Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft: Konzept des Prozesswasserkreislaufs inklusive Energie- und Wertstoffrückgewinnung [1. Aufl.] 9783658297886, 9783658297893

Darstellung der sich verschärfenden Anforderung hinsichtlich Wassergewinnung, höhere Anforderung bei der Abwassereinleit

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Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft: Konzept des Prozesswasserkreislaufs inklusive Energie- und Wertstoffrückgewinnung [1. Aufl.]
 9783658297886, 9783658297893

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-VII
Sichere Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung (Rolf Stiefel)....Pages 1-17
Auditierung der betrieblichen Wasserverhältnisse (Rolf Stiefel)....Pages 19-51
Ratschläge und Hinweise zur Prozesswassereffizienz (Rolf Stiefel)....Pages 53-61
Abwasserrecyclingverfahren (Rolf Stiefel)....Pages 63-89
Prozesswasserkreislauf mit hybridem Frischwasserbezug (Rolf Stiefel)....Pages 91-112
Wertstoffrückgewinnung aus Abwässern (Rolf Stiefel)....Pages 113-120
Möglichkeiten der Energierückgewinnung (Rolf Stiefel)....Pages 121-140
Eigenanalytik für einen betrieblichen Wasserkreislauf (Rolf Stiefel)....Pages 141-178
Back Matter ....Pages 179-201

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Rolf Stiefel

Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft Konzept des Prozesswasserkreislaufs inklusive Energie- und Wertstoffrückgewinnung

Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft

Rolf Stiefel

Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft Konzept des Prozesswasserkreislaufs inklusive Energie- und Wertstoffrückgewinnung

Rolf Stiefel Lahnstein, Deutschland

ISBN 978-3-658-29788-6 ISBN 978-3-658-29789-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-29789-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Lektorat: Dr. Daniel Fröhlich Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis

1 Sichere Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung. . . . . . . . . . . . . . 1 1.1 Die Wasserressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1.2 Wasserressourcen und deren Nutzung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.1 Wasserressourcen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.2 Wassernutzung in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1.2.3 Stabile Wasserpreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.3 Abwasserentsorgung mit Kostensteigerungen?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.4 Wasser nutzen und schützen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4.1 Wasser als multipler Arbeitsstoff. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 1.4.2 Der anthropogene Wasserkreislauf als technischer Lösungsweg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2 Auditierung der betrieblichen Wasserverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1 Auditierung der Abwasserinhaltsstoffe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2.1.1 Interaktionen von Abwasserinhaltsstoffen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2.1.2 Abwasserpass für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe zur Datenerhebung des Ist-Zustands. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Betriebsaudit – Prozesswasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.3 Prozesswasserversorgung des Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2.3.1 Wasserbezug der einzelnen Produktionseinheiten. . . . . . . . . . . . 34 2.3.2 Mehrfachnutzung der Prozesswässer in den einzelnen Produktionseinheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.3.3 Recycling von Prozesswässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.4 Abwasserbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4.1 Abwasserfrachten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.4.2 Abwasserbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2.4.3 Abfallanfall bei der Abwasserbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2.5 Möglichkeiten der Reduzierung der Frischwassermengen . . . . . . . . . . . . 39 2.5.1 Wassersparen durch effiziente Wassernutzung . . . . . . . . . . . . . . 40 2.5.2 Möglichkeiten der Regenwassernutzung im Betrieb. . . . . . . . . . 41 V

VI

Inhaltsverzeichnis

2.6 2.7 2.8 2.9 2.10 2.11 2.12 2.13 2.14

Mehrfachnutzung von Prozesswässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Möglichkeiten des Abwasserrecyclings. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Möglichkeiten der Frischwasserreduzierung im Gesamtbetrieb. . . . . . . . 44 Möglichkeiten der Wertstoffrückgewinnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Verwertung der Abwasserenergie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Sicherheit der Wasserversorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Sichere Abwasserentsorgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Ergebnisse Betriebsaudit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Betriebliche Wasserbilanz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3 Ratschläge und Hinweise zur Prozesswassereffizienz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.1 Alternativen zum Prozesswasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 3.2 Optimierung der Wassernutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3.3 Mehrfachnutzung von Prozesswasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 3.4 Effiziente Nutzung von Prozesswässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 3.5 Die Substitution von Wasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3.6 Pilotverfahren zur Abwasseraufbereitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 4 Abwasserrecyclingverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.1 Verfahrensauswahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4.2 Additive in der Abwasserbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.2.1 Einsatz von speziellen Additiven in der biologischen Abwasserbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 4.3 Zukünftige Entwicklungen in der Wassernutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.3.1 Kreislaufwirtschaft der Prozesswässer wird zur Standortfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.3.2 Beispiele Abwasserrecycling. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 5 Prozesswasserkreislauf mit hybridem Frischwasserbezug. . . . . . . . . . . . . . . 91 5.1 Hybride Frischwasserbezüge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5.1.1 Beachtung lokaler Wasserverhältnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 5.2 Schließen von Wasserkreisläufen durch Regenwassernutzung. . . . . . . . . 93 5.2.1 Regenwassernutzung hilft den betrieblichen Wasserkreislauf zu schließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.2.2 Regenwasseranfall und -nutzung im industriellen Bereich. . . . . 95 5.2.3 Regenwassernutzungscluster in Industriegebieten . . . . . . . . . . . 96 5.2.4 Rahmensetzung durch die Trinkwasserverordnung. . . . . . . . . . . 101 5.2.5 Checklisten und Hinweise bei der Einführung der Regenwassernutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.2.6 Behördenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.2.7 Wirtschaftlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 5.2.8 Beispiele für Regenwassernutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5.2.9 Das virtuelle Regenwasserrückhaltebecken im Hochwasserschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

Inhaltsverzeichnis

VII

5.3 Grauwassernutzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5.4 Schwarzwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6 Wertstoffrückgewinnung aus Abwässern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 6.1 Vorteile der Stoffrückgewinnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 6.2 Stoffeffizienz beginnt in der Produktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 6.3 Recyclingverfahren von Wertstoffen aus Abwässern. . . . . . . . . . . . . . . . . 117 6.3.1 Von der Dispersion der Abwasserstoffe zur Konzentration als Wertstoffe für den Wirtschaftskreislauf. . . . . . . . . . . . . . . . . 117 7 Möglichkeiten der Energierückgewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 7.1 Potenziale der Abwasserwärmenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.1.1 Zukunftsenergie Abwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 7.1.2 Nutzung der Abwasserwärme in Industriebetrieben. . . . . . . . . . 126 7.2 Beispiele für Wärmerückgewinnung aus Abwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 7.3 Energiegewinnung aus Abwasser mittels anaerober Behandlung. . . . . . . 131 7.3.1 Rohstoffe mit Potenzial für Energiegewinnung im Industrieabwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 7.4 Checkliste Anaerobe Abwasserbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 7.5 Energie lokal erzeugen und lokal nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 8 Eigenanalytik für einen betrieblichen Wasserkreislauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 8.1 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 8.1.1 Eigenanalytik als Barometer der Qualitätssicherung. . . . . . . . . . 142 8.1.2 Probenahme in der Eigenanalytik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 8.1.3 Parameter der Prozesswasseranalytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 8.1.4 Instrumentarien für die Eigenanalytik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 8.1.5 Akute Abwassertoxizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 8.1.6 Keimzahl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 8.1.7 Online-Messungen im Abwasser. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8.1.8 Qualitätssicherung der Eigenanalytik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 8.1.9 Probenahmestelle und Untersuchungsparameter. . . . . . . . . . . . . 164 8.1.10 Wasserdatenmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 8.2 Eigenanalytik als Hilfsmittel der Abwasserbehandlungstechnik. . . . . . . . 171 8.2.1 Beziehung zwischen Abwasserinhaltsstoffen und Abwasserbehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Glossar Wasserarten im Prozesswasserkreislauf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

1

Sichere Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung

Das nachfolgende ganzheitliche Konzept einer nachhaltigen und ressourcenschonenden Wasserwirtschaft zeigt Betrieben vielerlei Möglichkeiten, mittels Kreislaufführung, Prozesswässer effektiv zu nutzen und dabei Wertstoffe und Energie zurückzugewinnen.

Ohne Wasser kein Leben, lautet ein oft gehörter Satz. Was bedeutet dieser Satz für Produktionsbetriebe mit ständigem Wasserverbrauch und damit verbundenem Abwasseranfall? Was erwartet die Betriebe in Zukunft in Bezug auf ihren Arbeitsstoff Wasser? Welche Anforderungen werden an sie gestellt hinsichtlich des Umgangs mit Wasser? Risiken und Chancen liegen oft beisammen. Meistens liegt es beim aktiv Agierenden, die Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Zum Thema Prozesswassermanagement (Abb. 1.1) fallen drei Begriffe als Eckpunkte ins Auge: • Frischwasserversorgung, • Abwasserentsorgung und • Prozesswasserkreislauf. Die beiden Begriffe Frischwasser und Abwasserentsorgung sind für einen Betrieb mit relevanter Wassernutzung essenziell. Mit dem dritten Begriff Prozesswasserkreislauf verschmelzen sie zu einer Einheit, dem innerbetrieblichen Wasserkreislauf. u

Ohne gesicherte Wasserversorgung und Abwasserentsorgung keine Produktion.

So einfach ist das resultierende Fazit aus einem Mangel dieser beiden Eckpfeiler in der betrieblichen Wasserwirtschaft. Alle anderen Begriffe mögen finanziell belastend sein, aber sie treten hinter den beiden Pfeilern Wasserzufuhr und Abwasserentsorgung in den © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Stiefel, Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29789-3_1

1

1  Sichere Frischwasserversorgung und Abwasserentsorgung

2

Frischwasserversorgung Wasserpreise Eigenanalytik

Eigenförderung

Abwasser

Gesetzliche Anforderungen

Prozesswasserkreislauf

Abwassergebühren

Qualität

Abwasserbehandlung

Abwasserentsorgung

Abb. 1.1   Prozesswassermanagement

Hintergrund. Wenden wir uns daher dem ersten Grundpfeiler der betrieblichen Wasserwirtschaft zu, der Versorgung mit Frischwasser.

1.1 Die Wasserressourcen Beschäftigt sich ein Unternehmen als Frischwasserbezieher und Abwasseremittent mit dem Komplex Betriebswässer, so tangieren ihn zunächst nur zwei wichtige Aspekte: Sichere Frischwasserversorgung und sichere Abwasserentsorgung. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Wasservorräte: Als Basis für die Frischwasserversorgung zeigt eine Schätzung des Gesamtwasservorrats unseres Planeten etwa 1.386.000.000 km3 an (Lexikon der Geowissenschaften 2017). 1. Wasser ist auf unserem Planeten also genügend vorhanden, aber… – Wenn dieses kleine Wort „aber“ im letzten Satz nicht stünde, könnten wir uns geruhsam zurücklehnen, denn das vorhandene Wasservolumen ist für den menschlichen Verbrauch gesehen fast unendlich. Doch verbirgt sich eine lange Reihe von Fragen für Wasserbenutzer. Diese Fragen zeigen sich bei einem Blick auf die Unterteilung der weltweiten Wasservorkommen bis zum lokalen Ort eines Betriebs in Deutschland: Welche Art von Wasser (Süß-, Salz-, Brackwasser etc.) beinhaltet die riesige Menge an globalen Wasservorräten? Wie sind die Wasservorräte verteilt? In einer globalisierten Weltwirtschaft rückt zunächst diese Frage in den Vordergrund: Wie groß sind die Wasservolumen auf unserem Planeten? Wie verteilen sich die einzelnen Wassersorten (Salzwasser, Süßwasserarten etc.)? Die Verteilung zwischen dem Salzwasser der Ozeane und dem Süßwasser – verteilt über die Kontinente – kann recht gut abgeschätzt werden. Die Tab. 1.1 und die Abb. 1.2 weisen für die Süßwasservolumina Tab. 1.1  Wasservolumina der Erde (nach Lexikon der Geowissenschaften 2017)

Wasserart

Verteilung

Salzwasser der Meere

96,5

Eis der Polkappen, Gletscher

1,76

Süßwasser

0,77

1.1  Die Wasserressourcen

3

Abb. 1.2   Verteilung der Wasservolumina der Erde in Prozent. (Darstellung basierend auf Lexikon der Geowissenschaften 2017)

Salzwasser Eis der Polkappen etc. Süßwasser

Tab. 1.2  Verteilung von Süßwasser nach Art und Volumina auf der Erde (Lexikon der Geowissenschaften 2017)

Wasserarten

Anteil der Volumina [%]

Polareis, Gletscher etc.

68,7

Permafrost

0,86

Bodenfeuchte

0,5

Moore, Sümpfe

0,3

Organismen

0,03

Atmosphäre

0,04

Grundwasser, > Verwertung >> Entsorgung So lautet die Prämisse für die Planung von Verfahren mit stofflicher Abwasserrelevanz.

6.2 Stoffeffizienz beginnt in der Produktion Die Vermeidung von Inhaltsstoffen, die letztlich mittels spezieller Verfahren aus dem Abwasser separiert werden müssen, beginnt mit der Auswahl der Produktionsverfahren, unabhängig von den Fertigungstechniken der einzelnen Branchen. Beim Vergleich der Oberflächenbehandlung von Metallen oder anderen Materialien bezüglich des Auftrags einer Schutzschicht existieren die beiden Verfahren Pulverlackierung und Sprühverfahren von Lacken. Die Pulverlackierung vermeidet verfahrenstechnisch den Eintrag von Stoffen in den Abwasserpfad. Das Sprühverfahren von Lacken kann mit bestimmten Techniken den Austrag aus der Produktion in den Wasserpfad einschränken bzw. minimieren, aber es gelangen i. d. R. Reste in das Wasser, die behandelt werden müssen. Grundsätzlich sollte in der Auswahl von Produktionstechniken ein Vergleich bezüglich der Stoffeffizienz durchgeführt werden. Je geringer der Stoffverbrauch bei gleicher Produktionsmenge, desto höher ist die Stoffeffizienz eines Verfahrens. Für den Wasserpfad bedeutet dies, je geringer die Abwasserbelastung, desto höher ist die Stoffeffizienz des Verfahrens. Welche Möglichkeiten reduzieren den Stoffaustrag ins Abwasser? Diese Frage steht am Anfang aller Überlegungen, ehe es darum geht, Stoffe aus dem Abwasser abzutrennen und zu recyceln. Im Bereich Galvanik ist eine Reihe von technischen Maßnahmen bekannt, die eine Ausschleppung von Wertstoffen ins Abwasser verringern. Diejenigen Methoden bzw. Verfahren können auch in anderen Branchen bei der Minimierung des Stoffaustrags ins Abwasser wertvolle Dienste leisten. In der folgenden Auflistung sind einige wichtige Möglichkeiten zur Badverschleppung zusammengestellt (nach Bundesanzeiger Mindestanforderungen an Abwassereinleitungen Hinweise zu Anhang 40 1999): • Genügend Zeit zum Abtropfen (Massenartikel, Gestelle etc.) • Abrütteln • Ablasen der Waren • Absaugen • Abquetschen • Minimierung der Konzentration der Wertstoffe im Wirkbad, um die Konzentration der Ausschleppung zu reduzieren. Welche Möglichkeiten jeweils Anwendung finden können, ist von den branchenspezifischen Fertigungstechniken abhängig.

6.3  Recyclingverfahren von Wertstoffen aus Abwässern

117

6.3 Recyclingverfahren von Wertstoffen aus Abwässern 6.3.1 Von der Dispersion der Abwasserstoffe zur Konzentration als Wertstoffe für den Wirtschaftskreislauf Die Verfahren zur Rückgewinnung von Stoffen aus Industrieabwässern basieren auf jenen Techniken und Verfahren, die in der Abwasseraufbereitung seit vielen Jahrzehnten erprobt sind und in vielen Industriebranchen eingesetzt werden. Primär wurden diese Verfahren (z. B. Ionenaustauscher zur Metallentfernung) angewandt, um Abwässer hinsichtlich bestimmter Stoffe oder Stoffgruppen soweit abzureichern, dass sie den gesetzlichen Anforderungen für die Einleitung in öffentliche Kläranlagen oder Oberflächengewässer genügen. Abwasserinhaltsstoffe (z. B. Metalle, Phosphor) in Abwässern stark anzureichernd, bedeutet im Umkehrschluss, sie werden von der Abwasserphase durch ein Verfahren separiert und gleichzeitig in einem anderen Medium (Lösung, Membran, Feststoff etc.) angereichert. Die Dispersion kleinster Mengen von Inhaltsstoffen in einem Abwasser mündet durch die Abwasserbehandlung in einer Konzentration dieser Stoffe an anderer Stelle. Diese Konzentration der Abwasserinhaltsstoffe kann verfahrenstechnisch in mehreren Schritten erfolgen, sodass etwa eine Kupferfracht in einem Rohabwasser von 10–40 mg/l soweit aufkonzentriert wird, dass der Kupfergehalt im Lösemittel bei >1000 mg/l liegt und das Kupfer daraus direkt als Handelsware zurückgewonnen werden kann. Eine wichtige Frage für die Rückgewinnung von Stoffen aller Art aus Abwässern ist die Möglichkeiten ihrer Verwertung im industriellen Bereich (Tab. 6.2). Im Rahmen der Überlegung nach den möglichen Verwertungsformen der zurückgewonnenen Rohstoffe stellt sich zuerst die Frage, wie ein Stoff oder eine Stoffgruppe wirtschaftlich aus einem Abwasser zurückgewonnen werden kann. Welches Verfahren oder welche Kombination an Verfahren ist für mein Abwasser besonders geeignet, um einen bestimmtes Stoff zurückzugewinnen? Diese Frage lässt sich dahingehend beantworten. Das eine Verfahren existiert leider nicht. Es sind immer die vielen Randbedingungen des Abwassers (z. B. Menge, Zusammensetzung, zeitliche Verteilung etc.), die die Wahl eines oder die Kombination mehrerer Verfahren beeinflussen und letztlich bestimmen. Die Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abwässern ist ebenso wie die Abwasseraufbereitung stark branchenspezifisch. Man ist daher gut beraten, sich zunächst nach branchenüblichen Lösungen umzusehen, soweit diese vorhanden sind. Fehlen diese gänzlich oder sind nur sehr marginal, so bleibt die Suche nach Rückgewinnungsverfahren mit Blick auf den gewünschten Stoff oder die Stoffgruppe. Es ist empfehlenswert, die Einführung eines Verfahrens anhand von Pilotversuchen zu testen, um ausreichende Daten unter realen Betriebsverhältnissen zu gewinnen. Die Tab. 6.3 gibt einen groben Überblick über Methoden und deren Einsatz zur Rückgewinnung von Stoffen bzw. Stoffgruppen. Sie zeigt, wie viele Verfahren separat oder in Kombination eingesetzt werden können, um Wertstoffe aus dem Abwasser

118

6  Wertstoffrückgewinnung aus Abwässern

Tab. 6.2  Verwertungsformen von zurückgewonnen Rohstoffen Betriebsinterne Verwertung Direkte Rückführung in den Arbeitskreislauf ohne Behandlung

•S  toff wird nach Separierung direkt ohne Veränderung in den Arbeitsgang zurückgeführt • Keine stoffliche Behandlung nötig • Sehr hohe Effektivität

Rückführung nach •S  toff wird aus dem Wasserpfad zurückgewonnen und nach Separierung und Behandlung Behandlung in den Arbeitsgang zurückgeführt in den Arbeitskreislauf •B  eispiel Entfettungsmittel nach Behandlung (z. B. Ultrafiltration) • Rückführung von Beizsäuren Betriebsinterne Verwertung für andere Arbeitsabläufe

•S  toff wird zurückgewonnen und betriebsintern für andere Verfahren genutzt •B  eispiel Separierung von Lösemitteln mit anschließender thermischer Verwertung

Externe Verwertungen Rückführung in den Wirtschaftskreislauf ohne Aufbereitung

• Nutzung z. B. von Altsäuren oder Altlaugen • Nutzung von Lösemittel • Nutzung organischer Stoffe zur Biogasgewinnung

Metallrückführung in den Wirtschaftskreislauf nach Aufbereitung

•M  etallverwertung nach Aufbereitung von Eluaten (Ionenaustauscher) und Retentaten (Membrantechnik) usw. • Aufbereitung von Säuren und Laugen • Aufbereitung von Lösemittel

zurückzugewinnen. Für die Wahl eines Verfahrens oder die Kombination mehrerer Verfahren ist eine Reihe an Kriterien zu beachten, z. B.: • Branche • Abwassermenge • Abwasseranfall • Abwasserbelastung (Abwasserinhaltsstoffe, Abwasseranalyse) • Betriebliche Situation • Verwertungsmöglichkeiten für den oder die Stoffe Auf der Suche nach einem geeigneten Verfahren, das betriebssicher und wirtschaftlich ist, empfiehlt sich eine Online-Recherche, um möglichst die neusten Entwicklungen und Angebote zur erhalten, die dann die Basis für Fachgespräche mit den entsprechenden Anlagenlieferanten bilden. Für eine Online-Suche sollten folgende Zielworte in den Suchvorgang aufgenommen werden:

6.3  Recyclingverfahren von Wertstoffen aus Abwässern

119

Tab. 6.3  Verfahren zur Wertstoffrückgewinnung bei einzelnen Stoffen Verfahren

Stoffe oder Stoffgruppen

Adsorption (A-Kohle)

Organische Stoffe, Lösemittel

Anaerobe Biologie

CSB und BSB5

Energiegewinnung

Elektrodialyse

Ionare Lösungen

Membranverträglichkeit prüfen

Elektrolyse

Metalle

Mögliche AOX-Bildung

Extraktion

Selektive Metallabtrennung

Fällung, Sedimentation

Schwermetalle

Flotation

Öle und Fette

Ionenaustauscher

Metalle, Anionen

Kristallisation

Ausfällung von ionaren Lösungen

Membranverfahren

Anorganische und organische Scaling, Fouling an den Stoffe abhängig von Partikel- bzw. Membranen möglich, Molekülgröße der Stoffe Membranverträglichkeit

Hinweise

Monoschlämme erzeugen Fouling beachten

Mikrofiltration Ultrafiltration

Entfettungsmittel

Nanofiltration

Metalle, Säuren, Laugen

Fouling beachten

Umkehrosmose

Salze, Lösemittel

Fouling beachten

Rektifikation

Organische Stoffe

Siebung

Feststoffe

Strippung

Organische Stoffe

Verdampfung Verdunstung

Organische und anorganische Stoffe

Wasserdampfflüchtige Stoffe beachten, thermische Belastung der Wasserinhaltsstoffe

Zielworte: • Branche • Abwasser • Stoffname • Rückgewinnung Web-Informationen: Wertstoffrückgewinnung

Metallbearbeitung, Metallverarbeitung https://www.lfu.bayern.de/wasser/merkblattsammlung/teil4…/doc/nr_452_40. pdf Säureregeneration https://anlagenbau.steuler.de/de/saeureregeneration

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6  Wertstoffrückgewinnung aus Abwässern

Anorganische Säuren zum Beizen von Metallen www.kon-chem.com/anorganische-saeuren-zum-beizen-von-metallen-2schwefelsaeu… Abwasserbehandlung in der metallverarbeitenden Industrie wasserchemikalien.com/media/091022GuetlingEn.pdf Tauw: Wasserreinigung, Wasseraufbereitung, Abwasserbehandlung www.tauw.de›Wasser Fachgebiet Umweltverfahrenstechnik – Uni Bremen https://www.uni-bremen.de/umweltverfahrenstechnik/ Fachgebiet Verfahrenstechnik https://www.verfahrenstechnik.tu-berlin.de/menue/publikationen/?tx…tt…

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Möglichkeiten der Energierückgewinnung

Ohne sichere Energieversorgung ist keine sichere Wasserwirtschaft möglich. Energieund Wasserwirtschaft sind häufig in betrieblichen Organisationsstrukturen miteinander verkoppelt. In einer modernen betrieblichen Wasserwirtschaft nach dem Kreislaufprinzip ist Energie eine der wichtigsten Einflussgrößen – sowohl in wirtschaftlicher als auch in technischer Hinsicht. Die Betriebskosten in der Abwasserentsorgung und Frischwasseraufbereitung werden sehr oft von den Energiekosten dominiert. Daher stellt sich die Frage: u

Wie können die Energiekosten für die Wasserwirtschaft betriebsintern ohne Abstriche bei der Wasserqualität auf ein Minimum reduziert werden?

Der Bezug von Energie kann firmenseitig in zwei Quellen unterteilt werden: • Bezug über öffentliche Energielieferanten • Eigenproduktion von Energie In der Eigenproduktion von Energie dominieren bisher meist konventionelle Energieformen mit Gas, Öl oder Kohle, z. T. werden auch eigene (Klein-)Wasserkraftwerke betrieben. Welche weiteren Möglichkeiten und Potenziale bieten sich den Firmen auf ihren Betriebsgeländen? Bisher wenig genutzt werden z. B. Dachflächen für die Gewinnung von Solarenergie. Oft bestünde die Möglichkeit der Windnutzung. Eine weitere nahe liegende, aber oft ungenutzte Quelle bieten die biologischen Abfallstoffe zur Biogaserzeugung. Bei der Beschäftigung mit der Frage nach der Nutzung der Energiemengen, die meist durch extra zugekaufte konventionelle Energie in die Prozesswässer fließen, stößt man auf die Idee der Rückgewinnung von Abwärme aus diesen Wässern. Eng verbunden © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 R. Stiefel, Nachhaltige betriebliche Wasserwirtschaft, https://doi.org/10.1007/978-3-658-29789-3_7

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7  Möglichkeiten der Energierückgewinnung

mit der Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abwässern ist die Energierückgewinnung daraus. Zwei wichtige Arten der Energieformen (Abb. 7.1) sind in vielen Industrieabwässern vorhanden, zum einen die Abwasserwärme und zum anderen die organischen Abwasserinhaltsstoffe, die in Form von CSB- und BSB5-Frachten mitgeführt werden. Abwässer mit hohen CSB-Belastungen eröffnen die Möglichkeit der Gewinnung von Biogas (Methan) als Energieträger über eine anaerobe Abwasserbehandlung. Für diese Art der Abwasserbehandlung sind die Randbedingungen (z. B. CSB-Konzentration, toxische Stoffe etc.) allerdings einer genauen Prüfung zu unterwerfen.

7.1 Potenziale der Abwasserwärmenutzung 7.1.1 Zukunftsenergie Abwasser Der Ratgeber Heizen und Kühlen mit Abwasser (2009) für Bauträger und Kommunen beschäftigt sich zwar überwiegend mit der Energiegewinnung aus kommunalem Abwasser, bietet jedoch auch Industriebetrieben wertvolle Hinweise zur effizienten Energiegewinnung aus Abwasser. Es werden anschaulich die Grundlagen der Wärmenutzung für Heizungszwecke erläutert. „So funktioniert die Abwasserheizung“

Abwasser steckt voller Energie. Im Winter können wir daraus Wärme gewinnen, im Sommer damit kühlen. Das kommt daher, dass Abwasser im Winter deutlich wärmer ist als die Außenluft und im Sommer kälter. Im Jahresverlauf bewegt sich die Abwassertemperatur zwischen 10 und 20 °C. Abwasser ist deshalb eine ideale Wärmequelle für den

Abb. 7.1   Energierückge­ winnung aus Abwasser

Abwärme

Organische Frachten

Wärmepumpe

Anaerobe Verfahren

Wärmetauscher

Biogasgewinnung

7.1  Potenziale der Abwasserwärmenutzung

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effizienten Betrieb von Wärmepumpen. Die Technik zur Energiegewinnung aus Abwasser ist einfach und erprobt. Herzstück bilden ein Wärmetauscher, der aus dem Abwasser Energie gewinnt, und eine Wärmepumpe, die die Energie für die Beheizung oder Kühlung von größeren Gebäuden nutzbar macht. Effiziente Nutzung von Primärenergien: „Die meisten Abwasserheizungen werden mit Elektrowärmepumpen betrieben. Weil Abwasser im Vergleich zu anderen Wärmequellen wie Luft, Grundwasser oder Geothermie wärmer ist, arbeiten diese Anlagen effizient. Die Menge an erzeugter Nutzenergie (Raumwärme, Warmwasser) liegt deutlich höher als der Verbrauch an Primärenergieträgern (Kohle, Erdgas) zur Erzeugung des benötigten Stroms. Das Maß für die Effizienz von Wärmepumpen – die sog. Jahresarbeitszahl – liegt bei vielen Anlagen über vier, was einer prozentualen CO2-Einsparung gegenüber einer Ölheizung von 50 % entspricht.“ (Deutsche Bundesstiftung Umwelt 2009). ◄ Speziell für die Gewinnung von Energie aus industriellem Abwasser führt der Ratgeber Heizen und Kühlen mit Abwasser (2009) an: Energienutzung aus industriellem Abwasser „Abwasser aus der Industrie ist in vielen Fällen deutlich wärmer als kommunales Abwasser. Es eignet sich daher besonders gut für den Einsatz von Wärmepumpen. Ein Beispiel für Wärmenutzung aus industriellem Abwasser ist die im Jahr 2004 erstellte Heizanlage des Ludwig-Windhorst-Hauses in Lingen (Niedersachsen). Für die Raumheizung und die Wassererwärmung dieser Heimvolkshochschule der katholischen Kirche wird Energie aus dem gereinigten Abwasser der nahe gelegenen Erdölraffinerie Emsland gewonnen. Die vergleichsweise hohen Abwassertemperaturen (ganzjährig zwischen 25 °C und 35 °C) erlauben einen äußerst effizienten Betrieb der 20-kW-Wärmepumpe. Diese wird unterstützt durch zwei Blockheizkraftwerke und einen Spitzenlast-Heizkessel. Der Beitrag der regenerativen Abwasserenergie an der gesamten Wärmebereitstellung beträgt rund 35 %. Eine weitere Besonderheit der Anlage ist der Einsatz von umweltfreundlichem CO, als Kältemittel der Wärmepumpe. Aufgrund des Pilotcharakters wurde der Bau der Anlage mit einem Förderbeitrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt IDBU) unterstützt.“

Die Wärmerückgewinnung aus Industrieabwässern ist für viele Industriebetriebe bisher weitgehend eine ungenutzte Ressource. Auf diesem Feld bieten sich den Betrieben unverhoffte Energiepotenziale, die auf Verwertung warten. Eine effektive Nutzung der Abwasserwärme schließt den reibungslosen Betrieb der Wärmegewinnung mit ein, dieser ist jedoch an einige Randbedingungen geknüpft. So wird empfohlen, bei der Planung und Errichtung von Wärmerückgewinnungsanlagen folgende Kriterien zu beachten:

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7  Möglichkeiten der Energierückgewinnung

Kriterien der Wärmerückgewinnung

• Ist-Aufnahme aller Randbedingungen • Enge Zusammenarbeit der einzelnen Fachrichtungen bei der Planung • Technische Vorkehrungen bei Verschmutzungsproblemen vorsehen • Mögliche Vorreinigung des Abwassers prüfen, um die Verschmutzung der Anlagen zu minimieren

Die Vorreinigung ist ein wichtiger Punkt, da sich für viele Industriebetriebe die Möglichkeit bietet, mit der Nutzung von behandeltem Abwasser das Verschmutzungsproblem bei den Energierückgewinnungsanlagen zu minimieren. Nach Angaben einer Informationsschrift mit dem Titel Abwasser – zum Wegwerfen zu schade (Fachzentrum Wärme aus Wasser 2012) könnten theoretisch 10 % aller Gebäude in Deutschland mit der im Abwasserkanal schlummernden Energie beheizt werden. Auf der Fachtagung „Energiegewinnung aus Trinkwasser und Abwasser“ (DWA-Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall 2009) mit internationalen Referenten wurde eine ähnliche Größenordnung (5–10 %) dieses Energiepotenzials genannt. Ein bisher vielfach ungenutztes Potenzial zum Heizen und Kühlen wartet in unseren Abwasserkanälen auf die Nutzung. Grundsätzlich kann Wärme aus Wasser jeglicher Art (Abwasser, Oberflächenwasser etc.) zurückgewonnen werden. Über die Nutzung der Abwärme aus Kanälen wurde auf der DWA-Tagung berichtet, dass sie in fast 100 Anlagen in der Schweiz und an einzelnen Standorten in Deutschland erprobt wurde. Die abgegebene Wärmeleistung an Gebäude variiert von 40 bis 400 KW. Abwärmepotenzial und Energierückgewinnung Für die Betrachtungen zur Energiegewinnung aus Abwasserwärme kommt den Potenzialen eine wichtige Funktion für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit zu. Für die Wärmegewinnung aus Industrieabwässern sind v. a. folgende Potenziale interessant: Potenziale der Wärmerückgewinnung

• Theoretisches Abwasserwärmepotenzial (TP) • Technisch nutzbares Wärmepotenzial (NP) • Wirtschaftliches Potenzial (WP)

Im folgenden Exkurs sind aus der Studie „Abwärmenutzung – Potenzial, Wirtschaftlichkeit und Förderung“ (Gutzwiller et al. 2008) vom Eidgenössischen Department für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK (Bundesamt für Energie BFE) die Definition der Wärmepotenziale wiedergegeben.

7.1  Potenziale der Abwasserwärmenutzung

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Abwärmepotenzial In der Literatur finden sich verschiedene Definitionen für (Abwasserwärme-)Potenziale. Bei allen Definitionen handelt es sich immer um das Wärmepotenzial allein des Abwassers: Bei einer realen Nutzung der Abwärme in einer bivalenten Anlage mit Wärmepumpe und Spitzenkessel erhöht sich das totale Wärmepotenzial entsprechend der zugeführten Endenergie. Theoretisches Abwasserwärmepotenzial (TP): Abkühlung des gesamten Abwasserabflusses nach der Reinigung in der Abwasserreinigungsanlage (ARA) von durchschnittlich 13,5 auf 5 °C. Das gesamte warme Abwasser wird dabei aus dem gemessenen durchschnittlichen ­ARA-Tagesabfluss der Monate Oktober bis Juni jeder einzelnen ARA der Größenklasse 1 bis 3 (größer als 10.000 Einwohnergleichwerte, 296 Anlagen) auf 365 Tagen pro Jahr hochgerechnet. Die durchschnittliche Abwassertemperatur von 13,5 °C wird für vier Monate um 2 K erhöht (Sommer) und für vier Monate um 2 K reduziert Winter). Technisch nutzbares Potenzial (NP): Abkühlung von 90 % des gesamten Abwasserabflusses (s. Definition oben) auf 5 °C nach der Reinigung in der ARA. Als Abwassertemperatur wird die gegenüber der mittleren Temperatur um 2 K reduzierte Wintertemperatur verwendet (Auslegung auf Tagesmittelabfluss der großen ARA während trockener Heizperiode). Wirtschaftliches Potenzial (WP): Im besten Fall entspricht das WP dem technisch nutzbaren Potenzial (NP). Berücksichtigt wird hier, dass das NP meist durch die Abnehmerseite eingeschränkt wird. Einschränkungsfaktoren: Zu geringe Gebäude- respektive Wärmedichte im Umkreis der ARA (2 µm)

880 (100 %) Abwasserdestillat aus Verdampfungstest

120 (13,6 %)

760 (86,4 %)

50 Eliminationsraten in %