Fünfzehnte Österreichische Ärztetagung Wien Van Swieten-Kongreß [1. Aufl.] 978-3-7091-4614-9;978-3-7091-4764-1

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German Pages VIII, 367 [367] Year 1962

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Fünfzehnte Österreichische Ärztetagung Wien Van Swieten-Kongreß [1. Aufl.]
 978-3-7091-4614-9;978-3-7091-4764-1

Table of contents :
Front Matter ....Pages N2-VIII
Pathologie der Leberkrankheiten (H. Hamperl)....Pages 1-21
Beurteilung der Leberkrankheiten und ihrer Prognose auf Grund der Leberbiopsie (M. Schmid)....Pages 23-29
Zur Klinik der Leberkrankheiten (H. Kalk)....Pages 31-60
Die Bedeutung der Leberbiopsie für die Beurteilung der therapeutischen Erfolge bei der Hepatitis (K. Theinl)....Pages 61-66
Ueber cholestatische und cholangiolitische Varianten der Virushepatitis (H. Thaler)....Pages 67-74
Leberkrankheiten im Kindesalter (H. Hungerland)....Pages 75-85
Fermentstoffwechsel der Leber (E. Wildhirt)....Pages 87-100
Die Therapie der Lebererkrankungen (E. Rissel)....Pages 101-113
Ueber die diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung der portalen Hypertension (G. Grabner, A. Neumayr)....Pages 114-125
Die Sympathektomie der Arteria hepatica in der Behandlung des hepatischen Ikterus (P. Kyrie)....Pages 126-134
Pathologisch-anatomische Untersuchungen bei der periarteriellen Sympathektomie von chronischen Hepatitisfällen (E. Zandanell)....Pages 136-139
Endokarditis (R. Schoen)....Pages 140-155
Endokarditis im Kindesalter (K. Kundratitz)....Pages 156-171
Therapie der Endokarditis (K. Polzer)....Pages 172-188
Diagnostische Probleme bei der Beurteilung chronischer Lebererkrankungen (H. Dittrich)....Pages 190-194
Serumeisen und -kupfer bei Leberkrankheiten (E. Gisinger)....Pages 196-200
Die Rolle der potentiellen Pathogenität von Umgebungskeimen bei der Entstehung der Säuglingsenteritis (P. Krepler)....Pages 202-207
Die praktische Arbeitsbelastung zur Beurteilung des Leistungsrestes (L. Ambrozi, W. Birkmayer, E. Neumayer)....Pages 208-222
Krankheitsbilder der Harnblase und ihre Behandlung (Hans Joachim Renter)....Pages 224-226
Die Kardiopathien im frühen Kindesalter (L. Kucsko)....Pages 228-239
Endokardfibrose (R. Wenger)....Pages 240-264
Ueber den Wirkungsmechanismus des Insulins (H. Tuppy)....Pages 266-278
Neuere Ergebnisse über Pathologie und Klinik des Diabetes mellitus (H. Leubner)....Pages 280-292
Diabetes im Kindesalter (W. Swoboda)....Pages 294-301
Zur Therapie des juvenilen Insulinmangeldiabetes mit Insulinzinksuspensionen der Lentereihe (W. Korp)....Pages 302-306
Die Nachmittagsinsulinspritze (F. Leypold)....Pages 308-310
Langzeitergebnisse der kombinierten Insulin-Biguanidtherapie beim Diabetes mellitus im Kindesalter (A. Rosenkranz)....Pages 312-321
Diabetes und Schwangerschaft (H. Hartl)....Pages 322-327
Zur Messung der endogenen Zuckerneubildung bei Laboratoriumstieren (A. Beringer)....Pages 328-331
Diagnosestellung bei Toxoplasmose (O. Thalhammer)....Pages 332-339
Wann sind wir berechtigt, die Diagnose Toxoplasmose des Auges zu machen? (A. Pillat)....Pages 340-348
Die Toxoplasmose vom Standpunkt des Geburtshelfers (H. Kräubig)....Pages 350-353
Lebererkrankungen bei postnatal erworbener Toxoplasmose (J. Kabelitz)....Pages 354-357
Aussprache (E. Domanig)....Pages 358-358
Toxoplasmosedurchseuchungsstudien bei steirischen Kindern (W. Falk)....Pages 360-365
Back Matter ....Pages 366-366

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Fünfzehnte Österreichische •• Arztetagung Wien Van Swieten -Kongre13 6. November his 11. November 1961

Tagungsbericht Herausgegeben für die

Van Swieten-Gesellschaft von

Prof. Dr. E. Domanig Salzburg

Mit 41 Textabbildungen

Springer-Verlag Wien GmbH 1962

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Punk1iH und Serum bel HepatitiS

Abb. 2. Vergleich der Enzymaktivitäten in Leberpunktat und Serum im Regelfall und bei Hepatitis (nach E. S c h m i d t und F. W. Sc h m i d t)

daneben in den Hintergrund tritt. Deshalb verlaufen diese Fälle ja auch meist ohne Erhöhung des Serumbilirubins. Nur bei mehr oder minder starkem nekrotischem Schub sind dann auch die Transaminasen im Serum erhöht. Nach den Untersuchungen von Kalk und Wildhirt ist daher das Ausmaß der Transaminaseerhbhung im Serum kein Kriterium für die Aktivität des mesenchymalen Prozesses. Dasselbe gilt für die Leberzirrhosen. Auch hier sind, je nach dem Ausmaß der

11 Leberzellschädigung, die Transaminasen wechselnd leicht erhöht, aber nicht in Parallele zur entzündlichen Aktivität. Man kann danach also sagen: Chronische Hepatitiden und Zirrhosen, die eine vermehrte Transaminaseaktivität im Serum zeigen, sind mit Sicherheit noch aktiv und progredient. Normale Transaminasewerte sprechen jedoch nicht dafür, daß der Entzündungsprozeß stationär geworden ist. Hier kann nur die histologische Untersuchung des Leberpunktates Klarheit bringen. Der Einfluß therapeutischer Maßnahmen kann an Hand der Transaminasebestimmungen gut verfolgt werden. So sinken meist bei erfolgreicher Behandlung mit Steroiden die erhöhten Transaminasen ab, was für eine zellmembranabdichtende Wirkung spricht. Umgekehrt können übermäßige therapeutische Belastungen zu einem Anstieg vorher normaler Transaminasen führen, wie Lau d ahn gezeigt hat. Im Leberkoma ist das Verhalten der Serumenzyme, nach den Untersuchungen von Sc h m i d t und Sc h m i d t, sehr merkwürdig. Tritt bei der akuten nekrotisierenden Hepatitis und dem nekrotischen Schub der Leberzirrhose ein Koma ein, smken nämlich die anfangs stark erhohten Transaminasen ab, indes alle weiteren Hauptkettenenzyme weiter ansteigen. Es tritt so eine Verwischung des für die Lebererkrankungen typischen Enzymmusters im Serum ein, was wohl nicht auf ein Erlöschen der Zellproduktion für diese Enzyme, sondern auf eine völlige Störung ihrer Koordination zurückzuführen ist. Im übrigen läßt sich an Hand der Serumenzymuntersuchungen auch eine Differenzierung des Leberkomas ermöglichen. Das Leberkoma ist ja kein einheitliches Symptom, sondern Ausdruck verschiedener Stoffwechselstörungen. Besonders für das Koma bei Leberzirrhose mit vermehrten portocavalen Anastomosen, sei es spontan, sei es operativ angelegt, steht ja im Vordergrund die zerebrale Intoxikation durch Ammoniakintoxikation des Gehirns, also durch Leberausfall (Kalk, Wildhirt), während beim Koma der akuten Hepatitis und der nekrotisierenden Form der Zirrhose der Leberzerfall im Vordergrund steht. Die Bestimmung der Transaminasewerte im Serum zeigt dann auch beim Ammoniakkoma normale oder nur geringfügig erhöhte Enzymwerte, beim Koma durch Leberzerfall jedoch erhöhte Werte. Wichtig ist die Bestimmung der Serumenzyme auch noch für die Differentialdiagnose des Verschluflikterus. Nach einer klinischen Faustregel gilt: hohes Bilirubin bei normalen Transaminasen = mechanischer Verschluß, hohes Bilirubin bei erhöhten Transaminasen = Hepatitis. Davon gibt es jedoch beträchtliche AusI;lahmen. So haben wir in Zusammenarbeit mit Sc h m i d t und Sc h m i d t schon am Beginn eines

12 mechanischen VerschluBikterus auffallend hohe TransamiI).asen im Serum finden konnen, die durchaus an eine akute Hepatitis denken lieRen. Dabei fallen anfangs stark erhöhte Transaminasen bei längerem VerschluR oft wieder ab. Umgekehrt steigt beim mechanischen VerschluR mit anfangs normalen Transaminasen bei längerem Bestehen der GallenabfluRbehinderung allmählich der Serumenzymspiegel, als Zeichen der zunehmenden cholostatischen Schädigung der Leberzellen, an. Unsere Befunde werden auch durch Tierversuche von Mai 0 I i und Ca v a II i n i bestätigt, die im Tierversuch nach Unterbindung des Choledochus innerhalb von 48 bis 72 Stunden einen starken Anstieg der GOT und GPT sahen. Merkwürdig und in ihrer Ursache bisher noch nicht geklärt ist dabei das Verhalten der GSDH, die beim VerschluR hoher als bei der Hepatitis ansteigt. Die GSDH ist em relativ leberspezifisches Enzym, das bei Hepatitis mehr als bei VerschluR ansteigen muflte, was indessen nicht der Fall ist. Eine Erklärung hierfür konnen wir nicht geben. Im übrigen ist noch zu bemerken, daR wir die Ansicht, eine besondere Erhohung der LDH beim mechanischen VerschluR spräche fur emen malignen VerschluR, nicht bestätigen können. Die Hohe der LDH-Werte ist in unserem Untersuchungsgut fur den benignen wie fur den malignen VerschluR gleich unterschiedlich. Zum Schluß noch ein Wort dazu, ob die Erhohung der Transaminasen im Serum immer als Ausdruck der Leberzellschädigung zu werten ist oder ob nicht auch eme zelluläre Ueberproduktion in Frage kommt. Schon die Untersuchungen yon Fermentaktivitäten im Leberzylinder bei funktioneller Hyperbilirubinämie haben ergeben, daR bel dieser Erkrankung eine Fermenthyperproduktion anzunehmen ist (Schmidt, Schmidt und Wildhirt), obwohl diese im allgemeinen nicht ihren Ausdruck in Enzymerhohungen im Serum fmdet. Pa 01 0, V an ci ni und Cenac ch i haben bei partieller Hepatektomie von Ratten gefunden, daR dIe Werte fur GOT und GPT am dritten Tag' nach der Resektion beträchtlich erhöht sind, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Folgen der Zellschädigung durch den Eingriff keine Rolle mehr spielen durften, und dann bis zum siebenten Tag wieder allmählich abfallen. Sie deuten dies als Ausdruck der vermehrten Regeneration. Beim Menschen ist neuerdings ein vorubergehender Transaminaseanstieg nach Gabe von Anabolika beobachtet worden, den man für einen Ausdruck der Leberzellschädigung hält, der aber bei gleichzeitiger vermehrter Albuminbildung in der Leberzelle durchaus auch als Zeichen des verbesserten Zellstoffwechsels angesehen werden konnte, zumal er später wieder reversibel ist. Es erscheint uns somit diskutabel, daR man nicht jede Enzymerhöhung im Serum,

13 zumindest mäßigen Grades, als Ausdruck der Leberzellschädigung ansehen muß, sondern auch als Maß vermehrter Regeneration oder aktivierten Zellstoffwechsels deuten könnte. Jedenfalls haben uns die Erforschungen des Fermentstoffwechsels der Leber in den letzten Jahren neue Erkenntnisse vermittelt, deren therapeutische Nutzung zwar noch am Anfang steht, aber doch schon begonnen hat. L i t e rat ur: Arias, I. M. und London, I. M. : Science, 126 (1957), S.563. - Billing, B., Cole, P. G. und Lathe, G. H.: Biochem. J.,' 63 (1956), S.6. Bollman, J. L.: 59. TaglUlg Amer. Gastroenterol. Assoc. Washington 1958. - Delbrück, A., Schimassek, H., Bartsch, 1(. und Bücher, Th.: Biochem. Z., 331 (1959), S.297. - Delkeskamp, A., Schmidt, E. und Schmidt, F. W.: Dtsch. med. Wschr., 84 (1959), S.850. Froesch, E. R., Prader, A., Wolf, H. P. und Labhart, A.: Helvet. paediatr. Acta, 14 l1959), S.99. - Hartmann, F.: Münch. med. Wschr., 102 (1960), S.881 und 966. - Derselbe: Dtsch. Arch. klin. Med., 202 (1955), S.107. - Isselbacher, K.: 59. Tagung Amer. Gastroenterol. Assoc. Washington 1958. - Kalk, H.: 63. Verh. dtsch. Ges. inn. Med. (1957), S.I77. - Derselbe: Gastroenterologia, 90 (1958), S.271. - Kalk, H. und Wildhirt, E.: Internist, 1 (1960), S.141. - Kalk, H., Schmidt, E., Schmidt, F. W. und Wildhirt, E.: Klin. Wschr., 36 (1958), S.657. - Laudahn, G.: Therapie des Monats (Boehringer-Mannheim) 10 (1960), S. 190. - Maier, E. H.: Dtsch. med. Wschr., 81 (1956), S.1674. - Maioli, M. und Cavallini, A.: Gazz. internaz. Med. e Chir., 43 (1958), S.2016. - Moyson, F.: Acta gastroenterolog. belg., 21 (1958), S. 22. - Paolo, E. di, Vancini, B. und Cenacchi, C.: Arch. Pat. e Clin. med., 35 (1958), S. 392. - Rossi, E., Gautier, E. und Weber, J. W.: Moderne Probleme der Pädiatrie, UI, IV, Bern 1958/~9. Schmid, R.: Science, 124 (1956), S.76; 59. Tagung Amer. Gastroenterol. Assoc. Washington 1958. - Schmid, R. und Hannaker, L.: New Engld J. Med., 260 (195,9), S.1310. Schmidt, E. und Schmidt, F. W.: "Zur Pathophysiologie von enzymatischen Veränderungen bei Lebererkrankungen" in E. Wildhirt: Fortschritte der Gastroenterologie. München: Urban & Schwarzenberg. 1960b. - Schmidt, E., Schmidt, F. W. und Wildhirt, E.: Klin. Wschr., 37 (1959), S.1229. -, Dieselben: 1.-7. Mitteilung: Klin. Wschr., 36 (1958), S.172; Klin. Wschr., 36 (1958), S.227; Klin. Wschr., 36 (1,958), S.280; Klin. Wschr., 36 (1958), S.611; Klin. Wschr., 36 (1958), S.657; Klin. Wschr., 37 (1959), S.1221; Klin. Wschr., 37 (1959), S. 1229; Kiln. Wschr., 38 (1960), S.421. - Schmidt, E. und Schmidt, F. W.: Gastroenterologia, Suppl. ad Vol. 90 (1958), S.69. - Schön, H., Englisch, B. und Wüst, H.: Dtsch. med. Wschr., 85 (1960), S.265. - Siede, W.: 63. Verh. dtsch. Ges. inn. Med. (1957), S.287. - Simmer, H.: Dtsch. med. Wschr., 81 (1956), S.2108. Talafant, E.: Nature, 178 (1956), S.312. - Wallace und Mit-

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arbeiter: ,Proe. Soc. e,J:per. Bio!. a. Med., 94 (1957), S.632. Wildhirt, E.; "Leber-Koma" in E. Wildhil't: Fortschritte der Gastroenterologie. München: Urban & Sehwarztlnherg. 1960b. Derselbe: Gastroenttlrologia, 95 (1961), S.315. - Zelman, S., Wang, C. C. und Appelhanz, J.: Amer. J. med. Sei., 237 (1959), S.323. A1ISChrift des Verfa8sers: Dr. E. W II d h i r t, Oberarzt der Medizinischen Klinik am Stadtkrankenhaus J:aasel, DeutBCllland.

Aus dllr I. Medizinischen UniversitätskIinik der Universität Wien (Vorstand: Prof. Dr. E. Lau d a)

Die Therapie der Lebererkrankungen Von E. Risset

Die Klinik der Lebererkrankungen wurde in den letzten Jahren durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse sehr bereichert; nicht dasselbe kann man von der Therapie sagen, wenn man sich nicht allzu groRem Optimismus hingeben will. Im folgenden soll nicht die Therapie aller Lebererkrankungen in Summa erwähnt werden; es werden nur markante Krankheitsbilder und ihre Behandlung zu besprechen sein, wobei ich bemerken möchte, daR in den letzten Jahren das Interesse der Aerzte zusehr auf die Hepatitiden und- auf die Leberzirrhose gerichtet war und vergessen wurde, daR bei vielen Erkrankungen ein Leberparenchymschaden auftreten kann. Nach wie vor steht heute die Hepatitis epidemica und die Serumhepatitis im Mittelpunkt des therapeutischen Interesses. Das Studium der Enzymologie der Leberkrankheiten hat der Klinik wertvolle Hilfe gebracht, der Diagnostik, aber auch der Therapie. Der Therapie deswegen, weil es uns heute, dank der modernen enzymologischen Methoden, möglich ist, therapeutische Erfolge oder MiRerfolge viel eher zu beurteilen. So kann man z. B. sagen, ob ein bestimmtes Medikament von einem Patienten mit einer Leberschädigung vertragen wird oder nicht, ob ein therapeutischer Versuch einen Vorteil bringt oder ob er schädigt. Beginnen wir bei den ak u ten Leb erer krank ungen, so ist in unseren Breiten die a k u t eHe p a t i t i s eine der wichtigsten bzw. die wichtigste akute Lebererkrankung. Sie hat in den letzten Jahren offenbar wieder an Verbreitung zu-

2 genommen, so daß das therapeutische Interesse an ihr berechtigt ist. Es ist noch zu erwähnen, daß das Problem der Serumhepatitis eine Angelegenheit der Prophylaxe ist, eine Tatsache, die heute einhellig anerkannt wird. Ebenso besteht Uebereinstimmung darüber, daß die Hepatitiden meldepflichtige Erkrankungen werden sollen. In Oesterreich ist dies vor kurzer Zeit geschehen. Viele Autoren stellen auch die Forderung auf, daß eine Hepatitis als Infektionskrankheit isoliert werden soll. Ich glaube nicht, daß dies unbedingt nötig ist, wenn nicht besondere Umstände vorliegen. Treten Hepatitisfälle in Schulen, Kasernen, Internaten auf, so wird man die Patienten aus der Gemeinschaft herausnehmen. In den Oststaaten ist nach unserem Wissen trotz der strengen Isolierung und dem Bestehen eigener Hepatitisspitäler kein Rückgang der Hepatitishäufigkeit eingetreten. Zu der Grundbehandlung der Hepatitis gehört die Bettruhe und die Diät. Verschiedene Autoren haben sich in der letzten Zeit mit der Frage beschäftigt, ob die Bettruhe zweckmäßig ist oder nicht. Es haben Untersuchungen mit der in der Leber liegenden Wärmeleitsonde gezeigt, daß die Ansicht. die Leberdurchblutung sei im Liegen wesentlich höher als im Sitzen, nicht ganz stichhaltig ist und daß auch die Wärmeapplikation von zweifelhaftem Wert sei; dennoch sollten die alten bewährten Methoden nicht so ohne weiteres verlassen werden: Man soll die Patienten im akuten Stadium der Hepatitis bis zum sicheren Abblassen des Ikterus bei strenger Bettruhe behalten, und nur wenn die Serumbilirubinwerte und das Urobilinogen im Harn fast die Norm erreicht haben, kurzzeitiges Aufstehen gestatten. Und zwar deswegen, weil bei langer Bettruhe verschiedene Stoffwechsel- und Regulationsst6rungen eintreten können. In der Diät der Hepatitis hat sich eine gewisse Wandlung insofern vollzogen, als die früher übliche extreme Kohleh;ydratkost heute als überholt gilt. Man soll wegen des großen Eiweißverlustes beim Leberzellzerfall nach dem Abklingen der Hepatitis Eiweiß zuführen. Man tut dies am besten in Form von Milcheiweiß in den verschiedenen Zubereitungsarten. Es besteht aber kein Grund, übertrieben große Eiweißmengen zuzuführen, wie das seinerzeit besonders amerikanische Autoren empfohlen haben. Die Fettzufuhr soll man zwischen 50 g bis 80 g beschränken, alle in überhitztem Fett zubereiteten Speisen sind verboten. Eine der ältesten therapeutischen Maßnahmen ist die Zufuhr von Zucker. Sie ist auch heute noch zu vertreten und wird sowohl peroral als auch parenteral am besten in Form von Lävulose oder Invertzucker durchgeführt. Die Lävulose wird von der Leber schneller phosphoryliert und hat eine gewisse eiweiß sparende Wirkung.

3 Wir haben vor 12 Jahren an der I. Medizinischen Klinik versucht, Antibiotika in die Therapie der Hepatitis einzufuhren, auch wenn eine theoretische Grundlage fur ein solches Beginnen fehlte. Bei Patienten, die nicht lIinger als höchstens 2 bis 4 Tage ikterisch sind, empfehlen wir die Zufuhr von Tetrazyklinen und haben dabei gewisse Erfolge zu verzeichnen. MIt anderen, vom Darm aus nicht resorbierbaren Antibiotika, liegen meines Wissens nach keine Erfahrungen vor. Eine Erklärung, warum bei Beginn des Ikterus gegebene Antibiotika den Verlauf der Hepatitis wenigstens nach unseren Statistiken abzukurzen scheinen, kann darin gefunden werden, daß durch diese Maßnahme die Bakterientatigkeit des Darmes gehemmt und damit weniger Eiweißfaulnisprodukte der Leber zur Entgiftung angeboten werden, diese also in ihrer Arbeit entlastet wird. Die modernen Sulfonamide haben sich bis jetzt nicht in die Hepatitistherapie mit Erfolg einbauen lassen. Sie machen, wie man mit enzymologischen Methoden nachweisen kann, keine Belastung der erkrankten Leber. Eme Bereicherung der Hepatitistherapie hat das Cortison und seine Abkömmlinge gebracht. Es ist kein Zweifel, daß unter der Corticoidtherapie die Gelbsucht rascher zum Abklingen kommt, daß die Patienten sich wohler fühlen und daß es zu Appetitsteigerungen kommt. Dieses rasche Abblassen könnte durch eine Aenderung der Zellpermeabilität oder wie man in letzter Zeit glaubt, durch einen neuen Weg des Bilirubinabbaues hervorgerufen werden. Auch hier soll nicht auf Einzelheiten eingegangen werden, es müssen aber noch die Nebenwirkungen dieser Therapie erwähnt werden. Die Corticoidtherapie kann zu Wasserretention, zu Kaliumverlusten führen, sie begunstigt die Osteoporose, das Nebennierensystem wird gehemmt, Infektionsneigung tritt auf, Ulkuskomplikationen können entstehen, um nur einige zu nennen. Wir sahen bei unseren Hepatitisfällen selten Komplikationen, fürchten aber besonders die Rezidive einer Hepatitis bei einer zu nieder dosierten oder zu kurz durchgeführten Corticoidtherapie. Meiner Meinung nach muß die Durchführung einer Corticoid1herapie stationär erfolgen und soll schweren Fällen vorbehalten bleiben. Chirurgische Maßnahmen bei der Hepatitis, wie sie in letzter Zeit besonders im Ausland wieder modern geworden sind, möchte ich nicht empfehlen; sie sind seltenen Fällen, die aus der großen Zahl der Hepatitiskranken schon durch das Außergewöhnliche ihres Verlaufes hervorragen müssen, vorbehalten. Selbstverständlich ist es, daß bei der akuten Virushepatitis alle leberbelastenden Stoffe, wie Alkohol, Barbiturate, Schlafmittel, Morphium, Atophan, Butazolidin, gerinnungs-

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hemmende Stoffe, Paraldehyde usw., zu vermeiden sind. Man muß sich daher bei jedem Medikament orientieren, ob es schädigen kann oder nicht. Wenn wir uns nun über die Therapie der F 0 I g ezustände nach einer Hepatitis orientieren wollen, so mussen wir uns etwas mit der Begriffsbestimmung beschäftigen. Wir haben heute in dem Enzymmuster der Leber einen ziemlich sicheren Anhaltspunkt dafür, ob ein Prozeß noch aktiv ist oder nicht. Die Leberpunktion, die heute nach Me n g hin i praktisch ungefährlich durchgeführt werden kann, ist eine weitere Möglichkeit, sich über den Zustand des Lebergewebes zu orientieren. Durch keine Funktionsprüfung erhält man so gen aue Auskunft über den tatsächlichen Zustand des Leberparenchyms. Bleibt nach einer Hepatitis die Leber vergrößert und induriert, ist die Milz deutlich tastbar, so muß man die Moglichkeit eines Ueberganges der Hepatitis in eine Leberzirrhose ins Auge fassen und sich dann danach verhalten. Wir haben Versuche mit Ubretid, einem Cholinesteraseblocker, durchgeführt. Durch die parasympathikomimetische Wirkung kommt es zu einer Steigerung der Leberdurchblutung. Auch bei langer Anwendung kommt es zu keinen Schäden. Man wird neben den üblichen Maßnahmen eine vorsichtig dosierte Cortocoidtherapie über lange Zeit durchfuhren, selbstverständhch alle Leberschädigungen fernhaltend. H yp erb ilirub inäm i e Die pos th ep a ti tis che bedarf außer einer Schondiät praktisch keiner Behandlung, macht aber deswegen oft Mühe, weil solche Patienten Hypochonder werden können. Eine entsprechende Aufklärung ist daher nötig. Wichtig ist es, die Hepatitiden bei Komplikationen, schlechtem Abheilungsverlauf über lange Zeit zu verfolgen und mit allen Laboratoriumsmethoden, Laparoskopie und Leberpunktion zu kontrollieren. Der sogenannte intrahepatale Verschlußikterus unterscheidet sich in therapeutischer Hinsicht nicht wesentlich von der Hepatitis epidemica. Beim sogenannten Drogenikterus wird man das schädigende Agens abstellen. Zu den Krankheiten welche als Vorstadium einer Leberzirrhose eine Rolle spielen, gehört die Fe t tI e be r. Sie liegt bei uns zahlenmäflig sicher an der Spitze der Speicherkrankheiten. Viele pathologische Stoffwechselvorgänge können zur Leberverfettung führen, die Fettleber ist daher das Endprodukt unterschiedlichster klinischer Abläufe. Immer ist die Fettinfiltration in der Leber reversibel. Sowohl bei der Fettleber nach Alkoholkonsum als auch bei der Fettleber nach Eiweißmangel oder anderer Genese, ist eine vollwertige Kost mit hohem Eiweißgehalt die beste Behandlung. Selbstver-

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ständlich ist bei der alkoholischen Fettleber das absolute Alkoholverbot. Zur Behandlung der Fettleber sind lipotrope Substanzen, wie Cholin, Methionin, zu empfehlen. Wir haben mit Phosphorylcholin intravenös bei Fettlebern gute Resultate gesehen. Nach unseren Erfahrungen sind die Fettlebern besonders günstige therapeutische Objekte. Diejenigen Fettlebern, welche auf endokrine Störungen zurückzuführen sind, sind therapeutisch schlecht zu beeinflussen. Ist die Therapie der Fettleber fast immer ein aussichtsreiches Beginnen, so kann man leider bei den Z irr ho sen nicht dasselbe sagen. Obwohl ohne Zweifel die Situation wesentlich besser liegt wie vor Jahrzehnten, denn alle Autoren sind sich darüber einig, daR es heute unter Umständen gelingt, Zirrhose über lange Zeit konstant zu erhalten und für dauernd aus hepatischen Schüben herauszubekommen und eventuell in eine inaktive Fibrose umzuwandeln. Auch hier möchte ich nur auf das Wesentlichste eingehen. Alle Autoren sind sich darüber einig, daR eine zirrhotisch veränderte Leben bei einem akuten hepatischen Schub den Patienten zu einer längeren Bettruhe zwingen muR, auch wenn wir wissen, daR lange Bettruhe verschiedene Störungen mit sich bringt. Aus diesem Grunde glauben wir, daR b.eim kompensierten Zirrhotiker Bettrune nicht unbedingt nötig ist, obwohl namhafte Autoren dafür eintreten. Es ist auch durch nichts bewiesen, daR sie bei der vaskulären Dekompensation der Zirrhose unbedingt nötig ist (Lang). Die Diät bei der Zirrhose muR eiweiRreich und kochsalz arm sein, die EiweiRzufuhr der Diät muR vermindert werden, wenn ein Koma oder ein Präkoma droht. Wir wissen, daR durch EiweiI!belastung der Blutammoniakspiegel ansteigen kann und so ein Koma hepaticum ausgelöst wird. Man wird Fett beschränken und auch die Zufuhr von Kohlehydraten nicht über ein vernünftiges MaI! steigern, um Fetteinlagerungen in die Leber zu verhindern. Von allen Vitaminpräparaten ist das Vitamin K zur Behandlung der bei der Zirrhose so häufigen Blutungsneigung sicher das wichtigste. Alkohol und sämtliche leberbelastende Medikamente sind zu vermeiden. Auch bei den Leberzirrhosen hat sich eine Therapie mit Cortison und seinen Derivaten bewährt und muR als wesentlicher Fortschritt angesehen werden. Fragen wir uns nach der Wirkungsweise, so können wir zweierlei Ueberlegungen anstellen. Nach verschiedenen Untersuchungen scheint es, daR der Ablauf der Zirrhose durch Autoantikörper beeinfluRt wird. Ihre Entstehung kann so erkl~t werden, daR durch Destruktion von Leberzellen EiweiRbestandteile der Leber frei werden, gegen welche bei den dazu disponierten Individuen im retikulären System y-Globuline gebildet werden, welche sich wie Antikörper an die Leberzellen ansetzen

6 können und so ihren Stoffwechsel beeinträchtigen. Gemeinsam mit Steffen und Wewalka haben wir in vier Fünftel der von uns untersuchten Zirrhosefällen einen positiven Antihumanglobulin-Ablenkungstest nach S t e ff e n finden können. Die Affinität der bei Leberzirrhosen vermehrten y-Globuline zu Lebergewebe desselben Patienten konnte in weiteren, noch nicht veröffentlichten Versuchen mit S t e ff e n, gezeigt werden. Die Cortisontherapie bremst die y-Globulinproduktion und dadurch den Autoaggressionsmechanismus, der, wie wir glauben, beim akuten hepatischen Schub der Zirrhose eine Rolle spielt. Eine wesentliche Unterstützung für diese Behauptung wäre die Tatsache, daß beim hepatischen Schub der y-Globulinspiegel besonders stark erhöht ist und das 3- bis Mache der Norm erreichen kann. Durch Cortison und seine Derivate wird der y-Globulinspiegel herabgedrückt. Es kommt unter dieser Therapie zu wesentlicher Appetitzunahme, zu einer Steigerung der zugeführten Nahrungsmenge, zu einer besseren Eiweißaufnahme, der Allgemeinzustand des Patienten bessert sich und es kommt zu einem Absinken des Bilirubins. In vielen Fällen tritt auch eine Besserung der Leberfunktionsproben ein und eine Zunahme der Serumalbumine. Die diuretische Wirkung der Cortisone ist unserer Meinung nach nicht so hoch einzuschätzen, wie es von anderen Autoren geschieht, es besteht aber kein Zweifel, daß in manchen Fällen, bei welchen die Therapie mit den modernen Diuretika versagt, nach Cortisonzufuhr eine Besserung ihrer Wirkung gefunden werden kann. Wir beginnen meistens mit einer Dosierung von 50 mg Prednisolon pro die und reduzieren diese Dosierung langsam. Man kann diese Therapie über 4 bis 6 Wochen fortsetzen und muß sie individuell variieren. Ihre K 0 n t r a i nd i kat ion e n müssen berucksichtigt werden. Eine längere Zeit durchgeführte Glukocorticoidtherapie führt zu einer negativen Stickstoffbilanz. Man hat daher versucht, durch anabole Steroide diese negativen Wirkungen der Corticoide aufzuheben. Wenn auch noch nicht mit absoluter Sicherheit ein positiver Einfluß dieser Substanzen auf die Albuminproduktion feststeht, so sind sie doch ein Weg, den negativen Wirkungen der Corticoidtherapie entgegenzutreten. Ein weiterer Effekt der Corticoidtherapie ist es, die Bindegewebsentwicklung bei der Zirrhose hintanzuhalten. Freilich kommt dieser etwas theoretische Wunsch bei den ausgeprägten Zirrhosen schon zu spät. Offensichtlich wird die entzündliche Zelleinwanderung "'und die Wucherungen von Fibroblasten und Retikulumzellen unterbunden. Auch die Kollagenisierung der nach Parenchymschwund kollabierten Sttitzfasern soll gehemmt werden. Vielleicht kann man dadurch den Einbruch der Bindegewebsfasern in das Parenchym hintanhalten. Frei-

7 lich können schon einmal vorhandene Bindegewebsmassen nicht zum Verschwinden gebracht werden. Ein wesentlicher Befund bei der Zirrhose ist der Schwund der Albumine im Serum. Ein Befund, der praktisch allen chronischen Leberkrankheiten zukommt. Diese Veränderung ist deswegen klinisch von groRer Bedeutung, weil sie letzten Endes eine der Hauptursachen der Entstehung von Oedemen und Ascites ist. Sie wissen, daR das Serumalbumin hauptsachlich in der Leber gebildet wird. Bei den chronischen Lebererkrankungen, vorweg bei der zirrhotischen Leber, kommt es zum Schwund der Albumine und dadurch zur Oedemneigung. Die niedrigsten Serumalbuminwerte findet man normalerweise bei therapieresistentem Ascites, also bei jenen Fallen, wo die uns zur Verfügung stehenden diuretischen Mittel ohne Erfolg sind. In solchen Fällen wird man versuchen, durch Zufuhr von Humanalbumin oder Plasmakonserven den onkotischen Druck des Serums zu bessern. Allerdings fordert diese Therapie für Aerzte und Patienten Geduld und ist kostspielig. Wir empfehlen sie besonders in jenen Zirrhosefällen, die nicht ikterisch sind und bei denen das SerumeiweiR besonders niedrig ist. Man kann auch Aminosäuregemische verwenden, insbesondere bei jenen Patienten, bei denen man eine EiweiRallergie befürchten muR. Der Nachteil der parenteralen EiweiRzufuhr ist der Umstand, daR die Gesamtblutmenge durch Einströmen von Gewebsflüssigkeit in die Blutbahn erhöht wird. Es kann dadurch zu einer Oesophagusvarizenblutung kommen. Neben der Restaurierung des EiweiRniveaus und den Versuchen, die pathologisch-anatomischen Veränderungen in ihrer Entwicklung zu verhindern, gibt es bei den Leberzirrhosen noch ein spezielles Problem, das therapeutisch beträchtliche Schwierigkeiten machen kann. Nämlich die erfolgreiche Bekämpfung der Wasser retention, sei es von Ascites, sei es von peripheren Oe demen beim Vollbild der Zirrhose. Die Rolle der Albumine und ihre therapeutische Anwendung haben wir schon besproehen. Die Wasserretention wird aber nicht allein durch die ElwelRveränderungen hervorgerufen; die pathologisch-physiologischen Vorgänge bei der Oedembildung sind sehr komplex, so daR man mit ganz verschiedenen Methoden versuchen kann, die Wasserretention zu bekämpfen. Zunächst muR man sich bemühen, die Natriumzufuhr in geringen Grenzen zu halten. Aber für diese, bisher allgemem gültige Regel, gibt es eine Ausnahme, und zwar die Anwendung der modernen diuretischen Mittel, die nur dann wirksam sein können, wenn ausreichend Natriumreserven vorhanden sind. Eine Kontrolle des ElektrolythaushaItes ist hierhei unumgänglich notwendig. Bei den Diuretika sind zunächst die Quecksilber-

8 diuretika zu erwähnen. Ihre Anwendung bei Lebererkrankungen ist heute kaum mehr zu vertreten. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Zufuhr von ansäuernden Mitteln, besonders von Gelamon, die Gefahr eines Komas mit sich bringt, weil es zu einem Anstieg des Blutammoniakspiegels kommt. Man darf also komagefährdete Zirrhosen nicht mit Ammoniakverbindungen ansäuern. Von den anderen diuretisch wirksamen Mitteln seien zunächst die Karboanhydrasehemmer genannt. Das Azetazolamid ist ein die Karboanhydrase blockierender Sulfonamidabkömmling. Die Bedeutung dieser Substanz liegt heute nur mehr in der Kombinationsbehandlung mit neuen diuretisch wirksamen Mitteln. Eine längere Behandlung mit diesem Mittel führt zur Selbsthemmung durch Auftreten einer metabolischen Azidose, ebenso können Hykokaliämien auftreten. Ein weiterer Fortschritt war die Synthetisierung der Chlorothiazide, Substanzen, welche die Eigenschaft haben, die Natriumrückresorption im proximalen Tubulus zu hemmen, also eine den Quecksilberdiuretika ähnliche Wirkung haben, gleichzeitig aber eine geringe Toxizität aufweisen. Es sind verschiedene Derivate des Chlorothiazids im Handel. Es besteht neben der Saliurese ein geringer karboanhydraseblockierender Effekt. Alle diese Substanzen haben auch eine blutdrucksenkende Wirkung und führen bei lang dauernder Behandlung zu Kaliumverlusten. Eine weitere Nebenwirkung ist der hyperurikämische Effekt des Chlorothiazids, es kann zur Auslösung von echten Gichtanfällen kommen. Eine weitere diuretisch wirkende Gruppe sind die Benzophenone (Hygroton). Sie haben eine besonders protrahierte Wirkung und führen ebenfalls zur Ausscheidung von Natrium und Chloriden im Harn. Aber auch bei diesen Präparaten kann es zu Kaliumverlust und präkomatösen Zuständen kommen. Zu den diuretisch wirkenden Substanzen muRte man auch noch die Hormonantagonisten nennen, also Stoffe, die die Wasserverschiebungen auf hormonale Weise beeinflussen. Es handelt sich dabei um Substanzen, welche die Produktion von Aldosteron oder dessen Wirkung beeinflussen. Es sind vor allem die Spirolactone zu erwähnen, die bei einer Dosierung von 800 bis 1000 mg pro die nach 3 bis 4 Tagen eine ausreichende Diurese zeigen. Sie wirken besonders in jenen Fällen, die vorher eine niedrige Natriumausscheidung haben. Ueber einen anderen Mechanismus wirkt das Metopiron, welches wir seit einiger Zeit verwenden. Es verursacht eine Fermentblockierung im NNR-System und führt dadurch zu einer Verminderung der Aldosteronproduktion, allerdings muß man dabei Prednisolon geben, um die Hypophyse zu dämpfen. Die Entwicklung von Hemmkörpern für das Adiuretin ist erst im Fluß.

9 Eine andere Therapie, die in den letzten Jahren bei den Leberzirrhosen viel verwendet wurde, über deren Wirkungsweise und Wert die Meinungen allerdings sehr geteilt sind, ist die Leberextrakt- und Leberhydrolysattherapie. Auch in der Literatur wird diese Therapie sehr unterschiedlich beurteilt. Ganz allgemein kann man sagen, daß ein therapeutischer Versuch mit Leberhydrolysaten gerechtfertigt ist, wenn der Verdacht einer beginnenden oder im ersten Stadium befindlichen Leberzirrhose besteht. Man muß diese Behandlung über Wochen und Monate durchführen, sie stellt eine beträchtliche finanzielle Belastung dar. Bei einem Teil der Fälle kommt es, wenn keine dekompensierte Zirrhose vorlag, zu einer Besserung des Allgemeinbefindens, und wir kennen Patienten, die sich scheinbar gesund fühlen, allerdings bei großer Leber und Milz, bei denen sich auch die Eiweißwerte völlig normalisiert haben. Aber diese Fälle sind Ausnahmen und auch wir müssen uns den anderen Autoren anschließen, die zwar auch Erfolge sahen, in deren Beurteilung aber sehr vorsichtig sind. Bei Zirrhosen im Anfangsstadium wurden wir also diese Therapie am ehesten propagieren. Es ist zu erwarten, daß weitere Forschungsarbeit wirksamere und sicherer zu beurteilende Prinzipien bringen wird. Zur Therapie der schwersten Zustände bei den Leberzirrhosen, nämlich dem Leb e r kom a, ist folgendes zu sagen. Das Koma hepaticum entsteht auf verschiedenen Wegen und erfordert deshalb auch differente Therapien. Das KO!lla der Leberatrophie bei der Hepatitis und beim hepatischen Schub der Leberzirrhose hat sicher eine schlechte Prognose. Intravenöse Zufuhr von Lävulose, Corticoide, Antibiotika haben sich hierbei bewährt, die Eiweißzufuhr muJt reduziert werden. Von dem Koma bei der Leberatrophie und beim hepatischen Schub der Zirrhose muß man das sekundäre Leberkoma abtrennen, bei welchem es zu keiner wesentlichen Aenderung der Leberstruktur kommt und bei dem es sich um eine hochgradige Ammoniakerhöhung handelt, die offenbar mit der Entstehung des Komas in Zusammenhang steht. Die Neigung zu erhöhten Ammoniakwerten entsteht bei der Leberzirrhose durch eine vermehrte Blutströmung durch portokavale Anastomosen. Das Ammoniak, welches vor allem aus dem Darm stammt, wird durch diesen Umgehungskreislauf von der Leber nicht ausreichend aus dem Blut entfernt. Interkurrente Infekte und Blutungen, besonders die Oesophagusvarizenblutung, sind auslösende Faktoren, ebenso können aber Morphium, Heptaton, Karboanhydraseblocker, Ammonchloridverabreichung, wie Gelamon, ein Koma auslösen. Man wird sofort das Nahrungseiweiß einschränken, Antibiotika geben, bei schweren Fällen hat sich besonders die von W e wal k a eingeführte intraperitoneale Glutaminsäure-

10 therapie bewahrt. Wir bevorzugen bei den Patienten mit Ascites eine intraperitoneale Anwendung, weil rasche intravenöse Gaben zu Nebenerscheinungen führen. Es ist uns in vielen Fällen dabei gelungen, die Patienten aus dem Koma zu bekommen, nicht nur einmal, sondern in manchen Fallen denselben Patienten mehrmals. Selbstverständlich müssen dabei Kreislaufshitzungen und Elektrolytkontrollen durchgefuhrt werden. Kurz müssen wir noch die Therapie an der erZ i rrho s e f 0 r m e n streifen, bei denen eine primäre Erkrankung als sichere Ursache für den Leberumbau angenommen werden kann; zunächst zur Therapie der cholangitischen Zirrho s e. Bei der cholangitischen Zirrhose ist uns heute durch die Antibiotika ein wertvolles Mittel in die Hand gegeben worden. Selbstverständlich ist, daß man unter allen Umständen nach einem mechanischen Hindernis suchen muß, denn eine chirurgische Intervention ist die beste Hilfe, wenn eine Stauung in den ableitenden Gallenwegen besteht. Gelingt es, das Hindernis zu beseitigen, so ist eine weitgehende Restitution zu erwarten. Ansonst ist die Therapie der der Laennecsehen Zirrhose gleichzusetzen, bei starkem Juckreiz verwenden wir Feristil, ein Antihistaminikum. Schwieriger ist die Therapie der pr i m ä r bi I i ä ren Z irr h 0 s e. Die Bekämpfung des Juckreizes ist dabei ein besonderes Problem - ansonst folgt die Therapie dem bei der Laennecschen Zirrhose üblichen Wege. Fettarme Diät ist hierbei besonders wichtig. Vitaminzufuhr, insbesondere von Vitamin K, bei Blutungsneigung ist nötig. Diese Zirrhoseformen haben auch ma,nchmal Resorptionsstörungen besonders ausgeprägt, so daß es zu Knochenveränderungen und Hemeralopie kommen kann. In letzter Zeit hat auch noch eine andere Sonderform der Zirrhose, und zwar die Harn 0 ehr 0 m a tos e, die man jahrelang als praktisch therapie resistent bezeichnet hat, eine wesentliche Behandlungsmöglichkeit erfahren. Man kann mit eisenarmer Kost und Aderlässen beträchtliche Mengen von Eisen mobilisieren und dadurch nicht nur den Leberzustand, sondern auch die begleitende Zuckerkrankheit günstig beeinflussen. Wir haben seit Jahren Fälle in Behandlung, bei welchen es mit obigen Maßnahmen gelungen ist, einen guten Zustand des Patienten zu erzielen. Man darf allerdings beim Blutentzug nicht vergessen, den Eiweißverlust auszugleichen, das geschieht in der Weise, daß man die Erythrozyten abzentrifugiert und das Serum bzw. das Plasma, dem Patienten refundiert. In letzter Zeit ist es mit dem Desferrin, einer Substanz, die von der Antibiotikaforschung entdeckt wurde, gelungen, Eisen bei Hämoehromatosen zu mobilisieren.

II Die WiIsonsche Zirrhose hat man mit BaI, Versenat und Penicillamid zu behandeln versucht. Ansonst entspricht auch ihre Therapie der bei den Zirrhosen üblichen. Wir haben einige Fälle mit Penicillamid behandelt und eine Zeitlang verfolgen können, die auf die genannte Therapie scheinbar ansprechen. Die Besprechung moderner Behandlungsmethoden bei den Leberzirrhosen wäre unvollständig, wenn ich nicht noch auf das Problem der Oesophagusvarizenblutung eingehen würde. Zunächst ist absolute Bettruhe selbstverständlich, eventuell sedierende Mittel. Zur Bekämpfung der Blutung führt man heute die dreiläufige Ballonsonde nach Sen g s t a k e n ein, deren unterer Ballon so gelagert ist, daß er knapp unterhalb der Kardia im Fundusanteil des Magens liegt. Der zweite, längliche Ballon dient dazu, innerhalb des Oesophagus die blutenden Varizen zu komprimieren, die Sonde wird außerhalb des Mundes beim Patienten fixi~rt und erlaubt eine künstliche Ernährung. Manchmal stoppt bereits die richtige Lage der Magenballonsonde die Blutung, die auch aus den submukösen Magenvenen kommen kann. Erst 24 Stunden nach Beginn der Blutung darf mit dem Entfernen der Sonde begonnen werden, man kann die Sonde mit Pausen auch wesentlich länger liegen lassen, es sind Krompressionsbehandlungen bis zu 8 Wochen ohne Zwischenfälle beschrieben worden. Sorgfältig ist der Druck zu kontrollieren, er darf nicht zu lange fortgesetzt werden. Zur Herabsetzung des portalen Druckes sind kleine Vasopressininfusionen mehrmals wiederholt, empfohlen worden, die den Portal druck senken können, 20 E. in 100 ml 5% Dextrose in 10 Min. kann 4- bis 5mal in 24 Stunden gegeben werden. Nötigenfalls sind auch kleine Bluttransfusionen durchzuführen, aber man darf nichi vergessen, daß es dadurch zu einer Wiederauffüllung des Gefäßsystems und neuerlicher Blutung kommen kann. Zur endgültigen Behandlung des Portalhochdruckes bestehen, wie Sie wissen, die verschiedensten S h u n t - 0 p eti 0 n e n. Während in Fällen eines extrahepatischen (prähepatischen) Blockes die Indikation zur Shunt-Operation (meistens nur Durchführung eines spleno-renalen Shuntes möglich) klar gegeben erscheint, ist bei Fällen mit intrahepatischem Block (Cirrhosis hepatis) diese mit weitaus mehr Vorsicht und Einschränkungen zu stellen. Folgende Methoden werden verwendet: 1. Der splenorenale Shunt; 2. der portokavale Shunt: a) End-zu-Seit- oder b) Seit-zu-Seit-Anastomose. Der splenorenale Shunt ist in der funktionellen Auswirkung dubiös, da es oft zur Thrombosierung der Ana-

12 stornosenstelle kommt. Es werden daher heute, wenn möglich, nur die verschiedenen Formen des portokavalen Shuntes durchgefuhrt. Die Auswirkungen des Shuntes auf die Leber sind nur schwer zu erfassen. Die Prognose und der Verlauf einer Zirrhose können durch diesen Eingriff nicht geändert werden, es wird nur die Gefahr einer Varizenblutung wesentlich reduziert, jedoch nicht beseitigt. Dieses relativ gute Ansprechen des zirrhotischen Leberparenchyms auf diesen Eingnff ist scheinbar auf die besondere GefäRversorgung der Regenerate (nur durch die A. hepatica) zurückzuführen. Allerdings wird bei einem normalen Leberparenchym die Regenerationsfähigkeit durch einen portokavalen Shunt wesentlich vermindert. In d i kat ion: Bei folgenden Fällen ist eine ShuntOperation durchführbar: 1. Relativ gutes Allgemeinbefinden; 2. nahezu normale Albuminwerte, womöglich über 3 g%; 3. eine nicht allzu hohe Retention von Bromphthalein, und 4. höchstens ein geringer Ascites, kein Ikterus. Eine Shunt-Operation soll vor allem eine neuerliche Varizenblutung verhindern, und es sollten daher alle Patienten, bei denen es zu einer Blutung gekommen ist, einer ShuntOperation unterzogen werden. Bei der Durchsicht unseres Krankenmatenals konnten jedoch nur wenig Patienten gefunden werden, bei denen eine Varizenblutung in einem Stadium der Zirrhose aufgetreten ist, in dem eine Operation noch indiziert war. Die meisten Blutungen traten in einem Stadium auf, in dem ein operativer Eingriff primär möglich war. Es erhebt sich somit die Frage des prophylaktischen Shuntes in frühen Stadien einer Zirrhose. Leider ist ein prophylaktischer Shunt von interner Seite eher abzulehnen. Die Operationsmortalität liegt mancherorts zur Zeit noch so hoch (12 bis 40%), daR dieser prophylaktische Eingriff einem Patienten nicht zumutbar ist. Es gibt zur Zeit noch keine sichere Methode, um durch Varizen gefährdete Patienten sicher zu erfassen. Rontgenuntersuchungen mittels Bariumbrei sind unzuverläf!lich. Die mittels perkutaner Splenoportographie gewonnenen Bilder lassen sich in Beziehung der dargestellten Venen zu der Wand der Speiseröhre, nicht deuten. Bei Oesophagusskopie können Fundusvarizen sich der Untersuchung entziehen. AuRerdem entstehen bei Zirrhotikern kompensatorisch viele Shunts. Das AusmaR dieser pathophysiologischen Shunts ist nur schwer zu erkennen. Es muR daher die Indikationsstellung zur Shunt-Operation von internistischer Seite eher eingeschränkt werden. Es kommen nur solche Patienten in Frage, bei denen es schon

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in einem relativ frühen Stadium einer Zirrhose zu einer Varizenblutung gekommen war. Besondere Vorsicht nach einer Shunt-Operation ist wegen der auftretenden Ammoniaksteigerung geboten. Eiweißarme Ernährung innerhalb der ersten 14 Tage nach dem Eingriff ist nötig. Es kommt regelmäßig zu einem Anstieg des Ammoniakspiegels, der sich erst 14 bis 21 Tage nach dem Eingriff zurückbildet. Meine Ausfuhrungen sollten zeigen, daß noch ein weiter Weg zu wirklich befriedigenden Therapie der Leberkrankheiten vor uns liegt. Es gibt eben noch keine spezifische Therapie der Virushepatitiden, und auch alle Versuche, die vollentwickelte Leberzirrhose am Weiterschreiten zu verhindern, mussen trotz unzweifelhafter Erfolge als mangelhaft angesehen werden. Erfolge sind hauptsächlich in der symptomatischen Behandlung erzielt worden. Es ist unsere Pflicht, unablässig den weiteren Ausbau der therapeutischen Möglichkeiten bei den Leberkrankheiten zum Wohle unserer Patienten anzustreben!

Aus der II. Medizinischen Universitätsklinik in Wien (Vorstand: Prof. Dr. K. Fell i n ger)

Ueber die diagnostischen Möglichkeiten zur Abktärung der portalen Hypertension Von O.Orabner und A. Neumayr Mit 5 Abbildungen Seit WhippIe und Blakemore1 im Jahre 1944 erstmals erfolgreich eine portokavale Anastomose bei einem an einer Leberzirrhose erkrankten Kind durchführten und damit zeigen konnten, daR ein erhöhter Pfortaderdruck durch eine Shuntoperation beseitigt und so die Gefahr einer tödlichen Oesophagusvarizenblutung abgewendet werden kann, haben sich die verschiedenen mit der portalen Hypertension zusammenhängenden Probleme mehr und mehr in den Blickpunkt ärztlichen Interesses geschoben. DaR wir heute nach fast 20 Jahren dem Pfortaderhochdruck und all seinen ernsten Folgeerscheinungen doch schon mit recht gezieHen und wirksamen MaRnahmen entgegentreten können, verdanken wir einerseits dem Umstand, daR von chirurgischer Seite die Shuntoperationen nach Ueberwindung anfänglicher technischer Schwierigkeiten zu einem Routineverfahren - wenn auch hochspezialisierter Art - ausgebaut wurden und anderseits der Tatsache, daR wir durch die Anwendung geeigneter moderner Untersuchungsmethoden dem Chirurgen schon präoperativ sehr genaue Angaben hinsichtlich Pathogenese und Klinik einer bestehenden portalen Hypertension machen können. Bekanntlich unterscheidet man bei der portalen Hypertension prinzipiell drei verschiedene Blockierungstypen, ent-

2 sprechend dem Sitz des Hindernisses, nämlich den prähepatischen, den intrahepatischen und den posthepatischen Block (Kalk 2 , Popper 3). Beim pr äh ep a tis chen Block liegt das Hindernis - meist handelt es sich um eine Thrombose, seltener um eine Kompression durch einen Tumor - in der Pfortader und man findet klinischerseits regelmäßig eine deutlich vergröBerte Milz, ausgeprägte Oesophagusvarizen und eine hinsichtlich Struktur und Funktion völlig normale Leber. Die häufigste Form des Pfortader hochdruckes gehört dem in t rah e p a t isc h e n Blockierungstyp an, wie er durch eine Leberzirrhose oder Narbenleber zustande kommt. Klinisch ist diese Form gekennzeichnet durch eine mäßig vergröBerte Milz, deutliche Oesophagusvarizen und eine derbe, entsprechend der Grundkrankheit veränderte Leber. Den pos t h e p a t i s c h e n Block finden wir schlieRlich bei konstriktiver Perikarditis und bei den sogenannten venookklusiven Erkrankungen (B r a S4), zu denen im weiteren Sinne auch das Budd-Chiari-Syndrom zu zählen ist. Dieser Blockierungstyp ist charakterisiert durch eine normal groBe Milz, das Fehlen von Oesophagusvarizen und das Vorhandensein einer meist enorm vergröBerten und imBerst druckempfindlichen Leber. Diese lediglich auf die Trias Milz, Oesophagusvarizen und Beschaffenheit der Leber aufgebaute grobe Einteilung zeigt, daB in vielen Fällen allein durch eine genaue klinische Untersuchung des Patienten schon möglich ist, das Bestehen einer portalen Hypertension festzustellen und sogar mit groBer Wahrscheinlichkeit den Blockierungstyp derselben anzugeben, besonders dann, wenn die Untersuchung durch eine Leberbiopsie und eine Laparoskopie ergänzt wird. Zur Entscheidung aber, ob und wann ein chirurgisches Eingreifen angezeigt erscheint und welches Operationsverfahren dabei die besten Erfolgsaussichten bietet oder gar zur Früherfassung einer portalen Hypertension bzw. zur Indikationsstellung eine~ sogenannten Präventivshunts sind wir auf spezielle Untersuchungsverfahren angewiesen, unter denen vor allem 1. die Portaldruckmessung und 2. die Splenoportographie eine praktische Bedeutung besitzen. Ergänzend können im Einzelfall noch die sogenannte Splenoporto-Chromodromographie und die Bestimmung der Leberdurchblutung herangezogen werden. 1. Die Portaldruckmessung

Das sicherlich einfachste und dennoch exakte Verfahren stellt die von At k i TI so n und S h e rl 0 c k 5 angegebene Messung des Milzinnendruckes dar.

3 Zu diesem Zwecke wird nach vorhergehender Anästhesie der Haut und der Bauchwand mit einer etwa 12 cm langen mit Mandrin versehenen Nadel perkutan in die Milzpulpa eingestochen. Da die Milzpulpa mit den innerhalb der Milz gelegenen portalen Verzweigungen bekanntlich in freier Kommunikation steht, kann über ein mit der Punktionsnadel in Verbindun;g stehendes Tybjärg-Hansen-Manometer sofort der Pfortaderdruck abgelesen und graphisoh registriert werden.

Abgesehen von der Einfachheit des Verfahrens, das bei richtiger Technik kaum nennenswerte Gefahren mit sich bringt, bietet es den groRen Vorteil, daR notwendigenfalls sofort eine Splenoportographie angeschlossen werden kann. Ueber die Pathogenese bzw. den Blockierungstyp einer portalen Hypertension kann die Messung des Milzinnendruckes allerdings keine Aussagen machen. Wesentlich aufschluRreicher ist in dieser Hinsicht die Portaldruckmessung mittels Leb ervenenk a th et eris mus, wie sie von My e r sund Ta y I 0 r 6 angegeben wurde und erst kürzlich von uns an Hand eines groRen Beobachtungsmaterials auf ihre vielfältige klinische Brauchbarkeit geprüft wurde (Grabner und Neumayr 7 ). Technisch geht man dabei so vor, daR ein üblicher Herzkatheter unter röntgenologischer Sicht über die untere Hohlvene in die rechte Lebervene vorgeschoben wird, und zwar so weit, daR das Lumen einer Lebervenole von der Spitze des vorne offenen Katheters vollständig obturiert wird. Der Pfortaderdruck pflanzt sich dann in Form einer statischen Blutsäule über die Lebersinusoide direkt in das Lumen des Katheters fort, von wo er wieder über ein Tybjärg-Harisen-Manometer fortlaufend graphisch aufgezeichnet werden kann. Die mit diesem Verfahren gewonnenen Ergebnisse decken sich weitgehend mit der Milzinnendruckmessung, wobei in beiden Fällen beim Gesunden durchschnittlich 120 bis 130 mm Wasser registriert werden. Der Vorteil des Lebervenenkatheterismus besteht aber nun darin, daR man durch langsames Zurückziehen des Katheters aus der Obturationsstellung bei fortlaufender Druckschreibung auch den Druck in der freien Lebervene, in der unteren Hohlvene und im rechten Vorhof bestimmen kann, wobei sich drei verschiedene D r u c k g rad i en t e n ergeben (Abb. 1), nämlich a) ein portohepataler, zwischen obturierter und freier Lebervene, b) ein hepatokavaler, zwischen freier Lebervene und unterer Hohlvene, und c) ein kavoaurikulärer Gradient zwischen unterer Hohlvene und rechtem Vorhof. Die absolute Höhe des Pfortaderdruckes ergibt sich aus der Summe dieser Gradienten bzw. aus dem portoaurikulären

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Abb. 1. Darstellung der verschiedenen Druckgradienten bei einer Leberzirrhose a) portohepataler Gradient zwisahen obturierter und freier Lebervene; b) hepatokavaler Gradient zwischen freier Lebervene und unterer Hohlvene; c) kavoaurikulärer Gradient zwischen unterer Hohlvene und rec.htem Vorhof. Der absolute Pfortaderdruck ergibt sich aus der Summe dieser Gradienten bzw. aus dem portoaurikulären Gradienten. Standard 30 mm gH

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5 Druckgradienten, und diese GröRe deckt sich mit dem Milzinnendruck, während die übrigen Gradienten mehr der Analyse der am Zustandekommen der Pfortaderdrucksteigerung beteiligten Einzelfaktoren dIenen. So macht bei allen Formen des intrahepatischen Blockes der portohepatale Gradient den wesentlichsten Anteil an der Pfortaderdrucksteigerung aus. Während er normalerweise 80 bis 90 mm Wasser betragt, steigt er etwa bei Fällen mit Leberzirrhose auf das Dreifache und mehr an. Beim posthepatischen Block vom Typ der venookklusiven Erkrankungen wiederum findet man die charakteristische Stufe in der Druckkurve erwartungsgemäß beim Uebergang von der freien Lebervene in die untere Hohlvene, was sich durch einen hohen hepatokavalen Gradienten zu erkennen gibt und bei Fällen mit konstriktiver Perikarditis, bei welcher der Pfortaderdruckanstieg ja nur durch den erhöhten Vorhofsdruck zustande kommt, findet man überhaupt normale Druckgradienten. Es ist hier gewissermaRen nur die physiologische Basislinie gehoben, der portoaurikuläre Gradient und seine Teilkomponenten hingegen verhalten sich wie beim Gesunden. Besonders wichtig ist in diagnostischer Hinsicht aber das Verhalten beim prähepatischen Block. Da die Pfortaderdrucksteigerung hier nur proximal von der Stelle des Hindernisses auftreten kann, distal davon aber normale Druckverhältnisse herrschen, findet man auch bei der Druckmessung mittels Lebervenenkatheter völlig normale Verhältnisse. Daraus geht hervor, daR eine auf der Basis eines prähepatischen Blockes entstandene portale Hypertension durch einen Lebervenenkatheterismus nicht diagnostiziert werden kann. Hier muß die zusätzliche Messung des Milzinnendruckes herangezogen werden, die dann eine entsprechende Pfortaderdrucksteigerung aufdeckt. Das diskrepante Verhalten, nämlich normaler Leberyenenobturationsdruck und hoher Milzinnendruck, ist für den prähepatischen Block charakteristisch und absolut beweisend (Abb.2). Man erhält also schon aus der Portaldruckmessung allein weitgehend AufschluR nicht nur über die Höhe des Pfortaderdruckes, sondern auch über den vorliegenden Blockierungstyp. Wollen wir aber bei einem bestehenden prähepatischen Block auch noch genauere Auskunft über die Lokalisation des Hindernisses, so brauchen WIr 2. Die Sp lenop 0 rtog ra p h ie Dieses von Ab e a t i c i und Ca m p i8 inaugurierte Verfahren zur röntgenologischen Darstellung der gesamten portalen Strombahn ermöglicht in einmaliger Weise eine exakte Lokalisation und in vielen Fällen auch eine Aussage über die Art eines extrahepatisch gelegenen Strombahnhindernisses.

6 Das Prinzip der Methode besteht darin, daß bei dem am Röntgentisc,h liegenden Patienten nach vorausgehender Lokalanästhesie die Milz mit einer 12 cm langen und mit Mandrin versehenen Nadel punktiert wird. Liegt die Spitze der Nadel weit genug in der Milzpulpa, dann wird nach Entfernung des Mandrins das Kontrastmittel - wir verwenden 40 acm 76%iges Urografin - über einen kurzen drucrkfesten Verbindungs schlauch rasch injiziert und anschließend mit Hilfe eines Seriographen 12-15 Aufnahmen innerhalb von 20 Sekunden geschossen.

Beim Gesunden kommt es sofort nach der Kontrastmittelinjektion zu einer vollständigen Darstellung der Milzvene, die meist leicht geschlängelt verläuft. Schon in der zweiten Sekunde füllt sich auch der Pfortaderhauptstamm und in der vierten Sekunde sind in der Regel schon die intrahepatischen Pfortaderäste deutlich zu erkennen. Nach der zehnten Sekunde ist gewöhnlich kein Kontrastmittel mehr in der Pfortader nachzuweisen und man sieht nur mehr eine diffuse Verschattung der Leber, das sogenannte "Hepatogramm". Bei Fallen mit Leberzirrhose, also bei Vorliegen eines intrahepatischen Blockes, ist zunächst eme mehr oder weniger deutliche Verzögerung der Pfortaderauffüllung auffallend. Zweitens erkennt man schon frühzeitig die Auffüllung der kollateralen Gefäße mit besonderer Bevorzugung der Vena coronaria gastrica und gelegentlich auch einen Reflux von Kontrastmittel in die Vena mesenterica cranialis. SchlieRlich findet man bei Zirrhosen eine erhebliche Rarefizierung der intrahepatischen Aeste der Pfortader, wodurch das Bild des sogenannten "toten Baumes" hervorgerufen wird (Abb. 3). Liegt ein prähepatischer Block vor, so hängt das Splenoportogramm von der Lokalisation des Strombahnhindernisses ab. Bei einer Thrombose des Pfortaderhauptstammes etwa kommt es zu einer verzögerten Auffullung der Milzvene und eines Teiles der Pfortader mit deutlicher Darstellung eines Kollateralkreislaufes. An der Stelle der Obstruktion findet man charakteristischer Weise ein unvermitteltes Abbrechen der Kontrastdarstellung mit fehlender Auffüllung des distal liegenden Pfortaderabschnittes und fehlendem Hepatogramm. Liegt eine Milzvenenthrombose vor, so bietet sich prinzipiell das gleiche Bild nur mit dem Unterschied, daß hier schon die Darstellung der Milzvene nach kurzem Verlauf brüsk abbricht oder eine Auffüllung der Milzvene überhaupt ausbleibt. Bei dieser sogenannten "segmentären portalen Hypertension". wie sie von Leg e r 9 genannt wird, findet man meist nur wenige Kollateralbahnen zum Magen hin, sondern hier verlaufen sie vorzugsweise in der Bauchwand und im Retroperitoneum.

7 Es kann hier leider nicht auf zum Teil sehr interessante Einzelheiten der diagnostischen Leistungsfähigkeit der Portaldruckmessung und der Splenoportographie näher eingegangen werden. Es soll aber doch noch ganz kurz ein sehr einfaches neues Verfahren zur raschen Differenzierung eines prähepatischen und intrahepatischen Blockes bzw. zur Objektivierung eines bestehenden Kollateralkreislaufes erwähnt werden, nämlich die von Lu b ich und Mitarbeitern 10 angegebene Spleno-

Abb. 3. Splenoportogramm bei einem Fall von Leberzirrhose. Man beaohte die Rarefizierung des intrahepatischen Gefäßbaumes und die Auffüllung der Kollateralgefäße

porto - C h rom 0 d rom 0 g rap h i e. Injiziert man nämlich eine kleine Menge einer Methylenblaulösung oder von Cardiac Green in die Milz, und registriert man auf photoelektrischem Weg über dem Ohrläppchen die in der Zeiteinheit durch das Kapillarnetz strömende Farbstoffmenge, so zeigt sich bei den \ erschiedenen Formen einer portalen Hypertension ein unterschiedliches Verhalten (Abb. 4). Während nämlich beim Gesunden die Passage des Farbstoffes durch die Lebersinusoide so langsam erfolgt, daß es in der Peripherie zu keinen meßbaren Konzentrationsänderungen kommt, gelangt der Farbstoff bei Vorliegen eines prähepatischen Blockes fast quantitativ über Kollateralbahnen rasch in die Peripherie und es

8 kommt über dem Ohrläppchen zu einer steilen und hohen Konzentrations-Zeit-Kurve. Liegt hingegen ein intrahepatischer Block vor, also z. B. bei einer Leberzirrhose, so strömt ein Teil des Farbstoffes durch die Leber und nur ein von der Ausbildung des Kollateralkreislaufes abhängiger Anteil des Farbstoffes gelangt unter Umgehung der Leber direkt in die Hohl-

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Abb. 4. Chromodromogramm bei einem Normalfall (a), einer Plortaderthrombose (b) und einer Leberzirrhose (c)

vene. Die Folge davon ist eine flache und niedrige Konzentrations-Zeit-Kurve über dem Ohrläppchen. Wieweit sich aus diesen chromodromographischen Kurven Rückschlüsse auf das funktionelle Verhalten eines Kollateralkreislaufes ziehen lassen, mussen erst weitere Erfahrungen zeigen. Auf die verschiedenen heute zur Verfügung stehenden Methoden zur B es tim m u n g der Leb erd u r c h b I u tun g beim Menschen kann in diesem Rahmen nicht näher ein-

9 gegangen werden, weil die Problematik der zahlreichen neuen Verfahren ein eigenes umfangreiches Kapitel darstellen würde; auch wurde das wesentlichste bereits an anderer Stelle ausführlich besprochen (N euma y r l1 ). Grundsätzlich lassen sich die heute gebräuchlichen Verfahren einteIlen in a) Extraktionsmethoden, die nach dem Fickschen Prinzip arbeiten. Als Prototyp gilt noch immer die Bromsulphaleininfusionsmethode nach B rad I e y und Mitarbeitern 12 . In den letzten Jahren wurden auch andere Indikatorsubstanzen verwendet (Myers 13 ; Sapirstein und Simpson 14 : Wiegand und Mitarbeiter15 ; Tybjaerg-Hansen und Mitarbeiter 16). Weiters werden die b) CIearance-Methoden häufig angewandt, die D 0 b s 0 n und Mitarbeiter17 inauguriert haben. Außer dem von diesen Autoren verwendeten radioaktiven Chromphosphat wurde später auch kolloidales Gold Au 198 (Ve tt e rund Mitarbeiter18). J131-markiertes Bengalrot (T a pli n und Mitarbeiter 19), J131_ markiertes denaturiertes Humanalbumin (Halpern und Mitarbeiter 20), Galaktose (Wal d s t ein und Ar ci Il a 21 ) oder Bromsulphalein (G r a b n e rund Mitarbeiter 22 ) verwendet. Auf prinzipiell anderen Gedankengängen als diese letztlich miteinander verwandten Methoden, beruhen die c) Verdünnungsmethoden nach dem Stewart-Hamiltonschen Prinzip, bei denen die erste Passage von intra lineal injizierten, mit J131-markiertem Humanalbumin durch die Leber zur Berechnung der Durchblutung dient (Reichmann und Mitarbeiter 23 ). Wiederum eines anderen Prinzips bedienen sich die d) kalorimetrischen Methoden, die sich entweder einer Einstichsonde in die Leber (Gra yson 24 ; Hensel und Mitarbeiter25), eines Thermokatheters, der in eine Lebervene eingeführt wird (G ra b ne rund Neu m a y r 26 ) oder einer SigmaSonde (H e n n i n g27) bedienen und jeweils nur relative Aenderungen des Leberblutflusses anzugeben vermögen. Für die Abklärung einer portalen Hypertension besitzt die Kenntnis des absoluten Leberminutenvolumens wenig praktischen Wert, weshalb hier nicht näher auf die mit den oben angegebenen Verfahren erzielten Ergebnisse eingegangen werden soll. Praktisch wichtiger und zum eigentlichen Thema unserer Ausfuhrungen gehorend erscheint uns jedoch die Tatsache, daß es heute möglich geworden ist, die über Kolla ter al wege abströmende P ort alb I u tmenge qu an ti ta ti y zu bestimmen (Caesar und Mitarbeiter 28 ). Wird J131-markiertes Humanalbumin in die Milz injiziert, so strömt ein Teil davon über die Kollateralbahnen ab, während der übrige Anteil über die Leber seinen Weg nimmt und in der Lebervene aufscheint. Durch fortlaufende Blutentnahmell

10 aus der Lebervene mittels Katheter, wie dies von Reichman 23 angegeben wurde, kann der die Leber passierende Anteil des injizierten Humanalbumins erfaßt werden. Gleichzeitig wird mit einer der üblichen Farbstoffextraktionsmethoden das Leberminutenvolumen ermittelt. Aus dem getrennt bestimmten Blutvolumen und der nach Einstellung eines Gleichgewichtes registrierten Konzentration des Humanalbumins im Blut kann die Gesamtmenge des aus der Milz abgeströmten radioaktiv markierten Humanalbumins ermittelt werden. Subtrahiert man davon jenen Anteil, der

-----~

60

120

Sek

"

600

Abb. 5. Darstellung des Verlaufes der Konzentration von J 131Albumin in der rechten Vena hepatica nach intralienaler Injektion innerhalb der ersten 2 Minuten und nach 10 Minuten. - Mit Hilfe der vorher bestimmten Leberdurchblutung mittels der Bromsulphaleinmethode kann man aus dieser Kurve den relativen Anteil des Kollateralkreislaufes berechnen. - Der Kollateralkreislauf macht den vorliegenden Fall 79% des gesamten portalen Kreislaufes aus (Leberzirrhose, posthepatitisch, 52 Jahre männlich. EHBF 1120 ml/min. portaler Druck 410 nun H 20)

während der primären Verdünnungskurve durch die Leber passiert ist, so erhält man jene Blutmenge, welche über die Kollateralbahnen abgeströmt ist. Wie aus der Abb. 5 zu ersehen ist, kommt man bei derartigen Untersuchungen zu der etwas überraschenden Feststellung, daR bei einzelnen Zirrhosen mitunter bis zu 90010 des durch das Splanchnicusgebiet fließenden Blutes über Kol-

lateralbahnen abgeleitet wird. In dem in der Abbildung demon-

strierten Fall strömen lediglich 21010 des Portalblutes durch die Leber. Die Portaldruckmessung ergab mit 410 mm Wasser das Vorliegen einer beträchtlichen portalen Hypertension, weshalb

11 eine Shuntoperation geplant war. Durch die quantitative Bestimmung der Kollateralblutmenge wurde jedoch offenkundig, daR durch die Anlegung einer portovakaien Anastomose bestenfalls nur 210f0 des Portalblutes abgeleitet werden könnten, was kaum zu einer mit dem Risiko des operativen Eingriffes in Einklang stehenden Senkung des Pfortaderdruckes geführt hätte. Man muRte also in diesem Falle von internistischer Seite von der Durchführung einer Shuntoperation abraten, obwohl sonst alle Kriterien der Indikationsstellung gegeben waren. Diese kurzen Ausführungen sollen gezeigt haben, daR mit den heute zur Verfügung stehenden modernen Untersuchungsmethoden der Portaldruckmessung, der Splenoportographie und den verschiedenen Durchblutungsmessungen eine weitgehende Abklärung einer bestehenden portalen Hypertension möglich geworden ist. So kann ohne Schwierigkeit der intrahepatische Block vom prähepatischen oder posthepatischen unterschieden werden. Bei extrahepatischen Ursachen einer Pfortaderdrucksteigerung kann schon präoperativ der genaue Sitz des Hindernisses angegeben und damit dem Chirurgen die Wahl des richtigen Operationsverfahrens erleichtert werden. Schlief!lich können durch modernste hepatoportale Kreislaufuntersuchungen, wie etwa die Ermittlung der über Kollateralwege abströmenden Portalblutmenge, noch zusätzliche Kriterien geliefert werden, die für die Indikation eines Eingriffes oft ganz entscheidend sein können. Praktisch am wichtigsten dürfte aber die Tatsache sein, daR man heute durch die Möglichkeit einer Portaldruckmessung gegebenenfalls auch einmal die Indikation zu einem präventiven Shunt stellen kann. Nach unseren Erfahrungen kann man sich dabei allerdings nicht an einen allgemeingültigen "kritischen Portaldruck" halten, da auch noch andere Faktoren neben der Höhe des Portaldruckes von Wichtigkeit sind. Im allgemeinen dürfte die Indikationsstellung berechtigt sein, wenn der Pfortaderdruck den Wert von 250 mm Wasser übersteigt und gleichzeitig die Zahl der Thrombozyten unter 200.000 abgesunken ist. Vergegenwärtigt man sich, daR eine Oesophagusvarizenblutung bei der Zirrhose in einem Drittel aller Fälle unmittelbar und in mehr als der Hälfte innerhalb eines Jahres zum Tode führt, so fühlt man sich bei entsprechend Gefährdeten zur Indikation eines Präventivshunts wohl berechtigt. Vielleicht kann durch die verbesserten diagnostischen Möglichkeiten häufiger als bisher eingegriffen und so diese erschreckende Statistik in Zukunft revidiert werden. Li t e rat ur: 1 Whippie und Blakemore: Zit. nac.h Saegesser: In Portale Hypertension. Paris: Masson. 1954. - 2 Kalk, H., Wildhirt, E. und Burgmann, W.: Lehrhuc,h und Atlas der Lapara-

12 skopie. Stuttgart: Thieme. 1961, S.182. - 3 Popper, H. und Sc,haffner, F.: Stuttgart: Thieme. 1961, S.318. - 4 Bras, G., Jelliffe, D. und Stuart, K.: Amer. med. Assoc:. Arch. Path., 57 (1954), S.25. - 5 Atkinson, M. und SherlorJc, S.: Lancet, 1 (1954), S.1325. - 6 Myers, J. und Taylor, W.: J. clin. Invest., 30 (1951), S. 662. - 7 Grabner, G., Neumayr, A. und Krygicz, H.: Wien. Z. inn. Med., 11 (1961), S.477. - 8 Abeatic;, S. und Campi, L.: l\Iinerva med., 42 (1951), S.593. - 9 Leger, L., Albot, G. und Arvay, N.: Presse mild., 59 (1951), S.1230. - 10 Lubich, T., Di Paolo, E. und Manzini, E.: Diagnostica funzionale emodinamica Liviana Editrice, Padua 1961. - 11 Neumayr, A.: In "Fortschritte der Gastroenterologie". München: Urban & Schwarzenberg. 1960, S. 280. 12 Bradley, S., Ingelfinger, F., Bradley, G. und Curry, J.: J. clin. Invest., 24 (1945), S.890. - 13 Myers, J.: J. clin. Invest., 26 (1947), S. 1130. - 14 Sypirstein, L. und Simpson, A.: Amer. J. Physiol., 182 (1955), S. 337. 15 Wiegand, B., Ketterer, S. und Rapaport, E.: Amer.•J. digest. Dis. a. Nutrit., N. S., 5 (1960), S.427. - 16 Tybjärg-Hansen, A., Tygstrup, N. und Winkler, K.: Danish Med. Bull., 1 (1953), S. 146. - 17 Dobson, E. und Mitarbeiter: Circulation, 7 (1953), S.690. - 18 Vetter, H., Falkner, R. und Neumayr, A.: J. clin. Invest., 33 (1954), S. 1594. - 19 TapIin, G., Meredith, O. und Kade, H.: J. Labor. a. clin. Med., 45 (1955), S. 665. 20 Halpern, B. und Mitarbeiter: C. r. Soc. Biol., 150 (1956), 21 Waldstein, S., ArciIIa, R. und Honig, K.: S.1307. Gastroenterology, 33 (1957), S. 270. - 22 Grabner, G. und Mitarbeiter: Wien. Z. inn. Med. (Im Druck.). - 23 Reichmann, S., Davis, W., Storaasli, J. und GorIin, R.: J. olin. lnvest., 37 (1958), 24 Grayson, J.: J. Physiol., 118 (1952), S.54. S.1848. 25 Boc.k, H., Graf, K. und Hensel, H.: Klin. Wschr., 35 (1957), S.487. - 26 Grabner, G. und Neumayr, A.: Wien. Z. inn. Med .. 37 (1956), S.445. - 27 Henning: Proc,eedings of the World Congress for Gastroenterology, Was hingt on 1958. - 28 Caesar, J., Barber, K. und Baraona, H.: Minerva Cardioangiologicoa, 9 (1961), S.407.

Aus der 11. Chirurgischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung der Stadt Wien (Vorstand: Prof. Dr. P. K y r I e)

Die Sympathektomie der Arteria hepatica in der Behandlung des hepatischen Ikterus Von P. KyrIe

Nach einer einfachen Laparotomie kann sich beim prolongiert verlaufenden, hepatitischen Ikterus wieder GallefluR einstellen und die Gelbsucht verschwinden. W. Körte, O. Huber und W. Kausch, H. Haberer, E. Heller, W. Den k u. a. haben dies schon vor vielen Jahren beobachtet und mit einer operationsbedingten reflektorischen Hyperämisierung der Leber und Sekretionsverbesserung in Zusammenhang gebracht, die durch das Abtasten des Ligamentum hepatoduodenale und Reizung des vegetativen Nervensystems der Leber entsteht. Doch kann man die Laparotomie wohl nicht mehr als eine wirkliche Behandlungsmethode ansehen, da sie in zu vielen Fällen keine günstige Wirkung auf den Krankheitsverlauf erbrachte oder sogar zum Tode führte. Bessere Erfolge ergeben die äußeren D r a i n a g eoperationen an der Gallenblase und an den GalIenweg e n, denen verschiedenartige Wirkungsmechanismen zugebilligt werden. Auch durch sie hält man eine Hyperämisierung und Sekretionsverbesserung der Leberzellen über das vegetative Nervensystem für möglich, bedingt durch das Arbeiten am Ligamentum hepatoduodenale (Fr. Ba c khau s, O. No r d man n). Andere führen die Erfolge auf die Ableitung toxischer Stoffwechselprodukte nach auRen zurück

2 (P. Frangenheim, C. v. Bramann), oder auf die Ausschaltung von Spasmen am Sphinkter Oddi 0 der auf die Saugwirkung der Drainage (V. Hoffmann). Nach dem Schrifttum muß man aber etwa in einem Drittel der Fälle mit einem Versagen dieser Methode rechnen. Auch wir erlebten mit einer äuReren Gallengangsdrainage eine Enttäuschung, denn wir verloren danach einen Patienten (M. E. 5403) mit einem 7 Wochen bestehenden hepatitischen Ikterus am sechsten postoperativen Tag an einer Leberatrophie. Kurze Zeit nach unserem MiRerfolg im Jahre 1955 referierte der Schweizer Chirurg A. Lehner auf der 72. Tagung der Deutschen Gesellschaft fur Chirurgie über die Behandlung des hepatitischen Ikterus durch periarterielle Eingriffe an der Arteria hepatica communis und von seinen guten Erfolgen angesprochen, beschlossen wir damals, in Zukunft in geeignet erscheinenden Fällen diesen Eingriff vorzunehmen. P. Mall e t - G u y hat diese Operation als erster 1947 ausgeführt. Doch hatte sie schon E. Heller 1942 erwogen, der die mögliche Wirksamkeit aus den bereits besprochenen Heilungen nach einfachen Laparotomien, "operativen Manipulationen" am Ligamentum hepatoduodenale und ähnlichen, scheinbar über das vegetative Nervensystem angreifenden Emgriffen ableitete. Doch wagte er es damals noch nicht, an einem so heiklen Gefäß wie der Arteria hepatica zu operieren. In der Zwischenzeit wurde nach einer kürzlich erschienenen Sammelstatistik von M. R i e d weg der Eingriff bisher in 228 Fällen ausgeführt, und zwar in 120 Fällen von P. Mall e t - G u y und in 108 Fällen von 11 anderen Chirurgen. Ursprünglich wurde der Eingriff als periarterielle Sympathektomie bezeichnet; jetzt wird er periarterielle hepatische Neurektomie genannt und das Hauptgewicht auf die Resektion des von A. Latarjet, P. Bonnet und A. Bon n i 0 t beschriebenen vor der e n 0 der per i art e r iellen Nervenplexus der Leber gelegt. Seine Fasern werden als stärker als die eines gewöhnlichen adventitiellen Nervenplexus angesehen, kommen aus der linken Hälfte des Plexus coeliacus und dringen zum gröRten Teil durch den Hilus in das Innere des Leberparenchyms ein. Der hin t e r e oder paribiliäre Nervenplexus zieht in 3 oder 4 Strängen vom rechten Teil des Plexus coeliacus hauptsächlich zu den Gallengängen. Zwischen diesen beiden, aus sympathischen und parasympathischen Fasern bestehenden Strängen finden sich breite Anastomosen. Bei der Operation werden 2 cm des vorderen N ervenb und eis reseziert, und zwar dort, wo es am Boden der Bursa omentalis den schräg verlaufenden Stamm der Arteria hepatica communis umgibt und bedeckt.

3 Nach den experimentellen Untersuchungen der Schule Mallet-Guy zieht die Neurektomie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle keine Veränderung des Tonus der Ga 11 e n weg e nach sich, da ja die Fasern, welche die Funktion der Gallenwege steuern, im hinteren Nervenstrang verlaufen, der geschont wird. Die Neurektomie hat nur einen nebensächlichen vasomotorischen Einfluß auf die Leber. Dies ergibt sich nicht nur aus histologischen Untersuchungen der Leber nach der Neurektomie, sondern auch aus den Meßergebnissen -des Blutumlaufes in den subhepatischen Venen. Der Eingriff hat keine wesentliche Vermehrung der Gallensekretion zur Folge, zieht aber offenbar durch direkte Einwirkung auf die Leberzellen vielfach eine erhebliche Er h öh ung der Konzen tra tion der Gallenbestand teile nach sich und soll auch eine Fettüberlastung der Leber verhindern. Sicherlich ist die Wirkung des Eingriffes nur eine vorübergehende, und es ist anzunehmen, daß sich bald nach der operativen Unterbrechung der vegetativen Nervenbahnen Ersatzwege bilden, die das vegetative Gleichgewicht an der Leberpforte wiederherstellen. In dieser vorübergehenden Wirkung der Methode liegt eben der Anreiz zur Heilung und eine nachherige Störung des physiologischen Gleichgewichtes wird vermieden. Technisch wird die Neurektomie folgendermaßen ausgeführt: Zugangs weg wie zu den Gallengängen; Durchtrennung des kleinen Netzes; Aufsuchen der Arteria hepatica communis' vor ihrer Teilungsstelle in die Arteriae gastroduodenalis und hepatica propria; Resektion der die Arterie meistens bedeckenden Lymphknotenplatte, dann vorsichtige Längsinzision der etwa 1'5 mm dicken, aus Nerven- und Bindegewebe bestehenden Hülle des Schlagaderstammes und zirkuläre Abpräparation und Exzision in einem Ausmaß von 1'5 bis 2 cm. K. 'S tu c k e hat die Neu re k tom i e durch eine zusätzlicht- Decortication des Ligamentum hepatoduodenale er w e i t e r t, wobei auch die die Arteria hepatica propria umgebenden Lymphknoten und Nervenfasern reseziert werden und auch jene, die entlang der Gallengänge verlaufen. Mall e t - G u y glaubt aber, daß der Eingriff dadurch seine funktionelle Harmlosigkeit "erliert, und zwar vor allem durch die Denervation der maoomdriech ja normal funktionierenden äußeren Gallengänge. Auch ließ sich nie eine Choledochuskompression durch die vergrößerten Lymphknoten am Ligamentum hepatoduodenale radiomanometrisch objektivieren. Das von S tu c k e angegebene Hinzufügen einer Choledochll8drainage mittels Kehrschem T-Rohr zur Neurektomie lehnt Mall e t - G u y ab, und zwar im Hinblick auf die technischen Schwierigkeiten und Gefahren, die sich er-

4 geben, wenn ein Drainrohr in einen normalkalibrigen Choledochus eingelegt wird. Y. S ale m b i er fügt zur Neurektomie eine Cholecy8!toetomie zum Zwecke der lokalen P~rfusion von Hydrocortison oder Xylocain in die Gallenwege hinzUi und reseziert außerdem den peribiliären NervenplexU8, um eine die Gallenausscheidung verbe6Sernde Hypermotilität der großen Gallengänge zu errei~n. Mall e t - G u y lehnt aber auch diese Erweiterung des Eingriffes ab und zieht die einfache Neurektomie vor (M. R i e d weg).

Das dankbarste Anwendungsgebiet für den Eingriff stellt der infektiöse, prolongiert verlaufende hepatitische Ikterus dar, doch besteht auch eine relative Anzeige dazu bei der chronischen Hepatitis und bei der Steatose und Zirrhose der Leber mit und ohne Ikterus. Bei den zuletzt genannten Krankheitsbildern hat sich die Neurektomie aber noch nicht durchgesetzt. Eine Operationsindikation kann auch bei den verschiedenen sc h wer e n Formen der Leberschädigung durch extrahepatitisehen Gallengangsverschluß gegeben sein. Die Anzeige zur Neurektomie wird beim prolongiert verlaufenden hepatitischen Ikterus nur etwa in einem Fünftel der Fälle auf Grund der richtigen klinischen Diagnose gestellt. Viel häufiger kommen die Fälle zur Operation, aus Furcht, einen mechanischen Ikterus zu übersehen und es wird erst während des Eingriffes das organische oder funktionelle Hindernis in den Gallenwegen ausgeschlossen.

Die Diagnose und die Entscheidung zur Neurektomie ergibt sich, wenn man von den Fällen absieht, in denen die Diagnose durch eine Laparoskopie und Leberbiopsie oder eine perkutane Leberpunktion gemacht wurde, doch vielfach erst aus dem Operationssitus, dem Ergebnis der histologischen Gefnerschnittuntersuchung aus der Leber und der intraoperativen Radiomanometrie, die die Integrität der äußeren Gallengänge zeigt. Die Operationsdiagnose gelingt bei einiger Uebung ohneweiters. Der erste Blick gilt der Leber, die gewöhnlich vergrößert ist, Oberfläche und Farbe sind nach den unterschiedlichen Formen variabel. Auffallend sind vor allem die vergrößerten Lymphknoten um das Ligamentum hepatoduodenale und am oberen Rand der Bauchspeicheldrüse, die histologisch das Bild einer chronischen Lymphadenitis gelegentlich mit Gallenpigmentablagerung zeigen. Die Gallenblase kann schlaff oder auch gestaut sein. Die großen Gallenwege sind normal weit oder enger als gewöhnlich und aus dem manchmal sogar atrophischen Ductus choledochus entleert sich, wenn er eröffnet wird, sehr wenig helle Galle. Histologisch liegen den operativen Hepatitisfällen verschiedene Krankheitsbilder zugrunde, die unter Umständen schwer voneinander abzugrenzen sind: Dies gilt vor allem für

5 die cholangiolitische Form der Hepatitis nach C. J. Wa t s 0 n und F. W. Hofbauer, die der periacinösen oder cholangitisehen Form des Ikterus catarrhalis nach H. Eppinger entspricht und der cholostatischen Form 0. Caroli und Mitarbeiter, H. G r 0 s u. a.). Dann sieht man auch Ausgänge der Hepatitis, wenn es nicht zur Restitution, sondern zu den chronischen Verlaufsformen, wie Induration, Hyperplasie, Zirrhose der Leber, kommt. Tab.1. Periarterielle hepatische Neurektomie beim Ikterus wegen infektiöser prolongierter Hepatitis (nach einer Sammelstatistik von M. Riedweg) Operateure

I

Anzahl der I Postoperative operierten Fälle Todesfälle

P. Mallet-Guy (Lyon) ............. . A. Lehner (Luzem) ............•.... H. Howald (Zürich) ................ . B. Placak (Prag) ................. .. R. Montant (Genf) ................ . G. Devic (Vienne Fr.) ............ .. L. Sarti (Mailand) ................. . Y. Salembier (Lilie) .............. .. Summen .......................... /

25

9 6 9

3 2 4

12 70

1 1

1

1 4

Und nun zu den Resultaten: Die erste Tabelle zeigt, daR die periarterielle hepatische Neurektomie beim infektiösen, prolongiert verlaufenden Ikterus keine sehr gefährliche Operationsmethode darstellt. Denn nach einer Sammelstatistik von M. R i e d weg gingen von 70 Fällen postoperativ nur 4 verloren. . Die unmi t telb aren Op era tions er f 01 ge bewegen sich im Schrifttum zwischen 96% und 83010, allerdings bei einem relativ kleinen Krankengut. Nach den Angaben der Operateure blaßten die Kranken meist innerhalb zweier Wochen nach der Operation ab und das Serumbilirubin 'erreichte während dieser Zeit normale Werte. Doch kann der Ikterus auch fruher oder später verschwinden und es besteht, wenn auch nicht immer, ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Ikterus und seiner Dauer und Intensität vor der Operation. Unmittelbar nach der Operation kann sich die Gelbfärbung sogar verstärken, ohne daß dadurch die Heilung wesentlich verzögert wird. Auch der Pruritus verschwindet gewöhnlich rasch und ebenso bessert sich der Allgemeinzustand. Auch die Dauerheilungsergebnisse werden als sehr gut bezeichnet, wobei allerdings eine gewisse Abhängig-

6 keit 'von der Schwere der histologischen Veränderungen der Leber zum Zeitpunkt des Eingriffes festgestellt wurde. In den einfacher gelegenen Fällen ist Dauerheilung ohne Folgen zu erwarten. Wesentlicher ist aber, daR es möglich zu sein scheint, durch die Neurektomie die Entwicklung einer posthepatitisehen Zirrhose unter Umständen aufhalten oder verzögern zu können. _ Die nächste Tabelle zeigt Ihnen die Zahl und die Art der periarteriellen Eingriffe, die postoperative Mortalität und die Spätergebnisse an uns e rem Krankengut. Tab. 2. Periarterielle Eingriffe an der Arteria hepatica beim hepatischen Ikterus (12 prolongierte Hepatitisfalle, 1 sekundärer Leberschaden, insgesamt 13 Fälle)

I

Eingriffe

d

5%ige Isophenolpinselung + äußere Choledochusdrainage 5%ige Isophenolpinselung .....•. Neurektomie + 5%ige Isophenolpinselung + äußere Choledochusdrainage " ............ Neurektomie (P. Mallet- Guy) .• Neurektomie + Cholecystostomie "Erweiterte Neurektomie" ...•.. Summen ••••..••..•..•.•...•.

..

I

Zahl Postop. F 1l Todeser ä e falle

1

Dauererfolg gut

I

-

1 2

1

-

1 1

II

I

I

schlecht

I

-

1

I

1 7 1 1

13

-

I -

I

3

3

I

I

-

1 4 1

8

-

-

1 2

Sie sehen, daR auch wir es zuerst nicht gewagt haben, die Sympathicusausschaltung instrumentell vorzunehmen, sondern daR wir in den ersten Fällen das freigelegte GefäR mit einer: 50/oigen Isophenollösung nach D 0 p pIe r pinselten. Im el"'sten Fall (6242) wurde die Pinselung zusammen mit einer äußer!lIl Choledochuec:lrainage ausgeführt, wonach sich ein Dauererfolg einstellte. Der Kranke hat gegenwärtig, 6 Jahre nach der Operation, nur ger1nge Narbenbeschwerden, seine LeberfunktiOOl6proben sind normal. Die nächsten 2 Fälle (6959, 7710), in denen die Arteria hepatica nur g 'e p i n 11 e I t wurde, waren von vornherein prognosl:isch ungünstig. In einem Fall (6959) bestand der Ikterus bereits seit 3 Monaten; er ging erwartungsmäßig nach der Operation nur langsam zurück. Immerhin lebt die Kranke seit über 51/2 Jahren nach der Operation, hat aber eine sehr labile Leberfunktion und von Zeit zu Zeit treten ikterische Schübe auf. Der zweite ,,81epinselte" Fall (7710), bei dem schon bei der Operation ein zirrhotischer Prozeß bestand, verstarb daran 20 Monate nach: dem Eingriff.

7 Der nächste Fall in der Tabelle (7315) war ein dUI'cb 13 Wochen ikterischer Patient, bei dem wir einen inkarzerierten Choledochusstein entfernten und eine äußere Gallengangsdrainage anlegten. Postoperativ intensivierte sich der Ikterus und das Serumbili:rubin stieg von 13'8 mg% auf 29'6 mg% und schließlich hörte die Gallenausscheidung auf. Deshalb entschlossen wir uns nach 4 Wochen zur Relaparotomie. Wir fanden völlig norma}.e tiefe Gallenwege, kaum einen Gallenfluß und führten deshalb eine instrumentelle und ,chemische Sympathikusblockade an der Arteria hepatica communis aUS. Vom Tag der Operaitioll an ,entleerten sich täglich etwa 150 ccm Galle aus der äußerejIl Drainage, die bis dahin nicht funktioniert hatte; der Kranke blaßte innerhalb von 3 Monaten völlig ab und wurde wieder arbeitsfähig. Leider wurde hier keine Probeexzision aus der Leber entnommen. Dieser Fall zeigt, daß hier ein periarterieller Eingriff noch wirksam sein kann, wenn die äußere Gallengangsdrainage versagt hat. In der nächsten Gruppe, in der die Originalmethode angewendet wurde, finden sich 4 geheilte, infektiöse, prolongierte Hepatitisfälle (6242, 9207, 9785, 11.781), darunter ein Fall mit einem schweren Diabetes (11.781). Die Neurektomien liegen 31/ 2 , 4, 41/ 2 und 6 Jahre zurück. Ich kann aus Zeitmangel nicht auf alle Fälle eingehen, möchte aber über einen Kranken (9785) kurz berichten, der uns groLle diagnostische Schwierigkeiten bereitete: Der Patient hatte seit 19 Jahren ein Duodenalulkus. Im Laufe von 5 Monaten war nun ein langsam zunehmender lkterus entstanden, die Leberfunktionsproben wurden anormal. Wir glaubten, bei der Operation eine mechanische Stenose des Choledochus durch das Ulcus duodeni und seinen Schwielenmantel gefunden zu haben und erhofften uns von der Dreiviertel-Resektion des Magens auch einen Rückgang der Gelbsucht. Doch dies war eine Täubchungl Der Ikterus klang nicht ab, im Gegenteil, er wurde stärker. Deswegen relaparotomierten wir nach einem Monat. Die histologische Gefrierschnittuntersuchung aus der Leber ergab eine chronische Hepatitis mit pericholangiolären Zügen und cholostatischem Einschlag. Wir machten eine Neurektomie und 2 Monate S[>äter erfolgte die Entlassung, nachdem 'noch ein schweres Nierenversagen überwunden werden konnte. Bei dem Kranken, der seit 4 Jahren völlig gesund ist, war also ein stenosierendes Duodenalulkus mit einer prolongiert verlaufenden Hepatitis zusammengetroffen. Leider verloren wir 3 Fälle postoperativ, und zwar eine 70jährige Patientin (12.635) mit schwerem, 6 Wochen bestehendem Ikterus und einen 75jährigen Kranken (15.299) mit 2 Monate bestehendem Ikterus an posthepatitiseher Zirrhose mit akuter Atrophie. Das hohe Alter hatte hier wohl den Operationserfolg verhindert! Der dritte Todesfall, eine 71jährige Kranke (13.360), verstarb an einer diffusen, galligen Peritonitis, da man gleichzeitig mit der Neurektomie einen

8 Stein aus der Gallenblase entfernt hatte, worauf eine Nahtinsuffizienz eintrat. Dies wäre besser unterlassen worden, der Fall belastet die Methode nicht! Der nächste Fall (16.456), ein 65jähriger Kranker, bei dem wegen eines seit 6 Wochen bestehenden infektiösen Ikterus mit Verdacht auf beginnende Zirrhose eine Neurektomie und Cholecystostomie ausgeführt wurde, ist seit 11/ 4 Jahren beschwerdefrei und als Taxichauffeur arbeitsfähig. Und der letzte Fall schlieRlich (13.621), war eine 69jährige, seit 6 Wochen ikterische Kranke mit einer chronischen Hepatitis und beginnender Zirrhose. Zwar konnte die Patientin nach der "erweiterten Neurektomie" ohne Ikterus entlassen werden, doch blieben die Leberfunktionsproben anormal und 6 Monate nach der Operation verstarb die Patientin an der posthepatitisehen Zirrhose mit akuter Leberatrophie. Wir haben also bei 13 intrahepatischen Ikterusfällen 8 gute und 2 schlechte Dauererfolge erzielt und 3 Kranke postoperativ verloren. Unsere Statistik läßt sich mit den Statistiken der anderen Autoren schwer vergleichen, da unser operatives Krankengut hinsichtlich vorangegangener Krankheitsdauer vielfältig ist und wir die Operationsmethoden variiert haben, um die beste herauszufinden. Zu bedenken ist auch, daß die Anzeige zur Operation hinsichtlich des Alters von uns sehr weitgestellt wurde und daß wir während der Berichtszeit keinen Fall abgelehnt haben. Die Isophenolpinselung halten wir für weniger wirksam als die instrumentale Neurektomie. Wir machen sie nicht mehr. Auch die zusätzlichen Drainageoperationen an den Gallenwegen werden nicht gerne ausgeführt, vor allem, weil wir das Auftreten postoperativer Narbenstenosen am normalkalibrigen Choledochus fürchten. Wir sehen in der einfachen instrumentellen Neurektomie den gegebenen Eingriff. Wir sehen für den Eingriff vor allem zwei Indikationsgebiete, und zwar den prolongiert verlaufenden hepatitis ehen Ikterus und die schweren Formen der Leberschädigung durch extrahepatischen Gallenverschluß. Hier scheint sie der äußeren Gallengangsdrainage überlegen zu sein. Es ist auch wahrscheinlich, daß man unter Umständen mit dem Eingriff das Fortschreiten einer beginnenden posthepatitisehen oder sekundären biliären Zirrhose aufhalten oder ihre Entwicklung zumindestens hinausschieben kann. In 3 Fällen gelang uns dies allerdings nicht. Wenn man bezüglich des Zeitpunktes der Operation die Eindrucke der ChIrurgen summiert, dIe sich mit diesem Eingriff befassen - und damit stimmen auch unsere Erfahrungen uberein -, so erscheint es' ratsam, die Neurektomie vorzunehmen, wenn die interne Behandlung innerhalb von zwei

9 Monaten zu keinem Erfolg geführt hat. Diese Frist sollte beim klinischen Verdacht auf Uebergang in Leberatrophie oder, wenn ein zirrhotischer Verlauf droht, unterschritten werden. Es gibt auch andere, über das vegetative Nervensystem auf die Leberfunktion wirkende Eingriffe, wie die peridurale oder paravertebrale N oyocainblockade nach W. D i c k, J. R i e n müll e r oder die endoskopische transthorakale Splanchnicusblockade nach E. Kux, R. Vi lli n ger. Diese Methoden sind schonender als die Neurektomie und könnten auch zuerst einmal versucht werden. Doch geben sie keinen Ueberblick über die Gallenwege und die Leber, was ein gewisser Nachteil ist. Beides, die Einwirkung auf die Leberfunktion und die Möglichkeit zur klaren Diagnose, kann die Mallet-Guysche periarterielle hepatische Neurektomie vermitteln, und deshalb haben wir darüber berichtet. Li te rat ur: Backhaus, F.: Zbl. Chir., 56 (1929), 8.1504. Bramann, C.: Zbl. Chlr., 2 (1949), 8.182. - Caroli, J. und Mitarbeiter: Rey. Int. Hepat., 2 (1952), S.305. - Denk, W.: Wien. klin. Wschr., 39 (1934), S. 1153. - Dick, W.: Klin. Eppinger, H.: Klin. Ws ehr. Wschr., 20 (1941), S. 930. (1929), S.679. - Frangenheim, P.: Zbl. Chir., 24 (1929), 8.1512. - Gros, H.: Med. Klin. (1955), 8.1895. - Haberer, H.: Chirurg, 15' (1938), S.529. - Heller, E.: Kirschner-Nordmann VII (1952), 8.155. - Hoffmann, V.: Zbl. Chir., 37 (1928), 8.2366.'.Howald, H.: Schweiz. med. Wschr., 89 (1959), 8.581. - Huber, O. und Kauseh, W.: Zit. bei HeUer. - Körte, W.: Zit. bei Heller. - Kux, E.: Dtsch. med. Wschr., 78 (1953/2), 8.1590. - Latarjet, A., Bonnet, P. und Bonniot, A.: Lyon chir., 17 (1920), 8.1. - Lehner, A.: Praxis (1957), 8.593. - Derselbe: Arch. klin. Chir .. 282 (1955), S.847. - Mallet-Guy, P.: Arch. kliln. Chir., 284 (1956), S.418. - Mallet-Guy, P. und Eichholz, L.: Verh. Verdauungs- und Stoffwechselskrankh. (1953), S.264. Mallet-Guy, P., Feroldi, J., Eichholz, L. und Michoulier, J.: Lyon ch:ir., 51 (1956), S.45. - Nordmann, 0.: Med. Klin., 42 (1938), S.1391. - Popper, H. und Schaffner, P.: Die Leber. 8tuttgart: Georg Thieme Verlag. 1961, Kap.16 und 47; 8.151, 167, 505 und 537. - Riedweg, M.: Neurectomie peri-artere h:ep. Lyon: Imprim. Gauthier. 1961. - RienmülIer, J.: Verh. dtsch. Ges. inn. Med., 63 (1957), S.304. - Salembier, Y.: Acta gaSitroenter. Belg., 8, 9 (1960), S.768. - Stucke, K.: Aerztl. Wschr. (1958), 8.281. - Derselbe: MÜlleh. med. Wschr., 102 (1960), S.75. Villinger, R.: Dtsch. med. J. (1952/3), 8.150. - Watson, C. J. und Hofbauer, F. W.: Ann. int. Med., 25 (1946), 8.195. -

Y.

Aus dem Pathologisch-Anatomischen und Bakteriologischen Institut der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien (Vorstand: Prosektor Dr. E. Z a nd a n eIl)

Pathologisch-anatomische Untersuchungen bei der periarteriellen Sympathektomie von chronischen Hepatitisfällen Von E. Zandanell Mit 2 Abbildungen Mehrfach hat bereits P. K y rl e in ausführlicher und umfassender Weise Methodik, Indikationsstellung und Anwendungsbereich der periarteriellen Sympathektomie nach Mall e t - G u y bei chronischer Hepatitis geschildert, ihre Ergebnisse aus der Weltliteratur zusammengestellt, in kritischer Stellungsnahme diesen Eingriff gegemiber anderen bzw. kombinierten Emgriffen abgewogen und sachlich über die eigenen Erfahrungen berichtet. Wir hatten Gelegenheit, an Hand von Leberexzisionen anläfHich der Sympathektomie und drei aufschlußreichen autoptischen Untersuchungen näheren Einblick in die feingeweblichen Veranderungen der Fälle P. K y rl e s zu nehmen. Das untersuchte Krankengut umfaBte ausschliefHich Fälle langwährender oder chronischer Hepatitis, welche eine Besserung durch konservative Maßnahmen nicht mehr erwarten ließen und aus diesem Grunde zur chirurgischen Behandlung überwiesen wurden. In allen acht erfolgreich verlaufenen Fällen* ergab sich ein feingeweblich offenbar zufällig weitgehend übereinstimmendes Bild der Probeexzisionen. Fast durchwegs

* Nähere klinische Angaben siehe P. K Yr I c, Wien. klin. Wschr., 25 (1962), S.447.

2 handelte es sich um eine chronische Hepatitis hauptsächlich pericholangiolären Charakters mit dichter lymphozytärer Infiltration und reichlicher Gallengangssprossung in den verbreiterten Portalfeldern, gelegentlicher Cholostase, schweren Leberepithelschäden mit Einzelzellnekrosen und unterschiedlicher Gallepigmentablagerung sowie intraazinären Infiltraten (siehe Abb. 1 a). Die Gallenwege waren in jedem Fall, auch bei dem Patienten mit dem Duodenalgeschwür, unverandert: Es lagen also keinerlei Anzeichen hir einen

a

b

Abb. 1 a. Typisches feingewebliches Bild der chronischen Hepatitisfälle, welche durch Sympathektomie nach Mall e t - G u y erfolgreich behandelt wurden: Chronische überwiegend pericholangioläre Hepatitis mit schweren Leberzellschäden. HE, 90: 1 Abb. 1 b.

Zusätzlicher beschränkter zentraler Parenchymuntergang. HE, 90: 1

extrahepatischen Verschluß mit Cholangiolitis oder Cholangiüs vor. Näherer Betrachtung wert erscheinen uns gerade die erfolglos behandelten Fälle, weil wir bei diesen die Möglichkeit hatten, das Verhalten der geschädigten Leber nach dem Emgriff zu studieren und solcherart wertvolle Aufschlüsse zu erhalten. Bei den geheilten Fällen unterblieb aus äußeren Gründen eine bioptische Kontrolle: Die Leberfunktionsproben waren schließlich mehr oder weniger normal und ergaben meist keinen Anhaltspunkt fur einen weiterbestehenden Leberzellschaden. Der erste der tödlich verlaufenen Fälle - der letale Ausgang kann, wie sich aus dem folgenden ergibt, keines-

3 wegs der Methode angelastet werden - betrifft eine 71jährige Frau, bei welcher auRer den oben geschilderten chronischen hepatitischen Veränderungen der Leber bereits kleine zentroazmare Parenchym verluste festzustellen waren (siehe Abb. 1 b). Hinweise auf eine Cholangitis oder einen extrahepatischen Verschluß fehlten. Die Patientin verstarb an galliger Peritonitis infolge Nahtdehiszenz im AnschluR an die

a

b

Abb. 2a. Ziemlich beträchtlicher Parenchymverlust mit beginnendem bindegewebigem Ersatz nach vollständiger Abräumung des nekrotischen Zellmaterials. HE, 30: 1 Abb. 2b. Sogenannte Narbenleber mit akuter Atrophie innerhalb der Parenchymreste. HE, 30: 1

gleichzeitig wegen eines Gallenblasensteines vorgenommene Cholecystendyse. Postmortal zeigte die Leber einen mäRigen Parenchymverlust mit beginnendem bindegewebigem Ersatz nach vollständiger Abräumung des nekrotischen Zellmaterials und Verminderung der entzundlichen Infiltration (Abb. 2 a). Offensichtlich kam es bei dieser Patientin im AnschIuR an die Sympathektomie zu einem Stillstand des progredienten schweren hepatischen Prozesses: Todesursache war die gallige Peritonitis. Anders verhielt sich der zweite Fall. Bereits in der Probeexzision der 76 Jahre alten Patientin fand sich ein nicht

4

unwesentlicher hepatitisch bedingter Parenchymuntergang. 5 Tage nach Sympathektomie und gleichzeitiger Cholezystektomie entwickelte sich daraus eine akute gelbe Leberatrophie, welche zum Tode führte. Diesmal konnte durch den Eingriff der Zusammenbruch der Leber nicht mehr verhindert werden. Besonders aufschluRreich erscheint uns der letzte Fall. Abermals handelt es sich um eine Patientin hohen Alters (75 Jahre), in deren Leberexzision völlig gleiche feingewebliche Schäden wie im Fall 2 anzutreffen waren. Bei ihr wurde nur eine pariarterielle Sympathektomie nach Mall e tGu y vorgenommen. Der schwere Parenchymverlust heilte zur sogenannten Narbenleber aus, doch kam es nach einem Monat zur akuten Nekrose des großten Teiles der Parenchymreste (Abb. 2b), woran die Patientin verstarb. Wir glauben, aus diesem Verlauf entnehmen zu können, daR der Eingriff bei dem vorliegenden schwerwiegenden hepatitischen Parenchymausfall den katabiotischen ProzeR zwar nicht endgültIg zum Stillstand bringen, immerhin aber verzögern konnte. Soweit wir an Hand der feingeweblichen und zum Teil autoptischen Untersuchungen besondere Kenntnis von den geschilderten Fallen erhalten konnten, erscheint die Vornahme der periarteriellen Sympathektomie nach Mall e t - G u y bei langwährender chronischer HepatitIs von auffälligem Erfolg begleitet und selbst bei bereits bestehenden Parenchymverlusten nicht von vornherein aussichtslos. Li t e rat ur: Kyrie, P.: Lyon chir., 56 (1960), S. 1. Derselbe: Klin M.ed., 16 (1961), S.134. - Mallet-Guy, P. und Eichholz, L.: Verh. Verdauungs- und Stoffwechselkrkh. (1953), S.264. - Mallet-Guy, P.: Arch. klin. Chir., 284 (1956), S.418. Mallet-Guy, P., Feroldi, J., Eichholz, L. und Michoulier, J.: Lyon chir., 51 (1956), S.45. - Riedweg. M.: Neurectomie peri-artere hep. Lyon: Imprim. Gauthier. 1961.

Aus der Medizinischen Klinik der Universität Göttingen (Vorstand: Prof. Dr. R. Sc h 0 e n)

Endokarditis Von R.Schoen Das Thema Endokarditis (E.) ist sehr weit gefaRt. Es umgreift eine ganze Skala klinisch sehr wechselnder Erscheinungen und Abläufe, angefangen von völlig diskreten Formen bis zur schweren allgemeinen Sepsis mit hohem Fieber und Schüttelfrösten. Die Herzklappenentzündung kann dabei das bestimmende Krankheitszeichen sein oder nur eines von vielen Symptomen, vielleicht sogar eine Nebenerscheinung, welche der klinischen Wahrnehmbarkeit entgeht. Unter 5416 Klappenveränderungen waren nur in 14·2010 klinische Erscheinungen festgestellt worden (Hewelke und Mitarbeiter). Das war das Ergebnis von 16.000 Obduktionen. Es liegt auf der Hand, daR die Aufgabe der klinischen Diagnostik dabei sehr vielseitig ist. Es gilt ja nicht nur festzustellen, daR Klappenveränderungen vorhanden sind, sondern - was viel schwieriger zu sein pflegt -diese richtig zu bewerten. Handelt es sich wirklich um eine frische, noch aktive E. oder um einen alten Klappenfehler als Ausheilungszustand einer früheren E.? Oder pfropft sich auf das alte Vitium eine frische oder rekurrierende E. auf? Ist vielleicht die aus dem Geräusch vermutete E. gar nicht vorhanden, sondern liegt lediglich ein akzidentelles Geräusch vor? Solche schwierigen Entscheidungen lassen sich gewöhnlich nicht allein aus dem Auskultationsbefund, auch nicht aus der 'sorgfältigen klinischen Untersuchung des Herzens treffen. Es bedarf stets einer Einordnung des Befundes am Herzen in den Gesamtzustand, aller verfügbaren Laboratoriumshilfen und häufig einer Verlaufsbeobachtung über längere Zeit, um die floride E. richtig

2 zu beurteilen. Die Diagnose der speziellen Form der E. ergibt sich aus dem Verlauf und Gesamtbild dann meist unschwer, wenn die E. als solche erkannt ist. Das zugrunde liegende Leiden zu erkennen, ist allerdings nicht immer leicht. Ein atypisches rheumatisches Fieber ohne Gelenkerscheinungen kann z. B. sehr schwer zu identifizieren sein. Die sich ausbildende E. wird dann ein entscheidendes Argument für diese Diagnose sein, unterstützt durch einen hohen oder ansteigenden Antistreptolysin-O-Titer. Die E. lenta in ihren Anfängen zu erkennen, ist häufig eine Kunst, während das vollsymptomatische Bild recht charakteristisch ist. Wenn ein alter Klappenfehler die Frage des frischen endokarditischen Prozesses offenläßt, die Bakterienkulturen negativ sind, Milztumor und Hämaturie fehlen, wird es kaum möglich sein, einen unklaren Infekt, eine Lymphogranulomatose und vieles andere sicher auszuschließen. Nimmt man die E. als gegeben, bleibt die Differentialdiagnose einer rekurrierenden rheumatischen E. offen. Manchmal hilft das Laboratorium weiter, oft erst die Verlaufsbeobachtung. Tritt z. B. eine arterielle Embolie hinzu, wird die Diagnose der E. lenta sofort klar. Es gentigt, vor diesem Forum diese vielseitige Problematik in der Klinik anzudeuten, zu der sich leicht zahlreiche Beispiele anführen ließen. Trotz aller Fortschritte der klinischen Diagnostik werden die Anfänge der frischen oder rekurrierenden E. oft tibersehen, wenn diese hämodynamlsch nicht wirksam wird und noch nicht zum manifesten Herzfehler geftihrt hat. Die pathologische Anatomie faßt deshalb den E.-Begriff weiter als die Klinik und sieht darin ein recht häufiges Geschehen im Gegensatz zur ärztlichen Erfahrung. Es ist jedoch dem Arzt kein Vorwurf zu machen, wenn er die E. nur in einem beschrankten Kreis ihres Vorkommens erkennen kann. Es bedarf erheblicher Auflagerungen oder Deformierung der Herzklappen, bis registrierbare Geräusche entstehen. Selbst der ausgebildete Herzklappenfehler kann manchmal nur unter Mithilfe spezieller Untersuchungsmethoden, wie der PhonokardlOgraphie, erkannt werden, welche dem menschlichen Ohr in der Geräuschanalyse überlegen ist. Gleichzeitige Anämien, Tachykardien und andere Faktoren erschweren die Beurteilung von Herzgeräuschen erheblich. Die Skala der klinischen E.-Formen beschränkt sich hauptsächlich auf die beiden Hauptformen der abakteriellen und der bakteriellen E., wobei in der ersten Gruppe die rheumatische E. die wesentliche Rolle spielt. Die klinisch "stumme" E. ist nicht minder für das Verständnis der Pathogenese aller Herzklappenentzündungen von großer Bedeutung. Wir müssen uns deshalb den Standpunkt der Pathologen zu eigen machen, wobei ich R. Bö h m i g folgen kann, der speziell mit den Anfängen der E. nachgegangen ist. Sie gehen

3 vom Endokard der Klappenränder aus, nicht primär von den Gefäßen, welche erst später in diese einwachsen. Normalerweise sind die freien Klappen gefäf!los. Die am Anfang stehende "s e r öse" E. beginnt schon in der Kindheit und ist außerordentlich verbreitet. Jede Herzklappe kann befallen sein. Makr()skopisch zeigt sich eine Verquellung und Sklerose am Klappenrand und an den Ansatzstellen der Sehnenfäden. Mikroskopisch finden sich umschriebene warzenförmige und flächenhafte Verdickungen, seröse Verquellungen. Kollagenschwund und Hyalinose. Die Art der Veränderungen läßt auf langfristigen Verlauf über mehrere Jahre schließen. Diese seröse E. ist nach der begründeten Ansicht von Bö h m i g die erste morphologisch faßbare Klappenveränderung und das Vorstadium jeder weiteren E. Eine klinisch-diagnostische Bedeutung kommt dieser Form nicht zu, da sie die Schließungsfähigkeit der Klappen nicht beeinträchtigt. Die Klinik der E. beginnt im Verlauf der se r 0 fi b r inos e n Form, welche zu den beschriebenen Veränderungen noch den Charakter einer fibrinösen Entzündung bietet. Der Hauptrepräsentant dieser Gruppe ist die rh e u m a t i s c h e End 0 kar d i ti s, die Ursache des rheumatischen Herzfehlers. Außerdem findet sich die E. fibrinosa simplex als relativ seltene Begleitkrankheit chronischer Erkrankungen infektiöser und neoplastischer Art, besonders im höheren Alter. Sie wird übersehen, da sie streng auf den Schließungsrand der Klappen beschränkt bleibt. Es bilden sich einzelne Exkreszenzen, die breit aufsitzen und eine interstitielle fibrinöse Entzündung des benachbarten Gewebes. Bei langsam verlaufenden Karzinomen findet sich gelegentlich auf dem Sektionstisch eine solche E. als Nebenbefund. Die rh e u m a t i s c h e E. ist von größter praktischer' Bedeutung, wenn sie auch seit einer Reihe von Jahren zunehmend zurücktritt, da das rheumatische Fieber und mehr noch die Beteiligung des Herzens in Form der rheumatischen Karditis sowohl bei Erwachsenen wie bei Kindern seltener geworden sind. Insbesondere treten die schweren Verlaufsformen zur Zeit weitgehend in den Hintergrund. Es bestehen geographische Unterschiede, die sich zum Teil über Klimafaktoren erklären und letzten Endes mit der Häufigkeit VOll banalen Streptokokkeninfektionen des Nasopharynx zusammenhängen, welche in tropischen Ländern viel seltener sind als in unserem gemäßigten Klima. Außerdem bestehen enge Beziehungen zum Lebensalter der an rheumatischem Fieber (akuter Gelenkrheumatismus, Rheumatismus verus) Erkrankten. Das morphologische Bild der rheumatischen E. besteht aus p,erlschnurartig aneinandergereihten, etwa stecknadelkopfgroßen glasigen Knötchen am Schließungsrand

4

der befallenen Klappen, deren Ränder verquollen sind (B öhm i g). Diese kleinen Wärzchen sind transparent und nicht mit thrombotischem Material behaftet. Ganz überwiegend ist die rheumatische E. an den Mitral- und Aortenklappen lokalisiert. Sie führt zu Verwachsungen der Taschen der Aortenklappen und der Mitralsegel. Außerdem sind dir Sehnenfäden zum Teil verdickt und lassen oft feinste Wärzchen erkennen. Die Folgen der rheumatischen E. und ihrer Rezidive an der Mitralis sind überwiegend kombinierte Mitralfehler, also Stenose und Insuffizienz, wobei der hämodynamische Effekt mehr nach der einen oder anderen Richtung geht. An den Aortenklappen sind die Kombinationen seltener, obwohl Verwachsungen der Kommissuren ein häufiger Befund sind. Die rheumatische E. ist bei Kindern fast stets mit einer Myokarditis verknüpft, nicht so oft mit einer Perikarditis. Oft ist auch das parietale Endokard des linken Ventrikels oder Vorhofs als Ausdruck der Beteiligung verdickt (Wandendokarditis). Die Klinik der rheumatischen E. ist äußerst vielgestaltig. Im Rahmen eines klassischen rheumatischen Fiebers während der akuten Phase auftretende Klappengeräusche weisen wohl stets auf die Beteiligung des Endokards hin, zumal bei gleichzeitig nachweisbarer Myokarditis oder Perikarditis. Pulsbeschleunigung, • Herzklopfen, Ekg-Veränderungen. sind neben dem Auskultationsbefund von Klappengeräuschen, welche an Dauer und Intensität wechseln, für die Diagnose maßgebend. Zeichen von Herzerweiterung oder Hypertrophie mit vitiumbedingter Herzkonfiguration sind erst in späteren Stadien zu finden, vor allem bei rekurrierender E. Diese ist viel häufiger, als sie diagnostiziert wird. Es ist natürlich schwer, bei schon bestehendem Vitium zu entscheiden, ob zusätzliche Geräuschphänomene auftreten. Die Diagnose wird meist aus dem Allgemeinbefund zu stellen sein, wenn ein rheumatisches Rezidiv vorliegt, wenn Fieber, Senkungsbeschleunigung, Tachykardie oder Zeichen beginnender Herzinsuffizienz bemerkbar werden. Das Ekg zeigt zuverlässig frische myokarditis ehe Beteiligung. Die Phonokardiographie läßt manchmal bei wiederholten Aufnahmen Veränderungen im Bild der Klappengeräusche objektiv erkennen, besonders wenn frühere Phonogramme zum Vergleich vorliegen. Viele rheumatische E. entgehen der Wahrnehmung, wenn sie ohne Gelenksymptome verlaufen. Die Anamnese des Herzfehlers ist dann bezüglich eines vorausgehenden Gelenkrheumatismus völlig leer. Eine wichtige Tatsache muß festgehalten werden: von den Klappen ausgehende Embolien gehören nicht zum Bild der rheumatischen E., auch nicht der schweren Form.

5 Embolien aus wand ständigen Thromben der Kammern oder Vorhöfe kommen bei rheumatischen Vitien natürlich vor. Die rekurrierende rheumatische E. ist eine chI' 0 n i s c h e fibröse E., welche der Pathologe als Endstadium nicht nur auf rheumatischer Grundlage häufig sieht, teils mit, teils ohne Klappenfehler, aber stets mit erheblicher narbiger Deformierung von Klappen und Sehnenfäden. Die Chronizität wird hauptsächlich durch die große Rezidivneigung erklärt. Es ist nie zu sagen, ob der ProzeR völlig abgeschlossen ist. Wir mussen uns grundsätzlich damit vertraut machen, daß jede E. viel chronischer verläuft, als wir zu erwarten gewohnt sind und daR eine nachgehende Ueberwachung dringend nötig ist. Die rheumatische E. läuft selten nur in einem Schub ab. das Rezidiv ist das Gewöhnliche. Die Häufigkeit der Rezidive ist unbegrenzt. Sie erfolgen in immer kürzeren Intervallen und lassen die Lokalisation am Herzen immer stärker hervortreten. Deshalb ist es so wichtig, sptHestens nach dem erstell Schub mit einer gezielten Dauerprophylaxe weiterer Streptokokkeninfektionen einzusetzen. Denn die Epidemiologie der A-Streptokokkeninfektion beherrscht das Auftreten des rheumatischen Fiebers und seiner Rezidive. Erst nach funfjähriger RezidIvfreiheit ist man vor weiteren Rückfällen einigermaßen sicher. Von einigen selteneren Formen der E., welche ebenfalls zur abakteriellen Gruppe gehören, müssen wenigstens die wichtigsten erwähnt werden. Die von L ibm a n - S ach s 1924 beschriebene stets ab akt e r i e 11 e E. wird heute mit Recht als kardiale Teilerscheinung des Lupus erythematodes angesehen, bei welchem sie in etwa 80% der Fälle vorkommt CHegglin) jedoch klinisch seltener nachweisbar ist. Sie findet sich entsprechend der Grundkrankheit ganz überwiegend bei jungen Frauen und ist in erster Linie eine parietale E. Die hämodynamischen Folgen sind im Rahmen des Gesamtverlaufs des Erythematodes gering. Die Diagnostik ist mehr auf Grund des Gesamtleidens zu steHe~, wobei der Nachweis von LE-Zellen und des Haserikfaktors wichtig ist, als au; kardialen Symptomen. Am ehesten können systolische Geräusche auf die Herzbeteiligung hinweisen, eine Aenderung der Herzform fehlt gewöhnlich. Andere sogenannte Kollagenkrankheiten befallen das Endokard nur in Ausnahmefällen, am ehesten die Sklerodermie. Auch beim Felty- und Stillsyndrom sind chronische Endokarderkrankungen beschrieben worden, ebenso gelegentlich bei chronischer Polyarthritis. Die end 0 kar dia I e F i b r 0 se tritt beim Säugling als Fibroelastosis endocardica, beim Erwachsenen als E. fibroplastica parietalis mit Eosinophilie CL ö f f I e r) auf. Sie ist bei uns selten und wohl pathogenetisch nicht einheitlich. Wie die Erkrankung des Säuglings geht sie mit einer erheblichen Verdickung des parietalen Endokards einher, welche auf das benachbarte Myo-

6 kard übergreift. Es bildet sich, ähnlich wie von Seiten des Perikards, bei der adhäsiven Perikarditis ein innerer Panzer, welcher die diastolische Erweiterung des Herzens behindert. Die Folge der Einengung der Herzinnenräume, besonders des linken Ventrikels, ist ein geringes Schlagvolumen. Die Symptome sind ähnliche wie beim Panzerherz, doch ist das insuffiziente Herz der Endokardfibrose dilatiert. Die Eosinophilie kann bis zu 10% gehen, verschwindet aber zeitweise. Es liegt nahe, daraus auf ein allergisches Moment zu schließen. Die Häufung in Westafrika könnte eine parasitäre Ursache haben, vielleicht Filariasis. Erreger wurden nicht nachgewiesen, aber positive Komplementreaktionen (M 0 h r). Im übrigen ist die Aetiologie unbekannt. Komplikationen entstehen durch Embolien aus wandständigen Thromben. Die Endokardbeteiligung beim metastasierenden Karzinoidsyndrom betrifft das rechte Herz unter Beteiligung von Pulmonalund Trikuspidalklappen. Wir haben dabei wohl eine humoral bedingte E. vor uns, im Zusammenhang mit vermehrter Bildung von Serotonin. Die Lokalisation spricht durchaus für diese Annahme, da die Substanz aus den gewöhnlich vorhandenen Lebermetastasen unmittelbar ins rechte Herz gelangt. Die klinische Bedeutung der Herzbeteiligung ist gering.

Die letztgenannten, seltenen Formen der E. lassen bestimmte pathogenetische Faktoren erkennen, welche auch für die Gesamtbetrachtung der nosologischen Stellung der abakteriellen E. wichtige Hinweise geben können. Die LibmanSackssche E. ist Teilerscheinung des Lupus erythematodes, bei welchem Autosensibilisierung gegen Kernsubstanzen als wesentlicher Faktor anzusehen ist, welcher im LE-Zellenphänomen durch Nukleophagozytose ausgedrückt und serologisch als LE-Faktor nachweisbar ist. Neuerdings ließen sich verschiedene LE-Faktoren differenzieren (Miescher). Wenn auch die Antigene im einzelnen noch nicht in ihrer ätiologischen Bedeutung überblickt werden können, so liegt der Charakter des Lupus erythematodes als "Autoaggressionskrankheit" nahe. Bei der Lbfflerschen Endomyokardfibrose mit Eosinophilie deutet dIese auf allergische Faktoren. Bei der E. im Rahmen des Karzinoidsyndroms schließlich ist der humorale Faktor des Serotonins nicht zu bezweifeln. Diese E.-Formen sind also nicht infektiös-allergisch, sondern durch humoral übertragene Noxen zu erklären, wobei das parietale Endokard mehr beteiligt ist als die Klappen und nicht ausschlieRlich die linke Kammer befallen wird. Allergie, Autoantikörper und Serotonin stehen also hier als ernsthaft zu diskutierende Faktoren zur Verfügung. Diese Sonderfälle, bei welchen die Fibrose ilberwiegt,

fügen sich gut in unsere modernen Vorstellungen vom Wesen der E. So vielgestaltig ihr klinisches Bild und die Ursachen sind, so nahe stehen sich die morphologischen Veränderungen

7 im Klappenbereich. Es fuhrt eine ziemlich gerade Linie von den ersten Anfängen der "serösen E." Böhmigs bis zur verrukös-fibrinösen rheumatischen E. Wir dürfen die Vorstellungen über die Entstehung des rheumatischen Fiebers nach allem, was wir wissen, auf die rheumatische E., die Carditis rheumatia überhaupt übertragen. Das rheumatische Fieber ist offenbar - daran zweifelt eine immunbiologische Folge des akuteill, niemand mehr manchmal aber klinisch latenten Streptokokkeninfektes. Es ist der Typ einer allergischen Reaktion vom Spättyp durch zellständige Antikörper CC h r ist). B öhm i g und G r a m haben die antigenen Eigenschaften von A-Streptokokken in Tierversuchen geprüft und konnten mit dem gruppenspezifischen Polysaccharid, der C-Substanz, einem Hapten, Veränderungen erzielen, welche dem Charakter von Ag-Ak-Reaktionen aufweisen. Diese Reaktion als einmaliges Ereignis erwies sich über längere Zeit wirksam. Schon K I i n ge und S w i f t hatten früher den Analogieschluß geführt, daß immunbiologische Vorgänge am Zustandekommen der rheumatischen Entzündung beteiligt sind. Das histologische Bild ist vom Antigen weitgehend unabhängig. Es müssen nach B öhm i g noch unbekannte Zusatzfaktoren hinzukommen, welche vom Erreger oder vom Organismus geliefert werden. Nach den Befunden von C a t a n zar 0 und Mitarbeitern müssen lebende Streptokokken vorhanden sein. damit es zum Ausbruch des rheumatischen Fiebers kommt. Noch am neuten Tag nach Beginn der Angina läßt sich durch antibiotische Behandlung dieser Ausbruch verhindern. Zweifellos liegt aber auch eine endogene Bereitschaft des Befallenen vor, Autoantikörper zu bilden. Schließlich wird dem Komplement eine wichtige Rolle L'.uerkannt (V 0 r I ä n der). Am Anfang des örtlichen Geschehens an den Herzklappen steht das Insudat. Daraus entsteht durch Verquellung des kollagenen Bindegewebes eine Randverdickung der Klappen mit WarzenbiIdung. Die nächste Stufe ist die fibrinöse Entzündung mit Vaskularisation der Klappen von innen her. Die beteiligten Faktoren sind vielseitig: die Aenderung der Blutzusammensetzung, der Endothelschaden mit Permeabilitätsstörung an der Blutgewebsschranke, die lokale Schädigung des Klappengewebes sowohl der Zellen wie der Grundsubstanz (B öhm i g). Die ersten Beobachtungen über eine serologisch erzeugte E. berichtete bereits R. Bi e li n g 1930 von seinen hochimmunisierten Serumpferden in den Behring-Werken. Offenbar sind die Herzklappen häufig von Umstimmungsvorgängen betroffen, welche sie zum Erfolgsorgan pathologischer Ag-Ak-Reaktionen machen. Die vielseitigen Möglichkeiten zur Sensibilisierung des Endokards können wir nicht übersehen. Ca v e I t i konnte aber schon 194'1' mit A-Stre'ptokokken und Herzextrakten Autoantikörper gegen Herzgewebe erzeugen, Li n s bur y Wies Autoantikörper gegen Bindegewebe nach. Je nach der Intensität der am Endokard ablaufenden Reaktion sind die histologischen Bilder verschieden. Spätere Reaktionen führen vorhandene Veränderungen weiter.

8 Die Rolle der eh roni s eh en Her d in f ek ti on in diesem Geschehen ist recht zweifelhaft. Die Theorien, die neuerdings sich vom virulenz gedrosselten Erreger auf das immunbiologische Gebiet verlagert haben, sind zahlreich, aber unbewiesen. A-Streptokokken sind in chronischen Zahn- und Mandelherden kaum anzutreffen. Warum rein empirisch die Herdsanierung in Einzelfällen günstig wirkt, ist noch völlig undurchsichtig. Für die bakterielle Infektion veränderter Klappen im Sinne der E. lenta kommt den chronischen Mundherden eine große Bedeutung zu, worauf wir gleich zurückkommen müssen. Das Rezidiv einer rheumatischen E. wird durch Fokalsanierung nicht verhindert. Die Bevorzugung der Klappen des linken Herzens wird gewöhnlich mit ihrer gröBeren mechanischen Beanspruchung erklärt, ebenso wie die endokarditisehen Lokalisationen bel angeborenen Mißbildungen an Stellen von PreBstrahlwirkungen liegen. Wie weit andere Faktoren hinzukommen, bleiht offen. B rau eh fand in 1700 Fällen von E. 1'2% isolierter Rechtsendokarditis. Er weist auf die diagnostischen Schwierigkeiten hin, welche erklären können, daR die Beteiligung der Klappen des rechten Herzens nur ausnahmsweise festgestellt wird. Trotz Angleichung der Druckverhaltnisse im rechten Herzen an diejenigen des link.en Herzens bei schweren Mitralstenosen mit extremem pulmonalem Hochdruck treten dahei keine R-Endokarditiden auf. Warum bald mehr die KlappeI!. bald das parietale Endokard befallen werden, ist ungeklärt. Ein Teil der parietalen Erkrankungen haben mehr fibrösen als entzündlichen Charakter, etwa im Sinne der Wuhrmannsehen Endomyokardose. Die notwendige individuelle Bereitschaft zur Erkrankung an rheumatischem Fieber ist an das Lebensalter gebunden. Vor dem dritten Jahr gibt es kein rheumatIsches Fieber, keine rheumatische E. Der Gipfel liegt bei 10 Jahreil. In bis zu 80% der Fälle von rheumatischem Fieber wurde es von Endomyokarditis begleitet. Mit zunehmendem Alter sinkt die Kurve des rheumatischen Fiebers rasch ab. Die begleitende E. wird dabei vom 30. Lebensjahr zunehmend seltener, man rechnet bei Adoleszenten nur noch 40%, später 20% der Falle - abgesehen von Rezidiveu früherer Schübe. Nur 3% der an Streptokokkenangina Erkrankten bekommen ein rheumatisches Fieber. Die Streptokokkeninfektion bewirkt rund 50% aller Anginen. Sehr wichtig sind larvierte Anginen und Endokarditiden ohne Gelenkschmerzen. So bleibt häufig die Anamnese des rheumatischen Herzfehlers leer. Die Dauer der rheumatischen E. ist, ahgesehen von der kaum genügend ernst emzuschätzenden Rezidivneigung, länger als klinisch angenommen wird. Selbst bei Normalisierung der Blutsenkung braucht sie nicht ab-

9 geklungen zu sein. Von der begleitenden Myokarditis ist ja zu aller Ueberraschung festgestellt worden, daR noch lange Jahre nach einem klinisch manifesten Schub sich bei operierten Mitralstenosen im 'bioptischen Material des linken Herzohres frische Aschoffsehe Körperehen häufig nachweisen lieRen. Die rheumatische Karditis ist also ein eminent ehr 0 n i s ehe s Leiden. Die zweite groRe Gruppe bilden die bakteriellen E., bei welchen sich thrombotische, mit pathogenen Erregern besiedelte Auflagerungen auf den Herzklappen finden. Neben den Erscheinungen des akuten und chronischen Infekts mit Fieber, Milztumor, Nephritis, Anämie finden sich im Gegensatz zu den nicht bakteriellen Formen häufig gröRere und kleinere Embolien im arteriellen Gebiet und meist positive Ergebnisse der Blutkulturen. Es werden zwei Formen unterschieden: die akute septische E. und die subakute ba k t e r i elle E., welche im deutschen Sprachgebiet als E. I e n ta bezeichnet wird. Die a k u t e u I zer ö s - s e p t i s ehe E. ist seit der Aera der Antibiotika aus der Klinik nahezu verschwunden. Wahrscheinlich ist auch bei diesen Formen die Ansiedlung der Erreger, meist von Kokken, auf den Klappen an vorbestehende endokarditisehe Veränderungen gebunden, Die E. ulcerosa ist Teilerscheinung einer allgemeinen Sepsis, spielt aber als sekundärer Sepsisherd (B in goI d) für die Ausbreitung und Unterhaltung der Infektion eine besondere Rolle. Sehr oft ist die septische E. klinisch stumm. In anderen Fällen kommt es durch Zerstörung der Klappen, AbriR von Sehnenfäden, zu akuten Komplikationen. Die sub a k u te b ak terielle E., morphologisch E. ulcera-polyposa, ist durch Sc hot t müll e r 1910 als Krankheitsemheit herausgestellt, aber schon vorher durch Ja c c 0 n cl und 0 sie r beschrieben worden. Der spezifische Charakter als Vuidans-E. wird heute nicht mehr anerkannt, da die verschiedensten Erreger dabei nachgewiesen wurden. Immerhin gehen 90% der Fälle mit vergrünenden Streptokokken einher. Der Nachweis der Erreger ist in der Mehrzahl der Fälle kulturell möglich. Der Krankheitsverlauf ist gewöhnlich febril oder subfebril, als Zeichen der septischen Allgemeinerkrankung finden sich Milztumor und Anämie oft mit Leukozytose, häufig auch Leukopenie, starke Beschleunigung der Blut~enkung, BeteilIgung der Nieren entweder als Herdnephritis oder diffuse Glomerulonephritis. Der Herzbefund ist meist deutlich, um so mehr, wenn die E. lenta sich auf einen vorbestehenden rheumatischen Klappenfehler aufpfropft. Gewöhnlich ist zuerst die Mitralklappe befallen, doch kommt es während der Krankheit meist zur Beteiligung der Aorten-

10 klappen, so daR eine kombinierte Mitral- und Aoreninsuffizienz den häufigsten Befund darstellt. Der Verlauf der E. lenta ist erheblichen Schwankungen unterlegen, ebenso ihre Häufigkeit. Wir stehen noch unter dem Eindruck der Nachkriegswelle, welche erst vor 10 Jahren allmählich abebbte. Man hat mit gewissem Recht von einer Nachkriegsendokarditis (Spang und Gabele) gesprochen, weil sich der Charakter der Krankheit zugleich mit ihrer Zunahme geändert hatte. Diese Aenderung bestand in einem wenig febrilen, sogar afebrilen, schleichenden Verlauf mit geringen Allgemeinerscheinungen. In etwa zwei Drittel der Fälle gelang der Bakteriennachweis im Blut trotz vielfacher Kulturansätze nicht, obwohl an der bakteriellen Aetiologie kein Zweifel möglich ist. Die Vielfalt der Erreger war groR, neben Viridansstreptokokken fanden sich Enterokokken am häufigsten. Milztumor und Aniimie, Senkungsbeschleunigung waren stets nachweisbar, Mikro- und Makroembolien ziemlich häufig. Interessant waren die wechselnden Nierenstörungen. Stets fand sich geringe Hämaturie, jedoch kaum in Form der klassischen embolischen Herdnephritis L ö h lei n s. Herdförmige und diffuse Glomerulonephritis mit Zeichen von Nierenfunktionsstörungen bis zur Niereninsuffizienz wurden beobachtet. Es fanden sich alle Grade bis zur tödlichen Urämie (Heuchel). Die Nachkriegswelle der E. lenta hat ihren Vorgänger in einer ähnlichen Zunahme nach dem ersten Weltkrieg. Damals sind alle Erkrankten verstorben, nach 1945 konnten etwa 70010 von ihrem Infekt durch Penicillin und Streptomycin geheilt werden, starben aber später an der Schwere ihrer Herzstörung (F r i t z e, Sc h 0 e n). Diese Erfahrungen liegen noch so nahe, daR ich hier nicht ausführlicher über die Nosologie der E. lenta zu sprechen brauche. Die Nachkriegsendokarditis war lediglich eine Variante, keine Sonderform der E. lenta. Die zweimaligen Erfahrungen der Nachkriegszeit zeigen aber eindringlich die Abhängigkeit des Krankheitsverlaufes von Umweltsbedingungen, unabhängig vom Erreger. Die bakterielle E. entsteht nicht, wie früher angenommen, durch metastatische Besiedlung gesunder Herzklappen. Selbst bei wiederholtem Einbringen groRer Mengen von Bakterien in dIe Blutbahn von Tieren bleiben die Klappen intakt. es sei denn, daR vorher eine Sensibilisierung stattgefunden hat (D i e tri c h, Sie g m und). Die bakterielle E. ist erst der zweite Akt des Geschehens, nachdem zuvor eine Klappenschädigung, meist durch eine rheumatische E., schon bestanden hat. Sie ist im Kindesalter selten und setzt oft erst nach jahrelanger Vorgeschichte einer rekurrierenden rheumatischen E. ein. Auch wenn eine vorhergehende abakterielle E. klinisch nicht nachweisbar ist, läRt sie sich nicht ausschlieRen,

11 jedoch später anatomisch erkennen. Die Existenz einer primär bakteriellen E. ist unwahrscheinli~h. Die geschädigte Klappe bietet eine bevorzugte Ansiedlungsstelle für bestimmte Keime, ebenso die bei einigen konnatalen Herzmißbildungen entstehenden Endokardreaktionen (?Ofo der Fälle). Das Reservoir für die Bakteriämie bildet die Mundhöhle, der Darmkanal, die Harnwege. Die häufigsten Erreger, die vergrünend wachsenden Streptokokken, sind obligate. Mundparasiten, meist Streptococcus salivarius, die nächst wichtige Gruppe bilden die Enterokokken. Pyogene und hochpathogene Keime erzeugen nur ausnahmsweise eine subakute E. Die große Skala der potentiellen Erreger der E. lenta hat gemeinsom, daß sie keine pyogenen Eigenschaften aufweisen, keine extrakardialen Infektionsherde erzeugen und nur eine geringe Pathogenität gegenüber Laboratoriumstieren besitzen. Die sogenannte Viridansgruppe enthält nicht gruppierbare Streptokokken ohne Gruppenantigen. Ihr vergrünendes Wachstum ist nur eine von vielen divergierenden Eigenschaften, die nicht zur bakteriologischen Charakterisierung genügt. Menschen mit Klappenfehlern sind gegenüber einer E. lenta besonders gefährdet. Hier haben wir eine eindeutige Indikation zur Sanierung von Mandel- und Zahnherden. Allerdings dürfen die Eingriffe nur unter Penicillinschutz durchgeführt werden. Denn es ist vielfach erwiesen, daß nach Extraktionen von beherdeten Zähnen, besonders wenn mehrere in einer Sitzung entfernt werden, sowie nach Tonsillektomie, SIch bakterielle hämatogene Streuungen in hohem Prozentsatz nachweisen lassen (Roads), welche im allgemeinen ohne Folge bleiben, aber bei Vitiumträgern eine E. lenta erzeugen kannen. Mir sind eine Reihe solcher Fälle bekannt, welche unmittelbar im Anschluß an Tonsillektomie oder Zahnextraküonen entstanden. Unter unseren Kriegsteilnehmern mit E. lenta fanden wir in 13010 Träger von Granatsplittersteckschüssen, welche zwar gut eingeheilt waren, sich aber doch als Keimreservoir anbieten. Es ist noch unklar, wie die Affinität der rheumatisch veränderten Klappen zu diesen wenig virulenten verschiedenen Keimen zustande kommt. Voraussetzung zur Besiedelung der Klappen ist offenbar eine genügend massive Infektion und die Erzeugung einer fibrinösen Entzündung, wodurch die Keime abgedeckt und gegen Bakterizidie des Blutes geschützt werden. Wie weit immunologische Vorgänge - Autoantikörper - mitwirken, ist unbekannt. Der subakute oder akute Verlauf einer bakteriellen E. wird durch den Erreger mitbestimmt. Bestimmte Bakterien, z. B. Gonokokken, Meningokokken, führen zur akuten, andere zur subakuten E. Ausnahmen kommen kaum vor. Der subakute Verlauf variiert jedoch beträchtlich, wie die Erfahrung

12 der Nachkriegs-E. mit ihrem abgeschwächten und ziemlich therapieresistenten Verlauf zeigt. Ein Problem der Abwehrlage ist die oft mangelnde Nachweisbarkeit der Bakteriämie trotz sicheren Klappenbefalles bei der Nachkriegsendokarditis im Gegensatz zur klassischen E. lenta. Es sind viele Erklärungen dafür versucht worden (F eIl in ger). Die bestehende Dystrophie durch Mangelernährung, welche die Abwehrreaktionen schwächt, die mangelnde Antikörperbildung durch speziellen Eiweißmangel sind naheliegende, aber undurchsichtige Gründe. Es könnte aber sein, daR die fehlende Abwehr die Ansiedlung wenig pathogener und sich nur langsam vermehrender Keime begünstigt, zumal die Infektionsmöglichkeiten in der Gefangenschaft besonders groß sind bei verwahrlostem Gebiß, Hautund Darminfektionen, Schmutz und engem Kontakt. Dadurch würde auch der Nacllkriegsgipfel bei Kriegsteilnehmern ausschliefllich in den betroffenen Ländern verständlich. Die Empfindlichkeit der Erreger der subakuten bakteriellen E. gegen Antibiotika ist in vitro gut. Doch für die erfolgreiche Therapie mit Penicillin, am besten unter Zusatz von Streptomycin, bedarf es ungewöhnlich hoher Penicillindosen. Es ist nötig, bakterizide Blutspiegel zu erreichen. Bakteriostase durch Antibiotika genügt nicht, da die Mitwirkung der lokalen Immunitätsfaktoren nicht zur Beseitigung der Infektion ausreicht. Die Tetracycline und andere Antibiotika sind deshalb nicht für die Therapie der E. lenta geeignet, ebensowenig Sulfonamide. Bekanntlich muß die Penicillinkur mit mehreren Mega-E. täglich, am besten kombiniert mit Streptomycin, über 4 bis 6 Wochen durchgeführt und meist nach kurzer Zeit wiederholt werden, um Rezidive zu verhindern. Offenbar spielt auch die Umhüllung der Keime mit Fibrin und Blutgerinnseln eine erschwerende Rolle für die Therapie, weshalb überhöhte Penicillinspiegel im Blut erforderlich sind, um das nötige Konzentrationsgefälle zu erzielen. Mit der zunehmenden Häufigkeit der Nachkriegs-E. nahm gleichzeitg diejenige der rheumatischen E. ab, darüber hinaus verläuft diese heute noch wesentlich weniger stürmisch und schwer als früher. Auch die wieder "normalisierte" E. lenta seit nahezu 10 Jahren weist nicht mehr den hochfiebernden, septischen Charakter auf, den der klassische Verlauf früher häufig bot. Es sind also zweifellos Aenderungen der Reaktionsbereitschaft eingetreten. Das Verhalten des Blutes bei den verschiedenen Formen der E. gibt wenig Aufschluß über die in der "Abwehrlage" zusammengefaRten Begriffe. Die Blutbilder sind unspezifisch. Sie zeigen Leukozytose bei akuten, Leukopenie bei hinziehenden Verlaufsformen. Konstante Beschleunigung der Blut-

13 senkung zeigt die Aktivität des Geschehens an. Es dauert oft lange, bis die Senkung zur Norm zurückgeht, wesentlich später als alle klinischen Erscheinungen. Insofern ist die Senkungsreaktion vorzüglich zur Verlaufsbeurteilung geeignet. Die dieser zugrunde liegenden Veränderungen der BluteiweiRkörper beziehen sich auf Zunahme der a2 - und ß-Globuline bei mehr akuten, der y-Globuline bei chronischen Verläufen der E., beides auf Kosten der Albumine. Die damit zusammenhängenden Verschiebungen der Glukoproteine und die Vermehrung des Fibrinogens sind hauptsächlich für die Senkungsbeschleunigung verantwortlich. Die mit Dauer der Erkrankung zunehmende y-Globulinämie ist nur zum Teil durch Antikörperbildung bedingt. Sie ist besonders der E. lenta zugehörig und bei den postendokarditischen Formen höhergradig als bei angeborenen Vitien. Heilung der E. lenta setzt Normalisierung des BluteiweiRbildes voraus. Während die humoralen Reaktionen nur unspezifischer Ausdruck der endokarditischen Prozesse sind und mehr deren Aktivität als ihre spezielle Form widerspiegeln, geben uns die Einblicke in die Pathogenese, so unvollständig sie sind, nicht nur bei der E. lenta, sondern auch bei der rheumatischen E. wichtige Hinweise für die Therapie. Die Behandlung der E. lenta wurde bereits angedeutet. Die rheumatische E. hat lange als völlig therapieresistent gegolten. So gut die allgemeinen Gelenkerscheinungen des rheumatischen Fiebers durch Salizylate und Pyrazolone zu beeinflussen sind, so enttäuschend ist deren völlige Wirkungslosigkeit auf die E. Die Hoffnungen, daR die Anwendung von cortisonartig wirkenden Steroiden neben den anderen rheumatischen Symptomen auch die E. zum Rückgang bringen könnte, hat sich höchstens teilweise erfüllt. Es steht heute wohl auRer Zweifel, daR die schon fortgeschrittene oder rekurrierende schwere E. nicht beeinfluRt, die Entwicklung von Klappenfehlern nicht verhindert wird. Je längere Zeit seit den ersten Symptomen einer rheumatischen E. verstrichen ist, um so geringer sind die Chancen der Cortisonbehandlung. Jedoch besteht bei frischer E. eine gewisse Aussicht, den ProzeR durch Steroide zu beherrschen und die Ausbildung eines Vitiums zu unterbinden. Einsetzen der Therapie sofort zu Beginn des rheumatischen Fiebers vor Feststellung einer E. kann diese wahrscheinlich verhindern. In sorgfältige_n Untersuchungen an 583 E.-Kranken, wovon die Hälfte mit Steroiden behandelt wurde, und Nachbeobachtung über mehrere Jahre, fanden Massell und Mitarbeiter eine eindeutige günstige Hormonwirkung. Allerdings müssen hohe Dosen über genügend lange Zeit (12 bis 16 Wochen) gegeben werden. Kleine Dosen sind weit weniger wirksam. Aspirin war völlig wirkungslos. Schwere Fälle zeigten keinen entscheidenden Nutzen der Steoridbehandlung, wohl aber mittel schwere.

14 Die Geräusche verschwanden, Klappenfehler bildeten sich zurück. Die leichten Fälle, welche an sich eine günstige Prognose bieten, wurden ebenfalls durch große Steroiddosen deutlich beeinflußt. Doch müssen dabei die Nebenwirkungen der Behandlung stärker ins Gewicht fallen als bei den schwereren, prognostisch weniger günstigen Fällen. Unter großer Dosis werden 60 mg Prednison bzw. 6 mg Dexamethason verstanden (Kinderdosis). Zur Vermeidung von Infektion werden alle vier Wochen 5 ccm y-Globulin intramuskulär injiziert. CushingSymptome werden in Kauf genommen. Die günstigen Wirkungen der Steroidbehandlung der rheumatischen E. werden also mit erheblichen, nicht ungefährlichen Nebenwirkungen erkauft. Immerhin bietet diese Behandlung noch bei mittelschweren Fällen vielleicht eine Möglichkeit, schwere Herzfehler zu vermeiden. Leider stehen diesen Erfahrungen auch völlig negative Urteile gegenüber. Die eigenen Erfahrungen reichen zur Beurteilung nicht aus. Die Anwendung von Penicillin jst naheliegend, wenn man die Bedeutung der vorhergehenden Infektion mit A-Streptokokken bedenkt. Dies gilt in vollem Maße für die Prophylaxe des rheumatischen Fiebers überhaupt und damit auch der Carditis rheumatica. Hier ist eine systematische Langzeittherapie mit Penicillin von überzeugender, durch große vergleichende Untersuchungsreihen erwiesener Bedeutung. Da die rekurrierende E. häufig schwerere Klappenveränderungen erzeugt als die erste Attacke, sollten alle Kinder und Jugendliche, welche einmal ein rheuma tisches Fieber durchgemacht oder gar einen Herzfehler davongetragen haben, dIeser Prophylaxe systematisch unterzogen werden, bis sie aus dem gefährdeten Alter heraus sind. Am besten sind 4w6chige Injektionen von 1'2 Mill. E. Benzathin-Penicillin dazu geeignet und ausreichend. Die Frage, ob bei bestehendem rheumatischen Fieber Penicillin vorteilhaft sei, wurde lange Zeit verneint, da der Streptokokkeninfekt ja nur die nicht bakterielle Krankheit auslöst. Neuerdings ist empfohlen worden, während der ersten 10 bis 14 Tage des rheumatischen Fiebers wenigstens mittlere Dosen von Penicillin zu verabreichen, ehe man auf die Dosis für die Dauerprophylaxe übergeht, d. h. zur Therapie 3mal 400.000 E. oral oder 2mal 300.00 bis 600.000 E. intramuskulär, zur Prophylaxe 2- bis 3mal 200.000 E. per os~ täglich oder 1"2 Mill. E. Benzathin-Penicillin intramuskulär monatlich. Der initialen Penicillintherapie des rheumatischen Fiebers wird nachgesagt, daß sie die E. verhüten könne, da sie die A-Streptokokken im Rachen beseitigt. Ihre Anwesen-

heit soll maßgebend für die Entstehung der E. sein (M 0 rtimer, Küster). Da der Verlauf des rheumatischen Fiebers so sehr viel gutartiger geworden ist und die manifeste E. daher

15 seltener wurde, dürfte über diese Frage ein zuverlässiges Urteil noch nicht möglich sein. Immerhin ist diese Therapie wenigstens weitgehend unschädlich und deshalb eher vertretbar als die hochdosierte Behandlung mit Steroiden. Ich habe kurzlich einen Fall von E. lenta gesehen, welcher im Anschluß an eine hochdosierte Cortisonbehandlung entstanden ist, offenbar weil die Abwehrkräfte dadurch geschwacht waren. Die dargelegten Anschauungen über das Wesen der E., die Entstehung des rheumatischen Fiebers, die morphologischen Erkenntnisse und nicht zuletzt die Klinik fuhren heute zu einer mehr einheitlichen Auffassung der verschiedenen Formen der E. Wenn auch noch viele Einzelfaktoren in dem sicher sehr verwickelten Geschehen nicht erfaßbar sind, so darf doch die G run d k 0 n z e p t ion fur sich beanspruchen, daR sie zumindest eine gute Arbeitshypothese, wahrscheinlich aber schon eine echte Brücke zum Verständnis darstellt: die Auffassung namlich, daß die verschiedenen Formen der E. graduelle Unterschiede in einem Allergisierungsprozeß darstellen, der durch eine lokale Antigen-Antikörper-Reaktion zu den bekannten Klappenveränderungen führt. Verschiedene Stadien können sogar gleichzeitig an den Klappen vorkommen. Die Grundlage ist gegeben, seit es Klinge gelungen ist, dem rheumatischen Fieber sehr ähnliche Veranderungen an Gelenken, Muskeln, Myo- und Endokard lediglich durch allmähliche Sensibilisierung von Tieren mit artfremdem Serum zu erzeugen, wozu ein erheblicher Antigenüberschuß erforderlich ist. Es liegt mir fern, die komplizierten Vorgänge auf einen einfachen Nenner zurückzuführen, wie dies allzu gern geschieht. Die Klinik muR ihre eigenen Wege gehen, ohne sich von der Theorie leiten zu lassen. Im Falle der E. treffen sich diese Wege jedoch und laufen zeitweise miteinander. Das scheint mir ein Gewinn für beide, die Klinik und die Arbeit der Pathologen und Serologen, zu sein. Li t e rat ur: Bieling, R.: Verh. dtsch. Ges. inn. Med., 42 (1930), S.438. - Böhmig, R.: Verh. dtsch. Ges. Kreisl.forsch., 20 (1954), S.159. Steinkopff Verlag. - Böhmig, R. und Klein, D.: Pathologie und Bakteriologie der Endokarditis. Springer-Verlag 1953. - Brauch, F.: Verh. dtsch. Ges. Kreisl.forsch., 20 (1954), S.247. - Catanzaro, F. J., Stetson, Ch. A., Morris, A. J., Chamowitz, R., Rammelkamp, R., Stolzer, Ch. H. und Perry, W. D.: Ann. J. Med., 17 (1954), S.749. - Cavelti, P. A.: Arch. Path., 39 (1948), S.148 und 40 (1949), S.158. - Christ, P.: Erg. inn. Med., N. F., 11 (1959), S.379. - Fellinger, K.: Verh. dtsch. Ges. Kreisl.forsch., 20 (1954), S. 225. Steinkopff Verlag. - Fritze, F.: Erg. inn. Med,., 3 (1952), S.117. - Gram, H. G. und Böhmig, R.: Zschr. Immunit.forsch., 119 (1960), S.1. - Heuchel: Erg. inn. Med., N. F., 4 (1953), S.628. - Hewelke, G. und Peters, ß.: Internist. Praxis, 1 (1961), S.167. - Klinge, F.: Virchows Arch., 279 (1931), S.1. - Köttgen, H. und Callensee, W.: Statistische

16 Untersuchg. zum kind!. Rheumatismus: Der Rheumatismus, Bd.34. Steinkopff Verlag 1959. - Küster, F.: Zschr. Rheumaforsch., 20 (1961), S.41. - Linsbury, J., Crossby, W. R. und BeHo, C. T.: Amer. J. Med. Sei., 220 (1950), S.414. - MasselI, B. F., Ihaveri, ~., Czonizer, G. und Barnet, R.: Med. Clin. N. Amer., 45 (1961), S. 1349. - Miescher, P. und Vorlaender, K. 0.: Immunpathologie in Klinik und Forschung und das Problem der Autoantikörper. Stuttgart: G. Thieme. 1957. - Mieseher, P.: Vox Sanguinis, 2 (1957), S.145. - Mohr, W.: Dtseh. Ges. KreisI.forseh., 20 (1954), S.239. - Mortimer, E. A. und Rammelkamp, C. H.: Cire., 14 (1956), 8.1144. - Roads, P. S.: Med. Clin. N. Amer., 32 (1948), S.176. - Sehoen, R.: Verh. dtseh. Ges. inn. Med., 55 (1949), S.419. - Derselbe: Zschr. Rheumaforseh., S.10 (1951), S.1. Spang, K. und Gabele, A.: Areh. Kreisl.-forsch., 16 (1950), S. 52. - Swift, H. F.: Amer. Heart. J., 3 (1928), S.629. - Wuhrmann, F.: Verh. dtsch. Ges. Kreisl.forseh., 20 (1954), S. 176.

Endokarditis im Kindesalter Von K. Kundratitz, Wien Mit '( Abbildungen

Von den Erkrankungen des Kindesalters kommt wohl denen des Herzens sehr groBe Bedeutung zu. Wenn auch ihre Sterblichkeit sehr gesenkt werden konnte, so können sie doch dauernde Einschränkung körperlicher Leistungsfähigkeit bedingen, zu Herzsiechtum und zu Invalidität führen. Aus der Vielzahl der Erkrankungen des kindlichen Herzens soll in vorliegender Arbeit über Endokarditis referiert werden. Die Endokarditis bildet zahlenmäBig den gröfHen Teil der erworbenen Herzaffektionen. Wohl kann es in der Mehrzahl dieser akuten entzündlichen Erkrankungen zu einer Erkrankung des Endokards allein an den verschiedenen Klappen und an der Herzinnenwand kommen, doch ist in nicht wenigen Fällen das Myokard beteiligt, das auch wieder nur fur sich allein erkranken kann, besonders im Säuglings- und Kleinkindesalter. Und schlieRlich kann das ganze Herz als Pankarditis ergriffen sein, wie ich Ihnen später am Krankengut der Wiener Universitäts-Kinderklinik zeigen kann. Was nun die Aetiologie und Pathogenese dieser Erkrankung betrifft, so spielt die rheumatische Erkrankung wohl die gröBte und hauptsächlichste Rolle. Dabei muR der Morbus rheumaticus oder mit anderen Bezeichnungen Febris rheumatica und Rheumatismus verus nicht immer mit einer Polyarthritis verbunden sein. Man nennt dies auch "isolierter Herzrheumatismus". Von manchen Autoren, wie z. B. Wallgren, wird angegeben, daR man, was die Gelenkserscheinungen betrifft, eher eine Abnahme konstatieren kann, dafur aber ein verhältnismäRiges Zunehmen der Herzerscheinungen; sie

2 stehen Jedenfalls im Mittelpunkt der rheumatischen Erkrankungen. Möglicherweise hat sich auch die Disposition dazu g-esteigert. Die Reizüberflutung durch die Zivilisationseinfltisse der Umwelt in der technisch überbetonten und hastenden Jetztzeit sowie die vermehrte Unfallsgefahr können außer ihrer Einwirkung auf das Nervensystem, was die Zunahme der kindlichen Neurosen beweist, auch das Herz ungünstig beeinflussen. Nur als Gedanke sei es aufgefaßt, daß die Wachstumsbeschleunigung und zeitliche Vorverlegung der Prä- und Pubertät dabei eine Rolle spielen, fast verdoppelt sich das Herz an Gewicht in diesem Zeitraum. E. Lorenz, Graz, gibt bei seinem großen Krankengut an, daß 70 bis 750f0 der Fälle von Polyarthritis rheumatica mit Karditis verliefen und daß bis zu 91(2% eine rein kardiaIe Form vorlag. Um nur noch beispielsweise einige Autoren anzuführen, erwähne ich: Don e (Amerika) fand bei rheumatischen Kindern in über 90% der Fälle schon Zeichen einer Karditis; J. Li nd (Stockholm) schreibt von 80 bis 90%, bei denen das Herz ergriffen ist, ebenso F. K ü s t e r (Essen) und E. Stoeber (Rheuma-Abteilung Garmisch-Partenkirchen). Bei meinem Krankengut sind es 81%. Nach jahrzehntelangen Forschungen und widersprechenden Ergebnissen und Anschauungen bezüglich der Aetiologie der rheumatischen Erkrankungen ist man nun tiberzeugt, daß ß-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A das infektiöse Agens mit ihrer Antigenwirkung sind. Diesem Antigen folgt die Antikörperbildung in den Plasmazellen, die sich beim akuten Rheumatismus stark vermehren. Außerdem greift die primäre Noxe das körpereigene Gewebe an, so daß eine AutoAntikörpersynthese hervorgerufen wird. Die Endocarditis rheumatica wird also als eine infektiös-allergische Reaktiollskrankheit aufgefaßt und wird auch als abakteriell bezeichnet, zum Unterschied von echten bakteriellen Endokarditiden. Von manchen Autoren wurde sie bei den Kollagenkrankheiten als Bindegewebskrankheit eingereiht. Bedeutungsvoll und oft entscheidend für das Ausbrechen dieser Krankheit sind die wiederholten Infekte mit den ß-hämolysierenden Streptokokken. An Tonsillen und obersten Luftwegen lassen sie sich nachweisen, fast niemals aber im Blut und an den pathologisch-anatomisch veränderten Klappen. Hier besteht der große Unterschied zu den bakteriellen Endokarditiden, bei denen die Erreger sich im Bereich des Endokards und besonders an den Klappen ansiedeln, wie z. B. Staphylokokken, Streptokokken, besonders viridans und diesem nahestehende Arten, Pneumokokken, Influenzabazillen, Coli, Enterokokken, und auch verschiedene Viren. Eine bakterielle Ansiedlung auf intaktem Endokard kommt nicht zustande. Hierher gehört vor allem die Endocaditis lenta

3 mit dem Streptococcus viridans, die im Kindesalter selten vorkommt. Die Endocarditis rheumatica aber ist ein Wegbereiter fur die Endocarditis lenta, die sich nur auf bereits geschädigten Klappen ansiedelt; in 90% der Lenta-Erkrankungen dürfte dies der Fall sein. Bei 5% der Lenta-Erkrankten besteht ein angeborenes Vitium, besonders bei persistierendem Ductus Botalli. Hier will ich die bakteriellen Endokarditiden und Perikarditiden des Säuglings- und Kleinkindesalters erwähnen, wie wir sie früher öfters bei akuter oder chronischer Sepsis (z. B. vom Nabel ausgehend), bei Pyodermie, Osteomyelitis, Empyem, Otitis media sahen. Vor Einführung der Antibiotika verliefen sie fast immer tödlich. Die folgenden Zahlen geben Aufschluß über das Krankengut der Universitäts-Kinderklinik von 1953 bis 1960. Die Gesamtzahl der Endokarditisfälle betragt 115. Knaben

Madchen

8

Alter bis 6 Jahre ....................... . Alter 6-9 Jahre ....................... . Alter über 9 Jahre ....................... .

10 46

14 31

Gesamt ................................ .

62

53

6

DIe Gesamtzahl der Endokarditisfalle betragt 115. Bei den Madchen ist demnach der Krankheitsbeginn verhältnbmaflig etwas vorverlegt. A n a m n e s e, b z w. a k u t e Beg lei t e r s ehe i nun gen: Rheumatismus (Polyarthritis) ............. . Angina, Tonsillitis, neben der RheumatismusAnamnese ............................. . Angina allein in der Anamnese ......•...... Nach Scharlach ......................... . Nach Appendektomie .................... .

94 (81%)

56

8 5 4

Reine Endokarditis ...................... . Endo-Myokarditis ....................... . Pankarditis .........................•....

77 (67%) 27 (23,5%) 11

Chorea allein oder rheumatische Begleiterscheinung .....•.............................

11

(5 1/ 2

Als Komplikationen Jahre, 6 Jahre, 81 / 2 Jahre) ............................ . Lungenveranderungen bei Pankarditis rheumat.

3 Hirnembolien mit Hemiparesen 4

4 Bei diesen Lungenverilllderungen, die fast nur bei schwerer Pancarditis rheumatica vorkommen, handelt sich um eigenartige weiche, wolkige Verschattungen, die vorwiegend das rechte Lungenfeld einnehmen. Pathologisch-anatomisch handelt es sich differentialdiagnostisch um ein akutes Lungen-

Abb. 1. Lungenveränderungen b~i Pancarditis rheumat. Intensiv!' wolkige Verschattung des rechten Lungenfeldes, links nur kleinere weiche Fleckschatten nachweisbar odem oder die sogenannte rheumatische Pneumonie. Diese Lungenveränderungen werden vorwiegend als ein Teil des generalisierten rheumatischen Prozesses bei Vorliegen einer Herzläsion oder Herzversagen angesehen (Abb. 1, 2 und 3).

Abb. 2 und 3. Weitgehende Normalisierung innerhalb 8 Tagen

6 Nun das klinische Bild und zuerst die Symptome, welche die Endokarditis einleiten können: Blässe, Appetitlosigkeit, Müdigkeit, Nachlassen der Leistungen, Spielunlust, Gereiztheit, sub febrile Temperaturen, also an und für sich nichts Spezifisches, Hinweis auf vorhergehende Infekte oder Anginen und Gelenksbeschwerden, Angaben uber Sensationen III der Herzgegend als Druckgefühl, Pressen oder Brennen, Herzklopfen. Da darf man allerdings nicht vergessen. daß solche Klagen über Herzbeschwerden verhäItnsimäflig öften bei neurozirkulatorischer Dystonie bzw. Dysharmonie vorkommen, bedingt durch vegetativ-nervöse Einflüsse als funktiOllelle Angio-Kardiographie. Erwähnen will ich hier, daß Tachypnoe ohne Lungenbefund pathognostisch für Endokarditis ist; ebenso können abdominelle Schmerzen auftreten, die dann den Verdacht einer Appendizitis erwecken. Der Beginn dieser Erkrankung kann mit hohen Temperaturen einhergehen, die jedoch bei der derzeitigen Therapie rasch absinken. Zur klinischen Symptomatik, die mit ihren klassischen Erscheinungen allgemein bekannt ist, will ich nur sagen, daß im Anfangsstadium der Krankheit die Erscheinungen so gering sein können, daß sie ubersehen werden konnen. Im Vordergrund steht natürlich die Perkussion und Auskultation der verschiedenen Geräuschp an den typischen Stellen, vor allem an den Mitral- und Aortenklappen. Für die Klappenentzündung wird dIe Bezeichnung Valvulitis gebraucht. Die Art der Geräusche. Klangcharakter, Lokalisation dieser, ermöglichen die DIagnose, die Differenzierung innerhalb der ergriffenen Klappen und bis zu einem gewissen Grade die Beurteilung des Schweregrades der Erkrankung. Dafür bleibt aber, wenn ich so sagen darf, als wichtigste Apparatur noch immer das geschulte Ohr des Arztes. Wir konnen aber und sollen es auch zur genauen Differenzierung zur Kontrolle der auskultatorischen Befunde und des Ablaufes der Erkraknung oder vor allem in Fällen, bei denen die Erscheinungen noch gering sind und für unser Ohr nicht oder kaum hörbar sind, von der Phonokardiographie Gebrauch machen. Sie vermittelt uns ein exaktes großes Wissensgut mit ganz neuem wichtigen Einblick in das pathologische Geschehen. Durch die Phonokardiographie kann man die akustischen Phänomene zugleich mit dem Ekg registrieren, Tonhöhe, Stärke und Lage der Geräusche, wie auch die Frequenzen derselben konnen optisch zur Darstellung gebracht werden, was fur uns sehr wichtig ist, denn manchmal können wir eine genaue Differenzierung der Art und Stärke der Geräusche mit dem bloßen Ohr nicht ermöglichen; so entziehen sich z. B. einzelne Töne und ganz leise Geräusche

7 unserem Nachweis, wie z. B. gerade die diastolischen, aber gerade dies ist für die Frühdiagnose und Frühbehandlung einer Endokarditis von großer Wichtigkeit. Schon in der ersten Krankheitswoche können diastolische Geräusche auftreten - für unser Ohr oft kaum hörbar -, die nach Ablauf der akuten Phase wieder verschwinden (Abb. 4). Zur Erfassung des Fnihstadiums einer Endokarditis sind diese aber wichtig. Sie entstehen nur durch entzündliches Anschwellen und Oedem der Klappen, das bei raschem Einsetzen der Therapie wieder zurückgeht. Die Entwicklung einer Stenose braucht längere Zeit. Nebenbei möchte ich aber bemerken, daß

D. W., 6, 11 J.

Ahh. 4. Ek~ und Phonokardiogramm hei akuter Endokarditis. Verschwinden des diastolischen Geräusches nach Behandlung

diastolische Geräusche im allgemeinen ernster zu bewerten sind. Eine genaue Differenzierung durch unser Ohr ist auch bei sehr rascher Herztätigkeit nur schwer möglich. Deber die Technik, die Forschungsergebnisse und ihre Bedeutung auf diesem Gebiete der Herzpathologie liegen zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten vor, von denen ich nur hervorheben mochte die ausgezeichneten Arbeiten R 0 san e 11 i s aus der Grazer Kinderklink Prof. L 0 l' e n z, "Zur Beurteilung der rheumatischen Valvulitis mittels der Phonokardiographie". sowie D. Wolfs (Heidelberg), "Phonokardiographische Verlaufsformen der cortisonbehandelten Endocarditis rheumatica im Kindesalter." Von ebensolcher Bedeutung ist bei der Endokarditis auch die Elektrokardiographie. Sie zeigt uns RhytllIIlUS an und Reizleitungsstörungen, anoxische Zustände und vor allem den Myokardschaden, sowie Lage, Größe und Proportionen des Herzens. Ich kann und brauche auch nicht hier besonders auf die Veränderungen im Ekg näher einzugehen, hinweisen will

8 ich nur auf die Verlängerung der P -Q-Zeit, die als beweisendes Kennzeichen einer rheumatischen Karditis angesehen wird, Bei den akuten Begleiterscheinungen wurde bereits erwähnt, daß in ungefähr einem Viertel der Feille (möglicherweise ist diese Zahl sogar zu niedrig) bei der Endokarditis der Herzmuskel als Myokarditis beteiligt ist; besonders bei der Wandendokarditis ist er fast immer in Mitleidenschaft gezogen. Anderseits kann es beim Rheumatismus auch ZIl isolierter Myokarditis ohne Beteiligung des Endokards kommen. Da es bei dem häufigen Vorkommen von akzidentellen Geräuschen immer wieder Fälle gibt, bei denen eine Differentialdiagnose zwischen anorganisch-funktionell und organisch schwierig ist, wie z. B. bei Verdacht auf Mitralinsuffizienz nach Endokarditis, verwenden wir, wenn um andere Symptome, wie weiche, mehr leise Geräusche an der Herzbasis, die sich bei Lagewechsel ändern, zu keiner Entscheidung fuhren, den Am y In i tri tt e s t na c h K a h I er (Abb. 5 und 6): Bei Riechen an einem Amylnitritrührchen, das vor die Nase gehalten wird, werden innerhalb ungefähr einer Minute die anorganischen akzidentellen Geräusche lauter, während die organischen systolischen Geräusche leiser werden. Nach 11/2 bis 3 Minuten sind dIe Ausgan~swerte wieder erreicht. Das Lauterwerden der akzidentellen Geräusche nach Riechen von Amylnitrit erklärt man durch eine periphere Gefäßerweiterung mit Blutdruckabfall und erhöhter Auswurfgeschwindigkeit bei unverändertem Schlagvolumen. Da durch die Verminderung des peripheren Widerstandes und den Blutdruckabfall ein relativ grüßerer Anteil des Schlagvolumens die Aortenklappe passiert, vermindert sich der Blutruckstrom in die linke Kammer, womit das Leiserwerden des Mitralinsuffizienzgeräusches erklärt wäre; auch wird durch Verkleinerung des Herzens im Amylnitriteffekt der Defekt der Mitralklappen geringer (K und rat i t z und Ca p e k, Mschr. Kinderhk., Bd. 109). Ich erwähne nun Laboratoriumsbefunde, die zur DiagnosesteIlung beitragen und teilweise auch ein Bild über den Ablauf der Erkrankung geben: Hohe Blutkörperchensenkung durchschnittlich über 50 bis 134 nach 1 Stunde, 60 bis 147 nach 2 Stunden. Antistreptolysin-O-Titer erhöht von 400 bis über 5000 E. Erhühung des y-Globulins bis zu Werten von 400/0. Weißes Blutbild meist mäßige Leukozytose und Linksverschiebung. Die Blutgruppe im ABO-System und im Rhesus-

9 System gaben keinen Anhaltspunkt für eine bestimmte Disposition. Soweit man es bei der kleinen Zahl der Rhesus-

seu.l. IN RUHE BASIS mg

F.R.d

IN RUUE

NACH 50"

NACH 110"

I

NACH 38'

NACH 80'

ASS mg

R.H.

IN IWI-IE

NACI1 1;.1'

HAGI 115'

Abb. 5. Amylnitrittest. E'(g un i Phonokardiogramm bei 3 Kindern mit akzidentellen Geräuschen

negativen 19 überhaupt bewerten kann, waren unter diesen Negativen verhältnismäßig mehr schwerere Erkrankungen. Die Blutkörperchensenkung geht bei der jetzt angewandten Therapie schnell zurück, bereits in 8, 14 und

10 21 Tagen zur Norm. Der Antistreptolysintiter und y-Globulin fallen langsamer ab. SCH. R.I,(

IN RUUE ABS mg

NACH 18 '

NACH 150'

~L SCH.E.I,( IN RUUE

NACH 32 '

NACH 90'

ABSmg

IN RUUE IKTUS mg

Abb. 6.

Amylnitrittest

NACH 18"

bei 3 Kindern insuffizienz

NACU 80'

mit typischer Mitral-

Fur einen aktiven endokarditisehen Prozefl spricht das Erythema anulare Leiner. Nun zur Prognose. Therapie und Rezidivpro p h y I a x e.

11 Bezüglich Prognose ist seit Einführung der Antibiotika und besonders der Hormone ACTH, Cortison, Prednison und Prednisolon ein bedeutender günstiger Wandel eingetreten. Die Statistiken aus früheren Zeiten berichten von einer Sterblichkeit von 20 bis 300/0, wohl nicht so sehr während der ersten akuten Erkrankung als an den Folgen der Rezidive und den chronischen Formen mit den schweren Klappenfehlern, Myokarditis, Pankarditis und dem unbeeinflußbaren Herzversagen. Etwas, das wir jetzt nie mehr sehen, aber ich als Assistent immer wieder beobachten konnte, waren die schweren Rezidiyen mit dem Cor bovinum und der Herzinsuffizienz, Fälle, die nach mehrmaligem Spitalsaufenthalt doch ad exitum kamen. Bland und J ones berichteten 1951 aus Amerika, daß von 1000 Rheumatikern ein Drittel im Laufe von 20 Jahren gestorben ist, wohl vorwiegend als Erwachsene. Wie viele von ihnen werden aber als Kinder ihre Herzerkrankung mitgemacht haben. Noch immer ungünstig ist derzeit die bakterielle Endokarditis im Säuglings- und Kleinkindesalter. Ich habe eine Zusammenstellung des österreichischen statistischen Zentralamtes, dem ich an dieser Stelle danke, über die Sterbefälle an Krankheiten der Herzklappen und der Herzinnenhaut von den Jahren 1956 bis inklusive 1960 in ganz Oesterreich. Akute und subakute Fälle: unter 5 Jahren ................. 25 von 5-10 Jahren................. 5 von 10-15 Jahren ............ . . . . . 3 Chronische rheumatische Fälle: unter 5 Jahren.. .. . . . ....... 1 von 5--10 Jahren .............. 11 von 10--15 Jahren .............. 31 Unter den chronischen, nicht rheumatischen Fällen nur 1 Todesfall unter 10 Jahren Auffallend und bezeichnend ist die hohe Sterblichkeitsziffer der jüngsten Jahrgänge mit 25; hier muß es sich wohl meistens um bakterielle Erkrankungen gehandelt haben und ebenso auffallend die Zahl 31 der Todesfälle bei den chronischen rheumatischen Fällen, bei denen es sich sicherlich um Rezidivfälle handelte. Von diesen 31 starben 13 im Jahre 1956, 8 im Jahre 1957 und 6 im Jahre 1958. Die letzten Jahre zeigen eine starke Abnahme, nur 3 Fälle, was wohl schon nach angewandter und erfolgreicher Rezidivprophylaxe aussieht. Die allgemeine Sterbeziffer beträgt jetzt durchschnittlich 1 bis 20/0. Wir haben unter den berichteten 115 Fällen nur ein Mädchen verloren im Alter von 10 Jahren mit Pankarditis

12

adhaesiva und Malazie des Herzmuskels, bei dem die erste Attacke mit Angina und Gelenkserscheinungen 3 Jahre zurücklag. Die Prognose 1st jetzt auch bezüglich eines bleibenden Herzschadens bedeutend besser geworden; wohl hängt dies von der frühzeitigen Diagnose ab und dem Behandlungsbeginn, der Art der Behandlung, von Fürsorge- und Rezidivprophylaxe. Eine vollkommene Ausheilung ohne irgend einen Klappenfehler ist möglich, vor allem bei Einsetzen der TherapIe bei Auftreten der ersten Erscheinungen einer akuten Endokarditis. Je öfter es zu einem Rezidiv kommt, um so eher ist mit einem bleibenden Vitium zu rechnen; jedes RezidIv "beißt" sich in die Klappen weiter ein, und dies muß. zur Klappeninsuffizienz und Stenosen führen. Auch ist die Gefahr einer Pankarditis um so mehr gegeben. Die Therapie wird systematisch durchgeführt, natürlich mit Berücksichtigung des Alters, des Schweregrades der Erkrankung, ob Ersterkrankung oder Rezidiv oder Komplikationen, genaue Beachtung und Kontrolle der Beeinflussung des Krankheitsverlaufes, wie Allgemeinbefinden, Temperatur. Puls, Blutk6rperchensenkung, Blutbild, Herz-, Ekg-, Phonokardiogramm- und Röntgenbefund, Harn (Diurese), Blutkulturen, Rachenabstriche, in größeren Intervallen Antistreptolysintiter und Elektrophorese sowie besonders bei Butazolidinanwendung die Leberfunktionsproben. Wegen Zeitmangel kann ich mich hier nur kurz fassen und bringe Ihnen nun die wichtigste Therapie im Kindesalter: Die althergebrachten Salizylpräparate haben ihren Platz auch bei der modernen Therapie behalten; bei leichten Formen von Rheumatismus ohne jeden Verdacht auf eine kardiale Beteiligung kann Salizyl neben Penicillin als Hauptmedikament verwendet werden. Als obere Dosisgrenze von Aspirin und anderen gleichwertigen Präparaten ein Drittel der Lebensjahre des Kindes in Gramm pro Tag. Wir geben Salizylpräparate auch neben den Hormonen und Penicillin, besonders bei Vorhandensein bei Gelenkserscheinungen; da kombinieren wir auch mit Pyramidon. Bei stärker ausgeprägten Krankheitsersche;nungen verabreichen wir meist an Stelle der Salizylpräparate Butazolidin und Irgapyrin, die als Mesenchymbremser bezeichnet werden, je 2 bis 3 Tabletten (bzw. Dragees oder Suppositorien) oder als Injektion, je 2 bis 3 ccm pro Tag. Bei allen Fällen neben der anderen Behandlung Penicillin. seinerzeit niedere Dosierung 500.000 bis 1 Mi!!. E. und in den letzten Jahren bei der allgemein höheren Dosierung werden 2 Mi!!. bis zu 6 Mill. E. pro Tag durch Wochen hindurch injiziert; bei Besserung zurückgehen mit der Dosis. Bei zu geringer Wirksamkeit zusätzlich ouel Uebergang auf Breitbandantibiotika, wie Aureomycin, Terramycin, Sigmamycin.

13 Reverin. Zur Unterstützung der Antibiotika fallweise auch Sulfonamide. Am bedeutungsvollsten und erfolgreichsten sind wohl ACTH, Cortison, Prednison und Prednisolon in Kombination mit der vorher angegebenen Therapie. Wir sehen dabei überraschend schnelle Besserungen bzw. Normalisierung der Be· funde, wie wir sie vorher nie beobachten konnten. Zuerst verwendete man, auch wir, ACTH-Präparate, dann die Glukoeorticoide Cortison - besser Prednison - oder Prednisolonpräparate, die nun schon unter vielen Namen erzeugt werden. Die Dosierung richtet sich nach dem Gewicht des Kindes und der Schwere der Erkrankung, die Dauer der Darreichung nach der Wirkung:; diese Präparate können Wochen hindurch verabreicht werden. Bei Besserung der Befunde am Herzen, Verschwinden der Gelenkserscheinungen, Normalisierung der Blutkörperchensenkung und der Temperaturen langsame Reduktion der Menge des Präparates oder Weiterbehandlung in Intervallen von zwei bis mehreren Tagen. Manchmal sehen wir beim Abbau der Medikamente wieder eine Exacerbation des Prozesses, so daß wir die Dosis wieder steigern müssen (Durchschnitts dosen von ACTH sind 2 bis 3 mg (E.) kg und Tag, Cortison 5 bis 8 mg, Prednison oder Prednisolon 2 bis 3 mg (kg und Tag). Am Beginn einer schweren Erkrankung können diese Dosen einige Tage hindurch noch gesteigert werden. Bei schweren, mehr septischen Formen geben wir auch ,,-Globulin je 10 bis 20 ccm. Eine große Erfolgsstatistik möchte ich anführen: Don e und Mitarbeiter in SaH Lake City, Amerika, haben rheumatische Kinder, die bei der Ersterkrankung schon über 90010 Zeichen einer Karditis aufwiesen, nach 4 Jahren nachuntersucht; die Gruppe, die unter ACTH- oder Cortisonbehandlung stand, wies nur mehr 4010, die Nichthormongruppe jedoch 60010 rheumatische Vihen auf. Kardiaka werden im akuten Stadium nicht gegeben, wohl aber dann, wenn Insuffizienzerscheinungen auftreten. Wir dürfen das kranke Herz mit seiner gezwungenen Hyperaktivität (Tachykardie) nicht noch aufpeitschen. In solchen Fällen eher ein Sedativum. Treten aber Insuffizienzerscheillungen auf oder kommt es zu Dekompensation, z. B. bei schweren Klappenfehlern oder Pankarditis, so greifen wir vorsichtig zu Strophanthin oder zu Digitalispräparaten, wie Digitoxin, Acetyldigitoxin oder Cedilanid. Ich habe schon öfters auf die ungünstigen Folgen von Rezidiven hingewiesen. Diese Rezidive durch neuerliche Infekte von Streptokokken nehmen häufig einen immer mehr schwereren Verlauf und heilen kaum ohne Defekte aus. Nach allgemeinen Erfahrungen beträgt die Rezidivneigung beim Morbus rheumaticus 50 bis 80010 und ist fast immer mit einem

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neuen Karditisschub verbunden. Dieses Wissen um die ungünstige Auswirkung der Rezidive vermehrte das Bestreben, diese Rezidive zu verhindern. Man ist langsam dabei vorgegangen, verabreichte zuerst durch einige Monate, später durch ein Jahr täglich Sulfonamide oder auch Penicillin täglich oder intermittierend. Heute ist man sich über den Wert der Rezidivprophylaxe im Prinzip einig - verschiedene Ansichten herrschen nur bezüglich der Dauer und der anzuwendenden Medikamente. Während einige Autoren glauben, daß 2 bis 3 Jahre genügen, ist L 0 ren z, Graz, für eine Prophylaxe von über 5 Jahren. Lorenz und Wendler haben beobachtet, daß 88% der Rezidiven innerhalb der ersten 3 Jahre nach der Erstattacke auftreten. Eine ausführliche Stellungnahme erfolgte im Anschluß an die Tagung der Deutschen Gesellschaft fur Kinderheilkunde 1959 bei einer Arbeitstagung rheumatologisch interessierter Kinderärzte, Internisten und Pathologen. Es ist hier unmöglich, darüber zu berichten, das Resultat war ein Eintreten für eine 5jährige Prophylaxe mit Penicillin, entweder täglich oral 200.000 bis 400.00 E. oder als gtinstigere Therapie 4wöc.hige Injektionen von 1'2 Mill. E. eines lang wirksamen Depotpenicillins. Wenn keine Dauerprophylaxe mit Penicillin durchführbar ist, dann bei geringfügigem Racheninfekt therapeutische Dosen von Penicillin so lange, bis die bakteriologische Untersuchung ein Freisein von A-Strep.tokokken ergibt. Es ist nun eine prinzipielle Frage, ob man sich für tägliche orale Gaben von einem Sulfonamid bzw. Penicillin entscheidet oder für eine 4wöchige Injektion. Beide Arten entsprechen einer erfolgreichen Rezidivprophylaxe. Die Tablettendarreichung hat nur den Nachteil des täglichen Einnehmens und der Gefahr einer unverläIllichen Durchführung. während die 4wöchentliche Injektion in dieser Beziehung ein viel sicheres Verfahren ist. An der Universitäts-Kinderklinik wurden bzw. werden je nach der gegebenen Situation beide Verfahren angewendet. Leider gibt es immer einzelne Eltern, die eine Dauerprophylaxe ablehnen, An der Klinik sind nun schon bald gegen 2 Jahre mehr als 60 Kinder in exakt durchgeführte] Rezidivprophylaxe, bei der sich z, B. peroral Madribon täglich 1/4 bis 1J2 Tablette bewährt hat, vollkommen rezidivfrei geblieben, Vom Penicillin gilt als bestes das langzeit wirkende Benzanthin-Penicillin; wir verwenden z. B. davon das Retarpen 1'2 Mil!. E. 4wöchentlich. Ich möchte hier nur ganz kurz auf das Tonsillenproblem eingehen. Die Literatur darüber ist sehr groß und die Ansichten verschieden, bzw. konträr. Einzelne Autoren messen den Tonsillen gar keine Bedeutung bei, während der größere Teil sie als schu ldtragend an der Entwicklung eines Morbus

15 rheumaticus und der Endokarditis ansieht, vor allem an dem Auftreten von Rezidiven. Lorenz, Graz, lehnt die Tonsillektomie als allgemeine Rheumaprophylaxe ab, bejaht sie aber bei bestehenden Klappenfehlern wegen der Gefahr eines Rezidivs und zur Verhütung einer Lentasepsis. Aus der Zusammenstellung meines Krankengutes sahen Sie, dafl von 115 Fällen bei 56, also 50%, in der Anamnese eine vorangegangene Angina angegeben wurde oder es bestanden VERDACI-lTSDIAGNOSE EINWEISUNG DIAGNOSTIK THERAPIE BEHANDLUNGSPLAN

BERUFSBERATUNG

Abb. 7. Schematische Darstellung der ärltlichen Betreuung der Rheuma-Karditis-Kranken nach Prof. Dr. G ras s e r \Mainz)

chronisch-kranke Tonsillen. Ich habe in solchen Fällen nach Ablauf des akuten Stadiums und der Normalisierung der Blutkörperchensenkung die Tonsillektomie als Rezidivprophylaxe durchführen lassen. Ich hoffe, Ihnen einen Ueberblick über die derzeitige Situation der Endokarditis gegeben zu haben. Aus den Zahlen, die ich anführen konnte, sehen Sie und aus Ihrer eigenen Erfahrung wissen Sie, welche Bedeutung dieser Erkrankung zukommt und wie viele Kinder den Gefahren eines dauernden Herzschadens mit allen seinen Folgen ausgesetzt sind. Sie haben aber auch gehört, dafl bei rechtzeitiger Diagnose mit den derzeitigen BehandlungsmögIichkeiten und einer gewissenhaften Rezidivprophylaxe viel Unheil und Tragik vermieden werden kann. Es ist aber nicht nur Pflicht der Kliniken und Krankenhäuser, sich dieser Aufgabe zu unterziehen, es ist eine

11:)

hohe Aufgabe der in der Praxis stehenden Aerzte und Kinderdrzte, hier segensreich mitzuwirken; aber auch eine wichtige Aufgabe für die Schulärzte, denn sie haben die Möglichkeit der Erfassung herzkranker Kinder, ihre Befürsorgung und Ueberwachung. Schematisch soll Abb. 7 die Aufgaben der Klinik und des Hausarztes zur Darstellung bringen. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. K. Ku n d rat I t z, Wien I, Stephansplatz 6.

AU/! der Herzstation des Hanusch-Krankenhauses in Wien (Vorstand: Prof. Dr. K. Pol zer)

Therapie der Endokarditis Von K, Poizer

Mit 1 Abbildung Nach den ausführlichen klinischen Referaten ist mir nun die ehrenvolle Aufgabe gestellt, über den neuen Stand der Behandlung der Endokarditis zu berichten. Ich möchte und kann nur die zwei Hauptgruppen der Endokarditis, nämlich die Endocarditis rheumatica und lenta, herausgreifen, gleichzeitig aber auch die Bemühungen um die Prophylaxe dieser Krankheiten herausarbeiten. Zunächst also zur Endocarditis rheumatica: Sie haben heute eine Fülle von neuen Erkenntnissen über dieses Krankheitsbild gehört. Sie haben auch gehört, wie schwierig im Einzelfall die Diagnose sein kann. Denn nicht nur in den Frühstadien besteht eine "klinische Verborgenheit" (Böhmig und Klein), ja, das rheumatische Fieber ohne Gelenksbeteiligung ist viel häufiger, als man früher annahm, und so wird die Diagnose oft verpaflt. Ich erinnere nur an das Obduktionsmaterial von Böhmig und Klein mit einer Fehldiagnosenrate von 43'3%; in einer späteren Arbeit berichtet Bö h m i g sogar von 60% klinischer Fehldiagnosen, vor allem bei der Endocarditis chronica recurrens. Es soll hier auch noch einmal bei aller Problematik der histologischen Verifizierung der rheumatischen Aktivität aus den Aschoffschen Knötchen der Bericht von Me es sen angeführt werden, der in etwa einem Drittel der bei Operationen von Mitralstenosen abgetragenen Herzohrteilen typische Aschoffsche Knötchen

2 und in einem weiteren Drittel entzündliche Veränderungen oder Thrombenreste fand. Dabei betont dieser Autor ausdrücklich, daf! der histologische Befund in einer Reihe von Fällen auch dann positiv ist, wenn sich klinisch kelll Anhaltspunkt mehr für das Fortbestehen der rheumatischen Entzündung findet. Dazu kommt noch, daf!, wie vor allem Friedbe r g und Vor I ä n der mit Recht betonen, gerade seit dem zweiten Weltkrieg eine besondere Symptomenarmut des rheumatischen Fiebers aufgetreten ist, die so oft als "nervöser Erschöpfungszustand" fehlgedeutet wird. Vor I ä n der weist auf die therapeutisch so wichtige, chronisch-aktive Form der rheumatischen Endokarditis hin, die klinisch gewöhnlich wenig charakteristisch ist, aber deren Intervallstadien fast nie völlig entzündungsfrei bleiben. Gerade diese Fälle aber führen, da sie unerkannt bleiben, zur chronischen Herzinsuffizienz. Eine volle Einigkeit in der Therapie der. rheumatischen Endokarditis besteht eigentlich, wie vor allem immer wieder Stollerman in den USA und Schaub in der Schweiz betonen, in bezug auf einen Gesichtspunkt: die Vernichtung der ß-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A, die sich im Rachen des Patienten mit einem akuten Rheumafieber infolge der vorausgegangenen Infektion befinden. Ein positiver Rachenabstrich kann unsere Handlungsweise nur bestätigen. ein negativer nicht widerlegen, da sehr oft trotz mehrfachei' negativer Rachenabstriche aus herausoperierten Tonsillen die oben geschilderten Keime gezüchtet werden konnten (Nelson). Aus der zahlreich vorliegenden Literatur mochte ich nur die ausgedehnten Untersuchungen in Chile anläf!lich einer Epidemie bringen. Es wurde festgestellt, daf! eme zn Beginn des rheumatischen Fiebers einsetzende Penicillinbehandlung weniger häufig schwere kardiale Komplikationen auftreten läßt (Vaisman). Als Therapie hat sich heute durchgesetzt: Mindestens 10 Tage lang Penicillin, entweder 600.000 E. Procain-Penicillin täglich intramuskulär oder täglich 4mal 200.000 E. Penicillin V per os täglich. Manchmal muf! die Kur verlängert oder wiederholt werden, falls weitere ß-hamolysierende Streptokokken aus dem Rachen gezüchtet werden. Stollerman zitiert einen, wie wir glauben, sehr entscheidenden, oft gemachten Fehler: Um die Streptokokken auszurotten, werden kurzdauernd immer gröf!ere Dosen Penicillin angewendet, anstatt' die Kur mit kleineren Dosen, die einen optimalen bakteriziden Effekt geben, auszudehnen. Allerdings kann in Einzelfällen erst die Tonsillektomie oder sonstige Fokalsanierung, die bei uns stets nach Abheilung des akuten Schubes durchgeführt wird, die Sanierung bringen, bzw. die Rezidivgefahr bannen. Während, wie erwähnt, diese Penicillin-

3 behandlung ziemlich einheitlich in der Welt durchgeführt wird, herrscht über die eigentliche antirheumatische Behandlung keine Einhelligkeit. WIr müssen immer noch mit einer gewissen Resignation feststellen, daß wir bis heute keine Droge besitzen, die das rheumatische Fieber wirklich heilen könnte. Bei einem Symposion über das rheumatische Fieber hat B y w a tel' s zur Frage der Präparatewahl in der anhrheumatischen Behandlung Stellung genommen. Bei Durchsicht der bisher erschienenen Literatur kam der Autor zu dem zwar launigen, aber letztlich doch erschütternden Schluß. daß die einzelnen Aerzte, die bisher die Präparate auf ihre therapeutIsche Brauchbarkeit geprüft haben, in zwei Gruppen einzuteilen sind: In solche mit viel Enthusiasmus und wenig oder gar keinen Kontrollfällen und solche mit fehlendem Enthusiasmus und entsprechenden Kontrollfällen. Bevor ich selbst hier weitergehe, muß ich ein Untersllchungsverfahren herausheben, das wir selbst in den letzten ? Jahren bei allen unseren Endokarditisfällen und einer überg'l'oßen Zahl von Kontrollfällen auf seine Brauchbarkeit hin untersucht haben und das uns in bezug auf die Therapie richtungweisende Anhaltspunkte gibt; ich meine damit den Antiglobulin-Konsumptionstest nach S t e ff e n. Dieser Antigiobulin-Kollsumtionstest besteht darin, daß ein Serum, in dem ein Autoantikörper vermutet wird, mit einem serologisch entsprechenden Substrat zur Beladung des Substrates mit dem Autoantikörper inkubiert wird. Nach Beendigung des Beladungsvorganges werden die Autoantikbrper am abzentrifugierten Substrat durch eine Titerverminderung eines zugesetzten Coombs-Serums nachgewiesen. Dabei wurde eine Serumsubstanz von Autoantikörpereigenschaft gegen Herzgewebe mit dieser Methodik im Blut von Patienten mit rheumatischer Herzerkrankung festgestellt. Wir selbst haben diese Methodik zur serologischen Untersuchung von Erkrankungen mit rheumatischen Schüben am Herzen angewendet und an Hand des klinischen Befundes sowie der übrigen serologischen Befunde überprüft. Ich möchte Ihnen nur dn Schema zeigen, wie man sich heute den immunGlogischen Mechanismus der rheumatischen Herzerkrankungen vGrstellen könnte. An Hand dieses Schemas (siehe Abb. 1), SGll nun unsere Anschauung, die auch therapiebestimmend ist, demonstriert werden: Wir haben heute mehrfach gehört, daß VGn einem Infekt mit hämGlytischen StreptGkGkken Typ A ausgehend, die rheumatischen Erkrankungen entstehen, wGbei gewöhnlich erst wiederhGlte InfektiGnen nach und nach eine bestimmte Bereitschaft zum Ausbruch der Erkrankung darstellen. Der Reiz, der VGn der einmaligen Gder wiederhGlten InfektiGn ausgeht, kann nun einen spezifischen und auch einen unspezifischen Effekt entfalten. Mit dem spezifischen Reiz wird das

4 immunologisch aktive System getrGffen, das darauf mit der Bildung von Antikörpern reagiert. die als Antistreptolysin, Antistreptokinase, Antihyaluronidase usw., bekannt sind. Diese Antikörper werden, wie wir hente gehört haben, bei Streptokokkeninfektionen in einem hohen Prozentsatz gefunden. Der uuspezifische Einfluß trifft das Hypophysen-NNR-System und das vegetative Nervensystem. Die obere lJuere Verbindungslinie zeigt nun den Angriffspunkt der Therapie au. Wenn gleich von Beginn des Infektes an hohe Dosen von Penicillin gegeben werden, wie wir es eingangs erwähnt haben, so gelingt es in den Anfangsstadien, den Infekt abzubrechen. Es ist also die initiale BöSeiti-

jJ ll,;el71o! S/I"eplococcen A spezifiscller Ife/z

{J,-,-,-, ßtj;d(lllg des AV!O.lI7ItKOi"pers . Chern., 316 (1:959), S.209. - 77 Thieilrnann, K., Frooder, H., Richter, G. und Börnig, H.: Zschr. physiol. ehern., 320 (1960), S.58. - 78 Manchester, K. L. und KraM, M. E.: J. bio!. Chern., 234 (1'959), S. 2938. - 79 Luck, J. M., Morrison, G. ood Wi:lbur, L. F.: J. biol. Chern., n (1928), S.151. - 80 Forker, L. L., Chaikoff, I. L., Entenman, C. UllId Tarver, H.: J. biol. Chem., 188 (1951) S.37. - 81 Sinex, F. M., MacMwllen, J. und Hastings, A. B.: J. bio!. Chern., 1'98 (1952), S.615. - 82 Krahl, M. E.: J. bio!. Chern., 200 (1953), S.99. - 83 Manchester, K. L. UjDd Young, F. G.: Bioehern. J., 70 (1958), S.353; 75 (1960), S.487. 84 Wool, I. G. und Krahl, M. E.: Amer. J. Physio!., 1:96 (1959), S.961. - 85 KraM, M. E.: Biochirn. Biophys. Acta, 35 (1959), S.556. - 86 Korner, A. und Manchester, K. L.: Brit. Med. BIlllI., 16 (1960), S.233.

Aus der Medizinischen Universitätsklinik Innsbruck (Vorstand: Prof, Dr. A. Hittmair)

Neuere Ergebnisse über Pathologie und Klinik des Diabetes mellitus Von H. Leubner Schon Na u n y n hat in seinem Buch "Der Diabetes mellitus", das 1906 erschienen ist, 3 Typen dieser Krankheit beschrieben: 1. den Diabetes von Jugendlichen, den reinen Diabetes; 2. den Diabetes der Erwachsenen, meist eine milde Erkrankung; 3. den organischen Diabetes im Verlauf von Erkrankungen, etwa der Leberzirrhose. Mit Beginn der Insulinära, 1923, wurde es möglich, das bis dahin schicksalsmäRige Auftreten eines Komas mit tödlichem Ausgang mit größter Wahrscheinlichkeit zu verhüten. Es gelang, die Diabetiker bei ziemlich normaler Kost mit adäquaten Insulinmengen im Stoffwechselgleichgewicht zu halten. Die Lebenserwartung der Diabetiker stieg mit der Insulinbehandlung beträchtlich an. Daraus erwachsen bedeutende Probleme: 1. das Studium der Genetik des Diabetes; 2. die Früherfassung des Diabetes bzw. der Prädiabetes; 3. das Auftreten von Komplikationen, die bei lang dauerndem Diabetes auch bei bester Einstellung mit Insulin entstehen; 4. die Frage der Möglichkeit der Verhütung dieser Komplikationen. Genetik 10 Jahre nach Beginn der Insulinära, 1933, konnten Pi n c u sund Wh i t e das erste Mal ein gehäuftes familiäres

2 Auftreten des Diabetes mellitus statistisch signifikant nachweisen. Diese Beobachtung gestattete die zwingende Annahme, daR die Anfälligkeit für Diabetes genetisch bedingt ist. Weitere Hinweise für die erbliche Natur des Diabetes mellitus wurden durch viele Studien an Zwillingen erbracht. Bei monozygoten Zwillingen war die Häufigkeit gröRer als bel dizygoten Zwillingen. Da die monozygoten Zwillinge keine vollständige Konkordanz der Symptome zeigen, muR Umweltfaktoren für den Verlauf des Diabetes eine wichtige Rolle zugeschrieben werden. Die Annahme, daß der Diabetes mellitus durch einen rezessiven Erbgang bedingt ist, ist endgültig gesichert. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß in folgenden Generationen die Krankheit in einem immer früheren Lebensalter auftritt. Aus den Studien, die vor allem im letzten Jahrzehnt von S t ein be r g durchgeführt wurden, geht noch nicht klar hervor, ob Homozygose an einem oder an mehreren Punkten die Anfälligkeit für Diabetes verursacht. Die genetischen Untersuchungen wurden an manifesten Diabetikern und deren Familien durchgeführt. Von besonderem Interesse für die Genetiker wäre die Einbeziehung der latenten Diabetiker, der Prädiabetiker, in die statistischen Untersuchungen. Für den Genetiker ist dieses Problem von besonderer theoretischer Bedeutung. Für den Arzt und für den Patienten ist die Frtiherfassung des Diabetes mellitus von enormer praktischer Bedeutung. Es gibt verläRliche diagnostische Kriterien, die es ermöglichen, bisher unverdächtige Personen als Diabetiker zu erfassen. Hierher gehören: 1. der orale Standard-Glukose-Toleranz-Test (GTT) für die frühzeitige Entdeckung eines bestehenden Diabetes mellitus; 2. der Cortison-Glukose-Toleranz-Test (CGTT) für die eventuelle Vorauserkennung eines zukünftigen Diabetes mellitus; 3. der intravenöse Tolbutamid-Test ohne und mit Cortison. Fa j ans und Co n n führen den GTT folgendermaßen durch: Zuerst 3 Tage lang täglich 300 g Kohlehydrate. Die Zuckerbelastung erfolgt mit 1'75 g/kg Sollgewicht. Die Kriterien für eine diabetische Blutzuckerkurve sind ein Blutzuckerwert von über 160 mgOfo nach einer Stunde, und von über 120 mgOfo nach 2 Stunden. Der CGTT wird wie folgt durchgeführt: 50 bis 70 mg Cortisonazetat per os 81/ 2 Stunden und 2 Stunden vor der Glukosegabe. Die Kriterien für eine diabetische Blutzuckerkurve sind ein 2-Stunden-Wert von über 140 mgOfo. Für die Gesamtbev6lkerung ergibt sich eine Häufigkeit an manifestem Diabetes von iO G/ GG und an latentem Diabetes

3 von ebenfalls 10% 0 , Es kommt also auf jeden manifesten Diabetiker ein bisher noch unbekannter latenter Diabetiker. Sch wangerschaft und Prädiabetes Die Schwangerschaft ist ein Ereignis, durch das ein bisher latenter Diabetes manifest werden kann oder sich in der Nachkommenschaft indirekt zu erkennen gibt. Der Grundgedanke bei der Untersuchung der Fragestellung: ,.Schwangerschaft und Prädiabetes" muR sein, daR diejenigen, die schlief!lich manifest diabetisch werden, mit der Disposition zur Erwerbung dieser Krankheit geboren werden. Im Laufe des Lebens ist der Organismus verschiedenen StressSituationen llusgesetzt, z. B. Infekte, Fettleibigkeit, bei Frauen eventuell Schwangerschaft. Wie lange es braucht, bis ein Diabetes manifest wird, hangt von den Erbfaktoren einerseits und von der Zahl und Intensität der Stress-Situationen anderseits ab. Der Verdacht auf das Vorliegen eines Pradiabetes ergibt sich bei Geburt von Riesenbabies, Totgeburten, Tod bald nach der Geburt, Abortus, Toxikose und angeborenen AnomalIen. Wilkerson in Boston hat auf folgendes geachtet: 1. allfällig pathologischer GTT während der Schwangerschaft im Zusammenhang mit klinischen Symptomen des Prädiabetes (Riesenbabies usw.); 2. ob solche Frauen tatsachlich später an manifestem Diabetes erkranken; 3. ob Kinder solcher Mütter öfters an Diabetes erkranken als Kinder gesunder Mütter; 4. Versuch, ob Insulinbehandlung während der Schwangerschaft diesbezüglich vorbeugend wirken kann. Allgemein wird angenommen, daR eine Schwangerschaft die diabetische Stoffwechsellage häufig verschlechtert, daR sie .den Insulinbedarf erhöht und sogar einen fluchtigen Diabetes hervorrufen kann bei einer vorher gesunden Frau, die auch nachher wieder gesund erschemt; eine Schwangerschaft scheint wirklich einen Prädiabetes aufdecken zu können. J ackson berichtet über eine Frau, die im achten Monat ihrer ersten Gravidität im diabetischen Präkoma in das Krankenhaus eingeliefert wurde. Zwischen den folgenden Schwangerschaften war der GTT normal, nur der CGTT zeigte die Tendenz zum Diabetes auf. SchliefHich wurde die Frau nach einer Mastitis dauernd diabetisch. Ja c k s 0 n beschreibt auch GefaRstörungen (Augen, Nieren), die während der Schwangerschaft beginnen oder sich verschlechtern und nach der Geburt sich wieder bessern. Ja c k so n untersucht die Frage, ob dIe Schwangerschaft fur eine gesunde Frau diabetogen wirken kann: Der GTT war

4 bei graviden gleich wie bei nichtgraviden gesunden Frauen, während der CGTT deutlich höher war als in der Kontrollgruppe. Nach der Geburt war der CGTT wieder normal. woraus geschlossen wird, daß die Gravidität eine StressSituation darstellt, daß sie aber für sich allein nicht diabetogen wirkt. J ackson faBt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: 1. Die Schwangerschaft ist für eine gesunde Frau nicht diabetogen; 2. die Schwangerschaft hat einen flüchtigen diabetogenen Effekt bei prädiabetischen Frauen und bei bereits bestehendem manifesten Diabetes; 3. es konnte kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, daß die Gravidität einen dauernden diabetogenen Effekt ausuben wurde. K 0 c h und Mitarbeiter geben an, daß das zu Diabetes fuhrende Gen auch Mucoviscidosis bedingen kann und daß der NachweIS von Mucoviscldosissymptomen daher als Test fur dIe Erkennung eines Prcidiabetes herangezogen werden konnte. A n g i 0 p a t h I e, Neu r 0 p a t h i e La r sen hat 1960 die, Ergebnisse seiner Studien uber dIe diabetische Retinopathie mitgeteilt. An der Entstehung der diabetischen Angiopathie sind wahrscheinlich mehrere Faktoren beteiligt: 1. eine Erhöhung verschiedener Fettfraktionen im Serum; 2. eine Mengenänderung von Mucopolysacchariden im Serum; 3. die proteingebundenen Kohlehydrate und die Hexosaminfraktion sind im Serum a) normal bei Diabetes ohne Komplikationen an Augen oder Nieren, b) erhoht bei Diabetes mit Komplikationen an Augen oder NIeren. Es kann aber nicht gesagt werden, ob diese drei Gruppen von Veranderungen eine Vorbedingung für die Entstehung der Angiopathie smd, oder ob sie sich erst nach Auftreten der Angiopathie entwickeln; 4. die Möglichkeit der Bedeutung einer HVL-NNRHyperaktivitcit für die Entstehung einer diabetischen Angiopathie wurde vielfach untersucht, jedoch konnten keine einwandfreien Unterschiede in den nach Alter, Geschlecht, Azidoseneigung, Komplikationen unterteilten Untersuchungsgruppen gefunden werden.

5 La r sen erwähnt auch, daR die Aehnlkhkeit des histologischen Bildes der retinalen und renalen GefäRschädigungen annehmen leiRt, daR beide Erkrankungen Manifestationen des gleichen pathologischen Prozesses sind; es sind Ausdrucksformen einer ausgebreiteten diabetischen Angiopathie. Auch in ExtremitätengefäRen wurden nach Amputation (wegen Gangrän) charakteristische Veränderungen an den kleinen Arterien und Arteriolen gefunden: Endothelproliferation und Ablagerung von PAS-positivem Material in der GefäRwand. S abo u r und Mitarbeiter fanden im Elektronenmikroskop bei jungen Diabetikern im Frühstadium der Erkrankung bereits Veränderungen in den NierengefäRen, ohne daR klinische Zeichen einer Nephropathie vorhanden waren. Eine Beziehung zur Erkrankung der groRen GefäRe besteht darin, daR die Atherosklerose der groRen GefäRe bei Diabetikern häufiger ist, ausgeprägter ist und früher im Leben beginnt als bei Nichtdiabetikern. Das histologische Bild der GefäRwand zeIgt bei gewöhnlicher Färbung keinen Unterschied zur Atherosklerose der Nichtdiabetiker; aber histochemische und biochemische Studien der KoronargefäRe, der Aorta und der Muskelarterien zeigen Unterschiede der chemischen Zusammensetzung der Arterienwand beim Diabetiker und beim Nichtdiabetiker. Der Erkrankung der groRen GefäRe kommt beim Diabetiker eine enorme Bedeutung zu. Der behandelnde Arzt sollte sich bei seinem therapeutischen Handeln· immer den Satz J oslins vor Augen halten: "Der Diabetiker lebt und stirbt im arteriosklerotischen Alter." La r sen glaubt a uch di~ Pathogenese der diabetischen Neuropathie vom Blickpunkt der Angiopathie aus beurteilen zu können: Intraneurale vaskuläre Veränderungen in Form von PAS-positiven hyalinen Ablagerungen in der GefäRwand und Verdickung der GefäRwand mit Einengung der Lichtung wurden gefunden. Die diabetische Neuropathie kann verursacht werden durch eine diabetische Mikroangiopathie. Für die Beurteilung der Pathogenese der diabetischen Neuropathie sind jedoch auch andere Blickpunkte maRgebend: 1. Die Neuropathie kann auftreten gleichzeitig mit Beginn des Diabetes; 2. die Neuropathie kann auftreten bei guter Einstellung des Diabetes; 3. die Neuropathie hat keine Beziehung zur Dauer und Schwere des Diabetes; 4. die Neuropathie kann sogar die erste Manifestation des Diabetes sein;

6 5. es gibt ein paradoxes Entstehen einer, Neuropathie nach Erreichen einer guten Einstellung des Diabetes; 6. die Neuropathie kann Stress-Situationen folgen, wobei eine relativ konstante Latenzperiode beobachtet wird; i. Insulin ist wichtig für den Ablauf der lokalen Stoffwechselvorgänge im peripheren Nerven. Ellenberg verneint nicht, daR lang dauernde, schlechte Einstellung des Diabetes mellitus die Entstehung einer Neuropathie begünstigen kann. Er betont jedoch, daR Neuropathie auftreten kann und auftritt, unabhängig vom Bestehen, Dauer und Ausmaß einer Hyperglykämie. Es wird immer mehr darauf hingewiesen, daß der Diabetes mellitus ein komplexer Krankheitsprozeß ist, bei dem die Störung des Kohlehydratstoffwechsels nur ein einzelnes Geschehen ist, dem die Gefäßschädigung und die Schädigung des Nervensystems parallel zuzuordnen sind. Von diesem Gesichtspunkt aus wäre die diabetische Neuropathie ein integrierender Bestandteil des vielgestaltigen diabetischen Syndroms und nicht das Endergebnis einer fehlerhaften Einstellung des Kohlehydratstoffwechsels. In den Fällen, in denen der Neuropathie eine StressSituation vorausgeht, scheint irgend ein toxischer oder metabolischer Faktor maßgebend zu sein. Diese Annahme beruht auf dem Nachweis eines relativ konstanten Zeitintervalles, das unabhängig ist von der auslösenden Ursache und ähnlich ist der Latenzperiode verschiedener Typen von Neuritis, etwa der Impfneuritis usw. Irgend ein Sensibiliserungsmechanismus konnte über einen metabolischen Faktor nach einer Latenzzeit das Krankheitsgeschehen auslösen. Die Osteopathien und Arthropathien des Diabetikers hängen von zugrunde liegenden Störungen im zugehörigen Gefliflsystem und Nervensystem ab. Leber - Diabetes mellitus

er e u t z f eId schreibt in seinen Untersuchungen übel" die Beziehungen zwischen Leber und Zuckerkrankheit: 1. Wirkungen von Lebererkrankungen auf den Diabetes: . 1. Lebererkrankungen führen nicht regelmäßig zu Störungen des Kohlehydratstoffwechsels; 2. a) Spontanhypoglykämien sind selten, b) Spontanhyperglykämien (manifester Diabetes) sind häufiger; 3. eine Lebererkrankung ist grundsätzlich als prädiabetischer Zustand zu bezeichnen. Bei Glukocorticoidtherapie bei Leberzirrhose entsteht häufiger ein Steroiddiabetes als bei Gesunden;

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4. Ursachen eines hepatogenen Diabetes können sein: a) eme verminderte Glukosetoleranz, b) eine verminderte Insulinempfindlichkeit, c) eine Pankreasschädigung als Folge der Leberschädigung.

H. WIrkungen eines Diabetes mellitus auf die Leber: 1. die Entstehung einer Fettleber; 2. der Uebergang einer akuten Hepatitis in eine chronische Hepatitis und Zirrhose ist bei Diabetikern häufiger als bei Nichtdiabetikern; 3. die _Leberbehandlung ist genau so wichtig wie die Diabetesbehandlung ; Vitamin Bs Nach J amada verbessert das Vitamin B6 die Verwertbarkeit des Insulins und bewirkt einen höheren Insulinspiegel im Blut. ' B ritt I e Dia b e t es Beim Problem des labilen Diabetes (BritHe Diabetes) muß man immer versuchen festzustellen, ob der Arzt labil ist, ob der Patient labil ist, oder ob der Diabetes labil ist. Charakteristisch ist, daß bei diesen Patienten sehr wenig oder kein endogenes Insulin vorhanden ist. Dementsprechend sind die therapeutischen Richtlinien: 1. gute Verteilung der Nahrungszufuhr über den ganzen Tag; 2. sorgfältige Auswahl der Art des Insulins oder der Insuline, der Menge des Insulins und der Injektionszeiten; 3. gleichmäßige körperliche Bewegungen jeden Tag; 4. Unterstützung der Behandlung mit Biguaniden; 5. Unterstützung der Behandlung eventuell auch mit Fruktose. Fruktose Auf die Bedeutung der Fruktose, die insulinunabhängig verwertet werden kann, braucht hier in Oesterreich nicht näher eingegangen Zu werden. Bei peroraler Gabe entsprechender Mengen kommt es nur zu einer geringfügigen Umwandlung von Fruktose in Glukose in der Darmwand. Etwa 90% der zugeführten Fruktose erreichen als solche die Leber und greifen dort insulinunabhängig in den Stoffwechsel ein. Kürzlich hat Fr 0 e sc h nachgewiesen, daß auch das Fettgewebe ein Enzymsystem besitzt, das für Fruktose spezifisch ist, ähnlich dem Enzymsystem der Leber. Der therapeutischen Verwendung von Fruktose bei Diabetes, die sich

8 jetzt schon sehr bewährt, steht wahrscheinlich eine große Zukunft bevor. Insulinbindende An tikörper. 1. Insulinbindende Antikörper erscheinen einheitlich 1 bis 3 Monate nach Beginn einer kontinuierlichen Insulintherapie; 2. Nachweismethoden: a) Insulin- J131-Elektrophorese oder -Chromatographie, b) Stärke-Elektrophorese, c) Zellulose-Säulen-Chromatographie, d) Ultrazentrifugieren von Insulin - J131- AntiserumMischungen, e) Präzipitation des Insulin-AK-Komplexes mit spezifischem Kaninchen-An timenschenglobulin-Serum, f) Hämolyse von insulinsensibilisierten Erythrozyten, 3. der Komplex wandert zwischen ß- und y-Globulin; 4. die Antikörper bewirken: a) verlangsamtes Verschwinden des Insulins aus dem Blutstrom, b) Schutz gegen die Leberinsulinase, c) Schutz wahrscheinlich auch gegen andere zerstörende Enzyme; 5. wenn Antikörper in großen Mengen vorhanden sind, entsteht das klinische Bild der Insulinresistenz; a) die insulinbindende Fähigkeit des Normalserums ist 10 E./I Serum. b) bei Insulinresistenz ist sie 60 bis 500 E./I Serum; 6. die Wirkung der Antikörper auf den Insulinbedarf hängt außer von der Konzentration der Antikörper im Serum auch von der Bildung und Dissoziierung des Insulin-Antikörper-Komplexes ab, die ihrerseits wieder abhängt von der Reaktionsgeschwindigkeit zwischen Insulin und Antikörper und von der Geschwindigkeit der immunologischen Elimination der Komplexe. Die Reversibilität der Insulin-AntikörperKomplexbildung kann eine verspätete Insulinwirkung zur Folge haben, sogar noch einige Tage, nachdem große Mengen von Insulin zur Behandlung einer Insulinresistenz gegeben wurden; ? Rinder- und SchafinsulinG werden stärker gebunden als Schweine- und Pferdeinsuline.

Perorale Therapie des Diabetes mellitus Biguanide Die Biguanide wirken auch am pankreasektomierten Tier, ebenso bei vollständigem Alloxandiabetes.

9 Sie wirken nicht durch Stimulierung der Insulinproduktion der ß-Zellen. Sie bedürfen zur Ergänzung ihres eigenen blutzuckersenkenden Effektes gewisser Mengen endogenen oder exogenen Insulins. Ein vollständiger Ersatz des Insulins ist auch mit Biguaniden nicht möglich. Der eigentliche Mechanismus dieser Substanzen ist noch unbekannt. Die Annahme einer Steigerung der anaeroben Glykolyse ist eine nicht mehr haltbare Theorie. Wenn die Biguanide den oxydativen Stoffwechsel durch die Blockierung einzelner Fermentsysteme stark einschränken und an Stelle der Hyperglykämie eine Anhäufung von Metaboliten der anaeroben Glykolyse hervorrufen würden, so mußte sich dies in erster Linie in einer konstanten wesentlichen Erhöhung der Milchsäurekonzentration im Blut, in einer erheblichen Laktaturie und in beträchtlichen Gewichtsverlusten der Patienten äußern. All dies trifft mit Sicherheit nicht zu. Daher a) kann es sich entweder nur um eine kurzfristige Steigerung der anaeroben Glykolyse handeln oder b) die experimentell beobachtete Steigerung der anaeroben Glykolyse spielt für die Blutzuckersenkung keine Rolle. Für die letzte Anschauung spricht die Tatsache. daß manche Biguanide trotz Blutzuckersenkung bei bestimmten Tierarten den oxydativen Stoffwechsel vollkommen unbeeinflußt lassen und daß umgekehrt mit anderen Biguaniden im Experiment wohl eine Steigerung der anaeroben Glykolyse. aber keine Blutzuckersenkung hervorzurufen ist. Ob die Blockierung einzelner Enzyme oder Enzymsysteme durch die Biguanide für den Wirkungsmechanismus in der Praxis überhaupt eine Rolle spielt, scheint bei den im Experiment verwendeten außerordentlich hohen Biguaniddosen fraglich zu sein. Alle bisherigen Untersuchungen und Befunde reichen nicht aus, die Wirkungsweise der Biguanide auch nur annähernd zu klären. Sulf on y lharnstoff e Frage der Pathogenese des Altersdiabetes (nach P f e i f e r und Mitarbeiter) Wie aus dem Erfolg der eine Insulinausschüttung herbeiführenden peroralen Behandlung bewiesen wird, ist das vom Altersdiabetiker gebildete Insulin biologisch aktiv und wird nicht durch Hemmfaktoren vollständig neutralisiert. Es scheint möglich, daß der pathogenetisch bedeutsame endokrine Defekt beim Altersdiabetes aus einer nur funktionell faßbaren Störung von Insulinbildung und -ausschüttung besteht, daß die Dynamik der Insulinsekretion beim Altersdiabetes nicht in der beim Stoffwechselgesunden gewohnten Weise funktioniert

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und daR erst unter Belastung die tatsächlich bestehende Herabsetzung der funktionellen Kapazität der Druse offenbar wird. Zur Klärung dieser Frage dienen Belastungsversuche:

.'t S H

1. MIt Traubenzucker 2

3' m~t . ml

Wachsums t h ormon

1und mit Bestimmung der nsu lila kt'lVI·t··t· a 1m _Serum [1'

vor und nach Gabe dieser Substanzen.

ad 1. Bei der Dextrosedoppelbelastung nach S tau bT rau g 0 t t kommt es zu keinem Insul~nanstieg im Blut. Es liegt also beim Altersdiabetes eine weitgehende Starre der Insulinsekretion gegenüber dem physiologischen Reiz des Glukoseanstieges vor, die zwar zur ausreichenden Anpassung an den wechselnden Blutzuckerspiegel unfähig ist, aber doch azidotische Entgleisungen verhindern kann. ad 2. Durch SuH wird diese Starre der Insulinsekretion durchbrochen. Der Altersdiabetiker kann auf diese Substanzen noch mit einer Ausschüttung von Insulin reagieren. Es besteht jedoch, im Vergleich zum Gesunden, eine verzögerte Regeneration mobilisierbarer Insulinreserven nach erzwungener Ausschüttung; also tatsächlich eine, wenn auch inkomplette, Insuffizienz der Insulinbildung. ad 3. Diese Insuffizienz der. Insulinbildung wird noch deutlicher sichtbar, wenn das Inselzellsystem des Altersdiabetikers einer noch stärkeren Belastung ausgesetzt wird, nämlich der Gabe von Wachstumshormon. Bei Dauertropfinfusion dieses Hormons ist der Altersdiabetiker zu einer kontinuierlich erhöhten Insulinsekretion nicht fähig. Bezüglich der Fragestellung der Endokrinologie der Funktionsstörung des Altersdiabetes zeigt sich also auch hier, daR der Altersdiabetiker im Vergleich zum Gesunden nur auf 'eine begrenzte Fähigkeit zur Insulinmehrproduktion bei kontinuierlicher Mehranforderung an den Inselapparat verfügt. Man kann also auch beim Altersdiabetes auf eine einwandfrei herabgesetzte Inselfunktion schließen, die als eine inkomplette ß-Zelleninsuffizienz anzusehen ist. Sie ist gekennzeichnet durch: 1. eine mangelhafte Anpassung an die Bedürfnisse des Kohleh ydratstoffwechsels; 2. eine verzögerte Regeneration mobilisierbarer Insulinreserven nach der durch SuH erzwungenen Ausschüttung; 3. eine schnelle Erschöpfung der Produktion von Insulin nach Gabe von menschlichem Wachstumshormon.

11 Y a I 0 wund Be r so n stellen sich gegen diese Auffassung der Lokalisation des endokrinen Defektes in das Inselzellsystem. SIe stützen sich auf ihre Methode der Bestimmung des Gesamtseruminsulins auf immunologischem Wege: Beim Altersdiabetes kommt es nach 100 g Dextrose per os zu einem stetigen Anstieg der Seruminsulinmenge, der viel stärker ausgeprägt ist als bei gesunden Kontrollpersonen (mit der biologischen Methode des Insulinnachweises [Rattenzwerchfellmethodel wird nach Dextrose nur ein schwacher Anstieg der Serum insulin aktivität festgestellt [S e I tz e rund Smith]). Daraus ergibt sich: Mit dem biologischen Verfahren der Insulinbestimmung kann man die mangelhafte Sekretion biologisch aktiven Insulins erfassen, mit immunologischen Methoden hingegen nicht. Y a I 0 wund Be r s 0 n überlegen wie folgt: 1. Entweder reagiert das periphere Gewebe des Altersdiabetikers nicht normal auf Insulin; 2. oder der Altersdiabetiker produziert ein abnormales Insulin, das in vivo schlecht, in vitro im serologischen Test normal wirkt; 3. oder bestimmte Gewebe des Altersdiabetikers inaktivieren schnell den hormonal aktiven Teil des Hormons und lassen den immunologisch aktiven Teil intakt; 4. oder Insulinantagonisten im Serum bewirken die verminderte Aktivität. Die Theorie von Ya I 0 wund Be r s 0 n ist vielleicht unwahrscheinlich, weil die meisten Altersdiabetiker klinisch nicht die Zeichen der Insulinresistenz oder Inaktivierung bei der Behandlung mit exogenem Insulin erkennen lassen, wie sie bei der echten Insulinresistenz vorkommt. Beim gewöhnlichen Altersdiabetes ist ein durchaus normaler Anstieg der Seruminsulinaktivität nach Gabe von exogenem Insulin festzustellen. . Die von Ya I 0 wund Be r s 0 n erwogene zweite Möglichkeit, daß der Altersdiabetiker ein biologisch nur schwach wirksames Insulin sezerniert, wäre auch mit den Befunden von P f e i f e r in Uebereinstimmung zu bringen und es erlauben, den wesentlichen Defekt beim Altersdiabetes doch wieder in das Inselzellsystem zu verlagern. Wenn man unter dem Begriff des "funktionellen Insulindefizites nach Glukosebelastung" den tatsächlich bewiesenen Mangel an biologischaktivem Insulin versteht, so dürfte damit die Form gefunden sein, welche die scheinbar so gegensätzlichen Befunde der biologischen und der immunchemischen Insulinbestimmung auf einen Nenner bringen ließe.

12 DaR der Altersdiabetes als Pankreasdiabetes, wenn auch als ein Pankreasdiabetes nur inkompletter Natur aufzufassen ist, geht aus folgendem hervor:. 1. Eine Ueberfunktion kontrainsulärer Drüsen (Gegenregulationsdiabetes) läRt sich bei der Mehrzahl der Altersdiabetiker nicht finden; 2. die Ergebnisse der Erbbiologie lassen keine unterschiedliche Vererbung der Anlage zum Altersdiabetes auf der einen und zum jugendlichen Diabetes auf der anderen Seite erkennen (Steinberg). Der Altersdiabetes ist zu definieren als eine inkomplette ß-Zelleninsuffizienz mit funktionellem Insulindefizit gegenüber den Bedürfnissen des Kohlehydratstoffwechsels. Diese Definition entspricht den klinischen Gegebenheiten: 1. der Unfähigkeit, die Zufuhr von Glukose im akuten Versuch durch Ausschüttung adäquater Mengen biologisch aktiven Insulins zu kompensieren (pathologischer S tau bTraugott); 2. der Feihigkeit, noch lange Zeit mit Hilfe der "starren" basalen Insulinsekretion den Stoffwechsel ei ni germ aRen im Gleichgewicht zu halten (geringe Neigung zu Azidose). Eine dauerhafte Remission des Altersdiabetes oder eine präventive Heilung des beginnenden jugendlichen Diabetes ist nicht moglich: 1. Der Defekt der mangelhaften Insulinsekretion bei alimentär bedingtem Blutzuckeranstieg wird durch SuH nicht korrigiert; die Blutzuckerkurve nach Dextrose bleibt gleich hoch. 2. Eine Heilung des Altersdiabetes ist nicht möglich; trotz siebenjähriger Tablettentherapie sind noch keine solchen Feille bekannt. Der Insulinbedarf kann sich ändern, je nach Körpergewicht, Belastung, Lebensweise, Nahrungsaufnahme usw. Also kann es vorkommen, daR ein Diabetiker durch Monate hindurch keine Tabletten braucht. 3. Wenn eine Heilung des Altersdiabetes möglich wäre, so müRte sich dies in einer Abnahme der Zahl der Sekundärversager bel zunehmender Dauer der SuH-Therapie zeigen. Die Zahl der Sekundärversager nimmt im Gegenteil zu (jährlich um 8%). Zumindest das Tolbutamid ist zu einer Ueberstimulierung der ß-Zellen mcht fähig und kann deshalb nicht an der Entwicklung des Sekundärversagens schuld sein. Die Zunahme der Fälle von Sekundärversagen nach länger dauernder Behandlung mit SuH muR also der durch die SuH nie h t verhinderten Progression der Inselinsuffizienz zugeschrieben werden.

13 Was ist nun die Art der pnmaren Störung der Insulinsekretion beim Altersdiabetes ? Als einzige Antwort kann man nach wie vor nur mit dem Begriff der erblichen Belastung aufwarten, und das ist nur ein Tatbestand, nicht eine pathogenetische Erklärung. Und kein Geringerer als Best aus Kanada hat am Internationalen Diabeteskongreß in Genf vor 4 Monaten gesagt: Die Aetiologie des spontan auftretenden Diabetes ist unbekannt, seine Entstehungsmechanismen können außerordentlich vielgestaltet sein. Nicht einmal die einfache Frage: warum wird beim Altersdiabetes das Wachstum der ß-Zellen durch den hohen Blutzuckerspiegel nicht angeregt, kann beantwortet werden. Solange ein Diahetestyp, wie er dem menschlichen Altersdiabetes entspricht, beim Versuchstier nicht erzeugt werden kann, ist der einzige Weg, mehr über die Entstehung und das Weiterbestehen dieses pathologischen Zustandes zu lernen, die genaueste Beobachtung unserer Patienten und das intensive Studium ihres Zustandsbildes. Li t e rat u r: Current trends in research and clinical management of diabetes. Ann. N. Y. Acad. Sci., 82 (1959), S. 191 bis 644. - The effeet of the sulfonylureas and related compounds in experimental and elinieal diabetes. Ann. N. Y. Aead. Sei., 71 (1957), S.1-292. - Symposium on the hypogieeemie agents. Metabolism, 8 (1959), S. 469-686. Creutzfeldt, W. und SöHng, D.: Orale Diabetestherapie und ihre experimentellen Grundlagen. Erg. inn. Med. N. F., 15 (1960), S.1-213. - Antidiabetica. Chemotherapia, 2 (1961), S. 239-363. - Larsen, H. ~T.: Diabetie Retinopathy. Copenhagen: C. Hamburgers Bogtrykkeri AIS. 1960. - IV. Kongreß der internationalen Diabetes-Vereinigung, Genf, 10.-14. Juli 1961. Referate und Mitteilungen, Editions Medicine et Hygiene, Genf 1961.

Aus der Universitäts-Kinderklinik Wien (Suppl. Leiter: Prof. Dr. W. S wob 0 d a)

Diabetes im Kindesalter Von W. Swoboda

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Mit 1 Abbildung

Der Diabetes mellitus im Kindesalter stellt als ausgesprochener Insulinmangeldiabetes nicht nur ein echtes endokrines Krankheitsbild mit besonderen theoretisch-wissenschaftlichen Aspekten, sondern auch ein überaus wichtiges praktisch-medizinisches Problem dar. Bedauerlicherweise fehlen in Oesterreich genaue statistische Unterlagen über die Frequenz des kindlichen Diabetes. In verschiedenen anderen Ländern (DBR, Finnland, USA) fand man, daß ein Diabetiker auf 1200 bis 2000 Kinder kommt. Danach muß man für Oesterreich mit etwa 600 bis 700 diabetischen Patienten unter 15 Jahren rechnen. Die Häufigkeitsfrage wird aber dadurch noch wesentlich schwerwiegender, da ja jedes Jahr rund 50 solcher Diabetiker dem Kindesalter entwachsen. Die Zahl der Patienten mit "juvenilem" Diabetes ist daher etwa dreimal so hoch einzuschätzen. Die Problematik des Leidens im Kindesalter läßt folgende Schwerpunkte erkennen: 1. Die geeignetste Form der Insulinsubstitutionstherapie. 2. Allfällige Möglichkeiten der oralen Antidiabetika. Da über diese Fragestellungen in zwei gesonderten Vorträgen gesprochen wird, möchte ich mich auf die folgenden weiteren Punkte beschränken: 3. Sicherung der Frühdiagnose bei Manifestation der Erkrankung. 4. Bewertung einer kontrollierten Diäteinstellung.

2 5. Zusammenhänge zwischen Güte der Stoffwechseleinstellung und Allgemeinentwicklung der Patienten. 6. Zusammenhänge der Güte der Stoffwechseleinstellung mit der Ausbildung des sogenannten "labilen Diabetes". 7. Früherfassung und gegebenenfalls Verminderung der Spätkomplikationen. Sicherung der Frühdiagnose bei der Manifestation des Diabetes Die an der Universitäts-Kinderklinik Wien an einem groRen Krankengut von diabetischen Kindern in den letzten 12 10 ~

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Abb. 1. Altersverteilung der Diabetesmanifestation. Aus der Diabetiker-Ambulanz der Universitäts-Kinderklinik Wien 1955-1960

20 Jahren gewonnenen Erfahrungen zeigen, daR vom Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen bis zur Stellung der Diagnose oft erstaunlich lange Zeit vergeht. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, daR die Entwicklung des Vollbildes der Krankheit manchmal Wochen und Monate benötigt und daher die ersten Symptome relativ uncharakteristisch sein können. Anderseits ist. die Verzögerung der Diagnose aber oft dadurch bedingt, daR von Seite der Aerzte die Möglichkeit eines so frühen Diabetesbeginnes nicht in Betracht gezogen wird. Die Manifestation der Erkrankung zeigt eine gewisse Altersverteilung mit Gipfelbildung in verschiedenen Altersstufen, wie dies aus einer Uebersicht der Universitäts-Kinderklinik Freiburg hervorgeht. Aus unserem eigenen Krankengut von 112 Patienten der Diabetiker-Ambulanz lieR sich eine ähnliche Altersverteilung, jedoch mit im wesentlichen zwei Gipfelbildungen feststellen (Abb. 1). Die groRe Zahl von Patienten mit Manifestation im zweiten bis vierten Lebensjahr ist besonders hervorzuheben. Der Präpubertätsgipfel ist in unserem eigenen Krankengut wahrscheinlich deshalb nicht stärker ausgeprägt, weil die Patienten aus dieser Altersstufe

3 bereits häufiger vom Internisten und nicht so oft vom Pädiater erfaRt werden. Ferner ist bemerkenswert; daR in Uebereinstimmung mit der sogenannten Akzeleration der Allgemeinentwicklung die Häufigkeitsgipfel sich in den letzten 20 Jahren um 1 bis 2 Jahre nach unten verschoben haben. Das Geschlecht der Patienten sowie die familiäre Belastung, die in mindestens einem Drittel aller Fälle nachzuweisen ist, sind ohne sicheren EinfluR auf das Manifestationsalter. Bewertung der kontrollierten Diäteinstellung Die teils aus der Vorinsulinära, teils von der Situation beim Diabetes des Erwachsenen in die Pädiatrie übernommene gena ue Vors chreib ung der Diä t wurden in den letzten zwei Dezenien an vielen Kinderkliniken gelockert bzw. auch zum Teil ganz verlassen. Unter "freier Kost" verstehen die meisten Anhänger dieser Ernährungsform eine Normalkost ohne Zucker und SüRigkeiten ("g e r e gelt e No r mal k 0 s t"), jedoch ohne gewichtsmäRige Kontrolle der Mahlzeiten. Der Grund für diesen örtlich verschieden starken "Stellungswechsel" waren teils enttäuschende Resultate reglementierter Kostformen (wie etwa der Fanconi'schen eiweiRarmen FrüchteGemüse-Kost), teils die Feststellung von Spätkomplikationen trotz vorgeschriebener Diät. Eine groRe Rolle spielte aber die allgemein gemachte Erfahrungen, daR es sich oft um eine f i k t i v e D i ä t handelt, die vor allem im Präpubertätsund Pubertätsalter in der Regel nicht mehr eingehalten wird, und die Auffassung, daR es aus psychologischen Gründen für die charakterliche Entwicklung der Kinder vorteilhafter sei, nicht unter dem ständigen Druck einer Kostbeschränkung und eventuell auch des Hungers zu stehen. Der Wert einer vorgeschriebenen Diät kann an verschiedenen Kriterien abgeschätzt, leider ab er no eh nich t exak t gemes s en werd en. Solche Kriterien sind etwa die Frequenz akuter Stoffwechselkrisen, besonders von Ketonämien, aber auch Hypoglykämien, die körperliche und geistige Entwicklung des Patienten und schlieRlich die Frequenz und der Schweregrad von Spätkomplikationen. Bei 300 diabetischen Kindern aus Finnland fand So m e r s al 0 keine Parallelität zwischen höherer Zuckerausscheidung (über 60 g/Tag) und der Azidosehäufigkeit. An der Zürcher Klinik verursachte der Uebergang zur eiweiRreichen Normalkost verständlicherweise eine bessere körperliche Entwicklung der Patienten gegenüber der vorher verwendeten einseitigen strengen Diät. Bezüglich der vaskulären Spätkomplikationen scheint eine strenge Diäteinstellung zumindest beim Diabetes des Kindes und Jugendlichen jedoch nicht jene entscheidende Rolle zu spielen, die man ursprünglich ange-

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nommen latte. Die Höhe der Serum lipoide und damit der Fettgehalt der Nahrung dürften dagegen von gröBerer prognostischer Bedeutung sein. Dine stellte schon bei Erkrankungsbeginn zum Teil sehr hohe Serumcholesterinwerte fest, vor allem aber eine ungewöhnlich groRe Variationsbreite derselben. Das Parallelgehen von Höhe des Blutzuckers und Höhe der SerumIipoide wurde von We i c k er und Lau beobachtet. Diese Feststellung ist auch der Grund dafür, daR selbst Autoren, die eine "NormaIisierung" des Blutzuckers (Himsworth) nicht für absolut indiziert halten, doch die Auffassung vertreten, daR starke Hyperglykämien auch dann nicht toleriert werden sollten, wenn keine Azidose damit verbunden ist. In unserem eigenen Krankengut, bei dem die Serumcholesterinbestimmung durch lange Zeit hindurch zur Routineuntersuchung bei jeder stationären Aufnahme eines diabetischen Kindes gehörte, ist eine Hypercholesterinämie eine ausgesprochene Seltenheit. Man findet sie vornehmlich bei Kindern mit ausgeprägter Hepatomegalie und Wachstumsrückstand ("Mauriac-Syndorm"), doch sind solche Fälle höchstens in 3 bis 5% des juvenilen Diabetes zu finden. Für das Kindesalter ist somit derzeit noch keine definitive Antwort über die Bedeutung des Nahrungsfettes und der Hypercholesterinärnie hinsichtlich des weiteren Krankheitsablaufes zu geben (Uhry und Ducas; Klein und Laron). Nach C h r ist i ans 0 n und Mitarbeitern könnte die Hypercholesterinämie jedoch bei bereits bestehender Angiopathie in prognostischer Hinsicht bedeutsam sein, da solche Fälle im Gegensatz zu denen ohne Cholesterinsteigerung eine stärkere Progredienz zeigen sollen. An der Universitäts-Kinderklinik Wien wird die Diäteinstellung folgendermaRen gehandhabt: Die Patienten dürfen sich unter Meidung von Zucker und SüRspeisen eine fettarme, hinsichtlich Kohlenhydraten und EiweiR aber kalorisch ausreichende Kost wählen und im Tagesablauf ungefähr nach Wunsch einteilen. Nachdem dies geschehen ist, werden allfällig notwendige Korrekturen in der Vorteilung vorgenommen und der Insulinbedarf danach eingerichtet. Im weiteren Ablauf wird von uns Wert darauf gelegt, daR diese quantitativ und qualitativ vom Patienten ausgewählte und daher im allgemeinen vollständig ausreichende Kost ohne gröbere Abweichungen im Tagesablauf eingehalten wird. Zusammenhang zwischen Gute der Stoffwechseleinstellung und Allgemeinentwicklung der Patienten Es ist eine ziemlich allgemein gemachte Beobachtung, daR die körperliche Entwicklung diabetiseher Kinder von der

5 Güte der Stoffwechseleinstellung weitgehend unabhängig verläuft. Die Längenwachstumsgeschwindigkeit der bei Erkrankungsbeginn immer normal entwickelten Kinder läfH ,im Laufe der Krankheit etwas nach (S 0 m e r s a I 0). Das Knochenalter der diabetischen Kinder liegt gleichfalls im Rahmen des Normalbereiches, wobei die Streubreite allerdings etwas gröBer sein dürfte als bei nicht diabetischen Kindern (Hernbe r g und He i k e I). Hinsich Hich des körperlichen Gedeihens fallen nur die Patienten mit ausgeprägter Neigung zu Azidose und Hepatomegalie aus dem Normalbereich, wobei es manchmal zu hochgradigem Kleinwuchs kommen kann (M a u r i a cSyndrom). Die Pubertätsentwicklung der diabetischen Kinder ist im allgemeinen gleichfalls etwas verzögert. Die Menarche tritt daher später ein, dennoch findet man kaum jemals Sterilität (White). Zusammenhänge der Güte der Stoffwechseleinstellung mit Ausbildung des sogenannten labilen Diabetes Die beim juvenilen Diabetes in nahezu einem Drittel der Fälle auftretende Stoffwechsellabilität mit gleichzeitig bestehender Neigung zu Ketonämie und Hypoglykämie ist mit groBer Wahrscheinlichkeit vorwiegend konstitutionell präformiert und nicht in erster Linie als Folge einer schlechten Stoffwechsel kontrolle aufzufassen. Das Auftreten der Stoffwechsellabilität geht einerseits mit der Dauer der Erkrankung parallel und ist im Zusammenhang damit anderseits bei der Manifestation im frühen Kindesalter häufiger und früher zu erwarten. Gerade diese Kinder stellen somit für den Kinderarzt ein besonderes Problem dar und sie erfordern eine sorgfältige Ueberwachung der Stoffwechsellage. Es ist auch hervorzuheben, daß das Auftreten der Stoffwechsellabilität in keinem Zusammenhang mit der Höhe des Insulinbedarfes steht (P a y n e). Der stoffwechsellabile Diabetes des Kindes gewinnt ferner noch dadurch besonders an Bedeutung, daß gerade bei solchen Kindern relativ häufig Epilepsien auftreten. Diese wurden von I m e r s I und an der J oslin -Klinik in Boston in besonders hohem Prozentsatz bei Kindern mit Diabetesmanifestation vor dem dritten Lebensjahr gefunden. Früherfassung und Vermeidung der Spätkomplikationen Für den Pädiater ist die Frühdiagnose der vaskulären Komplikationen (Auge, Niere) deshalb problematisch, weil solche frühestens nach 10, meistens aber erst nach 12 bis 15 Jahren der Erkrankung feststellbar sind (Tab. 1). Ström glaubte in der verminderten Phosphataseausscheidung im Urin, Falk und Hinrichs in einer Störung der Harnstoff-

Albuminurie

Fallzahl

%

I

%

--1--%

Retinitis prolif. Fallzahl

I

!

I

I

0 0 9'1 27'3 78'9 87'5

%

Arterienverkalkung Fallzahl

(9) (12) (73) 0 0 (20) 0 (25) (59) 0 (22) (22) 4'5 (46) 0 I (22) (29) (19) 15'8 0 (19) (19) (20) 31'6 15'0 (4) (18) 25'0 25'0 (8) I onset before age two. Acta paediat., Uppsa]a, 49 (1960), S.243

I

Blutdruck,steigerung __ Fallzahl

5-9 Jahre ..••.......•. (73) 0 I 10--14 Jahre ..•.....•.• (59) 0 15-19 Jahre ........... (46) 4'3 (29) 20--24 Jahre ........•.• 13'8 25-27 Jahre ........... (20) 40'0 30--34 Jahre ........... (8) 50'0 Nach: O.Imerslund: The prognosis in diabetes with

Dauer der Erkrankung

Tab. 1. Studie aus der J oslin-Clinic, Boston, USA

7 clearance die ersten Zeichen der diabetischE'n Nephropathie zu finden. Die Werte der üblichen Clearancemethoden waren bei Untersuchungen an unserer Klinik, genau so wie bei zahlreichen anderen Autoren, bei Kindern stets normal. Möglicherweise könnte die Nierenbiopsie bessere prognostische Aufschlüsse geben, doch konnte man sich offenbar bisher noch nicht häufig zu diesem Eingriff entschließen. Die regelmäßige Untersuchung des Augenhintergrundes (Lestradet) erfordert vermutlich sehr große Erfahrung in der Beurteilung der Veränderungen, wenn man daraus verläflliche prognostische Schlüsse ziehen will. Eine Verzögerung des Auftretens und Verminderung des Schweregrades diabetiseher Gefäßkomplikationen durch sorgfältige Stoffwechselkontrolle und Diäteinstellung sind beim Erwachsenen als ziemlich sicher anzunehmen (Constam). Die Uebertragung dieser Erfahrungen auf den Diabetes des Kindes macht deshalb große Schwierigkeiten, weil zahlreiche Vergleiche zwischen Patienten mit sogenannter freier Kost und solchen mit vorgeschriebener Diät keine signifikanten Unterschiede in der Komplikationshäufigkeit ergaben. Alerdings ist zu berücksichtigen, daß auch bei strenger Diätvorschreibung retrospektiv die Stoffwechseleinstellung beinahe bei zwei Drittel der Patienten als "unbefriedigend" bezeichnet werden mußte (L ich t e n s t ein; Wh i t e). Sieht man die Zahlen solcher Untersuchungs reihen nebeneinander, dann drängt sich einem der Gedanke an einen "schicksalsmäßigen Ablauf" der Erkrankung auf. Daß für die Ausbildung der nahezu 90010 aller Todesfälle verursachenden GefäIlschäden noch andere ätiologische Momente als die Güte der Diäteinstellung von entscheidender Bedeutung sein müssen, geht auch aus der Beobachtung hervor, daß Retinopathie bereits bei normoglykämischen Kindern diabetischer Mütter gefunden wurde (Whi tel. Zusammenfassend ist zu sagen, daß eInIge entscheidende Teilprobleme des juvenilen Diabetes wegen des Fehlens verläfllicher wissenschaftlicher Unterlagen noch ungelöst und voll von Widersprüchen sind. Man sollte erkennen, daß sich die Gemüter der Diabetologen zum Teil deshalb erhitzen, weil ihren Auffassungen ein tragfähiges Fundament fehlt. Sos kin betonte vor 10 Jahren: Jene, die sagen: "Solange bis der Nachweis erbracht ist, daß die Hyperglykämie unschädlich ist, ziehe ich es vor, meine Diabetiker streng einzustellen" haben keine größere Berechtigung für ihre Auffassung als jene anderen, die sagen: "Solange bis der Nachweis erbracht, daß die Hypoglykämie als solche schädlieh ist, ziehe ich es vor, eine liberale Kost zu verordnen". "Both are talking phi! 0 s op h y an d not science." Diese Auffassung gilt weitgehend auch heute noch. Unbeschadet unserer grundsätz-

8 lichen Unsicherheit bezüglich des Längsprofiles dieser Stoffwechselstörung über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinaus, verlangt unseres Erachtens aber allein schon das logische biologische Denken, daß ärztlicherseits eine möglichst gleichmäßige Stoffwechsellage auch beim Diabetes im Kindesalter anzustreben ist. Dabei dürfte, wie immer, ein vernünftiger Mittelweg hinsichtlich der Diät sowie der InsulineinsteIlung mit Vermeidung von Extremsituationen aller Art der optimale Weg sein. Li t e ra tu r: Christiansson, G. und Mitarbeit~r: Acta paediat. (Upps), 49 (1960), S.323. - Constam, G. H.: Schweiz. med. Wschr., 84 (1954), S.1233. - Dine, M. S. und Mitarbeiter: Diabetes (N. Y.), 2 (1953), S.206. - Falk, W. und Hinrichs, R.: Oest. Z. Kinderhk., 9 (1954), S. 362. - Fanconi, G.: Schweiz. med. Wschr., 85 (1955), S.75. - Imerslund, 0.: Acta paediat. (Upps.), 49 (1960), S. 243. - Klein, R. und Laron, Z.: Pediatric,s, 18 (1956), S. 983. - Larsson, Y. und Ström, L.: Ann. paediatr., 186 (1956), S.270. - Lichtenstein, A.: Arch. Dis. Childh., 24 (1949), S.237. - Payne, W. W.: Mod. Probl. Päd., 4 (1959), S.602. - Somersalo, 0.: Aun. paed. fenn., 1 (1955), S.239. Somersalo, O. und Mitarbeiter: Mod. Probl. Pädj., 4 (1959), S.586. - Ström, L.: Acta med. (Stockh.), 154, Suppl. 277 (1953). Struwe, F. E.: Mschr. Kinderhk., 108 (1960), S.487. - Swoboda, W.: Mod. Probl. Päd.., 4 (1959), S.592. - Uhry, P. und Ducas, P.: Le diabete infantile et juvenile. Paris: Masson et 'Cie. 1955. Weicker, H. und Lau, H.: Aerztl. Wschr., 11 (1956), S.29. W'hite, P.: Diabetes (N. Y.), 5 (1956), S.445.

Aus der Abteilung für Stoffwechselerkrankungen des Krankenhauses der Stadt Wien-Lainz (Vorstand: Doz. Dr. J. BI ö c h)

Zur Therapie des juvenilen Insulinmangeldiabetes mit Insulinzinksuspensionen der Lentereihe Von W. Korp Mit 2 Abbildungen Auch beim juvenilen Diabetiker ist man heute bestrebt, durch Verwendung von Depotinsulinen die Therapie zu vereinfachen. Im Gegensatz zum AItersdiabetiker bereitet die Verzögerungsinsulinen beim Stoffwechselkontrolle mit Jugendlichen in folge seiner Labilität erhebliche Schwierigkeiten. Besonders der Anwendung von Einzelinjektionen sind Grenzen gesetzt (K r a i n i c k). Es schien daher ein echter therapeutischer Fortschritt, als skandinavische Autoren (Engleson, Engleson und L e h man n) bei einem Krankengut juveniler Diabetiker mit den von Hall a s - Moll e r entwickelten Insulinzinksuspensionen günstige Einstellungserfolge berichteten. Verzögerungseigenschaften und gute Mischbarkeit dieser Insuline erweckten die Hoffnung, das Ziel der Einzelinjektion auch im Kindesalter verwirklichen zu können. Diese Erwartungen haben sich aber nur teilweise erfüllt. Zahlreiche Nachuntersuchungen, von denen wir die von Swoboda und Zweymüller aus der Wiener, von Falk und Strenger aus der Grazer Kinderklinik hervorheben, ergaben übereinstimmend, daß sich gute Ergebnisse mit Einzelinjektionen der Lenteinsuline zwar bei kurzer, nicht aber bei längerer Diabetesdauer erzielen lassen (Literatur bei Bibergeil).

2 Das Problem dieses anscheinenden Spätversagens der Insulinzinksuspensionen beim juvenilen Diabetiker wurde in den bisher vorliegenden Publikationen, wohl infolge der relativ kleinen Patientenzahlen nur streiflicht artig beleuchtet. Das groRe Material einer Stoffwechselabteilung von 700 mit Insulinzinksuspensionen behandelten Diabetikern, darunter 200 mit einem Diahetesbeginn im Kindesalter, erlaubte diese Frage näher zu untersuchen. Nach unseren Erfahrungen bestimmen zahlreiche Faktoren die Einstellbarkeit mit diesen Insulinen, die sich 1. im typischen Phasenablauf des juvenilen Insulinmangeldiabetes und 2. dessen exogenen Insulinbedarf widerspiegeln. Nach P. White durchläuft der Diabetes des Jugendlichen typische Phasen, die von La r s s 0 n in einem einpräg-

1

Abb. 1.

2

3

5

6

Phasenablauf des juvenilen Insulinmangeldiabetes (modifitziert nach L ars S 0 n)

samen Diagramm (Abb. 1) dargestellt wurden. Dieses von uns etwas modifizierte Sehema läRt gut die akut einsetzende Initialphase, das Remissionsstadium, das Stadium der Intensivierung des Diabetes und die eine Periode hochgradiger Stoffwechsellabilität ablösende Stabilisierungsphase erkennen. Bis zu einem gewissen Grad gibt diese Kurve den exogenen Insulinbedarf wieder. In einer früheren Untersuchung konnten wir naehweisen, daR der Tagesinsulinbedarf des Insulinmangeldiabetikers bis zum Eintritt in das Angiopathiealter sehrittweise ansteigt und bei langer Diabetesdauer wiederum eine sinkende Tendenz erkennen läRt. Dieser allgemeine Trend wird durch den Altersfaktor entsprechend modifiziert. Waehstum und Pubertät akzelerieren den Verlauf. Wenn au eh an Hand solcher Verlaufskurven in folge der oft beträehtliehen Streuungen der individuelle Fremdinsulinbedarf des Einzelpatienten nicht vorausbestimmt werden kann, lassen sich aus ihnen doch allgemeine Regeln für die Wahl des für bestimmte Abschnitte der Diabetesentwicklung am besten geeigneten Verzögerungsinsulins und dessen Applikation als Einzel- oder zweifache Injektionen ableiten.

3 Zur Frage der Einzelinjektion der Lenteinsuline wurden die erfolgreichen Einstellungen mit einer Einzelinjektion (Abb. 2) und mit zweifachen Injektionen behandelter Patienten nach der Diabetesdauer aufgetrennt. Das Diagramm zeigt gute Erfolgsaussichten für die Einzelinjektionen in der Remissionsphase, verminderte in Perioden erhöhter Labilität (insbesondere bei 6- bis 10jähriger Diabetesdauer) und die relativ günstigen Einstellungserfolge beim Long-Term-Diabetes. Das temporäre Versagen der Einzelinjektion hat zwei Ursachen: Das aus dem Verlauf der Mittelwertskurven deut_

EINZEl INJfK1

DWCUE

DIABOAUER

In

0-1J

2-5

6-10

11-15

16-20

In

21-25

26-

Abb. 2. EinsteIlbarkeit auf Einzel- bzw. zweifache Injektionen mit Insulinzinksuspensionen. Beziehungen zu Diabetesdauer und Insulinbedarf

lich ersichtliche Ansteigen des Insulinbedarfes vom 2. bis 15. Jahr der Diabetesdauer und die in dieser Periode besonders ausgeprägte Stoffwechsellabilität des juvenilen Patienten. Im Hinblick auf den Phasenablauf läßt sich mit gewissen Einschränkungen (individuelle Schwankungen des Insulinbedarfes) folgende Regel aufsteHen: Stadien der Remission und relativer Stabilität gestatten die Anwendung von Insulinen mit stärkerer Verzögerungstendenz, Stadien der Stoffwechselintensivierung und Labilität stellen die Indikation für rasch wirkende Insuline_ Obwohl die gute Mischbarkeit der einzelnen Modifikationen der Zinkinsulinsuspensionen, Semilente, Lente und Ultralente, theoretisch eine exakte Anpassung an die jeweiligen Stoffwechselverhältnisse erwarten ließe, scheint sich bei der praktischen Anwendung von Mischinjektionen auch bei entsprechender Vermehrung der

4 rasch wirkenden Semilentekomponente der allgemeine Nachteil intermediär wirkender Depotinsuline (ihre mangelhafte Initialwirkung) nicht vermeiden zu lassen. In der Praxis empfiehlt sich daher für die Therapie mit Insulinzinksuspensionen folgendes Vorgehen: In der Initialphase besteht die absolute Notwendigkeit, die akute Stoffwechseldekompensation durch Altinsulin rasch zu korrigieren. Die Verwendung von Zinkinsulinsuspensionen ist kontraindiziert. Die Remissionsphase stellt die ideale Indikation für Einzelinjektionen der Standardmischung Lenteinsulin dar. Bei besonders geringem exogenen Insulinbedarf kann eine gute Stoffwechselkontrolle in Ausnahmefällen mit dem Präparat Ultralente erzielt werden. Im Stadium der Intenisivierung des Diabetes werden die Aussichten eines Einstellungserfolges mit Einzelinjektionen von Lenteinsulin zunehmend schlechter. Sie betragen bei 2- bis 5jähriger Diabetesdauer 33%, bei 6- bis 10jähriger nur mehr 20%. Der typische Anstieg des Fremdinsulinbedarfes und die Labilität zwingen in den meisten Fällen zur Einstellung mit zwei Injektionen, wobei für die Wahl des Insulins (Semilente oder Lente) der Stoffwechselrhythmus des Patienten maßgeblich ist. Auch durch Anwendung von Mischungen der verschiedenen Komponenten läßt sich der Trend zur zweimaligen Injektion nicht aufhalten. Die relativ guten Erfahrungen amerikanischer Autoren (Raunz, Slayton, Burrows und Marble) mit Mischungen von Lenteinsulin und Altinsulin, haben uns ermutigt, solche Mischungen in den Phasen besonderer Labilität zu versuchen. Trotz den von theoretischer Seite geäuIlerten Bedenken (Hallas-Moller) gelangt man mit ihnen infolge des günstigen Initialeffektes der Altinsulinkomponente bei einer Reihe von äuIlerst labilen Patienten zu überraschend guten Ergebnissen. Sie zeigen eine sehr gute Anpassungsfähigkeit an die verschiedenen Stoffwechselsituationen. Entsprechend geschulte Patienten sind leicht in der Lage, durch Variation ihrer beiden Komponenten inzipiente Stoffwechselverschlechterungen, z. B. bei Infekten, auszugleichen. Die Schulung des Patienten setzt zwar einen gewissen Zeitaufwand von seiten des Arztes voraus, doch sind die Einstellungsergebnisse so günstig, daß von ihrer Anwendung mehr als bisher Gebrauch gemacht werden sollte. Wir haben versucht, an Hand unserer Erfahrungen mit den Insulinzinksuspensionen die Problematik der Insulintherapie des juvenilen Patienten aufzuzeigen. Wenn auch die Lenteinsuline die Forderung nach der Einzelinjektion beim Jugendlichen nicht in allen Phasen der Diabetesentwicklung erfüllen können, bleibt es ein unbestreitbares Verdwnst Hall a s - Moll e r s, der Insulinforschung neue Wege gewiesen zu haben.

5 Li t e rat ur: Bibergeil, H.: Dtsch. med. Wschr., 83 (1958), S. 761 und 807. - Engleson, G.: Nord. Med., 50 (1953), S. 1008. EngIeson, G. und Lehmann, 0.: Acta paediatr., Uppsala, 46 (1957), S.317. - Falk, W.: Med. Klin., 49 (1954), S.1615. HaIlas-M0Iler, K.: Diabetes, 5 (1956), S.7. - Haunz, E. A.: J. Amer. med. Assoc., 159 (1955), S.1611. - Korp, ,W.: Statistischanalytische Studie über den Insulinbedarf des Diabetikers. 4e Congres de la Federation Internationale du Diabete, Geneve 1961 voI. 1, S.306, Editions Medecine et Hygiene, Geneve 1961. - Krainick, H. G.: Arch. Kinderhk., 148 (1954), S. 218. Larsson, Y.: Problems of therapeutic control in the course of juvenile, diabetes. Proc. 3th Congr. Intern. Diabetes Fed., Diisseldorf 1958, S. 504. Stuttgart: Georg Thieme. 1959. Slayton, R. E., Burrows, R. E. und Marble, A.: New EngId J. Med., ,253 (1955), S.722. - Strenger, W.: Wien. med. Wschr., 109 (1959), S.347. - Swoboda, W. und ZweymiilIer, E.: Schweiz. med. Wschr., 85 (1955), S.231. - White, P.: Diabetic children and their later lives. In: The treatment of diabetes mellitus. 10th ed., S.655. Philadelphia: Lea & Febiger. 1959.

Die NachmittagsinsuJinspritze Von F. Leypold, Wiener Neustadt

Bei 92010 der insulinbedürftigen Diabetiker gelingt eine befriedigende Einstellung mit einer einzigen, morgendlichen Depotinsulindosis. Dabei beträgt die Einzeldosis bei 40010 dieser Fälle 28 bis 40 E.; 52010 benötigen mehr als 40 E., bis maximal 80 E. 8010 bedürfen zweimaliger Injektion, um eine befriedigende Einstellung zu erreichen. Je höher die Einzeldosis, desto größer die Gefahr des hypoglykämischen Schocks, welcher sich häufig nachmittags und besonders unangenehm in der Nacht einstellt. Die nächtlichen Hypoglykämien sind unangenehm, ja gefährlich, da sie den Patienten im Schlaf überraschen, so daß er keine der ansonsten erfolgreichen Gegenmaßnahmen treffen kann. Versucht man die morgendliche Insulinmenge zu reduzieren, um dieser Gefahr zu begegnen, stellt sich eine beträchtliche Glykosurie und Hyperglykämie ein. Anderseits sieht man immer wieder Fälle, welche trotz nachtlicher Hypoglykämien hohe Rarn- und Blutzuckerwerte nach Mitternacht aufweIsen, was durch ein Ueberschießen der Gegenregulation erklärt wird. Bei großen morgendlichen Einzeldosen kann eine Hypoglykämie 1 bis 2 Stunden später als Sofortreaktion, aber auch nächtlichel' Schock als Spätwirkung auftreten. Sofortreaktionen können bekämpft werden, durch höhere KR-Mengen zum ersten Frühstück oder Wechsel des Insulins, obwohl große Dosen aller Insulinsorten eine kräftige Blutzuckersenkung bald nach der Injektion bewirken. Spätreaktionen versucht man auszugleichen durch Erhöhung der KR-Menge zum Nachtmahl, eventuell durch eine zusätzliche Nachtmahlzeit um 22 Uhr mit 2 bis 3 WBE. Bei sehr großen Dosen,

2 80 E. und mehr, werden alle diese MaRnahmen keinen Erfolg bringen. Es ist Erfahrungstatsache, daR die Depotwirkung eines Insulinpräparates um so länger anhält, je höher die Einzeldosis gewählt wurde. Die Wirkungsdauer eines Depotinsulins ist nicht nur abhängig von der Insuhnsorte, sondern auch wesentlich von der GroRe der Einzeldosis. Dies ist der Grund für nächtliche hypoglykämische Anfälle, hervorgerufen durch hoch dosiertes morgendliches Depotinsulin. Die Bestimmung der Wirkungsdauer eines Insulins wird mit. verhaltnismäRig kleinen Dosen vorgenommen; die so erhaltenen Kurven können nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse bei groRen Dosen übertragen werden. Bei hohen Dosen wird die Wirksamkeit früher beginnen und später enden. Dies ist der Grund für kurz nach der morgendlichen Depotinsulininjektion und anderseits nachts auftretenden Hypoglykamien. Es besteht eine Abhängigkeit des Wirkungseintrittes und der Wirkungsdauer von der Depotmsulinmenge: Bei 80 E. kann noch nach 24 Stunden eine Wirksamkeit vorhanden sein, bei 40 E. nach 18 Stunden, wahrend bei 20 E. die Wirkung nach ungefähr 12 Stunden erschöpft ist. Oft zwingt uns hohergradige Glykosurie, trotz Hypoglykämieneigung bei hohen Einzeldosen eines Depotinsulins. diese Dosis auf zwei Spritzen zu verteilen. Man hat die zweite Spritze, ähnlich wie bei Altinsulin üblich, abends vor dem Nachtmahl angesetzt. Die Erfolge waren nicht befriedigend; wohl kam es zu verminderter Glykosurie, doch die nächtlich Hypoglykämien wurden eher häufiger. In solch schwer einstellbaren Fällen haben wir versucht, die zweite Depotinsulininjektion vor der Nachmittagsjause zu verschreiben. Wir erreichen dadurch ein ausgeglicheneres Blutzuckerprofil, geringere Harnzuckerausscheidung und vermeiden Hypoglykämien in der Nacht. Die morgendliche Insulinmenge ist hoher zu wählen (zwei Drittel), da sie drei Mahlzeiten zu kompensieren hat, die Nachmittagsspritze kann kleiner sein (ein Drittel), ihr folgen nur zwei Mahlzeiten. Dadurch gelingt es fast immer, schwer einstellbare Diabetiker befriedigend zu versorgen. Wir haben mit diesem Verfahren bis jetzt ungefähr 20 Patienten umgestellt, welche früher ihre zweite Spritze abends erhielten, und durchwegs günstige Resultate erzielt. Die Patienten berichten spontan über Seltenerwerden und Schwinden der lästigen Hypoglykamien. pas Vorgehen bei Umstellung von der Abend- auf die Nachmittagsspritze zeigt umstehende Tab. 1. Zu sam m e n f ass u n g: Es wird vorgeschlagen, falls beim schweren Diabetiker zwei Depotinsulininjekt~onen notwendig sein sollten, die zweite Injektion nicht abends vor dem Nachtmahl, sondern vor der Nachmittagsjause zu verabreichen. Dadurch wird ausgeglicheneres Blutzuckerprofil

3 Tabelle 1

IInB~lin I WBE 8Uhr .......... 10 Uhr .......... 12Uhr·········· 15 Uhr ......... . 19 Uhr..........

1

68

1

1

3 3 3

28

3

3

8 Uhr ........ . 10 Uhr ........ . 12 Uhr ........ . 15 Uhr. ....... . 19 Uhr ........ .

3 :: I

3 3

3

3

und geringere Harnzuckerausscheidung erreicht. Nächtliche Hypoglykämien können dadurch vermieden werden. Es wird daran erinnert, daß die Wirkungs dauer aller DepotinsuIine wesentlich von der Insulindosis abhängig ist. Anschrift des Verfassers: Prim. Dr. F. L e y pol d, Interne Abteilung dea A. ö. Krankenhauses Wiener Neustadt, N.-Oe.

Aus der Universitäts-Kinderklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. K. Kundratitz)

Langzeitergebnisse der kombinierten Insulin-Biguanidtherapie beim Diabetes mellitus im Kindesalter Von A.Rosenkranz Mit 2 Abbildungen

Die Einführung der peroral anwendbaren Biguanide in die Therapie des Diabetes mellitus warf naturgemäß die Frage auf, inwieweit damit auch im Kindesalter eine Beeinflussung dieses Leidens möglich ist. Da die Wirksamkeit der Biguanide prinzipiell auch beim Insulinmangeldiabetes belegt werden konnte1,2, schien eine Grundvoraussetzung für die Anwendung dieser Substanzen beim kindlichen Diabetes erfullt. In der Tat wurden günstige Resultate der Biguanidverabreichung auch bei kindlichen und jugendlichen Diabetikern beobachtetl, 3, die eine weitere Beschäftigung mit diesen Substanzen auch für die Pädiatrie berechtigt und notwendig erscheinen ließen. Da in zahlreichen experimentellen Untersuchungen weder im akuten Versuch noch bei Langzeitbeobachtungen irgend eine funktionell oder anatomisch faßbare Organschädigung nachgewiesen werden konnte H , sollte in eigenen Studien der Frage der Wirkungen einer Biguanidmedikation auf den kindlichen Diabetes nachgegangen werden. Es konnte von uns in einer früheren Untersuchungsserie7 gezeigt werden, daß bei kombinierter Insulin-Biguanid-Medikation in einem Teil der Fälle eine Insu lineinsparung und eine Besserung der Kohlehydratbilanz erreicht wurde. Außerdem wurde bei Fällen von labilem Diabetes mellitus in dieser. aller-

2 dings relativ kurzfristigen Beobachtungsserie mitunter auch eine Stabilisierung der Gesamtstoffwechselsituation festgestellt. Dieses Untersuchungsresultat ließ uns die Feststellung berechtigt erscheinen, daß für die Anwendung der Biguanide im Kindesalter bestimmte Indikationen Voraussetzungen sind und eine gen e re 11 e Biguanidbehandlung des kindlichen Diabetes absolut unberechtigt wäre. Insbesondere wurde auf Grund unserer damaligen Erfahrungen von einer alleinigen Biguanidmedikation ohne Insulin entschieden abgeraten und an dem absoluten Insulinbedarf und der Einhaltung emer genauen Diät für den kindlichen Diabetiker striktest festgehalten. Dagegen erschien uns der Versuch einer mit Insulin kombinierten Biguanidmedikation einerseits bei besonders hohem Insulinbedarf und der dadurch bedingten Notwendigkeit einer zweiten Insulininjektion und anderseits bei ausgesprochener Stoffwechsellabilität ("brittle diabetes") berechtigt, wenngleich auch dabeI nur in etwa der Hälfte der Fälle eine günstige Beeinflussung erreicht werden konnte. Diese kombinierte Insulin-Biguanid-Behandlung wurde bei den meisten Patienten weiter beibehalten und im wesentlichen gut vertragen. Nach nunmehr zweijähriger Behandlung erscheint ein neuerlicher Rechenschaftsbericht über die Langzeitergebnisse dieser Therapie erforderlich und soll Gegenstand dIeser Mitteilung sem. Insbesondere sollte überprüft werden, ob eine insulinsparende WIrkung auch bei längerdauernder Biguanidmedikation feststellbar ist und welcher Effekt hinsichtlich der Gesamtstoffwechsellage am Ende dieser Beobachtungsperiode vorliegt. Damit im Zusammenhang sollte fernerhin untersucht werden, wie der protrahierte Auslaßversuch der Biguanidmedikation nach einer solchen, durchschnittlich zweijährigen Behandlung mit Biguaniden zur Auswirkung gelangt. Krankengu t und Methodik In diese Untersuchungsstudie wurden 12 Fälle von Diabetes mellitus im Kindesalter aufgenommen, die regelmäßig - mindestens einmal im Monat - stoffwechselmäßig überprüft werden konnten. Patienten, die als undiszipliniert und ungenau in der Einhaltung der Diätvorschriften bekannt waren, wurden in diese Gruppe trotz langdauernder InsulinBiguanid-Behandlung nicht aufgenommen. Ebenso wurden Kinder, die nur selten zu den Kontrolluntersuchungen erschienen, für diese Untersuchungsserie aus-. geschieden. Das verwandte Insulin war immer ein Verzögerungsinsulin vom Typ der Zink-Insulin-Suspension, meist InsulinLente (Novo).

3 Im ersten Teil unseres Beobachtungszeitraumes wurde ein Phenylaethylbiguanid in einer durchschnittlichen Dosierung ""on 2 rng pro kg Körpergewicht und Tag, im zweiten Teil ein Butylbiguanid (Silubin, GrünenthaI) in einer durchschnittlichen Dosierung von 3 mg pro kg Körpergewicht und Tag verabreicht. Die Tabletten wurden 2- bis 3mal täglich nach den Mahlzeiten gegeben. Die Kohlehydratzufuhr betrug im Durchschnitt ,g pro kg Körpergewicht und Tag und erfuhr im dargestellten Zeitraum gröflenmäflig keine nennenswerte Aenderung. Zur Beurteilung wurden die Kohlehydratbilanz (absolute Ausscheidung bei bekannter Einnahme), die Gesamtstoffwechselsituatioll. insbesondere Neigung zu hypoglykämischen Anfallen und weIterhin der aktuelle Insulinbedarf herangezogen. Fur die Vergleichszwecke wurde die durchschnittliche Glukoseausscheidung und der jeweils zugehörige durchschnittliche Insulinbedarf aus einer Vielzahl von Einzeluntersuchungen berechnet. Dabei wurde auf einen möglichst gleich langen Beobachtungszeitraum vor und unter der kombinierten Bigu anidverabreichung Wert gelegt. Die gleichen Kriterien wurden beim AuslaHversuch berücksichtigt, wo nach langdau('rnder Biguanidverabreichung diese Substanz plotzlich abgesetzt wurde. Auch dabei wurden für die Vergleichszwecke die Durchschnittswerte während und nach der Biguanidmedikation gewählt. Die maximale Beobachtungszeit nach dem Absetzen der Biguanide erstreckt sich auf ein halbes Jahr. Schließlich wurden auch die Bilanzschwankungen vor und unter der Biguanidzufuhr festgehalten. Für die Darstellung in Tab. 1 und 2 wurde ebenso wie fur die SchIlderung der Ergebmsse der Vergleichsperioden eine zahlenmäflige Aenderung bis maximal 10010 Steigerung oder Abnahme hinSIchtlich durchschnittlicher Glykosurie und Insulinbedarf noch als gleichbleibend angenom~en. Ergebnisse der Untersuchungen A. Ver gleich der diabetis chen Gesam tsi tuation bei alleiniger Insulinbehandlung und bei kombinierter Insulin-Biguanid-Medika tion (Tab. 1 sowie Abb. 1 und 2) Die in Tab. 1 dargestellten Untersuchungsergebnisse betreffen 9 Kinder, die eine Periode mit Insulin allein ("vor") und eme zweite Periode mit Insulin-Biguanid kombiniert ("unter") behandelt wurden. Die Dauer der Behandlung in bei den Perioden wurde möglichst gleich gehalten und erstreckt sich auf 1 bis 21/ 4 Jahre, im Durchschnitt 11/2 Jahre.

4 Tabelle 1 Darstellung der durchschnittlichen Glykosurie, des durchschnittlichen Insulinbedarfes sowie der Schwankungen der Kohlehydratbilanz unter einer kombinierten Insulin-Biguanidtherapie ("unter") gegenüber einer vorherigen alleinigen Insulinbehandlung ("vor"). bedeutet jeweils Zunahme, ~ bedeutet jeweils Abnahme, = bedeutet keine Änderung, wobei die doppelten Pfeile eine besonders deutliche Differenz anzeigen sollen. Außerdem ist die Hypoglykämie mit ±, je nach der vorliegenden Intensität angegeben

t

+, ++

..:

.~

Hypoglykämie

~

----

'"o"

Z

6 1 2

3

4 5 6

7 8 9

B. Anton P. Sonja St. Marietta D. Franz St. Evelyne M. Vera C.Eva M. Inge M. Johanna

vor lunter

=

~~~ = ..

Beobachtungs-

; ... ~

-~--,---

'" ~:;:: zeit in Jahren ~~~

~ ~].

vor

I unter

~t~

I

tt tt t (=) =

I. Glykosurie Da im dargestellten Beobachtungszeitraum keine wesentliche Aenderung der Kohlehydratzufuhr erfolgte, erlaubt die ausgeschiedene Menge von Glukose eine mehr weniger genaue Beurteilung der Kohlehydratbilanz. Von 9 Kindern war unter langdauernder kombinierter Insulin-Biguanid-Medikation nur bei 2 Patienten (Fälle Nr. 1 und 4) ein deutlicher Rückgang der durchschnittlichen Glykosurie im Vergleich zur Vorperiode mit Insulin allein festzustellen. Bei 3 Fällen war keine Aenderung bei gleich hohem (Fall Nr. 7) oder sogar höherem Insulinbedarf (Fälle Nr. 3 und 9) nachweisbar und bei 4 Kindern (Fälle Nr. 2, 5, 6 und 8) stieg unter der mit Insulin kombinierten Biguanidverabreichung die durchschnittliche Glykosurie im Vergleich zu der bei alleiniger Insulinbehandlung an, davon bei 2 Fällen sogar trotz deutlicher Insulinsteigerung (Fälle Nr. 2 und 6). 11. Insulinbedarf Mit Ausnahme eines Kindes (Fall Nr. 8) war der durchschnittliche Insulinbedarf bei langdauernder kombinierter Biguanidbehandlung gleich (Fälle Nr. 1,4, 5 und 7) odel' sogar

5 höher (Falle Nr. 2, 3, 6 und 9) als bei alleiniger Insulintherapie. Allerding's war bei 2 Fällen (Fälle Nr. 1 und 4) mit gleichbleibender Insulinmenge unter der kombinierten Therapie ein deutlicher Rückgang der Glykosurie zu beobachten. 1960

W61

81GOANI D'-I-IEDfUn ON

Abb. 1. Darstelltmg der jeweiligen Menge der absoluten Glukose-' aUb5cheidung mit dem zugeordneten InsuIinbedarf unter alleiniger Insulinbehandlung, unter kombinierter Insulin-BiguanidAnwendung, sowie nach Absetzen der Biguanidmedikation (wieder nur unter alleiniger InsulinappIikation) bei Fall Nr.4

Abb. 2. Gegenüberstellung der durchschnittlichen Glukoseausscheidung, des durchschnittlichen Insulinbedarfes sowie der jeweiligen Intensität hypoglykämischer Attacken unter alleini~er I'nsulinbehandlung ("vor"), bei kombinierter Insulin-BiguamdMedikation ("unter") und nach Absetzen der Biguanidzufuhr ("Auslaßversuch ")

6 IH. Gesamtstoffwechselsituation Das Auftreten von hypoglykämischen Anfällen bei alleiniger Insulinverabreichung wurde durch die kombinierte Insulin-Biguanid-Anwendung nur bei 2 Patienten günstig beeinflulH, und zwar wurden diese weniger häufig und auch graduell gebessert (Fälle Nr. 5 und 7). Dagegen war bei 2 Kindern das Auftreten von Hypoglykämien - allerdings geringeren Grades - sogar erst unter der kombinierten Therapie festzustellen (Fälle Nr. 6 und 9), bei 2 weiteren Fallen (Nr. 2 und 8) war diesbezüglich vor und unter der Biguanidtherapie keine Aenderung zu verzeichnen. Außerdem wurden noch die Schwankungen der Kohlehydratbilanz als Kriterium der Beeinflussung des Gesamtstoffwechsels herangezogen. Dabei ergab sich, daß durch die mit Insulin kombinierte Bigu8nidtherapie' eine Besserung der variablen Kohlehydratbilanz nicht erreicht werden konnte. Bei den Fällen Nr. 6 und 9 wurden die Bilanzschwankungen bei gleichzeitiger Biguanidverabreichung sogar noch gröBer als bei alleiniger Insulinanwendung. B. Ver g lei ch de r Koh leh y dra tb il anz un d des Ins ul inb ed a rf es w äh ren d der Ins u I in-B iguanidTherapie und nach Absetzen der Biguanidzufuhr mit alle i n i ger I II S u li n b eh a n d lu n g ("A u s laB v e rs u c h ") (Tab. 2 und Abb. 1 und 2) Tabelle 2 Darstellung der durchschnittlichen Glykosurie und des durchschnittlichen Insulinbedarfes nach UnterbreQhung der Biguanidzufuhr ("nach") im sogenannten Auslaßversuch gegenüber einer vorangegangenen kombinierten Insulin-Biguanidtherapie ("unter") Fall Nr.

2

3

4

5 8

10 11

12

Name des Patienten

P. Sonja St. Marietta D. Franz St. Evelyne M.lnge K. Peter S. Edeltraud S. Marianne

Glykosurie

I Insulinbedarf

t

)1

t tt

Bei 8 Kindern wurde nach bis zweijähriger mit Insulin kombinierter Biguanidmedikation ("unter") die Zufuhr von Biguanid studienhalber plötzlich unterbrochen ("nach") und die durchschnittliche Glykosurie sowie der durchschnittliche Insulinbedarf in beiden Perioden verglichen.

7 Es konnte festgestellt werden, daR nach Absetzen der Biguanidc bei 3 Patienten (Fälle Nr. 2, 8 und 10) die durchschnittliche Glykosurie um zirka 20% gegenüber den Werten bei der kombinierten Behandlung zunahm. Bei Fall Nr. 8 war dieses Verhalten trotz beträchtlicher Insulinsteigerung besonders auffallend. Bei 3 Kindern war keine Aenderung und bel 2 Fällen (Fälle Nr. 11 und 12) bei gleichbleib enden Insulindosen sogar ein Rückgang der Durchschnittsglykosurie nachweisbar. Hinsichtlich des durchschnittlichen Insulinbedarfes ergab sich bei den meisten Kindern nach Absetzen der Biguanide kein Unterschied. Bei einem Fall war ein mäßiger (Fall Nr. 4), bei einem weiteren Fall (Nr. 8) ein starker Anstieg des Insulinbedarfes im AuslaRversuch festzustellen. Diskussion Ueberblickt man die geschilderten Untersuchungsergebnisse und vergleicht man diese mit jenen, wie sie unter einer kurzfristigen Beobachtung gewonnen wurden 7 , ergeben sich beträchtliche Unterschiede. In einer früheren Untersuchungsserie konnten wir nämlich zeigen, daR unter kombinierter Insulin -Biguanid- Verabreichung bei einer relativ kurzfristigen Beobachtungszeit bei 7 von 11 Kindern ein gunstiges Resultat erzielt werden konnte. Als Kriterien für diese Aussage wurden die Vergleiche der Kohlehydratbilanz, die Beeinflussung des Insulinbedarfes und einer eventuellen Stoffwechsellabilität unter alleiniger Insulinbehandlung und unter einer mit Insulin kombinierten Biguanidtherapie herangezogen. Da in manchen Fällen durch die Biguanidzufuhr eine so weitgehende Insuhneinsparung erzielt werden konnte, daR eine bei alleiniger Insulintherapie notwendige zweite Insulininjektion am Tag überflüssig wurde, erschien uns das Vorliegen eines besonders schweren Diabetes mellitus mit hohem Tnsulinbedarf eine berechtigte Indikation für die Anwendung der Blguanide. ' Während diese SchluRfolgerung auf Grund einer mehrwöchentlichen bis maximal mehrmonahgen Beobachtungszeit sich anzubieten schien, stützen sich die nun vorliegenden Ergebnisse auf einen wesentlich längeren, durchschnittlich 11/2 jährigen Zeitraum. Dabei ergab der Vergleich der durchschnittlichen Glykosurie unter alleiniger Insulinmedikation und unter einer kombinierten Insulin-Biguanid-Zufuhr nur bei 2 Fällen von 9 Kindern eine deutliche Besserung der Bilanz. Weiterhin wurden auch die Schwankungen der Kohlehydratbilanz in beiden Beobachtungsperioden verglichen, wobei sich durch die Biguanide keinerlei nennenswerte Beeinflussung einer variablen Bilanz zeigte.

8 Der Insulinverbrauch war bei dieser Langzeitstudie unter der kombinierten lnsulin-Biguanid-Therapie nur in einem Fall wesentlich niedriger als vorher bei alleiniger Insulinanwendung. Somit scheint die insulinsparende Wirkung der Biguanide im kurzfristigen Versuch wesentlich deutlicher zu sein als bei länger dauernder Anwendung. Ob es sich dabei um eine Art Erschöpfungsmechanismus der Biguanidwirkung handelt oder ob dabei eine bei Kindern im Laufe der Jahre des öfteren zu beobachtende Verschlechterung der diabetischen Gesamtsituation mit im Spiele ist, kann nicht sicher entschieden werden. Eine weitere Indikation für die Biguanidanwendung stellt sowohl nach Literaturergebnissen3, 8, 9 als auch auf Grund der eigenen früheren Untersuchungen der labile Typ des kindlichen Diabetes mellitus dar. Dabei kann die Beeinflussung der Stoffwechsellabilität durch die Biguanide auch dann vorhanden sein, wenn der insulinsparende Effekt fehlt. Der von zahlreichen Autoren ausgesprochenen Meinung einer besseren Kontrollierbarkeit des labilen Diabetes durch Biguanidanwendung6, 10 steht die Auffassung von Co n s ta m gegenüber, daß kein sichere~ Beweis für einen echten Stabilisierungseffekt durch diese Substanzen vorliegtl l • Auf Grund unserer Langzeitbeobachtungen konnte durch gleichzeitige Insulin-Biguanid-Anwendung eine gewisse Stabilisierung bei 2 von 9 Kindern festgestellt werden, wenngleich diese auch nur graduellen und nicht prinzipiellen Charakter aufwies. In der Tat wurden die hypoglykämischen Anfälle bei diesen zwei erwähnten Fällen an Intensität und Häufigkeit geringgradiger, konnten aber nicht ganz zum Verschwinden gebracht werden. Da in zahlreichen klinischen und experimentellen Untersuchungen das Fehlen von toxischen Organschäden auch bei langdauernder Anwendung der Biguanide nachgewiesen werden konnte4- 6 , 12 und bei Einhaltung einer nicht zu hohen Dosierung in unserem Krankengut die beschriebenen gastrointestinalen Nebenwirkungen selten auftraten, erscheint trotz der relativ geringen Zahl einer günstigen Beeinflussung des Diabetes mellitus durch die mit Insulin kombinierte Biguanidanwendung der Ver s u c h der Anwendung dieser Substanzen bei schweren und schwersten Fällen im Kindesalter nicht unberech tigt. Ueberdies konnten wir auch bei den diesbezüglich untersuchten Kindern niemals irgendwelche, mit den in unserer ersten Untersuchungsserie geschilderten Untersuchungsmethoden und Funktionsproben erfaflbare, Organschäden hinsichtlich Leber, Niere und hämopoetischem System unter längerdauernder Biguanidanwendung nachweisen.

9 Es kann nicht entschieden genug betont werden, daß die Insulinzufuhr und die Einhaltung einer gleichmäßigen, geregelten - und keinesfalls allzu lockeren! - Diät nach wie vor die wesentlichen Grundpfeiler der Diabetesbehandlung im Kindesalter repräsentieren. Von einer alleinigen Biguanidanwendung beim Kind möchten wir auf Grund eigener Erfahrungen abraten. Wenn auch in Einzelfällen bei frischen Diabetikern die Einstellung ohne Insulin möglich ist, erscheint dies kein Beweis für die Berechtigung einer alleinigen Biguanidanwendung. Nach einer relativ kurzfristigen Insulinierung können nämlich kindliche und jugendliche Diabetiker eine gewisse Spontanremission mit oft nur minimalstem Insulinbedarf aufweisen, die allerdings meist nicht lange anhält und wieder in eine Phase mit erhöhtem Insulinbedarf überleitet. Bei 2 Kindern mit frischem Diabetes mellitus. die wir mehrere Monate hindurch nach einer vorangegangenen, kurzen Insulinierung ausschlieRlich mit Biguaniden behandelten, trat ewe derartige Verschlechterung der Gesamtstoffwechselsituatiol1 ein, daß wir uns bei keinem weiteren Fall zu emem ahnlichen therapeutischen Risiko entschließen konnten. Schließlich soll noch das Ergebnis des Auslaßversuches einer Diskussion unterzogen werden. Bei Vergleich des durchschnittlichen Insulinverbrauches und der durchschnittlichen Glykosurie während einer kombinierten Insulin-BiguanidTherapie und nach Absetzen der Biguanidmedikation erwies sich bel 4 Fällen von 8 Kindern ein mehr oder weniger deutlicher Unterschied. Davon war bei 3 Kindern im Auslaßversuch eine Zunahme der Glykosurie um 20% vorhanden. Bel Fall NI'; 4 betrug die durchschnittliche Zunahme des Insulinbedarfes nach Sistieren der Biguanidtherapie zirka 200/0, wenngleich auch die absoluten Zahlen nur geringfügige Differenzen erkennen ließen. Nur bei Fall NI'. 8 bestand eine signifikante Zunahme des aktuellen Insulinbedarfes nach Unterbrechung der Biguanidzufuhr. Dagegen trat bei 2 Kindern (Fälle NI'. 11 und 12) bei gleichhohen Insulindosen dabeI sogar eine Abnahme der durchschnittlichen Glykosurie em, was darauf hinweIst, daß offensichtlich die Fallanzahl zu klein und die Beobachtungszeit des Auslaßversuches (1/1 bis 1/2 }ahI) zu kurz ist, um Rückschlüsse zuzulassen. Schlußfolgerungen und Zusammenfassung I 1. Während bei kurzfristiger Biguanidanwendung und gleichzeitiger Insulinapplikation in einem Teil der Fälle eine Insulineinsparung und eine Besserung der Gesamtstoffwechselsituation zu verzeichnen ist, weist das Ergebnis bei langdauernder Insulin-Biguanid-Medikation auf weniger eindeutige Beeinflussungen hin.

10 2. Von 9 Fällen eines Diabetes mellitus im Kindesalter wurde bei langdauernder, mit Insulin kombinierter Biguanidverabreichung und Vergleich mit einer vorher alleinigen Insulinbehandlung bei 2 Kindern eine Besserung der durchschnittlichen Glykosurie und bei einem Kind ein Rückgang der notwendigen Insulinmenge festgestellt. 3. Die Beeinflussung einer Stoffwechsellabilität war bei dieser kombinierten Therapie bei 2 Fällen unserer Beobachtungsserie nachweisbar und nur graduellen Charakters. 4. Der AuslaRversuch der Biguanidmedikation kann auf Grund der noch zu kurzen Beobachtungszelt und der Uneinheitlichkeit des Untersuchungsergebnisses vorläufig nicht sicher beurteilt werden. 5. Die Verträglichkeit der Biguanide war in den angegebenen Dosen meIst immer gut und in keinem der untersuchten Fälle konnten faRbare Organschäden nachgewiesen werden. 6. Von einer alleinigen Bignanidtherapie ohne Insulin wird beim kindlichen Diabetes strikt abgeraten. 7. Es wird die Ansicht vertreten, daR bei besonderer Indikation, und zwar beim schweren Diabetes mit hohem Insulinverbrauch und ausgeprägter Stoffwechsellabilität der Ver s u c h einer gleichzeitig mit Insulin verabreichten Biguanidzufuhr nicht unberechtigt erscheint, wenngleich auch dabeI bei Langzeitbeobachtungen die Erfolge einer Biguanidmedikation weniger deutlich als bei kurzfristiger Anwendung zur Auswirkung kommen. 8. Die Indikationsstellung zur Biguanidtherapie sollte ebenso wie deren Ueberwachung einer mit den Problemen des Diabetes mellitus vertrauten InstitutIOn bzw. dem Spezialisten vorbehalten bleiben. Li t er a t ur: 1 Krall, L. P., White, P. und Brad,ley, R. F.: Diabetes, 7 (1958), S.468. - 2 Pomeranze, J., Fujiy, H. und Mouratoff, G. T.: Proc. Soc. ex per. Bio!. a. Med., 95 (1957), S.193. - 3 Krall, L. P. und Camerini-Davalos, R.: Proc. Soc. exper. Bio!. a. Med., 95 (1957), S. 345. - 4 Mehnert, H.: Dtsch. med. Wschr., 83 (1958), S.1273. - 5 Beringer, A.: Wien. med. Wschr, 108 (1958), S.880. - 6 Creutzfeldt, W. und Söling, D.: Erg inn. Med., 15 (1960) (dort auch Gesamtliteraturangaben). 7 Rosenkranz, A.: Wien. med. W schr., 109 (1959), S. 1034. 8 Williams, R. H., Tanner, D. C. und Odell, W. D.: Diabetes, 7 (1958), S.87. - 9 Mehnert, H. und Seitz, W.: MÜnch. medio :Wschr. (1958), S.1056 und 1849. - 10 Beringer, A.: Med. Welt (1961), S.278. - 11 Constam, G. R.: Tägl. Prax., 2 (1961), S.59. - 12 Krall, L. P., Bradley, R. F. und White, P.: lntemat. Biguanid-Symposion. Stuttgart: Thieme-VerIag. 1960.

Aus der Universitäts-Frauenklinik: Göttingen (Direktor: Prof. Dr. H. Kir c h hof f)

Diabetes und Schwangerschaft Von H. Hartl

Seit der Einführung der Insulinbehandlung hat die Fertilität diabetischer Frauen erheblich zugenommen. Sie stieg nach Me s t wer d t von 2% auf 28'6%, also auf über das Zehnfache an, während die Letalität der schwangeren Diabetikerin von 50% auf 0'4%, also auf weniger als ein Hundertstel, abgenommen hat. Die Konzeptionschancen der Diabetikerin haben sich heute soweit denjenigen von stoffwechselgesunden Frauen genähert, daR man einerseits oft genug diabetische Mehrgebärende antrifft (Tab. 1) und Tab. 1. Parität I-parae II-parae III-parae IV-parae V-parae

9

14 7

3

1

daR anderseits rund die Hälfte aller beobachteten Schwangerschaften eintritt, nachdem die Dauer des Diabetes bereits 6 und sogar 11 Jahre überschritten hat (Tab. 2). . Tab. 2. Dauer des Diabetes

.1

In Schwangerschaft entdeckt . . . . . . . . 0-5 Jahre......................

6 14 6-10 Jahre ..................... , 8 12 über 11 Jahre......................

Fälle Fälle Fälle Fälle

15% 35% 20% 30%

2 Der Geburtshelfer hat also viel häufiger als früher diabetische Schwangere zu betreuen, eine Aufgabe, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen Geburtshelfer, Internisten und Pädiater optimal gelöst werden kann. Während man bis 1950 eine Diabetikerin in etwa 0'1010 aller Geburten antraf, ist diese Zahl bei uns in den letzten 4 Jahren auf 0'5010 angestiegen (Tab. 3). Tab. 3. Häufigkeit Aeltere Literatur ..... . Hamburg-Finkenau (Siegeier und Hansen) Göttingen .......... .. Göttingen ........... .

,...1: 1000 1953-1960 1954-1957 1958-1961

1: 481 1: 429 1: 197

""0'1% 0'2% 0'23% 0'5%

Jede Schwangerschaft stellt einen "b es 0 n der e n Leistungsanspruch" (R. Schröder) an den mütterlichen Organismus im allgemeinen und an sein Endokrinium im besonderen dar. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daR der Diabetes mellitus nicht selten im Verlauf der Gestationsvorgänge manifest wird (Tab. 2). Dem Manifestwerden geht eine oft viele Jahre dauernde prädiabetische Phase voraus, in der bereits latente endokrine Dysregulationen bestehen. Zu ,den Erscheinungen der pradiabetischen Phase gehort wahrscheinlich auch der von Heynemann, Küstner u. a. beschriebene sogenannte S ch wange rs cha ft s diab etes, der alle Stoffwechselmerkmale der echten Zuckerkrankheit aufweist, auf Insulin gut anspricht und nach der Geburt spontan verschwindet. Die Schwangerschaft bewirkt bei bestehendem Diabetes in der Mehrzahl der Fälle eine Verschlechterung der Stoffwechsellage mit gesteigerter Lab i I i t ä t und vermehrter Neigung zu diabetischem Koma und hypoglykämischem Schock. Gelegentlich wird aber auch eine Verbesserung des Stoffwechsels in der Spätschwangerschaft beobachtet. Als Erklärung nimmt man ein Ueberwandern von Zucker aus dem Blut der Mutter in dasjenige der Frucht an, wo der Abbau durch das im fetalen Pankreas gebildete Insulin erfolgt. Umgekehrt führt der Diabetes zu einer erheblichen Häufung von Schwangerschaftskomphkationen, wie P y el i t i s, Hydramnion, Früh- und Spätgestosen (Tab. 4). Während sich die genannten Rückwirkungen auf den mütterlichen Organismus mit den heutigen therapeutischen Möglichkeiten einigermaßen beherrschen lassen und die Prognose für die Mutter quoad vitam nicht mehr nennenswert

3 Tab. 4. Komplikationen bei 42 Schwangerschaften Jrrühgestosen .......... . Hydramnion ........... . Spätgestosen:

9 5 6 2 2 5 2 3

mal mal mal mal mal mal mal mal

Hyperemesis Hydrops leichte Nephropathie Hypertonie schwere Präeklampsie Anämie von 45% Hbg starkes Späterbrechen

belasten, ist die Gef ähr dung des Kin des immer noch erheblich und steht heute weitaus im Vordergrund der Problematik. Bei den Kindern fällt die Häufung von MiRbildungen sowie die Neigung zu in t ra uterin em F ru ch t tod und zu Riesenwuchs auf, so daR von einer Embryopathia diabetica gesprochen wird (Barnatter, Mayer, Worm). Trotz ihrer UebergröRe verhalten sich die Früchte biologisch wie lebens schwache Fruhgeborene. Es besteht eine "trugerische Reife" bei einem Fetus dysmaturus, wie es Mestwerdt genannt hat. Der Riesenwuchs der Früchte fuhrt seinerseits zur Häufung von Geburtskomplik a ti 0 n e n, so daR intrakraniale Blutungen, Arm- und Nervenläsionen vermehrt beobachtet werden. Tab. 5.

Perinatale Mortalität der Kinder 1954-1961 (1945-1953) Zahl

Vaginale Entbindung ... Sclmittentbindung Insgesamt. . . . • ..

I

Kinder

26 (10) 15 (9)

18 (5) 12 (7)

41 (19)

130 (12)

Sectiofrequenz ... 136'5% (47'3%)

Mortalität

lebende I tote

I ante 6

8 (5) 3 (2)

I 11 (7) I

i

intra 1

30'8% (50%) 20'0% (22'2%) 26'8% (36'8%)

I post partum t 4

Die enorme Anfälligkeit der Kinder geht aus Tab. 5 hervor. Sie zeigt, daR die perinatale Mortalität der Kinder von diabetischen Müttern an unserer Klinik in den letzten 71/ 2 Jahren 26'8% betrug. Im einzelnen läßt sich folgendes ablesen:

4 1. Im Vergleich zu dem Zeitraum von 1945 bis 1953 (Zahlen in Klammern) konnte die perinatale Mortalität in den Jahren 1954 bis 1961 von 36'8% auf 26'8% gesenkt werden, 2, Die Verbesserung betrifft vorwiegend die vaginal entbundenen Kinder, während die perinatale Mortalität der Sectiokinder mit rund 20% fast konstant geblieben ist. 3, Das Ergebnis ist bei der Schnittentbindung wesentlich günstiger als bei den vaginalen Entbindungsverfahren, 4. Die Verbesserung der Ergebnisse wurde erzielt, obwohl die Sectiofrequenz in den Vergleichs zeiträumen von 47'3010 auf 36'5% zurückgegangen ist. Diese Verschiebung läßt allerdings in Anbetracht der kleinen Zahlen keine bindenden Schlußfolgerungen zu, zumal eine prinzipielle Aenderung der Indikationsstellung nicht eingetreten ist. 5. Ueber die Hälfte der perinatalen Mortalität geht zu Lasten des intrauterinen Fruchttodes an t e par turn. Schließlich soll nicht verschwiegen werden, daß unsere Ergebnisse nicht optimal sind. Unsere derzeitige perinatale Mortalit&t von 26'8010 liegt zwar unter den Literaturberichten, die sich zwischen 40 und 64% bewegen, ist aber immer noch doppelt so hoch wie die Spitzenergebnisse, die mit 10 bis 15% an einigen wenigen Behandlungszentren erreicht wurden, beispielsweise an der Joslinschen Klinik (P, White), im Diabetikerheim Garz und Karlsburg (W orm), an der Frauenklinik Hamburg-Finkenau (D ietel, Siegeler) und im Mont Sinai Hospital (Dolger und Mitarbeiter), Die genannten Erscheinungen der Ern b r y 0 p a t h i a dia be ti c a, die Makrosomie und Dysmaturität der Kinder treten eigentümlicherweise bereits in der prädiabetischen Phase auf, also bei Kindern von Müttern, die erst mehrere Monate oder Jahre später an einem Diabetes erkranken. Dadurch werden die gesamten Fortpflanzungsergebnisse der Diabetikerin noch mehr reduziert. Bei unseren Patientinnen endeten 62 selbst beobachtete und 71 anamnestisch erfaßte, also insgesamt 133 Schwangerschaften in 45'1010 mit dem Absterben der Frucht (Tab. 6).

Tabelle 6 133 Schwangerschaften endeten mit: 11 Aborten. } = 45'10/ Verlusten 49 toten Kindern /0 73 lebenden Kindern Die Behandlung des Diabetes hat eine optimale Stoffwechseleinstell ung während der ganzen Sc h w a n ger s c h a f t zum Ziel. Hypoglykämien und Azidosen mussen vermIeden werden, da sie zu Mißbildungen der Frucht

5 und zu intrauterinem Fruchttod fuhren konnen. Eine s t raff e Stoffwechselführung führt zu einer Verbesserung der kindlichen Resultate. Die diabetische Schwangere soll anfangs 14tägig, vom siebenten Schwangerschaftsmonat ab wöchentlich vom Geburtshelfer und Internisten gemeinsam kontrolliert werden. Zu Begmn, in der Mitte und besonders in den letzten Schwangerschaftswochen ist eine stationäre Einstellung empfehlenswert. Kurz vor dem Entbindungstermin soll je d e schwangere Diabetikerin auf Alt ins u li n umgestellt werden, weil nur auf diese Weise die extremen Stoffwechselbelastungen während der Geburt schnell genug ausgeglichen werden können. Die Ge bur t sie i tun g bei Diabetes soll das Kind vor dem drohenden perinatalen Fruchttod retten. Es stellen sich dabei die bei den Kardinalfragen nach dem günstigsten Z e i tpunkt und der besten Art der Entbindung. Bei der Wahl des Z e i t P unk t e s ist zu bedenken, daR einerseits die Gefahr des intrauterinen Absterbens zunimmt, je länger man abwartet, daR aber anderseits ein allzu weites Vorver legen des Geburtstermines die ohnedies lebensschwachen, biologisch minderwertigen Kinder ebe"nfalls gefährdet, indem sie zwar lebend geboren werden, aber kurz nach der Geburt versterben. Der von uns in 6 Fällen beobachtete intrauterine Fruchttod ereignete sich 48, 44, 16, 15, 12 und 6 Tage ante terminum. Man wird also in den meisten Fällen zurecht kommen, wenn man die E n tb in dun gin der 37. Schwangerschaftswoche vornimmt. Dies steht im Einklang mit dem Standpunkt der meisten Autoren, die heute allgemein die vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft in der 36. bis 38. Woche empfehlen. Ueber die beste Art der Entbindung gehen die Meinungen allerdings auseinander. Während W orm neuerdings die Geburt durch Blasensprengung und Wehenmittel 3 Wochen an te terminum einleitet und auf vaginalem Weg entbindet, empfehlen andere Autoren (White, Dietel, Siegeler) mit Nachdruck die prophylaktische Schnittentbindung im Interesse des Kindes, so daR sich an diesen Kliniken bei Diabetikerinnen eine Sectiofrequenz von bis zu 70010 ergibt. Trotz dieser gegensätzlichen Einstellung sind die kindlichen Resultate der beiden Autorengruppen etwa die gleichen. Wir selbst nehmen einen vermittelnden Standpunkt em, indem wir den Kaiserschnitt zwar nicht grundsätzlich bei jeder Diabetikerin ausführen, aber doch freigiebig bei bestimmten Indikationen, wozu wir in Uebereinstimmung mit Me s t wer d t und Hör man n etwa UebergröRe des Kindes, alte Erstgebärende, ungünstige Geburtenanamnese, fortschreitende Spätgestosen, nicht zu beherrschende Stoff-

6 wechsel verschlechterung mit Komaneigung sowie sich verschlechternde GefäRkomplikationen, wie Glomerulosklerose und Retinopathie, rechnen. Die Indikationsstellung muR unter Berücksichtigung all dieser Faktoren in d ivi d u ellerfolgen. Die oben erwahnte Tatsache, daR sich unsere Ergebnisse trotz einer Verminderung der Sectiofrequenz verbessert haben (Tab. 5), bestärkt uns in der Auffassung, daR das Problem der hohen perinatalen Sterblichkeit bei Diabetes Illcht durch die generelle Anwendung der Schnittentbindung allein gelöst werden kann, sondern in erster Linie von der W a h I des E n t bin dun g s z ei t p unk t e s abhängt, wobei wir die 37. Schwangerschaftswoche für optimal halten. Die Neu geb orenen sind nach der Geburt entsprechend ihrer biologischen Unreife wie Fr ü h g e bor e n e mit besonderer Sorgfalt zu betreuen, was die Hilfe des Pädiaters erforderlich macht. Die Kinder diabetischer Mütter neigen zu Krämpfen, respiratorischen Krisen, starkem Gewichtssturz und Hypel'bilirubinämie und weisen eine herabgesetzte Infektionsabwehr auf. Die Hauptgefahr ist die Bildung von hyalinen Membranen, weshalb sich das Absaugen der Luftwege und des Magens unmittelbar nach der Geburt empfiehlt. Ob ein hypoglykämischer Schock beim Neugeborenen nach der Geburt eine Rolle spielt, erscheint zweifelhaft, da die Blutzuckerwerte auch bei Kindern gesunder Mütter in den ersten Lebensstunden und -tagen sehr labil sind. Ein allzu abrupter Absturz des Blutzuckerspiegels beim Neugeborenen hiRt sich am besten dadurch vermeiden, daR man bei der Mutter zum Zeitpunkt der Entbindung eine möglichst normoglykämische Stoffwechsellage herstellt. Von der früher empfohlenen Gabe von Traubenzucker an das Neugeborene ist man heute allgemein abgekommen. Eine' S ch w angers ch a fts un t er b rech ung wegen Diabetes mellitus ist bei sachgemäRer Betreuung der Mutter durch den Internisten nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich, beispielweise bei schwerer, therapieresistenter Azidose, bei fortschreitender diabetischer Retinopathie oder Glomerulosklerose, ferner bei gleichzeitiger aktiver Lungentuberkulose oder Nephrose (Winter-Naujoks).

Aus !ler H. Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten in I Wien (Vorstand: Prof. Dr. O. No v 0 t n y)

Zur Messung der endogenen Zuckerneubildung bei Laboratoriumstieren Von A. Beringer In den Vordergrund der Problematik möch~e ich die Ursache des erhöhten Blutzuckers und der Glykosurie bei der Zuckerkrankheit stellen. Bis zur Zeit geht die Meinung dahin, daR die Hyperglykämie durch einen Minderverbrauch an Zucker, eine Mehrbildung oder durch beide Faktoren zustande kommt. Wir haben schon wiederholt darüber berichtet, daR die Leber des Diabetikers nicht mehr Zucker abgibt wie die gesunde. Wir haben ferner gesehen, daR Diabetiker mit einer unterschiedlichen Blutzuckerhöhe die gleiche Menge an Zucker aus der Leber abgeben. Daher lehnen wir eine Mehrbildung an Zucker als Ursache der Hyperglykämie ab. In der weiteren Folge haben wir an Laboratoriumsfieren den Versuch unternommen, die Menge des endogen gebildeten Zuckers auch quantitativ zu erfassen und einen Vergleich zwischen gesunden und diahetischen Kaninchen zu ziehen, um einen näheren Einblick in das Wesen der diabetischen Stoffwechselstörung zu gewinnen. Bei dieser Aufgabe sind wir von folgenden Ueberlegungen ausgegangen: Es ist bekannt, daR die gesunde Hungerleber nach einer Zufuhr von Traubenzucker die Zuckerabgabe einstellt,

2 Reservezucker speichert und bei höherem Gehalt an Depotzucker Fett aus Kohlehydraten bildet. Da also die Leber nach der VerabrelChung von Dextrose die Zuckerabgabe einstellt, ",ar zu erwarten, daR nach der Applikation einer geeigneten Menge von Dextrose nicht nur der exogen zugeführte, sondern auch der endogen gebildete Zucker in der Leber deponiert werde, womit sich eine Möglichkeit zur Erfassung der endogenen Zuckerneubildung bot, Es ergab sich in erster Linie die Notwendigkeit, die zu injizierende Zuckermenge so zu wählen, daR die Fettbildung aus Kohlehydraten auf ein Minimum reduziert werde, um unkontrollierbare Fehlerquellen zu vermeiden. Bei den orientierenden Untersuchungen hat sich folgendes gezeigt: Nach einer intravenösen Injektion von 10 g Dextrose pro, Kilogramm Körpergewicht werden bei gesunden Hungertieren nach Abzug der Glykosurie und des Hungerwertes 43% der utilisierten Zuckermenge in der Leber als Depotzucker wiedergefunden. Nach einer Injektion von 1 g Dextrose werden 66'8% als Reservezucker in der Leber deponiert. Bei einer Injektion von 500 mg Dextrose pro Kilogramm Körpergewicht finden wir 95% als Depotzucker in der Leber. Diese Untersuchungen zeigen uns, daR eine kleinere Zuckermenge eine relativ höhere Speicherung an Depotzucker in der Leber auslöst als eine gröRere Zuckerquantität. Verringern wir die Dextrosemenge weiterhin, so zeigt sich folgendes: Im Anschluß an eine intravenöse Infusion von 134 mg Dextrose pro Kilogramm Körpergewicht, die im Verlaufe einer Stunde appliziert wurden, finden wir nach Abzug des Hungerwertes 391 bis 394 mg Reservezucker pro kg Körpergewicht in der Leber, also annähernd 3mal soviel als der zugeführten Zuckermenge entspricht. Dieser UeberschuR kann nur dem endogen gebildeten Zucker entstammen. Die Injektion kleinster Zuckermengen führt also nicht nur zur Ablagerung von Depotzucker aus exogenen Quellen. Sie löst auch eine Einstellung der Abgabe des endogen gebildeten Zuckers aus der Leber aus, wodurch die endogene Zuckerneubildung einer Erfassung zugänglich wird. Eine intravenöse Injektion der gleichen Menge von Zucker führt zum gleichen Resultat wie die Infusion. Wir sehen, daR nach der Normalisierung des Blutzuckers, die 60 Min, in Anspruch nimmt, ebensoviel Depotzucker in

der Leber gespeichert wird wie nach der Infusion. Eine weitere Verringerung der injizierten Traubenzuckermenge auf 66'3 mg pro kg Körpergewicht hat an-

3 nähernd dasselbe Resultat zur Folge, Die Menge des abgelagerten Zuckers bewegt sich um 341 mg pro kg Körpergewicht, Nun ergibt sich die Frage, wie aus diesen Ergebnissen die endogene Zuckerneubildung quantitativ erfafH werden könnte, Wir haben festgestellt, daß nach einer intravenösen Applikation von 66'3 und 134 mg Traubenzucker innerhalb einer Stunde 446 bis 499 mg Dextrose in der Leber deponiert werden, Die zusätzliche Ablagerung beträgt also nach Abzug des Hungerwertes (105 mg) 341 bis 394 mg Dextrose pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde, Davon ist die Menge der Ablagerung aus exogen zugeführtem Zucker in Abzug zu bringen, Diese ist uns unbekannt. Es haben wohl Co r i und Co r i errechnet, daß 18% zugeführter Dextrose in der Leber deponiert werden, Wir konnten nun einleitend zeigen, daß jede Aenderung der verabreichten Zuckermenge eine unterschiedliche Ablagerung des Depotzuckers in der Leber hervorruft. Da es uns also nicht bekannt ist, wieviel von kleinsten zugeführten Zuckermengen in der Leber deponiert werden, so mußten wir die zwei extremsten Möglichkeiten in Betracht ziehen, indem wir annahmen, daß nichts oder alles in der Leber aufgenommen werde, Auf diese Weise er faßten wir die minimalen und die maximalen Werte, innerhalb welcher sich die Zuckerneubildung bewegt. Das Minimum liegt zwischen 256 und 274 mg pro Stunde oder 6'1 bis 6'5 g pro Tag und Kilogramm Körpergewicht. Das Maximum schwankt zwischen 341 und 394 mg pro Stunde oder 8'1 und 9'4 g pro Tag und Kilogramm Korpergewicht, Die endogene Zuckerneubildung am Tag liegt also zwischen 6 und 9 g pro Kilogramm Körpergewicht, Es könnte noch ins Treffen geführt werden, daß die Zuckerneubildung höher liegt, weil ein Teil des Zuckers in Fett übergeführt wird, Wir haben jedoch bei gleichzeitiger Applikation von markierter Dextrose so wenig aktiven Kohlenstoff im Fett gefunden, daß diese Fehlerquelle ausgeschlossen werden kann, Nach dieser Feststellung versuchten wir zu ergrün..den, ob die diabetische Stoffwechselstörung bei alloxandiabetisehen Kaninchen durch eine Mehrbildung oder einen Mehrverbrauch an Zucker zustande kommt. Wir haben gesehen, daß Kaninchen mit schwerstem Alloxandiabetes täglich 21/ 2 bis 5 g Dextrose pro Kilogramm Körpergewicht ausscheiden, wobei sich an HC markierter Dextrose zeigen ließ, daß weniger Zucker in der Leber und Muskulatur verwertet wird als bei gesunden, Demnach ist die diabetische Stoffwechsel störung durch einen Minderverbrauch

4 an Zucker charakterisiert, wobei eine Mehrbildung ausgeschlossen werden kann. Zusammenfassend läßt sich also feststellen: Je weniger Zucker zugeführt wird, desto größer ist der prozentuale Anteil an Depotzucker in der Leber. Bei einer Injektion oder Infusion minimaler Zuckerrnengen wird nicht nur der exogen zugeführte, sondern auch der endogen gebildete Zucker in der Leber deponiert. Die Zuckerneubildung bewegt sich bei gesunden hungernden Kaninchen zwischen 6 und 9 g pro Tag und Kilogramm Körpergewicht. Es bestehen keine Anzeichen dafür, daß beim experimentellen und menschlichen Diabetes mehr Zucker gebildet wird als im gesunden Organismus. Wohl läßt sich ein Minderverbrauch nachweisen, so daß die diabetische Stoffwechselstörung durch einen Minderverbrauch bei ungestörter Zuckerneubildung zustande kommt.

Aus der Universitäts-Kinderklinik (Supp!. Leiter: Prof. Dr. W. S wob 0 da)

DiagnosesteIlung bei Toxoplasmose Von O. Thathammer Mit 1 Abbildung

Drei Dinge sind Voraussetzung für die Diagnose "Toxoplasmose" (T.), nämlich ein entsprechendes klinisches Bild, ein zutreffender Laborbefund, sei es ein Test oder ein Erregernachweis und schließlich als wichtigstes eine sinngemäRe Interpretation des Laborbefundes. Nachdem es kein klinisches Bild gibt, das für T. so typisch ist, daR es von sich aus die Diagnose erlaubt, soll das klinische Bild, das ohnehin von Herrn Ba m a t t er dargestellt wurde, bei der Interpretation der Laborbefunde erwähnt werden. Es wäre verfehlt, wollte ich mit Ihnen die so wichtigen technischen Einzelheiten der Laboratoriumsuntersuchungen bei T. besprechen; die wenigsten von Ihnen kämen wohl in die Lage, solche Details zu verwerten. Wesentlich scheint mir dagegen, Ihnen für die Bewertung solcher Befunde Hinweise zu geben. Geradezu grundlegend ist dabei, daR Sie von der Erarbeitung des Laborbefundes eine Vorstellung haben und ihm nicht den absoluten Vorrang vor Ihrem klinisch-biologischen Denken einräumen. Die Materie ist besonders schwierig, in den Laboratorien arbeiten auch nur Menschen und auch das beste Toxoplasmoselabor oder das kritisches te pathologischanatomische Institut kann daher einmal einen unzutreffenden Befund liefern. Von solchen Zwischenfällen abgesehen, gibt es aber Dinge, die von vornherein zur Vorsicht bei Verwertung ein'es Laborbefundes mahnen: Zunächst der mi k r 0 s k 0 p ische Erregernachweis im Gewebe. Das Protozoon T. verhält sich färberisch wie eine Zelle und hat im Gewebe

2 meist eine uncharakteristische Gestalt; es ist deshalb auch größten Spezialisten, wie S abi n, nicht möglich, extrazelluläre T. im Gewebe mit Sicherheit zu identifizieren. Hören oder lesen Sie einen solchen Befund, so sollten Sie im Geiste drei große Fragezeichen dahintersetzen. Eher ist die Identifizierung von zahlreichen T. in einer Zelle möglich, vorausgesetzt, daß sich die intrazellulären Korpuskel färberisch wie 'Einzeller und nicht etwa wie Pigmente verhalten. Einigermaßen sicher lassen sich im Gewebe Toxoplasmazysten identifizieren. Intrazelluläre T. finden sich jedoch nur bei Fällen aktiver Krankheit und Zysten nur im Stadium der Abheilung und beide im Gewebe nur äußerst spärlich. Aus all diesen Gründen hat der direkte Erregernachweis im Gewebe für die Humanmedizin nur sehr untergeordnete Bedeutung. Bezüglich des Befundes von Zysten soll man auch bedenken, daß sich solche in mehr minder geringer Zahl im Körper jedes einmal infizierten serologisch positiven Menschen befinden, d. h. bei rund 50010 aller Erwachsenen. Soweit man heute sehen kann, liegen die Zysten bei infizierten klinisch Gesunden vorwiegend in der glatten und quergestreiften Muskulatur. Wenn auch solche Zysten bei. Gesunden nur durch Zufall zu finden sind, so berechtigt ein solcher Befund daher doch nicht ohne weiteres, irgend ein Krankheitsbild auf die Toxoplasmainfektion zu beziehen. Aussichtsreicher und ergiebiger ist der indirekte Erregernachweis durch Tierversuch. Er birgt jedoch die Gefahr in sich, daß etwa nachgewiesene T: aus einer anderen Quelle als dem verimpften Material stammen, etwa von Stallnachbarn des Tieres, von Instrumenten oder von einem latent infizierten Versuchstier selbst. Selbstverständlich bemüht sich, jedes Labor, diese Fehlerquellen auszuschalten, und ein positiver TIerversuch ist daher einer der sichersten Nachweise einer Infektion, aber auch er ist nicht unfehlbar. Sie sind zur Skepsis berechtigt, wenn Sie wahrnehmen, daß in einem Labor Tierversuche mit menschlichem Material sehr oft positiv ausfallen, denn dies ist unwahrscheinlich; Zweifel erregt auch, wenn an einer Untersuchungsstelle Tierversuche regelmäßig erst in der dritten, vierten Passage positiv sind. Wenn Sie hören oder lesen, daß ein Tierversuch mit Material einer wiederholt serologIsch negativen Person angegangen ist, dann dürfen Sie mit Sicherheit annehmen, daß eines von beiden, der Tierversuch oder der serologische Test, falsch ist; meist wird es der Tierversuch sein. Vergessen Sie auch nicht, daß der Tierversuch letztlich ein mikroskopischer Nachweis von T. im Tier ist und für Ihn daher auch die beim direkten Nachweis erwähnten Hinweise gelten. Selbstverständlich kann ein Tierversuch auch durch Zysten in der Muskulatur eines Gesunden positiv ausfallen, ohne daß dies die Genese irgend einer Er-

3 krankung ohne weiteres beweist. Eine Vorstellung von der Bedeutung dieses Umstandes gibt die Tatsache, daR bei epidemiologischen Studien im Fleisch eines relativ hohen Prozentsatzes an sich gesunder Schweine T. durch Tierversuch nachgewiesen werden konnte. Auch die serologischen Teste sind vor Fehlern nicht ganz gefeit. Der Sabin-Feldman- oder Vitalfärbetest ist der empfindlichste und verläRlichste unter ihnen. Er ist zwar nicht ganz einfach und verlangt die nicht erlahmende Aufmerksamkeit auch erfahrenster technischer Assistentinnen, man kann aber trotzdem sagen, daR er heute in allen Laboratorien, die ihn ständig ohne Unterbrechung ausführen, gute Resultate liefert. Der einzige wirkliche Fehler, der auftreten kann, ist ein negativer Testausfall mit einem schwach positiven Serum; die Ursachen dafür sind verschieden, liegen wahrscheinlich oft auch in einer unsachgemäRen Behandlung des zu untersuchenden Serums durch den Einsender. Ein solcher Fehler ist mit Sicherheit anzunehmen, wenn eine serologisch positive Person in verhältnismäßig kurzer Zeit, d. h. im Laufe von Monaten, negativ wird oder eine zunächst negativ scheinende Person mit niederem oder mittlerem Titer positiv wird, ohne in der Folge sehr hohe Titer zu erreichen. Machen Sie an Befunden eines Labors solche Beobachtungen, so müssen Sie daraus den SchluR ziehen, daR das Labor zumindest zeitweise oder in der Hand einzelner technischer Assistentinnen nicht in der Lage ist, schwach positive Seren verläRlich zu erfassen. Dies sollte gerade beim hervorragenden SF-Test nicht vorkommen, ist jedoch als' seltene Erscheinung ein verzeihlicher Fehler, der nur bei der Feststellung von Durchseuchungsziffern eine Rolle spielt. In der zweiten Situation, in der ein solcher Fehler groRe Bedeutung haben kann, sind Sie selbst in der Lage, den Fehler zu erkennen, nämlich bei der Feststellung einer frischen, also aktiven Infektion. Diese ist in sehr frühen Stadien gekennzeichnet durch den Wechsel des Testes von negativ zu positiv; dieses "positiv" kann, wie Sie noch sehen werden, zunächst in einem niederen oder mittleren Titer bestehen, der aber etwa 1 Woche später bedeutend höher sein muR. Bleibt nach einem Wechsel von negativ zu positiv der starke Titeranstieg aus, so können Sie mit Sicherheit sagen, daR das erste negative Ergebnis unrichtig war und bei ihrem Patienten nicht eine ganz frische, sondern eine alte latente Infektion vorliegt. Sie dürfen in einem solchen Falle aber das betreffende Labor nicht geringschätzen, es kann trotzdem ein ausgezeichnetes Labor sein, das lediglich einen Teil der schwach positiven Sera nicht erfalH. Bezüglich der Titerhöhe beim SF-Test wäre noch zu erwähnen, daR diese mit demselben Serum nicht in allen Labors absolut dieselbe sein muR.

4 Sie können Titer verschiedener Labors daher nicht ohne weiteres miteinander vergleichen. Jedes Labor kann statistisch feststellen, welche Titer für seine Bedingungen nieder, mittel und hoch sind, und wird Ihnen diese Information gerne geben. Die KBR auf T. ist in allen Labors der Welt in verschiedenem MaRe weniger empfindlich als der SF-Test. Es ist dies vor allem eine Frage des Antigens, daneben auch der Technik. Die KBR ist auch nicht im selben MaRe reproduzierbar wie der SF; es spielen dabei viele Dinge eine Rolle. Die KBR ist daher zur Feststellung von Durchseuchungsziffern ungeeignet, kann aber zur Feststellung relativ frischer Infektionen, die naturgemäR mit höherem Antikörperspiegel im Serum einhergehen, gut verwendet werden. Wechsel von negativ zu positiv in der KBR ist unseres Erachtens kein sicheres Zeichen für eine frische Infektion, da bei niedriger Antikörperkonzentration häufig negative Teste aufgetreten und es verschiedene Möglichkeiten unspezifischer Antikörpertitersteigerung gibt, z. B. auch etwa 10% der Graviditäten. Der Rauttest ist, ein spezifisches und genügend starkes Antigen vorausgesetzt, ein sehr verläflliches Mittel zum Nachweis einer Infektion, aber nur, wenn diese mindestens 4 bis 5 Wochen alt ist und nicht einen Säugling betrifft. Der Rauttest eignet sich daher sehr gut zur Feststellung von Durchseuchungsziffern und zur ätiologischen Klärung von Schadensbildern, nicht aber zur Diagnose akuter Erkrankungen. Fehlermbglichkeiten sind bei ihm gering, wenn der Ausführende Uebung im Ablesen von Rauttesten hat. Senilatrophische Raut kann zu pseudonegativen Resultaten AnlaR geben. Ist das Antigen gut, so besteht die einzige wirkliche Fehlerquelle des Rauttestes in einer sekundären Kontamination des flüssigen Antigens mit irgendwelchen Keimen, welche dann scheinbar positive Resultate durch Infektion oder Allergie herbeiführen können. Strenge Sterilität bei der Manipulation mit dem Antigen ist daher geboten. Der Wertmesser für KBR und Rauftest ist nach wie vor der SF-Test; wir haben zwischen SF und KBR mit unserem Trockenantigen eine Uebereinstimmung von 89% und zwischen SF- und Rauttest eine solche von 96 bis 98%. Unter der Voraussetzung, daR das Testergebnis an sich richtig ist, sind bei der Interpretation des Ergebnisses - wir sprechen nur vom SF -Test - zwei fundamentale Tatsachen zu berücksichtigen, nämlich 1. die allgemeine Titerkurve, d. h. die GesetzmäRigkeiten des Titerverlaufes nach einer Infektion und 2. die regionale Durchseuchung der Normalbevölkerung. Zu Punkt 1. (Abb.1.) Einige Tage nach einer Infektion fällt auch der sehr empfindliche SF-Test negativ aus. Mit einsetzender Antikörperbildung wird er dann mit zunächst niedrigem und mittlerem Titer positiv; der Titer steigt aber rasch

5 auf sehr hohe Werte, die viele Wochen bis Monate bestehen bleiben und dann allmahlich auf mittlere und niedere Werte absinken; diese bleiben jahrelang, vielleicht zeitlebens nachweisbar. Dieser Ablauf ist zeitlich variabel, prinzipiell aber eine GesetzmäRigkeit. Die einzig bedeutende, aber seltene Ausnahme bilden Personen, die hohe Titer jahrelang behalten; solche Menschen sind gesund und auch nicht durch die Infektion gefährdet; die Ursache ihrer hohen Titer durfte eine relativ groRe Zahl zurückbleibender T.-Zysten sein. Die allgemeine Titerkurve ist die Grundlage der Diagnose aller akuten, biologIsch aktIven Erkrankungen. Wenn

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bei einer akuten Allgemeinerkrankung von 1 bis 2 Wochen Dauer ein negativer oder schwach positiver Test vorliegt, kann es sich in sehr seltenen Fällen trotzdem um eine T. handeln, der Test muR aber dann etwa 1 Woche später positiv sein bzw. zu ausgesprochen hohen Titern ansteigen. Ist dies nicht der Fall, so handelt es sich nicht um eine T. Finden Sie bei einer akuten Allgemeinerkrankung von 3 bis 4 Wochen bis wenige Monate Dauer negative oder nur mit niederem bis mittlerem Titer positive Tests, so liegt keine T. vor, sondern irgend eine Erkrankung bei einer nicht oder schon vor langer Zeit infizierten Person. Die isolierte Chorioretinitis ist hier eine Ausnahme; sie kann als lokales Rezidiv einer alten Infektion akut auftreten oder sich verschlechtern und doch niedere oder mittlere Titer aufweisen, weil es nicht zu einer neuerlichen Parasitämie kommt und der kleine lokale ProzeR zur Steigerung der Antikörperproduktion nicht ausreicht. In der Phase niederer und mittlerer Titer bei ganz frischer T., kann durch die Notwendigkeit, den Test zu wiederholen, für die Therapie wertvolle Zeit verloren gehen. Dieser Zeitverlust läRt sich durch gleichzeitiges Anstellen eines Hauttestes vermeiden. Dieser wird als Allergieprobe namlich erst 4 bis 5 Wochen nach der Infektion, d. h. zur Zeit

6 hoher Titer im SF positiv, bleibt es aber danach wahrscheinlich zeitlebens. Niedere oder mittlere Titer treten, wie Sie gesehen haben, im Laufe des Infektionsgeschehens zweimal auf, nämlich ganz zu Beginn und am Ende. Daraus ergibt sich, daß ein niederer oder mittlerer Titer bei positivem Rauttest nur auf eine mindestens viele Monate alte Infektion, die als Ursache einer akuten Erkrankung nicht in Frage kommt, zurückzuführen sein kann, während ein ebensolcher Titer bei negativem Rauttest eine ganz frische, 1 bis 2 Wochen alte Infektion anzeigt. Voraussetzung für dieses "D i s k r e pan zauswertungsverfahren" ist natürlich, daß der Rauttest verläßlich funktioniert, was vor allem eine Frage des Antigens ist. Schadensfolgen nach einer lange zurückliegenden Erkrankung, es kommen praktisch nur Rirnschäden in Betracht, können auf Grund der Titerhöhe nicht mehr diagnostiziert werden. Es ist erwiesen (de Roever-B onnet), daß die Titer schon 1 Jahr nach der Erkrankung auf mittlere Werte abgesunken sein können. Solche Titer findet man aber als Relikt lange zurückliegender, subklinisch erworbener, latenter Infektionen bei einem großen Prozentsatz gesunder Menschen und dementsprechend auch bei demselben Prozentsatz von Menschen mit jeder beliebigen Erkrankung. Es gibt aber einen Weg, auch solche alte Schadensbilder ätiologisch zu klären, nämlich durch Vergleich der Durchseuchung Normaler und Gleichaltriger mit dem in Frage stehenden Schadensbild. Postnatale T.-Infektion führt nur bei einem kleinen Teil, nach Co u v r e u r etwa bei einem Viertel der Infizierten, zu meist uncharakteristischen Symptomen, die übrigen erwerben die Infektion gänzlich subklinisch; sie alle haben natürlich positive Tests, meist mit niederem und mittlerem Titer. Diese Durchseuchung steigt nun mit den Altersstufen an und ist nicht in allen Regionen dieselbe. Die Kenntnis der altersgemäßen regionalen Durchseuchung ist von ganz grundlegender Bedeutung für die Interpretation eines Testergebnisses. Unkenntnis oder Nichtbeachtung der Durchseuchung oder infolge zu wenig empfindlicher Testmethodik zu niedrige Durchseuchungsziffern bei Normalen sind die Ursache dafür, daß einmal so gut wie alle Krankheiten, insbesondere Tbc., Totgeburt, Abortus und Mißbildungen, zuletzt sogar Mongolismus, von einzelnen Autoren mit T. in Zusammenhang gebracht wurden. Da die Durchseuchungskurven verschiedener Gegenden nicht nur verschiedenes Niveau, sondern auch verschiedene Form haben, ist es wertlos, die Durchseuchung einer Population mit einem Durchschnittswert anzugeben; aus dem~ selben Grund ist es auch nicht erlaubt, zu große Altersstufen zu bilden. Wir haben gezeigt, daß man auf diese Weise mit statistischer Signifikanz die Normalität Normaler auf T.

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zurückführen kann. Selbstverständlich ist es auch nicht erlaubt, die Durchseuchung einer Gruppe Normaler aus einer Region mit der einer Gruppe Kranker einer anderen Region zu vergleichen. Kennt man die wahre Durchseuchungskurve der Normalbevölkerung, so kann man jedoch prüfen, ob ein bestimmtes Schadensbild, z. B. angeborene Hirnschäden, zu T. in Beziehung steht oder nicht. Man muß dazu die Durchseuchung -einer genügend großen Gruppe Leidender mit der Durchseuchung einer entsprechenden Gruppe gleichaltriger Normaler vergleichen. Ergibt sich dabei eine signifikant größere Durchseuchung bei den Abnormen, so ist damit für das Kollektiv der Beweis erbracht, daß ein zahlenmäßig ins Gewicht fallender Teil der Abnormen an den Folgen einer T. leidet. Nach diesem Beweis ist die Diagnose auch im Einzelfall mit Wahrscheinlichkeit zu stellen. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Schadensbild auf die nachgewiesene Infektion zurückzuführen ist, beträgt dabei 100 minus der Durchseuchung gleichaltriger Normaler; eine solche Diagnose scheint uns brauchbar, solange die Wahrscheinlichkeit mehr als 80%, d. h. die Durchseuchung Normaler weniger als 20% ausmacht. Wir konnten auf diese Art an nun 1332 angeboren Hirngeschädigten des Wien er Raumes nachweisen. daß 17% von ihnen an den Folgen einer connatalen T. leiden; dies entspricht 6%0 der Lebendgeborenen. Bei uns ist wegen der hohen Durchseuchung ,diese Art der ätiologischen Klärung von Schadensbildern nur im Kindesalter möglich. In Kalifornien, wo die Durchseuchung Erwachsener nur bis etwas über 20% ansteigt, konnte Fr e n k e I auf dieselbe Weise zeigen, daß T. auch in der meist ja nicht eindeutig geklärten Genese der Chorioretinitis des Erwachsenen eine große Rolle spielt. Da der Titer bei Schadensbildern keinen Aussagewert mehr hat, können derartige Untersuchungen vorteilhaft auch mit dem Hauttest ausgeführt werden. Ich möchte aber nochmals betonen, daß derartige Untersuchungen einwandfreie Testmethodik voraussetzen; vor allem müssen latente Infektionen mit- niederem Titer sicher erfaßt werden. Zur Klärung akuter Erkrankungen ist dieser Weg nicht statthaft. Ich habe nun noch das als, erstes genannte Element für die Diagnose "Toxoplasmose" kurz zu besprechen, nämlich das "entsprechende klinische Bild". Die akute Allgemeiner k rank u n g tritt nach bisherigen, ausreichenden Erfahrungen nur im Zusammenhang mit der Erstinfektion ein und muß daher spätestens 3 bis 4 Wochen nach Beginn sehr hohe Titer im SF-Test aufweisen. Diese Erkrankung stellt sich voll ausgebildet als hochfebrile Allgemeininfektion mit starker Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, morbilliformem Exanthem, Hepatitis, Myokarditis, interstitieller Pneumonie,

8 Encephalitis und regionärer oder allgemeiner Lymphadenitis dar. Dieses Vollbild ist jedoch sehr selten und kommt praktisch nur bei sehr abwehrschwachen Individuen, d. h. bei Feten bzw. Neugeborenen und Kindern oder Erwachsenen mit konsumierenden Grundkrankheiten vor (oder sehr massiver Infektion, wie sie in T.-Labors geschehen kann). Häufiger sind Fälle, die nur Teile des Vollbildes in milder Form aufweisen; unter diesen sind vorwiegend cervico-nuchale Lymphadenitiden, und nach den Arbeiten von Kabelitz auch leichte Hepatitiden die relativ häufigsten. Etwa drei Viertel aller postnatalen Infektionen läuft jedoch symptomlos ab. Als Sc h ade n s b i I der nach einer T. sind angeborene oder - viel seltener - erworbene postencephalitische Zustände bewiesen. Intrazerebrale Verkalkungen kommen nur bei der angeborenen T. vor und sind recht selten; wir fanden in auslesefreiem Material für Chorioretinitis und Verkalkungen zusammen eine Frequenz von 15%. Eine Chorioretinits kann im Rahmen einer Allgemeinerkrankung im Gefolge der Erstinfektion oder lange nach der Infektion als lokales Rezidiv auftreten und dementsprechend mit hohen oder niederen Titern einhergehen. Echte Mi fl bi I dun gen (Bildungs fehler) werden durch T.-Infektion weder direkt noch indirekt verursacht. Pränatale T.-Infektion kann natürlich pränatalen Tod, d. h. Tot g e bur t, zur Folge haben, doch ist dies selten und die Frucht muß in einem solchen Fall selbstverständlich pathologisch-anatomisch das Bild einer schweren T. bieten. Abo r t u s kann ausnahmsweise durch wahrscheinlich besonders massive Infektion der jungen Plazenta ausgelöst werden; es sind bisher drei solche Fälle wirklich bewiesen; ausgedehnte Serien untersuchungen haben ergeben, daß T. für das Abortusproblem keine Rolle spielt. Da eine Infektion der Frucht eine Parasitämie bei der Schwangeren voraussetzt und eine solche nur einmal im Infektionsablauf, nämlich im Anschluß an die Erstinfektion auftritt, kann durch T. höchstens ein e Gravidität gestört werden. Eine Frau, die sich vor einer Konzeption als infiziert erweist, hat von seiten der T. für ihre Leibesfrucht nichts zu befürchten und bedarf daher auch keiner Behandlung. Diesen Punkt möchte ich ganz besonders betonen, weil darüber in Mitteleuropa - sehr zum Nachteil unzähliger Frauen - noch immer manchenorts Unklarheiten zu bestehen scheinen.

Aus der I. Universitäts-Augenklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. A. Pi I I a t)

Wann sind wir berechtigt, die Diagnose Toxoplasmose des Auges zu machen? Von A. Pillat Die Frage ist verhältnismäßig einfach bei der konnatalen Toxoplasmose zu beantworten, bei der wir die Augensymptome kennen, welche im Vollbild der Toxoplasmose des Neugeborenen auftreten. Es sind dies auf einem oder beiden Augen Mikrophthalmus, Iritis fetalis, Katarakta complicata und Retinochorioiditis bzw. Pseudokolobom der Macula. Nimmt man das Bild des Hirnsc h ade n s, der sich in schweren Fällen in Imbezilität und Mikrocephalus, in leichten Fällen in Hydrocephalus internus und zerebralen Verkalkungen im Röntgenbild äußert, hinzu, und sind die se r 0 log i s ehe n Te s t e pos i t i v, so ist die Diagnose Toxoplasmose in höchstem Grade wahrscheinlich. Von absoluter Sicherheit der Diagnose kann man nicht reden, weil man hierzu den Nachweis der Toxoplasmen im Auge oder im Körper erbringen müßte. Dieser Nachweis wäre nur dann möglich, wenn das Auge enukleiert werden kann, was in den seltensten Fällen möglich ist. Aber selbst im histologischen Schnitt ist der Nachweis von Toxoplasmen schwierig und unsicher. Die klinische Unsicherheit gilt besonders für die oligosymptomatische konnatale Toxoplasmose, also für Kinder, die nur an einem Hydrocephalus internus, kranialen Kalkherden und der bekannten Retinochorioiditis centralis, d. h. einem Pseudokolobom der Maculagegend leiden. Erst durch den serologisch positiven Farbtest nach S abi n - Fe I dman n wird eine solide Grundlage geschaffen; dennoch bleibt ein Faktor der Unsicherheit übrig, nämlich die Möglichkeit,

2 daR ein bisher unbekannter Erreger gleiche Veränderungen in Hirn und Auge und im Serum machen konnte. Es sei erlaubt, einen Augenblick bei dem Fun d u s b i I d e der konnatalen Toxoplasmose, bei der sogenannten Chorioiretinitis centralis, zu verweilen, die uns häufig unter dem Bilde des Pseudokolobomes der Maculagegend entgegentritt, welche das Endprodukt einer herdförmigen Erkrankung der Netz- und Aderhaut ist. Sie sollte besser als Retinoeh 0 rio i d it i s ce n t r a I is bezeichnet werden. Denn, daR die konnatale Toxoplasmose am Auge als Retinitis beginnt, geht neuerlich aus einer Beobachtung von Pet e r sund Sei t z bei einem neugeborenen Mädchen hervor, dessen rechtes Auge unter der Diagnose Gliomverdacht in der sechsten Lebenswoche enukleiert worden war und bei dem sich reichlich Toxoplasmen im zentralen Netzhautinfiltrat, aber auch in der Vorderkammer und in den Sehnervenscheiden fanden. Aus diesem Fall wie auch aus anderen Fällen im Schrifttum darf der SchluR gezogen werden, daR es sich am Auge in Analogie zu den Hirnherden primär um eine Erkrankung der Hirnschicht der Netzhaut handelt, die sich erst sekundär auf die Aderhaut ausbreitet. Sie zerstört Netz- und Aderhaut so ausgiebig, daR eine vertiefte Narbe resultiert, eben das sogenannte Pseudokolobom, dessen Grund die Sklera bildet. Am binokularen Gullstrandschen Ophthalmoskop oder mit der SpaltlampenmIkroskopie des hinteren Augenabschnittes nach Hruby kann man die Vertiefung der Narbe direkt nachweisen. Als Zeichen der Reparation des zerstörten Gewebes setzt später eine Wucherung von seiten des PigmentepitheIs der 'Netzhaut ein, welche entweder nur den Rand oder die ganze Narbe tintenkIeksartig schwarz färbt. Es scheint so zu sein, daR die Giftwirkung der Toxoplasmen im Ver lau fe von wen i gen Wo c h e n na chi ä fl t, jedenfalls dann. wenn sich die anfänglich frei in der Netzhaut liegenden Toxoplasmen in Zysten abgekapselt haben. Das scheint auch der Grund dafür zu sein, daR man nur in einem kleinen Teil der Fälle "Tochterherde" in der Nachbarschaft des Pseudokolobomes findet, und die benachbarte Papille vom Maculaherd nur selten in Mitleidenschaft gezogen wird. Fälle mit dem klinischen Bild der Chorioiditis disseminata mahnen von vornherein bezüglich der Diagnose Toxoplasmose zur Vorsicht. Es soll die Möglichkeit, dafl bei einer connatalen Toxoplasmose auch einmal eine Chorioiditis disseminaia vorkommen kann, nicht in Abrede gestellt werden, doch ist sie nicht das typische Fundusbild, sondern die Ausnahme. Hingegen kann auch das Bild der Re ti n i t i s pro I i f e r ans in t ern a anscheinend dann hervorgerufen werden, wenn die Toxine der Toxoplasmen oder diese selbst aus der Netzhaut in den benachbarten Glaskörper gelangen. Die anfängliche

3 Hyalitis wandelt sich in eine bindegewebige Schwarte mit starker Schrumpfungsneigung um, wodurch es zur Ueberdeckung der Papille sowie zur beträchtlichen Verziehung dieser wie der NetzhautgefäRe und schliefllich auch zur Ablatio retinae kommen kann. Mit dem "Erkalten" des Retinochorioiditisherdes tritt gewöhnlich Ruhe ein, d. h. der Herd breitet srch später nur selten aus. Das Sehvermögen bleibt herabgesetzt, aber stationär. Ueber das Schicksal der im Narbengewebe der Netz- und Aderhaut schlummernden Toxoplasmen wissen wir nichts Sicheres. Nur die histologische Untersuchung enukleierter Bulbi, d. h. der Nachweis der Toxoplasmen in der Narbe und die Verarbeitung solcher Bulbushälften für den Tierversuch nach dem Vorschlag von W i I der könnte AufschluR geben. Von groRem Interesse scheint mir die Frage, ob es bei der sogenannten ausgebrannten konnatalen Toxoplasmose des Fundus zu Rück f äll en im gl ei c hen Auge oder zur Retino c h orioidi t is des zwei ten Auges kommen kann. So berichten Am aIr i c und Be s sou über ein Spätrezidiv bei einem 12jährigen Mädchen mit Pseudokolobom und zwei Kalkherden im Gehirn: 3 Jahre nach der Erstuntersuchl1ng kam es zu einem frischen zentralen chorioretinitischen Herd mit Glaskörpertrübungen, welche unter Adiazine (Sulfadiazin) in 2 Monaten zurückging. Horsky vermutet die Reaktivierung einer chronischen Toxoplasmose des Auges in Form einer Chorioretinitis mit folgender Ablatio retinae nach einer durchgemachten Zeckenencephalitis. Auf Grund dieser und zwei eigener Rezidivfälle fragen R. We e k e r s, Bon n e tdeR u d der und Ba s sIe e r, ob es gerechtfertigt ist, eine ruhende kongenitale Toxoplasmose zu behandeln, um ein Rezidiv zu verhüten und ob manche, als erworben angesehene Fälle nicht auf eine Ruptur einer alten Pseudozyste zurückzuführen sind. Wenn eine Exacerbation einer scheinbar ruhenden Retinochorioiditis am gleichen Auge noch verständlich sein mag, so muR man sicher vorsichtig in der Beurteilung jener Fälle sein, wo ein "Rezidiv", d. h. eigentlich eine Neuerkrankung des zweiten Auges durch Toxoplasmen angenommen wird (Farnarier, Martin und Giraud, Hogan, Zweigart und Lew i s, Pet r 0 s y a n t sund We e k e r s, Bon n e t - d e Ru d der u:nd Ba s sIe er), besonders wenn der Abstand, in welchem das zweite Auge erkrankt, 30 Jahre beträgt. Denn wahrend einer Lebensspanne kann ein Kind mit konnataler Toxoplasmose mancherlei Infektionskrankheiten erwerben, die zu einer Chorioretinitis führen können. Jedenfalls muH in solchen Fällen auRer der serologischen Titersteigerung auch der AusschluR von Lues und Tuberkulose gefordert werden.

4 DaR es immerhin auch noch in späteren Jahren einer konnatalen Retinochorioiditis zu Veränderungen letzterer kommen kann, sei durch eine eigene Beobachtung belegt: Die 36jlihrige Therese Z. leidet seit Kindheit an einem stark pigmentierten Pseudokolobom bei der Fundi und hatte immer einen Visus von R 6/24, L 6/12. leih konnte die Patientin seit 1950 jedes Jahr zweimal lUlter:suchen. Fundus nnd Visus blieben immer gleich. Plötzlich trat 1956 am besseren linken Auge eine Sehver8chlechterung von 6/12 auf 6/24, Jäger 4, ein. Im Pseudokolobom war an einer Stelle eine zarte Trübung, welche innerhalb von 4: Wochen zu einer Umschichtung ,der Pigmentierung in der Narbe führte, aufgetreten. Nach 2 Monaten war der ursprüngliche VisllB von ,6/12, Jäger 2 wieder vorhanden, ohne daß Daraprim oder ein Sulfonamid angewendet worden wäre. Aus dieser Spontanbeaserun~ schließe ich, daß man nicht eine Neuinfektion oder Ruptur einer Pseudozy,ste als Ursache für die temporäre Ver&chlechterung des Visus anzunehmen braucht; ich glaube, daß es sich einfach um einen ödematösen Zustand, um eine Art Umbau innerhalb der Narbe gehandelt hat, wie er ja in allen Narbl*! vorkommen kann.

Bei der konnatalen Toxoplasmose ist noch die Mitbeteiligung der Iris und des Optikus bekannt, doch sind beide Erkrankungsformen gegenüber dem Pseudokolobom der Foveagegend morphologisch für Toxoplasmose uncharakteristisch. Die Iritis fetalis ist beim Neugeborenen meist schon abgelaufen oder im Abklingen. Es handelt sich um eine symptomarme serüse Iritis mit sichtbaren roten GefäRen, welche oft nur dadurch offenbar wird, daR sich die Pupille auf Mydriatika nur wenig erweitern läRt und manchmal etwas entrundet erscheint. Die konsekutive Katarakt ist das Zeichen für die zu einem bestimmten Zeitpunkt toxisch wirkende Erkrankung der Iris und des Ziliarkörpers auf die Linse. Wenn die Toxoplasmoseinfektion relativ frühzeitig den Embryo befällt, bleibt die Linse im Wachstum zurück (Katarakta reducta), was erst bei der Diszission der Katarakt offenbar wird. Als leichteste Form der Irismitbeteiligung kann die Membrana pupillaris perslstens, als schwerste Form der HemmungsmiRbildung die An i r i die (Ver li n d e) angesehen werden, doch sind die Veränderungen an der Iris nicht ausschlieRlieh Zeichen einer konnatalen Toxoplasmose, weil sie auch bei anderen Embryopathien gefunden werden. Ueber die Genese der Optikusatrophie bei der konnatalen Toxoplasmose sind die Akten nicht geschlossen. Sicher ist, daR es sich in der Mehrzahl der Fälle einfach um die Folgeerscheinung eines Hydrocephalus internus handelt. Doch kann der Optikus auch direkt miterkranken (Infiltrate in der Sehnervenscheide im Falle von Pet e r sund Sei tz).

5 St rab is m us und Ny s tagm us, die gelegentlich bei konnataler Toxoplasmose vorkommen, sind als Fernsymptome des erkrankten Gehirns, bzw. der Gehirnnerven aufzufassen und interessieren hier als nichtspezifisch nur sekundär. Kann man die Verhältnisse am Auge bei der konnatalen Toxoplasmose noch als ziemlich klar bezeichnen, so ist die Frage nach sicheren Augensymptomen bei der er wo r ben e n T 0 x 0 pi a s m 0 s e viel schwieriger zu beantworten. Auch bei der erworbenen Toxoplasmose ist die Re ti n 0 c h 0 rio i d it i s, besonders bei der oligosymptomatischen Form wohl eines der Hauptsymptome. Daß bei dieser Frage der Umweg, den wir heute machen mussen, so groß ist, ist dadurch bedingt, weil man die Chorioiditis dIsseminata, jene Erkrankung, welche fur Tuberkulose, Lues, Brucellose, Fokalinfektionen usw. ahologisch bedeutungsvoll 1st, von vornherein in den Rahmen der Toxoplasmose gezwimgt hat, und w eil man die Er f a hrungen, die wir bei der konnatalen Toxoplasmose sam m ein k 0 n n te n, u n ver s t ä n d I ich e r w eis e ni c h t auf die erworbene Toxoplasmose angewendet hat: Der retinochorioiditische Herd in der Einzahl ist der Typus der konnatalen Toxoplasmoseinfektion des Auges, DIcht die ChoriOlditis disseminata. Man hätte besser dar an getan, von vornherein alle Fälle von Chorioiditis disseminata von der Toxoplasmosedebatte auszuschalten und sich auf jene Soli t ä rp rozess e am Fun d us zu beschränken, welche dem Augenarzt so viel zu denken geben. Die geringe Zahl bzw. dIe Einzahl des Fundusherdes muß schon von der theoretischen Ueberlegung her das Gegebene sein: Die Durchseuchung der Gewebe mit Toxoplasmose ist so groß, daß das Vorhandensein von Antikörpern beim Erwachsenen etwas Selbstverständhches ist. Daher der subklinische Verlauf der Toxoplasmose am Körper wie am Auge. Von den wenigen Fällen von Allgemeininfektion mit Toxoplasmen abgesehen (pinkerton und Weinman u.a.), welche aus der Literatur bekannt sind, und bei denen eine Parasitämie zum Tode oder zur schweren Allgemeinerkrankung geführt hat (Exanthem, Lymphadenitis, Pneumonie, Meningo-Encephalitis, Myositis und Myokarditis) kommt eben wegen der stillen Feiung eine Toxoplasmosemanifesta tion nur mühsam zustande, daher am Auge der einzeln"e Fundusherd die Rege I zu s ein schein t. Man halte sich an die wenigen wichtigen Fälle im Schrifttum, z. B. an den Fall von Wising: 31jährige Frau mit Fieber, generalisierter Lymphdrüsenschwellung, Monozyten 67%, Titerwerte von 1: 250 und 1: 4000 und einem Herd von Chorioretinitis juxta-macularis. Man wird immer auch klinisch auf ein Krankheitsbild kommen, welches dem Bilde der Tuberkulose und Lues nicht entspricht (P i II a t, R i e ger) und wert ist, nach der Seite der

6 Toxoplasmose hin untersucht zu werden. Doch muR selbstverständlich die serologische Untersuchung das letzte Wort sprechen. Der Fundusbefund kann nur als Leitsymptom dienen. Tuberkulose und Lues mussen ausgeschlossen werden. Die diagnostIschen Hilfsmittel: 1. Der Nachweis von Toxoplasmen im Gewebe des Auges ist beim Lebenden kaum je gangbar. Eine Enukleation ist nur in den seltensten Fällen angezeigt. Der Nachweis von Toxoplasmen in der Vorderkammer ist nicht erfolgversprechend. 2. Der Nachweis von Toxoplasmen im emikleierten Auge ist möglich, aber schwierig, weil vom morphologischen her unsICher. Der Nachweis von Toxoplasmen im Tierversuch mit Augengewebe in wiederholten Passagen von W i I der ist möglich, aber mühsam. 3. Der Nachweis von Toxoplasmen in der exzidierten Lymphdrüse durch histologische Untersuchung oder Tierpassagen gelingt nicht bei der monosymptomatischen Toxoplasmose. 4. Bleibt nur die serologische Untersuchung ubrig, und zwar a) in Form von Ti t e r kur v endes Farbtestes nach Sabin-Feldmann. Doch braucht bei der oligosymptomatischen Toxoplasmose der Titer nicht erhöht sein; b) die D i skrep an z aus we rt u ng nach Th a Ih amm er zwischen Komplementbindungsreaktion und S ab in-F el dmann, Rauttest nach Frenkel und c) die Bestimm ung des Antikörperquotienten (Goldmann und Witmer) im Kammerwasser/Serum mit der Methode von Rem k y. Nach Goldmann und Witmer (1953) kann der Nachweis einer intraokularen Antikörperbildung dadurch erbracht werden, daR die Verteilung des {'-Globulins und semes durch Antik6rperelgenschaften (O'C 0 n n 0 r) markierten Anteiles diesseits und jenseits der Blut-Kammerwasser-Schranke bestimmt wird, was als Quotient ausgedrückt werden kann. Dieser Quotient betragt im gesunden Auge ungefähr 0'3. Ein Antikorperquotient uber 1 zeigt nach Rem kyeme intraokulare Produktion von Antikorpern an, was die Spezifität des zu untersuchenden Entzündungsherdes im Auge beweist. Quotienten knapp unter' 1 schlieRen eine intraokulare Antikörperbildung nicht aus. Derselbe Weg wurde außer von Remky (195?) von Offret (1958), F. Müller (1959) und Desmonts und Mitarbeiter (1960) eingeschlagen. Remky hat in 391 von 61? unausgewählten Kranken mit endogenen intraokularen Entzündungen die vergleichende BlutKammerwasser-Untersuchung vorgenommen: in 192 Fällen war der Farbtest im Kammerwasser positiv, der Antikorperquotient kleiner als 1 in 116, gröRer als 1 in 83 Fällen, und zwar

7 1'1 bis 2'0 in 39 Fällen, 2'1 bis 4'0 in 28 Fällen, 4'1 bis 8'0 in 9 Fällen, höher als 8 in 7 Fällen, Bei den Kranken mit einem Antrkorperquotienten im KammerwasserlSerum von mehr als 1 hatte der Farbtest im Serum ergeben: weniger als 1: 256 = in 1: 256 = in 1: 512 = in 1: 1024 = in 1: 2048 = in 1: 4096 = in mehr als 1: 4096 = in Zusammen, , ,

5 11 18 31 6 8 4 83

Fällen, Fallen, Fällen, Fällen, Fällen, Fällen, Fällen, Fälle,

Von diesen 83 Fällen war 73mal der hintere, 10mal der vordere Bulbusabschnitt betroffen, Das bedeutet, daR unter 218 Erkrankungen des hinteren Bulbusabschnittes 73 ToxoplasmosefäIle = 33'5%, 399 Erkrankungen des vorderen BulbusabschnittesiO Toxoplasmosefälle = 2'5010, also unter 617 Fällen von endogener Augenerkrankung = 83 Toxoplasmosefälle = 13'5% vorhanden sind (R e m k y). Nun noch ein Wort zu jenem Fundusbild, bei dem man in Analogie mit der konnatalen Toxoplasmose an die Möglichkeit einer erworbenen Toxoplasmose des Auges denken kann. 1. Es handelt sich um einen Sol i t ä r her d am Fundus, und zwar meist in der Maculagegend. Als Beweis sei der durch die Titerkurven gesicherte Fall von W i s i n g erwähnt, bei dem es im Verlaufe einer fieberhaften Lymphadenopathie zu einem akuten juxtamacularen chorioiditischen Herd kam. 2. Auch beim Erwachsenen handelt es sich um eine Retinochorioiditis: Der Herd ist zuerst gelbgrau, dann grünlichgrau, deutlich tiber das Niveau der Retina erhaben (Bild der Retinitis centralis exsudativa R i e ger). Solange die Infiltration frisch ist und hauptsächlich die Netzhaut betrifft, ist kein Pigment vorhanden. Die benachbarte Papille bleibt klinisch meist normal, als Zeichen der sich rasch erschöpfenden Giftwirkung des Retinalherdes. 3. Verdächtig auf Toxoplasmose erscheinen meiner Erfahrung nach alle jene Fälle, wo es zu BI u tun g' e n am Rande dieser Netzhautherde kommt. Die Blutungen sind von langer Dauer, verschwmden oft an emer Stelle und brechen an einer anderen auf. 4. Kleine T 0 c h t e rh erd e smd nur in der nachsten U mgebung des Hauptherdes manchmal vorhanden. Sie besitzen keine Neigung zur Ausbreitung.

8 5. Der maculare Herd wird nach Monaten flacher, pigmentiert und ändert dann jahrelang sein Aussehen nur mehr wenig. 6. Der retinochorioiditische Herd spricht nicht auf antituberkulöse oder antiluetische Behandlung an, sondern nur auf Daraprim und Sulfonamide. Zu den übrigen Manifestationen der erworbenen Toxoplasmose am Auge, der Iridocyclitis (P i II a t und T h a 1ha m m e r), Conjunctivitis und Neuritis ner,vi optici kann ich nicht mehr als das Bekannte' aussagen. Sicher ist, daB die Infektion des vorderen Bulbusabschnittes, besonders der Iris, viel seltener vorkommt, als die des hinteren Abschnittes. Für die nächste Zukunft harren folgende Probleme der erworbenen Toxoplasmose des Auges ihrer Losung: 1. Ist die Bestimmung des Antikörperquotienten KammerwasserlSerum nach Rem k y zusammen mit den anderen serologischen Testen ein brauchbarer Weg zur Diagnose eines Toxoplasmoseherdes im Auge? 2. Wie häufig ist das Auge bei der erworbenen Toxoplasmose mitbeteiligt und welches Fundusbild ist die typische Erkrankungsform ? 3. Die Erklärung der Tatsache, daB bel der konnatalen, scheinbar aber auch bei der erworbenen Toxoplasmose hauptsächlich dIe Foveagegend ergriffen wird. 4. Der Weg der Infektion vom Körper ins Auge ist noch unklar. Neben der Parasitämie scheint auch der direkte Weg vom Gehirn uber dIe Optikusscheiden möglich. Li t e rat ur: Amalric, P. und Bessou, P.: BuH. Soc. Ophthalm. (1959), S.791. - Baron, A. und DesmonUi, G.: BuH. Soc, Ophthalm. (1959), S.793. Desmonts, G., Bariln, A., Offret, J., Couvreur, J., Lelong, M. und Cousin, L.: Arch. Ophthalm. N. S., 20 (1960), S. 137. - Farnarier, G., Martin, G. und Giraud, H: Bull. Soc. Ophthalm., 6 (1958), S.494. Goldmann, H. und Witmer, R.: Ophthalmologica (Basel), 127 (1954), S.323. - Hogan, M. J., Zweigart, Ph. A. und LewilS, A.: Arch. Ophthalm., 60 (1958), S.548. - Horsky, Eu.: Cs!. oftalm., 15 (1959)., S.26. - Müller, F.: Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiet der Augenheilkunde, N. F. Heft 7. Halle: Carl Marhold. 1954. - Derselbe: Graefes Arch., 161 (1959), S.341. - Peters, G. und Seitz, R.: Klirr. Mb!. Augenhk., 132 (1958), S.540. - Petrosyants, E. A.: Oftalm. Z., 13 (1958), S.371 (rllIss.). - Pillat, A.: Oesterr. Z. Ki,nderhk., 6 (1951), S.38. - Pillat, A. und Thalhammer, 0.: Graefes Arch., 158 (1957), S.403. - Pinkerton, H. und Weirrman, D.: Arch. Path., 30 (1940), S.374. - Remky, H.: Bull. Soc. Ophthalm., 72 (1959), S.274. - Remky, H., Küchle, H. J. und VoHbrechtshausen, R.: Klin. Mb!. Augenhk., 130 (1957), S.794. - Rieger, H.: Klin. Mbl. Augenhk., 119 (1951), S.459. - Derselbe: Graefes Arch., 162 (1960), S.178. - Thalhammer, 0.: Die erworbene Toxo-

9 plasmose. Wien. Z. inn. Med., 36 (1955), S.1. - Derselbe: Toxopiasmose bei Mensch UiIld Tier. Wien-Bonn: Maudrich. 1957, 307 S. - Verlinde, J. D.: Ndld. Tschr. Geneesk., 94 (1950), S.9. - Weekers, R.: Bonnet-de Rudder, M. und Bassleer, J.: Arch. Ophthalm., 19 (1959), S.481. - Dieselben: Bull. Soc. beIge Ophthalm. (1958), S.514. - Wilder, H. C.: Arch. OphWising, P.: Nord. med., 47 thalm., 48 (1952), S.127. (1952), S.563.

Aus der Universitäts-Frauenklinik Göttingen (Direktor: Prof. Dr. H. Kir c h hof f)

Die Toxoplasmose vom Standpunkt des Geburtshelfers Von H. Kräubig

Unter den aktuellen pranatalen Infektionen wird heute der Toxoplasmose ein lebhaftes Interesse zuteil. Die angeborenen Falle sind die bisher am besten untersuchte und wohl auch klimsch bedeutsamste Form dieser Erkrankung. Damit ergibt sIch fur den Geburtshelfer die naheliegende Notwendigkeit und die drmgende Verpflichtung, nach Moghchkelten emer sinnvollen Prophylaxe zu suchen. Das besondere und damit unsere diesbezuglichen Bemühungen erschwerende Moment liegt darin begründet, daR die Mütter dIeser Kmder kemerlei markante Krankheitserscheinungen aufweisen. Eine andere, nicht ohne weiteres lösbare Schwierigkeit ergibt sich aus der zahlenmafhgen Diskrepanz der hohen Durchseuchung der geschlechtsreifen weiblichen Bevolkerung (eIgene Untersuchungen: 15 bis 20 Jahre 49'6%, 21 bis 30 Jahre 68'1%, 31 bis 40 Jahre 80'6%) und der nur geringen Zahl sicher nachgewIesener Toxoplasmosefalle, um deren Aufklärung sich T haI h a m m er besonders bemüht hat. Die Unsicherheit unserer Vorstellungen betrifft in gleicher Weise den Infektionsmodus und damit eng verknüpft auch die möglichen Folgen einer muHerhchen Toxoplasmose. Der einzige, bisher gesicherte Infektionsweg bei der menschlichen konnatalen Toxoplasmose erfolgt über die Plazenta. Es schemt auch eine Ansteckung über das Fruchtwasser möglich zu sem. Entsprechend der bisher domihierenden Meinung soll eme mtrauterine Infektion nur im Rahmen

2 einer mütterlichen Parasitämie unmittelbar in der Schwangerschaft erfolgen. Gegen diese etwas einseitig und starr erscheinende Vorstellung werden in der letzten Zeit sowohl von klinischer als auch von experimenteller Seite nicht zu bagatellisierende Gründe vorgebracht, daß nämlich auch aus einer latenten Phase heraus nicht selten Infektionen der heranwachsenden Frucht erfolgen können. Dies wäre entweder bei einer reaktivierten mütterlichen Toxoplasmose möglich oder aber von einer bisher immer noch als hypothetische Vorstellung geltenden "Endometritis toxoplasmotica" aus. Wichtig erscheint diesbezüglich der im Tierversuch gelungene Nachweis von Toxoplasmen aus dem Lochialsekret und dem Menstrualblut von Frauen mit toxoplasmotisch geschädigten Kindern (L a n ger). Die kindliche Erkrankung erfolgt auf Grund der Art der resultierenden Schadensbilder überwiegend in der zweiten Schwangerschaftshälfte nach Abschluß der Organogenese, so daß man die Toxoplasmose zu den Fetopathien zählt. Allerdings sprechen das Vorkommen von Pseudozysten in der Gebärmutter und der Nachweis von Toxoplasmen im Kurettagematerial aber auch ftir eine Infektionsmöglichkeit in früheren Schwangerschaftsmonaten. Die keineswegs einhei tlichen Vorstellungen über den Zeitpunkt und den speziellen Modus der Infektion spiegeln sich in den zum Teil erheblich divergierenden Ansichten tiber die möglichen Folgen einer mutterlichen Toxoplasmose wieder. Die angeborene Toxoplasmose ist als fakultative Schädigung anzusehen. Meistens finden WIr bei diesen Kindern bei der Geburt ein postencephalitisches Sü.. dium. Häufiger als die viel zitierte, aber nur selten zu beobachtende Symptomentrias in Form eines Hydrocephalus, einer Chorioretinitis und intrazerebraler Verkalkungen begegnen später dem Pädiater ältere Säuglinge und Kleinkinder mit mehr oder weniger ausgeprägtem Hirnschaden. Nach Thalhammer hat man bei etwa 6 bis 7 von 1000 Lebendgeborenen mit derartigen Folgen einer angeborenen Toxoplasmose zu rechnen. Die früher überbewertende Vorstellung der ätiologischen Bedeutung der mütterlichen Toxoplasmose für Totgeburten ist dahingehend zu korrigieren, daß sie eine, und zwar relativ ~eltene Ursache darstellt (nach Essbach 1%0). Das gleiche gilt auch für Frühgeburten. Viel umstritten und keineswegs geklärt ist die Frage des Zusammenhanges zwischen Toxoplasmose und Abort, spezielle habituellen Aborten. Fest fundierte wissenschaftliche Vorstellungen und nicht zu übersehende praktische Erfahrungen stehen sich in dieser Beziehung diametral gegenüber. Bezüglich der Auslösung von Mißbildungen wird heute von pathologischer Seite aus die Auffassung vertreten, daß lediglich lokale Wachstumsstörun-

3 gen im Rerdbereich und unter Umständen Differenzierungshemmungen am Gehirn auftreten können. Die medlkamentöse Prophylaxe beruht zunächst auf der Vorstellung, daR nur eine unmittelbare Infektion der Schwangeren das Kind bedroht. Eine zweimalige Testung - entweder serologisch oder durch den billigen Rauttest in der ersten und gegebenenfalls in der zweiten Sch\vangerschaftshälfte - zeigt dieses Ereignis an. Ein bei der ersten Untersuchung positiver Test (am besten Rauttest) spricht für eine ungefährliche, latente Infektion und macht damit eine weitere Kontrolle uberflussig. Markante Titersteigerungen (um das 8fache) oder ein hoher Sabin-Feldman-Tlier mit einer hochpositiven KBR, insbesondere bei suspekten Lymphdrusenschwellungen (zerviko-nuchal), sind Grund für eine Behandlung. Basierend auf unseren eigenen Erfahrungen läRt sich sagen, daR die erwähnte Methode, auch in Zusammenhang mit der manchmal schwierigen Deutung der serologischen Befunde, noch nicht ein ideales und für die allgemeine Praxis anwendbares Vorgehen darstellt. Dies ist der tiefere Grund fur die zunehmende allgemeine Tendenz, Frauen mit vorangegangenen ungeklärten Aborten, Frühgeburten, Totgeburten einschliefllich MiRbildungen bei lediglich positivem serologischem Ergebnis unabhängig von der Titerhöhe in einer erneuten Schwangerschaft einer medikamentösen Prophylaxe zuzuführen. Diese Gruppen sind indikationsmäflig am leichtesten faRbar und die spätere Geburt gesunder Kinder wird als sichtbarer "Erfolg" der Behandlung gewertet. Die in diesen Fällen mehr auf psychologischen als zur Zeit exakt beweisbaren Vorstellungen beruhende Prophylaxe trifft insbesondere fur die Frauen zu, die bereits ein toxoplasmosekrankes Kind zur Welt brachten. Als Termin für die Behandlung bzw. eine Prophylaxe kommt erst dIe Zeit nach der 16. Schwangerschaftswoche in Frage, um auf jeden Fall medikamentöse Schäden für die Frucht im Zustand der Organogenese zu verhuten. Eine Interruptio hat keinerlei Berechtigung. Als zur Zeit optimale Behandlung, speziell bei akuten Prozessen, hat sich die Kombination eines Sulfonamids (z. B. Supronal) mit dem Malariamittel Daraprim herauskristallisiert. Fragwürdig bleibt aber die Beeinflussung der Pseudozysten im latenten Stadium. Das Supronal geben wir in einer Dosierung von 40 bis 48 g (pro die 4 g); die Gesamthöhe des Daraprim liegt bei 600 bis 700 mg, und zwar verabfolgt man am besten täglich nur eine Tablette (a 25 mg) über 4 Wochen, da sonst die Gefahr einer Thrombozytopenie besteht. Der Behandlungserfolg kann leider weder serologisch überprüft werden noch liegen klinische beweisfähige Nachuntersuchungen (alternierende Reihe) bei Kindern entsprechend behandelter Mutter vor. Erst dann läßt sich eine endgültige

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Entscheidung darüber treffen, ob eine generelle Toxoplasmoseuntersuchung zum Zwecke einer gezieHen und erfolgreichen Prophylaxe in das AufgabengebIet der Schwangerenberatung gehört. Zusammenfassung: DIe angeborene Toxoplasmose stellt nach wie vo·r eine problemreiche Erkrankung dar. DIe intrauterine Uebertragung ist gesichert, ohne daB der Infektionsmodus im einzelnen feststeht. Im Hinbhck auf die Häufigkeit der verschiedenen Formen der Schadigungsfolgen einer mütterlichen Toxoplasmoseerkrankung lassen sIch zur Zeit keine präzisen Angaben machen. Das Streben des Geburtshelfers betrifft die rechtzeitige Erkennung der gefährdeten Schwangerschaft zwecks einer gezieIten medikamentosen Prophylaxe. Anschrift des Verfassers: Pflv.-Doz. Dr. H. Kr a u bi g, Oberarzt der Universitats-Frauenklinik, Gottmgen/Deutschland, Kirchweg 3.

Aus der Medizinischen Poliklinik der Universität Erlangen (Direktor: Prof. Dr. C. Kor t h)

Lebererkrankungen bei postnatal erworbener Toxoplasmose Von J. Kabelitz Mit 1 Abbildung Was wir unter Lebererkrankungen bei Toxoplasmose verstehen, soll zunächst an Hand eines klinischen Beispiels. erläutert werden: Ein 30jähriger Angestellter bemerkte bei seiner Katze seit Herbst 1960 FreßunIuat, Gewichtsabnahme, Durchfälle 1llld Struppigwerden des Fells. Der zu Rate gezogene Tierarzt dachte an eine Leptospirose, indessen ließ sieh die Diagnose serologisch nicht sichern. Eine probatorisehe Behandlung mit Antibiotika blieb ohne sichtbaren Erfolg. Wenig später, Ende 1960, erkrankte der junge Mann an ständigen, von der Nahrun!}Saufnahme nnabhängigen, drückenden Schmerzen unter den rechten Rippenbogen. Die Augenbindehäute sollen auch leicht gelblich verfärbt gewesen sein. Anfang 1961 kam der Patient zur klinischen Untersuchung. Objektiv fiel eine palpable Vergrößerung der stark druckschmerzhaften Leber auf, die Milz ließ sieh dagegen nicht tasten. ,Man fand außerdem eine histaminrefraktäre Anazidität des Magensaftes, und der Serumbilirubinspiegel war auf knapp 2·0 mg% erhöht. Dieser Befund blieb mehrere Monate lang unverändert. Alle übrigen Laboratoriumsuntersuchungen, einschließlich des peripheren Blutbildes, hatten, auch im Kontrollfall, normale Ergebnisse. Anamnese und Befund schienen uns weitgehend verdächtig auf eine frische Toxoplasmainfektion zu sein. Die erste serologische Unter,suchung im Februar 1961 er(;ab dann auch tatsächlich extrem hohe Serum-Antikörpertiter (Sabm-Feldman-Test 1: 64.000, Komplementbindungsreaktion 1: 40). Der Infektionstermin mußte

2 demzufolge bereits einige Wochen zurückliegen (K a bel i t Zl). In Abb. 1 finden wir die serologische Titerkurve bis zum September 1961. Wir sehen, daß die hohen SF-Titer während ~weier Behandlnngsperioden mit Supronal und Daraprim zunächst vorübergehend, spät,er jedoch endgültig abfallen, wie wir das kürzlich für alle ähnlich gelagerten Fälle beschrieben haben (K a b e li t z2). Die KBR reagiert seit August sogar negativ, während die SF-Titer vorläufig noch verhältni:Jmäßig hoch positiv bleiben. Parallel zur Antikörperabnahme hai sich in den ver~angeneln 6 Wochen der klinische Befund gehessert. Die Leber ist nicht mehr vergrößert und nicht mehr druckschmerzhaft, der Serum.JEj SW/'flll,J/

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Abb. 1. Antikörpertiterkurve (Sabin-Feldman-Test und Komplementbindungsreaktion) eines 30jährigen Patienten mit primärer Toxoplasma-He patitis bilirubill8piegel bleibt lUlter 1·0 mg%, und alle subjektiven Beschwerden haben sich zlUläehst verloren. Die weitere Entwicklung läßt sich freilich noch nicht vorau88agen. Der junge Mann war also an einer subakuten, subiktensehen Hepatitis mit äußerst diskreten klinischen Symptomen erkrankt. Er allein hatte sich vorher der PJflege der Katze gewidmet, während sich die übrigen Familienangehörigen wenig darum kümmerten. Sie waren auch, ,wie sich herausstellte" klinisch gesund und boten serologisch nicht den geringsten Anhalt für eine Toxoplasmose. Die InfektiollSllJuelle steht hier ,unzweifelhaft fest. Bald nach Bekanntwerden der ersten ,serologischen Untersuchungsergebni86eb unseres Patienten wurde ,die kranke Katze getötet und in der Veterinäruntersuchungsanstalt Nürnberg obduziert. Daa Tier hatte eine ToxoplasmöSe. Di'e Erreger wurden in großer Anzahl in der Leber gefll:llden, meJ·kwürdigerwei.se sollen alle anderen Or8MIe nicht betroffen gewesen sein. Das Serum der Katze reagierte nur im SF-Test mit einem Titer von 1: 64p06itiv.

3 Was hier geschildert wurde, ist nach unseren Erfahrungen sehr charakteristisch für den Verlauf einer akuten Toxoplasmose mit bevorzugter Beteiligung der Leber. Wir konnten bisher 26 Fälle beobachten und unterscheiden danach zwei wichtige Verlaufsformen: 1. die primäre Lebertoxoplasmose, deren Beginn sich höchstens mit kurzfristigen enterocolitisehen Symptomen, sonst aber ohne Vorboten, d. h. ohne periphere Lymphdrüsenschwellungen und ohne Blutlymphozytose ankündigt, und 2. die primäre cervico-nuchale oder generalisierte Lymphadenitis mit Blutlymphozytose, deren Leberbeteiligung als Spätkomplikation, in unseren Fällen meist erst mehrere Monate nach Ausbruch der Drüsenschwellungen, in Erscheinung tritt (K a bel i t Z3). Klinisch äuRert sich die Leberbeteiligung beider Gruppen, wie im oben beschriebenen Fall, vorwiegend nur diskret. Neben einer Vergrößerung und Druckschmerzhaftigkeit der Leber besteht vielfach auch eine geringe, palpable MilzvergröRerung, seltener eine Schwellung der Mesenterialdrüsen. Niemals konnten wir eine ausgeprägte Gelbsucht beobachten, was auch nicht zu erwarten ist, denn die Hepatitis spielt sich hauptsächlich interstitiell ab. Gar nicht selten dagegen findet man einen länger anhaltenden Sub ikterus mit Bilirubinwerten bis maximal 3·0 mg%. Die übrigen Laboratoriumsuntersuchungen zeigen wenig konstante Veränderungen, wenn man davon absieht, daR das Stadium mit hohem Serum-Antikörpergehalt gewöhnlich von einer deutlichen y-Globulinämie begleitet wird. Serologisch unterscheidet sich die primäre Hepatitis zunächst nicht von der akuten Lymphadenitis. Wir sehen allerdings bei primärer Hepatitis ebenso wie bei hepatitischen Komplikationen nach primärer Lymphadenitis länger hÖhere Titer im SF-Test und gleichzeitig auch in der KBR. Manchmal bleiben die SF -Titer in der Höhe 1: 1000 oder 1: 4000 und die KBR-Titer bis 1 : 20 jahrelang positiv. Wir haben mehrere Patienten mit derartigem serologischem Verhalten laparoskopisch verfolgen können. Danach scheint es sicher, daR man durchaus nicht nur in Einzelfällen mit der Entwicklung einer chronischen Hepatitis rechnen muR. Ob die Toxoplasmahepatitis auch den Boden für eine Laennecsche Zirrhose bereiten kann, ist diesen Beobachtungen zufolge zwar wahrscheinlich, vorläufig indessen noch nicht beweisbar. Man wird noch d\e Frage erörtern müssen, auf welchem Weg die Erreger bei primärer Hepatitis in den Organismus gelangen. Auffälligerweise ergaben nämlich Magensaftuntersuchungen in zwei Dritteln der Fälle eine histaminrefraktäre Anazidität. Vielleicht, so wäre jedenfalls zu überlegen, erfolgt die Infektion bei Achylikern unter Umständen über die Schleimhäute der oberen Abschnitte des Verdauungskanals,

4 also auch über die Magenschleimhaut. Mit dieser Annahme lieRe sich der bevorzugte Befall der Leber erklären. Merkwürdigerweise war in über der Hälfte aller Fälle mit primärer Hepatitis ein enger Kontakt mit kranken Katzen vorausg'egangen, so daR wir bei diesen Haustieren in erster Linie nach der Infektionsquelle suchen müssen. Wir haben schliefllich auch die therapeutische BeeinfluRbarkeit der Hepatitis untersucht. Nur im akuten Stadium halten wir die Verabfolgung von Sulfonamiden und Daraprim für sinnvoll. Der therapeutische Erfolg steht und fällt mit der rechtzeitigen DiagnosesteIlung, d. h. bei jeder sub- oder anikterischen Hepatitis muR man stets auch an eine Toxoplasmose denken und die nötigen serologischen Untersuchungen veranlassen. Unbehandelte Hepatitiden neigen nach unserem Dafürhalten eher zum Uebergang in eine chronische Hepatitis. In diesem Stadium sind dann alle BehandlungsmaRnahmen, die sich speziell gegen Toxoplasmen richten, nutzlos. Li te rat ur: 1 Kabelitz, H. J.: Die diagnostieche Bedeutung und klinische Beurteilung der Toxoplasma-Seroreaktionen und des Toxoplasmin-Hauttests. Z. Tropenmed. Parasitol., 11 (1960), S.287. - 2 Kabelitz, E. und Kabelitz, H. J.: Indikation und Ergebnisse der medikamentösen Therapie bei postnatal erworbener Toxoplasmose. Z. Tropenmed. Parasitol., 12 (1961), S. 171. - 3 Kabelitz, H. J.: Klinik der erworbenen Toxoplasmose. Beitr. prakt. Med. 40. Heft. Stuttgart: F. Enke-Verlag. 1962.

Aussprache. Hr. H. R i e ger (LinzjDonau): Vortragender berichtet über 2 Fälle eines eigenartigen, dem erbbedingten Bardet-Biedlschen Syndrom ähnlichen Symptomenkomplex, der durch D y s t r 0 phi a a dip 0 sog e n i tal i s, P i g m e n t ver ä n der u n gen des A u gen hin t erg run des und geis ti g e Be ein t r ä c h t i gun g gekennzeichnet ist; Polydaktylie fehlt. Bei dem 18jährigen Jüngling bestand gleichzeitig eine Hypertonie, welcher der Kranke kürzlich erlag. Der Fall des 10jährigen Mlidchens bt auch dadurch besonders bemerkenswert, daß dessen 13jährige Schwester imbezill ist. Die 3 Fälle weisen positive Toxoplasmoseteste auf, so daß angeborene Toxoplasmose angenommen wird. Als Erklärung für den hier erstmals beschriebenen Symptomenkomplex nimmt Vortragender das Vorliegen einer frühzeitig auftretenden pränatalen Schädigung im Sinne einer anscheinend typischen t 0 x 0 p las m 0 gen e n P h ä n 0 k 0 pie an.

Aus der Universitäts-Kinderklinik Graz (Vorstand: Prof. Dr. E. L 0 ren z)

Toxoplasmosedurchseuchungsstudien bei steirischen Kindern Von W.Falk Mit 2 Abbildungen

Die Ermittlung der latenten spezifischen Durchseuchung einer Bevölkerungsgruppe mit einem Krankheitserreger gibt Aufschluß über das Ausmaß der bei dieser Population mit diesem Erreger symptomlos überstandenen Infektionen, die aber dennoch zu einer, durch verschiedene Testverfahren nachweisbaren, aktiven Immunisierung geführt haben. Die genaue Kenntnis der Durchseuchung ist von mannigfacher Bedeutung. So ist sie unter anderem die Voraussetzung bei der Durchführung gezielter epidemiologischer Untersuchungen und vermag oft entscheidend bei der ätiologischen Abklärung von Krankheitsverdachtsfällen mitzuhelfen, insbesondere im Kindesalter. Toxoplasmosedurchseuchungsstudien wurden im letzten Jahrzehnt in verschiedenen Ländern der zivilisierten Welt angestellt und die dabei erhaltenen Ergebnisse sind bemerkenswert und zum Teil überraschend. In Oesterreich hat T haI ha m m er in zahlreichen, äußerst exakten Untersuchungen mittels des Serofarbtestes nach Sabin-Feldman, und vor allem mit Hilfe des Toxoplasmosehauttestes nach Frenkel bei einer zahlenmäBig großen Gruppe klinisch Gesunder aus dem Raum von Wien den Grad der Durchseuchung mit Toxoplasmose ermittelt. Nun gelten aber die in einem relativ eng begrenzten Bevölkerungsraum gewonnenen Ergebnisse von Durch~ seuchungsuntersuchungen keineswegs für die Verhältnisse im

2 benachbarten und schon gar nicht in weiter entfernten geographischen Gebieten, da der Grad der Durchseuchung unter anderem bekanntlich abhängig ist von der Wohndichte, von der Art der Umgebung (Land oder Stadt), von klimatischen Verhältnissen usw. Aus diesem Grunde wurde im Verlauf des letzten Jahres im Lande Steiermark bei Kindern von einem Jahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, gemeinsam mit Frau Dr. K 0 c h, das AusmaR der Durchseuchung mit Toxoplasmose untersucht, da bei der gegenüber Wien sehr unterschiedlichen Struktur dieses Bundeslandes eine von T haI harn m e r s Ergebnissen abweichende Zahl von latent Infizierten zu erwarten war. Hierbei waren wir uns allerdings von Anbeginn unserer Untersuchungen darüber bewuRt, daR die ausschlieRlieh bei toxoplasmoseunverdächtigen Kindern gewonnenen Zahlen in keiner Weise die Toxoplasmosedurchseuchung der steirischen Gesamtbevölkerung repräsentieren, da hierfür auch weitere, höhere Altersstufen hätten herangezogen werden müssen. Methodik Insgesamt wurden 1022 toxoplasmoseunverdächtige Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr für diese Untersuchungen herangezogen. Kinder mit nachweisbaren pathologisch vermehrten Lymphknotenschwellungen sowie solche mit angeborenen Zerebralschäden und akut entzündlichen Erkrankungen des ZNS schieden wir deswegen aus, da möglicherweise ein Teil dieser Krankheitsfälle toxoplasmosebedingt zustande gekommen war und daher für eine Durchseuchungsstudie nicht in Betracht kommen konnte. Ebenso schlossen wir Säuglinge aus, da bei diesen die Fähigkeit zur Bildung einer Hautallergie noch nicht vollends entwickelt ist. Unsere Probanden rekrutierten sich aus dem Krankengut der Universitäts-Kinderklinik Graz, der chirurgischorthopädischen Kinderabteilung sowie der großen Infektionsabteilung des Landeskrankenhauses Graz. Zum Nachweis einer klinisch latent überstandenen Toxoplasmoseinfektion testeten wir alle 1022 Kinder vorerst mittels Hauttest nach Fr e n k e I, der sich durch eine hohe Empfindlichkeit auszeichnet. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Verwendung eines kräftigen Antigens, das uns glücklicherweise in Form des von T haI h a m m e r entwickelten Trockenantigens zur Verfügung stand. Das in Ampullen abgefüllte Trockenantigen wurde hierbei nach Angaben von T haI h a m m e r mit 12 ccm physiologischer Kochsalzlösung und davon 0'1 ccm streng intrakutan gespritzt. Die Beurteilung der Hautreaktion erfolgte nach 48 Stunden, und wir bewerteten nur die Hautreaktionen dann als positiv, wenn neben einer mehr oder weniger ausgeprägten Rötung eine Infiltration von mindestens 1 cm Durchmesser feststellbar war. Bei 206 der 1022 Probanden yrüften wir gleichzeitig mittels Vitalfärbetest nach S abi n - F e dm a n auch die eventuelle Anwesenheit von Toxoplasmaantikörpern im Blut.

3 Ergebnisse Die mittels Toxoplasmintest nachgewiesene und kurvenmäßig dargestellte Toxoplasmosedurchseuchung nimmt mit dem Alter der Probanden mehr oder weniger regelmäßig zu (Abb. 1). Während bei den im zweiten Lebensjahr stehenden Untersuchten noch keine positiven Rautteste zu gewinnen waren, machten diese bei den Kindern von 13 und 14 Jahren etwa 50% der durchgeführten Proben aus. Bei der Beurteilung letzterer Ergebnisse müssen allerdings die zahlenmäßig relativ

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