Führung messen: Inklusive Toolbox mit Messinstrumenten und Fragebögen [1. Aufl.] 9783662605172, 9783662605189

Dieses kompakte Fachbuch gibt Ihnen einen umfassenden Überblick über die wichtigsten Führungsansätze. Es enthält eine To

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German Pages VIII, 249 [252] Year 2020

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Führung messen: Inklusive Toolbox mit Messinstrumenten und Fragebögen [1. Aufl.]
 9783662605172, 9783662605189

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VIII
Was ist Führung? (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 1-5
Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 7-69
Ein Gesamtmodell für Führung? (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 71-74
Wie kann man Führung messen und beschreiben? (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 75-95
Messung von Führung in der Personalauswahl und -entwicklung (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 97-115
Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 117-224
Führung selbst messen (Rafaela Kraus, Tanja Kreitenweis)....Pages 225-244
Back Matter ....Pages 245-249

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Rafaela Kraus Tanja Kreitenweis

Führung messen Inklusive Toolbox mit Messinstrumenten und Fragebögen

Führung messen

Rafaela Kraus Tanja Kreitenweis

Führung messen Inklusive Toolbox mit Messinstrumenten und Fragebögen

Rafaela Kraus Universität der Bundeswehr München Neubiberg, Deutschland

Tanja Kreitenweis Universität der Bundeswehr München Neubiberg, Deutschland

ISBN 978-3-662-60517-2 ISBN 978-3-662-60518-9  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über 7 http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Umschlaggestaltung: deblik Berlin Planung/Lektorat: Marion Krämer Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

V

Vorwort Führung möglichst exakt zu messen ist seit jeher ein Anliegen der Wissenschaft und der Praxis. Während für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Erkenntnisinteresse im Vordergrund steht, sind viele Praktikerinnen und Praktiker der Meinung, dass man nur managen kann, was man auch messen kann. Und auch Führungskräfte selbst sind an validem Feedback zur eigenen Führungsleistung interessiert, da es die Motivation entscheidend beeinflusst. Gutes Feedback bestärkt und beflügelt uns, kritisches Feedback motiviert uns, es besser zu machen, uns zu entwickeln oder vielleicht auch zu überdenken, ob wir in der aktuellen Position unsere Talente wirklich voll entfalten können. Führung ist ein vielgestaltiges Phänomen. Es kann aus verschiedenen Perspektiven und Rollen betrachtet werden, darunter sind Geführte, Vorgesetzte sowie Kolleginnen und Kollegen. Zudem kann Führung vor dem Hintergrund unterschiedlicher theoretischer Konzepte untersucht werden. Diese begreifen Führung z. B. als Ausdruck von Persönlichkeitseigenschaften, als Verhaltensmuster oder als situationsabhängiges Konstrukt. Aber auch einige besonders wichtige Aspekte der Führungstätigkeit, z. B. Entscheidungen zu treffen oder die Kommunikation können den Ausgangspunkt für Messungen bilden. Außerdem spielt natürlich eine Rolle, weshalb Führung überhaupt gemessen werden soll und welche Erwartungen daran geknüpft sind. Soll im Dienste der Wissenschaft beschrieben werden, wie in bestimmten Kontexten geführt wird oder sollen interessante Zusammenhänge aufgedeckt werden, z. B. die Wechselwirkung von bestimmten Führungsstilen und Leistung? Oder geht es darum, Führungskräften systematisch Feedback zu geben, damit sie sich weiterentwickeln können? Soll die Auswahl von Führungskräften unterstützt werden oder soll der Erfolg von Maßnahmen der Organisationsentwicklung evaluiert werden? Angesichts der Vielfalt von Fragestellungen und Themen verwundert es nicht, dass sehr viele, höchst unterschiedliche Instrumente existieren, um möglichst allen Perspektiven und Interessen gerecht zu werden. Auch der Markt für Messinstrumente ist schier unüberschaubar. Die organisationspsychologische Forschung hat eine Vielzahl von Fragebögen entwickelt und validiert, weitere Instrumente wurden von Beratungsunternehmen aus der Praxis für die Praxis entwickelt und ursprünglich aus der Wissenschaft stammende Instrumente wurden an die Anforderungen der Praxis angepasst. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in Qualitätsunterschieden wider: Bei einigen Instrumenten verrät schon der Augenschein, dass es sich wohl nicht um ein wissenschaftliches Messinstrument handelt, bei anderen lässt zwar die Herkunft auf Qualität schließen, dennoch ist eine Beurteilung für „statistische Laien“ recht schwierig. Das Anliegen dieses Buches ist es nun, (angehenden) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie (Personal-)Praktikerinnen und Praktikern einen Überblick über die Führungsforschung zu geben und die gängigsten und leistungsfähigsten Instrumente zur Messung unterschiedlichster Aspekte von Führung in Form einer anwendungsorientierten Toolbox vorzustellen. Die Instrumente stammen ausnahmslos aus dem wissenschaftlichen Umfeld und entsprechen den gängigen Gütekriterien der

VI

Vorwort

empirischen Sozialforschung. Die Leserinnen und Leser erfahren, wie sie die Qualität von Fragebögen beurteilen können und erhalten damit eine wichtige Entscheidungsunterstützung. Dies erleichtert darüber hinaus die Auswahl und Entwicklung von Fragebögen zur Messung von Führungskompetenzen und Merkmalen des Führungsverhaltens, wie z. B. Kommunikationsverhalten, Entscheidungsverhalten in Krisen, Loyalität, Charisma oder Dark Traits. Den Leserinnen und Lesern wird zum einen die Einordnung der Messinstrumente in die klassische und aktuelle Führungsforschung verdeutlicht, zum anderen werden die zugrunde liegenden Theorien und psychologischen Konstrukte vorgestellt. Die wichtigsten Schritte bei der Entwicklung eigener Messinstrumente werden anschaulich erläutert und durch praxisorientierte Anleitungen für die Durchführung und Auswertung eigener Befragungen ergänzt. (Personal-) Praktikerinnen und Praktikern sowie Beraterinnen und Beratern werden Möglichkeiten der Integration von Führungsfeedbacks in die Personalauswahl und -entwicklung, aber auch für die Entwicklung der Führungskultur von Organisationen aufgezeigt. Rafaela Kraus Tanja Kreitenweis

VII

Inhaltsverzeichnis 1

Was ist Führung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 2.3.1 2.3.2 2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6 2.3.7

Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung . . . . . . . . . 7

3

Ein Gesamtmodell für Führung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Klassische Führungstheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Eigenschaftsorientierte Führungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Verhaltensorientierte Führungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Situative Führungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Jüngere Führungstheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Charismatische Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Transaktionale und transformationale Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Implizite Führungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Beziehungsorientierte Führungstheorien – Leader-Member-Exchange. . . . . . . . . . . . . . 36 Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Führung und Kultur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Führung und Change. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Führung und Ethik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Führung, Gender und Diversity. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Agile Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Geteilte Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Toxische und schlechte Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

Wie kann man Führung messen und beschreiben?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 4 4.1 Psychologische Konstrukte zur Beschreibung von Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 4.2 Psychologische Tests und Fragebögen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4.3 Grundbegriffe der Statistik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 4.4 Gütekriterien für Messinstrumente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.4.1 Klassische Gütekriterien: Objektivität, Reliabilität, Validität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4.4.2 Nebengütekriterien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4.5 Hinweise zur Beurteilung der Qualität von Messinstrumenten und Befragungsergebnissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5 5.1 5.2

Messung von Führung in der Personalauswahl und -entwicklung. . . . . . . 97 Assessment-Center und Potenzialanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Führungsfeedback. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114

VIII

Inhaltsverzeichnis

6

Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

6.1 Die Toolbox im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 6.2 Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften. . . . . . . . 119 6.2.1 Die Intelligenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6.2.2 Die Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 6.2.3 Die Persönlichkeit im beruflichen Kontext. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 6.2.4 Einzelne Aspekte der Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 6.3 Diagnose von Einstellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.3.1 Vertrauen und Loyalität gegenüber der Führungskraft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.3.2 Feedbackorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 6.3.3 Selbstwirksamkeitsüberzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 6.4 Diagnose der Führungsmotivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 6.5 Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.5.1 Führung und Einflussnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.5.2 Führung und Werte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.5.3 Führung und Emotionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 6.5.4 Führung in bestimmten Situationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 6.5.5 Hierarchische vs. Geteilte Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 6.6 Diagnose des Führungsstils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 6.6.1 Transaktionale Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 6.6.2 Transformationale Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 6.6.3 Full-Range-Leadership. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6.6.4 Charismatische Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 6.6.5 Authentische Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 6.6.6 Beziehungsqualität von Führungskraft und Mitarbeitenden – L­ eader-Member Exchange. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 6.6.7 Ambidextre Führung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

Führung selbst messen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Entwicklung eines eigenen Fragebogens zur Messung von Führung. . . . . . . . . . . . . . 227 Paper-Pencil vs. Online Befragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Stichprobe der Befragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Stakeholder-Management und kommunikative Begleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 Auswertung und Interpretation der Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

Serviceteil Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

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Was ist Führung? Literatur – 5

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_1

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Kapitel 1 · Was ist Führung?

1 Management vs. Leadership

Mitarbeiterführung

Personalführung

Unternehmensführung

Führungskräfte ≠ homogene Gruppe

Bereits 1974 hat der Führungsforscher Ralph Stogdill beklagt, es gebe fast genauso viele Definitionen von Führung wie Versuche, den Begriff zu definieren (Stogdill 1974). Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur die Wissenschaft, sondern auch den Gebrauch des Begriffs „Führung“ in der Praxis bzw. im Alltag. Im angelsächsischen Sprachraum wird durch die deutliche Abgrenzung der Begriffe Management und Leadership schnell klar, ob es darum geht, als Manager Abläufe gut zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu kontrollieren, oder als Leader die Geführten für Ziele und Veränderungen zu begeistern, sie zu motivieren und ihnen Sinn zu vermitteln. Im Deutschen ist der aus der Umgangssprache übernommene Begriff „Führung“ hingegen unschärfer und er wird umfassender eingesetzt. Am naheliegendsten ist es, darunter die Mitarbeiterführung durch den Vorgesetzten zu verstehen. Das Wort „führen“ hat in der deutschen Sprache den gleichen Ursprung wie „fahren“ und bedeutet im eigentlichen Sinne „etwas in Bewegung setzen“. Es geht also um die verschiedenen Interaktionen zwischen Führungskraft und Geführten, die dazu dienen die Mitarbeitenden „in Bewegung zu setzen“ und ihr Handeln auf die Verwirklichung der Ziele der Organisation auszurichten. Personalführung hingegen ist zumeist Teil der Unternehmensführung und ist dem Personalmanagement zugeordnet. Mit Personalführung sind weniger die individuellen Führungsbeziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden gemeint, sondern vielmehr die Wirkungen von Führungssubstituten und -instrumenten, wie z. B. der leistungsorientierten Entlohnung. Führungssubstitute üben indirekt Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeitenden aus und ergänzen oder ersetzen damit die direkte Führung durch den Vorgesetzten. So kann z. B. die Unternehmenskultur innovationsfördernd oder -hemmend wirken, oder bestimmte Managementmodelle wie „Management by Exception“ die Übernahme von Verantwortung durch die Mitarbeitenden fördern. Führungssubstitute können, wie die Unternehmenskultur, evolutionär quasi „von selbst“ entstehen oder werden bewusst durch das Personalmanagement gestaltet und eingeführt, wie z. B. Anreizsysteme oder Beurteilungssysteme. Oft wird Führung aber auch mit Unternehmensführung gleichgesetzt. Hier liegt der Fokus auf strategisch bedeutsamen Entscheidungen, die dann in der Planung, Organisation, Koordination und Steuerung verschiedener Bereiche, wie z. B. Produktion, Investition und Finanzierung, umgesetzt werden (Drucker 1963). Nicht nur die Unternehmensführung, auch die Personal- und die Mitarbeiterführung umfassen sowohl Aspekte von Leadership („do the right things“) als auch Aspekte des Managements („doing things right“) (. Abb. 1.1). Führung wird aber nicht nur hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das Unternehmen als Ganzes, auf die gesamte Belegschaft

Kapitel 1 · Was ist Führung?

„doing things right“

Management & Leadership „do the right things“

Mitarbeiterführung: Mitarbeitende direkt beeinflussen, damit diese im Sinne der Unternehmensziele handeln

Personalführung: Ziele für den Personalbereich ableiten und deren Umsetzung gestalten, z. B. durch Führungssubstitute und -instrumente Unternehmensführung: Unternehmensziele setzen und deren Umsetzung gestalten

. Abb. 1.1  Unternehmens-, Personal- und Mitarbeiterführung

oder auf den einzelnen Mitarbeitenden unterschieden, auch der Begriff Führungskraft bezeichnet ganz unterschiedliche Funktionsträger. Ein Vorstand von BMW und ein Gruppenleiter in einem Call Center arbeiten nicht nur in unterschiedlichen Branchen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen, auch ihre Führungsaufgaben und die dafür notwendigen Kompetenzen unterscheiden sich sehr stark voneinander. Führungskräfte sind daher alles andere als eine homogene Gruppe. Und auf ein und derselben Position können sich die Anforderungen an die jeweilige Führungskraft in Abhängigkeit von der aktuellen Wettbewerbssituation oder der konjunkturellen Lage rasch wandeln (. Abb. 1.2). Führung ist damit ein gewissermaßen fluides Konzept, das sich nicht mit Hilfe einer Universaltheorie erfassen lässt. Dessen muss man sich bei der Beschäftigung mit Führungstheorien bewusst sein: Führungstheorien können immer nur einzelne Aspekte der Führungsrealität erklären und abdecken. Das Konstrukt „Führung“ setzt sich also aus einer Vielzahl größerer und kleinerer Bausteine zusammen. Manche dieser Bausteine stellen ein anerkanntes und solides Fundament dar, z. B. das Modell des transaktionalen und transformationalen Führens (7 Abschn. 2.2.2), andere bilden Brücken zwischen bestimmten Teilen, z. B. die LMX-Theorie (7 Abschn. 2.2.4). Wenn man alle bisher genannten Facetten von Führung berücksichtigt, lässt sich dennoch ein gemeinsamer Nenner finden. Führung bedeutet, dass Führungskräfte auf Individuen und Gruppen Einfluss nehmen, damit diese verstehen und akzeptieren, was getan werden muss und sie dabei unterstützt werden, die gemeinsamen Ziele zu erreichen (in Anlehnung an Yukl 2010).

3

1

4

Kapitel 1 · Was ist Führung?

1

Unternehmensgröße

Hierarchiestufe

Aufgaben

Branche

Funktionsbereich

Heterogenität von Führungskräften . Abb. 1.2  Führungskräfte als heterogene Gruppe

Führungsaufgaben

Führung messen

Was machen Führungskräfte nun konkret, um ihre Mitarbeitenden oder Teams zu beeinflussen und sie bei der Zielerreichung zu unterstützen? Sie organisieren sich selbst und ihren Aufgabenbereich, sie übertragen Aufgaben an ihre Mitarbeitenden, motivieren sie und fördern ihre Entwicklung. Dies hat Auswirkungen auf die Leistungsbereitschaft (das „Wollen“), die Leistungsfähigkeit (das „Können“) und den Handlungsspielraum (das „Dürfen“) ihrer Mitarbeitenden (. Abb. 1.3). Konkret und im Wesentlichen bedeuten diese Aufgaben eines: Kommunikation. Denn mehr als 70 % ihrer Zeit verbringen Führungskräfte mit verschiedenen Formen von Kommunikation (Mintzberg 1980; Schirmer 1992). Was für Führungstheorien gilt, gilt auch für das Messen von Führung: Es ist bisher nicht gelungen, das Gesamtsystem „Führung“ ganzheitlich zu erfassen. Es können jedoch viele Aspekte des Führens gemessen werden, wie bspw. Eigenschaften, Einstellungen und Verhaltensweisen von Führungskräften, die für die verschiedenen Ebenen von Führung relevant sind. Beispiele hierzu wären die charismatische Führung (7 Abschn. 2.2.1) im

5 Literatur

Aufgaben

Mitarbeiter

Entwickeln

Können

Motivieren

Wollen

Delegieren

Dürfen

Leistung

Führung

Selbstmanagement

Organisieren

. Abb. 1.3  Aufgaben der Führung (nach Felfe 2009)

Bereich der Unternehmensführung, die alter(n)sgerechte Führung (7 Abschn. 6.5.4) im Bereich der Personalführung oder die LMX-Theorie (7 Abschn. 2.2.4) im Bereich der unmittelbaren Mitarbeiterführung. Diese und eine Vielzahl weiterer Themen, die für die Führungskräfte selbst, aber auch für Unternehmen bedeutsam sind, lassen sich durch geeignete Testverfahren gut erfassen. Aus der Analyse und Erklärung von Zusammenhängen können anschließend Empfehlungen für die Führungspraxis abgeleitet werden.

Literatur Drucker, P. F. (1963). Managing for business effectiveness. Harvard Business Review, 41(3), 53–60. Felfe, J. (2009). Mitarbeiterführung (elfPraxis der Personalpsychologie, Bd. 20). Göttingen: Hogrefe. Mintzberg, H. (1980). The nature of managerial work. Englewood Cliffs: Prentice-Hall. Schirmer, F. (1992). Arbeitsverhalten von Managern. Bestandsaufnahme, Kritik und Weiterentwicklung der Aktivitätsforschung (Neue betriebswirtschaftliche Forschung, Bd. 86). Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1990. Wiesbaden: Gabler. Stogdill, R. M. (1974). Handbook of leadership. A survey of theory and research. New York: Free Press. Yukl, G. A. (2010). Leadership in organizations (7. Aufl.). Upper Saddle River: Pearson.

1

7

Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung 2.1 Klassische Führungstheorien – 10 2.1.1 Eigenschaftsorientierte Führungstheorien – 10 2.1.2 Verhaltensorientierte Führungstheorien – 14 2.1.3 Situative Führungstheorien – 17

2.2 Jüngere Führungstheorien – 25 2.2.1 Charismatische Führung – 26 2.2.2 Transaktionale und transformationale Führung – 28 2.2.3 Implizite Führungstheorien – 32 2.2.4 Beziehungsorientierte Führungstheorien – Leader-Member-Exchange – 36

2.3 Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis – 39 2.3.1 Führung und Kultur – 39 2.3.2 Führung und Change – 44 2.3.3 Führung und Ethik – 46 2.3.4 Führung, Gender und Diversity – 50 2.3.5 Agile Führung – 53 2.3.6 Geteilte Führung – 56 2.3.7 Toxische und schlechte Führung – 59

Literatur – 62

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_2

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2

Führung als orga­ nisationspsychologisches Forschungsfeld

Zentrale Elemente der Definition von Führung

In Deutschland wurde die psychologische Führungsforschung bis in die 1990er Jahre vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. Das Thema Führung wurde nur von wenigen Forscherpersönlichkeiten (z. B. Lutz von Rosenstiel, Oswald Neuberger oder Rolf Wunderer) repräsentiert und auf einschlägigen Fachkongressen beschäftigte sich lediglich eine kleine Anzahl von Beiträgen, mit diesem Thema. Führung wurde mit Skepsis betrachtet, da man aufgrund der Erfahrungen im Nationalsozialismus keiner ungerechtfertigten Idealisierung Vorschub leisten wollte und befürchtete, dass andere wichtige Anliegen, wie die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und die Partizipation von Mitarbeitenden in den Hintergrund gedrängt werden könnten. Wer sich heute wissenschaftlich mit Führung beschäftigt, bemerkt rasch, dass es sich dabei immer noch um ein angelsächsisch geprägtes, organisationspsychologisches Forschungsfeld handelt. Allerdings weist es sehr unscharfe Grenzen zur betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung und zur Soziologie auf. Eine der gängigeren Definitionen von Führung stammt von Northouse (2015). Ihm zufolge ist Führung ein Prozess, bei dem es darum geht, ein Individuum oder eine Gruppe von Individuen so zu beeinflussen, dass ein gemeinsames Ziel erreicht wird. Diese Definition erinnert auch stark an die Formulierung von Stogdill (1950), in dessen Ansatz eine organisierte Gruppe in Richtung einer Zielsetzung und Zielerreichung beeinflusst wird. Während Rosenstiel et al. (2005) von der zielbezogenen Einflussnahme sprechen – wobei sich die Ziele meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten – sieht Packard (1978) Führung als die Kunst, andere dazu zu bewegen, wovon man selbst überzeugt ist. Und für Lord und Maher (1993) ist entscheidend, von anderen als Führungskraft wahrgenommen zu werden. Gerade die Definition nach Northouse (2015) enthält einige zentrale Elemente, die die meisten Definitionen von Führung gemeinsam haben: 5 Führung basiert auf einer Interaktion zwischen Führungskraft und Geführten. 5 Es geht beim Führen darum, soziale Beziehungen zu beeinflussen bzw. die Geführten zu verändern. 5 Führung ist immer an ein Ziel gekoppelt, wobei dieses neben der sachlichen Komponente (z. B. erfolgreicher Projektabschluss) meist auch eine Beziehungskomponente (z. B. zufriedene Mitarbeitende) aufweist. 5 Die Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten ist aufgrund der oft damit verbundenen Disziplinarvorgesetztenrolle in der Regel asymmetrisch, aber dennoch nicht einseitig, da auch die Geführten einen – manchmal sehr starken – Einfluss auf die Führungskraft ausüben. 5 Die Interaktion zwischen Führungskraft und Geführten wird durch unterschiedliche Führungsinstrumente gestaltet, z. B. über Kommunikation, Motivation und Delegation.

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Obwohl hinsichtlich dieser wesentlichen Merkmale von Führung in Organisationen eine gewisse Einigkeit besteht, prägt eine Reihe kontroverser Fragestellungen die Führungsforschung. So kann bei der Beschäftigung mit Führung die Führungskraft mit ihrer spezialisierten Rolle im Vordergrund stehen. In einem solchen Fall ist unstrittig, wer führt und wer geführt wird. Oder der Fokus liegt auf dem interaktiven sozialen Prozess von Führung, bei dem durchaus unterschiedliche Akteure in die Führungsrolle schlüpfen können. Außerdem wird diskutiert, ob Führung an bestimmte Formen der Einflussnahme gebunden ist, oder nicht: Müssen sich die Geführten der Führungskraft verbunden fühlen und deren Handeln und den verfolgten Zielen zumindest in einem gewissen Maß zustimmen, oder kann man auch dann von Führung sprechen, wenn die Geführten manipuliert werden oder Zwang auf sie ausgeübt wird? Dieses Thema ist verbunden mit der Frage nach den Zielen von Führung: Wann können diese als legitim betrachtet werden und wann nicht mehr? Kann man nur dann von Führung sprechen, wenn sie bei der Erreichung ihrer Ziele ethischen Maßstäben folgt, oder ist allein der Führungserfolg entscheidend? Und was sind überhaupt legitime Ziele für das Führungshandeln? Neben diesen ethischen Aspekten wird die Forschung auch durch unterschiedliche Überzeugungen geprägt, bspw. inwieweit Führung kognitiv steuerbar ist. Während einige der traditionellen Führungsansätze Führungsprozesse als rational beeinflussbar sehen, beschäftigen sich neuere Sichtweisen eher mit den emotionalen Aspekten von Führung. Und wenn man die Forschung zu Führungsinstrumenten betrachtet, so lassen sich Ansätze unterscheiden, die sich mit der direkten Einflussnahme durch die Führungskraft befassen, und weitere Ansätze, die die indirekte Beeinflussung durch Führungssubstitute, wie z. B. die Unternehmenskultur, arbeitsvertragliche Regelungen, Stellenbeschreibungen oder Anreizsysteme, untersuchen. Betrachtet man die Historie der Führungsforschung (z. B. Blessin und Wick 2015; Gill 2011), so lassen sich verschiedene Strömungen erkennen. Vom Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1990er Jahre dominierte die Person der Führungskraft mit ihren Eigenschaften, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und ihrer Beziehung zu den Geführten. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gewannen von der europäischen Soziologie beeinflusste, qualitative Ansätze und Konzeptionen an Bedeutung. Führung wurde mehr und mehr als sozialer Prozess gesehen. Insbesondere in den letzten zehn Jahren beschäftigte sich die Führungsforschung verstärkt mit kritischen Aspekten, z. B. wird die männlich und westlich geprägte Sicht auf Führung zunehmend hinterfragt und Themen wie Diversity, Gender oder Kultur und Ethik treten in den Vordergrund (vgl. . Abb. 2.1).

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Kontroverse Fragestellungen in der Führungsforschung

Ströme der Führungsforschung

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2

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Mitte 19.Jhdt.

Anfang 20. Jhdt.

Great Man Theory (z. B. Carlyle, 2013)

Mitte 20. Jhdt.

Fähigkeitentheorie (z. B. Katz, 1955; Mintzberg 1980)

Anfang 21. Jhdt.

Leader-Member Exchange (LMX)-Theorie (z. B. Graen, 1976)

Eigenschaftentheorie Kontingenztheorien der Führung (z. B. Fiedler, 1967; (z. B. Cowley, 1931; Hersey & Blanchard, 1977; Stogdill, 1948; Evans, 1970b) Kirkpatrick & Locke, 1991) Charismatischer Führungsansatz (z. B. Weber, 1968; Conger & Canungo, 1987) Verhaltenstheorien (z. B. Lewin, 1939; Stogdill & Coons, 1957 (OhioGruppe); Likert, 1961 (Michigan-Gruppe); Blake & Mouton, 1964)

Transaktionaler und Transformationaler Führungsansatz (z. B. Bass & Avolio, 1993)

Ethische Führung (z. B. Ciulla, 1995; Mendonca & Kanungo, 2006)

Geteilte Führung (z. B. Pearce & Conger, 2003) Implizite Führungstheorien (z. B. Epitropaki & Martin, 2005)

. Abb. 2.1  Führungstheorien im Überblick

2.1  Klassische Führungstheorien

Die klassischen Führungstheorien zielen unter anderem darauf ab zu erforschen, was eine erfolgreiche Führungskraft ausmacht. Dabei geht es z. B. um Merkmale, die Führungskräfte von Geführten unterscheiden, z. B. bestimmte Persönlichkeitseigenschaften oder Intelligenz. Es geht aber auch um besondere Fähigkeiten und Kompetenzen, welche Führungskräfte auszeichnen. Und nicht zuletzt hat sich die klassische Führungsforschung intensiv damit auseinandergesetzt, welche unterschiedlichen Verhaltensmuster („Führungsstile“) sich bei Führungskräften beobachten lassen und wie sich diese auf den Führungserfolg auswirken. Die Beschäftigung mit diesen Themen wird üblicherweise als „klassische“ Führungsforschung apostrophiert. Dennoch darf nicht übersehen werden, dass viele Erkenntnisse dieser traditionellen Ansätze in die neuere Führungsforschung eingeflossen sind. 2.1.1  Eigenschaftsorientierte Führungstheorien Persönlichkeit im Fokus

Alle eigenschaftsorientierten Führungstheorien gehen davon aus, dass die Persönlichkeit eine wichtige Rolle für den Führungserfolg

2.1 · Klassische Führungstheorien

spielt. Diese Sichtweise hat nicht nur eine lange Tradition, sie entspricht auch dem Fokus auf dem Individuum in westlichen Gesellschaftssystemen. So wurden und werden epochale Entwicklungen der Menschheitsgeschichte oder unternehmerische Erfolge und Misserfolge oft als Werke einzelner Personen („Great Men“) interpretiert (Fittkau-Garthe und Fittkau 1971). Dies ist auch dem Wunsch geschuldet, sich die Analyse komplexer sozialer, politischer und ökonomischer Zusammenhänge zu ersparen und Ereignisse und Entwicklungen auf eine einfache Ursache zu reduzieren, nämlich das Wirken einer einzigen Persönlichkeit. Die Medienberichterstattung zu aktuellen (unternehmens-)politischen Themen folgt diesem Muster und inszeniert häufig einzelne Unternehmenslenker oder Politiker als allein verantwortliche Verursacher von Erfolgen und Krisen. Diesen Persönlichkeiten werden dann bestimmte positive oder negative Eigenschaften wie Intelligenz, Entschlossenheit, emotionale Kälte oder Ängstlichkeit zugeschrieben. Persönlichkeitseigenschaften sind psychologische Konstrukte (7 Abschn. 4.1). Sie können also nicht materiell, z. B. über die Anzahl von Zellen in bestimmten Regionen des Gehirns, sondern nur über bestimmte Anzeichen erschlossen werden. Aus der Beobachtung, dass jemand ordentlich, pünktlich und zuverlässig ist, hart und diszipliniert arbeitet und auf Details achtet, kann so die Hypothese gebildet werden, dass diese Person die Eigenschaft Gewissenhaftigkeit besitzt. Die Eigenschaftstheorie geht davon aus, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften zeitlich stabil sind, unser Verhalten in allen Lebenssituationen beeinflussen und grundsätzlich bei allen Menschen mehr oder weniger ausgeprägt vorhanden sind. Die Popularität der Eigenschaftstheorie rührt auch daher, dass eine korrekte Einschätzung und Beurteilung der Persönlichkeit anderer Menschen für unser Wohlergehen extrem wichtig ist. Dies wird schon an der Fülle persönlichkeitsbeschreibender Begriffe deutlich. Allport & Odbert haben in den 1930er Jahren in Webster’s Dictionary fast 18.000 Begriffe gefunden, die die Persönlichkeit beschreiben (Conger et al. 1997). Diese Begriffe wurden mithilfe des statistischen Verfahrens der Faktorenanalyse auf folgende fünf Grunddimensionen – die „Big Five“ – reduziert: 5 Die Extraversion beschreibt wie unsere persönliche Komfortzone in Bezug auf andere Menschen aussieht. Reagieren wir auf sie eher reserviert und schüchtern (also introvertiert) oder gesellig und selbstbewusst (also extravertiert). 5 Die Verträglichkeit beschreibt, ob wir ein angenehmes Wesen haben und auf andere eingehen. Verträgliche Menschen vertrauen anderen, sind liebenswürdig und kooperativ. Personen mit geringer Verträglichkeit sind kalt, unfreundlich und eher feindselig.

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„Big Five“ Grunddimensionen

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12

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

5 Je stärker die Gewissenhaftigkeit ausgeprägt ist, desto verlässlicher ist eine Person. Sie übernimmt Verantwortung, ist beständig und gut organisiert. Dagegen sind wenig gewissenhafte Menschen unzuverlässig und lassen sich leicht ablenken. 5 Die Emotionale Stabilität oder ihr Gegenteil, der sogenannte „Neurotizismus“, beschreiben wie Personen auf Stress reagieren: Ruhig, besonnen und selbstsicher oder nervös, ängstlich und verunsichert. 5 Die Offenheit für Erfahrungen steht dafür, wie vielfältig die Interessen einer Person sind, welchen Reiz das Neue auf sie ausübt, wie neugierig und kreativ sie ist. Personen mit geringer Offenheit bevorzugen das Gewohnte und „Normale“.

2

Iden​tifikation rel​evanter Pe​rsönlichkeitseigenschaften für F​ührungskräfte

Prädiktoren von Karriereerfolg

Diese fünf Grunddimensionen sind in diesem Persönlichkeitsmodell weitgehend unabhängig voneinander. Das heißt konkret, dass die emotionale Stabilität einer Person nichts darüber aussagt, ob sie auch gewissenhaft ist. Welche Persönlichkeitseigenschaften sind aber relevant für Führungskräfte bzw. deren Erfolg in einer Organisation? Die Forschung hat Anstrengungen unternommen, diese Frage zu beantworten (Neuberger 2002). Folgendermaßen kann dabei vorgegangen werden: 1. Führungskräfte werden mit nicht führenden Personen verglichen und Unterschiede zwischen beiden Gruppen werden herausgearbeitet. 2. Führungskräfte werden verglichen, um herauszufinden, ob sie untereinander Ähnlichkeiten aufweisen und ob etwaige Unterschiede vielleicht einen unterschiedlichen Erfolg als Führungskraft erklären können. Nach der Auswertung dieser Forschungsergebnisse (Dennis und Bocarnea 2005) lässt sich zusammenfassen, dass sich a) Führungskräfte und Geführte unterscheiden und dass es b) Zusammenhänge zwischen Eigenschaften von Führungskräften und deren Erfolg gibt. Die Unterschiede sind aber insgesamt eher gering, die Zusammenhänge allenfalls mittelgroß (z. B. der Zusammenhang zwischen der Intelligenz und dem Führungserfolg) und die Befunde zum Teil widersprüchlich. Außerdem wurde bisher kaum im Längsschnitt untersucht, wie Personen sich durch die Übernahme von Führungspositionen verändern bzw. welche Eigenschaften sich im Laufe der Zeit entwickeln (z. B. Selbstvertrauen). Nach Northouse (2015) wirken sich u. a. folgende Eigenschaften positiv auf den Karriereerfolg aus: 5 Intelligenz 5 Selbstvertrauen

2.1 · Klassische Führungstheorien

13

5 Entschlossenheit 5 Integrität 5 Kontaktfähigkeit Daraus lässt sich ableiten, dass bei der Auswahl von Nachwuchsführungskräften diese Eigenschaften bspw. in einem Assessment Center getestet werden sollten (7 Abschn. 5.1). Da die Übereinstimmung in dem, was eine echte Führungskraft ausmacht, aber weniger groß ist, als Alltagstheorien nahelegen, ist folgender Gedanke für die Praxis vielleicht interessanter: Eine Person, die aufgrund ihrer Eigenschaften als Führungskraft wahrgenommen wird oder sich selbst so in Szene setzt, dass sie dem Prototyp oder „Schema“ einer Führungskraft entspricht, wird in dieser Rolle schneller und besser akzeptiert. Dadurch wiederum kann sie mehr Einfluss auf die Geführten ausüben. In Deutschland, Österreich und der Schweiz schreiben Führungskräfte des mittleren Managements dem Prototyp einer herausragenden Führungskraft folgende Attribute zu (übersetzt nach Brodbeck et al. 2000): 5 integer 5 inspirierend 5 nach Leistung strebend 5 nicht-autoritär 5 visionär 5 entschieden 5 partizipativ 5 administrativ 5 das Team zusammenhaltend Einer Führungskraft sollte folglich daran gelegen sein, so wahrgenommen zu werden. Insgesamt werden die eigenschaftsorientierten Führungstheorien und ihr starker oder gar alleiniger Fokus auf Führungseigenschaften von der heutigen Führungsforschung eher kritisch gesehen. Neuberger (2002) nennt u. a. folgende Gründe: 5 Andere für den Führungserfolg relevante Faktoren, z. B. die Geführten, die Art der Führungsaufgabe, die Branche und Situation des Unternehmens etc. werden vernachlässigt. 5 Die Führungssituation entscheidet darüber, ob Eigenschaften überhaupt relevant sind bzw. gezeigt werden können. Verschiedene Führungssituationen erfordern unterschiedliche Führungskräfte und Eigenschaften. 5 Eigenschaften sind unterschiedlich stabil und können ebenso Wirkung wie Ursache des Führungserfolgs sein. Zum Beispiel kann die Übertragung einer Führungsposition das Selbstvertrauen erheblich steigern.

Prototyp Führungskraft

Kritik an den eigenschaftsorientierten Führungstheorien

2

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

5 Es ist gefährlich Eigenschaften isoliert zu betrachten, da ein Unternehmen eine Person einstellt, die in ihrer Ganzheit nicht durch ein Bündel erwünschter Eigenschaften erfasst werden kann. 5 Die Forschung zu eigenschaftsorientierten Führungstheorien weist zum Teil eklatante methodische Mängel auf. So sind die Kriterien für Führungserfolg uneinheitlich und oft unpräzise definiert. Außerdem entsprechen die Messverfahren für Eigenschaften häufig nicht den Gütekriterien (7 Abschn. 4.4).

2

2.1.2  Verhaltensorientierte Führungstheorien Boys Club Experimente

Mitarbeiterorientierung vs. Aufgabenorientierung

Direktion vs. Partizipation

Leader Behavior Description Questionnaire

Fast zeitgleich mit den eigenschaftsorientierten Ansätzen beschäftigte sich die Führungsforschung seit den späten 1930er Jahren mit dem Verhalten und den unterschiedlichen Verhaltensmustern („Führungsstilen“) von Führungskräften. Ausgehend von den Boys Club Experimenten, bei denen Lewin (1939) die Auswirkungen eines autoritären, eines demokratischen und eines Laissez-faire-Führungsverhaltens von Lehrenden u. a. auf die Arbeitsleistung und die Zufriedenheit von Schülerinnen und Schülern untersuchte, wurden von Forschergruppen in Ohio (u. a. Stogdill und Coons 1957) und Michigan (u. a. Likert 1961) verschiedene Führungsmodelle entwickelt, nach denen der Führungsstil entscheidend für den Führungserfolg war. Allen Modellen war der Gedanke gemeinsam, dass sich die Verhaltensmuster von Führungskräften letztlich auf drei zentrale Verhaltensparadigmen zurückführen ließen: Den Fokus der Führungskraft auf strukturierte Arbeitsaufgaben („Aufgabenorientierung“), die Konzentration auf die Beziehungen zu den Mitarbeitenden und deren Zufriedenheit („Mitarbeiterorientierung“) sowie die Bereitschaft, Mitarbeitende in die Entscheidungsfindung einzubeziehen („Partizipation“): 5 Für mitarbeiterorientierte Führungskräfte ist die Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen ihrer Mitarbeitenden zentral für den Führungserfolg, während für aufgabenorientierte Führungskräfte die Erfüllung der Aufgaben und Ziele eindeutig Vorrang hat. 5 Direktive Führungskräfte treffen Entscheidungen, die die Aufgaben der Mitarbeitenden betreffen, alleine. Partizipatives Führen bedeutet, dass die Mitarbeitenden in die sie betreffenden Entscheidungen einbezogen werden. Auf Basis dieser Grundannahmen wurden Instrumente zur Messung des Führungsverhaltens erstellt, wie z. B. der von einer Forschergruppe der Ohio State University (u. a. Hemphill und Coons 1957; Halpin 1957) entworfene und mehrfach

2.1 · Klassische Führungstheorien

weiterentwickelte Leader Behavior Description Questionnaire (LBDQ). Die folgenden Items der Ursprungsversion beschreiben die Mitarbeiter- und Aufgabenorientierung einer Führungskraft: ? Mitarbeiterorientierung

5 Er/Sie erweist den Gruppenmitgliedern persönliche Gefälligkeiten. 5 Durch Kleinigkeiten macht er/sie es angenehm, ein Teammitglied zu sein. 5 Man kann ihn/sie leicht verstehen. 5 Er/Sie nimmt sich Zeit, den Gruppenmitgliedern zuzuhören. 5 Er/Sie macht Dinge mit sich selbst aus. (–)* 5 Er/Sie achtet auf das persönliche Wohlergehen der einzelnen Gruppenmitglieder. 5 Er/Sie weigert sich, seine Handlungen zu erklären. (–)* 5 Er/Sie handelt, ohne sich mit der Gruppe zu beraten. (–)* 5 Er/Sie unterstützt die Gruppenmitglieder bei ihren Aufgaben. 5 Er/Sie behandelt alle Gruppenmitglieder als ihm/ihr ebenbürtig. 5 Er/Sie ist bereit, Veränderungen durchzuführen. 5 Er/Sie ist freundlich und zugänglich. 5 Er/Sie sorgt dafür, dass sich die Gruppenmitglieder wohl fühlen, wenn er/sie mit ihnen spricht. 5 Er/Sie setzt Vorschläge der Gruppenmitglieder in die Tat um. 5 Bei wichtigen Angelegenheiten holt er/sie die Zustimmung der Gruppe ein, bevor er/sie loslegt. Aufgabenorientierung 5 Er/Sie macht der Gruppe seine Standpunkte klar. 5 Er/Sie probiert seine neuen Ideen mit der Gruppe aus. 5 Er/Sie regiert mit eiserner Hand. 5 Er/Sie kritisiert schlechte Arbeit. 5 Er/Sie duldet keinen Widerspruch. 5 Er/Sie teilt den Gruppenmitgliedern bestimmte Aufgaben zu. 5 Er/Sie plant die Arbeit, die getan werden muss. 5 Er/Sie hält an klaren Leistungsstandards fest. 5 Er/Sie legt Wert auf das Einhalten von Terminen. 5 Er/Sie fördert einheitliche Vorgehensweisen. 5 Er/Sie stellt sicher, dass seine Rolle in der Organisation von allen Teammitgliedern verstanden wird. 5 Er/Sie verlangt, dass die Gruppenmitglieder einheitlichen Regeln und Vorschriften folgen. 5 Er/Sie lässt die Gruppenmitglieder wissen, was von ihnen erwartet wird.

15

2

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

5 Er/Sie achtet darauf, dass die Gruppenmitglieder voll ausgelastet sind. 5 Er/Sie achtet darauf, dass die Arbeit der Gruppenmitglieder aufeinander abgestimmt ist.

2

* invers formulierte Items, mit denen Antworttendenzen der Probanden vermieden werden sollen

Ein bekanntes verhaltensorientiertes Führungsmodell ist das im Rahmen eines Führungstrainings entwickelte Verhaltensgitter (Managerial Grid) von Blake und Mouton (1986), das einen gleichermaßen aufgaben- und mitarbeiterorientierten Führungsstil als ideal postuliert (vgl. . Abb. 2.2). An diesem Modell wird exemplarisch deutlich, warum die verhaltensorientierten Führungstheorien seither in theoretischer Hinsicht vielfach kritisiert wurden. Indem sie einen „optimalen“ Führungsstil postulieren, berücksichtigen sie nicht, dass Führung in unterschiedlichen Branchen, Funktionen, Unternehmensbereichen und Hierarchieebenen ganz unterschiedliche und wechselnde Verhaltensweisen erfordern kann. Trotz dieses großen Defizits erfreuen sich die unterschiedlichen und immer weiterentwickelten Führungsstil-Modelle auch heute noch einer großen Beliebtheit und bilden nach wie vor die Basis vieler Führungstrainings und Instrumente für die Beurteilung von Führungskräften. Sie besitzen eine große heuristische Erklärungskraft und es fällt damit leicht, Führung zu beschreiben und einzuordnen.

Managerial Grid

Vor- und Nachteile der verhaltensorientierten Führungstheorien

Interesse am Mitarbeitenden

„Der Mensch steht im Mittelpunkt“; die Leistung steht zurück

Führungskraft „hält sich heraus“, erfüllt nur die Minimalanforderungen

= Führungsstile

1.9

9.9

Optimaler Führungsstil: Voller gemeinschaftlicher Einsatz von Führungskraft und Mitarbeitenden durch Leistungsstimulierung und Mitarbeiterorientierung

5.5 9.9

1.1 Interesse an Leistung

. Abb. 2.2  Verhaltensgitter von Blake und Mouton (1967)

Die Leistung steht im Mittelpunkt; Mitarbeitende sind „Mittel zum Zweck“

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2.1 · Klassische Führungstheorien

2.1.3  Situative Führungstheorien

Die Beobachtung, dass eine Führungskraft, je nachdem, mit welchen Mitarbeitenden sie es zu tun hat oder welche Aufgaben es zu erfüllen gilt, unterschiedlich erfolgreich sein kann, findet in den situativen Führungstheorien, oft auch Kontingenztheorien genannt, ihren wissenschaftlichen Niederschlag. Ab den 1960er Jahren entstanden hierzu zahlreiche Ansätze der Führungsforschung, die den Kontext bzw. die Führungssituation stärker in den Blickpunkt rückten. Man wollte herausfinden, wie die Zusammenhänge („Kontingenzen“) zwischen Führungsverhalten, Führungssituation und Führungserfolg genau aussehen (. Abb. 2.3). Dabei interessierte sich die Forschung vor allem für diejenigen Situationsmerkmale, die die Führungskraft gar nicht oder zumindest nicht kurzfristig beeinflussen kann, wie z. B. die Charakteristika ihrer Mitarbeitenden. Diese relativ stabilen Situationsmerkmale wirken sich besonders stark auf den Führungserfolg aus (Yukl 2011). Den Kontingenztheorien zufolge erfordern spezifische Führungssituationen, ein für die Situation geeignetes Führungsverhalten, damit sich ein Führungserfolg in Form von Leistung oder Mitarbeiterzufriedenheit einstellen kann. Es gibt daher kein Bündel an idealen Persönlichkeitseigenschaften oder keinen Führungsstil, der immer „passt“ – eine universelle Erfolgsformel existiert also nicht, wenn es um Führung geht. So werden z. B. einer Betriebsleitung eines Kernkraftwerks andere Führungsqualitäten abverlangt als z. B. dem Leiter einer Werbeagentur oder einem Feldwebel bei der Bundeswehr. Im Folgenden werden einige wichtige Kontingenztheorien kurz vorgestellt.

Individuelles Führungsverhalten • Aufgabenorientierung • Beziehungsorientierung • Partizipation • Leistungsorientierte Belohnung • …

Kontingenztheorien

Führung ist abhängig von der Situation

Führungserfolg • Zufriedenheit • Entwicklung Unternehmenskultur • Leistung der Mitarbeitenden • …

Situationsmerkmale • Aufgabenmerkmale (z. B. Strukturiertheit, Interdependenzen) • Merkmale der Untergebenen (z. B. Bedürfnisse, Werte) • Merkmale der Führungskraft (z. B. Expertise, Umgang mit Stress) • Merkmale der Führungsposition (z. B. Positionsmacht, Anreizsysteme) • …

. Abb. 2.3  Typische Parameter der frühen Kontingenztheorie (in Anlehnung an Yukl 2011)

2

18

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

In . Abb. 2.3 sind typische Parameter der frühen Kontingenztheorien modellhaft dargestellt (in Anlehnung an Yukl 2011):

2

z LPC-Kontingenztheorie Least Preferred Coworker

LPC-Skala

Auswertung der LPC-Skala

Merkmale einer Führungssituation nach Fiedler (1967)

Fiedlers LPC-Kontingenztheorie (Fiedler 1967; Fiedler et al. 1976) liegt die Idee zugrunde, dass bestimmte Verhaltensmuster einer Führungskraft darauf beruhen, ob sie ihren Geführten gegenüber eher eine optimistisch-positive oder eher eine pessimistisch-negative Grundhaltung aufbringt. Wenn z. B. eine Führungskraft die Person, mit der sie am wenigsten gerne zusammenarbeitet trotzdem noch eher positiv wahrnimmt und beschreibt, so nahm Fiedler an, dass die Führungskraft verständnisvoller sei, sich besser in andere einfühlen könne und sich insgesamt beziehungsorientierter verhalten würde. Wird umgekehrt diese „unbeliebte“ Person, der „Least Preferred Coworker“ (LPC), sehr kritisch und negativ gesehen, interpretierte Fiedler dies so: Bei der Führungskraft ist der Wunsch, Beziehungen positiv zu gestalten, weniger ausgeprägt, sie ist rein auf die Aufgabenerfüllung fokussiert und beurteilt Personen, die die Aufgabenerfüllung behindern, entsprechend negativ. Die Bewertung des „Least Preferred Coworkers“ gibt also Aufschluss darüber, ob eine Führungskraft eher beziehungsorientiert oder eher aufgabenorientiert führt. Für die Bewertung des Least Preferred Coworkers hat Fiedler ein Polaritätenprofil mit bipolaren Adjektiven entwickelt, die LPC-Skala (. Tab. 2.1). Je nachdem wie hoch die Summe der 18 Bewertungen ausfällt, handelt es sich folglich um eine eher aufgabenorientierte (73 Punkte). Führungskräfte, deren Ergebnis dazwischen liegt, führen sowohl aufgaben- als auch mitarbeiterorientiert. Den jeweiligen Führungsstil betrachtet Fiedler als stabile Persönlichkeitseigenschaft. Nach der auf empirischen Untersuchungen basierenden Kontingenzhypothese von Fiedler sind die beiden Arten von Führung je nach Situation unterschiedlich effektiv in Bezug auf die Aufgabenerfüllung durch die Geführten. Die Führungssituation erfasste Fiedler anhand dreier Merkmale: 5 die Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten 5 der Grad der Strukturiertheit der Aufgabe 5 das Vorhandensein von Positionsmacht (v. a. die Möglichkeit zu belohnen und zu bestrafen) bei der Führungskraft Insgesamt ergeben sich aus den verschiedenen Ausprägungen acht Führungssituationen, die unterschiedlich günstig sind. Anhand des folgenden Beispiels wird deutlich, wie sich die Theorie praktisch anwenden ließe:

19

2.1 · Klassische Führungstheorien

. Tab. 2.1  Least-Preferred-Coworker-Skala (LPC-Skala) von Fiedler (1967; eigene Übersetzung) Angenehm

8

7

6

5

4

3

2

1

Unangenehm

Freundlich

8

7

6

5

4

3

2

1

Unfreundlich

Abweisend

8

7

6

5

4

3

2

1

Entgegenkommend

Hilfsbereit

8

7

6

5

4

3

2

1

Entmutigend

Lustlos

8

7

6

5

4

3

2

1

Engagiert

Angespannt

8

7

6

5

4

3

2

1

Entspannt

Unnahbar

8

7

6

5

4

3

2

1

Zugänglich

Kalt

8

7

6

5

4

3

2

1

Warm

Kooperativ

8

7

6

5

4

3

2

1

Unkooperativ

Unterstützend

8

7

6

5

4

3

2

1

Feindselig

Langweilig

8

7

6

5

4

3

2

1

Interessant

Streitsüchtig

8

7

6

5

4

3

2

1

Ausgleichend

Selbstsicher

8

7

6

5

4

3

2

1

Zaghaft

Effizient

8

7

6

5

4

3

2

1

Ineffizient

Finster

8

7

6

5

4

3

2

1

Fröhlich

Offen

8

7

6

5

4

3

2

1

Verschlossen

Beispiel Der 27-jährige Informatiker Karl Klein ist als Projektleiter für den Relaunch der Website und den Aufbau der Social Media-Präsenz eines Krankenhauses eingestellt worden. In seinem Projektteam, das aus erfahrenen Vertreterinnen und Vertretern der Ärzteschaft, der Pflege und der Verwaltung besteht, ist er der jüngste und der einzige mit umfassenden IT-Kenntnissen. Er kennt die Mitglieder des Projektteams kaum und hat den Eindruck, dass einige das Projekt als Zeitverschwendung betrachten und ihn aufgrund seiner Jugend nicht ernst nehmen. Er ist aber auf die Beteiligung und den guten Willen des Teams angewiesen, da der Content von den Team-Mitgliedern geliefert werden muss. Einige haben schon mehrfach Meetings „geschwänzt“. Er besitzt gegenüber dem Projektteam also nur eine sehr gering ausgeprägte Positionsmacht und das Projekt ist aufgrund der vielen Interessengruppen in und außerhalb des Krankenhauses und vieler neuartiger Aufgabenstellungen komplex, innovativ und wenig strukturiert. Es handelt sich also um eine „ungünstige“ Situation (Situation VIII in . Abb. 2.4). Karl Klein kann nach Fiedler mit seinem Team nur dann erfolgreich sein, wenn er klare Ziele für das Team und die einzelnen Mitglieder definiert, die Aufgaben gut strukturiert

Beispiel: Anwendung der LPC-Theorie

2

20

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Beziehungsorientierter Führungsstil Aufgabenorientierter Führungsstil

2

Leistung

gut

schlecht niedrige situative Kontrolle = ungünstige Situation

hohe situative Kontrolle = günstige Situation

Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten

gut

Aufgabenstruktur Positionsmacht der Führungskraft

schlecht

hoch

niedrig

hoch

niedrig

stark

schwach

stark

schwach

stark

schwach

stark

schwach

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

Situationen

. Abb. 2.4  Der richtige Führungsstil in günstigen und ungünstige Führungssituationen (Fiedler et al. 1976, Darstellung in Anlehnung an Robbins und Judge 2013)

und koordiniert, auf die Einhaltung von Terminen achtet, also insgesamt aufgabenorientiert führt.

Kritik an der LPC-Theorie

Fiedlers Befunde sind in der heutigen Führungsforschung recht umstritten. Einerseits konnten wichtige Schlussfolgerungen aus seinem Modell bestätigt werden (Peters et al. 1985), andererseits werden ihm und seinen Anhängern z. B. die mangelnde theoretische Fundierung der LPC-Skala und methodische Fehler bei der Datenerhebung vorgeworfen (Neuberger 2002). Fiedler geht davon aus, dass der individuelle Führungsstil sich kaum verändern lässt, dass also eine Entwicklung der Führungskraft eher unwahrscheinlich ist. Das bedeutet für die Praxis, dass die Führungskraft zur Führungssituation passend ausgewählt werden sollte oder dass bereits vorhandene Führungskräfte situationsadäquat eingesetzt werden sollten. Ohne weiteres ist dies in der Praxis nicht realisierbar.

2.1 · Klassische Führungstheorien

21

z Die situative Führungstheorie

Hersey et al. (2012) betrachteten ebenfalls die Führungssituation und setzten bei der Kompetenz sowie der Motivation der geführten Mitarbeitenden an, was sie in Summe als „Reifegrad“ der Mitarbeitenden bezeichneten. Sie entwickelten ein Modell, das zeigt, welches Führungsverhalten bei welchem Reifegrad des Mitarbeitenden eingesetzt werden sollte. Unter Reife verstehen sie einerseits die arbeitsbezogene Reife (Kompetenz, Erfahrung etc.) und die psychologische Reife (z. B. Motivation, Selbstsicherheit) der Mitarbeitenden. Sie unterscheiden vier Führungsstile, die dann je nach Reifegrad der Mitarbeitenden anzuwenden sind: 5 anweisen (telling): klare Anweisungen geben und deren Ausführung überwachen 5 überzeugen (selling): Entscheidungen erläutern und Fragen beantworten 5 beteiligen (participating): Mitarbeitende an Entscheidungen beteiligen und zu eigenverantwortlicher Umsetzung ermutigen 5 delegieren (delegating): Verantwortung für Entscheidung und Umsetzung an die Mitarbeitenden abgeben

Reifegrad = Kompetenz + Motivation

. Abb. 2.5 verdeutlicht die Situationsbezogenheit: Zum Beispiel muss eine gering qualifizierte und gleichzeitig unwillige Mitarbeiterin (R1) sehr klare Anweisungen bekommen und die Führungskraft muss ihre Ausführung überprüfen. Die Beziehungspflege ist hier zweitranging (Quadrant S1 – Anordnen). Bei einem Mitarbeiter mit dem Reifegrad (R2), der zwar nicht sehr qualifiziert ist, dafür aber motiviert ist, ist nicht nur eine gute Anleitung wichtig, er sollte Entscheidungen auch mittragen (Quadrant S2 – Überzeugen). Bei einem qualifizierten Mitarbeiter, der unsicher in seinem Tun ist (R3), sollte die Führungskraft vor allem unterstützend wirken und ihn in hohem Maße beteiligen (Quadrant S3 – Beteiligen). Eine „ausgereifte“ Mitarbeiterin (R4) muss gar nicht mehr geführt werden, die Verantwortung für eine Aufgabe kann ihr übertragen werden, da sie das, was sie tun soll, beherrscht und es von sich aus gerne und gut macht (Quadrant S4 – Delegieren). Die praktische Anwendung des Modells setzt aber voraus, dass die Führungskraft den arbeitsbezogenen und psychologischen Reifegrad ihrer Mitarbeitenden laufend „diagnostiziert“ und ­ ­korrekt einschätzt und dass sie in der Lage ist, ihr eigenes Verhalten entsprechend flexibel anzupassen (vgl. . Abb. 2.5). Die Validität des Modells wurde von wissenschaftlicher Seite vor allem aufgrund von Mängeln in der Empirie (z. B. des eingesetzten Fragebogens) sowie der mangelnden theoretischen Fundierung des Konstrukts „Reifegrads“ infrage gestellt (z. B. Northouse 2015; Vecchio und Boatwright 2002). Dennoch

Beispiele für die Situationsbezogenheit

Kritik und Aktualität des Reifegradmodells

2

22

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

hoch

Beziehungsorientiertes Verhalten (Unterstützung)

2

Entscheidungen erläutern und Unklarheiten beseitigen

Ideen teilen und Mitarbeitende in die Entscheidungsfindung einbeziehen

S3

S2

S4

S1

Verantwortung für Entscheidungen und Umsetzung abgeben

gering

Genaue Anweisungen geben und die Ausführung überwachen

hoch

Aufgabenorientiertes Verhalten (Anleitung) Arbeitsbezogene und psychologische Reife der Mitarbeitenden

R4 - hoch

R3 - mittel

R2 - mittel

R1 - gering

qualifiziert und motiviert oder zuversichtlich

qualifiziert, aber unwillig oder unsicher

gering qualifiziert, aber motiviert und zuversichtlich

gering qualifiziert und unwillig oder unsicher

. Abb. 2.5  Das Reifegradmodell (in Anlehnung an Hersey et al. 2012)

genießt das Reifegradmodell auch heute noch große Popularität und wird in der Führungskräfteentwicklung angewandt. z Die Weg-Ziel-Theorie Erwartungstheorie der Motivation nach Vroom (1964)

Die Weg-Ziel-Theorie (Evans 1970a; House 1971) versucht den komplexen Zusammenhang zwischen dem Führungserfolg, dem Führungsverhalten und den Merkmalen der Geführten bzw. des Kontextes zu erklären. Sie basiert auf der Erwartungstheorie der Motivation (Vroom 1964). Die Erwartungstheorie besagt, dass Mitarbeitende dann mehr leisten, wenn drei

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2.1 · Klassische Führungstheorien

Voraussetzungen erfüllt sind: Sie sollten a) die zu erreichende Belohnung hoch bewerten, b) daran glauben, dass die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel geeignet sind, das Ziel zu erreichen und c) zuversichtlich sein, dass das Ziel grundsätzlich erreichbar ist. Konkret fragt die Weg-Ziel-Theorie danach, mit welchem Führungsstil bei bestimmten Merkmalen der Geführten und des Kontextes ein Ziel bestmöglich erreicht werden kann. Merkmale der Geführten sind z. B. deren Erfahrung oder die Selbsteinschätzung der eigenen Fähigkeiten, Merkmale des Kontextes sind bspw. die Aufgabenstruktur oder die hierarchische Struktur (. Abb. 2.6). House (1971) sieht es als wichtigste Aufgabe von Führungskräften an, Hindernisse, die die Zielerreichung beeinträchtigen könnten, aus dem Weg zu räumen. Damit dies gelingt, muss das Führungsverhalten individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeitenden und auf die jeweilige Aufgabenstellung ausgerichtet werden. Dieses situativ angemessene Führungsverhalten erhöht dann die Motivation der Mitarbeitenden, regt sie dazu an, Verantwortung zu übernehmen und erhöht ihre Zufriedenheit. So können sie die gesteckten Ziele erreichen und ihre eigene Leistung sowie die der Organisation verbessern.

Kontextmerkmale

Merkmale der Geführten

Führungsverhalten • direktiv • unterstützend • partizipativ • leistungsorientiert

. Abb. 2.6  Grundmodell der Weg-Ziel-Theorie

Motivation

„Individuelles“ Führungsverhalten

Leistung und Zufriedenheit der Geführten

2

24

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Verhaltensweisen einer Führungskraft nach der Weg-Ziel-Theorie

2

Nach der Weg-Ziel-Theorie stehen einer Führungskraft grundsätzlich vier typische Verhaltensweisen zur Verfügung: 5 Direktives Verhalten: den Mitarbeitenden sagen, was sie zu tun haben; die Aufgaben terminieren und koordinieren; die Mitarbeitenden anleiten; Regeln und Prozesse klären 5 Unterstützendes Verhalten: auf Bedürfnisse und Vorlieben der Mitarbeitenden eingehen; sich um das Wohl der Mitarbeitenden kümmern; eine freundliche und unterstützende Atmosphäre schaffen 5 Partizipatives Verhalten: Mitarbeitende ermutigen, sich zu beteiligen und mitzuentscheiden; sich mit den Mitarbeitenden beraten und ihre Meinungen und Vorschläge bei Entscheidungen berücksichtigen 5 Leistungsorientiertes Verhalten: Mitarbeitende zu herausragenden Leistungen anspornen; herausfordernde Ziele setzen; Verbesserungen anstreben, Leistungsorientierung betonen; Mitarbeitenden herausragende Leistungen zutrauen Jede dieser Verhaltensweisen sollte situativ und angepasst auf die individuellen Bedürfnisse der Geführten angewendet werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Führungskraft sich in die Geführten hineinversetzt, ihre Motivstruktur analysiert und sich über die Merkmale der zu erfüllenden Aufgabe im Klaren ist: 5 Wie ausgeprägt ist das Anschlussmotiv des/r Mitarbeitenden (z. B. Bedürfnis nach Nähe, Kooperation, Austausch und Freundschaft)? 5 Welchen Wert legt er oder sie auf klare Strukturen (z. B. Ziele, Vorgaben, Regeln)? 5 Wie stark ist der Wunsch nach Selbstbestimmung (z. B. eigene Entscheidungen treffen, mitbestimmen)? 5 Wie schätzt er oder sie die eigene Kompetenz in Bezug auf die Aufgabenerfüllung ein (Selbstvertrauen)? 5 Um welche Aufgabe geht es und wie ist sie gestaltet (z. B. Gruppenarbeit)? 5 Wie hierarchisch ist das Unternehmen strukturiert (z. B. bürokratisch, flache Hierarchie)?

Verhaltensempfehlungen für Führungssituationen nach House und Mitchell (1975)

House und Mitchell (1975) leiteten für einige typische Führungssituationen Verhaltensempfehlungen ab: 5 Situationen mit herausfordernden Aufgaben, unklaren Strukturen und Prozessen, unerfahrenen und unsicheren Mitarbeitenden erfordern direktives Verhalten (z. B. militärische Ausbildung). 5 Situationen mit ermüdenden, monotonen, gefährlichen oder belastenden Tätigkeiten und unzufriedenen und frustrierten Mitarbeitenden erfordern unterstützendes Verhalten (z. B. Pflege).

2.2 · Jüngere Führungstheorien

25

5 Unklare und unstrukturierte Aufgaben und autonome und selbstbestimmte Mitarbeitende erfordern partizipatives Führungsverhalten (z. B. Forschung). 5 Wenn die Motivation und das Selbstvertrauen von Mitarbeitenden bei unklaren, komplexen Aufgaben gesteigert werden soll, ist leistungsorientiertes Verhalten sinnvoll (z. B. Projektarbeit). House (1996) wies später darauf hin, dass die vier Verhaltensweisen auch als Mix auftreten können und zwar sowohl in Bezug auf einzelne Mitarbeitende als auch in Bezug auf bestimmte Situationen. Insgesamt gelingt es mit der Weg-ZielTheorie zwar die Komplexität realer Führungssituationen besser abzubilden als mit der LPC-Kontingenztheorie und der situativen Führungstheorie. Dies macht sie aber einerseits praktisch weniger gut anwendbar und andererseits theoretisch angreifbar (z. B. Northouse 2015; Wofford und Liska 1993). So fordert etwa Northouse (2015), dass die Verbindung zwischen Führungsverhalten und Motivation noch genauer erforscht werden sollte. 2.2  Jüngere Führungstheorien

Im Folgenden werden einige Führungstheorien vorgestellt, die in der heutigen Führungsforschung (immer noch) eine wichtige Rolle spielen und die durch aktuelle empirische Forschung gestützt werden. Dazu zählen die charismatische Führungstheorie (7 Abschn. 2.2.1) sowie die damit verwandten Ansätze der transformierenden Führung (7 Abschn. 2.2.2). Neuberger (2002) stellt fest, dass jede Epoche zeittypische Vorstellungen entwickelt, was denn das „beste Führen“ sei. Die nach wie vor anhaltende Renaissance der Beschäftigung mit dem Charisma von Führungskräften und der transformierenden Kraft von Führung erklärt Neuberger (2002) mit der zunehmenden Intransparenz und Komplexität gesellschaftlicher und ökonomischer Entwicklungen. Wenn die hierarchisch-zentralistische Fremdsteuerung zunehmend versagt, verspricht charismatische und transformierende Führung Selbststeuerung: Indem eine herausragende Führungsperson die Mitarbeitenden auf subtile Weise buchstäblich „verzaubert“, werden die individuellen Wertvorstellungen und Ziele der Mitarbeitenden durch die Werte und die Vision einer Organisation ersetzt. Eine weitere Strömung der aktuellen Führungsforschung erweitert den Begriff des Kontexts und beschäftigt sich intensiver mit den gesellschaftlichen und organisationalen Rahmen-

Kritik an der Weg-Ziel-Theorie

2

26

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

bedingungen (7 Abschn. 2.2.3) sowie den Beziehungen zwischen Führungskraft und Geführten (7 Abschn. 2.2.4). Bereits in den frühen Kontingenztheorien (7 Abschn. 2.1.3) wurde der Kontext, in dem Führung stattfindet, als erfolgsentscheidend angesehen: Nur im richtigen Umfeld können bestimmte Eigenschaften und Verhaltensweisen von Führungskräften eine positive Wirkung entfalten. Aus sozialpsychologischer Sicht ist Führung niemals ein objektiver Sachverhalt, sondern ein Konstrukt, das von den am Führungsprozess beteiligten Personen jeweils individuell interpretiert wird. Kontext ist hier in dem Sinne gemeint, dass jeder einzelne, sowohl die Führungskraft als auch ihre Mitarbeitenden, jeweils eine „eigene Wirklichkeit“ haben, z. B. eigene Deutungen zu erfolgreichem oder missglücktem Führungshandeln – man spricht auch von impliziten Führungstheorien. Diese Deutungen und Interpretationen sind abhängig von der Gruppenzugehörigkeit oder dem gesellschaftlichen Referenzsystem. Davon abhängig werden z.  B. bestimmten Resultaten von Führungshandeln unterschiedliche Ursachen zugeschrieben. So kann bspw. ein Misserfolg bei einem Projekt von der Führungskraft auf die mangelnden Fähigkeiten der Mitarbeitenden, einen zu geringem Einsatz der Mitarbeitenden, die Schwierigkeit der Aufgaben oder einfach auf den Zufall zurückgeführt werden. Aus der Kausalattribution – also der Ursachenzuschreibung – resultieren dann ganz unterschiedliche Verhaltensweisen (z. B. Mitarbeitende schulen, mehr Druck ausüben oder gar nichts tun). Die in 7 Abschn. 2.2.3 vorgestellten impliziten Führungstheorien beschäftigen sich damit, dass die Urteilsbildung gewissen Gesetzmäßigkeiten folgt. Bei der LMX-Theorie (vgl. 7 Abschn. 2.2.4) geht es um die Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten ­(„Leader-Member-Exchange“). Hier werden die Geführten nicht in ihrer Gesamtheit als Kontextvariable betrachtet, stattdessen werden die individuellen Beziehungen zwischen Führungskraft und einzelnen Mitarbeitenden beleuchtet. Die Geführten sind keine passiven „Empfänger“ des Führungshandelns mehr, sondern Führung wird als wechselseitiger Prozess aufgefasst. Der Führungserfolg hängt entscheidend von der Gestaltung der Interaktionen und der Beziehung in der Führungs-Dyade ab, und davon, ob es der Führungskraft gelingt, eine partnerschaftliche Beziehung zu dem oder der individuellen Geführten aufzubauen.

2

2.2.1  Charismatische Führung Verständnis von Charisma

Der charismatische Führungsansatz basiert in seinem Ursprung auf den Schriften Max Webers zum Charisma. Weber verstand Charisma als Überbegriff für die Kräfte der Innovation und des

2.2 · Jüngere Führungstheorien

Wandels in Gesellschaften (Weber 1968). Aber bereits im frühen Christentum wurde der aus dem Griechischen stammende Begriff Charisma („Geschenk“) für die „Gnadengaben“ Gottes verwendet, zu denen z. B. Fähigkeiten wie visionäres Denken und Wundertätigkeit zählten. Ab Mitte der 1970er Jahre wurde Charisma im Kontext der Unternehmensführung einerseits als Verhaltensweise von Führungskräften, andererseits als Eigenschaft interpretiert, die Mitarbeitende ihrer Führungskraft zuschreiben. Man nutzte das Konstrukt Charisma im Weberschen Sinne, um die Veränderung und Innovation von Unternehmen zu erklären (Conger et al. 1997). Nach Davis und Gardner (2012) kann man von charismatischer Führung sprechen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: 5 Es gibt eine Führungskraft, die außerordentliche Fähigkeiten besitzt. 5 Die Mitarbeitenden glauben an die Führungskraft und an ihre überragenden Fähigkeiten. 5 Das Unternehmen befindet sich in einer Krise oder schwierigen Situation. 5 Es gibt eine revolutionäre Lösung für die Probleme des Unternehmens. 5 Wiederholte Erfolge bestätigen die Fähigkeiten der Führungskraft. Diese Beschreibung zeigt, dass das Auftreten charismatischer Führung auch von den Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden abhängt (Shamir et al. 1993). Charisma beruht also nicht zuletzt auf einer Sensibilität der Führungskraft für die Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Nach Conger et al. (1997) umfasst Führung idealtypisch drei Phasen, in denen sich bei charismatischen Führungskräften typische Verhaltensmuster erkennen lassen. 1. Die Analyse von internen und externen Umweltbedingungen 2. Die Entwicklung von Zielen und Strategien sowie deren Kommunikation 3. Das Sicherstellen von Commitment sowie der Umsetzung durch die Mitarbeitenden Charismatische Führungskräfte richten in Phase 1 ihre Aufmerksamkeit besonders auf diejenigen Gelegenheiten und Chancen, die eine radikale Änderung des Status quo des Unternehmens zur Folge haben und kümmern sich intensiv um ihre Mitarbeitenden. In Phase 2 schaffen es Charismatiker, ihre Mitarbeitenden für zukunftsweisende Visionen zu gewinnen. Und in Phase 3 gehen sie bei der Umsetzung neue Wege und wagen auch unkonventionelle Vorgehensweisen. Durch Selbstaufopferung

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2

Bedingungen charismatischer Führung

Phasen der charismatischen Führung

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2 Erwartungshaltung gegenüber charismatischen Führungskräften

und persönliche Risikoübernahme sichern sie sich die Gefolgschaft ihrer Mitarbeitenden. Kurz, sie unterscheiden sich von anderen Führungskräften durch die Fähigkeit, inspirierende Visionen zu entwickeln und sich und ihre Mission außergewöhnlich und einzigartig erscheinen zu lassen (Conger et al. 1997). Dies erklärt auch das steigende Interesse an charismatischer Führung in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren. Der zunehmende globale Wettbewerb zwang damals viele Unternehmen zu radikalen Veränderungen und charismatische Führungskräfte schienen für die Bewältigung tiefgreifenden Wandels ideal geeignet. Ihnen wurde zugetraut, nicht nur Zukunftsvisionen zu entwickeln und verständlich zu machen, sondern auch die Mitarbeitenden für Innovationen und Veränderungen zu begeistern. Beispiel

Beispiel: Charismatische Führung

Laura hatte schon lange das Gefühl, dass in ihrer Firma, einem Online-Portal, langsam aber sicher der „Karren an die Wand gefahren wird“. Jeden Monat verlor das Online-Portal Kundinnen und Kunden, das Neugeschäft wurde immer schwieriger. Laura war der Meinung, dass es am Management lag. Gute neue Ideen verschwanden in der Versenkung und angeblich verhinderten die Zielvorgaben der Konzernmutter oder sollte man sagen – die Ängstlichkeit der Vorgesetzten – immer wieder, dass wirklich etwas Neues gewagt wurde. Nun hatte man den smarten Engländer Ian Bulger für den CEO-Posten geholt. Ian war ganz anders. Gleich bei seinem ersten Auftritt hatte er präsentiert, wie er das Portal „aus dem Sumpf bekommen wollte“ und nicht nur erfolgreich, sondern wieder zur Nummer 1 machen wollte. Der Kerl hatte alle mit seiner mitreißenden Art fasziniert. Endlich mal kein Bedenkenträger und Duckmäuser, sondern jemand der Klartext sprach, und der sich auch nicht scheute, mit seinen neuen Ideen anzuecken und seinen eigenen Posten zu riskieren. Er sprach genau aus, was viele gedacht hatten, aber sich nicht sagen getraut hatten. Er hatte ihre Schwachstellen, aber auch ihre Stärken genau erkannt und klar analysiert, wo man die Wettbewerber angreifen konnte. Und alle hatten verstanden, worauf es jetzt ankam. Ja, noch waren sie nicht am Ende. Er hatte Recht, es lag ja nur an ihnen, das Ruder rumzureißen. Und wenn Laura ehrlich war, musste sie zugeben, dass sie nun wieder Lust hatte, dafür auch zu ackern.

2.2.2  Transaktionale und transformationale

Führung

Der Politikwissenschaftler James McGregor Burns interessierte sich seit den 1970er Jahren für das Führungsverhalten historischer Persönlichkeiten, z. B. der amerikanischen Präsidenten,

2.2 · Jüngere Führungstheorien

und übte mit seinen Publikationen zu transaktionaler und transformationaler Führung großen Einfluss auf die Führungsforschung aus (Bass 1990; Burns 1978). Wie bereits der Begriff „transaktional“ verdeutlicht, geht es beim transaktionalen Führen darum, die Transaktionen bzw. den Austausch zwischen einer Führungskraft und ihren Mitarbeitenden konstruktiv zu gestalten (Avolio und Bass 2002). Was für andere Austauschverhältnisse gilt, lässt sich auch auf den Führungsprozess übertragen: Eindeutige Zielvereinbarungen, klare Regelungen und Strukturen, Sanktions- und Kontrollmechanismen tragen dazu bei, dass die Führung ihre Ziele mit möglichst geringem Ressourceneinsatz erreicht. Das leistungsabhängige Belohnen der Mitarbeitenden (contingent reward) und das aktive und passive Führen nach dem Ausnahmeprinzip (Management by Exception) sind laut Bass (1998) typische Verhaltensweisen einer transaktionalen Führungskraft. Das passive Management-by-Exception unterscheidet sich übrigens deutlich vom Laissez-faire-Führungsstil. Hier würde die Führungskraft sich auch dann noch passiv verhalten, wenn Probleme auftreten, de facto findet Führung beim Laissez-faire-Führungsstil nicht statt. Transaktional führen heißt konkret, 5 dass die Führungskraft den Mitarbeitenden Aufgaben zuteilt oder diese mit ihnen vereinbart und die Mitarbeitenden für die erfolgreiche Erfüllung dieser Aufgaben belohnt bzw. ihnen Belohnungen in Aussicht stellt (z. B. finanzielle Anreize oder Anerkennung für gute Arbeit). 5 dass die Führungskraft die Aufgabenerfüllung durch die Mitarbeitenden aktiv überwacht und bei Abweichungen von Leistungsstandards sowie bei Mängeln und Fehlern korrigierend eingreift oder 5 dass sie passiv abwartet bis Probleme auftreten und erst dann eingreift. Transaktionales Führen ist geprägt von Zweckrationalität auf beiden Seiten: Es geht darum, ein Ziel mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen. Wenn die Mitarbeitenden das Belohnungssystem verstehen und akzeptieren, bietet es ihnen Orientierung und wirkt als Führungssubstitut, das weiteres Führungshandeln fast überflüssig machen soll. Die Führungskraft verhält sich wie ein rational kalkulierender, ressourcensparender homo oeconomicus. Sie greift nur dann ein, wenn die Zielerreichung akut gefährdet ist. Während aufgrund transaktionaler Führung im Idealfall also eine regelgeleitete Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitendem etabliert wird, steht beim transformationalen Führen die Transformation bzw. Entfaltung des Mitarbeitenden im Fokus: Die Führungskraft regt die Mit-

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Transaktionales Führen

Verhaltensweisen einer transaktionalen Führungskraft

Führungskräfte als homo oeconomicus

Transformationales Führen

2

30

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2 Verhaltensweisen einer transformationalen Führungskraft

Full-Range-Leadership Model

Die besten Führungskräfte können transformational und transaktional führen

arbeitenden an, nach Höherem zu streben und weckt damit ihre Bereitschaft, Außerordentliches zu leisten. Das Eigeninteresse und der Eigennutz des Mitarbeitenden treten dann zugunsten eines höheren, auch emotional bedeutsamen Ziels in den Hintergrund. Die erste von vier beschriebenen Verhaltensweisen transformationalen Führens nach Bass (1990) ist die Fürsorge für jeden einzelnen Mitarbeitenden. Darüber hinaus soll eine transformationale Führungskraft ihren Mitarbeitenden geistige Anregungen bieten, sie inspirieren und als charismatisches Vorbild Bewunderung einflößen: 5 Individuelle Fürsorge: Die Führungskraft kümmert sich als Mentorin oder Mentor um ihre Mitarbeitenden und fördert sie individuell in ihrer Entwicklung, u. a. durch Delegation. Sie sucht das Gespräch mit den Teammitgliedern und zeigt Präsenz. Sie gibt ihnen Feedback und unterstützt sie bei Problemen. 5 Geistige Anregung: Die Führungskraft ermutigt ihre Mitarbeitenden, Gewohntes infrage zu stellen, kreativ zu sein und neue Wege zu gehen. Fehler werden als Chance zur Entwicklung gesehen und die Teammitglieder werden in Problemlösungsprozesse eingebunden. 5 Inspirierende Motivation: Die Führungskraft ist enthusiastisch und optimistisch, sie vermittelt ihrem Team glaubwürdig Ziele, Bedeutung und überzeugt sie durch attraktive, geradezu prophetische Zukunftsvisionen. 5 Charisma: Die Führungskraft verhält sich vorbildhaft oder wird von ihren Mitarbeitenden als Vorbild erlebt und für ihre Persönlichkeit und ihre Fähigkeiten respektiert oder sogar bewundert. Die Mitarbeitenden glauben an die Führungskraft und eifern ihr nach. Im „Full-Range-Leadership Model“ haben Bass und Avolio (1997) den Versuch unternommen, Führung in ihrer ganzen Bandbreite abzubilden und die verschiedenen Reifegrade von Führung darzustellen (. Abb. 2.7). Auf der niedrigsten Stufe findet sich das völlig passive und ineffiziente Laissez-faire-Verhalten. Etwas ausgereifter, aber immer noch recht ineffizient, ist eine rein transaktionale Führung, die höchste Entwicklungsstufe stellt die transformationale Führung dar. Mit zunehmendem Reifegrad muss die Führungskraft eine immer aktivere Rolle einnehmen. In der Folge nimmt laut Bass und Avolio (1997) auch die Effizienz ihres Führungshandelns zu (Bass et al. 2003). Anhand der . Abb. 2.7 wird deutlich, dass transaktionales und transformationales Führungsverhalten sich ergänzen und aufeinander aufbauen. Die besten Führungskräfte können beides.

2

31

2.2 · Jüngere Führungstheorien

effizient

Transformationales Führen

Transaktionales Führen passiv

Laissezfaire

Passives Führen nach dem Ausnahmeprinzip

Aktives Führen nach dem Ausnahmeprinzip

Charisma

Leistungsorientierte Belohnung

Individuelle Fürsorge

Geistige Anregung

Inspirierende Motivation

aktiv

ineffizient

. Abb. 2.7  Die ganze Bandbreite des Führens – das Full-Range-Leadership-Model (in Anlehnung an Bass und Avolio 1997)

Transformationale Führungskräfte sind nicht nur selbst kreativ, sie regen durch begeisternde Zukunftsvisionen ihre Teammitglieder an, ihre Kreativität zu entfalten und unternehmerische Risiken einzugehen (Baum et al. 1998). Folgendes Interviewzitat von Elon Musk, dem Gründer von PayPal, SpaceX und Tesla, verdeutlicht diese Haltung sehr gut1:

» “Wenn etwas der richtige Weg zu sein scheint, dann gibt

einem das eine fundamentale Überzeugung und man kann dies anderen vermitteln und sie dazu bringen mitzumachen. Man geht auf die Bedenken der Menschen ein, überzeugt sie, dass das etwas ist, was man tun sollte. Dass es wichtig ist und dass es einen Weg gibt, es zu machen. Auch wenn dieser Weg viele Gefahren birgt und mit vielen Risiken verbunden ist und vielleicht nicht von Erfolg gekrönt ist. Wenn die Menschen verstehen, dass es trotzdem wert ist, es zu versuchen, dann kann man ein großartiges Unternehmen schaffen.“ (Elon Musk)

Einem Theoriestreit unterliegt nach wie vor die Frage nach der Abgrenzung der eng verwandten Konzepte charismatischer und transformationaler Führung. Avolio und Bass (1988) sehen deren

1

Eigene Übersetzung, 7 https://youtu.be/1K3cfilPAWc.

Unterschied zwischen transformationaler und charismatischer Führung

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2

Multifactor Leadership Questionnaire

Unterschied vor allem darin, dass transformationale Führung im Gegensatz zu charismatischer Führung bedeutet, dass die Mitarbeitenden nicht nur ermutigt werden, bisherige Wahrheiten und Anschauungen zu hinterfragen, sondern dass sie auch die Ansichten der Führungskraft selbst infrage stellen. Die positiven Effekte transformationaler Führung konnten in einer Vielzahl von Studien in verschiedenen Branchen und mit unterschiedlichen Gruppen von Mitarbeitenden nachgewiesen werden (Robbins und Judge 2013). Demzufolge wirkt sich transformationale Führung z. B. positiv auf den Unternehmenserfolg, die Produktqualität, die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden aus. In Bezug auf die Unternehmensgröße zeigte sich, dass transformationale Führung in kleinen und mittleren Unternehmen bessere Effekte erzielt als in komplexen Großkonzernen. Zur Messung transaktionalen und transformationalen Führungsverhaltens haben Bass und Avolio den Multifactor Leadership Questionnaire (MLQ) entwickelt (vgl. . Tab. 2.2). Dieser Fragebogen wird seither in verschiedenen Weiterentwicklungen und zahlreichen Übersetzungen in der Forschung und als 360-Grad-Feedbackinstrument in der Beratungspraxis eingesetzt (Bass und Avolio 2004; Rowold 2005). ? Reflexionsfragen

5 Wird in meiner Organisation eher transaktional oder transformational geführt? Welchen Führungsstil würde ich bevorzugen und warum? Welche Möglichkeiten habe ich, diesen Stil zu verändern? Falls Sie selbst Mitarbeitende führen: 5 Welche Aspekte transaktionalen Führens setze ich selbst ein? 5 Was gelingt dabei gut, was fällt mir schwer? 5 Wie reagieren meine Mitarbeitenden darauf? 5 Welche Verhaltensweisen des transformationalen Führens wende ich an? 5 Was gelingt dabei gut, was fällt mir schwer? 5 Wie kommt das bei meinen Mitarbeitenden an?

2.2.3  Implizite Führungstheorien Wahrnehmungen und Interpretationen der Geführten stehen im Mittelpunkt

Erfolgreiche Führung setzt voraus, dass die Führungskraft es schafft, auf ihre Mitarbeitenden Einfluss auszuüben. Und wenn dies nicht über Druck oder die Androhung von Strafen erreicht werden soll, müssen die Mitarbeitenden eine gewisse Offenheit für diese Einflussnahme zeigen. Die impliziten Führungstheorien (engl. Implicit Leadership Theories, ILTs; Lord und Maher 1993; Foti et al. 2014) gehen davon aus, dass Mitarbeitende sich von

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2.2 · Jüngere Führungstheorien

. Tab. 2.2 Die MLQ-8Y Skalen mit Beispielen für Items (eigene Übersetzunga, nach Hartog et al. 1997) Dimension

Beispielitems

Transformationale Dimensionen Charisma (12 Items)

Der Person, die ich beurteile, traue ich zu, jedes Hindernis zu überwinden.

Inspirierende Motivation (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, ist meiner Ansicht nach ein Symbol für Erfolg und Leistung.

Geistige Anregung (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, zeigt, wie man Probleme aus anderen Blickwinkeln betrachtet.

Individuelle Fürsorge (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, behandelt mich eher als Individuum und nicht nur als Gruppenmitglied.

Transaktionale Dimensionen Leistungsorientierte Belohnung (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, zeigt auf, was ich bekomme, wenn ich mache, was verlangt wird.

Aktives Führen nach dem Ausnahmeprinzip (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, ist auf Unregelmäßigkeiten, Fehler, Ausnahmen und Abweichungen von dem was von mir erwartet wird, fokussiert.

Passives Führen nach dem Ausnahmeprinzip (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, wird erst aktiv, wenn Probleme chronisch geworden sind.

Laissez-faire Dimension Laissez-faire-Führung (4 Items)

Die Person, die ich beurteile, vermeidet es, Entscheidungen zu treffen.

aBemerkung

zur Übersetzung von Skalen: Alle von den Autorinnen übersetzten Skalen wurden zunächst unabhängig von beiden Autorinnen übersetzt. Die beiden Übersetzungen wurden dann zu einer gemeinsamen Fassung abgestimmt, die abschließend von einer englischen Muttersprachlerin überprüft wurde. Daten zur Messqualität der übersetzten Skalen liegen nicht vor.

Führungskräften, die dem persönlichen/individuellen „Prototypen“ einer Führungskraft entsprechen, eher beeinflussen lassen. Bei diesen Ansätzen stehen also die Wahrnehmungen und Interpretationen der Geführten im Mittelpunkt. Menschen entwickeln zu Phänomenen ihres Alltags kognitive Modelle und Schemata – sogenannte implizite Theorien – die ihnen helfen, Handlungen und Verhaltensweisen zu verstehen und vorherzusagen. Man nimmt an, dass Menschen im Zuge ihrer jeweiligen Sozialisation auch implizite Vorstellungen darüber entwickeln,

2

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2

Identifikation von Führungsqualität

wie Führung zu sein hat und was eine typische Führungskraft ausmacht (vgl. Schyns und Schilling 2011; Epitropaki und Martin 2005). Lord und seine Kollegen (Lord et al. 1984; Lord und Maher 1993; Lord und Brown 2003) plädieren für eine Erweiterung der klassischen Führungstheorien, weil diese nicht berücksichtigen, dass es weniger auf objektiv vorhandene Eigenschaften und Verhaltensweisen ankommt, sondern darauf, wie die Führungskraft subjektiv wahrgenommen wird und ob sie als Führungskraft anerkannt wird. So ist eine charismatische Führungskraft vielleicht nicht deshalb erfolgreich, weil sie tatsächlich charismatisch ist, sondern weil ihre Mitarbeitenden von einer Führungskraft Charisma erwarten und ihr in dem Moment folgen, wenn sie dieses zu erkennen glauben. Ob Führungsqualität gesehen wird, hängt von folgenden kognitiven Verarbeitungsmechanismen der Geführten ab (van Quaquebeke und Brodbeck 2008): 1. Aufgrund von impliziten Annahmen über Führung („Wie sollte man Führen?“) schreibt der Mitarbeitende Führungserfolge oder -misserfolge bestimmten Führungsqualitäten zu. 2. Implizite Vorstellungen zu Führungskräften („Was ist eine typische Führungskraft?“) bilden einen kognitiven Maßstab, den Mitarbeitende an ihre Führungskräfte anlegen. Die Forschung hat gezeigt, dass hier charakteristische Attributionsmuster auftreten: z. B. werden bei besonderen Erfolgen und Misserfolgen die Führungskräfte verantwortlich gemacht – selbst wenn eine direkte Beziehung zwischen Erfolg und Führung nachweisbar objektiv gar nicht vorhanden ist. Bei durchschnittlichen Leistungen werden auch andere Faktoren als Ursache einbezogen (Nye 2002). Außerdem werden erfolgreichen Führungskräften von den Mitarbeitenden eher charismatische Eigenschaften zugeschrieben als den weniger erfolgreichen (Schyns et al. 2007). Interessant ist hier auch, dass nicht nur die Vorstellung einer „idealen Führungskraft“ kulturspezifisch geprägt ist (Chhokar et al. 2007), sondern auch das Gesamtkonzept der Führung:

Führung: Romantik oder Machtmissbrauch?

So wird Führung sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft z. B. von Amerikanern, Deutschen, Arabern, Franzosen und Russen eher romantisiert, was sich daran erkennen lässt, dass z. B. wichtige Straßen und Plätze nach Führungspersönlichkeiten benannt werden. In der Deutschschweiz, den Niederlanden und Skandinavien ist diese Praxis unüblich, weil man mit Führung eher Machtmissbrauch assoziiert (House et al. 2004).

2.2 · Jüngere Führungstheorien

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2

Forscher und Forscherinnen gehen davon aus, dass prototypische Vorstellungen zu Führungskräften zwar individuell, z. B. aus Ausbildungs- und Berufserfahrungen, konstruiert werden, dass die Vorstellungen von Mitgliedern derselben Gruppe (z. B. Landeskultur, Organisationskultur) dennoch Ähnlichkeiten aufweisen (Lord et al. 2001). In Deutschland wird von einer prototypischen Führungskraft erwartet, dass sie partizipativ führt, im angelsächsischen Raum soll eine Führungskraft über Charisma verfügen. Im mittleren Osten wird auf beides wesentlich weniger Wert gelegt (House et al. 2004)2.

Die darauf aufbauenden Forschungsarbeiten zur FührungskraftKategorisierung beschäftigen sich mit den Folgen einer vorhandenen oder nicht vorhandenen Übereinstimmung zwischen dem jeweiligen Führungskraft-Schema (z.  B. charismatisch, teamorientiert, attraktiv, männlich, intelligent) und der tatsächlichen Führungskraft. Hier konnte die Forschung zeigen, dass eine hohe Übereinstimmung die Beziehungen zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft verbessert (vgl. auch Leader-Member-Exchange in 7 Abschn. 2.2.4) und weiter, dass die Mitarbeitenden der Organisation verbundener sind und sich wohler fühlen (Epitropaki und Martin 2005). Unterscheidet sich die eigene Führungskraft sehr vom „Prototyp“, z. B. weil sie eine Frau ist, können die Geführten das Verhalten der Führungskraft weniger gut interpretieren (Scott und Brown 2006) oder sie akzeptieren die Führungskraft weniger in ihrer Rolle. Die praktische Relevanz impliziter Führungstheorien zeigt sich bei der Evaluation von Führung, z. B. bei 360 ­Grad-Feedbacks, die im Rahmen der Führungskräfteentwicklung in vielen Unternehmen eingesetzt werden (7 Abschn. 5.2). Bei der Beurteilung von Führungseigenschaften und Führungsverhaltensweisen aus mehreren Perspektiven wird deutlich – insbesondere wenn auch beurteilt wird, wie wichtig den befragten Gruppen einzelne Merkmale sind – dass sich die Vorstellungen von guter Führung und die Wahrnehmung ein und derselben Führungskraft je nach Gruppenzugehörigkeit und darüber hinaus auch individuell stark unterscheiden (. Abb. 2.8). Als problematisch können sich implizite Führungstheorien im Rahmen der Führungskräfteauswahl erweisen. Da sie in der Regel nicht

2

Weitere Erkenntnisse dieser Art finden sich unter 7 www.globeproject. com.

Kulturspezifische Führungserwartungen

Praktische Relevanz impliziter Führungstheorien

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Vorgesetzte/r

2

Kolleginnen und Kollegen

Selbsteinschätzung der Führungskraft

Interne/externe Kundinnen und Kunden

Mitarbeitende

. Abb. 2.8  360-Grad-Feedback – Einfluss verschiedener impliziter Führungstheorien bei der Beurteilung von Führungskräften

bewusst sind, können ineffiziente Schemata (z. B. „think manager, think male“) Beurteilungsfehler begünstigen (Schein und Davidson 1993). ? Reflexionsfragen

5 Was bedeutet für mich persönlich gute Führung? 5 Wie sieht meine persönliche implizite Führungstheorie aus? Wodurch ist sie geprägt (Ausbildung, Berufserfahrung, Medien, Erziehung)? 5 Wie hat sich meine implizite Führungstheorie im Laufe der Zeit verändert? Warum?

2.2.4  Beziehungsorientierte Führungstheorien –

Leader-Member-Exchange

Fokus: Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten

Oft lässt sich in Unternehmen beobachten, dass Führungskräfte zu einigen ihrer Mitarbeitenden eine sehr enge Beziehung aufgebaut haben und andere Mitarbeitende eher am Rande stehen und wenig beachtet werden. Die von Graen und Kollegen entwickelte Leader-Member-Exchange-Theorie (LMX) (Graen und Cashman 1975; Graen 1976) konzentriert sich auf dieses Phänomen und stellt gleichzeitig einen Wendepunkt der Führungsforschung dar: Während die klassischen Führungstheorien die Geführten als passive und mehr oder weniger homogene Gruppe

2.2 · Jüngere Führungstheorien

behandelten, wurde hier erstmals der wechselseitigen dyadischen Beziehung zwischen der Führungskraft und dem individuellen Mitarbeitenden mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich wird eine Führungsbeziehung nicht zu einer Gruppe als Ganzes aufgebaut, sondern zu jedem einzelnen Mitarbeitenden mit seinen individuellen Eigenschaften, Bedürfnissen, Stärken und Schwächen (Neuberger 2002). Die Forscherinnen und Forscher um Graen interessierten sich insbesondere dafür, unter welchen Umständen Mitarbeitende vorgegebene Rollenerwartungen lediglich erfüllen (role taking) und wann sie ihre eigene Rolle aktiv gestalten (role making). Außerdem untersuchten sie, warum die Führungsbeziehung zu einzelnen Mitarbeitenden sich im Laufe der Zeit ganz unterschiedlich, z. B. freundschaftlicher oder förmlicher, enger oder distanzierter ausformt. In der Forschung zur LMX-Theorie wird die Führung einer Gruppe als eine Reihe vertikaler, dyadischer Beziehungen zwischen der Führungskraft und jedem einzelnen Mitarbeitenden aufgefasst. Die Mitarbeitenden lassen sich dabei entweder der „In-Group“ oder der „Out-Group“ zuordnen. Diese beiden Gruppen unterscheiden sich deutlich voneinander. Mitarbeitende der „In-Group“ genießen das Vertrauen der Führungskraft, aus diesem Grund widmet ihnen die Führungskraft viel Zeit und Aufmerksamkeit. Für diese Mitarbeitenden werden auch die Arbeitsaufgaben und ihre Rolle individuell ausgehandelt. Der Austausch zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft ­(„Leader-Member-Exchange“) ist intensiv. Mitglieder dieser privilegierten In-Group verfügen über mehr Informationen und Einfluss, sie vertrauen der Führungskraft mehr und genießen auch selbst größeres Vertrauen. Sie können ihre Rolle in hohem Maße selber gestalten. Für Mitarbeitende der Out-Group hingegen interessiert sich die Führungskraft kaum, sie misstraut ihnen eher, sie investiert weniger Zeit in die Beziehungspflege, und der kommunikative Austausch findet seltener und eher formalisiert statt. Diesen Mitarbeitenden wird nahegelegt, sich an die vorgegebenen Rollen zu halten. Es gibt also keinen für die Gruppe einheitlichen Führungsstil, sondern ein gruppenspezifisch höchst unterschiedliches Führungsverhalten. Die Bildung eines statistisch „durchschnittlichen“ Führungsstils ergibt folglich keinen Sinn (vgl. . Abb. 2.9). Welcher Gruppe ein Mitarbeitender angehört, kristallisiert sich meist schon nach kurzer Zeit heraus und hängt davon ab, wie harmonisch Führungskraft und Mitarbeitender zusammenarbeiten. Die Qualität der Zusammenarbeit wiederum wird beeinflusst von der wahrgenommenen Ähnlichkeit zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden (z. B. in Bezug auf persönliche Merkmale) und der Eigeninitiative des Mitarbeitenden, eine intensive Kommunikation mit der Führungskraft zu suchen. Häufig pflegen Führungskräfte nur mit einigen wenigen

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In-Group vs. Out-Group

2

38

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Führungskraft

2

Mitarbeiterin A

Mitarbeiter B

In-Group: Vertrauen, reger Austausch, individuelle Aushandlungsprozesse

Mitarbeiter C

Mitarbeiterin D

Mitarbeiterin E

Out-Group: Distanz, formalisierte Beziehungen, Rechte und Pflichten gemäß Arbeitsvertrag

. Abb. 2.9  Dyadische Beziehungen zwischen der Führungskraft und jedem Mitarbeitenden und Bildung von In- und Out-Group

Vorteile von In-Group-Beziehungen

Mitarbeitenden solche partnerschaftlichen Beziehungen und bemühen sich zu wenig um vertrauensvolle Beziehungen zu Mitarbeitenden der Out-Group. Organisationen profitieren sehr von In-Group-Beziehungen, da die In-Group-Mitarbeitenden höhere Leistungen erbringen, sich der Organisation stärker verbunden fühlen, zufriedener mit ihrer Arbeit sind und weniger geneigt sind zu kündigen (Graen und Uhl-Bien 1995; Martin et al. 2016). Für die Führungskräfte selbst wirkt sich ein intensiver Austausch mit möglichst vielen Mitarbeitenden und auch anderen Organisationsmitgliedern ebenfalls positiv aus, verbessert er doch nicht nur die Arbeitszufriedenheit und die Leistungen bei ihren Mitarbeitenden und ihnen selbst, sondern wirkt sich auch positiv auf die Leistungsfähigkeit der Organisation und die eigene Karriere aus (Martin et al. 2016). Um den Status quo dyadischer Führungsbeziehungen, z. B. in Bezug auf das Vertrauen und den Respekt der Mitarbeitenden, zu diagnostizieren, wurden Fragebögen entwickelt (z. B. Graen und Uhl-Bien 1995). Sie können dazu beitragen, Führungskräfte für eine bessere Gestaltung der Beziehungen zu allen unterstellten Mitarbeitenden sowie zu ihrem weiteren Umfeld zu sensibilisieren (7 Abschn. 6.5.5). Nach wie vor wird zur LMX-Theorie intensiv geforscht (ein Überblick findet sich z. B. bei Anand et al. 2011; Epitropaki und Martin 2015). Offene Fragen betreffen z. B. die Entwicklung von dyadischen Führungsbeziehungen im Laufe der Zeit, die Frage, wie sich Unterschiede in der Beziehungsqualität auf die Leistungsfähigkeit der Gruppe auswirken oder welche Rolle die Organisationskultur bei der Ausdifferenzierung von Führungsbeziehungen spielt.

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

? Reflexionsfragen

5 Wie empfinden Sie den Austausch mit Ihrer Führungskraft? 5 Sehen Sie sich in Bezug auf die Beziehung zu Ihrer Führungskraft eher in der In- oder in der Out-Group? 5 Woran liegt es, dass Sie der In- oder der Out-Group angehören? 5 Falls Sie selbst Mitarbeitende führen: 5 Wie sieht der Austausch mit Ihren Mitarbeitenden aus? 5 Wer Ihrer Mitarbeitenden gehört zur In-Group/zur Out-Group, und warum?

2.3  Zentrale Themen der aktuellen

Führungsforschung und -praxis

Im folgenden Kapitel werden einige für die heutige Führungspraxis zentrale Themenfelder und Strömungen vorgestellt, dabei wird auch jeweils ein kurzer Überblick zur aktuellen Forschung gegeben. In einer Zeit gravierender technologischer und gesellschaftlicher Umbrüche ist Kultur einerseits eine Konstante, die Orientierung bietet, andererseits eine Herausforderung, wenn es um Anpassung und Integration geht. Sie kann sich aber auch als problematischer Hemmschuh für notwendige Veränderungen erweisen (7 Abschn. 2.3.1). Wie aber gelingt es, notwendige Veränderungssituationen zu bewältigen und einen Wandel herbeizuführen? Welche Möglichkeiten haben Führungskräfte, und wo liegen hier die Grenzen des Führungshandelns (7 Abschn. 2.3.2)? Bei der ethischen Führung widmen wir uns dann der Frage, wie in Organisationen normativ angemessenes Handeln gefördert werden kann und welche Rolle dabei die Führungskräfte spielen (7 Abschn. 2.3.3). Von normativen Forderungen ist auch die Diskussion um Diversity in Organisationen geprägt. Führen Frauen anders als Männer, und wie stellt sich das Thema Vielfalt aus Sicht der Führungsforschung dar (7 Abschn. 2.3.4)? Warum in Phasen technologischer Transformation und Digitalisierung neue Formen der Führung die hierarchisch geprägten Konzepte ablösen sollten und wie Führung als Gemeinschaftsleistung gestaltet werden kann, thematisieren die 7 Abschn. 2.3.5 und 2.3.6. Und schließlich beschäftigen wir uns mit der Frage, was unter schädlicher und schlechter Führung aus Sicht der Forschung zu verstehen ist (7 Abschn. 2.3.7). 2.3.1  Führung und Kultur

Führungshandeln ist immer eingebettet in eine oder mehrere Kulturen. Aber welche Formen von Kultur sind wirklich relevant für die Führung? Und welchen Zusammenhang gibt es zwischen der Führung und der Kultur von Unternehmen? Diese Fragen sollen im folgenden Kapitel geklärt werden.

39

2

40

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Kultur = „Bindemittel“

2

Subkulturen können entstehen

Grundsätzlich ist Kultur ein Bindemittel, das für einen Zusammenhalt zwischen Menschen sorgt und sich an geteilten Verhaltensmustern, Werten und Bedeutungszuschreibungen erkennen lässt (Meyerson und Martin 1987). Nach Edgar H. Schein (2006) finden diese von allen Mitgliedern einer Kultur geteilten Grundannahmen, Werte und Überzeugungen ihren wahrnehmbaren Ausdruck in Überlieferungen wie Traditionen, Legenden und Ritualen aber auch in der Sprache, der Architektur oder der Kleidung ihrer Mitglieder. Mitglied einer Kultur zu werden, braucht Zeit und ist ein Prozess, der erst dann abgeschlossen ist, wenn man sich deren Verhaltensweisen, Werte und Überzeugungen angeeignet hat, diese gleichsam „in Fleisch und Blut übergegangen sind“, ohne dass man sich dessen noch bewusst sein muss. Üblicherweise gehören Menschen verschiedenen Kulturen an, z. B. ihrer Landeskultur oder regionalen Kultur, der Kultur ihrer Organisation oder auch Subkulturen, die sich aus gesellschaftlichen Gruppierungen (z. B. „Linke“ oder „Konservative“) oder Religion (z. B. Christen oder Muslime) ergeben. Auch innerhalb von Organisationen gibt es unterschiedliche Kulturen und Überschneidungen zwischen diesen Kulturen. So können Subkulturen, z. B. an Unternehmensbereichen und Professionen festgemacht werden (z. B. der Bereich Forschung und Entwicklung oder die Berufsgruppe der Software-Entwickler). In diesen Subkulturen kann sich die Organisationskultur besonders extrem ausprägen, sie können diese ergänzen oder auch in Konflikt zu ihr stehen. Wenn bspw. ein Unternehmen von Ingenieurinnen und Ingenieuren gegründet wurde, kann die Unternehmenskultur im Bereich Produktion besonders ausgeprägt sein und in Konflikt stehen zur Kultur im Vertrieb. Die geteilten Normen, Werte und Ideologien sorgen für Gruppenzusammenhalt und -stabilität. Sie werden innerhalb der Gruppe positiv verstärkt (z. B. durch Lob oder Beförderung) oder auch negativ sanktioniert (z.  B. durch Kritik oder Ablehnung). In welchem Ausmaß dies geschieht, hängt davon ab, wie „dominant“ die jeweilige Kultur ist. In der Wissenschaft wird diskutiert, ob Organisationskultur als mehr oder weniger beeinflussbares Merkmal einer Organisation gesehen werden sollte („Eine Organisation hat eine Kultur.“) oder ob die Kultur das eigentliche Wesen der Organisation ausmacht und sich einer zielgerichteten Einflussnahme weitgehend entzieht („Eine Organisation ist eine Kultur.“) (Alvesson und Sveningsson 2015). Fest steht, dass Kulturen nicht statisch sind. Durch die Interaktion ihrer Mitglieder verändern sie sich in kleinen Schritten, sie können sich durch neue Mitglieder(-gruppen), Erfahrungen und Umweltbedingungen (z. B. Krisen) aber auch radikal verändern.

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

Organisationskulturen entstehen nicht im luftleeren Raum, ihre ursprüngliche Quelle ist der Gründer oder die Gründerin der Organisation. Die Gründerin hat eine Vision, die Gründerin steht als Person für bestimmte Werte, lebt vor, wie miteinander umgegangen wird und definiert Regeln für die Zusammenarbeit. Damit dient sie als Modell für andere Organisationsmitglieder. Außerdem wählt sie Mitarbeitende aus, die sie als ähnlich wahrnimmt bzw. die genauso „ticken“ wie sie selbst und sie vermittelt neuen Mitarbeitenden ihre Art zu denken und zu fühlen durch Feedback („Sozialisation“) (Schein 1983). Bei wachsenden Organisationen sorgen dann Führungssubstitute wie z. B. Auswahlverfahren, der Vorbildcharakter des Top-Managements, die Interaktionen der Organisationsmitglieder oder formalisierte Sozialisationsinstrumente, wie z. B. Onboarding und Trainings dafür, dass die Kultur am Leben erhalten wird (z. B. Kramer 2010; Srivastava et al. 2017). Führung und Organisationskultur sind also zwei verschränkte Konzepte, Führung bzw. Führungskräfte prägen die Kultur, andererseits definieren kulturelle Normen, was als (gute) Führung gelten darf. Im Kontext von Organisationskultur bedeutet Führung auch, dass Führungskräfte als Culture Change Agents die Kultur eines Unternehmens nicht nur prägen und weiterentwickeln, sondern diese auch verändern oder sogar zerschlagen müssen, wenn sie dysfunktional geworden ist (Schein 2015). Ihnen kommt aber nicht nur eine aktive Rolle zu, sie stehen auch selbst unter dem Einfluss der jeweiligen Kultur und sind selbst Ausdruck der Kultur, da Führungskräfte, die den Vorstellungen der Gruppe entsprechen, nach den Impliziten Führungstheorien mit größerer Wahrscheinlichkeit von dieser akzeptiert werden (7 Abschn. 2.2.3). Eine neue Führungskraft muss sich also zunächst an die Gruppe und ihre Kultur anpassen, um Vertrauen aufzubauen. Erst dann kann sie versuchen, deren Werte, Überzeugungen und Verhaltensweisen zu verändern. Die Idee, dass Führungskräfte die Organisationskultur gestalten und steuern sollten, findet sich seit den 1980er Jahren in wertebasierten Führungstheorien, wie z. B. der transformationalen Führung (7 Abschn. 2.2.2) und der charismatischen Führung (7 Abschn. 2.2.1) wieder. Inzwischen wachsen in der Forschung die Zweifel an dieser proaktiven Gestalterrolle von Führungskräften (z. B. Alvesson und Sveningsson 2015), da der kulturelle Kontext (z. B. Nation, Branche, Profession) in dem sich eine Führungskraft bewegt, von ihr nur zu einem geringen Maß beeinflusst werden kann. Wenn es um die Vermittlung von Kultur geht, sollte die Bedeutung von Führungskräften dennoch nicht unterschätzt werden, da sie ihren Mitarbeitenden mit jeder einzelnen ihrer Handlungen und Äußerungen bewusst oder unbewusst kulturelle Orientierung bietet. Alles was sie tut und sagt ­

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Der Ursprung von Kultur liegt in der Gründungsperson

Führungskräfte als Culture Change Agents

Führungskräfte geben kulturelle Orientierung

2

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

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kann als ­ symbolische Manifestation ihrer darunterliegenden Grundannahmen und Werte aufgefasst werden und regt die Mitarbeitenden zu unterschiedlichen Interpretationen der Organisationskultur an. Um eine wertebasierte, ethische Unternehmenskultur zu fördern, sollten Führungskräfte daher (z. B. Mayer et al. 2013; Schaubroeck et al. 2012) 5 ihren Mitarbeitenden als sichtbares Rollenmodell dienen, 5 ihre Verhaltenserwartungen klar kommunizieren, 5 Verhaltensstandards im Rahmen von Personalentwicklungsangeboten, wie z. B. Seminaren oder Workshops vermitteln, diskutieren und einüben, 5 wertekonformes Verhalten von Mitarbeitenden öffentlich belohnen und unerwünschtes Verhalten öffentlich sanktionieren sowie 5 Institutionen schaffen (z. B. Ombudsmann/-frau), die es ermöglichen, in einem geschützten Rahmen unerwünschtes Verhalten zu melden oder zu diskutieren.

2

Robbins und Judge (2013) und haben einen Kurzfragebogen entwickelt, der es Mitarbeitenden ermöglicht, die eigene Kultur im Unternehmen greifbar und beschreibbar zu machen. Versuchen Sie es selbst und finden Sie mehr über Ihre Unternehmenskultur heraus. Reflexion zu Unternehmenskultur und Führung (Robbins und Judge 2013, eigene Übersetzung). Beantworten Sie folgende Fragen für Ihr Unternehmen oder Ihren Unternehmensbereich Stimme voll und ganz zu

Stimme zu

Neutral

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

1

Ich fühle mich wohl dabei, Aussagen meiner Führungskraft zu hinterfragen.











2

Meine Führungskraft achtet penibel darauf, dass Termine eingehalten werden. (–)











3

Meine Führungskraft ist der Meinung, dass allein das Ergebnis der Arbeit zählt. (–)











4

Meine Führungskraft hat ein Gespür für meine persönlichen Bedürfnisse und Probleme.











5

Der Erfolg meiner Arbeit hängt zu einem großen Teil davon ab, ob ich mit Anderen gut zusammenarbeite.











Stimme voll und ganz zu

Stimme zu

2

43

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

Neutral

Stimme nicht zu

Stimme überhaupt nicht zu

6

Oft bin ich nervös und angespannt, wenn ich in die Arbeit komme. (–)











7

Meine Führungskraft scheint Stabilität gegenüber Veränderungen zu bevorzugen. (–)











8

Meine Führungskraft ermutigt mich, neue und unkonventionelle Ideen zu entwickeln.











9

Meine Führungskraft reagiert auf Schlamperei wenig tolerant. (–)











10

Meiner Führungskraft ist es wichtiger, wie ein Ergebnis erreicht wurde, als das Ergebnis selbst.











11

Meine Führungskraft behandelt alle Mitarbeitenden gleich.











12

Meine Führungskraft missbilligt es, wenn ein Gruppenmitglied einem anderen bei dessen/deren Aufgabe hilft. (–)











13

Aggressive und wettbewerbsorientierte Menschen haben in unserem Bereich einen deutlichen Vorteil. (–)











14

Meine Führungskraft ermutigt mich, die Welt anders zu betrachten.











Auswertungsinformation: Berechnen Sie Ihr Ergebnis, indem Sie die Werte der einzelnen Antworten zusammenzählen. Ein hoher Gesamtwert (49 und darüber) bedeutet, dass Ihre Kultur offen, risikofreudig, teamorientiert, locker, unterstützend, humanistisch und entwicklungsorientiert ist. Ein niedriger Wert (35 und darunter) weist darauf hin, dass Ihre Kultur verschlossen, strukturiert, aufgabenorientiert, individualistisch, straff und stabilitätsorientiert ist. Beachten Sie: Es gibt grundsätzlich keine richtige oder falsche Kultur. Es kommt auf Ihre persönlichen Vorlieben an, also darauf, ob die Kultur für Sie passt.

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2.3.2  Führung und Change

2

Verknüpfung von Veränderung und Führung

Phasen des Veränderungsprozesses nach Kotter (2012)

Schon 1996 hat Kotter den Unterschied zwischen „Management“, das in erster Linie auf Effizienzsteigerung ausgerichtet ist, und echter „Leadership“ darin gesehen, dass Leadership auch immer mit grundlegenden, nutzenstiftenden Veränderungen verbunden ist. Veränderung und Führung sind also eng verknüpft: Führen bedeutet, Veränderungen in Organisationen anzustoßen und voranzubringen und dafür zu sorgen, dass Wandel in der Organisation nicht als Bedrohung, sondern als Chance gesehen wird. Im klassischen Modell für Veränderungen von Organisationen, das Kurt Lewin (1951) bereits in den 1950ern vorgeschlagen hat, hängt der Erfolg der drei Phasen „Unfreeze“ (Vorbereiten der Organisationsmitglieder auf die erwünschte Veränderung), „Change“ (konkrete Umsetzung der Veränderung) und „Refreeze“ (dauerhafte Stabilisierung der Veränderung) entscheidend vom Handeln der beteiligten Führungskräfte ab: Gelingt es der Führungskraft, die Mitarbeitenden zu sensibilisieren, Probleme und Gründe für die Notwendigkeit von Veränderungen verständlich zu machen, kann sie Betroffene zu Beteiligten machen und sie auf geeignete Weise einbeziehen? Eine Frage, die sich außerdem stellt: Erreicht sie, dass die Beteiligten zu Verantwortlichen in eigener Sache werden und sorgt sie dafür, dass die eingeführten Neuerungen nicht im Alltagsgeschäft verpuffen, sondern nachhaltig ihre Wirkung entfalten? Wenn man das bekannte 8-Stufen-Modell betrachtet, das Kotter (2012) für die Gestaltung erfolgreichen Unternehmenswandels entworfen hat, stellt man ebenfalls fest, dass viele der damit verbundenen Aufgaben originäre Führungsaufgaben sind: 1. Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen 2. Eine Führungskoalition aufbauen 3. Eine Vision und Strategien entwickeln 4. Die Vision des Wandels kommunizieren 5. Empowerment auf breiter Basis 6. Kurzfristige Ziele setzen und Quick-Wins realisieren 7. Konsolidieren und weitere Veränderungen anstoßen 8. Neue Ansätze in der Kultur verankern Einige davon – z. B. (1) das Schaffen eines kollektiven Bewusstseins für die Notwendigkeit von Veränderung, (5) das Empowerment der Beteiligten oder (8) die Verankerung des Wandels in der Organisationskultur – verlangen Führungskräften erhebliche Anstrengungen ab und sind oft wesentlich schwieriger in die Praxis umzusetzen, als das eingängige und überzeugende Modell vermuten lässt.

Handlungskompetenz

Um die Herausforderungen und Widerstände, mit denen innovations- und veränderungsfreudige Führungskräfte zu kämpfen haben, besser zu verstehen, kann das Modell der Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross (1973) verwendet werden. Das Modell wird oft herangezogen, um eine Analogie zwischen dem Erleben und Verhalten von Menschen beim Abschied von einem geliebten Menschen und beim Abschied von liebgewordenen Gewohnheiten und Gegebenheiten herzustellen. Typischerweise durchlaufen Menschen in diesen Situationen verschiedene emotionale Phasen (. Abb. 2.10). Es gibt jedoch große Unterschiede hinsichtlich der individuellen Anpassungsfähigkeit an neue Situationen. Gemeinsam ist den Ansätzen von Lewin und Kotter, dass sie, auch wenn sie Partizipation und Ermächtigung der Mitarbeitenden propagieren, eine Top-Down-Sichtweise auf Veränderungen vertreten. Sie unterstellen eine lineare Logik von Veränderungsprozessen und eine Planbarkeit, nach der Veränderungsprozesse durch herausragende Führungspersonen mit entsprechender Managementkompetenz gesteuert werden können. Die Führungskraft kann demnach über das hinausschauen,

2

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2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

Veränderung als Normalzustand

4. Aggression (Wut) 3. Verleugnung (Abwehr)

1. Vorahnung (Sorge)

8 Integration (Selbstvertrauen) 5. Einsicht (Frustration) 7. Öffnung (Neugier)

2. Schock (Lähmung)

Tal der Tränen 6. Trauer (Akzeptanz)

Zeit . Abb. 2.10  Change-Kurve in Anlehnung an die Trauerkurve von Kübler-Ross (1973)

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2

Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

was die Geführten selbst sehen und die Organisation wird als Pyramide betrachtet, bei der Veränderungsimpulse von Mitarbeitenden auf niedrigeren Hierarchieebenen als irrelevant gelten. Es wird ein paternalistisches Bild einer „besserwissenden“ Führungskraft unterstellt, das wenig offen für einen echten Austausch von Ideen und ein Lernen von den Geführten ist (Western 2019). Zudem gehen die Ansätze von Lewin und Kotter davon aus, dass es in Unternehmen Phasen der Veränderung und relativer Stabilität gibt. Neuere Forschungsarbeiten versuchen der Komplexität von Veränderungsprozessen gerecht zu werden (Langley et al. 2013) und propagieren eine ganzheitlichere Sicht, nach der Veränderung der Normalzustand und eine Gemeinschaftsaufgabe jeder Organisation ist und nicht ausschließlich als heroische Spezialaufgabe der Führung betrachtet wird (Tsoukas und Chia 2002). ? Reflexionsfragen

5 Die Modelle für Veränderungsprozesse von Lewin und Kotter sind sehr linear. Werden sie der Komplexität von Veränderungsprozessen gerecht? 5 Ist die Bewältigung komplexer Veränderungsprozesse eine Gemeinschaftsleistung? Welche Rolle spielen dabei die Geführten und die Führungskräfte? 5 In welcher Weise behindert hierarchisches Denken Veränderungsprozesse? 5 Wie entstehen Widerstände gegen Veränderungen und wie kann diesen begegnet werden?

2.3.3  Führung und Ethik

Der „Dieselskandal“ oder die Pleiten von Enron oder Lehman Brothers haben eindrucksvoll gezeigt, welche Folgen ungezügeltes Gewinn- und Machtstreben, Gier und der Wunsch nach Einflussnahme haben: Organisationen können großen Schaden nehmen, wenn die Führung lügt oder Lügen belohnt, wenn betrogen wird und Regeln gebrochen werden, wenn „Whistleblower“ bestraft werden, wenn Mitarbeitende, die sich nicht auf Regelbrüche einlassen, unter Druck gesetzt werden und wenn Schuldzuweisungen gemacht werden, statt Abhilfe zu schaffen. Auch wenn es angesichts der Fülle an Skandalen fast paradox erscheint, besteht heute dennoch ein gesellschaftlicher Konsens darüber, dass es für Führungskräfte in Organisationen inakzeptabel ist, bei ihren Entscheidungen und Handlungen keine ethisch-moralische Verantwortung zu übernehmen. Schon

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

vor mehr als 20 Jahren begann die Wissenschaft sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen und plädierte dafür, nur mit ethischen und moralischen Werten in Einklang stehende Verhaltensweisen und Entscheidungen als erfolgreiche Führung anzuerkennen (Ciulla 1995; Mendonca und Kanungo 2006). Die Schaffung eines ethisch-moralischen Klimas wurde damit erstmals als wichtige Voraussetzung für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg gesehen. Resick et al. (2011) haben kulturübergreifend folgende sechs Leitmotive in Bezug auf ethische Führung identifiziert: 5 Verantwortungsbewusstsein: Gesetze und Vorschriften befolgen, persönliche Verantwortung übernehmen und die Verantwortungsübernahme anderer sicherstellen. 5 Rücksichtnahme und Respekt gegenüber anderen: Die Würde anderer Menschen achten und sie respektvoll behandeln, zugänglich sein sowie Empathie und Verständnis zeigen. 5 Fairness und diskriminierungsfreies Handeln: Faire, gerechte und objektive Entscheidungen treffen und andere nicht diskriminieren. 5 Charakterbildung: Ehrlich, vertrauenswürdig und integer sein, einem moralischen Verhaltenskodex folgen und Selbstdisziplin üben. 5 Kollektive Orientierung (organisational und gesellschaftsbezogen): Interessen des Unternehmens über persönliche Interessen stellen, Nachhaltigkeit und langfristige Auswirkungen von Entscheidungen berücksichtigen, Interessen des Unternehmens und der Gesellschaft schützen, verantwortungsbewusst und nicht nur profitorientiert handeln. 5 Offenheit und Flexibilität: Offenheit für unterschiedliche Meinungen und Diversität sowie die Fähigkeit, gut zu kommunizieren und zuzuhören. Kulturübergreifend konnten Resick et al. (2011) auch Faktoren für unethische Führung identifizieren: 5 Handeln im Eigeninteresse und Machtmissbrauch: Schuld auf andere abwälzen, persönliche Gesichtswahrung, Handeln im Eigeninteresse 5 Täuschung und Unehrlichkeit: Absprachen, Korruption, Unehrlichkeit und Täuschung 5 Mangel an Verantwortungsbewusstsein, Compliance und Transparenz: Mangelnde Verantwortungsübernahme, heimlichtuerisches Verhalten, das Verfolgen verborgener Ziele und die Verletzung von Gesetzen und Normen 5 Mangel an persönlichen Werten oder fehlendem Moralkodex: Fragwürdige Ethik, Moral oder Werte und mangelnde Zivilcourage

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Leitmotive ethischer Führung nach Resick et al. (2011)

Merkmale unethischer Führung nach Resick et al. (2011)

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

5 Unanständigkeit: Ausbeutung oder Manipulation anderer, bösartiges oder rachsüchtiges Verhalten, herablassendes Verhalten gegenüber Mitarbeitenden und sexuelle Belästigung 5 Enger oder kurzfristiger Fokus: Ausschließliche Fokussierung auf Profit oder kurzfristige Interessen, Nichtbeachtung personenbezogener oder sozialer Aspekte, Nichtberücksichtigung von Umweltauswirkungen und eine Win-at-anyCost-Einstellung

2

Kulturelle Unterschiede

Forschungsvielfalt zu ethischer Führung

Interessant ist, dass in der chinesischen Kultur zusätzlich die Kompetenz bzw. Inkompetenz einer Führungskraft als sehr bedeutsam für ethische bzw. unethische Führung angesehen wird (Resick et al. 2011). Insgesamt gibt es jedoch einen kulturübergreifenden Konsens – die kulturellen Unterschiede beziehen sich auf die Gewichtung der einzelnen Faktoren, z. B. dominieren in Deutschland die Rücksichtnahme und der Respekt gegenüber anderen sowie die kollektive Orientierung bei den positiven Leitthemen. Unanständigkeit, Eigeninteresse und Machtmissbrauch hingegen gelten als besonders unethisch (Resick et al. 2011). Auch wenn aktuelle Ereignisse nach ethischer Führung verlangen und Erkenntnisse bzgl. kulturübergreifender Leitmotive bestehen, so ist die Beziehung zwischen Ethik und Unternehmenserfolg dennoch keineswegs klar: So begünstigt ethisches Handeln manchmal den Erfolg von Unternehmen, manchmal erwachsen aus dem Unternehmenserfolg gleichzeitig auch aus ethischer Sicht positiv bewertete Wirkungen (Ciulla 2012). Und auch bei der Beurteilung des Versagens von Führungskräften ist oft keineswegs klar, welche Rolle deren moralisch-ethische Haltung dabei gespielt hat. Hat die Führungskraft bewusst unethisch gehandelt und damit den Unternehmenserfolg gefährdet, oder hat sie schlichtweg Inkompetenz bewiesen und damit auch ethisch-moralisches Fehlverhalten innerhalb einer Organisation begünstigt? Versagen kann also normative oder auch kognitive Gründe haben (Price 2006). Fest steht, dass an ethischen Maßstäben orientiertes Handeln in Organisationen keine Selbstverständlichkeit ist und mit großen Herausforderungen an die Führung verbunden ist, weshalb die Forschung zu ethischer Führung sich auch mit Themen wie Glaubwürdigkeit und Authentizität, Gerechtigkeit, Interessenkonflikten und Persönlichkeitseigenschaften wie Selbstdisziplin auseinandersetzt (Schyns und Hansbrough 2010; Walumbwa und Schaubroeck 2009; Xu et al. 2016; Zhu et al. 2004). Ciulla (2009) geht von drei Kategorien ethischer Führung aus: 5 Persönliche Vorstellungen der Führungskraft: Für welche persönlichen ethisch-moralischen Werte und Anliegen steht die Führungskraft?

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

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2

5 Gestaltung von Beziehungen durch die Führungskraft: Wie führt die Führungskraft und wie gestaltet sie ihre Beziehungen zu anderen Organisationsmitgliedern? 5 Ergebnisse des Führungshandelns: Zu welchen Ergebnissen führt das Handeln der Führungskraft? Wie sind die Folgen ihres Handelns aus ethischer Sicht zu beurteilen? Nach Brown et al. (2005) bedeutet ethische Führung, dass die Führungskraft in Bezug auf ihr Handeln und das zwischenmenschliche Miteinander ein normativ angemessenes Verhalten zeigt und dies bei den Geführten durch einen Dialog, Verstärkung und entsprechende Entscheidungen fördert. Autorinnen und Autoren wie Carroll et al. (2019) kritisieren jedoch an dieser weit verbreiteten Auffassung von ethischer Führung den „Rezeptcharakter“, der entweder a) ein Regelwerk zu erlaubtem und verbotenem Handeln gemäß der Kant’schen Ethik durchsetzen will (deontologischen Ethik), b) rein am erwarteten Nutzen für mehrere oder einzelne Personen orientierte, utilitaristische Normen propagiert (konsequentialistische Ethiken) oder c) auf die moralische Tugend der Führungskräfte setzt (Tugendethik). Forscherinnen und Forscher wie Munro und Thanem (2018) argumentieren, dass diese Betrachtungsweise die ethischen Fähigkeiten der Geführten unterschätzt, indem sie davon ausgeht, dass sie einer Orientierung oder Fürsorge durch moralisch überlegene Führungskräfte bedürfen. Sie plädieren daher dafür, ethische Führung in einem weiteren Sinne als „affektive Führung“ zu verstehen und folgen damit der spinozianischen Auffassung von Ethik, die durch ein tiefes Misstrauen gegenüber allen ethischen Systemen gekennzeichnet ist, die Gehorsam als eine primäre Tugend betrachten (Spinoza 1989). Danach entsteht moralisches Handeln nicht aus Gehorsam, sondern aus positiven, freudvollen Begegnungen und vielfältigen Beziehungen, die das soziale Leben ausmachen. Bei der Betrachtung ethischer Führung stehen dann nicht die Tugenden des Führenden oder der Gehorsam der Anhängerschaft gegenüber einem bestimmten Moralkodex im Blickpunkt, sondern die Qualität der Beziehungen und die Erhöhung der kollektiven Handlungsfähigkeit. In diesem Sinne ist ethische Führung nicht an Personen oder Gruppen gebunden, sondern wird als Ausdruck einer Vielzahl hybrider menschlicher und nichtmenschlicher vernetzter Beziehungen gesehen. In diesem Beziehungsgeflecht spielen nicht nur Führende und Geführte eine Rolle, sondern auch materielle Artefakte wie Gebäude oder Maschinen, symbolische Artefakte wie Machtausübung, Rangordnungen, Alter, Klassenzugehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Geschlecht sowie historische und institutionelle

Kritik am „Rezeptcharakter“ von ethischer Führung

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Beziehungen (Munro und Thanem 2018). Damit liegt auch die Verantwortung für ethisch-moralisches Verhalten und freudvolle Beziehungen in einer Organisation nicht alleine bei der Führung, sondern bei allen Organisationsmitgliedern und Stakeholdern.

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? Reflexionsfragen

5 Warum muss gute Führung ethischen Maßstäben genügen? 5 Ist ethische Führung ein geeignetes „Mittel zum Zweck“, z. B. um den Unternehmenserfolg zu steigern oder die Mitarbeiterzufriedenheit zu erhöhen? 5 Ist die Auswahl „tugendhafter“ Führungskräfte eine Voraussetzung für ethische Führung? 5 Woran scheitert ethische Führung in der Praxis? 5 Welchen Nutzen haben ethische Führungsleitbilder in der Praxis? 5 Liegt die Verantwortung für ethisch-moralisches Handeln in Organisationen alleine in der Verantwortung der Führung? 5 Wie empfinden Sie Ihr eigenes ethisch-moralisches Handeln bzw. das Ihrer Führungskraft?

2.3.4  Führung, Gender und Diversity Soziales und biologisches Geschlecht

Die „weibliche Seite“ von Führung

Während im Deutschen nur das Wort „Geschlecht“ existiert, wird im Englischen zwischen „Gender“, dem sozialen Geschlecht, und „Sex“, dem biologischen Geschlecht, differenziert. Gender bezeichnet in erster Linie die kulturell und gesellschaftlich geprägten Qualitäten von Männern und Frauen (Butler 2011). Die Erwartungen in Bezug auf Verhaltensweisen, Wesenszüge und Einstellungen, die an ein Geschlecht gestellt werden, drücken sich in Rollenbildern („Gender Roles“) aus. Diese haben Einfluss auf die Sozialisation von Frauen und Männern bzw. werden ihnen von früher Kindheit an anerzogen. Auch die Führungsforschung beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Themen Gender und Diversity. Dabei waren die zwei zentralen Fragestellungen zunächst, inwieweit das Geschlecht für die Führung eine Rolle spielt und welche Auswirkungen die Diversität der Geführten für Führungskräfte und Unternehmen hat. Zunächst wollen wir uns der zentralen Frage widmen, ob, und wenn ja, welche Unterschiede es zwischen weiblichen und männlichen Führungskräften gibt. Hier ist zunächst interessant, dass sich die frühe Führungsforschung überhaupt nicht mit Führung durch Frauen beschäftigte. So versuchte z. B. die Great-Man-Theorie (7 Abschn. 2.1.1) zu ergründen, was man von großen Männern der Geschichte für die Führung lernen könne. Erst mit dem in den 1990ern aufkommenden Interesse

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

an transformationalem Führungsverhalten, das mit als „weiblich“ geltenden Eigenschaften („Verletzlichkeit“, Avolio 2011) und Verhaltensweisen („Eingehen auf die Bedürfnisse anderer“, Avolio 2011) verbunden ist, begann man sich für die „weibliche Seite“ der Führung zu interessieren. Aber auch hier wurden männliche und weibliche Stereotype zunächst eher verfestigt. Dass diese stattdessen kritisch betrachtet werden sollten, konnten die Studien von Eagly und Johnson (1990) sowie Engen et al. (2001) belegen. Sie fanden heraus, dass weibliche Führungskräfte insgesamt nicht beziehungsorientierter oder weniger aufgabenorientiert führten als Männer. Dennoch zeigen sich kleine Unterschiede. So führen Frauen transformationaler und definieren die Austauschbeziehung („Welche materielle Gegenleistung erhalte ich für meine Leistung?“) mit den Geführten eindeutiger (Eagly et al. 2003). Auch das Entscheidungsverhalten von weiblichen Führungskräften ist partizipativer und demokratischer als das von Männern. Es darf hier aber nicht übersehen werden, dass der Führungserfolg von Frauen (und auch Männern) offensichtlich sehr von der Führungssituation abhängig ist. In extrem männerdominierten Feldern (fast ausschließlich männliche Vorgesetzte, Untergebene sowie Kolleginnen und Kollegen) waren Frauen weniger erfolgreich. Dies weist darauf hin, dass der Führungserfolg von der Verankerung stereotyper Rollenerwartungen in einer Organisation abhängt (vgl. dazu auch die Impliziten Führungstheorien in 7 Abschn. 2.2.3) und dass in diesen Situationen die konfliktären Rollenerwartungen sich besonders nachteilig auswirken. Eine weibliche Führungskraft soll sich einerseits „weiblich“ verhalten, weil sie eine Frau ist, andererseits „männlich“, weil sie eine Führungskraft ist. Man spricht in diesem Fall vom „double bind“: Weibliche Führungskräfte, die sich typisch weiblich verhalten, passen nicht zur Führungsrolle, und Frauen, die sich an Rollenerwartungen für männliche Führungskräfte anpassen, wirken ebenfalls suspekt, weil sie dadurch unweiblich erscheinen. Eagly (2016) lehnt es dennoch ab, die oft widersprüchlichen Forschungsergebnisse zum Thema Gender, Diversity und Führung zu simplifizieren und zu instrumentalisieren, um gesellschaftliche Ungleichheit zu bekämpfen oder politische Ziele durchzusetzen. So sind die Befunde zu den Folgewirkungen geschlechtsgemischter Vorstände auf den Unternehmenserfolg sowie die Effekte von Diversität auf die Leistung von Teams durchaus nicht eindeutig positiv. Es wäre dennoch lohnenswert herauszufinden, unter welchen Bedingungen positive Effekte auftreten und welche sozialen Gewinne (neben den ökonomischen Vorteilen) die Diversität bringt. Falsche Generalisierungen und Interpretationen verhindern laut Eagly (2016) den weiteren Erkenntnisgewinn eher.

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Double Bind

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2 Glass Ceiling – eine unsichtbare Barriere

Glass Cliff

Dennoch steht eines fest: Erstens, stereotype Vorstellungen werden individuellen Führungskräften nicht gerecht und zweitens, ist es in jedem Fall sinnvoller, aus dem gesamten Pool der geeigneten Kandidaten und Kandidatinnen für eine Führungsaufgabe zu schöpfen, als nur ein Geschlecht zu bevorzugen und damit auf besser geeignete Personen aus der anderen Gruppe zu verzichten. Dass dies bis heute nicht umgesetzt wird, ist aber leider offensichtlich: Insbesondere in höheren Führungspositionen der Politik und der Wirtschaft ist der Anteil der Männer deutlich größer. Hoyt (2010) hat drei Ursachen für die „Glass Ceiling“ – eine unsichtbare Barriere – ausgemacht, die eine Top-Management-Karriere von Frauen verhindert: 5 Biologische Geschlechterunterschiede (v. a. Schwangerschaft, Geburt und Erziehung von Kindern): Die Familien- bzw. Carearbeit wird nach wie vor zum größten Teil von Frauen geleistet (z. B. Amend-Wegmann 2003; Baxter et al. 2005) und führt oft zu berufsbiographischen Brüchen. 5 Geringeres Human- bzw. Sozialkapital (z. B. Berufswahl, Berufserfahrung, Netzwerke und Mentoring): Frauen wählen oft typische „Frauenberufe“ oder weiblich geprägte Arbeitsbereiche in Unternehmen (z. B. Human Resource Management), die weniger Karrieremöglichkeiten eröffnen. Sie haben Mühe, adäquate Rollenmodelle zu finden, haben häufig keinen Zugang zu aufstiegsrelevanten Netzwerken und werden weniger gefördert (z. B. Eagly und Carli 2007; Ragins et al. 1998; Sealy und Singh 2006). Zudem setzen Frauen Strategien und Instrumente der Selbstvermarktung sowie Verhandlungstechniken oft weniger effektiv ein als Männer (z. B. Fogde 2011). 5 Vorurteile und stereotype Rollenerwartungen: Beurteilungsfehler führen dazu, dass Frauen und deren Verhalten anders beurteilt werden als Männer. Das männliche Stereotyp deckt sich häufig mit dem Stereotyp einer Führungskraft (z. B. selbstbewusst, durchsetzungsfähig), während das weibliche Stereotyp davon abweicht (z. B. fürsorglich, freundlich) (z. B. Heilman 2001; Schein 2007). Aufgrund der aktuellen Geschlechterverteilung in Organisationen erfolgt die Beurteilung von Frauen zudem meist durch Männer (z. B. Schreyögg 2008). Hinzu kommt das Phänomen der „Glass Cliff “. Die gläserne Klippe dient als Metapher für die besonders herausfordernden Situationen, denen Frauen in Top-Management-Positionen oft ausgesetzt sind. Ryan et al. (2011) zufolge werden Frauen nämlich eher in Zeiten von Krisen und Misserfolgen von Organisationen in höhere Managementpositionen befördert, in denen sie naturgemäß ein höheres Risiko haben, zu scheitern.

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

Wenn man sich mit den Auswirkungen von Vielfalt auf die Führung befasst, ist Gender aber nur eine – wenngleich sehr wichtige – Facette der Vielfalt in Unternehmen und in der Führung. Unter dem Begriff Diversity werden über das Thema Geschlecht hinausgehende Aspekte wie Alter, Ethnie, Bildungsstand, gesellschaftliche Klassenzugehörigkeit oder sexuelle Orientierung zusammengefasst. Die Führungsforschung beschäftigt sich auch mit dem Zusammenhang zwischen dem generellen Grad der Vielfalt in Führungsteams und der ökonomischen Leistungsfähigkeit von Unternehmen. Hierzu stellt sie Finanzdaten und demographische Daten zur Zusammensetzung von Führungsteams gegenüber. Es gibt Hinweise für eine statistisch signifikante Beziehung zwischen einer vielfältigeren Führung und einer besseren finanziellen Performance von Unternehmen. Eine Studie von Hunt et al. (2014) konnte für die USA sogar belegen, dass sich die ethnische Vielfalt in Führungsteams stärker auf den ökonomischen Erfolg auswirkt als die Geschlechterdiversität. Auch wenn hier einschränkend anzumerken ist, dass es sich nicht notwendigerweise um einen kausalen Zusammenhang handelt, lassen die Ergebnisse doch darauf schließen, dass Führungsteams mit hoher Diversität zu einer Leistungssteigerung beitragen können. Dies kann darin begründet sein, dass vielfältigere Unternehmen attraktiver für Top-Talente sind und dass Diversität dazu beiträgt, die Kundenorientierung, Mitarbeiterzufriedenheit und Entscheidungsfindung in globalisierten Unternehmen und Branchen zu verbessern. ? Reflexionsfragen

5 „Denke ich an eine Führungskraft, dann denke ich an einen Mann“: Inwieweit trifft diese Aussage auf Sie zu? Werden Ihr Verhalten und Ihre Entscheidungen davon beeinflusst? 5 Denken Sie an weibliche und männliche Führungskräfte, die Sie erlebt haben – unterscheidet sich deren Führungsstil? Falls ja, wie wirken sich die Unterschiede auf die Mitarbeiterzufriedenheit oder den Unternehmenserfolg aus? 5 Wie maskulin oder feminin ist Ihre Organisation? Wie wirkt sich dies auf die Auswahl, die Beurteilung und den Aufstieg von Führungskräften aus?

2.3.5  Agile Führung

Schnelle Veränderungen der Gesellschaft, der Technik und der Umwelt, wie z. B. die Globalisierung, die High-Tech-Revolution und digitale Transformation und damit einhergehende Veränderungen der Arbeitswelt, erfordern agile Führungsformen.

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Vorteile von Vielfalt

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

Aktivität, Beweglichkeit und Geschick

Bei diesen ergänzen oder gar ersetzen Kollaboration, selbstorganisierte Teams und Netzwerke rigide hierarchische Formen der Führung. „Agilität“ (lat. agilis = flink, beweglich) bedeutet grundsätzlich dreierlei: „Aktivität“, als Voraussetzung für kontinuierlichen Fortschritt, „Beweglichkeit“, also eine ständige Anpassung an sich verändernde Anforderungen und „Geschick“ als Voraussetzung für hochwertige Ergebnisse. Hinter dem Schlagwort Agilität steht jedoch die Überzeugung, dass sich hochkomplexe Projekte mit unklaren Anforderungen in einem volatilen Umfeld nicht nach dem „Stafetten-Lauf-Modell“ planen lassen, das a priori Meilensteine und alle notwendigen Arbeitsschritte für die Mitarbeitenden festlegt. Ein weitestgehend selbstorganisiert agierendes Team, das die Verantwortung für die Erledigung autonom definierter Arbeitspakete trägt, kann derartige Projekte wesentlich schneller, effektiver und kundenzentrierter durchführen. Die Mitarbeitenden übernehmen Verantwortung und führen sich selbst. Entscheidungen werden dort gefällt, wo das dafür notwendige Wissen vorhanden ist, die Position oder Funktion in der Hierarchie spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Eine akribische Planung wird durch eine iterative Annäherung an das Ziel ersetzt, Änderungsvorschläge und kritisches Nutzerfeedback sind in jeder Phase nicht nur erlaubt, sondern werden systematisch eingefordert (Wastian et al. 2016). Ursprünglich stammen die agilen Managementmethoden aus der Softwareentwicklung und sollten den administrativen Aufwand minimieren, die Ergebnisqualität und Kundenzufriedenheit verbessern sowie die Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation durch Freiräume für die Entfaltung von Kreativität erhöhen (Beck et al. 2001; Rigby et al. 2016). Das Team legt beim agilen Arbeiten nicht nur den Weg zum Ziel fest, sondern erarbeitet auch seine Ziele selbst („self-directed“). Die Verantwortung liegt dort, wo sich die Fachkompetenz befindet – nämlich beim Team, das z. B. Kundenbedürfnisse meist besser kennt als die Führungskraft (Cervone 2011). Eine „von oben“ eingesetzte Steuerung und Kontrolle durch eine Führungskraft wird abgelehnt. Damit verändert sich Führung wesentlich: Formale Aspekte rücken in den Hintergrund, Führung wird informeller und ist nicht notwendigerweise an eine bestimmte Position gekoppelt. Sie wird weniger von Individuen als von Kollektiven, z. B. durch das Team selbst, ausgeübt, sie erfolgt eher lateral – auf Augenhöhe – als vertikal von oben nach unten. Zudem ist die agile Führung nicht statisch, sondern eine fließende Abfolge unterschiedlicher „Führungsepisoden“ und die Steuerung wird durch autonomes Handeln ersetzt. Dennoch ist der Ansatz, dem Team Verantwortung zu geben, keinesfalls gleichbedeutend mit dem „Laissez-faire-Prinzip“, sondern folgt

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

strengen Prinzipien und anspruchsvollen Werten (Beck et al. 2001). Was bedeutet das für die Führung? Vor allem das Abgeben von Verantwortung. Die Führungskraft, z. B. in der Rolle eines Product Owners, vertritt die Interessen der Stakeholder, dokumentiert das Projektziel, setzt Prioritäten und stellt das erforderliche Budget zur Verfügung. Der Product Owner gibt jedoch nicht vor, wer zu welchem Zeitpunkt welche Aufgaben zu übernehmen hat, wie zusammengearbeitet wird und diese Rolle darf das Team während seiner selbstorganisierten Arbeitsphasen nicht beeinflussen. Agiles Führen betrifft aber nicht nur die Gestaltung von Prozessen (z. B. Entscheidungen werden vom Team getroffen) und Strukturen (z. B. selbstorganisierte Teams), sondern auch die Mitarbeiterauswahl und -entwicklung (z. B. Sicherstellung von Handlungskompetenz) und v. a. die Gestaltung der Organisationskultur (Denning 2016). Aus den agilen Werten und Prinzipien (Beck et al. 2001) lassen sich folgende Merkmale und Verhaltensweisen ableiten, die für eine agile Führung bedeutsam sind: 5 Vertrauen und Wertschätzung: Das Team benötigt nicht nur die notwendigen Ressourcen und Unterstützung, sondern vor allem das Vertrauen, seine Aufgabe selbstorganisiert erfüllen zu können. Die Führungskraft sollte ein positives Menschenbild haben und die Kompetenzen des Teams anerkennen. Mit ihrem Team sollte die Führungskraft respektvoll, wertschätzend und partnerschaftlich umgehen und auf Augenhöhe kommunizieren. 5 Entwicklung fördern: Die Führungskraft sollte ein Gespür für ihre Mitarbeitenden und deren jeweilige Kompetenzen besitzen und die Mitarbeitenden, wann immer notwendig, in ihrer Kompetenzentwicklung fördern. 5 Selbstorganisation zulassen: Die Führungskraft sollte darauf vertrauen, dass dem Team daran gelegen ist, eigeninitiativ gute Leistungen zu erbringen. Diese Einstellung ermöglicht ihr, Verantwortung abzugeben, Selbstorganisation zuzulassen und nur in Ausnahmefällen einzugreifen. 5 Effektiv kommunizieren: Die Führungskraft sollte Freude an intensivem kommunikativem Austausch mit Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden sowie Partnerinnen und Partnern haben, zuhören und die Perspektive wechseln können. Nur so gelingt es, die Standpunkte, Bedürfnisse und Probleme anderer korrekt zu erfassen und zu würdigen. Die für agiles Führen wichtige Außenorientierung setzt aber auch voraus, komplexe Sachverhalte schriftlich und mündlich präzise und verständlich ausdrücken zu können. 5 Offenheit und Ambiguitätstoleranz: Führen in der sogenannten VUCA-Welt (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity; Bennett und Lemoine 2014) bedeutet mit

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Führungskräfte als Product Owner

Merkmale und Verhaltensweisen agiler Führung

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

hoher Veränderungsgeschwindigkeit, Unsicherheit, unklaren Erwartungen und ergebnisoffenen Prozessen umgehen zu können. Agiles Führen bedeutet, sich nicht zu scheuen, alte Pfade zu verlassen, ungewöhnliche Lösungen auszuprobieren und dabei auch das Risiko eines Scheiterns einzugehen. Dies setzt Offenheit für neue Ideen, Ambiguitätstoleranz, Neugier und eine Vorliebe für Abwechslung (statt Routine) voraus, aber auch eine hohe emotionale Stabilität. Emotional stabile Führungskräfte überwinden Misserfolge und Rückschläge schnell, sind stressresistent und optimistisch. 5 Fehlerkultur und Komplexitätsreduktion: Zuzulassen, dass innovative Wege beschritten werden, bedeutet auch, dass Fehler passieren. Fehler dürfen gemacht werden, aber müssen in regelmäßigen Abständen reflektiert werden, um das Verhalten entsprechend anzupassen. Hier gilt es, Rückkopplungsschleifen auszuhalten, Fehler als Verbesserungspotenziale und als Pfad zu hochwertigen Ergebnissen zu betrachten. Mit dem Schlagwort „agiles Arbeiten“ ist auch die Forderung verbunden, den Anteil der Arbeit, der nicht getan werden muss, zu maximieren. Die Führungskraft sollte daher in dem Sinne „faul“ sein, überflüssige Arbeit für sich und andere zu vermeiden. Sie muss in der Lage sein, Komplexität zu reduzieren, das Wesentliche zu erkennen und Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.

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Agile Führung messen?

Für die Erfassung agiler Führung existiert derzeit noch kein valides Instrument. Wesentliche Facetten agiler Führung lassen sich aber mit erprobten Skalen abbilden (Beispiele in . Tab. 2.3). ? Reflexionsfragen

5 Wie veränderlich und komplex ist das Umfeld, in dem Sie arbeiten? Passt die Führung zu diesem Umfeld? Was müsste sich ändern? 5 Werden Entscheidungen in Ihrem Arbeitsbereich dort getroffen, wo auch der Sachverstand dafür vorhanden ist? 5 Sind die Mitarbeitenden in Ihrer Organisation in der Lage, selbstständig Entscheidungen ihn ihrem Arbeitsbereich zu treffen? Falls nein, was müsste sich ändern, damit sie es können? 5 Vertrauen die Mitarbeitenden in ihrer Organisation der Führung? Vertraut die Führung den Mitarbeitenden? 5 Wie wird in Ihrer Organisation untereinander und mit dem Umfeld kommuniziert? 5 Wie wird in Ihrer Organisation mit Fehlern oder Scheitern umgegangen? 5 Wie offen ist die Führung in Ihrer Organisation für neue Ideen und ungewöhnliche Wege?

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2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

. Tab. 2.3  Beispielskalen zur Erfassung agiler Führungsmerkmale und -verhaltensweisen Skala

Konstrukt

Beispielitems

Arnold et al. (2000). The empowering leadership questionnaire

– Coaching (C) –Z  eigen von Interesse/ Interaktion mit dem Team (I)

– Ermutigt die Mitglieder der Arbeitsgruppe, Probleme gemeinsam zu lösen. (C) – Ermutigt die Mitglieder der Arbeitsgruppe zum Informationsaustausch untereinander. (C) – Behandelt die Teammitglieder der Arbeitsgruppe als gleichberechtigt. (I) – Bleibt in Kontakt mit seiner/ihrer Arbeitsgruppe. (I)

Tzafrir und Dolan (2004). Trust me: a scale for measuring manager-employee trust. Subskalen: – Wohlwollen – Integrität – Berechenbarkeit – Kompetenz

– Integrität (I) – Berechenbarkeit (B) – Wohlwollen (W)

– Meine Mitarbeitenden/Führungskräfte sind offen und direkt zu mir. (I) – Die Mitarbeitenden/Führungskräfte halten Versprechungen, die sie machen. (B) – Die Mitarbeitenden/Führungskräfte achten darauf, was für die Führungskräfte/Mitarbeitenden wichtig ist. (W) – Wenn ich einen Fehler mache, sind meine Mitarbeitenden/Führungskräfte bereit „zu vergeben und zu vergessen“. (W) – Es ist besser, Informationen nicht mit meinen Mitarbeitenden/Führungskräften zu teilen. (–) (W/I)

Page und Wong (2000). A conceptual framework for measuring servant leadership. Subskalen: – Integrität – Demut – Dienen – Sich um andere kümmern – Andere befähigen – Andere entwickeln – Visionen entwickeln – Zielsetzung – Führung – Vorbild sein – Teambuilding – Gemeinsame Entscheidungsfindung

– Andere entwickeln (E) – Andere befähigen (B) – Zielsetzung (Z)

– Ich unterstütze konsequent andere, Initiative zu ergreifen. (B) – Ich suche immer nach verborgenen Talenten bei meinen Mitarbeitenden. (E) – Ich investiere erheblich Zeit und Energie, um anderen zu helfen, ihre Schwächen zu überwinden und ihre Potenziale zu entwickeln. (E) – Ich bin mehr an Ergebnissen interessiert als an Aktivitäten oder Programmen. (Z)

Satow (2012). Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T) Subskalen: – Offenheit – Gewissenhaftigkeit – Extraversion – Verträglichkeit – Neurotizismus

– Extraversion (E) – Offenheit (O) – Neurotizismus (N)

– Ich bin ein gesprächiger und kommunikativer Mensch. (E) – Ich bin sehr kontaktfreudig. (E) – Ich will immer neue Dinge ausprobieren. (O) – Ich bin ein neugieriger Mensch. (O) – Ich bin ein ängstlicher Typ. (N) – Ich fühle mich oft unsicher. (N)

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

2.3.6  Geteilte Führung

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Führung als Gemeinschaftsleistung

VUCA-Welt fordert Verteilung von „Autorität“

Ausprägungen von Gemeinschaftsleistung

Top-Down-Modell der Führung veraltet?

In vielen Branchen konnten in den letzten Jahren disruptive Entwicklungen beobachtet werden, die durch digitale Geschäftsmodelle – z. B. Online-Marktplätze – ausgelöst wurden und zu einer Verdrängung traditioneller Anbieter geführt haben (Nagy et al. 2016). Typische Beispiele sind Amazon im Einzelhandel, Airbnb im Hotelgewerbe oder Uber im Transportgewerbe. Die Digitalisierung umfasst jedoch mehr als innovative Technologien und Geschäftsmodelle, sie erweist sich auch als Treiber für soziokulturelle Veränderungen, z. B. im Bereich Führung. Insbesondere wird immer deutlicher, dass Unternehmen der Dynamik und der Komplexität von Veränderungen und zu treffenden Entscheidungen nur gerecht werden können, wenn Führung als Gemeinschaftsleistung aufgefasst wird. Vom Denken in Hierarchien geprägte, traditionelle Führungsauffassungen basieren auf dem Grundgedanken, dass Führungskräfte kompetenter sind als ihre Untergebenen. Kraft dieses Wissens sollen sie Organisationen besser steuern und bessere Entscheidungen treffen können. In der sogenannten VUCA -Welt, die von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägt ist, sehen sich Führungskräfte zunehmend überfordert von widersprüchlichen Zielsetzungen, mangelnder Übersichtlichkeit und der großen Eigendynamik der Geschäftsentwicklung. Ein Lösungsansatz ist – wie auch in anderen komplexen natürlichen oder technischen Systemen, wie z. B. Vogelschwärmen, dem menschlichen Gehirn oder dem Internet – die Verteilung von „Autorität“. In der Führungsforschung der letzten Jahre hat das Konzept geteilter Führung unter verschiedenen Namen (verteilte, rotierende, kollaborative oder kollektive Führung, shared Leadership) gegenüber dem TopDown-Paradigma von Führung an Bedeutung gewonnen. Insgesamt wird Führung hier als Gemeinschaftsleistung und als ganzheitlicher und episodischer Prozess betrachtet. Eine klare Trennung von „Führungskraft“ und „Untergebenem“ wird ebenso aufgegeben wie die einseitige Fokussierung auf die Person einer „heroischen“ Führungskraft. Dennoch gibt es konzeptuelle Unterschiede bei den verschiedenen Ausprägungen von Führung als Gemeinschaftsleistung. Während bei einigen Autorinnen und Autoren der Aspekt der Ganzheitlichkeit betont wird (z. B. Gronn 2011), steht bei anderen das Teilen von Macht und Verantwortung (z. B. Gordon 2010) oder die Verteilung von Aufgaben gemäß Anforderungen und Kompetenzen – und nicht entsprechend hierarchischer Positionen im Vordergrund (z. B. Conger und Pearce 2009). Folgt man letzterer Auffassung, so kann man geteilte Führung als einen dynamischen, interaktiven Einflussprozess zwischen verschiedenen Personen in Gruppen verstehen, bei dem es darum geht, sich gegenseitig zu führen, um Gruppen- oder

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

Organisationsziele zu erreichen. Dieser Einflussprozess kann auf der gleichen Ebene stattfinden, aber auch nach oben oder unten (Pearce und Conger 2003). D’Innocenzo et al. (2016) sind sich einig, dass die Übernahme von Führungsrollen durch verschiedene Personen, das dynamische Geben und Nehmen und eine den jeweiligen Gruppenbedürfnissen entsprechende, wechselnde Einflussnahme den heutigen Erfordernissen von Organisationen mehr entspricht als das Top-Down-Modell der Führung. Dies gilt besonders für spezielle Führungssituationen, wie z. B. die Führung virtueller, an verschiedenen Standorten tätiger Teams, die Führung in Veränderungsprozessen oder für Situationen, in denen es um das Vermeiden einer übermäßigen Abhängigkeit von einer einzelnen Person an der Spitze der Organisation geht. Geteilte Führung ist jedoch nie eine Selbstverständlichkeit, sondern erfordert kontinuierliche Anstrengungen und Wachsamkeit, insbesondere, wenn sich Rahmenbedingungen und die Teamzusammensetzung ändern. Die Teammitglieder müssen eine gemeinsame Vision haben und verstehen, wohin „die Reise geht“. Geteilte Führung stellt aber auch hohe Anforderungen an die Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitenden. Wenn sie befähigt und bereit sind, in einem dynamischen Prozess Führungsrollen zu übernehmen, Verantwortung für ihr Tun zu übernehmen, mitzugestalten und sich auch selbst „zu führen“, bietet geteilte Führung aber erwiesenermaßen Vorteile in Form einer höheren Teamleistung (D’Innocenzo et al. 2016).

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Voraussetzungen für geteilte Führung

? Reflexionsfragen

5 Denken Sie an Ihre eigene Organisation oder eine, die Sie aus der Presse kennen – wie könnte man ein Konzept geteilter Führung implementieren? Welche Voraussetzungen müssten geschaffen werden? 5 Wie müsste die Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitenden verändert werden, damit geteilte Führung „funktioniert“? 5 Welche Rolle spielt die Organisationskultur bei der Umsetzung von Konzepten geteilter Führung? 5 Welche Branchen sind eher für den geteilten Führungsansatz geeignet?

2.3.7  Toxische und schlechte Führung

Vor knapp 20 Jahren haben Paulhus und Williams (2002) auf die „Dunkle Triade“ mit den drei konzeptionell unterschiedlichen, sich in der Empirie aber überlappenden Persönlichkeitsmerkmalen – Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie – aufmerksam gemacht. Gemeinsam ist allen drei Konstrukten, dass sie zwar antisoziale Tendenzen beschreiben – wie z. B.

Machtmotiv und Dominanzorientierung Dunkle Triade – Machiavellismus, Narzissmus und Psychopathie

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

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Toxische Führungskräfte als faszinierende Wesen

eine Neigung zu gefühlskalter Manipulation – aber Führungskräfte mit diesen Merkmalen dennoch in der Lage sein können, im beruflichen Alltag zu „funktionieren“. Wenngleich die Abgrenzung oft nicht eindeutig ist, handelt es sich bei Narzissmus und bei Psychopathie im Kontext von Führung also nicht um behandlungsbedürftige („klinische“) Persönlichkeitsstörungen, sondern um sogenannte „subklinische“ Persönlichkeitsausprägungen. Und im Gegensatz zu Narzissmus und zu Psychopathie finden sich die Wurzeln des Konstrukts Machiavellismus nicht in der Psychologie, sondern in der politischen Theorie. Machiavellistische Führungskräfte sind zynisch und prinzipienlos, wenn es um das Verfolgen eigener Ziele geht. Sie sind überzeugt, dass Manipulation der Schlüssel zum Lebenserfolg ist und verhalten sich entsprechend. Narzisstische Führungskräfte hingegen manipulieren, um eigenes Fehlverhalten und Schwächen zu überdecken, während Führungskräfte mit psychopathischen Zügen z. B. auch einfach aus einer Laune heraus andere manipulieren. Furtner (2017) stellt fest, dass bei allen Führungskräften mit Dark Traits das selbstsüchtige Machtmotiv und die soziale Dominanzorientierung stark ausgeprägt sind. Bei Narzissten findet man eine starke Neigung zu Grandiosität und Anspruchsdenken, den Wunsch nach Dominanz und Überlegenheit und gleichzeitig können solche Personen emotional sehr abhängig und verletzlich sein. Führungskräfte mit einer Neigung zu Psychopathie hingegen haben eine Tendenz zu Impulsivität, sind wenig empathisch und suchen den Nervenkitzel. Obwohl in der Forschung die Besonderheit der drei Merkmale betont wird, so hat sich gezeigt, dass es Menschen gibt, die mehr als eine der Eigenschaften der Dunklen Triade besitzen und dass die Konstrukte interkorrelieren (Furnham et al. 2013). Die Wissenschaft geht auch davon aus, dass die drei Faktoren der Dunklen Triade eine genetische Komponente aufweisen und bereits bei sehr jungen Menschen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren festgestellt werden können (Lau und Marsee 2013; Petrides et al. 2011). Evolutionstheoretisch betrachtet, scheinen die Eigenschaften der Dunklen Triade den reproduktiven Erfolg durch „Ausnutzen“ anderer zu fördern (Mealey 1995), aber auch den Aufstieg in Organisationen zu begünstigen. Begriffe wie „toxische“, „destruktive“ oder „unethische“ Führungskräfte bezeichnen die für die Dunkle Triade typischen Persönlichkeiten und tauchen immer wieder in Untersuchungen kontraproduktiven Verhaltens in Unternehmen auf (Harms et al. 2011). Lipman-Blumen (2006, S. 2) beschreibt toxische Führungskräfte als „Personen, die aufgrund ihres destruktiven Verhaltens und ihrer dysfunktionalen persönlichen Qualitäten oder Eigen-

2.3 · Zentrale Themen der aktuellen Führungsforschung und -praxis

schaften den Individuen, Gruppen, Organisationen, Gemeinschaften und sogar den Nationen, die sie führen, schweren und dauerhaften Schaden zufügen.“ Dennoch charakterisiert die Wissenschaftlerin diese Führungskräfte durchaus auch als faszinierende Wesen, denen ihre Untergebenen trotz unethischen Verhaltens bereitwillig folgen und die nicht notwendigerweise inkompetent sein müssen. Nach Lipman-Blumen (2006) sind es sogar deren Anhängerinnen und Anhänger, die toxische Führungskräfte erst ermöglichen. Sie werden in Organisationen oftmals nicht nur toleriert, sondern von diesen ermöglicht und reproduziert. Denn laut Sutton (2007) neigen toxische Führungskräfte dazu, nach unten zu „treten“ und nach oben zu „buckeln“. Dies erklärt zumindest teilweise, warum die negativen Auswirkungen ihres Führungsstils von ihren Vorgesetzten nicht wahrgenommen werden. Sutton (2007) schlägt zwei Fragestellungen als pragmatischen Kurztest vor, um festzustellen, ob es sich bei einer Person um eine toxische Führungskraft, oder wie er es drastisch ausdrückt – ein „Arschloch“ – handelt: 5 Fühlt sich die Zielperson nach einem Gespräch mit dem mutmaßlichen „Arschloch“ von der Person unterdrückt, gedemütigt, niedergeschlagen, entmutigt oder herabgesetzt? Fühlt sich die Zielperson insbesondere schlechter in Bezug auf sich selbst? 5 Richtet das mutmaßliche „Arschloch“ sein Gift auf Menschen, die schwächer sind, anstatt auf diejenigen, die stärker sind? Von toxischen Führungskräften zu unterscheiden sind „schlechte Chefs“ bzw. „schlechte“ Kolleginnen und Kollegen, die durch Eigenschaften wie die folgenden negativ auffallen (Kellerman 2004): 5 Inkompetenz: Der Führungskraft und zumindest einigen Mitarbeitenden fehlt der Wille oder die Fähigkeit (oder beides), effektiv zu handeln. In Bezug auf mindestens eine wichtige Führungsaufgabe gelingt ihnen kein positiver Wandel. 5 Rigidität und mangelnde Veränderungsbereitschaft: Die Führungskraft und zumindest einige Mitarbeitende sind starrsinnig und unnachgiebig. Obwohl sie kompetent sind, sind sie nicht in der Lage oder nicht bereit, sich an neue Ideen, neue Informationen oder veränderte Zeiten anzupassen. 5 Mangelnde Selbstkontrolle: Die Führungskraft besitzt keine Selbstkontrolle und wird darin von Mitarbeitenden bestärkt oder ermutigt, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, effektiv zu intervenieren. 5 Mangelnde Empathie: Die Führungskraft und zumindest einige der Mitarbeitenden sind empathielos und

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„Arschloch“-Kurztest

Toxische vs. „schlechte“ Führungskräfte

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Kapitel 2 · Die klassischen und aktuellen Ansätze der Führungsforschung

unfreundlich. Die Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen der meisten Mitglieder der Gruppe oder Organisation, insbesondere der Untergebenen, werden ignoriert oder abgelehnt. 5 Korrumpierbarkeit: Die Führungskraft und zumindest einige der Mitarbeitenden lügen, betrügen und stehlen. In einem Maß, das über die Norm hinausgeht, stellen sie ihre eigenen Interessen über das Gemeinwohl. 5 Ressortdenken: Die Führungskraft und mindestens einige der Mitarbeitenden missachten die Situation oder das Wohlergehen „Anderer“ – also derjenigen außerhalb der Gruppe oder Organisation, für die sie direkt verantwortlich sind. 5 Bösartigkeit: Die Führungskraft und zumindest einige der Mitarbeitenden begehen Grausamkeiten. Sie nutzen Gewalt als Instrument der Macht. Der Schaden, den Männer, Frauen und Kinder erleiden, ist eher hoch als gering, und kann physisch, psychisch oder beides sein.

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Kritik an der toxischen Führung

So spannend und neugier-erweckend die Konstrukte der toxischen oder schlechten Führung auch sind, so werden diese in der Forschung aber durchaus kritisch gesehen. Dies liegt zum einen an der expliziten Gegenposition, die sie zur „guten“ oder „ethischen“ Führung einnehmen. Hier wird ein Schwarz-Weiß-Denken über Führung offenbar, das verkennt, dass es im Führungsalltag selten reine „Heroen“ und absolute „Bösewichter“ gibt (Edwards et al. 2015). Außerdem wird durch eine Fokussierung auf das Individuum „Führungskraft“ die Rolle des Umfeldes, z. B. der Untergebenen, der Kolleginnen und Kollegen und der in der Organisationskultur verankerten Normen, außer Acht gelassen (Kellerman 2004). ? Reflexionsfragen

5 Denken Sie an Führungskräfte, die Sie kennen – besitzen diese toxische Merkmale? Lassen sich diese einer bestimmten Gruppe der Dunklen Triade zuordnen? 5 Entdecken Sie toxische Merkmale an sich selbst? 5 Welchen Einfluss haben die toxischen Verhaltensweisen auf den Organisationserfolg und die Mitarbeitenden? 5 Welche Beispiele „schlechter“ Führung kennen Sie? Wie äußert sie sich? 5 Wie wirkt sich „schlechte“ Führung auf den Organisationserfolg und die Mitarbeitenden aus? 5 Welchen Anteil haben die Mitarbeitenden an der Aufrechterhaltung „toxischer“ oder „schlechter“ Führung?

63 Literatur

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Kapitel 3 · Ein Gesamtmodell für Führung?

72

Wenn man sich mit Führungsforschung auseinandersetzt, ist es unbefriedigend festzustellen, dass es bisher nicht gelungen ist, die einzelnen Forschungsstränge und -befunde in ein integriertes Modell zu überführen. Die Führungsforschung beschreibt und erklärt zwar viele Aspekte und Phänomene guter und schlechter Führung und hilft uns zu verstehen, welche Ursachen es dafür gibt. Zwischen den Theoriebausteinen bestehen aber oft nur wenige oder lose Verbindungen, weil Forschende zu selten den Blick über den Tellerrand „ihrer“ Theorie wagen (Avolio 2007; Glynn und Raffaelli 2010). So wurden laut Meuser et al. (2016) allein zwischen den Jahren 2000 und 2003 in den 10 Top-Journals der Führungsforschung 49 verschiedene Führungsansätze publiziert und laut Dinh et al. (2014) wurden seit 2000 gar 66 verschiedene Theorien veröffentlicht. In der nachfolgenden Abbildung wird eine Auswahl der wichtigsten aktuellen Strömungen der Führungsforschung den zentralen Elementen im Führungsprozess zugeordnet (vgl. . Abb. 3.1). Etliche, der in der Graphik aufgeführten Theorien, finden sich in 7 Kap. 2 wieder. Eine Auswahl, der für die Forschung eingesetzten Erhebungsinstrumente, ist in 7 Kap. 6 dargestellt.

Vielzahl an veröffentlichten Führungstheorien

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Unzureichende Verbindungen zwischen Führungstheorien

Führungskontext • Strategische Führung in Top-Management-Teams • Macht, Einfluss und Politik • Interkulturelle Führung • Führungssubstitute • Kontext/Komplexität/ Anpassung • Kontingenztheorien

Führungskraft

Führungsverhalten



• • • •

• •

Führungsfähigkeiten/ -kompetenzen Führungskräfteentwicklung (Persönlichkeits-) Eigenschaften

• • • •

• •

Leader-Member-Exchange Ethische Führung Charismatische Führung Transformationale Führung Transaktionale Führung Verhaltensorientierte Theorien Delegation & Empowerment Partizipative/geteilte Führung Belohnung und Bestrafung Informationsverarbeitung/ Entscheidungsverhalten

Mitarbeitende

• • • • • • • • • • • • •

Führungserfolg

Followership Theorien Führung in Teams Emergente Führung Soziale Netzwerke Kognitionen der Geführten Implizite Führungstheorien Identität/Identifikationsprozesse Attributionstheorien Führung und Diversity Relational Leadership Theory Situative Führung Führung und Emotionen etc.

. Abb. 3.1  Aktuelle Strömungen der Führungsforschung und ihr Bezug zum Führungsprozess

Kapitel 3 · Ein Gesamtmodell für Führung?

Wie viele Theorieansätze sind wirklich notwendig, um das Forschungsfeld Führung abzudecken? Die Vielzahl an oft sehr eng verwandten oder sogar redundanten Ansätzen widerspricht in jedem Fall dem Sparsamkeitsprinzip der Wissenschaft und verlangsamt den wissenschaftlichen Fortschritt. Meuser et al. (2016) vergleichen die Forschenden sehr treffend mit Hausbewohnern, die ihre Nachbarinnen und Nachbarn kaum kennen. Sie sind der Meinung, dass Erkenntnisgewinn eher durch „ressourcensparendes“ Forschen und Reduktion auf das Wesentliche – nämlich auf die bereits gut belegten und anschlussfähigen Ansätze – erzielt werden kann, als durch isolierte Anstrengungen in einzelnen Feldern. Dies erfordert eine Integration derjenigen Forschungsfelder, die sich inhaltlich zum Teil ohnehin stark überschneiden. In bestimmten Bereichen geschieht dies bereits, so ist z. B. bei der Charismatischen und Transformationalen Führung (7 Abschn. 2.2.1 und 2.2.2) eine deutliche Integration von Forschungsergebnissen feststellbar – beide Stile bieten interessante Befunde sowohl zu Einstellungen und Verhaltensweisen von Führungskräften und Mitarbeitenden, als auch zum Erfolg von Organisationen und Teams. Theorien hingegen, die sich nur mit bestimmten Aspekten von Führung beschäftigen, bieten weniger Anreize zur Integration. Dazu gehört etwa die Leader-Member-Exchange-Theorie (7 Abschn. 2.2.4), die sich ausschließlich auf die Auswirkungen von Führung auf Verhalten und Zufriedenheit einzelner Mitarbeitender konzentriert. Meuser et al. (2016) haben sechs theoretische Perspektiven als besonders vielversprechend für eine Integration der Führungsforschung identifiziert: a) die charismatische Führung b) die transformationale Führung c) die strategische Führung mit Fokus auf ­Top-Management-Teams d) Führung und Diversity e) partizipative/geteilte Führung f) Ansätze, die sich mit Persönlichkeitseigenschaften und Führung befassen Es wird diskutiert, konkurrierende Ansätze und Kombinationen von Ansätzen mittels metaanalytischer Verfahren und Netzwerkanalysen auf ihre Erklärungskraft hin zu überprüfen, um die Frage zu beantworten, ob manche Theorien schlichtweg „besser“ als andere seien. Interessant wäre auch die Klärung der Frage, welche Ansätze für unterschiedliche Kontextbedingungen von Führung und Organisation am besten funktionieren (Avolio 2007; Meuser et al. 2016). Ein Gesamtmodell für Führung bleibt aber vorerst noch Zukunftsmusik.

73

Vielversprechende Führungstheorien für eine Integration Kritik an der Vielzahl an Führungstheorien

Gesamtmodell für Führung ist ausstehend

3

74

Kapitel 3 · Ein Gesamtmodell für Führung?

Literatur

3

Avolio, B. J. (2007). Promoting more integrative strategies for leadership theory-building. American Psychologist, 62(1), 25–33. Dinh, J. E., Lord, R. G., Gardner, W. L., Meuser, J. D., Liden, R. C., & Hu, J. (2014). Leadership theory and research in the new millennium. Current theoretical trends and changing perspectives. The Leadership Quarterly, 25(1), 36–62. Glynn, M. A., & Raffaelli, R. (2010). Uncovering Mechanisms of Theory Development in an Academic Field. Lessons from Leadership Research. Academy of Management Annals, 4(1), 359–401. Meuser, J. D., Gardner, W. L., Dinh, J. E., Hu, J., Liden, R. C., & Lord, R. G. (2016). A network analysis of leadership theory. The infancy of integration. Journal of Management, 42(5), 1374–1403.

75

Wie kann man Führung messen und beschreiben? 4.1 Psychologische Konstrukte zur Beschreibung von Führung – 77 4.2 Psychologische Tests und Fragebögen – 78 4.3 Grundbegriffe der Statistik – 80 4.4 Gütekriterien für Messinstrumente – 87 4.4.1 Klassische Gütekriterien: Objektivität, Reliabilität, Validität – 87 4.4.2 Nebengütekriterien – 91

4.5 Hinweise zur Beurteilung der Qualität von Messinstrumenten und Befragungsergebnissen – 93 Literatur – 94

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_4

4

76

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

Untersuchte Merkmale in der Führungsforschung

4

Führungskraft • Kompetenzen • Persönlichkeit • Motive • Einstellungen • Alter • Geschlecht • etc..

Die vorangegangenen Kapitel haben deutlich gemacht, dass die Wissenschaft schon mehr als hundert Jahre lang mit unterschiedlichsten Herangehensweisen versucht, das Phänomen Führung zu beschreiben und zu erklären. Dafür wurde eine Vielzahl von Messinstrumenten mit verschiedensten Blickrichtungen und inhaltlichen Schwerpunkten entwickelt. In der folgenden . Abb. 4.1 finden Sie eine Auswahl von Merkmalen, die im Rahmen der Führungsforschung Gegenstand von Messungen sein können. Während einige Merkmale, wie z. B. das Alter von Führungskräften und Geführten leicht erhoben werden können, sind andere, wie z. B. die Persönlichkeit der Führungskraft, sehr komplexe Konstrukte, zu deren Erfassung ausdifferenzierte Methoden entwickelt und validiert wurden. Bevor wir in 7 Kap. 6 einige wichtige Messinstrumente vorstellen, nähern wir uns der Frage an, wie Führung generell psychometrisch fassbar gemacht werden kann bzw. welche Rolle dabei die Statistik und insbesondere die Gütekriterien der empirischen Sozialforschung spielen. Hinweise für die Beurteilung der Güte von Befragungsinstrumenten und der Qualität von Messergebnissen sollen Sie befähigen, sich im Dickicht der Führungsdiagnostik besser zurechtzufinden.

Führungsverhalten • transaktional • transformational • charismatisch • ethisch • respektvoll • partizipativ • etc.

Mitarbeitende • Kompetenzen • Persönlichkeit • Motive • Einstellungen • Alter • Geschlecht • etc.

Führungserfolg • Leistungsverhalten der Mitarbeitenden • Motivation der Mitarbeitenden • Teamerfolg • Unternehmenserfolg • Aufstieg/Karriere • Mitarbeiterzufriedenheit • etc.

Führungskontext • Aufgabe/Funktion/ Branche • Wirtschaftliche Situation des Unternehmens • Entwicklungsphase des Unternehmens • Regelungsdichte/Führungssubstitute • Hierarchische Position • Landes- / Unternehmenskultur • Gruppe/Dyade • Linie/Projekt • etc.

. Abb. 4.1  Die Elemente des Führungsprozesses und Ansatzpunkte für die Messung von Führung

4.1 · Psychologische Konstrukte zur Beschreibung von Führung

77

4.1  Psychologische Konstrukte zur

Beschreibung von Führung

Psychologische Konstrukte beziehen sich auf Eigenschaften von Menschen oder Tatbestände des menschlichen Erlebens und Verhaltens, die der direkten und unmittelbaren Beobachtung und Beurteilung nur schwer oder gar nicht zugänglich sind. Beispiele für psychologische Konstrukte sind neben dem hier im Mittelpunkt stehenden Gruppenphänomen Führung, auch Eigenschaften die an einzelne Individuen geknüpft sind, wie z. B. Intelligenz, Offenheit, Motivation oder Kreativität, aber auch Gruppenphänomene wie Risikobereitschaft, Gruppenzusammenhalt, Macht oder Solidarität. Häufig kann die Beobachtung von Menschen oder Gruppen Hinweise auf diese psychologischen Konstrukte (z.  B. Zufriedenheit, Führung, Intelligenz, Charisma) liefern und zu Schlussfolgerungen und Interpretationen anregen. Konstrukte entspringen also nicht der Phantasie, sondern basieren auf Postulaten, Hypothesen und theoretischen Überlegungen. In der Führungsforschung wird versucht, verschiedene Konstrukte aus dem Themengebiet Führung zu „operationalisieren“, d. h. messbar zu machen. Eine Operationalisierung ist quasi eine Messvorschrift, mit der man ein Konstrukt zugänglich macht (Aspendorpf et al. 2018). Wenn wir etwa messen wollen, ob in einem Unternehmen respektvoll geführt wird, könnten wir einfach fragen: „Werden Sie von Ihrer Führungskraft respektvoll behandelt?“ Der an der Befragung Teilnehmende kann dann entweder schlicht mit „Ja“ oder „Nein“ antworten oder wir bieten differenziertere Antwortmöglichkeiten an, wie z. B. „gar nicht“, „eher nicht“, „teils/teil“, „eher ja“, „voll und ganz“. Man könnte aber auch intensiver nachforschen, welche Verhaltensweisen respektvolle Führungskräfte zeigen und dann diese Verhaltensweisen abfragen. Bei der respektvollen Führung haben Führungsforscher beispielsweise nach dem gezeigten Vertrauen, dem Gewähren von Handlungsspielraum, dem Übertragen von Verantwortung und dem Berücksichtigen von Bedürfnissen der Mitarbeitenden gefragt und diese Aspekte dann zu einem Gesamtindex verdichtet (van Quaquebeke und Eckloff 2010). Wie genau man das Konstrukt erfasst, hängt vom Konstrukt selbst, aber auch von der konkreten Fragestellung ab. Bei manchen Konstrukten, wie z. B. Intelligenz oder Persönlichkeit ist die Operationalisierung mitunter sehr komplex, da diese besonders facettenreich sind. So wäre die Frage: „Gehen Sie gerne auf Partys?“ nicht ausreichend, um die Persönlichkeit einer Person zu erfassen. Bei der Operationalisierung geht es also darum,

Die Herausforderung, psychologische Konstrukte zu messen

Operationalisierung von Führung

Manifeste und latente Indikatoren

4

78

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

ein Messinstrument zu entwickeln, das durch inhaltlich passende und eine ausreichende Anzahl an Indikatoren bzw. Fragen erlaubt, das Konstrukt möglichst treffsicher zu erfassen. So sind z. B. das „Annehmen berechtigter Kritik“ und das „Loben eines Mitarbeitenden und seiner Arbeit bei anderen Personen“ Indikatoren für respektvolle Führung. Dabei kann zwischen manifesten und latenten Indikatoren unterschieden werden. Manifeste Indikatoren sind direkt beobachtbar wie bspw. das eben angesprochene Lob. Respektvolle Führung an sich ist nicht beobachtbar, deshalb spricht man von einem latenten Indikator, der durch mehrere manifeste Indikatoren greifbar gemacht werden soll. Für die Erfassung der „Konstruktfamilie“ rund um Führung existieren bereits viele etablierte, mehrfach getestete und zuverlässige diagnostische Verfahren für valide Messungen. Einige der bekanntesten und in wissenschaftlichen Top-Journals publizierten Verfahren werden im 7 Kap. 6 dieses Buches vorgestellt.

4

4.2  Psychologische Tests und Fragebögen Eindimensionale und mehrdimensionale Tests

Zu den bekanntesten psychologischen Tests zählen Intelligenztests, also Verfahren, um ein Persönlichkeitsmerkmal, in diesem Fall die Intelligenz, zu untersuchen (Lienert und Raatz 1998). Die geistige Leistungsfähigkeit ist ein Merkmal, das man einer Person nicht direkt ansehen kann und das auch nicht immer beobachtbar ist. Selbstauskünfte per Interview oder Fragebogen sind ebenfalls nicht zielführend, da eine Person ihre Intelligenz und die entsprechenden Subdimensionen (z. B. logisches Denken oder räumliches Denken) nicht präzise genug in Relation zu anderen Personen einschätzen kann. Ein psychologischer Test kann dies leisten. Dieser besteht aus einer Batterie von Testaufgaben, die empirisch geprüft sind und für die die Antwortformate festgelegt sind (=  vollstandardisierter Test). Dabei kann zwischen eindimensionalen und mehrdimensionalen Tests unterschieden werden. Bei einem eindimensionalen Test beziehen sich alle Fragen auf dasselbe Konstrukt. Schließlich wird basierend auf den Antworten ein Gesamttestwert berechnet, der dann Auskunft über die Stärke des gemessenen Merkmals gibt. Ein mehrdimensionaler Test hingegen teilt sich in zwei oder mehrere Untertests auf, wobei jeder Untertest eine Dimension des zu erfassenden Merkmals abbildet. Entsprechend werden Subtest-Werte gebildet, die die Ausprägung der Teilaspekte eines Merkmals konkretisieren (Döring und Bortz 2016).

4.2 · Psychologische Tests und Fragebögen

79

Psychologischer Test „Ein psychologischer Test („psychological test“) ist ein wissenschaftliches Datenerhebungsverfahren, das aus mehreren Testaufgaben […] sowie festgelegten Regeln zu deren Anwendung und Auswertung […] besteht. Ziel eines psychologischen Tests ist es, ein latentes psychologisches Merkmal (Konstrukt) – typischerweise eine Fähigkeit oder Persönlichkeitseigenschaft – in seiner absoluten oder relativen Ausprägung zu Forschungszwecken oder für praktische Entscheidungen zu erfassen.“ (Döring und Bortz 2016, S. 431)

Seit Ende des 19. Jahrhunderts kommen psychologische Tests vermehrt zum Einsatz (Newton und Shaw 2013). Sehr häufig finden diese Tests Anwendung im Rahmen der Diagnostik (engl. „psychological assessment“), wenn es um die Beurteilung von Merkmalen einer einzelnen Person geht. Typische Beispiele sind Verfahren, um zu prüfen, ob eine Person für eine bestimmte berufliche Position geeignet ist oder ob ein Kind reif genug für die Schule ist. Auch wenn umgangssprachlich für beide Verfahren oft der Ausdruck „Fragebogen“ verwendet wird, weil die beiden Verfahren sich im Aufbau, im Aussehen sowie den wissenschaftlichen Konstruktionsprinzipien ähneln, unterscheiden sich Tests von Fragebögen. Anders als standardisierte Fragebögen sind Persönlichkeitstests normiert, d. h. individuelle Messwerte können differenziert beurteilt und in der Diagnostik angewandt werden. Fragebögen können lediglich für Gruppenaussagen genutzt werden. Des Weiteren konzentrieren sich psychologische Tests auf Fähigkeiten und Persönlichkeitseigenschaften, wohingegen Fragebögen alle vorstellbaren Themen (z. B. Ernährungsverhalten, Werdegänge, politische Einstellungen etc.) adressieren können (Döring und Bortz 2016). Auf keinen Fall mit psychologischen Tests zu verwechseln sind die sogenannten „Psychotests“ zu Themen wie „Was sagt Dein Lieblingstyp Mann über dich aus?“, „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Körper?“, „Wie glücklich sind Sie?“ und „Welcher Essenstyp sind Sie?“. Sie werden online und in vielen (Boulevard-)Zeitschriften angeboten und ermöglichen anhand weniger und kurzer Fragen eine Einschätzung bestimmter Persönlichkeitsmerkmale oder ordnen die Konsumentinnen und Konsumenten einem Persönlichkeitstyp zu. Anders als wissenschaftliche Tests, werden Psychotests auf Grundlage des gesunden Menschenverstandes konstruiert und verfolgen das Ziel ihre Leserinnen und Leser zu unterhalten. Testinstrumente, wie sie von vielen Beratungsunternehmen, z. B. für die Eignungsdiagnostik, das Team-Building oder die

Psychologische Tests als Instrument der Diagnostik

Test vs. Fragebogen

Testinstrumente aus der Praxis

4

80

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

Führungskräfteentwicklung angeboten werden, werden zwar meist von Personen mit langjähriger Berufserfahrung und großem Fachwissen entwickelt, entsprechen aber nur in den seltensten Fällen den Anforderungskriterien, die an wissenschaftliche Instrumente gestellt werden. Vielfach wird mit den Begriffen „Validität“ und „Wissenschaftlichkeit“ geworben, es handelt sich aber in der Regel nur um Augenscheinvalidität (7 Abschn. 4.4 und 4.5). Die Verfahren erscheinen sowohl den anbietenden Unternehmen als auch den Kundenunternehmen als valide, weil sie vor dem Hintergrund ihres Erfahrungswissens plausibel wirken. Pragmatismus und Marktorientierung stehen im Vordergrund, und nicht ausgefeilte und aufwendige psychometrische Diagnoseverfahren. Die Testverfahren punkten durch das Aufgreifen aktueller Personalmanagement-Trends in den Inhalten, ansprechende visuelle Gestaltung, nutzerfreundliche OnlineAnwendung und umfassende Serviceleistungen. Wenn sie den gewünschten Kundennutzen liefern, ist ihr Einsatz trotz der methodischen Schwächen zu befürworten. Die Testverfahren können Führungskräften auf anregende und ansprechende Art einen Anstoß zur Selbstreflektion geben, die Persönlichkeits- und Teamentwicklung fördern und die Akzeptanz für Veränderungen in Unternehmen erhöhen. Kritisch zu sehen ist ihr Einsatz in der Leistungsbewertung oder als Entscheidungshilfe bei ­Einstellungs- und Aufstiegsentscheidungen, da sie die Chancengleichheit und die Verfahrensgerechtigkeit beeinträchtigen oder personelle Fehlentscheidungen begünstigen können. Im 7 Kap. 6 dieses Buches finden Sie in erster Linie Fragebögen, die wissenschaftlich entwickelt wurden. Auch wenn Sie sicherlich dabei Spaß haben werden, anhand der Skalen mehr über sich selbst zu erfahren, dienen diese Tests natürlich nicht der Unterhaltung, sondern dazu, Führungskräfte und Mitarbeitende näher kennenzulernen und besser einschätzen zu können oder mehr über die Führungskultur in Unternehmen herauszufinden.

4

4.3  Grundbegriffe der Statistik Grundbegriffe der deskriptiven Statistik anhand eines Beispiels erklärt

Auch wenn Programme wie Excel, SPSS oder Stata die Datenauswertung und Ergebnisvisualisierung heute sehr erleichtern, bedarf es einiger grundlegender Statistikkenntnisse, um Erhebungen zum Führungsverhalten durchzuführen, Befragungsdaten auszuwerten und Ergebnisse zu interpretieren. Im Folgenden sollen anhand konkreter Beispiele einige zentrale statistische Kennzahlen erläutert werden, die für die Erstellung und Nutzung von Messinstrumenten und die Interpretation von Befragungsergebnissen besonders wichtig sind. Zunächst werden einige Grundbegriffe der deskriptiven Statistik anhand eines Items

4

81

4.3 · Grundbegriffe der Statistik

aus dem Fragenkatalog zur respektvollen Führung (. Abb. 4.2) erläutert. Konkret wird der Grad der Zustimmung zu dem Item „Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv“, das mittels einer fünfstufigen Likertskala erhoben wird (1 = trifft gar nicht zu; 2 = trifft wenig zu; 3 = teils teils; 4 = trifft eher zu; 5 = trifft zu), näher betrachtet. Wir gehen nun davon aus, dass 15 Personen den Fragebogen ausgefüllt haben und sich folgende Verteilung der Antworten bei diesem Item ergeben hat (siehe . Tab. 4.1). Um die Verteilung der Antworten anschaulich darzustellen, kann nun ein Säulendiagramm erstellt werden, das anhand unterschiedlich langer Balken graphisch zeigt, wie häufig jeder einzelne Zustimmungsgrad auftritt (. Abb. 4.3). Hier fällt sofort auf, dass ein großer Teil der Befragten der Meinung ist, dass die Aussage, ihre Führungskraft würde Kritik sachlich und konstruktiv äußern, zum Teil zutrifft. Sechs Teilnehmende stehen der Aussage positiv gegenüber und drei Personen eher negativ.

trifft gar nicht zu

Säulendiagramm zur Visualisierung

trifft wenig zu

teils teils

trifft eher zu

trifft zu

Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv. Meine Führungskraft erkennt mich als vollwertiges Gegenüber an. Meine Führungskraft erkennt meine Arbeit an.

. Abb. 4.2  Auszug aus dem Fragenkatalog zu respektvoller Führung von Eckloff und van Quaquebeke (2008, S. 260)

. Tab. 4.1  Verteilung der Antworten Grad der Zustimmung Häufigkeit der Antworten der 15 Teilnehmenden

1 (trifft gar nicht zu)

2 (trifft wenig zu)

3 (teils teils)

4 (trifft eher zu)

5 (trifft zu)

1

2

6

3

3

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

82

"Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv." 10

4

Häufigkeit

6 5 3

3

4 trifft eher zu

5 trifft zu

2 1 0 1 trifft gar nicht zu

2 trifft wenig zu

3 teils teils

Grad der Zustimmung

. Abb. 4.3  Darstellung der Häufigkeitsverteilung des Items „Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv“

Zur besseren Beurteilung und Vergleichbarkeit von erhobenen Daten werden häufig weitere Kennzahlen rechnerisch ermittelt, die sogenannten Lageparameter. Diese haben zum Ziel das Datenmaterial möglichst gut zu beschreiben, um so die Vergleichbarkeit zu verbessern. Zu den zentralen Lageparametern gehören der Modalwert oder auch Modus, der Median und der Mittelwert. Der Modus ist definiert als der häufigste Wert, der in der Stichprobe vorkommt. In unserem Beispiel wäre das also der Wert 3, der am häufigsten, nämlich sechsmal von den Teilnehmenden angekreuzt wurde. Der Median gibt den Wert an, bei dem die Daten in zwei gleichgroße Teile getrennt werden. Das heißt, dass am Median 50 % der Werte über und 50 % der Werte unter diesem Zentralwert liegen. Der Median wird bestimmt, indem alle Antworten bzw. Zustimmungsgrade der 15 Befragten aufsteigend sortiert werden. In dieser Reihe wird dann der Wert, der in der „Mitte“ der Datenreihe liegt, als Median definiert. Im Beispiel bildet der Wert 3 exakt die Mitte und wird deshalb auch als Zentralwert bezeichnet (. Tab. 4.2).

Lageparameter zur Datenbeschreibung

Modus: häufigster Wert

Median: Spaltung der Daten in zwei gleichgroße Teile

. Tab. 4.2  Beispielhafte Datenreihe x1

x2

x3

x4

x5

x6

x7

x8

x9

x10

x11

x12

x13

x14

x15

1

2

2

3

3

3

3

3

3

4

4

4

5

5

5

83

4.3 · Grundbegriffe der Statistik

Der Median ist vor allem dann sehr aussagekräftig, wenn sich an einem oder beiden äußeren Enden einer Verteilung extreme Werte befinden, da er unempfindlich oder auch robuster gegenüber „Ausreißern“ ist. So kann z. B. in Ländern mit extremer Einkommensungleichheit und einigen wenigen „Superreichen“ das Durchschnittsvermögen (=  Mittelwert) weniger aussagekräftig als der Median sein. Zur Identifikation des Medians x˜ finden folgende Formeln Anwendung, wobei x den Zustimmungsgrad und n die Gesamtzahl der teilgenommenen Personen symbolisiert: Bei einer ungeraden Anzahl an Befragten x˜ = x n+1 2

4

Formeln zur Berechnung des Medians

Bei einer geraden Anzahl an Befragten x˜ = 21 x n2 + x n2 +1 Bezogen auf das Beispiel zur Kritikäußerung der eigenen Führungskraft, lässt sich der Median folgendermaßen berechnen: 



 xungerade = x15+1 = x8 = (5 + 1)/2 2

… entsprechend hat der Median hier den Wert 3. Für den Fall, dass die ersten drei Fragebögen nicht auswertbar sind, sodass x1 , x2 und x3 wegfallen, würde sich folgender Median ergeben:  1 1 1 x12 + x12 +1 = (x6 + x7 ) = (3 + 4) = 3,5 x˜ gerade = 2 2 2 2 2 Eine weitere Maßzahl der zentralen Tendenz einer Erhebung ist der Mittelwert. Konkret handelt es sich um den durchschnittlichen Wert („das Mittel“) aller Antworten bzw. Bewertungen eines Items. Zur Berechnung des Mittelwerts x¯ werden alle Werte addiert und durch die Gesamtanzahl der Befragten geteilt: n xi x¯ = i=1 n

Mittelwert: durchschnittlicher Wert

Die Gleichung beschreibt die Summe aller Testwerte, geteilt durch die Anzahl der Testteilnehmenden. Im oben angeführten Beispiel ergibt sich ein Mittelwert von 1+2+2+3+3+3+3+3+3+4+4+4+5+5+5 15 50 = = 3,33 15

x¯ =

Das heißt, dass die Befragten der Meinung sind, dass die Aussage „Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv“ im Durchschnitt mittelmäßig zutrifft (3,33 = „teils teils“). Die Standardabweichung ist ein Maß für die Streuung der Bewertungen um den Mittelwert. Eine niedrige Standardabweichung signalisiert (relativ zum Mittelwert), dass die Datenpunkte

Standardabweichung: Streuung um den Mittelwert

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

84

Formel zur Berechnung der Standardabweichung

Die Formel drückt aus, dass die Differenz zwischen jedem einzelnen Testergebnis und dem Mittelwert quadriert und diese Werte anschließend summiert werden. Im nächsten Schritt wird dieses ‚Zwischenergebnis‘ durch (n−1), also den Stichprobenumfang abzüglich 1, geteilt. Abschließend wird von dem neuen ‚Zwischenergebnis‘ die Wurzel gezogen. Für unser Beispiel errechnet sich die Standardabweichung wie folgt: (1 − 3,3)2 + (2 − 3,3)2 + (2 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (3 − 3,3)2 + (4 − 3,3)2 + (4 − 3,3)2 + (4 − 3,3)2 s=

+ (5 − 3,3)2 + (5 − 3,3)2 + (5 − 3,3)2 15 − 1

= 1,18

Standardabweichung = 1,18

Standardabweichung = 0,82 5

Grad der Zustimmung

5

Grad der Zustimmung

4

nah am Mittelwert liegen – im Gegensatz zu einer großen Standardabweichung (relativ zum Mittelwert), die anzeigt, dass die Datenpunkte weiter entfernt vom Mittelwert liegen (. Abb. 4.4). Konkret bedeutet eine niedrige Standardabweichung, dass die Befragten das Item ziemlich ähnlich beurteilen, bei einer hohen Standardabweichung gehen die Einschätzungen der Befragten weit auseinander. Die Standardabweichung kann mit der folgenden Formel berechnet werden:  n 2 i=1 (xi − x) s= n−1

4 3 2 1 0 1

3

5

7

9

11

13

Teilnehmende der Befragung

15

4 3 2 1 0 1

3

5

7

9

11

13

Teilnehmende der Befragung

. Abb. 4.4  Graphische Darstellung zweier Datensätze mit demselben Mittelwert und unterschiedlichen Standardabweichungen

15

4.3 · Grundbegriffe der Statistik

Das heißt, dass die durchschnittliche Entfernung aller Antworten zum Mittelwert 1,18 beträgt. Je höher die Standardabweichung, desto weniger aussagekräftig ist der Mittelwert. Wenn der Mittelwert 3,33 bei dem Item „Meine Führungskraft äußert Kritik sachlich und konstruktiv“ isoliert betrachtet wird, könnte man interpretieren, dass die Führungskraft insgesamt eher sachlich und konstruktiv kritisiert. Die relativ hohe Standardabweichung von 1,18 (sie entspricht etwa einem Drittel des Mittelwerts) könnte bspw. darauf hindeuten, dass das kritische Feedback der Führungskraft von verschiedenen Mitarbeitenden sehr unterschiedlich wahrgenommen wird, oder dass die Führungskraft ihre Mitarbeitenden recht unterschiedlich behandelt, wenn sie Kritik übt. Möglicherweise gibt es dafür auch andere Gründe, die mit der Führungskraft überhaupt nichts zu tun haben. Die bisher beschriebenen statistischen Kennzahlen gehören der deskriptiven Statistik an. Sie helfen uns, bestimmte Tatbestände verständlich zu beschreiben, z. B. darzustellen, ob in einem Unternehmen respektvoll geführt wird. Interessanter ist aber die explorative oder analytische Statistik, bei der es darum geht, Zusammenhänge aufzudecken: Sind die Mitarbeitenden derjenigen Führungskräfte, die respektvoll führen, zufriedener und ist bei ihnen die Fluktuation geringer? Fehlen die Mitarbeitenden von respektloseren Führungskräften häufiger? Solche Zusammenhänge werden Korrelationen („Wechselbeziehungen“) genannt. Mittels statistischer Analyseverfahren kann aufgezeigt werden, ob zwischen einer unabhängigen Variable (hier z.  B. die respektvolle Führung) und einer abhängigen Variable (hier z. B. der Absentismus von Mitarbeitenden) eine Beziehung besteht. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass eine Korrelation nicht automatisch eine Kausalität darstellt. Sie kann, aber muss nicht auf einen kausalen Zusammenhang hinweisen, da auch der Zufall im Spiel sein könnte. Ein derartiger Zusammenhang wird in der Statistik mit verschiedenen Maßgrößen gemessen. Besonders bekannt ist der Korrelationskoeffizient r nach Pearson. Er misst den Grad des linearen Zusammenhangs zwischen zwei Merkmalen, die mindestens intervallskaliert sein müssen, bei denen also die Abstände zwischen den numerischen Werten der Skala gleich sind (was z. B. bei einer ­ Likert-Skala angenommen wird). Der Korrelationskoeffizient kann Werte zwischen −1 und 1 annehmen. Bei r  =  0 besteht keinerlei Zusammenhang zwischen den betreffenden Variablen, bei r = 1 ist der positiv lineare Zusammenhang maximal, bei r = −1 ist der negative lineare Zusammenhang maximal.

85

4

Interpretation der deskriptiven Statistiken des Beispielitems

Korrelationen: Wechselbeziehungen

Korrelationskoeffizient r nach Pearson

86

r = 0,4 r=1

gering

gering gering

Wolke Linie

hoch

Absentismus der Mitarbeitenden

4

Wolke Linie

Zufriedenheit der Mitarbeitenden

hoch

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

Respektvolle Führung

hoch

gering

r = -0,4 r = -1

Respektvolle Führung

hoch

. Abb. 4.5  Unterschiedliche Korrelationen zwischen Variablen

Signifikanzniveau: Irrtumswahrscheinlichkeit

So weist im folgenden fiktiven Beispiel ein Korrelationskoeffizient von r = 0,41 zwischen respektvoller Führung und Mitarbeiterzufriedenheit darauf hin, dass die Mitarbeitenden der Führungskräfte, die respektvoll führen, zufriedener sind. Ein Korrelationskoeffizient von r  = −0,4 zwischen respektvoller Führung und Absentismus deutet darauf hin, dass bei Führungskräften, die respektvoll führen, weniger Fehltage der Mitarbeitenden zu beklagen sind. In der Graphik steht jeder Punkt auf der Wolke oder der Linie für einen Befragten (. Abb. 4.5). Warum die Korrelation in der Realität aber niemals 1 oder −1 beträgt – was in der Graphik durch die durchgehenden blauen Linien symbolisiert wird – liegt schlichtweg an der unüberschaubaren Vielzahl weiterer Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit und den Absentismus. Hier können z. B. die Entlohnung, die Art der Aufgabe, das Alter der Befragten, ihr Gesundheitszustand, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens oder die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Arbeitgeber genannt werden. Alle üben vermutlich einen mehr oder weniger starken Einfluss auf die Zufriedenheit und die Fehlzeiten aus. Von einem statistischen Zusammenhang darf jedoch erst dann gesprochen werden, wenn dieser signifikant (= überzufällig) ist. Unsere Befragungsergebnisse könnten ja auch zufallsbedingt sein: Vielleicht haben die respektvollen 1

Pearsons r wird nicht nur als Korrelationsmaß, sondern kann auch als Größe eines statistischen Effekts herangezogen werden. Dabei gilt nach Cohen (2013): r = 0,1 → kleiner Effekt; r = 0,3 → mittlerer Effekt; r = 0,5 → starker Effekt.

4.4 · Gütekriterien für Messinstrumente

87

4

­ ührungskräfte ja rein zufällig zufriedenere und gesündere MitF arbeitende. Man kann jedoch mittels statistischer Methoden abschätzen, wie wahrscheinlich es ist, dass die gemessenen Ergebnisse nur zufällig auftreten, d. h. die Irrtumswahrscheinlichkeit ermitteln. Ein Signifikanzniveau von 5 %, das häufig verwendet wird, bedeutet, dass die Irrtumswahrscheinlichkeit bei maximal 5 % liegt. Bei 5 von 100 befragten Mitarbeitenden würde dann fälschlicherweise davon ausgegangen werden, dass respektvolles Verhalten mit höherer Zufriedenheit einhergehen kann. 4.4  Gütekriterien für Messinstrumente

Was macht ein gutes psychologisches Messinstrument aus? Psychologische Tests sollen es ermöglichen, Aussagen über bestimmte Merkmale von Personen zu treffen, die nur schwer beobachtbar sind, weil sie in der Person liegen (z. B. Einstellungen, Persönlichkeit, Motive). Ein psychologischer Test liefert, wenn auch manchmal auf Umwegen, immer Zahlen, also quantitative Daten. Oft liegen die Antworten des Teilnehmers oder der Teilnehmerin zunächst nicht direkt als Zahlen vor. Das heißt der Teilnehmende kreuzt z. B. bei einem Fragebogen mit einer fünfstufigen Likertskala jeweils an, inwieweit er einer Aussage zustimmt. Der Test muss dem Testleitenden aber eine Möglichkeit bieten, den Antworten oder dem Verhalten eines Probanden Zahlen zuzuweisen (=  das Verhalten zu quantifizieren). Wenn die Zuweisung nach klaren, einheitlichen Regeln erfolgt, bezeichnet man dies als Standardisierung. Ob es sich um einen „echten“ Test im Sinne der psychologischen Forschung handelt, der es wirklich zulässt, gültige bzw. valide Aussagen über die relevanten Merkmale zu machen, hängt jedoch nicht nur von der Standardisierung ab. Damit eine Messung von bestimmten Merkmalen der Führung gültige, d. h. valide Ergebnisse liefert, müssen alle Arbeitsschritte, die bei der Erhebung und Auswertung der Daten anfallen, bestimmten Gütekriterien für wissenschaftliche Qualität genügen. Im Folgenden werden sowohl die klassischen Gütekriterien als auch die Nebengütekriterien näher beschrieben.

Standardisierung

4.4.1  Klassische Gütekriterien: Objektivität,

Reliabilität, Validität

z Objektivität

Messinstrumente oder grundsätzlich empirische Verfahren gelten als objektiv, wenn die damit erzielten Ergebnisse unabhängig von der Person sind, die die Messung durchführt. In anderen Worten: Die Durchführung, Auswertung

Standardisierung von Durchführung, Auswertung und Interpretation

88

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

und Interpretation der Befragung muss standardisiert verlaufen, damit keine subjektiven Eindrücke (bspw. durch den Testleitenden) oder Deutungen einfließen können. Um eine ausreichende Objektivität zu gewährleisten, sollte in der Praxis einerseits darauf geachtet werden, dass alle Befragten dieselben Informationen und Anweisungen zum Ausfüllen des Fragebogens erhalten. Diese werden meistens in einem Testhandbuch festgehalten. Andererseits sollten die erhobenen Daten standardisiert, also unter Anwendung vorab festgelegter Regeln, ausgewertet und interpretiert werden.

4

z Reliabilität Wie zuverlässig ist das Testinstrument?

Cronbach’s α

Konfidenzintervall

Dieser Begriff beschreibt die Zuverlässigkeit eines Instruments. Zuverlässigkeit bedeutet vereinfacht, dass eine Wiederholung der Befragung zu gleichen oder zumindest fast gleichen Ergebnissen führt. Der Test ist also reliabel, wenn er unter vergleichbaren Umständen die Ergebnisse reproduzieren kann. Werden Merkmale gemessen, die im Zeitablauf veränderlich sind oder schwanken, wie z. B. die Arbeitszufriedenheit, ist dies natürlich nur sinnvoll, wenn zwischen Test und Testwiederholung ein kurzer Zeitraum liegt, sodass angenommen werden kann, dass das Merkmal so lange stabil bleibt. Die Reliabilität wird mit Hilfe von Cronbach’s α durch Werte zwischen 0 und 1 beschrieben. Der Wert 1 bedeutet, dass die Testergebnisse bei beiden Messungen übereinstimmen. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass bei der Testwiederholung alle Werte übereinstimmen müssen, sondern es geht vor allem darum, dass die „Rangfolge“ der Testpersonen gleich bleibt. Wenn sie bei der Testwiederholung mit der ersten Messung übereinstimmt, ist der Test reliabel. Zum Beispiel können bei mehrfacher Wiederholung eines Intelligenztests Lerneffekte bei allen Probanden auftreten. Die vorher als weniger intelligent Getesteten sollten jedoch nicht mehr gelernt haben, als die im ersten Durchlauf als intelligenter Bewerteten. Ein psychologischer Test misst nie so präzise wie beispielsweise eine Uhr, ein Maßband oder eine Waage. Dies liegt z. B. daran, dass Fragen eines Intelligenztests je nach aktueller Laune, Tagesform oder Gesundheitszustand unterschiedlich gut beantwortet werden. Man spricht in diesem Zusammenhang vom sogenannten Konfidenzintervall. Es gibt an, in welchem Bereich der tatsächliche Testwert mit 95 %iger Wahrscheinlichkeit liegt. Wenn z. B. bei einem Intelligenztest der IQ des Probanden mit 104 berechnet wird und der Test eine Reliabilität von 0,9 aufweist, so reicht das Konfidenzintervall von 100 bis 108. Der echte IQ-Wert der Person befindet sich also mit ziemlicher Sicherheit in diesem Bereich.

4.4 · Gütekriterien für Messinstrumente

Man kann die Reliabilität eines Tests auf unterschiedliche Arten ermitteln. Die Teilnehmenden einen Test mehrfach durchführen zu lassen, ist meist keine praktikable Methode. Damit die Teilnehmenden den Test nur einmal durchführen müssen, kann man stattdessen die interne Konsistenz berechnen. Man kann z. B. den Test nach dem Zufallsprinzip halbieren und die Ergebnisse für die beiden Datensätze zueinander in Beziehung setzen. Am häufigsten wird jedoch Cronbach’s α zur Schätzung der Zuverlässigkeit bzw. der internen Konsistenz eines Tests berechnet. Es gilt die Faustregel, dass eine hohe Zuverlässigkeit (ab 0,9) gegeben sein sollte, wenn Tests als Grundlage für wichtige Entscheidungen über einzelne Menschen verwendet werden (z. B. in der Personalauswahl). Wenn Merkmale von Gruppen gemessen werden, ist auch eine geringere Reliabilität (ab 0,7) akzeptabel (Kersting 2006; Kline 2013). Bei der Auswahl der abgedruckten Skalen in diesem Werk wurde darauf geachtet, dass diese bereits in verschiedenen Studien eine zufriedenstellende Reliabilität erreicht haben.

89

Ermittlung der Reliabilität

z Validität

Die Validität (= Gültigkeit) bewertet, wie geeignet das verwendete Erhebungsinstrument ist, tatsächlich das zu messen, was man messen möchte. Denn nur dann ist eine sinnvolle Interpretation der Daten und eine Beantwortung der eigentlichen Fragestellung möglich. Der Konzentrations-Leistungs-Test (KLT-R, Düker et al. 2001), der aus einfachen Rechenaufgaben besteht, kann bspw. valide die Qualität und Quantität von Leistungen und den Leistungsverlauf bei Dauerbeanspruchung messen, aber wäre sicherlich nicht valide für die Messung von Intelligenz. Grundsätzlich liegt Inhaltsvalidität vor, wenn das zu messende Konstrukt und das verwendete Testinstrument inhaltlich übereinstimmen. Soll zum Beispiel das Führungsverhalten gemessen werden, sollte der Test einerseits alle wichtigen Aspekte von Führungsverhalten enthalten und andererseits nichts Irrelevantes abfragen (. Abb. 4.6). Von Konstruktvalidität spricht man, wenn ein starker Zusammenhang zwischen Testergebnissen eines Instruments und den Testergebnissen eines anderen Instruments besteht, das das gleiche misst. Die Korrelation mit Testergebnissen von Instrumenten, die etwas anderes messen, sollte dann entsprechend gering sein. Für die Praxis ist die Kriteriumsvalidität das entscheidende Qualitätsmerkmal von psychologischen Tests. Sie ist dann gegeben, wenn die Testergebnisse mit interessanten Außenkriterien zusammenhängen. Wenn einer Nachwuchsführungskraft

Wird das gemessen, was gemessen werden soll?

Inhaltsvalidität

Konstruktvalidität

Prognostische Validität Kriteriumsvalidität

4

90

4

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

Konstrukt

Indikator

(z. B. Zufriedenheit, Persönlichkeit, Führungsverhalten)

(Messinstrument, z. B. Fragebogen)

Konstrukt k Indikator

Geringe Validität: Wenig Übereinstimmung zwischen Konstrukt und Indikator

Hohe Validität: Große Übereinstimmung zwischen Konstrukt und Indikator

. Abb. 4.6  Geringe und hohe Validität

Externe Validität

z. B. in einem Assessment Center hohe Führungskompetenz attestiert wird, sollte sie sich in der Praxis als erfolgreiche Führungskraft erweisen. Außenkriterien wären z.  B. die Zufriedenheit ihrer Mitarbeitenden, die Beurteilungen durch Vorgesetzte oder die Aufstiegsgeschwindigkeit, die hoch mit den Testergebnissen im Assessment Center korrelieren sollten. Wenn Testergebnisse eine hohe Korrelation zu zukünftigen Entwicklungen eines Außenkriteriums aufweisen, so spricht man von prognostischer Validität. Wenn sich Testergebnisse bspw. auf andere Unternehmen, Personengruppen oder Länder übertragen lassen, so spricht man von Generalisierbarkeit oder einer hohen externen ­Validität. Um die Validität zu bewerten, wird also immer die Korrelation r, d. h. der lineare Zusammenhang zwischen dem Testwert und einem oder mehreren anderen Werten betrachtet. Als zufriedenstellend gelten z. B. bei persönlichkeitsorientierten

4.4 · Gütekriterien für Messinstrumente

Verfahren Werte von 0,2, solche über 0,7 sind bei seriöser Datenauswertung kaum erzielbar (Hossiep und Mühlhaus 2015). Die in diesem Buch abgedruckten Skalen weisen grundsätzlich eine ausreichende Validität auf, um in der Praxis Anwendung zu finden. Insgesamt gilt es zu beachten, dass die Gütekriterien aufeinander aufbauen bzw. voneinander abhängig sind. Wenn ein Test nicht objektiv ist, kann er auch nicht zuverlässig sein. Wenn unterschiedliche Testleiterinnen oder -leiter zu unterschiedlichen Testergebnissen einer Person gelangen, könnte dies daran liegen, dass die Durchführungsbedingungen (z. B. die schriftliche Einführung oder einleitenden Worte zum Test) oder auch die Auswertungsart variieren. Folglich kommt es zu Fehlern in der Ermittlung und Interpretation der Ergebnisse, sodass das Testergebnis verzerrt wird. Derartige Mängel oder Fehler beeinträchtigen die Reliabilität eines Tests erheblich. Wenn nun die Reliabilität gering ist, kann auch die Validität, also die Vorhersagekraft bezüglich eines Kriteriums nicht hoch sein.

91

Wechselseitige Abhängigkeit der Gütekriterien

4.4.2  Nebengütekriterien

Neben den klassischen Gütekriterien (7 Abschn. 4.4.1) gibt es auch sogenannte Nebengütekriterien, die für die Praxis eine wesentliche Rolle spielen. Für die Beurteilung der Güte von Erhebungsinstrumenten sind sie ebenso wichtig wie die bereits beschriebenen Gütekriterien. Die im Folgenden aufgeführten Nebengütekriterien basieren v. a. auf der DIN 33430, einer DIN-Norm zur berufsbezogenen Eignungsbeurteilung (Bühner 2011). Bei den Nebengütekriterien geht es vor allem darum, wie die benötigten Informationen am effizientesten und effektivsten beschafft werden können. z Normierung

Normen sind unverzichtbar für einen Großteil von Testanwendungen, v. a. psychometrische Tests sind in der Regel normiert. Die Normierung eines Tests durch die Verwendung von Normstichproben erlaubt die Beantwortung differenzierterer Fragestellungen, z. B. „Wie schneidet Frau Meyer bei dem Test in Bezug auf ihre Referenzgruppe, nämlich die 40–50-jährigen weiblichen berufstätigen Fach- und Führungskräfte ab?“ Gruppenvergleiche sind z. B. nach unterschiedlichen Kriterien wie Alter, Geschlecht, Ethnie oder Managementebene möglich. Sie bieten ein Bezugssystem, in dem sich die einzelnen Testergebnisse sinnvoll einordnen und besser beurteilen lassen (Bühner 2011).

Normierung erlaubt Vergleiche

4

92

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

z Ökonomie Vertretbarer Aufwand für Testpersonen und Testleitende

4

Anhand von fünf Kriterien kann ein Test als ökonomisch beschrieben werden. Dieser ist 1) kurz bzw. beansprucht eine angemessene Durchführungszeit, 2) benötigt wenig Material, 3) ist einfach in der Handhabung, 4) kann als Gruppentest durchgeführt werden und 5) kann schnell und unkompliziert ausgewertet werden (Bühner 2011). Die Ökonomie eines Tests ist nur im Vergleich zu anderen Tests oder diagnostischen Methoden wie bspw. Beobachtungen und Interviews zu beurteilen (Kubinger und Proyer 2010). Im Allgemeinen wird darauf hingewiesen, dass der Nutzen einer Testdurchführung zumindest die Kosten übersteigen sollte, allerdings ist dies ein wenig brauchbares Kriterium, da der Nutzen häufig subjektiv festgelegt wird (Bühner 2011). z Zumutbarkeit

Geringe Belastung für Testpersonen

Eine schriftliche Befragung ist für die Teilnehmenden dann zumutbar, wenn sie nicht unnötig belastet werden. Mit Belastung ist einerseits eine übertriebene physische und psychische Belastung gemeint (Kubinger und Proyer 2010), im Unternehmenskontext spielt aber vor allem die Schonung der Testpersonen in zeitlicher Hinsicht eine Rolle, da allzu (zeit-) aufwendige Verfahren zudem aus ökonomischen Gründen wenig Akzeptanz finden werden. z Fairness und Legitimität

Gleichbehandlung aller Testpersonen

Das Nebengütekriterium der Fairness ist dann erfüllt, wenn die Testkonstruktion, -durchführung und die resultierenden Testergebnisse zu keiner Diskriminierung bestimmter Testpersonen (z. B. aufgrund von Ethnie, Geschlecht oder soziokulturellem Hintergrund) führen (Kubinger und Proyer 2010). Ferner sollten Tests keine geschriebenen oder ungeschriebenen Normen verletzen. z Nicht-Verfälschbarkeit

Auftreten von sozialer Erwünschtheit

Die Testpersonen sollen nicht die Möglichkeit haben, den Test willentlich oder unwillentlich in eine gewünschte Richtung zu verfälschen. Tatsächlich können Probanden ihr Testergebnis aber leider immer willentlich beeinflussen. Durch sozial erwünschtes Verhalten bzw. sozial erwünschte Beantwortung von Testfragen können die Ergebnisse von Befragungen verfälscht werden (Bühner 2011). In welchem Ausmaß soziale Erwünschtheit auftritt, hängt nicht nur davon ab, ob der Test anonym durchgeführt und anonymisiert ausgewertet wird, sondern auch davon, welcher Zweck damit verfolgt wird. Opportunistisches Antwortverhalten tritt insbesondere dann auf, wenn das Testergebnis zu Sanktionen führen könnte oder wenn das Testergebnis für die Bewertung von Personen genutzt wird.

4.5 · Hinweise zur Beurteilung der Qualität …

93

4.5  Hinweise zur Beurteilung der Quali-

tät von Messinstrumenten und Befragungsergebnissen

Um einzuschätzen, ob ein Fragebogen oder Test brauchbare Ergebnisse liefern wird und wie diese zu werten sind, sollte man die Zusammenhänge zwischen den Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität verstehen (7 Abschn. 4.4) und die folgenden praxisorientierten Hinweise beachten. Ein reliables Instrument kann zwar zuverlässig sein, aber zuverlässig das Falsche messen. Umgekehrt muss ein valider Fragebogen, der wirklich misst, was man messen möchte, auch objektiv und reliabel sein. Ein Verfahren sollte daher möglichst standardisiert sein, damit Validität gewährleistet werden kann (Bühner 2011). Ein hoher Standardisierungsgrad kann aber auch eine Entfernung von der sozialen Realität in Unternehmen bedeuten. Zu viel Künstlichkeit oder ein mangelnder Praxisbezug beeinflussen dann die externe Validität eines Verfahrens negativ. Eine Anpassung wissenschaftlicher Instrumente an die individuelle Unternehmenspraxis und -kultur kann also durchaus deren Validität erhöhen. Wenn man beispielsweise einen wissenschaftlichen Fragebogen zur Messung von Charisma aus dem nordamerikanischen Kulturkreis einsetzen möchte, um in einem Tiroler Unternehmen das Charisma der Führungsriege zu messen, kann eine kulturspezifische Anpassung in der Formulierung der Fragen sinnvoll sein. Außerdem sollte das Konstrukt, das mit einem Fragebogen gemessen werden soll (z. B. respektvolle Führung), theoretisch fundiert sein und klar von ähnlichen Konstrukten (z. B. ethischer Führung) abgegrenzt sein (Moosbrugger und Kelava 2012). Ob das der Fall ist, können auch wissenschaftliche Laien anhand einer Recherche mittels Google Scholar (7 https://scholar.google.de/) problemlos in Erfahrung bringen. Es finden sich dort zu allen erdenklichen Führungsthemen und psychologischen Konstrukten klassische und aktuelle wissenschaftliche Quellen, die oft sogar als Volltexte verfügbar sind. Unternehmenspraktikerinnen und -praktiker interessieren sich natürlich besonders für U ­ rsache-Wirkungs-Zusammenhänge zwischen den gemessenen Konstrukten und anderen Kriterien. So könnte z. B. das Personalmanagement eines Unternehmens wissen wollen, inwieweit ethische Führung die Motivation und Bindung der Mitarbeitenden positiv beeinflusst. Wenn hier ein klarer Zusammenhang bestünde, wäre es sinnvoll, die Personalauswahl- und entwicklungsverfahren entsprechend zu gestalten. Damit aus den Befragungsergebnissen aber klare Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können, müssen die Konstrukte (im Beispiel „ethische Führung“, „Mitarbeitermotivation“ und

Zuverlässig das Falsche messen

Trennschärfe notwendig

4

94

Kapitel 4 · Wie kann man Führung messen und beschreiben?

Plausibilitätseinschätzung durch Expertinnen und Experten nutzen

4

„Mitarbeiterbindung“) inhaltlich trennscharf und eindeutig definiert sein. Bei Befragungen in Unternehmen kommt es oft aber auch auf die externe Validität, also die Generalisierbarkeit von Ergebnissen, an: Gelten die in einem Unternehmensbereich erhobenen Ergebnisse auch für andere Bereiche? Ist eine Beteiligungsquote von 50 % wirklich ausreichend, um Aussagen für das gesamte Unternehmen abzuleiten? Können die Ergebnisse der deut­ schen Mitarbeitenden auf die norwegischen übertragen werden? Wie lange sind die Ergebnisse einer Befragung überhaupt aussagekräftig? Kann man davon ausgehen, dass die Befragten repräsentativ für die Gesamtbelegschaft sind? Da die externe Validität in den meisten Fällen nicht genau ermittelbar ist, kann hier eine Plausibilitätseinschätzung durch Expertinnen und Experten (im Sinne von Augenscheinvalidität) nützliche Hinweise liefern (Kersting 2008). Wie diese Ausführungen zeigen, lassen sich der Validitätsgrad und damit die Qualität von Erhebungsinstrumenten und -ergebnissen in der Praxis eher diskutieren und abschätzen als exakt bestimmen. In jedem Fall ist aber ein kritisches Bewusstsein hilfreich, um einschätzen zu können, ob Befragungsinstrumente valide Ergebnisse liefern können und ob die gewonnenen Erkenntnisse z. B. eine solide Basis für personalpolitische Entscheidungen bilden.

Literatur Aspendorpf, J. B., Bengel, J., Bierhoff, H.-W., Döring, N., Funke, J., Gadenne, V. et al. (Wirtz, M. A., Hrsg.). (2018). Konstrukt. Dorsch – Lexikon der Psychologie. 7 https://portal.hogrefe.com/dorsch/konstrukt/. Zugegriffen: 28. Aug. 2019. Bühner, M. (2011). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion (3. Aufl.). München: Pearson Studium. Cohen, Jacob. (2013). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2. Aufl.). Hoboken: Taylor and Francis. Döring, N., & Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften (5. Aufl.). Heidelberg: Springer. Düker, H., Lienert, G. A., Lukesch, H., & Mayrhofer, S. (2001). ­Konzentrations-Leistungs-Test-Revidierte Fassung-(KLT-R). Göttingen: Hogrefe. Eckloff, T., & van Quaquebeke, N. (2008). Entwicklung und Validierung einer Skala zu respektvoller Führung. In E. H. Witte (Hrsg.), Sozialpsychologie und Werte. Beiträge des 23. Hamburger Symposions zur Methodologie der Sozialpsychologie (S. 243–275). Lengerich: Pabst Science Publishers. Hossiep, R., & Mühlhaus, O. (2015). Personalauswahl und-entwicklung mit Persönlichkeitstests (2. Aufl.). Göttingen: Hogrefe. Kersting, M. (2006). Zur Beurteilung der Qualität von Tests. Resümee und Neubeginn. Psychologische Rundschau, 57(4), 243–253.

95 Literatur

Kersting, M. (2008). Augenscheinvalidität. In K. D. Kubinger & R. S. Jäger (Hrsg.), Schlüsselbegriffe der psychologischen Diagnostik (S. 54–55). Weinheim: Beltz. Kline, P. (2013). Handbook of psychological testing (2. Aufl.). Hoboken: Taylor and Francis. Kubinger, K. D., & Proyer, R. (2010). Gütekriterien. In K. Westhoff, C. Hagemeister, & M. Kersting (Hrsg.), Grundwissen für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung nach DIN 33430 (S. 173–180). Lengerich: Pabst Science Publishers. Lienert, G. A., & Raatz, U. (1998). Testaufbau und Testanalyse (6. Aufl.). Weinheim: Beltz Verlagsgruppe. Moosbrugger, H., & Kelava, A. (2012). Testtheorie und Fragebogenkonstruktion (2. Aufl.). Berlin: Springer. Newton, P. E., & Shaw, S. D. (2013). Standards for talking and thinking about validity. Psychological Methods, 18(3), 301–319. Van Quaquebeke, N., & Eckloff, T. (2010). Defining respectful leadership: What it is, how it can be measured, and another glimpse at what it is related to. Journal of Business Ethics, 91(3), 343–358.

4

97

Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung 5.1 Assessment-Center und Potenzialanalyse – 101 5.2 Führungsfeedback – 108 Literatur – 114

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_5

5

98

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Mit Hierarchieaufstieg werden Soft Skills wichtiger

5

Aufwendige Beurteilungsverfahren zur Prüfung der Führungseignung

Führungsfeedback Analyse der Führungskultur

Die Diagnostik der Führungseignung und die Kompetenzentwicklung im Bereich Führung sind zwei der wichtigsten Aufgaben im Personalmanagement. Wenn Personal für Führungsaufgaben in Unternehmen ausgewählt wird, kommt es zunächst darauf an, die für die Führungsrolle wichtigen Kompetenzen in Form von Kompetenzmodellen oder Anforderungsprofilen zu definieren. Dabei werden die sogenannten „Soft Skills“, also soziale und persönliche Kompetenzen, mit dem Aufstieg in der Hierarchie und der Übernahme von Personalverantwortung immer erfolgsentscheidender (z. B. Schulz 2008). Hingegen nimmt die Bedeutung der ­fachlich-methodischen Kompetenzen tendenziell ab. Dieser sukzessiven Schwerpunktverlagerung in den Anforderungsprofilen wird auch dadurch Rechnung getragen, dass bei der Personalauswahl nicht nur aktuell bereits vorhandene Kompetenzen geprüft werden, sondern auch das Potenzial für eine Führungslaufbahn oder für bestimmte höhere Managementfunktionen festgestellt wird, z.  B. im Rahmen des Talent Managements bei Hochschulabsolventinnen und -absolventen oder bei Führungskräften der mittleren Ebene (. Tab. 5.1). Um die aktuelle Führungseignung oder das vorhandene Führungspotenzial zu erheben, werden üblicherweise Bewerbungsunterlagen mit den entsprechenden Qualifikationsnachweisen bewertet oder – wenn es um interne Mitarbeitende geht – aktuelle Leistungsbeurteilungen analysiert sowie Gespräche mit den Kandidatinnen und Kandidaten geführt. Häufig müssen diese zudem mehr oder weniger aufwändige Assessment Center absolvieren, bei denen in mehreren eignungsdiagnostischen Modulen Führungskompetenzen oder -potenziale geprüft werden und ein Eignungsprofil ermittelt wird. Typische Module im Assessment Center sind Interviews, psychologische Testverfahren, Planspiele, individuelle situative Verfahren wie Fallstudienbearbeitungen oder Präsentationen, aber auch situative Gruppenverfahren wie Rollenspiele und Gruppendiskussionen. Standardisierte Messinstrumente, um die es ja in dem vorliegenden Band geht, sollen dabei die Beobachtenden unterstützen, die aktuelle Führungskompetenz oder das -potenzial von Bewerberinnen und Bewerbern zu evaluieren. Im 7 Abschn. 5.1 soll geklärt werden, welche Verfahren sich gut dafür eignen, in der Personalauswahl eingesetzt zu werden. Aber auch in der Personal- und Organisationsentwicklung können Instrumente zur Messung von Führung gewinnbringend verwendet werden. Die zwei typischen Anwendungsfälle sind hier das Führungsfeedback, also die individuelle Rückmeldung an einzelne Führungskräfte zu ihrem Führungsverhalten, sowie die Analyse der Führungskultur als Basis für eine Veränderung oder Weiterentwicklung der Führungskultur im Rahmen der Organisationsentwicklung (. Tab. 5.2). Während

Eignungsdiagnostik für die Besetzung offener Führungspositionen (internes und externes Recruiting)

Assessment Center (externe Bewerbende)

Führungskräfte

Fachliche Kompetenzen (z. B. Finanzwirtschaft, Jura)

Analyse der Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse) bzw. aktueller Leistungsbeurteilungen (interne Kandidaten/-innen)

Ziele

PersonalmanagementInstrument

Zielgruppen

Messkriterien

Eingesetzte Messinstrumente

Interviews (mit unterschiedlichem Strukturierungsgrad)

Leistungstests (Intelligenztest, Wissenstest etc.)

Soziale Kompetenzen (z. B. Teamfähigkeit, kommunikative Kompetenz)

Potenzialkandidatinnen und -kandidaten

Development Center (interne Bewerbende)

Psychologische Tests (z. B. Persönlichkeitstests, Motivtests, Tests zu Einstellungen)

Persönliche Kompetenzen (z. B. Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit)

Identifikation von Potenzialen und individuellem Entwicklungsbedarf (z. B. bei Führungsnachwuchs) im Rahmen des Talent Managements

Talent Management

Situative Verfahren (Simulationen) und Arbeits-proben (z. B. Rollenspiele, Gruppendiskussionen, Präsentationen, Planspiele)

Methodische Kompetenzen (z. B. Projektmanagement, Coaching)

Führungskräfteauswahl

Kernprozesse

Messung von Führung im Rahmen der Personalauswahl

. Tab. 5.1  Messung von Führung im Rahmen der Personalauswahl

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung 99

5

Führungsfeedback zur individuellen Standortbestimmung und Identifikation von Entwicklungsbedarf

Aufwärtsfeedback (Selbstbild/ Fremdbild)

Selbsteinschätzung: Interne Führungskräfte (Selbstbild)

Persönliche Kompetenzen (z. B. Kritikfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit) und ihr Ausdruck im konkreten Führungsverhalten

Psychologische Tests zur Erhebung von Führungseigenschaften und -verhalten (z. B. Persönlichkeitstests, Motivtests, Tests zu Einstellungen und Verhalten)

Ziele

Personal-management Instrument

Zielgruppen

Messkriterien

Eingesetzte Messinstrumente

Standardisierte Fragebögen zur Erhebung des Führungsverhaltens

Soziale Kompetenzen (z. B. Teamfähigkeit, kommunikative Kompetenz) und ihr Ausdruck im konkreten Führungsverhalten

Qualitative Verfahren zur Erhebung der Führungskultur (Interviews, Fokusgruppen, Dokumentenanalyse)

Unternehmensführungs-/ Managementkompetenz (z. B. Unternehmerisches Denken, Kundenorientierung)

Fremdeinschätzung: Interne Mitarbeitende (beim 360-Grad-Feedback auch Vorgesetzte, Kolleginnen und Kollegen, interne/externe Kundinnen und Kunden)

Mitarbeiterbefragung (Fokus auf Führung oder mit Führungs-/Vorgesetztenverhalten als einer Teildimension der Befragung)

Analyse der Führungskultur als Basis für eine gezielte Organisationsentwicklung im Bereich Führung

Organisationsentwicklung

360-Grad-Feedback (Selbstbild der Führungskraft und Fremdbild aus vier Perspektiven: Vorgesetzte, interne/externe Kundinnen und Kunden, Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeitende)

Führungskräfteentwicklung

5

Kernprozesse

Messung von Führung im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung

. Tab. 5.2  Messung von Führung im Rahmen der Personal- und Organisationsentwicklung

100 Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

5.1 · Assessment-Center und Potenzialanalyse

101

es bei ersterer Aufgabe darum geht, Führungskräften Anstöße für die individuelle Persönlichkeitsentwicklung und Verhaltensänderung zu geben, wird bei der Führungskulturanalyse auf Basis aggregierter Daten zunächst ermittelt, wie in einem Unternehmen oder einzelnen Unternehmensbereichen geführt wird. Auf dieser Grundlage kann dann eine Sollkultur erarbeitet werden, die durch gezielte Interventionen (z. B. Organisationsentwicklungsprozesse, Trainings, Workshops) implementiert wird. In 7 Abschn. 5.2 werden standardisierte Messverfahren für die Analyse der Führungskultur und für individuelle Führungsfeedbacks vorgestellt sowie ihr Für und Wider diskutiert. 5.1  Assessment-Center und Potenzialanalyse

In Assessment-Center- und Potenzialanalyseverfahren können Personen hinsichtlich ihrer Führungskompetenzen beurteilt werden: Ziel ist beim Assessment-Center die Bestenauslese, durch die Potenzialanalyse sollen Informationen für eine gezielte Weiterentwicklung der Teilnehmenden gewonnen werden. Unabhängig von der Zielsetzung ähneln sich die Verfahren grundsätzlich: Mehrere Teilnehmende werden ein oder mehrere Tage lang anhand verschiedener Übungen und Tests von mehreren Beobachterinnen und Beobachtern eingeschätzt. Dabei wird eine große Vielfalt an Instrumenten eingesetzt, um die Führungskompetenz der Teilnehmenden zu bewerten. Viele der Module sind biographie- oder situationsbezogen, haben einen qualitativen Charakter und sind nur wenig standardisiert. Dazu zählen Tätigkeitssimulationen, wie Fallstudienbearbeitungen und Präsentationen, Rollenspiele oder Gruppendiskussionen, aber auch Interviews. Es gibt jedoch eine Reihe standardisierter Verfahren, die die qualitativen Instrumente gut ergänzen und Konstrukte messen, die für die zu besetzende Position oder Laufbahn relevant sind. Sarges (2009) empfiehlt psychometrische Verfahren wie Leistungstests oder Persönlichkeitstests einzusetzen, um die Validität des Verfahrens zu erhöhen. Der Nutzen standardisierter Verfahren ist folgender: Sie ergänzen und objektivieren die Ergebnisse qualitativer Verfahren und ermöglichen so eine ganzheitlichere Einschätzung, sowie eine Beurteilung von Anforderungskriterien mit verschiedenen Methodenansätzen. Durch die sogenannte Methodentriangulation kann das gleiche Merkmal aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden, sodass die Stärken der einen Vorgehensweise, die Schwächen der jeweils anderen ausgleichen. Folglich kommt man zu valideren Prognosen und systematische Fehler werden verringert (Olsen 2004). So lässt sich z. B. die Teamfähigkeit einer Kandidatin in einem Planspiel, in einem

Assessment-Center: Bestenauslese Potenzialanalyse: Identifikation des Entwicklungspotentials

Vorteil der Methodentriangulation

5

102

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Rollenspiel sowie anhand ihrer Selbsteinschätzung in einem berufsbezogenen Persönlichkeitstest bewerten. Durch das Einbeziehen psychometrischer Instrumente werden Assessment-Center auch dem Postulat der Multimodalität (Schuler 2013) gerecht, da sich Personalentscheidungen auf drei grundlegende eignungsdiagnostische Informationsquellen stützen sollten (vgl. . Tab. 5.3): 5 Berufliche Leistung und Verhalten in der Vergangenheit, das z. B. in Zeugnissen dokumentiert ist 5 Leistung und Verhalten in Simulationen, die die zukünftigen Anforderungen einer neuen Position aufzeigen. Das kann z. B. in Rollenspielen beobachtet werden 5 Informationen über die Ausprägung anforderungsbezogener Konstrukte, die z. B. über Persönlichkeitstests erhoben werden können

5

Standardisierung fördert Akzeptanz

Standardisierte Verfahren steigern – sofern sie den in 7 Abschn. 4.4 und 4.5 erläuterten Gütekriterien genügen – die Akzeptanz eines ­Assessment-Centers oder einer Potenzialanalyse bei den Teilnehmenden. Die Standardisierung signalisiert

. Tab. 5.3  Eignungsdiagnostische Informationsquellen Eignungsdiagnostische Informationsquellen

Leistungsverhalten in der Vergangenheit: Berufsbiographie

Aktuelles Leistungsverhalten: Simulation der zukünftigen beruflichen Aufgaben

Anforderungsbezogene Ausprägung relevanter Konstrukte

Grundannahme

Biographieprinzip: Zukünftiges Verhalten lässt sich am besten auf Basis des bisherigen Verhaltens prognostizieren!

Simulationsprinzip: Aktuelles Verhalten in einer simulierten Praxissituation lässt auf Verhalten in der realen Praxis schließen!

Konstruktprinzip: Die persönlichkeitsbezogenen Voraussetzungen bestimmen den Berufserfolg!

Evaluationsgegenstand

„Ergebnisse“ der bisherigen Berufsbiographie

Verhalten und Leistungen in Simulationen der zukünftigen Tätigkeit

Eigenschaften, die für die Position oder Laufbahn relevant sind

Methoden

Analyse von Bewerbungsunterlagen, Interviews

Rollenspiele, Planspiele, Gruppendiskussionen, Präsentationen, Fallstudien

Psychologische Testverfahren zur intellektuellen Leistungsfähigkeit und zur Persönlichkeitsstruktur

Bewertungsbasis

Erreichte Abschlüsse, Noten in Schule und Studium, Arbeitszeugnisse, Referenzen etc.

Im Assessment Center erarbeitete Inhalte und beobachtetes Verhalten werden anhand vorab festgelegter Ankerbeispiele oder anhand des Expertenwissens der Beobachtenden bewertet

Testergebnisse in Tests zur intellektuellen Leistungsfähigkeit, zur Persönlichkeitsstruktur oder zu anderen führungsrelevanten psychologischen Konstrukten

103

Fremdbild: Eigenschaften und Verhaltensweisen, …

5.1 · Assessment-Center und Potenzialanalyse

… über die andere Personen nichts wissen.

… die andere Personen von mir kennen.

Privates: : Eigenschaften und Verhaltensweisen, die ich für mich behalte. Beispiel: : Ich bereite Präsentationen erst in letzter Sekunde vor. Öffentliches: : Das wissen andere und ich selbst über mich.

Unbekanntes: Eigenschaften und Verhaltensweisen, die weder ich noch andere kennen. Beispiel: Wie würde ich mich bei einem Terroranschlag verhalten?

Beispiel: : Ich bin geschickt in Verhandlungen.

Blinder Fleck: Was andere über mich wissen, ich selbst aber nicht. Beispiel: Ich lasse Frauen nicht zu Wort kommen.

… die ich an mir selbst erkannt habe.

… die mir selbst nicht bewusst sind.

Selbstbild: Eigenschaften und Verhaltensweisen, … . Abb. 5.1  Der „Blinde Fleck“ im sogenannten Johari-Fenster (Luft und Ingham 1961) als Ergebnis eines Selbstbild-Fremdbild-Abgleichs

Verfahrensgerechtigkeit, zudem werden Beurteilungsfehler aufgrund mangelnder Objektivität der Beurteilenden von vorneherein ausgeschlossen. Damit wird die Akzeptanz des gesamten Verfahrens bei den Teilnehmenden, aber auch in der Organisation insgesamt verbessert (Hossiep und Mühlhaus 2015). Ein Feedback an die Teilnehmenden zu ihren Ergebnissen ist meist ein integraler Bestandteil von Potenzialanalysen. Sie erhalten durch die Rückmeldungen zu etwaigen Diskrepanzen zwischen ihrem Selbstbild in psychologischen Tests und dem Fremdbild, das die Beobachtenden im Laufe des AssessmentCenters von ihnen gewonnen haben, wertvolle Hinweise zu ihrer Wirkung auf andere Personen. Eine Selbstbild-FremdbildDiskrepanz, den sogenannten „Blinden Fleck“, können sie zum Anlass für ihre weitere Persönlichkeitsentwicklung nehmen (. Abb. 5.1). Damit wird auch der Entwicklungscharakter von Potenzialanalysen verstärkt. Welche Arten von Tests sind besonders gut für die Personalauswahl und Potenzialanalyse geeignet?

Insbesondere in der Eignungsdiagnostik für den Führungsnachwuchs werden oft Intelligenztests eingesetzt (. Abb. 5.2). Es entspricht nicht nur dem „gesunden Menschenverstand“,

Intelligenz und Soft Skills als Prädiktoren von Führungserfolg

5

104

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Assessment Center

Bewerbungseingang sammeln

Einstellungstests

Analyse der Bewerbungsunterlagen Bestandteile: • Anschreiben • Lebenslauf • Zeugnisse

5

Psychometrische Testverfahren:

Formale Anforderungen als Arbeitsprobe: • Äußere Form • Vollständigkeit • Übersichtlichkeit • Fehlerfreiheit

• Leistungstest, z. B. der Allgemeine Intelligenztest AIT • Persönlichkeitstest, z. B. der Big-FivePersönlichkeitstest B5T

Gruppenbildung: A,B,C

Gespräche und Übungen

Einstellung

Beispiele für Module: • Strukturierte Interviews • Selbstpräsentation • Fallstudie • Gruppendiskussion/Rollenspiel • Planspiel Geprüfte Kompetenzen: • Fachkompetenz • Methodenkompetenz • Soziale Kompetenz • Personale Kompetenz

Selektion

evtl. Vorauswahl nach IQ-Test AIT

Entscheidung

Absage

Absage

Absage

. Abb. 5.2  Grundmodell für ein Auswahlverfahren für Trainees/Nachwuchsführungskräfte

Persönlichkeit – eine Führungsqualität

wenn man annimmt, dass intelligente Menschen erfolgreicher führen, auch in wissenschaftlichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Intelligenz nicht nur den generellen Berufserfolg gut prognostiziert (Hülsheger et al. 2007; Kramer 2009), sondern auch – allerdings nur schwach – mit dem Führungserfolg zusammenhängt (Judge et al. 2004). Auch die sogenannten Soft Skills werden für eine erfolgreiche Karriere als Führungskraft immer wichtiger, allerdings lassen sich diese vorwiegend in nicht-standardisierten Tests prüfen. Ein Instrument zur Messung der Intelligenz, der Allgemeine Intelligenztest (AIT, Satow 2017) wird in 7 Abschn. 6.2.1 ausführlich vorgestellt. Auch Persönlichkeitstests werden – vor allem für Potenzialanalysen – verwendet. Auch das ist sinnvoll, da Studien die Alltagstheorie bestätigen konnten, dass Führungsqualitäten stark mit der Persönlichkeit zusammenhängen (Judge et al. 2002). Das heute gängigste Persönlichkeitsstrukturmodell sind die „Big 5“ mit den Dimensionen Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und emotionale Labilität (7 Abschn. 2.1.1). Vor allem die Extraversion ist bei Führungskräften stärker ausgeprägt als bei Personen, die nicht führen, und sie ist zudem mit wirkungsvoller Führung assoziiert (Judge et al. 2002). Es ist also durchaus gerechtfertigt, zu sagen, dass Extraversion für Führungskräfte das wichtigste und erfolgversprechendste

5.1 · Assessment-Center und Potenzialanalyse

­ ersönlichkeitsmerkmal ist. Personen mit ausgeprägter Extraversion P sind gesellig, dominant, gesprächig, herzlich und optimistisch. Daneben besitzen Führungskräfte aber auch eine größere Offenheit für Erfahrungen und sind gewissenhafter, z. B. im Organisieren und der Dokumentation von Aufgaben. Hingegen spielen die emotionale Labilität und die Verträglichkeit für die Übernahme von Führungsaufgaben und den Erfolg in einer Führungsposition kaum eine Rolle (Judge et al. 2002). Für die Messung der Persönlichkeit kommt grundsätzlich eine Reihe von Tests infrage. Nicht alle sind für die Personalauswahl und Potenzialanalyse aber gleichermaßen gut geeignet. Man kann psychometrische Verfahren zur Messung der Persönlichkeitsstruktur, die meist auf dem Big-5-Modell basieren (z. B. den International Personality Item Pool von Goldberg et al. 2006, das NEO Five Factor Inventory (NEO-FFI) von McCrae und Costa Jr, 2004), klar unterscheiden von Verfahren, mit deren Hilfe bestimmte Persönlichkeitstypen diagnostiziert werden sollen. Diese stammen meist nicht aus der psychologischen Wissenschaft, sondern wurden von Beratungsunternehmen entwickelt oder werden in Lizenz vertrieben. Ein sehr bekanntes Beispiel für letztere Verfahren ist der sogenannte Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI) (Briggs 1976), der auf ­ den von Carl Gustav Jung (1971) entwickelten psychologischen Typen beruht. Der MBTI erfreut sich in der Praxis großer Beliebtheit, wird aber von wissenschaftlicher Seite abgelehnt, weil er die Mindestanforderungen an Gültigkeit und Verlässlichkeit nicht erfüllt (Hunsley et al. 2014). Dennoch ist ein Einsatz solcher Verfahren im Bereich von Seminaren und Trainings (z. B. Team-Building) vertretbar, da sie ein Bewusstsein für Persönlichkeitsunterschiede schaffen, Diskussionen anregen und schlichtweg Spaß machen. Wenn die Testergebnisse die Grundlage für Personalauswahlentscheidungen bilden, sollten aber nur Verfahren zum Einsatz kommen, die auf wissenschaftlicher Basis eine faire qualitative und quantitative Bewertung von Kandidatinnen und Kandidaten ermöglichen. Ein wissenschaftliches Verfahren zur Ermittlung der Persönlichkeitsstruktur nach dem Big-5-Modell, der Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T, Satow 2012), wird in 7 Abschn. 6.2.2 ausführlich vorgestellt. Speziell für den Zweck der beruflichen Diagnostik wurden außerdem Tests entwickelt, die die Persönlichkeitsstruktur nicht allgemein, sondern explizit auf den beruflichen Kontext bezogen messen. Im deutschsprachigen Raum ist hier das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) weit verbreitet. Dieses misst die berufliche Orientierung, das Arbeitsverhalten, die sozialen Kompetenzen und die psychische Konstitution und enthält nicht nur Skalen zu den Big-5-Persönlichkeitseigenschaften, sondern z. B. auch zur

105

5

Big-Five-Persönlichkeitstest Myers-Briggs-Typenindikator

Boch​umer Inv​entar zur be​rufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung

106

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Hinweise zur Fragebogenerstellung

5

Leistungs-, Gestaltungs-, und Führungsmotivation (Hossiep und Paschen 2003). Das BIP wird in 7 Abschn. 6.2.3 vorgestellt. Geht es im betreffenden Auswahlverfahren weniger um eine Prognose globaler Führungskompetenz, sondern um ganz spezielle Führungsanforderungen, bei denen man mehr über das Selbstbild der Kandidatinnen und Kandidaten erfahren will, um zu valideren Prognosen des Führungserfolgs zu gelangen, so kann auch ein individuell zusammengestelltes Verfahren sinnvoll sein (7 Kap. 7). Wenn ein Fragebogen selbst erstellt wird, sollte jedoch Folgendes beachtet werden: 5 Es sollte auf bewährte wissenschaftliche Skalen zurückgegriffen werden. Ein breites Spektrum an Skalen zu den unterschiedlichsten Dimensionen von Führung wird in 7 Kap. 6 vorgestellt. Für ein individuelles Verfahren können verschiedene Skalen kombiniert werden. 5 Es wird angeraten, für die Entwicklung des Fragebogens sowie für die Durchführung und Auswertung von Befragungen organisationspsychologische Expertise hinzuzuziehen. 5 Von einer „echten“ Eigenentwicklung eines psychometrischen Tests wird abgeraten, da die Eigenentwicklung eines Verfahrens, das den Gütekriterien unter 7 Abschn. 4.4 genügt, mit sehr hohem Zeitaufwand und enormen Kosten verbunden ist. Welche Einschränkungen bestehen beim Einsatz standardisierter Fragebögen in der Eignungsdiagnostik?

Empfehlungen für die Überwindung von sozial erwünschtem Antwortverhalten Sozial erwünschtes Antwortverhalten

Oftmals bestehen seitens des Personalmanagements von Unternehmen Bedenken hinsichtlich des Einsatzes standardisierter Testverfahren in der Eignungsdiagnostik, da den Teilnehmenden ein sozial erwünschtes Antwortverhalten unterstellt wird. Man hat die Befürchtung, dass Bewerberinnen und Bewerber, um den Unternehmenserwartungen zu entsprechen oder sogar in Täuschungsabsicht, genau dort ihre Kreuzchen setzen, wo sie vermuten, dass dies vom Unternehmen positiv gewertet würde. Sozial erwünschtes Verhalten tritt aber letztlich nicht nur in allen Bewertungs- und Bewährungssituationen in der Arbeitswelt auf, sondern betrifft alle Formen menschlichen Zusammenlebens. Hossiep und Mühlhaus (2015) plädieren daher für Transparenz: So sollen den Bewerberinnen und Bewerbern das Verfahren und dessen Sinnhaftigkeit zu Beginn von einer kompetenten Ansprechperson erläutert werden. Außerdem sollte die Problematik sozial erwünschten Verhaltens mit den Bewerberinnen und Bewerbern besprochen werden und sie sollten notfalls auch damit konfrontiert werden, dass der Erfolg eines Auswahlverfahrens auch von ihrer Authentizität abhängt. Auch wenn diese Vorkehrungsmaßnahmen erfüllt sind, gilt dennoch, dass standardisierte Tests zur Selbstbeurteilung niemals als alleiniges eignungsdiagnostisches Instrument

107

5.1 · Assessment-Center und Potenzialanalyse

bzw. als Vorfilter eingesetzt werden sollten. Zumindest ist ein ergänzendes Gespräch notwendig, bei dem das im Test erfasste Selbstbild hinterfragt wird bzw. durch eine Fremdbeurteilung ergänzt wird. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für Leistungstests (. Abb. 5.3). Generell sollten Unternehmen, die psychologische Tests zur Messung der Leistungsfähigkeit, der Persönlichkeit, der Einstellungen, Motivation und des Führungsstils für Personalauswahlentscheidungen einsetzen wollen, sich mit folgenden Fragen auseinandersetzen (nach einer Checkliste von Hossiep und Mühlhaus 2015): 5 Wurde der Test in einem wissenschaftlichen Umfeld von Psychologinnen und Psychologen entwickelt und getestet? 5 Stellt das anbietende Unternehmen für den Test Informationen zur Erfüllung der wissenschaftlichen Gütekriterien zur Verfügung (7 Abschn. 4.4 und 4.5)? 5 Gibt es passende Vergleichsgruppen (mit jeweils mindestens 300 Personen), die für die Fragestellung sinnvoll sind? 5 Gibt es wissenschaftliche Studien zu dem angebotenen Testverfahren? Über Google Scholar (7 https://scholar.google.de/) lässt sich dies selbst leicht überprüfen. 5 Welche alternativen Verfahren gibt es und was kosten diese?

Anforderungen an Abteilungsleiter/in

Abgleich Anforderungsund Fähigkeitsprofil

Checkliste zur Bewertung von psychologischen Tests

Eignungsdiagnostik-Modul im Assessment Center

Analytisches Denken

Fallstudie

Bewusstsein für ethische Führung

Standardisierter Fragebogen, Rollenspiel

Soziale Kompetenz

Persönlichkeitstest, Gruppendiskussion

Projektmanagementerfahrung

Lebenslauf und Interview (Biographische Fragen)

Sicherer Umgang mit Planungs- und Dokumentationssoftware

Arbeitsprobe

= Wichtigkeit der Anforderung auf einer Skala von 1-5

1

2

3

4

5

5

= Eignung des Bewerbers/der Bewerberin auf einer Skala von 1-5

. Abb. 5.3  Abgleich von Anforderungen und Eignung am Beispiel einer Abteilungsleitung in der Altenpflege

108

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

5 Entspricht die Professionalität des Tests den Marketing- und Vertriebsaktivitäten des Anbieters, oder liegt hier eine verdächtige Diskrepanz vor? 5 Wird der Test in Lizenz angeboten oder handelt es sich um eine Eigenentwicklung? Welchen Anteil der Kosten umfasst die Lizenzgebühr, wie sind die Kosten für die Beratungsleistung aufgeschlüsselt? 5 Sind die Fragen verständlich und lassen erkennen, worum es geht, oder wirken sie „abwegig“? 5 Ist die Durchführung des Tests für alle Beteiligten transparent und verständlich? 5 Gibt es Informationen und Materialien zur Auswertung? Ist die Auswertung des Tests nachvollziehbar oder eine „Black Box“? 5 Ist die Interpretation der Testergebnisse plausibel und verständlich?

5

5.2  Führungsfeedback

Einsatz von Führungs­ feedbackinstrumenten für ­Bo​ttom-up Fe​edback

Die Motivationsforschung und hier insbesondere die Selbstwirksamkeitserwartungstheorie von Bandura (1977) sowie die Zielsetzungstheorie von Locke und Latham (2002) haben gezeigt, dass Feedback für unsere Motivation eine bedeutende Rolle spielt. Vor allem eine positive Rückmeldung zur eigenen Arbeit kann die Leistungsbereitschaft stark erhöhen. Viele Menschen fühlen sich selbst dann angespornt, besser zu werden und an sich zu arbeiten, wenn sie kritische Rückmeldungen erhalten. Klares Feedback verbessert das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit im Team. Das Top-down-Feedback von Vorgesetzten an ihre Mitarbeitenden ist deshalb seit jeher ein elementarer Bestandteil der Führungsrolle. In Führungssituationen besteht naturgemäß eine asymmetrische Machtverteilung und ein Über-/bzw. Unterordnungsverhältnis zwischen Führungskraft und Geführten, daher erhalten die Führungskräfte selbst oft gar kein oder kein ehrliches Feedback von denjenigen, die ihre Führung am unmittelbarsten erleben. Viele Mitarbeitende wagen aus Angst vor Nachteilen nicht, das Verhalten ihrer Vorgesetzten offen zu kritisieren oder befürchten, dass ihr Lob als Anbiederung empfunden würde. Oft bietet sich im Arbeitsalltag auch einfach keine Gelegenheit für ausführliche Feedbackgespräche. Viele Unternehmen haben daher systematische Führungsfeedbackinstrumente eingeführt, die es Mitarbeitenden ermöglichen sollen, ihren Vorgesetzten anonym und in standardisierter Form regelmäßig Feedback zu geben.

5.2 · Führungsfeedback

Neben einer kontinuierlichen Verbesserung der Qualität der Führung wird damit oft auch die Hoffnung auf eine generelle Veränderung oder Weiterentwicklung der Führungskultur im gesamten Unternehmen verbunden. Häufig orientieren sich die Inhalte der Feedbackinstrumente daher an Idealvorstellungen guter Führung, die in Leitlinien, Konzepten, Handbüchern oder Kompetenzmodellen festgelegt wurden. Diese Idealvorstellungen werden – meist mit Unterstützung durch Beratungsunternehmen – vom TopManagement der Unternehmen erarbeitet. Diese Vorgehensweise birgt jedoch Gefahren: Um herauszufinden, ob jemand eine gute oder schlechte Führungskraft abgibt, nutzen Menschen kulturell geprägte Schemata. Das heißt, sie überprüfen automatisch, ob bei einer Person eine bestimmte Menge Charakteristika, die dem Typus „Führungskraft“ zugeschrieben werden, vorhanden sind (Lord et al. 1984). Die Instrumente und Beurteilungskriterien stützen sich ebenfalls auf gelernte und in der Organisationskultur verankerte Schemata von Führung. Damit besteht die Gefahr, dass Wandel und Erneuerung unterdrückt werden. Wie bereits in 7 Kap. 2 dieses Buchs ausgeführt wurde, gibt es zudem keine „ideale“ Art des Führens. Bei einem Führungsfeedback sollten immer die individuelle Führungskraft und ihre Führungssituation im Mittelpunkt stehen und kein schablonenhaftes Modell. Daher sollte den Feedbackgebenden, z. B. durch entsprechende Fragbogengestaltung die Möglichkeit eingeräumt werden, die abgefragten Verhaltensweisen nicht nur zu bewerten, sondern auch deren Bedeutung für die spezifische Führungssituation zu gewichten. In regelmäßigem Turnus, meist im Abstand von ein bis zwei Jahren, schätzt die Führungskraft dann selbst ihr Führungsverhalten ein („Selbstbild“) und wird von einer oder mehreren Gruppen von Feedbackgebenden beurteilt („Fremdbild“). Die Führungskraft erhält so Gelegenheit, ihre Selbstwahrnehmung zu verbessern und etwas über ihr Führungsverhalten zu lernen (Yammarino und Atwater 1997). Neben den direkt unterstellten Mitarbeitenden – man spricht hier vom Aufwärtsfeedback – können dies auch Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte und interne oder externe Kundinnen und Kunden sein. Erfolgt die Fremdeinschätzung aus vier Perspektiven, spricht man von einem 360-Grad-Feedback (7 Abschn. 2.2.3). Ein 360-Grad-Feedback ermöglicht die Erhebung eines umfassenderen Gesamtbildes der Leistung der betreffenden Führungskraft, das über die eigentliche Mitarbeiterführung hinausgeht und z. B. auch Kundenorientierung oder Entrepreneurship enthalten kann. Damit ein Aufwärts- oder 360-Grad-Feedback in Unternehmen zu den gewünschten Effekten führt, sollten jedoch einige Voraussetzungen gegeben sein: Die Kultur der Organisation sollte keine allzu große Machtdistanz und eher flache Hierarchien aufweisen. Damit ist

109

5

Schablonenhafte Führungskraft-Modelle sind unzureichend Herausforderung „Führungsfeedback“

360-Grad-Feedback Selbstbild vs. Fremdbild

Bedi​ngungen für die Nutzung von Führungs­ feedbackinstrumenten Geringe Machtdistanz und flache Hierarchien

110

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Stärkenorientierung

5

Voraussetzungen für Feedbackgebende

Schutz von personenbezogenen Daten

Personal- und Organisationsentwicklung als oberstes Ziel

Freiwilligkeit

gemeint, dass zwischen Vorgesetzten und Untergebenen kein allzu deutliches Machtgefälle oder sehr große Statusunterschiede bestehen sollten, die einen Austausch „auf Augenhöhe“ verhindern. In Organisationen wie z. B. einer Armee, in der diese Machtdistanz auftragsbedingt („Befehl und Gehorsam“) erwünscht ist, würde ein Aufwärtsfeedback das Autoritätsgefüge stören und womöglich mehr schaden als nutzen (Spatz 2013). Auch eine starke Defizitorientierung einer Organisation widerspräche dem Entwicklungsgedanken: Es geht weniger darum zu bewerten oder Schwächen aufzuzeigen, als Stärken auszubauen und Wachstum zu fördern. Das Top-Management sollte sich mit den Zielen des Feedbacks, nämlich der Förderung von Reflexion und Entwicklung identifizieren, und mit gutem Beispiel vorangehen, indem es selbst am Feedback teilnimmt und einen positiven Follow-up-Prozess vorlebt, das heißt, die Ergebnisse mit den Feedbackgebenden diskutiert und Maßnahmen für sich ableitet. Idealerweise gelingt es dann auch, Entwicklungsmaßnahmen nicht den Charakter eine Strafe zu verleihen („Ich muss mich coachen lassen, damit ich besser werde…“), sondern sie als besondere Incentives („Ich darf ein Coaching für meine persönliche Entwicklung machen!“) zu kommunizieren. Als Feedbackgebende kommen nur Personen infrage, die freiwillig teilnehmen, mit der Führungskraft ausreichend eng und lange zusammengearbeitet haben, um deren Aufgaben und Verhalten fair beurteilen zu können (Bracken und Rose 2011). Zudem sollen die Feedbackgebenden vorab mit den Regeln für angemessenes Feedback vertraut gemacht werden. Um die Anonymität der Feedbackgebenden zu wahren, ist auf den Schutz personenbezogener Daten zu achten. Generell ist es empfehlenswert, nur dann ein Führungsfeedback durchzuführen, wenn das Team der betreffenden Führungskraft mindestens fünf Personen umfasst. Bei einer geringeren Anzahl an Feedbackgebenden ist das Risiko zu groß, dass Einzelne auf Basis einer Interpretation von Mittelwerten und Standardabweichungen identifiziert werden könnten. Das Führungsfeedback sollte ausschließlich der Personal- und Organisationsentwicklung dienen und nicht in die Leistungsbeurteilung der Führungskraft einfließen und womöglich ihre Entlohnung beeinflussen. Dies würde evtl. opportunistisches Verhalten fördern, z. B. die Manipulation der Feedbackgebenden oder der Feedbacksituation. Feedback kann seine positive Wirkung nur entfalten, wenn der Feedbacknehmende es grundsätzlich als hilfreich bewertet, bereit ist, ggf. auch Kritik anzunehmen und das Feedback für sich als Anstoß für Reflexion und Veränderung auffasst. Daher sollte das Führungsfeedback auch für die Führungskräfte freiwillig sein. Eine erzwungene Teilnahme kann ­unterschiedliche

5.2 · Führungsfeedback

Formen von Fehlverhalten auslösen (z.  B. Mitarbeitende unter Druck setzen oder für kritische Äußerungen bestrafen, Feedbackergebnisse ignorieren), die den Zielen des Feedbacks zuwiderlaufen, die Führungsbeziehung nachhaltig belasten und die Akzeptanz des Feedbacks gefährden könnten. Das Feedback sollte nicht „ins Leere laufen“. Das Ziel ist es ja, der Führungskraft u. a. durch den Abgleich von Selbstund Fremdbild, Impulse zur Reflexion ihres Verhaltens, für die persönliche Weiterentwicklung und die Teamentwicklung zu geben. Seitens der Feedbackgebenden entstehen hier Erwartungen, über diesen Prozess informiert zu werden, die Feedbackergebnisse zu diskutieren und evtl. sogar in Entwicklungsmaßnahmen einbezogen zu werden. Es ist wichtig, dass Führungskräfte mit den Ergebnissen nicht alleine gelassen werden. Bei der Deutung der Feedbackergebnisse und für die Ableitung von Maßnahmen benötigen viele Führungskräfte Unterstützung durch externe Coaching- oder Trainingsanbieter. Unternehmen sollten daher bereits im Vorfeld des Feedbackprozesses bedarfsorientierte Entwicklungsmaßnahmen einplanen (Rogers et al. 2002; Thach 2002). Gleichzeitig wird davor gewarnt, bei den Mitarbeitenden keine überzogenen Erwartungen zu wecken: Es ist illusorisch, anzunehmen, dass ein Feedback sofortige umfassende Änderungen des Führungsverhaltens nach sich ziehen wird. Bei der Gestaltung von Fragebögen für Führungsfeedbacks sollte beachtet werden: 5 Die Fragen sollten sich an den im jeweiligen Unternehmen vorhandenen Grundsätzen für gute Führung orientieren. Die Kategorien, die abgefragt werden, sollten aus Sicht der Führungskräfte bedeutsam sein (Brodbeck 2016; Vinson 1996). 5 Die Inhalte der Fragen sollten sich auf das beschränken, was die Feedbackgebenden auch tatsächlich beurteilen können (. Abb. 5.4). 5 Der Fragebogen sollte überschneidungsfreie, verhaltensnahe und klar unterscheidbare Dimensionen aufweisen. 5 Der Fragebogen sollte kurz und prägnant sein und alle wesentlichen Aspekte des Führungsverhaltens mit möglichst wenigen Fragen abdecken. Ein breiteres „Screening“ ist meist sinnvoller als eine Scheingenauigkeit durch zu detaillierte Abfrage, da die Ergebnisse ja den Austausch mit den Mitarbeitenden nicht überflüssig machen sollen, sondern einen Impuls für den Dialog mit den Mitarbeitenden geben sollen (. Abb. 5.5). Betrachtet man nun die Auswirkungen, die Führungsfeedbacks auf Führungskräfte haben, so konnten interessante Effekte nachgewiesen werden. Grundsätzlich kann von einer

111

Teilen von Feedbackergebnissen

Ableitung von Handlungsempfehlungen basierend auf Feedbackergebnissen

Gestaltung von Feedback-Fragebögen

Auswirkungen von Führungsfeedback

5

112

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Beispielfragen

trifft nicht zu

trifft wenig zu

teils teils

trifft eher zu

trifft zu

Meine Führungskraft fördert unsere Entwicklung.

Meine Führungskraft motiviert uns. z. B. vermittelt uns die Bedeutsamkeit und den Sinn unserer Aufgaben, vermittelt Optimismus, hat hohe Erwartungen an unsere Leistungen, überzeugt uns von Zielen, vermittelt Freude an der Arbeit

. Abb. 5.4  Auszug aus einem Beispielfragebogen für ein Aufwärtsfeedback (Kraus und Becker 2016, entwickelt für ein Kundenprojekt)

Führungskraft stellt einen guten Kontext für Zusammenarbeit her.

Sinnvolles Niveau für Screenings

Sinnvolles Niveau für detaillierte Abfrage von Teilaspekten

Führungskraft sorgt dafür, dass es den Mitarbeitenden gut geht. Führungskraft kümmert sich um gute Beziehungen zu den Mitarbeitenden. Führungskraft verhält sich freundlich zu Mitarbeitenden.

Abstraktionsgrad

5

z. B. gibt klare Rückmeldungen zu unseren Leistungen und Arbeitsergebnissen, kann unser Potenzial gut einschätzen, plant unsere zukünftige Entwicklung, berät und ermutigt uns zu Weiterbildungen

Führungskraft lächelt Mitarbeitende regelmäßig an. Führungskraft lächelt bei der Begrüßung der Mitarbeitenden.

. Abb. 5.5  „Screening“ als Ziel eines Führungsfeedbacks und entsprechende Fragenformulierung (Kraus und Becker 2016, entwickelt für ein Kundenprojekt)

5.2 · Führungsfeedback

Leistungssteigerung ausgegangen werden (Atwater et al. 1995). Es wird aber auch deutlich, dass diejenigen Führungskräfte, die bei einem ersten Feedback zunächst eine eher schlechte Einschätzung bekommen haben, ihre Leistung bei einem wiederholten Feedback mehr steigern konnten, als diejenigen, die bereits bei der ersten Befragung eine relativ hohe Bewertung erhalten hatten (Smither et al. 1995; Walker und Smither 1999). Eine wichtige Rolle scheint auch die Selbstwirksamkeitsüberzeugung zu spielen. Dieses Konstrukt drückt aus, wie zuversichtlich eine Person ist, eine Aufgabe bewältigen zu können. Heslin und Latham (2004) stellten fest, dass Führungskräfte mit geringer Selbstwirksamkeitsüberzeugung die Informationen des Feedbacks weniger effektiv nutzen können als Führungskräfte mit hoher Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Dies gilt in besonderem Maße bei negativen Bewertungen, die von ersteren als Ansporn erlebt werden, von letzteren als entmutigend. Grundsätzlich darf nicht vergessen werden, dass jedes Feedback auch verletzend wirken kann und es zu einem Absinken der Motivation kommen kann, sollte die Fremdeinschätzung zu stark nach unten vom eigenen Bild abweichen (Smither et al. 1995). Außerdem ließ sich im Laufe der Zeit bei denjenigen Führungskräften eine Angleichung von Selbst- und Fremdeinschätzung beobachten, die sich selbst besser einschätzten als ihre Mitarbeitenden dies taten. Hier kann aber vermutet werden, dass diese Veränderung lediglich „auf dem Papier“ vollzogen wurde und nicht in Form realer Verhaltenskorrekturen „nach unten“ (van Dierendonck et al. 2007). Andererseits erhöhten Führungskräfte, die positiver bewertet wurden, als es ihrem Selbstbild entsprach, den Anspruch an sich selbst und verbesserten ihr Selbstbild in den betroffenen Bereichen (Atwater et al. 1995). Wenn die anonymisierten Ergebnisse der einzelnen Führungsfeedbacks aggregiert werden, so können diese auch für die Analyse der Führungskultur einzelner Bereiche oder des gesamten Unternehmens genutzt werden. Alternativ lassen sich Führungsfeedbacks auch in Mitarbeiterbefragungen einbauen. Neben den klassischen Dimensionen von Zufriedenheitsbefragungen wie Arbeitsplatz und Arbeitsaufgabe, Information und Kommunikation, Betriebsklima, Arbeitsorganisation, Entgelt und Sozialleistungen sowie Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten kann hier auch das Verhalten der jeweiligen Vorgesetzten abgefragt werden. Diese individuellen Ergebnisse können dann den beurteilten Führungskräften zurückgemeldet werden, aber auch als Impuls für eine Diskussion und Weiterentwicklung der Führungskultur dienen sowie in andere Personalmanagementthemen einfließen. So ist die Führungskultur auch ein wichtiger Aspekt der Arbeitgebermarke und kann für das Employer Branding und im Personalmarketing genutzt werden.

113

Führungsfeedback und Führungskultur

5

114

Kapitel 5 · Messung von Führung in der Personalauswahl und ­-entwicklung

Literatur

5

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5

117

Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen 6.1 Die Toolbox im Überblick – 119 6.2 Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften – 119 6.2.1 Die Intelligenz – 120 6.2.2 Die Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit – 123 6.2.3 Die Persönlichkeit im beruflichen Kontext – 133 6.2.4 Einzelne Aspekte der Persönlichkeit – 136

6.3 Diagnose von Einstellungen – 151 6.3.1 Vertrauen und Loyalität gegenüber der Führungskraft – 151 6.3.2 Feedbackorientierung – 153 6.3.3 Selbstwirksamkeitsüberzeugung – 155

6.4 Diagnose der Führungsmotivation – 157 6.5 Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens – 160 6.5.1 Führung und Einflussnahme – 161 6.5.2 Führung und Werte – 169 6.5.3 Führung und Emotionen – 174 6.5.4 Führung in bestimmten Situationen – 181 6.5.5 Hierarchische vs. Geteilte Führung – 188

6.6 Diagnose des Führungsstils – 193 6.6.1 Transaktionale Führung – 194 6.6.2 Transformationale Führung – 196 6.6.3 Full-Range-Leadership – 199 6.6.4 Charismatische Führung – 203

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_6

6

6.6.5 Authentische Führung – 205 6.6.6 Beziehungsqualität von Führungskraft und Mitarbeitenden – Leader-Member Exchange – 208 6.6.7 Ambidextre Führung – 213

Literatur – 215

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

Die folgende „Toolbox“ besteht aus größtenteils frei verfügbaren und einsetzbaren Instrumenten. Diese bieten ein breites Repertoire an wissenschaftlichen, validierten Fragebögen und Skalen zur Erfassung verschiedener Aspekte von Führung. Auch wenn diese Sammlung keineswegs vollständig ist, so bietet sie doch einen guten Überblick über gängige und leistungsfähige Instrumente. Die Mehrzahl der Fragebögen und Skalen sind vollständig abgebildet, wodurch deutlich wird, dass viele Instrumente publiziert werden und damit auch für die breite nicht-akademische Öffentlichkeit frei verfügbar sind. Dies macht es möglich – wenn die entsprechende Statistik-Expertise vorhanden ist – eigene Untersuchungen zu konzipieren, ohne auf kommerzielle Verfahren mit teilweise sehr hohen Lizenzgebühren zurückzugreifen. Um weitere, nicht in diesem Buch dargestellte Merkmale von Führung zu entdecken, lohnt sich also eine eigene Recherche, z. B. über die Suchmaschine Google Scholar (7 www.scholar.google.de). 6.1  Die Toolbox im Überblick

Die Toolbox orientiert sich inhaltlich und hinsichtlich ihres Aufbaus an den im 7 Kap. 2 erläuterten Theorien und psychologischen Konstrukten der klassischen und aktuellen Führungsforschung. Auf die jeweiligen Theoriegrundlagen wird im Einzelnen verwiesen, wodurch den Leserinnen und Lesern eine Einordnung der Messinstrumente in die Führungsforschung ermöglicht wird. Den Anfang machen Messinstrumente zur Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften (7 Abschn. 6.2), dann folgen Verfahren zur Messung von Einstellungen (7 Abschn. 6.3) und der Führungsmotivation (7 Abschn. 6.4). Schließlich folgen Fragebögen, die verschiedene Aspekte des Führungsverhaltens zum Gegenstand haben (7 Abschn. 6.5). Der Diagnose von komplexen Verhaltensmustern bzw. Führungsstilen ist 7 Abschn. 6.6 gewidmet. 6.2  Diagnose der Leistungsfähigkeit und

Persönlichkeit von Führungskräften

Die eigenschaftsorientierten Führungstheorien (7 Abschn. 2.2.1) sind u. a. der Frage nachgegangen, ob Intelligenz oder bestimmte Persönlichkeitseigenschaften dafür ausschlaggebend sind, dass man persönlichen und organisationalen Erfolg als Führungskraft hat. Zusammenhänge zwischen der Intelligenz und der Übernahme einer Führungsposition oder zwischen einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur und dem Führungserfolg konnten auch tatsächlich nachgewiesen werden (Judge et al. 2002, 2004), sie

119

6

120

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

sind jedoch geringer als dies Alltagstheorien nahelegen. Dennoch ist es, wie in 7 Kap. 5 dargelegt, sinnvoll, sich mit der Intelligenz, der Persönlichkeitsstruktur und den Ausprägungen einzelner Persönlichkeitseigenschaften bei (potenziellen) Führungskräften zu beschäftigen und diese zu erfassen. Ziele können dabei sein, bei Nachwuchskräften globale Hinweise für eine generelle Führungseignung zu erhalten, validere Aussagen zur Passung von Personen für bestimmte situative Anforderungen (z. B. Vertrieb, Top Management) zu machen, oder Führungskräften eine persönliche Standortbestimmung zu ermöglichen und individuelle Entwicklungsfelder aufzuzeigen.

6

6.2.1  Die Intelligenz Emotionale vs. kognitive Intelligenz Prädiktor „Intelligenz“

Allgemeiner Intelligenztest

Cattell-Horn-Carrol-Modell Fluide und kristallisierte Intelligenz

Ein Intelligenztest prüft die kognitive Leistungsfähigkeit einer Person und ist durchaus ein guter Prädiktor für generellen Berufserfolg (Hülsheger et al. 2007; Kramer 2009) und auch den Erfolg in einer Führungstätigkeit (Judge et al. 2004). Leistungsunterschiede im späteren Führungsalltag lassen sich also bis zu einem gewissen Grad durch Leistungsunterschiede im Test – z. B. über den ermittelten Intelligenzquotienten (IQ) – vorhersagen. Da Intelligenztests aber nicht geeignet sind, ein breites Spektrum an Führungskompetenzen oder Führungspotenzialen zu prüfen, finden sie in erster Linie Verwendung als „Filter“ für die Vorauswahl und Eignungsdiagnostik bei Nachwuchsführungskräften. Unternehmen sollten sich hier aber bewusst sein, dass die emotionale „Intelligenz“ [▶(George 2000; Goleman und Boyatzis 2008) neben den kognitiven Fähigkeiten entscheidend zu einem späteren Führungserfolg beiträgt und eine Vorselektion rein nach der kognitiven Leistungsfähigkeit auch zur Ablehnung evtl. sogar besser geeigneter Bewerberinnen und Bewerbern führen kann. Für die Messung von Intelligenz gibt es – je nach Definition von Intelligenz (z. B. Cattell 1943; Spearman 1904; Wechsler 1972) – unterschiedliche Testinstrumente. Bekannt sind beispielsweise der W ­ echsler-Intelligenztest-für-Erwachsene (WIE, Aster et al. 2006), der Intelligenz-Struktur-Test 2000 R (IST 2000R, Amthauer et al. 2001) oder der online kostenlos zur Verfügung stehende Allgemeine Intelligenztest (AIT, Satow 2017). Der im Folgenden vorgestellte AIT beruht auf den Modellen von Spearman (1904) und Cattell (1943). Spearman stellte fest, dass die Noten von Schülerinnen und Schülern in allen Fächern korrelieren und schloss daraus, dass dies an deren allgemeiner kognitiven Leistungsfähigkeit bzw. Intelligenz liegt, die er als „general factor (g-factor)“ bezeichnete. Cattell teilte den g-Faktor in einen ererbten Anteil (fluide Intelligenz) und einen durch Lernen erworbenen Anteil (kristallisierte Intelligenz). Die Fähigkeit logisch zu denken gehört zur fluiden Intelligenz, Sprach-

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

kenntnisse sind Beispiele für die kristallisierte Intelligenz. Horn und Carroll entwickelten auf dieser Basis ein hierarchisches Strukturmodell für Intelligenz mit drei Ebenen (Cattell-HornCarrol-Modell (CHC), Carroll 1993, 2005). Der AIT erfasst die wichtigsten Intelligenzfaktoren dieses empirisch gut gestützten Modells. Laut Satow (2017, S.  5) umfasst die Allgemeine Intelligenz die „generelle kognitive Fähigkeit, Regeln und Muster zu analysieren und logisch korrekte Schussfolgerungen auch unter Einbeziehung erworbenen Wissens abzuleiten.“ Im AIT (Satow 2017) werden das Sprachverständnis (die kristallisierte Intelligenz), das logisch-analytische Denken (die fluide Intelligenz), das räumlich-visuelle Denken sowie numerische Fähigkeiten gemessen. Zum erworbenen Sprachverständnis gehören die Fähigkeit Sprachregeln zu verstehen und anzuwenden sowie kommunikative und kulturelle Fähigkeiten.

121

Sprachverständnis

Beispielaufgabe Welches Wort passt zu der Liste: hier – damals – vielleicht: Antwortmöglichkeiten: a) warm, b) groß, c) jetzt, d) schön, e) laufen.

Das logisch-analytische Denken bedeutet, dass logisch korrekte Schussfolgerungen gezogen werden und neuartige abstrakte Probleme gelöst werden können.

Logisch-analytisches Denken

Beispielaufgabe Kein Rechteck ist ein Kreis. Alle Quadrate sind Rechtecke. Was folgt daraus? Antwortmöglichkeiten a) Kein Quadrat ist ein Kreis. b) Alle Quadrate sind Vierecke. c) Kein Quadrat ist ein Viereck. d) Einige Vierecke sind Rechtecke.

Visuelle Regeln, Muster und Operationen erkennen, nachzuvollziehen und durchzuführen, ist Ausdruck des räumlich-visuellen Denkens.

Räumlich-visuelles Denken

Beispielaufgabe Welches Bild passt am besten in die Reihe? (. Abb. 6.1).

Zu den numerischen Fähigkeiten gehört das Erkennen, Nachvollziehen und Durchführen numerischer Regeln und Operationen – auch unter Anwendung erworbenen mathematischen Wissens.

Numerische Fähigkeiten

6

122

6

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

A

B

C

D

. Abb. 6.1  Beispielaufgabe – Visuelle Regeln, Muster und Operationen

Beispielaufgabe Ergänzen Sie folgende Zahlenfolge. Versuchen Sie dazu die Regeln zu erkennen, nach denen die Folge gebildet wurde: 20, 19, 21, 20, 22, … Antwortmöglichkeiten a) 11, b) 21, c) 31, d) 41, e) 51.

Der Test eignet sich gut für die Personalauswahl bei mindestens 16 Jahre alten Personen, seine Bearbeitungsdauer beträgt etwa 90 Minuten (Satow 2017). Allgemeiner Intelligenztest (AIT, Satow 2017). Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Kognitive Leistungsfähigkeit

Was wird gemessen?

Allgemeine Intelligenz: – Sprachverständnis – Logisch-analytisches Denken – Räumlich-visuelles Denken – Numerische Fähigkeiten

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen mit hohem Bewerbungsaufkommen und Rekrutierungsbedarf bei Nachwuchsführungskräften/Trainees

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Nachwuchsführungskräfte: – Kenntnis der eigenen kognitiven Leistungsfähigkeit/ Selbstreflektion – Bewerbungstraining, Vorberei­ tung für das Assessment Center

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Eignungsdiagnostik bei Nachwuchsführungskräften – Vorselektion von Bewerberinnen und Bewerbern

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

123

6

6.2.2  Die Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit

Erfolgreiche Führung hängt in erheblichem Maße von der Persönlichkeit der Führungskraft ab (Judge et al. 2002), daher bieten Persönlichkeitstests oftmals wertvolle ergänzende Informationen für die Eignungsdiagnostik bei Führungskräften (7 Abschn. 5.1). Was aber macht unsere Persönlichkeit aus? Nach der klassischen Definition von Gordon Allport, einem der Gründerväter der Persönlichkeitspsychologie, ist Persönlichkeit die dynamische Ordnung der psychophysischen Systeme eines Menschen, die seine einzigartigen Anpassungen an seine Umwelt bestimmen (Allport 1959). Einfacher ausgedrückt, ist Persönlichkeit die spezielle Art und Weise wie eine Person auf andere reagiert und mit anderen interagiert. Zwillingsstudien sollten entschlüsseln, ob Persönlichkeit vererbt und angeboren ist oder eher durch die Sozialisation, z. B. die Erziehung durch die Eltern, erworben wird. Die Studien konnten zeigen, dass wir unsere individuellen Wesenszüge zum größten Teil unseren Genen verdanken. Aber auch andere Faktoren prägen unsere Persönlichkeit, z. B. beeinflusst das Lebensalter und damit unsere Lebenserfahrung die Persönlichkeitseigenschaften (Wright 2013). Generell kann die Persönlichkeit als Gesamtheit aller individuellen Eigenschaften aufgefasst werden, die dafür ausschlaggebend sind, wie ein Mensch auf verschiedene Situationen reagiert und sich verhält. Genau diese Grundannahme ist Basis des Assessment-Center-Ansatzes. Man beobachtet und analysiert die individuellen Reaktionen und Verhaltensweisen unterschiedlicher Bewerberinnen und Bewerber in bestimmten Testsituationen und schließt mittels eines interindividuellen Vergleichs auf deren Persönlichkeitsstruktur und Leistungsvermögen. Persönlichkeitseigenschaften sind auch deshalb für die Eignungsdiagnostik besonders interessant, da sich die Persönlichkeit zwar im Erwachsenenalter noch verändern kann, die meisten Eigenschaften aber insgesamt zeitlich recht stabil sind (Roberts et al. 2006). Erfasst werden können Persönlichkeitseigenschaften mit verschiedenen Methoden. Einige Verfahren, wie die verbale Beschreibung der Persönlichkeit oder ihre Erfassung durch Zuordnung von Eigenschaften wie „dominant“ in Kategorien wie „trifft gar nicht zu“ oder „trifft stark zu“ („Q-Sort-Methode, Block 1961), werden aber eher selten angewandt. Am verbreitetsten ist die Bewertung von Einzelaussagen oder Eigenschaften mithilfe von Skalen und die Einordnung der individuellen Ergebnisse in eine geeignete Referenzgruppe (Hossiep und Mühlhaus 2015). Merkmale der Referenzgruppe

Definition von Persönlichkeit

Pers​önlichkeitseigen­ schaften sind zei​tlich stabil

Standardmodell für die Persönlichkeitsmessung Referenzgruppen

124

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

6

Hauptdimensionen der Big Five

sind z. B. das Alter, das Geschlecht und die Berufsgruppenzugehörigkeit. Der Abgleich individueller Persönlichkeitsprofile mit dem Profil einer Referenzgruppe erlaubt dann eine Prognose der individuellen Passung der Bewerberin bzw. des Bewerbers für eine bestimmte Tätigkeit oder eine Führungsaufgabe. Mithilfe standardisierter Fragebögen kann die Führungskraft eine Selbsteinschätzung abgeben, oder wird z. B. durch die oder den Vorgesetzte/n fremdbeurteilt. Als Standardmodell für die Messung von Persönlichkeit haben sich in der psychologischen Forschung die „Big Five“ durchgesetzt (McCrae und Costa 1987). Dieses Fünf-Faktoren-Modell erklärt die Persönlichkeitsunterschiede von Menschen anhand der Ausprägungen von fünf untereinander trennscharfen sowie zeitlich und kulturell stabilen Faktoren: Extraversion, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Emotionale Stabilität und Offenheit für Erfahrungen. Als Standardmodell für die Erfassung der Persönlichkeit wird in der Wissenschaft meist das sogenannte Big-5-Modell (. Abb. 6.2) zugrunde gelegt (Asendorpf und Neyer 2012). Die fünf Hauptdimensionen Openness, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness und Neuroticism ergeben zusammen das Akronym OCEAN, weshalb es auch als OCEAN-Modell

Openness

(Offenheit)

Conscientiousness

(Gewissenhaftigkeit)

Big 5Modell der Persönlichkeit

Neuroticism (Emotionale Labilität)

(OCEAN)

Extraversion

(Geselligkeit)

Agreeableness

(Verträglichkeit)

. Abb. 6.2  Das Big-Five Modell der Persönlichkeit (McCrae und John 1992)

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

125

bezeichnet wird. Die Persönlichkeit jedes Menschen lässt sich anhand seiner individuellen Ausprägungen in den fünf Dimensionen beschreiben. Die Forschung hat gezeigt, dass die Big Five stabil, voneinander unabhängig und auf jeden Kultur­ kreis anwendbar sind. 5 Openness: Personen mit hohen Werten bei Offenheit zeichnen sich durch eine hohe Wertschätzung für neue Erfahrungen aus, bevorzugen Abwechslung, sind wissbegierig, kreativ, phantasievoll und unabhängig in ihrem Urteil. Sie haben vielfältige kulturelle Interessen und interessieren sich für öffentliche Ereignisse. 5 Conscientiousness: Mit der Skala Gewissenhaftigkeit kann man ordentliche, zuverlässige, hart arbeitende, disziplinierte, pünktliche, penible, ehrgeizige und systematische von leichtsinnigen, nachlässigen und gleichgültigen Personen unterscheiden. 5 Extraversion: Personen mit hohen Werten bei Extraversion sind gesellig, aktiv, gesprächig, personenorientiert, herzlich, optimistisch und heiter. Sie mögen Anregungen und Aufregungen. 5 Agreeableness: Personen mit hohen Werten bei der Verträglichkeit sind altruistisch, mitfühlend, verständnisvoll und wohlwollend. Sie neigen zu zwischenmenschlichem Vertrauen, zu Kooperation, zu Nachgiebigkeit, und sie haben ein starkes Harmoniebedürfnis. 5 Neuroticism: Personen, die hier hohe Werte aufweisen neigen dazu, nervös, ängstlich, traurig, unsicher und verlegen zu sein und sich Sorgen um ihre Gesundheit zu machen. Sie haben unrealistische Ideen und sind weniger in der Lage, ihre Bedürfnisse zu kontrollieren und auf Stresssituationen angemessen zu reagieren. Die weitverbreitetsten und anerkanntesten Möglichkeiten (Rauthmann 2017) zur Messung der Persönlichkeit auf Basis der Big Five ist einerseits das NEO Personality Inventory Revised (NEO-PI-R, Costa und McCrae 2008). Es besteht aus insgesamt 240 Items. Des Weiteren gibt es eine verschlankte Version mit 60 Items, das sogenannte NEO Five Factor Inventory (­ NEO-FFI, McCrae und Costa Jr 2004). Im Folgenden findet sich für jede Dimension des NEO-PI-R ein Beispielitem – die deutsche Fassung stammt von Ostendorf und Angleitner (2004). Fragebogen Beispielitems des NEO-PI-R nach Ostendorf und Angleitner (2004) Skala „Offenheit (O)“: „Ich habe eine sehr lebhafte Vorstellungskraft.“

NEO Five Factor Inventory NEO Personality Inventory Revised

6

126

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Skala „Gewissenhaftigkeit (C)“: „Ich bin für meine Umsicht und meinen gesunden Menschenverstand bekannt.“ Skala „Extraversion (E)“: „Die meisten Menschen, die mir begegnen, sind mir wirklich sympathisch.“ Skala „Verträglichkeit (A)“: „Im Hinblick auf die Absichten anderer bin ich eher zynisch und skeptisch.“

6

Skala „Neurotizismus (N)“: „Ich bin nicht leicht beunruhigt.“ (Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlages. Das Testverfahren ist zu beziehen bei der Testzentrale, 7 www.testzentrale.de) Reliabilität und Validität des NEO-FFI

Big-Five-Persönlichkeitstest

In der kürzeren Fassung, also dem NEO-FFI, werden die fünf Persönlichkeitsbereiche durch jeweils 12 Items repräsentiert. Der NEO-FFI weist eine gute Reliabilität auf (interne Konsistenzen der Skalen bei durchschnittlich α = ,80 und Retest-Reliabilitäten zwischen rtt = ,71 für Verträglichkeit und rtt = ,82 für Extraversion). Die Konstruktvalidität des Verfahrens wurde faktorenanalytisch nachgewiesen, die Korrelationen zwischen Selbst- und Bekanntenbeurteilungen liegt zwischen r = ,49 bis r = ,61. Damit ist die Validität ebenfalls hoch. Auch der im Folgenden ausführlich vorgestellte, online kostenlos zur Verfügung stehende ­ Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T) von Satow (2012) basiert auf dem Big-Five-Modell. Der B5T enthält zu den Big Five folgende Skalen und Items (Satow 2012): Offenheit: Menschen mit hohen Werten bei „Offenheit“ sind aufgeschlossen, neugierig und haben vielfältige Interessen, z. B. in kulturellen Bereichen. Sie sind kreativ und an Bildung interessiert. 5 5 5 5 5 5 5

Ich will immer neue Dinge ausprobieren. Ich bin ein neugieriger Mensch. Ich reise viel, um andere Kulturen kennenzulernen. Am liebsten ist es mir, wenn alles so bleibt, wie es ist. (−) Ich diskutiere gerne. Ich lerne immer wieder gerne neue Dinge. Ich beschäftige mich viel mit Kunst, Musik und Literatur.

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

5 Ich interessiere mich sehr für philosophische Fragen. Ich lese viel über wissenschaftliche Themen, neue Entdeckungen oder historische Begebenheiten. 5 Ich habe viele Ideen und viel Fantasie.

Gewissenhaftigkeit: Gewissenhafte Menschen arbeiten sorg-

fältig, sind zuverlässig, diszipliniert und ausdauernd und haben ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein. 5 5 5 5 5 5 5 5 5

Ich bin sehr pflichtbewusst. Meine Aufgaben erledige ich immer sehr genau. Ich war schon als Kind sehr ordentlich. Ich gehe immer planvoll vor. Ich habe meine festen Prinzipien und halte daran auch fest. Auch kleine Bußgelder sind mir sehr unangenehm. Auch kleine Schlampereien stören mich. Ich achte sehr darauf, dass Regeln eingehalten werden. Wenn ich mich einmal entschieden habe, dann weiche ich davon auch nicht mehr ab. 5 Ich mache eigentlich nie Flüchtigkeitsfehler.

Extraversion (Gegenteil: Introversion): Hier wird gemessen, wie gesellig Personen sind. Extraversion gilt als besonders relevante Persönlichkeitsdimension für Führung (Judge et al. 2002). 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5

Ich bin gerne mit anderen Menschen zusammen. Ich kann schnell gute Stimmung verbreiten. Ich bin unternehmungslustig. Ich stehe gerne im Mittelpunkt. Im Grunde bin ich oft lieber für mich allein. (−) Ich bin ein Einzelgänger. (−) Ich gehe gerne auf Partys. Ich bin in vielen Vereinen aktiv. Ich bin ein gesprächiger und kommunikativer Mensch. Ich bin sehr kontaktfreudig.

Verträgliche Menschen sind freundlich, bescheiden und hilfsbereit. Sie arbeiten gut im Team, sind warmherzig und beliebt.

Verträglichkeit:

5 5 5 5

Ich achte darauf, immer freundlich zu sein. Ich bin ein höflicher Mensch. Ich helfe anderen, auch wenn man mir es nicht dankt. Ich habe immer wieder Streit mit anderen. (−)

127

6

128

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

5 Ich bin ein Egoist. (−) 5 Wenn mir jemand hilft, erweise ich mich immer als dankbar. 5 Ich würde meine schlechte Laune nie an anderen auslassen. 5 Es fällt mir sehr leicht, meine Bedürfnisse für andere zurückzustellen. 5 Ich kann mich gut in andere Menschen hineinversetzen. 5 Ich komme immer gut mit anderen aus, auch wenn sie nicht meiner Meinung sind.

6

Neurotizismus (Gegenteil: Emotionale Stabilität): Personen mit hohen Neurotizismuswerten sind nervös, ängstlich und reizbar. Sie lassen sich leicht verunsichern, sind besorgt und haben ein höheres Burn-Out-Risiko (z. B. Kim et al. 2009). 5 5 5 5 5 5 5 5 5 5

Motive als Grundlage für Motivation

Ich bin ein ängstlicher Typ. Ich fühle mich oft unsicher. Ich verspüre oft eine große innere Unruhe. Ich mache mir oft unnütze Sorgen. Ich grübele viel über meine Zukunft nach. Oft überwältigen mich meine Gefühle. Ich bin oft ohne Grund traurig. Ich bin oft nervös. Oft werde ich von meinen Gefühlen hin- und hergerissen. Ich bin mir in meinen Entscheidungen oft unsicher.

Im B5T werden diese fünf Persönlichkeitsdimensionen noch durch drei weitere Dimensionen zu den Grundmotiven von Menschen ergänzt. Die Motive oder Grundbedürfnisse von Menschen sind in ihrer Persönlichkeit verwurzelt und ähnlich wie die Persönlichkeitseigenschaften zeitlich sehr stabil. Werden sie durch Anreize aktiviert, z. B. durch die Chance, einen höheren Status in einer Gruppe zu erlangen, so spricht man von Motivation. Ob jemand motiviert ist, hängt also davon ab, inwieweit seine individuellen Grundbedürfnisse durch intrinsische oder extrinsische Anreize angesprochen werden. Die Kenntnis der Motive einer Person ist damit wichtig, um ihr Verhalten zu erklären und zu prognostizieren, oder kurz gesagt, sie zu motivieren. Die Items zu Motiven decken die folgenden Bereiche ab: Interessen, Sehnsüchte, Visionen und Lebensträume sowie Motive als innere Kraftquelle. Der B5T erfasst folgende Grundmotive (Satow 2012):

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

(Leistungsmotiv): Menschen mit einem ausgeprägten Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung versuchen immer andere zu überflügeln und sind erst zufrieden, wenn sie ihre Ziele erreicht haben.

Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung

5 Ich habe schon immer ein starkes Bedürfnis verspürt nach meinen eigenen Maßstäben der Beste zu sein. 5 Ich habe schon immer ein starkes Bedürfnis nach Anerkennung und Bewunderung verspürt. 5 Für mehr Anerkennung würde ich auf vieles verzichten. 5 Am glücklichsten bin ich dann, wenn viele Menschen mich bewundern und das toll finden, was ich mache. 5 Tief in meinem Innersten gibt es eine Sehnsucht danach der Beste sein zu wollen. 5 Ich träume oft davon, berühmt zu sein.

Bedürfnis nach Macht und Einfluss (Machtmotiv): Personen mit

einem starken Machtmotiv wollen Einfluss ausüben, gestalten und Verantwortung übernehmen. 5 Ich träume oft davon, wichtige Entscheidungen für Politikerinnen und Politiker oder andere mächtige Menschen zu treffen. 5 Wenn ich die Wahl hätte, würde ich in meinem Leben gerne weltbewegende Entscheidungen treffen. 5 Tief in meinem Innersten gibt es eine Sehnsucht nach Einfluss und Macht. 5 Für mehr Einfluss würde ich auf vieles verzichten. 5 Am glücklichsten bin ich dann, wenn ich Verantwortung übernehmen kann und wichtige Entscheidungen treffen darf. 5 Ich kann Menschen verstehen, die sagen, dass andere Dinge wichtiger sind als Einfluss und Politik. (−)

Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe (Sicherheitsmotiv):

Personen, die ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sicherheit haben, streben nach (innerer) Ruhe und vermeiden Risiken. 5 Ich habe schon immer ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit und Ruhe verspürt. 5 Wenn ich die Wahl hätte, würde ich ein Leben in Sicherheit und Frieden wählen. 5 Für ein sicheres Leben ohne böse Überraschungen würde ich auf vieles verzichten.

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6

130

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

5 Tief in meinem Innersten gibt es eine Sehnsucht nach Ruhe und Geborgenheit. 5 Ich träume oft von einem ruhigen Leben ohne böse Überraschungen. 5 Am glücklichsten bin ich dann, wenn ich mich geborgen fühle.

6

Der B5T enthält außerdem eine Skala zur Erfassung der Ehrlichkeit bei der Testbeantwortung. Hier wird nach menschlichen Schwächen gefragt, die eigentlich fast jeder bejahen muss, wenn er ehrlich antwortet (Satow 2012). 5 Ich habe schon mal etwas unterschlagen oder nicht gleich zurückgegeben. 5 Im privaten Bereich habe ich schon mal Dinge gemacht, die besser nicht an die Öffentlichkeit kommen sollten. 5 Ich habe schon mal Dinge weitererzählt, die ich besser für mich behalten hätte. 5 Ich habe schon mal über andere gelästert oder schlecht über sie gedacht.

Sollten viele dieser zuletzt genannten Items verneint werden, so besteht der Verdacht, dass der Teilnehmende sozial erwünscht geantwortet hat, also ein möglichst positives Bild seiner Persönlichkeit zeichnen will. Für die Beantwortung der Items wurde generell eine vierstufige Likert-Skala gewählt, damit die Teilnehmenden nicht eine „neutrale“, mittlere Antwortkategorie wählen können. Insgesamt besitzt der Test eine hohe Skalen-Reliabilität und faktorielle Validität. Big-Five-Persönlichkeitstest (B5T, Satow 2012) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Persönlichkeitsstruktur und Grundmotive

Was wird gemessen?

Persönlichkeitsstruktur (Big Five): – Offenheit – Gewissenhaftigkeit – Extraversion – Verträglichkeit – Neurotizismus (emotionale Labilität) Grundmotive – Leistungsmotiv – Machtmotiv – Sicherheitsmotiv

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die im Rahmen der Führungskräfteentwicklung auch die Persönlichkeitsentwicklung fördern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die – s ich im Rahmen von Selbsterfahrung und Coaching mit der eigenen Persönlichkeit und ihren Motiven auseinandersetzen wollen –V  orbereitung für Potenzialanalysen, Management Audits, Coaching und Assessment Center

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

–P  otenzialanalysen, Management Audits und Coaching – Ergänzendes Instrument in der Personalauswahl

Neben diesem allgemeinen Persönlichkeitstest, können aber auch Fragebögen eingesetzt werden, die speziell die für Führung relevanten Persönlichkeitseigenschaften messen. So lässt sich mit dem Leadership Trait Questionnaire (LTQ) erfassen (Northouse 2015), wie die Führungskraft sich selbst wahrnimmt bzw. welche Eigenschaften ihr von Mitarbeitenden oder Kolleginnen und Kollegen zugeschrieben werden. Fragebogen Leadership Trait Questionnaire (LTQ) (Northouse 2015, eigene Übersetzung) Anleitung: Der Zweck dieses Fragebogens ist es, für Führung relevante Persönlichkeitsmerkmale zu messen. Der Fragebogen sollte durch die Führungskraft und fünf Personen, die diese gut kennen (z. B. Mitarbeitende, Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, Freundinnen und Freunde, Familienmitglieder) ausgefüllt werden. Machen Sie fünf Kopien dieses Fragebogens. Dieser Fragebogen sollte von Ihnen und fünf Ihnen bekannten Personen (z. B. Mitbewohnerinnen und Mitbewohner, Mitarbeitende, Verwandte, Freundinnen und Freunde) ausgefüllt werden. Lassen Sie jede Person anhand der folgenden Skala angeben, inwieweit sie mit jeder der 14 folgenden Aussagen einverstanden oder nicht einverstanden ist. Vergessen Sie nicht, einen Bogen für sich selbst auszufüllen. Kreuzen Sie jeweils an, inwieweit Sie den folgenden 14 Aussagen zustimmen. Schlüssel: 1 = starke Ablehnung, 2 = Ablehnung, 3 = neutral, 4 = Zustimmung, 5 = starke Zustimmung

131

Leadership Trait Questionnaire

6

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

132

(Name der Führungskraft) ist… 1. redegewandt: kommuniziert erfolgreich mit anderen. 2. scharfsinnig: ist urteilsfähig und einfühlsam. 3. selbstvertrauend: glaubt an sich selbst und an seine/ihre Fähigkeiten. 4. selbstbewusst: ist selbstsicher und frei von Zweifeln. 5. beständig: hält – auch bei Widerständen – an Zielen fest. 6. entschlossen: hat einen festen Stand und handelt mit Bestimmtheit. 7. vertrauenswürdig: ist authentisch und weckt Vertrauen. 8. verlässlich: ist konsequent und zuverlässig. 9. freundlich: ist liebenswürdig und herzlich. 10. kontaktfreudig: spricht offen und kommt gut mit anderen aus. 11. gewissenhaft: ist gründlich, organisiert und beherrscht. 12. fleißig: ist ausdauernd, arbeitet hart. 13. sensibel: ist tolerant, taktvoll und mitfühlend. 14. empathisch: versteht andere, kann sich in andere hineinversetzen.

6

Auswertung 1. Tragen Sie die Antworten für die Teilnehmenden 1 bis 5 in die jeweiligen Spalten (siehe unten) ein. 2. Errechnen Sie für jede der 14 Aussagen den Durchschnittswert der 5 Teilnehmenden und tragen Sie sie in die Spalte Mittelwert ein. 3. Tragen Sie Ihre Selbsteinschätzung in die letzte Spalte ein.

Auswertung anhand eines Beispiels

1.

Redegewandt

TN 1

TN 2

TN 3

TN 4

TN 5

Mittelwert

Selbstbild FK

4

4

3

2

4

3,4

4

2.

Scharfsinnig

2

5

3

4

4

3,6

5

3.

Selbstvertrauend

4

4

5

5

4

4,4

4

4.

Selbstbewusst

5

5

5

5

5

5

5

5.

Beständig

4

4

3

3

3

3,4

3

6.

Entschlossen

4

4

4

4

4

4

4

7.

Vertrauenswürdig

5

5

5

5

5

5

5

8.

Verlässlich

4

5

4

5

4

4,4

4

9.

Freundlich

5

5

5

5

5

5

5

10.

Kontaktfreudig

5

4

5

4

5

4,6

4

11.

Gewissenhaft

2

3

2

3

3

2,6

4

12.

Fleißig

3

3

3

3

3

3

4

13.

Sensibel

4

4

5

5

5

4,6

3

14.

Empathisch

5

5

4

5

4

4,6

3

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

133

6

Interpretation: Die Ergebnisse, die Sie mittels des LTQ erhalten haben, geben Aufschluss darüber, wie Sie sich selbst sehen und wie andere Sie als Führungskraft sehen. Das Diagramm ermöglicht es Ihnen zu sehen, wo Ihre Wahrnehmungen mit denjenigen anderer übereinstimmen und wo sie sich unterscheiden. Die Beispielbewertungen zeigen, wie die Führungskraft sich bei der Eigenschaft „redegewandt“ selbst höher bewertet hat als die anderen Beurteilenden. Beim zweiten Merkmal „scharfsinnig“, bewertete sich die Führungskraft selbst sogar wesentlich höher als sie durch andere bewertet wurde. Bei der Eigenschaft „selbstbewusst“ stimmt das Selbstbild der Führungskraft mit dem Fremdbild überein. Bei diesem Fragebogen gibt es keine „Bestwerte“. Der Zweck des Instruments ist es, Ihnen eine Möglichkeit zu geben, Ihre Stärken und Schwächen zu beurteilen und Bereiche zu identifizieren, in denen Ihre eigene Wahrnehmung mit derjenigen anderer übereinstimmt und in denen es Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild gibt. Die errechneten Werte liefern Informationen, wie Sie von anderen gesehen werden, wie Sie selbst sich sehen und inwieweit Selbst- und Fremdbild übereinstimmen bzw. sich unterscheiden. Damit ermöglicht das Instrument Stärken und Schwächen auszuloten.

6.2.3  Die Persönlichkeit im beruflichen Kontext

Die Persönlichkeit determiniert neben der Fachkompetenz und der intellektuellen Leistungsfähigkeit bestimmte berufliche Erfolgskriterien. So sind z. B. bei Führungskräften persönliche Verhaltensdispositionen oft entscheidend für den Aufstieg oder das Scheitern. Das speziell für die berufliche Eignungsdiagnostik im Fach- und Führungskräftebereich entwickelte Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung von Hossiep und Paschen (2003) erlaubt es, beruflich relevante Persönlichkeitsmerkmale von Fach- und Führungskräften über Fragebögen zur Selbst- und zur Fremdeinschätzung zu erfassen. Damit kann Aufschluss über das Leistungs-, Gestaltungs-, und die Führungsmotivation erhalten werden. Dies ist insbesondere deshalb interessant, weil der Test mit einer umfangreichen Datenbasis für relevante Referenzgruppen normiert wurde (Marcus 2004). Mithilfe des Verfahrens lassen sich Anknüpfungspunkte in Bezug auf kurz- oder langfristige Personalentwicklungsprozesse (z.  B. Coachings, Trainings) gewinnen.

Referenzgruppen Boc​humer Inv​entar zur be​rufsbezogenen Per­sönlichkeitsbeschreibung

134

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

. Tab. 6.1  Beispielhafte Aussagen des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) (Hossiep und Mühlhaus 2015) Trifft voll zu

Trifft überhaupt nicht zu

Für einige bin ich ein unbequemer Querdenker













Für mich sind fachliche Kompetenzen wichtiger als Führungsqualitäten













Es kommt vor, dass ich anderen gegenüber sehr dominant bin













Insgesamt umfasst der Test für die Selbstbeschreibung 14 Skalen mit insgesamt 210 Aussagen zu den Bereichen 5 berufliche Orientierung, 5 Arbeitsverhalten, 5 soziale Kompetenzen und 5 psychische Konstitution (. Tab. 6.1).

6

Kritik und praktische Anwendung des BIP

Für die Fremdbeschreibung, z. B. durch Vorgesetzte, ist der Test auf 42 Aussagen beschränkt, die ebenfalls auf einer sechsstufigen Antwortskala beurteilt werden müssen. Wenn auch aus Forschungssicht die hohen Interkorrelationen einiger Skalen kritisiert werden und – wie auch bei anderen Persönlichkeitstest – das Problem sozial erwünschter Antworten bei „durchschaubaren“ Fragen besteht (Hossiep und Mühlhaus 2015), so ist der BIP dennoch als Instrument für die Personal- und Führungskräfteentwicklung sehr gut geeignet. Auch in der Personalauswahl kann er verwendet werden, sollte allerdings aufgrund der großen Wahrscheinlichkeit von sozial erwünschten Antwortverhaltens nur als ergänzendes Instrument, z. B. als Grundlage für Interviews, eingesetzt werden. Mit dem BIP-6F (Hossiep et al. 2012) steht zudem eine kompaktere Version des BIP zur Verfügung, die sich z. B. in der Personalentwicklung für den Einsatz in Verhaltenstrainings oder Führungsseminaren eignet (. Tab. 6.2). Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP, Hossiep und Paschen 2003) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Persönlichkeitsstruktur, bezogen auf den beruflichen Kontext

Was wird gemessen?

Persönlichkeitsstruktur: –B  erufliche Orientierung (Leistungsmotivation, Gestaltungsmotivation und Führungsmotivation), – Arbeitsverhalten (Gewissenhaftigkeit, Flexibilität und Handlungsorientierung) – S oziale Kompetenzen (Sensitivität, Kontaktfähigkeit, Soziabilität, Teamorientierung und Durchsetzungsstärke), –P  sychische Konstitution (Emotionale Stabilität, Belastbarkeit und Selbstbewusstsein)

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die im Rahmen von Führungskräfteauswahl und -entwicklung die Persönlichkeit von Kandidatinnen und Kandidaten ganzheitlich und unter Einsatz mehrerer Methoden erheben wollen. Der Test ist normiert für relevante Vergleichsgruppen (z. B. Fach- und Führungskräfte im Vertrieb, Geschäftsführer)

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die – s ich im Rahmen von Selbsterfahrung und Coaching mit ihrer Persönlichkeitsstruktur im beruflichen Kontext auseinandersetzen wollen –V  orbereitung für Potenzialanalysen, Management Audits, Coaching und Assessment Center

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

–P  otenzialanalysen, Management Audits und Coaching – E rgänzendes Instrument in der Personalauswahl

6

135

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

. Tab. 6.2  Beispielhafte Aussagen des Bochumer Inventars zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung – 6 Faktoren (BIP-6F) (Hossiep und Mühlhaus 2015) Trifft voll zu

Trifft überhaupt nicht zu

Mit ist es sehr wichtig, die Richtung vorzugeben













Bei meinen Planungen überlasse ich nichts dem Zufall













Ich stehe ungern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit













136

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

6.2.4  Einzelne Aspekte der Persönlichkeit

Die Führungsforschung interessiert sich nicht nur für den Zusammenhang zwischen Führungserfolg und der Persönlichkeit in ihrer Gesamtheit (vgl. 7 Abschn. 6.2.2 und 6.2.3). Auch einzelne Aspekte der Persönlichkeit wurden im Zusammenhang mit Führung erforscht. In den folgenden drei Kapiteln geht es zunächst um die positiven Seiten der Persönlichkeit von Führungskräften und zwar um die Vertrauenswürdigkeit sowie um die sogenannten Führungstugenden. Schließlich werden die „dunklen“ Seiten dargestellt, die oft auch als Dunkle Triade der Führung bezeichnet werden: die machiavellistische Führung, die narzisstische Führung und die psychopathische Führung. Nicht nur in schwierigen Führungssituationen wie Unternehmenskrisen oder bei großen Veränderungen, kommt es darauf an, dass die Mitarbeitenden ihrer Führungskraft vertrauen. Schottländer (1957) hat Vertrauen als den Glauben an das Gute im Menschen definiert. Führungskräfte müssen wohlwollend, kompetent, berechenbar und integer sein, damit ihnen Vertrauen geschenkt wird. In Abschn. „Vertrauenswürdigkeit“ wird eine Skala zur Messung der Vertrauenswürdigkeit von Führungskräften vorgestellt. Auch die Beschäftigung mit dem Thema Vertrauen hat eine lange Tradition – bereits in der Antike wurde darüber nachgedacht, welche Tugenden eine herausragende und nach ethischen Maßstäben handelnde Führungspersönlichkeit auszeichnen. Die Klugheit, die Tapferkeit, die Mäßigung und die Gerechtigkeit – wurden sofern sie zusammenwirken – als Kardinaltugenden bezeichnet. Warum sie heute noch relevant sind und wie man sie messen kann, wird in Abschn. „Führungstugenden“ beschrieben. Abschn. „Die Dunkle Triade: Machiavellistische Führung, Narzisstische Führung und Psychopathische Führung“ konzentriert sich dann auf die Untugenden in der Führung. Es werden Instrumente zur Messung von machiavellistischer, narzisstischer und psychopathischer Führung vorgestellt.

6

Vertrauenswürdigkeit

Vertrauen entwickelt sich langfristig Was ist Vertrauen?

In turbulenten und veränderungsreichen Zeiten, aber auch ganz allgemein, ist es für Führungskräfte wichtig das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden zu gewinnen. Worauf aber basiert die Überzeugung oder die Entscheidung von Mitarbeitenden, einer Führungskraft zu vertrauen? Die Entstehung von Vertrauen wurde zunächst mit der Wahrnehmung von Wohlwollen (Strickland 1958), Ehrlichkeit (Larzelere und Huston 1980) und Kompetenz (Butler 1991) in Verbindung gebracht. Und welche Konsequenzen hat Vertrauen für das Verhalten von Mitarbeitenden? Mit eine der meistzitiertesten Definitionen von Vertrauen stammt von Mayer et al. (1995). Sie sehen es als wesentliche Eigenschaft von Vertrauen an, dass die Bereitschaft

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

besteht, ein persönliches Risiko einzugehen, indem man anderen etwas offenbart, das auch gegen einen verwendet werden könnte. Man bietet eine „Angriffsfläche“, weil man dem Gegenüber vertraut, dass es diese Schwachstelle nicht zu seinem Vorteil nutzen wird und sich kooperativ verhalten wird. Beispiele aus der Arbeitswelt sind: der Führungskraft Fehler eingestehen, auf Risiken hinweisen, die man mitverantwortet, das eigene Unvermögen oder die eigene Unsicherheit bekennen. Es liegt auf der Hand, dass derartige Verhaltensweisen nicht nur die Grundlage für eine gelebte Fehlerkultur, die Sicherung von Qualität und eine ethische Unternehmenskultur sind, sondern generell über den Führungserfolg und den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen entscheiden. Um Mitarbeitende erfolgreich zu führen, ist Vertrauen wesentlich. Dabei kann Vertrauen nicht kurzfristig aufgebaut oder von oben „verordnet“ werden (Eberl 2003). Denn Vertrauen entwickelt sich langfristig und kann zudem sehr schnell verspielt werden. Wie aber gelingt es Führungskräften, Vertrauen zu erzeugen? Auch wenn eine Reihe von Faktoren vorgeschlagen wurde, die dafür verantwortlich sind, ob einer Führungskraft vertraut werden kann, sehen Dietz und Den Hartog (2006) die folgenden vier Eigenschaften einer Person als zentral für ihre Vertrauenswürdigkeit an: 5 Wohlwollen drückt sich bei einer Führungskraft dadurch aus, dass sie gutartige Motive verfolgt, dass sie einen freundlichen Umgang pflegt und für das persönliche Wohlergehen anderer Sorge trägt. 5 Kompetenz bedeutet, dass die Führungskraft in der Lage ist, aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihres Wissens ihre Aufgabe zu erfüllen. 5 Integrität bedeutet, dass sich die Führungskraft an gegenseitig anerkannte Prinzipien hält, zu denen auch Ehrlichkeit und faire Behandlung gehören und dass sie nicht „scheinheilig“ oder „doppelzüngig“ ist. 5 Berechenbarkeit bedeutet, dass ihr Verhalten eine Regelmäßigkeit aufweist und nicht widersprüchlich ist. Vertrauen ist eine wesentliche Voraussetzung, um ein Team auf Dauer leistungsfähig zu machen. Nur wenn ein Team der Führungskraft vertraut, wird es die Handlungen, Entscheidungen und Ziele der Führungskraft akzeptieren und sich anstrengen, die gemeinsamen Ziele zu erreichen (Dirks 2000). Wenn ein Team an der Verlässlichkeit der Führungskraft zweifelt (z. B. in Bezug auf versprochene Belohnungen) oder sie verdächtigt, gegen die Interessen der Teammitglieder zu handeln, wird das Team den Erwartungen nicht gerecht werden. Gillespie und Mann (2004) haben herausgefunden, dass v. a. drei Verhaltensweisen seitens einer Führungskraft wichtig sind, damit die Teammitglieder ihr Vertrauen schenken: a) die Mitglieder

137

Eigenschaften einer vertrauenswürdigen Führungskraft

Verhaltensweisen, um Vertrauen zu gewinnen

6

138

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Leadership Trust Inventory

um Rat bitten, wenn eine Entscheidung getroffen wird, b) eine gemeinsame Vision kommunizieren und c) dass die Mitglieder eine ähnliche Wertorientierung wie die Führungskraft haben, bzw. die gleichen Werte vertreten. Um die Vertrauenswürdigkeit in der FührungskraftMitarbeitende-Beziehung näher analysieren zu können, haben Jonge und Scherm (2015) das Leadership Trust Inventory entwickelt. Die Skala wird von den Mitarbeitenden ausgefüllt, um zu erfassen, ob sie ihrer Führungskraft vertrauen. Fragebogen Auszug aus dem Leadership Trust Inventory (Felfe 2015)

6

Meine Vorgesetzte/mein Vorgesetzter … … verhält sich wertschätzend im Umgang mit mir. … würde mich nicht absichtlich kränken. … wird von Mitarbeitenden, Kolleginnen und Kollegen aufgrund ihres/seines Könnens geschätzt. … kennt sich aus. … achtet immer darauf, dass der äußere Schein gewahrt bleibt. (−) … wirkt im menschlichen Kontakt sehr berechnend. (−) Behavioural Trust Inventory

Auch Gillespie (2003; aus Dietz und Den Hartog 2006) hat einen Fragebogen, das Behavioural Trust Inventory, entworfen (. Tab. 6.3), der das Vertrauen der Mitarbeitenden in ihre Führungskraft erfasst. Gillespies Konzept zufolge gewinnt eine Führungskraft das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden, wenn sie sich ihnen gegenüber wohlwollend zeigt, Kompetenz ausstrahlt und sich integer und berechenbar verhält.

. Tab. 6.3  Behavioural Trust Inventory (Gillespie 2003, eigene Übersetzung) Wie sehr sind Sie bereit…

Worauf zielt die Frage ab:

… auf die arbeitsbezogenen Entscheidungen Ihrer Führungskraft zu vertrauen?

Kompetenz, Berechenbarkeit

… auf die aufgabenbezogenen Kompetenzen und Fähigkeiten Ihrer Führungskraft zu vertrauen?

Kompetenz, Berechenbarkeit

… davon abhängig zu sein, dass Ihre Führungskraft sich um eine für Sie wichtige Angelegenheit kümmert?

Wohlwollen, Kompetenz, Berechenbarkeit

… sich darauf zu verlassen, dass ihre Führungskraft Ihre Arbeit bei anderen richtig darstellt?

Wohlwollen, Kompetenz, Berechenbarkeit

… davon abhängig zu sein, dass Ihre Führungskraft Sie in schwierigen Situationen unterstützt?

Wohlwollen, Kompetenz, Berechenbarkeit

… Ihre persönlichen Gefühle mit Ihrer Führungskraft zu teilen?

Wohlwollen, Kompetenz, Integrität

… Ihrer Führungskraft persönliche Angelegenheiten anzuvertrauen, die sich auf Ihre Arbeit auswirken?

Wohlwollen, Kompetenz, Integrität Fortsetzung

139

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

. Tab. 6.3 Fortsetzung Wie sehr sind Sie bereit…

Worauf zielt die Frage ab:

… ehrlich anzusprechen, was Sie selbst von Ihrer Arbeit halten, sogar negative Gefühle und Frustration?

Wohlwollen, Kompetenz, Integrität

… arbeitsbezogene Probleme oder Schwierigkeiten mit Ihrer Führungskraft zu diskutieren, wenn diese möglicherweise gegen Sie verwendet werden könnten?

Wohlwollen, Kompetenz, Integrität

… Ihre persönlichen Überzeugungen mit Ihrer Führungskraft zu teilen?

Wohlwollen, Integrität

Behavioural Trust Inventory (Gillespie 2003) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Vertrauenswürdigkeit des unmittelbaren Vorgesetzten

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Wohlwollen – Kompetenz – Berechenbarkeit – Integrität

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die ihre Führungskultur, den Umgang mit Fehlern und das Teamklima verbessern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Unmittelbarer Vorgesetzte/r in einem Team

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Coaching – Führungskräfteentwicklung – Teamentwicklung

Führungstugenden Seit den Führungsskandalen in den USA bei Enron, WorldCom und Tycon (Johnson 2003) oder jüngst in Deutschland bei VW und Audi, seit dem Versagen vieler US-Finanzinstitutionen im Jahr 2007/2008 und den anhaltenden Bedenken hinsichtlich eines moralisch vertretbaren Handelns in der Politik, beschäftigen sich Praxis und Medien immer intensiver mit der Frage: Wie soll ethisches Führungsverhalten konkret aussehen (Clinard und Yeager 2011)? Auch die Wissenschaft diskutiert das Thema und liefert gute Argumente für mehr Ethik in der Führung: So soll ethische Führung die Leistung der Mitarbeitenden positiv beeinflussen und bei diesen zu proaktivem Verhalten führen (Brown et al. 2005; Brown und Treviño 2006). Die menschliche Natur weist aber Abgründe auf und oft wird Wasser gepredigt und Wein getrunken: So ist es denkbar, dass Führungskräfte sich in ihren Organisationen durchaus ethisch korrekt geben und ihre Mitarbeitenden zu ethischem Handeln ermahnen, während sie selbst, z. B. im Privaten,

Anspruch und Wirklichkeit von ethischer Führung

6

140

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Kardinaltugenden: Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit

6

Leadership Virtues Questionnaire

unethisch handeln. Man denke z. B. an Verfehlungen religiöser oder politischer Führungspersönlichkeiten. Riggio et  al. (2010) haben eine Skala für ethisches Führungsverhalten entwickelt, die sich weniger auf konkrete ethische Verhaltensweisen bezieht, sondern sich auf die dahinterliegenden charakterlichen Elemente stützt. Eine ethische Führungskraft muss demnach die vier Kardinaltugenden Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit besitzen, die bereits in den Texten von Platon, Aristoteles und Thomas von Aquin beschrieben wurden. So ist die Tugend der Klugheit notwendig, um in komplexen Situationen Entscheidungen zu treffen, die dazu beitragen, Schaden zu minimieren und gleichzeitig den größtmöglichen Nutzen zu stiften (Riggio et al. 2010). Klugheit ist nach Aristoteles die Fähigkeit, auf der Grundlage von Erfahrungen, Reflexion und Lernprozessen das Richtige zu tun. Ohne Klugheit kann Tapferkeit in Tollkühnheit ausarten, Mäßigung kann zum Fanatismus werden, und Gerechtigkeit kann sich in Gnadenlosigkeit verwandeln. Die Klugheit ist damit Bedingung für die anderen drei Kardinaltugenden Standhaftigkeit, Mäßigung und Gerechtigkeit. Standhaftigkeit bedeutet, dass Führungskräfte angesichts von Widerständen konsequent bleiben und Rückgrat beweisen. Mäßigung ist nicht nur die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren, sondern bedeutet auch, demütig zu sein und sich z. B. nicht allzu sehr auf das zu konzentrieren, was man nicht erreichen kann, also seine eigenen Schwächen zu erkennen und diese zu akzeptieren. Bei der Gerechtigkeit unterscheidet Aristoteles zwischen dem Befolgen von Gesetzen und der Fairness; wenn sich Führungskräfte z. B. auf Kosten anderer bereichern oder ihnen Rechte verweigern, handeln sie ebenfalls ungerecht und unethisch, auch wenn sie nicht unbedingt gegen Gesetze verstoßen. Bei der Messung der Tugenden stellt sich die durchaus philosophische Frage, ob es möglich ist, sich hier auf die Bewertungen der Mitarbeitenden zu verlassen, da eigentlich nur wirklich tugendhafte Personen die Tugenden anderer beurteilen können (Riggio et al. 2010). Riggio et al. (2010) konnten in ihrer Forschung allerdings starke Interkorrelationen ihres Konstrukts mit anderen Messgrößen für „gute“ Führung nachweisen, sodass die Bewertung durch Mitarbeitende durch­aus legitim ist. Der Leadership Virtues Questionnaire basiert auf der Annahme, dass sich Führungskräfte, deren persönliche Eigenschaften und Handlungen mit jeder der oben genannten vier Kardinaltugenden übereinstimmen, ethisch verhalten und dass deren unmittelbar unterstellte Mitarbeitende dies durchaus zutreffend einschätzen können.

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

Fragebogen Leadership Virtues Questionnaire (Riggio et al. 2010, eigene Übersetzung) Nie 1

Manchmal 2

3

Häufig 4

5

Meine Führungskraft … Klugheit 1. macht das, was er/sie in einer gegebenen Situation tun sollte. 2. berücksichtigt nicht sorgfältig alle verfügbaren Informationen bevor er/sie eine wichtige Entscheidung trifft, die Auswirkungen auf andere hat. (−) 3. stürzt sich tollkühn in eine Situation ohne die Folgen seines/ihres Handelns zu bedenken. (−) 4. sucht nicht in einer Vielzahl von Quellen nach Informationen, sodass die beste Entscheidung getroffen werden kann. (−) 5. betrachtet ein Problem von allen Seiten und erzielt damit die beste Entscheidung für alle Parteien. Tapferkeit 1. würde eher seinen/ihren Job riskieren als etwas Unrechtes zu tun. 2. würde Schwierigkeiten haben, für seine/ihre Überzeugung gegenüber Freundinnen und Freunden einzustehen, die nicht die gleichen Ansichten teilen. (−) 3. scheitert daran, die moralisch beste Entscheidung in einer gegebenen Situation zu treffen. (−) 4. würde zögern, ethische Standards durchzusetzen, wenn es um einen guten Freund geht. (−) 5. ignoriert seine/ihre „innere Stimme, wenn es um die Entscheidung geht, wie es weitergehen soll. (−) Mäßigung 1. scheint allzu besorgt um seine/ihre persönliche Macht zu sein. (−) 2. scheint nicht allzu sehr besorgt um seine/ihre eigenen Verdienste. 3. möchte alles wissen, was in seinem/ihrem Organisationsbereich vor sich geht, bis hin zum Micromanagement. (−) Gerechtigkeit 1. würdigt andere, wie es ihm/ihr gebührt.

141

6

142

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

2. 3. 4. 5.

zeigt Respekt für alle Menschen. würde die Lorbeeren anderer für sich reklamieren. (−) respektiert die Rechte und Würde anderer. würde Beförderungen aufgrund der Verdienste des/r Kandidaten/in fällen. 6. behandelt andere nicht so, wie er/sie selbst behandelt werden möchte. (−)

Leadership Virtues Questionnaire (Riggio et al. 2010)

6

Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Ethische Führung, basierend auf den vier Kardinaltugenden

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Klugheit – Tapferkeit – Mäßigung – Gerechtigkeit

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen in einem Prozess der Neudefinition von Führungskultur, z. B. nach Skandalen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihr Führungsverhalten reflektieren und sich weiterentwickeln wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungsfeedback – Organisationsentwicklung/ Cultural Change – Führungskräfteentwicklung – Führungskräftetraining – Coaching

Die Dunkle Triade: Machiavellistische Führung, Narzisstische Führung und Psychopathische Führung

» Ein Narzisst, ein Psychopath und ein Machiavellist treffen sich in einer Bar. Der Barkeeper fragt: „Wer von Euch dreien hat die dunkelste Persönlichkeit?“. Der Narzisst antwortet: „Ich!“, der Psychopath sagt: „Das ist mir egal.“ Und der Machiavellist erwidert: „Es ist derjenige, den ich bestimme.“ (Chopra 2013)

Auch wenn narzisstisches, psychopathisches und machiavellistisches Führungsverhalten unterschiedliche Ausprägungen und unterschiedliche Ursprünge haben, so gibt es doch auch einige Gemeinsamkeiten – Führungskräfte, die einen solchen „Führungsstil“ zeigen, haben einen sozial bösartigen Charakter mit Verhaltenstendenzen zur Selbstdarstellung, emotionaler Kälte, Doppelzüngigkeit und Aggressivität (Paulhus und Williams 2002). Einen solchen Chef wünscht man sich eher nicht.

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

143

6

z Machiavellistische Führung

Niccolo Machiavelli (1469–1527) war florentinischer Politiker und Staatsphilosoph. Sein berühmtestes Werk hat den Titel „Il Principe“ (zu Deutsch: Der Fürst), und war ein „Lehrbuch“ für die damaligen Regenten (Machiavelli 2013). Machiavelli bricht darin mit der bisherigen Tradition der sogenannten „Fürstenspiegel“ und deren moralischem Ansatz. Er entwickelt darin die Grundsätze einer Staatsräson, nach der Herrscher mitunter die Gesetze der traditionellen Moral verletzen müssen bzw. das tun müssen, was notwendig ist, um ihre politischen Ziele zu erreichen und den Staat zu erhalten („Staatsräson“). Obwohl dies nicht notwendigerweise unethisches, rücksichtsloses und amoralisches Verhalten bedeutet, wird der Begriff „machiavellistisch“ heute abwertend gebraucht, um ein Führungsverhalten zu beschreiben, bei dem der Zweck, nämlich der persönliche Nutzen, die Mittel heiligt. Mit anderen Worten: Eine machiavellistische Führungskraft ist misstrauisch, versucht Situationen und Menschen so gut wie möglich unter ihre Kontrolle zu bringen und sie hat keinerlei Skrupel, unethisch zu handeln oder anderen zu schaden, um ihre Ziele zu erreichen. Machiavellistische Führungskräfte haben ein negatives Menschenbild, sie sehen andere Menschen als schwach, fehlbar, leichtgläubig und unaufrichtig an. Sie agieren nicht auf Augenhöhe, sondern manipulieren andere Menschen, z. B. ihre Mitarbeitenden, wie Objekte. Basierend auf der Forschung von Christie und Geis (1970) können machiavellistische Führungskräfte folgendermaßen charakterisiert werden: 5 Sie lassen sich emotional nicht auf zwischenmenschliche Beziehungen ein, weil es einfacher ist andere zu manipulieren, wenn man zu diesen keine persönliche Bindung aufgebaut hat und sie als Objekte und nicht als Mitmenschen sieht. 5 Bei ihren Interaktionen mit anderen nehmen sie eher eine utilitaristische Perspektive ein, als eine moralische, da sie die herkömmliche Moral nicht interessiert. 5 Eine erfolgreiche Manipulation ihrer Mitmenschen ist abhängig von einer präzisen Analyse ihrer Bedürfnisse und einer realistischen Einschätzung der Situation im Allgemeinen. Aus diesem Grund sind machiavellistische Führungskräfte nicht unbedingt psychisch pathologisch. 5 Sie können sich für Ideologien wenig begeistern, da sie ihren Fokus darauf richten, ihre Ziele zu erreichen, anstatt sich mit möglicherweise hinderlichen Weltanschauungen und Wertvorstellungen auseinanderzusetzen.

Grundsätze einer Staatsräson

Bereits in den 70er Jahren entwickelten Christie und Geis (1970) einen eindimensionalen Fragebogen mit dem Namen Mach-IV,

Machiavellistische Persönlichkeitsskala

Der Zweck heiligt die Mittel

Merkmale einer machiavellistischen Führungskraft

144

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Mach-IV

der die machiavellistische Persönlichkeit misst. Eine methodisch fundiertere Weiterentwicklung stellt die von Dahling et al. (2009) entworfene Machiavellistische Persönlichkeitsskala dar, bei der auch neuere Erkenntnisse bspw. aus den Bereichen Vertrauen, Ethik und Unternehmenspolitik, berücksichtigt wurden. Fragebogen Machiavellistische Persönlichkeitsskala (MPS) nach Dahling et al. (2009, eigene Übersetzung) Stimme überhaupt nicht zu

6

1

Neutral 2

3

4

Stimme vollkommen zu 5

6

7

Misstrauen gegenüber anderen 1. Personen sind nur durch ihren persönlichen Nutzen motiviert. 2. Ich binde mich nicht gerne an Gruppen, weil ich anderen nicht vertraue. 3. Teammitglieder fallen sich gegenseitig ständig in den Rücken, um weiter zu kommen. 4. Wenn ich eine Schwäche in der Arbeit zeige, werden andere dies ausnützen. 5. Andere Leute überlegen ständig, wie sie Gelegenheiten auf meine Kosten ausnutzen können. Amoralität 1. Ich würde mich unethisch verhalten, wenn ich glaube, dass es mir hilft, erfolgreich zu sein. 2. Ich würde die Bemühungen anderer sabotieren, wenn diese meine eigenen Ziele gefährden. 3. Ich würde betrügen, wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, erwischt zu werden. 4. Ich glaube, unaufrichtig zu sein, ist notwendig, um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen zu behalten. 5. Der einzige triftige Grund mit anderen zu reden ist Informationen zu erhalten, die ich zu meinem Vorteil nutzen kann. Wunsch nach Kontrolle 1. Ich erteile in zwischenmenschlichen Situationen gerne Anweisungen. 2. Ich genieße es, Kontrolle über die Situation zu haben. 3. Ich genieße es, die Kontrolle über andere Personen zu haben. Wunsch nach Status 1. Status ist ein gutes Zeichen für den Erfolg im Leben. 2. Reichtum anzuhäufen ist ein wichtiges Ziel für mich. 3. Ich möchte eines Tages reich und einflussreich sein.

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

145

6

Machiavellistische Persönlichkeitsskala (MPS, Dahling et al. 2009) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Machiavellistische Führungspersönlichkeit

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Misstrauen gegenüber anderen – Amoralität – Wunsch nach Kontrolle – Wunsch nach Status

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die ihre Führungskultur reflektieren, entwickeln, verändern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihr Menschenbild und ihre eigenen Einstellungen reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Entwicklung von Führungskultur (Führungstrainings, Coaching, Compliance, Selbstreflexion, Persönlichkeitsentwicklung)

z Narzisstische Führung

Das narzisstische Führungskonzept hat eine lange Geschichte. Erstmals wurde Narzissmus im Jahr 1898 in der psychologischen Literatur eingeführt. Havelock Ellis (1898) nutzte den Begriff „narcissus-like“, um eine Tendenz des sich Verlierens in Selbstbewunderung zu beschreiben. Kurze Zeit später schrieb der Deutsche Paul Näcke (1899) eine Zusammenfassung von Ellis’ Artikel und verwendete erstmalig den Begriff Narzissmus. Dieser bezog sich hier auf eine sexuelle Perversion bzw. Geschlechtsverirrung, bei der eine Person ihren eigenen Körper als sexuelles Objekt behandelt. Freud wurde auf diese Publikation aufmerksam und führte in der Folge den Narzissmus als metapsychologisches Konstrukt ein. Aus seiner Perspektive ist Narzissmus u. a. der Ursprung und Energielieferant für die Entwicklung des eigenen Egos (Raskin und Terry 1988). Im Kontext von Führung wird mit Narzissmus ein Syndrom bezeichnet, das mit Arroganz, Selbstverliebtheit, Anspruchsdenken und einem zerbrechlichen Selbstwertgefühl einhergeht und sich in starken Bedürfnissen nach Ansehen (z. B. Prestige, Status, Aufmerksamkeit, Bewunderung) und Macht manifestieren. In vielen Fällen werden diese Bedürfnisse auf Kosten von Mitarbeitenden erreicht, v. a. dann, wenn sich die Führungskraft gegenüber Mitarbeitenden launisch, feindselig, unfair, egoistisch und manipulierend verhält (Yukl 2010). Auch wenn bei Narzissten nicht die einfühlsame Sorge um die von ihnen geführten Mitarbeitenden oder Organisationen im Vordergrund steht, so besitzen sie doch das Charisma und die visionäre Kraft, die für eine effektive Führung unerlässlich sind (Rosenthal und Pittinsky 2006). So zeigen Untersuchungen,

Verständnis von Narzissmus

Merkmale einer narzisstischen Führungskraft

146

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Narcissistic Personality Inventory

dass viele mächtige und extrem erfolgreiche Führungspersönlichkeiten, z. B. U.S. Präsidenten und CEOs von Computerund Softwareunternehmen, narzisstische Züge aufweisen (Chatterjee und Hambrick 2007; Deluga 1997). Raskin und Terry (1988) entwickelten für die Messung von Narzissmus mittels Selbsteinschätzung das Narcissistic Personality Inventory, das die sieben Komponenten Autorität, Exhibitionismus, Überlegenheit, Eitelkeit, Ausnutzen anderer, Anspruchshaltung und Unabhängigkeit umfasst.

Fragebogen

6

Narcissistic Personality Inventory nach Raskin und Terry (1988, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

Autorität 1. Ich würde es vorziehen, Führungskraft zu sein. 2. Ich sehe mich selbst als gute Führungskraft. 3. Ich werde erfolgreich sein. 4. Andere Personen scheinen immer meine Autorität zu erkennen. 5. Ich habe ein natürliches Talent, Menschen zu beeinflussen. 6. Ich bin durchsetzungsfähig. 7. Ich habe gerne Autorität über andere. 8. Ich bin eine geborene Führungsperson. Unabhängigkeit 9. Ich bin selten von jemand anderem abhängig, um etwas zu schaffen. 10. Ich übernehme gerne Verantwortung für das Treffen von Entscheidungen. 11. Ich bin fähiger als andere Personen. 12. Ich kann mein Leben so leben, wie ich es will. 13. Ich weiß immer genau, was ich tue. 14. Ich werde eine große Persönlichkeit sein. Überlegenheit 15. Ich bin eine außerordentliche Persönlichkeit. 16. Ich weiß, dass ich gut bin, weil es mir ständig alle sagen. 17. Ich erhalte gerne Komplimente. 18. Ich denke, ich bin etwas Besonderes. 19. Ich wünschte, jemand würde eines Tages meine Biographie schreiben.

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

Exhibitionismus 20. Ich habe eine Neigung anzugeben, wenn sich eine Möglichkeit dazu bietet. 21. Bescheidenheit passt nicht zu mir. 22. Es ärgert mich, wenn andere Personen nicht bemerken wie ich aussehe, wenn ich ausgehe. 23. Ich stehe gerne im Mittelpunkt. 24. Ich würde fast alles machen bei einer Mutprobe. 25. Ich stehe wirklich gerne im Mittelpunkt. 26. Ich mag neue Mode und bin Trendsetter. Ausnutzen anderer 27. Ich kann in Personen wie in einem Buch lesen. 28. Ich kann jeden glauben machen, was ich will. 29. Es fällt mir leicht, andere zu manipulieren. 30. Ich kann mich normalerweise aus allem herausreden. 31. Jeder hört gerne meine Geschichten. Eitelkeit 32. Ich betrachte gerne meinen Körper. 33. Ich schaue mich gerne im Spiegel an. 34. Ich zeige gerne meinen Körper. Anspruchshaltung 35. Ich bin solange nicht zufrieden bis ich bekomme, was ich verdiene. 36. Ich erwarte sehr viel von anderen Menschen. 37. Ich möchte in den Augen der Welt etwas bedeuten. 38. Ich habe einen großen Willen zur Macht. 39. Ich bestehe darauf, den Respekt zu bekommen, der mir zusteht. 40. Wenn ich die Welt regieren würde, wäre sie ein viel besserer Ort.

Narcissistic Personality Inventory (Raskin und Terry 1988) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Narzisstische Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Autorität – Unabhängigkeit – Überlegenheit – Exhibitionismus – Ausnutzen anderer – Eitelkeit – Anspruchshaltung

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Dynamisches Umfeld – Intensiver Wettbewerb

147

6

148

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Top Management – Obere Hierarchieebenen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Selbstreflektion und Coaching für Führungskräfte im oberen Management, z. B. Kontrastierung zu ethischer Führung

z Psychopathische Führung

» “Not all psychopaths are in prison. Some are in the Boardroom.” (Hare 2002)

6

Psychopathie – die dunkelste Dimension der Dunklen Triade

„Helle“ Seiten der Psychopathie

Taktiken psychopathischer Führungskräfte

Die wohl finsterste Dimension der dunklen Triade ist die psycho­ pathische Führung. Im Vergleich zu Narzissten und Machiavellisten tendieren Psychopathen noch mehr zu Schikane, Tyrannei und Mobbing (Baughman et al. 2012). Psychopathen sind außerdem unberechenbar – bei ihnen kann es jederzeit zu einem cholerischen Ausbruch kommen. Sie lassen sich als kalt, gefühllos, manipulativ und gleichzeitig erlebnishungrig charakterisieren. Als Führungskräfte können sie sich nur schwer bis gar nicht in andere Personen einfühlen. Beispiele aus der Populärkultur für solche Persönlichkeiten sind bspw. der gefühlskalte Drogenboss Tuco Salamanca aus der Fernsehserie „Breaking Bad“ oder der Joker – gespielt von Heath Ledger – im Film „The Dark Knight“ (Furtner 2017). Im Unternehmenskontext weisen laut Babiak et al. (2010) etwa 4 % der Führungskräfte in den Top-Führungsebenen psychopathische Züge auf. Man findet psychopathische Persönlichkeiten eher in privaten Unternehmen und weniger im öffentlichen Dienst, in sozialen oder medizinischen Berufen. Im Idealfall finden Psychopathen einen Job, in dem sie ohne Aufsicht überwiegend alleine arbeiten können und kaum Regeln befolgen müssen (Externbrink et al. 2018). Warum aber werden sie überhaupt eingestellt? Neben ihrer dunklen Seite besitzen Psychopathen oft auch wünschenswerte Eigenschaften wie Charme und Durchsetzungsfähigkeit und sie beherrschen alle Register des Eindrucksmanagements. Die oft innerhalb eines kurzen Zeitraums stattfindende Eignungsdiagnostik, z. B. mittels Interviews, erlaubt es nicht, alle Facetten der Persönlichkeit von Bewerberinnen und Bewerbern zu enthüllen. Eine Meta-Studie von Landay et al. (2019) zeigt sogar, dass eine leicht psychopathische Persönlichkeit die Chancen verbessert, in die Chefetage aufzusteigen – allerdings ohne langfristigen Erfolg. Ein weiteres Ergebnis dieser Studie ist, dass weibliche Führungskräfte mit psychopathischen Zügen weniger toleriert werden als Männer. Die Case Study von Boddy (2017) beschreibt die verheerenden Konsequenzen, wenn ein psychopathischer CEO „an die Macht“ gelangt – und eben nicht alleine, sondern mit einem Team arbeitet: Die Mitarbeiterfluktuation nimmt zu, der Umsatz und die Mitarbeiterbindung gehen zurück, das kreative Verhalten und die Innovationskraft nehmen ebenfalls ab. Das liegt v. a. auch daran,

6.2 · Diagnose der Leistungsfähigkeit und Persönlichkeit von Führungskräften

dass sich psychopathische Führungskräfte nicht nur sogenannter „weicher Taktiken, wie z. B. Einschmeicheln und Argumentieren, sondern auch „harten Taktiken“ bedienen, wie bspw. der direkten Manipulation und des Aufzwingens des eigenen Willens. Durch geschickte Beeinflussungstechniken und die Ausübung von Druck führen sie nicht nur Verhaltensänderungen herbei, sondern wirken auch auf Überzeugungen, Einstellungen, Bedürfnisse und Werte ein, um ihre persönlichen Ziele zu erreichen (Jonason et al. 2012). Um alle drei Dimensionen der dunklen Triade – den Narzissmus, den Machiavellismus und die Psychopathie – praktikabel abbilden zu können, entwickelten Jones und Paulhus (2014) aus bestehenden Skalen eine Kurzskala, die Short Dark Triad Skala. In der folgenden Tabelle werden die Items zur Messung psychopathischer Führung vorgestellt: Fragebogen Psychopathie-Items der Short Dark Triad (SD3) Skala nach Jones und Paulhus (2014, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Stimme nicht zu

Teils/teils

Stimme zu

Stimme voll und ganz zu

2

3

4

5

Ich mag es, mich an Autoritäten zu rächen. Ich meide gefährliche Situationen. (−) Rache muss schnell und schmerzhaft sein. Leute sagen oft, dass ich außer Kontrolle bin. Ich kann zu anderen wirklich gemein sein. Leute, die sich mit mir anlegen, bereuen es immer. Ich bin noch niemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten. (−) Ich genieße es, Sex mit Personen zu haben, die ich kaum kenne. Ich würde alles sagen, um zu bekommen, was ich will.

Short Dark Triad-Skala (SD3, Jones und Paulhus 2014) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Psychopathische Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

Neben der Psychopathie enthält die SD3-Skala noch die Dimensionen Machiavellismus und Narzissmus

Für welche Unternehmen und Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Alle, die an der Reflektion des eigenen und fremden Führungsverhaltens oder der Führungskultur interessiert sind

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Selbstreflektion – Coaching

149

Short Dark Triad Skala

6

150

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

z Das „dreckige Dutzend“ Das „dreckige Dutzend“ – eine kompakte Messmethode

6

Jonason und Webster (2010) haben eine kompakte Messmethode mit lediglich 12 Items zur Erfassung der dunklen Seite der menschlichen Natur entwickelt und validiert. Sie nennen dieses Instrument das „dreckige Dutzend“. Generell gibt es einen Trend in der psychologischen Diagnostik, prägnante Messungen für die wichtigsten Persönlichkeitsmerkmale zu erstellen. Knackige Messmethoden sind attraktiv, weil sie weniger Zeit in Anspruch nehmen als umfangreiche Persönlichkeitsinventare, indem sie redundante Items eliminieren und so die Ermüdung und Frustration der Teilnehmenden reduzieren. Fragebogen Dirty Dozen nach Jonason und Webster (2010) (eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Stimme voll und ganz zu 2

3

4

5

6

7

8

9

Machiavellismus 1. Ich neige dazu, andere zu manipulieren, um meinen Willen durchzusetzen. 2. Ich habe getäuscht oder gelogen, um meinen Willen durchzusetzen. 3. Ich habe Schmeicheleien benutzt, um meinen Willen durchzusetzen. 4. Ich neige dazu, andere für mein eigenes Ziel auszunutzen. Psychopathie 1. Ich neige dazu, keine Skrupel zu haben. 2. Ich neige dazu, mich nicht mit der Moral meines Handelns zu beschäftigen. 3. Ich neige dazu, gefühllos oder unsensibel zu sein. 4. Ich neige dazu, zynisch zu sein. Narzissmus 1. Ich neige dazu, zu wollen, dass andere mich bewundern. 2. Ich neige dazu, zu wollen, dass andere auf mich schauen. 3. Ich neige dazu, nach Prestige oder Status zu streben. 4. Ich neige dazu, von anderen besondere Gefälligkeiten zu erwarten.

Dirty Dozen (Jonason und Webster 2010) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Dunkle Triade

151

6.3 · Diagnose von Einstellungen

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Machiavellismus – Psychopathie – Narzissmus

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Dynamisches Umfeld – Intensiver Wettbewerb

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Top Management – Obere Hierarchieebenen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Selbstreflektion und Coaching für Führungskräfte im oberen Management, z. B. Kontrastierung zu ethischer Führung

6.3  Diagnose von Einstellungen

Mit Einstellung ist in der Psychologie die Bereitschaft einer Person gemeint, in bestimmter, meist positiver oder negativer Weise auf einen Reiz zu reagieren. Der Reiz kann dabei vielgestaltig sein. Es kann sich z. B. um eine bestimmte Person, eine Personengruppe aber auch eine Situation, ein Objekt oder lediglich eine Vorstellung handeln. Und auch die Reaktion kann sich auf verschiedenen Ebenen abspielen: der kognitiven Ebene (z. B. indem sich eine Überzeugung verfestigt), der Gefühlsebene (z. B. indem man sich ärgert) oder der Verhaltensebene (z. B. indem man sich bei der Arbeit anstrengt) (Six 2014). Im Folgenden werden einige Messinstrumente vorgestellt, die die Einstellung der Mitarbeitenden gegenüber der Führung oder Einstellungen der Führungskräfte selbst erheben können. 7 Abschn. 6.3.1 stellt eine Skala zum Vertrauen in die Führungskraft bzw. zur Loyalität von Mitarbeitenden gegenüber der Führungskraft vor. In 7 Abschn. 6.3.2 geht es um die Feedbackorientierung von Führungskräften, die ebenfalls Einstellungskomponenten – z. B. Verantwortungsübernahme – enthält. Ein Instrument zur Messung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung von Führungskräften, also der Einschätzung der eigenen Möglichkeiten, neue oder schwierige Anforderungssituationen aufgrund eigener Fähigkeiten bewältigen zu können, wird in 7 Abschn. 6.3.3 präsentiert. 6.3.1  Vertrauen und Loyalität gegenüber der

Führungskraft

Besonders heikle Situationen, wie bspw. ein anstehender Personalabbau, stellen Führungskräfte vor die Herausforderung, das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden weiterhin aufrecht zu erhalten. Norman et al. (2010) fanden heraus, dass eine offene und ehrliche Kommunikationspolitik sowie Fähigkeiten aus der positiven Psychologie seitens der Führungskraft das Vertrauen der Mitarbeitenden in die Führung in derartigen Situationen steigern können. Unabhängig davon, ob

Positive Auswirkungen von Vertrauen

6

152

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Trust in/Loyalty to the Leader Scale

6

die Unternehmenssituation schwierig ist oder nicht, sind Mitarbeitende zufriedener im Job und zeigen mehr Commitment gegenüber ihrer Organisation, wenn sie ihrer Führungskraft vertrauen können. Diese Vertrauensbeziehung bestärkt die Mitarbeitenden zudem darin, ihre Aufgaben engagierter anzugehen und unterstützendes Verhalten gegenüber Kolleginnen und Kollegen zu zeigen (Yang und Mossholder 2010). Um das Vertrauen und die Loyalität von Mitarbeitenden gegenüber ihrer Führungskraft zu erfassen, haben Podsakoff et al. (1990) drei Items aus den Skalen von Cook und Wall (1980) mit drei neuen Items kombiniert, um ein ökonomisches und übersichtliches Messinstrument zu entwickeln. Die ersten drei Items zielen mit den Themen Fairness, Verlässlichkeit und Integrität auf die vermutete Vertrauenswürdigkeit der Führungskraft ab, die restlichen Items reflektieren die Loyalität der Mitarbeitenden gegenüber ihrer Führungskraft. Fragebogen Trust in/Loyalty to the Leader Scale nach Podsakoff et al. (1990, eigene Übersetzung) Stimme überhaupt nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme vollkommen zu 4

5

1. Ich bin sehr zuversichtlich, dass mich meine Führungskraft immer fair behandeln wird. 2. Meine Führungskraft würde nie versuchen, einen Vorteil zu erlangen, indem sie/er Mitarbeitende täuscht. 3. Ich habe vollstes Vertrauen in die Integrität meiner Führungskraft. 4. Ich empfinde eine starke Loyalität gegenüber meiner Führungskraft. 5. Ich würde meine Führungskraft in fast jeder Notsituation unterstützen. 6. Ich habe ein gespaltenes Loyalitätsverhältnis zu meiner Führungskraft. (−)

Trust in/Loyalty to the Leader Scale (Podsakoff et al. 1990) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Vertrauen in die Führungskraft und Loyalität gegenüber der Führungskraft

Welche Dimensionen enthält die Skala?

Vertrauen/Loyalität

153

6.3 · Diagnose von Einstellungen

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– I nnovative Unternehmen in dynamischem Umfeld –U  nternehmen mit hoher Fluktuation

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die sich selbst und ihr Verhältnis zu Mitarbeitenden reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Mitarbeiterbindung/Commitment erhöhen – F eedbackkultur fördern – Kooperation verbessern – Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen

6

6.3.2  Feedbackorientierung

Heute schlagen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Berufspfad ein, der am meisten Weiterentwicklung und Erfolg verspricht, unabhängig vom Unternehmen. Wenn Unternehmen talentierte Mitarbeitende anwerben und an sich binden wollen, müssen sie also Entwicklungsmöglichkeiten schaffen und vielfältige Karrierepfade bieten (Linderbaum und Levy 2010). Im Rahmen der Mitarbeiter- und Führungskräfteentwicklung ist Feedback ein immer wichtiger werdendes Tool. Feedback wirkt nicht nur motivations- und leistungssteigernd (London 2003), es reduziert Unsicherheit, liefert Orientierung über Zielfortschritt und -erreichung und verstärkt das Gefühl, kompetent zu sein. In der Personalarbeit wird Feedback daher sogar häufiger zur Mitarbeiterentwicklung eingesetzt als zur reinen Leistungsbewertung (Levy und Williams 2004). Um wirksam Feedback geben zu können und eine positive Haltung gegenüber dem Feedback und dem Feedbackgebenden sicherzustellen, müssen Führungskräfte sensibel sein: Welche Einstellungen haben die einzelnen Mitarbeitenden zu Feedback, wie reagieren sie auf Feedback und wie nutzen sie dieses im Alltag (Ilgen et al. 1979)? Um diese feedbackspezifischen individuellen Unterschiede in der Feedbackorientierung zu ermitteln, haben Linderbaum und Levy (2010) die Feedback Orientation Scale (FOS) entwickelt. Die FOS hilft zu erkennen, wie offen oder empfänglich ein Mitarbeitender oder eine Führungskraft für Feedback und damit verbundene Entwicklungsmaßnahmen ist (Linderbaum und Levy 2010). Fragebogen Feedback Orientation Scale (FOS) nach Linderbaum und Levy (2010, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral 2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

Nutzen von Feedback

Feedback Orientation Scale

154

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Nützlichkeit   1. Feedback trägt zu meinem Erfolg in der Arbeit bei.   2. Um meine Fähigkeiten bei der Arbeit zu entwickeln, bin ich auf Feedback angewiesen.   3. Feedback ist entscheidend, um die Arbeitsleistung zu verbessern.   4. Feedback von Vorgesetzten kann mir helfen im Unternehmen weiter zu kommen. Verantwortungsübernahme   5. Es liegt in meiner Verantwortung erhaltenes Feedback umzusetzen, um meine Leistung zu verbessern.   6. Ich bin dafür verantwortlich, angemessen auf Feedback zu reagieren.   7. Erst wenn ich auf Feedback reagiert habe, ist die Sache für mich abgeschlossen.   8. Wenn ich von meinem Vorgesetzten Feedback erhalte, bin ich dafür verantwortlich, darauf einzugehen.   9. Ich fühle mich verpflichtet, aufgrund von Feedback etwas zu verändern.

6

Soziale Wahrnehmung 10. Ich achte darauf, was andere Personen von mir denken. 11. Durch Feedback wird mir bewusster, was andere Personen über mich denken. 12. Feedback hilft mir, den Eindruck, den ich auf andere mache, zu steuern. 13. Ich nutze Feedback, um einen guten Eindruck bei anderen zu hinterlassen. Feedbackselbstvertrauen 14. Ich bin selbstbewusst im Umgang mit Feedback. 15. Im Vergleich zu anderen kann ich besser mit Feedback umgehen. 16. Ich glaube, dass ich die Fähigkeit habe, wirksam mit Feedback umzugehen. 17. Sowohl auf positives als auch auf negatives Feedback kann ich selbstsicher reagieren. 18. Ich weiß, dass ich mit dem Feedback, das ich erhalte, umgehen kann.

Anwendung der FOS

Linderbaum und Levy (2010) gehen davon aus, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der individuellen Feedbackorientierung und dem Erfolg von Trainingsoder Coaching-Maßnahmen gibt. Obwohl die individuelle Feedbackorientierung grundsätzlich relativ stabil ist, kann sie durch gezielte Interventionen wie Coaching beeinflusst

155

6.3 · Diagnose von Einstellungen

werden. In der HR-Praxis von Unternehmen kann es daher sinnvoll sein, die Skala z. B. in Potenzialanalysen oder Assessment Centern einzusetzen. Aber auch Führungskräften hilft es, mehr über ihre eigene oder die Feedbackorientierung ihrer Mitarbeitenden zu erfahren. Einerseits können sie dadurch bspw. ein besseres Verständnis gewinnen, warum sie selbst nie Feedback erhalten. Andererseits hilft es ihnen, wenn z. B. ein Mitarbeitender nur ein geringes Feedbackselbstvertrauen hat, dies bei Rückmeldungen adäquat berücksichtigen zu können. Feedback Orientation Scale (FOS, Linderbaum und Levy 2010) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Feedbackorientierung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Nützlichkeit – Verantwortungsübernahme – Soziale Wahrnehmung – Feedbackselbstvertrauen

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

–K  undenorientierte, innovative Unternehmen in einem dynamischen Umfeld – S ituation: intensiver Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt – HR-Ziele: Mitarbeiterbindung erhöhen –P  ersonalentwicklung als strategisches Ziel – Feedbackkultur fördern

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– S elbstreflektion der eigenen Feedbackorientierung – F ührungskräfte, die die Einstellung der Mitarbeitenden zu Feedback kennen wollen, diese individueller führen und weiterentwickeln wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

–O  rganisations- und Personalentwicklung, z. B. Potenzialanalyse, Assessment Center – Mitarbeiterbindung

6.3.3  Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Um aktuellen Anforderungen als Führungskraft gerecht zu werden, reicht es nicht Wissen und Fähigkeiten im eigenen Tätigkeitsfeld zu haben. Sie müssen auch über sogenannte Selbstkonzepte verfügen, also entsprechende psychologische Ressourcen, um dieses Wissen und diese Fähigkeiten in dynamischen und sich verändernden Kontexten auch nutzen zu können (Hannah et al. 2009). Eines dieser Selbstkonzepte ist die Selbstwirksamkeitsüberzeugung, die das Vertrauen in die eigene Kompetenz ausdrückt. Personen mit ausgeprägter Selbstwirksamkeitsüberzeugung glauben daran, dass

Notwendigkeit von Selbstkonzepten

6

156

6

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Posi​tive Aus​wir­ kungen der Se​lbs­t­ wirksamkeitsüberzeugung von F​üh​rungskräften

Leader Efficacy Questionnaire

sie aufgrund eigener Kompetenzen bestimmte, auch schwierige Aufgaben bewältigen oder Ziele erreichen können. Diese Personen sind der Meinung, dass es an ihnen liegt, gezielt Einfluss zu nehmen (internaler ­locus-of-control) und dass sie weder Opfer der Umstände noch anderer Personen sind, die sie nicht kontrollieren können. Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung wird u. a. dadurch positiv beeinflusst, dass man motivierenden Zuspruch bekommt, dass man selbst schwierige Aufgaben löst oder miterlebt, wie andere dies tun (Bandura 1977). Es hat sich gezeigt, dass die Selbstwirksamkeitsüberzeugung von Führungskräften nicht nur deren Commitment zum eigenen Unternehmen steigert, sondern dass auch deren Führungsleistung (z. B. Streben nach Verbesserung, Vorantreiben von Veränderungsprozessen) von den Mitarbeitenden positiver wahrgenommen wird (Paglis und Green 2002). Des Weiteren haben Villanueva und Sánchez (2007) herausgefunden, dass Führungskräfte, die Vertrauen in ihre eigenen Führungsqualitäten haben, auch dazu beitragen, die kollektive Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden zu erhöhen. Eben diese führt dann letztlich auch zu einer höheren allgemeinen Gruppenleistung. Diese Zusammenhänge zeigen, wie wichtig und wertvoll diese Eigenschaft bei Führungspersonen für Unternehmen ist. Um dieses Konstrukt zu fassen, haben Hannah und Avolio (2013) den Leader Efficacy Questionnaire (LEQ) mit 22 Items entwickelt. Sie bilden dabei einerseits das Vertrauen einer Führungskraft in ihre eigene Führungskompetenz ab und andererseits inwieweit die Führungskraft überzeugt ist, dass Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte und ihr sonstiges Umfeld sie bei ihrer Führungsaufgabe unterstützen.1 Die persönliche Selbstwirksamkeit ist also nur eine Seite der Medaille, Führungskräfte müssen nicht nur von sich selbst überzeugt sein, sondern auch davon, dass ihre Leistung als Führungskraft vom Kontext unterstützt wird. Der LEQ erfasst beides. Der vollständige Fragebogen kann auf 7 www.mindgarden.com2 erworben werden. Fragebogen Leader Efficacy Questionnaire (LEQ) – 3 Beispielitems (Hannah und Avolio 2013, eigene Übersetzung) Instruktion: Denken Sie an sich selbst als Führungskraft in Ihrem Unternehmen und geben Sie für jede der folgenden Aussagen Ihr persönliches Selbstvertrauen an. Ein Wert von 100

1 2

Eine ausführliche theoretische Herleitung des Fragebogens kann in dem Artikel von Hannah et al. (2012) nachgelesen werden. Detaillierte Informationen finden Sie hier: 7 https://www.mindgarden. com/115-leader-efficacy-questionnaire (zuletzt geprüft am 10.08.2019).

157

6.4 · Diagnose der Führungsmotivation

entspricht 100 % Selbstvertrauen, während ein Wert von 0 kein Selbstvertrauen bedeutet. Diese Umfrage ist vertraulich und wird nur für Ihre eigene Entwicklung verwendet. Bitte antworten Sie ganz offen und ehrlich. Überhaupt nicht 0

Mittelmäßig …

50

Vollkommen …

100

Als Führungskraft kann ich… …m  eine Mitarbeitenden aktivieren, damit sie ihr Bestes geben. … mich darauf verlassen, dass meine Organisation mir benötigte Ressourcen zur Verfügung stellt, um effektiv zu sein. …b  estimmen, welcher Führungsstil in einer gegebenen Situation erforderlich ist.

Leader Efficacy Questionnaire (LEQ, Hannah und Avolio 2013) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Selbstwirksamkeitsüberzeugung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– L eader Action Self-Efficacy (Handlungsselbstwirksamkeit der Führungskraft) – L eader Self-Regulation Efficacy (Selbstregulierungswirksamkeit der Führungskraft) – Leader Means Efficacy (Wirksamkeit des Umfelds der Führungskraft)

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen im Wandel, z. B. in disruptiven Transformationsprozessen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die Veränderungsprozesse bewältigen müssen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Change-Management – Führungskräfteentwicklung – Potenzialanalysen – 360-Grad-Feedback

6.4  Diagnose der Führungsmotivation

Kark und van Dijk (2007) gehen davon aus, dass die Motivation zu führen entweder affektiv oder sozial-normativ ausgeprägt sein kann. Das bedeutet, es gibt Führungskräfte, die ihre Führungsaufgabe genießen und sich selbst als „geborene“ Führungskraft sehen (affektiv) und diejenigen, die aus einem Gefühl von Verantwortung und Pflicht führen (sozial-normativ) (Chan und Drasgow 2001). Kark und van Dijk (2007) unterscheiden

Ideales Selbst vs. Pflicht-Selbst

6

158

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

6

Führungsmotivation beeinflussen

Hamb​urger Führungs­ motivationsinventar

auch Führungskräfte mit „Promotionszielen“ von Führungskräften mit „Präventionszielen“. Während erstere das „ideale Selbst“ darstellen und Hoffnungen, Wünsche und Ambitionen beinhalten, stellen Präventionsziele das „Pflicht-Selbst“ dar und umfassen Aufgaben, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten. Führungskräfte, die auf einen Aufstieg hoffen und offen für Veränderungen sind, tendieren dazu affektiv motiviert zu sein. Es wird ihnen ein transformationaler (7 Abschn. 2.2.2) oder charismatischer Führungsstil (7 Abschn. 2.2.1) zugeschrieben. Setzen Führungskräfte jedoch auf Pflichterfüllung und sind ihnen Werte wie Sicherheit und Tradition wichtig, so gehen Kark und van Dijk (2007) von einer sozial-normativen Führungsmotivation aus. Diese spiegelt sich in einem kontrollierenden und eher transaktionalen Führungsstil (7 Abschn. 2.2.2) wider. Wie wichtig persönliche Werte sind, zeigen auch die Ergebnisse von Clemmons und Fields (2011), die eine Studie im militärischen Kontext durchgeführt haben. Sie kommen zu dem Schluss, dass Werte der Selbstentfaltung wie bspw. das Verlangen nach Macht und Leistung, sowohl stark mit der affektiven als auch der sozial-normativen Führungsmotivation verknüpft sind. Unternehmen können sich nun die Frage stellen, ob es sinnvoll wäre, die Führungsmotivation ihrer Führungskräfte beeinflussen zu wollen bzw. ob dies überhaupt möglich wäre. Techniken der Verhaltensmodellierung (z.  B. Videos von erwünschtem Führungsverhalten bzw. Rollenbildern) wären denkbar, um das individuelle Führungspotential weiterzuentwickeln und die Identität als Führungskraft zu stärken (Waldman et al. 2013). Man sollte sich allerdings bewusstmachen, dass es sich aus ethischer Perspektive je nach Ausprägung der Verhaltungsmodellierung um eine Gratwanderung handelt. Das individuelle Führungsmotiv kann mithilfe des Hamburger Führungsmotivationsinventars (FÜMO) – entwickelt von Felfe et al. (2012) – gemessen werden. Es wird also gemessen, welchen Antrieb ein Individuum hat, eine Führungskarriere einzuschlagen und entsprechend Führungsverantwortung zu übernehmen. Das FÜMO besteht aus 28 Skalen, folglich handelt es sich hier um einen sehr ausführlichen Fragebogen, für den bis zu 25 Minuten Bearbeitungszeit eingeplant werden sollten. Im Folgenden finden Sie fünf Beispielitems: Fragebogen Beispielitems des Hamburger Führungsmotivationsinventars (FÜMO) nach Felfe et al. (2012) Skala „Streben nach Einfluss“: „Ich empfinde es als angenehm, in meinem Umfeld die Kontrolle über Ereignisse zu haben.“

6.4 · Diagnose der Führungsmotivation

Skala „Vermeidung von Kontrollverlust“: „Wenn andere auf mich angewiesen sind, habe ich große Bedenken, einen Fehler zu machen.“ Skala „Streben nach Erfolg“: „Es macht mir Spaß zu zeigen, dass ich etwas kann.“ Skala „Vermeidung von Misserfolg“: „Ich vermeide Konkurrenzsituationen, um nicht als Verlierer hervorzugehen.“ Skala „Streben nach Akzeptanz“: „Mir ist es wichtig, zu allen eine gute Beziehung zu pflegen.“ (Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Hogrefe Verlages. Das Testverfahren ist zu beziehen bei der Testzentrale 7 www.testzentrale.de)

Hamburger Führungsmotivationsinventar(FÜMO, Felfe et al. 2012) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Führungsmotivation

Welche Dimensionen enthält die Skala?

–B  asismotive (Macht-, Leistungs- und Anschlussmotiv) – F ührungsmotiv (affektiv, kalkulativ, normativ) – F ührungsaffine Interessenfelder (Gestaltung, Autonomie, Verantwortung, Bestätigung, Mentoring, Wachstum) –M  otivationshindernisse (Vermeidung von Führung, Bedingtes Führungsmotiv, Work-Life-Conflict)

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die ihre Karriere-/Laufbahnplanung professionalisieren wollen oder Talentmanagement einführen wollen (Potenziale frühzeitig erkennen)

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– F ührungskräfte vor dem nächsten Karriereschritt – F ührungskräfte, die sich neu orientieren wollen – F ührungskräfte, die ihre motivationalen Potenziale und Hindernisse erkennen und verbessern wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfteentwicklung – Potenzialanalyse – Trainings – Coachings

159

6

160

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

6.5  Messung einzelner Aspekte des

Führungsverhaltens

6

Im folgenden Kapitel werden Messinstrumente für einzelne Aspekte des Führungsverhaltens vorgestellt. Zunächst steht das Einfluss- und Kommunikationsverhalten der Führungskraft im Fokus, das für den Führungserfolg entscheidend ist. Hier kann in einer Messung die Selbstwahrnehmung der Führungskraft zu ihrem eigenen Kommunikationsstil mit der Fremdeinschätzung durch ihre Mitarbeitenden kontrastiert werden. Ebenso wichtig wie Kommunikation ist das Repertoire von Einflussstrategien, das eine Führungskraft besitzt. Ob dieses ausreichend groß ist, kann durch den Einsatz eines Messinstruments sichtbar gemacht werden, das aus der Außenperspektive danach fragt, inwieweit Führungskräfte bestimmte Einflussstrategien anwenden (7 Abschn. 6.5.1). Weitere Instrumente zielen auf in der Gesellschaft verankerte Werte und Normen für gute Führung ab. Hier geht es zunächst um einen respektvollen Umgang von Führungskräften mit ihren Mitarbeitenden, aber auch um die Verwirklichung und das Vorleben moralisch-ethischer Prinzipien durch Führungskräfte (7 Abschn. 6.5.2). Die emotionale Seite der Führung ist Gegenstand zweier weiterer Messinstrumente. Hier interessieren z. B. die Fähigkeiten von Führungskräften zur Steuerung und Neubewertung ihrer eigenen Emotionen bzw. zur Unterdrückung von unerwünschten Gefühlen. Despotische Führung löst allemal sehr negative Gefühle aus, allerdings bei den Mitarbeitenden. Ein Fragebogen zur despotischen Führung kann helfen, solche Führungskräfte zu identifizieren (7 Abschn. 6.5.3). Und schließlich werden einige Messinstrumente präsentiert, die sich mit Führung in bestimmten Situationen beschäftigen. Mithilfe eines Selbstbewertungsinstruments zum situativen Führen können Führungskräfte selbst evaluieren, ob sie in der Lage sind, ihren Führungsstil an die Situation anzupassen und die ganze Bandbreite möglicher Verhaltensweisen auszuschöpfen. Krisensituationen und extrem gefährliche Führungssituationen erfordern besondere Kompetenzen. Ob diese vorhanden sind, kann mit einem Instrument zur Messung der Führungseffektivität bei der Situationsbeurteilung und Entscheidungsfindung in Krisen gemessen werden. Eine große Herausforderung stellt auch die Führung altersgemischter Teams und der Umgang mit älteren oder auch ganz jungen Mitarbeitenden dar, hierzu wird ebenfalls ein Messinstrument vorgestellt (7 Abschn. 6.5.4). Mit einem Instrument zur Messung der individuellen Wahrnehmung der eigenen Situation als Vorgesetzte/r oder Untergebene/r können Unternehmen ihre Hierarchisierung messen und mehr darüber erfahren wie Führungskräfte und

161

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

6

Mitarbeitende ihre Rollen erleben. Die geteilte Führung stellt das Gegenteil zur klassischen, von der Hierarchie geprägten Rollenverteilung in Untergebene und Vorgesetzte, dar. Hierzu wird ein Fragebogen beschrieben, mit dem die Bereitschaft von Teammitgliedern zur Teilhabe an der Führung gemessen werden kann (7 Abschn. 6.5.5). 6.5.1  Führung und Einflussnahme z Kommunikationsverhalten der Führungskraft

Dass Kommunikation für jedes Unternehmen und jede Arbeitsbeziehung von großer Bedeutung ist, wird niemand abstreiten. Gerade der Wille mit Mitarbeitenden zu kommunizieren, ist ein wesentlicher Pfeiler für die eigene Führungswirksamkeit (Hackman und Johnson 2013). Und trotzdem kommt es immer wieder zu Situationen in denen missverständlich oder gar nicht kommuniziert wird. Vries et al. (2010) haben herausgefunden, dass vor allem eine unterstützende, zuversichtliche und präzise Art des Kommunizierens seitens der Führungskraft hilfreich ist, wenn Mitarbeitende neue Erkenntnisse gewinnen sollen. Dabei gilt es aber immer auf die Vielfältigkeit der Mitarbeiterschaft (z. B. Bildungshintergrund, Kultur, Alter, Betriebszugehörigkeit, usw.) und die daraus resultierenden Bedürfnisse zu achten (Blessin und Wick 2015), denn ein „alter Hase“ im Unternehmen benötigt sicherlich andere Informationen als der frischgebackene Universitätsabsolvent. Um einen besseren Einblick zu gewinnen, wie eine Führungskraft ihre eigene Kommunikation mit ihren Mitarbeitenden einschätzt (SR – self-rating) und wie diese dann tatsächlich von den Mitarbeitenden (OR – other rating) wahrgenommen wird, entwickelten Schneider et al. (2015) den Perceived Leadership Communication Questionnaire. Auf einer fünfstufigen Likert Skala werden die einzelnen Items, die jeweils für die Fremd- und Eigenwahrnehmung formuliert sind, bewertet. Fragebogen Perceived Leadership Communication Questionnaire von Schneider et al. (2015)3 Stimme ganz und gar nicht zu 1

3

Neutral

2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

Die deutsche Version findet sich auf der ResearchGate-Seite des Erstautors Frank Schneider.

Kommunikationsbedürfnisse der Mitarbeitenden beachten

Perceived Leadership Communication Questionnaire

162

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

SR - Ich bin sensibel für die Bedürfnisse anderer. OR - Meine Führungskraft ist sensibel für die Bedürfnisse anderer SR - Für meine Mitarbeitenden nehme ich mir gerne Zeit. OR - Meine Führungskraft scheint sich gerne Zeit für mich zu nehmen SR - Ich bin zufrieden damit, wie meine Kommunikation mit meinen Mitarbeitenden läuft. OR - I ch bin zufrieden, wie die Kommunikation zwischen meiner Führungskraft und mir läuft

6

SR - Meine Mitarbeitenden und ich haben ein gemeinsames Verständnis davon, wie wir unsere Ziele erreichen wollen. OR - M  eine Führungskraft und ich haben ein gemeinsames Verständnis davon, wie wir unsere Ziele erreichen wollen SR - Meine Mitarbeitenden und ich können offen miteinander sprechen. OR - Meine Führungskraft und ich können offen miteinander sprechen SR - Gerade wenn es Probleme gibt, sprechen wir umso ausführlicher miteinander, um die Probleme zu lösen. OR - G  erade wenn es Probleme gibt, sprechen meine Führungskraft und ich umso ausführlicher miteinander, um die Probleme zu lösen

Perceived Leadership Communication Questionnaire (Schneider et al. 2015) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Kommunikationsverhalten der Führungskraft

Welche Dimensionen enthält diese Skala?



Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, – die ihre Kommunikationskultur verbessern wollen – die sich in tiefgreifenden Veränderungsprozessen befinden, z. B. im Rahmen einer Fusion

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräftenachwuchs – Führungskräfte, die eine Krise meistern müssen – Führungskräfte, die ihr Selbst- und Fremdbild abgleichen möchten

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungsfeedback im Rahmen der Führungskräfteentwicklung – Evaluation und Entwicklung der Führungskultur, z. B. im Rahmen von Change Management

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

163

6

z Einflussverhalten

Einflussnahme ist ein wichtiges, wenn nicht das wichtigste Werkzeug einer Führungskraft, um Leistung erbringen zu können. Damit eine Führungskraft überhaupt effektiv sein kann, muss sie andere dahingehend beeinflussen, dass diese ihre Aufgaben erledigen, Vorschläge unterstützen und getroffene Entscheidungen umsetzen. Die konkreten Strategien und Vorgehensweisen, die angewandt werden, um die eigenen Mitarbeitenden zu beeinflussen, können sich von Führungskraft zu Führungskraft jedoch stark unterscheiden (Kipnis et al. 1980; Yukl et al. 2008). Grundsätzlich lassen sich Beeinflussungstaktiken nach ihrem Zweck und ihrem zeitlichen Rahmen klassifizieren. Die auf eine unmittelbare Erfüllung konkreter Aufgaben abzielenden Einflusstaktiken (proaktive Taktiken) können von Taktiken des längerfristigen ­Impression-Management unterschieden werden, bei denen die Führungskraft Einfluss auf ihre Mitarbeitenden ausübt, indem sie ein vorteilhaftes Bild von sich selbst kreiert und vermittelt. Hier soll auf die Qualität der Beziehung zum Mitarbeitenden Einfluss genommen werden, die Erreichung konkreter arbeitsbezogener Zielsetzungen steht nicht im Vordergrund (Gardner und Martinko 1988; Wayne und Ferris 1990).

Beeinflussungstaktiken sind abhängig von ihrem Zweck und ihrem zeitlichen Rahmen

Taktiken des Impression Managements sind: 5 Selbstbeschreibung (z. B. der eigenen Persönlichkeit, Motivation) 5 Beschreibungen der eigenen Organisation oder des eigenen Organisationsbereichs 5 Demonstrieren von Konformität der eigenen Meinung mit derjenigen der Zielgruppe 5 Erklärungen (z. B. zu eigenen Handlungen) 5 Entschuldigungen und Rechtfertigungen (z. B. zu eigenen Handlungen) 5 Selbstlob (z. B. in Bezug auf Projekte, Leistungen) 5 Lob der Zielgruppe (z. B. der Mitarbeitenden) 5 Gefälligkeiten für die Zielgruppe (z. B. die Mitarbeitenden)

Taktiken des Impression Managements

Proaktive Einflusstaktiken auf Mitarbeitende – aber auch andere Stakeholder – sind nach Yukl und Falbe (1990) und Yukl et al. (2008) diese elf Einflusstaktiken: 5 Druck ausüben: Die Führungskraft stellt Forderungen, droht oder schüchtert ein, um die Zielperson zu überzeugen, einen Auftrag auszuführen oder ein Ziel zu unterstützen. 5 Sich auf „höhere Instanzen“ berufen: Die Führungskraft versucht, die Zustimmung der Zielperson zu erlangen, indem sie z. B. höhere Hierarchieebenen einbezieht oder auf diese verweist. 5 Auf Tauschbeziehung verweisen: Die Führungskraft verspricht der Zielperson ausdrücklich oder implizit, dass sie Belohnungen oder Vorteile erhält, wenn sie einer Anfrage nachkommt, oder sie erinnert an eine vorherige Gefälligkeit, die erwidert werden soll.

Proaktive Einflusstaktiken

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

5 Koalitionen bilden: Die Führungskraft sucht die Hilfe anderer, um die Zielperson dazu zu bringen, etwas zu tun, oder sie benutzt die Unterstützung anderer als Argument. 5 Liebenswürdigkeit zeigen: Die Führungskraft versucht, die Zielperson in eine gute Stimmung zu bringen oder positiv über sie oder ihn zu denken, bevor sie darum bittet, etwas zu tun. 5 Inspirierend appellieren: Die Führungskraft versucht Begeisterung für ihre Vorschläge zu erzeugen, indem sie emotional an die Werte und Ideale der Zielperson appelliert oder deren Vertrauen in die eigene Kompetenz stärkt. 5 Rational argumentieren: Die Führungskraft setzt logische und fachliche Argumente ein, um die Zielperson zu überzeugen, dass eine Idee oder eine Aufgabe realisierbar ist und wahrscheinlich zur Zielerreichung führt. 5 Rat einholen: Die Führungskraft bezieht die Zielperson in Entscheidungen oder die Planung ein, wie vorgeschlagene Aufgaben oder Strategien umgesetzt werden können. 5 Unterstützung anbieten: Die Führungskraft bietet Unterstützung oder notwendige Ressourcen an, wenn die Zielperson für ein Vorhaben stimmt oder eine vorgeschlagene Veränderung mitträgt. 5 Vorteile in Aussicht stellen: Die Führungskraft erklärt, dass die Durchführung einer Anfrage oder die Unterstützung eines Vorhabens der Zielperson persönlich zugutekommen wird oder dazu beiträgt, die Karriere der Zielperson voranzutreiben. 5 Persönliche Bitten aussprechen: Die Führungskraft bittet die Zielperson, eine Anfrage auszuführen oder einen Vorschlag aus Freundschaft zu unterstützen, oder bittet um einen persönlichen Gefallen.

6

Kulturelle Unterschiede der Einflusstaktiken

Influence Behavior Questionnaire

Interessanterweise werden je nach Kultur unterschiedliche Einflussstrategien bevorzugt. Amerikanische Führungskräfte beispielsweise nutzen am häufigsten die Beratung mit ihren Mitarbeitenden oder führen sachlich-rationale Argumente an, um Commitment bei ihren Mitarbeitenden zu erzeugen (Yukl und Falbe 1990; Yukl et al. 1996). Schmidt und Yeh (1992) zeigten, dass die beliebtesten Einflussstrategien von Führungskräften in Australien, Großbritannien, Japan und Taiwan sich ähneln. Sie bevorzugen es, ihre Mitarbeitenden durch Fakten, Daten und logische Argumente zu überzeugen. Die Forschung hat jedoch gezeigt, dass eine Kombination rationaler (z. B. Tauschangebot oder logische Argumente) und weicher Einflusstaktiken (z. B. um Rat fragen oder sich einschmeicheln) wirksamer ist, als nur auf der r­ational-sachlichen Ebene versuchen zu überzeugen. Am erfolgreichsten ist die Kombination zweier weicher Einflusstaktiken (z. B. Wertschätzung zeigen und emotional begeistern) und am wenigsten erfolgreich die Kombination zweier harter Einflusstaktiken (z. B. Druck ausüben und höhere Instanzen einschalten) (Blickle 2004). Yukl et al. (2008) haben eine erweiterte Version des Influence Behavior Questionnaires (IBQ) entwickelt und evaluiert. Der

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

IBQ misst die elf proaktiven Taktiken, die Führungskräfte verwenden, aus Sicht ihrer „Zielpersonen“, z. B. der Mitarbeitenden: Fragebogen Influence Behavior Questionnaire nach Yukl et al. (2008, eigene Übersetzung) Instruktion Name der Person, deren Einflussverhalten beschrieben wird: Dieser Fragebogen dient dazu, mehr über die unterschiedlichen Wege zu lernen, wie Menschen in Ihrem Unternehmen andere Personen beeinflussen. Bitte beschreiben Sie, wie die oben genannte Person verschiedene Verhaltensweisen nutzt, um Sie zu beeinflussen. Bitte wählen Sie jeweils eine der folgenden Antwortmöglichkeiten aus und notieren Sie die entsprechende Nummer auf der dafür vorgesehenen Linie. 1. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er/sie jemals diese Taktik bei mir angewandt hat. 2. Er/Sie wendet diese Taktik nur sehr selten bei mir an. 3. Er/Sie wendet gelegentlich diese Taktik bei mir an. 4. Er/Sie wendet diese Taktik immer mal wieder bei mir an. 5. Er/Sie wendet diese Taktik sehr häufig bei mir an. Sollte eine der genannten Antwortmöglichkeiten nicht auf Sie zutreffen, so nutzen Sie bitte ebenfalls Antwortalternative 1. Sachliche Argumentation Diese Person…   1. s etzt Fakten und Logik ein, um überzeugend Vorschläge zu machen oder etwas zu erreichen.   2. legt deutlich dar, warum eine Anforderung oder eine Veränderung notwendig ist, um ein Aufgabenziel zu erreichen.   3. l egt dar, warum ein vorgeschlagenes Projekt oder eine Veränderung zweckmäßig und kosteneffizient wäre.   4. informiert bzw. bringt Beweise, um zu zeigen, dass ein Vorschlag oder eine Veränderung erfolgversprechend ist. Tauschangebote Diese Person…   5. b  ietet Ihnen etwas, das Sie wollen, als Gegenleistung für Ihre Hilfe bei einer Aufgabe oder einem Projekt.   6. b  ietet an im Gegenzug etwas für Sie zu tun, wenn Sie einer Aufforderung nachkommen.   7. b  ietet als Gegenleistung für Ihre Hilfe und Unterstützung an, eine bestimmte Aufgabe für Sie zu erledigen oder Ihnen einen Gefallen zu tun.   8. bietet Ihnen für die Zukunft einen Gefallen als Gegenleistung an, wenn Sie ihm/ihr jetzt helfen.

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Wecken von Begeisterung Diese Person…   9. erklärt, dass ein Vorschlag oder eine Veränderung eine Möglichkeit ist, etwas wirklich Spannendes und Lohnenswertes zu tun.   10. vermittelt eine klare und begeisternde Vision davon, was durch ein vorgeschlagenes Projekt oder eine Veränderung erreicht werden könnte.   11. spricht über Ideale und Werte, wenn er/sie etwas Neues oder eine Veränderung vorschlägt.   12. hält eine inspirierende Rede oder Präsentation, um Begeisterung für einen Vorschlag oder eine Veränderung zu wecken. Legitimation Diese Person…   13. erklärt, dass seine/ihre Forderung oder sein/ihr Vorschlag mit den offiziellen Regeln und Richtlinien im Einklang steht.   14. erklärt, dass eine Forderung oder ein Vorschlag mit einer vorausgegangenen Vereinbarung oder einem Vertrag in Einklang steht.   15. belegt, dass eine Forderung berechtigt ist, indem er/sie auf Dokumente wie Aufträge, Handbücher, Satzungen, Statuten oder offizielle Verträge verweist.   16. erklärt, dass eine Forderung oder ein Vorschlag früheren Fällen und gängiger Praxis entspricht. Aufzeigen persönlichen Nutzens Diese Person…   17. erklärt, wie die Aufgabe, die Sie machen sollen, Ihre Karriere fördern könnte.   18. beschreibt, wie Sie profitieren könnten, wenn Sie eine Aufgabe oder Tätigkeit übernehmen (z. B. neue Fähigkeiten erlernen, wichtige Leute treffen, Ihr Ansehen steigern).   19. zeigt auf, wie eine vorgeschlagene Tätigkeit oder Veränderung Ihnen helfen könnte, ein persönliches Ziel zu erreichen.   20. erklärt, warum eine vorgeschlagene Tätigkeit oder Veränderung gut für Sie wäre. Ausüben von Druck Diese Person…   21. verlangt, dass Sie einer Aufforderung nachkommen.   22. nutzt Drohungen und Warnungen, um Sie dazu zu bringen, etwas zu tun.

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

  23. überprüft immer wieder, ob Sie einer Aufforderung nachgekommen sind.   24. versucht Sie unter Druck zu setzen, damit Sie einer Aufforderung nachkommen. Unterstützungsangebote Diese Person…   25. bietet Hilfe bei einer Aufgabe an, von der er/sie will, dass Sie sie ausführen.   26. bietet an Ressourcen bereitzustellen, die Sie benötigen, um eine Aufgaben für ihn/sie auszuführen.   27. bietet an zu zeigen, wie eine Aufgabe auszuführen ist, die Sie für ihn/sie erledigen sollen.   28. bietet Ihnen jegliche Unterstützung an, die Sie benötigen, um eine Aufgabe zu erledigen. Zeigen von Wertschätzung Diese Person…   29. sagt, dass Sie die besonderen Fähigkeiten oder das besondere Wissen haben, die für das Erledigen einer Aufgabe notwendig sind.   30. lobt Ihre bisherigen Leistungen und Erfolge, wenn er/ sie Sie bittet, eine Aufgabe zu erledigen.   31. lobt Ihr Können oder Wissen, wenn er/sie Sie darum bittet, etwas zu tun.   32. sagt, dass Sie die qualifizierteste Person für eine Aufgabe sind, von der er/sie möchte, dass Sie sie übernehmen. Einholen von Rat Diese Person…   33. bittet Sie, Vorschläge zu machen, wie Sie ihm/ihr helfen könnten, ein Aufgabenziel zu erreichen oder ein Problem zu lösen.   34. zieht Sie hinzu, um Ihre Ideen zu einer vorgeschlagenen Tätigkeit oder Veränderung, die Sie unterstützen oder umsetzen sollen, zu erfahren.   35. ermutigt Sie Bedenken zu einer vorgeschlagenen Tätigkeit oder Veränderung, die Sie unterstützen oder ausführen sollen, zu äußern.   36. bittet Sie um Vorschläge, einen Plan oder Vorschlag zu verbessern, den Sie unterstützen oder an dessen Ausführung sie beteiligt sein sollen. Persönliche Bitten Diese Person…   37. appelliert an Ihre Freundschaft, wenn er/sie Sie bittet, etwas zu erledigen.

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

  38. sagt, dass er/sie Sie um einen Gefallen bitten muss, bevor er/sie erzählt, worum es geht.   39. bittet Sie als Freund/in ihm/ihr einen Gefallen zu tun.   40. bittet um Ihre Hilfe als einen persönlichen Gefallen.

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Einsetzen von Verbündeten Diese Person…   41. erwähnt die Namen von anderen Personen, die einen Vorschlag gutheißen, wenn er/sie darum bittet, diesen zu unterstützen.   42. holt andere, die Ihnen erklären, warum sie einen Vorschlag oder eine Veränderung unterstützen, für die er/sie Ihre Unterstützung möchte.   43. bringt jemanden zur Unterstützung mit, wenn er/sie Sie trifft, um eine Anfrage oder einen Vorschlag zu machen.   44. bittet jemanden, den Sie respektieren, Sie zu beeinflussen, damit Sie eine Aufgabe erledigen oder einen Vorschlag unterstützen.

Influence Behavior Questionnaire (Yukl et al. 2008) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Einflussverhalten von Führungskräften

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

– Sachliche Argumentation – Tauschangebote – Wecken von Begeisterung – Legitimation – Aufzeigen persönlichen Nutzens – Ausüben von Druck – Unterstützungsangebote – Zeigen von Wertschätzung – Einholen von Rat – Persönliche Bitten – Einsetzen von Verbündeten

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Konzerne – Öffentlicher Dienst

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihre eigenen Einflusstaktiken reflektieren und weiterentwickeln wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Coaching – Mentoring – Förderung von Führungsnachwuchs – Frauenförderung

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

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6.5.2  Führung und Werte z Respektvolle Führung

Ein respektvolles Miteinander ist essentiell im Alltag und vor allem auch im Arbeitskontext, schließlich ist es die Grundlage für sachliche Dialoge und das Lösen von Konflikten. Seitens der Wissenschaft gibt es zur respektvollen Führung noch kaum Forschungsergebnisse. Dies ist besonders vor dem Hintergrund verwunderlich, dass Mitarbeitende zunehmend den Mangel an Respekt und das Fehlen ehrlicher Wertschätzung beklagen (Miller 2001). Erste Studien haben aber herausgefunden, dass Mitarbeitende ein stärkeres Commitment gegenüber ihrem Arbeitgeber zeigen und sich an die Regeln der Organisation halten, wenn die eigene Führungskraft einen respektvollen Umgang pflegt (Boezeman und Ellemers 2008; DeCicco et al. 2006). Da respektvolle Führung von großer Bedeutung für Mitarbeitende ist und sich positiv auf ein Unternehmen auswirken kann, haben van Quaquebeke und Eckloff (2010) basierend auf Mitarbeiterinterviews ein Inventar entwickelt, das Verhaltensweisen beschreibt, die diese als Zeichen für respektvolle Führung sehen. Insgesamt ergaben sich 19 verschiedene Kategorien für respektvolles Führungsverhalten, die 149 Verhaltensweisen beinhalten. Ein Jahr später wurde zusätzlich eine Kurzversion, die Respectful Leadership Scale mit 12 Items von van Quaquebeke (2011) veröffentlicht, die gerade für den Unternehmensalltag eine ökonomische Alternative zur Vollversion darstellt. Fragebogen Respectful Leadership Scale (van Quaquebeke 2011, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

Meine Führungskraft … 1. … vertraut auf meine Fähigkeit, selbständig und eigenverantwortlich gute Leistungen zu erbringen. 2. … äußert Kritik sachlich und konstruktiv. 3. … erkennt mich als vollwertiges Gegenüber an. 4. … erkennt meine Arbeit an. 5. … i st aufrichtig interessiert an meiner Meinung und Einschätzung. 6. … behandelt mich höflich. 7. … versucht mich nicht für seine/ihre Fehler verantwortlich zu machen. 8. … setzt sich gegenüber Dritten vorbehaltlos für mich und meine Arbeit ein.

Forschungspotential zu respektvoller Führung

Respectful Leadership Scale

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

9. … stellt mir alle Informationen zur Verfügung, die für mich relevant sind. 10. … nimmt mich und meine Arbeit ernst. 11. … agiert offen und ehrlich mit mir. 12. … behandelt mich fair.

Respectful Leadership Scale (van Quaquebeke 2011)

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Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Respektvolle Führung

Welche Dimensionen enthält diese Skala?



Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Alle Unternehmen, aber insbesondere Unternehmen, die ihre Führungskultur und Employer Brand verbessern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihren Umgang mit Mitarbeitenden reflektieren und weiterentwickeln wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Coaching – Führungskräfteentwicklung – Organisationsentwicklung, z. B. Leitbildentwicklung

z Ethische Führung Moralisch-ethische Prinzipien als Grundlage ethischer Führung

Doppelte Verantwortung für Führungskräfte

Aufgrund von verschiedenen Skandalen in Wirtschaft und Politik, hat das Interesse an ethischer Führung sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Man spricht von ethischer Führung, wenn das Handeln von Führungskräften von m ­ oralisch-ethischen Prinzipien geprägt ist. Ethische Führung verwirklicht dann nicht nur die Humanverantwortung von Führung im Unternehmen, sondern trägt auch dazu bei, einen nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg sicherzustellen (Kerschreiter und Eisenbeiss 2015). Führungskräfte tragen eine doppelte Verantwortung: Einerseits müssen von der Unternehmung vorgegebene Ziele erreicht werden, andererseits soll für Mitarbeitende eine gute Arbeitsund Lebensqualität realisiert werden. Ethische Grundsätze der Führung liefern hier eine Richtschnur für das Handeln innerhalb dieses Spannungsfeldes, das zudem von Machtasymmetrie zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden geprägt ist. Denn die Führungskraft kann auf Machtpotentiale zurückgreifen, die einem Mitarbeitenden nicht zugänglich sind bzw. nicht zustehen (Kuhn und Weibler 2003).

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Brown et al. (2005) konzipieren ethische Führung auf Basis der sozialen Lerntheorie. Diese besagt, dass man sich Verhalten in erster Linie durch soziale Interaktionen aneignet. Das bedeutet, dass der Geführte neues Verhalten von seiner Führungskraft erlernt, die als Modell oder Vorbild dient (Bandura 1991). Folglich definieren Brown und Kollegen ethische Führung als a) angemessenes Verhalten der Führungskraft bzgl. Kommunikation und Handlungen (z. B. Ehrlichkeit, Fairness und Fürsorge) und b) einer Verstärkung angemessenen Verhaltens gegenüber anderen durch kommunikativen Austausch, Feedback und Belohnungen (Brown et  al. 2005). Zusammenfassend ist das Ziel von ethischem Führungsverhalten, Mitarbeitenden ethisches Verhalten näher zu bringen, sodass sie dieses Verhalten selbst annehmen. Zur Erfassung ethischer Führung haben Brown et al. (2005), basierend auf der beschriebenen Definition, die Ethical Leadership Scale (ELS) entwickelt. Das Antwortformat wird mit einer fünfstufigen Likert-Skala (1 = nie bis 5 = immer) abgebildet. Fragebogen Ethical Leadership Scale (ELS) (Brown et al. 2005; deutsche Übersetzung nach Rowold et al. 2009) Nie 1

Manchmal 2

3

Immer 4

5

Meine Führungskraft … Ethische Mitarbeiterführung 1. … hört auf das, was Mitarbeitende zu sagen haben. 2. … denkt an die Interessen der Mitarbeitenden. 3. … trifft faire und ausgewogene Entscheidungen. 4. … ihr/ihm kann vertraut werden. 5. … beurteilt Erfolge nicht nur nach den Ergebnissen, sondern auch danach, wie sie erreicht werden. Ethisches Rollenmodell 1. … führt ihr/sein Leben in einer ethischen Art und Weise. 2. … diskutiert Geschäftsethiken und -werte mit Mitarbeitenden. 3. … gibt Beispiele, wie Dinge aus ethischer Sicht richtig gemacht werden sollten. 4. … wenn sie/er Entscheidungen fällt, fragt sie/er: „Wie kann ich bei dieser Entscheidung das Richtige tun?“

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Definition ethischer Führung

Ethical Leadership Scale

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Ethical Leadership at Work Questionnaire

Ein alternatives Erhebungsinstrument zu ethischer Führung haben Kalshoven et al. (2011) mit dem Ethical Leadership at Work Questionnaire (ELW) vorgestellt. Der ELW weist sieben ethische Führungsverhaltensdimensionen auf (Mitarbeiterorientierung, Fairness, Teilen von Macht, Nachhaltigkeit, ethische Anleitung, Rollenklärung und Integrität), besitzt gute psychometrische Eigenschaften und eine hohe Konstruktvalidität. Das Antwortformat wird mit einer fünfstufigen LikertSkala (1 = „stimme gar nicht zu“ bis 5 = „stimme völlig zu“) abgebildet. Fragebogen

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Ethical Leadership at Work Questionnaire (ELW) (Kalshoven et al. 2011, eigene Übersetzung) Stimme gar nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme völlig zu 4

5

Meine Führungskraft … Mitarbeiterorientierung 1. … interessiert sich dafür, wie ich mich fühle und wie es mir geht. 2. … nimmt sich Zeit für den persönlichen Kontakt. 3. … achtet auf meine persönlichen Bedürfnisse. 4. … nimmt sich Zeit, um über arbeitsbezogene Empfindungen zu sprechen. 5. … ist aufrichtig bestrebt, meine persönliche Entwicklung zu fördern. 6. … hat Verständnis für mich, wenn ich Probleme habe. 7. … kümmert sich um seine/ihre Mitarbeitenden. Fairness 8. … macht mich verantwortlich für Probleme, auf die ich keinen Einfluss habe. 9. … macht mich verantwortlich für Arbeiten, über die ich keine Kontrolle hatte. 10. … macht mich verantwortlich für Dinge, die nicht meine Schuld sind. 11. … verfolgt den eigenen Erfolg auf Kosten anderer. 12. … konzentriert sich hauptsächlich auf die Erreichung der eigenen Ziele. 13. … manipuliert Untergebene. Teilen von Macht 14. … ermöglicht es Untergebenen, kritische Entscheidungen zu beeinflussen.

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

15. … erlaubt es anderen nicht, an der Entscheidungsfindung teilzuhaben. 16. … holt Ratschläge von Untergebenen bezüglich der Unternehmensstrategie ein. 17. … überdenkt Entscheidungen auf der Grundlage von Empfehlungen derjenigen, die ihm Bericht erstatten. 18. … delegiert herausfordernde Aufgaben an Untergebene. 19. … erlaubt mir, eine Schlüsselrolle bei der Festlegung meiner eigenen Leistungsziele zu spielen. Nachhaltigkeit 20. … möchte umweltfreundlich arbeiten. 21. … ist aufmerksam für Nachhaltigkeitsthemen. 22. … fördert das Recycling von Gegenständen und Materialien in unserer Abteilung. Ethische Anleitung 23. … erläutert anschaulich integritätsbezogene Verhaltenskodizes. 24. … erklärt, was von den Mitarbeitenden in Bezug auf ein integres Verhalten erwartet wird. 25. … verdeutlicht Integritätsrichtlinien. 26. … stellt sicher, dass die Mitarbeitenden die Integritätsrichtlinien einhalten. 27. … klärt die möglichen Folgen eines etwaigen unethischen Verhaltens von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen. 28. … regt die Diskussion über Integritätsthemen unter den Mitarbeitenden an. 29. … lobt Mitarbeitende, die sich entsprechend den Integritätsrichtlinien verhalten. Rollenklärung 30. … legt die Leistungserwartungen der einzelnen Gruppenmitglieder fest. 31. … erklärt, was von jedem Gruppenmitglied erwartet wird. 32. … erklärt, was von mir und meinen Kolleginnen und Kollegen erwartet wird. 33. … klärt Prioritäten. 34. … klärt, wer wofür verantwortlich ist. Integrität 35. … hält seine/ihre Versprechen. 36. Man kann sich darauf verlassen, dass er/sie die Dinge tut, die er/sie sagt. 37. Man kann sich darauf verlassen, dass er/sie seinen Verpflichtungen nachkommt. 38. … hält immer sein/ihr Wort.

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Ethical Leadership at Work Questionnaire (ELW, Kalshoven et al. 2011) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Ethische Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

ELS: – Ethische Mitarbeiterführung – Ethisches Rollenmodell ELW: – Mitarbeiterorientierung – Fairness – Teilen von Macht – Nachhaltigkeit – Ethische Anleitung – Rollenklärung – Integrität

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen mit hoher Reputation und gesellschaftlicher Vorbildfunktion (z. B. NGOs)

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte aller Hierarchiestufen und Branchen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Transformation von Führungskultur – Sensibilisierung für das Führungsverhalten in der Personalentwicklung

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6.5.3  Führung und Emotionen z Emotionale Führung

Ambiguität von Emotionen Aspekte emotionaler Intelligenz

Von der Antike bis zur Aufklärung wurde geglaubt, dass Emotionen einen Gegensatz zur Vernunft bilden und als Leidenschaften („Passion“) zu werten sind, denen der Mensch mehr oder weniger ausgeliefert ist, die also von selbst kommen und gehen (Solomon 1983). Mittlerweile ist bekannt, dass Individuen ihre Gefühle kontrollieren können. Um zu beeinflussen, welche Gefühle sie wann haben möchten, wenden sie eine Vielzahl von Strategien an (Gross 1998). Aber nicht nur die eigenen Gefühle können gesteuert werden. So sprechen bspw. charismatische Führungskräfte erfolgreich die Emotionen der Mitarbeitenden an, um ihre Vision zu vermitteln und ihre Mitarbeitenden zu motivieren (House et al. 1991; Shamir et al. 1993). Insgesamt gilt, dass Führungskräfte, die Emotionen in geeigneter Weise einsetzen, um wirksamer zu kommunizieren oder die sich ihrer eigenen und der Gefühle anderer bewusster sind, als fähiger eingestuft werden (Goleman 2000). Umgekehrt kann Emotionalität, z. B. das Zeigen negativer Gefühle, auch den Führungserfolg schwächen. In einer Untersuchung von Lewis (2000) wurde z. B. festgestellt, dass es in Bezug auf die

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Wahrnehmung von Emotionalität bei einer Führungskraft und der Einschätzung der Wirksamkeit ihres Führungshandelns auch geschlechtsabhängige Unterschiede gibt. So werden weibliche Führungskräfte als weniger effektiv eingestuft, wenn sie Traurigkeit oder Wut zum Ausdruck bringen, während Männer nur als weniger effektiv gelten, wenn sie Traurigkeit zeigen. Daher ist es für den Führungserfolg wichtig, Emotionen regulieren zu können. Dies ist auch ein Teil der sogenannten Emotionalen Intelligenz, die folgende Aspekte umfasst: 5 Die eigenen Emotionen kennen und akzeptieren: Dies ist eine Grundvoraussetzung für ein tiefergehendes Verständnis des eigenen Verhaltens und für die Selbstregulation auf der Gefühlsebene. 5 Die eigenen Emotionen beeinflussen und in die Tat umsetzen: Dies erlaubt situationsangemessenes oder zielkonformes Verhalten, z. B. in belastenden Situationen Ruhe zu bewahren oder schädliche Impulse zu unterdrücken. 5 Die Emotionen anderer erkennen und dadurch in der Lage sein, sie – sowohl im positiven als auch negativen Sinne – zu beeinflussen. 5 Beziehungen zu anderen Menschen erfolgreich gestalten: Auch dies setzt einen kompetenten Umgang mit den Gefühlen anderer voraus und ist eine Voraussetzung für die Akzeptanz als Führungskraft. Mayer et  al. (2002) haben einen Test zur Messung der „Emotionalen Intelligenz“ entwickelt, den MSCEITTM (MayerSalovey-Caruso Emotional Intelligence TestTM), der wie folgt aufgebaut ist (. Abb. 6.3) und der auch als deutschsprachige Version vorliegt (Steinmayr et al. 2011).

Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence TestTM

EIQ

GESAMTERGEBNIS

Emotional Intelligence Quotient

BEREICHE

Erfahrungsbasierte Emotionale Intelligenz Emotionen erkennen, sie mit anderen Eindrücken vergleichen und ihre Wechselbeziehung mit Gedanken verstehen

DIMENSIONEN

Emotionen wahrnehmen

Emotionen nutzen

Strategische Emotionale Intelligenz Emotionen deuten können, ihre Auswirkungen auf Beziehungen verstehen und wissen, wie man sie steuern kann Emotionen verstehen

. Abb. 6.3  Aufbau des Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence TestTM

Emotionen regulieren

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Der MSCEIT TM enthält Fragen zur Fähigkeit Emotionen wahrzunehmen, zu nutzen, zu verstehen und zu regulieren. Im Folgenden werden zwei Beispiele für Fragen dargestellt (Mayer et al. 2002, eigene Übersetzung): Fragebogen Beispielfrage aus dem Teilbereich 3 des MSCEIT TM – Verständnis von Emotionen Tom fühlte sich unruhig und war etwas gestresst, als er über all die Arbeit nachdachte, die er zu erledigen hatte. Als sein Vorgesetzter ihm ein zusätzliches Projekt übergab, fühlte er sich . (Wählen Sie die beste Alternative aus.) a) überwältigt b) deprimiert c) beschämt d) selbstbewusst e) nervös

6

Beispielfrage aus dem Teilbereich 4 des MSCEIT TM – Umgang mit Emotionen Debbie ist gerade aus dem Urlaub zurückgekommen. Sie fühlte sich ruhig und zufrieden. Wie gut würde jede der folgenden Handlungen ihre Stimmung aufrechterhalten? Aktion 1: Sie begann zu Hause eine Liste der Dinge zu erstellen, die sie tun musste. sehr unwirksam 1

2

3

4

5 sehr effektiv

Aktion 2: Sie begann darüber nachzudenken, wo und wann sie ihren nächsten Urlaub machen würde. sehr unwirksam 1

Kritik des MSCEITTM

Emotion Regulation Questionnaire

2

3

4

5 sehr wirksam

Wenngleich dieses Testverfahren sich in der Praxis durchsetzen konnte, hat es seitens der Wissenschaft einige Kritik hinsichtlich seiner Güte erfahren, u. a. wird die Konstruktion des Tests als zu wenig dokumentiert und nachvollziehbar bewertet (Burk und Amelang 2015). Gross und John (2003) entwickelten ein anderes Verfahren, den Emotion Regulation Questionnaire (ERQ), der die Fähigkeit zur Emotionsregulation erfasst. Hier stehen zwei kognitive Strategien, die Neubewertung und die Unterdrückung von Emotionen im Fokus. Bei der kognitiven Neubewertung geht es darum, emotionsauslösende Reize dahingehend neu zu interpretieren, dass sich deren emotionale Auswirkung verändert (Lazarus und Alfert 1964). Ein Beispiel hierfür wäre die Situation eines Bewerbungsgesprächs. Hier könnte eine Bewerberin das Gespräch nicht als Stresssituation interpretieren, in der sie und

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

ihre Kompetenzen auf dem Prüfstand stehen, sondern umgekehrt als Bewährungssituation für das Unternehmen, bei dem sie sich bewirbt. Diese Umdeutung kann in der Folge zu einer geringeren emotionalen Belastung und folglich einer besseren Leistung führen. Bei der Anwendung der Unterdrückungsstrategie wird der eigene emotionale Ausdruck bewusst unterdrückt (Gross 1998). Ein passendes Beispiel hierfür ist das Pokerface – schließlich möchte man den anderen Spielerinnen und Spielern nichts über das eigene Blatt verraten (Gross und John 2003). Auch in Führungssituationen kann es wichtig sein, spontane emotionale Regungen wie Enttäuschung, Wut und Angst zu unterdrücken. Fragebogen Emotion Regulation Questionnaire (ERQ) von Gross und John (2003) nach der deutschsprachigen Übersetzung von Abler und Kessler (2009) Emotion Regulation Questionnaire (ERQ) von Gross und John (2003) nach der deutschsprachigen Übersetzung von Abler und Kessler (2009) Instruktion Wir möchten Ihnen gerne einige Fragen zu Ihren Gefühlen stellen. Uns interessiert, wie Sie Ihre Gefühle unter Kontrolle halten, bzw. regulieren. Zwei Aspekte Ihrer Gefühle interessieren uns dabei besonders. Einerseits ist dies Ihr emotionales Erleben, also was Sie innen fühlen. Andererseits geht es um den emotionalen Ausdruck, also wie Sie Ihre Gefühle verbal, gestisch oder im Verhalten nach außen zeigen. Obwohl manche der Fragen ziemlich ähnlich klingen, unterscheiden sie sich in wesentlichen Punkten. Bitte beantworten Sie die Fragen, indem Sie folgende Antwortmöglichkeiten nutzen. Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

4

Stimme voll und ganz zu 5

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Neubewertung   1. Wenn ich mehr positive Gefühle (wie Freude oder Heiterkeit) empfinden möchte, ändere ich, woran ich denke.   2. Wenn ich weniger negative Gefühle (wie Traurigkeit oder Ärger) empfinden möchte, ändere ich, woran ich denke.   3. Wenn ich in eine stressige Situation gerate, ändere ich meine Gedanken über die Situation so, dass es mich beruhigt.   4. Wenn ich mehr positive Gefühle empfinden möchte, versuche ich über die Situation anders zu denken.

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

  5. Ich halte meine Gefühle unter Kontrolle, indem ich über meine aktuelle Situation anders nachdenke.   6. Wenn ich weniger negative Gefühle empfinden möchte, versuche ich über die Situation anders zu denken. Unterdrückung   7. Ich behalte meine Gefühle für mich.   8. Wenn ich positive Gefühle empfinde, bemühe ich mich, sie nicht nach außen zu zeigen.   9. Ich halte meine Gefühle unter Kontrolle, indem ich sie nicht nach außen zeige. 10. Wenn ich negative Gefühle empfinde, sorge ich dafür, sie nicht nach außen zu zeigen.

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Emotion Regulation Questionnaire (ERQ, Gross und John 2003) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Emotionsregulation

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Neubewertung – Unterdrückung

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Unternehmen in Krisensituationen – Unternehmen in denen die Regulierung von Emotionen wichtig ist, z. B. Einsatzorganisationen wie Feuerwehr, Armee, Polizei, Krankenhäuser

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die in Krisensituationen besonnen reagieren müssen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfteentwicklung – Coaching – Mentoring

z Despotische Führung Abusive Supervision

Führungskräfte, die feindselige verbale und nonverbale Verhaltensweisen aus Sicht der Untergebenen an den Tag legen, werden als despotisch bezeichnet. Im Englischen wird in diesem Kontext auch von sogenannter „abusive supervision“ gesprochen, also der herabwürdigenden Kontrolle (Tepper 2000). Sollten Sie bereits ähnliche Aussagen, wie die folgenden, zu hören bekommen haben, hatten Sie bereits Kontakt mit einer derartigen Führungskraft:

» „Wie, Du gehst schon nach Hause? Es ist gerade mal 19 Uhr!

Wie praktisch, dass jetzt die anderen für Dich ackern. Am besten Du machst gleich Urlaub und kommst nicht wieder.“

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

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„Können Sie denn gar nichts richtigmachen? Manchmal glaube ich, Sie stellen sich absichtlich so dumm an. Sie brauchen gar nicht so schauen. Es wäre besser, Sie würden einfach zu Hause bleiben – hier richten Sie nur Schaden an.“

„Seit Du hier arbeitest, gibt es nur noch Ärger!“

Absichtliche Feindseligkeit oder auch demonstrative Gleichgültigkeit gegenüber Mitarbeitenden sind typische Verhaltensweisen von despotischen Führungskräften. Es überrascht wenig, dass in Studien nachgewiesen werden konnte, dass diese Art der Führung mit schlechten Leistungen der Mitarbeitenden zusammenhängt. Dieser Zusammenhang ist sogar noch stärker, wenn die Arbeit für die Mitarbeitenden eine große persönliche Bedeutung besitzt (Aryee et al. 2008; Harris et al. 2007). Es ist zudem wahrscheinlicher, dass das mittlere Management ebenfalls zu herabwürdigender Kontrolle neigt, wenn das Top Management dies vorlebt. Dabei wird die Kreativität der Mitarbeitenden im Keim erstickt (Liu et al. 2012). Eine derartige Führung kann sich aber nicht nur auf den Beruf, sondern auch auf das Privatleben der Geführten auswirken: Konflikte zwischen dem Arbeits- und Familienleben entstehen, die psychische Belastung steigt und die persönliche Lebenszufriedenheit sinkt dramatisch (Tepper 2000). Spätestens, wenn das Privatleben durch die eigene Führungskraft schädlich beeinflusst wird, sollten sich Mitarbeitende gut überlegen, ob dieser Job noch der Richtige für sie ist. In jedem Falle können Betroffene einzelne Vorfälle dokumentieren und sich z. B. dem Betriebsrat oder Ombudspersonen anvertrauen. Um despotische Führungskräfte aus der Perspektive von Mitarbeitenden identifizieren zu können, hat Tepper (2000) im Rahmen einer Langzeitstudie 15 Abusive Supervision Items zur Messung dieses Führungsstils entwickelt (deutsche Übersetzung nach Felfe 2015). Fragebogen Abusive Supervision Items nach Tepper (2000) (deutsche Übersetzung nach Felfe 2015) Instruktion Bitte beantworten Sie folgende Fragen ehrlich und spontan. Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Die Kennzeichnung von 1 bis 5 bedeutet Folgendes:   1. Ich kann mich nicht erinnern, dass er/sie sich mir gegenüber jemals so verhalten hat.   2. Er/sie verhält sich sehr selten so mir gegenüber.   3. Er/sie verhält sich gelegentlich so mir gegenüber.

Negative Auswirkungen despotischer Führung

Abusive Supervision Items

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

  4. Er/sie verhält sich mäßig oft so mir gegenüber.   5. Er/sie verhält sich oft so mir gegenüber. Meine Führungskraft …

6

Beleidigend-erniedrigend   1. … macht sich über mich lustig.   2. … sagt mir, dass meine Gedanken oder Gefühle dumm sind.   3. … erniedrigt mich vor anderen.   4. … erinnert mich an vergangene Fehler und Misserfolge.   5. … gibt anderen gegenüber negative Kommentare über mich ab.   6. … lässt nicht zu, dass ich Umgang mit meinen Kolleginnen und Kollegen habe.   7. … sagt mir, dass ich unfähig sei. Unaufrichtig-unfair   8. … spricht nicht mit mir.   9. … dringt in meine Privatsphäre ein. 10. … gibt mir keine Anerkennung für aufwendige Arbeiten. 11. … beschuldigt mich wegen Dingen, um sich selbst Peinlichkeiten zu ersparen. 12. … bricht seine/ihre Versprechen. 13. … lässt seinen/ihren Ärger an mir aus, wenn er/sie wegen anderer Dinge wütend ist. 14. … ist unhöflich mir gegenüber. 15. … lügt mich an.

Abusive Supervision (Tepper 2000) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Despotische Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Beleidigend-erniedrigend – Unaufrichtig-unfair

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die ihre Führungskultur verändern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Für alle Führungskräfte zur Unterstützung von Selbstreflektion und Selbstmanagement

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Reflektion und Austausch mit Führungskräften und Geführten über Führung und Führungsverhalten, z. B. im Rahmen von Trainings und Coaching

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

181

6

6.5.4  Führung in bestimmten Situationen z Situationsspezifisches Führungsverhalten

Der Frage, wie man als Führungskraft die Mitarbeitenden als Menschen nicht aus den Augen verliert und gleichzeitig die anstehenden Aufgaben nicht vernachlässigt, geht der Ansatz der situationsspezifischen Führung nach. Anders als frühere Führungstheorien, die postulierten, dass ganz bestimmte Verhaltensweisen oder Persönlichkeitsmerkmale (z. B. autoritäres Auftreten oder Charisma) den Führungserfolg sicherstellen, geht die situative Führung nach Hersey und Blanchard (1976) davon aus, dass eine gegebene Situation zunächst analysiert und dann passend darauf reagiert werden muss. Jede Führungssituation ist also anders und sollte in Abhängigkeit vom „Reifegrad“ eines Mitarbeitenden unterschiedlich angegangen werden, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen (7 Abschn. 2.1.3). Aus wissenschaftlicher Perspektive werden bei diesem Ansatz häufig konzeptionelle Widersprüche und Unklarheiten bemängelt (z. B. Bass und Bass 2008; Graeff 1997), Praktikerinnen und Praktiker hingegen schätzen den Ansatz des situativen Führens, da er intuitiv einleuchtet, scheinbar einfach anzuwenden ist und als relevant für das tägliche Führen wahrgenommen wird (Avery und Ryan 2002). Hersey und Blanchard (1976) entwickelten ein Selbstbewertungsinstrument für Führungskräfte (engl. Leadership Effectiveness and Adaptability Description4) bestehend aus 20 Situationen, um die Bandbreite von Führungsstil und Anpassungsfähigkeit der Anwenderin oder des Anwenders zu bewerten. Exemplarisch finden sich hier drei Situationen: Fragebogen Leadership Effectiveness and Adaptability Description (LEAD) (Hersey und Blanchard 1976, eigene Übersetzung) Instruktion: Lesen Sie sich jede Situation durch. Umranden Sie den Buchstaben, der Ihr Vorgehen am besten beschreiben würde. Situationen Ihre Mitarbeitenden reagieren in letzter Zeit nicht auf Ihre freundliche Ansprache und die offensichtliche Sorge um ihr Wohlergehen. Die Leistung Ihrer Mitarbeitenden nimmt rapide ab.

4

Der gesamte Fragebogen kann unter 7 https://de.scribd.com/ kostenpflichtig gedownloaded werden.

Jede Führungssituation ist individuell

Leadership Effectiveness and Adaptability Description

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

a) Sie betonen die Anwendung einheitlicher Vorgehensweisen und die Notwendigkeit, die Aufgaben zu erledigen. b) Sie bieten an, die Thematik zu diskutieren, drängen sich aber nicht auf. c) Sie sprechen mit Ihren Mitarbeitenden und legen anschließend Ziele fest. d) Sie greifen absichtlich nicht ein.

6

Sie denken über eine Veränderung nach. Ihre Mitarbeitenden haben eine gute Erfolgsbilanz und respektieren die Notwendigkeit der Veränderung. a) Sie erlauben der Abteilung, sich an der Entwicklung der Veränderung zu beteiligen, und sind nicht zu direktiv. b) Sie kündigen Veränderungen an und setzen diese dann unter strenger Aufsicht um. c) Sie erlauben der Abteilung ihre eigene Neuausrichtung zu formulieren. d) Sie nehmen die Empfehlungen der Abteilungen auf, aber steuern die Veränderung. Ihre Mitarbeitenden, die normalerweise Verantwortung übernehmen, reagieren nicht auf Ihre jüngste Neudefinition von Standards. a) Sie erlauben der Abteilung sich bei der Neudefinition von Standards einzubringen und üben keine Kontrolle aus. b) Sie definieren die Standards neu und überprüfen diese auch genau. c) Sie vermeiden eine Konfrontation, indem Sie keinen Druck ausüben; Sie ziehen sich zurück. d) Sie integrieren die Empfehlungen der Abteilung, aber achten darauf, dass die neuen Standards auch erfüllt werden.

Leadership Effectiveness and Adaptability Description (LEAD, Hersey und Blanchard 1976) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Situationsspezifisches Führungsverhalten

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

Keine – stattdessen 20 verschiedene Führungssituationen

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen mit homogener Führungskultur, die ihre Führungskräfte für situationsangemessenes, flexibles Führungsverhalten sensibilisieren wollen

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfte, die sich und ihre Anpassungsfähigkeit verbessern wollen – F ührungskräfte, die ihren Entwicklungspfad planen möchten – F ührungskräfte, die verschiedene Führungsstrategien reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Coaching – Mentoring – Führungstrainings

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z Entscheidungsverhalten der Führungskraft in Krisen und Leadership in Extremis

Während einer Krise, die die öffentliche Gesundheit und Sicherheit betrifft, wie bspw. Flugzeugabstürze, Hurrikans oder terroristische Anschläge, besteht ein besonderes Bedürfnis nach wirkungsvoller Führung. Innerhalb kürzester Zeit müssen Entscheidungen getroffen werden, auch wenn Unsicherheit und Zeitnot die Situation beherrschen (Hannah et al. 2010; Pearson und Clair 1998). Beispiele aus der Geschichte (z. B. Hurrikan Katrina, 9/11 oder die Finanzkrise 2008) oder die ­Covid-19-Pandemie zeigen, dass ineffektive Führung in Krisen manchmal Todesfälle zur Folge haben kann, oder zumindest immense Kosten oder einen Reputationsschaden – wie im folgenden Beispiel – verursachen kann. Die „Belgienkrise“ der Coca-Cola-Company (Fiederer und Ternès 2017) Ein perfektes Beispiel ist die „Belgienkrise“, die die Coca-Cola Company vor einigen Jahren durchlaufen hat. Die belgischen Gesundheitsbehörden erhielten immer häufiger Beschwerden darüber, dass Kinder nach dem Konsum von Coca-Cola krank wurden. Die Beschwerden bezogen sich darauf, dass die Dosen und das Getränk „seltsam“ rochen und schmeckten. Die C ­ oca-Cola Company wies die Beschwerden als „rein psychologisch“ zurück. Technische Analysen ergaben, dass an der Qualität der Produkte tatsächlich nichts auszusetzen war. Daher musste das Problem „in den Köpfen“ der Verbraucherinnen und Verbraucher liegen. Als die Führungskräfte von Coca-Cola erkannten, dass technische Informationen oder „Fachchinesisch“ die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht davon überzeugten, sich nicht mehr krank zu fühlen, standen sie vor einer ausgewachsenen Krise. Darüber hinaus wurde der belgische Gesundheitsminister über die verzögerte Reaktion von Coca-Cola so wütend, dass er anordnete alle Dosen von Coca-Cola aus den Regalen aller Geschäfte in ganz Belgien zu nehmen.

Notwendigkeit wirkungsvoller Führung in Krisen

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Und um sich von der Krise zu distanzieren, stellte McDonald’s, einer der größten Partner von Coca-Cola, die Belieferung mit Cola in allen Filialen ein. Aufgrund seines schlechten Umgangs mit der Krise wurde der CEO von Coca-Cola, M. Douglas Ivester, entlassen. Dies reichte aber nicht aus, um den weltweiten Schaden am Ruf von ­Coca-Cola ungeschehen zu machen. Leadership in extremis

6

Notwendigkeit von MultiTasking in Krisen

Wenn es um weit mehr als das Bewältigen einer Unternehmenskrise geht, wird von Leadership in extremis gesprochen. Es geht dabei um die Führung in Situationen, in denen die Gefahr physischer Beeinträchtigungen jederzeit realistisch ist, z. B. in Gefechtssituationen bei militärischen Konflikten, bei Katastrophen oder im Extremsport. Hier vertrauen die Geführten darauf, dass das Führungsverhalten und die Entscheidungen der Führungsperson den Ausgang der kritischen Situation wesentlich beeinflussen (Beyer 2010). Ihr Handeln entscheidet nicht nur über Erfolg oder Misserfolg, sondern über Verwundungen, in besonders kritischen Lagen über Leben oder Tod (Kolditz 2005, 2006). Die Führungspersonen sind gefordert, in komplexen, dynamischen und unklaren Situationen aus einer auf sie einwirkenden Informationsflut die entscheidungsrelevanten Informationen herausfiltern. Damit dies gelingt und auch auf spontane Lageänderungen intuitiv reagiert werden kann, ist die durch Ausbildung und Vorbereitung geförderte „Situation Awareness“ – eine extreme Sensibilisierung der Wahrnehmung und Interpretation von Reizen aus der Umgebung – Voraussetzung (Dixon 2014; Dixon et al. 2017). Trotz Müdigkeit, Stress oder Angst muss die Führungskraft dabei Ruhe bewahren und diese auch ausstrahlen. Dies kann durchaus bedeuten, dass sie Vertrauen erzeugt, indem sie durch die Kontrolle der eigenen Ängste überzeugend eine Rolle spielt und nur äußerlich ein Bild abgibt, das von ihrem inneren Befinden abweicht (Dixon 2014). Dieses Vertrauen und eine schnelle und klare Kommunikation („Sense-Giving“) sind die Grundlagen für die Zusammenarbeit und die Nutzung der kognitiven, psychischen und physischen Ressourcen der Gruppenmitglieder und stärken den Glauben daran, dass eine Mission oder das Überstehen einer existenzbedrohenden Situation von Erfolg gekrönt sein wird (Holenweger et al. 2017). Aber auch in nicht unmittelbar lebensbedrohlichen Situationen wie Unternehmenskrisen sind Führungskräfte dazu aufgerufen, vieles gleichzeitig zu erledigen. Hierzu zählt die Aufklärung Beteiligter und Betroffener über die Situation, die Vermittlung von Hoffnung und Entschlossenheit gegenüber der Öffentlichkeit sowie das Motivieren und Koordinieren der Mitarbeitenden (Mitroff 2004).

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Die zwei grundlegenden Verhaltensweisen, die essentiell für effektive Führung in Krisen sind, sind die Beurteilung von Informationen und das Treffen von Entscheidungen (Coombs 2015; Sweeny 2008). Zur Beurteilung von Informationen zählt der Umgang mit unvollständigen und widersprüchlichen Informationen, die Unterscheidung von relevanten und irrelevanten Informationen und die schnelle Reaktion bzw. das Aufbereiten und Weitergeben der für die Krisenbewältigung notwendigen Informationen an die relevanten Stakeholder. Beim Treffen von Entscheidungen geht es darum, den besten Weg aus der Krise zu finden, indem die Führungsperson schnell Entscheidungsalternativen ermittelt, deren jeweilige Folgen abschätzt, Handlungsempfehlungen gibt und deren Umsetzung in die Wege leitet. Die Effizienz bzw. auch Fähigkeit einer Führungskraft, Informationen zu evaluieren und Entscheidungen, z. B. in einer Krise der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, zu treffen, liegt im Fokus der Forschung von Hadley et al. (2011). Basierend auf bestehender Literatur und Experteninterviews haben sie die C-LEAD (engl.: Crisis Leader Efficacy in Assessing and Deciding) Skala entwickelt, um eben diese Fertigkeit einer Führungskraft zu messen. Fragebogen Crisis Leader Efficacy in Assessing and Deciding (C-LEAD) Scale nach Hadley et al. (2011, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

4

Stimme voll und ganz zu 5

6

7

1. Ich kann die politischen und zwischenmenschlichen Auswirkungen meiner Entscheidungen und Handlungen antizipieren. 2. Ich kann die Kernfragen/-themen einer Situation für andere zusammenfassen, unabhängig davon wie viele Informationen ich habe. 3. Ich kann Entscheidungen treffen und Handlungsempfehlungen aussprechen, auch wenn ich nicht so viele Informationen habe wie ich gerne hätte. 4. Ich kann beurteilen, welche Wirkung Maßnahmen bzw. Untätigkeit meiner Organisationseinheit in schwierigen Zeiten bei Mitgliedern der breiten Öffentlichkeit haben. 5. Ich kann erkennen, welche Informationen so wichtig sind, dass sie an andere Organisationseinheiten weitergegeben werden, noch bevor diese die Informationen anfordern/verlangen. 6. Ich kann andere über meine Arbeit auf dem Laufenden halten ohne ihnen zu viel oder zu wenig Informationen zukommen zu lassen.

Wesentliche Verhaltensweisen für effektive Führung in Krisen

Crisis Leader Efficacy in Assessing and Deciding

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

7. Ich kann auch unter enormem Zeitdruck Entscheidungen treffen und Handlungsempfehlungen aussprechen. 8. Ich kann abschätzen, wie viele Tote und Verletzte es aufgrund meiner Entscheidungen und Empfehlungen geben könnte. 9. Ich kann meine Arbeitsroutinen sofort verändern, um auf dringende Bedürfnisse zu reagieren.

Crisis Leader Efficacy in Assessing and Deciding (C-LEAD, Hadley et al. 2011)

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Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Führung in Krisen

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

Führungseffektivität bei der Situationsbeurteilung und Entscheidungsfindung in Krisen

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Unternehmen in extremen Krisensituationen – Einsatzorganisationen, wie Polizei, Armee, Feuerwehr

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die in extremen Krisen- oder Einsatzsituationen führen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfteentwicklung (z. B. Training, Coaching, Supervision, Mentoring)

z Alter(n)sgerechte Führung Dem demographischen Wandel in der Führung gerecht werden

Leistungswandel mit zunehmendem Alter

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels stellt sich zunehmend die Frage, welche Rolle das Alter der Geführten und der Führungskraft für die Führungssituation spielen und inwieweit hier ein spezifisches Führungsverhalten notwendig ist. Teilweise führen Führungskräfte bis zu fünf Generationen und das Senioritätsprinzip hat seine allgemeine Gültigkeit schon lange verloren – der/die Vorgesetzte ist nun häufig jünger als die Geführten (Bruch et al. 2010). Wenn von altersgerechter Führung gesprochen wird, geht es aber nicht nur darum, den Bedürfnissen älterer Mitarbeitenden gerecht zu werden, sondern auch den jüngeren, die in dieser Diskussion häufig zu kurz kommen. In Bezug auf ältere Mitarbeitende beschreibt Schuett (2014) die Folgen des Alterns als eine Form von Leistungswandlung, die nicht mit einer Leistungsabnahme assoziiert werden darf. Das bedeutet, dass eine Verschiebung der Stärken und Schwächen stattfindet, aber natürlich trotzdem Stärken vorhanden sind. So verbessern sich beispielsweise das Erfahrungswissen und auch das Wissen um die Relativität von Werten und

6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Zielen über die Jahre, wohingegen die körperliche Leistungsfähigkeit und Weiterbildungsbereitschaft tendenziell abnimmt. Dieses Verständnis sollte jede Führungskraft, wenn ältere Mitarbeitende Teil ihres Teams sind, mitbringen, damit sie adäquat auf individuelle Bedürfnisse der verschiedenen Generationen eingehen und die Arbeit an die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden anpassen kann. Nur so kann die Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Mitarbeitenden erhalten werden und die Zusammenarbeit in altersgemischten Teams gelingen. Wichtig sind aber auch ein generelles Bewusstsein und eine Sensibilität dafür, dass jede Person anders altert, per se jeder alt wird und jedes Alter seine spezifischen Chancen und Herausforderungen mit sich bringt. Um die Sensibilität von Führungskräften für diese Thematik zu erfassen, haben Wegge et al. (2012) einen Fragebogen zur Messung alter(n)sgerechter Führung entwickelt. Fragebogen Fragebogen zur Messung alter(n)sgerechter Führung (FAF 16) von Wegge et al. (2012) Allgemeine Prinzipien der Führung in altersgemischten Teams: Meine Führungskraft …   1. … b  ietet älteren Mitarbeitenden die gleichen Möglichkeiten, neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, wie den jüngeren.   2. … f ördert die Zusammenarbeit von jüngeren und älteren Mitarbeitenden.   3. … b  ehandelt sowohl jüngere als auch ältere Mitarbeitende fair.   4. … f ördert ein positives Miteinander jüngerer und älterer Mitarbeitenden.   5. … b  eteiligt Mitarbeitende aller Altersklassen an Entscheidungen, die die Arbeit betreffen.   6. … sorgt dafür, dass Altersunterschiede in unserem Bereich kein Thema sind.   7. … s tellt die beruflichen Stärken der Mitarbeitenden in den Vordergrund. Besondere Behandlung Älterer: Meine Führungskraft …   8. … g  eht bei der Arbeitsplanung auf die Stärken und Schwächen älterer Mitarbeitenden ein.   9. … g  ibt älteren Mitarbeitenden viel Spielraum bei der Organisation ihrer einzelnen Teilarbeitsaufgaben. 10. … bezieht ältere Mitarbeitende frühzeitig in die Diskussion anstehender Veränderungen bei der Arbeit ein.

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Fragebogen zur Messung alter(n)sgerechter Führung

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

11. … f ördert die Weitergabe von Berufserfahrung älterer Mitarbeitenden an ihre jüngeren Kolleginnen und Kollegen. 12. … schätzt die Leistung älterer Mitarbeitenden wert. Besondere Behandlung Jüngerer: Meine Führungskraft … 13. … gibt jüngeren Mitarbeitenden die Unterstützung, die sie brauchen. 14. … gibt jüngeren Mitarbeitenden regelmäßig Rückmeldung über ihre erbrachten Arbeitsleistungen. 15. … bietet jüngeren Mitarbeitenden Möglichkeiten, ihre berufliche Weiterentwicklung voranzutreiben. 16. … erteilt jüngeren Mitarbeitenden abwechslungsreiche Arbeitsaufgaben.

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Fragebogen zur Messung alter(n)sgerechter Führung (FAF 16, Wegge et al. 2012) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Alter(n)sgerechte Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Allgemeine Prinzipien der Führung in altersgemischten Teams – Besondere Behandlung Älterer – Besondere Behandlung Jüngerer

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Unternehmen mit alternder Belegschaft – Unternehmen mit sehr heterogener Altersstruktur

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfte, die altersgemischte Teams führen – Jüngere Führungskräfte, die ältere Mitarbeitende führen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfteentwicklung, z. B. Training, Coaching

6.5.5  Hierarchische vs. Geteilte Führung z Selbstwahrnehmung in der Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion Skala „Perzipierte Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion“

In 7 Abschn. 2.2.3 ging es um implizite Führungstheorien und die Zuschreibung einer Führungsrolle durch die Mitarbeitenden. Zentrale Fragestellungen in diesem Zusammenhang waren: Wer wird warum als Führungsperson wahrgenommen? Und welche Faktoren sind neben der offiziellen hierarchischen

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

Position entscheidend dafür, ob jemand in seiner Führungsrolle auch wirklich akzeptiert wird. Jetzt wollen wir die Perspektive wechseln und danach fragen, wie Mitarbeitende und Führungskräfte sich in ihrer eigenen Rolle wahrnehmen, inwieweit sie sich also – unabhängig vom offiziellen Jobprofil und Aufgabenspektrum – als „vorgesetzt“ oder „untergeben“ wahrnehmen. Fischer und Kohr (1980) haben dafür die Skala „Perzipierte Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion“ mit 19 Items entwickelt. Sie misst, inwiefern sich Führungskräfte und Mitarbeitende in der klassischen Untergebenen- oder Vorgesetztenfunktion verorten. Damit kann sichtbar gemacht werden, wie dominant und rigide das Organisationsprinzip „Hierarchie“ in einem Unternehmen ist. Wie in 7 Abschn. 2.3.5 beschrieben, erfordert die volatile, unsichere, komplexe und unklare Wettbewerbssituation, in der sich viele Branchen und Unternehmen bewegen, selbstorganisierte Teams und agile, kollaborative Organisationsformen, die die Mitarbeitenden zu selbständiger Führung anregen. Für Unternehmen, die Hierarchien abbauen wollen und auf selbstverantwortliche Mitarbeitende setzen, kann eine Befragung der Belegschaft Klarheit schaffen, ob hier nach wie vor eine große Distanz zwischen Führenden besteht und sich klare Polaritäten erkennen lassen, oder ob die Unterschiede zwischen Führenden und Geführten verschwimmen und Führung als Gemeinschaftsleistung aufgefasst wird. Fragebogen Skala Perzipierte Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion (Fischer und Kohr 1980) Zutref­ fend 1

Eher zutreffend

Weder noch

2

3

Eher unzutreffend 4

Unzutref­ fend 5

Perzipierte Untergebenenfunktion 1. Meine Arbeit besteht in der Durchführung von Anweisungen. 2. In meiner Arbeitsleistung richte ich mich nach anderen. 3. Ich bin bei meiner Arbeit von Weisungen abhängig. 4. Vorschriften und Vorgesetzte engen meinen Tätigkeitsbereich stark ein. 5. Ich werde bei meiner Arbeit öfter kontrolliert. 6. Der Ablauf meiner Arbeit ist bis in alle Einzelheiten festgelegt. 7. Mir macht keiner Vorschriften, wie ich meine Arbeit erledigen soll. (−) 8. Meine tägliche Arbeit wird mir zugewiesen. 9. Ich kann mir meine Arbeit selbst einteilen. (−)

Mitarbeiterbefragung zur Identifikation von Nähe/Distanz zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden

6

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6

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Perzipierte Vorgesetztenfunktion 1. Bei meiner beruflichen Tätigkeit habe ich Untergebene.* 2. Ich muss an meinem Arbeitsplatz auch die Arbeit von anderen verantworten.* 3. Ich bin unentbehrlich an meinem Arbeitsplatz. 4. Bei meiner Arbeit gebe ich öfter Anweisungen.* 5. Es gehört zu meinen beruflichen Aufgaben, Entscheidungen selbständig zu treffen. 6. Ein Teil meiner Arbeit besteht in der Kontrolle von Mitarbeitenden.* 7. Es gibt Dinge, Vorgänge u. a. an meinem Arbeitsplatz, die nur ich genau kenne. 8. Bei meiner beruflichen Tätigkeit habe ich großen Einfluss.* 9. Bei meiner beruflichen Tätigkeit muss ich mich ständig auf dem Laufenden halten. 10. Zu meiner beruflichen Tätigkeit gehört es, Leistungen und Verhalten von Mitarbeitenden zu beurteilen.* * Items der Kurzversion der Skala zur Perzipierten Vorgesetztenfunktion.

Skala Perzipierte Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion (Fischer und Kohr 1980) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Wahrnehmung der Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

– Perzipierte Untergebenenfunktion – Perzipierte Vorgesetztenfunktion

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Unternehmen, die ihre „Hierarchisierung“ sichtbar machen wollen – Unternehmen, die Hierarchien abbauen und kollaborative Führung fördern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die… – ihre eigene Führungsrolle reflektieren wollen – Mitarbeiter- und Führungsrollen im Team reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Wandel der Führungskultur von hierarchischer Führung zu Führung als Gemeinschaftsaufgabe

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6.5 · Messung einzelner Aspekte des Führungsverhaltens

z Geteilte Führung

Aufgrund gravierender Veränderungen in der Arbeitswelt in den letzten Jahrzehnten, werden verstärkt Arbeitsteams eingesetzt. Ziel ist es dabei, gemeinsam an einer Aufgabe zu arbeiten und etwas erreichen zu können, das über das Potenzial eines Einzelnen hinausgeht (Marks et al. 2001). Allerdings stellt sich dieser vermeintliche Erfolg nicht automatisch ein – eine wesentliche Rolle spielt hierbei die Verteilung der Führungsrollen innerhalb des Teams. In den 1950er Jahren schlug Gibb (1954) erstmals zwei Formen der Teamführung vor: Geteilt und fokussiert. Bei der fokussierten Führung bleibt die Führungsfunktion bei einem einzelnen Teammitglied, wohingegen bei der geteilten Führung zwei oder mehrere Mitglieder die Führungsrolle, ­-ver­antwortlichkeiten und -funktionen teilen. Teams mit einem hohen Grad an geteilter Führung können diese Funktion auch rotieren lassen, sodass die Führungsrolle von unterschiedlichen Teammitgliedern im Laufe des Teamzyklus und der -entwicklung übernommen wird (Carson et al. 2007). Basierend auf den elf Faktoren des Managerial Practices Survey von Yukl und Lepsinger (1990), entwickelte Hiller (2001) ein ökonomisch anwendbares Instrument, die Shared Leadership Scale, das die Neigung einzelner Teammitglieder misst, an der geteilten Führungsrolle teilzuhaben. Fragebogen Geteilte Führung (Hiller 2001, eigene Übersetzung) Nie 1

Immer 2

3

4

5

6

7

Wie häufig wirken Teammitglieder mit, wenn es … Planung & Organisation   1. … darum geht, zu planen, wie die Arbeit aufgeteilt wird.   2. … um die Zuteilung von Teamressourcen entsprechend der Prioritäten unseres Teams geht.   3. … um die Festlegung unserer Teamziele geht.   4. … darum geht, Aufgaben so zu organisieren, dass die Arbeitsabläufe reibungslos funktionieren.   5. … darum geht, zu entscheiden, wie unser Team zusammenarbeitet.   6. … darum geht, hilfreiche Informationen zu arbeitsbezogenen Plänen unseres Teams zur Verfügung zu stellen. Problemlösen   7. … u  m die Entscheidung über die beste Vorgehensweise geht, wenn ein Problem auftritt.   8. … um die schnelle Diagnose von Problemen geht.

Geteilte Führung Fokussierte Führung

Shared Leadership Scale

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

  9. … darum geht, die kombinierte Expertise unseres Teams für die Lösung von Problemen zu nutzen. 10. … darum geht, Lösungen für Probleme zu finden, die die Teamleistung beeinflussen. 11. … darum geht, Probleme zu identifizieren, bevor sie auftreten. 12. … um die Entwicklung von Lösungen für Probleme geht. 13. … darum geht, Probleme zu lösen, sobald sie auftreten.

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Unterstützung & Rücksichtnahme 14. … um das Anbieten von Unterstützung für Teammitglieder geht, die Hilfe benötigen. 15. … darum geht, gegenüber anderen Teammitgliedern Geduld zu zeigen. 16. … darum geht, andere Teammitglieder zu ermutigen, wenn sie sich Sorgen machen. 17. … darum geht, anderen Teammitgliedern bei Beschwerden und Problemen zuzuhören. 18. … darum geht, den Zusammenhalt im Team zu fördern. 19. … darum geht, sich gegenseitig mit Respekt zu behandeln. Entwicklung & Mentoring 20. … um den Austausch von karriererelevanten Ratschlägen in unserem Team geht. 21. … d  arum geht, sich gegenseitig bei der Entwicklung von Fähigkeiten zu unterstützen. 22. … darum geht, Fähigkeiten von allen anderen Teammitgliedern zu lernen. 23. … darum geht, ein positives Vorbild für neue Teammitglieder abzugeben. 24. … darum geht, leistungsschwache Teammitglieder zu unterweisen, damit sie sich verbessern können. 25. …. darum geht, mitzuhelfen, wenn ein anderes Teammitglied eine neue Fähigkeit erlernt.

Shared Leadership Scale (Hiller 2001) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Geteilte Führung

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

– Planung & Organisation – Problemlösen – Unterstützung & Rücksichtnahme – Entwicklung & Mentoring

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6.6 · Diagnose des Führungsstils

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– IT-Unternehmen – Krankenhäuser –G  enerell: Unternehmen mit komplexen Aufgabenstellungen in einem volatilen Umfeld

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– F ührungskräfte mit High Performance Work Teams – F ührungskräfte in agil arbeitenden Unternehmen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Entwicklung einer agilen Führungskultur – S ensibilisierung für die Idee von Führung als Gemeinschaftsleistung – Teamentwicklung

6.6  Diagnose des Führungsstils

Der Begriff Führungsstil bezeichnet häufig auftretende, sich wiederholende Verhaltensweisen, in denen sich bestimmte typische Muster erkennen lassen. Oft offenbaren sich in ihnen auch Grundeinstellungen gegenüber den Mitarbeitenden, der Aufgabenerfüllung und den Quellen von Unternehmenserfolg. Diese Verhaltenstendenzen bestehen über einen längeren Zeitraum und prägen viele Bereiche des Handelns einer Führungskraft, weshalb sie sich auch auf den Führungserfolg auswirken. Im Folgenden sollen einige in der aktuellen Forschung besonders bedeutsamen Führungsstile sowie die dazugehörigen Messinstrumente vorgestellt werden. Bei der Transaktionalen Führung (7 Abschn. 6.6.1) steht die Gestaltung der Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden im Vordergrund, bei der Transformationalen Führung (7 Abschn. 6.6.2) geht es darum, durch Führung die Werte, Einstellungen und das Commitment der Geführten dahingehend zu verändern, dass die Organisationsziele besser erreicht werden können. Der Full-Range-LeadershipAnsatz bildet neben transaktionalen und transformationalen Aspekten von Führung auch noch das Management by Exception (Eingreifen in Ausnahmefällen) und die Laissezfaire-Führung ab (vollständige Verantwortungsabgabe an die Geführten) (7 Abschn. 6.6.3). Bei der charismatischen Führung stehen Verhaltensweisen im Fokus, die Ausdruck einer außergewöhnlich visionären, feinfühligen und unkonventionellen Persönlichkeit sind (7 Abschn. 6.6.4), bei der authentischen Führung basiert das Führungsverhalten auf Idealen, moralischen Überzeugungen und Integrität der Führungskraft, resultiert aber auch aus dem Bemühen der Führungskraft, sich selbst und die eigene Urteilsbildung auf den Prüfstand zu stellen (7 Abschn. 6.6.5). Bei der ambidextren Führung werden Verhaltensmuster gemessen, die einerseits

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Innovation (Exploration) in Organisationen begünstigen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Effizienz gesteigert und ein höherer Nutzen geschaffen werden kann (Exploitation) (7 Abschn. 6.6.7). 6.6.1  Transaktionale Führung Abstimmung von Leistung und Gegenleistung

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Prozesse können transaktionale Führung abbilden

Bei der transaktionalen Führung geht es darum, Leistungen, die die Mitarbeitenden erbringen, und Gegenleistungen, die sie dafür von der Führungskraft als Vertreterin der Organisation zu erwarten haben, möglichst gut aufeinander abzustimmen (Bass und Avolio 1997; Bass 1999). Die zentralen Führungsinstrumente der transaktionalen Führung sind Lob, Belohnungen oder die Zuteilung von Ressourcen. Belohnungen und Anerkennung erhalten die Geführten allerdings nur, wenn sie ihre Aufgaben und Rollen aus Sicht der Vorgesetzten zufriedenstellend ausgeführt haben (Bass et al. 2003; Podsakoff et al. 1982). Die Führungskraft delegiert definierte Aufgaben und setzt klare Ziele, um den Mitarbeitenden Orientierung zu bieten, was von ihnen erwartet wird. Ansonsten interveniert sie möglichst wenig und gibt nach Erfüllung der Aufgabe Feedback bzw. lobt oder belohnt die Leistungen der Mitarbeitenden. Eine typische Führungssituation könnte so aussehen: Eine Mitarbeiterin erhält von ihrer Führungskraft den Auftrag ein Konzept für eine Werbekampagne zu entwerfen. Die Führungskraft erläutert sehr detailliert, was sie konkret erwartet (u. a. Deadline, formale Anforderungen, Umfang, Gliederung). Sie berücksichtigt dabei die Leistungsfähigkeit und die zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen der Mitarbeiterin. Am vereinbarten Termin prüft die Führungskraft das vorgelegte Konzept, gibt detailliertes Feedback, inwieweit die einzelnen vorab besprochenen Erwartungen erfüllt wurden und spricht ggf. ihre Anerkennung aus. In überspitzter Form findet sich die transaktionale Führung auch in sogenannten Führungssubstituten wieder, wenn Führung nicht mehr durch Menschen, sondern durch vorgegebene Prozesse erfolgt: Ein Bandarbeiter eines Automobilherstellers kennt genau seine Arbeitszeiten von 7 Uhr bis 15:30 Uhr und produziert eine festgelegte Anzahl Bremsscheiben je Schicht. Wenn er seine tägliche Stückzahl erfüllt, wird er regulär entlohnt, bei Überproduktion wird er mit einem Bonus belohnt. Transaktionale Führung ist trotz ihres etwas mechanistischen Charakters also sehr wirksam, wenn sie zur Arbeitsaufgabe, zur Kultur, zu den Bedürfnissen und zur Persönlichkeit der Geführten passt – wie die zwei folgenden Forschungsergebnisse zeigen. So fanden Liu et al. (2011) heraus, dass transaktionale Führung sich je nach Merkmalen der Arbeitsaufgabe positiv oder negativ auf die Innovationsfähigkeit von chinesischen

195

6.6 · Diagnose des Führungsstils

­ D ienstleistungsteams verschiedener Branchen auswirkte. Pieterse et al. (2010) zeigten in einer Studie mit niederländischen Angestellten, dass transaktionale Führung innovatives Verhalten hemmt, wenn die Angestellten sehr selbstbewusst sind. Das könnte daran liegen, dass selbstbewusste Mitarbeitende diesen Führungsstil als kontrollierend und demotivierend wahrnehmen, was sich letztlich auf ihre Innovationsfähigkeit auswirkt. Um transaktionale Führung quantitativ erfassen zu können, veröffentlichten Pearce und Sims Jr (2002) die folgenden Leader Behavior Items. Fragebogen Leader Behavior Items – Transaktionale Führung (Pearce und Sims Jr 2002, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

Materielle Anerkennung   1. Meine Führungskraft wird sich dafür aussprechen, dass ich bei guter Leistung gut entlohnt werde.   2. Meine Führungskraft wird sich dafür aussprechen, dass ich bei guter Leistung eine höhere Vergütung erhalte.   3. Wenn ich gute Leistung erbringe, wird sich meine Führungskraft für eine höhere Vergütung aussprechen. Persönliche Anerkennung   4. Meine Führungskraft gibt mir positives Feedback, wenn ich gute Leistung erbringe.   5. Meine Führungskraft lobt mich, wenn ich überdurchschnittlich gut meine Aufgaben erledige.   6. Meine Führungskraft schenkt mir besondere Anerkennung, wenn meine Arbeitsleistung besonders gut ist. Management by Exception (aktiv)   7. Meine Führungskraft konzentriert sich auf Unregelmäßigkeiten, Fehler, Ausnahmen und Abweichungen vom Standard.   8. Meine Führungskraft prüft meine Leistung genau auf Fehler.   9. Meine Führungskraft verbringt Zeit damit „Brände zu löschen“. 10. Meine Führungskraft registriert Fehler. 11. Meine Führungskraft konzentriert sich auf die mangelnde Einhaltung von Vorgaben.

Leader Behavior Items

6

196

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Management by Exception (passiv) 12. Meine Führungskraft lässt zu, dass die Leistung unter die Mindestanforderungen fällt, bevor er/sie sich um Verbesserungen bemüht. 13. Meine Führungskraft greift erst ein, wenn die Probleme ernst werden. 14. Meine Führungskraft sagt mir eher was ich falsch gemacht habe und nicht, was ich richtig gemacht habe. 15. Meine Führungskraft wartet bis etwas schief gelaufen ist, ehe er/sie eingreift. 16. Meine Führungskraft glaubt fest daran, dass nichts verändert werden muss, solange etwas noch funktioniert.

6

Leader Behavior Items – Transaktionale Führung (Pearce und Sims Jr 2002) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Transaktionale Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Materielle Anerkennung – Persönliche Anerkennung – Management by Exception (aktiv) – Management by Exception (passiv)

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die ihre Führungskultur evaluieren wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihr Führungsverhalten reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungsfeedback – Führungskräfteentwicklung (z. B. Training) – Coaching

6.6.2  Transformationale Führung Transformationale Führungskräfte gehen auf die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden ein

Führungskräfte, die transformational führen, verbessern das Selbstwertgefühl ihrer Mitarbeitenden, motivieren sie, über ihre Grenzen hinauszugehen und haben herausfordernde Leistungserwartungen an sie (Bass und Bass 2008). Diese Führungspersönlichkeiten schaffen Visionen und unterstützen Veränderungen – mit die bekanntesten „Führungsbeispiele“ finden sich in den Weltreligionen: Jesus, Mohammed und Buddha (Ford 1991). Gerne werden in diesem Zusammenhang auch Barack Obama oder Martin Luther King angeführt (Green und Roberts 2012; McGuire

197

6.6 · Diagnose des Führungsstils

und Hutchings 2007). Diese Führungspersönlichkeiten haben es geschafft, bei anderen Vertrauen, Bewunderung, Respekt und Loyalität zu wecken und sie dadurch für ihre Ziele und Anliegen zu gewinnen. Aber nicht nur eine charismatische Persönlichkeit, auch die Verwendung von überzeugenden Symbolen oder symbolischen Handlungen, die emotionale Ansprache der Mitarbeitenden, die Lust Neues auszuprobieren und das Gewohnte nicht nur bei anderen, sondern auch bei sich selbst zu hinterfragen, machen transformationales Führen aus. Auf transformationale Führungskräfte trifft aber auch der „4M-Leitsatz“ für gute Führung zu: Man muss Menschen mögen! – sie haben ein Gespür für Menschen und deren individuelle Bedürfnisse und verhalten sich fair. Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass Mitarbeitende vor allem dann transformationale Führung benötigen, wenn sie unter Stress stehen oder Herausforderungen bewältigen müssen, wenn sie mit größerer Unsicherheit in der Arbeit konfrontiert sind und wenn sie bedeutungsvolle Aufgaben erledigen müssen. Führungskräfte sollten daher sensibel sein für die Situation und die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden (Tepper et al. 2018). Vor allem in Teams, deren Mitglieder über mehrere Standorte verteilt sind und die Kommunikation v. a. über elektronische Medien (z. B. in Form von Emails oder Telefonkonferenzen) erfolgt, ist transformationale Führung schwieriger umzusetzen. Offensichtlich ist für den Aufbau einer engen Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten der face-to-face-Kontakt enorm wichtig (Wong und Berntzen 2019). Führungskräfte stehen aber auch vor der Herausforderung, gleichzeitig ganze Teams und die individuellen Teammitglieder zu motivieren. Auf die Gruppe ausgerichtete transformative Führung ist dabei wirksamer, da sie die Bindung im Team stärkt, dazu motiviert, sich gegenseitig zu unterstützen und die Gruppenleistung verbessert, während auf das individuelle Teammitglied gerichtete transformationale Führung sich nur dann positiv auf gruppenbezogene Leistungsparameter auswirkt, wenn diese Personen sich gegenüber ihrer Arbeitsgruppe bereits verpflichtet fühlen (Lorinkova und Perry 2019). Um transformationale Führung messbar zu machen, hat die Forschergruppe um Phil Podsakoff einen Fragebogen entwickelt, der eine interessante Alternative zum häufig verwendeten Multifactor Leadership Questionnaire darstellt: die Transformational Leadership Behavior Scale (Podsakoff et al. 1996). Fragebogen Transformational Leadership Behavior Scale (Podsakoff et al. 1996, eigene Übersetzung) Stimme gar nicht zu 1

Neutral 2

3

4

Stimme voll und ganz zu 5

6

7

6

Herausforderung transformationaler Führung von Teams

Transformational Leadership Behavior Scale

198

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Meine Führungskraft … Artikulation einer Vision   1. … ist ständig auf der Suche nach neuen Perspektiven für unsere Einheit/Abteilung/Organisation.   2. … zeichnet ein interessantes Bild der Zukunft für unsere Gruppe.   3. … hat ein klares Verständnis dafür, wohin wir gehen.   4. … inspiriert andere mit seinen/ihren Zukunftsplänen.   5. … ist in der Lage, andere für seinen/ihren Zukunftstraum zu begeistern.

6

Vorbild sein   6. … führt durch „Vorleben“ statt nur durch „Reden“.   7. … ist ein gutes Vorbild, dem man folgen kann.   8. … geht mit gutem Beispiel voran. Förderung der Akzeptanz von Gruppenzielen   9. … fördert die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen. 10. … ermutigt Mitarbeitende, Teamplayer zu sein. 11. … schafft es, dass eine Gruppe zusammen für dasselbe Ziel arbeitet. 12. … fördert Teamhaltung und Teamgeist unter seinen/ihren Mitarbeitenden. Hohe Leistungserwartung 13. … zeigt uns, dass er/sie viel von uns erwartet. 14. … besteht darauf, dass wir unser Bestes geben. 15. … gibt sich nicht mit zweitbesten Lösungen zufrieden. Individuelle Unterstützung 16. … handelt ohne Rücksicht auf meine Gefühle. (−) 17. … zeigt Respekt für meine Gefühle. 18. … verhält sich auf eine Art und Weise, die auf meine persönlichen Bedürfnisse abgestimmt ist. 19. … achtet im Umgang mit mir nicht auf meine Gefühle. (−) Intellektuelle Stimulation 20. … hat mir neue Sichtweisen auf Themen eröffnet, die für mich bisher ein Rätsel waren. 21. … hat Ideen, die mich gezwungen haben, einige meiner eigenen Vorstellungen zu überdenken, die ich bisher nicht infrage gestellt habe. 22. … hat mich angeregt über alte Probleme auf eine neue Art und Weise nachzudenken.

199

6.6 · Diagnose des Führungsstils

6

Transformational Leadership Behavior Scale (Podsakoff et al. 1996) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Transformationale Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Artikulation einer Vision – Vorbild sein – F örderung der Akzeptanz von Gruppenzielen – Hohe Leistungserwartung – Individuelle Unterstützung – Intellektuelle Stimulation

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Dynamisches Umfeld – Intensiver Wettbewerb – Starker Innovationsdruck – Disruptiver Wandel

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Top Management – Obere Hierarchieebenen – S chlüsselpositionen mit Innovationscharakter

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– F ührungskräfteentwicklung (z. B. Trainings, Coaching) – Führungsfeedback

6.6.3  Full-Range-Leadership

Das Modell des Full-Range-Leadership bildet das Verhalten von Führungskräften gegenüber ihren Mitarbeitenden in verschiedenen Arbeitssituationen ab. Es wurde in den 1980er Jahren von Bass und Avolio entwickelt und gilt als übergeordnete Führungstheorie, die die transformationale und transaktionale Führung (7 Abschn. 2.2.2) mit dem ­Laissez-faire-Führungsstil5 in Bezug setzt – das Modell wurde in zahlreichen Studien empirisch bestätigt. Erfolgsversprechend ist nach diesem Modell ein mitarbeiter- und zukunftsorientiertes Führungsverhalten (Avolio 2011). Das Full-Range-Leadership-Modell unterscheidet acht verschiedene Führungsstile, die das ganze Spektrum von passiven, ineffektiven Verhaltensweisen („Laissez-faire“) bis hin zu aktiven und erwiesenermaßen besonders effektiven Verhaltensweisen umfassen. Seit den 1980er Jahren hat das Full-Range-Leadership Modell in der weltweiten Leadership-Forschung große Akzeptanz gefunden und ist auf unterschiedlichste kulturelle und fachliche Kontexte angewandt worden, beispielsweise bei pakistanischen Fachkräften (Ryan und Tipu 2013), 5

Führungskräfte, die nach dem L­ aissez-faire-Prinzip führen, vermeiden jede Art von Führungsverantwortung.

Kombination aus transformationaler, transaktionaler und Laissezfaire Führung

200

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Leadership Style Assessment

6

Selbst- und Fremdwahrnehmung mittels LSA möglich

indischen Hochschuldozierenden (Bodla und Nawaz 2010), amerikanischem Krankenhauspersonal (Spinelli 2006), amerikanischen Verwaltungsangestellten (Oberfield 2012) oder in britischen Industriebetrieben (Edwards und Gill 2012). Außergewöhnlich an dem von Peus et al. (2013) abgeleiteten Test „Leadership Style Assessment (LSA)“ ist die Erfassung des Führungsverhaltens anhand typischer Arbeitssituationen. Bei derartigen situativen Beurteilungsverfahren bewerten die Teilnehmenden alternative Reaktionsmöglichkeiten auf bestimmte Situationen. Führungskräfte und Mitarbeitende erhalten im LSA für den Berufsalltag typische Situationsbeschreibungen zu denen ihnen jeweils acht mögliche Reaktionsmöglichkeiten vorgeschlagen werden, die auf den acht verschiedenen Führungsstilen (= Dimensionen des Full Range Leadership Modells) basieren: 5 Transformationale Führungsstile (Inspirierende Motivation, Intellektuelle Stimulation, Individuelle Wertschätzung, Charismatisches Verhalten) 5 Transaktionale Führungsstile (Leistungsorientierte Belohnung, Aktive Kontrolle, Eingreifen im Bedarfsfall) 5 Laissez-faire-Führungsstil Führungskräfte können mit dem LSA selbst einschätzen, wie wahrscheinlich sie sich entsprechend verschiedener Reaktionsmöglichkeiten verhalten würden (Selbstbeurteilung). Bei der Fremdbeurteilungsversion des Fragebogens beurteilen Mitarbeitende das Verhalten ihrer Führungskraft. Der gesamte LSA-Fragebogen ist in der Testzentrale des Hogrefe Verlags kostenpflichtig erhältlich6, im Folgenden findet sich eine Beispiel-Frage aus dem LSA (Peus et al. 2013, deutsches Original von Prof. Dr. Peus erhalten): Fragebogen Nachfolgend werden Ihnen acht herausfordernde Situationen der Zusammenarbeit in einer Abteilung geschildert. Für jede Situation sind acht verschiedene Verhaltensoptionen dargestellt. Bitte geben Sie für jede Verhaltensoption an, wie wahrscheinlich es ist, dass sich Ihre Führungskraft – also Ihr(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) – auf diese Weise verhalten würde. Selbstverständlich existieren weitere Verhaltensweisen, die hier nicht dargestellt werden. Für diese Befragung ist jedoch relevant, wie Sie Ihre Führungskraft hinsichtlich der genannten Verhaltensalternativen einschätzen. Bitte geben Sie Ihre Antworten mithilfe der folgenden Skala an:

6

7 https://www.testzentrale.de/shop/leadership-style-assessment.html (Stand: 21.06.2019).

201

6.6 · Diagnose des Führungsstils

Sehr unwahr­ scheinlich 1

Neutral

2

3

Sehr wahrscheinlich 4

5

Ein Mitarbeiter der Abteilung hat Ihrer Führungskraft eine Präsentation vorgelegt, die dieser Mitarbeiter bei einem potenziellen Kunden vorstellen soll. Die Präsentation weicht jedoch in ihrer Qualität gravierend von den Erwartungen Ihrer Führungskraft ab. Beispielsweise sind grundlegende formale Richtlinien und graphische Gestaltungsaspekte nicht eingehalten worden. Ihre Führungskraft ist mit dieser Leistung nicht einverstanden. Meine Führungskraft … Intellektuelle Stimulation: … fordert den Mitarbeiter zunächst auf, die Stärken und Schwächen seiner Präsentation kritisch zu überprüfen. Zusätzlich macht sie Vorschläge, wie der Mitarbeiter die Überzeugungskraft der Präsentation erhöhen kann. Inspirierende Motivation: … motiviert den Mitarbeiter, die Präsentation noch einmal zu überarbeiten, um mit einer weiter verbesserten Präsentation die Abteilung wirkungsvoll nach außen vertreten zu können, und betont die Stärken seiner bisherigen Arbeit. Individuelle Unterstützung: … nimmt sich Zeit für ein persönliches Gespräch mit dem Mitarbeiter, in dem sie mit ihm detailliert bespricht, warum er Schwierigkeiten hatte und wie sie ihn bei der Verbesserung der Präsentation unterstützen kann. Idealisierter Einfluss: … spricht mit dem Mitarbeiter darüber, dass ihr das professionelle Auftreten gegenüber potenziellen Kunden ausgesprochen wichtig ist und verdeutlicht ihre fachlichen Kritikpunkte, ohne seine Kompetenzen infrage zu stellen. Leistungsorientierte Belohnung: … vereinbart mit dem Mitarbeiter, dass er die Präsentation zunächst grundlegend hinsichtlich der formalen Fehler überarbeitet. Im Gegenzug bietet sie ihm konkrete Unterstützung bei der weiteren Perfektionierung an. Management by Exception (aktiv): … fordert den Mitarbeiter auf, die Präsentation zu überarbeiten und kontrolliert von nun an bei jeder Aufgabe

6

202

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

des Mitarbeiters regelmäßig, ob dieser Fehler dabei macht oder erneut von den internen Vorgaben abweicht. Management by Exception (passiv): … lässt den Mitarbeiter die qualitativ unzureichende Präsentation halten, ohne ihm vorher Feedback zu geben, und spricht das Thema anschließend nur an, wenn sich der potenzielle Kunde direkt über die Präsentation beschwert.

6

Laissez-faire Führung: … fühlt sich nicht dafür verantwortlich, wie der Mitarbeiter die Abteilung beim Kunden repräsentiert. Dementsprechend gibt sie ihm keine Rückmeldung zu seiner qualitativ unzureichenden Präsentation. (Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Claudia Peus. Das Testverfahren ist zu beziehen bei der Testzentrale 7 www.testzentrale.de)

Leadership Style Assessment (LSA, Peus et al. 2013) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Full-Range-Leadership

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Intellektuelle Stimulation – Inspirierende Motivation – Individuelle Unterstützung – Idealisierter Einfluss – Leistungsorientierte Belohnung – Aktive Kontrolle (Management by Exception – aktiv) – Eingreifen im Bedarfsfall (Management by Exception – passiv) – Laissez-faire-Führung

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Alle Unternehmen, die ihre Führungskultur evaluieren und verändern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die ihren Führungsstil situationsbezogen reflektieren wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräftebeurteilung – Führungskräfteentwicklung – Führungskräfteauswahl und -beförderung

203

6.6 · Diagnose des Führungsstils

6.6.4  Charismatische Führung

Charismatische Führung ist besonders bedeutsam für Unternehmen, deren dynamisches Umfeld eine permanente Erneuerung und einen stetigen Wandel erfordert oder die aufgrund fehlender Anpassungsfähigkeit an Umweltveränderungen auf eine Krise zusteuern bzw. sich bereits in einer Krise befinden. Mit der 1997 veröffentlichten, überarbeiteten CongerKanungo-Skala kann gemessen werden, wie charismatisch die Führung – insbesondere das obere Management – eines Unternehmens ist (Conger et al. 1997). Die fünf Dimensionen der Skala – Strategische Vision und deren Artikulation, Sensibilität für die Umwelt, Sensibilität für die Bedürfnisse der Organisationsmitglieder, Übernahme persönlicher Risiken und unkonventionelles Verhalten – greifen das Konzept des charismatischen Führers von Max Weber (Weber 1956) auf. Nach Conger und Kanungo erkennen die Mitarbeitenden die außergewöhnliche Persönlichkeit des Charismatikers daran, dass er bereit ist, für seine Vision hohe persönliche Risiken einzugehen und dass er sich unkonventionell verhält, um seine Ziele zu verwirklichen. Sein Handeln ist von visionären Vorstellungen und Zielen geleitet, für die er seine Mitarbeitenden durch begeisternde Kommunikation gewinnen kann. Und drittens ist er sich der Bedürfnisse seines Umfelds bewusst, was eine hohe Sensibilität nicht nur für interne und externe Bedingungen, sondern auch für die Organisationsmitglieder voraussetzt. Fragebogen Die überarbeitete C-K-Skala der Charismatischen Führung7 (Conger et al. 1997, eigene Übersetzung) Stimme gar nicht zu 1

Stimme voll und ganz zu 2

3

4

5

6

7

Strategische Vision und Artikulation   1. Meine Führungskraft hat inspirierende strategische und organisationale Ziele.   2. Meine Führungskraft inspiriert; motiviert, indem sie die Bedeutung dessen, was die Organisationsmitglieder tun, erfolgreich vermittelt.   3. Meine Führungskraft entwickelt laufend neue Ideen für die Zukunft der Organisation.

7

Originaltitel: The revised C-K-Scale of Charismatic Leadership; eine validierte Übersetzung ins Deutsche ist von Rowold und Kersting (2008) verfügbar.

Charismatiker gehen Risiken ein, verhalten sich unkonventionell und kommunizieren ­enthusiastisch Conger-Kanungo-Skala

6

204

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

  4. Meine Führungskraft begeistert als Redner/in.   5. Meine Führungskraft hat eine Vision; äußert oft Ideen zu zukünftigen Chancen.   6. Meine Führungskraft ist unternehmerisch; ergreift neue Gelegenheiten um Ziele zu erreichen.   7. Meine Führungskraft erfasst spontan neue Rahmenbedingungen (günstige materielle und soziale Zustände), die das Erreichen der Ziele der Organisation erleichtern könnten.

6

Sensibilität für die Umwelt   8. Meine Führungskraft erfasst spontan ungünstige Rahmenbedingungen in der materiellen Umwelt (technologische Grenzen, fehlende Ressourcen, etc.), die das Erreichen der Ziele der Organisation behindern könnten.   9. Meine Führungskraft erfasst spontan ungünstige Rahmenbedingungen in der sozialen und kulturellen Umwelt (kulturelle Normen, fehlender Rückhalt in der Organisation, etc.), die das Erreichen der Ziele der Organisation behindern könnten. 10. Meine Führungskraft kann die Fähigkeiten und Fertigkeiten anderer Organisationsmitglieder einschätzen. 11. Meine Führungskraft kann die Grenzen anderer Organisationsmitglieder einschätzen. Sensibilität für die Bedürfnisse der Organisationsmitglieder 12. Meine Führungskraft nimmt Einfluss auf andere, indem sie gegenseitige Sympathie und Respekt erzeugt. 13. Meine Führungskraft ist sensibel für die Bedürfnisse und Gefühle anderer Organisationsmitglieder. 14. Meine Führungskraft zeigt häufig persönliches Interesse an den Bedürfnissen und Gefühlen anderer Organisationsmitglieder. Persönliches Risiko 15. Meine Führungskraft nimmt um der Organisation willen hohe persönliche Risiken in Kauf. 16. Meine Führungskraft nimmt um der Organisation willen häufig hohe persönliche Kosten in Kauf. 17. Meine Führungskraft beschäftigt sich beim Verfolgen von Zielen der Organisation mit Aktivitäten, die mit einem hohen persönlichen Risiko einhergehen. Unkonventionelles Verhalten 18. Meine Führungskraft geht unkonventionell vor, wenn es darum geht, Ziele der Organisation zu erreichen.

205

6.6 · Diagnose des Führungsstils

19. Meine Führungskraft nutzt ungewohnte Mittel und Wege, um organisationale Ziele zu erreichen. 20. Meine Führungskraft zeigt oft außergewöhnliches Verhalten, das andere Organisationsmitglieder überrascht.

C-K-Skala der Charismatischen Führung (Conger et al. 1997) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Charismatische Führung

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Strategische Vision und Artikulation – Sensibilität für die Umwelt – S ensibilität für die Bedürfnisse der Organisationsmitglieder – Persönliches Risiko – Unkonventionelles Verhalten

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Dynamisches Umfeld – Intensiver Wettbewerb – Starker Innovationsdruck – In krisenhaften Situationen – Geplanter Wandel

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Top Management – Obere Hierarchieebenen – S chlüsselpositionen mit Innovationscharakter –K  risenmanagerinnen und Krisenmanager

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Personalentwicklung: Reflexion des eigenen Charismas im Rahmen von Potenzialanalyse und 360-GradFeedback; Erhebung des Selbstbilds der Führungskraft und des Fremdbilds der Mitarbeitenden

6.6.5  Authentische Führung

Für Götz Werner, den Gründer und langjährigen Geschäftsführer des Unternehmens dm-drogerie markt, bedeutet authentisch zu führen, dass man „wirklich danach strebt, in gelassener Selbstführung und aus eigener Kraft und Einsicht zu arbeiten und zu leben: In Übereinstimmung mit sich selbst.“ (Werner 2006, S. 18). Voraussetzung dafür ist nach Robbins und Judge (2013), sich selbst zu kennen, zu wissen woran man glaubt und den eigenen moralischen Werten entsprechend, geradlinig und aufrichtig zu handeln. Authentische Führungskräfte teilen Informationen, sie ermutigen dazu, offen miteinander zu reden, und halten – notfalls auch gegen Widerstände – an ihren Idealen und Werten

Eigenschaften einer authentischen Führungskraft

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Verständnis von Authentizität

6

Authentic Leadership Inventory

fest. Deshalb gelten sie als anständig. Ihre Mitarbeitenden vertrauen ihnen, sie glauben an sie. Ob eine Führungskraft als authentisch wahrgenommen wird, hängt also entscheidend von der Beziehung ab, die sie zu ihren Mitarbeitenden aufgebaut hat. In den letzten Jahrzehnten gab es seitens der Forschung diverse Versuche, das Konzept der authentischen Führung eindeutig zu definieren. Bass und Steidlmeier (1999) sahen die Authentizität als eine Erweiterung der transformationalen Führung (7 Abschn. 6.6.2). Ihnen zufolge sind Führungskräfte authentisch transformational (authentically transformational), wenn sie bei ihren Mitarbeitenden das Bewusstsein für das Gute, Wichtige und Richtige schärfen. Sie erkennen das Bedürfnis ihrer Mitarbeitenden nach Leistung und Selbstverwirklichung an und fördern deren Mündigkeit. Eine Führungskraft, die authentisch führt, kann ihre Mitarbeitenden überzeugen, indem sie Eigeninteressen hintanstellt und sich für „das Gute“ einsetzt: In der Gruppe, der Organisation und der Gesellschaft (Bass 1998). Bass und Steidlmeier (1999) zufolge sind bei authentisch transformationalen Führungskräften die vier Hauptdimensionen von transformationaler Führung stark ausgeprägt, nämlich idealisierender Einfluss, inspirierende Motivation, intellektuelle Stimulation und persönliche Berücksichtigung. Mit anderen Worten ist eine authentische Führungskraft ein ‚moralischer Agent‘, der Mitarbeitende dahingehend stärkt, ethisch und legitim zu handeln. Aktuellere Forschungsarbeiten betrachten authentische Führung als Grundsatzkonzept, das sich in den positiven Aspekten der charismatischen, transformationalen, spirituellen und ethischen Führungstheorien wiederfindet (Avolio und Gardner 2005). Eine authentische Führungskraft wird als selbstbewusst, hoffnungsvoll, optimistisch, belastbar und zukunftsorientiert beschrieben. Hinzu kommt, dass sie ehrlich zu sich selbst ist (Luthans und Avolio 2003). Neider und Schriesheim (2011) entwickelten das Authentic Leadership Inventory (ALI). Beschrieben wird die authentische Führung hier durch die Dimensionen Selbstwahrnehmung, Beziehungsklarheit, verinnerlichte moralische Sichtweisen und ausgewogene Informationsverarbeitung. Fragebogen Authentic Leadership Inventory (Neider und Schriesheim 2011, eigene Übersetzung) Stimme ganz und gar nicht zu 1

Neutral

2

3

Stimme voll und ganz zu 4

5

6.6 · Diagnose des Führungsstils

Selbstwahrnehmung  1. Meine Führungskraft erbittet Feedback, um ihren Umgang mit anderen zu verbessern.   2. Meine Führungskraft kann treffend beschreiben, wie ihre Fähigkeiten von anderen wahrgenommen werden.   3. Meine Führungskraft zeigt, dass sie sich ihrer Stärken und Schwächen bewusst ist.   4. Meine Führungskraft ist sich bewusst, welche Wirkung sie auf andere ausübt. Beziehungsklarheit   5. Meine Führungskraft äußert klar und deutlich, was sie meint.  6. Meine Führungskraft gibt zu, wenn Fehler auftreten.   7. Meine Führungskraft teilt Informationen offen mit anderen.   8. Meine Führungskraft drückt ihre Ideen und Gedanken gegenüber anderen klar und deutlich aus. Verinnerlichte moralische Sichtweisen   9. Bei meiner Führungskraft stimmen Überzeugungen und Handeln überein. 10. Meine Führungskraft entscheidet auf der Basis seiner/ihrer inneren Überzeugungen. 11. Meine Führungskraft widersteht dem Druck, entgegen eigener Überzeugungen zu handeln. 12. Meine Führungskraft orientiert sich bei ihrem Handeln an inneren moralischen Ansprüchen. Ausgewogene Informationsverarbeitung 13. Meine Führungskraft bittet um Ideen, die ihre eigenen Grundüberzeugungen hinterfragen. 14. Meine Führungskraft hört sich aufmerksam andere Ansichten an, bevor sie zu einem Entschluss gelangt. 15. Meine Führungskraft analysiert relevante Informationen sachlich, bevor sie eine Entscheidung trifft. 16. Meine Führungskraft ermutigt andere, gegensätzliche Standpunkte zu äußern.

Bei der finalen Skala wurden die kursiv geschriebenen Items 1 und 6 entfernt. Der Begriff ‚Führungskraft‘ bezieht sich immer auf den unmittelbaren oder direkten Vorgesetzten der Befragten.

207

6

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Authentic Leadership Inventory (Neider und Schriesheim 2011) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Authentische Führung

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

– Selbstwahrnehmung – Beziehungsklarheit – Verinnerlichte moralische Sichtweisen – Ausgewogene Informationsverarbeitung

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Unternehmen im Wandel – Schnell wachsende Unternehmen – Kleinere und mittlere Unternehmen – Organisationen mit hohem ethischem Anspruch, z. B. NGOs

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfte aller Ebenen – Entrepreneure – Krisenmanagerinnen und Krisenmanager

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Führungskräfteentwicklung – Führungsfeedback – Coaching

6

6.6.6  Beziehungsqualität von Führungskraft

und Mitarbeitenden – Leader-Member Exchange

Entwicklung einer positiven Austauschbeziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden

LMX 7

Bei der in 7 Abschn. 2.2.4 vorgestellten Leader-MemberExchange-Theorie (LMX-Theorie) geht es darum, die Art des Austausches oder der Beziehung zwischen Führungskraft und Geführten zu erforschen. Es überrascht wenig, dass der Führungserfolg, z. B. die Leistungsbereitschaft und Zufriedenheit der Geführten, größer ist, wenn dieses Verhältnis positiv und eng ist. Laut Graen und Uhl-Bien (1995) sind drei Faktoren dafür verantwortlich, dass sich eine positive Austauschbeziehung zwischen Mitarbeitenden und Führungskraft entwickelt: Es bedarf einer gegenseitigen Anerkennung der Kompetenz, einer Vertrauensbasis, sowie einer Verbindlichkeit von beiden Seiten. Nur dann kann sich ein arbeitsbezogener sozialer Austausch zu einer echten Partnerschaft entwickeln. Über die Jahre wurden verschiedene mehr oder weniger umfangreiche Instrumente entwickelt, um die Qualität der Beziehungen von Führungskräften und Mitarbeitenden zu messen, hier soll zunächst der Fragebogen LMX 7 von Graen und Uhl-Bien (1995) vorgestellt werden, da er trotz der recht

6.6 · Diagnose des Führungsstils

geringen Anzahl von Items in der Forschung vielfach erfolgreich eingesetzt wurde. Im Folgenden finden Sie den Fragebogen für die Mitarbeitenden. Die Führungskraft beantwortet dieselben sieben Items, muss diese aber aus der Perspektive der Mitarbeitenden beantworten (jeweils kursiv in Klammern gesetzt). Die Qualität der Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden bemisst sich einerseits nach dem Grad der Übereinstimmung zwischen den Angaben von Führungskraft und Mitarbeitendem und andererseits nach der positiven Antwortausprägung. Fragebogen Leader-Member Exchange (LMX) 7 (Graen und Uhl-Bien 1995, eigene Übersetzung) Auswertungshinweise: Die mit 1 bis 5 Punkten codierten Antworten werden addiert. Ein hoher Wert sowie eine hohe Übereinstimmung der Werte von Mitarbeitenden und Führungskraft spricht für eine gute Beziehungsqualität. 1. Wissen Sie, wo Sie bei Ihrer Führungskraft stehen… Wissen Sie normalerweise, wie zufrieden Ihre Führungskraft mit dem ist, was Sie tun? (Weiß Ihr Teammitglied normalerweise, wie zufrieden Sie mit dem sind, was er/sie tut?) – Sehr selten – Selten – Gelegentlich – Ziemlich oft – Sehr oft 2. Wie gut versteht Ihre Führungskraft Ihre beruflichen Probleme und Bedürfnisse? (Wie gut verstehen Sie die beruflichen Probleme und Bedürfnisse Ihres/r Mitarbeiters/in?) – Gar nicht – Ein wenig – Einigermaßen – Ziemlich gut – Sehr gut 3. Wie gut erkennt Ihre Führungskraft Ihr Potenzial? (Wie gut erkennen Sie das Potenzial Ihrer/s Mitarbeiters/in?) – Gar nicht – Ein wenig – Einigermaßen – Ziemlich gut – Sehr gut

209

6

210

6

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

4. Unabhängig von der Positionsmacht Ihrer Führungskraft – wie hoch sind die Chancen, dass Ihre Führungskraft ihren Einfluss nutzen würde, um Ihnen bei der Lösung von Problemen in der Arbeit zu helfen? (Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie Ihren Einfluss nutzen würden, um Ihrem/r Mitarbeiter/in bei der Lösung von Problemen in der Arbeit zu helfen?) – Keine – Gering – Mäßig – Hoch – Sehr hoch 5. Nochmals unabhängig von der Positionsmacht Ihrer Führungskraft – wie stehen die Chancen, dass sie Ihnen auf ihre Kosten „aus der Patsche helfen“ würde? (Wie hoch sind die Chancen, dass Sie Ihrem/r Mitarbeiter/in auf Ihre Kosten „aus der Patsche helfen“ würden?) – Keine – Gering – Mäßig – Hoch – Sehr hoch 6. Ich respektiere meine Führungskraft so, dass ich ihre Entscheidung verteidigen und rechtfertigen würde, wenn sie nicht anwesend wäre. (Mein/e Mitarbeiter/in würde meine Entscheidung verteidigen und rechtfertigen, wenn ich nicht anwesend wäre.) – Trifft gar nicht zu – Trifft wenig zu – Neutral – Trifft zu – Trifft voll und ganz zu 7. Wie würden Sie Ihre Arbeitsbeziehung zu Ihrer Führungskraft beschreiben? (Wie würde Ihr Teammitglied die Arbeitsbeziehung zu Ihnen beschreiben?) – Extrem ineffektiv – Überdurchschnittlich schlecht – Durchschnittlich – Überdurchschnittlich gut – Sehr effektiv

211

6.6 · Diagnose des Führungsstils

Leader-Member Exchange (LMX, Graen und Uhl-Bien 1995) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und Geführten

Welche Dimensionen enthält die Skala?

Beziehungsqualität (LeaderMember-Exchange)

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die die arbeitsbezogenen Einstellungen der Mitarbeitenden verbessern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die die Beziehungsqualität zu ihren Mitarbeitenden verbessern wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Arbeitsklima und Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen – Leistungsbereitschaft erhöhen

Ein alternatives Instrument, die deutsche Leader-Member Exchange Skala von Schyns und Paul (2006), betrachtet ebenfalls die Austauschbeziehung im Führungsdual anhand der vier Subskalen Zuneigung, Loyalität, Fachlicher Respekt und Wahrgenommenes Engagement und soll von den Mitarbeitenden ausgefüllt werden. Je nach Grad der Zustimmung zu den Items gehören die Mitarbeitenden zur motivierten und engagierten In-Group oder zur Out-Group, die lediglich „Dienst nach Vorschrift“ leistet. Fragebogen Deutsche Leader-Member Exchange Skala (LMX MDM) (Schyns und Paul 2006, modifizierte deutsche Version) Stimme überhaupt nicht zu 1

Stimme voll­ ständig zu 2

3

4

5

6

7

Instruktion: Hier werden Fragen zu Ihrem bzw. Ihrer unmittelbaren Vorgesetzten gestellt. Kreuzen Sie bitte bei jeder Frage die für Sie passende Zahl an. Folgen Sie dem ersten Impuls. Es gibt keine richtigen und falschen Antworten, keine guten und schlechten. Lassen Sie bitte keine Frage aus. Zuneigung 1. Mein/e Vorgesetzte/r ist ein Mensch, den man gern zum Freund hätte. 2. Ich mag meine/n Vorgesetzte/n als Mensch sehr. 3. Es macht viel Spaß, mit meiner/m Vorgesetzten zu arbeiten.

Deutsche Leader-Member Exchange Skala

6

212

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

Loyalität 1. Mein/e Vorgesetzte/r würde mich gegenüber anderen im Unternehmen verteidigen, wenn ich einen wirklichen Fehler gemacht hätte. 2. Mein/e Vorgesetzte/r verteidigt meine Handlungen gegenüber einer/m Höhergestellten, auch wenn er/ sie kein vollständiges Wissen über die fragliche Angelegenheit hat. 3. Mein/e Vorgesetzte/r würde mich verteidigen, wenn ich von anderen angegriffen würde.

6

Fachlicher Respekt 1. Ich schätze die beruflichen Fähigkeiten meiner/s Vorgesetzten. 2. Ich respektiere das Wissen und die Kompetenz meiner/s Vorgesetzten bezüglich seiner/ihrer Tätigkeit. 3. Ich bin vom Wissen, das mein/e Vorgesetzte/r bezüglich seiner/ihrer Arbeit hat, beeindruckt. Wahrgenommenes Engagement 1. Ich tue für meine/n Vorgesetzte/n mehr, als ich nach meiner Arbeitsbeschreibung müsste. 2. Um die Ziele meines/r Vorgesetzten bei der Arbeit zu erreichen, bin ich bereit, mich mehr als gewöhnlich anzustrengen. 3. Es macht mir nichts aus, meinem/r Vorgesetzten zuliebe sehr hart zu arbeiten.

Deutsche Leader-Member Exchange Skala (LMX MDM, Schyns und Paul 2006, modifizierte deutsche Version) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Beziehungsqualität zwischen Führungskraft und Geführten

Welche Dimensionen enthält die Skala?

– Zuneigung – Loyalität – Fachlicher Respekt – Wahrgenommenes Engagement

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

Unternehmen, die die arbeitsbezogenen Einstellungen der Mitarbeitenden verbessern wollen

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

Führungskräfte, die die Beziehungsqualität zu ihren Mitarbeitenden verbessern wollen

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

– Arbeitsklima und Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen – Leistungsbereitschaft erhöhen

6.6 · Diagnose des Führungsstils

213

6

6.6.7  Ambidextre Führung

Typischerweise werden in Unternehmen sowohl erkundende (Exploration) als auch wiederkehrende, nutzbringende (Exploitation) Aufgaben ausgeführt, die jeweils dazu führen, dass sich die Organisation weiterentwickelt, indem sie entweder effizienter oder innovativer wird. Während bei der Exploitation, vorhandene Kompetenzen nutzbringend eingesetzt werden, um anstehende Aufgaben möglichst effizient zu erledigen, müssen bei der Exploration neuartige Erfahrungen zugelassen und neue Kompetenzen entwickelt werden. Nur wenn die Organisation und ihre Mitglieder die nötige Offenheit für Erfahrungen und die Dynamik der Umwelt mitbringen, kann man sich flexibel auf eine neue Situation einstellen (March, 1991). In der Führungsforschung wird daher von Ambidextrie („Beidhändigkeit“) gesprochen, wenn ein Unternehmen es einerseits schafft, effizient zu sein, z. B. Prozesse zu optimieren, und andererseits flexibel auf neue Situationen reagiert, indem es bspw. Innovationen schafft. In einer Vielzahl von Studien wird dieser Ansatz als Königsweg für Unternehmen gesehen, um sich bestmöglich weiterzuentwickeln, wandlungsfähig zu sein und den eigenen Umsatz zu steigern (z. B. Andriopoulos und Lewis 2009; He und Wong 2004; Raisch et al. 2009). Im Idealfall tragen Führungskräfte dazu bei, dass sich eine ambidextre Haltung in einem Unternehmen etablieren kann und folglich nicht nur die Innovationskraft, sondern auch die Wirtschaftlichkeit ansteigen. Dennoch gibt es auch Forschende, die Exploration und Exploitation als unerreichbares Ideal und sich gegenseitig ausschließende Muster menschlichen Verhaltens (Offenheit vs. Gewissenhaftigkeit) betrachten (Gupta et al. 2006). Dies würde bedeuten, dass Führungskräfte entweder Effizienz oder Innovationen fördern, beides zugleich aber nicht möglich ist. Eine andere Perspektive wird von Forschenden aus den Organisationsund Managementwissenschaften eingenommen, die sich einig sind, dass es für Führungskräfte und einen nachhaltigen Unternehmenserfolg unerlässlich ist, sich sowohl effizient als auch flexibel zu zeigen (z. B. Floyd und Lane 2000; Rosing et al. 2011). Damit Führungskräfte selbst einschätzen können, ob sie effizient oder flexibel (oder sogar beides zugleich) sind, haben Keller und Weibler (2014) das Instrument von Weibler und Keller (2011) zur Messung von ambidextrer Führung weiterentwickelt und validiert. Dabei messen acht Items den Grad, inwieweit sich eine Führungskraft neuen, komplexen Aufgaben stellt und sich in neuen Aufgabenfeldern bewegt (Exploration) und acht Items das Ausmaß, in dem eine Führungskraft Routineaufgaben (Exploitation) bewältigt. Die Führungskräfte

Ambidextrie Exploration und Exploitation

Perspektiven zu Ambidextrie aus der Wissenschaft

Ambidextre Führung messen

214

Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

bewerten ihren Einsatz in beiden Aufgabentypen auf einer siebenstufigen Likert-Skala, die von eins (sehr selten) bis sieben (sehr oft) reicht. Die Fragen beziehen sich auf den Zeitraum des vergangenen Jahres. Fragebogen Ambidextre Führung (Keller und Weibler 2014, eigene Übersetzung) Sehr selten 1

6

Sehr oft 2

3

4

5

6

7

Bitte bewerten Sie wie häufig Sie die folgenden Tätigkeiten in Ihrem Arbeitsalltag ausführen. Exploration   1. Tätigkeiten, bei denen man mit unbekannten Situationen umgehen muss.   2. Tätigkeiten, die so komplex sind, dass sie anfangs schwierig zu umreißen sind.   3. Tätigkeiten, bei denen man sich auf unbekanntes Terrain wagt.   4. Tätigkeiten, die viel Anpassungsfähigkeit abverlangen.   5. Tätigkeiten, für die man die notwendigen Kompetenzen erst erwirbt, wenn man sie ausführt.   6. Tätigkeiten, die eine komplett andere Strategie erfordern.   7. Tätigkeiten, deren Konsequenzen zum Zeitpunkt der Ausführung noch nicht genau vorhersehbar sind.   8. Tätigkeiten, bei denen man an die Grenzen seines Wissens stößt. Exploitation   9. Tätigkeiten, die man ganz routinemäßig ausführt. 10. Tätigkeiten, die man nach einem bekannten Muster ausführt. 11. Tätigkeiten, deren Ausführung völlig klar ist. 12. Tätigkeiten, auf die man gut vorbereitet ist. 13. Leicht planbare Tätigkeiten. 14. Regelmäßig wiederkehrende Tätigkeiten. 15. Tätigkeiten, die sich auf ein klar definiertes Problemfeld beziehen. 16. Tätigkeiten, die innerhalb eines vorab definierten Zeitraums ausgeführt werden können.

215 Literatur

Ambidextre Führung (Keller und Weibler 2014) Welcher Aspekt von Führung wird gemessen?

Ambidextre Führung

Welche Dimensionen enthält diese Skala?

– Exploration – Exploitation

Für welche Unternehmen eignet sich die Skala besonders?

– Banken – Software-Unternehmen – Krankenhäuser

Für welche Führungskräfte eignet sich die Skala besonders?

– Top Management – Mittleres Management

Für welche Einsatzgebiete im Personalmanagement eignet sich die Skala besonders?

Personalentwicklung, z. B. Coaching, Förderung von Innovationsmanagement und Intrapreneurship

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

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Kapitel 6 · Toolbox: Verbreitete und leistungsfähige Fragebögen, Tests und Skalen

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Führung selbst messen 7.1 Entwicklung eines eigenen Fragebogens zur Messung von Führung – 227 7.2 Paper-Pencil vs. Online Befragung – 232 7.3 Stichprobe der Befragung – 234 7.4 Stakeholder-Management und kommunikative Begleitung – 237 7.5 Auswertung und Interpretation der Daten – 240 Literatur – 244

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9_7

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Kapitel 7 · Führung selbst messen

Viele der in 7 Kap. 6 vorgestellten Fragebögen und Skalen lassen sich sowohl für die persönliche Standortbestimmung und Selbstreflektion einzelner Führungskräfte, z. B. im Rahmen von Coaching, als auch für großzahlige Befragungen im Rahmen wissenschaftlicher Studien sowie zur praxisorientierten Evaluation der Führungskultur in einer Organisation einsetzen. Die folgenden Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die letzte Zielsetzung. Für eine vertiefte Beschäftigung mit der Konzeption und den Anforderungen an eine wissenschaftliche Studie wird das Werk „Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften“ von Döring und Bortz (2016) empfohlen. Tiefere Einblicke zu Mitarbeiterbefragungen liefert der Sammelband von Domsch und Ladwig (2013). Befragungen in Unternehmen zum Thema „Führung“ dienen nicht zwangsläufig dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, sie sollen primär datenbasierte Entscheidungsgrundlagen für unternehmens- und personalpolitische Zwecke liefern und verfolgen in der Regel vier Zielsetzungen: 1. Führungskräfte und Mitarbeitende sollen für die seitens des Managements definierte und erwünschte Führungskultur (Soll) sensibilisiert werden. Die Inhalte der Befragung folgen daher auch häufig den in der organisationalen Praxis entwickelten Kompetenzmodellen für Führungskräfte oder Leitbildern für Führung. 2. Durch die Evaluation der Führungskultur im Unternehmen oder in einzelnen Organisationsbereichen soll die gelebte bzw. die wahrgenommene Führungskultur (Ist) sichtbar gemacht werden. 3. Das Unternehmen möchte prüfen, inwieweit das aktuelle Führungsverhalten zu den Entwicklungszielen des Unternehmens und der angestrebten Unternehmenskultur passt. Der Vergleich von Ist- und Soll-Führungskultur ermöglicht es dann, einerseits Handlungsfelder für die Weiterentwicklung der Führungskultur der Organisation, z. B. durch gezielte Maßnahmen der Führungskräfteentwicklung wie Trainings oder Coachings, zu identifizieren und anderseits einzelnen Führungskräften bereits durch das Feedback einen Anstoß zur Selbstreflektion und Verhaltensänderung zu geben. 4. Durch die Kombination der Messung von „Führung“ und der Messung arbeitsbezogener Einstellungen der Mitarbeitenden lassen sich Zusammenhänge zwischen Führungsverhalten und beispielsweise Commitment, Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden aufdecken. Diese Informationen können wiederum ins Personalmanagement einfließen, z. B. in die ­(Weiter-)Entwicklung von Kompetenzmodellen für Führungskräfte, die Führungskräfteauswahl und Eignungsdiagnostik sowie die Führungskräfteentwicklung.

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7.1 · Entwicklung eines eigenen Fragebogens zur Messung von Führung

In Kap. 7 werden die einzelnen für die Durchführung einer Mitarbeiter- und/oder Führungskräftebefragung notwendigen Schritte erläutert. 7.1  Entwicklung eines eigenen Fragebogens

zur Messung von Führung

Wenn es um die Erhebung von Informationen zur Führung in einer Organisation oder in größeren Organisationseinheiten geht, werden die Daten üblicherweise in schriftlichen Befragungen mithilfe von (voll)standardisierten bzw. strukturierten Fragebögen erhoben. Das heißt, die Fragen sind, wie bei den in 7 Kap. 6 vorgestellten Instrumenten, überwiegend geschlossen bzw. größtenteils sind Antwortmöglichkeiten vorgegeben, sodass die Teilnehmenden die für sie zutreffende Antwortalternative auswählen können. Im Folgenden wird in einem kurzen Überblick vorgestellt, wie man einen (voll) standardisierten Fragebogen für eine eigene Untersuchung zur Messung von Führung erstellt (. Abb. 7.1). Ausführliche Informationen zur Konzeption eigener Messinstrumente finden sich z. B. bei Döring und Bortz (2016). Zunächst gilt es, sich über das Ziel der Befragung und die damit verbundenen konkreten (Forschungs-)Fragen klar zu werden. In diesem frühen Stadium der Zielklärung sollten bereits die relevanten Stakeholder (z. B. ­Unternehmensleitung, Betriebsrat) einbezogen werden, um ihre Interessen

Zielklärung Befragungsziel klären: • Zielsetzung der Befragung im Team und mit relevanten Stakeholdern klären • Sammeln von relevanten Fragestellungen und Befragungsthemen

Entwurf Fragebogenentwurf anfertigen: • Titel der Befragung festlegen • Fragebogen-Instruktion erstellen • Vorhandene Skalen/Items auswählen oder Items selbst erstellen • Soziodemographische Fragen erstellen • Offene Fragen erstellen (z. B. Feedback zur Befragung) • Abschließende Worte (Dank, Feedback, etc.) • Layout/Design

(Voll)Standardisierte bzw. strukturierte Fragebögen

Wahl eines passenden Fragebogentitels Einbeziehen von Stakeholdern

Optimierung Abstimmung mit Stakeholdern und Pretest: • Diskussion und Überarbeitung des Entwurfs im Team • Stakeholder-Information • Abstimmung des Entwurfs mit relevanten Stakeholdern, ggf. Anpassung • Pretests mit ausgewählten Mitgliedern der Zielgruppe, ggf. Anpassung

. Abb. 7.1  Ablauf der Entwicklung eines (voll)standardisierten Fragebogens

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Kapitel 7 · Führung selbst messen

Relevante Informationen in der Einleitung des Fragebogens

­erücksichtigen zu können, möglichen Widerständen frühb zeitig zu begegnen und deren Commitment durch Information und Partizipationsmöglichkeiten zu sichern. Ist das Ziel der Befragung klar, kann daraus ein Fragebogentitel abgeleitet werden. Dieser soll den Befragten einen ersten Anhaltspunkt zum Thema der Befragung bieten und die Zielgruppe motivieren teilzunehmen. Die Zielgruppe kann im Titel auch explizit genannt werden, v. a. wenn sich diese sonst möglicherweise nicht angesprochen fühlen würde. Die Verwendung von allgemeinen und positiv besetzten Begriffen, wie z. B. „Führungs-Feedback“ anstatt „Evaluation des Führungsver­ haltens“, steigert die Antwortbereitschaft. Die Fragebogeneinleitung und -instruktion soll motivieren, Vertrauen aufbauen und das Ausfüllen des Fragebogens erleichtern. Die Zielsetzung und der Nutzen der Befragung sollte darin ausführlich und überzeugend vermittelt werden. Da es sich bei Führung – sowohl aus Sicht von Führungskräften als auch aus Sicht der Mitarbeitenden – um ein sensibles Thema handelt, sollte nicht nur auf die Bedeutung der Befragung für das Unternehmen hingewiesen werden, sondern auch auf den möglichen Nutzen für die Teilnehmenden (z. B. „Beitrag zur Verbesserung des eigenen Arbeitsumfelds“). Die Einleitung sollte auch Informationen über den Absender bzw. Auftraggeber der Befragung enthalten. Hier wirkt sich die Nennung renommierter Organisationen (z. B. Universitäten) oder statushoher Personen (z. B. Personalvorstand) positiv auf den Rücklauf aus. Klare Informationen zu den Rahmenbedingungen der Befragung steigern ebenfalls die Antwortbereitschaft (siehe folgendes Beispiel). Wichtig ist es, über den zu erwartenden Zeitaufwand für das Ausfüllen des Fragebogens zu informieren und zu betonen, dass die Teilnahme freiwillig ist und Vorkehrungen in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten getroffen wurden. In der Einleitung sollten auch der Befragungszeitraum sowie eine Kontaktperson mit Telefonnummer und/oder Emailadresse genannt werden, um den Befragten die Möglichkeit für Rückfragen einzuräumen. Beispiel Sehr geehrte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Ihre Führungskraft nimmt am Aufwärtsfeedback teil und ist sehr daran interessiert, zu erfahren, wie Sie persönlich ihr Führungsverhalten wahrnehmen. Ihr Feedback ist nicht nur ein wertvolles Geschenk an Ihre Führungskraft, Sie leisten auch einen Beitrag zum Teamerfolg und geben wichtige Informationen für die Weiterentwicklung Ihres

7.1 · Entwicklung eines eigenen Fragebogens zur Messung von Führung

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persönlichen Arbeitsumfelds. Gutes Feedback ist ehrlich und konstruktiv. Achten Sie bei Ihrer Bewertung auf einen längeren Betrachtungszeitraum, nicht nur auf einzelne oder jüngste Ereignisse. Kreuzen Sie jeweils an, wie stark ein Aspekt aus Ihrer Sicht ausgeprägt ist. Es zählt dabei nur Ihre Sicht, es gibt daher keine „richtigen“ oder „falschen“ Antworten. Die Befragung ist so kompakt gestaltet, dass sie in ca. 10 Minuten abgeschlossen ist. Ihre Teilnahme erfolgt anonym und freiwillig. Die Anonymität jedes einzelnen Teilnehmenden ist zuverlässig gewahrt. Das Unternehmen XY erhält nur Daten in statistisch zusammengefasster Form. Die Daten werden extern ausgewertet. Die Befragung findet nur in Teams mit mindestens fünf Mitarbeitenden statt. Vielen Dank im Voraus für Ihre Teilnahme! Mit freundlichen Grüßen [Kontaktperson] [Kontaktdaten]

Zur Gestaltung der Fragebogeninhalte können zum speziellen Erkenntnisinteresse passende Skalen aus den in 7 Kap. 6 vorgestellten Instrumenten ausgewählt werden. Es können auch verschiedene Skalen kombiniert werden, um alle für die Fragestellung relevanten Führungsaspekte zu untersuchen. Idealerweise sollten für alle Merkmale und Konstrukte geeignete Fragen vorhanden sein. Die einzelnen Skalen sollten jedoch so belassen werden, wie sie sind. Das heißt, es sollten möglichst keine Items aus Zeit- oder Platzgründen gestrichen oder stark verändert werden, denn dies kann die Reliabilität und Konstruktvalidität des Tests deutlich beeinträchtigen. Der Fragebogen kann durch eigene Fragen und selbsterstellte Items – etwa zu sehr unternehmensspezifischen Themen oder aktuellen Projekten – ergänzt werden. Die Daten, die durch selbst entwickelte Fragen gewonnen wurden, genügen zwar möglicherweise nicht den Anforderungen an wissenschaftliche Studien, können aber wichtige ergänzende, für die Praxis relevante Erkenntnisse liefern. Bei der Erstellung eigener Fragen bzw. Items ist darauf zu achten, dass diese kurz, verständlich, präzise und wertneutral formuliert sind. Es sollten einfache Begriffe und Satzkonstruktionen verwendet werden und es sollte jeweils immer nur ein Aspekt möglichst konkret und spezifisch abgefragt werden (Bühner 2011). Generell ist von der Entwicklung eigener Multi-ItemSkalen eher abzuraten, da es sich dabei um einen sehr (zeit-) aufwändigen Prozess handelt, der nur im Rahmen größerer und langfristig angelegter Forschungsvorhaben in Angriff

Fragenauswahl

Entwicklung eigener Skalen

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Kapitel 7 · Führung selbst messen

Sozialer Erwünschtheit vorbeugen Roten Faden spinnen

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Auf Homogenität bei Antwortformaten achten

Prozessdiagramm als Visualisierungshilfe

Notwendigkeit offener Fragen abwägen

genommen werden kann. Es sollte daher immer erst geprüft werden, ob die angestrebten Erkenntnisse nicht mit den bestehenden und bewährten diagnostischen Instrumenten gewonnen werden können. Es existieren neben den in 7 Kap. 6 vorgestellten Skalen zahlreiche weitere Skalen, von denen viele über Google Scholar allgemein und kostenlos zugänglich sind. Für umfassende Informationen zur Konstruktion einer eigenen Multi-Item-Skala verweisen wir auf die Werke von Moosbrugger und Kelava (2012) sowie Bühner (2011). Der Aufbau des Fragebogens bzw. die Reihenfolge einzelner Fragenblöcke ergeben sich grundsätzlich aus der oder den Forschungsfrage(n). Die einzelnen Fragenblöcke sollten so angeordnet sein, dass die Befragten einen roten Faden darin entdecken können. Sie sollen sich auf die Thematik einlassen können und gedanklich nicht zu häufig „umdenken“ müssen. Eine Gliederung durch Zwischenüberschriften ermöglicht hier einen besseren Überblick über die gesamte Befragung, dabei soll aber keine Information preisgegeben werden, die den Teilnehmenden zu einer bestimmten Antworttendenz beeinflussen könnte. Zudem sollten unter keinen Umständen die verschiedenen Dimensionen der einzelnen Skalen genannt werden oder die Items verschiedener Dimensionen von unterschiedlichen Skalen bunt gemischt werden. Es empfiehlt sich jedoch die verschiedenen Items ein und derselben Skala bunt gemischt in die Befragung zu integrieren, damit die einzelnen Dimensionen weniger ersichtlich werden und dadurch u. a. der Gefahr der sozialen Erwünschtheit vorzubeugen. Zu Beginn des Fragebogens stehen idealerweise leicht verständliche Fragen, die einfach zu beantworten sind. Sensiblere Themen bzw. Fragen sollten eher am Schluss platziert werden, um einen vorzeitigen Abbruch der Bearbeitung zu verhindern. Entsprechend sollte auch darauf geachtet werden, dass die Antwortformate über den gesamten Fragebogen hinweg möglichst homogen sind. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass bei einer siebenstufigen L ­ikert-Skala einer 1 immer eine „negative“ Bedeutung (z. B. „stimme nicht zu“) und einer 7 immer eine „positive“ Bedeutung (z. B. „stimme voll und ganz zu“) zugeschrieben wird. Auch hier sollte einheitlich vorgegangen werden damit die Teilnehmenden sich voll auf die Fragen anstatt sich auf die Antwortformate der Skala konzentrieren können und nicht ständig umdenken müssen. Für die Fragebogenentwicklung ist es zudem hilfreich, sich den Fragebogen als Prozessdiagramm zu skizzieren, damit die Befragungslogik anschaulicher wird und ggf. eine sinnvolle Positionierung für Filterfragen bzw. notwendige Sprünge erkennbar werden. Offene Fragen, d. h. Fragen ohne vorgegebene Antwortmöglichkeiten, sollten gut überlegt sein, denn diese werden häufig

7.1 · Entwicklung eines eigenen Fragebogens zur Messung von Führung

einfach übersprungen. Sollten sich doch viele Testteilnehmende dazu entschließen, hier ausführlich zu antworten, ist mit erheblichem Mehraufwand für die Auswertung zu rechnen. Offene Fragen sollten, je nach Frageninhalt, entweder einfach codiert (z. B. „Welches Studienfach haben Sie studiert?“) oder inhaltsanalytisch ausgewertet werden. Eine Anleitung für die Auswertung offener Fragen findet sich bei Mayring (2010). Die Größe des Antwortfeldes kann von den Teilnehmenden als Hinweis auf die Länge der zu erwarteten Antwort interpretiert werden. Es sollte daher sichergestellt sein, dass bei einem Paper-Pencil-Fragebogen der Platz für die Antwort angemessen ist, bzw. bei einem OnlineFragebogen eine entsprechende Zeichenanzahl zur Verfügung steht. Sollte die Forschungsfrage sehr explorativ sein, ist generell zu überdenken, ob hier nicht besser qualitative Methoden, wie Interviews oder Gruppendiskussionen, statt eines Fragebogens mit vielen offenen Fragen zum Einsatz kommen sollten. Die Erhebung soziodemografischer Merkmale ist wichtig, um die befragte Stichprobe beschreiben zu können, Gruppenvergleiche vornehmen zu können und mit anderen Stichproben, z. B. im Längsschnitt, vergleichbar zu machen. Passend zum Erkenntnisinteresse können allgemeine soziodemografische Merkmale, wie z. B. Alter, Geschlecht, Bildungsniveau, Familienstand, Nationalität, Karrierestufe, Dauer der Betriebszugehörigkeit, etc. abgefragt werden. Hierbei ist auf Datensparsamkeit zu achten, d. h. es sollten nur so viele personenbezogene Daten gesammelt werden, wie für die Beantwortung der jeweiligen Fragestellung unbedingt notwendig sind. Soweit entsprechende frühzeitige Informationen nicht für Filterfragen notwendig sind, sollten soziodemographische Fragen an den Schluss der Befragung gestellt werden, da diese eine abschreckende Wirkung haben können. Optional kann am Ende des Fragebogens ein offenes Antwortfeld integriert werden, welches die Teilnehmenden nutzen können, um Feedback zur Befragung zu geben. In diesem Teil der Befragung können auch Ansprechpersonen genannt werden, wenn den Teilnehmenden die Möglichkeit zu persönlichem Feedback und Austausch gegeben werden soll. Der Fragebogen schließt mit Worten des Dankes („Vielen Dank für Ihre Mithilfe/Teilnahme!“). Um sicherzustellen, dass der Fragebogen verständlich und fehlerfrei ist, sollte ein Pretest mit ca. fünf bis zehn Personen durchgeführt werden, die alle Auffälligkeiten protokollieren. Sollte es möglich sein, eine größere Stichprobe in einem Pretest zu befragen, können die gewonnenen Daten statistisch ausgewertet werden und Fragen mit z. B. geringer Trennschärfe oder niedriger prädiktiver Validität eliminiert werden.

231

7

Gruppenvergleiche anhand soziodemografischer Merkmale Datensparsamkeit

Feedbackmöglichkeit und Dank

232

Kapitel 7 · Führung selbst messen

7.2  Paper-Pencil vs. Online Befragung Print oder digital?

7

Paper-Pencil-Fragebogen

Bei der Frage, ob eine Paper-Pencil-Befragung oder eine Online-Befragung sinnvoller ist, gilt es zunächst die zu Befragenden in den Blick zu nehmen. Wenngleich heute auch für gewerbliche Mitarbeitende, die nicht regulär am PC arbeiten, über Smartphones und Tablets der Zugriff auf eine­ Online-Befragung gewährt werden kann, ist in manchen Fällen eine Paper-Pencil-Befragung organisatorisch einfacher zu realisieren. Hingegen kann eine Paper-Pencil-Befragung internationaler virtueller Teams erheblichen Organisationsaufwand und höhere Kosten verursachen. Neben den Spezifika der Zielgruppe, gibt es aber auch weitere Gründe, die die Entscheidung für eine papierbasierte oder eine Online-Erhebung beeinflussen können. Bei Verwendung eines P ­aper-Pencil-Fragebogens hat man in der Regel die Möglichkeit Teilnehmende persönlich zu motivieren, den Bogen auszufüllen. Beispielsweise kann der Fragebogen während einer Gruppensituation (z.  B. Teammeeting, Betriebsversammlung) ausgeteilt werden und im Anschluss wieder eingesammelt werden. Wenn die Fragebögen direkt wieder eingesammelt werden, kann meist eine Rücklaufquote von nahezu 100 % erzielt werden. Aufgrund des Effekts der sozialen Erleichterung ist es für die Teilnehmenden einfacher, den Fragebogen konzentriert auszufüllen, da andere im Raum dies ebenfalls tun. Problematisch kann die Einschränkung des Datenschutzes sein, wenn die Teilnehmenden befürchten, dass die Sitznachbarin oder der Sitznachbar die angekreuzten Antworten einsehen kann. Es sollte genügend Abstand zwischen den Sitzplätzen vorhanden sein. Aufgrund der in vielen Organisationen inflationären Menge an Online-Befragungen, kann ein professionell und hochwertig gestalteter ­Paper-Pencil-Fragebogen die Bedeutsamkeit der Befragung für das Unternehmen unterstreichen. Wenn der Fragebogen zu einem anderen Zeitpunkt ausgefüllt werden darf und dann zurückgeschickt oder abgegeben werden soll, ist mit einer geringeren Rücklaufquote zu rechnen. Es stellt eine große Hürde für die Befragten dar, sich selbst um die Rückgabe zu kümmern (Döring und Bortz 2016). Eventuell lässt sich die Teilnehmendenquote hier durch beiliegende frankierte Rückumschläge oder Anreize wie etwa eine Verlosung von Preisen steigern. Die Antworten auf dem Papier müssen bei der PaperPencil-Variante zunächst manuell in ein Datenverarbeitungsprogramm eingegeben oder automatisch eingelesen werden, um diese anschließend auswerten zu können. Hierfür sollte ausreichend Zeit eingeplant werden und v. a. abschließend – zumindest stichprobenartig – überprüft werden, ob sich bei der Eingabe Fehler eingeschlichen haben (Kuckartz e al. 2009).

7.2 · Paper-Pencil vs. Online Befragung

Sowohl in der Forschung als auch in der Praxis werden heute meist Online-Befragungen durchgeführt. Der Grund hierfür ist die große Effizienz: Sie sind schnell und kostengünstig und mit einem geringen administrativen Aufwand durchführbar (Zerback et  al. 2009). Online-Befragungen laufen meist über Befragungsserver (z. B. Enterprise Feedback Suite, Survey Monkey1 bzw. LamaPoll oder SoSci Survey2). Hier sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, um sich in die Bedienung der Plattform einzuarbeiten und den Fragebogen entsprechend zu programmieren. Zudem sollte noch ein Pretest durchgeführt werden, um sicherzugehen, dass die Technik wunschgemäß funktioniert. Die genannten Server ermöglichen ein Teilnehmenden-Management (Wer hat wann und wie lange den Fragebogen ausgefüllt?), eine geordnete Präsentation des Fragebogens (unkompliziertes Einpflegen von Filterfragen bzw. Verzweigungen) sowie die Dokumentation der Antworten, die meistens direkt in ein Datenverarbeitungsprogramm (z. B. SPSS, STATA oder R) importiert werden können. Ein weiterer Vorteil ist die mögliche Integration von Audio- und Videoelementen sowie neuen Item-Formaten (z. B. P ­ ull-Down-Menüs, Drag-and-Drop-Aufgaben, etc.). Die Online-Befragung sollte auf verschiedene Endgeräte abgestimmt sein (PC, Tablet oder Smartphone), entsprechend sollte ein responsives Webdesign genutzt werden. Problematisch bei Online-Befragungen sind geringe Rücklaufquoten bzw. höhere Verweigerungs- und Abbruchsraten. Möglichkeiten die Teilnahmebereitschaft zu erhöhen sind eine entsprechende kommunikative Begleitung (Motivationsemails, Posterkampagnen, das Setzen von Anreizen, wie z. B. Gutschein-Verlosungen) oder auch das Zusenden der Ergebnisse der Gesamtbefragung (Döring und Bortz 2016). Online- und papierbasierte Fragebögen besitzen jeweils spezifische Vor- und Nachteile (. Tab. 7.1). Entsprechend sollte man sich einige Fragen vor der Entscheidung für die eine oder andere Variante stellen, wie beispielsweise: Soll die Umfrage möglichst ökonomisch und schnell durchgeführt werden? Wie wichtig ist eine hohe Rücklaufquote? Kommt es auf eine zügige und komfortable Auswertung an?

1 2

7 www.globalpark.de; 7 www.de.surveymonkey.com Bei Organisationen, die besonders großen Wert auf I­ T-Sicherheit legen, können z. B. LamaPoll (7 www.lamapoll.de) oder SoSci Survey (7 www. soscisurvey.de) eingesetzt werden. Diese Anwendungen gewähren dem Nutzer/der Nutzerin volle Datenhoheit, einen zertifizierten Datenserver, ­Einweg-Verschlüsselung der Daten sowie die Einhaltung der DSGVO. Der Unternehmens- und Serverstandort ist Deutschland.

233

Rahmen einer ­Online-Befragung Responsives Webdesign nutzen

7

234

Kapitel 7 · Führung selbst messen

. Tab. 7.1  Vor- und Nachteile von Paper-Pencil- und Online-Befragungen Paper-Pencil-Befragung

7

Online-Befragung

PRO

CONTRA

PRO

CONTRA

Bedeutung der Befragung wird unterstrichen

Aufwand für Design und Druck des Fragebogens

Professionelle Designs werden bereitgestellt

Einarbeitung in die Software notwendig; Fragebogenprogrammierung

Rücklaufquoten bis zu 100 % bei entsprechender Befragungsorganisation

Manuelle Eingabe der Daten notwendig

Dateneingabe entfällt

Hohe Abbruchquoten

Unkomplizierte Durchführung der Befragung

Dateneingabe als Fehlerquelle, Unleserlichkeit von handgeschriebenen Antworten bei offenen Fragen

Druck der Fragebögen entfällt

Geringe Rücklaufquoten

Auch Zielgruppen ohne PC-Zugang können erreicht werden

Organisatorisch-logistischer Aufwand (Fragebogenversand, Lagerung Daten)

Organisation der Befragung einfach

Evtl. Datenschutzproblematik (von der genutzten Software abhängig)

Fragebogendesign

In jedem Fall sollte neben den in 7 Abschn. 7.1 genannten inhaltlichen Aspekten darauf geachtet werden, dass das Design des Fragebogens ansprechend ist (z.  B. Layout, Schriftart, graphische Gestaltung, Papierqualität), da dieses die Akzeptanz der Befragung und ihrer Ergebnisse durch die Befragten positiv beeinflussen kann. 7.3  Stichprobe der Befragung

Stichprobenziehung

Viele mit der „Messung von Führung“ verbundenen Projekte beziehen sich auf einzelne Unternehmen. In diesen Fällen wird man eine Vollerhebung anstreben, also eine Befragung aller Führungskräfte oder aller Mitarbeitenden des jeweiligen Unternehmens. Bei sehr großen Organisationen, bei organisationsübergreifenden oder sogar internationalen Projekten ist eine Vollerhebung oft nicht praktikabel, wenn nicht sogar unmöglich. Aussagekräftige Ergebnisse lassen sich jedoch auch erzielen, wenn nur ein Teil der Zielgruppe befragt wird, also wenn eine Stichprobe aus der Grundgesamtheit gezogen wird. Zunächst sollte daher geklärt werden, wie groß die „Population“ (=  Grundgesamtheit) ist, also die Personengruppe, bei der „Führung“ gemessen werden soll (Borg 2000). Wenn es darum geht zu erfahren, wie die Führungskultur in einer Organisation ist, besteht die Population aus allen

7.3 · Stichprobe der Befragung

Führungskräften des betreffenden Unternehmens. Wenn das Ziel verfolgt wird, herauszufinden, wie Top-Management-Teams in DAX-30-Konzernen führen, besteht die Population aus allen C-Level-Führungskräften der DAX-30-Konzerne (im Jahr ­ 2019 rund 200 Personen). Die Stichprobe ist dann der Teil der Population, der um das Ausfüllen der Befragung gebeten wird. Wenn nun nicht die gesamte Population befragt werden kann, weil diese zu groß ist (z. B. alle deutschen Führungskräfte), gilt es, drei Fragen zu klären, um einzuschätzen, wie viele ausgefüllte Fragebögen benötigt werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten: 5 Welche Fehlerspanne ist tolerierbar? Wenn 90 % der befragten Führungskräfte – der „Stichprobe“ – angeben, partizipativ zu führen, bedeutet eine Fehlerspanne von ± 5 %, dass tatsächlich zwischen 85 % und 95 % der Führungskräfte partizipativ führen. Die Fehlerspanne sollte generell nicht größer als ± 10 % sein. 5 Entspricht die Stichprobe wirklich der Population? Hier geht es um das Konfidenzniveau, also die Wahrscheinlichkeit, dass die gezogene Stichprobe die Ergebnisse beeinflusst. Dies ist der Fall, wenn sich z. B. die Ergebnisse einer Stichprobe aus der Population „alle deutschen Führungskräfte“ von weiteren 30 wahllos gezogenen Stichproben aus dieser Population signifikant unterscheiden. Ein Konfidenzniveau von 95 % bedeutet, dass in 95 % der Fälle dieselben Ergebnisse erzielt würden. Das Konfidenzniveau sollte nicht unter 90 % liegen. 5 Welche Standardabweichung, also wie viel Variation wird im Antwortverhalten der Befragten erwartet? Diese Messgröße ist nur schwer bestimmbar, daher wird häufig von einem Wert von 0,5 ausgegangen, um in jedem Fall eine Stichprobengröße zu berechnen, die groß genug ist, um die Gesamtpopulation zu repräsentieren. Mithilfe der folgenden Formel kann die notwendige Stichprobe berechnet werden (in Anlehnung an Borg 2000):

z2 ∗ p(1 − p) e Stichprobengr¨oße = z2 ∗ p(1 − p) 1+ e2 N Dabei repräsentiert N die Populationsgröße, e die Fehlerspanne (Prozent mit Dezimalstellen), z den z-Wert und p die zu erwartende Standardabweichung. Der entsprechende z-Wert ist vom gewählten Konfidenzintervall abhängig und kann . Tab. 7.2 entnommen werden (Field 2018):

235

Notwendige Fragebogenanzahl für aussagekräftige Ergebnisse

Berechnung der Stichprobengröße

7

236

Kapitel 7 · Führung selbst messen

. Tab. 7.2  Z-Werte für geläufige Konfidenzintervalle Gewähltes Konfidenzintervall (%)

z-Wert

80

1,28

85

1,44

90

1,65

95

1,96

99

2,58

Beispiel für eine errechnete Stichprobengröße Für eine Mitarbeiterbefragung soll ein Konfidenzintervall von 95 % angenommen werden, eine Fehlerspanne e von 3 % toleriert werden und der vorgeschlagene Wert von 0,5 für die Standardabweichung p Anwendung finden. Das Unternehmen hat insgesamt 1500 Mitarbeitende.

7

1,962 ∗ 0,5(1 − 0,5) 0,032 Stichprobengr¨oße = 2 1,96 ∗ 0,5(1 − 0,5) 1+ 0,032 ∗ 1500 2 1,96 ∗ 0,5 ∗ 0,5 0,032 = 2 1,96 ∗ 0,5 ∗ 0,5, 1+ 0, 032 ∗ 1500 = 624 Basierend auf dieser Berechnung liegt die ideale Stichprobengröße bei 624. Also 624 Mitarbeitende sollten mindestens an der Befragung teilnehmen, um aussagekräftige Ergebnisse erzielen zu können. Stichprobenrechner für Einsteiger und Fortgeschrittene

Bedeutung der Rücklaufquote

Für Einsteiger in derartige Berechnungen empfehlen sich die kostenlosen Stichprobenrechner von SurveyMonkey (7 www. surveymonkey.de) oder Qualtrics (7 www.qualtrics.com) als erste Einschätzung zu nutzen. Interessierte, die bereits Vorkenntnisse mit statistischen Verfahren haben, können das kostenlose Programm G*Power (7 www.gpower.hhu.de), das an der Universität Düsseldorf entwickelt wurde, nutzen oder einen Blick in das Statistikwerk von Urban und Mayerl (2018) werfen. Wenn die optimale Stichprobengröße berechnet wurde, sollte bedacht werden, dass im Normalfall – insbesondere bei Online-Befragungen – nicht alle angesprochenen Personen teilnehmen werden („Rücklaufquote“). Aus diesem Grund muss eine größere Anzahl Personen als die benötigte Stichprobengröße angesprochen werden. Wie gut die Rücklaufquote ist, hängt von

7.4 · Stakeholder-Management und kommunikative Begleitung

237

vielen Faktoren ab, u. a. von der Länge und Komplexität des Fragebogens, dem persönlichen Bezug zum Befragungsthema sowie von der Beziehung zum Absender der Befragung. Bei Online-Befragungen ohne Bezug der Befragten zum Absender sind Rücklaufquoten von 30 % bereits als sehr gut zu bezeichnen. 7.4  Stakeholder-Management und

kommunikative Begleitung

Nach der Entwicklung des eigenen Fragebogens und der Festlegung der Stichprobe geht es nun darum, welche Entscheidungen und Prozesse durchlaufen werden müssen, damit die Befragung auf den Weg gebracht werden kann. Dazu zählt auch die Abstimmung mit allen relevanten Stakeholdern. Dafür empfiehlt sich – insbesondere wenn die Befragung in einer größeren Organisation, etwa einem Konzern, stattfinden soll – ein systematisches Vorgehen. Im Rahmen einer quantitativen Stakeholder-Analyse sollten zunächst folgende Fragen beantwortet werden: 5 Welche Organisationseinheiten oder Personen(gruppen) sind in direkter oder indirekter Weise durch die Erhebung betroffen (z. B. Mitarbeitende, Führungskräfte, Unternehmensleitung, Personalabteilung)? 5 Welche Organisationseinheiten oder Personen(gruppen) stehen mit der Erhebung in Beziehung (z. B. IT-Sicherheit, Datenschutz, Gleichstellung)?

Stakeholder-Analyse

Sobald eine Liste (. Tab. 7.3) mit allen relevanten Stakeholdern erstellt ist, können diese qualitativ bewertet werden: Wie hoch ist ihre Betroffenheit bzw. ihr Interesse an der Erhebung? Wie einflussreich bzw. mächtig sind sie? Wie werden sie vermutlich auf die Erhebung reagieren? Stark betroffene, einflussreiche Stakeholder(gruppen), deren Haltung zur Befragung nicht eindeutig positiv ist, sollten bereits in die Konzeption der Befragung eingebunden werden und im weiteren Verlauf umfassend informiert werden, um ihre Akzeptanz zu sichern. Aus rein arbeitsrechtlicher Sicht ist die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung als Instrument der internen Personalforschung eher unproblematisch laut dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21.11.2017, 1 ABR 47/16. Das liegt daran, dass in den meisten Fällen lediglich Daten zu den Arbeitsbedingungen, der Arbeitszufriedenheit oder Wünschen und Anregungen erhoben werden. Trotz alledem sollte die Teilnahme freiwillig und absolut anonym erfolgen. Das bedeutet, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sein dürfen. Für den Betriebsrat besteht kein allgemeines Mitbestimmungsrecht, wenn sich die Fragen auf den Inhalt,

Tabellarische Darstellung relevanter Stakeholder

Mitbestimmungs- und Informationsrecht des Betriebsrats

7

238

Kapitel 7 · Führung selbst messen

. Tab. 7.3  Beispielhafter Auszug einer Stakeholdertabelle für eine Online-Mitarbeiterbefragung Stakeholder

Betroffenheit

Einfluss

Reaktion

Priorität

Maßnahmen

Information/ Kommunikation

Betriebsrat

Mittel

Hoch

Unklar

A

Vorab informieren, einbinden

Statusbericht („cc“), VorabInformation über Ergebnisse

Mitarbeitende

Hoch

Gering/ mittel

Erwartungsvoll

A

Fragebogen ankündigen, zur Teilnahme mit kreativen Intranet-Posts motivieren

Ergebnisse aufbereitet kommunizieren, gemeinsam Handlungsempfehlungen für die Zukunft ableiten (z. B. mittels Fokusgruppen)

7

Führungskräftebefragung

Einbindung des Betriebsrats

den Umfang und die Bedeutung des Arbeitsplatzes beziehen und zudem keine personenbezogenen Daten erfasst werden. Allerdings hat der Betriebsrat ein sogenanntes Informationsrecht (§ 80 Abs. 2 BetrVG), das heißt der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber Auskunft über die Auswertung verlangen, wenn die dabei gewonnenen Erkenntnisse seine Aufgaben betreffen. Beispiele wären Entwicklungsmöglichkeiten für die Arbeitnehmer sowie Gehalt und Sozialleistungen. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG kann allerdings ein Mitbestimmungsrecht angenommen werden, wenn es um die hinreichende Anonymisierung bei Befragungen mit IT-Systemen oder Online-Portalen geht. Anders sieht dies im Falle einer reinen Führungskräftebefragung aus. Dabei werden in erster Linie leitende Angestellte befragt, wozu einerseits Personen mit Personalverantwortung und andererseits Prokuristen zählen. Ferner sind leitende Angestellte auch Mitarbeitende mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen in leitender Funktion, welche Aufgaben von zentraler Bedeutung für das Bestehen und die Entwicklung des Unternehmens eigenverantwortlich wahrnehmen. Für diese Personen ist der Betriebsrat per se nicht verantwortlich (§ 5 BetrVG), was zugleich bedeutet, dass der Betriebsrat im Falle einer Führungskräftebefragung kein Mitbestimmungsrecht hat. Wenn es sich zudem um eine Befragung rein zum Thema Führung handelt, hat der Betriebsrat auch kein Informationsrecht. Dennoch stellt sich hier grundsätzlich die Frage, wie man mit dem Betriebsrat zusammenarbeiten möchte: Partnerschaftlich oder konfrontativ. Auch wenn der Betriebsrat in vielen Fällen nur ein Informationsrecht, aber kein Mitbestimmungsrecht hat, ist es nichtsdestotrotz sinnvoll, die Arbeitnehmervertretung,

7.4 · Stakeholder-Management und kommunikative Begleitung

auch wenn dafür kein rechtlicher Anspruch besteht, mit einzubinden. Steht der Betriebsrat ebenfalls hinter der Befragung, kann das die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden deutlich steigern. Hier darf nicht vergessen werden, dass die Qualität der Ergebnisse der Befragung sowie deren Akzeptanz bei einer geringen Beteiligung auf sehr dünnem Fundament stünden. Entsprechend sollte der Betriebsrat über die Befragung im Voraus informiert werden, also noch bevor die zu befragenden Führungskräfte und Mitarbeitenden davon erfahren. Es ist sicherlich ebenfalls hilfreich, im Rahmen der Information auch den Fragebogen offen zu legen und die Meinung des Betriebsrats einzuholen. Wenn man sich für einen externen Anbieter entscheidet, der die Befragung durchführt und auch bei der Auswertung sowie der Umsetzung der Ergebnisse unterstützt, sollten die folgenden Punkte beachtet werden. Zunächst muss der externe Anbieter die Anonymität der Teilnehmenden und einen datenschutzkonformen Umgang mit den Ergebnissen gewährleisten können. Umfassende Informationen für die Mitarbeitenden bzgl. des Anlasses, der Gründe und der Zielsetzung für das Heranziehen eines externen Dienstleisters sollten selbstverständlich sein. Auch hier sollte der Betriebsrat eingebunden werden. Dafür sollte – gemeinsam mit dem externen Dienstleister – eine Projektbeschreibung mit folgenden Angaben erstellt werden: 5 Projektverantwortliche 5 Titel der Befragung 5 Erkenntnisinteresse, Auftrag, Einordnung in den organisationalen Gesamtzusammenhang 5 Forschungsfrage(n), kurze Beschreibung der zu untersuchenden Konstrukte 5 Untersuchungsdesign 5 Zeitplan (Zeitraum der Durchführung der Befragung) 5 Stichprobe (Organisationseinheiten, Status der Befragten, Größe der Stichprobe) 5 Sicherstellung der IT-Sicherheit/Erläuterung zum Ablageort und Sicherheit der Daten 5 Datenschutz/Erläuterung zur Einhaltung der Vorgaben der EU-DSGVO 5 Publikationsrahmen: ggf. avisierte interne oder externe Publikation, Zeitschriften, Tagungen 5 Erhebungsunterlagen (z. B. Fragebogen) 5 Schriftliche Information für die Untersuchungsteilnehmenden über den Zweck der Untersuchung, die Freiwilligkeit der Teilnahme und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen 5 Nutzen der generierten Ergebnisse für die Organisation

239

7

Erstellung einer Projektbeschreibung Einsatz externer Anbieter für Befragungen

240

Kapitel 7 · Führung selbst messen

Kommunikative Begleitung einer Befragung

7

Die zu befragenden Führungskräfte und/oder Mitarbeitenden sollten frühzeitig auf die bevorstehende Befragung aufmerksam gemacht werden. Dazu können je nach Größe und Ausstattung des Unternehmens erste Informationen zur Zielsetzung und zum Ablauf der Befragung per E-Mail oder im Intranet kommuniziert werden. Ebenfalls können auf den Fluren und schwarzen Brettern kreative Plakate (z. B. mit Scribbles und Rätseln) Hinweise geben und zur Teilnahme ermutigen. Vor allem Unternehmen mit Mitarbeitenden ohne bzw. mit nur spärlichem Computerzugriff (z. B. in der Produktion) sollten unbedingt „Offline-Medien“ nutzen, um möglichst alle Mitarbeitenden zu erreichen. Dazu zählt bspw. auch die Mitarbeiterzeitschrift, die von der Ankündigung der Umfrage bis zur Darstellung der aufbereiteten Befragungsergebnisse für einen kontinuierlichen Kommunikationsfluss sorgen kann. Für eine systematische kommunikative Begleitung des gesamten Befragungsprojektes ist ein Kommunikationsplan hilfreich (. Tab. 7.4). 7.5  Auswertung und Interpretation der Daten

Induktive Datenanalyse Umkodierung nicht vergessen Gruppenvergleiche anhand soziodemographischen Merkmalen

Nun stellt sich die Frage, wie die Befragung ausgewertet werden soll. Kleinere Studien können problemlos mit Hilfe von Microsoft Excel deskriptiv-statistisch ausgewertet werden. So lassen sich die Ergebnisse einzelner Items mit Hilfe von Balkendiagrammen darstellen. Alternativ können auch Items einzelner Dimensionen zu Mittelwerten zusammengefasst und daraufhin deskriptiv dargestellt werden. Zudem kann der Datensatz nach soziodemographischen Merkmalen gruppiert werden (z. B. Geschlecht, Alter, Bildungsstand etc.) – je nachdem, welche Merkmale tatsächlich abgefragt wurden und welche Vergleiche sinnvoll sind. Beispielsweise können die Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen oder Männern und Frauen zu bestimmten Dimensionen abgefragt werden. Hierbei ist zu beachten, dass die Anzahl der Testteilnehmenden in den einzelnen Gruppen nicht zu klein wird. Hierzu finden sich auch anschauliche Videos auf Youtube. Anspruchsvollere Analysen sollten mit Datenanalyseprogrammen wie SPSS oder Stata durchgeführt werden. Die Monographie von Field (2018) erklärt ausführlich und anschaulich mithilfe von Screenshots den Umgang mit SPSS und stellt verschiedene Analysemethoden vor. Bei der Datenaufbereitung darf nicht vergessen werden, dass negativ formulierte Items (in diesem Werk mit „(-)“ gekennzeichnet) zuerst umkodiert werden müssen. Das heißt, wenn bspw. eine fünfstufige Likertskala genutzt wurde, müssen die Werte von 1 bis 5 invertiert werden, damit sie der Logik der übrigen Items entsprechen (Bühner 2011).

Stakeholder

Unternehmensleitung Personalleitung

Betriebsrat Datenschutz/IT-Sicherheit Diversity Management

Führungskräfte/Mitarbeitende

Führungskräfte/Mitarbeitende

Führungskräfte/Mitarbeitende

Personalleitung

Unternehmensleitung

Betriebsrat

Führungskräfte/Mitarbeitende

Führungskräfte/Mitarbeitende

Projektphase

Projektstart

Projektstart

Vor der Befragung

Befragungsstart

Während der Befragung

Nach der Befragung

Nach der Befragung

Nach der Befragung

Nach der Befragung

Vor dem Follow-up

Information über Follow-up

Dank für Teilnahme und Information über Ergebnisse und Ankündigung Follow-up

Information über Ergebnisse

Ergebnispräsentation

Ergebnis-präsentation, -analyse und Gestaltung Follow-upProzess (Maßnahmenplanung etc.)

Reminder

Einladung zur Teilnahme

Information über Befragungsziel, -inhalte und Zeitplan; Einladung zur Teilnahme

Information zur Befragung und Einholen von Feedback zum Fragebogeninhalt, etc.

Zielklärung Abstimmung Fragebogeninhalte

Inhalt

. Tab. 7.4  Beispielhafter Kommunikationsplan für eine Online-Mitarbeiterbefragung

E-Mail Intranet

E-Mail Intranet Betriebsversammlung u. Ä.

Schriftliche Information/ Präsentation

Präsentation/Workshop

Präsentation und Workshop

E-Mail

E-Mail

Artikel in der Mitarbeiterzeitschrift Plakate Flyer Präsentation oder schriftliche Information (E-Mail/Intranet)

Präsentation und/oder schriftliche Information (E-Mail/Intranet)

Workshop(s)

Medien

Unternehmensleitung/ Personalleitung

Unternehmensleitung/ Personalleitung

Projektleitung

Projektleitung/-team

Unternehmensleitung/ Personalleitung

Unternehmensleitung/ Personalleitung

Projektleitung/-team Unternehmenskommunikation

Projektleitung/-team

Projektleitung/-team

Verantwortlich

7.5 · Auswertung und Interpretation der Daten 241

7

242

Kapitel 7 · Führung selbst messen

Das folgende Beispiel zeigt, wie eine der in 7 Kap. 6 vorgestellten Skalen in einer Mitarbeiterbefragung zur Evaluation der Führungskultur eines Unternehmens eingesetzt werden kann. Beispiel: Respektloses Verhalten von Führungskräften

7

Mitarbeitende eines Unternehmens haben sich beim Betriebsrat vermehrt über Führungskräfte beschwert, die zu cholerischen Anfällen neigen, unfair im Umgang mit den Mitarbeitenden sind und sich in den Mittelpunkt stellen, um Lob abzusahnen, das ihnen eigentlich nicht zusteht. Um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen und eine Datenbasis für die Weiterentwicklung der Führungskultur zu erhalten, wird in der nächsten Mitarbeiterbefragung die Respectful Leadership Scale eingesetzt (7 Abschn. 6.5.2). Ein Beispiel für eine Darstellungsform der Ergebnisse des Items „Meine Führungskraft behandelt mich fair“, das mit einer fünfstufigen-Likertskala abgefragt wurde, zeigt . Abb. 7.2. Der Mittelwert der Antworten zu diesem Item ist 3,8. Somit ist dieser deutlich höher als die „Mitte“ der fünfstufigen Likertskala. Betrachtet man nun diejenigen näher, die sich nicht fair behandelt fühlen, so handelt es sich hierbei um 11,3 % der Befragten. Für den Betriebsrat sollte sich nun im nächsten Schritt die Frage stellen, wie er mit diesem Ergebnis umgeht und inwiefern sich die Mitarbeitenden zu Recht über die Führungskräfte beschwert haben. Die gesamte Skala „Respectful Leadership“, die 12 Items enthält, z. B. „Meine Führungskraft stellt mir alle Informationen zur Verfügung, die für mich relevant sind“ oder „Meine Führungskraft nimmt mich und meine Arbeit ernst“, kann zu einem gemeinsamen Mittelwert zusammengefasst werden (. Abb. 7.3). Im Anschluss an die Auswertung und graphische Aufbereitung der Ergebnisse geht es darum, mit den Ergebnissen der Befragung zu arbeiten, d. h. diese zu analysieren und

35,3%

N = 96 24.0%

11,3%

N = 16 4.0% trifft nicht zu

N = 132 33.0%

N = 127 31.8%

N = 29 7.3% Meine Führungskraft behandelt mich fair.

trifft zu

. Abb. 7.2  Beispiel für eine graphische Darstellung zu den Ergebnissen eines Einzelitems im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung

7.5 · Auswertung und Interpretation der Daten

4,0

Respektvolle Führung

. Abb. 7.3  Beispiel für eine graphische Darstellung einzelner SkalenGesamtwerte im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung

Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Analyse kann sich z. B. darauf beziehen, ob es innerhalb des Unternehmens besondere Problembereiche gibt, z. B. an bestimmten Standorten oder in bestimmten Abteilungen, oder ob Mitarbeitende mit bestimmten Merkmalen (z. B. in Bezug auf Alter oder Geschlecht) besonders unter respektlosem Verhalten leiden. Außerdem ist zu entscheiden, welchen individuellen Bewertungsmaßstab man für die Interpretation anlegen will, an welchem Punkt z. B. die Toleranzgrenze für respektloses Verhalten gezogen werden soll. Ist es inakzeptabel, wenn das Verhalten der Führungskräfte von 15 % der Befragten als respektlos empfunden wird, oder kann man im Gegenteil zufrieden sein, wenn 85 % der Meinung sind, dass sie mit Respekt behandelt werden? Dieses Beispiel zeigt, dass die Interpretation statistischer Befragungsergebnisse immer auch einen kommunikativen Aushandlungsprozess innerhalb der befragten Organisation bedeutet. In diesen Dialog sollten auch die Befragten in geeigneter Weise, z. B. in Ergebnispräsentationen oder Workshops, einbezogen werden. Die Diskussion und gemeinsame Auslegung des Datenmaterials durch die relevanten Stakeholder ist wichtig für die Akzeptanz der Befragungsergebnisse und den nachhaltigen Erfolg einer Befragung. Sie liefert einerseits wertvolle Denkanstöße und Impulse für einen Kulturwandel und bildet andererseits die Basis für die aus den Befragungsergebnissen abzuleitenden konkreten Handlungsempfehlungen im Rahmen eines Follow-up-Prozesses zur Befragung: 5 In welchen Organisationsbereichen im Unternehmen ist die Unzufriedenheit und damit der Entwicklungsbedarf besonders hoch? 5 Welche Entwicklungsthemen und konkrete Verbesserungsmaßnahmen lassen sich aus der Befragung ableiten?

243

7

244

Kapitel 7 · Führung selbst messen

5 Muss auf der individuellen Ebene an der Kommunikationskompetenz der Führungskräfte gearbeitet werden (z. B. Umgangsformen, Feedback geben und erhalten)? 5 Sollte beim Team angesetzt werden und wären z. B. Teamentwicklungsmaßnahmen sinnvoll, um das gegenseitige Verständnis füreinander zu verbessern? 5 Sollten die Befragungsergebnisse in die zukünftige Personalauswahl einfließen, z. B. durch einen Fokus auf Teamfähigkeits-Diagnostik im Assessment Center? 5 Unter Umständen können auch nicht personenbezogene, inadäquate Kommunikationsprozesse und -strukturen im Unternehmen ursächlich für die Wahrnehmung der Mitarbeitenden sein.

7

Das Beispiel zeigt, dass erprobte wissenschaftliche Skalen und einfache deskriptive Auswertungen oft ausreichen, um wertvolle Impulse für einen Wandel der Führungskultur zu geben und eine Grundlage für die Ableitung passender Handlungsempfehlungen zu schaffen.

Literatur Borg, I. (2000). Führungsinstrument Mitarbeiterbefragung: Theorien, Tools und Praxiserfahrungen. Göttingen: Verlag für Angewandte Psychologie. Bühner, M. (2011). Einführung in die Test- und Fragebogenkonstruktion (3. Aufl.). München: Pearson Studium. Domsch, M. E., & Ladwig, D. (2013). Handbuch Mitarbeiterbefragung (3. Aufl.). Berlin: Springer. Döring, N., & Bortz, J. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften (5. Aufl.). Heidelberg: Springer. Field, A. (2018). Discovering statistics using IBM SPSS statistics (5. Aufl.). London: SAGE. Kuckartz, U., Ebert, T., Rädiker, S., & Stefer, C. (2009). Evaluation online. Internetgestützte Befragung in der Praxis. Wiesbaden: VS Verlag. Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S. 601–613). Wiesbaden: Springer. Moosbrugger, H., & Kelava, A. (2012). Testtheorie und Fragebogenkonstruktion (2. Aufl.). Berlin: Springer. Urban, D., & Mayerl, J. (2018). Angewandte Regressionsanalyse: Theorie, Technik und Praxis (5. Aufl.). Wiesbaden: Springer. Zerback, T., Schoen, H., Jackob, N., & Schlereth, S. (2009). Zehn Jahre Sozialforschung mit dem Internet – Eine Analyse zur Nutzung von Online-Befragungen in den Sozialwissenschaften. In N. Jackob, H. ­ Schoen, & T. Zerback (Hrsg.), Sozialforschung im Internet. Methodologie und Praxis der Online-Befragung (S. 15–31). Wiesbaden: VS Verlag.

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Serviceteil Stichwortverzeichnis – 247

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Kraus und T. Kreitenweis, Führung messen, https://doi.org/10.1007/978-3-662-60518-9

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A–G

Stichwortverzeichnis 360-Grad-Feedback  32, 35, 109

A Agilität  54 Alter  186 Ambidextrie  213 Anreiz  232 Assessment Center  13, 90, 98, 101, 155 Aufgabenorientierung  14, 15 Augenscheinvalidität  80 Authentic Leadership Inventory  206 Authentizität  206

B Beeinflussungstaktik  163 Befragung  226 Befragungsserver  233 Belohnung  194 Betriebsrat  237, 238 Big Five  11, 104, 124 – Persönlichkeitstest  126 Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung  134 Boys Club Experiment  14

C Charisma  26, 30, 34, 145 C-K-Skala der Charismatischen Führung  203 Commitment  226 Conger-Kanungo-Skala  203 Contingent reward  29 Crisis Leader Efficacy in Assessing and Deciding  185

D Daten, personenbezogene  238 Datenschutz  228, 232, 239 Deutsche Leader-Member Exchange Skala  211 Diagnostik  79 Digitalisierung  58 Dirty Dozen s. Dreckiges Dutzend Diversity  50, 53, 73 Double bind  51 Dreckiges Dutzend  150

E Ehrlichkeit  130 Eignungsdiagnostik  103, 226 Einfluss  206 Einflussnahme  163 Einstellung  151 Emotion  174 Emotion Regulation Questionnaire  176 Emotionsregulation  176 Erleichterung, soziale  232 Erwartungstheorie der Motivation  22 Erwünschtheit, soziale  130, 230 Ethical Leadership at Work Questionnaire  172 Ethical Leadership Scale  171 Ethik  46 Evaluation  226 Exploitation  213 Exploration  213 Extraversion  11, 104

F Fairness und Legitimität  92 Feedback  108, 111, 153, 226 Feedback Orientation Scale  153 Feedbackorientierung  153 Fehlerspanne  235 Feindseligkeit  179 Fragebogen – Aufbau  230 – Design  234 – zur Messung alter(n)sgerechter Führung  187 Fragebogeneinleitung  228 Fragebogeninhalt  229 Fragebogentitel  228 Fremdbild  103, 109, 133 Fremdeinschätzung  133 Führen – partizipatives  14 – situatives  181 – transformationales  29 Führung  8 – agile  53 – alter(n)sgerechte  186 – ambidextre  213 – authentische  205 – charismatische  26, 73, 203 – despotische  178

– – – – – – – – –

emotionale  174 ethische  47, 171 geteilte  58, 73, 191 machiavellistische  143 narzisstische  145 psychopathische  148 respektvolle  169 transaktionale  28, 30, 194 transformationale  28, 30, 73, 197, 206 – transformierende  25 – unethische  47 Führungserfolg  13, 14, 17, 22, 104, 120, 137 Führungsfeedback  108, 110 Führungsforschung  8, 72 Führungskraft  9 – destruktive  60 – toxische  60 – unethische  60 Führungskräfteauswahl  35, 226 Führungskräftebefragung  238 Führungskräfteentwicklung  226 Führungskultur  100, 226 Führungsmotivation  133, 157 Führungsrolle  191 Führungssituation  13 Führungsskandal  139 Führungsstil  14 – transaktionaler  200 – transformationaler  200 Führungssubstitut  9, 29, 194 Führungstheorie – charismatische  25 – eigenschaftsorientierte  10 – implizite  26, 32, 35 – jüngere  25 – situative  17, 21, 25 – verhaltensorientierte  14 Führungsverhalten – situationsspezifisches  181 – transformationales  51 Full-Range-Leadership  30, 199

G Gefahr  184 Gefühl  174 Gender  50 Geschlecht  50 – biologisches  50 – soziales  50 Gewissenhaftigkeit  12, 104

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Stichwortverzeichnis

g-Faktor  120 Glass Ceiling  52 Glass Cliff  52 Gleichgültigkeit  179 Globalisierung  53 Great-Man-Theorie  50 Grundmotiv  128 Gütekriterium  87

H Hamburger Führungsmotivationsinventar  158 Hierarchie  189 Historie  9

I Impression-Management  163 Indikator – latenter  78 – manifester  78 Influence Behavior Questionnaires  164 Informationsrecht  238 In-Group  37 Inhaltsvalidität  89 Innovationsfähigkeit  195 Intelligenz  120 – emotionale  175 – fluide  120 – kristallisierte  120 Intelligenztest  120

K Kardinaltugend  140 Kommunikation  4, 161, 171, 184, 197, 203, 240 Kompetenz  21, 98 Konfidenzintervall  88 Konfidenzniveau  235 Konstrukt, psychologisches  77 Konstruktvalidität  89 Kontingenztheorie  17 Korrelation  85 Korrelationskoeffizient r nach Pearson  85, 90 Kreativität  179 Krise  183, 203 Kriteriumsvalidität  89 Kultur  40

L

N

Labilität, emotionale  104 Lageparameter  82 Laissez-faire  29, 30, 54, 200 Leader Behavior Description Questionnaire  15 Leader Behavior Items  195 Leader Efficacy Questionnaire  156 Leader Member Exchange – LMX 7  208 – Theorie  26, 36, 73, 208 Leadership Effectiveness and Adaptability Description  181 Leadership in Extremis  183 Leadership Style Assessment  200 Leadership Trait Questionnaire  131 Leadership Trust Inventory  138 Leadership Virtues Questionnaire  140 Least Preferred Coworker  18 – Kontingenztheorie  18, 25 Leistungsmotiv  129 Lerntheorie  171 LMX s. Leader Member Exchange Loyalität  152, 197, 211 LPC s. Least Preferred Coworker

Narcissistic Personality Inventory  146 Narzissmus  59, 145 Nebengütekriterium  87, 91 Nicht-Verfälschbarkeit  92 Normierung  91

M Machiavelli, Niccolo  143 Machiavellismus  59 Mach-IV  143 Macht  129, 158 Machtmotiv  129 Management by Exception  29 Managerial Grid  16 Managerial Practices Survey  191 Manipulation  60 Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence TestTM  175 Median  82 Mitarbeiterführung  2 Mitarbeiterorientierung  14, 15 Mitarbeiterzufriedenheit  17 Mitbestimmungsrecht  237 Mittelwert  82 Modalwert  82 Modell für Veränderung  44 Modus  82 Motivation  21, 30, 128, 157, 206, 226 Multifactor Leadership Questionnaire  32, 197 Multimodalität  102

O Objektivität  87 OCEAN  124 Offenheit  104 – für Erfahrungen  12 Ökonomie  92 Online-Befragung  232 Operationalisierung  77 Organisationskultur  40 Out-Group  37

P Paper-Pencil-Befragung  232 Partizipation  14 Perceived Leadership Communication Questionnaire  161 Personalauswahl  103 Personalforschung  237 Personalführung  2 Persönlichkeit  10, 73, 104, 123, 133 Persönlichkeitsskala, machiavellistische  144 Potenzialanalyse  101, 155 Pretest  231, 233 Psychopathie  59

R Referenzgruppe  123, 133 Reifegrad  21, 181 Reliabilität  88 Respectful Leadership Scale  169 Respekt  197, 211 Role – making  37 – taking  37 Rücklaufquote  232, 233, 236

S Selbstbild  103, 109, 133 Selbsteinschätzung  133

249 Stichwortverzeichnis

Selbstwirksamkeit  156 Selbstwirksamkeitsüberzeugung  156 Sicherheit  129 Sicherheitsmotiv  129 Signifikanz  86 Signifikanzniveau  87 Situation  181 Situation Awareness  184 Skala Perzipierte Untergebenen- und Vorgesetztenfunktion  189 Soft Skills  104 Stabilität, emotionale  12 Stakeholder  227, 237 Standardabweichung  83, 235 Statistik – deskriptive  85 – explorative oder analytische  85 Stichprobe  234 Stichprobengröße  235 Stress  197 Strömung, aktuelle  72

T Talent Management  98 Team, selbstorganisiertes  54

Test – mehrdimensionaler  78 – psychologischer  78, 87, 100 – vollstandardisierter  78 Theorie  72 Transformation, digitale  53 Transformational Leadership Behavior Scale  197 Triade, dunkle  59 Triangulation  101 Trust in/Loyalty to the Leader Scale  152

U Unternehmensführung  2 Unternehmenskrise  184 Unternehmenskultur  42, 226

V Validität  89 – externe  90 – prognostische  90 Veränderung  44, 196

Veränderungsprozess  45 Verhaltensgitter  16 Verträglichkeit  11, 104 Vertrauen  136, 151, 184, 197 Vision  196 VUCA  55, 58

W Wandel  44, 203 Weg-Ziel-Theorie  22, 25 Werte  169, 205

Z Zumutbarkeit  92

G–Z