend geregelt werden. Eine sofortige vollständige Entlassung all der auf die Dauer nicht zu beschäftigenden Kräfte muß also vermieden werden."175 Anscheinend erreichten die RGI ähnliche Ausarbeitungen auch aus anderen Wirtschaftsgruppen. Die Reichsgruppe, die schon seit längerem mit Nachkriegsplanungen für die Gesamtindustrie beschäftigt war176, übernahm die Federführung auch in dieser Frage. Ihr stellvertretender Leiter, Rudolf Stahl, Vorstandsvorsitzer der Salzdetfurth AG, nahm spätestens im November 1944 enge Verbindung mit dem „starken Mann" im Reichswirtschaftsministerium, Ministerialdirektor und SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf, auf.177 In einem Exposé vom Dezember 1944 für ein Programm, das „einen Überblick über die gesamte Fragestellung" der „Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie" geben sollte, formulierte die RGI außer wirtschaftspolitischen Aufgaben der Nachkriegszeit „Sofort- und Notmaßnahmen im Übergangsstadium mit dem Ziel der Erhaltung der menschlichen Substanz und der Vorsorge für einen geordneten Wirtschaftsablauf'. Es müsse gesorgt werden für „1. Instandsetzung der Verkehrsanlagen, 2. Sicherstellung der Ernährung, 3. Behelfsmäßige Beschaffung des notwendigsten Wohnraums, 4. Dringendste Instandsetzungsarbeiten an friedensmäßig wichtigen Werksanlagen, besonders bei der Grundstofferzeugung, 5. Baldmögliche Umstellung eines erheblichen Teils der Kriegs- auf Verbrauchsgüterproduktion. 6. Baldmögliche Wiederbelebung der Ein- und Ausfuhr (Rohstoffbeschaffung)" 178

174 Schumann, Wolfgang, Nachkriegsplanungen der Reichsgruppe Industrie im Herbst 1944. In: JfW, 1972, T. III, S. 273, Dok. 2, Ausarb. Reicherts „Zur Umstellung der Eisen schaffenden Industrie auf die Friedenswirtschaft", 10.11.1944. 175 Ebenda, S. 274 f. 176 Siehe Kap. VI; Herbst, S. 383 ff.; DZW, Bd. 6, S. 191 ff. 177 Bemerkenswert ist die eindeutige Orientierung der RGI auf das Reichswirtschaftsministerium, dessen Weiterexistenz nach Kriegsende wahrscheinlicher schien als diejenige des bereits in Erosion befindlichen Rüstungsministeriums. 178 Β AP, FS, Film 3568, Stahl an Ohlendorf, 13.12.1944, mit „Programm für die Bearbeitung wirt-

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Praktische Bedeutung erhielt dieses Programm in den letzten Monaten des Krieges; allerdings nicht in dem erhofften Sinne, daß das Deutsche Reich in einem geordneten Übergang zum Frieden „seine Wirtschaftsstörungen selbst beseitigt"179, sondern im Sinne eines - wie man es in der Geschäftsführung der RGI nannte - „Sozialen Sofortnotprogramms" 180 angesichts der zunehmenden Arbeitslosigkeit, des Flüchtlingselends und der drohenden Hungersnot. Am 8. Februar 1945 tagte Stahls „Kleiner Sachverständigenausschuß", auch Stahl-Kreis genannt, und beriet über die Lage, die sich aus der sowjetischen Offensive, dem Inkrafttreten des Rüstungs-"Notprogramms" und dem Erlaß Bormanns, Speers und Sauckels vom 28. Januar ergab. In der Vorlage der Geschäftsführung der RGI für diese Sitzung wurde „Treue um Treue" gegenüber den Arbeitern angemahnt - eine groteske Formulierung angesichts des jahrelangen Ausgeliefertseins der Arbeiterschaft an das Kapital und an den betrieblichen und außerbetrieblichen Terror.181 Die ausführliche, interne Orientierung, die Ergebnis der Besprechung war, galt fortan als Richtschnur für die Arbeitskräftepolitik der Industrie. Sie enthielt die schon erwähnte Forderung nach dem „Recht", die KZ-Häftlinge, Juden und Kriegsgefangenen an Gestapo, Stalag und Arbeitsamt „zurückzugeben".182 Als „obersten Grundsatz" habe man, so informierte Stahl Staatssekretär Franz Hayler über die Zusammenkunft, „die moralische und staatspolitische Pflicht der Unternehmer vor Augen, ihre Stammgefolgschaft so lange wie irgend möglich in Arbeit und Lohn zu halten. Bei einer etwaigen weiteren Verschärfung der Lage muß unter allen Umständen vermieden werden, daß die Arbeiterschaft, die im Kriege ihr Bestes und Letztes hergegeben hat, auf die Straße kommt. Vielmehr müssen die Betriebe als wichtige ,Ordnungszellen' im Staatsgefüge auch bei zeitweise verminderter Beschäftigungsmöglichkeit aufrechterhalten bleiben, um eine Entwurzelung der schaffenden Menschen zu verhindern und auch Arbeitsplätze für die später zurückkehrenden Soldaten offenzuhalten." 183 Man vergaß nicht, zugleich alle Unkosten, die aus der Erfüllung des Grundsatzes „Treue um Treue", dieser „moralischen und staatspolitischen Pflicht der Unternehmer", entstehen würden, dem Staat in Rechnung zu stellen, vor allem die Lohnfortzahlung bei Arbeitsausfall und den Lohnausgleich bei Kurzarbeit. Tatsächlich funktionierte die umgehend gewährte staatliche „ Z a h l u n g s h i l f e z u r Sicherung der kriegsnotwendigen Leistung" auf der Basis, daß die Unternehmen reichsverbürgte Kredite in Anspruch nehmen konnten, die später in „bedingt rückzahlbare" Kredite oder in einen „verlorenen Kapitalzuschuß" verwandelt werden sollten.184

179 180 181 182 183 184

schaftlicher Nachkriegsprobleme vom Standpunkt der Industrie" (Programm nicht enthalten in dem Dok.-auszug in Anatomie des Krieges, S. 468 ff., Dok. 266). WieAnm. 174 (S. 274). WieAnm. 160. Ebenda. BÄK, R 12 1/339, RGI (geheim), „Umstellung der Betriebe auf die veränderte Arbeitslage", 8.2.1945. Anatomie des Krieges, S. 483, Dok. 272, Stahl an Hayler, 9.2.1945. Wie Anm. 160, „Grundsätze über eine Zahlungshilfe zur Sicherung der kriegsnotwendigen Leistung", (14.7)2.1945.

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Stahl versah wenige Tage später seinen eigenen Konzern mit Richtlinien, in denen wieder die Formulierung „Treue um Treue" auftauchte: „Die Betriebe müssen in dieser ernsten Zeit, die uns durch die Flüchtlingsströme aus dem Osten auch auf dem Ernährungsgebiet noch vor schwere Probleme stellen wird, sich als feste Ordnungsblocks bewähren und nach dem Grundsatz ,Treue um Treue' handeln." 185 Hier war auch streng vertraulich von der Hoffnung die Rede, mit den Behörden bald zu einer verbindlichen Lösung der Frage zu kommen, „ob und in welchem Umfang bei mangelnder Beschäftigungsmöglichkeit durch Lockerung oder Änderung der bisher gültigen Bestimmungen eine Entlastung der Betriebe von entbehrlichen ausländischen Arbeitskräften, dienstverpflichteten Frauen etc. erfolgen kann." 186

3. Die „Erhaltung der Substanz" Die Ereignisse seit Mitte 1944 hatten schrittweise die Illusionen des Rüstungsministers und seiner Vertrauten aus der Rüstungsorganisation seines Ministeriums abgebaut, die bis dahin auf die Produktionserfolge und auf die im Rüstungsstab kulminierende Machtkonzentration in der Kriegswirtschaft gegründet waren. Die Katastrophen des Sommers an allen Fronten beeindruckten den Minister und die deutsche Wirtschaftselite in erster Linie und unmittelbar durch die zunehmende Vernichtung der Produktionsgrundlagen aus der Luft. Seit Oktober/November 1944 verlor das Ruhrgebiet, verkehrsmäßig abgeschnürt, seine Bedeutung als führendes deutsches Rüstungszentrum, und über die deutsche Wirtschaft brach die Kohlekatastrophe herein. Gegen Jahresende 1944 war die Ardennenoffensive gescheitert. Vier Wochen später ging Oberschlesien verloren. Der Rest der Kriegswirtschaft zerbrach in den Wochen darauf unter den stärksten Luftbombardements des Krieges. Diese Signale der nahenden Niederlage konnten nicht übersehen werden und führten zu späten, vorsichtigen Versuchen, die herostratische Politik der politischen und der Militärführung zu unterlaufen und die Wirtschaft mittels bestimmter Korrekturen des Rüstungskurses auf die unmittelbare Nachkriegszeit vorzubereiten.

a) Sinneswandel vor der Katastrophe Im Winter 1944/45, in Ansätzen schon früher187, setzte in der Spitze des Rüstungsministeriums, bei Speer und Kehrl, ein derartiges Umdenken ein. Die Berichte und Denkschriften des Ministers, die er Hitler zuleitete, sprachen eine immer deutlichere Sprache. Es war die Rede

185 Anatomie des Krieges, S. 484, Dok. 273, Rs. Stahl an die Vorstandsmitglieder u. Direktoren der Salzdetfurth AG, 14.2.1945. Eine Woche später, am 20.2., ging ein Rundschreiben der RGI mit denselben Formulierungen an alle „industriellen Betriebsführer" (BÄK, R 12 1/339, Rs. RGI, „An die industriellen Betriebsführer", 20.2.1945). 186 Ebenda (Anatomie des Krieges). 187 Kehrl, S. 408 ff., berichtet, er habe zum ersten Mal am 21. August 1944 „Klartext mit Speer" geredet und „sehr schnell vollkommene Übereinstimmung" mit ihm darüber erzielt, „daß wir nichts tun und nichts zulassen dürften, was das Weiterleben unseres Volkes und unserer Industrie als

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davon, daß es in absehbarer Zeit unmöglich sein werde, weiter Krieg zu führen, und daß es notwendig sei, an das wirtschaftliche Weiterleben des deutschen Volkes nach dem Kriege zu denken. In der schon erwähnten Denkschrift vom 30. Januar 1945188 schlug Speer zum ersten Mal einen solchen Ton an. Während er in dem Memorandum vom 11. November 1944 über die „Lage im Ruhrgebiet" angesichts der „auf Dauer untragbaren" Abriegelung des Industriereviers noch dazu aufgerufen hatte, den „Kampf um die Ruhr" aufzunehmen, der „letzten Endes doch siegreich bestanden" und gewonnen werden würde189, führte er jetzt, nach dem Verlust Oberschlesiens, das bisher nie offen erwähnte, meistens geleugnete „materielle Übergewicht des Gegners" als entscheidend ins Treffen, das „danach auch nicht mehr durch die Tapferkeit unserer Soldaten abzugleichen" sei. Hitler reagierte, Speer zufolge, mit der Drohung, so etwas könne er sich von ihm nicht bieten lassen.190 Der Minister sprach in den folgenden Wochen sehr viel seltener bei Hitler vor und ließ die Termine der Rüstungsbesprechungen mit ihm durch Saur wahrnehmen. „Ich dagegen", schrieb er, „verband mich möglichst eng mit den Mitarbeitern der Industrie, um mit ihnen dringende Versorgungsprobleme und den Übergang zur Nachkriegswirtschaft zu besprechen."191 Eindrückliche Begegnungen solcher Art mit den Verantwortlichen der deutschen Wirtschaft fanden damals häufig statt; Speer berichtete später nur sparsam darüber. Mit der Bearbeitung des Ministers in ihrem Sinne scheinen die Ruhrindustriellen, voran Vogler und Rohland, erstmalig im Frühjahr, intensiver schon im Sommer 1944 begonnen zu haben.192 Im September handelte er in Übereinstimmung mit ihnen, als er den „Kampf gegen die wahnsinnige Idee der .verbrannten Erde'" aufnahm.193 Seit dieser Zeit etwa begriff er die „Erhaltung der Substanz" als vornehmste nationale „Pflicht". Rohland beschrieb die Änderung in Speers Verhalten so: „Erst die wachsende Klarheit über einen ungünstigen Ausgang des Krieges und die Haltung der Obersten Führung veranlaßten Speer, seine bis dahin streng befolgte Linie der Beschränkung auf rein wirtschaftliche Probleme aufzugeben." 194

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Lebensbasis des Volkes über die Feindeinwirkung hinaus schädigte." (S. 411). Hier wie auch im Oktober (s. S. 412 f.) ging es um das Problem der „Erhaltung der Substanz" in Anbetracht der auf die deutschen Grenzen vorstoßenden alliierten Armeen und der „Verbrannte-Erde"-Strategie Hitlers und einer fanatisierten Partei- und Militärclique, noch nicht um vorsichtige Umsteuerungen in der Kriegswirtschaft. BAP, FS, Film 1732, „Zur Rüstungslage Februar-März 1945", 30.1.1945. Vorbereitend schon die Denkschrift vom 16.1.1945 (BAP, FS, Film 1734; s. Abschn. 1) u. die fünfte (letzte) Hydrierdenkschrift vom 19.1.1945 (Birkenfeld, Treibstoff, S. 260 ff.). Ferner Speers Rüstungsbericht v. 27.1.1945 (Bleyer, Der geheime Bericht (JfW, 1969, T. II); Janssen, S. 325 ff.); s. a. Janssen, S. 301 f. BAP, FS, Film 1732, „Lage im Ruhrgebiet", 11.11.1944. Speer, Erinnerungen, S. 432. Ebenda, S. 440. IMG, Bd. 41, S. 493, Dok. Speer-42, Vernehmg. Rohland, 20.5.1946. Ebenda, S. 489 ff. Siehe Kap. I. Ebenda, S. 494.

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Im November 1944, als der Ruhrstab unter Voglers Leitung neu konstituiert wurde, „gab Speer ganz klar allen dort versammelten Ruhrindustriellen seine Einstellung gegenüber diesen Fragen bekannt. Die Folge dieser Rede war, daß selbst die ängstlichen Gemüter den Mut fanden, in Übereinstimmung mit Speers Ansichten zu handeln."195 Mit Vogler hatte der Minister Ende November - wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit eine Aussprache, in der jener drängend fragte, wann denn nun „endlich Schluß gemacht" werde.196 Speer deutete an, daß Hitler einen größeren militärischen Schlag, den „letzten Versuch" einer Offensive, vorbereite. Vogler hoffte, wie er sagte, die Offensive werde im Osten stattfinden; Hitler könne doch nicht „die Verrücktheit begehen, den Osten zu entblößen, um im Westen den Gegner aufhalten zu wollen." Im übrigen blieb er hartnäckig: „Aber er ist sich doch im klaren darüber, daß danach Schluß sein muß? Wir verlieren zu viel Substanz. Wie soll ein Aufbau möglich sein, wenn die Zerstörungen in der Industrie auch nur einige Monate so weitergehen?" Während der sowjetischen Januaroffensive beschäftigte Speer nach eigenem Bericht der angstvolle Gedanke, „das Volk (könne) sich in Wut und Enttäuschung gegen seine ehemaligen Führer erheben und sie umbringen."197 Die Furcht vor dem Volk, vor einem revolutionären Strafgericht über die Kriegsschuldigen, ferner auch vor der Rache der Alliierten und der Überfallenen, geschundenen Völker tat damals unzweifelhaft ihre Wirkung. Sie stand wohl stets hinter den Absichten der beteiligten Akteure, die „Lebensgrundlagen" der Bevölkerung, einigermaßen zu sichern und auch über das Kriegsende hinaus Vorsorge zu treffen. Seit Dezember 1944 besprachen Speer, Kehrl und Backe solche Versorgungsprobleme. In der folgenden Zeit scheint im Rüstungsministerium zwischen Kehrl und Speer eine Art Arbeitsteilung geherrscht zu haben, in der Speer die „Erhaltung der Substanz", Kehrl dagegen die Versorgungsfragen als wichtigsten Aufgabenbereich betreute. Kehrl bereitete in Abstimmung mit Backe und Riecke die Maßnahmen vor und arbeitete die Anordnungen aus, die einerseits die notdürftige Ernährung der städtischen Bevölkerung, besonders im Ruhrgebiet und in Berlin, sicherstellen und andrerseits bestimmte Voraussetzungen für die Frühjahrsbestellung und die Ernte 1945 schaffen sollten.198 Die Vorkehrungen auf diesem Gebiet mußten mit Speers Maßnahmen zur Wiederherstellung der Verkehrsverbindungen, mit der Gestellung von Transportraum und mit der Belieferung der Betriebe mit Kohle und Strom koordiniert werden. Sie erstreckten sich auf die Bereitstellung von Stickstoff und anderen Düngemitteln, von Landmaschinen und deren Ersatzteilen, von landwirtschaftlichen Geräten und Werkzeugen, von Saatgut und schließlich von Erntebindegarn.199 Speer hatte am 6. Dezember 1944 in einem gemeinsam mit Backe an Hitler übergebenen Bericht über die Stickstoffversorgung darauf verwiesen, daß der Produktionsausfall bei den 195 Ebenda, S. 491. 196 Speer, Erinnerungen, S. 423. Hiernach auch das Folgende. 197 Ebenda, S. 429. Speer besuchte damals (21.1.1945) Niederschlesien und kam wahrscheinlich unmittelbar mit dem Flüchtlingselend in Berührung. 198 Ausführlicher Kehrl, S. 419 ff. Ferner Janssen, S. 292; BAP, FS, Film 3568, Vernehmungen Speers, Mai 1945. Siehe auch Abschn. 1. 199 Siehe Kehrl, S. 421 f.

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großen Stickstoffwerken die Stickstofferzeugung im Düngejahr 1944/45 (Juni bis Mai) und damit die Düngestickstoffzuteilung gegenüber dem Voijahr halbieren würde (26 Prozent gegenüber 1938/39). Damit würden die Erträge bei Getreide, Hackfrüchten, Ölfrüchten und Gemüse „aufs schwerste gefährdet".200 Hitler traf keine Entscheidung - die sonst zuungunsten der Pulver- und Sprengstoffproduktion hätte fallen müssen. Doch will Kehrl im ersten Quartal 1945 „zunehmend" Stickstoff aus dem Wehrmachtkontingent für die Landwirtschaft „eingespart" haben.20' Auf einer Chemiebesprechung am 16. Januar 1945 im Rüstungsministerium stellten die Anwesenden (Kehrl, Krauch) fest, daß der für die Raketen und die Walter-U-Boote wichtige T-Stoff (Sauerstoffträger) für den Bedarf 1945/46 nicht ausreiche. Kehrl beendete die Diskussion um Kapazitäten und Investitionen mit der Bemerkung, „daß, wenn überhaupt noch zusätzliche Möglichkeiten auf dem Bausektor vorhanden seien, diese voraussichtlich von Minister Speer für den Aufbau der Stickstofferzeugung eingesetzt werden würden, da diese unbedingt den Vorrang habe." 202 Anfang März wies der Rüstungsminister Krauch und Geilenberg an, „daß die Stickstoffwerke vor den Hydrierwerken aufzubauen sind."203 Wenn auch unter vorsichtiger Tarnung laufend, lag die neue Orientierung auf die Grundbedürfnisse der Ernährung und des täglichen Lebens doch zunehmend klar zutage. In ihrer Wirkung darf sie aber keinesfalls überschätzt werden. Wenn die Wirtschaft nicht schon in Agonie gelegen hätte, wäre dieser Kurs erfolgreicher gewesen, hätte sich dann aber wohl gegen den erbitterten Widerstand der Kreise um Hitler und das OKW kaum durchsetzen lassen. Wie die Dinge lagen, konnten die beschriebenen bzw. beabsichtigten Maßnahmen bestenfalls in der einen oder anderen akuten örtlichen oder regionalen Notlage ephemere Erleichterung schaffen. Die militärischen Ereignisse und der rasche wirtschaftliche Verfall trieben Speer und seine Anhänger zu konsequenteren Schritten. Der siebzigjährige Friedrich Lüschen, führender Siemens-Manager und eine der Stützen der deutschen Rüstungsorganisation, legte Speer Anfang Februar, auf Hitlers eigene Worte in „Mein Kampf' verweisend, die „Rebellion" gegen die NS-Tyrannei nahe: „Wenn durch die Hilfsmittel der Regierungsgewalt ein Volkstum dem Untergang entgegengeführt wird, dann ist die Rebellion eines jeden Angehörigen eines solchen Volkes nicht nur Recht, sondern Pflicht." Daraufhin trug sich der Minister kurze Zeit lang mit Attentatsgedanken - nach eigener Darstellung eine schnell wieder fallengelassene Idee und recht lächerliche Episode.204 Am 27. Februar erörterte er auf Schloß Landsberg, dem Sitz des Ruhrstabs, „im kleinen Kreis" grundsätzliche Fragen der „Erhaltung der Substanz" und der Ernährung der Bevölke200 BÄK, R 3/1530, Speer/Backe, „Bericht über die Stickstoffversorgungslage", 6.12.1944; s. a. die RMRuK-Erlasse v. 28.2.1945 (zum Notprogramm) u. v. 2.3.1945, der die Mittelinstanz des Ministeriums dazu verpflichtete, „alle für die Landwirtschaft arbeitenden Fertigungsstätten und Reparaturbetriebe vordringlich mit Kohle, Energie, Transportraum und Arbeitskräften zu versorgen." (Beide Erlasse in BAP, FS, Film 1732). 201 Kehrl, S. 423. 202 BAP, FS, Film 3386, Niedersehr, v. 18.1.1945. 203 IfZ, ED 99, NL Speer, Bd. 8, Vernehmg. Speers v. 20.5.1945. 204 Speer, Erinnerungen, S. 436 (zit. aus „Mein Kampf', Ausg. 1935, S. 104).

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rung.205 Zwei Wochen später rief er seine „Mitarbeiter aus der Industrie" in Bernau zusammen und versicherte ihnen, wie er später schrieb, „daß ich mit meiner Person und meinem Kopf dafür einstehen werde, die Betriebe auch bei einer weiteren Verschlechterung der militärischen Lage auf keinen Fall zerstören zu lassen." 206 Damals entstand die Denkschrift vom 15. März 1945 mit dem Titel „Wirtschaftslage März - April 1945 und Folgerungen", in der Speer den Krieg für verloren erklärte und weitere Zerstörungen deutlich als verbrecherisch bezeichnete. 207 Der Sache nach enthielt sie eine schroffe Gegenposition gegen die kaltblütige und rücksichtslose Vernichtungsstrategie der Clique im „Führerbunker": „Die feindliche Luftwaffe hat weiter mit Schwerpunkt die Verkehrsanlagen angegriffen. Dadurch sind die Wirtschaftstransporte erheblich abgesunken. Durch die Verlegung der Front an den Rhein sind ergiebige Braunkohlengebiete und große Braunkohlenkraftwerke verloren gegangen. Die unmittelbare artilleristische Einwirkung auf das Ruhrgebiet und die durch die Nähe der Front erhöhte Fliegertätigkeit bei Tag und bei Nacht haben weitere Einbrüche im Ruhrgebiet zur Folge gehabt.... Seit dem Verlust von Oberschlesien vollzieht sich der wirtschaftliche Zusammenbruch des Reiches immer schneller. Durch die entscheidenden Einschränkungen in der Kohleversorgung ist dieser Vorgang in katastrophaler Weise beschleunigt. Es ist daher in 4-8 Wochen mit dem endgültigen Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft mit Sicherheit zu rechnen. Dann ist weder ein Rüstungsausstoß gewährleistet, noch werden die Reichsbahn und die Schiffahrt in der Lage sein, die ihnen übertragenen Transporte - vielleicht noch mit Ausnahme der operativen Transporte - durchzuführen. Nach diesem Zusammenbruch kann der Krieg auch militärisch nicht fortgesetzt werden. Das Volk hat in diesem Krieg seine Pflicht erfüllt und seine Aufgabe unter Umständen durchgeführt, die weitaus schwieriger waren, als je in einem Krieg zuvor. Es ist bestimmt nicht seinem Versagen zuzuschreiben, wenn der Krieg verloren geht. Wir in der Führung haben die Verpflichtung, dem Volk in den schweren Stunden, die es erwarten muß, zu helfen. Wir haben uns dabei nüchtern - ohne Rücksicht auf unser Schicksal - die Frage vorzulegen, wie dies auch für eine spätere Zukunft geschehen kann. Wenn der Gegner das Volk und seine Lebensbasis zerstören will, dann soll er dieses Werk selbst durchführen. Wir müssen alles tun, um dem Volk, wenn vielleicht auch in primitivsten Formen, bis zuletzt eine Lebensbasis zu erhalten. Auf allen Gebieten müssen Maßnahmen ergriffen werden, um diesen Standpunkt durchzusetzen. Durch klare Weisungen kann örtliches Unheil verhütet werden. Keiner darf den Standpunkt einnehmen, daß an sein persönliches Schicksal auch das Schicksal des deutschen Volkes gebunden ist. Es muß festgelegt werden, daß die vornehmste Pflicht der Führung in diesen Wochen sein muß, dem Volk zu helfen, wo es nur irgend geht. Für das von mir verantwortete Teilgebiet der deutschen Produktion und des Verkehrs ist folgendes zu veranlassen: 205 Wie Anm. 192 (S. 491). 206 Speer, Erinnerungen, S. 442 f. 207 Das Folgende nach IMG, Bd. 41, S. 420 ff., Dok. Speer-23. Einige Korrekturen nach dem Exemplar in BÄK, R 3/1536; dort auch die unten erwähnten Anlagen.

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1. Es muß sichergestellt werden, daß, wenn der Kampf weiter in das Reichsgebiet vorgetragen wird, niemand berechtigt ist, Industrieanlagen, Kohlenbergwerke, Elektrizitätswerke und andere Versorgungsanlagen sowie Verkehrsanlagen, Binnenschiffahrtsstraßen usw. zu zerstören. Während bisher die Betriebe durch Herausnahme von unersetzlichen Einzelteilen auf ein bis zwei Monate gelähmt wurden, um nach der Rückeroberung wieder kurzfristig nutzbar gemacht werden zu können, muß dieser Standpunkt jetzt auch dann Platz greifen, wenn eine Wiedereroberung nicht möglich erscheint. Die industriellen Anlagen und die Grundindustrien sind genau so ein Bestandteil der Lebenskraft des deutschen Volkes wie die Landwirtschaft. Es würde auch niemand auf den Gedanken kommen, durch einen Giftstoff die deutschen Äcker auf Jahre hinaus unfruchtbar zu machen. Genau so wenig ist es möglich, dem Bergarbeiter und dem Industriearbeiter von unserer Seite seinen Lebensunterhalt zu nehmen. 2. Vorbereitungen zur Sprengung von Brückenbauwerken der Reichsbahn oder des Straßenbaues sind in großem Umfang getroffen. Selbstverständlich ist es notwendig, die Brückenbauwerke über die großen Ströme zu sprengen, solange der weitere Vormarsch des Gegners noch verhindert werden kann. - Es kann aber unmöglich der Sinn der Kriegführung in der Heimat sein, so viel Brücken zu zerstören, daß bei den beschränkten Mitteln der Nachkriegszeit Jahre benötigt werden, um dieses Verkehrsnetz wieder aufzubauen.... Es muß durch einen scharfen Befehl sichergestellt werden, daß sowohl die Wehrmacht als auch die Partei, einschließlich Volkssturm, von sich aus nicht das Recht haben, im eigenen Lande willkürlich Brücken zu zerstören.... Mit einer Sprengung der Brücken im vorgesehenen Ausmaß würden die Verkehrsanlagen nachhaltiger zerstört, als dies die Fliegerangriffe der letzten Jahre vermochten. Ihre Zerstörung bedeutet die Beseitigung jeder weiteren Lebensmöglichkeit des deutschen Volkes. 3. Die Verteilung sämtlicher Läger an Bekleidungs- und anderen Gebrauchsgegenständen, soweit sie für die Zivilbevölkerung brauchbar sind, muß unverzüglich vorbereitet und auf Stichwort vorgenommen werden. Die Bestände sind noch groß. Unzulänglichkeiten, die wegen der Transportschwierigkeiten eintreten, müssen in Kauf genommen werden. Weiter ist der Befehl zu geben, auch für die Läger der Wehrmacht - einschließlich der Ernährungsläger - eine derartige Verteilungsaktion vorzubereiten, die durch Stichwort ausgelöst wird. Eine Verteilung der zivilen und Wehrmachtlagerbestände kann dem Volk etwas helfen, über die schweren Zeiten, die es erwarten muß, hinwegzukommen. 4. Es ist bei der derzeitigen Lage selbstverständlich, daß die Sicherung der deutschen Ernährung - auch für die fernere Zukunft - im Vordergrund aller Bemühungen stehen muß. Es ist daher bereits angeordnet, daß sowohl im Verkehr als auch auf allen anderen Gebieten die für die Ernährung erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden. Die Verwüstungen dieses Krieges in den deutschen Städten sind nur mit denen des Dreißigjährigen Krieges vergleichbar. - Ob die Ereignisse, die einer Niederlage folgen, auch einen der damaligen Zeit ähnlichen Rückgang der Bevölkerungszahl zur Folge haben werden, ist nicht abzusehen. Das Volk wird schwerste Belastungen zu ertragen haben, die jedoch eine harte Auslese bringen werden und damit für die fernere Zukunft einen guten Kern dieses einmaligen Volkes erhalten. Wir haben kein Recht dazu, in diesem Stadium des Krieges von uns aus Zerstörungen vorzunehmen, die das Leben des Volkes treffen könnten. Wenn die Gegner dieses Volk, das in einmaliger Tapferkeit gekämpft hat, zerstören wollen, so soll ihnen diese geschichtliche Schande ausschließlich zufallen. Wir haben die Verpflichtung, dem Volk alle Möglichkeiten zu lassen, die ihm in fernerer Zukunft wieder einen neuen Aufbau sichern könnten."

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Der Denkschrift waren eine Reihe von Anlagen beigefügt, darunter der Bericht der RVK (Pleiger) zur Kohlenlage vom 7. März 208 und die Entwürfe für zwei „Führer"-Erlasse: einen, der die Zerstörung von Verkehrsanlagen und Brücken und die Versenkung von Frachtschiffen verbot, und einen anderen, der die Zerstörung von Industrieanlagen untersagte und die Verantwortung für „Lähmungen" in der Industrie ausschließlich dem Rüstungsminister übertrug. Auf der Position des Rüstungsministers standen inzwischen außer den Wortführern der Industrie nicht unerhebliche Teile der militärischen und politischen Führungsschicht, allerdings, wie sich zeigen sollte, unsicher und mit großen Schwankungen. Das Dokument zeugte von Mut, und trotz aller taktischen Vorkehrungen und Vorsichtsmaßnahmen nahm Speer mit ihrer Übergabe an Hitler am 19. März ein hohes Risiko auf sich.209 Typisch war die schwächliche Reaktion von Goebbels, den Speer vorher auf seine Linie einzustimmen versuchte. Goebbels notierte zu Speers (und Leys) „äußerst alarmierenden" Berichten, daß die Meinung richtig sei, „die Speer bezüglich der Aufrechterhaltung der Lebensbasis des deutschen Volkes vertritt",210 fügte aber umgehend hinzu, daß er, Speer, zu stark unter dem Eindruck dessen stehe, was er im Westen gesehen habe, und daß er die Lage „aus der Perspektive des reinen Wirtschaftlers und Technikers" beurteile. Er habe nicht „den nötigen Abstand", die „staatsmännische Schau", die man sich in den „Höhen" und „Tiefen" des Krieges bewahren müsse; „gerade in den Tiefen kommt es darauf an, die kühle Besinnung zu bewahren und nicht die Nerven zu verlieren." Speer konnte sich auf die Wirkung der Denkschrift keine großen Hoffnungen machen. Am 18. März ließ Hitler den Erlaß herausgehen, der die schon erwähnte sofortige Zwangsräumung der gesamten Bevölkerung westlich des Rheins anordnete211, und Speer verabschiedete er in den frühen Stunden des 19., ohne die Denkschrift selbst schon gelesen zu haben, mit einer finsteren Drohung, mit der er zugleich den vollständigen Bankrott seiner Weltanschauung und Politik eingestand: „Wenn der Krieg verlorengeht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil ist es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft. Was nach diesem Kampf übrigbleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen!" 212

208 Siehe Abschn. 1. 209 Ausführlich Speer, Erinnerungen, S. 442 ff. 210 BÄK, NL 118/58, Goebbels-TB, Eintr. v. 15.3.1945; s. a. Eintr. v. 14.3.1945 (jeweils betr. 14. u. 13.3.1945). Hiernach auch das Folgende. 211 Siehe Abschn. 2. 212 Speer, Erinnerungen, S. 446. - Die Überlieferung ist insgesamt nicht frei von Unklarheiten, und es ist möglich, daß der Inhalt der Denkschrift, die Speer Hitler schon seit dem 15. März der Vorsicht halber über seinen Verbindungsoffizier v. Below „vortragen" lassen wollte (ebenda, S. 443), dem „Führer" auf diese Weise am 18. März schon bekannt war, dieser aber noch schwankte, wie er mit Speer verfahren sollte. Hitlers zitierter mündlicher Bescheid und seine schnelle Reaktion („Nerobefehl") lassen eine solche Auslegung zu. Mit einer anderen Denkschrift, die Speer zum 18. März angefertigt hatte und die in einem merkwürdig forschen Ton die Verteidigungsstrategie zwischen Rhein und Oder „für den Kampf der nächsten acht Wochen" betraf (BÄK, R 3/1537; s. a. Janssen, S. 311), verfolgte er zweifellos taktische Zwecke.

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b) Der „Nero-Befehl" Noch am selben Tag befahl Hitler die totale Zerstörung deutschen Landes: „Der Kampf um die Existenz unseres Volkes zwingt auch innerhalb des Reichsgebietes zur Ausnutzung aller Mittel, die die Kampfkraft unseres Feindes schwächen und sein weiteres Vordringen behindern. ... Ich befehle daher: 1) Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören. 2) Verantwortlich für die Durchführung dieser Zerstörung sind die militärischen Kommandobehörden für alle militärischen Objekte einschl. der Verkehrs- und Nachrichtenanlagen, die Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare für alle Industrie- und Versorgungsanlagen sowie sonstige Sachwerte; den Gauleitern und Reichsverteidigungskommissaren ist bei der Durchführung ihrer Aufgabe durch die Truppe die notwendige Hilfe zu leisten. 3) Dieser Befehl ist schnellstens allen Truppenführern bekanntzugeben, entgegenstehende Weisungen sind ungültig."213 In diesem Erlaß („Nerobefehl") kamen das Rüstungsministerium und seine rüstungswirtschaftliche Organisation nicht vor. Die Militärs und die Gauleiter erhielten freie Hand und sämtliche Vollmachten für die Politik der „Verbrannten Erde" auf deutschem Boden. Der Befehl desavouierte den Rüstungsminister und kam seiner Entmachtung gleich. Da Speer sich aber inzwischen auf erhebliche Teile der herrschenden Klasse stützen konnte und seine Position letzten Endes auch dem Interesse der breiten Bevölkerung entsprach, war zu erwarten, daß die Auseinandersetzung um Vernichtung oder Erhaltung heftige Formen annahm. Ihr Ausgang war keineswegs schon entschieden. Für die folgenden Ereignisse fehlen schriftliche Quellen fast ganz.214 Sie sind von Beteiligten später beschrieben worden215; jedoch kann diesen Darstellungen schon wegen zahlreicher Ungenauigkeiten und unterschiedlicher Angaben nur ein beschränkter Quellenwert zugesprochen werden. Gemeinsam ist allen, daß sie die exponierte Rolle des Rüstungsministers hervorheben, die denn auch für die entscheidenden zwölf Tage ausreichend zu belegen ist.

213 IMG, Bd. 41, S. 430 f., Dok. Speer-25; auch bei Speer, Erinnerungen, S. 583 Anm. 10; Janssen, S. 311 f. 214 Speer hat ζ. B. eigene Notizen über seine Besprechungen betr. die Abwehr der Zerstörungsbefehle verständlicherweise vernichtet (Speer, Erinnerungen, S. 449). 215 Die Nürnberger Prozeßakten enthalten über die Ereignisse Aussagen besonders von Walter Rohland und Oberstlt. Manfred v. Poser (IMG, Bd. 41, Dokumente der Verteidigung Speers) und die ausführliche Vernehmung Speers vom 19. bis 21. Juni 1946 (IMG, Bd. 16, S. 475 ff.). Undatierte Unterlagen Rohlands ferner in BÄK, R 3/1661, Bl. 20 ff. Ausführlich Speer in seinen Erinnerungen (S. 446 ff.). Eine zusammenfassende Darstellung auf Grund der Nürnberger u. a. Dokumente bei Janssen, S. 310 ff.

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Zusammenstellung von Ereignissen zwischen dem 19. und 30. März 1945 19. März 1945 Die Verhandlungen Speers mit dem OB West, Feldmarschall Albert Kesselring, bei Bad Nauheim bleiben ohne Ergebnis. Mehr Verständnis für die Politik der „Erhaltung der Substanz" zeigen Mitarbeiter des Stabes des Oberbefehlshabers. In Begleitung von Hermann Röchling, dem Vorsitzer der RVE, fährt Speer zum Stab des Rüstungsbevollmächtigten Südwest, Heinrich Kelchner, in Heidelberg, danach nachts zur Heeresgruppe G in der Pfalz. Der Chef der Heeresgruppe, Generaloberst der Waffen-SS Paul Hausser, erklärt sich für die Speersche Konzeption. 20. März 1945 Speer findet in Gauleiter Willi Stöhr (Saar-Pfalz) einen Verbündeten. Feldmarschall Walter Model, Chef der Heeresgruppe B, die das Ruhrgebiet verteidigen soll, hat schon Anfang März Hilfe zugesagt. In seinem Hauptquartier wird dem „völlig überraschten" Speer der „Nerobefehl" übermittelt. 216 Der Befehl zeigt bei Model Wirkung. Speer reist sofort nach Berlin zurück. 21. März 1945 Hans Malzacher, Rüstungsbevollmächtigter Südost, wird nach Berlin gerufen und instruiert. Nachmittags übergibt Speer ein Exemplar seiner Denkschrift vom 15. März in der Reichskanzlei an Generaloberst Heinz Guderian, Chef des Generalstabs des Heeres. Keitel verweigert die Annahme. Hitler fertigt den Minister kurz ab. 22. März 1945 Der Rüstungsminister konferiert mit führenden Vertretern der Kohlenwirtschaft (Pleiger, Otto Steinbrinck, Martin Sogemeier), mit Guderian und Heeresgeneralen (Wolfgang Thomale, Gundelach, Ivo-Thilo v. Trotha) und mit Großadmiral Dönitz. 23. März 1945 „Rüstungssitzung" unter Speer im Ministerium (vermutlich mit den Amtschefs und Amtsgruppenchefs, den Mitgliedern des Rüstungsstabes, mit Leitern der Hauptausschüsse und -ringe usw.); anschließend Amtschefbesprechung. 24. März 1945 Besprechungen Speers mit Willy Messerschmitt, Albert Ganzenmüller (Reichsverkehrsministerium), Gerhard Klopfer (Parteikanzlei), Dietrich Stahl (Leiter des Hauptausschusses Munition), Xaver Dorsch, Eckhard Bürger (OT; Verkehrsstab), Admiral Backenköhler (Oberkommando der Kriegsmarine) und Goebbels. Abends reist der Minister auf dringende Anforderung Rohlands - die alliierte Offensive über den Rhein hat am 23./24. März begonnen - nach Westdeutschland, wo die Verhandlungen mit den Gauleitern festgefahren sind. In seiner Begleitung fahrt aus dem Ministerium Staatssekretär Günter Schulze-Fielitz, der mit Sonderaufträgen in den Südosten und Süden geschickt wird. 216 IMG, Bd. 41, S. 524 f., Dok. Speer-47, Antworten (auf Fragen des Verteidigers) von Manfred v. Poser, 14.6.1946; Speer, Erinnerungen, S. 442.

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25. März 1945 Noch in der Nacht trifft Speer im Ruhrstab ein. „Besprechung der Lage. Beschluß: Mit allen Mitteln versuchen, den Führerbefehl nur pro forma auszuführen, im übrigen es bei der Lähmung zu belassen. Keine Sprengstoffe aus den Gruben herauszugeben."217 Der Rüstungsminister verspricht, 50 Maschinenpistolen für zuverlässige Bergleute bereitzustellen, „zur Sicherung der Kraftwerke und anderer wichtiger Industrieanlagen gegen Zerstörungstrupps der Gauleiter".218 Auf der folgenden schwierigen Sitzung mit den Gauleitern des Industriegebiets (Friedrich Karl Florian/Düsseldorf, Albert Hoffmann/Dortmund, Fritz Schlessmann/Essen, Alfred Meyer/Münster) stimmen die Anwesenden außer Florian dem Minister schließlich darin zu, daß die Räumungsbefehle von Hitler und Bormann gar nicht mehr durchsetzbar seien, daß Produktion bis zuletzt vor Zerstörung gehe und daß vor allem die Elektrizitätswerke nur gelähmt werden dürften. Sie sagen zu, die bereits geplanten umfangreichen Zerstörungen hinauszuschieben. Die Besprechungen abends und nachts bei Model (zusammen mit Vogler) und im Stab Kesselrings enden mit dem Ergebnis, daß die Militärs den Nerobefehl in der militärisch hoffnungslosen Situation unter möglichster Schonung des Industriegebiets und wirtschaftlich wichtiger Anlagen durchführen wollen. Model erklärt, planmäßige Zerstörungen seien schon deshalb unmöglich, weil die dafür nötigen 4 000 Tonnen Sprengstoff fehlten.219 Er sagt zu, in den nächsten Tagen und Wochen enge Fühlung mit Rohland und seinem Stab zu halten. 26. März 1945 In Heidelberg berät Speer mit Kelchner (und Röchling?) über Möglichkeiten, die Zerstörungspläne des badischen Gauleiters Robert Wagner zu verhindern. Erneute Verhandlungen mit Hausser wegen kampfloser Übergabe von Heidelberg. 27. März 1945 Gauleiter Otto Hellmuth (Würzburg) verzichtet nach Bearbeitung durch Speer auf die Vernichtung der Schweinfurter Kugellagerindustrie. Der Rüstungsminister fährt abends nach Berlin zurück, wo sich die Lage stark verschlechtert hat durch die Entlassung Guderians, durch die Berufung Kammlers über Speers Kopf hinweg zum Verantwortlichen für die Entwicklung und Produktion aller neuen Flugzeuge und durch verschärfte Zerstörungserlasse.220 28. März 1945 Hitler hat inzwischen von Bormann Bericht über Speers Besprechungen in Westdeutschland erhalten. „Der Führer", so beschreibt Goebbels Hitlers Verfassung, „ist sehr ungehalten über die letzten Ausführungen, die Speer ihm gemacht hat. Speer hat sich von seinen Industriellen 217 218 219 220

BÄK, R 3/1661, Bl. 20 f., Rohland, „Niederschrift über die Ereignisse vom 15.3. bis 15.4.1945". Speer, Erinnerungen, S. 452. WieAnm. 216 (v. Poser, S. 525). Siehe „Durchführungsbestimmungen (Nachrichtenanlagen)" des Chefs der Nachrichtentruppen zum Nerobefehl, 27.3.1945; Teilwiedergabe bei Speer, Erinnerungen, S. 584 Anm. 6; am 29.3. 1945 folgten ähnliche Bestimmungen des Chefs des Transportwesens (IMG, Bd. 41, S. 431 ff., Dok. Speer-26: „Ziel ist Schaffen einer Verkehrswüste im preisgegebenen Gebiet."

666

Agonie und Katastrophe 1945

beeinflussen lassen ... Der Führer hat die Absicht, Speer im Laufe des Nachmittags zu sich kommen zu lassen und ihn vor eine sehr ernste Alternative zu stellen. Entweder muß er sich den Prinzipien der gegenwärtigen Kriegführung einfügen, oder der Führer will auf seine Mitarbeit verzichten ... auf einen Mitarbeiter, der in der kritischen Phase versagt. Der Führer wird Speer gegenüber außerordentlich massiv. Ich glaube, daß Speer in den nächsten Tagen bei ihm kein leichtes Spiel haben wird. Vor allem will der Führer den Redereien von Speer ein Ende machen, die ausgesprochen defaitistischen Charakter tragen. ... Richtig ist allerdings, daß der Führer unter allen Umständen dafür sorgen will, daß Speer den Händen der ihn beeinflussenden Industrie entwunden wird. Er darf nicht mehr ein Spielball der ihn umgebenden Wirtschaftskreise sein.... Der Führer spricht schon von einer eventuellen Nachfolgerschaft Speers durch Saur, was m. E. außerordentlich bezeichnend ist. Damit ist die Lage für Speer sehr kritisch geworden. Jedenfalls werde ich ihn darauf aufmerksam machen." 221 Über die Unterredungen zwischen Hitler und dem Rüstungsminister am 28. und in der Nacht vom 29. zum 30. März (Karfreitag) existieren als Quellen nur die Schilderung Speers222 und eine Eintragung im Tagebuch Goebbels', der die Hitlersche Sicht auf das Vorgefallene wiedergibt. Die Szenen in Hitlers Bunker gleichen einem Schmierenstück, in dem der langjährige treue Diener und Freund des Tyrannen gegen dessen letzte, herostratische Anwandlungen aufbegehrt. Hitlers Absicht ist es, Speer umgehend in „Krankheitsurlaub" zu schicken, mit dem merkwürdigen Argument: „Aus innen- und außenpolitischen Gründen kann ich auf Sie nicht verzichten." Da Speer sich hartnäckig weigert, sich in der kritischsten Situation das Amt aus den Händen nehmen zu lassen, zieht Hitler sich schließlich auf die Forderung zurück, der Minister solle wenigstens erklären, daß der Krieg nicht verloren sei. Nach unwürdigem Kuhhandel um diese Formulierung entläßt er ihn mit 24 Stunden Bedenkfrist. 29./30. März 1945 Speer beschreibt Hitler, als er ihn gegen Mitternacht wieder aufsucht, als unsicher, „fast etwas ängstlich wirkend". Es gelingt ihm unerwarteterweise, ihn mit einer verlogenen Ergebenheitsbezeugung („Mein Führer, ich stehe bedingungslos hinter Ihnen!") zu düpieren. Hitler unterschreibt einen neuen, von Speer abgefaßten Erlaß223, der sich formal auf den Nerobefehl bezieht, tatsächlich aber die Zerstörungen von Industrieanlagen und Versorgungsbetrieben einschränkend „auch durch nachhaltige Lähmung" zu ersetzen und sie in jedem Fall zugunsten der Produktion „bis zum letztmöglichen Zeitpunkt" hinauszuschieben gestattet. Der Kernpunkt des Erlasses aber, der aus dem Nerobefehl weitgehend Makulatur macht, ist die ausschließliche Beauftragung des Rüstungsministers mit der Durchführung der Lähmungs- und Zerstörungsmaßnahmen. In den geheimen Durchführungsbestimmungen Speers224, die er noch am selben Tage verschickt, ohne sie Hitler vorzulegen, werden alle bisherigen Erlasse und Weisungen des Rü221 BÄK, NL 118/59, Goebbels-TB, Eintr. v. 28.3.1945. 222 Speer, Erinnerungen, S. 457 ff. Hiernach auch das Folgende. 223 Vom 30.3.1945; IMG, Bd. 41, S. 433 f., Dok. Speer-28. Ebenfalls Speer, Erinnerungen, S. 585 Anm. 10. 224 IMG, Bd. 41, S. 435 ff., Dok. Speer-29, 30.3.1945.

Die „Erhaltung der Substanz"

667

stungsministeriums „hinsichtlich der Lähmung von Industrieanlagen aller Art und Versorgungsbetrieben (Strom, Gas, Wasser, ernährungswirtschaftliche Betriebe aller Art usw.)" für nach wie vor gültig erklärt. Die Gauleiter werden auf reine Hilfsfunktionen für die Rüstungsdienststellen abgedrängt. Vollmachten und Verantwortung für Zerstörung und Lähmung liegen allein bei den Rüstungsdienststellen (Vorsitzer der Rüstungskommissionen bzw. -unterkommissionen) und bei den „Betriebsführern". „Speer war zweimal beim Führer", notiert Goebbels, der Hitler noch am 30. März spricht, aus seiner Sicht, „um mit ihm die Durchführung eines Notrüstungsprogramms zu besprechen. Dabei hat es eine sehr dramatische Auseinandersetzung über die politische Haltung Speers gegeben. Der Führer hat ihm ernste Vorwürfe gemacht, daß Speer sich zu stark von der Wirtschaft vor ihren Wagen spannen lasse, und daß er Tendenzen vertrete, die mit der nationalsozialistischen Auffassung vom Kriege nicht in Übereinstimmung gebracht werden können. Speer gibt denn auch klein bei; immerhin aber erreicht er vom Führer, daß der letzte Erlaß des Führers bezüglich der Zerstörung unserer Wirtschaftsgrundlagen in den von den Angloamerikanern besetzten Gebieten dahin abgemildert wird, daß auch eine Lähmung erlaubt ist, wenn sie zum gewünschten Ziel führt, und daß weder Zerstörung noch Lähmung von Industrie und Rüstungsanlagen gestattet ist, wenn die Rüstungsproduktion - wenn auch unter starken Gefahren - noch fortgesetzt werden kann." Hitler habe sich über die laue Haltung Speers in Fragen der Rüstung beschwert und sei „sehr ungehalten darüber, daß er diese Arbeit in der Hauptsache selbst machen muß. ... Speer sei doch nicht die starke Persönlichkeit ... Saur überrage ihn sowohl an Energie wie auch an Improvisationskunst."225 Eine Analyse der beschriebenen Ereignisse darf sich jedoch nicht auf die Person des Rüstungsministers und seine integrative Aktivität beschränken. Die Bestrebungen zur „Erhaltung der Substanz" wurden von einer beachtlichen Zahl von Beteiligten getragen, die sich - jeweils wieder in ihrem Kreis - in ähnlicher Weise wie Speer gegen den Nerobefehl und seine Auswirkungen zur Wehr setzten. Verschiedentlich waren es auch Arbeiter und Angestellte, die sich - mit oder ohne politische Motivation, mit oder ohne Fühlungnahme mit den Betriebsleitungen - gegen die Zerstörung ihrer Arbeitsstätten wandten und Vorbereitungen zu ihrer Verteidigung trafen. Dies bleibt ein Feld für Untersuchungen, die sich auch auf den Herbst 1944 und, im Osten, auf die Zeit seit Mitte Januar 1945 erstrecken müssen. An Speers Seite standen zunächst die Spitzenbeamten seines Ministeriums, unter den Amtschefs zumindest Kehrl, Hupfauer, Hettlage und Schulze-Fielitz, ferner ganz überwiegend die führenden Köpfe seiner Rüstungsorganisation (Rüstungsbevollmächtigte, Vorsitzer der Rüstungskommissionen, Hauptausschuß- und Hauptringleiter usw.). Die aktivsten Gegner der Politik der „Verbrannten Erde" auf deutschem Boden stellte verständlicherweise die Industrie selbst. Das Zentrum des Kampfes gegen den Nerobefehl war der Ruhrstab unter Vogler und Rohland. Hier entstand nicht nur jene Strategie in ihren Grundzügen, nach der der Rüstungsminister vorging. Vogler, Rohland und ihre Mitarbeiter verhandelten auch selber ständig mit den militärischen Befehlshabern und Stäben und mit den Gauleitern. Am 30. März, als Hitler seinen neuen Erlaß unterschrieb, nahmen sie erstmals mit den Generalen 225 BÄK, NL 118/59, Goebbels-TB, Eintr. v. 31.3.1945.

668

Agonie und Katastrophe 1945

wegen einer kampflosen Übergabe des Ruhrgebiets Fühlung auf. Zur gleichen Zeit wurden Hitler-Erlaß und Durchführungsbestimmungen „flugblattartig verbreitet".226 Man war also im Ruhrstab bereit, in den Kampf um die „Erhaltung der Substanz" auch breitere Kreise der Bevölkerung bzw. der Arbeiterschaft einzubeziehen. Unter den Kommunalpolitikern und auch unter den Gauleitern war die Zahl derer nicht klein, die die Position Speers und der Industrie mehr oder weniger entschlossen unterstützten. Eine sicher größere, akutere Gefahr als von dem Häuflein fanatisierter Gauleiter ging von den Militärs aus, die ebenso Befehle „von oben" blind-gehorsam auszuführen wie „militärische Gesichtspunkte" arrogant zu vertreten gewohnt waren. Eine Stütze des Rüstungsministers in jenen Tagen und Wochen bildete eine kleine Gruppe von Offizieren des Heeres, voran Generalstabschef Guderian, der freilich Ende März „beurlaubt" wurde.227 Speer erwähnte als kooperationswillig besonders Generaloberst Gotthardt Heinrici, OB der Heeresgruppe „Weichsel", und Panzergeneral Thomale. Im Westen unterstützte ihn Hausser; Model hingegen schwankte und entzog sich jeder klaren Entscheidung. Ein unberechenbarer Gegner der Speerschen Strategie blieb „das in seiner radikalen Haltung völlig verrannte OKW".228 Die Bedeutung der Aktionen gegen den Nerobefehl ging also weit über die der Intervention Speers bei Hitler hinaus. Zu fragen ist, ob das Wirken Speers und der anderen Gegner des Befehls im Lande - die nachdrückliche Argumentation und Propaganda für die „Erhaltung der Substanz" - unter den damaligen Umständen nicht von größerer Wichtigkeit war als der Erfolg des Ministers im Führerbunker. Die tatsächliche Rolle des Nerobefehls sollte nicht überbewertet werden, ebenso wenig aber auch die der ihn de facto widerrufenden Befehle des 30. März und der ersten Aprilwoche. Der Hitlersche Wille war in jenen Wochen nicht mehr allgegenwärtig, seine Befehle galten nicht mehr unangefochten. Die Wirkung des Nerobefehls wäre schließlich in jedem Fall weitgehend paralysiert worden, wenn nicht durch den mehr oder weniger weit verbreiteten Widerstand der Betroffenen, dann durch die „chaotischen Befehlsverhältnisse"229, die inzwischen herrschten. Tabelle 136 Verhandlungen des Ruhrstabs im Ruhrkessel von der Einschließung durch die Alliierten ( 1. April 1945) bis zum Ende der Kampfliandlungen (17. April 1945) nach Aufzeichnungen von Walter Rohland 30./31.3. Erste Fühlungnahme mit AOK 5 betr. evtl. Übergabe. Generaloberst Harpe schlägt Besprechung bei Model vor. Am 31. abends Besprechung bei Gauleiter Hoffmann. Auch dort Vorstoß zur Übergabe. Dr. Vogler unterstützt meine Vorschläge. Ergebnis nochmalige Besprechung bei AOK 5 und Heeresgruppe B. 1 ,/2.4. Besprechung wie vorgesehen. Generaloberst Harpe teilt meine Auffassung. Generalfeldmarschall Model muß mir zunächst recht geben. Kann sich jedoch zu einem entsprechenden Entschluß nicht durchringen.

226 Wie Anm. 217 (Bl. 21). 227 „Wir hatten häufige und enge Fühlung miteinander." (Guderian in s. Vernehmg. am 10.5.1946; IMG, Bd. 41, S. 513, Dok. Speer -44). 228 IMG, Bd. 41, S. 494, Dok. Speer-42, Vernehmg. Rohland, 20.5.1946. 229 Speer, Erinnerungen, S. 464.

Die „Erhaltung der Substanz"

669

Tabelle 136 (Fortsetzung) 8.4.

9.4.

10.4.

12.4. 13.4.

14.4.

Erneuter Vorstoß Vogler - Rohland bei Feldmarschall Model. In diesem Zusammenhang nimmt letzterer Fühlung mit General von Lüttwitz, der ebenfalls für Übergabe ist. Auf Grund neuer Weisungen [Hitlers und Speers] wurden mit der Heeresgruppe Β neue Verhandlungen geführt, um unnötige Brückensprengungen zu vermeiden. Auf diese Besprechungen hin gab in der Nacht Generalfeldmarschall Model einen Befehl heraus, wonach Brücken, die Versorgungsleitungen (Kabel, Strom, Wasser, Gas) tragen, nicht gesprengt werden dürfen. Auf Grund eines Einspruchs von General von Alvern erfolgt insofern eine Einschränkung, als vorher für die nicht zu sprengenden Brücken Genehmigung von Generalfeldmarschall Model eingeholt werden muß. Erneute Besprechung beim Chef des Stabes [Heeresgruppe B], General Wagener. Ing. Flach wird über Dr. Vogler in Marsch gesetzt, um die freizugebenden Brücken bei der Heeresgruppe sicherzustellen. Für sechs Ruhrbrücken wird die Sprengung aufgehoben. Besprechung bei General von Lüttwitz [betr. Übergabe] in positivem Sinne. Erneute Besprechung bei General von Lüttwitz, der vorschlägt, nochmals bei Generalfeldmarschall Model trotz des neuen, vollkommen unverständlichen Führerbefehls, wonach Übergaben nicht mehr in Frage kommen und entsprechend geahndet werden sollen, vorzusprechen. Am gleichen Tage nochmals bei der Heeresgruppe B. Nach einer längeren Besprechung mit dem Chef des Stabes, General Wagener, mußte der letzte Versuch, den Kessel zu übergeben und dadurch wertvolles Blut zu ersparen, weitere wahnsinnige Zerstörungen zu vermeiden und eine ordnungsgemäße Übergabe zu gewährleisten, endgültig aufgegeben werden. Kurze Schlußbesprechung bei General von Lüttwitz, der nunmehr auch keine Möglichkeit mehr sieht.

Quelle: Wie Anm. 217.

c) Industrielle Ausgangspositionen

für die

Nachkriegszeit

Über welches nutzbare Anlagevermögen verfügte die deutsche Industrie am Ende des Krieges? Soll das kriegswirtschaftliche Geschehen unter dieser Fragestellung bilanziert werden, so muß dem industriellen Anlagefonds (Bruttoanlagevermögen) die Summe der Abschreibungen und der Kriegsschäden gegenübergestellt werden. Die Investitionskraft der deutschen Wirtschaft, die 1939, auf ihrem Höhepunkt, weit über dem Stand von 1928 lag, hielt in den ersten vier Kriegsjahren das Niveau der letzten Vorkriegsjahre. Tabelle 137 Volkswirtschaftliche Anlageinvestitionen, 1928, 1932-1944 (in Mrd. RM) 1928

13,7

1932 1933 1934

4,2 5,1 8,2

Agonie und Katastrophe 1945

670 Tabelle 137

(Fortsetzung)

1935 1936 1937 1938 1939

10,3 11,4 12,9 15,3 17,3

1940 1941 1942 1943 1944

15,3 15,0 15,2 13*

9*

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, München 1949, S. 604 (bis 1934); Petzina, S. 183,Tab. 17 (1935-1942). *) Meine Schätzung.

Sie konzentrierte sich im Krieg, je länger, desto mehr auf die Industrie, auf Kosten von Wohnungswirtschaft, Verkehr, Land- und Forstwirtschaft, öffentlicher Verwaltung (ohne Wehrmacht).230 So kletterten die industriellen Anlageinvestitionen auf eine absolut und relativ bis dahin nicht erreichte Höhe: auf das Doppelte derjenigen eines „normalen" Konjunkturjahres - etwa 1928 oder 1937 - und auf mehr als das Zwölffache gegenüber dem Krisenjahr 1932. Sie sanken auch 1944 kaum unter das Niveau von 1938 und lagen damit immer noch um ein Drittel über dem Vorkrisenhöchststand von 1928. Tabelle 138 Industrielle Anlageinvestitionen,

1928,

1932-1944

Mill. RM (nicht preisbereinigt)

Index ( 1 9 2 8 = 100)

1928

2 615

100

19,1

1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942

439 557 1 060 1 636 2 159 2 843 3 691 4 432 4 867 5 261 5 571

17 21 41 63 83 109 141 169 186 201 213

10,4 11,0 13,0 15,9 18,9 22,0 24,1 25,8 31,8 35,1 36,7

230 Siehe auch II, S. 381 ff.

Anteil an den volkswirtschaftlichen Anlageinvestitionen (Prozent)

671

Die „Erhaltung der Substanz" Tabelle 138 (Fortsetzung)

1943 1944

Mill. RM (nicht preisbereinigt)

Index (1928= 100)

Anteil an den volkswirtschaftlichen Anlageinvestitionen (Prozent)

4 913 3 509

188 134

ca. 40 ca. 40

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland, S. 605 (bis 1939); Krengel, Rolf, Die langfristige Entwicklung der Brutto- Anlage-Investitionen der westdeutschen Industrie von 1924 bis 1955/56. In: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, 2/1957, S. 170 ff.; Kupky, Helmut, Die langfristige Entwicklung der Brutto-Anlage-Investitionen der mitteldeutschen Industrie von 1924 bis 1955. In: Ebenda, S. 398 ff. (für 1940-1944). - Zur Interpolation der Zahlen von Krengel und Kupky s. II, S. 381. Die Richtung dieses einzigartigen Investitionsschubs war eindeutig. Es waren die Zweige der Rüstungsindustrie, die den Investitionsfonds immer einseitiger, immer ausschließlicher ausschöpften. Von den Ausrüstungsinvestitionen (Maschineninvestitionen) für die Industrie gingen 1943 30 Prozent in die Rüstungsendfertigung und 54 Prozent in die Grundstoffindustrien. Von den Bauinvestitionen bekamen beide 89 Prozent. Für die Maschineninvestitionen liegt eine „verbesserte" Aufstellung des Planungsamtes vor.231 Tabelle 139 Maschineninvestitionen, 1943 (in Mill. RM) Insgesamt davon: Industrie Energiewirtschaft Verkehr Handwerk Landwirtschaft Forstwirtschaft Handel, Banken, Versicherungen, Fremdenverkehr Verwaltung Hauswirtschaft

5 028

Industrie insgesamt davon: Rüstungsendfertigung Grundstoffe Übrige Fertigung Bauindustrie, Baustoffe

3 895

3 895 79 502 35 433 1 30 53 ?

1 174 2 191 328 131

231 BÄK, R 3/1960, Bl. 175, Aufstellung v. 15.9.1944; ebenda, Bl. 165, Aufstellung üb. d. Bauinvestitionen v. 23.7.1944; s. a. II, S. 376 u. 380, Tab. 95 u. 99; Weyres-v. Levetzow, S. 115 f.

Agonie und Katastrophe 1945

672 Tabelle 139 (Fortsetzung) Rüstungsendfertigung insgesamt davon: Triebwerke Munition Panzer Waffen Flugzeugzellen Elektrotechnisches Kriegsgerät Flugzeugausrüstung Kraftfahrzeuge Sonstiges Wehrmachtsgerät Schiffe Unterwasserwaffen Pulver und Sprengstoff Feinmechanisches und optisches Kriegsgerät Nicht aufteilbarer Rest

1 174

Grundstoffindustrie insgesamt davon: Bergbau Eisen und Stahl Metallindustrie Mineralölindustrie Chemieindustrie Holzverarbeitende Industrie Steine und Erden

2 191

Übrige Fertigung insgesamt darunter: Gießereiindustrie Werkstoffverfeinerung Lebensmittelindustrie Maschinenbau Metallhalbzeug, Metall-, Eisen-, Stahl- und Blechwaren Zuckerindustrie Elektrotechnische Erzeugnisse Fahrzeugindustrie

181 176 119 118 73 57 51 42 35 27 6 6 5 278

1 384 243 3 243 298 9 11 328 60 42 40 39 35 25 23 15

Quelle: BÄK, R 3/1960, Bl. 175, „Maschineninvestitionen 1943, gegliedert nach den Fertigungen des Gesamtaufwandsplans der deutschen Volkswirtschaft. Großdeutsches Reich ohne Protektorat (Annäherungswerte). Verbessertes Ergebnis", 15.9.1944. So außergewöhnlich stark das industrielle Anlagevermögen auch wuchs und sich modernisierte, so disproportional waren Wachstum und Modernisierung. Die Disproportionen zwischen Rüstungsindustrie und ziviler Fertigung waren noch krasser, als es die Gliederung der

Die „Erhaltung der Substanz"

673

vorstehenden Tabelle zu erkennen gibt. So waren die oben aufgeführten Zweige der „übrigen Fertigung" in ihrer Mehrheit Zweige der Rüstungsindustrie bzw. überwiegend für die Wehrmacht tätig. Ein Dutzend weiterer Zweige vorwiegend zivilen Charakters waren dagegen mit insgesamt gerade 21 Millionen RM beteiligt, darunter Bekleidungs-, Leder- und Schuhindustrie, Druck, Papierwaren, Keramische und Glasindustrie, Brauerei- und Spirituosenindustrie. Schwer benachteiligt waren auch Zweige der Investitionsgüterindustrien wie die Bauindustrie und solche Bereiche des Maschinen-, Fahrzeug- und Schiffbaus, die für zivile Zwecke und für Konsumgüterindustrien produzierten. In diesen Zweigen und Bereichen veraltete der Produktionsapparat. Im Krieg setzte sich jene Hypertrophie der Produktionsmittelindustrien gegenüber den Konsumgüterindustrien durch, die mit der forcierten Rüstungskonjunktur in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre eingesetzt hatte. Damals war der Anteil der Produktionsmittelindustrien an den gesamten industriellen Anlageinvestitionen, dessen Normalsatz vorher unter 70 Prozent gelegen hatte, von 75 Prozent (1935) auf 81 Prozent (1939) geklettert.232 Nach Schätzungen erhöhte er sich während des Krieges auf 87 Prozent. Tabelle 140 Anteil der Industrieabteilungen an den industriellen Anlageinvestitionen, Produktionsmittelindustrien (Mill. RM)

darunter: Investitionsgüterindustrien Prozent

1936-1944 Konsumgüterindustrien (Mill. RM)

Prozent

Prozent

1936 1937 1938 1939

1650 2 279 3 002 3 671

76 80 81 83

440 611 757 911

20 21 21 21

464 534 633 722

21 19 17 16

1940 1941 1942 1943 1944

4 4 4 4 3

84 86 87 87 87

1 031 1 158 1 341 1 255 936

21 22 24 26 27

715 702 690 614 424

15 13 12 12 12

105 509 830 254 056

Quelle: Krengel, Die langfristige Entwicklung, S. 170; Kupky, S. 398. D i e Investitionspolitik im Krieg führte zu schnellen und folgenschweren Veränderungen in der Kapitalstruktur. In jenen Industriezweigen, die ohnehin schon am stärksten monopolisiert waren, nahm die Kapitalkonzentration ganz unverhältnismäßig zu. Dieser Prozeß wurde bedeutend verstärkt und beschleunigt durch eine außergewöhnlich kräftige Rationalisierungswelle in der Rüstungsindustrie. 233 D i e Verbindung von Investitionen und Rationalisie-

232 Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, München 1949, S. 605. 233 Siehe II, S. 293 ff.

674

Agonie und Katastrophe 1945

rung führte dort zu erheblichen Fortschritten in der Technik, in der Technologie und in der Organisation der Produktion. Zu den modernsten, durchrationalisierten Betrieben zählten die meist als Zweigwerke der führenden Konzerne neu errichteten Betriebe für Panzer, Flugzeuge, Geschütze usw., die ausschließlich Großserien ein und desselben Typs produzierten. Die genannten Fortschritte konzentrierten sich also in höchst einseitiger Weise gerade bei den großen Rüstungskonzernen und -profiteuren. Über reale Auswirkungen von Investitionspolitik und Rationalisierung und die im Krieg entstandenen volkswirtschaftlichen Disproportionen gibt in gewisser Weise die unterschiedliche Produktionsentwicklung in den einzelnen Industriebereichen und -zweigen Aufschluß. Freilich sind bei Zahlen für 1944 auch andere Faktoren zu berücksichtigen, etwa beim Rückgang des Bergbaus. Tabelle 141 Volumenindex der Industrieproduktion,

1939 und 1944 (1936 = 100;

preisbereinigt)

1939

1944

Bergbau- und Grundstoffindustrien darunter: Bergbau Eisen- und Stahl-, Nichteisenmetallund Gießereiindustrie Chemische und Kraftstoffindustrie

121,1

137,5

125,2

119,0

114,7 136,6

138,7 172,9

Investitionsgüter- und Bauindustrie darunter: Maschinen-, Stahl- und Fahrzeugbau (einschließlich Flugzeug- uñd Schiffbau) Elektroindustrie Feinmechanische und optische Industrie Bauindustrie

137,5

165,0

184,7 173,0 126,4 73,5

243,1 171,3 191,4 28,3

Konsumgüterindustrien darunter: Textilindustrie Papierindustrie und Druckgewerbe Nahrungs- und Genußmittelindustrie

98,7 112,6 136,0

74,1 82,4 104,0

Gesamte

126,2

129,1

Industrie

Quelle: Gleitze, Bruno, Ostdeutsche Wirtschaft, Berlin 1956, S. 169.

Im Jahre 1944 ging das stürmische Wachstum der für die Rüstung relevanten industriellen Kapazitäten in Abbau über. Der Krieg zerstörte jetzt auch in Deutschland mehr, als aufgebaut wurde. Die Summe der industriellen Investitionen erreichte zwar ein verhältnismäßig immer noch hohes Niveau, sank aber gegenüber 1943 um fast 30 Prozent. Die alliierten Luftangriffe verminderten jetzt die industrielle Substanz ernsthaft, und ein wachsender Teil der Investitionen - in Gestalt sowohl von Investitionsgütern als auch von Baukapazität - diente der Wie-

Die „Erhaltung der Substanz"

675

derherstellung zerstörter Industrie- und Verkehrsanlagen oder wurde für die ober- und unterirdische Verlagerung eingesetzt. Um den 18. August 1944 schlug der Rüstungsminister dem „Führer" vor, sämtliche Industrieinvestitionen auszusetzen. Hitler verfügte in seinem Sinne, „daß auf neun Monate der Ausbau der gesamten Industrie, soweit sie nicht kurzfristig fertiggestellt wird, abgestoppt wird" und daß „die für den Ausbau der Industrie notwendigen Geräte im weitesten Sinne (einschließlich der Landwirtschaft) zunächst ausfallen können".234 Kapazitäten und Arbeitskräfte des Maschinenbaus sollten so für die unmittelbare Rüstung freigemacht werden. Er sei entschlossen, so Speer in einer Rede vor dem Rüstungsstab, „dieses grausame Werk ..., die Ausplünderung - wenn wir es so scharf ausdrücken sollen - des Maschinenbaus radikal durchzuführen; wir müssen hier Scherben riskieren ... und müssen vielleicht die eine oder andere schwere Panne in Kauf nehmen, die nachher wieder ausgebügelt werden kann." 235 Im letzten Kriegsjahr veränderte sich die Bilanz des Anlagevermögens einschneidend ins Negative. Die Höhe der Kriegsschäden spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Kriegsschäden am industriellen Anlagevermögen entstanden in erster Linie durch die Luftbombardements, ferner seit dem Spätherbst 1944 und besonders in der letzten Kriegsphase seit Januar 1945 - durch unmittelbare Kampfhandlungen in Deutschland, und schließlich durch Zerstörungsmaßnahmen deutscher Truppen und Dienststellen. Das Gesamtausmaß der Kriegsschäden in der Industrie ist schwer festzustellen. Es wird aber im allgemeinen - schon unter dem Eindruck der Zerstörung zahlloser städtischer Wohnviertel und ganzer Städte aus der Luft - stark überschätzt. Die massierten und gezielten Angriffe alliierter Luftstreitkräfte führten nicht vor Frühjahr/Sommer 1943 zu einer ernsthaften Beeinträchtigung industrieller Kapazitäten. Erst 1944 zerstörten fortgesetzte Großangriffe in zunehmendem Maße die Anlagen ganzer Industriezweige. Außerdem waren in der Regel die Gebäudeschäden nicht nur auffälliger, sondern auch viel schwerwiegender als die Schäden an den maschinellen Anlagen im Innern der Gebäude; eine Tatsache, auf die auch die Rechercheure des USSBS immer wieder stießen. Nach Schätzungen von Krengel für die Westzonen belief sich die aus den Luftangriffen resultierende Schadenshöhe 1943 auf zwei Prozent, 1944 auf zehn Prozent und von Januar bis April 1945 auf 7,5 Prozent des industriellen Bruttoanlagevermögens vom jeweiligen Vorjahr. Theoretisch ergibt sich daraus ein Rückgang des industriellen Bruttoanlagevermögens, bezogen auf 1939, um 23 Prozent; praktisch muß aber der Zeitwert der zerstörten bzw. beschädigten Anlagen berechnet werden, d. h. der um die üblichen Abschreibungssätze verringerte Neuwert. Die Schäden am Anlagevermögen nach dem Zeitwert betrugen schätzungsweise 17 Prozent.236

234 FB, 18.-20.8.1944, Punkt 2. 235 BAP, FS, Film 1740, Rede v. 21.8.1944. 236 Krengel, Rolf, Anlagevermögen, Produktion und Beschäftigung der Industrie im Gebiet der Bundesrepublik von 1924 bis 1956, Berlin 1958, S. 76 u. passim.

Agonie und Katastrophe 1945

676 Tabelle 142 Brutto- und Nettoanlageinvestitionen nach dem Stand von 1950)

in der westdeutschen Industrie, 1933-1945

(in Mill. DM; Preise

Bruttoanlageinvestitionen

abzüglich: Abschreibungen

1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939

619 1 143 1 819 2 366 3 113 3 967 4 729

1472 1 504 1533 1 575 1 641 1 732 1 857

-853 -361 +286 +792* +1472 +2 235 +2 872

1940 1941 1942 1943 1944 1945

5 5 5 5 3

2 2 2 2 2 2

+3 +3 +3 +1 -3 -5

261 537 869 079 541 778

000 175 355 534 587 008

Kriegsschäden

876 4515 3 290

Demontagen

767

Rest: Nettoanlageinvestitionen

255 361* 514 669 561 287

*) Differenz infolge von Auf- und Abrundung. Quelle: Krengel, Anlagevermögen, S. 105. - Die Bruttoinvestitionszahlen stimmen mit denen der vorangegangenen Tabellen wegen anderer Währungsbasis nicht überein.

Für die Zeit seit Januar 1944 stellte Krengel fest: „Ab 1944, als sich die Wirkung der Luftangriffe vervielfachte, schrumpfte in allen Bereichen der Industrie das Brutto-Anlagevermögen der westdeutschen Industrie so stark, daß im Saldo der Investitionen einerseits, der Kriegsschäden andrerseits in den letzten sechzehn Monaten des Zweiten Weltkrieges das BruttoAnlagevermögen der westdeutschen Industrie im Durchschnitt dieser Zeit jeden Monat um 1 v. H. verringert wurde, anfangs weniger, später wesentlich mehr." 237 Im Durchschnitt des untersuchten Zeitraums dürfte die Industrie, wenn auch nicht in allen Teilen „Großdeutschlands", so doch auf dem späteren Gebiet der Ostzone wie dem der Westzonen annähernd in verhältnismäßig gleicher Stärke betroffen worden sein. Über die Schäden während der Kämpfe auf deutschem Boden gibt es keine verläßlichen Schätzungen. Im Vergleich zur Zerstörung von Brücken, Straßen und anderen Verkehrsanlagen und zur Beschädigung der Wohnsubstanz in Städten und Dörfern durch Beschüß, Häuserkampf und Sprengungen dürfte der Schaden an industriellen Anlagen geringer gewesen sein. Besonders hart wurden durch die Endkämpfe der letzten Kriegswochen die östlichen Gebiete Deutschlands - vor allem Berlin und die Mark Brandenburg - betroffen.238 237 Ebenda, S. 13 f. 238 Siehe Barthel, Horst, Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen der DDR. Zur Wirtschaftsentwicklung auf dem Gebiet der DDR 1945-1949/50, Berlin 1979, S. 42 f.

677

Die „Erhaltung der Substanz"

Für das Territorium des britisch-amerikanischen Besatzungsgebiets stellt Abelshauser fest, daß „der reale industrielle Kapitalstock ... in den Jahren 1936 bis 1945 trotz Bombenkrieg und - in den letzten Kriegsjahren - unterlassener Investitionen um 20,6 Prozent gewachsen" sei. „Andererseits hätte der Kapazitätszuwachs ohne Kriegszerstörungen ceteris paribus 38 Prozent des Basisvermögens betragen."239 Nach den Statistiken von Krengel ergeben sich detailliertere Werte. Tabelle 143 Brutto- und Nettoanlagevermögen dem Stand von 1950)

der westdeutschen Industrie, 1933-1945

(in Mrd. DM; Preise nach

Bruttoanlagevermögen

Nettoanlagevermögen

1933 1934 1935

51,11 50,58 50,58

25,82 25,21 25,18

1936 1937 1938 1939

51,18 52,42 54,46 57,29

25,72 26,85 28,70 31,25

1940 1941 1942 1943 1944 1.5.1945*

60,61 64,33 68,48 71,66 69,72 61,80

34,32 37,63 41,06 43,66 42,72 37,20

*) Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Quelle: Krengel, Anlagevermögen, S. 16; S. 23; S. 94; S. 96.

Setzt man die Schätzung für den 1. Mai 1945 ins Verhältnis zum Stand von 1936 und 1939, so erhält man beim Bruttoanlagevermögen Zuwachssätze von 20,75 bzw. 7,87 Prozent, d. h., der Stand des Bruttoanlagevermögens bei Kriegsende lag um fast 21 Prozent über dem Stand von 1936 und immer noch um fast acht Prozent über dem von 1939. Aus der Statistik des Bruttoanlagevermögens lassen sich - im Vergleich zur Nettoanlagevermögensstatistik - aufschlußreichere Werte hinsichtlich der realen Produktionskapazität ablesen, da „industrielle Anlagen in der Regel während ihrer gesamten (durchschnittlichen) technischen Lebensdauer in annähernd gleichem Umfang Güter ausstoßen".240 Die Berechnungen auf der Grundlage des Nettoanlagevermögens, also auf der Basis des Zeitwerts der Anlagen, ergeben demgegenüber wesentlich höhere Prozentsätze (44,6 bzw. 19 Prozent), 239 Abelshauser, Werner, Wirtschaft in Westdeutschland 1945 bis 1948. Rekonstruktion und Wachstumsbedingungen in der amerikanischen und britischen Zone, Stuttgart 1975, S. 118. - Von „unterlassenen Investitionen" kann in bezug auf die Industrie nur für 1944/45 die Rede sein. 240 Ebenda, S. 114 f.

Agonie und Katastrophe 1945

678

weil sich hierin der hohe durchschnittliche Neuheitsgrad des industriellen Anlagevermögens infolge der bedeutenden Investitionen der Kriegsjahre widerspiegelt. Für das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone treffen mit Sicherheit ähnliche Werte zu.241 Das Anlagevermögen der westdeutschen Industrie ist schließlich auch für den ungefähren Tiefpunkt nach der Weltwirtschaftskrise (1. Januar 1935) und für den Höhepunkt während des Krieges (1. Januar 1944) im Vergleich zum 1. Mai 1945 geschätzt worden. Tabelle 144 Brutto- und Nettoanlagevermögen der westdeutschen Industrie, 1. Januar 1935, 1. Januar 1944, 1. Mai 1945 (in Mrd. DM; Preise nach dem Stand von 1950)

1. Januar 1935 1. Januar 1944 1. Mai 1945

Bruttoanlagevermögen

Nettoanlagevermögen

50,4 72,7 61,8

25,0 44,5 37,2

Quelle: Krengel, Anlagevermögen, S. 16; S. 23.

Also hat der Umfang der Investitionen in der Industrie die Bomben- und anderen Kriegsschäden bei weitem aufgewogen. Deutschland stand am Ende des Krieges tatsächlich mit einem stärkeren industriellen Potential da als bei Kriegsbeginn. Die Folgen der Investitionskonjunktur zeigten sich überdies in der Alterszusammensetzung und im „Gütegrad" der industriellen Anlagefonds, die bei Kriegsende ihre „günstigste Konstellation" hatten.242 Allerdings war dieses Potential durch die Hypertrophie der kriegswichtigen Grundstoffindustrien, darunter der synthetischen Produktion, und der Rüstungsindustrie im engeren Sinne sowie durch Kapitalabbau in vielen Zweigen der Konsumgüterindustrie strukturell deformiert. Auch sollte der Zusammenbruch der Infrastruktur, besonders des Verkehrswesens, es noch lange lahmlegen. Die Geschichte der deutschen Industrie in den ersten Nachkriegsjahren ist bereits ein anderes Thema. In seinem Zusammenhang sind neue ökonomische Tatsachen zu analysieren (Umstellung auf Friedenswirtschaft, Demontagen und Reparationen, Unterinvestition, Entflechtung, Auswirkungen der Zonentrennung bzw. der Spaltung Deutschlands). Vor allem aber spielen dabei grundlegende politische Veränderungen eine Rolle, die einen diametral

241 Ob für die Gebiete östlich von Oder und Neiße, für Österreich und für die von 1939 bis 1945 annektierten polnischen Gebiete stärker abweichende Werte zu erwarten sind, ist unklar. Sicherlich stieg die Investitionsrate 1943 und 1944 in diesen Gebieten schneller als im übrigen Reich; für die Jahre 1940 und 1941 gilt wohl eher das Umgekehrte. Mit Sicherheit zu hoch gegriffen ist folgende Pauschalangabe über die Kriegsschäden auf dem Gebiet der DDR: „Summiert übertrafen jedoch die Kriegszerstörungen den Kapazitätszuwachs" (Handbuch für Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2, Berlin 1981, S. 1047); auch die Aussage, daß in der Industrie „insgesamt etwa 40 Prozent der vorhandenen Kapazitäten zerstört worden" sind (Barthel, S. 44), ist irrig. 242 Abelshauser, S. 124 ff.; S. 129. Unter „Gütegrad" wird das Verhältnis von Netto- zu Bruttoanlagevermögen verstanden.

Die „Erhaltung der Substanz"

679

entgegengesetzten Verlauf in der sowjetischen und in den westlichen Besatzungszonen nahmen. Die untersuchten Fakten der deutschen Kriegskonjunktur drückten nichtsdestoweniger der Nachkriegsgeschichte ihren Stempel auf. Sie entkleiden das westdeutsche „Wirtschaftswunder" der „freien Marktwirtschaft" allen mirakelhaften Scheins. „Wer an das .Wirtschaftswunder' glaubt", so stellte Krengel schon 1958, immerhin zurückhaltend, fest, „vermindert bei seinem ,Beweis' die Vorkriegsproduktionskraft der Bundesrepublik gedanklich nur um die kriegsbedingten Kapazitätsverluste und beachtet das zur gleichen Zeit erfolgte Kapazitätswachstum nicht."243 Hinter den nüchternen Zahlen verbarg sich allerdings eine erschreckende Wirklichkeit. Der angehäufte Reichtum an industriellem Sachvermögen, das Krieg und Bombardements überstanden hatte und nun als unschätzbares Fundament des wirtschaftlichen Aufstiegs der Bundesrepublik diente, war teuer bezahlt worden, bezahlt von den eigentlichen Verlierern des Krieges. Deutsche Arbeiter, Ausländer, Kriegsgefangene und Konzentrationslagerhäftlinge hatten jene Werte geschaffen, unter einem Regime der Ausbeutung und Rechtlosigkeit, grausamer Leiden und zehntausendfachen Hungers und Todes; die Bevölkerung besetzter Gebiete hatten sie mit ihrer Verelendung mitbezahlt. Ja, die deutsche Bevölkerung zahlte auch nach dem Mai 1945 noch dafür, als sie Monate und Jahre schweren Mangels durchlebte und schließlich durch die Währungsreform neun Zehntel ihrer Gelderspamisse verlor, während das industrielle Sachvermögen zum vollen oder höheren Wert in die DM-Eröffnungsbilanzen eingesetzt wurde. Die gleichen Fakten der Kriegskonjunktur sind auch auf dem Gebiet der späteren DDR wirksam gewesen. Die verschiedentlich vertretene Auffassung, daß die Kriegsinvestitionen den industriellen Rückstand dieses Gebiets gegenüber dem Westen Deutschlands verringert hätten, mag auf bestimmte Bereiche, etwa des Maschinen- und Fahrzeugbaus zutreffen, wo das Aufholen indessen in der Regel schon in den letzten Vorkriegsjahren einsetzte. Doch dafür machte sich der Mangel an Grundstoffindustrien, besonders an Steinkohlenbergbau, Eisenmetallurgie, Zementindustrie, ferner an wesentlichen Zweigen der Chemieindustrie nach Kriegsende um so gewichtiger geltend. Bei den industriellen Investitionen, die in den Kriegsjahren in diesem Teil Deutschlands getätigt wurden, handelte es sich, im Unterschied zum Westen, offensichtlich zu einem größeren Prozentsatz um reine Rüstungsinvestitionen, d. h. um solche Anlagen, die unmittelbar und ausschließlich für die Wehrmacht produzierten und nach Kriegsende zum größten Teil der Demontage anheimfielen oder als Reparationsleistung für die UdSSR abgebaut wurden. 243 Krengel, Anlagevermögen, S. 15.

Kapitel V i l i

Die Kriegsfinanzierung Von Manfred Oertel

Die deutsche Aufrüstung hatte zahlreiche Voraussetzungen dafür geschaffen, eine schnelle Umstellung der Wirtschaft auf den Krieg zu gewährleisten, darunter auch auf dem Gebiet von Währung und Finanzen. „Deutschland hatte dadurch in den ersten Kriegsmonaten keine neuen Methoden der Wirtschaftslenkung und der Finanzierung zu improvisieren ... Wohl einer der größten Vorteile gegenüber 1914 ist darin zu sehen, daß 1939 dem Deutschen Reich ein straff zentralisiertes Steuer- und Finanzsystem zur Verfügung stand." 1 Die Kriegsfinanzierung umfaßt „gleichzeitig ein geldwirtschaftliches und ein güterwirtschaftliches Problem. Als Problem der Güterbeschaffung stellt sich für die Volkswirtschaft die Frage: Wie beschafft sich der Staat die zur Kriegführung notwendigen Güter? Als Problem der Staatsfinanzwirtschaft lautet die geldwirtschaftliche Parallelfrage: Wie bezahlt der Staat die zur Kriegführung notwendigen Güter?" 2 Die Kriegführung verlangt „ein ganzes System wirtschaftspolitischer Maßnahmen der Erzeugungs-, Investitions- und Verbrauchslenkung. Die Hauptaufgabe besteht nur darin, daß die Kriegsfinanzpolitik mit der Gesamtheit dieser Maßnahmen in Einklang gebracht wird." 3 Das NS-Regime gewährleistete durch seine Steuerpolitik, durch schrankenlose Kreditaufnahme und staatliche Geldschöpfung sowie durch rücksichtslose Ausbeutung äußerer Quellen einerseits, durch die Preispolitik, drakonische Rationierung und Kontingentierung sowie diverse andere Zwangsmaßnahmen andererseits in allen Phasen des Krieges weitgehend einen solchen „Einklang", so daß die Beteiligten auf ihre Kosten kamen - die Rüstungsunternehmen beim „Plündern der Staatskasse" (Lenin) wie auch die Wehrmacht, die ohne ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten mit Waffen, Kriegsgerät, Verbrauchsgütern usw. versorgt wurde. Die Kriegsfinanzierung als Bestandteil des Systems der Kriegswirtschaft umfaßt - die Ausgaben des Staates für die Streitkräfte sowie weitere Ausgaben des Staates im Interesse bzw. im Zusammenhang mit der Kriegführung; - die Aufbringung der dazu erforderlichen Geldmittel durch den Staat, die Quellen für diese

1 Lapp, Klaus, Die Finanzierung der Weltkriege 1914/18 und 1939/45 in Deutschland, Nürnberg 1957, S. 79. 2 Lanter, Max, Die Finanzierung des Krieges. Quellen, Methoden und Lösungen seit dem Mittelalter bis Ende des zweiten Weltkrieges 1939 bis 1945, Luzern 1950, S. 17. 3 Lanter, S. 68.

682

Die Kriegsfinanzierung

Ausgaben, die Methoden der Beschaffung einschließlich ihrer Ergebnisse und Wirkungen, die teilweise erst nach dem Kriege sichtbar werden.4

1. Kriegsaüsgaben des Staates Als Kriegsausgaben Deutschlands im Rahmen der Kriegsfinanzierung 1939 bis 1945 sind zu werten: 1) der Wehrmachtsetat im Reichshaushalt. Zum Wehrmachtsetat rechnen die unmittelbaren Ausgaben für die Wehrmacht. Sie umfassen Personalausgaben und Sachausgaben der verschiedensten Art, also Ausgaben für Besoldung, Verpflegung, Bekleidung, Unterbringung, für Bewaffnung und Ausrüstung sowie für die verschiedensten militärischen und sonstigen Versorgungsgüter, die von der Wehrmacht eingesetzt und verbraucht wurden - Munition, Treib- und Schmierstoffe, Futtermittel usw. Soweit gegen Bezahlung in Anspruch genommen, sind auch für militärische Zwecke erbrachte Leistungen einzubeziehen. 2) Ausgaben für den Familienunterhalt und die Hinterbliebenenversorgung. Diese Ausgaben wurden meist als Zivilausgaben ausgewiesen. Von der Natur der Sache her ist es geboten, sie zu den Militärausgaben zu rechnen; sie stellten letztlich die notwendige Ergänzung der Besoldung dar. 3) Im weiteren sind alle anderen Ausgaben des Staates - sowohl aus dem Reichshaushalt als auch aus dem Haushalt der Länder und Gemeinden - , die im Interesse oder im Zusammenhang mit der Kriegführung getätigt wurden, als Kriegsausgaben zu betrachten. In Anlehnung an die Begriffsbestimmung der „Kriegsproduktion" 5 betrifft das alle finanziellen staatlichen Aufwendungen, die nicht eindeutig und ausschließlich für zivile Zwecke bestimmt waren und den normalen friedensmäßigen Bedürfnissen im zivilen Bereich entsprachen. Danach sind als Kriegsausgaben im weiteren Sinne zu betrachten: staatliche Investitionen für vorrangig oder ausschließlich militärisch bedingte Infrastruktur, für staatliche Rüstungsbetriebe; Aufwendungen zur Gewährleistung der Funktionstüchtigkeit der Wirtschaft im Kriege, Schutzbauten für Staat, Wirtschaft und Bevölkerung; direkte staatliche Unterstützung bzw. Kapitalbeteiligung an den privaten Rüstungsunternehmen; Aufwand zum Auf- und Ausbau kriegswichtiger nichtproduktiver Bereiche (Verwaltungsapparat und Lazarettwesen) sowie auch Kosten, die mit der kriegsbedingten Rationalisierung in Wirtschaft und Verwaltung vom Staat getragen wurden. Weiterhin sind die während des Krieges getätigten Entschädigungszahlen bei Bombenund anderen Kriegsschäden zu berücksichtigen. Die Kosten der Finanzierung selbst - Zinszahlungen für die zur Kriegsfinanzierung aufgenommenen Kredite des Reichs - machen einen nicht geringen Posten aus.

4 Ausgaben in der Aufrüstungsperiode vor dem Krieg und Kriegsfolgeausgaben sind jedoch kein Bestandteil der Kriegsfinanzierung. 5 Siehe II, S. 327.

683

Kriegsausgaben des Staates

a) Die Ausgabenseite des Reichshaushalts Die Masse der Kriegsausgaben Deutschlands wurde aus der Reichskasse bestritten; insofern sind die Kriegsausgaben dem Reichshaushalt zuzuschreiben, wenn auch nicht geringe Finanzlasten von den Ländern und Kommunen zu tragen waren. Der Gesamtumfang dieser Art von Ausgaben ist kaum exakt zu ermitteln. Über den Reichshaushalt des Deutschen Reiches wurden nach 1939 keine Angaben von der Reichsregierung veröffentlicht. Zuverlässige, wenn auch teilweise lückenhafte Nachkriegsveröffentlichungen über die Höhe der Einnahmen, Ausgaben und wichtigsten Posten des Reichshaushalts beruhen auf bei Reichsbehörden und in deren Archiven vorgefundenen Verwaltungsdokumenten, die hin und wieder auch nicht ohne Schätzungen auskamen. Die Angaben, die das „Statistische Handbuch von Deutschland 1928-1944 6 enthält, sind grundsätzlich akzeptabel, auch wenn in der Literatur auf der Grundlage neuerer Forschungen und infolge anderer Strukturierung Einzelposten geringfügig anders beziffert werden. Die Reichsausgaben erhöhten sich im Verlaufe des Krieges auf ein Mehrfaches der Vorkriegsausgaben. Exakte, wirklich alle relevanten Posten erfassende Übersichten konnten selbst während des Krieges nicht aufgestellt werden. Fehlerquellen mußten unvermeidlich in dem Streben nach Geheimhaltung wie auch in der Tatsache liegen, daß infolge der unzureichenden Höhe der Einnahmen aus Steuern und Zöllen die zur Kostendeckung fehlenden Finanzmittel quasi per Federstrich auf dem Kreditwege beschafft wurden, wobei weder über die Mittelbereitstellung noch über die Abforderung in den Kriegsjahren genau Buch geführt wurde. In der Praxis der Haushaltsführung wurde während des Krieges alle Planung vernachlässigt.7 Tabelle 145 Ausgaben des Reichshaushalts nach Rechnungsjahren,

1939/1940-1944/1945

(in Mrd. RM)

Rechnungsjahr (April-März)

darunter: Wehrmacht

in Prozent

1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 1944/45

Gesamtausgaben

52,1 78,0 101,9 128,6 153,0 171,3

32,3 58,1 75,6 96,9 117,9 128,4

62,00 74,49 74,19 75,35 77,06 74,96

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, S. 555. Nach: Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt a. M. 1976, S. 400, gelten die Zahlen 1944/45 bis Kriegsende. 6 Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944. Hrsg. vom Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets, München 1949. 7 Die formelle Grundlage der Haushaltsführung lieferte u. a. Görings Verordnung zur Vereinfachung der Haushaltsführung in Reich und Ländern im Rechnungsjahr 1941 vom 12.2.1941 (RGBl. II, S. 37): „Die Sicherstellung der für die Verteidigung des Reichs erforderlichen Mittel hat den unbedingten Vorrang vor allen übrigen öffentlichen Ausgaben." (§1). Siehe auch Verordnung über die

684

Die Kriegsfinanzierung

Tabelle 146 Ausgaben des Reichshaushalts nach Kriegsjahren, 26.8.1939 - 8.5.1945 (in Mrd. RM) Gesamtausgaben

26.8.39-31. 8.39 1.9.39-31. 8.40 1.9.40-31. 8.41 1.9.41 -31. 8.42 1.9.42-31. 8.43 1.9.43-31. 8.44 1.9.44-31.12.44 1 . 1 . 4 5 - 8 . 5.45 26.8.39- 8. 5.45

1,33 57,63 81,47 102,36 125,85 149,39 49,99 47,70 615,72

darunter: Wehrmacht (ohne Familienunterhalt)

in Prozent

0,92 38,04 55,89 72,31 86,19 99,44 31,53 30,60 414,92

69,17 66,01 68,60 70,64 68,49 66,56 63,07 64,15 67,39

Quelle: BÄK, R 2/21781, „Netto-Übersicht über die kassenmäßigen Einnahmen und Ausgaben ab Kriegsbeginn (26. August 1939) bis Ende Dezember 1944", 11.1.1945. Ausgaben für 1.1.45-8.5.45 nach Boelcke, Willi Α., Die Kosten von Hitlers Krieg, Paderborn 1985, S. 98. Die Ausgaben zur Kreditrückzahlung sind in den Tabellen nicht berücksichtigt. Ihre Einordnung ist äußerst problematisch; einerseits sind die Angaben über die Höhe sehr unterschiedlich, andererseits haben diese Zahlen angesichts der laufenden Neuverschuldung nur fiktiven Charakter. Nach Boelcke „stellte sich die deutsche Kriegsfinanzierung in der Hauptsache als Umsetzung von gewaltigen Schuldenbergen dar."8 Die Zahlungen für Familienunterhalt müssen den Wehrmachtsausgaben noch zugerechnet werden; in der Reichshaushaltssystematik gehörten sie zu den Zivilausgaben. 9

b) Ausgaben der Wehrmacht Die Ausgaben der Wehrmacht als fortdauernde und einmalige Ausgaben des ordentlichen Haushalts und als Ausgaben des außerordentlichen (Kriegs-)Haushalts betreffen in mehreren Einzelplänen, Haushaltsteilen, zahlreichen Kapiteln und vielen Einzeltiteln Sachausgaben, Haushaltsführung im Reich im Rechnungsjahr 1941 vom 26.3.1941 (RGBl. II, S. 85): „Bis zur Fertigstellung des Reichshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1941 dürfen die zur Aufrechterhaltung der Reichsverwaltung oder zur Erfüllung der Aufgaben und rechtlichen Verpflichtungen des Reiches notwendigen Ausgaben geleistet werden." ( § 1). 8 Boelcke, Willi Α., Die Kosten von Hitlers Krieg. Kriegsfinanzierung und finanzielles Kriegserbe in Deutschland 1933-1948, Paderborn 1985, S. 98. 9 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf, Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert? In: Bilanz des Zweiten Weltkrieges, Oldenburg 1953, S. 322, gibt eine Summe von 24 Mrd. RM für Familienunterhaltszahlungen bis 28.2.1945 an. Andexel, Ruth, Imperialismus - Staatsfinanzen, Rüstung, Krieg, Berlin 1968, S. 112, kommt auf insgesamt 24,9 Mrd. RM. Nach Federau, Fritz, Der Zweite Weltkrieg. Seine Finanzierung in Deutschland, Tübingen 1962, S. 59, beliefen sich die Zahlungen für Familienunterhalt auf 27,53 Mrd. RM (siehe Tabelle 149).

Kriegsausgaben des Staates

685

personelle Ausgaben und Verwaltungsausgaben. Es sind jedoch bisher keine Haushaltsdokumente der Wehrmacht bekannt, aus denen mehr als ein fragmentarischer Einblick in die Ausgabenstruktur und die Haushaltsbürokratie der Wehrmacht gewonnen werden könnte. Aus einem geheimen Schreiben des OKW an den Reichsminister der Finanzen vom 11. Januar 1943 zum Reichshaushaltsplan 1942 10 sind folgende „verbindliche Sollzahlen" der Haushaltspläne des OKW und der Wehrmachtteile ersichtlich: Fortdauernde und einmalige Ausgaben des ordentlichen Haushalts zusammen 1,6 Mrd. RM; Ausgaben des außerordentlichen Haushalts für das Heer 49,0 Mrd. RM, für die Kriegsmarine 9,5 Mrd. RM, für die Luftwaffe 25,17 Mrd. RM; für 1942 mithin insgesamt 85,27 Mrd. RM." Nach dem Stande von Ende November 1944 betrugen die Ausgaben für die Wehrmacht während des Krieges insgesamt rd. 376,57 Mrd. RM. 12 Im übrigen belegen Archivdokumente nur, daß von Kommandobehörden, Stäben und Dienststellen bis Kriegsende alljährlich Haushaltsplanarbeiten betrieben, aber wahrscheinlich nie eingereicht und zu einem Gesamtplan zusammengefaßt wurden.13 Die Sachausgaben für Bewaffnung und Ausrüstung, für Panzer, Artillerie, Flugzeuge, Schiffe, für Kraftfahrzeuge, für Munition (einschl. Sprengstoff, Minen, Raketengeschosse usw.) sowie für die unzähligen verschiedenen Verbrauchs- und Versorgungsgüter, Treib- und Schmierstoffe usw. bildeten bei dem Masseneinsatz an Material und Technik zweifellos den Hauptanteil der Wehrmachtsausgaben. 14 Anschaulich sind Angaben über die Kosten einzel10 BÄK, R 2/21778, Schreiben des Chefs des OKW an den Reichsminister der Finanzen, betr. Reichshaushaltsplan 1942, 11.1.1943. Das Schreiben beinhaltete den Jahresabschluß des OKW gegenüber dem Reichsminister der Finanzen. 11 Fortdauernde Ausgaben des ordentlichen Haushalts betrafen in der Vorkriegszeit den laufenden Unterhalt der Wehrmacht. Beschaffung, Baumaßnahmen u. ä. verursachten einmalige Ausgaben. Mit dem Krieg fielen die fortdauernden Ausgaben formell weg; Ausgaben dieser Art wurden (wie fast alle Wehrmachtsausgaben während des Krieges) im außerordentlichen Haushalt getätigt. Vom ordentlichen Haushalt verblieben ausgabeseitig im Kriege als einmalige Ausgaben nur noch Folgeraten einiger Projekte aus früheren Jahren. 12 BÄK, R 2/21781, Schreiben RMdF (Abteilung I an Abteilung V), „Vorarbeiten für die Friedensschlüsse", 16.12.1944. Nach einer Weisung vom 16.9.1940 wurden innerhalb des RMdF betr. „Vorarbeiten für die Friedensschlüsse" monatlich die Ausgaben für die Wehrmacht und die Ausgaben der Zivilverwaltungen aus dem Kriegshaushalt seit Kriegsbeginn erfaßt. Die Ausgaben für die Aufrüstung wurden dabei mit zusammen rund 62 Mrd. RM zugrunde gelegt. Die ursprünglichen Absichten dieser „Vorarbeiten" dürften im Verlauf des Krieges in den Hintergrund getreten sein. 13 So hinterließ der katholische Feldbischof sowohl den „Wirtschaftsplan des Oberkommandos der Wehrmacht für das Rechnungsjahr 1943 (Kriegshaushalt)" als auch den für 1944, aber ohne jegliche Zahleneintragungen. (BA/MA, RH 15/278). Auch vom „Wirtschaftsplan des Oberkommandos der Wehrmacht für das Rechnungsjahr 1945 (Kriegshaushalt)" finden sich nur nichtausgefüllte Formblätter. (BA/MA, RW 6/v. 35). Bemerkenswert sind dennoch einige Einzeltitel bezüglich ihres Inhalts: Titel 39: Geistige Betreuung der Truppe durch Versorgung mit Feldzeitungen und Heimatzeitungen; Titel 42: Gräberfürsorge: a) Kosten für die Anlage von Ehrenfriedhöfen, Zuschüsse an Gemeinden für Ehrenhaine und Ausgestaltung der Grabstätten von auf Gemeindefriedhöfen beigesetzten Soldaten; b) Kosten für die Pflege und Unterhaltung der auf nichtreichseigenen Friedhöfen befindlichen Gräber. 14 Vgl. Geyer, Michael, Deutsche Rüstungspolitik 1860-1980, Frankfurt a. M. 1984, S. 13.

686

Die Kriegsfinanzierung

ner vielgebauter Flugzeugtypen. Die Flugzeugproduktion machte insgesamt wertmäßig etwa 40 Prozent der Gesamtrüstung aus. Tabelle 147 Preise von Flugzeugzellen, 1941 (in RM)

Preis je Zelle Preis mit Motor(en) Gebaut bis 1945 (Stck.)

Me 109 E

Ju 88 A

He 111 H

Ju 87 Β

Ju 52

58 800 85 970 35 000

245 200 306 950 15 000

203 900 265 650 7 000

100 300 131 175 57 000

125 000 163 000

Quelle: Groehler, Luftkrieg, S. 495 f. Alle Preise ohne Bewaffnung und sonstige Ausrüstung.

Die Errichtung des „Atlantikwalls" verschlang nach Speer allein 13,3 Mill. Kubikmeter Beton mit einem Wert von 3,7 Mrd. RM.15 Der damalige Reichsfinanzminister äußerte sich später über die Verschwendung bei den Wehrmachtsausgaben: „Durch das Fehlen jeder Kontrolle erhielten die Ausgaben einen erheblichen Auftrieb. Denn wenn auch die Preisprüfungsstellen der Wehrmacht wirksam arbeiteten und die Etatsreferenten alter Schule, vor allem bei Heer und Marine, den Daumen auf den Beutel zu halten suchten, durchbrach doch immer wieder das Bewußtsein, aus dem Vollen wirtschaften zu können, alle Dämme. Mit wesentlich geringeren Summen hätte der gleiche Effekt erreicht werden können." 16 Einen beachtlichen Teil der Ausgaben für die Wehrmacht bildeten die Personalausgaben (Besoldung, Verpflegung, Unterbringung und andere Zwecke der Soldatenversorgung). Die allgemeine Grundlage dafür bildete in Verbindung mit der Reichsbesoldungsordnung und anderen gesetzlichen Bestimmungen das „Gesetz über die Besoldung, Verpflegung, Unterbringung, Bekleidung und Heilfürsorge der Angehörigen der Wehrmacht bei besonderem Einsatz (Einsatz-Wehrmachtsgebührnisgesetz)" vom 28. August 1939 (RGBl. I, S. 1531). Nach diesem Gesetz erhielten alle Wehrmachtsangehörigen einen Wehrsold, der in drei Raten jeweils am 1., 11. und 21. des Monats im voraus gezahlt wurde. Tabelle 148 Wehrsoldfiir die Wehrmachtsangehörigen bei „besonderem Einsatz"(in RM) Soldgruppe

Empfänger

Monatsbetrag

1 2 3 4 5

Oberbefehlshaber eines Wehrmachtteils Generalobersten, Generaladmirale, Generale, Admírale Generalleutnante, Vizeadmirale Generalmajore, Konteradmirale Oberste, Kapitäne zur See

300 240 210 180 150

15 Speer, Erinnerungen, S. 363. 16 Schwerin v. Krosigk, Lutz Graf, Supplement in: Hitler, Deutschland und die Mächte. Hrsg. Manfred Funke, Düsseldorf 1976, S. 315.

Kriegsausgaben des Staates

687

Tabelle 148 (Fortsetzung) Soldgruppe

6 7 8 9

10 11 12 13 14 15 16

Empfanger

Monatsbetrag

Oberstleutnante, Fregattenkapitäne Majore, Korvettenkapitäne Hauptleute, Kapitänleutnante Oberleutnante Leutnante Stabsoberfeldwebel, Stabsfeldwebel, Oberfeldwebel und Gleichgestellte Feldwebel, Oberfähnriche Unterfeldwebel, Fähnriche, Obermaate Unteroffiziere, Maate Stabsgefreite, Obergefreite, Gefreite, Matrosen, Flieger (nach 2 Jahren aktivem Dienst) Oberschützen, Schützen, Matrosen, Flieger (soweit nicht Wehrsoldgruppe 15)

120 108 96 81 72

60 54 45 42 36 30

Quelle: Einsatz-Wehrmachtsgebühmisgesetz (s. o.).

Mit der Zahlung von Wehrsold fiel für die Wehrpflichtleistenden die „Löhnung" weg, die für Soldaten 0,50 RM und für Gefreite 0,75 RM pro Tag betragen hatte. Die „Friedensgebührnisse" der Berufssoldaten (Sold nach Reichsbesoldungsordnung, Wohnungsgeldzuschuß u. a.) wurden im Heimatgebiet weitergezahlt. Es wurde lediglich ein „Ausgleichsbetrag" für den an der Front bzw. in der Einheit gezahlten Wehrsold abgezogen. Der Ausgleichsbetrag durfte nicht höher sein als der Wehrsold, den der Wehrmachtsangehörige entsprechend seinem Dienstgrad von der Truppenkasse erhielt. Der Ausgleichsbetrag berücksichtigte Familienstand und Kinder; er betrug bis zu 20 Prozent der Friedensgebührnisse. Verheirateten mit fünf oder mehr Kindern wurde kein Ausgleichsbetrag abgezogen. Die Höhe der ggf. um den Ausgleichsbetrag verminderten Friedensgebührnisse ergab sich aus den 25 Besoldungsgruppen und den zugeordneten Tarifklassen für Wohnungsgeldzuschuß.17 Danach erhielten die Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile und der Chef des OKW 26 550 RM Jahressold. Generale der verschiedenen Grade bekamen zwischen 24 000 und 16 000 RM. Oberste/Kapitäne zur See erhielten in der Besoldungsgruppe 5 jährlich 12 600 RM. Majore und Oberstleutnante hatten einen Jahressold von bis zu 9 700 RM. Für die Hauptleute waren je nach Dienstaltersstufe zwischen 4 800 und 6 900 RM, für Oberleutnante und Leutnante zwischen 2 400 und 4 200 RM vorgesehen. Die Feldwebel konnten als Stabsfeldwebel auf 2 934 RM kommen. Die Besoldungsgruppe 25 sah als niedrigsten Betrag 1410 RM für Gefreite vor, d. h. monatlich 117,50 RM. Nach § 7 des EWGG wurde eine für alle Dienstgrade gleiche Frontzulage gewährt. Sie galt als „Ausgleich für die verschlechterten Lebensbedingungen, denen die Angehörigen der Wehrmacht bei besonderem Einsatz durch länger andauernde Kampfhandlungen und Feind17 RGBl. I 1940, S. 340.

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Die Kriegsfinanzierung

nähe ausgesetzt sind", sollte aber „keine Kampf- oder Gefahrenzulage" sein. Diese Frontzulage wurde tageweise berechnet, nachträglich ausgezahlt und teilweise mit anderen Zulagen aufgerechnet. Sie betrug eine Mark pro Tag. Eine Besonderheit stellte die „Afrika-Zulage" dar. Sie wurde für Aufenthalt in Afrika gezahlt, nicht mit anderen Zulagen verrechnet und erst nach Rückkehr aus Afrika oder im Urlaub in Deutschland ausgezahlt - für Offiziere vier RM, Unteroffiziere drei RM und Mannschaften zwei Mark pro Tag.18 Die Verpflegung und Unterkunft für die Wehrmachtsangehörigen verursachte bei den Standortdienststellen, Intendanturen, Verpflegungsdienststellen und Wehrkreisverwaltungen entsprechende Geldausgaben; laut Einsatz-Wehrmachtsverpflegungsvorschrift (EW Verpfl.V.-HDV 86/1) war als Geldabfindung bei Selbstverpflegung ein Tagessatz von 1,20 RM festgelegt. Diverse Einzelerlasse nannten den anzusetzenden Geldwert der Lebensmittel, die von den Truppen aus den Magazinbeständen empfangen wurden. Er entsprach dem damaligen Preisniveau.19 Die Richtlinien für die Vergütung von Unterkunftsgewährung (veröffentlicht im HVB1. A) forderten, „berufsständische Tarifsätze" nicht zu überschreiten, „Außersaisonpreise" zugrundezulegen und auch „aus volkswirtschaftlichen Gründen auf pünktliche Auszahlung aller vom Reich zu erstattenden Beträge unbedingt Wert" zu legen.20 Bei der Ausrüstung mit Uniformen bzw. Bekleidung spielten Geldmittel insofern eine unmittelbare Rolle, als Offiziere auch im Kriege nach § 5 EWGG entsprechend den Friedensregelungen für die Beschaffung und Unterhaltung der Uniform und bestimmter Ausrüstung selbst zu sorgen hatten. Sie erhielten dazu, nach unentgeltlicher Ersteinkleidung, eine monatliche Bekleidungsentschädigung von 30,- RM. Für während des Krieges zu Offizieren ernannte Unteroffiziere und Mannschaften gab es einmalige Einkleidungsbeihilfen von 350,RM (Heer/Luftwaffe) bzw. 500,- bis 700,- RM (Kriegsmarine). Allerdings waren beim Bezug von Bekleidung Reichskleiderkarte und Bezugsschein vorzulegen.21 Einberufene Mannschaften erhielten einmalig fünf RM Putzzeuggeld; beim unverschuldeten Verlust selbstbeschaffter Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke konnten Beihilfen bewilligt werden.22 Schon vor dem Krieg gab es finanzielle Regelungen, daß „mittellose Wehrpflichtige ... bei Einberufungen zum Wehrdienst für die Reise vom Aufenthaltsort bis zum Gestellungsort mit Wegegeld im voraus abgefunden werden, wenn sie rechtzeitig einen entsprechenden Antrag bei ihrer Gemeinde unter Vorlegung des Gestellungsbefehls stellen." Für die Gemeinde hieß es dann: „Die Gemeinde ... zahlt in der Regel jedoch nicht früher als 24 Stunden vor dem notwendigen Abgang zum Gestellungsort." Ferner: „Die Gemeinden sind verpflichtet, denjenigen Weg zugrundezulegen, der sich für die Reichskasse als der günstigste darstellt, mit den besten Verbindungen für den Zweck der Reise benutzt werden kann und dessen Benutzung 18 Siehe Absolon, Rudolf, Die Wehrmacht im Dritten Reich, Bd. V, 1. September 1939 bis 18. Dezember 1941, Boppard 1988, S. 357. 19 Siehe Albath, Max/Kretschmer, Karl/Petzold, Abfindung bei besonderem Einsatz der Wehrmacht, Bd. II, Berlin 1940, S. 59 ff. 20 Ebenda, S. 340 ff. 21 Ebenda, S. 107 ff. 22 Ebenda, S. 129.

Kriegsausgaben des Staates

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auch der Verkehrssitte entspricht." 23 Im übrigen gab es für alle erdenklichen Einzelfragen genaue und verbindliche Regelungen, Ausführungs- und Durchführungsbestimmungen. Zur Versorgung der Zahlstellen und Intendanturen der Wehrmacht mit Geldmitteln legten die einschlägigen Bestimmungen fest, daß die Heereskassen an den Reichsbankgiroverkehr angeschlossen sein mußten. Sie erhielten entsprechend ihren Forderungen Bargeld gegen Hingabe von „grünen Schecks". Bei unerwartetem Geldbedarf an Orten, an denen sich keine Reichsbankanstalt befand, konnten die Heereskassen bei der öffentlichen Finanzkasse Bargeldauszahlungen „auf Anerkenntnis" erwirken, d. h. kraft ihrer Autorität als Heereskasse.24

c)

Familienunterhalt

Für den Familienunterhalt der zum Kriegsdienst einberufenen Soldaten wurden - in offiziellen Angaben meist den Zivilausgaben des Reiches zugeordnet - erhebliche Mittel aufgewendet. Tabelle 149 Ausgaben des Reiches fiir Familienunterhalt, 1. Kriegsjahr 2. Kriegsjahr 3. Kriegsjahr 4. Kriegsjahr 5. Kriegsjahr 1.9.44-8.5.45 Insgesamt:

1. September 1939-8. Mai 1945 (in Mrd. RM)

3,20 4,27 5,17 4,89 5,80 4,20 27,53

Quelle: Federau, S. 59.

Die Zahlung von Familienunterhalt beruhte auf einer gleichsam kombinierten Anwendung des Einsatz-Wehrmachtsgebühmisgesetzes vom 28. August 1939 und des Familienunterstützungsgesetzes vom 30. März 1936 (RGBl. I, S. 327) bzw. des späteren Einsatz-Familienunterhaltsgesetzes (EFUG) vom 26. Juni 1940 (RGBl. I S . 911).25 § 9 des Einsatz-Wehrmachtsgebührnisgesetzes von 1939 bestimmte: „Diejenigen Angehörigen der Wehrmacht, durch 23 Kretschmer, Karl, Abfindung bei Einberufung zum aktiven Wehrdienst, zu Übungen des Beurlaubtenstandes und bei Entlassungen. Eine Erlaßsammlung, Berlin 1937, S. 18 f. 24 Siehe Albath/Kretschmer/Petzold, S. 398. 25 Die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen über Familienunterstützung/Familienunterhalt lassen bis Juni 1940 eine gewisse Zweigleisigkeit erkennen. Siehe auch RGBl. I 1939, S. 1225, Verordnung zur Ergänzung und Durchführung des Familienunterstützungsgesetzes (Familienunterstützungs-Verordnung - FU-DVO - ) vom 11.7.1939; RGBl. I 1939, S. 1563, Verordnung über Familienunterstützung bei besonderem Einsatz der Wehrmacht (Einsatz-FamilienunterstützungsVerordnung - Einsatz-FUV - ) vom 1.9.1939. Erst die Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Einsatz-Familienunterhaltsgesetzes (EFU-DV) vom 26.6.1940 (RGBl. I, S. 912) schuf ab 1.7. 1940 eine einheitliche Grundlage.

Die Kriegsfinanzierung

690

deren Einberufung zur Wehrmacht der Unterhalt ihrer Angehörigen oder die Erfüllung ihrer sonstigen Verpflichtungen nicht mehr gesichert ist, erhalten für sich, für ihre Familien oder Unterhaltsberechtigten Familienunterhalt." Die eigentlichen Empfänger waren demnach die Einberufenen selbst, wenn die Auszahlung des Familienunterhalts auch an die Angehörigen in der Heimat bzw. am Wohnort erfolgte. Obwohl der Familienunterhalt, anders als die Friedensgebührnisse der Berufssoldaten, in Zuständigkeit des Reichsministers des Innern geregelt und von den Stadt- und Landkreisen gezahlt wurde, handelte es sich dem Wesen nach um unmittelbare Kriegsausgaben, die der Wehrmacht zuzurechnen sind. Bei der Bemessung des Familienunterhalts waren „die bisherigen Lebensverhältnisse und das im Frieden bezogene Einkommen der Angehörigen der Wehrmacht zu berücksichtigen." Dabei galt: „Die Fortführung des Haushalts unter Beachtung der durch den besonderen Einsatz gebotenen Einschränkungen, die Erhaltung des Besitzstandes und die Erfüllung übernommener Verpflichtungen sollen in vertretbarem Maße gesichert werden." Nach § 4 des EFUG wurden vier Fünftel der Kosten des Familienunterhalts den Stadt- und Landkreisen vom Reich erstattet. Die Familienunterhaltszahlungen erfolgten also nicht in vollem Umfang zu Lasten der Reichskasse. Aus Berichten des Oberbürgermeisters der Stadt Stralsund an den Regierungspräsidenten in Stettin geht beispielsweise hervor, wie die reichlich 50 000 Einwohner zählende Stadt durch die Familienunterhaltszahlungen finanziell belastet wurde. Tabelle 150 Finanzielle Belastung der Stadt Stralsund für Familienunterhalt,

1940/1941 bis 1943/1944 (in RM)

Rechnungsjahr 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

233 216 303 252

000 000 000 000

Quelle: Stadtarchiv Stralsund, Τ 1454-1458.

Die Gewährung des Familienunterhalts war von der Stellung eines Antrags abhängig; der Familienunterhalt sollte nach einem den örtlichen Verhältnissen angepaßten Unterhaltssatz gewährt werden und nicht dazu führen, daß dem Berechtigten für seinen laufenden notwendigen Lebensbedarf gegenüber der Zeit vor der Einberufung mehr an Mitteln zur Verfügung stand. Im Falle von Gefangenschaft, Vermißtsein oder Internierung im neutralen Ausland wurde der Familienunterhalt weitergezahlt. Im Falle des Todes während des Wehrdienstes war noch drei Monate Familienunterhalt zu zahlen, sofern nicht sofort höhere Hinterbliebenenbezüge wirksam wurden. Bei der verhältnismäßig großzügigen Bemessung des Familienunterhalts und der Zahlung von Hinterbliebenengeld war nicht zuletzt die Absicht maßgebend, Unzufriedenheit unter der Bevölkerung möglichst zu vermeiden.26 26 Vgl. Speer, Erinnerungen, S. 229. Siehe auch I, S. 83 f.

Kriegsausgaben des Staates

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d) Weitere, verdeckte und indirekte

Kriegsausgaben

Von Reich, Ländern und Kommunen wurden umfangreiche weitere Ausgaben im Interesse der Kriegführung oder im Zusammenhang mit ihr getätigt. Der interne Schriftverkehr im Reichsministerium der Finanzen27 weist auf solche .Ausgaben der Zivilverwaltungen des Reichs während des Kriegs aus dem außerordentlichen (Kriegs-)Haushalt" hin. Es handelte sich um Ausgaben insbesondere für - rüstungswirtschaftliche Sonderaufgaben, - verkehrswirtschaftliche Maßnahmen der Reichsregierung, - Ausgaben der Verkehrsverwaltung in den besetzten Ostgebieten - Binnenschiffahrt, Straßenverkehr, Zuschuß zum Sondervermögen in den besetzten Ostgebieten, - Straßenbauforderungen der Wehrmacht, - Kriegsbauprogramm, - Befestigungsbauten, - Gewährung von Vorschüssen an besonders wichtige Rüstungsbetriebe, - Reichszuschüsse zu den Kosten der Landesernährungsämter, der Ernährungsämter und Wirtschaftsämter, - Umquartierungs- und Freimachungszwecke. Einzelposten machten oft mehrere hundert Millionen RM aus. Ausgaben in Milliardenhöhe betrafen Entschädigungen und Vorauszahlungen nach der Kriegssachschädenverordnung.28 Ende 1944 wurden diese Zi vil Verwaltungsausgaben aus dem außerordentlichen Haushalt für die Zeit bis November 1944 auf 84,45 Mrd. RM beziffert.29 Eine Aufstellung der Stadtgemeinde Stralsund weist die folgenden zusätzlichen finanziellen Belastungen aus: Tabelle 151 Kriegsbedingte Sonderausgaben in Stralsund, 1940/1941 bis 1943/1944 (in RM)

1940/41 1941/42 1942/43 1943/44

Luftschutzmaßnahmen

Besoldung von Hilfskräften

Ernährungsu. Wirtschaftsamt

Verstärkter Polizeischutz

73 500 31 000 80000 60 500

241 253 254 273

40 000 65 000 90000 113 000

7500

000 000 000 500

Einrichtung eines Hilfskrankenhauses

-

102 (KX) 33 000

Quelle: Stadtarchiv Stralsund, Τ 1454-1458.

27 BÄK, R 2/21778 und 21781. Siehe Anm. 12. 28 RGBl. 1 1940, S. 1547, Kriegssachschädenverordnung (KSSchVO), vom 30.11.1940. 29 BÄK, R 2/21781. Siehe Anm. 12.

Die Kriegsfinanzierung

692

2. Ordentliche Haushaltseinnahmen Den Kriegsausgaben standen Einnahmen des Reichshaushalts aus Steuern, Zöllen und „sonstigen ordentlichen Einnahmen" nur in begrenztem Umfang gegenüber. Die Finanzierung des Krieges war nur realisierbar als Einheit von regelmäßigen (ordentlichen) Einnahmen des Reichs und den (außerordentlichen) Einnahmen aus Anleihen. 30 Die Summe von etwa 185 Mrd. RM Reichseinnahmen aus Steuern und Zöllen in der Zeit des Krieges wird allgemein in der Literatur anerkannt.31 Tabelle 152 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Rechnungsjahren, ¡939/1940 bis 1944/1945 (in Mrd. RM)

1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 1944/45

Steuern und Zölle

mit Kriegsbeitrag der Länder und Gemeinden

24,2 27,5 32,3 42,7 38,0 37,5

25,0 28,9 33,7 44,3 40,0 40,0

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, S. 555.

Tabelle 153 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Kriegsjahren, 1. September 1939 - 8. Mai 1945 (in Mrd. RM) Steuern und Zölle 1.9.39-31.8.40 1.9.40-31.8.41 1.9.41-31.8.42 1.9.42-31.8.43 1.9.43-31.8.44 1.9.44- 8.5.45 Zusammen:

24,93 28,72 33,09 44,63 33,93 19,50 184,80

Quelle: Federau, S. 32.

30 Vgl. RGBl. II 1930, S. 693, Reichshaushaltsordnung. 31 Detaillierte Angaben über die Steuereinnahmen s. im Anhang zu diesem Kap. (Tab. 160-164).

Ordentliche Haushaltseinnahmen

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a) Das Steuersystem in Deutschland zu Beginn des Krieges Das Deutsche Reich verfügte zu Kriegsbeginn über ein detailliert ausgebautes und langfristig auf Kriegsanforderungen ausgerichtetes Steuersystem. Die deutsche Führung war sich der Vorteile32 der Finanzierung der Kriegsaufwendungen durch Steuern bewußt und bemüht, diese Quelle der Kriegsfinanzierung in möglichst hohem Maße auszuschöpfen. Insbesondere der endgültige Charakter der Steuereinnahmen, der spätere Nachwirkungen weitgehend ausschließt, stellte angesichts der unliebsamen Erfahrungen aus der Inflation im Ergebnis der Kriegsfinanzierung 1914 - 1918 in ihren Augen einen maßgeblichen Vorzug dar. Wiederholt, so auch im Dezember 1942, urteilte man in der Reichsbank: „Steuern haben vor allem den Vorteil, daß sie die Kaufkraft unwiederbringlich abschöpfen und eine endgültige Deckung der Kriegskosten bedeuten; sie schaffen also gewissermaßen reinen Tisch." 33 Die Steuerfinanzierung hat aber auch Nachteile. Reichswirtschaftsminister Funk, zugleich Präsident der Reichsbank, gab 1943 selber zu bedenken: „Man hört manchmal, der Krieg muß allein durch Steuern finanziert werden. So einfach geht es aber nicht in der Praxis." 34 Bei der Anwendung der Steuerschraube mußte vor allem immer in Rechnung gestellt werden, daß die Steuerfinanzierung als direkte Belastung für die Bevölkerung unmittelbaren Einfluß auf die Stimmung breiter Kreise des Volkes, auf seine Leistungs- und Opferbereitschaft hatte. Bei Kriegsbeginn 1939 herrschte unter der deutschen Bevölkerung eher eine gedrückte, unheilahnende Stimmung, als daß, wie seinerzeit zu Beginn des Ersten Weltkrieges, verbreitet Kriegsbereitschaft und Opferfreudigkeit aufgetreten wären. Dieser Sachlage versuchte die Führung während des ganzen Krieges, selbst nach anfanglichen Blitzkriegserfolgen der Wehrmacht, Rechnung zu tragen. So hieß es in der vertraulichen Reichsbanksache „Grundfragen der Kriegsfinanzierung" vom 3. Oktober 1939, nach Beendigung des Polenfeldzuges und angesichts einer gewissen Unklarheit über den weiteren Kriegsverlauf, der „Operationsschnitt einer radikalen Wegsteuerung des über dem Existenzminimum liegenden Einkommens ... würde gerade das ersticken, was wir heute dringend brauchen: die Eigeninitiative unserer Chemiker, Techniker, Facharbeiter, Exporteure usw. Diese Überlegungen ändern nichts an der Forderung, daß die Steuer der Hauptträger der Kriegsfinanzierung sein muß. Sie zeigen aber die Grenzen der Steuerschraube."35 Solche Probleme der Besteuerung waren bereits in der Periode der Aufrüstung und Kriegsvorbereitung beachtet worden. Das zu Kriegsbeginn vorhandene, bis dahin geschaffene und durch die Kriegswirtschaftsverordnung weiter ergänzte Steuersystem läßt dies erkennen. Die Säulen dieses Systems bildeten erstens die Steuern auf Einkommen und Vermögen mit der Einkommensteuer (einschl. Lohnsteuer) und der Körperschaftssteuer als wichtigsten Steuereinnahmequellen des Reichs, die auch während des Krieges im Gefolge erhöhter Ein32 Siehe Köllner, Lutz, Rüstungsfinanzierung. Dämonie und Wirklichkeit, Frankfurt a. M. 1970, S. 28 ff. 33 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7132, Bl. 55. 34 Zitiert bei Krafft, H., Immer ging es um Geld. Einhundertfünfzig Jahre Sparkasse in Berlin, Berlin 1968, S. 174. 35 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004, Bl. 206 u. S. 209.

694

Die Kriegsfinanzierung

kommen und Gewinne eine erhebliche Steigerung erfuhren und auf die nach der KWVO vom 4. September 1939 noch Kriegszuschlag erhoben wurde. Daneben ist die jährlich etwa eine halbe Milliarde RM bringende Vermögenssteuer zu nennen. Die Erbschaftssteuer erbrachte jährlich reichlich 100 Mill. RM, etwas mehr die „Aufbringungsumlage". Andere nach der formalen Einteilung hier einzuordnende Steuern beliefen sich auf vergleichsweise nur geringe Beträge, etwa die Abgabe der Aufsichtsratsmitglieder, die Reichsfluchtsteuer, Wandergewerbesteuer und Feuerschutzsteuer. Die zweite Säule des Steuersystems, die Steuern des Vermögensverkehrs, die knapp eine halbe Milliarde RM jährlich und keine Steigerung im Kriege brachte, umfaßte solche Steuern wie Kapitalverkehrssteuer, Totalisatorsteuer und andere Rennwettsteuem, Lotteriesteuern, Wechselsteuer, Urkundensteuer. Drittens verzeichneten die Steuern auf Umsatz und Verkehr insgesamt während des Krieges eine geringe Steigerung, blieben aber immer unter fünf Mrd. RM. Den Hauptposten bildete die Umsatzsteuer. Während sich die Beförderungssteuer gegenüber der Vorkriegszeit im Umfang reichlich verdoppelte, gingen die Einnahmen aus der Kfz-Steuer (infolge der Stillegung privater Kraftfahrzeuge bzw. ihrer Übernahme durch die Wehrmacht) auf die Hälfte zurück. Viertens reichten die Steuern auf Verbrauch und Aufwand von Tabaksteuer, Biersteuer und Einnahmen aus dem Branntweinmonopol (für diese wurde nach der KWVO ein Kriegszuschlag erhoben) über Zuckersteuer, Mineralölsteuer zu einer Vielzahl Steuerarten, die kaum zehn Mill. RM jährlich brachten. Gegenüber der Vorkriegszeit ergaben sich Steigerungen nur aus den erhobenen Kriegszuschlägen. Die Einnahmen aus der Einkommensteuer (einschl. der Lohnsteuer) flössen ursprünglich den Ländern des Reiches zu. In der Weimarer Republik erhielt das Reich die Steuerhoheit für die Einkommens- und Vermögenssteuer. Das Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl. I, S. 1005) war „für die öffentliche Finanzwirtschaft einerseits und für die Belastung der deutschen Wirtschaft andererseits das bedeutsamste Gesetz im Rahmen der nationalsozialistischen Steuerreform". Es diente nach zeitgenössischer Auffassung auch dazu, „steuerpolitischen Gedankengängen des Nationalsozialismus Durchbruch zu verschaffen, ohne das Steueraufkommen absinken zu lassen." 36 Die Einkommensteuerveränderungsgesetze von 1938 und 1939 bereiteten die Einkommensteuergesetzgebung weiter auf die Anforderungen des kommenden Krieges vor (RGBl. 1 1938, S. 121 und 1 1939, S. 297). Die faschistische Rassenpolitik fand ihren Niederschlag in der „Versagung der Kinderermäßigung für Kinder, die Juden sind" und in der grundsätzlichen Einordnung der Juden in die höchste Steuergruppe I.37 Die Körperschaftssteuer erfaßte die Gewinne von Kapitalgesellschaften verschiedenster Form als nichtnatürliche juristische Personen. Seit 1925 waren einheitlich 20 Prozent der Gewinne an das Reich abzuführen. 1936 wurde der Steuersatz auf 30 Prozent erhöht, 1938 auf 40 Prozent. Einkommen-/Lohnsteuer und Körperschaftssteuer brachten die größten Steuererträge für die Reichskasse, nur geringfügig weniger die Umsatzsteuer. Die Länder des Reichs erhielten 36 Blümich, Walter, Einkommensteuergesetz, Berlin 1943, S. 4 f. 37 Ebenda, S. 5 ff.

Ordentliche Haushaltseinnahmen

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entsprechend dem jeweiligen Finanzausgleichsgesetz einen bestimmten Anteil am Aufkommen der Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Nach dem Gesetz vom 21. Februar 1940 (RGBl. I, S. 391) betrug dieser Anteil ab 1. Oktober 1939 höchstens 25 RM je Einwohner im betreffenden Land, mindestens 17 RM. Die „Aufbringungsumlage", die während des Krieges jährlich eine reichliche Viertelmilliarde erbrachte, ging auf Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Dawes-Plan zur Reparationszahlung zurück. 1924 war nach dem „Industriebelastungsgesetz" (RGBl. II, S. 257) und dem „Aufbringungsgesetz" (RGBl. II, S. 269) den „Unternehmern der industriellen und gewerblichen Betriebe ... die Last der Verzinsung und Tilgung eines Betrages von insgesamt 5 Milliarden Goldmark auferlegt" worden. Die Aufbringungsumlage sollte nach dem Industriebankgesetz von 1931 (RGBl. I, S. 124) nur noch bis zum Rechnungsjahr 1936 erhoben werden. Doch pünktlich am 17. Juni 1936 (RGBl. I, S. 511) wurde der Reichsminister der Finanzen ermächtigt anzuordnen, daß die Aufbringungsumlage für das Rechnungsjahr 1937 und die folgenden Rechnungsjahre weiter zu erheben war. So wurden die entsprechend dem Betriebsvermögen festgelegten Beträge auch weiterhin eingetrieben. In ähnlicher Weise wurde die „Reichsfluchtsteuer" über den ursprünglichen Zweck hinaus beibehalten. Im Dezember 1931 per Notverordnung als eine der „Maßnahmen gegen Kapitalund Steuerflucht" eingeführt, sollten Personen, die auswanderten, ein Viertel ihres steuerpflichtigen Vermögens als „Reichsfluchtsteuer" entrichten. Ursprünglich für Auswanderungen bis Ende 1932 befristet, wurde diese Steuer immer wieder erneuert, meist um ein Jahr. Im Dezember 1942 schließlich wurde die Geltungsdauer „bis auf weiteres verlängert" (RGBl. I, S. 682). Die eigentliche Bedeutung dieser Steuerverordnung dürfte in den Jahren seit 1933 darin bestanden haben, daß mit dem § 9 eine juristische Handhabe gegeben war, das gesamte Vermögen von emigrierten Personen zu beschlagnahmen. Verschiedene andere Steuergesetze aus den Vorkriegsjahren zeugen von dem Bestreben, alle nur irgendwie denkbaren Möglichkeiten zur Erhebung von Steuern und zur Erhöhung der Staatseinnahmen zu erschließen und keinerlei Steuerlücken offenzulassen. So wurde im Juli 1937 das „Gesetz über eine Steuer der Personen, die nicht zur Erfüllung der zweijährigen aktiven Dienstpflicht einberufen werden (Wehrsteuer) - WehrStG - " erlassen (RGBl. I, S. 821). Nach diesem Gesetz wurde von jedem männlichen deutschen Staatsangehörigen, der nicht zur Wehrmacht einberufen wurde, für zwei Jahre ein Zuschlag von 50 Prozent auf die Einkommen- bzw. Lohnsteuer verlangt. Im Hinblick auf Steuergruppen und Einkommenshöhen sowie Ermäßigungen bei der Einkommen- bzw. Lohnsteuer sollten mindestens vier Prozent des Arbeitslohnes bzw. fünf Prozent des Einkommens gezahlt werden. In den Folgejahren bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres waren sechs Prozent der Einkommen-/Lohnsteuerbeträge zu zahlen (mindestens fünf Promille des Arbeitslohnes bzw. sechs Promille des Einkommens). Der Wehrsteuerpflichtige hatte also vom dritten Jahr seiner Steuerpflicht an immer noch einen Aufschlag auf die Einkommen-/ Lohnsteuer oder aber einen entsprechenden Anteil seines Einkommens/Lohnes zu entrichten. Eine Befreiung von der Wehrsteuer bei niedrigem Einkommen/Lohn oder geringer Einkommensteuer wegen Kinderermäßigung war ausgeschlossen. Mit dieser Wehrsteuer wurde bereits praktiziert, was im September 1939 mit dem Kriegszuschlag für alle Einkommensteuer-/Lohnsteuerzahler verbindlich wurde. Nach der „Ersten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs" vom 1. Juli 1941

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Die Kriegsfinanzierung

wurde ab August 1941 die Wehrsteuer „bis auf weiteres nicht erhoben" (RGBl. I, S. 362). Die Steuerübersicht weist für die Jahre 1942 und 1943 danach sogar Steuerrückzahlungen von etwa zwei Millionen RM aus. Im Februar 1939 wurden als Steuern mit letztlich geringen Steuererträgen eingeführt: die Süßstoffsteuer (Süßstoffgesetz: RGBl. I, S. 111), die allenfalls mit einem Schutz der Zuckerindustrie vor der Süßstoffkonkurrenz zu bemänteln war; die Feuerschutzsteuer (Feuerschutzsteuergesetz: RGBl. I, S. 113), mit dem Feuerversicherungen mit einigen Prozent des Versicherungsentgelts bei den Versicherungsanstalten belegt wurden, angeblich zur Förderung des Feuerlöschwesens. Mit dem „Gesetz über die Finanzierung national-politischer Aufgaben des Reichs, (Neuer Finanzplan - NF - ) " vom 20. März 1939 (RGBl. I, S. 561) wurde schließlich noch eine „Mehreinkommensteuer" eingeführt. Durch sie wurde alles Mehreinkommen im Vergleich zum Vorjahr zu 30 Prozent weggesteuert. Allerdings wurde diese Mehreinkommensteuer nur für 1939 erhoben.

b) Die Kriegswirtschaftsverordnung

(KWVO) vom 4. September 1939

Auf Steuererhöhungen oder die Erhebung von neuen Steuern wurde zu Beginn des Krieges verzichtet. Zunächst wurde nur gemäß der Kriegswirtschaftsverordnung vom 4. September 1939 (RGBl. I, S. 1609) ein Kriegszuschlag auf die Einkommen-/Lohnsteuer erhoben und die Erhebung eines Kriegszuschlages auf Bier, auf Tabak sowie auf Schaumwein und Branntwein angeordnet. Darüber hinaus wurde der Wegfall von Überstunden-, Sonn- und Feiertagszuschlägen verkündet, die künftig an die Staatskasse abgeführt werden sollten. Diese Festlegung hatte aber nur bis Mitte November Bestand.38 Im weiteren hatten die Länder und Gemeinden einen Kriegsbeitrag an das Reich abzuführen. Schließlich sollten alle Preise und Entgelte für Güter und Leistungen jeder Art nach den „Grundsätzen der kriegsverpflichteten Volkswirtschaft" gebildet werden (§ 22 KWVO). Im einzelnen bestimmten die Kriegswirtschaftsverordnung und erste Durchführungsbestimmungen über den Kriegszuschlag zur Einkommensteuer (RGBl. I, S. 1613), daß bei einem Jahreseinkommen von über 2 400,- RM bzw. einem Monatslohn von mehr als 234,RM ein Kriegszuschlag von 50 Prozent auf die Einkommensteuer zu zahlen sei. Der Kriegszuschlag sollte nicht mehr als 15 Prozent des Einkommens betragen. Zusammen sollten Steuer und Zuschlag nicht mehr als 65 Prozent des Einkommens ausmachen. 2 400,- RM Jahreseinkommen bzw. 234,- RM Monatslohn (54,- RM Wochenlohn oder 9,- RM Tageslohn) sollten dem Bezieher mindestens verbleiben. Auf Bier wurde ein Kriegszuschlag in Höhe von 20 Prozent des Preises als Kriegssteuer erhoben, desgleichen auf Tabakwaren. Der Kriegszuschlag auf Branntweinerzeugnisse bestand darin, daß durch das staatliche Branntweinmonopol nunmehr 375,- RM pro Hektoliter Weingeist als Einnahme gefordert waren statt bisher 275,- RM. Der Kriegszuschlag für Schaumwein wurde auf 1,- RM pro Flasche festgesetzt. Der Kriegsbeitrag der Länder für die Reichskasse betrug 15 Prozent des Länderanteils am Aufkommen der Einkommen-, Körperschafts- und Umsatzsteuer. Die Gemeinden hatten als 38 RGBl. 1 1939, S. 2254. Vgl. auch I, S. 73 ff.

697

Ordentliche Haushaltseinnahmen

Kriegsbeitrag an die Reichskasse abzuführen: 2,5 Prozent der Steuermeßbeträge der Grundsteuer von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben, fünf Prozent der Grundsteuermeßbeträge von anderen Grundstücken, 7,5 Prozent der Gewerbesteuer und zehn Prozent der Bürgersteuer. Die Volkswirtschaftliche und Statistische Abteilung der Deutschen Reichsbank errechneten wenige Tage nach Verkündung der KWVO für das erste Kriegsjahr aus den Kriegszuschlägen sowie aus den Kriegsbeiträgen der Länder und Gemeinden ein Gesamtaufkommen von „voraussichtlich nicht mehr als 5 Mrd. RM." 39 In der vertraulichen Ausarbeitung der Reichsbank vom 3. Oktober 1939 über „Grundfragen der Kriegsfinanzierung" kam man zu dem Schluß: „Es bleibt ... auf alle Fälle noch ein bedeutendes Loch in der Kriegsfinanzierung, das soweit als irgend möglich durch freiwilliges Sparen gedeckt werden muß. Hier sind die Schwierigkeiten am größten. ... ganz allgemein schrecken die Erfahrungen der vergangenen Inflation. Man wird daher auf die Auflegung von Kriegsanleihen verzichten und stattdessen die Einzahlung auf Sparkonten stärker propagieren müssen. ... soweit auch das Sparen versagt, bleibt nur noch die Geldschöpfung, und dieses bedeutet Inflation." 40

c) Die Dividendenabgabeverordnung

(DAV) vom 12. Juni 1941

Der Verkündung der „Verordnung zur Begrenzung von Gewinnausschüttungen (Dividendenabgabeverordnung)" vom 12. Juni 1941 (RGBl. I, S. 323) waren nicht wenig Gerüchte und Spekulationen in Unternehmerkreisen, umfangreiche Verhandlungen und Kontroversen in Behörden, Wirtschafts- und Finanzressorts der Reichsregierung vorausgegangen.41 Die Vorgeschichte ging auf das „Kapitalanlagegesetz" vom 29. März 1934 (RGBl. I, S. 295) und das „Anleihestockgesetz" vom 4. Dezember 1934 (RGBl. I, S. 1222) zurück. Mit diesen Gesetzen hatte der Staat bereits Einfluß auf die Devisenausschüttungen der Aktien- und anderen Kapitalgesellschaften genommen, wurden die Kapitalgesellschaften, die mehr als sechs Prozent Dividende auf ihr Grund-/Stammkapital ausschütteten, zur Übernahme von Reichsanleihen gezwungen. Nach Ablauf seiner dreijährigen Geltungsdauer war das Anleihestockgesetz im Dezember 1937 um drei Jahre verlängert worden (RGBl. I, S. 1340). Dabei waren die Anleihepapiere gegen Steuergutscheine umgetauscht worden. Die bis 1940 als „Anleihestock" angesammelten Beträge sollten nun aber nicht ausgezahlt werden, wie aus der Presse zu entnehmen war. Am 12. März 1941 kündigte der Reichsbankpräsident in der Hauptversammlung der Reichsbank-Anteilseigner unter Hinweis auf diese Absicht ein neues Gesetz zur Begrenzung der Dividenden an. Daraufhin kam es zu Unruhe an der Aktienbörse. Im Juni 1941 wurde diesbezüglich in einem Geheimbericht des Chefs der Sicherheitspolizei festgestellt, „daß nach den bisher eingelaufenen Meldungen das rasche Erscheinen der Dividendenverordnung für wünschenswert gehalten werde, um weiteren spekulativen Kursbewegungen ein Ende zu 39 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004, Bl. 122-125, „Schätzung der Eingänge aus Kriegssteuern auf Grund der Kriegswirtschaftsverordnung vom 4.9.39". 40 Ebenda, Bl. 212. 41 Siehe auch II, S. 533 ff.

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Die Kriegsfinanzierung

machen." 42 Zwischen den Ressorts von Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister Funk und denen des Reichsministers der Finanzen gab es ein bemerkenswertes Hin und Her bei der Erarbeitung des beabsichtigten Gesetzes. Am Ende stellte sich jedoch heraus, daß die auf diese Weise für die Kriegsfinanzierung zu mobilisierenden Mittel keinen nennenswerten Umfang erreichten. Bei der Dividendenabgabeverordnung ging es letztlich mehr darum, daß die Dividendensätze nicht „die aus psychologischen Gründen erwünschte Höhe" überschritten und daß sie „durch die Dividendenabgabeverordnung auf ein optisch angebrachtes Maß zurückgeführt werden." 43 In der Chefbesprechung am 24. März 1941 zwischen Funk und Schwerin v. Krosigk wandte sich Funk gegen eine Begrenzung der Dividendenausschüttung auf sechs Prozent; sie benachteilige die Aktionäre ungerechtfertigt. Auch die Kapitalberichtigungen dürften nicht zu hoch besteuert werden. Im geheimen Aktenvermerk über die Besprechung heißt es: „Es seien auch Ausschüttungen von sieben und acht v. H. steuerlich zu schonen (IG Farben)." Und „es handele sich insgesamt nicht um ein steuerliches, sondern um ein wirtschaftliches und politisches Problem".44 Als Funk den Verordnungsentwurf am 13. Mai 1941 schließlich bei Göring einreichte, schrieb er an den Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Lammers, mit dem Hinweis auf besondere Eilbedürftigkeit: „Trotz größter Bemühungen meinerseits ist es leider erst nach mehr als drei Monate währenden Verhandlungen gelungen, die Zustimmung des Herrn Reichsministers der Finanzen zu den Entwürfen zu erzielen. Bei der Bedeutung, die insbesondere der Dividendenabgabeverordnung nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem auch politisch-stimmungsmäßig zukommt, würde es mir untragbar erscheinen, die Veröffentlichung der Verordnungen ... weiter hinauszuzögern. Die Monate währende Ungewißheit über den Inhalt der Dividendenabgabeverordnung hat die Wirtschaft nicht nur dazu gezwungen, ihre Bilanzierungsarbeiten zurückzustellen, sondern sie hat leider auch den Boden geschaffen, auf dem sich spekulative Machenschaften breitmachen." 45 Datiert vom 12. Juni, wurde die DAV erst am 21. Juni 1941 im Reichsgesetzblatt verkündet. Mit ihr wurde sowohl eine Zwangsanleihe für Dividenden als auch eine Steuer (Dividendenabgabe) verfügt. Der wesentliche Inhalt der DAV bestand darin, daß prinzipiell nicht mehr als sechs Prozent Dividende ausgeschüttet werden durften, soweit nicht bisher ein höherer Dividendensatz festgelegt war. In diesen Fällen durfte er aber nicht über den bisherigen erhöht werden. Zur Auszahlung sollten jedoch nur sechs Prozent bzw. in den genannten Fällen höchstens acht Prozent gelangen. Der darüber hinaus gehende Dividendenbetrag war „unverzüglich in Schatzanweisungen des Reichs anzulegen" und „treuhänderisch für die Anteilseigner zu verwalten." Bei einer Ausschüttung von mehr als sechs Prozent mußte eine Dividendenabgabe an das Reich gezahlt werden. Bei einer Sieben-Prozent-Dividende waren 30 Prozent der Mehrausschüttung zu zahlen. Die Abgabe erhöhte sich gestaffelt auf bis zu 400 Prozent der Mehrausschüttung bei einer Zwölf-Prozent-Dividende oder höher. 42 BAP, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 6427, Bl. 253. 43 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6550, „Zur Frage der gesetzlichen Dividendenregelung". Artikel von Reichsbankrat Windlinger für die Beamtenzeitschrift „Die Staatsbank", Juli 1941. 44 BAP, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 6427, Bl. 45 f. 45 Ebenda, Bl. 214.

Ordentliche Haushaltseinnahmen

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Durch Kapitalberichtigung konnte eine Dividendenabgabe gegebenenfalls umgangen werden. Von dieser Möglichkeit, die zwar den Ausschüttungsbetrag nicht erhöhte, aber von der Dividendenabgabe befreite, ist in der überwiegenden Zahl der Fälle Gebrauch gemacht worden, wurde doch eine solche Kapitalberichtigung nur mit mäßiger Pauschsteuer (Höchstsatz 20 Prozent) besteuert. Die nach der Dividendenabgabeverordnung in die Reichskasse fließenden Beträge blieben sehr bescheiden und erreichten im ersten Jahr (1941/42) 23 Mill. RM, danach blieben sie weit unter der Zehn-Millionen-Grenze. Die Erträge der DAV waren nicht höher als der Ertrag von Süßstoff- und Essigsäuresteuer zusammen. Die DAV war also keineswegs ein ernsthafter Versuch, höhere Steuereinnahmen zur Kriegsfinanzierung durch Beschneiden der Kriegsprofite zu erzielen.

d) Gewinnabführung nach Paragraph 22 KWVO und Gewinnabführungsverordnung (GAV) Auch die Gewinnabführungsverordnung (GAV) vom 31. März 1942 (RGBl. I, S. 162) war vorrangig auf optische Wirkung berechnet; immerhin brachte sie aber in drei Jahren 2 838,6 Mill. RM ein. Dieser Gewinnabführung ging auf der Grundlage des § 22 der Kriegswirtschaftsverordnung eine Abführung von „ungerechtfertigten Gewinnen im Kriege" voraus, die aber tatsächlich keine praktische Bedeutung hatte. Zunächst war nach der KWVO eine solche Abführungspflicht nicht vorgesehen und wurde auch bis zur GAV nicht ausgesprochen. Man begnügte sich mit Appellen an die Unternehmen. So betonte der Reichskommissar für die Preisbildung am 9. September 1939 lediglich, daß es über Bedeutung und Auslegung der kriegsverpflichteten Volkswirtschaft für den anständigen deutschen Menschen keinen Meinungsstreit geben könne. Erst im November 1940 schuf er „eine straffere Regelung dieser allgemeinen, moralischen Verpflichtung", wodurch „die programmatischen und moralischen Verpflichtungen des § 22 der Kriegswirtschaftsverordnung zu unmittelbarem Recht" wurden." 46 Danach war , jeder Unternehmer verpflichtet, seine Preise genau nachzuprüfen und jede Möglichkeit der Preissenkung auszunützen. Die Gewinnquoten sind nicht nach früheren Friedensgewohnheiten, sondern mit kriegswirtschaftlichen Maßstäben zu messen. ... Alle Ersparnisse in der Fertigung sind zu Preissenkungen zu benützen, wenn dies nur irgendwie erreichbar ist. Ist dies in gesondert gelagerten Verhältnissen nicht möglich oder aus allgemeinen Wirtschaftsgründen nicht erwünscht, dann ist der so entstehende Übergewinn abzuführen." 47 Aber die „Zweite Durchführungsverordnung zum Abschnitt IV der Kriegswirtschaftsverordnung" vom 8. Dezember 1940 (RGBl. I, S. 1581) beschränkte sich wiederum nur auf allgemeine Formulierungen. Vom Reichskommissar für die Preisbildung wurde lediglich verordnet: „Nach den Grundsätzen einer kriegsverpflichteten Wirtschaft hat jeder bei seinem Preisgebaren in dem Bewußtsein zu handeln, daß der Krieg jedem Deutschen eine besondere Verantwortung gegenüber seinem Volke auferlegt und wirklich Opfer von ihm 46 Fischer, Guido, LSÖ. Kosten und Preis, Erkenntnisse und Folgerungen aus der Praxis der LSÖRechnung, Leipzig 1941, S. 192 ff. 47 Ebenda, S. 193.

700

Die Kriegsfinanzierung

verlangt." Auch nach dem Rundschreiben Nr. 138/41 sahen „die entsprechenden Vorschriften des Reichskommissars für die Preisbildung vor, daß jeder Betrieb selbst verantwortlich ist, ... seinen etwaigen Übergewinn zu errechnen und abzuführen." 48 Es galt Selbstveranlagung.49 Die Gewinnabführung nach § 22 KWVO war also höchst fragwürdig, und es sind keine nennenswerten „Übergewinne" in die Reichskasse geflossen. Erst die „Verordnung über die Erfassung außergewöhnlicher Gewinnsteigerungen während des Krieges (Gewinnabführungs-Verordnung - GAV)" vom 31. März 1942 schuf eine generell neue Grundlage für die Besteuerung von Kriegsgewinnen. Formell war die Gewinnabführung zwar keine Steuer, aber de facto stellte sie von der Anlage her, nach der Art der Vereinnahmung und der Verwendungsabsicht, eine Steuer dar. § 1 der GAV schrieb vor: „Der abgeführte Betrag wird einem Konto (Gewinnabführungs-Konto) zugeführt, über dessen Verwendung der Reichsminister der Finanzen nach Beendigung des Krieges bestimmen wird." Natürliche Personen und Personengesellschaften hatten 25 Prozent, Körperschaften 30 Prozent der außergewöhnlichen Gewinnsteigerung abzuführen, wobei als solche Gewinnsteigerung „das Mehr der gewerblichen Einkünfte im Wirtschaftsjahr 1941 über das Eineinhalbfache der gewerblichen Einkünfte im Wirtschaftsjahr 1938" galt, wenn dies 30 000 RM oder mehr ausmachte. Die Erste Verordnung zur Durchführung der Gewinnabführungs-Verordnung (Erste GADV), ebenfalls vom 31. März 1942 (RGBl. I, S. 162), in der diese Festlegungen getroffen wurden, bot aber in § 5 die Möglichkeit, den Gewinnabführungsbetrag zu mindern, wenn der Unternehmer nach Festpreisen, Einheits- oder Gruppenpreisen arbeitete. Das betraf insbesondere die Masse der Rüstungsunternehmen. Nach §14 konnte der Gewinnabführungsbetrag bis zur Hälfte zurückbehalten („belassen") oder - soweit nicht schon abgeführt - wieder zurückgegeben („überlassen") werden, wenn dies „aus wirtschaftlichen Gründen oder infolge einer besonderen wirtschaftlichen Notlage" beantragt wurde. Der nichtabgeführte bzw. zeitweilig überlassene Teil des Gewinnabführungsbetrages wurde gleichsam als Kredit behandelt und mußte mit 3 1/2 Prozent verzinst werden. Nach einer Analyse des Reichsfinanzministeriums über die Gewinnabführung per 31. Dezember 1942 hatten für 1941 insgesamt 60 122 Unternehmen den Gesamtbetrag von 814 972 348 RM zu entrichten. Davon waren etwa 48,5 Mill. RM belassen bzw. überlassen worden, und ca. 111,4 Mill. RM waren noch rückständig (gestundet oder auch umstritten).50 Die Analyse belegt, daß es die bedeutendsten Rüstungsunternehmen verstanden haben, sich der Entrichtung der vollen Gewinnabführungsbeträge weitgehend zu entziehen. 465 Unternehmen stellten für 1941 den Antrag, nach § 5 keine Gewinne abführen zu müssen, davon 59 aus dem Oberfinanzbezirk Düsseldorf und 44 aus dem Bezirk Westfalen, d. h. aus den schwerindustriellen Bezirken.51 Die durchschnittlichen Abführungsbeträge der zahlenden Unternehmen dieser Bezirke beliefen sich nach der Analyse auf 18 409 bzw. 14 193 RM.52 Der diesen Abführungsbeträgen entsprechende „außergewöhnliche Gewinn" lag zwi48 49 50 51 52

Ebenda, S. 253. Siehe ebenda, S. 197 f. BAP, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 6916, Bl. 56 u. 93. Ebenda, Bl. 56. Ebenda, Bl. 93.

Ordentliche Haushaltseinnahmen

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sehen 75 000 und 50 000 RM. Diese Größenordnung bedeutet, daß mittlere und kleinere in die Rüstung einbezogene Unternehmen zu zahlen hatten, die bedeutendsten Rüstungsproduzenten in der Durchschnittsrechnung jedoch nicht enthalten sind. Mit der Dritten GADV vom März 1943 wurde diese Differenzierung noch verstärkt. Vom Wirtschaftsjahr 1942/43 an galten einerseits noch strengere Maßstäbe für die Kleinen (bereits 20 000 RM oder 120 Prozent des Jahresgewinns wurden abgabepflichtig); andererseits wurden für die Großen weitere Vergünstigungen wirksam (neben dem Umsatzanteil an Lieferungen und Leistungen nach Einheits- und Gruppenpreisen durfte der Umsatzanteil an Lieferungen für die Ausfuhr und den Transithandel zur Verminderung der Gewinnabführung herangezogen werden).

e) Weitere steuerliche Maßnahmen im Kriege Während des Krieges griff man zu steuererhöhenden Maßnahmen nur sehr zögernd, um unliebsame Reaktionen der Bevölkerung bzw. der Betroffenen nicht herauszufordern. Im Sommer 1941, als das Scheitern der Blitzkriegsstrategie noch nicht allgemein in das Volksbewußtsein eingedrungen war, sich aber die bevorstehende Langwierigkeit des Krieges schon deutlich abzeichnete, wurde mit der „Verordnung über die Änderung von Steuergesetzen (Steueränderungsverordnung - StÄV)" (RGBl. I, S. 510) die Einführung des Kriegszuschlages zur Körperschaftssteuer in Höhe von 25 Prozent der Körperschaftssteuer für Körperschaften mit mehr als 50 000 RM Einkommen verordnet. 1941 sollte dieser Kriegszuschlag aber erst einmal nur zur Hälfte erhoben werden. Die Gewinnabführungs-Verordnung vom 31. März 1942 erhöhte diesen Kriegszuschlag für Körperschaften mit mehr als 500 000 RM Einkommen auf das Anderthalbfache. Er betrug mithin für diese jetzt 37,5 Prozent der Körperschaftssteuer. Im Oktober 1941 erhöhte die Zweite Durchführungsverordnung über den Kriegszuschlag zum Kleinhandelspreis von Bier, Tabakwaren und Schaumwein (RGBl. I, S. 666) den Kriegszuschlag bei Tabak auf 50 Prozent und bei Schaumwein um das Dreifache auf 3,- RM je Flasche (Fruchtschaumwein 1,50 RM). Gleichzeitig wurde mit der Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft vom 31. Oktober 1941 (RGBl. I, S. 664) darüber hinaus der Preis für Branntwein weiter erhöht. Ein Hektoliter Weingeist sollte danach dem Branntweinmonopol statt bisher 375 RM (nach KWVO) nunmehr 475 RM Einnahmen bringen. Eine einmalige, sehr erhebliche Steuereinnahme kassierte die Reichsregierung 1942 ein. Mit der „Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer" vom 31. Juli 1942 (RGBl. I, S. 501) wurde zwar per 1. Januar 1943 eine Steuer abgeschafft, die seit 1926 jährlich etwa 800 Millionen einbrachte und als „Hauszinssteuer" bekannt war53; aber es wurde auf einen Schlag der zehnfache Jahresbetrag dieser Steuer eingetrieben. Während die Gebäudeentschuldungssteuer eine Ländersteuer war, wurde nunmehr vom Reich eine einmalige Abgeltungszahlung in Höhe des zehnfachen Jahressteuerbetrages gefordert. Damit sollte die Steuer abgegolten sein. Der „Abgeltungsbetrag" mußte bis spätestens 31. Dezember 1942 53 Siehe RGBl. I 1926, S. 251, Gesetz über Geldentwertungsausgleich bei bebauten Grundstücken, v. 1.6.1926.

702

Die Kriegsfinanzierung

gezahlt werden. Ab 1943 war er sonst mit 4,5 Prozent Zinsen belastet. Zur Aufbringung des Abgeltungsbetrages konnten Kredite aufgenommen werden. Auf diese Weise flössen in kurzer Zeit über acht Mrd. RM in die Reichskasse, nämlich 7 987,6 Mill. RM im Rechnungsjahr 1942/43 und weitere 146,3 Mill. RM im Rechnungsjahr 1943/44. Es ist offensichtlich, daß mit dieser Aktion im Jahre 1942 eine Finanzspritze außergewöhnlicher Art das Streben nach erneuter Offensive der Wehrmacht insbesondere an der Ostfront finanziell absichern sollte. Überhaupt war die Frage der Fälligkeitstermine von Steuern nicht bedeutungslos. Das Reich brauchte das Geld schließlich nicht irgendwann, sondern möglichst frühzeitig. Darum wurden durch die Steueränderungs-Verordnung vierteljährliche Vorauszahlungen bei der veranlagten Einkommensteuer verlangt. Ende 1941 /Anfang 1942 wurde ferner im Reichsministerium der Finanzen erwogen, die Fälligkeitstermine von Verbrauchssteuern vorzuverlegen, was zu zeitweiligen Belastungen ähnlich einer Steuererhöhung führen mußte. Für Betroffene konnten Zahlungsschwierigkeiten auftreten, während offensichtlich zeitweilige Zahlungsschwierigkeiten in der Reichskasse gerade auf solche Art gemildert werden sollten.54 Eine ganze Reihe von Protesten und Beschwerden waren die Folge.55 Andere Auseinandersetzungen gab es 1944 über einen eventuellen Wegfall einzelner Verbrauchssteuern zwecks Verwaltungsvereinfachung.56

f ) Besteuerung ausländischer

Zwangsarbeiter

Auch die ausländischen Zwangsarbeiter wurden mittels Besteuerung zur Kriegsfinanzierung herangezogen. Während polnische Fremdarbeiter, die in der deutschen Landwirtschaft arbeiteten, nach der „Reichstarifordnung" vom 8. Januar 1940 niedrigere Löhne und Sozialleistungen als deutsche Arbeiter erhielten, wurde in der Industrie nach allgemeinen Tarifen entlohnt.57 Ab Juli 1940 wurden sie jedoch mit einer „Sozialausgleichsabgabe" belegt, um ihre soziale Lage gegenüber deutschen Werktätigen zu drücken.58 Diese Abgabe wurde als Zuschlag zur Einkommen-/Lohnsteuer in Höhe von 15 Prozent erhoben, fiel dem Reichshaushalt zu und diente damit unmittelbar der Kriegsfinanzierung. Den ab Herbst/Winter 1941 in zunehmendem Umfang in der deutschen Rüstungsindustrie eingesetzten zivilen sowjetischen Arbeitskräften wurde vom Lohn die „Oststeuer" abgezogen.59 Die Steuertabelle ließ den Ostarbeitern maximal 17 RM Wochenlohn. Allerdings bekam kaum ein „Ostarbeiter" den dazu erforderlichen Bruttowochenlohn von 70 RM. Da 54 55 56 57

Siehe BAP, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 9252, Bl. 87, AN v. 8.12.1941. Ebenda, div. Dok. BAP, Reichsfinanzministerium, Nr. Β 9253, div. Dok. Eisner, Lothar/Lehmann, Joachim, Ausländische Arbeiter unter dem deutschen Imperialismus 1900 bis 1945, Berlin 1988, S. 183 ff. Zum folgenden s. a. I, S. 96 ff.; II, S. 190 ff.; S. 217 ff. 58 RGBl. I 1940, S. 1077, Verordnung über die Erhebung einer Sozialausgleichsabgabe v. 5.8.1940. 59 RGBl. I 1942, S. 41, Verordnung über die Besteuerung und die arbeitsrechtliche Behandlung der Arbeitskräfte aus den neu besetzten Ostgebieten (StVAOst) v. 20.1.1942.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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vom Nettolohn Unterkunfts- und Verpflegungskosten abgezogen und noch andere Abzüge vorgenommen wurden, blieb für viele am Ende der Woche gar ein Schuldbetrag statt eines Lohnes. Die „Oststeuer" rief selbst in Kreisen der Rüstungsindustrie Kritik und Besorgnis hervor, weil die absolute Lohnbegrenzung (17 RM Wochenlohn) in ihrer Konsequenz jeglichen Leistungswillen erstickte. Die „Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter" vom 30. Juni 1942 (RGBl. I, S. 419) regelte die Bezahlung und Besteuerung neu. Die Ostarbeiter waren nun formell steuerfrei. Sie hatten „keine Lohnsteuer und keine Bürgersteuer" zu zahlen. Allerdings blieb ihr „nach Leistung abgestuftes Arbeitsentgelt" entsprechend der „Entgelttabelle für Ostarbeiter" ähnlich gering wie vordem. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und anderes wurden weiterhin abgezogen. Damit die Unternehmen durch den Einsatz von Ostarbeitern keine besonderen Gewinnvorteile hatten, mußten sie eine „Ostarbeiterabgabe" zahlen, die etwa der Differenz zwischen „Arbeitsentgelt" und dem Lohn eines deutschen Arbeiters bei vergleichbarer Tätigkeit und Leistung entsprach. Die Neuregelung war im Grunde formeller Natur. Die Abführung an die Reichskasse hatten jetzt die Unternehmer ohne Umweg über die Lohnzahlung vorzunehmen. Die Ostarbeiter erhielten nach § 8 der Verordnung keine Lohnabrechnung. Ihnen wurde nur das Versprechen gegeben, die Einkünfte für sie auf einem Bankkonto zu verwahren und ihnen bei der Rückkehr in die Heimat auszuhändigen bzw. später dorthin zu überweisen, wo „der ersparte Betrag ... dem Sparer oder dessen Familienangehörigen nach näheren Vorschriften des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete oder des Oberkommandos der Wehrmacht zur Verfügung (stehe)" (§ 13). Das sogenannte „Ostarbeitersparen" ließ, neben der Oststeuer bzw. der Ostarbeiterabgabe, eine zusätzliche, letztlich nicht mehr feststellbare Summe in die deutsche Kriegskasse fließen. In der Konsequenz waren alle Steuern, Abgaben und „Ersparnisse" aus der Zwangsarbeit polnischer und sowjetischer Arbeitskräfte in Deutschland eine spezifische Form des Tributs, der den Völkern der okkupierten Länder finanziell auferlegt wurde. In den Quellen sind keine zusammenfassenden Angaben enthalten.

3. Außerordentliche Haushaltseinnahmen In noch weit stärkerem Maße als Steuern und Abgaben dienten Kreditaufnahme und bloße Geldschöpfung zur Ausstattung des NS-Staates mit den zur Kriegführung notwendigen Geldmitteln. Die Reichsregierung hatte sich sehr frühzeitig diese zweite Quelle der Rüstungs- und Kriegsfinanzierung erschlossen. Steuergutscheine, Mefo-Wechsel und andere Mittel ermöglichten bereits die Aufrüstung, ohne den Reichshaushalt allzu auffällig zu belasten. Nur eingeweihte, mit Aufrüstung und Wehrmachtsaufträgen maßgeblich befaßte Leute kannten Mittel, Methoden und Zusammenhänge.60

60 Siehe Andexel, S. 83 ff.; Zumpe, Lotte, Wirtschaft und Staat in Deutschland 1933 bis 1945, Berlin 1980, S. 293 ff.; Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 26 ff.

704

Die Kriegsfinanzierung

Am 12. September 1939 erschien die „Verordnung über die Feststellung eines Nachtrages zum Reichshaushalt für das Rechnungsjahr 1939" (RGBl. II, S. 963). Darin wurde der Reichsminister der Finanzen ermächtigt, „zur Bestreitung einmaliger außerordentlicher Ausgaben einen Betrag bis zu 15 Milliarden Reichsmark im Wege des Kredits zu beschaffen." Das war der Auftakt für die Schuldenfinanzierung des Krieges. Die NS-Führung setzte die insbesondere seit dem Ersten Weltkrieg bekannten Vor- und Nachteile der Kredit- bzw. Anleihefinanzierung in Rechnung und entwickelte ein ziemlich routiniertes System, das die Widersprüche und Gefahren des Staatskredits trotz seiner enormen Dimensionen weitgehend verdeckte. Vor der Öffentlichkeit weitgehend verborgen, wurde in der Folgezeit die Kreditaufnahme praktiziert - ohne hohen Verwaltungsaufwand, pausenlos, „im rollenden Verfahren" und ohne jegliche Begrenzung in der Summierung der Schulden. Alles vollzog sich hinter dem Rücken der Bevölkerung ausschließlich im internen Verkehr mit den Banken, Sparkassen, sonstigen Kreditinstituten und den Versicherungen. Die Kriegsfinanzierung auf dem Wege der Staatsverschuldung war in ihrer „Geräuschlosigkeit" ein raffiniert betriebenes System des Betruges am Volk, dessen Einkommen und Vermögen buchstäblich verpulvert wurden. Mit bemerkenswerter Akribie wurde immerhin noch mehrere Jahre lang im Reichsgesetzblatt bekanntgemacht, welche Emissionen verzinslicher Schatzanweisungen des Deutschen Reiches zur Eintragung in das Reichsschuldbuch gelangten.61 Die Finanzierung des Krieges auf dem Kreditwege führte nicht nur zu einem enormen Ansteigen der fundierten, langfristigen, ins Reichsschuldbuch eingetragenen Reichsschuld, sondern zunehmend zum Anwachsen der „schwebenden" Schuld, der kurzfristigen Verschuldung durch Notenbankkredit. Dabei vollzog sich das Anwachsen der kurzfristigen, „schwebenden" Schuld in allen Perioden des Krieges schneller als das der fundierten Schuld. Seit 1942/43 wurde der Notenbankkredit zum dominierenden Weg der Geldbeschaffung. Da die kurzfristigen Kredite zur Begleichung der Kriegskosten laufend - in der Regel nach jeweils zwei Monaten Laufzeit - erneuert werden mußten, was sich in formeller Rückzahlung und neuer Kreditaufnahme vollzog, häuften sich mit zunehmender Reichsverschuldung die Buchungen in der Reichshauptkasse immer schneller. Die kurzfristige Kreditaufnahme mittels unverzinslicher Schatzanweisungen, Reichswechsel, Schatzwechsel oder ähnlich genannter Schuldpapiere war lediglich der Form nach Kreditfinanzierung. Dem Wesen nach handelte es sich um Ingangsetzung der Notenpresse. Tabelle 154 Kreditaufnahmen und -rückzahlungen des Reiches, 1.9.1939-8.5.1945

1.9.1939-31.8.1940 1.9.1940-31.8.1941 1.9.1941-31.8.1942

(in Mrd. RM)

Kreditaufnahme

Kreditrückzahlung

Stand der RMInlandsschulden (31.3. d. J.)

62,54 108,54 171,49

31,95 66,60 116,42

50,796 88,366 141,099

61 RGBl. I, Jahrgänge 1940-1943.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen Tabelle 154

705

(Fortsetzung)

1.9.1942-31.8.1943 1.9.1943-31.8.1944 1.9.1944- 8.5.1945

Kreditaufnahme

Kreditrückzahlung

Stand der RMInlandsschulden (31.3. d. J.)

243,09 365,08 244,43

182,45 281,64 177,57

196,406 274,025 347,156*

*) Stand 31.12.1944. Quelle: Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 98/100, sowie Bekanntmachungen der Reichsschuldenverwaltung (Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger).

Bemerkenswert sind die erheblichen Zinszahlungen für die Reichsschuld, die als echte Kosten für die Beschaffung der Mittel zur Kriegsfinanzierung anzusehen sind.62 Tabelle 155 Verzinsung der Reichsschuld nach Rechnungsjahren, 1939/40 1940/41 1941/42 1942/43 1943/44 1944/45

1939/1940-1944/1945

(in Mrd. RM)

1,9 2,8 4,2 5,9 6,6 10,5

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, S. 555.

a) Die fundierte

Reichsschuld

Mittel- und langfristige Anleihen des Deutschen Reiches, die in das Reichsschuldbuch eingetragen wurden, spielten eine wichtige Rolle für die Deckung der Kriegskosten. Systematisch wurde die aus der Kriegskonjunktur entstehende hohe Liquidität bei den Banken, Kreditinstituten, Sparkassen und Versicherungen für die Zwecke der Kriegsfinanzierung abgeschöpft. Da andere kurz- und langfristige Anlagemöglichkeiten außer in der Rüstungsindustrie kaum vorhanden waren, sahen sich die Kreditgeber praktisch gezwungen, ihre freien Mittel in Reichspapieren anzulegen. Sie waren die Hauptabnehmer für Anleihepapiere, Schatzanweisungen und -Wechsel des Reiches. Große Beträge wurden ihnen auch einfach zugewiesen.63 Die Länder und Gemeinden wurden beauflagt, Reichstitel zu übernehmen. Sie mußten 75 Prozent ihrer Rücklagefonds als Reichsanleihe oder Schatzanweisung zeichnen.64 62 Die Zinszahlungen werden in anderen Statistiken meist in etwa gleicher Höhe angegeben. Demgegenüber sind die Angaben im Statistischen Handbuch von Deutschland 1928-1944, S. 555, über Tilgung und Aufnahme von Schulden unverständlich niedrig. 63 Federau, S. 38. 64 Siehe beispielsweise Stadtarchiv Stralsund, T. 1234, div. Dok.

706

Die Kriegsfinanzierung

Die Emission der Reichsschuldpapiere erfolgte weitgehend nichtöffentlich. Die Einlagen der Banken, die Spareinlagen und Versicherungsbeiträge verwandelten sich ohne Wissen des Publikums in Ressourcen der Kriegsfinanzierung. Bei der konkreten Gestaltung der Anleihe- bzw. Kreditaufnahme wurden frühere Erfahrungen beachtet. Dabei ist offensichtlich die öffentliche Emission von 500 Mill. RM 4 72prozentiger auslosbarer Schatzanweisungen der Deutschen Reichsbahn im November 1939 von Bedeutung gewesen. Es dürfte sich bei dieser Emission um die letzte öffentliche Ausschreibung einer solchen Anleihe im Deutschen Reich gehandelt haben. Sie war laut öffentlichem Zeichnungsangebot der Reichsbahn bestimmt zur „Ergänzung und Vervollkommnung ihrer baulichen Anlagen sowie zur Vermehrung ihres Fahrzeugparks, die durch den allgemeinen Wirtschaftsaufschwung und das Hinzukommen von Strecken in der Ostmark, im Sudetengau und in den im Osten gebildeten neuen Reichsgauen notwendig geworden sind". Vom Gesamtbetrag (500 Mill. RM) wurden 300 Mill, zur öffentlichen Ausschreibung gebracht. 200 Mill, waren bereits vorher gebunden worden. Als Konsortium fungierten 48 Banken und Geldinstitute, von der Reichsbank über die Berliner Großbanken und zahlreiche öffentlich-rechtliche Kreditinstitute bis zu verschiedenen Privatbanken. Die Schatzanweisungen sollten in den Jahren 1945 bis 1949 durch Auslosung zur Tilgung kommen. Die Emission wurde rasch realisiert und bestätigte die sich seit 1935 ausprägende Entwicklung, daß der Kreditmarkt zunehmend nur noch den Staatsfinanzbedarf zu decken hatte.65 Obwohl laut Ausschreibung eine Zeichnungsfrist vom 3. bis 13. November 1939 vorgesehen war, wurden für die 300 Mill. RM öffentlich angebotenen Schatzanweisungen der Reichsbahn schon am ersten Tag Zeichnungen im Gesamtbetrag von 546,2 Mill. RM vorgenommen, so daß bereits am Abend des 3. November Zeichnungsschluß ausgesprochen werden mußte. Die insgesamt 500 Mill. RM Schatzanweisungen wurden 30 117 Zeichnern zugeteilt, darunter 3 368 Kreditinstitute und 291 Versicherungsunternehmen. Die Banken übernahmen 67,9 Prozent des Anleihevolumens, die privaten Zeichner bekamen 11,9 Prozent, Unternehmen 10,5 Prozent des Anleihebetrages. 91,1 Prozent der Zeichner, die Schatzanweisungen zugeteilt bekamen, übernahmen Anteile in der Größe bis 20 000,- RM. Zeichnungsanteile mittlerer Größe (bis 100 000 RM) gingen vor allem an Unternehmen und Banken; 550 Zeichnungen über 100 000 RM entfielen fast ausschließlich auf Kreditinstitute, darunter 114 Mill. RM in 34 Posten von mehr als einer Mill. RM. Den Zeichnern war in dem Zeichnungsangebot „zur Wahl gestellt, entweder die Ausfertigung der gezeichneten Stücke oder deren Einlegung in ein Sammeldepot bei einer Wertpapiersammelbank zu beantragen". 232 Mill. RM wurden als Sammeldepotzeichnungen, also stückelos, realisiert.66 Die aus der Begebung dieser Anleihe gewonnenen Erkenntnisse über die hohe Kapitalflüssigkeit, die herausragende Rolle der Banken und das große Interesse an der Vorwegzeichnung für die Sammeldepot Verwahrung (stückeloser Verkehr) waren für künftige Anleihebegebungen maßgebend. 65 Vgl. Zumpe, S. 292. 66 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6549, Bl. 307 ff. „Statistik der Zeichnungen auf die 4 'Aprozentigen auslosbaren Reichsschatzanweisungen von 1939".

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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In der Folgezeit wurden mittel- und langfristig ausgelegte staatliche Wertpapiere nicht mehr öffentlich angeboten. Wenn überhaupt, so wurden sie in den internen Rundschreiben der Reichsgruppe Banken bzw. des Centraiverbandes des Bank- und Bankiergewerbes angekündigt. Die gängigen Formen der zur Eintragung in das Schuldbuch des Deutschen Reiches gelangenden und damit zur fundierten Schuld gehörenden Schuldpapiere waren während des Krieges Anleihen und verzinsliche Schatzanweisungen. Laut Schuldbucheintragung erfolgten jährlich meist eine Anleihe und mehrere Folgen von Schatzanweisungen. Der Zinssatz betrug bis 1939/40 4 Ά Prozent, 1940 gab es Anleihen und Schatzanweisungen zu vier Prozent, ab 1941 wurden die Anleihen und Schatzanweisungen nur noch zu 3 'Λ Prozent verzinst. Die Laufzeiten der verzinslichen Schatzanweisungen waren unterschiedlich ausgelegt, wurden aber in der Tendenz immer länger. Hatten die Schatzanweisungen von 1938 (4 'Λ Prozent auslosbar) und von 1940, Folge I - IV (vier Prozent) noch Laufzeiten von fünf Jahren, so die Folge V des Jahres 1940 schon zehn Jahre. Ab Folge VI/1940 wurden 20 Jahre Laufzeit und mehr festgelegt. Die im Januar 1945 im Rundschreiben der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe bekanntgemachten 3 Ίι- Prozent-Schatzanweisungen 1945 Folge I sollten am 16. Februar 1967 (!) fällig werden. Diese Folge I von 1945 diente gleichzeitig als Ablösung der Vier-Prozent-Schatzanweisungen von 1940 Folge I, deren Laufzeit nur fünf Jahre betragen hatte.67 Der Gesamtbetrag der einzelnen Folgen von Schatzanweisungen ist in Ankündigungen nicht genannt worden. Das Gesamtvolumen 1939-1945 überstieg die 70-Milliarden-Grenze.68 Die Anleihen des Deutschen Reiches, die in den Kriegsjahren aufgelegt wurden, hatten Laufzeiten von 20 Jahren (Vier-Prozent-Anleihe 1940) bis 27 Jahren (4'/2-Prozent-Anleihe 1940). Die 3'/2-Prozent-Anleihe von 1941 war auf 25 Jahre berechnet. Die Anleihen waren als Liquiditäts-Anleihen (Li-Anleihen) qualifiziert, d. h. 50 Prozent der gesetzlich vorgeschriebenen Liquiditätsreserven der Sparkassen und Versicherungen durften bzw. mußten in Li-Anleihen gehalten werden. Sie waren lombardfähig, an den Börsen aber nicht zugelassen.69 Im übrigen wurden die Anleihen nicht angekündigt oder bekanntgemacht; ihre Auflegung konnte nur den regelmäßigen Bekanntmachungen der Reichsschuldenverwaltung entnommen werden. Danach erreichten die Anleihen, gerechnet von der 1. Ausgabe der 4'/2-Prozent-Anleihe von 1939 bis zur 3'/i-Prozent-Anleihe von 1944, ein Gesamtvolumen von über 53 Mrd. RM. Neben der Erhöhung des Rentenbankdarlehens in den ersten Kriegsjahren von 408,8 Mill. RM (Mitte 1939) auf 1 549,9 Mill. RM kam zu den aufgelegten Anleihen und Schatzanweisungen 1944 noch ein 3 '/2-Prozent-Darlehen in Höhe von 100 Mill. RM im Reichsschuldbuch zur Eintragung. Insgesamt erhöhte sich die eingetragene fundierte Reichsschuld von 23 642,0 Mill, am 30. Juni 1939 auf 134 960,4 Mill. RM am 31. Dezember 1944. Die Titel 67 Β AP, Reichswirtschaftsministerium, Nr. 15556, Rundschreiben Nr. 1 der Wirtschaftsgruppe Privates Bankgewerbe/Centralverband des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes, v. 5.1.1945. 68 Hier wie im folgenden s. Anlage: Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichsschuld (Faltblatt). 69 Siehe Born, Karl-Erich, Geld und Banken im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, S. 542.

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Die Kriegsfinanzierung

aus der Vorkriegszeit waren je nach ihrer Laufzeit bzw. Tilgungsfrist Bestandteil dieser fundierten Schuld, wurden aber nach und nach getilgt, wozu die nachfolgenden fundierten Schuldtitel herangezogen wurden. Die Aufnahme langfristiger Kredite stieg vom zweiten Kriegsjahr an rasch, erreichte 1943/44 mehr als 33,5 Mrd. RM. In diesem Jahr fielen mit 6,3 Mrd. RM auch größere Kredittilgungsbeträge an (vor allem Schatzanweisungen und Anleihen aus den dreißiger Jahren). Die Emission von staatlichen Schuldpapieren im stückelosen Verkehr entsprach der von der NS-Fiihrung in allen Bereichen angestrebten straffen Rationalisierung. Mit ihr wurden auch technische Hemmnisse in der Kreditfinanzierung beseitigt. Mit wenigen Federstrichen statt mit einer „Unsumme von Arbeit und Kosten ..., die durch Druck, Transport, Einlagerung, Prüfen, Zählen, Sortieren und Verpacken vieler Millionen Stücke entsteht", wurden die Finanzmittel für den Krieg bereitgestellt.70 Der Vereinfachung des Verfahrens diente auch, daß nach Festlegung des Diskontsatzes der Reichsbank auf 3 Ά Prozent und des Lombardsatzes auf 4 Ά Prozent am 9. April 1940 die Zinssätze der Anleihen und verzinslichen Schatzanweisungen ab 1941 - bis auf eine Ausnahme - bei 3 Ίι Prozent konstant gehalten wurden. „Seit 1942 war Zinsstetigkeit erreicht."71 Die ersten Monate der Quartale brachten, wie die Reichsbank in einer Analyse vom Februar 1941 feststellte, jeweils die größten Nettoverkäufe, weil die besondere Geldflüssigkeit nach Quartalsschluß (kein großer Steuertermin, wie im letzten Quartalsmonat) sich auswirkten. Die größten Umsätze wies natürlich stets der Januar - und in ihm die erste Woche - auf, weil dann die am Jahresschluß für besondere Bilanzposten und für Zins- und ähnliche Zahlungen bereitgestellten Gelder freiwurden. „Bemerkenswert ist der regelmäßige Rhythmus, der sich darin ausdrückt, daß in der ersten und dritten Woche die höchsten Beträge erzielt werden, während sich in den Zahlen der zweiten Woche der Steuertermin am 10. sowie der Mediobedarf und in denen der letzten Woche der Ultimobedarf abzeichnen. Stets liegt der Absatz in der ersten Monatshälfte höher als in der zweiten." 72 So hatten die vom Reich aufgenommenen Kreditmittel auch terminlich durch den laufenden Absatz der Schuldverschreibungen im Wechsel mit den Steuereinnahmen des Reiches einen festen, planbaren Platz in der Finanzierung der Reichseinnahmen und -ausgaben. Es bestand demgemäß insgesamt kein Grund zu einer Änderung im Verfahren der Kreditaufnahme. Gegenüber hin und wieder geäußerten Wünschen nach direkter Unterbringung der Reichsschuldpapiere beim Publikum verhielt man sich in der Reichsbank ablehnend, „und zwar besonders aus folgenden Erwägungen: 1) Die Reichstitel sind bei den Trägern des organisierten Kredits dauerhafter untergebracht als beim Publikum (leichtere Durchführung von Lenkungsmaßnahmen). 2) Nach den Erfahrungen vom ersten Weltkrieg ... verbürgt eine stärkere Unterbringung von Reichsanleihen im Publikum auf lange Sicht keine Entlastung der Notenbank. 3) Die deutschen Sparer haben sich nach den trüben Erfahrungen der Inflations70 Federau, S. 43. F. war damals Generalsekretär der Deutschen Girozentrale, die als Wertpapiersammelbank im System der Unterbringung von Reichsschuldpapieren eine große Rolle spielte. Die Rationalisierungseffekte des stückelosen Verkehrs sah er aus dieser praktischen Sicht. 71 Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 105. 72 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6549, Bl. 517 f., „Vertrauliche Reichsbanksache. Der Absatz von verzinslichen Schuldverschreibungen des Reiches und von Geldmarktpapieren", 17.2.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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zeit vom Anleihebesitz weitgehend entwöhnt und pflegen ihre Ersparnisse auf Sparkonten bei Banken und Sparkassen einzuzahlen. Diese Entwicklung wird neuerdings durch den stückelosen Effektenverkehr noch gefördert. Eine Änderung der Finanzierungsmethode könnte beim Sparer, dessen Sparfreudigkeit erhalten bleiben muß, zu Mißtrauen Anlaß geben. Mit dem Festhalten an der bisherigen Emissionstechnik entfallt auch der Anlaß zu einer andersartigen und abwechslungsreicheren Gestaltung der Reichsemissionen." 73 Die gegenüber der inländischen Schuldenaufnahme wenig bedeutungsvolle auf fremde Währungen lautende Schuld des Deutschen Reiches blieb während des Krieges ohne große Veränderungen. Soweit eine vertragsgemäße Tilgung fällig war, wurde stets offiziell folgender Vermerk gemacht: „Die infolge Mangels an Devisen nicht transferierten, auf ein Sonderkonto bei der Reichsbank überwiesenen Tilgungsbeträge für den amerikanischen, schweizerischen, italienischen, belgischen, holländischen und deutschen Anleihebesitz wurden vom Schuldkapital abgesetzt".74 Da aber die Tilgungsbeträge nicht transferiert wurden, sind sie letztlich auch nicht als Tilgung realisiert worden. Wenn auch die Reichsschuldenverwaltung sich als um diese Beträge entlastet betrachtete, so stellten die Beträge auf dem Reichsbanksonderkonto dennoch nach wie vor Schulden gegenüber ausländischen Gläubigern dar. Möglicherweise haben einzelne Gläubiger für Zahlungen innerhalb Deutschlands über Beträge des Sonderkontos verfügt; denn - unveränderte Umrechnungskurse unterstellt - die Summe aller Posten wies von 1939 bis 1944 einen Rückgang um knapp 35 Mill. RM auf.

b) Die schwebende

Reichsschuld

Unter dem Einfluß der wachsenden finanziellen Anforderungen der deutschen Kriegführung stieg die Aufnahme von Krediten mit kurzer Laufzeit und ohne Fundierung durch den Kapitalmarkt in allen Phasen des Krieges absolut und prozentual schneller als die Aufnahme fundierter, mittel- und langfristiger Kredite. Der Anteil der kurzfristigen Schuld an der gesamten beurkundeten Reichsschuld hatte im Juni 1939 etwa 25 Prozent betragen. Ende Dezember 1944 betrug er mehr als 60 Prozent. Es ist dies nicht etwa auf vermeidbare Versäumnisse in der Kriegsfinanzierung zurückzuführen, sondern vielmehr darauf, daß trotz enormer Geldkapitalbildung bzw. Einkommensentwicklung (einschließlich Kaufkraftüberhang) die Kapitalbasis für die Konsolidierung der geforderten Kredite fehlte. Solche Summen, wie sie das Reich in das bodenlose Faß des Krieges hineinwarf, konnte der Kapitalmarkt einfach nicht aufbringen. Selbst die Unterjochung großer Teile Europas und ihre wirtschaftliche und finanzielle Ausbeutung konnte auf Dauer die Mittel in solcher Dimension nicht heranschaffen. Die Finanzierung war daher von vornherein in hohem Maße auf die blanke Geldschöpfung angewiesen.

73 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7132, Bl. 86 ff., „Unterlagen für eine Ansprache des Herrn Vizepräsident Puhl vordem Bezirksbeirat der Reichsbankhauptstelle Wien", 14.9.1943. 74 Hier nach der Bekanntgabe der Reichsschuldenverwaltung im Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger, 15.3.1945.

Die Kriegsfinanzierung

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Tabelle 156 Stand und jährliche Zunahme der fundierten und der schwebenden Reichsschuld, ( in Mrd. RM) Datum

30.6.1939 31.3.1940 31.3.1941 31.3.1942 31.3.1943 31.3.1944 31.12.1944

Fundierte Schuld* Stand Zunahme

23,64 28,64 46,52 69,60 90,87 118,04 134,96

5,0 17,88 23,08 21,27 27,17 16,92

Zunahme in Prozent

21,1 62,4 49,4 30,5 29,9 14,3

Schwebende Schuld** Stand Zunahme

9,58 22,16 41,84 71,20 105,54 155,98 212,19

12,58 19,68 29,36 34,34 50,44 56,21

1939-1944

Zunahme in Prozent

131,3 88,8 70,2 48,2 47,8 36,0

*) Nur auf RM lautende Inlandsschuld.**) Einschl. Steuergutscheine, Betriebsanlage- und Warenbeschaffungs-Guthaben, aber ohne Mefo-Wechsel. Quelle: Bekanntmachungen der Reichsschuldenverwaltung.

Die wichtigsten Posten der kurzfristigen Verschuldung waren unverzinsliche Schatzanweisungen - sogenannte U-Schätze, die nach einigen Monaten Laufzeit einzulösen waren - und Reichswechsel. Die unverzinslichen Schatzanweisungen wurden mit einer Laufzeit von drei bis sechs Monaten, zuletzt bis zu 20 Monaten verkauft. Der Zinssatz betrug 2 [h Prozent bei sieben Monaten und drei Prozent bei 18 Monaten Laufzeit, nach der sie zum Nennwert wieder eingelöst wurden. Im Dezember 1944 wurden an die Reichsbank 5 351,1 Mill. RM Schatzanweisungen verkauft und 6 000,0 Mill. RM Schatzanweisungen eingelöst.75 Einen weiteren Hauptposten der schwebenden Reichsschuld bildeten die Reichswechsel. Sie wurden mit einem Zinssatz von 2 Ί» bis 2 3Λ Prozent in Umlauf gesetzt und waren nach 90 Tagen fallig.76 Schwerin von Krosigk bezeichnete die Reichswechsel mit dem Hinweis auf die Zinssätze als billigstes Finanzierungsinstrument. Insgesamt seien 130 Mrd. RM in Umlauf gesetzt worden.77 Im Statistischen Reichsamt wurden per 31. Dezember 1944 102 407,4 Mill. RM unverzinsliche Schatzanweisungen und 98 226,6 Mill. Reichswechsel registriert, zusammen über 200 Mrd. RM. Nach dem Reichsbankausweis befanden sich davon 61 614 Mill. RM in den Tresoren der Reichsbank. Bis 7. März 1945 erhöhte sich der Reichsbankbestand an Schatzanweisungen und Reichswechseln auf 70 192 Mill. RM.78 75 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 57, „Vorläufige Feststellung des Standes der schwebenden Schuld des Reichs", 31.12.1944. 76 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6549, Bl. 497, „Die zur Zeit wichtigsten Typen von Reichsschuldverschreibungen", 20.1.1941. 77 Schwerin v. Krosigk, Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, S. 326. 78 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, Frankfurt a. M. 1976, S. 36 f.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

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Zur schwebenden Schuld wurden offiziell „Kurzfristige Darlehen" gerechnet. Dabei handelte es sich um die Reichskreditkassenscheine, das von der deutschen Wehrmacht in fast allen besetzten Gebieten in Umlauf gebrachte Besatzungsgeld. Sie repräsentierten einen Kredit der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen an das Reich. Je nach der im Umlauf befindlichen Menge des Besatzungsgeldes richtete sich die Höhe dieser „kurzfristigen Darlehen". Im Polenfeldzug 1939 waren es etwa 45 Mill. RM, die in der öffentlichen Bekanntmachung der Reichsschuldenverwaltung damals noch nicht enthalten waren. Im Status der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen wurden an Krediten bzw. Guthaben beim Reich ausgewiesen - E n d e 1941: 4 778,2 Mill. RM; - Ende 1942: 7 433,5 Mill. RM; - Ende 1943: 9 133,0 Mill. RM; am 30. September 1944: 9 885,0 Mill. RM.79 80 In der Literatur werden meist nur die 3,0 Mrd. RM am Kriegsende nicht eingelösten Reichskreditkassenscheine als Schuldposten bzw. als vom Ausland erbrachte Finanzleistung genannt. Das ist stark korrekturbedürftig. Die Reichskreditkassenorganisation - nachdem sie auf der Basis eines Kredits an das Reich aus dem Nichts ihre Reichskreditkassenscheine in Umlauf gesetzt und mit ihnen auch eine eigene Banktätigkeit entfaltet hatte - verwies in ihrer Bilanz per 30. September 1944 bei 12 326 Mill. RM Aktiva auf Guthaben beim Reich bzw. gewährte Kredite von 9 885 Mill. RM. Das Statistische Reichsamt führte als Posten der schwebenden Reichsschuld per 31. Dezember 1944 unter „Darlehen von der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen (bis zum Stichtag bei der Reichshauptkasse gebuchte Beträge)" 9 043,9 Mill. RM und unter „sonstige Darlehen" 89,0 Mill. RM auf.81 Im weiteren sind die laufenden Betriebskredite der Reichsbank für das Reich als ständiger Posten in der nicht fundierten Reichsschuld zu nennen. Nach dem Gesetz über die Deutsche Reichsbank vom 15. Juni 1939 war es dem „Führer und Reichskanzler" überlassen, die Höhe der Betriebskredite zu bestimmen. Sie erreichten zumeist am Jahresende den höchsten Stand; mit Fortdauer des Krieges beliefen sie sich auch zu anderen Terminen auf mehrere hundert Millionen Reichsmark. Schatzanweisungen zum Zwecke von Sicherheitsleistungen, gebunden an bestimmte langfristige Investitionsvorhaben, wurden immer mehr abgebaut und waren während des Krieges insgesamt unerheblich. Die letzte Anweisung für ein Vorhaben im Wartheland in Höhe von 1,1 Mill. RM wäre 1950 fällig gewesen.82 Ihrer ganzen finanztechnischen Anlage nach müssen der schwebenden Reichsschuld die Steuergutscheine zugeordnet werden. Die Anleihestock-Steuergutscheine waren 1937 ausgegeben worden, als nach der dreijährigen ersten Geltungsperiode des Anleihestockgesetzes die Anleihestockbeträge nicht erstattet, sondern in spezielle Steuergutscheine umgetauscht wurden. Der Bestand an diesen Steuergutscheinen nahm noch bis in das Rechnungsjahr 79 Oertel, Manfred, Über die Deutsche Reichsbank im zweiten Weltkrieg, Dissertation, Rostock 1979, Anlage F, Bl. 2. 80 Beispielsweise Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 100 ff. 81 Wie Anm. 75. 82 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 58, Tab. betr. Schatzanweisungen zum Zwecke von Sicherheitsleistungen.

712

Die Kriegsfinanzierung

1940/41 zu. Erst dann wurde er abgebaut. Die Steuergutscheine waren der Form nach vorweg geleistete Steuerzahlungen, die sich das Reich nun selbst berechnete, jährlich allerdings nur reichlich 20 Mill. RM. Die anderen Steuergutscheine - zwei verschiedene Typen - machten zu Kriegsbeginn den Betrag von etwa vier Mrd. RM aus. Insgesamt wurden 4,8 Mrd. ausgegeben. Sie waren nach dem „Neuen Finanzplan" 1939 bei der Bezahlung öffentlicher Aufträge, insbesondere Rüstungsaufträge, zu 40 Prozent des Rechnungsbetrages in Zahlung gegeben worden, je zur Hälfte als Typ I und als Typ II. Der erste Typ war unverzinslich nach sechs Monaten bei Steuerzahlungen einzulösen; Typ II wurde jährlich zu vier Prozent verzinst und konnte nach drei Jahren mit 112 Prozent des Nennwertes zur Steuerzahlung verwendet werden. Beide Typen stellten einen vom Reich erzwungenen Kredit dar, den das Reich dann in der Folgezeit bei der Steuereintreibung durch Verzicht auf Barzahlung einlösen mußte. In den Bekanntmachungen der Reichsschulden Verwaltung erschienen ferner ab 1942 die „Betriebsanlage-Guthaben" und die „Warenbeschaffungs-Guthaben", die ihrem Wesen nach ebenfalls der nicht fundierten, schwebenden Reichsschuld zuzuordnen sind. Beide Posten gingen - Betriebsanlage-Guthaben unmittelbar und Warenbeschaffungs-Guthaben mittelbar - auf die „Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 (RGBl. I, S. 664) zurück. In der Kaufkraftlenkungsverordnung war die Bildung von „Betriebsanlage-Guthaben" verordnet worden. Die Unternehmer wurden aufgefordert, „bei den Finanzämtern durch Einzahlung von Geldbeträgen Guthaben zu bilden, die für die Anschaffung abnutzbarer Anlagegüter des beweglichen Betriebsvermögens in der Nachkriegszeit bestimmt sind (Betriebsanlage-Guthaben)". Die Guthaben durften bis zur Hälfte des beweglichen Betriebsvermögens an Anlagen ausmachen; die Einzahlungen sollten nur bestimmte Zeit möglich sein. Die nach dem Krieg angeschafften Anlagen aus diesem Guthaben sollten dann nicht steuerlich belastet werden. Während des Krieges wurden diese Beträge aber auch nicht verzinst. Sie konnten nur vorzeitig zurückverfügt werden, wenn ihr Inhaber „aus wehrwirtschaftlichen Gründen oder infolge einer besonderen wirtschaftlichen Notlage den Rückzahlungsbetrag dringend braucht". Die Betriebsanlage-Guthaben sollten Unternehmens-Rücklagen darstellen, waren aber de facto eine unbefristete und unverzinsliche Anleihe an das Reich mit der Perspektive, irgendwann Zinsen zu bringen und bei zweckgebundener Verwendung später einen Steuervorteil zu genießen. Die Begrenzungen nach Höhe und Zeitpunkt der Guthabenbildung waren psychologisch-taktischer Natur; die Einzahlungen sollten möglichst schnell erfolgen und der Eindruck einer besonderen Attraktivität dieser Guthaben erreicht werden. Der Gesamtbetrag an Betriebsanlage-Guthaben erreichte nicht die 600-Millionen-Grenze. Ähnlich angelegt war die im November 1941 verordnete Bildung von Warenbeschaffungs-Guthaben. 83 Diese sollten „für die Beschaffung von Waren in der Nachkriegszeit bestimmt" sein. Sie durften 20 Prozent des Wertes der in der Bilanz 1938 ausgewiesenen Fertigwaren, Halberzeugnisse, Rohstoffe und Hilfsstoffe nicht überschreiten; die Einzahlungen mußten bis spätestens 10. Januar 1942 vorgenommen werden. Offenbar sollte zum Jahreswechsel 1941/42 der „Ultimo-Bedarf" der Reichskasse gedeckt werden. 83 RGBl. 11941, S. 739, Verordnung über Warenbeschaffungs-Guthaben (VWBG), v. 28.11.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

713

Während des Krieges unverzinst, sollten die Warenbeschaffungs-Guthaben nach dem Kriege eine steuerfreie Rücklage für Warenbeschaffungen werden, die, beginnend mit dem fünften Jahr nach Kriegsende, in acht gleichen Jahresbeträgen aufgelöst werden sollte. Die Rückzahlung dieser „Anleihe" war also bis zum Ende des zwölften Nachkriegsjahres in Aussicht gestellt. Vorzeitige Rückzahlungen wurden nur zu gleichen Bedingungen und aus gleichen Gründen wie bei den Betriebsanlage-Guthaben eingeräumt. Im ersten und eigentlichen Einzahlungszeitraum gingen etwas mehr als 160 Mill. RM ein, durch zugelassene spätere Zahlungen erhöhte sich der Gesamtbetrag noch auf 177 Mill. RM, von denen dann offenbar wieder 100 000 RM vorzeitig zurückgezahlt wurden (1943/44). Steuergutscheine, Betriebsanlage- und Warenbeschaffungs-Guthaben waren Mischformen zwischen Steuern und Anleihen/Zwangsanleihen und sollten neben den traditionellen Methoden der Steuern und Anleihen auch auf andere Weise Geldmittel für die Kriegsfinanzierung mobilisieren. In diesem Zusammenhang müssen auch die schon erwähnten Gewinnabführungsbeträge nach GAV ab 1942 genannt werden; waren sie doch formell keine Steuern und definitiv mit der Abführung noch nicht konfisziert. Allerdings war die spätere Rückzahlung auch nicht zugesichert. Schon in der Periode der forcierten Aufrüstung war schließlich ein Schuldposten entstanden, der ungedeckt bei der Reichsbank zu Buche stand und bis Kriegsende 1945 die Finanzlage des Reiches belastete: die Mefo-Wechsel. Mit diesen als Warenwechsel getarnten Finanzwechseln wurde in der Vorkriegszeit mehr als ein Drittel der Rüstungsaufträge finanziert. Sie waren auf die Scheinfirma „Metallurgische Forschungsanstalt GmbH" (Mefo) gezogen, hatten eine Laufzeit von fünf Jahren und die volle Rediskontzusage der Reichsbank. Das Reich hatte die selbstschuldnerische Bürgschaft für alle Verbindlichkeiten der Mefo übernommen und auch deren Verwaltungspersonal gestellt. Mefo-Wechsel wurden bis 1938 in einer Gesamthöhe von zwölf Mrd. RM in Umlauf gesetzt und gelangten schließlich alle in den Bestand der Deutschen Reichsbank, die sie als Aktiva vereinnahmte. Sie wurden nicht als Teil der Reichsschuld ausgewiesen, sind ihr aber zuzuordnen; denn in ihnen verkörperte sich - in Gestalt von Reichsbankforderungen an das Reich - die Zahlungsverpflichtungen des Reichs aus der Vorkriegszeit gegenüber den Rüstungslieferanten.

c) Quellen für die

Schuldenaufnahme

Die Reichsschuld setzte sich, wie gezeigt, aus sehr verschiedenartigen Posten zusammen. In den letzten Wochen des Krieges ist vieles nicht mehr korrekt verbucht worden. Dennoch läßt sich die Gesamtsumme der inneren Verschuldung des Reiches am Kriegsende mit ziemlicher Sicherheit auf 390 bis 400 Mrd. RM beziffern.84

84 Β AP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 49 ff., Aufstellung und handschriftliche Chronik (ο. V. o. D.); schätzt die Reichsschuld per 30.4.1945 auf 406,0 Mrd. RM, davon 242,9 Mrd. RM kurzfristige Schuld. Die Reichsschuld überschritt die 100-Milliarden-Grenze im Juli 1941, die 200-Milliarden-Grenze im Juli 1943 und die 300-Milliarden-Grenze im Juli 1944. Bei teilweisen Schätzungen

714

Die Kriegsfinanzierung

Die Reichsschuldpapiere (sowohl lang- als auch kurzfristige) verteilten sich auf Geschäftsbanken, Sparkassen, Versicherungen und Unternehmen und zu nicht geringem Umfang auf die Reichsbank. Tabelle 157 Verteilung der Reichsschuld per 30. September 1944 (in Mrd. RM) I Inland:

Sparkassen

85,6

Postsparkasse und Postscheckamt

10,0

Kreditbanken Genossenschaftsbanken Versicherungen

51,8 19,1 25,0

Reichsbank und Golddiskontbank

45,0

Publikum, Unternehmungen (Markt)

47,1

Inland gesamt II Ausland:

Clearingsalden u. ä.

Gesamte Reichsschuld

283,6 40,0 323,6

Quelle: BÄK, R 3/1003, Bl. 7 ff., „Zur Wiederherstellung der geldwirtschaftlichen Ordnung in Deutschland", Denkschrift v. Reichspreiskommissar Hans Fischböck, zugleich Stellv. Amtschef des Planungsamts, für Rüstungsminister Speer, 27.2.1945; nach Herbst, S. 412. In den letzten Kriegsmonaten vollzogen sich jedoch in der Verteilung der Reichsschulden noch große Veränderungen. Insbesondere nahm der Anteil der bei der Reichsbank untergebrachten Reichsschuld weiter zu. Die Deutsche Reichsbank hatte die zentrale Rolle im System der geräuschlosen Kriegsfinanzierung inne. Sie war der Hauptkommissionär bei der Unterbringung der Anleihen und und unterschiedlicher Einbeziehung einzelner Schuldposten kommen Autoren zu folgenden Beträgen: - 387 Mrd. RM (Schwerin v. Krosigk, Wie wurde der Zweite Weltkrieg finanziert?, S. 326); - 377,5 Mrd. RM (nur Anleihen, Schatzanweisungen und -Wechsel als Neuverschuldung im Kriege: Federau, S. 42); - 397 Mrd. RM (einschl. Mefo-Wechsel und Steuergutscheine: Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 102); - 379,8 Mrd. RM (Andexel, S. 113); - 388 Mrd. RM (Zumpe, S. 413); - 378 Mrd. RM (Herbst, S. 415); - 389,9 Mrd. RM (Bom, S. 543). Siehe auch Köllner, Lutz, Militär und Finanzen. Zur Finanzgeschichte und Finanzsoziologie von Militärausgaben in Deutschland, München 1982, S. 50 und S. 56 ff.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

715

Schatzanweisungen des Reichs. Der stückelose Verkehr war bei ihr zentralisiert. Sie leistete den Banken und anderen Geldinstituten Liquiditätshilfe durch den Ankauf von Schuldpapieren des Reiches. Sie diskontierte in wachsendem Maße selbst unverzinsliche Schatzanweisungen und Reichswechsel. Ihre Kredite an das Reich erhöhten sich von 12,6 Mrd. RM Ende 1939 auf 64,2 Mrd. Ende 1944 - darunter 61,6 Mrd. RM Schatzwechsel und unverzinsliche Schatzanweisungen. Am 7. März 1945 waren diese Kredite weiter auf 72,72 Mrd. RM angewachsen, darunter 70,19 Mrd. RM Schatzwechsel und unverzinsliche Schätze.85 Die Reichsbank handelte während der ganzen Dauer des Krieges nach der Linie, die sie in ihrem Verwaltungsbericht für 1939 programmatisch formuliert hatte: „Die Deutsche Reichsbank hat es bei Kriegsausbruch als ihre selbstverständliche Aufgabe angesehen, nicht nur mittelbar durch Ausnutzung der in der deutschen Geldmarktverfassung liegenden Möglichkeiten, sondern unmittelbar durch Einsatz ihrer eigenen Kreditkapazität sich dem Reiche bei der Finanzierung der Reichsvorhaben zur Verfügung zu stellen."86 Die Reichsbank deckte den Kreditbedarf des Reiches zu reichlich 25 Prozent. Die Banken, Sparkassen und anderen Kredit- bzw. Geldinstitute steuerten mehr als 50 Prozent bei, der Rest wurde von den Versicherungs- und anderen Unternehmen getragen.87 Die Einlagenbestände bei den verschiedenen Geldinstituten und das Anwachsen des Geldkapitals insgesamt bildeten das Deckungspotential.88 Da die Kredite zur Finanzierung der Reichsausgaben fast ausschließlich bei den Banken und Kreditinstituten aufgenommen wurden, war die Ersparnisbildung durch die Bevölkerung von eminenter Bedeutung. Die sich bei den Sparkassen und anderen Geldinstituten ansammelnden Sparguthaben bildeten einen wesentlichen Bestandteil des wachsenden Geldkapitals. Die Ersparnisse der Bevölkerung über den Kreditweg für die Kriegsfinanzierung zu mobilisieren, war ein Hauptanliegen der deutschen Kriegsfinanzierung. Das NS-Regime konnte sich dabei auf in den Kriegsjahren steigende Beträge stützen und unternahm erhebliche Anstrengungen, die Sparbewegung zu fördern. Die fortschreitende Verminderung des Warenangebots tat ein übriges. Was konnten die Leute kaufen? Die Rationierung setzte Grenzen. Wertvollere Konsumgüter waren kaum zu haben. War die Lebensmittelversorgung auch bis in die letzte Periode des Krieges relativ gesichert, so wurde die Versorgung mit Textilien und den meisten anderen Ausstattungsgütern immer lückenhafter. So stiegen die Sparguthaben im Verlaufe des Krieges auf mehr als das Vierfache.

85 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 43; Federau, S. 48, schätzt „auf Grund zuverlässigen Zahlenmaterials" per 8.5.1945 die Kredite der Reichsbank an das Reich auf 84 Mrd. RM. 86 Verwaltungsbericht der Deutschen Reichsbank für das Jahr 1939, Hauptversammlung am 19. 4. 1940, Berlin, S. 5. 87 Federau, S. 48. 88 Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 103.

Die Kriegsfinanzierung

716 Tabelle 158 Die Entwicklung der Sparguthaben in Deutschland, Jahres) Spareinlagen gesamt

1939-1944

(in Mrd. RM; Stand jeweils Ende des

darunter: bei Sparkassen in Prozent

1939 1940 1941 1942 1943 1944

29,092 38,071 51,922 72,965 96,356 116,719

21,532 27,838 37,750 51,232 66,941 80,411

74,0 73,1 72,7 70,2 69,5 68,9

Quelle: Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 18 und S. 102.

Die deutschen Machthaber legten großen Wert darauf, daß alle freien Geldbeträge als Sparguthaben zur Bank oder Sparkasse gebracht wurden. Funk, Schwerin von Krosigk, Goebbels und andere propagierten immer wieder das Sparen als hohe Verpflichtung für alle Deutschen zur Erringung des „Endsieges" und beteuerten die Stabilität der deutschen Währung. Banken und Sparkassen bemühten sich ihrerseits, alles freie Geld zu sammeln. Selbst kleinste Beträge wurden erfaßt. Dazu liehen die Sparkassen auch kleine stählerne Sparbüchsen an ihre Sparkunden aus, die nur am Kassenschalter geöffnet werden konnten. Sie dienten zur Einzahlung der - vorwiegend von Kindern - gesammelten Kleinbeträge. Angesichts der schnell steigenden Kriegskosten und entsprechend der Scheu, die Steuerfinanzierung stärker zu nutzen, wurden ab 1941 diese Anstrengungen verstärkt. Mit dem „Eisernen Sparen" wurde eine besondere Form des Zwangssparens ins Leben gerufen. Zuvor erläuterte Reichsbankvizepräsident Kurt Lange intern vor den Gauobmännern der „Deutschen Arbeitsfront" die Argumente der Regierung: „Die Lage der deutschen Währung am Ende des zweiten Kriegsjahres und der derzeitige Stand der Kriegsfinanzierung erfordern unumgänglich die beschleunigte Durchführung einer währungs- und finanzpolitischen Sondermaßnahme ... Es ist beabsichtigt, eine neue planmäßige Sparaktion größeren Ausmaßes ins Leben zu rufen ... Was über den lebensnotwendigen Bedarf an Arbeitseinkommen anfallt, darf nicht zum Konsumgütermarkt drängen, sondern muß voll und ganz der Kriegsfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Es darf nicht verschwendet, sondern es muß gespart werden. Unsere Rüstungs- und die Kriegskosten können letzten Endes nur von den Ersparnissen des Volksganzen bestritten werden." Der Kriegsverlauf ließe den sicheren deutschen Sieg und eine große wirtschaftliche Zukunft erwarten. „Mit jeder Reichsmark hilft der Sparer den Sieg erringen und sichert sich dadurch selbst sein Erspartes. Außerdem hat er, und das ist das Wichtigste, des Führers Wort, daß der deutsche Sparer nie enttäuscht werden wird." 89 Mit viel demagogischem Aufwand wurde die Parole des „Eisernen Sparens" unter die 89 BAP, Deutsche Reichbank, Nr. 7007, Bl. 367 ff., „Entwurf einer Ansprache des Herrn Vizepräsident Lange vor den Gauobmännern der DAF", 22.10.1941.

Außerordentliche Haushaltseinnahmen

717

arbeitende Bevölkerung getragen. Nach den Festlegungen der „Verordnung über die Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 und der wenige Tage danach erscheinenden Durchführungsverordnung über das „Eiserne Sparen" (RGBl. 11941, S. 664 und S. 705) sollten regelmäßig „Eiserne Sparbeträge" abgeführt werden. Nur „Arbeitnehmer deutscher Volkszugehörigkeit, die der Lohnsteuerpflicht unterliegen", sollten sparberechtigt sein. Die abgeführten Sparbeträge waren von Lohnsteuer- und anderen Abgaben frei. Sie wurden zu den üblichen Zinssätzen verzinst, sollten aber erst zwölf Monate nach Kriegsende kündbar sein. Die Beträge sollten „auf Verlangen des Arbeitnehmers" vom Unternehmer auf ein „Eisernes Sparkonto" eingezahlt werden. Den Nachweis der Einzahlung hatte der Unternehmer zu führen. Nur einmal im Jahr erfolgte die Eintragung in das „Eiserne Sparbuch", das bei einem vom Unternehmer bestimmten Kreditinstitut geführt wurde. Allerdings durfte sich der Sparer zwischenzeitlich nach der Höhe des Guthabens erkundigen. Es wurden Festbeträge für das „Eiserne Sparen" bestimmt: bei täglicher Lohnzahlung: bei wöchentlicher Lohnzahlung: bei monatlicher Lohnzahlung:

1,- RM oder 6,- RM oder 26,-RM oder

0,50 RM pro Tag 3,- RM pro Woche 13,- RM pro Monat.

Bei Mehrarbeits-, Überstunden- u. a. Zuschlägen war das Eineinhalbfache dieser Beträge vorgesehen. Weihnachtszuwendungen und ähnliches sollten mit der Hälfte oder zum vollen Betrag gespart werden, soweit sie weniger als 500,- RM betrugen, bzw., soweit sie 500,RM überstiegen, mit 500,- oder 250,- RM dem „Eisernen Sparkonto" zugeführt werden. Der Erfolg dieser großangelegten Aktion blieb aber offensichtlich unter den Erwartungen ihrer Urheber. Bis Ende Februar 1942 waren bei den größeren Banken, Genossenschaften und bei den Sparkassen insgesamt 174 Mill. RM eingegangen. Zehn bis 14 Millionen wurden bei kleineren gewerblichen Kreditgenossenschaften vermutet, bei ländlichen Genossenschaftsbanken, kleinen Aktienbanken und Privatbankiers nur kleinere Beträge.90 Im Oktober 1942 wurde mit einer „Dritten Durchführungsverordnung über das Eiserne Sparen" (RGBl. I, S. 611) das „Eiserne Sparen" modifiziert, um die Ergebnisse weiter zu steigern. Andere als die bisherigen einmaligen Zuwendungen wurden als sparfähig erklärt; es wurden sowohl niedrigere als auch höhere Festbeträge als bisher zugelassen; auch „laufende Bezüge aus einem früheren Arbeitsverhältnis" wurden sparfähig. Schließlich wurde bestimmt, daß der Empfanger von Bezügen die Verpflichtung zur Abführung auf ein „Eisernes Sparkonto" übernehmen konnte, auch wenn der eigentliche Bezieher „infolge der Kriegsverhältnisse (ζ. B. als Internierter, Kriegsgefangener ... oder Vermißter) oder aus ähnlichen Gründen eine im Eisernen Sparverfahren vorgesehene Willenserklärung (ζ. B. Abgabe ... der Eisernen Sparerklärung) nicht selbst abgeben" konnte. Das betraf beispielsweise Wehrmachtsangehörige, denen die „Friedensgebührnisse" weitergezahlt wurden, wenn sie in Kriegsgefangenschaft oder auf neutralem Gebiet in Internierung gerieten. Für Vermißtgemeldete wurden diese Bezüge noch ein bis drei Monate weitergezahlt (Ledige einen, Verheiratete drei Monate).91 90 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7008, Bl. 274, Schreiben an den Reichsminister der Finanzen, 28.2.1942. 91 Siehe Albath/Kretschmer/Petzold, S. 33 ff.

718

Die Kriegsfinanzierung

Die Ergebnisse blieben aber auch nach dieser erneuten Ankurbelung des „Eisernen Sparens" bescheiden, obwohl die normalen Spareinlagen anstiegen. Gesamtangaben über die Ergebnisse der „Eisernen-Spar"aktion liegen nicht vor. Das ist auch der ganzen Anlage dieser Erfassung von Geldmitteln für den Krieg zuzuschreiben. Sie waren wahrscheinlich in den Angaben über die Entwicklung der Sparguthaben seit 1941 enthalten. Bei der Währungsreform 1948 wurden die „Eisernen Sparkonten" in den Westzonen und Westberlin den anderen Bank- und Spareinlagen gleichgestellt.92 Obwohl das Sparvolumen insgesamt weiterhin anstieg, wurde seit Mitte 1942 ein verstärktes Abheben von normalen Sparkonten registriert.93 Die unabsehbare Dauer des Krieges, die auffällige Sparpropaganda, die Schließung von Sparkassenfilialen u. a. ließen unter der Bevölkerung verschiedenartige Gerüchte aufkommen, was solche Tendenzen förderte. Zwei Drittel aller deutschen Sparguthaben wurden in Wertpapieren angelegt. Nach dem Stand von Ende September 1944 waren 95 Prozent davon Staatsschuldpapiere. Nie zuvor in der Geschichte der deutschen Sparkassen hatten diese ihre Mittel so einseitig auf Staatspapiere festgelegt.94 Mit der Heranziehung der Ersparnisse zur Kriegsfinanzierung über den Kreditweg wurden große Teile des Volksvermögens verpulvert, wurde der Tod auf den Schlachtfeldern finanziert. In den Westzonen, wo sich nach der deutschen Niederlage die kapitalistische Marktwirtschaft neu formierte, blieben nach der Währungsreform von 1948 den Sparern lediglich 6,5 Prozent ihrer Ersparnisse und ihres Bargeldes; die Unternehmen aber realisierten ihre Kriegsund Nachkriegsgewinne vollständig und endgültig. Mehr als die Hälfte aller westdeutschen Aktiengesellschaften werteten ihre Aktien im Verhältnis 1 : 1 von Reichsmark in deutsche Mark um. In ihren Eröffnungsbilanzen in der neuen Währung erklärten damals 367 Aktiengesellschaften ihr Aktienkapital für höher als vordem in RM.95 Vierzig Jahre später hieß es in einer aktuellen Betrachtung einer Wirtschaftszeitschrift, „langfristig sei die Aktie als Vermögensanlage grundsätzlich sowieso immer zu empfehlen ... Aktien verbriefen Sachvermögen, Anleihen nur Geldforderungen, die - unbewältigter Schrecken deutscher Vergangenheit - von Abwertungsschnitten bedroht sind ... Denn schließlich fing Otto Normalverbraucher 1948 mit 40 Mark und ein paar jämmerlichen Resten auf dem Sparbuch an. Friedrich Flick jedoch konnte ins Wirtschaftswunder mit passablen Aktienpaketen starten, die von den Nachfahren später für ein paar Milliarden Mark versilbert wurden." 96

92 Bank-Lexikon, Wiesbaden 1963, Sp. 477 f. 93 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 211 ff., Aktenvermerke v. 5.6.1943 und 12.6.1943 über verstärkte Abhebungen von Sparguthaben. 94 Krafft, Herbert, Immer ging es um Geld. Einhundertfünfzig Jahre Sparkasse in Berlin, Berlin 1968, S. 170. 95 Deutsche Woche, München, v. 11.11.1953. In: Dokumentation der Zeit, Berlin 1954, Heft 62, S. 3903 ff. 96 Behrens, Bolke, Bullen, Bären, Schafe. In: Wirtschaftswoche, Düsseldorf, Nr. 20/88, S. 53.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

719

4. Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen Die Hauptformen der Finanzierung - Steuern und Kredite - wurden im Inland durch weitere Formen und Methoden - wenn auch in deutlich geringerem Gesamtumfang - sowie durch die Heranziehung beachtlicher äußerer Finanzierungsquellen ergänzt. Handfeste Resultate, die der Kriegsfinanzierung direkt und indirekt zugute kamen, brachten das „Winterhilfswerk des Deutschen Volkes" und die von dieser Organisation getragenen „Kriegs-Winterhilfswerke" (Kriegs-WHW): Geld- und Sachwertsammlungen, die dazu beitrugen, Einkommen und Sachvermögen so umzuverteilen, daß die materiellen Belastungen des Krieges unter der Bevölkerung und auch bei den Soldaten an der Front weniger spürbar gemacht werden konnten. Auch propagandistisch konnten sie als Beweis für das Funktionieren der „Volksgemeinschaft" im Krieg ausgeschlachtet werden. 1939 hatte die Organisation des Winterhilfswerks 27 397 Ortsgruppen, 106 715 Zellen und 552 446 Blocks im Reich. Bei der Sammelaktion 1939/40 gingen mehr als eine halbe Million Sammler mit der Sammelbüchse auf die Straße und sammelten auch Kleinstbeträge. Das Winterhilfswerk gab dann an Bedürftige zweckgebundene Gutscheine zum Bezug bzw. zur Bezahlung von Textilien, Kohlen, Lebensmitteln u. a. aus. Die Gutscheine lauteten auf feste Beträge: 50 Pfg., 1,-, 5,- und später, ab „2. Kriegs-WHW, Serie C", auch auf 10,- RM.97 Die Gutscheine wurden den Einzelhändlern, die sie bei der Zahlung statt Geld entgegengenommen hatten, innerhalb bestimmter Fristen eingelöst. Bis zur Einlösung kreditierten die Händler ihrerseits diese Beträge. Zusammenfassende Angaben über die Höhe der WHW-Spenden liegen nicht vor. Das unter der Regie des Reichsministeriums für Propaganda und Volksaufklärung von der „Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" durchgeführte Winterhilfswerk wurde jedenfalls mit viel Propagandaaufwand und recht attraktiv aufgezogen. So wurden die Geldsummen mit Abzeichenverkäufen gekoppelt, die sich nicht nur bei Kindern großer Beliebtheit erfreuten. Die WHW-Beiträge erreichten während des Krieges insgesamt mit Sicherheit mehrere hundert Millionen RM. Wenn sie zu einem Teil auch sozialen Zwecken dienten, so sind sie doch im Zusammenhang mit den Aufgaben der Kriegsfinanzierung als nicht über die Reichskasse laufende Finanzmittel unbedingt zu berücksichtigen. Die Gutscheine des WHW stellten in ihrer Gestaltung als zweckgebundene Wertscheine mit begrenzter Verwendungsmöglichkeit und Gültigkeit spezifische Zirkulationsmittel dar.

a) Finanzierungsfragen bei der Judenverfolgung und der KZ-Verwaltung Zur Finanzierung des NS-Regimes und seines Krieges sind auch Methoden der brutalen Beraubung von Teilen der Bevölkerung angewandt worden, bzw. es wurden Gewaltmaßnahmen der Diktatur zur Aufbesserung der Staatsfinanzen ausgenutzt. So waren die Einziehung des Vermögens von Juden nach dem Novemberpogrom von 1938 und überhaupt die Beschlagnahme und Enteignung des Vermögens von „Staatsfeinden", „Volksschädlingen" und ähn97 Mehl, Manfred, Die Gutscheine des „Winterhilfswerkes des Deutschen Volkes" (WHW) 1939-1944. In: Der Geldscheinsammler. Zeitschrift für Papiergeld, Nr. 3/1987, S. 109 ff.

720

Die Kriegsfinanzierung

lieh eingestuften Personen geeignet, im Rahmen der „sonstigen Einnahmen" den Reichshaushalt zu bereichern. Dabei läßt sich eine scharfe Trennung zwischen Inland und Ausland nicht vornehmen. Juristische Grundlage bildeten - neben den Bestimmungen über das Reichsfluchtgesetz einige bereits in den ersten Monaten der Hitlerdiktatur erlassene Verordnungen98 sowie der „Erlaß des Führers und Reichskanzlers über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden" vom 29. Mai 1941 (RGBl. I, S. 303). Obwohl die Finanzierung der Naziverbrechen in Konzentrations- und Vernichtungslagern, der Judenverfolgung und des Massenmords an der jüdischen Bevölkerung im eigentlichen Sinne keinen Bestandteil der Kriegsfinanzierung bildete, muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden. Maßnahmen der beschriebenen Art wurden nicht immer über den staatlichen Haushalt finanziert. So wurde beispielsweise die „Beschaffung der Mittel für die Abschiebung der Juden" über „Heimeinkaufsverträge" realisiert, nach denen die Juden vor ihrer „Abschiebung" mindestens ein Viertel ihres beweglichen Vermögens an die dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD unterstellte „Reichsvereinigung der Juden in Deutschland" abzutreten hatten. Nach diesen Verträgen gewährte man den Juden „lebenslänglichen Unterhalt im Altersghetto Theresienstadt", wie es in einer geheimen Aktennotiz vom 17. März 1943 im Reichsministerium der Finanzen hieß.99 Die Vertreter des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD seien „schon bei früherer Gelegenheit auf die Möglichkeit hingewiesen worden, die Mittel für die Abschiebung der Juden über den Haushalt anzufordern. Der Chef der Sicherheitspolizei ist dieser Anregung nicht gefolgt... Die Beträge, die durch den Abschluß der Heimeinkaufsverträge aufkommen, [seien] enorm und wider Erwarten hoch." Mit spürbarem Bedauern konstatierte man im Reichsfinanzministerium, daß die der Reichsvereinigung der Juden übertragenen Vermögenswerte nicht vom Reich eingezogen werden könnten. „Sie werden demgemäß nicht Reichsvermögen ... Der Reichsminister der Finanzen hat keinen Einfluß darauf, ob und welche Vermögenswerte zugunsten des Reichs eingezogen werden. Es muß deshalb in Kauf genommen werden, daß der Chef der Sicherheitspolizei und des SD gewisse Teile des Vermögens von der Einziehung ausnimmt". Folge könnte sein, daß „arische Gläubiger der Juden benachteiligt werden,... wenn das Vermögen, das dem Reich zufließt, überschuldet ist." Im unmittelbaren SS-Herrschaftsbereich der Konzentrationslager gab es spezielles Lagergeld. Charakter und Einordnung dieses Zahlungsmittels in das System der Kriegswirtschaft und Kriegsfinanzierung ließ die „Dienstvorschrift für die Gewährung von Vergünstigungen an Häftlinge (Prämien-Vorschrift)", die ab 15. Mai 1943 gültig war, mit erschreckender Deutlichkeit erkennen. Es hieß dort: „Alle in der Arbeit eingesetzten Häftlinge sollen künftig die Möglichkeit haben, sich durch Leistung eine Geldprämie zu erarbeiten. Sie wird in Form von Prämienscheinen, die innerhalb der Konzentrationslager Geldeswert darstellen, als Belohnung denjenigen Häftlingen gegeben, die sich durch gute Leistung, Fleiß und besonde98 Besonders RGBl. 1 1933, S. 293, Gesetz über die Einziehung kommunistischen Vermögens v. 26.5. 1933; ebenda, S. 479, Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens v. 14.7. 1933. 99 BÄK, R 2/21778, AN RMdF „Beschaffung der Mittel für die Abschiebung der Juden", v. 17.3. 1943. Hiernach auch das Folgende.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

721

res Interesse hervortun. Es wird die Mehrleistung belohnt. Die Höhe der Belohnung richtet sich nach dem Wert der Mehrleistung und darf vorläufig im Einzelfalle RM -,50, RM 1,-, RM 2,-, RM 3,- oder RM 4,- sowie in besonderen wenigen Ausnahmefällen bis zu RM 10,- je Woche im Höchstfalle betragen ... Die Häftlinge haben die Möglichkeit, ihre Prämienscheine zum Kauf von Zigaretten, zu sonstigen Einkäufen in den Kantinen sowie zum Besuch des Bordells zu verwenden ... oder sich die erarbeiteten Prämienbeträge auf ihren Sparkonten gutschreiben zu lassen." Die Vorschrift sah folgende Kostenverteilung für diese Prämienzahlungen vor: „Die prämienzahlenden Stellen (Bauleitungen, Wirtschaftsbetriebe und Rüstungsfirmen) kaufen für eine gewisse Zeit im voraus und nehmen hiervon am Ende einer jeden Woche die Ausgabe der Scheine an die zu belohnenden Häftlinge vor ... Die Prämien werden durch Kauf von denjenigen Stellen bezahlt, denen die Häftlinge zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden. Für die in den Konzentrationslagern selbst im Lagerbetrieb eingesetzten Häftlinge erfolgt die Bezahlung der Prämienscheine aus Reichsmitteln über Kapitel 21/7 b (sächliche Ausgaben)".100 Gold, Schmuck, Antiquitäten und andere Wertgegenstände waren als Vermögenswerte zur Auffüllung der Staatskasse besonders gefragt. Nach den Bestimmungen der Devisenzwangswirtschaft, die in den Jahren des Krieges immer mehr verschärft wurden, waren alle Goldund Devisenwerte an die Reichsbank abzuführen, bzw. sie unterstanden, soweit sie in der Wirtschaft verwertet wurden, der direkten Kontrolle und Verwaltung durch die Reichsbank. Unter die Ablieferungspflicht fielen auch alle Werte, die im Zuge der Eroberungen von der Wehrmacht oder anderen Organen des Reichs in anderen Ländern „erbeutet" wurden. Den Reichsbankbeamten in Berlin, besonders im Kassendezernat und in den Tresorabteilungen, war der Begriff „Beute" durchaus geläufig. In zunehmendem Maße und regelmäßig lieferte auch die SS „im Osten abgelieferte oder beschlagnahmte Werte" bei der Reichsbank ab. 1942 wurde hierüber zwischen SS und Reichsbank ein geheimes Abkommen geschlossen (Melmer-Abkommen), das speziell die SS-Beute aus Konzentrationslagern und Vernichtungslagern betraf.101 Nach Bearbeitung der „Melmer"-Einlieferungen in der Reichsbank, bzw. danach in der Preußischen Staatsmünze, wurde der Gegenwert dem Reichsfinanzministerium gutgeschrieben (Sonderkonto „Max Heiliger"). Zu geringeren Teilen wurden Schmucksachen, goldene Uhren u. ä., die Häftlingen abgenommen worden waren, auch an die Berliner Pfandleihanstalt „zur bestmöglichen Verwertung" gegeben.102

100 Zit. bei Pick, Albert, Das Lagergeld der Konzentrations- und D. P.-Lager 1933-1945, München 1967, S. 49 ff. 101 BAP, Fall XI, Protokoll, Bd. 61, S. 5707 ff. (Vemehmg. Reichsbankvizepräsident Puhl) und Bd. 80, S. 7946 f. (Vemehmg. Reichsbankrat Thoms). 102 IMG, Bd. 13, S. 666 ff.

722

Die Kriegsfinanzierung

b) Zur Rolle äußerer

Finanzierungsquellen

Die Ausschöpfung äußerer Finanzierungsquellen wurde differenziert vorgenommen, in Abhängigkeit vom Kriegsverlauf, von den unterschiedlichen Potenzen der einzelnen besetzten und abhängigen Länder und von den Kriegszielabsichten Deutschlands gegenüber den betreffenden Ländern. Sie erfolgte sowohl zur Deckung des äußeren Finanzbedarfs als auch zur Begleichung finanzieller Verpflichtungen innerhalb des Reiches, d. h. für Kriegsausgaben im weiteren wie im engeren Sinne. So dienten die Mittel zur Deckung von Ausgaben im Außenhandel, zur Kostendeckung bei Käufen und zur Inanspruchnahme von Leistungen im besetzten Gebiet, soweit Wehrmacht und Besatzungsorgane die Kostenträger waren. Die auswärtigen Finanzmittel flössen teilweise unmittelbar in die Reichskasse und von dort zu verschiedensten Empfängern. In der Folge führten sie zur Verlagerung inflationärer Prozesse Währungsverfall, Preiserhöhungen - in die besetzten Länder und in abhängige Staaten. Die Ausschöpfung äußerer Finanzquellen umfaßte: - die direkte finanzielle Ausplünderung der Überfallenen und okkupierten Länder durch Raub von Gold, Wertpapieren sowie Bargeld, durch die Eintreibung von Besatzungskosten, Kontributionen und anderen Finanzbeiträgen; - die Ausgabe von Besatzungsgeld und die Festsetzung von Währungskursen zur Reichsmark, die für Deutschland vorteilhaft waren; - die strenge Überwachung und faktische Leitung des Währungs-, Kredit- und Bankwesens der besetzten Länder im deutschen Interesse. Eine große Rolle spielten die von besetzten Ländern und Satellitenstaaten im Rahmen des Clearingverkehrs erzwungenen Kredite. Schließlich ist die Zusammenarbeit der Reichsbank mit der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel sowie mit der Schweizerischen Nationalbank in den Dienst der deutschen Kriegsfinanzierung gestellt worden.

c) Requisitionen

und

Besatzungskosten

Requisitionen wurden zumeist nur in den Frontgebieten vorgenommen. Nach der Errichtung von Besatzungsorganen - gleichgültig ob als Militär- oder Zivilverwaltung - waren in der Regel die Lieferungen und Leistungen der Wirtschaft und Bevölkerung der besetzten Gebiete für die Wehrmacht, für Truppen, Stäbe, Besatzungsorgane und andere deutsche Stellen durch Geld zu vergüten, wenn auch unter den Bedingungen der Besatzung unter Wert.103 Die Ausplünderung besetzter Gebiete durch bloßen Raub wurde jedoch auf höherer Ebene auch weiterbetrieben, wie es am Beispiel des belgischen Goldes zu demonstrieren ist, das nach erpresserischen Manipulationen der deutschen Waffenstillstandsdelegation für Wirtschaft in Wiesbaden aus französischen Depots in Schwarzafrika auf abenteuerlichen Wegen über Marseille nach Deutschland transportiert wurde.104 103 Siehe Blumhoff, Onno, Der Einfluß der deutschen Besetzung auf Geld- und Bankwesen in den während des zweiten Weltkrieges besetzten Gebieten, Diss., Köln 1961, S. 49 ff. 104 Oertel, Manfred, Über die Deutsche Reichsbank im zweiten Weltkrieg, Anlage C, Dokumentation: Der Raub des belgischen Goldes; Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 117 f.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

723

Für den Unterhalt und die Versorgung der Truppen und Organe der Besatzungsverwaltung wurden Käufe direkt in den besetzten Gebieten vorgenommen. In der Praxis zeigte es sich bald, daß dies nicht nur für die Versorgung im jeweiligen Besatzungsgebiet geschah, sondern auch zur Versorgung anderer Gebiete. Riesenhafte Schwarzmarktkäufe im besetzten Frankreich für den Wehrmachtsbedarf anderer Besatzungs- und Frontgebiete stehen dafür.105 Aus anfänglich meist improvisierten Maßnahmen entwickelte sich im in Nord-, Westund Südosteuropa eine ziemliche Routine. Sie fand Eingang in die Planung für den Überfall auf die UdSSR und wurde auch dort - abhängig vom militärischen Verlauf - praktiziert. Die größten Posten an auswärtigen Finanzquellen wurden durch die Abforderung von Besatzungskosten und anderen „Beiträgen" zur Finanzierung des Krieges sowie durch die Inanspruchnahme von Clearing-Krediten für die deutsche Kriegswirtschaft erschlossen. Bei den Besatzungskosten handelte es sich formell um die Finanzierung des Aufenthalts deutscher Truppen als Besatzungsmacht in den betreffenden Ländern, einschließlich der Finanzierung von Militärbauten und anderen kriegswichtigen Investitionen, auch infrastruktureller Art. Tatsächlich war die Eintreibung von Besatzungskostenzahlungen aber nicht auf diese Zwecke begrenzt. Auch weiterführende und in anderen Ländern anfallende Bedürfnisse der Wehrmacht wurden aus ihnen finanziert, wie es sich besonders an der Verwendung der Zahlungen Frankreichs zeigte. Formell sollte die Höhe der Zahlungen von der zahlenmäßigen Stärke der Besatzungstruppen im jeweiligen Land bestimmt werden. In der Realität hatten aber auch die strategische Lage, die langfristigen militärischen und wirtschaftspolitischen Absichten Deutschlands gegenüber dem betreffenden Land sowie dessen ökonomisches Leistungsvermögen Einfluß darauf, daß der Grad der finanziellen Belastung, gemessen pro Kopf der Bevölkerung oder anteilig am Volkseinkommen, in den einzelnen Ländern unterschiedlich war. Der Gesamtbetrag an Besatzungskosten belief sich auf 85 bis 90 Mrd. RM.106 Tabelle 159 Zahlungen von Besatzungskosten, 1940-1944 (in Mrd. RM) 1940(2. Halbj.)

1941

1942

1943

8,30 1,65 0,95 0,80 8,00 8,30

35,25 8,75 5,70 2,00 10,00 22,30

28,00

84,00

Frankreich Holland Belgien Dänemark Italien Übrige

1,75 0,80 0,35 0,20

5,55 1,90 1,30 0,20

8,55 2,20 1,50 0,25

-

-

-

0,90

1,05

4,50

11,10 2,20 1,60 0,55 2,00 7,55

Summe

4,00

10,00

17,00

25,00

1944 (bis Sept.)

Summe gesamt

Quelle: Alexejew, S. 267. 105 Bei diesen Käufen wurde ausgenutzt, daß das Besatzungsgeld - die Reichskreditkassenscheine in den verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Kursrelation zur jeweiligen Landeswährung hatte. Siehe Alexejew, Α. M., Die Kriegsfinanzen der kapitalistischen Staaten, Moskau 1952 (niss.), S. 300 ff.; Blumhoff, S. 62. 106 Vgl. Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 109; Federau, S. 32 f.

724

Die Kriegsfinanzierung

Die Zahlungen flössen jedoch nicht in einem Gesamtkonto zusammen, etwa in der Reichskasse oder in Verfügung des Reichsministers der Finanzen. Anders als bei den „Wehrbeiträgen" oder anderen Zahlungen, die von einigen Ländern abgefordert wurden und politisch erpreßte Tributzahlungen waren, handelte es sich bei den Besatzungskostenzahlungen (bzw. -krediten) um die Übernahme der militärisch bedingten Kosten durch die besetzten Länder. Die Zahlungen erfolgten zugunsten der Besatzungsorgane bzw. der Wehrmacht direkt. Wenn aus den Zahlungen eines Besatzungsgebietes die Sicherstellung militärischer bzw. logistischer Maßnahmen für andere Kriegsschauplätze finanziert wurde, so geschah das unmittelbar in Verantwortung der Wehrmachtsführung im Zusammenspiel mit den Reichskreditkassen und beispielsweise der im Dezember 1940 gegründeten „Rohstoffhandelsgesellschaft m.b.H." (Roges), die für „Erfassung und Verwertung der Beute in allen besetzten Gebieten sowie Einkauf, Lagerung und Wiederverkauf von kriegswichtigen Rohstoffen" zuständig war.107 So wurden große Summen der auf dem Besatzungskostenkonto in Frankreich angesammelten Beträge von der Wehrmacht für umfangreiche, systematisch organisierte (aber nicht koordinierte) Schwarzmarktkäufe für Wehrmachtsbedürfnisse an der Ostfront und in Südosteuropa ausgegeben.108 In den betroffenen Ländern waren die Besatzungskosten eine der Hauptursachen der inflationären Entwicklung. Da in diesen Ländern keine derart umfassende Reglementierung von Markt und Verbrauch existierte wie im Reichsgebiet, kam es bei den Preisen und im Geldumlauf zu offenen Inflationserscheinungen, von extremem Ausmaß beispielsweise in Griechenland. Nicht alle besetzten Länder hatten Besatzungskosten im strengen Sinne des Wortes zu zahlen. Die zeitweilig besetzten Gebiete der UdSSR waren zu einem großen Teil Frontgebiet; das Gebiet um Biaiystok-Grodno und die Reichskommissariate Ostland und Ukraine waren rechtlich nicht „Besatzungsgebiet", sondern reichsunmittelbares Gebiet. Ihr Status war der von Kolonien, war aber entsprechend dem Kriegsverlauf zugleich noch unfertig. Auch in bezug auf Währung und Finanzen wurde das beabsichtigte Regime nicht voll realisiert. Die in den besetzten sowjetischen Gebieten operierenden bzw. stationierten Truppen der Wehrmacht waren insofern keine Besatzungstruppen. Die finanziellen Aufwendungen für sie waren de jure unmittelbare Reichsausgaben. In den Reichskommissariaten Ostland und Ukraine wurden Steuern und Abgaben direkt eingetrieben, entsprechende Anteile dem Reichshaushalt zugeführt.109

d) Reichskreditkassenscheine

als Besatzungsgeld

Wichtigstes Instrument zur finanziellen Ausbeutung der besetzten Länder und Gebiete war die Reichskreditkassenorganisation. 107 Oertel, Über die Deutsche Reichsbank, S. 214 ff. Siehe auch Kap. V. 108 Arnoult, Pierre, La France sous l'occupation, Paris 1959, S. 39: „Sie haben uns an Lebensnotwendigem nichts gewaltsam weggenommen; sie haben von uns alles korrekt gekauft; aber sie haben alles mit dem Geld bezahlt, das sie uns vorher weggenommen hatten." 109 Oertel, Über die Deutsche Reichsbank, S. 158 ff.; Boelcke, Die Kosten von Hitlers Krieg, S. 110 f.

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

725

Die Reichskreditkassen waren Organe der Reichsbank, auch „Soldatenbanken" oder „Bankstellen der Wehrmacht" genannt, „die Schnellen Truppen der Deutschen Reichsbank".110 1942 existierten auf den verschiedenen Kriegsschauplätzen mehr als 60 Reichskreditkassen sowie viele ihnen angeschlossene Wechselstellen. Ausschließlich Reichsbankbeamte bildeten die Vorstände. Das übrige Personal der Reichskreditkassen bestand ebenfalls überwiegend aus Beamten und Angestellten der Reichsbank. 1 " An der Spitze der Reichskreditkassenorganisation stand ein Verwaltungsrat mit Sitz in Berlin. Als leitendes Exekutivorgan berief der Verwaltungsrat eine aus höheren Reichsbankbeamten bestehende „Hauptverwaltung".112 Die Reichskreditkassen setzten besondere Geldzeichen in Umlauf, die Reichskreditkassenscheine, die auf Reichsmark lauteten und schon seit Jahren bereitgelegen hatten.113 Sie wurden in den zeitweilig besetzten Gebieten zu gesetzlichen Zahlungsmitteln erklärt, hatten aber im Reichsgebiet selbst keine Gültigkeit. Die Deckung dieser Währung war in Gestalt eines Darlehens der Hauptverwaltung der Reichskreditkassen an das Reich nur fiktiv."4 In Wirklichkeit waren die Reichskreditkassenscheine - nach einer Charakterisierung durch Reichsbankdirektor Kretzschmann - „in Zahlungsmittelform gekleidete Requisitionsscheine"" 5 , und die deutschen Panzer und Kanonen waren ihre Deckung." 6 Die ersten Reichskreditkassen wurden 1939 in Polen errichtet; sie wurden später in Reichsbankstellen umgewandelt bzw. aus ihnen entstand im Generalgouvernement die „Emissionsbank in Polen". Während in Dänemark und Norwegen die Reichskreditkassenscheine nur kurzzeitig in Umlauf waren, wurden sie in Belgien, Frankreich und den Niederlanden in großem Umfang eingesetzt. Ab Mitte Mai 1940 bestanden zeitweilig bis zu 30 Reichskredit-

110 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7014, Bl. 279 f., „Arbeitseinsatz bei den Reichskreditkassen" (Aufsatz für die Werkzeitschrift), 28.2.1941. 111 In einer Namensliste von 1943 sind 542 Beamte und 101 Angestellte der Reichsbank als zu den Reichskreditkassen „abkommandiert" aufgeführt (BAP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 21, Bl. 18 ff.). 112 Verordnungsblatt für die besetzten Gebiete in Polen, Nr. 5 und 6 (1939); Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Berlin, 28.9.1939. - In der Anfangszeit gehörten zum Verwaltungsrat unter dem Vorsitz von Reichsbankvizepräsidenten Puhl die Reichsbankdirektoriumsmitglieder Kretzschmann, Lange (zugleich Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums) und Bayrhoffer (zugleich Vertreter des Reichsministeriums der Finanzen) sowie der Bankier Otto Chr. Fischer von der Reichskreditgesellschaft AG (als Leiter der Reichsgruppe Banken und ständiger Vertreter des Reichsbankpräsidenten im Vorsitz des Beirats der Deutschen Reichsbank). 1940 wurde Ministerialdirektor Tischbein als Vertreter der Wehrmacht hinzugezogen. An Stelle von Lange vertrat später Ministerialdirigent Riehle das Reichswirtschaftsministerium. IMG, Bd. 36, S. 197 ff., Dok. EC-128, RWiM, „Bericht über den Stand der Arbeiten f. eine wirt113 schaftliche Mobilmachung", v. 30.9.1934. Die Verordnung über Reichskreditkassen v. 3.5.1940 (RGBl. I, S. 743) setzte für das Darlehen ei114 ne Begrenzung auf 500 Mill. RM fest; schon zwei Wochen später wurde das Darlehen auf bis zu drei Mrd. RM heraufgesetzt (Verordnung zur Änderung der Verordnung über Reichskreditkassen, v. 15.5.1940 (RGBl. I, S. 770). 115 Kretzschmann, Max, Die Reichskreditkassen. In: Deutsche Geldpolitik, Berlin 1941, S. 117. 116 Alexejew, S. 301.

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kassen im Westen. Auch in Jugoslawien und Griechenland wurden die Scheine als Besatzungsgeld in Umlauf gebracht. In Ungarn, Rumänien und Bulgarien wurden Kassen zur Geldversorgung der Wehrmacht im Durchmarsch- und Aufmarschgebiet unterhalten. Auf dem besetzten Territorium der Sowjetunion nahm die Tätigkeit von Reichskreditkassen einen großen Umfang an." 7 Von den dort geschaffenen etwa 50 Kassen wurden ein Teil zur „Notenbank im Ostland" und andere zur „Zentralnotenbank Ukraine" umgebildet; im Gebiet der Heeresgruppen blieben sie bestehen, mit der Bestimmung, „Vorläufer und Platzhalter künftiger Gebietsnotenbanken"" 8 zu sein. Im Reichskommissariat Ukraine führte die dortige Zentralnotenbank den Karbowanez als neue Währung ein. In den übrigen Ostgebieten existierten die Reichskreditkassenscheine weiter, im Ostland als einziges Zahlungsmittel, in den Frontgebieten neben der Rubelwährung.

e) Clearingkreditnahme Beträchtliche Mittel des Auslandes wurden über das in Berlin bei der Deutschen Verrechnungskasse abgewickelte Clearing für die deutsche Kriegswirtschaft nutzbar gemacht. Das geschah formell als Kredit im laufenden Verrechnungsverkehr, in Wirklichkeit handelte es sich um die Nichtbezahlung fälliger Beträge. Der multilaterale Verrechnungsverkehr bot die Möglichkeit, auch bei beständig passiver Handels- und Zahlungsbilanz Deutschlands immer weiter Importe zu tätigen, sowohl aus besetzten Ländern (soweit diese dem Clearing angeschlossen waren) und abhängigen Staaten als auch aus neutralen Ländern. Der Clearingkredit betraf dabei die devisenmäßige Verrechnung, nicht die Bezahlung der Lieferfirmen. Die Exporteure erhielten zumeist seitens der jeweiligen Notenbank den Lieferwert in der Währung ihres Landes gutgeschrieben. Solche Bevorschussung des Außenhandels wurde vor allem von Exportländern praktiziert, die unter Aufsicht und Diktat der deutschen Besatzungsmacht standen. Bei den Ländern, mit denen ein mehr oder weniger echter Außenhandel betrieben werden mußte, gelang eine solche Regelung naturgemäß nicht ohne weiteres. Hier mußte unter Umständen wirklich bezahlt werden, mit Warenlieferungen oder auch mit Devisen und Gold. Andernfalls mußten die Exportfirmen auf die Bezahlung warten." 9 Im Statistischen Reichsamt wurde per 18. April 1945 ein deutsches Clearing-Minus-Saldo von 20 386,8 Mill. RM registriert. Es ergab sich aus 21 225,7 Mill. RM Schulden gegenüber 21 Clearing-Partnern und einem Guthaben-Saldo von 838,9 Mill. RM gegenüber sechs anderen Verrechnungspartnern, darunter fiktiven 474,9 Mill. RM bei den beiden schon längst nicht mehr existierenden Reichskommissariaten Ostland und Ukraine.120

117 Oertel, Manfred, Zur Beteiligung der Deutschen Reichsbank an der faschistischen Aggression gegen die Sowjetunion. In: Militärgeschichte, 5/1981, S. 579 ff. 118 Β AP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 4, Bl. 218, Protokoll der Sitzung des Verwaltungsrats vom 2.12.1942. 119 Benning, Bernhard, Europäische Währungsfragen. In: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Berlin 1942, S. 168 ff. Siehe auch Kap. V; ferner II, S. 509 ff. 120 Β AP, Statistisches Reichsamt, Nr. 3552, Bl. 1, „Die Entwicklung der Clearingsalden im Zahlungs-

Spezifische Finanzierungsmittel. Äußere Finanzierungsquellen

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Die Preise und die Währungskurse im Clearingverkehr wurden in den meisten Fällen deutscherseits mit Vorteilen für Deutschland diktiert. Die Clearingsalden wurden zu einzelnen Ländern so „bereinigt", daß die Verschuldung formal in bestimmten Grenzen gehalten oder weitgehend eliminiert wurde. So wurde Bulgarien, wo die Forderungen an die Verrechnungskasse in Berlin ausdrücklich als Deckungsmittel für die Geldemission betrachtet wurden, dazu bewogen, für diese Forderungen Reichsschuldpapiere zu erwerben. Damit wurden die Clearingkonten zwar entlastet, aber die Verschuldung blieb in anderer Form bestehen. So stieg von Ende 1942 bis Ende 1943 der Clearing-Minus-Saldo zu Bulgarien von 108, 6 nur auf 111,6 Mill. RM an, die Anlage von bulgarischen Forderungen in unverzinslichen Schatzanweisungen dagegen von 305 auf 567 Mill. RM, weil „im Berichtsjahre die einen Saldo von 100 Millionen RM übersteigenden Beträge wie schon im Voijahre der Deutschen Reichsbank zur verzinslichen Anlage überwiesen wurden." Für das Generalgouvernement wurde eine Erhöhung solcher Verschuldung von 1 676 Mill, auf 2 785 Mill. RM registriert.121 In der Literatur wurden die Clearingkredite bzw. -schulden oft als Beiträge für die deutsche Kriegsfinanzierung gewertet. Das ist nur im allgemeinen Sinne richtig. Präziser ist es, sie als Finanzbeiträge für die deutsche Wirtschaft im Kriege zu betrachten, wobei sich versteht, daß die gesamte Wirtschaft in den Dienst der Kriegführung gestellt war. Der zwischenstaatliche Verrechnungsverkehr stand „auch 1943 im Zeichen der wehrwirtschaftlichen Erfordernisse. Die weiterhin starke Einfuhr von Rohstoffen und Gütern für Kriegszwecke [führte] erneut zu einer starken Zunahme der Clearingverschuldung".122 Unmittelbar wurde die Kriegsfinanzierung dann berührt, wenn in verschiedenen Fällen auch die Besatzungskosten über das Clearing abgerechnet wurden, zumindest zeitweilig - in Norwegen und Serbien beispielsweise. Auch die Überweisung von Wehrsold aus Front- und Besatzungsgebieten nach Deutschland erfolgten teilweise über Clearingverrechnung. Die Clearingkreditnahme war insofern direkte Quelle der Kriegsfinanzierung, als sie unmittelbar für Kriegszwecke vom Reich in Anspruch genommen wurde, insbesondere für Ausgaben der Wehrmacht. Für Deutschland war die Ausschöpfung des Clearings als Finanzquelle unerläßlich, sowohl für die dem Kriege verpflichtete Wirtschaft als auch für die Wehrmacht unmittelbar. Behandeln wir sie als Bestandteil der für den Krieg aufgewendeten Mittel, so ist aber „zu beachten, daß diese Salden, soweit die Güter und Dienste dem Reichsfiskus zugutekamen, bereits in den Haushalts- und Schuldenzahlen des Reichs enthalten, ihnen also nicht nochmals zuzählbar sind."123 Andererseits geben die aus den Besatzungskostenzahlungen und den Clearingschulden bei den besetzten Ländern herrührenden Summen bei weitem keinen vollständigen Überblick über den Geldwert der erzwungenen ökonomischen Leistungen, weil enorme Lieferungen und Leistungen durch Requisition oder als Naturalleistung im verkehr mit den einzelnen Ländern", 18.4.1945. Die Clearingsalden für das Ostland und für die Ukraine spiegelten interne finanzielle Beziehungen zwischen innerdeutschen und Besatzungsbehörden bzw. -Wirtschaft wider, nicht die ausbeuterischen ökonomischen Beziehungen zur Wirtschaft der betreffenden Gebiete insgesamt. 121 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 6779, Bl. 416, Geschäftsbericht der Deutschen Verrechnungskasse für 1943. 122 Ebenda, Bl. 412. 123 BAP, Statistisches Reichsamt, Nr. 2441, Bl. 71, Ausarbeitung „Die Kriegsfinanzierung 1943".

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Front- bzw. rückwärtigen Gebiet eingetrieben wurden, die weder als Clearingposten oder Besatzungskosten noch als Kredit bei den jeweiligen nationalen Notenbanken verrechnet worden sind. Das gleiche trifft auf die ins Reich transportierten Gewinne deutscher Unternehmen in den besetzten Gebieten zu, etwa der „Ostgesellschaften" in den besetzten sowjetischen Gebieten.

5. Zur währungspolitischen Konzeption der Reichsbank Analysen, Denkschriften und Berichte der Reichsbank und anderer Stellen verdeutlichen das pragmatische Bemühen zur Lösung der Finanzierungs- und Währungsfragen im Kriege. Sie zeugen von anfangs großer Selbstsicherheit. Später wird die Ohnmacht eingestanden, an Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten etwas ändern zu können. Großspurige Expansionsprogramme wurden von der bangen Frage nach den währungspolitischen Zielen der Alliierten verdrängt und danach, wie man sich in die Nachkriegszeit retten könnte. Infolge der langfristigen Vorbereitung des Krieges auf finanz- und währungspolitischem Gebiet war zu Kriegsbeginn 1939 das Geld-, Kredit- und Währungswesen in Deutschland nicht solchen stürmischen Belastungen ausgesetzt wie im Juli/August 1914. Zudem war die Deutsche Reichsbank 1939 auf die Anforderungen, die mit Mobilmachung und Kriegsbeginn zusammenhingen, praktisch-organisatorisch weitgehend vorbereitet. Funk stellte am 2. September 1939 in der Sitzung des Reichsbankdirektoriums fest, daß auf dem Gebiete des Geldund Bankwesens sowie auf dem Kapitalmarkt im Gegensatz zum Ausland nicht die geringste Beunruhigung aufgetreten sei, die Deutsche Reichsbank daher zu irgendwelchen Sondermaßnahmen keine Veranlassung habe. Die Mobilmachungsaufgaben seien „dank dem gut funktionierenden Apparat der Reichsbank glatt abgewickelt worden." 124 Die Reichsbankdenkschrift „Grundfragen der Kriegsfinanzierung" vom 3. Oktober 1939 kam zusammenfassend zu dem kritischeren Schluß, „daß eine Geldentwertung immer unvermeidlicher wird, je länger der Krieg dauert. ... Die primäre Aufgabe der Währungspolitik kann nur sein, das Geld so weit intakt zu halten, daß es den Güterumschlag zu erleichtern vermag; nicht aber die, den Geldwert um jeden Preis zu erhalten." Entgegen allen öffentlichen Beteuerungen über den unantastbaren Wert der Reichsmark richteten sich die zuständigen Stellen des Reiches im ganzen Kriegsverlauf nach dieser Leitlinie, war es schon am Anfang des Krieges für sie klar, daß „am Ende des Krieges ... immer eine Wertverringerung der Geldeinheit" stehe.125 Bei Vergleichen mit den Methoden der Kriegsfinanzierung in den Ländern der Kriegsgegner, besonders Großbritanniens, war man sich in dieser Zeit der deutschen Überlegenheit völlig sicher.'26 In einem Schreiben an das Wirtschaftsreferat des Goebbels-Ministeriums vom 10. November 1939 empfahl die Reichsbank, „daß die Zeitungen mehr als bisher herausstellen, in welchem Umfange die demokratisch regierten Länder und Horte des Liberalismus England und Frankreich wirtschaftliche und wehrwirtschaftliche Maßnahmen des autoritären 124 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004, Bl. 156 f. 125 Ebenda, Bl. 213 ff. 126 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7004-7006.

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Deutschlands nachgeahmt haben. ... Eingehende Betrachtungen in der Presse müssen zwangsläufig zu dem Ergebnis führen, daß die ... deutschen Maßnahmen der bisherigen Praxis in den Feindstaaten offensichtlich überlegen sind."127 Solange die faschistische Führung noch im Siegestaumel schwelgte, wurde nicht viel unternommen, um die Kriegsfinanzierung weiterzuentwickeln und effektiver zu gestalten. Im Sommer 1940 ließ Funk die Möglichkeit von Zinssenkungen auf dem Kapitalmarkt prüfen. Die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank hielt jedoch nur eine Verlängerung der Laufzeit der vierprozentigen Reichsschatzanweisungen und Begebung von 3 1/2prozentigen Reichsschatzanweisungen für vertretbar128: „Auf diese Weise würde das Reich für seine künftigen Kreditbedürfnisse die unbedingt erstrebenswerten Zinseinsparungen erzielen, und die Wirtschaft gewänne die notwendige Zeit für eine allmähliche Anpassung an ein niedrigeres Gesamtniveau. Die verschiedenen Kapitalmarktwerte würden wieder ein stärkeres Zinsgefälle und die neu ausgegebenen Reichstitel die ihnen zinsmäßig zukommende Sonderstellung erhalten." Dementsprechend blieben die am 9. April 1940 festgesetzten Zinssätze (Reichsbankdiskont 3 1/2 Prozent; Lombardsatz 4 1/2 Prozent) unverändert; die Zinssätze und Laufzeiten der Anleihen und Reichsschatzanweisungen wurden entsprechend gestaltet. Mitte 1940 wurden zeitweilig Fragen einer künftigen „Neuordnung Europas" in den Vordergrund konzeptioneller Arbeiten gerückt. Funk hatte von Göring den Auftrag erhalten, die zusammenfassende Planung für den Aufbau der deutschen und europäischen Wirtschaft nach der - so die unmittelbare Erwartung - siegreichen Beendigung des Krieges vorzubereiten. Nach der von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank im Auftrag von Funk ausgearbeiteten vertraulichen Reichsbanksache „Probleme der äußeren Währungspolitik nach Beendigung des Krieges" (20. Juli 1940)129 sollte die Reichsmark zur führenden Währung in einem deutschen „Großwirtschaftsraum" werden; Deutschland werde eine Kriegsentschädigung in Form von Rohstoffen, Schuldenübernahme und Geld fordern; schließlich sollten die Beziehungen der Reichsmark zum Gold erhalten bleiben, aber stark gelockert werden. Innerhalb des deutschen Währungsblocks sollten feste Kursrelationen den Ausbau zu einer Währungs- und Zollunion erleichtern. Anfang Dezember 1940 schrieb Reichsbankdirektor Einsiedel, Leiter der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank, in einer vertraulichen Einschätzung, daß sich die Währungsschutzmaßnahmen der Kriegswirtschaftsverordnung bewährt hätten.130 „Trotzdem erfordert der Übergang in das zweite Kriegsjahr eine Prüfung der Frage, ob sie auch für eine längere Kriegsdauer ausreichen werden. ... Der Reichsbank stehen während des Krieges nur unzureichende Mittel zur Verfügung. ... An den eigentlichen Gefahrenherd kann die Reichs-

127 Ebenda, Nr. 7004, Bl. 295. 128 Β AP, Deutsche Reichsbank. Nr. 6549, Bl. 359 ff. „Die Möglichkeit einer weiteren Zinssenkung auf dem Kapitalmarkt", Gutachten für das Reichsbankdirektorium vom 22.8.1940. 129 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7015, Bl. 49 ff.; desgl. Bl. 224 ff., „Zur Frage der Neuordnung der deutschen Währung nach dem Kriege unter besonderer Berücksichtigung des Geldproblems", 4.7.1940. 130 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7006, Bl. 317 ff., „Zur Währungslage im 2. Kriegsjahr", 9.12.1940.

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bank überhaupt nicht heran." Das betraf vor allem die Schere zwischen der Geld- und Kreditmenge und der sinkenden Konsumgüterproduktion. Das Gutachten regte eine Überholung der Kriegswirtschaftsverordnung, schärfere Besteuerung und straffere Lohnpolitik an. In der Folge kamen, wie beschrieben, die Dividendenabgabeverordnung, der Kriegszuschlag zur Körperschaftssteuer und die Maßnahmen der Kaufkraftlenkungsverordnung heraus. Spürbar durchgreifende währungspolitische Auswirkungen traten jedoch nicht ein. Ausgangs des Sommers 1941 begannen in der Reichsbank eingehende Erörterungen darüber, welche Veränderungen nötig seien, um die Weiterführung des Krieges finanz- und währungspolitisch abzusichern. In einer Analyse, die im September 1941 für Vizepräsident Puhl erarbeitet wurde, hieß es: „Die deutsche Währungslage zu Beginn des 3. Kriegsjahres charakterisiert sich auf den ersten Blick durch zwei lapidare Tatsachen: Gegenüber der Friedenszeit hat sich 1.) die Konsumgüterversorgung halbiert, 2.) der Geldumlauf verdoppelt. ... Die Folgen einer Fortsetzung dieser Entwicklung sind nach allen Erfahrungen als sicher anzunehmen ... eine solche Entwicklung könnte um den Preis des Sieges notfalls hingenommen werden, wenn man nur noch mit einer kurzen Kriegsdauer zu rechnen hätte. Diese Annahme ist jedoch unwahrscheinlich. ... Bei der Klarheit, mit der sich diese Entwicklungstendenzen übersehen lassen, werden Gegenmaßnahmen unaufschiebbar." 131 Eine weitere Analyse „Zur inneren Währungslage" vom 4. Oktober 1941 für Vizepräsident Lange132 kam zu drastischen Aussagen. Die Rede war von Störungen im Wirtschaftsrhythmus, von Sachwertpsychose, Schleichhandel, Lähmung des Sparwillens und Geringschätzung des Geldes, von bedenklichen Schäden auf sozialem Gebiet und unausdenkbaren politischen Folgen. Als Gegenmaßnahmen wurden in der Ausarbeitung für Puhl in Betracht gezogen: „1. Einschränkung der Kriegsausgaben durch rücksichtslose Senkung der Preise für Rüstungsgüter, 2. verstärkte Abschöpfung der Massenkaufkraft durch entsprechende Erhöhung der Steuern, 3. weitere Einkommenskürzung durch wirksame Sparpropaganda, evt. Einführung einer Zwangssparrate mit langfristiger Bindung, 4. endliche Ausräumung der These: 'Geld spielt keine Rolle' durch Aufklärung aller einschlägigen Stellen über die Gefahren der derzeitigen Währungslage ... 5. verstärkte Bekämpfung des Schwarzhandels in allen seinen Formen." In der Ausarbeitung für Lange wurde der massive Einsatz aller staatlichen Mittel dahingehend gefordert, „daß Gegenmaßnahmen getroffen werden, die stärker sind als die Verfalltendenzen." Weiter hieß es: „Bis jetzt ist noch kein Kriegslieferant Hungers gestorben ... In einer Zeit, in der alle Rüstungsbetriebe im Geld schwimmen, ist es einfach lächerlich, zu behaupten, sie könnten ihre Preise nicht mehr senken." Bezüglich der Steuern wurde darauf verwiesen, „daß die Engländer den Inflationsgefahren durch allmähliches, aber konsequentes Anziehen der Steuerschraube mit beachtlichem Erfolg entgegengetreten sind, ohne daß ihre Wirtschaft dadurch geschädigt wurde oder sonstige Nachteile aufgetreten sind." Zwei Jahre zuvor hatte man die Kriegsfinanzierung in Großbritannien noch ganz anders beurteilt. Nun aber hieß es: „Solche Maßnahmen ... zu unterlassen, bedeutet... eine Gefahr von unübersehbarer Tragweite. Lassen wir die Dinge weiter treiben, so werden wir bald erleben, daß der Arbeiter Lohnerhöhungen ablehnt und statt dessen mehr Lebensmittel fordert." 131 Ebenda, Nr. 7007, Bl. 266 ff., „Kriegsfinanzierung und Währung", 17.9.1941. 132 Ebenda, Bl. 330 ff.

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Die schon erwähnte „Verordnung über Lenkung von Kaufkraft" vom 30. Oktober 1941 war aber schon das Äußerste, was die Reichsregierung zur schärferen Regulierung der Währungssituation beschloß. Sie erlegte sich auch jetzt, als im Osten die „Blitzkriegs"illusionen über den Haufen geworfen wurden, eine starke Zurückhaltung und vermittelnde Vorsicht auf, wie stets, wenn es galt, das eigene Volk materiell schwerer zu belasten und ihm größere Entbehrungen aufzuerlegen.133 Ein weiteres Problem kam im Verwaltungsrat der Reichskreditkassen am 13. November 1941 zur Sprache: Die Soldaten der Wehrmacht im besetzten Rußland könnten nicht viel kaufen und überwiesen ihren Sold in wachsendem Maße per Feldpostanweisung nach Hause, so daß die im Osten nicht betätigte Kaufkraft nun im Reich als zusätzliche Kaufkraft auftrete, was monatlich 100 Millionen RM ausmache. Der Wehrsold, mit dem die Angehörigen der Wehrmacht eigentlich ihren persönlichen Tribut von den Völkern der UdSSR abfordern sollten, trat damit als Forderung an das Reich in Erscheinung. Das veranlaßte den Verwaltungsrat zu der bitteren Bemerkung: „Wir sind im Inland dabei, freie Kaufkraft irgendwie zu binden ... und müssen bei diesen Überlegungen nunmehr auch die aus dem Felde kommende überschüssige Kaufkraft berücksichtigen."134 Wie in vielen anderen Fällen, so konnte auch hier an der Sachlage nichts geändert werden. Der Verwaltungsrat mußte in seiner Sitzung am 16. Februar 1942 einräumen: Der Gedanke, den Wehrsold zu senken, „weil er seinen Zweck, zu zusätzlichen Käufen benutzt zu werden, nicht erfüllt, wird gerade den Frontsoldaten in Rußland gegenüber nicht für tragbar gehalten. Die Gelder fließen infolgedessen weiterhin nach dem Reiche ab ,.."135 Seitens der Reichsbank und anderer Reichsstellen wurden im Verlaufe des Krieges immer wieder die Kreditentwicklung und speziell das Verhältnis lang- und kurzfristiger Kredite erörtert, mitunter auch mit einem vergleichenden Blick auf den Ersten Weltkrieg. Die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank stellte im April 1942136 zwar die steigende Tendenz des Finanzbedarfs des Reiches, der Kreditaufnahme des Reiches und der kurzfristigen Reichsverschuldung fest, trat aber zugleich eventuellen Befürchtungen entgegen: „Im Vergleich zu der Gesamtverschuldung des Reiches seit Kriegsbeginn kommt dem Notenbankkredit als unmittelbare Finanzierungsquelle ... keine entscheidende Bedeutung zu. ... Der erhöhten Reichsschuld steht eine Ausdehnung unseres Wirtschaftsraumes und Steigerung der Leistungs-(Steuer-)Kraft des deutschen Volkes gegenüber. Auch ist die Reichsschuld immer noch geringer als ζ. B. in England. Die jährliche Zinslast des Reiches beträgt gegenwärtig etwa 4 '/2 Mrd. RM und ist somit im Verhältnis des Steueraufkommens bis jetzt noch mäßig." Zur Währungslage hieß es: „Dank des umfassenden Systems zur Lenkung der Geld- und Güterströme konnte bisher nicht nur die Bevölkerung mit den lebensnotwendigen Gütern reibungslos versorgt, sondern auch der Preis für zahlreiche Nahrungs- und Genußmittel sowie

133 Vgl.I.S. 20. 134 Β AP, Hauptverwaltung der Reichskreditkassen, Nr. 2, Bl. 234, Bericht über die Sitzung des Verwaltungsrates am 13.11.1941. 135 Ebenda, Nr. 3, Bl. 109, Bericht über die Sitzung des Verwaltungsrates, 16.2.1942. 136 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7008, Bl. 249 ff., „Die Lage der deutschen Kriegswirtschaft", 25. 4.1942.

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sonstige wichtige Waren und Leistungen ... einigermaßen gehalten werden. Das darf natürlich nicht dazu verleiten, über die währungspolitischen Spannungen hinwegzusehen ... Nach außen ist unsere Währung durch die lückenlose Devisenbewirtschaftung und Außenhandelskontrolle wirksam geschützt. Insofern enthält die äußere Währungslage zur Zeit für uns keine schwerwiegenden Probleme." Bemerkenswert ist, daß in den ersten Kriegsjahren kaum ein Widerspruch zwischen internen Einschätzungen und öffentlichen Verlautbarungen über Kriegsfinanzierung und Währung bestand. In einer Anzahl streng vertraulicher Analysen wurden mögliche Gefahren und Konfliktherde nicht übersehen, doch kamen Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit dieser Politik und ihrem schließlichen Erfolg nicht auf. Daran änderte sich auch nach der grundlegenden Wende im Osten um die Jahreswende 1942/1943 nichts, obwohl es als unerläßlich erkannt wurde, die Finanzierungs- und Währungsfragen erneut zu prüfen. „Auch auf finanziellem Gebiet" so hieß es zwar in einem Gutachten der Reichsbank, „gelten die Erfordernisse der totalen Kriegführung. Die bisherige Reibungslosigkeit des gegenwärtigen Finanzierungsmodus darf nicht dazu verleiten, das heiße Eisen der Steuererhöhung nicht anzurühren";137 aber insgesamt blieb der von Goebbels verkündete Übergang zum Totalen Krieg in der finanziellen Sphäre ohne Entsprechung.138 In dem zitierten Gutachten wurde immerhin die Frage gestellt, ob angesichts der weiter anwachsenden überschüssigen Kaufkraft „bei der zu erwartenden längeren Dauer des Krieges das derzeitige Abschöpfungssystem ausreicht, schädliche Folgen für die Kriegs- und Nachkriegswirtschaft nach Möglichkeit zu vermeiden." Gegen die „in der Regel vorgebrachten Einwände" wurde „die Notwendigkeit von Steuererhöhungen grundsätzlich dargetan", wobei „als geeignetster und den besten Erfolg versprechender Weg eine Erhöhung der Lohnund Einkommensteuer" genannt wurde. Die Autoren vermuteten, daß die „bisher gegen Steuererhöhungen vorgebrachten politischen Bedenken ... nunmehr zurückgestellt" worden seien. „Reichsminister Funk hat kürzlich in der Hauptversammlung der Reichsbank ausdrücklich betont, daß noch nicht alle Steuerreserven ausgeschöpft sind, und bekanntgegeben, daß ein neues Steuerprogramm vorbereitet wird." Es blieb alles beim alten.139 Bis in das Jahr 1944 hinein war die Tendenz der Verantwortlichen vorherrschend, sich selbst zu bestätigen, daß die Kriegsfinanzierung nicht besser zu realisieren sei. Im Januar 1944 erarbeitete die Volkswirtschaftliche Abteilung der Reichsbank einen „Rückblick auf die Kriegsfinanzierung im Jahre 1943".140 Darin wurde die Kriegsfinanzierung insgesamt weiterhin positiv beurteilt: „Im Kriegsjahr 1943 wurde an der bereits bewährten Methode der lautlosen Kriegsfinanzierung nichts geändert." Weiter hieß es: „Wenn es auch bisher gelang, etwa 50 v. H. der Reichsausgaben statt nur 13 v. H. im ersten Weltkrieg aus laufenden Einnahmen zu decken, so birgt doch der in wachsendem Tempo steigende Umlauf an kurzfristigen Reichswerten und des Zahlungsmittelumlaufs gewisse Gefahren, die die ständige Aufmerksamkeit der zuständigen Stellen erfordern." Neben der sichtbaren Reichsschuld wachse 137 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 116 ff., „Zur Frage von Steuererhöhungen", 24.3.1943. 138 Brackmann, Michael, Vom totalen Krieg zum Wirtschaftswunder Die Vorgeschichte der westdeutschen Währungsreform 1948, Essen 1993, S. 34. 139 Siehe hierzu ausführlich ebenda, S. 50 ff. 140 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7009, Bl. 438 ff.

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noch „eine erhebliche unsichtbare Reichsschuld aus den unbeglichenen Verpflichtungen des Reiches gegenüber der bombengeschädigten Bevölkerung" heran. „Die Kriegsfinanzierung geht in gut eingefahrenen Bahnen und - anders als im Weltkrieg - ziemlich geräuschlos vor sich", hieß es im „Entwurf einer Gedankenführung für Herrn Vizepräsident Lange" zum Thema „Aufgaben und Bewährung der deutschen Kreditwirtschaft im Kriege", der im April 1944 in der Reichsbank verfaßt wurde.141 Zu neuen finanz-, währungs- oder steuerpolitischen Maßnahmen reichten Kraft und Courage der Reichsregierung nicht mehr aus. In verzweifelt anmutenden Appellen wurde mit demagogischen Versprechungen und Täuschungen versucht, die Bevölkerung zu erhöhten Sparleistungen und zum Durchhalten zu veranlassen. So auch in einer Rundfunkrede des Reichsministers der Finanzen am 8. April 1944, der sich intern sehr wohl anders äußerte, hier aber beteuerte, daß die Führung sich der Verpflichtung bewußt sei, „die Gefahr einer Inflation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen und abzuwenden." Er versuchte glauben zu machen, daß der deutsche Sparer kriegsmäßig richtig und auch klug handele, der sein Geld nicht für überflüssige Dinge zu überhöhten Preisen ausgebe, sondern zur Sparkasse bringe. „Denn einmal ist das Gerede, daß Sparguthaben jetzt oder später weggenommen werden könnten, lediglich eines der bösen Gerüchte aus der Giftküche der feindlichen Propaganda. Zum anderen wird sich nach Beendigung des Krieges zeigen, welche ungeheuren Möglichkeiten in der Umstellung unserer Kriegs- und Friedensproduktion stecken. Hat unsere Industrie in der Herstellung von Waffen für den Krieg organisatorisch und technisch Wunder vollbracht, so wird sie in der Herstellung von Waren für den Frieden - auch was die Preise anbetrifft - gleiche Wunder vollbringen. Dann wird sich zeigen, daß das Sparen sich gelohnt hat und daß das Gerede von der Entwertung des Geldes ein Unfug war."142 Mitte 1944 wurde unter der Parole „Siegverbundenes Sparen" noch einmal der Versuch einer Großaktion zur Sparwerbung gestartet. Am 2. Juni 1944 fand in der Reichsbank dazu eine Direktoriumsbesprechung statt, auf der die Idee eines Films erörtert wurde, der den Kreislauf des Geldes und der Güter, die angebliche Währungssicherheit und unnötige Inflationssfurcht sowie den Wert des Sparens behandeln sollte. Nach dieser Idee sollte es im Abspann des Films heißen: „Die Gelegenheit war noch nie so günstig. Du entbehrst heute kaum etwas, wenn Du sparst. Vermeide darum jede unnötige Ausgabe! Der Sieg ist uns sicher, wenn alle sparen! Sei darum auch Du ein siegessicherer Sparer! Glaube und spare!"143 Diese Linie der Verbreitung von Zweckoptimismus und der Durchhalteparolen wurden beharrlich bis zum Ende des Krieges fortgesetzt.144 In der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank mehrten sich in dieser Zeit jedoch Ausarbeitungen über die wirtschaftlichen Kriegsziele und Nachkriegspläne der Staaten der Antihitlerkoalition.145 Während beispielsweise Funk im Juli 1944 die Ergebnisse der 141 Ebenda, Bl. 441 ff. 142 Β AP, Deutsche Reichsbank, Nr. 1608, Deutscher Handelsdienst, Pressemitteilung vom 8.4.1944, „Die Methodik der deutschen Kriegsfinanzierung". 143 BAP, RWiM, Nr. 8444/1, AN und div. Material „Siegverbundenes Sparen". 144 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7010, Bl. 168 ff., „Entwurf einer Rede des Vizepräsidenten Lange im Rundfunk, Oktober 1944". 145 Ebenda, Nr. 7010 und 7015.

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Die Kriegsfinanzierung

Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods öffentlich wütend attackierte,146 wurde diese Konferenz von der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Reichsbank ziemlich sachlich eingeschätzt. Man verzichtete auf eine generelle Verächtlichmachung der westlichen Vereinbarungen über den Gold- und Dollarstandard, den internationalen Währungsfonds und die Weltbank.147 Als die Frontlinien auf deutschem Reichsgebiet verliefen, gerieten das Währungs- und Finanzwesen und der Zahlungsverkehr zunehmend durcheinander. Die Deutsche Reichsbank veröffentlichte letztmalig zum 7. Februar 1945 einen Ausweis. Für ihren internen Geschäftsbetrieb konnte sie noch bis zum 7. März 1945 einen schon lückenhaften Ausweis zusammenstellen.148 Aussagen über die Gesamtausgaben Deutschlands für den Krieg müssen zwangsläufig auf Schätzungen beruhen, weil erstens keine wirklich exakte Übersicht über alle kriegsrelevanten Ausgaben existiert. Zweitens ist die Grenze zwischen Militär- bzw. Kriegsausgaben und Zivil- und Nachkriegsausgaben fließend, besonders unter den Bedingungen des von Deutschland verkündeten und praktizierten „Totalen Krieges". Gleiches gilt für die Gesamtkriegskosten, in die auch die Vorkriegsausgaben und die Kriegsfolgelasten einzubeziehen sind, in deren weiten Rahmen sowohl die Aufwendungen für Kriegsschädenüberwindung und Wiedergutmachung als auch die laufende Hinterbliebenenversorgung und Kriegsgräberfürsorge gehören. Bei einer Berechnung speziell der Kriegsfolgekosten fällt femer ins Gewicht, daß mit den Währungsreformen in Deutschland 1948 die alte Reichsmarkwährung und die auf Reichsmark lautenden Verbindlichkeiten unterschiedlich liquidiert wurden, und daß zwei grundverschiedene Währungen an die Stelle der RM-Währung traten. Von den 1949 gegründeten beiden deutschen Staaten wurden darüber hinaus Verbindlichkeiten aus dem Krieg und aus der Nachkriegszeit - gegenüber den anderen Staaten und Völkern, aber auch gegenüber Kriegsopfern und Kriegsgeschädigten in Deutschland - in sehr unterschiedlichen Umfang übernommen und erfüllt.

146 Siehe Berichte in der deutschen Tagespresse am 8./9.7.1944. 147 BAP, Deutsche Reichsbank, Nr. 7015, Bl. 609 ff., „Die Ergebnisse der Währungs- und Finanzkonferenz in Bretton Woods", 9.8.1944. Vgl. Kap. VI im vorl. Bd. 148 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975, S. 23 u. 36 f.

Anhang: Steuereinnahmen 1938/39-1943/44

735

6. Anhang: Tabellen über die Steuereinnahmen des Deutschen Reiches, 1938/39-1943/44 (in Mill. RM) Tabelle 160 Die einnahmestärksten Steuern (einschließlich der jeweiligen

Kriegszuschläge)

Rechnungsjahr:

Einkommensteuer darunter: Lohnsteuer Körperschaftssteuer Umsatzsteuer gesamt

Summe 1939/40 bis 1943/44

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

5 352

8 225

10 726

13 121

12 875

13 384

2 091

2 646

2 979

4 223

4 540

5 001

19 390

2 417 3 357 11 126

3 228 3 735 15 187

3 485 3 929 18 140

5 087 4 149 22 356

6 956 4 160 23 991

6 655 4 177 24 216

25 410 20 150 103 890

58 330

Quelle: Statistisches Handbuch von Deutschland 1928-1944, hrsg. v. Länderrat des Amerikanischen Besatzungsgebiets, München 1949. Summendifferenzen infolge Rundung.

Tabelle 161 Ausgewählte Steuern von Einkommen und Vermögen Rechnungsjahr:

VermögensSteuer Aufbringungsumlage Gewinnabführung (GAV) Dividendenabgabe(DAV) Erbschaftssteuer Wehrsteuer Reichsfluchtsteuer Feuerschutzsteuer

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

390,6

417,2

552,8

144,5

167,9

221,9

Summe 1939/40 bis 1943/44

1942/43

1943/44

615,7

646,0

674,2

2 905,9

249,2

269,1

289,2

1 197,3

316,6

1 304,3

1 217,7

2 838,6

23,0

7,2

5,5

35,7

104,2 16,6

117,2 9,5

123,8 6,4

153,4 2,0

130,9 -1,1

130,9 -1,0

656,2 15,8

342,6

216,2

47,8

36,5

31,5

8,8

340,8

1,5

21,0

21,8

22,8

25,9

26,2

117,7

Quelle: Wie Tabelle 160.

736

Die Kriegsfinanzierung

Tabelle 162 Die Steuern vom Vermögensverkehr und Verkehr (Umsatzsteuer siehe Tab. 160) Rechnungsjahr: 1938/39 Steuern vom Vermögensverkehr (gesamt)* 436,1 Beförderungssteuer (Personen und Güter) 342,9 Kraftfahrzeugsteuer 140,8

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

Summe 1939/40 bis 1943/44

473,7

483,2

463,0

463,8

382,6

2 266,3

376,3

442,3

531,0

618,4

737,3

2 705,3

115,5

92,5

0,1

85,6

74,7

368,4

*) Hierunter fallen: Kapitalverkehrssteuer (= Gesellschaftssteuer + Wertpapiersteuer + Börsenumsatzsteuer), Grunderwerbssteuer a), Versicherungssteuer, Totalisatorsteuer, andere Rennwettsteuern, Lotteriesteuem, Wechselsteuer, Urkundensteuer. Quelle: Wie Tabelle 160.

Tabelle 163 Die mit Kriegszuschlag belegten Verbrauchssteuern Rechnungsjahr:

Tabaksteuer Biersteuer Kriegszuschlag auf Bier, Tabak u. Schaumwein Einnahme aus dem Branntweinmonopol* Steuereinnahme gesamt

Summe 1939/40 bis 1943/44

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

1 002,6 413,8

1 240,1 642,8

1 558,1 638,0

1 633,7 682,5

1 515,8 660,9

1 340,0 637,2

7 287,7 3 261,4

782,3

1 608,4

2 180,0

2 743,9

2 581,4

9 896,0

318,9

497,8

705,9

669,6

342,0

433,0

2 648,3

1 735,3

3 163,0

4 510,4

5 165,8

5 262,6

4 991,6

23 093,4

-

*) einschließlich Kriegszuschlag. Quelle: Wie Tabelle 160.

737

Anhang: Steuereinnahmen 1938/39-1943/44 Tabelle 164 Auswahl weiterer Steuern auf Verbrauch und Aufwand

1938/39

1939/40

1940/41

1941/42

1942/43

1943/44

Summe 1939/40 bis 1943/44

377,6

509,2

512,7

598,2

519,6

553,4

2 693,1

107,2 59,9

134,4 77,0

129,7 85,1

147,6 95,3

177,2 131,4

203,9 118,3

792,8 507,1

13,2

17,0

19,1

20,2

20,3

21,1

97,7

15,6

19,7

20,6

23,3

24,3

20,6

108,5

Rechnungsjahr:

Zuckersteuer Mineralölsteuer Salzsteuer Zündwarensteuer Leuchtmittelsteuer

Erhoben wurden ferner die Essigsäuresteuer und die Süßstoffsteuer. Beide brachten jährlich weniger als 10 Mill. RM, ebenso die Spielkartensteuer. Im Verlaufe des Krieges fielen die Fettsteuer (letztmalig 1940/1941 erhoben) und die Schlachtsteuer (letztmalig 1942/1943 erhoben) fort. Quelle: Wie Tabelle 160.

Anhang

1. Koautoren des Buches Hagen Fleischer, Prof. Dr., Universität Athen Manfred Oertel, Dr. phil., Stralsund Berthold Puchert, Prof. em. Dr., Potsdam Karl Heinz Roth, Dr. med. Dr. phil., Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts

2. Verzeichnis der Tabellen 1 Zusammensetzung des Jägerstabes, Stand 1. März 1944 2 Festlegungen des Generalluftzeugmeisters/Amt C (Technisches Amt) über „Vereinfachung des Luftwaffenprogramms", März 1944 3 Industrielle Verlagerung über und unter Tage (nur Rüstungsendfertigung; nach Hauptausschüssen), 1943/44 4 Zusammensetzung des „Arbeitsstabes Geilenberg", Stand 8. Juni 1944 5 Hauptsächliche Angriffe auf die Hydrierwerke und ihre Wirkung auf die Flugbenzinerzeugung, März-Juni 1944 6 Unterlage (Stichpunkte) für die Rede des Rüstungsministers in Linz am 24. Juni 1944 betr. „Konzentration der Rüstung beim Reichsminister" 7 Militärische Ereignisse zur Zeit der Linzer Rüstungstagung 8 Militärische Ereignisse Mitte August bis Anfang September 1944 9 Frontreisen des Reichsministers für Rüstung und Kriegsproduktion, September-Dezember 1944 10 Reihenfolge der zu bombardierenden Verkehrszonen (transportation zones) in der alliierten Planung, 7. November 1944 11 Indexziffern der Rüstungsendfertigung, Januar 1944-Februar/März 1945 12 Planzahlen des „Siegesprogramms" für Dezember 1944 und Produktionszahlen von März, Juli und Dezember 1944 13 Anteil von Gruppen an der Rüstungsendfertigung, 1943-1944 14 Anteil der Rüstungsproduktion (Waffen und Gerät) an der Industrieproduktion, 1941-1944 15 Großangriffe alliierter Bomber auf Wiitschaftsziele, 1943 (Auswahl) 16 Über dem europäischen Kriegsschauplatz abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF), 1943-April 1945 17 Verluste durch Bomben- und Tieffliegerangriffe auf die Deutsche Reichsbahn, 1943-1944

17 20 25 35 36 46 48 53 59 64 80 82 85 85 87 88 91

740

Anhang

18 Jahresproduktionskapazität des „europäischen" und des „angelsächsischen" Wirtschaftsraumes, Stand Mitte 1941 19 Verhältnis der deutschen zur alliierten Produktion an Grund- und Rohstoffen, 1942-1945 und 1944 20 Arbeitsproduktivität je Industriearbeiter in ausgewählten Zweigen der US-Industrie gegenüber der deutschen ( 1936/37) 21 „Kriegspotential in Rohstahl" nach Berechnungen der Wirtschaftsgruppe Eisen schaffende Industrie, 1914,1917, 1939 und 1943 22 Weltproduktion von Bauxit, Aluminium und Magnesium, 1938-1943 23 „Rüstungsendfertigung. Deutsches Reich und Feindmächte", 1942-1944 24 Produktion von Waffen und Kriegsgerät in Verhältniszahlen, 1942-1945, 1944 (deutsche : alliierte Produktion) 25 Flugzeug- und Flugmotorenproduktion der Mächte, 1942-1945 26 NE-Metallerzeugung (Hüttenproduktion) im deutsch-japanischen und im alliierten Machtbereich, 1943 und 1944 27 Index der Grundstoffproduktion, 1943 und 1944 28 Produktionsziffem von Grundstoffen, 1943-Februar/März 1945 29 Beschäftigte im Bergbau, 1941-1944 30 Kohleförderprogramm für 1944/1945, April-März 31 Ausfall von Steinkohletransporten, August 1944-Januar 1945 32 Kohleförderung und Kokserzeugung, 1942/43, 1943/44, Januar 1944-Februar 1945 33 Bombenangriffe auf Verkehrseinrichtungen in Westdeutschland, November 1944 (Auswahl) 34 Rohstahlproduktion, 1941-1945 35 Walzwerkserzeugnisse, 1941-1944 36 Rohstahlproduktion nach Distrikten, 1943-1944 37 Erzeugungsausfall der Gutehoffnungshütte bei Rohstahl durch Fliegeralarme und Fliegerschäden, 1940-1945 38 Kapazität der Synthesetreibstoffwerke gegen Kriegsende 39 Erzeugungsprogramm des GB Chemie für Mineralöl, Flugzeugbenzin und Hochleistungstreibstoff, 1943-1945 40 Erzeugung und Import von Mineralölprodukten, 1943,1. Quartal 1944, April 1944 41 Auf Treibstoffziele abgeworfene Bombenlast (USAAF und RAF; Europäischer Kriegsschauplatz), Januar 1944-April 1945 42 Wirkung der Luftangriffe auf die Flugbenzinerzeugung, Mai-September 1944 43 Auflösung der Decknamen im Mineralöl-Sicherungsplan, Stand 4. August 1944 44 „Umfang der durch die Maßnahmen des Mineralöl-Sicherungsplanes 1. Abschnitt geschaffenen Sicherung der Treibstoffversorgung" 45 Erzeugung von Mineralölprodukten, 1943,1944/45 46 Ausfälle in der Bunaerzeugung durch Luftangriffe, Mai 1944 47 Produktion von synthetischem Kautschuk, 1943-Februar 1945 48 Produktion von Stickstoff und Methanol, 1943-Februar 1945 49 Produktion von Pulver und Sprengstoff, 1943-Februar 1945 50 Verbrauch und Vorräte an Sprengstoff, 1940-1944/45 51 Betriebsfähige Kapazitäten für die Erzeugung von Chemikalien (Vorprodukte für Pulver und Sprengstoff), Stand 15. Februar 1945 52 Kapazität und Erzeugung der öffentlichen Elektrizitätswerke, 1943-Februar 1945 53 Alliierte Luftangriffe auf Elektrizitätswerke, September 1944-April 1945 54 Leistungsausfall (öffentliche Kraftwerke), Juni 1943-März 1945

97 98 99 101 102 104 107 108 110 114 115 119 121 123 124 125 127 129 131 133 136 137 138 140 140 145 147 150 151 152 153 155 156 157 159 160 162

Verzeichnis der Tabellen

741

55 Flugzeugproduktion nach Zahl und Gewicht, 1940-1944/45 164 56 Produktion von Jagd- und Bombenflugzeugen, 1940-1944 166 57 Häftlinge und ausländische Zivilarbeiter als Arbeitskräfte in Werken der deutschen Flugzeugindustrie, Oktober 1944 168 58 Die meistproduzierten deutschen Kriegsflugzeuge, 1939-1944 170 59 „Hochleistungsflugzeuge" (auch „Führerflugzeuge"), Stand September/Oktober 1944 173 60 Fertigung und Verluste von Me 262, He 162 und Ar 234; Stand 10. April 1945 173 61 Panzerproduktion nach Typen, 1940-1945 176 62 Panzerproduktion nach Gewicht, 1939-1945 177 63 Produktion von Maybach-Panzermotoren bei Auto-Union AG, Werk Chemnitz-Siegmar, 1944/45 178 64 Schäden durch Luftangriffe in drei Panzerwerken, August 1944-März 1945 179 65 Kriegsschiffbau, 1943-Februar 1945 (Auswahl) 183 66 „Notprogramm" der Marinerüstung für 1945 184 67 Waffenproduktion und Waffenverluste (Heer), Januar-September und November 1944 186 68 Waffenproduktion 1940-1945 187 69 Infanterie- und Flakwaffenprogramm für 1944 (Soll und Ist) 188 70 Erzeugung von Munition, 1940-Februar 1945 190 71 Produktion und Verbrauch an Heeresmunition 1944 und Vorräte am 1. Januar 1945 191 72 Produktion von Waffen und Munition, Januar 1943, September 1944, Dezember 1944 193 73 Produktion von V 1, Ende September 1943-März 1945 198 74 Produktion von V 2,1942-1945 201 75 Produktion von Kampfstoffen, Oktober 1939-Januar 1945 206 76 Vorräte an Kampfstoffmunition (Auswahl), 1. September 1939-Juni 1944 207 77 Produktion von Möbeln, 1942-1944 209 78 Leder-und Schuhproduktion, 1938, 1942-1944 212 79 Produktion von Haushaltsgerät, 1943-Januar 1945 212 80 Produktion von Flachglas, 1942-1944 213 81 Vorschläge für Tauschwaren gegen Alttextilien und Lumpen, Dezember 1944 215 82 „Gesamtaufkommen an Gütern und Diensten nach Erzeugnisgruppen. Deutsches Reich (einschl. Böhmen und Mähren). Vorläufige Größenordnungen in Mrd. RM für 1943" 216 83 Maschinen- und Bauinvestitionen, 1943 („Großdeutsches Reich ohne Protektorat") 219 84 Industrieinvestitionen, 1943 („Großdeutsches Reich ohne Protektorat") 220 85 Verteilungsplan Speers und Sauckels für italienische Militärinternierte, Ende September/ Anfang Oktober 1943 225 86 Arbeitskräfteprogramm des Planungsamtes für 1944 228 87 Arbeitskräftebeschaffung im ersten Halbjahr 1944 233 88 Statistik zur Arbeitskräftebeschaffung für den „totalen Kriegseinsatz", Stand 31.12.1944 ... 235 89 Ausländische Arbeiter und Kriegsgefangene in der deutschen Kriegswirtschaft nach Herkunftsländern, August 1944 243 90 Arbeitskräftebeschaffung 1944 246 91 Arbeitskalorien nach Abzug des Grundumsatzes 251 92 Verbrauch an ausnutzbarem Eiweiß in Gramm pro Tag 252 93 Teilnehmerliste der Besprechung am 23. Mai 1944 254 94 An der „Krautaktion" beteiligte Werke 257 95 An der „Krautaktion" beteiligte Zwangsarbeiter 257 96 Zahl der an der „Krautaktion" beteiligten Zwangsarbeiter nach Werken 258 97 Ernährungszulagen der „Krautaktion" 259

742

Anhang

98 Krankenstand der italienischen Militärinternierten auf der Friedrich-Alfred-Hütte, Rheinhausen 99 Für „Schachtelhalm I" (Daimler-Benz Hochwalde) vorgesehene Belegschaft, April 1944 ... 100 Konzentrationslagerhäftlinge aus Brandenburger Lagern in der Luftwaffenrüstung, März 1944 101 Produktion von Daimler-Benz-Flugmotoren, 1936-1944 102 Belegschaftsstärke von Daimler-Benz Genshagen, 1937-1945 103 Produktion von Flugzeugmotoren im Daimler-Benz-Werk Genshagen, 1944 104 Großangriffe alliierter Bomber, Februar bis April 1945 (Auswahl) 105 Transporte niederländischer Arbeitskräfte in die besetzten sowjetischen Gebiete, l.April-10. Mai 1943 106 Auslauftermine für die Produktion im „Minimal- Wirtschaftsraum" 107 Deutsche Chromerzeinfuhr, 1936-1939 108 Deutsche Chromerzeinfuhr, 1939-1941 109 Chromverbrauch und -einfuhr Deutschlands 1938,1940-1944 110 Förderung und Abtransport von Chromerz aus Griechenland, 1942-August 1944 111 Förderung und Abtransport von Chromerz aus Albanien, Oktober 1943-August 1944 112 Chromerzförderung und -abfuhr aus Jugoslawien (Mazedonien), Griechenland und Albanien, Januar bis August 1944 113 Der deutsche Export und Import, 1932-1937 114 Prozentuale Anteile einiger Länder am türkischen Außenhandel, 1939, 1940 115 Im deutsch-sowjetischen Wirtschaftsabkommen vom 10. Januar 1941 vereinbarte gegenseitige Lieferungen 116 Die deutsche Ausfuhr in die UdSSR, Januar 1940-Juni 1941 117 Die deutsche Einfuhr aus der UdSSR, Januar 1940-Juni 1941 118 Skandinavische Erzverschiffungen nach Deutschland, Januar 1942-Oktober 1943 119 Die deutsche Einfuhr aus Finnland, 1939-1943 120 Die deutsche Einfuhr aus Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 121 Die deutsche Ausfuhr nach Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 122 Einfuhrüberschuß ( - ) bzw. Ausfuhrüberschuß (+) des deutschen Außenhandels gegenüber Südosteuropa und der Türkei, 1941-1943 123 Die Einfuhr der Schweiz aus Deutschland, Großbritannien und den USA, 1938-1942 124 Wichtige Warenarten der deutschen Einfuhr aus der Schweiz, 1938, 1942 und 1943 125 Deutschlands Eisenerzimport aus Schweden, 1935-1944 126 Preiskennziffem für den Austausch rumänischen Benzins gegen deutsches Rüstungsgerät, 1939-1943 127 Planzahlen des „Notprogramms", März, Juni, August 1945, und Ist-Zahlen Dezember 1944, Januar und März 1945 128 Produktion und Vorräte der Vereinigte Stahlwerke AG, 4. Quartal 1944 129 Wagengestellung der Reichsbahn, Juli 1944-März 1945 130 Kohletransport und Reichsbahnvorräte an Steinkohle, Juli 1944-März 1945 131 Eisen- und Stahlerzeugung, März 1943, März 1944, September 1944-März 1945 132 Rüstungsbevollmächtigte des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion, Stand Mitte März 1945 133 Zahlenangaben über Flüchtlinge und aus luftgefährdeten Gebieten Evakuierte, Januar-März 1945 134 „Meldung über die der Wirtschaft neu zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte", 1944, Januar- Februar 1945

261 273 285 288 291 298 298 326 346 349 350 351 355 357 358 400 440 446 447 448 468 473 476 476 477 482 483 497 501 618 620 622 623 625 631 633 642

Verzeichnis der Tabellen

743

135 Lebensmittelversorgung der deutschen Bevölkerung 1945 136 Verhandlungen des Ruhrstabs im Ruhrkessel von der Einschließung durch die Alliierten (1. April 1945) bis zum Ende der Kampfhandlungen (17. April 1945) nach Aufzeichnungen von Walter Rohland 137 Volkswirtschaftliche Anlageinvestitionen, 1928,1932-1944 138 Industrielle Anlageinvestitionen, 1928,1932-1944 139 Maschineninvestitionen, 1943 140 Anteil der Industrieabteilungen an den industriellen Anlageinvestitionen, 1936-1944 141 Volumenindex der Industrieproduktion, 1939 und 1944 142 Brutto- und Nettoanlageinvestitionen in der westdeutschen Industrie, 1933-1945 143 Brutto-und Nettoanlagevermögen der westdeutschen Industrie, 1933-1945 144 Brutto- und Nettoanlagevermögen der westdeutschen Industrie, 1. Januar 1935, 1. Januar 1944,1. Mai 1945 145 Ausgaben des Reichshaushalts nach Rechnungsjahren, 1939/1940-1944/1945 146 Ausgaben des Reichshaushalts nach Kriegsjahren, 26.8.1939-8.5.1945 147 Preise von Flugzeugzellen, 1941 148 Wehrsold für die Wehrmachtsangehörigen bei „besonderem Einsatz" 149 Ausgaben des Reiches für Familienunterhalt, 1. September 1939-8. Mai 1945 150 Finanzielle Belastung der Stadt Stralsund für Familienunterhalt, 1940/1941 bis 1943/1944

645

151 Kriegsbedingte Sonderausgaben in Stralsund, 1940/1941 bis 1943/1944 152 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Rechnungsjahren, 1939/1940 bis 1944/1945 153 Reichshaushalt, Einnahmen aus Steuern und Zöllen nach Kriegsjahren, 1. September 1939 - 8. Mai 1945 154 Kreditaufnahmen und -rückzahlungen des Reiches, 1.9.1939-8.5.1945 155 Verzinsung der Reichsschuld nach Rechnungsjahren, 1939/1940-1944/1945 156 Stand und jährliche Zunahme der fundierten und der schwebenden Reichsschuld, 1939-1944 157 Verteilung der Reichsschuld per 30. September 1944 158 Die Entwicklung der Sparguthaben in Deutschland 1939-1944 159 Zahlungen von Besatzungskosten, 1940-1944 160 Die einnahmestärksten Steuern (einschließlich der jeweiligen Kriegszuschläge) 161 Ausgewählte Steuern von Einkommen und Vermögen 162 Die Steuern vom Vermögensverkehr und Verkehr 163 Die mit Kriegszuschlag belegten Verbrauchssteuern 164 Auswahl weiterer Steuern auf Verbrauch und Aufwand

668 669 670 671 673 674 676 677 678 683 684 686 686 689 690 691 692 692 704 705 710 714 716 723 735 735 736 736 737

744

Anhang

3. Quellen- und Literaturverzeichnis (einschließlich einer Literaturauswahl aus den Bänden I und II) a) Ungedruckte

Quellen

Staatliche und Kommunalarchive Bundesarchiv Koblenz (BÄK) R2 R3 R5 R6 R7 R 91 R 10 III R 11 R 12 I R 13 I R 13 III R 13 V R 13 VI R 13 XII R 13 XIII R 13 XV R 13 XX R 22 R 25 R 26IV R 28 R41 R 43 II R 58 R61 R 63 R 70 Polen R 87 R106 R 176 NL 113 NL 118 NL 141 NL 198 NL 200 All. Proz. 1, 2, 3, 9 All. Proz. 4 ZSg 115

Reichsfinanzministerium Reichsministenum für Rüstung und Kriegsproduktion Reichsverkehrsministerium Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete Reichswirtschaftsministerium Reichsstelle für den Außenhandel Reichs Vereinigung Eisen Reichswirtschaftskammer Reichsgruppe Industrie Wirtschaftsgruppe Eisenschaffende Industrie Wirtschaftsgruppe Maschinenbau Wirtschaftsgruppe Elektroindustrie Wirtschaftsgruppe Feinmechanik und Optik Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie Wirtschaftsgruppe Lederindustrie Wirtschaftsgruppe Bekleidungsindustrie Wirtschaftsgruppe Bergbau Reichsjustizministerium Reichsamt für Wirtschaftsausbau Beauftragter für den Vieijahresplan, Geschäftsgruppe Ernährung Dienststellen der Reichsbank Reichsarbeitsministerium Reichskanzlei Reichssicherheitshauptamt Akademie für Deutsches Recht Südosteuropa-Gesellschaft Polizeidienststellen in eingegliederten und besetzten Gebieten (Polen) Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens Mittwochsgesellschaft Kontinentale Öl AG Goerdeler, Carl Goebbels, Joseph Krohn, Johannes Kraut, Heinrich Westrick, Gerhard Nürnberger Prozesse Falkenhausen-Prozeß Nadler, Fritz

Quellen- und Literaturverzeichnis

745

Für einige Quellenkomplexe werden Kürzel verwendet: Chronik der Dienststellen des Reichsministers Speer = Chronik (R 3/1735-1740) „Führerbesprechungen" (Konferenzen Hitler-Speer) = FB (R 3/1507-1511) Zentrale Planung, Stenographische Niederschriften = ZPP (R 3/1710-1727) Zentrale Planung, „Ergebnisse" der Sitzungen (Ergebnisprotokolle) = ZPE (R 3/1689 u. 1690) Karl-Otto Saur, Stichworte für die Rüstungskartei (des Technischen Amtes) = Saur, Stichworte (R 3/1989) Bundesarchiv/Militärarchiv, Freiburg (BA/MA) RH 15 OKW, Allgemeines Heeresamt RH 19 VII Armeeoberkommando 12 RH 26-22 22. Infanterie-Division RM 7 Seekriegsleitung RW 6 OKW, Allgemeines Wehrmachtsamt RW 19 OKW, Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt R 40 Territoriale Befehlshaber Südost Bestände der Filmsammlung (ehemalige FS des Militärarchivs Potsdam), insbesondere OKW, Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt und nachfolgende Einrichtungen (s. Konkordanz) Bundesarchiv, Abteilungen Potsdam (BAP) Reichswirtschaftsministerium Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichsfinanzministerium Reichsbank Statistisches Reichsamt Auswärtiges Amt Reichskredit-Gesellschaft Hauptverwaltung der Reichskreditkassen Deutsche Bank (F) IG-Farben Wirtschaftsfacharchiv (WFA) der Kaliindustrie, vorm. VVB Kali Staßfurt Flick-Konzern Salzdetfurth AG Siemens AG, jetzt Siemens-Archiv, München Nachlaß Herbert von Dirksen Nürnberger Nachfolgeprozesse: Fall II Milch-Prozeß Fall V Flick-Prozeß Fall VI IG-Farben-Prozeß Fall X Krupp-Prozeß Fall XI Wilhelmstraßenprozeß Fall XII OKW-Prozeß Bestände der Filmsammlung (s. Konkordanz), insbesondere Mischbestand Wirtschaft (Wehrwirtschaft und Rüstung) Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion Reichswirtschaftsministerium

746

Anhang

RFSS, Persönlicher Stab Goebbels-Tagebuch Kürzel: Nachrichten des Reichsministers für Bewaffnung und Munition bzw. für Rüstung und Kriegsproduktion (Ministerialblatt) = Nachrichten (Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion, Nr. 51) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn Thüringisches Hauptstaatsarchiv, Weimar Reichsstatthalter Stadtarchiv Stralsund

Wirtschaftsarchive Archiv Daimler-Benz AG Archiv Thyssen AG Bergbau-Archiv, Bochum Haniel-Archiv Siemens-Archiv, München 35-44/Lc 168, Gerald Klein, Dokumentation zur Geschichte des Luftfahrtgerätewerks Hakenfelde LGW 1930-1945, München 1980 35-70/La 856, K. W. Fieber, Zur Geschichte der deutschen Raketenrüstung, Klagenfurt, Mai 1965 Betriebsarchiv des ehem. VEB Pentacon Dresden Betriebsarchiv des ehem. VEB Sachsenwerk Dresden Betriebsarchiv des ehem. VEB Arzneimittelwerk Dresden

Archive von Stiftungen und Instituten Archiv fiir Christlich-Demokratische Politik (ACDP), St. Augustin NL Lampe, Adolf Archiv der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte (HSG) Bestand Siemens-Konzern Archiv des Instituts fur Zeitgeschichte (IfZ), München ED 99 NL Speer, Albert ED 115 NL Jodl, Alfred Zs/A-20 NL Schwerin von Krosigk, Lutz Graf ZS 565 Saur, Karl-Otto ZS 1186 Lüer, Carl ZS 1217 Messerschmitt, Willy ZS 1230 Milch, Erhard ZS 1432 Schmelter, Fritz

747

Quellen- und Literaturverzeichnis Ausländische A r c h i v e Archives Nationales, Paris (Arch. Nat.) AJ 40 Archives Diplomatiques, Paris (AD) Guerre 1939-1945, Vichy-Europe Historisches Archiv Kreta (IAK) Präfektur Iraklion (NI bzw. PI) Präfektur Rethymnon (NRe bzw. PRe) Archiv der Universität Kreta, Rethymnon Public Record Office, London (PRO) FO 371 FO 837 Ν 6292 Wojewódzkie Archiwum Parístwowe w Katowicach, Katowice Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung Dresdner Bank, Filiale Kattowitz National Archives, Washington (NA) Record Group Nr. 84 226 260 Franklin Delano Roosevelt Library (FDRL), Hyde Park, NY Henry Morgenthau Diaries Harley Martin Kilgore Papers Filmkonkordanz Konkordanz zwischen den Filmnummern der oben genannten Filmsammlungen (BAP und BA/MA) und den T- und Roll-Nummem der National Archives, Washington Film-Nr.

T-Nr.

713 1727 1729 1730 1732 1733 1734 1737 1740 1772 1775 1780 2328 2348

175 73 73 73 73 73 73 77 77 77 77 77 77 84

Roll-Nr. 130 2 13 30 180 181 182 4 10 140 332 347 278 72

Anhang

748 3353 3365 3375 3381 3383 3384 3385 3386 3399 3568 3570 3575 3609 3642 3654 3661 3716 3857 3956 3957 4564 4571 4605 4640 4650 4660 5273 5884 8253 8261 8263 8322 10604 10609 10611 10612 10613 10614 10629 10630 10631 10632 10636 10638 10642 10655 10660 10709

175 71 501 73 73 73 73 73 73 73 175 175 175 73 71 175 120 81 83 83 77 77 71 73 73 73 71 120 77 77 77 77 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

71 23 165 4 14 15 19 20 179 193 119 194 103 105 34 146 Ser. 5685 59 6 17 489 429 105 21 37 50 94 Ser. 4646 354 363 365 430 41 46 48 49 52 53 69 70 71 73 77 80 84 97 102 155

749

Quellen- und Literaturverzeichnis 10738 10746 10759 10763 10764 10765 10784 10785 10809

84 84 84 84 84 84 84 84 84

b) Gedruckte Quellen und zeitgenössische

188 198 211 216 217 218 239 242 266

Literatur

Abelshauser, Werner/Faust, Anselm/Petzina,Dietmar, Deutsche Sozialgeschichte 1914-1945. Ein historisches Lesebuch, München 1985 Abs, Hermann J., Aktive Kapitalpolitik. In: Die zukünftigen Aufgaben der deutschen Kreditwirtschaft. Vortragsveranstaltung am 25. Oktober 1940. Hrsg. Deutsches Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen, Berlin o. J. Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Aus dem Archiv des deutschen Auswärtigen Amtes, Serie D: 1937-1945, Bd. I ff. Hrsg. Internationales Bearbeitergremium, Baden-Baden u. a. 1953 ff. Akten zur deutschen auswärtigen Politik 1918-1945. Aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes, Serie E: 1941-1945, Bd. I ff. Hrsg. Hans Rothfels u. a„ Göttingen 1969 ff. Albath, Max/Kretschmer, Karl/Petzold, (Hans), Abfindung bei besonderem Einsatz der Wehrmacht, Bd. II, Berlin 1940 Albrecht, Karl, Einige Zukunftsfragen der Außenwirtschaft. In: Stahl und Eisen 64 (1944), Nr. 46/47 Anatomie der Aggression. Neue Dokumente zu den Kriegszielen des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg. Hrsg. u. eingel. v. Gerhart Hass u. Wolfgang Schumann, Berlin 1972 Anatomie des Krieges. Neue Dokumente zur Rolle des deutschen Monopolkapitals bei der Vorbereitung und Durchführung des zweiten Weltkrieges. Hrsg. Dietrich Eichholtz u. Wolfgang Schumann, Berlin 1969 Anglo-amerikanische Währungsdiskussion in der Auflösung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 12 Arzet, Robert, Die Hintergründe der anglo-amerikanischen Währungskontroverse. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 5 Derselbe, Ausländische Sorgen um die Finanzierung des industriellen Investitionsbedarfs. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 13 Derselbe, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (VII): Die Verdrängung Englands aus Ibero-Amerika. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 1 Auschwitz-Prozeß, Frankfurt am Main. Schlußvortrag und Erwiderung des Prof. Dr. Friedrich Karl Kaul, Prozeßvertreter der in der DDR ansässigen Nebenkläger im Strafverfahren gegen Mulka u. a. vor dem Schwurgericht beim Landgericht Frankfurt am Main, Berlin 1965 Bank-Lexikon, Wiesbaden 1963 Beck und Goerdeler. Gemeinschaftsdokumente für den Frieden 1941-1944. Hrsg. Wilhelm Ritter v. Schramm, München 1965 Benning, Bernhard, Abschöpfung durch Anleihebegebung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 6 Derselbe, Aktuelle Fragen der bankmäßigen Liquidität. In: Bank-Archiv, 42 (1942)

750

Anhang

Derselbe, Europäische Währungsfragen. In: Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Hrsg. Verein Berliner Kaufleute und Industrieller/Wirtschaftshochschule Berlin, Berlin 1942 Derselbe, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (VI): Konfliktsherde im Leih- und Pachtsystem. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 17 Beretning til Folketinget afgivet af den af Folketinget under 8. Januar 1948 nedsatte Kommission i henhold til Grundlovens 45, Bd. V, Kobenhaven 1948 - Bilag til Beretning til Folketinget..., Bd. XIII/1-6, T. 1-3, Kopenhagen 1954 Bergler, Georg/Erhard, Ludwig (Hrsg.), Marktwirtschaft und Wirtschaftswissenschaft. Eine Festgabe aus dem Kreise der Nürnberger Schule zum 60. Geburtstage von Wilhelm Vershofen, Berlin 1939 Bevölkerung und Wirtschaft 1872-1972. Hrsg. Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Stuttgart u. a. 1972 Bichelonne, (Jean), Französische Wirtschaftspolitik im Rahmen des neuen Europa. In: Die Deutsche Volkswirtschaft, 11 (1942), Nr. 36 Binder, Paul, Aufgaben der Preispolitik in der Nachkriegszeit. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 1 Bleyer, Wolfgang, Der geheime Bericht über die Rüstung des faschistischen Deutschlands vom 27. Januar 1945. In: JfW, 1969, T. 2 Derselbe, Pläne der faschistischen Führung zum totalen Krieg im Sommer 1944. In: ZfG, 10/1969 Blumenberg-Lampe, Christine (Bearb.), Der Weg in die soziale Marktwirtschaft. Referate, Protokolle, Gutachten der Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath 1943-1947, Stuttgart 1986 Borkin, Joseph/Welsh, Charles Α., Germany's Master Plan. The Story of Industrial Offensive, New York 1943 Brech, John, Die wirtschaftspolitischen Gegensätze im anglo-amerikanischen Lager (IV): Der Streit um die Rohstoffe. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 15 Collotti, Enzo, L'amministrazione tedesca dell'Italia occupata 1943-1945. Studie e documenti, Milano 1963 Czollek, Roswitha/Eichholtz, Dietrich, Die deutschen Monopole und der 22. Juni 1941. In: ZfG, 1/1967 Daitz, Werner, Lebensraum und gerechte Weltordnung. Grundlagen einer Anti-Atlantikcharta, Amsterdam 1943 Derselbe, Wiedergeburt Europas durch europäischen Sozialismus. Europa-Charta, Amsterdam 1944 Das Ende des Schreckens. Dokumente des Untergangs Januar-Mai 1945. Hrsg. Erich Kuby, München 1955 Das Urteil im IG-Farben-Prozeß, Offenbach a. M. 1948 Das Urteil im Wilhelmstraßen-Prozeß. Hrsg. Robert M. W. Kempner u. Carl Haensel, Schwäbisch Gmünd 1950 Der Generalquartiermeister. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen des Generalquartiermeisters des Heeres, Generals der Artillerie Eduard Wagner. Hrsg. Elisabeth Wagner, München/Wien 1963 Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof, 42 Bde. Nürnberg 1947 ff. (IMT) Der zweite Weltkrieg. Dokumente. 2. Aufl., ausgew. u. eingel. v. Gerhard Förster u. Olaf Groehler, Berlin 1974 Deutsche Geldpolitik (Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Wirtschaftswissenschaft, Nr. 4), Berlin 1941 Deutsches Geld- und Bankwesen in Zahlen 1876-1975. Hrsg. Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976 Deutschlands Rüstung im Zweiten Weltkrieg. Hitlers Konferenzen mit Albert Speer 1942-1945. Hrsg.

Quellen- und Literaturverzeichnis

751

u. eingel. v. Willi A. Boelcke, Frankfurt a. M. 1969 Die Befreiung Berlins. Eine Dokumentation. Hrsg. u. zus.gest. v. Klaus Scheel, Berlin 1985 Die Daimler-Benz AG 1916-1948. Schlüsseldokumente zur Konzerngeschichte. Hrsg. Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, bearb. v. Karl Heinz Roth u. Michael Schmid unter Mitarb. v. Rainer Fröbe, Nördlingen 1987 Die deutsche Wirtschaftspolitik in den besetzten sowjetischen Gebieten 1941-1943. Der Abschlußbericht des Wirtschaftsstabes Ost und Aufzeichnungen eines Angehörigen des Wirtschaftskommandos Kiew. Hrsg. u. eingel. v. Rolf-Dieter Müller, Boppard 1991 Die Dresdner Bank und der Reichsführer SS. Hrsg. Peter-Ferdinand Koch, Hamburg 1987 Die Neuregelung des deutschen Außenhandels. Ein praktischer Wegweiser durch die geltenden Bestimmungen unter Mitwirkung von Sachbearbeitern der amtlichen Stellen und des Reichsstandes der deutschen Industrie. Hrsg. Franz Reuter, Berlin o. J. (1934) Die Ostwirtschaft. Zeitschrift für Wirtschaftsfragen des Ostens. Hrsg. im Auftrag der Reichsgruppe Industrie Die Räumung des „Reichsgaus Wartheland" vom 16. bis 26. Januar 1945 im Spiegel amtlicher Berichte. Hrsg. Ludwig-Petry-Institut Mainz, bearb. v. Joachim Rogali, Sigmaringen 1993 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente, 4 Bde. Hrsg. Elke Fröhlich, München u. a. 1987 Die Vergangenheit warnt. Dokumente über die Germanisierungs- und Austilgungspolitik der Naziokkupanten in der Tschechoslowakei. Zus.gest. v. Václav Král, Auswahl d. Dokumente v. Karel Fremund u. Václav Král, Prag 1960 Die Verwaltung feindlichen Vermögens im Zweiten Weltkrieg. Bericht des Dr. Johannes Krohn, Staatssekretär a. D„ Reichskommissar für die Behandlung feindlichen Vermögens (von 1941 bis 1945), Heiligenkirchen 1949 Donner, Otto/Benning, Bernhard, Kriegskosten und Grenzen der Staatsverschuldung, Jena 1942 Derselbe, Die Grenzen der Staatsverschuldung. In: Weltwirtschaftliches Archiv 56 (1942 II) Derselbe, Staatsform und Staatsverschuldung. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 1 Drescher, Leo, Die Währungs- und Finanzkonferenz von Bretton Woods. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 160 (1944) Drobisch, Klaus, Dokumente zur direkten Zusammenarbeit zwischen Flick-Konzern und Gestapo bei der Unterdrückung der Arbeiter. In: JfW, 1963, T. 3 Eichholtz, Dietrich, „Wege zur Entbolschewisierung und Entrussung des Ostraumes". Empfehlungen des IG-Farben-Konzerns für Hitler im Frühjahr 1943. In: JfW, 1970, T. 2 Derselbe, Die „Großraumwehrwirtschaft" für den großen Krieg. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1-4/1986 Derselbe, Die Norwegen-Denkschrift des IG-Farben-Konzems von 1941. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1-2/1974 Derselbe, Die Richtlinien Görings für die Wirtschaftspolitik auf dem besetzten sowjetischen Territorium vom 8. November 1941. In: Bulletin des Arbeitskreises „Zweiter Weltkrieg", 1-2/1977 Derselbe, Zum Anteil des IG-Farben-Konzerns an der Vorbereitung des zweiten Weltkriegs. In: JfW, 1969, T. 2 Erhard, Ludwig, Kriegsfinanzierung und Schuldenkonsolidierung. Faksimiledruck der Denkschrift von 1943/44 mit Vorbemerkungen v. Ludwig Erhard, Theodor Eschenburg, Günter Schmölders, Frankfurt a. M. 1977 Derselbe, Marktordnung. In: Die Führung des Betriebes. Festschrift zum 60. Geburtstag von Wilhelm Kalveram. Hrsg. Karl Theisinger, Berlin/Wien 1942 Derselbe, Der Staatshaushalt in der volkswirtschaftlichen Bilanz. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 1

752

Anhang

Derselbe, Kapitalexport und Welthandel. In: Bankwirtschaft, 1945, Nr. 5/6 Es spricht der Führer. Sieben exemplarische Hitler-Reden. Hrsg. Hildegard v. Kotze u. Helmut Krausnick unter Mitarb. v. F. A. Krummacher, Gütersloh 1966 Eucken, Walter, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Jena 1940 Derselbe, Die zeitliche Lenkung des Wirtschaftsprozesses und der Aufbau der Wirtschaftsordnungen. In: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 159 (1944) Derselbe, Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Hrsg. Edith Eucken u. K. Paul Hensel, Bem/Tübingen 1952 Europa unterm Hakenkreuz. Die Okkupationspolitik des deutschen Faschismus (1938-1945). Achtbändige Dokumentation. Hrsg. KolLegium unter Leitung v. Wolfgang Schumann u. Ludwig Nestler (von Bd. 6 an: Bundesarchiv), Berlin, Heidelberg 1988 ff.) Bd. 1 : Österreich/Tschechoslowakei. Hrsg. Helma Kaden, Berlin 1988 Bd. 2: Polen. Hrsg. Werner Röhr, Berlin 1989 Bd. 3: Belgien/Luxemburg/Niederlande. Hrsg. Ludwig Nestler, Berlin 1990 Bd. 4: Frankreich. Hrsg. Ludwig Nestler, Berlin 1990 Bd. 5: Besetzte Gebiete der Sowjetunion. Hrsg. Norbert Müller, Berlin 1991 Bd. 6: Jugoslawien/Griechenland/Albanien/Italien/Ungam. Hrsg. Martin Seckendorf, Berlin/Heidelberg 1992 Bd. 7: Dänemark/Norwegen. Hrsg. Fritz Petrick, Berlin/Heidelberg 1992 Ergänzungsbd. 1 (s. Okkupation und Kollaboration) Europastrategien des deutschen Kapitals. Hrsg. Reinhard Opitz, Köln 1977 u. 1994 Fall 5. Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des Flick-Prozesses. Hrsg. Karl-Heinz Thieleke, eingel. v. Klaus Drobisch, Berlin 1965 Fall 6. Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG-Farben-Prozesses. Hrsg. u. eingel. v. Hans Radandt, Berlin 1970 Fall Barbarossa. Dokumente zur Vorbereitung der faschistischen Wehrmacht auf die Aggression gegen die Sowjetunion (1940/1941). Ausgew. u. eingel. v. Erhard Moritz, Berlin 1970 Fischer, Guido, LSÖ. Kosten und Preis, Erkenntnisse und Folgerungen aus der Praxis der LSÖ-Rechnung, Leipzig 1941 Fischer, Otto Christian, Die Weltwährungspläne im Zwielicht. In: Bankwirtschaft, 1944, Nr. 2 Foreign Relations of the United States (FRUS), Diplomatie Papers 1944, Vol. II, Washington 1967 Foreign Relations of the United States (FRUS), The Conferences at Malta and Yalta 1945, Washington 1955 Fortgang der englisch-amerikanischen Währungskontroverse. In: Bankwirtschaft, 1943, Nr. 5 Funk, Walther, Die Länder des Südostens und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. Rede gehalten vor der Südosteuropa-Gesellschaft in Wien am 10. 3. 1944, Wien 1944 Derselbe, Wirtschaftsordnung gegen Währungsmechanismus. Rede in Königsberg/Pr. am 7. 7. 1944. In: Die Deutsche Volkswirtschaft, Nr. 21/1944 Generalny Plan Wschodni. Zbiór dokumentów. Hrsg. Czeslaw Madajczyk, Warschau 1990 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Hrsg. Elke Fröhlich,Teil II, Bd. 10-15 (Okt. 1943-April 1945), München 1994-1996 Goebbels, Joseph, Tagebücher 1945. Die letzten Aufzeichnungen. Einführung v. Rolf Hochhuth, Hamburg 1977 Goebbels, Joseph, Tagebücher. Bd. 4: 1940-1942; Bd. 5: 1943-1945. Hrsg. Ralf Georg Reuth, München/Zürich 1992 Goebbels. Tagebücher aus den Jahren 1942-1943, mit and. Dokumenten. Hrsg. Louis P. Lochner,

Quellen- und Literaturverzeichnis

753

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754

Anhang

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III

L'occupation en France et en Belgique 1940-1944. Hrsg. Etienne Dejonghe, Bd. 1, Lille 1987 Vinen, Richard, The Politics of French Business 1936-1945, Cambridge U. P. 1991 Vlontakis, Stavros G., I Ochira Thesis Kritis, Athen 1976 Vogelsang, Reinhard, Der Freundeskreis Himmler, Göttingen u. a. 1972 Vogler, Robert, Der Goldverkehr der Schweizerischen Nationalbank mit der Deutschen Reichsbank 1939-45. In: Geld, Währung und Konjunktur. Hrsg. Schweizerische Nationalbank, 1/1985 Volkmann, Hans-Erich, Außenhandel und Aufrüstung in Deutschland 1933-1939. In: Wirtschaft und Rüstung am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, Düsseldorf 1975 Derselbe, Autarkie, Großraumwirtschaft und Aggression. Zur ökonomischen Motivation der Besetzung Luxemburgs, Belgiens und der Niederlande 1940. In: MGM, 1/1976 Derselbe, L'importance économique de la Lorraine pour le Hie Reich. In: Revue d'histoire de la deuxième guerre mondiale, 120/1980 Derselbe, NS-Außenhandel im „geschlossenen" Kriegswirtschaftsraum (1939-1941). In: Kriegswirtschaft und Rüstung 1939-1945, Düsseldorf 1977 Derselbe, Ökonomie und Machtpolitik. Lettland und Estland im politisch-ökonomischen Kalkül des Dritten Reiches (1939-1940). In: Geschichte und Gesellschaft, 2/1976 Derselbe, Wirtschaft im Dritten Reich. Bd. 2: 1939-1945. Eine Bibliographie, Koblenz 1984 Derselbe, Zum Verhältnis von Großraumwirtschaft und NS-Regime im Zweiten Weltkrieg. In: Zweiter Weltkrieg und sozialer Wandel (s. d.) Derselbe, Zur nationalsozialistischen Aufrüstung und Kriegswirtschaft. In: MGM, 1/1990 Von Stalingrad zur Währungsreform. Zur Sozialgeschichte des Umbruchs in Deutschland. Hrsg. Martin Broszat, Klaus-Dietmar Henke u. Hans Woller, 3. Aufl., München 1990 Wagenführ, Rolf, Die deutsche Industrie im Kriege 1939-1945, Berlin 1963 Währung und Wirtschaft in Deutschland. Hrsg. Deutsche Bundesbank, Frankfurt a. M. 1976 Walker, Mark, Die Uranmaschine. Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe, Berlin 1990 Wandel, Eckhard, Das deutsche Bankwesen im Dritten Reich (1933-1945). In: Deutsche Bankgeschichte, Bd. 3, Frankfurt a. M. 1983 Wandschneider, Hermann, Pläne der deutschen Elekrokonzerne zur „Neuordnung der europäischen Wirtschaft" im zweiten Weltkrieg. In: JfW, 1970, T. 4 Warmbrunn, Werner, The Dutch under German Occupation 1940-1945, Stanford Cal./London 1963 Derselbe, The German Occupation of Belgium 1940-1944, New York 1993 Wasser, Bruno, Himmlers Raumplanunmg im Osten. Der Generalplan Ost in Polen 1940-1944, Basel/Berlin/Boston 1990 Webster, Charles/Frankland, Noble, The Strategie Air Offensive against Germany 1939-1945, 4 Bde., London 1961 Wehner, Heinz, Der Einsatz der Eisenbahnen für die verbrecherischen Ziele des faschistischen deutschen Imperialismus im zweiten Weltkrieg, Diss., Dresden 1961 Weinberg, Gerhard L., German Colonial Plans and Policies 1938-1942. In: Geschichte und Gegenwartsbewußtsein. Historische Betrachtungen und Untersuchungen. Festschrift für Hans Rothfels. Hrsg. W. Besson u. F. Frhr. Hiller v. Gaertringen, Göttingen 1963 Welter, Erich, Falsch und richtig planen. Eine kritische Studie über die deutsche Wirtschaftslenkung im zweiten Weltkrieg, Heidelberg 1954 Wenzel, Lothar, Die Entwicklung der Pittler-Werkzeugmaschinen AG Leipzig-Wahren als kriegswichtiges Konzernunternehmen im System der faschistischen Wirtschafts- und Betriebspolitik in den Jahren 1933 bis 1945, Phil. Diss., Leipzig 1968 Wemer, Wolfgang Franz, „Bleib übrig!". Deutsche Arbeiter in der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft, Düsseldorf 1983

778

Anhang

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Register zur Gesamtausgabe

1. Filmkonkordanz Von Helma Kaden Konkordanz zwischen den Filmnummern der oben genannten Filmsammlungen (BAP und MA) und den Tund Roll-Nummern der National Archives, Washington

Film-Nr. 376 381 713 1571 1726 1727 1729 1730 1732 1733 1734 1735 1737 1740 1741 1742 1746 1748 1752 1758 1772 1775 1777 1780 1781 1783 1784

T-Nr.

Roll-Nr.

84 81 175 175 71 73 73 73 73 73 73 73 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77

8 2 130 91 109 2 13 30 180 181 182 183 4 10 14 17 64 50 81 94 140 332 335 347 352 404 441

Film-Nr. 1788 1791 1811 1818 1826 1828 1829 2297 2312 2313 2317 2324 2325 2328 2348 2353 3315 3345 3353 3361 3365 3368 3375 3381 3383 3384 3385

T-Nr.

Roll-Nr.

77 77 77 77 77 77 77 84 77 77 77 77 77 77 84 84 77 175 175 175 71 81 501 73 73 73 73

445 450 482 545 635 659 667 25 15 16 84 167 204 278 72 195 360 57 71 93 23 600 165 4 14 15 19

780 Film-Nr. 3386 3398 3399 3567 3568 3570 3575 3608 3609 3642 3643 3654 3661 3716 3854 3857 3956 3957 3961 3962 3964 3965 3966 4141 4184 4186 4564 4566 4571 4605 4638 4640 4649 4650 4660 4667 4742 4788 4826 5273 5381 5382 5386

Register T-Nr.

Roll-Nr.

73 73 73 175 73 175 175 175 175 73 73 71 175 120 81 81 83 83 83 83 83 83 83 175 73 73 77 73 77 71 73 73 73 73 73 120 73 73 73 71 77 77 77

20 144 179 39 193 119 194 90 103 105 140 34 146 Ser.5685 42 59 6 17 74 75 80 81 94 94 22 34 489 16 429 105 10 21 35 37 50 Ser.4688H,ff 187 94 142 94 189 190 198

Film-Nr. 5465 5474 5548 5675 5682 5683 5884 8253 8261 8263 8273 8274 8288 8290 8297 8322 8398 8630 8651 10604 10609 10611 10612 10613 10614 10616 10629 10630 10631 10632 10634 10636 10637 10638 10642 10649 10655 10660 10667 10699 10707 10709 10738

T-Nr.

Roll-Nr.

77 120 175 77 77 77 120 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 77 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

178 Ser.2885 122 203 37 40 Ser.4646 354 363 365 376 377 670 673 400 430 649 38 440 41 46 48 49 52 53 56 69 70 71 73 75 77 78 80 84 91 97 102 109 142 153 155 188

781

Filmkonkordanz

Film-Nr. 10746 10749 10759 10763 10764 10765 10784 10785 10799 10801 10803

T-Nr.

Roll-Nr.

84 84 84 84 84 84 84 84 84 84 84

198 201 211 216 217 218 239 242 255 258 260

Film-Nr. 10804 10807 10809 10869 10975 11246 13380 14155 18429 57586

T-Nr.

Roll-Nr.

84 84 84 84 81 81 77 580 311 77

261 264 266 65 219 76 594 18 151 234

2. Personenverzeichnis Von Helma Kaden Abelshauser, Werner III 677 Abetz, Otto 111229-230,233 Abs, Hermann Josef 1 105,154,176-177, 235,237238; II 295, 393, 396-397, 400, 403, 410, 424, 426-427, 479, 482, 524; III 319, 533, 535, 538539, 546, 566, 598, 610 Achenbach III 547 Adam II 143 Ahlfeld III 540, 575 Ahlfen, Hans v. III 669 s. a. Alvern Albers II 406 Albrecht, Carl 111539,575 Albrecht, Gerhard III 522 Albrecht Karl 1 165, 169, 339; II 47, 67, 201,404, 514, 516; III 537-546, 558, 562-563, 566567,570-571, 573-574, 577, 581, 586-589, 591593, 597,601 Alpers, Friedrich 1234,240 Altenburg, Günther III 362, 370,459 Alvern v. III 669 richtig: Ahlfen, Hans v. Amann, Felix Johann II 221 Ambros, Otto I 44, 205; II 220, 226; III 154, 205207 Andrae, Alexander III 361-362, 364, 370 Antonescu, Ion II 481; III. 53,443, 480-481, 500501 Arendt, Hans-Jargen II, 210, 229 Arikan, Saffet III 478 Arvanitakis, Nikolaus III 389 Arzet, Robert III 551 Ashton-Gwatkin, Frank T. 160

Aubrun, Jules III 528 Avieny, Wilhelm III 539 Bach- Zelewski, Erich von dem II 433, 453 Backe, Herbert I 102, 231, 234, 240-245; II 214, 441, 454-457, 502, 573-574, 578, 580, 583-603, 608-609, 612, 616, 620, 642; III 45, 152-153, 226,247-248, 254, 256, 258, 263, 284, 316, 630, 648,658-659 Backenköhler, Roman III 664 Bader III 450 Badoglio, Pietro III 374 Ballin, Albert I 54 Bandouvas, Manolis III 376-377 Barckhausen, Franz II 94 Barth, Johannes 1235 Batá, Jan III 528 Baudisch, Roman III 531 Bayrhoffer, Walther III 725 Becht, Ernst II 158,481 BechtolC Erich III 610 Beck, Ludwig II 177, 399 Becker, Hans 1202 Becker, Karl Emil 1131 Beckerath, Erwin v. 111517-519,556 Beckerle, Adolf III 480 Bedaux, Charles Eugène III 529 Behn, Sosthenes III 530 Behrens, F. 111470^71 Behrens, Gustav II 589; III 254 Below, Nicolaus v. III 662

782 Benleert, Hanns II 51,65,302-303, 556; I I I 4 0 Benning, Bernhard III 524-525, 531, 536,602 Benthack, Hans III 380 Bentz, Alfred 11487-488 Berckemeyer, Hans 1323 Bergemann, Günther 1250,291-292 Bergengrün III 593 Berger, Gottlob III 69 Bettelmann III 255 Bertsch, Walter III 70 Berve, Otto 1 134,295,305; II 103 Besser III 415 Best, Werner 1384; III 330-331, 47M72,493-494 Bethmann-Hollweg, Theobald v. II 442 Beutler, Otto 1104 Bichelonne, Jean II 160,426; III 226,308, 310, 336-337,526-528,532, 564 Bickert 111,531,587, 5 9 1 - 5 9 2 Bielinski III 531 Binder, Paul III 563,586-587,589, 592-593, 595 Bingel Rudolf 1116,122; II 226,556 Birk, Karl II 408 Birkenfeld, Wolfgang I 40, HO, 113, 209, 233, 385; II 17, 47,489 Birkenholz, Carl III 17, 35 Bismarck, Otto Fürst v. III 362 Bismarck, Otto v. 111407,428 Bjerner, Bue III 330 Bleicher, Ernst III 7 Bleckmann, Heinrich 1202 Blehr, Eivind III 332 Blessing, Karl I 117, 237; II 426, 479-480, 482484; III 490, 523, 531, 533-534, 536, 538-540, 542, 546,566,574-576,603 Bleyer, Wolfgang II 233, 507 Blohm, Rudolf 1116; II 65, 80, 134, 163 Blomberg, Werner v. 1108 Blücher, Wipert v. III 435, 473-474 Bock, Fedorv. II 206 Boden, Hans III 538-540, 543-544 Boelcke, Willi A. II 73, 79, 328, 416; III 62, 174, 403, 684 Böhm, Franz III 519 Bohemann, Erik III 495 Boi III 338 Boog, Horst III 189 Borbet, Walter 1 119,122-124; II 71, 514 Borggreven, A. W. J. III 318-319 Boris III., König von Bulgarien III 480 Bormann, Martin II 59, 61, 73, 76-77, 100-101, 112-113, 125, 128, 147, 153, 166, 168, 176, 202, 227, 229, 232, 237, 275-276, 285, 326, 397, 429, 452, 478, 500, 585, 589, 608; III 11, 29, 39, 57,

Register 61-62, 68-69, 76-77, 103-104, 167, 229-230, 599, 633, 639,655, 665 Born 1291-293 Bornitz, Hans I 299 Bosch, Carl I 39-40, 52, 58, 205; II 553; III 111, 250 Bosch, Robert III, 111 Bosch, Werner 111227,531 Bracht, Wilhelm III 540 Brandt, Karl III 35 Brandt, Rudolf II 458, 619; III 28 Brass, Walther 1134 Bräutigam, Otto 1383-385 Brauchitsch, Walther v. 1105; II 26,481; III 199 Bräuer, Bruno 111362,364 Braun, Otto III 538-540 Braun, Wernher v. II 155; III 200 Brecht, Gustav 1133,136 Breithaupt II 469 Brochhaus, Hans II 479 Brocke, Wilhelm III 325 BrockhOs, Friedrich II 403 Broz-Tito, Josip III 353 s. a. Tito Bruck, Fritz von dem I 124, 202, 301, 304-305, 308, 311, 320-321, 323, 325, 328, 332,335-336 Brüninghaus, Alfred 1312 Bruhn, Richard 1202; II 12 Brummenbaum, Albert II 575 Buchheim, Hans 11445,456 Buck, Kurt A. III 329-330, 343 Budin, Paul II 75,226 Bücher, Hermann I 52, 116, 119; II 71-72, 108, 117, 554, 559; III 76,111 Büchting, Karl III 540, 575 Bührmann, Robert 1308 Bürckel, Josef I 299, 301-302, 304, 307, 330; III 550 Bürger, Eckhard II 630, 664 Bütefisch, Heinrich I 39, 236-237; II 221, 351, 479; III 33-34, 139 Buhle, Walter III 50 Bulauka, Rudolf II 271 Bulle, Georg 1295; II 405, 461; III 64 Burckhardt, Carl J. 1156 Burkart, Odilo I 164; II 412, 466 Buskühl, Ernst 1 133-134,136; II 143, 539 Cälinescu, Armand III 418 Carl, Rudolf II 146; III 34, 531 Carlowitz, Adolf v. II472; III 103 Carroll, Berenice A. II 76 Cartellieri, Wolfgang III 138 Cassel, Gustav III 553

783

Personen Cathala, Pierre III 336 Chamberlain, Arthur Neville I 60; III 414 Chantsidakis, Evangelos III 389 ChaumetI 295 Churchill, Winston Spencer II 141, III 205, 444, 469 Ciano, Galeazzo III 405 Claß, Heinrich II 442 Clodius, Carl I 176; III 404, 406, 416, 424, 429, 441-442, 450, 456, 460, 470, 478, 480-482, 487, 489,500-503,511 Coste III 319 Crane 139 Croneiß, Theo II 211 Croon, Hans I 117; II 103, 393; III 531, 537-540, 566, 573 Currie, Lauchlin III 600 Curtius, Julius III 132 Curzon, George Nathaniel II 477 Czimatis, Albrecht 1110 D'Agostino III 459 Daliin, Alexander 1232,238; II 431,479 Darre, Richard Walther II 186, 571, 574- 575, 578, 580, 583-585,588, 596, 616, 625; III 428 Daskalakis, G. E. III 386 Dechamps, Gustav 1323 Decken, Hans von der III 587, 593 Degenkolb, Gerhard II 65, 154, 156, 169,317; III, 172, 182, 199 Deichfischer, Helmut II 521, 525-526, 539, 563 Delbrück, Clemens II 442 Denckers, Carl-Heinrich II 585 Dereser, Karl III 138 Dieckhoft; Hans Heinrich III 491 Dieckmann, Götz III 74 Diehn, August 137. 198; II 396 Diels, Rudolf II 549 Diercks, Richard II 394 Dierig, Gottfried 152 Dietrich 1291 Dietrich, Kurt 167 Dietze, Constantin ν. III 518-519 Dimitriuc III 442 Dinkelbach, Heinrich III 585-587 Dirksen, Herbert v. I 60-61, 102, 163, 168, 211; 111,5 Disperakis, Manolis III 390 Dithmer 1349 Dobre 111442,501 Dodd, William E. 149 Dônitz, Karl II 123, 133-134, 177; III 93, 104, 181-182,184,244,274, 507, 643, 664

Dörr, Herbert II 277 Dörr Richard Eugen 11134,533 Donner, Otto III 555-556,583 Dorn Friedrich II 149, 383; III 103, 524, 526, 531, 534, 539, 575 Dornberger, Walther II 135, 155 DorpmQller, Julius II 61,66 Dorsch, Xaver II 226; III 11,26, 30-32, 34, 664 Drescher, Leo III 520, 551-552, 577, Dretaki, Olga III 373 Droese III 265 Dürrfeld, Walter III 264 Dulsberg, Carl 139, 198,221; II 442, Dulles, Allan W. II 173 DvofáCek, Jan 156-57 Ebbecke, Max III 586-587 Eberhardt, Karl III 604 Ebner, Franz Walther III 471 Egger, Rudolf (Rolf) II 12, 314 Ehlich, Hans II 432 Ehrhardt, Karl III 539, 575 Eichmann, Adolf II 447; III 237-238 Eicke, Rudolf 111423,515 Eigniber, August II 275; III 46, 77 Einsiedel, Eugen III 729 Eisenblatter, Gerhard II 437 Eisenlohr, Emst III 405, 425,465,478 Eisenmeier, Robert II 103 Eisentraut 1349 Elbers, Wilhelm III 215 Elkmann, Gerhard II 393 Ellis, John 111107,113 Engelberg, Fritz v. II 149; III 531 Epp, Franz Xaver Ritter ν . II 445, 579 Erdmann, Gerhard III 70 Erdmann, Kurt II 94,99,143 Erhard, Ludwig III 540, 545-546, 549-563, 586590, 592-595, 598, 601 Ermisch III 531 Ertel, Hermann II 573 Eucken, Walter 111518-519,522 Ewing, Homer Η. I 39 Faingar, l.M. 11531,548,563,569 Falkenhahn. Günther 1134; II 277 Farquharson, John Ε. II 570 Faulhaber, Ulrich 1202; II 461 Faust, Erich 1295, 313, 330, 334,337; II 103 Feder, Gottfried 139 Federau. Fritz III 708 Fegelein, Hermann II 177

784 Fejer, Eva III 242, 304-305 Fellgiebel. Erich II 52, 66, 297 Fellinger, Hermann 1156; II 396,404 Fellmeth, Hermann 1117 Fermor, Nikolaus Frhr. v. III 335 Fest, Joachim C. II 443,449; III 73 Fey III 531 Fickert III 646 Fieandt, Rainer v. 111435,473 Fiegler, Elisabeth III 645 Fischböck, Hans II 149,426, 517; III 56, 230, 318, 321, 324, 523, 531, 535, 602, 714 Fischer, Emst Rudolf I 236-237; II 149, 479^84, 487-488; 11133,531,533 Fischer, Otto Christian III 520, 551, 577 Fischer, Richard III 17,161 Fitzner, Otto 1349; II 67,71 Flach III 669 Flick, Friedrich I 38, 50-52, 55-56, 100, 116, 134, 136, 139, 142, 164-165, 190, 196, 203, 294-295, 312, 323, 326, 329-331; II 12, 86, 89, 412-413, 466-467, 538-539, 545-546, 564; III 42, 586587,602, 604,718 Florian, Friedrich Karl III 43, 665 Flos III 35 Flößner III 248 Flottmann, Erich 174 Förster, Gerhard II 334; III 95 Fourneau 1264 Franco, Francisco III 411,430,463, 493 Frank III 75 Frank, Hans II 94,479, 501: III 42 Frank, Karl Hermann II 159; III 599 Frank-Fahle, Günther I 289; II 165, 167,458, 541 Freisler, Roland III 290 Frotheim, Thorolf Fjeld III 332 Freund, Florian III 27 Freyer 11272,281-282 Frick, Wilhelm II 326 Fricke, Kurt III 443 Friedensburg, Ferdinand 1227 Friedrich, Adolf 111641,650 Friedrich II., König von Preußen II 47 Fröbe, Rainer III 238 Frohwein, Hans III 510 Fromm III 531 Fromm, Friedrich I 128; II 19-20, 26-27, 31, 6162, 72,162,177, 184; III 10 Fiydag, Karl II 12,62,65,130,169,174-175; III 19-20,40,165 Fürst, Gerhard III 576 FQrstenberg, Carl II 534 Fudickar III 531

Register Fuglesang, Rolf Jorgen III 332 s. a. Vuglesang Funk, Walther I 50, 52, 61. 92-93, 102, 106, 108110, 113-114, 121, 132, 136, 139, 178, 181, 190191, 194, 236-237, 244, 294, 298-299, 333, 365, 367; II 53, 56, 59. 61-62, 84, 86-88, 90, 99- 102, 136, 147, 165-168, 423, 425-426, 483, 534; III 223-224,226, 233-234, 416, 427, 461, 492, 495, 540-541, 546, 566, 580, 600, 693, 698, 716, 729, 732-733 Gabel, Oskar III 51, 353 Gärtner 1202 Gärtner, Bruno W. III 31 Gärtner, Friedrich II 143 Gailani, Raschid Ali el III 485 Galland, Adolf III 188 Galopin, Alexandre 1337, 377; III 308 Ganzenmaller, Albert II 66, 304; III 144,182,664 Gaspar, Georg 1117 Gattineau, Heinrich 139 Gaus, Friedrich III 443 Gebhardt III 254 Geilenberg, Edmund II 65, 71, 148, 169, 310, 465, 472, 551; III 34-35, 37, 145, 147-148, 659 Geist, Friedrich III 52 Gérard III 425 Giannini, Amadeo III 429,461 Gies, Horst II 570 Gilot, Mathieu III 338 Gips, F. B.J. III 320-321 Gladenbeck, Friedrich II 347 Globocnik, Odilo II 439 Glücks, Richard II 222; III 328 Gnädig III 275 Gneisenau, August Wilhelm Anton Graf Neithardtv. III 62 Gobbers, Emil 1124; II 154 Gochtmann III 469 Gockel, Hermann 1322 Goebbels, Joseph I 69, 80, 83, 86; II 56 61, 112, 119, 124-125, 145, 168-169, 202, 223, 227-228, 230, 242, 254-255, 276, 347, 425-426; III 2, 1314, 29, 37, 50, 53, 57-58, 71, 76-77, 81,103, 224225, 234, 244, 246, 282, 287, 598-599, 627, 629, 635-637, 647, 662, 664-667, 716, 732 Goerdeler, Carl I 62; II 177, 399,426,429 Goerens, Paul II 89,369,544 Göring, Herbert I 304 Göring, Hermann I 29, 37-38, 40-44, 46- 48, 5052, 55, 58, 60-61, 70, 80, 92-93, 99, 107-111, 113-114, 118-120, 129- 130, 132-138, 140-142, 155, 178, 180- 182, 191, 199, 201, 208, 210, 214, 217, 230-236, 238-240, 244, 299, 301, 304, 321,

Personen 325, 331, 333, 374-375; II 2, 12, 14, 17-19, 2122, 29, 32, 34-35, 4 M 9 , 53, 56, 58, 60-61, 6366, 74-79, 81-84, 88, 90, 93-94, 97, 99-100, 106, 137, 147-148, 168-169, 177, 180-182, 185-192, 198-200, 202, 204-205, 212, 214, 250, 255, 272, 283, 300, 303-304, 347-349, 40M04, 407^09, 412-416, 419-421, 426, 441, 449-450, 452, 456, 458, 462-463, 465, 477-481, 483^85, 487, 489, 502, 514-516, 545, 547-551, 553, 574, 584-585, 587; III 8, 15-16, 18, 21, 26, 31, 33, 38, 50, 7476, 89, 103, 119, 138-139, 150, 165, 175, 175, 204-205, 240, 244, 247, 284-285, 293, 309, 350, 359, 362,399,408, 426- 427, 443,445,451, 460, 522, 529,614,614, 648-649, 683, 698,729 Görnnert, Fritz II 77 Gocrz, Paul II 163 Goetz, Carl II 77,403; III 586-587 Goldsmith, Raymond W. 133 Göll, Ganter II 520, 561 Goltz, Georg Conrad von der III 571, 598 Gossweiler, Kurt 1153 Gotovich, José III 313 Gotsamanis, Satirius III 459-460 Gräbner, Georg III 473 Graeft Friedrich III 410 Graevenitz, Kurt v. III 355 Graf III 263 Graf; Julius II 138 Gramsch, Friedrich 1304,321-322 Grebe II 406 Grecianu III 442 Greeko, Andrej A. II 484 Greifelt, Ulrich II 432,441: III 316 Greim, Johann III 601 Grenzebach jr., William S. III 418 Grigoleit, Joachim II 41 Gritzbach, Erich 144; II 545 Grobba, Fritz II 408 Groehler, Olaf II 5, 12,159; III 29, 138, 171 Groener, Wilhelm II 515 Groos, Otto III 504 Gross, Herbert III 577 Grote, Franz Graf III 316 Grube 1347 Gruchmann, Lothar 1146 Grübele III 292 Grünig. Ferdinand III 523,554, 559-560, 583, 587, 589, 591-594,598 Guderian, Heinz II 123,177; III 56,144,244, 664665, 668 Gundelach, Herbert III 664 Gunschemann II 143 richtig: Gunschmann, Wilhelm

785 Gurow, A. 119 Gutermuth III 35 Guth, Karl I 95, 164; III 70, 539, 553, 563, 587, 592 Györfiy-Bengyel, F. Μ. v. III 441 Haarlem van III 327 Haberland, Ulrich III 603 Haberstolz, Franz III 231 Hacker, Oskar II 20 Haefliger, Paul 156,349 Hägglof; Gunnar III 466,495 Hagert, Werner II 553 Hahl, Hans 1330,334, 337 Hahn, Walter III 539, 575 Haindl, Georg 1117 Halder, Franz I 105, 107; II 3, 42, 119, 455, 480481 Hallgarten, George F. W. 1386 Hammerstein-Equord, Kurt v. 1157 Hanauer, Ernst III 544, 597 Hane III 582 Haniel, Curt-Berthold III 132 Hanke, Karl II 76, 174; III 68-69,184 Hanneken, Hermann v. I 81, 109, 119, 164, 195196, 231, 234, 240, 298-301, 304, 306, 312-313, 322-328,330-332, 335-337; II 59, 62, 64, 79, 87, 403, 413, 548 Harder v. III 322 Harnack, Arvid II 396 Harpe, Josef III 668 Harten,K.P. II62 Hartmann III 35 Hartmann 111531,599 Haspel. Wilhelm 111567,605 Hassel v. III 411 Hasse», Ulrich v. II 399-400, 426, 428-429; III 512 Hasslacher, Franz III 539, 544 Haßmann, Heinrich II 99,104 Hast, Paul F. 1349 Hauser III 544 Hauser, Harald III 314 Haushofer, Karl II 444 Hausleiter III 532 Hausser, Paul III 664-665,668 Hayek, Friedrich v. III 553 Hayler, Franz I 117, 133; II 99, 165-167; III 30, 70, 537-538, 540, 572-574, 579-582, 584, 589600, 655 Heck, Hans II 271 Hecker, Ewald II 103 Hedding, Otto I 74-75; II 529;

786 Hedler, Walter II 25,29 Heerema, P. S. III 322 Heiber, Helmut II 431, 433,437,44SM50; III 52 Heider, Karl v. 1169 Heim, Heinrich III 339-340 Heinkel, Ernst III 19 Heinrichsbauer, August III 329-330, 343-344,475, 480, 512 Heinrici, Gotthardt III 668 Helfferich, Emil II 396 Hellmuth, Otto III 665 Hemmen, Johannes 1 187,250, 290 Hempel, J. C. III 328-330 Henke III 34-35 Henlein, Konrad III 77 Henrichs, Paul 1 169,201,338; II 559; III 571 Henschel, Oscar R. 11396-397 Herbert, Ulrich III 243,265, 647,651, 653 Herbst, Ludolf III 45,47,68,103, 546 Herle, Jacob II 398 Hermann III 301 Heitel, Heinrich III 165 Heske, Franz III 539 Heß, Rudolf II 584 Hettlage, Karl Maria II 69, 85, 132, 164, 517-518, 522; III 12, 606,667 Heydrich, Reinhard II 212,433,447,450; III 318, 331,341 Heyne, Hans II 66, 130,169, 559; III 51-52 Hildebrand, Klaus II 449 Hilgenfeld, Erich II 287 Hillgruber, Andreas 1 147,384 Hillmann, H. C. 1 14,26,31, 33, 35 Himmler, Heinrich I 90, 99, 113; II 17, 69, 99, 112-113, 156, 165-167, 169, 173, 175-178, 185, 212-214, 221-223, 242, 249, 251, 275-276, 283, 285-287, 349, 43 M 3 3 , 435-436, 438-141, 443, 445-447, 449-453, 456, 458-459, 545, 556, 583, 585; III XI, 11, 18, 28-29, 31, 39, 50, 53, 68-69, 71, 73-76, 120, 225-226, 238, 240-241, 244, 285, 293,309,316-320,322,340-341,357,648,652 Hirschfeld, Gerhard 111314,317,320 Hirschfeld, Hans Max III 315,317, 320 Hitler, Adolf I 7, 16, 25, 30, 36, 39-43, 48-19, 53, 55, 61, 86, 90, 93, 105, 108, 112-113, 118-119, 121, 130, 139, 146-147, 155-159, 183, 191, 197199, 206-208, 210, 212-214, 216, 218-220, 229231, 233, 238, 240, 300, 337, 383; II 2-4, 13, 1820, 22, 26, 28-29, 35-36, 39, 44-50, 53, 55-59, 61, 63-64, 66, 70-78, 81-82, 85, 87-88, 91-93, 101, 106-110, 112, 121-124, 129, 131-135, 137, 141, 147-148,151,153-156, 158-160, 168-169,

Register 174, 176-178, 184-187, 189, 191, 193, 195-205, 222, 226-228, 232-234, 236-239, 241-242, 254255, 258, 278-279, 283, 297-298, 300, 303-304, 309, 325-326, 330, 333-335,343, 354, 364-365, 371, 382, 386-387, 392, 397, 409, 415^416, 420, 427-429, 433, 436, 439, 441, 443-146 449^452, 454-457, 459, 464-466, 471, 474, 476, 478-481, 483-485, 487, 489. 517, 519, 528-529, 534, 541, 543-545, 549, 567, 608; III XI, 2, 5, 7-18, 21-22, 26-27,29-35,37-41,44,47-50, 52, 54-60, 62, 6465, 69-71, 73-78, 81. 84, 90, 103-104, 111-13, 120, 125-126, 133, 135, 144, 148, 152-153, 156, 158, 165, 167, 172, 174-175, 177-178, 180, 182, 187-189, 192, 194-196, 199-202, 204-205, 208, 223, 225-227, 229-232, 234-235, 237-238, 244246, 249,268,271-272, 274, 278, 293, 309, 316318, 327-328, 331, 333-335, 339-341, 345-349, 353-354, 360-361, 365, 393-394, 398-400, 405409, 415, 417, 421-423, 434, 444, 457, 459-462, 478, 480-481, 483, 489, 492, 494 503, 506, 522, 579, 614-616, 629, 633, 636-637, 656-659, 662669,675,711 Hochhaus III 292 Holling, Alfred III 610 Hörner II 144 Höß, Rudolf II 225 Hoff 1124 Hoffmann (Wigru Chem. Ind.) III 478 Hoffmann III 531 Hoffmann, Albert III 43, 65, 68, 254-256, 665, 668 Hoffmann, Stanley III 314 Hejgaard, Knut III 328-329 Hohenlohe-Langenburg, Maximilian Egon Prinz zu II 173 Holtz, Wolfgang II 412 Holzhauer II 130 Homberger, Heinrich III 455,481, 570 Homburg, Erich II 483 Homze, Edward L. I 85, 93, 96; II 76,206,267 Horten, Helmut 1193 Horthy von Nagybánya, Miklos III 328 Hotz III 505 Houdremont, Ed(o)uard II 369, 544 Hubatsch, Walter II 119 Huber, Waither III 17 Hudson, R.S. 160 HQnermann, Rudolf II 39 Hütten II 144 Hüttenberger, Peter II 96 Hugenberg, Alfred I 198; II 442, 573 Humbert, Hans III 531 Hunke, Heinrich I I , 103,425-426; III 343, 525

Personen Hunscha, Kurt III 552 Hupfauer, Theodor II 61. 144. 233, 264, 305-306; III 67, 667 Huppert III 531 Iatrakis, E. III 368 ligner. Max 139, 62; II 399,426,428-429,479; III 511-512, 514-517, 538-540, 544-546, 566, 572576, 597 Illgner, Hans III 30 Imho( Paul 1291 Imhog Fritz II 144 Irving, David II 61,347; III 21 Jacobsen, Hans-Adolf 1 146, 384 Jaeckel, Eberhard II 448 Jäger III 582 JAger, Jörg-Johannes II 368, 494; III 346, 349, 355, 358 Jager, Wilhelm III 241 Jahne, Friedrich II 350 Jäzosch, Wilhelm II 89 Jahnice 1291 Jaissle, J. 1322 Jakob, Reinhard II 251-252,264 Jander, Walter II 151 Jansen, Rudolf II 79 Janssen, Gregor I, 385; II 50,61, 65, 76. 79-81, 83, 174,328,334,522; 11143,62,73,75, Jemert III 330 Jessen, Fritz III 586-587 Jodl, Alfred I 216, 230, 240; II 121, 477, III 1-2, 4-5, 55-56, 89, 192, 224, 229, 274,345,353. 625627 Joeden, Johann II 529 John 1331 Jong, Louis de III 311-312, 314-315, 317, 320, 322-324 Josten, Paul 174-75 Jünger, Ernst III 509 JOttner, Hans III 50, 236 Juncker, Thorkild III 327-330 Kahra III 473 Kaiser, Peter M. II 450 Kaldor, Nicholas 119,220 Kaletsch, Konrad I 56; II 413, 564 Kailay, Miklos III 480 Kalsadakis, Matthaus III 390 Kaltenbrunner, Ernst III 69, 233, 653 Kammler, Hans II 156-157; III 17-18, 28, 74-75, 202, 204,238,240, 665 Kanakosakis, Jos III 390

787 Kannapin, Hans-Eckardt 1385; II 108,190 Kapp, Wolfgang II 442 Karden, Hubert III 241 Kárny, Miroslav II 224,430-131,435,446 Karoli. Richard III 533 Kaselowski, Theodor II 103 Kasper, Hanns-Heinz II 482 Kastl, Ludwig III 603 Kauert, Herbert 1134 Keesmann II 250 Kehrl, Hans 1220, 383, 385; II 49, 84-86, 99, 115, 135, 147-150, 162-163, 177, 231, 241, 243, 269, 328, 349, 370, 382-383, 393, 425-426, 489, 548, 588; III 42-13, 45-16, 48, 55-56, 60, 67, 70, 73, 79, 81, 103-104, 119, 122, 137, 144-145, 154, 208, 210, 226-227,229- 230, 248, 522-524, 526536, 538, 543-544, 566, 579-580, 603, 630, 656, 658-659,667 Keiser, Günter III 539, 546, 551-554, 560-562, 585-587, 589, 592-593, 596-597 Keitel, Wilhelm I 106, 108, 110, 112, 115, 119, 130-131, 138, 183, 212-214, 216, 229-230, 233; II 6, 11, 13-14, 19, 26-28, 30, 35-36, 39, 43-15, 61, 74-75,125,128, 132, 168, 183-184, 191, 197, 199-200, 227, 229,232, 272, 297, 355, 452, 477479, 484; III 50, 103-104, 120, 208, 226, 462, 495, 501,633,636, 664 Kelchner, Heinrich III 58,631, 664-665 Kellermann, Hermann 192; III 70.129, 132 KempC Annemarie III 60 Kennes, Werner III 35 Keppler, Wilhelm I 42, 55-57, 62, 155, 199-200, 237, 240; III 404 Kesselring, Albert III 664-665 Keßler, Philipp I 122, 125-128,; II 50, 60-61, 65, 71-72, 116-117, 124, 142, 172, 556, 559; III 172, 274 Keynes, John Maynard III 512-514, 516, 577 Kiechle, Emilio III 567 Kiegel, Walter 1299 Kiehl, Johannes 11403,420 Kiesewetter, Anton I 58; II 103 Killy, Leo II 158,567 Kimmich, Karl 151,294,321-323, II 393, 557-558 Kirchfeld, Franz 1117; II 165,167; III 30,401, 537-541, 543-544, 568-569 Kirdorf; Emil I 54, 198; II 442 Kirschner, Otto II 189 Kissel 1349 Kissel, Wilhelm 1116; III 540 Kivimaki III 435 Klaue, Hermann 1117 Klein III 628

788 Klein, Button H. 117,26; II 573 Klein, Hugo 1335: II 398 Kleinmann, Wilhelm 1240; II 62,66 Klesper 1291 Klessen III 410 Klingspor, Walter 129, 78, 95, 99,349 Klöckner, Peter I 51-52, 116,165,294, 308, 330 Klönne, Moritz II 103, 143-144 Klopfer. Gerhard III 664 Kluy, Hans II 67 Knepper, Gustav 1133-134 Knieriem, August v. 1105; II 189 Knolle I 82 Koch, Erich I 97; II 439,457; III 322,332, 334 Koch, Lutz III 192 Kock van Leeuwen, de III 320 Köhle, Julius II 144 Köhn, Otto II 557 König III 506 Koenigs, Gustav I 377 Koeppen, Werner III 335,340 Körner, Paul 142,44,136, 181, 231-234, 240, 244245, 320, 322, 325-326; II 64, 76, 82-83, 188, 198-200,202,416,462,488, 547-548, 553, 586 Köster, Arnold III 70,77, 524-526, 531, 533-534 Kogon, Eugen II 225 Kolb, August II 149,526; III 531 Koller, Karl III 89 Kolsrud, Ole III 331 Komuro, T. III 486 Koppenberg, Heinrich I 116; II 12, 15, 32, 401402, 545 Korherr, Richard III 72 Korschan, Heinrich 1202; II 463 Korten, Günter III 8 Kost Heinrich II 103 Kotthaus, August 1116 Kovpak, S. Α. II 498 Kranefuß, Fritz II 226; III 68 Krantz, D. III 322 Kratz, Rudolf III 512 Krauch, Carl I 16„ 20, 24, 40-17. 59, 61, 106-107, 109-111, 113, 116, 118, 121, 140-141, 155, 199, 201, 205, 217, 236-237, 385; II 9,14, 16-17, 40, 48, 65, 81, 109, 146, 155, 169, 173, 189, 192, 243, 348-350, 352, 357, 402, 407-408, 473, 479, 483-484, 489, 515, 553, 603; III 32-33, 35, 49, 96, 136-139, 143,145-148,202-204, 659 Krause, Reinhold III 534 Krausskopf III 342 Kraut, Heinrich Albert II 279; III 250-264,266 Krekeler, Karl 1261 Krengel, Karl-Heinz III 569

Register Krengel, Rolf II 383; III 675-676 Kretschmer II 144 Kretzschmann, Max III 725 Kreutzwald, Reiner III 435 Krömer, Fritz III 51 Krohn, Johannes III 529-530 Kreme III 16-17, 172 Kronsbein III 364 Krüger, Friedrich Wilhelm II 439,441, 452-453 Krüger, Kurt 1 117, 172,178,250 Krupp, Bertha II 528-529 Krupp von Bohlen und Halbach, Alfried I 116, 133-134, 136, 139, 163, 326, 331; II 72, 88-90, 117, 143, 283, 363, 365, 418, 519, 528-529, 543544 Krupp von Bohlen und Halbach, Gustav I 38, 5052, 54-55, 198, 295, 300, 308, 326, 331; II 88, 529, 543-544; III 605 (a. Krapp, Gustav) Krutikov, Aleksej III 449 Kuckhofl; Greta II 254 Kuczynski, Jürgen I 14, 32, 148, 153, 161; II 179, 247, 254,294, 512, 534, 539-540, 547, 572 Kügelgen, Carlo v. II 264 Kühn, Ernst III 290 Küpfmüller, Karl II 71, 130-131, 556; III 7-8 Küppenbender, Heinrich II 162-163, 241, 274, 559 Küppers, Gustav 1187 Küttner, Carl I 202, 321, 324, 328-332; II 398, 461,466-467 Kufuß 1171 Kugler, Hans I 57, 171, 187 Kuhlmann, Heinrich III 467, 469 Kulczak, Thomas III 644 Kunze III 51 Kurzmeyer, Alfred 1335 Kutz, Martin II 571 Lad wig, Arthur III 290 Lahs, Rudolf II 32, 265 Lambrakis, Emm. III 390 Lammers, Hans-Heinrich I 83, 199; II 78, 100, 128, 147, 167-168, 204, 227-230, 232, 259, 326, 452, 529, 579; III 22, 49, 226-227, 230-234, 648, 698 Lammertz, Maximilian II 144 Lampe, Adolf III 518-522, 556 Landfried, Friedrich I 189, 234, 240; II 61, 99, 101-102, 113, 115, 158, 163, 165, 359; III 233, 440 462,489 Landwehr, Hermann III 441 Unge III 539, 575 Unge, Karl 1117; II 12, 62, 65, 71, 130,300,316, 601; III 99-100

Personen Unge, Kurt III 514, 716,725,730, 733 U n g e , Otto III 16-17, 634 LangelQtke, Hans III 531 Ungen, Eugen II 89 Ursen, Gunnar III 327-329 Uukisch, Fritz III 541, 563 Uunois, Baron de 1337, 377 Uuterbacher, Hartmann II 429 U v a l , Pierre 1229-230; 111231,336,526 Leeb, Emil I 131; II 31, 61-62, 71-72, 136, 309, 326-327,424,548 Leer van 1376 Ugers, Paul 1117 Uhideux, François III 308, 335-336, 528 Lehmann, Gunter III 263 Leipersberger, Georg III 539-540 Leitner, Franz III 134, 631 Lemaire 1295 Lenin, W. I. (eigentlich: Uljanow) 1 2 , 4 , 7, 9,1213, 25,147; II 85,110, 519; III XI, 313, 681, Lenze. Hans III 544, 597 Leon III 442 Leopold, Josef I 55 U y , Robert 148,75, 86,133,135,137, 234; II 56, 59. 61, 76-77, 142-143, 168, 202, 252-254, 258259, 279, 642; III 29,230,626,662 Uyers, Hans II 158 Liebel, Willy II 164; III, 12, 67, 69, 230 Lillig, Peter Wilhelm II 463 Lindemann, Karl I 105, 117; II 167, 396; III 533, 538-539, 566-567, 572-573 Linden, Alfred 1117 Lindner II 226 Linz, E. III 263 Lipp, Cari 1328 List, Wilhelm II 455 LOb, Fritz 143-44 L6hr, Alexander III 355 Löser, Ewald 1 123, 294; II 403-104, 420^»21 Lohmann 111563-564,587,601,650 Lohmann, Martin III 531 Lohmeyer II 260 Lorch III 580 Louwes, S. L. III 317 Lucht, Roluf II 130; III 40, 51 Ludendorf£ Erich II 444 Ludwig, Karl-Heinz II 21, 23, 55, 80, 109, 131, 296,333-334,559; III 32 Ludwig, Waldemar 111415,435,469,472 LObsen, Georg 1294 Lüclc, Willy III 539, 573, 582-584, 599 Lüdinghausen, Reinhold v. I 57 Laer, Carl II 103; 1117,319

789 Loschen, Friedrich II 66-67, 71, 130, 164, 172, 554, 556; III 7-8,12,182,659 Lüttichau, Folmer III 328 LOttwitz, Heinrich Frhr. v. III 669 Lund, Georg III 333 Lundby, Kaj III 330 Lurtz, Siegmar III 470 Lwowski, Walter III 255 Mackensen, Hans-Georg v. III, 404,408, 428,460461 Madajczyk, Czeslaw II 492; III 307 Mahnke III 531 Make, Otto II 103 Mallet, Mireille III 301-304 Malletke, Walter III 320,324-325, 327, 335-336, 341-342 Maltzan, Vollrath Frhr. v. 1187 Malzacher, Hans II 72, 88, 164; III 631, 664 Mann, Wilhelm Rudolf II 403 Mansfeld, Werner I 71, 73-75, 240; II 75-76, 199202,205-206, 250; III 587, 592-593 Manstein (Lewinski), Erich v. II 239,471,474-175 Maravgaki, Eleni III 388 Maravgakis, Georg III 388 Marquardt III 531 Marrenbach, Otto 1235; II 61 Marx, Karl I 8; II 248, 263, 539; III XI Masi, Manlio III 426 Mason, T. W. I 52, 147 Matsushima, F. III 487 Matthias, Erich II 71 Maul ick, Paul 1124 Maurer, Gerhard III 35, 37 Mavrakis, N. G. III 373 Mecklin III 473 Medlicott, William N. III 407 Meendsen-Bohlken, Wilhelm 1 125-126; II 75,180 Meier, Max Paul 1295,305 Meinberg, Wilhelm II 226; III 563 Melzer, Rolf II 571 Mencke, Gerhard II 240 Menemencioglu, Numan III 478 Merker, Otto II 134, 148,163,174-175,311; III 51 Merton, Richard II 515 Messerschmitt, Willy III 15-16, 21, 52, 75, 175, 664 Metzner, Viktor III 586-587, 592-593,601 Meyer II 313 Meyer, Alfred III 43, 255, 319, 326, 330, 665 Meyer, Aloyse 1295; II 103 Meyer, Otto III 132 Meyer-Burckhardt III 433

Register

790 Meyer (-Hetling), Konrad II 432-133,435-141, 446-447,450,456,458 Michael, Edgar III 538-539, 575, 587, 591 Michel, Elmar III 233, 337 Mikojan, Anastas III 420-421,444,446 Milch, Erhard I 40-41, 183; II 14, 21-22, 27, 3234, 48, 52, 56-62, 72, 80-83, 124, 177, 182, 235, 248, 253, 265, 272, 339, 341, 402, 513, 553; III 8, 15-18,20, 23, 29, 32, 38-39, 50, 52, 136, 153, 223-224,226,228 Milward, Alan S. I 128-129, 221, 385; II 46, 56, 108, 113,296,401,493, 514; III 79, 95 Mischke, Lothar 142 Mittag II 104 Mittag, Adolf III 255 Model, Walter III 664-665, 668-669 Müller, Alfred III 601 Moeller, Hero III 157, 588 Mössner, Karl Eugen III 588, 593 Mohr, Otto III 315, 327-328, 340 Moise 1335 Molotow, Wjatscheslaw (eigentlich: Skrjabin) III 444-445,450 Momm, Theodor III 533,535 Monden, Herbert 1204; II 463, 473 Morath, Hans III 439,477,480 Morgenthau, Henry III 530, 565, 609 Moschel, Wilhelm 1349; II 401 Maller II 144 Müller, Erich 1128; II 50, 71.122,130, 169, 544 Moller, F. E. III 320 Maller, Friedrich Wilhelm 111364,380,389 Maller, Heinrich II 289 Maller, Heinz III 517 Müller, Karl C. III 273,275-276,285 Müller, Max C. 1134 Müller, Paul II 71, 130; III 407 Maller, Rolf-Dieter II 450 Müller-Armack, Alfred III 531-532, 540 Maller-Zimmermann, Karl II 85,149, 370; III 531 MOncks, H.E. 111571,598 Mulert, Botho 1250 Murray, Williamson III 86. 164 Mussehl, Fritz II 158, 567 Mussert, Anton Adrian 111309,317-319,343 Mussolini, Benito II 121,141,158; 111231,405406,457,460,488 Mutschmann, Martin I 83 Myrdal, Gunnar III 545, 577, 599 Naasner, Walter III 77 Nagel, Hans II 4 6 M 6 2 , 467

Nagel, Will II 143; III, 17, 35 Nallinger, Fritz III 567 Napolski, Fritz v. III 570-571 Napp-Zinn III 132-133 Neef Hermann II 52,107, 201 Nestler, Ludwig II 422 Neubacher, Hermann I 55; II 177, 428, 479, 482483; III 70, 355, 369,419,439,442-443, 459 Neubaur, Otto III 523 Neuhausen, Franz II 496; III 350, 354 Neukirch, Eberhard II 15-16 Neumann, Erich I 37, 74, 181, 224, 231-232, 235, 237,240; 1176-77 Neurath, Konstantin Alexander Frhr. v. II 141 Nickel v. III 441 Nieschlag III 531 Nimtz, Erwin III 318 Nobel, Ernst III 17 Nöll, Albert II 67-68 Nöll von der Nahmer, Robert III 555-557 Nolte, Ernst 1386 Nordhoft Heinrich III 285 Nowacke, Agathe II 274 Nussbaum, Helga II 110 Oberlander, Theodor II 458; III 510 Ohlendort Otto II 99,165-167, 174; III 70, 72, 74, 537-538, 540, 545, 573-575, 578-585, 588-590, 599-600,602, 646, 654 Olk, Friedrich III 563 Olscher, Alfred III 586-587 Oppenheimer, Franz III 549 Opitz, Reinhard II 451 Osenberg, Werner III 201 Oshima, Hiroshi III 2,177 Ostermann, Heinrich 1202 Otte, Carlo III 473 Overdiek 1313 Overy, Richard J. III 108-109 Pabst III 429 Pacyna, Günther II 584 Pätzold, Kurt 11113,249 Painvin, Georges III 528 Palm, Friedrich III 273, 280, 295-297 Palm, Max 1134 Pape, Hans-Martin II 324 Papen, Franz v. III 499-500 Paschke 1304 Passadakis, Ionnis III 365 Paterakis, Manolis III 368 Paulus, Friedrich II 484 Paulus, Gottlieb II 68

Personen Paulus, Nikolaus II 334 Pauwde III 338 Perz, Bertrand III 27 Pétain, Henri Philippe 1229; III 452^53, 564 Pétala III SOI Peter, Hans III 518 Petersen, Waldemar II 130,154, 559; III 199 Petit III 338 Petrick, Fritz III 331 Petrov, I.E. 11140,490 Petzina, Dieter 137, 59; II 18 Petzold, Joachim II 444 Peuckert, Rudolf II 608-610, 612 Pfahlmann. Hans 1385; II 190 Pfleiderer, Otto III 560 Philipps, Wilhelm II 335 Pichmann III 582-583 Pietzsch, Albert II 99, 101, 103, 167, 396; III 519, 554, 559 Pilja III 440 Pleiger, Paul I 51, 116, 133-139, 141-142; II 62, 65, 72, 81, 89, 92-93, 117, 143, 146, 169, 174, 186, 188-189, 191-192, 219, 226, 237, 252, 255, 265, 290, 306-307, 416, 427, 429, 450, 462-463, 465-467, 470-472, 474-475, 519, 530, 541, 547551; III 10, 34, 49, 120, 122, 249, 252,624, 662, 664 Plessen, Hans v. III 410 Poensgen, Emst I 15, 28, 50-52, 123, 165, 190, 294-295, 298, 304, 306-314, 323-329, 331-333, 336; II 67, 71-72, 87-89, 172, 257,283,320, 363, 413, 546; III 111,126 Poensgen, Helmuth 1117-119 Pohl 175 Pohl, Oswald II 221-223,225; III 18, 74, 122,238 Poll, Friedrich v. III 538-539, 544, 572, 574-575 Pollak, Isidor I 55 Porsche, Ferdinand 1128; II 20, 71, 122, 130, 169, 226,335; III 7,616 Poschmann, A. III 17 Poser, Manfred v. III 60,663-665 Posse, Hans Emst 174-76,109, 113; II 79 Posthuma, F. E. III 343 Pott, Alfred 1 134, 204-205; II 89 Predöhl, Andreas 111517,532,538 Prentzel, Alexander Felix 1117-118 Prinari, Marie III 389 Prinaris, Johann N. III 389 Pritzkoleit, Kurt II 383, 535 Probst, G. III 424 Prytz, Fredrik III 331 Psaldakis, Angelika III 388

791 Pückel III 17 Puhl, Emil II 396; III 426, 515-516, 570, 600, 709, 721, 725,730 Purucker, Georg II 80; III 51 Puttkammer, Walter III 588, 592 Puvogel III 540 Quandt Günther II 524 Quisling, Vidkun III 309,331-334,432 Raabe, Artur III 540 Raabe, Carl II 398 Raabe, Paul 1298, 304, 306, 324,330; II 548 Rachner, Günther 1235 Radkau, Joachim II 92, 110 Radtke III 441 Raeder, Erich III 361,405, 423, 443 Rafeisberger, Walter II 164; III 523, 535 Rahn, Rudolf II 158-159, 423; III 233-235, 510-511 Rasche, Karl I 58, 237; II 421; III 335-336, 533 Rathenau, Walter I 54 Raumer, Friedrich Wilhelm v. III 540 Rauschning, Hermann II 445 Rauter, Hans 111319,321 Razmerita III 501 Rechberg, Arnold 1198 Redieß, Wilhelm 111318,331-332,341 Reeder, Eggert III 233, 337 Reemtsma, Philipp F. III 533, 586-587 Regul, J. III 539 Reichard, Emst II 412 Reichenau, Walter v. II 58 Reichert, Jakob Wilhelm I 52, 174, 295, 299, 305, 307-311, 321, 323-327, 332; II 88, 90, 363, 398, 405, 417; III 100, 103, 126, 131, 575, 595,653-654 Reinecke, Hermann II 186, 188 Reinel, Johann III 504 Reinhardt, Fritz I 84, 240; II 567 Reinhardt, Hermann II 424 Reinhardt, Klaus II 20,42, 47, 50 Reinhart, Friedrich II 98, 100 Reithinger, Anton II 426; III 512, 514-517,

335, 523,

301362539,

538-

540, 546, 567, 575-576 Renaud III 593 Renthe-Fink, Cecil v. II 423; III 328, 330, 340, 411,471,510-511 Reusch, Paul I 52,165; III 111 Reuter, Hans II 144; III 544 Reyss, Hermann I 117, 154; II 394

792 Ribbentrop, Joachim v. II 137, 177, 395, 408, 423, 491; III 231, 239, 408-409, 415, 427, 429, 443, 450, 461,472,480, 494, 503, 510 Riccardi, Raffaele III 408, 428, 461 Richter III 336 Riclchey, Georg II 23, 156 Riecke, Hans-Joachim I 234, 240-241, 243-245, 383; II 454, 484, 502, 582, 588, 600-601, 642; 11145,258,630,658 Riedberg, G. III 570-571 Riedel, Matthias II 466 Riedl, Richard II 121, 423, 427-429, 489; III 512514, 516, 553, 566-567, 572, 653, Riehle, Joachim III 725 Riepka, Hellmuth C. II 411 Rigler 174 Rintelen, Emil v. III 510 Ripken III 416, 478-480,485,498 Rischka, Kurt v. III 475 Ritter, Gerhard II 17, 52,201; III 34, 145-146 Ritter, Karl 1176; III 428,436,472-478 Rittershausen, Heinrich III 588, 592-593 Röchling, Hermann I 38, 61-62, 116, 165, 190, 199, 295, 298-304, 306-308, 311, 323-324; II 68, 72, 86-93, 103, 117, 169, 283, 363, 365, 442, 465, 519; III 33, 42, 49, 58-59, 201, 643, 664665 Roehnert, Hellmuth 1 122-123; II 72, 85, 396, 526, 548 Röpke, Wilhelm III 549, 553 Roesicke, Gustav II 442 Rösler, Oswald I 58; II 520, 534, 555, 562; III 551, 586-587 Roeyvan III 338 Rohdewald, August 1237; II 396; III 523, 533534, 538, 546 Rohland, Walter I 121,128; II 49, 51, 53, 55, 59, 65, 68, 71, 79-80, 88-90, 108-109, 121-122, 142144, 146, 158, 164, 169, 172, 174-175, 236237,253, 261, 264, 334-335, 363, 365, 465, 513, 519, 541, 544; III 10, 32, 34, 38, 42-43, 45, 47, 60, 70, 100, 129-133,249,263, 657, 663-669 Roosevelt, Franklin Delano II 141; III 422, 599 Rosenberg, Alfred I 201, 238, 240, 244-245; II 276, 285, 419, 427, 432, 446, 449, 452, 465, 500; III 317-319, 326, 328,335, 340-342 Rosterg, August 1237 Rost van Tonningen, Meinoud Marinus III 315, 318-325 Rothschild, Robert II 545 Rottenberg, Franz I 55 Rottgardt, Karl III 8 Rudelsdorff II 481

Register RudorC Fritz II 149; III 628 Rodt von Callenberg, Kurt Frhr. v. II 469 ROmann, Arthur II 544 Rüter, Ernst III 404,427,432 Ruhl, Klaus-Jörg III 410,464 Rundstedt, Gerd v. III 59, 89,150,232 Saage, Richard II 108 Saager, Gerhard 1291, 374; II, 149 Saalwächter, Alfred 111361,381 Sabath, Hermann III 425,455,483 Sachs, Otto 11600-601 Salazar, Antonio Oliveira III 411,493 Sarrazin, Otto II 68 Sauckel, Fritz I 55, 83; II 69, 74-79, 96, 125, 198, 202-207, 209-210, 219, 227-229, 232, 234, 238, 240-242, 246, 255-256, 275, 277-278, 609, 614; III 11, 13-14, 22, 29, 31, 41, 45, 49, 58, 68, 76, 225-234, 238-239, 244-248, 281, 592, 633, 639640, 655 Sauer, Hans III 35 Saur, Karl-Otto I 124; II 56, 69, 80, 122, 164, 169, 382, 544; III 7-8, 11, 14-17, 19-22, 26, 30, 32, 43, 50-52, 54, 56, 59, 67, 133, 135, 165, 169, 172-175, 179, 182, 184, 187-189, 192, 194-195, 236, 619, 627,666-667 Saxon III 530 Sayn und Wittgenstein, Friedrich Theodor Prinz zu II 429 Scavenius, Erik III 315, 327, 330, 340 Schaat Wilhelm II 65, 148, 164, 313-314, 316, 335; III 18 Schabe 1, Ralf III 86 Schacht Hjalmar I 14-15, 19, 30, 41-42, 48-50, 52, 55, 61-62, 67, 70-71, 108, 151, 191, 198; II, 445; III 111, 394, 396,398-400, 549, 583 Schade, Hans II 543 Schaede, Hans-Joachim II 61 Scharowski, Günther III 608 Scheer-Hennings, Rudolf 1124 Scheid, Friedrich II 129; III 12,43 Schell, Adolf v. I 240; II, 53, 62, 64, 66, 283, 313314 Scherpenberg, Albert Hilger van III 415, 433,435, 472 Schieber, Walther II 62, 69, 77, 81, 95, 101, 116, 138, 146-147, 155, 159, 164, 169, 173, 307, 320, 466-467, 489, 544; III 12, 34, 51, 69, 202-203, 226, 229, 245 Schielin, Irma I 84 Schindler, Max 11148,59 Schirach, Baidur v. III 512 Schirner, Karl I 237

Personen Schleier, Rudolf III 526 Schlempp, Walter III 17,28 Schiessmann, Fritz III 665 Schlicht, Günter II 486 Schlieker, Willy H. II 149, 158, 174-175; III 57, 64,128,134 Schlieper, Gustav III 394 Schlotterer, Gustav I 164, 170, 172, 178-184, 191, 235, 240, 245, 248, 290-292, 321-322, 365, 367, 374; II 167,414,417; III 342,423, 502, 572 Schmelter, Frite III 17,27-28,34-35,240 Schmid, Max III 523, 533, 535 Schmidt, Ernst Wilhelm III 30, 514, 551, 577 Schmidt, Fritz 111317,319-321,341 Schmidt, Matthias II 55, 178; III 38, 41-42, 72-73 Schmidt, Rüdiger II 143-144 Schmitt, Heinrich 1302, 304-308 Schmitz, Eduard III 568 Schmitz, Hermann III 547, 586-587 Schmitz, Hubert 168 Schmitz, Kurt III 254-255 Schmölders, Günter III 517, 522, 577 Schneider, Wolfgang III 62 Schnitzler, Georg v. I 61, 163-164, 168, 171-172, 186-187, 193, 206, 211, 250, 289; II 396, 521, 552; 1115,429 Schnitzler, Lilly v. 1163,211 Schnurre, Karl III 328-329, 415, 434, 446, 472473,480,488-489,491, 494,496, 505 Schoeller, Philipp v. II 103; III 514, 538-539, 576 Schoen, Ludwig 1299,310 Schoen von Wildeneck, Ernst III 602 Schönleben, Eduard 1125-126 Schoorens III 338 Schottky, Walter III 608 Schramm, Percy Emst II 465 Schreiner II 578 Schröder, Carl v. III 538-539, 575 Schroeder, Kurt Frhr. v. I 7, 52, 134; II 100, 103, 173; III 319 Schubert, Wilhelm 1234, 239-240,244 Schüle III 531 Schulenburg, Friedrich Werner Graf v. der III 421 Schulte, Eduard 1349 Schultze-Schlutius, Carl-Gisbert I 291, III 426, 490, 504 Schulze- Fielitz, Günter II 61, 101, 390; III 160161,664,667 Schumann, Wolfgang II 159,166-167 Schwandt, Johannes III 605 Schwede, Walter 1203, 295 Schweitzer, Arthur 131, 40, 43,48, 386 Schwendemann, Heinrich III 420,422,444, 449

793 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf 130, 70,72,383; II 421, 528-530; III 319, 324, 510, 598-599, 635, 648,698,710,716,733 Schwitzkowslci III 402 Sedlaczek, Herbert II 103 Seebauer, Georg II 150, 164, 301, 518; III 70, 631 Seeber, Eva II 243, 289 Seifert, Arnold v. III 475 Seldte, Franz I 70-72, 76, 80, 83; II 285 Selzam, Eduartv. 111414,419 Sempell, Oskar II 396 Servais III 338 Seyß-Inquart, Arthur II 177; III 316, 318-319,321 Siebert, Hubert 1133 Siemens, Carl Friedrich v. I 52; III 111 Siemens, Ernst v. III 608 Siemens, Hermann v. III 547 Simon, Gustav 1329-330 Simons II 408 Sippelt, Karl Ernst II 482 Sklavaki, Evangelia Johanna III 383-384 Skrodski, Bernhard II 398; III 586-587, 590-594,

601 Slavescu 111419,442 Söhring, Eduard III 540 Sogemeier, Martin III 664 Sohl, Hans-Günther II 89, 144, 403; III 133 Solveen, Walter Heinrich II 67 Sommer, Josef III 295 Sommer, Karl II 225; III 286, 291 Spaatz, Carl A. III 35 Später-Oswald (Oswald, Kurt v.) I 312, 330 Spannagel, Walter 1310 Speer, Albert I 111, 113-115, 120, 128-130, 142, 184, 385; II 14, 21, 24-25, 44, 49-50, 53-64, 6673, 75-84, 86-89, 92-93, 95-97, 99, 101, 106-108, 110-113, 116-117, 121-127, 129, 131-135, 139, 142-145, 147-148, 151-152, 154-160, 163, 165178, 196-198, 201-204, 223, 226-227, 229, 231233, 236-237, 240-242, 251-256, 272 296, 300304, 309, 311, 313, 319, 321, 325-326, 328, 334335, 341, 347, 349-350, 355, 363, 365, 371, 382, 386, 409, 416-417, 425-426, 450, 464-466, 470474, 476, 516-519, 522, 541, 544, 549, 551, 556, 559, 601, 608; III 4, 8, 19, 21-24, 26-62, 64-78, 81, 83-84, 86, 89-90, 92-93, 99-100, 103, 111113, 121-122, 125-126, 133, 143-145, 148, 150, 152-153, 156, 158, 161, 167, 171, 175, 177, 181182, 184, 187-189, 200, 208, 214, 223-224, 236238, 244,246, 248, 258, 268, 274, 284, 293, 309310, 345-348, 354, 357, 462, 488, 495, 498, 503504, 522, 525-527, 544, 579, 590, 599-600, 613-

794 618, 621-622, 624-625, 627, 629-633, 637, 639, 651, 655-660, 662-669, 714 Speh, Hermann III 17 Spcrrle, Hugo II 56 Spitzer. Helmut III 250-251, 255 Stackelberg, Heinrich v. III 519 Sta£ Clerq van III 317 Stahl, Dietrich 11164,111285,664 Stahl, Rudolf 129, 78, 99, 116, 133, 160, 189-190, 194; II 115, 257, 403, 528; III 70, 539, 547, 551, 553-555, 559-560, 562, 573, 585-590, 601-602, 604, 654-656 Stalin, Josef W. (eigentlich: Dschugaschwili) III 421-422, 443-144, 446 Stamm, Oskar II 130 Stap£ Otto 11462,483,488 Steck II 461 Steengracht von Moyland, Gustav Adolf III 330 Steinbruck, Otto I 133-134, 136, 294-295, 297298, 300-301, 304, 306, 325, 330; II 541; III 533,664 Steinmann, G. III 650 Steinwarz, Herbert II 305 Stellwaag. Alfred II 85 Sternberg, Fritz 133; III 549 Sthyr, KnudS. III 328-329 Stieler von Heydekampt Gerhard II 94, 130; III 7 Stinnes, Edmund 1198 Stinnes, Hugo I 54, 198; II 482; III 336, 533-534 Stobbe-Dethlefisen, Carl III 31-32 Stock, Jorgen III 479 Stoeger III 443 Stöhr, Werner II 103 Stöhr, Willi III 664 Stoffregen, Heinrich III 17, 531 Storclc, Walter III 506 Staren, Finn Sofus III 331-334 Streit, Christian II 186, 190,221, 277 Stresemann, Gustav II 442 Strohm, Gustav 1176 Strubberg. Ferdinand I 56 Strobe, Jens Juhl II 103 Struss, Ernst II 220, 552-553 Stuckart, Wilhelm 181; III 633 Stud, Erich 1126; 111227,229 Student, Kurt III 361 Stuebel, Heinrich 114,31 Stülpnagel, Karl Heinrich v. III 229 Sudeck. Halvor III 529 SOndermann, Helmut III 111 SOßkind-Schwendi, Alexander Frhr. v. III 417, 498-499

Register Syrup, Friedrich 174-75, 80, 106, 109, 234, 240; II 75, 188-189,199-200,285 Szpilfogel, Maurycy 1193 Sztojay, Döme III 237 Tank, Kurt III 175, 231 Tannenberg, III 470 Tanner, Viinö Alfred III 415 Tardieu, André 1271 Tarot III 336 Tassinari III 428 Taylor, A. J. P. 117 Tempelhoff, Friedrich v. II 158 Tengelmann, Ernst 1133,136 Tengelmann, Walter II 413,463-464; III 249 Tengelmann, Wilhelm 1134; II 270, 286, 428, 458, 463; III 252 Terboven, Josef 1298; II 402; III 331-332, 334 Terhaar, Jost 1164, 289 ter Meer, Fritz II 220,226,349 Tgahrt, Erich I 123, 125, 294, 301-305, 307-308, 311,321,323-331,335 Thadden, Eberhard v. III 239 Thalheim, Karl C. III 584, 586, 588 Thiel, Reinhold II 103 Thierack, Otto Georg II 223; III 236 Thode, Hans II 409; III 342 Thomale, Wolfgang III 664, 668 Thomas, Georg I 15, 18, 28, 48, 74, 76, 85, 101102, 105-107, 109-110, 112-119, 126, 130-131, 183, 210, 212-213, 215-219, 221, 230-235, 237, 239-240, 244, 385: II 24, 13, 17, 19, 21-22, 2628, 30, 33, 36, 39, 43Λ4, 46, 48, 52, 57, 61-62, 70, 72, 76, 79-81, 112, 119, 125, 132, 179, 181, 183, 186, 188-189, 197, 297, 384, 477-179, 481484,487-488, 517, 519-520, 548, 567, 609 Thomsen, Erich III 315 Thomsen, H. III 439,469,494-495 Thost, H. II 145 Thyssen, August I 54,198, 316 Thyssen, Fritz I 15, 48-52, 62, 155. 198-200; II 541; III 111 Timm, Max III 650 Tischbein III 725 Tito III 353 s. a. Broz-Tito, Josip Tix, Arthur II 65, 71, 85, 169,172; III 57 Tobies, Edmund 1133, 136 Todt, Fritz I 85, 109,118-126,128-132, 183, 218, 385; II 14, 19-23,25,27, 31, 35-36, 39,47,4961, 63-64, 67, 69-71, 73-75, 79-80,104, 108-110, 112, 115-117,129, 173,180-181, 193,196, 200, 219,262,296-300,303, 320-321, 333-334, 513514, 516, 541, 549, 556, 559; III 327, 340

Personen Toepfer, Alfred C. III 509, 533, 535 Töpfer, Bruno III 531 Tomberg, Walter II 32,407, 505; III 245 Topp, Karl II 130 Tosse 1309 Trendelenburg, Ernst 1104; III 539 Tresckow, Henning v. II 455 Treue, Wilhelm 1383; II 108 Trevor-Roper, Hugh Redwald II 445 Tron, Walter II 429 Troosters III 338 Trotha, Ivo Thilo v. III 531, 664 TrOtzschler von Falkenstein, Heinz III 328 Tschiang Kai Shek III, 485 Udet, Ernst II 12,27,32-33 Uhrig III 292 Ulrich, Franz Heinrich II 429 Ungewitter, Claus 1250-251,290-292 Unruh, Walter v. 11226,567 Varga, Eugen 11294-295 Varga, László 111237,239 Varvaressos III 439 Veesenmayer, Edmund III 238-239, 544 Veitjens, Joseph III 434 Venianakis, Emm. III 388 Verres, Hans III 224 Vershofen, Wilhelm III 549 Vidakis, Emm. III 390 Villemer III 336 Vitry, Raoul de III 528 Vits, Ernst Hellmuth II 149; III 523, 531, 533 Vögler, Albert I 40, 50, 52, 122, 124, 165, 294, 307-308; II 32-33, 57, 59-61, 63, 67, 71-72, 85, 87, 89, 108-109, 117, 143-144, 146, 158, 172, 177, 237, 279, 283, 300, 347, 541-542, 553; III 3, 33, 42, 45-46, 49, 63, 66, 279, 283, 300, 347, 541-542, 553; III, 3, 33, 42, 45-16, 49, 63, 66, 70, 76, 249-250, 254-255, 258, 263, 547, 630631,657-658,665,667-669, Vögler, Eugen II 57,103 Vogelsang 11221-222 Volkmann, Hans-Erich II 108 Vosgerau, Hans Hero 1336 Voss, Wilhelm II 550; III 523, 533-535, 544 Voûte, E.J. III 320 Vuglesang, Rolf Jorgen III 332 richtig: Fuglesang Vygen III 69-70 Waeger, Kurt II 70, 146, 164; III 46, 67, 69-70, 122, 229 Wagener, Carl III 669

795 Wagenfohr, Rolf I 33, 220, 383, 385; II 17, 267, 328-329, 368, 380-382, 386, 389; III 83, 112, 523, 526, 531 Wagner, Eduard 125, 70; II 462 Wagner, Josef 130, 72 Wagner, Raimund II 4 , 4 8 Wagner, Robert III 665 Waibel, Hermann 1 107, 117-119,156; III 544 Walb, Ernst III 555 Walter 111335,433,466,494 Walter, Hellmuth III 182 Walter, Paul 1 133, 135-137, 139-141 Wang Ching Wei III 485 Wangenheim, Hans Frhr. v. 1102 Warlimont, Walter I 183, 230; II 20, 455, 481; III 233 Weber III 407 Weber, Max 1385-386 Wegener, Heinz III 17 Weichs, Maximilian v. III 348-349, 353, 359 Weigelt, Kurt 162-63, 154, 175-176; II 410, 479 Weiss II 406 Weiß III 254 Weiß III 582 Weiß, Bernhard 1139 Weißbecker, Manfred II 113 Weizsäcker, Ernst Frhr. v. III 315, 327, 408, 415, 429,435,439,462,480 Welker, Johannes W. II 103 Welter, Erich 1383,385; III 524, 531, 534, 566 Weltzien, Hans 1237 Wenkel, Curd III 533 Wentzel (-Teutschenthal), Carl 1117 Werlin, Jakob 1152-53 Werner, William II 12, 33, 62, 66, 72, 80, 117, 148, 169,514; 11120,51,137 Werners, Paul 1165,313 Wesemann, Friedrich (Fritz) 1202, 295; II 461 Westermann, Hermann v. II 68 Westrick, Gerhard A III 529-530 Westrick, Ludger I 349; II 32,401; III 523, 533, 535 Wetzel, Erhard II 432-435,437, 450, 454 Weyres-von Levetzow, Hans-Joachim II 109, 131, 267, 329; III 52 Wiehl, Emil III 335, 404, 408^09, 415-417, 425, 433, 457, 460-461, 465, 470, 473, 478-479, 483, 487,491,498, 503-504 Wilhelm, Hans-Heinrich II 440 Wilhelmsen, Nils Erik III 330 Will, Erich 11482-483 Willfort III 35 Willing, Hermann I 305, 314, 328

796 Wilmowslcy, Tilo Frhr. v. I 55, 163; II 399, 111474-475,511 Wilson, Horace 160 Wingen, Oskar III 410 Winkelmann, Henri Gerhard III 317 Winkhaus, Hermann 1 133-134, 294; II 306 Winkler, Max 1326; II 415 Winnacker, Erich II 463 Winter de III 338 Wirsing, Giselher II 427 Wisselmann, Heinrich 1 133,135-136,237; II 417, 548 Wissmann, Karl II 151,153 Witting, R. J. III 435 Wittke, Wilhelm 1298, 304, 306 Wittmann, Klaus III 495 Witzeil, Carl II 61-62, 72 Witzleben, Wolf-Dietrich v. II 556 Wlassow, Andrej III 649 Wöckener, Hans III 580 Woermann, Emil II 573, 588, 603-605, 626, 642; 111248,538-539,575 Wohlfahrt, Wilhelm II 103, 396 Wohlthat, Helmuth I 60-61; II 228; III 424, 451 Wolf III 273 Wolfes III 582

Register 428;

Wo!f£ Albert II 71, 130,169 Wolf!; Karl 11221,545 Wolft Otto 1 154, 322, 325-326, 330,337; III 631 Wolken, Otto II 221 Woltersom, Henri Louis III 320-321 Wolzogen v. II 79 Wolzt, Leonhard III 533 Wunderlich, Frieda II 97 Wunsch II 144 Wurster, Carl II 103

416-

628,

450-

Zangen, Wilhelm I 52-53, 121-126, 139, 165, 178, 191, 294, 300; II 47-18, 51, 55, 59-63, 65, 67, 71-73, 89-91, 95, 102, 108-109, 113, 115-117, 131, 163, 172, 200, 229-230, 307, 318-320, 399, 399, 403, 413, 424, 426, 567; III 70, 474-475, 547, 563-564, 585-587 Zeitzier, Kurt II 119,177,309, 326,476 Zerbel, Heinrich III 17, 35 Ziehm, W. 1124 Zinßer, Hugo III 610 Zitzewitz-Muttrin, Friedrich Karl v. I 101-102; II 609 Zonev III 441 Zschintzsch, Wilhelm II 103 Zumpe, Lotte II 107, 515, 534, 542, 568-569, 572

3, Ortsverzeichnis Von Helma Kaden Aachen II 103; III 53, 63,126, 235 Addis Abeba 1176 Aden III 404 Agios Ioannis III 388 Agram (heute: Zagreb) III 353,457 Aken II 525 Alagni III 383 Albrechtsdorf b. Sorau III 269 Altenberg 1349 Amberg II 186 Amersfoort III 322 Amsterdam 111316,320 Ankara III 428,440,478,480,498-499 Annam 1313 AnoArchane 111373-375,379,388 Ano Assîtes III 383 Antwerpen III 198, 200, 202

Apscheronskaja II 486 Arkalochori III 390 Armavir II 489 Arnstadt III 608 Artern II 186 Artois 1324 Athen III 353,439, 459-160 Auboué 1309-310,330,332-333 Augsburg II 260; III 14, 616, 623 Auschwitz I 113; II 17, 220-221, 225, 277, 356357, 524-525; III 136, 142, 153, 203, 207, 239, 242, 287 Aussig s. a. Usti I 56-57, 245 Axioupolis III 356 Bad Dürrenberg II 186 Bad Ems/Lahn 111260,265

Ort Bad Nauheim 111609,664 Bad Salzungen III 600 Bad Schachen 11452,458 Bagdad III 439 Baku I 156, 206, 210; II 428, 453, 464, 481, 485; III 323,513 Baltoje Voice III 326 Baranoviei III 333-334 Baranovka III 323 Baranów III 150 Barth III 285 Basdorf III, 278 Basel 1260,289 Basra III 439 Batumi 11407,481 Bautzen III 242 Bayreuth III 548 601 Beau vais 1231-232 Belgrad 111353,440 Berchtesgaden 1213; III 33, 76 Berlin 137, 39, 51, 72, 156, 258, 312, 327, 349; II 58, 99, 103, 142, 160,163, 201, 337, 425; III 29, 133, 185, 238, 248, 266-267, 269-272, 275, 280, 282-283, 287, 290, 298-299, 304, 327-328, 333, 335, 362, 406, 410, 415, 425-126, 433-134, 444445, 457,460, 469, 478, 481, 490, 496, 503, 527, 548, 568, 599-601, 604, 608-610, 620-621, 623, 631,645,651.664-665,676,725 Berlin-Borsigwalde III 178, 269 Berlin-Friedenau III 277 Berlin-Hakenfelde III 286 Berlin-Johannisthal III 277 Berlin-Karlshorst III 507 Berlin-Lichterfelde-SQd III 276 Berlin-Marienfelde II 310, 337; III 15, 178, 202, 272-273,275,277,290 Berlin-Neukölln III 277 Berlin-Nied erschöneweide III 277 Berlin-Oberschöneweide III 277 Berlin-Oberspree III 287 Berlin-Reinickendorf III 269 Berlin-Rudow III 269 Berlin-Schöneberg III 277 Berlin-Schönefeld III 241,267, 287 Berlin-Spandau III 178 Berlin-Tegel III 270 Berlin-Tempelhof III 269 Berlin-Weißensee III 269 Berlin-Zehlendorf III 270 Bern 111457,505-507,564 Bernau III 660 Berrenrath III 160 Bialystok III 724

797 Biarritz III 430 Bielefeld II 103; III 125,235,621 Birkenwerder III 275 Bitterfeld I 349; II 525 Blankenburg/Harz II 311; III 599 Blechhammer III 136, 142-143 Bobrujsk III 48 Bochum 1123; III 125 Bockum-Hövel III 257 Böhlen III 32, 136,141-143, 161 Bomst Krs.ZQllichau III 269-270 Bor I 166 Bordeaux 1 152, 221 Bottschow III 269 Brandenburg III 267,276-278, 282, 299 Brandenburg-Görden III 290 Braunschweig II 103, 314; III 14, 90, 178, 277, 607 Bremen III 269-270,620-621,647 Breslau 1 170, 204, 349; II 76; III 91,197,609,620 Bretton Woods III 564, 577, 734 Brieg III 616 Briey 1 174, 331; II 399 Broken Hill 1 166,348 Brügge III 338 Brünn III 178 Brüssel 1 164, 336 Brüx II 16; III 32, 36,135-136, 142-143 Buchenwald II 156; III 200, 242 Budapest III 239,242, 457,480, 502 Bukarest II 482; III 53, 419,439,442,457 Caen 1316,11148 Calais III 198 Cannes III 53 Cannstadt III 14,274 Casablanca II 141; III 86,308 Öeljabinsk II 407 Celkar II 407 Cham III 198 Champigneulles I 309 Chania III 383 Char'kov II 162,471,474, 490 Chemnitz II 152; III 621 Chemnitz-Siegmar III 178, 242 Cherbourg III 48 Cherzon II 482,489; III 335 Öiatura II 494 Constanta III 439 Cottbus III 267, 269-270, 282-283, 299 Dakar III 484 Danzig 1156; II 217

Register

798 Dannstadt III 58 Den Haag III 200, 316, 320, 414,419 Dessau III 288 Deutsch-Brod III 149 Diedenhofen 1309-310,323 Differdingen 1295, 298, 308-310, 312,332 Dillingen 1304,330 Dinant III 613 Dneprodzeriinsk (Kamenskoje) II 468 Dnepropetrovsk II 4 6 0 , 4 6 2 , 4 6 8 , 4 7 M 7 2 ; III 1 Döberitz II 524; III 275 Domolcós III 356 Donawitz III 134 Dortmund I 295, 320, 328; III 31, 65, 249, 255, 257,260,649, 665 Dortmund-Hörde II 194 Dresden I 56; II 289,313; III 242 609, 620 Dubnica III 610 DOnkirchen 1212; II 119 Daren III 235 Dasseldorf 1 123, 294,300; III 235, 604, 620, 665, 700 Dasseldorf-Derendorf III 125 Duisburg 1193; II 103; III 123,235 Duisburg-Huckingen III 255 Dyhernfiirth II 523-524; III 207 Ebensee III 149,240 Eberswalde III 277 Eisenach II 186 Eisleben 198 Embaros III 374 Enakievo (Rykovo) II 468 Erewan 1206,11407 Erfurt III 609-610 Erkelenz III 235 Erkenschwick III 257-258 Erkner III, 272, 274-275 Esch III 272 Espenhain-Molbis III 161 Essen I 123; II 103 , 141, 250; III 49, 125, 136, 160-161,224,235,244, 249, 255, 665 Essen-Kettwig III 631 Eupen III 235 Falkenau I 56-57 Falkenhagen II 523-524; III 207,267,272-273 Falkensee II 335; III 178,200,267 Fallersleben III 198 Finsterwalde III 269 Flensburg III 600 Flossenbarg III 242 Forst/Lausitz III 269

Frankfurt /Main 1187; 11164,610 Frankfurt/Oder III 268, 270-273, 275, 278, 280, 282-284,287 Friedrichshafen III 22,178, 200 Frimmersdorf III 161 Fröndenberg III 257-258 Fürstenberg/O. 111270,285 Forstenwalde III 267,278, 285 Fürth III 601 Gassen 111267,270,283,614 Geislingen III 241 Gelsenberg III 36, 135-136, 141-143, 151 Gelsenkirchen III 235 Gendorf II 523-524; III 207 Genshagen III 242-247, 267,272-273,275-277, 280, 285,287-290,292,610 Genshagen/Ludwigsfelde III 267, 272, 287, 300305 Genthin III 286 Genua 111405,410 Gera III 601 Gerolstein III 235 Gersthofen/Bayern III 158 Gießen III 235 Gleiwitz III 224 Godbrange 1309 Göteborg III 437 Goldap III 235 Goldenberg III 160 Golssen III 283 Gomel II 139 Gorcy 1309, 329, 332 Gorki III 33 Goslar 1349 Gotenhafen III 614 Gotha III 14 Grafenwöhr II 459 Gravenhorst III 125 Grodno 111334,724 Gröditz II 277 Grosny s. a. Groznyj 11481,485 Großbeeren 111277,289 GroQ-Rosen III 242 Groznyj s. a. Grosny II 478,481,486 GrQneberg III 287 Guben 111271,283,287 Gütersloh III 125 Gumbinnen III 235 Hagen III 269 Hagendingen I 303-304, 309-311, 323, 330, 332333

Oit Haifa III 404 Halle II 186,250; III 248,621,623 Hamburg II 144, 163; III 410, S06, 600, 609-610, 620, 631 Hamm III 63,123, 125 Hannover II 103,271, 520; III 125,178,620 Harburg III 90 Hattingen III 161,257-258 Hayingen 1 195,309,330 Heidelberg 11129,617,631,664-665 Helsingfors III 415 Helsinki III 415,434-435,457, 472-474 Hennigsdorf III 267,278,282,284, 287 Heraklion s. Iraklion Herne III 253,257-258,262 Hersbruck III 610 Heydebreck II 525; III 136, 141-142,153,156 Hildesheim II 215; III 610 Hiftenberg 155 Hochwalde b. Meseritz 111272-273,293 Höllriegelskreuth/Bayern III 158 Hof III 608 Hohenlychen 11129,38 Hohensaaten III 275 Homécouit 1309-310,313, 323,330, 333,336-337 Horgau III 169 Hals I 23; II 141, 356-357, 523-525 ; III 87, 151152 Hussigny 1309, 330 Ia?i 11153,346 Ilmenau III 601 Insterburg III 235 Iraklion III 376, 389 Istanbul 111439,564, Jaita III 597 Jena 1342; II 141 Jœuf 1309,332, 336 Kairo II 410 Kaiseroda II 186 Kaiserslautern III 620 Kalessa III 391 Kamares III 390 Kamen III 249 Karaganda II 435 Karlsruhe III 64.620 Kasan' 1206 Kassel II 337; III 64,178-179,198, 242, 288, 620 Kassel-Bettenhausen II 281 KatoArchane III 379 Kato Assîtes III 383

799 Kattowitz 1190, 277; III 647 Kauen s. a. Kaunas III 333, 338 Kaufering III 2 Kaunas s. a. Kauen II 436 Kavrochori III 391 KerC 11 139,474 Kettwig II 143; III 45 Kiel II 313; III 202, 525,620 Kiev s. a. Kiew II 139, 162, 206,400,439,454; III 1.9,224,323,336-337 Kiew s. a. Kiev 1202; II 25,456; III 326, 336 Kirkuk 11407,485 Kirkwall III 404 Kirov III 331 KiSinev 11153,346 Klaipeda s. a. Memel II 436 Klauswalde III 269 Kleinmachnow III 278 Kleve III 235 Kneuttingen 1309-311, 330, 333 Koblenz III 64,235, 620-621 Köln II 103; III 64,123,125,235,410, 620 Königsberg III 333 Königsberg/Nm. 111269,283 Kolosjoki III 434 Konstantinovka 11468,474 Konstanz III 600 Kopenhagen III 327-329,411,433, 457,471 Korosten II 439 Kottbus III 276 Krakau II 437; III 53, 613 Kramatorsk 11468,474 Krasnodar 11486,488 Krasnyj Luí II 460 Krivoj Rog II 189, 460,468, 470, 475-476; III 1, 346 Krussona III 391 Küstrin 11191,287 Kursk II 121,162, 239, 278, 346,473 Kuzneck II 435 LaChiers 1309-310,321-322,329,332 Ladbergen III 125 Landsberg/Warthe 111241,266,283 La Roche-de-Ramé 1270 Lauchhammer III 284 Lauterberg/Haiz III 158 Leipzig II 103; III 14,64,621 Leitmeritz 111242,610 Leningrad s. a. Petersburg I 202; II 25, 406, 454456 Leuna III 32-34, 36, 135-136, 139-143, 151, 153, 156, 174

800

Register

Leverkusen 1261; II 357; III 151,158 Libau (Liepaja) III 324, 328 Liebenau II 216 Liebenwalde III 287 Lille 1324 Linz I 324; III 45-46, 49, 60, 76, 112, 134, 156, 232, 258, 620 Lissabon 111432,465,564 Litzmannstadt III 614 Lòdi 1184; III 613 London 160; III 197-198,200,405, 431,451, 453, 484, 576 Longwy 1309-310, 313, 323,325-326, 329, 331; II 309 Lublin 11437,459 Luckenwalde III 282 Ludwigsfelde s. a. Genshagen/Ludwigsfelde III 288-290 Ludwigshafen II 103, 356, 525; III 136, 142, 151, 158,649 Ludwigshafen-Oppau III 136,142 Lübeck 1295 ; III 90,134, 638 Lüttich III 37,198 Lützkendorf III 32, 136, 141 Lulei III 469 Luxemburg II 103; III 37,202

Meseritz III 272-273 Mettenheim III 154 Metz 1336; II 103; III 37, 58,130,631 Micheville 1309-310, 330, 332, 336-337 Minden III 63 Mitrovica III 354 Moers III 235 Moosbierbaum II 525; III 136, 141-142, 156 Monowitz II 220 Montoire 1183 Mont-Saint-Martin 1332 Moskau I 132, 202, 241; II 28-29, 41, 43, 47, 50, 58, 74, 85, 94, 188, 190, 193, 203, 220, 295, 400, 405-407, 410, 438, 454-456, 460, 482, 499, 584; III 33, 308, 332, 415, 420-121, 428, 445-308, 332, 415,420-421,428, 446,450 Mostar III 353 Mosul II 485 Moyeuvre 1309 Mühldorfinn 11127,154,610 Mühlheim III 608 München II 103, 272; III 235, 270, 608, 620, 623624,631,652 München-Allach III 169,288,608, 623 Münster II 143, 289; III 63, 123, 125, 215, 620, 665

Maastricht III 200 Mackatica III 353 Madrid 111410,428,491,564,567 Magdeburg II 16, 103, 250; III 64, 136, 142, 178179,298,620,629 Maikop s. a. Majkop II 400,48M82, 487,489 Mailand II 141; III 407,428^29 Majkop s. a. Maikop II 478,481,486,488-489 Maizières 1309 Makeevka 11468,474 Malgobek II 486 Mallia III 374 Malmedy III 200 Mannheim III 64 Mansfeld 1202 Marienburg III 87, 270, 614 Marseille 111484,722 Mariupol' (¿danov) II 467- 468,472,474 Maromme 1260 Maubeuge 1324, 332 Mauthausen III 149, 240 Meiningen III 609-610 Melk III 240 Memel s. a. Klaipeda III 235 Meran 11129,38 Merseburg II 525

Nancy 1331; III 130 Narva II 139 Narvik III 130,413-414,436 Neckarelz III 301 Neubrandenburg III 286 Neudamm 111269,283 Neuendorf III 277 Neunkirchen 1310 Neuves-Maisons 1309, 330 New York III 576 Niederlahnstein III 235 Niedersachswerfen II 157; III 147, 149 Nieder-Ullersdorf III 270 Nikopol' II 371, 460, 470, 476, 494-495; III 1, 9, 346 Niinedneprovsk II 468 Nordhausen II 156; III 26, 198, 200, 272 Novorossijsk' II 490 Novosibirsk s. a. Nowosibirsk II 407 Nowosibirsk s. a. Novosibirsk II 435 Nürnberg I 36, 41,142, 163; II 194, 221, 246, 289, 350-351, 433, 484; III 32, 38, 60, 178-179, 242, 286, 548-549, 623 Oberhausen II 291; III 132, 235, 255, 624 Oberrödinghausen III 149

Ort Obersalzberg 1 1 5 6 ; III 21, 33-34,47 Obrigheim/Neckar 1 1 1 2 9 , 2 7 2 , 2 9 1 , 2 9 3 , 6 1 0 Odessa II 1 6 , 4 8 2 Oeningen 1333 Ommen III 322 Oppau 141, 288; I I I 136, 151, 153, 156 Oppeln 111614,616 Oranienburg II 272; III 267, 278,285-287, 299 Oranienburg/Sachsenhausen III 304 Ordjonikidze II 486 Orel II 481 Oschersleben III 14 Oslo 111333,473 Osnabrück III 125 Osterode/Harz III 242 Ottawa III 398 Ougrée-Marihaye 1303, 310, 322 Paderborn III 125 Panajia III 390 Paris I 174 295; II 93, 315; III 37, 53, 200, 227, 405, 484, 509, 530, 569 Pas de Calais 1 3 2 4 Peenemünde II 57, 141,156, 346; III 87, 199-203,

606

Peenemünde-West I I I 285 Petersburg s. a. Leningrad 1 174, 241; II 4 0 0 , 4 5 4 Petsamo III 346,435-136 Pirmasens III 134 Plauen III 178 Pleskau III 326 Ploieçti III 33 Pölitz II 16, 306, 525; III 33, 36, 135-136, 141, 149, 174, 625 Pompey 1 3 0 9 - 3 1 0 , 3 3 0 Pont-à-Mousson 1309-310, 330, 333 Posen II 170, 174, 176, 244, 287, 313, 386, 452, 459, 602, 616; I I I 56, 77, 2 7 0 , 6 1 4 Potsdam II 288, ; III 268, 271, 273-276, 280-283, 287,299-301 Potsdam-Babelsberg III 267, 280 Prag I 57-58, 92; III 608, 631 Premnitz III 266 Prenzlau III 284 Providence 1 3 0 3 , 3 1 0 Preßburg 111457,490 Pskov II 139 Raduäa III 354 Räschen III 283 Rastenburg II 174, 237 Rathenow III 267, 538 Raty 1330

801 Ravensbrück III 242-243,285-287, 291, 298, 301, Rech lin II 151,11146 Regensburg II 272; III 14-15, 87,198, 623 Réhon I 309-310,321, 329, 332, 336-337 Reichenberg III 620 Reisholz III 160-161 Rendsburg III 638 Rethymnon III 369, Rheinhausen 111257-258,261 Riga III 329 Rodingen 1 3 3 0 , 3 3 3 , 3 3 7 Rom II 158; III 1-2, 404, 406-408, 410, 426, 428429,457,460-461,481 Rombach (Rombas) I 164, 195, 309-311, 313, 323, 330, 332 Roßleben III 601 Rostock II 291; III 14 Rostov s. a. Rostow II 119, 482, 484, 486 Rostow s. a. Rostov II 489 Rotterdam III 320 Rouen III 198 Rovno s. a. Rowno III 323, 332-334 Rowno s. a. Rovno III 325-326 RuCenkovo II 468 Rümelingen 1333 Rybinsk III 33 Rybnik III 613 Saarbrücken 111235,620 Saarlautern III 235 Sachsenhausen III 286-287 Saloniki 111353,359 Salzburg 11129,235,631 Salzgitter 1324 Sandomierz III 53 Sangerhausen II 186 Santiago de Chile III 560 Saporoshje s. a. Zaporoi'e II 475 Saratov II 291 Saßnitz III 497 Sauines 1309, 330 Schachty II 471 Scharfenwiese III 235 Schkopau 123, 356, 357, 524-525; III 151-152 Schönhagen III 282 Scholven III 36, 135-136, 141-142, 151, 257 Schwarzheide III 266, 276-278 Schweinfurt II 141; 111 1 4 - 1 5 , 8 7 , 2 7 4 , 6 6 5 Schwerin III 620 Schwiebus III 283 Senelle 1 3 0 9 , 3 2 9 , 3 3 2 Shidni Bazar III 336 Shitomir III 326

802 Siegen I 335 Sigmaringen III 564 Skopje III 353, 356 Slavjanslc 11460,471 Smolensk III 339 Sofia 1 152,221; III 457,480 Sommerfeld/Niederlausitz III 269-270, 283 Sonnenburg III 282 Sonthofen 11459,11181 Sorau 111267,270,283,614 Soulom 1270 Spremberg 111270,383 Stahnsdorf III 277 Stalingrad 1194,118-119, 124,169, 226,239,255, 276, 301, 355, 418, 426-427, 470-471, 441, 454456, 476,484,487, 489, 491; III 33, 38, 86, 185, 196,205,308, 324, 342,462,467 Stalino 11461,-462,468,471,474-475 Stargard III 285 Staßfurt II 525 Stettin 111270,613 Steyr III 14,274 St. Ingbert 1330 Stockholm III 437, 439, 457, 466, 471, 494, 496497, 564, 570, 598, 608 St. Pölten III 156 St. Valentin III 178 Stuttgart 1 176, 264; III 63-64,620 Sudauen III 235 Sulzbach-Rosenberg 1102; III 604 Sumgajt II 407 Taganrog II 119,460,468,474^75 Tarraska III 568 Teheran 1111,424,450 Teltow III 272, 276-277 Thalheim III 161 Thrapsano III, 373 Tilissos III, 391 Tilsit III 235 Tirana III 356 Tokio II 395; III 428,487 Tonking 1313 Traunstein III 235 Trebbin III 291-292 Trelleborg III 497 TrepCa 1 166, 348; III 353, 359 Trier III 130,202,620 Triest 11154,345,405 Troisdorf II 523 Tizyniec 1326-327,331 Tschenstochau III 614 Tuapse II 486

Register Tübingen III 384 Tunis III 185 Turin II 141 Uerdingen III 156 Ulm III 631 Untertürkheim II 310 Usti s. a. Aussig I 56 Valandovo III 353 Valenciennes 1324 Velten III 286 Venlo 1340 Verona III 428 Versailles I 63, 159, 172,270,290 Vichy III 335, 452, 484 Villerupt 1330 Vinnica II 439 Vitebsk III 48 Voroneá II 484 VoroSilovgrad (Lugansk) II 460 Waldenburg III 635 Warschau II 437; 111608,613 Washington 111452,484,576 Weimar II 278; III 242, 620 Welheim III 36,136,141-143 Welzow III 269 Werl III 257-258 Wesseling II 16; III 36, 135-136, 142 Wetzlar II 262 Wien I 55, 57; II 103, 429; III 64, 242, 429,443, 475, 480,490,492, 501-502, 541, 608,709 Wiener Neustadt III 200 Wiesbaden 1 187,250; III 484, 609, 620 Wildau II 272 Wilhelmshütte b. Sorau III 269 Wilna III 323 Witten 111243,257-258,261 Witten-Annen III 257-258 Wittenberge 111266,278 Wittstock III 277 Wesseling II 16 Wolfen II 524; III 156 Worisa III 389 Wützburg 111609,665 Xanten III 134 Zamoál II 441 ZaporoZ'e s. a. Saporoshje II 139, 462, 468, 471, 473, 475,477; III 1,336

Ort

803

Zeitz III 32,136,142-143 Zistersdorf III 62 Zollhaus-Blumberg 1299-300

Zostoff III 354 Zallichau III 269 Zürich III 506, 570

4. Firmenverzeichnis Von Martina Dietrich A/S Heggedal Brak III 333 Aachener Tuchfabrik G. H. u. J. Croon II 393 Accumulatorenfabrik AG (AFA) II 537, 554-555 Adam Opel AG II 103; III 7, 529-530 - Werk Brandenburg/Havel III 276-278, 285 Adrema Maschinenbau GmbH III 270 AEG (Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft) AG 1 152, 156, 185; II 12, 50, 52, 65-66, 124, 130, 154-155, 172, 225, 249, 320, 393, 467, 554-559; III 51, 199, 538, 544,568, 606 - Werk Berlin-Oberspree III 287 - Werk Hennigsdorf III 278,282,287 Agfa Werk Landsberg/Warthe III 241 Ago-Flugzeugwerke GmbH II 556, 558; III 168 AFA s. Accumulatorenfabrik AG Alfa Romeo II 159 Alfred Hanke Spremberg III 270 Algemeene Kunstzijde Unie Ν. V. (AKU) 1188; 111310,528 Alkett s. Altmärkisches Kettenwerk GmbH Allgemeine Transportanlagen GmbH II 545 Alpine Montangesellschaft (bis 1938 Österreichisch-Alpine Montangesellschaft) I 55; II 542, 546 Altmärkisches Kettenwerk GmbH (Alkett) II 23, 152, 335,337; III 178 -WerkBerlin-Borsigwalde III 178 -WerkFalkensee III 178 -WerkSpandau III 178 Aluminiumwerke GmbH II 564-565 Ammoniakwerke Merseburg GmbH (Leunawerke) s. a. IG Farbenindustrie AG I 74; II 250-251, 350, 353, 525 Anilinchemie AG 155 Anorgana GmbH 11523-524 Anschütz u. Co. GmbH II 313, 347 Arado Flugzeugwerke GmbH II 310-311, 537; III

168 - W e r k Brandenburg/Havel 111267,277 -WerkNeuendorf III277 -WerkPotsdam-Babelsberg I I I 2 6 7 -WerkRathenow III267 Arbed II 103

Ardelt-Werke II 337; III 277 Argus Motorenwerke GmbH III 197, 270 Askania AG II 155; III 197 ATG III 168 Atlas-Werke AG III 542 Auer-Gesellschaft II 225,272,347; III 206, 267, 278, 287 August Klönne II 103 August Spitta Söhne Brandenburg/Havel III 277 August-Thyssen-Hütte II 69, 274 Auto-Union AG II 12,33,66,314-315; III 52 -WerkChemnitz-Siegmar III 178,242 -WerkZwickau III 178 Badische Anilin- und Soda-Fabrik AG (BASF) III 649 -WerkLudwigshafen III 158 Bahnbedarfs AG Potsdam-Babelsberg III 280 Ballestrem'sche Güterdirektion, Grafv. s. Vereinigte Oberschlesische Hüttenwerke AG (Oberhütte) Baltische 01 GmbH 11419,480 Bank der Deutschen Arbeit II 527 Bank der Deutschen Luftfahrt AG II 16, 149, 401, 522-526; III 569, 628 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich II 511; III 514, 564,570,600, 722 Bank of England III 609 Bank von Griechenland III 370,439 Bankhaus I. H. Stein & Co. II 103 Bankhaus J. Charles & Co. III 569 Bankhaus Sturzenegger & Cie. III 568 Banque Générale de Luxembourg 1188 Banque de Paris et des Pays-Bas III 314, 335 Bataafse Petroleum-Maatschappij III 323 Bayer AG III 604 -WerkLeverkusen III 158 Bayerische Motorenwerke AG (BMW) II 65, 148, 164, 225,272,310, 312-314; III 169, 175, 288 BédauxN. V. Amsterdam III 528-529 Belgisch-europäisches Syndikat für die Landwirtschafts- und Industrieansiedlung III 337 J. P. Bemberg AG II 103

804 Bergbau AG Ewald König Ludwig Zeche Ewald Fortsetzung III 257-258 Berg- und Hüttenwerks-Gesellschaft AG (Berghatte) I 185, 189; II 72, 86, 88, 164, 540 Berg- und Hüttenwerkgesellschaft Ost mbH (BHO) I 201, 237; II 412-413, 415-418, 427, 461-469, 473, 475, 542, 546, 549 Berghütte s. Berg- und HQttenwerks-Gesellschaft AG Berghütte Ost (BHO) s. Berg- und Hattenwerkgesellschaft Ost mbH Bergmann & Co. III 285 Bergmann-Elektrizitäts-Werke AG II 50, 172, 393, 558 Bergwerksgesellschaft Hibernia AG I 134; II 286, 428, 458; III 253 Berliner Handelsgesellschaft 1237; II 554; III 551 Berliner Pfandleihanstalt III 721 Berndorfer Metallwarenfabrik Arthur Krupp AG 155 BHO s. Berg- und Hüttenwerkgesellschaft Ost mbH Bienefeld & Co. GmbH - Glaswerk Welzow N. L., Germaniahütte III 269270 Blohm & Voss II 65,163 BMW s. Bayerische Motorenwerke AG Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation AG 1119; II 65, 103, 172,268; III 185,241 Gebr. Böhler u. Co. AG II 542; III 631 Böhmische Escompte-Bank und Creditanstalt 158 Böhmische Union-Bank I 58 Böhmisch-Mährische Maschinenfabrik Brünn (BMM) III 178 Boehringer II 273 Boi Brügge III 338 Borsig-Lokomotiv-Werke GmbH II 556-557 Borussia GmbH 1236; II 479 Bonita S. A. (Przemysl· Chemiczny Boruta) I 195 Bosch s. Robert Bosch GmbH Brabag s. Braunkohle-Benzin AG Brauerei Falkenthal Königsberg/Nm. III 269 Braunkohle-Benzin AG (Brabag) I 237; II 225-226 - Werk Schwarzheide-Ruhland III 276-278 Breitkopf & Härtel II 152 Brown, Boveri & Cie. AG II 555 Brüder Hasslacher & Co. III 544 Brünner Waffen II 550 Bulgarische Nationalbank III 441 Bunawerke - Auschwitz I 113; II 17, 356-357 - Hals/Marl 123; II 141, 356-357; III 87, 151 -Leverkusen III 151

Register - Ludwigshafen II 356; III 151 - Schkopau 123; II 356-357; III 151 Bundesbank 1237 Büssing NAG II 12, 65, 314-315, 556 C. Lorenz AG s. I. T. T. u. Lorenz AG Carl Hohr AG II 274 Carl Spaeter GmbH 1312, 330 Carl Zeiss I 152, 156, 169, 201; II 68, 103, 140, 162-163, 172, 241, 274, 311, 320, 393, 396, 412, 559-560; III 571,598 - Zeiss-Ikon AG II 313, 396; III 231 Chase National Bank III 530 Chemiczna Fabryka Wola Krzystoporska 1193 Chemie Ost GmbH II 393 Chemische Fabrik von Heyden AG I 56-57 Chemische Werke Hüls GmbH II 524 Christian Dierig AG I 52; II 138, 393, 537 Cofa Mailand III 407 Commerz- und Privatbank (bis 1940) s. Commerzbank AG Commerzbank AG I 154, 193; II 69, 98; III 12, 609-610 Compagnie Française des Mines de Bor 1 189-190, 194 Continental Gummi-Werke AG II 537 Creditanstalt-Bankverein AG s. a. österreichische Creditanstalt - Wiener Bankverein I 56; II 149, 426, 429; III 544 Croon s. Aachener Tuchfabrik Daimler-Benz AG I 116; II 23, 53, 68, 183, 225, 310, 315, 337, 372; III 276, 293, 567, 603-605, 608, 610 - Wirtschaftspolitische Abteilung III 603 - Werk Hochwalde „Schachtelhalm" III 273, 293 - Werk Obrigheim/Neckar „Goldfisch" III 291 294,298,610 Daimler-Benz Motorenwerke GmbH Genshagen III 29, 242, 267, 272-277, 279-280, 285, 287305, 610 Daimler-Benz Motorenwerk Berlin-Marienfelde III 15, 178,273, 275,290 Danat-Bank s. Darmstädter und Nationalbank Dansk Cement Central A. S. III 327-329 Danziger Werft AG II 217 Darmstädter und Nationalbank 149 de Bok Shitomir III 326 Degussa AG (Deutsche Gold- und. Silber-Scheideanstalt vorm. Roessler) I 170, 203; II 149, 225, 272, 347, 367, 394, 537; III 207, 270, 604 Dehomag s. Deutsche Hollerith Maschinen GmbH

Finnen Dcleu Schönhagen III 282 Demag AG I 156; II 22, 65, 144, 155, 173, 225, 317,335,372,395; III 544, 547 Demag Fahrzeugwerke Falkensee III 199-200,267 Deutsch-Asiatische Bank AG II 410 Deutsch-Südamerikanische Bank AG III 410 Deutsche Bank AG (bis 1937 Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft) I 50-52, 56, 58, 62, 105, 154, 156, 175-176, 182, 185, 187-188, 191, 193, 198, 235-238; II 3, 16, 47, 53, 60, 103, 172, 253, 273-274, 295, 393, 396-397, 400, 403-104, 410, 420-421, 424-429, 445, 479, 517, 520, 524, 534, 540-541, 553-558, 562, 564; III 12, 30, 43, 309, 319, 321, 394, 424, 512-514, 520, 528, 535, 537, 540, 566, 570-572, 574, 586, 598, 609-610 - Volkswirtschaftliche Abteilung III 514, 551-552 Deutsche Bau- und Bodenbank II 525 Deutsche Bergwerks- und HQttenbaugesellschaft mbH II 467 Deutsche Continental-Gasgesellschaft (DCGG) II 554-555 Deutsche Edelstahlwerke AG II 68 Deutsche Erdöi-AG 1236-237 Deutsche Golddiskontbank III 490 Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vorm. Roessler s. Degussa AG Deutsche Hollerith Maschinen GmbH (Dehomag) s.a. IBM III 529-530 Deutsche Industriebank AG II 523, 525, 537 Deutsche Reichsbahn II 195, 227, 318, 358, 384; III 17, 90-91, 93, 123-125, 228, 438, 622-623, 628-630,650,660-661,706 - Zen trai verkehrsleitstelle III 628 Deutsche Reichsbank I 30, 48-50, 55, 61, 237; III 362, 394, 396, 399, 423, 426, 441, 504-505, 514517, 520, 540, 564, 569, 570, 600, 693, 697-698, 706-717, 721, 724-734 - Reichsbankdirektorium 130 - Reichsbankpräsident 149,110,236 - Volkswirtschaftliche Abteilung der III 515-516, 533, 546, 729-734 - Zentralausschußder 162, 199 Deutsche Revisions- und Treuhand AG III 533 Deutsche Solvay-Werke AG I 183, 190, 194; III 310 Deutsche Sprengstoff-Chemie GmbH II 523-524 Deutsche Telefonwerke und Kabelindustrie AG II 555 Deutsche Verrechnungskasse III 490, 506, 516, 726-727 Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG (DWM) II 130, 524, 537; III 90 Deutsche Werft AG II 556

805 Deutsches Kalisyndikat GmbH I 37, 117, 153; II 396 Didier-Werke AG 1156; II 396, 404 Dierig AG s. Christian Dierig AG Dillinger Hütte AG II 540 Dnjepr-Stahl GmbH II 468, 472-473, 546 Dornier-Werke GmbH II 282-283; III 175 - W e r k Friedrichshafen III 168 - W e r k W i s m a r III 168 Dortmund-Hörder Hüttenverein AG II 194, 468; III 185 Dortmunder Drahtseil werke GmbH s. a. Hoesch AG III 649 Dortmunder Union Brückenbau AG II 468 Dreilinden Maschinenbau GmbH Kleinmachnow III 278 Dresdner Bank AG 149-50, 56-58, 154, 185, 187, 191, 193, 236-238; II 16, 69 77, 103, 401, 403, 421, 547; III 124, 309, 329, 335, 523, 552, 586, 609-610 Dupont 139 Dürener Metallwerke AG II 537 - Berlin-Borsigwalde III 269 DWM s. Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG Dyckerhoffu. Widmann AG II 225 Dyckerhoff Zementwerke AG II 149 Dynamit Nobel AG (vorm. Alfred Nobel u. Co.) II 71, 130, 393, 523-524

Ebeling Prenzlau III 284 Eibia GmbH 11216,524 Eisenwerk-Gesellschaft MaximilianshQtte s. Friedrich Flick KG Eläon III 384 Elektrische Licht- und Kraftanlagen AG III 586 Elektrizitätswerke - Bessenrath III 160 -Böhlen III 161 - Espenhain-Molbis III 161 - Essen Zentrale III 160-161 -Fortuna III 160-161 -Frimmersdorf III 161 -Goldenberg III 160 - Hattingen III 161 - Köpchenwerk III 161 -Reisholz III 160-161 -Thalheim III 161 - Vereinigte Ville III 160 - Z u k u n f t III 160 Elektro- und Feinmechanische Industrie GmbH (Elfi) II 215; III 247

806 Elin und Schorch-Werke AG für elektrische Industrie II 347, 555 Elisabeth-Hütte O. Wiederholz Brandenburg/Havel III 277 Eltron, Dr. Th. Stiebel III 269,283 Emil Busch AG III 538 Erla Maschinenwerke III 168 Ernst Leitz GmbH II 564 Essener Steinkohlenbergwerke AG II 538-539 Europäische Clearingstelle und Creditanstalt III 514 Europäische Elektro-Standard Verwaltungsgesellschaft mbH III 530

Farbwerke Hoechst AG II 273; III 624 Feinmechanische Werke Neumühlen GmbH II 313 Feldmahle Papier- und Zellstoffwerke AG II 149 Ferrostaal AG II 165; III 30, 537 Fiat II 159 Fieseler-Werke GmbH II 272, 281 - Werke Cham und Kassel III 168, 197-198 Finsterwalder Maschinenbau AG (FIMAG) III 270 Flix/Inquiresa s. IG Farbenindustrie AG FNCE s. IG Farbenindustrie AG Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH II 556; III 168, 175,231,270,614 - W e r k Bremen 111270,634 - Werk Cottbus (Kottbus) III 267, 270, 276-277, 283, 634 - Werk Gassen III 267,270, 283,614,634 - W e r k Marienburg 11187,614,634 - W e r k Posen 111614,634 -WerkSommerfeld III270 - Werk Sorau III 267,270, 283, 614, 634 Ford-Werke AG II 315, 388; III 530 Francolor 1186-187 Franz Rasemann Elektroakustische Geräte Berlin III 269 Fremdsprachenverlag GmbH II 276 Friedrich Flick KG I 15, 38, 50-52, 56, 66, 100, 133-134, 154, 164, 185, 190, 195; II 80, 103, 143, 155, 172, 186, 225, 248, 267, 270-272, 277, 288-289, 393, 398, 403, 461, 540-542, 545-546, 564; III 242, 249,264, 586, 608 - Eisenwerk-Gesellschaft Maximilianshütte I 102, 202; II 271,289,393,461,474 - „Spreewerk" GmbH III 51 -WerkHennigsdorf III284 - Werk Lauchhammer III 284 - Werk Unterwellenborn (Maxhütte) II 289, 393, 461 - Zeche Monopol III 249

Register Fried. Krupp AG Essen I 15, 38, 50-52, 55, 62, 123, 128, 133, 153-154, 156, 185, 202; II 23, 50, 54, 71, 88-89, 122, 130, 141-142, 172, 215-216, 221, 225, 248-250, 271, 274, 277, 335, 369, 372, 393, 403, 418, 520, 527-529, 540, 542-546, 561564; III 185, 241, 244, 249-250, 255, 410, 604605, 608 - Friedrich-Alfred-Hütte Rheinhausen III 250, 255, 257-258,261 - Fried. Krupp Grusonwerk AG Magdeburg I 105; III 178-179 -Krupp-Stahlbau III243 Friedrich Bollemann Ing. Masch.-, Vorrichtungsund Apparatebau Bremen III 269 Friedrich Reitz OHG III 564-565 Frieseke & Höp&er III 281 Fritz Völk Luftbildgeräte Berlin III 269 Fritz Werner AG 111282,537 Fürstlich Pleßsche Industrieunternehmen I 134; II 277, 540 Gebag s. Gelsenkirchener Bergwerks AG Gebrüder Poensgen AG II 372 Gebrüder Thiel GmbH II 103 GEC s. General Electric Comp. Gelsenkirchener Bergwerks AG (Gebag) II 284 - Zeche Fürst Hardenberg Dortmund III 257-258, 620 General Electric Comp. (GEC) II 556-558 General Motors III 529-530 Georg v. Giesche's Erben 1169; II 67, 394 Georg Wissinger Spremberg III 270 Gerätewerk Pommern GmbH Stargard III 285 Gesellschaft fìlr elektrische Unternehmungen AG (Gesfilrel) 1185; II 556-558 •Gesellschaft fìlr elektroakustische und mechanische Apparate mbH II 555 Gesellschaft zur Verwertung chemischer Erzeugnisse mbH II 523-524 Gesfilrel s. Gesellschaft für elektrische Unternehmungen AG Gräflich Schaffgotsch'sche Werke GmbH s. Schaffgotsch Grelit Kunstharzwerk II 289 Grosserer Societät(s Komité) III 330 Grüneberger Metallwerke III 287 Gustav Fischer KG 11564-565 Gustloff-Werke I 55; II 77, 225 Gutehoffhungshütte Oberhausen AG s. a. Haniel 151, 92, 117, 128, 202; II 103, 165, 393, 405, 427,461, 540; III 64, 69, 129, 131-134, 255, 624 Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-AG s. Hapag

Firmen Haniel s. GutehofBiungshütte Oberhausen AG Hanomag II 6S, 172 Hansa-Bank Riga III 329 Hapag I IOS, 117; II 396; III 631 Harpener Bergbau AG II S38-S39; III 250 Hartkopp & KrOger III 415 Hasag s. Hugo Schneider AG Heeres-Rüstungs-KreditAG II 522-523 Heinkel-Werke AG II 14, 65, 130, 225, 291, 527; III 163,175 -WerkBarth III285 - Werk Oranienburg III 168,267,285-287 -WerkRostock III 168 -Werk Wien 11119,40 -WerkWittenberg III 168 Heinrich List Teltow III 272,276 Heinrich Lanz AG II 372, 537, 600 Heiion Pr&zisions-Optik Hertel, Urban & Co. Berlin III 269 Hellige II 347 Hellmuth Walter KG Kiel III 197 Henckel von Donnersmarck s. Industrieverwaltung der Grafen Henckel v. Donnersmarck Henkel & Cie. GmbH 1163 Henschel Flugmotorenbau GmbH III 7, 40, 168, 200,204 -WerkKassel III 178-179 -Werk Schönefeld 111241,267,287 Henschel Flugzeugwerke AG II 12, 65 Henschel & Sohn GmbH II 12, 23, 130, 155, 337, 372,396-397 Hibemia s. Bergwerksgesellschaft Hibernia AG Hirsch Kupfer- und Messingwerke AG II 556, 558 Hirtenberger Patronen-, Zündhütchen- und Metallwaren-Fabrik I 55 Hirth AG Neudamm III 283 Hispano-Suiza III 567 Hochtief AG II 47,103,225,249, 556 Hoesch AG I 50-51, 123, 125, 134, 185, 202; II 272, 393, 540, 546; III 255, 644, 649 - Dortmunder Drahtseilwerke GmbH III 649 - Zeche Radbod in Bockum-Hövel III 257-258, 261 Hugo Schneider AG (Hasag) 1175,225-226 Hütte Vulkan II 194 Hütten s. a. Stahlwerke (UdSSR) - Andreev II 468 - Azovstal I-II II 468 - Dzeiiinskij II 468 - Frunze II 468 -Kirov II468 - Krivoj Rog II 468 - KujbySev II 468

807 -Liebknecht 11468,472 -Ord&nokidze II 468 - Petrovskij II 468 - Stalino II 468 - Zaporoi'e II 468 Hydrierwerke II 353,356-357 -Auschwitz II 17; III 136, 142,153 - Blechhammer III 136, 143 -Böhlen 111136,141-143 - Brüx III 36,136, 143 -Gelsenberg III 36, 136,141-143,151 - Heydebreck III 136, 141-142, 153, 156 - Leuna III 35-36, 135-136, 139-143, 151, 153154, 156,174 -Ludwigshafen-Oppau III 136,142, 151, 153-154, 156 - Lützkendorf III 136,141 - Magdeburg II 16; III 136,142 -Moosbierbaum III 136,142,156 - Pölitz II 16, 306; III 36,136,139-143, 174, 625 -Scholven III 36, 136, 141-142, 151,257 -Welheim III 36, 136, 141-143 -Wesseling II 16; III 36,136,141-142 -Zeitz III 136, 142-143 IBM III 529 - Deutsche Hollerith Maschinen GmbH (Dehomag) III 529-530 IG Farbenindustrie AG s. a. Bunawerke I 15-16, 2324, 37-51, 56-59, 61-62, 88, 105, 107, 110-111, 113-114, 117-118, 121-122, 140-141, 145, 152, 155-156, 163, 168-172, 178, 184, 186-187, 189193, 195, 199, 201, 205-206, 211, 235-237; II 3, 9, 16, 18, 34, 40, 52, 56, 68-69, 71, 103, 106, 121, 145, 149, 173, 189, 220-221, 225-226, 247250, 262, 267, 273, 277, 347, 349-351, 353, 356, 367, 393-396, 399- 401, 403, 406-407, 412, 414, 424-429, 479, 482, 502, 515, 520-521, 523-525, 537-539, 541-542, 544, 547-548, 551-554, 556, 563-564, 566-567; III 5, 33, 96, 100, 102-103, 135-136, 139, 145, 154, 158, 202, 205-206, 241, 264, 308-309, 407, 435, 457, 511, 520, 527, 542, 544, 546, 547, 553, 568, 575, 577, 586, 606, 698 - Flix/Inquiresa III 542 -FNCE III 542 - „Seewerk" Falkenhagen/Brandenburg III 205, 207, 267,272-273 - Südostausschuß III 512 - Volkswirtschaftliche Abteilung III 512, 516, 525, 538, 576-577 - Werk Agfa Landsberg/Warthe III 241 - Werk Auschwitz 1113; III 207, 264 - Werk Dyhemfurth/Schlesien III 205-207

808 - Werk Falkenhagen/Brandenburg s. „Seewerk" - Werk Gendorf/Bayern III 205, 207 -WerkGersthofen III 158 -WerkHöllriegelskreuth III 158 - W e r k Landsberg/Warthe 111266,283 - Werk Lauterberg III 158 -WerkLeverkusen III 158 -WerkLudwigshafen III 158 -WerkPremnitz III266 -WerkWittenberge III266 Ilse Bergbau AG II 538 Ilseder Hütte AG II 538; III 253, 257,260 - Zeche Friedrich der Große Herne III 253, 256258, 260,262 Import-Union III 370,385, 387 Industrieverwaltung der Grafen Henckel von Donnersmarck 1185; II 540 International General Electric Corp. III 530, 569 Irak Petroleum Comp. II 408 I.T.T. II 555; III 530 - Standard Elektrizitätsgesellschaft AG III 530 Julius Pintsch KG II 561-562; III 267,278,284285 Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG II 12, 14-15, 33, 65, 151, 225, 272, 281, 526, 538, 545; III 168,172,175 - W e r k Dessau III 288 - W e r k Kassel III 288 -WerkNordhausen/Harz III26 Kalichemie AG III 207 Kalisyndikat s. Deutsches Kalisyndikat GmbH Kalle & Co. AG II 537 Kammgarnspinnerei Stöhr & Co. AG II 152 Karstadt AG III 610 Klangfilm GmbH II 558 Klöckner-Humboldt-Deutz AG II 134,372 Klöckner-Werke AG I 50-52, 156; II 134, 311, 540 Knorr-Bremse AG II 372 Kochs Adernähmaschinenwerke AG II 564 Kokschemisches Werk „Kalinin" II 468 Königs- u. Bismarckhütte, Werk Falvahütte III 264-265 Kontinentale ö l AG (Konti ö l ) I 176, 189, 205, 235-236, 238-239, 242; II 3-4, 407-409, 411, 419, 478-480, 482-185, 487, 489; III 103, 319, 523 Kontinentale Transport AG II 480 Kreditanstalt der Deutschen I 58; II 103 Krupp-Gruson Magdeburg s. Fried. Krupp AG Krupp-Stahlbau s. Fried. Krupp AG Kugelfischer G. Schäfer & Co. II 372

Register Kunz & Gnädig Birkenwerder III 275 Kurhessischer Kupferschieferbergbau GmbH Mansfeld AG Kurmärkische Metallwarenfabrik Liebenwalde III 287 Kurmärkische Zellwolle und Zellulose AG Wittenberge III 278

s.

Lanz AG s. Heinrich Lanz AG LATI 111407,465 Leipziger Wollkämmerei AG II 103, 518 Leunawerke s. Ammoniakwerke Merseburg GmbH Lorenz (C.) AG s. a. I. T. T. II 52, 155, 525, 557; III 530 - Lorenz AG Guben III 200, 283,287 - Lorenz Berlin III 271 Ludwig Loewe Fabriken AG II 558 Luftfahrtapparatebau GmbH Berlin III 269 Luftfahrtgerätewerke Berlin III 286 Luftfahrtkontor GmbH II 522 Luftschiffbau Zeppelin GmbH III 200 - Werk Oranienburg III 286 Luranil-Baugesellschaft mbH II 523 Magirus-Werke AG II 134 MAN s. Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG Mannesmannröhren-Werke AG I 50-52, 124, 133; II 47, 51, 65, 172, 274, 289, 306, 426, 514, 540; III 547 - Werk Duisburg-Huckingen III 255 -WerkGroßenbaum III 255 Mannesmann-Export GmbH III 544 Mansfeld AG für Bergbau und Hüttenbetrieb s. a. Salzdetfurth AG I 79, 170 189; II 265, 269, 280, 394, 527; III 547, 592 - Kurhessischer Kupferschieferbergbau GmbH 1101 - Mansfeldscher Kupferschieferbergbau AG I 28, 95,100; II 527-528 Mansfeld Prenzlau III 272 Margarine-Union s. Vereinigte Oel- und Fett-Werke AG Märkischer Metallbau Oranienburg III 168 Märkisches Walzwerk Strausberg III 283 MartinS. Α. III 542 Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN) II 315, 335, 372; III 7, 132, 178-179, 603-604, 616 Maschinenfabrik Niedersachsen Hannover (MNH) III 178 Maschinenfabrik (Alte) Ordjonikidze Kramatorsk II 468

Firmen Maschinenfabrik (Neue) Stalin Kramatorsk II 467468 Maschinenfabrik Schwartzkopff II 130, 272 Mauserwerke II 225 Maybach Motorenwerke AG II 23, 68; III 22, 178 Mechanische Werkstätten GmbH Neubrandenburg III 286 Melchers (C.) & Co. II 167, 396; III 532 Mercedes BQromaschinen AG 11316,376 Mercurbank AG I 56 Messerschmitt AG II 14, 130, 211, 225-226, 272; 11140,51,163, 169,204 - W e r k Augsburg 11127,168-169 -WerkHorgau III 169 - Werk Kaufering III 27 - Werk Mühldorflnn III 27 - W e r k Regensburg III 15, 16, 27, 87,168 - W e r k Wien III 87 Metallgesellschaft AG I 156, 169-170,203; II 367, 394; III 404, 410 Metallurgische Forschungsanstalt GmbH III 713714 Michael (C. B.) III 538 Minervastahl Scheffels & Wolf Hagen/Westf. III 269 Mines de Bor s. Compagnie Française des Mines de Bor Mitteldeutsche Stahlwerke AG (Mittelstahl) II 288, 475, 537, 545-546 Mittelstahl s. Mitteldeutsche Stahlwerke AG Mittelwerk GmbH s. a. Konzentrationslager Dora (Mittelbau) II 151-157, 224-225, 522; III 74-75, 198, 200,272, 606 Montan s. Verwertungsgesellschaft für Montanindustrie mbH Montan Industriewerke GmbH s. Verwertungsgesellschaft für Montan-Industrie mbH Monturon GmbH II 524 Mühlenbau und Industrie AG Braunschweig (MIAG) 1117,90,178 Müller (E.) III 276 Munitionsfabrik Döberitz III 275 Munitionsfabrik Hohensaaten III 275 Nationalbank Dänemarks III 471 Nationalbank Rumäniens III 480 Nationalbank Ungarns III 480 Nederlandse Bank 111318,320 Nederlandse Heide-Maatschappij III 317 Nederlandse OostbouwN.V. III 322-323 Nettelbeck Räschen III 283 Neumann & Borm Apparatebau-Ges. Berlin III 269

809 Neumarkwerk Küstrin III 287 Niederbarnimer Flugmotorenwerke III 278 Niederrheinische Hütte II 194 Niederschlesisches Steinkohlensyndikat II 306 Norddeutsche Aßinerie AG II 367 Norddeutsche Aluminium-Werke 1185 Norddeutsche Kabelwerke II 558 Norddeutsche Maschinenfabrik Luckenwalde III 282 Norddeutscher Lloyd I 105, 117; II 167, 396; III 532 Norsk Hydro 1189; II 402; III 310 Norsk Ostkompani A/S III 332 NSU Vereinigte Fahrzeugwerke AG Neckarsulm III 7 Oberhütte s. Vereinigte Oberschlesische Hüttenwerke AG Oberschlesisches Steinkohlensyndikat II 306; III 43 Oetker 1193; II 103, 564 Ölexport GmbH Berlin III 466 Ölfabrik Libau III 328 Olympia Büromaschinenwerke AG II 556 Opel s. Adam Opel AG Osram GmbH II 555, 557-558; III 241-242, 569, 610 - Werk Dogger Hersbruck III 610 - Werk Richard II Leitmeritz III 610 - Werk Weingut MühldorCInn III 610 Ost-Faser-Gesellschaft mbH II 149, 393; III 524 Osteibisches Braunkohlensyndikat I 133, 135, 139 Österreichisch-Alpine Montangesellschaft (bis 1938) s. Alpine Montangesellschaft Österreichische Creditanstalt - Wiener Bankverein s. a. Creditanstalt-Bankverein I 56; III 544 Ostland öl Vertriebs GmbH II 480 Ostöl GmbH 11480,485 Otto Wolff I 11, 185, 202-203; II 103, 393, 412; III 410 Péchiney III 528 Pelzer Gassen III 283 Petsamo Nikkeli OY III 435 Petschek(-Konzem) I 55-56; II 545 Philipp Holzmann AG II 225, 537 Philips 1 167,185; II 559, 561; III 314 Phönix Harburg III 90 PhrixAG 11134,607 Pittler Werkzeugmaschinenfabrik AG II 537 Pless s. Fürstlich Pleßsche Industrieunternehmen Porzellanfabrik Kahla; Hescho III 12,43

810 Prager Verein s. Verein für chemische und metallurgische Produktion Preß-und Walzwerk AG II 537 Preussag s. Preußische Bergwerks- und Hütten-AG Preußische Bergwerks- und H0tten-AG I 50, 133134, 185,237; II 186, 394, 540, 548 Preußische Staatsmünze III 721 Quandt(-Konzern) II 537, 555 Rax-Werke Wien III 200 Reemtsma H. F. und Ph. F. KG III 533, 586 Reichsbank s. Deutsche Reichsbank Reichs-Kredit-Gesellschaft AG 1237; III 523-524, 586 Reichsdruckeret III 486 Reichshauptbank III 490 Reichswerke AG für Binnenschifffahrt „Hermann Göring" II 547 Reichswerke AG für Erzbergbau und Eisenhütten „Hermann Göring" I 24, 50-51, 133, 140-142, 154-155, 182, 185, 189, 202-203, 236; II 20, 35, 65, 67 77, 85, 87, 89, 172, 188, 225-226, 247248, 393, 395-396,412, 427, 462, 485, 526, 540542, 546-552, 564; III 34, 103, 134, 257-258, 523, 606-607 - Bergwerksverwaltung Oberschlesien GmbH 1190,203 Reichswerke AG für Waffen- und Maschinenbau „Hermann Gôring" II 546-547, 550 Rekord-Gummifabrik Schwiebus III 283 Renault II 338 Rheinisch-Westfälische WasserreinigungsGesellschaft mbH III 415 Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE) 1133 Rheinisch-Westfälisches Kohlensyndikat 192, 117, 134, 139, 175; II 86, 143-144, 306; III 65, 126, 250,438,624 Rheinische AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation (Rheinbraun) 1133 Rheinische Stahlwerke AG (Rheinstahl) II 144 Rheinisches Braunkohlensyndikat 1133 Rheinmetall-Borsig AG 1123; II 526, 548; III 178, 185, 202,204,480 - Werk Bankhütte Dombrowa III 202 - Werk Berlin-Marienfelde III 202 - Werk Berlin-Tegel III 270 -WerkBreslau III 197 -WerkGuben III283 Rheinstahl s. Rheinische Stahlwerke AG Riedel de Haen AG III 207 Robert Bosch GmbH I 39, 52,62, 117, 152, 156; II 183, 520

Register Röchling AG 1 15, 38, 50, 185; II 68, 88-89, 103, 172,540,546; 111201,631 Röchling-Buderus AG II 262 Röchling'sche Eisen- und Stahlwerke GmbH s. Röchling AG Rohstoffhandelsgesellschaft mbH (ROGES) III 724 Rombacher Hüttenwerke GmbH s. a. Société Lorraine des Aciéries de Rombas 1164; II 546 Rothe-Erde-Gesellschaft Esch (Minettegrube) III 272, 337 Royal Dutch Shell Co. s. Shell Ruhrchemie AG II 291 Ruhrstahl AG - Annener Gußstahlwerk Witten-Annen III 257258 - Werk Henrichshütte Hattingen III 257-258 - Wittener Gußstahlwerk III 257-258,261,263 Rüstungskontor GmbH II 69,156, 518, 522-523 Rütgerswerke-AG 157 Sachsenwerk Licht- und Kraft AG II 555; III 18, 22, 236 Salzdetfurth AG s. a. Mansfeld AG 128-29, 78, 95, 98, 100, 133, 160, 185, 189-190, 194; II 257, 367, 527; III 547, 586, 592, 601-602, 604, 654, 656 Saurer II 315 Schaffgotsch (Gräflich Schaffgotsch'sche Werke GmbH) 1 134, 185; II 103, 540; III 224 Schering AG 111604,607 Schlegel Golssen III 283 Schlesag II 528 Schmidt (F. W.) Tuchfabrik Guben III 271 Schneider-Creusot III 528 Schoeller-Bleckmann Stahlwerke AG I 202; II 103, 393 Schwartzkopff s. Maschinenfabrik Schwartzkopff Schweizerische Kreditanstalt III 568 Schweizerische Nationalbank III 600, 722 Seiffert & Co. III 284 SEMA S. A. s. Siemens Shell AG 1167, 194 - Koninklijke Shell I 167 - Royal Dutch Shell Co. I 167; II 408; III 314, 318-319, 323 Siemens - Siemens AG I 50, 52, 116-117, 122, 152, 154, 156; II 50-52, 66-67, 85, 149, 172, 225-226, 249, 253, 320,393-394, 554-559, 562, 564; III 3, 7, 8, 12, 40, 182, 200, 224, 530, 542, 547, 586, 606, 608, 659 - SEMA S. A. III 569

Firmen - Siemens China-Company III 424 - Siemens & Halske AG II 71, 130-131, 155, 172, 253, 394, 520, 537, 554-556, 562; III 7, 286-287, 568, 608 - Siemens-Planiawerke AG II 555 - Siemens-Reinigerwerke AG II 555 - Siemens-Schuckertwerke AG II 68, 302, 394, 537, 554-556; III 540,608 Silva-Metallwerke GmbH Genthin III 286 Skodawerke AG I 25; II 315, 546, 550; III 178, 528,544 Skodawerke-Wetzler AG 155,192 Smidth (F. L.) Kopenhagen III 329 Soc. An. Mercantile Esportazioni Mesport Genua III 410 Société Générale de Belgique 1 138, 187-188,191; III 308,310,314 Société Lorraine des Aciéries de Rombas s. Rombacher Hüttenwerke GmbH Solvay s. Deutsche Solvay-Werke AG Sommerfelder Textilwerke Fritz Tillmann Sommerfeld Ν. L. III 269 Spaeter GmbH s. Carl Spaeter GmbH Spandauer Stahlindustrie GmbH II 272 Speicher Vierguts Königsberg/Nm. III 269 Spinnerei & Weberei (frühere) ZOllichau III 269 Spreewerk GmbH s. Friedrich Flick KG Stahlwerke Braunschweig GmbH II 467 Stahlwerke s. a. Hotten (UdSSR) - K e r t II 474 - Konstantinovka II 468 -Kujbyäev II 468 - Makeevka II 468 -Mariupol' 11468,472 -Taganrog II468 Stahlwerks-Verband AG I 58; II 307 Standard Oil Company ofNew Jersey III 465 Staudt & Co. III 538 Steingutfabrik Nieder-Ullersdorf III 270 Steyr-Daimler-Puch AG II 20, 550; III 27, 240, 607 -Nibelungenwerk St. Valentin III 178 Stickstoff Ost GmbH II 393 Stickstoffsyndikat II 394 Stiebel-Eltron s. Eltron StoewerAG II 314 Stoiberger Zink II 528 Stumm(-Konzem) II 540 SOdost-Montan GmbH III 356 Sujewo-Kraftwerk II 469 Synthesewerke - Essener Steinkohle III 136 - Hoesch III 136

811 - K r u p p III 136 - Ludwigshafen-Oppau II 350 - Lützkendorf III 136 - Rheinpreußen 136 - Ruhrchemie III 136 - Schaffgotsch III 136 -Schwarzheide 111 136,266 - Victor III 136 Telefunken Gesellschaft für drahtlose Télégraphié mbH II 52, 555, 557, 559; III 8, 200, 270, 542 Theodor Goldschmidt AG III 207 Thüringische Zellwolle AG II 69 Thyssen(-Konzern) s. a. Vereinigte Stahlwerke AG 1 15,49-52; III 3,129-130,133. 224, 243, 263 Tischlerei Günther Züllichau III 269 Transdania A/S. Kopenhagen III 330 Transdanubia Ein- und Ausfuhrgesellschaft mbH III 538 Traugott Schulze Finsterwalde N. L. III 269 Tuchfabrik Wittstock III 277 Tuchfabrik AG Sommerfeld N . L . III 269 Tuchfabrik Högelheimer Forst/Lausitz III 269 Tuchfabrik Hugo Pürschel III 269 Tuchfabrik Kulcke & Moll Sommerfeld N. L. III 269 Tuchfabrik Paul Altner Forst/Lausitz III 269 Tuchfabrik v. Müffling & Co. Cottbus III 269 U. S. M. A. (Werft) Kiew III 326 Oberlandtransport III 386 Ugine III 528 Ukraine ö l Vertriebs GmbH II 480 Unilever s. a. Margarine-Union 1237; II 426; III 310 Union Sils van de Loo & Co. -Werk Fröndenberg 111257-258,261 -WerkWerl III257-259 United Kingdom Commercial Corporation Ltd. 111419,440 Usines Renault III 528 Veltener Maschinenbau GmbH III 286 Verein für chemische und metallurgische Produktion I 56; III 100,102 Vereinigte Aluminiumwerke AG II 16, 32, 367, 394,401-402, 537-538; III 523 Vereinigte Eisenbahn-Signalwerke GmbH II 555, 558 Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG (VGF) II 103, 149, 274; III 528 Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG (Viag) I 50-51, 133, 185; II 367,400,413, 538

812 Vereinigte Kugellagerfabriken AG II 372, 537 - Werk Cannstatt III 274 - W e r k E r k n e r III274 - Werk Schweinfurt III 15, 87,274 - Werk Steyr III 274 Vereinigte Lausitzer GlashOttenwerke AG - Werk Fürstenberg/Oder III 270 Vereinigte Oberschlesische Hüttenwerke AG s. a. Ballestrem'sche Güterdirektion, Graf v. I 134, 185, 203-204; II 86, 89, 103, 393, 540, 545 Vereinigte Oel- und Fett-Werke AG s. MargarineUnion Vereinigte Stahlwerke AG I 40, 49-51, 55, 107, 117, 121, 128, 133-134, 151, 156, 165, 203; II 32, 49, 51, 67-69, 85, 89,103, 106, 143-144, 149, 172, 225, 272, 393, 395-396, 403, 514, 537-538, 540-542, 544-545, 548, 551-552, 554, 556, 564; III 3, 45, 66, 129, 132-133, 224, 242, 249-250, 257-258,263, 547, 586, 620, 631 Verwertungsgesellschaft filr Montan-Industrie mbH (Montan) 147; II 523-524 VGF s. Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG Viag s. Vereinigte Industrie-Unternehmungen AG Vidal & Sohn II 315 Voigt & Haefiner AG II 555, 564 Volkswagen werk GmbH I 128; II 20, 122, 130, 225-226; III 7, 198, 607 Vomag Plauen III 178 W. und F. Baumgarten Neudamm III 269 Waggon-Fabrik Bautzen III 242 Waggonfabrik Pravda II 468 Wanderer-Werke AG II 152, 316, 376 Waren-Commissions AG II 524 Wasag s. Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG Wayss & Freytag AG II 225; III 31 Wehag Westdeutsche Haushaltsversorgung AG Bochum III 263

Register Weltbank III 734 Weserflug Bremen III 168 Westfälisch-Anhaltische Sprengstoff AG Chem. Fabriken II 68, 71, 523-524, 537 Werke s. a. Stahlwerke (UdSSR) - A r t e m II 468 - DSMO II 468 -ΙΓίδ II 468 - Komintern I-III II 468 -Lenin II468 -Molotov I I 4 6 8 -RuCenkovo II 468 - Voroäilov II 468 - ZaporoZstal II 468 WiemerÄ Trachte AG III 31 Wiener Lokomotivfabriks AG II 372 Wiener-Neustädter Flugzeugwerke III 168 WilhelmshQtte bei Sorau III 269 Wintershall AG I 57, 237; II 186, 257, 482, 527528 - Spritzgußwerk Fusor Berlin III 269 Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH II 156, 522, 524-525 Wola s. Chemiczna Fabryka Wola Krzystoporska Württembergische Metallwarenfabrik III 241 Zahnradfabrik Friedrichshafen AG II 68, 372; III 22 Zeiss-Ikon AG s. Carl Zeiss Zellstoffabrik Waldhof AG II 527 Zementfabrik Port-Kunda III 328-329 Zentrale Handelsgesellschaft Ost mbH (ZHO) II 499-500 Zeppelin II 68 Ziegelei Albrechtsdorf III 269 ¿ivnostenska banka (Zivno-Bank) I 56-57 Zündapp II 314

5. Verzeichnis der Behörden und Institutionen Von Martina Dietrich

Abwehr (OKW) II 189; III 103, 643, 652 Abwehrbeauftragter 11249,251 Adolf-Hitler-Spende III 547 Akademie für Deutsches Recht III 517, 552, 588 - Arbeitsgruppe Außenwirtschaft III 517

- Arbeitsgruppe Erwin v. Beckerath s. Arbeitsgruppe Volkswirtschaftslehre - Arbeitsgruppe Finanzwirtschaft III 517 - Arbeitsgruppe Geld und Kredit III 517 -Arbeitsgruppe Preispolitik III 517, 519

813

Behörden und Institutionen - Arbeitsgruppe Volkswirtschaftslehre III 517-522, 556 Alldeutscher Verband II 283,442 Alliierte III 86-89, 91, 94, 96, 111, 121, 136, 143, 170-171, 180, 207, 463, 467, 484, 496, 504, 506, 546, 568, 596, 600, 621, 668 - Alliierter Oberster Kriegsrat III 414 Antinazistische Deutsche Volksfront II 291 Arbeitsämter I 72; II 181-182, 211, 215, 220, 228, 243,245-246, 608-609 -Artern II 186 -BadDürrenberg II 186 -Eisenach II 186 - Bad Hersfeld 195 -Halle/Saale 128; II 186 -Hessen II263 -Mitteldeutschland II614 -Oberschlesien 195 -Sangerhausen II 186 -Thüringen II608 -Westfalen II 143 ArbeitsausschuB für die Ost- und Südostarbeit beim Außenministerium (Dänemark) s. a. Udenrigsudvalget III 342 Arbeitseinsatzingenieur(e) III 250, 281 Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen III 537539, 543-547, 566-567, 571-577, 581, 584-588, 591, 595 - Ernährungswirtschaftlicher Außenhandelsausschuß 111539,587-588,591 Arbeitslager Zement s. Konzentrationslager Arbeitsstab Dornberger III 75 Arbeitsstab Rußland 1232-234 Arbejdsudvalget til Fremme af dansk Initiativ i 0stog Sydesteuropa III 328 Armeeoberkommando III 5 s. a. Heer Auslandswissenschaftliches Institut der Universität Berlin III 474 Austrveg III 333 Auswärtiges Amt (AA) s. a. Reichsaußenminister 1 18, 57, 60-61, 105, 176, 187, 199; II 157, 177, 203, 212, 396, 407-108, 423, 426; III 103, 238239, 315, 328-330, 335, 339-341, 362, 406-408, 410-419, 424-430, 432-444, 449-505, 510, 538, 569 - Handelspolitische Abteilung III 437, 460, 465, 479 - Sonderbeauftragter(bevollmächtigter) für den SOdosten 111362,384 Außenhandelskommissar für die Aufteilung der griechischen Ausfuhren (Italien) III 460 Außenm inister(ium) -Belgiens III425

-Dänemarks III471 -Finnlands III415 -Schwedens III49 -derTürkei III478 - USA s. State Department Beamtenbund von Iraklion III 373 Beauftragter - Albanien des GBM Südost III 357 - für den Chromerzbergbau Südost III 358 - fur das Flugzeugprogramm im Rüstungsstab s. RMRuK - Griechenland des GBM Südost III 355 - für die Leistungssteigerung im Bergbau s. a. Vierjahresplan(-Organisation) 1133, 139 - für die Munitionsfertigung in der Ukraine II 465 - für die Verlagerung der Elektroindustrie im Rüstungsamt s. RMRuK - für den Vieijahresplan s. Vierjahresplan-Organisation - für Wirtschaftsfragen beim Bevollmächtigten des Deutschen Reiches in Dänemark III 471 - für die zentrale Bearbeitung der Fragen des osteuropäischen Raumes 1238-240 Befehlshaber Südgriechenland beim OB Südost III 361 Beratender Handelspolitischer Ausschuß des Aussenministeriums (Dänemark) III 328 Bevollmächtigter - des Deutschen Reiches für Dänemark III 471, 493 - des Deutschen Reiches für Griechenland III 459 - des Großdeutschen Reiches in Italien II 158 - für Sonderaufgaben s. RMfbO - des Vierjahresplans für die Maschinenproduktion II 65 - Wirtschaftsstab 111459^60 - für Wirtschaftstransporte des RMRuK s. RMRuK Britische Botschaft in Moskau III 449 Brüderliche Zusammenarbeit der Kriegsgefangenen II 291 Bundeswirtschaftsministerium III 554 Centraiverband des Bank- und Bankiergewerbes III 707 Chef der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD) s. a. Reichsführer SS, s. a. Reichsministerfium) des Innern II 173-174, 275, 279, 440,447; III 697, 720 Chef der deutschen Militärverwaltung in Italien II 165 China-Studiengesellschaft Berlin III 424 Clearing- und Währungsausschuß III 546

814 Comités d'Organisation III 527 Commissie tot uitzending van landbouwers naar Oost-Europa III 316-317 Deutsche Gruppe kolonialwirtschaftlicher Unternehmungen (Deko-Gruppe) s. Reichswirtschaftskammer Departement für Handel, Gewerbe und Schi führt (Niederlande) 111312,317 Departement für Landwirtschaft und Fischerei (Niederlande) III 316-317 Deutsch-Amerikanischer Wirtschaftsverband 1156; III 571, 598 Deutsch-Französische Handelskammer 1156 Deutsche Arbeitsfront (DAF) 198, 113, 235; II 57, 59, 61, 77, 89, 251-253, 257-258, 264, 269, 270, 276, 279, 298, 305-306, 575; III 13, 67, 77, 113, 225, 248,264,270, 276, 642, 648-649 - Amt für Arbeitseinsatz II 270; III 648 - Amt für Leistungsertüchtigung II 305 - Amt f&r Technische Wissenschaften II 304 - Amt Schönheit der Arbeit II 57 - Arbeitswissenschaftliches Institut I 75; II 279; III 248 - Einsatzstab Ruhr II 143-144 - Fachamt Bergbau 11252,264 - Gauobleute II 44, 57, 64, 73, 83, 85, 522 Deutsche Botschaft in -Ankara 111428,480,499 -Madrid 111428,491,567 -Moskau III428 - P a r i s ΙΠ 530 - R o m 111404,428-429,460 - S o f i a III480 - T o k i o II 395, 491; III428,487 Deutsche Gesandtschaft in - B e r n III454, 506-507 -Bukarest III442 - D e n Haag 111414,419 -Helsinki 111415,472 -Stockholm 111439,470-471,496-497 Deutsche Gesellschaft für Psychologie II 279 Deutsche Girozentrale III 708 Deutsche Handelskammer in -Dänemark 111329-330,343 - den Niederlanden III 319 -Schweden III 570 - d e r Schweiz III 570 Deutsche Reichsbahn II 195, 227, 318, 358, 384; III 17, 90-91, 93, 123-125, 228, 438, 622-623, 628-630, 650, 660-661, 706 - Zentralverkehrsleitstelle III 628

Register Deutsche Sachverständigenkommission für den Holzplan 1943 III 473 Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt III 202, 204 Deutsche Waffenstillstands-Delegation für Wirtschaft (bei der Deutschen Waffenstillstandskommission) 1 187, 250; III 402,452-153, 484 Deutscher Normenausschuß II 303 Deutscher RegierungsausschuB für die Wirtschaftsverhandlungen mit -Bulgarien 111441,490 -Dänemark III433 -Finnland III472-473 -Griechenland III439 -Italien 111406-407,429 - Jugoslawien III 440 -Rumänien III 501 -Schweden 111438,494 -derSlowakei III490 -Ungarn III441 Deutscher Wehrwirtschaftsoffizier in Ungarn III 92 Deutscher Generalkonsul in Addis Abeba 1176 Deutsches Afrika-Korps III 457,484 Deutsches Auslandswissenschaftliches Institut III 580 Deutsches Generalkonsulat in Mailand III 429 Deutsches Institut für Bankwissenschaft und Bankwesen 111520,551 Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung I 203; II 36, 149, 261, 266, 395, 429, 603; III 474, 512, 525, 554, 584 -Agrarreferat III 587-588 - Industrieabteilung III 523 - Oberschlesisches Institut für Wirtschaftsforschung 1204-205; II 238,240, 393 - Schlesisches Institut filr Wirtschaftsforschung 1204 - Verwaltungsausschuß III 584 Deutsches Konsulat in - L u l e a III 469 -Triest III 404 Deutsches Nachrichtenbüro II 456 Deutsches Rotes Kreuz II 384; III 228 Deutsches Staatsministerium für Böhmen und Mähren III 70 Deutsches Torfinstitut für den Osten (Kauen) III 333-334 Devisenstelle Berlin III 568 Devlag III 338 Direktorat für innere Angelegenheiten beim Fylkeskommissar in Norwegen III 333 Dreierausschuß II 80

Behörden und Institutionen Drei-Manner-Kollegium II 128, 168, 232 Edelstahlverband II 307 Eisen- und Stahlgemeinschaft II 90 Ernährungsämter II 216, S81, S83 Ernährungs- und Wirtschaftsamt der Stadt Essen 168 Erprobungsstelle des RLM Peenemünde-West s. RLM Ersatzheer s. Heer Ethniko Apelevtherotiko Metopo (EAM) III 376 Fachgemeinschaft Eisen- und Metallindustrie I 126; II 393 Fachgruppen - BOromaschinen II 376 - Chemische Industrie III 640 - Edelstahl 1202; II 393,398,461 - Metallerzbergbau 1100,166,170, 190, 203; II 394 - Metallerzeugende Industrie I 165-166, 170, 190, 203; 394,398 Finanzministerium -Griechenlands III459 -derNiederlande I I I 3 1 8 - U n g a r n s III502 - d e r USA III 565 Finnische Sachverständigenkommission für den Holzplan 1943 III473 Finnischer RegierungsausschuQ für die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland III 473 Fördergemeinschaft der deutschen Industrie III 547-548, 555, 585 Foreign Economic Administration III 565 Foreign Office III 453 Forschungsstelle für allgemeine und textile Marktwirtschaft an der Universität Münster III 215, 531-532 Forschungsstelle für Wehrwirtschaft 11510-511 Freikorps Adolf Hitler III 626 Fylkeskommissar (Norwegen) III 333 Gauamtsleiter für Technik III 77 Gauarbeitsämter III 41, 120, 224, 235, 271, 281, 636, 638-641 Gauleiter s. NSDAP Gauwirtschaftskammern II 74, 92, 95-99, 101-104, 144,146,165,276; III 248, 631 -Franken III648 - H a m b u r g III 567 -Ost-Hannover III648 - Schleswig-Holstein III 638 Geheime Feldpolizei III 360

815 Geheime Staatspolizei (Gestapo) I 66, 99, 182; II 264, 268, 272-273, 289; III 275, 564, 647, 651, 653 - Stapoleitstellen 111647,651 Gemeinsamer Deutscher Finanzrat III 605 - Arbeitsstab zur Feststellung der Reichsverschuldung III 605 Gemeinschaftsgruppe Deutscher Hypothekenbanken III 588 Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt II 14,19,24, 56-57, 59, 93,108 Generalbeauftragter für Betriebsumsetzungen s. a. RMRuK 11 150-151,234 Generalbeauftragter für die Werke der Eisen schaffenden Industrie in Lothringen und Meurthe et Moselle-SOd II 90 Generalbevollmächtigter - für den Arbeitseinsatz (GBA) II 45, 64, 74, 7679, 81, 83, 96, 105-106, 114, 125-126, 154, 162, 171, 179, 198, 202-211, 215-220, 222, 226,-227,230,232-234, 236,238-244,246-247, 251, 256-258, 265, 268, 270, 274-277, 279, 281, 284, 286, 306, 609-610; III 11, 13-14, 31, 34, 38, 41, 58, 68, 223-233, 235, 238-239, 247248, 287, 592, 634, 635-636, 638-642, 644, 650 - für die Eisen- und Stahlversorgung I 119; II 64, 200 - des Führers für Strahlflugzeuge III 75 - für das Kraftfahrwesen II 52-53, 64, 66, 200, 313-314 - für die Kriegswirtschaft s. a. Generalbevollmächtigter für die Wirtschaft I 70, 74, 90, 92, 103, 108-110, 114, 120-121; II 228, 576-577; III 517 - für den Metallerzbergbau Südost II 496; III 350, 352, 354-359 - für das Nachrichtenwesen II 52, 66,297 - Beirat der Nachrichtenmittelindustrie II 52 - für die Regelung der Bauwirtschaft I 121-122; II 14, 24, 93, 143, 200, 303, 350, 513; III 32 - für die Reichsbüros in den Niederlanden s. a. Reichsbüros III 325 - für die Reichsverwaltung II 99-100; III 635 - des RMRuK für das Rhein-Ruhr-Gebiet s. a. Rüstungsbevollmächtigter III 66 - für Rüstungsaufgaben im Vieijahresplan (GB Rüst) II 63-64, 74, 78, 83, 94, 99,107,137, 147-149,202-203, 300, 349,416, 465, 518; III 50, 103, 126,463, 523 - Beirat für Modernisierung beim GB-Rüst II 131 - für Sonderfragen der chemischen Erzeugung (GB Chemie) I 16, 26, 4 6 ^ 7 , 58-60, 110, 118, 121;

816 II 11, 16-17, 32, 52, 64-65, 82-83, 106, 114, 145, 171, 173, 182, 189, 200-201, 226, 243, 250, 329, 348-353, 407, 470, 473-479, 484, 487, 553, 603; III 33-34, 36, 68, 136-139, 143, 145, 148,150-151, 153, 155, 203, 224,283 - für Treuhandverwaltungen II 415 - für die Wirtschaft beim Reichsbevollmächtigten in Ungarn III 544 - f ü r die Wirtschaft in Serbien III 350 Generalgouvernement s. Regierung des Generalgouvernements Generalinspekteur der Panzertruppen II 123 Gen eral Inspektor - für das deutsche Straßenwesen II 53, 59, 187; III 11 - für Wasser und Energie II 59, 325-326, 390-391; I I I 1 1 , 160-161 Generallcommissar - für die Wiederherstellung der Reichsbahnanlagen III 630 - für Inneres in den Niederlanden III 317,319-321, 341 Arbeitsausschuß für den niederländischen Einsatz in den besetzten Ostgebieten beim Generalkommissar für Inneres III 319 - für Wirtschaft und Finanzen in den Niederlanden II 149 - für die Sofortmaßnahmen beim RMRuK s. RMRuK - für Finanzen und Wirtschaft (in den Niederlanden) 111318,321 Generalkommissariat Erdöl (Rumänien) III 419 Generalluftzeugmeister s. Luftwaffe Generalrat der deutschen Wirtschaft II 72 Generalsekretäre (Belgien) III 338 Generalsekretäre (Niederlande) III 317-320 Generalverwaltung Kreta III 387 Gesellschaft für Konsumforschung III 551 Gewerbeaufsichtsamt Dortmund III 649 Gruppe Bergbau des WWiStabs Griechenland III 355 Gruppe Tengelmann II 270,463-464

Handelpolitischer Ausschuß (ΗΡΑ) III 402, 412, 427, 4 6 3 , 4 6 5 , 4 6 7 , 4 8 9 , 4 9 1 , 493-195,497,499500, 504, 538 Handelshochschule Nürnberg III 549 Handelskammer von Amsterdam III 320 Handelsministerium - Großbritanniens I 60 -Italiens I I I 4 0 8 -Norwegens III332

Register Handwerkskammern II 98 Hankey Committee III 418 Harzburger Front III 549 Hauptausschuß der gewerblichen Wirtschaft (Niederlande) III 320 Haupttreuhandstelle Ost 11398,415 Heer I 39, 107; II 4-8, 11, 13, 18, 20, 22-25, 27-31, 34, 38, 41-45, 64, 72, 118-120, 123, 140, 177, 180, 182, 184-185, 193, 197-198, 206, 327, 333, 344,-345, 355-356, 382, 408, 527, 543, 579; III I I I , 144, 150, 1 8 6 , 2 0 4 , 3 8 1 — Armeeoberkommando 5 III 668 — Armeewirtschaftsführer II 483 — Befehlshaber des Ersatzheeres und Chef der Heeresrüstung (BdE/Chef HRüst) I 128; II 19, 24, 31, 43, 162, 180, 184, 216, 343; III 10, 35, 50, 236, 633 — Generalstab des Heeres I 104; II 3, 206, 271, 309, 480 - - b e i m OB Südost III 359 — der 2. Panzerarmee III 352 — des Heeres 11131,56, 192 — Heeresgruppe — A II 1 1 9 , 4 8 5 , 4 8 9 — Afrika II 140 — Β II 119; III 192, 664, 668-669 — Don II 119 — E 111359,364,375,380-381 — F III 354, 359, 361-362, 364, 375 — G III 664 — Mitte II 1 1 9 , 4 5 5 , 4 7 3 ; III 626 - - N o r d II 119-120; III 327 — Süd II 123, 206, 239, 4 7 1 , 4 7 3 - 4 7 4 , 4 8 4 — Weichsel 111626,668 — Heeresversuchsanstalt Peenemünde II 57, 141, 155, 346; III 87, 199-201,203-204, 606 — Heereswaffenamt I 39, 110, 119, 121-122, 126127, 130-131; II 19-20, 31-32, 54, 71, 114, 123, 131, 136, 154, 299-300, 309, 327, 329, 335, 343, 347,424, 516, 523; III 19, 46, 50, 52, 199, 202, 207 — Oberbefehlshaber des Heeres III 199 — Oberkommando des Heeres (OKH) I 43, 45, 47, 110, 201, 232-233; II 19, 23-24, 30, 4 3 , ^ 4 , 53, 66, 119, 155, 180, 205-206, 226, 271, 334, 343, 455, 490, 525; III 35, 103, 664 — WaA 145,47 Generalquartiermeister I 70; II 30, 462, 481; III 179, 192 Hochschule für Welthandel Wien III 555 Honved III 238 Höherer SS- und Polizeiführer in Norwegen III 331

Behörden und Institutionen Industrie- und Handelskammern II 24, 98-99, 102 Industrie- und Handelskammer Berlin III S24 Industrierat des Oberkommandos des Heeres II 71, 114, 172 Industrierat des Reichsmarschalls für die Fertigung von Luftwaffengerät auch: Industrierat für die Luftrüstung s. Luftwaffe Industrierat für die Luftrüstung s. Luftwaffe Innenministerium -Thüringens 11588,610 -Ungarns III239 Inspekteur für Statistik des Reichsführers SS III 72,98 Institut für Agrarwesen und Agrarpolitik der Berliner Universität II 432 Institut für europäische Landbauforschung und Emährungswirtschaft II 588 Institut für Industrieforschung III 545, 548-549, 555-556,560,562, 585-590,601 Institut für Konjunkturforschung s. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Institut für Weltwirtschaft Kiel III 248, 525 Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware III 549-551 Institut für Wirtschaftsforschung der Reichsmessestadt Leipzig III 582 Institut für Wirtschaftsforschung Wien III 474 Internatio III 321 Internationale Handelskammer III 545 Internationales Rotes Kreuz III 369, 371, 384, 387 Italienischer Regierungsausschuß für die Wirtschaftsverhandlungen mit Deutschland III 408 Jägerstab (beim RMRuK) II 339; III 14, 16-24, 2627, 30, 37, 51-52, 57, 74-76, 84, 88, 139, 165, 167-169, 171, 193, 236-238, 240-241, 272-273, 276, 293, 298, 610 Justizministerium (USA) Anti-Trust-Abteilung III 565

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften II 279, 347; III 250, 254 Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie II 279; III 246,249-250, 253-256, 260,263,265266 Kampfbund gegen den Faschismus III 290 Kilgorc-Untersuchungsausschuß (des US-Senats) III 565, 569 Klein-Kommission II 398 Kleiner Kreis der Ruhrmontankonzerne (Siebenerkreis) I 9, 52, 92; II 67, 87, 403, 413, 519, 542 Kleiner Ministerrat II 574

817 Kommandant der Festung Kreta III 361, 363-364, 368, 371,377,380-382, 384-390 Konzentrationslager II 220-225, 246,249,251,269 - Auschwitz I 113; II 225,357; III 239-240, 242 - Auschwitz-Monowitz II 220 -Buchenwald III242 - Dora-Mittelbau s. a. Mittelwerk GmbH II 151157,224-225; III 74-75, 200 - Ebensee (Arbeitslager Zement) III 27, 240 -Flossenbürg III 241 - G r o ß Rosen III 242 -Mauthausen III240 - M e l k (Projekt Quarz) 11127,240 - Ravensbrück III 242-243, 285, 287, 291, 293, 298-299, 301-305 - Sachsenhausen III 299,304-305 Kraft durch Freude (KdF) III 361 KreisbauernfÜhrer II 571, 576-578, 580-581, 588, 590, 624 Kreisbauernschaft Wiedenbrück III 254 Kriegsausschuß der deutschen Industrie II 442 Kriegsmarine I 114, 116, 174, 176; II 4-6, 11, 13, 22-25, 30-31, 45, 57, 64, 66, 123, 131, 133-134, 164, 180, 182, 184, 310-311, 342, 345, 355-356, 452, 527, 543; III 181, 192, 381, 428, 469 - Oberbefehlshaber der Kriegsmarine III 405,423 - Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) II 23, 52, 72, 82, 133-134, 182; III 46, 184, 360-361, 405, 437, 664 - Hauptamt Kriegsschi ñbau II 134 - Marinewaffenämter II 66, 114 --Seekriegsleitung 11131,360,443 Kriegs(rohstoff)gesellschaften II 105 Kriegswirtschaftsstäbe 1194,97 Kultur- und Volksbildungsministerium (Norwegen) III 331 - Direktorat für außenpolitische Orientierung 111331,333 Landbewirtschaftungsgesellschaft Ostland III 327 Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes II 329, 595 Landesarbeitsämter s. a. Arbeitsämter II 95-96, 180, 182, 204-205, 220 Landesbauernführer II 571, 576-577, 580-581, 588, 590, 602,608-610, 624, 642 Landesbauernschaft - Sachsen-Anhalt II 590-591, 609, 615, 624 -Thüringen 11590-591,609,615,624 Landesernährungsämter II 580 Landesernährungsamt Münster III 256 Landeswirtschaftsämter II 95, 128, 232; III 214 Landwirtschaftsministerium Italiens III 428

818 Lastverteiler Gas II 144 Lastverteiler Wasser I I I 44 Luftgaukommando III 289 Luftschutzpolizei III 627 Luftwaffe I 13, 39, 41, 114, 116, 181, 183; II 4-6, 11-13, 15-19, 21-22, 24-25, 27, 2 9 - 32, 34, 4243, 45, 48, 57-58, 61, 64, 66, 71, 120, 123, 131, 148, 170, 180, 184-185, 309, 313, 329, 345-346, 355,400,455,459, 483, 485, 553, 556; III 8, 1415, 20-21, 27, 33, 40, 54, 86, 103, 111, 136-137, 149, 164-166, 170-171, 175, 191, 194, 198, 204205,207,298,353, 381,428,460, 567 - Generalluftzeugmeister II 12, 33, 80, 114, 401, 514; III 17, 20, 23, 50,163,204, 270 - Generalstab der Luftwaffe 143, 110; II 34, 342; III 31 - Industrierat für die Luftrüstung II 12, 32-33, 52, 60,62,6671,114,148,172,297, 311 - LuftwaffenrOstungsstab III 109 - Oberbefehlshaber der Luftwaffe II 34, 72, 182, 339 - Oberkommando der Luftwaffe (OKL) III 71,437 Marine s. Kriegsmarine Max-Planck-Institut für Arbeitsphysiologie III 250 Max-Planck-Institut für Ernährungsphysiologie III 250 Militärbefehlshaber II 137-138, 157 - in Belgien und Nordfrankreich III 336-338, 342 - - Ostreferat III 337-338, 342 --Wirtschaftsabteilung III337 -inFrankreich III529 - in Griechenland 111363-364,375-376 - Südost III 354,375 Militärverwaltung Südost III 356, 372-373, 375, 377, 381 Mineralölkommando -Kaukasus II478,482-483 - N o r d II478 - S ü d 11478,482 Ministerium) für besondere wirtschaftliche Aufgaben (Niederlande) III 318 Ministerium) für Handels- und Zahlungsverkehr (Italien) III 428 Ministerium) für industrielle Produktion (Frankreich) III 526 Ministerium) für Wirtschaftskriegffthrung (Großbritannien) 111407,423,431,449,453 Ministerium) für Wirtschaft und Arbeit in der Regierung des Protektorats Böhmen und Mähren III 70 Ministerrat für die Reichsverteidigung I 80-81, 108-109; II 22, 97,168, 582

Register Mitteleuropa-Institut Leipzig III 474 Mitteleuropäischer Wirtschaftstag I 55, 156; II 399, 427, 458, 588; III 474, 511-512, 516, 525, 546, 553, 576-577, 580 -Industrie-Beirat III 512 - Volkswirtschaftlicher Ausschuß III 474, 512 Munitionsbeirat (des RMBuM) 1 126-127; II 559

Nasjonal Sämling (NS) III 331 Nationaal-socialistische Beweging III 311, 315318,323, 325 Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) III 719 Nederlandse Oostcompagnie (NOC) III 314-316, 318, 320-323, 325-327, 342 Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 132, 48, 52, 55, 57, 63, 84, 87, 92, 98, 114, 137, 141-142, 146, 158, 160, 176, 197, 199201, 207, 243, 245; II 54, 56, 73-74, 95-96, 99, 101-102, 108, 11-113, 129, 151, 178, 191, 202, 210-211, 214, 220, 237, 285, 290, 298, 384, 462, 479, 501, 553, 574, 578, 584-585, 587, 589-590, 602, 613-614; III 57, 61, 71-73, 77, 81, 211, 264, 343, 529, 583-584, 633-634, 636, 640, 642, 644 - Außenpolitisches Amt II 203 - Auslandsorganisation 1245 - Außenhandelsamt der Auslandsorganisation III 512, 569 - Gauleiter s. a. Reichsverteidigungskommissare II 54, 57, 73-74, 76-78, 95-99, 101, 104, 11113, 128-129, 142, 151, 153, 170, 174-176, 178, 198, 202, 204, 206, 211, 219, 230, 237, 251, 275, 323, 439, 446, 457, 459, 588-589, 602; III XI, 1, 12-14, 31, 41, 43, 45, 56-57, 6163, 67-69, 72, 76-77, 81, 83, 93, 112-113, 165, 181, 224, 237, 254, 281, 318, 345, 630, 636, 651,663, 668 - Gauleitung Breslau II 76 --Gauleitung Thüringen 1169,384,610 - Gauleitung Westfalen-Süd III 254 - Gauwirtschaftsberater II 44, 57, 73-78, 95-99, 101, 128, 147, 151, 164, 425, 522; III 13, 77, 631 - Hauptamt Technik 1119; II 44, 57, 64, 69, 73, 83, 85, 95, 522 - Kolonialpolitisches Amt 1 154, 175; II 397 -Nationalsozialistische Frauenschaft II 210 -Nationalsozialistisches Fliegerkorps (NSFK) I 32 - Nationalsozialistischer Bund Deutscher Techniker (NSBDT) II 59, 69, 95, 150, 302 - Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK) I 32; III 17

Behörden und Institutionen - Parteikanzlei II 61, 99-101, 104, 123, 182, 253, 283, 589; III 664 - Rassenpolitisches Amt II 432 - Reichsamt für Agrarpolitik (Reichsamt für Landvolk) II 585, 587 - Reichsamt für Volksgesundheit III 646 - Reichsleiter I 62; II 175, 251, 456, 459, 585, 588-589,602, 612; III 1, 224,281, 345 - Schutzstaffel (SS) s. SS - Sturmabteilung (SA) 132; II 182; III 57,335 Nationalsozialistisches Kraftfkhrkorps (NSKK) s. NSDAP Oberbefehlshaber der Kriegsmarine s. Kriegsmarine Oberbefehlshaber SOdost s. Heeresgruppe F Oberbefehlshaber West III 664-665 Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) s. Kriegsmarine Oberkommando des Heeres (OKH) s. Heer Oberkommando der Luftwaffe (OKL) s. Luftwaffe Oberkommando der Wehrmacht (OKW) s. Wehrmacht Oberschlesischer Berg- und Hüttenmännischer Verein II 412 Office central de Répartition des Produits industriels III 527 Organisatie-Commissie voor het Bedrijfsleven s. a. Raad voor het Bedrijfsleven III 320 Organisation der gewerblichen Wirtschaft II 165, 418 Organisation Todt (OT) I 32; II 58-59, 143, 187, 226, 232, 377, 379, 384, 469; III 11, 28, 32, 35, 60, 65, 123, 218, 238-239, 241, 350, 354, 630, 664 - Sondereinsatz Hydrierwerke III 34 -Zentrale III 31 OrtsbauemfÜhrer, Ortsbauemschaften II 211, 571, 578,590,614 Planungsamt des Reichsforschungsrats s. Reichsforschungsrat Polizei, Deutsche s. Chef der Sicherheitspolizei (Sipo) und des Sicherheitsdienstes (SD); s. Reichsführer SS; s. Reichsminister(ium) des Innern Preiskommissar s. Reichskommissar für die Preisbildung PreisOberwachungsstellen II 589 Preußisches Staatsministerium II 83 Projekt Quarz s. Konzentrationslager Provinzialemährungsamt II 580; III 284 Prüfungskommissionen (Todt-Kommissionen) II 17,23, 95-96, 180-181

819 Raad voor het Bedrijfsleven s. a. Organisatie-Commissie voor het Bedrijfsleven III 320 Rasse- und Siedlungshauptamt s. SS Rechnungshof des Deutschen Reiches II 518-519, 523,573 Regierung des Generalgouvernements 1101, 160; II 78, 94,439,458, 501 Reichsamt für Bodenforschung II 487; III 96 Reichsamt für Volksgesundheit s. NSDAP Reichsamt für Wirtschaftsausbau I 16, 102, 108113, 121, 140-141, 201, 205; II 9. 14-16, 18-19, 90, 110, 173, 220, 348, 407, 515, 553; III 35-36, 96, 109-110, 154-155,158 Reichsarbeitsdienst (RAD) I 240; II 315, 384, 613, 615; 111218,269,278,282 Reichsarbeitsführer II 181 Reichsarbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftswissenschaften II 574 Reichsarbeitsminister(ium) I 71-73, 76-77, 80, 8283, 94-95, 101, 139, 215, 234-235; II 24, 74-75, 78, 181-182, 185-188, 199-201, 204, 214-215, 243-245, 250, 252-253, 257, 262, 273, 304; III 236, 243, 247, 592, 635 Reichsausschuß für Leistungssteigerung II 150, 301 Reichsaußenminister s. a. Auswärtiges Amt II 395; III 409, 415-416, 427, 439, 443, 456, 461, 465, 478-481,488-489,491,493,497, 502, 511 Reichsbauemführer II 456, 571, 575-576, 580, 585, 587, 589-591, 609,637 -Abteilung A II 576 - Ernährungswirtschaftliche Forschungsstelle II 576-577 - Persönlicher Stab II 588 - Reichsausschuß für Schlachtvieherzeugung II 627 - Stabsamt II 576, 580, 588 - Stelle für Ernährungssicherung II 576 - Verwaltungsamt II 580 -Zentralstelle II 576 Reichsbeauftragter s. a. Reichsstellen - für Eisen und Stahl in den besetzten Gebieten II 90,93 - für Griechenland s. a. Auswärtiges Amt III 362 - für Kautschuk III 151 - f ü r Kohle 1133 - für Kohle in den besetzten Gebieten II 93,462 - für Maschinenbau II 316 - für Metalle II 149, 370 - für Normung und Typung II 303, 556 - für Zellstoff und Papier II 149; III 524 Reichsbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz III 37, 50, 76, 244-245

820 Reichsbevollmächtigter und Gesandter des Großdeutschen Reiches in -Dänemark III 328,330 -Ungarn III238 Reichsbüros (Niederlande) III 312, 317, 325 - Reichsbüro für die Lebensmittelversorgung III 317 Reichsforschungsrat II 86, 347; III 201 Reichsforstamt 1234-235 ReichsfÜhrer SS und Chef der Deutschen Polizei, s. a. SS, s. a. Reichsminister des Innern, s. a. Chef der Sipo und des SD I 81; III 26, 28, 39, 69, 71, 75, 238, 240, 285 - Persönlicher Stab des Reichsführers SS II 221, 441,458; 11128,30,68 Reichsgefolgschañswart II 587 Reichsgruppe Banken III 520, 551, 560, 577, 707 Reichsgruppe Energiewirtschaft II 150 Reichsgruppe Handel I 117, 133, 166; II 99, 165, 567; 111267,537-539,544 Reichsgruppe Industrie I 25, 52-53, 95, 105, 115, 118, 121-123, 125-126, 133, 139, 160, 164-166, 168-170, 178, 181, 184, 189, 191, 201; II 12, 19, 47-53, 60, 65, 67, 71-72, 95, 99, 101-102, 113117, 131, 163, 165-166, 168, 172, 182,201,215216, 218, 251, 257, 276, 285, 290, 296-298, 300, 304, 306-308, 320, 384, 392-393, 395-396, 403404, 409-410, 414, 417^18, 420-421, 424, 426, 450, 528, 534, 559, 567; III 3, 6, 68, 70, 85, 210, 247-248, 267, 277, 342, 402, 474, 511-512, 516, 520, 536-541, 544, 547-548, 550-551, 554-555, 558-559, 562-563, 566, 570, 572-577, 581, 583597, 600-603, 608, 630, 638-639, 643, 648, 650651, 654-656 - Abteilung Außenwirtschaft III 512, 538, 543544, 562,601 - Abteilung für Sozialwirtschaft III 601 - Abteilung Geld- und Finanzwirtschaft III 563 - Abteilung Innere Wirtschaft und Verkehrswesen III 586, 593-594 - Abteilung Marktordnung und Betriebswirtschaft III 601 - Abteilung Statistik und Wirtschaftsbeobachtung III 601 - Abteilung Steuer-, Bank-, Kredit- und Finanzfragen 111586,595,601 - Arbeitskreis für Außenwirtschaftsfragen II 167, 426; III 587, 589, 591 - Arbeitskreis Betriebswirtschaft und Marktordnung III 586-587, 601 - Arbeitskreis Binnenwirtschaft und Wirtschaftsgruppen III 587 - Arbeitskreis Geld- und Finanzwirtschaft III 587

Register - Arbeitskreis Industrieberichterstattung/Arbeitseinsatz III 587 - Arbeitskreis Sozialwirtschaft und Lohnordnung III 587, 601 - Arbeitskreis für Sozialwirtschaftliche Nachkriegsfragen III 564 - Außenhandelsausschuß 1156; II 404 -Außenhandelsrat III 544 - Engerer Beirat II 102, 115-116, 320, 556, 559; III 547, 559, 563-564, 585 - Europakreis II 167 - Großer Beirat I 115, 164, 178, 191; II 47, 193, 196,200,299,516 - Länderausschüsse III 533, 544 - Munitionsbeirat 1126-128 -Nachrichtenstelle III 541, 563 -Ostasienausschuß 1 154, 156; II410 - Ostreferat II 403, 417-418 - Rüstungsbeirat I 127; II 12, 48, 50-51, 53, 71, 116, 393,559 - Sonderbeauftragter für Außenwirtschaftsfragen III 538 - Sozialversicherungsausschuß III 563 - Stahl-Kreis II 167; III 555, 559, 562-563, 577, 583, 586-602, 650, 655 - Statistische Abteilung III 536, 560, 601 - Südostausschuß II 399,403; III 512, 537, 597 - Technische Abteilung II 131 -Verkehrsausschuß 1117 Reichsgruppe Kraftfahrwesen II 53 Reichshauptkasse 111704,711 Reichsjugendführer III 236 Reichskanzlei I 83, 199; II 55-56, 59, 61, 64, 66, 99-100, 107, 125, 129, 147, 165, 167, 228-231, 233-234, 240-241, 303, 306, 327, 333, 396, 416, 456, 567, 575, 579; III 39,232, 584, 664, 698 Reichskasse II 420, 519, 527; III 683, 690, 696703, 712,719, 722,724 Reichsknappschaft II 251,264 Reichskommissar(iat) - für Altmaterialverwertung II 271; III 214 - für den Arbeitseinsatz II 201 - für die Behandlung feindlichen Vermögens III 529 - für die Festigung deutschen Volkstums II 285, 432, 434-435,438,440^141, 445, 447, 450^51, 456; III 316 --Stabshauptamt 11432,441,447,456 -Kaukasus II479; III319 - für die (besetzten) Niederlande I 161; II 138, 149, 426; III 316, 319-321, 341, 473 - f ü r Norwegen 111331-333,473

Behörden und Institutionen - Ostland II 201; III 330, 724-725 - für die Preisbildung I 30, 62, 72, 74; II 90, 149, 515-518; III 535,602,714 - für Rationalisierung III 535 - für die Ukraine II 201,439,457; III 322-323, 332, 336-337,724-725 - Hollandische Wirtschaftskommission III 323 Reichskommission für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich III 550 Reichskreditkassen III 711, 724-726, 731 Reichskriegsgericht II 107 Reichskulturkammer III 235 Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft II 599-601 Reichskuratorium für Wirtschaftlichkeit II 150, 295, 301,303 Reichslandbund II 585 Reichslastverteiler II 389,391; III 161 Reichsleiter s. NSDAP Reichsluftfahrtministei(ium) I 39-41; II 15, 21, 34, 156, 311, 339-340; 401, 403, 518, 525-526; III 15, 17-19,21,28,47, 50, 163, 204,270,289, 293 - Amt C/Technisches Amt 141; III 17, 20, 204 - Erprobungsstelle des RLM Peenemünde-West III 285 - Generalluftzeugmeister II 33, 80, 114, 401, 514; III 17, 20,23, 50,163,204, 270 -Planungsamt III270 Reichsminister^ium) der Finanzen I 30, 74, 84; II 20, 132, 141, 279, 367, 396, 401, 420-421, 515, 517-519, 522, 526-530, 537-538, 542, 565, 567568; III 319, 324, 362, 510, 599, 635, 648, 685686, 691,698, 700, 702, 705, 720-721, 724, 733 Reichsminister(ium) der Justiz I 104-105; II 290, 547; III 236, 652 Reichsminister(ium) des Innern s. a. ReichsfÜhrer SS und Chef der Deutschen Polizei, s. a. Chef der Sipo und des SD II 129, 173, 176, 326, 613; III 74, 76,633, 635 Reichsminister(ium) für Bewaffnung und Munition (RMBuM) s. a. RMRuK I 102, 118, 120-132, 219; II 5, 12-13, 19-24, 26, 29, 32-36, 47-50, 5267,69-89,91-97,99-107, 110-117, 120, 122-124, 126-139, 142-148, 154-155, 160, 180-181, 183187, 196-198, 200-203, 207, 209, 219, 222-224, 226, 228, 232-234, 241, 244, 251-253, 256, 262, 273, 275, 297-306, 309, 311, 319-320, 325-326, 334, 342-343, 365, 382, 392-393, 416, 489, 506, 514, 516-518, 520, 522, 524, 541, 544, 551, 556; 11146,77,309,462, 463,479 - Abteilung Betriebliche Ordnung II 305 - Ausschuß für Kontingentierungsfragen und Verwertung der Lagerbestände II 84-85

821 -Bezirksobmänner II 95, 128 - Baustab Speer II 57 - Baustab Speer-Ost II 58 - Deutsches Beschaffungsamt in Frankreich II 93, 138 - Entwicklungskommissionen II 130 - Generalreferat für Wirtschaft und Finanzen II 69, 132, 517, 522 - Hauptausschüsse - - Allgemeines Wehrmachtsgerät II 51, 65-66, 134, 163,311 - Chemie II 65 - - Feinmechanik und Optik II 68, 162-163, 313, 560 - Flugzellen II 65 - Flugzeugausrüstung II 66 - Kraftfahrzeuge 1165-66, 130,313-315,338 --Kriegsschiffe II65 - Maschinen II 51, 65, 134, 273, 300, 316-317 - Marine-Unterwasserwaffen auch: MarineSondergeràt II 68 - - Munition II 65, 68, 170-171, 310, 544, 551, 559 - Nachrichten gerät II 66 Panzerwagen auch: Panzer und Zugkraftwagen II 65, 68, 122, 130, 170-172, 313, 315, 335, 541,544 - - Pulver und Sprengstoff II 68 --Schienenfahrzeuge 1165-66, 147, 154,317 - Triebwerke II 66 - Waffen II 65, 68, 170-172, 330, 544 - Hauptringe - - E i s e n und Stahl 1167,78 - Eisenerzeugung II 68, 88-89, 92, 113, 365, 542 - Eisenverarbeitung II 68 - Elektrotechnische Erzeugnisse II 67, 164,320 - - M e t a l l e II 67 - Produktionsmittel und Maschinenelemente II 67,324 --Schmiedestücke II 308 - Kapazitätenausschuß II 22-23 -Munitionsbeirat 1127-128 - Ruhrstab II 143, 172, 233, 237, 255 - Rüstungsamt II 207, 244, 506 - Amtsgruppe Arbeitsordnung II 306 -Rüstungsbeirat I 127-128 - Rüstungskommissionen II 92, 94-96, 101, 104, 128, 144,153, 227, 233 - Rüstungs- und Beschaffungskommissionen fur --Frankreich II 138 - Niederlande II 138 - Rüstungsstab Dänemark II 137 - Rüstungsstab Frankreich II 93, 137-138

822 - Sonderausschüsse - A 4 ( S A 4 ) II 154, 156,346 - Ernähningswirtschaftliches Gérât II 600 - Munition II 75 Optisches und feinmechanisches Rüstungsgerät 1168,311,313, 320,560 - - P a n z e r w a g e n 1128; I I 2 0 . 2 6 , 3 2 4 - - PZ II Panzerentwicklung II 68 - - PZ VII Motorenfertigung II 68 - - PZ Vili Getriebefertigung II 68 - Waffen 1127-128 - Sonderring Armaturen II 324 Reichsminister(ium) ftlr die besetzten Ostgebiete (RMfbO) I 201, 244-245; II 92, 201, 205, 218, 239, 247, 268,279, 415, 419, 427, 432,435,499; III 314, 316-319, 323-327, 329-330, 332, 335339, 341-342, 703 - Abteilung Wirtschaftspolitische Kooperation III 342 - Bevollmächtigter für Sonderaufgaben III 324328, 335 - Chefgruppe Ernährung und Landwirtschaft III 317 -Chefgnippe Wirtschaft III 342 - Sonderbeauftragter für den Osteinsatz III 319323 Reichsministei{ium) für Ernährung und Landwirtschaft (RMEL) I 67, 101, 234, 245; II 64, 186,187, 214-216, 218, 456, 484, 571, 574, 576-577, 580-583, 585, 587, 589, 598-604, 608, 613, 640, 642; III 23, 35, 63, 247, 250-251, 254, 258, 262, 284, 394,414,428, 433, 437,479, 502,648 Reichsminister(ium) für Rüstung und Kriegsproduktion (RMRuK) s. a. RMBuM II 62, 129,134, 141-143, 146, 148-151, 153-166, 168-178, 226, 233-237, 241-243, 264, 274, 278-281, 289, 301, 305-306, 321, 328-329, 337, 339, 341, 346, 350, 370, 372, 386-387, 426, 518, 541-542, 544, 554, 565, 601; III 3, 5, 7-8, 11-13, 15-18, 21, 23-24, 27-28, 30-32, 34-35, 37-51, 53-60, 62-63, 65-77, 81, 84, 92, 100, 103, 110, 112-113, 129, 133-134, 143, 145, 149, 151, 156, 159, 163, 165, 169, 172, 181-183, 185, 187, 190, 195-196, 199, 204, 207209, 214, 223, 225-227, 229-230, 232, 234-236, 238, 243, 245, 248-249, 258, 268, 274, 276, 281283, 287,293, 309, 346, 354, 357, 359, 417, 488489, 498, 522-523, 525, 527, 535, 579, 585, 590, 602, 614-619, 624, 627, 632, 637, 641, 643, 651, 654, 656-659,662-668,675,714, 719,728 - A m t B a u III 11,32,34 - Bevollmächtigter für Wirtschaftstransporte III 628

Register — Generalbeauftragter für Betriebsumsetzungen III 268 — Generalreferat Wirtschaft und Finanzen III 12, 606 — Generalkommissar für die Sofortmaßnahmen III 34 — Hauptausschüsse — Bau 11131,224,283 — Elektrotechnische Erzeugnisse III 7 — Flugzeugausrüstung III 25 — Flugzeuge III 40 --Flugzeugzellen 11120,25 — Kraftfahrzeuge III 25 - - M a s c h i n e n 11199,100 - - M o t o r e n III 52 — Munition III 25, 34, 208, 627, 664 --Panzerwagen 1117,25, 179-180 — Panzerwagen und Zugmaschinen III 7 — Schienenfahrzeuge III 25,46 - - S c h i f f b a u III25, 51, 181-182 — Triebwerke 11120,25,169 — Waffen 11125,57 — Hauptringe --Eisenerzeugung III 126, 129 — Elektrotechnische Erzeugnisse III 12 — Technisches Glas und Keramik III 12 -Italienstab II 158 — Kommissionen Entwicklungshauptkommission Elektrotechnik III 8 — Entwicklungshauptkommission Flugzeuge II 130; III 40 — Entwicklungshauptkommission Maschinen II 130 — Entwicklungskommission Fernschießen II 130, 154, 559; III 199 — Entwicklungskommission Schiftbau II 130, 134 --Funkmeßkommission II 130-131; III 8 — Hauptkommission Elektrotechnik II 130, 164 — Kommission für Normung und Typung III 40 — Kommission für Beobachtungs- und Feuerleitgerät II 130 — Kraftfahrzeugkommission II 130 — Munitionskommission II 71 — Nachrichtenmittelkommission II 71, 130 — - Panzerkommission II 20, 71, 130,297, 337; III 7 — Pulver- und Sprengstoflkommission II 70, 130 — - Waffenkommission (auch: Geschützkommission) II 71, 130 — Planungsamt II 148-150, 160, 162,-163, 165, 170-171, 243, 321, 328, 371-373, 380, 382; III

Behörden und Institutionen 9, 68, 70, 77, 79, 81, 93, 103-104, 109-110, 112, 114, 185, 214-215, 227-228, 463, 467, 514, 522-526,531-536, 542-544, 564, 567, 579, 583-584, 599-600,602-603, 605, 616, 624, 628, 630, 714 - - E u r o p a - K r e i s III 514, 531-536, 543-544, 547, 565-567, 571, 576, 586, 602 — HA I Gnindsatzüragen III 531 — HA II Querschnittsfragen III 531 - - H A III Gesamtplanung III 531 — - HA IV Fachliche Planung III 531 — HA V Planstatistik II 328; III 94, 531 — - Planungs-Stab Europa III 524-526 — Sonderaufgaben III 531 --Wissenschaftliche Beratungsstelle III 103-104, 531,583 — Produktionsamt II 150, 162, 164, 301, 518; III 70, 214, 617 — Rohstofiamt II 149-150, 162, 350; III 67, 92, 207,214,522 — ROstungsamt III 34,46,67-70, 565-566,603 - - A m t s g r u p p e Arbeitseinsatz III 34 — - Beauftragter für die Verlagerung der Elektroindustrie III 603 — Rüstungsbevollmächtigter III 65-66, 70,78 — Berlin-Brandenburg III 631 — Mitte III 631 — Nordwest III 631 — Rhein-Ruhr III 66, 70,631 — Süd III 631 — Südost III 631 — SOdwest 111631,664 — Rastungskommissionen III 40-41, 58, 63, 70, 76, 631,639 — Rüstungslieferungsamt II 69, 92, 95, 101, 116, 128, 146, 149-150, 164, 173, 305; III 12, 28, 34, 67, 69, 134,202,207 — Amts groppe Eisen und Stahl III 57 — - Amtsgruppe Industrielle Selbstverantwortung II 305 — Luftschadenstab III 34 — Zentrale Auftragssteuerung Eisen und Stahl III 128 — Rüstungsstab III 28, 37,49, 50-52, 57, 67-68, 75, 165-167, 171-172, 174, 610, 619, 626-627, 629, 634-636,656,664, 675 — Beauftragter für das Flugzeugprogramm III 634 — Sonderbeauftragter für den T-StofF III 172 — - Sonderbeauftragter ftkr die He 162 III 172 — - Sonderbeauftragter für die Me 262 III 172 — Ruhrstab III 42, 57, 59, 61, 63, 65-67, 70, 249, 298, 625,630,651, 658, 664, 667-668

823 - Sonderausschüsse - A4 11174,199-200,606 - - C (Kampfstoffe) 111205,207 - - für Daimler-Benz-Flugmotoren III 273, 276 - Panzerwagen III 7 - Sonderring Elektrokeramik III 12 - Statistische Leitstelle III 599 -Technisches Amt II 12, 69,95, 122,164, 328; III 11,52, 67,180,616-617 - Amtsgruppe Entwicklung III 52 - Transporteinheiten Speer III 35, 66 -Wehrkreisbeauftragte III236 - Zentralabteilung Recht und industrielle Selbstverwaltung III 12,43 -Zentralamt II 164, 174III 12,43, 67-69, 104, 129, 230 - Amtsgruppe Industrielle Selbstverwaltung III 12,43 - Amtsgruppe Information III 599 Reichsminister(ium) für Volksaufklärung und Propaganda 169; II 129,276,279; III 81,250 Reichsminister(ium) für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung II 228, 574; III 235 Reichsmünze II 370 Reichsnährstand I 101; II 570-574, 577, 579-582, 585, 587, 589-591,609, 613-614, 624, 636 - Reichsobmann II 589 Reichspostministerium II 347,384; III 17, 35, 228, 235 Reichsprotektor(at) Böhmen und Mähren II 78 Reichsrüstungsrat 1171-72,116-117, 172,328,559 Reichsschuldenverwaltung III 707, 709, 711-712 Reichsstand der deutschen Industrie II 543 Reichsstatthalter II 57, 74, 78, 579; III 72 Reichsstelle s. a. Reichsbeauftragte - Eisen und Metalle II 85; III 109 - für Baumwolle II 138 - für Baumwollgarne und -gewebe II 138 - für Bodenforschung II 395,487 - für den Außenhandel III 410, 415, 423, 430, 441, 537, 569 - für Devisenbewirtschaftung III 396 - für Eisen und Stahl 1184-85 - für Energiewirtschaft II 391 - Kohle 1 132-133, 139 - für Landmaschinenforschung II 601 - f&r Maschinenbau II 376 - für optische und feinmechanische Erzeugnisse II 560 - für Raumordnung 111588,591 - für Steine und Erden 11158,111410 - für Textilwaren II 269

824 - ffir Wirtschaftsausbau I 16, 25, ΦΜ5, 60, 109110, 112; III 96, 103 - Abteilung I Forschung und Entwicklung I 110 Reichstreuhänder der Arbeit I 28, 70-72, 82, 97; II 204, 249, 258, 273, 275 Reichsverband der Deutschen Industrie II 295, 543; III 547 Reichsvereinigung der Juden in Deutschland III 720 Reichsvereinigung Eisen I 139; II 64, 81, 83-84, 86-93, 105, 113-115, 172, 232, 243, 272-273, 307, 363-365, 465, 470, 519, 542, 544; III 126, 129, 131,224,238, 265, 469, 625, 637,664 - Hauptabteilungen - - A b s a t z und Preise 1190 - Handel II 90 - - Rohstoffe und Verkehr II 90 - Sozialwesen II 90 - - Statistik und Verwaltung II 90 - Technik II 90 - Zentralausschuß für Rohstoffe und Verkehr II 90 Reichsvereinigung Kohle I 102, 132-142, 201; II 74, 81, 83, 86-87, 89, 91,93, 105, 110, 113-114, 188-189, 239-240, 243, 255, 263, 273, 277, 290, 306-307, 360, 427, 462, 519, 530, 549; III 118121,238,624, 662 Reichsverkehrsminister(ium) I 117; II 53, 64, 66, 106, 144; III 46, 144, 182,437, 629, 664 Reichsverteidigungskommissare s. Gauleiter, s. NSDAP Reichsverteidigungsrat I 66-67, 71, 80, 92, 108; II 21 - Arbeitsausschuß I 66, 108 Reichswehr 132, 108, 157 Reichswirtschaftskammer I 30, 62, 104, 177; II 24,98-99, 101, 146, 165, 167, 201, 264, 396, 458; III 68, 70, 520, 554, 583-584, 594, 641, 648, 650-651 - Abteilung für zentrale Wirtschaftsbeobachtung III 523, 554, 594 - B e i r a t III 598 - Deutsche Gruppe kolonialwirtschaftlicher Unternehmungen (Deko-Gruppe) 1154,175 - Handelspolitischer Ausschuß 1177 - Kleiner Ausschuß für Außenhandelsfragen 1104 Reichswirtschaftsministei{ium) I 28, 41-42, 46-49, 56-58, 61, 69, 71, 74-75, 81, 83-84, 92, 104-106, 108, 110-111, 119, 133, 135-136, 164, 170-171, 175, 178, 181-182, 189-190, 193, 195, 201-201, 206, 215, 234-236, 245; II 5, 49, 51-53, 59, 6164, 67, 81-84, 86-89, 91-92, 94, 98-104, 106, 114-116, 123, 126, 128-129, 131, 135-136, 143, 146-147, 150-151, 157, 159, 161, 163-167, 181,

Register 185, 193, 202, 226-228, 230-234, 250, 253, 256, 262-263, 269, 273, 279, 298, 300-301, 306-307, 318-320, 335, 348-350, 368, 370, 387, 393, 397398, 403, 412-414, 423, 425-427, 473, 478-179, 483, 485, 515, 517-518, 523, 527, 532, 534, 539, 547, 549-550, 557-558; III 13, 18, 26, 30, 46-47, 62-63, 68, 70-71, 73-74, 100, 102-103, 121, 126, 144, 214, 317, 319, 325, 330, 342, 351-352-353, 355-358, 362, 394, 398-399, 402, 414-416, 418419, 425, 427, 429, 433, 435, 437, 4 6 M 6 2 , 469, 475, 479, 488-489, 491-492, 502, 504, 506, 517, 522, 524, 536-538, 540-541, 544, 546, 559, 567, 573-574, 578-582-584, 588, 599, 602, 619, 629632, 654, 693, 698, 725, 732 - Arbeitsstab Nord III 600 - Arbeitsstab Süd III 600 -Arbeitsstab Thüringen III 599-600 - Arbeitsstab Versorgung III 600 - Bergbauabteilung (Oberberghauptmann) III 103, 351-356 - Sonderreferat Neuordnung (NO) II 149 Rex-Bewegung III 338 Röhrenverband II 307 Roheisenverband II 307 Rohstoff- und Devisenkommissar 142 Rote Armee III 4, 6, 9, 37, 48-49, 53-54, 56, 64, 78, 91-92, 120, 175, 190, 207, 224, 616, 621, 626, 643 Royal Air Force III 35, 86-89, 140, 205 Royal Navy 111437,452 Russisches Kontor (Norwegen) III 332-333 Rußlandausschuß der deutschen Wirtschaft 1154 RQstungsbeirat s. Reichsgruppe Industrie Rüstungs- und Wirtschaftsministerium (Rumänien) III 501 Rastungsinspektion II 4, 17, 23-24, 43, 52, 70, 74, 93-97, 144, 180, 183, 193, 201, 215, 343, 520; 11140-41,70,76 - III Berlin/Brandenburg II 23; III 245, 268, 271, 274, 276-278,280 - I V Dresden II 289 - V Stuttgart II 48, 183 - VI Münster II 23, 143, 190, 289 - D i Kassel III 242 - X I I Wiesbaden II 123 - X I I I Nürnberg II 194,289 - X X Danzig II 182,217 -Niederlande III 325 - Frankreich II 93, 138 -Oberrhein 111615,617,619 Rüstungskommando II 52, 70, 74, 93-94, 96-97, 227; III 41, 70 -Augsburg 1124,43,97,260

Behörden und Institutionen -Berlin 111280,282 - E s s e n 111244,249 - Frankfurt/O. III 268, 270-271, 273, 275, 278, 280, 282-284,287 -Magdeburg 111626,628-629 - Potsdam II 228; III 268, 271-273, 275-276, 280285, 287 -Weimar II278 Rastungskommissionen s. RMfBM, s. RMRuK ROstungsstab s. RMRuK SA (Sturmabteilung) s. NSDAP Schatzamt (Großbritannien) 160 Schatz- und Wahrungsministerium (Italien) III 426 Schlesisches Institut für Wirtschafts- und Konjunkturforschung Breslau III 422 Schmiedestack-Vereinigung II 307 Schweizerische Gesandtschaft in Berlin III 425 Schweizerischer Handels- und Industrieverein III 455, 570 Seekriegsleitung s. Kriegsmarine Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) s. SS Sicherheitspolizei s. a. Chef der Sipo und des SD III 218,233,653,720 Siebenerkreis s. Kleiner Kreis der Ruhrmontankonzerne Société de l'Est - Oostmaatschappy (Société sans but lucratif) III 338 Sonderauftrag Russeneinsatz II 75 Sonderbaustab Kammler III 169,240 Sonderbeauftragter - des Reichs ftlr wirtschaftliche und finanzielle Fragen in Griechenland III 363, 369,439,459 - des RMfbO für den Osteinsatz s. RMfbO - des ROstungsstabes für den T-Stoffs. RMRuK - des ROstungsstabes für die He 162 s. RMRuK - des ROstungsstabes für die Me 262 s. RMRuK - der Wirtschaftsinspektion SOd für Bergbau II 461,463 - für die Banden bekämpfiing II 453 - für die Erdölwirtschaft im Generalgouvernement II 482 - für Wirtschaftsfragen bei der Deutschen Gesandtschaft in Bukarest II 479 - Südost s. AA - zur Durchführung der Forderung bezüglich Entwicklung, Beschaffung und Industrieerprobung auf dem Gebiet der Kampfmittel mit Raketenantrieb III 204 SS (Schutzstaffel der NSDAP) s. a. Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei I 32; II 16, 18, 55, 113, 131, 139, 155-157, 165-167, 174, 189, 192, 213, 220-221, 223-225, 240, 252, 268, 346,

825 447, 451,453, 545, 556; III 18, 26-28, 30, 71-75, 77, 120, 196, 200, 218, 236-238, 241-242, 245, 287, 293,295, 307, 318, 322, 331,720-721 - Führungshauptamt II 222 - Frontarbeiter (Niederlande) III 322, 326 - Hauptamt/Russische Leitstelle III 649 - Panzerdivision (9.) „Hohenstaufen" III 192 - Polizeieinheiten III 357 - Rasse- und Siedlungshauptamt II 435, 447 - Reichssicherheitshauptamt (RSHA) II 165-166, 173-174, 212, 223, 251, 253, 273, 276, 279, 289-291, 429, 4 3 M 3 5 , 437, 447; III 103, 287, 473,513,580-581,634, 653 -Sicherheitsdienst I 69; II 145, 166, 173-175,275, 279; III 2, 22, 24, 74, 76. 195, 211, 214, 218, 239, 268, 569, 578-580, 583, 634, 643, 646, 649, 652-653,720 - Sondereinsatzkommando Ungarn III 237-238 - Totenkopfverbände III 72 - Waffen-SS II 194, 224, 471; III 72, 120, 275, 323,664 - Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) II 221-222; III 17,28, 35, 37, 72, 74, 237-238, 241-242,286,322 - Amtsgruppe C (Bauten) III 28 Stab Geilenberg (Arbeitsstab Geilenberg) III 14, 18, 32, 34-35,37, 57, 93, 139, 143, 278 Staatspolizeileitstellen II 271,283 Stahl-Kreis s. Reichsgruppe Industrie Stahlwerksverband II 307 State Department (USA) II 173; III 565 Statistisches Bundesamt III 576 Statistisches Reichsamt II 234, 243, 246, 327-329, 395, 520-521, 531-532, 539, 547, 565-566, 568; III 96, 98, 103, 110, 250, 401, 425, 448, 463, 468,482-483, 554, 583, 710-711, 713, 725, 727 - Abteilung (IV) Bevölkerungsstatistik III 99 - Referat Auslandsforschung III 98 StudienausschuQ des Handelsministeriums für norwegische Tätigkeit in den besetzten Ostgebieten (Norwegen) III 332 SQdosteuropa-Institut Breslau III 474 Südosteuropa-Gesellschaft II 399; III 329, 474475,480,492, 502,511 -Planungsausschuß III 512 Südostgemeinschaft der ostmärkischen Hochschulen Wien III 474 Udenrigsministeriets Ostrumsudvalg (Dänemark) III 315, 329-330,342 Ungarische Gesandtschaft in Berlin III 490 United States Army Air Force III 35, 86-89, 140 United States Strategie Air Forces III 88

826 United States Strategic Bombing Survey III 20, 8694, 122-123, 125, 132, 136, 144, 147, 151, 154, 156-160, 162-163, 168-170, 172, 178-180, 191, 195, 201,229,620, 622-623, 675 Universität Münster s. Forschungsstelle für allgemeine und... Universitäts-Frauenklinik der Universität Tübingen III 383-384 US-Schatzamt III 564 Verein Deutscher EisenhOttenleute II 89, 91, 398, 405 Verein Deutscher Ingenieure II 302-303 Vereinte Nationen III 564 Verlcehrsminister(ium) (Dänemark) III 327 Verkehrsstab III 629,664 Veiteidigungsministerium (Großbritannien) 160 Vieijahresplan(-Organisation) I 9, 15-17, 19, 2125, 36-43, 48-52, 58-61, 82-83, 108-109, 112113, 119-120, 132-133, 155, 181-182, 201,231234, 236; II 3 , 1 5 , 2 1 , 32, 39, 48, 53, 56, 58, 63, 66. 75-78, 83, 93. 99, 106, 114-116, 147-148, 182, 186-188, 192, 199-200, 202, 204, 218, 220, 250, 296, 304, 349, 379, 381-382, 396, 401, 412, 417, 456,462, 502, 515, 517, 520, 542, 546, 548, 551, 553, 557, 574, 578, 580, 586, 588; III 354, 359, 399 - Amt für deutsche Roh- und Werkstoffe 142-45 - Bevollmächtigter für die Maschinenproduktion 1165,316,376,600-601 - Generalinspektor für Sonderaufgaben des Vieijahresplanes 1119,121 - Generalrat I 16, 24, 111; II 9, 40, 80-81, 352, 574, 583-584,603 - Geschäftsgruppe Arbeitseinsatz II 75, 78, 199200,204 - Reichskohlenkommissar 1133 - Wehrwirtschaftliche Forschungsstelle III 583 Vlaamsche Nationaal Verbond (VNV) III 338 Völkerbundkommissar für die Freie Stadt Danzig 1156 Volksdeutsche Mittelstelle II 447 Volksgerichtshof II 107, 197; III 564 Volkskommissar für Außenhandel der UdSSR 111421,449 Volkssturm 111627,637

Waffen-SS s. SS Wannsee-Institut III 513 War Trade Department (Großbritannien) III 465 Wehrkreisbeauftragte s. RMRuK Wehrersatzdienststellen II 95

Register Wehrmacht 132, 101-102, 108, 110, 118-119, 125126, 138-139, 163-164, 182-183, 201, 212, 214215, 219-221,227,230, 232-233, 240, 242; III 4, 6, 9-10, 28, 35, 4 8 ^ 9 , 55, 57, 59, 61, 67, 85, 8889, 92-93,103, 110-111,114, 118, 120, 126, 136, 149, 153, 156-157, 161, 185-186, 196, 205, 210211, 217-221, 225, 343, 348, 350, 352, 368, 373, 376- 380-382,386, 421, 402, 432,441,452, 459, 464, 480, 488, 580, 614, 626-629, 636-637, 640, 642-643,661,673, 684-695, 702, 722-727, 731 - Beschaffungsämter II 132 - Oberkommando der Wehrmacht (OKW) I 18, 25, 43, 45, 56, 82, 92, 95, 102, 106, 110, 113, 119; II 4, 7, 9, 11, 13, 19-20, 22, 24, 28-30, 32-33, 35-36, 39, 44-45, 48, 51-52, 64, 70-72, 74, 82, 93, 97, 100, 119, 123,132,137, 141, 154, 180181, 183,185-189,193-204, 210, 214-216,226228, 238, 242, 260, 264, 268, 281, 290-291, 297-299, 400, 408, 447, 455, 471, 483-484, 505,517,519; 1112,4,9,31,50, 100, 103,110, 138, 149, 195, 205, 233, 247, 329-330, 334, 352-355, 357, 362, 364, 380, 405, 417, 423, 437, 455, 462-463, 478, 504, 615, 625-626, 630, 633-634,636, 643, 659, 668, 685, 687,703 - - Auslandsbrief-Prüfstellen II 291 - - Feldwirtschaftsamt II 505, 509-510; III 103104, 109,143,245, 353, 355, 357, 602 - - Chef der Nachrichtentruppen III 665 - Chef des Transportwesens 111354,665 - - Sonderstab Handelskrieg und wirtschaftliche Kampfmaßnahmen III 504 - - Technische Brigade Mineralöl (TBM) II 187, 483,485-489 - Technisches Bataillon 26 mot. Bergbau II 464, 475; III 350 --WehrmachtfÜhrungsstab 1114,182; II 70, 107, 132, 181, 275, 481, 483; III 2, 56, 138, 149, 224, 274, 343,354, 626 Wehrwirtschafts- und Rüstungsamt I 85, 104105, 107, 110, 114, 116, 118-119, 125-127, 129-131, 182, 216, 219, 231-234; II 2, 5-6, 9, 12, 16-17, 20-22, 26-32, 34, 39, 43, 45, 51-52, 54, 61, 70, 75-76, 79-80, 114, 180, 182-184, 187, 195, 197, 203, 264, 275, 314, 347, 350, 353, 384, 407, 463, 477, 4 8 M 8 2 , 488, 509, 513-514, 518-519; III 100,103, 488 - Wirtschaftsstab Ost III 323, 329-330, 334, 342 Wehrwirtschaftliches Bergbaubataillon Südost III 350 Wehrwirtschaftlicher Neuer Erzeugungsplan II 3637,348, 352,515 Wehrwirtschaftsinspektionen II 93 - IV (Dresden) I 56

Behörden und Institutionen Wehrwirtschaftsstab I 18, 112, 114-115, 119; II 132,357; III 100,352,423 - Amtsgruppe Vertrags- und Preisprüfwesen II 132,513-514,518 -Frankreich I I 9 3 -Griechenland III355 -SOdost III 353-354 - Zentrale Maschinenbeschaffungsstelle II 376 Weltwirtschaftliches Institut Kiel III 474 Weltwirtschafts-Institut der Handelshochschule Leipzig III 584, 588 Werberat der deutschen Wirtschaft II 425-426; III 316,343, 525 Werberat Ungarn und Rumänien III 343 Werkdienst Holland III 316, 322,325-326 Werkdienst Ukraine 111316,318 Werkschutz II 249 Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft mbH II 522,524-525 Wiitschaftsfflhningsstab Ost II 21, 81, 416, 162, 488 Wirtschaftsgruppe - Bauindustrie II 57,102-104; III 31 - Bekleidungsindustrie II 104,269 - Bergbau I 28, 133, 135, 175; II 89, 102, 113, 218,271,306-307,367,416-417, 527 - Bezirksgruppe Steinkohlenbergbau Ruhr I 175; II 249 - Chemische Industrie II 173, 395; III 34, 109, 478, 619, 623 - Fachabteilung Ferrolegierungen III 478 - Produktionsbaro III 619-620 - Eisen schaffende Industrie I 165, 174, 202-203, 294; II 47, 67, 86-90, 102, 113, 143, 151, 194, 215, 240, 257, 307-308, 362-363, 366, 393, 398, 403, 405, 413, 417, 461, 494, 527, 542, 546; III 100, 103,126,131, 224, 575, 595, 625, 630,644,651,653 - Beirat - Bezirksgruppe Nordwest III 250 - Bezirksgruppe Oberschlesien 1203 - - Engerer Beirat Nordwest III 224 - Eisen-, Stahl- und Blechwarenindustrie 1117 - Elektroindustrie II 67, 374, 554, 561, 566; III 542, 568,644 - Fahrzeugindustrie II 12, 283, 313, 316, 335 - Feinmechanik und Optik I 165, 169; II 47. 201, 411, 559; III 538 -Glasindustrie III601

827 - Groß-, Ein- und Ausfuhrhandel III 415 - Keramische Industrie II 104; III 12 -Kraftstoffindustrie II479 - Lederindustrie II 320; III 594 - Luftfahrtindustrie II 12, 32,265 - Maschinenbau I 117; II 12, 65, 67, 300, 316, 323,324, 371-374, 376, 566 - Metallindustrie 1 189, 194; II 67, 394 - Privates Bankgewerbe 111546,551,707 -Schiffbau II 134, 163 - Stahl- und Eisenbau II 374 - Steine und Erden II 104 - Textilindustrie 1117; II 138,393 - Werkstoffverfeinerung 1202; II 393 -Zuckerindustrie II 104 Wirtschaftsinspektion Sad II 461-462, 464, 475476, 482 Wirtschaftskammer Wien III 443 Wirtschaftskammern 1124,98, 101-103, 128; III 248 Wirtschaftsministerium -Italiens III461 -Thüringens 11589,591,614 Wirtschaftsorganisation Ost II 400,454 Wirtschaftsstab Oldenburg s. Wirtschaftsstab Ost Wirtschaftsstab Ost II 2, 21, 205-206, 218, 268, 417, 475,478,480, 482-t84, 488-489 Wirtschaftsverwaltungshauptamt (WVHA) s. SS Wissenschaftliche Beratungsstelle im Planungsamt s. RMRuK Zentralauftragsstelle(n) (ZAST) III 318 Zentrale Auftragssteuerung Eisen und Stahl s. RMRuK Zentrale Planung (im Vierjahresplan) II 64, 68, 7879, 81-87, 90-94, 105, 114-115, 126, 133, 146149, 168, 170-171, 173, 203, 209, 226, 235, 238, 241-242, 248, 252, 306, 311, 341, 349-350, 357, 363-364, 367, 370, 382, 390,-391, 415, 485, 513, 550, 602-603, 606, 626, 628, 642; III 9, 11, 18, 20, 22, 46, 56-57, 65, 104, 118-123, 126-128, 134, 137, 144, 152-153, 160, 163, 182, 223-224, 226, 228-229, 248, 522 Zentralinspektion zur Betreuung ausländischer Arbeitskräfte II 279 Zeugämter II 329 Zivilverwaltung Lothringen III 550 Zuchthaus(Frauen-) Cottbus III 282 Zuchthaus Sonnenburg III 282

828

Register

6. Errata-Liste Bandi Seite/Zeile 45/11 v.u.

50/4 v.u. 109/15 v.u. 110/3 127/8 130/9 188/3 198/10 v.u.

247/6

311/6 v.u. 317/10 v.u.

statt: des Vorgehens richtig: des weiteren Vorgehens statt: stärksten richtig: stärkstens statt: von seiten richtig: von Seiten statt: einfach richtig: de facto statt: Wehrbezirken richtig: Wehrkreisen statt: können richtig: könne statt: gerichtig: gewaltigen Finanzi o » ; Radandt richtig: Ungenau zit. in: Radandt statt: Eisen richtig: Eisen schaffende Industrie statt: vor richtig: von statt: Senebelle richtig: Senelle

4/9 17/4 v.u.

22/13 v.u. 25/9 26/20 v.u. 50/16 v.u.

60/3

94/5 v.u. 105/2 v.u. 123/21 v.u.

124/15 43/15 v.u.

144/10 145/11 v.u.

226/13 275/1 v.u. 275/3 v.u. 316/12 v.u. 330/13 v.u

Band Π XVI1/5

Seite/Zeile 61/1

statt: Sondering(e) richtig: Sonderring(e) zu streichen: ("Barbarossa") statt: Prüfungskommission richtig: Prüfungskommissionen statt: Formen richtig: Firmen statt: 1932 richtig: 1942 statt: erfüllbar richtig: erfüllbar" statt: Siemens- und AEGKonzern richtig: Siemens-Konzern statt: besprechen richtig: besprechen"

334/14 v.u.

340/Tab.59 373/14 374/16 v.u 376/11 412/10 438/Anm. 197

statt: für Milch als für Speer richtig: als für Speer für Milch statt: RMBuK richtig: RMRuK statt: Kapitalismus richtig: Imperialismus statt: Admiral richtig: Gro/Sadmiral (seit Jan.43) statt: AEG-Konzem richtig: Siemens-Konzern 1 statt: Albert Speer richtig: Albert Speer (Stellvertr.: Albert Vögler) statt: Lamertz richtig: Lammertz statt: GB Chemie richtig: Reichsamt für Wirtschaftsausbau statt: 1942 richtig: 1943 statt: 1943 richtig: 1942 statt: 1942/43 richtig: 1941/42 fehlt: Datum: 24. 3. 1943 statt: Dreifache richtig: Vierfache statt: noch weit höhere Raten richtig: ähnlich hohe Raten statt: s. S. 297f. richtig: s. in diesem Bd. S. 297f. Prozentzahlen beziehen sich jeweils auf den jährl. Zuwachs statt: 1938-1942 richtig: 1938-1944 statt: 276,6 richtig: 276,7 statt: berufen richtig: gerufen statt: Otto-Wolf-Konzerns richtig: Otto-Wolff-Konzerns fehlt Angabe: Himmler an Greifelt, 12. 6. 1942

829

Errata Seite/Zeile 432/21 481/3 v.u. 483/1 v.u. 511/14 515/3 v.u. 645/13 v.u. 673/9 677/5 v.u. 679/12 692/13

siati: Raum richtig: Raub statt: an den künftigen richtig: „an den künftigen statt: 1984 richtig: 1948 statt: 1. 1.1944 richtig: 1.11.1944 statt: 1952 richtig: 1942 statt: (in 1000) richtig: (in 1000 Schuß) statt: 1938-1942 richtig: 1938-1944 statt: Film 1750 richtig: Film 1740 statt: JfW, 1959 richtig: JfW, 1969 statt: Araberpolitik richtig: Agrarpolitik

Seite/Zeile 140/Tab.42 (Ob.)

152/Tab.47

154/2 v.u. 188/Tab.69

198/1 280/13 v.u. 332/25 512/Anm.l6 512/Anm.l8 522/11

Band m 529/5 v.u. XI/1 v.u. XIX/15 46/Anm. 185-188 48/7-8 v.u. 64/1 v.u. 75/2 v.u.

85/4 v.u.

statt: erhält richtig: enthält statt: STAV richtig: StAV Ziffern je eine Zeile höher setzen statt: verlaufenden richtig: verlaufenen entfällt: Hervorh. im Original statt: Ebenda richtig: Speer, Der Sklavenstaat statt: Siehe Tab. 4 richtig: Siehe Tab. 14

628/12 v.u.

660/8 668/2

745/6

statt: die und richtig: die statt: (in t je Tag) richtig: (Erzeugung in t je Tag) Zahlen für 1943 statt: ?? richtig: 5925 (Schkopau) 2860 (Hüls) statt: Ebenda richtig: Ebenda (USSBS) Ist-Zahlen für Flak 3,7 und 12,8 gelten zus.-gef^St f. Emling und Zwilling statt: Herbst 1943 richtig: Sommer 1943 statt: sparen-p richtig: sparen, statt: Vuglesang richtig: Fuglesang Ziffer zwei Zeilen tiefer setzen Ziffer eine Zeile höher setzen statt: ihn richtig: Lampe statt: Behandlung richtig: Verwaltung statt: Krisenorganisation richtig: Krisenorganisation des Reichsverkehrsministeriums statt: kaltblütige richtig: hysterische statt: Durchführungsbestimmungen richtig: Speers Durchführungsbestimmungen statt: Saur, Stichworte richtig: Saur

Die von der Reichsschuldenverwaltung ausgewiesene Reichss A. Die fundierte Schuld I. Auf Reichsmark lautende Schuld (Millionen Reichsmark)

30.06.39

30.09.39

304,5

304,5

27,0

25,9

2.654,9 61,4

2.654,9 61,4

4,8

4,8

795,6 132,7

795,6 132,7

50,7

55,2

Schuld des Reiches bei der Reichsbank

172,0

172,0

Rentenbankdarlehn

408,8

808,8

4Ά %ige Schatzanweisungen von 1934 4 %ige Anleihe von 1934

90,5 166,2

90,5 166,4

4 %iges Schuldscheindarlehn von 1935 41/:· %ige Schatzanweisungen von 1935 4 %ige Schatzanweisungen von 1935 472 %ige Anleihe von 1935 " zweite Ausgabe 472 %ige auslosbare Schatzanweisungen von 1935

264,1 421,4 13,2 774,7 1.010,8 463,0

264,1 421,4 13,2 774,7 1.010,8 463,0

Schuldscheindarlehn von 1936 472 %ige Schatzanweisungen von 1936 472 %ige auslosbare Schatzanweisungen von 1936 II. Folge III. Folge

56,7 324,4

56,7 224,5

670,3 599,9

670,3 599,9

611,4

611,4

700,0 800,0 849,9

700,0 800,0 849,9

Schuldtitel

Stand der Schuld am:

5 %ige Anleihe von 1927 Schuldschein-Darlehn von 1928 Anleiheablösungsschuld des Deutschen Reichs (16. Juli 1925) a) mit Auslosungsrechten b) ohne Auslosungsrechte Reichsschuldbuchforderungen für freiwilligen Arbeitsdienst Reichsschuldbuchforderungen, eingetragen auf Grund a) des Kriegsschädenschlußgesetzes (30. März 1928) b) der Polenschädenverordnung (14. Juli 1930) Schuldbuchforderungen, eingetragen auf Grund von § 65 des Gesetzes zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse

47= 472 I. II. III.

%ige Anleihe von 1937 %ige auslosbare Schatzanweisungen von 1937 Folge Folge Folge

chuld

31.03.40

31.03.41

295,3

286,2

23,8

19,6

15,1

10,5

6,9

1,8

2.572,5 60,4

2.417,3 59,5

2.260,9 58,4

2.102,4 57,9

1.942,5 57,6

1.864,0 57,1

4,7

4,7

4,6

4,6

4,5

4,5

722,9 132,7

670,7 121,0

592,7 106,0

517,2 90,7

431,5 75,7

431,2 60,4

60,1

52,3

48,6

45,4

40,2

34,7

170,8

170,8

1.199,9

1.334,9

1.549,9

1.549,9

55,5 166,4

10,5 133,2

10,5 99,7

264,1 417,4 13,3 754,2 986,0 463,0

264,1 308,1 13,3 733,1 960,9 463,0

264,1 95,6 3,5 711,4 934,1 370,5

264,1

264,1

688,1 905,9 277,8

664,2 876,1 185,1

664,2 876,0 92,5

56,7 118,7

56,7 112,9

56,7 109,0

56,7 86,9

56,7 62,9

56,7 43,3

670,3 599,9

670,3 599,9

670,3 599,9

670,3 599,8

556,0 497,6

442,1 395,7

597,5

582,6

567,3

551,9

534,9

534,9

700,0 800,0 849,9

700,0 800,0 849,9

699,9 800,0 849,9

699,7

580,4

580,2

31.03.42 -

-

31.03.43 -

-

31.03.44 -

-

31.12.44 -

-

1.549,9

1.549,9

_

_

_

66,6

33,0

-

-

-

-

-

264,1 -

-

-

-

-

-

-

47; %ige Anleihe von 1938 " zweite Ausgabe 4 %ige Schatzanweisungen von 1938 472 %ige auslosbare Schatzanweisungen von 1938 Erste Folge Zweite Folge Dritte Folge Vierte Folge

1.783,9 978,5 67,5

1.748,4 959,6 67,5

1.399,9 1.966,Ό 1.850,0 1.600,0

1.399,9 1.966,0 1.850,0 1.600,0

472 %ige Anleihe von 1939 " zweite Ausgabe 47: %ige Schatzanweisungen 1939

1.565,7

1.854,2 186,9 20,1

4%ige Anleihe von 1940 4Ά %ige Anleihe von 1940 4 %ige Schatzanweisungen von 1940 Folge I-IV Folge V Folge VI Folge VII 3 Ά %ige Anleihe von 1941 3 Ά %ige Schatzanweisungen von 1941 Folge I Folge II Folge III Folge IV Folge V Folge VI 3 %ige Schatzanweisungen von 1941 Folge VII 3 72 %ige Anleihe von 1942 3'h %ige Schatzanweisungen 1942 Folge I Folge III Folge IV 3'h %ige Anleihe von 1943 3'h %ige Schatzanweisungen von 1943 Folge I Folge II Folge III 3'h %iges Darlehn von 1944 3'h %ige Anleihe von 1944 3'h %ige Schatzanweisungen von 1944 Folge I Folge II Folge III 3'h %ige Schatzanweisungen von 1945 Folge I

-

Summe:

23.642,0

24.386,5

Summe:

1.710,8 974,9 60,0

1.671,6 957,4 52,5

1.630,4 932,6 45,0

1.399,9 1.965,9 1.850,0 1.600,0

1.399,9 1.965,9 1.850,0 1.600,0

1.399,9 1.965,9 1.849,9 1.600,0

1.963,4 1.847,7 1.599,7

3.204,0 322,0 31,2

3.139,6 420,1 42,4

3.072,3 807,5 47,7

3.002,2 785,9 50,2

2.928,8 762,9 2,3

2.852,1 743,1 3,1

1.964,0

4.177.3 4.085.4

4.203.2 4.006.3

4.203,2 3.923,6

4.202,1 3.840,5

4.201,6 3.758,0

7.852,0

7.843,4

7.837,5

7.835,8

7.921,2

7.921,7

7.921,3

7.921,3

15.000,0

14.999,9

14.999,9

14.999,9

25,0 42,7

40,0 41,2

40,0 39,7

40,0 38,2

2.808,0

9.254,9

9.254,9

9.254,9

2.837,2

6.000,0 5.984,0 6.000,0

18.003,2

18.003,3

12.316,5

12.316,5

18.064,0

18.083,0

100,0 3.364,3

100,0 11.407,8

3.409,8

6.000,0 6.000,0 400,0

750,0 28.635,5

2.750,0 1.000,0 2.000,0 2.100,0 1.235,6 3.000,0 786,5

Summe:

1 l

1.589,5 908,0 37,5

1.544,7 883,3 30,0

1.748,4 974,9 67,5

-

46.524,9

Summe:

69.600,8

i

3.537,0 Summe:

90.868,1 i

Summe:

118.044,1

589,1 Summe:

134.960,4

II. Auf fremde Währungen lautende Schuld (Millionen RM - nach den Mittelkursen der Berliner

Schuldtitel

Stand der Schuld am:

30.06.39

30.09.39

6 %ige Äußere Anleihe des Deutschen Reiches von 1930

298,1

298,1

Internationale 5'/2 %ige Anleihe des Deutschen Reiches von 1930

709,6

695,4

Auf Sonderkonto bei der Deutschen Reichsbank eingezahlter Tilgungsbetrag Deutsche Äußere Anleihe von 1924

36,5 281,4

Auf Sonderkonto bei der Deutschen Reichsbank eingezahlter Tilgungsbetrag Summe der auf fremde Währungen lautenden Schuld (zuzüglich der o. g. „Tilgungsbeträge")

291,4 54,8

1.289,3

1.285,1 (1.376,4)

30.06.39

30.09.39

7.486,0 45,5

9.673,5 35,5

2. Kurzfristige Darlehn

286,5

5,2

3. Betriebskredit bei der Deutschen Reichsbank

100,0

218,7

B. Schwebende Schuld (Millionen RM) Schuldtitel

Stand der Schuld am:

1, Zahlungsverpflichtungen aus der Begebung von a) Unverzinslichen Schatzanweisungen mit Gegenwert und von Reichswechseln b) unverzinslichen Schatzanweisungen ohne Gegenwert

Notierungen des Stichtages)

31.03.40

31.03.41

31.03.42

31.03.43

31.03.44

31.12.44

298,1

298,2

298,2

298,2

298,2

298,2

687,6

674,5

667,8

661,8

652,2

645,5

44,6

48,8

53,3

55,4

57,9

274,5

265,5

258,8

250,8

245,6

72,3

80,3

87,5

90,7

94,6

1.247,3 (1.360,7)

1.231,6 (1.360,7)

1.218,9 (1.359,7)

1.201,3 (1.347,4)

1.189,3 (1.341,8)

31.03.40

31.03.41

31.03.42

31.03.43

31.03.44

31.12.44

17.690,4 29,4

36.089,6 23,3

61.106,5 17,3

94.724,7 11,4

144.499,8 5,5

200.628,4 5,5

4,6

1.923,7

5.271,0

7.906,9

9.245,3

9.132,9

315,5

180,7

450,3

873,2

411,2

767,8

-

282,3

-

1.268,2 -

Summe der Zahlungsverpflichtungen

7.918,0

9.932,9

61,4

12,4

7.979,4

9.945,3

1. Anleihestock-Steuergutscheine

108,0

108,1

2. Steuergutscheine I und II (NF)

1.497,8

4.029,1

Steurgutscheine gesamt:

1.605,8

4.137,2

4. Schatzanweisungen zum Zwecke von Sicherheitsleistungen Schwebende Schuld: II. Betrag der ausstehenden Steuergutscheine

III. Betriebsanlage- und Warenbeschaffungsguthaben 1. Betriebsanlage-Guthaben

-

-

-

-

2. Warenbeschaffungs-Guthaben Summe der Betriebsanlage-AVarenbesch.-Guthaben Summe Schwebende Schuld/II. und III.

Angaben nach: Deutscher Reichsanzeiger und Preußischer Staatsanzeiger, Nr. 290 vom 11.12.1939, Nr. 196 vom 22.08.1940, Nr. 153 vom 04.07.1941, Nr. 132 vom 09.06.1942, Nr. 146 vom 01.07.1944, Nr. 37 vom 15.03.1945. Unstimmigkeiten in den Aufrechnungen ergeben sich aus den Abrundungen.

9.585,2

14.082,5

18.039,9

38.217,3

66.845,1

103.516,2

154.161,8

210.534,6

10,6

9,7

14,6

12,3

8,6

6,6

18.050,5

38.227,0

66.859,7

103.528,5

154.170,4

210.541,2

109,2

109,8

89,1

67,4

44,5

25,8+

4.001,2

3.544,5

3.539,9

1.177,7

999,8

862,6+

4.110,4

3.614,3

3.629,0

1.245,1

1.044,3

888,4+

548,3

587,6

589,3

589,2+

-

-

161,3

177,0

176,9

176,9+

-

-

709,6

764,6

766,2

766,1+

71.198,3

105.538,2

155.980,9

212.195,7

22.160,9

41.841,3

Anmerkung zu den Auslandsschulden: Nach dem 30.06.1939 wurden Tilgungsbeträge für Frankreich, England und Schweden zurückgezogen, wodurch sich die eingetragene Schuld wieder um 10 Mill. RM erhöhte. Über die Tilgungsbeträge vermerkte die Reichsschuldenverwaltung in ihren Bekanntmachungen stets: „Die infolge des Mangels an Devisen nicht transferierten, auf ein Sonderkonto bei der Reichsbank überwiesenen Tilgungsbeträge ein Sonderkonto bei der Reichsbank überwiesenen Tilgungsbeträge für den amerikanischen, schweizerischen, italienischen, belgischen, holländischen und deutschen Anleihebesitz wurden vom Schuldkapital abgesetzt..." Anmerkung zur schwebenden Schuld: Die mit + gekennzeichneten Beträge sind als geschätzte Summen veröffentlicht worden.