Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos 9783666251399, 3525251394, 9783525251393

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Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos
 9783666251399, 3525251394, 9783525251393

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HYPOMNEMATA HEFT 48

HYPOMNEMATA U N T E R S U C H U N G E N ZUR A N T I K E UND ZU I H R E M N A C H L E B E N

Herausgegeben von Albrecht Dihle / Hartmut Erbse / Christian Habicht Hugh Lloyd-Jones / Günther Patzig / Bruno Snell

H E F T 48

EVANGELOS

PETROUNIAS

Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos

VANDENHOECK

& R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Petrounias, Evangelos Funktion und Thematik der Bilder bei Aischylos. - Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht, 1976. (Hypomnemata; H. 48) ISBN 3-525-25139-4

© Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen 1976. - Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen

manibus patris

Vorwort Die ursprüngliche Fassung dieser Arbeit wurde im Sommersemester 1967 der Philosophischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen vorgelegt. Berichterstatter waren + Prof. Dr. Wolfgang Schadewaldt und Prof. Dr. Hartmut Erbse, denen mein Dank für Rat und kritische Hinweise gilt. Mein Dank gilt auch Herrn Prof. Dr. Bruno Snell für Ermutigung und Rat bei der letzten Fassung der Arbeit. Ihm und Prof. Dr. Erbse ist es auch zu verdanken, dass die Arbeit in der Reihe Hypomnemata aufgenommen wurde. Zu Dank fühle ich mich ferner der Staatlichen Stipendienstiftung (I.K.A.) in Athen verpflichtet, die meinen Studienaufenthalt in Tübingen ermöglichte — die griechische Militärregierung hat später die Stipendien von meiner Familie zurückverlangt. Ich möchte auch Dank meinem ehemaligen Kollegen Dr. David Packard, vom Klassischen Seminar an der U.C.L.A. und jetzt an der Universität Chapel Hill in North Carolina, aussprechen, der mir sein Programm für Datenverarbeitungsmaschinen für den Schriftsatz des Buches zur Verfügung stellte. Der Akademische Senat und das Campus Computing Network der Universität von Kalifornien in Los Angeles haben ansehnliche Beiträge zu der Fertigstellung des Buches beigesteuert. Los Angeles, im Sommer 1975

E. Petrounias

INHALTSVERZEICHNIS Einleitung Arbeitsvorhaben Forschungsgeschichte

Perser Erstes Leitmotiv: Der vernichtete Schwärm Zweites Leitmotiv: Das zerbrochene J o c h Weitere Motive Schlußbetrachtungen

Sieben gegen Theben. Erstes Leitmotiv: Schiff und Sturm Zweites Leitmotiv: Das Taubennest; herabstürzender Bergbach vor dem Angriff der Schlange; das angreifende Ungeheuer Nebenmotive Schlußbetrachtungen Das umstrittene Ende

Hiketiden. Erstes Leitmotiv: Vogel jagt Vogel. Zweites Leitmotiv: Beim Hirt schutzsuchende Färse Drittes Motiv: Der Taucher und die Gefahr vom Wasser Nebenmotive Schlußbetrachtungen

IX IX XIII

1 2 7 15 30

33 34 51 59 70 74

75 76 82 85 91 95

Prometheus Erstes Leitmotiv: Der kranke Arzt . Zweites Leitmotiv: Das neuangeschirrte Fohlen Nebenmotive Schlußbetrachtungen

97 98 108 114 123

Orestie

127

Agamemnon.

129

Erstes Leitmotiv: Vogelmotiv. Die Geschädigten werden zuSchädigern. Zweites Leitmotiv: Jagd und Netz Drittes Leitmotiv: Opferung und Opfertier

Choephoren. Erstes Leitmotiv: Adler und Schlange . Zweites Leitmotiv: Wettkampf. Ringkampf und Wagenrennen

Eumeniden Erstes Leitmotiv: Jagd (Hundemeute u n d Wild) Zweites Leitmotiv: Hirt; Überwachung u n d Wachposten

129 140 152

162 162 167

173 173 179

xiii

Inhaltsverzeichnis

Gesamtbetrachtung der Orestie Vorbereitung und Nachklänge der schon untersuchten Leitmotive . Mit den Leitmotiven direkt verbundene Motive Haupt- und von ihnen abhängige Motive Weitere Motive Schlußbetrachtungen

184 184 192 200 255 296

Schlußfolgerungen.

301

Anmerkungen.

317

Perser Sieben Hiketiden Prometheus Agamemnon Choephoren Eumeniden . Orestie Schlußfolgerungen

317 329 350 363 374 388 391 394 418

Literaturverzeichnis.

421

Register

432

EINLEITUNG

A rbeitsvorhaben In vorliegender Arbeit wird der Versuch unternommen, die Bilder bei Aischylos, und insbesondere ihre Einteilung in (Leit-) Motive, zu untersuchen, und ihr jeweiliges Verhältnis zum Drama bzw. zur Trilogie zu erforschen. Es wird sowohl nach Motiven gefragt, die — wenn nicht ausschliesslich, so doch hauptsächlich — durch Bilder vertreten sind, als auch nach solchen, die sowohl im Bildlichen als auch, durch die geeignete Wortwahl und durch die Darstellung des Geschehens, im Realistischen erscheinen. Zur Kontrastierung wird auf Motive hingewiesen, die kaum eine bildliche Komponente aufweisen. Es wird weiter danach gefragt, inwieweit ein Motiv mit dem szenischen Vorgehen in Beziehung steht. Eine Einteilung der Bilder nach Sinnbereichen erübrigt sich, denn sie ist schon von mehreren Forschern — freilich mit unterschiedlichem Erfolg — vorgenommen worden. Gerade die Beschäftigung mit einer Klassifizierung hat dazu beigetragen, dass die Eigenart Aiscylos', ein Bild herauszuarbeiten, oft ausser acht gelassen und dass nach der Möglichkeit einer vielfachen Funktion eines Bildes oder einer Bildreihe nicht gefragt wird. Wenn man alle Bilder einer Tragödie zusammenstellt, werden bestimmte thematische Affinitäten zwischen Bildgruppen offenbar. Wenn man weiter untersucht, ob andere, entsprechende oder gleiche thematische Affinitäten in einer anderen Tragödie existieren — man also nicht sämtliche Bilder aus allen Dramen wahllos nebeneinanderstellt —, kann erkannt werden, dass gewisse Motive jedes Drama durchlaufen. Freilich gebrauchen die meisten Dichter Bilder, aber die Gestaltung der Bilder in Motiven ist besonders charakteristisch für Aischylos. Auch andere Dichter gebrauchen Motive: Man kann leicht an den Gebrauch des τνρα»ΊΌϊ-Motivs durch Sophokles denken, welches in gewissen Stellen seines Oidipus durch sachliche Ausdrücke mehr oder weniger stark gehört wird. Bei Aischylos aber werden die Motive grundsätzlich durch Bilder gestaltet. Uberhaupt sind die Bilder bei Aischylos im Vergleich zu den anderen Tragikern so vielzählig, so sehr ausgearbeitet, so auffallend und eigenartig, dass der Gedanke naheliegt, dass dieser Dichter sich mit Vorliebe durch Bilder ausdrückt. Zwar steht bei Aischylos kein Element seines Schaffens vereinzelt da, sondern alles ist in die tragische Konzeption eingebettet, so dass man von irgendeinem beliebigen ausgehend die übrigen erschliessen kann. Die Bildthematik aber, und was mit ihr eng verbunden ist, scheint vielversprechend zu sein.

χ

Bilder bei Aischylos

Es wird bei der Untersuchung erstrebt, möglichst zwischen "Themen" und "Motiven" nach den Erfordenissen der modernen Forschung zu unterscheiden. Es wird z.B. vermieden, ein Thema wie "Die Angst" oder "Die Beziehungen zwischen Mensch und Gott", oder einfacher, "Die Rolle von Zeus" oder "Die Rolle von Aphrodite" zu untersuchen, wie es bei älteren Aufsätzen vorkommt, wohl aber Motive wie "Die furchtsame Felsentaube" oder "Der jagende Adler" Letztere können für das Angstgefühl oder für die Wirkung Zeus' und auch dazu für weitere "Themen" stehen, erstere können wiederum von verschiedenen Motivkomplexen getragen werden. Es wird danach gefragt, ob ein Motiv oder auch einzelne Bilder eine mehrfache Funktion haben können, ob sie eventuell miteinander verbunden sind, ob sie im Verlauf des Dramas möglicherweise von einer anderen Perspektive aus gezeigt werden und was der Zweck der Differenzierung sein kann. Häufig wird Aischylos wegen der Kraft seiner Bilder bewundert. Wenn aber sein Ziel die Kraft an sich ist, warum sind dann die Bilder der zwei letzten Dramen der Orestie und besonders in den Eumeniden ziemlich schwach und im Vergleich zu den übrigen Tragödien so wenig? Wäre das erste Drama nicht überliefert, würde man die Bilder der Orestie als "fade" beurteilt und diesen Umstand mit dem Alter des Dichters erklärt haben. Im Agamemnon ist dagegen die Fülle, der Reichtum und die Kraft aller Bilder etwas einmaliges, auch im Vergleich zu den übrigen Dramen desselben Dichters. Vorausgreifend kann hinzugefügt werden, dass beim Gebrauch der Motive in den Sieben eine Symmetrie, andererseits im Agamemnon eine Fülle, in den Choephoren eine Vielfalt, in den Eumeniden eine Einfachheit festgestellt werden kann. Solche Unterschiede sollen durch Bezugnahme auf das ganze Drama erklärt werden. Seit Blümner weiss man, dass einst lebendige Metaphern allmählig ihre Kraft verlieren, während andere ständig neu entstehen. Eine umstrittene Frage ist immer, welche Metaphern im Werk eines Dichters von ihm bewusst geschaffen sind, welche nur als einfach übernommenes poetisches Gut erklärt werden müssen, und welche so sehr gewöhnlich geworden sind, dass sie nicht mehr als wirkliche Metaphern empfunden werden (nach Earps Bezeichnung "dead and buried"). Ein Beispiel kann die Ungewissheit der Kriterien zeigen: nach Lesky (Thalatta, S. 237) hat der metaphorische Ausdruck Cho. 661 'ώρα 8' (μπόρους μεθύναι αγκνραν kv Βόμοισι πανδόκοπ ξένων seine unmittelbare Bildhaftigkeit fast verloren, während er von Earp als eine besonders auffallende Metapher beurteilt wird. Um den Eindruck eines Zirkelschlusses zu vermeiden, wollen wir nur ein Werk unserer Untersuchung zugrunde legen. Da Earps Buch als die beste Systematisierung angesehen werden kann, wird auf dessen Listen ständig verwiesen. Es soll aber nicht übersehen werden, dass eine schon

Einleitung

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geläufige Metapher durch den geeigneten Gebrauch von einem Dichter mit neuem Leben erfüllt werden kann und weiter — wie Goheen für einen anderen alten Dichter gut gezeigt hat (The Imagery of Sophocles' Antigone. Princeton 1951.) —, dass ein Ausdruck, der an sich kaum metaphorische Kraft hätte, durch den Zusammenhang diese gewinnen kann. Viele solcher Ausdrücke werden von Earp nicht aufgenommen. Die Kriterien sind zwangsläufig subjektiv, während Earps Listen den Vorteil haben, vom Standpunkt eines anderen Forschers ziemlich "objektiv" zu sein. Damit also dem Leser ein Vergleichspunkt zur Formung des eigenen Urteils geboten wird, werden wir darauf hinweisen, wenn wir anderer Meinung als Earp sind und weitere Ausdrücke als metaphorisch betrachten wie auch in den wenigen Fällen, wo wir eine von Earp angeführte Metapher nicht als eine solche auffassen. Der Bezug auf Earp wird besonders bei der Aufstellung von Statistiken angedeutet. Earp bezeichnet die nach seiner Meinung besonders auffallenden Metaphern mit einem Sternchen (*) und diese Bezeichnung haben wir bei der Aufstellung von Statistiken beibehalten. Aus demselben Grund wäre es erwünscht, nur eine Aischylosausgabe zugrunde zu legen. Mazons und Wilamowitzens Ausgaben sind aber veraltet und Pages neue Ausgabe weicht von der Überlieferung beträchtlich ab. Murrays Ausgabe ist oft unerfreulich, dafür aber ziemlich konservativ und findet immer noch die verbreitetste Anwendung. Wir werden also diese Ausgabe als Grundlage benutzen und dem Leser ausdrücklich erklären, wenn wir uns gezwungen sehen, von Murrays Lesungen abzuweichen. Auf Grund der vorgeschlagenen Motivtheorie können dann Interpretations- und Textgestaltungsfragen aufgegriffen werden. Die Einteilung in Haupt- bzw. Leit- und Nebenmotive wird gelegentlich nur das Ergebnis einer subjektiven Beurteilung sein, sie hilft aber zur Erlangung einer Übersicht. Zahl und Kraft der einem Motiv untergeordneten Bilder, aber auch dazugehörige nicht metaphorische Ausdrücke wie gelegentliche Bühnenvorgänge, können bei der Beurteilung eines Motivs mitbestimmend sein. Neben Sprachbildern werden besonders Allegorien, Visionen und Träume berücksichtigt, die "Bilder" in einem anderen Sinne sind und meistens bei Aischylos der Thematik angehören. Vorstellungen wie das Wachstum in der Natur können u.U. einem heutigen Leser geläufig sein, die Mehrheit der Vorstellungen aber, die den Alten geläufig waren, ist dem modernen Menschen fremd. Deshalb ist es leider notwendig, oft Realienerklärungen anzubieten, sowohl zur Deutung eines Bildes von der Sache her als auch zum Nachempfinden der Atmosphäre, in der sich der Dichter und sein Publikum bewegten. Man muss die alte Dichtung konkret verstehen, sonst bewegt sich alles in den Wolken. Dabei darf man für manche Bereiche, wie z.B. die Fischerei oder

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Bilder bei Aischylos

die Jagd, unbekümmert aus früheren oder späteren Schriftstellern schöpfen, bei anderen aber, wie z.B. der Seefahrt oder der Heilkunst, ist besondere Sorgfalt geboten, da diese Künste sich ständig entwickelten. Mancher Forscher hat sich durch die Nichtbeachtung letzterer Grundsätze Anachronismen zuschulden kommen lassen und den Sinn einer aischyleischen Vorstellung missdeutet. Durch ungenaue oder falsche Erklärung ist oft die Absicht des Dichters verfälscht worden. Wir erwähnen hier nur ein älteres Beispiel: Nach dem Scholiasten zu Prom. 857 sind die Danaostöchter liebeslüstern, von ungemässigtem Liebestrieb erfüllt. Der Grund der Missdeutung liegt an mangelnder Differenzierung zwischen irtkua und περιστερά als Sinnbilder (s. z.B. Anm. 291). Die griechischen Dichter halten im Grunde an der Tradition fest. Die Gegenüberstellung von Bildern aus Aischylos und aus anderen Dichtern hilft zeigen, dass es sich oft um poetisches Gemeingut handelt, dessen Gebrauch aber speziell aischyleisch ist. Bilder und Wörter überhaupt werden nicht nur wegen ihrer Hauptbedeutung, sondern auch wegen ihrer Nebenbedeutung gebraucht, und es ist oft die letztere, die eine besondere Suggestionskraft besitzt. Dies, ebenso wie auch Doppeldeutigkeiten festzustellen für eine Zeit, deren Lebensweise, Religionsvorstellungen, soziale Struktur, politische Verhältnisse und Interessen uns nicht ganz greifbar sind, kann bisweilen nur eine Spekulation sein. Der Versuch jedoch, solche aufzuspüren, soll trotzdem unternommen werden, auch unter Gefahr, dem Vorwurf ausgesetzt zu werden, allzuviel aus einem Bild herauzuhören. Es lässt sich sehr selten ein Unterschied in der Gestaltung der einzelnen Bilder und überhaupt keiner in der Gestaltung der Motive ausmachen, in bezug auf ihr Erscheinen in Dialog- oder in Chorpartien, und sie werden deswegen gemeinsam untersucht. Da der Unterschied zwischen Vergleich und Gleichniss hauptsächlich ein äusserer ist (kürzere oder längere similitudo), und da die similitudines bei Aischylos — und der Tragödie überhaupt — meistens kürzer als diejenigen des homerischen Epos sind, für die der Terminus Gleichnis öfter Anwendung findet, wird hier durchaus der Terminus Vergleich gebraucht. Die Anwendung musikalischer Terminologie ist mit Absicht erstrebt, obwohl dabei die Gefahr entsteht, dass beim Gebrauch von Termini wie "Motiv" und "Leitmotiv" der Leser an eine Wagnersche Technik denkt. Wenn man dabei überhaupt an Komponisten denken will, so ist es besser Bach oder Beethoven im Gedächtnis zu halten.

Einleitung

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Forschungsgeschichte Es ist naheliegend, dass wir uns vorwiegend mit neueren Arbeiten und mit den wichtigsten der älteren Literatur auseinandersetzen. Die meisten von den in lateinischer Sprache geschriebenen Dissertationen des 19. Jahrhunderts wirken wie einfache Kommentare, die weder lexikalisch noch literarisch viel erklären. In diesen wird eine Klassifizierung einer oder mehrerer Bildarten eines Dichters oder mehrerer Dichter unternommen. Die Klassifizierung ist meistens nicht einwandfrei und von Vollständigkeit kann nicht die Rede sein. Oft bleibt als einziger Verdienst, dass ein guter Kritiker, wie Wecklein, zitiert wird. Es wird manchmal versucht, Aristoteles' und Quintilians Definitionen zu interpretieren und "Bilder" nach deren Kategorien einzuordnen, eine Tendenz, mit der Stanford endgültig aufgeräumt hat (1936). Es wird selten ein Bild erklärt oder der Sinn eines Symbols erkannt. Hoppe (1859) hat versucht, obwohl noch zu schematisch, den sinnbildlichen Gebrauch von Bildern aus manchen Bereichen, besonders aus der Vogelwelt, zu ermitteln. Interessantere allgemeine Bemerkungen und Untersuchungen mancher Personifikationen, sowie eine recht geglückte Ermittlung der Bedeutung der Sinnbilder aus der Tierwelt enthalten Morels Arbeiten (1875, 1879), obwohl weder Vollständigkeit angestrebt wird noch die Einteilung vollkommen ist. Eine exakte Arbeit ist die von Fischer (1900). Der Verfasser beschränkt sich aber bewusst auf das Gebiet der Technik und auf "Sprachmetaphern", d.h. er untersucht nicht die von Dichtern selbst geschaffenen Metaphern. Eine erfreuliche Ausnahme bilden die Arbeiten von Dahlgren aus den Jahren 1875 und 1877 (die erste seine Dissertation) und Rappold (1875-78, auf deutsch). Es wird hier eine bessere Klassifizierung und Terminologie angestrebt, Erklärung vieler Bilder sowie Deutung mancher Symbole vorgenommen. Diese Arbeiten enthalten interessante Ergebnisse über den Gebrauch bei den verschiedenen Dichtern oder über das, was die Leute im Altertum interessierte. Von besonderer Bedeutung für die Erklärung einiger Vergleiche wie auch für die Untersuchung der Verbindung von Bild und eigentlichem Ausdruck ist Weckleins kurzer Aufsatz aus dem Jahre 1872. Eine gute Klassifizierung findet sich bei Lees (1902), der Blümner in der Methodik nachstrebt. Es werden bei ihm nur einige charakteristische Metaphern jeder Klasse erwähnt sowie statistische Hinweise auf Metaphernart und Tragödie gegeben. Die Partikeln, durch welche die Vergleiche eingeführt werden, sind Gegenstand der im allgemeinen uninteressanten Arbeit von Terzaghi (1906). Nach Vollständigkeit streben die Arbeiten von Peez (von 1886 bis 1913) und — in geringerem Mass — von Keith (1914). Beide sind als Nachschlagewerke wichtig. Beide

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Bilder bei Aischylos

Verfasser — besonders aber der zweite — erklären manche Bilder, suchen nach Gebrauch und Sinn der Symbole und ziehen meistens richtige Schlüsse bei der Vergleichung des Gebrauchs der verschiedenen Dichter. Nicht minder wichtig ist die zweite Arbeit wegen ihres reichen Literaturverzeichnisses, besonders wenn man bedenkt, dass die meisten Arbeiten auf diesem Gebiet noch bis heute sehr sparsam mit Literaturhinweisen umgehen. Gut ist die Dissertation Hörmanns aus dem Jahre 1934. In dieser wird hauptsächlich die stilistische Form in ihrer Entwicklung untersucht. Der Verfasser sucht nach der Bedeutung der Sinnbilder und mehrere seiner Schlüsse sind richtig. Nicht sehr geglückt ist die Dissertation von Mielke (1934), in der eine Klassifizierung der Bilder innerhalb jedes Dramas und Deutung derselben auf Grund von Ideen und Charakteren des betreffenden Stückes versucht wird. Immerhin sind manche Sinnbilder richtig erklärt und eine interessante Bemerkung taucht auf (s. unten). Stanfords ältestes Buch (1936) bedeutet eine besondere Leistung für das Verständnis der Metaphern in der griechischen Dichtung. Der Verfasser zeigt, weshalb Aristoteles' "logische" Definitionen für eine literarische Beurteilung unzureichend sind und wie wichtig es ist, zwischen den nach dem dichterischen Wollen geschaffenen und den übrigen Metaphern zu unterscheiden. Die sicherste und knappste Aufzählung sämtlicher Bilder jeder Tragödie, nach Metaphern und Vergleichen aufgeteilt, getrennt für Dialog- und lyrische Partien, mit Angabe der besonders auffallenden Bilder und einfachen Statistiken findet man in Earps Listen in dessen Aischylosbuch (1948). Dieser Verfasser kommt selber zu dem Ergebnis (S. 98; 111 f.), dass kein Unterschied beim Gebrauch im Dialog oder in Chorliedern festzustellen ist. Earp bietet auch eine gute Analyse der Metaphern und macht besonders aufmerksam auf den Unterschied zwischen auffallenden und neugeschaffenen einerseits, herkömmlichen und schon abgeschwächten Metaphern, andererseits. Methodologisch wichtig für das Verstehen der Entwicklung von Gleichnis und Metapher in bezug auf die allgemeine Geistesentwicklung der Zeit ist Snells Erörterung (1955). Für die besondere Eigenart des archaischen Stils, den "kopulativen Vergleich", ist van Otterlos Dissertation (1937) wichtig, da diese Art Vergleich oft bei Bilderaufzählungen fehlt. Waerns Dissertation (1951) bietet nützliche Listen der Kenningar, auch wenn die Erklärung der Verfasserin dieses Kunstmittels angreifbar ist. Schon Wecklein und Headlam haben für die Struktur der Bilder bei Aischylos gutes geleistet. Die besten Bemerkungen auf diesem Gebiet finden sich zerstreut in Fraenkels Kommentar. Smith (1965) unternimmt eine systematische Darstellung des Materials.

Einleitung

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Für die sprachliche Erklärung neben den Kommentaren, von denen die wichtigsten die von Headlam und Thomson (1938, Neuauflage 1966), Fraenkel (1950) und Broadhead (1960) sind, bietet van Nes (1963) sehr gute Bemerkungen, sichere Stellenerörterungen, nützliche Besprechung der nach Begriffen eingeordneten maritimen Metaphern und knappe aber nützliche Übersicht über die Bibliographie. Auch Hangards Abhandlung (1963) bietet nützliche Erklärungen über Metaphern aus dem Münzwesen, einem Bereich, der wegen seiner technischen Natur bei der Besprechung von Bildern oft unberücksichtigt bleibt. Was die Erforschung der Motive betrifft, kann auf vier Etappen hingewiesen werden. Diese sind: Headlams kurze Aufsätze aus dem Anfang des Jahrhunderts und dazu die Weiterführung seiner Ideen durch Thomson, Dumortiers Dissertation (1935), Hiltbrunners Dissertation (1914 bzw. 1950) und Goheens Aufsatz (1955). Zu diesen kann wegen einer interessanten Feststellung der Aufsatz von Knox (1952) und wegen der feinfühligen und sorgfaltigen Analyse die Dissertation von Lebeck (1963) und der Aufsatz von Zeitlin (1956) hinzugefugt werden. K. O. Müller hat in der nicht nur für seine Zeit hervorragenden Eumeniden-Ausgabe (1833) das Jagdmotiv in dieser Tragödie erkannt. Dahlgren hat die Häufung der maritimen Bilder in den Sieben aufgezeigt. Bahnbrechend auf diesem Gebiet sind Headlams Aufsätze aus den Jahren 1898 bis 1906. Headlam hat gesehen, dass verschiedene Ideen wie "lyrische Konzeptionen", denen eine leitmotivähnliche Funktion wie in der Musik zukommt, ein Stück durchlaufen können, wodurch dem Stück seine Einheit verliehen wird. Er hat sowohl über die ausgearbeiteten ("sustained") wie auch über die wiederkehrenden Bilder viel Richtiges geschrieben. Er hat ferner an Beispielen dargelegt, wie durch die lange Ausarbeitung eines Bildes aus einer Bildvorstellung in eine andere, manchmal zu abrupt, übergegangen werden kann. Headlam hat auf mehrere Motive kurz hingewiesen: "Schiff im Sturm" in den Sieben, Prozess- und Opfermotiv im Agamemnon, Domos-, Licht-, Heilungs- und Agon-Motiv in den Choephoren, Erzeugungs- und Metoikoi-Motiv in den Eumeniden. Es ist schade, dass durch seinen frühen Tod seine Aufsätze in verschiedenen Zeitschriften meist unter nichtssagenden Titeln so lange verstreut geblieben sind. Es ist daher nicht erstaunlich, dass andere Kritiker, besonders ausserhalb seiner Heimat, keipe Kenntnis davon nahmen. Erstaunlich ist es allerdings, dass viele Kritiker auch nach der Veröffentlichung des Prometheus (1932) und der Orestie (1938) aus seinem Nachlass in Thomsons Bearbeitung, und der Weiterfuhrung seiner Ideen durch denselben, noch keine Kenntnis davon nehmen. Einen Aspekt des Lichtmotivs in der Orestie, nämlich das Feuer, hat Cornford erkannt (1907). Er hat ausserdem erarbeitet, dass dieses Motiv die beiden Ebenen der Handlung der Trilogie, die göttliche und die

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Bilder bei Aischylos

menschliche, miteinander verbindet. Obwohl er ihn nicht erwähnt, ist Sheppard anscheinend Headlam gefolgt (1. Ausgabe seiner Greek Tragedy in 1911). Sheppard untersuchte die Tragödien anhand der Motive ("themes") und hat auf mehrere hingewiesen bzw. sie kurz behandelt: Meer, "dahingegangen", Menge, Reichtum, Gold, Bogen, Wagen, Herrlichkeit in den Persern, Schiff in den Sieben, Io-Motiv in den Hiketiden. In seinem Aufsatz aus dem Jahr 1922: Ololygmos, Gebet zur Befreiung vom Übel, Opfer, Feuerlicht in der Orestie. Er spricht von einem Prinzip der "Wiederholung und Abwandlung mit kumulativem Effekt" (S. 46). Die Bilder an sich untersuchte er allerdings kaum. Anscheinend ist es der populären Form seines kleinen Buches zuzuschreiben, dass er von späteren Forschern kaum erwähnt wird. Keith (S. 106) hat auf die Bilder über Krankheit im Prometheus und über den Löwen im Agamemnon hingewiesen (1914). Ein "Aarmotiv" im Agamemnon und den Choephoren bemerkt Scheer (1912), der dabei auch die Wichtigkeit der Sacherklärungen betont. Focke fand in seiner guten Arbeit (1922) fünf "Motive" in den Hiketiden·. Hikesie, Argos, Polis, Amazonen, Aphrodite. Wie Sheppard spricht auch Focke von Leitmotiven im Wagnerschen Sinne, interessiert sich aber für die Bilder kaum. Im ersten und besseren Teil seines Aischylos-Buches hat Porzig (1926) nach "Bedeutungsfeldern" gesucht und — zwar mit gewisser Übertreibung — das Bild des Schiffes in den Sieben (S. 63), der Tauben und der Falken in den Hiketiden (S. 68) und der Jagd in der Orestie (S. 60) entdeckt, bzw. wiederentdeckt. Delcourt fand im zweiten, gelungeneren Teil ihres Aufsatzes (1934) "orientalische" Themen in den Persern, wie Reichtum und Verweichlichung, Missachten der Untertanen und der Naturgesetze. Ein Motiv mit gefahrlichen und listigen Tieren im Agamemnon und den Choephoren fand Campbell (1935). Mielke (1934) hat einige "Bildsphären" erkannt und nennt einige Stellen in manchen Dramen, wo ein Bild nach einer gewissen Anzahl von Versen wiederkehrt. Er hat die besondere Bedeutung der Bilder aus dem Bereich von Joch und Pferd und aus der Heilkunde im Prometheus sowie der Schiffsbilder in den Sieben, der Krankheit im Agamemnon und der Jagdbilder in den Eumeniden geahnt (S. 156, 21 f., 23, 31, 42, 146). Dass eine Untersuchung der Wortmotive bei Aischylos lohnend wäre, sagt Kranz in Stasimon (1933; S. 39, 212, 276, 308) und gibt einige Beispiele. Die wichtigste Arbeit für die Bilder enthaltenden Motive ist Dumortiers Dissertation (1935). Dumortier beschränkt sich konsequent auf die Bilder und so kann er Entscheidendes dazu leisten. Wenn er einen nicht metaphorischen Ausdruck einschliesst, handelt es sich einfach um einen Fehlgriff. Er setzt aber dabei die Bildermotive nicht in Beziehung zu den Wort- und gemischten Motiven und merkt nicht, dass viele bildliche Motive auch ausserhalb der Bildsphäre vorhanden sind. Er findet eine

Einleitung

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"metaphore principale" in jeder Tragödie und zwar in den Hiketiden: Falke — Tauben, Perser. Joch, Sieben·. Schiff im Sturm, Prometheus: Pferdegeschirr, Agamemnon: Tier in der Falle, Choephoren: das Umschlingen der Schlange, Eumeniden: die erfolglose Hundemeute. Dumortier, ohne die verwandte Arbeit seiner Vorgänger zu kennen, hat als erster reine Bildermotive entdeckt, ein Leitmotiv in jeder Tragödie verfolgt, viel von seiner Wirkung gezeigt und nützliche Sacherklärungen gegeben. Ausserdem ist seine Arbeit schwungvoll geschrieben. Diese Leistungen werden leider von manchen seiner Kritiker übersehen. Sonst lässt sich nicht leugnen, dass manchmal seine Methodik zu wünschen übrig lässt, Missdeutungen des Textes vorhanden sind und die Bezeichnung bzw. Nichtbezeichnung eines Ausdruckes als metaphorisch (wie die des Herkunftsbereichs) nicht immer einwandfrei ist. Seine mangelhafte Literaturkenntnis macht sich besonders im zweiten Teil seiner Arbeit bemerkbar, in dem er eine Art Katalogisierung der Bilder unternimmt und aus Aischylos' Bilderwahl Schlüsse über das Leben in jener Epoche zieht. Wichtiger ist der Einwand, dass die Konzeption von nur einem Hauptbild in jeder Tragödie nicht stimmt. Da Dumortier von dieser Voraussetzung ausgeht, berührt er die Mehrheit der Bilder nicht und lässt oft Bilder von grundlegender Bedeutung, wie etwa den Geier-Vergleich im Agamemnon, ausser acht. Durch die starre Anwendung dieses Prinzips hat Dumortier aus der Orestie drei voneinander unabhängige Stücke gemacht. Es ist merkwürdig, dass er nicht wenigstens im Prometheus auf die Idee eines zweiten Hauptbildes, des Arztmotivs, kam, da er selbst in seiner "these complementaire" (die allerdings Wichtiges nicht berücksichtigt und methodologisch viel zu wünschen übrig lässt; s. weiter Anm. 407) die medizinische Terminologie des Aischylos untersuchte. Thomson hat Headlams Ideen weitergeführt {Orestie-Ausgabe 1938) und seinerseits das Arzt- und das Tyrannenmotiv im Prometheus entdeckt und treffend untersucht (1929, Prometheus-Ausgabe 1932). Ahnlich wie Headlam und Sheppard, ohne deren Ergebnisse zu kennen, fand Deichgräber in seinem tief gehenden aufsatz (1941) u.a. die Einheit der Perser in bestimmten Wortwiederholungen, wodurch Motive gestaltet werden; z.B. Sorge und Erfüllung, Wendung von dem guten Einst zum schlimmen Jetzt, oder "weggegangen" Der Hinweis auf nur ein Hauptmotiv (oder möglicherweise auf zwei oder drei) in einer Tragödie verfälscht die Absicht des Dichters und fuhrt, durch die zu starke Unterstreichung nur eines Aspekts, zur Missdeutung der Tragödie. In dieser Hinsicht wird nur Hiltbrunners Dissertation (1944 bzw. 1950) dem Dichter gerecht. Sie zeichnet sich weiterhin durch eine treffliche Analyse der Hiketiden aus. Hiltbrunner, der auf Deichgräbers Ansätze aufbaute, hat eine beträchtliche Zahl von Motiven in jeder Tragödie bemerkt oder wiederentdeckt. Er betrachtete

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Bilder bei Aischylos

den Prometheus als unecht. Seine Behandlung des Themas gewinnt viel von einer sicheren Kenntnis der Sprache und der Ideen der Zeit. Genau wie Headlam und Sheppard spricht Hiltbrunner von einem Prinzip der Wiederholung und Variation und merkt, dass ein Motiv eine ganze Tragödie oder eine Trilogie durchlaufen kann und dass in den ersten Versen des Dramas sich mehrere Motive häufen. Ein Mangel der Arbeit ist die ungenügende Ausnutzung besonders der fremdsprachigen Literatur, so dass eine Auseinandersetzung mit Headlams, Thomsons und Dumortiers Ergebnissen ausgeblieben ist. Mit wenigen Ausnahmen, wie das Schiffsmotiv in den Sieben, ist Hiltbrunners Anliegen, nicht rein bildliche Motive zu verfolgen, bzw. das Bildliche dem Realistischen in einem Motiv gegenüberzustellen. Er hat trotzdem in dieser Hinsicht für die Orestie den wichtigen Grundsatz formuliert: "(Es) taucht zuerst als Bild auf, was später als Wirklichkeit sichtbar wird" (S. 61). Wegen der Knappheit der Behandlung des Themas werden oft die Einzelerscheinungen der Motive bei Hiltbrunner ohne Beziehung zum umgebenden Text untersucht. Von Hiltbrunner (S. 5, Anm. 7) bekommt der Leser den Eindruck, dass auch Johannes Seewald ( Untersuchungen zu Stil und Komposition der aischyleischen Tragödie. Diss. Greifswald. Greifswalder Beitr. 14, 1936) die Motive bei Aischylos untersucht und sie mit den Wagnerschen Motiven vergleicht. Seewald aber (S. 45-53) untersucht nur formelhafte Elemente, insbesondere "musikalische" Entsprechungen zwischen "Arien" und Dialogpartien zueinander u. dgl. und glaubt, der architektonische Aufbau der Wagnerschen Leitmotive entspreche dem "architektonischen Gestaltungsprinzip" der aischyleischen Tragödie, welche "formal weniger Schauspiel als Oper" sei (S. 60). Gestützt auf Hiltbrunner und Dumortier bespricht auch van Ness (1963) das Schiffsmotiv in den Sieben. Obwohl manchmal über das Ziel hinausschiesst, hat Knox (1952) in seinem wichtigen Aufsatz anhand der Löwenparabel im Agamemnon gezeigt, dass ein Bild eine mehrfache Anwendung haben kann (s. auch Anm. 560, 565). Mit seinem tiefsinnigen Aufsatz hat Goheen (1955) eine weitere Perspektive eröffnet: Auf Grund der Blut-, Ololygmos-, Licht-, Schlangen-, Peitho- und Leidthematik in der Orestie hat er eine differenzierende und zusammenfassende Betrachtung vom Bildlichen und Wirklichen in ge- mischten Motiven geboten; er spricht von "verbal imagery", "imagery of action" und "imagery of scene" Die Differenzierung zwischen Reali- stischem und Bildlichem hatte schon Stanford in seinem Aischylos-Buch (1942; S. 99) angedeutet. Uberspitzt aber interessant und mit subtilen Bemerkungen untersucht R. Murray (1958) das Io-Motiv in den Hiketiden. R. Murray findet vier

Einleitung

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"major key images": Stier und Kuh, männlich — weiblich, Berührung und Ergreifung, Hauch, Wind und Sturm. Er lässt aber die meisten Bilder beiseite und rechnet unter "imagery" hauptsächlich Motive, die wenige oder keine Bilder enthalten (s. auch Anm. 317). Mit gebührendem Hinweis auf seine Vorgänger bespricht Edinger (1961) in seiner gut geordneten Dissertation mehrere, darunter manche schon bekannte Motive der Perser (u.a. Zahlen, Festland — Meer, Zerreissen der Bekleidung, Bienenschwarm, Ordnung — Unordnung; s. weiter Anm. 63, 65, 76, 98). Gründlich, aber teilweise ohne richtige Voraussetzungen, behandelt Avery (1964) die Motive: "ganz", "dahingegangen", Zahlen und Menge, Bekleidung in den Persern. Befriedigend untersuchen Cameron das Wachstumsmotiv in den Sieben (1964), Peradotto (1964) das Wachstums-, das Wetter- und das Lichtmotiv in der Orestie, Scott (1966) Windmotive in derselben Trilogie. Bei obenerwähnten Arbeiten fehlen Hinweise auf ältere Literatur (s. weiter Anm. 73, 81, 86; 242; 742-6, 842; 778). Hinweise auf Motive sind gelegentlich in allgemeineren, in weiten Kreisen bekannten Veröffentlichungen zu finden. So streift Finley (1955) in seinem auch sonst wichtigen Aischylos-Buch (S. 248) einige Motive, ohne auf ältere Literatur hinzuweisen, und gleiches tut Lattimore (1953), dessen Bemerkungen allerdings überspitzte Deutungen enthalten (s. weiter Anm. 288, 322, 768). Anregend und nützlich für den Nicht-Philologen ist die Besprechung einiger Motive in der Orestie von Wheelwright (1968). In ihrer guten Dissertation erweitert Lebeck (1963) die Methode von Knox, indem sie mehrere Stellen des Agamemnon untersucht und dazu verschiedene "Bildsysteme" berücksichtigt. Leider beschränkt sie ihre Analyse — die sonst vortrefflich ist — vorwiegend auf die lyrischen Partien und die Teppichszene und verfolgt wenige Motive durch die Tragödie hindurch (so z.B. das Jagdmotiv). Sie unterscheidet nicht genügend zwischen Bildlichem und Realistischem. In ihrem berechtigten Versuch, den Agamemnon als Einheit zu betrachten und in Zusammenhang mit nicht genügendem Gebrauch einer Motivtheorie, bekommt manchmal der Leser den Eindruck, dass nur eine Metaphernreihe in der Tragödie existiert bzw. dass alle Bilder derselben Gruppe angehören und die gleiche Funktion haben. Es werden nicht viele neue Themen bzw. Motive entdeckt, das schon Bekannte aber gewinnt durch ihre feinfühlige Analyse an Einheitlichkeit. Gut zeigt die Verfasserin auch die progressive Entwicklung bei den Bildern von Obskurität und Ambiguität (wir würden sagen: "vielfache Funktion") zu Klarheit. Wir können der Verfasserin nicht zustimmen, der (freilich wichtige) Gegensatz δράσ-aim bzw. hpiσαντα παθάν sei die einzige bedeutungsvolle Idee in der Trilogie. In der gedruckten Form ihrer Dissertation (1971) hat die Verfasserin geringe Änderungen vorgenommen und dazu die ursprünglich kurzgehaltene

XX

Bilder bei Aischylos

Behandlung der zwei letzten Teile der Trilogie erweitert. Da diese spätere Form uns erst nach Drucksetzung des Buches zugänglich wurde, wird hier auf die Seitenzahlen der älteren Fassung verwiesen. Feinfühlig und mit philologischem Können untersucht Zeitlin (1965) das Opfermotiv in der Orestie, obwohl manches Wichtige ihr entgeht (s. weiter Anm. 586, 590, 604). Auch Haldanes Beitrag (1965) zur Motivforschung ist befriedigend. Er untersucht Motive von Lärm und Musik in den Sieben und Ololyge und Paean in der Orestie (s. weiter Anm. 942, 959). Obwohl die neuere amerikanische Forschung manches Wichtige, wie z.B. die erwähnten Arbeiten von Knox, Goheen, Lebeck und Zeitlin beigetragen hat, so hat andererseits der Veröffentlichungszwang bei den amerikanischen Hochschulen Arbeiten produziert, die durch mangelhafte Kenntnis der Sprache, falsche Ausnutzung der Quellen für die Realienerklärung, geringe Kenntnis der Sekundärliteratur oder sogar Verschweigen derselben gekennzeichnet sind. Besonders bedauerliche Beispiele dieser Ernte sind die zahlreichen Arbeiten von Hughes-Fowler und das Buch von Cameron (1955 bis 1970 bzw. 1971; s. weiter Anm. 17, 134, 314, 373, 616, 749, 769, 842 bzw. 135). Ebenfalls von geringer Bedeutung sind die Aufsätze von Whallon (1958), Tarrant (1960) und Kirkwood (1969; s. weiter Anm. 627; 843; 133). Es werden überhaupt von der angelsächsischen Forschung grundlegende Arbeiten, wie Dumortiers und vor allem Hiltbrunners, wenig beachtet. Es ist viel Wichtiges für die Erschliessung der Motivgestaltung bei Aischylos erreicht worden, manches ist aber unvollkommen. Trotz Hiltbrunners Beispiel präsentieren die meisten Arbeiten nur einen oder nur einige Aspekte der Motivtechnik, ein Verfahren, welches vor allem bei den Tragödien, die sich durch eine grosse Komplizierheit auszeichnen, wie z.B. der Prometheus und die Orestie, das Gesamtbild verfälscht. Trotz Goheens programmatischen Aufsatzes wird kaum zwischen Metaphorischem und Eigentlichem unterschieden, und das Bühnenbild bleibt meistens unberücksichtigt. An die Möglichkeit einer vielfachen Funktion eines Bildes und auch eines ganzen Motivs, ebenso einer gegenseitigen Beziehung von Motiven, wird kaum gedacht. Die Möglichkeit einer "Wandlung" oder "Entwicklung" eines Motivs ziehen glücklicherweise einige Forscher in Betracht (z.B. Zeitlin, Peradotto, Haidane), wenn auch ihren Resultaten nicht ganz zugestimmt werden kann.

PERSER

Die Perser, wahrscheinlich das älteste und zugleich am wenigsten "tragische" von den erhaltenen Dramen des Aischylos, ist an Bildern verhältnismässig arm. Das Werk, etwa gleich lang wie die anderen erhaltenen Tragödien — sieht man von Agamemnon ab —, weist insgesamt nur drei Vergleiche auf, während der Prometheus sechs, der Agamemnon sechsundzwanzig, die übrigen im Durchschnitt zehn enthalten. Ähnlich steht es mit den Metaphern: nach Earp insgesamt 73, aus denen jedoch nur 26 besonders auffallend sind' Dies darf zum Teil der Fülle an fremdartig klingenden Eigennamen zugeschrieben werden, welche wenig Gelegenheit für die Entwicklung von Bildern bietet. Durch Glossen und durch fremde Eigennamen ist Aischylos offensichtlich bestrebt, den Eindruck des Exotischen und Prächtigen, aber auch der Fülle und Grösse zu erwecken 2 Die Fülle selbst ist wiederum eins der wichtigen Motive des Dramas, welches allerdings keine eigenen Bilder enthält. Weiterhin sind die Perser ein ziemlich statisches Schauspiel, welches weder die äussere noch die innere Bewegung der anderen aischyleischen Werke aufweist; die Situation wird lediglich von verschiedenen Perspektiven aus betrachtet. Die für Aischylos charakteristischen Bilder aber sind durch Bewegung gekennzeichnet, wie bei der Betrachtung seiner vollkommeneren Tragödien deutlich wird. Das Bild bei Aischylos hängt eng mit der Vorahnung eines Unheils, mit Beklemmung und Furcht (der handelnden Personen und folglich der Zuschauer) zusammen. In den Persern aber, noch bevor der Zuschauer Zeit hat, sich um das Schicksal der Betroffenen Sorgen zu machen, wird von dem Schlag berichtet. Schliesslich kann innerhalb eines in sich abgeschlossenen Dramas die breite Aufführung der Motive, die im Rahmen einer Trilogie möglich wäre, nicht erwartet werden. Trotzdem werden schon hier manche Züge der aischyleischen Technik deutlich. Im vorliegenden Drama handelt es sich um das Unternehmen des Xerxes und das Schicksal des persischen Staates, über den er gebietet. Den Staat symbolisieren einerseits das Heer (durch den Boten) und andererseits die Alten des Chores, welche ausserdem in ihrem Jammer auch die persischen Frauen erwähnen. Die Taten des Heeres bestimmen wohl das Ergehen des Staates, doch sind weder Heer noch Chor aktive Personen im tragischen Sinne; das Heer stellt allein das Opfer des leichtsinnigen Königs dar. Der tragische Umschwung besteht im Gegensatz zwischen der früheren Lage und dem durch Xerxes neu entstandenen Zustand; dies wird durch den krassen Unterschied beim Auftreten der

2

Bilder bei Aischylos

Königin und des Dareios einerseits, des Xerxes andererseits gezeigt. Xerxes ist die "tragische" Person, denn er leidet nicht nur, sondern entscheidet auch; das bedeutet aber nicht, dass er damit auch die Tragik anderer aischyleischen Gestalten erreicht. Er hat keine lange Rolle, wie etwa der Chor; er besitzt nicht die für eine Tragödie notwendige starke Persönlichkeit, denn die "Handlung" bietet keine Gelegenheit dazu 3 Dennoch ist die Bestrafung seiner Hybris das Thema des Werkes. Er ist der Hauptträger des Geschehens, wenn auch er selbst nur für kurze Zeit am Ende des Stückes auftritt. Damit soll einerseits der asiatische Despotismus (Gegensatz Asien — Hellas) angedeutet werden, andererseits wird aber auch der dramatische Effekt dadurch verstärkt, dass von Xerxes' Macht und Grösse erzählt wird, er selbst jedoch nur bei seinem Untergang erscheint. Es verwundert also nicht, dass alle drei Vergleiche — wie auch der wichtige Traum der Königinmutter — mit der Person des Xerxes verbunden sind, und zwar dadurch, dass im Traum und in zwei der Vergleiche seine Anwesenheit, in dem dritten dagegen seine Abwesenheit von Bedeutung ist. In den älteren Dramen des Aischylos scheinen die Vergleiche für die Motivgestaltung wichtiger als die Metaphern zu sein; u.a. lassen die meisten Vergleiche sich bestimmten Motiven einordnen, während dies bei den Metaphern weniger der Fall ist. Alle drei Vergleiche der Perser gehören zwei klar gestalteten Motiven an, wie auch der Traum der Königin, der von weittragender Bedeutung ist. Aus diesen Gründen werden wir vorwiegend von zwei "Leit"-Motiven in den Persern sprechen und sie das Motiv des vernichteten Schwarmes und das Motiv des zerbrochenen Joches nennen. Durch diese Benennung beabsichtigen wir darauf hinzuweisen, dass beide Motive zwei symmetrisch aufgebaute Aspekte haben. Aber wenigstens zwei von den übrigen Motiven könnten als fast gleichberechtigt angesehen werden: nämlich das Motiv der Jagd und Falle und das "Licht — Finsternis"-Motiv. Das erste aber wird im Bildlichen nur durch wenige, das zweite nur durch kurze Metaphern vertreten. Wichtige Motive, die keine Vertretung im Bildlichen haben (wie etwa das "Jung-gegen-Alt"-Motiv), können im Rahmen vorliegender Untersuchung nicht als Leitmotive charakterisiert werden. Erstes Leitmotiv: Der vernichtete Schwärm (Bienenschwarm und Thunfang) Nachdem der Chor die persische Armee unter Xerxes geschildert und viele Feldherren und mitmarschierende Völker aufgezählt hat und uns so die Ehrfurcht vor der überwältigenden Macht spüren Hess, nachdem er seiner Sorge Ausdruck gab und wiederholt zwischen Zuverlässigkeit und

Perser: Schwärm

3

Angst schwankte, vermittelt er ein zusammenfassendes Bild des Heeres durch den Vergleich des Bienenschwarms: 7rä«; γαρ ίππηλατας και ττί^οστιβψ λίώ? σμήνος ω·; ίκλίλοιττεν μΐλισσάν σνν όρχάμφ στρατοί) (126-9), worauf das Bild der "Verjochung" des Hellespontes (130-2) folgt. Damit wird also der G r u n d der Sorge erklärt (yap). "Zu den bewundernswertesten Schöpfungen der Natur hat man von jeher die Biene gerechnet" 4 Dass die Bienen gesellig leben (z.B. Aristot. Η. A. 623b8), unaufhörlich arbeiten, ihren Bienenstock schützen, einer Königin gehorchen, das alles hat dazu geführt, ihnen menschliche Eigenschaften, und zwar die guten, zu verleihen. Nach Simonides (7.38 ff.) schuf Gott die guten Weiber aus einer Biene. Die Alten besassen vielfach richtige Vorstellungen von den Bienen, manche allerdings waren auch falsch 5 ; aber beide sind für unsere Betrachtung gleich wichtig. Die Alten wussten vom Schwärmen der Bienen: Aelian Ν. A. 5.13 όταν Se έπιγονή ή και ενθενή Tah μελίτταις το σμήνος, έκπεμπονσιν ωσπερ οϋν αϊ μίγισταί τε και ποΚυαν&ροϋμεναι των πόλεων. Nach Xenophon Oec. 7.34 έπεώάν δε kκτραφή [ό τόκος] και άξιοεργοϊ οί νεοττοί γίνωνται, αποίκιζα [ή των μελιττών ήγεμων] σνν των ϊπιγόνων τινι ήγεμόνι (in Wirklichkeit wird der Schwärm nicht von der neuen, sondern von der alten Königin angeführt). Die Alten wussten ausserdem — wenn auch nicht ganz richtig — von einer genauen Arbeitsteilung im Bienenstock. Sie glaubten, die Bienen stehen auf bzw. ruhen bei dem Ertönen eines Signals 6 . Soldatendisziplin und Organisationsgeist bezeugt weiter der Satz επί τε yap είσόδφ έκάστ-η φνλακέ? άσιν (Aristot. a.Ο. 625b3). Der Vergleich von Armeekontingenten mit Bienen ist schon in der Was zu finden: ήντε εθνεα ε'ισι μελισσάων άδινάων. αίε'ι vkov ερχομενάων. ω« των [der Achäer] εθνεα. εστιχόωντο (2.87-92). Sie kämpfen mit bewundernswerter Tapferkeit: ονδεν δε φεύγυυσι τών ζώων άλλ ή έαντά* (Aristot. a.Ο. 626a 13); και άι'δρίίας δε εν ήκονσι και ατρ(πτοί άσιν. οΰδε kv γονν ζμον άποδιδράσκονσιν, ούδε μην κάκrj eικουσι, χωροΰσι δε όμόσε (Ael. a.Ο. 5.11). Das persische Heer ist zahlreich — ein einziger Bienenstock kann bis zu 80-90.000 Tiere enthalten —, gut organisiert, ordentlich, gehorsam, tapfer, furchterregend (φοβεροί 27; cf. 40, 48, 58, weiter über den Anführer φονίον δέργμα δράκοντο* 82). In den Ohren der Alten des Chores soll wohl das Getöse des aufmarschierten Heeres, gleich dem Summen der Bienen beim Schwärmen, noch einmal aufklingen; Aristot. a.O. 625b8 όταν δ αφεσκ μελΧτ] γίγνεσθαι, φωνή μονώτι* και ίδιο·; γίνεται (7τί τίνα* ήμερα*.

4

Bilder bei A i s c h y l o s

Das wichtigste ist, dass ein junger König die Perser anführt, wie es nach dem damaligen Glauben der Fall bei dem Bienenschwarm ist. Für die Alten war der Anführer der Bienen sogar meistens männlichen Geschlechts, ein König7 Der Bienenkönig ist mit seinem Volk verbunden, er ist immer mit ihm zusammen und schafft Ordnung, sonst folgt Unordnnung und Vernichtung (cf. Aristot. a.O. 624a26; Ael. a.O. 5.11). So sorgt auch der όρχαμος στρατού für Ordnung im Heer. Alle diese Vorstellungen über die Bienen waren den athenischen Zuschauern geläufig. Sie wussten auch, dass die Bienen nicht mehr zurückkehren, wenn sie einmal ausgeschwärmt sind. Für den Chor ist es eine schlimme Vorahnung — selbstverständlich ist es der Dichter, der ohne "naturalistische" Bedenken spricht —, welche den Vergleich mit dem Schwärmen der Bienen und die Anwendung des Verbs εκλείπω herbeiführt, welches an das weiter unten zu besprechende οϊχο/χαι-Motiv anknüpft; bei dem Zuhörer aber erweckt dies gleichfalls ein unheimliches Gefühl für das Bevorstehende. Der Unterton bei der kräftigen Vorstellung lässt an Unheil denken. Schliesslich ist das Κισσίων πόΚισμα (120), wie der Bienenstock, von Männern und König verlassen worden. Die schlimme Vorahnung des Chores wird durch den Botenbericht bestätigt: Die grossen persischen Schiffe wurden in die enge Bucht von Salamis gelockt, wo allmählich die Disziplin und die Schlachtordnung der Perser zerbrach, während die Griechen, mit Geschick und Ordnung kämpfend, die feindliche Flotte zerschlugen. Das Unheil wurde dadurch vollendet, dass die Griechen mit gebrochenen Rudern und anderen Gegenständen die wehrlosen und verwirrten Schiffbrüchigen "abschlachteten", so wie die Fischer die in ihren Netzen gefangenen Thunfische totschlagen. Gegen Ende des Hauptberichts des Boten stösst man auf den zweiten Vergleich des Dramas:

rot δ ωστε θύννονς ή τιν ιχθύων βόλον άγαϊσι κωπών θ ρανμασιν τ ερείπιων έπαιον, ερράχιζον (424-6). Ein Fischschwarm, meistens ein im Netz gefangenener, ein "Fang", hieSS /8όλος· καλείται δί αύτώ ν ή πνκντή τε κ αϊ συνεχής νήξι·; βόλος, και πεντήκοντα άλιάδας ( = Fischboote) πολλάκις έπλτηρωσεν ίΐς /3όλος (Ael.

a.O. 8.18); τα δί βολιστικα

καλούμενα.

γρίποις τε και σαγηναις

σύρουσι

περιλαμβάνοντα (Plut. De soll. anim. 26, 977F). Der Thunfischfang war weit bekannt8 Die Thunfische wurden mit Netz oder Wurfnetz (βόλοs-) gefangen (Aristot. Η. A. 599b9). Sie wandern, wie auch die Bienen, in Scharen (Aristot. a.O. 488a6 αγελαια ζ,φα und δρομάδίϊ) vom Hellespont in die Agäis. Ihr Auftreten wurde mit dem eines Heeres verglichen: νέονσι δί oiov στρατιωτών φάλαγξ (Philostr. Imag. 314.7).

5

Perser: Schwärm πολλή δ €κπαγλός re παρίσταται άγρη, or ΐίαρινός θύννων στρατός

ίχθυοΙ3ολοισιν όρμησωνται

(Ορρ. Hal. 630 f.). ot δί θοώς σ(ύονται im στίχας, ώστί φάλαγγα; ανδρών ϊρχομίνων καταφυλαδόν (a.Ο. 642 f.).

Von Aelian (a.0. 15.5) haben wir eine lebhafte Schilderung des T h u n f a n g e s in Pontos: όπλα κατ' αυτών (ύτρίπισται πολλά, νανς και δίκτυα και σκοπιά υψηλή. άν(λθ(ϊν τ σκοπφ. δίκτυα δί προμήκη, αθρόα ι δί άρα αί τώνδί των ιχθύων άγίλαι ΐσνίουσιν. ό σκοπός ίδών. δίδωσιν ωσπίρ ούν στρατηγός τό σύνθημα9 οι δί. ί π α λ λ ή λ ο κ ταίς νανσί ν ίρίττουσιν κατα στοϊχον, ίχονταί τί αλλήλων, ίπ(ί το ι και τό δίκτνον ΐφ ΐκάστη διήρηται. νωθάς δί αρα όντα [οί Ούννοι] και έργον τι τόλμης ΐχόμίνον αδυνατούντα δράσαι, πΐπκσμίνοι μίνονσί re και arpeμοΰσιν.

Die krankhaften Bewegungen der grossen persischen Schiffe in der engen Bucht erinnern an den Todeskampf gefangener Fische, und ebenso erinnert die Beschreibung des Rammens und Umkippens dieser Schiffe an das Massenschlachten von grossen Fischen (ύπτιούτο δί σκάφη νίών, θάλασσα

δ' ούκίτ ην ίδ(ίν, ναυαγίων

πληθουσα

και φόνου βροτών

418-20;

bald darauf folgt der Vergleich selbst). Anscheinend ist Aischylos, um die Grausamkeit der Szene und den Eindruck des totalen Untergehens der Perser unter chaotischen (nicht mehr "ordentlichen") Zuständen zu verstärken, von der konkreten Beschreibung etwas abgewichen. Die "Fischer" schlugen die zahlreichen Perser wie eine im Netz gefangene grosse

Masse

Thunfische

άγαϊσι

κωπών

θραύμασίν

τ'

ϊραπίων

und

"zerschlugen ihnen des Rückgrat'" 0 In der Schilderung der völligen Verwirrung wird der Unterschied zwischen persischen Schiffen und persischen Schiffbrüchigen ziemlich verwischt. Die griechischen sollen die persischen Schiffe κύκλφ πίριξ angegriffen haben (418), was der tatsächlichen Schlacht bei Salamis nicht ganz entspricht, denn die Griechen haben in der Tat die Perser nicht umzingelt; das Bild des Thunfanges überwiegt aber, und ausserdem spielt das weiter unten besprochene Falle-Motiv mit. Oft werden die Fische mit mehreren Booten und grossen Netzen eingekreist und gefangen (οί δί άποφράξαντα αυτούς βαθύ και κλίΐστφ

δικτύψ

δέχονται

λαμπράν

άγραν,

Philostr.

Imag.

1.13)

und

entweder im Netz oder gleichzeitig von den Booten und von der Küste aus geschlachtet" Von den griechischen Schiffen heisst es weiter: Wtivov, ein dichterisches Verb, welches meistens einen "körperlich eindringlichen Schlag" (wie παίω) bezeichnet und oft auf einen tödlichen Ausgang hinweist12; es passt also nicht ganz auf das "Rammen" von Schiffen. Dann folgt, wie erwähnt, der Vergleich und die Beschreibung der unordentlichen Flucht der persischen Schiffe, ohne dass Schiffbrüchige konkret erwähnt werden. Die Hinzufugung ή τιν ιχθύων βόλον macht

6

Bilder bei Aischylos

den Vergleich weniger konkret, wodurch der impressionistische Eindruck von der Verwirrung verstärkt wird. Mehrere Forscher versuchen, das Bild zu konkret aufzufassen. So denkt z.B. Broadhead an Griechen, die an den in V 221 erwähnten Küsten auf die Schiffbrüchigen warteten, da sie wohl von der Höhe der Schiffsdecks eher Speere als zerbrochene Ruder hätten gebrauchen können. Rose denkt ausserdem an unbewaffnete Ruderer, was an sich nicht ausgeschlossen wäre, van Nes 13 folgt im Prinzip Broadhead, lässt aber die weitere Möglichkeit offen: "Vielleicht aber kam es dem Dichter nur auf die Darstellung des Chaotischen der Schlächterei an" Letzteres trifft m.E. viel mehr zu. Aischylos nähert sich mehr und mehr dem Bild des Fischfangs mit Booten und wir sollten dieses Bild nicht zerstreuen. Die Vorstellung bleibt so lebendig vor den Augen des Boten, dass wir einen Nachklang von ihr wieder bei der Schilderung der Psyttal e i a - E p i s o d e h ö r e n : παίουσιν,

κρΐοκοποΰσι

δυστήνων

μίλτη ( 4 6 3 ) .

Der Chor hatte die Aufzählung der Kontingente durch πολέμου στίφος παρέχοντα (20) eingeleitet und gegen Ende seines Gesangs war der doppeldeutige Bienenvergleich. Der Bote erzählt, Xerxes hätte befohlen, τάξαι vtüv στίφος (366). Gegen Ende der Erzählung hören wir den Thunfischvergleich, wobei diese zwei Vorstellungen voneinander abweichen. Der Thunfisch kämpft nicht wie die Biene, und wenn er einmal im Netz ist, weiss er keinen Rat. Von der Existenz eines Anfuhrers der Schar wird nicht gesprochen. Die Wahl des Vergleichs weist auf das Fehlen des Xerxes beim eigentlichen Kampf hin (nach dem anfanglichen Befehl wird Xerxes im D r a m a als Zuschauer der Schlacht vorgestellt: V 465-7; für Aischylos vermutlich ein Zeichen von NichtTeilnahme, da nach griechischem Brauch die Anführer in der ersten Linie kämpften). Ohne Führung und willenlos gerät die aufgelöste Schar in die Hände des Gegners. War bei dem Vergleich des Chores noch Stolz und Bewunderung zu entnehmen, so fühlt man beim Vergleich des Boten die Grausamkeit der Szene und Erbarmen: Die Schar der Perser war unermesslich und furchterregend; ihr fehlte weder Mut noch Disziplin (V 27 f. 40, 374), allerdings nur bis die Stunde der Katastrophe schlägt. Die Menge führte zum Zerfall der Ordnung und brachte das Unheil herbei (ακ 8f πλήθος

tv στίνφ

νίών

ηθροιστο.

αυτοί

ΰπ' αυτών

παίοντο

413-6).

Die Motive der Fülle und des κόσμος, die weiter unten angeführt werden, spielen bei der Gestaltung beider Vergleiche eine Rolle, und die Beschreibung verbindet auch mit dem Falle-Motiv. Die Perser waren wie ein gefahrlicher Bienenschwarm und dazu als στίφος aufgebrochen, aber dann ereilte sie das Los des gefangenen Fischschwarms, schliesslich wurden sie von Fischen zerfetzt: σκΰλλονται προς άΐ'αύδωΐ' παίδων τάς αμιάντου (577 f.). Durch diese Kenning geht das Motiv einigermassen aus dem Bildlichen in das Reale über. Xerxes selbst

Perser: Das zerbrochene Joch

7

sagt über seine sterbenden Anführer: άσπαίρονσι χίρσφ (977) 14 άσπαίρω wird u.a. von zuckenden Fischen gesagt, die aus dem Wasser gezogen worden sind; cf. Hdt. 9.120 -ησπαιρον όκωσπζρ ίχθνίς νΐάλωτοι. Auf ivi πιτνλφ15 folgend und χίρσφ gegenübergestellt muss das Verb auf das Zucken von Fischen anspielen. Man denkt an verwundete Schiffbrüchige, die vom Wasser ausgespien auf dem festen Lande zappeln. Das letzte Bild des Motivs zeigt den unerwarteten Ausgang des Zuges des persischen "Schwarmes" Die Entwicklung des Motivs wird durch die Stichwörter στίφο-ϊ, σμήνος, /δόλος, σκνλλονται, άσπαίρουσι charakterisiert. Das Motiv endet mit dem Ton der Grausamkeit und des Erbarmens. Es ist dabei zu bemerken, dass im Griechischen der Vergleich mit Fischen keinen Eindruck von Lächerlichkeit erweckt. Man kann die Grausamkeit tiefer empfinden, wenn man überlegt, dass der Thunfang normalerweise ein Anlass zum Feiern war 16 Die Technik des Aischylos, eine fröhliche Vorstellung umzukehren, um dadurch das Unnatürliche der Situation zu symbolisieren, kann schon bei seinem ältesten erhaltenen Drama beobachtet werden. In den späteren Tragödien entwickelt sich diese Technik weiter, wie es etwa in der Untersuchung des Opfermotivs in der Orestie gezeigt wird. Diese Technik hat nie den Zweck, die Betroffenen als komisch darzustellen, und dies kann als ein weiteres Argument gegen die Annahme dienen, Aischylos habe die Perser als komische Figuren darstellen wollen. Eine gleiche Vorstellung wie beim Schwärm- ist auch bei dem weiter unten besprochenen Führungsmotiv enthalten. Zweites Leitmotiv: Das zerbrochene Joch (der falsch gewählte Sklave, der gestürzte Wagenlenker) Umgekehrt steht es beim zweiten Leitmotiv; erst präsentiert sich uns in ausführlicher Form sein ungünstiger Aspekt (Traum der Königin), dann der günstige, den das Motiv gehabt haben könnte (Dareios' Vergleich); d.h. die Enthüllung des ungünstigen Aspekts wird hier vorweggenommen. Es ist allerdings zu merken, dass der (für Xerxes) günstige Aspekt wegen der mitenthaltenen Hybris sich nicht hätte realisieren können. Es verdient Beachtung, dass die bedeutsamsten Stellen, an denen das Leitmotiv auftritt, der prophetische Traum der Königin bzw. die Kulmination der Rede des Dareios sind: Beide eröffnen uns eine höhere Perspektive. Der Traum bietet eine Vorahnung und eine symbolische Schilderung, Dareios' Rede eine Erklärung des Geschehens. Das Leitmotiv weist zwei Aspekte auf: das Bild des Sklaven, den Xerxes sich ganz falsch ausgesucht hatte, und das Bild das gestürzten Wagenlenkers. Das Joch, im eigentlichen oder metaphorischen Sinne, ist oft dabei 17 . Das Joch ist immer das Symbol der Unterwerfung und

8

Bilder bei Aischylos

Versklavung gewesen und steht im allgemeinen für Zwang 18 Anlass dazu hat das Einspannen der Tiere gegeben, welche durch das Joch gefugig gemacht werden. Im vorliegenden Drama ist aber nur Asien dem Xerxes gefügig, Griechenland sträubt sich gegen ihn. Dass die Asiaten allzu willig waren, δυνλοι eines Herrschers zu sein, war generelle Vorstellung der Griechen (z.B. V 241-3; cf. Hdt. 7.135.3). Für die Griechen aber bedeutete der Sklavenstand die tiefste Erniedrigung des Menschen 19 Auch nach Herodot soll Xerxes das Bild beim Planen seines Zuges gebraucht haben: οντω ο'ί re ήμίν αίτιοι ίζονσι δοΰλιον ζυγοί' όί τί αναίτιοι (7.8.γ3). Das Motiv beginnt mit Bezug auf die persische Armee: ζνγόν άμφιβαλάν δούλιον Ελλάδι (50) und (πορθμον άμίίψας Αθαμαντίδος "Ελλάς) ζνγον άμφφαλών ανχένι πόντου (72). Im nächsten Vers ist dann die Rede von dem Herrscher als einem Herdenführer. Die beiden Stellen entsprechen einander fast bis ins kleinste Detail (einschliesslich Ελλάδι — "Ελλα?): Was Griechenland passieren soll, ist schon dem Hellespont zugestossen. Bei der ersten Metapher für Griechenland überwiegt der Aspekt des Sklaven, bei der zweiten — für den Hellespont — der Aspekt des unterjochten Tieres. Bei der Traumschilderung bzw. dem Dareiosvergleich werden die Rollen vertauscht. Der schmale und längliche Hellespont kann treffend mit dem Nacken bzw. Hals eines Zugtiers verglichen werden: Sein "Joch" ist die über ihn geschlagene Brücke, die die Meerenge "bezwingen" soll. Aischylos will die Idee des "Sklavenjoches" einprägen, mit dem Ergebnis, dass der Wortlaut nicht ganz konkret ist. Es sind nämlich die λίπαδνα, nicht das ζνγόν, die um den Hals herum gelegt werden können, wie es z.B. in der Traumschilderung heisst, wo die Idee des Bespannens überwiegt, oder Ag, 218 (ά^άγκας ίδυ λίπαδνον, nicht ζνγόν; ähnlich Theog. 1.848 ζΐνγλην άμφιτίθα)·, αμφιβάλλω heisst sonst "umlegen" Das ζνγόν kann nicht "um-", sondern nur "aufgelegt" werden. Uberhaupt bedeuten zusammengesetzte Wörter mit dem Präfix άμφι- auch bei Aischylos "herum" 20 , gelegentlich "beidseitig" Es ist möglich, dass Aischylos, nach seinem Brauch das Präfix άμφι- in dieser Funktion zu gebrauchen, das Verb in der Bedeutung "von beiden Seiten" neu interpretiert: Dies trifft für den Hellespont zu (nicht jedoch für Griechenland). Obwohl gewagter, entspricht die zweite Metapher (72) den Tatsachen etwas mehr (auch wegen des Gebrauchs des Wortes αύχίνι, welches ausserdem die metaphorische Kraft erneuert). Die erste Metapher (50) ist eher eine Vorbereitung auf die zweite. Bei der zweiten fliessen anscheinend die Vorstellungen der Meerenge (ein wichtiges Symbol im Drama) und der beiden Küsten zusammen (später haben wir tatsächlich: γίφνραν γαΐν δνοίν ζίνκτηρίαν 736). Die Idee des "Bespannens" des Hellespontes durch die Schiffsbrücke erscheint wieder im komplizierten Bild: τόν άμφίζΐνκτον έξαμ€ίψα ττόρτιν an (41). Schon Sheppard hat das Epaphos-Motiv erkannt 318 Pelasgos gebraucht denselben Ausdruck, als er hört, dass die Ιο-Kuh durch Zeus' Handberührung trächtig geworden war: τκ ow 6 Δίος v-όρτκ (υχ(ται βοά*; (314)319 Das argivische Land heisst (Άπία) βοννιt, "hügelig" (117, 129, 776). Das für das klassische Griechisch sehr seltene und dementsprechend

84

Bilder bei Aischylos

auffallende Wort erinnert anscheinend wegen seines Klanges an βοντ (mit weiterer Anspielung auf Apis-Epaphos) 3 2 0 In der auffallenden doppelten Metapher (πνθμ-ην δι' άμοι> γάμον τ«0αλώ0- und das Fohlenmotiv (Prometheus hatte für die Menschen die Pferde unter das Joch geführt). Im Vergleich zur Orestie ist die diesbezügliche Funktion der Motive weniger prominent. Wie aus der Analyse der Leitmotive hervorgegangen ist, sind einige Grundzüge der aischyleischen Kunst im Prometheus vorhanden, besonders die Funktion und das Ziel der Bilder. Die Leitmotive veranschaulichen das Wesen und die Tätigkeit der Hauptperson der Tragödie, die Eigenschaften und Gefühle der auftretenden wie auch der nicht-auftretenden Personen, die Lage, in der sich jeder befindet und die Gesamtsituation, wie sie in der Tragödie erscheint. Sie geben Hinweise über den weiteren Verlauf der Handlung und erklären alles, was sehr pedantisch gewesen wäre, wollte man es ohne Bild veranschaulichen. Sie beruhen, mehr als in den früheren Dramen des Dichters, auf der Realität des Geschehens, entsprechen den Dingen und bleiben mit ihnen eng verbunden. Das ist sowohl bei den zwei Leit- wie auch bei den meisten Nebenmotiven der Fall. Speziell durch szenische Vorgänge werden die zwei Leitmotive, das Misshandlungs-, das Schmach-, das Anblicken-, das Fesseln- und das Flugmotiv unterstützt. Weiter werden das Feuer- und

Prometheus: Schlussbetrachtungen

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das Sturmmotiv, wenn nicht durch realistische szenische Vorgänge, so wenigstens durch Beschreibungen dessen, was im Augenblick stattfinden soll, unterstützt. Die Metaphern lassen sich besser den Leitmotiven einordnen als die Vergleiche. Ausserdem sind viele Metaphern gewagt und aussdrucksstark, während die Vergleiche ziemlich blass sind487 Beim Arzt- und beim οίκτος-Motiv kann am ehesten die aischyleische Technik der allmählichen Enthüllung "verborgener" Aspekte beobachtet werden. Da der Lyomenos fehlt, lässt sich nicht feststellen, ob ein Konkretisierungsprozess, wie der der Orestie, auch der Promethie zugrunde lag. Es kann jedoch auf Grund des Arztmotivs eine solche Entwicklung vermutet werden: Im Prometheus sind die Personen teils im eigentlichen, teils im uneigentlichen Sinne "krank"; am Ende der Promethie wurde vermutlich Chiron als tatsächlich krank dargestellt. Die Motive weisen nicht die "archaische" Symmetrie der früheren Tragödien auf. Es ist nicht immer klar, welches ein Haupt- und welches ein Nebenmotiv ist. Es lassen sich gelegentlich beim zweiten Leitmotiv zwei Aspekte erkennen: das des Bezwingers und das des Bezwungenen. Beim ersten Leitmotiv lassen sich zwei Aspekte leichter erkennen: Heiler und Krankheit. Ihre gegenseitige Funktion ist aber nicht immer scharf abgrenzbar. Es gibt, wie in der Orestie, eine grosse Zahl von Motiven. Im Prometheus aber sind diese weder so kräftig noch so fein durchdacht und grosszügig angelegt worden wie im letzteren Werk, und obwohl mehrere Metaphern eine doppelte, gelegentlich eine vielfache Funktion haben, tritt diese Eigenschaft nicht so prominent wie im Agamemnon auf. Das Ganze scheint ein bisschen "verzettelt" zu sein, ungefähr wie in den Persern. Andererseits dienen die zwei Leitmotive als Ausgangspunkte für mehrere der Nebenmotive, was zur Einheitlichkeit der Tragödie beiträgt und and die Technik der Orestie erinnert. Der allgemeine Eindruck ist der einer ähnlichen Grundkonzeption wie in der Orestie, aber von einer weniger durchführten Bearbeitung. Wir können folglich Hiltbrunner nicht zustimmen, der, auf W. Schmids Statistiken gestützt, behauptet 488 , die Motive seien sinn- und absichtslos. Er fahrt fort, "es wird nirgends ein durchgeführtes Motiv sichtbar, das den Sinn in der Richtung des Zieles leitete, welches der Dichter dem Geschehen geben will, und zum Verstehen eines wesentlichen Gehaltes hinführte" Viele der Motive haben eine konkrete Funktion in der Tragödie, manche scheinen darüber hinaus über die ganze Promethie überzugreifen, soweit dies feststellbar ist, trotz der Tatsache, dass die gesamte Komposition nicht vorhanden ist. Es wäre schwer anzunehmen, dass ein anonym gebliebener Dichter sich diese eigentümli- che aischyleische Technik der Motivgestaltung so genau angeeignet hätte. Mit Ausnahme der Frage nach Schmach und Ehre (Misshandlung),

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Bilder bei Aischylos

die eher ein Thema ist, sind bei dem ersten Leitmotiv (Arzt: Heilung) und bei den mit ihm verbundenen Motiven von Wissen und Rat, List, Tyrann, οΙκτοϊ-Härte (φιλότψ-ϊχθος), Biss die Konzepte von Motiv und Thema ineinander verflochten. Das zweite Leitmotiv (Fohlen) und die mit ihm verbundenen Motive von Athlet, τέρμα, Fesseln und Erlösen sind reine "Motive", während bei "αύ#αδία — sich Fügen", bei "eitel", Zwang, Stärke — Schwäche, Motiv und Thema zusammen spielen. Es sei jedoch vermerkt, dass wir weniger geneigt sind als die Alten, in der Athletvorstellung ein "Thema" zu sehen. Motiv und Thema sind miteinander verbunden auch bei den unabhängigen Sturm-, Seefahrts-, Jung-gegenAlt-, Anblicken- und Verbergenmotiven. Reine Motive dagegen sind der Flug und das Feuer. Der Zusammenfall von Motiv und Thema ist häufiger als in den früheren Tragödien, scheint von dem Dichter angestrebt zu sein und erinnert an die Technik der Orestie. Nochmals kann festgestellt werden, dass Aischylos bei der Gestaltung seiner Bilder aus vertrauten Gebieten schöpft. Er selbst war zweifellos an medizinischen Fragen interessiert489 Seine Terminologie und die sich darauf stützenden Bilder finden ihre Entsprechung im Corpus Hippocraticum. In beiden Orten, in denen Aischylos lebte, in Attika und Sizilien, blühte damals der Arztberuf. Die älteste, unbestrittene Uberlieferung über öffentliche Arzte {ΰ-ημοσανοντπ ιατροί) ist auch mit Athen verbunden: Es handelt sich um den berühmten Demokedes aus Kroton, der eine gewisse Zeit lang als δημοσκύων in Attika tätig war (Hdt. 3.131)490 In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts, also gleich nach der Entstehung des Prometheus, "erobert die Medizin eine Grossmachtstellung" in Griechenland. Sie wird mehr und mehr zu einem Bestandteil der allgemeinen Bildung, in einem Grade, der für die moderne Kultur undenkbar ist. Sogar "die ethische Wissenschaft des Sokrates ist ohne das Vorbild der Medizin nicht denkbar" 491 . Aischylos ist also von dieser Entwicklung wohl informiert; er wird darin sogar teilweise ein geistiger Pionier. Man soll sich freilich davor hüten, das Arztmotiv als dichterisch ungeeignet zu halten. So was könnte für unser Empfinden, in der heutigen Zeit gelten. In Aischylos' Zeit wird das die Zuschauer tief beeindruckt haben. Dass der Dichter in bezug auf das Fohlenmotiv aus der täglichen Erfahrung schöpft, ist offensichtlich. Für den Sport und für den Krieg war das Pferd unentbehrlich, so dass das Zureiten wohlbekannt gewesen sein muss. Das war der Fall in Athen, besonders aber in Sizilien. Die edlen Tiere waren so gut bekannt, dass sogar in der sachlichen Ausdrucksweise Xenophons die Nebeneinandersetzung von Mensch und Pferd einen Platz findet* πρώτον τοιννν \pt) τοντο yvo.tvat, οτι kίΰσαι (368). Sie erweisen sich als schlechte Spürhunde: ck δρόμου πεσών τρέχω (1245); κάρτα χρησμών παρεκόπης (1252). Beide Metaphern stehen im Kontrast zu den obigen, auf Kassandra bezogenen Bildern und sind aus der Terminologie der Jagd mit Hunden genommen 570 : Bekk. Anekd. 428.25 άποκοπήναι τών ιχνών την κύνα λέγονσιν όταν μηκέτι εύρίσκη τα ίχνη. Hsch. άποκοπήναι: έπι τών ίχνενόντων λέγεται όταν μη ενρωσιν. Sowohl Aigisthos als auch Klytaimestra begreifen die Machtlosigkeit der "Meute" der alten Männer: νηπίοι·* ύλάγμασι (1631), ματαίων ΰλαγμάτων (1672). Durch das Eingreifen Apollos sind die Bemühungen der Erinyen ebenfalls in Gefahr, wirkungslos zu bleiben. Der völlig ohnmächtige Chor des Agamemnon kontrastiert mit dem Chor der Choephoren, der sowohl durch den Kommos wie auch durch die Anweisungen an Orests Amme in das Handeln eingreift, und noch mehr mit dem Chor der Eumeniden (der "Hundemeute"), der der eigentliche Handlungsträger ist. An einer bedeutungsvollen Stelle hatte Klytaimestra zweideutig, in bezug auf Agamemnons Rückkehr, gesagt, dass von vorhandener Wurzel ein Laubwerk wächst, welches ein Schutz gegen σειρίον κυνό^7' (967) ist, eines Gestirns, dessen Aufgang bekanntlich für die Menschen gefährlich war (cf. IL 22.29-31). Das Bild des Jagdhundes führt zu dem Bild des Netzes. Wie schon erwähnt, verbinden das Bild πτανοΐσιν κνσί πατρόν (136) wie auch das ganze Adleraugurium (s. auch äypü 126) und die Erklärung des Zornes von Artemis das erste mit dem zweiten Leitmotiv. Dann erscheint das Motiv in der ausgedehnten Metapher der V 357-61: (ώ Ζΐΰ ßacriktv και ννζ φιλία μεγάλων κόσμων κτεάτειρα) ητ (ιτι Τροίας πυργοις έβαλες

Agamemnon: Netz, Falle

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στνγανον δίκτυον, ώς μήτ( μΐγαν μήτ ονν νίαρών τιν νπΐρτίλίσαι μέγα δουλείας γαγγχμον, ατη>τ παναλ,ωτου. Das Subjekt wechselt von Zeus zur Nacht. Das Netz wird in der Trilogie von der Nacht 572 oder von deren Agenten geworfen; im Fall Kassandras wird nicht angegeben, wer der Agent ist. Hier erwächst das Bild aus der realen Ebene, denn Troia ist in der Tat während der Nacht erobert worden. Troias "Jagdnetz" ist στ«γανόν, es hatte eine ähnliche Wirkung wie das Netz, welches über Agamemnon geworfen wurde ( σ τ ί γ α σ τ ρ ο ν , Cho. 9 84)573 Fraenkel meint, νεαρών in diesem Zusammenhang suggeriert ausserdem die Jagd (Xen. Cyn. 9.8 oi μίν νιοι τών vtßρών. oi 8e ήδη μεγάλοι, 9.10 τα yap σώματα αυτών δια το «τι veapa είναι τφ πόνφ ού δύναται αντέχει ν). Wir wissen, dass das Wild nicht über das Netz springen durfte (Xen. Cyn. 6.8 στοιχιζέτω 8f μακρά, νφηλά, όπως αν μη υπερπηδά). Wir wissen auch aus den Persern, dass der von der Ate gelockte Sterbliche deren Netz nicht zu überspringen vermag (113). Es ist wahrscheinlich, dass γάγγαμον, wie in späterer Zeit (Opp. Hai. 3.81) so auch damals, ein Fischernetz war. Wie also die Bezeichnung στεγανόν auf die Beschreibung in den Choephoren zielt, so wurde auch dieses Synonym von δίκτνον hier eingeführt als Vorbereitung auf das "Fischernetz", in dem Agamemnon starb (382). Sollte man den Gerüchten glauben, sagt Klytaimestra, dann müsste Agamemnon längst tot sein: τίτρηται δικτύου πλίω (868) und er würde χθονότ τρίμοιρον χλαίνα (872) gehabt haben. Durch diese Vergleichung wird auf die Wunden und das "Netz" angespielt, die Agamemnons Tod herbeiführen werden 574 Nach der Teppichszene (908-57) häufen sich die Erwähnungen von Netz und Falle. Kassandra heisst έντ6 προς βωμον (ύτόλμως πατάς; (1296-8). Es war freilich nicht nötig, dass das Opfer den Eindruck erweckt, es stimme seiner Opferung zu621, wenn das Opfer aber diesen Eindruck erweckte, wurde seine Haltung gedeutet, dass es in der Gewalt des Gottes stand, der das Opfer annahm, und es dem Willen des Gottes folgend hervortrete 622 . Somit wird Kassandras Benehmen erklärt (θί-ήλατος). Während die anderen wegen menschlicher Verblendung geopfert werden, ist die Seherin das persönliche Opfer Apollos, mehr als Iphigeneia das Opfer der Artemis oder Agamemnon das des Haus-Alastors waren. Die Umkehrung der Opferidee wird eindrucksvoll von Kassandra geschildert: βωμον πατρφον δ άντ ίπίζτηνον μέν(ΐ, θΐρμφ κοπΰσης φοίνιον προσφάγματι (1277 f.). Anstatt des väterlichen Altars, wo sie selbst bei Opfern mitgewirkt haben muss, erwartet sie jetzt eines Metzgers Hackklotz. Ihre Schlachtung wird ein heisses Trankopfer für den toten König sein, sagt sie mit grimmiger Ironie623 Man denkt an die Parallele Iphigeneias und gleichzeitig an die weitere Verschlimmerung des Motivs, welches durch Iphigeneias Opferung wieder ins Leben gerufen wurde. Nach all dem ist natürlich das Atreidenhaus wie ein Grab, an dem geopfert wird, wie die Seherin sagt: φόνον δόμοι πνίονσιν αιματοσταγί) (1309). ομοιος ατμός ωσπΐρ ϊκ ταφον πρίττΐΐ (1311). Der Chor gebraucht eine Metapher in V 1427: φονυλιβά τΰχα 624 λύβω (wie σπίνδω) heisst gewöhnlich "giessen als Trankopfer". Die Idee wird verstärkt durch das λίβος des folgenden Verses.

Agamemnon: Opfer

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Ähnlich wie die Seherin spricht der Chor vom Thyestesmahl: πάχνα κονροβόρφ (1512). Der Daimon des Hauses, in Klytaimestras Gestalt, "singt" wie ein Rabe mit seinem Gekrächze ein Lied auf den Geopferten in falschen Tönen: em S( σώματος Βίκαν κόρακος έχθρον σταθίκ ίκνομως (ev νόμως Murray) ύμνο ν νμνάν «πίύχεαι. (1471-4). Wie wir aus der äsopischen Fabel Nr. 168 (κόραξ νοσών) und von Aischylos selbst wissen (Hik. 751 f. κόρακα ώστ(, βωμών άλίγοι>τα ουδί^), frassen die Raben die Opferreste. Durch diesen Vergleich vollzieht sich einerseits eine Entartung der erhabenen Idee des Leitmotivs, indem es zum Ausdruck von Abscheu gebraucht wird; andererseits wird aber eine Verbindung zum ersten Leitmotiv hergestellt. Dem Opfer- ist zum Teil das Blutmotiv untergeordnet, wovon in der Gesamtbetrachtung der Orestie die Rede sein wird. Es sei vorläufig auf den subtilen Gebrauch des Motivs in der Teppichszene hingewiesen, in der öfters von einer blutähnlichen Farbe die Rede ist und wo der Teppich selbst eine blutähnliche Farbe hat. Den hiesigen Zusammenhang hat Stanford erkannt, und später hat Goheen das ganze Motiv "biood on the ground" eingehend untersucht 625 Ein όλολυγμός wurde in heroischer Zeit von anwesenden Frauen bei Opfern ausgestossen und die Tragiker machten von dieser Sitte noch Gebrauch 626 . Der Ololygmos als Opfer- oder als Siegesgeschrei entwickelt sich zu einem Nebenmotiv in der Trilogie, welches aber keine Bilder aufweist. Das Opfermotiv steht weiter in Beziehung zum Leitmotiv "Finsternis-Licht", einerseits weil es das Element "Feuer" einschliesst, andererseits weil die Opferung eine Rettung bezweckt. Euripides hat die Bedeutung des Opfers in der Orestie richtig erkannt und das Motiv auf eigene Weise in seiner Elektro gebraucht. In bezug auf Iphigeneia jedoch bleibt er Aischylos nah: κασφαξ' ϊπ ώμων ώς ηραν χ«ροΙν Βμώ(

νήστις ιπίζίΐ λιμός" ον yap e^reXet? θτήραν πατρφαν

προσφίραν

σκτηνήμασιν

(247-51).

Die Metaphern werden fortgesetzt und ausgearbeitet. Zeus kann πατροστίρή yovov (253) anblicken. Er soll aber das Geschlecht des Adlers nicht vernichten lassen, was in seinem eigenen Interesse liegt: Agamemnon pflegte Zeus durch Opfergaben zu ehren; wer ausser seinen Kindern wird ähnlich grosszügig handeln? Wenn die Brut des Adlers, d.h. Zeus' Partei, vernichtet wird, heisst das nicht, dass Zeus seinen Willen weder zeigen noch durchsetzen kann, mit dem Ergebnis, dass die Menschen ihm nicht mehr gehorchen werden? Der Adler, das Symbol des Agamemnongeschlechts, ist gleichzeitig der Verkünder von Zeus' Macht. Realistisches und Metaphorisches gehen ineinander über: καίτοι θυτ-ηρος και at τιμώντος μέγα πατρός νεοσσούς τούσδ άποφθύρας πόθΐν ίζίΐς όμοιας χΐΐρός ΐνθοινον γίρας', οντ α ΐ ί τ ο ΰ yeveffk άποφθΐίρας, πάλιν πίμπΐΐν ίχοις αν σήματ ΐνπίιθή βροτοΐς (255-9) 6 2 9

Gegen Ende des Kommos kehrt das Bild wieder: ΐδώ^ νίοσσονς τονσδ' eφτημίνονς τάφψ (501). Das Gebet richtet sich jetzt an den Vater. Vor dem Kommos wurde der Beistand der Oberen, im Kommos der der Unteren erfleht. Kurz vor den Adler-Schlange-Metaphern wurde das Motiv durch Orests Worte an Elektra άνίπτερώθης κάδόκας όράν ίμί (227) vorbereitet, die auf Elektras Metapher nach der Entdeckung der Haarlocke κάρτ' ίδάν όμόπτερος (174, d.h. dem eigenen Haar) zurückgreifen. Die Geschwister sind sich auch im Aussehen ähnlich. Des Chores Wunsch kann nicht verborgen bleiben, sondern ποτάται (390)630, fliegt hin und her, flattert. Dieser Aspekt des Leitmotivs geht zu Ende, indem er Leichtsinn und

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Bilder bei Aischylos

Erfolgslosigkeit ausdrückt, ein Moment, welches auch im entsprechenden Leitmotiv des Agamemnon vorhanden war (z.B. Βιωκζι παις ποτανόν όρνιν 395). Der Vernünftige, οστκ ονχ νπόπτερος φροντίσιν (602 f.), singt der Chor, "flattert" nicht mit Gedanken, sondern er versteht. Vögel waren ein Sinnbild für Leichtsinn; cf. Soph. Ant. 342 f. κονφονόων φνλον ορνίθων. Frauenworte, sagt Aigisthos in seiner Verblendung, springen hoch in die Luft (anscheinend wie Funken) und sterben wirkungslos: π&άρσιοι θρφσκονσι θνήσκοντν; μάτην (846). Die tragische Ironie in bezug auf Aigisthos wird nicht gerade mit Sympathie dargestellt (s. auch V 851, 854). Dass die Schlange den Adler umstrickt, erinnert an das "Netz" — und weiterhin an die hinterlistige Rhetorik — mit der Klytaimestra Agamemnon umwunden hatte. Es ist in den Sieben gezeigt worden, welchen Schauder und welche Angst die Schlange verursacht. Hier ist der Schauder mit Hass verbunden, denn es handelt sich um eine Viper, die häufigste Giftschlange Griechenlands, die schleichend und unerwartet auftaucht, eine hinterlistige und gehässige Kreatur. Noch dazu hat ein solches Geschöpf den Adler, den edelsten der Vögel, ermordet. Die Schlange war das sprichwörtliche Symbol für gemeine Untreue und Bosheit; cf. Theogn. 601 f. eppt, θίοϊσίν τ έχθρί και άνθρώποισιν άπιστί, φυχρον όν ev κόλπψ είχες όφιν. In Soph. Ant. 251 f. schleicht die Viper und saugt heimlich Blut aus: ώ ΐχών' νφίΐμίν-η λήθυνσά μ ίξίπινες, freilich ein nicht ganz naturgetreues Bild. Nach Aristot. Η. A. 488b 16 ist die Schlange ävekevdepov και έπίβονλον. Sie war weiterhin ein Symbol für Undankbarkeit (cf. Aesop 97), während die Dankbarkeit des Adlers berühmt war (cf. Aesop 120; Ael. Ν. A. 17.37 und das sprichwörtliche aitnov χάριν ϊκτείσω, Paroemiogr. 2.233). Diese letzte Vorstellung mag wohl in Orests Gebet an Zeus mitspielen. Die Zuschauer kannten die ergreifende Schilderung des Kampfes zwischen Adler und Schlange aus II. 12.202-7. Es gilt dort als schlechtes Omen, dass der Adler die ihn beissende Schlange fallen lassen muss. Normalerweise soll der Adler siegen: Aristot. Η. A. 609a4 f. έστι δ' άετος και Βράκων πολέμια" τροφην γαρ ποιείται TOW όφί 19 ό aero?. In Nie. Ther. 448 ff. wird hinzugefügt, dass der Adler Grund hat, die Schlange zu hassen, da sie ihm die Brut vernichtet: πάσας yap ο y ήρήμωσΐ καλιάς, α'ντως ορνίθων re τόκον κτίλα τ' ω£α βρΰκων631. Auch Agamemnons "Brut" ist in Gefahr. Agamemnons Schicksal widerspricht dem natürlichen Verlauf der Dinge. Aischylos beabsichtigt, Empörung für die unziemende Ermordung des Königs und dazu Mitleid für die Adlerjungen hervorzurufen. Wären sie wenigstens älter, dann könnten sie die Beute, die "Nahrung", die der Vater herbeigeschafft und für sie beiseite gelegt hatte,

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Choephoren: Adler und Schlange

nehmen und brauchten nicht zu verhungern; cf. Aristot. a.O. 619a20f. άποτίθΐνται Se την πίριττίνονσαν τροφην τοις ν€οττοκ; τον·; νΐοττούς (ως αν δυνατοί γίνωνται πίτεσθαι.

7 f. τρίφονσι

δί

Wie oben erwähnt, bezieht sich eine Schlangenmetapher im Agamemnon (άμφίσβαιναν 12 3 3)632 auf Klytaimestra. Im letzten Teil derselben Tragödie fragt der Chor Klytaimestra, was sie wohl gegessen oder getrunken habe, um eine solche Tat zu begehen: τί κακόν, ω γνναι, χθονοτραφίς

ΐδανόν η ποτον ττασαμίνα

(1407 f.). Die F r a g e ist auf erster

Ebene in bezug auf Vorstellungen von Menschen, die verrücktmachende Pflanzen essen, zu verstehen. Wir dürfen aber auf einer zweiten Ebene eine Anspielung auf entsprechende Vorstellungen von Giftschlangen und somit eine indirekte Vorbereitung der Schlangenthematik annehmen 633 Klytaimestra sah im Traum, dass sie eine Schlange gebar, der sie die Brust reichte. Traum- und Schlangenmotiv werden also hier verbunden, da die Traumvision der Schlangenthematik angehört 634 . Klytaimestras Traum und dessen Deutung durch Orest "bringt den sinnfälligen Garant des göttlichen Willens" 635 Orest und der Zuschauer erfahren und deuten den Traum (523-51) erst nach dem Kommos. Es ist, als ob wir die Antwort des Toten auf die Anflehungen der Kinder hören. Xo. Op. Χο. Όρ. Χο. Όρ. Χο.

TtKÜv δράκοντ' e8o£ev, ως αύτη λίγα. και ποϊ τίλευτά και καρανονται λογος', έν σπαργάνοισι παιδός όρμίσαι δίκην. τίνος βοράι χρηζοντα, veoyeves δάκος; αύτη προσίσχί μαστον kv τώνίΐρατι. και πώς άτρωτον ονθαρ ήν νπο στνγονς', ωστ ίν γαλακτι θρομβον αίματος σπάσαι

(527-33).

Das Motiv der Schlange im Traum ist älter als Aischylos. Bei Stesichoros Frg. 42 z.B. ist zu lesen: τα δί δράκων ίδόκησε μολάν β(βροτωμίνος άκρον ϊκ δ' άρα τον βασιλεύς IIλασθΐνίδας ϊφάνη.

Wahrscheinlich wurde in der älteren Tradition der Tote in eine Schlange verwandelt, was eine nicht seltene Vorstellung vieler Völker ist636. Bei Aischylos wird die Tradition so umgeformt, dass Orest und seine Tat in die Schlangenthematik einbezogen werden. Orest deutet (κρίνω 542) den Traum: et γαρ τον αύτόν χώρον έκλιπών ίμοί ονφις ΐπ' άμά σπάργανα, και μαστον άμφίχασκ' ϊμον θρίπτήριον, θρόμβψ τ' ΐμειζεν αίματος φίλον γάλα, ή δ' άμφί τάρβΐΐ τψδ' (πφμωζΐν πάθΐΐ, δίΐ τοί νιν, ώι Wp«pev ίκπαγλον τίρας, θανίΐν βιαίως' ΐκδρακοντωθ(ΐς δ ΐγώ κτιίνω νιν, ώς τονναρον (ννίπα τόδΐ (543-50).

Bilder bei Aischylos

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Aischylos stützt sich hier auf den Volksglauben über das Verhalten der weiblichen Viper dem Männchen gegenüber sowie das Verhalten der Viperjungen der Mutter gegenüber, wie in Hdt. 3.109 zu lesen ist: (die V i p e r n ) έπεάν θορνΰωνται κατά ζΐνγεα και έν αύτή ή ό έρσην τή ίκποιήσι, άπιεμένου αύτοΰ τήν γονήν ή θήλεα άπτεται τής δειρής και εμφυσά ουκ άνιεϊ πριν αι> διαφάγη. 6 μεν δή έρσην αποθνήσκει τρόπφ τ φ είρημένφ, ή δε θήλεα τίσιν τοιήνδε άποτίνει τφ έρσενι· τφ γονέι τιμωρέοντα έτι εν τή γαστρι ιόντα τά τέκνα διεσθίει τήν μητέρα, διαφαγόντα δε τήν νηδύν αυτής ούτω τήν έκΒυσιν ποιέεται617

Orest erkennt, dass das Bild auch auf ihn selbst passt: Er ist die von Klytaimestra geborene Schlange. Es handelt sich um "eine Art "Selbsterkenntnis", ein Innewerden des Schicksals, das der Mensch nicht bloss hat, sondern eigentlich ist"638. Klytaimestra versteht die Bedeutung ihres Traumes zu spät, als sie in ihrem Sohn die für sie tödliche Schlange erkennt: ol 'γώ, τεκοΰσα τόνδ' οφιν έθρεφάμην (928). Orest stimmt mit ihr in der Deutung des Traumes überein und übersieht nicht, dass auch seine Tat eine unnatürliche ist: έκανες ov ού χρήν, καΐ το μή χρεών

πάθε

(930).

Die Idee kehrt bei Orests Rechtfertigungsrede wieder: μΰραινά γ' ει τ έχιΒν' έφυ σήπειν θιγοΰσ' αϊ/ μάλλον οϋ 8ε8ηγμένον

( 9 9 4 f.).

Die Muräne ist ein aalförmiger schlangenähnlicher Fisch639 Sie hat ein wildes und rohes Wesen, ein άγριον ήτορ (Opp. Hal 2.339; 359 f. wird sie mit einer Schlange verglichen). In Hsch. steht μΰραινα- έπϊ τοΰ κακοί έλέγετο,

ώ«τ έχιδνα640.

In V 832-7 wünscht der Chor, Orest möge Perseus641 imitieren, der die Medusa tötete. Das ist natürlich, da Perseus ein einheimischer (argivischer) Held war, der in fremden Ländern wanderte, und nach einer Überlieferung (cf. Eur. Frg. 123 aus der Andromeda) seinen Grossonkel, der den Grossvater Akrisios seines Thrones beraubt hatte, mit dem Gorgonenhaupt versteinerte. Es ist eindeutig, dass Orest für den Chor ein Perseus, Klytaimestra, die "Schlange", eine Medusa ist. Die Gorgonen hatten auf dem Kopf Drachenschuppen: είχον 8έ αϊ Γοργόνες κεφαλάς μεν περιεσπειραμένας φολίσι δρακόντων (Apollod. 2.4.2). Die zwei Übriggebliebenen verfolgten Perseus, um den Tod der Schwester zu rächen: ai 8e Γοργόνες

εκ τής κοίτης

άναστάσαι

τον ΙΙερσέα

έδίωκον, και συνιδεΐν

αυτόν

οϋκ έδΰναντο διά τήν κυνήν (ib. 2.4.3). Die Erinyen werden Orest verfolgen und für eine Zeit ebenfalls nicht sehen können. Aus dem Blut der Erschlagenen wurden Schlangen geboren: όσαι κυανίου στάγες αίματος αί πάσαι κείνων όφίων γένος

οϋδας ίκοντο, εβλάστησαν

(Apol. Rh. 4.1516 f.). Orest soll also List anwenden und Mut zeigen, um den schrecklichen

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Choephoren: Ringkampf

Mord auszuführen. Auch wussten die Zuschauer, dass Perseus fliegend die Medusa angegriffen hatte. Es wird also eine Umkehrung der Thematik angedeutet, die wir in dem Bild des von der Schlange getöteten Adlers kennenlernten, bzw. erhofft man sich eine Umkehrung des Geschehens. Die mythische Parallele, wie die Parallele mit Herakles, gehört auch zum Wettkampfmotiv (s. weiter unten, S. 171 f.). Am Ende der Tragödie weist der Chor auf den guten Aspekt der Tat hin: ήλΐυθίρωσας πάσαν .Χργΐίων πάλιν, hvolv δρακόντοιν ίύττίτώς Τίμων καρα ( 1 0 4 6 f.).

Aber als Antwort auf die Metapher und den Jubel des Chores folgt Orests Vision: αίδ(, Γοργόνων δίκτην, φαιοχιτωνίς και πίπλΐκτανημΐναι πυκνοί* δράκονσιν (1048-50).

Wir haben also wieder einen "Erfolg" in der Trilogie, der jedoch nicht zur Rettung, möglicherweise aber zum Verderben führen kann. Der Junge des von der Schlange ermordeten Adlers, selbst eine "Schlange", läuft Gefahr, von Schlangen überwältigt zu werden. Das Geschehen kehrt nochmals in furchtbarer Weise wieder. Der "Deuter" Orest sieht jetzt, dass er nicht nur eine Schlange getötet hat, sondern auch selbst wegen seiner Tat das Opfer von Schlangen wird. Dadurch wird das Motiv Träger tragischer Ironie. Das Leitmotiv hat seine volle Anwendung gefunden und nähert sich gleichzeitig der realen Sphäre zur Vorbereitung auf das Erscheinen der mit Schlangen umwundenen Erinyen der dritten Tragödie. Das Leitmotiv ist verbunden mit anderen Motiven der Trilogie: T r o p h o s , E l t e r n - K i n d e r (γίνναν evviv 247, άπωρφανισμίνονς 249, νεοσσούς 256, α'κτον γίνΐθλα 258, Τ(κ(ϊν δράκοντα 527, παιδος δίκτην 529, μαστόν θρίπτηριον 545, (θρ(φ(ν τέρας 548), J a g d ( d e r A d l e r ist ein

Jagdvogel; θήραν πατρφαν 251), List (die Schlange ist ein Sinnbild der List; ev πλίκταΐσι 248), Traum, Biss (δάκος 530), Stich (άτρωτον 532), Blut ( θ ρ ό μ β ο ν αίματος 533, θρόμβφ αίματος 546), O p f e r (θντηρος fνθοινον γίρας 257), E s s e n (y-ηστις λιμός 250, (ϋθοινον γύρας 257, χρήζοντα 530).

Zweites Leitmotiv: Wettkampf42:

Ringkampf

und

255, βοράς

Wagenrennen

Headlam hatte erkannt, dass Orests Unternehmen ein άγών, ein Wettkampf ist, wie es auch Euripides in der eigenen Elektro angenommen hat643 Wir finden in der Tragödie Stellen, die den Eindruck des Wettkampfes erwecken, während sie auch zu einem anderen Sinnbereich gehören. Ihr

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Bilder bei Aischylos

Zweck ist, auf eine allgemeine Kampfstimmung hinzudeuten und gleichzeitig verschiedene Motive miteinander zu kombinieren. Wir haben dann Bilder, die dem Bereich der Athletik und zwar dem Ringkampf oder dem Wagenrennen entnommen sind. Schliesslich wird das Motiv durch das Heranziehen von mythischen Parallelen unterstützt. Wie es bei vielen anderen Gelegenheiten der Fall war, begannen auch die Wettkämpfe mit Opfergaben und Gebet. Die Handlung am Anfang der Choephoren bereitet die Erscheinung des Leitmotivs vor. Im ersten Vers hören wir ein Gebet an Hermes. Der Gott, dessen Name im Werk öfters vorkommt, ist nicht nur χθόνιοι, νύχι ο* und δόλιος, er ist auch als εναγώνιο* bekannt 644 Hermes heisst im selben Vers πατρφ &τοπτεύων κράτη. Das Verb wird für den Vater benutzt (ώ γαΐ, άνε* μοι πατέρ' εποτττενσαι μάχην 489), vielleicht für Pylades (τούτφ δενρ ίποπτΐΰσαι λέγω 5 8 3645), für Helios (985), für einen Gott (1063). Das Verb bezieht sich vor allem auf das Herunterschauen der Götter, eine Idee, die die Trilogie durchläuft, aber neben anderen Affinitäten des Terminus soll nicht übersehen werden, dass έπόπται Würdenträger bei Wettkämpfen waren, wie bei Pollux 3.140 zu lesen ist646. In V 246 betet Orest Zeus an: Ζεΰ Ζεΰ, θεωρό* τώνδε πραγμάτων γενον. Wie bekannt, war θεωρό* der offizielle Gesandte bei einem (athletischen) Fest. Wenn Klytaimestra die beiden Freunde in den Palast einlädt, verspricht sie ihnen, dass sie dort θερμά, λουτρά finden werden (670). Es war natürlich, den Reisenden warme Bäder anzubieten (ganz gewiss "übt Klytaimestra geflissentlich das δυσφημεί ν" hier nicht). Primärer Zweck des Ausdrucks ist, dass die Zuhörer an Agamemnons Bad denken. Sie könnten aber ausserdem denken, dass es warme Bäder für die Kämpfer nach der Schlacht oder dem Wettkampf gab647 Der Teilnehmer an den olympischen Spielen musste von seinem Trainer, dem άλείπτηs oder γυμναστήbegleitet werden. Der war von allergrösster Bedeutung für den Sieg des Athleten und die Dankbarkeit der siegreichen Athleten ihren Trainern gegenüber ist mehrfach bezeugt. Hier ist Pylades der Begleiter von Orest. Es ist möglich, dass Orest im oben erwähnten Vers 583 Pylades meint. Im Gegensatz zum heutigen Brauch durfte der Trainer seinem Zögling im kritischen Augenblick einen ermunternden Ratschlag geben, der zum Sieg führen konnte. Im kritischen und schwierigsten Augenblick seines Kampfes, vor dem Muttermord, erhält Orest Pylades' Ratschlag (900-3), dem er auch folgt. Pylades braucht keine anderen Worte in dem Werk zu sprechen. Es wird dann konkreter gesagt, dass Orests Kampf mit dem Schwert geführt wird bzw. dass das Schwert den Tod bringt: ξιφηφόρου* άγώνα* 584, ζιφοδηλήτοισιν άγώσιν 729. Orests Aufgabe wird hauptsächlich von den anderen als ein Ringkampf aufgefasst, von ihm selbst vorwiegend als eine richtige

169

Choephoren: Ringkampf

Lenkung: Die meisten Bilder des zweiten Aspekts werden in seinen Mund gelegt, während es beim ersten Aspekt umgekehrt ist. Der Aspekt des Ringkampfes zeigt, dass Orest einen schwierigen Kampf siegreich auszufechten hat. Charakteristischerweise endet dieser Aspekt kurz vor Orests Sieg über Aigisthos. (γόο? ένδικος ματίΰα)

τό πάν άμφίλαφτηι

ταραχθΰς

(331). Dike-, J a g d -

und Wettkampf-Motiv erscheinen nebeneinander in dieser Metaphernreihe, die für unsere Vorstellungen zu gewagt sein könnte. Das Attribut der Totenklage ist "gerecht" Eine solche Klage hat die Macht, sowohl den Schuldigen zu jagen als auch wie ein guter Ringer ihn an beiden Seiten anzupacken und niederzuwerfen. Der Griff um den Mittelleib war (und ist) einer der wirksamsten Griffe beim Ringkampf. Die Ate (diese Vorstellung steht für die Kinder des Agamemnon) ist dagegen άτρίακτος (339), unbesiegbar. Beim entsprechenden Ausdruck Eum. 589 erklärt der Scholiast: ή μεταφορά be έστιν άπό των παλαιόντων, οι (πι πτώμασιν όρίζονσι την ήτταν. D e m e n t s p r e c h e n d ist τριακτήρ

τοϊς τρισϊ (z.B. Ag.

173) der siegreiche Ringkämpfer. Strophe b und die darauffolgende Antistrophe α enden also mit entgegengesetzten Metaphern: Die Klage für den Toten kann den Sieg herbeiführen, die Ate des Geschlechts bleibt trotzdem unbesiegbar. In der Wiederaufnahme der Gedanken des Kommos betet Orest zum Vater: η τάς όμοιας άντίδος λαβάς kaßäv64i, tint ρ κρατηθείς γ' άντινικήσαι θίλίΐς ( 4 9 8 f.). D i e P a r a l l e l i t ä t ist klar; νικηθείς άντι-νικήσαι (θέλεις) / λαβάς

όμοιας

λαβάς άντί-(δος). Agamemnon wurde durch List zu Fall gebracht — das Ringen war ein listiger Wettkampf. Wie Agamemnons Kinder, so stellt auch Klytaimestra fest, dass die Ära des Hauses δνσπάλαιστος (692), unbezwinglich, ist; gegen sie kann man nicht ringen. I m K o m m o s r ä t d e r C h o r : πρίππ

δ' άκάμπτψ

μίνα

καθήκαν

(455)

und, als Orest und Pylades in den Palast eingehen, betet er: vvv yap άκμάζα

Iiίιθώ

δολίαν

ξνγκαταβηναι

( 7 2 6 f.);

hierin

haben

wir

einen

Übergang auf den tödlichen Schwertkampf. Beide Verben und ihre Synonyme heissen "in die Schranke treten" (das lat. descendere), καθιίναι tU άγώνα649 Die listige Peitho soll als Verbündete Orests kämpfen. Zum Schluss wird das Verb in abgeändertem Sinne fur das Bündnis zwischen Zeus und der Moira gebraucht {Eum. 1046). Vor dem entscheidenden Kampf sagt der Chor: τοιάνδε πάΧ,ην μόνος ων έφεδρος δισσοΐς ptkkti θάος 'Ορέστης

€φΐδρος war derjenige Wettkämpfer, der von der Auslosung begünstigt

170

Bilder bei Aischylos

war und an der ersten Runde nicht teilzunehmen brauchte. Dann musste er dem Sieger begegnen. Orest hatte an der ersten Runde, an der Ermordung Agamemnons, nicht teilgenommen. Jetzt muss er den Siegern begegnen — nicht nur einem Sieger sondern zweien zugleich. Das Haus, bzw. Agamemnons Geschlecht, ist "gefallen" und muss wieder aufstehen. Die Idee der Vernichtung wird mit dem Ringkampf in Verbindung gebracht durch den Gebrauch von πεσάν, welches auch ein Terminus beim Ringkampf war650: so z.B. die Metapher in V 965 f. δόμοι χαμαιπετάς ΐκασθί und die abgeschwächten metaphorischen Ausdrücke δ όμον, δοκοΰντα κάρτα νΰν πΐπτωκίναι (263), (οφθαλμοί' οίκων) μη πανώλεθρον ττΐσίΐν (934) und im Gegensatz dazu μέτοικοι δόμων πεσοννται πάλιν (971; πΐσοΰνται äquivalent dem (κπίπτω, also auch auf das Exilmotiv anspielend). Es sei schliesslich bemerkt, dass der Ringkampf dem Listmotiv nicht fern steht; cf. Plutarch Mor. 63 8d, nach dem der Ringkampf das τΐχνικώτατον και πανουργότατον των άθλτημάτων ist. Der zweite Aspekt des Rennens legt den Akzent auf Orests Aufgabe, den richtigen Weg inmitten der Schwierigkeiten zu finden. Das Motiv wird in V 375 f. durch die "doppelte Peitsche" vorbereitet, διπλής τήσδί μαράγνης δοΰπος ικνάται. Bei Pollux 10.55 wird μάραγνα als ein der ιππικών σκευών angeführt. Wir hören dann Orest sagen: ovSev (στ (ξω δρόμου (514). Der Wagenlenker, der ausserhalb der Rennbahn gerät, kann das Rennen verlieren. νυκτός άρμ ϊπάγίται σκοτίΐνόν (660 f., mit Anschluss an das "Finsternis-Licht-Motiv"). Aischylos ist anscheinend der erste, der aufgrund der Vorstellung des Sonnenwagens auch die Nacht auf einem dunklen Wagen darstellt651. ωστπρ άπεί,ύγψ πόδας (676), "als ich meine Füsse abgeschirrt, abgespannt habe": ϊκ μεταφοράς των άπολυομίνων τοΰ ζυγού ίππων (Schol.). Die Vorstellung hinter diesen Bildern und die Ausdrucksweise werden dann vom Chor in einer ausgearbeiteten Metapher aufgenommen. Der Chor betet Zeus an: ισθι δ' ανδρός φίλου πώλον ΐϋνιν ζυγέντ ev αρμασιν πημάτων (794-6). Orest wird mit einem Rennpferd oder genauer mit einem πώλος verglichen, einerseits weil er tatsächlich jung ist, andererseits weil so die Sympathie der Sprechenden für den Helden zum Ausdruck kommt, wie es im Prometheus gezeigt wurde. Das Bild erinnert an ein anderes ausgearbeitetes Bild aus dem ersten Leitmotiv: (Zeü) ίδοΰ 8e yevvav twiv αΐίτον πατρός usw. Es wird in beiden Fällen betont, dass der tote Vater in

Choephoren: Wagenrennen

171

besonderer Beziehung zu Zeus stand. Dort hiess es, dass der Vater fehlt und deshalb Zeus helfen soll, sonst würden die Jungen verhungern. Ahnlich ist hier Orest jung und verwaist (evvtv), also ohne väterliche Lenkung. Deshalb soll Zeus die Lenkung des bespannten Fohlens übernehmen und seinem Lauf Mässigung "zufügen" (trv 8' iv δρόμψ προστίθ(κ μίτρον 796 f.), damit Orest gerettet bzw. erfolgreich ist (798). Er "rennt" jetzt auf dem Lande umher (δια πίδον 797 f.) und schreitet seinem Ziel entgegen (άνόμενον [άνομίνων Murray; Text unsicher] βημάτων

όρυγμα

798 f.).

Nach vollbrachter Tat jubelt der Chor: μίγα τ άφηρίθη ψάλιοι>652 οίκων (962 f.). Das Haus ist jedoch noch nicht befreit worden und das Motiv zeigt wieder seinen ungünstigen Aspekt: μηδ' ίπιζινχθψ στόμα φήμη πονηρά (1043 f.). Orest "bespannt" seinen Mund mit einem ominösen Wort. Bei diesen zwei Metaphern, der zweiten mehr als der ersten, haben wir eine Verbindung zum Unterjochungsmotiv. Die Vorstellung eines bespannten Pferdes passt leicht in beide Sinnbereiche. Einen unerwünschten Ausgang der Vorstellung des Wagenrennens hören wir von Orest selbst: ωσπίρ ζίιν ίτττΓοκ ήνιοστροφώ δρόμου ίζωτίρω' φίρονσί γαρ νικώμίνον φρίνι*; δνσαρκτοι (1022-4).

Er ist jetzt der Wagenlenker. Seine φ ρ ί ν κ tragen ihn wie ungehorsame Pferde aus der Bahn und lassen ihn nicht den Sieg davontragen. Obwohl er seine Gegner völlig besiegt hat (νικών πολύ, sagt ihm der Chor, 1052), scheint er den Preis, die Wiederbesitznahme seines Hauses, zu verlieren. Mit dem Vergleich, mit dem das Leitmotiv schliesst, wird der Verlauf der Tragödie versinnbildlicht. Orest hat mit aller Kraft gekämpft, am Schluss aber, obwohl er die Zügel noch in der Hand hat, kann er den Wagen doch nicht in die richtige Bahn lenken; diese richtige Bahn wird der Weg nach Athen sein. Die Thematik wird weiter unterstützt durch die Ausdrücke (abgeschwächte

Metaphern)

όταν

μνσο?

ΐλάση

(966 f.), καθαρμοϊσιν

άτάν

ίλατηρίοκ (968) und gegenseitig ίλαύνομαι (1062), welche das Wettkampfmit dem Verbannungsmotiv in Beziehung bringen. Während Elektra die Opfergabe darbringt, singt der Chor für den Toten. Die Frauen wünschen, dass ein kräftiger Helfer erscheine, der das Haus befreie (160-3). Sie denken dabei an Herakles 653 Der Held der berühmten άθλοι, der Stifter der olympischen Spiele (z.B. Pind. OL 2.5), war bekanntlich ein grosser Ringkämpfer 654 . Als Antwort zu dem gesprochenen Wunsch des Chores bringt Elektra die Nachricht der Entdeckung von Orests Zeichen. Konkreter wird O^est mit Perseus verglichen (832-7), wie bei der

172

Bilder bei Aischylos

Untersuchung des ersten Leitmotivs bemerkt wurde. Perseus hatte die Welt von Untieren, Verbrechern und Tyrannen befreit, genauso wie Orest (302-4, 973, 1046 f.). Es gibt noch manche Parallelen zwischen Orest und Perseus. Perseus wird durch Hermes und Athena geführt: Έρμου και 'Χθηνάς προκαθηγονμίνων (Apollod. 2.4.2). Seine Aufgabe erfüllt er durch List. Schliesslich war Perseus ein Athlet: (Perseus) οία ηλικία re ακμάζων και τοΰ δίσκου χαίρων τφ ίνρήματ ι kirehe'iKwro ας άπαντα; 540 bleibt bei einer allgemeinen Vorstellung vom Wettkampf. Auch bei diesem Motiv nähern sich, in Kassandras Fall, das Göttliche und das Menschliche einander: Apollo ήν παλαιστή? κάρτ ίμοι πνίων χάριν 1206, was an die χάρις βίαιο* δαιμόνων erinnert und ebenfalls zeigt, dass die Menschen der göttlichen χάρις unterlegen sind. Das Ringen wird wieder angedeutet in: άξα νιν νπτίασμα καμένου πατρός 1284 und παγκρατψ φονίύς 1684; beide Ausdrücke können wörtlich aufgefasst werden (der tote Vater liegt tatsächlich), sie weisen jedoch auf Orests "Ringkampf' hin und es kann dazu auch eine Verbindung zu «Vep κρατηθίκ γ' άντινικ-ήσαι Θέλα* (Cho. 499) enthalten sein. Schon in der ersten Tragödie ist der "Wettkampf' ein Aspekt des breiteren Kampfes und bezweckt einen wirklichen Sieg (cf. ίμοι δ' άγων 68 ούκ άφρόντιστο* πάλαι 1377, χ^ιρί νικήσαντ ίμον 1423). Im Agamemnon gelten die eindeutigen Metaphern aus dem Ringkampf den Göttern, und die Ausdrücke, bei denen eine Motivanwendung im Hintergrund bleibt, den Menschen 7 " Der zweite Aspekt des Motivs ("Wagenrennen" oder nur "Wettlauf') scheint anzudeuten, dass auch Orests Vater sowie die Argiver von demselben Blickpunkt aus wie Orest angesehen werden. Um Rettung zu erreichen, müssen sie κάμψαι διαύλου θάπρον κώλυν πάλιν 344. Bei φοινίαν ξυνωρίδα 643 ist neben der Vorstellung des mörderischen Ares-Gespanns eine Anspielung auf das mörderische Brüderpaar nicht auszuschliessen. Agamemnon erscheint konkreter als ein bespanntes Pferd im Bild über seinen Helfer Odysseus: ζΐνχθά* έτοιμο* ήν ίμυΐ σαραφόρος 842 (Odysseus half anscheinend in kritischen Fällen). Wie alles andere so wird auch dieses Motiv im Mund Aigisthos' abgewertet: τον 8e μη παθάνορα ζίυζω βαρίίαις, ούτι μή σαραφόρον κριθώντα πώλον 1639-41, während durch die Einbeziehung des Ess- und des Hungermotivs der Zuhörer auf die Situation Orests in der folgenden Tragödie vorbereitet wird. Orest, der in den Choephoren erfolgreich "gerungen" hat, aber am Ende den Sieg zu verlieren scheint, ist in den Eumeniden in Gefahr, beim "Ringen" niedergekämpft zu werden: ev μίν τόδ' ήδη των τριών παλαισμάτων 589. Die Erinyen aber erreichen das "dritte Niederwerfen" nicht und Orests Antwort deutet darauf hin, dass seine Situation nicht genau wie die der früheren Besiegten ist: ov καμίνψ πω τόν8( κομπάζίις λόγον 590. Auch in dieser Tragödie zielt das Motiv auf den breiteren

192

Bilder bei Aischylos

Kampf hin, und dieser Kampf ist mit dem Dikemotiv verbunden (z.B. πώς άγων κριθήσιίται; 744), eine Verbindung, die in den Choephoren eher bildlich zum Ausdruck kam. Gerade der "Ringkämpfer" Orest wünscht Athena und ihrer Stadt τταλαισμ άφυκτον τοις ίναντίοις έχοις 776. Die Idee in άφυκτον gilt nur für die Götter (z.B. für Zeus), da aber eine Identität zwischen der Göttin und ihrer Stadt entsteht, bezieht sich die im Wort enthaltene Vorstellung auch auf die Bürger. Letzteres Bild führt ebenfalls zur konkreten Vorstellung des Sieges (anschliessend Sopö? viκηφόρον). Das ist die letzte Erscheinung des Motivs: Orest hat den Kampf (konkreter den Kampf vor dem Gericht) gewonnen, der Blick richtet sich jetzt auf die Stadt. Wie in den früheren Tragödien zeigt der zweite Aspekt eher Misserfolg: ΐτνφΐν δίκαν διφρηλάτου 156. Mit den Leitmotiven direkt verbundene Motive Wir werden ständig daran erinnert, dass Blut vergossen worden ist und dass als Sühnung dafür mehr Blut fliessen muss. Die Idee "Blut auf dem Boden" wird auch szenisch durch die Farbe des Teppichs suggestiv angedeutet, und es ist auch anzunehmen, dass das königliche Gewand Agamemnons rot ist712 Eine Ausweitung des szenischen Bildes haben wir im Bericht über Iphigeneias Opferung: κρόκου βαφάς es πίδον χίουσα 239. Das Blutmotiv113, dessen Hauptexponent der Bericht über Agamemnons Tod ist, erscheint in der ersten Tragödie sowohl im Bildlichen als auch in unmetaphorischer Sprache, teilweise dem Opfermotiv untergeordnet; oft aber ist es selbständig oder wird sogar vom Todesmotiv unterstützt. In den Choephoren erscheint das Motiv weniger oft als in den zwei anderen Tragödien, hier aber wird das Prinzip "es gibt kein Sühnemittel für vergossenes Blut ausser mehr Blut" am schärfsten geprägt: im eigentlichen Sinne in: τί γαρ λύτρον πεσόντος αίματος πίδοι; 48 (cf. 520 f.), im Metaphorischen in: νόμος φονιάς σταγόνας χυμίνας (ς πίδον αλλο προσαιτάν αίμα 400. Man denkt an die wichtige Rolle des Blutmotivs in Shakespeares Macbeth, wo eine gleiche Grundkonzeption die Tragödie durchläuft, und das Motiv, ähnlich dem umfassenderen Opfermotiv in der Orestie, auch Träger von tragischer Ironie ist. In den Eumeniden ist das Blutmotiv teilweise ein Element des Jagdmotivs, aber an anderen Stellen behält es oder verstärkt es sogar die eigene Bedeutung, dabei wird es im Realen ein Gegenstand der Debatte: Blut väterlicherseits gegen Blut mütterlicherseits (in Zusammenhang mit "Apollos." Theorie). Ausserdem wird hier die Problemstellung der zwei ersten Tragödien wieder aufgenommen, diesmal aber ist die Antwort positiv: Es gibt Reinigung und Sühnung; für vergossenes Blut soll es statt mehr Blut nun einen Prozess geben.

193

Orestie: Blut

Die Hauptstellen ausserhalb der Bildsprache findet man in: Ag. 215-7 παρθενίου

αίματος έπιθυμεϊν

θέμις (was Agamemnon hier sagt, dient dem

Zweck, das religiöse Gefühl der Zuhörer in ähnlicher Weise zu verletzen, wie es Klytaimestra durch den Gebrauch der sakralen Opfersprache und der Ausdrücke aus dem Wachstumsbereich in bezug auf Agamemnons T o d in V 1386-92 tut), 1017-21 τό δ' έπί γάν πρόπαρ ανδρός μέλαν αίμα τις ο.ν άγκαλέσαιτ

πεσόν άπαξ έπαείδων;

θανάσιμον (natürlich

"phrophezeit" der Chor hier nicht; er spricht eine allgemeine Wahrheit, die auch im speziellen Fall Agamemnons eine Anwendung finden wird), 1338 νύν δ' et προτέρων

αίμ

αποτίσει,

έμπ ρέπει, 1656 μηδέν αίματώμίθα

1428 λίβος

έπ' ομμάτων

αίματος

(Klytaimestra möchte jetzt versöhnend

sein, und sie ist nun an der Reihe, falsche Hoffnungen zu hegen, wie Agamemnon, der seine Verkündigung über das Opfer durch εύ γαρ έίτη abgeschlossen hatte); Cho. 48, 72-4 πόροι πάντα τον χερομυση φόνο ν καθαίροντες ίθυσαν μάταν, 520 f. τα πάντα γάρ τις έκχέας άνθ αίματος ενός — μάτην ό μόχθος, 533 ωστ έν γάλακτι θρόμβον αίματος σπάσαι, 804 f. των πάλαι πεπραγμένων λύσασθ αίμα προσφάτοις δίκαις (anscheinend

spielt hier δίκαι "Strafe, Vergeltung" auf die δίκη "Prozess", der Orest των ι>εωστι πεπραγμένων αίμα λνσει, an), 1059 ( k σοι καθαρμός', Eum. 41 f. αίματι στάζοντα χείρας ( i m m e r noch!), 212 ονκ αν γένοιθ' όμαιμος ανθένττρ φόνος, 261-5 αϊμα μτητρφον χαμαί. δυσαγκόμιστο ν, παπαϊ, το διερόν πέδοι χνμενον οίχεται 714 άλλ άντιδούναι δει σ από ζώντος ροφεΐν έρνθρόν έκ μελέων πελανόν, 319 πράκτορες αίματος, 449 προς άνδρός αίματος καθαρσίου USW., 608 άπεύχη μητρός αίμα φίλτατον", 682 πρώτας δίκας κρίνοντες αίματος χυτού, 752 άνηρ όδ έκπέφενγεν αίματος δίκηνΊ>5

Im Bildlichen erscheint das Blutmotiv als Teil des Opfermotivs an den beiden

folgenden

Stellen

im

Agamemnon:

μιαίνων

παρθενοσφάγοισιν

ρείθροις πατρφους χέρας πέλας βωμού 209-11 u n d βάλλει μ' έρεμνη ψακάδι φοινίας δρόσου 1390; d u r c h die F o r t s e t z u n g (χαίρουσαν οϋδέν ήσσον ή διοσδότψ γάνει σπορητός κάλυκος έν λοχεΰμασιν) bezieht sich Klytaime-

stra in unnatürlicher Weise in das Wachstumsmotiv ein. Ahnlichen Ubergang vom Blut- in das Wachstumsmotiv haben wir auch in der nächsten Tragödie in bezug auf die Mutter-Erde. Wie beim Stichmotiv erörtert wird, spielt vielleicht φοινίαν ξυνωρίδα 643 a u c h auf das B r ü d e r p a a r an. ώμτηστης

λέων

άδτην έλειξεν

αίματος

τυραννικού 827 f. bezieht sich noch auf Agamemnon, den "Löwen"; das Geschehen wendet sich aber allmählich gegen die Agamemnon-Partei: Erst sagt der Chor über sich selbst: επί δ« καρδίαν έδραμε σταγών

1121 f. 716 u n d πέπληγμαι

δ' νπ' αν δήγματι

φοινίψ

κροκοβαφης 1164 (wegen

Kassandras Prophezeiung über den eigenen Tod), dann, die Entwicklung des G e s c h e h e n s z u s a m m e n f a s s e n d , έκ τοΰ γάρ (sc. δαίμονος γέννης) έρως αίματολοιχός νείpq. τρέφεται 1478 f.; έρως wird z u m Gegenbild des Löwen.

In Verbindung mit dem Dikemotiv steht είς αίματηρόν

τεύχος

οΰ

194

Bilder bei Aischylos

Βιχορρόπω* ψήφου* Wtντο 815 f.: Neben der Vorstellung des blutigen Ausgangs des "Prozesses" gegen Troia haben wir auch eine Vorbereitung im Bildlichen auf den tatsächlichen Prozess αίματος χντοΰ. Ebenfalls eine Vorbereitung, diesmal des Jagdmotivs in den Eumeniden — neben der Verbindung mit dem Hundemotiv — haben wir in: eoiκεν εΐ>ρκ ή ξίνη κυνό* Βίκην tivaι, ματΐΰα 8' ων ανίυρήσίΐ φόνον 1093 f.: Kassandra "spürt" nach dem Blut der alten Opfer. Das Geschehen schlägt also um. In der Löwenparabel heisst es, unerwarteterweise αίματι δ' οίκο? ίφνρθη 732. In der Vision der Seherin, die einem Bild gleicht, hat der Komos im Haus in unnatürlicher Weise statt Wein Blut getrunken: πεπωκώ* βρόταον αίμα 1188 f. (dies wird konkreter in der folgenden Tragödie: άκρατον αίμα πίίται 577). Schliesslich schlägt das Blut das Haus wie ein Regensturm: δεδοικα δ' όμβρου κτύπο ν Βομοσφαλή τον αίματηρόν 1533 f. In unnatürlicher Weise hat in den Choephoren die Mutter-Erde (die Ernährende) statt Wasser Blut getrunken und was aus ihr wächst, ist rächender Mord, der nicht "verfliesst" (Verstärkung der Blutvorstellung), sondern "fest haftet": δι' αίματ' ϊκποθίνθ ΰπό χθονό* τροφού τίτας φόνο* πίπηγίν ον 8ιαρρν8αν 66 f. Die neue Last des Hauses "tröpfelt Blut": αχθο* αίματοσταγί* 842. Das alte Gesetz schreibt aber vor: νόμοι φονία* σταγόνα, το των Βικαίων τώνδ' άπίνθητορ γένος 911 f. Am Ende sind die Athener, die an der zu Ehren der Eumeniden gehaltenen Prozession teilnehmen, ομμα πάσης χθονότ 1025. Wie die meisten anderen Motive, so enthält auch dieses am Ende seine "natürliche" und günstige Bedeutung und zwar in einem tieferen Sinne, als man am Anfang gewünscht hätte. Es handelt sich aber um keine blinde Hingabe an die Stadt Athen: Athena und die Erinyen sind bereit zu helfen, die Drohung der Bestrafung bleibt jedoch bestehen. Erscheinungen des Motivs auf realer Ebene sind in den zwei ersten Tragödien minimal, in der dritten "konkretisiert" sich die Idee beträchtlich. Etwas häufiger kommt die Nebenform "Land" (γαία, χθών) im Agamemnon vor, vor allem deswegen, weil das troianische Land zerstört wird, und wegen der Vorstellung der Rückkehr in das argivische Land. In der dritten Tragödie dagegen, wo auch das attische Land als die natürliche Ergänzung der Stadt Athen einbezogen wird, sind die Erwähnungen auffallend hoch748 Die Erinyen drohen zuerst, das attische Land zu zerstören, dann, durch die Bemühungen Athenas überzeugt, segnen sie dasselbe. Die unterirdischen Mächte haben selbstverständlich Gewalt sowohl über Erhaltung (und Fortpflanzung) als auch über Vernichtung des Lebens; die zwei Aspekte ergänzen sich gegenseitig. Am Ende sind sie gewillt, nur die lebensfordernde Macht zu zeigen, wenn die Bürger gerecht sind und ihre Verpflichtung ihnen gegenüber erfüllen. Entsprechend hätte die von ihnen vertretene Klytaimestra nur lebenspendend sein können, aber 1. war sie wegen ihrer Veranlagung und 2. wegen des ihr angetanen Unrechts nur lebenszerstörend. Neben dem Gegensatz Eltern-Kinder ist weiter der Gegensatz Mann-Frau ein wichtiger Träger des Geschehens 749 Das Frau-gegenMann-Motiv ist zwar von geringerer Bedeutung, besonders im Bildlichen, als das Eltern-Kinder-Motiv, es nimmt aber einen wichtigen Platz in der Entwicklung des Geschehens ein, und auf den Gegensatz wird oft im Verlauf der Trilogie Bezug genommen. Dieser Gegensatz kommt aus der Sage, die Gestaltung des Motivs aber ist charakteristisch für Aischylos. Ein Aspekt des Eltern-Kinder-Motivs lässt sich als Übergang zum vorliegenden Motiv auffassen, denn im ersteren ist der Gegensatz Vater-Mutter mitenthalten. Der Gegensatz "Mann-Frau" kann dann konkreter als ein Gegensatz "Eheman-Ehefrau" erscheinen, und wir

206

Bilder bei Aischylos

finden tatsächlich innerhalb des Gesamtkomplexes das speziellere Ehemotiv. Diese zwei und das verwandte Brautmotiv formen einen breiteren Komplex und erscheinen gelegentlich auch zusammen. Dass die Lage nicht normal ist, wird dadurch gezeigt, dass eine Frau sich stärker als ein Mann — und sogar stärker als alle Männer — erweist: θήλυς αρσενος φονίύς 1231 (man denke an die frühere Unnatürlichkeit θντ-ηρ θυγατρό^ 224 f.); dabei wird das Normale, das Natürliche nochmals auf den Kopf gestellt, indem der Komplize der Königin, Aigisthos, eine "Frau" ist; wie er als λίων αναλκις 1224 die Natur des Löwen verleugnet, so verleugnet er als οίκουρός 1225, 1626750 die Natur des Mannes, während die Königin ihrerseits die Natur der Frau verleugnet: γυναικά άνδρόβουλον κίαρ 11. Man erwartet weiter, dass die Männer den Frauen an Verstand überlegen sind, und es ist ebenfalls unnatürlich, wenn, besonders in der ersten Tragödie, das Gegenteil der Fall ist: Der Chorführer muss widerwillig zugeben: γύναι, κατ' ανδρα σώφρον' ευφράνω* keyeis 35175' Auch Kassandra ist mit ihrem Wissen dem Chor überlegen. So erhält das Motiv eine unerwartete Beziehung zum Verstandesmotiv. Eine Frau, Έλί^α ΐλανδρος 688, stand hinter dem Ilionzug, die Opferung einer jungen Frau bedeutet eine konkrete, handgreifliche Schuld für den Mann, den König. Es war unrichtig und unsinnig (αλλοτριas διαι γυναικά*

448, ovS' (ν πραπίδων

οίακα νέμων 802), wegen einer F r a u (der

König "bestätigt" den Vorwurf: γυναικός ο'ύνίκα 823) ein Heer vieler Männer zu sammeln (πολΰανδροι usw. 693), von denen die meisten gefallen oder ertrunken sind (443 ff., 639 ff. 804); für das alles wird Agamemnon durch die Hände einer Frau (πολία τλά^τος γυναικός διαί. vpot

γυναικός

8' άπίφθισιν

βίον

1453 f.) u n d des "Weibes"

Aigisthos

büssen. Dies zeigt die Komplexität der Auswirkungen der Beziehungen zwischen Mann und Frau. Eine Frau dominiert in der ersten Tragödie und spielt auch eine wichtige Rolle in den folgenden zwei Tragödien 752 Am Anfang helfen männliche Gottheiten den Atreiden, Artemis wirkt gegen sie, und Apollo vernichtet seine μάντις. In der zweiten Tragödie wird die Sache komplizierter: Es sind nicht nur ausschliesslich männliche Gottheiten, die Orest helfen, und Frauen wirken gegen Klytaimestra. In der dritten Tragödie entsteht die Gefahr, dass sich durch Klytaimestras Vertreterinnen das Geschehen wiederholen wird, nämlich dass das weibliche Element das männliche wegen einer ungesühnten Tat vernichten wird. Der Wechsel kommt weniger durch "Apollos" bizarre Vaterschaftstheorie als durch Athena zustande. Diese mit männlichen Tugenden ausgestattete Göttin, eine Heerführerin (bisher wurde die kriegerische Eigenschaft einer Frau als unziemend und schlecht angesehen), die aber keine Mutter hat und das männliche Element — ausser der Ehe — vorzieht, vereinigt auf einer höheren Ebene die guten Eigenschaften von

Orestie: Mann — Frau

207

Mann und Frau. Ausserdem wirkt das höhere Wissen und die Überzeugungskraft der Göttin jetzt zum Vorteil aller Beteiligten. Bis zum Auftritt Athenas scheint der Konflikt zwischen Mann und Frau auf die göttliche Ebene überzugreifen. Im Agamemnon aber hatten Zeus und die Nacht in Eintracht gewirkt, freilich zur Zerstörung (355 ff.); am Ende der Eumeniden wirken Zeus und Moira wieder in Eintracht, d i e s m a l im g u t e n Sinne (Zetk Μοΐρά re σνγκατίβα

1045 f.). H a t t e

der

Zuschauer am Anfang vorwiegend die Gestalt einer die weibliche Natur verleugnenden Frau und dabei gelegentlich die Gestalt eines die männliche Natur verleugnenden Mannes — vor Augen, sieht er am Ende die Gestalt der männlichen Göttin: Das, was das Motiv in negativem Sinn gezeigt hatte, erhält eine positive Funktion. Es ist dabei nicht zu übersehen, dass die zwei Komponenten des Motivs sich gegenseitig das Gleichgewicht halten; dies gilt bereits für die Frage nach dem Ursprung des Unheils; wenn z.B. Helena 'ίλανδρος und schlimmer θάρσος ΐκονσιον (803; si vera lectio!) ist, so ist auch Paris Απαρις

αίνύλΐκτρος

713, ησχυνί

ξινίαν

τράπίζαν

κλοπαϊσι

γυναικός

4 0 1 f.

Agamemnon hatte sein weibliches Kind getötet, der Chor gibt zu, ein Urteil zu fallen ist nicht leicht (δύσμαχα δ' eerri κρϊναι 1561) und auch beim Prozess gibt es Stimmengleichheit (ίσόψηφος δίκη Eum. 7 9 5)753. Wie erwähnt, ist die bildliche Dimension des Motivs geringer. Empört wirft Klytaimestra dem Chor vor: παιδός via.ς ως κάρτ ϊμωμήσω φρίνας ΠΙ (ihr Verstand wurde nicht einmal als der Verstand einer Frau angesehen, sondern zu dem eines Mädchens herabgesetzt). Durch diesen Vorwurf behauptet sie sich, und durch die darauffolgende Schilderung zeigt sie, dass sie im Wissen den Männern überlegen ist, so dass sie am Ende den Vorwurf wiederholt (348). Im Rahmen der allgemeinen Entwicklung eines Chorliedes von Hoffnung zu Hoffnungslosigkeit gebraucht der Chor am Ende des darauflfolgenden Stasimons ein Bild, welches seinem früheren Zugeständnis (351) widerspricht: -γυναικός αίχμά πρέπει

(προ

τον φανίντος

χάριν

ξνναινΐσαι)

483. D i e M e t a p h e r h a t weiter

den Zweck, die "Lanze" (die kriegerische Eigenschaft) der Frau als unzureichend anzudeuten und als unpassende Schnelligkeit vorzustellen. D e r C h o r f a h r t f o r t mit: πιθανός άγαν 6 θ-ηλνς όρος ίπινίμΐται ταχΰπορος' άλλα ταχύμορον γυναικογτήρυτον ολλυται κλέος 485-7. D a s s die F r a u d o c h

recht hat, wird bald darauf durch die Ankunft des Boten bestätigt; die Alten reden hier wie Aigisthos in den Choephoren754 Klytaimestra soll ihn weder wie einen Nicht-Griechen (βαρβάρου φωτός δίκη ν 919) noch wie eine Frau behandeln, sagt Agamemnon: μη γυναικός iv τρόποις ΐμί άβρυνι 918 f.755 Der baldige Erfolg Klytaimestras, ihn zu überreden, erweist seinen Versuch, sich als "Hellene" und als "Mann" zu behaupten, als hohl. In den Choephoren hören wir (τίω) γυναικύαν άτολμον αίχμάν 630;

208

Bilder bei Aischylos

das Bild greift auf das oben besprochene Bild Ag. 483 (und auf den Ausdruck im eigentlichen Sinne ούτοι γυναικάς ϊστιν ιμάρζιν μάχηs 940) zurück, ist aber nicht mehr vieldeutig: Die kriegerische Eigenschaft der Frau wird direkt verworfen 756 Es bleibt Aigisthos vorbehalten, Verblendung zu zeigen: προs γυναικών Seiματονμΐνοι λόγοι ττίδάρσιοι θρφσκουσι, θνήσκοντα μάτην 845 f. (Aigisthos möchte weiter mit seinem angeblich überlegenen Verstand prahlen: ούτοι φρίν' άν κλίψΐκν ώμματωμίνην 854). Am Ende aber wird die Vorstellung gegen Orest angewandt: αϊδ« Γοργόνων δίκην 1048757 In den Eumeniden werden die Tat und die Verwegenheit Klytaimestras verworfen: Sie hat nicht einmal wie eine Amazon, d.h. offen, gehandelt, sondern hat List angewandt: (καΐ ταύτα προς γυναικάς) ου τι θούριοις τόξοκ ίκηβόλο ισιν, ω στ' Α μαζόνο-t 627 f. Der Gegensatz Mann — Frau und die Idee der Überlegenheit des Mannes wird von Apollo im eigentlichen Sinne als Gnome vorbereitet (ού γάρ τι ταϋτόν άνδρα γενναΐον θανάν 625). Das Element der List, welches im Vergleich mitspielt, wird anschliessend (631 ff.) im eigentlichen Sinne erklärt, so dass der Vergleich als Ubergangspunkt von der einen zu der anderen Idee dient. Das Ehrenmotiv, besonders für einen Heerführer gebraucht, ist bei dem Begriff "Mann" mitenthalten und umrahmt den Vergleich (τιμαλφουμίνον 626, τοΰ παντοσίμνον 637). Das Element "Mann" erscheint sonst im Bildlichen und zwar im guten Sinne, besonders wenn die Rolle des Mannes von der Heerführerin Athena übernommen wird: μήτοι τιν άνδρα Sevpo πρυμνήτην χθονίκ ΐλθόντα USW. 765 f., θpa σικ ταγοΰχος άκ άνηρ ίπισκοπά 296, άνδρός φιτυποίμίνο^ δίκη ν 911; dabei, wie im Kapitel über die Eumeniden erwähnt wurde, bewahrt Athena ihre Weiblichkeit und erhält dazu durch das Bild der Henne (ΙΙαλΧάδος ύπο πτεροΐς 1001) Mütterlichkeit. Der Ubergang vom allgemeineren Mann-gegen-Frau- zum spezielleren Ehemotiv kann fast unauffällig durch den Gebrauch desselben, als Angelpunkt dienenden Wortpaares άνήρ-γυνή vor sich gehen. Im spezielleren Motiv wird oft das Wort ίΰνή im eigentlichen Sinne, und nur einmal metaphorisch, als die greifbare Vorstellung von der Ehe benutzt. Es entstehen nicht die richtigen Paare, Agamemnon-Kassandra, Klytaimestra-Aigisthos, deren Gemeinschaft aber jeweils durch den gemeinsamen Tod besiegelt wird. Das erste "Paar" ist um so unnatürlicher, als Kassandra dem Gott gehört. Bei der Untersuchung des Motivs "Hass — Liebe" wird gezeigt, dass das, was der Dichter hier zum Vorschein bringt, die Entstellung des göttergesegneten Begriffs von der Ehe ist und kaum, wenn überhaupt, sexuelle Verhältnisse. Die Ehe ist wiederholt verletzt worden, und in der Verletzung der Ehe durch Thyest liegt die πρώταρχοιχοστατοΰντ αι> ου φίλω προσιννίποις 322 f.'72; diese Unversöhnlichkeit gilt nicht nur für die Feinde, Griechen und Troer, sondern allgemein in der Trilogie. In 1472 f. wird das Vogelmotiv fur den Ausdruck von Feindseligkeit gebraucht: δίκαν κόρακος έχθροΰ. Ausserdem war Agamemnon ganz unpassend ein Χρνσηίδων μάλιγμα 1439 gewesen. In den Choephoren erscheint das Motiv kräftiger und seine Wirkung wird durch die Verbindung mit anderen Motiven gesteigert; dabei haben wir gelegentlich die Vorstellung, dass der Hass gegen den Feind wie ein kräftiger Wind von einer höheren Macht her gehaucht wird: (όρθόθριξ δόμων όνπρόμαντις) έζ ύπνου κότον πνέων 33, ανήλιοι βροτοστυγάς δνόφοι καλύπτουσι δόμους 51 f. πάροιθΐν 8( πρψρας δριμύς άηται κραδίας θυμός, έγκοτον στύγος 390-2; eingeleitet d u r c h πάρΐστί σαίνειν, τα δ' ούτι

θέλγεται

folgt die Selbsterkenntnis Elektras beim schon besprochenen

Vergleich λύκος γαρ ωστ

ώμόφρων

άσαντος

έκ ματρός

έστι θυμός 421 f.

In V 593 wird die ganze Natur in das Hassmotiv einbezogen: αίγίδων αι> φράσαι κότον. Aber noch furchtbarer sind die παντότολμοι έρωτες (507), d e n n συζύγους

όμαυλίας

θηλυκρατής

άπέρωπος773

έρως

παρανικίρ.

599 f. Wie die Unterirdischen und der Chor, so hasst auch Dike mit Recht die Schuldigen: όλέθριον

πνέουσ

έν έχθροις κότον 952. N a c h der T a t aber

wird Klytaimestras κότος wirken, wie sie selbst kurz vor dem Tode gewarnt hatte: φύλαξα ι μητρός

έγκότους

κύνας

924; ihr κότος wird als

Vermächtnis ihren Vertreterinnen überlassen, und dies fangt schon an sich zu realisieren: αίδ« μητρός έγκοτοι κύνες 1054. Die Angst hat Orest schon ergriffen, und diese Angst "tanzt und singt" nah an seinem Herzen durch die Wirkung des κότος (freilich der Ermordeten): προς Öe καρδία φόβος q.8fiv έτοιμος ήδ' ύπορχάσθαι

κότφ

1025 774 .

In den Eumeniden bewahren die Vertreterinnen Klytaimestras ihren κότος und gebrauchen zweimal das Bild im Zusammenhang mit μένος: πνέω τοι μένος άπαντα

re κότον 840, 873.

Aber im Munde Athenas erhält sogar das Bild des έρως eine nützliche F u n k t i o n : (θυραϊος έστω πόλεμος)

έν φ τις έσται

δεινός (ύκλείας έρως 865 775

Dieselbe Göttin sagt über sich selbst: στέργω

γάρ, άνδρός

δίκην,

911 f. W a s

τό

των

δικαίων

τώνδ'

άπένθητον

γένος

φιτυποίμενος Klytaimestra

gefehlt hatte, nämlich στοργή und Mütterlichkeit im gesunden Sinne, wird von der "Mutter" Athena gezeigt (s. auch das Bild 1001 f.), so dass auch die Eumeniden παρθένου φίλας φίλοι 999 singen; wir hören die für das Erhalten der Familie unentbehrlichen Begriffe, die gerade in den Beziehungen der "Eheleute" gefehlt hatten 776 . Das Sturm-111 und-See-Motiv steht für den starken Affekt der Handelnden, die mit ihrem ganzen Wesen etwas Richtiges und zugleich Unheilvolles verlangen. Die Affekte umfassen den ganzen Bereich, von

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Bilder bei Aischylos

der Begeisterung bis zum heftigen Verlangen und dem starken Hass. Der starke Affekt ist nötig, damit die Personen einen Entschluss fassen. Dieser Entschluss aber wird sie und ihre Nachkommen in einen Sturm von Übeln, in einen Wirbel schleudern, wobei sie meistens vergeblich versuchen, in dem aufgewühlten Meer nicht unterzugehen, bzw. aus Not und Gefahr befreit zu werden. Höhere Mächte greifen dabei ein und stürzen die Handelnden in den Wirbel, so dass trotz deren Bemühungen, der Untergang unentrinnbar zu sein scheint. Die zwei Aspekte des Motivs scheinen jeweils aus zwei Komponenten zu bestehen, einerseits Blasen bzw. Hauchen und Witterung, andererseits Wirbel und Seefahrt, wobei ein verstecktes Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung von der einen Komponente in die andere führt, während auch einzelne Bilder zwei dieser Komponenten in sich vereinigen. Das Motiv erscheint hauptsächlich im Bildlichen. Wir finden hier nicht die grosszügig angelegte Thematik der Sieben, eher eine Verinnerlichung, die an das entsprechende Motiv der Hiketiden erinnert, ohne dass jedoch Gefühle und Gedanken so sehr "objektiviert" werden, wie dies der Fall in der älteren Tragödie war. Die Vorstellung von πνέω, πνέων, welches sowohl "blasen" als auch "hauchen" bedeutet778, steht für die überwältigende Wahrsagungsmacht, für die verderbenbringende Wirkung der höheren Mächte, für das starke Verlangen der Menschen, das dieser Wirkung entgegenkommt, und für Groll und Hass. Ag. 105 f. θ(όθ(ν καταπν(ύ(ΐ τπιθώ (μυλπάν άλκάν) entspricht 1180 f. (ό χρησμό*τ) λαμπρός έοικίν ηλίου προς αντολάς πνέων έσαξαν, ωστ( κύματος δίκην usw. (engere Verbindung mit der Komponente "Seefahrt"), nur ist letzteres Bild der Wahrsagerin kräftiger, auch führt es unzweideutiger zu der Idee der Aufdeckung des Übels. In Cho. 33 όναρόμαντις κότον πνέων ist ausser der Wahrsagung auch schon die Idee des Grolles miteinbegriffen. In Ag. 187 ϊμπαίοκ τνχαισι συμπνέων kommt der König der verderblichen Wirkung der höheren Mächte entgegen; man denkt an das Jochbild ανάγκα? εδυ λέπαδνον (das Joch der Notwendigkeit ist vorhanden und der König geht willig unter dieses Joch), welches das nächste Bild aus dem vorliegenden Motiv einleitet: pevo