Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte: Vorträge und Diskussionsbeiträge der 51. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1983 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.] 9783428455485, 9783428055487

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Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte: Vorträge und Diskussionsbeiträge der 51. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1983 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer [1 ed.]
 9783428455485, 9783428055487

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 92

Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte Vorträge und Diskussionsbeiträge der 51. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung 1983 der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer

Herausgegeben von

Hans Herbert v. Arnim Konrad Littmann

Duncker & Humblot · Berlin

Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte

S c h r i f t e n r e i h e der Hochschule Speyer Band 92

Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte Vortrage and DiekuesionsbeitrSge der 51. StaatswieeeDschaftlichen Fortbildungetagung 1983 der Hochschule für Verwaltungewieeenschaften Speyer

herausgegeben von

Hans Herbert v. Arnim Konrad Littmann

D U N C K E R

&

H Ü M B L O T

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B E R L I N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Finanzpolitik im Umbruch: zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte: Vorträge u. Diskussionsbeitr. d. 51. Staatswiss. F o r t b i l dungstagung 1983 d. Hochsch. für Verwaltungswiss. Speyer / hrsg. v o n Hans Herbert v. A r n i m ; K o n r a d L i t t m a n n . — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1984. (Schriftenreihe der Hochschule Speyer; Bd. 92) I S B N 3-428-05548-9 NE: A r n i m , Hans Herbert von [Hrsg.]; Staatswissenschaftliche Fortbildungstagung der Gesamtausgaben. Beim Land wurden 1981 über 70 °/o der Steuereinnahmen durch Personalausgaben aufgezehrt. Nach einer Untersuchung des Rechnungshofs hat sich i n Rheinland-Pfalz die Gesamtzahl der Bediensteten des Landes i n den Jahren 1960 bis 1980 von 46 500 auf rd. 86 000 erhöht (Steigerung u m 85 %). I m gleichen Zeitraum sind die Personalkosten von 460 M i l l . D M auf 3,5 Mrd. D M gestiegen (um 650 °/o)9. Solche Zahlen müssen Anlaß zum Nachdenken und zur Überlegung geben, wie — besonders angesichts stagnierender Wirtschaftskonjunktur und fehlender haushaltsmäßiger Beweglichkeit — weiteren Ausdehnungstendenzen entgegengewirkt werden kann. Zur systematischen Untersuchung, ob gemessen an den Aufgaben der Verwaltungsaufwand eingeschränkt werden kann, ist besonders eine Prüfungsbehörde berufen, die die notwendigen Erfahrungen aus der Kenntnis einer größeren Zahl von Verwaltungen hat. Die Hauptziele einer solchen Organisationsprüfung sind — Straffung der institutionellen Organisation, — Verbesserung der Arbeitsabläufe und — Beschränkung des Personals auf den tatsächlichen Bedarf. 9 Jahresbericht des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz für 1980, Tz. 4, Landtagsdrucksache 9/2061.

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Die Wirkung unter den Gesichtspunkten von Sparsamkeit und W i r t schaftlichkeit möchte ich am Beispiel von 2 Prüfungen aufzeigen, die der Rechnungshof Rheinland-Pfalz i m vergangenen Geschäftsjahr durchgeführt hat und die auch Gegenstand unseres letzten Jahresberichts an den Landtag und die Landesregierung sind 1 0 : Eine Organisationsprüfung bei den drei Bezirksregierungen des Landes, i n die 769 Stellen einbezogen waren, ergab, daß ohne Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung etwa 110 Stellen entbehrlich sind. Rd. 20 Stellen davon waren allerdings ζ. Z. der Prüfung nicht besetzt. Ohne diese nichtbesetzten Stellen lassen sich immerhin rd. 5 M i l l . D M Personalausgaben jährlich einsparen. Außerdem war eine Anzahl von Stellen zu hoch bewertet. Durch sachgerechte Bewertung sind auch insoweit die Ausgaben zu verringern. Das Ergebnis der Prüfung zeigt sich ferner i n zahlreichen Vorschlägen zur Verbesserung der Verwaltungsgliederung und des Arbeitsablaufs, die sich zu zügigerer und wirksamerer Aufgabenerfüllung nutzen lassen. Bei den Straßenneubaudienststellen wurden wegen des starken Rückgangs des Bauvolumens i m Fernstraßenneubau 320 Stellen als entbehrlich festgestellt. Andererseits ergab die Prüfung, daß die Straßenbauämter einen Mehrbedarf von 110 Kräften haben. Der Mehrbedarf kann durch Versetzung von Bediensteten ausgeglichen werden. Darüber hinaus lassen sich 210 Stellen m i t jährlichen Personalkosten von rd. 10 M i l l . D M abbauen. Gerade das zweite Beispiel macht eine häufige Ursache personeller Überbesetzung deutlich: die Veränderung des Aufgabenumfangs, aus der die Verwaltung gebotene personelle Folgerungen zum Teil aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht kurzfristig ziehen konnte, zum Teil aber auch aus Nachlässigkeit, Trägheit oder mangelndem Verantwortungsbewußtsein unterlassen hat. Zur letzten Kategorie dürfte wohl auch das vom Bundesrechnungshof i m Koblenzer Schloß entdeckte, i n der Presse als „Schloß-Gespenst" bezeichnete Sekretariat eines Schiedsgerichtshofs gehören, der 1953 aufgrund eines Abkommens zwischen der Bundesrepublik, den USA, Frankreich und Großbritannien gebildet worden war, aber seit Jahren mit Ausnahme der „Eigenverwaltung" keine Aufgaben mehr hat 1 1 . Andere Organisationsprüfungen i n jüngerer Zeit, ζ. B. bei Kliniken, i m Bereich des Umweltschutzes, bei den Zahlstellen des Landes, der 10 Jahresbericht des Rechnungshofs Rheinland-Pf alz für 1981, Tz. 4 u n d 5, Landtagsdrucksache 9/2850. 11 Bemerkungen des Bundesrechnungshofs für 1980, Nr. 4, Bundestagsdrucksache 9/2108.

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Landesschirmbildstelle, den Gesundheitsämtern, den Ä m t e r n für Wiedergutmachung und einer Reihe von Kommunalverwaltungen, haben ebenfalls i n erheblichem Umfang mögliche Einsparungen und organisatorische Verbesserungen des Arbeitsablaufes aufgezeigt. Zum Teil führten sie auch zu Vorschlägen, durch Änderungen i n der Behördenstruktur, ζ. B. Zusammenlegung von Dienststellen mit ähnlichen A u f gaben oder Aufhebung bedeutungsloser Nebenstellen, die Verwaltung wirtschaftlicher zu gestalten. Ein Blick i n die Jahresberichte anderer Rechnungshöfe zeigt ähnliche Feststellungen mit ebenfalls erheblichen finanziellen Auswirkungen. Bei personeller Überbesetzung können die Folgerungen aus rechtlichen und sozialen Erwägungen i n der Regel nur i m Rahmen der normalen Fluktuation gezogen werden. Personalkosten lassen sich deshalb häufig erst i m Zuge des allmählichen Stellenabbaues einsparen. Wichtig ist aber, daß unmittelbar nach der Prüfung die haushaltsmäßigen Folgerungen i n Form von „kw"-Vermerken bei den entbehrlichen Stellen gezogen und damit die notwendigen Maßnahmen festgeschrieben werden. Nach der Erfahrung läßt sich nur auf diese Weise dem der Verwaltung eigenen Verhalten begegnen, die vorhandene Arbeit so zu verteilen, daß auch die Inhaber der als entbehrlich festgestellten Dienstposten i n kürzester Zeit wieder „voll ausgelastet" sind. Ich darf hier an die Feststellung von Parkinson erinnern: „Arbeit läßt sich wie Gummi dehnen, u m die Zeit auszufüllen, die für sie zur Verfügung steht 12 ." Die Arbeit der Finanzkontrollbehörden i m Bereich der Beurteilung des Personalbedarfs ist heute i m Zeichen leerer Kassen teilweise i n Konkurrenz zu Beschlüssen von Parlament und Regierung geraten, die mit globalen, prozentualen Stelleneinsparungsauflagen der expansiven Entwicklung der öffentlichen Verwaltung Einhalt zu gebieten suchen. Die Haushaltslage mag eine solche Gewaltkur rechtfertigen oder sogar notwendig machen. Vielleicht muß es auch nicht dazu führen, wie bei der Fortbildungstagung dieser Hochschule i m vergangenen Jahr Frido Wagener — nach eigenen Worten einseitig und überzogen — ausgeführt hat, daß dann die Verwaltung die tragische Freiheit hat zu entscheiden, was sie noch t u n kann (oder will) und was nicht 1 3 . A u f jeden Fall ist diese „Rasenmähermethode" aber ungerecht gegenüber den Dienststellen, die sich u m sparsame Personalwirtschaft bemüht haben. Sie geht insoweit auch zu Lasten der Bürger, wenn Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllt werden. 12 Parkinson, Parkinsons Gesetz u n d andere Untersuchungen über die Verwaltung, rororo- S achbuch 6763. 13 Wagener, Selbstentwicklung der Verwaltung, i n : V e r w a l t u n g u n d V e r waltungspolitik, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 90, S. 71.

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Natürlich fordern Prüfungsfeststellungen mit dem Ziel der Rationalisierung der Verwaltung und der Einsparung von Stellen i n einer Zeit gravierender Arbeitslosigkeit auch Einwendungen und Widerspruch heraus. Angesichts der Höhe der Finanzierungssalden der Haushalte, der Staatsquote und der Steuerbelastung der Wirtschaft sowie der Entwicklung der Staatsverschuldung kann es jedoch keine Alternative geben. Der Rest an Beweglichkeit der Haushalte, der für konjunkturell notwendige Investitionen dringend benötigt wird, ist nur zu erhalten, wenn die konsumtiven Ausgaben zurückgedrängt werden. 4.

Maßnahmeprüfungen

Eine neue A r t der Prüfung, die sich besonders bei Bauvorhaben als wirksam erweist, ist durch die Haushaltsreform eingeführt worden: die sog. Maßnahmeprüfung. Es sind „Maßnahmen" zu prüfen, „die sich finanziell auswirken können" (§ 89 Abs. 1 Nr. 2 LHO). Die herkömmliche Prüfung von Baumaßnahmen traf vor allem kritische Feststellungen wegen unzureichender Planung und Mittelüberwachung, Ausschreibungs- und Vergabefehler, unwirtschaftlicher Bauausführung usw. Diese Fehler sind nachträglich kaum zu berichtigen. Das unnötig ausgegebene Geld ist regelmäßig nicht zurückzuholen. Maßnahmeprüfungen erstrecken sich dagegen auf abgeschlossene Teile des Verwaltungshandelns, die noch nicht zu Ausgaben geführt haben 1 4 . I m Zuge des Gesamtablaufs der Baumaßnahme werden abgeschlossene Einzelabschnitte wie ζ. B. die Festlegung des Raumprogramms, Baupläne, Kostenrechnungen usw. geprüft. Die Prüfungsbehörde schaltet sich damit vorbeugend und auch beratend ein. Sie w i r k t vermeidbaren Ausgaben entgegen. Sie begegnet auch dem oft zu hörenden Vorwurf, daß Prüfer immer erst hinterher wüßten, was man hätte besser machen können. Aus unserer Prüfungstätigkeit i n letzter Zeit kann ich hier ζ. B. darauf hinweisen, daß u. a. bei 6 Krankenhaus-Bauvorhaben — trotz nachträglicher Umplanungen — noch Uberkapazitäten von mehr als 300 Betten festgestellt wurden. Mindestens 40 M i l l . D M hätten sich vermeiden lassen, wenn der Bedarf genauer ermittelt worden wäre 1 5 . Bei der Prüfung der Planung des Neubaus einer Polizeibezirkswerkstatt war eine wesentliche Verminderung der Hauptnutzfläche m i t der Folge der 14 Vgl. auch Brunner, Möglichkeiten u n d Grenzen der öffentlichen Finanzkontrolle, i n : Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, Festschrift f ü r Hans Schäfer, S. 169; Karehnke, Der Rechnungshof als T e i l der öffentlichen K o n trolle, a.a.O.; Grupp, Die Stellung der Rechnungshöfe i n der Bundesrepublik, Schriften zum öffentlichen Recht, 1972, Bd. 201. 15 Jahresbericht des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz f ü r 1979, Tz. 7, Landtagsdrucksache 9/1138.

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Einsparung von 4,5 M i l l . D M zu fordern. Auch bei Hochschulbauten waren übersetzte Raumprogramme festzustellen, so ζ. B. bei dem Neubau einer Zentralbibliothek, bei dem sich über 2 M i l l . D M einsparen lassen. Weitere Einsparungsmöglichkeiten ergaben sich i m Bereich der Straßenplanung des Landes und der Kommunen i n Höhe von rd. 12 M i l l . D M 1 6 . Zu Schwierigkeiten bei der Prüfung der Planung kann ein K o n f l i k t zwischen der vorgesehenen architektonischen Gestaltung eines Bauwerks und den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit führen. Auch der Rechnungshof plädiert nicht für ausdruckslose Zweckbauten. Natürlich soll ein Rathaus oder eine Schule einen städtebaulichen Akzent setzen. Es werden daher häufig vernünftige Mittelwege zwischen den Ansprüchen öffentlicher Repräsentation und sparsamer, zweckbetonter Mittelverwendung zu suchen sein. Der Rechnungshof muß aber seine Stimme erheben, wenn öffentliche Gelder dazu benutzt werden, Projekte staatlicher und kommunaler Selbstdarstellung zu errichten. A u f diesem Gebiet ist i n den letzten Jahren viel gesündigt worden, und der Bürger und die Öffentlichkeit haben kein Verständnis dafür, wie i n manchen Fällen m i t den Steuergeldern umgegangen wurde. Da Prüfungen nicht besonders geschätzt sind, w i r d auch versucht, die Kompetenz des Rechnungshofs m i t dem Einwand einzuschränken, er mische sich i n politische Entscheidungen ein. Diese Frage ist bei uns z.B. aus Anlaß von Maßnahmeprüfungen bei Straßenplanungen i m Zusammenhang m i t der parlamentarischen Erörterung des Jahresberichts für 1979 i n der Rechnungsprüfungskommission sowie i m Haushalts- und Finanzausschuß aufgeworfen worden. Sie veranlaßt mich zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen: Erstens: Der Rechnungshof kann keine Politik machen. Seine fachbezogene Kontrolle hat sich jedoch regelmäßig m i t Gegenständen zu befassen, denen politische Entscheidungen zugrunde liegen. Eine politisch völlig wertfreie Finanzkontrolle ist daher nicht denkbar. I n einem politisch-demokratischen System wie der Bundesrepublik kann u n d w i r d die Finanzkontrolle niemals gänzlich unpolitisch sein. Schon die Verfassungsgeschichte zeigt, daß der Kampf u m die Bewilligung und die Kontrolle von Haushaltsmitteln eine hochpolitische, vielleicht eine der wichtigsten Angelegenheiten der parlamentarischen Demokratie war und ist 1 7 . Ein Rechnungshof kann und darf — wie es Moser formu16 Jahresbericht des Rechnungshofs Rheinland-Pfalz f ü r 1981, Tz. 13, 14 u n d 23, Landtagsdrucksache 9/2850. 17 Friedrich Schäfer, Z u r Stellung des Präsidenten des Bundesrechnungshof s, i n : Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, Festschrift für Hans Schäfer, S. 147.

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liert hat — „nicht vom politischen Erdenstaub unberührt nur i n den seligen Gefilden der Rechnungslegung schweben" 18 . Es ist unbestreitbar, daß Finanzkontrolle auch politische Auswirkungen hat. Dies ist vom Verfassungsgeber gewollt und auch notwendig. Die Prüfung des Rechnungshofs ist wesentliche Voraussetzung für die demokratische Kontrolle i m Rahmen des Entlastungsverfahrens. Ihre Einschränkung würde daher auch die parlamentarische Kontrolle unvertretbar einengen 19 . Zweitens: Bei der Wahrnehmung seines verfassungsmäßigen Kontrollauftrags ist der Rechnungshof selbstverständlich an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Daraus folgt, daß politische Entscheidungen, die ihre Ausformung i n Gesetzen gefunden haben, für den Rechnungshof Vorgaben darstellen, die grundsätzlich nicht seiner Prüfung unterliegen. Auch die politischen Ziele der Regierung bei dem Vollzug von Gesetzen oder i m gesetzlich nicht gebundenen Bereich entziehen sich der Beurteilung durch den Rechnungshof. Das politische Handeln und die Verantwortung hierfür tragen allein die demokratisch legitimierten Organe des Staates. Anders zu beurteilen ist aber die Befugnis des Rechnungshofs i n bezug auf die Maßnahmen, die zur Erfüllung der politischen Ziele getroffen werden. Sie unterliegen hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen der Finanzkontrolle nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben der Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit. Drittens: Schwierigkeiten der Abgrenzung, die i n unterschiedlichen Auffassungen i n der Literatur zum Ausdruck kommen, haben ihre Ursache vor allem darin, daß die Grenzen zwischen den politischen Entscheidungen und ihrem verwaltungsmäßigen Vollzug fließend sind. I m Grenzbereich ist daher i m Einzelfall zu beurteilen, wieweit die Zuständigkeit des Rechnungshofs geht. Für den i n Frage stehenden Bereich der Straßenplanung hat sich auch i m Landtag unsere Auffassung durchgesetzt, daß das Ob und Wie einer Straßenplanung nicht ausschließlich der Beurteilung der Exekutive vorbehalten ist. Auch jede Planungsmaßnahme steht unter dem gesetzlichen Gebot der W i r t schaftlichkeit (§§ 7 und 34 LHO) und ist danach auch von der Finanzkontrolle unter dem verfassungsmäßigen Prüfungsmaßstab der W i r t schaftlichkeit zu beurteilen. 18 Moser, Teure u n d b i l l i g e Staatsverwaltung, Die öffentliche Verwaltung, 1953, S. 13. 19 Vgl. auch Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I I , 1980, S. 453 ff.; Reger, Bemerkungen zur Finanzkontrolle — Theorie, allgemeine Sach- u n d Rechtsfragen, Reform —, a.a.O., S. 250; Hans Schäfer, F i nanzkontrolle u n d parlamentarische Demokratie, a.a.O

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Außer bei Baumaßnahmen bieten sich Maßnahmeprüfungen ζ. B. auf dem Gebiet der Besoldung und Versorgung an, wo sich Zahlungen auf gleichbleibender Grundlage über Jahre hinaus fortsetzen. Hier w i r d durch eine begleitende Prüfung erreicht, daß Fehler, die sonst nicht oder u. U. erst nach Jahren entdeckt würden, von Anfang an vermieden werden. Dies ist auch deshalb wichtig, weil i n den meisten Fällen spätere Rückforderungen an der Rechtsprechung scheitern. Die Prüfung der Personalausgaben läßt sich noch wirksamer gestalten, wenn zusätzlich m i t Hilfe von Computer-Prüfprogrammen aus der Menge der Zahlungen fehleranfällige nach bestimmten Merkmalen herausgegriffen oder bestimmte andere Vergleiche (etwa zur Ermittlung von Doppelzahlungen) vorgenommen werden. So habe ich aus dem Jahresbericht des Rechnungshofs Nordrhein-Westfalen für 197820 gesehen, daß i n einem Jahr Gehaltsüberzahlungen von über 500 000 D M festgestellt wurden. A l l e i n eine Lehrerin hat i n einem Zeitraum von 4 Jahren 192 000 D M zuviel erhalten. 5. Entstaatlichung Die Erörterung von Möglichkeiten, die öffentliche Verwaltung rationaler zu gestalten, darf natürlich auch Überlegungen nicht ausklammern, ob und inwieweit Staatsaufgaben zu verringern sind. Fast 50 °/o Staatsanteil am Bruttosozialprodukt werfen i n einem grundsätzlich auf Privatinitiative aufbauenden Staatswesen zwingend die Frage auf, ob der Staat sich nicht aus bestimmten Aufgaben zurückziehen und ihre Ausführung privaten Trägern überlassen kann. Der Staat hat sich i n einem Maße i n die Daseinsvorsorge eingeschaltet, „wie es sich die Väter des parlamentarischen Systems kaum vorstellen konnten" 2 1 . Die Überforderung des Staates schränkt auch den Handlungsspielraum des Bürgers ein 2 2 . Das Thema der Privatisierung hat sich „bedauerlicherweise bislang i n der einschlägigen Literatur interessanter als i n der W i r k lichkeit" dargestellt 23 . Es darf jedoch nicht zu den A k t e n gelegt werden. Auch die Finanzkontrolle muß nachdrücklich darauf hinwirken, daß Aufgaben, die ohne Schaden für die Allgemeinheit wirtschaftlicher von Privaten wahrgenommen werden können, auch diesen überlassen werden. Es ist keineswegs unabweisbar, daß ζ. B. Planungen i m Hoch- und 20

Anlage zur Landtagsdrucksache 9/31, S. 14 ff. Hans Schäfer, Finanzkontrolle u n d parlamentarische Demokratie, a.a.O. 22 Vgl. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz v o m 14. Oktober 1982, Plenarprotokoll 9/58 u n d Bericht der Landesregierung, Landtagsdrucksache 9/2746. 23 Littmann, Z u r Problematik einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, in: V e r w a l t u n g u n d Verwaltungspolitik, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 90, S. 131. 21

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Tiefbau, Arbeiten der Flurbereinigung und des Vermessungswesens, Straßenunterhaltung und Winterdienst ausschließlich von der öffentlichen Hand anstatt von freiberuflich Tätigen oder privaten Unternehmen vorgenommen werden. Es muß vielfach auch nicht sein, daß ζ. B. Druckereien, Wäschereien, Fuhrparks und Bauhöfe oder auch — nach unseren Feststellungen viel zu teure — Schuster-, Schneider- und Kraftfahrzeugwerkstätten i m Bereich der Polizei vorgehalten werden. Es ist ferner auch darüber nachzudenken, inwieweit ζ. B. staatlicher Wohnhausbesitz und Beteiligungen an wirtschaftlichen Unternehmen ohne Nachteil für die Bürger aufgegeben werden können. M. E. sind daher die neuerlichen Initiativen i n diesem Bereich durch die Landesregierung i n Niedersachsen, aber auch i n unserem Land 2 4 sehr zu begrüßen. 6. Beratung I n den vorgenannten Bereichen der Verlagerung von Aufgaben i n den privatwirtschaftlichen Bereich kann der Rechnungshof i n der Regel nur beratend tätig werden. I m Interesse der Sache ist es m. E. jedoch notwendig, daß er hier von seiner gesetzlichen Ermächtigung, den Landtag, die Landesregierung und einzelne Minister aufgrund von Prüfungserfahrungen zu beraten (§ 88 Abs. 2 LHO), nachdrücklich Gebrauch macht. Beratung i m Rahmen der Finanzkontrolle sollte sich jedoch nicht nur i n Form offizieller Äußerungen gegenüber Landtag und Landesregierung darstellen. Richtig verstandene Prüfung muß vielmehr immer auch Beratung sein. Ich spreche hier besonders den informellen partnerschaftlichen Austausch von Gedanken zu aktuellen Verwaltungsproblemen zwischen den Beamten der Prüfungsbehörde und der Verwaltungen an. Aus der Erfahrung der Prüfung bei anderen Verwaltungen können hier oft nützliche Ratschläge gegeben werden. Andererseits — auch dies möchte ich deutlich sagen — profitieren von einem solchen Gedankenaustausch auch die Prüfer. Sie werden hautnah m i t den Problemen und Sorgen der Verwaltung konfrontiert. Sie erlangen Informationen und Erkenntnisse, die auch wieder anderen Verwaltungen nutzen können. Der Bezug zur Praxis bleibt so erhalten, ohne den eine Prüfung zur blutleeren und weltfremden Besserwisserei zu werden droht. Eine Verbindung von Kontrolle und Beratung ergibt sich, wenn Prüfungen zur Erhöhung ihrer Wirkung querschnittsmäßig, d.h. nach gleichen Zielen bei mehreren Verwaltungen vorgenommen, die Ergebnisse generell ausgewertet und — ζ. B. i n gutachtlicher Form — möglichst allen i n Betracht kommenden Verwaltungen zur Verfügung ge24

Vgl. o. a. Plenarprotokoll 9/58 u n d Landtagsdrucksache 9/2746.

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stellt werden. Nach unseren Erfahrungen ist auf diese Weise eine vielfache W i r k u n g zu erreichen, die den Aufwand lohnt. W i r haben uns deshalb sowohl i m Rahmen der Jahresberichte, die allen Staats- und Kommunalverwaltungen zugehen, als auch durch breite Streuung gutachtlicher Äußerungen bemüht, auch i n dieser Weise auf eine rationelle Verwaltungsführung hinzuwirken. 7. Systematische Beurteilung

des Gesamthaushalts

Zur Finanzkontrolle gehört auch die systematische Beurteilung des Gesamthaushalts. Dies folgt aus dem umfassenden Auftrag der Prüfung der gesamten Haushalts- und Wirtschaftsführung (Art. 120 Abs. 2 L V , § 88 Abs. 1 LHO), der diese Beurteilung ohne Zweifel einschließt. Die Notwendigkeit, hierzu Aussagen zu machen, ergibt sich aber auch aus den Anforderungen, die § 97 LHO an den Jahresbericht stellt. Von besonderer Bedeutung ist hier, daß der Jahresbericht u. a. auszusagen hat, „welche Maßnahmen für die Zukunft empfohlen werden" (§ 97 Abs. 2 Nr. 4 LHO). Es genügt nicht, i n den Jahresberichten nur Abschlußergebnisse i m Vergleich zur Planung wiederzugeben und ggf. mit Einschränkungen — zu bestätigen, daß die Beträge der Rechnungen und der Bücher übereinstimmen und die Nachweispflichten erfüllt sind. Die Berichte sollten vielmehr auch das Gesamtgebaren i m Hinblick auf Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit, ökonomische Wirkungen, innere Zusammenhänge über Leistungs- und Belastungsfähigkeit aufgrund der sich nach der Haushaltsführung darstellenden Ergebnisse offenlegen. Ein Schwerpunkt ist angesichts der enormen Ausweitung der Staatsverschuldung die Auswirkung der Schuldendienstverpflichtungen auf die disponible Finanzmasse. W i r meinen, auf diese Weise w i r d eine bessere Durchschaubarkeit erzielt und illusionären Vorstellungen über die wirkliche Lage entgegengewirkt. Es kann freilich auch Widersprüche geben, wenn die Lagebeurteilungen sich m i t politischen Intensionen reiben. W i r haben dies vor einigen Jahren erfahren müssen, als w i r aus sich verschlechternden Ergebnissen der laufenden Rechnung folgern mußten, daß der Leistungsstandard des Landes ohne Überlastung des Haushalts durch zusätzliche Kredite für konjunkturell gebotene Investitionen nur durch Ausgabebeschränkungen i m konsumtiven Bereich aufrechtzuerhalten ist. Die Berechtigung dieser warnenden Hinweise auf drohende Überschuldung und mangelnde Beweglichkeit des Haushalts, die inzwischen — beim Bund und einigen Ländern noch deutlicher als i n Rheinland-Pfalz — zu trauriger, von keinem Fachmann bestrittener Wahrheit geworden sind, wurde uns damals von Regierung und Parlament aufgrund eines eigens i n Auftrag gegebenen Professorengutachtens bestritten.

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IV. Durchsetzung der Prüfungsfeststellungen Die Wirksamkeit der Finanzkontrolle als Instrument rationaler Haushaltsführung hängt entscheidend davon ab, ob und wie die Prüfungsfeststellungen i n die Praxis umgesetzt werden. 1. Keine Vollzugsgewalt Der Rechnungshof hat keine rechtliche Möglichkeit, den Vollzug seiner Prüfungsfeststellungen zu erzwingen. Dies w i r d i n der Literatur zum Teil beklagt 2 5 . Den Rechnungshöfen sind hier aber verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. I m übrigen müßten Vollzugsbefugnisse beim Rechnungshof i n einem Rechtsstaat den Rechtsweg für die geprüften Verwaltungen eröffnen. Eine Flut von Verwaltungsprozessen könnte die Folge sein, die die staatliche Bürokratie zusätzlich ausweitete und auch der Stellung des Rechnungshofs nicht dienlich wäre. 2. Erörterung

im Parlament

Die fehlende Exekutivbefugnis ist m. E. aber auch kein wesentlicher Mangel 2 6 . Die öffentliche Berichterstattung an das Parlament, die Behandlung i n der Rechnungsprüfungskommission und i m Haushalts- und Finanzausschuß geben dem Rechnungshof grundsätzlich eine feste Basis. Entscheidend dafür, daß seine Feststellungen auch beachtet werden, ist allerdings die Haltung der Parlamente. Der Rechnungshof ist immer nur so stark, wie das Parlament sich hinter i h n stellt 2 7 . Es muß besonders i n einer Zeit, i n der der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte besondere Bedeutung zukommt, erwartet werden, daß sich die Parlamente auch die Zeit nehmen, die Beanstandungen und Ratschläge der Rechnungshöfe ernsthaft und gründlich zu diskutieren, und — über parteipolitische Gesichtspunkte hinweg — die notwendigen Maßnahmen von der Regierung fordern und auch durchsetzen 28 . Eine Intensivierung der Zusammenarbeit m i t den Rechnungshöfen entspricht offensichtlich auch der Vorstellung der Parlamente. Die Konfe25

Vgl. Hans Schäfer, Probleme einer modernen Finanzkontrolle u n d F i nanzkontrolle u n d parlamentarische Demokratie, a.a.O. 26 Vgl. auch Böning / von Mutius / Schlegelberger, Finanzkontrolle i m föderativen Staat, a.a.O. 27 Vgl. Welz, Parlamentarische Finanzkontrolle i n den Bundesländern, a.a.O., S. 138; Hans Schäfer, Probleme einer modernen Finanzkontrolle, a.a.O.; Piduch, Grundfragen der Finanzkontrolle, Die öffentliche Verwaltung, 1973, Heft 7, S. 228. 28 Vgl. Rürup, Perspektiven der Haushaltskontrolle, a.a.O.; von Arnim, Wirksame Finanzkontrolle bei Bund, Ländern u n d Gemeinden — Analyse u n d Reformvorschläge —, K a r l - B r ä u e r - I n s t i t u t des Bundes der Steuerzahler, Heft 42.

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renz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente hat jedenfalls als besondere Aufgabe der Parlamente hervorgehoben, den Ergebnissen der parlamentarischen Rechnungsprüfung Wirksamkeit zu verleihen und hierfür — wie auch für eine effektivere Erfolgskontrolle — i m Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten die Hilfe der Rechnungshöfe stärker i n Anspruch zu nehmen 2 9 . Für das rheinland-pfälzische Parlament kann ich sagen, daß es i n den letzten Jahren bestrebt war, die notwendigen Konsequenzen aus dem Jahresbericht zu ziehen und dem Rechnungshof die für seine A r beit notwendige Rückendeckung zu geben. 3. Wirkung durch Überzeugung Die größte Wirkung der Finanzkontrolle liegt i n der Qualität und Aussagekraft der Prüfungsfeststellungen selbst. Die Glaubwürdigkeit des Rechnungshofs steht und fällt mit der Richtigkeit und Schlüssigkeit seiner Feststellungen. Sie dürfen nicht von der geprüften Verwaltung erschüttert werden können. Oberster Grundsatz muß sein, nie mehr zu behaupten, als bewiesen werden kann, auch wenn ein Verdacht noch so offensichtlich ist 3 0 . Vermutungen haben i n Prüfungsmitteilungen nichts zu suchen. Bei Argumenten, die überzeugen, sind i m allgemeinen die geprüften Verwaltungen auch ohne Zwang bereit, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. I n dem von m i r angeführten Beispiel der Organisationsprüfung bei den Bezirksregierungen unseres Landes haben selbst i n dem besonders sensiblen Personalbereich die Verwaltungen i n ihrer ersten Äußerung zu den Prüfungsfeststellungen die geforderten Stelleneinsparungen zu etwa 75 °/o akzeptiert oder ihnen zumindest nicht widersprochen. Über die restlichen 25 °/o muß notfalls i m Rahmen des parlamentarischen Entlastungsverfahrens entschieden werden. K r i t i k ist aber natürlich i n der Regel nicht gerne gesehen 31 . Es soll daher auch nicht verschwiegen werden, daß manche Dienststellen aufgezeigte Fehler zu beschönigen und zu entschuldigen suchen. Die Prüfer werden als kleinkarierte Paragraphenreiter bezeichnet, denen es an der Bedeutung der Sache angemessenen Maßstäben fehlt. Solche Vorwürfe haben w i r besonders bei der Prüfung der Rundfunk- und Fernsehanstalten gehört. Sie stammen meist von Leuten, denen es schwer fällt, 29

Standortbestimmung u n d Perspektiven der Landesparlamente, a.a.O. Böning / von Mutius / Schlegelberger, Finanzkontrolle i m föderativen Staat, a.a.O.; Brunner, Möglichkeiten u n d Grenzen der Finanzkontrolle, a.a.O., S. 169. 31 Hans Schäfer, Finanzkontrolle u n d parlamentarische Demokratie, a.a.O. 30

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das richtige Verhältnis zum Umgang mit öffentlichen finden. 4.

Geldern zu

Aktualität

Wesentlich für die Wirkung der Prüfung ist ihre Aktualität. Das Interesse an Prüfungsergebnissen schwindet m i t dem zeitlichen A b stand zur Gegenwart. Bei länger zurückliegenden Fehlern bestehen oft kaum noch reelle Möglichkeiten zur Korrektur und zur Feststellung von Verantwortlichkeiten 3 2 . Größtmögliche Zeitnähe ist daher notwendig. 5. Publizität Besonders wichtig für die Durchsetzung der Prüfungsfeststellungen und damit für die Wirksamkeit der Finanzkontrolle ist die Publizität. Hierzu darf ich den früheren Präsidenten des Bayerischen Rechnungshofs zitieren: „ I m allgemeinen liebt die Verwaltung zwei Dinge nicht: i n die Zeitung zu kommen und i m Parlament Rede und A n t w o r t stehen zu müssen 33 ." Manche Ausgabe würde unterbleiben, wenn damit gerechnet werden müßte, daß sie i n der Öffentlichkeit bekannt würde. Ich denke dabei besonders an übertriebene Aufwendungen zur Repräsentation. Dies gilt sowohl für den staatlichen als auch für den kommunalen Bereich. Veröffentlicht werden bisher die Jahresberichte der Rechnungshöfe. Die einzelnen Prüfungsmitteilungen gehen den geprüften Verwaltungen und ggf. den Aufsichtsbehörden zu. I m kommunalen Bereich hat — i n Rheinland-Pfalz und i n einigen anderen Ländern — der Bürgermeister den Gemeinderat über das Ergebnis der Prüfung zu unterrichten (§ 33 Abs. 1 GemO). Diese Unterrichtung w i r d bisher oft auf „wichtige Ergebnisse" (nach Auswahl durch die geprüfte Verwaltung!) beschränkt. Nur selten dringt davon etwas an die Öffentlichkeit. M i t dem wichtigen Thema größerer Publizität der Prüfung hat sich besonders von A r n i m befaßt 34 . Er kommt mit Recht zu dem Ergebnis, daß i n einer parlamentarischen Demokratie der Bürger ein Recht hat zu erfahren, was m i t seinen Steuergeldern geschieht und ob sie ordnungsgemäß und wirtschaftlich verwendet werden. „Die Frage, wie öffentliche Finanzmittel verwendet, insbesondere, ob sie verschwendet 32

Brunner, Möglichkeiten u n d Grenzen der Finanzkontrolle, a.a.O. Brunner, Möglichkeiten u n d Grenzen der Finanzkontrolle, a.a.O. 84 von Arnim, Die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontrolle als Verfassungsgebot, K a r l - B r ä u e r - I n s t i t u t des Bundes der Steuerzahler, Heft 51, u n d Die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontroll-Berichte i n Rheinland-Pfalz, B u n d der Steuerzahler Rheinland-Pfalz e.V., 1981. 38

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oder rechtswidrig ausgegeben worden sind, gehört zu den wichtigsten Informationen für den Staatsbürger 35 ." I m September 1982 hat i n unserem Landtag die Fraktion der SPD — offensichtlich beeinflußt von der Argumentation von Arnims — beantragt, durch Änderung der Gemeindeordnung mehr Öffentlichkeit der Finanzkontrolle auch i m kommunalen Bereich zu erreichen. I n der Begründung zu diesem A n trag heißt es u. a.: „Während Haushaltssatzung, Haushaltsplan und Haushaltsrechnung jährlich öffentlich bekannt gemacht werden, ist der Öffentlichkeit der Zugang zu den Kontrollberichten verwehrt. Der Bürger kann aber erst aufgrund ihrer Kenntnis beurteilen, ob die öffentlichen Mittel nach den Grundsätzen der Rechtmäßigkeit, W i r t schaftlichkeit und Sparsamkeit verwendet werden 3 6 ." Eine abschließende Beratung hat noch nicht stattgefunden. Die Regierung hat jedoch eine Regelung zugesagt, die mehr Öffentlichkeit als bisher gewährleisten soll. Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Jahresberichte der Rechnungshöfe läßt sich noch wesentlich verbessern 37 . Meistens werden von Presse, Rundfunk und Fernsehen nur einzelne „ K n ü l l e r " aufgegriffen. Es wäre für die Unterrichtung des Bürgers nützlicher und für die Wirksamkeit der Finanzkontrolle förderlich, statt dessen m i t mehr Sachlichkeit und vor allem kontinuierlicher über einen längeren Zeitraum über die Feststellungen zu berichten. V. Schlußbemerkung Zusammenfassend ist für die Beurteilung der Auswirkungen der Finanzkontrolle auf eine rationale Haushaltsführung davon auszugehen, daß die öffentliche Hand — anders als privatwirtschaftliche Unternehmen — vom Prinzip her nicht auf wirtschaftliche Aufgabenerfüllung ausgerichtet ist 3 8 . Auch leere Kassen allein schaffen noch keine effizientere Verwaltung. „ I m Unterschied zum privatwirtschaftlichen Bereich ist mangelnde Rationalisierung nicht existenzbedrohend — weder für den einzelnen i m Sinne der Gefährdung seines Arbeitsplatzes oder wenigstens seiner Karriere noch für einzelne Verwaltungseinheiten noch für die Verwaltung als Ganzes 39 ." 35 von Arnim, Die Öffentlichkeit kommunaler Finanzkontroll-Berichte i n Rheinland-Pfalz, a.a.O. 36 Landtagsdrucksache 9/2496. 37 Hans Schäfer, Probleme einer modernen Finanzkontrolle, a.a.O. 38 Vgl. auch Littmann, Z u r Problematik einer Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, a.a.O., S. 132. 39 Lüder, V e r w a l t u n g des Mangels, in: V e r w a l t u n g u n d Verwaltungspolitik, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Bd. 90, S. 79.

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Alois Schreiner

U m rationale Haushalts- und Wirtschaftsführung zu gewährleisten, bedarf es daher stetiger bewußter Anstrengungen sowohl der Verwaltung selbst als auch der Finanzkontrollbehörden. Die Rechnungshöfe verstehen sich als Treuhänder der Staatsbürger und Steuerzahler. Gewissermaßen stellvertretend für sie haben sie sich unabhängig von sachfremden Einflüssen und nur dem Gesetz unterworfen einzusetzen für verantwortungsbewußte, rechtgemäße und wirtschaftliche Verwendung der öffentlichen Mittel. Ordnung und Stabilität der öffentlichen Haushalte sind Voraussetzung für hohe Lebensqualität und die freiheitliche Verfassung unseres Staates. M i t der Kontrolle der gewaltigen i m öffentlichen Finanzwesen begründeten Macht treten die Rechnungshöfe damit zugleich ein für Rechtsstaatlichkeit und die Erhaltung der demokratischen Grundordnung.

Diskussion Bericht von Else Kirchhof Zum Vortrag von Professor Dr. Hans Herbert v. Arnim: Die Diskussion wurde aufgenommen von Herrn Dr. Kollnig, Leitender Regierungsdirektor, Regierungspräsidium Karlsruhe. Er ging auf die unterbreiteten Vorschläge zum Personalabbau i m öffentlichen Dienst ein und betonte die strukturellen Gesichtspunkte, die den Stelleneinsparungen i m Wege stünden: So verbiete das Laufbahnprinzip eine Laufbahnschichtung nach unten, wie überhaupt die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums generell gegen Einsparungen sprächen. Möglich wäre allenfalls ein Ausweichen i n den Sektor der Angestellten mit Zeitverträgen. Auch Organisationsprüfungen und Dienstpostenbewertungen würden i n Baden-Württemberg kaum durchgeführt. Hinzu komme noch das geringe betriebswirtschaftliche know-how der Verwaltung insgesamt. Herr Dr. Wild, Ministerialrat i m Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, sprach sich für die pauschale Stellenkürzung pro Laufbahngruppe aus, weil diese Maßnahme noch am ehesten politisch tragfähig sei. Sie rege die Verwaltung zum optimalen Personaleinsatz an. Allerdings sei dann auch eine dezentrale Überprüfung des Umfangs der Aufgabenstellung erforderlich, denn der Stellenabbau bedinge auch einen Aufgabenabbau. Zu den angesprochenen Themenbereichen „politische Beamte" und „Verbeamtung der Parlamente" nahm Herr Geffers, Ministerialrat a. D., Bad Sachsa, Stellung. Er bezeichnete die Einführung des politischen Beamten als einen gefährlichen Tatbestand, der dringend revisionsbedürftig sei. So sollte von der Versetzung i n den einstweiligen Ruhestand abgesehen und stattdessen eine Weiterbeschäftigung i m öffentlichen Dienst — auch i n einer niedrigeren Besoldungsgruppe — angeordnet werden. Die Verbeamtung der Parlamente bringe die gefährliche Konsequenz mit sich, daß die Ausschüsse (ζ. B. der Innenausschuß) für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Selbstbedienungsladen werde. Deshalb sei eine Inkompatibilitätsvorschrift dahingehend erforderlich, daß Angehörige des öffentlichen Dienstes solchen Aus16 Speyer 92

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Diskussion

schlissen fernzubleiben haben, deren Vorschläge und Entscheidungen den öffentlichen Dienst unmittelbar betreffen. Herr Cramer , Kanzler der Fachhochschule Hagen, äußerte sich ebenfalls zum Personalabbau i m öffentlichen Dienst. Er sah das eigentliche Hemmnis eines Personalabbaus i n den Landespersonalvertretungsgesetzen, die es unmöglich machten, einen schlechten Beamten zu entlassen. Überdies fehle auch das betriebswirtschaftliche Denken i m öffentlichen Dienst völlig. Herr Professor Dr. v. Arnim ging sodann auf die Fragen aus dem Plenum ein. I n Beantwortung der Frage von Herrn Dr. Kollnig hob er auf die Kollision von individueller und kollektiver Vernunft i m Bereich der Stelleneinsparungen ab. Daß das derzeitige Beamtenrecht teilweise den Stelleneinsparungen entgegenstehe, sehe er nicht als einen Einwand an, denn Änderungen des Beamtenrechts seien innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen jederzeit zulässig. Diese Grenzen unterlägen allerdings einem ständigen Wandel. Herr Professor Dr. v. Arnim warnte angesichts der von Herrn Dr. Wild angesprochenen politischen Durchsetzbarkeit von Stellenkürzungen vor einer Kapitulation vor politischen Schwierigkeiten. Es müsse bis an die Grenzen des Machbaren gegangen werden. Erinnert sei dabei an die Versuche des Haushaltsausschusses i m Jahre 1982, durch Anbringung von kw-Vermerken gezielte Einsparungen zu ermöglichen. Herrn Geffers entgegnete Professor Dr. v. Arnim, daß die Beamten zwar wegen ihres Sachverstandes eine wichtige Gegengewichtsfunktion i m Parlament bildeten, gleichwohl seien bei Entscheidungen i n eigener Sache Befangenheitsregelungen erforderlich. Zum Vortrag von Herrn Alois Schreiner, Präsident Rheinland-Pfalz:

des Rechnungshofs

Herr Dr. Pfreundschuh, Landrat, Landratsamt Neckar-Odenwaldkreis, Mosbach, hielt ebenfalls Einsparungen i m personellen und sächlichen Bereich für dringend geboten. Stelleneinsparungen seien allerdings erst dann möglich, nachdem Arbeitsplatzanalysen, Stellenbewertungen, Personalvergleiche und sogar eine Außenberatung durch Dritte ermöglicht worden seien. Er betonte, daß ein wesentliches Hindernis bei allen Einsparungsbemühungen i n den Gesetzen selbst verortet sei, weil das rechtlich verordnete Optimum häufig Einsparungen verhindere. Es sei nur auf die Wohnbauförderung und den Schulneubau hingewiesen, ganz abgesehen von dem Problem der Mischfinanzierung. Erstrebenswert sei deswegen, der Verwaltung mehr Ermessensspiel-

Diskussion

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räume bei ihren Entscheidungen einzuräumen, verbunden mit einer praxisnahen Ausbildung zu wirtschaftlicherem Denken, u m i m Einzelfall kostengünstigere Entscheidungen zu treffen. Herr Dr. Graf, Stadt Wiesbaden, stellte die Aktualität der Rechnungshofberichte infrage. So sei möglicherweise die vom Rechnungshof getroffene Feststellung eines Stellenüberschusses von über 110 Stellen bei den Bezirksregierungen i n Rheinland-Pfalz zu spät gekommen. Er fragte darüber hinaus, ob der Rechnungshof auch auf externe Betriebsvergleiche zurückgreife. Gegen eine extensive Handhabung der Prüfungsbefugnisse durch den Rechnungshof sprach sich Herr Müller-Brandes, Abteilungsdirektor, Bezirksregierung Hannover, aus. Er führte das Gewaltenteilungsprinzip ins Felde und wies auf die Entscheidungsbefugnis der Landesregierung hin, die wiederum der parlamentarischen Kontrolle unterliege. Er fragte nach der Rechtsgrundlage für Organisationsprüfungen durch den Rechnungshof. Herr Hauser, Oberbürgermeister, Stadt Kirchheim unter der Teck, hielt Organisations- und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch die Rechnungsprüfungsämter für dringend geboten. Denn nur auf diese Weise könnten die Behörden i n die Lage versetzt werden, neuzeitliche A r beitsmethoden kennenzulernen. Er müsse allerdings aus kommunaler Sicht vortragen, daß die Gemeindeprüfungsanstalt Baden-Württemberg bislang zögere, an diese Aufgabe heranzugehen. Publizität der Rechnungshofberichte halte er für dringend erforderlich, die weithin befürchtete Gefahr, durch Benennung der Namen i n den Prüfungsberichten Vertraulichkeiten an die Öffentlichkeit preiszugeben, werde überschätzt. Herr Schreiner entgegnete Herrn Dr. Pfreundschuh, daß es auch zur Aufgabe der Rechnungshöfe gehöre, auf die Vereinfachung von Gesetzen und Richtlinien hinzuwirken. Der Rechnungshof RheinlandPfalz nehme seit geraumer Zeit solche Hinweise i n seine Prüfungsbemerkungen auf. Herrn Dr. Graf räumte Herr Schreiner ein, daß die Rechnungsprüfung zwar spät erfolge und Einsparungsmöglichkeiten erst verzögert i n Angriff genommen werden könnten, gleichwohl gelänge es dem Rechnungshof Rheinland-Pfalz, Organisationsprüfungen recht schnell durchzuführen. Die Frage nach der Heranziehung externer Betriebsvergleiche bejahte Herr Schreiner und wies auf die objektive Prüfung am jeweiligen Arbeitsplatz hin, zu der ein Vergleich innerhalb der Behörden komme. 16*

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Diskussion

Zu der von Herrn Müller-Brandes angeführten Kompetenzenfrage verwies Herr Schreiner auf die A r t i k e l i n den jeweiligen Landesverfassungen. So sei es die Hauptaufgabe der Rechnungshöfe, die Verwaltung zu überprüfen. Es sei legitim, daß der unabhängige Rechnungshof seine Kompetenzen voll ausschöpfe, u m seinem besonderen Auftrag i n der demokratischen Verfassung gerecht zu werden. Zuzugeben sei, daß i n einzelnen Ausnahmefällen bei politischen Entscheidungen Zurückhaltung von Seiten des Rechnungshofs geboten sei. Den Ausführungen von Herrn Hauser stimmte Herr Schreiner i n vollem Umfange zu und unterstrich die sehr sorgfältige und rasche Arbeit der Gemeindeprüfungsämter.

Mischfinanzierung als Hemmnis der Haushaltskonsolidierung ? Von Ernst Pappermann I. Einführung 1. Jede Mischfinanzierung hat mindestens zwei — vielfach mehrere — Beteiligte: Die Geber- und Nehmerseite. Für den Geldgeber w i r d sich die Mischfinanzierung kaum je als Hemmnis bei der Konsolidierung seines Haushalts erweisen: Über das jeweils geltende Haushaltsgesetz hinaus ist er i n der Regel nicht zur Fortführung der Mischfinanzierung verpflichtet. Darum kann er seine finanzielle Beteiligung an Projekten anderer Träger mit entsprechenden Übergangsregelungen einstellen, wenn er dies für politisch opportun hält. Er kann damit seinen eigenen Haushalt entlasten und konsolidieren. Die Frage, ob das System der Mischfinanzierung ein Hemmnis für die Haushaltskonsolidierung darstellt, stellt sich also vorrangig für den Geldnehmer, also die jeweils untere Verwaltungsebene, die von einer oder mehreren höheren Ebenen finanzielle Zuwendungen erhält. Da ich als Vertreter eines kommunalen Spitzenverbandes zu Ihnen spreche, erwarten Sie mit Recht, daß i m Mittelpunkt meiner Ausführungen die Frage steht, ob und wie sich das System staatlicher Zuweisungen an die Kommunen als Hemmnis für eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte erweisen kann. 2. Den Begriff der „Mischfinanzierung" möchte ich dabei i n zweifacher Weise einschränken: Nicht gemeint ist 1. die sogenannte unechte Misch- oder Verbundwirkung. Nicht gemeint sind 2. die allgemeinen staatlichen Kopf- oder Schlüsselzuweisungen, auch wenn deren Berechnung i m Einzelfall Mischcharakter hat. Gemeint sind ausschließlich die speziellen staatlichen Zweckzuweisungen mit politischem Steuerungscharakter. a) Die unechte Verbundwirkung — auf die also nicht näher eingegangen werden kann — besteht darin, daß nach der geltenden Kompetenzund Finanzordnung des Grundgesetzes auch an sich völlig getrennte Finanzierungen untereinander i n einer gewissen Abhängigkeit stehen, Stich wort: kommunizierende Röhren. Dies gilt insbesondere für die

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Auffang-Wirkung der vollständig von den Kommunen zu finanzierenden Sozialhilfe: Wenn etwa der Bund seinen Haushalt konsolidiert, indem er Sozialleistungen oder Leistungen der Bundesanstalt für A r beit reduziert, dann werden diese Ausgaben mehr oder weniger auf die Kommunen verlagert 1 . Dies mögen einige Beispiele verdeutlichen: Die Sperrfristen bei Beziehern von Arbeitslosenunterstützung w u r den von vier auf acht Wochen verlängert, die Anwartschaftszeiten für den Bezug von Arbeitslosengeld wurden von 180 auf 360 Kalendertage, bei Arbeitslosenhilfe von 70 auf 150 Tage verlängert. Der Empfängerkreis von Arbeitslosenhilfe wurde reduziert, das heißt Schul- und Hochschulabgänger erhalten keine Arbeitslosenhilfe mehr. Das Kindergeld für das zweite und dritte K i n d wurde u m je 20,— D M monatlich gekürzt. Das Wohngeld wurde u m durchschnittlich 7,5 °/o vermindert. A l l das schlägt i n wesentlichen Teilen auf die von den Gemeinden zu zahlende Sozialhilfe durch: — weil z. B. ein Arbeitslosengeldempfänger bei einer achtwöchigen Sperrfrist nach einigen Wochen seine Ersparnisse aufgebraucht hat und zum Sozialamt kommt, — weil der Arbeitslose, der die längeren Anwartschaftszeiten nicht erfüllt, ohne Einkommen und daher dauerhaft auf Sozialhilfe angewiesen ist, — weil Schüler und Studenten, die nach abgeschlossener Ausbildung keinen Ausbildungs- und Arbeitsplatz finden, bisher vom Bund gefördert wurden und jetzt Sozialhilfe i n Anspruch nehmen müssen, — weil bei Sozialhilfeempfängern die Kürzungen von Kindergeld und Wohngeld v o l l durch die Sozialhilfe ausgeglichen werden müssen. Gleiches ließe sich für andere Bereiche belegen, etwa die gesetzlich ermöglichten Mietenerhöhungen oder die Einführung der 5,-DM-Krankenhauskostenbeteiligung. A l l dies schlägt i m Bereich der sozial Schwachen voll auf die Sozialhilfe und damit auf die kommunalen Haushalte durch. Es ist verständlich, daß die Kommunen als schwächste Glieder der öffentlichen Gebietskörperschaften, die diese Kosten nicht „weitergeben" können, solche Praktiken als unfair empfinden und daß deshalb vom System des „Verschiebebahnhofs" die Rede ist. Diese unechten Misch- und Verbund Wirkungen können jedoch i m folgenden nicht weiter behandelt werden. 1 Vgl. z. B. Hans Koschnick, Der Preis der Utopie, in: Die Unregierbarkeit der Städte, G o t t l i e b - D u t t w e i l e r - I n s t i t u t , Rüschlikon / Zürich 1982, S. 31 (42 ff.); Frido Wagener, Staat u n d Selbstverwaltung: Besserung oder Beschwichtigung? Städte- u n d Gemeindebund 1982, S. 85 (89).

Mischfinanzierung als Hemmnis der Haushaltskonsolidierung?

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b) Gleiches gilt auch für die allgemeinen Zuweisungen an die Kommunen nach den Finanzausgleichs- und Gemeindefinanzierungsgesetzen der Länder. Diese fallen nicht unter den Begriff der Mischfinanzierung, weil letztlich die Kommunen selbständig die Prioritäten beim Mitteleinsatz bestimmen, auch wenn man berücksichtigt, daß die Berechnung i m einzelnen durch Ergänzungsansätze wie Zentralitäts-, Schüler-, Bäder-, Stationierungs- oder Sozialhilfeansatz kommunalintem durchaus Mischwirkungen erzeugen kann. Diese Ergänzungsansätze, vor allem etwa der Zentralitätsansatz i n Rheinland-Pfalz und i m Saarland, sind durchaus wünschenswert, weil sie den tatsächlichen Unterschieden Rechnung tragen, etwa dem, daß die Mittel- oder Oberzentren nach dem aus dem Landesplanungsrecht folgenden zentralörtlichen Gliederungsprinzip auch für die Einwohner des Umlandes öffentliche Leistungen produzieren, ohne hierfür vom Umland ein entsprechendes Entgelt zu erhalten 2 . c) Untersucht werden soll i m folgenden hingegen, ob und warum sich das System der „Fondswirtschaft", der Gemeinschaftsaufgaben, vor allem aber der staatlichen Zweckzuweisungen an die Kommunen als Hindernis für eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte erweist. Mischfinanzierung durch Zweckzuweisungen ist dabei keineswegs eine „quantité négligeable", sie beeinflußt vielmehr die Gestaltung der kommunalen Haushalte i n ganz entscheidender Weise. So muß sich etwa eine kreisangehörige Gemeinde i m Ruhrgebiet, die alle Zuschußmöglichkeiten ausschöpfen w i l l , m i t über 220 zweckgebundenen Zuweisungen befassen, die meisten davon i m Landeshaushalt, aber auch i n den Haushalten anderer kommunaler Träger, wie des Landschaftsverbandes, des Kommunalverbandes Ruhrgebiet oder des zuständigen Kreises 3 . Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) hat zu Recht darauf hingewiesen 4 , daß das Zuweisungssystem stetig an Bedeutung gewinnt und bald die meisten kommunalen Aufgaben umfassen wird. Bei der Erhebung des Verwaltungsaufwandes für die Bearbeitung von Zweckzuweisungen i n Nordrhein-Westfalen hat sich gezeigt, daß es i n den Kommunen praktisch keine Aufgabengruppen mehr gibt, i n denen nicht zumindest für einen 2

Zur Problematik: Hans Koschnick (Fn. 1), S. 31 (39 f.); Emst Pappermann, Stadtpolitik bei knappen Kassen — Die Städte i n Nordrhein-Westfalen vor dem Haushaltsjahr 1983, Die Fortbildung 1982, S. 131 (132); vgl. auch die Übersicht über die besonderen Bedarfsansätze i n den Finanzausgleichsgesetzen der Länder bei: Hanns Karrenberg / Engelbert Münstermann, Gemeindefinanzbericht 1983, der städtetag 1983, S. 69 (97). 3 Vgl. dazu den Bericht „Zweckzuweisungen" der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) v o m 30.10.1980, K G S t Bericht 12/1980, K ö l n 1980, S. 7. 4 KGSt-Bericht „Zweckzuweisungen" (Fn. 3), S. 8.

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Teil der Aufgaben Zweckzuweisungen i n Anspruch genommen werden. Dies dokumentiert den außerordentlich hohen Stellenwert des Problems der Mischfinanzierung für die Konsolidierung der kommunalen Haushalte. 3. Die folgende Untersuchung geht i n mehreren Arbeitsschritten vor: Zunächst w i r d aufgezeigt, welche Gründe zur Entstehung und zum ständigen Anwachsen der Mischfinanzierung durch Zweckzuweisungen geführt haben. Dann w i r d die gegenwärtige Lage dargestellt; es werden einige Beispiele für Zweckzuweisungen des Bundes und der Länder erläutert. I m Anschluß daran werden i n einem 9-Punkte-Katalog die rechts- und verwaltunspolitischen Probleme aufgezeigt, die das System der Zweckzuweisungen m i t sich bringt, insbesondere für die Haushaltskonsolidierung der bezuschußten Kommunen. Weiter w i r d zu fragen sein, weshalb trotz dieser höchst bedenklichen Analyse sowohl die staatlichen Zuschußgeber als auch die meisten fachlich ausgerichteten kommunalen Bediensteten an diesem System festhalten wollen. Anschließend soll erörtert werden, welche Therapie angebracht ist: Es w i r d ein Katalog von 9 Vorschlägen zur Diskussion gestellt, die dazu beitragen sollen, das Zweckzuweisungssystem zu reduzieren und zu vereinfachen, u m dadurch gleichzeitig die Konsolidierung der kommunalen Haushalte zu erleichtern. I I . Zur Entstehung der Mischfinanzierung Die Mischfinanzierung hat ihren Ursprung i n der sogenannten Fondsverwaltung des Staates, die sich schon seit Mitte der fünfziger Jahre, also lange vor der großen Finanzreform von 1969, ohne verfassungsrechtliche Grundlagen entwickelt hatte 5 . Es wurden Bundesmittel an die Länder oder Bundes- und Landesmittel an die Kommunen zweckgebunden und meistens m i t der Auflage zugewiesen, daß sie nur für einen bestimmten Zweck, innerhalb einer bestimmten Zeit, für bestimmte Personen und unter bestimmten Voraussetzungen verwendet werden durften. Die Dotationsempfänger waren zwar rechtlich nicht verpflichtet, sich derartigen Bindungen zu unterwerfen. Ein Protest dagegen zog aber den Verlust der Zuschüsse nach sich, so daß sich Länder und Gemeinden eine Ablehnung politisch nicht leisten konnten. Durch die Finanzreform von 1969, speziell durch die Normierung der Gemeinschaftsaufgaben i m Grundgesetz, sollte dieser Entwicklung ent5 BVerfGE 39, S. 96 (110 ff.); Theodor Maunz, in: Maunz / D ü r i g / Herzog / Scholz, GG-Kommentar, Stand: 1979, A r t . 109 Rn. 13. Z u r Vereinbarkeit der damaligen Praxis m i t der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung vgl. Ernst Pappermann, Finanzprobleme u m kommunale Aufgaben der I n f r a struktur, Staats- u n d K o m m u n a l v e r w a l t u n g 1968, S. 311 ff.

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gegengewirkt werden. Ziel war es, mehr Klarheit zu schaffen und das Zuschußwesen i n mehrfacher Hinsicht zu begrenzen 6 . Dieses Ziel ist, wie man heute feststellen kann, nicht erreicht worden. I m Gegenteil: Nach der Finanzreform von 1969 nahmen Aufgabenverflechtung und Mischfinanzierungen deutlich zu 7 . Deren Notwendigkeit wurde damit begründet, daß die Zeit nach großräumigen Lösungen dränge und die Entwicklung von unitarischen Tendenzen bestimmt werde. Der Bürger zeige wenig Verständnis für differenzierte Eigenstaatlichkeit und damit verbundene Schwerfälligkeit. Die Entwicklung von Verkehr, Technik und Wirtschaft wie auch die internationalen Verflechtungen forderten bei wichtigen Aufgaben großräumige Planvorstellungen und zusammengefaßte Finanzkraft. Man dachte vor allem an solche Aufgaben, deren Erfüllung Voraussetzung für ein stetiges Wirtschaftswachstum und für die Befriedigung der Daseinsvorsorge-Bedürfnisse der Bevölkerung ist. Dabei ging man davon aus, daß die für die Erfüllung dieser Aufgaben eigentlich zuständigen Länder und Gemeinden wegen deren ungewöhnlich hoher Kostenlast, der langfristig einzugehenden Bindungen und der besonderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Aufgaben überfordert seien. Begünstigt wurden Aufgabenverflechtungen und Mischfinanzierungen dadurch, daß Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre die kommunale Gebietsreform anlief, die stark an Effektivitätsgesichtspunkten orientiert war und zum Teil künstliche Verwaltungsgebilde zu „örtlichen Gemeinschaften" erklärte. Die Zuordnung der Aufgabenwahrnehmung nach dem Begriffspaar „örtlich — überörtlich" wurde deshalb immer schwieriger. Man konstatierte eine zunehmende Abwanderung der Aufgaben von örtlichen auf überörtliche Träger. Die Landesplanungsgesetze taten ein übriges, indem sie das zentralörtliche Gliederungsprinzip einführten und damit den Mittel- und Oberzentren Kompetenzen auch für die infrastrukturelle Versorgung der Einwohner ihres Umlandes zuwiesen, was natürlich ebenfalls zu Mischverwaltung und -finanzierung führte. Die allgemeine Stimmung Anfang der siebziger Jahre unter Politikern, Verwaltungspraktikern und ζ. T. auch Wissenschaftlern ging dahin, sich von gemeinsamer Aufgabenerfüllung mehrerer Verwalβ

Vgl. i m einzelnen: BVerfGE 39, S. 96 ff.; E 41, S. 291 ff. Vgl. zum folgenden: Egbert Möcklinghoff / Eberhard Laux / Erhard Mäding / Ulrich Scheuner / Erwin Schleberger / Fanz Schuster / Frido Wagener, Staat u n d Gemeinden, Stellungnahme des Sachverständigenrates der K o n rad-Adenauer-Stiftung zur Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung (im folgenden zitiert: Sachverständigenrat), K ö l n 1980, S. 29 ff. 7

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tungsträger die Lösung vieler Probleme zu versprechen. Positiv k l i n gende Begriffe wie „Gemeinschaftsaufgaben" oder „Verbundlösung" standen hoch i m Kurs. Ich muß bekennen, daß ich vor zehn Jahren für den innerkommunalen Bereich, für das Verhältnis der Kreise zu den kreisangehörigen Gemeinden, mit Überzeugung ebenfalls solche Verbundlösungen propagiert habe, Stichworte: „Kreisentwicklungsplanung" und „Verwaltungsverbund i m kreisangehörigen Raum" 8 . Schließlich begannen u m jene Zeit viele Landesparlamente, den Begriff der „Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse", der gemäß A r t i k e l 72 I I 3 Grundgesetz lediglich der Abgrenzung der Gesetzeskompetenz zwischen Bund und Ländern dienen soll, gründlich mißzuverstehen 9 , indem sie i h n zum allgemeinen Verfassungspostulat erklärten und mit dieser angeblichen Legitimation eine Fülle von landeseinheitlichen Regelungen erließen, die zumeist mit irgendwelchen Mischfinanzierungen verbunden waren. A l l das führte dazu, daß die Mischfinanzierung i m Laufe der Zeit ständig zunahm 1 0 : Bundesweit sind auf der kommunalen Ebene schon fast 30 % aller Einnahmen staatliche Zuweisungen, davon wiederum sind mehr als die Hälfte zweckgebunden und mit detaillierten Verwendungsauflagen versehen 11 . Insbesondere ging der Trend zunehmend dahin, die Zweckzuweisungen nicht für laufende Zwecke, sondern gezielt für kommunale Investitionen zu geben. Schon 1978 wurden i n Nordrhein-Westfalen rund 60 %> aller kommunalen Investitionen vom Bund und vom Land finanziell gelenkt 1 2 , dieser A n t e i l ist i n den letzten Jahren noch deutlich gestiegen, und zwar auch bei Investitionen i m ureigenen Selbstverwaltungsbereich. Die investierenden Gemeinden müssen daher mehr und mehr den Eindruck haben, i m Rahmen einer neuen A r t von staatlichen Auftragsangelegenheiten tätig zu werden. Rückblickend ist daher festzuhalten: Obwohl die große Finanzreform von 1969 nur die Zusammenarbeit von Bund und Ländern i n wenigen 8 Ernst Pappermann, Z u r Problematik der Kreisentwicklungsplanung, DÖV 1973, S. 505 ff.; ders., Verwaltungsverbund i m kreisangehörigen Raum, DÖV 1975, S. 181 ff. 9 Z u r Fehlinterpretation dieses Begriffs: Hans-Georg Lange, Wertgleiche Lebensverhältnisse u n d örtliche Selbstverwaltung — ein Widerspruch?, in: Deutscher Städtetag — I m Dienst Deutscher Städte 1905 - 1980, Neue Schriftenreihe des DST Bd. 40, K ö l n 1980, S. 117 ff. 10 Vgl. Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 20 f.: „bemerkenswerter Bedeutungsgewinn der staatlichen Finanzzuweisungen". 11 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 22. 12 Vgl. Städtetag N W , „Steuerung der Gemeinden über die Finanzen", V o r bericht zum Arbeitskreis I I der Mitgliederversammlung des Städtetages Nordrhein-Westfalen am 16. Febr. 1978 i n Essen, in: Kommunale Gestaltung statt staatlicher Steuerung, K ö l n 1978, S. 73 (76).

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Aufgabenbereichen regeln wollte, hat sie faktisch einer umfassenden vertikalen Aufgabenverflechtung und Mischfinanzierung unter Einschluß der Kommunen den Weg bereitet. Skeptiker befürchten, daß dies dazu führen könne, das System der Gebietsverwaltung zunehmend durch ein System der Funktionenverwaltung zu ersetzen 13 . I I I . Misdif inanzierungen nach geltendem Recht Es ist unmöglich, auch nur einen annähernden Überblick über alle diejenigen Mischfinanzierungen geben zu wollen, die heute Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte haben. I m folgenden seien nur exemplarisch einige Beispiele angeführt, getrennt nach Bundes- und Landeszuweisungen. 1. A n Bundes-Mischfinanzierungen gibt es fünf große Blöcke, von denen vier i m Grundgesetz geregelt sind. a) Verhältnismäßig unproblematisch ist die Mischfinanzierung bei Geldleistungsgesetzen gemäß A r t i k e l 104 a I I I Grundgesetz. Hierdurch w i r d das Prinzip der Konnexität zwischen Verwaltungszuständigkeit und Ausgabenlast durchbrochen: Trotz der Verwaltungszuständigkeit von Ländern (und Gemeinden) zur Durchführung dieser Gesetze trägt der Bund die entstehenden Zweckausgaben ganz oder zum Teil, Beispiele: Wohngeldgesetz, Wohnungsbauprämiengesetz, Sparprämiengesetz, Berufsausbildungsgesetz 14 . b) Aus kommunaler Sicht ist auch die Mischfinanzierung nach A r tikel 91 b GG i m Bereich von Bildungsplanung und Forschungsförderung nicht besonders problembeladen, insbesondere, weil der Bund nur eine Mitplanungskompetenz und keine Finanzierungszuständigkeit hat und nicht durch Bereitstellung eigenen Geldes entsprechende Landesmittel erzwingen kann 1 5 . c) Bei den Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau, regionale W i r t schaf tsstruktur und Agrarstruktur/Küstenschutz gemäß A r t i k e l 91 a Grundgesetz ist zwar /ormaZrechtlich die Selbständigkeit der Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern gewährleistet, weil nach Absatz 4 Satz 3 die Bereitstellung der Mittel den Haushaltsplänen des Bundes und der Länder vorbehalten bleibt. Faktisch t r i t t indes eine Bindung von Landesmitteln ein: Die Weigerung eines Landtags, zu den 13 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 30; Frido Wagener (Fn. 1), Städte- u n d Gemeindebund 1982, S. 85 (86). 14 Vgl. i m einzelnen die Nachweise bei Herbert Fischer-Menshausen, in: Ingo v o n Münch, Grundgesetzkommentar Bd. I I I , München 1978, A r t . 104 a Rdnr. 18. 15 Theodor Maunz (Fn. 5), A r t . 109 Rn. 17.

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Bundesmitteln die vorgeschriebenen Landesmittel bereitzustellen, würde mit ziemlicher Sicherheit zum Verlust der Bundesmittel führen 1 6 . d) Besonders umstritten sind die Finanzhilfen für Investitionen gemäß A r t i k e l 104 a I V Grundgesetz. Der Bund kann sie Ländern und Kommunen für solche Investitionen gewähren, die (1) zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, (2) zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft i m Bundesgebiet oder (3) zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Solche Investitionshilfen sind bisher vorgesehen i m Städtebauförderungs-, i m Gemeindeverkehrsfinanzierungs- und i m Krankenhausfinanzierungsgesetz 17 . Die Weite und Unbestimmtheit der verfassungsrechtlichen Kompetenzvoraussetzungen setzt Bundesinitiativen i m Investitionsbereich von Ländern und Gemeinden praktisch keinerlei normative Schranken. Insbesondere das strukturpolitische Ziel „Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", das die beiden anderen, konjunktur- und regionalpolitischen Ziele überlagert und eigentlich überflüssig macht, vermittelt dem Bund eine umfassende Vollmacht zur Einwirkung auf Länder- und Kommunalinvestitionen und bildet die Grundlage für Wirtschaftsankurbelungsprogramme aller A r t 1 8 . Aus kommunaler Sicht ist wichtig, daß Partner bei derartigen Bundesfinanzhilfen stets Bund und Länder sind, nicht Bund und Gemeinden, auch wenn die geförderten Investitionsprojekte von den Gemeinden durchgeführt werden: Der Bund gewährt die Zuschüsse an die Länder, i n deren Händen dann die verantwortliche Vergabe der Mittel an die kommunalen Investitionsträger liegt 1 9 . e) Diese vier Mischfinanzierungen mit Rechtsgrundlage i m Grundgesetz werden ergänzt durch Finanzierungen, die der Bund auf Grund ungeschriebener Zuständigkeit „aus der Natur der Sache" oder dem „Sachzusammenhang" praktiziert. Die Grenzen dieser ungeschriebenen Bundeszuständigkeit sind i n der Praxis allzu großzügig gezogen worden, wodurch eine erhebliche Grauzone entstanden ist 2 0 . 16

Theodor Maunz (Fn. 5), A r t . 109 Rn. 16. Herbert Fischer-Menshausen (Fn. 14), A r t . 104 a Rn. 35. 18 Herbert Fischer-Menshausen (Fn. 14), A r t . 104 a Rn. 46. 19 Vgl. BVerfGE 39, S. 96 ff., wonach §§ 71, 72 StBauFG diesen K r i t e r i e n entsprechen, u n d BVerfGE 41, S. 291 ff., wonach das „Sonderprogramm für Gebiete m i t speziellen Strukturproblemen" v o m 13. Febr. 1974, das Finanzh i l f e n unmittelbar an die Gemeinden des Freistaates Bayern gewährte, verfassungswidrig war. 20 Herbert Fischer-Menshausen (Fn. 14), A r t . 104 a Rn. 38; Theodor Maunz (Fn. 5), A r t . 109 Rn. 19; Sachverständigenrat, a.a.O. (Fn. 7), S. 30. Die EnquêteKommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages konnte sich trotzdem nicht zu einer grundlegenden Änderung der Mischfinanzierung entschließen, vgl. „Beratungen und Empfehlungen zur Verfassungsreform" Bd. I I , Z u r Sache 2/77, Bonn 1977, S. 180 f. 17

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f) Der Bereich der Mischfinanzierung des Bundes hat quantitativ erhebliche Dimensionen angenommen. Bereits 1976 flössen 10 %> der Haushaltsmittel des Bundes i n die verschiedenen Formen der Mischfinanzierung 2 1 ; die Tendenz ist steigend. 2. Ist der Bereich der Mischfinanzierungen des Bundes noch einigermaßen überschaubar und überwiegend durch das Grundgesetz legitimiert, so w i r d es i m Bereich der Zweckzuweisungen der Länder an die Gemeinden völlig unübersichtlich. Sie beruhen überwiegend nicht auf Gesetz, sondern auf der Bereitstellung von entsprechenden Förderungsmitteln i m Landeshaushalt, die nach Maßgabe jeweils unterschiedlicher Richtlinien an die antragstellenden Kommunen vergeben werden. So gab es etwa i m Haushaltsplan des Landes Nordrhein-Westfalen für 1981 insgesamt 134 sogenannte „Töpfe" und „Töpfchen", aus denen die Gemeinden Zuschüsse erhalten konnten. Rund 50 dieser Ansätze waren kleiner als 1 M i l l i o n DM, der kleinste umfaßte ganze 10 000,— D M 2 2 ! Die Richtlinien über die Vergabe dieser Zweckzuweisungen aus dem Landeshaushalt erreichen oft eine außerordentliche Perfektion. Gern zitiert 2 3 w i r d etwa die Richtlinie über die Voraussetzung der Förderung kommunaler Trabsport- und Rennbahnen. Sie legt exakt fest, daß u. a. die „Länge des abgewickelten Weges" zwischen Tribünensitzreihe und Toilette 60 Meter nicht überschreiten darf! I n dieser A r t gibt es eine kaum noch zu überblickende Fülle von Regelungen. Obwohl die Verwaltungsvorschriften zu § 44 LHO grundsätzliche Festlegungen enthalten, meinte jedes Ressort, noch fachspezifische Besonderheiten einbringen zu müssen, u m die zweckentsprechende Mittelverwendung sicherzustellen 24 . Als das Land Nordrhein-Westfalen dann endlich i m Jahre 1982 daranging, den Wust dieser Vergaberichtlinien und Ausstattungsstandards zu entstrüppen, blieben — zufällig herausgegriffen — ζ. B. die folgenden Regelungen „auf der Strecke" oder wurden jedenfalls zur Abschaffung empfohlen 25 : 21

Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 30. Vgl. dazu Hans Daniels, Gruß wort, in: Städte und Staat, Festsitzung zum 75jährigen Bestehen des Deutschen Städtetages, Neue Schriften des Deutschen Städtetages, Bd. 43, K ö l n 1981, S. 15 (16). 23 Ζ. B. bei Ernst Pappermann, B ü r o k r a t i e k r i t i k u n d kommunale Selbstverwaltung, der städtetag 1980, S. 667; Johannes Rau, Grußwort, in: Städte u n d Staat (Fn. 22), S. 23 (24). 24 Vgl. dazu: Innenminister NW, Projektgruppenbericht „Abbau staatlicher Zweckzuweisungen sowie Harmonisierung u n d Vereinfabhung der Zuweisungsverfahren i m kommunalen Bereich", Düsseldorf, M a i 1981 (im folgenden zitiert: Subventionsbericht Kommunen 1981), S. 366. 25 Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 345-355; Beschluß der Landesregierung N W zum Abbau v o n Ausstattungsstandards (kommunaler Bereich) v o m 30. J u n i 1982, MB1. N W 1982, S. 1039 ff. 22

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(1) Kultus-Ressort: Runderlaß über Heizungs-, Lüftungs- und Warmwasserbereitungsanlagen i n Schulen; Runderlaß über Schulbau i m Fertigbausystem; Richtlinien über die Innenraumbeleuchtung mit künstlichem Licht i n Schulen; Runderlaß über freiwillige Schülerfluggemeinschaften; aber auch Einzelförderungen wie Kurzfilmtage Oberhausen, Filmveranstaltungen der Stadt Duisburg, Sternwarte Bochum. (2) Ressort Arbeit, Gesundheit, Soziales: Erlaß über die Förderung von Altentagesstätten; Erlaß über die Einrichtung von Raumgruppen für Intensivpflege an älteren und kleineren Krankenhäusern; Richtlinien über Landeszuschüsse bei Eheund Lebensberatungsstellen; Runderlaß über die Gruppenstärke i n Tageseinrichtungen für Kinder; Richtlinien über Landeszuwendungen an Aufnahmeheime und Jugendschutzstellen. (3) Ressort Ernährung,

Landwirtschaft

und Forsten:

Richtlinien über Zuschüsse zum gemeinschaftlichen Wirtschaftswegebau; Richtlinien zur Förderung von Gemeinschaftsanlagen für die Kleintierhaltung; Förderungsregelungen zur Beseitigung von Schneebruchschäden; Runderlaß zur Bekämpfung der Schnüffelkrankheit der Schweine. (4) Innen-Ressort: Runderlaß über die Verwendung von Kugelschreibern i m urkundlichen Verkehr; Richtlinien für die Mikroverfilmung von Katasterunterlagen; Runderlaß betr. Brände durch Selbstentzündung von Erntegütern; Anfertigungsrichtlinien für die Dienstkleidung, Ärmelund Funktionsabzeichen der Feuerwehr. Soweit die kleine Blütenlese! Immerhin handelt es sich bei diesen zur Abschaffung vorgeschlagenen Zweckzuweisungen und Förderungsrichtlinien u m ein Haushaltsvolumen von jährlich rd. 130 Millionen D M 2 6 allein in Nordrhein-Westfalen! IV. Rechts- und verwaltungspolitische Problematik der Mischfinanzierung Mischfinanzierungen, vor allem Zweckzuweisungen, bestimmen also heute i n erheblichem Maße den kommunalen Verwaltungsalltag. Trotzdem muß festgestellt werden, daß die K r i t i k an dieser Finanzierungs26

Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 359.

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methode nie ganz verstummt ist 2 7 . Vor allem die Zuwendungsnehmer waren nie so recht glücklich m i t diesem Instrument. Aber auch i n der Wissenschaft ist immer wieder betont worden, daß Mischfinanzierungen zwar rechtlich zulässig, rechts- und verwaltungspolitisch hingegen sehr problematisch seien. Solange die Finanzlage einigermaßen günstig war, wurden die kritischen Stimmen i n der Praxis nicht sonderlich ernst genommen. Erst m i t dem Knappwerden der Finanzressourcen Ende der siebziger Jahre schärfte sich allgemein der Blick für die konsolidierungsfeindlichen, unwirtschaftlichen Auswirkungen der Zweckzuweisungen. I m folgenden darf ich i n 9 Punkten die Hauptbedenken gegen das Mischfinanzierungssystem kurz erläutern: 1. Bund, Länder und Gemeinden sind i n ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig, wie A r t i k e l 1091 Grundgesetz für das Bund-Länder-Verhältnis ausdrücklich betont und was für die Gemeinden aus A r t i k e l 28 I I Grundgesetz folgt. Dies ist die Grundregel, Mischfinanzierungstatbestände müssen hingegen die Ausnahme bleiben, wie das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich betont hat 2 8 . Denn Mischfinanzierungen schaffen die Gefahr von Abhängigkeiten des jeweils Bezuschußten vom Zuschußgeber. Deshalb dürfen sie nicht zum Normalfall werden; die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der H aushalt swir tschaft von Ländern und Gemeinden darf nicht i n Frage gestellt werden. Nimmt man alle Mischfinanzierungstatbestände i n der Gesamtschau, so dürften sie dieser Verfassungsgrenze bedenklich nahegekommen sein. 2. Das System der Zweckzuweisungen beeinträchtigt die kommunale Finanzhoheit, die ja durch A r t i k e l 28 I I Grundgesetz mit garantiert wird, und erweist sich damit als selbstverwaltungsfeindlich 29: Die Bewilligungsbedingungen bei Zweckzuweisungen können so dosiert werden, daß die Gemeinden indirekt dazu gezwungen werden, sich auch i m angeblich „freiwilligen" Aufgabenbereich nach staatlichen Zielvorstellungen zu richten. Angesichts der finanziellen Abhängigkeiten der meisten Gemeinden w i r d damit auch die Rechts- und Fachaufsicht wesentlich ausgeweitet. 27

Vgl. Theodor Maunz (Fn. 5), A r t . 109 Rn. 14 m. w. N. BVerfGE 39, S. 96 (108); Zustimmend u. a. Theodor Maunz (Fn. 5), A r t 109 Rn. 20. 29 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 38; Ernst Pappermann, Bürokratieüberwälzung auf die kommunale Ebene, in: Dickertmann / K ö n i g / Wittkämper, Bürokratieüberwälzung, Regensburg 1982, S. 66 (76); Albert von Mutius, Sind weitere rechtliche Maßnahmen zu empfehlen, u m den notwendigen Handlungs- u n d Entfaltungsspielraum der kommunalen Selbstverwaltung zu gewährleisten?, Gutachten E zum 53. Deutschen Juristentag 1980, München 1980, S. 119 ff. (121); Peter Lindemann, Kommunale Zweckzuweisungen und deren Abbau i n Niedersachsen, DVB1. 1978, S. 777 ff. 28

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Ferner ist die Zuständigkeit für die Vergabe der Zweckzuweisungen durchweg bei den Fachressorts auf Bundes- und Landesebene angesiedelt. Dies führt dazu, daß die Fachbeamten i n den Ministerien und i n den Kommunen gemeinsam die Fachfunktion überbewerten und die kommunale Gesamtverantwortung vernachlässigen 30 , Stichwort: Vertikale Fachbruderschaften 31. 3. Mischfinanzierung durch Zweckzuweisungen beeinträchtigt ferner die Transparenz der Entscheidungsfindung: Bei der großen Zahl unterschiedlichster Zweckzuweisungen der verschiedenen Fachressorts entsteht zwangsläufig ein arges Durcheinander: Die Kommunen können ganz einfach die Vielzahl der Programme, Bewilligungsrichtlinien und Antragsformulare nicht mehr i n allen Einzelheiten kennen. Mangelnde Information ist natürlich ein Hindernis für eine sachgerechte Antragstellung. Der oft zufällige Informationsstand und die „Beziehungen" der kommunalen Vertreter zu bewilligenden staatlichen Stellen werden „prämiert". Besonders deutlich w i r d das beim sogenannten Windhundverfahren nach dem Prinzip „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst". Die Folge ist, daß der Einsatz der Mittel mehr vom Zufall bestimmt ist als von der tatsächlichen örtlichen Bedarfslage 32 . A l l dies ist dem Bürger — und zum Teil auch den Räten — kaum noch begreifbar zu machen; das Ziel einer bürgernahen Kommunalpolitik gerät i n Gefahr. 4. Die Inanspruchnahme von Zweckzuweisungen durch die Kommunen führt wegen der Unterschiedlichkeit, Kompliziertheit und Langwierigkeit der Bewilligungsverfahren zwangsläufig dazu, daß die Entscheidungsprozesse und Verfahrensabläufe erschwert und verzögert werden. Insbesondere bei Bau-Investitionen und Beschaffungen kommt es häufig zu Defiziten oder Verspätungen i m Aufgabenvollzug, die volkswirtschaftlich wenig sinnvoll sind 3 3 . Die bisher dargestellten Bedenken gegen die Zweckzuweisungen zeigen zwar, wie fragwürdig das Mischfinanzierungssystem ist, lassen jedoch allenfalls mittelbar erkennen, daß es sich u m Hemmnisse für die Konsolidierung der Kommunalfinanzen handelt. Wie stark das Mischfinanzierungssystem die Konsolidierung der Kommunalfinanzen erschwert, zeigen jedoch die folgenden Punkte 5 bis 9: 30

KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 11. Frido Wagener, V o m Neubau zur Pflege — w o h i n entwickelt sich unser Verwaltungssystem?, in: Zukunftsaspekte der Verwaltung, Schriftenreihe der Hochschule Speyer Bd. 81, B e r l i n 1980, S. 21 (28). 32 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 39; KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 8; Subventionsbericht Kommunen 1981 (Fn. 24), S. 168 f. 33 KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 10, 19. 31

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5. Bei allen Aufgaben, die „gemeinsam" betrieben werden, schwindet die politische Verantwortlichkeit, weil sich jeder Beteiligte bei Fehlern hinter der Mitwirkungsnotwendigkeit des anderen verstecken kann. Das widerspricht indes der Idee der repräsentativen Demokratie 3 4 . Außerdem führt die Vermischung von Verantwortlichkeiten dazu, daß der Eigennutz als wirtschaftliches Regulativ außer Kraft gesetzt wird: M i t fremdem Geld geht man nicht sparsam um! So lösen Investitionszuschüsse anderer Träger durchweg eine A r t „Sachzwang" aus, das Geld auch j a vollständig auszugeben, damit nichts unnötig zurückgeht. So ist aus manchem Verwendungs- ein Verschwendungsnachweis geworden 35 ! 6. Mischfinanzierungen haben eine weitere konsolidierungsverhindernde Auswirkung: Volkswirtschaftlich kann eine Entscheidung der Kommune nur dann zu einem optimalen Ergebnis führen, wenn sie nicht nur alle Nutzen (Erträge), sondern auch alle Kosten i n i h r K a l k ü l einbezieht. Viele Gemeinden neigen aber dazu, bei der Abwägung von Nutzen und Kosten einer geplanten Investition i m wesentlichen nur die eigenen Ausgaben (Kosten), nicht dagegen den Teil der Kosten zu berücksichtigen, der vom Zuschußgeber getragen wird. Hohe Investitionszuweisungen haben erfahrungsgemäß ferner die Nebenwirkung, daß die Gemeinden die Folgekosten nicht ausreichend berücksichtigen, die ja voll bei der Gemeinde als Betreiber der Einrichtung liegen und keineswegs „mischfinanziert" werden 3 6 . Der finanzielle Handlungsspielraum der Kommunen w i r d dadurch zusätzlich eingeengt. Die Schließung so manchen Hallenbades, so mancher Bibliothekszweigstelle i n den letzten Jahren war die Konsequenz. Zweckzuweisungen vernebeln also den Blick für gesamtvolkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen. „Spätestens bei der Aufbringung der Folgekosten w i r d deutlich, daß die bisherigen Schuldenlasten, das Dauerproblem der Städte, durch das Mischfinanzierungssystem nicht abgebaut, sondern nur noch vergrößert werden" 3 7 . 7. Die Bindung der Zweckzuweisungen an die Erbringung kommunaler Eigenmittel kann sich gleichfalls konsolidierungshemmend auswirken. Bei Aufstellung des Etats und Einplanung der Investitionsmaßnahmen liegt oft ein Bewilligungsbescheid noch nicht vor. Es ist daher i n der Regel weder bekannt, ob das Vorhaben überhaupt gefördert 34

Frido Wagener (Fn. 31), S. 21 (49). Ernst Pappermann (Fn. 2), Die Fortbildung 1982, S. 131 (136). 86 KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 9; Subventionsbericht K o m munen 1981 (Fn. 24), S. 167; Hans Koschnick (Fn. 1), S. 44; Albert von Mutius (Fn. 29), S. 120. 87 Hans Koschnick (Fn. 1), S. 45. 35

17 Speyer 92

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wird, noch m i t welcher Dotierung gerechnet werden kann. Weitere Probleme ergeben sich dadurch, daß Bewilligung und Zahlung der M i t t e l zeitlich oft weit auseinanderfallen. Auch w i r d bisweilen wegen der zu geringen Zuweisungsmittel nur ein Teil der bewilligten Summe tatsächlich ausgezahlt. Zur Sicherung der Gesamtfinanzierung müssen dann neben den Eigenmitteln zusätzlich Komplementärmittel zur Voroder Zwischenfinanzierung aufgebracht werden 3 8 . Hieraus ergibt sich auch, daß das System der Zweckzuweisungen für die mittel- und längerfristige Aufgabenplanung eine beträchtliche Einnahmeunsicherheit bewirkt39. Bei knapper Finanzdecke — wie jetzt — werden die kommunalen Eigenmittel bisweilen aus anderen, eigentlich wichtigeren Projektplanungen abgezogen, die dann nicht verwirklicht werden, nur u m an die Zweckzuweisungen zu kommen. Ganz finanzschwache Gemeinden, die die notwendigen Eigenmittel zur Mitfinanzierung der Projekte nicht erbringen können, kommen deshalb überhaupt nicht i n den Genuß der Zweckzuweisungen, was sie i m Vergleich zu anderen Gemeinden zusätzlich benachteiligt 40 . 8. Besonders konsolidierungshemmend ist der Einsatz von Zweckzuweisungen i m Rahmen staatlicher Konjunkturprogramme. Das berühmt-berüchtigte „Zukunftsinvestitionsprogramm (ZIP)", das j a Mittel i n Milliardenhöhe i n die Gemeinden gepumpt hat, schlug z.B. prozyklisch v o l l i n die Baukonjunktur hinein und lief wieder aus, als die Baukonjunktur nachließ 41 . Ergebnis: Die Baupreise wurden kräftig i n die Höhe getrieben und die zusätzlich bereitgestellten Investitionsmittel wurden durch diese Baupreissteigerungen wieder aufgezehrt. Mißlicher noch ist die Tatsache, daß die Fachressorts immer versuchen, diese Konjunkturprogramme, die j a der Wirtschaftsbelebung dienen sollen, zusätzlich dazu auszunutzen, ihre fachspezifischen Anliegen m i t zu verwirklichen, wobei sich diese Zusatz-Zweckbefrachtungen noch laufend ändern. Oberbürgermeister Rommel 4 2 sagt dazu m i t Recht: „Man kann nicht gleichzeitig Denkmalschutz, Umweltschutz und Stadtsanierung betreiben. Sieben auf einen Streich t r i f f t man nur i m Märchen." 38

Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 164 f. Albert von Mutius (Fn. 29), S. 120; Rolf Krumsiek, Die Gemeinden u n d das Dotationswesen, der städtetag 1969, S. 590 (591). 40 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 39; Albert von Mutius (Fn. 29), S. 120. 41 Frido Wagener (Fn. 31), S. 21 (47). So auch ganz allgemein: Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 156. 42 Manfred Rommel, Rechtmäßig sterben oder rechtswidrig leben?, i n : A b schied v o m Schlaraffenland, 2. A u f l . Stuttgart 1981, S. 205 (217). 39

Mischfinanzierung als Hemmnis der Haushaltskonsolidierung?

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Die bei zentralstaatlichen Förderungsprogrammen benutzten A n trags·, Prüfungs- und Auswahlverfahren lassen kommunale Prioritätensetzungen durchweg unberücksichtigt. Die Kommunen entscheiden sich i m Konfliktfall zwischen ihrem eigenen kommunalen Entwicklungsprogramm und einem staatlichen Förderungsprogramm i m Zweifel für die staatlichen Zielvorstellungen, weil das eben finanziell günstiger erscheint. Von besonderem Übel ist, daß bei solchen zentralstaatlichen Programmen durchweg gefordert wird, die Maßnahmen müßten „zusätzlich" sein, was nur heißen kann, daß die Maßnahmen ohne Gewährung der Konjunkturmittel nicht durchgeführt worden wären. Es dient aber niemand, wenn für Konjunkturmaßnahmen krampfhaft Vorhaben gesucht werden, die bisher niemand für dringlich gehalten hat, nur u m die „Zusätzlichkeit" nachweisen zu können 4 3 . A n dieser Stelle pflegt man üblicherweise 44 das Horrorbeispiel des Elefantenhauses i m Krefelder Zoo zu erwähnen, das mit M i t t e l n des Konjunkturprogramms für Zukunftsinvestitionen der Nation gebaut wurde. Es lag an der „Zusätzlichkeit", daß die Stadt, die dringend eine Berufsschule brauchte, diese nicht gefördert bekam, weil sie nicht „zusätzlich" war. Da aber i n Krefeld bisher nie jemand auf den Gedanken gekommen war, man brauche für den Zoo ein neues Elefantenhaus, war das eben echt „zusätzlich". Gerade dieser Effekt ist für eine Konsolidierung besonders hinderlich. Konsolidierung bedeutet Aufgabenkritik und Aufgabenabbau. Konjunkturprogramme begünstigen hingegen, wie die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) 4 5 festgestellt hat, Investitionen, die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht hätten getätigt werden dürfen, sie begünstigen eine ungerechtfertigte Überproduktion öffentlicher Leistungen und führen zu neuen Aufgaben und Ausgaben. 9. Konsolidierungshindernd w i r k t sich schließlich aus, daß das Zuweisungssystem unvertretbar hohe Verwaltungs- und Personalkosten verursacht 46 : Durch Anwendung der komplizierten Förderungsrichtlinien werden große Teile der beteiligten Verwaltungsapparate auf Geber- und Nehmerseite über Wochen und Monate lahmgelegt; sie beschäftigen sich m i t sich selbst, statt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzukommen, unmittelbar für den Bürger dazusein. Wirklich beeindruk43 Vgl. Städtetag N W , „Verordnete Hemmnisse bei öffentlichen u n d p r i v a ten Investitionen", i n : Kommunale Gestaltung statt staatlicher Steuerung (Fn. 12), S. 37 (47, 58); Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 39). 44 Frido Wagener (Fn. 31), S. 21 (28); Städtetag N W , Kommunale Gestaltung (Fn. 12), S. 58. 45 KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 10. 45 I n diesem Sinne: Albert von Mutius (Fn. 29), S. 121; Ernst Pappermann f Bürokratieüberwälzung (Fn. 29), S. 66 (77); Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 171 f.; KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 12 ff.

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kend sind die Werte, die die KGSt i n ihrer Untersuchung für Nordrhein-Westfalen 47 ermittelt hat: A l l e i n auf der Nehmerseite, also bei den Gemeinden und Kreisen i m Lande Nordrhein-Westfalen, sind mehr als 2 000 Beamte und Angestellte ausschließlich damit beschäftigt, zweckgebundene Zuweisungen anderer öffentlicher Stellen zu beantragen, zu bearbeiten, abzurufen, nachzuweisen, zu prüfen usw. Den Kommunen entstehen dadurch Kosten i n Höhe von mehr als 100 Millionen D M pro Jahr! Größere Städte leisten sich einen eigenen sogenannten „Subventionsbeauftragten", natürlich i m höheren Dienst, der keine andere Aufgabe hat, als alle nur denkbaren Zweckzuweisungen zu erkunden und für die Stadt nutzbar zu machen. Der Verwaltungsaufwand, der nur auf der kommunalen Seite durch Zweckzuweisungen verursacht wird, beträgt i m Schnitt 6,28 D M pro Einwohner und Jahr. Vollends absonderlich w i r d es schließlich dann, wenn der so entstandene Verwaltungsaufwand die Gemeinden letztlich stärker belastet, als die Zweckzuweisung ihnen an Gewinn bringt. Auch dafür bringt die KGSt ein beredtes Beispiel 4 8 : I n Niedersachsen beantragte 1978 ein kommunaler Schulträger einen Zuschuß zum Ankauf von 10 Basketbällen für die Sport-Arbeitsgemeinschaft einer Schule i n Höhe von 400,— D M bei der hierfür zuständigen Bezirksregierung. Das Verwaltungsverfahren dauerte — einschließlich Widerspruch — ein Jahr und endete m i t der Bewilligung von 80,— D M (20 °/o des Kaufpreises). Die der Gemeinde durch diesen Vorgang entstandenen Verwaltungskosten beliefen sich auf 131,— DM! Nur am Rande: Die 80,— D M wurden schließlich auch noch zurückgefordert, weil der Verwendungsnachweis ergab, daß die Bälle vor Erteilung des Bewilligungsbescheides angeschafft worden waren! Angesichts solcher Zahlen werden Sie verstehen, daß aus kommunaler Sicht die Titelfrage meines Vortrages: „Mischfinanzierung als Hemmnis der Haushaltskonsolidierung?" m i t einem klaren „Ja" beantwortet werden muß. V· Gründe für das Mischfinanzierungssystem aus staatlicher Sicht Angesichts der — wie ich meine — durchschlagenden Bedenken gegen das Mischfinanzierungssystem muß es überraschen, daß dieses System allenthalben nach wie vor m i t Begeisterung praktiziert wird. Sollte es doch Gründe geben, die ein Festhalten an den Zweckzuweisungen rechtfertigen, vor allem aus der Sicht der Zuschußgeber? I m folgenden seien kurz die Gründe dargestellt, die i n der umfangreichen 47 48

KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 5. KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 25 f.

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Grundsatzstudie des Innenministers Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 198 1 4 9 zur Rechtfertigung der staatlichen Zweckzuweisungen angeführt werden. Dort heißt es unter anderem: — Das Land erlangt die Möglichkeit, die Kommunen zur intensiven Wahrnehmung oder Inangriffnahme der Aufgaben der Daseinsvorsorge zu veranlassen (sie!). — Die finanziellen Zuweisungen werden zur Realisierung eines landespolitischen oder raumordnungspolitischen Konzepts zur Förderung gleichwertiger Lebensbedingungen eingesetzt. — Das Land stellt sicher, daß die Kommunen überörtliche punkte mitberücksichtigen und es zu einer Koordination vestitionsprojekten m i t überörtlichem Charakter kommt.

Gesichtsvon In-

— Zweckzuweisungen tragen zum vertikalen Finanzausgleich und zum Sonderlastenausgleich bei. Zusammen m i t der Kommunalaufsicht dienen sie als Lenkungsmittel kommunaler Aufgabenerfüllung (!). — Das Gestaltungsermessen bei der Vergabe der meisten Zuweisungen macht das Land flexibel. — Die Landespolitik kann nicht darauf verzichten, Einfluß auf die Verwendung der zugewiesenen Mittel zu nehmen. Erfolge der Landespolitik — einschließlich der Fachressorts — werden daran gemessen, ob m i t Hilfe der Zuschüsse nachweisbar zahlreiche Maßnahmen und Einrichtungen gefördert werden konnten. Soweit die Argumente des Innenministers Nordrhein-Westfalen — aus staatlicher Sicht überzeugend, i n Abwägung zu den zuvor geschilderten 9 grundsätzlichen Bedenken wohl weniger! Ein weiteres Argument des Landes für die Notwendigkeit von Zweckzuweisungen tauchte erstmals i m Rahmen des Gemeindefinanzierungsgesetzes NW 1983 auf: Während die allgemeinen Zuweisungen u m rund 8 °/o auf nunmehr noch 6,7 Milliarden D M abgesenkt wurden, stiegen gleichzeitig die Zweckzuweisungen u m rund 30 °/o auf jetzt 1,75 M i l l i a r den D M 5 0 . Der Grund ist darin zu suchen, daß nach A r t i k e l 83 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen i n jedem Haushalt die Neuverschuldung des Landes nicht höher sein darf als die gleichzeitig veranschlagte Summe der Investitionsausgaben. Das Land zählt bei letzteren die Investitionszweckzuweisungen an die Gemeinden m i t und erweitert dadurch seinen Kreditspielraum — aus Landessicht verständ49

Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 153,155,158,175. Vgl. i m einzelnen die Begründung zum E n t w u r f des G F G 1983, Landtag NW, Drucksache 9/2002, S. 40. Dazu schon Ernst Pappermann (Fn. 2), Die Fortbildung 1982, S. 131 (134). 60

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lieh, i n Abwägung zu den erwähnten 9 Grundsatzbedenken wohl weniger! V I . Kommunale Stellungnahmen zum Mischfinanzierungssystem Wie stehen n u n die kommunalen Vertreter zum Mischfinanzierungssystem? Lehnen sie es — gerade auch wegen der Erschwerung der Haushaltskonsolidierung — ab, oder ist ihnen Geld i n jeder Form recht? Um es vorwegzunehmen: Die kommunale Ebene redet (leider!) nicht m i t einer Zunge. Die Interessenlage zwischen den kommunalen Spitzenverbänden (sozusagen als Vertretern der „reinen Lehre") und den dort aktiven Oberbürgermeistern und Oberstadtdirektoren auf der einen Seite, den kommunalen Fachbeamten auf der anderen Seite ist zu unterschiedlich! 1. Die meisten kommunalen Fachbeamten, ob Katasterbeamte, Straßenbauer, Jugend- und Sozialhilfeexperten, Wasserwirtschaftler oder Denkmalschützer, begrüßen i m Grundsatz das System der staatlichen Zweckzuweisungen 51. Hierfür gibt es zwei Gründe: Zum einen erhalten die Fachleute für die von ihnen durchzuführenden Fachaufgaben überhaupt — unter welchen Bedingungen auch immer — mehr Geld. Zum zweiten sichern Zweckzuweisungen die Ressortbelange i m innergemeindlichen Prioritätenkampf: Sie werden als argumentative „Brechstange" benutzt, u m beim Kämmerer i m eigenen Haus mehr Mittel für die jeweilige Fachaufgabe lockerzumachen — m i t all den konsolidierungshemmenden Auswirkungen, die zuvor beschrieben wurden! Es ist außerordentlich schwer, die Fachleute davon zu überzeugen, daß sie mit einem solchen Verhalten den kommunalen Gesamtinteressen schaden. Ich selbst gerate da bisweilen i n Rollenkonflikte: Als K u l t u r dezernent höre ich von den Kollegen aus den Städten, wie wichtig Zweckzuweisungen für Theater, Orchester, Weiterbildung oder K u l t u r kooperation sind; als Präsident des Deutschen Bibliotheksverbandes — meiner ehrenamtlichen Tätigkeit — werde ich von den Vorstandskollegen fast des Verrats geziehen, wenn ich vor irgendwelchen detaillierten Landezsuweisungen an die Kommunen für Bibliothekszwecke warne. Als Stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages vertrete ich hingegen — und das m i t Überzeugung — die offizielle Verbandslinie, die ganz k l a r heißt: Staatliche Zuweisungen sollten weitestgehend als allgemeine, nicht zweckgebundene Zuweisungen gewährt werden; die Zuweisungsvielfalt, die die Kommunen zugleich gängelt 51

Das w i r d v o n den kommunalen Generalisten natürlich bedauert, vgl. i n diesem Sinne etwa Ernst Pappermann, Bürokratieüberwälzung (Fn. 29), S. 66 (77); Städtetag N W , Steuerung der Gemeinden über die Finanzen, i n : K o m munale Gestaltung (Fn. 12), S. 86 f.

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und an der Konsolidierung hindert, ist soweit wie möglich zurückzudrängen 52 . 2. Diese Linie w i r d auch von den Oberbürgermeistern unserer großen Städte — gleichgültig, welcher Partei sie angehören — m i t Nachdruck verfochten. Der Präsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Manfred Rommel, Stuttgart, sagt etwa zu diesem Thema 5 3 : „Nach dem Grundgesetz müssen die Länder die K o m m u n e n an i h r e m Steueraufkommen beteiligen. A b e r es reut die Länder, w e n n sie das Geld, welches sie verfassungsrechtlich den K o m m u n e n schulden, diesen zur freien Verfügung überlassen sollen. I n erheblichem Umfang w i r d das Geld nicht zur freien Verfügung zugewiesen, sondern i n F o r m v o n gezielten Zuschüssen zu kommunalen Projekten zugeteilt. Es gibt Länder, i n denen aus über 100 verschiedenen Töpfen das finanzielle W o h l w o l l e n des Staates auf die K o m munen herniederrieselt, aber nur, w e n n die K o m m u n e n bereit sind, sich bedingungslos perfektionistischen Regelungen zu unterwerfen, die an die Hergabe des Geldes geknüpft sind."

Bremens Bürgermeister Hans Koschnick 54 beklagt, daß „die Städte und Gemeinden gegen alle wirtschaftliche Vernunft zu Investitionen mit erheblichen Folgekosten ,verführt' worden" seien, weil sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollten, angebotene Bundes- oder Landesmittel ausgeschlagen zu haben. Und der Bonner Oberbürgermeister Hans Daniels 55 hat zu Recht darauf hingewiesen, die Baustellenschilder dürften eigentlich nicht lauten: „Hier baut die Stadt X m i t Finanzhilfe des Bundes und des Landes", sondern „Hier bauen drei selbständige Bürokratien ein und dieselbe Straße und finanzieren den Bau m i t Steuermitteln, die vorher unter ihnen nach langen Konferenzen und Koordinierungsgesprächen, Lobbyistengerangel und Kuhhandel aufgeteilt worden sind." 3. Allerdings — und diese Einschränkung muß ich leider machen — w i r d diese berechtigte Forderung nach Abbau der Mischfinanzierung i n allerletzter Zeit auch von den kommunalen Spitzenverbänden nicht mehr ganz so laut vertreten 5 6 : Die Erfahrung i n einigen Bundesländern 52 Deutscher Städtetag, Hauptversammlung 1981, Arbeitskreis I „Konsolidierung der Staatsfinanzen, Konsequenzen f ü r die Kommunalfinanzen", i n : Bessere Chancen f ü r die Städte u n d ihre Bürger, Neue Schriften des DST Bd. 45, K ö l n 1981, S. 71 (91); Städtetag N W , Kommunale Gestaltung (Fn. 12), S. 73, 77, 82 ff., 91 f. 53 Manfred Rommel (Fn. 42), S. 205 (212 f.). 54 Hans Koschnick (Fn. 1), S. 31 (44). 55 Hans Daniels (Fn. 22), S. 15 (17). 66 Deutscher Städtetag (Fn. 52), S. 91, 103: „Die Städte müssen den Gesichtspunkt i n den Vordergrund rücken, daß ihnen k e i n Geld verlorengehen darf." Frido Wagener (Fn. 1), S. 85 (88) meint w o h l zu Recht, h i e r spiele die Furcht m i t : „Den letzten beißen die Hunde",

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zeigt, daß die Mischfinanzierung zwar abgeschafft wird, die entsprechenden M i t t e l den Gemeinden dann aber ganz verlorengehen, weil Bund und Länder nach dem Prinzip „Jeder ist sich selbst der nächste" das Geld zur Konsolidierung ihrer eigenen Haushalte verwenden. Das widerspricht natürlich der kommunalen Interessenlage ganz und gar. V I I . Änderungsvorschläge Wie soll es nun weitergehen? Können w i r es ruhigen Gewissens bei einem Finanzierungssystem belassen, das selbstverwaltungsfeindlich, bürokratiefördernd, personalintensiv und konsolidierungshemmend ist? Die Antwort kann nur lauten: „Nein!". Die Chancen für eine auf Konsolidierung der kommunalen Haushalte bedachte und damit kommunalfreundliche Reform der Mischfinanzierung scheinen m i r sogar recht günstig zu sein. Warum? Die Mischfinanzierungen fallen zunehmend, nicht zuletzt dank der jahrelangen Bemühungen der Verwaltungswissenschaft, i n „öffentliche Ungnade" 5 7 ; gleichzeitig gewinnt die „Konsolidierung der öffentlichen Haushalte" als Ziel i n der öffentlichen Meinung einen zunehmend höheren Stellenwert 5 8 . Hierzu einige Fakten: — Seit 1980/81 gibt es intensive Bemühungen der Ministerpräsidenten der Bundesländer m i t dem Ziel einer Entflechtung von Mischfinanzierungstatbeständen i m Bund-Länder-Verhältnis 5 9 . — Viele Bundesländer streben i n letzter Zeit eine Verwaltungsvereinfachung gerade auch i m Verhältnis zwischen Land und Gemeinden an; erwähnt seien die Herzog-Rommel-Kommission i n Baden-Württemberg, die Neubauer-Kommission i n Bayern oder die EllweinKommission i n Nordrhein-Westfalen. Dabei geht es insbesondere auch u m den Abbau staatlicher Zweckzuweisungen an die Gemeinden, u m eine Harmonisierung und Vereinfachung der Zuweisungsverfahren und u m eine Reduzierung der Personal- und Sachausstattungsstandards i n den Förderungsrichtlinien 6 0 . — Der 53. Deutsche Juristentag 1980 i n Berlin hat sich m i t Nachdruck für eine Ausweitung des freien Gestaltungsraumes der kommunalen 57

So Frido Wagener (Fn. 1), S. 85 (90).

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Vgl. etwa die Bemühungen der kommunalen Spitzenverbände u m eine Konsolidierung der kommunalen Haushalte; dazu: Emst Pappermann, Chancen für Organisationsreformen i n der K o m m u n a l Verwaltung?, N V w Z 1983, S. 137 ff. Ferner: „Haushaltskonsolidierung durch A u f g a b e n k r i t i k u n d Sparmaßnahmen", KGSt-Bericht N r . 14/1982 v o m 25. M a i 1982, K ö l n 1982, bes. S. 6 - 23. 59 60

Vgl. dazu Frido Wagener (Fn. 1), S. 85 (89).

Vgl. exemplarisch aus Nordrhein-Westfalen den Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24) u n d den Beschluß der Landesregierung zum Abbau v o n Ausstattungsstandards (Fn. 25).

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Selbstverwaltung eingesetzt. Unter Ziffer C H I der Beschlüsse der Kommunalrechtlichen Abteilung 6 1 heißt es wörtlich: „Die finanzielle Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ist zu stärken, insbesondere durch weitgehende Umwandlung der Zweckzuweisungen i n allgemeine Finanzzuweisungen". — Darüber hinaus wächst i n letzter Zeit ganz allgemein die Bedeutung und das Ansehen kleiner, überschaubarer Einheiten, und damit der kommunalen Körperschaften: Es ist eine neue Hinwendung der Bürger zu solchen konkreten räumlichen Einheiten festzustellen, i n denen man sich i n einem nahen, sinnlich erfahrbaren Raum „zu Hause" fühlen kann. Der Begriff „Heimat" erlebt derzeit eine beachtliche Renaissance, wobei gerade die Stadt wieder mehr als bisher zur „Heimat" i m Sinne eines menschlichen Identitäts- und A k tionsraumes w i r d 6 2 . Das sollte auch die Achtung vor der finanziellen Entscheidungsfreiheit der Kommunen stärken. Welche Möglichkeiten gibt es nun, das Übermaß an konsolidierungshemmenden Zweckzuweisungen zu reduzieren? Ich möchte i m folgenden 9 Punkte aufzählen, deren Verwirklichung dazu beitragen kann, das Problem „ i n den Griff" zu bekommen: 1. Bund und Länder sollten endlich einsehen, daß sie nicht i n der Lage sind, qualitativ höherwertige Entscheidungen zu treffen als die Kommunen 6 3 . Dieser Irrglaube muß noch aus der Zeit des Preußischen Allgemeinen Landrechts stammen, das besagte: „Die Gemeinden genießen i n Ansehung ihres Kämmereivermögens das Recht der Minderjährigen" 6 4 . Nach dem Grundgesetz aber sind Bund, Länder und Gemeinden drei gleichwertige Verwaltungsebenen, die gleichrangig nebeneinander stehen und einander eben nicht hierarchisch untergeordnet sind! Der Bund ist nicht klüger als die Länder, die Länder sind nicht klüger als die Gemeinden! Das mag i n der Justiz anders sein, wo man davon ausgeht, daß das Bundesverwaltungsgericht mehr weiß als das Oberverwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht mehr als das Verwaltungsgericht. Diese Vermutung findet ihre Grundlage i n entsprechender Personalrekrutierung. Dieses Argument entfällt indes i n der Verwaltung: Die Beamtenschaft verteilt sich auf Bund, Länder und 61 Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, Bd. I I (Sitzungsberichte) T e i l N, Kommunalrechtliche Abteilung, München 1980, S. 229 (231). 62 Vgl. Ina Maria Greverus, A u f der Suche nach Heimat, 1979, bes. S. 193, 199, 203 ff.; Hans Heigert, S t a d t k r i t i k — Plädoyer f ü r einen Neubeginn, i n : Bessere Chancen für die Städte u n d ihre Bürger (Fn. 52), S. 9 ff. 63 So auch m i t Nachdruck: Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 45. 84 Sehr kritisch hierzu schon: Eberhard Munzert, Diskussionsbeitrag, in: Kommunale Gestaltung statt staatlicher Steuerung (Fn. 12), S. 92.

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Gemeinden nicht nach dem Wissensstand; ausschlaggebend sind ganz andere Argumente, etwa die A t t r a k t i v i t ä t der Besoldung. Deshalb kann durchaus — neben der stets gegebenen besseren Ortskenntnis — bisweilen auch der bessere Sachverstand bei den Kommunen liegen! Wenn die Beamten von Bund und Ländern dies endlich begriffen haben, dürften perfektionistische Detailförderungsrichtlinien wohl allmählich aussterben. 2. Die Gemeinden wiederum sollten davon abrücken, die Erreichbarkeit staatlicher Förderungstöpfe zum „Maß aller Dinge" zu machen. Insbesondere sollte die Qualität der leitenden Kommunalpolitiker und -beamten i n erster Linie nach deren Sachverstand, Erfahrung und Bürgernähe beurteilt werden und nicht so sehr — wie das jetzt bisweilen noch geschieht — danach, ob sie routiniert sind i m „Klinkenputzen" bei staatlichen Behörden und „gute Beziehungen" haben zu Regierungspräsidenten und Ministern, oder — was vielleicht noch wichtiger ist — zu Oberregierungsräten und Ministerialräten 6 5 . 3. Das bestehende System der Mischfinanzierungen darf auf gar keinen Fall weiter ausgebaut werden. Es dürfen also nicht noch weitere kommunale Aufgabenbereiche i n die Form der Aufgabenverflechtung und Mischfinanzierung überführt werden 6 6 . Denn m i t jeder weiteren Mischfinanzierung würden die oben beschriebenen Systemmängel überproportional zunehmen. 4. A l l e bestehenden Zweckzuweisungen sind i n bestimmten Zeitabständen (z. B. alle 5 Jahre) i m Rahmen einer A r t „Aufgabenkritik" daraufhin zu überprüfen, welche Ziele m i t ihnen verfolgt werden, i n welchem Umfang diese Ziele erreicht werden, welche Nebenwirkungen auftreten und ob sich die Ziele nicht auf andere Weise erreichen lassen. So kann festgestellt werden, ob die Zweckzuweisungen w i r k l i c h notwendig und geeignet sind; wo dies nicht der Fall ist, sollten sie entfallen. Auch sollte überlegt werden, ob nicht für bestimmte Zuweisungsarten wie Anreizprogramme, Modellvorhaben und ähnliches von vornherein eine Befristung festgelegt werden sollte 6 7 . 5. Aus diesen Anregungen ergibt sich schon, daß nicht ein totaler Abbau sämtlicher Mischfinanzierungen das Ziel sein kann, zumal eine solche Forderung politisch absolut nicht durchsetzbar wäre 6 8 . I n Einzel65

Hans Daniels (Fn. 22), S. 15 (16). Theodor Maunz (Fn. 5), A r t . 109 Rn. 20; Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 50. 67 KGSt-Bericht Zweckzuweisungen (Fn. 3), S. 8 f. 88 So zu Recht: Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 173 f.; Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 50. ββ

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fällen, i n denen sich i n einem bestimmten Aufgabenbereich sonst überhaupt nichts mehr bewegen würde, kann die Anreizfunktion der Zweckzuweisungen auch für die Kommunen nützlich sein. Einen solchen M i t telweg geht auch der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen i n dem erwähnten Bericht über den Abbau von Zweckzuweisungen 69 : Von den 131 Haushaltsansätzen, aus denen Zweckzuwendungen an die Gemeinden erfolgen, sollen 75, also immerhin 57 °/o, i n Zukunft entfallen. Dabei soll das Land, d. h. das für die Zweckzuweisung zuständige Fachressort, die Beweislast tragen für die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der einzelnen Zweckzuweisung 70 . Diese Vorstellungen decken sich mit dem Vorschlag des Städtetages, der für die Weiterentwicklung des Zuweisungssystems den Grundsatz aufgestellt hat: Soviel allgemeine Zuweisungen, wie eben möglich, soviel Zweckzuweisungen, wie landespolitisch unabweisbar nötig 7 1 . 6. Nach diesen Kriterien müßten vor allem die Klein- und Kleinstzuweisungen auf der Strecke bleiben — wie etwa i n dem erwähnten KGSt-Beispiel die Bezuschussung des Ankaufs von 10 Basketbällen i n Höhe von 80,— DM. Stattdessen sollten diejenigen Zweckzuweisungen, die nötig bleiben, i n möglichst großen Blöcken zusammengefaßt werden. Das gilt vor allem für den Bereich der Förderung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben. Als Beispiel sei der Kulturbereich erwähnt. Hier sollte der Verwendungszweck möglichst pauschal gefaßt werden. Es ist nicht einzusehen, warum aus den verschiedensten Töpfen wie Theaterförderung, Musikschulförderung, Bibliotheksförderung, Museumsförderung oder Kulturkooperationsbonus nach jeweils unterschiedlichen Kriterien Zuweisungen an die Kommunen erfolgen. Der Verwendungszweck sollte vielmehr pauschal „kommunale K u l t u r a r beit" heißen. Die Schwerpunktsetzung wäre dann Sache jeder einzelnen Gemeinde, und die Verwendungskontrolle würde sich darauf beschränken, ob die M i t t e l überhaupt für kulturelle Aufgaben eingesetzt wurden 7 2 . 7. Vor einem Fehler sollten sich Bund und Länder beim Abbau der Zweckzuweisungen besonders hüten; manche Länder haben leider schon begonnen, diesen Fehler zu machen: Die durch den Abbau der Zweckzuweisungen freiwerdenden Mittel dürfen auf gar keinen Fall dazu genutzt werden, die Haushaltsschwierigkeiten des Zuschußgebers zu lösen. Vielmehr müssen die entsprechenden Entlastungen als Erhö69

Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 249 - 323, 341. Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 178. 71 Städtetag N W , i n : Kommunale Gestaltung (Fn. 12), S. 77. 72 Städtetag N W , i n : Kommunale Gestaltung (Fn. 12), S. 91; Ernst mann, Bürokratieüberwälzung (Fn. 29), S. 66 (81). 70

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hung der allgemeinen Finanzzuweisungen i n die kommunalen Finanzausgleiche wieder eingebaut werden und somit wie bisher voll den Kommunen zugute kommen 7 3 . Denn einen Verlust von Finanzmitteln würden die Kommunen naturgemäß nicht hinnehmen können, so daß ein Verbleiben beim status quo die Folge wäre. 8. Bei solchen Zweckzuweisungen, die bestehenbleiben, müßten die Zuweisungsverfahren und die Verwendungsnachweise entscheidend vereinfacht und harmonisiert werden 7 4 . Insbesondere ist anzustreben, einheitliche Vergaberichtlinien für alle Zweckzuweisungsbereiche zu erreichen. Das bedeutet, daß die fachspezifischen Besonderheiten aus den einzelnen Richtlinien weitgehend entfernt werden und stattdessen die generellen Strukturen betont werden, wie sie sich aus den Verwaltungsvorschriften zu §§ 44 LHO und BHO ergeben. Die so zu erreichende Transparenz liegt gleichermaßen i m Interesse von Zuschußgeber und Zuschußnehmer. Nicht nur das Bewilligungsverfahren, auch die Verwendungsnachweise können entscheidend vereinfacht werden: Hier sollte man nach kommunalen Gebietskörperschaften einerseits, „sonstigen" Zuwendungsnehmern andererseits unterscheiden, denn alle Gebietskörperschaften verwalten grundsätzlich gleichrangig und haben ein eigenes Rechnungswesen, so daß für sie bloße „Verwendungserklärungen" ausreichen 75 . Dies w i r d offenbar inzwischen auch auf staatlicher Seite so gesehen. I n dem erwähnten Subventionsbericht des Innenministers NW heißt es dazu 7 6 : „Schon die verfassungsrechtlich herausgehobene Stellung der Kommunen verlangt, daß die staatlichen Zuwendungsregelungen mehr als bisher vom Gedanken der öffentlich-rechtlichen Partnerschaft getragen werden. Ebenso wie der Staat erfüllen auch die Gemeinden einen öffentlichen Auftrag und unterliegen strengen Haushalts· und Dienstrechtskontrollen. Deshalb muß ihnen für alle Verfahrensstufen bei der Durchführung der Förderung mehr Vertrauen entgegengebracht werden, als dies anderen Zuwendungsempfängern gegenüber möglich ist. Es geht nicht an, daß das i m Laufe der Zeit entstandene ressortspezifische Sicherheitsdenken, das eine Kommunalstruktur von über 2 300 Gemeinden i n Nordrhein-Westfalen i m Auge 73

So auch Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 50. So die ständige Forderung der kommunalen Spitzenverbände, vgl. z. B. Städtetag N W , i n : Kommunale Gestaltung (Fn. 12), S. 22, 80. Aber auch von staatlicher Seite w i r d die Notwendigkeit der Verfahrensvereinfachung nicht bestritten; vgl. zum folgenden: Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 362 - 377. 75 Sachverständigenrat (Fn. 7), S. 53; Subventionsbericht Kommunen 1981 (Fn. 24), S. 370 f. 76 Subventionsbericht K o m m u n e n 1981 (Fn. 24), S. 370 f. 74

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hatte, unbesehen auf die kommunale Situation nach der Gebiets- und Funktionalreform übertragen wird." Dieser richtigen Erkenntnis ist nichts hinzuzufügen! 9. Spezielle Konsolidierungsmaßnahmen gegenüber Zweckzuweisungen sind darüber hinaus nicht erforderlich. Ließen sich alle zuvor gemachten Vorschläge verwirklichen, dann würden i n erheblichem Ausmaß bedarfswidrige Fehlsteuerungen öffentlicher M i t t e l vermieden, zugleich würde der Verwaltungsaufwand erheblich reduziert. Personalkapazitäten könnten abgebaut oder anders eingesetzt werden. Die Haushaltskonsolidierung wäre sowohl auf der Geber- wie auf der Nehmerseite erheblich erleichtert. V I I I . Schluß Bei der 48. Staatswissenschaftlichen Fortbildungstagung der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer i m Jahre 1980 hat Frido Wagener — die „Stammgäste" unter Ihnen werden sich daran erinnern — zum Problem der Mischfinanzierung durch Zweckzuweisungen folgendes ausgeführt 77 : „Das Mischfinanzierungssystem erinnert inzwischen an den Zustand der Drogenabhängigkeit. Drogen, richtig angewandt und i n Maßen benutzt, habe lindernde und manchmal auch heilende Wirkung. I m Ubermaß genommen, führen sie zu Sucht und immer stärkerem Konsum. Recht und Ordnung werden unwichtig, der Schluß ist der vollständige Zusammenbruch. Die „Fixer", also die Kommunen, aber auch viele Länder, sind nur verführt worden. Die „Dealer" sind die Schlimmen, sie sitzen unter anderem i n Stuttgart, München, Mainz und Düsseldorf, die schlimmsten sitzen allerdings i n Bonn. Wenn w i r nicht schleunigst umkehren, . . . ist die vielgepriesene deutsche kommunale Selbstverwaltung sanatoriumsreif." Inzwischen ist den Dealern der „Stoff" ausgegangen — und die Fixer müssen weniger zur Entziehungskur ins Sanatorium, als eher zur Aufpäppelung ins Krankenhaus, denn nicht nur die Drogen, also die Zweckzuweisungen, sind vielfach ausgeblieben, sondern auch das tägliche Brot, also die allgemeinen Zuweisungen. Eines aber sollte Bund und Ländern für die Zukunft klar sein: Gesunde Gemeinden kann es nur geben, wenn diese ihren täglichen Nahrungsbedarf decken können — nicht m i t teuren, unwirtschaftlichen und gefährlichen Zweckzuweisungs-Drogen, sondern m i t den Grundnahrungsmitteln eigener Einnahmen und allgemeiner Zuweisungen! 77 Frido Wagener (Fn. 31), S. 21 (50).

Grenzen der Staateverschuldung in einem demokratischen Rechtsstaat Von Paul Kirchhof

I. Die Verschuldungsgrenze als Element moderner Verfassungsstaatlichkeit Der Kampf gegen eine übermäßige Staatsverschuldung ist i n der deutschen Verfassungsgeschichte identisch m i t dem Kampf u m den parlamentarischen Gesetzesvorbehalt. Als Anfang des 19. Jahrhunderts die Schuldenlast für Preußen wegen der an Frankreich zu entrichtenden Kriegeskontribution immer drückender wurde, später die Anlage von Staatsbahnen nur durch Staatsanleihen zu finanzieren war, trat nachdrücklich i n das Verfassungsbewußtsein, daß die Übernahme staatlicher Schuldverbindlichkeiten eine zusätzliche Finanzbelastung der „Stände und Untertanen" bedeutet. Friedrich Wilhelm I I I . sah sich deshalb veranlaßt, m i t der Ankündigung zusätzlicher Finanzlasten auch eine Repräsentation des Volkes und ein Staatsgrundgesetz i n Aussicht zu stellen 1 und 1820 bei Neuregelung des Staatsschuldenwesens die Aufnahme zusätzlicher Darlehen von der Zuziehung und Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung abhängig zu machen 2 . Die Aufnahme erheblicher zusätzlicher Staatskredite zur Finanzierung des Eisenbahnwesens führte 1847 schließlich zur Bildung eines „Vereinigten Landtags" aus sämtlichen Mitgliedern der acht Provinziallandtage, damit zu einer Gesamtrepräsentation des ganzen Landes durch eine Körperschaft m i t dem Recht der M i t w i r k u n g bei Staatsanleihen, der Beratung von Gesetzentwürfen und eines Zustimmungsvorbehalts für die Neueinführung oder Erhöhung von Steuern 3 . Der Parlamentsvorbehalt für Eingriffe i n „Freiheit und Eigentum" galt also i m finanz1

P u b l i k a n d u m v o m 16.12.1808, Verordnung v o m 26.12.1808, G. S. 1806/10 S. 362 u n d 469; Finanzedikte v o m 29.10.1810, G. S. S. 31; v o m 7.9.1811, G. S. S. 262. 2 Verordnungen v o m 22. 5.1815, G. S. S. 103; v o m 17.1.1820, G. S. S. 9, X I I I . 3 Rudolf Curtius, Beiträge zur Erörterung der Frage nach dem derzeitigen Umfang der Kronrechte i n Preußen unter besonderer Berücksichtigung des Königlichen Steuererlaßrechtes, Hirth's A n n a l e n des Deutschen Reiches 1893, S. 670/672 ff.

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rechtlichen 4 Rechtsverhältnis zwischen König und Untertanen 5 gleichermaßen für die Staatsverschuldung wie für die Abgabenerhebung. Diese Bemühungen u m eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Staatsverschuldung hatten bald den Erfolg, daß materielle Grenzen der Kreditaufnahme i n das geschriebene Verfassungsrecht aufgenommen wurden 6 . Die historische Analyse nennt die Staatsschulden „das große, jammervolle Hauptridicule des 19. Jahrhunderts". Diese A r t , „das Vermögen der künftigen Generationen vorweg zu verschleudern, (beweise) einen herzlosen Hochmut als wesentlichen Charakterzug" 7 . Das 19. Jahrhundert bestätigt die Feststellung von Adam Smith, daß eine vorgefundene hohe Verschuldung kaum je auf gerechte und vollständige Weise zurückgezahlt worden sei, vielmehr gewöhnlich einfach der Nennwert der Münze erhöht werde, u m durch eine Scheinzahlung einen vermeidbaren Staatsbankrott zu verschleiern 8 . Die beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts hatten für die staatliche Finanzwirtschaft i n Deutschland zur Folge, daß der Maßstab des Rechts durch den Maßstab des Möglichen ersetzt worden, der Anspruch der Rechtsstaatlichkeit damit gescheitert ist 9 . Das Grundgesetz stellt sich bewußt gegen diese Entwicklung, wenn es die zukunftsbelastende Verschuldung mit einer zukunftsbegünstigenden Ausgabenpolitik verbindet 1 0 . Die verfassungsrechtliche Beschränkung des Staatsschuldenwesens erscheint heute eine unverzichtbare Grenze für die Belastung der zukünftigen Generation und ihrer Freiheit des politischen Lebens, die selbst durch eine Verfassungsänderung nicht beseitigt werden darf 1 1 . 4 Z u r Frage, i n w i e w e i t die parlamentarische Finanzgewalt Grundlage des Gesetzesvorbehalts ist, vgl. D. Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g 1961, S. 105; E. W. Böckenförde, Gesetz u n d gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 73; P. Selmer, Der Vorbehalt des Gesetzes, Jus 1968, S. 490 ff. 5 Curtius , a.a.O., S. 673. 6 A r t . 73 der Verf. d. Deutschen Reiches v. 1871 knüpfte die Ausnahme einer Staatsanleihe an ein „außerordentliches Bedürfnis" — ähnlich bereits § 51 der Paulskirchenverfassung. A r t . 87 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 verschärfte den Tatbestand des „außerordentlichen Bedürfnisses" durch die zusätzliche B i n d u n g des Staatskredits „ n u r für Ausgaben zu werbenden Zwecken". 7 Jacob Burckhardt , Weltgeschichtliche Betrachtungen, S. 133. 8 A n I n q u i r y into the Nature and Causes of the W e a l t h of Nations, 5. Buch, 3. K a p i t e l (Of Public Debts), (1776), 1873, S. 285. 9 Vgl. B V e r f G E 15, S. 126/143 ff. (Waldenfels); E 27, S. 253/285 (Besatzungsschäden); E 41 S. 126/151 ff. (Reparationsschäden). 10 A r t . 115 G G 1949 spricht v o n der tatbestandlichen Bindung des Staatskredits an den „außerordentlichen Bedarf" u n d an die Ausgabenverwendung zu „werbenden Zwecken". Durch das 20. Gesetz zur Änderung des GG v o m 2. 5.1969, B G B l . I , S. 357, w u r d e A r t . 115 neu gefaßt. Die Neufassung des A r t . 115 GG sollte den „traditionellen objektgebundenen Deckungsgrundsatz durch eine moderne situationsgebundene Betrachtungsweise" ablösen, so die Begründung des Reg. Entwurfs, BT-Drucks. V/3040, S. 39. 11 Horst Ehmke, Grenzen der Verfassungsänderung 1953, S. 128 f., 137.

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I I . Die Finanzierung des Leistungsstaates Trotz dieser verfassungsrechtlichen Vorkehrungen gegen ein Verschuldensübermaß und der historischen Erfahrungen m i t einer Verfassungsgefährdung durch Überverschuldung ist das Finanzierungsmittel der Kreditaufnahme i m vergangenen Jahrzehnt ausgiebig genützt worden. Die Staatsverschuldung erscheint erneut als Zaubermittel, das der öffentlichen Hand erlaubt, sich als leistender Wohltäter darzustellen, ohne zugleich als besteuernder Übeltäter auftreten zu müssen. Dem Staat ist es gelungen, bei der Vergabe von Existenzhilfen, Subventionen, Dienstleistungen und Einrichtungen den vorherigen Steuerzugriff vergessen zu machen. Deshalb gibt der Bürger seine Distanz zur Staatsgewalt auf und sucht die Nähe zum Leistungsstaat, von dem er Betreuung und Vorsorge, weniger Abgabenlasten und Zahlungspflichten erwartet. Dieses Staatsverständnis unterstellt, der Finanzstaat könne seine Finanzkraft i n ähnlicher Weise selbst bestimmen, wie der Rechtsstaat über das geltende Recht und den Rechtsvollzug entscheiden dürfe. Finanzstaatliches Handeln hängt jedoch von der wirtschaftlichen Leistungskraft der Steuerpflichtigen und vom Bestand ökonomischer Gemeinsamkeiten unter den Bürgern ab. Umfassende staatliche Hilfe ist weder erwünscht noch möglich. Selbst die Elementarpflicht der öffentlichen Hand, Leib und Leben des einzelnen zu schützen, kann nicht durch eine Schutzgarantie für jedermann gegenüber jeder Leib- und Lebensgefahr, sondern nur durch Bereitstellen einer handlungsfähigen Polizeiorganisation erfüllt werden. Das Polizeirecht anerkennt die begrenzte Hilfskapazität der öffentlichen Hand und beauftragt den Polizeibeamten, bei einer Gefahr für mehrere Rechtsgüter die Dringlichkeit der jeweiligen Hilfsaufgaben nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen 1 2 . Das staatliche Leistungsrecht hingegen durchbricht diesen Vorbehalt des Möglichen und billigt dem einzelnen vielfach individuelle Leistungsansprüche unabhängig vom jährlichen Steueraufkommen zu. Die Sozialhilfe, das Wohngeld, die Ausbildungsförderung oder Investitionsprogramme verpflichten den Staat grundsätzlich, das private Leistungsbegehren gegen den Staat zu erfüllen 1 3 . Der Finanzstaat scheint unbeschränkt leistungsfähig. Der Anspruch, stets vollständige Hilfe leisten zu wollen, läßt die Macht des Finanzstaates tendenziell ins Grenzenlose wachsen. Der Staat könnte vollständige Hilfe bei jedem Leib- und Lebensrisiko nur 12 Drews / Wacke / Vogel, Gefahrenabwehr (Allgem. Polizeirecht), 8. Aufl., Bd. 1, S. 135. 13 Paul Kirchhof, Steuergerechtigkeit u n d sozialstaatliche Geldleistungen, JZ 1982, S. 305/306.

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leisteri, wenn er prinzipiell alles beobachtet, allpräsent ist, i n seinen Handlungsmitteln stets aktuell überlegen ist. Ein total hilfsfähiger Staat aber wäre ein totalitärer Staat, der den Bürger i n seiner Bereitschaft zur Selbsthilfe ermüdet, ihn der eigenen finanziellen Planung und Risikobereitschaft entwöhnt. Ein Staat, der seine Einkünfte nicht primär auf eigene Erwerbswirtschaft stützt, sondern die Privatnützigkeit des ertragsfähigen Eigentums anerkennt, muß seine Bürger zunächst belasten, bevor er anderen Bürgern etwas geben kann. I n einer Verfassung, die das Privateigent u m anerkennt, geht staatliches Nehmen dem staatlichen Geben zeitlich und logisch voraus. Die klassische Grenze der Finanzstaatlichkeit liegt deshalb i n der Belastbarkeit der Bürger. Die moderne parlamentarische Demokratie beginnt m i t der Einführung eines Steuerbewilligungsvorbehalts für das Parlament 1 4 . Die i m Parlament repräsentierten Steuerschuldner wollten die Großzügigkeit oder Verschwendung der Fürsten überwachen und durch Begrenzung der Steuerlasten seine Ausgabenpolitik i n Schranken weisen. Heute versteht sich das Parlament weniger als Garant maßvoller Steuerlasten, sondern eher als Motor des Leistungsstaates, der Staatsleistungen verspricht und neuen Bedarf nach Staatsleistungen weckt. Verfassungsrechtliche Schranken für die staatliche Ausgabefreudigkeit sind heute nicht nur durch das Parlament, sondern auch gegen das Parlament zur Geltung zu bringen. Das Grundgesetz weist finanzstaatliches Handeln durch Bestimmungen über staatliche Finanzierungsmittel i n Grenzen. Der Staat darf sich grundsätzlich nur durch Leistungsentgelte, Steuern und Kredite finanzieren. Das Entgelt, ζ. B. die Gebühr für die empfangene Gasoder Stromlieferung, der Beitrag für die Grundstückserschließung oder das Entgelt für die Beförderungsleistung oder medizinische Behandlung, bewirkt lediglich einen Leistungstausch. Der Bürger w i r d nicht ärmer, der Staat nicht reicher. Demgegenüber überführen die Steuern Vermögen von privater auf öffentliche Hand. Der Staat gewinnt i n dem Steueraufkommen ungebundene Finanzkraft. Er wahrt bewußt Distanz zum Steuerzahler, u m bei der Verwendung des Steueraufkommens seine Unbefangenheit gegen jeden Bürger unabhängig von dessen Steuerleistung zu sichern. Als drittes Finanzierungsmittel bietet das Grundgesetz den Staatskredit an. Der Staat nimmt ein Darlehen auf, u m heute Sachaufgaben finanzieren zu können, die Finanzierungslast jedoch erst morgen tragen zu müssen. 14 Johannes Hechel, Die Einführung des parlamentarischen Budgetrechts u n d seiner Ergänzungen, Hdb DStR I I , S. 362; Dietrich Jesch, Gesetz u n d V e r waltung, 1961, S. 102 ff.; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Gesetz u n d Gesetzgebende Gewalt, 1958, S. 71 ff.

Grenzen der Staatsverschuldung i m Rechtsstaat

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Das Grundgesetz sieht und bewältigt die i m Staatskredit angelegte Gefahr eines Vorgriffs auf zukünftige Steuererträge. U m die Neigung zu gegenwärtiger Großzügigkeit zu Lasten der Zukunft zu beschränken, verpflichtet das Grundgesetz die öffentliche Hand auf einen dem ordentlichen Kaufmann und gewissenhaften Familienvorstand geläufigen Grundsatz: Kredite dürfen nicht für den Konsum, sondern allenfalls für Investitionen, d.h. für langfristig ertragsfähige Wirtschaftsgüter aufgenommen werden. Wenn eine Kreditaufnahme schon die zukünftige Handlungsfähigkeit des Finanzstaates beschränkt, soll die Verwendung der Kreditmittel jedenfalls die Zukunft begünstigen und als Vermögenswert für die Rück- und Zinszahlung zur Verfügung stehen. Nach A r t . 115 des Grundgesetzes darf die Summe der Kreditaufnahme die Summe der i m Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für Investitionen nicht überschreiten. Diese Kreditobergrenze beläßt die Entscheidung über die Höhe der Staatsverschuldung i n der Verantwortlichkeit des Parlaments, bindet das Parlament jedoch durch ein J u n k t i m zwischen Kreditsumme und Investitionssumme. Begünstigung und Belastung durch Staatsverschuldung sollen zeitgleich zur Wirkung kommen. I I I . Die gegenwärtige Krise Die gegenwärtige Krise der staatlichen Verschuldenspolitik w i r d i n der Tatsache sichtbar, daß die für den Bundeshaushalt verbindliche Verschuldensobergrenze inzwischen fünf mal, nämlich i n den Jahren 1975, 1976, 1978, 1981 und 1982 überschritten worden ist. Obwohl die Finanzpläne der Bundesregierung, die Empfehlungen des Sachverständigenrats und die Berichte der Bundesbank immer wieder eine Konsolidierung der Staatsverschuldung gefordert haben, die Bundesregierung ihre Konsolidierungspflicht seit 1976 wiederholt anerkannt hat 1 5 und Bundesrat und Bundestag — i n einem einstimmigen Entschließungsantrag 1 6 — 1978 die Bundesregierung aufgefordert haben, bei der Vorlage des Entwurfs des Haushaltsplans 1979 und der Fortschreibung des Finanzplans auf eine dauernde Konsolidierung hinzuwirken, ist der Schuldenstand des Bundes seit 1969 kontinuierlich gestiegen. Der Schuldenstand des Bundes 17 betrug 1969 45,2 Milliarden DM; 1975 wurde die 100 Milliarden-Grenze, 1979 die 200 Milliarden-Grenze, 1982 die 300 Milliarden-Grenze, überschritten. Eine Fortsetzung dieser Entwick15

Deutscher Bundestag, 5. Sitzung v o m 16.12.1976, S. 37 D. Entschließungsantrag, BT-Drucks. 8/1589, S. 1; Entschließung Deutscher Bundestag, 83. Sitzung v o m 13.4.1978, S. 6596 D. 17 Summe der Netto-Neuverschuldung/Nettotilgungen am K r e d i t m a r k t gem. der Nachweisung i m Finanzbericht 1983, S. 166 f., Tabelle 1, Zeile Saldo 5. 16

18*

276

Paul Kirchhof

lung könnte 1983 zu einer Β rutto Verschuldung des Bundes von rund 350 Milliarden D M führen. Diese Verschuldungskrise kann i n einer rechtsstaatlichen Demokratie bewältigt werden, wenn die Höhe des Verschuldensbestandes und die davon ausgehende Gefährdung unseres Verfassungssystems allgemein bewußt werden. Eine als Wirtschaftswert noch geläufige Geldsumme ist der Lottogewinn von 1 M i l l i o n DM. Gewinnt ein Bürger i m wöchentlichen Lotto nicht einmal, sondern 19 Jahre lang jede Woche 1 Million DM, so hat er i n der Addition seiner Gewinnsummen die 1 Milliarde noch nicht erreicht. Wollte er durch die wöchentliche Zahlung von 1 M i l l i o n D M eine Schuld von 350 Milliarden D M begleichen, so brauchte er rund 6 730 Jahre. Würde der Bund jeden Tag 1 M i l l i o n D M zurückzahlen, so brauchte er 959 Jahre, u m eine Schuld von 350 Milliarden D M zu tilgen. Eine Staatsverschuldung dieses Ausmaßes verschiebt die Prioritäten i m Staatshaushalt und verändert damit die Finanzstruktur des Staates. I m Bundeshaushalt 198118 beträgt der Schuldendienst (Zins und T i l gung) 67 Milliarden D M (28 °/o des Gesamthaushalts). Für Bildung und Forschung (einschließlich BAFöG) hingegen werden nur 12,1 Milliarden DM, also rund 1 /s des Schuldendienstes ausgegeben. Die Ausgaben für den Straßenbau belaufen sich auf 7,4 Milliarden DM, d. h. auf nur wenig mehr als 1 /io der für den Schuldendienst aufgewendeten Summe. Die Ausgaben für Verteidigung i n Höhe von 44,2 Milliarden D M bleiben ebenfalls noch deutlich hinter dem Ausgabenblock „Schuldendienst" zurück. Nur die Sozialausgaben i n Höhe von 84,3 Milliarden D M erreichen eine höhere Gesamtsumme als die Aufwendungen für Zins und Tilgung. Der Schuldendienst nimmt zur Zeit die zweite Priorität i m Bundeshaushalt ein; 1986 w i r d er bei Fortsetzung der bisherigen Planungen an erster Stelle i m Bundeshaushalt stehen. 1984 würde die geplante Neuverschuldung i n Höhe von 27,4 Milliarden D M nicht mehr ausreichen, u m die Zinslast aus Altschulden i n Höhe von 30 M i l liarden D M zu bezahlen. Trotz einer erheblichen Steigerung der Staatsschulden würde also keine einzige D M zur Finanzierung von Sachaufgaben gewonnen. 1985 würden die Zinsausgaben i n Höhe von 32,6 Milliarden D M die vorgesehene Investitionssumme i n Höhe von 32,5 Milliarden DM, d. i. die zulässige Obergrenze des Kredits übersteigen. Das vom Grundgesetz angebotene Instrument der Kreditfinanzierung von Sachaufgaben ist dann nicht mehr verfügbar. Ein verfassungsrechtlich vorgesehenes Rechtsinstitut ist durch extensive Inanspruchnahme außer Funktion gesetzt. 18

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 v o m 13. 7.1981 (veröffentlicht i m BGBl. I S. 630 v o m 14. 7.1981).

Grenzen der Staatserschuldung i m Rechtsstaat

277

I V . Die Gefährdung verfassungsrechtlicher Strukturprinzipien Dieser finanzwirtschaftliche Befund gefährdet die Grundstruktur unserer Verfassung. Die repräsentative Demokratie vertraut dem Parlament Gestaltungsmacht nur befristet an. Das demokratische Prinzip einer „Macht auf Z e i t " 1 9 soll Wähler und Parlamente der Zukunft i n die Lage versetzen, neue Vorhaben nach zukünftigen Maßstäben zu verwirklichen. Diese Chance zur kontinuierlichen Erneuerung w i r d durch Kreditverbindlichkeiten i n derzeitiger Höhe zu Lasten zukünftiger Parlamente und Steuerzahler gefährdet. Der Rechtsstaat verspricht m i t der Kreditaufnahme, die eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen und Geld „von gleicher A r t und Güte" 2 0 zurückzuzahlen. Diese Verpflichtung zur Rückzahlung von D M i n gleicher Güte bindet insbesondere den Darlehensschuldner, der auf Grund seiner Währungshoheit und seiner Bundesbank wesentlichen Einfluß auf die Geldwertstabilität gewinnen kann. Der Gleichheitssatz fordert, daß die Financiers und die Begünstigten des Finanzstaates personenidentisch sind. Deshalb muß die Allgemeinheit der Steuerpflichtigen durch finanzstaatliche Leistungen das „zurückerhalten", was sie an Finanzkraft insgesamt aufgebracht haben 2 1 . Das Haushaltsrecht verdeutlicht dieses Gleichheitspostulat i m Grundsatz der „Vollständigkeit des Haushaltsplans" und stellt sicher, daß der Staat nur leistender Wohltäter sein kann, soweit er i n derselben Haushaltsperiode vorher steuerbelastender Übeltäter war. Der durch die Kreditverbindlichkeiten Betroffene — der zukünftige Steuerzahler — kann gegen die derzeit unmerkliche Last noch keinen Gerichtsschutz i n Anspruch nehmen. Das Grundgesetz fängt diese M i n derung eines wirksamen Gerichtsschutzes dadurch auf, daß es m i t der Finanzierungslast auch die begünstigende W i r k u n g der kreditfinanzierten Ausgaben i n die Zukunft verlegt. Die Liberalität des Staates fordert für den Finanzplaner Distanz gegenüber allen Beteiligten. Die Abgabenschuld w i r d prinzipiell i n der Anonymität der allgemeinen Steuerpflicht erfüllt; der Finanzstaat erbringt seine Leistungen nach den Grundsätzen der Unbefangenheit und Unparteilichkeit. Die verfassungsrechtliche Obergrenze für die staatliche Kreditaufnahme stärkt dieses rechtsstaatliche Element des Fi19 Püttner, Staatsverschuldung als Rechtsproblem, 1980, S. 11 (Demokratie als „Macht auf Zeit"). 20 B G B § 607 I. 21 B V e r f G E 55, S. 274/303.

278

Paul Kirchhof

nanzstaates, indem es der öffentlichen Hand den Weg des „geringsten Widerstandes", die Finanzierung von Konsumausgaben durch Kredite, versperrt. Selbst wenn die Leistungserwartungen der Bürger durch Gesetz und Vertrag verfestigt sind, bleibt die verfassungsrechtliche Kreditgrenze ein wirksames Schwert i n der Hand des Finanzplaners, der nicht nur Rechtstitel und Interessentenansprüche koordinieren, sondern die Zukunft finanzwirtschaftlich gestalten w i l l . Die Kreditobergrenze garantiert auch die Unabhängigkeit und innere Souveränität des Finanzstaates. Wenn die zukünftigen Zahlungspflichten des Kreditnehmers durch Investitionen, also durch verbesserte Einnahmequellen vorbereitet werden, w i r d die öffentliche Hand nicht i n Befangenheit zu ihren Gläubigern geraten. Das republikanische Postulat der Allgemeinverantwortlichkeit, der ausschließlichen Verpflichtung gegenüber der res publica bleibt gewahrt. Finanzwirtschaftliche Abhängigkeiten, wie sie gegenwärtig Brasilien, Mexico, Argentinien oder Polen belasten, werden gegenüber inländischen und ausländischen Kreditgebern rechtzeitig verhindert. Schließlich bewirkt der Staatskredit stets eine Umverteilung von arm zu reich. Kreditgeber und damit Empfänger der Zinszahlungen des Staates ist nur derjenige, der über ausreichendes Kapital für eine Kreditvergabe verfügt. Financier der Staatsschuld hingegen ist die Allgemeinheit der Steuerzahler, insbesondere auch der Schuldner von indirekten Steuern. Der Staatskredit erreicht deshalb langfristig einen sozialstaatsfeindlichen Verteilungseffekt. Auch dieser w i r d durch die verfassungsrechtliche Kreditobergrenze gemäßigt. V. Die Verschuldungsgrenze als gesamtwirtschaftlicher Stabilisator Die Beschränkung des Staatskredits gehört zum traditionellen Bestand des deutschen Verfassungsrechts. Die Verfassung des deutschen Reiches von 1871 gestattete die Aufnahme einer Staatsanleihe nur bei „außerordentlichem Bedürfnis" 2 2 . Nach A r t . 87 der Weimarer Reichsverfassung durfte der Staat sich Geldmittel i m Wege des Kredits nur bei außerordentlichem Bedarf und i n der Regel nur für „Ausgaben zu werbenden Zwecken" beschaffen. Das Grundgesetz hat diesen Maßstab zunächst i n bewußter Anlehnung an die Weimarer Reichsverfassung übernommen 2 3 . Wenn später der Tatbestand der „Ausgaben für werbende Zwecke" durch den der „Investitionen" ersetzt worden ist, so 22

A r t . 73 der Verfassung des Deutschen Reiches. Vgl. A r t . 126 des Herrenchiemseer Entwurfs, dazu Bericht über den V e r fassungskonvent auf Herrenchiemsee v o m 10. - 23.8.1948, S. 56. 23

Grenzen der Staats Verschuldung i m Rechtsstaat

279

sollte den Bindungen der Ausgaben stärkere Konturen verliehen werden. Darüber hinaus war es ein Anliegen der Änderung des Grundgesetzes 1969, die gesamtwirtschaftlichen Erfordernisse bei der öffentlichen Haushaltswirtschaft stärker zu berücksichtigen 24 . Deshalb wurde dem verfassungsrechtlichen J u n k t i m zwischen Krediteinnahmen und Investitionsausgaben der Halbsatz hinzugefügt: „Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts." Diese Rezeption ökonomischer Wertungen i n das Verfassungsrecht hat i n der Diskussion u m die Staatsverschuldung erhebliche Verwirrung gestiftet. Die derzeitige gesamtwirtschaftliche Krise rechtfertigt jedoch keine Ausnahme von der verfassungsrechtlichen Verpflichtung, Krediteinnahmen nur für Investitionen zu verwenden. Die Junktimklausel des A r t . 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz GG läßt offen, ob und inwieweit die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts überhaupt Krediteinnahmen fordern oder gestatten. Ebenso t r i f f t A r t . 115 GG keine Aussage über die Frage, ob die Investitionsausgaben zu eigenhändigen Investitionen des Staates — also zu einer Verdrängung der privaten Investitionen — führen oder aber private Investitionen durch Staatsleistungen (Investitionshilfen) veranlassen sollen. Diese Fragen sind unmittelbar am Maßstab des A r t . 109 Abs. 2 GG zu entscheiden. Die Verpflichtung auf die Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach A r t . 109 Abs. 2 GG bindet die parlamentarische Entschließung über die Ermächtigung zur Kreditaufnahme und damit über die Veranschlagung der Investitionsausgaben somit i n vier verschiedenen Tatbestandselementen: den Einnahmen, der Einnahmequelle des Kredits, den Ausgaben und dem Ausgabenzweck der Investition. Die Junktimklausel des A r t . 115 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz GG steigert diese bereits aus A r t . 109 Abs. 2 GG folgende Bindung der Kreditaufnahme lediglich dadurch, daß sie eine Kreditaufnahme nur für Ausgaben m i t tatbestandlich kontrollierbarer Marktwirksamkeit (Investitionen) gestattet, jedoch für bloß erhoffte oder vermutete Marktwirksamkeit (nicht-investive Ausgaben) verbietet. Gegenwärtig ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht durch die verminderte Geldwertstabilität und insbesondere durch die wachsende Arbeitslosenquote gestört. Dieser Tatbestand erlaubt aber nicht eine beliebige Staatsverschuldung, sondern rechtfertigt nur staatliche Maßnahmen, die zur Wiedergewinnung der Stabilität geeignet und erforderlich. sind. Wenn die Feuerwehr ein Feuer feststellt, darf sie nur löschen, nicht den Brand vermehren. Ebenso darf die öffentliche Hand beim Arbeitsplatzmangel allenfalls zusätzliche Ausgaben vorsehen, die 24

Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. V/3040, S. 39.

280

Paul Kirchhof

dem Mangel entgegenwirken. Deshalb mag streitig sein, ob der Staat der gegenwärtigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts durch Sparsamkeit oder durch weitere Ausgabenvermehrung begegnen soll. Entschließt sich der Staat jedoch zu höheren Ausgaben, so steht er vor der Alternative, zu investieren oder Konsumausgaben vorzusehen. A l l e i n von dieser Alternative handelt die verfassungsrechtliche Bindung der Staatsverschuldung. Die Investition ist die Staatsausgabe, die mit rechtsstaatlicher Verläßlichkeit marktwirksam, insbesondere beschäftigungswirksam w i r k t , während die nicht-investive Ausgabe dem Empfänger die Entscheidung über die Verwendung der neu gewonnenen Kaufkraft (über das Sparen oder Nachfragen) überläßt, die nichtinvestive Ausgabe also nicht mit tatbestandlicher Verläßlichkeit die Gesamtnachfrage vermehrt. Das Grundgesetz entscheidet sich unter diesen beiden nachfragewirksamen Staatsausgaben für die Staatsinvestition, bei der die Marktwirksamkeit nicht nur vermutet oder erhofft, sondern durch Tatbestandsbindung erzwungen werden kann. Das Junkt i m zwischen Kreditsumme und Investitionssumme bestärkt somit die stabilisierungsrechtlichen Anforderungen an die Staatsverschuldung. Die Ausnahme von diesem J u n k t i m „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts" betrifft nur drei seltene Fälle: — Eine Ausnahme vom Tatbestand der „Investitionen" ist zulässig, wenn die Instabilität nicht durch Investitionen bekämpft werden kann, insbesondere die wirtschaftlichen Kapazitäten voll ausgelastet sind und es deshalb lediglich auf eine Mehrung der Konsumkraft ankommt; — eine Ausnahme vom Prinzip der Veranschlagung ist zulässig, wenn das Stabilisierungsprogramm Staatsinvestitionen so beschleunigen muß, daß die haushaltsrechtliche Veranschlagung nicht mehr abgewartet werden kann 2 5 ; — eine Ausnahme von der Verausgabung der Krediteinnahmen ist zulässig, wenn von der Stillegung der durch Kredit gewonnenen Geldmittel (Stabilitätsanleihe) eine Stabilisierung erwartet werden darf. V I . Der Vorbehalt des Möglichen Wenn die Haushalte i n Bund und Ländern gegenwärtig kaum noch Spielraum für Investitionen lassen und die private Investitionsbereitschaft durch weitere Steuerlasten verringert würde, fordert die Verfassung eine Minderung der Staatsleistungen und der Staatsverschul25 Stern / Münch / Hansmeyer, Gesetz zur Förderung der Stabilität u n d des Wachstums der Wirtschaft, 2. Aufl., § 6 StabG, S. 243.

Grenzen der Staatserschuldung i m Rechtsstaat

281

dung. Verbalen Ablenkungen von der Konsolidierungspflicht und der damit verbundenen Kürzung der Staatsleistungen muß entgegengehalten werden, daß unsere Demokratie jetzt i n der Phase unvermeidlicher Leistungsminderungen ihre erste ernste Bewährungsprobe zu bestehen hat. Wenn deshalb statt von Gruppenverantwortlichkeit i m Sozialstaat von „Sonderopfer" gesprochen, der Abbau eines Verschuldensübermaßes als „Kaputtsparen" karikiert, das Rückgewinnen der sozialen Vertretbarkeit als „soziale Demontage" angeprangert wird, so verweist das Grundgesetz schlicht auf die verfassungswidrige Überforderung des Finanzstaates. Der Gesetzgeber w i r d zunächst seine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung der Staatsleistungen zu erfüllen und insbesondere die Staatssubventionen, das Schwerbehindertenrecht, die A r t der Ausbildungsförderung, die Personalhaushalte und das Tarif- und Besoldungswesen zu überprüfen haben. Darüber hinaus w i r d der Gesetzgeber erwägen müssen, ob die beschränkte Finanzierbarkeit von Staatsaufgaben rechtlich zu einem Vorbehalt des Möglichen i n den Leistungsgesetzen führen muß 2 6 . Ein solcher Vorbehalt könnte ζ. B. bewirken, daß bei Deckungslücken i m Staatshaushalt sämtliche Staatsleistungen an private Hand i n einem bestimmten Rahmen gekürzt werden dürfen. Die Abhängigkeit der Staatsleistungen an den Bürger von der vorherigen Finanzausstattung des Staates durch den Bürger würde so allgemein bewußt und rechtlich unmittelbar wirksam. Die gegenwärtige Rechtsgemeinschaft muß auf eine weitere Begünstigung ihrer Gegenwart zu Lasten zukünftiger Steuerzahler verzichten, u m auch der kommenden Generation die Chance eines entwicklungsoffenen demokratischen und sozialen Rechtsstaates zu wahren. Ein hoch verschuldeter Staat verspielt seine Offenheit für die Anforderungen der Zukunft.

2e

Vgl. B V e r f G E 33, S. 303/335.

Welchen Beitrag kann die Finanz- und Haushaltsplanung zur Haushaltskonsolidierung leisten ? Von Eberhard Wille I. Haushaltskonsolidierung in der Rezession Während negative Finanzierungssalden öffentlicher Haushalte noch vor einigen Jahren außerhalb der einschlägigen Fachliteratur kaum Beachtung fanden, gelten die öffentlichen Haushaltsdefizite ( = Staatsdefizite) heute vielerorts als wesentliche Indikatoren wirtschaftlicher und politischer Stabilität bzw. Instabilität 1 . Informationen über Entwicklung und aktuelle Höhe des öffentlichen Schuldenstandes, der staatlichen Defizite, der Netto-Neuverschuldung 2 der öffentlichen Hand sowie des anstehenden Konsolidierungsbedarfes verunsichern weite Kreise der Öffentlichkeit, erschüttern das Vertrauen i n die Solidität der öffentlichen Finanzpolitik und lösen zugleich Besorgnis über die gesamte künftige Wirtschaftsentwicklung aus. Auch das Publikum an den Finanzmärkten reagiert sensibel auf die Staatsdefizite der einzelnen Länder und bildet sich entsprechend den jeweiligen Größenordnungen seine „Meinung über die Zinsen für die jeweiligen Währungen" 3 . Unbeschadet erheblicher Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Konsolidierungsbedarfes sowie über Zeitpunkt, Tempo und konkrete Ansatzpunkte der Konsolidierung herrscht i n Wissenschaft und Praxis weitgehend Einmütigkeit darüber, daß ein gewisser Konsolidierungsbedarf existiert und — zumindest mittelfristig — über eine deutliche Reduktion der öffentlichen Haushaltsdefizite abgebaut werden soll. Beim Abbau ihres Konsolidierungsbedarfes können die öffentlichen Entscheidungsträger zunächst an ihren Ausgaben und/oder ihren Einnahmen ansetzen, denn eine Haushaltskonsolidierung erfordert tendenziell Ausgabensenkungen und/oder Einnahmenerhöhungen. Eine Kon1 Vgl. Otto Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, V o r t r a g zur Schlußsitzung der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik i n K ö l n v o m 13. - 15. September 1982, Manuskript, S. 19. 2 Die Netto-Neuverschuldung während einer Periode geht i n der Regel auf einen negativen Finanzierungssaldo zurück; sie bildet jenen T e i l des öffentlichen Haushaltsdefizits, der durch Nettokreditaufnahme finanziert w i r d . 3 Gerhard Fels, Die Konsequenzen der Staatsverschuldung, Manuskript (vorläufige Fassung), S. 1; erscheint i n : Horst Siebert (Hrsg.), Perspektiven der deutschen Wirtschaftspolitik, Stuttgart 1983.

284

Eberhard W i l l e

s o l i d i e r u n g , die das S c h w e r g e w i c h t auf die Ausgabenseite öffentlicher H a u s h a l t e l e g t , setzt v o r a u s , daß die ö f f e n t l i c h e n A u s g a b e n l a n g s a m e r wachsen als das n o m i n a l e B r u t t o s o z i a l p r o d u k t b z w . das n o m i n a l e P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l . F ü r eine solche b e t o n t ausgabenseitige H a u s h a l t s k o n s o l i d i e r u n g p l ä d i e r t e n n a h e z u u n i s o n o die alte (sozial-liberale) Bundesregierung 4, d i e neue Bundesregierung 5 u n d der Finanzplanungsrat 6, w ä h r e n d i m Sachverständigenrat bereits hierüber offensichtlich M e i n u n g s d i f f e r e n z e n e x i s t i e r t e n u n d so l e d i g l i c h e i n M e h r h e i t s v o t u m z u standekam7. E i n e H a u s h a l t s k o n s o l i d i e r u n g auf d e r Einnahmenseite kann, muß aber n i c h t , m i t e i n e r Ä n d e r u n g v o n S t e u e r t a r i f e n , d. h . h i e r e i n e r disk r e t i o n ä r e n E r h ö h u n g v o n Steuersätzen b z w . e i n e r entsprechenden E r w e i t e r u n g v o n (Steuer-)Bemessungsgrundlagen, einhergehen. Liegt die A u f k o m m e n s e l a s t i z i t ä t des gesamten S t e u e r a u f k o m m e n s i n B e z u g a u f das S o z i a l p r o d u k t ü b e r eins 8 , so wachsen die S t e u e r e i n n a h m e n auch b e i g e l t e n d e m b z w . u n v e r ä n d e r t e m Steuerrecht schneller als das Sozialp r o d u k t (WT > W y ) u n d d i e v o l k s w i r t s c h a f t l i c h e S t e u e r q u o t e steigt 4 Vgl. Bundesregierung, Der Finanzplan des Bundes 1982 bis 1986, in: F i nanzbericht 1983, hrsg. v o m Bundesministerium der Finanzen, Bonn 30.7. 1982, S. 46. 5 Vgl. Gerhard Stoltenberg, Bundeshaushalt 1983. Erste Schritte zur Gesundung v o n Wirtschaft u n d Finanzen. Rede des Bundesministers der Finanzen, Reihe: Berichte u n d Dokumentationen, B o n n 1982, S. 21; Bundesregierung, Jahreswirtschaftsbericht 1983 der Bundesregierung, BT-Drucksache 9/ 2400, Bonn 27.1.1983, S. 13. 8 Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Z u r Tätigkeit des Finanzplanungsrates i m Berichtszeitraum, in: Finanzbericht 1983, a.a.O., S. 91 f.; Bundesministerium der Finanzen, 49. Sitzung des Finanzplanungsrates a m 29. November 1982, i n : Finanznachrichten, 39/82, B o n n 3.12.1982, S. 3 f. 7 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (im folgenden: Sachverständigenrat), Unter Anpassungszwang, Jahresgutachten 1980/81, Stuttgart, Mainz 1980, Teilziffer (Tz.) 328; ders., Investieren für mehr Beschäftigung, Jahresgutachten 1981/82, Stuttgart, Mainz 1981, Tz. 371 ff.; ders., Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, BT-Drucksache 9/2027, Bonn 12.10.1982, Tz. 45 u. 50; ders., Gegen Pessimismus, Jahresgutachten 1982/83, Stuttgart, Mainz 1982, Tz. 165. 8 Die Aufkommenselastizität des gesamten Steueraufkommens (T) i n Bezug auf das Sozialprodukt (Y) gibt das Verhältnis zwischen der relativen A u f kommensänderung der Steuern u n d der sie verursachenden relativen Änder u n g des Sozialproduktes wieder:

Tt + i-Tt VT.Y=

Ψ%

+

:

_

w

t

Y F

Da die Aufkommenselastizität bei geltendem ( = unverändertem) Steuerrecht eine streng kausale Beziehung zwischen WY u n d WT beschreibt, dürfen die A u s w i r k u n g e n etwaiger Tarifänderungen, obwohl sie sich i m kassenmäßigen Steueraufkommen niederschlagen, nicht i n die Berechnung von ητ\ y eingehen. 9 Die volkswirtschaftliche Steuerquote gibt, überlicherweise i n der Abgrenzung der Finanzstatistik, die gesamten Steuereinnahmen i n v. H. des B r u t t o sozialprodukts i n jeweiligen Preisen an.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung Tabelle

285

1

Staatsquote, S t e u e r q u o t e u n d A n t e i l des Finanzierungssaldos öffentlicher Gesamthaushalt (Finanzstatistik)a) Finanzierungssaldoe)

Staatsquoteb)

Steuerquotec)

Steuerfinanzierungsquoted)

1962

29,5

24,1

81,4

-

1,8

1,7

1963

30,5

24,0

78,7

-

5,3

4,6

1964

30,3

23,9

78,7

-

5,6

4,4

1965

30,4

23,2

76,2

-

9,4

6,7

1966

29,7

23,1

77,7

-

7,7

5,3

1967

31,2

23,3

74,8

-

12,1

7,9

1968

29,8

22,9

76,8

--

7,4

4,7

1969

29,2

24,4

83,4

+

2,5

+ 1,4

1970

29,1

22,8

78,5

-

8,1

4,1

1971

30,1

22,9

76,1

-

15,6

6,9

1972

30,6

23,9

78,1

-

13,1

5,2

1973

30,5

24,5

80,1

-

8,8

3,1

1974

32,3

24,3

75,3

1975

35,0

23,5

67,2

1976

33,6

23,8

1977

33,0

25,0

1978

33,6

1979

Jahr

Mrd. D M

Anteil*)

27,3

8,6

-

63,9

17,7

71,0

-

48,0

12,7

75,7

-

31,2

7,9

24,7

73,6

-

39,6

9,1

33,7

24,6

72,9

-

46,6

9,9

1980S)

34,3

24,6

71,7

-

57,4

11,3

1981e)

35,1

24,0

68,3

-

76,6

14,1

1982h)

35,4

23,8

67,2

-

75,5

13,4

a) Bund, Lastenausgleichsfonds, ERP-Sondervermögen, EG-Anteile, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände in der Abgrenzung der Finanzstatistik. b) Ausgaben des öffentlichen Gesamthaushalts in v. H. des Bruttosozialprodukts in jeweiligen Preisen. c) Steuereinnahmen in v. H. des Bruttosozialprodukts in jeweiligen Preisen. d) Steuereinnahmen in v. H. der öffentlichen Ausgaben in jeweiligen Preisen. e) Unterschied zwischen Ausgaben und Einnahmen: Defizit (—) ( = Nettokreditmarktmittel; Münzeinnahmen, Rücklagen- und Kassenmittelbedarf), Überschuß ( + ) einschließlich Saldo der durchlaufenden Mittel. f) Finanzierungssaldo in v. H. der öffentlichen Ausgaben in jeweiligen Preisen. g) Vorläufige Ergebnisse. h) Schätzung. Quelle: Zusammengestellt und errechnet aus: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a . a . O . , Tabellen 25, 25· u. 34*; Frank, Dorow, Sozialprodukt im Jahr 1982, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 1, 1982, S. 25.

286

Eberhard W i l l e

bereits prozeßendogen an. Obgleich die Aufkommenselastizität i m Untersuchungszeitraum den Wert eins leicht übersteigt, blieb — wie Tabelle 1 ausweist — die volkswirtschaftliche Steuerquote i n den letzten 20 Jahren infolge diskretionärer (Netto-)Steuersenkungen nahezu konstant. Insofern erscheint auch die Sichtweise des Sachverständig enraies 10 verständlich, einen Verzicht auf solche diskretionären (Netto-) Steuersenkungen, der automatisch zu einem Ansteigen der volkswirtschaftlichen Steuerquote führen würde, als Konsolidierungsbeitrag einzustufen. Diese Interpretation mag zwar, wie Krause-Junk hervorhebt 1 1 , i n formaler Hinsicht recht konstruiert anmuten, entspricht aber materiell durchaus entscheidungstheoretischen Denkschemata, die auch das Unterlassen bzw. den Verzicht auf Aktionen als Handlung werten. Die angestrebte Haushaltskonsolidierung erfordert somit Einschränkungen bei den öffentlichen Ausgaben und/oder eine Erhöhung der volkswirtschaftlichen Steuerquote 12 über die bisher bekannten Größenordnungen hinaus und damit letztlich Entscheidungen, die Politiker üblicherweise für unpopulär halten. Der Abbau des Konsoldierungsbedarfes reduziert sich i n der derzeitigen konjunkturpolitischen Situation aber nicht auf eine bloße Frage „finanzpolitischer Moral", die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung scheint zur Zeit i n erster Linie mit einer wirksamen antizyklischen Stabilisierungspolitik zu konkurrieren. Der Abbau der hohen Arbeitslosigkeit, der momentan wohl unstrittig wirtschaftspolitische Priorität genießt 13 , und die Wiederbelebung des realen Wirtschaftswachstums legen i m Sinne einer antizyklischen Konjunkturpolitik eher expansive finanzpolitische Maßnahmen nahe. Aus den finanzpolitisch gegensätzlichen Forderungen, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren und gleichzeitig die Konjunktur und das Wirtschaftswachstum nachhaltig anzukurbeln, erwuchs i n den letzten Jahren ein Spannungsverhältnis, das i n dieser Form und Intensität ein Novum für die Bundesrepublik Deutschland bilden dürfte 1 4 . Diese 10

Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, Tz. 183. Vgl. Gerold Krause-Junk, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, strukturelles Defizit u n d k o n j u n k t u r e l l e r Impuls. Z u einigen Begriffen des Sachverständigenrats, in: Finanzarchiv N. F., Bd. 40 (1982), S. 11 ff. 12 W i r sehen hier u n d i m folgenden v o n anderen öffentlichen Einnahmen (als Steuern u n d Krediten) ab. 13 So steht auch für den Sachverständigenrat (Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., V o r w o r t , 3) „das derzeit m i t Abstand am stärksten verletzte u n d gefährdete Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes i m Vordergrund" u n d „ v o r dringliches Ziel der Bundesregierung ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit u n d die Rückkehr zu einem dynamischen, sich selbst tragenden W i r t schaftswachstum". Bundesregierung, Jahreswirtschaftsbericht 1983, a.a.O., S. 10. 14 Vgl. Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, Manuskript, S. 2; erscheint in: Horst Siebert (Hrsg.), Perspektiven der deutschen Wirtschaftspolitik, a.a.O. 11

287

Beitrag der Finanz- und Haushaltsplanung

Blickrichtung deutet gleichzeitig einen möglichen Weg an, u m i n Zukunft die Wirksamkeit der Stabilisierungspolitik zu steigern: Sofern es den öffentlichen Entscheidungsträgern m i t Hilfe ihrer Haushalts- und Finanzplanung gelingt, ihre Haushalte außerhalb von Rezessionsphasen dauerhaft zu konsolidieren, entfällt der geschilderte K o n f l i k t m i t der Stabilisierungspolitik und diese gewinnt an Spielraum, u m i n effektiver Weise expansiv w i r k e n zu können. Ohne den (möglichen) Zielkonflikt zwischen Haushaltskonsolidierung und finanzpolitischer Stabilisierung 1 5 zu präjudizieren, können w i r schon an dieser Stelle festhalten, daß einem kurzfristigen Abbau des gesamten Konsolidierungsbedarfes unstrittig stabilisierungspolitische Bedenken bzw. Postulate entgegenstehen. Unabhängig von divergierenden Auffassungen über die Höhe des Konsolidierungsbedarfes besteht weitgehende Übereinstimmung darüber, daß sich die Konsolidierungsaufgabe i n toto nur mittelfristig bewältigen läßt. Diese Tatsache rückt neben dem ein- bzw. zweijährigen Haushaltsplan, der die unmittelbar vorgesehenen Konsolidierungsmaßnahmen enthält, den mehrjährigen Finanzplan i n den Mittelpunkt des Interesses. Nach mehreren Jahren äußerst stiefmütterlicher Behandlung 1 6 schenken die öffentlichen Entscheidungseinheiten, offensichtlich mehr „der Not gehorchend als den eigenen Trieben", diesem Planungsinstrument wieder eine etwas stärkere Beachtung. M i t Hilfe der mehrjährigen Finanzplanung können die öffentlichen Planträger sowohl den Konsolidierungsbedarf abschätzen als auch konkrete Maßnahmen zu seinem Abbau festlegen. Entsprechend dieser prognostischen

u n d therapeutischen

Aufgabe,

die

dem

mehrjährigen Finanzplan i m Rahmen der Haushaltskonsolidierung zukommt, möchten w i r i n diesem Beitrag anschließend folgende Fragen bzw. Thesen erörtern: (1) Der Konsolidierungsbedarf stellt primär keine diagnostische, sondern eine prognostische Größe dar, die sich i n der Regel nur mittelfristig, z. B. i m Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung, abschätzen läßt. (2) Bei der Planung des angestrebten Konsolidierungsbeitrages, der sich i n den jeweiligen Haushalts- und Finanzplänen manifestiert, spielen die Steuervorausschätzungen eine zentrale Rolle. (3) Da das Vollbeschäftigungspostulat einer weitreichenden Konsolidierung momentan, und möglicherweise auch noch auf absehbare Zeit, enge Grenzen setzt, vermögen die Haushaltspläne immer n u r 15

Siehe ausführlicher unten unter I I I . 2. Vgl. hierzu: Eberhard Wille, Finanzplanung am Scheideweg: Resignation oder Neubesinnung?, in: Finanzarchiv N. F., Bd. 35 (1976), S. 66 ff. 16

288

Eberhard W i l l e

schrittweise einen vergleichsweise bescheidenen Teil des Konsolidierungsbedarfes abzutragen. (4) Die Aufgabe, den gesamten Konsolidierungsbedarf (oder zumindest einen beträchtlichen Teil desselben) systematisch und überschaubar abzubauen, kann nur die mehrjährige Finanzplanung übernehmen. Infolge der fehlenden juristischen Verbindlichkeit des Finanzplans hängen die i n i h m angekündigten Konsolidierungsbestrebungen allerdings vorwiegend von der politischen Glaubwürdigkeit der jeweiligen Planträger ab. II. Der Konsolidierungsbedarf — eine prognostische Größe Das Gesamtdefizit i n den Haushalten der Gebietskörperschaften betrug i m Jahre 1982 ca. 75Vi Mrd. D M (in der Abgrenzung der Finanzstatistik; siehe auch Tabelle 1) bzw. ca. 67 Mrd. D M (in der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) 17 . Dieses Gesamtdefizit verursacht zwar die öffentliche Nettokreditaufnahme und ein entsprechendes Ansteigen des Schuldenstandes, einer Konsolidierung bedarf nach übereinstimmender Meinung aber nur sein struktureller Teil. Das nicht konsolidierungsbedürftige konjunkturelle bzw. konjunkturbedingte Defizit wurzelt i n der jeweiligen Wirtschaftslage und geht auf (insbesondere Steuer-)Mindereinnahmen und Mehrausgaben (ζ. B. Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit) zurück, die aus der Unterauslastung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials i n Verbindung mit einer hohen Arbeitslosenquote und einem geringen W i r t schaftswachstum resultieren 18 . Da das konjunkturbedingte Defizit sich i m Zuge einer Konjunkturbelebung von selbst zurückbildet und bei wiedererreichter Normalauslastung des Produktionspotentials völlig verschwindet, stellt es keinen Bestandteil des Konsolidierungsbedarfes dar. Gegen eine Kreditaufnahme i n Höhe des konjunkturbedingten Defizits bestehen keine stabilisierungspolitischen Bedenken, sie erscheint sogar erforderlich, u m eine staatliche Parallelpolitik mit prozyklischen Ausgabensenkungen und/oder Einnahmenerhöhungen zu vermeiden 1 9 . 17 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tabelle 25. Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen weisen derzeit niedrigere Haushaltsdefizite der Gebietskörperschaften aus, w e i l sie u. a. die staatliche Darlehensgewährung nicht defizitwirksam verbuchen. Demgegenüber erhöhen staatliche Darlehen nach der Finanzstatistik, die kassenwirksame Auszahlungen u n d Einzahlungen erfaßt, i n der Regel das öffentliche Haushaltsdefizit. 18 Analog umfaßt ein konjunkturbedingter Überschuß Steuermehreinnahmen u n d (eventuell) Minderausgaben, die darauf zurückgehen, daß der Auslastungsgrad des Produktionspotentials über der Normalauslastung liegt. 19 Ä h n l i c h Werner Ehrlicher, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, in: Wirtschaftsdienst, 59. Jg. (1979), S. 395.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung

289

U m die Konsolidierungsbestrebungen auch konzeptionell scharf von den Regeln einer prozyklischen Parallelpolitik zu trennen, wollen w i r die Haushaltskonsolidierung inhaltlich und begrifflich streng auf den nicht-konjunkturbedingten Teil des öffentlichen Gesamtdefizits beschränkt wissen 20 . Auch wer i n der derzeitigen konjunkturellen Lage für eine Haushaltskonsolidierung plädiert, befürwortet konjunkturbedingte Defizite i n erheblicher Größenordnung — und damit auch ein beträchtliches öffentliches Gesamtdefizit —, so daß der Vorwurf einer „Brüningschen Finanzpolitik" hier lediglich von Sachunkenntnis oder böswilliger Polemik zeugt 21 . Die Einstufung des konjunkturbedingten Defizits als nicht konsolidierungsbedürftig soll freilich nicht den fälschlichen Eindruck erwecken, dieser Teil des Gesamtdefizits verdiene insgesamt eine geringere finanzpolitische Aufmerksamkeit und seine Beseitigung, d. h. die A n k u r belung der Konjunktur, falle nicht i n den Aufgabenbereich der öffentlichen Planträger 2 2 . Auch das konjunkturbedingte Defizit verursacht über die entsprechende Nettokreditaufnahme eine Erhöhung der Staatsschuld. Wenn w i r von einer staatlichen (Netto-)Schuldentilgung abstrahieren, so führt das konjunkturbedingte Defizit zu einer einmaligen, dauerhaften Erhöhung der Staatsschuld, denn diese baut sich bei einer Konjunkturbelebung nicht von selbst ab 2 3 . Die konjunkturbedingten Defizite belasten somit ebenfalls die zukünftigen Haushalte, indem sie deren Entscheidungsspielraum einengen, und tangieren auf diese Weise auch die mehrjährige Finanzplanung. Da sich das konjunkturbedingte Defizit aber mit der konjunkturellen Erholung quasi automatisch abbaut, bildet es später, wenn die Konjunktur wieder dem Gleichgewicht zustrebt, keine dauerhafte (Vor-)Belastung des Kredit- und Kapitalmarktes 2 4 . I m Gegensatz dazu bleibt das strukturelle Defizit i m Sinne einer „Dauerlast" auch dann noch bestehen, wenn konjunkturelles Gleichgewicht herrscht bzw. Normalauslastung des Produktionspotentials vorliegt. Das strukturelle Defizit führt daher zu einer permanenten Nettokreditaufnahme und damit zu einem ständigen Ansteigen 20 Vgl. auch Otto Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, a.a.O., S. 10. 21 Vgl. Sachverständigenrat, V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, B T Drucksache 9/641, B o n n 7. 7.1981, Tz. 14. 22 Vgl. Gerold Krause-Junk, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 3. 23 Vgl. Werner Ehrlicher, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, a.a.O., S. 396; ders., Grenzen der Staats Verschuldung, i n : Peter Bohley u n d Georg Tolkemitt (Hrsg.), Wirtschaftswissenschaft als Grundlage staatlichen H a n delns, Heinz Haller zum 65. Geburtstag, Tübingen 1979, S. 44. 24 Vgl. Werner Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 32.

19 Speyer 92

Eberhard W i l l e

290

des öffentlichen Schuldenstandes sowie des Volumens der entsprechenden Zinszahlungen. Wenn w i r beim öffentlichen Gesamtdefizit (anders als der Sachverständigenrat) nur einen konjunkturbedingten und einen strukturellen Teil unterscheiden 25 , dann bildet das strukturelle Defizit (Ds) die Differenz zwischen dem Gesamtdefizit (DG) und dem konjunkturbedingten Defizit (DK), welches sich aus konjunkturbedingten Mindereinnahmen {Εκ) und entsprechenden Mehrausgaben (Αχ) zusammensetzt 26 : (1)

Ds = D

g

- (E k + AK)

.

Welcher A n t e i l dieses strukturellen Defizits grundsätzlich, d. h. u. U. mittel- bis langfristig, einer Konsolidierung bedarf ( = KB), sowie Zeitpunkt, Tempo und konkrete Ansatzpunkte der Konsolidierung gilt es dann zielbezogen unter stabilisierungspolitischen, allokativen und distributiven Aspekten zu entscheiden: (2)

KB =a-Ds

, wobei

0< α< 1 .

W i r haben an anderer Stelle nachzuweisen versucht, daß i m Prinzip das gesamte strukturelle Defizit den Konsolidierungsbedarf bildet, denn w i r sehen aus der Sicht gesamtwirtschaftlicher Ziele derzeit keine überzeugenden Argumente für die Notwendigkeit oder Berechtigung nicht-konjunkturbedingter staatlicher Defizite 2 7 . Der Sachverständigenrat 2 8 fügt dem Gesamt defizit m i t der sog. Normal Verschuldung noch eine dritte Komponente (neben dem konjunkturbedingten u n d dem strukturellen Defizit) hinzu u n d faßt das strukturelle Defizit (D*s) enger, indem er es m i t dem Konsolidierungsbedarf gleichsetzt. Der Konsolidierungsbedarf ( K B * = D*s) bildet dann jene Differenz, die v o m Gesamtdefizit nach Abzug v o n auslastungsbedingten Steuermindereinnahmen (T^), k o n j u n k t u r b e d i n g t e n Mehrausgaben u n d Normalverschuldung (ON) übrigbleibt: 25 So auch Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, Z u r Lage u n d E n t w i c k l u n g der Staatsfinanzen i n der Bundesrepublik Deutschland, Gutachten, i n : B u l l e t i n des Presse- u n d Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 103, B o n n 16.8.1975, S. 1001; Werner Ehrlicher, Das strukturelle Defizit, in: Wirtschaftsdienst, 55. Jg. (1975), S. 449 f.; ders., Grenzen der öffentlichen Verschuldung, a.a.O., S. 396 f.; Grenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 32 f.; Eva Lang u n d Walter A. S. Koch, Staatsverschuldung—Staatsbankrott?, Würzburg, W i e n 1980, S. 33. 26 Vgl. Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, a.a.O., S. 7 f. 27 Vgl. Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, a.a.O., S. 14 ff.; i m Ergebnis ebenso: Otto Gandenberger, Thesen zur Staatsverschuldung, a.a.O., S. 25 ff.; Werner Ehrlicher, Grenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 34 ff. 28 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 380; ders., Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 57.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung (3)

KB* = D

g

- (T

a

+ AK)

- Dn

291

.

Die Normalverschuldung ermittel der Sachverständigenrat als potentialorientierte Kreditaufnahme aus dem staatlichen Verschuldungsverhalten i m Durchschnitt der Jahre 1966 bis 1977 (ohne 1975) u n d schreibt dieses (Normal-) Defizit für die folgenden Jahre m i t der Wachstumsrate des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials f o r t 2 9 . A l s konsolidierungsbedürftig betrachtet er dann jenes Defizit, das über die Normalverschuldung hinaus auch dann noch bestehen bliebe, „ w e n n bei unveränderter volkswirtschaftlicher Steuerquote das gesamtwirtschaftliche Produktionspotential wieder normal ausgelastet ist u n d die Staatsausgaben i m Gleichschritt m i t dessen Wachstum zunehmen" 3 0 . Der Sachverständigenrat behandelt somit die nicht konsolidierungsbedürftige „Normal"-Verschuldung materiell w i e das k o n j u n k t u r b e dingte Defizit, während w i r diesen T e i l des Defizits als strukturell, u n d insofern als Bestandteil des Konsolidierungsbedarfes, ansehen 31 . D a das tatsächliche G e s a m t d e f i z i t d e r ö f f e n t l i c h e n H a u s h a l t e i m P r i n z i p b e k a n n t ist, g e h t es b e i d e r B e s t i m m u n g des K o n s o l i d i e r u n g s b e d a r fes i n erster L i n i e u m d i e A b s c h ä t z u n g d e r k o n j u n k t u r b e d i n g t e n M i n d e r e i n n a h m e n u n d d e r entsprechenden M e h r a u s g a b e n 3 2 . D a dieses k o n j u n k t u r b e d i n g t e D e f i z i t a u f d i e Unterauslastung des Produktionspotentials z u r ü c k g e h t , b i l d e n die k o n j u n k t u r b e d i n g t e n S t e u e r m i n d e r e i n n a h m e n — u m j e n e z u r V e r a n s c h a u l i c h u n g h e r a u s z u g r e i f e n — d i e (negat i v e ) D i f f e r e n z z w i s c h e n d e n tatsächlichen S t e u e r e i n n a h m e n u n d j e n e n , die b e i e i n e r N o r m a l a u s l a s t u n g des P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l s a n f a l l e n w ü r d e n . A b g e s e h e n d a v o n , daß das g e s a m t w i r t s c h a f t l i c h e P r o d u k t i o n s p o t e n t i a l o h n e h i n k e i n e m e ß b a r e , s o n d e r n eine geschätzte Größe d a r s t e l l t 3 3 , o r i e n t i e r t sich d i e B e r e c h n u n g d e r k o n j u n k t u r b e d i n g t e n S t e u e r m i n d e r e i n n a h m e n a n e i n e r h y p o t h e t i s c h e n N o r m a l a u s l a s t u n g 3 4 , die f a k tisch erst i n d e r Z u k u n f t , n ä m l i c h i m Z u g e eines k o n j u n k t u r e l l e n A u f schwungs, e i n t r e t e n w i r d . D i e B e r e c h n u n g des k o n j u n k t u r b e d i n g t e n D e f i z i t s b e i n h a l t e t d a h e r i n s t a r k e m M a ß e prognostische E l e m e n t e , 29 Früher errechnete der Sachverständigenrat (Herausforderung v o n außen, Jahresgutachten 1979/80, Stuttgart, Mainz 1979, Tz. 229 f.) die Normalverschuldung auf der Grundlage der Strukturquoten des Jahres 1966 — einem Jahr, i n dem weitgehend Vollbeschäftigung u n d Preisniveaustabilität herrschte. 30 Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 61. 31 Vgl. auch Werner Ehrlicher, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, a.a.O., S. 396 f.; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 33. 32 Wie oben angedeutet, sehen w i r i m folgenden — abweichend v o m Sachverständigenrat — v o n der Berücksichtigung einer d r i t t e n Komponente des Gesamtdefizits ab, da uns die Notwendigkeit bzw. Berechtigung eines „ N o r maldefizits" nicht hinreichend begründet erscheint. Unabhängig davon stellt sich die Aufgabe der Berechnung des konjunkturbedingten Defizits bei jedem Konsolidierungs-Konzept. 33 Vgl. Sachverständigenrat f Jahresgutachten 1979/80, a.a.O., Tz. 106. 34 Der Auslastungsgrad gibt das reale Bruttosozialprodukt (oder B r u t t o inlandsprodukt) i n v. H. des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials an.

*

292

Eberhard W i l l e

woraus zwangsläufig folgt, daß auch das strukturelle Defizit bzw. der Konsolidierungsbedarf prognostischen Charakter besitzen 35 . Wegen der Zukunftsorientierung ihrer Bezugsbasis lassen sich die konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen, worauf auch der Sachverständigenrat hinweist 3 6 , nicht zweifelsfrei bestimmen. Schon aus methodischen Gründen verbleibt daher immer ein gewisser (Entscheidungs-) Spielraum, innerhalb dessen sich trefflich u m einige konsolidierungsbedürftige Milliarden feilschen läßt. Die Abschätzung der konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen erfordert möglichst genaue Vorstellungen über die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials und über seinen Normalauslastungsgrad, die zusammen jenes hypothetische Bruttosozialprodukt anzeigen, von dem die „Steuereinnahmen bei Normalauslastung" abhängen. Liegt bei unverändertem Normalauslastungsgrad das Produktionspotential unter dem Geschätzten, dann fallen die konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen niedriger als veranschlagt aus und das strukturelle Defizit bzw. der Konsolidierungsbedarf erhöht sich entsprechend 37 . Der Wert des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials sinkt ζ. B., wenn bei längerer Unterauslastung von Arbeit und Kapital ein Teil dieser Faktoren dauerhaft aus dem Produktionsprozeß ausscheidet. Die Steuermindereinnahmen bedürfen ebenfalls einer Korrektur nach unten, d. h. der Konsolidierungsbedarf wurde auch unterschätzt, wenn bei gegebenem bzw. angenommenem Produktionspotential der Normalauslastungsgrad abnimmt. Insofern spielt es für die (fiktive) Höhe des Bruttosozialproduktes bei Normalauslastung, die maßgeblich die Steuermindereinnahmen bestimmt, keine Rolle, ob man, u m veränderten Wachstumsbedingungen Rechnung zu tragen, den Normalauslastungsgrad oder — wie der Sachverständigenrat 38 — das Produktionspotential nach unten korrigiert. Wie Tabelle 2 (alte Rechnung) zeigt, überstieg trotz dieser Anpassung des Produktionspotentials nach unten der Auslastungsgrad von 1974 bis 1981 lediglich i m Jahre 85

Vgl. Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, a.a.O. S. 13. 88 „Bezweifelt w i r d oft, daß m a n die konjunkturbedingten Steuermindereinnahmen zuverlässig schätzen kann. M a n k a n n es nicht." Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 183. 37 „ E i n Fehler v o n einem vollen Prozentpunkt bei der Schätzung des Produktionspotentials würde das strukturelle Defizit nach unten oder nach oben u m r u n d 4 M r d . D M verändern." Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/ 82, a.a.O., Tz. 250. 39 Durch diese Reduktion des Produktionspotentials erhöhte sich, da das Bruttosozialprodukt v o n dieser Anpassung weitgehend unberührt blieb, ex post der Auslastungsgrad. Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1979/80, a.a.O., Tz. 106 ff. u. V . A .

99,3 98,6 97,4 95,6 97,2 97,6 95,7 92,3 95,1 98,9 100 98,8 97,6 98,1 95,1 90,9 93,4 94,1 95,4 97,6 97,2 95,0



neue

99,7 98,9 97,9 96,2 97,8 98,2 96,5 93,3 96,0 99,8 100 98,5 98,0 98,5 96,1 92,3 95,5 96,1 97,5 99,4 99,0 96,7 94,2

alte Rechnungb)

— 4,9 4,4 3,0 6,6 5,5 2,5 - 0,1 6,5 7,9 5,9 3,3 3,6 4,9 0,4 - 1,8 5,3 2,8 3,6 4,4 1,8 - 0,3 —

alte Rechnung«*)

des Produktionspotentials

- 0,1

1 060

459 323 179 149 185 246 273 582

271 181 155 186 169 147 161 2,1

5,3 7,6

4,6

0,7

4,5 4,3 3,7 3,7

1 074

0,8 1,1 1,2 2,5

1,5 0,8

1,3 0,9 0,7 0,9 0,8 0,7 0,7

4,7

absolut ArbeitslosenRechnungc) in 1 000

1030 993 876 889 - 0,2 1272 - 1,2 1833

- 1,6

5,0

5,6 2,8 3,5 4,0 1,8

3,2 4,1 4,6 0,5

6,1 7,5

— 4,8 4,4 3,1 6,6 5,4 2,6

neue Rechnung^)

reales Wirtschaftswachstum«!)

quotee)

Arbeitslose

Quellen: Zusammengestellt und errechnet aus: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., V, A sowie Tabellen 16* u. 25*. Statistisches Bundesamt, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (Fachserie 18), Reihe 1, Konten und Standardtabellen 1980, S. 186 und 1981 Vorbericht, S. 56 und 1981, S. 186; Frank, Dorow, Sozialprodukt im Jahr 1982, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 1, 1983, S. 25.

a) Ergebnisse vor und nach der Revision der Volkswirtschafttlichen Gesamtrechnungen für die Jahre 1960 bis 1981. — b) Vor der Revision; in Preisen von 1970. — c) Nach der Revision; in Preisen von 1976. — d) Veränderung des realen Bruttosozialprodukts gegenüber dem Vorjahr in v. H. — e) Anteil der Arbeitslosen an den abhängigen Erwerbspersonen (beschäftigte Arbeitnehmer + Arbeitslose). — f) Vorläufige Ergebnisse.

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 19800 19810 19820

Jahr

Tabelle 2: Auslastungsgrad des Produktionspotentials, reales Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit a)

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung 293

294

Eberhard W i l l e

1979, und hier nur geringfügig, die vom Sachverständigenrat durchgehend angenommene Normalauslastung von 97,25 v. H. Der durchschnittliche Auslastungsgrad betrug i m Zeitraum 1960 bis 1981 danach 96,4 v. H., i n den Jahren 1960 bis 1973 zwar 97,3 v. H., von 1974 bis 1981 aber nur 94,8 v. H. Die v o m Statistischen Bundesamt vorgenommene Revision der V o l k s w i r t schaftlichen Gesamtrechnungen für den Zeitraum 1960 bis 1981 weist einen vergleichsweise geringeren Anstieg des Anlagevermögens u n d damit auch ein niedrigeres Wachstum des (kapitalorientiert geschätzten) Produktionspotentials aus. Bei weitgehend unverändertem Bruttosozialprodukt liegt der Auslastungsgrad, dies g i l t v o r allem f ü r die Jahre ab 1974, nach dieser sog. neuen Rechnung deutlich höher 3 9 . Danach beläuft sich der durchschnittliche Auslastungsgrad f ü r die entsprechenden Zeiträume auf 97,4 v. H. (1960 - 1981), 97,8 v . H . (1960- 1973) u n d 96,6 v. H. (1974- 1981) bzw. 96,3 v. H. (1974- 1982); für die Zeitspanne nach der ersten Erdölkrise unterschreitet er aber i m m e r noch den v o m Sachverständigenrat unterstellten Normal-Auslastungsgrad.

Die Abschätzung des konjunkturbedingten Defizits orientiert sich am Normalauslastungsgrad des Produktionspotentials, der hier letztlich stellvertretend für das erwartete „konjunkturelle Gleichgewicht" steht. Ein Vergleich von Auslastungsgrad des Produktionspotentials, Wachstum des realen Bruttosozialprodukts und Entwicklung der Arbeitslosenzahlen bzw. -quoten (siehe Tabelle 2) illustriert anschaulich die Schwierigkeiten, jene konjunkturelle Situation, die den Normalauslastungsgrad kennzeichnet, unter den heutigen Bedingungen zu prognostizieren bzw. zu planen. Während bis 1973 ein hoher Auslastungsgrad mit, fast entsprechend, hohen Wachstumsraten des realen Bruttosozialprodukts sowie niedrigen Arbeitslosenquoten einherging, bietet die Entwicklung nach der ersten Erdölkrise ein stark verändertes Bild. Selbst ein überdurchschnittlich hoher Auslastungsgrad, wie i h n die „neue Rechnung" ζ. B. für 1980 ausweist, schließt ein recht bescheidenes reales W i r t schaftswachstum i n Verbindung m i t einer beachtlich hohen Arbeitslosenquote nicht aus. Unabhängig vom Auslastungsgrad sank die A r beitslosenquote ab 1975 nicht mehr unter 3,7 v. H. ab, so daß es heute nicht mehr realistisch bzw. problemadäquat erscheint, das konjunkturbedingte Defizit auf eine Vollbeschäftigungssituation zu beziehen 40 und diese m i t der Normal ausi astung gleichsetzen. Ohne damit i n Entwicklungs-Pessimismus zu verfallen, darf man wohl annehmen, daß bei der nächsten Normalauslastung, vermutlich sogar beim kommenden Spit39

Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 65 u. V . A . I n der L i t e r a t u r geschieht dies allerdings noch häufig. Vgl. Werner Ehrlicher, Das strukturelle Defizit, a.a.O., S. 449 u. 451 f.; ders, Grenzen der öffentlichen Verschuldung, a.a.O., S. 395; ders., Grenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 30 u. 33; Eva Lang u n d Walter A . S. Koch, Staatsverschuldung—Staatsbankrott?, a.a.O., S. 33. 40

Beitrag der Finanz- u n d H a s h a l t s p l a n u n g

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zenwert des Auslastungsgrades, die Arbeitslosenzahl eine M i l l i o n (möglicherweise sogar deutlich) übersteigt. Ferner läßt sich schwerer als früher abschätzen, m i t welchen Raten das reale Wirtschaftswachstum i m Zuge einer konjunkturellen Erholung ansteigt und ob der Normalauslastungsgrad nicht einer Korrektur bedarf. Stellen sich beim realen Wirtschaftswachstum und/oder bei der Arbeitslosenzahl, die beide die Höhe der Steuereinnahmen maßgeblich beeinflussen, ungünstigere Werte als geplant ein, so fällt das konjunkturbedingte Defizit niedriger als erwartet aus und der tatsächliche Konsolidierungsbedarf liegt dann über dem veranschlagten. Der relativ hohe „Bodensatz" an Arbeitslosigkeit läßt darüber hinaus vermuten, daß die Konsolidierung auch bei einer Wiederbelebung der Konjunktur, ob sachlich berechtigt oder nicht, auf beschäftigungspolitische Bedenken stoßen wird. Dieser Aspekt spricht i m Ergebnis für den Vorschlag der Mehrheit des Sachverständigenrates, den Konsolidierungsbedarf kontinuierlich, d. h. auch i n rezessiven Phasen, und gleichbleibend dosiert abzubauen 41 .

I I I . Haushalts- und Finanzplan als Konsolidierungsinstrumente I . Steuervorausschätzungen

und Haushaltskonsolidierung

Obgleich die sog. Steuerfinanzierungsquote, d.h. der A n t e i l der Steuereinnahmen an den öffentlichen Ausgaben, i n den letzten Jahren infolge des stark gestiegenen Finanzierungssaldos u m über zehn Prozentpunkte auf unter 70 v. H. absank (siehe Tabelle 1), bilden die Steuereinnahmen noch immer die bei weitem wichtigste Finanzierungsquelle der öffentlichen Ausgaben. Da die bundesdeutschen Haushaltsund Finanzpläne schwergewichtig von der Ausgabenseite her aufgestellt werden 4 2 , erscheint der Finanzierungssaldo, und damit die von i h m abhängige öffentliche Nettokreditaufnahme, (in erster Approximation) als Differenz zwischen den geplanten Ausgaben und den prognostizierten Einnahmen bzw. Steuern. Insofern lassen sich der i m Rahmen der Haushalts- und Finanzpläne jeweils angestrebte Konsolidie41 Vgl. Sachverständigenrat, V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 19; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 182 ff. 42 Z u m inhaltlichen u n d zeitlichen Procedere der Haushalts- u n d Finanzplanung siehe u. a. Albrecht Zunker t Finanzplanung u n d Bundeshaushalt. Z u r Koordinierung u n d K o n t r o l l e durch den Bundesfinanzminister, F r a n k f u r t , B e r l i n 1972, S. 97 ff.; Wolf gang Kriiger-Spitta u n d Horst Bronk, Einführung i n das Haushaltsrecht u n d die Haushaltspolitik, Darmstadt 1973, S. 123 ff.; Hans Clausen Korff, Haushaltspolitik. Instrument öffentlicher Macht, S t u t t gart et al. 1975, S. 106 ff.; Eberhard Wille, M i t t e l - u n d langfristige Finanzplanung, i n : Handbuch der Finanzwissenschaft, 3. Auflage unter M i t w i r k u n g v o n Norbert Andel u n d Heinz Haller, hrsg. v o n Fritz Nçumark, Band I , T ü bingen 1977, S. 436 ff.

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Eberhard W i l l e

rungsbeitrag sowie der möglicherweise noch verbleibende Konsolidierungsbedarf nicht ohne ausreichende Kenntnis der zu erwartenden Steuereinnahmen zuverlässig planen bzw. abschätzen. Außerdem benötigen die öffentlichen Planträger Informationen über die künftigen Steuereinnahmen, u m bei vorgegebenem Ausgabenvolumen (oder alternativen Ansätzen) Transparenz über den zukünftigen Entscheidungsspielraum zu gewinnen. Andernfalls besteht die Gefahr, daß die finanziellen Auswirkungen derzeit beschlossener Projekte (sog. Folgekosten), vor allem i n Verbindung mit aufgeschobenem Konsolidierungsbedarf, den Finanzierungsspielraum i n der Zukunft über Gebühr einengen und so später vergleichsweise wichtigere Programme verdrängen. Schließlich kann eine sich abzeichnende disproportionale Entwicklung des Steueraufkommens der Gebietskörperschaften die Konsolidierungslasten i m föderativen Bereich stark verlagern und u. U. eine Um- bzw. Neuverteilung der Finanzmasse nahelegen. Da die Abschätzung des Konsolidierungsbedarfes auf einer mittelfristigen Bezugsgröße aufbaut und sich sein überwiegender Teil derzeit auch nur i m Rahmen der mehrjährigen Finanzplanung abbauen läßt, stellen w i r i m folgenden vorwiegend auf die mittelfristigen Steuervorausschätzungen ab 4 8 . Diese nehmen, ebenso wie die kurzfristigen Steuervorausschätzungen, i n der Planungspraxis ein spezieller Arbeitskreis „Steuerschätzungen" vor, dem neben dem federführenden Bundesministerium der Finanzen das Bundesministerium für Wirtschaft, das Statistische Bundesamt, die Deutsche Bundesbank, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, alle elf Finanzministerien bzw. -senate der Länder, die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände und fünf führende wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute angehören. Der umfangreiche und heterogene Mitgliederkreis soll eine unabhängige Ermittlung der voraussichtlichen Steuereinnahmen gewährleisten, den Erfahrungsaustausch der einzelnen steuerschätzenden Institutionen intensivieren und zu einer koordinierten, d.h. von allen Mitgliedern getragenen, Steuerschätzung führen. Das Gremium, das jährlich dreimal (am Jahresanfang, i m Mai und i m Herbst) zusammentritt, schätzt die zu erwartenden kassenmäßigen Steuereinnahmen der Gebietskörperschaften so43 Vgl. hierzu u . a . Klaus Lobbe u n d Albert Roth, Methoden der m i t t e l fristigen Steuervorausschätzung. Z u r mittelfristigen E n t w i c k l u n g des Steueraufkommens i n der Bundesrepublik Deutschland, B e r l i n 1971; Klaus Gresser, Probleme der m e h r j ä h r i g e n öffentlichen Finanzplanung, B e r l i n 1974, S. 38 ff.; Hans-Hagen Härtel, Artikel „Steuerschätzung", in: Handwörterbuch der W i r t schaftswissenschaft (HdWW), hrsg. v o n Willi Albers et al., Bd. 7, Stuttgart et al. 1977, S. 399 ff.; Hans Gerd Paulus, Steuerschätzungen als Instrument der öffentlichen Haushaltswirtschaft, i n : Das Wirtschaftsstudium (WISU), 6. Jg. (1977), S. 175 - 179 u. S. 221 - 226.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung

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wohl kurzfristig für das laufende und folgende Haushaltsjahr als auch mittelfristig für den Zeitraum der mehrjährigen Finanzplanung. A u f der Grundlage des geltenden Steuerrechts prognostiziert der Arbeitskreis zunächst das vorhersehbare kassenmäßige Aufkommen der einzelnen Steuern und ermittelt dann durch Summierung das erwartete Gesamtsteueraufkommen. Da das vorauszuschätzende Steueraufkommen auch bei unverändertem Steuerrecht kurzfristig m i t den konjunkturellen Schwankungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und mittel- bzw. langfristig stark i n Abhängigkeit von dem realen Wirtschaftswachstum, der Arbeitslosenquote und dem Preisniveauanstieg variiert, setzen Steuervorausschätzungen Annahmen über die jeweilige gesamtwirtschaftliche Entwicklung voraus. Die mittelfristigen Steuervorausschätzungen bauen daher auf den Daten der sog. mittelfristigen Zielprojektion auf, die ihnen u. a. die folgenden Größen vorgibt: Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen, Inlandsnachfrage, Privater Verbrauch, Bruttoinvestitionen, Staatsverbrauch, Außenbeitrag sowie Bruttolohn- und -gehaltssumme (einschließlich Beamtenpensionen). Die mittelfristige Zielprojektion u w i r d vom Bundesministerium für Wirtschaft, vornehmlich unter Beteiligung des Bundesministeriums der Finanzen sowie des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, erstellt und wie der mehrjährige Finanzplan von der Bundesregierung beschlossen. Wie bereits der Begriff ZieZprojektion andeutet, handelt es sich hier nicht u m eine reine Vorhersage oder eine Status-quoPrognose der erwarteten Wirtschaftsentwicklung, sondern u m eine Darlegung der i m Planungszeitraum unter den gegebenen Bedingungen angestrebten wirtschafts- und finanzpolitischen Ziele. Analog zur Jahresprojektion, die i n § 2 Abs. 1 des „Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" verankert ist, enthält die mittelfristige Zielprojektion quantifizierte gesamtwirtschaftliche Ziele, d.h. sog. Eckwerte für den Beschäftigungsgrad, die Preisniveauentwicklung, den Außenbeitrag und das reale Wirtschaftswachstum. Die mittelfristige Zielprojektion informiert insofern auch über jene (Ziel-) Größen, die i n der Regel den künftigen Normalauslastungsgrad beeinflussen und damit auch der Abschätzung der Steuermindereinnahmen bzw. des Konsolidierungsbedarfes zugrundeliegen. Da die Eckwerte der Zielprojektion die Ausgangsbasis für die mittelfristigen Steuervorausschätzungen bilden, beinhalten diese Schätzungen trotz der Prämisse 44 Siehe ausführlicher Hans Heinrich Nachtkamp, M e h r j ä h r i g e Finanzplanungen u n d mittelfristige Zielprojektionen der Bundesregierung. Über Unzulänglichkeiten des Planungskalküls u n d die Einordnung der Stabilisierungsp o l i t i k des Bundes i n die mittelfristige Wirtschaftsplanung, Baden-Baden 1976; Eberhard Wille, M i t t e l - u n d langfristige Finanzplanung, a.a.O., S. 436 ff.

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Eberhard W i l l e

eines gegebenen Steuerrechts implizit intentionelle Elemente* 5. Die mittelfristigen Steuervorausschätzungen stellen daher (ebenso wie die kurzfristigen) methodisch „Zwitter" dar, denn sie gründen sich als Status-quo-Prognosen gleichwohl auf Zielprojektionen mit eindeutigem Plancharakter. Der Arbeitskreis „Steuerschätzungen" übernimmt von der Bundesregierung die Eckwerte der mittelfristigen Zielprojektion als politische Vorgaben, die er selbst nicht mehr überprüft und i n Frage stellt. Obgleich i n seiner Besetzung breit angelegt und föderativ ausgerichtet, prognostiziert der Arbeitskreis quasi als technokratisches Gremium, das die entscheidenden Grundannahmen seiner Schätzung nicht beeinflussen kann und sie daher auch nicht zu vertreten hat. Vor allem wegen den Interdependenzen, die zwischen der mittelfristigen Zielprojektion einerseits und dem mehrjährigen Finanzplan sowie den mittelfristigen Steuervorausschätzungen andererseits bestehen, erscheint uns diese Organisation des Planungsprozesses sachlich unbefriedigend und i m Hinblick auf eine föderale Kooperation sogar inkonsistent. Die Übertragung der Zielprojektion, die ja auch den Konsolidierungsbedarf beeinflussen kann, auf ein föderativ zusammengesetztes Gremium würde wohl auch den Vorzug besitzen, daß sich die verschiedenen autonomen Planträger eher an die Realisierung der Eckwerte gebunden fühlen. Das eigentliche Schätzverfahren läuft methodisch i n zwei Phasen ab, deren Ergebnisse sich gegenseitig ergänzen u n d teilweise auch kontrollieren. I n der ersten Phase erfolgt die Schätzung m i t H i l f e v o n ökonometrischen Modellen, Trendextrapolationen u n d analytischen Schätzverfahren, wobei den Berechnungen jeweils die Daten der mittelfristigen Zielprojektion zugrundeliegen. Neben den Bemessungsgrundlagen werden hier v o r allem die Elastizitätskoeffizienten geschätzt, die m a n als Durchschnittswerte für den jeweiligen Stützbereich durch Regressionsrechnungen ermittelt. Dabei stellen die Bereinigung v o n Steuerrechtsänderungen, die A u s w a h l des Stützbereiches u n d die Bestimmung der f ü r die einzelne Elastizität jeweils geeigneten Bezugsgröße, d . h . der Kausalzusammenhang zwischen abhängiger u n d unabhängiger V a riabler, die gravierendsten Probleme dar. So greift der Arbeitskreis bei der Lohnsteuer auf die B r u t t o l o h n - u n d Gehaltssumme (einschließlich der lohnsteuerpflichtigen Beamtenpensionen) als Bemessungsgrundlage bzw. unabhängige Variable zurück, d . h . K)TL,BL + G ergibt sich als Quotient aus der relat i v e n Änderung des Lohnsteueraufkommens zu der sie verursachenden relat i v e n Änderung der B r u t t o l o h n - u n d Gehaltssumme. Mangels zeitnaher I n formationen bzw. Statistiken bleiben hier Verschiebungen i n der E i n k o m mensverteilung, Wechsel i n den Steuerklassen u n d Änderungen der Freibeträge unberücksichtigt. I n der zweiten Phase w i r d versucht, den steuerrechtlichen u n d steuertechnischen Faktoren sowie anderen relevanten Besonderheiten, die sich einer 45 Vgl. Eberhard Wille, A r t i k e l „Öffentlicher Haushalt I V : Finanz- u n d Aufgabenplanung", i n : Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft (HdWW), Bd. 5, Stuttgart et al. 1980, S. 602.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung

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methodischen Erfassung entziehen, Rechnung zu tragen. Nach Einarbeitung der geplanten Steuerrechtsänderungen w i r d die vorhersehbare Steuerschuld i n das zu erwartende kassenmäßige Steueraufkommen umgerechnet. Die dabei auftretenden Störgrößen (Vorauszahlungen, Nachzahlungen, Abschlußzahlungen u n d Erstattungen) spielen zwar bei den kurzfristigen, aber weniger bei den mittelfristigen Steuervorausschätzungen eine wichtige Rolle. Der Arbeitskreis rechnet die erwarteten Steuereinnahmen schließlich nach der gesetzlich geltenden Steuerverteilung den Gebietskörperschaften zu, w o bei er i n Steuereinnahmen des Bundes, der Länder, der Gemeinden sowie i n Lastenausgleichsabgaben u n d A n t e i l e der Europäischen Gemeinschaft u n t e r gliedert. Das geschätzte Gesamtauf kommen der Ländersteuern w i r d dann i n einem „Länderausschuß" des Arbeitskreises regionalisiert, d . h . auf die einzelnen Länder aufgeteilt. Obgleich i n die Steuerschätzungen eines Bundeslandes auch abweichende Beurteilungen der zu erwartenden Wirtschaftsentwicklung einfließen können, bilden diese Regionalisierungsergebnisse doch den maßgeblichen Orientierungsrahmen für die Steuervorausschätzungen i n den Bundesländern. 2. Konsolidierung

im Rahmen

der

Haushaltsplanung

I m Gegensatz zum mehrjährigen Finanzplan, der lediglich politische Verbindlichkeit besitzt, rechtlich aber unverbindlich bleibt, w i r d der Haushaltsplan vom Parlament „festgestellt" und erlangt auf diese Weise Gesetzeskraft. Er bietet sich daher zunächst als ein schnell w i r k sames und zuverlässiges, da juristisch verbindliches, Konsolidierungsinstrument an. Bei einem vergleichsweise bescheidenen Konsolidierungsbedarf würde es sich außerhalb von konjunkturellen Rezessionsphasen sogar anbieten, den gesamten Konsolidierungsbeitrag i m Rahmen der Haushaltsplanung zu leisten. I n einer „klassischen Hochkonj u n k t u r " , i n der zwar das Preisniveau stark ansteigt, aber keine Beschäftigungsprobleme existieren, geht die Haushaltskonsolidierung m i t den Stabilisierungszielen voll konform. Konjunkturphasen jenseits der Normalauslastung des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials bilden zwar i n normativer Hinsicht die adäquaten Konsolidierungszeiten, die Politiker scheuen aber nicht selten vor den entsprechenden Maßnahmen zurück, da sie sie für unpopulär erachten. Aus mittelfristiger Perspektive stellt insofern die Hochkonjunktur, wie Gandenberger zutreffend konstatiert, „die hohe Zeit des politischen Mißbrauchs der Staatsverschuldung" 46 dar. Obgleich die Fragen, wieviel insgesamt sowie ob und i n welchem Umfange jetzt und i n den folgenden Haushaltsjahren konsolidiert werden soll, i n Wissenschaft und Praxis heftig umstritten sind, besteht allseits Einigkeit darüber, daß die Stabilisierungsziele, insbesondere das Vollbeschäftigungspostulat, einen kurzfristigen Abbau des gesam46

Otto Gandenberger,

Thesen zur Staatsverschuldung, a.a.O., S. 5.

300

Eberhard W i l l e

ten Konsolidierungsbedarfes i m R a h m e n der Haushaltsplanung nicht e r l a u b e n . U m eine V o r s t e l l u n g v o n d e r G r ö ß e n o r d n u n g des K o n s o l i d i e r u n g s p r o b l e m s zu g e w i n n e n , w o l l e n w i r die B e r e c h n u n g e n u n d E m p f e h l u n g e n des Sachverständigenrates heranziehen. Der Rat bezifferte d e n K o n s o l i d i e r u n g s b e d a r f f ü r das J a h r 1981 a u f ca. 40 M r d . D M u n d e m p f a h l , dieses s t r u k t u r e l l e D e f i z i t (D*s) v o n 1982 b i s 1985 i n j e d e m dieser J a h r e u m ca. 10 M r d . D M z u r ü c k z u f ü h r e n 4 7 . D i e Sparbeschlüsse i m Rahmen der „Operation '82"48 bauten den Konsolidierungsbedarf u m ca. 8 M r d . D M a u f ca. 32 M r d . D M a b 4 9 . V o n d e m sog. H a u s h a l t s b e g l e i t gesetz 1983 5 0 e r w a r t e t d e r Sachverständigenrat eine w e i t e r e R e d u k t i o n des K o n s o l i d i e r u n g s b e d a r f e s u m ca. 7 M r d . D M 5 1 , so daß f ü r die J a h r e n a c h 1983 entsprechend seinen B e r e c h n u n g e n n o c h e i n k o n s o l i d i e r u n g s b e d ü r f t i g e r G e s a m t - b z w . R e s t b e t r a g v o n ca. 25 M r d . D M v e r b l e i b t . W i e diese k u r z e A u f l i s t u n g zeigt, b l i e b e n die tatsächlichen K o n s o l i e r u n g s l e i s t u n g e n i n d e n J a h r e n 1982 u n d 1983 z w a r i m V o l u m e n etwas h i n t e r d e n W ü n s c h e n (der M e h r h e i t ) des Rates z u r ü c k , f o l g t e n diesen aber doch t e n d e n z i e l l . K o n k r e t e r m i t t e l t der Sachverständigenrat den Konsolidierungsbedarf, exemplarisch dargestellt f ü r das Jahr 1982, w i e f o l g t 5 2 : 66,0 M r d . D M 5 8

— Finanzierungssaldo bzw. Gesamtdefizit (DG) — auslastungsbedingte Steuermindereinnahmen (T A)

— 11,5 M r d . D M

— konjunkturbedingte Mehrausgaben (Ακ)

— 10,0 M r d . D M

— Normalverschuldung (DN)

— 19,5 M r d . D M

— „anormaler" T e i l der Gewinnabführung der Bundesbank + — Konsolidierungsbedarf

7,0 M r d . D M

= 32,0 M r d . D M

47 Vgl. Sachverständigenrat, V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 18 f. 48 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Operation '82, in: A k t u e l l e Beiträge zur Wirtschafts- u n d Finanzpolitik, Nr. 93, B o n n 18.12. 1981. 49 Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 380 f.; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 168. 50 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Maßnahmen der Bundesregierung zur Wiederbelebung der Wirtschaft u n d Beschäftigung sow i e zur Entlastung des Bundeshaushalts, i n : A k t u e l l e Beiträge zur W i r t schafts- u n d Finanzpolitik, Nr. 90/1982, B o n n 17.12.1982. 61 Vgl. Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 61; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 236. 82 Vgl. Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 57. 53 Es handelt sich hier u m den (damals erwarteten) Finanzierungssaldo des öffentlichen Gesamthaushaltes i n der Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Beitrag der Finanz- u n d Haushaltsplanung

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Obgleich sich gegen das Berechnungskonzept des Sachverständigenrates i m einzelnen mehrere Einwände vorbringen lassen 54 und hier auch — wie unter II. dargelegt — von der Sache her zwangsläufig ein breiter Ermessensspielraum existiert, erscheint uns der von i h m ausgewiesene Konsolidierungsbedarf insgesamt als nicht zu hoch gegriffen 55 . Gegen die These, der Rat dramatisiere die Konsolidierungsaufgabe, spricht auch die Tatsache, daß er die sog. Normalverschuldung i m Ergebnis wie ein konjunkturbedingtes Defizit behandelt, so daß sie nicht i n den Konsolidierungsbedarf eingeht, während w i r dieses „Normaldefizit" als strukturell und damit i m Prinzip als konsolidierungsbedürftig ansehen. Ob der Konsolidierungsbedarf i m Jahre 1982 ca. 32 Mrd. D M oder gut 10 Mrd. D M mehr 5 6 betrug, spielt allerdings für die Frage, welchen Konsolidierungsbeitrag die Haushaltsplanung unter Beachtung stabilisierungspolitischer Ziele derzeit kurzfristig zu leisten vermag, eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. W i r möchten i m folgenden kurz aufzeigen, daß beide Handlungsalternativen, nämlich sowohl die Konsolidierung struktureller Defizite i n der Rezession als auch das Aufschieben der Konsolidierungsaufgabe wegen stabilisierungspolitischer Bedenken, kontraproduktiv wirken können. Die erste Argumentationskette läuft i n den gewohnten Keynesschen Bahnen 5 7 : Die Haushaltskonsolidierung reduziert über eine Verminderung des konjunkturellen Impulses die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und löst so weitere Produktions- und Beschäftigungseinbußen aus, die ihrerseits über Steuermindereinnahmen und Mehrausgaben zunächst das konjunkturbedingte Defizit der öffentlichen Haushalte erhöhen. M i t zunehmender Dauer der Unterauslastung von Arbeit und Kapital steigt die Wahrscheinlichkeit, daß Teile des konjunkturbedingten Defizits ihren temporären Charakter verlieren, d. h. i n strukturelles Defizit umschlagen, und somit neuen bzw. zusätzlichen Konsolidierungsbedarf erzeugen. Aber auch wenn sich das konjunkturbedingte Defizit nicht i n ein strukturelles transformieren sollte, vermindert die Konsolidierung den Finanzierungssaldo bzw. das Gesamtdefizit der öffentlichen Haus54 Vgl. u. a. Gerold Krause-Junk, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 2ff.; Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, a.a.O., S. 10 ff. 55 Siehe ausführlicher Eberhard Wille, ebenda. 56 Der Konsolidierungsbedarf liegt beispielsweise u m ca. 12,5 Mrd. D M höher als v o m Sachverständigenrat veranschlagt, w e n n w i r die sog. Normalverschuldung (— 19,5 M r d . DM) u n d den „anormalen" T e i l der Gewinnabführung der Bundesbank ( + 7 Mrd. DM), der konzeptionell ebenfalls nicht ins Berechnungsschema paßt, außer Ansatz lassen. 57 So argumentieren ζ. B. Hans-Jürgen Krupp i n seinem Minderheitsvotum (Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 184), Gerold Krause-Junk (Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 16 ff.) und, zumindest i m Ergebnis, Otto Gandenberger (Thesen zur Staatsverschuldung, a.a.O., S. 19 f.).

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Eberhard W i l l e

halte kaum, da lediglich konjunkturbedingte Defizite an die Stelle von strukturellen treten. Diese Überlagerung von konjunkturbedingten und strukturellen Defiziten führt dazu, daß die Öffentlichkeit, die ihre Handlungen — wenn überhaupt — eher am eingängigeren Gesamtdefizit orientiert, etwaige Konsolidierungsleistungen nicht wahrnimmt und insofern auch nicht i n der erwünschten Weise darauf reagiert. So nahm ζ. B. bei weitgehend gleichbleibendem Gesamtdefizit das strukturelle Defizit (in der Version des Sachverständigenrates, d. h. D*s) von 1981 auf 1982 zwar u m ca. 8 Mrd. D M ab, diese ersten Konsolidierungserfolge blieben aber, wie auch der Sachverständigenrat beklagt 5 8 , weitgehend „verdeckt". Verschiebungen zwischen verschiedenen Typen öffentlicher Defizite, die bestenfalls einschlägige Fachleute interessieren und verstehen, können i n der Öffentlichkeit wohl kaum jene Transparenz erlangen, u m auf breiter Basis vertrauensbildend zu w i r k e n 5 9 . Diejenigen, die auch i n der derzeitigen Rezession einen schrittweisen Abbau des Konsolidierungsbedarfes befürworten 6 0 , verfügen über kein so geschlossenes Argumentationsschema, was freilich a priori noch keine Schlüsse über die Stichhaltigkeit ihrer Thesen erlaubt. Sie verweisen zunächst darauf, daß das strukturelle Defizit permanent höhere Zinszahlungen verursacht, die m i t der Zeit einen zunehmenden Teil dieser dauerhaft erhöhten Kreditaufnahme aufzehren, so daß der tatsächliche Handlungsspielraum der öffentlichen Planträger weit weniger ansteigt als ihre Ausgaben zunehmen 61 . Da das strukturelle Defizit eine Vorbelastung des Kapitalmarktes darstellt, besteht bei einer einsetzenden Wiederbelebung der Konjunktur die Gefahr, daß entweder die Konkurrenz zwischen öffentlicher und privater Kreditnachfrage über Zinseffekte die privaten Investitionen zurückdrängt — und so den Aufschwung möglicherweise i m Keim erstickt — oder bei einer akkomodierten Geldpolitik inflatorische Prozesse einsetzen. Entscheidender als diese faktischen Crowding-out-Effekte, die i m Prinzip über Zinsen, Wechselkurse, Preise und Löhne wirken, fallen die negativen Erwartungen ins Gewicht, die sich an das strukturelle Defizit knüpfen. Staatsdefizite, die über längere Zeit auf einem beträchtlichen Niveau verharren und wachsende öffentliche Zinszahlungen und -anteile verur58 Vgl. Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 52; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 166 f. 59 Ä h n l i c h Gerold Krause-Junk f Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 19 f. 60 Z u diesen B e w ü r w o r t e r n gehört neben der Mehrheit des Sachverständigenrates auch Gerhard Fels (Die Konsequenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 12 ff.). 81 Vgl. Sachverständigenrat, Wachstum u n d Währung, Jahresgutachten 1978/79, Stuttgart, Mainz 1978, Tz. 309; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 177.

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Sachen, können Befürchtungen unterschiedlichster A r t wecken und ζ. B. einen steigenden Kapitalmarktzins, zunehmende Inflationsraten, Steuererhöhungen, einen Abbau von Staatsleistungen (wegen späterer Konsolidierung oder einer Verdrängung durch Zinsausgaben), einen steigenden Staatsanteil, eine Permanenz der Staatsdefizite (zur Finanzierung der Zinszahlungen) und künftige Stabilisierungskrisen als Folge der Einengung des konjunkturpolitischen Handlungsspielraums erwarten lassen 62 . Indem diese Zukunftsbilder u. a. die Gewinnerwartungen der Unternehmer sowie die Einkommenserwartungen der privaten Haushalte negativ beeinflussen und die Kapitalanleger i m In- und Ausland verunsichern, lähmen sie die wirtschaftlichen Aktivitäten. M i t zunehmender Dauer hoher Staatsdefizite schwindet so die „Fiskalillusion" 6 3 der Wirtschaftssubjekte, schuldenfinanzierte öffentliche Leistungen ohne Opportunitätskosten, quasi zum Nulltarif, zu erhalten. Über „erwartungsbedingte Verdrängungseffekte" bzw. „psychologisches Crowding-out" 6 4 tragen die Staatsdefizite auf diese Weise zu ihrer eigenen Erhaltung bzw. Irreversibilität bei und die strukturellen Defizite verfestigen sich selbst. Neben diesen negativen Erwartungen, die sich (zwar schwer meßbar, aber i m einzelnen doch) konkret i n befürchteten individuellen Nutzeneinbußen niederschlagen, erzeugten die dauerhaft hohen Staatsdefizite i m Hinblick auf die staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik einen generellen Vertrauensschwund. Dieser „Vertrauensaspekt", der sich wie ein roter Faden durch die Argumentation des Sachverständigenrates zieht 6 5 , geht über die negativen Erwartungen, die i n bestimmten individuellen Interessenlagen wurzeln, insofern hinaus, als er das Vermögen der staatlichen Planträger, die Staatsdefizite zurückzuführen, grundsätzlich i n Frage stellt und damit die gesamte staatliche Handlungs62 Es handelt sich hier u m eine bloße Aufzählung v o n Einzelaspekten, die nicht alle i n einem konsistenten Verhältnis zueinander stehen. 63 Z u r sog. Fiskalillusion siehe ausführlich Thomas Michael Baum, Staatsverschuldung u n d Stabilisierungspolitik i n der Demokratie, Frankfurt, B e r n 1982, S. 31 ff. 64 So Gerhard Fels, Die Konsequenzen der Staatsverschuldung, a.a.O., S. 13. 65 „Schließlich vermochte die staatliche Wirtschaftspolitik nicht, Vertrauen dahin gehend zu stiften, die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte möchte auf der Grundlage eines ausgewogenen Konzepts i n einem überschaubaren Zeitraum gelingen." Sachverständigenrat, Zur wirtschaftlichen Lage i m O k t o ber 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 10; siehe auch ders., ebenda, Tz. 48; ders., Zeit zum Investieren, Jahresgutachten 1976/77, Stuttgart, Mainz 1976, Tz. 225; ders., Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 223 u. 247; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 183. Auch die Bundesregierung (Jahreswirtschaftsbericht 1983, a.a.O., S. 13) argumentiert ähnlich, denn nach ihrer Ansicht „ist die Haushaltskonsolidierung konsequent fortzusetzen", u m u . a . „notwendiges Vertrauen zurückzugewinnen" (kursiv: E. W.).

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und Leistungsfähigkeit, möglicherweise auch ihre Effizienz, i n Zweifel zieht. Bei der momentan gegebenen konjunkturellen Lage sprechen, so können w i r zusammenfassen, gewichtige Argumente sowohl für als auch gegen eine kurzfristige (Teil-)Konsolidierung der strukturellen Defizite i m Rahmen der Haushaltsplanung. Die Befürworter einer Konsolidierung führen zwar vornehmlich Aspekte an, die sich nur schwer (negative Erwartungen) oder überhaupt nicht (genereller Vertrauensschwund) messen lassen, was aber nicht bedeutet, daß die angeführten Effekte nicht existieren oder eine untergeordnete Rolle spielen. Die „zunehmende Ineffizienz der Finanzpolitik als Nachfragepolitik", die der Sachverständigenrat 66 konstatiert, erscheint insofern theoretisch plausibel und empirisch evident, als die expansiven Wirkungen schuldenfinanzierter staatlicher Projekte auf die Dauer, d.h. bei lange anhaltend hohen Staatsdefiziten, per saldo abnehmen, da die öffentliche Verschuldung über Verhaltensänderungen gegenläufige Effekte auslöst. Ob aber die kontraktiven Crowding-out-Effekte die direkten expansiven Wirkungen überkompensieren oder nicht, d.h. ob nur eine partielle oder eine totale konjunkturpolitische Kontraproduktivität schuldenfinanzierter Staatstätigkeit vorliegt 6 7 , dürfte sich kaum zweifelsfrei nachweisen lassen. Unter den gegebenen Bedingungen birgt das Entscheidungsdilemma, die Konsolidierung i m Rahmen der Haushaltsββ

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 183. Z u theoretischen Grundlagen u n d empirischen Aspekten des Crowdingout siehe v o r allem: Jürgen Siebke, Dieter Knoll u n d Wolf-Dieter Schmid berger, Theoretische Grundlagen des crowding out Effektes, in: Werner Ehrlicher (Hrsg.), Geldpolitik, Zins u n d Staatsverschuldung, B e r l i n 1981, S. 227 ff.; Uwe Westphal, Empirische Aspekte des Crowding-out, ebenda, S. 209 ff. Die Mehrheit des Sachverständigenrates legt sich zwar i n diesem P u n k t nicht eindeutig fest, scheint aber einer totalen K o n t r a p r o d u k t i v i t ä t zuzuneigen, während Hans-Jürgen Krupp (Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 184) „die direkten W i r k u n g e n staatlicher Ausgaben u n d Einnahmen für dominierend gegenüber den Verhaltensänderung (hält), die v o m k o n j u n k t u r e l l e n I m puls oder dem strukturellen Defizit ausgehen". Vgl. ferner Sachverständigenrat, Wachstum u n d Währung, Jahresgutachten 1978/79, Stuttgart, Mainz 1978, Tz. 308; ders., V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 14; ders., Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 247, 370 u. 385; ders., Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 183. Interessanterweise urteilte der frühere Bundesfinanzminister Hans Matthöfer (Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1982 — m i t Erläuterungen —, Reihe: Berichte u n d Dokumentationen, Bd. 22, hrsg. v o m Bundesministerium der Finanzen, B o n n 1981, S. 15) hier ganz i m Sinne der Mehrheit des Sachverständigenrates: „Es gibt andere Lagen, u n d die gegenwärtige ist eine solche, i n denen der Versuch, m i t kreditfinanzierten öffentlichen Ausgaben die Nachfrage über ein bestimmtes Maß hinaus auszuweiten, ins Leere läuft u n d die dadurch geschaffenen zusätzlichen Finanzierungsprobleme mehr Schaden anrichten, als an positiven ΒeschäftigungsWirkungen vielleicht entsteht." 67

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Planung anzugehen oder sie aufzuschieben, wohl zwangsläufig das Risiko hoher Opportunitätskosten i n sich. 3. Mittelfristige Haushaltskonsolidierung mit Hilfe der Finanzplanung I m Kontext m i t der Haushaltskonsolidierung besitzt die mehrjährige Finanzplanung eine prognostische, eine therapeutische und eine prophylaktische Funktion, denn sie kann grundsätzlich dazu beitragen, (a) den Konsolidierungsbedarf abzuschätzen, (b) i h n mittelfristig abzubauen und (c) sein (erneutes) Entstehen zu verhindern. (a) Da der Konsolidierungsbedarf, wie unter II. ausgeführt, eine prognostische Größe darstellt, enthält seine Berechnung i n der Regel A n nahmen über die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung. Über die i n diesem Zeitraum angestrebten wirtschaftspolitischen Ziele informiert die mittelfristige Zielprojektion, die auch der Finanzplanung als Grundlage dient und m i t dieser i n engen Wechselbeziehungen steht 6 8 . (b) Die mehrjährige Finanzplanung bietet die Möglichkeit, den Konsolidierungsbedarf auf mehrere Haushaltsjahre zu verteilen und i h n so schrittweise, unter Beachtung stabilisierungspolitischer Restriktionen, zurückzuführen. M i t Hilfe der Finanzplanung vermögen die öffentlichen Entscheidungseinheiten darüber hinaus transparent zu machen, wie sie die Konsolidierungsaufgabe zeitlich und inhaltlich zu bewältigen gedenken, d.h. welches mittelfristige Konzept ihren Konsolidierungsabsichten zugrundeliegt 6 9 . Die Planung des mittelfristigen Konsolidierungsbeitrages setzt Vorstellungen über die i n dem entsprechenden Zeitraum anfallenden Steuereinnahmen voraus. Die mittelfristigen Steuervorausschätzungen, die w i r wegen der besonderen Bedeutung, die ihnen i m Rahmen der Haushaltskonsolidierung zukommt, unter I I I . 1. separat erörterten, bilden einen integralen Bestandteil der mehrjährigen Finanzplanung. (c) Die Finanzplanung dient der mehrjährigen Konsolidierung der öffentlichen Finanzen bzw. der mittelfristigen Haushaltssicherung, indem sie alle Ausgaben, die aus früheren Entscheidungen und aktuellen Vorhaben resultieren, systematisch erfaßt und den erwarteten Einnahmen gegenüberstellt. Als f .Frühwarnsystem momentaner Ausgaben88 Vgl. hierzu ausführlicher Eberhard Wille, M i t t e l - u n d langfristige F i nanzplanung, a.a.O., S. 436 ff. 89 Vgl. auch Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1976/77, a.a.O., Tz. 223; ders., Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 384.

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gebarung" 7 0 könnte sie auf diese Weise dem Entstehen eines (neuerlichen) Konsolidierungsbedarfes entgegenwirken. Bei der Festlegung jenes mittelfristigen Konsolidierungsbeitrages, den die öffentlichen Planträger i m Rahmen der Finanzplanung sowohl insgesamt als auch i n den einzelnen Jahrestranchen zu leisten beabsichtigen, benötigen sie, u m nicht quantitativ „ins Blaue" zu konsolidieren, zumindest grobe Vorstellungen über den Gesamtumfang des konsolidierungsbedürftigen bzw. strukturellen Defizits. Bei allen objektiven Schwierigkeiten, zwischen konjunkturbedingten und strukturellen Elementen eine analytisch überzeugende und empirisch handhabbare Grenze zu ziehen, sowie allen Einwänden, die sich i m einzelnen gegen das Berechnungskonzept des Sachverständigenrates vorbringen lassen, sehen w i r keine grundsätzliche Alternative zu dem Weg, bei den Konsolidierungsbestrebungen am strukturellen Defizit — wie immer man dieses definiert und mißt — anzusetzen. Die Aufspaltung des öffentlichen Gesamtdefizites i n einen konjunkturbedingten und einen strukturellen Teil ist, wie i n der Tendenz auch K r i t i k e r des Sachverständigenrates konzedieren 71 , „keine akademische Veranstaltung, sondern ein Konzept von eminent praktisch-politischer Bedeutung" 7 2 . Wer i n dieser Unterscheidung „nichts anderes als eine Leerformel oder ein(en) Kampf begriff" 7 3 sieht, sollte eine tragfähigere Alternative präsentieren, wenn er sich nicht dem Vorwurf aussetzen möchte, i n Sachen Haushaltskonsolidierung implizit einer Konzeptionslosigkeit das Wort zu reden. Die Vorstellung des früheren Bundesfinanzministers Matthöfer, i m Zuge eines kräftigen Aufschwungs „könnte sich das Defizit des Bundes sehr rasch so zurückbilden, daß vom angeblich strukturellen Defizit wenig, wenn überhaupt irgend etwas übrigbliebe" 7 4 , mag zwar einem frommen politischen Wunsche entspringen, zeugt aber von schlichter Unkenntnis der Konsolidierungsproblematik. Idealiter, d.h. entsprechend den Intentionen des Konsolidierungskonzeptes, bleibt das strukturelle Defizit — sofern zwischenzeitlich keine Maßnahmen zu seinem Abbau erfolgen — i m Konjunkturver70

Eberhard Wille, A r t i k e l „Öffentlicher Haushalt I V : Finanz- u n d A u f gabenplanung", a.a.O., S. 600. 71 Vgl. Gerold Krause-Junk t Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 21; Hans-Jürgen Krupp, in: Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tz. 184. 72 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/82, Tz. 372. 73 Thies Thormählen, Kritische Anmerkungen zur Berechnung des s t r u k t u rellen Defizits, i n : Wirtschaftsdienst, 61. Jg. (1981), S. 394. 74 Hans Matthöfer, Rede zur Einbringung des Bundeshaushalts 1982, a.a.O., S. 16 f.

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lauf unverändert und liegt bei Unterauslastung des Produktionspotentials deutlich unter, i m Boom (möglicherweise erheblich) über dem Gesamtdefizit. I m Vergleich zum konjunkturbedingt schwankenden Gesamtdefizit bietet das strukturelle Defizit nicht nur den sachlich adäquateren Indikator für die Konsoldierungsaufgabe, sein Ausweis könnte bei entsprechender Verbreitung auch drohenden Überreaktionen i n der Rezession und entsprechenden Verniedlichungen i n der Hochkonjunktur vorbeugen. Da i n der, derzeit nun einmal gegebenen, rezessiven Wirtschaftslage die Stabilisierungsziele bestenfalls eine bescheidene Abtragung des Konsolidierungsbedarfes erlauben, vermag die Haushaltsplanung die negativen Erwartungen, die m i t der Staatsverschuldung einhergehen, nicht entscheidend zu zerstreuen und das Vertrauen i n die Wirtschaftsund Finanzpolitik auch nicht wiederherzustellen. Gerade i n einer solchen Situation eröffnet der mehrjährige Finanzplan zumindest konzeptionell die Möglichkeit, eine behutsame kurzfristige Teil-Konsolidierung (oder sogar deren momentanen Aufschub) mit vertrauensbildenden Konsolidierungsmaßnahmen auf mittlere Frist zu verknüpfen. Ein derartiges Vorgehen entspricht der sog. Dualstrategie „kurzfristig gasgeben, mittelfristig konsolidieren" und erscheint prima vista geeignet, das Spannungsverhältnis zwischen den stabilisierungspolitischen Zielen und der Konsolidierungsaufgabe abzubauen. I n die gleiche Richtung zielt der Vorschlag, bei gegebenem Gesamtdefizit das strukturelle Defizit teilweise durch eine autonome Erhöhung des konjunkturbedingten Defizits zu substituieren 75. Diesem, i m Sinne des Konzeptes theoretisch eleganten, Verfahren liegt ebenfalls die Intention zugrunde, kontraktive Effekte haushaltspolitischer Maßnahmen i n der Rezession per saldo möglichst zu vermeiden und die Konsolidierungsaufgabe, mittelfristig ausgerichtet, gleichwohl i n Angriff zu nehmen. A u f der Einnahmenseite erfordert eine solche Verringerung des strukturellen Defizits auf Kosten des konjunkturbedingten die, i m ersten Haushaltsjahr aufkommensneutrale, Substitution einer Steuer durch eine andere, welche eine höhere Konjunkturreagibilität bzw. Aufkommenselastizität aufweist 7 6 . Die Ausgabenseite trägt zu einem entsprechenden Abbau des Konsolidierungsbedarfes bei, wenn z. B. i m Personalbereich Dauerstellen durch zeitlich befristete ersetzt werden 7 7 . 75 Vgl. Werner Ehrlicher, K o n j u n k t u r durch Staatsdefizite ankurbeln, in: Wirtschaftswoche, 31. Jg. (1977), Nr. 27, S. 79; Gerold Krause-Junk, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 15 f. 76 Dieser Konsolidierungsbeitrag setzt freilich voraus, daß später keine kompensierenden Steuersenkungen erfolgen. 77 Vgl. Gerold Krause-Junk t Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 15.

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Die öffentlichen Entscheidungseinheiten können schließlich m i t Hilfe der Finanzplanung versuchen, nicht nur das Niveau, sondern auch die Struktur ihrer Haushalte zu konsolidieren und ζ. B. einen mittelfristig höheren A n t e i l der Ausgaben für Sachinvestitionen oder der sog. investiven Ausgaben (für Sachinvestitionen und Finanzierungshilfen) an den öffentlichen Gesamtausgaben einplanen. So sanken i m Zuge der jüngsten Konsolidierungsmaßnahmen die öffentlichen Ausgaben für Sachinvestitionen von 60,4 Mrd. D M (1980) auf 52,0 Mrd. D M (1982) ab 7 8 , und dieser spektakuläre absolute Rückgang ist kaum allokativ oder produktionstechnisch begründet, sondern einfach darauf zurückzuführen, daß es sich hier u m die rechtlich und politisch, wohl „kurzfristig disponibelste Ausgabenkategorie" 79 handelt. Für eine gezielte „Strukturkonsolidierung" 80, die diese „Konsolidierungsschäden" 81 wieder behebt, läßt die kurzfristige Haushaltsplanung i n der Regel zu wenig Spielraum, so daß sich auch hier die mehrjährige Finanzplanung als, zumindest zusätzliches, Lösungs- bzw. Konsolidierungsinstrument anbietet. Von der methodischen Konzeption her stellt der mehrjährige Finanzplan zwar ein nahezu ideales Instrument dar, u m das strukturelle Defizit auf mittlere Frist abzubauen, aber er besitzt den unter Konsolidierungsaspekten entscheidenden Mangel, daß i h m die juristische Verbindlichkeit fehlt. Ex ante bleibt daher ungewiß, ob die öffentlichen Planträger, sobald i m Zuge einer Konjunkturbelebung das öffentliche Gesamtdefizit abnimmt, es nicht vorziehen, die politisch unliebsame „Konsolidierungsaufgabe dann doch wieder klein zu schreiben" 82 . Trotz der politischen Verbindlichkeit, die dem Finanzplan als „einem mittelfristigen Regierungsprogramm i n Zahlen" nach den Intentionen seiner Väter zukommt, nahmen i h n die öffentlichen Entscheidungseinheiten i n der Vergangenheit politisch kaum ernst und ließen ihn zu einem „prolongierten Jahreshaushalt" degenerieren 83 . Sofern mehrere aufeinanderfolgende Finanzpläne zwei konjunkturpolitisch orientierte A n fangsjahre und drei konsolidierungsbetonte Restjahre ausweisen, läuft dies auf eine mittelfristige Vertagung der Konsolidierungsaufgabe hinaus. Nun, da die Finanzpläne für ein mittelfristiges Konsolidierungskonzept u m Vertrauen werben sollen, gewährt ihnen die finanzpoli78

Vgl. Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1982/83, a.a.O., Tabelle 25. Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 1983, a.a.O., S. 20. 80 Siehe ausführlicher Eberhard Wille, Z u m Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte, a.a.O., S. 20 ff. 81 Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 57. 82 Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 374. 83 Vgl. Eberhard Wille, M i t t e l - u n d langfristige Finanzplanung, a.a.O., S. 432 ff.; ders., Finanzplanung am Scheideweg . . . , a.a.O., S. 66 ff. 79

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tisch interessierte Öffentlichkeit (verständlicherweise!) keinen politischen Kredit mehr. U m dem Konsolidierungskonzept nach außen die notwendige Glaubwürdigkeit zu verleihen, hält der Sachverständigenrat die bloße Festlegung bzw. Ankündigung von Konsolidierungsmaßnahmen daher auch für nicht mehr ausreichend, sondern darüber hinaus „gesetzgeberische Maßnahmen . . . zur Absicherung des anvisierten Konsolidierungspfades (für) erforderlich" 8 4 . Die gesetzliche Fundierung der mittelfristigen Konsolidierungsabsichten soll nach den Vorstellungen des Rates über „Konsolidierungsentscheidungen per T e r m i n " 8 5 erfolgen, wobei „die gesetzgeberischen Maßnahmen zeitlich gestaffelt i n Kraft treten oder zeitlich gestaffelte Haushaltswirkungen haben" 8 6 . Die vom Sachverständigenrat vorgeschlagenen „Konsolidierungsmaßnahmen per Termin", die den rechtlich prinzipiell unverbindlichen Finanzplan u m Elemente des juristisch verbindlichen Mehrjahresbudgets ergänzen, sollen den i m Finanzplan vorgezeichneten Konsolidierungskurs „glaubwürdig" und „verläßlich" 8 7 machen. Nach der Ratio dieses Konsolidierungsrahmens geht die finanzpolitisch interessierte Öffentlichkeit davon aus, daß die öffentlichen Planträger möglicherweise momentan konsolidieren wollen, aber nicht oder nur i n bescheidenem Umfange können, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt wesentlich besser konsolidieren können, dann aber sehr wahrscheinlich nicht mehr wollen. Der Absicht, die politisch Verantwortlichen zu einer solchen Selbstdisziplinierung zu bewegen, liegt implizit die Annahme zugrunde, daß die Politiker die Notwendigkeit künftiger Konsolidierungsmaßnahmen zwar momentan einsehen, sich aber bis zu dem Zeitpunkt, da der Einsatz dieser Maßnahmen ansteht, wieder eines anderen besinnen. Die politisch verantwortlichen Instanzen sollen, u m nach außen vertrauenswürdig zu erscheinen, ihre i n der Not geborene und nur kurzlebige Neigung zur Haushaltskonsolidierung rechtlich fixieren und bis zu einem Termin fortschreiben, an dem sie aller Voraussicht nach anders zu handeln wünschen. Gesetzliche Regelungen sollen die Planträger, deren mittelfristigen Konsolidierungsabsichten man eigentlich mißtraut, zu einem Handeln veranlassen, das bereits ex ante Vertrauen schafft. Da die politischen Instanzen diese Regeln nicht nur 84

Sachverständigenrat, Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 374. Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 49; ähnlich Tz. 46. 86 Sachverständigenrat, V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 22. 87 Sachverständigenrat, Z u r wirtschaftlichen Lage i m Oktober 1982, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 46 u. 49; ebenso ders., V o r Kurskorrekturen. Z u r finanzpolitischen u n d währungspolitischen Situation i m Sommer 1981, Sondergutachten, a.a.O., Tz. 22; ders., Jahresgutachten 1981/82, a.a.O., Tz. 374. 85

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selbst beschließen, sondern auch später ihre Effektuierung bestimmen und sie notfalls jederzeit wieder abändern oder aufheben können, steht dieser Vertrauensbeweis auf recht schwachen Füßen 88 . Dieses Rezept gleicht dem Ratschlag, von einem Süchtigen i n einer seiner „schwachen Stunden" eine eidesstattliche, notariell beglaubigte, Erklärung als Garantie für künftige Abstinenz zu erwirken. Bei den Konsolidierungsmaßnahmen per Termin erscheint aber nicht nur ihre politische Durchsetzbarkeit zweifelhaft, sondern auch ihre ökonomische Zielkonformität recht ungewiß, denn diese setzt ziemlich präzise Informationen über den mittelfristigen Konjunkturverlauf voraus. W i r unterstellen einmal, etwas boshaft aber nicht ganz unrealistisch, die Parlamente beschließen per Termin Konsolidierungsmaßnahmen, die dann noch oder schon wieder i n eine rezessive Konjunkturphase fallen. Sollen diese Maßnahmen schließlich, u m das Vertrauen i n die staatliche Finanzpolitik nicht völlig aufs Spiel zu setzen, heroisch durchgeführt oder wieder suspendiert werden? Bei ihrer Stornierung liefen die öffentlichen Planträger sogar Gefahr, daß ihnen die Öffentlichkeit künftig selbst bei gesetzmäßig verankerten Programmen grundsätzlich mißtraut. Bei den i n naher Zukunft zu erwartenden Konjunkturverläufen lassen sich die Diagnose- und Prognoseprobleme nicht auf dem, vergleichsweise geringeren, Niveau der Jahre vor 1974 ansiedeln. Die gestiegene Unsicherheit über die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung rückt die jährliche Fortschreibung bzw. Anpassung der mehrjährigen Finanzpläne unter Konsolidierungsaspekten i n den M i t telpunkt des Interesses. Die Konsolidierungsaufgabe stellt sich aus dieser Sicht als ein dynamischer Prozeß dar, bei dem die zentralen Konsolidierungsentscheidungen i m Rahmen der Fortschreibung der Pläne fallen. Zeichnen sich ζ. B. aufgrund schlechterer Wachstumsbedingungen gegenüber den Ansätzen i n den laufenden Plänen mittelfristig Steuermindereinnahmen ab, so stehen die öffentlichen Entscheidungseinheiten i m Rahmen der Fortschreibung ihrer Finanzpläne eigentlich vor der Wahl, die Ausgaben zu senken, die Steuern diskretionär zu erhöhen oder die Kreditaufnahme auszuweiten. I n der Vergangenheit vertagten die öffentlichen Planträger diese Konsolidierungsentscheidungen, indem sie die sich abzeichnenden strukturellen Defizite durch überoptimistische Annahmen über die (den Steuerschätzungen zugrundeliegenden) Eckwerte „unter den Teppich kehrten" und so den Konsolidierungsbedarf von Finanzplan zu Finanzplan prolongierten 8 9 . I n diesen Unterlassungssünden, die auch die mittelfristige 88 Vgl. auch Gerold Krause-Junk, Konsolidierung der öffentlichen Haushalte . . . , a.a.O., S. 21. 89 Vgl. Eberhard Wille, Finanzplanung am Scheideweg . . . , a.a.O., S. 92 f.

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Haushaltssicherung gefährdeten, und den noch offenen Fragen der Verteilung der Konsolidierungslast auf die einzelnen Gebietskörperschaften sehen w i r m i t die gravierendsten Konsolidierungsprobleme. Durch gesetzliche Regelungen per Termin, die dem Finanzplan zudem einen Teil seiner Flexibilität rauben, lassen sie sich keiner Lösung näher bringen.

Diskussion Bericht von Bernhard Wolf Die Diskussion wurde von Prof. Dr. Dieter Duwendag, Speyer, geleitet. Dr. Harald Clausen, Leitender Ministerialrat i n der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, faßt die K r i t i k von Pappermann an der Mischfinanzierung noch einmal zusammen: Die Zweckzuwendungen seien selbstverwaltungsfeindlich, bürokratiefördernd und konsolidierungshemmend. Als Angehöriger der kritisierten Ministerialbürokratie weist Clausen darauf hin, daß das Land eine Verpflichtung für eine gewisse Mindestversorgung m i t öffentlichen Gütern gegenüber seinen Bürgern habe. U m seine Politik gegenüber den Kommunen durchzusetzen, habe das Land noch weit schärfere M i t t e l zur Verfügung, etwa die rechtliche Festlegung fixierter Standards. Wenn man berücksichtigt, daß zum Abbau der Bürokratisierung i n letzter Zeit viel unternommen worden sei, etwa bei den Sach- und Personalausstattungsstandards und den Richtlinien des Landes gegenüber den Kommunen, hätten die Zweckzuwendungen i m Vergleich zu anderen Mitteln viele Vorzüge. Sie belassen den Gemeinden die Eigenverantwortung und ermöglichen dem Land durch gezielte Anreize die als notwendig angesehene Einflußnahme. Eine pauschale K r i t i k an den Zweckzuwendungen helfe jedenfalls nicht weiter. Abteilungsdirektor Rainer Fahrenbruch, Regierungspräsidium Karlsruhe, stimmt den Ausführungen Pappermanns aus der Sicht einer Kommunalaufsichtsbehörde m i t einigen Einschränkungen zu. Er weist darauf hin, daß durch Zweckzuweisungen bei manchen Kommunen bestimmte A k t i v i t ä t e n überhaupt erst aktiviert werden, etwa beim Bibliothekswesen. Fahrenbruch merkt ferner an, daß sich nicht nur die einzelnen Fachbeamten der Gemeinden u m die Zuschüsse bemühen, sondern auch die Bürgermeister selbst, die sogar ein Handbuch über die staatlichen Zuschußmöglichkeiten fordern. A u f den Einwand, die staatlichen Richtlinien könnten zu einer Aufblähung der Gesamtkosten für bestimmte Projekte führen, weist er auf seine Erfahrungen beim Sportstättenbau hin, wo die Kommunen ohnehin noch größer, schöner und aufwendiger bauen wollen, als dies die Richtlinien fordern. Ferner

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weist Fahrenbruch auf einen Sonderfall hin, den kommunalen Ausgleichsstock, der i n Baden-Württemberg 1983 einen Betrag von 120 M i l l , umfaßt und für besonders bedürftige Gemeinden gedacht ist. Diese Mittel dienen der Aufstockung der Eigenmittel der Kommunen und können einen Beitrag dazu leisten, daß i n solchen Gemeinden überhaupt erst eine Haushaltskonsolidierung möglich wird. Landrat Dr. Gerhard Pfreundschuh, Mosbach, stimmt grundsätzlich m i t Pappermann überein, möchte jedoch einige Akzente anders gesetzt sehen. Er weist darauf hin, daß auf einigen Gebieten i n den Gemeinden ohne Initialzündung von außen nichts geschehen würde, etwa bei der Stadtentwicklung, der Dorfsanierung oder der Wirtschaftsförderung für strukturschwache Gebiete. Es wäre jedoch falsch, sich dabei i m Detail zu verlieren. Genauso falsch wäre es, wollte man die Mischfinanzierung gänzlich abschaffen. Richtig wäre eine Reform, die auf die Schaffung von Schwerpunkten hinausliefe. Er weist jedoch darauf hin, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Reform für die Haushaltskonsolidierung der Gemeinden gefährlich werden könnte. Viele Gemeinden seien mit bis zu 50 % ihrer Einnahmen von den verschiedensten „Töpfen" abhängig. Eine Reform zum gegenwärtigen Zeitpunkt berge die Gefahr, daß sie sich nicht auf Schwerpunkte konzentriert, sondern ersatzlos gestrichen werde. Dies könne zwar einen Beitrag zur Konsolidierung der Länderhaushalte sein, i n den besonders betroffenen Gemeinden ginge dann aber nichts mehr. Prof. Dr. Horst Wagenbleß, Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, Mannheim, unterstreicht noch einmal die Sorge des Vorredners, daß die Länder versuchen könnten, sich auf Kosten der Kommunen zu sanieren. Dem Aufgaben- und Ausgabenabbau auf Gemeindeebene seien enge Grenzen gesetzt. Bei Reformen, die einen Rückgang der M i t t e l bedeuten, würden künftig viele Projekte auf Gemeindeebene wegfallen müssen. Damit wäre jedoch die Versorgung der Bürger m i t notwendigen öffentlichen Gütern gefährdet. Oberbürgermeister Werner Hauser , Kirchheim unter Teck, stellt fest, daß Finanzzuweisungen, als Zweckzuweisungen gegeben, natürlich auch von den Gemeinden genommen werden. Man sollte i n dieser Frage nicht versuchen zu moralisieren, ebenso wenn es u m die Pflege guter Beziehungen der Kommunen zur Ministerialbürokratie geht. Hauser vertritt ebenfalls die Auffassung, daß Reformen notwendig sind, die auf eine Konzentrierung der Mittel auf die wesentlichen Bereiche hinauslaufen. Er nennt als solche Stadtentwicklung, Entwässerung und Straßenbau. Hauser weist darauf hin, daß besonders auch durch die Finanzplafonds zur Stadterneuerung i m Bundeshaushalt die Misch-

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finanzierung i n Mißkredit geraten ist. Hier seien Korrekturen erforderlich. Als positives Beispiel nennt er Baden-Württemberg, wo bereits eine Konzentration auf die Gebiete Stadterneuerung und Dorfsanierung erfolgt sei. Hier seien i m Zusammenwirken m i t den kommunalen Landesverbänden finanzneutrale Korrekturen von Einzeltöpfen erfolgt, die überwiegend den allgemeinen Finanzzuweisungen zugute gekommen seien. I n diesem Sinne sei die Mischfinanzierung zu befürworten, die dann auch einen Beitrag zu einem entspannten Verhältnis zwischen Land und Kommunen leiste. Pappermann geht zunächst auf die Beiträge der kommunalen Vertreter ein und weist darauf hin, daß er keineswegs die totale Abschaffung der Mischfinanzierung gefordert habe, sondern lediglich eine notwendige Reduzierung auf die wesentlichen Bereiche. Deshalb sollte keine ersatzlose Streichung erfolgen, sondern eine Verlagerung zu den freien Zuweisungen, womit den Gemeinden zugleich eine größere Entscheidungsfreiheit überlassen bleibt. Natürlich sollte auf die Anreizfunktion nicht völlig verzichtet werden, so daß i n bestimmten Schwerpunkten Zweckzuweisungen durchaus weiterhin sinnvoll sind. Pappermann bringt seine Verwunderung über den Hinweis zum Ausdruck, die Gemeinden hätten bei ihren Projekten großzügigere Vorstellungen als nach den Richtlinien förderbar. Nördlich der Mainlinie sei das i n den letzten Jahren nicht mehr der Fall. Dort würden sich die Gemeinden eher beklagen, daß sie aufgrund von Richtlinien zu viel und zu groß investieren müßten, u m die Landeszuschüsse zu erhalten. Was die m i t den Zweckzuweisungen verbundenen Personalkosten betreffe, so ließe sich ohne Fortfall der Zuweisungen selbst kaum etwas einsparen. Diese Situation ist insbesondere dann fatal, wenn es sich u m Kleinstzuweisungen handelt, wo der Verwaltungsaufwand i n keinem Verhältnis zur eigentlichen Zuweisungshöhe steht. Zum Beitrag von Clausen bemerkt Pappermann, daß er die Leistungen der Ausstattungsstandardkommission durchaus gewürdigt habe. Was jedoch den Hinweis auf die Möglichkeit schärferer M i t t e l des Landes gegenüber den Gemeinden betreffe, so mache er doch verfassungsrechtliche Bedenken geltend, wenn das Land etwa einfach aus freiwilligen Aufgaben Pflichtaufgaben machen würde, u m auf diese Weise Einfluß auf die Kommunen zu nehmen. Pappermann hält auch die Ansicht für fragwürdig, i m Verhältnis Länder/Gemeinden wäre normalerweise auf der höheren Ebene der größere Sachverstand. Da die Verteilung der Verwaltungsbeamten auf die verschiedenen Ebenen keineswegs nach abgestuften Qualitätsmerkmalen erfolge, wie etwa bei den Justizbehörden, könne zu der unstreitig besseren Ortskenntnis auf Gemeindeebene durchaus auch noch der bessere Sachverstand treten. A u f keinen Fall sollte Landespolitik i m Bereich der örtlichen Gemeinschaft gemacht werden.

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Diskussion

ORR Wolfgang Angenendt, Ministerium für Landes- und Stadtentwicklung des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, geht auf die Vorträge von Kirchhof und Wille ein und kritisiert einige Aussagen, die seines Erachtens aus ökonomischer Sicht nicht haltbar seien, etwa die Datumsvorgabe oder die Prognose des Konsolidierungsbedarfs. Landesdirektor a. D. Dr. Helmut Czischke, Rösrath, bemängelt, daß Wille aufgrund der von i h m gewählten Makroperspektive letztlich zu keinen für die Verwaltung verwertbaren Verbesserungsvorschlägen kommt. I n der Verwaltungspraxis vollziehe sich die Haushalts- und Finanzplanung ausgesprochen „handgestrickt", während die private Wirtschaft auf der Basis ihrer Kostenrechnung wesentlich besser plane. Notwendig sei deshalb eine Rationalisierung der Entscheidungsabläufe i n der öffentlichen Verwaltung durch operationale Zielvorgaben. Kirchhof geht noch einmal auf die Unterschiede zwischen Normalverschuldung (SVR), konjunktureller Verschuldung und strukturellem Defizit ein und zeigt, welche Abweichungen zwischen ökonomischer und verfassungsrechtlicher Betrachtung bestehen. Zinsen und Tilgung habe er zu einem Ausgabenblock zusammengefaßt, u m zu verdeutlichen, welche Größe durch frühere Staatsverschuldung verursacht wurde und durch künftige Steuereinnahmen finanziert werden muß. Eine verfassungsrechtliche Würdigung würde hier eine differenziertere Betrachtung erforderlich machen. Wille erläutert noch einmal ausführlich die prognostischen Probleme bei der Ermittlung des Konsolidierungsbedarfs. A u f konkrete qualitative Konsolidierungsmöglichkeiten sei er nicht eingegangen, da dies unter dem Thema „Aufgabenplanung" erörtert werden müsse, während sich die Haushaltsplanung nur m i t der Ausgabenplanung zu beschäftigen habe. Abschließend geht Wille auf den A r t i k e l 115 GG ein, den er aus ökonomischer Sicht für etwas unglücklich formuliert hält. Bei der Feststellung der „Normalverschuldung" verlagere sich nämlich das Problem auf die Abgrenzung Investitionen/Konsum.

III. Schluß

Schlußwort Von Hans Herbert v. A r n i m

Meine Damen und Herren, w i r stehen am Ende der 51. Tagung. W i r haben ein großes Programm bewältigt, das Sie i n den Diskussionen vielfach aktiv mitgestaltet haben. Es gab zwar atmosphärische Störungen, die bezogen sich aber zum Glück nicht auf die Sache, sondern allein auf die Akustik. Es war sicher richtig, i n diesen Saal überzuwechseln, und ich darf bei dieser Gelegenheit der technischen Organisation ein Kompliment machen. A m Mittwochabend war dieser Saal noch vollgepackt mit Stühlen und vielem anderen; über Nacht ist es dann möglich geworden: Auch die Verwaltung kann, wie man sieht, höchst flexibel sein. Ein Dankeschön auch an die für das Protokoll und an die für das Tonband Verantwortlichen. W i r werden davon profitieren können, wenn der Tagungsband vorliegt. Meine Damen und Herren, w i r haben gesehen, daß die Probleme der Konsolidierung sich verschieden ausnehmen können, ob man sie aus Gemeindesicht, aus der Sicht eines Bundesministeriums, zumal eines Arbeitsministeriums, oder aus der Sicht eines Referenten angeht, der versucht, uns die Steuerzahlungs- und Steuerbegrenzungsbewegung i n den USA nahezubringen. Schon diese Verschiedenheit zeigt: A l l e i n richtige Patentlösungen gibt es offenbar nicht, ein Ergebnis, das w i r schon am Anfang vermuteten. Andererseits besteht über die Notwendigkeit, daß — jedenfalls längerfristig gesehen — überhaupt Konsolidierungen vorgenommen werden, weitgehende Übereinstimmung. Hier scheinen w i r allerdings vor einem gewissen Dilemma zu stehen: Einerseits herrscht Skepsis vor, inwieweit Konsolidierungsmaßnahmen tatsächlich i n der Politik durchgesetzt werden können. Andererseits muten institutionelle Veränderungen, die eine solche Durchsetzung vielleicht erleichtern könnten, gelinde gesagt, gewagt an. Was bleibt, ist die Erkenntnis, daß die Konsolidierung schwerlich ein vorübergehendes Problem ist, sondern eher ein Dauerproblem bleiben wird. Sicher ist schon einiges gewonnen, wenn w i r uns gerade i m öffentlichen Dienst dessen bewußt sind und daraus auch Konsequenzen bei unserer täglichen Arbeit ziehen.

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Schlußwort

Zum Schluß — auch i m Namen von Herrn Kollegen Littmann — ein herzliches Dankeschön den Referenten, die durch das hohe Niveau ihrer interessanten und unerhört anregenden Vorträge uns allen, glaube ich, viel m i t auf den Weg gegeben haben. A l l das müssen w i r erst bewältigen und verarbeiten, wozu w i r mehr Zeit als nur diese drei Tage brauchen. Dabei w i r d uns auch die schriftliche Fassung helfen. Unser Dank auch an Sie, meine Damen und Herren Tagungsteilnehmer, die Sie m i t Ihren aus der Praxis kommenden, aber auch theoretisch untermauerten Diskussionsbeiträgen sehr zum Gelingen dieser Veranstaltung beigetragen haben. Vielen Dank und Aufwiedersehen!