Finanzplatz Berlin. Entstehung und Entwicklung: Eine theoriengeleitete historisch-empirische Analyse [1 ed.] 9783896442697, 9783896732699

Der Bank- und Börsenplatz Berlin: einst Hauptdrehscheibe von Geld und Kapital in Deutschland und Sitz finanzstarker und

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Finanzplatz Berlin. Entstehung und Entwicklung: Eine theoriengeleitete historisch-empirische Analyse [1 ed.]
 9783896442697, 9783896732699

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SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel

Annett Ullrich

Finanzplatz Berlin Entstehung und Entwicklung

Verlag Wissenschaft & Praxis

Finanzplatz Berlin. Entstehung und Entwicklung

SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN Herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Hummel

Band 9

Annett Ullrich

Finanzplatz Berlin Entstehung und Entwicklung – Eine theoriengeleitete historisch-empirische Analyse –

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-89673-269-2 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2005 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. 07045/930093 Fax 07045/930094

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany

Inhaltsübersicht

V

Zum Geleit Ebenso wechselhaft wie die Geschichte des Banken- und Börsenstandortes Berlin war auch das Interesse an seiner Erforschung. Die empirische Aufarbeitung einer unvergleichbaren Finanzplatzgeschichte erhielt mit der Wiedervereinigung der Stadt sowie der neuen Rolle Berlins als bundesdeutsche Hauptstadt in den 90er Jahren einen besonderen Reiz, zumal einige Bibliotheken und zahlreiche Schriften leichter zugänglich wurden. Eine Finanzplatzdiskussion zu den wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Standortfaktoren sowie zum Einfluss der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien reichen in die 80er Jahre zurück. Insbesondere die Diskussion zur Wettbewerbsfähigkeit des internationalen Finanzplatzes Frankfurt stand auch im Zusammenhang zur Rolle regionaler Banken- und Börsenzentren. Umso mehr gelangten in den 90er Jahren die Defizite der Berlin Forschung, - bedingt durch die jahrzehntelange Teilung und Isolation der Stadt - in den Blickpunkt des Interesses. Die vorliegende Arbeit ist insofern ein neuerer Forschungsbeitrag zur Entstehung und wechselhaften Entwicklungen des Finanzplatzes Berlin. Die Wirtschafts- und Finanzgeschichte verdient auch heute noch die Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Praxis, denn es bereitet teilweise erhebliche Schwierigkeiten, verlässliche Daten allein für die jüngere Berlingeschichte aufzuarbeiten. Aufstellungen und Analysen beispielsweise über die Geschäftsbankenpräsenz in der Berliner Nachkriegsentwicklung sowie in Folge der Wiedervereinigung Berlins sind allein verdienstvoll. Die vorliegende Dissertation gibt zudem vielfältige Anregungen hinsichtlich einer interdisziplinären Betrachtung historischer Zusammenhänge. Der Herausgeber wünscht dem Leser dieses Bandes der Schriftenreihe Anregungen durch einen Gesamtblick auf die preußische und deutsche Bankengeschichte, welche vielfältig mit der besonderen Rolle Berlins verbunden ist.

Prof. Dr. Detlev Hummel, Potsdam im März 2005

VI

Inhaltsübersicht

Vorwort und Danksagung Geschichtliche Prozesse und Zusammenhänge zu analysieren und darzustellen ist eine reizvolle Aufgabe, erst recht wenn es sich um die Geschichte eines bekannten Finanzplatzes handelt. Ein historisches Thema gilt mancherorts wegen der geringeren quantitativen Ausrichtung jedoch nicht als zeitgemäß. Die Darstellung auch qualitativer Aspekte der Geschichte des Bank- und Börsenplatzes Berlin erwies sich aber als außerordentlich spannend und zukunftsweisend: ist doch diese Historie untrennbar mit der Entstehung und Entwicklung des deutschen Universalbankwesens verbunden sowie mit politischen und wirtschaftlichen Ereignissen, die stadt-, landes- und weltgeschichtliche Bedeutung haben. Wenn das vorliegende Buch also nicht nur das Fachpublikum anspricht, sondern auch beim allgemein historisch interessierten Publikum auf Resonanz stößt, dann hat diese wissenschaftliche Arbeit eines ihrer Ziele erreicht. Analog zum Entwicklungsprozeß von Finanzplätzen durchläuft auch das Werden einer Dissertation verschiedene Phasen. Zeiten des guten Gelingens folgten Phasen der Stagnation. Doch neue Ansätze und Perspektiven der Betrachtung belebten den Schreibprozess immer wieder neu. Zu dieser Belebung und damit letztlich auch zu einem erfolgreichen Abschluß der Arbeit haben verschiedene Personen beigetragen, denen ich zu Dank verpflichtet bin. In erster Linie danke ich meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Detlev Hummel für die akademische und moralische Unterstützung. Wochenendseminare, Fachgespräche und verschiedene Aktivitäten des Lehrstuhls über den üblichen universitären Rahmen hinaus lieferten einen hilfreichen wissenschaftlichen und sozial-integrativen Rahmen für die externe Promotion. Danken möchte ich ebenfalls Herrn Prof. Dr. Hans Pohl für die Übernahme des Zweitgutachtens. Von wesentlicher Bedeutung für das Gelingen der Dissertation war auch die Hilfe von Frau Prof. Dr. Matija Meyer-Fiedrich. Sowohl ihre fachlichen Hinweise als auch ihre ermunternden Worte dranzubleiben und durchzuhalten, gaben mir immer wieder Auftrieb.

Inhaltsübersicht

VII

Darüber hinaus danke ich allen Mitarbeitern und Hilfskräften des Lehrstuhls Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt für Banken und Finanzierung an der Universität Potsdam, die ich während meiner Promotionszeit traf, für ihre wertvollen Hinweise und andere Annehmlichkeiten. In dem Zusammenhang danke ich insbesondere Herrn Dr. Roland Hübner, der mir mit seiner eigenen Sicht der Dinge und seiner Methodenkompetenz stets hilfsbereit zur Seite stand. Nicht minder wichtig waren mir die Anregungen von Herrn PD Dr. Markus Riekeberg und Herrn Prof. Dr. Andreas Thünemann, die mir gerade in der Anfangszeit der Promotion wichtige Ratschläge zur Herangehensweise und zum Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit im Allgemeinen gaben. Als Lektor und Korrektor im Rahmen der Endredaktion war mir besonders Herr Volker Fritzsche (Kunstbüro Potsdam) eine große Hilfe. Des weiteren danke ich auch Herrn Diplomkaufmann Jan Thümmler, Herrn Diplompsychologe Ulli Zell und Frau Ilka Müller für die redaktionelle Überarbeitung. Ein großer Dank gilt meinen Eltern, Margret und Horst Ullrich, die mich auch heute noch liebevoll umsorgen und unterstützen. Annett Ullrich

VIII

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht Tabellenverzeichnis

XIII

Abbildungsverzeichnis

XVII

Abkürzungsverzeichnis

XIX

I. Einleitung

1

II. Zur Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen

9

III. Die historische Entwicklung des Finanzplatzes Berlin

45

IV. Das System der Standorterfolgsfaktoren am Finanzplatz Berlin

313

V. Schlußbemerkung und Ausblick

335

Literaturverzeichnis

343

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis

XIII

Abbildungsverzeichnis

XVII

Abkürzungsverzeichnis

XIX

I. Einleitung 1. Vorstellung und Begründung des Forschungsvorhabens 2. Aufbau und Ziel dieser Arbeit

II. Zur Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen 1. Begriffsbestimmung 2. Entwicklungsphasen eines Finanzplatzes 3. Die räumliche Dimension eines Finanzplatzes 3.1 Die Raumstruktur am Finanzplatz 3.2 Der Finanzplatz im räumlich konzentrierten Funktionskomplex 4. Entwicklungsbedingungen eines Finanzplatzes 4.1 Relevante Anforderungsprofile 4.2 Ein systemisches Anforderungsprofil 5. Fazit

III. Die historische Entwicklung des Finanzplatzes Berlin 1. Die Anfänge des Geld- und Kreditwesens am sich entwickelnden Bankplatz Berlin (1640-1806) 1.1 Förderung von Faktor- und Nachfragebedingungen durch Sondereinflüsse und Monarchen 1.2 Formation einer ersten Bankenstruktur am entstehenden Bankplatz Berlin 1.2.1 Die Ansiedlung von privaten Finanzunternehmern 1.2.2 Die Gründung von staatlichen Bankinstituten 1.2.3 Landschaften als Vorläufer der Hypothekenbanken 1.3 Die Berliner Börse

1 1 4

9 10 14 18 18 24 30 31 36 42

45 45 45 49 49 54 57 58

X

Inhaltsverzeichnis

2. Der Aufstieg Berlins zum zentralen Bank- und Börsenplatz (1806-1870) 2.1 Staatsreform und Unternehmergeist als Impulsgeber 2.2 Politische Sondereinflüsse als Katalysator des Aufstiegs 2.3 Die Entwicklung und Erweiterung des Marktteilnehmerkreises 2.3.1 Die Privatbanken als führende Geld- und Kreditinstitute 2.3.2 Die Entstehung von Aktienbanken in Berlin 2.3.3 Lokalisationsvorteile durch das Wirken der staatlichen Kreditinstitute 2.3.3.1 Die Preußischen Seehandlung als Industrialisierungspionier 2.3.3.2 Die Königliche Bank in ihrer Entwicklung zur zentralen Notenbank 2.3.4 Die Rolle der Berliner Sparkasse 2.3.5 Die Anfänge des modernen Hypothekenbankwesens 2.4 Der Aufstieg der Berliner Börse zur zentralen Börse Deutschlands

3. Die Expansionsphase des Bank- und Börsenplatzes Berlin (1870-1914) 3.1 Berlin als politischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt Deutschlands 3.2 Kapital- und Institutskonzentration am Bank- und Börsenplatz Berlin 3.2.1 Der abnehmende Einfluß der Privatbanken 3.2.2 Gründung und Expansion der Aktienbanken unter Führung der Berliner Großbanken 3.2.3 Die staatlichen Banken als zusätzliche Assets des Finanzplatzes 3.2.3.1 Die Seehandlung als multifunktionales Kreditinstitut Preußens 3.2.3.2 Die Konzentration des zentralen Notenbankwesens auf den Bankplatz Berlin 3.2.4 Die Berliner Sparkasse im Wettbewerb um Einlagen und Depositen 3.2.5 Die Berliner Hypothekenbanken 3.3 Die Berliner Börse als Kapitalmarkt mit nationaler und internationaler Bedeutung

4. Nachlassende Wachstumsdynamik des Bank- und Börsenplatzes Berlin (1914-1945) 4.1 Berlin in seiner Entwicklung zur Metropole 4.2 Die negative Rolle des Staates und wachstumshemmende Sondereinflüsse 4.3 Berliner Banken unter dem Vorzeichen reduzierter Leistungsfähigkeit und abnehmender Geschäftsmöglichkeiten 4.3.1 Weiterer Bedeutungsverlust der Privatbanken 4.3.2 Anhaltende Dominanz der Berliner Großbanken 4.3.3 Die zunehmende Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors

60 60 65 67 67 71 73 73 76 78 79 82

86 86 89 89 94 102 102 103 106 109 113

120 120 124 127 127 132 140

Inhaltsverzeichnis

4.3.3.1 Das Gründungsstreben des Staates 4.3.3.2 Die Seehandlung in der Rolle als preußische Staatsbank 4.3.3.3 Die Weiterentwicklung der Deutschen Reichsbank 4.3.4 Organisatorische und kreditrisikorelevante Veränderungen bei der Berliner Sparkasse 4.3.5 Die Konzentration der Realkreditinstitute am Bankplatz Berlin 4.3.6 Die genossenschaftliche Bankengruppe am Bankplatz Berlin 4.3.7 Die Auslandsbanken am Bankplatz Berlin 4.4 Bedeutungsrückgang der Berliner Börse

5. Zusammenbruch des Bank- und Börsenplatzes Berlin und sein Rückfall in die Regionalität (1945-1989) 5.1 Der Bankplatz Berlin im Spannungsfeld der alliierten Hoheitspolitik 5.2 Die Ablehnung Berlins als Unternehmensstandort 5.3 Langsamer Wiederansiedlungsprozeß von Marktteilnehmern und ihre Entwicklung 5.3.1 Die Berliner Zentralbank als Promotor des Bankplatzes Berlin 5.3.2 Marginale Bedeutung der Berliner Privatbanken 5.3.3 Die Entwicklung der Nachfolgeinstitute der Berliner Großbanken 5.3.4 Die Wiederansiedlung der Regional- und sonstigen Kreditbanken 5.3.5 Zur führenden Rolle der Berliner Sparkasse am Bankplatz Berlin 5.3.6 Erste Konsolidierungen im kreditgenossenschaftlichen Bereich 5.3.7 Die Organisation des Realkredits am Bankplatz Berlin 5.3.8 Die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben als Finanzierungsprotagonisten der Berliner Wirtschaft 5.3.9 Zögerlicher Zuzug von Auslandsbanken nach Berlin 5.4 Die Berliner Börse in ihrer neuen Rolle als Regionalbörse 5.5 Das Bankwesen in Ost-Berlin

6. Struktureller Wandel und Transformationsprozesse am Finanzplatz Berlin (1989-heute) 6.1 Die deutsche Wiedervereinigung als Zäsur in der Historie Deutschlands und Berlins 6.2 Die Finanzkrise als Belastungsfaktor 6.3 Anhaltende Standortmängel trotz Hauptstadtbonus 6.4 Transformationen und Erweiterungen des Marktteilnehmerkreises 6.4.1 Die Transformation des Ostberliner Bankenwesens 6.4.2 Die Eingliederung der Berliner Großbankentöchter 6.4.3 Veränderungen in der Gruppe der Regional- und sonstigen Kreditbanken 6.4.3.1 Verstärkter Zuzug der Privatbanken

XI

140 148 149 151 156 161 162 163

167 167 172 176 183 185 193 197 208 210 215 223 227 229 231

237 237 238 241 248 253 258 261 264

Inhaltsverzeichnis

XII

6.4.3.2 Neugründungen, Insolvenzen und Übernahmen von Berliner Kreditbanken 6.4.3.3 Zur Gründung und Entwicklung der Bankgesellschaft Berlin AG 6.4.4 Die Neustrukturierung des Sparkassensektors 6.4.5 Expansion und Fusionen im Berliner Genossenschaftsbanksektor 6.4.6 Zuzug von Hypothekenbanken und die Ausdehnung ihres Berlingeschäftes 6.4.7 Differenziertes Ansiedlungsverhalten von Auslandsbanken und Repräsentanzen 6.5 Die Berliner Börse als retail-orientierte Spezialbörse

IV. Das System der Standorterfolgsfaktoren am Finanzplatz Berlin 1. Die Standortbedingungen in den historischen Entwicklungsphasen 2. Die Sondereinflüsse als zeitliche Komponente der Finanzplatzentwicklung 3. Lokalisations- und Urbanisationseffekte als räumliche Komponente der Finanzplatzentwicklung 4. Das systemische Anforderungsprofil des Finanzplatzes Berlin

268 273 280 285 294 303 305

313 313 321 323 326

V. Schlußbemerkung und Ausblick

335

Literaturverzeichnis

343

Tabellenverzeichnis

XIII

Tabellenverzeichnis Tab. 1: Definitionen zum Finanzplatz- bzw. Bankplatzbegriff

11

Tab. 2: Gegenüberstellung der Entwicklungsreihen

17

Tab. 3: Systematisierung der Agglomerationseffekte

20

Tab. 4: Die 5 Teilkomplexe einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale

27

Tab. 5: Primär- und Sekundärressourcen eines Finanzplatzes

34

Tab. 6: Zusammenfassung der Primär- und Sekundärressourcen und ihre Einflußgrößen im Vergleich zu den Anforderungsparametern nach ROSEN und MATTERN et al.

35

Tab. 7: Entwicklung des Einlagenbestandes der Berliner Sparkasse

78

Tab. 8: Entwicklung der Berliner Bevölkerung

87

Tab. 9: Entwicklung des Produktionswertes der deutschen Elektroindustrie in Millionen Mark

87

Tab. 10: Beschäftigte einzelner Wirtschaftszweige im Groß-Berliner Raum 1909

88

Tab. 11: Entwicklung der Anzahl der Privatbanken in ausgewählten Großstädten und Gesamtdeutschland in ausgewählten Jahrgängen

90

Tab. 12: Kreis der Berliner Großbanken in unterschiedlicher Betrachtungsweise

97

Tab. 13: Entwicklung des Aktienkapitals der Berliner Großbanken im Vergleich zur Aktienkapitalentwicklung der Kreditbanken in Deutschland in Millionen Mark

99

Tab. 14: Entwicklung des auf die Reichshauptbankstelle in Berlin und auf die Zweiganstalten entfallenden Anteils der Gesamtumsätze sowie die Anzahl der Mitarbeiter

105

Tab. 15: Entwicklung ausgewählter Wachstumsgrößen der Berliner Sparkasse

106

Tab. 16: Entwicklung ausgewählter Wachstumsgrößen der Sparkassen in Preußen

107

Tab. 17: Anpassungen der Einzahlungs- und Guthabenshöchstgrenzen der Berliner Sparkasse

107

Tab. 18: Entwicklung der Annahmestellen der Berliner Sparkasse im Vergleich zum Depositenkassennetz der Berliner Großbanken

108

Tab. 19: Die in Berlin um 1880 ansässigen Realkreditinstitute

109

Tab. 20: Anteil der preußischen und Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbeleihungsgeschäft sowie Aktienkapital der Hypothekenbanken in Deutschland im Jahr 1899

111

XIV

Tabellenverzeichnis

Tab. 21: Entwicklung der Emissionen in Deutschland in Milliarden Mark

113

Tab. 22: Entwicklung der Anzahl der an der Berliner Börse im amtlichen Handel notierten Papiere in der Zeit von 1870-1893

114

Tab. 23: Beschäftigte einzelner Industrie- und Gewerbezweige in Berlin und in Gesamtdeutschland im Jahr 1925

122

Tab. 24: Entwicklung der Privatbanken in Deutschland und Berlin

127

Tab. 25: Entwicklung der Bilanzsummen aller deutschen Banken im Vergleich zur Gruppe der Privatbanken

127

Tab. 26: Regionale Verteilung der Privatbankfirmen 1935 und die auf sie entfallende Bilanzsumme

128

Tab. 27: Entwicklung der Anzahl der privaten Kreditbanken

132

Tab. 28: Die seit dem Ersten Weltkrieg wichtigsten Fusionen und Übernahmen der Berliner Großbanken

134

Tab. 29: Entwicklung des Filialnetzes der Großbanken und der Provinzbanken

135

Tab. 30: Ausmaß und Höhe des Rückgriffs auf die Reichsbank und ihrer Mobilisierungsakzepte per Ende Juli 1931

137

Tab. 31: Anteil des Staates am Aktienkapital der Berliner Großbanken 1932

138

Tab. 32: Eigenkapital- und Bilanzsummenverhältnisse in der Gruppe des privaten Bankgewerbes im Jahr 1936

139

Tab. 33: Bilanzangaben der allgemeinen Kreditbanken (Groß- und Regionalbanken 1929-1938)

139

Tab. 34: Entwicklung der Anzahl der öffentlich-rechtlichen Banken

141

Tab. 35: Entwicklung der auf die einzelnen Bankengruppen entfallenden Anteile am Gesamtbestand der Kreditoren

142

Tab. 36: Ausgewählte Bilanzkennziffern per 1930 der Berliner Großbanken im Vergleich zur Reichskreditgesellschaft

145

Tab. 37: Übersicht über die nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten öffentlich-rechtlichen Banken mit Sitz in Berlin

146

Tab. 38: Entwicklung der Umsatzanteile und der Beschäftigten Personen der Hauptgeschäftsstelle der Reichshauptbank in Berlin im Vergleich zu den Zweiganstalten

149

Tab. 39: Einlagenhöhe der in die neue Berliner Sparkasse integrierten Sparkassen

152

Tabellenverzeichnis

XV

Tab. 40: Anteil der Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen, des Pfandbriefumlaufes und des Aktienkapitals 1916

156

Tab. 41: Anteil der Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen, des Pfandbriefumlaufes und des Aktienkapitals 1936

158

Tab. 42: Anteil der bayerischen Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen und des Pfandbriefumlaufes 1936

159

Tab. 43: Anteil der Hypothekenbanken in Baden und Württemberg am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen und des Pfandbriefumlaufes 1936

159

Tab. 44: Die Auslandsbanken in Berlin 1930

163

Tab. 45: Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit in West-Berlin im Vergleich zur Bundesrepublik

173

Tab. 46: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin

178

Tab. 47: Die ortsansässigen und ortsfremden Privatbanken in Berlin 1970

185

Tab. 48: Der Ansiedlungsprozeß der Privatbanken am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989

187

Tab. 49: Vergleich der Bilanzsummen der deutschen Großbanken und ihrer Berliner Töchterbanken (Angaben in Millionen DM) sowie der Anteil der Berliner Töchter an der Konzernbilanzsumme

196

Tab. 50: Die ortsansässigen und ortsfremden Regional- und sonstigen Kreditbanken in Berlin 1970

198

Tab. 51: Der Ansiedlungsprozeß der Regionalbanken am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989

199

Tab. 52: Entwicklung der Sparkonten und des Einlagenbestandes in den ersten Monaten nach Kriegsende bei der Berliner Sparkasse

208

Tab. 53: Die ortsansässigen und ortsfremden Genossenschaftsbanken in Berlin 1970

211

Tab. 54: Der Ansiedlungsprozeß der Kreditgenossenschaften am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989

212

Tab. 55: Überblick über die verlagerten Berliner Realkreditinstitute

216

Tab. 56: Die ortsansässigen und ortsfremden Realkreditinstitute in Berlin 1970

218

Tab. 57: Der Ansiedlungsprozeß der Realkreditinstitute am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989

217

Tab. 58: Vergleich der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt mit den Wohnungsbaukreditanstalten Schleswig-Holsteins und Hamburgs

220

Tab. 59: Vergleich der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt mit der Berliner Pfandbriefbank

221

XVI

Tabellenverzeichnis

Tab. 60: Die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben in Berlin 1970

223

Tab. 61: Der Ansiedlungsprozeß der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989

224

Tab. 62: Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit in Berlin und Gesamtdeutschland

243

Tab. 63: Transformation des ostdeutschen Bankensektors

255

Tab. 64: Die Erweiterung des Filialnetzes bis Ende 1990 und die Fusionszeitpunkte der Berliner Tochterbanken auf das Frankfurter Stammhaus

259

Tab. 65: Anzahl der in Berlin meldepflichtigen Regionalund sonstigen Kreditbanken

261

Tab. 66: Die ortsansässigen und ortsfremden Regional- und sonstigen Kreditbanken am Bankplatz Berlin 2001

262

Tab. 67: Die nicht-meldepflichtigen Regional- und sonstige Kreditbanken am Bankplatz Berlin 2001

263

Tab. 68: Niedergelassene Privatbanken am Bankplatz Berlin im Jahr 2002

266

Tab. 69: Neugründungen, Übernahmen und Insolvenzen Berliner Kreditbanken

269

Tab. 70: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe des Sparkassensektors von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin

280

Tab. 71: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe der Kreditgenossenschaften von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin

286

Tab. 72: Die im Jahr 2000 in Berlin tätigen Genossenschaftsbanken

288

Tab. 73: Genossenschaftliche Kreditinstitute in Berlin und Brandenburg, die von der Berliner Volksbank seit 1990 übernommen wurden

289

Tab. 74: Übersicht über die Höhe der Sicherungshilfen je Bank

291

Tab. 75: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe der Realkreditinstitute von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin

295

Tab. 76: Die im Jahr 2000 in Berlin tätigen Realkreditinstitute

296

Tab. 77: Repräsentanzen ausländischer Banken am Bankplatz Berlin im Jahr 2001

305

Abbildungsverzeichnis

XVII

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Systemisches Anforderungsprofil von Finanzplätzen

39

Abb. 2: Neuzulassungen von Aktien in Prozent des zugrunde liegenden Nominalkapitals an der Berliner Börse 1903

116

Abb. 3: Durchschnittliche Spareinlage der Berliner Sparkasse je Einwohner im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt

152

Abb. 4: Durchschnittliche Spareinlage der Berliner Sparkasse je Buch im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt

153

Abb. 5: Entwicklung des Einlagenbestandes der Berliner Sparkasse seit der Inflation

154

Abb. 6: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin von 1945 bis 1989

179

Abb. 7: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Berlin

180

Abb. 8: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Deutschland

181

Abb. 9: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagevolumen in Deutschland

181

Abb. 10: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagevolumen in Berlin

182

Abb. 11: Der Abbau der Bundeshilfe seit 1989

239

Abb. 12: Bruttowertschöpfung in Berlin nach Wirtschaftsbereichen

244

Abb. 13: Entwicklung der Berliner Bevölkerung seit 1989

245

Abb. 14: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin

249

Abb. 15: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagenvolumen in Berlin

251

Abb. 16: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Berlin

252

Abb. 17: Entwicklung ausgewählter Kennzahlen der Berliner Großbankentöchter 1989/90 im Vergleich

260

Abb. 18: Entwicklung ausgewählter Bilanzkennzahlen der Berliner Bankgesellschaft AG

277

XVIII

Abbildungsverzeichnis

Abb. 19: Entwicklung der Bilanzsumme, des operativen Ergebnisses und der Risikovorsorge der LBB

284

Abb. 20: Entwicklung von Risikovorsorge und Ergebnis der Berliner Volksbank eG

292

Abb. 21: Entwicklung der Bilanzsumme der Berlin Hyp in Mrd. Euro

299

Abb. 22: Entwicklung von Betriebsergebnis vor Risiko und Risikovorsorge in Mio. Euro

300

Abb. 23: Entwicklung von Betriebsergebnis vor Risiko und Risikovorsorge der Berlin Hyp

303

Abb. 24: Auslandsbanken und Repräsentanzen ausländischer Banken in Berlin

304

Abb. 25: Entwicklung der Wertpapierumsätze an der Berliner Wertpapierbörse

307

Abb. 26: Entwicklung der Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Jahresüberschüsse der Berliner Wertpapierbörse seit 1997

308

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ADCA

Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt

AH-Banken Außenhandelsbanken AktG

Aktiengesetz

BA

Bankhistorisches Archiv

BAFin

Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungen

BAG

Bankaktiengesellschaft Hamm AG

BAKred

Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen

BBB

Bürgschaftsbank zu Berlin-Brandenburg GmbH

BBBeG

Badische Beamtenbank eG

BEG

Berliner Effektengesellschaft AG

BfG

Bank für Gemeinwirtschaft AG

BfS

Bank für Schiffahrt

BFG

BerlinFörderungsgesetz

BGB

Bankgesellschaft Berlin AG

BHI

Bank für Handel und Industrie AG, Berlin

BHH

Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank

BKD

Bank für Kirche und Diakonie

BkmU

Bank für kleine und mittelständische Unternehmen

BLN

Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft

XIX

Abkürzungsverzeichnis

XX

BpB

Bundeszentrale für politische Bildung

BV

Bankverein

BWB

Berliner Wertpapierbörse

CCB

Credit Communale Belgique

CLF

Credit Local de France

DABA

Deutsche Außenhandelsbank

DANAT -Bank

Darmstädter und Nationalbank

DD-Bank

Deutsche Bank Disconto-Gesellschaft

DDR

Deutsche Demokratische Republik

DG Bank

Deutsche Genossenschaftsbank

DIHB

Deutsche Industrie- und Handelsbank

DIW

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung

DKB

Deutsche Kreditbank

DKH

Deutsche Kredit- und Handelsbank AG

DLD

Delta Lloyd Deutschland AG

DLK

Der langfristige Kredit

ds.

durchschnittlich

Dt.

Deutsch(e)

ERP

European Recovery Program

ESMT

European School of Management and Technology

Abkürzungsverzeichnis

ETFs

Exchange Traded Funds

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

GARIOA

Government an Relief in Occupied Areas

Gesell.

Gesellschaft

Gegr.

Gegründet

GuH

Gries & Heissel Bankiers AG

GVH

Garantieverbandes des Berliner Handwerks eG

HBG

Hypothekenbankgesetz

IBAG

Immobilien und Beteiligungen AG

IBB

Investitionsbank Berlin

IBG

Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin GmbH

IBV

Immobilien Beteiligungs- und Vertriebsgesellschaft der IBAG-Gruppe mbH

IfK

Institut für Kapitalmarktforschung

IKB

Industriekreditbank AG - Deutsche Industriekreditbank

IT

Informations-Technologie

KGaA

Kommanditgesellschaft auf Aktie

KGG

Kreditgarantiegemeinschaft für den Handel in Berlin GmbH

KoKo

Kommerzielle Koordinierung

KWG

Kreditwesengesetz

LBB

Landesbank Berlin

XXI

Abkürzungsverzeichnis

XXII

LBS

Landesbausparkasse

LZB

Landeszentralbank

LZB-BB

Landeszentralbank Berlin-Brandenburg

max.

maximale/r

MFI

Monetary Financial Institutions

n.e.

nicht ermittelbar

N-MFI

Non-Monetary Financial Institutions

NordLB

Norddeutsche Landesbank

öfft.-rechtl. öffentlich-rechtlich(e) Preuß.

Preußisch(e)

RGW

Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe

SAG

Sowjetische Aktiengesellschaft

SMH-Bank Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. Privatbankhaus UTD

United Dominion Trust International Ltd.

Verarb.

Verarbeitende(s)

WL

Westfälische Landschaft

WestLB

Westdeutsche Landesbank

ZfgK

Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen

Einleitung

I.

Einleitung

1.

Vorstellung und Begründung des Forschungsvorhabens

1

Als Banken- und Börsenstandort kann Berlin auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurückblicken. Der Aufstieg Berlins zum führenden Finanzplatz Preußens, später von Gesamtdeutschland, vollzog sich vor dem Hintergrund der Herausbildung des deutschen Universalbankwesens und der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des Deutschen Reiches zur Großmacht. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges verlor Berlin seine Rolle als führendes deutsches Finanzzentrum sowie seine Funktion als politisches und wirtschaftliches Machtzentrum Deutschlands. In den Folgejahren war Berlin immer wieder Zentrum politischer Spannungen und Konflikte. Die Entspannung der politischen Situation, hervorgerufen durch das 1971 abgeschlossene BerlinAbkommen, sowie der Ausbau der Berlin-Förderung durch den Bund riefen eine Belebung der ansässigen Industrie und die Neuansiedlung wirtschaftlicher Aktivitäten hervor. Auch westdeutsche Banken eröffneten seit Mitte der 1970er Jahre in zunehmendem Maße Niederlassungen in West-Berlin. Wesentliche Zentralfunktionen blieben jedoch außerhalb der Stadt. Das Fehlen von zentralen Managementaufgaben am Wirtschaftsstandort Berlin war bis 1989 „ein psychologisches und sachliches Problem, daß außer in Berlin nur in Entwicklungs- und [den ehemaligen, Anm. d. Verf.] Kolonialländern existiert[e].“1 In Ost-Berlin konnte sich aufgrund des dort herrschenden wirtschaftspolitischen Systems ebenfalls kein Finanzplatz von überregionaler oder gar internationaler Bedeutung entwickeln. In der Zeit der geringen Bedeutung des Finanzplatzes Berlin war auch das Interesse an seiner historischen und künftigen Entwicklung gering. Lediglich 1957 erschien mit der Arbeit von WEBER die bis dahin einzige umfassendere Arbeit zur Geschichte des Bankplatzes Berlin.2 Obwohl sich in Festschriften einzelner Banken sowie in Abhandlungen zur Wirtschaftsgeschichte immer wieder Hinweise finden lassen, die die Größe und Reputation des Berliner Bankplatzes vor Beendigung des Zweiten Weltkrieges belegen,3 folgten bis 1989 keine weiteren Studien zum Finanzplatz Berlin.4

1

Riebschläger (1983), S. 11. Vgl. Weber (1957). Vgl. stellvertretend für Festschriften Achterberg (1956); Lüke (1956). Vgl. stellvertretend für bank- und wirtschaftshistorische Abhandlungen Born (1961); Pohl (1986). 4 Lediglich 1987 erschien im Zusammenhang mit der 750-Jahr-Feier Berlins ein von der IHK Berlin in Auftrag gegebenes Sammelwerk, worin sich auch ein Beitrag befand, der kurz auf den Finanzplatz Berlin einging. Vgl. Stürmer (1987), S. 74-94. 2 3

2

Kapitel I

Aber auch für andere deutsche Finanzplätze war das historische Interesse nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges nur von geringem Umfang. Im Fokus der Betrachtung stand allenfalls der Finanzplatz Frankfurt.5 Dieses mangelnde historische Interesse kritisierte KINDLEBERGER in seiner 1974 publizierten vergleichenden Studie zur Entwicklung der internationalen Finanzzentren: „An historical approach is also called for because, if modern analysts have little interest in spatial finance, the same cannot be said of their grandfathers. Two generations ago, before and after World War I, economics displayed an interest in the functions of and relations among financial centers that is rare in current research.“6 In den 1980er Jahren belebte sich die Finanzplatzforschung. Nunmehr setzte sich die Erkenntnis durch, daß von der Funktionsfähigkeit eines Finanzplatzes wesentliche Wachstumsimpulse für den lokalen Standort selbst, für die umliegende Region und für die gesamte Volkswirtschaft ausgehen. Insbesondere zum Ende der 1980er Jahre nahmen vor dem Hintergrund wesentlicher technischer Neuerungen in der Informationsund Kommunikationstechnologie die Arbeiten, die sich mit Finanzplätzen und ihrer gegenwärtigen Wettbewerbssituation im europäischen und internationalen Kontext beschäftigten, zu. Auch hierbei stand der Finanzplatz Frankfurt als zentraler Finanzplatz Deutschlands im Forschungsmittelpunkt.7 Der Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung führten zu wesentlichen Veränderungen der politischen Verhältnisse in Berlin, Deutschland und Europa. Die Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum und die Ansiedlung von bislang fehlenden Managementfunktionen in Berlin verbesserten sich grundlegend. Schnell keimte die Hoffnung, Berlin könne an die Glanzzeiten als zentraler Finanzplatz Deutschlands wieder anknüpfen. Mit der Verlegung des Regierungssitzes, der Ansiedlung neuer Unternehmen wie beispielsweise der DaimlerChrysler Services AG8, der Deutschen Bahn AG oder der Europazentrale von SONY, sowie der Etablierung von neuen Bankniederlassungen hatte es den Anschein, daß sich diese Hoffnung erfüllte. Die „Goldgräberstimmung“ in der Stadt schien grenzenlos.

5

Vgl. Mushake/Mushake (1952); Achterberg (1956). Vgl. Kindleberger (1974), S. 2. Vgl. zum Beispiel IfK (Hrsg.) (1987); Baehring (Hrsg.) (1987); Thiessen (1989). 8 Der Firmensitz der ehemaligen Daimler-Benz InterServices (debis) AG wurde im Oktober 1990 von Stuttgart nach Berlin verlegt, aufgrund der Erwartung, daß Berlin in einem zusammenwachsenden Europa, als Brücke zwischen West und Ost, seine Rolle als wesentliches Dienstleistungszentrum ausbauen würde. Vgl. Geschäftsbericht DEBIS AG (1990), S. 6. 6 7

Einleitung

3

In dieser Zeit des Umbruchs erschienen einige Artikel zur Renaissance des Finanzplatzes Berlin sowie zum Transformations- und Integrationsprozeß des Ostberliner Bankplatzes.9 Das Forschungsinteresse verebbte jedoch wieder, während für andere Finanzplätze neue Arbeiten erschienen. Diese beschäftigten sich vorwiegend mit dem Finanzplatz Frankfurt und seiner Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu London und Paris.10 Andere Arbeiten hatten im Gegensatz dazu einen starken regionalen Bezug. Besonders hervorzuheben ist dabei die Projektarbeit zur Stärkung des Finanzplatzes Baden-Württemberg durch VON STEIN, die sogar durch ein Symposium über sechs weitere regionale Finanzplätze Europas, wie beispielsweise Bilbao, Mailand oder Turin flankiert wurde.11 Der Finanzplatz Berlin rückte erst wieder zum Ende der 1990er Jahre als Erkenntnisobjekt der Finanzplatzforschung in den Betrachtungsfokus. Sowohl die organisatorischen und experimentellen Veränderungen der am Standort ansässigen Banken als auch der Zuzug auswärtiger Kreditinstitute lieferten hierfür entscheidende Impulse. Diese Veränderungsdynamik griffen HÜNING et al. in ihrer 1998 veröffentlichten Studie auf, wobei sie besonders den Transformations- und Integrationsprozeß der Ostberliner Kreditinstitute im Blick hatten.12 Des weiteren veranstaltete die Brandenburgische Historische Kommission e. V. gemeinsam mit dem Lehrstuhl Finanzierung und Banken der Universität Potsdam, dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien sowie dem Institut für Bankhistorische Forschung Frankfurt/Main 1998 eine bankhistorische Konferenz in Potsdam. Die dort aufgeführten Diskussionsbeiträge wurden 2000 in einem Tagungsband veröffentlicht.13 Darüber hinaus widmete sich das Institut für Bankhistorische Forschung Frankfurt/Main 2002 erneut der regionalen Finanzplatzforschung. Es entstand das bislang umfangreichste Werk zur Entwicklung des Finanzplatzes Berlin.14 Diesen zwei wichtigen Sammelwerken ist gemeinsam, daß sie Sekundärliteratur auswerten, verdichten und historische Tatbestände herausarbeiten. Ein besonderer Verdienst des unter POHL entstandenen Werkes ist die konsequente Betrachtung der historischen Entwicklung des Finanzplatzes Berlin unter strukturellen, ökonomischen und politischen Aspekten im Zeitablauf.

9

Vgl. beispielsweise Pohl (1989), S. 653-658; Pohl (1989b), S. 433-441; Quast/Schröder (1992), S. 135-148. Vgl. IfK (Hrsg.)(1989); Pulm (1993); Kauermann (Hrsg.)(1994); Mattern et al. (1997); Dietl et al. (1999); Harrschar-Ehrnborg (2002). 11 Vgl. von Stein (1991) sowie von Stein (Hrsg.)(1991). Ebenfalls den Bankplatz Baden-Württemberg und seine Geschichte zum Gegenstand hatte die Arbeit von POHL, die 1992 veröffentlicht wurde. Vgl. Pohl (1992). 12 Vgl. Hüning et al. (1998). 13 Vgl. Hübener et al. (Hrsg.)(2000). 14 Vgl. Pohl (Hrsg.)(2002). 10

4

Kapitel I

Daher nunmehr der Versuch, mit einer theoriengeleiteten Analyse zur Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin die Tradition der regionalen Finanzplatzforschung fortzusetzen. Dazu wird die Darstellung der geschichtlichen Entwicklung des Finanzplatzes Berlin mit einer Theoriediskussion verknüpft, die als dreidimensionales Analyseraster für den Entwicklungsprozeß dient. Des weiteren ist ein Bezug zu „historischen Parallelen“ für zukunftsorientierte Überlegungen nützlich.

2.

Aufbau und Ziel dieser Arbeit

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin fortzusetzen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Darstellung jener Marktteilnehmer, die den Finanzplatz hinsichtlich Größe und Einfluß geprägt haben. Weiterhin analysiert die Arbeit, welche Faktoren dazu beigetragen haben, daß sich Banken am Standort Berlin niederließen und von hier geschäftliche Transaktionen durchführten. Dazu werden verschiedene Theorien auf ihren Erklärungsgehalt geprüft und als Analyseraster für die Darstellung der Historie verwendet. Darüber hinaus widmet sich die Arbeit der Frage, welche Schlüsse aus der Historie und der Theorie bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Finanzplatzes Berlin abgeleitet werden können. Die Arbeit verfolgt auch den Ansatz, unterschiedlichen Methodiken der Geschichtswissenschaften und der Wirtschaftswissenschaften interdisziplinär zu verwenden. Mit der expliziten Verwendung verschiedener Theorien soll gezeigt werden, daß es auf eine gegenseitige Beeinflussung und Durchdringung ankommt, daß es eine „innere Verknüpfung zwischen lokalen Erscheinungen und globalen Zusammenhängen“ gibt.15 Darüber hinaus bietet der Einsatz theoretischer Konzepte die Möglichkeit, das empirische Material wesentlich klarer zu strukturieren.16 Gegenwärtig haben die Wirtschaftswissenschaftler, so kritisierte KOCKA 1999, die Wirtschaftsgeschichte noch nicht wieder entdeckt, und die Allgemeinhistoriker haben viel von ihrem früheren Interesse an der Wirtschaftsgeschichte verloren.17 Selbst wenn in den letzten Jahren eine gewisse Zunahme an verschiedenen wirtschafts- und insbesondere bankhistorischen Abhandlungen zu beobachten ist, so sind das Bedauern und 15

Le Goff (1994), S. 52. Zu den Vorteilen der Offenlegung theoretischer Prämissen in der bankhistorischen Forschung vgl. Hertner (1997), S. 1ff. 17 Kocka (1999), S. 28. 16

Einleitung

5

die Forderung KINDLEBERGERs aus dem Jahr 1974 nach wie vor aktuell.18 Die vorliegende Arbeit fühlt sich daher auch der Tradition der regionalen Finanzplatzforschung verpflichtet, um die Angemessenheit und Wichtigkeit dieses Forschungszweiges zu verdeutlichen. Im Anschluß an die Einleitung wird im zweiten Kapitel die theoretische Basis für die spätere Fundierung der Historie erarbeitet. Ausgehend von der Begriffsbestimmung soll die Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen in ihrer zeitlichen, räumlichen und sachlichen Dimension erfaßt werden. Die Erfassung der zeitlichen Dimension erfolgt mit Hilfe der Marktphasentheorie, die in Analogie zur allgemein-geschichtlichen Phaseneinteilung gesetzt wird. Um die räumliche Dimension eines Finanzplatzes zu erfassen, soll einerseits auf die Verteilung der wirtschaftlichen Aktivität am Standort des Finanzplatzes selbst eingegangen, andererseits die Verteilung der Finanzplätze im wirtschaftsgeografischen Raum untersucht werden. Besonderes Augenmerk wird dabei der Darstellung des Finanzplatzes als Teil der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale gewidmet. An die Diskussion zur Entwicklung von Finanzplätzen in ihrer Zeit- und Raumperspektive schließt sich die Erörterung der sachlichen Dimension an. Verschiedene Anforderungsprofile und Wachstumsfaktoren werden einander gegenübergestellt. Des weiteren wird vor dem Hintergrund der Theorie des nationalen Wettbewerbsvorteils ein systemisches Anforderungsprofil diskutiert, das es ermöglicht, einzelne Wachstumsfaktoren und Anforderungsparameter in ihrer reflexiven Beeinflussung darzustellen. Das dritte Kapitel ist der Untersuchung der Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin gewidmet. Aufbauend auf die im zweiten Kapitel erarbeitete Phaseneinteilung werden die einzelnen Epochen mit Hilfe des systemischen Anforderungsprofils in ihrer Entwicklung analysiert. Im Hinblick auf die zeitliche Dimension liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit in der Betrachtung der Entwicklung seit Ende des Zweiten Weltkrieges, da durch WEBER die Zeitspanne von 1840 bis 1945 bereits dargestellt wurde. Um aber Aufstieg und Fall des Berliner Finanzplatzes sowie seine aktuelle Entwicklung in seiner historischen Gesamtheit erfassen zu können, kann hier nicht auf die Darstellung seiner Anfangsjahre und seiner Hochzeit verzichtet werden. Weil die Geschichte des Bankplatzes Berlin untrennbar mit der Entwicklung des deutschen Bankwesens im allgemeinen und der Entwicklung einzelner Banken im beson18

Vgl. Kindleberger (1974), S. 2 sowie Kapitel I, Abschnitt 1 dieser Arbeit.

Kapitel I

6

deren verbunden ist, fokussiert die Arbeit des weiteren auf die Analyse einzelner Berliner Banken und Institutsgruppen. Hauptsächliches Anliegen der Arbeit ist es hier, detaillierte institutsspezifische Faktoren der in Berlin ansässigen, teilweise auch der ortsfremden Banken im zeitlichen, raumtheoretischen und sachlichen Zusammenhang zu präsentieren. Von besonderer Relevanz ist dabei die Darstellung des Wiederansiedlungsprozesses der Banken in Berlin nach Beendigung der vier Jahre andauernden Ruhensanweisung durch die Alliierten. Des weiteren erscheint es analog dazu geboten, auch den Zuzugsprozeß nach der deutschen Wiedervereinigung zu untersuchen. Dazu ist es notwendig, vorhandene Sekundärliteratur auszuwerten sowie aktuelle Daten zu erfassen. Hierbei ist zu erwarten, daß aufgrund der Standardisierung des statistischen Materials sowie der Vernichtung alternativer Quellen eine vollständige Darstellung kaum mehr möglich ist. Im vierten Kapitel wird der Frage nachgegangen, welche Schlüsse aus der historischen und der theoretischen Betrachtung des Finanzplatzes Berlin für seine zukünftige Entwicklung gewonnen werden können. Anfang der 1990er Jahre herrschten diesbezüglich große Hoffnungen, daß Berlin wieder ein Finanzplatz mit überregionaler Ausstrahlung und mit zahlreichen Beziehungen in den ost- und mitteleuropäischen Raum werden könne. Zur Untermauerung dieser Thesen wurde immer wieder auf die frühere Bedeutung des Finanzplatzes Berlin verwiesen, ohne daß jedoch bis dahin eine umfassende Regionalplatzforschung betrieben wurde. In Anknüpfung an die Finanzplatzära vor 1945 urteilte auch WEBER 1957: „Erst die Wiedervereinigung Deutschlands und die Wiederbestimmung Berlins zur Hauptstadt kann die Voraussetzung für die erneute Entwicklung zum zentralen Bankplatz Deutschlands schaffen.“19 Wenngleich diese notwendige Bedingung nunmehr erfüllt ist, so scheint sie freilich nicht hinreichend für eine erneute Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz Deutschlands. Vielmehr haben sich auch mehr als 15 Jahre nach der politischen Wende die Erwartungen sowohl hinsichtlich der Entwicklung Berlins als Stadt und Wirtschaftsstandort als auch im Hinblick auf die Finanzplatzentwicklung versachlicht. Einige Banken zogen sich erneut vom Standort Berlin zurück, wie beispielsweise Morgan Stanley und mehrere japanische Banken, was zeitweilige Fehlentwicklungen in Wirtschaft und Politik vermuten läßt. Im vierten Kapitel wird daher belegt, daß Hauptstadtbonus und Regierungsnähe zwar förderlich sind, es aber der Erfüllung weiterer Anforderungen bedarf, bevor sich ein Standort als Finanzplatz etablieren kann. Dazu werden die im zweiten Kapitel vorgestellten theoretischen Dimensionen aufgegriffen und den historischen Abläufen unter dem besonderen Blickwinkel der für den Bankplatz Berlin relevanten Standortfaktoren gegenübergestellt. Auf diese Weise wird 19

Weber (1957), S. 215.

Einleitung

7

aus Sicht der Autorin ein System der Standorterfolgsfaktoren am Finanzplatz Berlin sichtbar. Des weiteren ordnet das vierte Kapitel die relevanten Standortbedingungen den jeweiligen Entwicklungsphasen des Berliner Finanzplatzes zu. Um Redundanzen zu vermeiden, wird deswegen auf separate Fazits innerhalb der chronologischen Abschnitte im dritten Kapitel verzichtet. Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit zusammengefaßt.

8

Kapitel I

Dimensionen eines Finanzplatzes

II.

9

Zur Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen

„Historische Strukturen und Transformationen lassen sich ohne Theorie weder erfassen, noch beschreiben, noch interpretieren.“1 Im nun folgenden Teil der Arbeit wird im Sinne der Strömung der Historischen Sozialwissenschaften2 ein Analysekonzept für das historisch-empirische Kapitel entwickelt, um das Geschehen am Bank- und Börsenstandort Berlin in seinen Strukturen und mit seinen Problemen abbilden zu können. Die systematisch-theoretische Vorgehensweise wird unter Allgemeinhistorikern häufig abgelehnt. Sie werfen den Vertretern der Historischen Sozialwissenschaften vor, sich nicht auf die Detailpraxis der Geschichtsforschung einlassen zu wollen.3 Es soll hier aber nicht um eine Geschichtsschreibung schlechthin gehen, sondern um die vielschichtige Erfassung des „Phänomens Finanzplatz Berlin“. Daher mußte auf eine ausschließlich hermeneutische Betrachtung weitestgehend verzichtet werden, ebenso wie eine auf Primärquellen beruhende Vorgehensweise nicht zielführend sein konnte. Dies scheint hinsichtlich der Beschaffung von Primärquellen auch deshalb berechtigt, weil einerseits Bankarchive oft nicht zugänglich sind und zudem Primärquellen aufgrund der Kriege und geringer Lagerkapazitäten im Zeitverlauf verloren gingen. Andererseits ist es im Hinblick auf die Effizienz der Arbeit auch ausreichend, Sekundärliteratur heranzuziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Auswertung unter einem anderen Blickwinkel erfolgt. Zur Erfassung der zeitlichen, räumlichen und sachlichen Dimension eines Finanzplatzes finden in dieser Arbeit sowohl die Wettbewerbstheorie als auch die Standorttheorie Anwendung, da sie in geeigneter Weise auf die Analyse jener Faktoren abzielen, welche die Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen bestimmen. Sicherlich könnte man noch weitere Theorien zur analytischen Betrachtung heranziehen. Letztlich muß die Theorienauswahl jedoch eingegrenzt werden, um „die Schwächen einer eklektischen Analyse zu vermeiden, die sich in der Vielfalt der Motive zu verlieren droht und die nicht hinlänglich zwischen Motiv und Ursache unterscheidet.“4

1

Le Goff (1994), S. 52. Einen kurzen Abriss über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Historischen Sozialwissenschaften sowie deren Kritiker liefert Kocka (1999), S. 5-29. 3 Vgl. Seiffert (1996), S. 197 sowie S. 238ff. 4 Le Goff (1994), S. 20. 2

Kapitel II

10

1.

Begriffsbestimmung

Der Begriff „Finanzplatz“ beschreibt einen Ort, der eine hohe Konzentration an Finanzdienstleistern aufweist. Er wird häufig mit den Begriffen „Bankplatz“ und „Finanzzentrum“ synonym verwendet. Um die Bedeutung eines Finanzplatzes hervorzuheben, kann der Begriff um Attribute, wie beispielsweise „europäisch“ oder „international“, ergänzt werden. Außerdem wird der Finanzplatzbegriff in Verbindung mit einer Landesbezeichnung verwandt. Beispielsweise wird oft, aber unzutreffender Weise, der „Finanzplatz Deutschland“ mit dem „Finanzplatz Frankfurt“ assoziiert.5 Sachgerechter ist es, bei der Verwendung dieses Ausdruckes auf die gesamten wirtschaftlichen, rechtlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse einzugehen und damit den „Finanzplatz Deutschland“ in der „Gesamtheit des Finanzsektors als das monetäre Element der Infrastruktur der Volkswirtschaft“ zu verstehen.6 In der Literatur findet sich weder eine einheitliche Definition, noch eine Begriffsbestimmung, die hinsichtlich der Unterschiedlichkeiten differenziert. Statt dessen gibt es verschiedene Definitionen, die je nach Untersuchungsziel auf drei wesentliche Merkmale abzielen: Konzentration von Finanzdienstleistern, Vielzahl an durchgeführten Finanztransaktionen sowie Angebots- und Nachfragebedingungen am Ort des Finanzplatzes. Den räumlichen und institutionellen Aspekt heben SCHUSTER und THIESSEN hervor. In ihren standort- und raumtheoretischen Untersuchungen verstehen sie Bankbzw. Finanzplätze als genau abgrenzbare Orte, mit einer stark ausgeprägten Ansammlung von Finanzinstituten.7 Ähnlich äußert sich WEBER, der als Bankplatz jenen Ort versteht, an dem durch Kreditinstitute Bankgeschäfte abgewickelt werden.8 NADLER et al. dagegen beziehen den Begriff vorwiegend auf funktionelle Unterscheidungsmerkmale. Als Finanzplatz beschreiben sie einen Ort, an dem viele Finanztransaktionen unter intensiver Nutzung des Geld- und Kapitalmarktes durchgeführt werden.9 Einen funktionell-ressourcenorientierten Begriffsansatz verfolgen DIETL et al. In ihrer Untersuchung zur Wettbewerbsfähigkeit von Finanzplätzen zeigen sie, daß Finanzplätze Allokations- und Koordinationsfunktionen unter Nutzung und Förderung bestimmter Ressourcen zu erfüllen haben.10 DUFEY/GIDDY konzentrieren sich in ihrer Begriffsbestimmung auf die Anforderungen und Bedingungen. In ihrer Faktoranalyse 5

Vgl. Unterberg/Hellmann (1991), S. 480ff. Vgl. Büschgen (1998), S. 10; von Rosen (1989), S. 7ff. Vgl. Schuster (1986), S. 1144; Thiessen (1988), S. 9; Schuster (1994), S. 168f. 8 Vgl. Weber (1957), S. 4. 9 Vgl. Nadler et al. (1955), S. 283. 10 Vgl. Dietl et al. (1999), S. 19, S. 32. 6 7

Dimensionen eines Finanzplatzes

11

verstehen sie Bank- und Finanzplätze als jene Orte, welche die überzeugendsten Bedingungen hinsichtlich der Abwicklung von Finanzdienstleistungen, der Kommunikation, der geografischen Lage usw. vorweisen können.11 Definitionssicht Räumlich-institutionell

Definitionsinhalt Vertreter Wieviele und welche MarktteilSCHUSTER (1986) nehmer sind am Finanzplatz tätig? THIESSEN (1988)

institutionell-funktionell

Welche Marktteilnehmer sind wie aktiv? Welche Funktionen erfüllt ein Finanzplatz? Welche Produkte werden angeboten ? Welche Funktionen können mit welchen Ressourcen erfüllt werden? Wie erfüllt der Finanzplatz die an ihn gestellten Anforderungen?

funktionell

funktionell-ressourcenorientiert anforderungsorientiert

WEBER (1958) NADLER et al. (1955)

DIETL et al. (1999) DUFEY/ GIDDY (1978)

Tabelle 1: Definitionen zum Finanzplatz- bzw. Bankplatzbegriff

Trotz unterschiedlicher Begriffsfokussierungen stimmen die Definitionen darin überein, daß sie die Tatsache der Konzentration von Finanzdienstleistern an einem Ort entweder als das Definitionsmerkmal schlechthin in den Vordergrund stellen oder es als Voraussetzung für einen Finanzplatz verstehen. Die Vielfalt der Definitionen zeigt die Schwierigkeit, zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Einerseits ist es nur mit einer konzentrierten Ansammlung von Finanzdienstleistern möglich, daß am Finanzplatz bestimmte Funktionen und Anforderungen erfüllt werden können. Andererseits hat die Erfüllung der Funktionen und Anforderungen eine konzentrierte Ansiedlung von Finanzinstitutionen zur Folge. Soll die Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen Gegenstand der Betrachtung sein, so ist auch zu hinterfragen, welche Unternehmen zu den Finanzdienstleistern zählen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat sich das Bank- und Finanzwesen permanent verändert. Leistungsfähige Informationstechnik, schlankere Organisationsstrukturen sowie hochkomplexe Produktinnovationen haben die „Industrialisierung“ des Finanzsektors verursacht, die zur Folge hat, daß sich mehr als je zuvor neben Banken auch andere Unternehmen einer Haupttätigkeit im Finanzdienstleistungsbereich widmen.12 11 12

Vgl. Dufey/Giddy (1978), S. 35. Eine theoretische Analyse struktureller Veränderungen im Bankensektor bietet SEITZ. Vgl. Seitz (1998), S. 167ff. Auf die Dekonstruktion der Wertschöpfungskette in der Finanzwirtschaft geht HEUSKEL ein. Vgl.

12

Kapitel II

Dieser heterogenen Struktur in der Finanzdienstleistungsbranche trägt der Gesetzgeber Rechnung, in dem das Kreditwesengesetz (KWG) eine Differenzierung zwischen Kreditinstituten und Finanzinstituten vornimmt. Während die Finanzinstitute durch Aufzählung definiert werden, gilt ein Unternehmen dann als Kreditinstitut, wenn es bestimmte, im KWG aufgezählte Geschäftsarten betreibt.13 Diese offenen Definitionskataloge können jederzeit vom Gesetzgeber um neue Geschäftsarten und neu entstandene Finanzinstitute erweitert werden.14 Gemeinsames Merkmal von Kredit- und Finanzinstituten ist ihre Funktion als Finanzintermediär in einer Volkswirtschaft. GREENBAUM/THAKOR verstehen unter Finanzintermediären „entities that intermediate between providers and users of financial capital. Financial Intermediaries are typically multi-faceted, and their activities therefore can be understood from a variety of vantage points.“15 Vom Standpunkt einer funktionalen Einteilung her treten die Finanzintermediäre als Gutachter, Finanzauktionator, Händler, Market Maker oder Finanzproduzent in Erscheinung.16 Hinsichtlich einer institutionellen Einteilung können die Finanzintermediäre folgendermaßen segmentiert werden: commercial banking, investment services und insurance business.17 GREENBAUM/THAKOR unterscheiden die Finanzintermediäre auch aufgrund ihrer Fähigkeit zur Hereinnahme von Einlagen in „Depository“ und „Non-Depository“ Financial Intermediaries. Damit differenzieren sie die Finanzdienstleister hinsichtlich ihrer Möglichkeit der Geldschöpfung und heben die Kreditinstitute als Sonderform unter ihnen hervor.18 Außerdem werden die Finanzintermediäre Heuskel (1999), S. 114-131. Eine spezielle Analyse des Wandels der Bank- und Finanzmärkte in den USA auf der Grundlage des Property-Rights-Theorem findet sich bei GONDRING. Vgl. Gondring (1988), S. 261ff. Nach §1(1) KWG ist ein Unternehmen ein Kreditinstitut, wenn es mindestens eine der folgenden Geschäftsarten durchführt: Einlagen-, Kredit-, Diskont-, Effekten-, Depot-, Investment-, Revolving-, Giro-, Garantie- und Bürgschaftsgeschäft. Als Finanzinstitutionen definiert das KWG §1(3) diese Unternehmungen: Beteiligungs-, Factoring-, und Leasinggesellschaften, Kreditkarten- oder Reisescheckunternehmen, Unternehmen, die das Sortengeschäft betreiben, Unternehmen, die mit Wertpapieren auf eigene Rechnung handeln, Unternehmen, die mit Finanzinnovationen auf eigene Rechnung oder im Auftrag von Kunden handeln, Unternehmen, die an Wertpapieremissionen teilnehmen oder damit verbundene Dienstleistungen erbringen, Mergers & Aquisitions-Unternehmen, Vermittler von Darlehen zwischen Kreditinstituten (Geldmakler) sowie Vermögensverwaltungsgesellschaften. 14 Zu deren Entstehungsgründen vgl. Zimmermann (1996), S. 113ff. 15 Greenbaum/Thakor (1995), S. 49. 16 Einen Überblick über die in der Literatur umstrittene funktionale Einteilung gibt ZIMMERMANN. Vgl. Zimmermann (1996), S. 14-17 und die dort aufgeführte Literatur. 17 Vgl. Koguchi (1993), S. 8f. 18 Vgl. Greenbaum/Thakor (1995), S. 59-84. Zur Sonderstellung der Kreditinstitute aufgrund der ihnen vorbehaltenen Möglichkeit der Geldschöpfung vgl. auch Szagunn/Wohlschieß (1991), S. 158. Darüber hinaus sieht ZIMMERMANN auch bei den In-House-Banken Möglichkeiten der Geldschöpfung. Vgl. Zimmermann (1996), S. 113ff. 13

Dimensionen eines Finanzplatzes

13

hinsichtlich ihres direkten Umgangs mit Geld in Monetary Financial Institutions (MFI) und Non-Monetary Financial Institutions (Non-MFI) unterschieden. Die MFI bieten die direkt mit Geld und Kapital im Zusammenhang stehenden Finanzdienstleistungen an. Dagegen erbringen die Non-MFI finanzielle Serviceleistungen, die außerhalb des klassischen Bankensystems liegen.19 Während die grundsätzlichen Aufgaben von Finanzintermediären im Zeitverlauf konstant geblieben sind,20 haben sich Zahl und Vielfalt der Anbieter dieser Dienstleistungen erhöht. In dem Maße wie sich neben Banken auch andere Unternehmen mit Finanzintermediärfunktionen entwickelten, reichte der Begriff des Bankplatzes nicht mehr aus, um die Bedeutung eines Ortes, der eine Ansammlung von Finanzdienstleistern aufweist, umfassend zu beschreiben. Es etablierte sich der wissenschaftliche Begriff des Finanzplatzes, weshalb man die Kategorie des Bankplatzes als historische Kategorie erklären kann. Dem Untersuchungsziel entsprechend, prägende Marktteilnehmer des Finanzplatzes Berlin und Gründe ihrer konzentrierten Ansiedlung darzustellen, werden in Anlehnung an SCHUSTER/THIESSEN/WEBER21 nachstehende Definitionen verwandt, die den Konzentrationsaspekt hervorheben. In diesem Sinne ist ein Finanzplatz ein Ort, an dem Majoritäten von Finanzintermediären mit regionalen oder überregionalen Entscheidungsfunktionen domizilieren und Finanztransaktionen durchführen. Als Bankplatz wird im folgenden ein Ort verstanden, an dem eine Vielzahl von Banken mit regionalen oder überregionalen Entscheidungsfunktionen ansässig ist und Finanztransaktionen durchführt. Das Begriffspaar Bankplatz/Finanzplatz weist folgende Gemeinsamkeiten auf: - Konzentration von Finanzdienstleistungsakteuren, - Lokalisierung von zentralen oder regionalen Entscheidungsfunktionen - Abwicklung von Finanztransaktionen. Die Berücksichtigung von umfangreichen Entscheidungsfunktionen ist bedeutend, da nur in den Zentralen bzw. Regionalzentralen Entscheidungsträger ansässig sind, die durch die Umsetzung der Unternehmensstrategie und die Durchführung der Geschäftstransaktionen die Entwicklung des Bankplatzes prägen. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der Begriffe liegt in der Gruppe der zu betrachtenden Marktteilnehmer. Banken sind ein Teil der Finanzintermediäre. Grundsätzlich ist daher jeder Finanzplatz auch ein Bankplatz. 19

Die Einführung dieser Begriffe erfolgte 1999 im Zusammenhang mit der Harmonisierung der Bankenstatistik im Euro-Währungsgebiet. Vgl. Deutsche Bundesbank (1999), S. 18ff. 20 Dazu zählen Losgrößen, Fristen- und Risikotransformation sowie Informations- und Vermittlungsleistungen. 21 Vgl. Schuster (1986), S. 1144; Thiessen (1988), S. 9; Weber (1957), S. 4.

14

Kapitel II

In historischer Perspektive sind Banken22 und Börsen die ältesten und bedeutendsten Marktteilnehmer eines Finanzplatzes. Darüber hinaus kommt den Banken aufgrund ihrer Fähigkeit der Geldschöpfung unter den Finanzintermediären eine besondere Stellung zu. In der Auswahl der zu untersuchenden Finanzintermediäre, die die Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin beeinflußt haben, konzentriert sich die Arbeit deswegen auf die Darstellung der Banken in Berlin und der Berliner Wertpapierbörse.

2.

Entwicklungsphasen eines Finanzplatzes

Zur Analyse der zeitlichen Dimension der Finanzplatzentwicklung werden im folgenden die Marktphasentheorie von HEUSS23 und die Phaseneinteilung historischer Prozesse nach KENNEDY24 herangezogen. Beide Konzepte stellen Entwicklungsreihen dar, die auf die chronologische Entwicklung von Finanzplätzen übertragen werden können. Gegenstand der Marktphasentheorie von HEUSS, die als Hauptbestandteil der Wettbewerbstheorie gilt25, ist die Analyse der zeitlichen Entwicklung von Märkten und des in den einzelnen Phasen stattfindenden Wettbewerbs. Wettbewerb wird hier als dynamischer Prozeß erkannt, der in den jeweiligen Marktphasen maßgeblich von unterschiedlichen Unternehmertypen beeinflußt wird.26 HEUSS teilt die Marktentwicklung in vier Phasen ein. In der Experimentierphase wird ein neues Produkt entdeckt bzw. kreiert und dem Markt zur Verfügung gestellt. In der Expansionsphase wird Nachfrage in der Breite geweckt. Aufgrund von Lernkurveneffekten in der Produktion und einer steigenden Nachfrage werden Kostenersparnisse erzielt, die zu Preissenkungen führen, wodurch weitere Nachfrage stimuliert wird. In der Ausreifungsphase treten erste Sättigungstendenzen ein. Die Wachstumsraten sind signifikant kleiner als in der Expansionsphase. Sie werden jetzt aufgrund von Qualitätsverbesserungen im Detail des Produktes erreicht. In der Stagnations- und Rückbildungsphase werden negative Wachs-

22

Die Begriffe Bank und Kreditinstitut werden im folgenden synonym gebraucht. Vgl. Heuss (1965): Allgemeine Markttheorie. Vgl. Kennedy (2000). 25 Vgl. Hoppmann (1966), S. 369ff.; Kaufer (1967), S. 95ff. 26 Die Einführung der Unternehmerpersönlichkeit in die Wettbewerbstheorie geht auf SCHUMPETER zurück. Vgl. Schumpeter (1997), S. 111-139; S. 339-348. 23 24

Dimensionen eines Finanzplatzes

15

tumsraten erzielt. Inzwischen sind neue Industrien mit neuen Produkten entstanden, die die alten Produkte ablösen und für sich einen neuen Marktlebenszyklus beginnen.27 Parallel zu den Marktphasen entwickelte HEUSS eine Unternehmertypologie28, um den in den einzelnen Phasen bestehenden Wettbewerb in seinem Prozeßcharakter besser erklären zu können. Er differenzierte in den initiativen und den konservativen Unternehmer mit den jeweiligen Subkategorien des Pionier- und des spontan imitierenden Unternehmers sowie des unter Druck reagierenden und des immobilen Unternehmers.29 Im Zusammenhang mit dem Verhalten der Unternehmer weist HEUSS auf die Fähigkeit der Unternehmer hin, bei sich ständig wiederholenden Prozessen auf eine Erfahrungskurve zurückgreifen zu können und aus den gemachten Erfahrungen lernen zu können. Im Fall mutativ ablaufender Prozesse kann nicht auf eine Erfahrungskurve zurückgegriffen werden. Da hier ein Novum bzw. ein unvorhergesehenes Ereignis stattfindet, bestehen keinerlei Erfahrungen, um dieses Novum zu beherrschen. Vielmehr beginnt der Erfahrungsprozeß mit Eintritt des Novums neu.30 Der Lern- und Erfahrungsprozeß geht mit abnehmenden Zuwachsraten einher. Aus diesem Grund verändern die Marktteilnehmer ihr anfänglich stark ausgeprägtes polypolistisches Wettbewerbsverhalten zugunsten eines oligopolistischen Verhaltens.31 Da die iterativen Prozesse in der Realität häufiger auftreten als die mutativen, vollzieht sich die Wandlung vom polypolistischen zum oligopolistischen Wettbewerbsverhalten demnach ebenfalls häufiger. Das bedeutet, daß es eine Tendenz zur Oligopolbildung bzw. zur Kartellierung gibt. Die Marktphasentheorie kann einen hohen empirischen Gehalt beanspruchen. Dennoch unterliegt die Entwicklung von Märkten keinem Zwangscharakter.32 Aus logischen Gründen liegt die Experimentierphase bei allen Produkten vor. Die Expansionsphase beginnt hingegen entweder gar nicht oder bricht, bevor es zur eigentlichen Marktdurchdringung kommt, ab. Einige Märkte entwickeln sich auch nur bis zur

27

Vgl. Heuss (1965). Heuss greift in seiner Theorie die Gedanken von Young und Abramovitz auf, die sich bereits in den 1920/30er Jahren mit der zeitlichen Entwicklung von Märkten beschäftigten. Darüber hinaus weist die Marktphasentheorie starke Ähnlichkeiten mit dem Produktlebenszyklus auf. Vgl. Vernon (1966), S. 190ff. Eine Übersicht über die herrschende Kritik der Marktphasentheorie bietet Mantzavinos (1994), S. 91-95. 28 Auf die Gestalt des Unternehmers als Grundphänomen der wirtschaftlichen Entwicklung ging erstmalig SCHUMPETER ein. Vgl. Schumpeter (1997), S. 111-139; S. 339-348. 29 Vgl. Heuss (1965), Kapitel 4 und 5. Zur Unternehmertypologie vgl. auch Fehl (1987), S. 25ff. 30 Vgl. Heuss (1965), S. 231. 31 Vgl. Heuss (1965), S. 219ff. 32 Vgl. Mantzavinos (1994), S. 92.

16

Kapitel II

Ausreifungsphase. Die Konstanz ihrer Nachfrage bzw. der Nachfrageelastizität bedingt, daß sie nicht in die letzte Phase der Marktentwicklung eintreten.33 Durch die Einführung der Zeitvariable in die Marktanalyse hat HEUSS als erster erkannt, daß jeder Markt seine eigene Geschichte hat. Auch Finanzplätze weisen ihre eigene Geschichte auf. Als konzentrierte Standorte der Finanzdienstleistungsbranche stehen die Finanzplätze untereinander im Wettbewerb und können als sich im Zeitverlauf ändernde Märkte verstanden werden. Deshalb erscheint es sinnvoll, die Genese von Finanzplätzen zeitkritisch mit Hilfe der Marktphasentheorie zu erfassen.34 Zunächst wird von einigen „Pionier-Unternehmen“ der Branche ein Standort als potentieller Finanzplatz entdeckt. In der Expansionsphase siedeln sich weitere Unternehmen dort an. Es wiederholt sich ein permanenter Ansiedlungsprozeß von immer neuen Finanzdienstleistern. Dabei bauen die neu hinzukommenden Marktteilnehmer auf der Standortentscheidung der bereits ansässigen Marktteilnehmer auf. Die Attraktivität des Finanzplatzes gewinnt durch diesen Zuzug, so daß sich in der Ausreifungsphase weitere Finanzdienstleister ansiedeln, da es für sie nunmehr schädlich ist, nicht am Finanzplatz vertreten zu sein. Die Konzentration der Branche am Finanzplatz ist in dieser Phase am höchsten. Eine Stagnations- und Rückbildungsphase im Finanzplatzlebenszyklus schließt sich der Ausreifungsphase an, ist aber nicht zwangsläufig. Werden die Standortvorteile aufrechterhalten und ausgebaut, kann der Finanzplatz sein Profil permanent verbessern. Durch die Standortpersistenz der Unternehmen gewinnt die Ausreifungsphase an Stabilität. Zur Rückbildung von Finanzplätzen kommt es, wenn inzwischen neue Finanzplätze entstanden sind, die eine höhere Attraktivität auf die Branche ausüben, so daß die Finanzdienstleister trotz Wechselkosten den alten Finanzplatz aufgeben bzw. ihn nicht mehr in der gleichen Qualität und Quantität innerhalb ihrer Organisationsstruktur aufrechterhalten. Des weiteren kann der Finanzplatz in eine Rückbildungsphase eintreten, wenn mutative Prozesse eine Verschlechterung seiner Attraktivität hervorrufen. Aufgrund der abnehmenden Zuwachsraten der Erfahrungskurve und der daraus resultierenden Tendenz der Märkte, sich von der Marktform des Polypols zum Oligopol zu entwickeln, besteht auch bei der Entwicklung von Finanzplätzen eine Tendenz zur Entwicklung von konzentrierten Standortmustern überhaupt und zur Herausbildung 33

Zum Beispiel gehören Nägel oder französischer Cognac zu jenen Produkten, deren Markt nicht in die Rückbildungsphase eintritt. 34 Das Verhalten von Unternehmen in industriellen Märkten und die Wandlung des Marktprozesses während der Entwicklung eines Marktes hat nach HEUSS u.a. auch KAUFER aufgegriffen. Vgl. Kaufer (1980), S. 145284.

Dimensionen eines Finanzplatzes

17

eines höherrangigen Finanzplatzes aus einer Menge gleichrangiger. Da in der Standortentwicklung mutative Prozesse ebenfalls seltener auftreten als iterative, erklärt dies die Standortpersistenz von Unternehmen. Die erklärende Ursache für den Verlauf der Finanzplatzentwicklung aus der Zeitperspektive ist somit der Lernprozeß der Unternehmer. Eine vergleichbare Darstellung der zeitlichen Dimension in historischen Prozessen erfolgt häufig mittels folgender Phaseneinteilung: Aufstieg, Blüte, Verfall.35 Etwas differenzierter geht KENNEDY in seiner historische Analyse vom Aufstieg und Fall der Großen Mächte vor.36 KENNEDY teilt deren historische Entwicklung in vier Phasen ein, die Ähnlichkeit mit der Einteilung der Marktphasen nach HEUSS aufweisen: Aufstieg, Überdehnung, Erschöpfung und Abstieg. Werden bestimmte Bedingungen erfüllt, sieht KENNEDY auch die Möglichkeit einer Renaissance.37 Unter Historikern ist dieses metaphorische Schema umstritten. Von seinen Kritikern wird der Vorwurf erhoben, der diesem Entwicklungsschema unterstellte Entwicklungsbegriff sei zu organologisch und zu biologisch.38 Doch gerade der Vergleich mit biologischen Systemen bzw. Abläufen zeigt die Endlichkeit von Prozessen auch in der unbelebten Materie. Insofern ist es auch berechtigt, von einem Marktlebens- bzw. Finanzplatzlebenszyklus zu sprechen. Marktphasentheorie nach HEUSS 1. Experimentierphase 2. Expansionsphase 3. Ausreifungsphase 4. Stagnations- und Rückbildungsphase

historischer Rhythmus nach KENNEDY 1. Aufstieg 2. Überdehnung 3. Erschöpfung 4. Abstieg

Entwicklungsphasen des Finanzplatzes Berlin 1. Anfänge 1640-1806 2. Aufstieg 1806-1871 3. Expansion 1871-1914 4. Erschöpfung 1914-1945 5. Rückbildung/Abstieg 1945-1990

5. Renaissance

6. Mögliche Renaissance

1990

Tabelle 2: Gegenüberstellung der Entwicklungsreihen

Für die Erfassung der zeitlichen Dimension der Entwicklung des Finanzplatzes Berlin wird eine phasenbezogene Einteilung gewählt, die in Analogie zu den aufgezeigten 35

Zur Problematik dieses oft als „historisches Gesetz“ betrachteten Ablaufschemas äußert sich SEIFFERT, der dem Aufstellen von Gesetzen als wiederkehrende Abläufe kritisch gegenüber steht. Vgl. Seiffert (1996), S. 172-184. 36 In dieser Untersuchung deckt KENNEDY den Zusammenhang zwischen ökonomischer und militärischer Stärke der politischen Mächte in Europa und Übersee auf. 37 Vgl. Kennedy (2000), S. 11-25. 38 Vgl. Faber/Geiss (1996), S. 116.

18

Kapitel II

Entwicklungskonzepten steht. Um den Zeitabschnitt des Aufstiegs besser darstellen zu können, wird im Rahmen der vorliegenden Untersuchung eine Anfangsphase in die historische Chronologie eingefügt. Die Periodisierung des Lebenszyklus’ des Finanzplatzes Berlin orientiert sich an politischen und wirtschaftlichen Ereignissen, die als Mutationen zu begreifen sind. Sie markieren Wendepunkte in der Geschichte des Finanzplatzes Berlin, die eine neue Entwicklungsphase einleiteten.39 An diesen Punkten mußten sich die Marktteilnehmer des Finanzplatzes mit einer neuartigen Standortsituation auseinandersetzen und entsprechend reagieren.40 Darüber hinaus ist die hier gewählte Zeitreihe sowohl für politische als auch für wirtschaftliche Darstellungen im Rahmen der deutschen Geschichte allgemein akzeptiert.41 Deswegen erscheint es sinnvoll, die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin in diesen Zeitintervallen zu betrachten.

3.

Die räumliche Dimension eines Finanzplatzes

Die Betrachtung der Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen aus der räumlichen Perspektive geht der Frage nach, wo Finanzplätze entstehen. Damit richtet sich der Fokus auf Standorte, die sich zu Finanzplätzen entwickelt haben. Darüber hinaus ist zu klären, warum es Finanzplätze mit unterschiedlicher Bedeutung gibt. Mit Hilfe der Standorttheorie kann diskutiert werden, welche Gründe für Finanzdienstleister ausschlaggebend sind, sich an einem bestimmten Ort anzusiedeln. Es kann analysiert werden, warum sich Orte zu einem Finanzplatz entwickeln, d.h. zu einem Standortgefüge, an dem eine Vielzahl von Finanzdienstleistern ansässig ist, und dabei zu unterschiedlicher Bedeutung gelangen.

3.1

Die Raumstruktur am Finanzplatz

Der Raumbegriff wird in vielfacher Weise betrachtet.42 In der Standorttheorie geht es in dem Zusammenhang um die Frage, wie sich wirtschaftliche Aktivität im Raum verteilt und welche Standortmuster dabei ausgebildet werden. Zwei Standortmuster wer39

Zu Wendepunkten in der Geschichte Deutschlands u.a. vgl. Stern (1991). Ebenfalls mit Wendepunkten bzw. Schocks in der deutschen Geschichte befaßt sich LEHMBRUCH. Er bezeichnet die Ereignisse in den Jahren 1849, 1867/1871, 1919, 1945-1949 als „institutionelle Weichenstellungen“. Vgl. Lehmbruch (2002), S. 4f. 40 Zu Inhalt und Auswirkung der Ereignisse in den einzelnen Phasen vgl. Kapitel III dieser Arbeit. 41 Die hier angewendete Periodisierung findet sich u.a. in folgenden Arbeiten wieder. Teilweise untergliedern die Autoren die Phasen je nach Betrachtungsgegenstand noch stärker. Vgl. Hardach (1976); Borchardt (1985); Pohl (1992); Hoffmann (1996); Kirchgässner (1979). 42 Zur Entwicklung des Raumbegriffes in der Wissenschaft vgl. Niegsch (1999), S. 27-53.

Dimensionen eines Finanzplatzes

19

den unterschieden: es können sich disperse oder konzentrierte Verteilungen wirtschaftlicher Aktivität im Raum ergeben.43 Grundsätzlich ist es den Wirtschaftssubjekten immanent, in räumlichen Clustern aufzutreten. Die Finanzdienstleistungsbranche zählt zu jenen Branchen, deren Tendenz zu räumlicher Konzentration besonders groß ist. Die Spezifität der wirtschaftlichen Tätigkeit selbst kann damit als Ursache für die Ausbildung einer konzentrierten Raumstruktur gesehen werden.44 Als weiterer Erklärungsfaktor für das konzentrierte Standortverhalten und damit für die Entstehung von Finanzplätzen werden regelmäßig Agglomerationseffekte herangezogen.45 Agglomerationseffekte wurden erstmalig von WEBER für die räumliche Konzentration von Industriebetrieben beschrieben.46 Die Übertragbarkeit des Konzepts auf die Dienstleistungsbranche wurde wegen der Immaterialität und der Nichtlagerfähigkeit ihrer Produkte in Frage gestellt.47 Doch gerade die Spezifität der Dienstleistungen, insbesondere der Finanzdienstleistungen, die in der Abstraktheit, der Erklärungsbedürftigkeit und der leichten Imitierbarkeit der Produkte besteht48, rufen Unsicherheiten im Produktions- und Absatzprozeß hervor, die durch agglomerative Tendenzen am Standort reduziert werden. Agglomerationseffekte ergeben sich aus Interdependenzen zwischen Standortentscheidungen von Unternehmen sowie privaten und öffentlichen Haushalten und reduzieren die Unsicherheit, die Standortentscheidungen per se innewohnt. Die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegebene räumliche Verteilung von Aktivitäten beeinflußt die Standortbedingungen für neu hinzukommende wirtschaftliche Aktivitäten.49 Sie resultieren aus grundlegenden Interaktionseffekten zwischen Kosten, Produktionsvolumina und Nachfrage, die zu externen Ersparnissen führen. „Jeder Faktor beeinflußt den anderen in einem ungebrochenen Kreislauf von Ursache und Wirkung.“50 Agglomerationseffekte zeichnen sich demnach dadurch aus, daß sie das wirtschaftliche Ergebnis eines Akteurs beeinflussen und zeitgleich von anderen Wirtschaftssubjekten kontrolliert werden.51 43

Vgl. Maier/Tödtling (1995), S. 104ff. Des weiteren bilden die quartären Dienstleistungen, die öffentlichen und sozialen Dienste sowie die Branchen Forschung und Kultur am stärksten konzentrierte Standortmuster aus. Vgl. Maier/Tödtling (1995), S. 105 und die dort angegebene Literatur. 45 Vgl. Beyerle (1998), S. 48ff. 46 Vgl. Weber (1909), Kapitel 5, S. 144-183. Vor Weber fanden die sich aufgrund konzentrierter Standortmuster ergebenden Standortvorteile kaum Beachtung. Lediglich Wilhelm ROSCHER beschrieb diese Vorteile in seiner Arbeit zu Naturgesetzen, aus denen zweckmäßige Standorte für die Industrie abgleitet werden können im Jahr 1865. 47 Vgl. dazu ausführlich Staudacher (1991). 48 Zu den spezifischen Eigenschaften der Bankleistungen vgl. Süchting (1992), S. 421f. 49 Vgl. Maier/Tödtling (1995), S. 108. 50 Dicken/Lloyd (1999), S. 177. 51 Vgl. Gravelle/Rees (1981), S. 509. 44

20

Kapitel II

Agglomerationseffekte können in Lokalisations- und Urbanisationseffekte unterschieden werden, die in Abhängigkeit vom Grad ihrer Ausprägung positive oder negative Wirkungen zeigen. An dem theoretischen Punkt, wo die durch die Agglomeration hervorgerufenen Grenzkosten die Grenznutzen übersteigen, ist die Agglomeration nicht mehr in der Lage, ihre Effizienz zu erhalten. Die Agglomerationseffekte wirken dann deglomerativ.52 Die Grenzen zwischen positiven und negativen Effekten sind ebenso fließend wie die Übergänge zwischen Lokalisations- und Urbanisationseffekten. positiv

negativ

Lokalisationseffekte - Spezialisierung von - Infrastruktur, - Arbeitskräfteangebot, - Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen - Face-to-Face - Kontakte innerhalb der Branche (Fühlungsvorteile) - Möglichkeit der Durchsetzung von Brancheninteressen (Lobbyismus) - Nachahmungseffeke - Wissenstransfer - steigende Lohnkosten - steigende Grundstückspreise und Mieten - Zerstörung regionaler und kultureller Besonderheiten

Urbanisationseffekte - Größe des Absatzmarktes - Größe des Marktes an qualifizierten Arbeitskräften - Möglichkeit des direkten wirtschaftlichen und sozialen Kontaktes zu anderen Unternehmen und Entscheidungsträgern - Verkehrsinfrastruktur - Verfügbarkeit eines vielfältigen Angebotes an Kultur-, Freizeit- und Konsumeinrichtungen - Luftverschmutzung - Verkehrsstau - höhere Bodenpreise - höhere Faktorkosten - administrative Überlastung

Tabelle 3: Systematisierung der Agglomerationseffekte Quelle: nach MAIER/TÖDTLING (1995), S. 111ff.

Lokalisationseffekte wirken zwischen Unternehmen derselben Branche. Ihr Wirken geht mit einer Spezialisierung der für diese Unternehmen relevanten Umfeldbedingungen (Zulieferer, Rechtsberatung, Arbeitskräfte etc.) einher. Die auch als Branchenvorteile bezeichneten Effekte spiegeln externe Ersparnisse wider, die aufgrund des höheren Outputs der Branche den einzelnen Unternehmungen der Branche zufallen.53 Lokalisationsvorteile zeichnen sich dadurch aus, daß sie internalisiert werden können. Für Unternehmen, die mit anderen über Lokalisationsvorteile verbunden sind, existiert ein Anreiz, diese zu erwerben. Auf diese Weise gelingt ihnen die Umwandlung der externen Lokalisationsvorteile in unternehmensinterne Skalenvorteile. Im Gegensatz

52

Zu Faktoren und Merkmale der Agglomerationseffekte vgl. Stahl (1995), S. 3ff.; Schätzl (1996), S. 112ff.; Dicken/Lloyd (1999), S. 175. 53 Vgl. Dicken/Lloyd (1999), S. 172.

Dimensionen eines Finanzplatzes

21

zu den Lokalisationseffekten können nun die Skalenvorteile vom Unternehmen kontrolliert werden.54 Von besonderer Wichtigkeit für die Finanzdienstleister sind realisierbare Lokalisationsvorteile in Form von Fühlungsvorteilen. Die positive Wirkung von Konkurrenzverhältnissen auf die Standortwahl beschrieb SIEPMANN in seiner Standortfaktorenanalyse des Kreditgewerbes als standortbestimmenden Ergänzungsfaktor.55 Da sich die Marktteilnehmer untereinander nicht nur als Wettbewerber gegenüberstehen, sondern oft auch Gesprächs-, Geschäfts- oder Konsortialpartner sind, genießen „Face-to-Face“Kontakte einen hohen Stellenwert. Die Gründung gemeinsamer Unternehmen, die Verabredung von Geschäftsusancen, die Vertretung gemeinsamer Interessen läßt sich trotz modernster Telekommunikationstechnologien einfacher gestalten, wenn durch die Präsenz vor Ort eine direkte persönliche Kommunikation möglich ist.56 Urbanisationseffekte wirken zwischen verschiedenen Wirtschaftssubjekten und verschiedenen Branchen. Sie stellen jene Einflüsse dar, die sich aus dem gesamten Umfeld an wirtschaftlicher Aktivität am Standort auf das Ergebnis eines Wirtschaftssubjektes ergeben.57 Die auch als Verstädterungsvorteile bekannten Effekte spiegeln externe Ersparnisse wider, die allen Unternehmen unabhängig von der Branche aufgrund der großvolumigen Aktivitäten der Agglomeration als Ganzes zufallen.58 Zu den für die Finanzdienstleistungsbranche wesentlichen Standortvorteilen, die sich im Rahmen der Realisierung von Urbanisationseffekten ergeben, zählt ein attraktives ökonomisches Umfeld, d.h. das Vorhandensein einer branchenmäßig gut strukturierten Produktions- und Dienstleistungsindustrie. In seiner Analyse der Standortfaktoren bezeichnete SIEPMANN die Anwesenheit von anderen ökonomischen Aktivitäten als geschäftsstrukturelle und damit standortbestimmende Faktoren, da von ihnen Nachfrage insbesondere nach Aktivprodukten der Bank ausgeht. Des weiteren ergeben sich Urbanisationseffekte aufgrund der Nähe zu Universitäten und Hochschulen, der internationalen und schnellen Erreichbarkeit des Standortes sowie durch Einrichtungen, die urbanes Leben erst ermöglichen wie beispielsweise Theater, Museen, Gastronomie, eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur sowie ein attraktives Wohnumfeld.59 SIEPMANN bezeichnete diese Parameter als produktionswirksame, standortbeeinflussende Faktoren bzw. als institutionelle, standortempfehlende Faktoren.60

54

Vgl. Maier/Tödtling (1995), S. 111f. Vgl. Siepmann (1968), S. 53ff. Vgl. Beyerle (1998), S. 50; LZB Hessen (1997), S. 3. 57 Vgl. Maier/ Tödtling (1995), S. 112. 58 Vgl. Dicken/Lloyd (1999), S. 172. 59 Vgl. LZB Hessen (2000).; Reckers (2000); S. 14. 60 Vgl. Siepmann (1968), S. 22ff. 55 56

22

Kapitel II

Im Hinblick auf die hier vorliegende Untersuchung zur Entwicklung des Finanzplatzes Berlin ist zu erwarten, daß diese Faktoren in den einzelnen Entwicklungsphasen unterschiedlich stark ausgeprägt waren. Sie müssen besonders in der Aufstiegs- und Expansionsphase in starkem Maße attrahierende Wirkung auf die damalige Finanzdienstleistungsbranche gehabt haben. Im Kapitel II, Abschnitt 4 dieser Arbeit finden sich diese Standortvorteile als Wettbewerbsvorteile im Rahmen der diskutierten Anforderungsprofile wieder. Aufgrund der mangelnden Operationalisierbarkeit von Lokalisations- und Urbanisationseffekten ist die Messung ihres Einflusses oder die Festlegung einer Rangfolge zwischen ihnen schwierig. Ihr fließender Übergang läßt dies aber auch irrelevant werden. Lokalisations- und Urbanisationsvorteile sind bei der Herausbildung eines Finanzplatzes gleichermaßen wichtig. Wechselseitig übernehmen sie die Rolle, Ursache oder Wirkung zu sein. Um den Kreislaufprozeß von Lokalisations- und Urbanisationseffekten in Gang zu setzen, bedarf es eines komparativen Standortvorteils, der politischer, wirtschaftlicher, geografischer oder gesellschaftlicher Art sein kann.61 Im weiteren Verlauf der Ansiedlung von Finanzdienstleistern und anderen Wirtschaftssubjekten entwickelt sich die Agglomeration selbst zum Standortvorteil und wirkt als Ganzes attrahierend auf weitere potentielle Marktteilnehmer.62 HARRSCHAR-EHRNBORG stellt im Rahmen der Finanzplatzentstehung mit dem Wissenstransfer und den daraus abzuleitenden steigenden Skalenerträgen sowie mit einem spezialisierten Arbeitsmarkt zwei Lokalisationsvorteile in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Darüber hinaus wird mit der Entwicklung von unterstützenden Branchen ein weiterer Agglomerationsvorteil herausgestellt, der den Urbanisationseffekten zuzuordnen ist.63 Im Gegensatz dazu sieht BEYERLE die räumliche Konzentration von Finanzdienstleistern ausschließlich als eine Folge der Spezialisierungs- und damit der Lokalisationsvorteile, insbesondere wegen der Kommunikationsvorteile und der Nutzungsintensität.64 Die konzentrationsfördernden Effekte, die sich aus der Realisierung von Urbanisationsvorteilen ergeben und außerdem Lokalisationseffekte beeinflussen, werden nicht näher betrachtet. Mit den Tätigkeitsstrukturen, den Informations- und Kommunikationstechnologien, dem Bodenmarkt sowie dem Standortimage diskutiert BEYERLE 61

Vgl. Dicken/Lloyd (1999), S. 168. Vgl. Niegsch (1999), S. 151. Die von HARRSCHAR-EHRNBORG verwendete Differenzierung der Agglomerationseffekte geht auf MARSHAL (1956/1890) zurück. Vgl. Harrschar-Ehrnborg (2002), S. 100-108 und die dort angegebene Literatur. 64 Vgl. Beyerle (1998), S. 50f. 62 63

Dimensionen eines Finanzplatzes

23

weitere Faktoren, um die räumliche Konzentration der Finanzdienstleistungsbranche zu erklären.65 Diese Faktoren beeinflussen direkt oder indirekt die Standortwahl der Finanzdienstleister insbesondere auf der mikro-räumlichen Ebene. Zur Erklärung ihrer räumlichen Konzentration in bezug auf die makro-räumliche Ebene hingegen sind sie nicht geeignet. Vielmehr lassen sich die Auswirkungen dieser Faktoren unter die Agglomerationseffekte subsumieren. So entsteht ein positives Standortimage erst durch die Niederlassung anderer Branchenteilnehmer und Wirtschaftssubjekte. Der Einfluß des Bodenmarktes ist im Zusammenhang mit den Tätigkeitsstrukturen zu sehen. In dem Maße, wie sich die funktionale Differenzierung der Tätigkeiten im Finanzdienstleistungssektor weiterentwickelt, erhöht sich der Einfluß der Boden- und Immobilienpreise auf das Standortverhalten der Finanzdienstleister. Es ist zu beobachten, daß „Routineabteilungen“ bzw. Unternehmenseinheiten mit einer geringen Wertschöpfungsrate in weniger hochpreisige Immobilienlagen, die sich nicht im Agglomerationskern befinden, ausgelagert werden.66 Im Kerngebiet verbleiben primär die dispositiven Tätigkeiten. Die Agglomeration als Ganzes entwickelt Nachteile in Form von steigenden Miet- und Immobilienpreisen, die im Fall des Finanzplatzes nur auf mikro-räumlicher Ebene deglomerativ wirken. Damit bilden sich innerhalb des Finanzplatzes bzw. auf Mikrostandortebene disperse Raumstrukturen aus. Wie sich eine möglicherweise komplette Aufspaltung und Neustrukturierung der Finanzdienstleistungsunternehmen entsprechend ihrer Wertschöpfungskette auf das Standortverhalten und eine räumliche Konzentration der dann neu gebildeten Unternehmen auswirkt, bleibt abzuwarten. Im Faktor Informations- und Kommunikationstechnologie sieht BEYERLE einen weiteren Erklärungsfaktor für die räumliche Konzentration von Finanzdienstleistern, da aufgrund des wachsenden Nachfragedrucks und der Möglichkeit der Reduktion von Transaktionskosten die Ausstattung mit einer leistungsfähigen Informations- und Kommunikationstechnologie zu einem strategisch wichtigen Faktor geworden ist.67 Für die Entstehung eines Finanzplatzes ist das aber weder notwendig noch hinreichend. Gerade aufgrund dieses Faktors ist die Branchenkonzentration längst kein 65

Vgl. Beyerle (1998), S. 48ff. Beispielsweise verlegte die Commerzbank AG 2000/01 Teile des Back-Offices sowie Zentral-RechnerKapazitäten in das Bahnhofsviertel Frankfurts sowie nach Sachsenhausen - ein Vorort Frankfurts. UBS Warburg Dillon Read errichtete 1997/98 seinen neuen Handelsfloor in Connecticut, eine Stunde von New York entfernt. Vgl. auch Mattern et al. (1997), S. 144. Insgesamt weist dieses Verhalten Ähnlichkeiten mit der Industrie auf, die ebenfalls weniger wertschöpfungsintensive Bereiche an die Peripherie des Standortes verlagern. KRUGMAN beschreibt diese Auswirkungen einer Agglomeration mit Hilfe von zentripetalen und zentrifugalen Kräften im Rahmen seines „Central Place Model“ bzw. „Edge City Model“. Vgl. Krugman (1996), S. 88ff. 67 Vgl. Beyerle (1998), S. 58. 66

24

Kapitel II

Selbstläufer mehr. Die Akteure sind mobiler geworden.68 Es scheint, als ob die Globalisierung der Information und die Möglichkeit einer weltweiten standortunabhängigen Erreichbarkeit der Finanzdienstleister die Existenz von Finanzplätzen in Zukunft in Frage stellen werden. SASSEN verneint dies in ihren Studien jedoch. Sie kommt zu der Erkenntnis, daß die Informationstechnologie die Entfernung nicht neutralisiert, sondern zur räumlichen Konzentration beiträgt.69 Dies bestätigen auch deutsche Studien. Demnach wird die Standortentscheidung eines Dienstleistungsunternehmens nur zu 3% vom Faktor Kommunikationstechnik beeinflußt. Dieser beeinflußt jedoch zu 60% die innere Struktur eines Unternehmens.70 Im Zusammenhang mit zunehmenden Bodenpreisen führt die moderne Kommunikationstechnik zur Verlagerung von wertschöpfungsschwachen Tätigkeiten in die Randgebiete des Finanzplatzes, während die zentralen Leitungsfunktionen im Kerngebiet verbleiben. Letztlich kann der Faktor Informationstechnologie den Agglomerationsfaktoren subsumiert werden, dabei insbesondere den Urbanisationsvorteilen. Aufgrund der räumlichen Konzentration von Finanzdienstleistern lassen sich vermehrt Netzbetreiber nieder, so daß eine spezielle Kommunikationsinfrastruktur für Finanzdienstleister entsteht. Die Anbieter quartärer Dienstleistungen folgen der tertiären Dienstleistungsbranche und der Industrie.71

3.2

Der Finanzplatz im räumlich konzentrierten Funktionskomplex

Im vorangegangenen Kapitel wurde das Standortverhalten von Finanzdienstleistern sowohl bei der Entscheidung zugunsten eines bestimmten Standortes als auch am bereits gewählten Standort mit Hilfe der Agglomerationseffekte erörtert. Sie erklären jedoch nicht, wie sich die Verteilung wirtschaftlicher Aktivität von Finanzdienstleistungsunternehmen, insbesondere des dispositiven Faktors, im Gefüge der Siedlungsund Regionalsysteme vollzieht. Eine spezielle Theorie der Entstehung und Verteilung von Finanzplätzen im Raum und ihre unterschiedliche Bedeutung gibt es nicht. Es ist aber zu beobachten, daß sich Finanzplätze immer in Städten befinden, die führend in der Weltwirtschaft sind oder im nationalen Rahmen zu den führenden Städten des Landes gezählt werden können. Diese Städte werden auch als Steuerungszentralen be68

Vgl. Mattern et al. (1997), S. 145. Vgl. Sassen (1994), S. 119. Vgl. Studien der Institute BULWIEN & PARTNER sowie FRAUNHOFER; zitiert nach Beyerle (1998), S. 59. 71 Das entspricht der Feststellung von BRASE, der das Standortverhalten von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften untersuchte. Demnach folgen die WP-Gesellschaften als Anbieter einer quartären Dienstleistung den Finanzdienstleistern und anderen in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Unternehmen an einen Standort. Als Ursache werden auch hier Agglomerationseffekte genannt. Vgl. Brase (1997), insbesondere Kapitel V, S. 119ff. 69 70

Dimensionen eines Finanzplatzes

25

zeichnet. Im folgenden wird daher das Konzept der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale diskutiert. Die zentralen Standorttheorien - Bodennutzungstheorie von THÜNEN (1826), die Standorttheorie von WEBER (1909), die Theorie der Zentralen Orte von CHRISTALLER (1933) können vernachlässigt werden, weil sie - für andere Wirtschaftssektoren entwickelt wurden,72 - von Verflechtungen mit der Außenwelt teilweise abstrahieren,73 - vorrangig Kostenfaktoren berücksichtigen, aber nicht die für die Finanzdienstleistungsbranche essentiellen Face-to-Face-Vorteile, 74 - das konzentrierte Auftreten an einem Ort nicht begründen75 und - den dispositiven Faktor nicht ausreichend berücksichtigen. Das von RITTER geprägte Konzept der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale stellt eine Weiterführung der Zentralen-Orte-Theorie von CHRISTALLER dar, wobei der dispositive Faktor eine stärkere Berücksichtigung findet und die strenge Hierarchie der Verflechtung der zentralen Orte bzw. Steuerungszentralen untereinander aufgehoben wird.76

72

Historisch betrachtet verlief die Entwicklung der Standorttheorien parallel zur Entwicklung der drei Wirtschaftssektoren und ihrer jeweiligen volkswirtschaftlichen Bedeutung. Entsprechend der übergeordneten Bedeutung der Landwirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft entstand mit der Bodennutzungstheorie von THÜNEN zuerst eine Standorttheorie für die Landwirtschaft. Es folgte die Entwicklung einer Standorttheorie für den industriellen Sektor durch WEBER. CHRISTALLER entwickelte die erste Standorttheorie für den noch jungen tertiären Sektor. Eine ausführliche Darstellung sowie Kritik dieser drei zentralen Standorttheorien findet sich bei Niegsch (1999), S. 57-68 hinsichtlich THÜNEN, S. 68-85 hinsichtlich WEBER, S. 85-103 hinsichtlich CHRISTALLER. 73 Im Modell von THÜNEN wird von jeglicher Verflechtung mit der Außenwelt abstrahiert und statt dessen auf die einzelnen Zonen im Ringsystem fokussiert. Bei WEBER werden Verflechtungen teilweise in Form von „Kostendifferenzen“ erfaßt. 74 Sowohl der Ansatz von THÜNEN als auch der von WEBER sind als Ansätze der Neoklassik auf das einzelwirtschaftliche Standortproblem gerichtet. Agglomerationseffekte werden aufgrund der stark kostenorientierten Betrachtungsweise von Standortentscheidungen auf quantifizierbare Größen in Form von Kostenersparnissen reduziert. Auch in der Weiterführung des Ansatzes von WEBER durch THIESSEN, der eine Standorttheorie für internationale Finanzzentren formulierte, bleibt die einseitige Fokussierung auf der Kostenseite bestehen. Auch hier finden externe Effekte bzw. Agglomerationsfaktoren über die Such- und Verhandlungskosten nur indirekte Berücksichtigung. Vgl. Thiessen (1988), S. 10ff. 75 Die Ansätze von THÜNEN und WEBER fokussieren auf die einzelwirtschaftliche Standortentscheidung. Dagegen zeigt der Ansatz von CHRISTALLER, nach welchem ordnenden Prinzip (Hexagonal- oder Verkehrs- bzw. Verwaltungsprinzip) sich Siedlungen von verschiedener Größe regelmäßig im Raum verteilen. Er zeigt aber nicht, wie sich die Entstehung und Entwicklung von einfachen Orten zu komplexen Städten vollzieht. Es werden keine Gründe für die Ballung gleicher Aktivität und die Spezialisierung von Standorten geliefert. Beziehungen zwischen den Unternehmen und Wechselwirkungen zu Standortentscheidungen anderer Marktteilnehmer bleiben unberücksichtigt. 76 Vgl. ausführlich Ritter (1998), S. 177ff.

Kapitel II

26

Steuerungszentralen sind Orte, an denen sich ökonomische Eigentums- und Steuerungsbeziehungen konzentrieren. Sie nehmen sowohl in der Organisation der räumlichen Struktur der Produktion als auch bei der Zirkulation des Kapitals eine Schlüsselrolle ein. Steuerungszentralen finden sich auf globaler, nationaler, regionaler und lokaler Ebene wieder. Mit abnehmender Hierarchiestufe des Zentrums fällt dessen Grad des Einflusses auf das ökonomische Eigentum und auf die Steuerung der Produktion.77 Dies entspricht der Aussage des zentralörtlichen Ansatzes von CHRISTALLER, der zentrale Orte in Orte höchsten, höheren und niederen Ranges differenziert. Aufgrund ihres umfangreicheren Leistungs- und Informationsangebotes dominieren und kontrollieren die ranghöheren die rangniederen zentralen Orte. Die Bedeutung der zentralen Orte hängt demnach von der Vielfalt der durch sie angebotenen Dienstleistungen ab, wobei die Vielfalt durch den Agglomerationszustand des zentralen Ortes und seines Ergänzungsgebietes erreicht wird.78 Auf der Hierarchiestufe der Volkswirtschaft geht es um die Betrachtung der volkswirtschaftlichen Steuerungszentralen. Sie befinden sich auf der höchsten zentralörtlichen Hierarchiestufe des Landes und sind auch zentraler Ort für ihr unmittelbares Umland. Dennoch, und darin besteht der wesentliche Unterschied zur Zentralen-OrteHierarchie, geht ihre wirtschaftsgeografische Reichweite über die zentralörtliche Reichweite hinaus. Die volkswirtschaftliche Steuerungszentrale ist ein Ort, von dem aus „alle übrigen Orte, Subregionen und Einzelwirtschaften vorgefertigte Entscheidungen, Handlungsanweisungen oder Entscheidungsimpulse in Form von Information beziehen, und von wo aus auch eine gewisse Kontrolle der Entwicklung der Subsysteme ausgeht.“79 Dies ist möglich, weil volkswirtschaftliche Steuerungszentralen eine hohe räumliche Konzentration von wichtigen wirtschaftlichen und staatlichen Institutionen aufweisen. Die in einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale lokalisierte Vielfalt an wirtschaftlichen und staatlichen Einrichtungen differenziert RITTER in fünf Teilkomplexe. Die Zentralen von Finanzdienstleistungsunternehmen, die Börse und die Zentralbank gehören zu den Einrichtungen der Steuerung, Planung und Kontrolle der Wirtschaft. Innerhalb einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale nehmen sie eine Spitzenstel-

77

Vgl. Dicken/Lloyd (1998), S. 310f. Vgl. Ritter (1998), S.196. 79 Ritter (1998), S. 179. 78

Dimensionen eines Finanzplatzes

27

lung ein.80 Da sie die institutionelle Vielfalt eines Finanzplatzes verkörpern, ist der nationale Finanzplatz ein Teilkomplex der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale. Teilkomplex 1. Einrichtungen und Organe der Steuerung, Lenkung, Planung und Kontrolle der Wirtschaft

2. hinzutretende Einrichtungen

3. Akzessorische Einrichtungen und Dienste 4. Nachgeordnete Dienste und Industrien 5. Zentrale Dienste und Gewerbe

Zugehörige Institutionen ▪ Spitzeneinrichtungen staatlicher Wirtschaftsinstitutionen: Zentralbanken, Börsen, Wirtschaftsverbände, Konzernzentralen, Großunternehmen. ▪ Zweigabteilungen großer Unternehmen mit Zentralen an anderen Orten. ▪ Beobachtungsposten auswärtiger Unternehmen. ▪ Informationseinrichtungen und Kontrollinstanzen: Prüfungswesen, Schlichtungsinstanzen, Gerichtshöfe, Statistik, Dokumentation, Datenaufbereitung, Informationsbeschaffung und Auskunftswesen, Treuhandwesen, Instanzen des Normenwesens. ▪ Beobachtungsposten ausländischer Wirtschaftspartner: Zweig büros, Kontaktstellen, Agenturen, Informationsbüros, Presse korrespondenten. ▪ Formelle Kontakteinrichtungen zum Ausland: Konsulate, Außenhandelskammer. ▪ Repräsentative Einrichtungen der Wirtschaft: Messen, Ausstellungen, Kongresse. ▪ Kontakt und Hilfseinrichtungen von internationalem Niveau: Flugbüros, Reisedienste, Hotellerie, Export- und Importfirmen, Vertretungen ausländischer Banken und Versicherungen, Presse- und Verlagswesen der Wirtschaft, Vermittlungsdienste aller Art sowie ein qualifiziertes Aus- und Fortbildungswesen für Spitzenpositionen. ▪ Kulturelle Einrichtungen von höchstem Stand. ▪ Angebote des Luxusniveaus bei Konsumgütern, Wohnungsausstattung und Wohngebiete, Gastronomie, Mode. ▪ Technische Hilfseinrichtungen: internationale Flughäfen. ▪ Übersetzungsbüros, ▪ Dolmetscher, ▪ Druckereien, ▪ Sicherheitsdienste, ▪ Innenarchitekte, ▪ Modeärzte etc. ▪ Gewerbe- und Industriemantel der Region. ▪ Einrichtungen des zentralörtlichen Dienstleistungssektors: Ärzte und Rechtsanwälte. ▪ staatliche Behörden mit regionalen Zuständigkeitsbereichen: Wasseramt, Finanzamt.

Tabelle 4: Die 5 Teilkomplexe einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale Quelle: Ritter (1998), S. 179-181

Auch REBITZER weist dem finanziellen Element in institutionalisierter Form als Finanzplatz eine zentrale Stellung zu. In seiner systemtheoretischen Analyse internationaler Steuerungszentralen reduziert er die Komplexität der Weltwirtschaft, die hier 80

Vgl. Ritter (1998), S. 179; Dicken/Lloyd (1999), S. 311.

28

Kapitel II

als höchstrangiges Umsystem zu verstehen ist, in dem die Steuerungszentralen leitende Funktionen wahrnehmen, durch Bildung von vier funktionalen Subsystemen. Das Subsystem, welches sich mit den Geldströmen beschäftigt, bezeichnet REBITZER als „Steuerungssystem der Weltfinanz für das Management der monetären Ströme“.81 Die Entstehung volkswirtschaftlicher Steuerungszentralen und die Entstehung nationaler Finanzplätze sind eng miteinander verbunden. Aus einer Gruppe ursprünglich gleichrangiger Städte bildet sich eine volkswirtschaftliche Steuerungszentrale heraus. Die Begünstigung dieses einen bestimmten Standortes ist anfänglich stark von geografischen und personellen Zufällen geprägt, die dazu führen, daß sich politische und religiöse Steuerungsfunktionen ansiedeln.82 Aufgrund von später einsetzenden und sich selbst verstärkenden Agglomerationseffekten entwickelt der Ort eine endogene Dynamik, die zur Überlegenheit des Ortes über die Bedeutung eines zentralen Ortes höchsten Ranges hinaus zur volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale führt. Die Wechselwirkung zwischen der Steuerungszentrale und ihrer Region aufgrund der bestehenden Verbindungen zwischen den Unternehmenszentralen am Ort der Steuerungszentrale und den nachrangigen Unternehmenseinheiten in der Region bewirkt weiteres Wachstum der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale.83 Darüber hinaus rufen Entscheidungen, die in diesen Zentren getroffen werden, Wachstumsimpulse hervor, die das gesamte Wirtschaftssystem beeinflussen. Der akkumulierte Effekt dieser Entscheidungen besteht darin, daß die Stärke vorhandener Konzentration in der Steuerungszentrale noch weiter erhöht wird.84 Zu einer Verstetigung des Wachstums und der Bedeutung der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale kommt es zusätzlich durch die im reiferen Stadium erfolgende Ansiedlung von ausländischen Unternehmen, die vom Ort der Steuerungszentrale ihre internationalen Netzwerke aufbauen.85 Bei besonders starker Etablierung des ausländischen Elementes in der volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale spricht man von „global cities“, eine spezifische Weiterent-

81

Rebitzer (1995), S. 45. Die anderen funktionalen Subsysteme der Weltwirtschaft sind das Steuerungssystem der Weltproduktion, des Welthandels und der Weltpolitik. Vgl. ebd. In Deutschland und in Mitteleuropa siedelten sich Handel und Gewerbe genau an jenen Orten an, die bereits von den Verwaltungsinstitutionen von Kirche und Gerichtsbarkeit aus zufälligen oder aus strategischen Gründen als Standorte gewählt worden waren. Vgl. dazu Ritter (1998), S. 198. 83 DICKEN/LLOYD setzen das Standorthandeln großer Unternehmen in Beziehung zu Entwicklungen innerhalb des städtischen Systems und zu Entwicklungen zwischen Zentrum und Peripherie. Vgl. Dicken/Lloyd (1999), S. 254. 84 Vgl. ebd. 85 Vgl. Staudacher (1991), S. 214ff.; Staudacher (1993), S. 79. 82

Dimensionen eines Finanzplatzes

29

wicklung der Steuerungszentralen auf weltwirtschaftlicher Ebene.86 Global Cities übernehmen neue Aufgaben als Kommandozentralen der Weltproduktion, der Weltfinanz und des Welthandels. Sie entstehen trotz des technischen Fortschritts. Die mit der zunehmenden Globalisierung der Weltwirtschaft einhergehende großflächige Verteilung ökonomischer Aktivitäten bei gleichzeitiger Integration der Weltwirtschaft trägt ebenfalls zur fortgesetzten Zentralisierung und Konzentration zentraler Steuerungsfunktionen bei.87 Wenn sich aus ursprünglich gleichrangigen Städten eine Stadt zur Steuerungszentrale erhebt, dann folgt daraus, daß sich aus einer Reihe gleichrangiger Finanzplätze, die jeweils Teil der Steuerungszentrale sind, ein Regionalplatz zum zentralen Finanzplatz des Landes entwickelt. KINDLEBERGER bestätigt dies in seiner vergleichenden historisch-ökono-mischen Analyse zur „Formation of Financial Centers“: „The borrowing and lending pattern starts locally and extends to a national center, with perhaps intermediate regionals stops, finally becoming international. Specialization grows in instruments and functions and by hierarchical market. Inflations, depressions, wars, and the like distort or intensify the pattern.“88 Damit stellt KINDLEBERGER auch eine Standortpersistenz von Finanzdienstleistern fest. Es sind vorwiegend außerordentliche konjunkturelle oder politische Ereignisse, die die Unternehmen veranlassen, an einem Standort zu verbleiben oder ihn aufzugeben. Im Sinne der Marktphasentheorie von HEUSS sind es die negativ wirkenden mutativen Ereignisse und Prozesse, die dazu führen, daß ein Standort aufgegeben wird, während ein anderer dadurch profitiert. Die anfänglich zufällige Begünstigung eines Ortes bezüglich seiner Weiterentwicklung zur Steuerungszentrale bzw. zum Finanzplatz führt dazu, daß sich Agglomerationseffekte entfalten. Neben den Kommunikationsvorteilen sind es im Rahmen der Lokalisationsvorteile auch Kostenvorteile, die zur Entwicklung eines zentralen Finanzplatzes im Land beitragen. Ein Zentrum begünstigt das Entstehen von liquiden Märkten. Dadurch können die Finanzdienstleister ihre Aufgabe der Losgrößen-, Risiko- und Fristentransformation wirkungsvoller erfüllen, nationale und internationale Zahlungen effizienter abwickeln und das Humankapital rationeller einsetzen.89 86

Gegenwärtig werden mit New York, London und Tokio drei Städte als Global Cities betrachtet. Zur Ökonomie der Global City vgl. ausführlich Sassen (1991), S. 85-191; Sassen (1994), S. 4, S. 119. 88 Kindleberger (1974), S. 9. 89 Vgl. Kindleberger (1974), S. 6ff. 87

Kapitel II

30

Diese Gründe führen letztlich auch dazu, daß sich aus den nationalen Finanzplätzen ein internationales Finanzzentrum hervorhebt, das alle anderen nationalen Finanzplätze dominiert und kontrolliert. „For money payments there can be no doubt of the efficiency of a central financial market as the apex of a national system, and of a single international market as the apex of national financial centers.“90 Die gegenwärtige Situation ist geprägt durch die drei „Global Cities“, die zugleich die Rolle der Weltfinanzplätze einnehmen: New York, London und Tokio, wobei New York die „Primeposition“ inne hat. Trotz aller Zentralisierungstendenzen ist nicht davon auszugehen, daß es zur Herausbildung eines einzigen Weltfinanzzentrums kommen wird, daß alle Finanzströme auf sich vereint. Hohe Informationskosten, uneinheitliche Arbeitszeiten aufgrund der Zeitzonen, Deglomerationsfaktoren und ein ausgeprägter Patriotismus sprechen gegen ein Finanzplatzmonopol an einem einzigen Standort.91 Das bedeutet, daß es auf globaler, europäischer und nationaler Ebene neben Spitzenfinanzplätzen, die eine Dominanz gegenüber anderen Finanzplätzen der gleichen und nachrangiger Ebenen aufweisen, es immer auch bedeutsame regionale Finanzplätze geben wird.

4.

Entwicklungsbedingungen eines Finanzplatzes

Finanzplätze entstehen nicht aus einem Vakuum heraus - vielmehr bedarf es zu ihrer Entstehung und Entwicklung der Erfüllung bestimmter Anforderungen. Teilweise wurden diese Parameter bereits mit Hilfe der zeitlichen und der räumlichen Dimensionen diskutiert. Es waren die Lernfähigkeit der Unternehmer, Agglomerationsfaktoren und deren Wechselbeziehungen sowie die Verbindungen der Steuerungszentrale zur Region und den übrigen Orten und den daraus resultierenden Wechselwirkungen, aber auch zufällige Ereignisse und Begünstigungen eines Ortes, die wesentlich zur Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen beigetragen haben. Im folgenden Kapitel werden aus der sachlichen Perspektive heraus relevante Anforderungsprofile diskutiert und einander gegenübergestellt. Anschließend werden die Anforderungen als Wachstumsfaktoren in ein systemisches Anforderungsprofil integriert.

90 91

Kindleberger (1974), S. 6. Vgl. Kindleberger (1974), S. 10-11.

Dimensionen eines Finanzplatzes

4.1

31

Relevante Anforderungsprofile

Verschiedene Autoren haben unterschiedlich stark differenzierte Anforderungsprofile diskutiert, die grundsätzliche Übereinstimmungen aufweisen. Unabhängig von der Tiefe der Differenzierung der Anforderungen an Finanzplätze ist festzustellen, daß Finanzplätze komplexe Gebilde sind. Die Aussage, die DE VANY zu Banken macht, ist auch für Finanzplätze zutreffend. Demnach ist eine Bank bzw. in Analogie dazu ein Finanzplatz ein „entity of monstrous complexity: a model reasonably complete in more than a few dimensions would be beyond comprehension. To resolve complexity, there must be several models of the firm, each best in some aspects of its operation.“92 VON ROSEN formulierte in seiner Untersuchung zum Finanzplatz Deutschland drei Anforderungen, die er nicht nur auf einen lokal beschränkten Platz bezieht, sondern auf den gesamten Finanzsektor eines Landes:93 - diversifiziertes und wettbewerbsintensives System von Finanzinstituten, - funktionierende Finanzmärkte, - Rahmenbedingungen, die Größe und Leistungsfähigkeit eines Finanzplatzes positiv beeinflussen. Die Funktionsfähigkeit der Märkte ist dann gegeben, wenn bestimmte quantitative und qualitative Kriterien wie beispielsweise Umsatzvolumen, Anzahl notierter Wertpapiere, Transaktionskosten, Termingeschäftsmöglichkeit etc. den Anforderungen der Marktteilnehmer entsprechen. Im Hinblick auf die Rahmenbedingungen fokussierte VON ROSEN auf das gesamte wirtschaftliche, währungspolitische, ordnungspolitische, aufsichtsrechtliche und steuerliche Umfeld. Darüber hinaus sind Markttechnik und Marktinfrastruktur weitere Bereiche, die die Entstehung und insbesondere die Entwicklung von Finanzplätzen je nach Erfüllungsgrad positiv oder negativ beeinflussen. Je besser die Rahmenbedingungen und je funktionsfähiger die Märkte des Finanzplatzes sind, um so eher werden Finanzinstitute bereit sein, sich dort niederzulassen.94

92

De Vany (1984), S. 605. Vgl. von Rosen (1989), S. 24ff. Zur Abgrenzung der Begriffe Finanzsektor vs. Finanzsystem vgl. Hackethal/Schmidt (2000), S. 3. 94 Vgl. Breuer (1998), S. 145ff. 93

32

Kapitel II

Ein stärker differenzierteres Anforderungsprofil, das ebenfalls auf den gesamten Finanzsektor eines Landes bezogen wird, entwerfen MATTERN et al.95 In dem sie auf einige besonders wesentliche, bei VON ROSEN unter Rahmenbedingungen subsumierte, Teilaspekte fokussieren, erhalten sie ein Anforderungsprofil des idealen Finanzplatzes, das sich aus fünf Parametern zusammensetzt:96 - effiziente Marktorganisation und –infrastruktur, - professionelle Marktteilnehmer, - attraktive Produkte, - zielfördernder regulatorischer Rahmen, - attraktives ökonomisches Umfeld. In das Zentrum ihrer Finanzplatzanforderungen, die sie als Schalenmodell konstruieren, stellen MATTERN et al. die Marktorganisation in ihrer „Summe aus Regulierungen und Usancen, ergänzt durch die Infrastruktur der börslichen und außerbörslichen Finanzmärkte.“97 Der Markt als Zentrum wird umgeben von professionellen Marktteilnehmern, zu denen neben Anbietern von Finanzdienstleistungen auch Nachfrager gehören sowie auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Dienstleister des quartären Sektors. Die Produktpalette umfaßt nach MATTERN et al. ein Portfolio aus originären und derivativen Geld- und Kapitalmarktprodukten sowie zahlreiche Produktinnovationen und Beratungsdienstleistungen. Die äußere Schale des Modells eines idealen Finanzplatzes besteht aus dem regulatorischen Rahmen und dem ökonomischen Umfeld. Dabei subsumieren MATTERN et al. unter Regulationswerk nicht nur aufsichtsrechtliche Bestimmungen für den Finanzdienstleistungssektor, sondern auch Wettbewerbsgesetze, Sozial- und Altersvorsorgegesetze, Steuergesetze sowie ordnungspolitische Maßnahmen seitens des Staates. Zum attraktiven ökonomischen Umfeld zählen sie eine wachstumsstarke Realwirtschaft mit einer stabilen Heimatwährung. Darüber hinaus wird den kulturellen, sozialen und politischen Rahmenbedingungen eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen zugebilligt.98

95

Auch wenn Mattern et al. in ihrer Studie die Anforderungen auf den Finanzplatz Deutschland beziehen, und damit auf den gesamten deutschen Finanzsektor, haben sie dennoch vorrangig den Finanzplatz Frankfurt am Main im Blick. 96 Vgl. Mattern et al. (1997), S. 47. 97 Mattern et al. (1997), S. 48. 98 Vgl. Mattern et al. (1997), S. 49ff.

Dimensionen eines Finanzplatzes

33

Bei der Betrachtung, wodurch sich ein effizienter Finanzplatz auszeichnet, fokussieren VON ROSEN und MATTERN et al. besonders auf die Finanzmärkte und deren qualitative und quantitative Ausprägungen. MATTERN et al. stellen den Markt in seiner Gesamtheit in das physische Zentrum eines Finanzplatzes. Aus rein finanzmarkttheoretischen Gesichtspunkten ist diese Vorgehensweise berechtigt, denn der Markt bringt über seine Strukturen Angebot und Nachfrage nach Finanzdienstleistungen zusammen. Will man den Finanzplatz hinsichtlich seiner Entstehung und Entwicklung betrachten und die Dynamik zwischen den einzelnen Anforderungsparametern erfassen, reicht diese Vorgehensweise nicht aus. Vielmehr muß hinterfragt werden, welche Anforderungen wie voneinander abhängig sind. Zur Nutzung des Marktes und seiner Strukturen bedarf es der Marktteilnehmer. Diese bestimmen die vorherrschenden Usancen, Regeln und Handelssysteme im Rahmen der Möglichkeiten, die das Regulationswerk vorgibt. Damit wird der Markt zu einer von den Marktteilnehmern und dem Regelwerk abhängigen Variable. Auch die Produkte sind als abhängige Variable zu klassifizieren. Sie sind sowohl von den Marktteilnehmern und deren Innovationsbereitschaft als auch vom regulatorischen Rahmen abhängig. Somit stellen die Marktteilnehmer und das Regelwerk unabhängige Variable dar. Ihre Unabhängigkeit ist jedoch nur eine relative, da sie sowohl einer gegenseitigen Beeinflussung unterliegen als auch vom gesamten Umfeld mit seinen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Ausprägungen beeinflußt werden. Den Marktteilnehmern ist es möglich, durch einen ausgeprägten Lobbyismus den vom Gesetzgeber exogen vorgegebenen Regulationsrahmen zu beeinflussen. Umgekehrt beeinflußt das Regulationswerk Strukturen und Aktivitäten der Marktteilnehmer. Hinsichtlich des Gesamtumfeldes kommt dem ökonomischen Umfeld primär über die Existenz einer dynamischen Realwirtschaft die bedeutendste Rolle zu.99 99

Dies belegt eindrucksvoll die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin in der Zeit von 1871 bis 1914 sowie von 1914 bis 1945. Während in der ersten Periode die deutsche Wirtschaft prosperierte und mit dieser auch der Finanzplatz Berlin, war die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in der sich anschließenden Periode geprägt durch nachlassende Wachstumsdynamik, die auch auf die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin durchschlug. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 3 und 4 dieser Arbeit. Im Hinblick auf die Entwicklung des Finanzplatzes Frankfurt stellten HÄUSER et al. 1989 fest, daß sich die Stärke der bundesdeutschen Wirtschaft als wesentlicher komparativer Vorteil erwiesen hatte, und die strukturellen Schwächen des deutschen Geld- und Kapitalmarktes kompensierte. Vgl. Häuser et al. (1989), S. 15. Vgl. außerdem die Studie von HARRSCHAREHRNBORG (2002), in der von den Teilnehmern dem Faktor „starke Volkswirtschaft“ grundsätzlich eine besondere Rolle beigemessen wird, wenngleich die Bedeutung dieses Standortfaktors von den Teilnehmern im Rahmen eines Rankings verschiedener Standortparameter unterschiedlich stark bewertet wurde. Von insgesamt 27 Standortfaktoren bewerteten die Marktteilnehmer in Paris die Bedeutung der Stärke der Volkswirtschaft mit Rang 5, während die Marktteilnehmer der Finanzplätze London und Frankfurt die volkswirtschaftliche Stärke als weniger bedeutsam ansahen, sie vielmehr als selbstverständlich hinnahmen und sie mit den Rängen 25 bzw. 22 bewerteten. Vgl. Harrschar-Ehrnborg (2002), S. 175, S. 180f.

34

Kapitel II

Während ROSEN und MATTERN et al. das vorhandene Beziehungsgeflecht zwischen einzelnen Anforderungen nur ungenügend herausstellen, gelingt es DIETL et al. derartige Rückkopplungseffekte expliziter darzustellen. Davon ausgehend, daß ein Finanzplatz Allokations- und Koordinationsfunktionen zu erfüllen hat, ermitteln sie die zur Funktionserfüllung notwendigen Anforderungen. Diese Anforderungen werden in Primär- und Sekundärressourcen unterteilt, wodurch eine Differenzierung in abhängige und unabhängige Variablen erreicht wird.100 Primärressourcen Bankenregulierung Einlagenregulierung Kapitalmarktregulierung Humankapital Marktgröße und Marktliquidität Börsenhandels- und -abwicklungssystem Informations- und Kommunikationssystem Schutz vor Handelsobjektimitation Reputation des gesamten Finanzplatzes

Sekundärressourcen Wirtschaftskraft des Landes Schutz vor Preisimporten Währungs-, Renten-, Steuersystem Ausbildungsniveau Lebensqualität, die durch politische, soziale und infrastrukturelle Rahmenbedingungen bestimmt wird

Tabelle 5: Primär- und Sekundärressourcen eines Finanzplatzes Quelle: in Anlehnung an Dietl et al. (1999), S. 21ff.

Im Gegensatz zu den Primärressourcen, die unmittelbar zur Funktionserfüllung des Finanzplatzes beitragen, bilden die Sekundärressourcen die „Grundlage für die Verfügbarkeit, Pflege und Fortentwicklung primärer Ressourcen“101 und tragen damit mittelbar zur Funktionserfüllung des Finanzplatzes bei. Die Beziehungen zwischen den einzelnen Primärressourcen und den Primär- und Sekundärressourcen können vielfach reziprok sein.102 Den Primärressourcen Banken-, Einlagen- und Kapitalmarktregulierung stehen keine Beeinflussungsgrößen gegenüber, da sie rechtlich-institutioneller Natur sind.103 Eine Beeinflussungsmöglichkeit aufgrund lobbyistischen Verhaltens durch die Marktteilnehmer selbst sehen Dietl et al. wegen ihres funktionalressourcenorientierten Analyseansatzes nicht, zumal sie ohnehin auf die explizite Betrachtung von Marktteilnehmern verzichten.

100

Dietl et al. erheben bei der Auswahl der Ressourcen keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern stellen auf deren Wichtigkeit ab. Bezüglich der Sekundärressourcen werden nur jene in den Anforderungskatalog aufgenommen, deren Betrachtung einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn generiert. Auf die Betrachtung von derivativen Sekundärressourcen wird daher verzichtet, da sie unter originäre Sekundärressourcen oder gar unter Primärressourcen zu subsumieren sind. Zu den Ressourcen im einzelnen und deren Ableitung aus den Funktionen eines Finanzplatzes vgl. ausführlich Dietl et al. (1999), S. 21-37. 101 Dietl et al. (1999), S. 22. 102 Vgl. Dietl et al. (1999), S. 32. 103 Vgl. Dietl et al. (1999), S. 36.

Dimensionen eines Finanzplatzes

35

Die folgende Übersicht stellt die Abhängigkeitsverhältnisse der Primär- und Sekundärressourcen dar und setzt sie in Beziehung zu den eingangs diskutierten Anforderungsprofilen von MATTERN et al. und von ROSEN.

Primärressourcen

beeinflussende Primärressource

Bankenregulierung keine Einlagenregulierung Kapitalmarktregulierung Humankapital keine

Marktgröße/ Marktliquidität von Kassa- und Terminmärkten

Kapitalmarktregulierung Börsenhandelssystem Börsenabwicklungssystem Informations- und Kommunikationssysteme Reputation

beeinflussende Sekundärressource keine

Ausbildungsniveau Lebensqualität (Sprache/Infrastruktur Lebensstandard/ politische und soziale Rahmenbedingungen Wirtschaftskraft (Bruttoinlandsproduktion/ Wirtschaftswachstum/ Arbeitslosenquote/ Sparquote/Größe und Entwicklungsstand des Heimatmarktes) Schutz vor Preisimporten Währungssystem Rentensystem Steuersystem

Börsenhandelssystem Börsenabwicklungssystem Informations- und Kommunikationssysteme Schutz vor Handelsobjektimitation

Marktgröße und Marktliquidität Reputation

Reputation

Summe aller aufge- Primär- und Sekunführten därressourcen

Marktgröße und Marktliquidität Kapitalmarktregulierung

Wirtschaftskraft Schutz vor Preisimporten

Ressourcen in Analogie zu den Anforderungen nach MATTERN et al. regulatorischer Rahmen

Ressourcen in Analogie zu den Anforderungen nach von ROSEN Rahmenbedingungen

Marktteilnehmer i.w.S.

Finanzinstitutionen

Umfeld i.w.S.

Rahmenbedingungen

Marktorganisations und -infrastruktur

funktionierende Finanzmärkte

regulatorischer Rahmen

Rahmenbedingungen

ökonomisches Umfeld Umfeld i.w.S. Marktorganisations- und infrastruktur

Währungssystem

regulatorischer Rahmen

Rentensystem Steuersystem

ökonomisches Umfeld

Rahmenbedingungen

Tabelle 6: Zusammenfassung der Primär- und Sekundärressourcen und ihre Einflußgrößen im Vergleich zu den Anforderungsparametern nach ROSEN und MATTERN et al.

36

4.2

Kapitel II

Ein systemisches Anforderungsprofil

Wie im vorherigen Kapitel gezeigt werden konnte, unterliegen die Anforderungen an einen Finanzplatz einer sich gegenseitig verstärkenden Beeinflussung. Eine klare Abgrenzung hinsichtlich Ursache und Wirkung ist nur schwer möglich. Im Hinblick auf die Darstellung der Beziehungsverhältnisse der Wachstumsfaktoren eines Finanzplatzes wird im folgenden die auf PORTER zurückgehende Theorie des nationalen Wettbewerbsvorteiles104 auf ihre Übertragbarkeit auf die Entwicklung von Finanzplätzen diskutiert. Der Ansatz versucht zu erklären, warum ein Land in einer Branche zum Stützpunkt für erfolgreiche Wettbewerber wurde. In Übertragung auf die hier vorliegende Untersuchung heißt die relevante Fragestellung: Warum wurde Berlin zum Stützpunkt für Banken in Deutschland? Warum wurde Berlin zum nationalen Finanzplatz Deutschlands? In Bezug auf die Entwicklungsfaktoren des nationalen Wettbewerbsvorteils kristallisierte PORTER vier Hauptbestimmungsfaktoren und zwei weitere Parameter heraus, die in einem sich wechselseitig beeinflussenden Beziehungsverhältnis zueinander stehen, das sich dynamisch im Zeitverlauf verändert. Zu den vier wesentlichen Faktoren, die den nationalen Wettbewerbsvorteil bestimmen, zählen Faktor- und Nachfragebedingungen, unterstützende Branchen sowie die Strategie, die Struktur und der Wettbewerb der Unternehmen innerhalb der zu betrachtenden Branche. Darüber hinaus verfolgt der Ansatz zwei weitere Faktoren, die maßgeblichen Einfluß auf die Entwicklung von nationalen Wettbewerbsvorteilen haben: die Rolle des Staates und die Rolle des Zufalls.105 Die Faktorbedingungen, die die Angebotsseite repräsentieren, umfassen die Faktorausstattung, die Faktorbildung und die selektiven Faktornachteile. Die Faktorausstattung umfaßt das Humanvermögen, die Infrastruktur und die Wissens-, Kapital- und materiellen Ressourcen. Die Faktorbildung wird als vorteilhaft angesehen, wenn besonders hochwertige Einrichtungen die Bildung von speziell ausgeprägten Faktoren begünstigen. Selektive Faktornachteile bewirken die Suche nach Innovationen und deren wirtschaftliche Umsetzung, die wiederum Einfluß auf die Faktorbildung und damit auf die Faktorausstattung ausübt.106 Die Nachfragebedingungen umfassen qualitative Aspekte hinsichtlich der Art des Verbraucherbedürfnisses sowie quantitative Aspekte wie Umfang und Wachstumsstruktur der Nachfrage. Des weiteren zählen Mechanismen zur 104

Vgl. Porter (1990). Vgl. Porter (1991), S. 93ff. 106 Vgl. Porter (1991), S. 97ff. Die Faktorbedingungen finden sich in den zuvor diskutierten Anforderungsprofilen als Primär- und Sekundärressource wieder (DIETL et al.), als ökonomisches Umfeld (MATTERN et al.) sowie als Rahmenbedingungen (von ROSEN). Vgl. Kapitel II, Abschnitt 4.1 dieser Arbeit. 105

Dimensionen eines Finanzplatzes

37

Schaffung von Auslandsnachfrage dazu.107 Verwandte und unterstützende Branchen eröffnen neue Potentiale in der Koordination der gesamten Wertschöpfungskette und können sogar neue wettbewerbsfähige Branchen hervorbringen. Innovations- und informelle Austauschprozesse gestalten sich leichter, wenn Hilfsbranchen existieren.108 Strategie, Struktur und Wettbewerb der einzelnen Branchenunternehmen sind essentiell bei der Schaffung und Wahrung eines Wettbewerbsvorteils. Zahlreiche Normen zwischenmenschlichen Verhaltens und professionellen Standards beeinflussen Wettbewerb und Strategie. Darüber hinaus wird die Branchenstruktur von den gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen geprägt, die ebenfalls Einfluß auf die Bestimmungsfaktoren der Nachfrage, der Faktorbedingungen und der Struktur der verwandten Branchen haben.109 Die Zufallsereignisse stellen Vorkommnisse dar, die wenig mit den Verhältnissen in einem Land zu tun haben und außerhalb der Einflußsphäre von Politik und Wirtschaft liegen.110 Unter anderem zählen zufällige Entdeckungen, technologische Brüche, extreme Schwankungen bei den Produktionsmittelkosten und Wechselkursen sowie Kriege dazu. Diese Ereignisse unterbrechen den bisherigen Verlauf des Wettbewerbsprozesses in der Branche. Sie rufen Veränderungen in den einzelnen Bestimmungsfaktoren hervor, die sich sowohl positiv als auch negativ auf den nationalen Wettbewerbsvorteil der Branche auswirken können.111 In der Volkswirtschaftslehre hat sich für diese Ereignisse, die einen institutionellen, politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Wandel erzwingen, der Begriff des ökonomischen oder externen Schocks durchgesetzt.112 In dieser Arbeit wird der Begriff des Sondereinflusses verwendet. 107

Vgl. Porter (1991), S. 109ff. Bei SIEPMANN werden gerade die Nachfragebedingungen als standortbestimmende Dominanzfaktoren, und damit als besonders wesentlich für die Ansiedlung von Kreditinstituten dargestellt. Vgl. Siepmann (1968), S. 33ff. Darüber hinaus weisen die Nachfragebedingungen ebenfalls Analogien zu den zuvor diskutierten Anforderungsprofilen auf. Vgl. Kapitel II, Abschnitt 4.1 dieser Arbeit. 108 Vgl. Porter (1991), S. 127ff. 109 Vgl. Porter (1991), S. 132ff. Das gerade durch Wettbewerb nachhaltige Wettbewerbsvorteile erreicht werden können, ist eine der grundlegenden Aussagen der Wettbewerbstheorie. Vgl. Hayek (1960), S. 28ff.; Hayek (1988), S. 44ff. Auch SIEPMANN betrachtet die Wettbewerbsverhältnisse als standortbestimmenden Ergänzungsfaktor bei der Wahl des Standortes von Kreditinstituten. Vgl. Siepmann (1968), S. 53ff. 110 Mit dem Begriff des Zufalls haben sich hauptsächlich die Philosophen beschäftigt. Stellvertretend wird hier die Ansicht von LASSON zugrunde gelegt: „Zufällig nennen wir etwas, was ist, und was doch ebensowohl nicht sein könnte. Zufällig ist gleicherweise die Beschaffenheit eines Gegenstandes, der ebensowohl auch anders sein könnte, und gleicherweise ein Ereignis, das ebensowohl auch hätte ausbleiben können. Der Gegenstand, die Beschaffenheit, das Ereignis ist wirklich da; es war also möglich, und unter den vielen Möglichkeiten, die hätten wirklich werden können, ist diese eine zur Verwirklichung gelangt. Ist dies der Charakter der Zufälligkeit, so ist natürlich die Ansicht völlig ausgeschlossen, daß das Zufällige ein Grundloses sei. Auch das Zufällige hat seinen Grund.“ Lasson (1918), S. 6f. 111 Vgl. Porter (1991), S. 148ff. 112 Der Begriff des Schocks findet vorwiegend in der Konjunkturtheorie Verwendung. Ein Schock liegt vor, wenn exogene Einflußfaktoren eine erhebliche Änderung von Parametern in einem ökonomischen Modell bewirken. Vgl. o.V. (1997), S. 3362. Nach einer Definition der Kommission der EU ist ein Schock „ein Er-

38

Kapitel II

Die Rolle des Staates besteht darin, jeden der vier Bestimmungsfaktoren positiv oder negativ beeinflussen zu können. Politische, ökonomische und soziale Maßnahmen sowie juristische Regelungen wirken auf die einzelnen Bestimmungsfaktoren. Umgekehrt beeinflussen die Bestimmungsfaktoren das Handeln des Staates. Der Staat ist aber nicht in der Lage, den nationalen Vorteil selbst zu schaffen.113 Die Bestimmungsfaktoren des nationalen Wettbewerbsvorteiles sind in ihrer Entstehung und Entwicklung untereinander stark vernetzt. Aufgrund ihrer wechselseitigen Abhängigkeit bilden sie Verbindungen, die nur schwer aufspaltbar sind. Der nationale Wettbewerbsvorteil ist daher nur schwer zu kopieren oder zu zerstören. Erst wenn einzelne oder alle Parameter in ihrer Qualität abnehmen, werden die Beziehungen der Wachstumsfaktoren untereinander negativ beeinflußt und labil. Der nationalen Wettbewerbsvorteil wird dann in seiner Entwicklung gestört oder sogar ganz vernichtet. Negative externe oder staatliche Einflüsse behindern die Fortentwicklung zusätzlich.114

eignis, das sich direkt oder indirekt auf die endogenen Variablen des Bezugssystems auswirkt, ohne jedoch durch dieses System bestimmt zu sein.“ Zitiert nach Miehe-Nordmeyer (2001), S. 3. Vgl. Porter (1991), S. 151f. Vielmehr sind Innovationen und die individuelle Freiheit die Voraussetzungen für die ökonomische Expansion und damit die Schaffung eines Wettbewerbsvorteils. Der Staat hat dabei den notwendigen Ordnungsrahmen zu gewährleisten. Vgl. Hayek (1988), S. 44f;. Hayek (1960), S. 28ff. 114 Aufgrund der engen Vernetzungen zwischen den einzelnen Bestimmungsfaktoren bezeichnet PORTER das Wettbewerbsfaktorensystem als „Diamant“. In der Chemie ist der Diamant eine gewachsene Verbindung von Kohlenstoffatomen. Kohlenstoff hat die einmalige Fähigkeit, mit sich selbst und anderen Grundstoffen Verbindungen einzugehen. In der Diamantmodifikation des Kohlenstoffs entstehen Dreifachverbindungen zwischen den Atomen, welche die hohe Stabilität und lange Lebensdauer des Diamanten begründen. Aufspaltungen und Zerstörungen des Diamanten gelingen aufgrund der vorhandenen Stabilität nur unter hohen Anstrengungen. Analog zu den Dreifachverbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen im Diamanten entwickeln sich zwischen den Faktorbedingungen, den Nachfragebedingungen, den verwandten Branchen und der Struktur der zu betrachtenden Branche selbst ebenfalls Dreifachverbindungen, da jeder Bestimmungsfaktor mit den jeweiligen anderen drei Faktoren eine Verbindung eingeht. Einerseits beeinflußt der Bestimmungsfaktor die anderen drei, andererseits unterliegt der zu betrachtende Bestimmungsfaktor ihren Einflüssen. Durch Sondereinflüsse oder Einflüsse von staatlicher Seite erfährt der „Diamant des nationalen Wettbewerbsvorteils“ eine zusätzliche Beeinflussung. Vgl. Porter (1991), S. 96f. 113

Dimensionen eines Finanzplatzes

39

Staatseinfluß

Marktteilnehmer

Nachfragebedingungen

Angebotsbedingungen

Unterstützungsbranchen Sondereinfluß Abbildung 1: Systemisches Anforderungsprofil von Finanzplätzen Quelle: In Anlehnung an Porter (1991), S. 151.

Eine wesentliche Rolle weist PORTER der geografischen Nähe der Konkurrenten zu. Die Beziehungen zwischen den Bestimmungsfaktoren wirken sich besonders positiv auf die Entstehung und Entwicklung der einzelnen Parameter aus, wenn die Unternehmen derselben sowie der verwandten Branchen und der Zuliefererindustrien in der gleichen Stadt oder Region ansässig sind. Die bestehenden Wechselwirkungen werden unter diesen Umständen erhöht und verstärkt.115 Da Wettbewerb als ein Prozeß der Meinungsbildung verstanden werden kann116, wird die Verbreitung von Information und Wissen durch räumliche Nähe der Marktteilnehmer verstärkt. Die geografische Konzentration einer Branche, ihrer Kunden und Zulieferer fördert die Leistungsfähigkeit, die Spezialisierung und das Innovationspotential und erhöht zusätzlich das Tempo des Informationsflusses innerhalb der Branche.117 Darüber hinaus zieht die Branchenagglomeration weitere Arbeitskräfte an, fördert die Entstehung neuer verwandter Branchen und den Ausbau der Infrastruktur. Es wirken hier die bereits in Kapitel II, Abschnitt 3.1 beschriebenen Agglomerationseffekte. 115

Vgl. Porter (1991), S. 155. Vgl. Hayek (1952), S. 140. 117 Vgl. Porter (1991), S. 181. 116

40

Kapitel II

PORTER gelingt es mit diesem Ansatz die gegenseitige Beeinflussung der Bestimmungsfaktoren darzustellen und systematisch zu erfassen. Die Reduktion auf vier substanzielle Faktoren und zwei wesentliche Nebenbedingungen rückt die zu betrachtende Branche und ihre relevanten Marktbedingungen in den Mittelpunkt. Jeder der vier Bestimmungsfaktoren wird von weiteren Parametern beeinflußt. Demzufolge könnten die Bestimmungsfaktoren weiter untergliedert werden, wodurch sich die Komplexität jedoch erhöhen würde. Diese Komplexität sollte aber, wie bei jedem Modell, durch die Beschränkung auf das Wesentliche reduziert werden. Die vermeintliche Schwäche des Ansatzes ist damit gleichzeitig seine Stärke.118 Als Ansatz der Wettbewerbstheorie ist das systemische Anforderungsprofil geeignet, die Entstehung und Entwicklung eines Finanzplatzes zu analysieren und seine Wettbewerbsfähigkeit aufzuzeigen. Die im Vorfeld diskutierten Anforderungen an Finanzplätze werden in den Ansatz von PORTER integriert. Dadurch entsteht ein Wachstumsfaktorensystem, daß durch die der Einführung der Parameter Sondereinfluß und Staat in der Lage ist, die Entstehung und Wendepunkte in der Entwicklung von Finanzplätzen zu erklären, ohne dabei die anderen Faktoren in der Betrachtung zu vernachlässigen. Für einen Finanzplatz als Agglomeration der Finanzdienstleistungsbranche ist das Vorhandensein leistungsfähiger Finanzinstitutionen, die selbst untereinander im Wettbewerb stehen, essentiell. Wollen die Finanzdienstleister erfolgreich am Markt agieren, bedarf es neben der eigenen Professionalität auch der Existenz einer qualitativen und quantitativen Nachfrage nach Finanzdienstleistungen, deren Potential steigend ist.119 Es erweist sich als günstig, wenn die Nachfrage anfänglich am Finanzplatz selbst in ausreichendem Maße vorhanden ist.120 Für die weitere Entwicklung des Finanzplatzes ist es wichtig, daß Nachfrage aus der Region und anderen Orten, auch aus dem Ausland, bedient und generiert werden kann. Zu den Faktorbedingungen eines Finanzplatzes gehören die Marktorganisation und die Marktinfrastruktur, die materiellen Ressourcen, insbesondere im IT-Bereich, ein umfangreiches Potential an Wissen und Know-how und damit verbunden ein Potential an Humankapital.

118

Die Reduktion der Komplexität, auch als Merkmal der Verkürzung bezeichnet, ist neben dem Abbildungsund dem pragmatischen Merkmal eines der drei Hauptmerkmale eines jeden Modells. Vgl. Stachowiak (1973), S. 131-134. 119 SIEPMANN stellt die Nachfrage- und Konkurrenzverhältnisse als standortbestimmende Dominanz- und Ergänzungsfaktoren dar. Vgl. Siepmann (1968), S. 33f. 120 Dieser Zusammenhang kann für die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin gezeigt werden. Vgl. die Entwicklung des Bank- und Börsenplatzes Berlin in seiner Anfangs- und Aufstiegsphase, dargestellt in Kapitel III, Abschnitt 1 und 2 dieser Arbeit.

Dimensionen eines Finanzplatzes

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Des weiteren lassen sich unter Faktorbedingungen die verkehrstechnische Infrastruktur, aber auch die gesellschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen subsumieren, die ebenfalls die anderen Wachstumsfaktoren prägen. Sowohl die Möglichkeit, die Ressourcen mit einem hohen Grad an Spezifität und Unverwechselbarkeit auszustatten bzw. entstehen zu lassen als auch die innovative Überwindung von selektiven Nachteilen in der Faktorausstattung unterstützen den Finanzplatz im Wettbewerb gegen andere Finanzplätze. Zu den unterstützenden Branchen der Finanzdienstleistungsbranche zählen alle Dienstleistungen, die für die erfolgreiche Abwicklung von komplexen Finanztransaktionen wesentlich sind und Einfluß auf die Wertschöpfungskette der Finanzinstitutionen haben, beispielsweise Leistungen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Anwaltskanzleien, Unternehmensberatungen und IT-Dienstleistungen.121 Die Rolle des Staates besteht darin, über juristische, aufsichtsrechtliche, ordnungspolitische, steuerliche und wirtschaftspolitische Maßnahmen die Wachstumsfaktoren sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite positiv zu beeinflussen. Hierbei sind zwei Ebenen zu unterscheiden: die Rolle des Staates auf nationaler Ebene sowie die Rolle des Staates auf kommunaler Ebene. Gehen die Maßnahmen von der nationalen Ebene aus, betreffen sie den gesamten Finanzsektor des Landes. Diese Bestimmungen wirken sich auf alle Finanzplätze im Land gleichermaßen aus. Sie sind nur im Wettbewerb gegen ausländische Finanzplätze relevant. Werden die Maßnahmen hingegen auf kommunaler Ebene entschieden, dann beeinflussen sie maßgeblich den jeweiligen Standort, an dem die Kommune die Rechtshoheit hat. Sie sind im Wettbewerb der inländischen Finanzplätze entscheidend, aber auch gegenüber ausländischen. Die Betrachtung von zufälligen oder außerordentlichen Ereignissen, wie geografische Lage, politische Konstellationen, wirtschaftliche Bedingungen, dient der Erfassung von Wendepunkten in der Finanzplatzentwicklung. Analog zu den mutativen Prozessen in der Marktphasentheorie von HEUSS finden hier Ereignisse statt, die ein Novum darstellen, weswegen aus Unternehmersicht nicht auf eine Erfahrungskurve zurückgegriffen werden kann, sondern der Lernprozeß von neuem beginnt.122 Diese hier als Sondereinflüsse bezeichneten Vorkommnisse stellen vereinzelte und unregelmäßig auftretende Ereignisse dar, die die an einem Finanzplatz auftretenden Veränderungen in der Zeit dokumentieren. Insofern kann das Modell die mit der Entwicklung einhergehende Dynamik und die Reflexion der Standortbedingungen durch die Marktteilnehmer erfassen.

121

In der Summe bilden diese Faktoren die in Kapitel II, Abschnitt 3.1 dargestellten Lokalisations- und Urbanisationsvorteile ab. 122 Vgl. Kapitel II, Abschnitt 2 dieser Arbeit.

Kapitel II

42

5.

Fazit

Im vorangegangenen Kapitel ging es darum, zu zeigen, daß Finanzplätze nicht aus dem Nichts entstehen, sondern daß ihre Entstehung und Entwicklung vielfältigen Einflüssen unterliegt. Da es eine allein gültige Theorie der Finanzplatzentstehung nicht gibt,123 und aufgrund der hohen Komplexität wohl auch nicht geben kann, wurde das „Phänomen Finanzplatz“ aus verschiedenen Perspektiven betrachtet. Die Betrachtung der sachlichen Dimension ergab, daß ein Finanzplatz an jenem Ort entsteht, an dem bestimmte Anforderungen erfüllt sind. Je besser die Anforderungen erfüllt sind, um so eher kann sich ein Ort zu einem überlegenen und leistungsfähigen Finanzplatz entwickeln. Diese Anforderungen, die unter wettbewerbstheoretischen Aspekten als Wettbewerbsfaktoren bezeichnet werden können, stehen in einem interdependenten Verhältnis zueinander. Eine Differenzierung der Wettbewerbsfaktoren hinsichtlich Ursache und Wirkung ist aufgrund der bestehenden Wechselwirkung zwischen ihnen nicht möglich. Erfolgt die Betrachtung aus der räumlichen Perspektive, ist festzustellen, daß sich Finanzplätze an Orten entwickeln, die zentrale Orte bzw. Steuerungszentralen sind. Dadurch verteilen sich Finanzplätze unterschiedlicher Bedeutung im Raum. Die Hierarchiestufe des Finanzplatzes hängt von der Hierarchiestufe des jeweiligen zentralen Ortes ab, in dem der Finanzplatz ein Subsystem darstellt. Damit sich Orte zu zentralen Orten bzw. zu Steuerungszentralen entwickeln können, bedarf es der Erfüllung von Standortfaktoren, die teilweise jene Wettbewerbsfaktoren sind, die im Rahmen der sachlichen Dimension als Anforderungen diskutiert wurden. Es sind insbesondere die Einflüsse von Agglomerationseffekten, die die Entwicklung zum zentralen Ort sowie zum Finanzplatz maßgeblich bewirken. Lokalisations- und Urbanisationsvorteile, als die zwei Ausprägungen der Agglomerationsfaktoren, unterliegen ebenfalls einer wechselseitigen Beeinflussung. Die sowohl zwischen den Standortfaktoren als auch zwischen den Wettbewerbsfaktoren bestehenden Interdependenzen sind schwer greifbar, da sie ein „Henne -Ei-Problem“ darstellen. Mit Hilfe eines systemischen Anforderungsprofils kann die Interdependenz zwischen den einzelnen Parametern zwar nicht aufgelöst, aber die daraus folgende Komplexität soweit reduziert werden, daß der a priori gegebene systemische Zusammenhang als solcher erfaßt wird. Mit der Einführung der Rollen von Staat 123

Einen Querschnitt über mögliche Erklärungsansätze für die Entstehung und Entwicklung von Finanzplätzen bietet Harrschar-Ehrnborg (2002), S. 83-144.

Dimensionen eines Finanzplatzes

43

und Zufall bzw. Sondereinfluss werden Wendepunkte in der Entwicklung von Finanzplätzen greifbar gemacht. Diese Wendepunkte markieren jeweils Anfang bzw. Ende von Entwicklungsphasen eines Finanzplatzes, die Ausdruck der zeitlichen Dimension eines Finanzplatzes sind. Die zeitliche Entwicklung von Finanzplätzen kann in Analogie zur Entwicklung von Märkten gesehen werden. Demnach vollzieht sich der idealtypische Verlauf der Finanzplatzentwicklung in vier Phasen.124 Ob der Finanzplatz alle Entwicklungsphasen erreicht, hängt von der Art der ablaufenden Prozesse ab. Sind die Prozesse iterativ, d.h. siedeln sich wiederholt neue Finanzdienstleister am Finanzplatz an, dann bauen diese Marktteilnehmer auf der Standortentscheidung der bereits ansässigen Finanzdienstleister auf. Demnach können sie auf eine Erfahrungskurve zurückgreifen. Die sich so verdichtende Agglomeration wird selbst zum Standort- bzw. Wettbewerbsfaktor. Damit erklärt sich die Standortpersistenz und die Entwicklungsbeharrlichkeit nicht nur über das Wirken von Agglomerationseffekten und der gegenseitigen Interdependenz verschiedener Anforderungsparameter, sondern auch aufgrund der Erfahrungskurveneffekte. Sind hingegen die ablaufenden Prozesse am Finanzplatz mutativer Art, kann nicht auf eine solche Erfahrungskurve zurückgegriffen werden. Sofern die Mutationen positive Effekte auf die Standort- und Wettbewerbsfaktoren haben, kann sich der Finanzplatz weiter entwickeln und die nächsten Entwicklungsphasen erreichen. Die Mutationen wirken dann wie ein Katalysator; die Standortpersis-tenz wird unterstützt. Lösen die Mutationen aber ein negatives Novum aus, bricht die Entwicklung des Finanzplatzes ab oder tritt in die Rückbildungs- bzw. Stagnationsphase ein. Für die im dritten Kapitel vorzunehmende historische Darstellung der Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin wird die Zeitspanne von 1640 bis 2003 gewählt und in sechs Phasen eingeteilt.125 Die Phaseneinteilung orientiert sich dabei am historisch-evolutorischen Schema im Sinn von Aufstieg und Fall und grenzt die einzelnen Phasen durch politische und ökonomische Wendepunkte voneinander ab. Innerhalb jeder einzelnen Phase dient das systemische Anforderungsprofil mit seinen Bestimmungsfaktoren als Analyseraster für die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin. Den Beginn der ersten Entwicklungsphase des Finanzplatzes Berlin auf das Jahr 1640 zu datieren, scheint insofern berechtigt, da in diesem Jahr der Große Kurfürst die Staats- und Regierungsgeschäfte Preußens übernahm. Zwar waren auch schon vor 124 125

Vgl. Kapitel II, Abschnitt 2 dieser Arbeit. Vgl. Tab. 2 dieser Arbeit.

Kapitel II

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1640 einige Hoffaktoren und Geldwechsler in Berlin ansässig, da Berlin als kurfürstliche Residenzstadt regionale Bedeutung hatte. Eine erste Marktteilnehmerstruktur, bestehend aus verschiedenartigen Finanzdienstleistern, bildete sich aber erst im Zusammenhang mit den vom Kurfürsten gesetzten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen heraus. Da die Arbeit einen institutionell geprägten Finanzplatzbegriff in den Mittelpunkt stellt, aber auch um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen, werden folgende Einschränkungen bezüglich der zu betrachtenden Wachstumsfaktoren vorgenommen: - Hinsichtlich des Wachstumsfaktors Strategie und Struktur der Branche wird hier nur auf die Darstellung der Banken und der Börse fokussiert, da sie traditionell zu den ältesten Marktteilnehmern zählen und den Banken überdies eine Sonderrolle aufgrund ihrer Fähigkeit zur Geldschöpfung zukommt.126 - Der Bestimmungsfaktor verwandte Branchen wird nicht betrachtet, da erst seit Mitte der 1950er Jahre eine Zunahme der Komplexität der Finanzdienstleistungen sowie die damit verbundene Aufspaltung der Wertschöpfungskette zu verzeichnen ist. Der in dem Zusammenhang geprägte Begriff „Quartärer Dienstleistungssektor“ und dessen Betrachtung ist für die historische Fragestellung weniger relevant. - Hinsichtlich der Faktorbedingungen wird auf die Erfassung der Marktorganisation und der Marktinfrastruktur verzichtet, weil im Zentrum der Betrachtung nicht die Finanzmärkte sondern die Finanzdienstleistungsinstitute, hierbei die Banken und die Börse, stehen. - Gesamtstaatliche Einflüsse, insbesondere die Gesamtheit der juristischen, aufsichtsrechtlichen, ordnungspolitischen und steuerlichen Rahmenbedingungen, werden grundsätzlich nicht betrachtet, da diese Regelungen für alle deutschen Finanzplätze gleichermaßen galten. Eine Einbeziehung in die Analyse erfolgt nur, wenn sie besondere Auswirkungen auf den Finanzplatz Berlin bzw. explizit für diesen Finanzplatz Gültigkeit hatten.

126

Vgl. Kapitel II, Abschnitt 1 dieser Arbeit.

1640-1806

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III. Die historische Entwicklung des Finanzplatzes Berlin 1.

Die Anfänge des Geld- und Kreditwesens am sich entwickelnden Bankplatz Berlin (1640-1806)

1.1

Förderung von Faktor- und Nachfragebedingungen durch Sondereinflüsse und Monarchen

Sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsbedingungen für das Entstehen eines Bankplatzes in Berlin waren in der Mitte des 17. Jahrhunderts völlig ungenügend ausgeprägt. Durch den Dreißigjährigen Krieg und seine Folgen war das Kurfürstentum Brandenburg stark geschwächt. Zahlreiche Dörfer, Städte und Regionen waren entvölkert, die landwirtschaftlichen Nutzflächen waren verwüstet, die Faktorausstattung des kleinbetrieblich organisierten Handwerks und Gewerbes war zerstört, das Geld- und Kreditwesen war gering entwickelt und kapitalschwach. Hinzu kam die geografische Streuung der brandenburgischen Territorien, die ein Hindernis für Verwaltung und inneren Zusammenhalt darstellte. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640-1688) legte den Grundstein für die in den folgenden Jahrhunderten wachsende politische und wirtschaftliche Macht Preußens. Innenpolitisch gelang es ihm die einzelnen Landesteile, die politisch relativ selbständig waren, zu einem einheitlichen Gesamtstaat zusammenzuführen. Dazu gestaltete er ein relativ einheitliches Staatswesen, indem er die Verwaltungsorganisation des Staates über die Errichtung von Finanz- und Militärbehörden ausbaute und neben dem direkten Steuersystem ein indirektes Steuersystem nach niederländischem Vorbild einführte.1 Das wirtschaftspolitische Handeln des Herrschers basierte auf dem wirtschaftstheoretischen Gedankengut des Merkantilismus.2 Demnach bestimmten sich Wohlfahrt, Reichtum und Macht des Staates durch die vorhandenen finanziellen Mittel und die staatliche Einkünfte. Wesentlichen Einfluß auf die Erhöhung der Staatseinkünfte hatte 1 2

Zum politischen und wirtschaftlichen Wirken des Großen Kurfürsten vgl. u.a. Schoeps (1995), S. 31-38; Kaufhold (1998), S. 60f und die dort angegebene Literatur. Der Merkantilismus stellt die während der Zeit des Absolutismus (1650 bis 1750) herrschende Ausrichtung der Wirtschaftspolitik fast aller europäischen Regierungen dar. Sie hatte zum Ziel, durch staatliche Wirtschaftsförderung, durch eine Aktivierung der Handelsbilanz und durch Anhebung der Steuereinnahmen eine Erhöhung des Wohlstandsniveaus der Nationalwirtschaft zu erreichen. Zu den theoretischen Ideen und Paradigmen des Merkantilismus vgl. Schaefer (1993), S. 8-13. Zu den Elementen merkantilistischer Wirtschaftspolitik vgl. im einzelnen Okruch (2000), S. 132-138.

46

Kapitel III

neben einer aktiven Handelsbilanz, die Steigerung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Produktion sowie steigende Bevölkerungszahlen. Aufgrund des Dreißigjährigen Krieges war jedoch das brandenburg-preußische Humankapital stark dezimiert. Der Große Kurfürst begründete daher eine attraktive Ansiedlungs- und Einwanderungspolitik, die seine Nachfolger weiterführten. Mit dem Judenedikt von 1671 und dem Potsdamer Edikt von 1685, wonach sich mehr als 20.000 aus Frankreich vertriebene Hugenotten in Berlin und Brandenburg ansiedelten, wurden wesentliche Weichen für den wirtschaftlichen Aufschwung im Staat gestellt. Da die Einwanderer, speziell die religiös Verfolgten, sich hauptsächlich in Berlin und Umgebung niederließen, um im Schutzbereich des Herrschers zu sein, profitierte Berlin besonders von der Einwanderungspolitik. Während die Hugenotten neue Techniken und Gewerke einführten, brachten die Juden finanzielle Kompetenz mit. Beide minoritären Gruppen gehörten in kurzer Zeit zu den wirtschaftlich aktivsten Gruppen in Berlin und im gesamten Land. Sie waren zu wichtigen Stützen merkantilistischer Wirtschaftspolitik geworden.3 Das Bevölkerungswachstum war auch für die militärischen Projekte des Herrschers wichtig. Der Kurfürst baute ein einsatzbereites Heer auf und griff in Kriege ein. Militärische Erfolge brachten internationales Ansehen für Brandenburg-Preußen. Darüber hinaus entwickelte sich das Militär zu einer wichtigen Nachfragegruppe nach Bekleidung und Kriegsgerät. Da das Militär ebenfalls in der Nähe des Herrschers untergebracht war, konzentrierte sich die vom Militär ausgehende Nachfrage auf Berlin, auf Potsdam als Garnisionsstadt und die Umgebung. Die neu angesiedelten Hugenotten wurden in ihren Bemühungen, Tuchmanufakturen zu errichten, unterstützt, um die Nachfrage zu befriedigen. Aufgrund der zunehmenden Bevölkerungszahlen wurde es möglich, große infrastrukturelle Projekte durchzuführen. Die Straßen- und Kanalbauten konzentrierten sich zunächst auf Berlin und Umgebung, so daß sich Berlin zu einem Verkehrsknotenpunkt entwickelte.4 Friedrich I. (1688-1713), der durch seine Krönung in Königsberg BrandenburgPreußen in den Rang eines Königtums versetzte, führte die merkantilistische Wirtschaftspolitik seines Vorgängers fort.5 Durch seinen luxuriösen Lebensstil am Hofe in Berlin entstand zusätzliche Nachfrage, so daß sich viele Handwerksbetriebe und Ma3

Zur Einwanderung der Hugenotten und Juden und ihr Anteil an der wirtschaftlichen Gesundung Preußens vgl. ausführlich Jersch-Wenzel (1978). Ferner zur Situation der Hugenotten vgl. Muret (1885). Vgl. auch Mittenzwei/ Herzberg (1987), S. 145-149. 4 Der bedeutendste Kanalbau war der in der Zeit von 1662 bis 1669 zwischen Oder und Spree gebaute Kanal, der spätere Friedrich-Wilhelm-Kanal. Vgl. Kaufhold (1998), S. 61. 5 Zur Krönung Friedrich III. zu Friedrich I. in Preußen vgl. Schoeps (1998), S. 41ff., Ohff (1999), S. 17ff.

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nufakturen zur Herstellung, Veredelung und Bearbeitung von Textilien niederließen.6 Darüber hinaus führten die weiter wachsenden Militärausgaben des Staates zur Ansiedlung von Waffen- und Munitionsfabriken. Zunehmende Bevölkerungszahlen und die Entfaltung wirtschaftlicher Aktivität ließen die Steuereinnahmen der Stadt steigen, so daß sich Berlin zur reichsten Region Preußens entwickelte.7 Einhergehend mit einem wachsenden Handel sowie steigender Nachfrage nach Krediten durch König und Staat aber auch durch Kaufleute und Militärs siedelten sich während der Regierungszeit Friedrich I. verschiedene Geldwechsler und Hoffaktoren in Berlin an.8 Im Gegensatz zu seinem Vater war Friedrich Wilhelm I. (1713-1740) sparsam. Er schränkte die Ausgaben des Hofes extrem ein, sorgte für einen ausgeglichenen Staatshaushalt und widmete sich dem weiteren Aufbau des Heeres, das er zudem reorganisierte.9 Für Militär und Wirtschaft war die Fortführung der Einwanderungspolitik unerläßlich, um das notwendige Bevölkerungswachstum zu unterstützen und neue Gewerke im Land zu etablieren. Dabei war es wiederum die Tuchfabrikation, die wirtschaftspolitische Förderung fand.10 Friedrich II. (1740-1786) übernahm bei Amtsantritt 1740 einen intakten Staat, eine einsatzbereite Armee und eine gefüllte Staatskasse in Höhe von fast neun Millionen Talern.11 Auch er setzte die Einwanderungspolitik fort und führte Reformen in Verwaltung und Landwirtschaft durch. Wissenschaften und Künste förderte er genauso wie das private Unternehmertum, den Beginn industrieller Fabrikation und die Bauwirtschaft. Friedrich II. erkannte die Wichtigkeit eines funktionierenden Geld- und Kreditwesens und gründete die Preußische Seehandlung, die den Export des Landes finanzieren sollte. Ferner etablierte er den Pfandbrief als Finanzierungsinstrument.12 Aufgrund intakter Staatsfinanzen war Friedrich II. in der Lage, Kapitalexport nach Rußland zu betreiben. Die in Berlin bereits etablierte Geldwechslerbranche profitierte von diesen Entwicklungen.13 6

Zur Lebensweise des ersten preußischen Königs vgl. Ohff (1999), S. 14f. Vgl. Treue (1984), S. 11; Kaufhold (1987), S. 19ff. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.2.1 dieser Arbeit. 9 In die Geschichte ging Friedrich Wilhelm I. als Soldatenkönig, aber auch als „Seelsorger Deutschlands“ ein. Vgl. Schoeps (1998), S. 47ff., Ohff (1999), S. 47ff. 10 Die Toleranz, die Preußen gegenüber Fremden aufbrachte, war schnell Selbstverständlichkeit. Anfang des 18. Jahrhunderts sprach jeder dritte Berliner Bürger nicht Deutsch, sondern Französisch. Die Fremdenfreundlichkeit beruhte nicht nur auf reiner Menschenliebe, sondern auf purem Realismus. Man brauchte viele Untertanen für die Armee, für die Urbarmachung weiter Teile des Landes, beispielsweise des Oderbruches, für die Landwirtschaft und in den Manufakturen. Vgl. Ohff (1999), S. 58ff. 11 Vgl. Mittenzwei (1984), S. 37. 12 Vgl. Kapitel III, Abschnitte 1.2.2 und 1.2.3 dieser Arbeit. 13 Als absoluter, aber aufgeklärter Monarch belebte Friedrich II. die Akademie der Wissenschaften und unterstützte den Beginn der industriellen Fabrikation. Darüber hinaus hatte er seit 1749 das Preußische Departement für Handel und Wirtschaft selbst geleitet. Infolge seines wirtschaftlichen Sachverstandes wuchs der 7 8

48

Kapitel III

Am Ende seiner Amtszeit 1786 übergab Friedrich II. eine mit 54 Millionen Talern gefüllte Staatskasse an seinen Nachfolger.14 Friedrich Wilhelm II. (1786-1797) dagegen betrieb eine defizitäre Haushaltspolitik, so daß sich zum Ende seiner Amtszeit eine Staatsschuld von 50 Millionen Talern angehäuft hatte. Zwar förderte er Kultur und Künste, so daß sich in Berlin Geistesschaffende und Gewerbe zur Herstellung von Musikinstrumenten, aber auch zur Fertigung von feinmechanischen und optischen Geräten ansiedelten.15 Weiterführende Reformen und Neuerungen in Wirtschaft, Verwaltung und Militär unterblieben jedoch. Auch unter Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) fanden die notwendigen Reformen vorerst nicht statt. Die ökonomische und militärische Entwicklung Preußens und Berlins stagnierte. Die militärische Unterlegenheit Preußens gegen Frankreich während der Napoleonischen Kriege offenbarte diesen aufgestauten Reformbedarf.16 Trotz der zum Ende der Periode einsetzenden Stagnation hatten sich in Berlin durch die Ansiedlung wichtiger Gewerke, Gewerbe und Handelsunternehmen Lokalisationsund Urbanisationsvorteile entwickelt, die agglomerativ wirkten. Bedingt durch die Konzentration von Politik und Verwaltung entwickelte sich Berlin mehr und mehr zur Steuerungszentrale Preußens. Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich das Bankund Geldwesen der preußischen Monarchie immer stärker in Berlin, gefolgt von Breslau und Königsberg.17 Die Zeit von 1640 bis 1806 kann daher als der Beginn der Entwicklung Berlins zu einem Bank- und Börsenplatz bezeichnet werden. Es siedelten sich die ersten Finanzdienstleistungsunternehmen an, die vorwiegend der Finanzierung der Monarchie dienten. Ihre Etablierung wird im folgenden dargelegt.

Staatsschatz, so daß er bespielsweise dem russischen Zaren Geld für den Feldzug gegen die Türken leihen konnte. Vgl. Ohff (1999), S. 139. Zum wirtschaftlichen und innenpolitischen Wirken Friedrich II. vgl. auch Mittenzwei (1984), S. 86-102 sowie S. 161-174. Vgl. auch Schoeps (1995), Kapitel 6 und 7, der sich auch dem sozialen und gesellschaftlichem Umfeld des Königs widmet. Dazu auch Ohff (1999), S. 100f. 14 Vgl. Ohff (1999), S. 149. 15 Zum Leben und Wirken Friedrich Wilhelm II. vgl. Ohff (1999), S. 147-175. 16 Königin Luise urteilte in einem Brief an ihren Vater 1808 über die Reformbedürftigkeit des Landes folgendermaßen: „Wir sind eingeschlafen auf den Lorbeeren Friedrich des Großen, welcher, der Herr seines Jahrhunderts, eine neue Zeit schuf. Wir sind mit derselben nicht fortgeschritten, deshalb überflügelt sie uns.“ Vgl. Griewank (1943), S. 338; zitiert nach Schoeps (1995), S. 115. 17 Vgl. Treue (1984), S. 186.

1640-1806

1.2

49

Formation einer ersten Bankenstruktur am entstehenden Bankplatz Berlin

Die gesamte Entwicklung des Geld- und Kreditwesens in dieser Zeitperiode war auf merkantilistischem Gedankengut aufgebaut. Dies äußerte sich sowohl in der Gründungsabsicht als auch in der Organisation und Führung eines Bankhauses, das in staatlicher Hand sein sollte, um der Wucherei vorzubeugen. Die öffentliche Einstellung zum Bankwesen war aufgrund des kanonischen Zinsverbotes18 und einer mangelnden wissenschaftlichen Thematisierung des Geld- und Kreditwesens negativ geprägt. Die bankstrukturelle Entwicklung vollzog sich parallel zur Entwicklung von Handel und Rechtssicherheit sowie der Gewinnung von theoretischen Erkenntnissen über die Funktionsweise von Geld und Kredit und seinen Institutionen und den damit verbundenen neuen Produktmöglichkeiten im Finanzbereich. War es anfänglich das private Finanzunternehmertum allein, das die Bankstruktur repräsentierte, gewannen im 18. Jahrhundert sowohl die reinen Privatbanken als auch die staatlichen Bankprojekte an Bedeutung. Der Bankplatz Berlin profitierte von diesen Entwicklungen.

1.2.1 Die Ansiedlung von privaten Finanzunternehmern Die privaten Finanzunternehmer waren in dieser Zeit die wichtigsten Geldgeber für Staat und Wirtschaft. anfänglich Neben dem Geld-, Wechsel- und Finanzgeschäft verfolgten sie noch weitere Geschäfte. Im 17. Jahrhundert dominierte die Symbiose aus Staats- und Finanzdienst, im 18. Jahrhundert verfolgten die Privatfinanziers eine Kombination von Produktions-, Handels- und Geldgeschäft. Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts konzentrierten sich die Unternehmer allein auf das Finanzgeschäft und bauten es zu einem umfangreichen Bankbetrieb aus. Die Haupttätigkeit der preußischen Privatbankiers damaliger Zeit lag also in der Herstellung und Aufrechterhaltung finanzieller Verbindungen zum Staat. Darüber hinaus traten sie als Wirtschafts- und Finanzberater des Regenten auf. 19

18

19

Papst Alexander III. billigte 1179 den Juden zu, gegen Zinsen Geld verleihen zu dürfen, während er an die Christen ein Verbot der Zinsnahme richtete. Dieses Verbot ist als kanonisches Zinsverbot bekannt geworden. Vgl. dazu ausführlich: Orel (1930). Dagegen hatten die Privatbankiers in anderen europäischen Ländern einen größeren Wirkungskreis. Bedingt durch eine größere wirtschaftliche Verflechtung ins Ausland im Zusammenhang mit einer aktiven staatlichen Kolonialpolitik wuchsen sie früher als in Brandenburg-Preußen in die Rolle des Kreditgebers für Handel und Gewerbe hinein. Vgl. Zahn/Winkel (1972), S. 27.

50

Kapitel III

Da die Nähe zum königlichen Hof bei der Durchführung der Geschäfte unerläßlich war, siedelten sich die Privatbankiers in Berlin an. In der Mehrzahl waren es jüdische und ausländische Bürger, die als Finanziers der preußischen Krone und des Staates Karriere machten. Es entwickelte sich in Berlin die größte jüdische Ansiedlung in der Mark Brandenburg, wenngleich sie mit mehr als 2000 Personen im Jahr 1750 nur zwei Prozent der Berliner Gesamtbevölkerung repräsentierte. Von den 320 jüdischen Haushalten waren 49 Haushaltsvorstände als Geldhändler, Bankier, Geldverleiher, Wechsler und Münzlieferant tätig. Daneben gab es 42 jüdische Pfandleiher.20 Dagegen gab es in der Mitte des 18. Jahrhunderts nur sieben bis acht christliche Bankiers.21 Das jüdische Kapital konzentrierte sich bereits zu dieser Zeit auf wenige Familien. Sie waren als Hofjuden, die sowohl das Geld- als auch das Warengeschäft durchführten, aufgestiegen.22 Mitte des 18. Jahrhunderts gewannen die reinen Geld- oder Münzjuden, die sich ab 1763 Bankier nennen durften, größere Bedeutung.23 Zu den vermögendsten Berliner Juden zählten die Familien Ephraim, Itzig, Isaac, Gomperz, Fließ, Ries, Wulff, Fürst, Bendix, Levy, Friedländer und später auch Mendelssohn.24 Die Kapitalakkumulation vollzog sich aufgrund erfolgreich abgewickelter Geschäftstätigkeiten und durch Verwandtenheiraten. Die wohlhabenden Juden entwickelten sich auf diese Weise zu einer relativ homogenen und geschlossenen Gruppe, ähnlich dem Adel. Sowohl dieser Umstand als auch die immer restriktiver werdende staatliche Judengesetzgebung, die nur noch wohlhabenden Juden eine Niederlassungserlaubnis erteilte, sorgten für hohe Markteintrittsbarrieren für weniger wohlhabende Juden, denen es kaum noch gelang, in das Geld- und Kreditgeschäft in Berlin einzutreten.25 Erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts gelang es wenigen Debütanten, die Markteintrittsschranken zu durchbrechen und neue Vermögen zu bilden. Als „leitende“ Angestellte einer Fabrik oder eines Handelshauses eigneten sich diese Juden Spezialkenntnisse, fachliche Qualifikationen und Managementfähigkeiten an. Durch ihren Verdienst erwarben sie Geldmittel, so daß sie selbst unternehmerisch tätig werden konnten. Andere jüdische Kaufleute erzielten durch Arbitragegeschäfte Gewinne und begründeten damit die nötige Kapitalbasis, um als Hoffaktor dem jeweiligen Herrscher Kredit zu geben oder zu vermitteln.26

20

Vgl. Treue (1984), S. 77; Jersch-Wenzel (1978), S. 92ff. Vgl. von Poschinger (1878), S. 54f. Zum Hofjudentum als spezifischer Erscheinung in der Epoche des Merkantilismus vgl. Virnich (1997), S. 4ff. 23 Vgl. Treue (1984), S. 48; S. 114. 24 Vgl. Jersch-Wenzel (1978), S. 154. 25 Vgl. ders. (1978), S. 149; S. 157. 26 Vgl. ders. (1978), S. 158; Virnich (1997), S. 6f. 21 22

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In der Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm war Israel Aaron bis 1673 der bedeutendste Hofjude, der als Kriegs- und Münzlieferant des Hofes ein enges persönliches Verhältnis zum Kurfürsten unterhielt.27 Danach entwickelte sich Jost Liebmann vom unbedeutenden Geschäftsmann zum Hoffaktor und war sowohl für den Großen Kurfürsten als auch für Friedrich I. tätig. Die ersten Juwelenlieferungen sind für das Jahr 1678 dokumentiert. Als Hofjuwelier übernahm Liebmann die finanziellen Vorbereitungen zur Krönung Friedrichs I. im Jahr 1701. Er starb 1702 als „reichster Mann Deutschlands“.28 Seine Witwe, Esther Liebmann, führte die Geschäfte fort.29 Leffmann Behrens, der bereits als Finanzier der Welfen und Habsburger für die Erlangung der hannoverschen Krone mit seiner Verwandtschaft große Beträge bereitgestellt hatte, beteiligte sich als berühmtester Hofjude dieser Zeit ebenfalls an der Finanzierung des neuen Königs.30 Unter Friedrich Wilhelm I.31 veränderten sich die Aktivitäten der Hofjuden. Als sparsamer Herrscher benötigte Friedrich Wilhelm I. keine Juwelen, so daß sich der Tätigkeitsschwerpunkt der Hofjuden auf das Münzgeschäft und auf das Manufakturwesen verlagerte. Von Bedeutung waren hierbei Moses Levin Gomperz und David Hirsch. Während Gomperz sich vorwiegend im Münz- und Silbergeschäft betätigte32, entwickelte sich Hirsch zum Manufakturunternehmer in der Textilbranche.33 Darüber hinaus waren Marcus Magnus und Meyer Ries von Bedeutung, die als Hoffaktoren mit dem König Geldgeschäfte unterhielten und die Rekrutengelder vorstreckten. Als Hofmünzer hatte sich auch Levin Veit hervorgetan.34 Friedrich II. führte mit den drei jüdischen Bankiers Veitel Ephraim, Daniel Itzig und Moses Isaac Geld- und Bankgeschäfte durch. Über ein Konsortium besaßen sie das Monopol auf die preußischen und sächsischen Münzprägestätten.35 Mit Hilfe dieser 27

Da Israel Aaron bereits vor dem Judenedikt von 1670 in Berlin ansässig war, lehnte er anfänglich den Zuzug der Wiener Juden aus Konkurrenzgründen ab. Vgl. Virnich (1997), S. 14f. Vgl. Virnich (1997), S. 23f. 29 Esther Liebmann war die Witwe des Israel Aaron und die zweite Frau des Jost Liebmann. Als Hofjüdin belieferte sie den Hof mit Juwelen, die später von Friedrich II. zur Finanzierung des Siebenjährigen Krieges eingesetzt wurden. Vgl. Virnich (1997), S. 26ff. 30 Jost Liebmann beschaffte die Kronjuwelen: 2 Diamanten für die Krone zu 180.000 Talern und die Diamantknöpfe für das Krönungsgewand, das Stück zu 3000 Dukaten. Vgl. Schnee (1953), S. 13ff., Bd. 1. 31 Unter Friedrich Wilhelm I. veränderte sich die Judenpolitik. Ihnen wurden verschiedene Handelsverbote und beschränkungen auferlegt. Des weiteren begann eine restriktive Familien- und Abgabenpolitik, die das Ziel verfolgte, die Zahl der Juden in Preußen zu begrenzen und nur die reichen Juden im Land zu behalten. Vgl. Virnich (1997), S. 54ff. 32 Vgl. Virnich (1997), S. 60f. 33 Vgl. ders. (1997), S. 68. 34 Vgl. Treue (1984), S. 48. 35 Schon vor dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) hatte Friedrich II. die preußischen Münzstätten an die Gesellschaft Herz Moses Gomperz & Konsorten verpachtet. Die durch den Krieg an Preußen gefallenen sächsischen Münzstätten pachtete 1756 Veitel Ephraim, der seit 1744/45 Hofjuwelier und Silberhändler war. Nach dem Tode Gomperz 1758 schloß sich Ephraim mit den Mitgesellschaftern Gomperz, Moses Isaac und Daniel 28

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Kapitel III

Berliner Bankiers betrieb Friedrich II. Münzmanipulationen und Fälschungen, die ihm zunächst Gewinne zur Finanzierung des Siebenjährigen Krieges bescherten. Später entwickelten sich aus dieser Vorgehensweise Inflation und Teuerung.36 Außerdem verfolgte Friedrich II. weiterhin die Strategie seines Vorgängers, Juden beim Aufbau von Manufakturen zu unterstützen, um die heimische Wirtschaft zu modernisieren.37 Als Neuling gelang es Moses Mendelssohn, der 1743 nach Berlin kam, im Berliner Wirtschaftsleben Fuß zu fassen. Er wurde 1754 Buchhalter des Seidenfabrikanten Bernhard Isaac, dessen Kinder er vorher als Hauslehrer unterrichtete. Nach dem Tode Bernhards wurde Mendelssohn 1769 Mitinhaber der Firma und betätigte sich auch als Geldleiher. Mit dem hinterlassenen Vermögen des Vaters bauten seine Söhne unter den Monarchen Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm III. dieses Geschäft trotz der bereits existierenden jüdischen Finanzagglomeration zu einem der führenden Bankhäuser Berlins und Preußens aus.38 Neben den jüdischen Hoffaktoren und Privatbankiers waren die Beamten und Generäle Preußens wichtige Finanziers des Staates. Sie waren teilweise sehr vermögend und konnten deswegen dem Herrscher selbst Darlehen geben oder unter Einsatz ihrer Bonität vermitteln. Auf diese Weise erhielt der noch unterentwickelte Staatsapparat einen befähigten Staatsdiener und nebenbei noch dessen Vermögen und Kredit. Besonders bekannt in der Regierungszeit des Großen Kurfürsten war Benjamin Raule (16341707), der als holländischer Kaufmann und Reeder 1681 zum „General-Directeur de Marine“ mit dem Rang eines Obristen ernannt wurde, und sich darüber hinaus als Kriegsunternehmer und Finanzier betätigte und dem Kurfürsten Anleihen vermittelte.39 Zur Zeit Friedrich I. war es vor allem Johann Andreas Krautt (1661-1723), der sich in der Verbindung öffentliches Amt mit privaten Geschäften einen Namen machte. Der 1680 nach Berlin gekommene Kaufmann stieg als Heereslieferant auf und wurde 1689 Kriegskommissar, 1696 sogar Kriegsrat. Über die Finanzierung der Generalkriegskasse während des Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1713/14) wurde Krautt bald zum „Bankier des Staates“. Als Vermittler internationaler Geldgeschäfte verschaffte er dem Itzig, zusammen, so daß sich seit dieser Zeit sowohl die preußischen als auch die sächsischen Münzprägestätten fest in einer Hand befanden. Vgl. Mittenzwei/Herzberg (1987), S. 336; Treue (1984), S. 79, Virnich (1997), S. 93ff. 36 Vgl. Treue (1984), S. 93-97. 37 In dem Zusammenhang erhielten die Juden, ungeachtet einer sich verschärfenden Gesetzgebung, weitreichende Privilegien, um auf diese Weise das preußische Wirtschaftsleben zu befördern. Vgl. Virnich (1997), S. 91. 38 Zu den Neulingen der Berliner Finanzwelt zählte zu dieser Zeit auch Israel Marcus. Vgl. Jersch-Wenzel (1978), S. 160f. 39 Vgl. Kaufhold (1987), S. 28.

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preußischen Staat Kredite in Amsterdam, London, Venedig, Genua und Wien. Durch Zinsen und Agio konnte Krautt bei diesen Geschäften auch auf eigene Rechnung Gewinne verbuchen.40 Das bekannteste christliche Bankhaus in die Zeit des Merkantilismus wurde 1712 von Splitgerber und Daum als Großhandelshaus gegründet. Sie entwickelten sich unter Friedrich II. zur größten und vielseitigsten Produktions-, Handels- und Geldunternehmung der preußischen Monarchie.41 Die ersten Geschäfte bestanden aus Lieferungen militärischer Artikel an die Höfe von Preußen, Sachsen und Polen. Da die Anzahlungen auf die militärischen Kommissionslieferungen zu gering waren, um entsprechende Liquidität für andere Geschäfte vorhalten zu können, finden sich bereits von Anfang an Darlehen, Wechsel und Lombardgeschäfte in den Büchern. Häufig traten Verwandte als Geldgeber gegen Wechselverschreibung auf.42 Um die Mitte des 18. Jahrhunderts übernahmen Splitgerber und Daum auf Wunsch des Königs Friedrich II. eine Reihe von Produktionsanlagen zur Pacht oder in ihren Besitz. Dazu zählt beispielsweise die Messer- und Stahlwarenmanufaktur in Neustadt-Eberswalde.43 Viele der aus dem Staatsbesitz übernommenen Fabriken konnten jedoch nicht rentabel gestaltet werden und wurden Mitte des 19. Jahrhunderts verkauft oder liquidiert.44 Hinsichtlich staatlicher Handelsverträge, Hafenanlagen und Bankpläne nahm Friedrich II. gern die Beratungsleistungen von Splitgerber und Daum in Anspruch.45 Die christlichen Unternehmer Schultze, Wylich, de Roon, Werstler, die neben dem Bank- auch im Textilgeschäft tätig waren, sowie die Wechselhändler Gebrüder Saltzmann mußten ihr Unternehmungen nach dem Siebenjährigen Krieg wegen Konkurses einstellen. Im Gegensatz zu Splitgerber und Daum konnten sie hohe Verluste aufgrund von Münzverschlechterungen und Inflation nicht kompensieren.46 Zum Ende der hier betrachteten Zeitperiode 1806 lebten in Berlin über 400 jüdische Familien. Ursache hierfür war maßgeblich die progressive und tolerante Einwanderungspolitik der preußischen Herrscher. Es gab 30 jüdische Bankiers neben 11 christ-

40

Vgl. Kaufhold (1987), S. 29; Mittenzwei/Herzberg (1987), S. 182. Zum ausführlichen Werdegang Krautts vgl. Treue (1984), S. 6. Vgl. Treue (1984), S. 44. 42 Vgl. Lenz/Unholtz (1712), S. 6f.; Kaufhold (1987), S. 30. 43 Vgl. Lenz/Unholtz (1712), S. 20; Mittenzwei/Herzberg (1987), S. 306ff. 44 Vgl. Treue (1984), S. 187. 45 Vgl. Treue (1984), S. 69f. 46 Vgl. ders. (1984), S. 105; Mittenzwei (1979), S. 10f. 41

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Kapitel III

lichen.47 Die Juden, die sich im Laufe der Jahrhunderte aufgrund staatlicher Restriktionen hinsichtlich ihrer Erwerbsmöglichkeiten exzellente Fähigkeiten im europäischen Geld- und Warenhandel angeeignet und entsprechende Netzwerke aufgebaut hatten, trugen wesentlich dazu bei, daß das Bankgeschäft zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig in Berlin wurde. Stärker als christliche Kaufleute und Unternehmer haben sie nach dem Motto „faire profit de tout“ gehandelt.48 Sowohl die kapitalstarken jüdischen Privatbankiers als auch die zahlreichen kleineren jüdischen Bank- und Wechselgeschäfte trugen zum wachsenden Ansehen Berlins als Bankplatz bei.49

1.2.2 Die Gründung von staatlichen Bankinstituten Bereits im 16. und zu Anfang des 17. Jahrhunderts gab es in einigen großen Städten Deutschlands staatliche Banken. Überregional bekannt war die sehr erfolgreich operierende, 1619 gegründete Hamburger Bank.50 Trotzdem oder gerade weil die Bankwissenschaft in Preußen im 17. und 18. Jahrhundert noch nicht weit fortgeschritten war und sich nur wenige Nationalökonomen mit dem Bankwesen kritisch auseinandersetzten, gab es weitere Bestrebungen, unter staatliche Aufsicht stehende Banken zu gründen.51 Banken wurden als Vehikel gesehen, den Landeswohlstand zu vergrößern. Nach merkantilistischer Auffassung stellten Banken für den Staat eine stetig wachsende Einnahmequelle dar. Außerdem sollte mit Hilfe der Banken das sich massiv ausbreitende Wuchertum unterbunden werden. Hinzu kam, daß der Aufbau des noch unterentwickelten preußischen Staates und seines Militärs umfangreiche finanzielle Mittel erforderte. Vor diesem Hintergrund nahmen die Vorschläge zur Gründung von Banken mit Beginn des 18. Jahrhunderts zu. Mögliche Inflationsgefahren und Wettbewerbsverzerrungen, die von Staatsbanken ausgehen können, insbesondere dann, wenn sie mit umfangreichen Privilegien ausgestattet sind, wurden verkannt. Daher bezeichnete VON 47

Die Zahl der jüdischen Bankiers wäre noch höher, wenn nicht einige der Juden zum Christentum übergetreten wären, um auf diese Weise eine Gleichberechtigung im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben zu erzielen. Vgl. Treue (1984), S. 193; Kaufhold (1987), S. 27. 48 Von anderen Gewerken per Gesetz ausgeschlossen, waren die Juden fast dazu verdammt, nur im Geld- und Handelsgeschäft tätig zu sein. Vgl. Jersch-Wenzel (1978), S. 163. 49 Vgl. Kaufhold (1987), S. 32. 50 Die Hamburger Bank war die erste Girobank in Deutschland. Hier konnten die Kaufleute finanzielle Transaktionen durchführen. Bereits Ende 1619 hatte die Bank 42 Kontoinhaber mit über 100.000 Mark Einlagen. Vgl. Obst (1924), S. 18, Bd. II. Vgl. auch o.V. (1952), S. 832. 51 Zum Stand der Bankwissenschaft in dieser Zeit in Preußen/Deutschland vgl. von Poschinger (1878), S. 14f.; S. 23ff.

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POSCHINGER die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts als „Zeit der Banküberschätzung“.52 Die Vorschläge zu den Bankprojekten wurden dem jeweiligen Regenten von seinen Kameralisten oder von Ausländern53 unterbreitet, wobei erst unter Friedrich II. drei der Bankpläne verwirklicht wurden. Zumeist scheiterten die Vorschläge an folgenden Fragestellungen, die nicht zufriedenstellend beantwortet werden konnten: - Wer zeichnet das Eigenkapital der Bank? - Wo befindet sich der Sitz der Bank? - Wem und nach welchen Grundsätzen wird Kapital verliehen? - Welche Beteiligungen und andere Geschäftunternehmungen werden eingegangen? - Wer leitet die Verwaltung der Bank? Darüber hinaus waren es persönliche Ressentiments und Intrigen der Begründer von potentiellen Bankprojekten untereinander, die die Errichtung einer Bank verhinderten. Bei der Standortfrage kristallisierte sich Berlin als bevorzugter Sitz einer Bank heraus. Von 14 bei VON POSCHINGER aufgeführten Bank-projekten bezogen sich mehr als die Hälfte der Vorschläge auf Berlin. Als Hauptgrund dafür kann die unmittelbare Nähe zum König gesehen werden. Andere Standortempfehlungen waren Königsberg, Magdeburg und Breslau.54 Letztlich wurden nur drei Bankpläne verwirklicht: 1765 die Gründung der Königlichen Bank55 und 1772 die Gründung der Preußischen Seehandlung56 jeweils in Berlin sowie die 1781 gegründete Leihkasse in Potsdam,57 die jedoch für die Entwicklung des Bankplatzes Berlin keine Bedeutung hatte. Das Eigenkapital zur Gründung der Königlichen Bank und der Preußischen Seehandlung mußte ausschließlich vom Staat aufgebracht werden. Die ursprünglich geplante Beteiligung von Privatkapital der preußischen Kaufleute scheiterte an deren Widerstand. Die Kaufmannschaft kritisierte die Vielzahl der Geschäftsfelder, auf denen die Banken tätig werden sollten, und die damit verbundene Ausstattung der Banken mit

52

Vgl. von Poschinger (1878), S. 23. Der bedeutendste Ausländer, der in diesem Anliegen das Vertrauen von Friedrich II. gewinnen konnte, war Calzabigi, ein italienischer Abenteurer und Geschäftsmann. Zum Bankprojekt Calzabigis vgl. von Poschinger (1878), S.57ff.; Mittenzwei (1984), S. 149-153. 54 Zu den einzelnen Bankprojekten in den alten preußischen Landesteilen und Berlin bis 1765 vgl. von Poschinger (1878), S. 33-88. 55 Zum Hergang der Gründung der Königlichen Bank 1765 vgl. Mittenzwei (1979), S. 15ff. 56 Zum Gründungshergang der Preußischen Seehandlung 1772 und ihrer späteren Entwicklung bis 1806 vgl. von Poschinger (1878), S. 144-147; Schrader (1911), S. 1-7. 57 Die Leihkasse zu Potsdam wurde 1793 dem Berliner Bankier Meyer Wulf in Erbpacht übertragen. Vgl. von Poschinger (1878), S. 150. 53

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Privilegien und Monopolstellungen.58 Sie sahen in diesen Institutionen keine Beförderer des Handels und des Geldwesens, sondern vielmehr eine Konkurrenz zum eigenen Geschäft.59 Wie die Privatbanken führten die Staatsbanken anfänglich ebenfalls neben dem reinen Bankgeschäft auch Handelsgeschäfte durch. Ein besonderer Schwerpunkt der Seehandlung lag diesbezüglich auf der Finanzierung des Im- und Exports Preußens. Ihr Gründer, Friedrich II., beabsichtigte durch die Seehandlung den preußischen Handel, der durch den Siebenjährigen Krieg zurückgegangen war, wiederzubeleben.60 Folglich überwogen in der Anfangsphase der Seehandlung die Handels- und Reedereigeschäfte. Obwohl die Unternehmungen zunächst nicht erfolgreich verliefen, hatte die Königliche Seehandlung einen maßgeblichen Anteil daran, daß die staatliche Handelsbilanz, die bis 1740 noch passiv gewesen war, bis zum Regierungsende Friedrich II. im Jahr 1786 einen Gewinn von 4 Millionen Taler aufwies.61 Erst zum Ende des 18. Jahrhunderts gaben auch die Staatsbanken ihr Handelsgeschäft auf, und konzentrierten sich ganz auf die Banktätigkeit. Umfassende Reformen im Regelwerk der Banken gepaart mit personellen Veränderungen in den Führungsgremien gingen dieser Entwicklung voraus. Die Seehandlung entwickelte sich zu einem Bankinstitut, das vielfältige Beziehungen ins Ausland unterhielt. Neben dem Diskontgeschäft oblag ihr die Vermittlung und Aufnahme von Anleihen für den preußischen Staat im In- und Ausland, so daß sich bei ihr die Staatsverschuldung Preußens konzentrierte. Dabei konnte sie sogar Mittel aus eigenen Kapitalien vorstrecken, da sie aufgrund ihrer gestiegenen Bonität höhere Mittelzuflüsse als die Königliche Giro- und Lehnbank zu verzeichnen hatte.62 Die Königliche Bank, die im Depositen- und Wechselgeschäft in Konkurrenz zur Seehandlung stand, wuchs in die Rolle eines Geldinstitutes des Staates hinein, mit dem er verschiedene Projekte finanzierte. Bedingt durch Vetternwirtschaft und Fehlinvestitionen erwirtschaftete die Königliche Bank anfänglich hohe Verluste, was zur ihrer fakti58

Zu den Ansichten Friedrich II. zu Monopolen und Privilegierung vgl. Mittenzwei (1979), S. 124ff. Frühere Projekte Calzabigis, zur Gründung einer Bank, sahen die Errichtung einer „Monstergesellschaft“ vor, die neben dem Bankgeschäft auch Versicherungsgeschäfte sowie Handelsgeschäfte aller Art, selbst den Fischfang, tätigen sollte. 60 Friedrich II. mußte nach dem Siebenjährigen Krieg die angeschlagenen Staatsfinanzen konsolidieren. Dazu sah er in der Gründung staatseigener Banken, die zeitgleich Handel und Gewerbe fördern sollten, ein geeignetes Mittel. Im Rahmen seines Programms zum Retablissement gründete er gegen den Widerstand der Kaufleute die Königliche Bank und die Preußische Seehandlung. Zur Situation Preußens nach dem Siebenjährigen Krieg vgl. ausführlich Mittenzwei (1979), S. 9ff. 61 Vgl. Schoeps (1995), S. 83. 62 Vgl. von Poschinger (1878), S. 144ff.; Schrader (1911), S. 1ff. 59

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schen Stillegung führte. 63 Erst durch Restrukturierungs-maßnahmen begann die Entwicklung der Bank zu einer Förderbank des Staates, die zur Refinanzierung Depositengelder hereinnahm. Per königlichem Edikt erhielt die Bank 1766 das Recht zur Notenausgabe und 1768 erging die Anordnung, daß Kirchen-, Waisen- und Stiftungsgelder auf Konten der Königlichen Bank anzulegen sind.64 Insgesamt stiegen die privaten und öffentlichen Depositen bis 1804 auf 33 Millionen Taler an.65 Diese sollten ursprünglich in das Wechselgeschäft investiert werden. Da der preußische Handel zu dieser Zeit schwach ausgeprägt und der Wechselverkehr dementsprechend relativ kleinvolumig war, konnte nur ein geringer Teil der Depositen im Diskontgeschäft eingesetzt werden. Außerdem trat in diesem Geschäftsfeld die Preußische Seehandlung als Wettbewerber auf. Sowohl aus Rentabilitätsgründen als auch aus politischen Gründen erging die Anordnung, die Depositengelder als hypothekarische Darlehen für die Urbanisierung und die beginnende Industrialisierung von Süd- und Ostpreußen sowie Schlesien zu vergeben.66 Insgesamt lieh die Bank von 1766-1806 in kaufmännischen und hypothekarischen Geschäften 39 Millionen Taler aus.67 Die in den einzelnen Geschäften erzielten Gewinne führten die Banken an den Staat ab, der auf diese Weise die Staatsfinanzen konsolidieren konnte. Während die Königliche Bank ihre Gewinne vollständig abführte, konnte die Seehandlung die erzielten Gewinne im Unternehmen thesaurieren und ihren Kapitalstock erhöhen.68

1.2.3 Landschaften als Vorläufer der Hypothekenbanken Die Landschaften als „Kreditinstitute der Landwirtschaft“ hatten ihren Sitz nicht in Berlin, sondern jeweils vor Ort. Dem entsprechend hatten sie auch keinen Einfluß auf den sich entwickelnden Bankplatz Berlin. Als Vorläufer der modernen Hypothekenbanken, die später auch in Berlin residierten, sollen sie hier dennoch kurz vorgestellt werden. Gründungszweck der Landschaften war die Finanzierung der preußischen Landwirtschaft. Der Landadel war dazu nicht in der Lage, da er im allgemeinem und im beson63

Vgl. Mittenzwei (1979), S. 20ff. Vgl. Mittenzwei (1979), S.103. Vgl. Treue (1984), S. 186f. 66 Vgl. Schöps (1995), S. 83. 67 Vgl. Treue (1984), S. 186f. 68 Vgl. Schrader (1911), S. 11; Treue (1984), S. 186f. 64 65

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deren nach dem Siebenjährigen Krieg unter chronischem Kapitalmangel litt. Das einzige Kapital war immobil und gebunden im landwirtschaftlichen Grund und Boden, der zudem aufgrund eines Verbotes von 1750 nicht an Bürgerliche verkauft werden durfte. Doch gerade die bürgerlichen Kaufleute und Unternehmer waren es, die das nötige Kapital zur Finanzierung der Landwirtschaft hatten. Dieses Dilemma löste Friedrich II. indem er die Gründungserlaubnis für Landschaften erteilte, zu deren Refinanzierung Pfandbriefe - eine damalige Finanzinnovation - in Umlauf gegeben wurden. Das Eigenkapital wurde aus staatlichen Fonds bereitgestellt. Die erste Landschaft war die 1770 in Breslau gegründete Schlesische Landschaft. 1777 folgte die Gründung des Ritterschaftlichen Kreditinstituts in der Kur- und Neumark. Weitere Landschaften wurden 1781 in Pommern, 1787 und 1788 in West- bzw. Ostpreußen gegründet.69

1.3

Die Berliner Börse

Bereits unmittelbar nach dem Dreißigjährigen Krieg gab es in Berlin erste Bestrebungen zur Gründung einer Börse nach dem Vorbild der Amsterdamer Börse. Zur eigentlichen Gründung der Berliner Börse kam es jedoch erst 1685, als der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm ein Edikt zur Gründung erließ, um Handel und Verkehr zu beleben. Daraufhin fanden sich die Gildemitglieder der Berliner Kaufmannschaft zu den „Morgensprachen“ zusammen, die anfänglich zweimal im Jahr durchgeführt wurden. Aus diesen Zusammenkünften wurden dann regelmäßige, als Börse bezeichnete Treffen, bei denen man vorwiegend Informationen austauschte.70 Mit zunehmendem Handelsverkehr wurde der Wunsch nach einem ordentlichen Börsenverkehr, d.h. nach einem organisierten, auf einer Börsenordnung basierenden Geld-, Wechsel- und Wertpapierhandel größer. Dazu fehlte jedoch ein geeignetes Gebäude. 1738 schenkte der König Friedrich Wilhelm I. der Kaufmannschaft ein Gartenhaus im Lustgarten, die sogenannte Grotte. Am 25. Februar 1739 fand dort die erste Börsensitzung statt, die von der Kurmärkischen Kammer bestätigt wurde.71 Nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges erweiterte sich der Berliner Kurszettel, wenngleich die Bedeutung der Berliner Börse in Deutschland gering blieb.72 Als erster Aktienwert wurden 1772 die nicht vom Staat übernommenen Papiere der Königlichen Seehandlung an der Berliner Börse notiert. 1785 zeigte der Kurszettel die Notierung 69

Vgl. Mittenzwei/Herzberg (1987), S. 356; von Poschinger (1878), S. 154. Zum Ursprung des deutschen Börsenwesens und seiner Eigenart, die in der losen Zusammenkunft von Gildemitgliedern zwecks Informationsaustausch bestand, vgl. Göppert (1932), S. 6f. 71 Vgl. Gebhard (1928), S. 6. 72 Von größerer sogar zentraler Bedeutung war zu dieser Zeit der Frankfurter Börsenplatz. Vgl. Walter (1992), S. 68. 70

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weiterer Aktien sowie die Kurse für die Pfandbriefe der Landschaften. Ferner wurden Wechsel aus Frankfurt am Main, Leipzig, Hamburg, Wien, Amsterdam, London und Paris sowie einige Goldmünzen gehandelt.73 Wie stark der börsenmäßige Verkehr in Berlin wuchs, zeigt die Notwendigkeit und der Beschluß 1797, ein neues Börsengebäude zu bauen. Zeitgleich mit der Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 1805 wurde die 2. Börsenordnung erlassen, die wesentliche Bestimmungen aller späteren preußischen Börsenordnungen enthielt. Sie regelte die Festsetzung der Kurse, die Veröffentlichung eines Kurszettels, die Höhe der Maklergebühr und die Regularien der Börsenkorporationen.74

73 74

Vgl. Berliner Börse (1985), S. 7. Vgl. Gebhard (1928), S. 8ff.

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Kapitel III

2.

Der Aufstieg Berlins zum zentralen Bank- und Börsenplatz (1806-1870)

2.1

Staatsreform und Unternehmergeist als Impulsgeber

Im Jahr 1806 geriet Preußen, das seit 1795 versuchte, seine Neutralität bezüglich der antifranzösischen Koalitionskriege zu wahren, in militärische Auseinandersetzungen mit England und Frankreich. Der Krieg gegen Frankreich endete 1807 mit dem Frieden von Tilsit. Die politische und militärische Niederlage gegen Frankreich brachte Preußen unter französische Vorherrschaft. Einstige Landgewinne gingen an Frankreich verloren, so daß sich Territorium und Bevölkerung Preußens nahezu halbierten. Darüber hinaus war der preußische Reststaat mit hohen Kontributionszahlungen an Frankreich belastet.1 Das preußische Königspaar und mit ihm der königliche Hof waren Ende 1806 mitsamt den obersten preußischen Staatsbehörden und den zwei staatlichen Banken nach Königsberg geflohen. Damit war Berlin als Hauptstadt funktionslos geworden und nicht mehr Mittelpunkt der politischen Macht Preußens.2 In der Zeit der französischen Besetzung empfahlen die Staatsminister Hardenberg und vom Stein dem König Friedrich Wilhelm III. (1797-1840), umfassende Reformen in allen staatlichen, militärischen und gesellschaftlichen Bereichen durchzuführen. Preußen, das noch in seinen feudal-merkantilistischen Strukturen verhaftet war, mußte modernisiert werden. Wesentliche Punkte des Reformwerkes waren die Bauernbefreiung, die Gleichstellung der Bürgerlichen, die Einführung der kommunalen Selbstverwaltung, die Judenemanzipation und die Einführung der allgemeinen Wehr- und Schulpflicht. Damit wurde der Grundstein für das Wirtschaftswachstum und der damit einhergehenden Industrialisierung des Landes gelegt.3 Die Rückkehr des preußischen Herrschers nach Berlin 1809 inklusive seines Hofes, seiner Beamten und seiner Banken4 sowie die politische Rehabilitierung Preußens durch den Wiener Kongress 18155 brachten im Zusammenhang mit den Reformen für Berlin und Preußen entscheidende Wachstumsimpulse. Die Angebots- und Nachfrage1

Zu den Kontributionsgeldern und den Folgen des Krieges auf die öffentlichen Finanzen sowie Wege aus der Krise vgl. Klein (1974), S. 106-121. Vgl. auch Treue (1984), S. 229-236. Darstellungen der französischen Besatzungszeit (1806-1815) finden sich u.a. bei Schulze (1908) sowie Hausschild-Thiessen (1989). 3 Zum Reformwerk vgl. ausführlich Huber (1957), S. 113ff. Einen chronologischen Überblick über die Reformschritte bietet Ruf (1991), S. 173-177. 4 Zur Rückkehr des Königs aus dem Exil vgl. Ohff (1999), S. 203f. 5 Zum Wiener Kongreß 1815 und zu den vorausgegangenen Befreiungskriegen gegen Napoleon vgl. Schoeps (1995), S. 132-152, sowie 153-163. 2

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bedingungen in Berlin verbesserten sich sukzessive, so daß sich Berlin zur führenden Industriestadt und zum zentralen Bankplatz Preußens entwickeln konnte. Insbesondere das Oktoberedikt von 1807 und die Städteordnung von 1808 sowie die etwas später erfolgte Einführung der Gewerbefreiheit 18106 und des Zollgesetzes 1818 stellten die Weichen für die Entwicklung Berlins zur Industrie- und Finanzstadt sowie zur volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale Preußens. Berlin war auch in dieser Periode Ausgangspunkt und Ziel der liberalen Wirtschaftspolitik Preußens.7 Die 1807 eingeleitete Bauernbefreiung beendete die bäuerlichen Erbuntertänigkeitsverhältnisse.8 Infolgedessen strömte die arbeitssuchende und freie Landbevölkerung in die größeren Städte, vor allem nach Berlin. In der Zeit von 1815 bis 1845 verdoppelte sich die Einwohnerzahl Berlins von rund 200.000 auf annähernd 400.000.9 Von 1845 bis 1871 verdoppelte sich die Einwohnerzahl nochmals. Mit mehr als 800.000 Einwohnern war Berlin zur größten Stadt Mitteleuropas her-angewachsen.10 Insgesamt hatte Berlin von 1815 bis 1871 die größte Zuwanderung in ganz Deutschland, wobei diese Erhöhung auch auf Eingemeindungen von bislang selbständigen Vororten zurückzuführen ist.11 Die Städteordnung von 1808 regelte die Selbstverwaltung der Stadt und schuf eine demokratische Bürgervertretung für die Kommune. Besonders vorteilhaft für Berlin war die Tatsache, daß an der Spitze der Stadtverordnetenversammlung meist wirtschaftlich starke Kräfte standen, die es verstanden, mit dem liberalen Beamtentum zum Wohle der Stadt zu kooperieren. Es bestanden vielfältige Möglichkeiten der persönlichen Begegnung, so daß zwischen den Beamten und Unternehmern Berlins engere Beziehungen als zu den Unternehmern der anderen Provinzen bestanden.12

6

Im Gegensatz dazu vertritt KOPSIDIS die Ansicht, daß zwischen der Einführung der Gewerbefreiheit und dem sich anschließenden Wirtschaftswachstum nur ein geringer Zusammenhang besteht. Er führt die Erhöhung der Nachfrage nach gewerblichen Gütern ab Ende der 1820er Jahre und die damit verbundene Industrialisierung auf die langanhaltende gute Agrarkonjunktur zurück. Vgl. Kopsidis (1993), S. 59f. 7 Zu den Auswirkungen der Stein-Hardenbergischen-Reformen speziell auf die Berliner Wirtschaft vgl. ausführlich Mieck (1987), S. 41-58. 8 Zur Bauernbefreiung in Preußen vgl. Lütge (1981), S. 416-446. 9 Vgl. Zimm (1959), S. 34 und die dort angegebenen statistischen Quellen. 10 Vgl. Fischer (1987), S. 60. Nach Zimm lebten 1870 fast 775.000 Einwohner in Berlin. Vgl. Zimm (1959), S. 52. 11 Die erste Eingemeindung von Vororten erfolgte 1861. Vgl. Zimm (1959), S. 53; Fischer (1987), S. 69f. 12 Gerade aus den engen Kontakten der Beamten zu den Bankiers, Großkaufleuten und Unternehmern resultierten ihre wirtschaftsliberalen Ansichten. Vgl. Straubel (1998), S. 186f. Zur Reformbeamtenschaft und Reformwerk vgl. auch Kosselleck (1981), S. 384-407.

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Mit der Einführung der Handels- und Gewerbefreiheit wurde Preußen in wirtschaftlicher Hinsicht zum liberalsten Staat in Europa.13 Das Land entwickelte sich vom Agrarstaat zur Industriemacht; Berlin entwickelte sich zu einer modernen Industrieund Dienstleistungsmetropole.14 In Berlin gründeten die neuen bürgerlichen Unternehmer Firmen in den Branchen der Textil-, der Bekleidungs- sowie der Maschinenbauindustrie sowie zum Ende der hier betrachteten Periode Unternehmen der Elektro-, Chemie- und Pharmaindustrie.15 Die Textil- und Bekleidungsindustrie war der dominierende Industriezweig in Berlin. Aufgrund der geringeren Wertschöpfung wanderte das Textilgewerbe bereits zur Mitte des 19. Jahrhunderts ins Berliner Umland ab, wo geringere Löhne zu zahlen waren.16 Losgelöst von den Produktionsstätten verblieben die Verwaltungszentralen jedoch in Berlin, um die sich hier bietenden Agglomerationseffekte, insbesondere die Kommunikationsvorteile zu den sich ebenfalls in Berlin konzentrierenden Kreditinstituten und zu den staatlichen Behörden, besser nutzen zu können.17 Die im Vergleich zur Textilindustrie wertschöpfungs-intensivere Bekleidungsindustrie verlagerte ihre Produktionsstätten noch nicht ins Umland. Sie befand sich in einer ausgedehnten Wachstumsphase, die sich seit Mitte der 1860er Jahre noch verstärkte. Verbesserte Produktionsbedingungen, neue Verfahrenstechniken und Maschinen, eine wachsende Nachfrage in Berlin infolge steigender Bevölkerungszahlen sowie steigende Nachfrage auch in Preußen und im Ausland sind als Ursachen für die erfolgreiche Entwicklung der Berliner Bekleidungsindustrie zu nennen. 1871 entfielen rund ein Drittel aller Industriebeschäftigten Berlins auf den Sektor der Bekleidungsindustrie, die zum Hauptarbeitgeber in Berlin aufgestiegen war.18 Die Existenz dieser umfangreichen Bekleidungsindustrie in Verbindung mit der Textilindustrie war der Hauptgrund für die positive Entwicklung des Maschinenbaus seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts in Berlin. Die zunehmende Nachfrage der Textil- und Bekleidungsindustrie nach Apparaten und Maschinen für ihre Produktion ließ Berlin zum Zentrum des Maschinenbaus in Deutschland und Europa werden.19

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Zur liberalen Wirtschaftspolitik Preußens, die den Transformationsprozeß zur modernen Marktgesellschaft wesentlich mitbestimmte, vgl. Kopsidis (1993), S. 34-68. Vgl. auch Mieck (1987), S. 52. Zur Industrialisierung des Landes vgl. u.a. Kaufhold (1991), S. 82ff.; Möller (1991), S. 67ff. 15 Zu den Auswirkungen des Zollgesetzes und der Gewerbefreiheit in Preußen vgl. Treue (1984), S. 291f. 16 Die Abwanderung der Textilindustrie ins Umland begann mit der Aufhebung der Kontinentalsperre gegen England im Jahr 1815. Die Berliner Erzeugnisse waren gegenüber den englischen Textilien weder hinsichtlich Qualität noch hinsichtlich des Preises wettbewerbsfähig. Vgl. Zimm (1959), S. 26f. 17 Vgl. Zimm (1959), S. 38. 18 Vgl. Fischer (1987), S. 62; Zimm (1959), S. 38f. 19 Ein besonders bekannter Vertreter des Berliner Maschinenbaus war August Borsig, der bereits 1823 seine Werkstatt eröffnete und sie im Laufe der Jahrhunderte zu einem großen Fabrikkonzern ausbaute. Zur Ent14

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Der preußische Staat beschleunigte diese Entwicklung im Rahmen seiner Industriepolitik, die auf einer Symbiose zwischen staatlicher Industrieförderung und eigenständiger Unternehmerinitiative beruhte.20 Der Staat unterstützte den Technologietransfer durch englische Ingenieure, die man nach Berlin holte. Er leistete die Anschubfinanzierung mit Hilfe der zwei staatlichen Banken und baute die verkehrstechnische Infrastruktur in Berlin und Preußen aus. Ferner wurde auf Initiative der Gebrüder Humboldt 1810 eine Universität gegründet, die neben philosophischen auch technische Fakultäten führte. Dort wurden u.a. Arbeitskräfte oder Unternehmer für den Maschinenbau ausgebildet.21 Letztlich war es auch die Erhöhung der Einfuhrzölle für Maschinen 1818, wodurch die heimische Maschinenbauindustrie geschützt wurde.22 Bis Mitte der 1840er Jahre war der Berliner Maschinenbau noch mittelbetrieblich geprägt. Mit Beginn des Eisenbahnbaus erwuchsen daraus große Unternehmen mit einem hohen Beschäftigtenbedarf, so daß 1870 fast jeder Zehnte Industriebeschäftigte Berlins im Berliner Maschinenbau arbeitete.23 Sowohl die Elektro- als auch die Chemieindustrie gewannen seit den 1830er Jahren ebenfalls an Bedeutung, wenngleich sich der auf sie entfallende Anteil der Beschäftigten mit jeweils 380 Personen im Jahr 1870 noch relativ gering ausnimmt.24 Die Berliner Elektroindustrie profitierte entscheidend vom Aufschwung des Eisenbahnverkehrs, der Entwicklung Berlins zum Eisenbahnknotenpunkt sowie von Staatsaufträgen für die Herstellung von Militär- und Kriegsgerät.25 Die chemische Industrie profitierte von der Existenz der Textil- und Bekleidungsindustrie, für die sie als Zulieferer verschiedene Produkte herstellte. Sie wuchs auch aufgrund der Entsorgung der Neben- und Abfallprodukte der ebenfalls in Berlin ansässigen Gasindustrie.26 Das fortschreitende Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum hatte zur Folge, daß auch das Baugewerbe in Berlin zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor heranwuchs. wicklung des Berliner Maschinenbaus, insbesondere die Entwicklung der Borsigwerke, und des Maschinenbaus in Gesamtdeutschland vgl. Matschoss (1919), S. 10ff. Auf staatlicher Seite war es besonders Wilhelm Beuth, der 1818 die Leitung der Abteilung für Handel und Gewerbe im Ministerium übernahm, und sich für eine Förderung des Maschinenbaus einsetzte. Vgl. dazu Fischer (1987), S. 64ff. 21 Zur Entstehung und Entwicklung der heutigen Humboldt-Universität vgl. ausführlich Klein (1985). 22 Die Erhöhung der Einfuhrzölle vollzog sich im Rahmen der Schaffung eines einheitlichen Zollraumes für die weit auseinanderliegenden Staatsteile Preußens. Vgl. Zimm (1959), S. 30. 23 Vgl. Zimm (1959), S. 30. 24 Vgl. Treue (1984), S. 527f. 25 Vgl. Zimm (1959), S. 41. 26 Vgl. Zimm (1959), S. 41ff. Die Berliner Gasindustrie profitierte von der Einführung gasbeleuchteter Straßen im Jahre 1825. 20

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Kapitel III

1850 zog die Bauwirtschaft ca. ein Sechstel der Industriebeschäftigten auf sich.27 Der Ausbau des Verkehrsnetzes in und nach Berlin stärkte die Agglomerationsvorteile Berlins, so daß der Fortschritt der Berliner Industrie begünstigt wurde. Die Errichtung der Eisenbahnlinien in den 1840er Jahren, die die Verbindung nach außen herstellte, und die Einrichtung eines regelmäßig verkehrenden innerstädtischen Nahverkehrs, zunächst über Droschken, seit den 1860er Jahren über Massenverkehrsmittel, waren infrastrukturelle Fortschritte, die weiteres Wirtschaftswachstum in der Stadt hervorriefen.28 Gefördert wurde der Ausbau der Berliner Verkehrsinfrastruktur durch die Anwesenheit einer prosperierenden Eisenbahn- und Waggonbauindustrie als Zweig des Maschinenbaus. Durch den Eisenbahnbau entwickelte sich Berlin wiederum zu einem wichtigen Eisenbahnknotenpunkt, infolge dessen ein komfortabler Anschluß zu den Rohstoffgebieten und eine wirtschaftliche Spezialisierung in Berlin erreicht wurde. Aufgrund der geografischen Lage Berlins als Mittelpunkt zwischen dem industriellen Westen und dem landwirtschaftlichen Osten des Landes förderte der Ausbau Berlins als Verkehrsknotenpunkt die Erweiterung des Handels und die Versorgung der Stadt mit landwirtschaftlichen Produkten und industriellen Rohstoffen.29 Des weiteren avancierte Berlin zur Hauptstadt des Druck- und Verlagwesens.30 Nah am aktuellen politischen und wirtschaftlichen Geschehen profitierte diese Branche ebenfalls von den Kommunikationsvorteilen der Stadt.31 Somit verbesserten sich die am Finanzplatz Berlin existierenden Angbots- und Nachfragebedingungen. Die Unternehmen stellten die Basis dar, auf der sich weitere Unternehmen der Industrie, aber auch des Dienstleistungssektors, wie beispielsweise Hotels, Gastronomie und Kultureinrichtungen, in Berlin niederließen. Parallel dazu stiegen die Bevölkerungszahlen. Sowohl die Unternehmen als auch die Berliner Bevölkerung traten als Nachfrager nach Finanzdienstleistungen auf. Durch ihre Anwesenheit entwickelten sich Urbanisationsvorteile in Berlin, die durch staatlichen Einfluß noch vergrößert wurden.

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Vgl. Treue (1984), S. 356f.; S. 525. Vgl. Fischer (1987), S. 74f. Zum Verkehrswesen vgl. auch Treue (1984), S. 424-438. Vgl. Zimm (1959), S. 30ff. 30 Vgl. hierzu ausführlich Dovifat (1968), S. 758-766; Kiaulehn (1958), S. 477-504. 31 Als Beleg dafür kann die Etablierung der Berliner Börsen-Zeitung gelten, die 1855 von Theodor Killisch von Horn in Berlin gegründet wurde. Im Gegensatz zu den bisherigen Tagesblättern konzentrierte sich die Berliner Börsenzeitung auf die Berichterstattung und Kommentierung des Börsenwesens und seiner wirtschaftlichen und politischen Hintergründe. Damit wird auch die wachsende Bedeutung der Berliner Börse dokumentiert. Zur Gründung und Entwicklung der Berliner Börsen-Zeitung vgl. ausführlich Bertkau (1930), S. 954, Teil I. 28 29

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Vor diesem Hintergrund ließen sich verstärkt Banken in Berlin nieder, um von den sich hier bietenden Wachstumsmöglichkeiten zu profitieren. Politische Sondereinflüsse, die im folgenden dargestellt werden, unterstützten die Standortentscheidung zugunsten Berlins.

2.2

Politische Sondereinflüsse als Katalysator des Aufstiegs

Preußen entwickelte sich seit dem Wiener Kongress32 sowohl wirtschaftlich als auch politisch zu einem der einflußreichsten Staaten innerhalb der deutschen Länder aber auch Europas. Im Norddeutschen Bund, der 1866 als Ergebnis des DeutschÖsterreichischen Krieges entstand, hatte Preußen eine Hegemonialstellung in Deutschland inne.33 Die preußische Vorherrschaft hatte sich einerseits aus dem gebiets- und bevölkerungsmäßigen Übergewicht entwickelt, andererseits aus seiner wirtschaftlichen und politischen Vorrangstellung gegenüber den anderen deutschen König- und Herzogtümern.34 Vor diesem Hintergrund konzentrierten sich die wirtschaftlichen und finanziellen Kräfte des Staates in seiner Hauptstadt Berlin. Für die Entwicklung des Bankplatzes Berlin zum zentralen Bankplatz in Deutschland waren im Zusammenhang mit der Entstehung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 drei Kriege und ihre Folgen ausschlaggebend: der Deutsch-Dänische Krieg 1864, der Deutsch-Österreichische Krieg 1866 und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Diese Kriege bewirkten eine Veränderung der Zahlungsströme und der Finanzaktivitäten zugunsten des Bank- und Börsenplatzes Berlin. Wurden bislang verschiedene Finanzierungsmaßnahmen der deutschen Länder und des Auslandes über den Bankund Börsenplatz Frankfurt abgewickelt, war es nunmehr der Finanzplatz Berlin über den diese Finanztransaktionen liefen.

32

Als Wiener Kongreß werden jene, seit dem 1. Oktober 1814 in Wien stattfindenden, acht Monate andauernden Verhandlungen der Vertreter der Länder Europas bezeichnet. Dort wurde die territoriale Neuordnung Europas nach den Französischen Eroberungskriegen resp. Befreiungskriegen geregelt. Ein Ergebnis des Wiener Kongresses war die Schaffung des Deutschen Bundes. Vgl. dazu Craig (1989), S. 23-30. Vgl. ausführlich Burg (1989). 33 Zum lediglich sieben Wochen dauernden Deutsch-Österreichischen Krieg, dem sog. Deutschen Krieg, der die wirtschaftliche und militärische Überlegenheit Preußens belegte und dessen Ergebnis die Auflösung des Deutschen Bundes und Schaffung des Norddeutschen Bundes war, vgl. Craig (1989), S. 172-178. 34 Zur politischen Entwicklung Preußens von 1815 bis zur Reichsgründung vgl. ausführlich Schoeps (1995), S. 164-270.

66

Kapitel III

Im Zusammenhang mit dem Deutsch-Dänischen Krieg35 stieg die politische Unsicherheit, in deren Folge sich Anleger und Investoren von den Staatsanleihen abwendeten. Statt dessen investierten sie in die ohnehin höher verzinsten Industrieanleihen. Das Geschäftsfeld der Industrieanleihen war aber eine Domäne der Berliner Banken und der Berliner Börse, so daß diese Marktteilnehmer sich einer zusätzlichen Nachfrage gegenübergestellt sahen. Die bislang dominierende Stellung des Frankfurter Bank- und Börsenplatzes, dessen Marktteilnehmer sich stärker auf die Staatsanleihen konzentriert hatten, wurde geschwächt.36 Infolge des Deutsch-Österreichischen Krieges37 wurde die Frankfurter Rothschildbank im Juni 1866 zahlungsunfähig. Eine andere kapitalstarke Finanzcommunity fehlte am Frankfurter Bankplatz, so daß sich der süddeutsche Raum, der sich bislang über Rothschild finanzierte, an den Bankplatz Berlin und die dort ansässigen Kreditinstitute wenden mußte, sollte der gestiegene Kapitalbedarf der Industrie und der öffentlichen Hand Süddeutschlands gedeckt werden. Damit avancierte der Bankplatz Berlin endgültig zum zentralen Bankplatz Deutschlands, da sich nunmehr auch das Staatsanleihegeschäft am Bankplatz Berlin konzentrierte.38 Darüber hinaus trug mit der Zahlungsunfähigkeit Rothschilds die preußische Währungseinheit den Sieg über die Währungseinheit von Frankfurt und Wien davon: der Taler schlug den Gulden, Berlin schlug Frankfurt.39 Der Deutsch-Französische Krieg brachte die Vereinigung der deutschen Staaten.40 In Verbindung mit den Kriegskontributionen Frankreichs an Deutschland und der Lockerung des Aktienrechts konzentrierten sich die wirtschaftlichen Kräfte Deutschlands, durch die bereits bestehenden Agglomerationsvorteile Berlins angezogen, weiter in Berlin, so daß sich der Vorsprung der Industrie-, Handels- und Bankenstadt gegenüber anderen deutschen Städten weiter ausdehnte.

35

Im Deutsch-Dänischen Krieg (1864) ging es um die Vormachtstellung Preußens im Deutschen Bund. Anlaß des Krieges war die Zugehörigkeitsfrage der Herzogtümer Schleswig und Holstein, die Besitzungen des Königreiches Dänemark darstellten, ohne jedoch wirklich zum Königreich zu gehören. Vgl. Craig (1989), S. 169f. 36 Vgl. Böhme (1966), S. 169; S. 193f. 37 Im Deutsch-Österreichischen Krieg bzw. Deutschen Krieg ging es um die Vormachtstellung im noch nicht vereinigten Deutschland, die sowohl Preußen als auch Österreich anstrebten. Als sich beide Staaten in der Schleswig-Holstein-Frage nicht einigen konnten, begannen die kriegerischen Auseinandersetzungen, aus denen Preußen siegreich hervorging. Als Ergebnis des Krieges entstand der Norddeutsche Bund, in dem Preußen eine Hegemonialstellung inne hatte. Insofern stellt das Jahr 1866 eine wesentliche Etappe auf dem Wege Deutschlands zur Großmacht dar. Vgl. ausführlich Dietrich (1968). 38 Vgl. Gömmel (1992), S. 191. 39 Vgl. Böhme (1966), S. 215; Däbritz (1931), S. 157f. 40 Der Deutsch-Französische Krieg führte zur Reorganisation Mitteleuropas und zur Bildung des Deutschen Reiches. Vgl. Craig (1989), S. 190f. Vgl. ausführlich Seeber/Wolter (1981).

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2.3

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Die Entwicklung und Erweiterung des Marktteilnehmerkreises

Die Industrialisierung Berlins löste eine starke Kapitalnachfrage aus. Das hatte zur Folge, daß sich neue Banken am Bankplatz Berlin etablierten. Selbst in anderen Städten beheimatete Banken errichteten Niederlassungen in Berlin und folgten so der von der Industrie aber auch der vom Staat ausgehenden Kapitalnachfrage. Institutionell ist die Zeit geprägt durch die Privatbanken. Darüber hinaus entstanden Banken in der Form einer Kapitalgesellschaft bzw. erste Aktienbanken, um das benötigte Kapital besser mobilisieren zu können. Des weiteren vergrößerte sich der Bankenkreis um Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Die schon in der Vorperiode bestehenden staatlichen Banken waren weiterhin wichtige Marktteilnehmer am Bankplatz Berlin.

2.3.1 Die Privatbanken als führende Geld- und Kreditinstitute Die Privatbanken waren in der Zeit bis zur Reichsgründung die tragende Säule des Bankplatzes Berlin. Sie waren sowohl an der Finanzierung des preußischen Staates sowie der Stadt Berlin als auch an der Finanzierung der sich entwickelnden Industrie in Berlin und Preußen beteiligt. Das von den Privatbankiers im letzten Jahrhundert noch betriebene Waren- oder Handelsgeschäft wurde in dieser Epoche endgültig aufgegeben. Vor dem Hintergrund der Entwicklung Berlins zur Industriestadt entstanden neue Privatbanken. Waren im Jahr 1813 ca. 50 Privatbanken am Bankplatz Berlin tätig, stieg ihre Zahl auf 144 im Jahr 1850 an.41 Zu Beginn der hier betrachteten Epoche waren die bekanntesten und kapitalstärksten Privatbankiers Splitgerber & Daum, Delmar & Co.42, Liepmann Meyer Wulff und die Gebrüder Benecke. Sie waren in der Lage, neben anderen vermögenden Berliner Kaufleuten und Fabrikanten, die nötigen Kontributionsgelder während der französischen Besatzungszeit aufzubringen. Dazu bildeten die vier Bankhäuser ein Konsortium, das über den eigenen Kredit im In- und Ausland Anleihen für die Stadt Berlin und den Staat Preußen aufnahm. Auf diese Weise ersetzten sie die nach Königsberg geflohene Preußische Seehandlung und die Königliche Bank. Sie gewannen Einfluß auf die preußischen Anleihenemissionen, sicherten sich Folgegeschäfte und erwarben hohes öffentliches Ansehen.43 41

Vgl. Weber (1957), S. 26; Treue (1984), S. 236, 354. Ehemals Moses Levy & Erben. 43 Beispielsweise plazierten sie im März 1808 erfolgreich eine Anleihe in Hamburg mit einer Laufzeit von einem Jahr und einem Volumen von 1,2 Millionen Banco Mark. Als Sicherheiten dienten Wechsel der Berliner 42

68

Kapitel III

Splitgerber & Daum stellten den Hauptteil der Kontributionsgelder zur Verfügung. Levy Delmar arbeitete außerdem mit der französischen Verwaltung in Preußen zusammen. Die Gebrüder Bennecke stiegen in die Position eines Beraters der preußischen Finanzbehörden auf.44 Weitere bekannte Bankhäuser dieser Zeit waren Breest, Gelpcke, Kuckerling, Anhalt & Wagner, Fetschow & Sohn, J. S. von Halle, Osset & Poppe sowie Herrman und Fähnrich.45 Das Vorhandensein dieses weitreichenden Netzwerkes an Bankiers, Kaufleuten und staatlichen Institutionen spielte eine bedeutende Rolle beim Aufstieg des Finanzplatzes Berlin zum zentralen Bankplatz Deutschlands. Wie bereits in der Vorperiode profitierten die Privatbanken von den sich ergebenden Face-to-Face-Vorteilen, aufgrund derer sie ihre eigene Wettbewerbsposition stärkten und damit auch die Standortvorteile des Berliner Bankenplatzes. Im Zusammenhang mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem wachsenden Kapitalbedarf der neuen Unternehmen begannen die Privatbanken sich in der Finanzierung dieser Betriebe zu engagieren. Diese neue bankbetriebliche Betätigung ließ auch neue Privatbanken entstehen. Es erfolgte ein Wechsel in der Führungselite der Berliner Privatbanken. Zu den bedeutendsten Privatbanken seit der Revolution 1848 zählten die Bankhäuser Mendelssohn, Bleichröder und Warschauer sowie Jacquier & Securius und F. W. Krause.46 Sie übernahmen die Führungsposition, weil sie sich stärker auf das neue Geschäftsfeld der Industriefinanzierung konzentrierten. Sie standen dem Aktienwesen offen gegenüber und gingen teilweise Industriebeteiligungen ein. Zusätzlich waren sie in der Vermittlung von Staatsanleihen im In- und Ausland tätig, was nach wie vor das Hauptgeschäftsfeld der Privatbanken war. Das Bankhaus Mendelssohn entwickelte sich innerhalb kürzester Zeit zu einem der führendsten Privatbankhäuser Berlins. Gegründet 1795, zählte das Bankhaus bereits 1815 zu den acht führenden Berliner Privatbanken.47 In Erkenntnis des wachsenden bankmäßigen Zahlungsverkehrs gründete das Bankhaus Mendelssohn 1823 zusammen mit Bleichröder und anderen Banken den „Berliner Kassenverein“ zur Pflege des Giround Inkassoverkehrs. Es folgte die Gründung mehrerer Versicherungen, die Beteiligung an Bahngründungen, die Schaffung einer gemeinnützigen Kleinwohnungsbaugesellschaft sowie eines Freihandelsvereins.48 Kaufmannschaft. Der größte Teil der Anleihe blieb jedoch im Obligo der vier Berliner Bankiers. Sie hofften darauf, daß die Staatsbanken nach ihrer Rückkehr nach Berlin die Anleihen in ihr Portfolio übernehmen würden und als Garant für die Bonität zur Verfügung ständen. Dies war jedoch nicht der Fall. Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 239f. 44 Vgl. Treue (1984), S. 236ff. 45 Vgl. Osborn (1929), S. 67. 46 Vgl. Osborn (1929), S. 71. 47 Vgl. Treue (1972), S. 29ff.; Treue (1984), S. 241. 48 Vgl. Treue (1984), S. 354.

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Das Bankhaus S. Bleichröder entstand 1803. Samuel Bleichröder, der Gründer der Bank, führte das Unternehmen von einer kleinen Wechselstube zum Agenten der Frankfurter Rothschildbank. Durch den Kontakt und die Geschäfte mit und für die Rothschilds entwickelte sich das Bankhaus gut, so daß sich Bleichröder auch mit Investitionen in Eisenbahnen beschäftigen konnte. An diesen Transaktionen beteiligten sich die Rothschilds ebenfalls. Außerdem übermittelte Bleichröder den Rothschilds Nachrichten über politische Entwicklungen und interpretierte mögliche Auswirkungen auf die Börse.49 Gerson Bleichröder, der Sohn Samuels, trat 1839 in die Firma ein. Nach dem Tod des Vaters 1855 übernahm Gerson die Geschäftsführung.50 Unter Gerson Bleichröder entwickelte sich das Bankhaus zum bedeutendsten Privatbankhaus Preußens. Wie sein Vater unterhielt auch Gerson gute Kontakte zu den Rothschilds51, allmählich führte er die Bank jedoch aus deren Schatten heraus. Als enger Vertrauter Bismarcks unterhielt Gerson Bleichröder Kontakte zum preußischen Staat, die er vorteilhaft im Rahmen seiner Geschäfte einzusetzen wußte. Das Bankhaus Bleichröder finanzierte verschiedene Eisenbahn-, Industrie- und Brauereiunternehmen, beteiligte sich an der Gründung der Preußischen Hypothekenbank sowie an den Anleiheemissionen Preußens und anderer Staaten und zählte neben Bismarck Würdenträger des Hofes, des diplomatischen Corps, Künstler und internationale Geschäftsleute zu seinen Kunden.52 Nach dem Deutschen Krieg 1866 festigte sich die Position des Bankhauses weiter. Bleichröder wurde zum Transfer-Agenten der Kriegskontributionsgelder bestellt.53 Außerdem vertiefte sich nach dem Krieg die Beziehung Bleichröders zu Bismarck, was sich positiv in der Gewinnentwicklung des Bankhauses54 und in der Zunahme der gesellschaftlichen Stellung Gerson Bleichröders niederschlug.55 Das Bankhaus Splitgerber & Daum, seit 1795 unter Gebrüder Schickler firmierend56, war dagegen überwiegend im staatlichen Anleihegeschäft tätig. Die Bank beteiligte sich an der Konvertierung der Schulden östlicher Provinzen, wozu ein Konsortium mit der Seehandlung und anderen Berliner Banken gebildet wurde. Außerdem beteiligte sich die Bank an der Emission von russischen Anleihen in Zusammenarbeit mit der 49

Vgl. Stern (1977), S. 25f. Zur Familie der Bleichröders vgl. Stern (1977), S. 23-25; S. 30. Vgl. Wilson (1990), S. 248. 52 Vgl. Stern (1977), S. 40; S. 132-161. 53 Vgl. Stern (1977), S. 126. 54 Allein in den Jahren 1863 bis 1870 vervierfachte sich der Gewinn der Bank. Vgl. Stern (1977), S. 147. 55 Bleichröder entwickelte sich vom privaten Zahlmeister zum persönlichen Bankier Bismarcks, der auch mit den Investments Bismarcks vertraut war. Vgl. Stern (1977), S. 132-138. 56 Zum Firmenwechsel kam es infolge von Streitigkeiten um die Leitung der Bank zwischen den Erben Splitgerbers und Schickler. Im November 1795 ging das Unternehmen in die Hände der Gebrüder Schickler über, die nunmehr alleinige Inhaber waren. Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 160 ff. 50 51

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Kapitel III

Petersburger Bank Stieglitz & Co.57 und vermittelte Geldgeschäfte nach Polen und Ungarn. Auf dem Gebiet der staatlichen Anleiheemissionen war das Bankhaus Gebrüder Schickler bis 1848 führend in Berlin.58 Nach der Märzrevolution 1848 gingen die Beziehungen zum Haus der Hohenzollern im Zuge der Entwicklung von einer absoluten zur konstitutionellen Monarchie zurück und damit auch die Bedeutung des Bankhauses Gebrüder Schickler.59 Finanzierungsbeziehungen zur Berliner Industrie entstanden erst Ende der 1850er Jahre. Konsortien mit Mendelssohn, Bleichröder und Warschauer sowie die Teilnahme am Preußenkonsortium führten zu neuen Geschäftsmöglichkeiten.60 Außerdem war das Bankhaus im Fabrik- und Manufakturwesen tätig. Sukzessive wurde der Unternehmensbesitz jedoch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts veräußert. An die Stelle des selbständigen Betreibens der Fabriken trat dann die Beteiligung an den Industriebetrieben über Aktien.61 Darüber hinaus beteiligte sich das Bankhaus an der Gründung von Aktienbanken.62 Der stetig steigende Kapitalbedarf der sich zu Großbetrieben entwickelnden Unternehmen in Berlin und Preußen überforderte die finanzielle Kapazität der Privatbanken. Das Fehlen einer adäquaten Kapital- und Finanzierungsstruktur sowohl auf Seiten der Industrieunternehmen als auch auf Seiten der Banken erforderte neue kapitalstarke Bankunternehmen. Ein auf die neuen Bedürfnisse der kapitalintensiven Unternehmen ausgerichtetes Bankwesen hatte sich bis 1848 am Bankplatz Berlin im Gegensatz zu Köln noch nicht entwickelt. Preußens starre Haltung gegenüber Unternehmungen in der Rechtsform der Aktiengesellschaft und damit auch gegenüber Aktienbanken bremste in Preußen und in Berlin das Wachstum.63

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Ludwig Stieglitz gründete diese Bank und stieg zum größten deutschen Bankiers in St. Petersburg und sogar ganz Rußland empor. Stieglitz investierte u.a. in Eisenbahnen und vermittelte dazu der russischen Regierung Anleihen im Ausland. Als er 1843 starb, hinterließ er ein Vermögen von 18 Millionen Silberrubel. Das Bankgeschäft wurde von seinem Sohn Alexander fortgeführt. Vgl. online im internet: www.deutschesgeneralkonsulat-stpetersburg.ru/de/kultur/katalog/page13.html [25.09.2003] 58 Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 324f. 59 Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 329ff. Einen ersten Einbruch in der adeligen und militärischen Kundenklientel erlebte das Bankhaus unmittelbar nach dem Tode Friedrich II. (1786). Mit dem Übergang des Bankhauses an die Gebrüder Schickler setzte eine Verbesserung der Kundenbeziehungen zu dieser Klientel ein. Vgl. dazu ausführlich ders. (1912), S. 166ff., 203ff. 60 Vgl. Treue (1984), S. 353f. 61 Beispielsweise führte das Bankhaus eine eigene Gewehrfabrik in Spandau, die 1852 vom Staat übernommen wurde, die Bromberger Mühle, die 1842 an die Seehandlung verkauft wurde, verschiedene Zuckerfabriken, Lagerhallen und Warenspeicher, die im Laufe der Zeit aufgelöst oder verkauft wurden. Außerdem war das Institut an neun Eisenbahnunternehmen beteiligt. Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 314ff. 62 Schickler beteiligten sich beispielsweise an der Braunschweigischen Bank (1853), Österreichische Creditanstalt (1856), Norddeutsche Bank (1856), Berliner Handelsgesellschaft (1856), Deutsche Bank (1870). Vgl. dazu Lenz/Unholtz (1912), S. 339f. 63 Einerseits sah man in Aktiengesellschaften eine Gefahr für die ständische Gesellschaft, insbesondere für das preußische Beamtentum. Andererseits fürchtete man die ungehemmte Spekulation. Anträge auf Gründung

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Die preußischen Privatbankiers erkannten dagegen die Notwendigkeit neuer Finanzierungspraktiken, wenn sich die industrielle Wirtschaft weiterhin entfalten sollte. Anfänglich bildeten die Privatbanken zur Finanzierung der Unternehmen Konsortien, um die notwendigen Kapitalvolumina bereitzustellen und die eingegangenen Risiken zu minimieren. Zunehmend beteiligten sich daran auch die rheinischen Privatbanken, um von den Geschäftsmöglichkeiten Berlins zu profitieren. Dennoch stießen die Privatbanken an ihre finanziellen Grenzen. In der Gründung von Banken in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, die der Rechtsform der Aktiengesellschaft ähnlich war, sahen die Privatbankiers die Lösung dieses Problems.64 In Berlin waren es die Bankhäuser Mendelssohn und Bleichröder, die federführend an der Gründung der ersten zwei Berliner Kreditbanken beteiligt waren. Mit ihrer Unterstützung entstanden 1851 in Berlin die Disconto-Gesellschaft und 1856 die Berliner Handelsgesellschaft.

2.3.2 Die Entstehung von Aktienbanken in Berlin Die neuen Industriebetriebe in Berlin und Preußen benötigten zunehmend mehr Kapital. Die ansässigen Privatbanken waren immer weniger in der Lage, die moderne Industriefinanzierung durchzuführen, da ihr Eigenkapital zu klein und das Depositengeschäft zu unbedeutend war.65 Zwar wurde das Aktiengesetz schon im Jahr 1843 erlassen, so daß bis 1850 in Preußen 45 Aktiengesellschaften entstanden.66 Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft setzten sich in Preußen jedoch erst nach 1848 durch. In einer Bank auf Aktienbasis sah man wegen der von ihr latent ausgehenden Spekulationsgefahr eine Bedrohung für die Volkswirtschaft. Zudem empfand man großen Banken als eine zu starke wirtschaftliche Macht, die als Gegenpol zur politischen Macht der preußischen Monarchie nicht erwünscht war.67 Erst als sich mit der Märzrevolution 1848 neue liberal-ökonomische Impulse in den Regierungskreisen durchsetzten, entstanden Banken, die in ihrer Rechtsform zwar noch keine reinen Aktiengesellschaften waren, aber doch diesem Finanzierungsprinzip entsprachen.

von Aktiengesellschaften wurden daher in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts meist abgelehnt. Vgl. Pohl (1982), S. 121; Treue (1984), S. 332. Vgl. Zahn/Winkel (1972), S. 31f. 65 Vgl. Sombart (1954), S. 178. 66 Vgl. Ritter (1981), S. 1067f. und die dort angegebenen Quellen. 67 Vgl. Metzler (1911), S. 111; Böhme (1966), S. 59. Lediglich das Kölner Bankhaus A. Schaaffhausen erhielt im August 1848 die Konzession zur Umgründung in eine Aktiengesellschaft. Dies geschah jedoch nur, um noch größeren Schaden infolge der Liquiditätsschwierigkeiten der Bank zu vermeiden. 64

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Kapitel III

Die erste Kreditbank am Bankplatz Berlin entstand 1851. Die Discontogesellschaft wurde gegründet als Kreditverein nach belgischem Vorbild, und damit in einer Rechtsform, die keiner Konzession bedurfte. David Hansemann als ehemaliges preußisches Regierungsmitglied gründete die Bank zusammen mit den Privatbankiers Bleichröder und Mendelssohn. Zu Beginn ihre Tätigkeit waren die Geschäftsfelder der Bank auf eine geringe Depositenannahme und die vorsichtige Kreditvergabe an Kaufleute und Kleinbetriebe beschränkt.68 1856 wurde sie in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien umgewandelt mit dem Ziel, neue Geschäftsfelder wie die langfristige Kreditfinanzierung von Industrie und Verkehr zu erschließen. Im Rahmen der Teilnahme am Rothschildkonsortium war die Discontogesellschaft an der Emission von Staatsanleihen beteiligt. Seit 1866 war sie über das Preußenkonsortium, in dem sie de facto die Führung übernahm, in der Anleihenemission engagiert.69 Über ihre Finanzierungstätigkeiten baute die Bank zahlreiche Geschäftsverbindungen im In- und Ausland auf, so daß ihr Kapital von 1,1 Millionen Mark 1852 auf nahezu 34 Millionen Mark im Jahr 1870 anstieg .70 Die zweite Berliner Kreditbank entstand 1856 mit der Gründung der Berliner Handelsgesellschaft. Mitbegründer der Bank waren die Berliner Privatbanken Mendelssohn, Bleichröder, Warschauer und Gebr. Schickler, aber auch die rheinischen Privatbankiers Mevissen und Oppenheim.71 Die Berliner Handelsgesellschaft konzentrierte sich auf die Bankgeschäfte mit der Industrie, der Landwirtschaft, dem Bergbau sowie der Finanzierung von Kanal-, Chaussee- und Eisenbahnbauten.72 Darüber hinaus war auch sie zunächst über das Rothschild-, später über das Preußenkonsortium im Emissionsgeschäft der preußischen Staatsanleihen tätig.73 In Zusammenarbeit mit den Privatbankhäusern schlossen die zwei Berliner Kreditbanken lokale Finanzierungsgeschäfte sowie zunehmend auch Distanzgeschäfte ab. Unter Führung des Bankhauses Bleichröder und der Discontogesellschaft spezialisierte sich der Bankplatz Berlin auf das zukunftsträchtige Industriegeschäft. Insbesondere die 68

Die Bank hatte einen stark genossenschaftlichen Charakter und vergab Kredite nur an ihre Mitglieder. Vgl. Weber (1957), S. 78. Das Preußenkonsortium verband kapitalkräftige Berliner Banken, später auch Nicht-Berliner Banken unter einem Dach, um Anleihen verschiedener Staaten zu emittieren. Das Preußenkonsortium entstand nach dem Deutsch-Österreichischen Krieg 1866, da die Frankfurter Rothschildbank nicht mehr in der Lage war, die Anleihen der süddeutschen Anleihen zu plazieren oder selbst zu übernehmen, konnte sich die Preußische Seehandlung mit dem Preußenkonsortium profilieren. Der Bank- und Börsenplatz Berlin profitierte davon und entwickelte sich zum Kapitalmarkt für Gesamtdeutschland. Vgl. Lüke (1956), S. 29f.; Böhme (1966), S. 219ff. 70 Vgl. Weber (1957), S. 80f., Achterberg (1971), S. 13ff. 71 Zur Gründung der Berliner Handelsgesellschaft vgl. Lüke (1956), S. 15f. 72 Beispielsweise finanzierte die Berliner Handelsgesellschaft den Bau der Wannseebahn. Vgl. dazu Lüke (1956), S. 21ff.; Treue (1984), S. 532. 73 Vgl. Lüke (1956), S. 30f. 69

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Finanzierung des deutschen Eisenbahnwesens war ausschlaggebend für das Wachstum und den steigenden Bekanntheitsgrad der Berliner Banken und damit des Berliner Bankplatzes. Lediglich die Darmstädter Bank74 und der A. Schaaffhausensche Bankverein75 waren noch stärker in das Industriegründungs- und -finanzierungsgeschäft involviert, was einerseits an ihrer Rechtsform als reiner Aktienbank lag, andererseits an den Vorteilen, die sich aus der lokalen Nähe dieser Banken zur Montanindustrie ergaben.

2.3.3 Lokalisationsvorteile durch das Wirken der staatlichen Kreditinstitute Die Königliche Bank und die Preußische Seehandlung blieben bis 1870 die einzigen staatlichen Kreditinstitute am Bankplatz Berlin. Die Tätigkeitsfelder der zwei Staatsbanken überschnitten sich anfänglich, später entwickelten sich die Banken in unterschiedliche Richtungen. Während die Seehandlung wichtige Aufgaben in der Industriepolitik Preußens übernahm und sich zum Finanzierungsinstitut des preußischen Staates entwickelte, qualifizierte sich die Königliche Bank zur zentralen Notenbank Preußens. Mit dieser Entwicklung und der daraus folgenden Konzentration vielfältigster Geld- und Kapitalmarkttransaktionen gewannen die Banken national und international an Ansehen. Die von ihnen ausgehenden positiven Agglomerationseffekte führten zu einem Anstieg der Reputation des gesamten Bankplatzes Berlin.

2.3.3.1 Die Preußischen Seehandlung als Industrialisierungspionier Bis Ende des 18. Jahrhunderts wurde der preußische Staat vorwiegend über Steuererhöhungen und die Hofjuden finanziert. Der Krieg gegen Napoleon und dessen Folgen offenbarte die Unzulänglichkeit dieses Finanzierungssystems.76 74

Die Darmstädter Bank (Bank für Handel und Industrie in Darmstadt) wurde in Darmstadt als reine Aktienbank gegründet, um das Konzessionsverfahren in Preußen zu umgehen. Um in Berlin präsent zu sein, ging die Darmstädter Bank 1856 eine Kommanditbeteiligung am Bankhaus Bleichröder ein. Die Bank beschäftigte sich mit dem Gründungs- und Spekulationsgeschäft. Internationale Finanzgeschäfte wurden häufig zusammen mit der Österreichischen Credit-Anstalt und der Rothschild-Bank getätigt. Vgl. dazu Weber (1957), S. 92ff. 75 Der A. Schaaffhausensche Bankverein in Köln wurde anläßlich der Sanierung des Privatbankhauses Schaaffhausen 1848 in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft gegründet. Vgl. Achterberg (1971), S. 3f. 76 Die benötigten Mittel zur Begleichung der Kriegskontributionen konnten weder über die Hofjuden, noch über Steuererhöhungen und auch nicht über Zwangsanleihen an Berliner Bankiers und Kaufleute aufgebracht werden. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.3.1 dieser Arbeit.

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Kapitel III

Nach der politischen Rehabilitierung Preußens und der Konsolidierung der Staatsfinanzen77 wurde der Preußischen Seehandlung eine neue Stellung im Staatsapparat zugewiesen. 1820 wurde die Seehandlung „für ein selbständiges, von der Administrationsbehörde unabhängiges Geld- und Handelsinstitut des Staates erklärt, und mit der Besorgung aller im Ausland für Rechnung des Staates, dessen Cassen und Institute vorfallenden Geldgeschäfte ohne Unterschied betraut, sowie derjenigen Geldgeschäfte im Innern, bei denen eine kaufmännische Mitwirkung erforderlich war.“78 Damit avancierte die Seehandlung zum Bankier des preußischen Staates, der bei der Vermittlung von Anleihen im In- und Ausland tätig war. In diese Tätigkeit band die Seehandlung die Berliner Banken mit ein. Für die Berliner Privatbanken bedeutete die Zusammenarbeit mit der Seehandlung neue Geschäftsmöglichkeiten und damit einhergehend eine steigende Reputation auf dem internationalen Geld- und Kapitalmarkt. Die erste große Anleihe der Seehandlung unter Einbindung von Berliner Bankhäusern war die Prämienanleihe von 1820. Zu den Hauptteilnehmern des Anleihekonsortiums aus Berlin gehörten die Bankhäuser Benecke und Schickler. Daneben beteiligten sich die nicht-preußischen Bankhäuser Rothschild aus Frankfurt, Heine aus Hamburg und Frege und Reichenbach aus Leipzig an der Plazierung der Anleihe.79 Zu weiteren Aufgaben der Seehandlung zählten die Realisierung von Staatsschuldscheinen und deren Kurspflege, der Geld-, Wechsel- und Effektenverkehr sowie der Gold- und Silberhandel. Für eigene Rechnung begab sie Seehandlungsobligationen, die an der Berliner Börse gehandelt wurden. Sie stand mit den großen Handelsplätzen der Welt in Verbindung und erzielte beachtliche Gewinne, die eine regelmäßige Erhöhung der Kapitalrücklage ermöglichten und ihr Renommee im In- und Ausland stärkten.80 Besonders die Verbindung zum Hause Rothschild hob das Ansehen der See-

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Um die Staatsfinanzen zu sanieren, hatte sich Rother zunächst an die Berliner Geldhäuser gewandt. Seiner Ansicht nach stellten diese ungünstige Konditionen, so daß er sich an das Bankhaus Rothschild wandte. Die Geldverlegenheit des preußischen Staates führte 1818 zum Abschluß einer 5%igen Anleihe in Höhe von 5 Millionen Pfund, die die Rothschildgruppe über ihr Londoner Haus plazierte. 1829 wurde diese Anleihe in eine 4%ige konvertiert. Diese Transaktion wurde ebenfalls vom Haus Rothschild durchgeführt. Vgl. Corti (1927), S. 206ff.; 404ff.; Radtke (1981), S. 58ff. 78 von Poschinger (1879), S. 235, Bd. II. 79 Trotz Nachbesserung der Konditionen für diese Anleihe konnte nicht der gesamte Betrag abgesetzt werden. Dieser Umstand wird einerseits mit der noch vorhandenen Schwäche des Berliner Kapitalmarktes, andererseits mit der Existenz höher rentierlicher ausländischer Papiere auf dem Berliner Kapitalmarkt, die in Anlagekonkurrenz zu den preußischen Staatsanleihen traten, begründet. 1822 nahm der preußische Staat eine weitere Anleihe auf, jedoch direkt bei Nathan Rothschild in London. Vgl. Schrader (1911), S. 10; Radtke (1981), S. 61f. 80 Vgl. von Poschinger (1878), S. 235, Bd. I; Schrader (1911), S. 11.

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handlung, erst recht als die Rothschilds der Seehandlung einen Blankokredit im Rahmen einer Anleihekonversion einräumten.81 Darüber hinaus übernahm die Seehandlung Aufgaben der Industrieförderpolitik in Form von Vorschußgewährung mit vollständiger, teilweiser oder ohne Übernahme der Geschäftsführung.82 Des weiteren wurden bestehende, aber insolvente Betriebe vollständig übernommen oder eigene Unternehmungen neu aufgebaut.83 Der industrielle Besitz der Seehandlung nahm im Zeitverlauf stetig zu, so daß sie in den 1840er Jahren zum größten Arbeitgeber Preußens geworden war.84 Die Mehrzahl der von der Seehandlung betriebenen Unternehmungen arbeitete jedoch mit Verlust, so daß die Liquidität der Bank belastet war und das reine Bankgeschäft ins Hintertreffen geriet. Als die Seehandlung die an sie gestellten finanziellen Ansprüche nicht mehr erfüllen konnte, und der Staat aufgrund der Garantieverpflichtung mehrmals einspringen mußte, verfügte die preußische Regierung 1845, daß die industriellen Beteiligungen nicht mehr ausgedehnt werden durften.85 Vielmehr wurde die Veräußerung des Fabrik- und Immobilienbesitzes verfolgt und damit einhergehend die Rückkehr zur Kernkompetenz als Kreditinstitut des Staates. So begab sie Anfang der 1850er Jahre erneut Anleihen auf Staatsrechnung und wickelte die Unterbringung von Obligationen für die Eisenbahn-, Chaussee- und Deichbaugesellschaften ab.86

81

Vgl. Corti (1928), S. 91f. Obwohl die Neuregelung der Tätigkeiten der Seehandlung im Jahr 1820 keine Industrieförderpolitik vorsah, besann sich Christian Rother, der von 1820 bis 1848 die Leitung der Seehandlung inne hatte, auf die Bestimmungen der Ordres von Friedrich II. aus den Jahren 1794 und 1795, die explizit eine Industrie- und Handelspolitik für die Seehandlung vorsahen. Darüber hinaus übernahm Rother 1837 die Leitung der Preußischen Bank, so daß sich in der Person Rothers alle Fäden preußischer Bank-, Geld- und Wirtschaftspolitik in einer Hand konzentrierten. Ausgestattet mit diesen Kompetenzen führte Rother über die Seehandlung gezielte Fördermaßnahmen bzgl. Ansiedlung und Modernisierung von Gewerbe und Industrie in Berlin und den Provinzen Ostpreußen und Schlesien durch. Vgl. Schrader (1911), S. 9f. 83 Zu den Insolvenzbetrieben gehörten u.a. die Chemiefabrik in Oranienburg und die Papierfabrik in Berlin. Zu den Eigenbetrieben der Seehandlung zählten Unternehmungen im Woll- und Weinhandel, in der Maschinenbau-, Chemie- und Papierbranche, in der Binnen- und Seeschiffahrt sowie in der Mehlfabrikation. Zur Unternehmertätigkeit der Seehandlung vgl. Radtke (1981), S. 129-240, S. 314f., S. 336; Schrader (1911), S. 8-20. 84 Vgl. Radtke (1981), S. 332. 85 Im Vorfeld dieser Entscheidung hatte die Privatwirtschaft gegen die durch die unternehmerischen Beteiligungen der Seehandlung hervorgerufenen Wettbewerbsverzerrungen protestiert. Aufgrund mangelnder Publizität der Seehandlung und ihrer Liquiditätskrise forderten die Kritiker der Seehandlung vehement die Auflösung des Instituts. Vgl. Radtke (1981), S. 303; S. 309-314, S. 335. 86 Damit war die Seehandlung maßgeblich an der landwirtschaftlich-infrastrukturellen Erschließung bestimmter Landesteile Preußens beteiligt. Sie gab beispielsweise Darlehen für die Deichbaugesellschaften zur Melioration des Oderbruchs. Vgl. von Poschinger (1879), S. 69ff., Bd. II. sowie S. 51, Bd. III. Zur Infrastrukturtätigkeit der Seehandlung vgl. auch Radtke (1981), S. 69ff., S. 335f. 82

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Kapitel III

Im wirtschaftlichen Krisenjahr 1857 waren Kapitalkraft und Liquidität der Seehandlung wieder angestiegen, so daß sie selbst an jene Gewerbetreibenden Kredit vergeben konnte, denen die Privatbankiers die Liquiditätshilfen aufgrund eigener Probleme verweigern mußten.87 Von 1858 bis 1870 erzielte die Seehandlung durch die Geldgeschäfte und die verbliebenen industriellen Beteiligungen stetig steigende Gewinne. Für die Banken, die zusammen mit der Seehandlung im Rahmen des Preußenkonsortiums die Emissionen durchführten, bedeutete die Zugehörigkeit zu diesem Bankenkreis wirtschaftliche Vorteile und erhebliche Imagegewinne.88 RADTKE kommt in seiner Studie zum Wirken der Seehandlung zu dem Schluß, daß ohne die Industrieförderpolitik der Seehandlung „die Industrialisierung des vorher überwiegend agrarisch und handwerklich orientierten Staates nicht so rasche Fortschritte (hätte) machen können.“89 Damit leistete die Seehandlung einen ganz entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Nachfragebedingungen für die Entwicklung Berlins zum zentralen Bankplatz. Die positiven Rückkopplungseffekte der Seehandlungsunternehmen auf andere Unternehmen Berlins und der Region ließen neue Nachfrage nach Bankleistungen entstehen. Die Vergütung der Arbeiterschaft erhöhte einerseits die Nachfrage nach Konsumgütern, andererseits die Möglichkeiten zum Sparen.

2.3.3.2 Die Königliche Bank in ihrer Entwicklung zur zentralen Notenbank Die Königliche Bank hatte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit vielfältigen Schwierigkeiten zu kämpfen. Bis zum Jahr 1832 war die Bank mit Verlustvorträgen belastet, die ihren Ursprung in den Napoleonischen Kriegen und den Kriegsfolgelasten hatten. Lediglich auf Waisengelder gegründet, waren Liquidität und Eigenkapital der Bank zu gering, so daß die Bank, die an sie gestellten Forderungen im Rahmen des Giro- und Wechselverkehrs nur mit Hilfe anderer Regierungskassen erfüllen konnte. Darüber hinaus stand die Bank bezüglich ihrer Hauptaufgabe, der Durchführung und Abwicklung des Giro-, Wechsel- und Lombardverkehrs, in Konkurrenz zur Seehandlung und zum Berliner Kassenverein. Die Problematik einer unzureichenden Liquiditätsausstattung resultierte aus der bisherigen Ablehnung des Papiergeldwesens, die sowohl auf staatlicher als auch auf privater Seite zu finden war. Erst als 1846 die neu gegründete Preußische Bank, in der die Kö87

Vgl. von Poschinger (1879), S. 84, Bd. II. Vgl. Lüke (1956), S. 30. 89 Radtke (1981), S. 332. 88

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nigliche Bank aufging, das Notenbankprivileg für maximal 10 Millionen Taler erhielt, vollzog sich ein Wechsel in der staatlichen Bankpolitik Preußens. Nunmehr konnte sich der Übergang zur modernen Geldwirtschaft vollziehen. Das nötige Eigenkapital der Preußischen Bank wurde über die Beteiligung von Privatkapital aus dem In- und Ausland aufgebracht.90 1856 erweiterte man das Notenprivileg der Preußischen Bank. Parallel dazu erfolgte eine Neuordnung des gesamten Papiergeldwesens in Preußen. Die sich bislang eher zufällig entwickelnde Papiergeldzirkulation wurde über die von der Preußischen Bank betriebenen Geldpolitik auf eine neue, von der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunktur abhängigen Grundlage gestellt.91 In der Folgezeit nahm der Giro-, Wechsel- und Lombardverkehr der Preußischen Bank einen bedeutenden Aufschwung. Darum sieht VON POSCHINGER in der Erweiterung des Notenprivilegs den entscheidenden Moment darin, daß die Preußische Bank „anfing, unter den Weltbanken eine hervorragende Rolle zu spielen.“92 Trotz der anhaltend erfolgreichen Entwicklung der Preußischen Bank blieb die Vorteilhaftigkeit des Papiergeldwesens umstritten. Zwar erkannten die Kritiker, daß die Banknoten aufgrund des zugrunde liegenden Wechselverkehrs elastischer als die Kassenanweisungen waren, die in ihrer Summe stets gleich blieben. Sie sahen jedoch in der Konzentration des Geldverkehrs bei der Preußischen Bank und damit am Bankplatz Berlin einen Nachteil. Dieser scheinbare Nachteil war es aber, der dazu führte, daß sich die Preußische Bank zur zentralen Notenbank Preußens und später Deutschlands entwickeln konnte. Durch ihre Anwesenheit und ihr Wirken am Bankplatz Berlin in Verbindung mit der daraus folgenden Konzentration des Geldmarktes am Bankplatz Berlin konnte dieser wesentliche Lokalisationsvorteile generieren. Letztlich konnte die Preußische Bank die Kritiker der Papiergeldwirtschaft von der Vorteilhaftigkeit der Banknoten überzeugen, als sie während der Zeit des DeutschÖsterreichischen Krieges allen an sie gerichteten Forderungen im Rahmen des Rücklaufs der Banknoten nachkommen konnte. Sie erwarb sich damit national und international Vertrauen. Mit ihrer Entwicklung zu einer starken Zentralbank gewann auch der Bankplatz Berlin an Bedeutung.93 90

Zur Entstehung und anschließenden Entwicklung der Preußischen Bank vgl. von Poschinger (1879), S. 15ff., Bd. II. Um die spekulative Papiergeldzirkulation zu begrenzen, sprach sich TELLKAMPF für eine Zentralisierung der Notenemission bei einer zentralen Notenbank aus. Vgl. Tellkampf (1856), S. 60. 92 Zur Erweiterung des Notenbankprivilegs 1856 und die sich anschließende positive Entwicklung der Bank vgl. ausführlich von Poschinger (1879), S. 37ff., Bd. II. 93 Zur Entwicklung der Preußischen Bank von 1856 bis 1870 vgl. umfassend von Poschinger (1879), S. 21-46, Bd. III. 91

Kapitel III

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2.3.4 Die Rolle der Berliner Sparkasse Die Sparkassen-Idee setzte sich in Preußen erst im 19. Jahrhundert durch. Die Institutionalisierung des Spargedankens sollte die ärmeren Bevölkerungsgruppen vor Wucher, Armut und Bettelei schützen und zeitgleich den Staat in seiner Fürsorgepflicht entlasten.94 Die erste preußische Sparkasse entstand 1818 in Berlin auf Initiative der Kommune, ohne daß es dazu einer staatlichen Genehmigung bedurfte.95 Die Entwicklung der Berliner Sparkasse vollzog sich trotz konjunktureller Schwankungen und politischer Unwägbarkeiten in den ersten 50 Jahren ihres Bestehens äußerst dynamisch. Besaß im Jahr 1850 in Berlin jeder sechzehnte Bürger ein Sparbuch, war es in Gesamtpreußen nur jeder sechzigste Einwohner. Insgesamt unterhielten 234 Sparkassen in Preußen im Jahr 1850 ein Einlagevolumen von 18 Millionen Talern. Damit entfiel auf die Berliner Sparkasse ein Anteil von ca. 6% am gesamten Einlagevolumen preußischer Sparkassen. Als 1870 in Preußen 932 Sparkassen ein Einlagevolumen von 165 Millionen Talern unterhielten, ermäßigte sich der Anteil der Berliner Sparkasse zwar auf 1,6%. Dennoch blieb die Berliner Sparkasse unter allen preußischen Sparkassen die größte.96 Jahr 1818 1820 1825 1830 1840 1849 1850 1860 1870

Einlagenbestand in Taler

Anzahl der Sparbücher

13.982 54.699 1.092.895 1.214.036 599.566 1.416.560 1.106.752 1.677.114 2.581.014

551 1.382 19.077 16.766 17.980 30.292 26.193 49.704 75.737

Tabelle 7: Entwicklung des Einlagenbestandes der Berliner Sparkasse Quelle: Krafft (1968), S. 238f.

94

Als sparkassenähnliche Vorläuferinstitute gelten die Leihanstalten und die Waisenkassen, die auch in Berlin existierten. Erste Sparkassenprojekte wurden bereits im 17. Jahrhundert in Frankreich und England verfolgt. Sparkassengründungen in Deutschland setzten sich erst zum Ende des 18. Jahrhunderts durch, wobei die erste deutsche Sparkasse die 1778 gegründete Sparkasse in Hamburg war. Vgl. dazu ausführlich Trende (1957), S. 3-33. Eine kurze Einführung zu Gründungsmotiven bietet Murnau (1994), S. 25f. 95 Erst 1838 erhielt das Sparkassenreglement Gesetzeskraft, wodurch der kommunale Individualismus zur Gründung von Sparkassen beendet wurde Das Sparkassenreglement sah die Gewinnverwendung zur Bildung einer Eigenkapitalrücklage vor. Einheitliche Regelungen hinsichtlich aufbau- und ablauforganisatorischer Fragen sowie einheitliche Liquiditäts- und Eigenkapitalvorschriften waren noch nicht fixiert. Vgl. dazu ausführlich Trende (1957), S. 83, S. 111ff.; Treue (1984), S.304. 96 Vgl. Krafft (1968), S. 9-68; Treue (1984), S. 304, S. 534.

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Die Berliner Sparkasse wurde, wie auch die anderen preußischen Sparkassen, dazu angehalten, ihre Einlagen in Hypotheken oder in kommunale Schuldverschreibungen anzulegen. In dieser Weise fungierte die Berliner Sparkasse als Kapitalgeber für die Stadt Berlin und das ländliche Umland.97

2.3.5 Die Anfänge des modernen Hypothekenbankwesens Analog zum wachsenden Kreditbedarf der Industrie stieg auch der Finanzierungsbedarf des Grundbesitzes. Die fehlenden Kapitalaufnahmemöglichkeiten des Grundbesitzes sowie die zunehmende Konkurrenz anderer Anlagevehikel, die zudem fungibel waren, bewirkten eine Abwanderung des Kapitals von den hypothekarischen Beleihungen hin zu den höher rentierlichen Aktien der jungen Industrie- und Eisenbahnunternehmen und zu den staatlichen Anleihepapieren, so daß der Grundbesitz in seiner Existenz bedroht war und unter akutem Kapitalmangel litt. Vor diesem Hintergrund nahmen die Bestrebungen nach einer effektiven Organisation des Grundkredites seit 1840 regelmäßig zu, wobei es gerade für den Bankplatz Berlin diverse Anträge an die Regierung zur Errichtung von Hypothekenbanken gab.98 Zu den herausragendsten Befürwortern von Hypothekenbanken in Berlin zählten das Bankhaus Mendelssohn, Bankhaus Bleichröder, der Bankier Hermann Henkel, David Hansemann als Vertreter der Discontogesellschaft und der Bankier Conrad in Vertretung der Berliner Handelsgesellschaft. Zunehmend interessierten sich auch fremde Banken für Hypothekenbankprojekte in Berlin wie beispielsweise das Kölner Bankhaus Oppenheim, die Frankfurter und Pariser Rothschilds, andere französische Kapitalisten sowie Vertreter des Londoner Bankplatzes. Die von ihnen vorgetragenen Pläne sahen sowohl die Gründung von Grundkreditinstituten mit Staatsmitteln bzw. die Unterstützung der Grundkreditinstitute über Staatsgarantien vor als auch die Förderung des Grundkredits durch neue gesetzliche Bestimmungen. So wurden beispielsweise 1838 die Sparkassen dazu angehalten, ihre Einlagenbestände vor allem in Hypotheken anzulegen.99 Ferner gab es Vorschläge zur Gründung von Realkreditinstituten, die jeweils mit dem Banknotenprivileg verbunden waren, Staatsmittel zur Gründung einforderten und darüber hinaus den Antrag stellten, auch andere 97

Vgl. von Poschinger (1879), S. 240, Bd. II. Vgl. Fränken (1904), S. 1ff.; von Poschinger (1879), S. 243ff., Bd. II. 99 Vgl. von Poschinger (1879), S. 240, Bd. II. 98

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Kapitel III

Geschäfte betreiben zu dürfen.100 Der preußische Staat war nicht bereit auf diese Privilegien einzugehen, so daß es bis Anfang der 1860er Jahre keine Neugründungen von Realkreditinstituten gab und die Kreditnot des Grundbesitzes nicht beseitigt werden konnte.101 1861 eröffnete der Direktor des Statistischen Büros Engel einen Vorschlag, der sich grundlegend von den bisherigen Projektvorschlägen unterschied.102 Basierten bisher alle Vorschläge auf der Idee einer Vereinigung der kreditsuchenden Grundbesitzer, sah der neue Vorschlag als Grundlage für das Realkreditinstitut die Vereinigung der Gläubiger nach dem Vorbild der Aktiengesellschaft vor. Auf staatliche Subventionen und das Recht der Notenausgabe verzichtete Engel in seinem Vorschlag, der sich an den französischen Credit Foncier anlehnte und auch die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG sowie die Landständische Bank in Sachsen zum Vorbild nahm.103 Zusammen mit dem Hause Rotschild in Paris griff das Berliner Bankhaus Bleichröder diesen Vorschlag auf. Des weiteren war eine Gruppe französischer Kapitalisten rund um den Pariser Credit Foncier an der Realisierung des Projektes interessiert. Da jede Gruppe für sich das Privileg einer Monopolstellung für das neue Realkreditinstitut beanspruchte, dem die Regierung nicht zustimmte, konnte die Bank nicht gegründet werden. Hinzu kam, daß die preußische Regierung Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft immer noch skeptisch gegenüber stand und auch aus diesem Grund die Gründungserlaubnis versagte.104 Damit behinderte der Staat über seine restriktive Bankengesetzgebung maßgeblich die Entwicklung des Realkredits in Preußen und damit auch die Entwicklung solcher Kreditinstitute am Bankplatz Berlin. Statt dessen wurden 1862 zwei Realkreditinstitute in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien und einer Versicherungsaktiengesellschaft gegründet. Die Preussische Hypotheken-Credit- und Bank-Anstalt, Commandit-Gesellschaft auf Actien, Hermann Henkel105 und die Preussische Hypotheken-Versicherungs-Actien-

100

Vgl. von Poschinger (1879), S. 243ff., Bd. II; S. 154, Bd. III. Vgl. Fränken (1904), S. 4ff. Vgl. Fränken (1904), S. 9. Davon abweichend gibt von Poschinger das Jahr 1862 an. Vgl. von Poschinger (1879), S. 158, Bd. III. 103 Vgl. von Poschinger (1878), S.158f., Bd. III. 104 Vgl. Fränken (1904), S. 9. Ebenso wurde ein Bodenbankprojekt Bleichröders aus dem Jahr 1863, das die Kombination Bank- und Versicherungsgeschäft vorsah, abgelehnt. Vgl. von Poschinger (1879), S. 186f., Bd. III. 105 Die „Henkel-Bank“ ging 1877 in Liquidation. Vgl. dazu von Poschinger (1879), S. 184ff., Bd. III. 101 102

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Gesellschaft (Hübner-Bank) verzeichneten bis in die 1870er Jahre nur geringen Geschäftsverkehr.106 Als sich 1863 und 1867 die Normativbedingungen für die Gründung von Realkreditinstituten verbesserten, folgten Neugründungen von Hypothekenbanken auch in der Rechtsform der Aktiengesellschaft in Berlin und in anderen preußischen Landesteilen, wobei nach wie vor nicht alle beantragten Projekte zugelassen wurden.107 1864 wurde die Erste Preußische Hypotheken-Actiengesellschaft in Berlin durch die Discontogesellschaft gegründet sowie die Preußische Hypotheken-Actienbank (Spielhagenbank).108 1868 folgten in Berlin drei weitere Gründungen: Preußische BodenCredit-Actien-Bank, Norddeutsche Grundcreditbank und die Gründung des Berliner Pfandbrief-Institutes, deren ursprünglicher Gründungsvorschlag aus dem Jahr 1850 datiert.109 Bereits im Oktober 1869 verkaufte die Preußische Hypotheken-Actienbank ihren Bestand an Hypotheken an die Preußische Boden-Credit-Actienbank, die erst ein Jahr zuvor gegründet worden war. Hauptgrund dieser Geschäftsaufgabe war die starke Regulierung der Hypothekenbanken hinsichtlich Wertermittlung, Beleihungsgrenzen und Pfandbriefausgabe, die die optimale Kreditvergabe behinderten.110 Mit der Gründung der Preußischen Central-Bodencredit-Actien-Gesellschaft 1870 in Berlin vollzog sich ein Wechsel in der preußischen Hypothekenbankpolitik. Zum einen gründete sich dieses Institut nicht durch privatkapitalistische Initiative, sondern wurde von der Regierung selbst als zentrales Hypothekenbankinstitut Preußens in Anlehnung an den französischen Credit Foncier, der ebenfalls Zentralinstitut war, gegründet.111 Zum anderen wurden mit der Gründung dieses Hypothekenbankinstitutes die Normativbedingungen gelokkert, wobei die wesentlichen Erleichterungen nur für die Preußische Centralbodenkredit AG galten. Den anderen Hypothekenbanken wurde nicht der gleiche Freiraum gewährt, so daß es in der Folgezeit zu Wettbewerbsverzerrungen kam.112 106

Wegen der einengenden preußischen Normativbedingungen ging Dr. Otto Hübner, der Gründer der Preußischen Hypotheken-Versicherungs-Actien-Gesellschaft, nach Hamburg und gründete dort 1871 zusammen mit der Berliner Handelsgesellschaft die Hypothekenbank in Hamburg. Vgl. o.V. (1971), S. 456. 107 Zu den Normativbedingungen vgl. ausführlich von Poschinger (1879), S. 160-167, Bd. III; Fränken (1904), S. 10-15. 108 Vgl. von Poschinger (1879), S. 187ff., Bd. III; Fränken (1904), S. 16. 109 Vgl. von Poschinger (1879), S. 193-196, Bd. III. Zu den nicht realisierten Bankprojekten unmittelbar vor der Deutschen Reichsgründung vgl. ders. S. 196ff. 110 Vgl. Fränken (1904), S. 16. 111 Die Gründung des Preußischen Centralbodenkreditinstitutes basierte auf dem Vorschlag der Discontogesellschaft und der Bankhäuser Bleichröder, Oppenheim und Rothschild in Frankfurt aus dem Jahr 1867, der damals abgelehnt wurde. Vgl. von Poschinger (1879), S. 190f., Bd. III. 112 Vgl. von Poschinger (1879), S. 202ff.

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Kapitel III

2.4 Der Aufstieg der Berliner Börse zur zentralen Börse Deutschlands In der Zeit von 1806 bis 1870 entwickelte sich die Berliner Börse zur zentralen Börse Deutschlands.113 Die Börse in Frankfurt wurde damit auf den zweiten Platz verwiesen.114 Neben Gründen, die die grundsätzliche Veränderung der Börsen von Fondsund Wechselbörsen zu modernen Effektenbörsen herbeiführten115, waren es im wesentlichen drei berlinspezifische Gründe, die den Erfolg des Berliner Börsenplatzes ausmachten, und in Verbindung mit den am Bankplatz Berlin agglomerativ wirkenden positiven Faktor- und Nachfragebedingungen seinen Aufstieg beschleunigten. Zu den allgemeinen Gründen zählen die rechtliche Verankerung der Inhaberaktie und die Durchsetzung neuer Kommunikationstechnologien. Dagegen stellen die offene Haltung der Berliner Börse gegenüber der Aktie, ein relativ breites spekulationsfreudiges Berliner Anlagepublikum und die kriegsbedingten Veränderungen der Zahlungsströme die berlinspezifischen Faktoren dar. Die Durchsetzung der Inhaberaktie nach 1850 war wesentlich für den Aufschwung der Wertpapierbörsen im Allgemeinen. War bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Namensaktie vorherrschend und mit ihr die notwendigen Eintragungen ins Aktienbuch der Gesellschaft, entfiel dieses, damals noch umständliche Prozedere116, und sorgte für eine höhere Liquidität in den Märkten.117 Die sukzessive Lockerung der strengen Aktiengesetzbestimmungen, die 1870 mit der Aktiennovelle vollständig liberalisiert wurden, war dafür Voraussetzung und trug ebenfalls zum Wachstum der Berliner Börse bei.118 Im Hinblick auf die juristischen Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Berliner

113

Träger der Berliner Börse waren die beiden Kaufmannsgilden Berlins, die sich 1820 zur „Corporation der Kaufmannschaft von Berlin“ vereinigten. Die Berliner Börse bildete die wichtigste Einrichtung der Korporation. Vgl. Berliner Börse (1985), S. 7. 114 Vgl. Harrschar-Ehrnborg (2002), S. 62ff. und die dort angegebene Literatur. 115 Zu den Entwicklungslinien der Fonds- und Wechselbörsen, die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das Börsengeschehen prägten, vgl. Kaufhold (1992), S. 77-132. Zur Entwicklung der Effektenbörse vgl. Gömmel (1992), S. 133ff. 116 Aufgrund der Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur ist es heute wesentlich unkomplizierter Namensaktien zu übertragen. Im Hinblick auf ihre Fungibilität stehen sie der Inhaberaktie nicht nach. Zunehmend entdecken die Unternehmen die Namensaktie als Instrument im Rahmen ihrer Investor Relation, so daß heute wieder viele Firmen auf Namensaktien umsteigen. Vgl. dazu umfassend von Rosen (2000). 117 Vgl. Gömmel (1992), S. 151. 118 Der preußische Staat gab nach und nach seine strenge Haltung gegenüber den Aktiengesellschaften auf und erteilte häufiger die Erlaubnis zur Gründung einer AG. Lediglich im Bereich des Bankwesens wich der Staat nicht von der restriktiven Linie ab. Aktienbanken konnten erst mit der Aufgabe des Konzessionszwanges einfach und schnell gegründet werden. Insgesamt wurden seit 1850 Aktiengesellschaften mit einem Gründungskapital von mehr als 2,4 Milliarden Mark gegründet. Davon entfielen 1.722 Millionen Mark auf Eisenbahnen, 275 Millionen Mark auf Montanwerte, 158 Millionen auf Versicherungen und 95 Millionen auf Banken. Vgl. Gebhard (1928), S. 27f. und die dort angegebene Literatur.

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Börse war auch die im Jahr 1860 erfolgte Aufhebung des Verbots des Terminhandels aus dem Jahr 1844 von Bedeutung.119 Die Erfindung der elektrischen Telegrafie revolutionierte die Nachrichtenübertragung. Waren die Börsen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts noch auf Briefe und Boten angewiesen, begann mit der Installierung elektromagnetischer Telegrafenverbindungen eine neue und schnellere Art der Nachrichtenübermittlung. Die seitdem fortgeführte Vernetzung aller Börsenplätze und Städte, seit den 1860er Jahren auch interkontinental, führte zur Beschleunigung der Übermittlung des sich ständig erhöhenden Datenmaterials.120 Die erste Telegrafenverbindung zwischen Berlin und anderen Städten wurde 1848/49 installiert. In der Folgezeit wurden weitere Verbindungen aufgebaut, so daß ein umfassendes Netzwerk entstand, in dem Berlin eine Knotenstellung einnahm. Nachrichten kamen zuerst in Berlin an, und wurden von hier in die Provinz weitergeleitet.121 Diese Entwicklung wurde infolge positiver Urbanisationseffekte durch die Ansiedlung von verschiedenen Zeitungsverlagen und Pressediensten begleitet.122 Am Beispiel der Informationsverteilung zeigt sich hier eindrucksvoll, daß Berlin als volkswirtschaftliche Steuerungszentrale mit einer hohen räumlichen Konzentration von zentralen Entscheidungsinstitutionen alle übrigen Orte dominierte und kontrollierte.123 Neben diesen notwendigen Wachstumsbedingungen waren die berlinspezifischen Faktoren von wesentlicher Bedeutung für den zunehmenden Erfolg des Börsenplatzes. Von besonderer Relevanz war dabei die offene Haltung der Berliner Börse gegenüber dem neuen Finanzierungsinstrument Aktie. In Verbindung mit der Existenz von innovativen und kapitalstarken Kreditinstituten am Bankplatz Berlin, die in Aktiengesellschaften sowohl für den Industrie- als auch für den Bankbereich wesentliche Institutionen zur Überwindung des wachsenden Finanzbedarfs und für das allgemeine Wirtschaftswachstum erkannten, nahm die Zahl der notierten Aktienwerte und der in diesen Papieren getätigten Umsätze an der Berliner Börse stetig zu. Begünstigt durch die negative Haltung Frankfurts gegenüber den neuen Kapitalmarktpapieren konnte die Berliner Börse den Umsatz in Aktienwertpapieren auf sich konzentrieren.124 Durch den

119

Im Jahr 1844 wollte der preußische Staat die Spekulation in Aktien durch ein Verbot des Terminhandels eindämmen. Da dies nicht gelang, weil die Spekulanten auf andere Börsenplätze auswichen, wurde das Verbot 1860 aufgehoben. Vielmehr löste das Verbot einen Kurssturz in den Eisenbahntiteln aus. Vgl. dazu Kiehling (1991), S. 43ff.; Hübscher (2000), S. 283. 120 Vgl. Gömmel (1992), S. 149. 121 Eine ausführliche Darstellung der Vernetzung der Berliner Börse sowohl mit anderen Börsenplätzen und Städten als auch innerstädtisch mit der Berliner Hauptpost, dem Telegrafenamt, dem Nachrichtendienst sowie der Installierung einer Rohrpost bietet Berghoff (2002), S. 79f. 122 Zu Berlin als Presse- und Verlagshauptstadt vgl. Kiaulehn (1958), S. 477-504. 123 Vgl. Kapitel II, Abschnitt 3.2 dieser Arbeit. 124 Vgl. Kindleberger (1974), S. 25.

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Kapitel III

Ausbau dieses „first mover advantage“125 wurde die Berliner Börse in den Folgejahren immer mehr Spiegelbild der Konjunktur und der weiter fortschreitenden Industrialisierung Preußens und Deutschlands.126 Hinzu kam ein modernes Börsenpublikum, das sich aufgrund wachsender Bevölkerungszahlen Berlins regelmäßig vergrößerte und dessen Kapitalkraft infolge des anhaltenden Wirtschaftswachstums der Stadt stieg.127 Darüber hinaus war ein Sondereinfluß für das Wachstum der Berliner Börse und damit für ihre Entwicklung zur Zentralbörse ausschlaggebend. Die Zahlungsunfähigkeit des Frankfurter Bankhauses Rothschild infolge des Deutsch-Österreichischen Krieges im Jahr 1866 führte dazu128, daß die süddeutschen Staaten ihren Finanzbedarf über Anleihen am Berliner Kapitalmarkt mit Hilfe der Berliner Banken deckten, und nicht wie bislang über das Haus Rothschild an der Frankfurter Börse. Damit konzentrierte sich an der Berliner Börse neben dem Markt für Unternehmenswertpapiere auch der Markt für Staatsanleihen, ein Geschäftsfeld, das bisher die Domäne der Frankfurter Börse war.129 Zu Anfang des 19. Jahrhunderts überwogen noch die festverzinslichen Hypothekenund Staatspapiere, in deren Handel die Privatbanken stark involviert waren. Von 1806 bis 1818 waren die Obligationen der Kurmärkischen Landschaft, die am meistgehandelsten Papiere an der Berliner Börse.130 Seit den 1840er Jahren nahm die Zahl der Unternehmenswerte deutlich zu. Nach und nach lösten die Aktienwerte die Dominanz der Staatpapiere ab. Es waren besonders die Eisenbahnaktien, die - seit 1840 an der Berliner Börse handelbar - die Grundlage für die wachsende Bedeutung der Berliner Börse schufen. Als erste in Berlin zum amtlichen Handel zugelassenen Eisenbahnaktien wurden die Werte der Linien Berlin-Potsdam und Magdeburg-Leipzig notiert.131 125

Der „First-Mover-Advantage“ ist ein Vorteil, den ein Unternehmen hat, wenn es als erstes in einen Markt eintritt. Die Innovation kann sich auf ein Produkt, ein Verfahren oder einen Markt beziehen. Als First-Mover hat das Unternehmen ein Pionierimage und einen Zeitvorteil gegenüber nachfolgenden Anbietern. Vgl. weiterführend Fischer (2001), S. 446ff. 126 Vgl. Gebhard (1928), S. 20; Weber (1957), S. 156f. 127 Im Gegensatz dazu blieb die Bevölkerung Frankfurts hinsichtlich Größe und Kapitalkraft zurück und bezüglich ihrer Aufgeschlossenheit in ihren traditionellen Ansichten verhaftet. Vgl. Holtfrerich (1999), S. 121, 129ff.; Berghoff (2002), S. 63. 128 Seit 1866 verlor das Frankfurter Stammhaus der Rothschilds allmählich an Bedeutung. Vgl. Wilson (1990), S. 215. 129 Vgl. Böhme (1966), S. 231-221 und die dort angegebene Literatur. 130 Daneben erfolgte der Handel u.a. in Berliner Stadt-Obligationen, in Neumärkischen Landschaftsobligationen, in Pfandbriefen der Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern und Schlesien. Das Bankhaus Gebr. Schickler war besonders stark in den Handel mit den Papieren aus den östlichen Landesteilen involviert. Vgl. Lenz/Unholtz (1912), S. 207ff.; Gebhard (1928), S. 17. 131 Vgl. Berliner Börse (1985), S. 7.

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Waren 1840 erst zwei Eisenbahnwerte notiert, stieg ihre Zahl nur vier Jahre später bereits auf 29 an. 1860 konnten sogar 87 Eisenbahntitel gehandelt werden.132 Des weiteren begründeten die seit Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführten Bank- und Bergwerksaktien den Aufschwung der Berliner Börse.133 1856 umfaßte der Kurszettel der Berliner Börse bereits 38 Eisenbahnstammaktien und 15 Bankaktien.134 Der konjunkturelle Aufschwung begünstigte die Entwicklung der Berliner Börse zusätzlich. Einerseits stieg die Zahl der börsennotierten Unternehmen, andererseits nahm die Zahl der Banken zu, die sich der Wertpapieremission und dem Wertpapierhandel widmeten. Im Ergebnis stiegen die Umsätze und der Kurszettel verlängerte sich.135 1870 waren an der Berliner Börse insgesamt 325 Wertpapiere notiert. Davon waren mehr als zwei Drittel Papiere der modernen Wirtschaftswelt wie Eisenbahn-, Bankund Industrieaktien. Dagegen waren an der Frankfurter Börse 148 Wertpapiere notiert, vorwiegend Staatspapiere.136

132

Vgl. Gebhard (1928), S. 19f.; Treue (1984), S. 543. Vgl. Gebhard (1928), S. 20. Daneben wurden in Berlin in- und ausländische Eisenbahn-Prioritäten, preußische und ausländische Staatspapiere sowie Wechsel-, Gold- und Geldpapiere notiert. Vgl. Funk (1930), S. 67, Teil I. 135 Im Bericht der Ältesten der Kaufmannschaft über das Jahr 1865 heißt es dazu: „Von Jahr zu Jahr gestalten sich die Verhältnisse unserer Börse günstiger; mit großer Genugtuung blicken wir auf das Resultat des abgelaufenen Jahres, denn die Umsätze in Fonds, Aktien und sonstigen Wertpapieren und Wechseln haben sich in so hohem Grade gesteigert, daß unser Markt zu den ersten des Kontinents gezählt werden muß.“ Zitiert nach Gebhard (1928), S. 21. 136 Von den 325 Wertpapieren waren 95 in- und ausländische Staatspapiere, 115 Eisenbahnprioritätsaktien und obligationen, 60 Eisenbahn-Stammaktien und -Stammprioritätsaktien und 55 Bank- und Industrieaktien. Vgl. Gömmel (1992) S. 147. 133 134

86

Kapitel III

3.

Die Expansionsphase des Bank- und Börsenplatzes Berlin (1870-1914)

3.1

Berlin als politischer und wirtschaftlicher Mittelpunkt Deutschlands

In der Epoche des Kaiserreiches erlebte Berlin eine Zeit stürmischen Wachstums, dessen Schnelligkeit nur noch vom Wachstum der Großstädte Nordamerikas übertroffen wurde.1 Wachstumsbeschleuniger waren die politischen Ereignisse von 1871, die aus der Stadt Berlin, die bislang nur Hauptstadt Preußens war, die Hauptstadt des gesamten Deutschen Reiches machten.2 Die dadurch hervorgerufene Verstärkung der verwaltungstechnischen und parlamentarischen Kräftekonzentration in Berlin bewirkte, daß sich auch die wirtschaftlichen Kräfte stärker als zuvor in Berlin konzentrierten.3 Darüber hinaus ließen sich nahezu für jede Branche Verbände und Vereine in Berlin nieder. Als Brennpunkt der organisierten Interessen war Berlin „Werkstatt, Kontor und Anwaltskanzlei der deutschen Industrie“.4 Als Katalysator des Wachstums wirkten ebenfalls die Kriegskontributionsgelder Frankreichs5, die vorwiegend in Berlin realisiert wurden. Von der hervorragenden Entwicklung Berlins profitierte in zunehmendem Maße das Berliner Umland. Berlin und seine Provinz gingen eine Symbiose ein, deren Ansätze bereits in früheren Zeiten vorhanden waren, die sich aber jetzt in nahezu allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens entfalteten. Bedingt durch diese Sondereinflüsse entstanden in der Agglomeration Nachfrage- und Angebotsbedingungen, die die Expansion des Bankplatzes Berlin entscheidend förderten. Wesentlich für den Aufschwung Berlins zur Industriestadt war das Wachstum der Bevölkerung. 1870 hatte Berlin mehr als 800.000 Einwohner, 1880 wurde die 1-Millionen-Grenze überschritten und 1910 die 2-Millionen-Grenze. Berlin war, wie in der Vorperiode, die bevölkerungsreichste Stadt in Deutschland. Hervorgerufen wurde die-

1

Vgl. Herzfeld (1968), S. 82. Der Deutsch-Französische Krieg hatte die Gründung des Deutschen Reiches zur Folge. Es entstand ein neuer Bundesstaat aus 22 Fürstentümern und drei freien Städten. Preußen nahm in diesem Gebilde eine dominierende Stellung ein, denn über 70% des Reichsgebietes und mehr als die Hälfte der Einwohner waren preußisch. Darüber hinaus war Preußen die wirtschaftlich stärkste Kraft. Vgl. ausführlich Schoeps (1995), S. 262-273. 3 Vgl. Herzfeld (1968), S. 83. 4 Stürmer (1987), S. 90. 5 Insgesamt mußte Frankreich 5 Milliarden Franc an Kontributionsgeldern aufbringen, die in Metallgeld, in englischen, preußischen, niederländischen oder belgischen Noten sowie in Wechseln erster Klasse zu zahlen waren. Zu den im Rahmen des Frankfurter Friedensschlusses festgelegten Details des Friedensvertrages vgl. umfassend Herzfeld (1924), S. 1-55. 2

1870-1914

87

ses Wachstum durch außerordentliche Wanderungsgewinne. Von 1840 bis 1910 zogen nahezu eine Million Menschen in die Stadt Berlin.6 Jahr 1867 1871 1875

Einwohneranzahl 699.979 822.935 962.970

Jahr 1880 1885 1890 1895

Einwohneranzahl 1.118.697 1.309.724 1.575.013 1.673.743

Tabelle 8: Entwicklung der Berliner Bevölkerung Quelle: Zimm (1959), S. 75.

Wachsende Bevölkerungszahlen gingen mit einer fortschreitenden Ansiedlung verschiedener Industriezweige einher. Beide Parameter beeinflußten sich. Zu den bedeutendsten Industriezweigen Berlins zählten nach wie vor der Maschinenbau, die Eisengießerei und die Bekleidungsindustrie. Es hatte sich jedoch ein Wechsel an der Führungsspitze der Berliner Industrien ergeben. Die Elektroindustrie, die Anfang der 1870er Jahre noch relativ unbedeutend war, hatte sich zu dem Wachstumsträger des konjunkturellen Aufschwungs seit 1880 entwickelt.7 Mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von jährlich mehr als 21% wuchs die Elektrobranche in Deutschland am stärksten. Der Produktionswert der Elektroindustrie stieg von ca. 30 Millionen Mark im Jahr 1870 auf über eine Milliarde Mark im Jahr 1913.8 Jahr 1890 1900

Produktionswert 30 210

Jahr 1907 1913

Produktionswert 450 1.040

Tabelle 9: Entwicklung des Produktionswertes der deutschen Elektroindustrie in Millionen Mark Quelle: Czada (1969), S. 54.

In Berlin konzentrierte sich diese wachstumsstarke Branche. Mit über 62.000 Beschäftigten im Jahr 1909 waren mehr als die Hälfte der Elektroindustrie-beschäftigten Gesamtdeutschlands in der Berliner Elektroindustrie tätig. In besonderen Spezialisierungsgebieten wie der Schwachstromtechnik und der Generatorenproduktion lag der auf die Berliner Elektroindustrie entfallende Reichsbeschäftigungsanteil sogar über 70%.9 Damit hatte der bedeutendste Industriezweig Deutschlands sein Hauptdomizil in Berlin ebenso wie die wichtigsten Elektrokonzerne Siemens und die AEG. Von Be6

Vgl. Schmieder (1968), S. 314ff., Zimm (1959), S. 75. Die Elektroindustrie war neben der chemischen Industrie die Basisinnovation des 3. Kondratieffzyklus. Vgl. Nefiodow (1996), S. 5f. 8 Vgl. Czada (1969), S. 54. 9 Vgl. Czada (1969), S. 54, S. 84f. 7

88

Kapitel III

deutung waren auch die chemische und optische Industrie. Des weiteren siedelten sich sowohl Zweige der Nahrungs- und Genußmittelindustrie wie beispielsweise Großbäckereien, -fleischereien, -molkereien und -brauereien an als auch Hersteller von Luxusartikeln wie Schokoladen- und Zigarettenfabriken sowie Kaffeegroßhandlungen. Wirtschaftszweige Metallverarbeitung Maschinen-, Fahrzeug-, Schiffbau Elektroindustrie Feinmechanisch-optische Industrie Chemische Industrie Textilindustrie Papierindustrie Polygraphisches Gewerbe Leder- und Linoleumindustrie Holz- und Schnitzstoffindustrie Musikinstrumentenbau Bekleidungsindustrie Nahrungs- und Genußmittelindustrie Baugewerbe Summe

Berliner Beschäftigte absolut 34.200 48.980 62.010 4.690 19.010 13.640 12.550 31.730 8.190 19.050 7.190 46.130 23.510 22.670 353.550

relativer Anteil 9,7 13,9 17,5 1,3 5,4 3,9 3,5 9,0 2,3 5,4 2,0 13,0 6,7 6,4 100,0

Tabelle 10: Beschäftigte einzelner Wirtschaftszweige im Groß-Berliner Raum 190910 Quelle: Czada (1969), S. 55.

Im Zusammenhang mit dem Wachstum Berlins zum Industriestandort entwickelte sich die Berliner Verkehrsinfrastruktur zu einem bedeutenden Urbanisations- und damit Standortvorteil. Berlin war der wichtigste Eisenbahnknotenpunkt Deutschlands. Die Stadt verfügte über den zweitgrößten Binnenhafen und war Mittelpunkt eines verzweigten Fluß- und Kanalsystems.11 Das innerstädtische Verkehrsnetz wurde sukzessive zu einem der fortschrittlichsten der Welt ausgebaut12, das zudem eng mit dem Verkehrsnetz des Umlandes verbunden war. Infolge dessen dehnten sich die Wohnund Industriebezirke Berlins aus, es entstanden neue Siedlungen und periphere Industriestandorte, die vorwiegend die Fertigungs-abteilungen beheimateten. Die Städte der Provinz entwickelten sich, je näher sie Berlin lagen, zu Trabanten eines großstädtischen Mittelpunktes.13

10

Es wurden nur Betriebe mit mehr als 25 Mitarbeitern berücksichtigt. Vgl. Herzfeld (1968), S. 90f; Stürmer (1987), S. 90ff. 1879 fuhr die erste elektrische Bahn der Welt als Mittel des Nahverkehrs. 1902 folgten die erste Hochbahn und 1908 die erste U-Bahn. 13 Da der Pendelverkehr laufend erweitert werden mußte, wurde 1912 das Verkehrsgebiet innerhalb und außerhalb der Stadt zum Verkehrsverband Groß-Berlin zusammengeschlossen. Zur verkehrstechnischen Infrastruktur vgl. ausführlich Schmieder (1968), S. 335-351. 11 12

1870-1914

89

Die wirtschaftliche Anziehungskraft der Stadt strahlte auf das geistig-kulturelle Leben der Stadt ab. Die deutsche Hauptstadt entwickelte sich zum nationalen Zentrum der Publizistik, der Künste und der Wissenschaften.14 Als besonderer Standortvorteil Berlins ist das Vorhandensein der Universität zu nennen, die zahlreiche Akademien und wissenschaftliche Einrichtungen in ihren Wirkungskreis zog. Berlin wurde zum wichtigsten Standort der Buch-, Zeitungs- und Musikverlage. Darum siedelten sich auch neue Druckereien und Buchbindereien an.15 Das Ineinandergreifen von Lokalisationsvorteilen einzelner Branchen und von Urbanisationsvorteilen über die Branchen hinweg bedingte, daß sich Berlin zum wirtschaftlichen und politischen Mittelpunkt in Deutschland entwickelte. Die Sondereinflüsse durch die politischen und finanziellen Konstellationen Anfang der 1870er Jahre gaben für diesen Aufschwung wesentliche Impulse. Berlin qualifizierte sich nicht nur zum zentralen Ort für sein Umland, sondern zum ranghöchsten zentralen Ort in Deutschland. Aufgrund seiner vielschichtigen Verbindungen finanzieller und industrieller Art mit Europa und Übersee war Berlin zu einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale herangewachsen. Im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung stellte Berlin eine Weltstadt dar. Damit boten die Parameter des systemischen Anforderungsprofils ideale Wachstumsbedingungen für die Marktteilnehmer des Finanzplatzes, deren Wachstum wiederum positive Rückkopplungseffekte auf die Angebots- und Nachfragebedingungen hatte.16 Als Stadt der Superlative erreichte der Industriestandort und der Finanzplatz Berlin seinen Zenit mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges.

3.2

Kapital- und Institutskonzentration am Bankund Börsenplatz Berlin

3.2.1 Der abnehmende Einfluß der Privatbanken Die Anzahl der Privatbanken am Bankplatz Berlin nahm von der Reichsgründung bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ab.17 Im Vergleich zu anderen deutschen Groß-

14

Vgl. dazu ausführlich Herzfeld (1968), S. 99ff. Das Zeitungsviertel mit seinen Verlagen, Druckereien, Nachrichtenbüros und Korrespondenzen konzentrierte sich in der südlichen Friedrichstraße. Vgl. Zimm (1959), S. 69; Schmieder (1968), S. 375. 16 Vgl. Kapitel II, Abschnitte 3 und 4 dieser Arbeit. 17 Die Quantifizierung der Anzahl der Privatbanken in Deutschland und ihre Vergleichbarkeit fällt aufgrund unterschiedlicher Erhebungsverfahren schwer. Die uneinheitliche Abgrenzung des Bankiersbegriffes führte zu unterschiedlichen Statistiken. Eine lückenlose Erfassung der Anzahl der Privatbanken im Deutschen Reich 15

Kapitel III

90

städten war am Bankplatz Berlin jedoch die Mehrzahl der deutschen Privatbanken ansässig. 1913 waren in Berlin 360 Privatbankhäuser vertreten und damit mehr als doppelt so viele wie in Hamburg und sogar das Vierfache an Privatbanken, die in Frankfurt residierten. Damit waren ein Fünftel aller deutschen Privatbanken in Berlin niedergelassen.

Berlin Frankfurt Hamburg München Deutschland dav. Berlin in %

1892 538

2.180 24,7

1898 410 135 65 40

1899 370

190218 459

2.125 17,4

2.564 17,9

1906 489 117 197 62

1913 360 88 163 42 1.800 20

Tabelle 11: Entwicklung der Anzahl der Privatbanken in ausgewählten Großstädten und Gesamtdeutschland in ausgewählten Jahrgängen Quelle: Weber (1938), S. 62; Donaubauer (1988), S.13.19

Die Gründe für den Rückgang des Privatbankstandes waren vielfältig. Die Reformen des Aktien- und Börsengesetzes in den Jahre 1894/96 behinderten die Privatbankhäuser in ihren Geschäftsmöglichkeiten. Statt dessen führten die Gesetzesänderungen weite Teile des Geschäftes der Privatbanken den Aktienbanken zu.20 Die daraus folgende zunehmende Konzentration in der Bankbranche, insbesondere in der Gruppe der Aktienbanken, die kleine und mittlere Privatbanken übernahmen, verbunden mit dem wachsenden Kapitalbedarf der Industrieunternehmen und der öffentlichen Hand waren weitere Gründe für die Verdrängung der Privatbanken. Die Novelle des Börsengesetzes von 1908 beseitigte zwar die Nachteile für die Privatbanken, ihre alte Position im Effektengeschäft konnten sie jedoch nicht wieder erreichen.21 Häufig mußten die Privatbankiers ihr Unternehmen auch wegen Konkurs oder

gibt es nicht, so daß unterschiedliche Quellen herangezogen werden müssen. Vgl. Donaubauer (1988), S. 13 und die dort aufgeführte Literatur. Die Zunahme der Privatbanken liegt darin begründet, daß sich die an der Berliner und anderen Börsen tätigen Vertreter auswärtiger Bankfirmen (Remissiers) als Privatbanken registrieren ließen. 19 Im Gegensatz dazu geben ZAHN/WINKEL für das Jahr 1913 eine Anzahl von 1.221 Privatbanken an, wobei sie nur jene Banken berücksichtigen, die zum Reichsbankgiro zugelassen waren. Vgl. Zahn/Winkel (1972), S. 35. Anderen Schätzungen zufolge, die neben den reinen Privatbankfirmen auch Remissiers und Makler berücksichtigen, waren 1913 ca. 4000 Privatbanken in Deutschland aktiv. Vgl. Obst (1924), S. 14, Fußnote 2. 20 Beispielsweise begünstigte die Einführung der Börsensteuer 1894 die Kreditbanken, da es ihnen aufgrund eines größeren Kundenkreises möglich war, Kompensationsgeschäfte im Wertpapierbereich anzubieten und auf dieses Weise die Börsensteuer zu umgehen. Vgl. Zahn/Winkel (1972), S. 32f.; Ulrich (1998), S. 22f. und die dort angegebene Literatur. 21 Vgl. Treue (1989) S. 621. 18

1870-1914

91

aufgrund einer nicht lösbaren Nachfolgeregelung aufgeben.22 Mit der Dezimierung der Gruppe der Privatbanken verringerte sich auch ihr Marktanteil. Betrug dieser 1877 noch fast die Hälfte, sank er bis 1914 auf weniger als ein Drittel.23 Die wichtigsten Privatbanken am Bankplatz Berlin waren jene, die bereits vor 1871 zu den bedeutendsten und größten Privatbanken zählten. Im einzelnen sind dies S. Bleichröder, Mendelssohn & Co., Delbrück, Leo & Co., Gebr. Schickler & Co., R. Warschauer & Co. und F. W. Krause & Co. Sie waren zugleich Mitglieder im Preußenkonsortium - ein Privileg, das nur den angesehensten und kapitalstärksten Banken zuteil wurde. Aufgrund ihrer soliden Eigenkapitalausstattung und ihrer traditionellen, historisch gewachsenen weitreichenden Geschäftsbeziehungen konnten sich die genannten Berliner Privatbankhäuser aktiv am Gründungsgeschäft beteiligen und ihre Stellung im Staatsanleihewesen erhalten. In ihrer Mitgliedschaft im Preußenkonsortium wurden sie regelmäßig bestätigt, was positive Rückwirkungen auf ihre Geschäfte und ihre Position hatte.24 Weitere bekannte Privatbanken waren J. Dreyfus & Co., Gebr. Arons sowie Jacquier & Securius.25 Ferner waren die Privatbankhäuser Magnus, Fetschow & Sohn (1775), N.Heefft & Co. (1793), Gebrüder Veit & Co. (1780), Heinrich Keibel (1795) sowie Breest & Gelpcke, J. Gebert & Co., Cohn, Bürgers & Co., Julius Bleichröder & Co. und Plauth relativ bedeutend.26 Zu den kapitalstärksten und damit bedeutendsten Privatbanken am Bankplatz Berlin während seiner Expansionsphase zählen die Bankhäuser Gerson Bleichröder und Mendelssohn & Co sowie Delbrück, Leo & Co. und Gebr. Schickler.27 Sie waren über den Bankplatz Berlin hinaus bekannt und trugen aufgrund ihrer Vielzahl an Verbindungen ins Ausland dazu bei, daß der Bankplatz Berlin an internationalem Niveau gewann. In der Erkenntnis, daß ihre eigene Kapitalkraft zur Finanzierung der kapitalintensiven Industrieunternehmen nicht ausreicht, waren sie maßgeblich an der Gründung von Aktienbanken nach dem Vorbild des Credit Mobiliers beteiligt. Der Tradition des 22

Selbst das renommierteste Bankhaus der vergangenen Jahrhunderte, das Bankhaus Maier Anselm von Rothschild & Söhne, mußte infolge des Ablebens des Freiherrn Wilhelm Karl von Rothschild Anfang des 20. Jahrhunderts mangels Nachfolge in Liquidation treten. Vgl. Weber (1938), S. 61. 23 Vgl. Born (1977), S. 334. 24 Vgl. Jachmich (2000), S. 63. 25 Vgl. Weber (1957), S.107. 26 Vgl. Achterberg (1956), S. 6ff. 27 Bilanzsummen und andere Unternehmenszahlen der Privatbanken, selbst der kapitalstarken Privatbankfirmen, können aufgrund mangelnder Publizitätspflichten dieser Institute nur geschätzt werden. Beispielsweise wurde das Vermögen des Privatbankhauses Bleichröder „auf 100 Millionen geschätzt“. Vgl. Tischert (1930), S. 201; zitiert nach Weber (1957), S. 106.

92

Kapitel III

Privatbankstandes verpflichtet, sollten die neuen Aktienbanken Arbeitsteilung und partnerschaftliche Zusammenarbeit in der Finanzierung großer Projekte mit den sie gründenden Privatbanken üben. Die Privatbankiers sahen in den Aktienbanken daher auch keine Konkurrenz, sondern vielmehr „Privatbankhäuser in erhöhter Potenz“; Instrumente, um an den Geschäftsmöglichkeiten der Industriefinanzierung partizipieren zu können.28 Beispielsweise waren die Bankhäuser Delbrück, Leo & Co. und Gebr. Schickler an mehr als 150 Gründungen beteiligt, wobei die Gründung der Deutschen Bank die bekannteste war.29 Das Bankhaus S. Bleichröder, die seit 1855 von Gerson Bleichröder geleitet wurde, verfügte über exzellente Verbindungen zu den preußischen Monarchen und zur preußischen Regierung. Gerson Bleichröder avancierte zum finanziellen Berater Preußens und zum persönlichen Freund, Berater und Bankier Bismarcks.30 Diese Verbindungen führten zu finanziellen Transaktionen, die das Bankhaus Bleichröder für den preußischen Staat bzw. für Gesamtdeutschland abwickelte. Beispielsweise war Bleichröder 1871 mit dem Transfer der französischen Entschädigungszahlungen beauftragt. Ebenfalls involviert war das Bankhaus in der Rentenkonversion der preußischen Eisenbahnpapiere. Des weiteren wurden Bergwerks- und Eisenbahnunternehmungen finanziert.31 Auch nach dem Tode Gerson Bleichröders 1893 war das Bankhaus an zahlreichen nationalen und internationalen Finanztransaktionen beteiligt, wenngleich ein leichter Bedeutungsrückgang einsetzte. So wurde die Bleichröder-Bank bei einigen Emissionsgeschäften übergangen und andere namhafte Privatbankiers beklagten die nachlassende Leistungsfähigkeit der neuen Bankmanagergeneration.32 Das Bankhaus J. Mendelssohn & Co. bezeichnete man nach der Liquidation der Frankfurter Rothschild-Bank als das kapitalkräftigste Privatbankhaus in ganz Deutschland.33 Als sogenannte „Kaiserjuden“ beriet das Bankhaus zusammen mit anderen jüdischen Banken die deutsche Regierung. Bis zum Ersten Weltkrieg war das Bankhaus sehr engagiert in der Vermittlung russischer Anleihen, was ihm den Beinamen „Bankvertre28

Vgl. Ulrich (1998), S. 18 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Böhme (1966), S. 323. Vgl. Stern (1977), S. 132-138. 31 Nach der Reichsgründung war Bleichröder wesentlich stärker als zuvor in der Finanzierung der Industrialisierung Deutschlands involviert. Beispielsweise half er bei der Reorganisation der schlesischen Laurahütte sowie der Hiberniazeche in Westdeutschland. Er war der Bankiers der Minister, Diplomaten, Generäle und anderer Eliten. Außerdem war er in internationale Finanztransaktionen involviert. Zu Bleichröder als ein „Bankiers für ein Kaiserreich“ vgl. ausführlich Stern (1977), S. 207-226; Weber (1957), S. 106. 32 Vgl. Stern (1977), S. 654ff. 33 Vgl. Weber (1957), S. 107. Das Frankfurter Stammhaus der Rothschilds wurde 1901 nach dem Tode Willy Carls, dem letzten Leiter dieser Bank, im Einverständnis der gesamten Familie aufgelöst. Keiner der männlichen Rothschilds verspürte den Wunsch, die Frankfurter Bank zu übernehmen. Familienfremde wurden grundsätzlich nicht in die Geschäftsleitung eingeführt. Vgl. Wilson (1990), S. 381. 29 30

1870-1914

93

tung Rußlands“ einbrachte.34 Aus dem Gründungs- und Industriefinanzierungsgeschäft hatte sich das Bankhaus aufgrund negativer Geschäftserfahrungen aber vollständig zurückgezogen.35 Die Tendenzen zur Konzentration innerhalb der Privatbankengruppe sowie deren Übernahme durch größere Aktienbanken wurden auch in Berlin offensichtlich. Beispielsweise wurde das Bankhaus R. Warschauer & Co., das ein angesehenes Mitglied im Preußenkonsortium und im Kreis der deutschen Hochfinanz war, 1904 von der Darmstädter Bank übernommen.36 Das erst im Jahr 1880 am Bankplatz Berlin neu eröffnete Bankhaus James Hardy & Co. wurde 1909 von der Rheinisch-Westfälischen Disconto-Gesellschaft in Aachen übernommen, wobei es im Gegensatz zum Bankhaus Warschauer weiterhin selbständig blieb. Ziel der Aachener Universalbesitzerin war es, in den Berliner Markt einzudringen und von den internationalen Kontakten des Privatbankhauses zu profitieren.37 Das Bankhaus Delbrück und das älteste Privatbankhaus Berlins, Gebr. Schickler38, schlossen sich im Jahr 1910 zum Bankhaus Delbrück, Schickler & Co. zusammen. Mit diesem Zusammenschluß wollte man eine stärkere Wettbewerbsposition gegenüber den stärker werdenden Großbanken erreichen.39 Im Ergebnis ist festzustellen, daß den Privatbanken, insbesondere den kapitalstarken Privatbankhäusern, immer noch eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Entwicklung des Bankplatzes Berlin zufiel. Sie waren aber nicht mehr die Promotoren des Bankplatzes Berlin wie in der Vorperiode. Diese Rolle übernahmen die Großbanken, wie im folgenden Kapitel gezeigt wird.

34

Vgl. Weber (1938), S. 48; Schoeps (2000), S. 73. Beispielsweise war das Bankhaus Mendelssohn an der Emission einer Rußlandanleihe im Jahr 1905 zur Finanzierung des Russisch-Japanischen-Krieges beteiligt. Neben russischen und holländischen Banken waren auch das Bankhaus Bleichröder, die Disconto-Gesellschaft und die Berliner Handelsgesellschaft an der Emission beteiligt. Vgl. Helfferich (1906), S. 107ff. 35 Mendelssohn investierte ebenfalls in den boomenden Eisenbahnbau. Nach der sogenannten „Plessner-Pleite“ 1875 gab das Bankhaus sein Industriefinanzierungsgeschäft jedoch auf. Vgl. Schoeps (2000), S. 72f. 36 Die Darmstädter Bank hatte, trotz eigener Berliner Niederlassung, das 1849 gegründete Bankhaus bereits 1891 mit 20 Millionen Mark kommandiert aufgrund des erfolgreichen russischen und italienischen Finanzgeschäftes der Privatbank. Des weiteren war Warschauer & Co. im Industriegeschäft tätig. Vgl. Weber (1957), S. 95. 37 Vgl. Achterberg (1956), S. 25ff. Das Gründungsstammhaus des Bankhauses Hardy war das englische Bankhaus Hardy Nathan & Sons aus London. Die Familie Nathan stammte ursprünglich aus Deutschland, die den Wunsch hatte, wieder von England nach Deutschland zurückzusiedeln. 38 Als Splitgerber & Daum 1712 gegründet. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.2.1 dieser Arbeit. Das Bankhaus Delbrück war 1854 aus einer Zweigniederlassung der Kölner Concordia-Lebensversicherung in Berlin hervorgegangen. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.3.1 dieser Arbeit. 39 Vgl. Lentz/Unholtz (1912), S. 347; Born (1977), S. 328f.

94

Kapitel III

3.2.2 Gründung und Expansion der Aktienbanken unter Führung der Berliner Großbanken Das Aktienwesen in Preußen unterlag sowohl im Bereich der Industrie als auch im Bankwesen bis 1870 strengen Gründungsregeln. Um die Gründungskonzession zu erhalten, hatten die Berliner Handelsgesellschaft und die Disconto-Gesellschaft deshalb nicht die Rechtsform einer reinen Aktiengesellschaft gewählt, sondern die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft auf Aktienbasis.40 Am 11. Juni 1870 wurde der Konzessionszwang für Aktienbanken abgeschafft. Das neue Aktiengesetz löste in Verbindung mit der Zahlung der französischen Kontributionsgelder und der Gründung des Deutschen Reiches sowie der damit einhergehenden politischen Sicherheit einen bis dahin einmaligen Gründungsboom aus. POHL, der den Zeitraum unmittelbar vor und nach der deutschen Reichsgründung bis zum Beginn der Gründerkrise als „Zweite Gründungswelle“ von Aktienbanken bezeichnet, geht davon aus, daß von 1870 bis 1873 zwischen 100 und 130 Aktienbanken in Deutschland errichtet worden sind.41 Allein im Jahr 1871 wurden 42 Banken gegründet, davon 21 Banken in Berlin auf die ein Aktiengründungskapital von etwas mehr als 67 Millionen Mark fiel. 1872 erfolgten deutschlandweit 49 Bankgründungen, davon 22 Banken in Berlin mit einem Aktiengrundkapital von fast 40 Millionen Mark. Zum Ende des Jahres 1872 existierten in Deutschland 139 Aktienbanken mit einem Aktiengrundkapital von 1,1 Milliarden Mark, deren örtlicher Schwerpunkt in Berlin lag.42 Dagegen wurden am Bankplatz Frankfurt nur 7 Aktienbanken mit einem Aktiengrundkapital von 95 Millionen Mark gegründet.43 Die bedeutendste Bankgründung am Bankplatz Berlin stellt die Gründung der Deutschen Bank dar. Noch vor Verabschiedung des neuen Aktiengesetzes in der Rechtsform der Aktiengesellschaft am 10. März 1870 gegründet, sollte die Deutsche Bank den englischen Banken auf den Auslandsmärkten Konkurrenz bieten und der Finanzierung des deutschen Außenhandels dienen. Hauptgrund für die Ansiedlung der Deutschen Bank in Berlin war die Gründung der Internationalen Bank im Januar 1870 in Hamburg, die ebenfalls als Außenhandelsbank konzipiert war.44 Der Privatbankier 40

Lediglich der A. Schaaffhausensche Bankverein war eine reine Aktienbank. Die Umwandlung in diese Rechtsform erfolgte, um den Konkurs dieser Bank zu verhindern. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.3.2 dieser Arbeit. Vgl. Pohl (1986), S. 35 sowie die dort aufgeführte Literatur. BÖHME gibt für diesen Zeitraum 107 Aktienbankgründungen an. Vgl. Böhme (1966), S. 329. 42 Vgl. Böhme (1966), S. 329; Funk (1930), S. 72, Teil I. 43 Vgl. Böhme (1966), S. 329. 44 Die Internationale Bank in Hamburg wurde von den dortigen Privatbankiers Merck & Co., Godeffroy, Berenberg-Gossler & Co. sowie Gebr. Schröder & Co. gegründet, mit dem Ziel, Bank- und Handelsgeschäfte und die Gründung sonstiger Unternehmen in Übersee durchzuführen. Sie sollte damit der Stabilisierung der welt41

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Adelbert Delbrück45 und der preußische Regierungsbeamte von der Heydt sahen in der Internationalen Bank eine Konkurrentin für den Bankplatz Berlin. Über die Gründung einer eigenen Außenhandelsbank in Berlin wollte man der Gefahr begegnen, daß Hamburg - die Stadt, die noch nicht einmal dem Deutschen Zollverein beigetreten war - zum ersten nationalen Kapitalmarkt aufsteigen könnte. Darüber hinaus sprachen die am Finanzplatz Berlin vorzufindenden Kommunikationsvorteile für die Niederlassung in Berlin.46 Unter dem Einfluß der Gründerjahre und der damit verbundenen Geschäftsmöglichkeiten am Bankplatz Berlin siedelten sich einige bereits bestehende Aktienbanken an.47 Anfänglich wurden lediglich Filialen in Berlin eröffnet oder Privatbanken kommanditiert, später verlegten die Aktienbanken ihre zentralen Stabsabteilungen oder den kompletten Firmensitz nach Berlin. Die bekanntesten Vertreter sind die Darmstädter Bank, die 1871 eine Filiale in Berlin eröffnete, und erst 1920 ihren Firmensitz nach Berlin verlegte.48 Die Mitteldeutsche Creditbank aus Meiningen folgte 1872, in dem sie eine Niederlassung in Berlin eröffnete.49 Der lokale Zentralisierungsprozeß zugunsten des Bankplatzes Berlin wurde durch die Gründerkrise unterbrochen. Es begann eine erste Konzentrationsphase der gesamten Bankbranche, die als Korrektur der vorausgegangenen Gründungsspekulation bis 1880 anhielt. Übrig blieben nur die bedeutendsten Gründungen, deren Anzahl POHL auf 40 bis 45 Banken beziffert.50 Mit der Gründung der Nationalbank für Deutschland im Jahr 1881 setzte sich die Wanderungsbewegung zugunsten des Bankplatzes Berlin fort.51 Die Dresdner Bank eröffnete 1881 eine Berliner Filiale, und entsprach damit den Anforderungen ihrer Kunden, die an Verbindungen zur Berliner Industrie und zur Berliner Börse interessiert waren.52 Die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt Leipzig ging 1883 eine Kommanditbeteiligung ein, 1891 errichtete der A. Schaaffhausensche Bankverein eine Nie-

weiten Verflechtung des deutschen Handels dienen. Die Bank entwickelte sich jedoch nicht sonderlich erfolgreich und wurde bereits 1879 liquidiert. Vgl. Böhme (1966), S. 323; Gall (1995), S. 8f., S. 23. Leiter des Bankhauses Delbrück & Co. 46 Zur Gründung der Deutschen Bank vgl. ausführlich Gall (1995), S. 1-18. Vgl. auch Gebhard (1928), S. 50, der statt der Internationalen Bank die Gründung der Commerzbank in Hamburg als Hauptbeweggrund der Etablierung der Deutschen Bank in Berlin angibt. 47 WEBER unterscheidet in seiner Arbeit daher die Berliner Großbanken in Einheimische und Zugewanderte. Vgl. Weber (1957), S. 66f. 48 Zur Gründung und Entwicklung der Darmstädter Bank vgl. Weber (1957), S. 92ff. 49 Vgl. Weber (1957), S. 38. 50 Vgl. Born (1985), S. 57; Pohl (1986), S. 35f; Böhme gibt an, daß von den 107 in der Zeit von 1870-1872 neu gegründeten Banken 73 Institute ihr Geschäft aufgeben mußten, da sie den betriebswirtschaftlichen Ansprüchen hinsichtlich Eigenkapitalausstattung und Liquidität nicht gerecht wurden. Vgl. Böhme (1966), S. 322f. 51 Zur Gründung der Nationalbank vgl. Weber (1957), S. 90. 52 Zur Gründung und Entwicklung der Dresdner Bank vgl. Weber (1957), S. 97ff. 45

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derlassung in Berlin, 1896 folgte die Breslauer Discontogesellschaft.53 Die bereits 1870 in Hamburg gegründete Commerzbank verlagerte mit der Übernahme der in Berlin ansässigen Berliner Bank54 1905 ihren geschäftlichen Schwerpunkt nach Berlin.55 Zuvor hatte sie sich bereits an der Gründung der Nationalbank für Deutschland beteiligt, um durch diese Beteiligung eine engere Verbindung zum Berliner Bankplatz zu erhalten. Die Übernahme des Bankhauses J. Dreyfus & Co. im Jahr 1897 ermöglichte der Commerzbank, ihre Verbindungen nach Berlin zu intensivieren, da diese Privatbank durch ihre Gründung 1868 in Frankfurt und die Errichtung einer Niederlassung in Berlin im Jahr 1891 an beiden Bankplätzen gut etabliert war.56 Das geschäftliche Schwergewicht dieser Aktienbanken verlagerte sich in der Folgezeit nach Berlin. Von Berlin aus wurde die Bank geleitet, wenngleich der juristische Firmensitz erst später oder gar nicht verlagert wurde.57 In diesem Ansiedlungsprozeß der Berliner Kreditbanken kommt auch die in Kapitel II, Abschnitt 2 dargestellte Unternehmertypologisierung nach HEUSS zum Ausdruck. Demnach können die Berliner Handelsgesellschaft, die Disconto-Gesellschaft und die Deutsche Bank als die Pionierbanken des Finanzplatzes Berlin bezeichnet werden. Sie wurden direkt am Standort Berlin gegründet. Ebenfalls als Pionierbanken können die Darmstädter Bank und die Mitteldeutsche Creditbank typologisiert werden, da sie noch Anfang der 1870er Jahre ihren geschäftlichen Schwerpunkt nach Berlin verlagerten. Mit der Gründung der Nationalbank für Deutschland direkt in Berlin 1881 wurde das Standortverhalten der bereits am Bankplatz ansässigen Banken imitiert. Zu den die Standortentscheidung imitierenden Kreditinstituten zählen auch die Dresdner Bank und die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt sowie der A. Schaaffhausensche Bankverein. Als konservativ in der Standortentscheidung sind hingegen die Breslauer Discontogesellschaft sowie die Commerzbank anzusehen. Sie verlegten ihren geschäftlichen Schwerpunkt und zentrale Funktionen erst um die Jahrhundertwende an den Finanzplatz Berlin. Den Hauptgrund für die Ansiedlung der Banken in Berlin sieht WEBER in den außerordentlichen Betätigungs- und Gewinnmöglichkeiten, die der Bankplatz Berlin im Vergleich zu den Heimatplätzen bot. Beispielsweise verlegte die Darmstädter Bank ihren Sitz von Darmstadt nach Berlin, um eine hochrentierliche Auslastung des vor53

Vgl. Weber (1957), S. 39. Die Fusion erfolgte bereits im Jahr 1904. Vgl. Weber (1957), S. 101. Vgl. Seipp (1995), S. 8. 56 Vgl. Kurzrock (1970), S. 50ff.; Weber (1957), S. 100. 57 Beispielsweise verlegte die Dresdner Bank ihren juristischen Sitz erst am 24.01.1950 nach Berlin (West), um eine Einbeziehung der Dresdner Bank-Aktien in die Wertpapierbereinigung zu ermöglichen. Die Commerzbank verlagerte ihren juristischen Sitz nicht, und brauchte daher nach dem Krieg keine Sitzverlagerung vorzunehmen. Vgl. Weber (1957), S. 38. 54 55

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handenen Eigenkapitals zu erreichen. Schon frühzeitig hatte die Bank begonnen, Kommanditbeteiligungen an anderen Banken in großen Städten einzugehen, da die Geschäftsmöglichkeiten im Raum Darmstadt begrenzt waren.58 Die Chancen, die der Bankplatz Berlin bot, sind zwar notwendige, aber keine hinreichenden Bedingungen für die Ansiedlung weiterer Marktteilnehmer. Vielmehr stellten die wirtschaftspolitische Begünstigung Berlins und der zunehmende Bankenwettbewerb entscheidende Erfolgsfaktoren des Bankplatzes Berlin dar. Die Nähe zur Regierung und zur Reichsbank, die Konzentration zahlreicher Banken und ihrer Verbände sowie zahlreicher Industrieunternehmen diverser Branchen, eine ausgebauten Verkehrsinfrastruktur, das Vorhandensein von Arbeitskräften und deren zunehmender Wohlstand, die Existenz einer Universität, die sich zunehmend mit ökonomischen Fragestellungen wissenschaftlich auseinandersetzte, perfektionierten die Angebots- und Nachfragebedingungen des Finanzplatzes im Rahmen des systemischen Anforderungsprofils. Es entstanden positive Lokalisations- und Urbanisationsvorteile, welche die Ansiedlung weiterer Marktteilnehmer hervorriefen bzw. diese nahezu magisch anzogen.59 Durch Zuzug und Niederlassung entstand in Verbindung mit den am Bankplatz Berlin gegründeten Banken ein Kreis von Kreditinstituten, deren Kapitalkraft, Bilanzsumme und internationale Geschäftsverbindungen jene der Provinzialbanken bei weitem übertrafen. Zusammen bildeten diese Marktteilnehmer den von einzelnen Autoren unterschiedlich dargestellten Kreis der Berliner Großbanken.60 ERNST HEINEMANN (1899) 1. Deutsche Bank 2. Dresdner Bank 3. Disconto-Gesellschaft 4. Darmstädter Bank 5. Berliner Handelsgesell. 6. Nationalbank 7. Schaaffhausensche BV. 8. Mitteldeutsche Creditbank 9. Breslauer Disconto-Gesell. 10. Berliner Bank 11. Dt.Genossenschaftbank.

ADOLF WEBER (1938) 1. Deutsche Bank 2. Dresdner Bank 3. Disconto-Gesellschaft 4. Darmstädter Bank 5. Berliner Handelsgesell. 6. Nationalbank 7. Commerzbank 8. Allg. Deutsche Kreditanstalt

HANS WEBER (1957) 1. Deutsche Bank 2. Dresdner Bank 3. Disconto-Gesellschaft 4. Darmstädter Bank 5. Berliner Handelsgesell. 6. Nationalbank 7. Commerzbank 8. Schaaffhausensche BV. 9. Mitteldeutsche Creditbank

Tabelle 12: Kreis der Berliner Großbanken in unterschiedlicher Betrachtungsweise 58 59 60

Vgl. Weber (1957), S. 39f., S. 92f. Vgl. Kapitel II, Abschnitte 3 und 4 dieser Arbeit. Die Unterschiedlichkeit der Darstellungen resultiert aus den unterschiedlichen Zeitbezügen der Autoren und aus ihrer differenzierten Betrachtung bzgl. des regionalen Schwerpunktes der Geschäftstätigkeit der Banken. Vgl. Heinemann (1920), S. 86ff.; zitiert nach Weber (1957), S. 37; Weber (1938), S. 108; Weber (1957), S. 41ff.

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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann in der Bankbranche ein Konzentrationsprozeß. Ausgelöst durch die Modifizierung des Aktien- und Börsengesetzes in den Jahren 1895/96, das Privatbanken und kleinere Aktienbanken benachteiligte,61 kam es bis 1913 zu etwa 300 Fusionen zwischen den Provinz- und kleineren Privat- bzw. Aktienbanken.62 Daneben gab es verschiedene Zusammenschlüsse zwischen den Großbanken und den Provinzbanken. Die direkte Übernahme von Provinzbanken oder Privatbankiers durch Berliner Großbanken war dabei selten. Von 1895 bis 1913 übernahmen sie lediglich 72 Institute.63 Die Verbindung zwischen ihnen gestaltete sich vielmehr in folgenden Formen: Eingehen dauerhafter Beteiligungen, Bildung von Interessengemeinschaften, Durchführung von Absprachen. Die Initiative dazu ging sowohl von den Berliner Großbanken als auch von den Provinzbanken selbst aus. „Den Provinzinstituten ging es um die Sicherung fester Beteiligungen an Finanz- und Effektengeschäften, für Berlin war die Verfügung über einen bestimmten, den provinziellen Abnehmerkreis reizvoll. Die Provinz suchte das Kapital der Großbanken, diese die Kundschaft der Provinzinstitute, und für beide war die Lösung der Zusammenschluß.“64 Die Regionalbanken fungierten, auch wenn sie juristisch noch selbständig blieben, als Filiale bzw. Niederlassung der Berliner Großbanken. Darüber hinaus richteten die Berliner Banken eigene Filialen ein, meist in der Form einer Depositenkasse. Die Mehrzahl der Depositenkassen der Großbanken befand sich am Bankplatz Berlin; ein Beleg für die hervorragenden Nachfragebedingungen, die sich hier infolge des ausgeprägten wirtschaftlichen Potentials der Stadt ergaben. 1914 waren von insgesamt 401 Depositenkassen der Großbanken mit 254 mehr als die Hälfte in Berlin angesiedelt.65 Ziel der Großbanken war der kostengünstige Aufbau eines verzweigten Filialsystems über ganz Deutschland, um das Depositengeschäft als Refinanzierungsquelle für die Kapitalmarktemissionen und die Kreditfinanzierungen der Industrieunternehmen auszubauen. Die Verflechtung mit den Regionalbanken über Interessengemeinschaften diente dazu, die Beziehungen zwischen der Industrie vor Ort und den Berliner Banken, die für die Regionalbanken zunehmend Zentralbankcharakter einnahmen, zu festigen.66 Ergebnis dieses Konzentrationsprozesses, der mit einem konjunkturellen Aufschwung von 1895 bis 1914 einherging, war, daß sich im Jahr 1912 nahezu zwei Fünftel des gesamten 61

Vgl. Born (1985), S. 56f. Vgl. Pohl (1986), S. 67. Vgl. Pohl (1986), S. 67. 64 Weber (1957), S. 40. 65 Vgl. Weber (1957), S. 41f. 66 Vgl. Böhme (1966), S. 327. Zu den Interessengemeinschaften im einzelnen vgl. Weber (1957), S. 46ff. sowie Pohl (1986), S. 61ff. 62 63

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Bankaktienkapitals in Deutschland auf die Berliner Großbanken konzentrierte. Mit einer Bilanzsumme von fast 8,4 Milliarden Mark entfielen 1913 auf neun Berliner Großbanken mehr als 80% der Bilanzsumme aller deutschen Kreditbanken. Damit waren mehr als vier Fünftel der Bankgeschäfte in Deutschland von wenigen Banken abhängig, deren lokaler Schwerpunkt der Bankplatz Berlin war.67 Institut Deutsche Bank Discontogesellschaft Dresdner Bank Commerzbank Darmstädter Bank Berliner Handelsgesellschaft Nationalbank Schaaffhausen’ BV Mitteldeutsche Creditbank Deutsche Genossenschaftsbank Berliner Bank Summe Kreditbanken Gesamtdeutschland prozentualer Anteil Berliner Großbanken

Gründungsjahr/ Aktienkapital 1870 15 1851/1856 1,1/ 30 1872 9,6 1870 30 1853 17,1 1856 45

1895

1900

100 115 85 -80 80

150 130 130 50 105 90

1904/1907 180 160 132 100

170 180 85 154

1881 1848 1856

20 15,6 24

45 60 30

60 100 45

1864

0,8

15

36

fusioniert68

1889 --

5 212,1

7,5 602,5

42 810

fusioniert69 1114

1135

1960

--

53,08%

125

41,3%

1912 200 200 200 85 160 110 90 145 60 --1165 2963 39,3%

Tabelle 13: Entwicklung des Aktienkapitals der Berliner Großbanken im Vergleich zur Aktienkapitalentwicklung der Kreditbanken in Deutschland in Millionen Mark Quellen: Weber (1938), S. 91; Weber (1957), S. 44ff., Sprenger (1987), S. 577.

Die Konzentration kapitalstarker Aktienbanken in Berlin und ihre Entwicklung zu Universalbanken hatte zur Folge, daß sich Berlin zum Drehpunkt des nationalen und internationalen Kapitals entwickelte. Wesentlich für diese Entwicklung war darüber hinaus die Zusammenarbeit der Berliner Großbanken mit der Berliner Börse und den kapitalstarken Berliner Privatbankhäusern bei der Bereitstellung und Abwicklung von Finanzleistungen und -transaktionen. Die Fühlungsvorteile, die sich aufgrund der loka67

Vgl. Weber (1957), S. 49. Die Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parisius & Co. fusionierte 1904 mit der Dresdner Bank. Die Genossenschaftsbank wurde in besonderen Genossenschaftsabteilungen der Dresdner Bank integriert. Damit übernahm die Dresdner Bank zeitweise die Zentralbankfunktion für den Genossenschaftsbanksektor. Vgl. Weber (1957), S. 99. 69 Die Berliner Bank war 1889 durch Umwandlung in eine AG aus der 1878 gegründeten Berliner Handelsbank eGmbH hervorgegangen. 1904 wurde die Berliner Bank von der Commerzbank übernommen. Vgl. Weber (1957), S. 101f. 68

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len Nähe der Marktteilnehmer zueinander ergaben, waren maßgebliche Erfolgsfaktoren des Finanzplatzes Berlin. Außerdem erlaubte die anhaltende wirtschaftliche Prosperität Deutschlands den Kapitalexport und damit verbunden die Einbettung des Bankplatzes Berlins und seiner Marktteilnehmer in internationale Finanzierungsfragen.70 Zu den wichtigsten Bankdienstleistungen, die die Berliner Großbanken anboten, zählten: - Industriefinanzierung in den Formen von Gründungs- und Beteiligungsfinanzierung, Begleitung von Kapitalmarkttransaktionen im Rahmen von Übernahmen und Fusionen sowie Aktien- und Bondemissionen71 - Verkehrswesenfinanzierung72 - Handels- und Projektfinanzierung im Ausland73 - nationales und internationales Staatsanleihewesen74

70

Vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges schätzte man die Höhe des im Ausland investierten deutschen Kapitals auf 24 Milliarden Mark. Dagegen betrug der französische Kapitalexport 36 Milliarden Mark, der englische sogar 80 Mrd. Mark. Vgl. Weber (1957), S. 65 und die dort angegebene Literatur. 71 Die Berliner Großbanken waren insbesondere an der Gründung, der Umgründung und der Finanzierung der Montanindustrie beteiligt. Beispielsweise war die Disconto-Gesellschaft 1872 an der Gründung der Union Aktiengesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie beteiligt. Vgl. Däbritz (1954), S. 85f.; Böhme (1966), S. 336ff. Im Jahr 1874 war die Berliner Handelsgesellschaft an der Emission einer Anleihe für den Krupp-Konzern beteiligt. Vgl. Lüke (1956), S. 45. Die Deutsche Bank wirkte an der Gründung der Firma Siemens & Halske und der Firma Mannesmann sowie deren spätere Umgründungen in Aktiengesellschaften mit. Vgl. Gall (1995), S. 34ff. und S. 40ff. Zum Industriefinanzierungsgeschäft und den anfänglichen mentalen Problemen der Industrieunternehmer, wie beispielsweise August Thyssen, sich des Kapitalmarktes zu bedienen, vgl. auch Achterberg (1972), S. 7ff. Zum Verhältnis der Großbanken zur Großindustrie an ausgewählten Beispielen vgl. Wellhöner (1989), S. 66-247. 72 Unter Führung der Deutschen Bank wurde die Finanzierung des Ausbaus des innerstädtischen Verkehrsnetzes von Berlin durchgeführt. Dabei wurden die Immobilieninteressen der Bank berücksichtigt. Vgl. Zimm (1959), S. 109f. Die Disconto-Gesellschaft beteiligte sich an der Finanzierung von innerdeutschen Eisenbahnlinien, so daß sie ein umfangreiches Eisenbahnbeteiligungsportfolio unterhielt. Vgl. Däbritz (1954), S. 87. 73 Besonders die Finanzierung von Eisenbahnlinien im Ausland war Gegenstand der Tätigkeit der Berliner Großbanken. Beispielsweise übernahm die Disconto-Gesellschaft zusammen mit dem Privatbankhaus Bleichröder die finanzielle Sanierung der rumänischen Eisenbahnlinien. Vgl. Däbritz (1954), S. 88. Die DiscontoGesellschaft übernahm die Führung im Finanzierungskonsortium für den Bau der Gotthardbahn in der Schweiz. Vgl. Däbritz (1954), S. 89. Die Finanzierung von Eisenbahnlinien in Südamerika und Fernost über den Weg der Anleiheemission waren ebenfalls Geschäftsfelder der Berliner Großbanken. Vgl. Däbritz (1954), S. 110f., Gall (1995), S. 60ff,. S. 71ff. Von besonderer Wichtigkeit war die Finanzierung des Außenhandels mit Russland. Vgl. Kuczynski/Wittkowski (1947), S. 30ff. 74 Im nationalen Geschäft waren es neben der Begebung von Industrieanleihen die Bewältigung der Verstaatlichung der Eisenbahnlinien und die damit einhergehende Konvertierung von Staatsanleihen bzw. ihre Neuemission. Im internationalen Staatsanleihengeschäft schlossen sich die deutschen Banken häufig mit ausländischen Banken zu Interessengemeinschaften bzw. Konsortien zusammen. Die Berliner Handelsgesellschaft war besonders in der Begebung von russischen und serbischen Anleihen involviert, weswegen sie auch als Bankier Rußlands bzw. Serbiens bezeichnet wurde. Vgl. Lüke (1956), S. 52f., S. 62f., S. 79f. Die DiscontoGesellschaft beteiligte sich an der Gründungsfinanzierung von russischen Banken sowie an der Emission von Pfandbriefen russischer Hypothekenbanken. Vgl. Däbritz (1954), S. 90. Darüber hinaus war die DiscontoGesellschaft an der Rentenkonversion Rußlands der Jahre 1889-1894 beteiligt. Vgl. Däbritz (1954), S. 101ff.

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- Depositengeschäft sowie - klassisches Kreditgeschäft.75 Der Bankplatz Berlin hatte sich mit einer eigenen Maschinenindustrie und einer adäquaten Bankindustrie zum Drehpunkt der Achse Ruhrgebiet-Berlin-Oberschlesien entwickelt. Das Aktivgeschäft konzentrierte sich ganz auf diese lokalen Schwerpunkte, während sich die Kapitalherkunft aus dem übrigen Deutschland generierte. Je stärker sich die Großbanken ausdehnten und über vielfältige Interessenverbindungen das Depositengeschäft ausbauten, um so deutlicher trat dieser Grundzug hervor. Insbesondere der Süden Deutschlands, der aufgrund seiner Agrar-Manufaktur-Struktur weniger Kapital bedurfte, wurde vollkommen kapitalentblößt.76 Die zunehmende Abhängigkeit Deutschlands von den Berliner Großbanken löste Unabhängigkeitsbestrebungen seitens der von Berlin besonders abhängigen Regionen hervor. In den Kohlerevieren des Ruhrgebiets und Schlesiens versuchte die dort ansässige Industrie durch Gründung eigener Aktien- und Privatbanken von den Berliner Banken unabhängig zu werden.77 Die finanziellen Ressourcen dieser Banken reichten jedoch nicht aus, um selbständig die Montanfinanzierung zu übernehmen. Die südlichen Staaten Deutschlands versuchten ebenfalls durch Gründung von Regionalbanken, vom Bankplatz Berlin unabhängiger zu werden.78 Diese Versuche, dem Bankplatz Berlin seine Führungsrolle als zentraler Bankplatz streitig zu machen, scheiterten jedoch. Sie bewirkten vielmehr das Gegenteil. Die neu gegründeten Banken mußten infolge der Gründerkrise liquidiert werden, oder sie gingen in den Berliner Großbanken auf, die dadurch ihren Einfluß weiter ausdehnen konnten.79 Zur Finanzierung des deutschen Außenhandels und der Durchführung deutscher Kapitalinvestitionen im Ausland gründeten die Berliner Großbanken Auslandsfilialen. Oft gingen sie auch Verbindungen mit den Banken westeuropäischer Länder oder in Übersee ein. Zudem gründeten sie verschiedene deutsche Auslandsbanken. Sitz der Zentra75

Das klassische Kreditgeschäft war Anfang der 1870er Jahre von untergeordneter Bedeutung. Die Bilanzposition Forderungen (Kredite an Nichtbanken) wies lediglich einen Anteil von ca. 10% an der Bilanzsumme aus. Vgl. Pohl (1986), S. 54. Die Industrie wurde im wesentlichen über Beteiligungen der Banken finanziert. Erst die Gründerkrise und die sich anschließende Konsolidierungsphase bewirkten einen Wandel im Produktangebot der Banken und ihre Entwicklung zu Universalbanken. Die erste durchgreifende Periode zur Herausbildung des Universalbankensystems in Deutschland sieht POHL in der Zeit von 1895-1924. Vgl. Pohl (1986), S. 52 sowie ausführlich S. 61-83. Damit verbunden war die Verringerung der Eigenkapitalquoten der Banken, so daß WEBER vom Wandel der Aktienbanken spricht: von Spekulations- zu Depositen- und Kreditbanken. Vgl. Weber (1938), S. 117ff.; Pohl (1986), S. 54. 76 Vgl. Böhme (1966), S. 333; S. 339. 77 In dem Zusammenhang wurden beispielsweise die Essener Credit-Anstalt, die Duisburger-Ruhrorter Bank, die Westfälische Bank und der Essener Bankverein in den 1870er Jahren gegründet. Vgl. Achterberg (1972), S. 4. 78 Vgl. Böhme (1966), S. 322. 79 Vgl. Böhme (1966), S. 322.

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len dieser deutschen Auslandsbanken war i.d.R. Berlin. Dadurch erleichterte sich die Einflußnahme der deutschen Mutterinstitute sowie die Kapitalmarktinanspruchnahme der Auslandsbanken über die Berliner Börse.80 Der Finanzplatz Berlin gewann dadurch an internationalem Renommee und wurde zur Drehscheibe des internationalen Kapitals, in dem Maße wie sich Deutschland zur wirtschaftlichen Weltmacht entwickelte und zum Kapitalexport in der Lage war.

3.2.3 Die staatlichen Banken als zusätzliche Assets des Finanzplatzes

3.2.3.1 Die Seehandlung als multifunktionales Kreditinstitut Preußens Nach der Gründung des Deutschen Reiches nahm die Preußische Seehandlung als Staatsbank des Bundesstaates Preußen sowohl Aufgaben für den preußischen Staat als auch für das Deutsche Reich, für andere Bundesstaaten sowie für einzelne Städte und Kommunen wahr. Dazu gehörten in Zusammenarbeit mit dem Bankhaus Bleichröder81 die Realisierung der französischen Kriegskontributionsgelder und die Abwicklung größerer finanzieller Transaktionen für die preußischen Staatsbehörden. Dazu zählten insbesondere die Emission und Vermittlung von Staatsanleihen und deren Kurspflege im Rahmen des Preußenkonsortiums, die Emission und Übernahme von Anleihen des Deutschen Reiches sowie von Provinzial- und Kommunalanleihen, die Ausgabe von Eisenbahn-Prioritätsobligationen und deren spätere Konvertierung im Zusammenhang mit der Verstaatlichung der Eisenbahnen. Des weiteren übernahm sie die Zwischenfinanzierung der An- und Verkäufe von Grundstücken insbesondere in Ostpreußen und Pommern.82 Neben dem inländischen Emissionsgeschäft beteiligte sich die Seehandlung am deutschen Kapitalexport. Dabei war sie vor allem im Rußlandgeschäft involviert.83 1873 war sie beispielsweise an der Pfandbriefemission der Russischen Central-Bodenkredit AG beteiligt, deren Pfand80

Zum Engagement deutscher Banken im Ausland im Zusammenhang mit der politischen Entwicklung im allgemeinen und der deutschen Außenhandelspolitik im besonderen vgl. ausführlich Barth (1995): Die deutsche Hochfinanz und die Imperialismen. Vgl. auch Weber (1957), S. 59ff.; Borchardt (1964), S. 34-39; Buchheim (2002), 117ff. 81 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.2.1 dieser Arbeit. 82 Vgl. Schrader (1911), S. 68, S. 94; Weber (1957), S.126. 83 In der Zeit von 1865 bis 1877 erlebte der deutsch-russische Außenhandel einen gewaltigen Aufschwung. Die Einfuhr russischer Waren stieg um das Vierfache, der Export nach Rußland sogar um das Sechsfache. Trotz der dann einsetzenden Schutzzollpolitik blieb Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg der größte Importeur für Russland. Vgl. Kuczynski/Wittkowski (1947), S. 23-36.

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briefe an der Berliner Börse plaziert wurden.84 Des weiteren war die Seehandlung maßgeblich an der Beschaffung von Gold beteiligt, das der Durchsetzung des Goldwährungsstandardes dienen sollte. Das Gold wurde vorwiegend über den Londoner Markt bezogen.85 Das Handels- und Industriebeteiligungsgeschäft wurde weiter zurückgedrängt. 1870 betrug der Gewinnanteil aus industriellen Beteiligungen noch 12%, danach fiel er bis auf ca. 7%. Erst nach der Jahrhundertwende dehnte sich das Beteiligungsportfolio der Seehandlung wieder aus. Als Geld- und Handelshaus des Staates beteiligte sich die Seehandlung 1904 an den Nordischen Elektrizitäts- und Stahlwerken in Danzig und 1906 an der Mühle zu Krone im Rahmen eines Sanierungskonzeptes. Der infrastrukturelle Aufbau dieser ostpreußischen Regionen sollte nicht durch den Konkurs dieser Unternehmungen gefährdet werden.86 Neben den Leistungen für den Staat erbrachte die Seehandlung auch Dienstleistungen für Banken und Privatpersonen. Dazu zählen die kurzfristige Kreditgewährung sowie die Abwicklung des Wechsel- und Lombardgeschäftes für diesen Kundenkreis, die Annahme von Depositengeldern und der Effektenverkehr auf eigene und fremde Rechnung. Besonders engagiert war sie in der Effektenlombardierung. In dieser bankgeschäftlichen Tätigkeit war die Seehandlung der bedeutendste Teilnehmer an der Berliner Börse.87 Insgesamt nahmen die Tätigkeiten für den Staat stärker zu als die Entwicklung des eigentlichen Bankgeschäftes.88 Die erzielten Gewinne wurden an die Staatskasse abgeführt.89

3.2.3.2 Die Konzentration des zentralen Notenbankwesens auf den Bankplatz Berlin Bereits unmittelbar vor der Reichsgründung gab es Diskussionen über die Reorganisation und Vereinheitlichung des deutschen Notenbankenwesens, das entsprechend dem politischen Gebilde Deutschlands ebenso zersplittert war. Es gab in Deutschland 34 84

Vgl. Schrader (1911), S. 46ff. Vgl. Schrader (1911), S. 46ff. Vgl. Schrader (1911), S. 100f. 87 Vgl. Weber (1957), S. 126f. 88 Teilweise fehlte für die bankgeschäftlichen Tätigkeiten die Liquidität. Aufgrund der wachsenden Verschuldung des Staates wuchsen die Anforderungen an die Seehandlung und an deren Eigenkapital. Aus diesem Grund wurde in den Jahren 1904-1906 eine Kapitalerhöhung durchgeführt, in deren Ergebnis die Seehandlung über ein Grundkapital von nahezu 100 Millionen Mark verfügte. Vgl. Schrader (1911), S. 65; S. 75ff. 89 Vgl. Schrader (1911), S. 71. 85 86

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Banken, die ein Notenprivileg besaßen und über 140 verschiedene Papierwertzeichen. Die größte von ihnen war die Preußische Bank mit Sitz in Berlin.90 Vor dem Hintergrund der politischen Vereinigung Deutschlands im Jahr 1871 wurden die Anstrengungen zur Vereinheitlichung des Noten- und Notenbankwesens in den Folgejahren intensiviert. 1874 wurde der Entwurf eines Bankgesetzes präsentiert. Die Berliner Börsenzeitung urteilte diesbezüglich: „Die beiden Hauptmängel des Bankgesetzentwurfes sind ohne Zweifel das Fehlen der Reichsbank und die Beschränkung des ungedeckten Notenumlaufs auf eine höchst willkürlich gewählte und jede weitere Entwicklung abschneidende Ziffer von 340 Millionen Mark.“91 Nachdem der Bankgesetzentwurf verbesserte wurde, stimmte der Deutsche Reichstag der Errichtung einer Zentralnotenbank zu, ohne jedoch die bestehenden Notenbanken mit der neuen Notenbank zu vereinigen. Die Deutsche Reichsbank wurde 1875 gegründet, war mit einem Grundkapital von 120 Millionen Mark ausgestattet und nahm zum 1.1.1876 ihre Tätigkeit auf. Sie entstand aus Umgründung der damals bedeutendsten deutschen Bank mit Notenbankprivileg, der Preußischen Bank, deren Vorläufer bis 1847 die Königliche Giro- und Lehnbank zu Berlin war.92 Im Gegensatz zu den anderen noch existierenden Notenbanken war es nur der Reichsbank gestattet, Filialen im gesamten Reichsgebiet zu eröffnen, während die anderen dies nur innerhalb ihres Bundesstaates durften. Darüber hinaus wurden der Reichsbank weitere Privilegien zuteil, die dazu führten, daß sich die Reichsbank tatsächlich zur einzigen Notenbank in Deutschland entwickelte.93 Das Domizil der neuen Reichsbank blieb Berlin. Dadurch wurde Berlin als zentraler Bankplatz Deutschlands erneut aufgewertet. Die Kommunikationsvorteile wurden besonders deutlich, da das Management der Geschäftsbanken schnell in Kontakt mit der Reichsbank treten konnte. Dies war besonders in Zeiten angespannter Liquidität wichtig, um eine entgegenkommende Kreditpolitik bei der Reichsbank zu veranlassen.94

90

Vgl. Born (1985), S. 54. Funk (1930), S. 74, Teil I. Preußen verkaufte die Preußische Bank an das Deutsche Reich. Die privaten Inhaber von Aktien der Preußischen Bank erhielten ihre Aktien zum gleichen Nennwert in Aktien der neuen Reichsbank umgetauscht. Vgl. Born (1985), S. 53; Lienhart (1936), S. 2f. 93 Bereits unmittelbar nach Gründung der Reichsbank gaben 16 Notenbanken ihr Notenbankprivileg auf. 1910 gab es neben der Reichsbank nur noch die Notenbanken Bayerns, Sachsens, Württembergs und Badens. Sie hatten keine größere Bedeutung mehr und behielten ihr Notenprivileg längstens bis 1935. Vgl. Born (1985), S. 54; Weber (1957), S. 118; Funk (1930), S. 75, Teil I. 94 Vgl. Weber (1957), S.125. 91 92

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Die Aufgaben der Reichsbank bestanden darin, „den Geldumlauf im gesamten Reichsgebiet zu regeln, die Zahlungsausgleichungen zu erleichtern und für die Nutzbarmachung verfügbaren Kapitals zu sorgen.“95 Als Bank der Banken und Bank des Staates stand sie unter Aufsicht und Leitung des Staates.96 Die Reichsbank, die für ihre Tätigkeit auf das bereits vorhandene Geschäftsstellennetz der Preußischen Bank zurückgreifen konnte, erhöhte ihre Zweigstellen-anzahl von 182 im Jahr 1875 auf 493 im Jahr 1910. Der Umsatz konzentrierte sich, trotz der Konkurrenz der Bank des Berliner Kassenvereins am Bankplatz Berlin, zunehmend auf die Berliner Reichshauptbankstelle. Der auf Berlin entfallende Umsatzanteil stieg bis 1913 von rund 25% auf nahezu zwei Fünftel des gesamten Umsatzes der Deutschen Reichsbank.97 Jahr 1876 1900 1910 1913

Reichshauptbank Umsatzanteil Mitarbeiter 25,1 307 31,7 664 38,8 868 39,2 931

Zweiganstalten Umsatzanteil Mitarbeiter 74,9 564 68,3 1568 61,2 2627 60,8 2777

Tabelle 14: Entwicklung des auf die Reichshauptbankstelle in Berlin und auf die Zweiganstalten entfallenden Anteils der Gesamtumsätze sowie die Anzahl der Mitarbeiter 98 Quelle: Weber (1957), S. 118.

Die Berliner Abrechnungsstelle für den bargeldlosen Zahlungsverkehr, die 1883 errichtet wurde, zog im Jahr 1910 mehr als 2,6 Millionen Einlieferungen auf sich, die im Mittel 7.200 Mark betrugen. Übertroffen wurde die Zahl der Einlieferungen nur von der Hamburger Abrechnungsstelle, die jedoch mit durchschnittlich 3.000 Mark ein deutlich geringeres Volumen aufwiesen.99

95

§12(1) des Bankgesetzes vom 14.03.1875; zitiert nach Lienhart (1936), S. 7. Den ökonomischen Erfordernissen des Landes entsprechend, dehnte die Reichsbank den Notenumlauf aus. Betrug dieser im Jahr 1876 rund 685 Millionen Mark, war er bis 1896 auf mehr als eine Milliarde Mark angestiegen. Bis 1913 hatte sich der Notenumlauf auf nahezu zwei Milliarden Mark verdoppelt. Parallel dazu änderte die Reichsbank in der Zeit vom 1. Januar 1876 bis 31. Juli 1914 den Diskontsatz 140 Mal. Er pendelte zwischen 3% und 7,5%. Vgl. Krafft (1968), S. 69ff. 96 Der Reichskanzler besaß de jure ein Weisungsrecht gegenüber dem Reichsbankdirektorium. Davon machten die Reichskanzler selten Gebrauch, so daß das Reichsbankdirektorium die Notenbankpolitik relativ unabhängig bestimmen konnte. Vgl. Born (1985), S. 54. 97 Vgl. Weber (1957), S. 118. 98 Vgl.. Der Giroverkehr der drei größten Abrechnungsstellen belief sich 1913 in Berlin auf 27,2 Mrd. Mark, in Hamburg auf 26,6 Mrd. Mark und in Frankfurt auf 8 Mrd. Mark. Vgl. Schulze-Gävernitz (1915), S. 42. 99 Vgl. Weber (1957), S. 121.

Kapitel III

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3.2.4 Die Berliner Sparkasse im Wettbewerb um Einlagen und Depositen Die deutschen Sparkassen begannen erst gegen Ende der hier betrachteten Periode sich zu Universalbanken zu entwickeln. Von wesentlicher Bedeutung waren hierbei die Verleihung der passiven Scheckfähigkeit durch das Reichsscheckgesetz vom 11. März 1908 und die Erlaubnis zur Pflege des bankmäßigen Depositen- und Kontokorrentverkehrs durch Preußischen Ministerialerlaß vom 20. April 1909, wodurch auch eine Erweiterung des Aktivgeschäftes möglich wurde.100 Vor diesem Hintergrund vollzog sich auch das Wachstum der Berliner Sparkasse. Ihr Einlagevolumen erhöhte sich von 1871 bis unmittelbar vor Kriegsbeginn um mehr als das 44-fache. Dieses exorbitante Wachstum relativiert sich jedoch im Vergleich mit der durchschnittlichen Einlagenentwicklung der Sparkassen in Preußen. Die durchschnittliche Einlage je Sparbuch war bei der Berliner Sparkasse immer geringer als das Durchschnittsguthaben bei den preußischen Sparkassen insgesamt. Auch hinsichtlich der durchschnittlichen Einlagenhöhe je Einwohner schneidet die Berliner Sparkasse schlechter ab. Betrug das durchschnittliche Guthaben je Sparbuch zur Jahrhundertwende bei der Berliner Sparkasse 357 Mark, lag der preußische Gesamtdurchschnitt fast doppelt so hoch. Jahr 1870 1871 1875 1880 1885 1890 1900 1910 1.04.1914

Sparbuchanzahl 75.737 83.229 111.554 147.073 259.795 417.259 675.204 788.539 761.116

Einlagenhöhe in Millionen Mark 2,58 8,67 17,81 30,90 63,60 125,10 241,00 339,40 385,00

ds. Einlage/Buch in Mark 102 104 160 357 506

Tabelle 15: Entwicklung ausgewählter Wachstumsgrößen der Berliner Sparkasse Quelle: Krafft (1968), S. 75f., S. 85, S. 98.

100

Vgl. Pohl (1986), S. 69ff.

ds. Einlage/Einwohner in Mark 10,00 9,47 18,58 89,00 186,00

1870-1914

Jahr 1870 1875 1900 1913101

Sparbuchanzahl 1.392.000 2.210.000 8.670.700

Einlagenhöhe in Millionen Mark 496 1.112 5.700 20.000

107

ds. Einlage/Buch in Mark 356 503 657

ds. Einlage/Einwohner in Mark 20,00 43,20 165,00 294,00

Tabelle 16: Entwicklung ausgewählter Wachstumsgrößen der Sparkassen in Preußen Quelle: Krafft (1968), S. 75f., S. 85, S. 98.

Die Gründe dieser Entwicklung sind vielfältig. Teilweise mögen sie in der Natur des Berliner Sparers selbst gelegen haben, der als Stadtbewohner mehr Möglichkeiten des Konsums hatte und diese auch wahrnahm. Zum überwiegenden Teil lagen sie jedoch in den restriktiven Statuten der Berliner Sparkasse, die die möglichen monatlichen Einzahlungs- und Auszahlungsbeträge für die Sparer im Vergleich zu den anderen preußischen Sparkassen sehr klein hielt und auch die Möglichkeiten des Aktivgeschäftes stark begrenzte. Jahr der Statutsänderung seit 1859 1872 1877/78 1909

neuer max. Einzahlungsbetrag im Monat in Mark 30,00 60,00 300,00 500,00

neuer max. Guthabensbetrag je Sparbuch in Mark 300,00 600,00 1.000,00 3.000,00

Tabelle 17: Anpassungen der Einzahlungs- und Guthabenshöchstgrenzen der Berliner Sparkasse Quelle: Krafft (1968), S. 79.

Beispielsweise nahm die Berliner Sparkasse im Jahr 1872 Einzahlungsbeträge bis zu einer maximalen Höhe von 60 Mark monatlich entgegen. Dagegen nahm die Sparkasse Teltow Einzahlungen bis zu einer Höhe von 1.500 Mark entgegen, wobei ein Kuratorium der Sparkasse sogar noch höhere Einlagen genehmigen konnte.102 Zwar paßte die Berliner Sparkasse ihre Maximalgrenzen bezüglich der ein- und auszuzahlenden Gelder immer wieder nach oben an. Das reichte jedoch nicht aus, um an die Grenzen der anderen Sparkassen heranzureichen und damit an deren Entwicklung anzuknüpfen. Zur Begründung ihrer konservativen Satzungsbestimmungen führte die Berliner Sparkasse immer wieder das „soziale Motiv“ des Sparens und ihren Dienst am „kleinen Kapital“ an.103

101

Die Angaben dieses Jahrganges beziehen sich auf das gesamte Deutsche Reich. Bzw. 500 Taler (entsprechen 1.500 Mark). Vgl. Krafft (1968), S. 77. Aufgrund der Progressivität des Statuts der Teltower Sparkasse empfahl die Regierung 1873 den Sparkassen des Landes diese Satzung als Mustersatzung. 103 Vgl. Krafft (1968), S. 83ff. 102

Kapitel III

108

Weitere Gründe der durchschnittlich geringeren Einlagenentwicklung bei der Berliner Sparkasse sind im zunehmenden Wettbewerb um Einlagegelder am Bankplatz Berlin zu sehen. Zum einen stand die Berliner Sparkasse in Konkurrenz zu den Sparkassen der Berliner Vororte. Die Fluktuation der Einwohner Berlins in die Vororte des Berliner Rings führte dazu, daß die Sparer mit ihrem Guthaben der Berliner Sparkasse verloren gingen. Darüber hinaus waren die Statuten und die Organisation der Vorortsparkassen wesentlich kundenfreundlicher, wodurch sie zusätzliches Einlagenwachstum erzielten. Bei der Berliner Sparkasse kam es dagegen beispielsweise zu langen Abfertigungszeiten, da sie bis zur Jahrhundertwende nur über zwei Auszahlstellen verfügte.104 Die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Sparkasse wurde um so deutlicher, als die Berliner Großbanken ihr Depositengeschäft aufbauten und in den Wettbewerb um das Einlagengeschäft eintraten. Dazu etablierten sie Depositenkassen, deren Anzahl schon bald die Annahmestellen der Berliner Sparkasse übertraf. Jahr 1872 1881 1900 1905 1910 1912/14

Anzahl der Annahmestellen der Berliner Sparkasse 26 40 92 103

Anzahl der Depositenkassen der 8 Berliner Großbanken 49 122 235 254

Tabelle 18: Entwicklung der Annahmestellen der Berliner Sparkasse im Vergleich zum Depositenkassennetz der Berliner Großbanken Quelle: Krafft (1968), S. 76, S. 80, S. 94.

1909 verbesserte die Berliner Sparkasse ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie erneut die Betragsgrenzen für Ein- und Auszahlungen sowie für die maximale Einlagenhöhe nach oben anpaßte.105 Darüber hinaus eröffnete sie bei der Deutschen Reichsbank ein Girokonto, wodurch es leichter wurde, Gelder von einer Sparkasse zur anderen zu übertragen. Außerdem wurden die Möglichkeiten im Aktivgeschäft erweitert und neue Annahmestellen mit Auszahlfunktion geschaffen.106

104

Vgl. Trende (1957), S. 365f. Vgl. Krafft (1968), S. 94. 106 Vgl. Krafft (1968), S. 94f.; Trende (1957), S. 365f. 105

1870-1914

109

3.2.5 Die Berliner Hypothekenbanken Trotz der Lockerung der Normativbedingungen für Hypothekenbanken und der französischen Kriegsmilliarden wurde am Bankplatz Berlin mit der Deutschen Hypothekenbank AG im Jahr 1872 nur eine weitere Hypothekenbank gegründet. Damit waren in Berlin acht Realkreditinstitute ansässig. Institut Preußische Centralbodenkredit AG Preußische Hypotheken-Actien-Bank (Spielhagenbank) Preußische Boden-Credit-Actien-Bank Preußische Hypotheken-Versicherungs AG (Hübner-Bank) Pommersche Hypotheken-Actien-Bank Deutsche Hypothekenbank AG Norddeutsche Grund-Credit-Bank Berliner Pfandbrief-Institut

Gründungsjahr 1870 1864 1868 1862 1866 1872 1868 1868

Tabelle 19: Die in Berlin um 1880 ansässigen Realkreditinstitute Quelle: Achterberg (1956), S. 4.

An der Spitze dieser Institute stand die 1870 gegründete Preußische Centralbodenkredit AG, die für die preußischen Provinzen einen gemeinsamen Markt schaffen sollte. Sie entwickelte sich zur größten Hypothekenbank Preußens und zur zweitgrößten in Deutschland nach der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG.107 Im Hinblick auf ihre Geschäftsfelder war sie von Anfang an sowohl im ländlichen und städtischen Beleihungsgeschäft als auch im Kommunalkreditbereich aktiv.108 Das war möglich, weil die Preußische Centralbodenkredit AG im Gegensatz zu den anderen Hypothekenbanken nicht den preußischen Normativbedingungen unterstand, die Beleihungsmaßstäbe, Beleihungsgrenzen und andere Parameter regelten. Diese Verwaltungsvorschrift wurde von den preußischen Behörden relativ willkürlich auf die einzelnen preußischen Realkreditinstitute angewandt. Daher gab es sowohl zwischen den preußischen Hypothekenbanken als auch zwischen den preußischen und den nicht-preußischen Realkreditinstituten, die einfachere Beleihungsgrundsätze hatten, Wettbewerbsverzerrungen. Aus diesem Grund hatte die 1864 gegründete Erste Preußische Hypotheken-Actien-Gesellschaft 1872 ihre Geschäfte aufgegeben, da sie eine erfolgreiche Entwicklung unter den Restriktionen der Normativbedingungen für ausgeschlossen hielt.109 Dagegen trat die Preußische Hypotheken107

Vgl. o.V. (1970j), S. 261f. Vgl. Treue (1976), S. 327. 109 Vgl. Fränken (1904), S. 23f.; von Poschinger (1879), S. 188, Bd. III. 108

110

Kapitel III

Actienbank (Spielhagenbank), die Teile ihrer Geschäfte 1869 an die Boden-CreditActienbank verkauft hatte, 1872 wieder in die Geschäfte ein.110 Insgesamt hatten die nicht-preußischen Realkreditinstitute aufgrund geringerer Restriktionen und einfacherer Beleihungsregeln größere Möglichkeiten der Kreditvergabe, was ihnen wesentliche Wettbewerbsvorteile brachte. Darüber hinaus profitierten insbesondere die süddeutschen Bodenkreditinstitute von der Mündelsicherheit ihrer Pfandbriefe, wodurch sie über entscheidende Vorteile in der Refinanzierung verfügten.111 Es gelang den nicht-preußischen Hypothekenbanken daher, ihre geschäftlichen Aktivitäten in Berlin auszubauen. Ihr Hauptbeleihungsgebiet blieb zwar nach wie vor die jeweilige Heimatregion, „auf die Dauer entwickelten sich aber doch Berlin und das Rheinland zu einem Hypothekenmarkt, den man nicht missen wollte. Die Bevölkerung wuchs rascher, es wurde mehr verdient, es wurde mehr gebaut.“112 Deshalb waren nahezu alle deutschen Hypothekenbanken über Generalagenturen in Berlin vertreten. Beispielsweise betrug der auf Berlin entfallende Hypothekenbestand der Bayerischen Vereinsbank AG 1881 lediglich 1,6 Millionen Mark. 1913 war der Berliner Darlehensbestand auf 103 Millionen Mark angewachsen, was einem Anteil am Gesamthypothekenbestand der Bank von mehr als einem Fünftel entsprach.113 Die geringere Wertsteigerung des Grund und Bodens ist ein weiterer Grund dafür, daß die Mehrzahl der Hypothekenbanken in Berlin vertreten war. Lag die durchschnittliche Wertsteigerung in deutschen Städten in den Jahren 1865 bis 1880 bei ca. 36%, betrug sie in Berlin nur 26%. Angeführt wurde die Wertsteigerung vom Rheinland mit 45,6%, während Berlin an vorletzter Stelle lag.114 Zusammen mit einer in Berlin besonders stark ausgeprägten Mieterfluktuation ergaben sich Renditeverluste für einzelne Objekte. Daher wechselten die Immobilien häufiger den Besitzer, wodurch insbesondere aus den süddeutschen Ländern etliche Kapitalien nach Berlin flossen.115 Trotz der geschäftlichen Aktivitäten am Bankplatz Berlin verblieb der Firmensitz der nicht-preußischen Hypothekenbanken in der Heimatregion, da eine Verlegung aufgrund der preußischen Normativbedingungen nicht sinnvoll gewesen wäre.116 Ledig110

Vgl. von Poschinger (1879), S. 188f., Bd. III. Vgl. Fränken (1904), S. 21ff., S. 28. Steffan (1969), S. 125. 113 Des weiteren war der durchschnittliche Betrag einer Beleihung in Berlin mit 390.000 Mark großvolumiger als in Bayern, wo der durchschnittliche Beleihungsbetrag nur 35.800 Mark betrug. Vgl. Steffan (1969), S. 125. Auch die Süddeutsche Bodenkreditbank aus München hatte in Berlin ihr umfangreichstes Beleihungsgeschäft außerhalb Bayerns. Vgl. Achterberg (1971), S. 105. 114 Vgl. Fränken (1904), S. 54. 115 Treue spricht in dem Zusammenhang von einem Kapitalimport der Stadt Berlin. Vgl. Treue (1976), S. 343. 116 Vgl. Fränken (1904), S. 29. 111 112

1870-1914

111

lich die 1866 gegründete Pommersche Hypothekenaktienbank, als preußische Hypothekenbank den Normativbedingungen unterstellt, verlegte ihren Unternehmenssitz von Cöslin nach Berlin. Dagegen verlegte die 1868 gegründete Norddeutsche GrundCredit-Bank, 1895 ihren Sitz nach Weimar.117 Die strengen preußischen Normativbedingungen und die uneinheitliche Gestaltung des Realkreditwesens in Deutschland verhinderten also eine ähnlich starke Konzentration der Hypothekenbanken am Bankplatz Berlin im Vergleich zur Gruppe der Aktienbanken. Selbst als die preußischen Normativbedingungen 1893 gelockert wurden, nahm keine der acht in den Jahren 1893 bis 1896 neugegründeten preußischen Hypothekenbanken ihren Geschäftssitz in Berlin.118 Institut Hypothekenbanken Deutschland Hypothekenbanken Berlin Hypothekenbanken Preußen Berliner Hypothekenbanken: Preuß. Central-Boden AG Preuß. Hypotheken-Actienbank Preuß. Bodenkredit-Actienbank Pommersche Hypotheken-Actienbank Preuß. Pfandbriefbank119 Deutsche Hypothekenbank Deutsche Grundschuldbank

Anzahl 40

Hypothekendarlehen 6.574,4

Pfandbriefumlauf 6.241,4

Aktienkapital 587,3

7 15

1.666,7 2.532,2

1.575,4 2.395,3

131,7 191,9

507,8 360,3 246,8 206,6 137,2 104,6 103,4

487,7 356,8 213,8 190,5 127,1 101,0 98,5

28,7 21,0 30,0 15,0 18,0 9,0 10,0

Gegr.:

1870 1864 1868 1866 1862 1872 -

Tabelle 20: Anteil der preußischen und Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbeleihungsgeschäftsowie Aktienkapital der Hypothekenbanken in Deutschland im Jahr 1899 Quelle: Weber (1957), S. 109

Dennoch war der Bankplatz Berlin der Standort, der die größte Agglomeration von Hypothekenbanken und ihrer Geschäftstätigkeit in Deutschland darstellte. Mit sieben Hypothekenbanken im Jahr 1899 waren fast ein Fünftel der insgesamt in Deutschland aktiven Realkreditinstitute in Berlin ansässig. Sie repräsentierten annähernd ein Viertel des gesamtdeutschen Hypothekendarlehensbestandes und des Aktienkapitals der Hypothekenbanken. Im Gegensatz dazu zogen die beiden baden-württembergischen Bodenkreditbanken, die Württembergische Hypothekenbank, Stuttgart und die Rheinische Hypothekenbank, Mannheim, mit rund 419 Millionen Mark an Hypothekendarle117

Vgl. Achterberg (1956), S. 4. Vgl. Goedecke/Kerl (1990), S. 29f., Fränken (1904), S. 25ff. 119 Die Preußische Pfandbriefbank ging 1895 aus der 1862 gegründeten Hübner-Bank hervor. Vgl. Achterberg (1956), S. 5. 118

112

Kapitel III

hensbeständen im Jahr 1899 lediglich etwas mehr als 6% des Darlehensbestandes auf sich.120 Nach einer expansiven geschäftlichen und institutionellen Entwicklung der Hypothekenbanken in Deutschland in der Zeit von 1890 bis 1899121, setzte um 1900 eine allgemeine Hypothekenbankenkrise ein, die auch als institutioneller Reinigungsprozeß bezeichnet wird.122 Hauptursache war eine Überschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung und eine damit einhergehende spekulative Beleihungspraxis, die neun von insgesamt 40 deutschen Hypothekenbanken in eine finanzielle Schieflage brachte. Auch der Bankplatz Berlin wurde von dieser Krise erfaßt. Die Preußische Hypotheken-Actien-Bank, die man bereits Anfang der 1880er Jahre wegen bedenklicher Ausleihungen und Strohmännertum bei Zwangsverkäufen kritisiert hatte123, und die Pommersche Hypotheken-Actien-Bank wurden zum Sanierungsfall. Die Deutsche Grundschuldbank ging sogar in Konkurs. Spekulative Beleihungspraktiken und notleidende Engagements sowie betrügerische Handlungen der Bankenvorstände konnten nicht mehr verschleiert werden124, da das am 1. Januar 1900 in Kraft getretene Hypothekenbankgesetz mehr Transparenz einforderte.125 Nach erfolgreicher Sanierung der beiden Banken, die für die Pommersche Hypotheken-Actienbank mit einer Umfirmierung in Berliner Hypothekenbank einherging126, folgten bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges ein stetiges Wachstum der Hypothekenbanken in Berlin und in Gesamtdeutschland.127

120

Vgl. Pohl (1992), S. 107. Wie ausgedehnt die geschäftliche Entwicklung der Hypothekenbanken war, zeigt der Pfandbriefabsatz, der sich in dieser Zeit auf mehr als das Doppelte erhöhte. Vgl. Achterberg (1962), S. 46. 122 Vgl. Goedecke/Kerl (1990), S. 35. 123 Vgl. Achterberg (1956), S. 4f. 124 Vgl. Fränken (1904), S. 80; Treue (1976), S. 328. 125 Mit dem Inkrafttreten des Hypothekenbankgesetzes ist die selbständige Hypothekenbank-politik Preußens abgeschlossen. Dennoch bestanden wesentliche Unterschiede zwischen den preußischen und den nichtpreußischen Hypothekenbanken hinsichtlich der Mündelsicherheit der Pfandbriefe und der Staatskontrolle fort. Vgl. Fränken (1904), S. 29ff., S. 38ff., S. 78. 126 Vgl. Achterberg (1956), S. 5. GOEDECKE/KERL geben das Jahr 1902 an. Vgl. Goedecke/Kerl (1990), S. 35f. 127 Vgl. Treue (1976), S. 327. 121

1870-1914

3.3

113

Die Berliner Börse als Kapitalmarkt mit nationaler und internationaler Bedeutung

Die Berliner Börse, die seit 1866 die zentrale Börse in Deutschland war, konnte ihre Position mit dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges 1871 weiter ausbauen.128 Die Berliner Börsenzeitung urteilte am 31. Januar 1871, über die Bedeutung und die zukünftige Entwicklungstendenz der Berliner Börse: „Die Bedeutung der Berliner Börse ist aber andererseits auch so sehr gewachsen, sie wird als der tatsächliche Mittelpunkt des großen deutschen Geldmarktes noch in so hohem Maß an Gewicht zunehmen, daß es ihr um so leichter werden dürfte, eine dominierende Position festzuhalten.“129 Diese dominierende Position der Berliner Börse unter allen deutschen Börsenstandorten wurde insbesondere durch die Kriegskontributionen Frankreichs und den Erlaß des modifizierten Aktiengesetzes, das den Konzessionszwang für die Gründung einer Aktiengesellschaft abschaffte, gefestigt. Unter dem Einfluß von Liquidität und Deregulierung wurde eine Gründungswelle von Aktiengesellschaften im Industrie- und Bankbereich ausgelöst.130 Da sich der Börsenplatz Berlin bereits auf die Aktie als Finanzierungs- und Spekulationsinstrument spezialisiert hatte, und darüber hinaus die Rahmenbedingungen des gesamten Finanzplatzes agglomerativ wirkten, entschlossen sich die neugegründeten Aktienunternehmungen zu einer Börsennotierung an der Berliner Börse. Steigende Umsätze, eine wachsende Anzahl gehandelter Papiere und eine Zunahme der Anzahl der zugelassenen Makler waren die Folgen. Jahre 1886-1890 1891-1895 1896-1900 1901-1905 1906-1910 1911 1912

Inlandswerte 4.360 4.833 8.216 8.339 12.615 2.249 2.751

Auslandswerte 2.322 1.462 2.420 2.147 1.497 460 270

Summe 6.682 6.295 10.636 10.486 14.112 2.709 3.021

Jahresdurchschnitt 1.336 1.259 2.127 2.097 2.822 2.709 3.024

Tabelle 21: Entwicklung der Emissionen in Deutschland in Milliarden Mark Quelle: Schulze-Gävernitz (1915), S. 105; Weber (1938), S. 247.

128

Über den Zeitpunkt, ab wann die Berliner Börse als deutsche Zentralbörse gilt, herrscht Uneinigkeit. Während WEBER auf das Jahr 1871 abstellt, fokussieren BÖHME und DÄBRITZ das Jahr 1866 bzw. 1867. Vgl. Weber (1957), S. 157; Däbritz (1931), S. 157f.; Böhme (1966), S. 215f. 129 Funk (1930), S. 72, Teil I. 130 Von 1870-1873 entstanden 857 neue Aktiengesellschaften mit 4,3 Millionen Mark Kapital. Vgl. Funk (1930), S. 72, Teil I.

Kapitel III

114

Die Anzahl der an der Berliner Börse gehandelten Papiere konnte sich von 1871 bis 1893 auf fast 1.100 Titel mehr als verdreifachen. Der Gründerboom ließ hauptsächlich die Zahl der börsenotierten Industrie- und Bankunternehmen steigen.131 Besonders stark stieg ihre Anzahl von 1888 bis 1889 infolge der im Jahr 1885 erfolgten Modifizierung des Aktiengesetzes. In den folgenden Jahren vergrößerte sich das Spektrum der an der Berliner Börse gehandelten Wertpapiere weiter. Im Jahr 1900 zählte man 1.808 Papiere und nur zwei Jahre später sogar 2.171 Effekten.132 1911 gab es über 14 Milliarden deutsche Aktien. Davon wurden mehr als die Hälfte, 8,8 Milliarden Stück, an der Berliner Börse gehandelt.133

Wertpapiere Gesamt davon: Bank-/Industrieaktien Anteil in Prozent Eisenbahnwerte134 Anteil in Prozent Inländische Fonds-/ Staatspapiere Anteil in Prozent Ausländische Fonds-/ Staatspapiere Anteil in Prozent Industrieobligationen Anteil in Prozent

1870 1871 1873 1880 1885 1888 1889 1890 1893 325 395 495 612 728 766 980 1005 1095 55 16,9 175 53,8 63

79 20 206 52,2 73

104 21 267 53,9 81

103 16,8 284 46,4 162

161 22,1 297 40,8 155

176 23 261 34,1 19

339 34,6 273 27,9 166

366 36,4 241 24 179

389 35,5 245 22,4 217

19,4 32

18,5 37

16,4 43

26,5 63

21,3 115

20,8 141

16,9 165

17,8 183

19,8 196

9,8

9,4

8,7

10,3

15,8

18,4 29 3,8

16,8 37 3,8

18,2 26 3,6

17,9 48 4,4

Tabelle 22: Entwicklung der Anzahl der an der Berliner Börse im amtlichen Handel notierten Papiere in der Zeit von 1870-1893135 Quelle: Gebhard (1928), S. 134f.; eigene Berechnungen

131

Im Gründerboom von 1871-1873 entstanden 928 Aktiengesellschaften mit einem Aktienkapital von 2.781 Millionen Mark Kapital. Vgl. Riesser (1912), S. 109. Von 1870-1875 wurden im Deutschen Reich 4,3 Mrd. Mark Aktienkapital aufgebracht. Dagegen machte der Banknotenumlauf nur 1,3 Mrd. Mark aus. Vgl. Oppermann/Degner (1981), S. 29. 132 Vgl. Oppermann/Degner (1981), S. 29; Dertinger (o.J.), S. 33. 133 Vgl. Schulze-Gävernitz (1915), S. 109. 134 In der Position Eisenbahnwerte sind die Eisenbahn-Prioritätsaktien und Eisenbahnobligationen sowie die Eisenbahn-Stammaktien und Stammprioritätsaktien zusammengefaßt. 135 Außerdem wurden noch im nichtamtlichen Teil des Kurszettels verschiedene Werte notiert. Böhme gibt davon abweichende Zahlen je Effektengattung an. Er nimmt jedoch keine Differenzierung in amtliche und nichtamtliche Notierungen vor. Vgl. Böhme (1966), S. 330f. Auch WEBER gibt für das Jahr 1880 von GEBHARD abweichende Angaben bzgl. der Anzahl der an der Berliner Börse gehandelten Papiere, insbesondere Industrieaktien, deren Anzahl er auf 341 veranschlagt, an. Vgl. Weber (1957), S. 158. Dagegen geht ACHTERBERG von 859 notierten Titeln insgesamt aus, wobei 155 Titel zu den Industrieaktien zu zählen sind. Vgl. Achterberg (1956), S. 17.

1870-1914

115

Die Bedeutung der einzelnen Effektengattungen an der Berliner Börse veränderte sich spiegelbildlich zu den wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen. Einen besonders starken Zuwachs erzielten die Bank- und Industrieaktien, deren Anzahl sich von 1870 bis 1893 mehr als versiebenfachte. Damit einhergehend erhöhte sich ihr relatives Gewicht am Berliner Börsenhandel von knapp 17% auf mehr als ein Drittel, wodurch die Bedeutung der Berliner Börse für die Industrialisierung Deutschlands deutlich wird. Im Gegensatz dazu waren an der Frankfurter Börse im Jahr 1880 nur 13 Industrieaktien notiert.136 Ein besonderes Schwergewicht innerhalb der Industrieaktien bildeten die Aktien der Montan- und Metallindustrie. Auf diese Branchen entfiel 1903 mehr als die Hälfte des an der Berliner Börse zum Handel neu zugelassenen Nominalkapitals.137 Die Bedeutung der Eisenbahnwerte war rückläufig. Zwar stieg ihre Anzahl bis Mitte der 1880er Jahre an, seitdem ging ihre Anzahl jedoch infolge der Verstaatlichung der Eisenbahnstrecken zurück. Waren 1870 noch mehr als die Hälfte aller Papiere Eisenbahnwerte, betrug ihr Anteil 1893 nur noch ca. ein Fünftel. Dagegen stieg die Anzahl der inländischen Staatspapiere infolge der zunehmenden Staatsverschuldung, insbesondere aufgrund der Verstaatlichung der Eisenbahnlinien.138 Ihr Anteil an der Gesamtzahl der Papiere blieb relativ konstant. Neben einer wachsenden Zahl inländischer Wertpapiere wurden an der Berliner Börse zunehmend auch Papiere des Auslandes gehandelt. Besonders das Geschäft mit russischen Anleihen nahm zu. Von 1868 bis 1884 war die Berliner Börse „der erste Markt der Welt für russische Anleihen“.139 Nach politischen Verwerfungen Deutschlands mit Russland richtete sich die Kapitalnachfrage Russlands seit Ende der 1880er Jahre jedoch stärker an den französischen und britischen Kapitalmarkt.140

136

Vgl. Achterberg (1956), S. 17; Weber (1957), S. 158. Vgl. Haebler (1934), S. 20. Zur Übernahme der Eisenbahnobligationen durch den Staat vgl. Däbritz (1954), S. 97f. 139 Vgl. Gebhard (1928), S. 65; Eine hohe Bedeutung hatten die russischen Eisenbahnpapiere. Sie machten 1884 ca. 27% aller gehandelten Eisenbahnpapiere aus, wobei ca. 20% Obligationen und ca. 7% Aktienwerte waren. Vgl. Mai (1970), S. 146. 140 Besonders durch die Nichtverlängerung des Rückversicherungsvertrages und durch den Helgoland-SansibarVertrag im Jahr 1890 wurde das Verhältnis Deutschland-Russland belastet. Vgl. Mai (1970), S. 131f.; Gebhard (1928), S. 114f., S. 125. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges waren Deutschland zu einem Fünftel, England zu einem Viertel und Frankreich zu einem Drittel die ausländischen Finanziers Russlands. Vgl. Kuczynski/Wittkowski (1947), S. 36. 137 138

Kapitel III

116

Banken 15%

andere Industrien 21% ElektroIndustrie 7%

Berg- und Hüttenwerke (inkl. Maschinenbau) 29%

Metallindustrie 22% Eisenbahnen und Schiffbau 6%

Abbildung 2: Neuzulassungen von Aktien in Prozent des zugrunde liegenden Nominalkapitals an der Berliner Börse 1903 Quelle: Haebler (1934), S. 20

Der Wegfall der russischen Papiere und anderer Auslandswerte, die an ihre Heimatbörsen abwanderten, konnte aber durch die steigende Emissionstätigkeit deutscher Banken für andere ausländische Kapitalnachfrager kompensiert werden.141 Deutschlands neue Rolle als Kapitalexporteur wurde von den deutschen Großbanken und den kapitalstarken Privatbanken begleitet. Sie führten ausländische Staats- und Unternehmensanleihen an der Berliner Börse ein. Neben Anleihen aus Österreich-Ungarn und Italien emittierten die Berliner Banken über die Berliner Börse exotische Werte wie rumänische, türkische, spanische, griechische und argentinische Anleihen.142 Ebenfalls ansteigend war die Zahl der zugelassenen Renten- und Eisenbahnpapiere aus den USA.143 Gemeinsam war diesen Papieren, daß sie eine höhere Verzinsung als die deutschen Staatspapiere aufwiesen. Der geringe Zinsfuß in Deutschland seit Mitte der 1880er 141 142 143

Vgl. Gebhard (1928), S. 114f. Vgl. Gebhard (1928), S. 82, S. 114f. Die mit 6-7% im Vergleich zu deutschen Anleihen, deren Rendite bei 3,5% lag, relativ hoch verzinsten usamerikanischen Eisenbahnwerte erfreuten sich beim deutschen Publikum großer Beliebtheit. Das mit ihnen verbundene höhere Risiko war ihnen dagegen nicht bekannt oder nicht bewußt. Nicht in jedem Fall war es möglich, notleidend gewordene Eisenbahnlinien zu sanieren und über komplexe Konvertierungsmaßnahmen die Rückzahlung der Anleihen an deutsche Anleger zu sichern. Vgl. Wanner (1998), S. 554f.

1870-1914

117

Jahre und die Verstaatlichung der Eisenbahnlinien hatten einen gewissen „Anlagenotstand“ zur Folge. Die höher rentierlichen Auslandswerte fanden beim anlagesuchenden Publikum entsprechende Nachfrage. Das mit den teilweise sehr exotischen Auslandswerten verbundene höhere Risiko wurde dabei in Kauf genommen.144 Die Umsätze der Berliner Börse nahmen regelmäßig zu.145 Zwischen 1882 und 1893 entfielen auf die Berliner Börse zwei Drittel des Börsenumsatzsteueraufkommens, auf die Frankfurter Börse hingegen nur 12%.146 Die restriktive Gestaltung des Terminhandels und die erneute Erhöhung der Börsenumsatzsteuer im Rahmen des 1896 neu erlassenen Börsengesetzes beeinflußten die Umsatzentwicklung jedoch nachteilig. Nunmehr wurden die Umsätze innerhalb der jeweiligen Bank im Rahmen von Kompensationsgeschäften abgewickelt oder an andere ausländische Börsenplätze weitergeleitet.147 Dennoch war die Berliner Börse die umsatzstärkste Börse in Deutschland, was ihrem Zentralbörsencharakter entsprach. Zwischen 1900 und 1913 wurden durch die an der Berliner Börse getätigten Umsätze ca. 65% des Börsenumsatzsteueraufkommens generiert. Auf die Frankfurter Börse entfiel für den gleichen Zeitraum dagegen nur ein Anteil von 5,3%.148 Die Zahl der vereidigten Fondsmakler an der Berliner Börse erhöhte sich von 37 im Jahr 1870 auf 74 im Jahr 1893. Gründerboom und Gründerkrise Anfang der 1870er Jahre bedingten, daß die hohe Zahl von 110 Fondsmaklern im Jahr 1873 nicht gehalten werden konnte. Andererseits zeigt dieser Sachverhalt, wie stark die Berliner Börse während des Gründerbooms frequentiert wurde und damit ihre zu diesem Zeitpunkt gestiegene Bedeutung. Von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges entwickelte sich die Berliner Börse immer mehr zum Spiegelbild der zunehmenden Industrialisierung Deutschlands und seines damit einhergehenden wachsenden politischen und ökonomischen Einflusses in der Welt. Gestalteten sich die Kursausschläge an der Berliner Börse bis 1880 in Abhängigkeit von Paris und Wien, konnte sie in dem Maße wie Deutschlands Wirtschaftskraft wuchs, eine gleichberechtigte Position gegenüber Lon144

Vgl. Funk (1930), S. 80f., Teil I; Weber (1938), S. 248f. Vgl. Gebhard (1928), S. 74ff., S. 93ff. Die in den Papieren getätigten Umsätze erfolgten seit 1871 verstärkt durch das Privatpublikum, das für sich die Aktie als Kapitalanlage entdeckte. Schätzungen der BörsenEnquete-Kommission aus dem Jahr 1893 zufolge betrug der deutsche Effektenbesitz im Jahr 1892 ca. 40 Milliarden Mark. Dagegen beliefen sich die Schätzungen für das Jahr 1850 auf nur 2 bis 3 Milliarden Mark, für 1860 auf 10 Milliarden Mark und für 1870 schätzte man das in Effekten angelegte private Vermögen auf 20 Milliarden Mark. Vgl. Gebhard (1928), S. 130f. 146 Vgl. Gömmel (1992), S. 179. 147 Vgl. Weber (1957), S. 161f; Berliner Börse (1985), S. 11ff. 148 Vgl. Pohl (1992), S. 184, S. 192; Buchheim (2002), S. 123 und die dort aufgeführte Literatur. 145

118

Kapitel III

don einnehmen. Vor dem Hintergrund einer transatlantischen und globalen Wirtschaftspolitik entwickelte sich der Berliner Bank- und Börsenplatz zu einem der führenden Plätze des internationalen Geld- und Kapitalmarktes. Die Jahre 1912 bis 1914 markieren den Höhepunkt dieser Entwicklung. Während in den Vorjahren die bestimmenden Kurstendenzen von New York und London ausgingen, wurde jetzt an den auswärtigen Börsenplätzen die Frage gestellt: „Wie kommt Berlin?“149 Die wachsende Bedeutung der Berliner Börse ist auch auf die ständige Weiterentwicklung der Börsenorganisation, der Börsenordnung und der Börsenzulassungsbedingungen zurückzuführen. Sie hatten Vorbildwirkung für die anderen deutschen Börsen. Beispielsweise fanden die 1885 revidierte Börsenordnung und die 1888 eingeführten „Leitenden Gesichtspunkte“ neben der Zustimmung der Marktteilnehmer auch die des Handelsministers. Darauf hin wurden sie bei der Einführung von Effekten auch an den anderen Börsenplätzen Deutschlands zu-grundegelegt.150 Wesentlich für den Erfolg der Berliner Börse war darüber hinaus die Professionalität der deutschen Großbanken und der kapitalstarken Privatbanken, die es im Rahmen ihrer Investmentbankingtätigkeiten für den deutschen und den ausländischen Kapitalnachfrager verstanden, entsprechendes Kapitalangebot über die Emissionen von Effekten zu poolen. Diese Wertpapiere wurden an der Berliner Börse eingeführt. Das ausgeprägte Lombard- und Reportkreditgeschäft der Berliner Banken förderte die Expansion der Berliner Börse ebenfalls. Damit fungierten die Berliner Banken als „Effektenmaterialbeschaffer“ für die Berliner Wertpapierbörse. In dem Zusammenhang spricht WEBER von einer starken Abhängigkeit der Berliner Börse von der Effektentätigkeit der Berliner Banken.151

149

Vgl. Croner (1923), S. 343ff.; zitiert nach Gebhard (1928), S. 22. Vgl. auch Weber (1957), S. 158. Vgl. Gebhard (1928), S. 112. 151 Vgl. Weber (1957), S. 159f. 150

1870-1914

119

Es handelt sich aber vielmehr um eine symbiotische Verbindung zwischen diesen Marktteilnehmern. Auf der einen Seite förderten die Banken im Rahmen ihrer Emissionstätigkeit die Zunahme der an der Börse gehandelten Papiere und die Umsätze, auf der anderen Seite bot die Berliner Börse Usancen, Regelwerk und Know-how, die eine reibungslose Durchführung der Emissionen der Banken erst ermöglichte. CALOMIRIS kommt sogar zu dem Schluß, daß diese Zusammenarbeit zu geringeren Finanzierungskosten der Industrie im Vergleich zur US-Industrie führte: „Banks and securities markets rely on each other to operate efficiently in a universal banking system - like that of pre-World War I in Germany.“152

152

Calomiris (1997), S. 118. CALOMIRIS argumentiert, daß gerade das Fehlen von Universalbanken in den USA zu höheren Finanzierungskosten führte, da weder die Commercial noch die Investment Banks ausreichend in den Industrialisierungsprozeß involviert waren, wie das aber in Deutschland der Fall war. Vgl. dazu ausführlich Calomiris (1997), S. 113-127.

120

4.

Kapitel III

Nachlassende Wachstumsdynamik des Bank- und Börsenplatzes Berlin (1914-1945)

Von 1914 bis 1945 blieb Berlin weiterhin der wirtschaftliche, politische und kulturelle Mittelpunkt Deutschlands. Im internationalen Kontext konnte Berlin aber aufgrund der negativ wirkenden ökonomischen und politischen Einflüsse keine bedeutende Rolle mehr spielen. Lediglich in der Zeit der Weimarer Republik gelang es, an internationale Beziehungen, die vor dem Krieg bestanden hatten, wieder anzuknüpfen. Vor diesem Hintergrund entwickelten sich die Anforderungsparameter des Finanzplatzes nicht weiter. Vielmehr mußte der Bank- und Börsenplatz Berlin einen Destabilisierungsprozeß hinnehmen, der durch die Sondereinflüsse Krieg und Inflation hervorgerufen und durch die negative Rolle des nationalsozialistischen Staates seit 1933 beschleunigt wurde.

4.1

Berlin in seiner Entwicklung zur Metropole

Im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung konnte Berlin für sich den Status einer Weltstadt in Anspruch nehmen. Erstmalig wurde in dieser Zeit die Vier-MillionenGrenze überschritten. Dieses Wachstum wurde über die Bildung von Groß-Berlin im Jahr 1920 erreicht. Bereits 1912 wurde der Zweckverband Groß-Berlin gegründet, der die Stadt und ihre Vororte zusammenfaßte, mit dem Ziel, infrastrukturelle Aufgaben für den Gesamtwirtschaftsraum besser zu lösen.1 Das Groß-Berlin-Gesetz von 1920 ging über die Schaffung des Zweckverbandes hinaus. Die administrative Begrenzung der Stadt wurde an die wirtschaftlichen Gegebenheiten angepaßt, indem man die Stadt Berlin mit ihren Vororten zu einer Einheitsgemeinde vereinigte.2 Dazu wurden 8 Stadtgemeinden, 59 Landgemein-den und 27 Gutsbezirke zusammengefaßt, so daß Berlin nun aus 20 Bezirken bestand, die sich auf einer Fläche von ca. 88.000 ha ausdehnten.3 Möglich wurde diese Fusion durch die im Rahmen der Einführung der parlamentarischen Demokratie zugelassene Selbstverwaltung der Stadt.4 Die Bevölke1

Der Aufgabenkreis des Zweckverbandes von 1912 beschränkte sich auf Fragen der Verkehrsverbindungen, der Baufluchtpläne und der Sicherung von Frei- und Waldflächen. Vgl. Dietrich (1968a), S. 263ff. Eine komplette Übereinstimmung zwischen Wirtschafts- und Administrationsgebiet wurde nicht erreicht, da Standorte wie Teltow oder Oranienburg, die erst in jüngerer Zeit von der Berliner Industrie in Anspruch genommen worden waren, außerhalb des neu geschaffenen Raumes Groß-Berlin blieben. Vgl. Zimm (1959), S. 170f. 3 Vgl. Schmieder (1968), S. 390. 4 Die Fürsorgepflicht des monarchistischen Staates gegenüber seinen Bürgern ließ die preußische Regierung im generellen Mißtrauen gegenüber der städtischen Selbstverwaltung, die dadurch anhaltende Beschränkungen erfuhr. Die Einführung demokratischer Grundstrukturen nach dem Ersten Weltkrieg erlaubte diese kommunale Selbstverwaltung, in deren Folge Groß-Berlin gebildet wurde. Die Verwaltung der Einheitsgemeinde erfolgte 2

1914-1945

121

rungszahl Berlins erhöhte sich dadurch sprunghaft. Während die Stadt Berlin 1919 rund 1,9 Millionen Einwohner zählte, lebten in Groß-Berlin über 3,8 Millionen Menschen. Zwischen 1920 bis 1940 kam es erneut zu einer erheblichen Zuwanderung aus allen Teilen Deutschlands. 1925 wurde die Vier-Millionen-Grenze überschritten.5 Mit Beginn des Krieges sank die Zahl der Einwohner bedingt durch die Kriegsfolgen, wenngleich die offiziell gemeldete Bevölkerungszahl bis 1943 anstieg und sogar noch während des Krieges 1943 mit nahezu 4,5 Millionen Einwohnern den vorläufigen Höchststand erreichte.6 Damit lebten nahezu sieben Prozent der deutschen Bevölkerung in Berlin, die einen großen Pool an Fach- und Arbeitskräften bildeten.7 Die Position als führender Industriestandort Deutschlands konnte Berlin auch zwischen den Kriegen aufrechterhalten. Es waren vorwiegend arbeitsintensive und spezialisierte Industrien, welche die industrielle Entwicklung Berlins dominierten, so daß 1936 das gesamte verarbeitende Gewerbe Berlins mehr als die Hälfte der Nettoproduktionsquote des gesamten Reichsgebietes erwirtschaftete.8 Von den 4 Millionen Einwohnern waren 1925 mehr als die Hälfte erwerbstätig, davon 1,8 Millionen in der gewerblichen Wirtschaft. Damit kam nahezu jeder zehnte gewerblich Beschäftigte und jeder zehnte Gewerbebetrieb aus Berlin.9 Die Elektroindustrie, der Maschinenbau und die Bekleidungsindustrie stellten auch in dieser Periode die führenden Wirtschaftszweige der Stadt dar. Zusammen mit der chemischen Industrie, deren Bedeutung ebenfalls stark gestiegen war, vereinigten sie mehr als die Hälfte aller Berliner Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe auf sich. Von Bedeutung waren außerdem die Nahrungs- und Genußmittelindustrie sowie die Papier- und Druckindustrie und das Baugewerbe. Die Textilindustrie spielte in Berlin nur noch eine untergeordnete Rolle.10 Die starke Differenziertheit der Berliner Wirtschaft brachte erhebliche Absatzvorteile am Industriestandort Berlin selbst hervor. Beispielsweise wurde annähernd ein Viertel der Produktion der Berliner Elektroindustrie in Berlin selbst abgesetzt. Hauptabnehmer waren die in Berlin ansässigen Behörden, insbesondere Post, Bahn und Militär. Darzentral über den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung. Zugleich entschied man sich für eine Dezentralisation der Aufgaben bei den kommunalpolitischen Entscheidungskräften in den jeweiligen Bezirken, so daß jeder Bezirk seine Eigenheit wahren und von einer vorausschauenden Planung über das gesamte Stadtgebiet profitieren konnte. Dieses Verwaltungsprinzip wurde lediglich in der NS-Zeit zugunsten einer stärkeren Zentralisierung der Gewalten unterbrochen. Vgl. Dietrich (1968), S. 268ff. 5 Vgl. Zimm (1959), S. 131; Herzfeld (1968), S. 128f. 6 Vgl. Zimm (1959); S. 201f. 7 Allerdings veränderte sich die Altersstruktur der Bevölkerung zu Lasten der Jungen. 1910 waren etwa 27% der Bevölkerung jünger als 16 Jahre, 1933 nur noch 15%. Der Geburtenrückgang wird u.a. mit der wachsenden Wohnungsnot in Beziehung gesetzt. Vgl. Schmieder (1968), S. 393. 8 Unter Netto(produktions)quote wird hier der Anteil des Nettoproduktionswertes am Bruttoproduktionswert für das gesamte Reichsgebiet verstanden. Vgl. Czada (1969), S. 69. 9 Vgl. Czada (1969), S. 58. 10 Vgl. Zimm (1959) S. 131ff.; Czada (1969), S. 59.

Kapitel III

122

über hinaus waren Kommunikations- und Fühlungsvorteile über alle Branchen hinweg möglich, wovon auch das Finanzwesen profitierte.11

Gewerbegruppen insgesamt dav. Handel/ Verkehr dav. Kunst/ Kultur dav. Industrie/ Handwerk (verarb. Gewerbe insgesamt) dav. Elektroindustrie dav. Maschinenbau dav. Bekleidungsindustrie dav. Chemieindustrie

absolut 1.770.140 673.628 15.788 984.339 186.302 107.686 203.495 25.047

Beschäftigte in Berlin in % Reichsanteil 100 9,4 38 12,3 0,9 14,2 55,6 9,4 18,9 10,9 20,7 2,5

41,6 8,7 14,3 7,9

Beschäftigte in Gesamtdeutschland absolut in % 18.749.583 100 5.476.682 29,2 110.654 0,6 10.441.875 55,7 448.044 1.240.501 1.427.657 313.537

4,3 11,9 13,7 3,0

Tabelle 23: Beschäftigte einzelner Industrie- und Gewerbezweige in Berlin und in Gesamtdeutschland im Jahr 1925 Quelle: Czada (1968), S.58.

Der bedeutendste Industriezweig dieser Zeit war wie in der Vorperiode die Elektroindustrie. Mit den in Berlin ansässigen Konzernzentralen der Unternehmen Siemens, AEG und Bergmann hatte die deutsche Elektroindustrie ihren lokalen Konzentrationspunkt in Berlin gefunden. Nahezu jeder zweite Arbeitnehmer der Elektroindustrie Deutschlands war in Berlin beschäftigt. 1929 erwirtschaftete die Berliner Elektroindustrie einen Umsatz von mehr als 2 Milliarden Reichsmark, was einem Anteil von nahezu 20% am Umsatz des verarbeitenden Gewerbes der Stadt entsprach. Diese Relationen bestanden in dieser Form schon seit ca. 1895.12 In einigen Spezialgebieten der Elektroindustrie fiel der Anteil Berlins an der Gesamtbeschäftigung noch höher aus. Beispielsweise lagen die Reichsbeschäftigungsanteile im Funk- und Fernmeldewesens bei annähernd 70 bzw. 80%.13 Eine überragende Bedeutung hatte der Standort Berlin auch in der chemischen Industrie. Dort arbeiteten nahezu acht Prozent aller in der deutschen Chemieindustrie Beschäftigten.14 11

Vgl. Zimm (1959), S. 131ff.; Czada (1969), S. 101ff. Lediglich während der Weltwirtschaftskrise und mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war der Berliner Reichsanteil rückläufig. Zwar sah die Rüstungswirtschaft eine Ausdehnung der Elektroindustrie vor, diese konnte jedoch nur deutschlandweit generiert werden. Eine weitere Ausdehnung in Berlin stieß aufgrund von Raummangel und hohen Bodenpreisen an lokal bedingte Grenzen. Zum anderen wirkten strategische Kriegsüberlegungen in Richtung des Ausbaus von Süd- und Mitteldeutschland. Vgl. Czada (1969), S. 69; S. 84ff. Die Konzern-zentralen verblieben aber in Berlin. Auf Siemens und die AEG entfielen 1930 rund 60% der Produktion der gesamten Elektrobranche, deren Steuerung über die Konzernzentrale in Berlin lief. Vgl. Turner (1985), S. 13. 13 Vgl. Czada (1969), S. 78. 14 Mit vier Spezialzweigen der Chemie hatte Berlin überdies enorme Bedeutung erlangt. In der chemischpharmazeutischen und in der Flüssiggasindustrie arbeiteten nahezu ein Viertel, in der Kosmetikindustrie ein Drittel und in der Glühstrumpfindustrie sogar 90% der deutschlandweit in diesen Bereichen Beschäftigten. Vgl. Zimm (1959), S. 139f. 12

1914-1945

123

Neben der Industrie konzentrierte sich in Berlin auch der Dienstleistungssektor. 1925 arbeiteten ca. zwei Fünftel der Berliner Beschäftigten im Bereich Handel und Verkehr, während im gesamten Reichsgebiet nur ca. 30% in diesem Wirtschaftszweig tätig waren. Die infrastrukturellen Bedingungen am Finanzplatz Berlin verbesserten sich zwischen den Weltkriegen nachhaltig und stellten herausragende Agglomerationsvorteile dar. Von wesentlicher Bedeutung war der Bau des Flughafens Berlin-Tempelhof. Zudem verfügte Berlin über den zweitgrößten Binnenhafen und den größten Eisenbahnknotenpunkt Deutschlands, so daß der Standort seine Stellung als zentraler Punkt des Güteraustausches zwischen Ost- und Westeuropa halten konnte.15 Durch die Elektrifizierung der Berliner S-Bahn erhöhten sich die zu erreichenden Gebiete im näheren Umfeld Berlins, so daß sich der Einzugsbereich der Berliner Industrie vergrößerte und neue periphere Industriebetriebe entstanden.16 Die wirtschaftliche Verflechtung Berlins mit dem Brandenburger Umland erfuhr dadurch eine weitere Ausdehnung.17 Die Versorgung der Stadt mit Gas, Wasser und Strom profitierte von der städtischen Einheit ebenso wie die Wohnungsbauwirtschaft. Kapitalinvestitionen und Tarifwesen in diesen Bereichen konnten besser geplant und durchgesetzt werden. Als weiterer wesentlicher Agglomerationsvorteil erwies sich der Ausbau des Messegeländes, wodurch sich Berlin zu einer modernen Messe- und Kongreßstadt entwickelte.18 Im Bereich der Kultur war annähernd ein Prozent aller in Berlin Beschäftigten tätig, was einem Reichsanteil von 14,2% entspricht.19 National und international spielte die Kunst- und Kulturszene Berlins eine bedeutende Rolle. In der Wissenschaft nahm Berlin mit der Universität und zahlreichen anderen Forschungseinrichtungen eine herausragende Position, auch im internationalen Vergleich ein. Dies veränderte sich erst mit der Machtübernahme Hitlers, in deren Folge die Sogwirkung Berlins auf das geistig-kulturelle Leben Deutschlands zum Erliegen kam. Besonders auf wissenschaftlichem Gebiet nahmen Berlin „provinzielle Strukturen“ an, da infolge der „Arisierungsbestrebungen“ jüdische Wissenschaftler ins Exil, vornehmlich

15

Vgl. Herzfeld (1968), S. 156. Vgl. Zimm (1959), S. 153. Nahezu die Hälfte des Berliner Güterim- und -exports entfiel auf das Land Brandenburg, während des Ruhrgebietes nur einen Anteil von 6% am Gütereingang und 1,7% am Güterausgang Berlins hatte. Vgl. Zimm (1959), S. 155ff. 18 Vgl. Herzfeld (1968), S. 156. 19 Vgl. Czada (1969), S. 57f. 16 17

124

Kapitel III

in die USA gingen. Während die USA von dieser Einwanderung profitierte, ging für Deutschland unschätzbares Know-how verloren.20

4.2

Die negative Rolle des Staates und wachstumshemmende Sondereinflüsse

Die Konzentration von Industrie, Finanzwesen, Wissenschaft und Kultur in Berlin kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die deutsche Wirtschaft und der Standort Berlin verschiedenen Belastungen ausgesetzt waren, die sich negativ auf die Entwicklung des Finanzplatzes auswirkten. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges wurde die deutsche Wirtschaft, deren Mittelpunkt Berlin war, schwer belastet. Ein normales Handelsleben war nicht möglich, da die ökonomischen Außenbeziehungen abgebrochen waren. Zudem mußte die Berliner Wirtschaft die Anforderungen der Kriegswirtschaft erfüllen. Das Bank- und Börsenwesen war dadurch in seinen ordentlichen Geschäftsmöglichkeiten stark beeinträchtigt. Statt dessen war es als Kriegsfinanzier im Rahmen der Begebung von Kriegsanleihen in die Kriegswirtschaft eingebunden.21 Infolge der militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg verlor Deutschland ca. 13% seines Territoriums, 10% seiner Bevölkerung und zahlreiche wertvolle Produktions- und Industriestätten.22 Neben den substanziellen Verlusten führte der Krieg zu wirtschaftlichen und politischen Beziehungsverlusten, insbesondere zu Rußland und den Balkanländern. Die nach Kriegsende offen einsetzende Inflation und die hohen Kriegskontributionsforderungen des Versailler Vertrages hatten zur Folge, daß ein normales Wirtschaftsleben weiterhin nicht möglich war.23 Eigenkapital und Reserven sowohl der Industrieunternehmen als auch der Banken waren durch diese Umstände stark geschwächt. Die Bankbilanzen erreichten selbst 1930 noch nicht das Vorkriegsniveau bezüglich ihrer Eigenmittel, so daß sich das Verhältnis zwischen Bilanzsumme und Eigenkapitalien unmittelbar vor der Bankenkrise deutlich verschlechtert hatte.24 20

Vgl. Radkau (1974), S. 263f. Die Emigration der Juden in den 1930er Jahren erinnert stark an die Wanderungsbewegung der Juden und Hugenotten und anderer Minderheiten im 16. und 17. Jahrhundert in das Preußen der Hohenzollern. So wie sie damals dem rückständigen Preußen neues technisches und finanzielles Know-how brachten, so profitierte im 20. Jahrhundert die USA von der Verfolgung dieser Minderheit. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.1 und 1.2 dieser Arbeit. 21 Zum hemmenden und teilweise auch fördernden Einfluß des Krieges auf das Wirtschaftsleben vgl. Sombart (1913), S. 5ff. Zur Kriegswirtschaft und ihren Problemen vgl. Weber (1942), S. 49ff. 22 Beispielsweise mußten das Saargebiet und Teile des Elsasses an Frankreich abgetreten werden. 23 Zu Inflation und Reparationsleistungen vgl. u. a. Borchardt (1982), S. 151-164, Born (1967), S. 14-30. 24 Vgl. Haebler (1934), S. 34.

1914-1945

125

Die 1923 durchgeführte Währungsreform und der 1924 eingeführte Dawes-Plan verbesserten die politischen und ökonomischen Kalkulationsgrundlagen. Der sich anschließende konjunkturelle Aufschwung war jedoch nur eine Scheinkonjunktur. Deutschland litt unter Kapitalmangel, der durch die Bereitstellung von kurzfristigem Auslandskapital, das die deutschen Banken im Rahmen des Kreditgeschäftes vermittelten25, beseitigt wurde. In dem Zusammenhang bezeichnet HALLGARTEN die Jahre der „Goldenen Zwanziger“ auch als eine erborgte Konjunktur.26 Ihr instabiler Charakter offenbarte sich 1929 mit Beginn der Weltwirtschaftskrise, die sich in Deutschland bis in das Jahr 1933 fortsetzte. Sie führte zu hoher Arbeitslosigkeit, Desinvestitionen in der Wirtschaft und kulminierte in der Bankenkrise.27 Die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 193328 einsetzende Periode der Umstrukturierung der Wirtschaft zu mehr staatlicher Lenkung und Verwaltung behinderte die freie Entfaltung der industriellen und finanziellen Kräfte.29 Die wirtschaftlichen Autarkiebestrebungen der Nationalsozialisten verhinderten eine Neupositionierung der Stadt und des Bankplatzes Berlin im internationalen Wettbewerb.30 Zahlreiche Auslandsverbindungen kamen zum Erliegen.31 Zwar setzte aufgrund der „Deficit-Spending-Politik“ ein konjunktureller Aufschwung ein32, den Banken erwuchs daraus aber nur in geringem Maße eine Zunahme ihrer Geschäftstätigkeit. Bei der Finanzierung der Wirtschaft blieben die Berliner Großbanken und Privatbanken außen vor, vielmehr wurden die in den 1920er Jahren neu gegründeten staatlichen Banken in diese Finanztransaktionen involviert.33 Darüber hinaus waren die verschiedenen Regulierungsvorschriften, wie etwa die neue Kapital25

Das meist aus den USA stammende Kapital mit kurzfristigem Charakter wurde von den Banken trotz Warnungen des damaligen Reichsbankpräsidenten Schacht langfristig weitergegeben. Vgl. Treue (1973), S. 41, Bd. 2. 26 Vgl. Hallgarten (1974), S. 186. Allerdings waren es nicht nur die Auslandskredite, auf denen der Aufschwung nach 1924 beruhte. Die deutsche Wirtschaft selbst brachte 1924 bis 1929 ca. 40 Mrd. RM für Neu- und 30 Mrd. RM für Ersatzinvestitionen auf. Vgl. dazu Treue (1973), S. 41. 27 Zur Weltwirtschaftskrise, die einen neuen Protektionismus in der Weltwirtschaft zur Folge hatte, vgl. Boelcke (1994), S. 13-26. Zur Entstehung und Folgen der Bankenkrise vgl. ausführlich Bissing (1934); S. 5ff.; Born (1967): S. 31-182. 28 Zu den Umständen, die die Machtergreifung Hitlers begünstigten, vgl. u.a. Hallgarten (1974), S. 193-219; Turner (1980). TURNER stellte fest, daß es vorwiegend die Männer kleiner und mittlerer Unternehmen waren, die bereitwillig zum Nationalsozialismus übertraten, und nicht die Leiter der Groß-Unternehmen. Vgl. dazu Turner (1985), S. 175ff., S. 256. 29 Statt dessen wurden alle Ressourcen in den Dienst des Krieges gestellt. Vgl. Zimm (1959), S. 174. 30 Zur nationalsozialistischen Ideologie und ihre Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft vgl. ausführlich Barkai (1995), S. 103-204. 31 Zur Veränderung bzw. Umlagerung des deutschen Außenhandels zu Lasten der westeuropäischen Länder und den USA und zu Gunsten der südosteuropäischen und lateinamerikanischen Länder vgl. Barkai (1995), S. 236 und die dort angegebenen Quellen sowie Boelcke (1994), S. 35ff. 32 Zur Finanzpolitik der Nationalsozialisten vgl. etwa Albers (1976), S. 346ff. 33 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 4.3.3.1 dieser Arbeit.

126

Kapitel III

marktgesetzgebung und die Devisenregulierung, nicht dazu geeignet, den Banken vielfältige Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen.34 Die politisch-ideologisch motivierten Rassengesetze behinderten die Tätigkeit der jüdischen Bankhäuser, die zudem unter dem Abbruch der Auslandsbeziehungen litten.35 Der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 hatte zwar nicht jene Zäsur auf die Wirtschaft wie der Beginn des Ersten Weltkrieges, da sich Staat und Wirtschaft bereits seit 1933 de facto in einer Kriegswirtschaft befanden und der Übergang zur reinen Kriegswirtschaft, gerade im Geld- und Kreditsektor, nur noch ein gradueller war. Dennoch brachte der Beginn des Krieges einen weiteren Einbruch der ökonomischen Außenbeziehungen. Infolge der Luftangriffe auf Deutschland rissen auch die Beziehungen Berlins zu anderen Teilen Deutschlands ab, was zu wachsenden Ausfällen in der Berliner Produktion führte.36 Die konjunkturellen und politischen Sondereinflüsse sowie der wirtschaftshemmende Einfluß des Staates wirkten sich negativ auf das Wachstum und die Reputation des Standortes Deutschland aus. Besonders nachteilig von diesen Entwicklungen war der Wirtschafts- und Bankenstandort Berlin betroffen, da sich hier Industrie und Kapital konzentrierten. Die geschäftlichen Volumina und die weitreichende Bankbeziehungen des Jahres 1913 konnte der Bankplatz Berlin in der Zeit von 1914 bis 1945 nicht wieder erreichen.

34

Generell stellte die nationalsozialistische Regierung die Banken unter stärkere Kontrolle, auch im Hinblick auf Filialeröffnungen und -schließungen, Zusammensetzung der Vorstände etc. Daneben dachte man über eine grundsätzliche Verstaatlichung des gesamten Bankwesens nach. Diese Pläne wurde jedoch aufgegeben. Außerdem entschloss man sich zur Herabsetzung der Zinssätze, losgelöst vom Kapitalmarkt. Dahinter stand die ideologische Idee der „Brechung der Zinsknechtschaft“. Bis zum Kriegsausbruch blieb die private Finanzwirtschaft ein benachteiligter Wirtschaftssektor, der vom wirtschaftlichen Aufschwung nur in geringem Maße profitierte. Vgl. Barkai (1995), S. 195-204. 35 Bereits unmittelbar nach Hitlers „Machtergreifung“ begann eine Boykottwelle gegen jüdische Geschäftsleute. Mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 setzte eine systematische Verdrängung ein, die nach der „Kristallnacht“ im November 1938 in einer gewaltsamen Vertreibung der Juden gipfelte. Vgl. ausführlich Obst (1991). 36 Vgl. Zimm (1959), S. 198f.

1914-1945

4.3

127

Berliner Banken unter dem Vorzeichen reduzierter Leistungsfähigkeit und abnehmender Geschäftsmöglichkeiten

4.3.1 Weiterer Bedeutungsverlust der Privatbanken Die Bedeutung der Privatbanken nahm sowohl am Bankplatz Berlin als auch deutschlandweit seit Beginn des Ersten Weltkrieges weiter ab. Ihre Anzahl sank von 1913 bis 1948 von 1.221 auf nur noch 300 Privatbanken. Ihr Anteil an der aggregierten Bankenbilanzsumme in Gesamtdeutschland verringerte sich um fast drei Viertel. Angaben nach Centralverband Reichsbank - davon in Berlin

1913 1800 1221 232 (19%)

1925 2500 1406 294 (20%)

1929/30 2000 1100 -

1931 800 -

1932/33 1350 709 162 (22,8%)

1938 491 -

1948 300 -

Tabelle 24: Entwicklung der Privatbanken in Deutschland und Berlin37 Quelle: Donaubauer (1988), S. 13; Zahn/Winkel (1972), S. 35/37; Schröder (1935-1938), S. 120. Jahr 1913 1938

Bilanzsumme aller Bankengruppen in Millionen RM 70.105 77.838

Bilanzsumme der Privatbankiers in Millionen RM in % 4.000 5,7 1.260 1,6

Tabelle 25: Entwicklung der Bilanzsummen aller deutschen Banken im Vergleich zur Gruppe der Privatbanken Quelle: Zahn/Winkel (1972), S. 39.

Die Gründe für diesen Bedeutungsverlust waren vielschichtig. Zunächst erhöhte sich die Zahl der Privatbanken infolge der durch die Inflation hervorgerufenen Börsenkonjunktur. In Berlin stieg ihre Anzahl von 359 im Jahr 1914 auf 536 im Jahr 1923. Die Mehrzahl der Kriegs- und Inflationsgründungen, die ein wachsendes Mißverhältnis zwischen Eigenkapitalausstattung und Geschäftsausdehnung aufwiesen, fiel jedoch bereits im Frühjahr 1924 einer Bereinigungskrise zum Opfer.38 In der Folgezeit führten die konjunkturellen Entwicklungen entweder zum Konkurs oder zur Übernahme der Privatbanken durch größere Banken, oft durch die Berliner Großbanken.

37

Die Differenz der Zahlenreihen liegt darin begründet, daß in der Reichsbankstatistik nur jene Privatbanken erfaßt wurden, die neben dem reinen Bankgeschäft keine weiteren Geschäfte betrieben. 38 Vgl. Dietzel (1925), S. 75f.

Kapitel III

128

Besonders nachteilig wirkten sich die Verluste der Märkte und Verbindungen im Ausland aus, die nach dem Ersten Weltkrieg erst wieder hergestellt werden mußten.39 Seit 1933 nahmen die politisch-ideologisch motivierten Gründe zu. Die von den Nationalsozialisten verfolgte Politik der „Entjudung des Wirtschaftswesens“ behinderte die Privatbankhäuser, die 1935 noch zu 38% in jüdischem Besitz waren, in ihren Geschäftsmöglichkeiten. Zielgerichtete Boykotte jüdischer Bankhäuser und zwangsweise Angliederungen an Großbanken oder an arische Privatbanken führten zur Geschäftsaufgabe der jüdischen Privatbankhäuser. Höhepunkt der „Arisierung“ des Bankwesens war das Jahr 1938, in dem fast alle jüdischen Banken ihre Geschäfte beendeten.40 Der Privatbankierstand konzentrierte sich auch in dieser Periode auf den Bankplatz Berlin. Nahezu jede fünfte Privatbank in Deutschland hatte hier ihren Unternehmenssitz. Mit einer Bilanzsumme von fast 540 Millionen Reichsmark im Jahr 1935 waren fast ein Drittel der Bilanzsumme dieser Kreditinstitutsgruppe am Bankplatz Berlin anwesend. Im Gegensatz dazu zogen die in Hamburg und Frankfurt anzutreffenden Privatbanken einen wesentlich geringeren Reichsanteil an der Bilanzsumme auf sich. Anzahl Berlin Hamburg Frankfurt Summe Gesamtdeutschland

163 163 50 376 915

Reichsanteil 17,8 17,8 5,5 41,1 100

Bilanzsumme 537,5 173,8 56,4 767,7 1739,0

Reichsanteil 30,9 10,0 3,2 44,1 100

Tabelle 26: Regionale Verteilung der Privatbankfirmen 1935 und die auf sie entfallende Bilanzsumme Quelle: Deutsche Reichsbank (1936/37), S. 7.

Die Verdrängung der Privatbanken fiel am Bankplatz Berlin zunächst geringer aus. Während deutschlandweit die Anzahl der Privatbanken von 1913 bis 1933 um mehr als zwei Fünftel zurückging, sank die Anzahl der Berliner Privatbankhäuser nur um 30%. Erst als sich mit Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze 1935 der politische Druck auf die jüdischen Privatbankiers ausweitete, reduzierte sich die Zahl der in Berlin ansässigen Privatbanken stärker. Nunmehr fielen auch die bisher aufgrund ihrer weitreichenden Auslandsbeziehungen verschonten großen jüdischen Privatbankhäuser Deutschlands, die zum Großteil in Berlin ansässig waren, der „Arisierung“ zum Opfer.

39 40

Zur Situation der Privatbankiers von 1914 bis 1933 vgl. ausführlich Ulrich (1998), S. 30-235; Donaubauer (1988), S. 52ff.; Barth (1997), S. 23ff. Ulrich teilt die Verdrängung der jüdischen Privatbanken seit 1933 in drei Phasen ein. vgl. Ulrich (1998), S. 310ff.

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Zu den bedeutendsten Privatbanken am Bankplatz Berlin zählten nach wie vor die Bankhäuser Mendelssohn, Bleichröder und Delbrück & Schickler sowie das erst 1881 gegründete Bankhaus Hardy & Co. Darüber hinaus waren in dieser Periode die Bankhäuser Dreyfus & Co. und Lazard Speyer-Ellisson von Bedeutung. Diese zwei Bankhäuser, deren Stammhäuser sich in Frankfurt am Main befanden, eröffneten in Berlin Niederlassungen, um von hier aus Verbindungen zu den Marktteilnehmern des Bankplatzes Berlin aufzubauen und selbst ein Teil von ihm zu werden.41 Die sechs genannten Privatbanken gehörten der Berliner Stempelvereinigung an und waren Mitglied im Preußenkonsortium. Darüber hinaus gründeten sie mit anderen bedeutenden Privatbankiers außerhalb Berlins sowie den sechs Berliner Großbanken das Interventionskonsortium zur Stützung der Aktienkurse deutscher Standwerte im Jahre 1929 vor dem Hintergrund des Beginns der Weltwirtschaftskrise. Sie waren ebenfalls an der Gründung des Garantiefonds im Jahr 1931 beteiligt, der als Haftungsgemeinschaft der Überwindung der Bankenkrise dienen sollte.42 Bei der Gründung dieser Kooperationen erwies sich die Nähe der Institute zueinander erneut als wesentlicher Agglomerations- und Standortvorteil des Bankplatzes Berlin. Zu den Hauptaufgaben der Privatbanken zählten nach Beendigung des Ersten Weltkrieges die Aktivierung der abgebrochenen Auslandsbeziehungen. Krieg und Inflation hatten die Kapitalbildung in Deutschland stark geschwächt. In seiner neuen Rolle als Kapitalimporteur war Deutschland auf exzellente Verbindungen zu den Kapitalmärkten im Ausland angewiesen. Aufgrund ihrer teilweise familiären Beziehungen zu Auslandsbanken gelang es den Privatbanken schneller als den Kreditbanken, das alte Beziehungsgeflecht wieder herzustellen. Die Privatbanken konnten durch die Aufnahme von Einlagen aus dem Ausland ihre Refinanzierungsposition verbessern und waren somit in der Lage, eine führende Rolle in der Außenhandelsfinanzierung und bei der Übernahme hoher Quoten von Industrie- und Staatsemissionen zu übernehmen. Darüber hinaus spezialisierten sie sich auf die Vermittlung und Platzierung deutscher Anleihen im Ausland. In dem Zusammenhang gewann der amerikanische Kapitalmarkt für die großen deutschen Privatbanken und für Deutschland insgesamt an Bedeutung. Des weiteren stellten die Privatbanken durch die Gründung von Devisengemeinschaften während der Inflationszeit am Bankplatz Amsterdam Finanzkontakte zum niederländischen Geld- und Kapitalmarkt her.43 41

Vgl. Strauss (1928), S. 105ff.; S. 113. Vgl. Ulrich (1998), S. 148, S. 195, S. 214f. 43 Zu den Auslandsbeziehungen der Privatbanken vgl. Ulrich (1998), S. 53ff., S. 95f., S. 154-185; Barth (1997), S. 22ff. 42

130

Kapitel III

Infolge des durch Krieg und Inflation schwieriger gewordenen ökonomischen Umfeldes sowie des zunehmenden Konkurrenzdruckes durch die Groß- und Aktienbanken sahen sich die Privatbanken gezwungen, verschiedene Kooperationen einzugehen oder ihr Geschäft aufzugeben. Während sich die kleinen und mittleren Privatbanken den Berliner Großbanken anschlossen, gingen die großen Privatbanken untereinander verschiedene Formen der Kooperation ein. So kooperierte das Bankhaus Bleichröder mit dem Bankhaus Aufhäuser. Diese Kooperation erwies sich jedoch als wenig befriedigend.44 Delbrück & Schickler gingen eine Interessengemeinschaft mit von der Heydt & Co. ein.45 Teilweise schloss man sich auch mit größeren Aktienbanken zu Interessengemeinschaften zusammen. Beispielsweise begründete das Bankhaus Mendelssohn eine Interessengemeinschaft mit der Bayerischen Vereinsbank. Dadurch gewann Mendelssohn an Einfluß in Süddeutschland und die Bayerische Vereinsbank profitierte von den internationalen Beziehungen und den Börsenkontakten des Privatbankhauses.46 Der Bankplatz Berlin vernetzte sich auf diese Weise stärker mit den anderen Teilen Deutschlands, wodurch Attraktivitätseinbußen infolge geringerer Geschäftsmöglichkeiten nivelliert wurden. Durch die Weltwirtschafts- und die Bankenkrise verstärkten sich die Kooperationstendenzen. 1931 fusionierte das Bankhaus Bleichröder mit dem Dresdner Bankhaus Gebr. Arnhold, das auch am Bankplatz Berlin etabliert war. Mangelnde Kenntnisse und Führungsqualitäten der neuen Bleichröder-Generation hatten bereits in den 1920er Jahren zu Prestige-Verlusten geführt. Außerdem hatte sich durch Krieg und Inflation die Kapitalbasis verkleinert, so daß das Bankhaus nicht nur Managementhilfe, sondern auch neues Kapital brauchte.47 Dagegen mußten die Bankhäuser Lazard Speyer-Ellissen und Joseph Goldschmidt & Co. ihre Geschäfte infolge der Bankenkrise wegen Überschuldung schließen.48 1938 gab es in Berlin noch 61 jüdische Privatbankhäuser.49 Davon waren Mendelssohn, Bleichröder und Dreyfus & Co. die bedeutendsten. Sie wurden im Rahmen der nationalsozialistischen Politik „arisiert“.

44

Vgl. Stern (1977), S. 662. Vgl. Ulrich (1998), S. 62. Vgl. Ulrich (1998), S. 63. 47 Vgl. Stern (1977), S. 662. 48 Vgl. Ulrich (1998), S. 330. 49 Vgl. Ulrich (1998), S. 363ff. 45 46

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131

Das 1931 fusionierte Bankhaus Bleichröder/Arnhold sah sich 1935 aufgrund diverser Repressalien gezwungen, seinen Dresdner Zweig nahezu vollständig auf die Dresdner Bank zu übertragen. 1938 mußte auch der Berliner Unternehmensteil aufgegeben werden. Wiederum war es die Dresdner Bank, die das Privatbankhaus übernahm, indem sie es in das mehrheitlich zur Dresdner Bank gehörende Bankhaus Hardy & Co. überführte.50 Im Mai 1937 entschlossen sich die Besitzer des Bankhauses Dreyfus & Co. zur Geschäftsaufgabe. Der Frankfurter Geschäftsteil ging auf das Frankfurter Privatbankhaus B. Metzler seel. Sohn & Co. über, der Berliner Geschäftsteil wurde auf das Münchener Bankhaus Merck, Finck & Co. übertragen, deren Besitzer darin die Möglichkeit sahen, am Bankplatz Berlin mit einer Filiale präsent zu sein.51 Das Bankhaus Mendelssohn wurde 1938 „arisiert“, indem wesentliche Vermögensteile auf die Deutsche Bank übertragen wurden. Zuvor hatten die Geschäftsführer versucht, wesentliche Teile der Bilanz auf das selbständige Bankhaus Mendelssohn in Amsterdam zu übertragen. Zum 1. Januar 1939 trat die Firma Mendelssohn in stille Liquidation, mit dem Ziel, die Geschäfte unter altem Namen nach Beendigung der Schreckensherrschaft wieder aufzunehmen.52 Nachdem am Bankplatz Berlin bereits durch politische und ökonomische Krisen und den sich anschließenden Konsolidierungen zahlreiche Privatbanken schließen mußten, gingen mit der „Arisierung“ Institutionen verloren, die aus den Krisen jeweils gestärkt hervorgegangen waren. Mit den Liquidationen der renommiertesten jüdischen Privatbankfirmen verlor der Bankplatz Berlin internationale Verbindungen, Finanz-Knowhow und Reputation. Lokalisationsvorteile, die im Zusammenhang mit der Anwesenheit der Privatbanken standen, wurden ausgelöscht. Strukturen und Wettbewerbsvorteile der Banken am Platz veränderten sich zugunsten der Großbanken.

50

Vgl. Achterberg (1956), S. 88f., S. 91; Ulrich (1998), S. 324f. Merck, Finck & Co. hatten bereits seit 1927 über eine Niederlassung am Bankplatz Berlin nachgedacht. Vgl. Ulrich (1998), S. 327. 52 Zum Ende von Mendelssohn & Co. vgl. ausführlich Schoeps (2000), S. 69-85. Während SCHOEPS die Übernahmen jüdischer Privatbanken durch die Großbanken als „Arisierungsgeschäfte“ ausschließlich als moralisch verwerflich betrachtet, gibt RADKAU zu bedenken, daß es den jüdischen Familien dadurch erst möglich wurde, die Ausreise anzutreten. Vgl. Radkau (1974), S. 264ff. 51

Kapitel III

132

4.3.2 Anhaltende Dominanz der Berliner Großbanken In der Zeit von 1913 bis 1932 mußte nahezu jede zweite private Kreditbank schließen. Krisen und Konzentrationsbestrebungen der Berliner Großbanken waren die Hauptursachen dieser Entwicklung. Es entstanden zwar in der Scheinkonjunktur der Inflation 659 Aktienbanken, überwiegend an den bekannten Bankplätzen Berlin, Hamburg und Köln. Allein im Jahr 1923 wurden 380 Aktienbanken gegründet.53 Diese mußten jedoch ihre Geschäfte aufgrund ungenügender Kapital- und Sachkompetenzen nach Konsolidierung der Geldverhältnisse wieder aufgeben. LEWINSOHN bezeichnete diese Phase daher auch als „Zeit der Bankinflation“ bzw. „Übersetzung des Bankenapparates“.54 Private Kreditbanken 1. Berliner Großbanken dav. mit Filialnetz dav. ohne Filialnetz 2. Provinz-/Regionalbanken 3. Überseebanken 4. Branche-/Hausbanken Summe

1913 9 7 2 308 11 24 352

1925 9 7 2 30655 4 85 404

1929 6 4 2 211 4 77 298

1931 5 3 2 170 3 62 240

1932 5 3 2 157 3 55 220

1936 5 3 2 122 3 4756 177

Tabelle 27: Entwicklung der Anzahl der privaten Kreditbanken57 Quelle: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Teil II, (Statistiken), S. 9 sowie Tewaag (1938), S. 68.

Die bedeutendsten privaten Kreditbanken am Bankplatz Berlin waren die Berliner Großbanken. Ihr Expansionsbestreben wurde nur kurzzeitig durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen. Danach setzte sich der Prozeß der Übernahmen fort, nun jedoch im Rahmen offener Fusionen, bei denen die Provinzbanken ihre Selbständigkeit aufgaben.58 Der Expansions- und Konzentrationsprozeß der Berliner Großbanken stellte einen regelrechten Übernahmewettlauf dar und fand seinen Höhepunkt in Fusionen

53

Vgl. Dietzel (1925), S. 70. Vgl. Lewinsohn (1925), S. 130ff. Die Angabe beinhaltet die 1924 gegründete Reichskreditgesellschaft, die im folgenden nicht unter die Berliner Großbanken subsumiert wird. 56 Die Anzahl der Branchebanken des Jahres 1936 ergibt sich aus der Addition von 37 Branchebanken, 2 Metallbanken und 8 Konzernbanken. Vgl. Tewaag (1938), S. 68. 57 Die Angaben beziehen sich nur auf die im kurzfristigen privaten Kreditgeschäft tätigen Banken. Für die Einordnung der Banken waren außerdem der Geschäftskreis und -zweck maßgeblich. 58 Vor dem Ersten Weltkrieg hatten sich die Großbanken relativ verdeckt an den Provinzbanken beteiligt, in dem sie Interessengemeinschaften oder dauernde Beteiligungen eingegangen waren. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.2.2 dieser Arbeit. 54 55

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untereinander, wodurch sich die Anzahl der Großbanken verringerte.59 Der größte Zusammenschluß dieser Art war die im Oktober 1929 durchgeführte Fusion zwischen der Deutschen Bank und der Disconto-Gesellschaft.60 Der über drei Jahrzehnte währende Expansionsprozeß der Berliner Großbanken hatte darin sein Ende gefunden, denn im Vordergrund dieser Fusion stand die Konsolidierung der Kapitalverhältnisse der beiden Banken.61 In den 1930er Jahren sowie in den ersten Kriegsjahren dehnten die Berliner Großbanken ihren Einflußbereich zwar noch aus, dies war jedoch ausschließlich politisch motiviert. Im Rahmen der von den Nationalsozialisten verfolgten „Arisierungs“-Politik übernahmen die Berliner Großbanken verschiedene jüdische Privatbankhäuser.62 Im Zusammenhang mit der Kriegspolitik des deutschen Staates und der Annektion diverser Gebiete erweiterten die Großbanken ihren Einflußbereich insbesondere auf die südosteuropäischen Eingliederungsgebiete, in dem sie dort verschiedene Banken erwarben und in ihren Konzern integrierten.63 In der Herausbildung großer Industriekonzerne64, dem gesteigerten Kreditbedürfnis der öffentlichen Hand sowie in den konjunkturellen Krisen und der Inflation können wesentliche Ursachen des Expansions- und Konzentrationsprozesses gesehen werden. Darüber hinaus sollte die Expansion der geografischen und branchenmäßigen Diversifizierung des Kreditportfolios und der Rentabilitätserhöhung durch Betriebsgrößeneffekte dienen. Macht und Prestige waren ebenfalls wichtige Motive.65 Des weiteren kann der Expansionsprozeß mit mangelnden Investitions- und Geschäftsmöglichkeiten im Ausland begründet werden, so daß sich die Aktivitäten der Großbanken nahezu vollständig auf das Inland konzentrieren mußten.66 59

Sobald eine Großbank eine Übernahme bekannt gab, löste dies ein gleiches Vorgehen bei einer anderen Großbank aus. Eine besonders starke Rivalität bestand zwischen der Deutschen Bank und der DiscontoGesellschaft. Vgl. Strauss (1928), S. 15f. 60 Zur Fusion der beiden Banken vgl. ausführlich Feldman (1995), S. 258-270. 61 Vgl. Weber (1957), S. 51. 62 Vgl. Ulrich (1998), S. 320ff.; vgl. auch Kapitel III, Abschnitt 4.3.1 dieser Arbeit. 63 Beispielsweise übernahm die Dresdner Bank die österreichische Mercurbank und fusionierte diese mit der österreichischen Länderbank Wien. Damit besaß die Dresdner Bank das zweitgrößte Bankstellennetz in Österreich. Im Sudetengebiet übernahm die Dresdner Bank die Zivnostenska Banka und die Böhmische EscompteBank. Die Deutsche Bank übernahm in Böhmen die Böhmische Union-Bank. Vgl. Radkau (1974), 356ff., 363ff. Vgl. auch Boelcke (1994), S. 150. 64 Beispielsweise fusionierten 1925 die bedeutendsten Chemieunternehmen Deutschlands - BASF, Hoechst, Bayer und Agfa - zur IG Farbenindustrie. Die führenden schwerindustriellen Werke fusionierten zum Stahlverein. Vgl. Hallgarten (1974), S. 184ff. Diesen Industriekonzernen wollten die Banken in ebenbürtiger Größe gegenüber stehen. 65 Vgl. Strauss (1928), S. 56-74; Walb (1935-38), S. 449; Pohl (1986), S. 61ff. 66 Vgl. Weber (1957), S. 51. Der Abbruch der Auslandsbeziehungen und ihr mühsamer Wiederaufbau in Verbindung mit wirtschaftspolitischen Regulierungen führte auch zur Geschäftsaufgabe der Überseebanken, die mehrheitlich zu den Großbankkonzernen gehörten. Zwar wurde noch der Außenhandel und Projekte im Aus-

Kapitel III

134

Jahr 1914 1914 1915 1917

Berliner Großbank Deutsche Bank Disconto-Gesellschaft Disconto-Gesellschaft Deutsche Bank

1917 1917

Disconto-Gesellschaft Dresdner Bank

1918 1919 1920

Commerzbank Disconto-Gesellschaft Deutsche Bank

1920

Commerzbank

1920

Nationalbank für Deutschland Deutsche Bank Disconto-Gesellschaft Commerzbank Deutsche Bank Commerzbank

1921 1921 1921 1922 1922 und 1923 1922 1924

Darmstädter Bank Deutsche Bank

1925 1925 1929 1929 1929

Deutsche Bank Disconto-Gesellschaft Deutsche Bank Dresdner Bank Commerzbank

1932 1932

Dresdner Bank Commerzbank

übernommenes Institut Bergisch-Märkische Bank, Elberfeld A. Schaaffhausensche Bankverein, Berlin/Köln Rheinische Bank, Essen Schlesischer Bankverein, Breslau Norddeutsche Creditanstalt, Königsberg Magdeburger Bankverein, Magdeburg Rheinisch-Westfälische Disconto-Gesellschaft, Aachen Märkische Bank, Bochum Übernahme von 8 mittleren Banken Stahl & Federer, Stuttgart Hannoversche Bank, Hannover Privatbank zu Gotha, Gotha Braunschweiger Privatbank, Braunschweig Hessische Bankverein, Kassel Thüringische Landesbank, Weimar Deutsche Nationalbank, Bremen Pfälzische Bank Schlesische Handelsbank, Breslau Mitteldeutsche Privatbank, Magdeburg67 Deutsche Petroleum AG68 Bankverein Göttingen Chemnitzer Bankverein Löbauer Bank Vogtländische Kreditanstalt, Falkenstein Freiberger Bankverein, Freiberg Nationalbank für Deutschland, Berlin Württembergische Vereinsbank, Stuttgart Hildesheimer Bank, Hildesheim Siegener Bank, Siegen Essener Kreditanstalt, Essen Bank für Thüringen, Meiningen Disconto-Gesellschaft, Berlin Ostbank für Handel und Gewerbe, Königsberg Mitteldeutsche Creditbank, Frankfurt69 Braunschweigische Bank und Kredit-Anstalt DANAT-Bank, Berlin Barmer Bankverein, Düsseldorf70

Tabelle 28: Die seit dem Ersten Weltkrieg wichtigsten Fusionen und Übernahmen der Berliner Großbanken Quelle: Reinhart (1938), S. 93ff.; Pohl (1986), S. 67f., S. 93; Commerzbank (1970), S. 157. land finanziert, aufgrund der neuen Rolle Deutschlands als Kapitalimporteur jedoch nicht mehr in dem Maße wie vor dem Ersten Weltkrieg. Vgl. u.a. Feldman (1995), S. 249-257; Schlieper (1936), S. 6-19. Zur Übernahme der 1856 gegründeten Mitteldeutschen Privat-Bank vgl. Kurzrock (1970), S. 88ff. 68 Die Deutsche Petroleum AG hatte sich aufgrund des zwangsweisen Verkaufs ihrer Steaua Romana - Beteiligung mehr zu einer Finanzgesellschaft entwickelt. Durch diese Transaktion mußte das Kapital der Deutschen Bank von 400 auf 800 Millionen Mark verdoppelt werden. Vgl. Reinhart (1938), S. 93. 69 Zur Übernahme der 1856 gegründeten Mitteldeutschen Creditbank vgl. Kurzrock (1970), S. 95ff. 70 Zur Zwangsfusion des 1867 gegründeten Barmer Bank-Verein mit der Commerzbank vgl. Kurzrock (1970), S. 109ff. 67

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135

POHL sieht in diesem Konzentrationsprozeß, bei dem die Berliner Großbanken von 1914 bis 1928 mehr als 200 Bankunternehmen übernommen haben71, eine wesentliche Ursache für die Entwicklung und Herausbildung des Universalbanksystems in Deutschland.72 Im Zusammenhang mit den Konzentrationsbestrebungen dehnten die Berliner Großbanken ihr Filialnetz erheblich aus. 1932 entfielen von den in Deutschland durch alle Banken unterhaltenen Filialen und Depositenkassen etwa zwei Drittel auf die Berliner Großbanken. Diese Anzahl ist um so bemerkenswerter, da aufgrund von Inflation und Übernahmen Filialen aus Kosten- und Rentabilitätsgründen geschlossen wurden. Allein durch die Fusion der Deutschen Bank und der Disconto-Gesellschaft zur „DDBank“ wurden 70 Filialen geschlossen.73

Filialgroßbanken Filialen Depositenkassen Summe

1913 7 153 398 551

1932 3 670 588 1258

Provinzbanken Filialen Depositenkassen Summe

1913 308 710 317 1027

1932 157 523 211 734

Tabelle 29: Entwicklung des Filialnetzes der Großbanken und der Provinzbanken74 Quelle: Walb (1935-38), S. 447.

Die Berliner Handelsgesellschaft blieb dagegen ohne Filialnetz. Statt dessen transportierte sie ihren Einfluß in die Provinz, in dem sie sich an den dort ansässigen Banken beteiligte. Die regionalen Bankhäuser behielten dabei ihre Selbständigkeit und erhielten zusätzlich exklusive Kontakte zum Berliner Geld- und Kapitalmarkt. Die Berliner Handelsgesellschaft entwickelte sich zu einer „Bank der Banken“75 und zum renommierten Kooperationspartner der lokalen Bankhäuser.76 Diese Art der Zusammenarbeit zwischen provinziellen Banken und Berliner Bankiers ist als eine Art Unabhängigkeitsbestrebung der Regionalbanken vom Bankplatz Berlin zu verstehen. Besonders die süddeutschen Banken versuchten, von den Berliner Großbanken unabhängig zu bleiben. Dazu schlossen sie Interessenverträge mit Berliner Pri-

71

Insgesamt haben die Großbanken 210 Bankunternehmen übernommen, davon 129 Privatbankiers, 66 Aktienbanken und 15 Genossenschaftsbanken. Vgl. Walb (1935-38), S. 447. Vgl. Pohl (1988), S. 61ff., S. 85ff. 73 Im Zeitraum von 1914-1928 wurden 128 Filialen geschlossen (ohne Dresdner Bank), in den Krisenjahren von 1929 bis 1932 sogar 286 Filialen. Vgl. Walb (1935-38), S. 447. 74 Ohne Agenturen und Zahlstellen. 75 Vgl. Pfannenschmidt (1928), S. 56f. 76 Vgl. Fürstenberg (1965), S. 117f. 72

136

Kapitel III

vatbankiers ab.77 Von diesen traditionsbewußten Privatbankhäusern sah man keine Gefahr ausgehen, letztlich doch vollständig kommanditiert zu werden. Des weiteren schlossen sich im Rahmen der Unabhängigkeitsbestrebungen verschiedene Regionalbanken zu Interessengruppen zusammen, die ein Gegengewicht zur Berliner BankenHegemonie bilden sollten.78 Zusätzlich wirkten die von der Industrie gegründeten Konzern- bzw. die Fach- und Branchebanken dem Konzentrationsprozeß entgegen.79 Die zunehmende Selbstfinanzierungskraft der Industrie ermöglichte dies und beschnitt die Geschäftsmöglichkeiten der Banken, insbesondere der Berliner Großbanken.80 Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise und dem Abzug von Auslandsgeldern war der Konzentrationsprozeß der Berliner Großbanken vorerst beendet. Der Abzug der Auslandsgelder, mit denen die deutsche Wirtschaft teilweise finanziert wurde81, begann mit der Pariser Konferenz im Jahr 1929, setzte sich vor dem Hintergrund des ersten Wahlerfolges der Nationalsozialisten im September 1930 fort82 und fand seinen Höhepunkt in der Bankenkrise von 1931. Da sich ca. 40% der kurzfristigen ausländischen Kreditorengelder auf die Berliner Großbanken konzentrierten, waren sie von deren Abzug auch besonders betroffen.83 Allein bei der DANAT-Bank verminderten sich die Einlagen von Ende April 1931 bis zum 13. Juli 1931 um mehr als ein Drittel.84 An diesem Tag mußte die DANAT-Bank ihre Zahlungsunfähigkeit bekannt geben, drei notverordnete Bankschließtage schlos-sen sich an. Hauptursache für die schwierige finanzielle Lage der DANAT-Bank war der Zusammenbruch der Nordwolle AG, ein Unternehmen das vornehmlich durch die DANAT-Bank finanziert wurde. Mit Abzug der

77

So schloss die Bayerische Vereinsbank einen Interessenvertrag mit dem Bankhaus Mendelssohn ab. Deshalb schlossen 1921 die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, die Allgemeine Deutsche CreditAnstalt, Leipzig und der Barmer Bankverein einen Interessenvertrag ab. Vgl. Dietzel (1925), S. 69; Strauss (1928), S. 31ff.; Reinhart (1938), S. 95. 79 STRAUSS stellt insgesamt 6 Hemmungsfaktoren des Konzentrationsprozesses fest: Inflationistische Gründungshyptertrophie, Eigenbanken der Industrie, Fachbanken, Konzentration im öffentlichen Bankwesen, Selbsthilfe und Zusammenschluß provinzieller Banken und Bankiers sowie die Überfremdung durch ausländisches Kapital. Vgl. Strauss (1928), S. 20-33. 80 Von Bedeutung waren zum Beispiel die Deutsche Länderbank des IG Farben-Konzerns oder die von der Heydt’s Bank des Thyssen-Konzerns. Vgl. Haebler (1934), S. 43. 81 Von 1924 bis Anfang 1933 sind in den USA 135 deutsche Dollaranleihen öffentlich aufgelegt worden, die Mehrzahl in der Zeit von 1925 bis 1929. In diesen vier Jahren wurden 124 Anleihen im Volumen von mehr als 1,1 Mrd. USD emittiert. Darüber hinaus gewährten u.a. auch Holland und die Schweiz Deutschland Kredit. Vgl. Hallgarten (1974), S. 186f., S. 192. 82 Allein im September 1930 verlor die Reichsbank 600 Millionen an Gold und Devisen. Vgl. Treue (1973), S. 44. 83 Zu den Strukturwandlungen bzgl. Kapitalfristigkeit und Kapitalherkunft in den Bilanzen der Berliner Großbanken vgl. ausführlich Haebler (1934), S. 36-53. Die Berliner Großbanken wiesen bereits vor dem Ersten Weltkrieg eine Fremdkapitalstruktur auf, die von kurzfristigen Mitteln geprägt war. Der Anteil ihrer langfristigen Fremdkapitalien am Gesamtfremdkapital betrug 13,7% im Jahr 1913, 1930 betrug dieser Anteil nur noch 2,9%. Dagegen waren die Provinzbanken mit längerfristigem Fremdkapital finanziert. Bei ihnen betrug der langfristige Fremdkapitalanteil 29,2% im Jahr 1913 und 24% im Jahr 1930. Vgl. Born (1967), S. 21f. 84 Vgl. Walb (1938), S. 484. 78

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137

Auslandsgelder konnten weder die Nordwolle AG noch die DANAT-Bank die instabile Finanzierungsstruktur aufrechterhalten.85 Die sich an die Bankenkrise notwendigerweise anschließende Sanierung und Reformierung des deutschen Bankenapparates umfaßte neben der Einführung der Bankenaufsicht und des Zins- und Wettbewerbsabkommens auch Zwangszusammenschlüsse einzelner Banken, da diese allein nicht mehr handlungsfähig waren.86 Am Bankplatz Berlin wurden die DANAT-Bank mit der Dresdner Bank und die Commerzbank mit dem Barmer Bankverein zwangsfusioniert. Aufgrund dieser Fusionen bildete sich das deutsche „Großbankentrio“ heraus.87 Außerdem stellten die staatlichen Banken über die Gewährung von Wechsel- und Akzeptkrediten Bilanzierungs- und Liquiditätshilfen bereit. Zusätzlich übernahmen Reich und Golddiskontbank große Teile des Aktienkapitals der Banken. Dies war nötig, da sich die Banken von den durch Krieg und Inflation bedingten Eigenkapitalverlusten noch nicht erholt hatten.88 De facto kam es zu einer Verstaatlichung der Banken.89 Eine Reprivatisierung erfolgte bis Ende 1937.90 Institut Dresdner Bank DANAT-Bank Commerzbank DD-Bank

Indossamentverbindlichkeiten Akzeptverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln in Prozent des Eigenkapitals 292,1 150,0 288,3 146,4 165,3 106,1 98,7 61,1

Tabelle 30: Ausmaß und Höhe des Rückgriffs auf die Reichsbank und ihrer Mobilisierungsakzepte per Ende Juli 1931 Quelle: Walb (1935-38), S. 485.

85

Vgl. Hallgarten (1974), S. 192; Feldman (1995), S. 293-305. Vgl. Walb (1935-38), S. 489ff., S. 496ff. Vgl. Pohl (1986), S. 93. 88 Von 1913 bis 1924 war das Aktienkapital der Berliner Großbanken um mehr als die Hälfte gesunken. Unter Berücksichtigung der Expansion der Banken und die in dem Zusammenhang durchgeführten Kapitalerhöhungen ist der Kapitalverlust noch größer. Bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die per 1913 vorhandene Eigenkapitalhöhe nicht wieder erreicht. Vgl. Reinhart (1935-38), S. 98; Pohl (1986), S. 95; Tewaag (1938), S. 16. 89 Der Umfang der gesamten öffentlichen Hilfen für die Sanierung des Bankenapparates belief sich über alle Kreditinstitutsgruppen auf nahezu 1,3 Milliarden Mark. Vgl. Walb (1935-38), S. 488; Born (1967), S. 118ff.; Pohl (1986), S. 92ff. 90 Vgl. beispielsweise zur Reprivatisierung der Commerzbank 1936/37 durch Hermann J. Abs: Wolf (1996), S. 27-36. 86 87

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138

Aktienkapital Dresdner Bank Commerzbank DD-Bank

150 80 144

davon im Besitz des davon im Besitz der Reiches Golddiskontbank in Millionen Mark 104 32,7 11 45 -50

Anteil der öffentlichen Hand in Prozent 91 70 35

Tabelle 31: Anteil des Staates am Aktienkapital der Berliner Großbanken 1932 Quelle: Walb (1935-38), S. 487.

Waren die Reputation des Finanzplatzes Berlin und das Ansehen seiner bedeutendsten Marktteilnehmer, der Berliner Großbanken, durch die Bankenkrise und ihre Folgen bereits stark beschädigt, setzte sich der Image- und Bedeutungsverlust des Finanzplatzes Berlin mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 weiter fort. Der Aufbau einer Planwirtschaft, eine wachstumshemmende Geld-, Zins- und Kapitalmarktpolitik sowie eine destruktive Außenhandelspolitik waren wirtschaftspolitische Maßnahmen, die den Großbanken keinen Raum ließen, ihre nach dem Ersten Weltkrieg wieder aufgebauten Auslandsbeziehungen und die vor allem in Holland und Rußland durchgeführten Auslandsaktivitäten fortzuführen.91 Neue Regulierungen im Bereich der Devisen und Wertpapiere verhinderten bzw. erschwerten die internationalen Finanzgeschäfte zusätzlich. Die Hauptaktivitäten der Großbanken wurden daher zwangsweise auf die Inlandstätigkeit gelenkt. Da auch im Inland zahlreiche Regulierungsvorschriften einer marktwirtschaftlichen Banktätigkeit entgegenstanden und es darüber hinaus durch die Begünstigung von Staatsinstituten zu Wettbewerbsverzerrungen kam, hatten die Berliner Großbanken weder national noch international jene Bedeutung, die sie zu Beginn des Ersten Weltkrieges hatten. Die DD-Bank schrieb 1936 dazu in ihrem Geschäftsbericht: „Auch im Jahre 1936 hat die gesteigerte Wirtschaftstätigkeit noch nicht zu einer entsprechenden Vermehrung der Nachfrage nach Bankkredit geführt. An der Erhöhung der Wirtschaftsumsätze waren die Staatsaufträge weiterhin entscheidend beteiligt. Ihre Steigerung durch den Einsatz öffentlichen Kredits hielt eine Geldflüssigkeit aufrecht, die in der Gesamtwirtschaft keinen erhöhten Kreditbedarf aufkommen ließ.“92

91

Während der Inflation entwickelte sich ein lebhafter Handel mit Devisen. Seit 1921 begannen die deutschen Banken im Ausland Töchterbanken zu errichten, vorwiegend in Amsterdam. Vgl. Dietzel (1925), S. 54f. 92 Deutsche Bank Disconto-Gesellschaft (1937), S. 93.

1914-1945

Gruppe Großbanken Regionalbanken Summe Spezialbanken Privatbankiers Hypothekenbanken Summe

Anzahl 5 122 127 96 847 28 1098

Eigenkapital in Mio. RM 509,7 339,8 849,5 835,4 288,6 346,6 2320,1

Anteil in Prozent 60 40 100 36,0 12,4 14,9 100

139

Bilanzsumme in Mio RM 7652,5 3345,8 10998,3 3359,2 1559,1 6192,4 22109,0

Anteil in Prozent 69,6 30,4 100 15,2 7,0 28,0 100

Tabelle 32: Eigenkapital- und Bilanzsummenverhältnisse in der Gruppe des privaten Bankgewerbes im Jahr 1936 Quelle:Tewaag (1938), S. 58.

Darüber hinaus reduzierte die zunehmende Selbstfinanzierungskraft der GroßIndustrie die Geschäftsmöglichkeiten der Banken und erhöhte den Wettbewerb der Kreditinstitute untereinander. Gleichzeitig führte die dadurch hervorgerufene einseitige Fokussierung der Großbanken auf die Vergabe von Großkrediten zur Vernachlässigung der Kreditierung kleiner und mittlerer Unternehmen. Deren Kreditversorgung übernahm zunehmend der öffentlich-rechtliche Kreditsektor, der daraufhin auch verstärkt mit der Großindustrie in Kontakt trat. Ein steigender Wettbewerb im Bankgewerbe war die Folge.93

Bilanzsumme94 Wirtschaftskredite Wechselanlagen Schatzwechsel + Reichsanleihen Einlagen gesamt Eigenkapital

1929 16.673 9.020 3.015 496

1932 10.679 6.108 1.429 1.072

1933 9.773 5.370 1.425 1.066

1934 9.667 4.929 1.767 923

1935 9.631 4.496 1.873 1.199

1936 9.726 4.157 2460 1.078

1937 10.350 4.178 3.241 978

1938 11.649 4.406 2.860 2.278

14.459 1.350

8.804 851

7.937 823

7.807 809

7.787 789

8.027 794

8.597 806

9.725 813

Tabelle 33: Bilanzangaben der allgemeinen Kreditbanken (Groß- und Regionalbanken 1929-1938) Quelle: Keiser (1939), S. 237; zitiert nach Barkai (1995), S. 239.

Insgesamt entfielen 1936 nahezu zwei Drittel des Eigenkapitals und der Bilanzsumme der privaten Kreditbanken auf die Berliner Großbanken. Betrachtet man die gesamte Gruppe des privaten Kreditgewerbes, entfallen auf die Berliner Großbanken etwas mehr als ein Fünftel des Bankeigenkapitals und etwas mehr als ein Drittel der Gesamtbilanzsumme.95

93

Vgl. Haebler (1934), S. 59ff. Nach Abzug von Anleihen und Hypotheken. 95 Vgl. Tewaag (1938), S. 58ff. Tewaag subsumiert unter die Berliner Großbanken auch die Reichskreditgesellschaft und bezieht die Bank für Industrieobligationen in die Gruppe des privaten Bankgewerbes mit ein. In dieser Arbeit werden beide Banken in den folgenden Kapiteln unter die Gruppe der öffentlich-rechtlichen 94

140

Kapitel III

Die seit Kriegsbeginn 1939 gesunkenen Investitionsmöglichkeiten der Wirtschaft aufgrund der kompletten Umstellung auf die Kriegswirtschaft, veranlaßte auch die Banken, ihr Aktivgeschäft auf die Kriegswirtschaft neu auszurichten. Das bedeutete, daß die Großbanken Ende 1941 von 15 Milliarden Reichsmark zur Verfügung stehenden Gesamteinlagen lediglich rund 3 Milliarden Reichsmark und damit lediglich ein Fünftel in kommerzielle Industriekredite investiert hatten. In den Jahren der Hochkonjunktur 1928/29 betrug dieser Anteil nahezu drei Viertel. Statt dessen wurden nun mit rund 10 Milliarden Reichsmark zwei Drittel des Gesamteinlagevolumens dem Staat über verschiedene Anleihe- und Finanzierungsformen zur Verfügung gestellt. Die Finanzierungsaufgaben der Großbanken nahmen öffentlichen Charakter an.96

4.3.3 Die zunehmende Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors 4.3.3.1 Das Gründungsstreben des Staates Das öffentliche Bankwesen spielte in Deutschland bis 1913 nur eine untergeordnete Rolle. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges änderte sich diese Situation. Durch den Krieg und die mit ihm zusammenhängende Versorgungswirtschaft entstanden neue Aufgaben im allgemeinen Wirtschaftsleben. Für die Finanzierung dieser Aufgaben wurden staatseigene Kreditinstitute gegründet. Außerdem wollten sich die staatlichen Verwaltungsträger eine größere Unabhängigkeit von der privaten Bankwirtschaft sichern. In der Nachkriegszeit setzte sich die Gründung öffentlicher Kreditinstitute zur Überwindung der Inflation und Bankenkrise fort. Im Rahmen der Neuordnung der Wirtschaft durch die Nationalsozialisten kam es erneut zu Gründungen öffentlicher Kreditinstitute. Außerdem wird das Gründungsstreben des Staates im Bankbereich als Folge der Konzentration der privaten Bankengruppe angesehen. Die dadurch auftretenden Störungen der Kreditversorgung in bestimmten geografischen Gebieten, bestimmten Branchen und insbesondere des Mittelstandes sollten durch die Gründung öffentlichrechtlicher Banken beseitigt werden.97 Banken subsumiert, da sie trotz ihrer privatrechtlichen Gesellschaftsform mehrheitlich in Besitz des Staates waren. Vgl. Ockermüller (1943), S. 150f. Das traf auch auf die anderen Kreditinstitutsgruppen zu. 97 Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 138f.; Murko (1934), S. 18f., S. 45f. Dagegen wird der Beginn der Herausbildung eines staatlichen Banksystems in der marxistisch-leninistischen Literatur als Folge der Unzulänglichkeit des kapitalistischen Systems aufgrund des antagonistischen Widerspruches zwischen den Produktivkräf96

1914-1945

141

Tendenziell wurden in dem Auftreten des Staates als Bankiers überwiegend Vorteile gesehen. Die mit der Übersetzung des Bankenwesens, der zunehmenden Konkurrenz und dem Fehlen einer einheitlichen Kreditpolitik im Zusammenhang stehenden Probleme „würden durch die Verstaatlichung automatisch gelöst werden“.98 Von einer totalen Verstaatlichung des Bankwesens sah man aufgrund der bekannten Nachteile jedoch ab.99 öffentlich-rechtliche Kreditanstalten Staatsbanken dav. mit Filialnetz dav. ohne Filialnetz Landesbanken/Girozentralen dav. mit Filialnetz dav. ohne Filialnetz Landschaftliche Banken Kommunalbanken Summe Sächsische Girokassen Sparkassen Summe

1913 4 2 2 9 7 2 6 5 24

1925 9 5 4 29 21 8 8 40 86

1929 9 5 4 31 23 8 8 43 91

1931 9 5 4 30 22 8 8 43 90

1932 9 5 4 30 22 8 8 38 85

181 3133 3338

562 2622 3270

543 2609 3243

541 2570 3201

531 2533 3149

Tabelle 34: Entwicklung der Anzahl der öffentlich-rechtlichen Banken Quelle: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen 1933, Teil II, (Statistiken), S. 9.

Von 1913 bis 1932 wurden deutschlandweit mehr als 60 öffentlich-rechtliche Kreditanstalten auf allen Verwaltungsebenen gegründet. Ihre Anzahl hatte sich damit mehr als verdreifacht. Die Ausdehnung ihrer Tätigkeit ging zu Lasten des privaten Kreditgewerbes. Beispielsweise bilanzierten 1913 die privaten Kreditbanken 9,7 Milliarden Reichsmark an Kreditoren, während die öffentlichen Banken lediglich 1,1 Milliarden Reichsmark in ihren Bilanzen auswiesen. 1932 wiesen die privaten Kreditbanken mit 10,7 Milliarden Reichsmark einen annähernd konstant gebliebenen Betrag aus. Dagegen bilanzierte die Gruppe der öffentlichen Banken mit 5,4 Milliarden Reichsmark an Kreditorengeldern mehr als das Dreifache des Vorkriegsstandes.100

ten und der Produktion für den anonymen Markt dargestellt. Demnach wäre die Herausbildung eines umfassenden staatlichen Bankensystems im Kapitalismus die Vorstufe zur weiteren Verstaatlichung im Sozialismus als nächsthöherer Gesellschaftsstufe. Vgl. dazu Volkmann (1977), S. III. 98 Vgl. Walb (1935-38), S. 469. 99 Zu der damaligen Diskussion über die Vor- und Nachteile der Verstaatlichung des Bankwesens Vgl. Walb (1935-38), S. 470ff. 100 Vgl. Walb (1935-1938), S. 440. Die Angaben beziehen die Spargelder nicht mit ein. Eine ausführliche Untersuchung der Strukturwandlungen des deutschen Kreditgewerbes führte FRIEDRICH durch. Er verglich die Kreditoren und die Debitoren der privaten und öffentlichen Banken in den Jahren 1913, 1924 und 1925. Er kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß sich die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit der öffentlichen Banken zu Lasten des privaten Bankgewerbes vollzog. Vgl. Friedrich (1933), S. 44-50.

142

Bankengruppe Gesamte private Kreditbanken dav. Berliner Großbanken dav. Provinzbanken Öffentlich-Rechtliche Banken Genossenschaftsbanken

Kapitel III

1913 84,5% 44,6% 34,4% 9,3% 6,2%

1932 61,6% 42,1% 8,5% 31,5% 6,8%

Tabelle 35: Entwicklung der auf die einzelnen Bankengruppen entfallenden Anteile am Gesamtbestand der Kreditoren Quelle: Walb (1935-1938), S. 440.

Von den neugegründeten öffentlichen Banken waren nahezu ein Drittel in Berlin ansässig. Als Institute des öffentlichen Sektors sowie als Spitzeninstitute bestimmter Branchen bzw. Bankengruppen wählten sie ihren Firmensitz in der Nähe der Reichsregierung, um von den Kommunikationsvorteilen zu den staatlichen Organen und zur in Berlin ansässigen Industrie zu profitieren.101 Zu den bedeutendsten öffentlichrechtlichen Kreditanstalten Deutschlands, die in Berlin domizilierten, zählten neben der Deutschen Rentenbank, der Bank für Deutsche Industrieobligationen und der Deutschen Golddiskontbank, die zur Überwindung der Inflation errichtet wurden, auch die Akzept- und Garantiebank und die Diskontkompagnie, deren Gründungen im Zusammenhang mit der Überwindung der Bankenkrise erfolgten. Die Deutsche Rentenbank wurde im Hauptinflationsjahr 1923 gegründet, mit dem Ziel, durch Ausgabe der Rentenmark die deutsche Währung zu stabilisieren.102 In Höhe von 1,2 Milliarden Reichsmark gewährte sie Rentenmarkkredite an die Wirtschaft, die über die Reichsbank geleitet wurden.103 Zur Wahrung ihrer Existenzberechtigung übertrug man ihr in der Folgezeit neue Aufgaben. So beteiligte sie sich 1931 an der Ausgabe von Osthilfeentschuldungsbriefen im Rahmen der Durchführung der Umschuldung landwirtschaftlicher Betriebe. Damit wurde sie auf denselben Gebieten aktiv wie die Bank für deutsche Industrieobligationen und die Deutsche RentenbankKreditanstalt.104 Die Deutsche Golddiskontbank wurde 1924 als Tochterinstitut der Reichsbank, unter Mitwirkung der Bank von England, errichtet. In ihrer Funktion als Kredit- und Wäh101

Vgl. Murko (1934), S. 39f. Zur Stabilisierung der deutschen Währung gab es drei wesentliche Vorschläge: die Ausgabe von Roggenmark nach Helfferich, die Ausgabe der Goldmark nach Plänen von Stinnes, die Ausgabe von amerikanischen und englischen Anleihen durch den Reichsverband der deutschen Industrie. Durchgesetzt hat sich das Projekt von Helfferich in modifizierter Form. Es kam zur Einführung der Rentenmark, die durch die eigens dazu gegründete Rentenbank ausgegeben wurde. Zu den Plänen der Überwindung der Inflation vgl. etwa Pfleiderer (1976), S. 182ff. 103 Vgl. Weber (1957), S. 137. 104 Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 141ff. 102

1914-1945

143

rungsbank hatte sie die Aufgabe, Deutschland die Goldwährung durch die Ausgabe von Pfundnoten zu ermöglichen und amerikanisches Kapital nach Deutschland zu vermitteln. Auf diese Weise sollte sie ebenfalls der Stabilisierung der Währung nach der Inflation dienen. Nachdem dieses Ziel erreicht war, wies man auch dieser Bank neue Betätigungsfelder zu: Förderung des Import- und Exportkredits und später des Agrarkredits.105 Während der Bankenkrise übernahm die Deutsche Golddiskontbank Aktienpakete der Großbanken. Seit 1934 wirkte sie im Rahmen der Umsetzung des Anleihestockgesetzes an der Abschöpfung des Geldmarktes mit.106 Die Bank für deutsche Industrieobligationen war die dritte Zweckbank, die man zur Überwindung der Inflation gründete. Im Rahmen der Währungsstabilisierung war sie für die Erfüllung des Dawes-Plan verantwortlich.107 Die von der Industrie eingesammelten Gelder konnte sie kurzfristig dem Berliner Geldmarkt zur Verfügung stellen, weshalb ihr eine besondere Stellung am Bankplatz Berlin zukam. 1931 entwickelte sich die Bank im Rahmen der „Osthilfeumschuldung“ zum Zentralinstitut der Osthilfe. 1938 erfolgte die Umfirmierung in Deutsche Industriebank AG. Ihre Aufgabe bestand nun in der Gewährung von Krediten an die Industrie zur Umstellung auf die Kriegsproduktion.108 Zur Überwindung der Bankenkrise wurden zwei Zweckbanken gegründet. Die Akzept- und Garantiebank errichtete man am 25. Juli 1931. Ihre Aufgabe war es, durch die Ausgabe von rediskontfähigen Wechseln den privaten Banken Liquiditätshilfen zu gewähren. Damit fungierte die Akzeptbank als Mittler zwischen der Reichsbank und den Banken, um deren Kreditfähigkeit wieder herzustellen.109 Bis Ende 1931 hatte die Akzeptbank in Höhe von mehr als 1,6 Milliarden Reichsmark Stützungskredite gewährt, die in der Folgezeit durch die Banken zurückgezahlt wurden.110 Mehr als 70% der Akzeptkredite erhielten die Sparkassen.111

105

Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 140f. Das Anleihestockgesetz war ein Gesetz aus dem umfassenden Programm der nationalsozialistischen Regierung zur Regulierung des Kapitalmarktes. Die Kapitalgesellschaften mußten aufgrund dieses Gesetzes einen Teil ihrer Gewinne unter die Verwaltung der Golddiskontbank stellen, die wiederum diese Mittel zur Unterbringung öffentlicher Anleihen verwendete. Erst nach Ablauf von 3 Jahren konnten die Unternehmen wieder über ihre Mittel verfügen. Vgl. Ockermüller (1943), S. 21ff. 107 Im Zusammenhang mit der Neuordnung des deutschen Geldwesens wurden auch die Reparationsfragen neu geregelt. Der Dawes-Plan sah eine Zahlung von 5 Milliarden Goldmark vor. Diese wurden über die Begebung von einzelnen Industrieobligationen verschiedener Unternehmen aufgebracht. Die Bank für deutsche Industrieobligationen zog diese wieder ein und gab einheitliche, auf ihren Namen lautende, Schuldverschreibungen heraus. Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 143. 108 Vgl. Ockermüller (1943), S. 41. 109 Vgl. Born (1967), S. 117ff. Die Gründung der Akzept- und Garantiebank basierte auf einem Vorschlag von Bernhard Dernburg, der bereits mehrere Sanierungen erfolgreich durchgeführt hatte. 110 Vgl. Born (1967), S. 119. 111 Vgl. Pohl, M. (1992), S. 218. 106

144

Kapitel III

Die Diskont-Kompagnie AG wurde 1931 von den öffentlich-rechtlichen Zentralinstituten gegründet, um durch An- und Verkauf von Bankakzepten den Geldmarkt liquider zu gestalten.112 Weitere wichtige Gründungen öffentlicher Institute am Bankplatz Berlin stellten die Deutsche Girozentrale-Deutsche Kommunalbank, die Reichskredit-Gesellschaft und die Reichsanleihe AG dar, die der Erfüllung besonderer volkswirtschaftlicher Aufgaben dienten. Die Deutsche Girozentrale wurde 1918 vom Deutschen Zentral-Giroverband der Sparkassen gegründet. 1924 firmierte sie in Deutsche Girozentrale-Deutsche Kommunalbank um. Als Spitzeninstitut der kommunalen Sparkassen und Girozentralen und als Finanzierungsinstitut der Kommunen war es ihre Aufgabe, die Sparkassen und die Kommunen mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Dazu nahm sie den regionalen und institutionellen Geldausgleich vor, vermittelte den Überweisungsverkehr und ermöglichte den kommunalen Einrichtungen indirekt den Zugang zum Berliner und zum ausländischen Kapitalmarkt.113 Am Berliner Geldmarkt erreichte die Deutsche Girozentrale eine bedeutende Stellung als Liquiditätsanbieter, da sie durch die Verbindung zu allen Sparkassen des Landes rund 11 Milliarden Reichsmark an Sparguthaben und nahezu 2 Milliarden Reichsmark an Giroguthaben verwaltete.114 Die Reichskreditgesellschaft entstand 1924 als Nachfolgerin der 1919 gegründeten Reichskredit- und Kontrollstelle GmbH. Bereits 1923 wurde das Institut als Konzernbank an die VIAG, die Vereinigte Industrieunternehmungen AG, angeschlossen. In dieser Funktion sollte die Reichskreditgesellschaft den Geldausgleich zwischen den einzelnen Unternehmen der VIAG vornehmen und Kreditleistungen zur Verfügung stellen. Im Rahmen dieser Aufgaben arbeitete das Institut eng mit den Groß- und Provinzbanken zusammen. Die Provinzbanken profitierten von der Zusammenarbeit mit der Reichskreditgesellschaft besonders. Einerseits ermöglichte sie ihnen den Zugang zum Berliner Geld- und Kapitalmarkt, andererseits übernahm die Reichskreditgesellschaft Aktienpakete der Provinzbanken, was diese vor einer Übernahme durch die Großbanken bewahrte.115 Im Zeitverlauf ähnelte die Tätigkeit der Reichskreditgesellschaft immer mehr jener der Großbanken. Ihre Marktanteile und Bedeutung stiegen. Von einigen Autoren, aber 112

Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 145. Vgl. Volkmann (1977), S. 71. 114 Vgl. Weber (1957), S. 132. 115 Vgl. Volkmann (1977), S. 113ff. 113

1914-1945

145

auch in der statistischen Erhebung durch die Banken-Enquete, wird sie daher zu den Berliner Großbanken gezählt.116 De jure stellte sie jedoch aufgrund ihrer Eigentumsverhältnisse ein öffentlich-rechtliches Kreditinstitut dar. Zudem fallen verschiedene Bilanzkennziffern im Vergleich zu den Großbanken bedeutend kleiner aus. Auch wenn sich die Bilanzsumme der Reichskreditgesellschaft von 1924 bis 1930 mehr als verdoppelte, betrug sie dennoch nur rund ein Viertel der durchschnittlichen Bilanzsumme der vier Berliner Großbanken. Kreditinstitut

Bilanzsumme

Debitoren

Kreditoren

Umsatz

in Mio. RM

in Mio. RM

in Mio. RM

in Mrd. RM

Reichskredit-Gesellschaft

695,2

383,6

597,0

73

DANAT-Bank

2555

1522,4

2290,6

261

Dresdner Bank

2528,9

1594,6

2220,1

274,9

Commerzbank Deutsche Bank und Disconto-Gesellschaft

1804,5

1073,7

1488,5

132

4900

2992,1

4136,7

198,6

Tabelle 36: Ausgewählte Bilanzkennziffern per 1930 der Berliner Großbanken im Vergleich zur Reichskreditgesellschaft Quelle: Untersuchungsausschuß für das Bankwesen (1934), S. 9, Teil II; Tewaag (1938), S. 58.

Die Reichskreditgesellschaft arbeitete auch mit Berliner Banken zusammen; ein weiterer Beleg für die Kommunikationsvorteile des Finanzplatzes Berlin. Zum Beispiel bildeten die Privatbank Mendelssohn & Co. und die Deutsche Bank AG mit der Reichskreditgesellschaft im Jahr 1929 ein Konsortium zur Aufnahme und Vermittlung von Auslandsgeldern für das Deutsche Reich in den USA. Dort waren an der Transaktion die Investmentbankhäuser Dillon Read & Co sowie Harris Forbes & Co. beteiligt. Die Reichskreditgesellschaft wurde von den privaten Banken in dieses Geschäft involviert, weil ihre Anwesenheit eine gute Verbindung zu allen behördlichen Stellen garantierte. Sie diente als offizielles Aushängeschild.117 Die Reichsanleihe AG wurde 1919 errichtet, mit dem Ziel, den Kriegsanleihemarkt zu regulieren. Während der Inflation diente sie der Kursstützung der Reichsanleihen. Nach 1924 widmete sie sich überwiegend dem Handel mit Wertpapieren. Trotz Wegfall des ursprünglichen Geschäftsziels und geringer Umsatzzahlen blieb das Kreditinstitut erhalten.118 116

Vgl. o.V. (1934), S. 9, Teil II; Tewaag (1938), S. 58; Weber (1957), S. 91f. Nach Weber ist die Reichskreditgesellschaft auch deswegen zu den Berliner Großbanken zu zählen, da sie nur einen unbedeutenden Teil an öffentlichen Geldern weiterleitete und primär normale Depositen zur Kreditvergabe verwendete. 117 Vgl. Volkmann (1977), S. 164. 118 Vgl. ders., S. 88.

Kapitel III

146

Jahr 1918 1919 1922 1922 1923 1923 1924

Kreditinstitut Deutsche Girozentrale (ab 1924 Dt. Girozentrale-Dt. Kommunalbank) Reichsanleihe AG

Anteilseigner per 1930 25,1% Preußen 74,9% Mitgliedsverbände

Unternehmenszweck Zentralinstitut der Sparkassen

100% Dt. Reich

Preußische Landespfandbriefanstalt Preußische Zentralstadtschaft Deutsche Rentenbank

98,6% 1,4% 100% 100%

Deutsche Bau- und Bodenbank AG (vormals: Deutsche Wohnstätten-Bank AG Deutsche WohnstättenHypothekenbank AG

76,1% Dt. Reich 23,9% Länder, Reichsbank, Post, Bahn, Großbanken u.a. 57,1% Deutsche Bau- und Bodenbank 42,9% Reich und Länder 95,7% Deutsches Reich 4,3% Länder u.a. 20,0% Seehandlung 20,0% Preuß. Zentralgenossenschaftskasse 40,0% Deutsche Girozentrale 60,0% Verband öff.-rechtl. KI 76,5% Reichsbahn 23,5% Großbanken 96,5% Reichsbank 3,5% unbekannt

Kursstützung der Reichsanleihen (1935 Liquidation) Finanzierung des Wohnungsneubaus in Preußen Refinanzierung Stadtschaften Stabilisierung der deutschen Währung Bauzwischenkreditvergabe, Verwaltung von Reichsfonds

1924

Deutsche Bodenkultur AG

1924

Heimbank AG

1924

Deutsche Landesbankenzentrale AG Deutsche Verkehrskredit -Bank AG Deutsche Golddiskontbank

1924 1924 1924 1924

Preußen div.Kommunen 8 Einzelstadtschaften Dt. Reich

100% VIAG 100% 34 Gründer aus Industrie und Bankwesen Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund und andere Verbände

1925

Reichs-Kredit-Gesell. AG Bank für deutsche Industrieobligationen Bank der Arbeiter, Angestellten, Beamten AG (ab 1933 Bank der Deutschen Arbeit AG) Deutsche RentenbankKreditanstalt Centrallandschaftsbank

1928

Preußische Landesrentenbank

100% Dt. Reich und Siedlungsbank

1930

Zentrale für Bodenkulturkredit

1930

Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeiten AG Deutsche Siedlungsbank

10 regionale Landesbanken und Provinzialbanken 100% Dt. Reich

1924 1925

1931 1931

Deutsche Akzept- und Garantiebank

100% Deutsche Landwirtschaft --

97,0% Dt. Reich 3,0% Länder 100% Dt. Reich

Realkredit für den Wohnungsbau Gewährung von Meliorationskrediten Gewährung von Siedlungszwischenkrediten Spitzeninstitut verschiedener öfft.-rechtl. Banken Kreditinstitut der Reichsbahn Zweckbank zur Überwindung der Inflation, später wechselnde Aufgaben Konzernbank der VIAG Durchführung der Reparationszahlungen Verwaltung von Gewerkschaftsgeldern Zentralinstitut zur Finanzierung der Landwirtschaft Zentraler Pfandbriefabsatz für die Landschaftsbanken Langfristige Siedlungsfinanzierung Langfristiger Bodenkulturkredit Arbeitsbeschaffung durch Finanzierung von Anlagen Gewährung von Siedlungszwischenkrediten Zweckbank zur Überwindung der Bankenkrise

Tabelle 37: Übersicht über die nach dem Ersten Weltkrieg gegründeten öffentlich-rechtlichen Banken mit Sitz in Berlin Quelle: Weber (1957), S. 133ff.

1914-1945

147

Des weiteren waren die Deutsche Bau- und Bodenbank, die Deutsche Gesellschaft für öffentliche Arbeit, die Deutsche Rentenbank- und Kreditanstalt, die Deutsche Siedlungsbank und die Tilgungskasse für gewerbliche Kredite von Bedeutung. Zusammen mit der bereits erwähnten Diskont-Kompagnie AG und der schon aus den Vorperioden bekannten Preußischen Staatsbank (Seehandlung) stellten diese sieben Institute die Wirtschaftsgruppe der Banken mit Sonderaufgaben dar, die im Rahmen der Neuorganisation der gewerblichen Wirtschaft 1933 institutionalisiert wurde.119 Die starke Ausdehnung der Banktätigkeit des Staates bedeutete für den Bankplatz Berlin eine Veränderung der Wettbewerbsstrukturen. Die privaten Banken mußten sich neu positionieren, was ihnen aufgrund der Substanzverluste, die Inflation und Krieg mit sich gebracht hatten, um so schwerer fiel. Zudem waren die öffentlichen Banken durch die ihnen gewährten Steuervorteile bevorzugt. Weitere Wettbewerbsverzerrungen entstanden durch das Festhalten des Staates an seinen Banken, auch wenn sich ihr Gründungszweck bereits erledigt hatte.120 Darüber hinaus waren die privaten Banken durch die restriktive Bankengesetzgebung, das Anleihestockgesetz und die Devisenund Kapitalmarktbewirtschaftungsmaßnahmen seit 1933 in ihrer geschäftlichen Tätigkeit behindert.121 Nach 1933 dehnte sich besonders stark die Bank der Deutschen Arbeit AG aus. Sie betrieb alle regulären Bankgeschäfte. Ende 1937 betrug ihre Bilanzsumme mehr als 440 Millionen, Ende 1940 bereits 1.800 Millionen Reichsmark. Ihre Expansion ging zu Lasten der Großbanken. Während die Einnahmen der drei Berliner Großbanken 1940 um 10,6 Millionen Reichsmark wuchsen, vermehrten sich die Einnahmen bei der Bank der Deutschen Arbeit AG allein um 6,8 Millionen Reichsmark.122

119

Vgl. Ockermüller (1943), S. 29-46; Kokotkiewicz (1935-38), S. 141ff. Kokotkiewicz verwendet davon abweichend folgende Systematik: Kreditanstalten des Reiches, der Länder, der Kommunen und der Berufsstände. 120 Beispielhaft sei hier die Gründung und das Fortbestehen der Golddiskontbank genannt. Als Inflationsbank gegründet, wurden ihr nach Überwindung der Inflation permanent neue Aufgaben zugewiesen. Sie diente der Ex- und Importfinanzierung, dem Agrarkredit, der Sanierung der Banken in der Krise und später der Rüstungsfinanzierung. Bereits 1930 kritisierte man dieses Vorgehen: „Noch besser wäre es, die Golddiskontbank verschwände, denn bei der Überzahl an Instituten, mit der Deutschland heute für jedes einzelne Kreditgebiet gesegnet ist, bedarf es dieser schon in ihrer Anlage verfehlten Zweckbank nicht, die sich alle paar Jahre einen neuen Zweck suchen muß, um existenzberechtigt zu erscheinen.“ Vgl. o.V. (1930), S. 231f.; zitiert nach Volkmann (1977), S. 65. Die Tatsache, daß 21 öffentliche Banken der Inflation und der neuen Reichsverfassung der Weimarer Republik zum Opfer fielen, kann über die Tatsache der Übersetzung des öffentlichen Bankwesens nicht hinwegtäuschen. Vgl. Murko (1934), S. 18. 121 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 4.3.2 dieser Arbeit. 122 Vgl. Weber (1942), S. 246. Die Bank befand sich im Besitz der Deutschen Arbeitsfront.

148

Kapitel III

4.3.3.2 Die Seehandlung in der Rolle als preußische Staatsbank In der hier betrachteten Periode setzte die Seehandlung ihre Entwicklung als Staatsbank des preußischen Staates fort. Ihre Haupttätigkeit bestand in der Verwaltung und Beschaffung liquider Mittel für die öffentliche Wirtschaft. Dazu emittierte sie für den preußischen Staat verschiedene Anleihen.123 Aufgrund der hervorragenden Stellung, die die Preußische Staatsbank (Seehandlung) als Emissionsbank des preußischen Staates am Rentenmarkt einnahm, konnte sie auch für andere staatliche Stellen, wie dem gesamten Deutschen Reich, der Reichsbahn und der Reichspost, Emissionstätigkeiten wahrnehmen.124 Nach wie vor war sie ein wichtiger Konsortialpartner der Berliner Banken, insbesondere bei der Aufnahme von Auslandsanleihen. Die gegenseitige Nähe der Banken und staatlicher Stellen erwies sich erneut als Standortvorteil des Berliner Platzes.125 Während des Ersten Weltkrieges und der Inflationszeit dehnte sie ihre Geschäftstätigkeit aus. Sie nahm Depositen der privaten Banken und Sparkassen entgegen und vermittelte diese als Kreditorengelder über den Berliner Geldmarkt, an dem sie ein bedeutender Marktteilnehmer war.126 Des weiteren trat sie in direkte Kreditbeziehung zu einzelnen Landesgebieten, Gewerbezweigen und Unternehmungen.127 Zunehmend entwickelte sie sich auch zu einer Bank für die Privatkundschaft, die in der Zeit der Inflation Depositengelder bei der Staatsbank anlegte und Börsengeschäfte abwickelte.128 Im nationalsozialistischen Staat war die Preußische Staatsbank für die Durchführung der Umschuldung der deutschen Gemeinden verantwortlich. Außerdem gewährte sie Zwischenkredite für die Durchführung des Siedlungsprogrammes, das über die Deutsche Landesrentenbank langfristig finanziert wurde. Die Funktion eines Zwischenkreditinstitutes nahm sie auch bei der Finanzierung der drei Arbeitsbeschaffungsprogramme des Staates wahr.129

123

Vgl. Riderer (1932), S. 15, 22. Vgl. Riderer (1932), S. 39. Beispielsweise vermittelte die Seehandlung für die Finanzierung der Rationalisierung staatseigener Betriebe 1926 eine 20-Millionen-Dollaranleihe mit einer Laufzeit von 25 Jahren an Preußen. Die Transaktion wurde über ein amerikanisch-holländisches Bankenkonsortium unter Führung der Investmentbank Harris Forbes & Co. durchgeführt. Vgl. Riderer (1932), S. 41; Volkmann (1977), S. 58. 126 Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 145. 127 Vgl. Riderer (1932), S. 17. 128 Vgl. Riderer (1932), S. 22. 129 Vgl. Ockermüller (1943), S. 38. 124 125

1914-1945

149

4.3.3.3 Die Weiterentwicklung der Deutschen Reichsbank und ihrer Tochterbanken Die Deutsche Reichsbank veränderte in diesem Zeitabschnitt einerseits ihre organisatorische Stellung innerhalb des Deutschen Reiches und damit verbunden ihre Tätigkeitsschwerpunkte, andererseits ihre eigene organisatorische Struktur durch die Gründung von vier Tochterfirmen. Hatte die Reichsbank bis 1924 den Charakter einer Reichsbehörde und stand unter der Aufsicht des Reiches, so veränderte sich ihre Stellung nach Beendigung der Inflation. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Reparationen im Rahmen des DawesPlanes erhielt sie die formelle Unabhängigkeit vom Staat. In der Folgezeit entwickelte sich die Reichsbank zunehmend zur Bank der Banken. Ihre größte Bedeutung als Liquiditäts- und Reservebank erlangte sie in den Notzeiten der Inflation und der Bankenkrise. Dabei erwiesen sich die vorhandenen Lokalisationsvorteile des Bankplatzes Berlin als vorteilhaft. Die Zentralen der in Berlin ansässigen Banken konnten leicht und schnell in Kontakt zur Reichsbank treten, um Veränderungen in der Kredit- und Liquiditätspolitik der Reichsbank zu erwirken.130 Jahr 1913 1920 1924 1939

Reichshauptbank in Berlin Umsatzanteil Beschäftigte 39,2 % 931 75,3 % 2.369 42,3 % 3.325 54,7 % --

Zweiganstalten Umsatzanteil Beschäftigte 60,8 % 2.777 24,7 % 3.442 57,7 % 6.070 45,3 % --

Tabelle 38: Entwicklung der Umsatzanteile und der Beschäftigten Personen der Hauptgeschäftsstelle der Reichshauptbank in Berlin im Vergleich zu den Zweiganstalten Quelle: Weber (1957), S. 118, S. 119.

Des weiteren stand sie als zentrales Giro- und Abrechnungsinstitut mit allen Banken bzw. mit den Spitzeninstituten der jeweiligen Bankengruppen in Verbindung, die am Bankplatz Berlin ansässig waren. Dadurch blieb der Bankplatz Berlin auch für die Reichsbank der bedeutendste Geschäftsplatz im Land. Mehr als zwei Fünftel ihrer Umsätze entfielen auf die Hauptgeschäftsstelle der Reichsbank in Berlin, wo mehr als die Hälfte des Gesamtpersonals arbeitete.131 Durch die Verkürzung der Überweisungslaufzeiten infolge der Einführung des sogenannten Platzeilavisverkehrs 1920 und des telegrafischen Giroverkehrs 1926 erlangte die Reichsbank wesentliche Wettbewerbs130

Vgl. Weber (1957), S. 125. Die Haltung der Reichsbank während der Bankenkrise ist jedoch nicht unumstritten. Vgl. James (2002), S. 177ff. 131 Vgl. Weber (1957), S. 118f.

150

Kapitel III

vorteile gegenüber der Bank des Berliner Kassenvereins in der Durchführung des Giroverkehrs.132 Mit Beginn der Machtübernahme der Nationalsozialisten entwickelte sich die Reichsbank stärker zur Bank des Staates. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag nun in der Kontrolle der Umsetzung der Verwaltungsanordnungen, der Bankenaufsicht und der Lenkung der Auslandskredite. 1937 wurde die Reichsbank wieder direkt der Deutschen Reichsregierung unterstellt und zur Finanzierung des Krieges instrumentalisiert.133 Der Bankplatz Berlin verlor dadurch die Eigenständigkeit eines wichtigen Marktteilnehmers und somit auch an Reputation. Zur Unterstützung der Reichsbank wurden in den 1930er Jahren verschiedene Tochteranstalten gegründet. Zur besseren Planung und Lenkung des Devisenverkehrs gründete man am 9. Juni 1933 die Konversionskasse für deutsche Auslandsschulden. Ohnehin war infolge der Bankenkrise der Devisenverkehr bereits 1931 bei der Reichsbank zentralisiert worden.134 Da sich die Devisenlage weiter verschlechtert hatte, sollte die Konversionskasse die Zahlungsverbindlichkeiten auf eine neue Grundlage stellen, in dem sie gegenüber dem ausländischen Gläubiger als neuer Schuldner auftrat. Im Vorfeld hatte der frühere inländische Schuldner seine Forderungen und Verbindlichkeiten auf die Konversionskasse zu übertragen.135 Am 16. Oktober 1934 wurde die Deutsche Verrechnungskasse als weitere Tochteranstalt der Deutschen Reichsbank errichtet. Ihre Aufgabe bestand in der Führung von Verrechnungskonten, die im Rahmen von Verrechnungsabkommen mit ausländischen Regierungen, Zentralnotenbanken und Clearingämtern notwendig wurden. Infolge des Krieges und der damit verbundenen Einschränkung des deutschen Außenhandels ging ihre Geschäftstätigkeit zurück.136 Zusätzlich wurden die Reichskreditkassen seit 1940 gegründet. Ihre Aufgabe bestand in der Versorgung der deutschen Truppen und der Behörden in den besetzten Gebieten mit Geld, wozu ersatzweise die Reichskreditkassenscheine ausgegeben wurden.137 132

Vgl. Weber (1957), S. 122. Vgl. dazu Wanner (1992), S. 362f. Vgl. Weber (1957), S. 125. 135 Vgl. Ockermüller (1943), S. 18f.; Speer (1935-38), S. 332. 136 Vgl. Ockermüller (1943), S. 20f.; Speer (1935-38), S. 332. 137 Vgl. Ockermüller (1943), S. 24. 133 134

1914-1945

151

Die Deutsche Golddiskontbank, bereits 1924 als Tochteranstalt der Deutschen Reichsbank gegründet, war zunächst für jene Aufgaben zuständig, die der Deutschen Reichsbank selbst aufgrund von Liquiditäts- und Kreditrisiken nicht unmittelbar gestattet waren. Anfänglich als Zweckbank zur Überwindung der Inflation konzipiert, wurde sie später ebenfalls in die Abwicklung der deutschen Auslandsverpflichtungen involviert.138

4.3.4 Organisatorische und kreditrisikorelevante Veränderungen bei der Berliner Sparkasse Für die Berliner Sparkasse ergaben sich zunächst aufgrund der Schaffung des einheitlichen Wirtschaftsraumes Groß-Berlin organisatorische Veränderungen. Mit dem Groß-Berlin-Gesetz von 1920 hatte die Stadtverordnetenversammlung auch die Zusammenlegung der in diesem Wirtschaftsraum tätigen Sparkassen beschlossen, so daß die 14 Vorort-Sparkassen in die Berliner Sparkasse eingegliedert wurden.139 In der Gegenüberstellung der Spareinlagen der einzelnen Sparkassen zeigt sich ein deutliches Übergewicht der alten Berliner Sparkasse. Mehr als die Hälfte der Einlagen und der Sparbücher entfielen auf sie.140 Eine weitere organisatorische Veränderung war die Gründung einer Girozentrale für die Stadt Berlin, worin sich erneut das Vordringen des staatlichen Bankensektors zeigt. Die neugegründete Girozentrale gehörte organisatorisch als Abteilung B zur Sparkasse Berlin. Auf diese Abteilung B wurde die Abwicklung des kommunalen Giro- und Effektenverkehrs für das Berliner Stadtgebiet übertragen, eine Aufgabe, die bislang von der Girozentrale der Provinz Brandenburg durchgeführt wurde.141 Die Berliner Sparkasse selbst widmete sich als Abteilung A dem allgemeinen Sparverkehr und seit April 1921 infolge des Erlasses zur Erweiterung der Geschäftstätigkeit der Sparkassen auch anderen Bankgeschäften wie zum Beispiel dem An- und Verkauf von Wertpapieren auf fremde Rechnung und dem Devisenverkehr.142 Durch dieses Gesetz entwickelten sich die Sparkassen weiter zu Universalbanken und drangen in angestammte Geschäftsfelder des privaten Bankgewerbes vor. Im Ergebnis dessen verschärfte sich der Wettbewerb zwischen den Instituten.143 138

Vgl. ders., S. 21ff. Vgl. Krafft (1968), S. 127. Vgl. ders., S. 129. 141 Vgl. Krafft (1968), S. 128. 142 Vgl. Murko (1934), S. 177ff.; Born (1967), S. 26. 143 Vgl. Murko (1934), S. 177-196. 139 140

Kapitel III

152

Sparkasse Berlin Charlottenburg Neukölln Schöneberg Lichtenberg Wilmersdorf Steglitz Lichterfelde Spandau Pankow Reinickendorf Tegel Treptow Cöpenick Weißensee Summe

Einlagen in Mark per 31.12.1920 1.092.979.452 222.469.716 103.776.175 170.967.043 53.844.958 57.364.726 23.913.904. 3.602.863 65.973.210 21.346.935 18.170.744 1.826.659 2.485.065 11.374.285 14.484.178 1.864.579.914

Anzahl Sparbücher 1.123.755 195.731 136.384 173.581 52.378 49.945 23.253 4.223 66.736 22.234 19.482 1.150 1.356 18.317 15.377 1.903.902

Tabelle 39: Einlagenhöhe der in die neue Berliner Sparkasse integrierten Sparkassen Quelle: Krafft (1968), S. 129.

Reichsmark

Wie stark sich gerade am Bankplatz Berlin die Konkurrenz um Einlagen gestaltete, zeigt die Entwicklung der Einlagen je Sparbuch und je Einwohner bei der Berliner Sparkasse im Vergleich zur Entwicklung bei allen deutschen Sparkassen. Wie bereits in der Vorperiode blieben die Durchschnittswerte der Berliner Sparkasse hinter den Werten der übrigen Sparkassen zurück.

350 300 250 200 150 100 50 0

DS. Spareinlage je Einwohner Berlin DS. Spareinlage je Einwohner Deutschland

1913

1924/25

1930

1931

Jahr

Abbildung 3: Durchschnittliche Spareinlage der Berliner Sparkasse je Einwohner im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt Quelle: Krafft (1968).

1914-1945

153

Die absolute Einlagenentwicklung der Berliner Sparkasse vollzog sich vor dem Hintergrund des Krieges und der Inflation. Sparfähigkeit und Sparwilligkeit der gesamten Bevölkerung in Deutschland hatten dadurch stark abgenommen. Das Sparvolumen des Jahres 1925 hatte dieselbe Höhe wie 1872. Nur allmählich konnte das Spareinlagevolumen wieder erhöht werden.144

Reichsmark

Als Großstadt-Sparkasse war die Berliner Sparkasse von den Abzügen der Einlagen während der Bankenkrise besonders hart betroffen. Im Krisenjahr 1931 standen den Auszahlungen in Höhe von 364 Millionen Reichsmark nur 242 Millionen Reichsmark an Einzahlungen gegenüber. Allein am 13. Juli 1931, dem großen Bankenrun, zahlte die Berliner Sparkasse sieben Millionen Reichsmark aus. Insgesamt gingen die Einlagen von 1931 bis 1932 um nahezu ein Viertel zurück. Mehr als die Hälfte des Spareinlagenabflusses finanzierte die Sparkasse aus eigenen Mitteln, dann nahm sie die Akzeptkredite der Akzept- und Garantiebank in Anspruch.145

900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

DS. Spareinlage je Buch Berlin DS. Spareinlage je Buch Deutschland

1913

1924/25

1930

1931

Jahr

Abbildung 4: Durchschnittliche Spareinlage der Berliner Sparkasse je Buch im Vergleich zum gesamtdeutschen Durchschnitt Quelle: Krafft (1968).

144 145

Vgl. Krafft (1968), S. 126f. Vgl. ders., S. 146f.

Kapitel III

154

Während der Herrschaftszeit der Nationalsozialisten stiegen die Einlagen stark an. Das begrenzte Angebot von Konsumgütern drängte die Einwohner Berlins zum Sparen. Die Sparkassen investierten diese Gelder in Reichsanleihen, die der Kriegsfinanzierung dienten, da auch ihnen andere Geldanlagemöglichkeiten verwehrt waren.146 In den Jahren zuvor konnte sich die Berliner Sparkasse statt dessen dem Hypothekengeschäft widmen, in dem sie entweder Kredite für den Wohnungsbau direkt vergab oder in Pfandbriefe investierte. Allein in den Jahren von 1928 bis 1931 vergab sie Hypothekendarlehen für den Bau von rund 15.000 Wohnungen.147

Millionen Reichsmark

3500

3100

3000

2600

2500 2000

Spareinlagen Berlin

1500 1000 500 0

745

479

376

1930

1931

16,9 1924/25

1938

1943/44

Apr 45

Jahr

Abbildung 5: Entwicklung des Einlagenbestandes der Berliner Sparkasse seit der Inflation Quelle: Krafft (1968).

Im Zusammenhang mit der Gründung der Abteilung B der Berliner Sparkasse und ihrer Funktion als Girozentrale ergab sich für den Bankplatz Berlin eine weitere organisatorische Veränderung, deren Realisierung umstritten war, letztlich ein hohes Risikopotential verursachte und Parallelen zur Gründung der Berliner Bankgesellschaft zeigt.148 Im Mai 1925 wurde die Abteilung B auf die neu gegründete Berliner Stadtbank-Girozentrale überführt.

146

Vgl. ders., S. 161. Vgl. ders., S. 141. 148 Vgl. Kapitel III, Abschnitte 6.4.3.3 und 6.4.4 dieser Arbeit. 147

1914-1945

155

Es war eine Arbeitsteilung zwischen der Sparkasse und der Stadtbank vorgesehen. Während sich die Berliner Sparkasse auf den Sparverkehr und das langfristige Kreditgeschäft konzentrierte, sollte sich die Berliner Stadtbank-Girozentrale mit dem kurzund mittelfristigen Kreditgeschäft und der Abwicklung des kommunalen Giro- und Effektenverkehrs beschäftigen und auf diese Weise ihrer Funktion als Girozentrale für die Berliner Sparkasse gerecht werden. Die Stadtbank betrieb darüber hinaus auch das Depositen- und Devisengeschäft und diente der Stadt Berlin bei der Unterbringung der Stadt- und Kommunalanleihen. Das Stammkapital der Stadtbank wurde von der Stadt Berlin mit fünf Millionen Reichsmark zur Verfügung gestellt. Die Stadtbank entwickelte sich anfänglich sehr gut. Ihre Depositeneinlagen stiegen bis 1926 auf fast 57 Millionen Reichsmark. Das Bilanzvolumen betrug Ende 1927 bereits 168 Millionen Reichsmark.149 Mit einer Bilanzsumme von 790 Millionen Reichsmark im Jahr 1939 übertraf die Stadtbank sogar die Bilanzsummen der Berliner Handelsgesellschaft und der Reichskreditgesellschaft.150 Die Sicherheit der Bank war jedoch aufgrund der geringen Eigenkapitalausstattung von Anfang an bedenklich. Die Unbeschränktheit ihrer bankgeschäftlichen Tätigkeit wurde darum häufig kritisiert. Aus Sicht der Berliner Handelskammer, die sich bereits 1924 gegen die Umwandlung der Abteilung B der Sparkasse in eine Stadtbank aussprach, bestand keine Notwendigkeit für die Schaffung eines solchen Instituts. Vielmehr erhob sie Einspruch aufgrund der „unbegrenzten Haftung der Berliner Steuerzahler für die Verbindlichkeiten und die etwaigen Verluste“ dieser Bank.151 Erste Verluste der Stadtbank entstanden im Rahmen einer Kreditgewährung an die Gebrüder Sklarek, die sich als kreditunwürdige und betrügerische Lieferanten städtischer Gesellschaften entpuppten. Die Stadtbankdirektoren hatten ihnen vorschnell und leichtfertig Kredit vergeben, dessen Prüfung und Überwachung völlig unzureichend war. Im Geschäftsbericht der Stadtbank von 1929 wurde das „Sklarek-Risiko“ bei Annahme einer Konkursquote von 10% auf neun Millionen Reichsmark geschätzt. Mit rund zwei Millionen Reichsmark aus dem Vermögen der Stadtbank und mit rund sieben Millionen Reichsmark von der Stadt, und damit letztlich vom Steuerzahler, wurde dieser Verlust gedeckt. Dieser Skandal und der daraus resultierende Verlust für die Stadtbank belasteten sowohl die Bank als auch den Bankplatz Berlin in seiner Reputation. Die Stadtbankdirektoren mußten sich als „Opfer ihrer geschäftlichen Eitelkeit“ dafür verantworten.152

149

Vgl. Krafft (1968), S. 131f. Vgl. Weber (1957), S. 115. 151 Vgl. Krafft (1968), S. 135. 152 Vgl. ders., S. 133ff. 150

Kapitel III

156

4.3.5 Die Konzentration der Realkreditinstitute am Bankplatz Berlin Die institutionelle Vielfalt der Organisation des Realkredits hat in dieser Phase zugenommen. Neben den Land- und Stadtschaften als älteste Kreditinstitute des langfristigen Kredits waren die privaten Hypothekenbanken die bedeutendsten Anbieter von Realkrediten. Zusätzlich drangen der öffentlich-rechtliche und der genossenschaftliche Bankensektor durch die Gründung eigener Institute in diesen Geschäftszweig ein. Zum Ende des Jahres 1916 waren in Deutschland 37 private Hypothekenbanken aktiv. Von ihnen hatten sechs Institute ihren Sitz in Berlin. Sie vereinigten etwas mehr als ein Fünftel der gesamten Hypothekendarlehen, der umlaufenden Pfandbriefe und des Hypothekenbankaktienkapitals auf sich.153 Institut 37 Hypothekenbanken

Preuß. Central-Bodenkredit-AG Preuß. Bodenkredit-Aktienbank Preuß. Hypotheken-Aktienbank Preuß. Pfandbriefbank Deutsche Hypothekenbank Berliner Hypothekenbank Summe Berliner Hypothekenbanken prozentualer Anteil

Hypothekendarlehen 11.413,3 812,5 447,3 360,7 340,7 287,7 255,6 2.504,5 21,9%

Pfandbriefumlauf

Aktienkapital

in Millionen Mark 10.950,0 782,8 416,7 316,0 329,7 275,9 237,2 2.358,3 21,5%

883,4 44,4 30,0 50,5 24,0 18,0 22,7 189,6 21,5%

Tabelle 40: Anteil der Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen, des Pfandbriefumlaufes und des Aktienkapitals im Jahr 1916 Quelle: Weber (1957), S. 109.

Aufgrund von Fusionen und Übernahmen reduzierte sich deutschlandweit die Zahl der Hypothekenbanken.154 1945 gab es noch 30 private Hypothekenbanken. Am Bankplatz Berlin hatte sich der Kreis der Hypothekenbanken dadurch auf vier Institute reduziert. Zu diesen Instituten zählten mit der Deutschen Genossenschaftsbank Hypothekenbank AG (DG Hyp) und der Deutschen Wohnstätten-Hypothekenbank AG auch die vom genossenschaftlichen und vom öffentlich-rechtlichen Bankensektor neugegründeten Realkreditinstitute.155

153

Weber (1957), S. 109. Zuvor hatten die Hypothekenbanken versucht, sich im Rahmen von Interessengruppen kapitalmäßig zu konzentrieren und zu arbeiten. Vgl. Strauß (1928), S. 116ff. 155 Beide Realkreditinstitute waren zwei von insgesamt sieben zwischen den Weltkriegen erfolgten Neugründungen im Hypothekenbankbereich, die der dritten Gründungswelle zugeordnet werden. Vgl. dazu Goedecke/Kerl (1990), S. 30ff. Im Rahmen dieser Arbeit werden die o.g. Banken aufgrund ihrer privatrechtlichen Gesellschaftsform den privaten Hypothekenbanken subsumiert. 154

1914-1945

157

Wegen der lokalen Nähe zu ihren Gründungsträgern, den vielfältigen Geschäftsmöglichkeiten am Bankplatz Berlin sowie der besseren Absatzmöglichkeiten ihrer Pfandbriefe über die Berliner Börse siedelten sich beide Hypothekenbanken in Berlin an. Die DG Hyp AG wurde 1921 vom Spitzeninstitut des genossenschaftlichen Bankensektors, der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse, gegründet. Gründungszweck war die Gewährung von Realkrediten an die Bevölkerung, Gemeinden und die mittelständische Wirtschaft. Da die privaten Hypothekenbanken sich dieser Kundengruppen wegen der geringeren Losgrößen nicht bzw. selten annahmen, hatte sich eine Mangelsituation entwickelt, die durch das Wirken der DG Hyp beseitigt werden sollte. Darüber hinaus sollte die DG Hyp im Rahmen dieser Ausleihungen der Verfeinerung des Geldausgleichs innerhalb des genossenschaftlichen Kreditsektors dienen.156 Die Deutsche Wohnstätten-Hypothekenbank AG wurde 1924 durch die ebenfalls am Bankplatz Berlin ansässige und sich im Besitz des Reiches befindliche Deutsche Bauund Bodenbank AG gegründet. Die Deutsche Wohnstätten-Hypothekenbank AG hatte bei der Finanzierung von Kleinwohnungen mitzuwirken, wodurch sie zum Erfüllungsgehilfen der Umsetzung der Wohnungspolitik des Reiches wurde.157 Neben diesen zwei neugegründeten Hypothekenbanken waren mit der Deutschen Centralbodenkredit AG und der Deutschen Hypothekenbank AG bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zwei weitere private Hypothekenbanken in Berlin ansässig. Die bedeutendere von ihnen war die Deutsche Centralbodenkredit AG, die die größte Hypothekenbank in Deutschland war. Sie entstand 1930 aus der Fusion von vier bereits am Bankplatz Berlin ansässigen Hypothekenbanken und einem auswärtigen Institut. Nachdem die Preußische Central-Bodenkredit-AG bereits 1929 die Preußische Hypotheken-Aktienbank übernommen hatte, fusionierte sie 1930 mit der Preußischen Bodenkredit-Aktienbank, der Preußischen Pfandbriefbank und der Schlesischen BodenCredit-Aktienbank aus Breslau zur Deutschen Centralbodenkredit AG.158 Die zum Anfang der betrachteten Periode noch in Berlin ansässige Berliner Hypothekenbank159 wurde 1935 von der Rheinischen Hypothekenbank, die ihren Sitz in Mannheim hatte, übernommen und von dieser in eine Niederlassung umgewandelt. Ziel der Rheinischen Hypothekenbank war es, durch diese Fusion ihre norddeutschen Interes-

156

Vgl. Schmuck (1971), S. 11f.; Faust (1967), S. 105. Goedecke/Kerl (1990), S. 32. 158 Vgl. Weber (1957), S. 111. 159 Ehemals Pommersche Hypotheken-Actien-Bank, Köslin. 157

Kapitel III

158

sen im Hypotheken- und Pfandbriefgeschäft auszubauen und diese von Berlin aus abzuwickeln.160 Die vier Berliner Hypothekenbanken zogen rund ein Fünftel des gesamtdeutschen Hypothekenbestandes und des Pfandbriefumlaufes auf sich. Allein auf die Deutsche Centralbodenkredit AG entfiel ein Anteil von ca. einem Sechstel. Für die Gruppe der Hypothekenbanken ist somit ebenfalls eine lokale und kapitalmäßige Konzentration auf den Bankplatz Berlin festzustellen, hierbei sogar auf nur ein Institut. Institut 30 Hypothekenbanken Deutsche Centralbodenkredit Deutsche Hypothekenbank DG Hyp Deutsche Wohnstätten-Hypothekenbank Berliner Hypothekenbanken prozentualer Anteil

Hypothekendarlehen Pfandbriefumlauf in Millionen Mark 5.964,9 5.793,9 1.041,1 999,3 109,6 105,6 35,1 24,5 39,7 38,6 1.225,5 1.168 20,5% 20,2%

Tabelle 41: Anteil der Berliner Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen, des Pfandbriefumlaufes und des Aktienkapitals im Jahr 1936 Quelle: Weber (1957), S. 112/113.

Im Vergleich dazu fiel die lokale Konzentration der Hypothekenbanken und ihrer Geschäftstätigkeit auf den Bankplatz Baden-Württemberg mit knapp 8% wesentlich geringer aus. Auf den Bankplatz München entfielen ebenfalls nahezu 20% Marktanteil, der jedoch von mehr als nur vier Instituten realisiert wurde. Die lokale Konzentration der Hypothekenbanken auf den Bankplatz Berlin nimmt zwar nicht jene Dimensionen an, die bei den Berliner Großbanken vorzufinden waren, dennoch kann in dieser Arbeit die Aussage von WEBER, daß es keine lokale und kapitalmäßige Konzentration im Hypothekenbankbereich auf den Bankplatz Berlin gibt, nicht unterstützt werden.161

160 161

Vgl. Wolf (1996a), S. 32. Vgl. Weber (1957), S. 110. Weber führt die Eigenart des Realkreditgeschäftes, die eine enge Verbindung zwischen Darlehensgeber und Beleihungsobjekt erfordert, als Grund für eine fehlende Zentralisierungstendenz an.

1914-1945

Institut 37 Hypothekenbanken Deutschland Bayerische Vereinsbank München Bayerische Handelsbank München Vereinsbank Nürnberg Bayerische Vereinsbankgruppe Bayerische Hypotheken- und Wechselbank München Bayerische Bodencreditanstalt Würzburg Süddeutsche Bodenkreditanstalt München Bayerische Landwirtschaftsbank München Summe gesamt prozentualer Anteil

159

Hypothekendarlehen

Pfandbriefumlauf in Millionen Mark 11.413,3 10.950,0 390,5 382,7 289,2 283,1 100,6 100,0 780,3 765,8 704,7 704,7 31,1 29,9 336,6 326,3 105,8 192,8 1.958,5 2.019,5 17,2% 18,4%

Tabelle 42: Anteil der bayerischen Hypothekenbanken am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen und des Pfandbriefumlaufes 1936 Quelle: Weber (1957), S. 112/113. Institut 37 Hypothekenbanken Deutschland Rheinische Hypothekenbank Mannheim Württembergische Hypothekenbank Stuttgart Württembergischer Kreditverein Stuttgart Pfälzische Hypothekenbank Ludwigshafen Summe prozentualer Anteil

Hypothekendarlehen

Pfandbriefumlauf in Millionen Mark 11.413,3 10.950,0 395,9 401,3 177,9 168,4 101,7 99,6 196,4 192,8 871,9 862,1 7,6% 7,9%

Tabelle 43: Anteil der Hypothekenbanken in Baden und Württemberg am Gesamtbestand der Hypothekendarlehen und des Pfandbriefumlaufes 1936 Quelle: Weber (1957), S. 112/113.

Wie stark die lokale Konzentration der Hypothekenbanken auf den Bankplatz Berlin war, zeigt auch die regionale Verteilung des Bestandes an Deckungshypotheken. So entfiel Ende 1941 ca. ein Drittel aller Deckungshypotheken der Rheinischen Hypothekenbank auf Berlin.162 Insgesamt unterhielten 12 auswärtige Institute eine Niederlassung in Berlin mit einem ausgeprägten Beleihungsgeschäft in der Stadt.163 Mit der Preußischen Central-Landschaft und der Preußischen Zentral-Stadtschaft waren zwei Zentralinstitute des öffentlich-rechtlichen Realkredites am Bankplatz Berlin ansässig. Durch ihre Tätigkeit als Liquiditätsausgleichsstelle und als Emissions- und Refinanzierungshaus für die land- und stadtschaftlichen Provinzinstitute war der Bankplatz Berlin auch im kleinvolumigen Realkreditbereich mit allen Teilen des Landes verbunden. 162 163

Vgl. Wolf (1996a), S. 34. Vgl. Weber (1957), S. 112f.

160

Kapitel III

Die Preußische Central-Landschaft war Träger des landwirtschaftlichen Realkredites. Das Institut ergänzte durch die Ausgabe eines zentralen Pfandbriefes die Emissionstätigkeit der einzelnen Landschaften. Darüber hinaus war die Central-Landschaft für den Liquiditätsausgleich der Landschaften und der landschaftlichen Kreditbanken, die von den Landschaften gegründet worden waren, zuständig. Der Gesamtbestand der Deckungshypotheken aller Landschaften betrug 1935 etwa eine Milliarde Reichsmark.164 Dagegen fungierte die Preußische Zentralstadtschaft als Spitzeninstitut der in den preußischen Provinzen etablierten Stadtschaften, die sich auf die Finanzierung des kleinen Grundbesitzes im städtischen Bereich konzentrierten. Die Refinanzierung erfolgte ausschließlich über die Preußische Zentralstadtschaft, die entsprechende Zentralstadtschaftsbriefe emittierte. Der Gesamtumlauf an Zentralstadtschaftsbriefen betrug Ende 1934 nahezu 260 Millionen Reichsmark. 165 Lediglich zwei Berliner Institute emittierten ihre Pfandbriefe als Stadtschaftsinstitut weiterhin selbständig; zum einen das Berliner Pfandbriefamt, das sich auf das erstrangige Hypothekengeschäft konzentrierte, zum anderen der Berliner Hypothekenbankverein, der sich auf die Beleihungen im zweiten Grundbruchrang spezialisiert hatte.166 Die Geschäftstätigkeit der Realkreditinstitute war während der Zeit zwischen den Kriegen eingeschränkt. Krieg und Inflation hatten hohe Wertberichtigungen zur Folge, die das Vermögen der Institute stark reduzierten. Seit 1925 stieg die Hypothekennachfrage aufgrund des starken Nachholbedarfes an. Wegen der zunehmenden Konkurrenz der Institute, insbesondere der Hypothekenbanken untereinander, sowie der Konkurrenz, die durch das Eindringen öffentlich-rechtlicher Institute in den Bereich des Realkredits entstand, wandten sich die privaten Hypothekenbanken neuen Geschäftsfeldern, wie der gewerbliche Beleihung und dem Kommunaldarlehen, zu. Die Depressionszeit und die Bankenkrise beeinträchtigten die Realkreditinstitute weniger, da sie sich weitestgehend fristenkongruent refinanziert hatten. Es kam jedoch kaum zu Neugeschäft.167 Während der Zeit des Nationalsozialismus war es den Realkreditinstituten nicht möglich, ihr Geschäft nennenswert auszudehnen. Einerseits war die Refinanzierung über Pfandbriefe aufgrund des Emissionsverbotes nicht mehr möglich, andererseits schränkte das Reichserbhofgesetz die Beleihung von Objekten ein. Erst 1942 brachte die Hauszinssteuerabgeltung ein neues Betätigungsfeld für die Hypothekenbanken. 164

Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 147f. Vgl. ders., S. 148f. 166 Vgl. ders., S. 148f. 167 Vgl. Goedecke/Kerl/Scholz (1997), S. 41f; Wolf (1996a), S. 31. 165

1914-1945

161

4.3.6 Die genossenschaftliche Bankengruppe am Bankplatz Berlin Die genossenschaftliche Bankengruppe bestand am Bankplatz Berlin zum Ende der hier betrachteten Periode aus 30 gewerblichen Primärgenossenschaften, über deren einzelne Entwicklung relativ wenig bekannt ist.168 Darüber hinaus waren in Berlin mit der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse und der Deutschen Genossenschaftshypothekenbank zwei Spitzeninstitute dieser Bankengruppe präsent. Die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse ging 1932 aus der bereits 1895 durch den Preußischen Staat gegründeten Preußischen Zentral-Genossenschaftskasse hervor. Als Spitzeninstitut nahm sie die Funktion einer Liquiditätsausgleichsstelle zwischen den einzelnen Volks- und Raiffeisenbanken wahr. Während des Krieges war sie mitverantwortlich für die Unterbringung von Kriegsanleihen. Nach der Inflation verantwortete sie die Deckung des Kreditbedarfs der Genossenschaften. Dazu nahm sie selbst den Kredit der Deutschen Rentenbank-Kreditanstalt und der Reichsbank in Anspruch. Die Deutsche Zentralgenossenschaftskasse war insbesondere für das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen die alleinige Zentralbank.169 Neben der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse existierte ein weiteres Institut, das insbesondere den gewerblichen Genossenschaftsbanken die Abwicklung des Giroverkehrs anbot. Bereits 1904 hatte die Dresdner Bank die Deutsche Genossenschaftsbank von Soergel, Parisius & Co. übernommen und als genossenschaftliche Abteilung in ihren Konzern integriert. Zum Zeitpunkt der Bankenkrise hingen 1.300 Genossenschaften von der Dresdner Bank ab.170 Dagegen standen mit der Deutschen Zentralgenossenschaftskasse über die entsprechenden regionalen und Branchenverbände mehr als 40.000 genossenschaftliche Institute in Verbindung.171 Damit war das genossenschaftliche Kreditwesen vor dem Hintergrund des regional bezogenen genossenschaftlichen Förderauftrages institutionell zwar stark dezentralisiert, im Hinblick auf die finanziellen Ströme konzentrierte sich die Institutsgruppe jedoch auf den Bankplatz Berlin. Die Spitzeninstitute spielten dabei eine bedeutende Rolle, da ihnen die Funktion des Liquiditätsausgleiches zufiel. Zur besseren Betreuung der Genossenschaftsbanken im Geschäftsfeld des Realkredites gründete die Deutsche

168

Vgl. Weber (1957), S. 196. Einen kurzen Überblick zur Idee, zur Gründung und Entwicklung der Kreditgenossenschaften in Deutschland gibt u.a. Aschhoff (1973), S. 1-27. 169 Vgl. Kokotkiewicz (1935-38), S. 142f. 170 Vgl. Born (1967), S. 114. 171 Vgl. Weber (1957), S. 129.

162

Kapitel III

Zentralgenossenschaftskasse 1921 die Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG ebenfalls mit Sitz in Berlin.172

4.3.7 Die Auslandsbanken am Bankplatz Berlin Neben den von deutschen Banken gegründeten Überseebanken, die in der Regel ihren Firmensitz am Bankplatz Berlin unterhielten und verschiedene Projekte meist zusammen mit den deutschen Großbanken finanzierten173, waren am Bankplatz Berlin auch Auslandsbanken mit Niederlassungen und Repräsentanzen präsent. Aufgrund des weltweiten ökonomischen Erfolges Deutschlands seit den 1880er Jahren war es für Auslandsbanken attraktiv, in Deutschland deutschen Firmen als auch den Handelspartnern Deutschlands ihre Finanzdienstleistungen zur Verfügung zu stellen. Die Präsenz der Auslandsbanken ist zudem ein weiterer Beleg für die zentrale Rolle, die der Bankplatz Berlin in Deutschland und auch international in Finanzierungsfragen gespielt hat. Die in Berlin angesiedelten Niederlassungen waren oft auch zuständig für weite Teile Nordosteuropas. Im Zusammenhang mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten, spätestens mit Kriegsbeginn 1939 schlossen die Auslandsbanken ihre Niederlassungen sowohl in Berlin als auch in anderen deutschen Städten. Beispielsweise gründete die Citibank 1928 eine Repräsentanz in Berlin, die aufgrund des Krieges 1941 geschlossen wurde.174 Die First National Bank of Boston war seit 1926 mit einem Büro in Berlin vertreten, das bereits 1937 geschlossen wurde.175 Erst Ende der 1950er Jahre ließen sich die Auslandsbanken erneut in Deutschland, nunmehr zumeist in Frankfurt nieder, in Berlin erst seit Mitte der 1960er Jahre.176

172

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 4.3.5 dieser Arbeit. Zur Entwicklung der Auslandsbanken und ihrer Aufgaben vgl. Schück (1931), S. 613ff.; Weber (1957), S. 59ff. 174 Vgl. Schule (1965), S. 589-592. 175 Vgl. o.V. (1975d), S. 939. 176 Vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 5.3.9 dieser Arbeit. 173

1914-1945

163

Institut Banca Commerciale Italiana, Friedrichstr. 103 Banca d’Italia, Unter den Linden 39 Credito Italiano GmbH, Unter den Linden 56 American Express Company mbH, Charlottenstr. 55 First National City Bank of New York

in Berlin seit 1928

First National Bank of Boston The Chase National Bank of the City of New York, Unter den Linden 57 Chase Securities Corporation, Unter den Linden 57 General Mining and Finance Corporation Ld. Behrenstr. 17 Guaranty Trust Company of New York, Unter den Linden 56 H. Hentz & Co., New York Unter den Linden 69 The Moscow Narodny Bank Limited, Kurfürstenstr. 33 Nationale Bank voor Belaste Waarden, Maaßenstr. 31

Heimatland Mailand, Italien Rom, Italien

1921

Rom, Italien

1907

New York, USA

1928

New York, USA

1926

Boston, USA New York, USA New York, USA

1895

Johannesburg, Südafrika New York, USA

1856/ 1929 1919

New York, USA

1909

Moskau, Sowjetunion Amsterdam, Niederlande

Tabelle 44: Die Auslandsbanken in Berlin 1930 Quelle: Deutsches Bankierbuch 1930

4.4

Bedeutungsrückgang der Berliner Börse

Nachdem die Börsen in Deutschland 1914 infolge des Kriegsausbruches geschlossen wurden, konnten sie erst am 3. Dezember 1917 wieder für das Kassageschäft geöffnet werden. Das Verbot des Terminhandels blieb sogar bis zum 1. Oktober 1925 bestehen. Die Berliner Börse konnte nach Beendigung des Ersten Weltkrieges hinsichtlich Umsatz und Anzahl gehandelter Papiere nicht mehr an die Vorkriegsjahre anschließen. Das lag einerseits an den durch den Ersten Weltkrieg, die Bankenkrise und den Zweiten Weltkrieg bedingten Handelseinschränkungen und Schließzeiten der Börse177, an177

Der Erste Weltkrieg setzte die Funktion der Börse außer Kraft. Die Mehrzahl der deutschen Börsenplätze stellte ihren Handel bereits zum 30.07.1914 ein, in Berlin wurde am 29.07.1914 lediglich der Ultimohandel ausgesetzt. Trotz Schließung der Londoner Börse beschloss die Berliner Börse noch am 31.07.1914 ihre Börsenräume offen zu halten, wenngleich keine amtlichen Kurse mehr festgestellt wurden. Dieser Zustand dauerte bis zum 25.11.1918, wobei die eigentliche Wiedereröffnung bereits zum 8. November 1918 erfolgt war. Das Verbot des Terminhandels blieb sogar bis zum 1.10.1925 bestehen. Vgl. Funk (1930), S. 88, Teil I. Wäh-

164

Kapitel III

dererseits an den nach 1933 eingeführten starken Reglementierungen des Börsenhandels im Rahmen der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik. Wurden 1913 an der Berliner Börse nahezu 2000 Anleihen und 1.250 Aktien gehandelt, waren es 1931 nur noch 1700 Anleihen und 900 Aktien. Dagegen waren zu diesem Zeitpunkt an der Londoner Börse etwa 6000 und in Paris etwa 3000 Papiere zum Handel zugelassen.178 Lediglich von 1919 bis 1923, als die Inflation die Spekulation beschleunigte, nahmen die Anzahl der gehandelten Papiere, die Effektenumsätze und die Börsenbesucher an der Berliner Börse zu.179 Nach der Inflation wurden die Nominalbeträge je Aktie herabgesetzt. Diesbezüglich differenzierte sich die Berliner Börse von anderen Börsenplätzen. Für eine Börsenzulassung am Börsenplatz Berlin benötigten die Aktiengesellschaften ein größeres Nominalkapital als an der Frankfurter Börse.180 Den Banken war es in der kurzen Periode zwischen Inflation und Bankenkrise möglich, das Konsortialgeschäft wieder aufzubauen. Auf diese Weise nahmen die Banken erneut ihre Stellung als Effektenbeschaffer für die Berliner Börse ein, so daß sich die in der Vorperiode erfolgreiche symbiotische Zusammenarbeit fortsetzte. Dennoch konnte aufgrund der wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht an die Hoch-Zeiten des Berliner Börsenhandels der Vorkriegsjahre angeschlossen werden. Die Rationalisierungsund Selbstfinanzierungspolitik der Industrie verhinderte die regelmäßige Inanspruchnahme des Kapitalmarktes. Durch die Einbehaltung der Gewinne hatte die Industrie außerdem das Vertrauen der Aktionäre verloren. Zwar konnten sich die Aktienemissionen 1928 noch auf dem Niveau von 1927 halten, sie gingen aber bis 1930 um mehr als die Hälfte zurück.181 Die Emission von Industrieobligationen stellte aufgrund zu hoher Kosten für die Industrie keine Alternative dar, um das Emissionsgeschäft der Banken zu beleben und der Börse neue Effekten zu beschaffen.182 Negativ wirkte sich auch die Kürzung der rend der Bankenkrise blieb die Berliner Börse ebenfalls geschlossen. Erst am 12.04.1932 wurde sie wieder geöffnet. Vgl. Oppermann/Degner (1981), S. 29. Vgl. Prion (1932), S. 8. 179 Betrug die Zahl der Börsenbesucher 1913 in Berlin 3.457, waren es 1922 6.082 und ein Jahr später sogar 6.323 Börsenbesucher. Vgl. Dietzel (1925), S. 41. Eine ausführliche Analyse einzelner Wertpapierarten hinsichtlich Anzahl, Emissionsdaten und Kursbewegungen während der Inflationsperiode bietet Kiehling (1995), S. 67-106. 180 Vgl. Prion (1932), S. 8. 181 1927 waren 1.365 Millionen Aktien begeben worden, 1929 nur noch 963 und 1930 lediglich 559 Millionen Aktien. Da sich der Kapitalmarkt nur in geringem Maße aufnahmefähig zeigte, war bereits in den Jahren zuvor ein Großteil der Aktien im Bestand der Banken verblieben. Diese Finanzierungsstruktur der Wirtschaft führte zu volkswirtschaftlicher Fehlallokation des Kapitals und war mitverantwortlich für die Bankenkrise. Vgl. Haebler (1934), S. 70ff. 182 Vgl. Haebler (1934), S. 71. 178

1914-1945

165

Effektenkreditlinien durch den Reichsbankpräsidenten Schacht im Mai 1927 aus, was zu einem Rückgang der gerade erst belebten Börsenkonjunktur führte.183 Hinzu kam die Möglichkeit der Umsatzkompensation bzw. der Internalisierung der Börsengeschäfte durch die Banken, die auf diese Weise der eigentlichen Börse Teile der Wertpapiernachfrage und des -angebotes und damit der Liquidität entzogen.184 In dem Zusammenhang stellte PRION in seiner Untersuchung 1932 fest, daß die deutschen Börsen nicht dem Idealbild einer Börse entsprachen. Der Anspruch an die Börsen, ein besonderer Markt zu sein, der Kapitalanlage, Kapitalspekulation und Kapitalnachfrage zusammen bringt, war in Deutschland weniger erfüllt als in Großbritannien und Frankreich.185 Seit 1933 konnte dieser Anspruch immer weniger erfüllt werden. Die Zunahme des politischen Einflusses wirkte hemmend auf eine positive Entwicklung. Börsenschließungen, Heimatbörsenprinzip, Einschränkungen und Reglementierungen des Börsenhandels waren keine geeigneten Mittel, die Bedeutung der Berliner Börse national oder gar international als Kapitaldrehscheibe zu stärken. Vielmehr wurde die Berliner Börse zu einem Instrument der staatlichen Kapitallenkung im Rahmen der Kriegsfinanzierung des Staates. Der ordentliche Börsenhandel reduzierte sich dadurch erheblich, er konzentrierte sich auf die Staatsschuldtitel.186 Aufgrund der restriktiven Kapitalmarktgesetze wie zum Beispiel das Anleihestockgesetz und das Emissionsverbot, nahmen Zahl und Vielfalt der Papiere weiterhin ab. Durch die Reform des Aktiengesetzes, die eine Erhöhung des Mindesteigenkapitals und des Mindestnennwertes einer Aktie vorsah, so daß nur noch für die größeren Unternehmen die Rechtsform der Aktiengesellschaft relevant war, reduzierte sich die Anzahl der Aktiengesellschaften um 3.795 Gesellschaften. Damit halbierte sich das an der Berliner Börse notierte Nominalkapital von rund 14 Milliarden 1913 auf 7,5 Milliarden RM 1940.187 Seit März 1937 war sogar die Zulassung von ausländischen Wertpapieren untersagt188 - einer Domäne der Berliner Börse, deren internationale Bedeutung dadurch untergraben wurde. Lediglich die Menge der Reichspapiere stieg aufgrund der anhaltenden Staatsverschuldung und der inflatorischen Geldschöpfung.

183

Am 13.05.1927, dem „Schwarzen Freitag“, wurde die Scheinblüte der 1920er Jahre beendet. Zu den Kapitalmarktbewegungen während der Inflation bis 1927 vgl. ausführlich Kiehling (1991), S. 105-115. Vgl. Prion (1932), S. 4. 185 Vgl. Prion (1932), S. 4. 186 Vgl. Prion (1939), S. 98. Zur Instrumentalisierung der Börse als Mittel zur Finanzierung des Zweiten Weltkrieges vgl. Wanner (1992), S. 362ff. 187 Vgl. Weber (1944), S. 250f. 188 Zur Börsengesetzgebung seit 1933 vgl. ausführlich Henning (1992), S. 270ff. 184

166

Kapitel III

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde die Börse immer mehr reglementiert. Das Börsenprinzip wurde faktisch ad absurdum geführt, in dem das Gebot vom 30. März 1943 den Reichswirtschaftsminister dazu ermächtigte, die Börsenkurse aller börslich und außerbörslich gehandelter Papiere festzustellen.189 Die letzten Kurse an der Berliner Börse wurden am 18. April 1945 notiert.

189

Vgl. Henning (1992), S. 282.

1945-1989

5.

167

Zusammenbruch des Bank- und Börsenplatzes Berlin und sein Rückfall in die Regionalität (1945-1989)

Das Ende des Zweiten Weltkrieges war für Berlin der Beginn einer Epoche, in der sich auf kleinstem Raum jene politische Entwicklung vollzog, die ganz Europa und Deutschland ergriff: die Teilung in Ost und West. Es begann eine mehr als 40 Jahre anhaltende Periode des Kalten Krieges im Rahmen des sich ausprägenden Ost-WestKonfliktes, in dessen Mitte Berlin als Zankapfel und Bollwerk gegen das jeweils andere System lag.1 Weder im westlichen noch im östlichen Teil der Stadt konnte sich ein Bank- und Börsenplatz des alten Formats halten oder neu entwickeln.

5.1

Der Bankplatz Berlin im Spannungsfeld der alliierten Hoheitspolitik

Die zunächst nur von den Sowjets eingenommene Stadt Berlin unterlag den Befehlen und Anordnungen der russischen Stadtkommandantur. Die wesentlichste Anordnung, die das Bankwesen betraf, war der Befehl Nr. 1 vom 28. April 1945, die sogenannte „Ruhensanweisung“. Dadurch wurde die Ausübung aller Bankgeschäfte in Berlin untersagt, Guthaben und Depots wurden gesperrt. Diese Vorgehensweise wurde am 16. Mai 1945 wieder revidiert, aber nur wenige Wochen später am 5. Juni 1945 erließ man eine endgültige Verfügung zur „Neuorganisation des Berliner Bankwesens“. Die Banken mußten erneut schließen. Lediglich die Berliner Sparkasse blieb von der „Ruhens-Anweisung“ ausgenommen. Sie konnte ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen.2 Die „Ruhens-Anweisung“ wurde damit begründet, „... daß für den Neuaufbau innerhalb des Stadtbezirks Berlin der große und weitverzweigte Apparat der vielen verschiedenen Banken zu kompliziert ist. Die meisten Berliner Banken sind zudem die Zentralbanken für ganz Deutschland, also für Gebiete, für die die Stadt Berlin zur Zeit nicht zuständig ist und mit denen sie noch keine Verbindung hat. Für die schnelle und zweckmäßige Versorgung des Wirtschaftsraumes der Stadt Berlin und für die genaue Kontrolle des Zahlungsmittelumlaufs muß das Bankkassenwesen einfach und einheitlich sein.“3

1

Zu Berlin als Druckhebel in der Deutschlandfrage vgl. Küsters (2000), S. 382-388. Vgl. Weber (1957), S. 171f. 3 Vgl. Erste Verordnungsblatt der Stadt Berlin zur Neuorganisation des Berliner Bankwesens vom 5.06.1945; zitiert nach Weber (1957), S. 172. 2

168

Kapitel III

Diese völlige Verkennung der Bedeutung einer bestehenden und gut funktionierenden Finanzinfrastruktur führte zum Zusammenbruch des Bank- und Börsenplatzes Berlin. Die Mehrzahl der Banken, die vor dem Krieg überregional tätig waren, reagierten auf die Ruhens-Anweisung mit einer Verlagerung ihres Sitzes nach Westdeutschland. Diese Entwicklung war bereits vor Kriegsende zu beobachten, so daß die Berliner Banken von den russischen Schließungsanordnungen nicht völlig überrascht wurden. Schon im Jahr 1943, als vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Konferenzen von Jalta und Teheran das Ende des Dritten Reiches und die Aufteilung Deutschlands in Sektoren offenkundig wurde4, verlegten die Mehrzahl der Banken, aber auch die Industrieunternehmen, ihre Zentralen bzw. zentralen Steuerungseinheiten ins westdeutsche Gebiet. Bank- und Industrieunternehmen wollten somit den Folgen einer Besetzung Berlins und der Ostgebiete durch die sowjetische Armee begegnen. Man befürchtete für diesen Fall eine Enteignung und damit die Existenzgefährdung des Unternehmens. Die Streuung von Entscheidungskompetenzen auf verschiedene Leiter von Hauptfilialen in den Westgebieten, „damit diese von sich aus ohne Weisung aus Berlin wirtschaften“5 konnten, war zentraler Punkt der Verlagerungsaktivitäten der Berliner Banken. Zusätzlich errichtete man weitere Verbindungsstellen bzw. Stäbe im Westen Deutschlands und übertrug ihnen zentrale Verwaltungsfunktionen. Beispielsweise errichtete die Deutsche Bank im März 1945 eine Ersatzzentrale in Hamburg.6 Berliner Banken, die ihren Sitz nicht sofort ins westdeutsche Gebiet verlagerten, errichteten zumindest im westlichen Teil der Stadt Berlin eine vorläufige Anlaufstelle.7 So errichtete die Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands GmbH8 1946 eine neue Zentrale zunächst nur in Berlin-Dahlem, obwohl sie auf ihrer Aufsichtsratssitzung im September 1946 feststellte, daß in Berlin leicht eine Situation entstehen könnte, „die es notwendig werden lasse, im Westen eine ständige Vertretung der Gesellschaft zu haben, die unter Umständen ohne Schwierigkeiten in eine Zweigstelle umgewandelt werden könne.“9 Neben der Schließung der Banken sah die Ruhens-Anweisung auch ein Neuzulassungsverbot vor. Ausgenommen davon war die Zulassung der Berliner Stadtbank unmittelbar nach Kriegsende, deren Gründung die russische Stadtkommandantur vor dem 4

Vgl. Walter (2000), S. 211ff. Holtfrerich (1995), S. 418. Vgl. Holtfrerich (1995), S. 422. 7 Die Mehrzahl der Banken konzentrierte sich im Bankenviertel zwischen Brandenburger Tor und Schlossplatz und damit im sowjetisch besetzten Ostteil der Stadt. Zur räumlichen Aufteilung des Bankenviertels vgl. Weber (1957), S. 145-150; Buchheim (2002), 143-156. 8 Spätere Bank für Sozialwirtschaft. 9 Vgl. Morgenstern (1998), S. 78. Trotz dieser Erkenntnis unterhielt die Bank nur ein Treuhandkonto in Köln und unterließ es, aus formal-juristischen Gründen die Anerkennung als verlagertes Institut zu beantragen. Vgl. Morgenstern (1998), S. 108ff. 5 6

1945-1989

169

Hintergrund ihrer Zentralisierungspläne zuließ. Dabei griff man auf den organisatorischen und infrastrukturellen Rahmen der Reichsbank zurück, die zur neuen Berliner Stadtbank bestimmt wurde. Eine direkte Rechtsnachfolge war damit jedoch nicht verbunden.10 Nachdem auch Berlin in vier Sektoren aufgeteilt worden war, bildeten die Alliierten für Berlin die Alliierte Kommandantur, die auf ihrer konstituierenden Sitzung am 11. Juli 1945 beschloß, daß alle zuvor von der sowjetischen Militärregierung getroffenen Anordnungen wirksam blieben.11 Damit fielen die Banken weiterhin unter die Ruhens-Anweisung. Neuzulassungen und Wiedereröffnungen von Banken waren untersagt. Lediglich im Januar 1946 erlaubte man der Berliner Volksbank die Aufnahme der Geschäftstätigkeit, die zwar in den Gebäuden der ruhenden Volksbanken Filialen eröffnete, jedoch nicht die Rechtsnachfolge der geschlossenen Volksbanken antrat.12 Während sich in Westdeutschland das Bankgeschäftsleben trotz Zerschlagung der Berliner Großbanken langsam wieder normalisierte und auch neue Banken zugelassen wurden, blieben in Berlin bis 1949 die Berliner Sparkasse, die Berliner Stadtbank und die Berliner Volksbank die einzigen Kreditinstitute. Sie unterhielten zusammen nur 119 Bankgeschäftsstellen, nachdem es vor dem Krieg mehr als 500 Bankgeschäftsstellen in Berlin gab. Die Zahl der im Bankwesen Beschäftigten sank rapide von 43.000 auf unter 2.000 Personen.13 Die Versorgung der West-Berliner Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen war demzufolge bis März 1949 vollkommen unzureichend. Es fehlten die Einlagen, die als Kredite hätten ausgereicht werden können, es mangelte aber vor allem an Kreditinstituten, die diese Transformationen hätten vornehmen können. Der einst internationale Bank- und Börsenplatz Berlin war in stärkster Form von den Folgen des Krieges und der alliierten Besatzungspolitik betroffen. Die Verlegung der Bankzentralen, mangelnde Geschäftsmöglichkeiten in Berlin und der Fortbestand der „Ruhens-Anweisung“ ließen den Bank- und Börsenplatz Berlin zusammenbrechen. Als weiterer Belastungsfaktor der finanzwirtschaftlichen Seite Berlins kam die Problematik der Inflation hinzu, die, im Dritten Reich aufgestaut, nun offen zu Tage trat. Die Alliierten hatten zur Reform des Geld- und Währungswesens in Deutschland verschiedene Pläne. Nach diversen Verhandlungen zeichnete sich ab, daß es aufgrund unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Vorstellungen der Alliierten keine gesamtdeutsche Währungsreform geben wird.14 Berlin nahm aufgrund seines speziellen politi10

Vgl. Weber (1957), S. 171f. Vgl. Rottmann (1959), S. 11, S. 18ff. 12 Vgl. Berliner Volksbank (1996), S. 2. 13 Vgl. Wolf (1990), S. 118. 14 Einen kurzen Überblick über die Alliierten-Pläne bietet Walter (2000), S. 224ff. 11

170

Kapitel III

schen Status eine besondere Stellung in der Währungsfrage ein. Am 20./21. Juni 1948 wurde die Währungsreform in Westdeutschland durchgeführt, jedoch nicht in den Westsektoren Berlins.15 Am 23. Juni 1948 wurde die D-Mark (Ost) in Ostdeutschland eingeführt und von der sowjetischen Regierung auf Gesamt-Berlin ausgedehnt. Daraufhin führten die Westmächte die D-Mark (West) in den Westsektoren Berlins ein. Es begann eine Zeit des Währungsdualismus, der eine Normalisierung des wirtschaftlichen Lebens in Berlin verhinderte.16 Darüber hinaus begann vor dem Hintergrund der Währungsreform die Berlinblockade17, wodurch sich die psychologischen Vorbehalte gegen die Stadt als Wirtschaftsstandort verstärkten. Die anhaltende politische und wirtschaftliche Unsicherheit führte dazu, daß private Investoren notwendige Investitionen in Berlin nicht vornahmen. Die Trennung der gemeinsamen Finanzverwaltung Berlins im Juli 1948 und die getrennten Wahlen zum Magistrat im Dezember 1948 führten zur endgültigen Teilung der Stadt. Die West-Alliierten entschlossen sich zur Aufgabe des Währungsmischsystems. Die Einführung der D-Mark (West) als alleiniges Zahlungsmittel in West-Berlin erfolgte am 20. März 1949. Parallel dazu errichtete man die Berliner Zentralbank, deren Vorläufer die Währungskommission für Berlin war.18 Der Wiederaufbau eines funktionsfähigen Zentralbanksystems und die endgültige Währungsreform in Berlin stellten wesentliche Voraussetzungen für die wirtschafts-, währungs- und finanzpolitische Eingliederung West-Berlins in das westdeutsche Staatswesen dar.19 Für den Bankplatz Berlin bedeutete dies das Ende einer nahezu vier Jahre anhaltenden Periode, in der ein normales wirtschaftliches Leben nicht möglich war. Mit der Neubzw. Wiederzulassung von Banken in Berlin und der späteren Klärung der Altbankenfrage im Jahr 1953 setzte sich der Prozeß der Normalisierung im Geld- und Kreditwe15

Zur Notwendigkeit und Durchführung der Währungsreform mit ihren flankierenden Maßnahmen wie die Installierung eines neuen Zentralbankwesens vgl. Häuser (1998), S. 25-58. Zu den Besonderheiten der Währungsreform in Berlin vgl. ebd., S. 56-58. Zu Ursachen der Währungsreform und den unterschiedlichen Plänen der Alliierten vgl. auch Buchheim (1988), S. 391-402. 16 Zur Währungsreform in Berlin vgl. ausführlich Wolff (1991). 17 Nachdem der Alliierte Kontrollrat am 20.03.1948 infolge des Auszuges der sowjetischen Vertretung funktionsunfähig geworden war, begannen erste Behinderungen westalliierter Truppentransporte durch die sowjetische Seite. Als die Westalliierten die neue Währung auch in West-Berlin einführten, verhängte die Sowjetunion am 24.06.1948 eine totale Sperre aller Zufahrtswege nach Berlin. Mit dieser Maßnahme sollte der Abzug der Westalliierten aus Berlin erreicht werden. Nach neuerlichen Verhandlungen und Abkommen der vier Mächte endete die Berliner Blockade am 12.05.1949. Vgl. dazu ausführlich Burkert (1998). 18 Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1949), S. 7f. 19 Zum rechtlichen Status West-Berlins und die Einbindung der Stadt in das westdeutsche Staatswesen vgl. ausführlich Dehner (1987), Kapitel C und D.

1945-1989

171

sen Berlins fort.20 Dennoch konnte sich ein Bank- und Börsenplatz des alten Formats nicht mehr etablieren. Trotz der Einbindung West-Berlins in die Gesamtpolitik der im Jahr 1949 gegründeten Bundesrepublik blieben die Vorbehalte gegenüber der Stadt erhalten. Die politische Unsicherheit und die damit verbundene Angst der Übernahme West-Berlins durch sowjetische Kräfte barg ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, dem sich Banken und andere Investoren nicht aussetzen wollten. Die anhaltende Diskussion über eine mögliche Wiedervereinigung Deutschlands und der Neuregelung der Situation Berlins führte zu chronischer Unsicherheit. Die Deutschland- und BerlinFrage, die im November 1958 im Rahmen des Berlin-Ultimatums von Chruschtschow neu aufgeworfen wurde, konnte nicht abschließend geklärt werden.21 Vielmehr zeigte sich wie ungesichert die Situation West-Berlins inmitten der sowjetisch besetzten Zone, aus der 1949 die DDR hervorging, war. Erst mit der in den 1960er Jahren einsetzenden Ost-West-Entspannungspolitik, den Verträgen von Moskau und Warschau im Jahr 1970 und letztlich dem Viermächteabkommen über Berlin von 1971 konnte die Lage in und um Berlin entspannt und stabilisiert werden. Das Viermächteabkommen bekräftigte die Anwesenheit der drei Westmächte in Berlin und versprach Erleichterungen im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin. Dadurch wurde West-Berlin sowohl wirtschaftlich, infrastrukturell und politisch stärker an Westdeutschland gebunden, ohne ein konstitutiver Teil der Bundesrepublik zu sein.22 Des weiteren hatte Berlin für den Wiederaufbau eines Bank- und Börsenplatzes durch die alliierte Politik von 1945 bis 1949 viel Zeit verloren. In den vier Ruhejahren des Bankplatzes Berlin hatten verschiedene ehemalige regionale Finanz-plätze in den Westsektoren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die aus Berlin nach Westdeutschland verlagerten Kreditinstitute hatten sich überwiegend in Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt niedergelassen und dort ihren neuen juristischen Sitz genommen. Auch nach der Klärung der Altbankenfrage verblieb das Haupttätigkeitsgebiet und der erste juristische Sitz in Westdeutschland.

20

Bis 1958 hatten von 156 zugelassenen Altbanken 106 ihre Altbankenrechnung eingereicht. Zur Altbankenregelung und ihre Bedeutung vgl. ausführlich Günzel (1952), S. 585ff.; Robbel (1958), S. 1026-1028. Eine ausführliche Darstellung und Interpretation über die Deutschlandpolitik der Alliierten und ihre Folgen von 1945-1959 bietet Küsters (2000), Kapitel 1, 2, 3. Speziell zum Chruschtschow-Ultimatum vgl. ders., S. 765ff. 22 Zum Viermächteabkommen vgl. ausführlich Geiger (1971), S. 312-320 sowie Bau-meister/Zivier (1973). Vgl. auch Wetzlaugk (1988), S. 80-90. 21

172

5.2

Kapitel III

Die Ablehnung Berlins als Unternehmensstandort

West-Berlin befand sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in einer geografischen Insellage. Die politische und wirtschaftliche Spaltung der Stadt und des Landes hatten zur Folge, daß der westliche und systempolitisch kompatible Teil Deutschlands und Europas als Absatz- und Nachfragemarkt von West-Berlin relativ weit entfernt war. In der Folgezeit führte dieser Umstand zu erheblichen Standortnachteilen in Form von höheren Transport- und Energiekosten. Da die ehemaligen Verbindungen Berlins zu seinem Hinterland nicht mehr bestanden, büßte Berlin seine Funktion als zentraler Ort des Umlandes ein. Zugleich fiel die Provinz als Absatz- und Nachfragemarkt aus. Zudem hatte Berlin seine Rolle als volkswirtschaftliche Steuerungszentrale verloren. Der Verlust der gesamtdeutschen und preußischen Hauptstadtfunktion führte zum Wegfall zahlreicher Arbeitsplätze in den zentralen Verwaltungs- und Regierungsbehörden sowie in den dazugehörigen Dienstleistungsunternehmen. Hatten vor dem Krieg zahlreiche Unternehmen ihren Firmensitz und damit verbunden sämtliche Zentralfunktionen in Berlin angesiedelt, verlegten sie jetzt ihre Zentralen ins westdeutsche Gebiet. Dieser Prozeß hatte bereits in den Jahren 1943/44 begonnen und betraf alle Wirtschaftszweige. Berlin verlor dadurch seine Basis, auf der sich zuvor die von den Agglomerationseffekten ausgehende Sogwirkung entfalten konnte. Darüber hinaus war West-Berlin in stärkerem Maße als Westdeutschland vom Verlust der Produktionskapazitäten durch Kriegseinwirkungen und Demontagen betroffen. Hatten die Demontagen in West-Berlin eine Verlustquote von 67% an industrieller Nettoproduktion hervorgerufen, waren es in Westdeutschland nur 8%.23 Bis 1947 hatte West-Berlin im Vergleich zu 1936 mehr als drei Viertel seiner Industriekapazitäten durch Demontagen verloren.24 Zusätzlich sorgte die geopolitische Insellage für anhaltende psychologische Vorbehalte gegen die Stadt als Unternehmensstandort, die durch die Berliner Blockade, das Chruschtschow-Ultimatum und den Mauerbau noch verschärft wurden. Die schlechteren Ausgangsbedingungen nach dem Krieg und die sich manifestierenden Standortnachteile führten dazu, daß sich in West-Berlin im Vergleich zur Bundesrepublik Wachstums- und strukturelle Defizite der Wirtschaft bildeten. Sie zeigten sich in einer höheren Arbeitslosenquote und einem geringeren Wachstum des Bruttoinlandsproduktes. 23 24

Vgl. Harmssen (1951), S. 13. Die höchste Demontageintensität verzeichnete man im Mai 1945, insbesondere in jenen Stadtteilen, die später den Westmächten zufielen. Vgl. Braun (1988), S. 224, Karlsch (1993), S. 61.

1945-1989

BruttoWestinlandsberlin 25 produkt Bundesrepublik ArbeitsWestlosenberlin 26 quote Bundesrepublik

173

1950 -1960 8,7

1961 -1970 4,2

1971 -1980 1,3

1981 -1990 2,4

1988

1989

1990

3,3

3,6

6,5

8,2

4,5

2,7

2,2

3,7

3,3

4,7

31,2- 3,7

2,2 - 0,6

0,8 - 4,2

5,8 - 9,4

10,8

9,8

9,4

11,0- 1,3

1,0 - 0,7

0,8 - 3,8

5,5 - 7,2

8,7

7,9

7,2

Tabelle 45: Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit in West-Berlin im Vergleich zur Bundesrepublik Quelle: Brenke/Geppert (1992), S. 53.

Lediglich im ersten Nachkriegsjahrzehnt wuchs aufgrund des Basiseffektes das Bruttoinlandsprodukt West-Berlins stärker. Während sich im Bundesgebiet die Wirtschaft relativ schnell von den Kriegsfolgen erholen konnte, war dies in Berlin infolge der politischen Sondersituation nicht möglich. 1950 erreichte die Berliner Produktion erst ein Fünftel der Vorkriegsproduktion, so daß das Volkseinkommen pro Kopf mit 1.400 DM um 10% geringer ausfiel als im Bundesdurchschnitt und sogar um 40% kleiner war als in Hamburg.27 Das stärkere Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt der Betrachtungsperiode beruht insbesondere auf den Effekten, die der Wiedervereinigungsboom generierte. Zum Ausgleich der Standortnachteile begann die Bundesregierung mit der Subventionierung West-Berlins. Die Berlinförderung bestand einerseits aus der Bundeshilfe, andererseits aus zahlreichen steuerlichen und finanziellen Vergünstigungen, die über das Berlin-Fördergesetz geregelt waren.28 Die Bundeshilfe stellte eine jährliche Zahlung an Berlin dar, zu der sich der Bund im Rahmen des Dritten Überleitungsgesetzes von 1952 verpflichtet hatte. Ziel war es, das geringe Steueraufkommen der Stadt zu kompensieren und Berlin in das Finanzsystem der Bundesrepublik einzugliedern. Vom horizontalen Finanzausgleich unter den Ländern wurde Berlin ausgenommen.

25

Durchschnittliche Veränderungsraten des preisbereinigten Bruttoinlandsproduktes in Berlin West ohne Verbrauchssteuern. Für die Jahre 1988, 1989 und 1990 Veränderungen gegenüber dem jeweiligen Vorjahr. Arbeitslose in Prozent der abhängigen Erwerbspersonen am Anfang und am Ende des jeweiligen Zeitraumes bzw. in den Jahren 1988, 1989 und 1990. 27 Vgl. Brenke/Geppert (1992), S. 52. 28 Dazu zählten im einzelnen zinsgünstige Kredite aus dem ERP-Sondervermögen und Investitionszulagen, Umsatzsteuerpräferenzen auf den Absatz nach Westdeutschland, erhöhte Abschreibungsmöglichkeiten, insbesondere im Berliner Wohnungsbau sowie Ermäßigungen bei Einkommen- und Körperschaftsteuer. Vgl. dazu Kaligin/Rieckmann (1989). Das Berlin-Fördergesetz entstand 1970. Zuvor gab es zahlreiche Einzelregelungen, die bereits 1964 als Berlinhilfegesetz zusammengefaßt worden waren. Zur Entwicklung der Berlinförderung vgl. Birkenfeld (1991), S. 15ff. 26

174

Kapitel III

Nach 1961 wurde die Berlinförderung aufgrund des Mauerbaus erheblich ausgedehnt, um die Investitionstätigkeit anzuregen. Die bekanntesten Subventionen seitdem waren die Berlin-Darlehen. Sie stellten steuerlich begünstigte Kapitalanlagen dar, die anfänglich nur von der Berliner Industriebank, später auch von der Wohnungsbaukreditanstalt und dem Berliner Pfandbrief-Amt an die Unternehmen für Investitionszwecke oder für den Wohnungsbau weitergeleitet wurden.29 Die Berlinförderung erhöhte sich fortlaufend. Allein in den Jahren von 1970 bis 1980 verdreifachte sich das Volumen der Berlinförderung nahezu. Es stieg von ca. zwei Milliarden DM auf 5,5 Milliarden an.30 Die Bundeshilfe erhöhte sich ebenfalls regelmäßig. 1980 erreichte die Bundeshilfe 9,251 Milliarden DM und damit mehr als die Hälfte des Berliner Landeshaushaltes.31 „Die gesamten Steuerausfälle für den Bundeshaushalt aufgrund des BerlinFördergesetzes haben vom 1. April 1951 bis Ende 1989 rund 21,7 Milliarden DM betragen.“32 Trotz dieser umfangreichen Berlinförderung kam es nicht, wie erhofft, zur vermehrten Ansiedlung wertschöpfungsintensiver oder gar zentraler Unterneh-menseinheiten. Statt dessen hatten an der Berliner Gesamtproduktion wertschöpfungsschwache Erzeugnisse sowie Erzeugnisse, die selbst mit höchsten Subventionen nicht mehr rentabel hergestellt werden konnten, einen besonders hohen Anteil. Die Subventionsmentalität potentieller Investoren führte zur Vernachlässigung von Forschungs- und Innovationsaktivitäten in den Berliner Unternehmensteilen. Der Standort Berlin fungierte nur als verlängerte Werkbank westdeutscher Unternehmen. Steuerungseinheiten wurden in Berlin nicht angesiedelt.33 Von den einhundert umsatzstärksten deutschen Unternehmen hatte bis 1989 nur ein einziges seinen Unternehmenssitz in Berlin. Dagegen waren in Hamburg 14, in Frankfurt 10 und in München 9 der umsatzstärksten Unternehmen ansässig.34

29

Die Steuervergünstigung sah vor, daß der Darlehensgeber je nach Darlehensart einen bestimmten Prozentsatz des Darlehensbetrages mit seiner Steuerschuld verrechnen konnte. Vgl. o.V. (1965c), S. 1123. Bis Mitte 1965 siedelten sich daraufhin 150 Unternehmen in Berlin an. Es entstanden 61.000 neue Arbeitsplätze. Vgl. o.V. (1965), S. 70. 30 Vgl. Brenke/Geppert (1992), S. 55. 31 Bereits im ersten Jahr ihres Bestehens 1952 betrug die Bundeshilfe mehr als eine halbe Milliarde DM und finanzierte 35,7% des West-Berliner Haushaltes. 1962 waren es mit 1,152 Mrd. DM bereits 39,5%, 1972 waren es 4,026 Mrd. DM und 44%. 1980 wurden mit 9,251 Mrd. DM 53,2% des West-Berliner Haushaltes finanziert. Vgl. Weinzen (2000), S. 14. 32 Birkenfeld (1991), S. 62. 33 Vgl. Brenke/Geppert (1992), S. 55f., S. 66f. 34 Vgl. ders., S. 71.

1945-1989

175

Die strukturellen Defizite der Berliner Wirtschaft wurden mit dem Konjunktureinbruch Anfang der 1970er Jahre im Zusammenhang mit den Ölkrisen besonders offenkundig. Ein um durchschnittlich die Hälfte geringeres Wachstum des Bruttoinlandsproduktes sowie eine im Durchschnitt 10% höhere Arbeitslosenquote waren die Folge. Der Verlust der Arbeitsplätze gestaltete sich in Berlin mit mehr als 40% besonders gravierend. Im übrigen Bundesgebiet gingen dagegen nur 15% verloren.35 Ferner mangelte es an ausländischen Direktinvestitionen, die 1987 mit 5% des Bruttoinlandsproduktes im Bundesdurchschnitt mehr als doppelt so hoch waren wie jene in Berlin.36 Der Dienstleistungssektor war in Berlin im Vergleich zu anderen bundesdeutschen Großstädten ebenfalls unterrepräsentiert. Der Beschäftigtenüberschuß, d.h. die Anzahl der Beschäftigten im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, war in Berlin im privaten Dienstleistungssektor zwar höher, lag aber gleichauf mit dem Beschäftigtenüberschuß der kleineren Stadt Essen. Dagegen wiesen Hamburg, Frankfurt und München deutlich höhere Beschäftigtenzahlen als im Bundesdurchschnitt auf. Gerade in diesem Zusammenhang wird deutlich, daß Berlin seine Rolle als zentraler Ort verloren hatte. Die verlorengegangene Position Berlins als zentraler Finanzplatz kommt hierin ebenfalls zum Ausdruck. Im Bank- und Versicherungsgewerbe waren in Berlin im Vergleich zum Bundesdurchschnitt 5.300 Personen weniger beschäftigt. Dagegen arbeiteten in diesem Sektor in München und Hamburg rund 30.000 Personen mehr; Frankfurt verbuchte sogar ein Beschäftigungsplus von mehr als 40.000, worin sich die Bedeutung Frankfurts als zentraler Finanzplatz Deutschlands widerspiegelt.37 Vergleichsweise positiv entwickelten sich das Universitätswesen und die Kulturlandschaft Berlins. 1984 lernten 7% aller in Deutschland Studierenden an den verschiedenen Bildungs- und Forschungseinrichtungen in Berlin. Dabei kam nur die Hälfte der Berliner Studenten aus Berlin selbst. 1983 entfielen 6,5% aller Bundesausgaben für Forschung auf den Forschungsstandort Berlin.38 Mit zahlreichen Museen, Theatern und Musikhäusern konnte Berlin seinen Ruf als Kulturhauptstadt Deutschlands beibehalten. Als Veranstalter verschiedener Festspiele und Messen entwickelte sich Berlin zu einer angesehenen Kongreßstadt. Im Ranking internationaler Kongreßstädte belegte Berlin bereits seit 1979 Platz 6.

35

Vgl. Wetzlaugk et al. (1984), S. 68. Vgl. Brenke/Geppert (1992), S. 71. 37 Vgl. ders., S. 74f. 38 Vgl. Wetzlaugk et al. (1984), S. 77. 36

176

Kapitel III

Um die gezeigten Strukturschwächen auszugleichen, wurden neben der Berlinförderung diverse Bundesbehörden in Berlin angesiedelt.39 Insgesamt waren bis 1989 rund 50 Bundesinstitutionen, die mehr als 44.000 Mitarbeiter beschäftigten, in Berlin ansässig.40 Folglich konnte der öffentliche Dienstleistungssektor in Berlin 1987 ein Beschäftigtenplus von ca. 81.000 über dem Bundesdurchschnitt aufweisen. In München, Hamburg und Frankfurt arbeiteten dagegen nur rund 50.000, 31.000 und 22.000 Personen mehr als im Bundesdurchschnitt in diesem Bereich.41

5.3

Langsamer Wiederansiedlungsprozeß von Marktteilnehmern und ihre Entwicklung

Nachdem die D-Mark (West) als alleiniges Zahlungsmittel in West-Berlin eingeführt und die Berliner Zentralbank errichtet worden war, wurden Neugründungen von Banken wieder zugelassen. Existierten Anfang des Jahres 1949 nur drei Banken, so waren es zum Jahresultimo bereits 21 Kreditinstitute, die in Berlin ihren Sitz hatten.42 Diese Banken stellten Neugründungen seitens der Nachfolgeinstitute der Berliner Großbanken dar oder wurden von Privatpersonen im Auftrage des Alteigentümers einer Berliner Privatbank unter neuem Namen eröffnet. Dieses Vorgehen war notwendig, da alte Firmenbezeichnungen nicht zugelassen waren, solange die Altbanken ruhten. Bis zum Jahresende 1952 hatte sich die Anzahl der in Berlin tätigen Banken mehr als verdoppelt, da man seit diesem Jahr auch Zweigniederlassungen auswärtiger Banken zur Geschäftstätigkeit zuließ. Dagegen konnte die Frage der immer noch ruhenden Berliner Altbanken erst zum Ende des Jahres 1953 geklärt werden. Zentrale Frage bei der Wiederzulassung der Berliner Altbanken war die Zuteilung von Ausgleichsforderungen. Diese waren aufgrund von Währungsreform und Substanzverlusten durch Krieg und deutsche Teilung nötig, um den Kreditinstituten ein angemessenes Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.43 Die Berliner Zentralbank schreibt dazu in ihrem Geschäftsbericht von 1950:

39

Beispielsweise waren die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, das Bundeskartellamt, das Bundesumweltamt sowie das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen in Berlin ansässig. Vgl. Wetzlaugk et al. (1984), S. 63. 41 Vgl. Brenke/Geppert (1992), S. 75, S. 79. 42 Aus Sicht der ZfgK kam dieser Prozeß anfänglich nur langsam voran, weil „im Berliner Magistrat als Aufsichtsbehörde für das Bankwesen die Neigung zu einem zentralisierten Banksystem mit öffentlichem Charakter vorherrschte.“ o.V. (1949), S. 316f. 43 Vgl. Möller (1976), S. 466ff. Zum Volumen der Ausgleichsforderungen bis 1952 vgl. o.V. (1952), S. 620. 40

1945-1989

177

„Dabei scheidet eine Lösung auf westdeutscher Grundlage durch Zuteilung von Ausgleichsforderungen aus, da sie über die Kräfte Berlins ginge. Die Belastung mit Ausgleichsforderungen betrug in West-Berlin, auf den Kopf der Bevölkerung gerechnet, rund 600 DM gegenüber (nur) rund 250 DM in Westdeutschland. Für eine Wiederzulassung werden daher - unter Berücksichtigung des volkswirtschaftlichen Bedürfnisses - nur solche zur Zeit noch ruhenden Kreditinstitute in Frage kommen, die ohne Inanspruchnahme von Ausgleichsforderungen über ausreichende Eigenmittel verfügen.“44 Bis zum Inkrafttreten des Altbankengesetzes45 zum 15.12.1953 bestanden in WestBerlin 37 Kreditinstitute. Nach WEBER setzten sich diese 37 Banken aus vier verschiedenen Gruppen zusammen: 1. Institute, die unter ihrer alten Firma wieder zugelassen wurden, 2. Institute, deren Reaktivierung unter neuer Firma vorgenommen wurde, 3. Institute, die in Berlin neu zum Geschäft zugelassen wurden, 4. in West-Berlin errichtete Zweigstellen oder Filialen von westdeutschen oder nach Westdeutschland verlagerten Instituten.46 Durch die Altbankenregelung wurden weitere Kreditinstitute zum Neugeschäft in Berlin zugelassen. Die Mehrzahl dieser Banken hatte ihren Firmensitz verlagert und die Geschäftstätigkeit in Westdeutschland fortgeführt. Mit der Wiederzulassung für das Neugeschäft in Berlin konnte der westdeutsche Firmenteil und der bislang ruhende Berliner Unternehmensteil wieder zu einem einheitlichen Institut zusammenwachsen. Aufgrund der Anerkennung als verlagertes Institut und der Wiederzulassung in Berlin hatten die Banken meist zwei juristische Firmensitze. Der wirtschaftliche Schwerpunkt

44

Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1950), S. 26. Seit 1951 prüften die Alliierte Kommandantur, das Aufsichtsamt für Banken und die Berliner Zentralbank die von den ruhenden Berliner Altbanken gestellten Einzelanträge auf Wiederzulassung. Insgesamt wurden vier Altbanken bereits vor Inkrafttreten des Altbankengesetzes nach Zustimmung durch die Alliierte Kommandantur zum Neugeschäft in Berlin zugelassen. Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1951), S. 32; Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1955), S. 55. 45 Voraussetzung für dieses Gesetz war das 1952 verabschiedete Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes, mit dem die endgültige Eingliederung West-Berlins in die Finanzpolitik des Bundes vollzogen wurde. Daher stellte der Bund den Berliner Altbanken bei Bedarf finanzielle Hilfeleistungen zur Deckung der Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigern in West-Berlin, Westdeutschland und dem Ausland zur Verfügung. Diese Vorgehensweise wird auch als „Kleine Lösung“ bezeichnet. Im Gegensatz dazu sah die „Große Lösung“ die Erfüllung aller Verbindlichkeiten der Berliner Altbanken und damit auch der Verbindlichkeiten gegenüber im sowjetischen Besatzungsgebiet wohnenden Gläubigern vor. Aufgrund der bereits sehr hohen Verpflichtungen des Bundes, insbesondere aus dem Londoner Schuldenabkommen, wollte man die Finanzkraft des Bundes nicht weiter anspannen und sah von der Realisierung der „Großen Lösung“ ab. Jene Banken, die jedoch aufgrund einer Überdeckung in der Lage waren, allen Verpflichtungen bzw. Verbindlichkeiten nachzukommen, wurden zur „Großen Lösung“ verpflichtet. 1955 waren dies insgesamt 6 Banken. Vgl. Geschäftsbericht der Berliner Zentralbank (1952), S. 43 sowie ders. (1955), S. 56. 46 Vgl. Weber (1957), S. 179.

Kapitel III

178

und der Hauptsitz der Geschäftsleitung mit den wesentlichen Zentralfunktionen blieben jedoch in Westdeutschland.47 Bis 1960 stieg die Zahl der in Berlin tätigen Banken auf 78 an. Die politische Regelung des Berlin-Status’ durch das Viermächteabkommen im Jahr 1971 begünstigte die Ansiedlung weiterer Banken ebenso wie die vom Bund beschlossenen Ausweitungen der steuerlichen Vergünstigungen für Berlin, insbesondere im Immobilienbereich. Daher siedelten sich weitere Banken an, so daß 95 Banken im Jahr 1989 in Berlin tätig waren. Davon waren 54 Banken auswärtige Institute, 41 Institute zählte man zu den ortsansässigen, wobei jedoch nur 22 von ihnen bankaufsichtsrechtlich in Berlin überwacht wurden. Die anderen Institute wurden nur aufgrund eines zweiten juristischen Firmensitzes unter die Rubrik ortsansässig subsumiert.

Großbanktöchter Regionalbanken Privatbankiers Kreditinstitute mit Sonderaufgaben Realkreditinstitute Sparkassensektor Genossenschaftsbanken49 Teilzahlungskreditinstitute Summe erfaßte Kreditinstitute nicht erfaßte Kreditinstitute Bausparkassen Summe50

1950 3 8 7 2

1960 3 2348 12 6

1970 3 16 9 6

1980 3 13 6 6

1989 3 21 7 5

0 1 5 -26

9 1 12 12 78

11 2 10 10 67

10 2 10 17 67

10 2 6 -54

--26

--78

4 -71

7 6 80

27 14 95

Tabelle 46: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin Quelle: Geschäftsberichte der Landeszentralbank Berlin

Die Zahl der auswärtigen Institute in Berlin hatte sich regelmäßig erhöht. Das lag einerseits am realen Zuzug von Banken, die in Berlin eine Niederlassung eröffneten, andererseits an Verschiebungen in der Regionalstatistik der Berliner Zentralbank. Banken, die zunächst aufgrund ihres zweiten juristischen Firmensitzes zu den ortsansässigen Banken zählten, ordnete man im Zeitverlauf der Rubrik der auswärtigen Kreditinstitute zu. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß die Zahl der ortsansässigen Banken sank. Die Reduzierung der ortsansässigen Banken ist aber auch auf Fusionen, Geschäftsaufgaben und Kon-kurse in den einzelnen Institutsgruppen zurückzuführen. 47

Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1954), S. 46; ders. (1955), S. 55f.; ders. (1956), S. 61. Inklusive der Spezial-, Haus- und Branchebanken, deren Anzahl mit 7 ausgewiesen wurde. 49 Inklusive Spar- und Darlehensverein der Berliner Postangehörigen. 50 Bis 1980 inklusive der Postbankdienste. 48

1945-1989

179

Gesamtzahl Ortsansässige Auswärtige

100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1946 1949 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1988 1989 Jahr

Abbildung 6: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin von 1945 bis 1989. Quelle: Geschäftsberichte der Berliner Zentralbank51

Die Marktanteile der einzelnen Bankengruppen am Bankplatz Berlin schwankten im Zeitverlauf erheblich. Im Einlagenbereich dominierten in den ersten zwei Nachkriegsjahrzehnten die Tochterinstitute der Berliner Großbanken, die Regionalbanken und die Berliner Sparkasse mit Marktanteilen von jeweils nahezu einem Drittel. Seit Mitte der 1960er Jahre ging ihr Marktanteil zugunsten der genossenschaftlichen Banken und der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben zurück. Ein besonders hohes Marktanteilswachstum erzielte die Gruppe der Realkreditinstitute. Den Kreditbereich führten nach Kriegsende die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben an, die 1955 einen Marktanteil von 40% besaßen. Dagegen kamen die Großbankentöchter und die Regionalbanken auf jeweils nur ca. ein Fünftel. In den folgenden Jahren ging der Marktanteil der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben zurück, ebenso wie der Marktanteil der Großbankentöchter und der Regionalbanken. Dagegen expandierten die Realkreditinstitute. Ihr Marktanteil stieg von 4% im Jahr 1955 auf ein Drittel 1989. Die Berliner Sparkasse und der Genossenschaftssektor gewannen im Kreditbereich ebenfalls Marktanteile.

51

Die Differenzierung der in Berlin tätigen Banken in ortsanässige und auswärtige Institute wurde erst seit 1970 vorgenommen.

Kapitel III

180

Die Verschiebungen der Marktanteile zeigen einerseits den zunehmenden Wettbewerb verbunden mit einem Wandel der Banken zu ausgeprägten Universalbanken mit annähernd gleichen Geschäftssparten und Kundenklientel. Andererseits wird die Herkunft der Finanzmittel der Berliner Wirtschaft deutlich. Waren es anfänglich insbesondere die staatlichen Banken aus dem Bundesgebiet, die zu einem Großteil Investitionsvorhaben in Berlin finanzierten, engagierten sich seit Mitte der 1960er Jahre in stärkerem Maße die Berliner Sparkasse und seit 1975 die Genossenschaftsbanken in der Herauslage von Krediten. Da sich die aufgrund der geopolitischen Lage bestehende Investitionsunsicherheit am Standort Berlin durch eine auf Entspannung ausgerichtete OstWest-Politik reduzierte, war es nicht mehr nötig, daß die westdeutschen staatlichen Institute sich überdurchschnittlich engagierten.

Teilzahlungsbanken

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Banken mit Sonderaufgaben Realkreditinstitute Genossenschaftsbanksektor

Sparkasse

Jahr

19 89

19 85

19 80

19 75

19 70

19 65

Privatbanken 19 60

19 55

Anteile in %

Besonders stark profitierte die Gruppe der Realkreditinstitute von der zunehmenden Investitionssicherheit. Es bleibt jedoch auffallend, daß auch hier die Öffentliche Hand sehr stark an der Kreditierung beteiligt war. Ein erheblicher Teil des Kreditvolumens der Realkreditinstitutsgruppe entfiel auf die Wohnungsbaukreditanstalt. Ihre Bevorzugung im Rahmen der Ausgabe der Berlin-Darlehen macht die am Bankplatz Berlin vorhandenen Wettbewerbsverzerrungen deutlich. Während die Gruppe der Realkreditinstitute am Bankplatz Berlin einen Marktanteil von mehr als einem Drittel am Kreditvolumen repräsentierte, betrug ihr Marktanteil in Gesamtdeutschland nur 17%.

Regionalbanken Großbanken

Abbildung 7: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Berlin Quelle: Geschäftsberichte der Berliner Zentralbank

1945-1989

Banken mit Sonderaufgaben Realkreditinstitute

100% 80% in Prozent

Genossenschaftsbanken

60%

Genoss. Zentralbanken

40%

Sparkasse

20%

Girozentrale 19 89

19 85

19 80

19 75

19 70

19 65

19 60

0% 19 55

181

Jahr

Regionalbanken Großbanken

Abbildung 8: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Deutschland Quelle: Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank

Banken mit Sonderaufgaben Realkreditinstitute

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Genossenschaftsbanken Genoss. Zentralbanken Sparkasse

Jahr

19 89

19 85

19 80

19 75

19 70

19 65

Girozentrale 19 60

19 55

in Prozent

Teilzahlungsbanken

Regionalbanken Großbanken

Abbildung 9: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagevolumen in Deutschland Quelle: Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank

Kapitel III

182

Teilzahlungsbanken

100%

Banken mit Sonderaufgaben Realkreditinstitute

in Prozent

80% 60%

Genossenschaftsbanken

40%

Sparkasse

20%

Privatbanken

Jahr

19 89

19 85

19 80

19 75

19 70

19 65

19 60

19 55

0%

Regionalbanken Großbanken

Abbildung 10: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagevolumen in Berlin Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank

Im folgenden werden die am Bankplatz Berlin tätigen Bankengruppen im Hinblick auf ihren Wiederansiedlungsprozeß und ihre Entwicklung einzeln dargestellt. Es finden nur die von der Berliner Regionalstatistik im Jahr 1989 erfaßten Kreditinstitutsgruppen Berücksichtigung.52 Ferner werden jene Banken, die zur Regionalstatistik meldepflichtig waren, auch namentlich erfaßt,53 wobei nur die jeweils bedeutendsten Institute für den Bankplatz Berlin und deren Geschäftstätigkeit sowie besondere Vorkommnisse expliziert werden.

52

Damit bleiben die Teilzahlungskreditinstitute, die in Berlin nur einen Anteil am Kredit- und Einlagevolumen von rund 2% repräsentierten, unberücksichtigt. Sie werden ohnehin seit 1987 nicht mehr in der Regionalstatistik erfaßt, sondern wurden den anderen Gruppen zugeordnet. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben die Haus-, Spezial- und Branchenbanken, die seit 1969 nicht mehr als eigenständige Gruppe aufgeführt werden, sowie die Bausparkassen, die erst seit 1974 als nicht meldepflichtige Institute in der Bankenstatistik geführt werden. Die Postsparkasse und die Postscheckämter, die insbesondere in den Nachkriegsjahren eine wesentliche Rolle in der Liquiditätsversorgung Berlins spielten und als regionale Kreditbanken von der Regionalstatistik erfaßt wurden, bleiben in dieser Arbeit ebenfalls unberücksichtigt. Einerseits entsprechen sie nicht der Definition eines Finanzintermediärs im engeren Sinne, andererseits werden sie seit 1987 nicht mehr von der Bankenstatistik erfaßt. 53 Für die zur Regionalstatistik nicht meldepflichtigen Institute konnte keine namentliche Erfassung durchgeführt werden, weil ihr Ansiedlungsprozeß nicht dokumentiert ist. Da die Landeszentralbank Berlin seit 1972 in ihren Geschäftsberichten keine Namenslisten mehr veröffentlichte und diese lt. Angaben der LZB auch nicht archiviert werden, mußte für die Zeit nach 1972 auch bzgl. der meldepflichtigen Institute auf andere Quellen und Plausibilitätsüberlegungen zurückgegriffen werden.

1945-1989

183

5.3.1 Die Berliner Zentralbank als Promotor des Bankplatzes Berlin Parallel zur Durchführung der endgültigen Währungsreform in West-Berlin nahm die Berliner Zentralbank ihre Geschäftstätigkeit zum 20. März 1949 auf. Das Kapital von anfänglich fünf Millionen DM hatte die Stadt Berlin bereitgestellt. Der Bankplatz Berlin verfügte nach vierjährigem Währungschaos nun wieder über eine Zentralbank54, die im Gegensatz zu den Landeszentralbanken im westdeutschen Gebiet von der Bank deutscher Länder relativ weisungsunabhängig war. Da die Berliner Zentralbank nicht Teil der Bank deutscher Länder war, hatte sie am Bankplatz Berlin die Aufgaben einer Zentralbank von lokaler Bedeutung zu erfüllen. In ihrer Geschäftspolitik konnte sie durchaus abweichend von den Anordnungen des Zentralbankrates der Bank deutscher Länder handeln.55 Die Berliner Zentralbank strebte den Erhalt dieser Eigenständigkeit an, um bei Bedarf „kreditpolitische Maßnahmen zu treffen, die sich in Abweichung von kreditpolitischen Regelungen im Bundesgebiet den besonderen Nöten Berlins besser anpassen.“56 Dagegen sah das Bundesbankgesetz die Eingliederung der Berliner Zentralbank als weisungsabhängige Landeszentralbank vor. Als zum 1. August 1957 die neugegründete Deutsche Bundesbank die Nachfolge der Bank deutscher Länder antrat, wurden die Berliner Zentralbank sowie die westdeutschen Landeszentralbanken integriert. Den besonderen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen Berlins wurde durch die Berlin-Klausel entsprochen. Die Bundesbank hatte die wirtschaftliche Lage Berlins gegebenenfalls durch Sonderregelungen zu berücksichtigen, wovon jedoch nie Gebrauch gemacht wurde. Aufgrund der Integration der Bundesbank in das Europäische System der Zentralbanken und den sich normalisierenden Verhältnissen nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die Berlin-Klausel am 8. Juli 1994 schließlich aufgehoben.57

54

Zuvor hatte die Währungskommission zentralbankliche Funktionen wahrgenommen. Die Anordnungen der Frankfurter Zentralbank fanden aber in Berlin weitestgehende Anwendung. Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1949), S. 7; LZB-BBB (1999), S. 39. Dazu hatten auch die negativen Erfahrungen beigetragen, die man 1950/51 gesammelt hatte. Von Oktober 1950 bis Februar 1951 hatte die Berliner Zentralbank ihren Diskontsatz auf 4% gehalten, obwohl die Bank deutscher Länder den Diskontsatz für das Bundesgebiet auf 6% anhob. Infolge dessen begannen, die Einlagen nach Westdeutschland abzuwandern, während westdeutsche Kreditnehmer versuchten, in West-Berlin billigere Kredite zu erhalten. Um diesem Ungleichgewicht entgegenzuwirken, mußte die Berliner Zentralbank ihr Zinsniveau an das westdeutsche anpassen. Vgl. Häuser (1952), S. 255. 56 Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1952), S. 44. 57 Vgl. LZB-BB (1999), S. 44ff. 55

184

Kapitel III

Der Aufgabenkreis der Berliner Zentralbank umfaßte anfänglich Maßnahmen zur Bewältigung der besonderen Nachkriegssituation am Bankplatz Berlin. Dazu gehörten primär die Zulassung von neuen Kreditinstituten in Berlin und die Wiederzulassung der ruhenden Banken im Rahmen der Altbankenregelung. Allein im Jahr der Geschäftsaufnahme 1949 wurden unter Berücksichtigung bankaufsichtsrechtlicher Bestimmungen 18 Banken zugelassen. Wertpapierbereinigung58 und Uraltkontenregelung59 waren weitere Aufgaben der Berliner Zentralbank. Im Rahmen ihres Wertpapiergeschäftes hatte die Berliner Zentralbank die Aufgabe der Kurspflege der Berliner Schuldverschreibungen übernommen und war mitverantwortlich für die erfolgreiche Unterbringung der vom Bund ausgegebenen Wertpapiere, die über die Berliner Geldinstitute plaziert wurden. Darüber hinaus war sie verantwortlich für die Verwaltung der beweglichen und unbeweglichen Vermögensgegenstände der ehemaligen Deutschen Reichsbank. Da sich sämtliche Geschäftsbücher der Reichsbank jedoch im sowjetischen Sektor Berlins befanden, konzentrierte sich die Berliner Zentralbank anfänglich auf die Verwaltung des in Berlin gelegenen Immobilienbesitzes.60 Im Oktober 1955 wurde diese Aufgabe an den vom bundesdeutschen Wirtschaftsminister bestellten Treuhänder der neu geschaffenen Treuhandverwaltung für das Reichsbankvermögen übertragen.61 Im Zeitverlauf gewannen die Liquiditätsversorgung, der überregionale Zahlungsverkehr sowie die Abwicklung der Finanzierung des Außenhandels und des Devisenverkehrs an Bedeutung. Eine wesentliche Aufgabe zu Beginn der 1950er Jahre war die Wiedereinführung des Wechsels als Kredit- und Liquiditätsinstrument. Da das Berliner Wechselakzept in Westdeutschland auf Mißtrauen stieß, bemühte sich die Zentralbank hier um eine Verbesserung.62 Hauptziel jeglicher Tätigkeit war die Förderung der Berliner Wirtschaft und die Durchsetzung und Wahrung der spezifischen Interessen Berlins und seines Bankplatzes. Insofern fiel der Berliner Zentralbank die Rolle eines Promoters des Bankplatzes Berlin zu.

58

Die Wertpapierbereinigung sah die Klärung der Eigentums- und Besitzverhältnisse der am Währungsstichtag vorhandenen Bestände an umstellungsfähigen RM-Titeln vor. Vgl. dazu Möller (1976), S. 476f. Im Rahmen der Uraltkontenregelung wurden die entsprechenden Beträge in Ausgleichsforderungen umgewandelt. Indem die Berliner Zentralbank die Refinanzierung dieser Ausgleichsforderung durch Ankauf übernahm, flossen die Beträge der Berliner Wirtschaft zu. Bis zum 31. Dezember 1951 kaufte die Berliner Zentralbank nahezu 30 Millionen DM Ausgleichsforderungen an. Vgl. Geschäftsbericht Berliner Zentralbank (1951), S. 31. 60 Vgl. ders. (1950), S. 26. 61 Vgl. ders. (1955), S. 56. 62 Vgl. ders. (1949), S. 13. 59

1945-1989

185

5.3.2 Marginale Bedeutung der Berliner Privatbanken Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte sich der Niedergang des Privatbankierstandes fort. Sowohl in Berlin als auch in Gesamtdeutschland nahm nach einem kurzen Anstieg unmittelbar nach Kriegsende die Anzahl der Privatbanken ab. 1948 waren in Deutschland 300 Privatbanken aktiv, 1957 nur noch 245. Infolge von Übernahmen durch Großbanken, Konkurse und Nachfolgeprobleme reduzierte sich ihre Anzahl weiter. 1979 wies die Bundesbankstatistik nur noch 89, zwei Jahre später sogar nur noch 79 Privatbanken aus.63 Bis 1989 war ihre Anzahl auf 69 zurückgegangen. Die seit 1949 in Berlin neu zugelassenen Privatbanken waren oft Gründungen ehemaliger leitender Angestellter von Berliner Privatbanken, denn bis zur Klärung der Altbankenfrage durfte keine Rechtsnachfolge und Namensgleichheit mit Altbanken bestehen. Die Angestellten übernahmen es daher in ihrem Namen, jedoch im Auftrag des Bankbesitzers, eine Zulassung zu beantragen.64 Erst nach Klärung der Altbankenfrage erhielten die Altbanken die Zulassung zum Neugeschäft unter der alten Firma. Bereits verlagerte Privatbanken ließen sich nun erneut in Berlin nieder und verfügten somit über zwei juristische Firmensitze. Zum Teil fanden aber auch echte Neugründungen von Privatbanken statt. Bis 1955 stieg die Anzahl der in Berlin tätigen Privatbanken auf 17 Institute an. Damit machten die Privatbanken rund ein Viertel aller Institute aus. Im gesamtdeutschen Vergleich waren lediglich 8% aller Privatbanken am Bankplatz Berlin lokalisiert, während vor dem Krieg mehr als ein Fünftel aller Privatbanken hier ansässig waren. ortsansässige Privatbanken 1. Hans Weber KGaA Weberbank, Berlin 2. Askanische Bank Trautwein & Co., Berlin 3. Ernst Decot Bankgeschäft, Berlin 4. H. F. Fetschow & Sohn, Berlin 5. Gesellschaft für Handels- und Industriekredit Dr. Masel & Co., Berlin 6. Oswald Kruber, Berlin 7. Bankhaus Hermann Lampe KG&Co., Berlin 8. Neumann & v. Massenbach 9. Otto Scheurmann Bank-KG, Berlin

auswärtige Privatbanken 1. Delbrück & Co., Berlin/Köln 2. Hardy & Co. GmbH, Berlin/ Frankfurt/Main

Tabelle 47: Die ortsansässigen und ortsfremden Privatbanken in Berlin 1970 Quelle: Geschäftsbericht Landeszentralbank Berlin 1970.

63 64

Vgl. Siebel (1983), S. 88; Meeder (1989), S. 15ff. Welche Lizenzträger im Auftrag von Altbankiers die Zulassung beantragten, läßt sich jedoch nicht mehr genau feststellen. Vgl. Weber (1957), S. 211.

186

Kapitel III

1970 wies die Berliner Regionalstatistik neun ortsansässige Privatbanken aus. Unter Berücksichtigung auch jener Institute, die lediglich aufgrund ihrer Rechtsform den Kreditbanken zugeordnet wurden, die aber, ihrem Selbstverständnis entsprechend, sich als Privatbanken verstanden,65 waren 1970 elf Privatbanken am Bankplatz Berlin aktiv. Davon sind zwei Institute zu den auswärtigen Banken zu zählen, da sie nur wegen des zweiten juristischen Firmensitzes „Berlin“ von der Regionalstatistik als ortsansässige Institute erfaßt wurden. Infolge von Fusionen, Standortaufgaben und Konkursen reduzierte sich die Zahl der ortsansässigen Privatbanken 1989 auf sechs. Davon wurden jedoch nur fünf bankaufsichtlich in Berlin überwacht, da das Bankhaus Delbrück seinen Hauptsitz in Köln unterhielt. Das Bankhaus Lampe wurde nunmehr als auswärtige Privatbank in der Regionalstatistik erfaßt. Unter Berücksichtigung der Weberbank waren 1989 acht Privatbanken in Berlin aktiv. Die Privatbankengruppe, die im Hinblick auf ihre Geschäftsfokussierung sehr heterogen ist, kann nach MEEDER in drei Untergruppen differenziert werden: Merchant Banks, Spezialisten und Bankiers im Mengengeschäft.66 Am Bankplatz Berlin waren alle drei Gruppen vertreten. Zu den bedeutendsten Privatbanken im Mengengeschäft sind die Weberbank, die Scheurmann-Bank, das Bankhaus Lampe sowie das Bankhaus Löbbecke zu zählen.

65

Zur Problematik der Abgrenzung der sehr heterogenen Privatbankengruppe nach formaljuristischen und ökonomischen Parametern vgl. Meeder (1989), S. 11f. 66 Vgl. Meeder (1989), S. 15ff.

1945-1989

Einordnung in die Gruppe der Privatbanken Jahr 1949 1949 1949 1950 1950 1950 1950 1950 1950 1950 1952 1953 1953 1954 1954 1954 1955 1955 1958 1959 1950

1962 1984 1987

Institut Leising & Co. Bankgeschäft67 Ernst Decot Bankgeschäft68 Hans Weber KG a.A. Bankgeschäft Marx & Co.69 Scheurmann & Co. Bank KG Guttentag & Goldschmidt Bankgeschäft70 seit 1951 Neumann & v. Massenbach Heinz Henschel Bankgeschäft71 Hans-Karl von Jena Bankgeschäft Kurth & Co. Bank KG Wilhelm H. Sander Bank-Kommissionsgeschäft M. Neufeld & Co. Gesellschaft für Handels- und Industriekredit Dr. Masel & Co. Reinhold Pinner & Co.; seit 1969 Askanische Bank Trautwein & Co. KG Deutsche Kreditsicherung KG Dr. Alexander Kreuter Bankhaus Oswald Kruber KG Karl Papenberg Bank KG Delbrück & Co. KG Hardy & Co. GmbH

187

Abgang aus der Gruppe der Privatbanken Jahr Grund 1962 Konkurs n.e. n.e. 1962

n.e.

1961

Konkurs

1951 1959 1958 1958 1963

Konkurs n.e. n.e. n.e. n.e.

1982

Konkurs

1963

n.e.

1959

n.e.

1981

Eingliederung in die ebenfalls zum Dresdner-Bank-Konzern gehörende Deutsche Länderbank AG n.e. Konkurs Konkurs

H. F. Fetschow & Sohn Gebrüder George 1965 Jüdische Bank AG, 1967 seit 1954 Berliner Privatbank, seit 1959 Hugo Oppenheim72 & Sohn Nachf. Berliner Privatbank AG Bankhaus Hermann Lampe KG & Co.; seit 1978 Bankhaus Hermann Lampe Bank KG, Bielefeld Bankhaus Löbbecke & Co. Gries&Heissel-Bankiers-KG

Tabelle 48: Der Ansiedlungsprozeß der Privatbanken am Bankplatz Berlin von 1945 bis 198973 Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank; eigene Recherchen.

67

Ehemals Bankgeschäft E. J. Meyer. Vgl. Berliner Zentralbank (1950), S. 25, S. 43; Berliner Zentralbank (1949), S. 37f.; Bankgesellschaft Berlin (1949), S. 13ff., Verzeichnis Nr. II. Ehemals Bankhaus Adolf Becker. Vgl. ebd. 69 Ehemals Bankgeschäft Berger & Co. Vgl. ebd. 70 Ehemals Donald Flatow Bankgeschäft. Vgl. ebd. 71 Ehemals Bankgeschäft von Heinz, Tecklenburg & Co. Vgl. ebd. 72 Hugo Oppenheim war Teilhaber des Privatbankhauses Robert Warschauer & Co. 73 Abweichend von der Bundesbankstatistik werden hier auch jene Institute zu den Privatbanken gezählt, die aufgrund der formaljuristischen Parameter den Kreditbanken subsumiert wurden. 68

188

Kapitel III

Die Weberbank, früher Hans Weber KGaA, wurde 1949 gegründet. Das Kreditinstitut war als Übergangslösung gedacht. Die Weberbank sollte bei Rückkehr des Bankhauses Delbrück, Schickler & Co., das nach Hamburg verlegt worden war und später seinen Sitz in Köln nahm, in diese Privatbank überführt werden. Eine Verschmelzung im Jahr der Neuaufnahme der Geschäftstätigkeit von Delbrück & Co. am Bankplatz Berlin 1955 unterblieb jedoch aus persönlichen Gründen.74 Die mit einem Kapital von einer halben Million DM gegründete Weberbank wies bereits 1950 eine Bilanzsumme von nahezu 6 Millionen DM aus. 1988 gehörte die Weberbank mit einer Bilanzsumme von fast zwei Milliarden DM zu den größeren Privatbanken in Deutschland.75 Die fortlaufende Ausdehnung der Geschäftstätigkeit der Weberbank erforderte die Verbreiterung der Kapitalbasis. Dazu wurden seit 1974 mit der Aufnahme der Südwestdeutschen Landesbank in den Gesellschafterkreis fremde Kapitalgeber zugelassen. 1989 beteiligte sich auch die Berliner Sparkasse an der Weberbank.76 Der eigenständige Charakter der Weberbank als Privatbank blieb dabei jedoch erhalten.77 Die 1929 gegründete Scheurmann-Bank, die 1950 unter ihrer alten Firma das Neugeschäft begann, konzentrierte sich in ihrer Geschäftstätigkeit auf die Finanzierung von Immobilien und das Geld- und Wertpapiergeschäft. Darüber hinaus engagierte sich die Bank im Auslandsgeschäft. Bis Ende 1978 entfielen etwa 60% des Geschäftsvolumens von etwas mehr als 70 Millionen DM auf den Auslandsbereich. Danach reduzierte sich dieser Bereich auf leicht unter 50%.78 1977 beteiligte sich die Bank für Handel- und Industrie AG, Berlin (Tochterinstitut der Dresdner Bank) im Rahmen ihrer Geschäftsstrategie an der Scheurmann-Bank.79 1982 wurden die restlichen Kapitalanteile durch die BHI übernommen. Das Institut behielt dabei den eigenständigen Charakter als Privatbank und wies 1989 ein Geschäftsvolumen von 219 Millionen DM aus.80

74

Da Hans Weber als persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Delbrück aufgrund seiner sozialen Herkunft nicht akzeptiert wurde, unterblieb die ursprünglich avisierte Verschmelzung. Vgl. Bödecker (2000), S. 91. 75 Vgl. Stein (1991), S. 31. 76 Seit dem wird das Kapital der Weberbank zu je einem Drittel von der Familie Bödecker-Weber, der Südwestdeutschen Landesbank und der Berliner Sparkasse (Landesbank Berlin) gehalten. 77 Vgl. Bödecker (2000), S. 97. 78 Vgl. o.V. (1980e), S. 882. 79 Dazu verkauften die Erben des 1975 verstorbenen Gründers ihre Kapitalanteile. Vgl. o.V. (1977a), S. 451. 80 Vgl. Geschäftsbericht Dresdner Bank (1989), S. 84.

1945-1989

189

Das aus Bielefeld stammende Bankhaus Lampe eröffnete am 7. Dezember 1962 in den früheren Räumen des Bankgeschäftes Marx & Co. ein Tochterinstitut in Berlin.81 Die Berliner Lampe-Bank finanzierte vorwiegend den gewerb-lichen Mittelstand und wies zum 30. September 1969 ein Geschäftsvolumen von 177 Millionen DM aus. Zugleich war die Bank Repräsentant für die Frankfurter Hypothekenbank am Bankplatz Berlin, so daß die Bauzwischenfinanzierung ebenfalls einen Tätigkeitsschwerpunkt bildete.82 Wesentliche Umsätze erzielte die Bank auch bei der Finanzierung des OstHandelsgeschäftes, besonders mit der Sowjetunion und polnischen Importgesellschaften.83 Nachdem bereits 1972 Rudolf-August Oetker die Funktion des persönlich haftenden Gesellschafters in der Berliner Lampe-Bank übernommen hatte, wurde die Berliner Tochterbank 1978 in eine Niederlassung umgewandelt. Die Berliner Niederlassung beschäftigte zu diesem Zeitpunkt ca. 40 Mitarbeiter, in der Gesamtbank waren 330 Personen tätig. Mit einem Geschäftsvolumen von mehr als zwei Milliarden DM entfiel auf die Berliner Niederlassung ein Anteil von 10% des Geschäftsvolumens der Gesamtbank.84 Bis 1989 wurde das Berlingeschäft als auch das Berliner Zweigstellennetz der LampeBank weiter ausgedehnt. Dazu übernahm die Lampe-Bank zum 30. Oktober 1983 die Berliner Niederlassungen der Effectenbank-Warburg AG, Frankfurt, deren Geschäftsstrategie eine Konzentration als filialloses Institut auf Frankfurt vorsah.85 Das Bankhaus Löbbecke & Co., das erst 1984 eine Niederlassung in Berlin eröffnete, war ebenfalls als „universelles Privatbankhaus“ im Mengengeschäft tätig. Die 1761 gegründete Bank befand sich bis 1983 im alleinigen Besitz der NordLB.86 Nach der Reprivatisierung der Löbbecke-Bank, deren Sitz sich in Braunschweig befand, verlagerte die Bank seit 1986 immer stärker ihren geschäftlichen Schwerpunkt nach Berlin, um hier von den Geschäftsmöglichkeiten einer Großstadt zu profitieren. Bereits Ende

81

Die Lampe-Bank wurde 1852 in Minden gegründet. Das damals noch betriebene Speditionsgeschäft wurde um 1900 endgültig aufgegeben. 1961 erfolgte die Sitzverlegung von Minden nach Bielefeld. Vgl. o.V. (1962d), S. 1124. 82 Vgl. o.V. (1969a), S. 1169. 83 Vgl. o.V. (1970g), S. 791; Vgl. o.V. (1973c), S. 1076. 84 Vgl. o.V. (1978), S. 32. 85 Vgl. o.V. (1983b), S. 940. 86 Die aus Iserlohn stammende Familie Löbbecke gründete 1761 ein Handelsgeschäft. 1837 erhielt das Unternehmen die offizielle Konzession Bankgeschäfte zu betreiben und siedelte nach Braunschweig, um von den Vorteilen einer Messestadt zu profitieren. Vgl. o.V. (1961), S. 1078f. 1983 verkaufte die NordLB das Bankhaus an den persönlich haftenden Gesellschafter Günter Follmer und weitere private Investoren. Vgl. o.V. (1987b), S. 415.

190

Kapitel III

1984 verteilte sich das Geschäft auf die beiden Standorte Braunschweig und Berlin im Verhältnis 3 zu 2.87 Die Löbbecke-Bank, die durch massive Kreditvergabe in nahezu allen Bereichen ihr Bilanzvolumen seit 1983 von 30 Millionen DM auf mehr als 1,6 Milliarden DM 1988 ausdehnte,88 geriet 1989 in eine finanzielle Schieflage. Notwendige Risikovorsorge im Kreditgeschäft als auch bilanzrelevante Kursverluste in den Finanzanlagen der Bank belasteten das Ergebnis89, so daß die Aufnahme eines neuen Gesellschafters notwendig wurde. Als Kapitalgeber fand sich die italienische Cariplo, die damals weltgrößte Sparkasse.90 Zu den auch 1989 noch existierenden Spezialisten unter den Privatbanken gehörten die Bankhäuser Oswald Kruber und Dr. Masel & Co. sowie das erst 1987 gegründete Bankhaus Gries & Heissel, das sich auf die besondere Anlageberatung und Vermögensverwaltung spezialisierte.91 Das 1924 gegründete Bankhaus Oswald Kruber92 setzte seit dem Neuanfang 1954 im Kreditgeschäft den Schwerpunkt auf den Immobilienkredit. Die Finanzierung des Wiederaufbaus kriegszerstörter und beschädigter Häuser führte zur Expansion des Immobiliengeschäftes, das seit 1969 in einer eigenen Tochterunternehmung betrieben wird. Darüber hinaus vergab die Bank Geschäftskredite an Gewerbetreibende, wobei jedoch der Grundsatz der Liquidität und der Solidität über das Expansionsdenken ge-

87

Vgl. o.V. (1985), S. 259; o.V. (1987b), S. 415. Die Bank war seit 1986 auch an der Berliner Börse vertreten, während das Börsenbüro in Düsseldorf geschlossen wurde. Hauptgründe dieses außerordentlichen Wachstums waren weniger eine offensive Preispolitik als vielmehr gewachsene Kontakte, die der Hauptgesellschafter Günter Follmer aus seiner Tätigkeit als ehemaliger Niederlassungsleiter (seit 1971!) der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank in Berlin mitbrachte. Vgl. o.V. (1985b), S. 225; o.V. (1986), S. 318. 89 Die Löbbecke-Bank verwendete ein Viertel ihres haftenden Eigenkapitals dazu, um in Dividendenwerte zu investieren. Mit dieser Strategie verfolgte sie das Ziel, Kursreserven zu erzielen und in dieses bankmäßige Tätigkeitsfeld hineinzugelangen. Der am 19. Oktober 1987 einsetzende Börsencrash vereitelte diese Pläne jedoch. Aus den geplanten Kursgewinnen wurden bilanzrelevante Kursbewertungsverluste in erheblicher Höhe, die zusammen mit der notwendigen Risikovorsorge für das Kreditgeschäft das Ergebnis belasteten. Vgl. o.V. (1988d), S. 504f. 90 Familie Follmer hielt nach der Kapitalbeteiligung durch die Cariplo noch ca. 28% der Anteile, die ConcordiaVersicherung, Hannover schied aus dem Gesellschafterkreis aus. Vgl. o.V. (1989b), S. 1106. Die Kapitalbeteiligung mit der Concordia war erst 1987 wegen der verstärkten Zusammenarbeit eingegangen worden. Vgl. o.V. (1987d), S. 934. 91 Gründer der Bank waren ehemalige leitende Angestellte der Grundkreditbank und der Berliner Commerzbank, die mit 6 Millionen DM Kommanditkapital die Privatbank gründeten. Vgl. o.V. (1987e), S. 158. 92 Oswald Kruber hatte das Bankgeschäft bei der Deutsch-Ostafrikanischen Bank gelernt, war Mitarbeiter und Mitinhaber des Bankhauses Erselius & Co. und gründete 1924 seine eigene Bank. 1976 trat der Sohn Manfred Kruber in die Geschäftsführung der Bank ein. 88

1945-1989

191

stellt wurde. 1980 beschäftigte die Bank vier Mitarbeiter, die Bilanzsumme betrug 3,34 Millionen DM bei einer Eigen-kapitalquote von fast einem Viertel.93 Das ehemalige Berliner Privatbankhaus Delbrück & Co. kann zur Gruppe der Merchant-Banks gezählt werden. Das Bankhaus, das nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Sitz nach Köln verlagerte, erhielt erst 1955 die Zulassung zum Neugeschäft in Berlin. Hauptgeschäftsfelder waren das kurzfristige Kreditgeschäft sowie die Vermögensbetreuung für das gehobene Privatpublikum. Eine Zwitterstellung nahm das Bankhaus Hardy & Co., das seinen Sitz 1950 nach Frankfurt am Main verlegt hatte, ein. In Frankfurt konzentrierte sich das Kreditinstitut als Merchant-Bank auf das industrielle Großkreditgeschäft, den Wechselhandel und das Effektengeschäft, während die Bank am Bankplatz Berlin das Mengengeschäft betrieb.94 Der Umfang des Berliner Filialgeschäftes hatte sich bis Anfang der 1970er Jahre etwa versiebenfacht, ihr Anteil am Gesamtgeschäft der Bank bewegte sich zwischen 15 bis 20%.95 1976 fusionierte die Hardy-Bank, die seit 1917 mehrheitlich zur Dresdner Bank gehörte96, mit der ebenfalls zu Dresdner Bank gehörenden SlomanBank aus Hamburg. Bereits seit 1974 bestand zwischen diesen Bankhäusern eine Kooperation. Die Hardy-Sloman-Bank verlor jedoch an Ertrags- und Wachstumsdynamik. Daher entschloss sich die Dresdner Bank 1978/79 die Struktur des Bankhauses zu straffen, und nur noch unter der Firma Hardy & Co. am Markt aufzutreten.97 Da sich die Ertragslage der Hardy-Bank weiter verschlechterte, gliederte die Dresdner Bank das Privatbankhaus 1980/81 vollständig unter Aufgabe des Firmennamens in die Deutsche Länderbank ein. Die Zweigstellen der Hardy-Bank in Berlin fielen der BHI zu.98 Damit ging die fast 100jährige Geschichte des Bankhauses Hardy & Co. zu Ende.

93

Vgl. o.V. (1981a), S. 494; o.V. (1985c), S. 52. Der Fokus im Kreditbereich lag auf der Gewährung kurz- und mittelfristiger Kredite an die Metallverarbeitung, den Handel und an Dienstleistungsunternehmen. Auf diese Sektoren entfielen jeweils fast 20% des gesamten Kreditvolumens. Das Effektenemissionsgeschäft war ebenfalls sehr umfangreich. Allein 1971 beteiligte sich Hardy an 59 Anleiheemissionen und 4 Kapitalerhöhungen. Vgl. o.V. (1972a), S. 591. sowie o.V. (1973a), S. 491; o.V. (1976f), S. 597; o.V. (1980g), S. 840. 95 Vgl. o.V. (1972), S. 167. 96 Das Bankhaus Hardy & Co. wurde 1909 von der Rheinisch Westfälischen Disconto-Gesellschaft Aachen kommanditiert. Diese Bank wiederum wurde 1917 von der Dresdner Bank übernommen. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 3.2.1 und 4.3.2 dieser Arbeit. 97 Dies war auch aufgrund von Auseinandersetzungen mit den Altgesellschaftern der Sloman-Bank notwendig geworden. Vgl. o.V. (1979a), S. 618. 98 Der Zins- und Provisionsüberschuß ging 1979 um mehr als ein Drittel zurück, die Verwaltungskosten stiegen an und im Kredit- und Geldmarktgeschäft mußte ein Fehlbetrag ausgewiesen werden, so daß das ordentliche Betriebsergebnis einen Verlust von mehr als 12 Millionen DM aufwies. Vgl. o.V. (1980g), S. 840; o.V. (1980f), S. 1068. 94

192

Kapitel III

Neben den sich erfolgreich entwickelnden Berliner Privatbanken gab es in der Zeit von 1949 bis 1989 am Bankplatz Berlin sechs bekannt gewordene Konkurse.99 Bereits am 23. November 1951 mußte das Bankhaus Heinz Henschel aus Berlin-Steglitz seine Zahlungen einstellen. Noch am selben Tag bildeten sämtliche Berliner Banken ein Konsortium, das die Gläubiger voll befriedigte, um mögliche panikhafte Kettenreaktionen am Bankplatz Berlin zu verhindern. Ursache des Konkurses war in der Hauptsache eine fehlerhafte Kredit- und Liquiditätsplanung. Als dann die Henschel-Bank aufgrund einer betrügerischen Scheckreiterei Verluste hinnehmen mußte und ein Kunde einen größeren Barbetrag abzog, konnte die Bank, die lediglich eine Bilanzsumme von 2 Millionen DM aufwies, die daraus resultierenden Liquiditätsprobleme nicht mehr lösen.100 1962 mußte das Bankhaus Leising & Co. in Liquidation treten. Hauptgrund dieser Entwicklung waren kriminelle Handlungen. Um das Vertrauen in die deutschen Banken insgesamt und in den Bankplatz Berlin nicht zu erschüttern, wurde das Bankhaus Leising ohne Kenntnis der Öffentlichkeit abgewickelt. Dazu bildete sich ein Konsortium, dessen Führung die Weberbank inne hatte. Ende 1989 fand die endgültige Abwicklung dieses Instituts statt, in dem das Bankhaus Leising aus dem Handelsregister gelöscht wurde.101 1965 mußte das 1867 gegründete Bankhaus Gebrüder George Insolvenz beantragen. Die Bilanzsumme zum Konkurszeitpunkt betrug 0,9 Millionen DM. Ursache des Konkurses waren eine spekulative Kreditvergabepolitik verbunden mit einer mangelhaften Kreditprüfung. Da das Bankhaus George alle Gläubiger ohne fremde Hilfe und Mittel bedienen konnte, wurde auf die Einberufung eines Stützungsfonds verzichtet.102 Die Anfänge der Oppenheim-Bank gehen auf Hugo Oppenheim zurück, der nach der Reichsgründung Mitinhaber des Bankhauses Robert Warschauer & Co. war. Während das Bankhaus Warschauer in der Darmstädter Bank aufging, gründete Hugo Oppenheim selbst eine Bank, die vorwiegend im Effektengeschäft tätig war. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kreditinstitut erst 1958/59 wieder reaktiviert, nahm das Neugeschäft jedoch nicht wieder auf, sondern beteiligte sich im Rahmen einer Kapitalerhöhung an der 1950 eröffneten Jüdischen Privatbank, die seit 1954 als Berliner Privatbank AG firmierte. 99

Eine Übersicht, wenngleich unvollständig, über Bankenzusammenbrüche in Deutschland findet sich bei o.V. (1993b), S. 26 sowie online im internet: www.termingeld-vergleich.de/service/bankenpleiten/uebersicht.htm[05.01.2004]. 100 Vgl. o.V. (1951), S. 595. 101 Vgl. Bödecker (2000), S. 94f. 102 Vgl. Zahn/Winkel (1972), S. 42.

1945-1989

193

Im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung und dem Eintritt des Bankhauses Oppenheim in den Gesellschafterkreis der Berliner Privatbank AG firmierte diese 1959 in Hugo Oppenheim & Sohn Nachf. Berliner Privatbank AG um.103 Da das Bankhaus die Ausweitung seiner Geschäftstätigkeit plante, führte es 1960 eine weitere Kapitalerhöhung durch. Das Kapital befand sich voll im Besitz von Hugo von MendelssohnBartholdy, Basel und ihm nahestehende Gesellschaften.104 1967 mußte das Bankhaus jedoch Konkurs anmelden. Die Bilanzsumme betrug zum Konkurszeitpunkt fünf Millionen DM. Die erst 1969 gegründete Askanische Bank Trautwein & Co. mußte im Jahr 1982 mit einer Bilanzsumme von 151 Millionen DM bei einem haftenden Eigenkapital von 7,42 Millionen DM Konkurs anmelden. Die Privatbank, die aus dem 1901 gegründeten Bankhaus Reinhold Pinner & Co., das 1953 die Neuzulassung zum Geschäft in Berlin erhielt, hervorging, war im Factoring und Teilzahlungskreditgeschäft als Partner der Fernseh- und Elektrogroßhandelsgruppe Schneider-Opel aktiv.105 Nur zwei Tage nachdem dieses Unternehmen am 14. September 1982 Konkurs anmeldete, mußte die Askanische Bank am 16. September auf Anordnung des BAKred ihre Schalter schließen. Das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen hatte Unregelmäßigkeiten in den Geschäften mit der Schneider-Opel-Gruppe festgestellt.106

5.3.3 Die Entwicklung der Nachfolgeinstitute der Berliner Großbanken Die drei Berliner Großbanken hatten bereits vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges einen Teil ihrer Zentralfunktionen nach Westdeutschland verlegt. Dortige Niederlassungsleiter waren mit weitreichenden Funktionen ausgestattet worden, so daß diese unabhängig von der dann möglicherweise besetzten Berliner Zentrale hätten agieren können. In Hamburg, Düsseldorf und Frankfurt am Main errichteten sie sogenannte Großbankleitstellen, von wo aus der Kontakt zum gesamten westdeutschen Filialnetz hergestellt wurde.107

103

Vgl. o.V. (1959), S. 772. Vgl. o.V. (1960), S. 1084. Sowohl die Askanische Bank als auch die Schneider-Opel-Gruppe gehörten zum Interessenbereich der Familie Dr. Hans Stahlmann. Ein 1982 geplanter Eigentümerwechsel fand nicht mehr statt. 106 Vgl. o.V. (1982c), S. 893; o.V. (1982d), S. 935. 107 Bzgl. der Deutschen Bank vgl. Holtfrerich (1995), S. 419ff. 104 105

194

Kapitel III

Die Dezentralisierungspläne der Westalliierten für die deutsche Wirtschaft führten zu einer Zerschlagung der Großbanken in 30 rechtlich selbständige Teilinstitute, die jedoch eng miteinander zusammenarbeiteten. Infolge der 1952 durchgeführten Umstrukturierung im Rahmen der sogenannten „Dreierlösung“ bestand nun jede ehemalige Berliner Großbank aus drei rechtlich selbständigen Teilbanken. 1957 führte man diese wieder zu einer Einheit unter dem alten Firmennamen zusammen.108 Der Standort Berlin blieb bei den Dezentralisierungsplänen der Westalliierten unberücksichtigt. Die Filialen der Berliner Großbanken und ihre Zentralen blieben aufgrund der Ruhensanordnung geschlossen und wurden, sofern sie im Ostsektor Berlins lagen, enteignet. Versuche der in Berlin verbliebenen Mitarbeiter, die Banktätigkeit wieder aufzunehmen, scheiterten. Entsprechende Anträge an die Militärregierung wurden von dieser abgelehnt.109 Die Commerzbank, deren Zentrale sich in Hamburg befand, berichtete dazu im Juni 1947: „In Berlin ruht das Geschäft, nachdem die Kundentresore mit den Verwahrstücken der Kundschaft von der russischen Besatzungsmacht ausgeräumt, unser Haupttresor in der Behrenstraße versiegelt und das Gebäude selbst unserer Benutzung entzogen worden ist. Die daselbst noch befindlichen Streifband-Depots wurden in neuerer Zeit zur Deutschen Zentralfinanzverwaltung in der sowjetischen Besatzungszone verlagert, ebenso die Geschäftspapiere und sonstigen Unterlagen, die sich noch in den Tresoren befunden haben. In der Depositenkasse Berlin Friedenau ist noch ein kleiner Stab tätig, der mit uns in ständiger Fühlung steht, sich aber jeder geschäftlichen Betätigung zu enthalten hat. Er befaßt sich im wesentlichen mit der Erteilung von Auskünften und Abstimmungsarbeiten. Alle Versuche, das Berliner Geschäft der Privatbanken und damit auch unserer Bank wieder anlaufen zu lassen, sind bisher fehlgeschlagen.“110 108

Die Beschlüsse der Westalliierten sahen für die Großbanken eine Dezentralisierung analog zur Entflechtung der großen Industriekonzerne in den Bereichen Kohle, Stahl und Chemie vor. Bis zum Frühjahr 1948 entstanden daher in Westdeutschland 30 neue Filialgruppen, die hinsichtlich ihres lokalen Einzugsgebietes durch die neuen Ländergrenzen eine Beschränkung erfuhren. Der Begriff des Nachfolgeinstituts ist de jure insofern falsch, da es sich bei den Filialgruppen nicht um Ausgründungen aus den ruhenden Altbanken handelte. Da sich die neuen regionalen Grenzen und die ungeklärte Eigenkapitalfrage aufgrund des unklaren juristischen Profils als nachteilig im nationalen und internationalen Geschäft erwiesen, führte man 1952 die Dreierlösung durch. Dazu wurden die ruhenden Berliner Großbanken kurzfristig reanimiert, um entsprechende Ausgründungen aus den Altbanken vorzunehmen. Danach wurden die Altbanken wieder geschlossen und erst in den 1980er Jahren endgültig liquidiert. Mit dem Gesetz vom 24.12.1956 zur Aufhebung der Beschränkung des Niederlassungsbereiches von Kreditinstituten kam es zum vollen Wiederzusammenschluß der drei Teilbanken in Westdeutschland. Vgl. Horstmann (1991); Hansmeyer (1998), S. 21f.; Wolf (1993), S. 26-42; Wolf (1994), S. 28-44; Wolf (1998a), S. 83-89; Wolf (1998b), S. 130f. 109 Zu den Plänen der Deutschen Bank sowie zu den Initiativen des Magistrats von Berlin vgl. Holtfrerich (1995), S. 444f. 110 Vgl. Wolf (1995), S. 19.

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Erst als im März 1949 die Berliner Zentralbank gegründet und die endgültige Währungsreform in West-Berlin vorgenommen wurde, konnten die in Westdeutschland existierenden Nachfolgeinstitute der Berliner Großbanken ihre Präsenz in West-Berlin neu disponieren. Die Vorstände der Nachfolgeinstitute der Deutschen Bank entschlossen sich im Dezember 1948, bei den West-Alliierten einen Antrag auf Gründung einer Bank in Berlin aus Mitteln der westdeutschen Teilinstitute der Deutschen Bank zu stellen. Am 1. Oktober 1949 wurde daraufhin die Berliner Disconto Bank AG mit einem Kapital von 500.000 DM gegründet.111 Die Teilinstitute der Dresdner Bank AG gründeten 1949 die Bank für Handel und Industrie AG in Berlin ebenfalls mit einem Aktienkapital von 500.000 DM.112 Die Commerzbank gründete im Juli 1949 das Bankhaus Hohlbeck KG. Dazu erhielt Dr. Ludwig Hohlbeck113, Jurist und ehemaliger Leiter des Vorstandsbüros, eine Banklizenz. Das Kommanditkapital in Höhe von 50.000 DM sowie das Kapital für den Kommanditisten Dr. Werner Tiedke in gleicher Höhe stellten die CommerzbankNachfolgeinstitute zur Verfügung. Firmensitz wurde die ehemalige Geschäftsstelle in Berlin Friedenau, die unmittelbar nach Kriegsende Auskunfts- und Abwicklungsstelle der Commerzbank in Berlin war. Wenige Wochen später wurde das Bankhaus in eine Aktienbank umgewandelt, an der alle neun westdeutschen Filialgruppen der Commerzbank beteiligt waren. Die Bank, die unter dem Namen „Bankgesellschaft Berlin AG“ firmierte, nahm im Sommer 1950 die Hauptverwaltung an der Potsdamer Straße in Betrieb. Vor dem Hintergrund der „Dreier-Lösung“ im Jahr 1952 gingen die Beteiligungen an den Berliner Töchterbanken auf die drei rechtlich selbständigen Nachfolgeinstitute der Berliner Großbanken über. Seit 1957 waren die Berliner Töchterinstitute Bestandteil der wiederzusammengeführten Großbanken. Im Rahmen der Rezentralisierungspläne der Großbanken sprach sich 1956 der Senat von Berlin für die Umwandlung der Berliner Banktöchter in Bankfilialen aus. Diese Überlegungen waren rein politisch motiviert, um West-Berlin auch hinsichtlich der finanziellen Infrastruktur als ein Teil der Bundesrepublik erscheinen zu lassen. Für die westdeutschen Großbanken kam diese organisatorische Maßnahme jedoch nicht in Frage.

111

Vgl. Holtfrerich (1995), S. 448. Die ursprünglich gewählte Firma „Berliner Bank für Handel und Industrie AG“ wurde bereits im Januar 1950 geändert, um Verwechslungen mit der aus dem Stadtkontor hervorgegangenen Berliner Bank zu vermeiden. Vgl. Weber (1957), S. 203. 113 Bereits am 26.11.1945 wurde Hohlbeck zum Betriebsleiter der in der russischen Zone gelegenen Geschäftsstellen ernannt. 112

Kapitel III

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Der weitergehenden Forderung des Berliner Senats, dann wenigstens die Berliner Tochterbanken derartig umzufirmieren, daß eindeutig erkennbar würde, daß sie zu den Frankfurter Großbanken gehören, wurde erst sehr viel später seitens der Frankfurter Zentrale entsprochen. Beispielsweise sollte das Tochterinstitut der Deutschen Bank in „Deutsche Bank AG Berlin“ umfirmieren. Obwohl Hermann Abs sich mit der Verwirklichung dieses Vorschlages einverstanden erklärte, erfolgte die Umfirmierung erst 1978.114 Das Berliner Tochterinstitut der Dresdner Bank AG, die Bank für Handel und Industrie AG, firmierte erst 1989 in Dresdner Bank Berlin AG um. Dagegen hatte das Tochterinstitut der westdeutschen Commerzbankgruppe bereits im Jahr 1952 in Berliner Commerzbank AG umfirmiert.115 Um dennoch eine stärkere Verbundenheit mit den Berliner Tochterbanken zu demonstrieren, wurde bereits in den 1950er Jahren eine stärkere personelle Verflechtung zwischen den Konzernzentralen und den Berliner Tochterbanken vorgenommen.116 Das Aufgabespektrum der Berliner Tochterbanken entsprach dem der Frankfurter Mutterbank. Deutsche Bank AG Konzern Berlin 1980 Bilanzsumme Rang Anteil 1988 Bilanzsumme Rang Anteil

Dresdner Bank AG Konzern Berlin

Commerzbank AG Konzern Berlin

174.594 1

6.159 66 3,5%

123.533 2

7.613 54 6,2%

100.029 4

3.579 93 3,5%

305.295 1

8.864 70 2,9%

230.964 2

11.923 58 5,2%

180.400 3

7.851 74 4,4%

Tabelle 49: Vergleich der Bilanzsummen der deutschen Großbanken und ihrer Berliner Töchterbanken (Angaben in Millionen DM) sowie der Anteil der Berliner Töchter an der Kon zernbilanzsumme Quelle: Stein (1982), S. 40ff.; Stein (1991), S. 59ff.

Die wiederzusammengeführten westdeutschen Großbanken und ihre jeweiligen Berliner Töchter bildeten in der Bankenstatistik den Kreis der sechs Großbanken. Somit verfügte der Bankplatz Berlin über drei Großbanken, die jedoch an Größe und Reputation der Berliner Großbanken vor dem Zweiten Weltkrieg nicht heranreichten. In der Rangliste der einhundert größten deutschen Banken bewegten sich diese Institute im letzten Drittel. Dagegen befanden sich die Berliner Wohnungsbaukreditanstalt und die Berliner Sparkasse mit einer Bilanzsumme von mehr als zwanzig Milliarden Mark im 114

Vgl. Holtfrerich (1995), S. 538, S. 780. Vgl. Wolf (1995), S. 19ff. 116 Vgl. Holtfrerich (1995), S. 538f. 115

1945-1989

197

ersten Drittel dieser Rangliste. Im Vergleich der Berlintöchter untereinander war die Dresdner Bank Berlin im Hinblick auf die Bilanzsumme die größte Tochterbank, gefolgt von der Deutschen Bank Berlin und der Berliner Commerzbank. Zum Konzernabschluß der Frankfurter Muttergesellschaft trug die Dresdner Bank Berlin ebenfalls den größten Anteil bei.

5.3.4 Die Wiederansiedlung der Regional- und sonstigen Kreditbanken Die Anzahl der am Bankplatz Berlin tätigen Regional- und sonstigen Kreditbanken erhöhte sich trotz Fusionen und Standortverlagerungen regelmäßig. War es anfänglich nur das Berliner Stadtkontor bzw. die spätere Berliner Bank, die unmittelbar nach Kriegsende tätig werden durfte, begann mit der Gründung der Berliner Zentralbank und der Regelung der Altbankenfrage ein Neugründungs- und Reaktivierungsprozeß, so daß die Anzahl der Marktteilnehmer dieser Institutsgruppe zunahm. Zwar hatte die Mehrzahl der Institute ihren Sitz bereits nach Westdeutschland verlagert, durch die Wiederzulassung der ruhenden Altbanken zum Neugeschäft in Berlin eröffneten die Institute jedoch eine Niederlassung im Westteil der Stadt und operierten mit zwei juristischen Firmensitzen. Der geschäftliche und wirtschaftliche Schwerpunkt blieb aber in Westdeutschland. Von 1949 bis 1989 verzehnfachte sich die Anzahl der in Berlin meldepflichtigen Regionalbanken nahezu. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Erhöhung ihrer Anzahl 1987 auf die Auflösung der Institutsgruppe der Teilzahlungskreditinstitute zurückzuführen ist, die i.d.R. den Regionalbanken zugeordnet wurden.117 1970 waren 13 Regionalbanken in Berlin aktiv, drei davon domizilierten am Bankplatz, fünf weitere wiesen Berlin als ihren zweiten juristischen Firmensitz aus.118

117 118

Letztmalig wurden in der Berliner Regionalstatistik 1986 acht meldepflichtige Teilzahlungskreditinstitute ausgewiesen. Davon abweichend weist die Berliner Regionalstatistik 16 Regionalbanken aus mit 10 ortsansässigen Banken bzw. Banken mit zweitem Firmensitz in Berlin. Der Grund liegt in der Zuordnung zweier Privatbanken (Weberbank, Hardy-Bank) und eines genossenschaftlichen Instituts (Bank für Sozialwirtschaft) in die Gruppe der Regionalbanken, die in dieser Arbeit jedoch ihrem Selbstverständnis entsprechend der jeweiligen Institutsgruppe subsumiert werden.

198

ortsansässige Kreditbanken 1. Berliner Bank AG, Berlin 2. Berliner Handels-Bank AG, Berlin 3. Deutsche Kredit- und Handelsbank KGaA, Berlin

Kapitel III

auswärtige Kreditbanken 1. Bank für Gemeinwirtschaft AG, Frankfurt a.M. 2. Deutsch-Südamerikanische Bank AG, Hamburg 3. Deutsche Gewerbe- und Landkreditbank AG, Frankfurt 4. Effectenbank-Warburg AG, Frankfurt 5. First National City Bank, Frankfurt 6. Handels- und Privatbank AG, Köln 7. Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt, Berlin/Frankfurt 8. Berliner Handels-Gesellschaft/Frankfurter Bank, Berlin/Frankfurt 9. Deutsche Länderbank AG, Berlin/Frankfurt 10. Deutsche Überseeische Bank, Berlin/Hamburg

Tabelle 50: Die ortsansässigen und ortsfremden Regional- und sonstigen Kreditbanken in Berlin 1970 Quelle: Geschäftsbericht Landeszentralbank in Berlin (1970)

Trotz Fusionen und Standortaufgaben wurde die dadurch bedingte Reduktion der am Bankplatz Berlin tätigen Regionalbanken durch Ansiedlung neuer Institute mehr als kompensiert, so daß 1989 die Zahl der von der Regionalstatistik ausgewiesenen Regionalbanken auf 21 stieg. Fünf von ihnen wurden in Berlin bankaufsichtlich überwacht. Dazu zählten die Berliner Bank, die Deutsche Kredit- und Handelsbank, die Allgemeine Beamten Kreditbank, die ABC-Bank sowie die Weberbank, die in dieser Arbeit, von der Regionalstatistik abweichend, den Privatbanken zugeordnet wird. Die Berliner Bank AG entwickelte sich bis 1989 zur bedeutendsten regionalen Kreditbank des Bankplatzes Berlin. Sie entstand aus dem Berliner Stadtkontor West, das am 30. Dezember 1948 infolge der wirtschaftlichen und politischen Teilung der Stadt errichtet wurde. Zuvor war das Berliner Stadtkontor, das auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 als Berliner Stadtbank gegründet worden war, in beiden Teilen der Stadt aktiv.119

119

Einzelheiten zur Gründung der Berliner Stadtbank und ihrer Geschäftstätigkeit waren im Befehl BK/O (45) 130 der Alliierten Kommandantur vom 26.09.1945 festgelegt. Vgl. Weber (1957), S. 173.

1945-1989

Einordnung in die Gruppe der Regional- und Sonstigen Kreditbanken Jahr Institut 1945 Berliner Stadtbank später Berliner Stadtkontor, seit 1950 Berliner Bank AG 1949 Berliner Handels-Bank AG 1950 Kreditbank für Gartenbau und Landwirtschaft KGaA 1952 Deutsche Gewerbe- und Landkreditbank AG, Frankfurt 1952 August Thyssen-Bank AG 1952 Bank für Brauindustrie, Frankfurt 1953 Bank für Wirtschaft und Arbeit zu Berlin AG; seit 1964 BfG AG, Frankfurt 1954 Allgemeine Wirtschaftsbank AG, seit 1959/62 Bau- und Handelsbank AG 1954 Berliner Handels-Gesellschaft; seit 1970 Berliner Handels-GesellschaftFrankfurter Bank-120 1954 Deutsche Effecten- und Wechsel-Bank AG, seit 1970 Effecten-Bank Warburg AG, Frankfurt 1955 ADCA, Frankfurt und Berlin 1955 Bank für Landwirtschaft AG, Köln seit 1970 Handels- und Privatbank AG, Köln 1956 Deutsch-Südamerikanische Bank AG, Hamburg 1956 Deutsche Überseeische Bank, Hamburg und Berlin 1957 Berliner Import- und Export-Bank AG 1957 Getreide-Kreditbank AG, Hamburg 1958 1961 1965 1969 1971 1974 1976 1976

Grundbesitz- und Handelsbank AG Deutsche Länderbank AG First National City Bank, Frankfurt Deutsche Kredit- und Handelsbank KGaA Bayerische Hypotheken- und Wechsel ABC-Barkredit-Bank GmbH Deutsche Transportbank122 Bayerische Vereinsbank AG

199

Abgang aus der Gruppe Regional- und Sonstigen Kreditbanken Jahr Grund

1963

1962 1959

Fusion mit der Bank für Landwirtschaft AG, Köln Übernahme durch Deutsche Genossenschaftsbank Aufgabe des Standortes Berlin Aufgabe des Standortes Berlin

1964

n.e.

1983

Aufgabe des Standortes Berlin

1975 1976 1959 1961

Aufgabe des Standortes Berlin Eingliederung in die Deutsche Bank Konkurs Fusion mit der Bank für Landwirtschaft AG, Köln121 Konkurs

1979

1965

Tabelle 51: Der Ansiedlungsprozeß der Regionalbanken am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989123 Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank; eigene Recherchen. 120

1970 erfolgte die vollständige Verschmelzung beider Unternehmen. Die Frankfurter Bank war bereits seit Anfang der 1960er Jahre im Besitz der Berliner Handelgesellschaft, von dieser jedoch als eigenständige Tochter fortgeführt worden. Vgl. o.V. (1970d), S. 612ff. 121 Vgl. o.V. (1962e), S. 580. 122 Die Deutsche Transportbank eröffnete am 01.03.1976 eine Repräsentanz in Berlin aufgrund eines wachsenden Kundenkreises. Als spezialisierte Universalbank war sie auf die Unternehmen des Transportgewerbes ausgerichtet. Vgl. o.V. (1976a), S. 218. 123 Abweichend von der Bundesbankstatistik werden in dieser Arbeit jene Institute, die aufgrund der formaljuristischen Parameter den Kreditbanken subsumiert wurden, den Privatbanken bzw. den genossenschaftlichen Instituten zugeordnet. Da seit 1972 keine Namenslisten der in Berlin tätigen Institute mehr veröffentlicht wurden, und diese auch nicht archiviert sind, konnte der Ansiedlungsprozeß nicht lückenlos dokumentiert werden.

200

Kapitel III

Bis zur Zulassung der Berliner Zentralbank übernahm die Stadtbank die Aufgaben einer Noten- und Außenhandelsbank für Gesamt-Berlin.124 1950 erfolgte die Umgründung des Stadtkontors zur Berliner Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Alleinaktionär war das Land Berlin. Die Berliner Bank AG, die sich als Universalbank vorwiegend auf das regionale Geschäft in Berlin konzentrierte, begann Ende der 1970er Jahre mit der Expansion ins westdeutsche Gebiet. Dazu eröffnete sie Niederlassungen in Frankfurt, Düsseldorf, München und in weiteren Großstädten des Bundesgebietes.125 Um in Westdeutschland vertreten zu sein, übernahm die Berliner Bank die 1757 gegründete Hamburger Privatbank Johannes Schuback & Sohn, die 1981 in eine Filiale umgewandelt wurde.126 Des weiteren beteiligte sie sich unter anderem an der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank sowie an der Allgemeinen Bankgesellschaft AG in Frankfurt, die sie bereits 1974 vollständig übernahm.127 1979 übernahm die Berliner Bank das 1949 gegründete Teilzahlungskreditinstitut, die WKV Kredit Bank, Frankfurt, an der sie bereits mit einem Drittel beteiligt war.128 Außerdem dehnte die Berliner Bank ihren Aktionsradius international aus. 1970 eröffnete sie zusammen mit der Bayerischen Vereinsbank und der Vereinsbank in Hamburg ein gemeinsames Repräsentanzbüro in Teheran.129 Darüber hinaus war sie mit einer Tochterbank in Luxemburg vertreten und 1981 eröffnete die Berliner Bank AG ihre erste Auslandsniederlassung in London, die im ersten Jahr ihrer Geschäftstätigkeit bereits ein Geschäftsvolumen von mehr als 750 Millionen DM erreichte.130 1988 beteiligte sich die Berliner Bank mit 6,5 Millionen DM an der AMCER S.A., Paris, der Beteiligungsgesellschaft der Banque Worms131 und ein Jahr später am Bankinstitut Zürich AG, Zürich (BZZ), das in der Beratung vermögender Privatkunden und im internationalen Anlagebereich aktiv war.132

124

Das Auslandsgeschäft, insbesondere der Zahlungsverkehr, war bis zur Währungsreform nur über die Bezirksbanken Zehlendorf und Charlottenburg in Verbindung mit der JEIA möglich. Für den östlichen Teil der Stadt war die Garantie- und Kreditbank zuständig. Vgl. Berliner Zentralbank (1949), S. 35; Karlsch (1992), S. 64-84. 125 Vgl. o.V. (1980b), S. 454. 126 Die Übernahme der Hamburger Privatbank erfolgte bereits 1979 mit dem Ziel der Umwandlung in eine Filiale der Berliner Bank AG. Vgl. o.V. (1979), S. 241; o.V. (1981b), S. 578. 127 Vgl. o.V. (1975), S. 326. 128 Die WKV Kredit Bank wies per 30.09.1979 ein Geschäftsvolumen von 300 Millionen DM aus. Am Stammkapital von insgesamt 6 Millionen DM waren zuvor mit jeweils einem Drittel die Vereins- und Westbank, Hamburg und die Deutsche Effecten- und Wechselbeteiligungs-AG, Frankfurt beteiligt. Vgl. o.V. (1980), S. 59. 129 Vgl. o.V. (1970h), S. 1034. 130 Vgl. o.V. (1981e), S. 314. 131 Vgl. o.V. (1988c), S. 1143. 132 Vgl. o.V. (1989a), S. 226.

1945-1989

201

In die Expansionspläne der Berliner Bank fiel auch der Abschluß von Rahmenkreditverträgen mit dem Ostblock. Auf diese Weise versuchte die Berliner Bank ihr Außenhandelsgeschäft zu aktivieren. 1987 schloss sie dazu mit der tschechoslowakischen Außenhandelsbank, Cekobanka Prag, einen Rahmenkreditvertrag im Volumen von 50 Millionen DM zur Finanzierung von Investitionsgüterlieferungen aus Deutschland ab.133 1988 folgte ein weiteres Rahmenkreditabkommen mit der Deutschen Außenhandelsbank der DDR.134 Begründet wurden die Expansionspläne mit dem strukturell bedingten Passivüberhang aus dem Berlingeschäft, der durch die überregionalen und internationalen Engagements abgebaut werden sollte. Außerdem sah man in der wirtschaftlichen Entwicklung des Bundesgebietes bessere Renditechancen, an denen man partizipieren wollte.135 Aufgrund der starken Expansion der Berliner Bank sowohl am Bankplatz Berlin selbst als auch überregional und international explodierte die Bilanzsumme der Berliner Bank. Während 1974 die Bilanzsumme gerade etwas mehr als 4 Milliarden DM betrug,136 wies die Berliner Bank 1988 eine Bilanzsumme in Höhe von etwas mehr als 18 Milliarden DM aus, im Gesamtkonzern sogar von rund 34 Milliarden DM aus. Die Berliner Bank hatte sich zum größten Kreditinstitut am Bankplatz Berlin entwickelt und zur fünftgrößten regionalen Kreditbank in Deutschland. Bezüglich der Bilanzsumme belegte sie deutschlandweit Platz 23.137 Die Vor- und Nachteile dieser Expansionspolitik zeigten sich regelmäßig im Ergebnis der Bank. Bereits 1980 war die Ausschüttung ausgefallen, weil im Zusammenhang mit der Bürgschaftsaffäre um die in Konkurs gegangene Berliner Firma Bautechnik des Architekten Dietrich Garski der Vorsorge Priorität eingeräumt und ein Nullabschluß vorgelegt wurde. 1981 mußten aufgrund des Kreditengagements des ebenfalls in Konkurs geratenen AEG-Telefunken-Konzerns weitere Wertberichtigungen vorgenommen werden. Belastet wurde das außerordentliche Ergebnis auch durch verschiedene Polengeschäfte, so daß sich ein Negativsaldo von fast 60 Millionen DM ergab. Da sich das ordentliche Betriebsergebnis jedoch infolge der Expansion auf mehr als 90 Millionen DM verdoppelte, konnte insgesamt für 1981 ein positives Ergebnis ausgewiesen

133

Vgl. o.V. (1987a), S. 849. Vgl. o.V. (1988b), S. 489. Im Rahmen ihrer Expansionspolitik hatte die Berliner Bank auch die Berliner Filialen der Allgemeinen Beamtenbank aus Hamburg übernommen, die ihre Filialgeschäfte vollends vor dem Hintergrund der Übernahme durch die BHW-Holding aufgab. Vgl. o.V. (1980d), S. 830. 136 Vgl. o.V. (1975), S. 326. 137 Vgl. Stein (1991), S. 28, S. 59. 134 135

202

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werden, wobei jedoch erneut auf die Ausschüttung einer Dividende verzichtet wurde.138 Hohe Verwaltungs- und Personalkosten belasteten die Ertragsrechnung auch 1983, obwohl die bundesdeutschen Filialen, auf die mehr als 50% des Firmenkreditgeschäftes der Bank entfiel, mehrheitlich positive Deckungsbeitrage erwirtschafteten.139 1986 konnte nach einem erfolgreichen Jahr 1985, in dem ein Bilanzgewinn von 30 Millionen DM erzielt wurde, lediglich ein Bilanzgewinn von 0,21 Millionen DM ausgewiesen werden. Ursache hierfür war ein um mehr als 60% gestiegener Wertberichtigungsbedarf im Kreditgeschäft, der primär aufgrund von Unregelmäßigkeiten und Kompetenzüberschreitungen in der erst 1982 eröffneten Filiale Stuttgart entstanden war.140 Expansionspolitik und Wertberichtigungsbedarf verlangten 1981 und 1982 Kapitalerhöhungen, die vom Land Berlin als Alleinaktionär in vollem Umfang getragen wurden. Als 1984 erneut eine Kapitalerhöhung erforderlich war, beschloß der Berliner Senat, diesen Anlaß zur Teilprivatisierung der Berliner Bank zu nutzen. 26% der Kapitalanteile befanden sich nach der Kapitalerhöhung im Streubesitz.141 1988 wurde das Kapital erneut im Rahmen einer bedingten Kapitalerhöhung um rund 20 Millionen DM erhöht.142 Aufgrund dieser Entwicklung wundert es nicht, daß 1989 erste Pläne zur Fusion der Berliner Bank AG mit der Berliner Sparkasse geäußert wurden. Begründet wurden diese Pläne allerdings weniger mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten, als vielmehr mit der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes, in dem ein fusioniertes Kreditinstitut ein größeres Gewicht hätte.143 Von Bedeutung, wenngleich von geringerer Größe als die Berliner Bank AG, war für den Bankplatz Berlin auch die Deutsche Kredit- und Handelsbank AG (DKH). Das Institut, das erst 1975 aufgrund veränderter Geschäftsstrukturen seine Rechtsform in eine Aktiengesellschaft umwandelte,144 ging aus dem 1922 in Dresden gegründeten 138

Vgl. o.V. (1982e), S. 600f. Vgl. o.V. (1984a), S. 776. Vgl. o.V. (1987), S. 298; o.V. (1988a) S. 117. 141 Vgl. o.V. (1984), S. 496. Der Berliner CDU-Senat folgte damit dem auch auf Bundesebene herrschenden Trend, staatliche Unternehmen zu privatisieren. Unter anderem wurden seit Mitte der 1980er Jahre sukzessive die DSL-Bank, die Depfa und die Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank privatisiert. Vgl. o.V. (1984d), S. 1018. 142 Vgl. o.V. (1989g), S. 783. 143 Vgl. o.V. (1989h), S. 893f. Neben den Plänen zur Fusion der Berliner Bank und der Berliner Sparkasse gab es weitergehende Fusionspläne, die eine Integration eines fusionierten Berliner Institutes in die neu zu schaffende Deutsche Girozentrale-Landesbank vorsahen. Aufgrund der Annäherung der Geschäftsfelder der Landesbanken zu denen der Geschäftsbanken versprach man sich von der Konzentration der Kräfte in einem bundesweiten Zentralinstitut unter Integration der elf Landesbanken Kostenersparnisse und Ertragszuwächse. Das die einzelnen Landesbanken in der Lage wären, einzeln ihr umfassendes Leistungsangebot aufrechtzuerhalten, wurde bereits 1989 bezweifelt. Vgl. dazu o.V. (1989j), S. 1143f.; Linss et al. (1989), S. 1042. 144 Vgl. o.V. (1975a), S. 831. 139 140

1945-1989

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Bankhaus Theodorescu hervor, das 1961 nach Sitzverlagerung und Altbankenregelung in Berlin reaktiviert wurde. Nach dem Tod des Komplementärs Alexander Theodorescu führte der zweite Komplementär Dr. Wolfgang Feil die Geschäfte der Bank unter der Firma Berliner Finanzkredit-Bank Dr. Feil & Co. KG fort. In den folgenden Jahren ging die Feil-Bank Beteiligungen an der Bank für Kredit und Außenhandel in Zürich sowie am Bankhaus Daghofer & Co. in Salzburg ein. Die Bilanzsumme des Feil-Bank-Konzerns, zu dem auch die in Berlin ansässige Teilzahlungsbank, die Handels- und Diskont-Bank GmbH – Absatzfinanzierung, und eine Unternehmenstochter, die sich mit bankfremden Vermittlungsgeschäften beschäftigte, gehörte, betrug 1969 fast 119 Millionen DM. Bei der sich anschließenden Fusion der Feil-Bank mit der 1920 gegründeten und 1970 aktivierten Berliner Altbank Deutsche Kredit- und Handelsbank AG übernahm die Feil-Bank die Firma Deutsche Kredit- und Handelsbank, zunächst unter Beibehaltung der Rechtsform einer KGaA.145 Die DKH entwickelte sich mit hohen Wachstumsraten. Das Wachstum generierte sich über das kurz- und mittelfristige Kreditgeschäft an die Industrie in Berlin und im Bundesgebiet. In Westdeutschland war die Bank seit 1970 mit einer Niederlassung in München vertreten, auf die 1972 etwas mehr als ein Viertel der Bilanzsumme entfiel. Pläne zur Etablierung weiterer Niederlassungen wurden nicht umgesetzt. Statt dessen konzentrierte man sich auf den Bankplatz Berlin und die Vorteile seiner geografischen Lage, um die Finanzierungsaktivitäten bezüglich des Ost-West-Handels auszubauen. Zur Erweiterung dieses Geschäftsfeldes war die DKH 1972 als erste deutsche Privatbank mit einem Informationsstand auf der Leipziger Messe vertreten.146 Ende der 1970er Jahre entfiel ca. ein Fünftel des Kreditvolumens auf das Ostgeschäft, ca. ein Drittel auf den Bankplatz Berlin und zwei Fünftel auf das Bundesgebiet. Die Refinanzierung erfolgte vorwiegend über das Interbankengeschäft.147 Um das stark wachsende Geschäft durchführen zu können, war es notwendig, die Kapitalbasis durch Aufnahme neuer Gesellschafter zu verbreitern. Neben der Landesbank-Girozentrale Rheinland-Pfalz beteiligten sich mit dem United Dominions Trust International Ltd., London (UTD) und der Provincial Bank of Canada, Montreal auch ausländische Banken an der DKH..148 145

Vgl. o.V. (1970e), S. 602. Vgl. o.V. (1973d), S. 1216. Vgl. o.V. (1978), S. 845. 148 Auf die Landesbank Rheinland-Pfalz entfiel ein Anteil von 46,5%, die Witwen- und Waisenkasse war mit 5,5% beteiligt. Auf den UTD entfielen 38%, auf die kanadische Bank 10% des Grundkapitals. Vgl. o.V. (1974b), S. 639. 146 147

204

Kapitel III

Nach Umwandlung der Rechtsform der DKH in eine AG 1975 veränderten sich sowohl die Kapitalverhältnisse149 als auch die geschäftspolitische Ausrichtung. Die Niederlassung in München wurde aufgegeben, die Kräftekonzentration fand am Bankplatz Berlin statt. Von hier aus betrieb man die Außenhandelsfinanzierung mit dem Ostblock, das Konsortialgeschäft und das industrielle Kreditgeschäft.150 1980 überschritt die Bilanzsumme der Bank erstmalig die Grenze von einer Milliarde DM. Zur Stärkung der Ertragsseite konzentrierte man sich fortan auch auf das zinsunabhängige Geschäft. Außerdem wurde vor dem Hintergrund der Kostenersparnis 1984 die Teilfinanzierungsbanktochter in den Konzern eingegliedert.151 Das Geschäftsvolumen je Mitarbeiter betrug 18,5 Millionen DM.152 Seit 1. Juli 1987 gehörte die DKH zu 94,9% zum Wüstenrot-Konzern, der mit dieser Beteiligung seine Bankaktivitäten ausbauen wollte..153 Die 1970 noch in Berlin ansässige Berliner Handels-Bank AG war das Nachfolgeinstitut der nach Frankfurt am Main verlagerten Berliner Handelsgesellschaft. Als die Altbank 1954 zum Neugeschäft in Berlin zugelassen wurde, erfolgte die Fusion mit dem nach Frankfurt verlagerten Teil der Bank. Die Berliner Handels-Bank AG, die das Neugeschäft komplett an den Frankfurter Teil der Bank übertrug, blieb lediglich für besondere Aufgaben am Bankplatz Berlin erhalten, so daß das Kreditinstitut zweifach in Berlin vertreten war.154 Ebenfalls am Bankplatz Berlin mit ihrem Firmensitz ansässig, jedoch von geringerer Bedeutung, waren die ABC-Barkredit-Bank GmbH und die Allgemeine Beamten Kasse Kreditbank GmbH, die erst 1977 als Spezialbank des Teilfinanzierungskredites für die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gegründet wurde. Ihre Entstehung geht auf die Initiative des Herrn Jörg Woltmann zurück. Dagegen war die ABC-Barkredit-Bank GmbH bereits seit 31. Oktober 1949 als Teilzahlungskreditinstitut am Bankplatz Berlin aktiv. Ihre Entstehung geht auf die Idee des Budapester Kaufmannes Ferry Kaczander zurück, der 1929 ein Institut für den organisierten Teilzahlungskredit gründete. Als „ABC-Abzahlungs- und BelieferungsCreditvermittlungs-GmbH“ begann die Bank zur Zeit der Weltwirtschaftskrise mit der 149

Aufgrund des Ausscheidens des ehemaligen Komplementärs Dr. Feil verfügte die Landesbank RheinlandPfalz über 85,7% des Kapitals, da sie auch den Anteil der UDT übernommen hatte. Vgl. o.V. (1976), S. 105. 151 Vgl. o.V. (1981c), S. 827; o.V. (1984b), S. 765. 152 Vgl. o.V. (1984c), S. 872. 153 Die bisherige Mehrheitsaktionärin die Landesbank Rheinland-Pfalz verkaufte ihre Beteiligung vor dem Hintergrund der Neuordnung und Straffung ihres Beteiligungsportfolios. Vgl. o.V. (1987c), S. 656; o.V. (1988e), S. 554. 154 Die Berliner Handels-Bank AG firmierte anfänglich als Berliner Handels-Bank Berckemeyer & Broege KG, wurde aber noch im Gründungsjahr 1949 umbenannt. Vgl. Lüke (1956), S. 262ff.; Weber (1957), S. 206ff. 150

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Aufnahme ihrer Tätigkeit in Berlin. Nach dem Zweiten Weltkrieg spezialisierte sich die Bank als Teilzahlungskreditinstitut auf den Konsumentenkredit für langlebige Güter. Mit fast 1.700 Gesellschaftern funktionierte sie wie eine Kreditgenossenschaft des Berliner Einzelhandels. Mit dem Erhalt der Vollbanklizenz 1974 expandierte die Bank sowohl im Hinblick auf ihre Geschäftszweige als auch regional. Sie eröffnete verschiedene Zweigstellen beispielsweise in Frankfurt, Hamburg und Minden.155 Nur kurzfristig war die Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt (ADCA) mit ihrem Firmensitz am Bankplatz Berlin ansässig. Die seit 1955 in Berlin niedergelassene ADCA verlegte 1964 ihren Firmensitz von Leipzig nach Berlin. Die bereits 1856 in Leipzig gegründete Bank, war 1945 enteignet worden. Da die ADCA bereits vor dem Krieg eine Niederlassung in Berlin unterhielt, konnte sie aufgrund des Dritten Umstellungsergänzungsgesetzes vom 22. Januar 1964 ihren Sitz von Leipzig nach Berlin verlegen. Zwar war sie bereits 1955 in Berlin wieder zugelassen worden, doch wegen der Unklarheiten bezüglich des Firmensitzes und der Vermögenswerte bestand ihre Geschäftstätigkeit vorwiegend in der treuhänderischen Verwaltung dieser Vermögenswerte.156 Zum 1. August 1965 nahm die ADCA die aktive Tätigkeit wieder auf. Relativ schnell wurden Filialen in Berlin und im Bundesgebiet eröffnet. Der Geschäftsfokus bestand in der Kreditvergabe an Handwerk und Gewerbe. 1966 betrug die Bilanzsumme bereits 13 Millionen DM.157 1970 verlegte die ADCA ihren geschäftlichen Schwerpunkt von Berlin nach Frankfurt. Die Berliner Niederlassung blieb als zweiter juristischer Firmensitz bestehen, das in Berlin aufgebaute umfangreiche Zweigstellennetz wurde jedoch aufgelöst. Nunmehr verfolgte die ADCA die geschäftspolitische Strategie, kein Filialnetz aufzubauen, sondern an bestimmten Standorten Beteiligungen einzugehen, analog zur Geschäftsstrategie der Berliner Handelsgesellschaft.158 In der folgenden Zeit beteiligten sich verschiedene In- und Auslandsbanken im Rahmen ihrer Expansionspläne an der ADCA.159 Ende 1983 ging die ADCA zu 84% von der NordLB an die niederländische Rabobank, die restlichen 16% blieben im Streubesitz. Die Rabobank beabsichtigte damit den Ausbau ihres Auslandsgeschäftes in Deutschland.160

155

Vgl. online im internet: www.abc-bank.de [03.11.2003]. Vgl. o.V. (1964a), S. 795. Vgl. o.V. (1966), S. 930; o.V. (1967), S. 113. 158 Vgl. o.V. (1970c), S. 618; o.V. (1971c), S. 792f. 159 An der ADCA waren die Quandt-Gruppe, die NordLB, Wells Fargo und die Bank of Montreal in unterschiedlicher Höhe beteiligt. Vgl. dazu u.a. o.V. (1973), S. 84; o.V. (1973b), S. 596; o.V. (1976c), S. 66; o.V. (1979c), S. 346, o.V. (1983), S. 506. 160 Vgl. o.V. (1983c), S. 1147. 156 157

206

Kapitel III

Zu den bedeutenderen Regionalbanken, die sich nach 1945 wieder in Berlin niederließen, zählten die beiden gemischten Hypothekenbanken aus Bayern. Beide Institute waren bereits seit den 1950er Jahren mit einem Hypothekenbüro am Bankplatz Berlin vertreten. Aber erst nach dem Viermächteabkommen und der damit verbundenen politischen Sicherheit am Standort eröffnete die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank 1971 eine Niederlassung, die Bayerische Vereinsbank 1976. Damit verbunden war die Absicht einer zielgerichteten und offensiven Geschäftsaufnahme am Bankplatz Berlin in allen Sparten des Universalbankgeschäftes.161 Die Bank für Gemeinwirtschaft AG (BfG) unterhielt ebenfalls mehrere Filialen in Berlin und war seit 1964 am Bankplatz Berlin aktiv. Sie hatte die bereits 1903 gegründete und 1953 wiederzugelassene Bank für Wirtschaft und Arbeit zu Berlin AG übernommen, da diese Bank ebenso wie die BfG selbst den Gewerkschaften nahestand.162 Einige der in Berlin tätigen Regionalkreditbanken gaben ihren Sitz oder ihre Niederlassung auf. Die Standortaufgabe war meist durch Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse und der Gesamtbankkonzernstrategie begründet. Die August Thyssen-Bank AG,163 die 1952 zum Neugeschäft in Berlin zugelassen wurde und hier ihren Sitz unterhielt, war von Berlin aus vorwiegend im gewerblichen Kreditgeschäft tätig und unterhielt auch bundesweit Zweigstellen. Ihre Bilanzsumme verdreifachte sich von 1954 bis 1957 und betrug fast 166 Millionen DM.164 Aufgrund krimineller Handlungen leitender Angestellter in der Berliner Zentrale erlitt die Bank 1961 Millionen-Verluste. Daraufhin beteiligte sich die Berliner Handelsgesellschaft zu 50% am Grundkapital der Thyssen-Bank, in der man auch eine gute Ergänzung zu den eigenen Geschäften sah. Da die Berliner Handelsgesellschaft selbst bereits am Bank-

161

Vgl. o.V. (1971f), S. 1001; o.V. (1976e), S. 768. Beide Institute waren auch vor dem Zweiten Weltkrieg in Berlin vertreten. Der Gewerkschaftler Hans Böckler vertrat die Auffassung, daß sich die Gewerkschaften am Wiederaufbau des Landes beteiligen müssen. Aus diesem Grund gründete er unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg sechs gewerkschaftsnahe Gemeinwirtschaftsbanken in Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München, Stuttgart und Frankfurt, die zum 1. Juli 1958 ihr Vermögen im Rahmen ihrer Fusion auf die Bank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt am Main übertrugen. Zum 31.12.1963 erfolgte die Verschmelzung mit der bereits 1903 gegründeten Berliner Gewerkschaftsbank. Bereits seit 1955 bestand zwischen den Instituten ein Gewinn- und Verlustübernahmevertrag. Die Berliner Gewerkschaftsbank hatte sich nach dem Zweiten Weltkrieg gut entwickelt und wies 1962 eine Bilanzsumme von 85 Millionen DM aus. Vgl. o.V. (1963a), S. 1100; o.V. (1999), S. 29. 163 Die Bank wurde bereits 1920 vor dem Hintergrund der Inflation in Deutschland in Amsterdam als Bankhaus von der Heydt gegründet. 1923 wurde sie von ihrem Gründer Eduard von der Heydt als Heydt’s Bank nach Berlin verlegt. 1930 kaufte die Thyssen-Gruppe die Bank auf. 164 Vgl. o.V. (1958), S. 753. 162

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platz Berlin ansässig war, wurde im November 1961 der Sitz der Thyssen-Bank nach Düsseldorf verlegt und die Berliner Hauptniederlassung aufgelöst.165 Die Deutsche Effecten- und Wechsel-Bank AG, die ihren Sitz nach Frankfurt verlegt hatte, nahm 1954 das Neugeschäft in Berlin auf. 1970 fusionierte die Bank mit der Frankfurter Filiale der S.G.Warburg & Co. Ltd., London zur Effecten-Bank Warburg AG.166 1980 beschloss die Effecten-Bank sich aus dem standardisierten Mengengeschäft zurückzuziehen und sich auf mittelgroße Handels- und Industrieunternehmen sowie auf die gehobene Privatkundschaft zu konzentrieren. Darum wurden alle Zweigstellen geschlossen. Lediglich die Filiale in Berlin blieb bestehen.167 Ihr Geschäftsvolumen und Ertrag hatten sich positiv entwickelt.168 1983 setzte sich jedoch die geschäftspolitische Konzentration fort. Man beschloss, sich von der Berliner Niederlassung zu trennen. Zum 30. Oktober 1983 wurde die Berliner Filiale vom in Berlin ansässigen Privatbankhaus Hermann Lampe übernommen.169 Ebenfalls den Standort Berlin aufgegeben haben die ehemals in Berlin domizilierenden, nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerten Überseebanken der Großbanken. Hintergrund waren in beiden Fällen Pläne zur Straffung der Aktivitäten des Gesamtkonzerns, um auf diese Weise entsprechende Kostenersparnisse zu erreichen. Während die Deutsche Überseeische Bank vollständig in den Deutsche-Bank-Konzern eingegliedert wurde,170 gab die Deutsch-Südamerikanische Bank den Standort Berlin auf und wickelte die Transaktionen von der Hamburger Zentrale ab.171 Außerdem mußten zwei in Berlin ansässige Regionalbanken Konkurs anmelden. Zum einen die 1957 gegründete Berliner Import- und Export-Bank AG, die der Finanzierung des Interzonen- und Osthandels dienen sollte.172 Sie mußte bereits 1959 ihre Ge-

165

Vgl. o.V. (1962), S. 278; o.V. (1963), S. 444. 1970 wurde die August-Thyssen-Bank komplett von der Berliner Handelsgesellschaft übernommen und in Rheinische Bank AG umfirmiert. Vgl. o.V. (1970f), S. 719. Vgl. dazu o.V. (1969), S. 993, S. 1018. 167 Vgl. o.V. (1981), S. 68. 168 Allein 1978 sollen sich Geschäftsvolumen und Ertrag der Berliner Filiale verdoppelt haben. Vgl. o.V. (1979b), S. 760. 169 Vgl. o.V. (1983b), S. 940. 170 Die Deutsche Überseeische Bank wurde 1887 als Tochter der Deutschen Bank gegründet. Sitz der Bank war Buenos Aires. Sie diente der Gestaltung und Finanzierung von Geschäften zwischen Deutschland und Argentinien, da bis 1914 Deutschland der zweitwichtigste Handelspartner Argentiniens nach Großbritannien war. 171 Die Deutsch-Südamerikanische Bank wurde 1906 als Tochter der Dresdner Bank in Berlin gegründet, mit dem Ziel, Finanzierungsgeschäfte in Südamerika durchzuführen. Nach Verlust aller Auslandsfilialen infolge des Zweiten Krieges arbeitete die Bank zunächst mit Korrespondenzbanken in den jeweiligen Gebieten zusammen. Seit 1971 begann der Aufbau einer neuen operativen Präsenz in Südamerika. 172 Vgl. o.V. (1957), S. 924. 166

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schäfte einstellen. Zum anderen die 1958 gegründete Grundbesitz- und Handelsbank AG, die 1965 Konkurs beantragte.173

5.3.5 Zur führenden Rolle der Berliner Sparkasse am Bankplatz Berlin Unter allen Kreditinstituten Berlins nahm die Berliner Sparkasse eine Sonderstellung ein. Sie fiel weder unter die Ruhensanweisung, noch mußte sie die vor dem Krieg bestandenen Darlehens- und Hypothekenforderungen auf die Inkasso-Kommission übertragen. Lediglich Auszahlungen von Altkonten waren nicht erlaubt. Das bedeutete für die Berliner Sparkasse, daß sie unmittelbar nach Kriegsende am 15. Mai 1945 mit dem Neugeschäft in den alten Geschäftsstellen beginnen konnte. Die Neuaufnahme des Geschäftsbetriebes gestaltete sich schwierig. Zum einen ließ die wirtschaftliche Katastrophe der Stadt ein normales Bankgeschäft nicht zu, zum anderen war die Geschäftspolitik hinsichtlich Zinsgestaltung und Kreditvergabemöglichkeiten durch Vorschriften und Reglementierungen seitens der sowjetischen Besatzungsmacht behindert. Hinzu kamen mangelhafte technisch-organisatorische Voraussetzungen wie Kälte, Trümmer, fehlende Materialen und Daten.174 Dennoch konnte die Berliner Sparkasse bis zum Ende des Jahres 1945 ihren Einlagenbestand erheblich steigern, was einerseits in den fehlenden Konsumtionsmöglichkeiten der Bevölkerung begründet war, andererseits in ihrer Monopolstellung. Nur die 1945 gegründete Berliner Stadtbank und die 1946 zugelassene Berliner Volksbank standen im Wettbewerb zur Berliner Sparkasse. Mit Beginn des Jahres 1946 konnte auch das Kreditgeschäft wieder aufgenommen werden, wobei dies noch stark von den alliierten Verordnungen reglementiert war.175 Monat Mai 1945 Juni 1945 Dezember 1945

Anzahl der Sparkonten 2.000 4.000 67.000

Einlagenbestand 2,5 Mio RM 3,9 Mio RM 91,3 Mio RM

Tabelle 52: Entwicklung der Sparkonten und des Einlagenbestandes in den ersten Monaten nach Kriegsende bei der Berliner Sparkasse Quelle: Krafft (1968), S. 182.

173

Eine Übersicht über Bankenkonkurse findet sich online im Internet: www.termingeldvergleich.de/service/bankenpleiten/uebersicht.htm[05.01.2004]. 174 Vgl. Krafft (1968), S. 186ff. 175 Vgl. Krafft (1968), S. 184ff.

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Die Berliner Sparkasse war seit Kriegsende in allen Alliierten-Zonen der Stadt aktiv. Daher war sie 1948 von der Teilung der Stadt betroffen, zumal sich die Zentrale der Berliner Sparkasse im Ostsektor der Stadt befand. Zum 30. Dezember 1948 wurde die Sparkasse der Stadt Berlin-West errichtet, die alle im Westteil der Stadt gelegenen Zweigstellen samt ihren Guthaben und Verbindlichkeiten übernahm.176 In der folgenden Zeit entwickelte sich die Berliner Sparkasse zur zweitgrößten Sparkasse in Deutschland nach der Hamburger Sparkasse. Während die Hamburger Sparkasse unter den einhundert größten Kreditinstituten in der Bundesrepublik mit einer Bilanzsumme von 26,8 Milliarden DM im Jahr 1988 auf Platz 32 fiel, erreichte die Berliner Sparkasse Platz 37 mit einer Bilanzsumme von 21,5 Milliarden DM. Damit war die Berliner Sparkasse größer als die Berliner Töchterbanken der drei Großbanken, deren Bilanzsumme jeweils nur rund 10 Milliarden DM betrug.177 Im Vergleich zum deutschen Sparkassensektor insgesamt entfiel auf die Berliner Sparkasse im Jahr 1988 ein Anteil an der Gesamtbilanzsumme von 2,5%, während auf die Hamburger Sparkasse ein Anteil von 3,1% fiel.178 In ihrer Entwicklung zu einer universell tätigen Geschäftsbank konzentrierte sich die Berliner Sparkasse auf den Privatkundenverkehr, sie war aber auch an der Finanzierung von Unternehmen des Mittelstandes und des Wohnungsbaus beteiligt.179 Ihr Marktanteil am Einlagenvolumen in Berlin, der bis in die 1960er Jahre aufgrund des mangelnden institutionellen Wettbewerbs aber auch aufgrund einer anderen Geschäftsstrategie der Konkurrenzinstitute mehr als ein Viertel betrug, sank bis 1988 auf etwa 14%. Dagegen stieg der Anteil am Berliner Kreditvolumen von anfänglich etwas mehr als 7% auf ca. 15% im Jahr 1988. Bezogen auf die Bilanzsumme war die Berliner Sparkasse das drittgrößte Kreditinstitut am Bankplatz Berlin nach der Berliner Bank und der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt. Neben der Berliner Sparkasse war die Deutsche Girozentrale-Deutsche Kommunalbank als weiteres Institut des Sparkassensektors am Bankplatz Berlin anwesend. Im Gegensatz zur Berliner Sparkasse mußte die Girozentrale im Juni 1945 endgültig schließen. Da sich die Girozentrale im Ostsektor und damit unter Befehlshoheit der russischen Besatzungsmacht befand, mußten 1947 alle Vermögenswerte und Geschäftsunterlagen an die russische Bankenkommission übergeben werden. Zeitgleich hatte die Girozentrale in West-Berlin eine provisorische Geschäftsstelle errichtet, wo176

Verbindlichkeiten gegenüber Banken im sowjetischen Sektor wurden jedoch nicht übernommen. Vgl. Stein (1991), S. 60ff. 178 Die Bilanzsumme des gesamten deutschen Sparkassensektors im Jahr 1988 betrug 853 Milliarden DM. Vgl. Stein (1990), S. 35f. 179 Zur Geschäftsentwicklung vgl. ausführlich Krafft (1968), S. 222-234. 177

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Kapitel III

hin teilweise Unterlagen und Vermögenswerte gebracht wurden. Diese Geschäftsstelle hatte die Aufgabe, „den Anspruch des Spitzeninstitutes der Sparkassenorganisation auf Weiterbestehen in Berlin zu verteidigen.“180 1949 erfolgte im Ostsektor die Enteignung der Girozentrale. Im gleichen Jahr errichtete die Girozentrale eine Niederlassung in Düsseldorf und erhielt die Anerkennung als verlagertes Institut. Von Düsseldorf nahm sie das Neugeschäft auf. Berlin wurde als zweiter juristischer Firmensitz beibehalten.181 Die Berliner Geschäftsstelle hatte anfänglich die Funktion einer Anmeldestelle für die Altkontenregelung. Erst 1956 erhielt sie die Zulassung für die Geschäftstätigkeit in Berlin.182 Da der Bankplatz Berlin infolge der geopolitischen Insellage die Verbindungen zu den westdeutschen Sparkassen verloren hatte, war er nicht mehr in der Lage, als Standort für den zentralen Giroausgleich des Sparkassensektors zu dienen. Darum konzentrierten sich die zentrale Verwaltungsfunktionen zunächst in Düsseldorf, später in Frankfurt am Main. Das Geschäft in Berlin war relativ unbedeutend.

5.3.6 Erste Konsolidierungen im kreditgenossenschaftlichen Bereich Bis unmittelbar vor Kriegsende waren in Berlin ca. 30 Kreditgenossenschaften sowohl regional als auch überregional tätig183. Sie waren ausnahmslos der Ruhens-Anweisung unterworfen. Während die überregional tätigen Genossenschaftsbanken, die im westdeutschen Gebiet bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Niederlassungen unterhielten, ihren Sitz dorthin verlagerten,184 konnten die nur regional agierenden Volksbanken von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Statt dessen führten 1946 die Initiativen der Volksbankenvertreter der geschlossenen Regionalvolksbanken sowie die Zentralisierungspläne der russischen Alliierten zur Gründung der Berliner Volksbank, der ersten privatrechtlichen Bank in Berlin nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges. 180

Zweig (1986), S. 80. Vgl. Zweig (1986), S. 97. Vgl. Krafft (1968), S. 231. 183 Vgl. Weber (1957), S. 196. Zur historischen Entwicklung der Kreditgenossenschaften vor 1945 vgl. u.a. Aschhoff/Henningsen (1995), S. 16-37; Eckstein (1991), S. 1ff. 184 So verlagerte die Deutsche Apotheker- und Ärztebank ihren Sitz 1946 nach Düsseldorf. Dagegen errichtete die Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands, die später als Bank für Sozialwirtschaft dem Genossenschaftsverband beitrat, nur ein Treuhandkonto im Rahmen der Altkreditabwicklung bei der Aktiengesellschaft für Anstaltskredit in Köln. 1948 errichtete die Hilfskasse eine Niederlassung in Köln, ohne jedoch die Anerkennung als verlagertes Institut zu beantragen. Mit dem Neugeschäft konnte die Bank, sowohl von Köln als auch von Berlin aus, daher erst 1954 beginnen. Vgl. Morgenstern (1998), S. 78, S. 108ff. 181 182

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Dazu faßte man einzelne ruhende regionale Volksbanken zu einer Volksbank zusammen, wobei in den Räumlichkeiten der geschlossenen Volksbanken Filialen errichtet wurden. Dadurch war die Berliner Volksbank 1946 bereits mit 18 Filialen in GesamtBerlin vertreten, wobei sie aber nicht die Rechtsnachfolge der ruhenden Volksbanken antrat. Da sich die Zentrale der Berliner Volksbank in Ost-Berlin befand, beschloß die Berliner Volksbank aufgrund der Währungsreform und der Berliner Blockade und den sich daraus ergebenden Problemen am 23. Juli 1948 zunächst die Ernennung eines Westbeauftragten.185 Nach der Teilung Berlins erfolgte auch die Teilung der Volksbank, wobei die Westzentrale bis zum 9. Januar 1951 mit der Zentrale in Ost-Berlin verbunden blieb. An diesem Tag wurde die bislang ungeklärte Rechtslage der Berliner Volksbank durch die Verwaltungsstellen der Stadtteile per Gesetz geregelt. Auf der Basis klarer Rechtsverhältnisse konnte sich die Berliner Volksbank (West) eine eigene Satzung geben und mit der Expansion der Geschäftstätigkeit in West-Berlin beginnen.186 Zusammen mit der Berliner Volksbank waren 1950 am Bankplatz Berlin bereits vier Kreditgenossenschaften, eine ländliche Genossenschaftsbank und der ebenfalls zu den Kreditgenossenschaften zählende Spar- und Darlehensverein der Berliner Postangehörigen aktiv. Nach der Klärung der Altbankenverhältnisse ließen sich auch wieder die überregional agierenden Institute in Berlin nieder, die zuvor ihren Sitz ins westdeutsche Bundesgebiet verlagert hatten. 1970 wies die Berliner Regionalstatistik zehn Institute des Genossenschaftssektors aus. Korrigiert um die von der Statistik als Regionalbank erfaßte Bank für Sozialwirtschaft waren am Bankplatz Berlin 1970 elf Kreditgenossenschaften tätig. ortsansässige Genossenschaftsbanken 1. Berliner Volksbank (West) eG, Berlin 2. Genossenschaftsbank Wilmersdorf eGmbH, Berlin 3. Grundkreditbank eG, Berlin 4. Darlehenskasse für jüdische Gewerbetreibende und Freie Berufe eG, Berlin 5. Köpenicker Bank eG, Berlin 6. Spar- und Darlehensverein der Berliner Postangehörigen, Berlin 7. Bank für Sozialwirtschaft GmbH, Berlin

auswärtige Genossenschaftsbanken 1. Bank für Binnenschiffahrt eG, Hannover 2. Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG, Düsseldorf 3. Edekabank eG, Berlin und Hamburg 4. Allgemeine Beamtenbank -Bank für Angestellte und Beamte- eG, Hamburg

Tabelle 53: Die ortsansässigen und ortsfremden Genossenschaftsbanken in Berlin 1970 Quelle: Geschäftsbericht der Landeszentralbank 185 186

Vgl. Berliner Volksbank (1996), S. 14f. Vgl. ders., S. 16f.

212

Jahr 1946 1949 1950 1950 1950 1950 1953 1952 1955 1955 1955 1956 1957 1967 1973 1975

Kapitel III

Einordnung in die Gruppe der Genossenschaftsbanken Institut Berliner Volksbank eG Genossenschaftsbank Schöneberg-Friedenau Genossenschaftsbank Wilmersdorf Grundkreditbank eG Spar- und Darlehensverein der Berliner Postangehörigen Raiffeisenbank Berlin Genossenschaftskasse Berlin-Kladow Bank für Binnenschiffahrt Deutsche Apotheker- und Ärztebank Darlehenskasse für jüdische Gewerbetreibende und freie Berufe Edekabank187 Köpenicker Bank Sparund Kreditbank EvangelischFreikirchlicher Gemeinden Allgemeine Beamtenbank eGmbH, Hamburg188 Genossenschaftsbank für den Berliner Grundbesitz189 Bank für Sozialwirtschaft190

Jahr

Abgang aus der Gruppe der Genossenschaftsbanken Grund

1959/ 1961 1972

n.e.

1973 1963

Fusion mit der Köpenicker Bank Fusion mit der Raiffeisenbank Berlin

1973

n.e.

1989

Aufgabe des Standortes Berlin

1970

Verlagerung des Sitzes nach Bad Homburg Übernahme durch die BHW-Holding Fusion mit der Berliner Volksbank

1981 1976

Fusion mit der Berliner Volksbank

Tabelle 54: Der Ansiedlungsprozeß der Kreditgenossenschaften am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989 Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank; eigene Recherchen.

Bereits in den 1960er Jahren begann im genossenschaftlichen Bankensektor Berlins ein Konsolidierungsprozeß, der sich bis in die 1970er Jahre fortsetzte. Die kleineren ortsansässigen Primärbanken schlossen sich untereinander zusammen oder wurden von der Berliner Volksbank oder der Köpenicker Bank übernommen. Beispielsweise 187

Die Edeka-Bank wurde 1914 in Berlin gegründet und verlegte ihre Zentrale 1945 nach Hamburg. Als Verbandskreditkasse der Einkaufsgenossenschaften im Einzelhandel hatte sie die Funktion eines Kapitalsammelbeckens. In Zusammenarbeit mit der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse stellte sie die Verbindungen zum Geld- und Kapitalmarkt für die Wareneinkaufsgenossenschaften her. 1987/88 wurden sämtliche von der Bank unterhaltenen 10 bundesweiten Niederlassungen im Rahmen der Geschäftsstrategie aufgegeben. Vgl. o.V. (1982), S. 5; o.V. (1989e), S. 1020. 188 Die Allgemeine Beamtenbank eGmbH ist 1971 unter Beteiligung des Beamtenheimstättenwerkes (BHW) und der Deutschen Beamtenversicherung in eine AG umgewandelt worden. Vgl. o.V. (1971d), S. 954. 189 Die Genossenschaftsbank für den Berliner Grundbesitz war das Nachfolgeinstitut der Zentralkasse Norddeutscher Volksbanken und wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1976 von der Berliner Volksbank übernommen. Die alte Zentralkasse hatte unter Änderung des Geschäftszweckes und ihrer Firma die Zulassung zum Neugeschäft erst 1973 erhalten. In den 3 Jahren ihrer Tätigkeit stieß die Bank auf hohe Anlaufschwierigkeiten. Daher sah sie die Fusion als zweckmäßig an, die Forderungen, Guthaben und Wertpapiere von 1,5 Millionen DM wurden an die Berliner Volksbank übertragen. Vgl. o.V. (1976b), S. 540. 190 Die Bank für Sozialwirtschaft war seit 1954 in Berlin zum Neugeschäft zugelassen. Sie firmierten zu diesem Zeitpunkt unter Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands GmbH. 1965 erfolgte die Umfirmierung in Hilfskasse Bankgesellschaft. Seit 1970 firmiert die Bank unter Bank für Sozialwirtschaft GmbH. Trotz der privatrechtlichen Gesellschaftsform trat sie dem genossenschaftlichen Bankenverbund bei.

1945-1989

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stimmte am 31. Mai 1972 die Generalversammlung der Genossenschaftsbank Wilmersdorf der Fusion mit der Berliner Volksbank rückwirkend zum 1. Januar 1972 zu. Die Bilanzsumme der Genossenschaftsbank Wilmersdorf betrug zum Jahresultimo 1971 mit ca. 26 Millionen DM knapp 5% des Geschäftsvolumens der Berliner Volksbank.191 1973 übernahm die Köpenicker Bank die ländlich geprägte Raiffeisenbank in Berlin.192 Außerdem gaben einige Kreditgenossenschaften den Standort Berlin auf, so daß 1989 nur noch sieben genossenschaftliche Kreditinstitute (inkl. des Postbankdienstes, der von der Regionalstatistik nicht erfaßt wurde) in Berlin aktiv waren. Zu den bedeutendsten ortsansässigen Genossenschaftsbanken am Bankplatz Berlin gehörten in der Zeit von 1945 bis 1989 die Berliner Volksbank und die Grundkreditbank. Beide Institute zählten 1988 zu den zehn größten Kreditgenossenschaften in Deutschland.193 Die Berliner Volksbank eG konnte 1985 erstmals die Dreimilliardengrenze in der Bilanzsumme überschreiten, 1988 betrug die Bilanzsumme bereits 4,25 Milliarden DM. Damit hatte sich die Berliner Volksbank zur größten deutschen regional tätigen Volksbank entwickelt. Lediglich infolge des Mauerbaus dehnte die Berliner Volksbank ihren Wirkungskreis über die Grenzen von Berlin hinaus aus, in dem sie 1961 eine Tochterbank in Bad Liebenzell gründete. Den Bankkunden sollte damit die Möglichkeit geboten werden, einen schnellen Geldtransfer auf ein bundesdeutsches Konto zu vollziehen, um Vermögenswerte aus der politisch unsicheren Stadt herauszubringen.194 Im Vergleich mit überregional tätigen Kreditgenossenschaften stand die Berliner Volksbank 1988 an dritter Stelle in Deutschland. Sie wurde nur von der Deutsche Apotheker- und Ärztebank mit einer Bilanzsumme von 9,2 Milliarden DM und der Badischen Beamtenbank mit einer Bilanzsumme von 4,85 Milliarden DM übertroffen.195 Eine ähnlich expansive Entwicklung nahm die Grundkreditbank eG, die 1950 als Nachfolgerin der Volksbank Berlin-Friedrichstadt gegründet wurde. Ihr Filialnetz in 191

Vgl. Geschäftsbericht Berliner Volksbank (1972), S. 9. Die seit 1904 bestehende Genossenschaftsbank Wilmersdorf wurde mit Wirkung zum 01.01.1972 übernommen, ebenso wie die seit Kriegsende ruhende Volksbank Pankow, deren Sitz nach der Währungsreform zwar nach West-Berlin verlegt wurde, ohne jedoch wieder das Neugeschäft aufzunehmen. Die Bilanzsumme der BV betrug 1971 555 Millionen DM. Vgl. o.V. (1972b), S. 647. 192 Vgl. o.V. (1975c), S. 732f. 193 Vgl. Stein (1991), S. 39. 194 Vgl. Berliner Volksbank (1996), S. 20f. 195 Vgl. Stein (1991), S. 39.

214

Kapitel III

West-Berlin dehnte sie sukzessive aus, dabei übernahm sie auch Filialen anderer Kreditinstitute. Zum Beispiel übernahm die Grundkreditbank zum 1. Januar 1974 zwei Filialen des Bankhauses Hardy & Co. in Berlin.196 Mit einer Bilanzsumme von 2,5 Milliarden DM war sie im Jahr 1988 die achtgrößte Kreditgenossenschaft in Deutschland. Im Vergleich mit ausschließlich regional tätigen Volksbanken nahm die Grundkreditbank den vierten Rang ein, nach der Berliner Volksbank, der Stuttgarter Bank und der Südwestbank.197 Ebenfalls reaktiviert wurde die 1875 gegründete Köpenicker Bank eG, die vor dem Zweiten Weltkrieg die größte deutsche Kreditgenossenschaft war. Nach 1945 entwickelte sich das Institut wie die Berliner Volksbank und die Grundkreditbank zur Universalbank, wenngleich die Köpenicker Bank hinsichtlich Größe und Bilanzsummenwachstum hinter diesen Instituten zurückblieb. Ihre Bilanzsumme betrug 1970 knapp 35 Millionen DM, 1988 wurden etwas mehr als 788 Millionen DM ausgewiesen.198 Neben der Reaktivierung und Wiederansiedlung von Genossenschaftsbanken am Bankplatz Berlin nach dem Zweiten Weltkrieg kam es auch zu Standortaufgaben sowie zu Standortneuentdeckungen. Die Bank für Binnenschiffahrt, die vor dem Zweiten Weltkrieg nicht in Berlin ansässig war, unterhielt seit 1952 im Berliner Westhafen eine Zweigniederlassung. Grund für die Präsenz in Berlin waren die Geschäftsmöglichkeiten, die sich während der deutschen Teilung in der Finanzierung der gewerblichen Binnenschiffahrt ergaben.199 Ebenfalls neu am Bankplatz Berlin angesiedelt hatte sich 1967 die Allgemeine Beamtenbank aus Hamburg, die 1981 durch die BHW-Holding in eine filiallose Baufinanzierungsbank umgewandelt wurde und parallel dazu in BHW-Bank AG, Hameln umfirmierte und ihren Firmensitz verlegte.200

196

Vgl. o.V. (1974), S. 64f. Vgl. Stein (1989), S. 39. Vgl. o.V. (1971g), S. 913; Geschäftsbericht Köpenicker Bank (1988), S. 10. 199 Berlin war der östlichste anlaufbare Hafen. Zahlreiche Massengüter, insbesondere Kohlefrachten, sind über die Schiffahrt nach Berlin gelangt, so daß die Bank für Binnenschiffahrt e.G.m.b.H. (früher Spar- und Vorschußbank für Binnenschiffahrt e.G.m.b.H.) eine Filiale, die in der Spitze mit drei Angestellten besetzt ist, in Berlin unterhält. 200 Vgl. o.V. (1981d), S. 812. Die Filialen der Beamtenbank übernahm die Berliner Bank AG. Vgl. o.V. (1980d), S. 830. 197 198

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215

Die Spar- und Kreditbank Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden zog sich ebenfalls vom Bankplatz Berlin zurück. Die 1927 in Berlin gegründete Genossenschaftsbank, die aus der Sparkasse deutscher Baptisten hervorging, verlegte ihren Sitz 1970 nach Bad Homburg, da dort auch die Zentrale des Bundes freier Christen verlegt worden war.201

5.3.7 Die Organisation des Realkredits am Bankplatz Berlin Das Kriegsende traf die Berliner Realkreditinstitute besonders hart. Neben der Ruhensanweisung, von der sie betroffen waren, hatten sie einen Hauptteil ihrer Beleihungsgebiete und damit wesentliche Vermögensteile verloren, da diese in den sowjetisch besetzten Landesteilen oder jenseits der Oder-Neisse-Linie lagen.202 Um den Anschluß an das Neugeschäft in den westdeutschen Gebieten nicht zu verlieren, verlagerten sowohl die privaten als auch die öffentlich-rechtlichen Realkreditinstitute ihren Sitz nach Westdeutschland. Die in Westdeutschland domizilierenden Hypothekenbanken, die in Berlin eine Niederlassung unterhalten hatten, zogen sich nach 1945 ebenfalls vom Bankplatz Berlin zurück und konzentrierten sich auf den Wiederaufbau des Geschäftes im westdeutschen Gebiet. Lediglich im Rahmen des Distanzgeschäftes wurde versucht, den Berliner Hypothekenmarkt zu bedienen.203

201

Bereits die Umfirmierung der Baptisten-Sparkasse erfolgte vor dem Hintergrund der Vereinigung der Baptisten mit dem Bund freier Christen 1942. Die Bank, die in der Spitze mit neun Mitarbeitern arbeitet, finanziert den Bau von Gotteshäusern und Predigerwohnungen in den Gemeinden. 202 So lagen bei der DG Hyp ca. 24% der Darlehensbestände östlich der Oder-Neisse-Linie und 25% in der sowjetischen Besatzungszone. Vgl. Schmuck (1971), S. 37. 203 Vgl. Weber (1957), S. 211.

Kapitel III

216

verlagertes Realkreditinstitut 1.Central-Landschaft für die Preußischen Staaten 2.Deutsche Bau- und Bodenbank AG 3.Deutsche Central-Bodenkredit AG204 4.Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG 5.Deutsche Landesrentenbank 6.Deutsche Rentenbank 7.Deutsche Rentenbank-Kreditanstalt 8.Deutsche Schiffspfandbriefbank AG 9.Deutsche Wohnstätten-Hypothekenbank AG205 10.Preußische Landespfandbriefanstalt 11.Preußische Zentralstadtschaft 12.Zentrale für Bodenkulturkredit 13.Deutsche Hypothekenbank Actiengesellschaft

zweiter Firmensitz nach Verlagerungsgesetzgebung Lüneburg Frankfurt Oldenburg/ später Köln Hamburg Lotte, Kreis Tecklenburg Goslar Goslar Bremen Wiesbaden Wiesbaden Meldorf (Holstein) Goslar Hannover

Tabelle 55: Überblick über die verlagerten Berliner Realkreditinstitute Quelle: Bankgesellschaft Berlin (1949), Verzeichnis Nr. III, S. 23.

Die Gruppe der Realkreditinstitute war die letzte Institutsgruppe, der die Zulassung zur Aufnahme des Neugeschäftes am Bankplatz Berlin 1954 erteilt wurde. Bis dahin bedienten die Wohnungsbaukreditanstalt Berlin, die Berliner Sparkasse und verschiedene Versicherungsgesellschaften das Hypothekengeschäft in Berlin.

204

Die Deutsche Central-Bodenkredit AG wurde inklusive der bereits in den 1930er Jahren in ihr aufgegangen Institute verlagert: Deutsche Grundcredit-Bank Gotha, Preußische Boden-Credit-Actienbank, Preußische Central-Bodenkredit und Pfandbrief-Bank AG, Preußische Central-Bodenkredit-Aktiengesellschaft, Preußische Hypotheken-Actien-Bank, Preußische Pfandbriefbank, Roggenrentenbank, Schlesische Boden-CreditActien-Bank. Vgl. Bankgesellschaft Berlin (1949), Verzeichnis Nr. III, S. 23. 205 Die Deutsche Wohnstätten-Hypothekenbank AG ging 1957 in die ebenfalls nach Wiesbaden verlagerte Preußische Landespfandbriefanstalt auf, die nun unter Deutsche Pfandbriefanstalt firmierte. Vgl. online im Internet: www.depfa.de/historie [15.06.2001].

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Jahr 1954 1954 1954 1954 1954 1956

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Einordnung in die Gruppe der Realkreditinstitute Institut Jahr Deutsche Centralbodenkedit AG, Köln/Berlin Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG, Hamburg/Berlin Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Hannover/Berlin Berliner Pfandbrief-Amt (Berliner Stadtschaft), Berlin; seit 1973 Berliner Pfandbrief-Bank Deutsche Pfandbriefanstalt, Wiesbaden/Berlin Stadtschaft der Mark Brandenburg, Berlin 1973

1956

Deutsche Schiffspfandbriefbank AG, Berlin

1988

1957 1957 1958

Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank, Hannover Rheinische Hypothekenbank, Mannheim Sächsische Bodencreditanstalt206

1972

1960 1971 1976 1979

Wohnungsbau-Kreditanstalt Berlin207 Bayerische Hypotheken- und Wechselbank AG, München Bayerische Vereinsbank AG, München Deutsche Hypothekenbank AG, Frankfurt (Dt. Hyp) Bayerische Handelsbank Nürnberger Hypothekenbank Süddeutsche Bodencreditbank208 Frankfurter Hypothekenbank Westfälische Hypothekenbank Hypothekenbank Essen

1981 1981 1984 1988

Abgang aus der Gruppe Grund

Fusion mit der Berliner Pfandbrief-Bank, Berlin Fusion mit der Deutschen Schiffahrtsbank AG, Bremen

Übernahme durch die Deutsche Hypothekenbank AG, Bremen

Tabelle 56: Der Ansiedlungsprozeß der Realkreditinstitute am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989 Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank; eigene Recherchen.

Im Jahr 1970 hatte sich ein Marktteilnehmerkreis von 11 Realkreditinstituten am Bankplatz Berlin etabliert, bestehend aus neun ortsansässigen und zwei auswärtigen Instituten.

206

Die 1895 in Dresden gegründete Bank verlagerte ihren Sitz nach dem Zweiten Weltkrieg nach Berlin, später nach Frankfurt. Zum 26.10.1959 nahm sie das Neugeschäft wieder auf. Vgl. o.V. (1959b), S. 1043. Die Wohnungsbaukreditanstalt Berlin wird seit 1960, analog zur Bundesbankstatistik, von der Regionalstatistik der Berliner Zentralbank als öffentlich-rechtliches Realkreditinstitut erfaßt und den ortsansässigen Banken subsumiert. Sie war aber bereits seit 1949 am Bankplatz Berlin im Rahmen der Wohnungsbauförderung und finanzierung aktiv. 208 Die Süddeutsche Bodencreditbank, die Nürnberger Hypothekenbank und die Bayerische Handelsbank unterhielten bereits vor 1981 zusammen mit der Mutterbank Bayerische Vereinsbank ein gemeinsames Immobilienbüro in Berlin. Aufgrund steuerlicher Vorteile wurden 1981 selbständige Niederlassungen eröffnet. 207

Kapitel III

218

ortsansässige Realkreditinstitute 1. Berliner Pfandbrief-Amt (Berliner Stadt schaft), Berlin 2. Wohnungsbau-Kreditanstalt, Berlin

auswärtige Realkreditinstitute 1. Rheinische Hypothekenbank, Mannheim, Zweigniederlassung Berlin 2. Braunschweig-Hannoversche Hypotheken bank, Braunschweig, Zweigniederlassung Berlin

3. Deutsche Pfandbriefanstalt, Berlin 4. Stadtschaft der Mark Brandenburg, Berlin 5. Deutsche Centralbodenkredit AG, Berlin 6. Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank AG, Berlin 7. Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft), Berlin und Hannover 8. Deutsche Schiffspfandbriefbank AG, Berlin 9. Sächsische Bodencreditanstalt, Berlin

Tabelle 57: Die ortsansässigen und ortsfremden Realkreditinstitute in Berlin 1970 Quelle: Geschäftsbericht Landeszentralbank Berlin 1970

De facto waren es jedoch nur vier Realkreditinstitute, die am Bankplatz Berlin ihren Firmensitz unterhielten und damit ortsansässig waren: die Wohnungsbaukreditanstalt und das Berliner Pfandbrief-Amt sowie die Schiffspfandbriefbank und die Stadtschaft der Mark Brandenburg. Die anderen Realkreditinstitute fielen lediglich aufgrund ihres zweiten juristischen Firmensitzes in Berlin unter die ortsansässigen Institute. Das Berlin-Geschäft dieser Institute blieb infolge der politischen Unsicherheit des Standortes bis Ende der 1960er Jahre recht gering. Hemmend wirkte sich auch die anhaltende Bevorzugung der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt bei der Durchleitung öffentlicher Kreditmittel auf die weitere Ansiedlung von Hypothekenbanken in Berlin aus. Die Rheinische Hypothekenbank aus Mannheim schrieb dazu in ihrem Geschäftsbericht: „Seit 1967 wird das Berliner Geschäft, das viele Jahre auf Sparflamme gekocht hat, wieder interessanter. Die Bank beteiligt sich an der Finanzierung des markanten Europa-Center im geschäftlichen Mittelpunkt West-Berlins. Der Darlehensbestand, der auf Berliner Grundstücke entfällt, übertrifft leicht das Volumen der in Hamburg als größter westdeutscher Stadt gelegenen Hypotheken.“209 Die durch das Viermächteabkommen erreichte politische Stabilisierung und die Ausdehnung der Berlinförderung des Bundes sorgten für eine Verbesserung der Angebotsbedingungen, so daß seit 1975 stärker als zuvor auswärtige Hypothekenbanken in Ber209

Vgl. Wolf (1996a), S. 65.

1945-1989

219

lin eine Niederlassung eröffneten und sich aktiv am Hypothekengeschäft in Berlin beteiligten. 1988 eröffnete die erst ein Jahr zuvor gegründete Hypothekenbank Essen ebenfalls eine Niederlassung in Berlin, „um durch Kundennähe eine effiziente Akquisition gewährleisten und vor Ort den Immobilienmarkt und die (von uns) finanzierten Objekte beobachten zu können.“210 Infolge von Fusionen, Standortaufgaben und Aufgabe des zweiten juristischen Firmensitzes reduzierte sich die Zahl der ortsansässigen Realkreditinstitute 1989 auf fünf. Darunter waren jedoch nur zwei in Berlin bankaufsichtlich überwachte Banken, so daß sich der Kreis der in Berlin ansässigen Realkreditinstitute aus der Berliner PfandbriefBank und der Wohnungs-baukreditanstalt zusammensetzte. Die Zahl der auswärtigen in Berlin niedergelassenen Hypothekenbanken hatte sich 1989 erhöht. Neben fünf von der Regionalstatistik erfaßten auswärtigen Hypothekenbanken, waren noch weitere Hypothekenbanken in Berlin aktiv, die jedoch nicht in die Regionalstatistik einbezogen wurden. Zu den wichtigsten Realkreditinstituten des Bankplatzes Berlin gehörten bis zur Wiedervereinigung die Wohnungsbaukreditanstalt und das Berliner Pfandbrief-Amt, das seit 1973 unter dem Namen Berliner Pfandbrief-Bank firmierte. Beide Institute hatten ihren Firmensitz in Berlin, ihre Bedeutung war lokal beschränkt. Die Wohnungsbaukreditanstalt war 1937 als Nachfolgerin der Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin mbH gegründet worden. Als öffentlich-rechtliches Realkreditinstitut hatte sie die Aufgabe, den Erhalt und die Modernisierung des Wohnraumes in Berlin zu fördern.211 Die Wohnungsbaukreditanstalt wies 1988 eine Bilanzsumme von mehr als 23 Milliarden DM aus und belegte damit Platz 35 unter den einhundert größten Kreditinstituten in Deutschland. Im Gegensatz dazu waren die Wohnungsbaukreditanstalten von Hamburg und Schleswig-Holstein relativ kleine Institute. Lediglich die Wohnungsbauförderungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf war mit einer Bilanzsumme von 32,4 Milliarden DM 1988 größer als das Berliner Institut.212

210

Vgl. Geschäftsbericht der Essen-Hyp (1987), S. 12. Bis 1955 hatte die Wohnungsbaukreditanstalt die Rechtsform einer Gemeindeanstalt. Mit der Herauslösung aus dem Berliner Verwaltungsverband erhielt sie 1956 die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Für eingegangene Verbindlichkeiten haftete das Land Berlin. Vgl. Götz (1993), S. 69. 212 Vgl. Stein (1991), S. 59ff. 211

Kapitel III

220

Jahr 1980

1988

Parameter Bilanzsumme (Mio DM) Mitarbeiterzahl Rang Bilanzsumme (Mio DM) Mitarbeiterzahl Rang

Berlin 11.814 338 37 23.327 470 35

Schleswig-Holstein 4.419 470 78 5.927 484 91

Hamburg 4.933 232 72 5.279 213 100

Tabelle 58: Vergleich der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt mit den Wohnungsbaukreditanstalten Schleswig-Holsteins und Hamburgs Quelle: Vgl. Stein (1982), S. 40ff.; Stein (1991), S. 59ff.

Diese exponierte Stellung erreichte die Berliner Wohnungsbaukreditanstalt über die Vergabe von steuerbegünstigten Berlin-Darlehen. Neben der Berliner Pfandbriefbank war die Wohnungsbaukreditanstalt das einzige Kreditinstitut in Berlin, das Darlehen nach §17 Berlin-Förderungsgesetz weiterleiten durfte. Da die Wohnungsbaukreditanstalt diese Darlehen bereits seit 1965 vergeben durfte, erhielt sie einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung. Obwohl die Berliner Pfandbriefbank die §17-Darlehen seit 1970 vergab, konnte sie nicht an die Bilanzvolumina der Wohnungsbaukreditanstalt heranreichen. Die einseitige Fokussierung der Darlehensmittel auf diese beiden Institute führte zu Wettbewerbsverzerrungen am Bankplatz Berlin, gegen die die privaten Hypothekenbanken votierten. Beispielsweise schrieb die DG Hyp in ihrem Geschäftsbericht von 1976 dazu: „Ausschließlich zwei öffentlichen Berliner Kapitalmarktinstituten wurden zinsgünstige Darlehen zur Finanzierung des Wohnungsbaues in Höhe von insgesamt 1570 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Die „Monopolisierung“ dieser Finanzierungsmittel auf diese beiden öffentlichen Institute hat sich für die in Berlin tätigen Realkreditinstitute, die sich am freien Kapitalmarkt refinanzieren sehr nachteilig ausgewirkt. Das gilt besonders für die DG Hyp, die traditionell ein ausgeprägtes Berlin-Geschäft betreibt.“213 Das Berliner Pfandbrief-Amt trat die Rechtsnachfolge der Berliner Stadtschaft an und wurde im Juli 1954 zur Neugeschäftstätigkeit zugelassen. 1973 erfolgte die Umfirmierung und Umwandlung in Berliner Pfandbrief-Bank. Parallel dazu wurden die Vermögenswerte der Preußischen Zentralstadtschaft und der Stadtschaft der Mark Brandenburg auf die Berliner Pfandbriefbank übertragen. Während die Preußische Zentralstadtschaft nur als Treuhänder für die in der ehemaligen preußischen Provinz Brandenburg befindlichen Vermögenswerte fungierte, vergab die Stadtschaft der Mark Brandenburg Hypothekendarlehen, ohne jedoch das Emissionsgeschäft wieder aufge213

Vgl. Geschäftsbericht DG Hyp (1976), S. 17f.

1945-1989

221

nommen zu haben. Die Refinanzierung erfolgte über die Aufnahme von Globaldarlehen, die 1964 rund 81 Millionen DM betrugen. Die Bilanzsumme der Stadtschaft betrug 1963 rund 90 Millionen DM.214 Ziel der Vermögensübertragung war die Stärkung der Eigenkapitalbasis der Pfandbriefbank, damit man im Falle einer möglichen deutschen Wiedervereinigung ein starkes einsatzbereites Realkreditinstitut zur Verfügung stehen hätte.215 Mit dem gleichen Ziel wurden 1983 weitere Vermögenswerte von öffentlichrechtlichen Altbanken auf die Berliner Pfandbriefbank übertragen. Sie trat damit die Gesamtrechtsnachfolge der Stadtschaft der Mark Brandenburg, der Preußischen Zentralstadtschaft, der Brandenburgischen Provinzialbank und Girozentrale, der Kurund Neumärkischen Ritterschaftlichen Darlehenskasse, der Märkischen Landschaft und der Preußische Staatsbank (Seehandlung) an. Außerdem wurde sie Rechtsnachfolger zweier Verbände: des Berliner Hypothekenbankvereins und des Brandenburgischen Sparkassen- und Giroverbandes.216 Zum Aufgabenkreis der Berliner Pfandbriefbank zählten die Vergabe von Realkrediten zur Finanzierung des Berliner Wohnungsbaus aus den Mitteln der GARIOA- und ERP-Programme. Seit 1970 konnte sie als Kapitalsammelstelle steuerbegünstigte Darlehen nach §17 Berlinförderungsgesetz vergeben. Im Rahmen der Umfirmierung 1973 hob man die Geschäftsbeschränkungen auf, so daß die Pfandbriefbank auch Kommunalkredite vergeben konnte. Bereits 1976 entfielen fast zwei Fünftel der zugesagten Darlehen auf den Kommunalbereich. Darüber hinaus konnte sie seit 1974 die Funktion einer Treuhandbank für geschlossene Immobilienfonds übernehmen.217 Jahr Parameter 1980 Bilanzsumme (Mio. DM) Mitarbeiterzahl Rang 1988 Bilanzsumme (Mio. DM) Mitarbeiterzahl Rang

Wohnungsbaukreditanstalt 11.814 338 37 23.327 470 35

Berliner Pfandbriefbank 3.300 102 9.600 113 66

Tabelle 59: Vergleich der Berliner Wohnungsbaukreditanstalt mit der Berliner Pfandbriefbank Quelle: Stein (1982), S. 43; Stein (1990), S. 61.

Der Marktanteilsvergleich der Kreditvolumina in Berlin und Deutschland zeigt für Berlin ein deutliches Übergewicht der Realkreditinstitute. Während diese Gruppe in 214

Vgl. o.V. (1964b), S. 508; o.V. (1965b), S. 516. Vgl. Götz (1993), S. 67. 216 Vgl. Götz (1993), S. 79. 217 Vgl. Götz (1993), S. 75f. 215

222

Kapitel III

Berlin 1989 einen Marktanteil von mehr als einem Drittel repräsentierte, betrug ihr Marktanteil in Gesamtdeutschland lediglich 17%. Der Marktanteil der Realkreditinstitute in Berlin wurde wiederum von den zwei öffentlich-rechtlichen Grundkreditanstalten dominiert. Mehr als die Hälfte entfiel allein auf die Wohnungsbaukreditanstalt. Dieses Übergewicht der öffentlich-rechtlichen Grundkreditanstalten am Bankplatz Berlin resultierte aus den geschilderten Wettbewerbsverzerrungen im Rahmen der Berlin-Förderung. Möglicherweise wurden dadurch, trotz relativer politischer Sicherheit seit 1971, einige Hypothekenbanken von einer Ansiedlung am Bankplatz Berlin abgehalten. Bis 1988 war auch ein für den Bankplatz Berlin und seine Möglichkeiten sehr exotisches Realkreditinstitut ansässig: die bereits 1918 hier gegründete Deutsche Schiffspfandbriefbank AG. Nach dem Krieg verlagerte die Bank ihren Sitz nach Bremen. Dort wurde 1949 die Deutsche Schiffahrtsbank AG gegründet, ohne die direkte Rechtsnachfolge des verlagerten Institutes anzutreten. 1956 wurde die Altbank zum Neugeschäft in Berlin zugelassen. Im Hinblick auf Leitung und Verwaltung der Schiffspfandbriefbank zu Berlin bestand Personalunion mit der Bremer Schiffahrtsbank. Beide Institute bildeten einen Gleichordnungskonzern nach § 18(2) AktG. Anfänglich vergab die Schiffspfandbriefbank zu Berlin Kredite zur Finanzierung von Schiffsneubauten auf West-Berliner Werften. Seit Ende der 1970er Jahre setzte sich das Geschäft hauptsächlich aus Unterbeteiligungen der Mutterbank in Bremen zusammen. 1982 entfielen vom Kreditvolumen 60% auf die Seeschiffahrt, 18% auf die Küstenschiffahrt und 22% auf die Binnenschiffahrt. Der Anteil der Auslandshypotheken betrug mehr als ein Drittel. Die Refinanzierung erfolgte über zinsgünstige Mittel aus den verschiedenen Förderprogrammen der Berliner Industriebank und der KfW. Obwohl die Bilanzsumme der Bank von 14 Millionen DM im Jahr 1961 auf fast 60 Millionen DM im Jahr 1982 anstieg, entfielen auf die Berliner Schiffshypothekenbank nicht einmal drei Prozent der Bilanzsumme der Schiffahrtsbank in Bremen.218 Da die Neuauszahlungen im traditionellen Schiffshypothekenbankgeschäft seit längerem rückläufig waren219 und in Vorbereitung der Fusion zwischen der Deutschen Schiffahrtsbank AG, Bremen und der Deutschen Schiffsbeleihungsbank AG, Hamburg im Jahr 1989220 fusionierten 1988 die Bremer und die Berliner Schiffshypotheken-

218

Vgl. dazu u.a. o.V. (1962c), S. 796ff.; o.V. (1983a), S. 761. Während die Neuauszahlungen 1986 7,2 Mio. DM betragen hatten, wurden 1987 lediglich 2,8 Millionen DM ausgezahlt. Vgl. o.V. (1989c), S. 71. 220 Zur Fusion dieser beiden Institute zur Deutschen Schiffsbank AG, Hamburg/Bremen vgl. o.V. (1989d), S. 624. 219

1945-1989

223

bank.221 Der Standort Berlin wurde angesichts nachlassender Geschäftsmöglichkeiten aufgegeben.

5.3.8 Die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben als Finanzierungsprotagonisten der Berliner Wirtschaft Die gleichermaßen aufgrund der Ruhensanweisung geschlossenen staatlichen Banken verlegten ihren Firmensitz ebenfalls nach Westdeutschland. Dort gingen sie in neugegründete Kreditinstitute auf, schlossen sich zu neuen Instituten zusammen oder begannen in unmittelbarer Rechtsnachfolge mit dem Neugeschäft. Einige von ihnen wurden aufgelöst, da ihr bisheriger Aufgabenkreis nicht mehr bestand. Im Ergebnis reduzierte sich die Anzahl der in den Jahren seit der Inflation entstandenen staatlichen Banken nach Kriegsende erheblich. Insofern fand eine kriegsbedingte Marktbereinigung statt. ortsansässige Kreditinstitute mit Sonderaufgaben 1. Berliner Industriebank AG, Berlin 2. Deutsche Industriebank, Berlin

auswärtige Kreditinstitute mit Sonderaufgaben 1. Deutsche Bau- und Bodenbank AG, Frankfurt 2. Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank AG, Frankfurt 222 3. Lastenausgleichsbank, Bonn223 4. Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, Berlin/Bonn224

Tabelle 60: Die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben in Berlin 1970 Quelle: Geschäftsbericht Landeszentralbank Berlin, 1970.

Am Bankplatz Berlin konnten staatliche Kreditinstitute erst nach der Währungsreform neu gegründet werden; verlagerte, nunmehr auswärtige Institute konnten sich erst nach 221

Vgl. o.V. (1988f), S. 626. Die Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank AG wurde 1923 in Berlin gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte die Bank ihre Zentrale nach Frankfurt am Main. Als Hausbank der Deutschen Bahn befinden sich ihre Zweigstellen in Städten mit Bundesbahndirektionen. Darüber hinaus unterhält die Bank Niederlassungen an Orten mit größerem Aufkommen an Geldwechselgeschäften. Aus diesem Grund errichtete die Bank 1955 im Rahmen der Wiederzulassung eine Niederlassung in Berlin. 223 Die Lastenausgleichsbank wurde 1950 in Bonn gegründet. Ziel war es, durch Kreditgewährung und Vorfinanzierung des Lastenausgleiches die Integration der Vertriebenen, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigten zu fördern. In den 1960er Jahren übernahm die Bank den Auftrag der öffentlichen Wirtschaftsförderung. Dabei wurden insbesondere Existenzgründungsfinanzierungen des gewerblichen Mittelstandes und der freien Berufe finanziert. Aus diesem Grund erfolgte auch die Niederlassung in Berlin. 1986 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Ausgleichsbank. Vgl. Scheidl (1991), S. 215f. 224 Die DSL-Bank entstand 1966 aus der Fusion der Deutschen Siedlungsbank und der Deutschen Landesrentenbank, die ihren Sitz von Berlin nach Bonn verlagerten. Die Deutsche Landesrentenbank, die seit 1959/62 zum Neugeschäft in Berlin zugelassen war, ging mit Fusions-zeitpunkt aus der Gruppe der Realkreditinstitute in die Gruppe der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben über. Die DSL-Bank übernahm primär die Finanzierung von Strukturverbesserungsmaßnahmen im ländlichen Raum, aber auch die Finanzierung anderer struktureller Vorhaben. 222

224

Kapitel III

Klärung der Altbankenfrage in Berlin niederlassen. Von den staatlichen Kreditinstituten, die seit 1957 in der Bundesbankenstatistik als Institutsgruppe der „Kreditinstitute mit Sonderaufgaben“ geführt wurden, hatten nach 1945 lediglich die Berliner Industriebank AG und die Deutsche Industriebank ihren Sitz in Berlin, die anderen unterhielten in Berlin nur einen zweiten juristischen Firmensitz. Insgesamt waren 1970 sechs Spezialbanken in Berlin aktiv, deren Zusammensetzung sich bis 1989 nicht veränderte.225 Einordnung in die Gruppe der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben226 Jahr Institut 1949 Berliner Industriebank AG 1949 Berliner Bau- und Bodenbank AG 1954

1955 1956 1958 1963

Abgang aus der Gruppe der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben Jahr Grund 1959

Fusion mit der Deutschen Bau- und Bodenbank AG

Deutsche Industriebank AG seit 1974 Industriekreditbank AG-Deutsche Industriekreditbank, Düsseldorf/Berlin (IKB) Deutsche Verkehrskreditbank AG Deutsche Bau- und Bodenbank AG Deutsche Landesrentenbank seit 1966 Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank, Bonn/Berlin227, Lastenausgleichsbank seit 1986 Deutsche Ausgleichsbank

Tabelle 61: Der Ansiedlungsprozeß der Kreditinstitute mit Sonderaufgaben am Bankplatz Berlin von 1945 bis 1989 Quelle: Geschäftsberichte Berliner Zentralbank; eigene Recherchen.

Zu den bedeutendsten Spezialbanken zählten die Berliner Industriebank und die IKB mit ihrem Doppelsitz in Düsseldorf und Berlin. Die Berliner Industriebank AG wurde am 27. Juni 1949 gegründet.228 Kapitalzeichner waren private Wirtschaftsunternehmen aus Berlin. Über die Berliner Industriebank 225

Davon abweichend weist die Regionalstatistik nur fünf meldepflichtige Kreditinstitute mit Sonderaufgaben aus, da die Deutsche Ausgleichsbank (vormals Lastenausgleichsbank) den nicht meldepflichtigen Instituten zugeordnet wurde. 226 Zu der seit 1957 in der Bundesbankenstatistik geführten Bankengruppe „Kreditinstitute mit Sonderaufgaben“ gehörte anfänglich auch die Deutsche Girozentrale. Da dieses Institut später der Gruppe der Sparkasseninstitute zugeordnet wurde, wird die Girozentrale in dieser Arbeit von vornherein dem Sparkassensektor subsumiert. 227 Die Deutsche Landesrentenbank war 1927 aus der Preußischen Landesrentenbank hervorgegangen. Die Fusion erfolgte zum 31.12.1965, weil sich die Aufgabenfelder der beiden Staatsinstitute immer mehr überschnitten. Vgl. o.V. (1965a), S. 274.

1945-1989

225

sollten die ERP-Mittel an die Berliner Wirtschaft verteilt werden. Später erschloss sich die Berliner Industriebank auch andere Kapitalquellen. Sie trat die Nachfolge der Warenverrechnungsstelle an, einer Abteilung der Währungskommission. Die Warenverrechnungsstelle hatte während der Berliner Blockade kreditinstitutionelle Aufgaben zur Förderung der Berliner Wirtschaft übernommen. In Fortsetzung dieser Arbeit war die Berliner Industriebank anfänglich mit der Finanzierung des Berliner Exports über die Vergabe von Revolvingkrediten betraut.229 Darüber hinaus vergab sie ERP- und GARIOA-Mittel im Rahmen der Umsetzung des Marshall-Plans. Insgesamt wurden von 1950 bis 1966 über die Berliner Industriekreditbank 3,3 Milliarden DM aus dem ERP-Sondervermögen der Berliner Wirtschaft zur Verfügung gestellt.230 Sie übernahm damit die gleichen Funktionen wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau im Bundesgebiet. Im Rahmen des Berlin-Fördergesetzes nahm die Berliner Industriebank seit 1962 die sogenannten Berlin-Darlehen auf, die sie an die Berliner Wirtschaft als Investitionskredite herausreichte.231 1988 entfielen zwei Drittel der Investitionsfinanzierungen auf das verarbeitende Gewerbe, auf das Dienstleistungsgewerbe sowie Handel und Verkehr entfielen knapp ein Fünftel. Die Refinanzierung erfolgte zu einem Drittel über die Berlin-Darlehen und zu etwas mehr als 60% nach wie vor über die ERP-Mittel.232 Mit einer Bilanzsumme von etwas mehr als sechs Milliarden DM 1988 fand sich die Berliner Industriebank unter den 100 größten Kreditinstituten Deutschlands auf Platz 86 wieder.233 Die Deutsche Industriebank trat die Rechtsnachfolge der 1924 in Berlin gegründeten Bank für deutsche Industrieobligationen an.234 1954 erhielt das Institut unter neuem 228

Das Grundkapital in Höhe von einer Million DM wurde zu 20% von Berliner Wirtschaftskreisen und zu 80% von der Industriekreditbank in Düsseldorf übernommen. Später übernahm das Land die Hälfte des Kapitalanteils der Industriekreditbank. 229 Vgl. Berliner Zentralbank (1949), S. 39; Weber (1957), S. 208f. 230 Vgl. Krafft (1968), S. 222. 231 Vgl. o.V. (1962b), S. 686. 232 Vgl. o.V. (1989), S. 73f. 233 Vgl. Stein (1991), S. 61. 234 Die Bank war für die Abwicklung der Reparationszahlungen des Staates und der Wirtschaft nach dem Ersten Weltkrieg zuständig. 1930, als der Young-Plan die Industrie von den Reparationszahlungen entlastete, erhielt die Bank die Aufgabe, der deutschen Landwirtschaft Entschuldungskredite zu gewähren. Hierfür sollte die gewerbliche Wirtschaft bis 1936 weiter die sog. Aufbringungsumlage zahlen. Außerdem gewährte die Bank langfristige Kredite an mittlere und kleinere Industrieunternehmen. Als 1937 das Programm der Landwirtschaftskreditierung beendet war, hatte sie nur noch diese Aufgabe und firmierte vor diesem Hintergrund 1938 in Deutsche Industriebank um. Die Bilanzsumme der Deutschen Industriebank stieg bis Kriegsende auf 1,3 Mrd. RM bei eigenen Mitteln von 643 Mio. RM an, womit die Bank das höchste Eigenkapital aller deutschen Banken hatte. Aufgrund der Berliner Altbankenregelung konnte die Deutsche Industriebank mit dem Neugeschäft erst 1954 beginnen. Da die Industrie aber schon vorher Finanzierungen brauchte, gründete die Industrie in Düsseldorf die Industriekreditbank AG. Später erwarb die Berliner Industriebank Anteile der Düsseldorfer Industriekreditbank AG und besaß zu Anfang der 1970er Jahre die Mehrheit. Die Bank bildete einen

226

Kapitel III

Namen die Wiederzulassung für das Neugeschäft in Berlin, nachdem diese Bank in Düsseldorf als verlagertes Institut unter der Firma „Industriekreditbank AG“ anerkannt worden war. Ziel beider Banken war die Finanzierung von Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe keinen unmittelbaren Zugang zum Kapitalmarkt hatten. Seit Herbst 1964 reichte auch die Deutsche Industriebank Berlin-Darlehen an industrielle und gewerbliche Unternehmen West-Berlins aus.235 1974 fusionierte die Deutsche Industriebank mit der Industriekreditbank in Düsseldorf zur „Industriekreditbank AG-Deutsche Industriebank“, da beide Banken ein identisches Aufgabenspektrum verfolgten, lediglich mit unterschiedlichen lokalen Schwerpunkten. Die Bilanzsumme des fusionierten Instituts betrug 6 Milliarden DM, davon entfiel etwa ein Drittel auf den Berliner Teil der Bank.236 1988 wies die IKB eine Bilanzsumme von fast 23 Milliarden DM aus.237 Die 1949 gegründete Berliner Bau- und Bodenbank AG war als Übergangslösung gedacht, so lange wie die Deutsche Bau- und Bodenbank AG infolge der Ruhensanweisung und später der Altbankenregelung in Berlin nicht aktiv werden konnte. Die Wiederzulassung der Deutschen Bau- und Bodenbank AG 1956 in Berlin war mit der Auflage versehen, daß das Berliner Institut auf die Altbank fusioniert wird.238 Die bedeutenden Zuweisungen von ERP-Mitteln an Berliner Unternehmen erklären die hohen Marktanteile der Banken mit Sonderaufgaben am Kreditvolumen Berlins in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg. Mit einem Marktanteil von 40% war diese Institutsgruppe besonders stark am Wiederaufbau der Stadt beteiligt. Im Verhältnis zu Gesamtdeutschland war das Kreditengagement der staatlichen Banken in Berlin nahezu vier mal so hoch. Erst mit zunehmender Investitionssicherheit und dem damit verbundenen verstärkten Engagement der anderen Kreditinstitutsgruppen ging ihr Marktanteil zurück. Mit etwa 13% seit den 1960er Jahren war er aber immer noch doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt, worin sich die Wettbewerbsverzerrungen am Bankplatz Berlin widerspiegeln.

Gleichordnungskonzern in Personalunion. Wirtschaftlich gesehen waren die Banken also eine Einheit, der jetzt auch die rechtliche folgte. Zum 01.04.1974 wurde die Fusion vollzogen, in dem die Deutsche Industriebank, Berlin ihr Vermögen auf die Industriekreditbank übertrug. Vgl. Muthesius (1973), S. 1102. 235 Zur Herkunft und Verteilung der Berlin-Darlehen vgl. o.V. (1971), S. 147. 236 Vgl. o.V. (1974a), S. 806. 237 Vgl. Stein (1991), S. 60. 238 Vgl. o.V. (1956), S. 713. Die Deutsche Bau- und Bodenbank ging aus der 1923 gegründeten Deutschen Wohnstättenbank hervor.

1945-1989

227

5.3.9 Zögerlicher Zuzug von Auslandsbanken nach Berlin Bereits Ende der 1950er Jahren begannen Auslandsbanken sich an deutschen Finanzplätzen niederzulassen, um von den wachsenden Geschäftsmöglichkeiten des wirtschaftlich erstarkenden Deutschlands zu profitieren. Bevorzugt wurden die Bankplätze Frankfurt, Düsseldorf sowie München und Hamburg.239 Der Bankplatz Berlin, der lange Zeit für Auslandsbanken aufgrund der instabilen politischen Lage und der schwachen ökonomischen Entwicklung der Stadt nicht attraktiv war, wurde erst Mitte der 1960er Jahre für ausländische Banken interessant.240 Die erste ausländische Bank, die sich nach 1945 in Berlin niederließ, war die aus New York stammende First National City Bank. 1965 eröffnete sie in Berlin und danach in Hamburg Filialen. Bereits seit 1952 unterhielt die City Bank ein Verbindungsbüro in Frankfurt, das 1960 in eine Niederlassung umgewandelt wurde. Die Berliner Zweigstelle bot alle Bankgeschäfte grundsätzlich auch auf US-Dollarbasis an. Zielgruppe waren dabei insbesondere die in Berlin stationierten Alliierten, die regelmäßige Zahlungen in US-Dollar erhielten oder leisteten.241 Die Berliner Niederlassung beteiligte sich aber auch an der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus. Dazu gab sie dem Land Berlin 1968 ein Darlehen in Höhe von 20 Millionen DM. Die City Bank wollte damit ihr Vertrauen in die Berliner Wirtschaft und ihre Verbundenheit mit der Stadt demonstrieren.242 Die First National City Bank, die seit 1976 als Citibank firmiert, beteiligte sich im Rahmen ihrer Deutschland-Strategie an der Kundenkreditbank (KKBBank), die sich zur größten Teilzahlungsbank Europas entwickelte. Über die KKBBank, die mehrere Filialen in Berlin unterhielt, war die Citibank ebenfalls am Bankplatz Berlin vertreten.243 Anfang 1989 eröffnete die Investmentbank Merrill Lynch eine Repräsentanz in Berlin. Ziel war es, mit dieser Repräsentanz das Deutschlandnetz, das Merrill Lynch seit mehr als 30 Jahren in Deutschland aufbaute, zu erweitern und von den wachsenden Möglichkeiten der Großstadt Berlin zu profitieren.244

239

Vgl. dazu Dannenberger (1980), S. 1014. Eine lückenlose Erfassung des Ansiedlungsprozesses von Auslandsbanken in Berlin konnte nicht dargestellt werden, da die Regionalstatistik bis 1989 diese Institute nicht separat auswies bzw. sie unter nichtmeldepflichtige Banken subsumierte. 241 Vgl. o.V. (1965d), S. 1087. 242 Vgl. o.V. (1968), S. 1036. 243 Die Citibank ist seit 1973 zu 85% an der KKB beteiligt gewesen. Zur Entwicklung der Citibank vgl. etwa Greiner (1980), S. 1016-1018; o.V. (1985a), S. 328. 244 Vgl. o.V. (1988), S. 960. 240

228

Kapitel III

Über Beteiligungen an deutschen Banken, die in Berlin eine Niederlassung unterhielten, waren weitere Auslandsbanken am Bankplatz Berlin vertreten. Aber erst mit der vollständigen Übernahme der deutschen Bank durch die jeweilige Auslandsbank und ihre Umfirmierung, wurde der Eigentümer offensichtlich. Zum Beispiel wurde die Handels- und Privatbank AG, die als Kreditbank für Gartenbau bereits seit 1953 wieder am Bankplatz Berlin aktiv war, 1986 nahezu vollständig von der niederländischen Amro Bank übernommen und in Amro Handelsbank umfirmiert.245 Die Rabobank war über ihre Beteiligung an der ADCA-Bank seit 1983 am Bankplatz Berlin vertreten246 und die Schweizerische Bankgesellschaft seit 1986 im Rahmen ihrer Beteiligung an der Deutsche Länderbank AG, die bereits seit 1961 am Bankplatz Berlin engagiert war.247 Ebenfalls in Berlin vertreten war das Bankhaus Amex. Dazu hatte American Express International Anfang 1985 die seit 1976 in Berlin ansässige Deutsche Transportbank zu 80% übernommen und in Bankhaus Amex umfirmiert.248

245

Die Kreditbank für Gartenbau und Landwirtschaft KGaA war der Berliner Teil der nach Köln verlagerten Bank für Landwirtschaft AG. Zum 01.07.1963 erfolgte die Fusion der beiden Institute. Vgl. o.V. (1964), S. 577f. Infolge der Ausdehnung des Geschäftes auf Bereiche außerhalb des landwirtschaftlichen Sektors firmierte die Bank 1970 in Handels- und Privatbank AG um. Vgl. o.V. (1970b), S. 511. Die seit 1981 an der Handels- und Privatbank beteiligte niederländische Amro Bank übernahm 1983 die Mehrheit an der Bank. 1986 erfolgte die Umfirmierung in Amro Handelsbank AG, die Berliner Niederlassung blieb erhalten. Vgl. o.V. (1981f), S. 731; o.V. (1983d), S. 901; o.V. (1986a), S. 621. 246 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.3.4 dieser Arbeit. 247 Die Deutsche Länderbank ging aus der 1909 gegründeten Kolonialkontor-Aktiengesellschaft hervor. Einige Jahre später erfolgte die Umfirmierung in Kolonialbank AG. Da die Bank nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund des Verlustes der Kolonien das normale Bankgeschäft betrieb, firmierte sie 1922 erneut um in Deutsche Länderbank AG. Wenige Jahre später entwickelte sich die Länderbank zur Hausbank der IG Farbenindustrie AG. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlagerte sie ihren Sitz 1953 nach Frankfurt am Main. Um Verwechslungen mit der Bank deutscher Länder zu vermeiden, mußte die Bank zunächst als Westdeutsche Handelsbank firmieren. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am 15.12.1960 wurde beschlossen, den alten Namen wieder anzunehmen. Seit 1961 firmierte die Bank wieder als Deutsche Länderbank und ließ sich erneut am Bankplatz Berlin nieder. Vgl. o.V. (1961a), S. 122. Die Deutsche Länderbank AG, die wechselnde Mehrheitsaktionäre hatte, gehörte seit 1980 vollständig der Dresdner Bank, die die Anteile von der Schweizerischen Bankgesellschaft übernommen hatte. Vgl. o.V. (1969b), S. 1168; o.V. (1980c), S. 678. Im Jahr 1986 wurde erneut ein Eigentümerwechsel vollzogen, in dem die Länderbank wieder an die SBG verkauft wurde. Vgl. o.V. (1986b), S. 19. Zur geschichtlichen Entwicklung vgl. auch o.V. (1985f), S. 228. 248 Vgl. o.V. (1987f), S. 991.

1945-1989

5.4

229

Die Berliner Börse in ihrer neuen Rolle als Regionalbörse

Dem Börsenverkehr am Bankplatz Berlin war nach Kriegsende jede Grundlage entzogen. Die Wertpapierbestände waren durch Krieg, Beschlagnahme und Verlagerung verloren gegangen. Darüber hinaus fehlten aufgrund der „Ruhens-Anweisung“ Kreditinstitute, die am Börsenhandel hätten teilnehmen können. Bis 1949 fand nur ein beschränkter Handel in effektiven Stücken statt, der jedoch völlig unbedeutend war.249 Nach Inkrafttreten des Wertpapierbereinigungsgesetzes im Oktober 1949 wurde von den nunmehr in Berlin wieder aktiven Kreditinstituten ein geregelter Freiverkehr eingerichtet. Das Ordervolumen blieb auch hier mit einem durchschnittlichen Umsatz von einer halben Million DM je Tag bis zum Anfang des Jahres 1952 gering. Erst zum 11. März 1952 konnte der amtliche Handel an der Berliner Börse wieder aufgenommen werden.250 Damit waren seit der letzten amtlichen Kursfeststellung an der Berliner Börse am 18. April 1945 fast sieben Jahre vergangen. Dagegen konnten die westdeutschen Börsen bereits nach der Währungsreform im Jahr 1948 mit dem amtlichen Handel beginnen.251 Im Zusammenhang mit der Zulassung von ehemals nur an der Berliner Börse handelbaren Wertpapieren an den sieben westdeutschen Börsenplätzen geriet die Berliner Börse in eine Schlußlichtposition. Eine Annullierung der Handelszulassungen kam für die westdeutschen Börsen nicht in Frage, da sie sich im Wettbewerb um die Position des führenden Börsenplatzes Deutschlands befanden. Die Emittenten der Wertpapiere hatten ebenfalls keine Veranlassung, die Handelszulassungen zugunsten der Berliner Börse zu ändern. Die geringe Liquidität und die unsichere geopolitische Lage der Stadt sprachen dagegen. Wie stark die Stellung der Berliner Börse als Hauptkapitalmarkt Deutschlands durch die Kriegsfolgen gelitten hatte, zeigt ein Vergleich der Börsenbesucher. 1939 wurden mehr als 340 Börsenbesucher in Berlin gezählt, davon waren jeweils rund 140 Bankiers und freie Makler. 1952 waren nur 66 Marktteilnehmer an der Berliner Börse, wovon 33 Bankiers und 27 freie Makler waren. Die Anzahl der gehandelten Papiere hatte sich ebenfalls verkleinert. Das amtliche Kursblatt enthielt 1952 mit 336 Aktientitel fast ein Drittel weniger als 1939. Rentenpapiere wurden zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gehandelt. Darüber hinaus waren die 336 Aktientitel in 535 Kursnotizen in249

Das Verbot der Wertpapierversendung von Westdeutschland nach Berlin bis Ende 1950 schränkte den effektiven Handel zusätzlich ein. 250 Vgl. Runge (1957), S. 658. 251 Beispielsweise begann der amtliche Börsenhandel an der Frankfurter Börse am 2.08.1948. Vgl. Rudolph (1992), S. 294.

230

Kapitel III

folge von Einzelnotierung in RM-Stücken, in DM-Stücken und in Neugirosammeldepotanteilen stark aufgespalten, was die Liquidität des Marktes einschränkte und das Zustandekommen von Umsätzen erschwerte. Demzufolge konnten für die 66 variabel handelbaren Papiere lediglich für 12 bis 14 Werte täglich Kurse festgestellt werden.252 Verloren ging mit Berlin als zentralem Börsenplatz auch die besonders von 1870-1914 bestehende Symbiose zwischen den Banken und der Berliner Börse, in der die Banken als Effektenmaterialbeschaffer fungierten und vielfältige Unternehmen beim Börsengang begleiteten. Aufgrund der veränderten Geschäftsausrichtung der Banken konnte sich eine solche Stimmung nicht mehr etablieren, auch nicht in Frankfurt.253 Statt dessen fiel die Berliner Börse in die Regionalität zurück und konzentrierte sich vorwiegend auf die Einführung von Rententiteln, die von den am Bankplatz Berlin ansässigen Banken emittiert wurden.254 Die Zunahme des Geschäfts- und Umsatzvolumens Anfang der 1980er Jahre führte zur baulichen Erweiterung und Neugestaltung des Börsensaals, der 1989 eingeweiht wurde.255 Um das Geschehen an der Börse transparenter zu machen, initiierte die Berliner Wertpapierbörse 1987 im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit ein Börsenforum für die Fachwelt, insbesondere auch für interessierte Bürger.256 Des weiteren veränderte die Berliner Börse zum 1. Januar 1990 ihre Rechtsform samt Trägerstruktur und begann mit einer deutlicheren Fokussierung auf heimische Werte und Privatanleger.257 Diese Veränderungen waren der seit Anfang der 1980er Jahre geführten Diskussion über die Zentralisierung des deutschen Börsenwesens geschuldet.258 Vor dem Hintergrund des sogenannten „Big Bang“ in London259 sowie der Umsatzabwanderung nach London und in die außerbörsliche Sphäre verschärfte sich die Diskussion um die Neustrukturierung der deutschen Börsenlandschaft. Während einerseits die Forderung bestand, die acht bestehenden deutschen Teilmärkte zu einem einheitlichen deutschen Wertpapiermarkt zusammenzufassen, der jedoch nach wie vor regional verankert sein sollte, erhob sich andererseits der Anspruch, den Handel in internationalen Standard252

Vgl. o.V. (1952), S. 316. Zur Haltung der Banken zur Eigenkapitalausstattung der Unternehmen und einem potentiellen Börsengang vgl. u.a. o.V. (1982a), S. 165. 254 Beispielsweise emittierten die Bank für Handel und Industrie AG, Berlin und die Berliner Bank AG 1985 Zero-Bonds in Tranchen zu je 50 Millionen DM, die im geregelten Freiverkehr der Berliner Börse notiert wurden. Vgl. o.V. (1985d), S. 624; o.V. (1985e), S. 678. 255 Vgl. Hübscher (2000), S. 296. 256 Vgl. o.V. (1987g), S. 107. 257 Vgl. Verein Berliner Börse e.V. (1990), S. 7. 258 Vgl. u.a. Degner (1980), S. 600ff. 259 Mit dem Big Bang wurde der Londoner Kapitalmarkt grundlegend verändert. Es wurden u.a. die Provisionen freigegeben, die strenge Aufgabentrennung zwischen Brokern und Jobbern aufgehoben und ein neues elektronisches Handelssystem eingeführt. Vgl. ausführlich Institut für Kapitalmarktforschung (1987). Vgl. auch von Rosen (1989a), S. 29-32. 253

1945-1989

231

werten auf eine Art „Bundesliga-Börse“ in Frankfurt zu konzentrieren und die Regionalbörsen aufzulösen.260 Außerdem ging es um Fragen der Einführung einer Computerbörse und deren Vorteilhaftigkeit zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit.261 Die Berliner Börse mußte, wollte sie im Wettbewerb mit den anderen Regionalbörsen bestehen bzw. ihre Existenzberechtigung gegenüber Frankfurt beweisen, auf diese Veränderungen reagieren. Im Umsatzvergleich belegte die Berliner Börse dennoch nur den vorletzten Platz vor der Bremer Börse. Dagegen hatte sich der Frankfurter Börsenplatz zum zentralen Börsenplatz Deutschlands entwickelt. Bereits 1979 entfielen von den Gesamtumsätzen aller westdeutschen Börsen auf Frankfurt nahezu die Hälfte.262 1988 zog die Frankfurter Börse bereits drei Viertel des gesamten Börsenumsatzes in Renten- und Aktienpapieren auf sich. Für die Berliner Börse blieb in diesem Umfeld nur eine untergeordnete Rolle als regionale Nischenbörse.263

5.5

Das Bankwesen in Ost-Berlin

Die Entwicklung des Geld- und Kreditwesens in der sowjetischen Besatzungszone nahm einen gänzlich anderen Verlauf als in den westlich besetzten Teilen Deutschlands. Bestehende Banken wurden auf dem späteren Gebiet der DDR enteignet und in staatlich gelenkte Einheitsbanken überführt.264 Ziel war es, einen Bankenapparat nach sowjetischem Vorbild aufzubauen.265 Die Entwicklung in Ost-Berlin verlief dagegen bis zur Umsetzung der getrennten Währungsreformen noch im relativen Gleichklang mit der Entwicklung in WestBerlin. Aufgrund der Ruhensanweisung waren nur drei Banken in Gesamt-Berlin tätig: die Sparkasse, die Stadtbank bzw. Stadtkontor und die Volksbank. Eine Enteignung konnte wegen des noch herrschenden Viermächtestatus in Ost-Berlin zunächst nicht durchgeführt werden. Erst nach der wirtschaftlichen und politischen Teilung der Stadt 260

Besonders der ehemalige Präsident der Berliner Börse, Dr. Ernst, setzte sich für die Zusammenfassung der acht deutschen Teilmärkte ein. Er sah in einem regional verankerten einheitlichen deutschen Markt wesentliche Kommunikationsvorteile gegenüber dem Publikum als in einer in Frankfurt konzentrierten Monopolbörse. Vgl. Ernst (1987), S. 6f. Dagegen sprach sich das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Dr. Breuer, für eine Konzentration des Handels in Frankfurt aus. Vgl. o.V. (1989), S. 12. Vgl. auch Kalenberg (1988), S. 180, der in der föderativen Struktur des deutschen Börsenwesens einen Hemmschuh für die notwendige Internationalisierung sah. Vgl. ferner Pöhl (1989), S. 13f. 261 Vgl. Gerke/Aignesberger (1987), S. 1027-1034. 262 Vgl. Degner (1980), S. 600ff. 263 Vgl. o.V. (1988), S. 13; Rudolph (1992), S. 293. 264 Vgl. Ulrich (1993), S. 47-51; Hummel (1998), S. 359ff. 265 Zum sowjetischen Bankensystem vgl. ausführlich Pohl/Ruban (1966), S. 215-233.

232

Kapitel III

wurden die in Ost-Berlin ruhenden Altbanken zwischen Februar und April des Jahres 1949 enteignet. Die drei in Gesamt-Berlin aktiven Kreditinstitute spalteten sich.266 Der in Ost-Berlin verbliebene Unternehmensteil wurde in den aufzubauenden sozialistischen Bankenapparat integriert. Es kam zu einer Vereinheitlichung des gesamten Bankwesens und seine Einbindung in das planwirtschaftliche zentralistische Staatswesen, wobei Ost-Berlin zum Ausgangspunkt und Zentrum dieses Vereinheitlichungsprozesses wurde. Es entstanden mit der Deutschen Notenbank, der Deutschen Investitionsbank und der Deutschen Bauernbank drei Institute, die als Spitzeninstitute eines zentralwirtschaftlich aufgebauten Bank- und Staatsapparates Filialen im gesamten Gebiet der 1949 gegründeten DDR unterhielten.267 Die Deutsche Notenbank entstand im Juli 1948 durch Umwandlung der wenige Monate zuvor gegründeten Deutschen Emissions- und Girobank. Sie koordinierte die Tätigkeit der fünf Girobanken, die in den sowjetisch besetzten Ländern im Osten Deutschlands die Aufgaben bezüglich der Regelung des Geldumlaufs und des Zahlungsverkehrs übernommen hatten.268 Das Recht zur Notenausgabe erhielt die Deutsche Notenbank erst im Jahr 1950, als die fünf Girobanken vollständig in die Notenbank integriert wurden. Im Oktober 1951 wurde die Deutsche Notenbank zur Staatsbank der DDR erklärt, seit Januar 1968 firmierte sie unter diesem Namen. Neben den Zentralbankfunktionen hatte sie die Aufgabe, die zentral vorgegebenen Produktions- und Umsatzpläne der volkseigenen Betriebe zu kontrollieren, kurz- und mittelfristige Kredit zu gewähren sowie langfristige Rationalisierungskredite zur Verfügung zu stellen.269 Die seit 1953 als „Berliner Stadtkontor-Bank für Groß-Berlin“ firmierende ehemalige Berliner Stadtbank wurde in die Staatsbank integriert und unter dem Namen „Berliner Stadtkontor“ als Berliner Filiale der Staatsbank weitergeführt.270 Die Gründung der Deutschen Investitionsbank erfolgte am 13. Oktober 1948. Sie finanzierte mit Ausnahme des Agrarsektors die langfristigen Investitionsvorhaben der volkseigenen Wirtschaft.271 Für die Kreditversorgung der landwirtschaftlichen Betriebe wurde 1950 die Deutsche Bauernbank errichtet. Sie war den Anweisungen der Deutschen Notenbank bzw. 266

Vgl. Kapitel III, Abschnitte 5.3.3; 5.3.5 und 5.3.6 dieser Arbeit. Vgl. Weber (1957), S. 182-188. Die fünf Emissions- und Girobanken übernahmen Aufgaben der Deutschen Reichsbank, ohne jedoch ihr Rechtsnachfolger zu sein. Die Notenausgabe oblag der sowjetischen Besatzungsmacht. Vgl. Weber (1957), S. 182f. Zu den Umständen der Gründung der Deutschen Notenbank vgl. ausführlich Zschaler (1992), S. 59-68. 269 Vgl. Kunze (1972), S. 35; Hummel (1998), S. 376. 270 Vgl. Weber (1957), S. 188. Zu Filialen und Niederlassungen der Deutschen Notenbank vgl. Hummel (1998), S. 385f. 271 Vgl. Kunze (1972), S. 35; Hummel (1998), S. 379. 267 268

1945-1989

233

Staatsbank sowie der Investitionsbank unterstellt. Die bereits seit 1947 in den Ostländern existierenden fünf Landesgenossenschaften wurden 1952 als Niederlassungen in die Deutsche Bauernbank integriert.272 Mit den wachsenden Im- und Exportbeziehungen der DDR bestand die Notwendigkeit der Gründung einer Geschäftsbank, die für das internationale Devisengeschäft und die finanziellen Transaktionen im Rahmen des Außenhandels zuständig war. 1956 wurde daher die Deutsche Handelsbank AG gegründet. Um die Bank internationalen Usancen anzugleichen, entstand sie in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft.273 Darüber hinaus befaßten sich ausgewählte Niederlassungen der Deutschen Notenbank, die als sogenannte Außenhandelsbanken (AH-Banken) geführt wurden, mit der Durchführung des Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs mit dem Ausland.274 Damit bestanden 1963 am Bankplatz Ost-Berlin neben der Deutschen Notenbank, der Deutschen Investitionsbank, der Deutschen Bauernbank und der Deutschen Handelsbank AG lediglich noch die Berliner Sparkasse und die Berliner Volksbank. Darüber hinaus war in Ost-Berlin noch die Garantie- und Kreditbank AG aktiv. Sie befand sich im Besitz der sowjetischen Staatsbank und war die Hausbank der deutsch-russischen Handelsgesellschaften und der SAG-Betriebe.275 Die Bank diente der sowjetischen Besatzungsmacht zur Durchsetzung ihrer Reparationsansprüche und hatte bis 1949 Funktionen einer Noten- und Außenhandelsbank inne. Diese Aufgaben wurden nach Gründung der DDR auf die Deutsche Notenbank und die Deutsche Handelsbank übertragen. Durch die Rückgabe der SAG-Betriebe in deutsches Eigentum reduzierten sich Aufgaben und Geschäftsvolumen der Garantie- und Kreditbank.276

272

Vgl. Kunze (1972), S. 36; Hummel (1998), S. 389f.; Westphal (2002), S. 52-66. Vgl. Weber (1957), S. 185f.; Kunze (1972), S. 37f. Zur Einbindung der AH-Banken in die Organisation des staatlichen Valutamonopols vgl. ausführlich Deutsche Notenbank Berlin (1954), S. 16; Deutsche Notenbank Berlin (1961), S. 5-25, besonders S. 19ff. 275 Die SAG-Betriebe waren ursprünglich deutsche Unternehmen, die in sowjetisches Eigentum überführt wurden, sich formal an die deutsche Rechtsform der Aktiengesellschaft anlehnten, de facto aber fest in sowjetischer Hand waren und in der Reparationspolitik der Sowjetunion eine zentrale Rolle spielten. Gegen Mitte 1947 gab es mehr als 200 SAG-Betriebe. Ihr Produktionsanteil an den Reparationsleistungen lag 1947 bei 40% und erhöhte sich bis 1952 auf 78%. Als mit dem 01.01.1954 die Reparationsleistungen offiziell als beendet galten, wurden die SAG-Betriebe wieder in DDR-Besitz überführt (außer die Wismut AG). Vgl. dazu Ciesla (1997), S. 39f. Zur Geschichte der Wismut AG vgl. weiterführend Paul (1991), S. 18ff., 26ff. 276 Die Garantie- und Kreditbank AG ging aus dem 1922 von der sowjetischen Regierung gegründeten Kreditinstitut „Garantie- und Kreditbank für den Osten AG“ hervor. Im Jahr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 mußte die Bank ihre Finanzierungsaktivitäten deutsch-russischer Handelsgeschäfte einstellen. Im Mai 1945 wurde dieses Bank von sowjetischer Seite reaktiviert. Sie firmierte unter Garantie- und Kreditbank AG. Zur Tätigkeit dieser Bank in der SBZ und der späteren DDR vgl. ausführlich Karlsch (1992), S. 69-84. 273 274

234

Kapitel III

Mit der Einführung eines „Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ im Juni 1963 begann in der DDR eine Phase wirtschaftlicher Reformen, die auch das Bankwesen betraf.277 Die Reformen setzten auf eine Erhöhung des Leistungsanreizes in der Industrie und der Arbeiterschaft, auf eine Lockerung der zentral vorgegebenen Wirtschaftspläne und eine stärkere Gewaltenteilung.278 Die Bankreform, die sowohl Voraussetzung als auch Folge der allgemeinen Wirtschaftsreform war, sah neben einer veränderten Kredit- und Zinspolitik sowie einer Neugestaltung des Zahlungs- und Verrechnungssystems auch organisatorisch-institutionelle Veränderungen vor. In diesem Zusammenhang wurden die Deutsche Außenhandelsbank AG (DABA), die Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN) und die Industrie- und Handelsbank gegründet, jeweils mit Sitz in Ost-Berlin.279 1966 entstand mit der DABA eine Spezialbank für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit dem Ausland, die Kreditierung der Außenhandelsbetriebe280 und die Durchführung internationaler Kredit- und Devisenoperationen. Das bisher bei der Staatsbank angesiedelte Auslandsbankgeschäft wurde auf die DABA übertragen. Organisiert in der privatrechtlichen Form einer Aktiengesellschaft war die Staatsbank der Hauptaktionär der DABA. Die Bank unterhielt vier eigene Repräsentanzen in Belgrad, London, Paris und Rom.281 Die ebenfalls auf das Außenhandelsgeschäft spezialisierte Handelsbank AG bestand weiter. Sie entwickelte sich zur Hausbank des DDR-Wirtschafts-bereiches „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) und führte die Außenhandelstransaktionen der sogenannten KoKo-Betriebe durch.282 Die Deutsche Bauernbank wurde in die 1963 gegründete Deutsche Landwirtschaftsbank überführt. Das Hauptaufgabengebiet blieb die Finanzierung und die Kontrolle der 277

Anlaß für die Wirtschaftsreformen waren die seit 1959 sich abschwächenden Wachstumsraten und die damit verbundene geringe Effizienz der Volkswirtschaft. Zur ökonomischen Situation der DDR vor 1963 vgl. Kunze (1972), S. 27-31. 278 Zu den Schwerpunkten der Wirtschaftsreform vgl. Kunze (1972), S. 64-70 und die dort aufgeführte Literatur. 279 Vgl. dazu und im folgenden Kunze (1972), S. 125ff. 280 Zum Beispiel schloss die DABA 1976 einen Kreditvertrag mit einem bundesdeutschen Bankenkonsortium aus 14 Kreditinstituten unter Führung der Deutschen Bank AG ab. Der bundesverbürgte Kredit in Höhe von 890 Millionen DM diente der Finanzierung der Lieferung einer Chlor-/Vinylchlorid-Chemieanlage durch die Uhde GmbH in Dortmund an die Industrieanlagen-Import volkseigener Außenhandelsbetriebe, Berlin. Die Chemieanlage wurde in Schkopau errichtet. Vgl. o.V. (1976g), S. 597. 281 Vgl. Hummel (1998), S. 400ff. 282 Firmen in privatrechtlicher Rechtsform und in Rechtsform von Außenhandelsbetrieben (AHB) waren im Rahmen des Außenhandels der DDR tätig und erwirtschafteten kapitalistische Valuta außerhalb des Staatsplanes. Sie wurden wegen des Erfordernisses nach einheitlicher Leitung im Wirtschaftsbereich KoKo zusammengefaßt, der am 15.09.1966 gegründet wurde. Seit 1972 stiegen Bedeutung und Selbständigkeit dieses Bereiches. Vgl. dazu Prugger (1994), S. 162-172 sowie S. 195-213.

1945-1989

235

Verwendung der finanziellen Mittel in den landwirtschaftlichen Betrieben. Um eine engere Verbindung der Landwirtschaft mit der Nahrungsgüterindustrie herzustellen, wurde 1968 der Aufgabenkreis der Landwirtschaftsbank auf die Finanzierung, Steuerung und Kontrolle der Nahrungsgüterwirtschaft ausgedehnt. In dem Zusammenhang wurde das Institut in Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft umbenannt.283 Die Deutsche Investitionsbank wurde 1968 aufgelöst und in die neugegründete Industrie- und Handelsbank überführt. Dadurch entstand ein zweistufiges Banksystem, denn die IHB übernahm die Aufgaben einer Geschäftsbank, die zuvor die Staatsbank wahrgenommen hatte.284 Diese Zweistufigkeit wurde jedoch wieder revidiert. Die begonnenen Reformen wurden wegen allgemeiner wirtschaftlicher Wachstumsschwierigkeiten 1971 beendet. Statt dessen setzte man wieder stärker auf eine Zentralisierung der Planungs- und Entscheidungsbefugnisse. 1974 kehrte man zum einstufigen Banksystem zurück. Dazu wurde die IHB wieder in die Staatsbank eingegliedert, die damit auch wieder die Geschäftsbankfunktion wahrnahm. Zusätzlich wurden alle anderen Kreditinstitute dem direkten Weisungs- und Kontrollrecht der Staatsbank unterstellt.285 Die Staatsbank selbst war dem Finanzministerium rechenschaftspflichtig und weisungsgebunden. Der Aufbau des staatlichen Bankenmonopols in der DDR war damit abgeschlossen und blieb bis zum 6. März 1990, dem Tag der Auflösung der Staatsbank,286 in dieser Form bestehen.287 Aufgrund der wachsenden Akzeptanz der DDR als Handels- und Wirtschaftspartner außerhalb des RGW eröffneten auch westliche Auslandsbanken Repräsentanzen in Ost-Berlin. So eröffnete 1976 die Allge-meine Elsässische Bankgesellschaft eine Repräsentanz. Diese diente jedoch nur der Unterstützung französischer Firmen bei ihren Handelgeschäften mit der DDR. Weiterführende Tätigkeiten mit ostdeutschen Firmen oder Bürgern waren nicht möglich.288 Außerdem übernahm 1983 das Reisebüro der DDR für Reisedienstleistungen die Repräsentanz von American Express. Weiterführende Dienstleistungen wurden ebenfalls nicht angeboten.289

283

Vgl. Hummel (1998), S. 397f.; Westphal (2002), S. 61-68. Vgl. Kunze (1972), S. 136ff. Die Gründung der Industrie- und Handelsbank resultierte aus der finanziellen Verselbständigung der volkseigenen Betriebe. Vgl. dazu Kunze (1972), S. 67f., S. 125. 285 Vgl. Hummel (1998), S. 408f. 286 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 6.4.1 dieser Arbeit. 287 Vgl. Hummel (1998), S. 412f.; Stein (1991), S. 65-68. 288 Vgl. o.V. (1976h), S. 542f. 289 Vgl. o.V. (1983e), S. 1101. 284

236

Kapitel III

Trotz der verhaltenen Ansiedlung von Auslandsbanken war der Bankplatz Ost-Berlin kein Bankplatz im üblichen Sinne. Zwar waren dort alle in der DDR existierenden, überregional tätigen Banken mit ihrer Firmenzentrale ansässig, die zu den in den einzelnen Bezirken und Kreisen ansässigen Direktionen, Zweig- und Wechselstellen enge Verbindungen hatten. Da aber die systemabhängigen Tatbestände des Wirtschaftens zugunsten des Aufbaus einer gemeinwirtschaftlichen und zentral gesteuerten Wirtschaftsordnung entschieden wurden, fehlte die eigenwirtschaftliche Verantwortung der Banken. Sie waren in den Gesamtstaatsapparat eingebunden und dienten der Kontrolle der finanziellen Mittel im Rahmen der Durchführung der Wirtschaftspläne. Die Funktion der Banken als Finanzintermediär war durch diese staatliche Planung und Lenkung eingeschränkt. Das Dienstleistungsangebot war dadurch begrenzt und entsprach nicht dem in marktwirtschaftlich orientierten Systemen üblichen Angebot. Das gilt auch für die sich ansiedelnden Auslandsbankrepräsentanzen. Es fehlte der Wettbewerb in der Branche, da den Banken feste Kundenkreise und Aufgabengebiete zugewiesen wurden. Die Standortwahl der Banken zugunsten von Berlin entstand nicht aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus, sondern war von zentraler Regierungsstelle angeordnet worden. Durch die Nähe zur Staatsgewalt ergaben sich zwar Kommunikationsvorteile, die aber vergleichsweise unbedeutend waren, da die Kommunikation ohnehin über die staatlichen Leitungsstellen zu laufen hatte. Insofern war Ost-Berlin kein Bank- und Finanzplatz, sondern lediglich ein Versammlungsort von Banken.

1989-2002

6.

237

Struktureller Wandel und Transformationsprozesse am Finanzplatz Berlin (1989-heute)

Die deutsche Wiedervereinigung bedeutete für Berlin politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich einen historischen Umbruch. Es erschien möglich, daß Berlin in relativ kurzer Zeit an seinen ehemaligen Metropolenstatus anknüpfen könnte. In der ersten Euphorie glaubte man sogar, daß sich Berlin nicht nur zu einem wirtschaftlichen Zentrum in Deutschland entwickeln würde, sondern auch wieder zu einem bedeutenden Finanzplatz. Mehr als zehn Jahre nach diesem historischen Ereignis ist festzustellen, daß der 1990 einsetzende strukturelle Wandel am Standort Berlin noch nicht abgeschlossen ist und sich die Erwartungen nicht erfüllt haben. Zwar waren Mauerfall und Wiedervereinigung notwendige Bedingungen für die bereits vollzogene Entwicklung, sie sind aber nicht hinreichend genug für ein wirtschaftlich starkes Wachstum Berlins. Damit sich Berlin wieder zu einem strukturstarken Wirtschaftsstandort und Finanzzentrum entwickeln kann, bedarf es der Stärkung relevanter Angebots- und Nachfragebedingungen.

6.1

Die deutsche Wiedervereinigung als Zäsur in der Historie Deutschlands und Berlins

Die politischen Ereignisse seit dem 9. November 1989 beeinflußten nicht nur die Entwicklung Gesamtdeutschlands, sondern - analog zum Ende des Zweiten Weltkrieges vor allem die Stadt Berlin. Die politischen Rahmenbedingungen in der ehemaligen DDR veränderten sich durch den herbeigeführten Umsturz nahezu täglich.1 Relativ schnell nahmen die beiden deutschen Staaten Verhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit und Unterstützung auf. Die freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 beschleunigten die Verhand-lungen zwischen der DDR und der BRD. Im Ergebnis wurde der erste Staatsvertrag am 18. Mai 1990 zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion abgeschlossen, der zum 1. Juli 1990 in Kraft trat. Am 31. August 1990 schloß man den zweiten Staatsvertrag ab, auf dessen Grundlage am 3. Oktober 1990 die staatliche Einheit vollzogen wurde.2 Zugleich wurde Berlin wieder als Hauptstadt Deutschlands eingesetzt. Am 20. Juni 1991 entschied der Bundestag mit knapper 1

Zu den revolutionären Ereignissen in der DDR und den sich anschließenden demokratisch-rechtsstaatlichen Reformen vgl. Willoweit (2001), S. 462-470. Eine Auswahl authentischer Dokumente zu dieser Zeit bieten Gransow/Jarausch (1991), Kapitel II und III. 2 Zur Gestaltung des Prozesses der deutschen Wiedervereinigung aus innenpolitischer Sicht vgl. Grünbaum (2000). Zu den außenpolitischen Gegebenheiten, insbesondere den Zwei-plus-Vier-Verhandlungen, durch die die deutsche Wiedervereinigung erst möglich wurde, vgl. ausführlich Küsters (2000), S. 809-878. Eine Auswahl authentischer Dokumente zu dieser Zeit bieten Gransow/Jarausch (1991), Kapitel IV und V.

238

Kapitel III

Mehrheit die Frage nach dem zukünftigen Sitz der Regierung zugunsten Berlins. Der offizielle Regierungsumzug begann jedoch erst 1999.3 Schon vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten setzte die Debatte um die zukünftige Hauptstadt des Landes ein. Aus historischen und staatspolitischen Gründen erschien eine Entscheidung zugunsten Berlins unerläßlich. Außerdem versprach man sich durch die Regierungssitzverlegung starke wirtschaftspolitische Impulse für den Standort Berlin. Zusätzlich schien der Ortswechsel eine größere Realitätsnähe der Politik zu garantieren. Andererseits gab es die verschiedensten Opponenten sowohl gegen eine Hauptstadt Berlin und erst recht gegen einen Umzug von Regierung und Parlament.4 Der Reputation der Stadt war diese langanhaltende Debatte nicht förderlich. Nach der gesamtdeutschen Vereinigung mußten auch in Berlin wieder einheitliche politische und verfassungsmäßige Strukturen hergestellt werden. Der Zusammenschluß der beiden Teilstädte zu einer Einheit vollzog sich durch die konstituierende Sitzung des neugewählten Gesamt-Berliner Abgeordnetenhauses am 12. Januar 1991 und der Wahl des Senats am 24. Januar 1991. Nach verschiedenen Übergangsregelungen begann nun ein Prozeß der organisato-rischen und räumlichen Zusammenlegung einzelner Fach- und Bezirksverwaltungen sowie sonstiger Landeseinrichtungen.5

6.2

Die Finanzkrise als Belastungsfaktor

Im Zusammenhang mit der städtischen Wiedervereinigung mußte auch der Finanzausgleich zwischen Berlin und den anderen Bundesländern geregelt werden. Bislang war Berlin nicht am Finanzausgleich beteiligt, sondern erhielt zur Deckung seines Haushaltes eine Bundeshilfe. Diese Bundeshilfe wurde von 1992 an sukzessive reduziert, so daß Berlin seit 1995 am Bundesfinanzausgleich teilnimmt.6 Außerdem wurden sämtliche Subventionen im Rahmen des Berlinförderungs-Gesetzes gestrichen. Man begründete diese Vorgehensweise damit, daß Berlin aufgrund der Wiedervereinigung nunmehr ein normales Bundesland sei und in eigener Verantwortung am föderalen Bundesleben teilnehmen könne.7 3

Vgl. Grünbaum (2000), S. 136-142. Der erst 8 Jahre später einsetzende Regierungsumzug wird ausgelegt als Halbherzigkeit der politischen Elite gegenüber Berlin als Hauptstadt Deutschlands sowie deren mangelhafte wirtschaftliche und internationale Kompetenz. Vgl. Teltschik (1999), S. 700. 4 Bereits während der Verhandlungen zum deutschen Einigungsvertrag wurde erheblicher Widerstand gegen eine gesamtdeutsche Hauptstadt Berlin sichtbar, an der sogar die Verhandlungen zu scheitern drohten. Zur Hauptstadtkontroverse vgl. Süß (1999), S. 194ff. Über Pro und Contra des Regierungsumzuges von Bonn nach Berlin vgl. auch Thörmer (1999), S. 660-667. 5 Vgl. Haß (1992), S. 50ff. 6 Von 1952 bis 1994 flossen insgesamt 248,5 Milliarden DM an Bundeshilfe nach Berlin. Vgl. Weinzen (2000), S. 13ff. 7 Zum Abbau der Fördermaßnahmen nach BerlinFG vgl. Senat von Berlin (1992), S. 80f.

1989-2002

239

16 14

Mrd. DM

12

14,469 13,207 13,182 12,528 10,082

10

Höhe der Bundeshilfe in Mrd. DM

8 6

5,54

4 2 0 0 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 Jahr

Abbildung 11: Der Abbau der Bundeshilfe seit 1989 Quelle: Weinzen (1999), S. 417.

Diese Re- bzw. Spätföderalisierung der Stadt bedeutete für den Bundeshaushalt eine erhebliche Entlastung, für Berlin jedoch eine gewaltige Mehrbelastung, da im Zusammenhang mit der Wiedererlangung des Hauptstadtstatus’ und dem Regierungsumzug vielfältige Kosten anfielen. WEINZEN bezeichnete Berlin daher als „Sparschwein der Einheit“.8 Der radikale Umbruch der Berliner Finanzsituation wurde anfänglich unterschätzt. Die bereits in den unmittelbaren Nachwendejahren notwendig gewesenen Sparmaßnahmen wurden daher nur halbherzig durchgeführt. Zusätzlich erwartete der Berliner Senat im Rahmen des gesamtdeutschen Finanzausgleiches Zuweisungen der Länder sowie Ergänzungszuweisungen und Finanzhilfen des Bundes in ähnlicher Gesamthöhe wie die vorherige Bundeshilfe. Außerdem ging man im Zusammenhang mit der deutschen Einheit von einem langanhaltenden Wirtschaftsaufschwung in Berlin und damit verbunden höheren Steuereinnahmen aus. Da sich aber seit der Mitte der 1990er Jahre die Steueraufkommen der anderen Bundesländer reduzierten, fielen die Verteilungen zugunsten Berlins geringer aus. Auch in 8

Weinzen (1999), S. 419. Durch den Wegfall aller Berlin-Subventionen wurde der Haushalt des Bundes in den Jahren 1991 bis 1994 um jährlich ca. 11,1 Milliarden DM entlastet. Die sich anschließenden Hauptstadtverträge zeigen ebenfalls, daß der Bund Berlin mit den Hauptstadt-kosten größtenteils allein ließ. Vgl. Weinzen (2000), S. 83ff.; Nawrocki (2000), S. 11.

240

Kapitel III

Berlin verringerten sich die Steuereinnahmen aufgrund der negativen konjunkturellen und strukturellen wirtschaftlichen Entwicklung. Außerdem war der Berliner Finanzhaushalt wegen der Ungleichbehandlung der Altschulden aus Zeiten der deutschen Teilung, die größtenteils nicht in den Erblastentilgungsfonds ausgelagert werden konnten, belastet.9 Auf diese Weise geriet Berlin in ein strukturelles Finanzierungsdefizit, das im Herbst 1995 durch die Forderung der Berliner Sozialdemokratie nach Kassensturz offenbar wurde.10 Durch verschiedene Sparmaßnahmen sowie der Veräußerung von Vermögenswerten und kommunalen Unternehmen leitete der Berliner Senat die überfällige Konsolidierung ein.11 Angesichts der negativen Entwicklung der landeseigenen Bankaktivitäten und die damit verbundenen Risikoübernahmen und Kapitalhilfen12 durch Berlin als Hauptanteilseigner wurden weitere Einsparungen notwendig, um den Berliner Landeshaushalt zu sanieren.13 Wenngleich Berlin zu einem Großteil für seine Finanzkrise selbst verantwortlich ist, so ist diese aber auch durch die zu schnelle Verringerung der Bundeshilfe mitverursacht worden. Da aber nicht nur die Region Berlin-Brandenburg von einer intakten Bundeshauptstadt profitiert, sondern auch Deutschland insgesamt, sind die Kosten für den Aufbau und Umbau Berlins als Hauptstadt von allen Bundesländern gleichermaßen zu tragen. In diesem Zusammenhang wäre auch eine völlige Neuordnung der bundesdeutschen Länder überlegenswert.14 Im Rahmen des im Jahr 2000 abgeschlossenen Hauptstadtvertrages zwischen Bund und dem Land Berlin wurden im Hinblick auf Finanzierung hauptstadtbedingter Sonderaufgaben bereits erste Erfolge erzielt.15 Darüber hinaus sind eigene Bemühungen Berlins zur Sanierung des Haushaltes weiterhin unerläßlich, um die Anziehungskraft Berlins als Wirtschaftsstandort und damit einhergehend die Attraktivität als Finanzplatz zu erhöhen. Dazu gehört auch die Einführung moderner Verwaltungselemente, 9

Vgl. Weinzen (1999), S. 419ff.; Weinzen (2000), S. 144f. Vgl. Weinzen (2000), S. 145. Vgl. Weinzen (1999), S. 424ff.; Weinzen (2000), S. 145ff. Zu den Konsolidierungsaufgaben in der Zukunft vgl. Weinzen (2000), S. 476-488 sowie S. 522-529. Darauf aufbauend vgl. Mäding (2002), S. 89ff. 12 Vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 6.4.3.3 dieser Arbeit. 13 Zum Entwurf des Doppelhaushaltes 2004/2005 und der darin enthaltenen Schritte zur Haushaltskonsolidierung vgl. Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin (2003): Pressemitteilung vom 01.07.2003; online im Internet: www.berlin.de/SenFin/Presse/Alt/010703a.html [01.12.2003] Zur Kritik am Berliner Doppelhaushalt vgl. etwa o.V. (2003b), S. 34; o.V. (2003c), S. 34. 14 Vgl. dazu etwa Grimm (2003), S. 9 sowie o.V. (2003e), S. 36. 15 Vgl. u.a. Eichstädt-Bohlig (2002), S. 238-243. Da aber die Kosten für die Hauptstadtaufgaben seit dem Folgevertrag vom 29.03.2001 weiter gestiegen sind, wurde der Hauptstadtvertrag im Herbst 2003 neu verhandelt. Vgl. Schulz (2003), S. 34. 10 11

1989-2002

241

die einer Hauptstadt angemessen sind.16 Unter finanzwirtschaftlichen Aspekten scheint auch eine Fusion mit dem Land Brandenburg sinnvoll.17

6.3

Anhaltende Standortmängel trotz Hauptstadtbonus

Der historische Bruch eröffnete für den Standort Berlin und damit auch für den Finanzplatz neue Perspektiven. Durch die Überwindung der Teilung der Stadt und des Landes entfiel der Viermächtestatus und die politische Unsicherheit als wesentliches Investitionshemmnis wurde überwunden. Ehemalige psychologische Vorbehalte verschwanden. Durch den raumwirtschaftlichen Anschluß Berlins an das Umland sowie die bessere Erreichbarkeit der Altländer konnte Berlin an alte Verflechtungen anknüpfen und neue wirtschaftliche Beziehungen aufbauen. Außerdem konnte Berlin wieder die Rolle als zentraler Ort für die Region übernehmen. Als zentraler Ort höchsten Ranges oder gar als volkswirtschaftliche Steuerungszentrale konnte Berlin jedoch noch nicht aufsteigen. Obwohl Berlin mit dem Hauptstadtstatus und dem Regierungsumzug wieder zur politischen Machtzentrale geworden ist, fehlen die für eine volkswirtschaftliche Steuerungszentrale wesentlichen Elemente wirtschaftlicher Kontroll- und Zentralfunktionen sowohl unternehmens- als auch kapitalseitig. Zwar siedelten sich neue Unternehmen und Banken in Berlin an, die Unternehmenszentralen verblieben jedoch am bisherigen Stammsitz. Lediglich ausgewählte zentrale Bereiche zogen nach Berlin um. Dementsprechend kann Berlin bislang nur als Regionalmetropole eine Rolle spielen. Der sich seit der Wende in Berlin vollziehende Transformationsprozeß betraf neben den politischen und gesellschaftlichen Strukturen auch und gerade die ökonomischen Verhältnisse der Stadt. Die sich negativ gestaltende Finanzlage wurde bereits im vorangegangenen Kapitel geschildert. Im folgenden werden der Strukturwandel der Ber16

Dabei sind insbesondere die Kompetenzen auf Bundes- und Landesebene zu stärken, denn „daß man einen umfangreichen Hauptstadt-Neu- und Umbau nicht auf Bezirksebene und nach Regeln kleinteiliger Bewohnerbeteiligung planen kann, ist offenkundig.“ Eichstädt-Bohlig (2002), S. 242. Darüber hinaus ist die Haushaltsführung insgesamt effizienter zu gestalten, um die Verschwendung von Steuergeldern in Zukunft zu vermeiden. Vgl. dazu Schulz (2003a), S. 33. 17 Eine 1995 durchgeführte Untersuchung des DIW zu den Auswirkungen einer Länderfusion auf die finanzielle Situation Berlin-Brandenburgs kam zu dem Ergebnis, daß eine Vereinigung beider Länder zu keinen Auswirkungen im Sinne eines höheren Mittelzuflusses führt. Vielmehr besteht die Gefahr, daß durch den Wegfall des Stadtstaatenprivilegs sogar finanzielle Mittel reduziert werden. Da eine Fusion jedoch langfristig zu mehr Verwaltungs- und Planungseffizienz i.S. einer besseren Abstimmung von Infrastrukturinvestitionen führt und damit zu langfristigen Kostenersparnissen und letztlich zur Sanierung beider Landeshaushalte beiträgt, sollte die bundesrepublikanischen Finanzpolitik eine Fusion beider Länder sinnvoll flankieren. Vgl. Geppert/Vesper (1995). Vgl. auch Weinzen (2000), S. 111-138.

242

Kapitel III

liner Wirtschaft und die damit verbundene Entwicklung der Angebots- und Nachfragebedingungen des Finanzplatzes Berlin betrachtet. Die ökonomische Korrektur betraf die Ost- und West-Berliner Firmen gleichermaßen. Die Unternehmen im Ostteil der Stadt mußten sich den für sie neuen Herausforderungen von Markt und Wettbewerb stellen. Angesichts veralteter Produktionsanlagen sowie ineffizienter Produktionsverfahren und Organisationsstrukturen wurden nur selten wettbewerbsfähige Produkte hergestellt. Die nötige Umstellung verlangte Zeit, zugleich brach aber die Nachfrage nach diesen Produkten sowohl im Inland als auch in den ehemaligen RGW-Staaten weg. Das hatte die Schließung zahlreicher Betriebe zur Folge; damit verbunden war der Verlust an Arbeitsplätzen. Die verdeckte Überbeschäftigung in Ost-Berlin trat durch den notwendigen Transformationprozeß offen zu Tage. Von Februar bis August 1990 stieg die Zahl der Arbeitslosen auf fast 34.000 an, was einer Arbeitslosenquote von 4,7% entsprach. Bereits im Dezember 1990 betrug die Ost-Berliner Arbeitslosenquote 9,3%.18 Im Westteil der Stadt wurden ebenfalls Unternehmen bzw. Unternehmensteile geschlossen oder in das brandenburgische Umland verlagert. Teilweise kam es auch zur Standortverlegung in die mittel- und osteuropäischen Länder. Hauptgrund hierfür war das in vierzig Jahren gewachsene strukturelle Defizit der West-Berliner Wirtschaft, das mit Hilfe der Berlinförderung subventioniert und manifestiert wurde. Als dieser künstliche Standortvorteil wegfiel, konnten die zumeist als „verlängerte Werkbänke“ agierenden Unternehmensteile westdeutscher Firmen nicht mehr profitabel arbeiten. Die Folge war eine sich auch im Westteil der Stadt erhöhende Arbeitslosenquote. Trotz der Ansiedlung neuer Unternehmen wie zum Beispiel DEBIS oder die Deutsche Bahn AG konnte der Verlust an Arbeitsplätzen bislang nicht kompensiert werden, so daß nach wie vor in Berlin die Arbeitslosigkeit höher und das Wirtschaftswachstum geringer sind als im Bundesdurchschnitt. Besonders gravierend war der Arbeitsplatzabbau im Produzierenden Gewerbe und im Baugewerbe. Allein von 1989 bis 1998 hat Berlin rund 270.000 Industriearbeitsplätze verloren.19 Die Bruttowertschöpfung dieses Bereiches ging um rund ein Fünftel zurück. Der Transformationsprozeß war hier mit einer Deindustrialisierung verbunden. Im Dienstleistungsbereich konnte der Verlust an Arbeitsplätzen trotz Zunahme der dort erzielten Bruttowertschöpfung nicht kompensiert werden. Vielmehr fand auch hier durch die Zusammenlegung der ehemals getrennten kommunalen Verwaltungen ein Arbeitsplatzabbau statt.20 18

Vgl. Haß (1992), S. 65. Vgl. Krätke/Borst (2000), S. 7. 20 Vgl. Strategy-Report (1999), S. 19. 19

1989-2002

Bruttoinlandsprodukt22 Arbeitslosenquote23

243

2002 200321 -0,7 -1,1

1989 3,6

1990 6,5

1992 3,2

1995 1,0

2000 1,1

2001 -0,8

Bundesrepublik

3,3

4,7

2,2

1,7

2,9

0,6

0,2

-0,1

Berlin

9,8

9,4

11,5

12,4

15,8

16,1

16,9

18,6

Altländer

7,9

7,2

6,6

9,3

7,6

7,2

7,6

8,3

-

-

7,7

9,4

9,6

9,4

9,8

10,8

Berlin

Bundesrepublik

Tabelle 62: Wirtschaftsleistung und Arbeitslosigkeit in Berlin und Gesamtdeutschland Quelle: Statistisches Landesamt Berlin, Arbeitskreis Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder und Statistisches Bundesamt

Zwar nahm die Anzahl der Beschäftigten im Bereich der privaten und unternehmensnahen Dienstleistungen zu, so daß der Dienstleistungsbereich 2002 mit einem Anteil von mehr als 80% den größten Beitrag zum Berliner Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftete. Dabei handelte es sich aber in der Mehrzahl um wertschöpfungsschwache Dienstleistungen.24 Nach wie vor ist Berlin kein Zen-trum hochqualifizierter und damit wertschöpfungsintensiver unternehmensnaher Dienstleistungen. Hier wirkt sich die geringe Präsenz an Unternehmenszentralen negativ aus.25 Es scheint jedoch, als ob durch die Ansiedlung von Unternehmen der Musikbranche der Negativ-Trend gebrochen ist. Besonders positiv ist dabei die Ansiedlung sogenannter Major-Labels wie Universal Music oder Sony Music zu werten. Aufgrund der von ihnen ausgehenden Lokalisationseffekte haben sich bereits diverse Zulieferer, Produzenten und Veranstalter in Berlin niedergelassen.26

21

Bzgl. des BIP: Stand I. Halbjahr 2003. Bzgl. der Arbeitslosenquote Stand April 2003. Änderungsraten des realen BIP in Preisen von 1995 gegenüber dem jeweiligen Vorjahr. Die Angaben für 1989 und 1990 beziehen sich für Berlin nur auf den Westteil der Stadt. 23 Registrierte Arbeitslose in Prozent aller zivilen Erwerbspersonen. Für Berlin beziehen sich die Angaben 1989 und 1990 nur auf den Westteil der Stadt. 24 Beispielsweise übertreffen in quantitativer Hinsicht die in Berlin ansässigen Reinigungsdienste die Bedeutung der Stadt als Kultur- und Forschungszentrum, was ihr den wenig schmeichelhaften Beinamen „PutzkolonnenMetropole“ eingebracht hat. Vgl. Krätke/Borst (2000), S. 71. 25 Vgl. hierzu ausführlich die Untersuchung von Krätke/Borst (2000), S. 59ff. 26 Die Zahl der Unternehmen der Musikbranche in Berlin stieg zwischen 1998 und 2000 um 18% auf 563. Für das Jahr 2004 wird der Zuzug des Musiksenders MTV erwartet, ebenso wie die weltgrößte Musikmesse „Popkomm“. Vgl. Fahrun (2003), S. 33; Pilz (2003), S. 28. 22

Kapitel III

244

in Prozent

Öff./Priv. Dienstleister 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Vermietung/UnternehmensDienstleistungen Kredit/Versicherungsgewerbe

Verkehr/Nachrichten Gastgewerbe Handel; Reparatur Baugewerbe 1991

1992

1995 Jahr

2000

2002 Prod. Gewerbe

Abbildung 12: Bruttowertschöpfung in Berlin nach Wirtschaftsbereichen Quelle: Statistisches Landesamt Berlin

Auch hinsichtlich der Bevölkerungsentwicklung erfüllten sich die euphorischen Erwartungen im Zusammenhang mit dem Hauptstadtstatus und dem Regierungsumzug nicht. Noch 1992 erwartete man für das Jahr 2010 einen Wanderungsgewinn von rund 1,2 Millionen Menschen, so daß die Berliner Gesamtbevölkerung auf ca. 4,44 Millionen Menschen anwachsen würde.27 Statt dessen nahm die Bevölkerung infolge von Abwanderungen ins Berliner Umland und in die Altländer ab.28 Seit 2000 ist wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Der große Zustrom blieb jedoch aus. Im Jahr 2002 lebten mit 3,392 Millionen Menschen rund 17.000 Menschen weniger in Berlin als vor der Wende.29

27

Vgl. Haß (1992), S. 45ff.; Müller/Pfeiffer (1990), S. 27. Die Abwanderung betrifft nicht nur Berlin, sondern auch das Land Brandenburg. Da Berlin aber auf ein bevölkerungs- und wachstumsstarkes Umland angewiesen ist, stellt sich diese Entwicklung auch für die Hauptstadt als besorgniserregend dar. Vgl. Mallwitz (2003), S. 37. 29 Vgl. online im internet: www.statistik-berlin.de [15.12.2003] 28

1989-2002

245

3,5 3,475

Millionen Menschen

3,48 3,46

3,459

3,466

3,44

3,433

3,42

Millionen Menschen

3,426

3,409

3,4

3,392

3,38

3,382

3,36 3,34

2002

2001

2000

1999

1998

1997

1996

1995

1994

1993

1992

1991

1990

1989

3,32

Jahr

Abbildung 13: Entwicklung der Berliner Bevölkerung seit 1989 Quelle: Statistisches Landesamt Berlin

Lediglich der Bereich des Baugewerbes und die daraus resultierende Bruttowertschöpfung entsprach den Erwartungen. In beiden Teilen der Stadt bestand Neubedarf an Wohnraum, im Ostteil gab es zusätzlich einen erheblichen Sanierungsbedarf. Im Bereich der verkehrs- und kommunikationstechnischen Infrastruktur existierten Defizite. So mußten beide Stadtteile miteinander verbunden sowie eine stärkere Anbindung an das Umland hergestellt werden. In Verbindung mit den euphorischen Erwartungen an die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt und dem Umzugsbeschluß für Parlament und Regierung wurde ein Immobilienboom ausgelöst, der bis Mitte der 1990er Jahre anhielt. Das realisierte Bauvolumen erhöhte sich von 1992 bis 1998 um mehr als 20%.30 Wurde der Bauboom anfänglich als Teil des Umbaus Berlins zur Dienstleistungsmetropole interpretiert, so erweist er sich heute zunehmend als Standortrisiko für Berlin. Zahlreiche Kleingewerbeunternehmen und die mittelständische Wirtschaft sahen sich angesichts explodierender Mietpreise zur Geschäftsaufgabe gezwungen oder wanderten an andere Standorte ab. Dieser Verlust konnte bislang trotz gesunkenen Mietniveaus nicht wieder ausgeglichen werden. Der Immobilienboom hat damit entscheidend zur Deindustrialisierung Berlins

30

Vgl. Rupf (1999), S. 396.

246

Kapitel III

beigetragen.31 Darüber hinaus erlitten verschiedene Banken, insbesondere die ortsansässigen, hohe Wertverluste aus der Finanzierung der Immobilienspekulationen am Bankplatz Berlin.32 Während sich die Angebots- und Nachfragebedingungen des Finanzplatzes im Hinblick auf die harten Standortfaktoren ungenügend oder sogar negativ entwickelten, konnten sich die weichen Standortfaktoren seit der Wende positiv entfalten. Mit 16 Hochschulen, verschiedenen Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs und zahlreichen außeruniversitären Forschungseinrichtungen ist Berlin der größte Wissenschaftsstandort Deutschlands. Etwa 50.000 Menschen arbeiten mittel- oder unmittelbar im Bereich der Wissenschaft und Forschung.33 Die Nähe zu Potsdam erweist sich im Hinblick auf die Wissenschaftsagglomeration als weiterer Vorteil, da die Landeshauptstadt Brandenburgs über die höchste Forscherdichte in Deutschland verfügt. Durch Kooperationen zwischen den Forschungseinrichtungen ergeben sich hier entsprechende Synergien.34 Die sich neu ansiedelnde private Elite-Hochschule „European School of Management and Technology“ (ESMT) wird ebenfalls weitere Impulse für die Forschungslandschaft bringen. Hierbei ist es wichtig, daß derzeitige bürokratische Hürden schnell überwunden werden, so daß der bereits in das Jahr 2005 verschobene Start des Lehrbetriebes sich nicht ein weiteres Mal verzögert.35 Einzigartig ist auch die Vielfalt über die Berlin als Kulturstandort verfügt. Die Neuansiedlung verschiedener kultureller Einrichtungen sowie die Etablierung unterschiedlicher alternativer Kunstszenen trägt erheblich zur Verbesserung der Standortqualität bei.36 So ergab eine firmeninterne Umfrage der weltweit operierenden Boston Consulting Group (BCG), die seit 1998 in Berlin mit einer Niederlassung vertreten ist, daß die Mitarbeiter von BCG den Standort Berlin präferieren. Da aber das Hauptgeschäft 31

Vgl. Krätke/Borst (2000), S. 154ff. Die genossenschaftlichen Institute und die landeseigenen Banken waren davon besonders betroffen. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 6.4.3.3; 6.4.5 und 6.4.6 dieser Arbeit. 33 Die Verteilung von DFG-Fördermitteln an Universitäten zeigt, daß Berlin führend in der deutschen Wissenschaft ist. In den Jahren 1999 bis 2001 wurden nach Berlin 307 Millionen Euro DFG-Fördermittel geleitet, nach München flossen 243 Millionen Euro. Vgl. www.dfg.de/Jahresbericht [01.11.2003] sowie Berliner Senat (2003). 34 Mit einer Relation von 22,5 Forschern je 10.000 Einwohner lag Potsdam im Jahr 2002 auf Rang 1 der Forscherdichte noch vor Tübingen und Heidelberg. Vgl. o.V. (2002b), S. 41. 35 Hinsichtlich Finanzierung, Eigentumsverhältnissen und Vertragsgestaltung bestanden Differenzen in den verschiedenen Berliner Senatsbehörden, so daß der Lehrbetrieb nicht wie geplant im Jahr 2004 beginnen kann. Dagegen konnte die Management-Hochschule bereits im Mai 2003 ihren Campus in München eröffnen. Vgl. o.V. (2003), S. 39. Im November 2003 wurden auch in Berlin die nötigen Verträge zwischen Senat und der Hochschule abgeschlossen, so daß die Elite-Uni im Herbst 2005 starten kann. Vgl. Köhler (2003), S. 34. 36 Eine Bestandsaufnahme der Berliner Kulturlandschaft findet sich bei von Jena (1999), S. 739-770. 32

1989-2002

247

des Berliner Büros in den Altländern liegt, ist dieses Ergebnis nicht auf eine wirtschaftliche Attraktivität der Hauptstadt zurückzuführen, sondern auf das führende „Lifestyle-Ranking“ Berlins infolge der hohen kulturellen Attraktivität der Stadt.37 Darum ist ein Abbau von finanziellen und materiellen Kapazitäten sowohl auf dem Gebiet der Wissenschaft als auch im Bereich der Kultur kritisch zu betrachten. Die hier erreichte Standortqualität muß unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Effizienzen erhalten bleiben.38 Abschließend bleibt festzuhalten, daß sich die Nachfrage- und Angebotsbedingungen aus Finanzplatzsicht noch nicht wesentlich verbessert haben. Es fehlen sowohl die nach Finanzdienstleistungen nachfragenden Unternehmen als auch investitionsfähige Privatpersonen. Positiv wirkende Agglomerationseffekte konnten sich bisher trotz Regierungsumzug nur in geringem Maße ausbilden. Eine von Berlin ausgehende Sogwirkung, wie sie in der Zeit von 1871 bis 1914 zu verzeichnen war, ist bislang ausgeblieben. Aufgrund der angespannten Haushaltslage Berlins ist auch für die Zukunft mit keiner nennenswerten Verbesserung zu rechnen, da die Mittel zur Förderung des Wirtschaftsstandortes unzureichend sind. Mit einem kommunalen Investitionsvolumen von 562 Euro pro Einwohner im Jahr 2001 lag Berlin leicht über dem Bundesdurchschnitt von 547 Euro je Einwohner.39 Im Vergleich zu München schnitt Berlin aber wesentlich schlechter ab. Mit 774 Euro je Einwohner verzeichnete München 2001 die höchste

37

Vgl. Westphal (2003), S. 35. In diese Richtung argumentiert auch John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in der Bundesrepublik und jetziger Repräsentant des Bankhauses Lazard. Demnach beabsichtigte das Bankhaus Lazard, seine deutschen Mitarbeiter, die derzeit in den USA oder in London arbeiten, wieder nach Deutschland zurückzuholen. Der Standort Berlin wäre hier aufgrund seiner höheren kulturellen Attraktivität im Vergleich zu Frankfurt geeigneter, die Mitarbeiter zur Rückkehr zu motivieren. Vgl. o.V. (2001f), S. 39. Vgl. auch o.V. (2003g), S. 38. 38 Die Berliner Wissenschafts- und Kulturlandschaft stellt nicht nur einen wesentlichen Standortvorteil dar, sondern von ihr geht auch eine regionale Nachfrage aus, die sich fördernd auf die Agglomerationskräfte Berlins auswirkt. Beispielsweise erzeugten die geförderten Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen im Jahr 2000 eine regionale Nachfrage in Höhe von 3,47 Mrd. Euro. Dem standen aber nur rund 1,12 Mrd. Euro an Ausgaben der Stadt gegenüber. Einsparungen in diesen Bereichen sind darum kritisch zu hinterfragen, da hier mit geringem Mitteleinsatz positive Standort- und Finanzeffekte generiert werden. Vgl. Baumgartner/Seidel (2001). Vgl. auch Brenke et al. (2002). Zu den Einsparungen an den Berliner Hochschulen vgl. Beckmann (2003), S. 35. 39 Die kommunale Investitionsausgaben betrugen 2001 ohne Bankgesellschaft 1.904 Millionen Euro. Bei einer Einwohnerzahl von 3,388 Millionen ergibt sich eine Investitionsquote je Einwohner von 562 Euro. Im Jahr 2002 betrug die Investitionsquote je Einwohner nur noch 536 Euro. Bis 2007 werden die Investitionsausgaben des Landes auf nur noch 1.622 Millionen Euro abgesenkt. Vgl. dazu Vortrag des Berliner Senators für Finanzen im Oktober 2003, veröffentlicht online im internet: www.berlin.de/imperia/md/content/senfin/haushalt/9.pdf. [17.12.2003]. Vgl. auch Pressemitteilung vom 01.07.2003 der Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin.

248

Kapitel III

kommunale Investitionsrate je Einwohner; zugleich die höchste Kaufkraft sowie die geringste Arbeitslosenquote im deutschen Großstadtvergleich.40 Dies dokumentiert eindrucksvoll den Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, Wirtschaftsförderung zu betreiben und der erzielten Wirtschaftsleistung. Die damit verbundene Zunahme der Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort generiert die nötigen Agglomerationseffekte, um zu expandieren und die Reputation weiter zu erhöhen. Des weiteren zeigt sich am Beispiel Berlins, daß De-industrialisierung gefährlich ist, denn „insbesondere die unternehmensnahen Dienstleistungen können nur begrenzt weiter expandieren in einer Regionalökonomie, die von einem Wegschmelzen ihrer Industrieaktivitäten gekennzeichnet ist. Deindustrialisierung ist auch für die Ansiedlung unternehmensnaher Dienstleistungen kontraproduktiv.“41

6.4

Transformationen und Erweiterungen des Marktteilnehmerkreises

Schon im ersten Jahr nach dem Mauerfall stieg die Anzahl der in West-Berlin tätigen Banken von 95 auf 110 an. Mit den fünf Kreditinstituten, die aus ehema-ligen DDRBanken entstanden waren, und infolge der Neuansiedlung von nahezu 30 Kreditinstituten erhöhte sich 1991 die Anzahl der in Berlin tätigen Banken auf 143. Den höchsten Stand an Kreditinstituten verzeichnete der Finanzplatz Berlin 1996 und 1997 mit jeweils 147 Banken. Danach nahm die Menge der in Berlin tätigen Banken sukzessive ab. Dabei reduzierte sich sowohl die Anzahl der auswärtigen als auch der ortsansässigen Banken infolge von Fusionen und Konkursen. Teilweise wurde der Standort Berlin von den Kreditinstituten auch wieder aufgegeben.

40

Vgl. Münchener Jahreswirtschaftsbericht (2002), S. 65f. Im Vergleich München und Berlin verweist das DIW auf die Vorbildrolle Münchens für Berlin. Um die Einnahmenseite Berlins zu verbessern, damit Investitionen vorgenommen werden können, wird u.a. ein umfassender Hauptstadtvertrag zwischen Bund und Berlin gefordert. Vgl. o.V. (2002a), S. 34. Auch für das Jahr 2003 weist Berlin pro Einwohner nur eine Kaufkraft von 16.874 Euro aus, München dagegen 21.884 Euro. In der Liste der einkommensstärksten Großstädte in Deutschland belegt Berlin nur Platz 49. Vgl. Falkner (2003), S. 34. 41 Krätke/Borst (2000), S. 286. Dieses Ergebnis wurde durch das DIW bestätigt. Vgl. Pfeiffer/Ring (2002). Zudem weisen die Autoren auf die Notwendigkeit eines verstärkten Leistungsaustausches zwischen der Berliner Industrie und dem Dienstleistungssektor hin, da dadurch Wachstumspotentiale für den Wirtschaftsstandort Berlin gesichert werden.

1989-2002

249

160 140 120

Gesamtzahl der in Berlin tätigen Banken Auswärtige

100 80

Ortsansässige

60 40 20 0 1989 1990 1991 1993 1995 1997 1999 2001 Jahr

Abbildung 14: Entwicklung der Anzahl der Banken in Berlin Quelle: Geschäftsberichte der Landeszentralbank Berlin-Brandenburg

Die Marktanteile der Bankengruppen am Einlagen- und Kreditvolumen veränderten sich seit 1989 erheblich. Besonders stark verloren die Großbanken. Betrug ihr Anteil am Einlagen- und Kreditvolumen Berlins 1989/90 noch rund ein Fünftel, reduzierte sich ihr Marktanteil seit Anfang der 1990er Jahre spürbar. Im Jahr 2000 betrug der Marktanteil am Einlagenvolumen der nunmehr vier deutschen Großbanken am Bankplatz Berlin etwas mehr als 14%, im Kreditvolumensbereich nahezu 10%. Damit haben sich die Marktanteile der Großbanken in Berlin dem bundesdeutschen Durchschnitt angeglichen. Auf Bundesebene betrug der Anteil der Großbanken am gesamtdeutschen Einlagevolumen in den 1990er Jahren rund 11%, im Jahr 2000 wurde ein Marktanteil von knapp 14% erreicht. Der Anteil der Großbanken am Kreditvolumen in Deutschland, der in den 1990er Jahren relativ konstant um die 10% schwankte, stieg im Jahr 2000 auf nahezu 15% an und war damit sogar höher als in Berlin. Im Gegensatz dazu erzielte die Gruppe der Regional- und sonstigen Kreditbanken, zu der seit 1999 die Privatbanken und seit 2000 auch die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben gehören, sowohl im Kredit- als auch im Einlagevolumen Marktanteilsgewinne. Betrachtet man die Gruppe der Regionalbanken von 1990 bis 1999 separat, so stieg ihr Marktanteil im Einlagenbereich von 18% auf 24%. Auch im Kreditbereich konnte diese Gruppe den auf sie entfallenden Anteil um mehr als die Hälfte steigern. Relativ konstant blieben die Marktanteile der Privatbanken mit ca. 1% bis 2% sowohl im Kre-

250

Kapitel III

dit- als auch im Einlagenbereich. Die Marktanteile der Banken mit Sonderaufgaben reduzierten sich dagegen stärker, weil mit der Übernahme der Berliner Industriebank AG durch die Weberbank eines der wichtigsten meldepflichtigen Institute aus dieser Gruppe vom Bankplatz Berlin verschwand. Der Sparkassensektor konnte den auf ihn entfallenden Anteil am Kreditvolumen mehr als verdoppeln. Sein Marktanteil am Einlagevolumen konnte sich sogar mehr als verdreifachen Diese Expansion ist nicht nur auf Wachstum und Neuansiedlungen innerhalb dieser Gruppe zurückzuführen, sondern auch auf die Eingliederung der Wohnungsbaukreditanstalt in die neu strukturierte Sparkassenorganisation Berlins. Da die Wohnungsbaukreditanstalt zuvor den Realkreditinstituten subsumiert wurde, verringerten sich in dieser Gruppe die Marktanteile. Der Einbruch, der durch die Neuzuordnung der WBK 1991 sehr offensichtlich ist, konnte aufgrund des kontinuierlichen Zuzugs von Hypothekenbanken an den Bankplatz Berlin in der Folgezeit aber wieder ausgeglichen werden. Betrug der Marktanteil im Kreditbereich 1990 noch 35%, waren es 1999 bereits wieder mehr als ein Viertel gewesen. Mit der Zunahme der in Berlin tätigen Genossenschaftsbanken stieg auch der Marktanteil der Gruppe am Bankplatz Berlin. Der Marktanteil am Berliner Einlagevolumen erhöhte sich von 8,3% im Jahr 1990 auf 13,3% im Jahr 1994. Danach ging der Marktanteil jedoch wieder zurück und betrug 1999 nahezu 11%. Das Kreditvolumen der Gruppe konnte sich im ersten Jahrzehnt nach der Wende nahezu verdreifachen. Der Marktanteil blieb jedoch relativ konstant. Er schwankte im 10-Jahreszeitraum von 1990 bis 1999 zwischen 6 und 7%. Die Verschiebung der Marktanteile am Bankplatz Berlin sind Folge eines zugenommenen Wettbewerbs seit Anfang der 1990er Jahre. Von der Ansiedlung neuer Kreditinstitute in Berlin und den Fehlentwicklungen einiger Banken hat besonders die Gruppe der Regional- und sonstigen Kreditbanken profitiert. In dieser Gruppe findet sich aber auch die erst 1994 gegründete landeseigene Bankgesellschaft Berlin wieder. Von einem Rückzug der Öffentlichen Hand aus dem Bankgeschäft kann daher nicht die Rede sein. Vielmehr wurde der in kommunalem Eigentum sich befindliche Bankenapparat durch die Aufblähung des Berliner Sparkassensektors und der Ausdehnung der Aktivitäten der Berlin Hyp gestärkt, so daß der Finanzplatz Berlin immer noch von landeseigenen Banken dominiert wird. Darüber hinaus waren die geschäftsstrategischen Neuausrichtungen, insbesondere der Großbanken auf die verstärkte Erzielung von Provisionserlösen, für die Veränderungen der Marktanteilsverhältnisse verantwortlich.

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251

Es zeigt sich auch, daß die Marktverhältnisse durch die Abschottung des Bankenplatzes andere waren als im Bundesdurchschnitt. Die Öffnung der Grenzen und die damit verbundene Anbindung Berlins an das Hinterland haben zu einer Angleichung der Marktanteils- und Wettbewerbsverhältnisse innerhalb der Institutsgruppen geführt.

100% KI mit SA Real-KI Geno.sektor Spark.sektor Privatbanken Regional-KI Großbanken

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Abbildung 15: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Einlagenvolumen in Berlin Quelle: Geschäftsberichte LZB-BB

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KI mit SA Real-KI Geno.sektor Spark.sektor Privatbanken Regional-KI Großbanken

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Abbildung 16: Entwicklung der Marktanteile der Bankengruppen am Kreditvolumen in Berlin Quelle: Geschäftsberichte LZB-BB

Im folgenden werden die am Bankplatz Berlin tätigen Bankengruppen und ihre Entwicklung einzeln dargestellt. Dabei wird auch auf den im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung stehenden Transformationsprozess der ostdeutschen Kreditinstitute eingegangen.42 Schließlich versucht die vorliegende Arbeit die am Bankplatz Berlin tätigen Banken auch namentlich zu erfassen. Aufgrund der Differenzierung in meldepflichtige und nicht-meldepflichtige Institute konnte dies nicht vollständig durchgeführt werden, da die Berliner Regionalstatistik nur die meldepflichtigen Institute namentlich ausweist.43

42

Es finden nur die von der Berliner Regionalstatistik im Jahr 2000 erfaßten Kreditinstitutsgruppen Berücksichtigung. Nicht berücksichtigt werden ferner die Bausparkassen, die seit 1974 als nicht meldepflichtige Institute in der Bankenstatistik geführt werden. Die Postsparkasse und die Postscheckämter, die insbesondere in den Nachkriegsjahren eine wesentliche Rolle in der Liquiditätsversorgung Berlins spielten, bleiben in dieser Arbeit auch unberücksichtigt. Einerseits entsprechen sie nicht der Definition eines Finanzintermediärs im engeren Sinne. Andererseits werden sie seit 1987 nicht mehr von der Regionalstatistik erfaßt. Anfänglich wurden sie als regionale Kreditbanken berücksichtigt. 43 Seit 2002 werden aufgrund der Neuordnung des Landeszentralbankwesens keine eigenen Geschäftsberichte von den ehemaligen LZBen, die nunmehr Hauptverwaltungen der Bundesbank sind, veröffentlicht. Die Berliner Hauptverwaltung veröffentlicht lediglich Quartalsberichte, die keine Angaben zu Anzahl und Namen der in Berlin tätigen Kreditinstitute beinhalten.

1989-2002

253

6.4.1 Die Transformation des Ostberliner Bankenwesens Vor dem Hintergrund sich wandelnder politischer und ökonomischer Rahmenbedingungen durchlief der Transformationsprozeß des ostdeutschen Bankensystems drei Phasen. Der Selbststrukturierungsphase von März bis Mai 1990 folgte die JointVenture-Phase, die bis September 1990 anhielt. Mit der deut-schen Wiedervereinigung begann im Oktober 1990 die Fremdstrukturierungsphase. Während es in der Selbststrukturierungsphase noch Ziel war, ein eigenständiges zweistufiges Banksystem in der DDR aufzubauen, war in der Joint-Venture-Phase bereits absehbar, daß eine Übernahme des ostdeutschen Banksystems durch westdeutsche Banken sehr wahrscheinlich werden würde. In der dritten Phase kam es zur Realisierung dieser Übernahmepläne.44 Die Selbststrukturierungsphase begann am 6. März 1990, als die Volkskammer der DDR die Trennung von Noten- und Geschäftsbankfunktion der Staatsbank der DDR anordnete.45 Außerdem wurden die Neugründung von Geschäftsbanken und die Errichtung von Repräsentanzen ausländischer Banken geregelt.46 Daraufhin wurden mit der Deutschen Kreditbank AG (DKB) und der Berliner Stadtbank AG zwei Geschäftsbanken aus der Staatsbank der DDR ausgegründet. Auf die am 19. März 1990 gegründete DKB, die zum 1. April 1990 ihre Arbeit aufnahm, wurden die von der Industrie und der Wohnungsbauwirtschaft bei der Staatsbank unterhaltenen Einlagen und Kredite übertragen. Die Berliner Stadtbank AG übernahm die Geschäftsvolumina des Berliner Stadtkontors. Nach diesem Ausgründungsvorgang hatte die Staatsbank noch die Notenbankfunktion inne, die sie zum 1. Juli 1990 auf die Deutsche Bundesbank übertrug. Die Deutsche Bundesbank hatte bereits zum 3. Mai 1990 zur Vorbereitung der Währungsunion eine vorläufige Verwaltungsstelle in Ostberlin errichtet. Die Verwaltungsstelle nahm bis zu ihrer Auflösung am 1. November 1992 die Funktion einer Hauptverwaltung der Bundesbank für die Neuen Bundesländer wahr. Danach wurde der Zuständigkeitsbereich der Berliner Zentralbank im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der gesamten Deutschen Bundesbank auf das Land Brandenburg ausgedehnt.47 Außerdem eröffneten noch während der Selbststrukturierungsphase verschiedene westdeutsche Banken Repräsentanzen in Ost-Berlin.

44

Vgl. Hüning (1998), S. 254ff. Grundlage hierfür bildete das Änderungsgesetz zum Gesetz über die Staatsbank der DDR von 1974. 46 Vgl. Büschgen (1998a), S. 435. 47 Vgl. LZB-BB (1999), S. 68. 45

254

Kapitel III

Mit dem Vertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion, der im Mai 1990 abgeschlossen wurde, begann die Joint-Venture-Phase. Die beabsichtigte Herstellung der wirtschaftlichen Einheit zwischen den deutschen Staaten ließ die Pläne zum Aufbau eines eigenständigen neuen DDR-Banksystems obsolet werden. Vielmehr waren nun die Weichen für die Einführung des westdeutschen Banksystems gestellt. In Vorbereitung dessen gründeten Banken aus der Bundesrepublik mit ostdeutschen Kreditinstituten gemeinsame Joint-Venture- Banken. Die bedeutendsten Joint-Venture-Banken waren jene zwei Bankprojekte, durch die das Filialnetz sowie die Mitarbeiter der DKB auf die Dresdner Bank und die Deutsche Bank übertragen wurde. Anfänglich beabsichtigte die Deutsche Bank die alleinige Übernahme des Zweigstellennetzes der DKB. Da aber das Bundeskartellamt dagegen Einwände erhob, kam es zur Aufteilung der DKB zwischen diesen beiden bundesdeutschen Kreditinstituten.48 Eine direkte Übernahme der DKB kam hingegen nicht in Frage, da die westdeutschen Banken zur Übernahme des Altschuldenbestandes der DDRWirtschaft nicht bereit waren. Im Rahmen von Ausgliederungen, Neugründungen und der Weiterführung bestehender Banken bzw. deren Umfirmierung stieg die Anzahl der am Bankplatz Ost-Berlin ansässigen Banken bis zur Währungsunion auf zwölf Institute an.49 Vom Zeitpunkt der Währungsunion begannen die Joint-Venture-Banken und die Repräsentanzen westdeutscher Banken in Ost-Berlin und der DDR mit dem Neugeschäft nach westlichem Muster. Die Deutsche Kreditbank AG, die nach Einbringung ihrer Filialen in die JointVenture-Banken noch über 15 Filialen mit ca. 400 Mitarbeitern verfügte,50 wies zum Stichtag der Währungsunion einen Forderungsbestand an Altkrediten von ca. 124 Milliarden DM aus. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit den Joint-Venture-Banken regelte die ordnungsgemäße Betreuung dieser noch über das DDR-Zahlungsverkehrssystem zu bewirtschaftenden Altkredite durch die neugegründeten Joint-Venture-Banken. Die rechtliche und inhaltliche Verantwortung trug die DKB.51 48

Die Übernahme der DKB-Filialen und anderer Bankaktiva durch nur zwei Geschäftsbanken wird als ordnungs- und wettbewerbspolitisch bedenklich beurteilt. Da die anderen westdeutschen Banken nicht auf ein bereits vorhandenes Filialnetz zurückgreifen konnten, ergaben sich für sie Wettbewerbsnachteile. Vgl. o.V. (1995), S. 13; Büschgen (1998a), S. 447. 49 Dabei bleiben die zu diesem Zeitpunkt in Ostberlin ansässigen Repräsentanzen westlicher Banken unberücksichtigt. 50 Vgl. Hüning et al. (1998), S. 257. 51 Vgl. ders., S. 249.

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Ostberliner Banken per 1.7.1990 1. Staatsbank Berlin 2. Deutsche Kreditbank AG 3. Deutsche Bank– Kreditbank AG 4. Dresdner Bank– Kreditbank AG 5. Berliner Stadtbank AG52 6. Deutsche Handelsbank AG 7. Deutsche Außenhandelsbank AG 8. Deutsche Industrie- und Handelsbank AG 9. Genossenschaftsbank Berlin 53 10. Sparkasse 11. Berliner VolksbankGenossenschaftskasse 12. Deutsche VerkehrsBank AG54

Vorläuferbank Staatsbank der DDR

255

vollständige Übernahme 1994

Staatsbank der DDR

übernehmende Bank Kreditanstalt für Wiederaufbau Bayerische Landesbank

Deutsche Kreditbank AG

Deutsche Bank AG

1990

Deutsche Kreditbank AG

Dresdner Bank AG

1991

Berliner Stadtkontor als berlinspezifische Einheit der Staatsbank der DDR -

Berliner Bank AG

1991

Bank für Gemeinwirtschaft AG Kreditanstalt für Wiederaufbau Westdeutsche Landesbank Deutsche Genossenschaftsbank Sparkasse der Stadt Berlin West Berliner Volksbank eG

1994 2000 1996

Deutsche VerkehrsKredit-Bank AG

1991

Deutsche Außenhandelsbank AG Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft

1995

1996 1990 1990 1990

Tabelle 63: Transformation des ostdeutschen Bankensektors Quelle: Eigene Erhebung.

Die Staatsbank der DDR, die in Staatsbank Berlin umfirmiert wurde, war nur noch für die Abwicklung der Altkredite zuständig. In diesem Zusammenhang war sie Hausbank der Treuhandanstalt und Eigentum des Bundes. Für die Deutsche Kreditbank AG war

52

Die Berliner Stadtbank AG wurde im März 1990 gegründet. Sie war Rechtsnachfolgerin des Berliner Stadtkontors. Die Berliner Bank ging zunächst eine Kooperation mit der Berliner Stadtbank AG ein, um sie Ende 1990 für 49 Millionen DM zu kaufen und sie vollständig in ihr Unternehmen zu integrieren. 53 Die Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft wurde am 01.04.1990 zur Genossenschaftsbank Berlin umfirmiert. Am 02.10.1990 wurde sie rückwirkend zum 01.07.1990 mit der DG Bank verschmolzen. Damit wurde die DG Bank Zentralinstitut der Kreditgenossenschaften in Ostberlin und den Neuen Bundesländern. Die DG Bank hatte die ehemalige DDR-Landwirtschaftsbank zu einem Preis von 120 Millionen DM übernommen. Damit erwarb die DG Bank auch Altschuldenforderungen in Höhe von 15,5 Mrd. DM. Vgl. o.V. (1990), S. 1034; Büschgen (1998a), S. 444; Westphal (2002), S. 68-76. 54 Gründer der Joint-Venture-Bank, die zur Hausbank der Deutschen Reichsbahn wurde, waren die Deutsche Reichsbahn, Deutsche Verkehrs-Kredit-Bank, Deutsche Kreditbank und die Reichsbahnsparkasse. Im Zusammenhang der Fusion zwischen den beiden deutschen Bahnunternehmen fusionierten auch die Kreditinstitute.

256

Kapitel III

sie Refinanzierungsbank. Am 1. Oktober 1994 erfolgte die Fusion auf die Kreditanstalt für Wiederaufbau.55 Die Fremdstrukturierungsphase begann mit der deutschen Wiedervereinigung. Die Ostberliner Banken wurden nun sukzessive von den westdeutschen Stammhäusern übernommen und vollständig in das Konzerngefüge integriert, wodurch der Transformationsprozeß seinen Abschluß fand. Die Deutsche Bank und die Dresdner Bank integrierten nach Übernahme der restlichen Anteile die Joint-Venture-Banken bereits Ende 1990 bzw. Anfang 1991 vollständig in ihre Konzernstruktur.56 Die Deutsche Kreditbank, die sich im Besitz der Treuhand befand, reduzierte den ihr übertragenen Altkreditbestand, so daß der Forderungsbestand bis Ende 1993 von 124 Milliarden auf weniger als 60 Milliarden geschrumpft war.57 Ziel war es, den Forderungsbestand bis Ende 1994 auf 5 bis 6 Milliarden zu reduzieren, so daß die DKB selbst abgewickelt, d.h. aus dem Beteiligungsbestand der Treuhand verkauft werden konnte. Lediglich die geordneten Kredite der Wohnungswirtschaft verblieben im Bestand der DKB, da sich die DKB nach ihrer Privatisierung auf dieses Geschäftsfeld konzentrieren sollte.58 Im Januar 1995 wurde die DKB an die Bayerische Landesbank verkauft.59 Als Tochter-bank behielt die DKB ihren selbständigen Marktauftritt bei. Die von der DKB bis dahin nicht abgewickelten Altschulden gingen auf die neu gegründete „Gesellschaft für kommunale Altschulden und Sonderaufgaben im Zusammenhang mit der Währungsumstellung mbH“ über.60 Die in enger Verbindung mit der Deutschen Außenhandelsbank stehenden Banken, die Deutsche Industrie- und Handelsbank und die Deutsche Handelsbank AG traten bis 55

Vgl. Büschgen (1998a), S. 443. Vgl. Hüning et al. (1998), S. 249; Büschgen (1998a), S. 443. Die Abwicklung der Altschulden erfolgte durch Umwandlung in Forderungen gegenüber dem Erblastentilgungsfonds, durch Umschuldung in normale bankübliche Kredite oder durch Tilgung. Dieses Altkreditgeschäft war für die DKB rentabel. Sie erwirtschaftete vom 01.07.1990 bis Ende 1992 einen Überschuß in Höhe von 1,38 Milliarden DM und entwickelte sich damit zum profitabelsten Unternehmen der Treuhand. Vgl. o.V. (1994), S. 18; o.V. (1994a), S. 18. 58 Vgl. o.V. (1994a), S. 20. 59 Um die DKB besser veräußern zu können, wurde bereits 1993 beschlossen, das bisher mit 5 Mrd. DM ausgewiesene Grundkapital auf 500 Millionen zu reduzieren und die Differenz in die Rücklagen einzustellen. Außerdem wurde die Investmentbank Salomon Brother’s mit einem Mandat zur Privatisierung der DKB von der Treuhand beauftragt. Salomon Brother’s schickten ein Verkaufsexpose an 25 Interessenten in Deutschland und Europa. Neben der Bayerischen Landesbank zeigten auch die Commerzbank und die Bankgesellschaft Berlin Interesse an einer Übernahme der DKB. Vgl. o.V. (1994), S. 18; o.V. (1994a), S. 20; o.V. (1995b), S. 14; o.V. (1995c), S. 19; o.V. (1995d), S. 15. 60 Vgl. o.V. (1995a), S. 15. 56 57

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257

1995 bzw. 2000 trotz enger Verflochtenheit mit den westdeutschen Mutterbanken als eigenständige Kreditbanken auf. Die Deutsche Industrie- und Handelsbank AG (DIHB), die im Mai 1990 als ein JointVenture-Projekt der Deutschen Außenhandelsbank und der Westdeutschen Landesbank entstanden war, richtete sich besonders auf das Firmenkundenkreditgeschäft und die Wohnungsbaufinanzierung in Ostdeutschland aus. Als 1996 im Konzern der WestLB sämtliche Aktivitäten neugeordnet wurden, überführte man rückwirkend zum 1. Januar 1996 den Immobilienfinanzierungsbereich der DIHB auf die neugegründete Westdeutsche Immobilienbank. Die restlichen Geschäftsaktivitäten der DIHB wurden zum 30. September 1996 auf die in eine Niederlassung umgewandelte Berliner Filiale der WestLB übertragen, die wie zuvor die DIHB von Berlin aus das Geschäft in den Neuen Bundesländern betreute.61 Die Deutsche Handelsbank AG wurde in mehreren Tranchen bis 1994 vollständig von der BfG übernommen.62 Im Konzern der BfG baute die Deutsche Handelsbank ihre Aktivitäten als eigenständige Beteiligungs-Bank aus.63 Weitere Schwerpunkte waren das Firmenkunden- und das Treasury-Geschäft. Trotz erheblicher Wertberichtigungen aufgrund der eingegangenen Beteiligungen wurde dieses Geschäftsfeld erst 1997 aufgegeben. Statt dessen sollte sich die Deutsche Handelsbank nun auf die Finanzierung von Handelsgeschäften spezialisieren, insbesondere auf den Ost-West-Handel.64 Mit der Übernahme der BfG durch die schwedische Bankengruppe SEB 1999 wurde die Deutsche Handelsbank im Jahr 2000 vollständig in den Konzern integriert und der selbständige Marktauftritt aufgegeben.65 61

Vgl. o.V. (1996a), S. 20; o.V. (1996b), S. 24. Zum Zeitpunkt der Währungsunion war die Alt-Staatsbank zu 64% beteiligt, die Deutsche Versicherungs AG und Deutsche Auslands- und Rückversicherungs AG hielten zusammen 6% und zu 30% waren fünf KOKOBetriebe an der Deutschen Handelsbank beteiligt. Dies waren im einzelnen die Handelsgesellschaft Intrac, der Hanco, die BMH Berliner Makler und Handelsvertreter GmbH, der Zentral-Commerz und das Internationale Handelszentrum. Die Treuhand wollte die von den fünf KOKO-Betrieben gehaltenen 30% der Handelsbankanteile zunächst behalten, da sie nur auf diese Weise Einsicht in die Geschäftsbeziehungen der ehemaligen fünf „KOKO-Unternehmen“ hatte. Erst im Juni 1994 erwarb die BfG die restlichen 30% der Kapitalanteile. Dazu wurden die vorhandenen Überkreuzbeteiligungen zwischen den 5 KOKO-Betrieben und der Handelsbank entflochten, in dem die Anteile der Handelsbank an den KOKO-Betrieben vollständig auf die Treuhand übergingen und im Gegenzug die Treuhand ihre Anteile an der Handelsbank an die BfG abgab. Vgl. o.V. (1994f), S. 15; o.V. (1994g), S. 14. 63 Aufgrund des hohen Eigenkapitals lagen der Bank viele Beteiligungsanfragen vor, so daß das Beteiligungsgeschäft der Bank ausgebaut wurde. Unter anderem war die Deutsche Handelsbank am Maschinenbauer Kühne und Nagel beteiligt. Des weiteren war sie zu rund 96% an dem Fahrzeugbauer Cargo Van sowie an der Metallgesellschaft beteiligt. Beide Beteiligungen mußten bereits 1993 stark wertberichtigt werden. Vgl. o.V. (1994b), S. 22, o.V. (1994c), S. 23. 64 Allein im Jahr 1996 mußten 44 Millionen DM infolge nicht mehr werthaltiger Unternehmensbeteiligungen abgeschrieben werden. Vgl. o.V. (1997), S. 24. 65 Vgl. Deutsche Bundesbank (2000): Bankenstatistik, Anlage 2 online im internet: www.bundesbank.de/bank/download/pdf/bankstatistik01_erl.pdf [02.01.2004]. 62

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Die Art und Weise der Übernahme der ostdeutschen Kreditinstitute durch westdeutsche Banken sowie die damit verbundene Regelung der Altschuldenfrage wurde 1995 vom Bundesrechnungshof scharf kritisiert. Hauptkritikpunkte waren - der Abschluß von zu hoch dotierten Geschäftsbesorgungsverträgen zwischen den Joint-Venture- bzw. den westdeutschen Mutterbanken und den ostdeutschen Altbanken zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen - der Aufbau einer Finanzierungskette zur Finanzierung und Abwicklung der Altschulden der ostdeutschen Wirtschaft, die zu übermäßig hohen Transaktionskosten führte,66 - der Verkauf der ostdeutschen Altbanken bzw. der Joint-Venture-Banken an die westdeutschen Kreditinstitute zu einem viel zu geringen Kaufpreis. Der Bundesrechnungshof kam zu dem Ergebnis, daß durch die ineffiziente Abwicklung der Altkredite und der Altbanken dem Staat Einnahmen von 20 Milliarden DM verloren gingen. Darüber hinaus wurden volkswirtschaftliche Fehlentwicklungen in den Neuen Bundesländern billigend in Kauf genommen und wettbewerbliche Behinderungen anderer westdeutscher Banken zugelassen.67

6.4.2 Die Eingliederung der Berliner Großbankentöchter Mit den politischen Umwälzungen in der ehemaligen DDR begann für die in WestBerlin ansässigen Berliner Töchter der Frankfurter Großbanken eine Zeit grundlegender Veränderungen. Das Geschäftsgebiet dehnte sich auf den Ostteil der Stadt aus, wo eigenständige Filialen eröffnet wurden. Außerdem betreuten die Berliner Großbankentöchter die ehemaligen DDR-Bezirke Potsdam und Frankfurt/Oder. Dort unterstützten sie die Filialen der Deutschen Kreditbank-Joint-Venture materiell und personell.68 Im Gegensatz dazu verfolgte die Commerzbank beim Aufbau ihrer Geschäftstätigkeit in Ostdeutschland keine Beteiligungsstrategie über Joint-Venture. Sie eröffnete eigene

66

Die Finanzierungskette bestand aus der Treuhand, der Deutschen Kreditbank als Hausbank der Treuhand und der Staatsbank Berlin als Refinanzierungsstelle der DKB. Darüber hinaus wurden unnötiger Weise westdeutsche Kreditinstitute zwischengeschaltet. 67 Vgl. o.V. (1995), S. 13; Streit (1998), S. 675-719; Wiesenjahn (1998), S. 5-14. 68 Vgl. Geschäftsbericht Deutsche Bank AG (1989), S. 20: „Ende 1989 haben wir begonnen, Büros in der DDR aufzubauen. Zur Zeit sind wir an 10 wichtigen Standorten vertreten. Ostberlin und den Bezirk Brandenburg betreuen wir durch die Deutsche Bank Berlin AG.“

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Filialen, die sie im Land Brandenburg ebenfalls durch die Berliner Tochterbank betreuen und unterstützen ließ.69 Damit verbunden waren hohe Investitionskosten. Die wesentlichste Veränderung war aber der Verlust der rechtlichen Selbständigkeit und die damit verbundene Integration in den Gesamtbankkonzern mit dem Status einer Niederlassung. Die Aufgabe der rechtlichen Selbständigkeit, die häufig als Degradierung empfunden wurde70, konnte ansatzweise durch die Übertragung neuer regionaler und geschäftlicher Verantwortungsbereiche kompensiert werden. Die Dresdner Bank formulierte in ihrem Geschäftsbericht 1990 dazu eindrucksvoll:71 „Im Rahmen unserer strategischen und organisatorischen Gesamtkonzeption nach der Wiedervereinigung Deutschlands haben wir unser Berliner Tochterunternehmen - rückwirkend zum 1. Oktober 1990 - mit unserem Hause verschmolzen. Berlin wird künftig geografischer Mittelpunkt unseres größten inländischen Niederlassungsbereiches sein, bestehend aus Gesamtberlin, dem Land Brandenburg, dem östlichen Teil des Landes Mecklenburg-Vorpommern sowie Teilen von Sachsen-Anhalt.“ Institut Dresdner Bank Berlin Deutsche Bank Berlin Berliner Commerzbank

Fusionstermin 01.10.1990 01.04.1991 01.10.1992

Anzahl Filialen 1989 80 79 60

Anzahl Filialen 1990 88 95 65

Tabelle 64: Die Erweiterung des Filialnetzes bis Ende 1990 und die Fusionszeitpunkte der Berliner Tochterbanken auf das Frankfurter Stammhaus Quelle: Geschäftsberichte der jeweiligen Institute

Die regionalen Expansionsmöglichkeiten und der extreme Nachholbedarf an Finanzierungs- und Vermögensanlageleistungen in Ostberlin und Brandenburg führten im Jahr der politischen Wiedervereinigung zu hohen Wachstumsraten im Kredit- und Einlagebereich der drei Großbankentöchter. Besonders beeindruckend war das Wachstum der Deutschen Bank Berlin. Ihr Geschäftsvolumen erhöhte sich um mehr als die Hälfte, während das Geschäftsvolumen der Dresdner Bank Berlin und der Berliner Commerzbank nur um ca. 10% bzw. um

69

Die erste Filiale der Commerzbank AG in den NBL entstand im Januar 1990 in Potsdam. Vgl. Geschäftsbericht Berliner Commerzbank AG (1990), S. 6f., S. 33. 70 Vgl. Büschgen (1995), S. 808. 71 Geschäftsbericht Dresdner Bank AG (1990), S. 48. Bezüglich der anderen zwei Großbanken vgl. Geschäftsbericht Commerzbank AG (1991), S. 16; Geschäftsbericht Deutsche Bank Berlin AG (1990), S. 11.

Kapitel III

260

in Mrd DM

20% stieg. Damit verbunden war bei der Deutschen Bank Berlin auch die Verdoppelung des Jahresüberschußes.72

18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

Geschäftsvolumen Kreditvolumen Fremde Gelder

1989

1990

Dresdner Bank Berlin

1989

1990

Deutsche Bank Berlin

1989

1990

Berliner Commerzbank

Abbildung 17: Entwicklung ausgewählter Kennzahlen der Berliner Großbankentöchter 1989/90 im Vergleich Quelle: Geschäftsberichte der Institute in den jeweiligen Jahrgängen

Nach Abschluß des Transformations- und Integrationsprozesses entwickelten sich die Berliner Niederlassungen der Frankfurter Großbanken weiterhin erfolgreich.73 Beispielsweise urteilte die Niederlassung der Deutschen Bank in Berlin im April 1998, daß sie „in allen Geschäftsbereichen auf Wachstumsfahrt“ sei. Mit einem Geschäftsvolumen von rund 36 Milliarden DM, das sich in etwa jeweils zur Hälfte auf Berlin und die betreuten Regionen der Neuen Bundesländer verteilte, entfielen ca. 3,5% des Gesamtgeschäftsvolumens der Bank auf die Berliner Niederlassung.74 Das Betriebsergebnis des Regionalprofitcenters stieg um 13,5% auf rund 155 Millionen DM. Infolge einer gestiegenen Risikovorsorge sank jedoch das Ergebnis nach Risiko auf rund 65 Millionen DM und war damit um 30 Millionen kleiner als im Vorjahr.75 72

Der Jahresüberschuß der Deutschen Bank Berlin AG stieg von 1989 zu 1990 von 84 auf 204 Millionen DM. Vgl. Geschäftsbericht Deutsche Bank Berlin (1990), S. 40. Ein Vergleich über alle drei Berliner Großbankenniederlassungen ist nicht möglich, da seit der Integration der Berliner Tochterbanken keine regionalspezifischen Bilanzkennziffern mehr veröffentlicht werden. 74 Die Deutsche Bank überschritt 1997 erstmalig die Grenze von einer Billion DM im Bilanzvolumen. Vgl. Geschäftsbericht Deutsche Bank (1997), S. 42. 75 Vgl. Geier (1998), S. 40. 73

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Einen Anstieg in der Risikovorsorge mußten auch die anderen Großbanken in Berlin verzeichnen. Seit Mitte der 1990er Jahre wurde ein immer größer werdender Teil des Betriebsergebnisses von der Risikovorsorge aufgezehrt. Besondere Risiken entstanden im Immobilien- und Firmenkundenkreditgeschäft. Als Grund für diese Entwicklung gab die Gebietsfiliale Berlin der Commerzbank an: „Wir haben die Aufschwungs-Chancen 1990/91 zu euphorisch beurteilt, und wir müssen heute feststellen, daß es uns eine Menge Geld gekostet hat.“76

6.4.3 Veränderungen in der Gruppe der Regional- und sonstigen Kreditbanken Die Entwicklung dieser Gruppe am Bankplatz Berlin ist geprägt durch Neugründungen ortsansässiger Kreditbanken sowie durch den Zuzug auswärtiger Banken, die in Berlin Niederlassungen oder Repräsentanzen eröffneten. Waren 1989 erst 33 meldepflichtige Kreditbanken in Berlin aktiv, erhöhte sich ihre Anzahl bis 1995 auf 45 Institute. Aufgrund von Insolvenzen, Fusionen sowie Standortaufgaben verringerte sich ihre Zahl bis 2001 auf 36 Banken. Die Reduktion ist aber auch auf Veränderungen der Regionalstatistik zurückzuführen. So wurden einige Institute unter die Gruppe der nichtmeldepflichtigen Institute subsumiert bzw. gar nicht mehr von der Bankenstatistik erfaßt.

Regional- und sonstige Kreditbanken gesamt dav. Privatbanken dav. Kreditinstitute mit Sonderaufgaben

1989

1990

1995

2000

2001

33 7 5

35 8 5

45 9 4

38 -

36 -

Tabelle 65: Anzahl der in Berlin meldepflichtigen Regional- und sonstigen Kreditbanken77 Quelle: Geschäftsberichte Landeszentralbank Berlin-Brandenburg

Im Jahr 2001 zählten zu den meldepflichtigen Kreditbanken in Berlin zwölf Institute, die ihren Sitz bzw. Hauptniederlassungen in Berlin unterhielten, und 24 auswärtige Banken.

76 77

Vgl. Müller (1998), S. 40. Aufgrund der durch die Europäische Währungsunion notwendig gewordenen Harmonisierung der Bankenstatistik werden die Privatbanken seit 1999 und die Kreditinstitute mit Sonderaufgaben seit 2000 der Gruppe der Regional- und sonstigen Kreditbanken zugeordnet.

262

Kapitel III

Ortsansässige Kreditbanken 1. ABC Privatkunden-Bank GmbH, Berlin 2. Allgemeine Beamten Kasse Kreditbank GmbH, Berlin 3. Bankgesellschaft Berlin AG, Berlin 4. BkmU Bank AG, Berlin 5. Deutsche Kreditbank AG, Berlin 6. E*Trade Bank AG, Berlin 7. IKB Deutsche Industriebank AG, Berlin und Düsseldorf 8. BHF-Bank AG, Berlin und Frankfurt am Main 9. Weberbank Privatbankiers KGaA, Berlin 10. Bankhaus Löbbecke & Co., Berlin 11. Bankhaus Oswald Kruber KG, Berlin 12. Gries & Heissel - Bankiers - AG, Berlin

Auswärtige Kreditbanken 1. ABN Amro Bank (Deutschland) AG, Frankfurt am Main 2. AKB Privat- und Handelsbank AG, Köln 3. Allgemeine Privatkundenbank AG, Hannover 4. Bankhaus Lampe KG, Bielefeld 5. CC-Bank AG, Mönchengladbach 6. Citibank Privatkunden AG, Düsseldorf 7. Consors Capital Bank AG, Frankfurt am Main 8. Delbrück & Co., Berlin und Köln 9. DePfa Bank AG BauBoden, Berlin und Wiesbaden 10. Deutsche Bank 24 AG, Frankfurt am Main 11. Deutsche Verkehrsbank AG, Frankfurt am Main 12. Ford Bank Niederlassung der FCE Bank plc., Brentwood 13. GEFA Gesellschaft für Absatzfinanzierung mbH, Wuppertal 14. HSBC Trinkaus & Burkhardt KGaA, Düsseldorf 15. KBC Bank Deutschland AG, Bremen 16. Merck, Finck & Co., München 17. norisbank AG, Nürnberg 18. RCI Banque S.A., Noisy le Grand 19. Riggs Bank Europe Ltd., London 20. Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA, Köln 21. SEB AG, Frankfurt am Main 22. UBS Private Banking Deutschland AG, Hamburg 23. Vereins- und Westbank AG, Hamburg 24. Wüstenrot Bank AG, Ludwigsburg

Tabelle 66: Die ortsansässigen und ortsfremden Regional- und Sonstigen Kreditbanken am Bankplatz Berlin 2001 Quelle: Landeszentralbank Berlin-Brandenburg

Darüber hinaus waren 2001 folgende nicht meldepflichtige Kreditbanken am Bankplatz Berlin aktiv.

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1. akf bank GmbH & Co. 2. Allgemeine Deutsche Direktbank AG 3. American Express Bank GmbH 4. Bank Kreiss AG 5. Bayerische Handelsbank AG 6. Beneficial Bank AG 7. BHW Bank AG 8. Chase Manhattan Bank AG 9. Commercial Bank of Greece GmbH 10. Degussa Bank GmbH 11. Deutsche Ausgleichsbank 12. Diskont und Kredit AG 13. Hanseatic Bank GmbH & Co. 14. Hanseatische Investitionsbank GmbH

263

15. IBM Deutschland Kreditbank GmbH 16. Isbank GmbH 17. Kreditanstalt für Wiederaufbau 18. Mercedes-Benz Finanz GmbH 19. MKG Kreditbank GmbH 20. Optimus Bank für Finanz-Service GmbH 21. Ost-West Handelsbank AG78 22. Postbank 23. Reisebank AG79 24. Service Bank GmbH & Co. KG 25. Süddeutsche Bank GmbH 26. Von Essen KG Bankgesellschaft 27. WTB Westdeutsche Kreditbank GmbH 28. Ziraat Bank International AG 29. Bankhaus Lazard

Tabelle 67: Die nicht-meldepflichtigen Regional- und sonstige Kreditbanken am Bankplatz Berlin 2001 Quelle: Landeszentralbank in Berlin und Brandenburg

Neben der politischen Sicherheit und den neuen geografischen Bedingungen war die damit verbundene Verbesserung in den Angebots- und Nachfragebedingungen ausschlaggebend für die Ansiedlung der Kreditbanken. Darüber hinaus folgten die Banken ihren eigenen Kunden an den Standort Berlin, um sie bei ihren Aktivitäten in den Neuen Bundesländern zu unterstützen und wirtschaftliche Kontakte zu vermitteln. Ein besonders starker Einfluß auf die Standortentscheidung ging aber von den hohen Erwartungen und der anfänglichen Euphorie aus, die mit der deutschen Wiedervereinigung verbunden waren. Besonders hoch waren die Erwartungen an das Geschäftspotential im Bereich der institutionellen und privaten Immobilienfinanzierung. Man sah für das Bauträgergeschäft und das Kreditgeschäft mit den ostdeutschen Wohnungsbaugesellschaften gerade in Berlin hochprofitable Entwicklungsmöglichkeiten. Da man von einem starken Bevölkerungswachstums ausging, wurden ebenfalls hohe Zuwachsraten im Private Banking für wahrscheinlich gehalten.

78

Die Ost-West-Handelsbank wurde 1971 von der ehemaligen Außenhandelsbank und der Staatsbank der Sowjetunion sowie von drei Außenhandelsorganisationen gegründet. Die Bank verfolgte das Ziel, die Wirtschaftsund Finanzbeziehungen zwischen Deutschland und Rußland zu fördern. Die mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion verbundene Verschlechterung des Kreditportfolios der Bank konnte mit Hilfe der neuen Aktionäre, der Zentralbank der Russischen Föderation und der TOKO-Bank, bereinigt werden. 79 Die Reisebank entstand 1996 im Rahmen der Umstrukturierung der Deutschen Verkehrs-Bank AG. Der Geschäftsbereich „Wechselstuben und Bankautomaten“ wurde als eigenständige Tochtergesellschaft unter der Firma „Reisebank“ ausgegliedert. Vgl. o.V. (1996), S. 587.

264

Kapitel III

Im folgenden werden die in dieser Bankengruppe besonders charakteristischen Banken und Problemfelder dargestellt. Dazu zählen neben dem verstärkten Zuzug von Privatbanken sowie den Neugründungen von Kreditbanken am Bankplatz Berlin auch die Problematik der „Berliner Bankgesellschaft“ und andere Insolvenzen neugegründeter Kreditbanken.

6.4.3.1 Verstärkter Zuzug der Privatbanken Nach der Wiedervereinigung siedelten sich am Bankplatz Berlin verstärkt Privatbanken an. Es handelte sich dabei sowohl um deutsche Privatbanken als auch um deutsche Tochterbanken ausländischer Banken sowie um Repräsentanzen von Auslandsbanken. Der Hauptstadtgedanke und damit verbunden die Erwartung einer steigenden wirtschaftlichen und politischen Bedeutung Berlins bestimmten maßgeblich die Standortentscheidung zugunsten Berlins. Die Privatbanken, die sich zumeist auf die Beratung einkommensstarker bzw. sehr vermögender Privatkunden sowie auf die Betreuung von Stiftungen spezialisiert haben, sahen in diesem Marktsegment gerade in Berlin einen außerordent-lichen Wachstumsmarkt. Sie erwarteten einen wachsenden Zustrom gut ausgebildeter und einkommensstarker Personen mit langfristigen Vermögensaufbauambitionen. Außerdem konstatierten die Privatbanken, daß die in Berlin bereits ansässige gehobene Privatkundschaft bislang noch nicht optimal und ausreichend betreut würde. Die neuen Wettbewerber sahen hier Möglichkeiten, von den spezifischen Berliner Bankenkrisen, aber auch vom wachsenden Negativimage der großen deutschen Banken im allgemeinen zu profitieren. Des weiteren bestimmte die Größe der Stadt und ihr zufallender Einzugsbereich die Standortentscheidung der Privatbanken. Sowohl in Berlin selbst als auch in den Neuen Bundesländern, die von Berlin aus betreut werden, sah man genügend Potential, um Marktanteile im Private Banking zu gewinnen. Die Standortentscheidung zugunsten Berlins wurde auch durch die neue Qualität der geografischen Lage Berlins positiv beeinflußt. Im Rahmen ihrer Deutschland- bzw. Europastrategie wählten die Privatbanken Berlin als Standort, um von der Nähe Berlins zu Osteuropa zu profitieren. Von hier aus sollen in Zukunft Geschäftskontakte zu den osteuropäischen Ländern aufgebaut werden. Darüber hinaus war und ist die hohe kulturelle Attraktivität Berlins ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Die Möglichkeiten, in Berlin mit wichtigen

1989-2002

265

Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft in Kontakt zu treten, waren ebenfalls entscheidend bei der Standortwahl.80 Neben den sich neu ansiedelnden Privatbanken haben auch die bereits vor 1989 in Berlin ansässigen Institute von den veränderten Standortfaktoren profitiert. Teilweise versuchten sie ihr Geschäftsgebiet über Berlin hinaus auszudehnen. Beispielsweise versuchte die Weberbank, die sich auf die Beratung vermögender Privatkunden und inhabergeführter mittelständischer Unternehmen spezialisierte, diese Kundenklientel über den Aufbau der Online-Präsenz auch überregional zu akquirieren, ohne ein kostenintensives Filialnetz zu unterhalten.81 Das auf diese Weise erzielte interne Bilanzsummenwachstum wurde durch externes Wachstum ergänzt. Dazu übernahm die Weberbank im Oktober 1992 die Berliner Industriebank, die infolge des Wegfalls der Berlinförderung durch die Öffentliche Hand privatisiert wurde.82 Im Herbst 1994 beschloß man die Fusion zwischen beiden Banken rückwirkend zum 1. Januar 1994.83 Bis 1996 machte das Förderkreditgeschäft mehr als die Hälfte der Bilanzsumme der Weberbank aus. Bedingt durch die Rückzahlungen der Förderkredite ging in den folgenden Jahren die Bilanzsumme zurück.84 In der Bilanz 2002 wurde infolge des planmäßigen Auslaufens des Fördergeschäftes nur noch ein Volumen von 0,3 Milliarden Euro ausgewiesen. Die Bilanzsumme 2002 betrug 4,7 Milliarden Euro.85

80

Zu den Ansiedlungsmotiven vgl. etwa o.V. (2001d), S. 40; o.V. (2001e), S. 39; o.V. (2001f), S. 39; Wuschick (2001), S. 37; Wuschick (2001a), S. 39. Vgl. o.V. (2001), S. 13. 82 Zur Entwicklung der Berliner Industriebank bis 1989 vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.3.8 dieser Arbeit. 83 Vgl. Bödecker (2000), S. 99f. Aufgrund der Fusion mit der Berliner Industriebank firmierte die Weberbank zeitweise unter „Weberbank Berliner Industriebank KGaA“. Um die Ausrichtung als Privatbank stärker zu dokumentieren erfolgte im August 2001 die Umfirmierung in „Weberbank Privatbankiers KGaA“. 84 Vgl. o.V. (1998b), S. 13. Während die Bilanzsumme 1999 noch 6,7 Mrd. Euro betrug, war sie 2001 bereits auf 5,4 Mrd. Euro gesunken. 85 Vgl. Geschäftsbericht Weberbank (2002), S. 5, S. 12. 81

266

Kapitel III

Privatbank Weberbank, Berlin Bankhaus Dr. Masel & Co., Berlin Bankhaus Oswald Kruber KG, Berlin Delbrück & Co., Köln und Berlin ING BHF, Frankfurt Bankhaus Hermann Lampe KG, Bielefeld Bankhaus Löbbecke & Co., Berlin Gries & Heissel Privatbankiers KG, Berlin86 UBS Private Banking AG Deutschland87 Societe Generale M.M. Warburg & Co. KGaA, Hamburg HSBC Trinkaus & Burkhard, Düsseldorf Merck, Finck & Co., München88 Berenberg Bank, Hamburg Graubündener Kantonalbank Salomon Oppenheim, Köln Credit Suisse First Boston AG Bethmann Bank, Frankfurt Bankhaus Lazard

Jahr der Niederlassung in Berlin 1949 1953 1954 1955 1954 1962 1984 1987 1990 1990 1990 1990 1992 1998 2001 2001 2001 2001 2001

Tabelle 68: Niedergelassene Privatbanken am Bankplatz Berlin im Jahr 2002 Quelle: Geschäftsberichte LZB-BB; Eigene Erhebung.

86

Gries & Heissel Privatbankiers wurden 1992 von der Grundkreditbank eG übernommen. Vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 6.4.5 dieser Arbeit. Da die in eine finanzielle Schieflage geratene Grundkreditbank mit der gleichfalls finanziell angeschlagenen Berliner Volksbank fusionierte, wurde vor dem Hintergrund der Konzernstraffung seitens der Berliner Volksbank ein Käufer für das Privatbankhaus GuH gesucht. Anfang 2000 übernahm die Delta Lloyd Deutschland AG (DLD) 89,1% der Anteile an GuH, um im deutschen Finanzdienstleistungsmarkt besser positioniert zu sein. Ende September wurde die Privatbank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. DLD hält weiterhin 89,1%, 7,5% hält die Finter Bank (Zürich). Der Rest der Aktien befindet sich im Streubesitz. Die Umwandlung der Rechtsform erfolgte, um für das Wachstum und die Entwicklung des Institutes in der Zukunft besser vorbereitet zu sein. Vgl. DLD (2000) Pressemitteilung vom 11.01.2000 sowie DLD (2001) Pressemitteilung vom 05.10.2001 jeweils online im internet: www.deltalloyd.de [24.12.2003]. 87 Die Dependance der UBS resultiert aus der 1990 eröffneten Niederlassung der SMH-Bank. Das Privatbankhaus Schröder Münchmeyer Hengst & Co., das aus dem Zusammenschluß der drei Privatbanken Schröder, Münchmeyer und Hengst entstanden ist, war 1990 eine 100%ige Tochter der Lloyds Bank. 1983/85 hatte die britische Lloyds Bank die finanziell angeschlagene Bank übernommen. Am 01.09.1997 wurde die SMH-Bank für 350 Mill. DM von der Lloyds Bank an die Schweizer Bankgesellschaft verkauft. Diese wiederum fusionierte am 08.12.1997 mit dem Schweizer Bankverein zur UBS. Bis 1999 führte die SMH-Bank ihre Geschäfte unter eigenem Namen fort. Seit Anfang 2000 tritt die SMH-Bank als integrierter Bestandteil des Mutterkonzerns unter Aufgabe der eigenen Rechtspersönlichkeit als UBS Private Banking AG Deutschland, Niederlassung Berlin, auf. Sie konzentriert sich ausschließlich auf das Geschäft mit den vermögenden Privatkunden, das i.d.R. eine halbe Million Euro betragen sollte. Vgl. o.V. (1998a), S. 13; o.V. (2000a), S. FB2. 88 Die Berliner Niederlassung resultiert aus einer Umfirmierung der Filialen der Barclays Bank im Jahre 1992, die bereits am Bankplatz Berlin ansässig war. Am 01.10.1990 verkaufte August von Finck jun. das Bankhaus an die britische Barclays Bank Plc. Dennoch blieb Merck Finck & Co. uneingeschränkt für die Geschäftspolitik verantwortlich. Die Münchener Zentrale des Privatbankhauses wies daher an, daß die Filialen der Barclays Bank in Berlin, Hamburg und Stuttgart in Merck Finck & Co. umzufirmieren sind.

1989-2002

267

Das Bankhaus Löbbecke, das seit 1984 in Berlin mit einer Niederlassung vertreten war, verlegte 1990 endgültig seinen Firmensitz inklusive seiner Zentralfunktionen nach Berlin. Das Kreditinstitut, das sich seit der Wende besonders stark in Immobilienfinanzierungsgeschäften betätigt hatte, geriet Mitte der 1990er Jahre in eine bilanzielle Schieflage. Um die notwendig gewordene hohe Risikovorsorge tragen zu können, mußte der Hauptanteilseigner, die italienische Sparkasse Cariplo89, im Jahr 1996 der Löbbecke-Bank einen Zuschuß von 670 Millionen zur Bereinigung des immobilienlastigen Kreditportfolios zur Verfügung stellen. Anfang 1998 mußte die Cariplo erneut einen Zuschuß von einer halben Milliarde DM bereitstellen.90 Angesichts sich wandelnder Geschäftsmöglichkeiten am Bankplatz Berlin richtete die seit 1962 in Berlin ansässige Lampe-Bank ihr Firmenkundengeschäft seit Mitte der 1990er Jahre auf den Medienbereich aus. Die bis dahin im Vordergrund stehenden Vorfinanzierungen langfristiger Darlehen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau boten infolge der Streichung der Berlinförderung aus Sicht der Lampe-Bank keine Wachstumsperspektiven mehr. Da sich Berlin jedoch zunehmend zu einer Medienstadt entwickelte, fokussierte man dieses Betätigungsfeld, das zur Jahrtausendwende bereits einen Anteil von ca. einem Fünftel am Gesamtkreditportfolio einnahm. Darüber hinaus werden vermögende Privatkunden betreut.91 Nicht mehr am Bankplatz Berlin präsent sind die Privatbanken Otto Scheuermann sowie Morgan Stanley. Während das Bankhaus Otto Scheuermann KG im ersten Quartal 1999 vollständig in die Dresdner Bank AG, Niederlassung Berlin integriert wurde und damit den eigenständigen Marktauftritt aufgab,92 zog sich Morgan Stanley vom Bankplatz Berlin zurück. Die angelsächsische Investmentbank, die sich erst 2001 in Berlin niedergelassen hatte, gab angesichts eines schlechter werdenden Börsenumfeldes und eingetrübter Erwartungen an den Standort Berlin die Niederlassung am Kurfürstendamm bereits Ende 2002 wieder auf. Die Repräsentanz der Verwaltungs- und PrivatBank AG aus Liechtenstein, die seit 1993 in Berlin vor Ort war, wurde 2001 ebenfalls geschlossen.

89

Die italienische Cariplo hielt zum damaligen Zeitpunkt 77,51% der Anteile, die Bank Austria 22,49%. In Presseberichten des Bankhauses Löbbecke heißt es dazu: „Damit sollen die in den vergangenen Jahren stark beanspruchten Reserven aufgefüllt werden. Es handelt sich hierbei um eine Zahlung auf ein Sonderkonto für eine künftige Kapitalerhöhung und nicht um einen Zuschuß zu Einzelwertberichtigungen.“ Zitiert nach Knödler (1998), S. 13. 91 Vgl. Fischer (2001a), S. 39. 92 Vgl. o.V. (1998l), S. 7. 90

268

Kapitel III

6.4.3.2 Neugründungen, Insolvenzen und Übernahmen von Berliner Kreditbanken Seit 1990 wurden am Bankplatz Berlin zehn Kreditbanken gegründet. Mit der Deutschen Kreditbank und der Deutschen Industrie- und Handelsbank entstanden zwei Kreditbanken aufgrund des Transformationsprozesses des ostdeutschen Bankensystems. Die anderen Banken entstanden vor dem Hintergrund des Börsen- und Internetbooms Ende der 1990er Jahre sowie infolge der Euphorie um die steigende Wirtschaftskraft der in Berlin und im Umland ansässigen mittelständischen Unternehmen. Die ebenfalls neugegründete Bankgesellschaft Berlin entstand im Zusammenhang mit der Neuordnung der landeseigenen Bankaktivitäten. Mit den Bankgründungen verbanden sich Visionen eines Bank- und Börsenplatzes Berlin, wonach er in bestimmten Segmenten eine führende Rolle in Deutschland, teilweise sogar in Europa spielen sollte. So waren die Gründer der Berliner Effektenbank davon überzeugt, daß sich der Finanzplatz Berlin durch die Zusammenarbeit mit der Berliner Börse und anderer, sich neu ansiedelnder Direktbanken zum größten europäischen Börsenplatz für Online-Broker entwik-keln würde.93 Mit der Gründung der Bankgesellschaft Berlin und dem späteren Versuch der Fusion mit der NordLB verband sich die Vision, einen Großbankenkonzern mit Sitz in Berlin zu schaffen.94 Die anderen neugegründeten Banken erklärten ihre Standortwahl zugunsten Berlins mit dem Vorhandensein günstiger Mieten, qualifizierter Mitarbeiter, Face-to-FaceVorteilen und der allgemeinen Attraktivität der Stadt.95 Dem Neugründungsprozeß folgte ein Konsolidierungsprozeß, dem einige der neugegründeten Banken durch Insolvenz und Übernahmen zum Opfer fielen. Somit waren 2002 nur noch vier der neugegründeten Berliner Kreditbanken mit einem selbständigen Marktauftritt am Bankplatz Berlin aktiv. Außerdem wurden Banken übernommen, die bereits vor 1989 am Bankplatz Berlin niedergelassen waren. Eine schlechte Ertragslage dieser Berliner Banken sowie die strategischen Dispositionen bezüglich der Deutschlandaktivitäten der übernehmenden Banken waren hierfür ausschlaggebend.

93

Vgl. Bernitt (2001), S. 34. Vgl. Moser (1993), S. 63; Geschäftsbericht LBB (1992), S. 16. 95 Vgl. Gneuss (2002), S. 34. 94

1989-2002

Institut 1. Deutsche Handelsbank AG 2. Deutsche Kredit- und Handelsbank AG 3. Deutsche Industrieund Handelsbank AG 4. BBB Bürgschaftsbank zu BerlinBrandenburg GmbH 5. Deutsche Kreditbank AG 6. Bank für kleine und mittlere Unternehmen AG 7. Berliner Bürgschaftsbank AG 8. Bankgesellschaft Berlin AG 9. Berliner Effektenbank AG 10. systracom Bank AG 11. E*Trade Bank AG 12. Express Trade Bank GmbH

Gründungsjahr 1956 1969

269

Insolvenzjahr

1990

Übernahmejahr 1994 1994 1996

1990 1990 1994 1994 1994 1998 2000 2001 n.e.

1995 2002 2002 de facto 2001 2000 2001 n.e.

n.e.

Tabelle 69: Neugründungen, Übernahmen und Insolvenzen Berliner Kreditbanken Quelle: Geschäftsberichte der LZB-BB; eigene Erhebung.

Die Bank für kleine und mittlere Unternehmen AG (BkmU) wurde 1994 gegründet. Unternehmensziel der Bank war die Finanzierung des Mittelstandes unter der ethischen Maßgabe, dadurch neue Arbeitsplätze zu schaffen und strukturpolitische und ökologische Ziele zu erreichen. Durch eine aggressive Preispolitik und eine unausgewogene Risikopolitik im Kreditbereich versuchte sich die BkmU am Bankplatz Berlin zu etablieren. Als der daraus resultierende Wertberichtigungsbedarf 2002 das Eigenkapital des Instituts übertraf, entzog das BAFin der BkmU am 26. April 2002 die Erlaubnis zum Betreiben des Bankgeschäftes. Im Mai 2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.96 Im Zusammenhang mit der BkmU ist die Tätigkeit der Berliner Bürgschaftsbank AG zu sehen, die ebenfalls 1994 gegründet wurde. Zwischen diesen beiden Instituten bestanden personelle und wirtschaftliche Verflechtungen.97 Bis Ende 1995 vergab die Bank Bürgschaften für Finanzierungen durch Drittbanken. Dann verzichtete die Bürgschaftsbank auf die Erlaubnis zum Betreiben dieses Garantiegeschäftes. Damit einher ging auch der Verlust zum Betreiben anderer erlaubnispflichtiger Bankgeschäfte. Bis zum 30. Mai 2002 hatte die Bank ihre letzte Bürgschaft abgewickelt, so daß das BA96 97

Vgl. BAFin (2002), Pressemitteilungen 3/2002 vom 13.05.2002 sowie 5/2002 vom 11.06.2002. Die enge Verflochtenheit zwischen der BkmU und der Bürgschaftsbank AG wird selbst noch kurz vor der Liquidation der Institute sichtbar. Die Bürgschaftsbank AG hatte den geschädigten Anlegern der BkmU im Mai 2002 ein streng vertrauliches und knapp befristetes Angebot zum Eintausch der Kundenforderungen gegen die BkmU in Inhaberschuldverschreibungen der Berliner Bürgschaftsbank AG unterbreitet. Da die Anleger damit ihren Forderungsanspruch gegenüber der BkmU endgültig aufgegeben hätten, wurde vor der Annahme des Angebotes seitens der Bankenaufsicht gewarnt. Vgl. Wolff (2002), S. 26.

270

Kapitel III

Fin am 19. Juni 2002 die endgültige Abwicklung der Berliner Bürgschaftsbank AG anordnete.98 Der Online-Broker systracom war die dritte Bank, die innerhalb der Kreditbankengruppe Insolvenz anmelden mußte. 1998 gegründet, erhielt die systracom Bank AG erst im Jahr 2000 Vollbanklizenz. Für das Jahr 2001 war der Börsengang geplant, wobei der Vorstand der Bank darauf hinwies, daß die weitere Wachstumsfinanzierung auch über den Gesellschafterkreis darstellbar wäre. Die durch die Börsenbaisse hervorgerufene Marktbereinigung in der Branche der Direkt- und Onlinebanken überstand der konzernunabhängige Online-Broker systracom jedoch nicht. Im Mai 2001 mußte Insolvenz angemeldet werden. Fehlende Umsätze und hohe Investitionskosten belasteten die Liquiditätssituation der Bank. Der Versuch, Partner im In- und Ausland zu finden, scheiterte ebenso wie die Kapitalbeschaffung aus dem Gesellschafterkreis.99 Zu den Banken, die im Rahmen des Konsolidierungsprozesses am Bankplatz Berlin übernommen wurden, zählen die Berliner Effektenbank AG und die Deutsche Kreditund Handelsbank AG. Diese Institute mußten ihre eigene Rechtspersönlichkeit nach Übernahme aufgeben. Ebenfalls vollständig in das Konzerngefüge der Mutter integriert wurden die Deutsche Industrie- und Handelsbank AG sowie die Deutsche Handelsbank AG. Diese zwei Banken stammten ursprünglich aus dem ostdeutschen Bankensektor.100 Die Deutsche Kreditbank AG, die auch im Rahmen des ostdeutschen Bankentransformationsprozeß entstanden war, wurde zwar übernommen, behielt aber als Tochterbank ihren eigenständigen Marktauftritt bei. Die Berliner Effektenbank AG wurde 1998 gegründet. Die Bank entstand im Zusammenhang mit der Umwandlung der Berliner Freiverkehr AG zur Finanzholding „Berliner Effektengesellschaft AG“ (BEG).101 Als Teil dieser Holding, die die Wertschöpfungskette der Börsen- und Kapitalmarktdienstleistungen abdeckte, spezialisierte sich die Berliner Effektenbank AG auf das Investment und Private Banking sowie auf

98

Vgl. BAFin (2002), Pressemittelung 8/2002 vom 21.06.2002. Zum Gründer- und Gesellschafterkreis gehörten der Ex-Vorstandssprecher der Bankgesellschaft Berlin, Wolfgang Steinriede, und der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Ulrich Hocker. Vgl. Fischer (2000), S. 39; o.V. (2000b), S. FB 1, o.V. (2001a), S. 39. 100 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 6.4.1 dieser Arbeit. 101 Die Berliner Freiverkehr AG wurde 1986 als Börsenmaklerunternehmen gegründet. Am 17.06.1997 erfolgte der Börsengang dieses Unternehmens. Durch die Umstrukturierung befinden sich unter dem Dach der Berliner Effektengesellschaft AG die Berliner Freiverkehr (Aktien) Handel AG, die Berliner Effektenbank AG und die Berliner Effektenbeteiligungsgesellschaft AG sowie weitere Beteiligungen, so daß Maklerleistungen, Vermögensverwaltungs- und Beratungsleistungen sowie Investmentleistungen des Corporate Bankings angeboten werden können. Vgl. o.V. (1998c), S. WR 6. 99

1989-2002

271

Financial Market Services. Im Rahmen des Emissionsgeschäftes stand das Börsensegment „Neuer Markt“102 im Vordergrund. Um auch Börseneinführungen am amerikanischen Kapitalmarkt begleiten zu können, erwarb die Berliner Effektenbank einen Anteil von nahezu 20% an der US-amerikanischen Investment-Bank Ladenburg, Thalmann & Co. Inc.103 Um im OnlineAktienhandel aktiv zu werden, ohne jedoch ein eigenes Online-Brokerhaus selbst aufbauen zu müssen, gründete die Berliner Effektenbank im Herbst 1999 zusammen mit dem amerikanischen Online-Broker E-Trade eine Tochterunternehmung, die E-Trade Germany AG.104 Während die Effektenbank in den ersten Geschäftsjahren noch stark vom Emissionsund Aktienboom in Deutschland profitierte, mußte sie aufgrund der Kursstürze am Aktienmarkt seit März 2000 bereits im dritten Quartal des gleichen Jahres über Kostenreduktion und die zusätzliche Gewinnung von Ordervolumen nachdenken. Parallel dazu erfolgte die 100%ige Übernahme von E-Trade Germany durch die E-Trade Group Inc. Um weiterhin im Online-Geschäft tätig sein zu können, ging man im Sommer mit der Consors Discount Broker AG eine Allianz ein, die im Herbst 2000 von Consors zu einer 60%igen Beteiligung an der Berliner Effektenbank ausgebaut wurde. Die Effektenbank firmiert seitdem unter Consors Capital Bank AG mit Sitz in Berlin.105 Im Jahr 2003 änderten sich erneut die Beteiligungsverhältnisse. Die Berliner Effektengesellschaft übernahm mehrheitlich die Anteile der Consors Capital Bank AG, so daß diese Bank wieder in den Konzernverbund der BEG eingegliedert wurde.106 Die Deutsche Kredit- und Handelsbank AG, die unter dieser Firma bereits seit 1970 am Bankplatz Berlin aktiv war, beschäftigte sich mit der Ost-West-Handelsfinanzierung, dem Konsortialgeschäft und dem industriellen Kreditgeschäft. Teilweise konnten die Darlehen unter Maßgabe des Berlinförderungsgesetzes vergeben werden. 102

Zum Börsensegment „Neuer Markt“ vgl. Fransioni/Gutschlag (2000). S. 29-44. Zur Modifizierung dieses Segmentes vgl. Karsch (2003), S. 538-543. Das Unternehmen wurde 1867 durch die beiden Deutschen Ernst Thalmann und Adolf Ladenburg gegründet. Es gehört zu den ersten Mitgliedern der New York Stock Exchange. Der Kauf der Investment-Bank wurde mit Unterstützung der Merchant Bank Arnhold & S.Bleichröder gemanaget. 104 Vgl. Wuschick (1999), S. 34. 105 Vgl. o.V. (2000c), S. 45. 106 Vgl. BEG (2003), Pressemitteilung vom 02.10.2003. Zuvor waren die Anteile der Consors Capital Bank mehrheitlich an die BNP Paribas gegangen. Grund hierfür war die finanzielle Schieflage der fränkischen Schmidt-Bank KG, die die Muttergesellschaft der Consors AG war. Aufgrund des hohen Verlustes der Schmidt-Bank begann sie ihre Beteiligungen zu verkaufen. vgl. o.V. (2002v), S. 17. Infolge dessen begann auch eine Entflechtung zwischen Consors und der Berliner Effektengesellschaft. vgl. o.V. (2002), S. 18. Im Zuge der Anteilsübertragung mußte die Berliner Effektengesellschaft erhebliche Wertberichtigungen vornehmen, so daß die BEG für das erste Halbjahr 2002 einen Verlust nach Steuern von 9,08 Mill. Euro ausweisen mußte. Vgl. o.V. (2002u), S. 17. 103

272

Kapitel III

Bereits 1988 mußte die DKH aufgrund des Kreditengagements bei der „Co op“ einen erheblichen Wertberichtigungsbedarf verkraften. Mit dem Wegfall der Berlinförderung sanken neben den Erträgen auch die Kredit- und Einlagevolumina. Aufgrund umfangreicher notwendig gewordener Vorsorgemaßnahmen für Risiken im Kreditgeschäft, insbesondere mit der ehemaligen Sowjetunion, erhöhten sich die Risikokosten und die Ertragslage verschlechterte sich weiter. Infolge dessen suchte der Hauptanteilseigner, der Wüstenrot-Konzern, einen Käufer für die Bank.107 Zum 1. Januar 1994 übernahm die Grundkreditbank aus Berlin die DKH, die innerhalb der Grundkreditbank-Gruppe zu einem Discount-Broker entwickelt werden sollte. Über eine attraktive Preispolitik sollten die vorhandenen vermögende Kunden angesprochen und neue Kunden gewonnen werden. Für 1996 war sogar ein Börsengang geplant.108 Im Zusammenhang mit den Bilanzschwierigkeiten bei der Grundkreditbank wurde die DKH 1997 vollständig mit der Grundkreditbank verschmolzen.109 Die Deutsche Kreditbank AG (DKB), die 1990 aus der Staatsbank der DDR hervorgegangen war und seit 1995 mehrheitlich zur Bayerischen Landesbank gehört, versteht sich heute als leistungsfähige Multispezialbank. Aufgrund ihrer Historie ist sie in allen ehemaligen DDR-Bezirksstädten mit Niederlassungen vertreten. Von Berlin aus steuert die DKB ihre Geschäftstätigkeit in den Neuen Bundesländern, die sich auf die Zielgruppen private und Firmenkunden sowie die öffentliche Hand konzentriert. Ein besonderer Fokus richtet sich dabei auf die Finanzierung von Wohnungsunternehmen, die zur bedeutendsten Zielbranche der DKB gehört. Im Jahr 2002 erreichte die DKB mit mehr als 1.100 Mitarbeitern eine Bilanzsumme von nahezu 26 Milliarden Euro. Die Ausrichtung auf die Finanzierung von Wohnungsunternehmen und Bauträgern brachte aber auch eine ständig steigende Risikovorsorge mit sich, die 2002 den Rekordwert von 463 Millionen Euro erreichte.110 Die BBB Bürgschaftsbank zu Berlin-Brandenburg GmbH entstand bereits 1990 durch Zusammenschluß des Garantieverbandes des Berliner Handwerks eG (GVH). Der GVH entstand bereits 1951 in Westberlin. 1957 gründeten die Verbände des Berliner Handels sowie die Berliner Sparkasse und einige Genossenschaftsbanken die Kreditgarantiegemeinschaft für den Handel in Berlin GmbH (KGG). Mit der Vereinigung der Stadt begannen Überlegungen zur Umstrukturierung der Berliner Bürgschaftseinrichtungen. Bereits im Juli 1990 firmierte die KGG in BBB Bürgschaftsbank zu BerlinBrandenburg GmbH um und öffnete sich für Unternehmen aus dem neuen Bundes107

Vgl. o.V. (1993), S. 24; o.V. (1993e), S. 23. Vgl. o.V. (1994d), S. 25; o.V. (1995e), S. 21. 109 Vgl. auch Kapitel III, Abschnitt 6.4.5 dieser Arbeit. 110 Vgl. Geschäftsbericht DKB (2002), S. 5ff. 108

1989-2002

273

land. Der Status der Steuerbefreiung des GVH verhinderte zunächst den Zusammenschluß. Durch sukzessive Übertragungen verschiedener Aufgaben der GVH auf die neue Bürgschaftsbank ging die ehemalige Bürgschaftseinrichtung des Berliner Handwerks auf die BBB über. Im Jahr 1999 konnte die Liquidation der GVH vollzogen werden.111 Die E*Trade Bank AG startete im November 2001 ihren Online-Auftritt in Deutschland. Bereits 1999 war die E*Trade Germany AG als Joint Venture Unternehmen der E*Trade-Group Inc. und der Berliner Effektenbank AG gegründet worden. Im Jahr 2000 erfolgte jedoch die 100%ige Übernahme der E*Trade Germany AG durch die E*Trade-Group. Als deutsche Tochter der us-amerikanischen E*Trade-Group, die neben Charles Schwab der zweitgrößte Online-Broker in den USA ist112, bietet sie neben dem reinen Online-Brokerage auch allgemeine Finanzdienstleistungen online an. Von Berlin aus ermöglicht die E*Trade Bank AG ihren Kunden den direkten Handelszugang zu den US-Börsen, ohne ein weiteres Konto zu führen.113 Im Juni 2003 erfolgte die Umfirmierung der E*Trade Bank AG in XCOM Bank AG. Hintergrund ist die Abspaltung der Wertpapiertransaktions- und abwicklungsgeschäfte von den reinen Bankgeschäften.114

6.4.3.3 Zur Gründung und Entwicklung der Bankgesellschaft Berlin AG Die Bankgesellschaft Berlin AG entstand zum 1. Januar 1994 durch die Zusammenführung der Berliner Bank AG, der Landesbank Berlin und der Berliner Hypothekenund Pfandbrief-Bank AG.115 Unter dem Dach der Bankgesellschaft, die als Holding fungierte, blieben die integrierten Institute mit eigenem Marktauftritt rechtlich selbständig. Neben der Holdingfunktion übernahm die Bankgesellschaft verschiedene Funktionen im Rahmen des neu aufzubauenden Investmentbankings, insbesondere in den Sparten Emissions- und Konsortialgeschäft sowie der Projektfinanzierung. Auf diese Weise entstand mit einer Konzernbilanzsumme von nahezu 250 Milliarden DM

111

Vgl. Geschäftsbericht BBB (2000), S. 11ff. Der us-amerikanische Online-Broker ist ein Pionierunternehmen auf dem Gebiet des Online-Banking. Es wurde 1982 durch den Arzt Bill Porter gegründet. Vgl. www.etrade.de. 113 Vgl. Gneuss (2002), S. 34. 114 Vgl. online im Internet: www.etrade.de [15.12.2003]. 115 Im Vorfeld der Neustrukturierung der landeseigenen Banken wurde daher die LBB gegründet, in die die Berliner Sparkasse und die Wohnungsbaukreditgesellschaft als eigenständige Abteilungen eingebracht wurden. Außerdem wurde das Berliner Pfandbrief-Amt zur Berliner Hypothekenbank AG umfirmiert. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 6.4.4 und 6.4.6 dieser Arbeit. 112

274

Kapitel III

der neuntgrößte Bankkonzern in Deutschland, der seinen Sitz am Bankplatz Berlin unterhielt und seine Geschäftstätigkeiten zunehmend auch international ausrichtete.116 Die Gründungsidee, die dem Projekt zugrunde lag, war nicht neu. Bereits 1988 diskutierten die Berliner Bank und die Berliner Sparkasse über einen möglichen Zusammenschluß. Einerseits wollte man Organisations- und damit Kostenstrukturen optimieren, andererseits sollte der enge regionale Rahmen der Sparkasse gesprengt und der Berliner Bank die nötige Kapitalkraft verliehen werden, um neue Märkte zu erschließen und zu expandieren.117 Nach der Wiedervereinigung erhielt zunächst die Integration der Ostberliner Sparkasse oberste Priorität.118 Daran anschließend wurden die Fusionspläne zwischen der Berliner Bank und der Berliner Sparkasse auf die Schaffung einer Bankenholding ausgedehnt, um den veränderten Rahmenbedingungen des Bankplatzes Berlin besser zu entsprechen. Durch die Bündelung aller landeseigenen Bankaktivitäten erwartete man „wesentliche Impulse für den Bankplatz Berlin, für die Berliner Börse und für das internationale Geschäft.“119 Weitere Vorteile einer derartigen Bankenholding wurden darin gesehen, daß die mit den unterschiedlichen Marktpotentialen der einzelnen Institute verbundenen Kreditspielräume zu einer ausgewogeneren Geschäftsstruktur, zu Kostendegressionen und zu einer effektiveren Risikosteuerung im Konzernverbund beitragen würden. Letztlich sollten die erzielbaren Skaleneffekte die Wettbewerbsfähigkeit aller Teilinstitute steigern.120 Nur vier Jahre später begannen die Fusionverhandlungen mit der NordLB, deren Ergebnisse am 4. März 1998 bekanntgegeben wurden.121 Das Fusionskonzept sah vor, unter dem Dach der neuen Holding der Bankgesellschaft Berlin-Hannover die Teilbanken Berliner Bank, Berlin Hyp, Landesbank Berlin und NordLB mit ihren jeweiligen Töchtern als eigenständige Gesellschaften zu integrieren. Bei planmäßiger Umsetzung der Fusion zum 1. Januar 1999 wäre mit einer addierten Bilanzsumme von

116

Vgl. o.V. (1995f), S. 570. Vgl. o.V. (1989h), S. 893f.; o.V. (1989j), S. 1143f.; Linss et al. (1989), S. 1042. Vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 6.4.4 dieser Arbeit. 119 Geschäftsbericht der LBB (1992), S. 16. Im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Konzerns errichtete die Berliner Bank unter anderem in Moskau, Hanoi, Teheran neue Auslandsvertretungen. In Beirut, Kairo, Istanbul und Bahrain wurden ebenfalls Repräsentanzen errichtet, über Kooperationen mit spanischen Banken war der Berliner Bankkonzern in Lateinamerika vertreten. vgl. o.V. (1993a), S. 316. 120 Vgl. Moser (1993), S. 63; Geschäftsbericht der LBB (1992), S. 16ff. 121 Als die Fusion zwischen den Bankhäusern bekanntgegeben wurde, war ihr eine lange interne Diskussion über Grundsatz- und Detailfragen vorausgegangen, die durch Kooperationsvereinbarungen und Dementis zu aufkommenden Fusionsgerüchten begleitet wurde. vgl. o.V. (1998m), S. 34. 117 118

1989-2002

275

618 Milliarden DM, einem Kreditvolumen von 408 Milliarden DM und mit insgesamt 23.668 Mitarbeitern der viertgrößte deutsche Bankkonzern entstanden.122 Während die Vorstände der Kreditinstitute durch die Fusion insbesondere im ITBereich und der Produktpalette hohe Kostenersparnisse erwarteten, gingen externe Branchenbeobachter nur von geringen Synergiepotentialen aus. Sie begründeten dies mit der mangelnden Überschneidung der regionalen und geschäftlichen Tätigkeitsfelder und damit verbunden des Filialnetzes. Ein weiterer Kritikpunkt war die vorgesehene Führung des Konzerns mit einer lokalen und personellen Doppelspitze.123 Darüber hinaus ergab sich erneut die Frage nach Sinn und Machbarkeit einer Integration von Kreditinstituten mit öffentlich-rechtlichem und privaten Charakter unter einer Dachgesellschaft im Allgemeinen und dem bisherigen Erfolg dieser rechtlichen Konstruktion bei der Bankgesellschaft Berlin im Besonderen. In dem Zusammenhang warf die Fraktion der Bündnisgrünen den Fusionsprotagonisten von CDU und SPD vor, daß „die in der Bankgesellschaft privatrechtlich eingebundenen Banken [...] ihre faulen Kredite in den letzten Jahren durch Rückstellungen aus dem Topf der öffentlichen Institute abgesichert“124 hätten. Dagegen sahen die Befürworter in der Fusion einen Markstein auf dem Weg Berlins zu einer europäischen Wirtschaftsmetropole sowie eine Aufwertung und Stärkung des Finanzplatzes Berlin. Zusätzlich hätte die Fusion dem Land Berlin finanzielle Vorteile gebracht. Durch den Verkauf der Gewinnansprüche an der Landesbank Berlin, einer 100%igen Tochter der Bankgesellschaft, hätte das Land Berlin eine außerordentliche Einnahme in Höhe von 1,5 Mrd. DM erzielt.125 Aufgrund ungeklärter Bewertungsfragen der Kreditaktiva und die nötige Risikovorsorge wurde jedoch am 16. Oktober 1998 das Scheitern der Fusion bekanntgegeben.126 122

Über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage sollte die Bankgesellschaft steuerschonend das gesamte Kapital der NordLB übernehmen. Die Eigner der Landesbank hätten dafür einen Barausgleich in Höhe von 1,3 Mrd. DM erhalten sowie 125 Millionen Aktien der neuen Bank. (Zahlenangaben basierend auf 1997) Vgl. o.V. (1998j), S. 13. 123 Nach Angaben der zu fusionierenden Kreditinstitute sollten Kosten- und Ertragssynergien in der Größenordnung von mindestens 10% der gegenwärtigen Gewinne in einem überschaubaren Zeitraum realisiert werden. Auf Basis der zuletzt verfügbaren Zahlen würde sich das Einsparpotential damit auf rund 100 Millionen DM belaufen. Der Verwaltungsaufwand betrug aber allein bei der Bankgesellschaft mehr als 3 Mrd. DM. Vgl. o.V. (1998g), S. 13; o.V. (1998h), S. 13. 124 Vgl. Schuler (1998), S. 34. 125 Vgl. Knödler (1998a), S. 13. 126 Im Zusammenhang mit dem Scheitern der Fusion drängt sich die Frage auf, ob die Fusion als Vehikel zur Verschleierung einer sich abzeichnenden Bilanzkrise vor dem Hintergrund zunehmenden Wertberichtigungsbedarfes mißbraucht werden sollte.

276

Kapitel III

Bereits 1996 hatte die Bankgesellschaft einräumen müssen, daß die Investitionen in das überregionale Kreditgeschäft nicht nur Investitionskosten verursacht haben, sondern auch Risikokosten. Insbesondere die starke Expansion der Berliner Bank und der Ausbau des überregionalen Geschäftes der Berlin Hyp hatten hohe Rückstellungsbeträge für das Kreditgeschäft erfordert.127 Dementsprechend war die Risikovorsorge im Konzern von 1994 bis 1996 kontinuierlich gestiegen. Zwar sank sie 1997 im Vergleich zum Vorjahr um fast zwei Drittel, aber bereits 1998 war erneut ein Risikovorsorgebetrag von fast 900 Millionen Euro aufzubringen. Da die Fusion über eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage finanziert werden sollte128, waren die Eigner der NordLB aufgrund des infolge der renditeschwachen Entwicklung gesunkenen Aktienkurses mit den vereinbarten Fusionsmodalitäten nicht mehr einverstanden.129 Nach der mißlungenen Fusion leitete die Bankgesellschaft konzernweit Restrukturierungs- und Maßnahmen zur Reduktion der Verwaltungsaufwendungen ein. Das bedeutete, daß der Aktionsradius der Berliner Bank wieder auf die Region BerlinBrandenburg beschränkt wurde. Das Geschäft mit überregionalen Firmen- und Großkunden sowie das Auslandsgeschäft wurde an die Bankgesellschaft abgegeben, so daß sich die Berliner Bank auf das Retailbanking fokussierte. Zum 1. Januar 1999 wurde die Berliner Bank ganz auf die Holding verschmolzen, wobei im Rahmen des regionalen Retailbankings die Marke „Berliner Bank“ aufrechterhalten wurde.130

127

Vgl. o.V. (1996c), S. 450. Vgl. Fußnote 122 dieses Abschnitts dieser Arbeit. 129 Vgl. o.V. (1998k), S. 15; Machatschke (1998), S. 34. 130 Vgl. Geschäftsbericht BGB (1999), S. 31ff., S. 63, S. 66. 128

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2000

Millionen Euro

1500 1000 500 0 -500

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

BE vor Risiko Risikovorsorge Reserve §340f JÜ nach Steuern

-1000 -1500 -2000 Jahr

Abbildung 18: Entwicklung ausgewählter Bilanzkennzahlen der Berliner Bankgesellschaft AG Quelle: Geschäftsberichte der Bankgesellschaft Berlin

1999 konnten durch diese Maßnahmen erste Erfolge erzielt werden. Der Konzern erwirtschaftete einen Jahresüberschuß von 157 Millionen Euro, die Risikovorsorge sank. Im Jahr 2000 mußten jedoch erneut hohe Beträge für die Risikovorsorge aufgebracht werden. Sowohl bei der Berlin Hyp als auch bei der LBB waren Risiken bekannt geworden, die aus den zahlreichen Immobiliengeschäften resultierten, die seit Mitte der 1990er Jahre durchgeführt worden waren. Allein die Berlin Hyp trug zu den hohen Risikovorsorgeaufwendungen des Konzerns ca. ein Drittel bei. Weitere Wertberichtigungen resultierten aus dem Fondsgeschäft, daß von der LBB und der IBAG betrieben worden war.131 Im Mai 2001 stellte die Bankaufsicht eine Kapitallücke von zwei Milliarden Euro fest, da die Bankgesellschaft in der Bilanz 2000 einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro ausweisen mußte. Diesen Verlust sah der Konzernvorstand dadurch verursacht, daß bei den Teilbanken „Methoden und Instrumente des Kredit- und BeteiligungsrisikoManagements nicht konsequent genug umgesetzt wurden.“132 Darüber hinaus gab der Vorstand an, daß er sich über die Dramatik der Risikovorsorge im Immobilienbereich 131

Zu den bekanntesten Kreditengagements, die hohe Wertberichtigungen erforderten, zählt der 600-MillionenMark-Kredit an die Wohnungsbaufirma AUBIS. Vgl. o.V. (2001), S. 39; o.V. (2001a), S. 39. 132 Vgl. o.V. (2001g), S. 11.

278

Kapitel III

nicht bewußt war, weil die Konzernholding nur mit eingeschränktem Durchgriffsrecht gegenüber den rechtlich selbständigen Teilbanken ausgestattet war.133 Aufgrund verschiedener Kreditvergabepraktiken und Refinanzierungsmaßnahmen scheint es jedoch, als ob die vielfältigen Risiken aus den Immobilienfinanzierungen und Fondsgeschäften bekannt gewesen wären.134 Um die drohende Insolvenz abzuwenden, entschloß sich das Land Berlin als Mehrheitsaktionär zu einer umfassenden Sanierung des Bankkonzerns. Dazu wurden der Bank vom Land Berlin 1,75 Milliarden Euro Eigenkapital über eine Kapitalerhöhung zur Verfügung gestellt. Außerdem kam der Berliner Senat der Forderung der Bankenaufsicht und möglicher Investoren nach, die Bankgesellschaft von den Altrisiken zu befreien.135 Des weiteren wurde ein Sanierungskonzept erarbeitet, das die Reduzierung

133

Vgl. o.V. (2001h), S. 13. Zu den Methoden, die darauf abzielten, die Bilanzrisiken aus den Immobilienkrediten zu verschleiern, können beispielsweise folgende Aktionen gezählt werden: Zum Jahreswechsel 2000/01 wurde die IBG in die neugegründete IBAG ausgegliedert. Die IBAG wurde dann an das Finanzkonsortium GREICO von den CaymanInseln für 3 Milliarden DM verkauft. Diese Transaktion hätte der Bankgesellschaft das notwendige Kapital zur Unterlegung der bei ihr verbliebenen Immobilienrisiken gebracht. Da das Finanzvolumen von GREICO aber nicht ausreichte, um die IBAG zu erwerben, wollte die Bankgesellschaft dem Cayman-Trust dafür sogar Kredite zur Verfügung stellen. Aufgrund des Tatbestandes des „In-Sich-Geschäftes“ mußte diese Transaktion per Anweisung der Bankenaufsicht jedoch annulliert werden. Vgl. o.V. (2001j), S. 14. Des weiteren wurden Risiken, die aus der Haftungsfreistellung von Komplementären der hauseigenen Immobilienfonds resultierten, weder gemeldet noch als Risikoposten in die Bilanz eingestellt. Darüber hinaus waren die Komplementäre der geschlossenen Immobilienfonds Mitarbeiter der LBB. Durch diese Strohmänner konnte der Fondsherausgeber IBG, die bankeigene Immobiliendienstleistungstochter, Großkredite von der Bankgesellschaft erhalten, die sonst eher nicht ausgereicht worden wären. Darüber hinaus wurden branchenunübliche Mietgarantien bezüglich Höhe und Laufzeit der vertriebenen Fonds gewährt. Vgl. o.V. (2001), S. 39; o.V. (2001a), S. 39. 135 Die Abschirmung der Risiken beinhaltete die Übernahme von Vertragsrisiken aus Miet- und Höchstpreisgarantien der Immobilienfonds, die in den Jahren 1995 bis 2000 von der IBG aufgelegt wurden. Außerdem übernahm das Land Berlin Garantien für Buchwerte von Grundstücken und Gebäuden gegenüber den Fondgesellschaften sowie eine Globalbürgschaft für Kredite, die der Konzern seinen Immobilientöchtern gewährt hatte. Die Risikofreistellung umfaßt ein Volumen von 21,6 Mrd. Euro über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren. Die sich aufgrund der angespannten Immobilienmarktlage daraus ergebenden Belastungen des Berliner Haushalts werden zwischen 2,7 Mrd. Euro und 6 Mrd. Euro taxiert. Bei einer besseren Ertragslage des Instituts soll es künftig Rückflüsse an das Land Berlin geben. Vgl. dazu etwa o.V. (2001k), S. 13; o.V. (2002c), S. 34; o.V. (2002d), S. 15; o.V. (2002e), S. 12 sowie Fahrun (2002), S. 34; Schulz (2002), S. 34; Schwaldt/Fahrun (2002), S. 34. 134

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von Personal, die Schließung von Filialen, den Verkauf von Konzerntöchtern136 und die Konzentration auf das Retailgeschäft zum Inhalt hatte.137 Auf der Hauptversammlung im Sommer 2002 stellte der neue Vorstandsvorsitzende der Bankgesellschaft fest, daß Sanierung und Neuausrichtung des Konzerns noch am Anfang stünden. Dennoch wären erste Verbesserungen im operativen Geschäfte erkennbar. Sowohl die Kosten als auch die Aufwendungen zur Risikovorsorge konnten gesenkt werden, wodurch im Jahr 2002 der operative Verlust zurückging.138 Im ersten Halbjahr 2003 erwirtschaftete die Bankgesellschaft wieder ein positives Konzernergebnis von 318 Millionen Euro vor Risikovorsorge. Selbst nach Bildung der Risikovorsorge verbleibt ein positives Betriebsergebnis von 130 Millionen Euro. Die Bilanzsumme per 30.06.2003 sank auf 157,6 Milliarden Euro. Zum Jahresultimo 2002 wies die Bankgesellschaft noch nahezu 175 Milliarden Euro aus. Insbesondere der Abbau von Forderungen an Kunden und Banken sowie eine restriktive Neuvergabe von Krediten führte zu diesem Bilanzsummenrückgang.139 Die geplante Privatisierung der Bankgesellschaft ist hingegen vorerst gescheitert. Im März 2003 wurde das Privatisierungsverfahren für beendet erklärt, da gegenwärtig keine Käufer gefunden werden konnten, die dem Land Berlin akzeptable Transaktionsbedingungen geboten hätten. Problematisch erwiesen sich die von den potentiellen Käufern geforderten Risikobeteiligungen des Landes, selbst bei positiver Entwicklung der Bank.140 Lediglich einige Finanzbeteiligungen der Bankgesellschaft konnten bislang verkauft werden. Zum Beispiel wurde die Allbank an den US-Konzern General Electric verkauft.141 Der geplante Verkauf der ebenfalls zum Bankgesellschaftskonzern gehörenden Weberbank scheiterte dagegen bislang.142

136

Sechs Investoren wurden bekannt: 1. die NordLB zusammen mit dem Deutschen Sparkassen- und GiroVerband, 2. die BGB Capital Partners, ein Zusammenschluß der Flowers-Gruppe und der Texas Pacific Group, 3. der US - Restrukturierungsexperte Wilbur L. Ross, 4. die Investmentfondsgesellschaft Lone Star Fund, 5. die Terra Capital Partners aus London, 6. die Berliner Volksbank eG. Vgl. dazu o.V. (2002j), S. 38; o.V. (2002k), S. 17; o.V. (2002l), S. 35; o.V. (2002m), S. 13, o.V. (2002n), S. 15; o.V. (2002p), S. 13; o.V. (2002r), S. 17. Für die 85,16%ige Mehrheitsbeteiligung an der tschechischen Zivnostanska Banka bot die italienische Großbank Unicredito. Vgl. o.V. (2002q), S. 13. 137 Das Sanierungskonzept war nicht nur aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen geboten, sondern war auch für die Genehmigung der Landesbeihilfe von 2 Mrd. Euro seitens der EU-Kommission notwendig. Zum Sanierungskonzept vgl. etwa o.V. (2002f), S. 13; o.V. (2002g), S. 33; o.V. (2002h), S. 33. 138 Vgl. o.V. (2002w), S. 17. 139 Vgl. Halbjahresbericht BGB (2003), S. 16. 140 Vgl. Fahrun/Schwaldt (2003), S. 35. 141 Vgl. o.V. (2003f), S. 13; 142 Vgl. o. V. (2003h), S. 15; Schwaldt (2003), S. 5.

280

Kapitel III

6.4.4 Die Neustrukturierung des Sparkassensektors Der Kreis der in Berlin aktiven Marktteilnehmer des Sparkassensektors veränderte sich seit 1989 erheblich. Zum einen siedelten sich westdeutsche Landesbanken in Berlin an, wobei jedoch einige von ihnen die Niederlassung bzw. Repräsentanz in Berlin bereits wieder aufgegeben haben. Hauptgrund ihrer Niederlassung in Berlin waren entweder mit ehemaligen DDR-Banken eingegangene Joint-Venture-Projekte oder die Übernahme der Girozentralbankfunktion für die Sparkassen in den Neuen Bundesländern. Darüber hinaus waren die sich neu ansiedelnden Landesbanken an der Finanzierung von kommunalen Infrastruktur- und Wohnungsbauprojekten interessiert.143 Einordnung in die Gruppe des Sparkassensektors Jahr Institut 1818 Berliner Sparkasse 1921 DGZ. DekaBank Deutsche Kommunalbank 1990 Landesbank Berlin 1990 Bayerische Landesbank 1990 West LB 1991 Landesbank Schleswig-Holstein (LB Kiel) 1991 Hamburgische Landesbank 1991 Landesbank Rheinland-Pfalz 1992 Norddeutsche Landesbank Girozentrale 1993 Landesbank Hessen-Thüringen 1995 Landesbank Saar Girozentrale 1998 Landesbank Baden-Württemberg 2002 HSH Nordbank

Abgang aus der Gruppe des Sparkassensektors Jahr Grund 1990 Integration in die LBB

2002 2002 1995

Fusion zur HSH Nordbank144 Fusion zur HSH Nordbank Aufgabe der Niederlassung

2001

Aufgabe der Repräsentanz

Tabelle 70: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe des Sparkassensektors von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin Quelle: Geschäftsberichte der jeweiligen Institute

Zum anderen erfolgte im Rahmen der Neustrukturierung der landeseigenen Bankaktivitäten die Transformation der Ostberliner Sparkasse in das Westberliner Schwesterinstitut, die Gründung der Landesbank Berlin, die Eingliederung der Berliner Sparkasse in die Landesbank sowie die Überführung der Wohnungsbaukreditanstalt in die Investitionsbank Berlin, die eine Abteilung der Landesbank Berlin ist. Zwangsläufig erhöh143

Die WestLB ist aufgrund des Joint-Ventures Deutsche Industrie- und Handelsbank mit dem Bankplatz Berlin verbunden. Vgl. dazu Kapitel III, Abschnitt 6.4.1 dieser Arbeit. Außerdem ist sie seit 17.07.1992 als Girozentrale des Landes Brandenburg tätig. Die Nord LB ist seit 19.08.1991 die Girozentrale des Landes Sachsen-Anhalt, seit 03.01.1993 auch für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Darüber hinaus übernahm sie Anteile an der LBB. 144 Zur Fusion der LB Kiel mit der Hamburgische Landesbank vgl. HSH-Nordbank (2002), Pressemitteilung vom 10.09.2002.

1989-2002

281

ten sich durch diese Umstrukturierungen die Marktanteile des Sparkassensektors am Einlage- und Kreditvolumen am Bankplatz Berlin von ca. 14% im Jahr 1989 auf mehr als ein Drittel im Jahr 2000. Der Transformations- und Umstrukturierungsprozeß der Berliner Sparkasse begann bereits unmittelbar nach dem Fall der Mauer im November 1989 und durchlief analog zum Kreditbankensektor die Phasen der Selbstbestimmung, der Zusammenarbeit auf Joint-Venture-Ebene und der Fremdstrukturierung. Hatten sich die zwei Sparkassen Berlins bis dahin im Ost- und Westteil getrennt entwickelt, nahmen noch 1989 Vertreter beider Sparkassen erste Gespräche über eine mögliche Zusammenarbeit auf. Im März 1990 wurde die Ostberliner Sparkasse per Volkskammerbeschluß aus dem Staatsbankenapparat der DDR herausgelöst, wodurch sie wieder zu einem kommunalen Unternehmen wurde.145 Daraufhin schlossen Ende Juni 1990 beide Institute einen Kooperationsvertrag ab. Die Kooperation umfaßte neben der organisatorischen, materiellen und personellen Unterstützung der Ostberliner Sparkasse die Übernahme der Girozentralfunktion durch die Westberliner Sparkasse. Außerdem übernahm das Westberliner Institut die Leitungsfunktion, auch wenn die Ostberliner Sparkasse zunächst noch formaljuristisch selbständig blieb. Ziel war es, beide Institute nach Herstellung der politischen Einheit Deutschlands zu fusionieren. Parallel zu den Fusionsüberlegungen gab es Erwägungen, den lokalen Sparkassensektor Berlins völlig neu zu strukturieren, um die vereinigungsbedingten Herausforderungen besser finanzieren und refinanzieren zu können. Dazu wollte man ein finanzstarkes landeseigenes Kreditinstitut schaffen. Der rechtliche und finanzielle Rahmen, den die Berliner Sparkasse dazu bot, wurde als unzureichend angesehen. Zeitzeugen aus dem Sparkassensektor äußerten sich im Rahmen einer durch HÜNING et al. durchgeführten Untersuchung bezüglich dieses Transformationsprozesses folgendermaßen: „Der Mantel der Sparkasse ist zu eng ... Berlin hatte keine Landesbank, also hätten wir immer schon mal Landesbank werden müssen. Und ich glaube, das wäre auch passiert ohne eine Integration der Ostsparkasse.“ „Und darum haben wir damals gesagt, wir wollen eine Landesbank sein, denn (eine) Landesbank ist regional unabhängig. Und, das ist der entscheidende Punkt bei der Landesbank: ... das uneingeschränkte Pfandbriefemissionsrecht ... Die Landesbank kann hergehen und sich überall Geld beschaffen ... Das kann die Sparkasse nicht.“146 145 146

Zur Ausgangssituation der Sparkasse der Stadt Berlin (Ost) vgl. ausführlich Hüning et al. (1998), S. 31ff. Vgl. Hüning et al. (1998), S. 40.

282

Kapitel III

Auf landespolitischer Ebene entschied man sich daher, eine Landesbank zu gründen, obwohl die Sparkasse der Stadt Berlin-West bereits Landesbankfunktion für Berlin hatte. Darüber hinaus wäre die 1992 aus der Berliner Pfandbriefbank hervorgegangene, ebenfalls landeseigene, Berliner Hypothekenbank AG in der Lage gewesen, Pfandbriefe zu emittieren und Kommunaldarlehen anzubieten. Eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit für die ordnungspolitisch ohnehin fragwürdige Betätigung der Öffentlichen Hand im Kreditwesen dieser Art bestand für die Ausdehnung der banklichen Aktivitäten des Landes Berlin also nicht. Es kann vielmehr davon ausgegangen werden, daß bei der Gründung der Landesbank Berlin in nicht unerheblichem Maße Prestigegründe eine Rolle spielten. In der anfänglichen Euphorie über die bevorstehenden Wachstumsmöglichkeiten für Berlin als Wirtschafts- und Bankenstandort sah man in der Gründung der Landesbank Berlin (LBB) einen Meilenstein für den Finanzplatz Berlin, an dem die LBB eine aktive Rolle spielen könne. Im Geschäftsbericht der LBB des Gründungsjahrgangs 1990 heißt es dazu: „Mit der Ergänzung der Geschäftsfelder des landeseigenen Banksektors unter Beibehaltung des Sparkassengeschäftes wurde den Anforderungen an die Markt- und Wettbewerbsbedingungen nach der Wende Rechnung getragen. Berlin verfügt nun wie alle anderen alten Bundesländer auch über eine Landesbank.“147 Die Gründung der LBB und ihre spätere negative Entwicklung findet ihre historische Parallele in der Mitte der 1920er Jahre. 1925 wurde die für die Giroverrechnung zuständige Abteilung B der Berliner Sparkasse in die neugegründete Berliner StadtbankGirozentrale überführt. Auch damals wurde diese Vorgehensweise kritisiert, da weder die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, noch eine ausreichende Eigenkapitalausstattung gegeben waren. Statt dessen wurde die Belastung des Berliner Landeshaushaltes und damit der Steuerzahler, die im Rahmen der unbegrenzten Haftung Berlins für die Verluste der landeseigenen Bankaktivitäten aufzukommen hatten, billigend in Kauf genommen.148 Zum 1. Oktober 1990 nahm die neugeschaffene Landesbank Berlin ihre Geschäftstätigkeit auf. Im Dezember 1990 wurde auch die Sparkasse der Stadt Berlin Ost auf die Landesbank Berlin überführt. Das Sparkassengeschäft besteht seit dem als gesonderte Abteilung mit dem Namen „Berliner Sparkasse“ unter dem Dach der Landesbank. 147 148

Vgl. Geschäftsbericht LBB (1990), S. 9. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 4.3.4 und 6.4.3.3 dieser Arbeit.

1989-2002

283

Daneben wird die Landesbausparkasse als gesonderter Geschäftsbereich fortgeführt. Die Wohnungsbaukreditanstalt Berlin wurde zum 31. Dezember 1992 auf die im November 1992 neugegründete Investitionsbank Berlin (IBB) überführt. Die IBB agiert neben der Landesbausparkasse und der Berliner Sparkasse als rechtlich unselbständige, aber organisatorisch selbständige Abteilung der LBB.149 Als 1994 die Bankgesellschaft Berlin gegründet wurde, integrierte man die LBB in den neuen Bankkonzern, zu dessen Bilanzsumme die LBB mehr als zwei Fünftel beitrug; eine Quote, die sich in den folgenden Jahren leicht erhöhte.150 Das Wachstum der LBB wurde bestimmt durch die Integration der Ostberliner Sparkasse und der IBB sowie durch die Ausweitung der Geschäftstätigkeit auf die Finanzierung von Firmen, Existenzgründern, gewerbliche Immobilien und Kommunen. Bis Mitte der 1990er Jahre waren die Finanzierungen gewerblicher Immobilien und Kommunen die Hauptwachstumsträger. Mehr als 60% des Kreditvolumens entfiel auf die Altländer, etwas mehr als ein Viertel entfiel auf Kreditnehmer in Berlin.151 Darüber hinaus nahmen die Auslandsaktivitäten der LBB zu. Um die Geschäftstätigkeit eines Kunden zu begleiten, eröffnete die LBB 1991 eine Repräsentanz in Prag.152 1992 gründete sie eine Tochtergesellschaft in Luxemburg, um im Eurogeldhandel und im Interbankengeschäft eine größere Rolle als bisher spielen zu können.153 Ebenfalls 1992 gründete die LBB die Landesbank Berlin Finance Curacao N.V., Curacao. Gegenstand der „Curacao-Bank“ war die direkte oder indirekte Refinanzierung der Aktivitäten der Landesbank Berlin durch Daueremissionen von Anleihen an internationalen Märkten.154 Vor diesem Hintergrund gründete die LBB 1993 auch eine Niederlassung in London. Darüber hinaus wollte die LBB in das Geschäftsfeld Investment Banking mit institutionellen Kunden einsteigen.155

149

Vgl. Geschäftsbericht LBB (1992), S. 17. Vgl. Geschäftsbericht LBB (1994), S. 6 sowie Kapitel III, Abschnitt 6.4.3.3 dieser Arbeit. Wie stark die LBB ihre Position im Kommunalkreditgeschäft, auch außerhalb von Berlin, ausgebaut hatte, zeigt sich in der Zahl ihrer Geschäftsbeziehungen: 1997 stand die LBB mit ca. 2000 Gebietskörperschaften und Verbänden in finanztechnischer Verbindung. Vgl. Geschäftsbericht LBB (1997), S. 43 und die Jahrgänge zuvor. Die regionale Struktur des Kreditportfolios wurde erstmalig (ohne Hinzuziehung der IBB) 2001 ausgewiesen. In den Altländern waren es primär strukturierte Projektfinanzierungen, an denen sich die LBB beteiligte. In den neuen Bundesländern beteiligte sich die LBB an der Finanzierung von Infrastrukturprojekten. Beispielsweise kofinanzierte die LBB im Zusammenhang mit privatem Beteiligungskapital ein neues Heizkraftwerk in Dessau. Vgl. o.V. (1996), S. 20 sowie Geschäftsbericht LBB (2001), S. 31. Der relativ geringe Anteil der Finanzierungsaktivitäten der LBB in den NBL am Gesamtkreditportfolio ist auf die Konkurrenz der westdeutschen Landesbanken zurückzuführen, die aufgrund der Übernahmen der Girozentralfunktion für die ostdeutschen Sparkassen relativ schnell an Einfluß gewonnen hatten. Vgl. o.V. (1993c), S. 14. 152 Vgl. Geschäftsbericht LBB (1991), S. 25. 153 Vgl. Geschäftsbericht LBB (1992), S. 33. 154 Vgl. Geschäftsbericht LBB (1993), S. 24. 155 Vgl. Geschäftsbericht LBB (1993), S. 24. 150 151

120000

800 in Millionen Euro

700

100000

600 80000

500

60000

400 300

40000

200 20000

100

0

BE v RV RV Bilanzsumme

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002

0

Bilanzsumme in Millionen Euro

Kapitel III

284

Jahr

Abbildung 19: Entwicklung der Bilanzsumme, des operativen Ergebnisses und der Risikovorsorge der LBB Quelle: Geschäftsberichte der LBB156

Parallel zur Ausdehnung der Bilanzsumme erhöhte sich die vorzunehmende Risikovorsorge. Bereits 1994 betrug die Risikovorsorge nahezu zwei Fünftel des operativen Betriebsergebnisses. In den zwei folgenden Jahren sank die Risikovorsorge, seit 1997 stieg sie jedoch wieder an.157 Im Jahr 2000 erhöhte sich die Risikovorsorge um ca. 400 Millionen Euro und stieg damit auf 664 Millionen Euro an. Durch das Betriebsergebnis konnte dieser enorme Betrag nicht gedeckt werden, so daß die LBB einen Jahresfehlbetrag in Höhe von mehr als 150 Millionen Euro ausweisen mußte. Ursache dieser massiv notwendig gewordenen Risikovorsorge waren stark ausfallgefährdete Finanzierungen im gewerblichen Immobilienbereich. Außerdem mußte die LBB einen Sanierungszuschuss für ihre Immobilientochter IBG bereitstellen und Rückstellungen für das Immobilienfondsgeschäft bilden.158 156

Das Betriebsergebnis vor Risiko wurde erstmalig 1993 ausgewiesen. Trotz der für die Jahre 1994 und 1995 noch relativ hohen Risikovorsorge erhielt die Landesbank Berlin von der Rating-Agentur Moodys in der neuen Bewertungskategorie „Finanzkraft“, also jener Bewertung, die die Gewährträgerhaftung und die Anstaltslast unberücksichtigt läßt, die Note B. Damit schnitt die Landesbank im Vergleich zu den anderen Landesbanken am besten ab. Andere Landesbanken erhielten auf der neuen Berechnungsgrundlage nur noch C- bzw. D-Bewertungen. Vgl. o.V. (1995g), S. 17. 158 Vgl. Geschäftsbericht LBB (2000), S. 3 und S. 23ff. Der Jahresfehlbetrag ist hier nur auf den bankgeschäftlichen Teil, d.h. ohne die IBB, bezogen. Laut Geschäftsbericht 2001 betrug die Risikovorsorge für das Jahr 2000 nur noch 546 Millionen Euro. Damit entsprach sie zu 100% der Höhe des Betriebsergebnisses. Hinter157

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285

Um diese Fehlentwicklung, die den gesamten Konzern der Berliner Bankgesellschaft betraf, zu korrigieren, wurde im Dezember 2001 ein grundlegendes Sanierungskonzept verabschiedet. Neben einer bereits im Oktober 2001 durchgeführten Kapitalerhöhung der Bankgesellschaft wurde eine umfangreiche Risikoabschirmung der Immobiliengeschäfte durch das Land Berlin vereinbart. Außerdem leitete die LBB kostenreduzierende Maßnahmen ein und beschränkte die Aktivitäten zukünftig auf die Region Berlin-Brandenburg.159

6.4.5 Expansion und Fusionen im Berliner Genossenschaftsbanksektor Die Anzahl der in Berlin meldepflichtigen genossenschaftlichen Kreditinstitute erhöhte sich von 1990 bis 2002 von insgesamt sechs auf zehn Banken. Dabei nahm die Zahl der auswärtigen Genossenschaftsbanken sukzessive zu, während sich die Anzahl der in Berlin ansässigen Genossenschaftsbanken aufgrund von Fusionen reduzierte. Die Genossenschaftsbanken siedelten sich entweder im Zusammenhang mit der Übernahme ostdeutscher genossenschaftlicher Kreditinstitute oder aufgrund des erwarteten Geschäftspotentials in Berlin und den Neuen Bundesländern am Finanzplatz Berlin an. Mit dem Transformationsprozess verbunden war die Niederlassung der DG Bank und der Bank für Kirche und Diakonie. Die DZ Bank, ehemals DG Bank,160 übernahm 1990 die aus der ehemaligen ostdeutschen Bank für Land- und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN) hervorgegangene Genossenschaftsbank Berlin. Die so entstandene Berliner Niederlassung der DG Bank übernahm die Aufgaben einer Girozentralbank für die Volks- und Raiffeisenbanken in Berlin und den NBL. Zusätzlich steuert die Berliner Niederlassung das operative Bankgeschäft in diesem Einzugsbereich. Die Bank für Kirche und Diakonie (BKD)161, die bis 1990 keine Zweigstellen unterhielt, übernahm die in Magdeburg ansässige Provinzialkirchliche Spar- und Darle-

grund für den unterschiedlichen Ausweis ist ein Verfahrenswechsel im Jahr 2001, wodurch sich auch die Vorjahreszahlen änderten. Im Rahmen der Konzentration auf die Heimatregion wurden auch die Auslandsengagements mit jenen der Bankgesellschaft zusammengeführt oder gänzlich aufgegeben. So wurden die Aktivitäten der LBB in Curacao im Jahr 2002 eingestellt. Vgl. Geschäftbericht LBB (2001), S. 5; S. 64. 160 Die DG Bank fusionierte 2001 mit der GZ Bank und firmiert seitdem unter DZ Bank AG. Vgl. Geschäftsbericht DZ Bank (2001), S. 5. 161 Die BKD in Duisburg wurde 1953 von den rheinischen Kirchengemeinden gegründet. Die Gründung erfolgte unter der Firma Darlehensgenossenschaft der Evangelischen Kirchengemeinden und -Verbände und der 159

Kapitel III

286

hensgenossenschaft (Prosparda). Zunächst verlegte die Prosparda mit Unterstützung der aus Duisburg stammenden BKD ihren Sitz nach Berlin und firmierte in BKD Berlin um. Im November 1990 unterzeichneten die Banken den Fusionsvertrag, der zum 31. Mai 1991 rechtskräftig wurde. Die BKD Berlin wurde zur Zweigniederlassung der BKD Duisburg, die durch die Fusion ihr Geschäftsgebiet erheblich ausweitete. Von Berlin aus wird das Geschäft in den Kirchenprovinzen Anhalt, Berlin-Brandenburg, Oberlausitz, Pommern und Sachsen gesteuert.162 Einordnung in die Gruppe der Genossenschaftsbanken Jahr Institut 1990 DZ Bank 1990 Bank für Kirche und Diakonie eG 1990 Sparda-Bank eG 1991 Raiffeisenbank Kaulsdorf eG 1991 1992 1994 1996 1996

Evangelische Darlehensgenossenschaft eG Paxbank eG Badische Beamtenbank eG Ökobank eG BAG Bankaktiengesellschaft Hamm AG Köpenicker Bank eG Grundkreditbank eG

Abgang aus der Gruppe der Genossenschaftsbanken Jahr Grund

1992

Fusion mit der Berliner Volksbank eG

2003

Integration in die GLS Bank163

1998

Fusion mit der Grundkreditbank eG Fusion mit der Berliner Volksbank eG

1999

Tabelle 71: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe der Kreditgenossenschaften von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin Quelle: Geschäftsberichte LZB-BB; eigene Erhebung.

Infolge des wachsenden Finanz- und Investitionsbedarfes der ostdeutschen Kirchengemeinden siedelten sich 1991/92 mit der Evangelischen Darlehensgenossenschaft164 und der katholisch orientierten Paxbank165 zwei weitere Kirchenbanken in Berlin an, die je nach konfessioneller Bindung ihre Finanzdienstleistungen den entsprechenden Kirchenkreisen und -gemeinden im ostdeutschen Raum anbieten. Aufgrund der Ausweitung des regionalen Geschäftsgebietes und der teilweisen Öffnung für nichtkirchlichen Werke im Rheinland eGmbH. Seit 1976 firmiert die Bank unter Bank für Kirche und Diakonie eG. Vgl. Geschäftsbericht BKD (1992), S. 29ff. 163 Die GLS Gemeinschaftsbank eG wurde 1974 mit Sitz in Bochum gegründet. Durch die Integration der Ökobank eG entstand die größte ethisch-ökologische Bank im deutschsprachigen Raum mit einer Bilanzsumme von 380 Millionen Euro. 164 Die Evangelische Darlehensgenossenschaft wurde 1968 als Selbsthilfeeinrichtung für die evangelischen Kirchen, Gemeinden und Diakonien im Raum Schleswig Holstein und Niedersachsen mit Sitz in Kiel gegründet. 165 Die Pax-Bank wurde 1917 in Köln gegründet. Nachdem zunächst eine Filiale im katholischen Erzbistum Erfurt eröffnet wurde, ließ sich die Bank 1992 in Berlin nieder. 162

1989-2002

287

konfessionelle Privatkundenkreise erzielten die Kirchenbanken seit der Wiedervereinigung erhebliche Wachstumsraten.166 Die Badische Beamtenbank eG167 eröffnete im Juli 1994 eine Geschäftsstelle in Berlin. Die Verlegung des Regierungssitzes von Bonn und dem damit verbundenen Umzug von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in die neue Hauptstadt waren ausschlaggebend für den Zuzug der Bank, die auf dieses Kundenklientel fokussiert, jedoch auch anderen Privatkunden ihre Dienstleistungen anbietet. Bereits einige Jahre später eröffnete die Bank weitere Filialen in exponierter Lage in Berlin-Mitte.168 Um von den Geschäftsmöglichkeiten einer Groß- und Hauptstadt zu profitieren, eröffnete die Ökobank169 1996 eine Repräsentanz in Berlin, die 1997 zur Filiale erweitert wurde.170 Aufgrund risikoreicher Kreditengagements und damit verbundener Verluste mußte die Ökobank restrukturiert und in die Bochumer GLS Gemeinschaftsbank eG zum 1. Januar 2003 überführt werden. Die Berliner Filiale der Ökobank wird als GLSFiliale fortgeführt.171 Die Ansiedlung der BAG Bankaktiengesellschaft Hamm AG erfolgte 1996 vor dem Hintergrund der sanierungsbedürftigen ortsansässigen Kreditgenossenschaften Berlins mit dem Ziel, die Kredit- und Immobilienengagements der Banken vor Ort besser verwerten zu können. 172 166

Die Bilanzsummen der in Berlin tätigen Kirchenbanken konnten sich seit 1989 verdoppeln, teilweise sogar verdreifachen. Vgl. Geschäftsberichte der Jahrgänge 1989 bis 2000 sowie Jahberg (1997), S. 38. Die Badische Beamtenbank eG wurde 1921 in Karlsruhe gegründet. Sie war vor 1989 fast ausschließlich im süddeutschen Raum tätig. 168 Die 1994 eröffnete Filiale in Berlin war nicht die erste Zweigstelle der BBBank eG in den NBL. Die erste Geschäftsstelle, die in den Neuen Bundesländern von der BBBank eG eröffnet wurde, war eine Filiale in Dresden. Damit sollten primär die öffentlich Bediensteten aus Südwestdeutschland betreut werden, die aufgrund eines Unterstützungsabkommens zwischen den Bundesländern Baden-Württemberg und dem Freistaat Sachsen in Dresden tätig waren. Vgl. Geschäftsbericht BBBeG (1994), S. 24; Schallmayer/Sölch (1997), S. 84. 169 Die Ökobank wurde 1988 mit Sitz in Frankfurt gegründet. Ihr Geschäftsfokus lag auf der Finanzierung und Förderung von nachhaltig umweltverträglichen und sozialen Projekten und Unternehmen. 170 Die Ökobank baute ihre Präsenz in einer Art „Agentursystem“ sukzessive aus. Einige der Agenturen wurden dann über den Schritt „Repräsentanz“ zur Filiale ausgebaut. Die Repräsentanzen zeichneten sich im Unterschied zur Filiale dadurch aus, daß keine Bargeldversorgung und Kontoführung vorgehalten wurde, sondern lediglich Beratungsdienstleistungen angeboten wurden. Vgl. Ökobank (1996), S. 6f.; ders. (1996a), S. 2. 171 Wertberichtigungen von 17 Millionen DM mußten bereits 1999 von der Sicherungseinrichtung der BVR gedeckt werden. Im September 2001 wurde die Ökobank wegen weiterer Verluste auf die BAG übertragen. Von dort wurde sie 2003 in die GLS Gemeinschaftsbank eG integriert, während die problembehafteten Kreditengagements bei der BAG verblieben. Vgl. BAG (2001/2002), Pressemitteilungen vom 23.11.2001, 8.01.2002 und 16.08.2002. 172 Die BAG Bankaktiengesellschaft AG mit Sitz in Hamm ist eine Tochtergesellschaft des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken. Sie ist darauf spezialisiert, Banken des genossenschaftlichen Verbundes, die in finanzielle und wirtschaftliche Schieflagen geraten sind, mittels Ausfallbürgschaften, Sanierungskonzepten, 167

288

ortsansässige Kreditinstitute 1. Berliner Volksbank eG 2. Sparda Bank Berlin eG 3. PSD Bank Berlin-Brandenburg eG

Kapitel III

auswärtige Kreditinstitute 1. Bank für Sozialwirtschaft AG 2. DG Bank 3. Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG 4. Badische Beamtenbank eG 5. Bank für Kirche und Diakonie eG 6. Evangelische Darlehensgenossenschaft eG 7. Paxbank eG 8. Bank für Schiffahrt (BfS) Ostfriesische Volksbank Leer eG 9. Ökobank eG 10. BAG Bankaktiengesellschaft

Tabelle 72: Die im Jahr 2000 in Berlin tätigen Genossenschaftsbanken173 Quelle: Geschäftsbericht LZB-BB; eigene Erhebung.

Insgesamt sind am Bankplatz Berlin mit der Berliner Volksbank, der Sparda-Bank und der PSD Bank, drei ortsansässige Primärgenossenschaftsbanken aktiv, die von Berlin aus ihr Geschäft in Berlin und Brandenburg steuern. Die Berliner Sparda-Bank arbeitet sogar überregional und lenkt von hier aus, ihre Geschäftstätigkeit in ihren fünf Vertriebsregionen. Ebenfalls vom Bankplatz Berlin steuern die Kirchenbanken und die Apothekerbank ihr Geschäft in Berlin und den Neuen Bundesländern. Die Bank für Sozialwirtschaft, die 1997 den Rechtsformwechsel in eine AG vollzog174, eröffnete nach 1990 Filialen in Erfurt, Dresden, Leipzig und Magdeburg. Trotz des Einzuges der Bank in ihr historisches Gründungsgebäude in Berlin-Mitte 1997 blieben wesentliche Stabstellen, ungeachtet des doppelten Firmensitzes, in Köln konzentriert. In Berlin findet sich ein Sitz des Vorstandes der Bank. Das Geschäft in den Neuen Bundesländern wird ebenfalls von hier aus gelenkt.175 Das Hauptwachstum der genossenschaftlichen Bankengruppe fand in den frühen 1990er Jahren statt und wurde vorrangig von jenen ortsansässigen Kreditgenossenschaften getragen, die auch schon vor 1990 am Bankplatz Berlin tätig waren. Sowohl die Berliner Volksbank als auch die Grundkreditbank und die Köpenicker Bank erzielten zweistellige Wachstumsraten ihrer Bilanzsumme.

Forderungsübernahmen und temporäre Übernahme des Bankhauses selbst, zu unterstützen. Vgl. online im Internet: www.bankaktiengesellschaft.de [15.10.2002] 173 Die BfS, die BAG und die Ökobank waren nicht zur Regionalstatistik meldepflichtig. 174 Vgl. Morgenstern (1998), S. 239ff. 175 Vgl. Morgenstern (1998), S. 243.

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Jahr 1990 1990 1991 1991 1991 1991 1991 1991 1991 1992 1992 1992 1996 1997 1998 1999

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Kreditinstitut Berliner Volksbank Ost Volksbank Falkensee Volksbank Neuruppin Volksbank Potsdam Volksbank Oranienburg Volksbank Straussberg Volksbank Königs Wusterhausen Volksbank Zehdenick Raiffeisenbank Klosterfelde-Bernau Raiffeisenbank Berlin-Kaulsdorf Raiffeisenbank Beelitz Raiffeisenbank Treuenbrietzen Raiffeisenbank Zehdenick Volksbank Eberswalde Raiffeisenbank Oranienburg Grundkreditbank-Köpenicker Bank

Tabelle 73: Genossenschaftliche Kreditinstitute in Berlin und Brandenburg, die von der Berliner Volksbank seit 1990 übernommen wurden Quelle: Eigene Darstellung; Geschäftsberichte Berliner Volksbank eG

Die Berliner Volksbank wuchs insbesondere zu Anfang der 1990er Jahre nicht nur intern, sondern auch extern. Im Rahmen ihrer Expansionsstrategie übernahm sie diverse selbständige kleine Genossenschaftsbanken in Brandenburg und Berlin. Eine der wichtigsten Fusionen zu Anfang der 1990er Jahre war die Integration der Berliner Volksbank Ost.176 Bis 1998 hatte die Berliner Volksbank 15 Volks- und Raiffeisenbanken übernommen, wodurch sich ihr Aktionsradius über die Stadt Berlin hinaus vergrößerte.177 Ihrem neuen Selbstverständnis entsprechend, trat sie öffentlichkeitswirksam als „Bank für Berlin und Brandenburg“ auf.178 Die Grundkreditbank versuchte ebenfalls durch Übernahmen zu wachsen. Im Gegensatz zur Berliner Volksbank beteiligte sie sich jedoch an Instituten außerhalb des Genossenschaftsbanksektors. So übernahm sie 1992 zu 75% das Privatbankhaus Gries & Heissel179 und 1994 die Deutsche Kredit- und Handelsbank (DKH). In beiden Invest176

Vgl. Berliner Volksbank (1996), S. 28-33. Vgl. Lageberichte der Geschäftsberichte der Berliner Volksbank der jeweiligen Jahrgänge. Neben den Fusionen, die im Rahmen der Expansionsstrategie durchgeführt wurden, gab es auch Fusionen, die auf Initiierung des Genossenschaftsverbandes Berlin-Hannover durchgeführt wurden, um in wirtschaftliche Notlagen geratene kleinere Volksbanken, bspw. die Raiffeisenbank Zehdenick im Jahr 1996, einen starken Partner zu vermitteln. 178 Den Namenszusatz „Die Bank für Berlin und Brandenburg“ mit entsprechendem Werbeauftritt führte die Berliner Volksbank von 1993 bis 1998. Vgl. Berliner Volksbank (1996), S. 36. 179 Dieses Privatbankhaus setzt auf jene Kunden, deren Depot zu groß für eine Sparkasse und zu klein für die Deutsche Bank ist. Vgl. o.V. (1998), S. 13. 177

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Kapitel III

ments wurden Expansionschancen gesehen, da beide Institute in anderen Märkten tätig waren, und daher eine gute Ergänzung zum Produkt- und Kundenportfolio der Grundkreditbank darstellten. Beide Institute behielten zunächst ihren selbständigen Marktauftritt.180 Zum Ende des Jahres 1997 wurde die DKH jedoch vollständig auf die Grundkreditbank verschmolzen.181 Hintergrund war die zum 1. Januar 1998 erfolgte Fusion mit der Köpenicker Bank. Als die Grundkreditbank aufgrund ihrer bilanziellen Schieflage 1999 selbst von der ebenfalls angeschlagenen Berliner Volksbank übernommen wurde, suchte man für das Privatbankhaus GuH einen Käufer. Anfang 2000 verkaufte die Berliner Volksbank die Anteile an GuH an die Versicherungsgruppe Delta Lloyd Deutschland.182 Auch im Rahmen des internen Wachstums erzielten die drei ortsansässigen Genossenschaftsbanken Berlins erhebliche Zuwachsraten. Das Bilanzsummenwachstum wurde besonders über die Finanzierung von Wohn- und Gewerberaum generiert. Während das Gesamtkreditvolumen am Bankplatz Berlin um mehr als 120% stieg, erhöhte sich das auf die genossenschaftliche Institutsgruppe entfallende Kreditvolumen um nahezu 140%. Zwar hatten die Banken auch schon vor der Wende Wohn- und Gewerberaum finanziert, mit dem Eintritt in das Bauträgergeschäft, das von 1990 bis 1994 zum dynamischen Wachstum der Banken entscheidend beitrug183, erhielt das Kreditgeschäft jedoch eine neue Dimension. Es entwickelten sich in den Bankhäusern bislang nicht gekannte Kreditrisiken, die sich durch die rückläufige Immobilien- und Mietpreisentwicklung des Berliner Immobilienmarktes, die anhaltende Verengung der Zins- und Provisionsmarge infolge des zunehmenden Wettbewerbes und dem Fortfall der Berlinförderung permanent erhöhten. Aufgrund dessen stieg der Aufwand für Wertberichtigungen im Kreditgeschäft erheblich, während die Erträge zurückgingen. Auf diese Weise verschlechterte sich das Verhältnis zwischen Risikovorsorge zum Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit seit Mitte der 1990er Jahre regelmäßig. Dieses Mißverhältnis konnten die drei ortsansässigen Genossenschaftsbanken seit 1996 nicht mehr aus eigenen Mitteln darstellen. Erstmalig mußte darum die Köpenicker Bank 1996 die genossenschaftlichen Sicherungseinrichtungen zur endgültigen 180

Vgl. o.V. (1993e), S. 23. Vgl. o.V. (1997b), S. 16; o.V. (1997c), S. 23. 182 Vgl. DLD (2000), Pressemitteilung vom 11.01.2000. 183 Vgl. etwa die Geschäftsberichte in den einzelnen Jahrgängen der jeweiligen Kreditinstitute. 181

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291

Risikoabdeckung in Anspruch nehmen.184 Bei der Grundkreditbank hatte sich ebenfalls 1996 die Nettorisikovorsorge mehr als verdoppelt, so daß Bürgschaften aus dem Sicherungsverbund beantragt werden mußten.185 1998 konnte die Berliner Volksbank den gestiegenen Wertberichtigungsbedarf ebenfalls nur noch über die Auflösung stiller Reserven sowie gleichfalls unter Zuhilfenahme von Ausfallbürgschaften der verbandseigenen Sicherungseinrichtungen darstellen.186 Jahr 1996 1996 1997 1997 1998 1998 1999

Institut Köpenicker Bank Grundkreditbank Köpenicker Bank Grundkreditbank Grundkreditbank (neu) Berliner Volksbank (alt) Berliner Volksbank (neu)

2000 2001 2002

Berliner Volksbank (neu) Berliner Volksbank (neu) Berliner Volksbank (neu)

Höhe der Sicherungshilfen 128 Millionen DM 80 Millionen DM 64 Millionen DM 180 Millionen DM 322 Millionen DM 250 Millionen DM 518 Millionen DM 126 Millionen DM 232 Millionen DM 125 Millionen Euro 87 Millionen Euro 44 Millionen Euro

kumulierte Summe

452 Millionen DM 774 Millionen DM 1.024 Millionen DM 1.668 Millionen DM 1.200 Millionen Euro 1.331 Millionen Euro

Tabelle 74: Übersicht über die Höhe der Sicherungshilfen je Bank Quelle: o.V. (1998e), S. 31 sowie Geschäftsberichte der jeweiligen Institute.

Die finanziellen Schieflagen der Banken und die weiterhin zu erwartenden Kreditrisiken führten am 1. Januar 1999 zur Fusion dieser drei Berliner Institute. Bereits ein Jahr zuvor hatten die Grundkreditbank und die Köpenicker Bank fusioniert. Aus betriebswirtschaftlichen und wettbewerbsstrategischen Gründen hatte man schon zu diesem Zeitpunkt über eine Fusion zwischen allen drei Primärkreditgenossenschaften Berlins nachgedacht. Während sich die Vorstände der DG Bank, der Grundkreditbank und der Köpenicker Bank sowie die Verbände positiv zu einer großen Fusionslösung äußerten, 184

Die Köpenicker Bank hatte Bruttowertberichtigungen von 208 Millionen DM vornehmen müssen. Mit einem Betriebsergebnis von nur 7 Millionen DM brachte die Köpenicker Bank gerade einmal knapp 4% der benötigten Risikovorsorge aus eigenen Mitteln auf. Die endgültige Risikoabdeckung erfolgte durch die Inanspruchnahme der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtungen. 185 Der Wertberichtigungsbedarf der Grundkreditbank war 1996 mit 100 Millionen DM im Vergleich zum Vorjahr mehr als doppelt so hoch. Die Brutto-Risikovorsorge war sogar noch höher ausgefallen. Sie stieg von 120 auf 170 Millionen DM. Nur aufgrund außerordentlicher Erträge aus Kursgewinnen konnte die Risikovorsorge auf netto 100 Millionen gesenkt werden. 186 Bereits in den Jahren 1996 und 1997 stiegen die Bruttowertberichtigungen auf 140 Millionen DM. 1998 stieg die Bruttorisikovorsorge auf 160 Millionen DM, hinzu kamen Abschreibungen auf Sach- und immaterielle Anlagen in Höhe von nahezu 50 Millionen DM. Zwar konnte die Risikovorsorge netto durch das Auflösen stiller Reserven auf fast 84 Millionen DM reduziert werden, so daß noch ein Ergebnis aus normaler Geschäftstätigkeit von nahezu 16 Millionen DM ausgewiesen werden konnte. Darüber hinaus mußten Ausfallbürgschaften der Sicherungseinrichtungen des Verbandes in Anspruch genommen werden. Vgl. Geschäftsbericht BV (1998), S. 13ff.

Kapitel III

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stand die Berliner Volksbank einer solchen Fusion ablehnend gegenüber. Wenn überhaupt käme aus Sicht der Berliner Volksbank eine Fusion erst nach vollständiger Sanierung der Grundkreditbank-Köpenicker Bank in Frage. Als sich mit Bekanntgabe der Neun-Monatszahlen für das Jahr 1998 auch bei der Berliner Volksbank negative Entwicklungen im Ertrags- und Risikovorsorgebereich abzeichneten, gab die Berliner Volksbank dem Drängen des Verbandes nach und stimmte der Wunschfusion zu.187 Noch im Dezember 1998 wurde der Fusionsvorvertrag geschlossen und zum 1. Januar 1999 umgesetzt.188

80 60 20 Risikovorsorge netto 2001

1999

1997

1995

1993

-40

1991

0 -20

1989

Betrag in Mio Euro

40

Ergebnis der normalen Geschäftstätigkeit

-60 -80 -100 -120 Jahr

Abbildung 20: Entwicklung von Risikovorsorge und Ergebnis der Berliner Volksbank eG Quelle: Geschäftsberichte der Berliner Volksbank

Die Fusion, die vorrangig die Sanierung der Gesamtbank zum Ziel hatte, sollte außerdem der Verbesserung der Ertragslage, der Stärkung der Wettbewerbs-position und einer besseren Bewältigung der Altlasten dienen. Zur Sanierung wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen.189 Dennoch rechnete man erst für das Jahr 2004 mit dem Ein187 188 189

Vgl. o.V. (1998f), S. 18. Vgl. Geschäftsbericht der Berliner Volksbank (1998), S. 5. Die Sanierung der fusionierten Berliner Volksbank umfaßte bislang folgende Maßnahmen: - generelle Abschirmung der Altrisiken der am Fusionsstichtag vorhandenen und noch nicht erkannten Risiken durch die Sicherungseinrichtungen des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken bis Ende 2002 sowie der Erhalt eines Barzuschusses in Höhe von 232 Millionen DM; - strategische Neuausrichtung der Bank durch Fokussierung auf die vermögende und vermögenbildende Privatkundschaft sowie auf mittelständische Firmenkunden; - Verkauf von Kundenforderungen in Höhe von 1,7 Mrd. DM an die BAG Hamm; - Verkauf

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tritt in die Gewinnzone und ab 2005 mit einem Bilanzgewinn. Die Sanierungshilfen des Volksbankenverbandes, die zum Ende des Jahres 2001 bereits ein Volumen von 1,2 Milliarden Euro erreicht hatten, werden weiterhin in Anspruch genommen werden müssen.190 Der Vorstand der Bank erwartete, dass die Dividende der Bank, die – dem Charakter des Eigenkapitals widersprechend - bislang nur aufgrund des Barzuschusses der Sicherungseinrichtung gezahlt werden konnte, erst im Jahr 2005 aus eigener Kraft dargestellt werden kann.191 Trotz der hohen Risiken und dem sanierungsbedingten Rückgang der Bilanzsumme blieb die Berliner Volksbank mit einer Bilanzsumme von mehr als 10 Milliarden Euro im Jahr 2002 die größte regionale Volksbank und zugleich die zweitgrößte Genossenschaftsbank in Deutschland. Im Gegensatz zur negativen Entwicklung der Berliner Volksbank eG und ihrer Fusionspartner gestaltete sich die Entwicklung der Sparda-Bank Berlin eG positiv. Die Sparda-Bank Berlin ging 1990 aus der ehemaligen Reichsbahnsparkasse der DDR hervor. Auf der Vertreterversammlung am 22. Mai 1990 wurde der Fortbestand der Bank und ihr gleichzeitiger Neubeginn als Sparda-Bank beschlossen. Der Transformationsprozeß der ostdeutschen Bank zu einer Privatkundenbank westdeutscher Prägung wurde durch den Verband der Sparda-Banken begleitet, der die Berliner Sparda-Bank organisatorisch und personell unterstützte.192 Seit 1990 versechsfachten sich sowohl die Bilanzsumme als auch das Kreditvolumen. Das Einlagevolumen stieg sogar um mehr als das 800-fache. Mit nahezu 6 Milliarden DM Bilanzsumme im Jahr 2000 hält die Berliner Sparda-Bank einen Anteil von 8,2% am Bilanzvolumen aller SpardaBanken in Deutschland und weist damit außerdem eine um eine Milliarde größere Bilanzsumme auf als die „Durchschnitts-Sparda-Bank“.193 von 250 Millionen DM Kundenforderungen an die DG Bank; - Verkauf des zum Konzern gehörenden Bankhauses Griess&Heissel an eine Versicherungsgesellschaft; - Schließung der Niederlassung in Luxemburg sowie die Übertragung der Geschäftsvolumina auf die DG Bank in Luxemburg; - Schließung von Filialen an Doppelstandorten in Berlin und Brandenburg; - Ausbau des Vertriebsnetzes durch Eröffnung neuer Filialen sowie die Einrichtung eines mobilen Vertriebs; - Einsparung von Personal in den zentralen und nachgelagerten Bereichen; - Umzug der Zentrale der Bank in das ehemalige Zentralgebäude der Grundkreditbank und Aufgabe der Büroimmobilie am Potsdamer Platz; - stärkere Anlehnung des Produktangebots und des Marktauftritts an den Genossenschaftsverbund als bisher; - Zusammenfassung des gesamten Immobilienbereiches der Bank in einer eigenen Abteilung unter dem Namen Grundkreditbank-Zweigniederlassung der Berliner Volksbank mit dem Ziel, diese Abteilung nach Sanierung der Kreditengagements in eine neu zu gründende Immobilienbank einzubringen. Als Vorbild hierfür dient die WestLB, die zusammen mit den Landesbanken Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ihre Immobilienaktivitäten 1995 in die Westdeutsche Immobilienbank eingebracht hat. Vgl. dazu im einzelnen Geschäftsberichte der Berliner Volksbank eG sowie u.a. o.V. (1999a), S. 24; o.V. (1999b), S. 24; o.V. (2000), S. 43, Wuschick (2001), S. 38. 190 Vgl. Mulke (2002), S. 34. 191 Vgl. Geschäftsbericht Berliner Volksbank eG (2002), S. 9ff. 192 Vgl. Geschäftsbericht Sparda-Bank Berlin eG (1990), S. 10. 193 Vgl. Sparda-Report (2000), S. 3; Geschäftsbericht Sparda-Bank Berlin (2000), S. 10; eigene Berechnungen.

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Kapitel III

Erzielt wurde dieses Wachstum auch zu Lasten der anderen Berliner Marktteilnehmer, insbesondere zu Lasten der Berliner Volksbank und der Berliner Sparkasse. Die PSD Bank Berlin-Brandenburg ging aus dem seit 1872 aktiven Spar- und Darlehensverein der Postangehörigen hervor, der in der Vorperiode nur in Westberlin aktiv war. Nach der Wende dehnte die Bank ihr Geschäftsgebiet auf Ostberlin aus. Seit 1993 gehört auch die Region Brandenburg dazu.

6.4.6 Zuzug von Hypothekenbanken und die Ausdehnung ihres Berlingeschäftes Seit 1990 siedelten sich sieben Hypothekenbanken am Bankplatz Berlin an, um von den sich neu bietenden Geschäftsmöglichkeiten zu profitieren. Aufgrund der Erfassung dieser Institute in der Regionalstatistik als nicht meldepflichtige Institute, kommt der Zuzug in der Statistik nur begrenzt zum Ausdruck. Außerdem wurden einige der Hypothekenbanken, die vor 1990 aufgrund ihres zweiten juristischen Sitzes in Berlin noch als ortsansässige Institute erfaßt wurden, nunmehr als auswärtige Hypothekenbanken erfaßt. Daher weist die Regionalstatistik per 2002 nur vier meldepflichtige Institute aus. Darunter fallen mit der Berlin Hyp und der erst 1991 gegründeten DexiaHypothekenbank zwei ortsansässige Hypothekenbanken. Neben den vier meldepflichtigen Instituten waren 13 weitere Hypothekenbanken, die jedoch als nicht-meldepflichtige Institute erfaßt werden, in Berlin mit einer Geschäftsstelle präsent. Damit waren 2002 von insgesamt 27 in Deutschland tätigen Hypothekenbanken nahezu zwei Drittel in Berlin aktiv. Die Mehrzahl von ihnen war bereits vor 1989 mit einem Hypothekenbüro, einer Repräsentanz oder einer Niederlassung am Bankplatz Berlin tätig. Davon wiederum war ein Großteil schon vor dem Zweiten Weltkrieg in Berlin engagiert, und führte nach Inkrafttreten der Berliner Altbankenregelung das Berlin-Geschäft weiter fort.194

194

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.3.6 dieser Arbeit.

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295

Einordnung in die Gruppe der Realkreditinstitute Jahr Institut 1954 Dt. Centralboden AG 1954 1957 1957 1981 1981 1981 1981 1990 1990 1990 1991 1991 1992 1992 1991 1993 1995 1995 1998 2001 2001 1979 1990 1992 1998 2002

Abgang aus der Gruppe der Realkreditinstitute Jahr Grund 1995 Fusion zur Frankfurter Hypothekenbank Centralboden AG Berliner Pfandbrief-Bank 1992 Umwandlung in Berlin Hyp Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank, 1996 Fusion mit der Berlin Hyp Hannover Rheinische Hypothekenbank AG 2002 Fusion zur Eurohypo AG (neu) 2001 Fusion zur HVB Real Estate AG Bayerische Handelsbank AG Nürnberger Hypothekenbank Süddeutsche Bodenkreditbank AG Frankfurter Hypothekenbank AG 1995 Fusion zur Frankfurter Hypothekenbank Centralboden AG Münchener Hypothekenbank eG Lübecker Hypothekenbank AG 1998 Fusion zur Eurohypo AG Württembergische Hypothekenbank AG Westfälische Landschaft Bodenkreditbank AG Dexia Hypothekenbank AG (früher Hypothekenbank in Berlin AG) Berlin-Hannoversche Hypothekenbank AG (Berlin Hyp) SEB Hypothekenbank AG (früher BfG Hyp) 2001 Fusion zur Allgemeinen HypoRheinboden AG thekenbank Rheinboden AG Allgemeine Hypothekenbank AG Westdeutsche Immobilienbank AG Frankfurter Hypothekenbank 1998 Fusion zur Eurohypo AG Centralboden AG Eurohypo AG 2002 Fusion zur Eurohypo AG (neu) Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden AG HVB Real Estate AG Deutsche Hypothekenbank AG 1998 Fusion zur Deutsche Hypothekenbank Frankfurt-Hamburg AG Hypothekenbank in Hamburg AG Norddeutsche Hypotheken- und Wechselbank AG Deutsche Hypothekenbank Frankfurt-Hamburg 2002 Fusion zur Eurohypo AG (neu) AG Eurohypo AG (neu)

Tabelle 75: Die institutionelle Entwicklung der Gruppe der Realkreditinstitute von 1990 bis 2002 am Bankplatz Berlin Quelle: Geschäftsberichte jeweilige Institute; eigene Erhebung.

Dagegen siedelten sich die Allgemeine Hypothekenbank, die Rheinboden Hypothekenbank, die SEB Hypothekenbank, die Münchener Hypothekenbank, die Württembergische Hypothekenbank und die Westfälische Landschaft Bodenkreditbank erst

296

Kapitel III

nach der deutschen Wiedervereinigung in Berlin an. Häufig hatten sie zuerst Geschäftsstellen im Süden der Neuen Bundesländer wie zum Beispiel in Chemnitz oder in Leipzig errichtet.195 Mit der Niederlassung in Ostdeutschland bzw. in Berlin verfolgten die Hypothekenbanken anfänglich das Ziel, ihren Kunden zu folgen. Vor Ort konnten sie eine bessere Beratung und Betreuung anbieten und die zu finanzierenden Immobilien sorgfältiger bewerten.196 In den Folgejahren bauten sie am Bankplatz Berlin Regionalzentralen auf, die für die Steuerung des Geschäftes im Großraum Berlin sowie im vorwiegend nördlichen Teil der neuen Bundesländer verantwortlich sind.197

ortsansässige Kreditinstitute Berlin-Hannoversche Hypothekenbank AG Dexia Hypothekenbank AG auswärtige Kreditinstitute DG Hyp Münchener Hypothekenbank eG Württembergische Hypothekenbank AG Westfälische Landschaft Bodenkreditbank AG SEB Hypothekenbank AG Rheinboden Hypothekenbank AG Allgemeine Hypothekenbank AG Bayerische Handelsbank AG Nürnberger Hypothekenbank Süddeutsche Bodenkreditbank AG Rheinische Hypothekenbank AG Deutsche Hypothekenbank Frankfurt-Hamburg AG (Dt. Hyp) Westfälische Hypothekenbank AG Schleswig Holsteinische Landschaft AG Eurohypo AG Deutsche Hypothekenbank (Actien-Gesellschaft) (Dt. Hyp)

Hypothekendeckungsbestand in Berlin lt. §28 HBG per Ultimo 2000 Betrag in Mio Euro Anteil in Prozent198 5.884,9 55,14 93,4 69,3199 808,4 180,3 483,9 92,9 362,9 403,4 398 1.100 623,5 820,2 1.360,4 1.931,5

4,5 2,13 14,1 2,3 13,9 9,8 9 13,6 7,25 12,8 10,6 10,5

814,3 1,5 2.598,3 471,6

17,6 0,14 13,7 13,5

Tabelle 76: Die im Jahr 2000 in Berlin tätigen Realkreditinstitute Quelle: Geschäftsberichte der jeweiligen Institute.

195

So eröffnete die Allgemeine Hypothekenbank erst 1993 eine Geschäftsstelle in Berlin. Dagegen hatte sie bereits 1991 eine Geschäftsstelle in Chemnitz errichtet. Vgl. Geschäftsbericht (1991), S. 10. Vgl. Geschäftsbericht der WL-Bank (1991), S. 8; Die WL-Bank eröffnete vor diesem Hintergrund eine Repräsentanz in Potsdam. 197 Vgl. o.V. (2001), S. 38. 198 Bezogen auf den inländischen Hypothekendeckungsbestand. 199 Der hohe Anteil des Deckungshypothekenbestandes in Berlin ist zu relativieren. Die Bank konzentriert sich seit 1995 auf das Kommunaldarlehensgeschäft. Dessen Deckungsbestand wird in der Bilanz nach Darlehensnehmer geordnet, nicht nach Regionen. Das noch ausgewiesene Hypothekargeschäft stellt noch nicht abgelaufene Darlehen dar. Gemessen an der Bilanzsumme nimmt es nur noch einen marginalen Anteil ein. 196

1989-2002

297

Der hohe Investitionsbedarf auf dem Immobiliensektor Ostdeutschlands, den die Süddeutsche Bodenkreditbank auf etwa eine Billion DM - davon ca. ein Drittel im gewerblichen Sektor - schätzte200, bot ein ausreichendes Wachstumspotential. Trotz anfänglicher bürokratischer Schwierigkeiten entwickelte sich das Neugeschäft in Ostdeutschland und am Bankplatz Berlin außerordentlich gut und konnte teilweise den rückläufigen Finanzierungsbedarf in den Altländern kompensieren.201 Im Jahr 2000 hatte die Mehrzahl der in Berlin ansässigen Hypothekenbanken mehr als 10% ihrer Hypothekarkredite in Berlin vergeben und mehr als ein Viertel in den Neuen Bundesländern.202 Berlin gehört damit zu den fünf größten Beleihungsregionen in Deutschland. Dabei wiesen jene Hypothekenbanken, die bereits vor 1990 in Berlin aktiv waren, auch nach der Wiedervereinigung ein größeres Beleihungsvolumen in Berlin auf. Zu den in Berlin domizilierenden Hypothekenbanken gehören die BerlinHannoversche Hypothekenbank AG und die Dexia Hypothekenbank AG. Die bislang von der Regionalstatistik der Gruppe der Realkreditinstitute subsumierte Wohnungsbau-Kreditanstalt wird seit 1993 der Gruppe des Sparkassensektors zugeordnet.203 Die Berlin-Hannoversche Hypothekenbank AG ging aus der bereits vor 1990 in Berlin ansässigen Berliner Pfandbrief-Bank hervor. Dieses öffentlich-rechtliche Realkreditinstitut wurde im Oktober 1992 in eine Bank mit privater Rechtsform umgewandelt.204 Hintergrund der Umfirmierung war das Auslaufen der Berlin-Förderung 1991. Dadurch verlor die Pfandbrief-Bank ihr zentrales Betätigungsfeld. Die Möglichkeit, die Bank infolge fehlender Existenzgrundlage zu schließen, wurde vom Land Berlin als Anteilseigner nicht in Betracht gezogen. Statt dessen firmierte die Bank in eine privatrechtliche Hypothekenbank um und erhielt die Möglichkeit, ihr Geschäftsgebiet auf das gesamte Bundesgebiet auszudehnen. Im Rahmen der Umstrukturierung der gesamten Bankaktivitäten des Landes Berlin erfolgte 1994 die Integration der Berlin Hyp in die Bankenholding. Im Konzerngeflecht der Bankgesellschaft Berlin nimmt die Berlin Hyp eine zentrale Stellung im Bereich der Immobilien und der damit verbundenen Dienstlei-stungen ein. 1996 fusio200

Vgl. Geschäftsbericht Südboden (1991), S. 15. Vgl. Rischer (1992), S. 53; Follak/Zill (1992), S. 43-45. Nach § 28 HBG werden in den Geschäftsberichten der einzelnen Hypothekenbanken die Bestände an Deckungshypotheken regional aufgegliedert. 203 Im Rahmen der Neuordnung der landeseigenen Bankaktivitäten wurde die Wohnungsbaukreditanstalt in die 1993 gegründete Investitionsbank Berlin überführt. Die IBB stellt eine gesonderte Abteilung der zum Sparkassensektor gehörenden Landesbank Berlin dar. Vgl. Kapitel III, Abschnitte 5.3.7 sowie 6.4.4 dieser Arbeit. 204 Die Umwandlung und Umfirmierung erfolgte auf der Grundlage der vom Berliner Abgeordnetenhaus am 17.09.1992 verabschiedeten Gesetzesvorlage. Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (1992), S. 7f. 201 202

298

Kapitel III

nierte die Berlin Hyp mit der gleichermaßen zur Bankgesellschaft gehörenden Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank AG. Damit avancierte die Berlin Hyp mit einer Bilanzsumme per 31. Dezember 1996 von 32,7 Milliarden DM zur fünftgrößten Hypothekenbank in Deutschland.205 Hauptziele der Fusion waren die Ausweitung der Geschäftstätigkeit in Verbindung mit einer Vergrößerung der Eigenkapitalbasis.206 Das Wachstum der Berlin Hyp sowie der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank war bis 1995 durch zweistellige Zuwachsraten geprägt, so daß sich seit 1989 die aggregierte Bilanzsumme beider Institute fast verdoppelt hatte. Dieses Wachstum entstand aus dem zurückgestauten Investitionsbedarf in Ostdeutschland, insbesondere in der Wohnungswirtschaft. Allein für den vorhandenen Baubestand auf dem Gebiet der ehemaligen DDR schätzte die Berlin Hyp den Modernisierungs- und Sanierungsaufwand auf 200 Milliarden DM.207 Bis 1991 wurde der Investitionsbedarf in Berlin größtenteils über die steuerbegünstigten Berlin-Darlehen finanziert. Seit Bestehen der Berlinförderung bis zum 31. Dezember 1989 hatte die Berlin Hyp bzw. die Berliner Pfandbrief-Bank mehr als 134.000 Berlin-Darlehen mit einem Volumen von nahezu 8 Milliarden DM für die Finanzierung von Objekten im Westteil der Stadt vergeben. Aufgrund des 1990 gerade in Berlin einsetzenden Baubooms sowie wegen des Auslaufens des § 17 Berlin-Fördergesetz zum 31. Dezember 1991 verdoppelten sich die Volumina dieser Mittel. 1990 wurden 1,7 Milliarden DM und 1991 sogar 5,3 Milliarden DM ausgezahlt. Damit vergab die Berliner Pfandbrief-Bank in den letzten zwei Jahren der Berlin-Förderung nahezu genauso viele Mittel, wie in den 15 Jahren zuvor. Insgesamt beläuft sich die Summe der durch die Berliner PfandbriefBank bis zum 31. Dezember 1991 vergebenen Berlin-Darlehen auf fast 15 Milliarden DM.208

205

Hauptaktionäre blieben auch weiterhin die Nord LB (10%) und die Bankgesellschaft Berlin (87%). Vgl. Enghusen (1996), S. 35. 207 Vgl. Geschäftsbericht Berliner Pfandbrief-Bank (1989), S. 19. 208 Vgl. Geschäftsberichte Berliner Pfandbrief-Bank der jeweiligen Jahrgänge. 206

1989-2002

299

50

Mrd. Euro

40 30 20

Bilanzsumme

10 0 -10 1991

1993

1995

1997

1999

2001

Zuwachs in %

Jahr

Abbildung 21: Entwicklung der Bilanzsumme der Berlin Hyp in Mrd. Euro Quelle: Geschäftsberichte Berlin Hyp 209.

Nach dem Auslaufen der Berlin-Darlehen änderte die Berlin Hyp ihre Strategie. Verfolgte sie das Geschäftsfeld Kommunalkredit aufgrund der geringen Margen bislang nur geringfügig, erhöhte sie ihre Kreditzusagen seit 1993 in diesem Bereich regelmäßig. Allein 1993 erteilte sie im Vergleich zum Vorjahr 3,5 mal so viele Kreditzusagen gegenüber den Kommunen. 1998 überstieg das Volumen an Kommunaldarlehen erstmalig die Höhe der Hypothekarkredite.210 Darüber hinaus sah die Berlin Hyp in der Sanierung des ostdeutschen Plattenwohnungsbaus viel Potential211. Des weiteren wurden die Aktivitäten im Ausland ausgebaut. Bereits 1998 betrug der Anteil des Auslandsgeschäftes, das über die Repräsentanzen in London und Amsterdam akquiriert wurde, am Gesamtgeschäft nahezu ein Zehntel. Während sich die Wachstumsdynamik seit Mitte der 1990er Jahre verlangsamte, erhöhte sich der Risikovorsorgebedarf. Zwar wies die Berlin Hyp 1997 einen um 14% gestiegenen Jahresüberschuß von nahezu 106 Millionen DM aus. Es stieg jedoch auch der Bedarf an Rückstellungen für das Kreditgeschäft. Mit einem Betrag von netto annähernd 147 Millionen DM erhöhte sich der Risikoaufwand um mehr als 10%. Somit wurden rund zwei Fünftel des 1997er Betriebsergebnisses von der Risikovorsorge aufgezehrt.212 Das Verhältnis von Betriebsergebnis und Risikovorsorge verschlechterte sich in den folgenden Jahren weiter.

209

Die Zahlen vor der Fusion 1996 wurden aus den Jahresabschlüssen der BHH und der Berlin Hyp addiert. Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (1998), S. 10. 211 Vgl. o.V. (1993d), S. 18; o.V. (1994e), S. 21. 212 Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (1997), S. 10f.; o.V. (1998d), S. 25. 210

Kapitel III

300

Im Jahr 2000 konnte das Betriebsergebnis die Risikovorsorge, die ein Volumen von nahezu 1,3 Milliarden DM ausmachte, nicht mehr tragen. Die Berlin Hyp mußte einen Jahresfehlbetrag von 1,1 Milliarden DM ausweisen.213

Mio Euro

700 600 500

Betriebsergebnis vor Risiko Risikovorsorge

400 300 200 100 0 1991

1993

1995

1997

1999

2001

Jahr

Abbildung 22: Entwicklung von Betriebsergebnis vor Risiko und Risikovorsorge in Mio. Euro Quelle: Geschäftsberichte der Berlin Hyp.214

Zu dieser Fehlentwicklung hat neben der negativen Baukonjunktur hauptsächlich das seit 1994 favorisierte Finanzierungsgeschäft der Plattenbausanierung beigetragen. Der Eintritt in des Bauträgergeschäft durch die Immobilientochter IBG der Berlin Hyp in Verbindung mit den Engagements bei dem Bauträger AUBIS-GmbH belasteten die Ergebnisentwicklung zusätzlich. Als besonders schädlich für die Entwicklung der Bank sind Kreditvergabepraxis, Konzeption und Kalkulation der Bauträgermaßnahmen zu werten, die nicht den betriebswirtschaftlichen Erfordernissen entsprachen. Hier wurden im Zuge großer Euphorie über die weitere Entwicklung des Berliner und ostdeutschen Immobilienmarktes unkalkulierbare Risiken eingegangen. Zu einem erheblichen Teil war diese Vorgehensweise parteipolitisch motiviert.215 213 214 215

Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (2000), S. 14f. Die Zahlen vor der Fusion 1996 wurden aus den Jahresabschlüssen der BHH und der Berlin Hyp addiert. Trotz der bereits seit Mitte der 1990er Jahre eintretenden Skepsis bezüglich der nachhaltigen Rentabilität der Sanierung von Plattenbauten, hielt die Berlin Hyp an diesen Geschäften fest. Offenbar auch entgegen anderslautender Empfehlungen aus der Bankgesellschaft. Besonders bedenklich muß die Kalkulation des Sanierungsaufwandes durch den Bauträger AUBIS stimmen. Mit 500 DM je qm setzte er nicht einmal die Hälfte dessen an, was die Münchener Hypothekenbank für eine sachgerechte Plattenbausanierung kalkulierte. Zum Zweck der Refinanzierung erfolgte 1997 der Verkauf von 4.000 von insgesamt 16.000 zu sanierenden Plattenwohnungen an die IBV, einer weiteren Tochter der Berlin Hyp. Die IBV legte verschiedene geschlossene Immobilienfonds auf, die mit umfangreichen Garantien der Bankgesellschaft ausgestattet wurden. An der Seriosität dieser Finanzierungs- und Refinanzierungspraxis bestehen erhebliche Zweifel. Vgl. Waldmann (2001a), S. 39; Waldmann (2001b), S. 14; o.V. (2000d), S. 46ff.

1989-2002

301

Im Jahresabschluss 2000 stellte man infolge hoher Risikovorsorge und starken Ertragseinbruches eine Unterkapitalisierung der Berlin Hyp fest. Eigenkapitalkennziffern nach KWG und HBG wurden nicht mehr eingehalten, so daß im Folgejahr das Neugeschäft stark eingeschränkt war und um mehr als die Hälfte zurückging.216 Das Sanierungskonzept der Bank sah neben einer Kapitalerhöhung, die im Oktober 2001 durchgeführt wurde, die Emission von Genußrechtskapital vor sowie eine Neugestaltung der Ablauf- und Aufbauorganisation, insbesondere im Kreditprüfungsbereich. Die wesentlichsten Elemente des Sanierungsplanes stellten aber, wie auch bei der Muttergesellschaft der Bankgesellschaft Berlin, die Grundsatzvereinbarungen vom Dezember 2001 und April 2002 mit dem Land Berlin dar, die eine Abschirmung aller Risiken aus den Immobiliengeschäften durch das Land Berlin vorsahen.217 Aufgrund der umgesetzten Kosten- und Risikosenkungsmaßnahmen reduzierten sich die Personal- und Sachkosten in den Folgejahren. Dennoch konnte das Ergebnis die nach wie vor hohe Risikovorsorge nicht auffangen. 2002 wurde ein Ergebnis nach Risiko von –51,2 Millionen Euro erzielt.218 Erst ab 2004 wird mit einer nachhaltigen Reduktion der Risikokosten und einem ausgeglichenen Gesamtergebnis gerechnet.219 Im Hinblick auf die Bilanzsumme, die 2002 etwas mehr als 43 Milliarden Euro betrug, belegte die Berlin Hyp Rang 33 der 100 größten Kreditinstitute Deutschlands.220 Im Gegensatz zur Berlin Hyp entwickelte sich die DEXIA Hypothekenbank Berlin AG ohne Bilanzverluste. Zwar mußte auch dieses Institut infolge gestiegener Risiken ihre Risikovorsorge erhöhen, jedoch konnte bislang immer ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt werden. Die DEXIA Hypothekenbank ging aus der erst im Februar 1991 gegründeten Hypothekenbank in Berlin AG hervor. Mit der Gründung dieser neuen Hypothekenbank am Standort Berlin verbanden die Gründer221 moralische und ökonomische Aspekte. Unter moralischen Gesichtspunkten wollte man mit der Gründung einer neuen Hypothekenbank den Willen und das Engagement beim Aufbau der fünf neuen Bundesländer sowie Ostberlin zum Ausdruck bringen. Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten fiel die Standortwahl für diese Bank zugunsten des Bankplatzes Berlin aus, da gerade im Großraum Berlin ein enormer Investitionsbedarf und damit verbunden hohes Nachfragepotential an Finanzierungen erwartet wurde. Die zentrale Lage Berlins innerhalb der neuen Bundesländer, die potentielle Entwicklung Berlins zu einem führenden Wirtschaftszentrum innerhalb Mitteleuropas sowie die Verlegung des 216

Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (2001), S. 18. Vgl. ders., S. 10. Vgl. Geschäftsbericht Berlin Hyp (2002), S. 14f. 219 Vgl. ders., S. 26. 220 Vgl. o.V. (2003), S. 499. 221 Das Gründungskapital wurde zu 32,5% von der Hypothekenbank in Essen AG und zu 67,7% von der Unternehmensgruppe Dr. Schuppli aufgebracht. 217 218

302

Kapitel III

Regierungssitzes von Bonn nach Berlin und dem damit verbundenen Zuzug führender multinationaler Unternehmen sprachen für eine Ansiedlung in Berlin.222 1995 beteiligte sich die französische Credit Local de France (CLF) zu 50,5% an der Hypothekenbank, die in dem Zusammenhang in CLF Hypothekenbank Berlin umfirmierte.223 1997 änderte die Bank erneut ihren Namen in DEXIA Hypothekenbank, da die CLF mit der belgischen Credit Communale zur DEXIA-Gruppe fusionierte.224 Das Bilanz- und Ertragswachstum der Hypothekenbank gestaltete sich seit Geschäftsaufnahme 1991 außerordentlich gut. Im Zusammenhang mit dem Einstieg der DEXIA-Gruppe fokussierte sich die Hypothekenbank in Berlin auf den Bereich des Kommunalkredits. Das Neugeschäft in diesem Geschäftsfeld erreichte 1997 ein Volumen von fast 12 Milliarden DM, während im Bereich des Hypothekardarlehens lediglich 140 Millionen DM Neugeschäft generiert wurden. Das Wachstum wurde durch regelmäßige Kapitalerhöhungen begleitet, aber auch durch eine Zunahme der Risikovorsorge. Es bleibt abzuwarten, wie sich eine mögliche Neubewertung von Risiken gegenüber der öffentlichen Hand vor dem Hintergrund der neuen Basel-II-Richtlinien auf die Lage der Bank auswirken wird. Schon jetzt werden durch die franko-belgische Mutter erhöhte Anforderungen an die Eigenkapitalrentabilität gestellt. In Verbindung mit der konjunkturellen Unsicherheit bewirkte dies einen Rückgang des Neugeschäftes seit 2000 im Inland. Zum Ausgleich ist die Dexia Hypothekenbank Berlin AG zunehmend im europäischen Staatsfinanzierungsgeschäft aktiv. Dieses Geschäft machte im Jahr 2002 bereits rund ein Drittel des gesamten Neuzusagevolumens aus, wobei der regionale Fokus auf Italien, Griechenland und Belgien lag.225 Mit fast 31 Milliarden Euro Bilanzsumme belegte die Dexia Hypothekenbank AG im Jahr 2002 Rang 38 der 100 größten Banken in Deutschland.226

222

Vgl. Hubert Schulte-Kemper (1991), S. 25ff. Die Beteiligung der CLF war notwendig geworden, um eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Starkes Wachstum und hohe Risikovorsorgepositionen im Jahr 1994 hatten den Finanzierungsspielraum der Hypothekenbank in Berlin eingeengt. Die erst 1993 vom französischen Staat privatisierte CLF beteiligte sich an der Hypothekenbank in Berlin, um von hier aus ihre strategischen Expansionspläne für Europa zu verwirklichen. Als Spezialist für Kommunaldarlehen hielt die CLF gerade dieses Geschäftsfeld in Deutschland für besonders aussichtsreich. 224 Die CLF und die CCB waren bereits im November 1996 eine strategische Allianz eingegangen, die 1997 über eine Fusion manifestiert wurde. 225 Vgl. Geschäftsbericht Dexia Hyp (2001), S. 10; Geschäftsbericht Dexia Hyp (2002), S. 8. 226 Vgl. o.V. (2003), S. 499. 223

50000 45000 40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000 5000 0

303

Risikovorsorge BE vor Risiko

19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02

Tausend Euro

1989-2002

Jahr

Abbildung 23: Entwicklung von Betriebsergebnis vor Risiko und Risikovorsorge der DEXIA Hypothekenbank Berlin AG Quelle: Geschäftsberichte DEXIA Hyp

6.4.7 Differenziertes Ansiedlungsverhalten von Auslandsbanken und Repräsentanzen Seit 1993 werden in der Bankenstatistik die Repräsentanzen ausländischer Banken sowie Auslandsbanken227 explizit ausgewiesen. Während die Anzahl der Auslandsbanken zunahm, ging die Zahl der reinen Repräsentanzen zurück. Bis 1995 eröffneten aus Japan sowie aus Ost- und Mitteleuropa kommende Banken verstärkt Repräsentanzen in Berlin. Seit 1996 nahm ihre Menge jedoch ab. Wurden 1995 noch 45 Repräsentanzen gezählt, waren es 2001 nur noch 18. Angesichts unerfüllter Erwartungen an den Wirtschaftsstandort und den Finanzplatz Berlin gaben die Banken ihre Repräsentanz relativ schnell wieder auf. Dagegen ist die regelmäßige Zunahme der Auslandsbanken, 227

Zweigstellen ausländischer Banken und die sich mehrheitlich im Besitz von Auslandsbanken befindlichen deutschen Banken.

Kapitel III

304

insbesondere der sich im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken befindenden deutschen Institute, auf die zunehmende Internationalisierung des Bankwesens zurückzuführen.

50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0

Auslandsbanken Repräsentanzen

1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Jahr

Abbildung 24: Auslandsbanken und Repräsentanzen ausländischer Banken in Berlin Quelle: Geschäftsberichte LZB-BB

Einen Überblick über die im Jahr 2001 anwesenden Auslandsrepräsentanzen gibt nachstehende Tabelle.

1989-2002

305

Repräsentanzen ausländischer Banken Bank Hapoalim B.M.Repräsentanz Bank Leumi le-Israel B.M. Repräsentanz Caixa Geral Depositos, S.A., Repräsentanz Die Aktienbank der Entwicklung Promradtechbank Repräsentanz Golomt Bank of Mongolia Repräsentanz Graubündener Kantonalbank Industry & Construction Bank - Promstrojbank - Repräsentanz Berlin Interglob Bank Moskau Repräsentanz Berlin Israel Discount Bank Ltd. Repräsentanz Berlin Joint Stock Commercial Bank „B.I.N.“, Repräsentanz Kommerz-Aktienbank „Saretschje“ Repräsentanz Omskpromstrojbank Repräsentanz Pamukbank T.A.S. Repräsentanz Rabobank International Frankfurt Branch Sümerbank A.S. Repräsentanz Tekstil Bankasi A.S. Repräsentanz Deutschland The Bank of Tokyo-Mitsubishi Türkiye Cumhuriyet Merkez Bankasi Repräsentanz Türkiye Halk Bankasi A.S. Repräsentanz VP Bank (Verwaltungs- und Privat-Bank AG) Repräsentanz Tabelle 77: Repräsentanzen ausländischer Banken am Bankplatz Berlin im Jahr 2001 Quelle: Landeszentralbank Berlin-Brandenburg

6.5

Die Berliner Börse als retail-orientierte Spezialbörse

Die Berliner Börse entwickelte sich im ersten Jahrzehnt nach dem Fall der Mauer außerordentlich gut. Die veränderten politischen Rahmenbedingungen sowie das innovative Agieren der Berliner Wertpapierbörse auf neue ökonomische und technische Gegebenheiten riefen eine expansive Entwicklung hervor, die sich in steigenden Umsätzen, einer wachsenden Anzahl gelisteter Werte und zugelassener Marktteilnehmer dokumentiert. Die bereits Ende der 1980er Jahre eingeleiteten Veränderungen in der Rechts- und Organisationsstruktur der Berliner Börse und deren konsequente Fortführung trugen ebenfalls zur positiven Entwicklung der Börse bei. Von wesentlicher Bedeutung war hierbei der Wechsel in der Trägerschaft, der zum Ende des Jahres 1989 vollzogen wurde. Statt der Industrie- und Handelskammer zu Berlin übernahm der neugegründete Verein Berliner Börse e.V. die Trägerschaft.228 Im Jahr 2000 wurde die Träger- und Leitungsstruktur erneut modernisiert und der Börsenbetrieb in eine Aktiengesellschaft überführt.229 228 229

Vgl. Verein Berliner Börse e.V. (1990), S. 7f. Vgl. Jahresbericht BWB (2000), S. 4.

306

Kapitel III

Zu Beginn der 1990er Jahre blieb die Entwicklung der Berliner Börse noch hinter den hohen Erwartungen zurück. Die Wertpapierumsätze sanken, die Anzahl der amtlichen und Freimakler ging zurück.230 Erst 1993 stieg der Umsatz um mehr als 300%, wodurch erstmalig die 100-Milliarden-Euro-Grenze überschritten wurde.231 Die Einführung verschiedener börsengängiger Rentenpapiere ortsansässiger Banken, die im Rahmen ihrer Expansionsstrategie neue Finanzierungsinstrumente plazierten, war Hauptursache dieses Umsatzanstieges.232 Wie in der Periode vor dem Ersten Weltkrieg fungierten die Banken als Effektenmaterialbeschaffer der Berliner Börse.233 Seit 1996 weitete sich der Aktienumsatz kontinuierlich aus, so daß sein Anteil am Gesamtumsatz der Berliner Börse stieg und 1999 erstmalig größer war als der Rentenumsatz. Der Aktienumsatz an der Berliner Börse stieg von rund 64 Milliarden auf nahezu 100 Milliarden Euro und erhöhte sich damit um mehr als 50%, während an den anderen Börsen der Aktienumsatz 1999 durchschnittlich nur um 7% stieg.234 Die kontinuierliche Ausweitung des Umsatzes in Verbindung mit einer Verschiebung des Anteiles zugunsten der Aktienwerte ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Einerseits waren die 1990er Jahre durch eine anhaltend positive Börsenentwicklung geprägt. Steigende Umsätze wurden sowohl durch ansteigende Kurse und damit sich erhöhende Volumina je Einzelumsatz als auch durch ein steigendes Orderaufkommen hervorgerufen. Andererseits fokussierte die Berliner Börse mit ihren Produktinnovationen auf die Zielgruppe des Privatanlegers, dabei insbesondere auf den tradingorientierten Investor. Zu den herausragendsten Produktinnovationen zählt die Flexibilisierung des Marktsegmentes Freiverkehr, wodurch die Zulassung von einer Vielzahl ausländischer Aktien zum Handel in Berlin möglich wurde. Dabei setzte die Berliner Börse auf usamerikanische und osteuropäische Wachstumstitel und damit auf jene Aktien, welche die Börsenhausse der 1990er Jahre dominierten. Nachdem bereits 1997 und 1998 nahezu 30% der Nasdaq-Titel in Berlin handelbar waren, wurden zur Mitte des Jahres 1999 ca. 3.500 neue Nasdaq-Werte in den Handel an der Berliner Börse einbezogen, so daß sämtliche an der Nasdaq handelbaren Aktien auch zum Handel in Berlin zuge230

Hierzu trug maßgeblich die Einführung von IBIS bei, wodurch sich der Trend zur Konzentration des Börsenumsatzes insbesondere in DAX-Werten auf die Frankfurter Wertpapierbörse verstärkte. Durch die Einführung von XETRA 1997 setzte sich dieser Trend fort. Vgl. Blome (1993), S. VIII. 231 Vgl. Jahresbericht BWB (1999), S. 9. 232 Zu den Daueremittenten festverzinslicher Wertpapiere an der Berliner Wertpapierbörse zählen die Berlin Hyp, die Dexia Hypothekenbank, die LBB, Berliner Volksbank, Bankgesellschaft Berlin, Mittelbrandenburgische Sparkasse Potsdam, Weberbank, Kreissparkasse Teltow-Fläming, Sparkasse Oder-Spree. Sie emittierten hauptsächlich Inhaberschuldverschreibungen mit und ohne Nachrang sowie Genussscheine. Vgl. u.a. Jahresbericht BWB (2000), S. 38. 233 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.3 dieser Arbeit. 234 Vgl. Jahresbericht BWB (1999), S. 10.

1989-2002

307

180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

Renten Aktien Total

19 90 19 91 19 92 19 93 19 94 19 95 19 96 19 97 19 98 19 99 20 00 20 01 20 02

Mrd. Euro

lassen waren. Insgesamt waren zum Ende des Jahres 1999 mehr als 7000 ausländische Aktien aus mehr als 60 Ländern an der Berliner Börse gelistet.235

Jahr

Quelle: Geschäftsberichte Berliner Wertpapierbörse Abbildung 25: Entwicklung der Wertpapierumsätze an der Berliner Wertpapierbörse

Diese Dominanz in internationalen Unternehmenswerten baute die Berliner Börse weiter aus, so daß im März 2002 mehr als 9000 Aktien aus dem Ausland handelbar waren. Fast 60% davon waren us-amerikanische Werte. Aus Osteuropa wurden in Berlin 120 Aktien, davon 45 aus Russland, angeboten. Darüber hinaus erhöhte die Berliner Börse ihr Wertpapierangebot im Derivatebereich. Mehr als 25.000 Zertifikate und Optionsscheine werden im Rahmen des Berliner Freiverkehrs im Untersegment ZOBEX gehandelt.236 Die zunehmende Zahl gelisteter Werte an der Berliner Börse und ihre Entwicklung zu einer standortunabhängigen Computerbörse steigerten das Interesse vieler auswärtiger Makler und Kreditinstitute, am Berliner Markt aktiv zu sein. 2001 waren 109 Kreditinstitute, 32 Freimakler und 3 amtliche Kursmakler an der Berliner Börse als Marktteilnehmer zugelassen. Besonders stark stieg die Zahl der zugelassenen Kreditinstitute. Sie konnte sich seit 1992, als erst 38 Kreditinstitute zugelassen waren, bis 2001 fast verdreifachen.237 235

Vgl. Jahresbericht BWB (1999), S. 12. Vgl. Jahresbericht BWB (2001), S. 24ff. 237 Vgl. Jahresbericht BWB (2001), S. 11. 236

Kapitel III

308

Trotz der erfolgreichen Entwicklung der Berliner Börse ist ihr Marktanteil an den bundesdeutschen Wertpapierumsätzen sehr bescheiden geblieben. Zwar konnte sie sich im Wettbewerb zwischen den Regionalbörsen behaupten und 1999 Platz 2 nach der Stuttgarter Börse belegen, die Dominanz der Frankfurter Börse blieb jedoch ungebrochen.238 Für die sieben Regionalbörsen verblieb im Hinblick auf den Gesamtwertpapierumsatz im Jahr 2000 lediglich ein Marktanteil von insgesamt etwas mehr als 16%. Davon repräsentierte Berlin mit mehr als 133 Milliarden Euro Wertpapierumsatz einen Anteil von nahezu 14%, was einem bundesweiten Marktanteil von 2,2% entspricht.239 Im Zusammenhang mit der Umsatzausweitung erhöhten sich Erlöse240, Jahresüberschuß und die Bilanzsumme. 1999 erzielte die Berliner Wertpapierbörse einen Jahresüberschuß von 6,6 Millionen Euro und erreichte eine Bilanzsumme von mehr als 30 Millionen Euro.241

45000 40000 35000 30000 TEUR

25000 20000 15000

Umsatzerlöse JÜ Bilanzsumme

10000 5000 0 -5000

1997

1998

1999

2000

2001

2002

-10000 Jahr

Abbildung 26: Entwicklung der Bilanzsumme, Umsatzerlöse und Jahresüberschüsse der Berliner Wertpapierbörse seit 1997 Quelle: Geschäftsberichte der Berliner Börse

238

Vgl. Jahresbericht BWB (1999), S. 10. Vgl. Jahresbericht BWB (2000), S. 41; Deutsche Börse AG (2000), S. 33. Der gesamte Wertpapierumsatz in Deutschland 2000 betrug mehr als 6 Billionen Euro, davon entfielen auf die Regionalbörsen rund 936 Millionen Euro. 240 Neben den ordentlichen Erträgen aus der Zunahme der Geschäftsabschlüsse und Schlußnotenaufkommen, stiegen die Erlöse aus den Zulassungsgebühren für die Finanzdienstleister sowie die Erträge aus der Kursvermarktung. 241 Vgl. Jahresbericht BWB (1999), S. 31. 239

1989-2002

309

Das Jahr 2000 markierte im Börsengeschehen einen nachhaltigen Wendepunkt, der nicht ohne Auswirkungen auf die Umsatzentwicklungen aller Börsen blieb. Zwar konnten sich im I. Quartal 2000 die Aktienumsätze im Vergleich zum Vorjahresquartal erneut um mehr als 50% auf nahezu 41 Milliarden Euro erhöhen. Seitdem mußten jedoch ständig sinkende Umsätze hingenommen werden. Insgesamt sanken die Umsätze im Jahr 2000 um 20%.242 2001 halbierten sie sich nahezu und fielen weit unter die 100-Milliarden-Euro-Grenze. Besonders betroffen waren die Aktienumsätze, die von 83,64 Milliarden auf 25,63 Milliarden Euro zurückgingen und damit um ca. 70% einbrachen.243 Da es insbesondere die nationalen und internationalen Wachstumswerte waren, deren Kurse seit Beginn der Börsenbaisse stark zurückgingen, zeigte sich die Berliner Börse von dieser Entwicklung besonders betroffen, da sie sich auf diese Werte spezialisiert hatte. Nachdem die Berliner Börse trotz Umsatzrückgang im Jahr 2000 das bislang beste Jahresergebnis seit Ende des Zweiten Weltkrieges erzielt hatte244, mußte sie aufgrund der anhaltend schlechten Umsatzentwicklung im Jahr 2001 erstmalig einen Jahresfehlbetrag in Höhe von rund 5 Millionen Euro ausweisen.245 Neben sinkenden Erlösen waren dafür auch die Personal- und IT-Kosten verantwortlich, die sich nahezu verdoppelten.246 Die Schaffung einer Online-Handelsplattform und ihre Komplettierung durch Kurs-, Finanz- und Wirtschaftsinformationen in Zusammenarbeit mit ONVISTA, die Schaffung eines eigenen Marktsegmentes für den Handel mit Zertifikaten und Optionsscheinen - ZOBEX - , die Öffnung der Orderbücher für den Privatanleger und die Verbesserung der Handelsüberwachung verursachten hohe Investitionskosten, denen noch keine entsprechenden Umsätze gegenüberstanden.247 Im Jahr 2002 gingen die Umsätze vor dem Hintergrund eines anhaltend schwachen Marktumfeldes weiter zurück. Wurden 2001 noch 73 Milliarden Euro erzielt, waren es 2002 nur noch 56 Milliarden Euro. Mit einem Rückgang von fast einem Drittel sank der Umsatz in Aktien besonders stark.248 Durch strenge Kostendisziplin verbesserte sich der Jahresüberschuß der Berliner Börse um 1,7 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr, so dass der Jahresfehlbetrag nur noch 3,3 Millionen Euro betrug. Daß der Bilanzgewinn mit 13,1 Millionen Euro ausgewiesen werden konnte, ist lediglich auf den Verkaufserlös einer Beteiligung an der Deutschen Börse Beteiligungsgesellschaft mbH in Höhe von rund 17,7 Millionen Euro zurückzuführen.249 242

Vgl. Jahresbericht BWB (2000), S. 41. Vgl. Jahresbericht BWB (2001), S. 10. Vgl. Jahresbericht BWB (2000), S. 31f. 245 Vgl. Jahresbericht BWB (2001), S. 48f. 246 Die Personal- und IT-Kosten stiegen von 6,5 Millionen Euro auf 11,9 Millionen Euro. 247 Vgl. Jahresbericht BWB (2000), S. 9f. 248 Vgl. Jahresbericht BWB (2002), S. 17. 249 Vgl. Jahresbericht BWB (2002), S. 19, S. 21. 243 244

310

Kapitel III

Um neues Order- und damit Umsatzaufkommen zu generieren, ging die Berliner Börse verschiedene Allianzen ein. Von grundlegender Bedeutung war der Kooperationsvertrag, den die Berliner Börse im November 2001 mit der europäischen Tochterbörse der US-amerikanischen NASDAQ abschloß.250 Diese Allianz diente der Einführung der hybriden Handelsplattform „Nasdaq Deutschland“251 und stellte die Vorstufe zur im März 2003 durchgeführten Fusion der Berliner Börse mit der Wertpapierbörse in Bremen dar. Mit dieser Fusion, die bereits im Juni 2002 angekündigt wurde, scheint der erwartete Konsolidierungsprozeß unter den Regionalbörsen begonnen zu haben. Durch die Fusion der Berliner Börse mit der Bremer Börse wurden zwei privatrechtliche Trägergesellschaften für zwei unterschiedliche Handelssysteme zusammengefaßt. Während die Berliner Börse AG den Skontroführerhandel fortführte, wurde der elektronische Handel von der Nasdaq Deutschland AG betrieben. Unter dem Dach der Börse Berlin-Bremen hatten beide Trägergesellschaften mit ihren unterschiedlichen Handelssystemen gemeinsame Überwachungsorgane, Gremien und eine gemeinsame Geschäftsführung.252 Mit dieser Fusion und dem Aufbau einer hybriden Handelsplattform reagierte die Berliner Börse sowohl auf sinkende Umsätze und negative Jahresergebnisse als auch auf die Einführung der Internalisierungsplattform „XETRA BEST“ im September 2002 an der Frankfurter Börse.253 Mit „Nasdaq Deutschland“ verfolgte man das Ziel, in drei Jahren an den Internalisierungsumsätzen einen Marktanteil von 15% zu erreichen und damit zweitgrößter deutscher Handelsplatz zu werden. Operativ strebte man bereits für das Jahr 2004 die Gewinnzone an.254 Nur fünf Monate später, im August 2003, mußte die Berliner Börse dieses Projekt jedoch aufgeben. Mangels

250

Vgl. Jahresbericht BWB (2001), S. 12, S. 47. Die Nasdaq-Europe ist die europäische Tochtergesellschaft der us-amerikanischen Nasdaq. Diese hatte im März 2001 die Easdaq übernommen. Die Easdaq hatte sich zu diesem Zeitpunkt gegenüber den etablierten Wettbewerbern nicht durchsetzen können. Die Nasdaq Europe hatte die Absicht, eine paneuropäische Börse für den Aktienhandel aufzubauen. Aufgrund unüberwindbarer Regulierungsvorschriften wurde dieser Plan wieder aufgegeben. Statt dessen konzentrierte man sich nun auf das zweite Projekt: Nasdaq Deutschland. Vgl. o.V. (2002s), S. 17. 251 Das hybride Handelssystem Nasdaq Deutschland beinhaltet neben dem Orderbuch für institutionelle Anleger auch eine Internalisierungsfunktion für den Privatanleger. Hierbei wird im Rahmen eines Market Maker Konzeptes eine „Best-Execution-Garantie“ gegeben, die sich in Konkurrenz zu dem von der Deutschen Börse entwickelten „Xetra-Best-Konzept“ stellt. Im Gegensatz zum US-Markt handelt es sich dabei aber nicht um die Garantie eines „National-Best-Bid-Offer“, weswegen das Marktmodell von Nasdaq Deutschland mehrheitlich kritisch betrachtet wird. Vgl. Walter (2002), S. B2; Schwaldt (2003a), S. 34; Neubacher (2002), S. 17. 252 Vgl. Walter (2002), S. B2. 253 Die Internalisierung der Börsengeschäfte, die von den Banken betrieben wird, den Interessen der Börse aber entgegensteht, betrachtet eine Vielzahl von Experten grundsätzlich kritisch. Insbesondere die Gefahr der Liquiditätsaustrocknung des gesamten Kapitalmarktes und der Preismanipulation in den außerbörslichen Handelsplattformen werden als Argumente gegen die Internalisierung angeführt. Wenn sich Banken also ihre Börsen selbst formen, so hat das neben symbiotischen Vorteilen auch systemische Nachteile, die den funktionellen Bereich der Börse betreffen. Vgl. Büschgen (1995), Banken und Börsen; Theissen (2002). 254 Vgl. o.V. (2003), S. 21. Bereits zum Start hatten 40 deutsche Banken und Sparkassen die Möglichkeit geschaffen, an der deutschen Nasdaq zu handeln.

1989-2002

311

Aufträge stellte die Nasdaq Deutschland am 29. August 2003 ihren Handel ein und gab damit ihre Auslandsaktivitäten endgültig auf.255 Um dennoch den notwendigen Orderflow zu erzielen, setzte die Börse Berlin-Bremen nunmehr verstärkt auf den Fondshandel. Es erfolgte eine Spezialisierung auf die regulären Publikumsfonds, wobei bereits gute Zuwachsraten erzielt wurden.256 Angesichts einer anhaltend schwachen Börsenentwicklung, rückläufiger Umsätze und der Dominanz der Frankfurter Börse ist die Zukunft der Regionalbörsen und auch der Regionalbörse Berlin ungewiß. Zwar haben bislang Marktstrategie und Innovationspotential der Berliner Börse einen bemerkenswerten Erfolg gebracht. Das schnelle Ende der neuen Handelsplattform ist jedoch auch im Hinblick auf die Entwicklungskosten als Rückschlag zu werten. Ohnehin ließen abnehmende Umsätze und negative Jahresergebnisse der Mehrzahl der Regionalbörsen die Frage nach ihrer Existenzberechtigung wieder in den Fokus treten, nachdem die Diskussion über die Konsolidierung im deutschen Börsenwesen in der Boomphase der Wertpapierumsätze fast zum Erliegen gekommen war. Zusätzlich wird die Existenz der Regionalbörsen auch von der anhaltenden Tendenz zur Internalisierung der Börsengeschäfte bedroht. Letztlich wird über die Zukunft der Regionalbörsen und damit auch über die Berliner Börse der Markt entscheiden.257

255

Vgl. Schwaldt (2003), S. 15; o.V. (2003), S. 21. Vgl. Antonoff (2003a), S. 19; Schwerdtfeger (2003), S. 130-131. Im Gegensatz dazu spezialisierten sich die Börsen Düsseldorf und Hamburg-Hannover auf den Handel mit Anteilen geschlossener Fonds. Vgl. dazu o.V. (2003k), S. 796. 257 Bereits 1997 konterte der bayerische Wirtschaftsminister WISHEUL mit diesen Worten auf die Forderung des damaligen Vorstandssprechers der Deutschen Bank BREUER, die deutschen Regionalbörsen sollten sich weitestgehend aus dem Aktienhandel zurückziehen. Vgl. o.V. (1997), S. 17. Die Geschäftsführerin der Börse München BORTENLÄNGER geht davon aus, daß in Deutschland nur zwei bis drei Regionalbörsen überleben werden. Vgl. o.V. (2003a), S. 19. Vgl. auch Antonoff (2003), S. 17. 256

312

Kapitel III

Das Erfolgsfaktorensystem

313

IV. Das System der Standorterfolgsfaktoren am Finanzplatz Berlin Nachdem die Entstehung des Finanzplatzes Berlin seit 1640 und seine Entwicklung bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts dargestellt und analysiert wurde, erfolgt in diesem Kapitel eine Auswertung der Finanzplatzgeschichte im Hinblick auf relevante Erfolgsfaktoren des Finanzplatzes Berlin. Dazu werden zunächst fazitartig die wichtigsten Standortbedingungen des Finanzplatzes Berlin in den jeweiligen Entwicklungsphasen herausgearbeitet. Daran anschließend werden die im zweiten Kapitel vorgestellten theoretischen Dimensionen aufgegriffen und den historischen Abläufen unter dem Blickwinkel der relevanten Standortbedingungen gegenübergestellt. Damit verbunden ist die Frage, welche Schlüsse aus der Historie und der Theorie bezüglich der zukünftigen Entwicklung des Finanzplatzes Berlin abgeleitet werden können.

1.

Die Standortbedingungen in den historischen Entwicklungsphasen

Der Grundstein für die Entfaltung Berlins zum zentralen Bank- und Börsenplatz in Preußen bzw. Deutschland wurde in der hier als Anfangsphase bezeichneten Periode von 1640 bis 1806 gelegt. Zwar hatte der Dreißigjährige Krieg dazu geführt, daß in dem sich territorial weit erstreckenden Preußen nur noch eine relativ geringe Bevölkerungspopulation lebte. Dieser selektive Faktornachteil wurde jedoch von den preußischen Monarchen überwunden, in dem sie eine progressive Einwanderungspolitik betrieben. Unabhängig von religiösen und weltanschaulichen Grundsätzen war in Brandenburg/Preußen jeder willkommen, der dem Staat durch mitzubringendes Wissen, Fertigkeiten oder Vermögen von Nutzen sein konnte. Dabei waren es besonders die jüdischen und hugenottischen Einwanderer, die Verbindungen ins Ausland unterhielten, über ein gewisses Vermögen verfügten, Kenntnisse im Geld- und Kreditwesen besaßen oder handwerklich und gewerblich neue Methoden einführten.1 Die Einwanderer siedelten sich überwiegend in Berlin an, um im Schutzkreis des Herrschers zu bleiben. Aufbauend auf ihren Kenntnissen und ihrem Unternehmergeist begann sich in Berlin die Textilindustrie zu entwickeln. Damit verbesserten sich die Angebotsbedingungen des Standortes nachhaltig. Folglich siedelten sich die ersten jüdischen Geld- und Handelshäuser in Berlin an. Ebenfalls an geschäftlichen Kontakten mit der Krone interessiert, ließen sich auch christliche Bankhäuser in Berlin nieder. 1

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.1 dieser Arbeit.

314

Kapitel IV

Die zwei staatseigenen Banken, die König Friedrich II. mit der Zielsetzung der Wiederbelebung des Handels nach dem Siebenjährigen Krieg gründete, nahmen gleichfalls Berlin als Firmensitz, um aktuelle Entwicklungen mit dem Herrscher schnell besprechen zu können. Die sich durch die örtliche Nähe ergebenden Kommunikationsvorteile waren hier ausschlaggebend für die Standortentscheidung.2 Die von der Regentschaft durchgeführten wirtschaftspolitischen Maßnahmen und die von der Krone ausgehende Nachfrage nach Finanzdienstleistungen ließen Berlin zur reichsten Region in Preußen werden. Infolge der sich erhöhenden Standortattraktivität Berlins, sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite, siedelten sich zusätzliche Gewerke an. Weitere Bankhäuser nahmen ebenfalls ihren Sitz in Berlin. Ihre Standortentscheidung baute auf der Standortentscheidung der bereits ansässigen Unternehmer auf. Die zunehmende Sicherheit des geordneten und rechtlich organisierten Börsenverkehrs an der Berliner Börse erhöhte die Agglomerationseffekte am Bankplatz Berlin zusätzlich.3 Der Aufstieg des Bankplatzes Berlin zum zentralen Bankplatz vollzog sich in der Zeit von 1806 bis 1866 bzw. 1870. Die Parameter des systemischen Anforderungsprofils bildeten während dieser Zeit ein besonders enges Beziehungsgeflecht aus und verstärkten sich gegenseitig in ihrer Wirkung.4 Die Anwesenheit des Königs und der Regierung und die von ihnen ausgehende Wirtschaftspolitik, die sich stark auf Berlin konzentrierte, begünstigte die Ansiedlung von Industrieunternehmen in der Stadt. Die Manufaktur- und später die Industriebetriebe finanzierten sich über die Privatbanken oder staatliche Kreditinstitute, die bereits am Bankplatz Berlin ansässig waren oder sich neu etablierten. Die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Berliner Banken ging einher mit der Gründung eines neuen Bankentyps. Durch das Wirken kapitalstarker Privatbanken entstanden am Bankplatz Berlin mit der Berliner Handelsgesellschaft und der Discontogesellschaft zwei Banken, die den neuen Finanzierungsbedürfnissen der industrialisierten Welt besser entsprachen.5 Die Berliner Börse, die den neuen Finanzierungsinstrumenten und damit einer Kapitalaufnahme über den Kapitalmarkt positiv gegenüberstand, konnte die Anzahl der Handelsobjekte und der mit ihnen verbundenen Umsätze stetig erhöhen. Dadurch förderte sie indirekt die neuen Geschäftsfelder der Berliner Banken.6 Es entstand am Bankplatz Berlin eine starke Finanzcommunity, deren 2

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.2.2 dieser Arbeit. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.3. 4 Vgl. Kapitel II, Abschnitt 4.2. 5 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.3.2 dieser Arbeit. 6 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.4. 3

Das Erfolgsfaktorensystem

315

Nebeneinander symbiotisch geprägt war. Sich in ihrem Wirken gegenseitig befruchtend, generierten die Marktteilnehmer am Bankplatz Berlin Lokalisationsvorteile, wodurch die Ansiedlung weiterer Banken hervorgerufen wurde. Eine wesentliche Rolle spielten dabei nahmhafte Privatbankiers, die durch ihr persönliches Engagement und kaufmännisches Geschick Banken in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gründeten und zu unternehmerischem Erfolg führten.7 Aus dieser Entwicklung resultierten umfangreiche Lokalisations- und Urbanisationsvorteile, so daß sich der Bankplatz Berlin, trotz der bis 1871 anhaltenden Regulierung des preußischen Aktienwesens, im Wettbewerb gegen den Bank- und Börsenplatz Frankfurt durchsetzen konnte. Politische und ökonomische Ergebnisse militärischer Auseinandersetzungen wirkten zum Ende der Aufstiegsphase als Sondereinflüsse und beschleunigten die Herausbildung Berlins zu einer volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale, die auch über den ranghöchsten Bankplatz des Landes verfügte.8 In seiner Expansionsphase von 1870 bis 1914 gewann der Bankplatz Berlin an Größe und Bedeutung und baute seine zentrale Stellung in Deutschland aus. Die politischen und wirtschaftlichen Sondereinflüsse in den Jahren 1870/71 verstärkten den Entwicklungstrend Berlins zur Industrie- und Verwaltungsstadt, der sich bereits in der Vorperiode etabliert hatte. Infolge der neuen Funktion Berlins - Hauptstadt des Deutschen Reiches zu sein - wurden neue Verwaltungsdienste in Berlin organisiert. Außerdem ließen sich zahlreiche Unternehmen aus den wachstumstragenden Industrien Elektrotechnik, Chemie und Optik in Berlin nieder, um von der Nähe und den damit verbundenen Kommunikationsvorteilen zur Regierung und zum Militär zu profitieren.9 Darüber hinaus stellte das Vorhandensein einer wettbewerbsfähigen Finanzcommunity am Bankplatz Berlin einen Standortvorteil für die sich ansiedelnden Unternehmen dar. Umgekehrt bedeutete für die Kreditinstitute die Anwesenheit der Industrieunternehmen und Verwaltungen sowohl positive Angebots- als auch Nachfragebedingungen. Durch die stetig wachsende Bevölkerung verbesserten sich die Parameter des systemischen Anforderungsprofils des Finanzplatzes Berlin weiter. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und der wissenschaftlichen Einrichtungen sowie das Vorhandensein einer umfangreichen Kunst-, Kultur- und Publizistikszene waren weitere Urbanisationsvorteile des Standortes Berlin. Außerdem war die zunehmende ökonomische Stärke Deutschlands wesentlich für den Erfolg des Bankplatzes Berlin und seiner Marktteilnehmer. Sie führte dazu, daß Deutschland in die Rolle eines Kapitalexporteurs hinein7

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.3.1. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 2.2. 9 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.1 dieser Arbeit. 8

316

Kapitel IV

wuchs. Die damit verbundenen Kapitaltransaktionen wickelten die Banken über den Bankplatz Berlin ab, dessen Ansehen auf diese Weise auch international wuchs. In der Expansionsphase des Bankplatzes Berlin änderte sich die Führungsrolle innerhalb der Finanzcommunity. Während in der Vorperiode noch den kapitalkräftigen Privatbanken die wichtigste Rolle in der Finanzplatzentwicklung zufiel, ging diese Führungsrolle nun auf die Aktienbanken über. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nahmen in Berlin aufgrund der sich hier bietenden Lokalisationsvorteile auch jene Großbanken ihren Sitz, die zuvor in anderen Großstädten domizilierten. Es bildete sich der Kreis der Berliner Großbanken heraus, deren Einflußnahme in Deutschland sukzessive stieg. Aufgrund ihrer höheren Kapitalausstattung war es den Großbanken möglich, auf dem Wege der Kommanditierung von Provinzbanken ein weitverzweigtes Netz aufzubauen. Im Zusammenhang mit der Herausbildung des deutschen Universalbankwesens dehnten die Berliner Großbanken ihren Wirkungskreis von Berlin auf jede Region und jede Branche in Deutschland aus. Berlin war nicht nur der regionale Ursprung der Entstehung des Universalbankensystems, sondern auch der lokale Ausgangspunkt der zunehmenden Verflechtung von Industrie- und Bankkapital im Rahmen des Ausbaus des industriellen Beteiligungsportfolios der Großbanken. Darüber hinaus waren sie in europäische Finanztransaktionen und in Finanzierungsfragen in Übersee involviert.10 WALLICH beschreibt die Berliner Großbanken darum korrekterweise als „Alleinherrscher“ im gesamten deutschen Bankwesen.11 Die wachsende Branchenagglomeration des Bankplatzes Berlin bewirkte neben den zunehmenden Lokalisationsvorteilen auch einen zunehmenden Wettbewerb. Insbesondere in der Gewinnung von Depositen standen die Marktteilnehmer in Konkurrenz zueinander. Zunehmender Wettbewerb und kurzfristige Konjunktureinbrüche riefen Fusionen und Übernahmen am Bankplatz Berlin hervor. Das Ergebnis der Tätigkeit der Berliner Großbanken in Verbindung mit dem Wirken der anderen Marktteilnehmer des Bankplatzes Berlin war, daß alle Fäden deutscher Finanzierungsfragen in Berlin zusammenliefen. Die Einbeziehung der Berliner Börse in Kapitalmarkttransaktionen sowie die Zusammenarbeit der Banken in verschiedenen Konsortien macht die positiven Lokalisationsvorteile, insbesondere die Kommunikationsvorteile, des Bankplatzes Berlin besonders deutlich. Daneben war die Anwesenheit und die Stärke der Deutschen Reichsbank als zentraler Notenbank Deutschlands am

10 11

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.2.2 dieser Arbeit. Vgl. Wallich (1905), S. 3.

Das Erfolgsfaktorensystem

317

Bankplatz Berlin mitverantwortlich für die positive Reputation des Berliner Finanzplatzes.12 Mit Beginn des Ersten Weltkrieges trat der Finanzplatz Berlin in eine Stagnationsphase (1914-1945) ein, die durch eine abnehmende Wachstumsdynamik gekennzeichnet war. Zwar spielte er national weiterhin die zentrale Rolle. Nach wie vor konzentrierte sich hier das private Bankkapital und die Mehrzahl der Bankgeschäfte wurde über den Bank- und Börsenplatz Berlin abgewickelt. Die Faktor- und Nachfragebedingungen des Bankplatzes Berlin konnten sich durch das Großberlin-Gesetz, die vorhandene Industrie, den Zuzug von Arbeitskräften und durch den Ausbau der infrastrukturellen Gegebenheiten weiter verbessern. Die Lokalisations- und Urbanisationsvorteile der Branchenagglomeration waren noch intakt. Die Leistungsfähigkeit der Berliner Banken war jedoch infolge der verschiedenen Sondereinflüsse Inflation, weltwirtschaftliche Krise, Bankenkrise und die Weltkriege national und international eingeschränkt.13 Die kapitalarme Gesamtwirtschaft Deutschlands war nunmehr auf Kapitalimporte angewiesen. Waren es vor dem Ersten Weltkrieg insbesondere die Kapitalexporte, die dazu führten, daß die deutschen Banken und damit auch der Bankplatz Berlin international eine große Rolle spielten, entfiel dieses Tätigkeitsfeld nach 1914. Nunmehr waren die Banken lediglich in der Rolle des Mittlers der Kapitalimporte. Die wirtschaftlichen Autarkiebestrebungen des nationalsozialistischen Staates, seine rassistische Bevölkerungspolitik und die kapitalfeindlichen Gesetzgebungen verhinderten die Weiterentwicklung des Bank- und Börsenplatzes Berlin und seine erneute aktive Einbindung in die internationale Finanzwelt. Vielmehr gingen gerade durch die „Judengesetze“ Finanz-Know-how und zahlreiche Auslandsverbindungen verloren.14 Auch im Inland waren die Leistungsmöglichkeiten der Banken seit 1933 durch staatliche Reglementierungen stark eingeschränkt. Lediglich der öffentlich-rechtliche Kreditsektor konnte sich hinsichtlich Anzahl seiner Institute und Umfang seiner Betätigungsfelder ausweiten, was jedoch Wettbewerbsverzerrungen mit sich brachte. Der Anteil der öffentlichen Banken am Kreditvolumen der deutschen Kreditbanken hatte sich von Beginn des Ersten Weltkrieges bis 1933 deutlich erhöht. Allein bei den kurzfristigen Krediten hatte sich ihr Anteil gegenüber der Vorkriegszeit vervierfacht.15 Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zeichnete sich der Berliner Finanzplatz daher nicht mehr durch umfangreiche und innovative Geschäftstätigkeiten aus. Auch fehlten die zahlreichen Verbindungen ins Ausland. Statt dessen war der Finanzplatz Berlin zu 12

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.2.3.2. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 4.2 dieser Arbeit. 14 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 4.2 sowie 4.3.1. 15 Vgl. Friedrich (1933), S. 44f. 13

318

Kapitel IV

einem Versammlungsort von Banken ohne weitreichende volks- und marktwirtschaftliche sowie internationale Steuerungsfunktionen degeneriert. Die deutschen Banken waren wirtschaftlich nicht mehr ausreichend handlungsfähig, und politisch war es ihnen nicht mehr möglich, kapitalintensive Finanzdienstleistungen im In- und Ausland anzubieten. In Anbetracht dieser Gegebenheiten kann das Jahr 1913 als das letzte Normaljahr für den Bankplatz Berlin bezeichnet werden. Durch das Ende des Zweiten Weltkrieges und seine politischen Folgen erfuhr der Bankplatz Berlin eine erhebliche Zäsur. Er fiel in eine Rückbildungsphase, die bis 1989 anhielt. Aufgrund der geopolitischen Insellage waren die Verbindungen in die unmittelbare Provinz und erst recht jene Verbindungen zu ganz Deutschland und ins Ausland verloren. Infolge dessen war Berlin weder zentraler Ort für das Umland noch zentralhöchster Ort oder gar volkswirtschaftliche Steuerungszentrale Deutschlands. Im Zusammenspiel mit der in Berlin vorherrschenden politischen Unsicherheit lösten sich die hier bestandenen Agglomerationsvorteile auf, da Banken und Unternehmen ihre Zentralen verlagerten. Zudem war die Aufnahme des normalen Bankgeschäftes erst nach einer fast vierjährigen Ruhepause möglich. Auswärtige Kreditinstitute konnten sogar erst sieben Jahre nach Kriegsende in Berlin wieder tätig werden.16 Die für einen zentralen Finanzplatz wesentlichen zentralen Unternehmenseinheiten der Banken wurden jedoch nicht wieder in Berlin angesiedelt. Die ehemals in Berlin ansässigen Industrieunternehmen beließen ihre Zentralen ebenfalls außerhalb Berlins. Damit zerfiel auch die über lange Zeit wirkende Symbiose zwischen Unternehmen, Banken und Berliner Börse, die wesentlich für den Aufstieg Berlins zum zentralen Bank- und Börsenplatz war. Die Berlinförderung, die die Angebotsbedingungen Berlins für die Wirtschaftsunternehmen verbessern sollte, war nicht dazu geeignet, zentrale Funktionseinheiten der Unternehmen nach Berlin zu ziehen. Vielmehr siedelten sich wertschöpfungsschwache Einheiten der Unternehmen an. Berlin blieb sowohl im Industrie- als auch im Dienstleistungsbereich nur ein Appendix der westdeutschen Unternehmen. Die zwar wichtigen, aber für die Herausbildung eines Finanzplatzes nicht ausreichenden weichen Standortfaktoren wie Kunst, Kultur und universitäre Bildungseinrichtungen waren nicht in der Lage, die geringe Attraktion, die von den harten Standortfaktoren ausging, zu kompensieren.17

16 17

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.1 dieser Arbeit. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.2 dieser Arbeit.

Das Erfolgsfaktorensystem

319

Der Finanzplatz Berlin fiel somit in die Regionalität zurück. Zwar brachten es jene Banken, die in Berlin mit ihren zentralen Einheiten domizilierten, teilweise zu beachtlicher Größe, ihr Einfluß war jedoch lokal auf Berlin beschränkt. Zentrale Steuerungsimpulse gingen auch dann nicht über Berlin hinaus, wenn die Berliner Banken in Westdeutschland Filialen unterhielten. Die Niederlassungen westdeutscher, aber auch ausländischer Banken in Berlin, die infolge der wachsenden politischen Sicherheit Berlins seit 1971 sowie infolge verbesserter Angebots- und Nachfragebedingungen verstärkt errichtet wurden, zeigen zwar, daß es wieder attraktiver war, am Bankplatz Berlin aktiv zu sein.18 Jedoch gingen auch von den auswärtigen Banken keine, für einen zentralen Finanzplatz charakteristischen, Steuerungs- oder gar Kontrollimpulse über die Stadtgrenzen hinweg aus. Vielmehr waren diese Niederlassungen Informationsempfänger einer Unternehmenszentrale, die nicht in Berlin ansässig war. Die Rolle des Staates für den nunmehr regionalen Bankplatz Berlin war beachtlich. In der Nachkriegszeit verbesserten sich durch die Tätigkeit der im Besitz der Öffentlichen Hand befindlichen Kreditinstitute die Angebots- und Nachfragebedingungen am Bankplatz Berlin.19 Der anhaltend dominierende Marktanteil staatlicher Marktteilnehmer an der Finanzierung der Berliner Wirtschaft führte aber ebenso wie die BerlinFörderung zu langfristigen Wettbewerbsverzerrungen, die sowohl den Ansiedlungsprozeß von Banken in Berlin behinderten als auch den Berliner Senatshaushalt belasteten. Darin zeigt sich, daß der Staat allein nicht in der Lage ist, langfristig relevante Wettbewerbsvorteile für einen Finanzplatz zu schaffen. Vielmehr kommt es, wie in der Analyse der Anfangs-, Aufstiegs- und Expansionsphase gezeigt werden konnte, auf alle Anforderungsparameter des Finanzplatzgefüges an. Der Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung stellten einen historischen Wendepunkt dar, der für die Entwicklung des Berliner Finanzplatzes eine erneute Zäsur bedeutete und den Eintritt in eine Renaissancephase (1990 bis heute) ermöglichte.20 Besonders die raumwirtschaftlichen Standortfaktoren verbesserten sich durch die neuen politischen Entwicklungen. Sowohl die geopolitische Insellage als auch die psychologischen Vorbehalte gegenüber der Stadt bestanden seit 1990 nicht mehr. Die bislang getrennten Stadtteile Berlins konnten wieder vereinigt werden und zugleich eine Verbindung mit dem Umland eingehen. Dadurch übernahm Berlin wieder die Funktion eines zentralen Ortes, wobei die Reichweite jedoch regional beschränkt ist.

18

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.3. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 5.3.1; 5.3.4; 5.3.5; 5.3.7 und 5.3.8. 20 Vgl. Kapitel III, Abschnitt 6.1 dieser Arbeit. 19

320

Kapitel IV

Bislang haben sich vorwiegend Firmen angesiedelt, die von Berlin aus ihr norddeutsches bzw. ihr Geschäft in den Neuen Bundesländern steuern. Zentrale Steuerungsfunktionen, die deutschlandweit die Aktivitäten der Unternehmen leiten, wurden bislang nur in wenigen Fällen nach Berlin verlegt. Somit hat Berlin in wirtschaftlicher Hinsicht nur den Status einer Regionalmetropole erreicht. Lediglich als Kultur- und Wissenschaftsstandort kann Berlin gegenwärtig eine zentrale Rolle spielen. Zusätzlich entwickelte sich Berlin durch den Regierungsumzug zum politischen Mittelpunkt Deutschlands. Die für die Entwicklung zum zentralen Finanzplatz eines Landes notwendigen Verbesserungen in den Angebots- und Nachfragebedingungen wurden bislang nur unzureichend vollbracht. Zwar haben sich in infrastruktureller und geistig-kultureller Hinsicht Fortschritte ergeben, die jedoch durch die negativen Auswirkungen der Deindustrialisierung nivelliert werden.21 Auch siedelten sich neuen Banken in Berlin an, ihre wertschöpfungsintensiven Zentralabteilungen bleiben jedoch an den etablierten Standorten. Positiv ist hier, daß die Mehrzahl der neu angesiedelten Kreditinstitute von Berlin aus ihre Aktivitäten in den Neuen Bundesländern steuert. Die ortsansässigen Banken sind dagegen meist nur regional, d. h. im Gebiet Berlin-Brandenburg, aktiv. Versuche, die geschäftliche Tätigkeit überregional oder sogar international auszuweiten, sind in der Mehrzahl gescheitert. Vielmehr haben sich die Konkurse einiger Berliner Kredit- und Genossenschaftsbanken negativ auf die Reputation Berlins als Finanzplatz ausgewirkt. Das finanzielle Fiasko der Bankgesellschaft Berlin belastet zudem die ohnehin angespannte Haushaltslage der Stadt.22 Die dadurch entstehenden negativen Rückkopplungseffekte bewirken, daß notwendige Investitionen, die zur Stärkung der Angebots- und Nachfragebedingungen notwendig wären, nicht durchgeführt werden können. Die angespannte Finanzlage Berlins erlaubt es nicht, in ausreichendem Maße wichtige Investitionen in Infrastruktur, Bildungs- und Kultureinrichtungen vorzunehmen. Die Möglichkeiten, Unternehmen Anreize zur Niederlassung in Berlin zu bieten und ein fruchtbares Investitionsklima zu schaffen, sind ebenfalls gering. Damit zeigt sich erneut, daß dem Staat bzw. der Öffentlichen Hand zwar eine wichtige Aufgabe bei der Etablierung von Standortvorteilen zukommt, daß staatlichen Stellen jedoch nicht selbst in der Lange sind, wesentliche Standortvorteile und leistungsfähige Marktteilnehmer dauerhaft hervorzubringen.

21 22

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 6.3. Vgl. Kapitel III, Abschnitt 6.4.3 und 6.4.5 dieser Arbeit.

Das Erfolgsfaktorensystem

2.

321

Die Sondereinflüsse als zeitliche Komponente der Finanzplatzentwicklung

Die in Kapitel II, Abschnitt 2 diskutierten Entwicklungsphasen des Finanzplatzes Berlin wurden durch unterschiedliche Sondereinflüsse geprägt. Sondereinflüsse stellen externe und damit von den Marktteilnehmern eines Finanzplatzes nicht beeinflußbare Ereignisse dar. Sie können sich auf die Entwicklung eines Finanzplatzes sowohl positiv als auch negativ auswirken. Grundsätzlich veranlassen die Sondereinflüsse die Marktteilnehmer zu einem Überdenken des bisherigen Standortverhaltens. Insofern stellen die Sondereinflüsse selbst Standortfaktoren dar. Zu jenen Sondereinflüssen, die die Entwicklung Berlins zum Finanzplatz positiv beeinflußt haben, zählen - das Ende des Dreißigjährigen Krieges, - die Zusammenführung der zum Land Brandenburg gehörenden Landesteile zum Königreich Preußen, - die Schaffung des Norddeutschen Bundes, - die Gründung des Deutschen Kaiserreiches, - der erfolgreiche Abschluß des Viermächteabkommens und - die Deutsche Wiedervereinigung, mit der auch die Teilung der Stadt Berlin beendet wurde. Dagegen wirkten folgende Ereignisse negativ auf die Standortentwicklung Berlins: - der Erste Weltkrieg, - die sich anschließende Inflation, - die Wirtschaftspolitik des „Dritten Reiches“ sowie - der Zweite Weltkrieg und die sich anschließende Teilung Berlins und Deutschlands. Die auf die Entwicklung des Finanzplatzes positiv wirkenden Ereignisse hatten zur Folge, daß getroffene und zukünftige Standortentscheidungen zugunsten des Finanzplatzes Berlin ausfielen. Es siedelten sich neue Marktteilnehmer an, weil sich infolge der externen Ereignisse die Standortparameter verbesserten. Durch die permanente Wiederholung des Ansiedlungsprozesses reduzierte sich die Unsicherheit der Standortentscheidung der sich neu ansiedelnden Marktteilnehmer. Sie konnten auf eine Erfahrungskurve zurückgreifen. Die auf den Finanzplatz Berlin negativ wirkenden Sondereinflüsse hatten hingegen sowohl die Reduzierung der Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes als auch eine Neudisposition der Standortentscheidung im unterschiedlichen Ausmaß zur Folge. Wäh-

322

Kapitel IV

rend der Erste Weltkrieg und die sich anschließende Inflation sowie die nationalsozialistische Wirtschaftspolitik vorrangig die Leistungsfähigkeit des Finanzplatzes reduzierten und seine internationale Reputation beeinträchtigten, zogen das Ende des Zweiten Weltkrieges und die sich anschließende Teilung Berlins die Aufgabe des Standortes nach sich. Die politische Teilung der Stadt und des Landes stellte ein absolutes Novum dar, so daß die Marktteilnehmer auf keinerlei Erfahrungskurve zurückgreifen konnten. Für Berlin bedeutete diese Entwicklung, daß die Rolle als zentraler Finanzplatz Deutschlands nach 1945 nicht mehr übernommen werden konnte. Der Stagnationsphase von 1914 bis 1945 schloß sich also eine Phase des Rückfalls in die Regionalität an. Diese Entwicklung Berlins als Finanzplatz war jedoch nicht zwangsläufig, denn ohne den negativen Einfluß der politischen Teilung Deutschlands wäre die Wahrscheinlichkeit groß gewesen, daß Berlin seine Rolle als zentraler Finanzplatz hätte beibehalten können. Der erfolgreiche Abschluß des Viermächteabkommens 1971 beeinflußte die Erfahrungskurve der Marktteilnehmer bezüglich des Finanzplatzes Berlin positiv. Durch die erreichte relative politische Stabilität entschieden die Marktteilnehmer ihr Standortverhalten zugunsten Berlins. Zwar wurden wesentliche überregionale oder gar internationale Zentralfunktionen von den Kreditinstituten auch nach 1971 nicht in Berlin angesiedelt. Dennoch ließen sich aufgrund der erhöhten politischen Sicherheit und des Ausbaus der Berlinförderung verstärkt Banken in Berlin nieder, um von den Geschäftsmöglichkeiten einer Großstadt zu profitieren. Als 1989 der politische und wirtschaftliche Zusammenbruch der DDR die deutsche Wiedervereinigung herbeiführte, begannen sich am Bankplatz Berlin neue Marktteilnehmer niederzulassen. Die Mehrzahl von ihnen baute in Berlin neue regionale Verantwortungsbereiche auf, die die Geschäftstätigkeit in Berlin und in großen Teilen der Neuen Bundesländer bis heute steuern. Der Sondereinfluß der deutschen Wiedervereinigung stellte insofern ein Novum dar. Die Erfahrungskurve der Gesamtheit der Marktteilnehmer bezüglich des Ansiedlungsprozesses am Finanzplatz Berlin veränderte sich erneut. Positive und weitreichende Standortdispositionen waren nunmehr möglich geworden. Daraus folgt, daß die Sondereinflüsse einen wesentlichen Erfolgsfaktor in der Berliner Finanzplatzentwicklung darstellen. Sie haben über den hier betrachteten Entwicklungszeitraum die Erfahrungskurve der Gesamtheit der Marktteilnehmer des Finanzplatzes Berlin bezüglich der Standortentscheidung maßgeblich beeinflußt.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Relevante Verhaltensveränderungen der Marktteilnehmer wurden aber nur durch stark mutativ wirkende Ereignisse hervorgerufen. Dies waren in positiver Hinsicht die Vereinigung der Brandenburger Landesteile zu Preußen sowie die damit verbundene Wahl Berlins als Regierungssitz, die Gründung des Deutschen Kaiserreiches und die deutsche Wiedervereinigung. Negativ wirkten hingegen das Ende des Zweiten Weltkrieges und die deutsche Teilung. Die anderen Sondereinflüsse haben dagegen den bisherigen Trend jeweils verstärkt. Das zeigt, daß die Erfahrungskurve langfristig relativ stabil war. Darin kommt auch die Standortpersistenz der Marktteilnehmer zum Ausdruck.

3.

Lokalisations- und Urbanisationseffekte als räumliche Komponente der Finanzplatzentwicklung

Die Agglomerationseffekte, die für die Ausbildung konzentrierter Branchenstrukturen verantwortlich sind, waren in den sechs Entwicklungsphasen des Finanzplatzes Berlin unterschiedlich ausgeprägt. Wechselseitig übernahmen sie die Rolle von Ursache und Wirkung für die Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz Deutschlands. Der Impuls, der diesen Kreislauf in Gang setzte, ging vom Standortfaktor „Nähe zur Regierung“ aus. Gerade in der Anfangsphase der Finanzplatzentwicklung war die Regierungsnähe von entscheidender Bedeutung für die Ansiedlung der ersten privaten Bankiers. Da sie in der Mehrzahl der jüdischen Minderheit angehörten, suchten sie die Nähe zum Herrscher, in der Hoffnung, vor eventuellen antisemitischen Übergriffen der Bevölkerung Schutz zu finden. Des weiteren waren Hof, Militär und Beamte nahezu die einzigen Nachfrager nach Finanzdienstleistungen. Die ebenfalls vom Staat ausgehende Nachfrage nach militärischen und Luxusgütern zog die benötigten Gewerke nach Berlin, von denen ebenfalls Nachfrage nach finanziellen Leistungen ausging. So entfalteten sich die ersten Lokalisationsvorteile innerhalb der sich herausbildenden Bankenbranche. Ebenfalls wirksam wurden die zwischen den Branchen herrschenden Urbanisationsvorteile. Mit der Ansiedlung weiterer Unternehmen und dem Beginn der verkehrstechnischen Erschließung wurden die Agglomerationskräfte gestärkt. In den Entwicklungsphasen des Finanzplatzes Berlin „Aufstieg“, „Expansion“ und „Stagnation“ blieb die Nähe zur Regierung nach wie vor wichtiger Standortfaktor. Bedeutender wurden aber die innerhalb der Bankenbranche wirkenden Anziehungskräfte, die insbesondere als Kommunikations- und Lokalisationsvorteile zum Tragen kamen. Dies wird besonders deutlich in der erfolgreichen Zusammenarbeit der Marktteilneh-

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Kapitel IV

mer in den Emissionskonsortien und in der Symbiose zwischen den Banken und der Berliner Börse.23 Die räumliche Nähe der zentralen Unternehmensfunktionen dieser Marktteilnehmer ermöglichte kurze Kommunikations- und Entscheidungswege und die Realisierung von Skalenerträgen. Die zunehmende Konzentration der Bankbranche in Berlin führte zu einem stetigen Wachstum des Finanzplatzes und seiner Marktteilnehmer. Die dadurch erzielte positive Reputation des Finanzplatzes bewirkte wiederum die Ansiedlung neuer Marktteilnehmer. Die wachsenden Urbanisationsvorteile im Zuge der Ansiedlung weiterer Industrieunternehmen und der Fortentwicklung der Verkehrsinfrastruktur und der Kulturlandschaft unterstützten diese Entwicklung. Am Standort entfaltete sich eine endogene Wachstumsdynamik. Berlin entwickelte sich somit nicht nur zum zentralen Ort für das Umland, sondern auch zum ranghöchsten zentralen Ort des Landes. Darüber hinaus hatte sich Berlin infolge der Konzentration zahlreicher privater und staatlicher administrativer Einheiten auch zur volkswirtschaftlichen Steuerungszentrale entwickelt. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung spielte der Finanzplatz Berlin auch europaweit eine bedeutende Rolle, wenngleich die starke Wettbewerbsposition Londons noch nicht erreicht wurde. Aufgrund der ökonomischen Stärke des Landes und der damit verbundenen Fähigkeit zum Kapitalexport entwickelte sich Berlin allmählich zu einer Global City. Die Zunahme der Überseebanken und der Auslandsbanken am Bankplatz Berlin sowie die Frage der Börsenteilnehmer außerhalb Deutschlands „Wie kommt Berlin?“ zeigen deutlich diesen Trend an. Die Entwicklung Berlins zu einer solchen Bedeutung wurde durch den Ersten Weltkrieg nicht nur unterbrochen, sondern für eine lange Entwicklungsperiode beendet.24 Die durch den Ersten Weltkrieg eingeleitete Stagnationsphase (1914-1945) ist gekennzeichnet durch eine verringerte Leistungsfähigkeit der Marktteilnehmer sowie durch abnehmende Leistungsmöglichkeiten, denen sich die Kreditinstitute gegenübergestellt sahen. Im Zusammenhang mit dem Rollenwechsel Deutschlands vom Kapitalexporteur zum Kapitalimporteur konnte der Finanzplatz Berlin seinen internationalen Einfluß und seine Reputation nicht aufrechterhalten. Lediglich im nationalen Maßstab konnte der Finanzplatz Berlin seine führende Rolle verteidigen, da die Agglomerationskräfte noch intakt waren. Die Standortpersistenz der Marktteilnehmer stützte sich auf diese Kräfte.

23 24

Vgl. Kapitel III, Abschnitt 3.2.1; 3.2.2 und 3.3 dieser Arbeit. Vgl. Kapitel II, Abschnitt 3.3.2 sowie Kapitel III, Abschnitt 3.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Die Phase des Rückfalls des Finanzplatzes Berlin in die Regionalität wurde durch die Teilung Deutschlands hervorgerufen. Die Verluste der räumlichen Verbindungen ins direkte Umland sowie in die Ost- und Westgebiete Deutschlands führten dazu, daß sich Berlin in einer geopolitischen Insellage befand. Dadurch verlor Berlin die Rolle als zentraler Ort für die Region und für Deutschland. Damit verbunden war die Zerstörung der über drei Jahrhunderte gewachsenen Agglomerationsvorteile Berlins. Unternehmen und Banken verlagerten ihren Sitz und damit wesentliche zentrale Funktionen aus Berlin heraus. Berlin wurde als Regierungssitz aufgegeben.25 Die an eine volkswirtschaftliche Steuerungszentrale gestellten Erwartungen erfüllte Berlin somit ebenfalls nicht mehr. Nur langsam siedelten sich seit 1949 wieder Banken, Unternehmen und bundesweite öffentliche Behörden in Berlin an, so daß sich neue Lokalisations- und Urbanisationseffekte entwickeln konnten. Diese waren jedoch nicht in der Lage, die Bedeutung des Finanzplatzes Berlin über die Regionalität hinauszuführen. Dafür fehlten vor allen Dingen die zentralen unternehmerischen Steuerungseinheiten, die nunmehr meist am Finanzplatz Frankfurt angesiedelt waren. Durch die deutsche Wiedervereinigung erlebte der Standortfaktor „Regierungsnähe“ eine Renaissance. Die bereits zuvor bestehenden Urbanisationsvorteile, insbesondere auf dem Gebiet der Kunst und Kultur, haben sich dadurch positiv weiterentwickelt. Einige Unternehmen verlegten ihren Sitz nach Berlin. Neue Banken wurden in Berlin gegründet. Allein die Verbesserung des Standortfaktors „Regierungsnähe“ war und ist aber nicht ausreichend, um nachhaltige Lokalisationsvorteile in der Bankbranche am Finanzplatz Berlin - analog zur Anfangs-, Aufstiegs- und Expansionsphase - zu erzielen. Vielmehr wirkte in diesen drei Phasen des Finanzplatzlebenszyklus zusätzlich der Standortfaktor „Wettbewerb und Innovationskraft der Marktteilnehmer“ positiv auf die Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz in Deutschland. Insbesondere weil sich die Berliner Banken frühzeitig auf das neuartige Finanzierungsinstrument „Aktie“ konzentrierten, konnte Berlin den Wettbewerbslauf, der seit Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch gegen Frankfurt stattfand, gewinnen und sich damit aus einer Menge gleichrangiger Finanzplätze zum zentralen Finanzplatz Deutschlands erheben. Gegenwärtig sind Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Berliner Banken jedoch nur schwach ausgeprägt. Nachdem Deutschland seit Ende des Zweiten Weltkrieges für ca. 30 Jahre über keinen zentralen Finanzplatz verfügte, nahm diese Rolle seit Mitte der 1970er Jahre der Finanzplatz Frankfurt ein, der sich nach 1945 aus einer Menge gleichrangiger Finanz25

Lediglich der Ostteil der Stadt übernahm die Funktion des Regierungssitzes der DDR.

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Kapitel IV

plätze zum zentralen deutschen Finanzplatz erhob. Das bedeutet für den Finanzplatz Berlin, daß der Wettbewerb gegen ein bereits bestehendes deutsches Finanzzentrum aufzunehmen wäre. Da der Finanzplatz Frankfurt aber über nachhaltige Agglomerationsvorteile verfügt, scheint es vorerst für Berlin nicht möglich zu sein, die Rolle des zentralen Finanzplatzes erneut zu übernehmen. Zur Überwindung der am Finanzplatz Frankfurt herrschenden Standortpersistenz der Marktteilnehmer müßten entweder Sondereinflüsse den Frankfurter Bankenplatz belasten oder die Standortfaktoren des Finanzplatz Berlin wesentlich verbessert werden. Der wieder in Berlin vorhandene Standortfaktor „Regierungsnähe“ ist dabei hilfreich, aber nicht ausreichend. Aber selbst bei nachhaltigster Verbesserung aller Standortfaktoren am Finanzplatz Berlin ist nicht zu erwarten, daß Berlin erneut zum zentralen Finanzplatz Deutschlands avanciert. Der Standortwettbewerb um die Rolle des zentralen Finanzplatzes würde sich zwischen Berlin und den anderen deutschen regionalen Finanzplätzen abspielen. Dabei sind Standortentscheidungen der Banken und Unternehmen, die mit einer Verlagerung der zentralen Unternehmenseinheiten nach Berlin einhergehen müßten, nicht zwangsläufig zu erwarten. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, daß die Marktteilnehmer in ihrer Standortentscheidung vor dem Hintergrund der Internationalisierung nicht nur einheimische Standorte in Betracht ziehen, sondern ihre Standortdisposition weltweit ausrichten. Gegenwärtig befindet sich der Finanzplatz Berlin im Wettbewerb mit anderen regionalen Finanzplätzen Deutschlands. Zur Stärkung der regionalen Wettbewerbsfähigkeit sind die im folgenden Kapitel diskutierten Angebots- und Nachfragebedingungen zu verbessern. Dadurch würden sich zwangsläufig Agglomerationseffekte ergeben, auf deren Basis der Standort eine Eigendynamik entfalten könnte.

4.

Das systemische Anforderungsprofil des Finanzplatzes Berlin

In Kapitel II, Abschnitt 4 wurden verschiedene Wachstumsfaktoren eines Finanzplatzes diskutiert, die in ihrer Gesamtheit zu Anforderungsprofilen mit unterschiedlichem Betrachtungsschwerpunkt zusammengefaßt und einander gegenübergestellt wurden. Von wesentlicher Bedeutung war dabei das systemische Anforderungsprofil, da es die Erfolgsfaktoren in einen unmittelbaren Beziehungszusammenhang stellte und die sich gegenseitige Beeinflussung betonte.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Im Rahmen des systemischen Anforderungsprofils konnte in dieser Arbeit klar herausgestellt werden, daß der Staat im Hinblick auf die Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin eine bedeutende Rolle spielte. Infolge staatlicher Eingriffe haben sich die am Bankplatz Berlin vorherrschenden Angebots- und Nachfragebedingungen, denen sich die Marktteilnehmer gegenübergestellt sahen, nachhaltig verändert. Zu den Eingriffen, die positive Veränderungen sowohl in den Angebots- als auch in den Nachfragebedingungen hervorriefen, zählten die durch den preußischen Kurfürsten begonnene und durch seine Nachfolger fortgeführte Zuwanderungspolitik sowie das umfangreiche Reformwerk der Staatsminister von Hardenberg und vom Stein zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Zuwanderungs- und Ansiedlungspolitik der preußischen Herrscher seit der Mitte des 17. Jahrhunderts bewirkte eine Verbesserung der handwerklichen und gewerblichen Struktur Preußens, da die neuen Bürger moderne Gewerke und Know-how mitbrachten. Infolgedessen setzte eine allgemeine wirtschaftliche Belebung ein, wobei dem Staat und dem preußischen Hof als Nachfrager eine besondere Rolle zukam. Die vom preußischen Hof ausgehende Nachfrage führte auch zu einer steigenden Nachfrage nach Finanzierungsleistungen. Diese wurden erbracht von den ebenfalls durch die preußischen Herrscher ins Land geholten jüdischen Geldwechsler, die als Hoffaktoren dem preußischen Herrscher dienten. Da sich der preußische Hof in Berlin befand und die neuen Bürger, die zugleich Minderheiten waren, sich sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus politischen Gründen in der Nähe des Herrschers niederließen, entwickelte sich die Stadt Berlin allmählich zum Hauptumschlagsplatz für gewerbliche Produkte und finanzielle Leistungen. Die Reformen der Staatsminister vom Stein und von Hardenberg verbesserten die Angebots- und Nachfragebedingungen des Finanzplatzes sowie den gesamten ordnungspolitischen Rahmen derart, daß der Weg zur Industrialisierung Preußens frei wurde. Nachfrage nach Finanzdienstleistungen ging nicht mehr nur vom preußischen Hof und seinen Beamten aus, sondern auch und besonders von den sich herausbildenden Industriebetrieben sowie deren Arbeitern und Angestellten. Dadurch konnten sich mit der Berliner Sparkasse und den Berliner Aktienbanken neue Marktteilnehmer herausbilden. Infolge der Bauernbefreiung standen den arbeitskräftesuchenden Manufakturen und Fabriken neue Arbeiter und Angestellte zur Verfügung. Davon profitierte auch das sich entwickelnde Finanzgewerbe. Vor dem Hintergrund der merkantilistischen Standortförderungspolitik im 17. und 18. Jahrhundert und der durch staatliche Reformen möglich gewordenen Industrialisierung erhob sich Berlin aus bescheidenen Anfängen zum zentralen Finanzplatz Deutschlands.

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Kapitel IV

Durch die deutsche Reichsgründung 1871 konzentrierte sich der Staatseinfluß weiterhin auf Berlin. Jedoch war die Zeit bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges geprägt durch ein ordnungspolitisch zurückhaltendes Verhalten des Staates. Die dadurch möglich gewordene freie Gestaltung der Marktkräfte förderte den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern des Finanzplatzes. Innovationskraft und Leistungsstärke der Berliner Banken waren die Folge, so daß der Finanzplatz Berlin seine Stellung als zentraler deutscher Finanzplatz ausbauen konnte. Zusätzlich begann der Berliner Bank- und Börsenplatz auch international eine bedeutende Rolle zu spielen. Die Stärke der Volkswirtschaft und die durch den Staat im Rahmen seiner Außenpolitik geförderten Handelsbeziehungen ließen Kapitalexporte zu, die insbesondere von den Berliner Großbanken und den großen Berliner Privatbankhäusern begleitet wurden. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges gestaltete sich der Staatseinfluß zunehmend negativ. Infolge der Kriegspolitik und der sich daraus entwickelnden Kriegswirtschaft gingen die Auslandsverbindungen der Industrie- als auch der Bankunternehmen verloren. Die Mißachtung geldpolitischer Regeln seitens des Staates rief nicht nur eine „normale“ Inflation, sondern sogar eine Hyperinflation hervor, die wirtschaftlich sinnvolles Verhalten seitens der Marktteilnehmer nicht zuließ. Die Folgen waren ein schwaches wirtschaftliches Wachstum und hohe Kapitalimporte und damit einhergehend eine abnehmende Nachfrage nach Finanzdienstleistungen. Die 1933 einsetzende nationalsozialistische Wirtschaftspolitik, war ebenfalls nicht geeignet, langfristiges Wirtschaftswachstum und Geldwertstabilität zu sichern. Vielmehr wurde der Staatseinfluß erhöht, die Marktkräfte außer Kraft gesetzt und Wettbewerbsverzerrungen zwischen staatlichen und privaten Banken in Kauf genommen. Darüber hinaus sorgte die antisemitische Politik gerade im Finanzgewerbe infolge der „Unternehmensarisierungen“ für Know-how-Verlust. Seit dem Ersten Weltkrieg ist der Finanzplatz daher geprägt von reduzierter Leistungsfähigkeit seiner Marktteilnehmer, aber auch von mangelnden Geschäftsmöglichkeiten. Diese Entwicklung bestätigt zum einen, daß der Staat selbst nicht in der Lage ist, Standorte bzw. Finanzplätze zu schaffen. Er kann lediglich die Angebots- und Nachfragebedingungen fördern, so daß Standortvorteile entstehen. Zum anderen zeigt sich, daß die volkswirtschaftliche Entwicklung und die vom Staat ausgehende Wirtschaftspolitik für die Entwicklung und die Reputation eines Finanzplatzes von wesentlicher Bedeutung ist.26

26

Vgl. dazu auch Harrscher-Ehrnborg (2002), S. 177ff., die in ihrer Vergleichsstudie der drei Finanzplätze London, Paris und Frankfurt auf die unterschiedliche Wahrnehmung des Standortfaktors „Stärke der Volkswirtschaft“ hinweist.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Dies zeigt sich auch in der Zeit nach 1945, als der Staatseinfluß im Rahmen der Berlinförderung nicht geeignet war, den Finanzplatz Berlin wieder auf das Niveau eines zentralen Finanzplatzes zu heben. Weder war die Standortförderung im Hinblick auf ihre Anreiz-Beitrags-Struktur zweckmäßig, noch war sie in der Lage, die bestehenden, durch Sondereinflüsse geprägten Standortnachteile Berlins aufzuheben. Der Finanzplatz Berlin hatte daher nach dem Zweiten Weltkrieg nur regionale Bedeutung. Seit der deutschen Wiedervereinigung spielten staatliche Entscheidungen weiterhin eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin. Während die Hauptstadtfrage und die Frage nach dem Regierungsumzug zugunsten Berlins beantwortet wurden, so daß sich positive Rückwirkungen auf die Finanzplatzentwicklung ergaben, stellten der Abbau der Berlinförderung, die unausgewogenen Hauptstadtverträge und das ordnungspolitische Fehlverhalten Berlins durch den Ausbau des landeseigenen Bankenapparates negative Einflüsse auf die Entwicklung Berlins als Finanzplatz dar. Die heute erreichte hohe Verschuldung Berlins läßt staatliche Eingriffe im Sinne einer zielgerichteten Standortförderung kaum noch zu. Darüber hinaus fehlt eine klare Standortstrategie, damit bereits vorhandene Standortvorteile weiter ausgebaut werden können. Die Angebots- und Nachfragebedingungen des Finanzplatzes Berlin, die einerseits durch staatliche Eingriffe beeinflußt wurden, veränderten sich zudem durch die vom Standort selbst ausgehenden Agglomerationseffekte. Die sich durch die regelmäßige Ansiedlung von Industrie- und Handelsunternehmen und Banken, von staatlichen Institutionen und Bevölkerung sowie von Kunst-, Kultur- und Wissenschaftsbetrieben ergebenden Lokalisations- und Urbanisationsvorteile bewirkten die Entwicklung Berlins zu einem zentralen Unternehmens- und Bankenstandort. Zu den wesentlichsten Angebotsbedingungen, die die Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz Deutschlands beeinflußten, gehörten das Vorhandensein der jeweiligen innovativen konjunkturtragenden Industrien. In der Anfangsphase war es die Textilindustrie, seit Beginn des 19. Jahrhunderts übernahm der Maschinenbau die führende Rolle, die er seit der Reichsgründung an die Elektroindustrie und die chemische Industrie abgab. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges fehlten dem Standort Berlin sowohl wachstumstragende Industrien als auch mit ihnen verbundene zentrale unternehmerische Steuerungseinheiten. Durch die deutsche Wiedervereinigung hat sich die Deindustrialisierung Berlins weiter fortgesetzt. Nur langsam beginnen sich neue Unternehmen aus innovativen Wachstumsbranchen des sekundären und tertiären Sektors in Berlin anzusiedeln.

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Kapitel IV

Eine wichtige Bedingung für die Festigung Berlins als regionaler Finanzplatz - das Vorhandensein wertschöpfungsintensiver Industrien - ist somit nur in ungenügender Weise erfüllt. Das Vorhandensein einer komfortablen verkehrstechnischen und kommunikationstechnischen Infrastruktur zählt ebenfalls zu den wesentlichen Angebotsbedingungen eines Finanzplatzes. Die hervorragende Ausgestaltung dieser Parameter führte insbesondere seit der Deutschen Reichsgründung zur Festigung des Finanzplatzes Berlin als zentraler Bank- und Börsenplatz Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfügte Berlin weiterhin über eine wettbewerbsfähige Infrastruktur. Dieser Parameter allein reichte jedoch nicht aus, um die anderen Standortnachteile zu kompensieren. Diese Feststellung trifft auch für die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin seit der Deutschen Wiedervereinigung zu. Negativ ist hier jedoch anzumerken, daß sich die konzeptionslose Gestaltung der Berliner Flughäfen kontraproduktiv auf die Standortentscheidungen potentieller Industrie- und Dienstleistungsunternehmen auswirkt.27 Die Entwicklung Berlins zur Universitätsstadt seit 1810 förderte den Aufstieg des Finanzplatzes Berlin zum zentralen Finanzplatz ebenfalls, da technisch und ökonomisch qualifizierte Arbeitskräfte ausgebildet wurden und in Berlin zur Verfügung standen. In diesem Zusammenhang ist auch die Herausbildung Berlins zum nationalen Zentrum von Kunst und Kultur hervorzuheben. Beide Angebotsbedingungen zählen zu den weichen Standortfaktoren, denen bei der Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin eine bemerkenswerte Rolle zukommt. Sie sind aber nicht in der Lage, bestehende Standortnachteile, wie sie seit 1945 bestehen und beobachtet werden können, auszugleichen. Von Bedeutung für die Entwicklung Berlins zum Finanzplatz war des weiteren die Bevölkerungsentwicklung. Der wachsende Zustrom von Arbeitskräften in die Stadt, ausgelöst durch die Bauernbefreiung zu Anfang des 19. Jahrhunderts und die in Berlin bestehende Nachfrage nach Arbeitskräften seitens der sich angesiedelten Unternehmen löste ebenfalls positiv wirkende Agglomerationseffekte aus. Der seit Anfang der 1990er Jahre einsetzende Bevölkerungsrückgang in Berlin zeigt, daß sich Berlin trotz politischer Einheit, Hauptstadtstatus und geopolitischer Anbindung an das Umland noch nicht zu einem zentralen Wirtschaftsstandort und Finanzplatz entwickeln konnte.

27

Im Hinblick auf den geplanten Bau des Großflughafens BBI in Berlin-Schönefeld soll der innerstädtische Flughafen Berlin-Tempelhof geschlossen werden, obwohl die Fluggesellschaft DBA durch den Umzug von Verwaltung und Technik nach Tempelhof Arbeitsplätze geschaffen hätte. Diese Schließung wird von Investoren wie von neu sich in Berlin ansiedelnden Unternehmen gleichermaßen kritisiert, zumal der Großflughafen immer noch nicht realisiert wurde und der Flughafen Berlin-Tegel zu klein ist. Vgl. o.V. (2003), S. 13.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Die Nachfragebedingungen des Finanzplatzes Berlin wurden entscheidend durch die eben skizzierten Angebotsbedingungen beeinflußt. Sowohl die Unternehmen als auch die Bevölkerung hatten Bedarf an Finanzdienstleistungen. Den entscheidenden Impuls gab hier wiederum die in der Anfangsphase der Entwicklung des Finanzplatzes Berlin vom Staat ausgehende Nachfrage nach Krediten zur Finanzierung der Krone, des Hofes und der merkantilen Wirtschaftspolitik. Positive Rückkopplungseffekte auf die Angebotsbedingungen waren die Folge. Neben den Sondereinflüssen und den Einflüssen staatlicherseits sowie den vorhandenen Angebots- und Nachfragebedingungen wird die Entwicklung eines Finanzplatzes auch von den Marktteilnehmers selbst, den Banken, bestimmt. Die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin wurde begleitet durch die Herausbildung des deutschen Universalbankensystems. Insofern änderte sich die Marktteilnehmerstruktur des Finanzplatzes Berlin in seinen einzelnen Entwicklungsphasen, in denen jeweils andere Bankengruppen die Führungsrolle übernahmen. Waren es zunächst die Privatbanken, die zusammen mit einigen staatlichen Kreditinstituten die erste Marktteilnehmerstruktur bildeten, und dem entsprechend die Hauptrolle spielten, übernahmen seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend die sich entwickelnden Großbanken die Führungsrolle am Finanzplatz Berlin. Von besonderer Wichtigkeit für die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin zum zentralen Finanzplatz Deutschlands war die Zusammenarbeit zwischen den Großbanken und den Privatbanken sowie der Preußischen Seehandlung bei Kapitalmarkt- und anderen Finanztransaktionen. Die konsortiale Zusammenarbeit dieser Bankengruppen war nur möglich, durch die lokale Nähe der Banken, die sich am Finanzplatz ergab und wiederum neue Marktteilnehmer anzog. Von Bedeutung hierbei war, daß sich am Finanzplatz Berlin durch den regelmäßigen Zuzug neuer Banken ein innovatives Wettbewerbsklima herausgebildet hatte. Darüber hinaus stellte sich die Zusammenarbeit der Banken mit der Berliner Börse als weiterer wesentlicher Erfolgsfaktor dar. Im Wettbewerb gegen die anderen Finanzplätze relevant war auch hier die aufgeschlossene Haltung der Berliner Banken und der Berliner Börse gegenüber der Aktie, als innovativem Finanzierungsinstrument. Die Nähe zur ebenfalls in Berlin ansässigen Industrie erhöhte die Qualität dieses Erfolgsfaktors und führte zur beispielhaften Symbiose zwischen Banken und Berliner Börse. Die Banken dienten der Börse als Effektenmaterialbeschaffer, während durch die Anwesenheit der Berliner Börse die Banken neue Umsätze generieren konnten. Diese Zusammenarbeit brachte zudem die einzigartige Reputation des Finanzplatzes Berlin

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Kapitel IV

in der Zeit von 1871 bis 1914 hervor. Begünstigt wurde dies auch durch die ökonomische Stärke Deutschlands. Die infolge der wirtschaftlichen Probleme seit Kriegsbeginn vermehrte Gründung staatlicher Kreditinstitute, die die Führungsrolle am Bankplatz Berlin übernahmen, führte zu Wettbewerbsverzerrungen und nachlassender Wachstumsdynamik des Finanzplatzes Berlin. Die Marktteilnehmer waren durch die strukturpolitischen Eingriffe des Staates sowohl in ihrer Leistungsfähigkeit als auch in ihren Leistungsmöglichkeiten beeinträchtigt. Die „Arisierung“ jüdischer Bankhäuser führte zum Abgang wichtiger Marktteilnehmer und damit verbundenem Know-how-Verlust und letztlich zur Reduzierung des Wettbewerbs. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte am nunmehr nur noch regionalen Finanzplatz Berlin zwischen den Marktteilnehmern kein innovatives Wettbewerbsklima mehr. Das lag einerseits an der Verlagerung der Unternehmenszentralen, wodurch auch keine symbiotische Zusammenarbeit mehr möglich war, andererseits am hohen Marktanteil der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute am Einlagen- und Kreditvolumen Berlins. Nach 1989 führte der vermehrte Zuzug neuer Marktteilnehmer zu einer Erhöhung des am Finanzplatz Berlin herrschenden Wettbewerbs. Dennoch bestehen die Wettbewerbsverzerrungen zugunsten des öffentlich-rechtlichen Bankensektors weiter, da er infolge der Neuordnung der landeseigenen Bankaktivitäten sogar noch ausgedehnt wurde. Darüber hinaus wurde der Finanzplatz Berlin durch die negative Entwicklung einiger Banken aus nahezu jeder Bankengruppe belastet. Unausgewogene Unternehmensstrategien in Verbindung mit Fehleinschätzungen des Berliner Immobilienmarktes und seiner Finanzierung führten zu Insolvenzen und belasteten die Reputation des Finanzplatzes Berlin. Diese stellt jedoch selbst einen bedeutsamen Standortfaktor dar. Im Ergebnis der Analyse der sachlichen Dimension ist festzustellen, daß der Finanzplatz Berlin in naher Zukunft nicht über die Bedeutung eines regionalen Finanzzentrum hinauswachsen wird. Zwar siedelten sich infolge des Sondereinflusses der deutschen Wiedervereinigung Anfang der 1990er Jahre mehr als 50 Kreditinstitute am Finanzplatz Berlin an. Dabei wurden aber nur regionale Zentral- und Steuerungsfunktionen in Berlin angesiedelt und aufgebaut. Die Mehrzahl der in Berlin tätigen Banken steuert von hier aus ihr Geschäft in Berlin und in Teilen der Neuen Bundesländer. Über die regionale Reichweite hinausgehende strategische Steuerungseinheiten verblieben jedoch am Firmensitz außerhalb Berlins.

Das Erfolgsfaktorensystem

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Da sich die am Finanzplatz Berlin vorherrschenden Angebots- und Nachfragebedingungen seit 1990 durch Deindustrialisierung und andere Folgeerscheinungen der verfehlten Wirtschaftsstrukturpolitik nicht ausreichend verbessert haben, ist nicht damit zu rechnen, daß die Mehrzahl der Banken ihren Firmensitz nach Berlin verlegen wird. Das wäre aber Voraussetzung dafür, daß Berlin wieder zum zentralen Finanzplatz in Deutschland werden könnte. Statt dessen gaben einige Kreditinstitute den Standort Berlin angesichts unerfüllter Erwartungen wieder auf. Die angespannte Haushaltslage des Landes Berlin und die damit verbundene zu geringe kommunale Investitionsquote läßt befürchten, daß selbst die bereits erreichten Standortvorteile Berlins wieder verlorengehen. Deswegen ist eine Konsolidierung des Landeshaushaltes nicht nur ordnungspolitisch geboten, sondern auch im Hinblick auf den Standort- und Finanzplatzwettbewerb sinnvoll. Insbesondere im Hinblick auf die Entstehung eines innovativen Wettbewerbsklimas zwischen den Marktteilnehmern am Finanzplatz Berlin ist eine Verringerung der staatlichen Beteiligung am Marktgeschehen ebenfalls empfehlenswert.

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Kapitel IV

Fazit

V.

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Schlußbemerkung und Ausblick

Ziel der Arbeit war es, die Entstehung und Entwicklung des Finanzplatzes Berlin darzustellen und mit Hilfe verschiedener Theorien zu analysieren. Dazu erfolgte zunächst eine Diskussion verschiedener Finanzplatzbegriffe, der sich eine Betrachtung unterschiedlicher theoretischer Konzepte anschloß. Mit diesen Theorien wurden die zeitliche, die räumliche und die sachliche Dimension eines Finanzplatzes im allgemeinen erfaßt. Die historische Entwicklung des Finanzplatzes Berlin im besonderen wurde dann mittels dieser Theoriekonzepte analysiert. Die zeitliche Dimension konnte durch die Marktphasentheorie von HEUSS erfaßt werden. Demnach vollzieht sich die Entwicklung von Finanzplätzen in Phasen. Stabilität und Dauer der einzelnen Phasen werden von sich wiederholenden oder neuartig auftretenden Geschehnissen bestimmt, da diese Ereignisse die Erfahrungskurve der Marktteilnehmer bzgl. des Ansiedlungsprozesses am Standort beeinflussen. In Analogie zur Periodisierung der Marktphasentheorie nach HEUSS und dem historischen Rhythmus nach KENNEDY vollzog sich die Entwicklung des Finanzplatzes Berlin in sechs Phasen, deren Einteilung sich zudem an politischen und ökonomischen Wendepunkten orientierte. Die dabei gewählte ungewöhnlich lange Zeitspanne bot den notwendigen Rahmen, um die Finanzplatzgeschichte Berlins in ihren Höhen und Tiefen zusammenfassend und auf der Grundlage vielfältiger Quellen und Aspekte zu präsentieren. Auch wurde durch diese Vorgehensweise erkennbar, daß die jüngsten Entwicklungen am Bankplatz Berlin Ergebnisse vorangegangener Prozesse sind, und somit in einem entwicklungsgeschichtlichen Kontext stehen. Dies wird besonders deutlich durch die negativen Entwicklungstrends in den Phasen vier und fünf, die bis heute nachwirken. Die politischen Veränderungen zum Ende des II. Weltkrieges (Phase IV) sowie die ordnungspolitischen Fehlentwicklungen in den Jahren der politischen und geografischen Insellage Berlins (Phase V), belasten den Finanzplatz Berlin heute noch. Neben der Erklärung gegenwärtiger Probleme des Finanzplatzes Berlin bietet der weit zurückgehende Blick in die Vergangenheit auch Anregungen für die Gestaltung zukünftiger Prozesse. Die räumliche Dimension eines Finanzplatzes und damit die Art und Weise der Verteilung der wirtschaftlichen Aktivität von Banken im Raum wurde mit Hilfe einiger

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Kapitel V

raumwirtschaftlicher Konzepte abgebildet. Es wurde gezeigt, daß sich aus einer Menge gleichrangiger Finanzplätze immer ein Finanzplatz zum ranghöchsten Finanzplatz erhebt. Diese Erhebung vollzieht sich sowohl auf regionaler, auf nationaler und auf internationaler Ebene. Die Kräfte, die maßgeblich am Aufstieg eines Finanzplatzes mitwirken, können durch Agglomerationskräfte dargestellt werden. Der häufig vorgetragene Einwand, daß die Globalisierung diesem Prozeß entgegenläuft, konnte nicht bestätigt werden. Ebenso die Annahme, daß durch die moderne Kommunikationstechnik die Ausbildung konzentrierter Standortmuster künftig nicht mehr stattfindet, ist angesichts der bestehenden Relevanz von Face-to-Face-Vorteilen nicht haltbar. Demnach entwickelte sich auch der Finanzplatz Berlin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus einer Menge gleichrangiger Finanzplätze zunächst zum zweitrangigen Finanzplatz nach Frankfurt am Main. Durch die Zunahme der am Standort Berlin vorherrschenden positiven Agglomerationseffekte sowie durch neuartig auftretende Ereignisse bzw. Sondereinflüsse entwickelte sich Berlin zum zentralen Finanzplatz Deutschlands und verwies Frankfurt auf den zweiten Platz. Zu diesen Sondereinflüssen zählen neben der Erhebung Berlins zur Reichshauptstadt im Jahre 1871 auch die Auswirkungen des Deutsch-Dänischen Krieges 1864 sowie des Deutschen Krieges 1866, die jeweils eine Veränderung der Zahlungs- und Finanzierungsströme zugunsten des Finanzplatzes Berlin bewirkten. Den so erreichten Status als zentraler Finanzplatz Deutschlands verteidigte der Berliner Bank- und Börsenplatz bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. Aufgrund der neuen politischen Situation zerfielen schlagartig die Agglomerationsvorteile, so daß der Finanzplatz Berlin in die Regionalität zurückfiel, die bis heute anhält. Die sachliche Dimension eines Finanzplatzes, die die Standorterfolgsfaktoren in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, wurde durch die Diskussion verschiedener Anforderungsprofile vorgestellt. Soll sich ein Standort zu einem Finanzplatz entwickeln, müssen verschiedene Anforderungen erfüllt sein. Letztlich lassen sich die einzelnen Anforderungen in ein systemisches Anforderungsprofil transformieren, das die wesentlichen Parameter erfaßt. Dazu zählen neben den Angebots- und Nachfragebedingungen auch die Bankinstitute selbst, die als Marktteilnehmer des Finanzplatzes diesen Bedingungen gegenüber stehen. Des weiteren sind der Einfluß des Staates sowie mögliche exogen auftretende Ereignisse, die sog. Sondereinflüsse, wesentliche Parameter dieses Modells. Darüber hinaus sind Unterstützungsbranchen von Bedeutung, die jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht betrachtet wurden. Diese Anforderungsparameter stehen in einem sich gegenseitig beeinflussenden Verhältnis und können sowohl Ursache als auch Folge einer Standortentscheidung und damit für die Entwicklung eines Finanzplatzes sein.

Fazit

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Um den Finanzplatz Berlin in sachlicher Hinsicht als vielschichtiges Phänomen erfassen zu können, wurde für die historisch-empirische Analyse der Finanzplatzgeschichte Berlins dieses systemische Anforderungsprofil genutzt. Die Anwendung dieses Analyserasters fand dabei entsprechend den festgelegten Entwicklungsphasen in chronologischer Reihenfolge statt. Dabei konnte festgestellt werden, daß die Anwesenheit der politischen Macht in Berlin in jeder Entwicklungsphase ein Standortvorteil war, so daß viele Banken ihre Standortentscheidung zugunsten des Finanzplatzes Berlin trafen. Kurze Kommunikationswege sowie unbürokratische Abstimmungsprozedere zwischen den staatlichen und den Unternehmensvertretern aufgrund der persönlichen Kenntnis voneinander machten die Face-to-Face-Vorteile aus, die sich aus der Nähe zur Politik ergeben. Diesen Faktor jedoch als Hauptgrund für die Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz Deutschlands zu bezeichnen, wäre völlig unzutreffend. Vielmehr war es das Zusammenspiel aller Parameter des systemischen Anforderungsprofiles, was die stark attrahierende Wirkung Berlins verursachte. Dies wird besonders in der Aufstiegsphase von 1806 bis 1871 deutlich. Die Zunahme der Bevölkerung, die damit einhergehende Entwicklung Berlins zur Industriestadt, der Ausbau der verkehrstechnischen Infrastruktur sowie die Entwicklung Berlins zur Kultur-, Kunst- und Wissensstadt schufen Angebots- und Nachfragebedingungen, von denen sich Kreditinstitute in starkem Maße angezogen fühlten, so daß sie sich in Berlin niederließen. Die dadurch hervorgerufene Vergrößerung der Bankenagglomeration in Berlin hatte positive Rückkopplungseffekte auf die bestehenden Angebots- und Nachfragebedingungen, so daß sich weitere Banken, Industrieunternehmen, Künstler, Wissenschaftler sowie Menschen jeglicher Couleur ansiedelten. Darüber hinaus war die Einführung der Aktie als innovatives Finanzierungsinstrument und die damit verbundene Entwicklung der Berliner Börse zum zentralen Markt, an dem sich Angebot und Nachfrage nach Unternehmenseigenkapital trafen, von besonderer Bedeutung für die Entwicklung Berlins zum zentralen Finanzplatz Deutschlands. Die am Bankplatz Berlin ansässigen großen Privatbankhäuser und die Kreditaktienbanken bildeten zusammen mit der Berliner Börse eine einzigartige Symbiose, in der diese Marktteilnehmer von der unmittelbaren Nähe des jeweils anderen profitierten. Die Konzentration des Rentenhandels auf den Bankplatz Berlin wurde durch Sondereinflüsse hervorgerufen und trug ebenfalls zum Aufstieg Berlins bei. Die räumliche Nähe der Marktteilnehmer untereinander und ihre fruchtbare Zusammenarbeit beförderten das innovative Wettbewerbsklima des Finanzplatzes Berlin und bewirkten die Weiterentwicklung der bestehenden Agglomerationsvorteile in der Zeit von 1871 bis 1914. Die Agglomeration Berlin wurde selbst zum Standortvorteil. Dar-

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über hinaus war die ökonomische Stärke Deutschlands und damit verbunden die Fähigkeit zum Kapitalexport ausschlaggebend für die auch internationale Akzeptanz des Berliner Finanzplatzes. Sichtbar wurde auch, daß der Staat selbst nicht in der Lage ist, einen Standort zum Finanzplatz herauszubilden. Er kann aber durch das Setzen von unternehmerfreundlichen Rahmenbedingungen dafür sorgen, daß sich Standortfaktoren verbessern, auf deren Grundlage sich dann Finanzplätze etablieren können. Wie negativ eine hohe staatliche Betätigung im Bankensektor und damit verbunden eine hohe Regulierungsdichte die Entfaltung ökonomischer Kräfte der eigentlichen Marktteilnehmer eines Finanzplatzes behindern, zeigte sich sowohl in der vierten Phase (1914-1945) als auch in der fünften Phase (1945-1989). Diese Erkenntnis wird ebenfalls durch die jüngsten Entwicklungen am Finanzplatz Berlin im Zusammenhang mit der Berliner Bankgesellschaft bestätigt. Neben der Betrachtung dieser drei Dimensionen scheint es sinnvoll, den Kanon der Finanzplatzerfolgsfaktoren um weitere Aspekte zu ergänzen. Denkbar wäre in diesem Sinne die Analyse einer juristischen sowie einer gesellschaftlichen Dimension. Besonders interessant erscheint es darüber hinaus, jene Entwicklungsimpulse aufzugreifen, die von den Führungskräften der Banken ausgingen und damit die Bankierspersönlichkeit und den Einfluß ihres Verhaltens auf die Finanzplatzgeschichte in den Betrachtungsfokus zu rücken. Diese Aspekte wurden in der vorliegenden Arbeit bereits teilweise berücksichtigt. Eine umfassende Analyse dieser Faktoren muß jedoch zukünftigen Arbeiten vorbehalten bleiben. Die vorliegende Arbeit konzentrierte sich bewußt auf die Analyse der Kreditinstitute und der Börse, da sie sowohl historisch als auch gegenwärtig die bedeutendsten Marktteilnehmer eines Finanzplatzes sind. Weil sich aber die Wertschöpfungskette im Bankenbereich verändert und neue Finanzdienstleister entstehen, ist es notwendig und spannend, den Kanon der zu untersuchenden Marktteilnehmer des Finanzplatzes Berlin zu erweitern. Denkbar wäre hierbei die Untersuchung des Ansiedlungsverhaltens der Versicherungsgesellschaften oder auch der Bausparkassen sowie von Leasing- und Factoringgesellschaften. Vor dem Hintergrund zahlreicher Existenzgründungen im Raum Berlin-Brandenburg seit Beginn der 1990er Jahre wäre auch die Analyse der Standortwahl der VC-Unternehmen sinnvoll. Des weiteren würde die Darstellung der im Rahmen des systemischen Anforderungsprofiles nicht betrachteten Unterstützungsbranchen wie Wirtschaftsprüfungsunternehmen oder die Finanzpresse eine sinnvolle Ergänzung des Untersuchungsfeldes darstellen. Auch diese Aspekte müssen zukünftigen Arbeiten vorbehalten bleiben.

Fazit

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Im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung des Finanzplatzes Berlin ist es unter Berücksichtigung der in dieser Arbeit betrachteten drei Dimensionen eines Finanzplatzes vorerst nicht zu erwarten, daß sich der Bank- und Börsenplatz Berlin wieder zum nationalen Finanzzentrum erhebt. Die Analyse der zeitlichen Dimension ergab, daß sich der Finanzplatz Berlin gegenwärtig in einer Renaissance-Phase befindet. Durch das Ereignis der Deutschen Wiedervereinigung veränderte sich die Erfahrungskurve der Gesamtheit der Marktteilnehmer bezüglich des Standortes Berlin. Standortentscheidungen zugunsten des Finanzplatzes wurden positiv beeinflußt und wiederholt umgesetzt. Dennoch veränderte sich die Erfahrungskurve durch den Sondereinfluß der Überwindung der deutschen Teilung nicht nachhaltig. Standortentscheidungen zugunsten Berlins, die mit einer Verlagerung der Unternehmenszentralen einhergehen, blieben im Bankbereich bisher aus. Ein zentraler Finanz- und Bankplatz zeichnet sich jedoch gerade durch die Anwesenheit einer Vielzahl von Firmenzentralen aus. Aus raumtheoretischer Sicht steht Berlin im Wettbewerb zu den anderen regionalen Finanzplätzen Deutschlands. Mit Frankfurt hat sich bereits in den 1970er Jahren ein Finanzplatz aus einer Menge gleichrangiger Finanzplätze hervorgehoben. So verbleibt für Berlin zunächst nur die Möglichkeit, sich als regionaler Finanzplatz mit einer Reichweite, die sich auf die östlichen Bundesländer erstreckt, zu profilieren. Der räumliche Standortvorteil der Nähe zu Ost- und Mitteleuropa ist zwar gegeben. Jedoch verfügen auch andere Finanzplätze wie zum Beispiel Wien oder Warschau über einen derartigen Standortvorteil.1 Auch vor dem Hintergrund der sachlichen Dimension ist ein Aufstieg Berlins zum zentralen Finanzplatz in Deutschland gegenwärtig nicht vorstellbar. Vielmehr ist zunächst die Stellung Berlins als regionaler Finanzplatz zu stärken. Dazu sind sämtliche Parameter des systemischen Anforderungsprofils weiter zu verbessern. Der Ausbau des räumlichen Standortvorteils der Nähe zu Mittel- und Osteuropa ist ebenfalls nur dann nutzbar, wenn sich die Angebots- und Nachfragebedingungen verbessern. Hierzu ist es erforderlich, daß das Land Berlin mehr finanziellen Spielraum für Investitionen in die Rahmenbedingungen des Standortes gewinnt. Ein Rückzug aus der Betätigung im Bereich der Finanzdienstleistungen sowie die Abschaffung von bürokratischen Hemmnissen ist daher unerläßlich. Darüber hinaus ist eine Fokussierung auf geeignete Kernkompetenzen seitens der Berliner Kreditinstitute unerläßlich, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederzufinden und zu 1

Vgl. auch Naser et al. (2002), S. 274, die ebenfalls zu diesem Ergebnis kommen.

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erhalten. Dazu würde die Besetzung von Nischen bzw. das Erschließen neuer Geschäftsfelder beitragen. Daher bieten Studien zur Zukunftsfähigkeit des Finanzplatzes Berlin und zur Nischenpolitik seiner Marktteilnehmer gleichfalls Raum für weitere Forschungsarbeiten. Angesichts der zunehmenden Stärke der Medienbranche in Berlin könnte eine Nische das Geschäftsfeld der Filmfinanzierung sein. Schon heute hat sich mit dem Bankhaus Lampe ein Kreditinstitut auf diesen Bereich spezialisiert. In Zusammenarbeit mit der Film- und Fernsehbranche wäre auch der Ausbau des TVBankings als Geschäftsfeld bzw. besonderer Vertriebskanal denkbar. Aufgrund der Veränderungen in der Hochschulfinanzierung erscheint ebenfalls das Geschäftsfeld der Bildungsfinanzierung attraktiv, zumal Berlin eine hohe Dichte an Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen aufweist. Durch diese Nischen- und Innovationspolitik könnte der Finanzplatz Berlin dann auch im Wettbewerb gegen andere regionale Finanzplätze bestehen sowie an Bedeutung gewinnen2 und in diesem Sinne tatsächlich eine Renaissance erleben.

2

Eine Spezialisierungsstrategie zur Festigung der Stellung des Berliner Finanzplatzes schlug bereits POHL 1989 vor. Vgl. Pohl (1989), S. 657.

Fazit

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3.4 Geschäftsberichte Allgemeine Hypothekenbank AG Badische Beamtenbank eG Bank für Kirche und Diakonie Bankgesellschaft Berlin AG Berliner Commerzbank AG Berliner Hypothekenbank AG Berliner Pfandbriefbank Berliner Volksbank eG Berliner Wertpapierbörse Berliner Zentralbank Bürgschaftsbank zu Berlin-Brandenburg GmbH Commerzbank AG Debis AG Deutsche Bank AG Deutsche Bank Berlin AG Deutsche Kreditbank AG Dexia Hypothekenbank AG Dresdner Bank AG Evangelische Darlehensgenossenschaft eG Grundkreditbank eG

Literaturverzeichnis

Köpenicker Bank eG Landesbank Berlin Landeszentralbank Berlin Landeszentralbank Berlin-Brandenburg Pax-Bank eG Scheurmann-Bank KG Sparda-Bank Berlin eG Süddeutsche Bodenkreditbank AG Weberbank Privatbankiers KgaA Westfälische Landschaft

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Schriftenreihe Finanzierung und Banken Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel Band

1:

Band

2:

Band

3:

Band

4:

Band

5:

Band

6:

Band 7:

Roland Hübner: Terminbörsliche Immobilienderivate für Deutschland; 2002. Philip Steden: Marktorientierte Bankenregulierung. Eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung, 2002. Marc Brüning: Corporate Finance als europäische Option im mittelstandsorientierten Bankgeschäft, 2002. Peter Claudy: Projektfinanzierungen in Emerging Markets. Eine institutionenökonomische Analyse, 2002. Sven Deglow: Vertriebs-Controlling in Bausparkassen. Aufgaben und Instrumente einer Controlling-Konzeption zur Koordination der Vertriebswege, 2003. David Mbonimana: Internationalisierungsstrategien von Banken – Kooperation versus Akquisition. Eine historische und vergleichende Analyse am Beispiel deutscher Großbanken, 2005. Julia Plakitkina: Bankenstrukturen und Systemrisiken – eine ökonomische Analyse Russlands im internationalen Vergleich, 2005.

Band 8:

Florian Bolte: Auswirkungen des Schuldenmanagements auf Renditedifferenzen zwischen Anleihen öffentlicher Emittenten des Euro-Währungsgebietes, 2005.

Band 9:

Annett Ullrich: Finanzplatz Berlin. Entstehung und Entwicklung – Eine theoriengeleitete historisch-empirische Analyse, 2005.