Öffentlichkeitsfahndung im Internet: Im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis [1 ed.] 9783428580286, 9783428180288

Durch die Spezifik des World Wide Web tritt bei der Öffentlichkeitsfahndung im Internet die Dissonanz zwischen dem öffen

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Öffentlichkeitsfahndung im Internet: Im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis [1 ed.]
 9783428580286, 9783428180288

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Internetrecht und Digitale Gesellschaft Band 26

Öffentlichkeitsfahndung im Internet Im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis

Von

Joanna Melz

Duncker & Humblot · Berlin

JOANNA MELZ

Öffentlichkeitsfahndung im Internet

Internetrecht und Digitale Gesellschaft Herausgegeben von

Dirk Heckmann

Band 26

Öffentlichkeitsfahndung im Internet Im Spannungsfeld zwischen Recht und Praxis

Von

Joanna Melz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de Gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 2363-5479 ISBN 978-3-428-18028-8 (Print) ISBN 978-3-428-58028-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 von der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Dr. Uwe Scheffler, für das entgegengebrachte Vertrauen, seine stetige Unterstützung und vielfältigen Denkanstöße. Sehr verbunden bin ich Herrn Professor Dr. Michael Soiné für seine wertvollen Anregungen im Laufe der Entstehung dieser Arbeit sowie für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Danken möchte ich ferner dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, dem Hessischen Ministerium der Justiz, dem Senator für Inneres der Freien Hansestadt Bremen, dem Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen, der Staatsanwaltschaft Bremen sowie dem Landeskriminalamt Schleswig-Holstein für die Überlassung wichtiger Rechtsquellen. Mein Dank gebührt auch meinen Gesprächspartnern bei der Polizei Brandenburg, PHK Anja Resmer, Leiterin des Sachbereichs Soziale Medien, und EKHK Klaus-Peter Wich, sowie bei der Polizei Berlin, Social Media Team, insbes. KHK Monique Pilgrimm und GOK Matthias Klein, die mir einen praktischen Einblick „hinter die Kulissen“ der Internetfahndung ermöglicht haben. Nicht zuletzt danke ich meinem Ehemann, der mir auf dem Promotionsweg unermüdlichen Beistand geleistet hat. Ihm und meinen Eltern ist diese Arbeit gewidmet. Frankfurt (Oder), im August 2020

Joanna Melz

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1. Teil

Genese der Internetfahndung 21

A. Recht und Praxis im „analogen“ Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I.

Repressiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. § 131 StPO a. F. und Anlage B RiStBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Volkszählungsurteil des BVerfG und Begründung des (Grund-)Rechts auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3. Gesetzgebungsarbeiten der 1980er- und frühen 1990er-Jahre . . . . . . . . . . . . 27

II. Präventiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. „Pionierzeit“ der Internetfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I.

Internetfahndung im Web 1.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

II. Legislatorische Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Strafprozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Erste Dekade des 21. Jahrhunderts: Ära des stationären Internets . . . . . . . . . . . . . . . 37 I.

Rechtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

II. Internetfahndung in der Praxis: Die Web 1.0-Ära . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I.

Entwicklung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Einsatz sozialer Netzwerke zur Internetfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Pilotprojekt der Polizeidirektion Hannover und die Reaktion des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Allmählicher Einsatz sozialer Netzwerke zur Fahndung in anderen Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. App-Anwendungen für mobile Endgeräte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

II. Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1. Erarbeitung neuer Regelungen in Anlage B RiStBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 2. Polizeirecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 3. Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

8

Inhaltsverzeichnis 2. Teil



Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 54

A. Repressiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I.

Personenfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Internetfahndung als Inlandsfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Begriffsbestimmung der Ausschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 3. Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, § 131 Abs. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . 59 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 b) Zur Sicherung der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Zur Sicherung der Strafvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 4. Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung, § 131a Abs. 3 StPO . . . 70 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Zur Sicherung der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Zur Sicherung der Strafvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 d) Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 e) Bedeutung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 5. Öffentlichkeitsfahndung zur Aufklärung / Identitätsfeststellung, § 131b StPO 77 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 b) Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 c) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 d) Identitätsfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 e) Aufklärungsfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 f) Problematische Fälle im Zusammenhang mit § 131b StPO . . . . . . . . . . . 88 aa) Veröffentlichung von Personalien ohne Abbildung . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Abbildung von (verstorbenen) Tatopfern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 6. Anwendungsbereich der Ermittlungsgeneralklausel, §§ 161 Abs. 1 S. 1, 163 Abs. 1 S. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Allgemeine Zeugenaufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Beschreibungen gesuchter Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 d) Abbildung von verstorbenen Tatopfern bzw. Tatverdächtigen . . . . . . . . . 93 e) Unterscheidung je nach gewählter Internetplattform? . . . . . . . . . . . . . . . 94

II. Sachfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 1. Nach einer Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Mittels einer Sache nach Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

Inhaltsverzeichnis

9

B. Präventiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 I.

Personenfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Bestehende Gefahr für eine Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Von einer Person ausgehende Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Sonderfall: Fahndung zur Identifizierung von unbekannten Toten . . . . . . . . 107

II. Sachfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

3. Teil

Medien der Internetfahndung 111

A. Polizeiliche Internetfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 I.

Web 1.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Homepage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 c) Social-Plugins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 2. Nachrichtenplattform presseportal.de . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Polizei-App . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

II. Web 2.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Spezifik sozialer Medien aus der Sicht virtueller Fahnder . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Übersicht über die zur Öffentlichkeitsfahndung eingesetzten sozialen Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Facebook . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Twitter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 c) Google+ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 d) YouTube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 e) Exkurs: Flickr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 f) Ausblick: Instant-Messengers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Betreuung der Auftritte in sozialen Netzwerken in Bezug auf Fahndungs­ aufrufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Personelle Seite – Social Media Teams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Inhalt der Betreuung im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Ausgangspunkt: Verweis auf die Fahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 bb) Überwachung von Kommentaren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (1) Besonderheiten der Kommentarfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (2) Umgang mit problematischen Beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

10

Inhaltsverzeichnis (3) Kommunikationsstil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 cc) Betreuung „rund um die Uhr“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (1) Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 (2) Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 dd) „Hinweis zur Hinweisgabe“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 ee) Information zur Fahndungsbeendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 4. Datenschutzrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 a) Zulässigkeit eines Social-Media-Auftritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Mitverantwortlichkeit für die Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb) Rechtsfolge des EuGH-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 cc) Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 b) Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c) Verweis auf die Homepage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Link-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) i-frame-Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 dd) Problemfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

B. Internetfahndung unter Zuhilfenahme von Massenmedien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I.

Pressemeldungen mit Fahndungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

II. Online-Fernsehsendungen mit Fahndungsinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 1. Begriffsbestimmung und Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 2. Abrufbarkeit über sog. Mediatheken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Fernsehfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Fahndungssendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 III. Internetfahndung im Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 C. Phänomen der „Privatfahndung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 I.

„Fahndung“ Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Nachahmen polizeilicher Accounts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Fahndungsauftritte mit Presseberichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Situationsbedingte Privatfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 5. Gefahr für Ermittlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

II. Sonderfall: Fahndungsaufrufe eines Strafverteidigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188

Inhaltsverzeichnis

11

4. Teil

Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung 191

A. Vorzüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I.

Effektivität des Mittels Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Effiziente Strafverfolgung und Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Erreichen angezielter Adressatengruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 3. Entstehung eines Fahndungsdrucks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Präventive Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

II. Bessere Kommunikation und Vertrauensaufbau im Verhältnis Bürger-Staat . . . 199 III. Mediale Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Gefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 I.

Gefahr für die gesuchte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. (Mutmaßlicher) Straftäter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Virtuelle und reale Brandmarkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Problemumriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Intensität und Plattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 cc) Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 dd) Soziales Umfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 ee) Unschuldige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) „Das Internet vergisst nichts“ und eventuelle Gegenmaßnahmen . . . . . . 212 aa) Problemumriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Recht auf Vergessenwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 cc) Netzwerkdurchsetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 c) Erschwerte Resozialisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Zeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Brandmarkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Gefährdung seitens des gesuchten Tatverdächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 c) Wiederholte Traumatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 d) Suche nach Opfern von Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Präventiv Gesuchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

II. Gefahr für Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 1. „Überfahndung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Warneffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Arbeitsaufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4. Eigenmächtige Fahndungen von Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 5. Hackerangriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 III. Gefahr für die Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

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Inhaltsverzeichnis 5. Teil Voraussetzungen der Internetfahndung nach Personen und ihre praktische Umsetzung 231



A. Repressiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I.

„Ob“-Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Vorfrage: Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsfahndung generell . . . . . . 232 a) Straftat von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Genese des Begriffes bezogen auf die Fahndungsvorschriften . . . . . 232 bb) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (1) Ausgangspunkt: Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 (2) Weitere Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 cc) Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 b) Verdachtsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Genese bezogen auf die Fahndungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 dd) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 ee) Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 ff) Besonderheiten bei der Zeugenfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 gg) Sonderfall: Subsidiaritätsklausel in Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L (Anlage B RiStBV in der Länderfassung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Im Speziellen: Einhalten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzgl. der Auswahl des Mediums Internet als konkretes Fahndungsmittel . . . . . . . . . . . . . 267 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 b) Legitimer Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 c) Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 d) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Zu berücksichtigende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Exkurs: Schulfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 e) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 aa) Entgegenstehende Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 bb) Besonderheiten bei der Zeugenfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 cc) Flüchtige Verurteilte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 dd) Massenfahndungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

II. „Wie“-Voraussetzungen: Inhalt eines Fahndungsaufrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Beschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287

Inhaltsverzeichnis

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3. Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 a) Arten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 b) Besonderheiten bei Abbildungen von Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 4. Angaben zum Tatgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5. Ausdrücklicher Hinweis auf die Zeugenfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 6. Auswirkungen der Verhältnismäßigkeit auf den Inhalt des Fahndungsaufrufs 302 a) Abbildung und Personalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) „Spezialeffekte“ in Fahndungsvideos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 7. Ausgesetzte Belohnung für Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 III. Zuständigkeit und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 1. Primäre Anordnungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Subsidiäre Anordnungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 a) Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Bestätigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 aa) Fahndung zur Festnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 bb) Fahndung zur Aufenthaltsermittlung, Identitäts- und Aufklärungsfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 cc) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Inhalt der Anordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 4. Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Aufnahme der Internetfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 IV. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 B. Präventiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.

„Ob“-Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Spezielle gesetzliche Regelung zur Öffentlichkeitsfahndung . . . . . . . . . . . . 333 a) Bestehende Gefahrenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 aa) Gefahr für eine Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 bb) Von einer Person ausgehende Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (1) Annahme der bevorstehenden Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 (2) Sonstige Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 b) Subsidiaritätsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 c) Im Speziellen: Einhalten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzgl. der Auswahl des Mediums Internet als konkretes Fahndungsmittel . . . . . . . . 339 2. Allgemeine Regelung zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 a) Zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben / zur Gefahrenabwehr . . . . . . . . . . 340

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Inhaltsverzeichnis b) Erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 II. „Wie“-Voraussetzungen: Inhalt des Fahndungsaufrufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 1. Personenbezogene Daten, insbesondere Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 2. Wertende Angaben über die gesuchte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 3. Darstellung des Sachverhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 III. Zuständigkeit und Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

6. Teil Ausblick de lege ferenda 347 A. Repressiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 I.

Gesamtbetrachtung der geltenden Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

II. Änderungs-/Ergänzungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Internetfahndung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 a) StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 b) Anlage B RiStBV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Verstärkung des Zeugenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 3. Konstruktion und Inhalt des § 131b StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 a) Fokussierung auf inhaltliche Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Einfacher Tatverdacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 4. Gestaltung der Anordnungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 5. Beendigung der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 B. Präventiver Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398

Einleitung „Die Polizei soll den inneren Frieden wahren und insbesondere strafbare Handlungen verhüten und verfolgen. In einem Rechtsstaat kann und will sie nicht allgegenwärtig sein, um diese Aufgabe zu erfüllen. Sie bedarf vielmehr – wie kaum eine andere Institution  – der Unterstützung durch die Bevölkerung.“1  – Diese Überlegung von Hamacher, bezogen allgemein auf die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit, betrifft a maiori ad minus auch die Quintessenz der Öffentlichkeitsfahndung. Schon seit der Antike sahen die Hüter des Gesetzes die Notwendigkeit, bei der Ermittlung des Aufenthalts eines Tatverdächtigen bzw. Vermissten oder bei einer erforderlichen Personenidentifizierung auf die Mithilfe der Bevölkerung zurückzugreifen2. Diese behördliche Nachforschung nach Personen oder Sachen unter Einbeziehung der engeren oder breiteren Öffentlichkeit, die um sachdienliche Hinweise ersucht wird, also die Öffentlichkeitsfahndung3, war in Deutschland bereits im 16. Jahrhundert unter der Bezeichnung „Steckbrief“ bekannt4. Rückblickend auf das letzte Jahrhundert bemerkt man, dass die Kontaktkanäle der Ermittlungsbehörden zur Bevölkerung immer vielfältiger wurden. Unter diesem Aspekt betrachtet kann durchaus von einem Zivilisationssprung gesprochen werden. Setzte man anfangs zur Verbreitung eines Fahndungsaufrufs über Jahrzehnte hinweg (auch bis heute) die Presse oder Aushänge an Litfaßsäulen ein5, war mit dem Anbruch der Ära des Rundfunks das Radio und seit den 1930er-Jahren das Fernsehen mit unterschiedlichen Formaten ein populäres Fahndungsmedium. Mit dem Zeitalter der „digitalen Revolution“ und Computerisierung6, vor allem durch Verbreitung des Internets, wurde in den 1990er-Jahren auch dieses neue Medium 1

Hamacher, Kriminalistik 1968, 361. Zur Geschichte der Öffentlichkeitsfahndung ausführlich Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 27 ff.; ders., Kriminalistik 1995, 361. 3 Zu diesem Ansatz bzgl. des Personenkreises vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 16; L-R / Gleß, § 131 Rn. 17; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 6. Andere Autoren stellen auf Offenheit und Unbestimmtheit des Adressatenkreises ab, vgl. Gerhold, ZIS 2015, 156 (166); Pfeiffer, § 131 Rn. 4; Graf / Niesler, § 131 Rn. 5, BeckOK  / ​ Niesler, § 131 Rn. 5; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; KK / Schultheis, § 131 Rn. 15; KMR / Wankel, § 131 Rn. 7. Siehe auch Nr. 5.6.1.1. und 5.6.1.2 PDV 384.1 – zielgruppengerichtete und an einen unbestimmten Teil der Bevölkerung gerichtete Öffentlichkeitsfahndung, zitiert nach Ackermann / ­​Clages / Roll / Clages, IX Rn. 70. 4 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 58; ders., Kriminalistik 1995, 361 (362). Es wird moniert, diese Bezeichnung sei angesichts der Vielfältigkeit heutiger Verbreitungsformen überholt, dazu Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (129); Pfeiffer, § 131 Rn. 2; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3a; Gusy10, Rn. 272. 5 Zu weiteren Formen der Öffentlichkeitsfahndung siehe etwa L-R / Gleß, § 131 Rn. 17. 6 Dazu Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5. 2

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zur Öffentlichkeitsfahndung erprobt. War damals, als sich die Zugänglichkeit des Internets erst langsam entwickelte7, das Betreiben einer Homepage durch das BKA und Polizeibehörden ein absolutes Novum, das dem neuesten Stand der Technik entsprach, gehört es inzwischen zum polizeilichen Alltagsgeschäft. Gleichwohl war es für die Pioniere dieser Fahndungsmethode kaum voraussehbar, dass sich das Internet innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte zu einem unverzichtbaren, ja selbstverständlichen Bestandteil des Alltags entwickeln würde, die reale und virtuelle Welt nebeneinander existieren und teilweise ineinandergreifen8, Informationen überall und jederzeit bezogen werden können und es möglich ist, mit anderen Nutzern in einem Rund-um-die-Uhr-Kontakt zu stehen. Genauso wenig war es für die Wegbereiter der Internetfahndung in den 1990er-Jahren absehbar, dass die Regeln der zwischenmenschlichen Kommunikation ein Jahrzehnt später durch soziale Netzwerke, etwa das seit März 2008 in deutscher Sprachversion präsente Facebook, neu definiert werden würden und dass sich die Polizeibehörden diesem Trend, auch in Bezug auf den „Steckbrief 2.0“9 werden anpassen müssen10. In der Internetfahndung, die expressis verbis als eine der Erscheinungsformen der Öffentlichkeitsfahndung in Nr. 1.1. Abs. 2 Anl. B RiStBV genannt wird, treffen somit eine jahrhundertealte Ermittlungsmethode und eine relativ neue Technologie aufeinander. Unter dem Gesichtspunkt der Reichweite kann sie als ein in Erfüllung gegangener Traum eines jeden Ermittlers bezeichnet werden: Durch die Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs im World Wide Web besteht zumindest die theoretische Möglichkeit, mittlerweile neun Zehntel der Bevölkerung in Deutschland11 sowie im Ausland lebende Personen12 als potentielle Hinweisgeber 7 Nach der ARD / ZDF Onlinestudie waren 1997 ca. 6,5 % der Deutschen (4,1 Millionen) gelegentliche Internetnutzer, vgl. van Eimeren / Frees, Media Perspektiven 2007, 362 (363). 8 Eine unmittelbare Verknüpfung realer mit virtuellen Elementen war z. B. in dem 2016 herausgebrachten Video-Spiel Pokémon Go! zu beobachten, in dem die sog. Augmented-Reality-Technik eingesetzt wurde. Diese Methode wird auch im Fußballspiel bei Ziehung einer „virtuellen“ Linie für einen Freistoß verwendet. 9 Begriff von Schiffbauer, NJW 2014, 1052. 10 Zur Unverzichtbarkeit des Einsatzes Sozialer Netzwerke aus polizeilicher Sicht etwa Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 25; Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (49; 51); dies., Die Polizei 2014, 153 (158); Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (235); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (152). 11 Laut der ARD / ZDF Onlinestudie waren 2016 83,8 % der deutschsprachigen Bewohner (58 Millionen) zumindest gelegentliche Internetnutzer, Koch / Frees, Media Perspektiven 2016, 418 (420 f.). 2017 wurde das Internet von 89,8 % der deutschsprachigen Bevölkerung zumindest selten genutzt, darunter von 72,2 % täglich, vgl. Koch / Frees, Media Perspektiven 2017, 434 (435). 2018 wurde das Internet von 90,3 % der Bevölkerung zumindest selten genutzt, darunter von 77 % täglich, Frees / Koch, Media Perspektiven 2018, 398 (399); 2019 von 90 % (63 Millionen), die Tagesreichweite betrug 71 %, Beisch / Koch / Schäfer, Media Perspektiven 2019, 374 (374, 375). In der Bevölkerungsgruppe der 14–49-Jährigen ist mittlerweile jedermann online, unter den 50–59-Jährigen 95 %, unter den 60–69-Jährigen 85 %, unter den über 70-Jährigen 58 %, Beisch / Koch / Schäfer, Media Perspektiven 2019, 374 (375). So ist das Offline-Sein heutzutage fast gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus dem sozialen Leben. 12 Ob diese Möglichkeit tatsächlich wahrgenommen wird, hängt von mehreren Faktoren ab, insbesondere von den Sprachkenntnissen der potentiellen Empfänger.

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zu erreichen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahndungsaufruf seinen Zweck erfüllt, also die Fahndungsinformation von der Bevölkerung aufgenommen, die Strafverfolgungsbehörden benachrichtigt13 und / oder die Fahndungsinformation weitergegeben wird14, ist damit unvergleichbar größer als etwa bei der Aufhängung eines traditionellen Steckbriefes im öffentlichen Raum. Durch die rasante Verbreitung mobiler Endgeräte mit Internetzugang wie Smartphones und Tablets in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts15 kann das polizeiliche Ersuchen einen potenziellen Hinweisgeber auch unterwegs erreichen und dieser vermag darauf entsprechend schnell zu reagieren. Während in der Literatur vereinzelt die Ansicht vertreten wird, die Internetfahndung habe wegen ihrer Unkompliziertheit traditionelle Fahndungsmethoden überholt, wird diese Auffassung von der Polizei nicht ausdrücklich bestätigt16. In der Tat sind im heutigen Stadtbild traditionelle Fahndungsplakate hauptsächlich in Polizeidienststellen oder an Bahnhöfen anzutreffen, größere Verbreitung finden Fahndungsplakate nach vermissten Personen, die auch in öffentlichen Gebäuden aufgehängt werden17. Gleichzeitig muss auf die Kehrseite der Medaille hingewiesen werden, die bereits 1875 im Laufe der Arbeiten der 47. Sitzung der Kommission an § 131 RStPO triftig erkannt wurde: Der Steckbrief sei, so die Motive zur RStPO, „die öffentlichste und schwerste Ehrenkränkung eines Unschuldigen“18. Etwa hundert Jahre später urteilte Bottke vor dem Hintergrund der Fahndungssendungen im Fernsehen, durch „die ‚breitstreuende‘ Inanspruchnahme von Massenmedien zu textgetreuem Verbreiten von Steckbriefen und zu sinngemäßen Fahndungsaufrufen oder die Mitarbeit in ‚spannend‘ gestalteten Sendungen vor einem Millionenpublikum“ sei der Beschuldigte „in dissozialisierender Weise weit eher“ diffamiert, „als es Steckbriefe auf Polizeistationen, an Litfaßsäulen oder in Zeitungen konnten“19. Der Zweck der Internetfahndung ist der gleiche wie in der Sendereihe „Aktenzeichen XY … ungelöst“, nämlich „den Bildschirm zur Verbrechensbekämp 13 Wegen der Rolle der Strafverfolgungsbehörden als Rezipienten von Informationen aus der Öffentlichkeit schreibt Valerius, S. 30 f. von einer „passiven Fahndung“, auch in Bezug auf die Internetfahndung. 14 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 15 2009 hatten 11 % der Bevölkerung in Deutschland einen solchen mobilen Internetzugang, 2012 lag die Zahl bei 23 % und stieg 2016 auf 84 %, vgl. van Eimeren / Frees, Media Perspektiven 2012, 362 (368); Koch / Frees, Media Perspektiven 2016, 418 (426). 16 Baumhöfener, K&R 2015, 625. Die Praktiker äußerten sich gegenüber der Verfasserin vorsichtiger zu der Frage, ob die Internetfahndung inzwischen zur wichtigsten Methode der Öffentlichkeitsfahndung geworden ist (Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017); die Internetfahndung diene als Ergänzung der traditionellen Fahndungsmethoden (Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Brandenburg am 15.1.2016). 17 Wie 2015 das Fahndungsplakat nach dem in Potsdam vermissten sechsjährigen Elias, das auch in Frankfurt (Oder), etwa im Hauptgebäude der Universität, ausgehängt war. Wie es sich bei Ermittlungen der Kriminalpolizei herausstellte, war der Junge entführt worden und einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen. 18 Gneist, in: Hahn, Erste Abtheilung, S. 694. 19 Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (446).

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fung einzusetzen“20. Diesmal aber nicht einen Fernsehbildschirm, sondern einen „­Online“-Bildschirm – eines Computers, Smartphones oder Tablets, auf dem Informationen wiederholt aufgerufen, bearbeitet und gespeichert werden können. Der genannte Diffamierungseffekt (wenn auch in unterschiedlicher Intensität), verbunden mit einem Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines gesuchten Tatverdächtigen oder Zeugen, ist durch Veröffentlichung seiner personenbezogenen Daten im Zeitalter der Internetfahndung intensiver als je zuvor. In diesem Kontext wird Datenschutz sogar als „das wichtigste Grundrecht des 21. Jahrhunderts“ dargestellt21. So treten viele Probleme und Streitpunkte, die bereits in der Diskussion um die Zulässigkeit der Fahndung im Fernsehen präsent waren, bezogen auf die Internetfahndung, in einer neuen Einkleidung, Intensität, Brisanz und Reichweite in Erscheinung. Ziel dieser Untersuchung ist es, die im Jahre 2000 in die StPO – die „Magna Charta“ des Beschuldigten und des Angeklagten22 – mit den §§ 131 ff. StPO erstmals eingeführte gesetzliche Regelung der repressiven Öffentlichkeitsfahndung einer kritischen Analyse mit besonderem Augenmerk auf die Internetfahndung zu unterziehen. Es wird geprüft, ob die Normierungen angesichts des zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht vorherzusehenden Bedeutungswachstums sowie der dynamischen und flächendeckenden Verbreitung des Internets noch zeitgemäß sind und ob sie, auch mit Blick auf die Existenz außergesetzlicher Regelungen zu diesem Bereich, einer Korrektur bzw. Ergänzung bedürfen. Dabei wird auch das Gesamtsystem der Vorschriften auf seine Plausibilität und Vollständigkeit untersucht. Des Weiteren behandelt die Untersuchung existierende Regelungen der Öffentlichkeitsfahndung im präventiven Bereich, bezogen auf die Internetfahndung. Es wird dabei insbesondere auf bestehende polizeirechtliche Unterschiede in den Bundesländern, auch im Vergleich zu den StPO-Regelungen, eingegangen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die praktische Umsetzung gesetzlicher Vorgaben bzgl. der Nutzung des Internets zur repressiven und präventiven Öffentlichkeitsfahndung auf verschiedenen Plattformen durch die Landespolizei, die Bundespolizei sowie das Bundeskriminalamt gelegt. Dadurch wird ermöglicht, das Gesetz im Lichte der Praxis und die Praxis im Lichte des Gesetzes auf den Prüfstand zu stellen23. Eingegangen wird auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der praktischen Handhabung dieser Fahndungsmethode. Dabei wird, sowohl im repressiven als auch präventiven Bereich, auf die praktischen Lösungswege des Span 20

So Eduard Zimmermann in der ersten Ausstrahlung der Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ vom 20.10.1967, zitiert nach Pinseler, Fahndungssendungen, S. 41. Die erste „Fernsehfahndung“ erfolgte bereits 1938 im Rahmen der Sendung „Die Kriminalpolizei warnt!“, die in sog. Fernsehstuben zu sehen war, dazu: Pinseler, Fahndungssendungen, S, 41 f. 21 Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (88, 93). 22 Vgl. Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (430), der mit dieser Terminologie an die Charakterisierung des StGB von Franz von List als „Magna Charta des Verbrechers“ anknüpfte. 23 Im Rahmen ihrer Recherchen hat die Verfasserin über 1.200 Fahndungsaufrufe aus dem Zeitraum 2012–2019 ausgewertet.

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nungsverhältnisses zwischen dem Recht auf informationelle Selbst­bestimmung des von der Maßnahme Betroffenen und einer effektiven Strafverfolgung bzw. Gefahrenabwehr in unterschiedlichen Bundesländern24 eingegangen. Die Untersuchung dient somit der Systematisierung des heutigen Wissens- und Praxisstandes. Der Themenkomplex „Öffentlichkeitsfahndung“ bzw. seine Einengung auf „Internetfahndung“ wurde bislang in mehreren Bearbeitungen behandelt. Ihr Gegenstand war zum einen die historische Entwicklung der Öffentlichkeitsfahndung sowie die kritische Analyse einschlägiger Rechtsvorschriften im repressiven sowie präventiven Bereich zum Anfang der 1990er-Jahre (Soiné25). Andere Dissertationen analysierten die Internetfahndung unter Betrachtung als eine der Ermittlungsmethoden, die das Recht auf informationelle Selbstbestimmung tangieren (Sánchez26), als eine der Strafverfolgungsmaßnahmen im Internet (Seitz27, Schön28 und Valerius29, der Letztere auch im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der neu eingeführten §§ 131 ff. StPO). Eine weitere Gruppe von Autoren befasste sich schwerpunktmäßig mit der Prangerwirkung der Internetfahndung und anderer Maßnahmen (Fröhling30 und Ströbel31). Ihwas behandelte die Internetfahndung in sozialen Netzwerken, insbesondere Facebook, als ein Beispiel von Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden in Social Media32. Der Schwerpunkt der Bearbeitung von Bajmel lag auf der Überprüfung der Konformität der Facebook-Fahndung im repressiven und präventiven Bereich mit den Anforderungen des Datenschutzes33. In den genannten Untersuchungen wurde jedoch die strafprozessrechtliche bzw. polizeirechtliche Konstruktion der Internetfahndung nicht bzw. nicht schwerpunktmäßig hinterfragt, insbesondere erfolgte keine Auseinandersetzung mit ihrer prak 24

Plakativ zu dem Problem Melzl, Kriminalistik 2012, 51 in Bezug auf die Schweiz: „Politik und Datenschutz ziehen häufig nicht am gleichen Strick wie die Strafverfolgungsbehörden und erschweren so eine effiziente Fallaufklärung. Datenschutz darf aber nie zum Täterschutz verkommen und die Strafverfolgungsbehörden müssen sich strikt an die gesetzlichen und strafprozessualen Vorgaben halten.“ 25 Öffentlichkeitsfahndung. Eine kriminalistisch-kriminologische Studie zur öffentlichen Fahndung unter Berücksichtigung von Geschichte und geltendem Recht, 1992. 26 Das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung und seine Geltung im Strafverfahren, am Beispiel der neuen Ermittlungsmethoden in der Strafprozeßordnung, 1999, S. 254 ff. 27 Strafverfolgungsmaßnahmen im Internet, 2003, S. 379 ff. 28 Ermittlungsmaßnahmen über das Internet. Analyse der Möglichkeiten und Grenzen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, 2013, S. 212 ff. 29 Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in den Kommunikationsdiensten des Internet, 2004, S. 35 ff. 30 Der moderne Pranger. Von den Ehrenstrafen des Mittelalters bis zur Prangerwirkung der medialen Berichterstattung im heutigen Strafverfahren, 2014, S. 266 ff. 31 Persönlichkeitsschutz von Straftätern im Internet. Neue Formen der Prangerwirkung, 2016, S. 60 ff. 32 Strafverfolgung in Sozialen Netzwerken. Facebook & Co. als moderne Ermittlungswerkzeuge, 2014, S. 266 ff. 33 Datenschutz in sozialen Netzwerken. Die Öffentlichkeitsfahndung im Rahmen der Nutzung des sozialen Netzwerkes Facebook, 2017.

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tischen Handhabung durch Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden in den Bundesländern. Das Schrifttum befasste sich bis dato nicht mit der Problematik von Fernsehsendungen mit Fahndungsinformationen, die über das Internet abrufbar sind. Des Weiteren wurde der Themenkomplex der Internetfahndung bislang nicht umfassend unter der Fragestellung erforscht, ob die Regelungen im repressiven und präventiven Bereich nach zwei Dekaden Einsatz dieser Methode in der Praxis noch zeitgemäß sind. Diese Arbeit widmet sich der Aufgabe, diese Lücke zu schließen.

1. Teil

Genese der Internetfahndung A. Recht und Praxis im „analogen“ Zeitalter Zur Veranschaulichung der Konstruktion der heute geltenden Normierung der Internetfahndung sowohl im repressiven als auch im präventiven Bereich wird zunächst ein Einblick in die „Prä-Internet-Zeit“, also in das „analoge“ Zeitalter gegeben. Viele damalige Lösungsvorschläge zur Inanspruchnahme von Publikationsorganen für die Fahndungshilfe (damals bezogen vor allem auf die Fahndung im Fernsehen), sowohl legislatorischer als auch praktischer Natur, haben die Entwicklung von Recht und Praxis der Internetfahndung geprägt.

I. Repressiver Bereich 1. § 131 StPO a. F. und Anlage B RiStBV Der historische Ausgangspunkt der rechtlichen Verankerung der Öffentlichkeitsfahndung ist vor allem in § 131 StPO a. F.1 zu finden, der seit der Einführung der RStPO vom 1.2.1877 (in Kraft getreten am 1.10.1879)2 weit mehr als ein Jahrhundert mit nur geringfügigen Änderungen bis in das Jahr 2000 galt3. Die Norm ent 1

Zu den weiteren, speziellen Fahndungsregelungen – § 288 StPO (nach einem in der Hauptverhandlung abwesenden Angeklagten), § 456a Abs. 2 S. 3 StPO a. F. (nach einem Ausgelieferten oder Ausgewiesenen zur Nachholung der Vollstreckung) sowie § 457 Abs. 1, Abs. 2 StPO a. F., § 34 StVollstrO a. F. (nach einem Verurteilten, der sich zum Antritt der Strafe nicht stellt bzw. fluchtverdächtig ist oder nach einem entwichenen oder sich sonst dem Strafvollzug entziehenden Strafgefangenen) Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 115 ff. 2 Die ursprüngliche Fassung des § 131 RStPO lautete: (1) Auf Grund eines Haftbefehls können von dem Richter sowie von der Staatsanwaltschaft Steckbriefe erlassen werden, wenn der zu Verhaftende flüchtig ist oder sich verborgen hält. (2) Ohne vorgängigen Haftbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur dann statthaft, wenn ein Festgenommener aus dem Gefängnisse entweicht oder sonst sich der Bewachung entzieht. In diesem Falle sind auch die Polizeibehörden zur Erlassung des Steckbriefs befugt. (3) Der Steckbrief soll, soweit dies möglich, eine Beschreibung des zu Verhaftenden enthalten und die demselben zur Last gelegte strafbare Handlung sowie das Gefängniß bezeichnen, in welches die Ablieferung zu erfolgen hat. 3 § 131 StPO in der vom 1.4.1965 bis 31.10.2000 geltenden Fassung lautete: (1) Auf Grund eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls können die Staatsanwaltschaft oder der Richter einen Steckbrief erlassen, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält.

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

hielt Voraussetzungen für den Erlass eines Steckbriefes. Unter diesem Begriff4 war zum einen eine Aufforderung an die Strafverfolgungsbehörden zur Fahndung nach einem flüchtigen oder sich verbergenden Beschuldigten sowie zu seiner Festnahme zu verstehen5, zum anderen benutzte man diese Bezeichnung auch für die Öffentlichkeitsfahndung6. Der Erlass eines Steckbriefes zur Festnahme setzte nach § 131 StPO Abs. 1 a. F. einen Haft- bzw. Unterbringungsbefehl voraus, gegebenenfalls war ein solcher auch ohne Haft- oder Unterbringungsbefehl möglich, wenn ein Festgenommener entwich oder sich sonst der Bewachung entzog (Abs. 2)7. Dem Wortlaut des § 131 StPO a. F. ließ sich allerdings nicht entnehmen, in welcher Form und unter welchen Voraussetzungen ein Steckbrief veröffentlicht werden sollte, insbesondere, ob (wie von der Praxis traditionell gehandhabt) auch Massenmedien zur Fahndungshilfe herangezogen werden durften8. Deshalb war es nicht nur umstritten, ob eine derartige Öffentlichkeitsfahndung zulässig, sondern auch, auf welcher Rechtsgrundlage sie zu stützen war. Die Bandbreite der hierzu vertretenen Auffassungen reichte von einer direkten Anwendung von § 131 StPO a. F.9 über eine analoge Anwendung dieser Norm10, ggf. unter (zusätzlicher) Heranziehung von §§ 161, 163 StPO a. F.11 (2) Ohne Haft- oder Unterbringungsbefehl ist eine steckbriefliche Verfolgung nur zulässig, wenn ein Festgenommener entweicht oder sich sonst der Bewachung entzieht. In diesen Fällen kann auch die Polizeibehörde einen Steckbrief erlassen. (3) In dem Steckbrief ist der Verfolgte zu bezeichnen und soweit möglich zu beschreiben. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung sind anzugeben. (4) Die §§ 115 und 115a gelten entsprechend. 4 Die ursprüngliche, wortgetreue Bedeutung: „ein brieflicher Suchvermerk, der in das Fahndungsbuch eingesteckt wurde“, Ostendorf, GA 1980, 445 (451). 5 KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 1. 6 Siehe Soiné, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (129); in diese Richtung im Hinblick auf die Adressaten eines Fahndungsaufrufs auch KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 1; Pfeiffer, § 131 Rn. 2; auch in polizeirechtlicher Literatur: Gusy10, Rn. 272; Gusy 6 , Rn. 274. Beide Bedeutungen auch bei Kauder, StV 1987, 413; L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 6; Ostendorf, GA 1980, 445 (451); Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (35). 7 Nicht aber über den Wortlaut des Abs. 2 hinaus in sonstigen Fällen, wo nur Voraussetzungen eines Haftbefehls und Gefahr im Verzug vorlagen, L-R 24 / Wendisch, § 131 a. F. Rn. 13. Auch §§ 161, 163 StPO a. F. konnten für solche Fälle nicht als Rechtsgrundlage dienen, vgl. L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1 m. w. N. 8 Dazu ausführlich Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (445 f.); Bär, CR 1997, 422 (425). 9 Bär, CR 1997, 422 (426); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 169 (181); Kauder, StV 1987, 413 (414); wohl KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 12 (unter Verweis auf Anlage B RiStBV); Kleinknecht35, § 131 a. F. Rn. 6; wohl L-R23 / Dünnebier, § 131 a. F. Rn. 36; L-R24 / Wendisch, § 131 a. F. Rn. 13, 33; Kleinknecht / Meyer-Goßner42, § 131 a. F. Rn. 8 (unter Verweis auf Anlage B RiStBV); wohl AK / Krause, § 131 a. F. Rn. 7; Roxin25, § 32 Rn. 4; Ranft2, Rn. 879 f.; Hassemer, AfP 1989, 418 (explizit in Bezug auf die Mitwirkung an Fahndungssendungen); Stümper, Kriminalistik 1971, 57. 10 Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (447 f.). 11 Für die alleinige Anwendung von §§ 161, 163 StPO a. F. im Ergebnis wohl Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (67); Oehler, von Siegmund zitiert in: ebenda, S. 73 (74). Im Ergebnis, wenn auch unter Zweifel und äußerst kritisch, vor allem wegen der fehlenden Präzisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Anordnungskompetenz des Staatsanwalts, für die Heranziehung von §§ 131 a. F. analog, 161, 163 StPO a. F. i. V. m. §§ 23, 24 KUG und gleichzeitig einen Regelungsbedarf postulierend, wohl L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1, 32. Gegen die Heranziehung von § 163 Abs. 1 StPO a. F. auf die Öffentlichkeitsfahndung Perschke, S. 121 f.

A. Recht und Praxis im „analogen“ Zeitalter

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und §§ 23, 24 KUG12, bis hin zur generellen Ablehnung einer Rechtsgrundlage verbunden mit einem Appell an den Gesetzgeber zu einer Neuregelung13. Das Problem war über Jahrzehnte nicht nur akademischer Natur: Mehrere Instanzen, überwiegend Zivilgerichte, begründeten die Zulässigkeit einer Öffentlichkeitsfahndung im Rahmen von § 131 StPO a. F.14 oder über § 131 StPO a. F. hinaus15 im Zusammenhang mit Fahndungssendungen im Fernsehen, insb. in der Sendereihe „Aktenzeichen XY … ungelöst“16 oder Berichten in der Druckpresse17. Der Bedeutungsgehalt einer bundesweiten Veröffentlichung eines Phantombildes18 bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ wurde vom OLG München wie folgt dargelegt: „Die Strafverfolgungsbehörden wären in einem modernen Staatswesen weitgehend zur Hilflosigkeit verurteilt, wenn sie nicht die Möglichkeit hätten, ihren Fahndungsmaßnahmen gerade bei schweren kriminellen Taten von überörtlicher Bedeutung die nötige Publizität zu geben und die Bevölkerung um ihre Mithilfe bei der Aufklärung zu bitten. Damit dieser Zweck auch erreicht wird, ist es auch angemessen, wenn über die Daten eines Steckbriefs hinaus oder auch ohne Erlaß eines solchen Hinweise gegeben werden, die die geschehene Straftat beschreiben und zur Aufklärung der Tat oder zur Ermittlung des Täters beitragen können.“19 Die Gerichte legten auch mehrere Voraussetzungen einer zulässigen Öffentlichkeitsfahndung fest. Einigkeit bestand bzgl. einer notwendigen Interessenabwägung zwischen effektiver Strafverfolgung und 12

Für § 131 a. F. direkt unter zusätzlicher Heranziehung von §§ 23, 24 KUG Ostendorf, GA 1980, 451 f.; Wente, StV 1988, 216 (222). 13 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 260 mit Vorschlägen einer Neuregelung, S. 283 ff. (gleichzeitig zu der damaligen Praxis der Inanspruchnahme von Massenmedien bei einem unbegrenzten Adressatenkreis, S. 111); ders., ZRP 1994, 392 f.; siehe aber ders., NStZ 1997, 321; Weiler, ZRP 1995, 130 (134); i. E. Fezer I, 6 Rn. 120 (explizit in Bezug auf die Fahndung im Fernsehen, insb. Mitwirkung an Fahndungssendungen); Perschke, S. 23; Regelungsbedarf sieht auch L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1; Bredel, S. 134; Becker, Die Polizei 1996, 25 f. 14 OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48 f.); in diese Richtung wohl OLG Hamm, NStZ 1993, 139. 15 OLG München, NJW 1970, 1745 f.; ohne jeglichen Bezug auf § 131 StPO a. F. OLG Hamburg, NJW 1980, 842. Zu dem durch OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48 f.) gefundenen Ansatz, als Rechtsgrundlage für die Öffentlichkeitsfahndung in Fernsehsendungen (für den Sender) die Wahrnehmung berechtigter Interessen heranzuziehen (§ 193 StGB wird allerdings nicht zitiert), abl. Fezer I, 6 Rn. 119, Roxin25, § 32 Rn. 5; Bottke, ZStW 31 (1981), 425 (440 f.); Ranft2, Rn. 883; Benke, JuS 1972, 257 (260). 16 Betr. Schadensersatz bzw. Unterlassungsanspruch gegen den Sender. 17 Betr. Feststellung der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung einer Abbildung, Amtshaftungsanspruch auf Schmerzensgeld bei der Veröffentlichung von Namen der Tatverdächtigen. 18 Nach Grübler, in: Kriminalistik-Lexikon, S. 429 handelt es sich bei dem Begriff „Phantombild“ um eine inkorrekte Bezeichnung für subjektive Porträts. Auch wenn sich der Begriff „Phantombild“ in den Gesetzesmaterialien, Rechtsprechung, Kommentarliteratur und zahlreichen Fahndungsaufrufen findet und sich „trotz unglücklicher Bezeichnung hierzulande über viele Jahrzehnte etabliert“ hat (Wortmann / Mendelin, S. 26), wird im weiteren Verlauf der Arbeit der Terminus „subjektives Porträt“ verwendet. Diese Bezeichnung trifft besser die psychologische Besonderheit der technischen Anfertigung des Äußeren des Gesuchten anhand der Erinnerungen eines Zeugen und beschränkt sich nicht auf das Charakteristikum der Methode der Gestaltung, Ackermann / Clages / Roll / Roll / Ackermann, VIII Rn. 6, vgl. auch Grübler, in: Kriminalistik-Lexikon, S. 547. 19 OLG München, NJW 1970, 1745 f.

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

schutzwürdigen Interessen des Betroffenen20 bzw. dazu, dass die Maßnahme nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Straftat sowie ihrer Rechtsfolgen stehen darf21 sowie bzgl. der Einschränkung des Anwendungsbereichs auf Straftaten von erheblicher Bedeutung22. Umstritten war allerdings die Notwendigkeit eines dringenden Tatverdachts23 bzw. einer Subsidiarität dieser Fahndungsmaßnahme24. Gleichwohl waren sich mehrere Gerichte einig, dass die Fahndungsmaßnahme geeignet sein müsste, in einem entscheidenden Maße zur Aufklärung beizutragen25. Vereinzelt wurde für die Zulässigkeit einer Öffentlichkeitsfahndung unter Zuhilfenahme von Publikationsorganen ein Haftbefehl26 bzw. bei Gefahr im Verzug die Voraussetzungen für den Erlass eines solchen gefordert27. Ein weiteres Problem, von dem auch die Öffentlichkeitsfahndung betroffen war, ergab sich aus der Einschränkung des Wortlautes des § 131 StPO a. F. auf die Fahndung zur Festnahme eines Beschuldigten28. Deshalb wurde diskutiert, ob eine Fahndung nach dem Beschuldigten auch zu anderen Zwecken (Aufenthaltsermittlung, Aufklärung, Identitätsfeststellung)29 sowie nach einem Zeugen30 nach dieser Norm zulässig war31. 20

OLG Hamm, NStZ 1982, 82; OLG Hamburg, NJW 1980, 842; OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48). 21 OLG Hamm, NStZ 1993, 139; OLG München, NJW 1970, 1745. 22 Die verwendeten Bezeichnungen variieren, gehen aber in dieselbe Richtung, genauso wie die Konkretisierung des Begriffes: Eine nach Art und Umfang schwerwiegende Tat (OLG Hamm, NStZ 1982, 82; NStZ 1993, 139), schweres Verbrechen bzw. schwere kriminelle Tat von überörtlicher Bedeutung (OLG München, NJW 1970, 1745 f.), Tat von erheblicher Bedeutung / von nicht unerheblichem Gewicht / Gefährdung der Öffentlichkeit oder einzelner durch Wiederholungsgefahr (OLG Hamburg, NJW 1980, 842); Straftat von erheblicher Bedeutung / keine Bagatellsache / Wiederholungsgefahr (OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48). Zu dem Begriff siehe im Einzelnen unter Pkt. A. I. 1. a) des 5. Teils. 23 OLG Hamm, NStZ 1982, 82; NStZ 1993, 139; a. A. OLG Hamburg, NJW 1980, 842; OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (49). 24 OLG Hamburg, NJW 1980, 842; a. A. wohl OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (49). 25 OLG Hamburg, NJW 1980, 842, OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (49). 26 OLG Hamm, NStZ 1993, 139 (140). 27 OLG Hamm, NStZ 1993, 139 (140). 28 Ranft, StV 2002, 38 (40); Roxin25, § 32 Rn. 1. 29 Für die Zulässigkeit wohl Kleinknecht35, § 131 Rn. 6 („wenn die Steckbriefvoraussetzungen nicht vorliegen“); wohl in Richtung § 131 a. F. analog bei der Fahndung nach einem unbekannten Täter L-R23 / Dünnebier, § 131 a. F. Rn. 11; L-R24 / Wendisch, § 131 a. F. Rn. 9. Dagegen: L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1; Kleinknecht / Meyer-Goßner42, § 131 a. F. Rn. 3. Teilweise stützte man die Fahndung nach einem unbekannten Täter mangels Eingriffscharakters auf §§ 161, 163 StPO a. F., siehe L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 10; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 131, ders., NStZ 1997, 321 (322). 30 Dagegen: L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1; Kauder, StV 1987, 413 (414), der aber auf eine derartige Praxis hinweist, vor allem in Bezug auf einen „tatverdächtigen Zeugen“); AK / Krause, § 131 StPO a. F. Rn. 1; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 124, 137. Für eine vorübergehende Anwendbarkeit von §§ 161, 163 StPO a. F. auf die Fahndung nach einem bekannten Zeugen wegen des Eingriffscharakters Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 124, 264, ders., ZRP 1994, 392 f. Für die Anwendbarkeit von §§ 161,163 StPO a. F. auf die Fahndung nach einem unbekannten Zeugen mangels Eingriffscharakters Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 137; ders., NStZ 1997, 321 (322). 31 Zu weiteren Regelungslücken in § 131 StPO a. F. Soiné, ZRP 1994, 392 (393 f.).

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Die unumstritten existierende Regelungslücke wurde auch nicht durch die 1973 durch die Landesjustizverwaltungen, den Bundesminister der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Inneren und der Innenministerkonferenz beschlossenen „Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung nach Personen bei der Strafverfolgung“ zur RiStBV (Anlage B) geschlossen32. Zwar regelten sie die von § 131 StPO a. F. nicht umfassten Fälle, in denen Presse, Rundfunk und Fernsehen zur Fahndung zur Festnahme eines bekannten Tatverdächtigen, nach einem unbekannten Tatverdächtigen sowie nach einem Zeugen herangezogen werden konnten, insbesondere enthielt sie detaillierte Vorgaben zur Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Gleichwohl durften sie, als bloße Verwaltungsvorschriften ohne Gesetzesrang, den vom § 131 StPO a. F. nicht umfassten Bereich nicht ergänzen33. Eine gewisse Bedeutung konnte ihnen jedoch trotzdem nicht abgesprochen werden: Ihre Vorgaben konnten eine Abwägung im konkreten Fall erleichtern34, im Hinblick etwa auf die genauen Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit kam ihnen gewissermaßen sogar eine Kommentierungsfunktion zu. Im Zusammenhang mit Fahndungssendungen im Fernsehen ließen sich auch Stimmen vernehmen, die die Bestimmungen in der Anlage B RiStBV für rechtsverbindlich erachteten35, bzw. wegen des „entsprechend formulierte[n] Dienstrecht[s] … und dessen sinnvolle[r] Handhabung“ die rechtliche Verankerung der Fernsehfahndung in der StPO für entbehrlich hielten36. Die Rechtsprechung zog diese Regelungen bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer staatsanwaltschaftlichen Genehmigung der Öffentlichkeitsfahndung heran37, wodurch sie, auch wenn gewissermaßen „durch die Hintertür“, doch Geltung bekamen. Die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung in den Medien erfolgte durch die Staatsanwaltschaft auf Veranlassung der Polizei38; zur Wahrung der Grundrechte 32

Allgemeinverfügung des Bundesministers der Justiz vom 12.3.1973, Bundesanzeiger Nr. 52 vom 15.3.1973, S. 1, abgedruckt bei Kleinknecht33 unter G1. 33 Siehe hierzu etwa Schaefer, NJW 1977, 21 (23); Bär, CR 1997, 422 (428); Roxin25, § 32 Rn. 5, Weiler, ZRP 1995, 130 (134); Bottke, ZStW 31 (1981), 425 (447); in diese Richtung Ostendorf, GA 1980, 445 (452); a. A. wohl OLG München, NJW 1970, 1745 (1746) (zur damaligen Nr. 34 Abs. 2 RiStV); wohl Kleinknecht35, § 131 Rn. 6. 34 Weiler, ZRP 1995, 130 (134) unter Betonung einer tendenziösen Reihenfolge der Auflistung der Vor- und Nachteile einer Inanspruchnahme von Publikationsorganen. 35 Vgl. Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (12), wo er kurz auf die Fernsehfahndung nach Zeugen eingeht; Fuhr, in: ebenda, S. 29 (35); vgl. auch Siegmund, Oehler zitierend in: ebenda, S. 73 (74). 36 Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (67). 37 OLG Hamm, NStZ 1982, 82 (hier ohne Bezugnahme auf § 131 StPO a. F.); NStZ 1993, 139 („Bei ihnen handelt es sich zwar um Verwaltungsvorschriften, nicht um Rechtsvorschriften. Gleichwohl begründen sie für die Beamten der StA Amtspflichten. Sie umreißen nämlich die ihnen bei Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ohnehin obliegenden Amtspflichten bei der Inanspruchnahme von Publikationsorganen …“). 38 Zu dieser Praxis OLG Frankfurt, NJW 1971, 47; OLG Bremen, Beschluss vom 08.03.1974, VAs 5/74, erwähnt in Böttcher / Grote, NJW 1974, 1647; OLG Hamm, NStZ 1982, 82; 1993, 139; siehe auch Nr. 39 Abs. 1 RiStBV und Nr. I.3 S. 2 Anl. B RiStBV. Bei Gefahr im Verzug war die Polizei zuständig, Nr. I.3 S. 4 Anl. B RiStBV. Hierzu auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung,

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

des Betroffenen wurde im Schrifttum allerdings die Übertragung der primären Anordnungskompetenz auf den Richter gefordert39. In den gerichtlich behandelten Fällen, die die Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ zum Gegenstand hatten, wurde der Sender von der Staatsanwaltschaft ersucht, im Rahmen des Programms Abbildungen bzw. subjektive Porträts sowie Namen der gesuchten Personen auszustrahlen40. In einem anderen Fall trat eine Sonderkommission des Bundeskriminalamtes und der Polizei, geleitet vom Generalbundesanwalt, an den Sender mit der Bitte um Veröffentlichung heran41. Bzgl. einer konkreten behördlichen Mitwirkung bei Fahndungssendungen wurde im Schrifttum wegen nicht einheitlicher Praxis die Übertragung der Koordinierungskompetenz auf eine u. a. aus Juristen und Kriminalbeamten bestehende Fachkommission für Bund und Länder bzw. auf die Pressestelle des BKA vorgeschlagen42. 2. Volkszählungsurteil des BVerfG und Begründung des (Grund-)Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Das sog. Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983 über die Verfassungsmäßigkeit der Normen des Volkszählungsgesetzes 1983 versetzte den Gesetzgeber in Handlungszwang, eine gesetzliche Grundlage u. a. für die Öffentlichkeitsfahndung zu erarbeiten. In der Entscheidung, die zur Magna Charta des deutschen Datenschutzrechts43 werden sollte, etablierte das BVerfG aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) das sog. Recht auf informationelle Selbstbestimmung44. Mit Blick auf die Verbreitung automatisierter Datenverarbeitung gewährte es dem Einzelnen Schutz „gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten“ und sprach ihm das Recht zu, „grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen“45. EinS. 115; kurz Böttcher / Grote, NJW 1974, 1647 (1648). Siehe auch Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. 39 L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 10. 40 Vgl. OLG Frankfurt, NJW 1971, 47; OLG München, NJW 1970, 1745. 41 Vgl. OLG München, NJW 1970, 1745. 42 Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (65 f.) m. w. N. Das BKA übermittelte Fälle an die Sendung und beteiligte sich „in seiner Funktion als koordinierende Stelle“; es unterrichtete vor jeder Sendung die LKÄ und ggf. die Interpol-Dienststellen über die auszustrahlenden Fahndungsaufrufe und veröffentlichte sie im Bundeskriminalblatt, Lach, in: Fahndung, S. 55 (62). Die Zusammenarbeit zwischen dem BKA und der Produktionsfirma „Deutsche Kriminal-Fachredaktion (DKF)“ geht bis in das Jahr 1967 zurück, Information von Herrn Gottschalk vom Bürgerservice des BKA an die Verfasserin. 43 So Hoffmann-Riem, AöR 123 (1998), 513 (515). 44 Dieser Begriff wurde erstmals 1971 im Gutachten „Grundfragen des Datenschutzes“ von Wilhelm Steinmüller u. a. verwendet, das vom Bundesministerium des Innern in Auftrag gegeben worden war, Anlage zur BT-Drs. VI/3826, S. 93. Kritisch zu der Klassifizierung als besonderes Persönlichkeitsrecht ­Rogall, S. 57 f. 45 BVerfGE 65, 1 (43).

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schränkungen dieses Rechts sollten jedoch beim Vorliegen eines überwiegenden öffentlichen Interesses wegen der „Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit“ der Bürger möglich sein46. Auch bei einer Öffentlichkeitsfahndung wurden notwendigerweise persönliche Daten wie der Name oder das Bildnis einer gesuchten Person verwendet (z. B. auf Fahndungsplakaten) und weitergegeben (z. B. an die Presse oder Fernsehsender). Damit war diese Maßnahme einerseits als Eingriff in das neu abgeleitete Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu qualifizieren, gleichzeitig diente sie der Erhaltung einer wirksamen Strafrechtspflege47. Durch die Entscheidung des BVerfG wurde der Gesetzgeber vor die Aufgabe gestellt, neben einer Reihe von anderen, nicht nur strafprozessrechtlichen Maßnahmen48, auch für die Öffentlichkeitsfahndung unter Beachtung des Gebotes der Normenklarheit49 und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes50 eine gesetzliche Ermächtigung zu schaffen51. Der dem Gesetzgeber von der Rechtsprechung gewährte sog. Übergangsbonus52 ermöglichte es den Strafverfolgungsbehörden, in der Zeit bis zur Erarbeitung neuer Vorschriften die (verfassungswidrigen) Maßnahmen, soweit unerlässlich, weiterhin einzusetzen und so die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege und Gefahrenabwehr aufrechtzuerhalten53. 3. Gesetzgebungsarbeiten der 1980er- und frühen 1990er-Jahre Der Grundstein zu der strafprozessrechtlichen gesetzlichen Regelung der Öffentlichkeitsfahndung mithilfe von Publikationsorganen wurde bereits 1985 durch das Bundesministerium der Justiz mit dem „Problempapier zu den rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren“ gelegt54. Der Entwurf regelte die (Öffentlichkeits-) Fahndung nach Beschuldigten oder Zeugen, auch zur Aufenthaltsermittlung, „durch Einschaltung von Publikationsorganen“ unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeits- bzw. des Subsidiaritätsprinzips (§ 131c StPO-PP). Eine Reihe 46

BVerfGE 65, 1 (44). Brodersen, NJW 2000, 2536. 48 Auch Verwaltungsrecht, Prozessrecht, Wirtschaftsrecht, siehe Merten / Papier / Rudolf, § 90 Rn. 14. 49 BVerfGE 65, 1 (44). 50 BVerfGE 65, 1 (44). 51 BVerfGE 65, 1 (44): „Angesichts der … Gefährdungen durch die Nutzung der automatischen Datenverarbeitung hat der Gesetzgeber mehr als früher auch organisatorische und verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen, welche der Verletzung des Persönlichkeitsrechts entgegenwirken.“ Siehe auch Rogall, S. 79. 52 Diese Bezeichnung, angeführt von Riegel, DVBl 1985, 765 (766), wurde zum gängigen Begriff. 53 Vgl. etwa BVerfGE 33, 1 (12 f.); 37, 217 (228); 40, 277 (283); 41, 251 (267); in Bezug auf das Volkszählungsurteil OLG Frankfurt, NJW 1989, 47 (50); siehe auch Merten / Papier / Rudolf, § 90 Rn. 14. Die Rechtmäßigkeit der Übergangszeit war umstritten, siehe umfassend Alberts, ZRP 1987, 193 (194 ff.); dazu auch Muckel, NJW 1993, 2283 ff. 54 Auszüge abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 23 (1/1986), S. 118 ff. 47

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der bereits damals vorgeschlagenen Lösungen hat sich bewährt und ist in den aktuell geltenden Regelungen wiederzufinden55. Ein Jahr später56 wurde ein „Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Regelung der rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren“ erarbeitet57. In diesem Papier wurde der frühere Vorschlag teilweise weiterverfolgt und konkretisiert. Insbesondere wurde das Erfordernis einer „erhebliche[n] Straftat … mit überörtlicher Bedeutung“ eingeführt sowie die Öffentlichkeitsfahndung zur Tataufklärung normiert. In dem weiteren Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens (StVÄG 1988)58 wurden die Vorschläge des Arbeitsentwurfes 1986 weiter präzisiert und ergänzt. Auch viele der damaligen Vorschläge sind über eine Dekade später geltendes Recht geworden59. Zum ersten Mal wurde dort die Bezeichnung „Steckbrief“ durch „Ausschreibung“ ersetzt, eine Änderung, die die Zeitprobe überstand. Im Gegensatz zu den früheren Vorschlägen sah diese Ausarbeitung aber eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder Zeugen nicht vor. Der darauf folgende „Entwurf eines Regierungsentwurfs“60 eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts  – Strafverfahrensänderungsgesetz 1989  – (StVÄG 1989)61 wurde zur Grundlage weiterer umfangreicher Ressortarbeiten und Überarbeitungen, die bis in die erste Hälfte der neuen Dekade andauerten (Rest-StVÄG)62, dennoch den Status eines Regierungsentwurfes nicht erlangten. Gleichwohl wurden dort enthaltene Vorschläge zu der Systematik, den Fahndungszwecken, dem Kreis der gesuchten Personen und den Einschränkungen von dem späteren Entwurf des StVÄG 1996 übernommen.

II. Präventiver Bereich Der Entstehungsweg gesetzlicher Rechtsgrundlagen der Öffentlichkeitfahndung im präventiven Bereich verläuft nur zum Teil parallel zu demjenigen im repressiven Bereich. In der polizeirechtlichen Praxis wurde die Durchführung einer Öffent 55

Vgl. heutige §§ 131 Abs. 2, 131a StPO, die Zuständigkeitsregelung des § 131 Abs. 3 StPO. Zum Ablauf des Verfahrens im Einzelnen siehe Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage, BT-Drs. 11/1878 vom 24.2.1988, S. 9. 57 Vom 31.7.1986, abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), S. 68 (69 f.). 58 Abgedruckt in: StV 1989, 172 ff. sowie in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen. Zu seiner Entstehung vgl. auch Hilgendorf-Schmidt, wistra 1989, 208. Kritisch zu den Vorschlägen bzgl. neuer §§ 131a f. StPO Zieger, in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 134 f. 59 Vgl. heutiger § 131 Abs. 1 StPO – Ausschreibung zur Festnahme, § 131 Abs. 2 StPO – Gefahr im Verzug, § 131b Abs. 1 und 2 StPO – Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach Beschuldigten und Zeugen. 60 Siehe Plenarprotokoll 11/185, Bundestag, 185. Sitzung vom 14.12.1989, S. 14351 A. 61 Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht), kritisch zu dortigen Regelungsvorschlägen Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 270 ff.; Stand: 11.4.1990 (nicht veröffentlicht) und weitere. 62 Stand: 12.7.1993 (nicht veröffentlicht). 56

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lichkeitsfahndung nach Personen vor der Umsetzung des Volkszählungsurteils auf polizeiliche Generalklauseln gestützt und auf Fälle begrenzt, in denen eine Gefahr für Leib oder Leben vorlag (etwa Vermisstenfahndung, Fahndung zur Identifizierung unbekannter hilfloser Personen) bzw. bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit63. Der von der Innenministerkonferenz beschlossene Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder vom 25.11.1977 (ME PolG)64 sah noch keine diesbezüglichen Regelungen vor. Bereits ein Jahr später erarbeitete der aus mehreren Hochschullehrern bestehende „Arbeitskreis Polizeirecht“ einen „Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder“ (AE PolG)65, der sich mit den Regelungen des ME PolG kritisch auseinandersetzte und weitere polizeirechtliche Normierungen vorschlug. Zwar wurde die Öffentlichkeitsfahndung auch in dem AE PolG explizit noch nicht erwähnt, gleichwohl setzte er zum ersten Mal Voraussetzungen einer Datenverarbeitung (bezeichnet als Informationsverarbeitung) als „Ermächtigungen zu Eingriffen in das grundgesetzlich geschützte informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger“66 fest. Ein Novum in diesem Bereich war darüber hinaus, auch wenn noch allgemein gefasst, aber gleichwohl dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragend, die Einführung einer Rechtsgrundlage der Informationsübermittlung durch die Polizei an Dritte (§ 39 AE PolG67). Im Frühjahr 1983, somit fast drei Quartale vor der Verkündung des Volkszählungsurteils durch das BVerfG, war Bremen das erste Bundesland, das Vorschriften zum Datenschutz in das BremPolG68 (§§ 27–36 BremPolG) aufnahm, den AE PolG zum Vorbild nehmend69. Allerdings sah § 33 Abs. 2 S. 1 BremPolG die Informationsübermittlung an nichtöffentliche Stellen70 „zur Abwehr einer Gefahr oder soweit es die Verwaltungsvollstreckung erfordert“, vor und enthielt damit eine detailliertere Regelung als der AE PolG. Genauso wie im strafprozessrechtlichen Bereich erforderte das Volkszählungsurteil des BVerfG die Anpassung des Polizeirechts an die Anforderungen des Datenschutzes. So erarbeitete der Ad-hoc-Ausschuss „Recht der Polizei“ der Innenministerkonferenz eine Normensammlung71, die, nach weiteren Stellungnahmen, 63

Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 170 f., 172; ders., ZRP 1992, 84 (85 Fn. 3; 86). Die Sachfahndung wurde, mangels eines Eingriffs in Persönlichkeitsrechte, auf Generalklauseln gestützt, Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 171; ders., ZRP 1992, 84 (85). 64 Abgedruckt in: Heise / Riegel. 65 Abgedruckt in: Arbeitskreis Polizeirecht. 66 Begründung zum zweiten Kapitel (Informationsverarbeitung), Arbeitskreis Polizeirecht, S. 114. 67 § 39 Abs. 1 AE: „Die Polizei darf anderen Behörden oder Dritten Erkenntnisse nur dann übermitteln, wenn dies zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben unerläßlich ist.“ 68 Das Bremische Polizeigesetz vom 21.3.1983, GVBl. 1983, S. 141 ff., abgedruckt in: Gewerkschaft der Polizei, Bremisches Polizeigesetz. 69 Siehe hierzu Alberts, NVwZ 1983, 585 (586); Knemeyer, ZBR 1984, 202 (203). 70 Als Empfänger ist damit keine Behörde oder öffentliche Stelle gemeint, vgl. etwa BeckOK PolR Bayern / Aulehner, Art. 59 BayPAG Rn. 6. 71 Entwurf mit Stand vom 8.2.1985 abgedruckt samt Begründung in: Bürgerrechte & Polizei / ​CILIP 21 (2/1985), S. 44 ff.

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am 12.3.1986 von der Innenministerkonferenz als sog. Vorentwurf zur Änderung des ME PolG (VE ME PolG) beschlossen wurde72. § 10c Abs. 3 S. 2 VE ME PolG sah eine Ermächtigung für die Polizei zur Übermittlung personenbezogener Daten an nichtöffentliche Stellen oder Personen vor73. Dieser Ansatz wurde im Laufe der Zeit in mehreren alten und neuen Bundesländern ganz oder zum Teil in die landespolizeirechtlichen Regelungen übernommen74, die in einigen Bundesländern bis heute in unveränderter Fassung gelten. Erwähnungswert ist, dass eine vergleichbare, vermutlich auf diesen Vorschlag zurückzuführende Regelung auch in dem bis zum Inkrafttreten der Polizeigesetze in den neuen Bundesländern geltenden Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei, beschlossen von der Volkskammer der DDR, enthalten war75. In der Literatur wurde jedoch dafür plädiert, eine spezielle Regelung für die präventive Öffentlichkeitsfahndung zu schaffen und sie nur beim Vorliegen einer Gefahr für Leib oder Leben zuzulassen76. Dieses Postulat wurde 1994 in Niedersachsen umgesetzt – es war somit das erste Bundesland, das die Öffentlichkeitsfahndung zur Identitätsfeststellung, Aufenthaltsermittlung und Warnung in die polizeirechtliche Regelung der Datenübermittlung an Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs oder an Personen expressis verbis aufgenommen hat77. Insofern ist Niedersachsen in diesem Bereich nicht nur für andere Bundesländer, sondern auch für den für die Anpassung der StPO zuständigen Bundesgesetzgeber als Vorreiter anzusehen. Zur besseren Koordinierung erfolgte die Durchführung der Öffentlichkeitsfahndung durch die in diesem Bereich erfahrene Vollzugspolizei (bei Einschaltung 72

Abgedruckt samt Begründung in: Kniesel / Vahle. Mit Verweis auf § 10c Abs. 3 Nr. 1 und 3 VE ME PolG: soweit erforderlich zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben (§ 10c Abs. 3 Nr. 1 VE ME PolG) oder Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl oder für die schutzwürdigen Belange einzelner (§ 10c Abs. 3 Nr. 3 VE ME PolG). Insoweit gleicht die Norm inhaltlich dem Entwurf in der Fassung vom 8.2.1985, sie wurde lediglich redaktionell überarbeitet. 74 Chronologische Reihenfolge: Nordrhein-Westfalen: § 29 Abs. 1 PolG NW, Gesetz vom 7.2.1990, GVNW S. 46; Hessen: § 23 Abs. 1 HSOG, Gesetz vom 4.7.1990, GVBl. I S. 197; Bayern: Art. 41 Abs. 1 BayPAG, Gesetz vom 24.8.1990, GVBl. S. 323; Hamburg: § 21 S. 1 Nr. 1 und 2 HbgPolDVG, Gesetz vom 2.5.1991, GVBl. S. 187; Baden-Württemberg: § 44 Abs. 1 PolG, Gesetz vom 22.10.1991, GBl. S. 625; Sachsen-Anhalt: § 28 Abs. 1 SOG LSA, Gesetz vom 19.12.1991, GVBl. S. 538; Berlin: § 45 Abs. 1 ASOG Bln, Gesetz vom 14.4.1992, GVBl. S. 119; Thüringen: § 41 Abs. 3 S. 2 ThürPAG, Gesetz vom 4.6.1992, GVBl. S. 199; Sachsen: § 45 Abs. 1 SächsPolG, Gesetz vom 24.5.1994, GVBl. S. 929; Brandenburg: § 44 Abs. 1 BbgPolG, Gesetz vom 19.3.1996, GVBl. S. 74. Ein anderer Ansatz (Abwehr einer Gefahr) in (chronologisch geordnet): Rheinland-Pfalz: § 25c Abs. 2 PolVerwG, Gesetz vom 26.3.1986, GVBl. S. 77; Saarland: § 34 Abs. 1 S. 2 SPolG, Gesetz vom 8.11.1989, Amtsbl. I Nr. 65 S. 1750; Schleswig-Holstein: § 193 Abs. 1 LVwG, Gesetz vom 2.6.1992, GVOBl. S. 243, 534; Mecklenburg-Vorpommern: § 41 Abs. 1 SOG M-V, Gesetz vom 4.8.1992, GVOBl. S. 498. 75 Gesetz vom 13.9.1990, GBl. I, 1489, § 43 Abs. 3 S. 2. 76 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 288 f.; ders., ZRP 1992, 84 (87); siehe auch Becker, Die Polizei 1996, 25 f. 77 § 27m Abs. 3 Nds. SOG, Gesetz vom 18.2.1994, GVBl. S. 71. 73

B. „Pionierzeit“ der Internetfahndung 

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von Publikationsorganen die Kriminalpolizei), auch in den Bundesländern, wo Ordnungsverwaltungsbehörden zuständig waren78. Die Zuständigkeit für überregionale Fahndungen unter Inanspruchnahme von Publikationsorganen lag bei den Landeskriminalämtern79.

B. „Pionierzeit“ der Internetfahndung I. Internetfahndung im Web 1.0 Die Geburtsstunde der Internetfahndung in Deutschland schlug 1996, damit weniger als ein Jahrzehnt nach dem ersten deutschen Internetanschluss an der Universität Darmstadt 198880 und zwei Jahre nach dem Ersteinsatz dieser Fahndungsmethode durch das FBI81. Die Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde gleichermaßen vom Bundeskriminalamt wie einigen Länderpolizeien geleistet. Chronologisch betrachtet, wandten sich als erste im Frühjahr (Mai 1996) die Polizei Hamburg (Entführungsfall Reemtsma auf der Homepage vom LKA NordrheinWestfalen, veröffentlicht wurden die Nummern von Lösegeld-Scheinen) sowie die Polizei Essen (ALDI-Erpresser-Fall mit einem subjektiven Porträt) auf diese Art und Weise an die Bevölkerung82. Der erste Fahndungsaufruf auf der Homepage des BKA vom Sommer 1996 betraf den IRA-Anschlag auf die britische Kaserne „Quebec-Barracks“ in Osnabrück, veröffentlicht wurden Fotos und subjektive Porträts der Tatverdächtigen sowie Fotos der Tatfahrzeuge83. Am 18.11.1996 startete

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Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 172; ders., ZRP 1992, 84 (85 f.). Soiné, ZRP 1992, 84 (86) unter Verweis auf das Dienstrecht. 80 Schnabel, Entstehung und Verbreitung des Internets, http://www.informatik.uni-olden​ burg.de/~iug10/sli/index06d0.html?q=node/20 (26.4.2020). 81 1994 errichtete das FBI im Internet die „The FBI’s ten most wanted fugitives“-Liste, auf der Fotos, Personaldaten der Beschuldigten sowie der Tatvorwurf einzusehen waren, siehe Bär, CR 1997, 422 (423). 1996 wurde weltweit über einen Fahndungserfolg des FBI nach der Suche nach einem jahrelang gesuchten flüchtigen Bankräuber berichtet, der auf einen Hinweis eines Internetnutzers aus Guatemala zurückzuführen war, vgl. Wiegrefe, Bürgerrechte & Polizei / ­CILIP 55 (3/1996), S. 67 m. w. N. 82 Siehe hierzu Wiegrefe, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 55 (3/1996), S. 67 f. m. w. N.; Störzer, Kriminalistik 1996, 811 (814); Bredel, S. 134. Ungenau Meseke, in: FS Herold, S. 505 (527): „… anfangs nur durch das Bundeskriminalamt und das LKA Bayern“. 83 Wiegrefe, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 55 (3/1996), S. 67 (68) m. w. N.; Störzer, Kriminalistik 1996, 811 (814); siehe auch Bär, CR 1997, 422 (424). Zur Verurteilung eines der Tatverdächtigen kam es 2006, eines anderen erst 2017, siehe o. V., Urteil 17 Jahre nach Anschlag, NWZ Online vom 5.4.2006, https://www.nwzonline.de/blaulicht/urteil-17-jahre-nachanschlag_a_6,1,2189454149.html (26.4.2020); apr / dpa / AFP, Anschlag auf britische Armee 1996. Ex-IRA-Mitglied in Osnabrück zu Haft verurteilt, Spiegel Online vom 25.10.2017, http://​ www.​spiegel.de/politik/ausland/osnabrueck-ex-ira-mitglied-wegen-anschlag-1996-verurteilt-​ a-1174697.html (26.4.2020). 79

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

in Bayern ein bis September 1997 angedachtes Pilotprojekt84, in dessen Rahmen auf der Internetseite der Polizei Bayern unter der Rubrik „Bayerns Meistgesuchte“85 Fahndungsaufrufe veröffentlicht wurden (mit Fotos, Beschreibung und Angabe von Straftaten)86. Gefahndet wurde – auch auf Englisch und Französisch – zu repressiven sowie präventiven Zwecken: nach (bekannten und unbekannten) Beschuldigten, Vermissten, zur Identifizierung unbekannter Toter sowie nach Sachen87. Vor jeder Veröffentlichung wurden virtuelle Fahndungsaufrufe von der jeweils sachbearbeitenden Dienststelle auf Geeignetheit überprüft und die Zustimmung der zuständigen Staatsanwaltschaft eingeholt, auch das BKA wurde von jeder Fahndung in Kenntnis gesetzt88. In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung zur Zuständigkeit wurde die Entscheidung über die Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs im Internet in Bayern gemeinsam von Staatsanwaltschaft, Polizei und Innenministerium getragen89. Nach nur zwei Monaten nach dem Betriebsstart wurde die Homepage der Bayerischen Polizei über eine Million Mal aufgerufen90. Bei einem Fahndungsaufruf des BKA nach einem flüchtigen Tatverdächtigen wegen eines Mordes 1999 verzeichnete seine Internetseite 100.000 Besucher innerhalb von fünf Tagen91. Nach kurzer Zeit wurde die Internetfahndung in allen Bundesländern außer in Sachsen-Anhalt eingeführt92. Außer enthusiastischen waren auch zurückhaltende Stimmen zu vernehmen, die die weit geringere Reichweite im Vergleich zu Fahndungssendungen wie „Aktenzeichen XY … ungelöst“ sowie die damals überschaubare Anzahl der 84

Beteiligt waren die Polizeipräsidien München, Mittelfranken und Oberbayern, das Innen­ ministerium und das Landeskriminalamt, das das Projekt koordinierte, siehe Treffer, Uschi, Cybercops gehen auf Gangstersuche, Süddeutsche Zeitung vom 19.11.1996, S. 38; Freundt, S. 25; Bredel, S. 134. 85 Später: „Mit Haftbefehl gesucht“, vgl. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, 18. Tätigkeitsbericht, Pkt. 7.3.1. 86 Vgl. Treffer, Uschi, Cybercops gehen auf Gangstersuche, Süddeutsche Zeitung vom 19.11.1996, S. 38. Ermöglicht wurden damals Internetauftritte von dem Innenministerium, Landeskriminalamt sowie von den Polizeipräsidien München, Nürnberg und Oberbayern und den Polizeidirektionen Flughafen München, Erding und Traunstein, siehe ebenda. Vgl. auch Pätzel, NJW 1997, 3131 m. w. N. In Bezug auf ins Netz eingestellte Inhalte wurde auch auf die Möglichkeit des Einstellens von Fotos in guter Qualität sowie Video- und Tonsequenzen hingewiesen, siehe Freundt, S. 24. 87 Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911; Freundt, S. 25 f. Grafische Beispiele damaliger Personen- und Sachfahndungen auf der Homepage der bayerischen Polizei bei Freundt, S. 25 f., Anlage 1–3. 88 Freundt, S. 25. 89 Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911. 90 Pätzel, NJW 1997, 3131 m. w. N. 91 O. V., Die Polizei 1999, 310. 92 Vgl. Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911. Im Jahr 1998 fahndeten alle Landeskriminalämter über das Internet, vgl. Meseke, in: FS Herold, S. 505 (527). 1999 kam die Polizei Berlin dazu, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017.

B. „Pionierzeit“ der Internetfahndung 

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Internetbenutzer betonten93. Es wurde argumentiert, die Fahndungen im Internet und im Fernsehen hätten einen unterschiedlichen Adressatenkreis: Während (ältere) XY-Zuschauer sich für diese Sendung bewusst und im Vorfeld entschieden, sei der Besuch einer polizeilichen Fahndungsseite mehr einem Zufall sowie einem Suchergebnis einer Suchmaschine bei der Suche eines jüngeren Internetnutzers nach polizeilichen Inhalten geschuldet94. Seitens der Datenschützer bestand bereits vor dem Start dieser Fahndungsmethode in Deutschland Skepsis bzgl. ihrer rechtlichen Zulässigkeit, moniert wurden Defizite der Authentifizierung sowie eine einfache Manipulierbarkeit der Fahndungsbilder95. Nach dem Einsatz der Internetfahndung durch deutsche Strafverfolgungsbehörden wurden „wegen der weltweiten Abrufbarkeit“ weitere Bedenken erhoben96 bis zur Ablehnung der Internetfahndung mangels Rechtsgrundlage und wegen sicherheitsrechtlicher Probleme97. Wegen des seinerzeit noch geringen Verbreitungsgrades des Internets in Deutschland wurde im Schrifttum im Gegensatz dazu vereinzelt auch die Meinung vertreten, die Internetfahndung greife im Vergleich zu einer Veröffentlichung in Presse oder Rundfunk weniger intensiv in die Grundrechte der gesuchten Personen ein98. Die neue Methode der Öffentlichkeitsfahndung wurde auch in der juristischen Literatur beachtet, wodurch die Diskussion über ihre Rechtsgrundlage aufs Neue entflammte99. 93

So Reinhard Borchers von der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten, zitiert von Wiegrefe, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 55 (3/1996), S. 67 (71). Siehe auch Pätzel, NJW 1997, 3131 (3133 f.), der der Internetfahndung allerdings eine größere Beachtung der Empfänger im Vergleich zu der Presse attestierte (3132); ähnlich (im Verhältnis Fernsehen zu Presse) bereits Valentin, in: Fahndung, S. 103 (109). 94 Freundt, S. 24; zu den Jugendlichen als Adressatenkreis der Internetfahndung auch Bredel, S. 134 m. w. N. 95 Bericht und Empfehlungen zu Datenschutz und Privatsphäre im Internet („Budapest – Berlin Memorandum“), Internationale Arbeitsgruppe zum Datenschutz in der Telekommunikation, 20. Sitzung, 15. und 16. April 1996, Berlin, unter III.2., abgedruckt in: Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Internationale Dokumente zum Datenschutz bei Telekommunikation und Medien 1983–2013, S. 116, https://www.datenschutz-berlin.de/ fileadmin/user_upload/pdf/gremien/BlnBDI_IWGDPT_2013.pdf (26.4.2020). Siehe auch Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 1998, Pkt. 3.4, S. 53 f., der darüber hinaus auf die Unmöglichkeit des endgültigen Löschens der Informationen im Internet sowie auf manipulierte bzw. falsche Fahndungsaufrufe aufmerksam machte sowie die Stellungnahme des Bayerischen Beauftragten für den Datenschutz, zitiert von Treffer, Uschi, Cybercops gehen auf Gangstersuche, Süddeutsche Zeitung vom 19.11.1996, S. 38. 96 Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 2. Tätigkeitsbericht, S. 117 unter Hinweis auf einen Fahndungsaufruf wegen versuchten Mordes mit Angabe des letzten Wohnsitzes des Tatverdächtigen. 97 Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 1998, Pkt. 3.4, S. 53 f. Siehe auch die Stellungnahme des Landesbeauftragten für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, zitiert von Treffer, Uschi, Cybercops gehen auf Gangstersuche, Süddeutsche Zeitung vom 19.11.1996, S. 38. 98 Bär, CR 1997, 422 (427); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (182). 99 Für § 131 StPO a. F. Bär, CR 1997, 422 (426 f.); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (182); wohl Soiné, NStZ 1997, 321; Meseke, in: FS Herold, S. 505 (528); aus polizeilicher Sicht als eine neue Form der Öffentlichkeitsfahndung i. S. d. PDV 384.1 Nr. 4.8 ff. wertend Störzer,

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

II. Legislatorische Arbeiten 1. Strafprozessrecht In den ersten Jahren nach der deutschen Wiedervereinigung stand die Regelung der Öffentlichkeitsfahndung, abgesehen von den weiteren internen Ressortarbeiten an dem Rest-StVÄG, nicht auf der Agenda des Gesetzgebers. Von dem in der 13. Wahlperiode vorgelegten Entwurf des Bundesrates zum StVÄG 1994100 waren diesbezügliche Normierungen nicht umfasst, was in parlamentarischen Kreisen auf Kritik stieß101. Auch mehrere Stimmen in der Literatur102 sowie die 51. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder103 forderten eine alsbaldige gesetzliche Umsetzung der Vorgaben des Volkszählungsurteils in diesem Bereich und unterbreiteten hierzu konkrete Regelungsvorschläge. Ende 1996, also zeitgleich mit der Sammlung erster praktischer Erfahrungen auf dem Gebiet der Internetfahndung, erarbeitete die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zum StVÄG 1996, in dem sie auch Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung, wenn auch unter Verwendung uneinheitlicher Nomenklatur („Aufruf an die Öffentlichkeit“ bzw. „Fahndung an die Öffentlichkeit“) vorsah104. Auf die neue Fahndungsmethode wurde nicht eingegangen, was jedoch gleichermaßen andere Formen der Öffentlichkeitsfahndung betraf105. In der Niederschrift ließen sich zum Teil die Lösungsvorschläge aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren wiederfinden; viele ihrer Elemente, wie die Formulierungen und die Systematik, liegen der heutigen Regelung zugrunde. Die Vorschläge bezogen sich auf die „Fahndung in der Öffentlichkeit“ zur Festnahme (§ 131 Abs. 1 und Abs. 2 StPO-StVÄG 1996), zur Kriminalistik 1996, 811 (814); Graf, DRiZ 1999, 281 (285). Gegen die Zulässigkeit der Internetfahndung generell wegen fehlender Rechtsgrundlage Sánchez, S. 259 f. Auf eine mangelnde Rechtsgrundlage hinweisend Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132, 3134). 100 BT-Drs. 13/194 = BR-Drs. 620/94. 101 Erklärung des Parlamentarischen Staatssekretärs Funke, BR-Plenarprotokoll 675 vom 14.10.1994, S. 583 B. 102 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 255 ff., 283 ff.; ders., ZRP 1994, 392 (392 f., 393 f.); L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1; Becker, Die Polizei 1996, 25 (26). 103 Entschließung der 51. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 14./15.3.1996: Regelung der Öffentlichkeitsfahndung im Strafverfahren, https://www.bfdi. bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungssammlung/DSBundLaender/51DSK-For derungenAnDenGesetzgeberZurRegelungDerOeffentlichkeitsfahndungInStrafverfahren.htm l;jsessionid=C0C4E9EA53784AFC398E65DBC26B8390.1_cid344?nn=5217016 (26.4.2020). 104 BR-Drs. 961/96; siehe hierzu Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132 f.); Bär, CR 1997, 422 (430); Wollweber, K&R 1998, 144 (146 f.). 105 In der Literatur war jedoch die Auffassung anzutreffen, der Mangel einer näheren Konkretisierung bestimmter Publikationsorgane spreche für die Anwendung der Normen auch auf die Internetfahndung, siehe Bär, CR 1997, 422 (431); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (187). Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder kritisierten die „mangelnde Bestimmtheit der Voraussetzungen für Maßnahmen der Öffentlichkeitsfahndung“, Entschließungen der 56. Konferenz am 5./6.10.1998 in Wiesbaden, https://www.datenschutz-bayern.de/ dsbk-ent/justiz56.htm (26.4.2020).

B. „Pionierzeit“ der Internetfahndung 

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Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder eines Zeugen (§ 131a Abs. 3 StPOStVÄG 1996) sowie die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten bzw. eines Zeugen im Rahmen einer Aufklärungs- und Identitätsfahndung106 (§ 131b StPO-StVÄG 1996). Kontrovers diskutiert wurde die im Entwurf vorgeschlagene primäre richterliche Anordnungskompetenz bzgl. der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung und Identitäts- und Aufklärungsfahndung107. Dieser Gesetzesentwurf fiel letztlich der Diskontinuität des Parlaments im Oktober 1998 zum Opfer108. Er wurde jedoch von der Bundesregierung in der nächsten 14. Wahlperiode weitgehend aufgegriffen, auch hinsichtlich der Begründung, deren Wortlaut in weiten Teilen übernommen und nur ergänzt wurde109. Die Begründung des neuen Regierungsentwurfs enthielt zum ersten Mal eine kurze Passage zur Internetfahndung: „Die Vorschriften für die Öffentlichkeitsfahndung gelten unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch für das Internet“110. Auf Empfehlung des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten111 plädierte der Bundesrat für eine einheitliche Verwendung des Begriffes „Öffentlichkeitsfahndung“ in den Vorschriften112. Ein weiterer Vorschlag betraf die Präzisierung der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung im § 131a Abs. 3 StPO dahingehend, dass diese, bei dringendem Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung, auch eine Fahndung nach Zeugen umfassen sollte113. Die Zuständigkeitsregelungen wurden erneut heftig debattiert114. Der Vermittlungs 106

Die Formulierungen „Aufklärungsfahndung“ und „Identitätsfahndung“ sind der Begründung BR-Drs. 961/96, S. 20 zu entnehmen. Diese Fahndungsziele wurden auch Gegenstand der Vorschläge des § 131b Abs. 1 S. 2 StPO-AE (Aufklärung), abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / ​CILIP 29 (1/1988), S. 68 (69 f.). und § 131b Abs. 3 StVÄG 1988 (Identitätsfeststellung und Aufklärung). 107 Empfehlung des Rechtsausschusses: Nur Staatsanwalt bzw. Richter oder Staatsanwalt, BR-Drs. 961/2/96 vom 11.2.1997 unter Pkt. 13 und 14. Der Bundesrat stimmte der zweiten Option zu, BR-Drs. 961/96 unter Pkt. 14. 108 Zu den weiteren, politischen Gründen, wie die mangelnde Zustimmung Bayerns zu dem sog. „Flughafen-Kompromiss“, siehe die Rede von Dr. Jürgen Meyer in der 61. Sitzung des BT am 1.11.1999, vgl. Plenarprotokoll 14/61 S. 5408 C sowie die Rede von Norbert Geis, ebenda, S. 5418 B. 109 BR-Drs. 65/99 = BT-Drs. 14/1484. 110 BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21 zu § 131a Abs. 3 StPO. 111 BR-Drs. 65/1/99 vom 8.3.1999, unter Nr. 9. 112 BR-Plenarprotokoll 736 vom 19.3.1999, S. 97 B; BR-Drs. 65/99 (Beschluss) vom 19.3.1999. 113 Der Grund dieser Verschärfung war die Befürchtung, dass der Zeuge von der Allgemeinheit vorschnell in der Rolle eines Tatverdächtigen gesehen werden könnte. Auch § 131b Abs. 2 StPO (Aufklärungs- oder Identitätsfeststellung eines Zeugen) wurde aus dem oben genannten Grund um die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung ergänzt, siehe BT-Drs. 14/2595, S. 28. Damit wurde der Forderung der 59. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 14./15.3.2000 aus der Entschließung: Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) genüge getan, https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/ Publikationen/Entschliessungssammlung/DSBundLaender/59DSK-Strafverfahrensaenderun gsgesetz_1999-StVAEG_1999.pdf?__blob=publicationFile (26.4.2020). 114 Der Vermittlungsausschuss schlug eine generelle Eilzuständigkeit der Polizei bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme und eine Bestätigungspflicht einer solchen Entscheidung durch die Staatsanwaltschaft vor. Er brachte in § 131c Abs. 1 StPO auch die primäre Zuständig-

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

ausschuss erarbeitete eine Regelung, die bis dahin noch kein Gegenstand von Beratungen war und in der das erste und einzige Mal in den neuen Vorschriften explizit Bezug auf die Internetfahndung genommen wurde: Die Bestätigungspflicht einer polizeilichen Anordnung der Öffentlichkeitsfahndung durch den Richter in Fällen andauernder Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs nach § 131a Abs. 3 und 131b StPO in elektronischen Medien sowie bei wiederholter Veröffentlichung im Fernsehen oder in periodischen Druckwerken (§ 131c Abs. 2 S. 1 StPO)115. Die Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses wurden am 8.6.2000 vom Bundestag angenommen116, am darauffolgenden Tag stimmte der Bundesrat dem Gesetz zu117. Das „Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens  – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999)“ wurde am 2.8.2000 verkündet und trat am 1.11.2000 in Kraft118. Außer der Einführung der neuen §§ 131 ff. StPO wurden durch das StVÄG 1999 § 161 Abs. 1 S. 1 und § 163 Abs. 1 S. 2 StPO zu Ermittlungsgeneralklauseln ausgestaltet; angepasst an die neuen §§ 131, 131a StPO wurde auch § 456a Abs. 2 S. 3 StPO. Das Schrifttum begrüßte generell, wenn auch kritisch, die neuen Regelungen: „Mit dem StVÄG 1999 wurde insoweit die bisherige (nach h. L. ungesetzliche) Praxis auf gesetzliche Füße gestellt.“119 Datenschützer pflichteten den Autoren bei, gleichwohl sei es „ein Kompromiß zwischen den eher datenschutzfreundlichen Vorstellungen des Bundestages und den an einer möglichst einfachen Strafverfolgung interessierten Vorstellungen des Bundesrates“120. Seitdem herrscht Einigkeit in der Literatur, dass die Regelungen der §§ 131 ff. StPO auch für die Öffentlichkeitsfahndung im Internet gelten121. Auch die Rechtsprechung wendet diese

keit des Richters und die Eilzuständigkeit der Staatsanwaltschaft und ihrer Hilfsbeamte für die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung sowie Aufklärungs- und Identitätsfeststellungsfahndung ein, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses vom 7.6.2000, BT-Drs. 14/3525. Die Eilkompetenzen wurden von den Datenschützern als „erhebliches Aufweichen“ des Richterprivilegs kritisiert, vgl. Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, V. Tätigkeitsbericht, S. 77. 115 Gerhold, ZIS 2015, 156 (166): Dies sei ein Zeichen, dass „der Begriff der Öffentlichkeitsfahndung neueren technischen Entwicklungen und Trends offenstehen sollte“. Dennoch meinte Schaar, Rn. 851: Die Internetfahndung sei in der StPO nicht expressis verbis geregelt. 116 BT-Plenarprotokoll 14/108 vom 8.6.2000 S. 10175 A; BR-Drs. 349/00 vom 8.6.2000. 117 BR-Drs. 349/00 (Beschluss) vom 9.6.2000; BR-Plenarprotokoll 752, S. 214 C. 118 BGBl. 2000 Nr. 38, S. 1253 f. Hilger, StraFo 2001, 109: „Wären diese Regelungen nicht jetzt oder alsbald verabschiedet worden, so wären die darin erfassten – bisher weitgehend ohne gesetzliche Basis praktizierten – Maßnahmen im Hinblick auf den sog. Übergangsbonus unzulässig geworden.“ 119 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 1. 120 Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, V. Tätigkeitsbericht, S. 77. 121 Etwa KMR / Wankel, § 131 Rn. 7; Seitz, S. 383; Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174); ders., JR 2002, 137 (138); Brodersen NJW 2000, 2536 (2538); nicht einheitlich Kühne, Rn. 551, der die Internetfahndung ohne eine spezielle gesetzliche Rechtsgrundlage für unzulässig, aber gleichzeitig fahndungsbezogene Publikationen im Internet für zulässig erachtet.

C. Erste Dekade des 21. Jahrhunderts: Ära des stationären Internets 

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Normen für die Internetfahndung an122. Viele Regelungen der Anlage B RiStBV fanden ihren Standort in den neuen gesetzlichen Regelungen, worauf Ranft zutreffend hinwies123. 2. Polizeirecht Der Einsatz des Internets als neue Fahndungsmethode hatte zum überwiegenden Teil keine Auswirkung auf die existierende polizeirechtliche Rechtslage in den Bundesländern. Als Rechtsgrundlage für die präventive Öffentlichkeitsfahndung im Internet dienten die bereits aufgeführten landesrechtlichen Regelungen zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs124. In der polizeirechtlichen Literatur waren vereinzelt Anmerkungen zur Internetfahndung anzutreffen125. Angesichts der Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kam diese Maßnahme allerdings nur als letztes Mittel bei schwerwiegenden Straftaten zum Einsatz126. 2001 wurde die Öffentlichkeitsfahndung nach dem Vorbild Niedersachsens im Landesrecht von Bremen127 und Mecklenburg-Vorpommern128 explizit geregelt. Auch wenn sich den Gesetzesbegründungen beider Bundesländer nicht expressis verbis entnehmen lässt, dass die Neuregelungen auf StVÄG 1999 zurückzuführen sind, ist der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Inkrafttreten der strafprozessrechtlichen Normierung und den landesrechtlichen Neuregelungen nicht zu übersehen.

C. Erste Dekade des 21. Jahrhunderts: Ära des stationären Internets I. Rechtliches Eine Normierung auf gesetzlicher Ebene bezogen auf die Öffentlichkeitsfahndung, mithin auch auf die Internetfahndung, wurde in den ersten zehn Jahren des neuen Millenniums lediglich in Rheinland-Pfalz vollzogen: Dort wurde 2004 die präventive Öffentlichkeitsfahndung im Polizei- und Ordnungsbehördengesetz fixiert129. Die wohl einzige Initiative auf Bundesebene war der im selben Jahr von der Fraktion der SPD, dem BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sowie dem Bundesmi 122

Z. B. SächsVerfGH, NJW 2016, 48; AG Bonn, Beschluss vom 6.8.2008 – 51 Gs 1258/08, BeckRS 2008, 18552. 123 Ranft, StV 2002, 38 (40) Fn. 19. 124 Hierzu Bär, in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (186). 125 Waechter, Rn. 673 f. 126 Bär, in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (186). 127 § 36g BremPolG, Gesetz vom 4.9.2001, GVBl. S. 267. 128 § 41 Abs. 2 SOG M-V, Gesetz vom 24.10.2001, GVBl. S. 386. 129 § 34 Abs. 7 POG R-P, Gesetz vom 2.3.2004, GVBl. S. 202.

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

nisterium der Justiz vorgelegte „Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens“, der u. a. Streichung der Eilzuständigkeit der Polizei in § 131c Abs. 1 StPO vorsah130. Die Einführung der §§ 131 ff. StPO durch das StVÄG 1999 erforderte eine umfangreiche Überarbeitung bzw. Neufassung von Dienstvorschriften. 2002 wurden angepasste Fahndungsvorschriften in Nr. 39 ff. RiStBV bundesweit eingeführt131. Auch die Anlage B RiStBV wurde neu gefasst und mit Blick auf die Nutzung des Internets zur Öffentlichkeitsfahndung ergänzt132. So deutet bereits die Überschrift  – „Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren“  – auf die Richtung der Änderungen hin. Nr. 1.1 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV eröffnete den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, neben beispielhaft aufgezählten Publikationsorganen auch das Internet zur Aufklärung von Straftaten durch Öffentlichkeitsfahndung („zur Bereitstellung oder gezielten Verbreitung der Informationen“) zu verwenden. Die Besonderheiten der Internetfahndung fanden ihre Berücksichtigung in den Vorgaben zur Verhältnismäßigkeit in Nr. 1.2 Abs. 3 S. 2, Abs. 5 Anl. B RiStBV133. Nr. 3.2 Anl. B RiStBV enthielt konkrete Vorgaben zur Verwendung des Internets für das Publizieren von Fahndungsaufrufen (Veröffentlichung insbesondere auf polizeilichen Homepages, grundsätzlicher Ausschluss privater Internetanbieter134, Beenden der Maßnahme und staatsanwaltschaftliche Prüffristen zur eventuellen Fortsetzung der Maßnahme). Insofern konkretisierte die Anlage B RiStBV (abgesehen von den aus den §§ 131 ff. StPO teilweise wortwörtlich übernommenen Formulierungen) die „Wie“-Voraussetzungen, also Anforderungen zur konkreten Ausgestaltung der Internetfahndung. Beibehalten wurde die bisherige Systematik, also die Unterscheidung zwischen der Fahndung nach einem bekannten und unbekannten Tatverdächtigen, nach Zeugen sowie nach

130 Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens, Februar 2004, S. 3, 28, www. gesmat.​bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/StrafverfahrensRefG/DiskE.pdf (26.4.2020). 131 Allgemeinverfügung des Bundesministers der Justiz vom 14.6.2002 (BAnz. Nr. 113). 132 Allgemeinverfügung des Bundesministers der Justiz vom 18.4.2005 (BAnz. Nr. 80, S. 6823). 133 Die Passagen zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz blieben auch bei der Reform der Anlage B RiStBV in 2005 weitgehend erhalten. 134 Die nur ausnahmsweise zulässige Inanspruchnahme der Dienste privater Internetanbieter verfolgte den Zweck, einen Kontrollverlust bei der Verbreitung von Fahndungsinformationen zu vermeiden, zum anderen die Löschung personenbezogener Daten nach beendeter Fahndung zu gewährleisten, siehe Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 4; Schreiben des Ministers der Justiz und für Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz an den Präsidenten des Landtags Rheinland-Pfalz vom 10.12.2013, Landtag Rheinland-Pfalz, Vorlage 16/3387, S. 2, in dem die wesentlichen Inhalte des genannten Berichts wiedergegeben werden, www. landtag.rlp.de/landtag/vorlagen/3387-V-16.pdf (26.4.2020); siehe auch DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 3.

C. Erste Dekade des 21. Jahrhunderts: Ära des stationären Internets 

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flüchtigen Verurteilten. Diese Aufteilung erscheint im Hinblick auf die neuen Regelungen der StPO zur Öffentlichkeitsfahndung, die zwischen unterschiedlichen Fahndungszwecken unterscheiden (Festnahme, Aufenthaltsermittlung, Identitätsund Aufklärungsfahndung), teilweise inkompatibel und irreführend. Die Datenschutzbeauftragten äußerten sich kritisch zu diesen Regelungen: Die Neufassung enthalte keinen Hinweis auf die Unmöglichkeit des endgültigen Löschens der Informationen im Internet, die halbjährigen Prüffristen seien zu lang angesichts der beeinträchtigten Interessen der Gesuchten. Aus diesem Grund wurde die Begrenzung der Anzahl der Aufrufe gefordert, um eine zügige Prüfung zu gewährleisten. Es wurde auch moniert, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Einschaltung privater Anbieter in Ausnahmefällen nicht geregelt wurden135. Parallel zu den Arbeiten an der Anlage B RiStBV erfolgte auf Veranlassung der Innenministerkonferenz die Überarbeitung der polizeilichen Dienstvorschriften PDV 384.1 VS-NfD „Fahndung“, die 2004 in Kraft traten. Insbesondere beinhalteten sie detaillierte Regelungen zur Öffentlichkeitsfahndung als einer der Fahndungsarten sowie zur Internetfahndung136.

II. Internetfahndung in der Praxis: Die Web-1.0-Ära Die ersten Jahre nach 2000 waren nicht nur durch die rasche Verbreitung des Internets in Deutschland geprägt137, es war auch die Zeit der Etablierung der Internetfahndung in den einzelnen Bundesländern138 sowie technischer Verbesserungen der Fahndungsaufrufe. Bereits Anfang der 2000er-Jahre wurde die Palette der veröffentlichten persönlichen Daten von den Landeskriminalämtern und dem Bundeskriminalamt etwa um Audio-Dateien mit Stimmenmitschnitten eines Beschuldigten139 und Video-Dateien140 erweitert, veröffentlicht wurden darüber hin-

135

Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, VII. Tätigkeitsbericht, S. 89. Dies war bereits deshalb relevant, weil schon damals Strafverfolgungsbehörden Fahndungsaufrufe auf der Vitrine na-presseportal.de veröffentlichten. Siehe dazu Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053 f.). 136 Detailliert Hollmann / Kölbach, Kriminalistik 2004, 674 ff. 137 1997: 4,1 Millionen Onlinenutzer ab 14 Jahren (6,5 %), 2000: 18,3 Millionen (28,6 %), 2002: 28,3 Millionen (44,1 %), 2007: 39,5 Millionen (60,7 %), van Eimeren / Frees, Media Perspektiven 2007, 362 (364). 138 Z. B. 2003 die Polizei Brandenburg, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Brandenburg am 15.1.2016. 139 Der wohl erste Einsatz dieser Methode 2001 wurde bei einer Androhung eines Sprengstoffeinsatzes in Göttingen verzeichnet, Delbrouck, Dirk, Polizei fahndet mit Stimme im Internet, ZDNet / Netzwerke vom 23.11.2001, http://www.zdnet.de/2099803/polizei-fahndetmit-stimme-im-internet/?inf_by=5a215585681db878668b48cf (26.4.2020). 140 Wilkens, Andreas, BKA fahndet multimedial, Heise online vom 25.3.2003, https://www. heise.de/newsticker/meldung/BKA-fahndet-multimedial-76745.html (26.4.2020).

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

aus auch Fingerabdrücke eines Gesuchten141. 2001 entstand beim Bundeskriminalamt ein Service-Center Fahndung, in dem Methoden neuer Kommunikationswege für Fahndungszwecke entwickelt wurden142. BKA-Beamte berichteten über die Entwicklung in der Gestaltung ihrer Fahndungs-Internetseite und über Pläne, außer Personen- auch Sachfahndungen im Internet durchzuführen143. Darüber hinaus war ein sog. „Bürger-Fahndungsportal“ zur Identifizierung von sichergestelltem Diebesgut sowie ein Newsletter für interessierte Internetnutzer mit aktuellen Fahndungen geplant144. Bereits zu Beginn des neuen Millenniums arbeitete das BKA an dem Einsatz der WAP-Funktion in Mobiltelefonen für die Verbreitung von Fahndungsausschreibungen, teilweise mit Fahndungsfotos145. Es wurde weiter erwogen, Fahndungsaufrufe auf Internetseiten ausgewählter privater Betreiber wie Online-Dienste und Auktionshäuser zu veröffentlichen146. Der Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern zu dieser neuen Fahndungsmethode erfolgte auch anlässlich von Fachtagungen147. Auch außerhalb Deutschlands wurde das Internet zu Fahndungszwecken genutzt. Bereits 2000 setzte die Generaldirektion des Bundesministeriums für Inneres in Österreich das Internet zur Personen- und Sachfahndung ein148. 1999 errichtete das Bundesamt für Polizeiwesen (fedpol) in der Schweiz eine Homepage, die auch der Veröffentlichung von Fahndungs- und Suchmeldungen diente149. 2003 fahndete die Genfer Polizei nach Demonstranten, die beim G8-Gipfel gewalttätig wurden150. Ende 2007 erfolgte die erste Internetfahndung von Interpol nach einem 141

Wilkens, Andreas, Hamburger Polizei fahndet mit Fingerabdrücken im Web, Heise online vom 20.2.2003, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Hamburger-Polizei-fahndet-mitFingerabdruecken-im-Web-74973.html (26.4.2020). Entgegen damaliger Ankündigungen, mit Fingerabdrücken standardmäßig im Internet zu fahnden, sind derartige Fahndungsaufrufe in der Praxis äußerst selten. 142 dpa / dpa / anw, Kriminalisten testen neue Kommunikationswege für Fahndungszwecke, Heise online vom 18.5.2003, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kriminalisten-testenneue-Kommunikationswege-fuer-Fahndungszwecke-79305.html (26.4.2020). 143 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24.  144 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 145 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25 f.). Des Weiteren erwähnte Valerius, S. 36, einen Einsatz des UMTS-Systems zur Verbreitung von Audio- und Videodateien. 146 dpa / dpa / anw, Kriminalisten testen neue Kommunikationswege für Fahndungszwecke, Heise online vom 18.5.2003, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kriminalisten-testenneue-Kommunikationswege-fuer-Fahndungszwecke-79305.html (26.4.2020), siehe hierzu auch Valerius, S. 37. 147 Dietlin, Der Kriminalist 7–8/2005, 305 (307 f.) mit Beispielen für die damalige Gestaltung der Internetfahndung auf Seiten des BKA. Veröffentlicht wurden zu Fahndungszwecken nach Personen und Sachen außer Fotos auch Filme. 148 Leitner, S. 160 f. m. w. N. 149 Bundesamt für Polizei fedpol, swisspolice.ch  – Eine schweizerische Fahndungsplattform im Internet, https://www.fedpol.admin.ch/fedpol/de/home/aktuell/news/1999/1999-0915.html (26.4.2020). 150 Rötzer, Florian, Internetfahndung in der Schweiz, Telepolis vom 26.7.2003, http://www. heise.de/tp/druck/mb/artikel/15/15309/1.html (26.4.2020).

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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mutmaßlichen Sexualstraftäter mit von BKA-Technikern rekonstruierten Bildern des Tatverdächtigen151. Neben der Entwicklung neuer Fahndungsmöglichkeiten im Internet wurde ab Ende 2002 von 11 ausgewählten Polizeidienststellen des Bundes und der Länder auch der Einsatz der SMS-Fahndung getestet. Sie richtete sich an bestimmte Zielgruppen, die im öffentlichen Raum präsent sind, wie z. B. Bus- und Taxifahrer, Wachdienste, Bankpersonal. Auf diese Weise war es möglich, Beschreibungen von gesuchten Personen (Straftätern, entwichenen Häftlingen, Vermissten), Kfz-Kennzeichen sowie Fahndungsbilder (auch per MMS) zu verbreiten152. Diese Methode führte jedoch nur zu einem mäßigen Erfolg und das Projekt wurde nach der Erprobungsphase 2005 eingestellt153. Des Weiteren wurden seit 2002 Fahndungsaufrufe von Länderpolizeien, BKA sowie Justizbehörden im Fernsehen per Videotext veröffentlicht. Beteiligt an dem Projekt waren Privatsender, u. a. RTL, Sat1, Pro7, Kabel1, VOX und N24154.

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung In der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts zeichnet sich bei der Durchführung von Internetfahndungen eine Akzentverschiebung ab. Dienten bzw. dienen die Homepages der Strafverfolgungsbehörden (bzw. in einigen Bundesländern die Plattform presseportal.de der dpa-Tochter news aktuell) stets als der primäre Ort für die Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen, erfolgte mit steigender Popularität von sozialen Netzwerken eine Koppelung ausgewählter Aufrufe mit Facebook, Twitter oder Google+. Der entscheidende Grund für den Entschluss der Strafverfolgungsbehörden zum Einsatz sozialer Netzwerke zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen war der Wunsch, jüngere, dort aktive Bevölkerungsgruppen zu erreichen155, die auf traditionelle Informationskanäle wie Druckpresse, 151

Borchers, Detlef, Interpol erhält Mandat für Bild-Internetfahndung nach Kinderschändern, Heise online vom 9.11.2007, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Interpol-erhaeltMandat-fuer-Bild-Internetfahndung-nach-Kinderschaendern-193743.html (26.4.2020). Zur Internetfahndung von Interpol Meyer / Hüttemann, ZStW 128 (2016), 394. 152 Dietlin, Der Kriminalist 7–8/2005, 305 (308); H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (26); dpa / dpa / anw, Kriminalisten testen neue Kommunikationswege für Fahndungszwecke, Heise online vom 18.5.2003, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Kriminalisten-testenneue-Kommunikationswege-fuer-Fahndungszwecke-79305.html (26.4.2020). 153 Zu den Ergebnissen im Einzelnen Eckert, Kriminalistik 2005, 489 f.; siehe auch o. V., Verbrecherjagd. SMS-Fahndung floppt, Spiegel Online vom 28.12.2004, http://www.spiegel.de/ netzwelt/web/verbrecherjagd-sms-fahndung-floppt-a-334577.html (26.4.2020); o. V., Fahndung per SMS. „Die Idee wird nicht weiter verfolgt“, Spiegel Online vom 30.9.2005, http://www. spiegel.de/netzwelt/web/fahndung-per-sms-die-idee-wird-nicht-weiter-verfolgt-a-377594.html (26.4.2020). 154 Dietlin, Der Kriminalist 7–8/2005, 305 (308) mit einer Videotextseite von RTL; H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (26); tetz, Deutsche Polizei 1/2003, 3. 155 2011 waren 76 % der Internetnutzer in Deutschland Mitglied zumindest eines sozialen Netzwerks, darunter 72 % der 14–29-Jährigen bei Facebook, BITKOM-Studie 2011, S. 3 f., 5.

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

Rundfunk und Fernsehen immer seltener zurückgreifen156. Diese Motivation bezeichnete plakativ die Polizei Hannover: „Kriminalität ist jung, das Facebook-Publikum ist es auch“157. Ein anderer wesentlicher Gesichtspunkt, der sich im Laufe der Zeit für die Polizei als immer wichtiger erwies, war die Entwicklung des Marktes mobiler Endgeräte158. Benutzten in der Geburtsstunde der Internetfahndung die meisten Internetnutzer noch einen stationären PC, wurde in der ersten Dekade der 2000er-Jahre der Laptop immer populärer, während das zweite Jahrzehnt durch eine rasche Entwicklung miniaturisierter Endgeräte wie Smartphones und Tablets geprägt wird159. Nicht zu unterschätzen ist dabei die preisgünstige Zugänglichkeit von Datenpaketen160 bzw. die Popularisierung von WLAN-Verbindungen über vielerorts kostenlose Hotspots im öffentlichen Raum. Bezogen auf die Internetfahndung ist diese Zeit durch eine Wechselwirkung zwischen der Entwicklung praktischer und rechtlicher Lösungen geprägt: Einerseits erzwang der praktische Einsatz sozialer Netzwerke eine Reaktion des Normgebers, wobei diese der tatsächlichen Entwicklung zeitweise hinterherhinkte, andererseits erforderten neue rechtliche Bestimmungen ihre Bewährungsprobe in der Praxis.

I. Entwicklung in der Praxis 1. Einsatz sozialer Netzwerke zur Internetfahndung a) Pilotprojekt der Polizeidirektion Hannover und die Reaktion des Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen Der zeitlichen Abfolge nach war die Polizeiinspektion Harburg im Januar 2011 die erste deutsche Dienststelle, die Facebook zu Fahndungszwecken nutzte. Gleichwohl gelang es einer anderen niedersächsischen Behörde, der Polizeidirektion Hannover, mit ihrem Pilotprojekt „Polizei 2.0“ einen (nicht nur) deutschlandweiten Bekanntheitsgrad zu erlangen. Mitte Februar 2011 errichtete sie auf Facebook ein sog. privates Profil161, auf dem sie einen Fahndungsaufruf nach der 156

Kolmey, DRiZ 2013, 242 (243); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (764, 766). Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). 158 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (221); ders., Die Polizei 2015, 277 (281). 159 Während 2012 der Internetzugang noch meist über einen stationären PC erfolgte, hatte das Smartphone 2016 den Laptop zum ersten Mal als „wichtigstes Internetdevice“ überholt, vgl. Ergebnisse der ARD / ZDF Onlinestudien in van Eimeren / Frees, Media Perspektiven 2012, 362 (366) und Koch / Frees, Media Perspektiven 2016, 418 (418, 423). 160 2019 sind Datenpakete preisgünstiger als der Bezug der Tagespresse. 161 Die Polizei befürchtete eine unsachgemäße Verwendung der Kommentarfunktion durch Nutzer. So war es nicht möglich, die Seite zu abonnieren und Kommentare zu einzelnen Beiträgen abzugeben, Drews, Vivien-Marie / Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, Hannoversche Allgemeine vom 5.4.2011, http://www.haz. de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Polizei-Hannover-fahndet-via-Facebook (26.4.2020); Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (50 f.). 157

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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vermissten 19-jährigen Çiçek Ö. aus Burgwedel veröffentlichte162. Dieser Aufruf wurde 10.000-mal geteilt163. Die Polizei bezweckte jedoch, zur Verbreitung der Veröffentlichungen längerfristig auf eine eigene Abonnentengruppe (sog. Fan­ gemeinde) zurückzugreifen und errichtete kurze Zeit später auf Facebook ein sog. Unternehmensprofil – eine „Fanpage“164. Das zunächst für sechs Monate vorgesehene Modellprojekt begann offiziell am 1.3.2011165. Seine Resonanz unter der Facebook-Community war überwiegend positiv, hervorgehoben wurde ein unkompliziertes Auftreten der postenden Polizeibeamten166. Im Laufe des Pilotprojektes erreichte die Seite „Polizei Hannover“ 26.500 Fans bzw. Abonnenten167. Ende Mai 2011 wurde der erste Fahndungserfolg verzeichnet. Im Laufe des Modellprojektes wurden acht von 60 veröffentlichten Fällen aufgeklärt168, wobei der entscheidende Hinweis jeweils innerhalb weniger Stunden nach der Veröffentlichung kam169. Parallel zu den Facebook-Fahndungen wurden Meldungen in klassischen Medien veröffentlicht, sie führten jedoch im Vergleich zu Facebook nicht zu einem Fahndungserfolg170. Anders als die Polizeiinspektion Harburg, die auf Facebook keine Fahndungsbilder veröffentlichte, sondern auf die Pressemitteilungen auf ihrer Homepage verlinkte, posteten die Hannoveraner im Laufe des Modellprojekts Abbildungen und subjektive Porträts von gesuchten Personen171. 162 Impulsgeber für die Polizei war der Fall einer vermissten 15-Jährigen aus Gummersbach in Nordrhein-Westfalen, deren Vater auf Facebook einen Fahndungsaufruf veröffentlichte, woraufhin eine enorme Anzahl von Hinweisen die örtlich zuständige Polizei überflutete. 163 Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (50 f.). 164 So wurde es den Nutzern nicht nur möglich, die einzelnen Meldungen zu „liken“ und zu teilen, sondern auch zu kommentieren und die Nachrichten zu abonnieren. 165 Präsident der Polizeidirektion Hannover: „Wir erhoffen uns davon, mit unseren Themen noch mehr Menschen als bisher zu erreichen. Das gilt insbesondere für unsere öffentlichen Zeugenaufrufe“, zitiert nach Diehl, Jörg, Fahndung bei Facebook: Der Polizei gefällt das, Spiegel Online vom 27.10.2011, http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fahndung-beifacebook-der-polizei-gefaellt-das-a-793974.html (26.4.2020). 166 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (17); Hawellek / Heinemeyer, ZDAktuell 2012, 02730. 167 Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (59 f.). 168 Zwei gefährliche Körperverletzungen, ein Sexualdelikt, ein Auto- und ein gewerbsmäßiger Diebstahl, zwei Vermisstenfälle sowie ein Landfriedensbruch, siehe Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (59 f.); Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (17); Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 169 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (17): Nach zwölf Stunden; Kolmey, DRiZ 2013, 242 (243). 170 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (17) zu den ersten sechs Fällen bis zum 10. August 2011. 171 Drews, Vivien-Marie / Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, Hannoversche Allgemeine vom 5.4.2011, http://www.haz.de/Hannover/Aus-derStadt/Uebersicht/Polizei-Hannover-fahndet-via-Facebook (26.4.2020). Auch in den genannten aufgeklärten Fällen waren Abbildungen der gesuchten Personen in den Fahndungsaufrufen enthalten, Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (59 f.). Von der Polizeidirektion Hannover wurde in diesem Zusammenhang die Leichtigkeit der Entfernbarkeit solcher Aufrufe, auch Bilddateien, von Facebook betont, Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18).

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

Die Veröffentlichung personenbezogener Daten bei Facebook, insbesondere Abbildungen von Gesuchten, war einer der Gründe, die den niedersächsischen Landesbeauftragten für den Datenschutz dazu veranlassten, ein Veto172 gegen die polizeiliche Facebook-Fahndung anzumelden173. Für die Übermittlung personenbezogener Daten ins Ausland, die anschließend von Facebook auf Servern in den USA gespeichert wurden, fehle es an „einer normenklaren strafprozessrechtlichen und telemedienrechtlichen Ermächtigungsgrundlage“174. Damit verbunden sei ein Kontrollverlust der Polizei über die von ihr eingestellten Daten175. Ein weiteres datenschutzrechtliches Problem betraf die Speicherung und Verwendung personenbezogener Daten von Facebook-Nutzern176, insbesondere die Vornahme einer sog. Reichweitenanalyse und Profilbildung177. Es wurde deshalb teilweise vertreten, das Betreiben von Facebook-Fanpages generell und speziell zu Fahndungszwecken sei rechtswidrig178. Hervorgehoben wurden auch Einwände völkerrechtlicher Natur: Die Datenspeicherung und -verarbeitung auf Servern in den USA, gleichbedeutend mit einem hoheitlichen Handeln auf fremdem Staatsgebiet, würde jeweils ein Rechtshilfeersuchen erfordern, und Deutschland habe kein derartiges Abkommen mit den USA geschlossen179. Schließlich war auch ein nicht auszuschließender

172 Vgl. aber die Stellungnahme des stellvertretenden Landesbeauftragten für Datenschutz in der Anfangsphase der Facebook-Fahndung: „Sobald Inhalte wie Fotos von Tatverdächtigen im Internet stehen, sind sie in der Welt. Das ist aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht schön, aber das ist nicht zu ändern.“ So gesehen sei die Fahndung über Facebook nicht drastischer zu bewerten als die Veröffentlichung von Zeugenaufrufen auf der Internetseite der Polizei. „Wir haben es eher mit einem gesellschaftspolitischen als mit einem datenschutzrechtlichen Problem zu tun“, bei Drews, Vivien-Marie / Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, Hannoversche Allgemeine vom 5.4.2011, http://www.haz.de/ Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Polizei-Hannover-fahndet-via-Facebook (26.4.2020). 173 Die Auflistung der relevantesten Datenschutzverstöße von Facebook bei Weichert, in: JBÖS 2012/13, S. 379 (380 f.). 174 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 120 f., 125. 175 Kolmey, DRiZ 2013, 242 (244), den Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsens zitierend. 176 Ein weiteres damit zusammenhängendes Problem betraf die Sammlung von Daten infolge einer (potenziellen) Verwendung von sog. Social-Plugins auf den Homepages, die auf soziale Netzwerke verweisen. Die Datenschützer haben öffentliche Stellen aufgerufen, SocialPlugins nicht zu verwenden, Entschließung der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 28./29. September 2011, Datenschutz bei sozialen Netzwerken jetzt verwirklichen!, https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungs​ sammlung/DSBundLaender/82DSK_SozialeNetzwerke.html (26.4.2020). Diese Vorgabe wurde durch Strafverfolgungsbehörden überwiegend eingehalten, siehe unter Pkt. A. I. 1. c) des 3. Teils. 177 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 121 f., 125 f. Siehe auch unter Pkt. A. II. 4. des 3. Teils. 178 ULD, Datenschutzrechtliche Bewertung, S. 20 f.; in diese Richtung Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 121 f., 125 f. 179 Kolmey, DRiZ 2013, 242 (244).

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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Datenzugriff amerikanischer Sicherheitsbehörden, etwa im Rahmen des PRISMProgramms, problematisch180. Diese Kontroversen führten Anfang 2012 zu einer zeitweisen Suspendierung der Facebook-Fahndung181. Aufgrund erwarteter weiterer Erfolgsaussichten wurde sie jedoch nach kurzer Zeit wiederaufgenommen. Um den Vorwurf der Übermittlung personenbezogener Daten der Gesuchten ins Ausland auszuräumen, wurde diesmal bei Facebook lediglich ein allgemeiner Hinweis auf die Öffentlichkeitsfahndung mit einem Link zum Fahndungsaufruf auf die polizeiliche Homepage (auf polizeieigenem Server im Inland) gepostet. Diese wiederum enthielt eine Bezeichnung bzw. Abbildungen der gesuchten Person182. Seit Juni 2012 wurde die Betreuung der niedersächsischen Fahndungs-Fanpage auf Facebook vom LKA Niedersachsen übernommen183. b) Allmählicher Einsatz sozialer Netzwerke zur Fahndung in anderen Bundesländern Andere Bundesländer verfolgten die Erfahrungen aus Hannover mit Interesse, allerdings standen sie einer eigenen Umsetzung, nicht zuletzt wegen der datenschutzrechtlichen Kontroverse184, anfangs größtenteils eher zurückhaltend gegen 180

Stellungnahme der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen in: M ­ orchner, Tobias, Bedenken von Datenschützern. Ministerium stoppt Facebook-Fahndung der Polizei, Hannoversche Allgemeine vom 20.01.2012, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/ Uebersicht/Ministerium-stoppt-Facebook-Fahndung-der-Polizei (26.4.2020); Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (96). Siehe auch Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (24 f.). Zum Datenzugriff durch US-Sicherheitsbehörden siehe Maisch, S. 141 ff.; 196 f. Zur aktuellen Situation unter Geltung der EU-U. S. Privacy Shield siehe edpb, EU – U. S. Privacy Shield – Third Annual Joint Review, S. 5 ff.; 17 ff.; 30 ff. 181 Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 182 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 120 f. Diese Lösung wurde bereits 2012 durch den Bundesdatenschutzbeauftragten befürwortet, Wilkens, Andreas, Schaar: Skepsis gegenüber Facebook-Fahndung, Heise online vom 16.11.2012, http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schaar-Skepsis-gegenueber-FacebookFahndung-1751005.html (26.4.2020). 183 LKA Niedersachsen (Polizei Niedersachsen Fahndung), Meldung vom 1.6.2015, https:// web.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/photos/a.390726910946617.95573.360 574570628518/964679880217981/?type=3&theater (26.4.2020). 184 So z. B. Bremen und Nordrhein-Westfalen, vgl. Stellungnahme des Senats zum „35. Jahresbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz“, Drs. 18/1037 vom 27.8.2013, S. 7, vgl. auch Nr. 3.3.4. der Dienstanweisung über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Bremen (Entwurf vom 18.9.2012), http://docplayer.org/15745067-Dienstanweisung-ueberdie-presse-und-oeffentlichkeitsarbeit-der-polizei-bremen.html (26.4.2020); Drews, Vivien-​ Marie / ­Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, Hannoversche Allgemeine vom 5.4.2011, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Ueber​ sichtPolizei-Hannover-​fahndet-via-Facebook (26.4.2020). Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen hielt das Betreiben einer Facebook-Fanpage sowie die Verwendung einer Link-Lösung für rechtswidrig, vgl. Schreiben an

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

über185. Die Skepsis, allgemein bezogen auf die Präsenz in sozialen Netzwerken, betraf auch die Befürchtung eines „potenziellen Kontrollverlustes und mangelnder Steuerbarkeit des Kommunikationsverlaufs“186. Noch 2011 folgte jedoch im Juli die Facebook-Fahndung der Polizei Hessen (koordiniert durch das LKA Wiesbaden)187 und im August der Polizei Mecklenburg-Vorpommern188. Im Dezember desselben Jahres veröffentlichte das BKA auf seiner neuerrichteten Fanpage Lichtbilder der Tatverdächtigen der NSU-Zwickauer-Terrorzelle sowie der ihnen zugeordneten Gegenstände189. Die Facebook-Vorläufer aus Harburg sowie die Kriminalpolizei

den Senator für Inneres und Sport vom 26.11.2014, Betreiben eine (sic) facebook – „Fanpage“ durch die Polizei Bremen, www.medienausschuss.bremische-buergerschaft.de/sixcms/media. php/13/Top4_WMDI_StellungnahmederLfDI.pdf (14.10.2015); Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit der Freien Hansestadt Bremen, 35. Jahresbericht, S. 39. Gleichwohl erklärten sich die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder offen für die Möglichkeit, „Fahndungsdaten nur auf den Websites der Polizei zu veröffentlichen. Sofern die Öffentlichkeit sozialer Netzwerke zu Fahndungszwecken genutzt werden soll, dürfen die Fahndungsdaten nicht Bestandteile des Angebots der sozialen Netzwerke werden“, siehe Pressemitteilung zum Abschluss der 84. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 7./8.11.2012 in Frankfurt (Oder): Datenschutz der Zukunft jetzt gestalten!, https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2012/84DSK_PresseinfoLDA. html?nn=5217154 (26.4.2020). 185 Vgl. Mannsmann, Urs, Freigabe für Facebook-Fahndung bei der Polizei Hannover, Heise online vom 6.2.2012, http://www.heise.de/newsticker/meldung/Freigabe-fuer-FacebookFahndung-bei-der-Polizei-Hannover-1428691.html (26.4.2020). 186 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (49); dies., Die Polizei 2014, 153 (158). Zu den noch 2015 existierenden Vorbehalten seitens der Behörden siehe auch Berthel, Die Polizei 2015, 277 (282 f.). 187 Polizei Hessen, Meldung vom 7.7.2011, https://www.facebook.com/182045575190291/ posts/313764465351734/ (26.4.2020). Später auch die Polizei Mittel-, West-, Süd- und Südosthessen, Frankfurt. Siehe auch dpa / plö / LTO-Redaktion, Verbrechersuche im sozialen Netz. Hessische Polizei will Facebook-Fahndung verstärken, LTO vom 11.12.2012, https://www.lto. de/recht/nachrichten/n/polizei-facebook-fahndung-hessen-rechtsgrundlage/ (26.4.2020). 188 Polizei Mecklenburg-Vorpommern teilte ihre Absicht mit, auf Facebook zu fahnden, wies in der Anfangsphase (Meldung vom 11.9.2011) darauf hin, dass sich die Aufrufe auf der Homepage befinden, https://www.facebook.com/PolizeiMV/posts/286755421340101 (26.4.2020); Ablehnung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit MecklenburgVorpommern, Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern, 10. Tätigkeitsbericht, S. 20. 189 Pressemitteilung des BKA und des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 16.12.2011, https://www.bka.de/DE/Presse/Listenseite_Pressemitteilungen/2011/111216_ Fahndungfacebook.html (21.2.2018); https://www.facebook.com/notes/bundeskriminalamt/ willkommen-auf-der-offiziellen-bka-facebook-seite/290719680970218/ (1.2.2018). Siehe auch siu, BKA veröffentlicht Urlaubsfotos von Neonazi-Trio, Spiegel Online vom 8.5.2012, http:// www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-bka-veroeffentlicht-urlaubsfotos-von-neonazi-trio-a-832​ 088.html (26.4.2020); dapd, Zeitung: BKA erhielt nur drei NSU-Hinweise über FacebookFahndung, Westfalenpost vom 10.5.2012, https://www.wp.de/nachrichten/zeitung-bka-erhieltnur-drei-nsu-hinweise-ueber-facebook-fahndung-id6641324.html (26.4.2020). Das BKA fahndete in den Anfangszeiten auf Facebook u. a. auch in Fällen von Steuerhinterziehung, Betrug sowie Geldwäsche. Permanent auf Facebook ist das BKA seit 1.7.2016 vertreten.

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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Bremerhaven stellten nach einiger Zeit den Betrieb ihrer Fanpages ein190. Andere Behörden, wie die Polizeipräsidien Stuttgart und München, waren auf Facebook zwar vertreten, veröffentlichten anfangs allerdings keine Fahndungsaufrufe191. Politische Entscheidungsträger äußerten sich zu dem Einsatz von Facebook zu Fahndungszwecken positiv192, des Weiteren entstanden polizeiliche Projektgruppen, um die Nutzungsmöglichkeiten sozialer Netzwerke u. a. für die Öffentlichkeitsfahndung im Rahmen einer Studie umfassend zu untersuchen. Zu ihnen gehörten etwa die im Frühjahr 2012 gegründete „Projektgruppe Neue Medien“ der Polizei Berlin193 oder die im Oktober 2013 berufene Projektgruppe „Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter (DigiPol)“ unter Einbeziehung des Sächsischen Datenschutzbeauftragten194. Auch auf europäischer Ebene war die Verwendung sozialer Netzwerke zur Fahndung bereits 2011 ein Thema. Die Untersuchung u. a. dieses Aspekts der polizeilichen Arbeit war Gegenstand des internationalen Projektes COMPOSITE (Comparative Police Studies in the EU), an dem Polizeien sowie Hochschulen aus mehreren EU-Mitgliedsstaaten beteiligt waren195.

2014 betrieben 32 Strafverfolgungsbehörden eine Facebook-Fanpage, von denen 12 diese auch zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen verwendeten196. Heute ist die Fahndung über soziale Netzwerke ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil polizeilicher Präsenz im Internet. Inzwischen (Stand: November 2019) sind ca. 150 Polizeibehörden, darunter Dienststellen aller 16 Bundesländer, das BKA und die Bundespolizei, auf verschiedenen sozialen Plattformen, vor allem auf Facebook und Twitter aktiv und nutzen diese, außer zu Fahndungszwecken, u. a. auch zur Verbreitung aktueller Informationen und Nachwuchswerbung197. 190

Ihwas, S. 268 Fn. 929; Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730; Kummetz, Daniel, Polizei in sozialen Netzwerken: Facebook-Freunde helfen beim Fahnden, Taz vom 28.12.2011, http://www.taz.de/!5104431 (26.4.2020). 191 Näher zu der Facebook-Fanpage der Polizei Stuttgart Ihwas, S. 268. 192 Etwa Sächsischer Landtag, 5. Wahlperiode, Antrag Drs. 5/11885 sowie die sächsische Staatsregierung, siehe: Grundsatzpapier Sachsen weiterdenken, Einladung zum Dialog, Dresden 2013, S. 88, zitiert von Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (22). Zum Einsatz der JUNGEN POLIZEI (Nachwuchsorganisation der Deutschen Polizeigewerkschaft) bei Politikern und Datenschützern für die Akzeptanz dieser Fahndungsmethode zu werben, siehe o. V., Polizeispiegel 7/8/2012, S. 11; o. V., Polizeispiegel 9/2012, S. 12; o. V., Polizeispiegel 1/2/2014, S. 16. 193 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 4. 194 Hierzu Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (23 ff.). 195 Vgl. hierzu: Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Practice, S. 15 f., 17, 18 f., insbesondere mit Beispielen aus Großbritannien und Niederlanden; Denef / Kaptein / Bayerl / Birdl u. a., ICT Trends, S. 35. 196 Rogus / Rüdiger, S. 10, 13, 36. 197 Vgl. https://pluragraph.de/categories/polizei/organisations?view=list (15.11.2019). Auf dieser Seite sind die meisten in sozialen Medien präsenten deutschen Polizeibehörden aufgelistet, allerdings wird dort nicht zwischen den einzelnen Zwecken der Seiten unterschieden (z. B. Fahndung, Karriere); siehe auch Präsentation des BKA https://prezi.com/lwhddoanc0h-/ social-media-map-der-deutschenpolizei/?utm_campaign=share&utm_medium=copy, Stand: 16.3.2017 (26.4.2020).

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

2. App-Anwendungen für mobile Endgeräte Die Polizei war sich der immer größeren Verbreitung mobiler Endgeräte und ihres Einsatzes als Kommunikationsmittel und Informationsquelle bewusst198 und so wurden, gewissermaßen parallel zu dem Einsatz sozialer Netzwerke zu Fahndungszwecken, in mehreren Bundesländern Arbeiten an Mobilfunk-Applikationen, sog. Polizei-Apps, in Angriff genommen. Die Pionierarbeit auf diesem Gebiet wurde 2011 durch die Polizei Nordrhein-Westfalen geleistet. Außer aktuellen Fahndungsaufrufen wurden bei der Smartphone-Applikation für iPhone u. a. Informationen über aktuelle Unfälle sowie Unwetterwarnungen veröffentlicht199. Das Programm erfreute sich großer Beliebtheit unter den Nutzern, wurde jedoch nach einiger Zeit wegen eines Hackerangriffs auf die Homepage der Polizei NRW im Januar 2012 wieder eingestellt200. Auf Veranlassung der Innenministerkonferenz (IMK) entstand die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gemeinsame Polizei-App der Länderpolizeien“, die u. a. zur Möglichkeit der Nutzung einer bundesweiten Polizei-App Stellung nehmen sollte. Aus ihrem freigegebenen Zwischenbericht vom 1.10.2014 ergibt sich, dass die meisten Bundesländer der Initiative grundsätzlich wohlwollend gegenüberstanden, auch die Möglichkeit eines potenziellen Einsatzes einer solchen App zu Fahndungs­zwecken wurde gesehen201. Der Sachstandbericht der Arbeitsgruppe vom 24.9.2015 (nicht freigegeben) wurde von der IMK zur Kenntnis genommen, zur Frühjahrssitzung 2018 sollte sie einen Umsetzungsvorschlag unterbreiten202. Dieses Projekt wurde jedoch wegen unterschiedlicher Ansichten zur Umsetzung, zum Inhalt und zu den Zielgruppen der Applikation ohne Ergebnis beendet203. Auch in den einzelnen Bundesländern wurden die Voraussetzungen sowie die Erforderlichkeit des Einsatzes einer Polizei-App auch für die Öffentlichkeitsfahndung untersucht, so etwa in Sachsen durch die polizeiliche 198

Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (26). Drews, Vivien-Marie / Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, Hannoversche Allgemeine vom 5.4.2011, http://www.haz.de/Hannover/Aus-derStadt/Uebersicht/Polizei-Hannover-fahndet-via-Facebook (26.4.2020). 200 Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gemeinsame Polizei-App der Länderpolizeien“, Stand 1.10.2014, S. 7, 11, https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/ termine/to-beschluesse/14-12-11_12/anlage23.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (26.4.2020); o. V., Westfalen-Blatt: Hacker sollen NRW-Polizei angegriffen haben, presseportal.de vom 2.2.2012, https://www.presseportal.de/pm/66306/2192138 (26.4.2020); o. V., Westfalen-Blatt: Thema: Hackerangriff auf die Internetseite der Polizei in Nordrhein-Westfalen hat keine strafrechtlichen Folgen. Innenministerium verzichtet auf Strafantrag, presseportal.de vom 22.3.2012, https://www.presseportal.de/pm/66306/2221842 (26.4.2020); Diehl, Jörg, Verdacht auf Hack-Attacke. Polizei in NRW geht offline, Spiegel Online vom 3.2.2012, https://www. spiegel.de/netzwelt/web/verdacht-auf-hack-attacke-polizei-in-nrw-geht-offline-a-813176.html (26.4.2020). 201 Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Gemeinsame Polizei-App der Länderpolizeien“, Stand 1.10.2014, S. 12 ff., 15 ff., https://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/ termine/to-beschluesse/14-12-11_12/anlage23.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (26.4.2020). 202 203. IMK vom 3. bis 4.12.2015 in Koblenz, TOP 14: Gemeinsame Polizei-App, Pkt. 1, 2.  203 Antwort auf Anfrage der Verfasserin an LKD a. D. Ralph Berthel, den damaligen DigiPolProjekt­leiter. 199

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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Projektgruppe DigiPol204 und in Berlin durch die Projektgruppe Neue Medien205. 2013 wurde die Polizei-App der Polizei Brandenburg auf den Markt gebracht, zunächst für iOS-Systeme, 2014 eine Android-Version206. Außer aktuellen Meldungen, Terminen und Warnungen sind dort auch Fahndungsaufrufe zu finden. Das Projekt der Berliner Polizei, eine eigene App zu entwickeln207, wurde aus Kostengründen zwar aufgegeben, im Gespräch war jedoch die gemeinsame Nutzung der Applikation mit der Polizei Brandenburg208. Zurzeit stellt die Applikation der Polizei Brandenburg die einzige offizielle App dieser Art in Deutschland dar209. Der polizeiliche Einsatz von Smartphone-Apps zu Fahndungszwecken ist außerhalb Deutschlands schon länger verbreitet. Die Bevölkerung Großbritanniens wird seit 2012 über die sog. Facewatch ID von Scotland Yard um Mithilfe gebeten. Über die App werden Bilder von Überwachungskameras hochgeladen, die Nutzer können etwa auf Fotos aus ihrer Gegend zurückgreifen. Darüber hinaus wurde eine spezielle App für Geschäftsinhaber entwickelt, um es ihnen zu ermöglichen, Straftaten direkt zu melden sowie Zeugenaussagen und Bilder von Überwachungskameras hochzuladen210. In Österreich wird die Polizei-App „Polizei. AT“ des Bundeskriminalamtes seit 2013 auch zu Fahndungszwecken genutzt211 und kann über die offizielle Seite des Bundesministeriums für Inneres heruntergeladen werden212. Die Polizei in den Niederlanden verfügt seit 2013 über eine zentrale „Politie app“, über die auch lokale Fahndungsaufrufe nach Vermissten und Tatverdächtigen aufgerufen werden sowie Hinweise erteilt werden können213. Auch die Schlesische Polizei in Polen setzt seit 2015 App-Technik zur Öffentlichkeitsfahndung ein214. 204

Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (23). Eine Untersuchung zum möglichen Einsatz einer Polizei-App durch die Polizei Sachsen bei Henze, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 157 ff. 205 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 27 f., 35. 206 http://www.a-b-one-digital.de/referenzen/auswahl/polizei-brandenburg.html (26.4.2020). Zu der Entstehung der Polizei-App der Polizei Brandenburg im Einzelnen Remus, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 149 (150 f.). 207 Siehe hierzu dpa / bb, Berliner Polizei plant eigene App für 60.000 Euro, 21.7.2015, http:// www.berlin.de/aktuelles/berlin/3933137-958092-berliner-polizei-plant-eigene-app-fuer-6.html (26.4.2020). 208 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 209 Zu beziehen sind auch private Fahndungs-Apps, http://www.chip.de/downloads/Fahn​ dung-iPhone-App_73984736.html (26.4.2020); http://www.saschas-bastelstube.de/apps-such​ maschine/app-fahndung-fahndungsapp_558177552.html (26.4.2020) mit Fahndungen von BKA, Interpol, FBI, Schweizer Polizei, BM.I Österreich sowie LKÄ und Polizei der Bundesländer. 210 Sotscheck, Ralf, Scotland Yard im iPhone, Taz vom 26.2.2012, http://www.taz.de/!96172/ (26.4.2020); Mahncke, Julia, Scotland Yard sucht Verbrecher per App, Deutsche Welle vom 28.6.2012, http://www.dw.com/de/scotland-yard-sucht-verbrecher-per-app/a-16056863 (26.4.2020). 211 O. V., Österreichische Polizei geht mit Smartphone-App auf Verbrecherjagd, Der Standard vom 21.7.2013, https://derstandard.at/1373513263108/Oesterreichische-Polizei-geht-mitSmartphone-App-auf-Verbrecherjagd (26.4.2020). 212 http://www.bmi.gv.at/612/start.aspx (26.4.2020). 213 https://www.politie.nl/themas/politie-app.html?sid=b77df0ae-a059-4f71-a414-c1ffb04​cd​​ 913 (26.4.2020); https://www.politie.nl/nieuws/2013/december/16/00-nieuw-de-politie-app. html (28.2.2018). 214 http://slaska.policja.gov.pl/kat/policja-slaska/aplikacja-mobilna/152000,Aplikacja-naurzadzenia-mobilne.html (26.4.2020).

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

II. Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens 1. Erarbeitung neuer Regelungen in Anlage B RiStBV Der Einsatz sozialer Netzwerke zur Verbreitung von Fahndungsaufrufen und damit zusammenhängende praktische und rechtliche Fragen waren Gegenstand mehrerer Beratungen der Innenministerkonferenz (IMK) sowie der Justizministerkonferenz (JuMiKo)215. Bereits 2012 wurde von beiden Gremien die Relevanz der Nutzung sozialer Netzwerke für die Öffentlichkeitsfahndung betont216. Der Unterausschuss „Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“ des Arbeitskreises II der IMK beauftragte Anfang 2012 die Bund-Länder-Projektgruppe „Soziale Netzwerke“ mit der Aufgabe, u. a. die bisherigen Erfahrungen in diesem Bereich zu erfassen und bundesweite Nutzungsstandards zu erarbeiten217. Der Abschlussbericht vom 14.2.2013 bewertete die bisherigen Erfahrungen der Polizeidirektion Hannover positiv, betonte das Potenzial dieser Fahndungsmethode und verlangte eine datenschutzkonforme Handhabung der Facebook-Fahndung (Linkbzw. Inline­framing) sowie eine „schnelle und zielgruppenorientierte Steuerung der Informationen“218. Die Nutzung sozialer Netzwerke sei eine sinnvolle Ergänzung der Fahndungsarbeit219. Mit der Behandlung rechtlicher Fragen der Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken befasste sich die Unterarbeitsgruppe „Recht“ der o. g. Bund-Länder-Projektgruppe220 und unterbreitete Vorschläge zur entsprechenden Anpassung der Anlage B RiStBV221. 215 195. IMK vom 30.5./1.6.2012, 197. IMK vom 23./24.5.2013, 198. IMK vom 4./6.12.2013, 83. JuMiKo vom 15.11.2012, 84. JuMiKo vom 14.11.2013. 216 195. IMK vom 30.5./1.6.2012, TOP 10: Nutzung und Umgang mit sozialen Netzwerken durch die Polizei – Facebook, unter Pkt. 1; 83. JuMiKo vom 15.11.2012, TOP II.8: Nutzung sozialer Netzwerke für die Aufklärung von Straftaten, unter Pkt. 1. 217 195. IMK vom 30.5./1.6.2012, TOP 10: Nutzung und Umgang mit sozialen Netzwerken durch die Polizei – Facebook, unter Pkt. 3–5. Die umfangreiche Problematik der Öffentlichkeitsfahndung wurde durch die Projektgruppe „Öffentlichkeitsfahndung“ bearbeitet, BT-Drs. 18/5672, Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE vom 24.7.2015, Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter und Antwort des Bundesministeriums des Innern vom 12.08.2015, unter Pkt. 4. 218 „Soziale Netzwerke – Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung unter Beteiligung von AG Kripo, der Unterausschüsse IuK und RV, der PL PK sowie der VK“ (nicht veröffentlicht), zitiert nach Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 8 f.; dazu auch May / Arnd, Kriminalistik 2013, 384 (385 f.). 219 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 7 mit Verweis auf Beschlussniederschrift der 52. Sitzung des Unterausschusses „Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung“ am 7./8.3.2013 in der Schwarzenkopfhütte in Spitzingsee, Bayern; TOP 6.1: Soziale Netzwerke. 220 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 12. 221 Geltung des Erheblichkeitserfordernisses für auch im Einzelfall schwerwiegende Anlasstaten, Einhaltung der Subsidiaritätsklausel, Erhöhung der Restfreiheitsstrafe bei der Fahndung nach flüchtigen Verurteilten auf zwei Jahre, zitiert in: Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 2.

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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Darüber hinaus untersuchte die Arbeitsgruppe des Unterausschusses der JuMiKo „Öffentlichkeitsfahndung in Facebook und anderen sozialen Netzwerken“ (Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses)222 seit 2013 die Erfordernisse einer rechtlichen Verankerung der Internetfahndung in sozialen Netzwerken. Ihren Arbeiten lag der o. g. Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Soziale Netzwerke“, der Ergebnisbericht der Unterarbeitsgruppe „Recht“ sowie der Abschlussbericht der GAG-Unterarbeitsgruppe „Cybercrime“ zugrunde223. Gemeinsam mit dem Strafrechtsausschuss erarbeitete sie Regelungsvorschläge zur Anpassung der Anlage B zur RiStBV, die in der neuen Nr. 3.2 Anl. B RiStBV (Nutzung des Internets) vollständig übernommen wurden. Diese Regelungen wurden seit Anfang 2016 bis dato in den meisten Bundesländern224 eingeführt225. Der Bund226 führte die Vorschrift nicht ein227. Sie wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung als Nr. 3.2 VwV-L bezeichnet, um die Verwechslungen mit der im Bund und in Bremen geltenden „alten“ Nr. 3.2 Anl. B RiStBV zu vermeiden. So ist die Einschaltung privater Internetdienstanbieter, mitunter die Nutzung sozialer Netzwerke228 für die Öffentlichkeitsfahndung „bei einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat“ unter strikter Einhaltung der Subsidiaritätsklausel zulässig (Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L). Diese Ermessensregelung ersetzte die bislang geltende „Soll-Nicht-Vorschrift“ („Private Internetanbieter sollen grundsätzlich nicht eingeschaltet werden.“) aus Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV229. Die neuen Regelungen betreffen auch Vorgaben an einen staatsanwaltschaftlichen Antrag in Bezug auf die Internetfahndung (Nr. 3.2 Abs. 2 VwV-L). Personenbezogene Daten dürfen ausschließlich auf Servern der Strafverfolgungsbehörden veröffentlicht werden (Nr. 3.2 Abs. 3 S. 1 VwV-L), wodurch die nunmehr allgemeine Praxis kodifiziert wurde. Beim Freischalten der Kommentierungsfunktion für die Nutzer

222 Mitwirkende: Hessen, Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen, Bundesministerium der Justiz. 223 Bericht des Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 1 f. Zu den Ergebnissen der GAG-Unterarbeitsgruppe „Cybercrime“ zur Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken siehe Bär, Rechtliche Herausforderungen, S. 19 f. 224 Außer Bremen, wo die Verwaltungsvorschrift ihrem Inhalt nach der Anlage B RiStBV entspricht, abgedruckt in: Soiné, § 131, S. 48–54. 225 In Hamburg mit zusätzlichen, ausführlicheren Vorgaben zur Löschung von Kommentaren, Nutzung des Internets im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung, Gemeinsame Allgemeine Verfügung der Justizbehörde und der Behörde für Inneres und Sport, AV der Justizbehörde Nr. 1/2017 vom 5.1.2017 (Az. 4208/2), Hmb. Justizverwaltungsblatt 1/2017, S. 21 (22), Nr. I.4. Die Verwaltungsvorschriften sämtlicher Bundesländer sind abgedruckt in: Soiné, § 131, S. 18–121. 226 Trotz der Beteiligung an den Arbeiten, siehe Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20 (22). 227 Gleichwohl sind in der Handlungsanweisung des BKA zur Nutzung Sozialer Netzwerke diese Vorgaben im Einzelnen aufgeführt, siehe BKA, Social Media Nutzung, S. 24 f. Daraus kann geschlossen werden, dass diese Maßgaben dennoch als Richtschnur zur „einheitlichen Sachbearbeitung“ (ebenda, S. 23 Fn. 34) angesehen werden. 228 Die Normgeber schufen diese Vorschrift in erster Linie mit dem Fokus auf FacebookAuftritte, Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20. 229 Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20 f.

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1. Teil: Genese der Internetfahndung

wurde eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung der Fanpage vorgeschrieben (Nr. 3.2 Abs. 4 S. 1 VwV-L). Der Einsatz sozialer Netzwerke zum Zwecke der Öffentlichkeitsfahndung erforderte auch eine Anpassung der polizeilichen Dienstvorschriften PDV 384.1, die 2016 erfolgte (Stand: 9/2016)230.

Die 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder positionierte sich gegenüber der Fahndung über soziale Netzwerke kritisch, lehnte sie trotzdem nicht generell ab231. Betont wurde allerdings die Intensität des Eingriffs in die Grundrechte Betroffener und die Schwierigkeit bzw. die Unmöglichkeit der Löschung veröffentlichter Daten. In vielen Punkten herrschte Einigkeit mit dem Vorschlag zur Neuregelung in Anlage B zur RiStBV (Datenspeicherung nur auf eigenen Servern232, Einsatz nur bei im Einzelfall schwerwiegenden Straftaten, technische Vorkehrungen zur Verhinderung von Weitergabe personenbezogener Daten, Vorgaben bzgl. des Antrages auf richterliche Anordnung233); allerdings sprachen sich die Datenschützer mit Nachdruck gegen die Verwendung der Kommentierungsfunktion aus234. 2. Polizeirecht Auf polizeirechtlicher Ebene waren die Ergänzung der Rechtsgrundlage in § 34 Abs. 7 POG R-P um den S. 2 mit der Möglichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung nach Personen, von denen eine Gefahr für andere Personen ausgeht235 sowie die Regelung der Öffentlichkeitsfahndung zur Ermittlung der Identität, des 230 Siehe Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/5048 vom 26.1.2017, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Internetfahndung in Schleswig-Holstein, unter Pkt. 5.  231 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erfor­ derlich!, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020). Erhebliche Bedenken meldete jedoch die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, 25. Tätigkeitsbericht, S. 115 f., an; siehe auch Berliner Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit, Bericht 2014, S. 64. 232 Zur Einhaltung der Vorgaben zur Reichweitenmessung nach §§ 13 Abs. 4 Nr. 6, 15 Abs. 3 TMG, Beachtung des Rechts auf anonyme und pseudonyme Nutzung, § 13 Abs. 6 TMG. 233 In diesem Punkt detaillierter als Nr. 3.2 Abs. 2 VwV-L sind die Forderungen der Datenschützer: „… die ausdrückliche Angabe, ob und warum die Anordnung auch die Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken umfassen soll“, wobei diese Vorgabe auch durch die in Nr. 3.2 Abs. 2 VwV-L genannte „Art“ der Öffentlichkeitsfahndung umfasst sein könnte. 234 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020); zustimmend Caspar, ZD 2015, 12 (15 f.). 235 Gesetz vom 15.2.2011, GVBl. Nr. 2, S. 26.

D. Zweite Dekade des 21. Jahrhunderts: Akzentverschiebung 

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Aufenthalts oder zur Warnung in § 21 Abs. 2 HmbPolDVG236 (seit 24.12.2019237 § 47 Abs. 2 HmbPolDVG238) bis vor Kurzem die einzigen Änderungen in diesem Bereich. Die hamburgische Vorschrift stellt eine Reaktion des Landesgesetzgebers auf das Urteil des OVG Hamburg vom 4.6.2009 dar, das die bisherige Regelung239, soweit sie die Datenübermittlung zur Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl betraf, wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsund Klarheitsgebot sowie gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit für verfassungswidrig hielt240. 2019 wurde die präventive Öffentlichkeitsfahndung in Brandenburg in § 44 Abs. 2 BbgPolG aufgenommen241, womit sie aktuell mit Stand Ende 2019 in der Landesgesetzgebung von sechs Bundesländern explizit geregelt ist242. 3. Europarecht Von Bedeutung für die Öffentlichkeitsfahndung im Internet als eine Form der Übermittlung personenbezogener Daten ist, wenn auch mittelbar, die Richtlinie 2016/680 vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates (sog. JI-Richtlinie)243. Ähnlich wie 1983 das Volkszählungsurteil macht die „‚kleine Schwester‘ der DSGVO“244 in ihrem Art. 8 Abs. 1 die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten von einer existierenden Rechtsgrundlage, Zweckgebundenheit und Erforderlichkeit für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe abhängig. Die Richtlinie war bis zum 6.5.2018 umzusetzen. Der Bundesgesetzgeber ist dem im Teil 3 des BDSG245 bereits nachgekommen246. Die legislatorische Implementierung in die StPO, die EGStPO und das IRG wurde 2019 vollzogen247.

236

Gesetz vom 30.5.2012, HmbGVBl. Nr. 23 vom 8.6.2012, S. 204. Siehe Art. 54 Hmb Verf. 238 Gesetz vom 12.12.2019, HmbGVBl. Nr. 51 vom 23.12.2019, S. 485. 239 § 21 S. 1 Nr. 2 HbgPolDVG vom 2.5.1991 (HmbGVBl. S. 187, 191). 240 OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878. 241 GVBl. I Nr. 3 vom 1.4.2019. 242 Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz. 243 ABl. L 119/89 vom 4.5.2016. 244 Schwichtenberg, DuD 2016, 605. 245 DSAnpUG-EU vom 30.6.2017, BGBl. I, S. 2097. 246 Zu der Umsetzung in den Bundesländern siehe Golla, KriPoZ 2019, 238 (239). 247 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 im Strafverfahren sowie zur Anpassung datenschutzrechtlicher Bestimmungen an die Verordnung (EU) 2016/679 vom 20.11.2019, BGBl. I, S. 1724. 237

2. Teil

Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts Die Öffentlichkeitsfahndung, so auch die Internetfahndung als eine ihrer Erscheinungsformen, kann zu repressiven wie auch präventiven Zwecken erfolgen. Die Unterscheidung zwischen der Fahndung zur Strafverfolgung und zur Gefahrenabwehr wird in der Literatur allgemein nach dem Kriterium vorgenommen, ob gegen einen Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde (bzw. ob er bereits verurteilt wurde) oder ob die Fahndung einem anderen Zweck dient1. Vor die Klammer gezogen, verdient in diesem Zusammenhang das Verhältnis der strafprozessrechtlichen und polizeirechtlichen Rechtsgrundlagen der Internetfahndung zu § 24 KUG einer kurzen Erläuterung. § 24 KUG statuiert eine Einschränkung des Rechts am eigenen Bild, das, genauso wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht entfließt2 und bezieht sich u. a. auf Verbreiten und öffentliches Zur-Schau-Stellen von Abbildungen zu Zwecken der Rechtspflege und der öffentlichen Sicherheit. Diese Norm ist jedoch keine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Abbildungen im Rahmen der Internetfahndung zu strafprozessrechtlichen oder polizeirechtlichen Zwecken; sie normiert lediglich eine Beschränkung des Umfangs des Rechts am eigenen Bild3.

A. Repressiver Bereich Nach Maßgabe der Überschrift zum Abschnitt 9a StPO stellt die Internetfahndung eine Maßnahme gleichermaßen zur Sicherstellung der Strafverfolgung sowie der Strafvollstreckung dar. Obwohl sie in der Begründung des Regierungsentwurfs zum StVÄG 1999 nur bei § 131a StPO erwähnt wurde („Die Vorschriften für die Öffentlichkeitsfahndung gelten unter besonderer Beachtung des Verhältnismäßig­ 1

Bär, CR 1997, 422 (424). Bei einer Veröffentlichung einer Abbildung zu Fahndungszwecken wird das Recht am eigenen Bild von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verdrängt, siehe Valerius, S. 42 f. Im Ergebnis offengelassen SächsVerfGH, NJW 2016, 48, der den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als eröffnet ansieht. 3 Näher Helle, S. 201 ff. Siehe auch BeckOK Urheberrecht / E ngels, § 24 KUG Rn. 2; Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 2. Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 158 bezeichnet § 24 KUG als „die einzige Rechtsgrundlage des KUG für hoheitliche Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht“; ders., NStZ 1997, 321 spricht aber von einem lediglich „deklaratorischen Grundsatz“. Ostendorf, GA 1980, 445 (448, 452) sieht in § 24 KUG einen Rechtfertigungsgrund. 2

A. Repressiver Bereich

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keitsgrundsatzes auch für das Internet.“)4, ist anerkannt, dass die Internetfahndung auch für andere repressive Fahndungszwecke der StPO Anwendung findet5.

I. Personenfahndung Die Regelungen der §§ 131 ff. StPO, die sich grundsätzlich nur auf die Fahndung nach Personen beziehen6, unterscheiden zwischen verschiedenen Fahndungszielen7 und sind dementsprechend systematisch gegliedert. Dabei determiniert der konkrete Fahndungszweck auch den Personenkreis (Beschuldigte, Verurteilte, Zeugen) und die jeweiligen, teilweise voneinander abweichenden Voraussetzungen der Durchführung der Internetfahndung. 1. Internetfahndung als Inlandsfahndung Nach der überzeugenden Auffassung in der Literatur und der Praxis ist die Internetfahndung nicht als internationale Fahndung8, vielmehr als eine Inlandsfahndung anzusehen9. Der Grund dafür ist weniger, dass die Fahndung in der Regel der Suche nach sich im Inland aufhaltenden Personen dient10, sondern dass die maßgeblichen Informationen zur Fahndung auf einem Server im Inland aufbewahrt werden11; die Tatsache, dass Fahndungsaufrufe auch im Ausland abgerufen werden können, tangiert nicht die territoriale Souveränität anderer Länder und ist nicht mit einer Vornahme von behördlichen Ermittlungen auf fremden Staatsterritorien bzw. mit der Vornahme von Zwangsmaßnahmen gegenüber einer sich im Ausland befinden 4

BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. Ausführlich zu § 131 Abs. 3 StPO Valerius, S. 57 m. w. N.; Soiné, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (133 f.). 6 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 1. Zur Sachfahndung siehe unter Pkt. A. I. 2. dieses Teils. 7 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 1. 8 Bei einer internationalen Fahndung richtet sich ein Ersuchen deutscher Ermittlungsbehörden um Fahndung an ausländische Behörden, Gerhold, ZIS 2015, 156 (172 f.). In Abgrenzung dazu ist unter einer Auslandsfahndung eine Fahndung innerhalb Deutschlands auf Ersuchen ausländischer Polizei- und Justizbehörden zu verstehen, siehe Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 251. KMR / Wankel, § 131a Rn. 4, verwendet den Begriff Auslandsfahndung im Sinne der internationalen Fahndung. Zu dieser Problematik siehe auch Soiné, NStZ 1997, 321 (322 f.). 9 Soiné, NStZ 1997, 166 (167 f.); ders., Kriminalistik 1997, 565 (565 f.); Bär, CR 1997, 422 (429); Seitz, S. 382; KMR / Wankel, § 131a Rn. 4; Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (765); Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 11; Ihwas, S. 284 f.; Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 16. A. A. Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132 f.); Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, 18. Tätigkeitsbericht, Pkt. 7.3.1.; Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 1998, Pkt. 3.4. S. 53. 10 Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (765); KMR / Wankel, § 131a Rn. 4. 11 Soiné, NStZ 1997, 166 (167 f.); ders., Kriminalistik 1997, 565 (566); Seitz, S. 382; Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 11; Valerius, S. 159; Ihwas, S. 284. 5

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

den Person gleichzusetzen12. Oder, wie es Bär formulierte: „Adressat eines Fahndungsersuchens [ist] die Öffentlichkeit und [sind] nicht im Wege der Rechtshilfe die Polizeibehörden des anderen Staates“13. Vielfach wird dabei ein Vergleich mit einer einen Fahndungsaufruf publik machenden Zeitung bzw. Fernsehsendung, die auch im Ausland bezogen werden können, gezogen14; argumentiert wird auch mit einer Vergleichbarkeit zur inländischen Fernmeldeüberwachung mit eingehenden Gesprächen aus dem Ausland15. Nichts anderes gilt für die Veröffentlichung von Links oder Inlineframes auf den polizeilichen Fanpages, etwa bei Facebook, zu den originären, umfassenden Fahndungsinformationen auf den polizeilichen Homepages, zumindest dann, wenn nach einer Person in Deutschland gesucht wird16. Insbesondere ist das Einstellen einer Meldung in deutscher Sprache für Nutzer aus Deutschland in sozialen Netzwerken, deren Server sich im Ausland befindet, nicht gleichzusetzen mit einem Hilfeersuchen ausländischer Strafverfolgungsbehörden17. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, dass die Internetfahndung nach einer im Ausland weilenden Person, wenn sie auf Ersuchen deutscher Behörden im Ausland vorgenommen wird (etwa durch ein gezieltes Fahndungsersuchen an einen anderen Staat oder Veröffentlichung der sog. Rotecken auf der Internetseite der INTERPOL18), zu einer internationalen Fahndung nach Nr. 85 RiVASt19 werden kann20. In solchen Fällen müssen aber auch die Voraussetzungen einer in-

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Soiné, NStZ 1997, 166 (167 f.); ders., Kriminalistik 1997, 565 (566). Bär, CR 1997, 422 (429). 14 Bär, CR 1997, 422 (429); KMR / Wankel, § 131a Rn. 4; Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); I­ hwas, S. 284. 15 Soiné, NStZ 1997, 166 (168); ders., Kriminalistik 1997, 565 (566 f.). 16 Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); Ihwas, S. 284. Problematisch könnten auch Fälle sein, in denen etwa auf Facebook mit Server im Ausland tatsächlich empfindliche personenbezogene Daten, etwa Abbildungen, gespeichert werden (was in der Praxis doch vereinzelt vorkam) oder in denen ausländische Behörden die deutschen Einträge teilen sollten. 17 Siehe hierzu Ihwas, S. 284 f. 18 Art. 61 Abs. 2, 3 i. V. m. Art. 1 Abs. 6 RPD (INTERPOL’s Rules on the Processing of Data). Die Fahndungsaufrufe werden auf der Seite https://www.interpol.int/How-we-work/ Notices/View-Red-Notices (26.4.2020) veröffentlicht. Art. 90 RPD ermöglicht die Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen nach vermissten Personen (sog. ­Gelbecken), Art. 91 RPD – die Veröffentlichung zur Identifizierung von unbekannten Toten (sog. Schwarzecken). Siehe auch die Liste Europe’s Most Wanted Fugitives von EUROPOL, https://eumostwanted.eu/de (26.4.2020). 19 Siehe auch Nr. 43 RiStBV, Anlage F RiStBV. 20 In diesem Zusammenhang können auch die Vorschriften von Bedeutung sein, die eine Übermittlung personenbezogener Daten an nichtöffentliche Stellen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union (§ 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 BKAG), auch nach polizeilichen Ländervorschriften (z. B. Art. 59 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BayPAG, nach Abs. 4 auch an nichtöffentliche Stellen eines Schengenassoziierten Staats; § 41 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 HmbPolDVG; § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 Nr. 1 HSOG; § 84 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SächsPVDG), und – unter strengen Voraussetzungen – an nichtöffentliche Stellen in Drittstaaten (Art. 59 Abs. 5 i. V. m. Art. 58 Abs. 4 BayPAG; § 46 Abs. 1 HmbPolDVG) vorsehen. Siehe auch §§ 77d Abs. 3, 97b IRG. 13

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ländischen Internetfahndung, etwa nach § 131 Abs. 3 StPO, erfüllt sein, m. a. W. ist dann die nationale Norm eine Ermächtigungsgrundlage für die internationale Fahndung21. Die umfassende Problematik der internationalen Rechtshilfe im Zusammenhang mit der Internetfahndung wird im Rahmen der vorliegenden Bearbeitung ausgeklammert22. 2. Begriffsbestimmung der Ausschreibung Die seit dem Inkrafttreten des StVÄG 1999 in der Kommentarliteratur und in Gesetzessammlungen inoffiziell verwendete und seit 201523 amtliche Überschrift des § 131 StPO lautet „Ausschreibung zur Festnahme“ und die des § 131a StPO „Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung“. Es bedarf einer Klärung, wie sich das Verhältnis des Begriffs der Öffentlichkeitsfahndung samt aller ihrer Erscheinungsformen, darunter auch der Internetfahndung, zu der „Ausschreibung“ gestaltet. Es stellt sich heraus, dass in diesem Zusammenhang zwei Ansätze unterschieden werden müssen, die sich vorliegend grob als „Ausschreibung im weiteren Sinne“ sowie „Ausschreibung im engeren Sinne“ bezeichnen lassen. Der Begründung des Regierungsentwurfs zum § 131 StPO StVÄG 1999, die ihrerseits die Lösung aus der Begründung zum Referentenentwurf StVÄG 1988 aufgreift24, ist zu entnehmen: „Die in der neuen Fassung gewählte allgemeinere Formulierung ‚Ausschreibung zur Festnahme‘ umfasst sowohl den Fall des bisherigen Steckbriefs, als auch, falls dies ausreicht, weniger eingreifende Maßnahmen“25. Zu der so verstandenen Ausschreibung zählen also sowohl die Öffentlichkeitsfahndung als auch Rechte der Betroffenen in einem geringeren Maße tangierende Maßnahmen wie Eintragungen in Fahndungshilfsmitteln, begrenzt örtliche Fahndungen, Auskunftsersuchen an andere Behörden26. In diesem breiteren Kontext ist daher von einer „Ausschreibung im weiteren Sinne“ auszugehen. Diese in Anbetracht der geltenden sprachlichen Fassung des § 131 Abs. 1 und Abs. 3 StPO nicht ganz klare Begriffsbestimmung des Gesetzgebers wird erklärlich, wenn man sie 21

Siehe Meyer / Hüttemann, ZStW 128 (2016), 394 (411 f.). Vgl. daneben zu der Ausschreibung nach § 131 Abs. 1 StPO und zum Europäischen Haftbefehl OLG Celle, NStZ 2010, 534. Siehe auch HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 2; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 1. 22 Siehe hierzu Soiné, NStZ 1997, 321 (323 f.); Meyer / Hüttemann, ZStW 128 (2016), 394 (411 f.). 23 Eingeführt durch Art. 1 Nr. 13 des Gesetzes zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe vom 17.07.2015, BGBl. I S. 1332. 24 Abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 50 f. 25 BR-Drs. 65/99, S. 38 = BT-Drs. 14/1484, S. 19. 26 L-R / Gleß, § 131 Rn. 1, 5, 7; Pfeiffer, § 131 Rn. 2; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 5; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3a. Siehe auch Benfer / Bialon, Rn. 1093: „Bei einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung, sei es behördenintern, sei es mittels Öffentlichkeitsfahndung …“ und 1094.

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

mit der ursprünglich vorgeschlagenen Fassung des § 131 Abs. 1 StPO, „… die Ausschreibung zur Festnahme veranlassen und Fahndungen … auch an die Öffentlich­ keit richten …“27, vergleicht. Nachdem auf Vorschlag des Rechtsausschusses28 die Öffentlichkeitsfahndung in § 131 Abs. 3 StPO verortet worden ist, ist diese gesetzgeberische Absicht aber nicht mehr deutlich erkennbar. Gleichzeitig wird die Ausschreibung in mehreren Bearbeitungen als ein Minus zur Öffentlichkeitsfahndung im Sinne eines dienstlichen Vermerks für Strafverfolgungsbehörden in polizeiinternen Informationssystemen und einer damit verbundenen Aufforderung zur Fahndung und zur Festnahme erläutert29. Legt man dieses Verständnis des Begriffes zugrunde, ist von einer „Ausschreibung im engeren Sinne“ auszugehen30. Soll diese etwas verwirrende, doppelte Begriffsbestimmung Rechtfertigung finden, gleichzeitig der Anwendungsbereich von § 131 Abs. 1 und 3 StPO sachgerecht bestimmt sowie den geltenden amtlichen Überschriften Rechnung getragen werden, muss man die amtliche Überschrift als „Ausschreibung im weiteren Sinne“, demgegenüber § 131 Abs. 1 StPO als eine „Ausschreibung im engeren Sinne“ auslegen. Für dieses Ergebnis spricht der Wortlaut und das (im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum StVÄG 1999 nicht geänderte)  Konzept des § 131a Abs. 1 StPO („Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung … darf angeordnet werden …“), sowie dessen Abs. 3 („Auf Grund einer Ausschreibung zur Aufenthalts­ermittlung … darf … auch eine Öffentlichkeitsfahndung angeordnet werden“) und Abs. 5 („Ausschreibungen … dürfen in … Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden“). Dadurch wird ermöglicht, die polizeiinterne Ausschreibung nach § 131 Abs. 1 StPO oder § 131a Abs. 1 und 2 StPO von der Öffentlichkeitsfahndung nach § 131 Abs. 3 StPO oder § 131a Abs. 3 StPO als eine ihr gegenüber mildere Maßnahme abzugrenzen31. Die Eintragung von Fahndungsinformationen in behördeninterne Fahndungssysteme wie das polizeiliche Intranet stellt keine Öffentlichkeitsfahndung dar, weil nur ein abgegrenzter, zumindest bestimmbarer Benutzerkreis Zugriff auf sie hat32. Unter den Fahndungssyste-

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BR-Drs. 65/99, S. 1 = BT-Drs. 14/1484, S. 5. BT-Drs. 14/2595, S. 4 f. 29 AnwK / Walther, § 131 Rn. 2; Graf / Niesler, § 131 Rn. 1; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 1; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 8. 30 Eine solche Bedeutung des Begriffes „Ausschreibung“ lag auch dem Arbeitsentwurf StVÄG 1986 zugrunde, abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), S. 68 (82): „Ausschreibung … in polizeilichen Fahndungssystemen“. 31 In diese Richtung auch S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 8: „Eine an einen unbestimmten Personenkreis, notfalls an die Öffentlichkeit gerichtete Fahndung kann nicht als von Abs. 1 gedeckt angesehen werden …, da sonst die spezifischen Voraussetzungen des Abs. 3 umgangen würden“. 32 Z. B. KK / Schultheis, § 131 Rn. 15; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25); LG Berlin, Beschluss vom 17.12.2008, 501 Qs 208/08, BeckRS 2009, 06741. 28

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men kommt dem elektronischen Informationssystem der Polizei (INPOL)33 eine besonders große Relevanz zu. Zu den Nutzern dieses Systems zählen neben dem BKA, das das System betreibt, Landespolizeien, Bundespolizei sowie Zollbehörden. Zum 1.4.2020 enthielt die sog. „INPOL-Fahndungsdatei“ nach den Angaben des BKA 307.440 Ausschreibungen zur Festnahme und 414.289 Ausschreibungen zur Aufenthaltsermittlung34. Behördeninterne Fahndungshilfsmittel werden (nicht abschließend35) in Nr. 40 RiStBV aufgezählt, auf die auch § 131a Abs. 5 StPO verweist. Neben dem INPOL-System zählt ein Suchvermerk im Bundeszentralregister (BZR) und Ausländerzentralregister (AZR) zu den relevantesten Fahndungshilfsmitteln36. Steht fest, dass sich der Beschuldigte im Ausland aufhält, kann zur Aufenthaltsermittlung bzw. zur Festnahme im Rahmen einer internationalen Fahndung beim Vorliegen der Voraussetzungen von §§ 131 ff. StPO37 eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem der zweiten Generation (SIS II, bis 2013: SIS) erfolgen; außerhalb des Schengen-Raums über Interpol38.

3. Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, § 131 Abs. 3 StPO a) Allgemeines Bezogen auf die Öffentlichkeitsfahndung hebt die gesetzliche Systematik die Festnahme in § 131 Abs. 3 StPO gegenüber anderen Fahndungszielen hervor39. Obwohl diese Norm als Fahndungsziel nicht explizit die Festnahme, sondern die Aufenthaltsermittlung bezeichnet, ergibt sich jedoch aufgrund des in den Wortlaut aufgenommenen Verweises auf ihren Abs. 1 und 2, dass sie die Rechtsgrundlage der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme darstellt40. Soiné monierte in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber diese Zweckbestimmung nicht ausdrück-

33 Zur Entstehungsgeschichte von INPOL-neu Busch, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 76 (3/2003), 12 f.; siehe auch H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 34 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Informationssysteme, https://www.bka.de/DE/Unsere​ Aufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/ElektronischeFahndungsInformationssysteme/polizei​ licheInformationssysteme.html (26.4.2020). Zum INPOL-System und anderen überörtlichen Fahndungsmitteln Ende der 1970er-Jahre bereits Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie, S. 253. 35 BeckOK / Kreiner, Nr. 40 RiStBV, Vor Rn. 1. 36 Heghmanns / Herrmann, Rn. 618. 37 OLG Celle, NStZ 2010, 534; HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 2, 131a Rn. 2; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 1. Allerdings bedarf es bei einer internationalen Fahndung, jedenfalls im Rahmen des SIS II, einer erweiternden Auslegung von § 131 StPO, weil eine internationale Fahndung auch bei einem bekannten Aufenthaltsort einer Person, die nicht flüchtig ist, eingeleitet wird, siehe hierzu Meyer / Hüttemann, ZStW 128 (2016), 394 (402 f.). 38 Hierzu Heghmanns / Herrmann, Rn. 640 ff.; im Einzelnen zu SIS II sowie Rotecken von Interpol Meyer / Hüttemann, ZStW 128 (2016), 394 (397 ff.). 39 S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 2 zählt die Fahndungsmaßnahmen je nach dem Fahndungsziel in umgekehrter Reihenfolge auf, d. h. angefangen mit § 131b über § 131a bis 131 StPO. 40 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungs­ akademie 1/2001, S. 128 (135); ders., JR 2002, 137 (138).

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lich in den Wortlaut aufgenommen hatte41. Dieser Kritikpunkt dürfte sich aber spätestens 2015 mit der Einführung der amtlichen Überschrift zum § 131 StPO, die auf Maßnahmen zur Festnahme des Beschuldigten hinweist, weitgehend erle­ digt haben. § 131 Abs. 3 StPO greift auf den Grundgedanken des § 131 Abs. 1 StPO a. F. zurück und entwickelte ihn weiter, ist also Nachfolger des dort geregelten Steckbriefs nach einem Beschuldigten beim Vorliegen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls42. Diese Vorschrift ermöglicht eine Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme eines Beschuldigten bzw. Angeklagten oder eines rechtskräftig Verurteilten. Eine derartige Fahndung setzt grundsätzlich einen Haft- oder Unterbringungsbefehl voraus43. Durch den Verweis des § 131 Abs. 3 StPO auf Abs. 2 wird klargestellt, dass diese Möglichkeit auch bereits beim Vorliegen der Voraussetzungen eines Haft- bzw. Unterbringungsbefehls in besonderen Eilfällen besteht44. In der Literatur herrscht Einigkeit, dass die Öffentlichkeitsfahndung nicht nur im Falle einer Untersuchungshaft nach §§ 112 ff. StPO, sondern auch aufgrund einer Ungehorsamshaft nach §§ 230 Abs. 2, 236, 329 Abs. 4 StPO45 sowie Vollstreckungshaft nach §§ 453c Abs. 1; 456a Abs. 2 S. 3; 457 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 StPO angeordnet werden kann46. Genauso unumstritten ist es, dass eine Öffentlichkeitsfahndung nach § 131 Abs. 3 StPO bei einer Ordnungshaft nach §§ 51 Abs. 1 S. 1; 70 Abs. 1 S. 2 StPO nicht in Frage kommt47. Das überzeugt, weil, im Gegensatz zu § 131 Abs. 3 StPO, beide Normen auf einen Zeugen zugeschnitten sind. Unterschiedliche Auffassungen bestehen bei der Frage, ob § 131 Abs. 3 StPO auch bei einer Hauptverhandlungshaft nach §§ 127b Abs. 2, 128 Abs. 2 S. 2 StPO anwendbar ist48, wenn z. B. der in einem solchen Verfahren zuvor vorläufig Festgenommene flüchtig ist. Es ist hier der Auffassung beizupflichten, die eine solche Möglichkeit ablehnt: Abgesehen von der zwingenden Prämisse einer Festnahme49

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Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungs­ akademie 1/2001, S. 128 (135); ders., JR 2002, 137 (138). 42 In der aktuell geltenden Fassung des § 131 StPO fehlt eine dem § 131 Abs. 2 StPO a. F. vergleichbare Regelung. 43 L-R / Gleß, § 131 Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 7, 9. Siehe auch im Vergleich Wortlaut des Abs. 2. 44 § 131 Abs. 2 StPO hatte seinen Vorgänger in Nr. 41 Abs. 2 der RiStBV a. F. Zu den Voraus­ setzungen des § 131 Abs. 2 StPO im Einzelnen siehe z. B. MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 7 f. m. w. N. 45 Allerdings ist der Verfasserin kein Fall einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet nach einem flüchtigen bzw. sich verborgen haltenden Angeklagten bekannt. 46 L-R / Gleß, § 131 Rn. 2; KK / Schultheis, § 131 Rn. 8; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 9; KMR / Wankel, § 131 Rn. 10; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3; AnwK / Walther, § 131 Rn. 4. 47 L-R / Gleß, § 131 Rn. 4; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3; Graf / Niesler, § 131 Rn. 2; BeckOK  / ​ Niesler, § 131 Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 9. 48 Dafür: L-R / Gleß, § 131 Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 9; dagegen: KMR / Wankel, § 131 Rn. 10; AnwK / Walther, § 131 Rn. 3; KK / Schultheis, § 131 Rn. 8; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3; Soiné, § 131 Rn. 2. 49 KMR / Wankel, § 131 Rn. 10; KK / Schultheis, § 131 Rn. 8.

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und begründetem Zweifel in Bezug auf einen terminlichen Engpass50 kommt hinzu, dass im beschleunigten Verfahren höchstens eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt werden darf (§ 419 Abs. 1 Satz 2 StPO) und es für kleinere51 und höchstens mittlere Kriminalität52 Anwendung findet53. Dies macht eine Öffentlichkeitsfahndung angesichts einer von § 131 Abs. 3 StPO vorausgesetzten Straftat von erheblicher Bedeutung in diesem Fall äußerst zweifelhaft54. Auch in anderen europäischen Ländern sehen die dortigen Strafprozessordnungen eine Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme vor. So ist diese in der Schweiz in Art. 210 Abs. 2 („zur Verhaftung und Zuführung“) i. V. m. Art. 211 Abs. 1 StPO geregelt55. In Österreich ist die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme und Vorführung in §§ 168 Abs. 2, 169 Abs. 1 S. 2 StPO zu finden56; darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang die Veröffentlichung erkennungsdienstlicher Daten durch Polizeibehörden bzw. durch Medienunternehmen in §§ 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Z 1c, 65 Abs. 1 SPG normiert57. In der polnischen Strafprozessordnung befindet sich die Rechtsgrundlage für eine Öffentlichkeitsfahndung nach einem Angeklagten58 zur Festnahme mittels eines Steckbriefs („list gończy“) in Art. 279 § 1 i. V. m. Art. 280 § 3 k. p. k., die Verbreitung im Internet ist dort explizit geregelt59.

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SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3 Fn. 19; Soiné, § 131 Rn. 2. Unter Kleinkriminalität bzw. Bagatelldelikten sind Vergehen von geringer Bedeutung zu verstehen, die sich durch geringe Schuld des Täters charakterisieren und bei denen ein öffentliches Strafverfolgungsinteresse zu verneinen ist, siehe Steffen, in: Kriminalistik-Lexikon, S. 67, 329. 52 Nach Weihmann / de Vries, S. 217, 421 zählen zu der mittleren Kriminalität Delikte, deren Strafrahmen eine Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe nicht übersteigt. Gleicher Ansatz i. E. bei Kochheim, Cyberfahnder.de, der davon Vergehen ausklammert, die wegen der Gesamtstrafenbildung in die Zuständigkeit des Landgerichts fallen. Es handelt sich um Straftaten oberhalb der Bagatellgrenze, im Grundsatz nicht um Antrags- oder Privat­k lagedelikte, sondern um Straftaten mit höherem Unrechtsgehalt, bei denen ein öffentliches Strafverfolgungsinteresse besteht, siehe Soiné, § 112a Rn. 9; ders., in: Kriminalistik-Lexikon, S. 390 f. 53 Meyer-Goßner / Schmitt, § 127b Rn. 2. 54 Im Ergebnis in diese Richtung auch SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3 Fn. 19: „Handelte es sich wirklich um einen vermeintlich „schweren Jungen“, müsste der Haftbefehl umgestellt werden“. 55 Schweizerische Strafprozessordnung vom 5.10.2007, AS 2010, 1881, in Kraft seit 1.1.2011. Davor wurde die Öffentlichkeitsfahndung kantonal geregelt, etwa im Kanton St. Gallen in Art. 73 Abs. 2 StPG. Siehe dazu Künzli, S. 69 f.; VSKC-Handbuch / Z uber, S. 314; Bucher  / ​ Häggi, in: Brennpunkt Medienrecht, S. 86 (96 ff.). Zur Forderung, die Internetfahndung explizit in die schweizerische StPO aufzunehmen, siehe Postulat Nr. 13.3428 vom 12.06.2013 von Max Chopard-Acklin, Sozialdemokratische Partei der Schweiz, Internetfahndung. Schweizweit Rechtssicherheit für die Polizei und Bürger schaffen, https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/ suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20133428 (26.4.2020). 56 Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975, Fassung vom 31.07.2018. Siehe hierzu WK / Vogl, 179. Lfg., September 2012, § 169 Rn. 16, 21; Schmölzer / Mühlbacher / Haißl, § 168 Rn. 4, § 169 Rn. 7 f. 57 Siehe hierzu Thanner / Vogl / Müller, § 71 Anm. 7, 8, 9, 12. 58 Auch Beschuldigte und Verurteilte, siehe Skorupka / Skorupka, Art. 279 Rn. 1; Hof­ mański / Sadzik / Zgryzek, Art. 280 Rn. 3. 59 Kodeks postępowania karnego vom 6.6.1997, einheitliche Fassung Dz. U. 2020, Position 30, 413, 568. Siehe hierzu Świecki / Eichstedt, Art. 280 Anm. 1; Skorupka / Skorupka, Art. 280 Rn. 2. 51

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b) Zur Sicherung der Strafverfolgung Anders als § 131 Abs. 1 StPO a. F. verweist weder § 131 Abs. 1 noch Abs. 3 StPO ausdrücklich auf das Erfordernis einer Flucht oder eines Sich-Verbergens des Beschuldigten. Dieser Verzicht war dem Gesetzgeber durchaus bewusst und von ihm beabsichtigt60, gleichzeitig wird diese Bedingung für die Öffentlichkeitsfahndung vorausgesetzt61. Auch in der Kommentarliteratur wird vertreten, dass die Flucht oder das Sich-verborgen-Halten eine conditio sine qua non einer Öffentlichkeitsfahndung ist und bei ihrem Fehlen eine solche Maßnahme unverhältnismäßig, weil nicht erforderlich, wäre62. Dieser Ansicht ist zuzustimmen und ergänzend anzumerken, dass sich dieses genannte Erfordernis bereits aus der in § 131 Abs. 3 StPO wie auch in § 131a Abs. 3 StPO genannten „Aufenthaltsermittlung“ herleiten lässt, die voraussetzt, dass der Aufenthalt des Beschuldigten nicht bekannt ist. Unter der Geltung von § 131 StPO a. F. wurde dem Wortlaut des damaligen Abs. 3 entnommen, dass er eine Öffentlichkeitsfahndung nach unbekannten Tätern nicht umfasste („Fahndungsmittel gegen einen individuell genau bezeichneten Verfolgten“ mit Fahndungsbildern oder Videoaufzeichnungen)63. Dafür, dass dies auch unter dem neuen § 131 Abs. 3 StPO fortgelten soll, spricht zwar die Überschrift der Nr. 2.1 Anl. B RiStBV („Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen“) sowie der Wortlaut der Nr. 2.2 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV („In diesen Fällen gilt § 131 StPO nicht“), die Richtlinien zur Öffentlichkeitsfahndung mittels Publikationsorganen nach einem unbekannten Tatverdächtigen enthält. Gleichwohl lässt diese Vorgabe in Bezug auf die Strafverfolgung gewisse Bedenken zu: Für den Erlass eines Haftbefehls ist die Angabe von Personalien des Tatverdächtigen keine zwingende Voraussetzung, wenn sie den Strafverfolgungsbehörden nicht bekannt sind und wenn auf ein vorhandenes Lichtbild, ein subjektives Porträt bzw. eine Personenbeschreibung Bezug genommen wird64. Auch der Wortlaut des § 131

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BR-Drs. 65/99, S. 38 = BT-Drs. 14/1484, S. 19 f.: „Neben den Voraussetzungen des Vorliegens eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls wurde auf die weiteren Voraussetzungen Flucht oder Verbergen des Beschuldigten verzichtet, da die Ausschreibung zur Festnahme nach Absatz 1 nur zulässig ist, wenn aufgrund des bereits vorliegenden Haftbefehls oder Unterbringungsbefehls diese Vollstreckungshandlung erforderlich ist.“ 61 BR-Drs. 65/99 S. 38 = BT-Drs. 14/1484, S. 19: „Absatz 1 [in der ursprünglichen Fassung wurde dort auch die Öffentlichkeitsfahndung geregelt] ermächtigt zur Ausschreibung zur Festnahme, wenn die Verhaftung eines flüchtigen oder sich verborgen haltenden Beschuldigten richterlich angeordnet ist.“ 62 HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 3, der die Argumentation der Gesetzesbegründung aufgreift; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3, der auch auf die „allgemeine Unverhältnismäßigkeit“ bei anderen möglichen Formen der Ermittlung eines Flüchtigen hinweist (das geht in Richtung Subsidiarität); Soiné, § 131 Rn. 3. 63 L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 10. 64 BeckOK / Krauß, § 114 Rn. 5; KK / Graf, § 114 Rn. 5; Meyer-Goßner / Schmitt, § 114 Rn. 5; L-R / Lind, § 114 Rn. 8; Dölling / Duttge / König / Rössner / L aue, § 114 Rn. 5. Vgl. auch Senge, NStZ 1997, 348, auch zum „namenslosen“ Angeklagten; Creifelds, NJW 1965, 946.

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Abs. 4 S. 1 Hs. 1 StPO („Der Beschuldigte ist möglichst genau zu bezeichnen und soweit erforderlich zu beschreiben“), wenn auch mit dem § 131 Abs. 3 S. 1 a. F. StPO weitgehend identisch, spricht nicht zwingend gegen eine solche Öffentlichkeitsfahndung. Diese Norm kann dahingehend ausgelegt werden, dass es gerade dann erforderlich ist, eine Beschreibung zu veröffentlichen, wenn es nicht möglich ist, den Beschuldigten anhand seiner Personalien zu bezeichnen. Etwas anderes lässt sich aus der Konjunktion „und“, die zwischen der Bezeichnung und der Beschreibung steht, nicht ableiten, zumal sie das „soweit Erforderliche“ unterstreicht. Gerade in solchen Fällen zeigt sich die Bedeutung der nach § 131 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 StPO zulässigen Veröffentlichung einer Abbildung. Darüber hinaus sollte § 131 Abs. 4 StPO bereits nach dem gesetzgeberischen Willen die Veröffentlichung von subjektiven Porträts ermöglichen65, die in der Regel für unbekannte Tatverdächtige angefertigt werden. Auch in der Kommentarliteratur sind Passagen über „die Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen zwecks Festnahme“66 zu finden67. Des Weiteren war es bereits unter der Geltung von § 131 a. F. StPO allgemein anerkannt, dass die Öffentlichkeits-, mithin auch die Internetfahndung der angesprochenen Öffentlichkeit kein Festnahmerecht des Gesuchten über § 127 Abs. 1 S. 1 StPO hinaus verlieh; dieses Recht stand ausschließlich den Strafverfolgungsbehörden zu68. Die Rechtslage bleibt in diesem Punkt auch nach dem StVÄG 1999 unverändert69. Privatpersonen können aber die Strafverfolgungsbehörden über den Aufenthaltsort des Gesuchten sowie über andere für seine Verhaftung relevante Gegebenheiten informieren und damit die Festnahme ermöglichen bzw. erleichtern70. Dass es in der Praxis vereinzelt situationsbedingt doch zu einer Festnahme durch Privatpersonen kommt, zeigt das Beispiel der Internetfahndung nach Jaber Al-Bakr wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags auf einen Berliner Flughafen im Oktober 201671. Der Beschuldigte, der sich wegen einer in

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BR-Drs. 65/99, S. 40 = BT-Drs. 14/1484, S. 20 – dort noch als § 131 Abs. 3 StPO. SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2; a. A. MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2. 67 Gleichwohl ist der Verfasserin bei ihrer umfangreichen Recherche (siehe Fn. 23 der Einleitung) kein derartiger Fall bekannt geworden. 68 So bereits z. B. KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 1; L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 7. Anders ist die Rechtslage in der Schweiz, wo nach Art. 218 Abs. 1 lit. b schweiz. StPO Private berechtigt sind, eine Person vorläufig festzunehmen, wenn die Öffentlichkeit zur Mithilfe bei deren Fahndung aufgefordert worden ist. Dies setzt aber auch voraus, dass polizeiliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann. 69 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (135). 70 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (135); L-R / Gleß, § 131 Rn. 8; Benfer / Bialon, Rn. 1078. 71 Fahndungsaufrufe wurden auf der Homepage der Polizei Sachsen, https://www.polizei. sachsen.de/de/45350.htm (9.10.2016), ihrer Facebook-Seite mit verpixelten Fahndungsfotos, https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/posts/558049211064579 (9.10.2016) sowie auf Twitter, https://twitter.com/PolizeiSachsen/status/784737121772957697 (10.10.2016), auch 66

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Chemnitz stattgefundenen Razzia auf der Flucht befand, wurde in Leipzig durch seine syrischen Landsleute gefesselt, nachdem sie von der Internetfahndung Kenntnis genommen hatten72. Abgesehen von den Bedenken in Bezug auf das Vorliegen einer frischen Tat zum Zeitpunkt der Festnahme erscheint es zweifelhaft, ob sich die Festnehmenden auf § 127 Abs. 1 S. 1 StPO berufen konnten, weil sie u. U. keine Verfolgung aufgenommen hatten73. Jedenfalls könnten sie sich beim Verneinen der Voraussetzungen des Jedermanns-Festnahmerechts wegen einer Gefahr für Leib und Leben sowie fremde Sachen von bedeutendem Wert auf § 34 StGB berufen74. Die zum Zwecke dieser Bearbeitung von der Verfasserin durchgeführte Analyse von über 30 im Internet veröffentlichter, auf § 131 Abs. 3 StPO gestützter Fahndungsaufrufe der Strafverfolgungsbehörden aus verschiedenen Bundesländern aus dem Zeitraum 2012–2019 ergab, dass diese nicht nur stets auf Kapitaldelikte bezogen waren, sondern auch, dass es sich überwiegend um Tötungsdelikte handelte. Als Beispiele sollen hier exemplarisch nur ein bis 2019 noch nicht aufgeklärter Berliner Mordfall im Betäubungsmittelmilieu von Ende 201175, ein Tötungsdelikt an einer Schwangeren in Bayern von 201676 oder die Fahndung nach Anis Amri im Zusammenhang mit dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin im Dezember 201677 angeführt werden. Andere Delikte, die im Zusammenhang mit § 131 Abs. 3 StPO Gegenstand eines Online-Fahndungsaufrufs wurden, waren vor allem schwerer Betrug und Geldwäsche78, Vorbereitung einer schweren staats­

mit einer Inlineframe mit verpixelten Fahndungsfotos und verpixelten Personalangaben, veröffentlicht, https://twitter.com/PolizeiSachsen/status/785021854713049088 (10.10.2016). Einen Fahndungsaufruf zu dem Fall veröffentlichte auch die Polizei Berlin auf ihrer Homepage sowie Facebook-Fanpage, www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.523472. php (9.10.2016), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/580484538802321 (9.10.2016). 72 Biewald, N., Helden-Flüchtlinge fesselten Terroristen. „Wir konnten nicht zulassen, dass er Deutschen etwas antut“. Verfassungsschutz: Al-Bakr soll Anschläge auf Berliner Flughäfen geplant haben, Bild.de vom 10.10.2016, http://www.bild.de/news/inland/terrorismus/ helden-fluechtlinge-fesselten-terroristen-48227342.bild.html (26.4.2020); Kogel, Eva M ­ arie, Wie Syrer in Deutschland einen Syrer jagten, Welt.de vom 11.10.2016, https://www.welt. de/politik/deutschland/article158673311/Wie-Syrer-in-Deutschland-einen-Syrer-jagten.html (15.11.2019). 73 Vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, § 127 Rn. 6; BeckOK / Krauß, § 127 Rn. 5. 74 BeckOK StGB / Momsen / Savić, § 34 Rn. 23. 75 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 24.1.2012, https://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.85205.php (15.11.2019). 76 Polizei Bayern, Fahndungsaufruf vom 15.9.2016, http://www.polizei.bayern.de/fahndung/ personen/index.html/248067 (16.9.2016). 77 Das Fahndungsplakat wurde von mehreren Behörden auf ihren Internetseiten publiziert bzw. verlinkt, so etwa auf dem Twitter-Auftritt des BMJV, Tweet vom 21.12.2016, https:// twitter.com/BMJV_Bund/status/811628295703949312 (26.4.2020). 78 Ein Fall vom LKA Bayern, dort konkret: ein internationaler Haftbefehl, www.polizei. bayern.de/lka/fahndung/personen/index.html/215554 (29.12.2017).

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gefährdenden Gewalttat79, Raub80 sowie ein (im Fahndungsaufruf allgemein genannter) Verstoß gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz81. Die Öffentlichkeitsfahndung nach § 131 Abs. 3 StPO darf grundsätzlich nur der Festnahme dienen; daneben ist die Verfolgung anderer Zwecke nur insoweit zulässig, soweit diese gegenüber der Festnahme nachrangig sind82. Das Hauptziel des Fahndungsaufrufs ist damit die Feststellung des Aufenthaltes des Gesuchten, die seine Festnahme ermöglichen soll, die Tataufklärung erfolgt gewissermaßen „bei Gelegenheit“83. Dass das Ziel der Aufenthaltsermittlung des Gesuchten mit der Festnahme einhergeht, ergibt sich bereits aus der Norm selbst. Mittelbar dient die Festnahme aber auch im weiteren Schritt der umfassenden Aufklärung des der Tat zugrundeliegenden Lebenssachverhalts, z. B. wo sich der Tatverdächtige vor und nach der Tat aufgehalten hat, bzw. eine Aufklärung ist ohne Festnahme nicht möglich. Des Weiteren ist mit der Internetfahndung zur Festnahme eine verbundene Sachfahndung denkbar, z. B. nach verwendeten Tatwerkzeugen oder nach einem Fluchtfahrzeug. Auch die Klärung der Frage, ob jemand einen bestimmten Gegenstand bzw. ein bestimmtes Fahrzeug gesehen hat, kann, etwa in Verbindung mit einem Bildnis, zur Ergreifung des Gesuchten führen. Das bei einem Aufruf nach § 131 Abs. 3 StPO (nachrangige) Ziel der Aufklärung der Tat, etwa mittels Veröffentlichung von Abbildungen eines toten Tatopfers bzw. der Fahndung nach einem Tat- bzw. Fluchtfahrzeug, ist damit von § 131 Abs. 3 StPO mit umfasst, weil diese Norm im Vergleich zu anderen Fahndungsvorschriften die strengsten Anforderungen stellt. § 131 Abs. 3 StPO stellt damit gewissermaßen eine Gesamt-

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Der Fall Al-Bakr der Polizei Sachsen, dort: internationaler Haftbefehl, https://medien​ service.sachsen.de/medien/news/206771 (9.10.2016); https://www.facebook.com/polizei​sachsen.​ info/posts/557386964464137 (9.10.2016); https://polizei.sachsen.de/de/45350.htm (9.10.2016). 80 Fahndung des LKA Niedersachsen von 2017 nach drei ehemaligen RAF-Mitgliedern wegen mindestens neun Raubüberfällen und versuchten Mordes, Fahndungsaufruf vom 13.11.2017, https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/videos/1708105942542034/ (26.4.2020); http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung / fahndung_social_networks / fahndungnach-ehemaligen-raf-terroristen-mit-tatvideos-112550.html (26.4.2020). Auf diese Fahndung wurde auf Facebook-Fanpages im ganzen Bundesgebiet hingewiesen, etwa vom Bayerischen Landeskriminalamt, der Polizei Bremerhaven, der Polizei Hamburg, dem Hessischen Landeskriminalamt, der Polizei Südosthessen (Offenbach), der Polizei Nordhessen (Kassel), dem Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern, der Polizei Rostock und Güstrow, der Polizei Vorpommern-Greifswald (PI Anklam), der Polizei Westmecklenburg (Schwerin), der Polizei Rheinland-Pfalz, der Polizei Saarland, der Polizei Sachsen, der Polizei Sachsen-Anhalt: ST PD Süd (Halle) und ST PD Ost (Dessau-Roßlau) (nur auf Twitter, da kein Facebook-Auftritt), der Polizei Kiel und Plön, der Bundespolizei Berlin, der Bundespolizei Baden-Württemberg (Böblingen), der Bundespolizei Pirna (nur auf Twitter, da kein Facebook-Auftritt der Bundespolizei), dem Bundeskriminalamt. 81 Ein Fall aus Niedersachsen von 2013 (erledigt), https://www.facebook.com/Landes​ kriminalamtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/5717798428​ 41322/?type=3&theater (15.11.2019). 82 L-R / Gleß, § 131 Rn. 1a. 83 Vgl. auch Benfer / Bialon, Rn. 1076.

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rechtsgrundlage dar. Anderen Normen, die als Rechtsgrundlage für ein Nebenziel dienen, wie etwa dem § 131b Abs. 1 StPO, der die Öffentlichkeitsfahndung nach dem Beschuldigten zur Tataufklärung regelt, kommt in diesem Zusammenhang keine selbständige Bedeutung mehr zu84. In der Praxis der Strafverfolgungsbehörden waren Fahndungsaufrufe anzutreffen, in denen etwa neben den Bildern des gesuchten Beschuldigten Abbildungen von toten Tatopfern veröffentlicht wurden, so wie in dem bereits erwähnten Ber­ liner Mordfall von 2011. In diesem Fall wurden darüber hinaus Fotos der dem Tatopfer gestohlenen Gegenstände veröffentlicht sowie detaillierte Fragen u. a. nach ihrem Verbleib, nach dem Aufenthalt des Tatverdächtigen vor der Tat, nach dem Fluchtweg sowie nach evtl. Pkw-Anmietungen des Tatverdächtigen gestellt85. In anderen Fahndungsaufrufen nach § 131 Abs. 3 StPO im Zusammenhang mit vollendeten bzw. versuchten Tötungsdelikten wurden Bilder eines mit dem möglichen Fluchtfahrzeug des Beschuldigten vergleichbaren Fahrzeugtyps unter Angabe von Pkw-Kennzeichen veröffentlicht, so in einem Fall eines versuchten Tötungsdeliktes von Ende 201786 aus Niedersachsen. Die Kfz-Kennzeichen des jeweiligen Fluchtfahrzeuges (ohne Foto) wurden auch in Fahndungsaufrufen der Polizei Bayern, Präsidium Niederbayern von 2016 wegen eines Tötungsdeliktes an einer Schwangeren87, des LKA Niedersachsen vom März 2016 wegen eines Tötungsdeliktes auf einer Hochzeitsfeier88 sowie der Polizei Düsseldorf vom Januar 2018 wegen eines versuchten Tötungsdelikts89 veröffentlicht. Sämtliche veröffentlichten Fahndungsaufrufe enthielten den Hinweis, dass es sich um eine Fahndung zur Festnahme handelt. Es wurden auch stets ein bzw. mehrere Bildnisse der gesuchten Personen sowie ihre Namen, in den meisten Fällen auch der Tatvorwurf veröffentlicht.

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Nicht so eindeutig wie hier L-R / Gleß, § 131b Rn. 1, nach der eine Öffentlichkeitsfahndung nach § 131b StPO mit § 131 Abs. 3 StPO gekoppelt werden kann. 85 Polizei Berlin, siehe Fn. 75. 86 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 19.12.2017, https://www.facebook.com/Landes​ kriminalamtNiedersachsen/posts/1748766021809359 (11.1.2018); http://www.lka.polizei-​nds. de/fahndung/fahndung_social_networks / braunschweig-fahndung-nach-tatverdaechtigem-​ nach-​messerattacke-112639.html (11.1.2018). 87 Polizei Bayern, Fahndungsaufruf vom 15.9.2016, www.polizei.bayern.de/fahndung/ personen/index.html/248067 (16.9.2016). 88 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 31.3.2016 (Facebook, auf der Homepage nicht datiert), https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/11274628​ 93939678 (12.1.2018), http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_networks/​ hannover-21-jaehrige-durch-schuesse-getoetet--oeffentlichkeitsfahndung-nach-tatverdaechti​ gem--111346.html (12.1.2018). 89 Polizei Düsseldorf, Fahndungsaufruf vom 9.1.2018, https://www.presseportal.de/blaulicht/ pm/13248/3834599 (26.4.2020), https://www.facebook.com/Polizei.NRW.D/photos/a.1426486 374266432.1073741828.1425666567681746/1984587141789683/?type=3&theater (26.4.2020).

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c) Zur Sicherung der Strafvollstreckung Wie bereits der Überschrift zum Abschnitt 9a der StPO zu entnehmen ist, kann die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme auch zur Sicherung der Strafvollstreckung zur Anwendung kommen. Sie kann bei einem Sicherungshaftbefehl im Falle des § 453c Abs. 1 StPO90, zur Nachholung der Vollstreckung nach § 456a Abs. 2 S. 3 StPO91, bei einem Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl nach einem flüchtigen oder sich verborgen haltenden Verurteilten nach § 457 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 StPO i. V. m. § 131 Abs. 3 StPO92 sowie bei angeordneter Unterbringung als Maßregel der Besserung und Sicherung (§ 463 Abs. 1 i. V. m. § 457 Abs. 2 und 3 StPO, vgl. auch Nr. 2.4 Anl. B RiStBV)93 angeordnet werden. Die letztgenannte Befugnis ergibt sich aus § 457 Abs. 3 S. 1 StPO, der der Vollstreckungsbehörde die gleichen Befugnisse wie der Strafverfolgungsbehörde zuerkennt, soweit die Maßnahmen bestimmt und geeignet sind, den Verurteilten festzunehmen. In zahlreichen Bearbeitungen wird im Zusammenhang mit der Ausschreibung zur Festnahme bis heute von einem „(Vollstreckungs-)Steckbrief“ gesprochen94. Soiné beanstandete, dass es der Gesetzgeber im Rahmen der Arbeiten am StVÄG 1999 versäumt habe, in § 457 Abs. 3 StPO, der bis zum Inkrafttreten des OrgKG 1992 explizit einen Erlass von Steckbriefen regelte, einen Hinweis auf eine entsprechende Anwendung des § 131 Abs. 3 StPO aufzunehmen95. Dennoch besteht für ein derartiges Nachholen kein Bedürfnis: Zwar wurde ein ausführlicher Verweis auf die neuen Fahn 90

Meyer-Goßner / Schmitt, § 453c Rn. 16. Insofern mag der gesetzliche Verweis in § 456a Abs. 2 S. 3 StPO nur auf § 131a Abs. 3 StPO und die fehlende Aufnahme des § 131 Abs. 3 StPO in den Gesetzestext verwundern, zumal die Ausschreibung zur Festnahme dort ja explizit Erwähnung fand. Er lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass der Gesetzgeber die Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung exponieren wollte. Bereits in dem Regierungsentwurf zum StVÄG 1999 befand sich im § 456a Abs. 3 S. 2 StPO ein Verweis auf § 131a Abs. 3 StPO (damals bezog sich die Regelung noch nicht auch auf Zeugen). HK / Pollähne, § 456a Rn. 4 hält die Öffentlichkeitsfahndung in solchen Fällen für unverhältnismäßig. 92 KMR / Stöckel, § 457 Rn. 20 sowie Meyer-Goßner / Schmitt, § 457 Rn. 12 zitieren in der Rechtsgrundlage auch § 457 Abs. 1 StPO mit. Dem wird nicht gefolgt, weil § 457 Abs. 3 StPO auf spezielle Normen verweist, demgegenüber § 457 Abs. 1 StPO auf die Ermittlungsgeneralklausel von § 161 StPO. So wie hier SK / Paeffgen, § 457 Rn. 16. Der dort in Rn. 48 zitierte Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (177) geht allerdings, entgegen der Behauptung des Bearbeiters, auf § 457 Abs. 1 StPO nicht ein. 93 § 457 Abs. 2 StPO findet auch entsprechende Anwendung für die Vollstreckung von Erzwingungshaft (§ 87 Abs. 2 Nr. 3 i. V. m. § 33 StVollstrO) sowie Ordnungs- und Zwangshaft (§ 88 Abs. 1 i. V. m. § 33 StVollstrO). Für den erstgenannten Fall ist eine Öffentlichkeitsfahndung schon aus dem Grund nicht denkbar, weil §§ 131 ff. StPO für Ordnungswidrigkeiten keine Anwendung finden, KK / Schultheis, § 131b Rn. 2; LG Bonn, NStZ 2005, 528; Vahle, Kriminalistik 2007, 65 (69 f.). Aber auch im letztgenannten Fall ist eine Internetfahndung schwer vorstellbar. 94 Z. B. SK / Paeffgen, § 457 Rn. 16; Dölling / Duttge / König / Rössner / Pflieger / Meier, § 457 Rn. 4. 95 Soiné, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (143); ders., JR 2002, 137 (141); ders., Kriminalistik 2001, 173 (177 f.). 91

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

dungsvorschriften in § 456a Abs. 2 S. 3 StPO aufgenommen, gleichzeitig jedoch wurden durch den allgemeinen Verweis in § 457 Abs. 3 StPO sämtliche geeigneten Fahndungsmaßnahmen, darunter auch der Datenabgleich nach §§ 98a ff. StPO oder die Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO umfasst, sodass ein Verweis auf einzelne Eingriffsbefugnisse, darunter konkret auf § 131 Abs. 3 StPO überflüssig erscheint. Ein solcher wurde aber in § 34 Abs. 1 StVollstrO aufgenommen. Es wird allgemein vertreten, dass durch den Hinweis auf „die gleichen Befugnisse“ in § 457 Abs. 3 S. 1 StPO im Falle einer Fahndung nach flüchtigen Verurteilten sämtliche Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 StPO vorliegen müssen96. Bezogen auf die Internetfahndung bedeutet das konkret nicht nur, dass ein Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl vorliegen97, sondern es sich auch hier um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handeln muss, konkret um eine Verurteilung wegen einer solchen Straftat98. Das ist konsequent, denn es dürfen bei der Strafverfolgung und der späteren Vollstreckung wegen derselben Tat keine unterschiedlichen Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Ein Verurteilter, der sich dem Antritt der Strafvollstreckung entzieht oder aus einer Justizvollzugsanstalt flüchtet, macht sich nicht strafbar, weil ein Ausbruch selbst – abgesehen von den begangenen Begleittaten oder einer Gefangenenmeuterei nach § 121 StGB – nicht unter Strafe gestellt wird, genauso wie ein Entgehen der Strafvollstreckung nicht wegen Strafvereitelung geahndet wird (§ 258 Abs. 5 StGB). Das Erfordernis einer Verurteilung wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung wird im Übrigen auch in Nr. 2.4 Abs. 1 Anl. B RiStBV erwähnt. Des Weiteren muss dem Subsidia 96

BeckOK / Coen, § 457 Rn. 5; Dölling / Duttge / König / Rössner / Pflieger / Meier, § 457 Rn. 4; L-R26 / Graalmann-Scherer, § 457 Rn. 30; vgl. Meyer-Goßner / Schmitt, § 457 Rn. 12 f. 97 Ein Haftbefehl nach Abs. 1 bzw. seine Voraussetzungen nach Abs. 2 zählt zu den Voraussetzungen von § 131 Abs. 3 StPO. So konkret (in Bezug auf die Ausschreibung zur Festnahme) auch SK / Paeffgen, § 457 Rn. 16; a. A. Bringewat, § 457 Rn. 21 f. und KMR / Stöckel, § 457 Rn. 20, die das rechtskräftige Strafurteil für genügend halten. 98 So auch bereits Bringewat, § 457 Rn. 22 bzgl. der Rechtslage vor StVÄG 1999, ähnlich Röttle / Wagner, Rn. 127. Rieß, GA 2004, 623 (635, 639 f.) konkretisiert, dass bei der Beurteilung des Begriffes der Straftat von erheblicher Bedeutung vor allem auf die konkret verhängte Strafe ankommen soll. Pohlmann / Jabel / Wolf, § 34 Rn. 4, 12 schlägt einen anderen Anknüpfungspunkt bzgl. der Straftat von erheblicher Bedeutung vor. Danach sei nicht auf die Schwere der Tat, sondern auf den Rest der zu verbüßenden Freiheitsstrafe in Anknüpfung an § 457 Abs. 3 S. 2 StPO abzustellen. Dieser Ansatz überschreitet jedoch die Wortlautgrenze des § 131 Abs. 3 StPO, der sich auf die erhebliche Bedeutung der Straftat und nicht der Strafe bezieht. Darüber hinaus missachtet er eine gleichbedeutende Auslegung dieses Begriffes für alle Fälle der Öffentlichkeitsfahndung. Die Konsequenz seiner Meinung wäre eine unterschiedliche Auslegung je nach ergriffener Fahndungsmaßnahme nach § 457 Abs. 3 S. 1 StPO. Der Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe kommt ohnehin als ein zusätzliches Abwägungskriterium bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 457 Abs. 3 S. 2 StPO Bedeutung zu (anders ­Bredel, S. 133, nach dem die Reststrafe wegen des vorrangigen Interesses der Öffentlichkeit an ihrem Vollzug keine Berücksichtigung finden soll). Dennoch ist Wolf insoweit zuzustimmen, dass bei einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung wegen drohender Gefahren stets von einer Tat von erheblicher Bedeutung auszugehen ist, dafür spricht auch der Wortlaut von § 63 S. 2 StGB („eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat“).

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ritätsprinzip Genüge getan werden99. Über die Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 StPO hinaus enthält § 457 Abs. 3 StPO eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dahingehend, dass bei der Anordnung der Maßnahme auch die Dauer der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe berücksichtigt werden muss. Eine diesbezügliche Konkretisierung (noch mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe) ist in Nr. 2.4 Abs. 1 Anl. B RiStBV zu finden100. Es ist zumindest überlegenswert, ob diese Regelung in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung unter Einschaltung von Publikationsorganen de lege ferenda Inhalt des § 457 Abs. 3 StPO werden sollte. Eine weitere Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Verurteilten ergibt sich aus § 34 Abs. 2 S. 1 StVollstrO, der festschreibt, dass Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu der verhängten Strafe stehen muss. Es ist äußerst zweifelhaft, ob eine Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme eines flüchtigen Verurteilten in dem weiteren in Nr. 2.4 Abs. 1 Anl. B RiStBV genannten Fall, nämlich „wenn seine Ergreifung aus anderen Gründen, etwa wegen der Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, im öffentlichen Interesse liegt“, ohne dass weitere Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 StPO vorliegen, zulässig ist. Dieses präventiv angefärbte Motiv könnte jedoch bei der umfassenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme Berücksichtigung finden. Die Internetfahndung nach flüchtigen Verurteilten gehört mittlerweile zu der gängigen bundesweiten Praxis der Strafverfolgungsbehörden. Als Beispiele seien an dieser Stelle ein Fahndungsaufruf von 2017 in Niedersachsen nach zwei flüchtigen Straftätern, die aus der JVA Nordenham geflüchtet sind101 oder von 2018 in Thüringen nach drei aus der Jugendstrafanstalt Arnstadt-Ichtershausen Geflüchteten102 genannt. Mehrfach wurde im Internet in verschiedenen Bundesländern nach Entwichenen aus dem Maßregelvollzug gefahndet, so etwa nach einem wegen versuchten Totschlags Verurteilten, der Anfang 2018 aus dem ZfP Emmendingen abgängig war103. Der Aufruf wurde sowohl auf der Homepage der Polizei BadenWürttemberg als auch bei Facebook104 und der Twitter-Seite105 der Polizei Frei 99

So auch bereits Bringewat, § 457 Rn. 22 bzgl. der Rechtslage vor StVÄG 1999; ähnlich Röttle / Wagner, Rn. 127. 100 Diese Vorschrift ist seit der Geltung der Anl. B RiStBV a. F. unverändert geblieben. 101 LKA Niedersachsen, Meldung vom 13.7.2017 (Fahndung erledigt dank eines Hinweises aus der Bevölkerung), https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/photos/​a. 422664367752871.101059.360574570628518/1580001092019187/?type=3&theater (15.11.2019). 102 Polizei Thüringen, Meldung vom 5.1.2018 (Fahndung erledigt), https://www.facebook. com/Polizei.Thueringen/photos/a.823752711047429.1073741828.796720210417346/15750805 19247974/?type=3&theater (26.4.2020). 103 Polizei Baden-Württemberg, https://fahndung.polizei-bw.de/fahndung/pp-freiburg-emmen​ dingen-entwichener-strafgefangener/ (26.4.2018). 104 Polizei Freiburg, Fahndungsaufruf vom 16.2.2018, https://www.facebook.com/Polizei​ Freiburg/photos/a.200670357101393.1073741828.197321890769573/347618649073229/?type =3&theater (26.4.2020). 105 Polizei Freiburg, Fahndungsaufruf vom 16.2.2018, https://twitter.com/PolizeiFR/status/​ 964507943805837312 (26.4.2020).

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burg veröffentlicht. Es ist auch nicht unüblich, dass in solchen Fällen Strafverfolgungsbehörden mehrerer Bundesländer zusammenarbeiten, wie in dem Fall eines aus dem Maßregelvollzug in Koblenz Entwichenen, an dem gleichermaßen die Polizei Rheinland Pfalz und die Polizei Berlin (wegen des zeitweiligen Aufenthaltsortes des Gesuchten) beteiligt waren106. Zu einem schnellen Fahndungserfolg führte 2014 ein Aufruf aus Niedersachsen nach einem entflohenen Sicherungsverwahrten107. Bei ihrer Recherche nach Fahndungsaufrufen im Internet108 ist der Verfasserin allerdings kein Fall bekannt geworden, der § 457 Abs. 2 S. 1 StPO betreffen würde, also eine Öffentlichkeitsfahndung im Internet nach einem Verurteilten, der sich auf die an ihn ergangene Ladung zum Antritt der Strafe nicht gestellt hat oder der Flucht verdächtigt war109. Genauso wenig ist die Verfasserin einem Online-Fahndungsaufruf nach § 453c Abs. 1 StPO oder § 456 Abs. 2 S. 3 StPO begegnet. 4. Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung, § 131a Abs. 3 StPO a) Allgemeines Eine Öffentlichkeitsfahndung im Internet nach Beschuldigten oder Zeugen ist weiter nach § 131a Abs. 3 StPO zur Ermittlung ihres Aufenthaltes zulässig, also dann, wenn den Strafverfolgungsbehörden ihr Verbleibeort nicht bekannt ist und es nicht möglich war, ihn in Erfahrung zu bringen110. Die Öffentlichkeitsfahndung erfolgt laut dieser Norm „auf Grund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder Zeugen“, setzt also eine durchgeführte behördeninterne Ausschreibung in Fahndungshilfsmitteln (§ 131a Abs. 5 StPO) voraus111. 106

Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 17.3.2017, https://www.polizei.rlp.de/de/​ fahndung/detailansicht/news/detail/News/fahndung-nach-mario-k/ (26.4.2020), https://www. facebook.com/PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.366686616769896.1073741830.34683981542​ 1243/1091674467604437/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 17.3.2017, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/661485104035597 (26.4.2020), https://​ twitter.com/polizeiberlin/status/842713340203950080 (26.4.2020). 107 LKA Niedersachsen, Meldung vom 8.10.2014, https://www.facebook.com/Landes​k riminal​ amtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/8379567762​23626/?​ type=3&theater (15.11.2019). 108 Siehe unter Fn. 23 der Einleitung. 109 Oder flüchtig gewesen wäre, dieser Fall steht dem Fluchtverdacht gleich, Meyer-Goßner  / ​ Schmitt, § 457 Rn. 5. 110 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 3; HK / Ahlbrecht, § 131a Rn. 2; Benfer / Bialon, Rn. 1080. 111 Aus der ursprünglichen Fassung des § 131a Abs. 5 StPO im Regierungsentwurf zum StVÄG 1999: „Ausschreibungen nach den Absätzen 1 und 2 dürfen nur in den Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen werden“ (BR-Drs. 65/99, S. 2 = BT-Drs. 14/1484, S. 5) ist zu schließen, dass der Gesetzgeber die Ausschreibung in Abs. 1 auf die behördeninterne Ausschreibung in den Fahndungshilfsmitteln der Strafverfolgungsbehörden,

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Die Befugnis der Strafverfolgungsbehörden aus § 131a StPO beschränkt sich ausschließlich auf die Feststellung des Aufenthaltsortes der gesuchten Person, andere weiterreichende Maßnahmen wie die Festnahme werden von ihr nicht umfasst112. In der Literatur wird vertreten, wegen „geringerer Eingriffsintensität“ sowie ihres gegenüber § 131 Abs. 1 StPO nachgeordneten Ziels gebühre der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 1 StPO der Vorrang gegenüber der Ausschreibung zur Festnahme113. Auch in anderen europäischen Ländern sehen die Strafprozessordnungen eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung vor. So ist diese in der Schweiz in Art. 210 Abs. 1 i. V. m. Art. 211 Abs. 1 StPO geregelt („Personen, deren Aufenthalt unbekannt und deren Anwesenheit im Verfahren erforderlich ist“)114. In Österreich ist die gesetzliche Normierung einer Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung von Beschuldigten, unbekannten Tatverdächtigen sowie Zeugen (darunter Tatopfern) in §§ 168 Abs. 1, 169 Abs. 1 S. 2 StPO zu finden115.

b) Zur Sicherung der Strafverfolgung Die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten oder Zeugen bezweckt zum einen, seine Partizipation am Ermittlungsverfahren, etwa bei der Vernehmung, zu ermöglichen116. Sie ist weiter nach § 131a Abs. 3 StPO, dessen offene Formulierung „aufgrund einer Ausschreibung“117 sich auf seine ersten beiden Absätze bezieht118, bei einem unbekannten Aufenthalt eines Beschuldigten119

also auf die Ausschreibung i. e. S., einschränken wollte. Ähnlich S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 2, der die Ausschreibung als „Aufnahme des Betroffenen in die polizeiinternen Fahndungs­ register und -systeme“ definiert. Im Ergebnis auch AnwK / Walther, § 131a Rn. 5. Enger bei BGH, NStZ 2010, 230 und OLG München, Beschluss vom 29.11.2012, BeckRS 2012, 24681, die die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 1 StPO mit einer Anfrage bei der Meldebehörde gleichsetzen. 112 OLG München, Beschluss vom 29.11.2012, BeckRS 2012, 24681 mit weiteren, von § 131a StPO nicht umfassten Eingriffsmaßnahmen. 113 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 1. 114 Umfasst sind damit u. a. Beschuldigte, Zeugen, Auskunftspersonen. Siehe dazu Künzli, S. 69 f.; VSKC-Handbuch / Z uber, S. 314. 115 § 168 Abs. 1 StPO: „… wenn der Aufenthalt des Beschuldigten oder einer Person, deren Identität festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll, unbekannt ist.“ Siehe hierzu WK / Vogl, § 169 Rn. 15: „Eine Personenfahndung ist somit auch nach Opfern sowie nach unbekannten Verdächtigen (zB auf Grund eines Phantombildes) möglich.“, Rn. 21; Schmölzer / Mühlbacher / Haißl, § 168 Rn. 3, § 169 Rn. 7 f. 116 KMR / Wankel, § 131a Rn. 1; Benfer / Bialon, Rn. 1081. 117 Im Gegensatz zu § 131 Abs. 3 StPO, der auf Abs. 1 und Abs. 2 ausdrücklich hinweist. 118 So auch MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 7; L-R / Gleß, § 131a Rn. 6. Dies lässt sich auch mittelbar aus Nr. 4 S. 1 Anl. B RiStBV ableiten. Anders S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 8, der § 131a Abs. 3 StPO nur auf Abs. 1 bezieht. 119 § 131a Abs. 2 StPO passt seinem Wortlaut nach nicht auf Zeugen, siehe AnwK / Walther, § 131a Rn. 4; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 6; Soiné, § 131a Rn. 6; a. A. Ranft, StV 2002, 38 (42).

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zu dessen Ermittlung120 zu einem in § 131a Abs. 2 StPO121 bezeichneten weiteren, besonderen Zweck, nämlich zur Sicherstellung eines Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung (etwa Abnahme von Fingerabdrücken), zur Anfertigung einer DNA-Analyse sowie zur Feststellung seiner Identität zulässig. Bzgl. der DNA-Analyse ergibt sich in Bezug auf die Internetfahndung eine Besonderheit, weil – über den Wortlaut des § 131a Abs. 2 StPO hinaus – von dieser Norm nicht nur der Beschuldigte, sondern auch andere, ihm gleichgestellte Personen umfasst sind. Nach § 81g Abs. 4 StPO, seit 2005 Nachfolger des § 2 Abs. 1 DNA-IFG122, sind nämlich Maßnahmen der DNA-Identitätsfeststellung auch gegenüber wegen ausgewählter Straftaten Verurteilten bzw. Personen anwendbar, die nur wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit, auf Geisteskrankheit beruhender Verhandlungsunfähigkeit oder fehlender oder nicht auszuschließender fehlender Verantwortlichkeit (§ 3 JGG) nicht verurteilt worden sind und die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister noch nicht getilgt ist. § 2 Abs. 3 DNA-IFG, der genauso wie §§ 131 ff. StPO durch das StVÄG 1999 eingeführt wurde, enthielt einen Verweis auf die entsprechende Anwendung der §§ 131a und 131c StPO. Nach dem gesetzgeberischen Willen sollen diese Fahndungsvorschriften, auch wenn kein ausdrücklicher Verweis in § 81g StPO aufgenommen wurde, auch weiterhin Anwendung finden123. Ein diesen Willen klarstellender Hinweis auf die Anwendung von § 81g Abs. 4 StPO für eine Fahndung mithilfe der Medien befindet sich auch in Nr. 4 S. 1 Anl. B RiStBV. Die letzte Variante des § 131a Abs. 2 StPO bezieht sich auf Maßnahmen zur Identitätsfeststellung nach § 163b StPO124, also auf Tätigkeiten, die durch Strafver 120

Insofern unpräzise bei AnwK / Walther, § 131a Rn. 4: „… auch zu anderen Zwecken als der Aufenthaltsermittlung“, weil § 131a Abs. 2 StPO jeweils auch stets zur Aufenthaltsermittlung dient. Vgl. auch L-R / Gleß, § 131a Rn. 4; HK / Ahlbrecht, § 131a Rn. 4; S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 1. Die Bundesregierung äußerte sich in der Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates dahingehend, § 131a Abs. 2 StPO sei überflüssig, weil die dort genannten Fälle von Abs. 1 umfasst sein dürften, BT-Drs. 14/1484, S. 46. § 131a Abs. 2 StPO wurde in den weiteren legislatorischen Arbeiten jedoch beibehalten. 121 Eine vergleichbare Norm wurde erstmals im § 131b Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts  – Strafverfahrensänderungsgesetz 1991 – (StVÄG 1991) mit Stand vom 28.11.1991 (nicht veröffentlicht) vorgeschlagen: „Absatz 1 gilt auch für Ausschreibungen, soweit sie zur Sicherstellung eines Führerscheins, zur erkennungsdienstlichen Behandlung oder zur Feststellung der Identität erforderlich sind.“ Dortiger Abs. 1 lautete: „Ist der Aufenthalt eines Beschuldigten nicht bekannt, so können der Richter oder die Staatsanwaltschaft und, wenn Gefahr im Verzug ist, ihre Hilfsbeamten … durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach ihm fahnden. …“ 122 Eingeführt durch das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12.8.2005, BGBl. I S. 2360. 123 BT-Drs. 15/5674, S. 12. So z. B. auch KK / Schultheis, § 131a Rn. 3; dagegen SK / Paeffgen, § 131a Rn. 4. 124 L-R / Gleß, § 131a Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 5; KK / Schultheis, § 131a Rn. 3; AnwK / Walther, § 131a Rn. 1.

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folgungsbehörden vorgenommen werden. Anders ausgedrückt: Die Aufenthaltsermittlung hat der Durchführung von Maßnahmen aus § 163b StPO zu dienen, genauso wie bei § 131 Abs. 3 StPO die Aufenthaltsermittlung der Festnahme und in den sonstigen in § 131a Abs. 2 StPO bezeichneten Fällen die Aufenthaltsermittlung dem jeweiligen besonderen Zweck dient. c) Zur Sicherung der Strafvollstreckung Eine Internetfahndung zur Aufenthaltsermittlung ist auch zur Sicherung der Strafvollstreckung möglich. § 456a Abs. 2 S. 3 StPO lässt nach seinem Wortlaut, der auf § 131a Abs. 3 StPO verweist, eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung zu125. Nach § 34 Abs. 2 S. 3 StVollstrO ist eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach §§ 457 Abs. 1 und 3, 131a StPO möglich126, soweit die Voraus­ setzungen eines Vollstreckungshaftbefehls nicht vorliegen127. Darüber hinaus ist eine Öffentlichkeitsfahndung nach § 131a Abs. 3 StPO in den Fällen von § 457 Abs. 3 StPO denkbar128. Zwar könnte bedenklich sein, ob eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung überhaupt als eine Maßnahme i. S. v. § 457 Abs. 3 S. 1 StPO in Betracht kommt, unterliegt § 457 Abs. 3 StPO ja einer „engen Zweckbindung“ der Festnahme129; die ergriffenen Maßnahmen müssen nach dem Wortlaut der Norm hierzu „bestimmt und geeignet“ sein. Eine Aufenthaltsermittlung kann gleichwohl eine künftige Festnahme ermöglichen bzw. vorbereiten (ohne sie ist eine Festnahme nicht möglich), genauso wie andere nach Abs. 3 zulässige Fahndungsmaßnahmen, wie etwa, um nur wenige Beispiele zu nennen, eine Durchsuchung (§§ 102, 103 StPO) oder akustische Wohnraumüberwachung nach § 100c StPO dazu geeignet sind130. Deshalb ist die Auffassung von Bringewat zu teilen,

125 Nach HK / Pollähne, § 456a Rn. 4 sei eine solche jedoch meistens unverhältnismäßig. Der Verfasserin ist kein derartiger Fahndungsaufruf im Internet bekannt. 126 Die Stützung dieser Maßnahme außer auf § 457 Abs. 3 StPO auch auf Abs. 1 dieser Norm ist deshalb bedenklich, da Abs. 1 auf § 161 StPO verweist, gegenüber dem § 131a StPO eine Spezialnorm ist. 127 Die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung kommt als ein u. U. gegenüber einem Vorführungs- oder Vollstreckungshaftbefehl milderes Mittel in Betracht (Meyer-Goßner / Schmitt, § 457 Rn. 8; KK / Appl, § 457 Rn. 9; HK / Pollähne, § 457 Rn. 9). Nach Röttle / Wagner, Rn. 123 soll sie ausschließlich für die Vollstreckung kurzer Strafreste sowie Ersatzfreiheitsstrafen zur Anwendung kommen, sie sei oft „wenig effektiv“, dafür aber „mit hohen Verwaltungsaufwand verbunden“. Nach Pohlmann / Jabel / Wolf, § 34 Rn. 8, komme es selten zu einer Situation, in der ein Haftbefehl nicht erlassen werden kann. Der Autor schließt jedoch auch eine Öffentlichkeitsfahndung nach § 131a Abs. 3 StPO nicht gänzlich aus, Rn. 12. 128 Anders § 34 Abs. 2 S. 2 StVollstrO (bei vorliegenden Voraussetzungen eines Vollstreckungs­ haftbefehls nur zum Zwecke der Festnahme) und Röttle / Wagner, Rn. 123. Siehe auch Pohlmann / Jabel / Wolf, § 34 Rn. 9. 129 L-R 26 / Graalmann-Scheerer, § 457 Rn. 28. 130 So im Ergebnis auch Bringewat, § 457 Rn. 23.

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dass es genügt, wenn die ergriffene Maßnahme mittelbar zur Festnahme führt131, wobei die Frage nach der Effektivität einer solchen Maßnahme im Falle einer Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung beim Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls, auf die T. Wolf aufmerksam macht132, in der Tat berechtigt erscheint. d) Sachlicher Anwendungsbereich Aus dem Wortlaut des § 131a Abs. 3 StPO sowie anderen Absätzen dieser Norm lässt sich nicht entnehmen, ob diese Vorschriften nur für die Fahndung nach bekannten oder aber auch unbekannten Beschuldigten und Zeugen gelten. Nach einer in der Kommentarliteratur133 und in der Rechtsprechung134 anzutreffenden Auffassung ist diese Norm ausschließlich auf bekannte Personen anzuwenden. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen: Eine „bloße“, „schlichte“135 Aufenthaltsermittlung setzt voraus, dass die Personalien bzw. Alias-Personalien des Gesuchten den Strafverfolgungsbehörden zumindest ansatzweise bekannt sind. Für dieses Ergebnis spricht auch die Einbeziehung des Zwecks des § 131a Abs. 2 StPO. So ist es z. B. nicht vorstellbar, nach einem unbekannten Beschuldigten zu fahnden, um seinen Führerschein sicherzustellen (§§ 111b, 463b StPO)136. Des Weiteren wird diese Annahme durch die Einbeziehung des § 131a StPO in die Vorschriften über die Strafvollstreckung (§ 456a Abs. 2 S. 3 StPO, § 34 Abs. 2 S. 3 StVollstrO) bestätigt, denn in diesen Fällen wäre es nicht denkbar, nach einem unbekannten Verurteilten zu fahnden. Diese Lösung lässt sich mittelbar auch auf die Gesetzesbegründung stützen, die als eine gegenüber der Ausschreibung ggf. mildere Maßnahme die Nachfrage bei Meldebehörden, Nachbarn oder Arbeitskollegen aufführt137; diese Mittel kommen nur bei bekannten Personalien des Gesuchten in Betracht. Darüber hinaus wird in Nr. 2.1 Abs. 4 S. 2 Anl. B RiStBV im Zusammenhang mit der Beendigung einer Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen auf § 131a Abs. 3 StPO Bezug genommen. Auch stellt Nr. 2.3 S. 2 Anl. B RiStBV klar, dass § 131a Abs. 3 StPO für die Öffentlichkeitsfahndung nach einem bekannten Zeugen gilt.

131 Bringewat, § 457 Rn. 23. Auch L-R 26 / Graalmann-Scheerer, § 457 Rn. 28 zählt § 131a StPO unter Fahndungsmaßnahmen auf. Gleichzeitig nennt die Autorin § 131b StPO, dessen Zweckbestimmung  – Fahndung zur Identitätsfeststellung und Aufklärung  – nicht zu § 457 Abs. 3 StPO passt. 132 Pohlmann / Jabel / Wolf, § 34 Rn. 9. 133 Vgl. L-R / Gleß, § 131a Rn. 5. 134 OLG München, Beschluss vom 29.11.2012 – 4 VAs 055/12, BeckRS 2012, 24681. 135 Bezeichnung von S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 1, 4. 136 Denkbar ist aber eine Situation, in der der Beschuldigte einen fremden, einzuziehenden Führerschein verwendet, L-R / Gleß, § 131a Rn. 5. 137 BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21.

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Von diesem Grundsatz wird in einem Teil des Schrifttums138 sowie in der Praxis139 allerdings bei der Ausschreibung im engeren Sinne zur Identitätsfeststellung eine Ausnahme gemacht: So wird auch nach unbekannten Beschuldigten zur Identitätsfeststellung nach § 131a Abs. 1, 2 StPO gefahndet, etwa nach den G20-Randalierern aus Hamburg, die mit Bild­ material im LKA-Blatt ausgeschrieben wurden140. Ähnlich (Ausschreibung im polizeilichen Intranet) lag es Ende 2016 im Fall des sog. U-Bahn-Treters, der eine Frau in einer Berliner U-Bahn-Station von hinten so trat, dass sie die Treppe herunterfiel141. Nach der Auffassung von Gleß soll § 131a Abs. 2 StPO für eine Überprüfung der den Strafverfolgungsbehörden bereits rudimentär vorliegenden Informationen zur Identität sowie ggf. bei der Verwendung von Alias-Namen oder bei Missbrauch von amtlichen Ausweisen zugelassen werden142. Dem ist insofern zuzustimmen, dass die Strafverfolgungsbehörden in diesem Fall zumindest über Teilinformationen verfügen und der Beschuldigte demnach nicht als unbekannt bezeichnet werden kann. Auch wenn den Gesetzesmaterialien hierzu nichts zu entnehmen ist und § 131a Abs. 2 StPO nach seinem Anwendungsbereich, dessen Ziel auch stets die Aufenthaltsermittlung ist, in den sonstigen dort aufgeführten Konstellationen grundsätzlich auf einen bekannten Beschuldigten zugeschnitten ist, ist bei der Identitätsfeststellung wegen ihres speziellen Charakters in diesem Punkt eine Ausnahme zu machen und § 131a Abs. 2 StPO erweiternd auszulegen143. Zum einem spricht der Wortlaut nicht dagegen, zum anderen ist § 163b StPO auch auf die Feststellung von Personalien unbekannter Verdächtiger anwendbar144. Ferner würde sonst eine Gesetzeslücke entstehen, weil § 131b seinem Wortlaut nach nur auf Öffentlichkeitsfahndungen zur Identitätsfeststellung zugeschnitten ist und diese Regelung als Ermächtigungsgrundlage für das mildere Mittel der Ausschreibung i. e. S. zur Identitätsfeststellung bzw. Aufklärung nicht herangezogen werden kann145. Angesichts eines hoheitlichen Grundrechtseingriffs kommt eine analoge Anwendung von § 131b Abs. 1 StPO nicht in Betracht146. Im Hinblick auf den im Volkszählungsurteil geforderten 138

Valerius, S. 58 m. w. N. In Bezug auf die behördeninterne Ausschreibung in Abgrenzung zu § 131b Abs. 1 StPO vgl. auch LG Berlin, Beschluss vom 17.12.2008 – 501 Qs 208/08, BeckRS 2009, 06741. 140 Siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11458 vom 2.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 27.12.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Öffentlichkeitsfahndung der SoKo „Schwarzer Block“ – Läuft alles rechtmäßig?, unter Vorbemerkung. 141 Vgl. Schönball, Ralf / Jansen, Frank / Müller-Neuhof, Jost, Nach Angriff in Neuköllner U-Bahnhof. Wie Berlin mit der Angst umgeht, Der Tagesspiegel vom 10.12.2016, www.tages​ spiegel.de/berlin/nach-angriff-in-neukoellner-u-bahnhof-wie-berlin-mit-der-angst-umgeht/​ 14960108.html (26.4.2020); siehe auch der Kommentar der Polizei Berlin zu dem Fall auf der Facebook-Fanpage vom 8.12.2016 um 15.37 Uhr, https://www.facebook.com/Polizei​ Berlin/posts/612317292285712 (26.4.2020) und (zu einem anderen Fall) vom 13.12.2016 um 15.35 Uhr, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/615213885329386 (26.4.2020); siehe auch Polizei Hessen, Inhalt des Fahndungsaufrufs vom 4.12.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/1644811162247051/​ ?type=3&theater (26.4.2020). 142 L-R / Gleß, § 131a Rn. 5. So auch Soiné, § 131a Rn. 4. 143 Schroeder, GA 2005, 73 (78) geht davon aus, dass die Identitätsfeststellung nach § 131a Abs. 2 StPO nicht an die Aufenthaltsermittlung geknüpft ist. 144 L-R / Erb, § 163b Rn. 11. 145 Vgl. LG Berlin, Beschluss vom 17.12.2008 – 501 Qs 208/08, BeckRS 2009, 06741. 146 Vgl. SK / Weßlau / Deiters, § 161 Rn. 10; Krey, ZStW 101 (1989), 838 (855); Welp, JR 1991, 265 (267); Fezer, JZ 1995, 972; Wollweber, StV 1997, 506 (509). 139

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts  Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist es darüber hinaus nicht möglich, die Ermittlungsgeneralklausel §§ 161, 163 StPO als Rechtsgrundlage heranzuziehen147. Sie gilt nämlich, anders als in §§ 131 ff. StPO, nur für geringfügige, nicht so intensive Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung148.

e) Bedeutung in der Praxis Bereits 1997, zu der Zeit der legislatorischen Arbeiten an den Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung im StVÄG 1996, äußerte sich Pätzel vorsichtig zu der praktischen Relevanz einer Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung: „In diesen Fällen wird aber wohl meist ein Haftbefehl vorliegen, so daß eine Ausschreibung zur Festnahme der Regelfall sein dürfte“149. Die Praxis zeigt, dass er Recht behielt. Der Verfasserin ist aus der Praxis kein eindeutiger Fall bekannt, in dem im Internet ausschließlich zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO gefahndet wurde. Das Gleiche gilt für den Fall des § 131a Abs. 3 StPO zu Zwecken des § 131a Abs. 2 StPO sowie zur Sicherung der Strafvollstreckung. Bei einigen der veröffentlichten Fahndungsaufrufe war es mangels eines Hinweises auf einen Haftbefehl nicht klar erkennbar150, ob es sich sogar um eine Fahndung zur Festnahme nach § 131 Abs. 3 StPO (dafür würde sprechen, dass die Tatverdächtigen jeweils flüchtig waren) oder eine zur Aufenthaltsermittlung handelte. Die von manchen Strafverfolgungsbehörden in Fahndungsaufrufen im Internet bundesweit gewählten Formulierungen der Art: „Wer kennt den abgebildeten Mann oder kann Hinweise auf seinen Aufenthaltsort geben?“151 beziehen sich vom Fahndungszweck her sowohl auf die Identitätsfeststellung als auch auf die Aufent 147

In diese Richtung aber wohl Benfer / Bialon, Rn. 1091c. Vgl. L-R / Erb, § 161 Rn. 49; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2. 149 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132 f.). 150 Bei Fahndungsaufrufen im Internet wird auf ihre Rechtsgrundlage nicht hingewiesen. 151 So die Praxis der Polizei NRW Hagen, etwa im Fahndungsaufruf nach einem mutmaßlichen Kinderwagendieb vom 16.8.2017, https://www.facebook.com/Polizei.NRW.HA/ photos/a.213205282185117.1073741828.208563659315946/771177343054572/?type=3&theater (26.4.2020). Ähnlich auch Polizeirevier Halle, z. B. Polizeimeldung vom 15.1.2018, Diebstahl aus Kraftfahrzeugen im besonders schweren Fall und Betrug, http://www.presse.sachsenanhalt.de/index.php?cmd=get&id=889216&identifier=f2ec0df798f713f352ed1840a3463b71 (29.1.2018); vereinzelte Aufrufe der Polizei Oberbayern Nord wie der Zeugenaufruf nach einem Bankräuber vom 9.6.2017, http://www.polizei.bayern.de/oberbayern_nord/news/presse/ aktuell/index.html/262395 (2.1.2018), Aufrufe der Polizei Oberfranken, z. B. vom 1.12.2017 – Raubüberfall auf ein Schreibwarengeschäft, https://www.polizei.bayern.de/oberfranken/ news/​presse/aktuell/index.html/271417 (28.12.2017); Polizei Berlin, z. B. vom 20.5.2015  – Wohnungseinbruchsdiebstahl, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen / pressemitteilung.317783.php (14.9.2015); Polizei Brandenburg, z. B. vom 8.2.2016 (Geldkartenbetrug), https://polizei.brandenburg.de/fahndung/die-polizei-bittet-um-mithilfe/163787 (5.4.2016); vereinzelt Polizei Bremerhaven, z. B. vom 9.1.2017 (räuberischer Diebstahl), https://www. polizei.​bremerhaven.de/index.php/pm-leser / polizei-sucht-raeuber.html (26.4.2020); Bundespolizei Bayern (Bundespolizeidirektion München) vom 25.1.2018 (Diebstahl in S-Bahn), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/64017/3849094 (26.4.2020). 148

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haltsermittlung. Bei der konsequenten Anwendung des Prinzips, dass § 131a Abs. 3 StPO ausschließlich für die Suche nach bekannten Tatverdächtigen und Zeugen Anwendung findet, können solche Aufrufe nicht auf diese Norm gestützt werden, weil es sich bei derartigen Zeugenaufrufen ausnahmslos um eine Fahndung nach unbekannten Personen handelt. 5. Öffentlichkeitsfahndung zur Aufklärung / Identitätsfeststellung, § 131b StPO a) Allgemeines § 131b StPO, dessen nichtamtliche Überschrift „Veröffentlichung von Abbildun­ gen“ früher in Gesetzessammlungen sowie in der Kommentarliteratur erschien152 und die 2015 vom Gesetzgeber in der Fassung „Veröffentlichung von Abbildungen des Beschuldigten oder Zeugen“ zur amtlichen Überschrift gemacht wurde, regelt153 die sogenannte Aufklärungsfahndung sowie die Identitäts(feststellungs) fahndung154. Im Gegensatz zu § 131 und § 131a StPO wird in der Überschrift das Fahndungsziel nicht bezeichnet. Anders als § 131 StPO und § 131a StPO, die umfassende Regelungen zur Ausschreibung i. w. S. enthalten, bezieht sich § 131b StPO ausschließlich auf die Öffentlichkeitsfahndung155. Diese Norm setzt nämlich die Veröffentlichung einer Abbildung voraus, also ihr Zugänglichmachen in der Öffentlichkeit156. Aus diesem Grund werden behördeninterne Ausschreibungen i. e. S. von dieser Regelung nicht umfasst157. 152

Z. B. in Beck-Texten im dtv, 48. Aufl. 2012; MüKo / Gerhold, 1. Aufl. (2014); MeyerGoßner / Schmitt, 57. Aufl. (2014); Graf / Niesler, 2. Aufl. (2012); Radtke / Hohmann / Kretschmer (2011); Pfeiffer, 5. Aufl. (2005); KK / Schultheis, 7. Aufl. (2013); S / S/W / Satzger, 1. Aufl. (2014); Joecks, 3. Aufl. (2011). Allerdings kann man nicht jegliche Fahndungsaufrufe mit Abbildungen, unabhängig von ihrer Zielrichtung, unter § 131b StPO subsumieren, wie dies Ihwas, S. 281, tut. Unzutreffenderweise „vergisst“ er auf S. 277 § 131b StPO neben §§ 131 Abs. 3 und 131a Abs. 3 StPO als für soziale Netzwerke anwendbar zu nennen. 153 Deshalb kann der Ansicht von Baumhöfener, K&R 2015, 625, der, ungeachtet anderer Vorschriften, § 131b StPO undifferenziert als „die Ermächtigungsgrundlage für alle Öffentlichkeitsfahndungen nach einem Tatverdächtigen“ bezeichnet, nicht gefolgt werden. 154 In den Gesetzesmaterialien zu § 131b StPO wurde der Begriff „Identitätsfahndung“ bzw. „Identitätsfeststellungsfahndung“ uneinheitlich verwendet, BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. Im Folgenden wird der Begriff „Identitätsfahndung“ verwendet. 155 In der Fachliteratur wird insofern von einem „Spezialfall der Öffentlichkeitsfahndung“ gesprochen, R.  Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 6 (10). Benfer / Bialon, Rn. 1067 schreiben von einer „Ausschreibung zur Identitätsfeststellung von Beschuldigten und Zeugen“. Abgesehen davon, dass die Aufklärung nicht genannt wird, kann diese Bezeichnung nur unter der Prämisse richtig sein, dass man sie als Ausschreibung i. w. S. und nicht als eine polizeiinterne Ausschreibung versteht. 156 Vgl. MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2. L-R / Gleß, § 131b Rn. 3 schreibt in Abgrenzung hierzu von einer „beschränkten (nicht veröffentlichenden) Weitergabe der Abbildung nur in Kreisen der Strafverfolgungsbehörden“. 157 Vgl. LG Berlin, Beschluss vom 17.12.2008 – 501 Qs 208/08, BeckRS 2009, 06741, das es nicht für zulässig erachtet, sich bei einer behördeninternen Ausschreibung nach einem un-

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Der Wortlaut des § 131b Abs. 1 und Abs. 2 StPO: „Die Veröffentlichung … ist auch zulässig“ weist auf den gegenüber § 131 Abs. 3 StPO und § 131a Abs. 3 StPO selbständigen Charakter der Norm hin; es ist allgemein anerkannt, dass ihr Zweck nicht in der Festnahme und auch nicht in der bloßen Aufenthaltsermittlung liegt158. Gleichzeitig ist umgekehrt auch in der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme nach § 131 Abs. 3 StPO oft ein Element der Aufklärung mit enthalten, weil die Festnahme in vielen Fällen (abgesehen etwa von der Strafvollstreckung) zur Aufklärung der Tat beiträgt und damit der Sicherung der Strafverfolgung dienlich ist159. Das Gleiche gilt auch für die Aufenthaltsermittlung, die auch der Aufklärung der Tat dienen kann. Nach der Anzahl der Fahndungsaufrufe im Internet, deren Rechtsgrundlage in den Sondernormen der StPO liegt, sind die auf § 131b StPO, vor allem auf dessen Abs. 1 gestützten, am zahlreichsten. Die praktische Relevanz dieser Norm ist daher nicht zu unterschätzen, vielmehr zu unterstreichen. In der Schweiz wird angenommen, dass die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Öffentlichkeitsfahndung auch für die Identitätsfahndung, insbesondere im Internet, gelten160. In der österreichischen StPO steht die Identitätsfahndung im Zusammenhang mit der Aufenthaltsermittlung. § 168 Abs. 1 österr. StPO regelt hierzu: „wenn der Aufenthalt des Beschuldigten oder einer Person, deren Identität festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll …“. Mit dieser Wortwahl sollen zumindest unbekannte Tatverdächtige gemeint sein161. Eine Öffentlichkeitsfahndung zur Tataufklärung (genauer: Aufklärung weiterer Straftaten im Zusammenhang mit der Ermittlung weiterer Opfer162) regelt das österreichische Recht explizit nur im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Abbildungen eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten, § 169 Abs. 1a österr. StPO. In Polen wird als Rechtsgrundlage für eine Identitätsfahndung im Internet nach unbekannten Tatverdächtigen nicht Art. 279 f. k. p. k., der für die Öffentlichkeitsfahndung einen Haft­ befehl voraussetzt163, sondern Art. 156 § 5 S. 5, 6 k. p. k. herangezogen164. Nach der letztgenannten Vorschrift kann die Ermittlungsakte in begründeten Fällen mit Zustimmung der bekannten Beschuldigten mit Bild auf § 131b Abs. 1 StPO zu stützen. Anders Benfer / Bialon, Rn. 1087 und Osterlitz, S. 581. 158 Hilger, NStZ 2000, 561 (563); MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 1; Graf / Niesler, § 131b Vor Rn. 1; BeckOK / Niesler, § 131b Vor Rn. 1; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 1; HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 1; AnwK / Walther, § 131b Rn. 2. 159 Vgl. auch die Formulierung bei Benfer / Bialon, Rn. 1076 im Zusammenhang mit § 131 Abs. 3 StPO: „Wenn eine Straftat von erheblicher Bedeutung aufzuklären ist“. Siehe auch unter Pkt. A. I. b) bb) dieses Teils. 160 VSKC-Handbuch / Zuber, S. 315 f.; Künzli, S. 40; Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK / CPS) vom 21.11.2013, Empfehlung Öffentlichkeitsfahndung bei Ausschreitungen und Krawallen, https://www.ssk-cps.ch/sites/default/files/empfehlung_oeffentlichkeitsfahndung. pdf (26.4.2020). Siehe auch Anklagekammer Kanton St. Gallen, Entscheid vom 3.11.2015, AK.2015.275, https://www.gerichte.sg.ch/home/dienstleistungen/rechtsprechung / kantonsge richt / entscheide-2015/strafkammer-und-anklagekammer / a k-2015–275.html (10.9.2018). 161 WK / Vogl, 179. Lfg. September 2012, § 169 Rn. 15. 162 WK / Vogl, 179. Lfg. September 2012, § 169 Rn. 15; Fabrizy, § 169 Rn. 1a. 163 Siehe hierzu Lis, Przegląd Sądowy 3/2013, 51 (63). 164 Łukasiewicz, Agata, Upublicznianie wizerunku poszukiwanych osób, Rzeczpospolita vom 2.4.2017, https://www.rp.pl/Mundurowi/304029944-Upublicznianie-wizerunku-poszukiwanych-​ osob.html (26.4.2020).

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Staatsanwaltschaft an andere Personen, auch in elektronischer Form, überlassen werden, was aus Gründen des öffentlichen Interesses, insbesondere der effektiven Strafverfolgung, erfolgen darf165. Zusätzlich166 herangezogen wird auch Art. 5 des polnischen BGB (kodeks cywilny, k. c.)167.

b) Entstehungsgeschichte Die Analyse der Gesetzesmaterialien ermöglicht die Antwort auf die Frage, aus welchem Grund die Überschrift und der Aufbau des § 131b StPO dermaßen von § 131 und § 131a StPO abweichen und der Fokus der Norm nicht auf das Fahndungsziel, sondern auf die Veröffentlichung von Abbildungen gelegt wurde168. Eine Regelung zur Öffentlichkeitsfahndung nach einem Beschuldigten zur Tataufklärung mithilfe von Publikationsorganen war erstmals in § 131b Abs. 1 S. 2 StPO des Arbeitsentwurfs 1986 enthalten: „Bei einer solchen Straftat [d. h. bei einer erheblichen Straftat, Formulierung aus S. 1] ist die Veröffentlichung einer Abbildung des der Tat dringend verdächtigen Beschuldigten auch zulässig, soweit dies unerlässlich ist, um der Tataufklärung dienliche Hinweise zu erhalten“169. Die Begründung des Entwurfs sprach insofern von der „Öffentlichkeitsfahndung zur Tataufklärung“170. In § 131b Abs. 1 S. 1 StPO-AE war darüber hinaus auch die 165

Hofmański, Art. 156 Rn. 11. Eine weitere Rechtsgrundlage für derartige Fälle war im technikoffen formulierten Art. 20 Abs. 2a Nr. 3 poln. PolG über die Verarbeitung personenbezogener Daten unbekannter Personen zu finden, Ustawa o Policji vom 6.4.1990, Dz.U. 2018, Pos. 1039; allgemeine Ansicht in der Praxis, siehe hierzu Paduch, Bogdan, Co z publikowaniem zdjęć do celów wykrywczych?, Informacyjny Serwis Policyjny vom 31.3.2014, http://isp.policja.pl/ isp/aktualnosci/5208,Co-z-publikowaniem-zdjec-do-celow-wykrywczych.html (26.4.2020); siehe hierzu auch o. V., Czy policja miała prawo opublikować wizerunki demonstrantów? Są poważne wątpliwości, Polityka.pl vom 19.1.2017, https://www.polityka.pl/tygodnikpolityka/ kraj/​1691086,1,czy-policja-miala-prawo-opublikowac-wizerunki-demonstrantow-sa-powaznewatpliwosci.read (26.4.2020). A. A. Der Beauftragte für Bürgerrechte (Rzecznik Praw Obywatelskich), der u. a. monierte, dass das Internet als Veröffentlichungsmethode in der Vorschrift nicht genannt war, siehe Schreiben vom 19.1.2017, II.519.61.2017, https://www.rpo.gov. pl/sites/default/files/Pismo%20Dyrektora%20Zespo%C5%82u%20Prawa%20Karnego%20 Marka%20 %C5 %81ukaszuka%20do%20Komendanta%20Sto%C5 %82ecznego%20Policji. pdf (26.4.2020). Diese Vorschrift, die darüber hinaus die Verarbeitung von personenbezogenen Daten u. a. von Personen, nach denen gefahndet wird oder von Vermissten regelte, wurde mit Wirkung vom 6.2.2019 aufgehoben (Dz.U. 2019, Pos. 125), was von Praktikern als legislatorisches Versehen gewertet wurde, siehe Wikariak, Sławomir, Błąd w ustawie utrudni policji zdobycie informacji o podejrzanych, Gazeta Prawna.pl vom 5.3.2019, https://prawo. gazetaprawna.pl/artykuly/1401188,rodo-krytyczny-blad-w-ustawie-o-policji.html (26.4.2020). 167 Łukasiewicz, Agata, Upublicznianie wizerunku poszukiwanych osób, Rzeczpospolita vom 2.4.2017, https://www.rp.pl/Mundurowi/304029944-Upublicznianie-wizerunku-poszukiwanychosob.html (26.4.2020). 168 Auf die unterschiedliche Bezeichnung in § 131 Abs. 3 StPO (Öffentlichkeitsfahndung) und in § 131b StPO (Veröffentlichung) macht auch Kühne, Rn. 551, aufmerksam. 169 Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1998), S. 68 (70). 170 Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1998), S. 68 (82). 166

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme und zur Aufenthaltsermittlung geregelt. Die ausgewählte Formulierung des angeführten § 131b Abs. 1 S. 2 StPO-AE lässt sich mit redaktionellen Gründen erklären. Der Wortlaut des S. 1 lautete damals: „In den Fällen des § 131 Abs. 1 [Ausschreibung zur Festnahme] und des § 131a [Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung] ist … eine Fahndung nach einem Beschuldigten … oder einem wichtigen Zeugen mit Hilfe der Verbreitung von Informationen und Abbildungen über Publikationsorgane zulässig, wenn dies für den Fahndungserfolg unerlässlich ist.“ Im Referentenentwurf zum StVÄG 1988 wurde in § 131b Abs. 3 StPO, der eine ähnliche Formulierung wie sein Vorläufer enthielt („Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten … ist zulässig“), über die Aufklärungsfahndung hinaus auch erstmals eine Identitätsfahndung nach einem unbekannten Beschuldigten normiert171. Im Rahmen weiterer Gesetzgebungsarbeiten wurde zunächst die letztgenannte Formulierung übernommen172. Im Anschluss wurde die Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Abbildungen eines Zeugen und Hinweisen auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren zur Identitätsfeststellung173 sowie zur Aufklärung von Straftaten174 geschaffen. Eine derartige Formulierung, die die Veröffentlichung von Abbildungen in den Fokus der Aufklärungs- und Identitätsfahndung stellt, wurde auch durch den Entwurf zum StVÄG 1996 in § 131b aufgegriffen175. Die Fassung aus diesem Entwurf lag dem Regierungsentwurf zum StVÄG 1999 und damit der heute geltenden Regelung zugrunde176. Durch die gewählte, nicht unbedingt gelungene Formulierung des § 131b StPO entsteht nicht nur der Eindruck, dass die Veröffentlichung von Abbildungen, also ein inhaltliches Element eines Fahndungsaufrufs eine zentrale Rolle in der Vorschrift einnimmt, sondern auch, dass diese inhaltliche Komponente, anders als in § 131 Abs. 3 und § 131a Abs. 3 StPO, mit sachlichen Voraussetzungen vermengt wird. Gleichzeitig deutet der Wortlaut von § 131c Abs. 1 StPO „Fahndungen nach § 131a Abs. 3 und § 131b“ darauf hin, dass § 131b StPO keine bloße Inhaltsnorm, sondern eine Rechtsgrundlage für die Öffent­lichkeitsfahndung darstellt.

171 In Abs. 4 wurde die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Zeugen geregelt, der Entwurf schwieg jedoch zu dem Zweck der Fahndung. Der Begründung des Referentenentwurfs ist jedoch zu entnehmen, dass diese aufgrund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung erfolgt. Siehe Begründung zu § 131b Abs. 4 Referentenentwurf zum StVÄG 1988, abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 55. 172 § 131c StPO-StVÄG 1989, Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht). 173 § 131c Abs. 2 StPO-StVÄG 1989, Stand: 11.4.1990 (nicht veröffentlicht). 174 § 131d Abs. 2 StPO-Rest-StVÄG, Stand: 1.7.1992 (nicht veröffentlicht). 175 BR-Drs. 961/96, S. 7 = BT-Drs. 13/9718, S. 5. 176 BR-Drs. 65/99, S. 3 = BT-Drs. 14/1484, S. 5.

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c) Begriffsbestimmung Die Aufklärung i. S. d. § 131b StPO ist ein breiter Begriff und bedeutet eine möglichst genaue, umfassende Klärung des Tatgeschehens für das Ermittlungsverfah­ ren und sämtlicher Tatumstände. Dazu gehören Tatort, Tatzeit, Art und Weise der Tatbegehung, Anzahl der Tatbeteiligten, Art und Umfang der Tatbeteiligung des abgebildeten Beschuldigten und anderer an der Tat beteiligten Personen sowie die Klärung der Frage, ob die Tat einen Bezug zu anderen Delikten aufweist, etwa Teil einer Serientat ist177. Satzger betont, wenn auch anscheinend nur auf § 131b Abs. 1 StPO beschränkt, dass sich die Veröffentlichung u. a. der Klärung des „Ob und Wie der Tatbeteiligung“ widmet178. Die Aufklärung bezieht sich auf die Ermittlung des Deliktes, auf das die konkrete Veröffentlichung einer Abbildung zurückzuführen ist179. Nach allgemein geltender Auffassung wird die Identitätsfahndung nach unbekannten Beschuldigten und Zeugen als Teil der Aufklärungsfahndung angesehen180. Diese Annahme lässt sich nicht nur auf den Wortlaut der beiden ersten Absätze von § 131b StPO stützen („die Aufklärung …, insbesondere die Feststellung der Identität“), für sie spricht auch der oben genannte umfassende Charakter der Tataufklärung – ohne die Feststellung der Identität des Gesuchten lässt sich der Lebenssachverhalt der Straftat nicht ermitteln. Oder, wie es Paeffgen ausgedrückt hat: „Dabei muss die Identitätsfeststellung der Aufklärung der Straftat prospektiv dienen“181. Gleichwohl beschränkt sich die Aufklärung nicht nur auf die Identitätsfeststellung, es handelt sich insofern um zwei selbstständige Fahndungsziele. Diese selbständigen Fahndungsziele resultieren auch aus unterschiedlicher Verwendung der veröffentlichten Abbildungen: Die Identitätsfahndung ist eine Fahndung nach einem Beschuldigten bzw. Zeugen (Ziel ist es, eine Person zu finden), die Aufklärungsfahndung ist eine Fahndung mittels der Verwendung dieser Abbildung (Ziel ist es, weitere Informationen zu der Straftat zu erlangen, wozu die Abbildung eines Beschuldigten bzw. Zeugen dienlich ist).

177 L-R / Gleß, § 131b Rn. 2; Hilger, NStZ 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110); SK / Paeffgen, § 131b Rn. 2; HK4 / L emke, § 131b Rn. 1. 178 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 3. 179 Hilger, NStZ 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110); Graf / Niesler, § 131b Rn. 3; BeckOK / Niesler, § 131b Rn. 3; KK / Schultheis, § 131b Rn. 1; breiter wohl KMR / Wankel, § 131b Rn. 3: „auch mit dem Ziel [der Aufklärung] weiterer Straftaten“ und HK4 / L emke, § 131b Rn. 4. 180 KK / Schultheis, § 131b Rn. 3; AnwK / Walther, § 131b Rn. 3; KK / Schultheis, § 131b Rn. 3 f.; L-R / Gleß, § 131b Rn. 2; HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 1; HK4 / L emke, § 131b Rn. 2; SK / Paeffgen, § 131b Rn. 3. Siehe auch Kurth, NJW 1979, 1377 (1378) in Bezug auf § 163b StPO: Identitätsfeststellung, der Aufklärung dienend. 181 SK / Paeffgen, § 131b Rn. 3.

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

d) Identitätsfahndung Die Identitätsfahndung in § 131b Abs. 1 und Abs. 2 StPO betrifft unbekannte Personen. Dabei gehört eine Veröffentlichung von Abbildungen eines unbekannten Tatverdächtigen aus einer vorhandenen Videosequenz, etwa aus öffentlichen Verkehrsmitteln, Läden oder Bankfilialen zu dem bundesweit verbreiteten Standardrepertoire der Internetfahndung182; diese Methode wird auch zur Fahndung nach unbekannten Zeugen183, darunter auch unbekannten Opfern184 verwendet. Auch die Veröffentlichung eines subjektiven Porträts eines unbekannten Tatverdächtigen185 sowie eines unbekannten Zeugen wird von § 131b StPO umfasst186. In der Praxis ist eine solche Identitätsfahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen weit

182 Als Beispiel an dieser Stelle statt aller: Polizei NRW Dortmund, Fahndungsaufruf vom 7.11.2017 und 5.12.2017 (presseportal.de) bzw. 6.12.2017 (Facebook) nach EC-KartenBetrügern im Zusammenhang mit einem Handtaschendiebstahl, https://www.facebook.com/ Polizei.NRW.DO/photos/a.469048826449066.101705.466394926714456/1701243176562952/​ ?type=3&theater (15.11.2019), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/65850/3781362 (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4971/3807437 (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 27.10.2016 wegen eines Raubüberfalls auf eine Apotheke, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.524908.php (2.3.2017), https://​ www.facebook.com / PolizeiBerlin / posts/590671394450302 (26.4.2020); Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 22.11.2017 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, https://www.polizei. bremerhaven.de/index.php/blog-leser/fahndung-nach-einbrecher-3761.html (26.4.2020), https:// www.facebook.com/PolizeiBremerhaven/photos/a.890561331082670.1073741883.519251304 880343/795070887298382/?type=3&theater (26.4.2020). 183 Fahndungsaufruf der Polizei Hamburg vom 27.4.2018 nach einem Zeugen eines Tötungsdeliktes auch unter Nennung seines mutmaßlichen Pseudonyms, https://www.facebook. com/polizeihamburg/posts/1976058232654561 (26.4.2020), https://www.polizei.hamburg/ zeugen/10970416/oeffentlichkeitsfahndung-nach-zeugen/ (8.6.2018, Inhalt bereits gelöscht). 184 Ein besonders brisantes Beispiel betrifft die Internetfahndung des BKA vom Oktober 2017 zur Identifizierung eines vierjährigen Mädchens, das zum Opfer von Sexualdelikten wurde. Das Mädchen wurde einige Stunden später identifiziert, siehe mad / DPA / AFP, Missbrauchsopfer. Hilferuf des BKA: Wer kennt dieses kleine Mädchen?, Stern.de vom 9.10.2017, https://www.stern.de/panorama/stern-crime/bka-hilferuf-wegen-missbrauch--wer-kenntdieses-kleine-maedchen--7653112.html (26.4.2020). Zur Erledigungsmeldung des BKA vom 9.10.2017 siehe https://www.facebook.com/bundeskriminalamt.bka/photos/a.7051854795236 34/1662803963761776/?type=3&theater (26.4.2020). 185 Vgl. BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21; Nr. 2.2 Abs. 1 S. 5 Anl. B RiStBV, allg. geltende Auffassung, vgl. nur Meyer-Goßner / Schmitt, § 131b Rn. 1; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 3; KMR / Wankel, § 131b Rn. 1; L-R / Erb, § 161 Rn. 49; mit ausführlicher Begründung MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2; a. A. AG Torgau, NStZ-RR 2003, 112; Beschluss vom 10.2.2004 – 5 Gs 13/04, juris. 186 Die Identitätsfahndung nach einem Zeugen mit einem subjektiven Porträt ist äußerst selten anzutreffen. Beispiel bei dem LKA Niedersachsen (Polizei Wolfsburg), Fahndungsaufruf vom 12.12.2016 wegen Mordes an einer Prostituierten, http://www.lka.polizei-​nds.​de/fahndung/ fahndung_social_networks/wolfsburg-mord-an-prostituierter-polizei- ​ s ucht-​ w ichti​ genzeugen--111729.html (11.1.2018), https://www.facebook.com/Landes​k riminalamtNiedersachsen/ posts/1336939356325363 (11.1.2018).

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verbreitet187. Es werden im Internet auch Fahndungsaufrufe veröffentlicht, in denen nach einem von mehreren Tatverdächtigen mit einem subjektiven Porträt und nach dem anderen mit einem Bild, etwa aus einer Videosequenz, gefahndet wird188. Des Weiteren kann sich die Identitätsfahndung im Rahmen einer erweiternden Auslegung des § 131b Abs. 1 StPO („insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters“) nicht nur auf die abgebildete – gesuchte bzw. den Strafverfolgungsbehörden bereits bekannte – Person beziehen, sondern auch zur Identitätsfeststellung weiterer, mangels vorhandenen bzw. wegen unzureichender Qualität nicht veröffentlichten Bildmaterials nicht abgebildeter Tatbeteiligter dienen189. In der Praxis sind derartige Online-Fahndungsaufrufe mit der Abbildung bzw. dem subjektiven Porträt nur eines von mehreren Tatbeteiligten nicht unüblich190. Das 187

In Bezug auf § 131b Abs. 1 StPO: Z. B. Polizei Rostock (Polizeiinspektion Güstrow), Fahndungsaufruf vom 26.2.2016 nach einem Krankenhausdieb mit zwei Versionen eines subjektiven Porträts, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/108766/3261795 (26.4.2020), https://www. facebook.com/Polizei.HRO.LRO/posts/1669429959985444 (26.4.2020); Polizei RheinlandPfalz (Polizeipräsidium Trier), Fahndungsaufruf vom 2.6.2017 nach einem Räuberpärchen (räuberischer Angriff unter Vortäuschung einer Notlage)  mit subjektiven Porträts, https:// www.presseportal.de/blaulicht/pm/117701/3650716 (26.4.2020), https://www.facebook.com/ PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.366686616769896.1073741830.346839815421243/115811090 7627459/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Magdeburg, Fahndungsaufruf vom 16.6.2017 nach einem Fahrraddieb, subjektives Porträt anhand einer (auch veröffentlichten) Videosequenz erstellt, http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=884892&identi fier=82c4194db1552e41610854af03d722ba (26.4.2020), https://twitter.com/PolizeiPDNord/ status/875657658245586944 (26.4.2020); LKA Niedersachsen (Polizei Melle), Fahndungsaufruf nach zwei Tatverdächtigen wegen schweren Raubes und/oder Freiheitsberaubung vom 26.11.2015 (Facebook) bzw. 2.12.2015 (Twitter), http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung / fahn dung_social_networks / melle-dubioser-autoverkauf-am-17102015--111093.html (27.11.2015); https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/1050699418282693 (27.11.2015); https://twitter.com / PolizeiNI_Fa / status/672030026112438273 (7.12.2015). 188 So z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.12.2016 wegen räuberischen Diebstahls, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.538772.php (23.1.2017), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/611712689012839 (26.4.2020), https://twitter. com/polizeiberlin/status/806540561020755968 (26.4.2020); Polizei Hessen (Polizeipräsidium Westhessen), Fahndungsaufruf vom 11.12.2017 (Homepage)  bzw. 13.12.2017 (Facebook) nach einem schweren Raub, https://www.polizei.hessen.de/Dienststellen/PolizeipraesidiumWesthessen/broker.jsp?uMen=16870ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046&uCon=9ef205d4b613-4061-4410-b8445f3a3e67&uTem=8ed702cd-aff2–3941-cd47-a0a30165474d (5.1.2018), https://www.facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.1820455 75190291/1656817207713113/?type=3&theater (5.1.2018). 189 Vgl. L-R / Gleß, § 131b Rn. 2; Hilger, NStZ 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110); MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2; AG Torgau, NStZ-RR 2003, 112. 190 Z. B. Polizei Rheinland-Pfalz (Bad Kreuznach), Fahndungsaufruf vom 5.1.2018 nach einem der Tatbeteiligten am Raubüberfall auf ein Bekleidungsgeschäft mit einem subjektiven Porträt, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117708/3831693 (26.4.2020), https:// www.facebook.com/PolizeiRheinlandPfalz/posts/1348744458564102 (26.4.2020); Polizei Brandenburg (Polizeiinspektion Oberhavel), Fahndungsaufruf vom 14.1.2016 mit einem subjektiven Porträt einer der Tatverdächtigen nach einem Trickdiebstahl, https://polizei. brandenburg.de/fahndung/wer-kennt-diese-frauen-/138306 (14.1.2016); Polizei Schwaben SüdWest (Sonderkommission „Eichwald“), Fahndungsaufruf vom 21.4.2017 wegen Mordes an

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

Gleiche betrifft die Klärung der Identität eines (möglicherweise nicht abgebildeten) weiteren, am Tatort anwesenden Zeugen191. In diesem Zusammenhang lässt sich, wenn die Identität des Abgebildeten bereits bekannt ist, von einer „mittelbaren“ Identitätsfahndung, und wenn sowohl nach der Identität des Abgebildeten als auch nach weiteren Tatbeteiligten gefahndet wird, von einer „doppelten“ Identitätsfahndung sprechen. Die Identitätsfahndung im Internet wird darüber hinaus durch die Veröffentlichung von Tonsequenzen mit der Stimme des Tatverdächtigen192 oder des Zeugen193 praktiziert. Im Zusammenhang mit § 131b StPO wird vertreten, dass diese Norm, bezogen vor allem auf die Identitätsfahndung, außer der Ermittlung der Personalien des Beschuldigten indirekt auch der Klärung seines bisher unbekannten Verbleibeortes dienen kann194. Tatsächlich sind in der Praxis, wie bereits im Zusammenhang mit § 131a Abs. 3 StPO ausgeführt, zahlreiche Fahndungsaufrufe von Strafverfolgungsbehörden verschiedener Bundesländer mit der Frage „Wer kennt den abgebildeten Mann oder kann Hinweise auf seinen Aufenthaltsort geben?“ anzutreffen195. Bezogen auf den Fahndungszweck lassen solche Fahndungsaufrufe nach unbekannten Beschuldigten sowohl auf die Identitätsfeststellung als auch auf die Aufenthaltsermittlung schließen. Dabei war die Frage nach der Identität des Gesuchten stets von primärer Bedeutung und die nach dem aktuellen Aufenthaltsort stand mit ihr im unmittelbaren Zusammenhang, war sozusagen eine konsequente Anschlussfrage. Auch die Rechtsprechung sieht die im Zusammenhang mit der Identitätseinem Rentner mit Abbildung eines bekannten Tatverdächtigen, http://www.polizei.bayern. de/schwaben_sw/fahndung/personen / index.html/259765 (27.12.2017), https://www.facebook. com/PolizeiSWS/photos/a.1807033016187312.1073741828.1806569826233631/188198308869 2304/?type=3&theater (26.4.2020). 191 Ähnlich L-R / Gleß, § 131b Rn. 4 in Bezug auf die Tataufklärung. 192 Z. B. Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 24.4.2018 wegen räuberischen Angriffs auf Taxifahrer, https://www.polizei.hamburg/personen/straftaeter/10954690/raub-auf-taxi​fahrer/ (8.6.2018), https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/1974797409447310 (26.4.2020); Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 13.4.2017 (Homepage)  bzw. 26.4.2017 (Facebook) wegen Entführung, https://www.polizei.hessen.de/Fahndung/Personen/broker.jsp?uMen=​ 17e706de-6c31-2c41-12da-af82bb838f39&uCon=d7d5047c-cd9c-3e41-6d22-d810ef798e7​ b&uTem=8ed702cd-aff2–3941-cd47-a0a30165474d (8.1.2018), https://www.facebook.com/ PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/1428319500562 886/?type=3&theater (26.4.2020); LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 4.10.2017 wegen versuchten Betrugs („falscher Polizist“), http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/ fahndung_social_networks/wilhelmshaven-anrufer-gibt-sich-als-polizeibeamter-auswer-​ kennt-die-stimme-des-taeters-112427.html (11.1.2018), https://www.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/16 65471636805465/?type=3&theater (26.4.2020). 193 Z. B. Polizei Oberfranken, Fahndungsaufruf vom 26.4.2017 (Notruf eines Zeugen nach einem Gewaltverbrechen an einem Senior), https://www.polizei.bayern.de/oberfranken/ news/​ presse/aktuell/index.html/260036 (28.12.2017), https://www.facebook.com/Polizei​ Oberfranken/photos/a.1292924774062858.1073741828.1224714340883902/13921943074692 37/?type=3&theater (26.4.2020). 194 L-R / Gleß, § 131b Rn. 1, 2. 195 Siehe Nachweis in der Fn. 151.

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fahndung stehende Aufenthaltsermittlung als von § 131b Abs. 1 StPO umfasst an. Einem der Verfasserin vorliegenden (anonymisierten) Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten196, in dem die Öffentlichkeitsfahndung auf § 131b Abs. 1 StPO gestützt wurde, ist zu entnehmen: „Die Aufenthaltsermittlung sowie die Veröffentlichung von Abbildungen des unbekannten Beschuldigten ist notwendig …“. Auch das AG Torgau trennte in einer Entscheidung zum § 131b Abs. 1 StPO die Feststellung von Personalien nicht von der Aufenthaltsermittlung: „… etwas zur Person und / oder zu seinem Aufenthalt … bekunden können“197. Die Praxis, in derartigen Mischfällen, in denen auch wegen des unbekannten Aufenthaltes eines unbekannten Beschuldigten gefahndet wird, auf § 131b StPO zurückzugreifen, entspricht zweifelsohne Praktikabilitätsgründen. Gleichwohl wirft sie die Frage auf, ob dadurch nicht der Anwendungsbereich dieser Norm überschritten wird, weil die Aufenthaltsermittlung, anders als in § 131a StPO, im Wortlaut des § 131b StPO nicht erscheint. Das ist aber zu verneinen, weil sie von dem Begriff der Identitätsfeststellung als Spezialfall der Aufklärung umfasst wird. Zu der Feststellung der Identität198 gehört gemäß den Ausführungen zu § 163b StPO die Feststellung der Personalien, zu denen außer Vor-, Nachname und Geburtsdatum auch die aktuelle Wohnanschrift zu zählen ist199. Sie dient dem Zweck, „den Betroffenen zuverlässig und ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten zu erreichen“200. Für die Bestimmung des Regelungsgehaltes des Begriffes der Identitätsfeststellung i. S. d. § 131b StPO kann nichts anderes als für § 163b StPO gelten, zumal, wie Kurth in Bezug auf § 163b Abs. 1 StPO festhielt, „die Feststellung der Identität eines Verdächtigen darauf abzielt, eine Straftat aufzuklären und wegen dieser Tat ein Strafverfahren durchzuführen“201. So gesehen umfasst diese Bezeichnung auch die Ermittlung des aktuellen Aufenthalts des Gesuchten, die zugleich auch der Aufklärung der Tat dienlich ist. Häufig könnte einem Hinweisgeber nicht nur der Name der gesuchten Person bekannt sein, sondern auch, wo sie wohnt bzw. sich aufhält. Umgekehrt ist auch ein Fall möglich, in dem dem Hinweisgeber die (selbst ungenaue) Anschrift des Gesuchten bekannt ist, weil er z. B. in der Nachbarschaft wohnt, nicht aber sein Name. Anders ausgedrückt: Zu einer vollständigen Aufklärung ist die Ermittlung des Aufenthaltsortes unentbehrlich. Dadurch dass die Aufenthaltsermittlung durch die Identitätsfahndung nach § 131b Abs. 1 StPO bei einer Fahndung nach unbekannten Beschuldigten mit umfasst ist, kommt es im Ergebnis auch nicht, obwohl es auf den ersten Blick den 196

Für Forschungszwecke der Verfasserin zur Verfügung gestellt vom Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 197 AG Torgau, NStZ-RR 2003, 112. 198 Siehe Duden, Stichwort: „Identität“: „Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“, https://www.duden.de/recht schreibung/Identitaet (26.4.2020). 199 Kurth, NJW 1979, 1377 (1379) Fn. 34; SK / Wolter, § 163b Rn. 24. 200 L-R / Erb, § 163b Rn. 17, ähnlich SK / Wolter, § 163b Rn. 24. 201 Kurth, NJW 1979, 1377 (1378).

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

Anschein haben mag, zu einer Kollision mit § 131a Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 StPO202, zu dessen Voraussetzungen, anders als in § 131b Abs. 1 StPO, ein dringender Tatverdacht gehört. So kommt dem § 131a Abs. 3 StPO neben § 131b StPO keine selbständige Bedeutung zu, weil die Öffentlichkeitsfahndung zur Identitätsfeststellung unbekannter Beschuldigter in § 131b Abs. 1 StPO besonders normiert ist. Umgekehrt liegt bei einer Öffentlichkeitsfahndung nach einem (bekannten) Beschuldigten bzw. Zeugen zur Aufenthaltsermittlung die Rechtsgrundlage stets in § 131a Abs. 3 StPO, weil die Aufenthaltsermittlung, wie bereits ausgeführt, stets der Einbeziehung des Beschuldigten oder Zeugen in das laufende Strafverfahren, also, anders ausgedrückt, der Tataufklärung dient. § 131b Abs. 2 StPO spielt dann neben § 131a Abs. 3 StPO keine Rolle mehr. So ist die Bezeichnung von Gleß, Maßnahmen aus § 131b StPO könnten mit diesen aus § 131a StPO verbunden werden, zumindest unpräzise203. e) Aufklärungsfahndung Von dem sachlichen Anwendungsbereich beider Fahndungsziele des § 131b StPO werden nach dem unmissverständlichen Gesetzeswortlaut gleichermaßen Beschuldigte und Zeugen umfasst; auch der Gesetzgeber bezog in der Gesetzesbegründung den Zeugen in den Anwendungsbereich der Aufklärungsfahndung mit ein204. Aus diesem Grund kann der in der Kommentarliteratur teilweise vertretenen Auffassung, die den Zeugen aus dem Anwendungsbereich der Aufklärungsfahndung herausnimmt205, nicht gefolgt werden. Die Aufklärungsfahndung fällt mit einer Identitätsfahndung nach einem unbekannten Täter oft zusammen. Verbreitet in der Praxis sind Fahndungsmeldungen mit der Bitte um Informationen „zur Tat oder zum Tatverdächtigen“206 bzw. gerichtet an „Zeugen, die die Tat beobachtet haben oder Hinweise auf den Täter geben können“207. Die Aufklärungsfahndung nach § 131b Abs. 1 StPO kommt aber auch 202

§ 131a Abs. 2 StPO gilt auch für Ausschreibungen i. e. S. zur Identitätsfeststellung eines unbekannten Beschuldigten, siehe dazu unter Pkt. A. I. 4. d) dieses Teils. 203 L-R / Gleß, § 131b Rn. 1. 204 BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21: „Absatz 2 regelt die Aufklärungs- und die Identitätsfeststellungsfahndung nach einem Zeugen“. 205 Joecks, § 131b Rn. 1; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131b Rn. 1; SK / Paeffgen, § 131b Rn. 2; HK4 / L emke, § 131b Rn. 4; a. A. SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49), der jedoch offenlässt, ob der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 131b Abs. 1 StPO lediglich auf die Identitätsfeststellung beschränken wollte; KK / Schultheis, § 131b Rn. 1, 4; L-R / Gleß, § 131b Rn. 4. 206 So LKA Niedersachsen (Polizei Salzgitter), Fahndungsaufruf vom 10.1.2018 mit einem subjektiven Porträt wegen räuberischer Erpressung gegenüber einer Angestellten eines Getränkemarktes, http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_networks/ salzgitter-bad-raeuberische-​erpressung-112687.html (11.1.2018), https://www.facebook.com/ Landeskriminalamt​Nieder​sachsen/posts/1772847229401238 (11.1.2018). 207 So Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 17.11.2017 mit Abbildung aus einer Überwachungskamera wegen versuchten schweren Raubs, https://www.polizei.hamburg/straf​taeter/​

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bei bekannten Tätern in Betracht208. Darauf weist der Wortlaut der Nr. 2.1 Abs. 4 S. 2 Var. 3 Anl. B RiStBV hin „und ordnet er auch keine Öffentlichkeitsfahndung mit dem Ziel der Aufklärung einer Straftat (§ 131b Abs. 1 StPO) an …“, die sich auf die Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen bezieht209. Außerdem hätte ein Verneinen dieser Möglichkeit zur Folge, dass eine weitere Tataufklärung zumindest erschwert wäre, was einer effektiven Strafverfolgung zuwiderlaufen würde. Für die Anwendung des § 131b Abs. 1 StPO auf bekannte Tatverdächtige spricht im Umkehrschluss auch die Entscheidung des SächsVerfGH, der § 131b Abs. 2 StPO für eine Aufklärungsfahndung mittels einer Abbildung einer bekannten Zeugin für anwendbar hält210. Erst recht müsste das für bekannte Tatverdächtige gelten. Der bekannte Aufenthalt der gesuchten Person steht einer Anwendung von § 131b StPO nicht entgegen211, denkbar sind solche Maßnahmen zu Aufklärungszwecken, etwa zur Aufklärung der Beteiligung des abgebildeten Beschuldigten an weiteren, ähnlichen Straftaten212. Auch bei einem vollzogenen Haftbefehl213 ist eine Aufklä9896514/schwerer-raub-st-georg/ (4.1.2018), https://www.facebook.com/polizei​hamburg/posts/​ 1907627992830919 (26.4.2020). 208 In diese Richtung auch L-R / Gleß, § 131b Rn. 2. 209 Missverständlich in diesem Zusammenhang Nr. 2.2 Abs. 1 S. 4 Anl. B RiStBV: „Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 131b Abs. 1 StPO sind zu beachten“, die sich auf die Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen bezieht. 210 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49). Das Ziel war die Aufklärung eines vier Jahre zurückliegenden Mordes und EC-Karten-Betrugs; die geplante Veröffentlichung einer Abbildung u. a. der beschwerdeführenden Zeugin (nicht vollzogen) und der Beschuldigten sollte der Tataufklärung dienen. Bezweckt war insbesondere, weitere Zeugen zu finden, die sich an die Gruppe bestehend aus der beschwerdeführenden Zeugin, eines weiteren Zeugen, der Beschuldigten und dem (vermeintlichen) Tatopfer erinnern und sachdienliche Hinweise liefern. Dagegen Osterlitz, S. 582, der den Anwendungsbereich des § 131b Abs. 2 StPO auf unbekannte Zeugen einschränkt. 211 Hilger, NStZ 2000, 561 (563); KMR / Wankel, § 131b Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 1. 212 KMR / Wankel, § 131b Rn. 3. Als Beispiel aus der Praxis: Fahndungsaufruf der Polizei München vom 6., 7., 8. und 9.3.2018 zur Aufklärung evtl. weiterer Straftaten einer wegen Mordverdachts festgenommenen Pflegehilfskraft an den von ihr betreuten Personen, http:// www.polizei.bayern.de/muenchen/fahndung/personen/straftaeter/bekannt/index.html/275956 (22.3.2018), https://web.facebook.com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.10737418 31.312075995604822/1371627556316322/?type=3&theater (26.4.2020), https://web.facebook. com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.1073741831.312075995604822/13723883 89573572/?type=3&theater (26.4.2020), https://web.facebook.com/polizeimuenchen/photos/ a.552744488204637.1073741831.312075995604822/1373119729500438/?type=3&theater (26.4.2020), https://web.facebook.com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.10737 41831.312075995604822/1373793299433081/?type=3&theater (26.4.2020), Fahndungsaufruf des BKA vom 23.4.2018, https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/Fahndungen/Personen/ BekanntePersonen/Wolsztajn/Sachverhalt_Wolsztajn.html;jsessionid=1DCF04EBCD8FB05 3A14362DC34E4C631.live0612 (26.4.2018). 213 Vgl. auch § 169 Abs. 1a österreichischer StPO: „Eine Veröffentlichung von Abbildungen eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten ist auf Grund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft unter den Voraussetzungen des Abs. 1 letzter Satz zulässig, soweit anderen­falls die Aufklärung weiterer Straftaten, deren Begehung er verdächtig ist, wesentlich erschwert wäre.“

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rungsfahndung nach § 131b Abs. 1 StPO möglich, etwa um die Frage zu klären, ob bzw. wann der Beschuldigte an einem konkret bezeichneten Ort gesehen wurde214. Denkbar ist weiter eine Öffentlichkeitsfahndung mit der Abbildung eines Beschuldigten oder eines Zeugen zur Klärung eines Tatbeitrags eines nicht abgebildeten, weiteren Tatbeteiligten215. Der Wortlaut des § 131b Abs. 1 StPO und der Zweck der Vorschrift stehen einer solchen erweiternden Auslegung nicht entgegen. So kann nicht nur in den genannten, sondern auch in vielen weiteren Fällen die Identitätsmit der Aufklärungsfahndung zusammenfallen216. f) Problematische Fälle im Zusammenhang mit § 131b StPO aa) Veröffentlichung von Personalien ohne Abbildung Die Formulierung des § 131b StPO, in dem in beiden ersten Absätzen, ähnlich einer Inhaltsvorschrift, auf die Veröffentlichung einer Abbildung fokussiert wird, wirft die Frage auf, ob nach dieser Norm, etwa bei einer Aufklärungsfahndung, lediglich der Name eines bekannten Beschuldigten bzw. Zeugen auch ohne Abbildung ggf. als milderes Mittel im Internet veröffentlicht werden kann217. § 131b Abs. 3 StPO verweist auf die entsprechende Anwendung der Inhaltsvorschrift des § 131 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 StPO („Der Beschuldigte ist zu bezeichnen und soweit erforderlich zu beschreiben“)218. Insofern ermöglicht er, die Veröffentlichung einer Abbildung mit der Bezeichnung bzw. Beschreibung der abgebildeten Person zu verbinden. Wenn aber lediglich der Name und nicht die Abbildung veröffentlicht werden soll, stellt sich ein zumindest redaktionelles Problem, weil ein wesent­ liches, ja zentrales Element des § 131b Abs. 1 und 2 StPO entfällt219, auf den nicht

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Siehe Soiné, § 131b Rn. 3; Polizei Oberbayern Süd, Fahndungsaufruf vom 28.10.2015 mit Abbildung und Angabe von Personalien eines wegen Mordes Beschuldigten, http://www. polizei.bayern.de/muenchen/news/presse/aktuell/index.html/230144 (5.11.2015), https://www. facebook.com/polizeiOBS/posts/933606030048822 (26.4.2020); vgl. auch Polizei München, https://www.facebook.com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637/793631804115903/?​ type=3&theater (26.4.2020). 215 L-R / Gleß, § 131b Rn. 2; Hilger, NStZ 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110); MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2; AG Torgau, NStZ-RR 2003, 112. 216 Z. B. Fahndungsaufruf der Polizei Schwaben SüdWest (Sonderkommission „Eichwald“), in dem sowohl nach dem konkreten Aufenthaltsort des bekannten Tatverdächtigen nach und vor dem Mord gefragt als auch nach weiteren, nicht abgebildeten Tatverdächtigen gefahndet wurde, Nachweis siehe unter Fn. 190. 217 Ein umgekehrter Fall, d. h. die Abbildung eines bekannten Tatverdächtigen ohne Namensangabe, z. B. im Fahndungsaufruf der Polizei Schwaben SüdWest (Sonderkommission „Eichwald“) vom 21.4.2017 wegen Mordes an einem Rentner, Nachweis siehe unter Fn. 190. 218 Ein Verweis auf § 131 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 StPO, der auf das Beifügen einer Veröffentlichung abstellt, ist wegen des Wortlautes von § 131b Abs. 1 und 2 StPO ausgeblieben. 219 Auch bei KK / Schultheis, § 131b Rn. 1: „Die Vorschrift gestattet die Veröffentlichung von Bildmaterial über die in § 131 Abs. 4 S. 1 und § 131a Abs. 4 enthaltene Befugnis hinaus.“

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nur in der gesetzlichen Überschrift, sondern auch in der Gesetzesbegründung220 hingewiesen wird. Nach Sinn und Zweck dieser Norm, also eine Aufklärungs- und Identitätsfahndung unter gleichzeitiger möglichster Schonung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen zu ermöglichen, müsste diese Norm dennoch auf solche Fälle Anwendung finden221. bb) Abbildung von (verstorbenen) Tatopfern Nicht wenige Fahndungsaufrufe im Internet enthalten Abbildungen vermisster Personen, bei denen es nicht ausgeschlossen war, dass sie einer Straftat zum Opfer gefallen sein konnten. Nach zutreffender Ansicht von H. Schneider und Knape / Schönrock soll sich in solchen Fällen die Öffentlichkeitsfahndung auf § 131b Abs. 2 StPO (Aufklärungsfahndung) stützen, weil solche Personen als Zeugen im Strafverfahren zu werten sind222. Dies sollte jedoch unter der Prämisse gelten, dass die Möglichkeit besteht, dass diese Personen noch am Leben sind. In der Internetpraxis der Strafverfolgungsbehörden ist auch nicht nur vereinzelt die Konstellation aufgetreten, bei der in den Fahndungsaufrufen die Abbildungen samt Personalien (zumindest Namensinitialen) und Beschreibung von Personen, die (wahrscheinlich) einem Tötungsdelikt zum Opfer fielen, veröffentlicht worden sind223. Solche Personen können naturgemäß keine Aussagen mehr über das Tatgeschehen machen224 und damit nicht mehr Zeugen in einem Strafverfahren sein. Aus diesem Grund ist der Anwendungsbereich von § 131b StPO für sie gesperrt225, 220 BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21: „Absatz 1 regelt die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Abbildungen eines Beschuldigten …“. 221 So im Ergebnis zur Identitätsfahndung Benfer / Bialon, Rn. 1091a; Osterlitz, S. 582. 222 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25); Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 9. 223 So z. B. Polizei Vorpommern-Greifswald (Polizeiinspektion Anklam), Aufruf vom 6./15./​ 18.12.2016 zu einem im Hafenbecken tot aufgefunden Mann, erbat Hinweise zum Aufenthalt des Mannes in einem konkret genannten Zeitraum, https://www.presseportal.de/blaulicht/ pm/108768/3503779 (26.4.2020), https://www.presseportal.de / blaulicht / pm/108768/3512019 (26.4.2020), https://www.facebook.com/PolizeiVG/photos/a.498898100279830.1073741832 .343323669170608/689590624543909/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.facebook. com / PolizeiVG / photos / a.498898100279830.1073741832.343323669170608/696941350475 503/?type=3&theater (26.4.2020), auf Facebook mit Foto, Vorname und Namensinitiale; Polizei NRW Hagen (Polizei Mettmann), Leichenfund eines Vermissten, Hinweis auf Ausstrahlung in „Aktenzeichen XY … ungelöst“ in der Pressemitteilung vom 1./4.8.2017, https:// www.presseportal.de/blaulicht/pm/43777/3698744 (26.4.2020), https://www.facebook.com/ Polizei.NRW.HA/photos/a.213205282185117.1073741828.208563659315946/7655706869485 71/?type=3&theater (auf Facebook voller Name, Foto verpixelt) (26.4.2020); Polizei Sachsen, Tötungsdelikt in Leipzig Plagwitz, Hinweis auf Ausstrahlung in „Kripo live“ vom 19.11.2017 (Facebook, auf der Homepage ohne Datum), https://www.polizei.sachsen.de/de/52680.htm (26.4.2020), https://www.facebook.com / polizeisachsen.info / photos / a.285563511646485.107 3741828.270456363157200/740676262801872/?type=3&theater (26.4.2020). 224 L-R / Ignor / Bertheau, Vor § 48 Rn. 8. 225 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2; KMR / Wankel, § 131 Rn. 2; H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25).

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obwohl eine solche Veröffentlichung der Tataufklärung dient. Vielmehr ist in derartig gelagerten Fällen auf §§ 161, 163 StPO zurückzugreifen226. In den Mischfällen, in denen sowohl die Abbildung des unbekannten oder bekannten Beschuldigten als auch die Abbildung und / oder die Personalien des toten bzw. des vermissten und möglicherweise toten Opfers veröffentlicht wird227, ist die Internetfahndung wegen des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Beschuldigten auf § 131b Abs. 1 StPO zu stützen. 6. Anwendungsbereich der Ermittlungsgeneralklausel, §§ 161 Abs. 1 S. 1, 163 Abs. 1 S. 2 StPO a) Allgemeines Die durch das StVÄG 1999 eingeführten Neuregelungen betrafen auch mit dem neu gefassten § 161 StPO eine Kodifizierung der „Allgemeinen Ermittlungs­ befugnis der Staatsanwaltschaft“228. Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „ist die Staatsanwaltschaft befugt“ beendete einen langen Streit darüber, ob § 161 StPO a. F. als eine Aufgabenzuweisung oder Ermächtigungsgrundlage zu verstehen war229. So wurde § 161 StPO als staatsanwaltschaftliche Ermittlungsgeneralklausel endgültig etabliert230. Das legislatorische Ziel war dabei, eine Rechtsgrundlage für Ermittlungshandlungen zu schaffen, die weniger intensiv in Grundrechte der Betroffenen eingreifen und aus diesem Grund von den Spezialregelungen nicht erfasst sind231. Bezogen auf die Internetfahndung, ist diese Norm232 wegen ihrer Einschränkung „soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln“ lediglich für Eingriffe unterhalb der Eingriffsschwelle in das Recht auf informa 226

SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2; siehe unter Pkt. A. I. 6. d) dieses Teils, auch zum postmortalen Persönlichkeitsrecht. 227 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 12.2.2017 („Tiefkühlfall“) – bekannter Tatverdäch­ tiger, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.552122.php (16.2.2017), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/645524478964993 (26.4.2020); Fahndungsaufruf vom 19.3.2017 (Mord in Kreuzberg, unbekannter Tatverdächtiger, Vorname und Initiale des Nachnamens des Opfers), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.​ 572774.php (19.3.2017), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.25382590813485 4.1073741828.167233600127419/661994660651308/?type=3&theater (26.4.2020). 228 Offizielle Überschrift ab 2015. 229 Zu dem Streitstand siehe Perschke, S. 93 Fn. 7 (zu § 163 Abs. 1 a. F.), S. 122 f. Hefendehl, StV 2001, 700 (706) bezeichnete die Änderung wegen der Handhabung in der Praxis als von „allein kosmetische[m] Charakter“. 230 Hilger, NStZ 2000, 561 (563); Wollweber, NJW 2000, 3623. 231 BR-Drs. 65/99, S. 46 = BT-Drs. 14/1484, S. 23. Nach Böckenförde, S. 155 ff., bestehen Bedenken gegen die Vereinbarkeit von §§ 161, 163 StPO mit dem Bestimmtheitsgebot und Art. 19 GG. 232 Auch in Verbindung mit dem neu eingeführten § 163 Abs. 1 S. 2 StPO.

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tionelle Selbstbestimmung bzw. außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 131 ff. StPO, also für gar nicht oder minder intensive233 Maßnahmen anwendbar234. Kennzeichnend für eine hohe Eingriffsintensität seien nach Griesbaum, angelehnt an BVerfGE 113, 348 (383, 392), die Verdachtslosigkeit und große Streubreite, „wenn also zahlreiche Personen in den Wirkungskreis einer Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben“235. Diese vom Autor allgemein gehaltene Aussage lässt sich von ihrem Charakter her auch auf die Öffentlichkeitsfahndung übertragen.

Trotz dieser Einschränkung kommt der Ermittlungsgeneralklausel für die repressive Internetfahndung in der Praxis eine nicht nur geringe Bedeutung zu: b) Allgemeine Zeugenaufrufe Zum einen lassen sich auf §§ 161, 163 StPO Maßnahmen stützen, die eine am häufigsten auftretende Erscheinungsform der Internetfahndung darstellen und die man als allgemeine Zeugenaufrufe236 bezeichnen kann237. Es handelt sich dabei meistens um polizeiliche (Presse-)Mitteilungen auf ihren Homepages, auf der Internetseite presseportal.de sowie in sozialen Netzwerken, in denen das Tat­ geschehen nur pauschal und ohne konkreten Personenbezug238 geschildert und um Hinweise aus der Bevölkerung nach dem Leitspruch „Wer hat etwas beobachtet?“ gebeten wird. Oft werden solche Mitteilungen mit Überschriften wie „Zeugen gesucht“ oder „Bitte um Mithilfe“ betitelt239. 233 Als Beispiele weniger bloßstellender Maßnahmen werden hierzu oft ein diskretes Nachfragen bei Behörden bzw. etwa im Bekanntenkreis, Auskünfte, etwa aus dem Melderegister genannt, L-R / Erb, § 161 Rn. 49; L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 16; Hilger, StraFo 2001, 109. Ähnlich zur alten Rechtslage L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 1. 234 KK / Griesbaum, § 161 Rn. 1; SK / Weßlau / Deiters, § 161 Rn. 12; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2; BeckOK / Sackreuther, § 161 Rn. 4; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 1; KMR / Wankel, § 131 Rn. 2; ­Valerius, S. 59. Nach SK / Weßlau / Deiters, § 161 Rn. 15 soll es sich im Zusammenhang mit §§ 131 ff. StPO nicht nur um ein Minus, sondern sogar um ein Aliud dazu handeln. Kritisch auch Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 2, der auch für weniger tief eingreifende Maßnahmen eine spezielle Ermächtigungsgrundlage verlangt. Ähnlich Böckenförde, S. 166, der es ablehnt, §§ 161, 163 StPO für jedwede Grundrechtseingriffe anzuwenden. 235 KK / Griesbaum, § 161 Rn. 1a. 236 Zu dem Begriff siehe z. B. DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 1. 237 Dagegen nicht die Errichtung eines Internetforums speziell zum Sammeln von Hinweisen zu einem Tötungsdelikt wegen gravierender Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Tatverdächtigen durch abstoßende Kommentare, i. E., wenn auch ohne direkte Nennung von §§ 161, 163 StPO, OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262 (1263 f.). So auch zutreffend Popp, jurisPRITR 4/2008 Anm. 3 unter Hinweis auf den abschließenden Charakter der §§ 131 ff. StPO und Handeln der Ermittlungsbehörden ohne Rechtsgrundlage wegen dieses Eingriffs, der seiner Intensität einem nach §§ 131 ff. StPO gleichzustellen ist. Der Fall ereignete sich 2001, also noch in dem Web 1.0-Zeitalter. 238 Roggenkamp, K&R 2013, I. 239 Z. B. Mitteilung der Polizei Berlin auf Facebook vom 14.1.2017 zu einem Einbruch ins KaDeWe: „Haben Sie etwas gesehen oder gehört?“ „Zeugen, die heute Morgen in der Nähe

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c) Beschreibungen gesuchter Personen Darüber hinaus wird die Ermittlungsgeneralklausel für Zeugenaufrufe mit einer (vielfach sehr detaillierten240) Beschreibung des Tatverdächtigen oder Zeugen, etwa unter Angabe seines geschätzten Alters, Aussehens, getragener Kleidungsstücke, seiner Sprechweise (Dialekt, ein ausländischer Akzent), auch besonderer Körpermerkmale wie auffällige Tätowierungen (auch in Form einer veröffentlichten Zeichnung) oder Muttermale sowie eines mitgeführten Tieres (z. B. konkrete Hunderasse) herangezogen241. Diese Auffassung entspricht auch der allgemeinen Praxis der Strafverfolgungsbehörden242. Selbst bei der Annahme, bei solchen Angaben sei von einem Grundrechtseingriff bei der betroffenen Person auszugehen243, wäre dieser aufgrund seiner Geringfügigkeit als unterhalb der Schwelle von §§ 131 ff. StPO liegend einzuordnen. Zwar handelt es sich bei den einzelnen Elementen der Beschreibung um personenbezogene Daten im datenschutzrechtlichen Sinne (Art. 4 Nr. 1 DSGVO), weil körperliche Eigenschaften genannt werden, die sich auf eine identifizierbare, also bestimmbare Person beziehen244 (hier: eine Person mit den aufgezählten Merkmalen zur gegebenen Zeit am gegebenen Ort), die ermittelt werden kann245 und es den Strafverfolgungsbehörden auf die Ermittlung dieser Person ankommt. Gleichwohl lässt sich eine – selbst detaillierte – Beschreibung pauschal auf eine Vielzahl von Personen übertragen246 und erreicht nicht den Individualisierungsgrad etwa einer Abbildung; auch ist eine Beschreibung von Tätowierungen oder einer markanten Narbe vom Wiedererkennungsgrad nicht mit einer Namensangabe gleichzusetzen247. Selbst wenn die Beschreibung so genau ist, dass der Ledes KaDeWe oder in der Wendlandzeile verdächtige Beobachtungen gemacht haben, werden gebeten, sich mit der Kriminalpolizei der Direktion 4 … in Verbindung zu setzen.“ https:// www.facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.167233600127419/​ 630683547115753/?type=3&theater (26.4.2020). 240 Siehe z. B. Polizei Oberfranken, Zeugenaufruf vom 20.2.2017 (bewaffneter Überfall auf Tankstelle): „– zirka 25 Jahre alt, – etwa 180 Zentimeter groß und schlank, – spricht fränkische Mundart, – bekleidet mit einem auffälligen schwarzen Kapuzenpullover mit aufgesticktem Schriftzug ‚FILA‘ im Brustbereich; der Schriftzug hat einen schwarzen Hintergrund und ist weiß umrandet, – weiße ‚Adidas‘-Turnschuhe mit schwarzen Streifen“, https://www.facebook. com/PolizeiOberfranken/photos/a.1292924774062858.1073741828.1224714340883902/13289 86833789985/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.polizei.bayern.de/oberfranken/news/ presse / a ktuell / index.html/256493 (28.12.2017). 241 In diese Richtung Valerius, S. 42; vgl. auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 132 f. für die Rechtslage vor dem StVÄG 1999. 242 Siehe z. B. Kommentar der Polizei Berlin auf Facebook vom 16.11.2015, https://www. facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.167233600127419/4532 75851523191/?type=3&theater; DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 1 (26.4.2020). 243 In diese Richtung wohl L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; a. A. Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 132 f.; Valerius, S. 42. 244 Vgl. Plath2 / Plath / Schreiber, § 3 BDSG a. F. Rn. 8, 13; Plath / Schreiber, Art. 4 DSGVO Rn. 6 ff. 245 Vgl. Gola / Gola, Art. 4 DSGVO Rn. 5. 246 Valerius, S. 42. 247 Vgl. Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 133; Valerius, S. 42.

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ser eine konkrete Person damit assoziieren kann, ist es gleichermaßen möglich, dass es sich bei dieser Person tatsächlich um den gesuchten Tatverdächtigen bzw. Zeugen handelt, wie dass der Leser aber mit seiner Vorstellung falsch liegt, und es sich in der Wirklichkeit um eine andere Person handelt. Nach der Auffassung von Zöller248 ist § 161 Abs. 1 StPO in Abgrenzung zu §§ 131 ff. StPO als Rechtsgrundlage für „das Anbringen von Plakatanschlägen ohne Lichtbild“ anzusehen. Dem ist insoweit zuzustimmen, soweit dabei keine Personalien veröffentlicht werden, weil gerade die Veröffentlichung von Personalien wegen des gravierenden Grundrechtseingriffs nicht auf die Ermittlungsgeneralklausel gestützt werden darf249. d) Abbildung von verstorbenen Tatopfern bzw. Tatverdächtigen Der Anwendungsbereich von §§ 161, 163 StPO umfasst auch Fahndungsaufrufe zur Tataufklärung unter Veröffentlichung einer Abbildung und / oder Personalien von Personen, die einem Tötungsdelikt zum Opfer fielen250 bzw. von tot aufge­ fundenen Personen bei bestehenden Anhaltspunkten, dass sie einem solchen Delikt zum Opfer gefallen sein könnten251; sie können nämlich im Ermittlungsverfahren nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen252. Eine vergleichbare Rechtslage ergibt sich für vermisste Personen, bei denen die Vermutung besteht, dass sie infolge eines Gewaltdeliktes ums Leben kamen. Eines der zahlreichen Beispiele aus der Praxis betrifft die Veröffentlichung einer Abbildung und der Personalien einer seit mehreren Jahren vermissten Seniorin, bei der die Ermittlungsbehörden davon ausgingen, dass es sich bei ihr um ein weiteres Opfer im Berliner „Tiefkühlfall“ handelte253. In diesem Zusammenhang ist darauf aufmerksam zu machen, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der in einem Online-Fahndungsaufruf genannten Personen

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HK / Z öller, § 161 Rn. 23. Benfer / Bialon, Rn. 1091a und Osterlitz, S. 582 sehen die Veröffentlichung einer Beschreibung ohne Foto „als Minusmaßnahme“ von § 131b StPO umfasst, gehen dabei jedoch nicht auf die Abgrenzung zu einem eventuell verbleibenden Anwendungsbereich der Ermittlungsgeneralklausel für allgemeine Zeugenaufrufe ein. 250 Z. B. Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 2.3.2017 (Tötung des Präsidenten des Hells Angels Charters Gießen), https://www.polizei.hessen.de/icc/internetzentral/nav/bd4/broker. jsp?uCon=e9360d36-4267-8a51-a903-66720ef798e7&uTem=8ed702cd-aff2-3941-cd47-a​ 0a30165474d&uMen=bd470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046 (26.4.2020), https://www. facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/136 8247963236707/?type=3&theater (26.4.2020). 251 Siehe auch im Zusammenhang mit § 131b StPO unter Pkt. A. I. 5. f) bb) dieses Teils. 252 Siehe auch SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2; KMR / Wankel, § 131 Rn. 2; in diese Richtung H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 253 Polizei Berlin, Polizeimeldung vom 23.1.2017, http://www.berlin.de/polizei/polizei​mel​ dungen/pressemitteilung.552122.php (26.1.2017), https://www.facebook.com/Polizei​Berlin/ photos/a.253825908134854.1073741828.167233600127419/635270823323692/?type=3&thea ter (26.4.2020). 249

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts  zwar mit ihrem Tod endet254, jedoch ihr postmortales Persönlichkeitsrecht, das sich aus der Menschenwürde herleiten lässt, fortbesteht255. Anders als bei einer Öffentlichkeitsfahndung unter Verwendung von Bildnissen lebender Personen kommt hier das Recht am eigenen Bild zum Tragen, weil es bei verstorbenen Personen naturgemäß von dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht verdrängt werden kann256. Das Wahrnehmungsrecht des persönlichkeitsrechtlichen Teils des Rechts am eigenen Bild geht nach dem Tod des Abgebildeten auf seine Angehörigen über, § 22 S. 3 KUG257. Gleichwohl ist auf die Einschränkung des Rechts am eigenen Bild aus § 24 KUG hinzuweisen. Insbesondere ist aus Pietätsgründen auf eine Veröffentlichung von möglichst neutralen, würdigen Abbildungen der verstorbenen Person zu achten258. Die Veröffentlichung von Personalien des Verstorbenen im Kontext einer Öffentlichkeitsfahndung und seine Darstellung als (ggf. mögliches) Opfer eines Tötungsdeliktes beeinträchtigt nicht seinen sozialen Wert- und Achtungs­anspruch.

Ein weiteres Beispiel, in dem die Öffentlichkeitsfahndung zur Tataufklärung nicht auf § 131b Abs. 1 StPO, sondern auf §§ 161, 163 StPO zu stützen ist, bildet die Veröffentlichung von Personalien bzw. Abbildungen eines bereits verstorbenen Tatverdächtigen, wie es in einer Ermittlungssache des Hessischen LKA, einem Serienmord, der Fall war. Die von den Ermittlern im Internet gestellten zahlreichen Fragen waren nicht nur allgemeiner Natur (wie nach den von dem Tatverdächtigen genutzten Kfz), gefragt wurde auch, was im konkreten Fall einen Sachbezug hatte, etwa nach seinen sexuellen Präferenzen259. e) Unterscheidung je nach gewählter Internetplattform? In zahlreichen gerichtlichen Anordnungen wird nicht differenziert, auf welchen konkreten medialen Kanälen die Strafverfolgungsbehörden einen Online-Fahndungsaufruf veröffentlichen dürfen; in manchen Fällen werden hierzu konkrete Angaben gemacht260. Aus datenschutzrechtlichen Gründen dürfen Personalien sowie Abbildungen nicht direkt in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden261, die Auf 254

Vgl. BVerfG, NJW 2001, 594; BVerfGE 30, 173 (194); BeckOK PolR NRW / Ogorek / Traub, § 14a PolG NRW Rn. 8. 255 Vgl. BVerfG, NJW 2001, 594 f.; Paschke / Berlit / Meyer / Kröner, Art. 8 EMRK Rn. 15 f. 256 Vgl. Valerius, S. 42 f. 257 BeckOK Urheberrecht / Engels, § 22 KUG Rn. 60. 258 Vgl. auch in Bezug auf § 159 StPO Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 130; ders., § 159 Rn. 13. 259 Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 19.5.2016, https://www.polizei.hessen.de/icc/ inter​netzentral/​nav/bd4/broker.jsp?uCon=95460379-a056-c451-32ab-69510ef798e7&uTem=​ 8ed702cd-aff2-3941-cd47-a0a30165474d&uMen=bd470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046 (26.4.2020), https://www.facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.10737418 25.182045575190291/1100867129974793/?type=3&theater (26.4.2020). Veröffentlicht wurden hier auch Personalien und Abbildungen von Opfern. Siehe auch Schraible, Ira, Ermittlungen im Serienmordfall. „Vielleicht kommt da noch ein Knaller ans Licht“, Hessenschau.de vom 25.12.2017, https://www.hessenschau.de/panorama/serienmordfall-seel-vielleicht-kommt-danoch-ein-knaller-ans-licht,interview-frank-herrmann-100.html (13.8.2018). 260 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 261 Siehe dazu bereits unter Pkt. D. I. 1. a) des 1. Teils.

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rufe auf Facebook oder Twitter enthalten aber üblicherweise einen Link oder einen Verweis als Inlineframe zu der Homepage bzw. zu der Plattform presseportal.de mit diesen Informationen. So lässt sich wertungsmäßig eine unmittelbare Verknüpfung mit den empfindlichen personenbezogenen Daten herstellen. Auch bei derartigen Online-Fahndungen in sozialen Netzwerken ist ihre Rechtsgrundlage daher nicht in §§ 161, 163 StPO, sondern in §§ 131 ff. StPO zu sehen, die sämtliche mit der Öffentlichkeitsfahndung verbundenen Aktivitäten der Strafverfolgungsbehörden im Internet umfassen soll.

II. Sachfahndung Außer der Personenfahndung werden von den Strafverfolgungsbehörden nicht selten Online-Fahndungsaufrufe veröffentlicht, die der Ermittlung von Sachen dienen262. Die praktische Relevanz dieser Ermittlungsmethode lässt sich mittelbar durch die Angaben des BKA veranschaulichen: Zum 1.4.2020 waren in der INPOL-Sachfahndungsdatei etwa 16 Millionen Gegenstände aufgelistet, darunter 459.548 Kfz, 1.484.990 Fahrräder und 335.923 Schusswaffen263. Im Folgenden wird in diesem Zusammenhang eine Unterscheidung zwischen einer Sachfahndung nach einer Sache und einer Sachfahndung mittels einer Sache nach Personen vorgenommen264. 1. Nach einer Sache Die Sachfahndung betrifft zum einen die Suche nach der Sache selbst. Ein Grund für eine solche Maßnahme kann sein, dass sie durch die Straftat hervorgebracht wurde, z. B. die Tatbeute eines Diebstahls darstellt. Die Internetauftritte zahlreicher Polizeibehörden enthalten einen Sonderkatalog mit Abbildungen und / oder Beschreibungen gesuchter gestohlener Gegenstände265. Das Spektrum gesuchter 262

Anl. B RiStBV findet für die Sachfahndung mithilfe von Publikationsorganen bzw. Internet keine Anwendung, Nr. 4 S. 2 Anl. B RiStBV. 263 Bundeskriminalamt, Polizeiliche Informationssysteme, https://www.bka.de/DE/Unsere​ Aufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/ElektronischeFahndungsInformationssysteme/polizei​ liche​Informationssysteme.html (26.4.2020). 264 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 139 differenziert zwischen Sachfahndung nach den für Strafverfolgungsbehörden „bekannten“ und „unbekannten“ Sachen. Siehe auch eine umfassende Definition von Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 251. 265 Etwa Polizei Brandenburg unter „Gestohlene Sachen“, https://polizei.brandenburg. de/​suche/typ/Fahndung/kategorie/Gestohlene%20Sachen?reset=1#pbb-search-result-pager (26.4.2020); Polizei Berlin unter „Sachfahndung“, https://www.berlin.de/polizei/polizeimel​ dungen/sachfahndung/ (26.4.2020); Polizei Hamburg unter „Sachfahndung“, „Entwendete Sachen“, https://www.polizei.hamburg/sachen/ (26.4.2020); Polizei Niedersachsen unter „Sachen“, „Gestohlene/abhanden gekommene Gegenstände“, https://www.polizei-nds.de/ fahndung/​sachen/gestohlene_abhanden_gekommene_gegenstaende/ (26.4.2020).

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Objekte fällt dabei sehr breit aus und reicht von Standardsuchen nach Kraftfahrzeugen, Fahrrädern, Schmuck und Kunstwerken über Hochzeitskutschen266, Gasgrills267, Musikinstrumenten268, Kinderwagen269, Weihnachtskrippen270, auffälligen Mobiltelefonen271 bis zu Tieren wie z. B. Schildkröten272. Die Hauptvoraussetzung eines derartigen Fahndungsaufrufs im Internet ist die Individualität der Sache selbst bzw. ihre markante Kennzeichnung durch den Eigentümer; sie muss sich aus der Masse gleicher bzw. ähnlicher Gegenstände hervorheben273. Auf diesen Umstand wird häufiger auf Nachfrage von Internetnutzern auch von der Polizei, etwa bei Facebook, hingewiesen274. Eine weitere Gruppe von gesuchten Sachen bildet die Suche nach den von den Tätern verwendeten Tatwerkzeugen, wie etwa Tat- bzw. Fluchtfahrzeugen275. 266

Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 15.11.2017, https://www.facebook.com/polizei​ sachsen.info/photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/739448809591284/? type=3&theater (26.4.2020). 267 Polizei Rheinland-Pfalz (Polizeipräsidium Koblenz), Fahndungsaufruf vom 15.5.2017, https://www.facebook.com/PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.366686616769896.1073741830. 346839815421243/1141026969335853/?type=3&theater (26.4.2020). 268 Bundespolizei NRW, Fahndungsaufruf vom 24.11.2017 (Geige im Wert von 20.000 Euro), https://twitter.com/bpol_nrw/status/934087495926669314 (26.4.2020), https://www.presse​ portal.de/blaulicht/pm/70116/3797766 (26.4.2020). 269 Polizei Südhessen, Fahndungsaufruf vom 11.8.2017, https://www.facebook.com/Polizei​ Suedhessen/photos/a.1797692043851030.1073741828.1695182380768664/1990778381209061/​ ?type=3&theater (26.4.2020). 270 Polizei Mittelhessen, Fahndungsaufruf vom 19.12.2017, https://www.facebook.com/mittel​ hessenpolizei/photos/a.980755938660210.1073741828.980625018673302/16150945518930 09/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/43648/3820319 (26.4.2020). 271 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 10.12.2015 (Beschreibung: schwarzes Samsung Galaxy S2, pinkfarbene Klapphülle mit Großbuchstaben „S“ und „G“ aus aufgeklebten Glitzersteinen), https://polizei.brandenburg.de/fahndung/kriminalpolizei-sucht-handydieb/​ 108346 (13.12.2015). 272 Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 12.2.2016, https://www.facebook.com/​Polizei​ Bremerhaven/photos/a.890548587750611.1073741881.519251304880343/6584419842​94607/​ ?type=3&theater (26.4.2020). 273 Siehe Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 254. 274 Frage eines Facebook-Nutzers an die Polizei Hamburg im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Abbildung eines gestohlenen Porsche Youngtimer 911, Baujahr 1989, auf der Facebook-Fanpage vom 4.11.2016: „In Hamburg wurden 2015 1078 Autos geklaut. Wenn das dieses Jahr ähnlich war müsstet ihr täglich 3 (aufgerundet) Autos posten. Bisher sah ich aber nur geklaute Porsche. Woran liegt das?“ Antwort der Polizei Hamburg: „… Es liegt daran, das (sic) eine Fahndung auf Facebook für uns nur sinnvoll ist, wenn es sich dabei um ein seltenes, markantes und Aufmerksamkeit erregendes Fahrzeug handelt.“ Facebook-Nutzer: „verstehe ich. hat aber leider einen sehr faden Beigeschmack“. Polizei Hamburg: „Verstehen wir. Ist aber nicht so.“, https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/1748006038793116 (26.4.2020). 275 Polizei Oberfranken, Fahndungsaufruf vom 15.2.2017 wegen eines Raubüberfalls auf Juwelier mit Beschreibung des Fluchtfahrzeugs, https://twitter.com/PolizeiOFR/status/​ 831821961445646336 (26.4.2020), https://www.polizei.bayern.de/oberfranken/news/presse/ aktuell/index.html/256259 (28.12.2017); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 24.8.2015 mit der

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2. Mittels einer Sache nach Personen Die zweite Fallgruppe der Sachfahndung, bei der auch häufig Abbildungen bzw. Beschreibungen veröffentlicht werden, dient nicht direkt dazu, eine Sache aus­findig zu machen (weil sie entweder etwa vom Täter am Tatort zurückgelassen wurde und bereits von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellt wurde, oder es den Strafverfolgungsbehörden im Ergebnis nicht primär auf sie ankommt), sondern vielmehr dazu, ihren Inhaber (verdeckte Personenfahndung) oder weitere dienliche Hinweise zur Tataufklärung zu erlangen. So werden im Internet häufig Fahndungsaufrufe nach Tatverdächtigen unter Abbildung von Tatwerkzeugen276, getragenen Kleidungsstücken und mitgeführten persönlichen277 oder sonstigen Gegenständen278 sowie Örtlichkeiten279 publiziert, die auf den Täter hinweisen können. Anzutreffen waren weiter Online-Fahndungsaufrufe mit Fotos von Fahrzeugen, die den Tatverdächtigen als Fortbewegungsmittel dienten (auch unter Angabe bzw. Abbildung der Kfz-Kennzeichen)280. Auch

Abbildung und Angabe von Kennzeichen eines Fahrzeugs, aus dem Schüsse abgegeben wurden, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.347611.php (26.4.2020). 276 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 3./4.12.2015 (Kekse unter Beimischung von Rattengift), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.416952.php (7.12.2015), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.1672336001 27419/459104970940279/?type=3&theater (26.4.2020); Bundespolizei Küste, Fahndungsaufruf vom 30.1.2017 (ein in Brand gesetztes Sweatshirt in der Bahnhofstoilette), https://twitter.com/ bpol_kueste/status/826005031312879617 (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/ pm/50067/3547251 (26.4.2020). 277 Polizei Südhessen, Fahndungsaufruf vom 20.11.2017 wegen Raubs (Abbildung von Sweatshirt, Sonnenbrille mit Etui, Stofftasche, Tatmesser), https://www.facebook.com/ PolizeiSuedhessen/photos/a.1797692043851030.1073741828.1695182380768664/20344610 66840792/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.polizei.hessen.de/icc/internetzentral/ nav/e6e/broker.jsp?sel_uCon=f1a2030a-21f6-df51-0c91-3d73037ae8dd&uTem=8ed702cdaff2–3941-cd47-a0a30165474d&uMen=e6e706de-6c31–2c41–12da-af82bb838f39 (8.1.2018); Polizei Sachsen-Anhalt Süd, Fahndungsaufruf vom 19.10.2017 (Anfahren eines Polizeibeamten nach Verkehrskontrolle, Abbildung des Fahrradhelms, Rucksacks sowie des Motorrads), https://twitter.com/PolizeiPDSued/status/921020937692119040 (26.4.2020), http:// www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd=get&id=887468&identifier=eb6309e70e08e 4f5f31255c676153768 (26.4.2020). 278 Z. B. ein Handtuch, mit dem ein ausgesetztes Baby umwickelt war, Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 6.8.2016, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/552538064930302 (26.4.2020). 279 Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 17.6.2016 (Abbildung von Garagen, in denen gestohlene Autos gefunden wurden), https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/​169​ 0916681168719 (26.4.2020). 280 Polizei Niederbayern, Fahndungsaufruf vom 21.11.2017 (Homepage)  bzw. 30.10.2017/​ 21.11.2017 (Facebook), http://www.polizei.bayern.de/niederbayern/fahndung/personen/index. html/270879 (18.12.2017), https://www.facebook.com/polizeiNiederbayern/photos/a.1629324 550692668.1073741828.1614500538841736/1842310876060700/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.facebook.com/polizeiNiederbayern/photos/a.1629324550692668.1073741828.161 4500538841736/1832664473692007/?type=3&theater (26.4.2020).

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

die Suche nach Tatwerkzeugen bzw. durch die Tat hervorgebrachten Gegenständen dient im Ergebnis, wenn auch mittelbar, zugleich der Personenfahndung281. In der Internetpraxis waren vereinzelt Fahndungsaufrufe nach Zeugen unter Veröffentlichung von Abbildungen bzw. mit Beschreibung von Fahrzeugen zu finden282. Bekannt gemacht wurden auch Abbildungen der Bekleidung eines (bekannten) Opfers, was im konkreten Fall die weitere Tataufklärung, insbesondere das Finden eines konkreten Zeugen bezweckte283; in einem anderen Fall Fotos vom Fahrzeug des Opfers eines Tötungsdeliktes284. Der weiteren Tataufklärung dient auch die Veröffentlichung einer von den Strafverfolgungsbehörden sichergestellten Sache des bekannten Täters, z. B. seiner auffälligen Jacke, um seinen Aufenthaltsort im Zeitraum zwischen der Tat und Festnahme zu klären285. Das weitere Ziel zahlreicher Fahndungsaufrufe im Internet ist die Ermittlung der Eigentümer sichergestellter Sachen (meistens Diebesgut) unterschiedlichster Art wie Schmuck286, Fahrräder287, Teppiche288 bis hin zu einem Schlauchboot289. 281

Vgl. Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 139; ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (130). 282 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 4.9.2015 nach einem dunklen Kombi im Zusammenhang mit dem Verschwinden des sechsjährigen Elias, https://www.facebook.com/ polizeibrandenburg/photos/a.1528025210778605.1073741828.1429667093947751/16344678 86801003/?type=1&theater (26.4.2020), http://www.internetwache.brandenburg.de/sixcms/ detail.php?id=12696621 (9.9.2015); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 28.11.2016 wegen eines Tötungsdeliktes an einem Mitglied einer Rockergruppierung nach einem Fahrzeug, das mit Kennzeichen ausgestattet war, die nicht zu dem Auto gehörten (mit Abbildung), https:// www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/607292549454853 (26.4.2020), http://www.berlin. de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.512240.php (26.4.2020), https://twitter.com/ polizeiberlin/status/803280046093910016 (26.4.2020). 283 Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 17.11.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiRheinlandPfalz/posts/1302522379852977 (26.4.2020). 284 Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 6.12.2016, https://www.facebook.com/​ PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.366686616769896.1073741830.346839815421243/1002758​ 989829319/?type=3&theater (15.11.2019), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117696/​ 3504023 (26.4.2020). 285 Polizei Kiel und Plön, Fahndungsaufruf vom 21.10.2016, https://www.facebook.com/ permalink.php?story_fbid=532634686928673&id=323062354552575 (15.11.2019). 286 Z. B. Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 22.3.2016 (etwa 700 Abbildungen von Objekten, vermutlich aus Einbrüchen im Raum Berlin / Brandenburg), https://polizei. brandenburg.de/fahndung/wem-gehoert-der-schmuck-/207566 (5.4.2016); Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 31.3.2016 (etwa 45 Objekte, sichergestellt bei einem Einbrechertrio), https://www.facebook.com/PolizeiHessen/posts/1069542586440581 (26.4.2020). 287 Z. B. Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 20.9.2017 (1.748 Fahrräder sichergestellt bei mehreren Durchsuchungen), https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/​1886313​ 358295716 (26.4.2020), https://www.polizei.hamburg/sichergestellte-fahrraeder-nach-durch​ suchung/ (4.1.2018). 288 Polizei Bremen, Fahndungsaufruf vom 10.2.2017, https://www.facebook.com/Polizei. Bremen/posts/1381279231924406 (15.11.2019). 289 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 13.10.2017, https://www.facebook.com/ polizeibrandenburg/posts/2261429767438142 (26.4.2020).

A. Repressiver Bereich

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In der Online-Datenbank „SECURIUS“ des BKA werden Abbildungen von sichergestellten Kunst- und Wertgegenständen veröffentlicht (z. B. Gemälde, Schmuck, Sakrales, Edelsteine, Münzen)290. 3. Rechtsgrundlage In der Literatur herrscht Einigkeit, dass die Fahndung nach Sachen selbst, z. B. gestohlenen Gegenständen, auf die Ermittlungsgeneralklausel der §§ 161, 163 StPO zu stützen ist, weil aus ihnen noch nicht auf eine konkrete Person geschlussfolgert werden kann und dementsprechend Grundrechte einer Person nicht tangiert werden können291. Bär veranschaulicht dies anhand eines Beispiels mit einem gestohlenen Schmuckstück292. Umstritten ist jedoch die Frage nach der Rechtsgrundlage für Sachfahndungen, die Rückschlüsse auf die Identität von gesuchten Personen und damit eigentlich eine Personenfahndung bezwecken. Die Mehrheit der Kommentatoren teilt die Auffassung von Gleß, dass in dieser Situation, abhängig von dem jeweils verfolgten Fahndungszweck, die Sondernormen der §§ 131 ff. StPO (analog) heranzuziehen seien293. Durch ein Zurückgreifen auf diese Normen sei ermöglicht, ein Unterlaufen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten des Betroffenen zu verhindern294, etwa bei einem Fahndungsaufruf nach einem derart markanten Fahrzeug, dass dessen Insassen ohne Schwierigkeiten identifiziert werden könnten, oder bei einer Abbildung eines Kleidungsstücks statt der Abbildung einer Person295. Dieser Ansicht ist in dem Punkt beizupflichten, dass es aus der Sicht der Strafverfolgungsbehörden im Ergebnis keinen Unterschied macht, ob nach einer unbekannten Person mittels einer detaillierten Beschreibung oder nach einem ihrer Kleidungsstücke gefahndet wird296. Gleß ist auch insofern zuzustimmen, dass die Veröffentlichung einer Abbildung bzw. Beschreibung eines charakteristischen Pkw dazu geeignet ist, eine Person bestimmbar zu machen297. Das Gleiche gilt umso mehr für das Kfz-Kenn 290

https://www.securius.eu/de/datenbank/ (26.4.2020). Ein Hinweis auf diese Seite befindet sich u. a. auf der Homepage der Polizei Berlin, https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/ sachfahndung/ (26.4.2020). 291 Bär, CR 1997, 422 (425); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (180); L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; Hilger, in: FS Rieß, 171 (172); L-R / Erb, § 161 Rn. 36; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 139; ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (130); Valerius, S. 59. 292 Bär, CR 1997, 422 (425). 293 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; L-R26 / Hilger, Vor § 131 Rn. 15; ders., in: FS Rieß, 171 (172); so auchMüKo / Gerhold, § 131 Rn. 4. Für direkte Anwendung von §§ 131 ff. StPO SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3a; Graf / Niesler, § 131 Rn. 4; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 4; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 4. 294 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20. 295 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20. 296 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 4. 297 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; Hilger, in: FS Rieß, 171 (172).

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

zeichen, das nach § 45 S. 2 StVG einen Bezug zu einer bestimmten oder bestimmbaren Person ermöglicht und somit zu den personenbezogenen Daten i. S. v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO gehört298. Gleichwohl, will man bei diesem Beispiel bleiben, enthält die Veröffentlichung einer Abbildung bzw. Beschreibung eines Fahrzeugs, selbst mit Kennzeichen, für die breite Allgemeinheit, also unbeteiligte Dritte – abgesehen von einigen wenigen Personen (etwa Nachbarn) und öffentlichen Stellen – keinen direkten Hinweis auf die Insassen. So ist, wenn überhaupt, von einem geringfügigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung unterhalb der Schwelle von §§ 131 ff. StPO auszugehen. Der dargestellten Auffassung, die auf die Fahndung mittels einer Sache nach Personen §§ 131 ff. StPO heranzieht, wird in dieser Untersuchung jedoch nicht gefolgt, vielmehr ist die Öffentlichkeitsfahndung in einem solchen Fall (d. h. mit Abbildung von Sachen, ohne Abbildung der Person und ohne Angabe von Personalien) auf §§ 161, 163 StPO zu stützen. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum ein Fahndungsaufruf, der ausschließlich die Beschreibung der gesuchten Person enthält, auf §§ 161, 163 StPO gestützt sein kann, während dies bei der Veröffentlichung einer Abbildung eines Kleidungsstücks, der Tatwaffe bzw. des Tatfahrzeugs anders bewertet werden sollte. Auch durch die Veröffentlichung der Abbildung eines Kleidungsstücks, etwa eines auffälligen Anoraks, wird die Schwelle der §§ 131 ff. StPO nicht überschritten, weil es nicht auf eine konkrete Person, sondern potenziell auf mehrere Personen schließen lässt. Darüber hinaus lässt eine solche Abbildung keinen Schluss auf die individuelle Körperhaltung oder sonstige besondere körperliche Merkmale des Gesuchten zu. Das Gleiche gilt umso mehr für alltägliche Gegenstände wie Handschuhe, Sonnenbrillen oder Haargummis. Ein Fall, in dem etwa am Tatort zurückgelassene Kleidungsstücke, selbst auf einer Schaufensterpuppe demonstriert, dargestellt werden299, kann wertungsmäßig nicht einer Veröffentlichung der Abbildung des unbekannten Tatverdächtigen gleichgestellt werden. Ein solcher Fall kann von seiner Eingriffsintensität her erst recht nicht mit der Veröffentlichung eines Namens verglichen werden. Hinzu kommt, dass die Heranziehung der §§ 131 ff. StPO in diesen Fällen eine unnötige und unverhältnismäßige Behinderung geführter Ermittlungen zu Folge hätte, denn es müsste dann entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen stets eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen und die Subsidiaritätsklausel beachtet werden. Das widerspricht einer effektiven Strafverfolgung und kann nicht vom Gesetzgeber gewollt sein. Nur am Rande sei angemerkt, dass zahlreiche Abbildungen dieser Art zurzeit nicht nur auf polizeilichen Homepages, sondern auch in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. Deshalb gebührt der Gegenauffassung Zustimmung, nach der sämtliche Erscheinungsformen der Sachfahndung auf §§ 161, 163 StPO zu stützen sind300. 298

Siehe hierzu Sydow / Ziebarth, Art. 4 DSGVO Rn. 18 Fn. 45. Siehe Polizei Südhessen, Fn. 277. 300 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 139 f.; ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (130); Bär, CR 1997, 422 (424 f.); ders., in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (180); wohl Valerius, S. 59. 299

B. Präventiver Bereich 

101

Von den oben dargestellten Konstellationen sind spezielle Fälle zu unterscheiden, in denen eine direkte Verknüpfung zwischen Personen- und Sachfahndung besteht, z. B. bei einer Fahndung zur Festnahme eines Tatverdächtigen unter zusätzlicher Veröffentlichung einer Abbildung des Fluchtfahrzeugs301, bei einer Fahndung zur Aufenthaltsermittlung zwecks Sicherstellung eines Führerscheins302 oder bei einer Identitätsfahndung unter Veröffentlichung einer Abbildung des Gesuchten, seiner am Tatort zurückgelassenen Stofftasche sowie der Zeichnung seiner Kopfbedeckung303 bzw. Abbildung einer mit seiner Bekleidung übereinstimmenden Jacke und Hose304. Nach der Auffassung von Gleß lässt sich die Sachfahndung in solchen Fällen auf §§ 161, 163 StPO stützen, gleichzeitig will sie aber den persönlichkeitsrechtlichen Bezug durch §§ 131 ff. StPO mitgetragen sehen305. Nach der in dieser Arbeit vertretenen Auffassung erscheint es konsequenter, in solchen Situationen die §§ 131 ff. StPO wegen ihrer Spezialität als Rechtsgrundlage für alle in diesem Zusammenhang getroffenen Veröffentlichungen heranzuziehen, die Ermittlungsgeneralklausel spielt in diesem Zusammenhang für die personenbezogene Sachfahndung keine Rolle mehr. In Österreich ist die repressive Sachfahndung (dort „Sachenfahndung“ genannt) in die Fahndungsvorschriften der Strafprozessordnung integriert, §§ 167 Z. 2, 168 Abs. 3 österr. StPO. Sie dient der Feststellung des Verbleibes sowie der Sicherstellung einer Sache und ist zulässig, wenn ein Gegenstand, der sichergestellt werden soll, nicht aufgefunden werden kann. Außer dem Auffinden der Sache selbst kann sie auch der Personenfahndung dienen, z. B. bei einer Fahndung nach Kfz-Kennzeichen306.

B. Präventiver Bereich Die Internetfahndung wird in zahlreichen Fällen auch zu präventiven Zwecken, also im Bereich der Gefahrenabwehr angewendet. Auch wenn Bär nach Ablauf von zwei Dekaden des Einsatzes dieser Fahndungsmethode in dem Punkt Recht behalten durfte, dass die Mehrheit aller Fahndungsaufrufe im Internet den repressiven Bereich betrifft, so hat sich seine Prognose, die präventive Internetfahndung dürfte „nur einen äußerst geringen Anwendungsbereich haben“307, aus dieser Zeitperspektive doch nicht bewahrheitet. 301

Siehe unter Pkt. A. I. 3. b) dieses Teils. L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 21. 303 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 15.1.2015, http://www.lka.niedersachsen.de/​ fahndung/fahndung_social_networks/hannover-raubmoerder-gesucht-110499.html (22.1.2015). 304 Siehe Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 2.1.2017, https://www.presseportal.de/ blaulicht/pm/6337/3525082 (26.4.2020), https://www.facebook.com/polizeihamburg/photos/ a.1401912723402451.1073741828.1390767804516943/1773891839537869/?type=3&theater (26.4.2020). 305 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 21. 306 WK / Vogl, 179. Lfg. September 2012, § 169 Rn. 27. 307 Bär, CR 1997, 422 (430). 302

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

I. Personenfahndung Die Rechtsgrundlage der präventiven Fahndung nach Personen im Internet ist in polizeilichen Landesgesetzen in dem (Unter-)Abschnitt über die Datenübermittlung verortet. In sechs Bundesländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz) wurde die Öffentlichkeitsfahndung nach Personen zur Identitätsfeststellung und Aufenthaltsermittlung sowie zur Warnung explizit gesetzlich geregelt308. In den anderen zehn Bundesländern309 wird als Rechtsgrundlage für die Öffentlichkeitsfahndung die Regelung über die Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs angesehen310. In den meisten Bundesländern lautet die entsprechende Formulierung „zur Erfüllung polizeilicher / sicherheitsbehördlicher / ordnungsrechtlicher / gefahrenabwehrbehördlicher Aufgaben“311. Einen anderen Ansatz hat der Landesgesetzgeber in Schleswig-Holstein gewählt, wo in § 193 Abs. 1 S. 2 LVwG, der auf die Öffentlichkeitsfahndung Anwendung findet312, von der „Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr“ die Rede ist. Eine ähnliche Regelung sieht im Saarland § 34 Abs. 1 S. 2 SPolG vor. Von dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist auch die Veröffentlichung „bloßer“ Beschreibungen von gesuchten Personen mit umfasst, weil die Beschreibungselemente als personenbezogene Daten anzusehen sind und die polizeirechtlichen Regelungen nicht zwischen unter 308

§ 44 Abs. 2 BbgPolG; § 36g Abs. 2 BremPolG; § 47 Abs. 2 HmbPolDVG; § 41 Abs. 2 SOG M-V; § 44 Abs. 2 NPOG; § 34 Abs. 7 POG R-P. 309 Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. Siehe z. B. BeckOK PolR BW / Nusser, § 44 PolG BW Rn. 11.1; Ruder, Rn. 590; Belz / Mußmann / Kahlert / Sander, § 44 PolG BW Rn. 6 (dort gezielt Internetfahndung genannt); Schmidbauer / Steiner, Art. 59 BayPAG Rn. 10 f.; Honnacker / Beinhofer / Hauser, Art. 41 BayPAG Rn. 1; BeckOK PolR Bayern / Aulehner, Art. 59 BayPAG Rn. 12; Berner / Köhler, Art. 41 BayPAG Rn. 4; kritisch Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 7; Baller / Eiffler / Tschisch, § 45 ASOG Bln Rn. 4; Meixner / Fredrich, § 24 HSOG Rn. 2; BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 43; Elzermann / Schwier, § 45 SächsPolG Rn. 3; König / G nant, Rn. 616. 310 So die herrschende Ansicht, z. B. Söllner, Die Polizei 2009, 263; Schütte / Braun / Keller / Braun, § 29 PolG NRW Rn. 8; Belz / Mußmann / Kahlert / Sander, § 44 PolG BW Rn. 6; siehe auch bereits Schoreit, AfP 1989, 413 (414); Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 170 f.; ders., ZRP 1992, 84 (85 f.); Bär, CR 1997, 422 (430). Anders Benfer / Bialon, Rn. 1058, 1065, 1091d und Schmuck, Info 110 1/2019, 22 (24), die die Rechtsgrundlage für eine Öffentlichkeitsfahndung in erster Linie in der polizeirechtlichen Generalklausel erblicken. Gegen die Heranziehung der Generalklausel mit Hinweis auf einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ausdrücklich Bär, CR 1997, 422 (430); Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 170 f.; ders., ZRP 1992, 84 (85). 311 § 44 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW; Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG; § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 3, 4 HSOG; § 27 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2a PolG NRW; § 84 Abs. 3 Nr. 1 SächsPVDG; § 28 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 26 Abs. 3 SOG LSA; § 41 Abs. 2 Nr. 2a ThürPAG. Statt aller BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 43; Ruder, Rn. 590. Bär, CR 1997, 422 (430); ders., in: Polizei und Datenschutz, 167 (185) weist dagegen auf die Variante „zur Verhütung oder Beseitigung erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl“ hin, die etwa in Art. 59 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG enthalten ist. 312 Schipper / Büttner / Schade, S. 254.

B. Präventiver Bereich 

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schiedlichen Arten von personenbezogenen Daten differenzieren. Insofern ist, anders als im repressiven Bereich313, nicht auf die (hier: polizeiliche) Generalklausel zurückzugreifen314. 1. Bestehende Gefahr für eine Person Das von mehreren Autoren angeführte Beispiel315 und zugleich der in der Praxis am häufigsten auftretende Fall eines präventiven Fahndungsaufrufs im Internet betrifft in den meisten Bundesländern die Suche nach vermissten Personen. Bereits 2013 stellte die Berliner Projektgruppe Neue Medien in ihrem Abschlussbericht fest, dass der Einsatz sozialer Netzwerke zur Vermisstensuche durch eine BundLänder-Abfrage positiv beurteilt wurde316. Nach den Angaben des BKA waren zum 1.3.2020 11.500 Vermisstenfälle gemeldet, darunter ca. 9.200 Fälle Betroffener in Deutschland317. Damit eine Person als vermisst gelten kann, müssen kumulativ drei Voraussetzungen vorliegen: Verlassen des gewohnten Lebenskreises, unbekannter Aufenthalt sowie die Feststellung einer bestehenden Gefahr für Leib oder Leben, etwa wegen eines Unfalls, Hilflosigkeit, einer Straftat oder wegen eines geplanten Suizids318. Außer in internen Dienstvorschriften (PDV 384.1, PDV 389) ist die Vermisstensuche im Zusammenhang mit der Datenübermittlung außerhalb des öffentlichen Bereichs in länderspezifischen Vorschriften wie der VollzBek in Bayern fixiert319. Die Veröffentlichung von Namen und Abbildungen der Vermissten setzt das Einverständnis der Angehörigen oder berechtigter Vertreter voraus320. Auf polizeilichen Homepages der meisten Bundesländer ist ein Sonderkatalog „Vermisste“ 313

Siehe hierzu unter Pkt. A. I. 6. c) dieses Teils. So wie hier i. E. mit einem besonderen Hinweis auf die Erforderlichkeit Roos / L enz, § 34 POG Rn. 24. 315 Statt aller König / G nant, Rn. 616; Elzermann / Schwier, § 45 SächsPolG Rn. 3; Belz / Mußmann / Kahlert / Sander, § 44 PolG BW Rn. 6. 316 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 10. 317 Angaben aus der Datei „Vermi / Utot“, in der sämtliche in Deutschland gemeldete Vermisstenfälle, unbekannte Leichen, nicht identifizierte hilflose Personen sowie die vom BKA aufgenommenen Fälle aus dem Ausland aufgezeichnet sind, Bundeskriminalamt, Die polizeiliche Bearbeitung von Vermisstenfällen in Deutschland, https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/ Ermittlungsunterstuetzung/BearbeitungVermisstenfaelle/bearbeitungVermisstenfaelle_node. html (26.4.2020). Die Vermisstenfälle werden auch in INPOL ausgeschrieben. 318 Bundeskriminalamt, Die polizeiliche Bearbeitung von Vermisstenfällen in Deutschland, https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/BearbeitungVermissten​ faelle/bearbeitungVermisstenfaelle_node.html (26.4.2020). Bei Minderjährigen wird grundsätzlich eine Gefahr für Leib oder Leben angenommen. Siehe auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 176 f. 319 Pkt. 41.1 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern über den Vollzug des Polizeiaufgabengesetzes vom 28. August 1978 (MABl. S. 629), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 2. Dezember 2002 (AIIMBl. 2003 S. 4) geändert worden ist. 320 Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (12); Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 80. 314

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

zu finden321. In diesem Zusammenhang werden dort in der Regel eine Abbildung, die Personalien (bzw. Namensinitialen) sowie die genaue Beschreibung der vermissten Person bekannt gegeben. Darüber hinaus werden Abbildungen von Autos samt Kennzeichen sowie von Fahrrädern veröffentlicht, falls die gesuchten Personen zuletzt damit unterwegs gewesen sein sollten322. Auch auf mitgeführte Tiere wird in den Online-Fahndungen hingewiesen323. Nicht selten machen Behörden auf den Gesundheitszustand (z. B. Geh- bzw. Sehbehinderung) oder die Hilfsbedürftigkeit der gesuchten Person aufmerksam. Die meisten Vermissten, nach denen gesucht wird, sind Senioren und abgängige Jugendliche324. Als Beispiel sei an dieser Stelle nur die Suchmeldung der Polizei Brandenburg nach dem sechsjährigen Elias aus Potsdam genannt, ein Fall, der bundesweites Aufsehen erweckte325. Im Internet wurde auch nach suizidgefährdeten Personen gefahndet326. Gelegentlich werden Zeugen gesucht, die die vermisste Person gesehen haben bzw. zu denen 321

Z. B. Polizei Baden-Württemberg, https://fahndung.polizei-bw.de/ (26.4.2020); Polizei Bayern, https://www.polizei.bayern.de/fahndung/personen/vermisste/index.html (26.4.2020); Polizei Brandenburg, https://polizei.brandenburg.de/suche/typ/Fahndung/kategorie/Vermisste​ %20Personen?reset=1#pbb-search-result-pager (26.4.2020); Polizei Berlin, https://www.berlin. de/polizei/polizeimeldungen/vermisste/ (26.4.2020); Polizei Hamburg, https://www.polizei. hamburg/vermisste/ (26.4.2020); Polizei Hessen, https://www.polizei.hessen.de/fahndung/ personen/vermisste-personen/ (26.4.2020); Polizei Niedersachsen, https://www.polizeinds.de/fahndung/personen/vermisste/ (26.4.2020); Polizei Sachsen, https://www.polizei. sachsen.de/de/3582.htm (26.4.2020); Polizei Sachsen-Anhalt, https://polizei-web.sachsenanhalt.de/aktuelles / fahndung / vermisste-personen/ (26.4.2020); Polizei Schleswig-Holstein, https://www.schleswig-holstein.de/DE/Landesregierung/POLIZEI/Fahndungen/startseite_ fahndung_vermisstePersonen.html (26.4.2020). Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Polizei Rheinland-Pfalz und Polizei Thüringen differenzieren nicht unter Fahndungszielen, Vermisstenfälle sind dort neben repressiven Fahndungen zu finden, https://www.polizei.mvnet. de/Presse / Fahndungen / Fahndungen-nach-Personen/ (26.4.2020); https://www.polizei.rlp.de/ de/fahndung/personenfahndungen/ (26.4.2020); https://www.thueringen.de/th3/polizei/lka/ fahndung/index.aspx (15.11.2019). 322 So z. B. Polizei Rostock, Fahndungsaufruf vom 29.6.2016, https://www.facebook.com/ Polizei.HRO.LRO/posts/1717505225177917 (26.4.2020); Polizei Brandenburg, Fahndungsauf­ ruf vom 20.4.2018, https://polizei.brandenburg.de / fahndung / wo-ist-michael-g-/983219 (20.8.2018). 323 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 26.1.2018 nach einer Transfrau, https://www. berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.668044.php (26.4.2020), https://www. facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854/814466442070795/?type=3&theater (26.4.2020). 324 In den Niederlanden und Großbritannien ist den Bürgern eine Vermisstenmeldung durch soziale Netzwerke möglich, siehe Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (59). 325 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 13.7.2015, http://www.internetwache.branden​ burg.de/sixcms/detail.php?gsid=land_bb_polizei_internet_01.c.12675221.de (9.9.2015), https:// www.facebook.com/polizeibrandeburg/photos/a.1528025210778605.1073741828.142966709394 7751/1628551547392637/?type=1&theater (15.11.2019). Siehe auch unter Fn. 17 der Einleitung. 326 Siehe z. B. Polizei Berlin, Fn. 323; Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 25.4.2017 (Pressemitteilung) bzw. 28.4.2017 (Facebook) nach einer vermissten 55-jährigen Frau aus Taucha bei Leipzig, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/250417XVermisstenfahndung​ XStehr.pdf (18.1.2018), https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/posts/651805478355618 (26.4.2020).

B. Präventiver Bereich 

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die gesuchte Person Kontakt gehalten haben soll327. Es kommt vor, dass bei Personen, die seit mehreren Jahren gesucht werden (bei fehlender Aufklärung bis zu 30 Jahren328), ein sog. Aging-Foto, also eine Abbildung, die das Ergebnis des Alterungsprozesses der gesuchten Person realistisch darstellen soll, veröffentlicht wird329. Die Polizei informiert über die Erledigung der Fahndung beim Auffinden des Gesuchten, sei es lebend oder tot330 und sensibilisiert die Facebook-Nutzer, dass sie nach der erfolgreichen Vermisstensuche ihre diesbezüglichen Beiträge löschen sollen331. In den sozialen Netzwerken wird in der Regel ein Verweis auf die polizeiliche Homepage bzw. auf einen Fahndungsaufruf auf der Plattform presseportal.de in Form eines Links oder eines Inlineframes eingestellt. Vereinzelt wurden jedoch sowohl Abbildungen als auch Personalien direkt in den sozialen Netzwerken veröffentlicht. Ferner kursierten im Netz falsche, d. h. nicht von der Polizei autorisierte Vermisstenmeldungen; in diesen Fällen wies die Polizei auf diesen Umstand hin und bat darum, die Falschinformation nicht weiter zu verbreiten332. Eine weitere Fallkonstellation der Abwendung einer bestehenden Gefahr für eine Person betrifft die Internetfahndung zur Identitätsfeststellung von unbekannten hilflosen Personen, die z. B. unter Gedächtnisverlust leiden333. Ein anderes Beispiel aus der Praxis betraf Personen, die einer Gefahr ausgesetzt waren, 327 Z. B. Polizei Karlsruhe, Fahndungsaufruf vom 5.10.2015, http://www.presseportal.​de/ blaulicht/pm/110972/3139211 (26.4.2020), https://www.facebook.com/polizeipraesidium​ karlsruhe/photos/a.462403477140496.92904.451514984896012/889570534423786/?type=3 &theater (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 19.2.2017 mit der Angabe des Vornamens des gesuchten Zeugen im Zusammenhang mit der vermissten Minderjährigen, https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.562553.php (19.2.2017), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.16723360 0127419/648346065349501/?type=3&theater (26.4.2020). 328 Bundeskriminalamt, Die polizeiliche Bearbeitung von Vermisstenfällen in Deutschland, https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/Bearbeitung​Vermiss​ tenfaelle/bearbeitungVermisstenfaelle_node.html (26.4.2020). 329 So z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 16.7.2012 (auf der Homepage nicht datiert) nach einer seit 2001 Vermissten, https://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_ social_networks/aging-foto-der-vermissten-katrin-konert-1742.html (20.8.2018), https://www. facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/347587858649992 (15.11.2019). 330 Nach den BKA-Angaben werden ca. 50 % der Vermisstenfälle innerhalb der ersten Woche, über 80 % innerhalb eines Monats erledigt (allgemeine Angaben, nicht speziell bezogen auf die Internetfahndung), Bundeskriminalamt, Die polizeiliche Bearbeitung von Vermisstenfällen in Deutschland, https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/ BearbeitungVermisstenfaelle/bearbeitungVermisstenfaelle_node.html (26.4.2020). 331 Polizei Sachsen, Meldung vom 11.3.2017, https://www.facebook.com/polizeisachsen. info/photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/627813854088114/?type=3& theater (26.4.2020). 332 Z. B. Meldung der Polizei Schwaben SüdWest vom 3.8.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiSWS/photos/a.1846290542261559.1073741829.1806569826233631/1927490934141519 /?type=3&theater (26.4.2020). 333 Z. B. Bundespolizei NRW (Polizeipräsidium Kleeve), Fahndungsaufruf vom 25.10.2017, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/65849/3770261 (29.1.2018), https://twitter.com/ bpol_nrw/status/923145882878599169 (26.4.2020).

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

konkret die Suche nach zwei Ersthelferinnen, die im Zug einer Person Hilfe geleistet haben, die, wie es sich später herausstellte, an Hepatitis B und C erkrankt war334. Möglich wäre auch eine Internetfahndung zur Suche nach einem Entführungsopfer335. 2. Von einer Person ausgehende Gefahr Die Fallvarianten, in denen die Gefahr von einer Person ausgeht, sind zahlreich und betreffen unterschiedliche Rechtsgüter. Denkbar ist etwa eine Öffentlichkeitsfahndung im Internet nach Personen mit gefährlichen ansteckenden Krankheiten336 wie Lungenpest oder von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischen Fieber337. Personen, die an solchen Krankheiten leiden oder unter diesem Verdacht stehen, sind unverzüglich in ein Krankenhaus oder eine geeignete Einrichtung abzusondern, § 30 Abs. 1 S. 1 IfSG. Für den Fall, dass sie eine entsprechende Anordnung nicht befolgen, kommen Zwangsmaßnahmen in Betracht338. Wenn jedoch der Aufenthalt der betroffenen Person unbekannt ist, kann nach den Normen des Polizeirechts öffentlich nach ihr gefahndet werden339. Des Weiteren kommt eine präventive Öffentlichkeitsfahndung nach Personen in Betracht, von denen eine Gefahr für die Allgemeinheit anzunehmen ist340. Hierzu kann man einerseits etwa Fahndungen nach gemeingefährlichen Geisteskranken zählen341, andererseits denkbar sind Fahndungen nach Personen, bei denen die Gefahr der Begehung einer erheblichen Straftat besteht, wie Trickbetrügern, entwichenen Gewalttätern342, einem Entführer, der mit der Tötung des Entführten droht343, bei

334

Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 24.8.2017, https://www.facebook.com/polizei​ brandenburg/photos/a.1528025210778605.1073741828.1429667093947751/2080964652151​ 322/?type=3&theater (26.4.2020). 335 De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG S. 14; Roos / L enz, § 34 Rn. 24. 336 Siehe hierzu Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 178 f. unter Anführung der Rechtslage unter der Geltung des BSeuchenG. 337 § 30 Abs. 1 IfSG. 338 § 30 Abs. 2 S. 1 IfSG. Es kann in solchen Fällen zu Freiheitsentziehungen kommen, die gemäß § 30 Abs. 2 S. 4 IfSG nach Buch 7 des FamFG anzuordnen wäre. 339 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 179. 340 Siehe z. B. BKA, FAQs zur Öffentlichkeitsfahndung, https://www.facebook.com/ notes/ ​bundeskriminalamt/faqs-zur-%C3%B6ffentlichkeitsfahndung/2599078960134267/ (26.4.2020). 341 Siehe hierzu im Einzelnen Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 179 f. Anders noch Roos3, § 34 POG Rn. 25. 342 Vgl. Pkt. 41.1. VollzBek Bayern, siehe auch Nr. 2.4 Abs. 1 a. E. Anl. B RiStBV. Eine pauschale „Warnung“ der Bevölkerung vor aus der Justizvollzugsanstalt entlassenen Gewalt- oder Sexualverbrechern ist dagegen unzulässig, siehe Rühle, Rn. 149; Roos / L enz, § 34 POG Rn. 27; vgl. auch BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 44. 343 Siehe Schmidt, § 36g BremPolG Rn. 4; Böhrenz / Unger / Siefken, § 44 Nds. SOG Rn. 7.

B. Präventiver Bereich 

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angekündigten Amokläufen oder Homizid344, verbunden mit Warnungen vor diesen Personen345. 2017 warnte die Polizei Rostock im Internet vor einer Trickdiebin, die bereits in 13 Fällen Senioren bestahl, veröffentlichte ihre Beschreibung und stellte ihren modus operandi dar346. Ein in der Literatur angeführtes Beispiel betraf einen besonders aggressiven Einwohner eines Seniorenheims, der unbemerkt mit einem Messer aus der Einrichtung entwich347. Denkbar wäre auch eine Warnung vor einem flüchtigen Straftäter, wenn eine weitere Begehung von erheblichen Straftaten möglich erscheint348. 3. Sonderfall: Fahndung zur Identifizierung von unbekannten Toten Die Rechtsgrundlage einer Öffentlichkeitsfahndung zur Identifizierung eines unbekannten Toten, also eines solchen, dessen Personalien nicht bekannt sind349, liegt in § 159 Abs. 1 StPO350. Von dieser Norm ist auch der Fall umfasst, in dem Anhaltspunkte bestehen, dass ein Unbekannter eines nicht natürlichen Todes gestorben ist. Es handelt sich dabei um einen Grenzfall, weil das Verfahren nach § 159 Abs. 1 StPO noch nicht zum Ermittlungsverfahren gehört, sondern erst die Frage klären soll, ob ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen ist, oder ob es etwa wegen eines natürlichen Todes oder Selbstmordes ausgeschlossen ist351. Die Öffentlichkeitsfahndung zur Identifizierung von unbekannten Toten wird zum präventiven Bereich gezählt352. In der Praxis wurden im Internet mehrere Fahndungsaufrufe dieser Art veröffentlicht. Ein Beispiel einer solchen überregionalen Internetfahndung betrifft die Veröffentlichung des rekonstruierten Porträts eines unbekannten Toten, der in einer Metallkiste in der Elbe gefunden wurde, durch die Polizei Sachsen-Anhalt353, oder eine Veröffentlichung einer Gesicht-Weichteilrekonstruk 344

De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG S. 14; siehe auch Kühnhenrich, Die Polizei 2015, 41 (43). 345 Ebert / Seel / Joel, § 41 ThürPAG, § 41 Rn. 12. 346 Polizei Rostock, Fahndungsaufruf vom 25.10.2017, https://www.facebook.com/Polizei. HRO.LRO/photos/a.1634636746798099.1073741828.1627702294158211/1939843582944079/?​ type=3&theater (26.4.2020). 347 Roos / L enz, § 34 POG Rn. 25. 348 BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 43. 349 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 129. 350 Soiné, § 159 Rn. 13; ders., Öffentlichkeitsfahndung, S. 128 f.; KMR / Wankel, § 131 Rn. 2; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 2. 351 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 128 f. 352 BKA, FAQ zur Öffentlichkeitsfahndung, https://www.facebook.com/notes/bundeskrimi​ nalamt/faqs-zur-%C3%B6ffentlichkeitsfahndung/2599078960134267/ (26.4.2020). 353 Polizei Sachsen-Anhalt PD ST Ost, Fahndungsaufruf vom 14.11.2016, https://twitter. com/​ PolizeiPDOst/status/798140273662578688 (26.4.2020), http://www.presse.sachsenanhalt.​de/index.php?cmd=get&id=880771&identifier=d1657d0842ad112efdffa3e603e74384 (26.4.2020), geteilt etwa durch die Polizei Sachsen, Polizei Brandenburg, Polizei Berlin, Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Polizei Westmecklenburg, Polizei Rheinland-Pfalz, Polizei Thüringen, Bundespolizei Bayern, Bundespolizei Nord, Bundespolizei Flughafen Frankfurt am Main. Ein Fahndungsaufruf wurde auch auf der Homepage des BKA veröffentlicht, https://

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

tion eines unbekannten Toten durch die Kriminalpolizei Bad Hersfeld354. Bekannt gegeben im Internet werden auch besondere Körpermerkmale der Toten, wie z. B. auffällige Tätowierungen355 oder die von ihnen mitgeführten auffälligen Gegenstände, wie z. B. ein Fahrrad356 oder Schmuck357. Dass solche Online-Aufrufe zum Erfolg, also zur Identifizierung des unbekannten Toten führen können, zeigt ein Beispiel einer Veröffentlichung von persönlichen Sachen, die bei einem mumifizierten Leichnam gefunden wurden, durch die Polizei Westmecklenburg358. In Österreich richtet sich die präventive Öffentlichkeitsfahndung nach Personen nach den sicherheitspolizeilichen Vorschriften über die Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten. Danach kann öffentlich gefahndet werden (Veröffentlichung durch die Behörde selbst bzw. Übermittlung erkennungsdienstlicher Daten an ein Medienunternehmen zur Veröffentlichung) zur Identitätsfeststellung hilfloser Personen gemäß §§ 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Z 1 a, 65 Abs. 3 SPG; zur Identifizierung unbekannter Leichen gemäß §§ 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Z 1 a, 66 Abs. 1 SPG; zur Vorbeugung der Begehung weiterer gefährlicher Angriffe durch den Betroffenen gemäß §§ 71 Abs. 4 i. V. m. Abs. 3 Z 1 b, 65 Abs. 1 SPG359; gefahndet wird auch nach vermissten (abgängigen) Personen360. In der Schweiz findet die präventive Internetfahndung ihre Kodifizierung in den kantonalen Polizeigesetzen, wobei die einzelnen Rechtsgrundlagen unterschiedlich detailliert ausfallen361. Eine explizite Regelung zur präventiven Öffentlichkeitsfahndung ist etwa in § 12 PolG des Kantons Luzern362 enthalten („Eine öffentliche Fahndung mit oder ohne Bild

www.bka.de/DE/IhreSicherheit/Fahndungen/Personen/UnbekannteTote/Elbe_Sachsen_ Anhalt/Sachverhalt_Elbe_Sachsen_Anhalt.html (26.4.2020). 354 Polizeipräsidium Osthessen, Fahndungsaufruf vom 17.7.2018, https://www.polizei.hessen. de/Startseite/broker.jsp?uMen=bd470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046&uCon=1fb184da360a-461f-de69df70bfd5af94&uTem=8ed702cd-aff2-3941-cd47-a0a30165474d (26.8.2018). Fahndungsaufrufe wurden auch auf der Homepage des BKA veröffentlicht, z. B. vom 23.7.2018, https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/Fahndungen/Personen/UnbekannteTote/Rotenburg/ Sachverhalt_Rotenburg.html (26.4.2020). 355 Siehe der genannte Fall der Polizei Sachsen-Anhalt PD ST Ost (Fn. 353) – Tätowierung des Namens „Michaela“; Polizei Mecklenburg-Vorpommern, Fahndungsaufruf vom 10.8.2017 (presseportal.de) bzw. 11.8.2017 (Facebook), Tätowierung einer Kogge, https://www.presse​ portal.de/blaulicht/pm/108767/3706214 (26.4.2020), https://www.facebook.com/PolizeiMV/ posts/1773732065987453 (26.4.2020). 356 Polizei Mittelfranken, Fahndungsaufruf vom 27.2.2017, https://www.polizei.bayern.de/ mittelfranken/news/presse/aktuell/index.html/256867 (28.12.2017), https://www.facebook. com/polizeimittelfranken/photos/a.1308370252542244.1073741828.1250031028376167/1357 341210978481/?type=3&theater (26.4.2020). 357 Siehe der genannte Fall der Polizei Sachsen-Anhalt PD ST Ost (Fn. 353) – Ring mit dem eingravierten Namen „Michaela“. 358 Polizei Westmecklenburg, Meldung vom 16.12.2016, https://www.facebook.com/Polizei​ Westmecklenburg/photos/a.156149904730109.1073741828.156122558066177/3892800180837 62/?type=3&theater (26.4.2020). 359 Siehe hierzu Thanner / Vogl / Müller, § 71 Anm. 7, 8, 9, 12. 360 Siehe auch § 24 Abs. 1 Nr. 2, 3, 4 SPG. Zur Öffentlichkeitsfahndung nach Abgängigen in Österreich im Einzelnen KAP, Vermisstenmanagement, S. 14 f. 361 Ausführlich Künzli, S. 43 f. 362 Gesetz über die Luzerner Polizei (PolG) vom 27.01.1998, Nr. 350, K 1998 G 1998 233.

B. Präventiver Bereich 

109

ist zulässig, wenn der Verdacht besteht, dass die gesuchte Person verunfallt oder Opfer eines Verbrechens geworden ist oder wenn sie sich selbst oder Dritte gefährden könnte“). In Polen ist die Ermächtigungsgrundlage für die Öffentlichkeitsfahndung nach vermissten Personen in Art. 14 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 poln. PolG i. V. m. Art. 13 Abs. 1, Art. 14 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über den Schutz personenbezogener Daten bei der Verarbeitung zum Zwecke der Verhütung und Bekämpfung von Straftaten enthalten363.

II. Sachfahndung Ähnlich wie im repressiven Bereich kann auch im präventiven Bereich eine Fahndung nach einer Sache und mittels einer Sache nach einer Person erforderlich sein. Eine öffentliche Sachfahndung kommt etwa bei der Suche nach giftigen Chemikalien, zu deren Verlust es auf dem Transportweg kam oder bei entlaufenen, gefährlichen Tieren364 in Betracht. Die Internetpraxis einer Fahndung nach Personen mittels einer Sache betrifft vor allem Fälle, in denen die Eigentumsverhältnisse geklärt werden müssen (Schutz vor Gefahren für das Eigentum ist Bestandteil der öffentlichen Sicherheit365), etwa bei den von der Polizei gefundenen Tieren366 oder anderen Gegenständen367. In den Polizeigesetzen der Bundesländer ist die Sachfahndung nicht speziell geregelt; ihre Rechtsgrundlage wird daher in der jeweiligen polizeirechtlichen 363

Ustawa o ochronie danych osobowych przetwarzanych w związku z zapobieganiem i zwalczaniem przestępczości vom 14.12.2018, Dz.U. 2019, Pos. 125. Siehe auch § 12 Abs. 1 Nr. 14, § 13 Abs. 1 Nr. 12, § 14 Abs. 1 Nr. 8 des Zarządzenie nr 48 Komendanta Głównego Policji z dnia 28 czerwca 2018 r. w sprawie prowadzenia przez Policję poszukiwania osoby zaginionej oraz postępowania w przypadku ujawnienia osoby o nieustalonej tożsamości lub znalezienia nieznanych zwłok oraz szczątków ludzkich (Erlass Nr. 48 des Hauptkommandanten der Polizei vom 28.6.2018. Polizeiliche Fahndung nach Vermissten und Anweisung für die Auffindung einer Person mit unbekannter Identität oder bei der Auffindung unbekannter Toter oder menschlicher Überreste). Ausführlich Wentkowska, S. 14, 28; Szplit / Zielonka / Szplit, S. 6, 15 f. Bis zum 5.2.2019 war die Ermächtigungsgrundlage für die Öffentlichkeitsfahndung nach gemeingefährlichen Personen mit psychischen Störungen Art. 20 Abs. 2a Nr. 4 poln. PolG und nach Vermissten (zusätzlich) Art. 20 Abs. 2a Nr. 6 poln. PolG (siehe hierzu unter Fn. 166). Es schien nach dem Wortlaut zumindest nicht ausgeschlossen, die Vorschrift des Art. 20 Abs. 2a Nr. 3 poln. PolG über die Identitätsfeststellung unbekannter Personen auch auf die Feststellung der Identität hilfloser Personen anzuwenden. 364 Beispiele von Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 181. 365 Siehe etwa Nr. 13.1 VwV OBG Bbg. 366 Z. B. eine Schlange (der Eigentümer meldete sich), Polizei Kiel und Plön, Mitteilung vom 11.8.2017, https://www.facebook.com/323062354552575/photos/a.336494396542704.10737418 28.323062354552575/665916770267130/?type=3&theater (26.4.2020); entlaufenes Känguru in Bad Homburg, Mitteilung der Polizei Westhessen vom 12.9.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiWesthessen/photos/a.1181766958535119.1073741828.1151238558254626/16197143280 73711/?type=3&theater (26.4.2020). 367 Ein aufgefundenes Motorrad, Mitteilung der Polizei Westmecklenburg vom 27.10.2015, https://www.facebook.com/PolizeiWestmecklenburg/photos/a.156149904730109.1073741828 .156122558066177/172672653077834/?type=3&theater (26.4.2020).

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2. Teil: Internetfahndung im System des Strafprozessrechts und Polizeirechts 

Generalklausel gesehen368. Als Begründung wird angeführt, dass in diesem Zusammenhang in der Regel keine personenbezogenen Daten an die Öffentlichkeit übermittelt werden369. Dies überzeugt uneingeschränkt für den Fall der Suche nach der Sache selbst. Bei der Suche nach Personen mittels Sachen müsste jedoch die Veröffentlichung von Abbildungen bzw. detaillierten Beschreibungen von Sachen als Übermittlung personenbezogener Daten bewertet werden, soll dadurch etwa der Eigentümer eines in einer konkret genannten Wohngegend gefundenen Haustieres ermittelt werden370. Bei der Information über eine solche Sache ist ihre Personenbezogenheit zu bejahen, weil sie zur sozialen Sphäre einer konkreten Person gehört und zu ihrer Identifizierung beitragen kann371. Für derartige Konstellationen sind daher als Rechtsgrundlage die Rechtsvorschriften über die Übermittlung personenbezogener Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben/Gefahrenabwehr heranzuziehen.

368

Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 182; Bär, in: Polizei und Datenschutz, S. 167 (180); ders., CR 1997, 422 (424 f.). 369 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 182. 370 Vgl. auch unter Pkt. A. II. 3. dieses Teils. 371 Vgl. Gola / Gola, § 4 DSGVO Rn. 4.

3. Teil

Medien der Internetfahndung Über die Hälfte aller Internetnutzer bedient sich dieses Mediums, um Presseund sonstige Beiträge zu lesen und sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren1; gleichzeitig haben die meisten von ihnen ihre gewöhnliche „Route“, d. h. sie rufen vor allem ihnen geläufige Seiten auf2. Nr. 3.2 Abs. 1 S. 1 Anl. B RiStBV sowie Nr. 3.2 Abs. 1 S. 1 VwV-L sehen es als zweckmäßig an, die staatlichen Fahndungsaufrufe im Internet zu veröffentlichen, um die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit für die Öffentlichkeitsfahndung zu erlangen. So stellt sich für Polizeibehörden die Herausforderung, Fahndungsinformationen an sichtbarer Stelle im Netz zu platzieren, um zu bewirken oder zumindest die Wahrscheinlichkeit zu steigern, dass Internetnutzer von den Aufrufen Kenntnis nehmen. Zur Erreichung dieses Ziels können sowohl polizeiliche Auftritte im Web 1.0 und 2.0 als auch (berechtigtes) Verbreiten der Fahndungsinformation durch andere Akteure beitragen. Bezogen auf soziale Netzwerke lässt sich die Bedeutung polizeilicher Präsenz im Internet etwa durch Ergebnisse einer im Mai 2015 unter den Nutzern der Facebook-Fanpage der Bayerischen Polizei durchgeführten Umfrage veranschaulichen: So erwies sich die Fanpage für ein Drittel der Befragten als einzige Quelle für Informationen über die polizeiliche Tätigkeit3. Gleichzeitig wird betont, dass der Einsatz von Social Media nicht statt, sondern neben der weiteren Nutzung anderer klassischer Kommunikationskanäle mit den Bürgern verwendet wird4.

1

Siehe im Einzelnen Koch / Frees, Media Perspektiven 2016, 418 (427). van Eimeren / Frees, Media Perspektiven 2012, 362 (364). 3 Heymig / Kahr, Kriminalistik 2016, 222 (226). 4 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (51); dies., Die Polizei 2014, 153 (158); Bayerischer Landtag, Drs. 17/2467 vom 14.8.2014, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Horst Arnold SPD Fahndungsmaßnahmen der Bayerischen Polizei und Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr, unter Pkt. 4. 2

112

3. Teil: Medien der Internetfahndung 

A. Polizeiliche Internetfahndung I. Web 1.0 1. Homepage a) Allgemeines Das Herzstück der Internetfahndung sind ununterbrochen seit den 1990er-Jahren die Meldungen auf polizeilichen Homepages (genannt auch „Internetwachen“); die Internet-Auftritte werden vom BKA als „das digitale und zentrale Aushängeschild der Behörde“ bezeichnet5, was auf sämtliche polizeilichen Internetseiten übertragen werden kann. Diese nach anfänglichen datenschutzrechtlichen Kontroversen6 inzwischen allgemein anerkannte Form der Öffentlichkeitsfahndung im Internet gewann in den letzten Jahren, nicht zuletzt aufgrund erneuter datenschutzrechtlicher Fragen, diesmal bezogen auf polizeiliche Auftritte in sozialen Netzwerken, erneut an Bedeutung. Es lässt sich sogar sagen, dass die Veröffentlichung auf der Homepage die conditio sine qua non der Internetfahndung ist. Diese Form der Öffentlichkeitsfahndung wird von sämtlichen Landespolizeien7, der Bundespolizei8 sowie bei Fahndungen mit überregionalen oder internationalen Aspekten durch das BKA9 praktiziert.

5

BKA, Social Media Nutzung, S. 6. Siehe unter Pkt. B. I. des 1. Teils. 7 Polizei Baden-Württemberg, https://fahndung.polizei-bw.de/ (26.4.2020); Polizei Bayern, https://www.polizei.bayern.de/fahndung/index.html (26.4.2020); Polizei Berlin, https://​ www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/ (26.4.2020); Polizei Brandenburg, https://polizei. brandenburg.de/suche/typ/Fahndung/kategorie?reset=1 (26.4.2020); Polizei Bremen, https:// www.​polizei.bremen.de/fahndung-22998 (26.4.2020); Polizei Hamburg, https://www. polizei.hamburg/fahndungen-mithilfe-np/ (26.4.2020); Polizei Hessen, https://www.polizei. hessen.de/fahndung/ (26.4.2020); Polizei Mecklenburg-Vorpommern, https://www.polizei. mvnet.de/Presse/Fahndungen/ (26.4.2020); Polizei Niedersachsen, https://www.polizei-nds. de/fahndung/ (26.4.2020), LKA Niedersachsen, https://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/ fahndungen-im-lka-ni-1601.html (26.4.2020); Polizei Nordrhein-Westfalen (Einführung einer zentralen landesweiten Plattform als letztes Bundesland im November 2018), https:// polizei.​n rw/fahndungen (26.4.2020); Polizei Rheinland-Pfalz, https://www.polizei.rlp.de/ de/fahndung/ (26.4.2020), Polizei Saarland, https://www.saarland.de/SID-FFEEBBF2-BF​ ADB5BF​/225739.htm (26.4.2020); Polizei Sachsen, https://www.polizei.sachsen.de/de/3579.​ htm (26.4.2020); Polizei Sachsen-Anhalt, https://polizei-web.sachsen-anhalt.de/aktuelles/ fahndung/ (26.4.2020); Polizei Schleswig-Holstein, https://www.schleswig-holstein.de/DE/ Landesregierung/POLIZEI/Fahndungen/fahndungen_node.html;jsessionid=45793AE80A18 F3007E657BE7A942AE14 (26.4.2020); Polizei Thüringen, https://www.thueringen.de/th3/ polizei / landespolizeidirektion / a ktuell / m i/ (17.10.2018). 8 https://www.bundespolizei.de/SiteGlobals/Forms/Websites/Web/Suche/DE/Aktuelles/ Fahndungen_Formular.html?nn=5931714&path=fqPathFahndungen (26.4.2020). 9 https://www.bka.de/SiteGlobals/Forms/Suche/Fahndungsliste_Personenfahndung_ Formular.html?nn=27082 (26.4.2020). 6

A. Polizeiliche Internetfahndung

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Bzgl. der Zuständigkeit für das Einstellen von Fahndungsaufrufen auf der Homepage lässt sich keine einheitliche Praxis feststellen, sie liegt entweder dezen­tral bei den sachbearbeitenden Polizeidirektionen10 oder zentral bei den Landeskriminalämtern11. b) Gestaltung Die Rubrik mit den Fahndungsaufrufen auf den Homepages ist in der Regel an einer sichtbaren Stelle zu finden. Die Meldungen werden von den meisten Polizeibehörden in Fahndungen nach Personen und Sachen aufgeteilt; die Personenfahndung wiederum etwa nach mit Haftbefehl Gesuchten, weiter nach bekannten / unbekannten Personen, flüchtigen Verurteilten, Vermissten, unbekannten Toten sowie ungeklärten Tötungsdelikten12. Wegen der bis zur Verurteilung geltenden Unschuldsvermutung wäre es jedoch angebracht, auf die korrekte Terminologie zu achten und auf den Homepages nicht von gesuchten Straftätern13 zu schreiben14. Darüber hinaus ist die Praktik zu beobachten, dass die Polizei die Fahndungsaufrufe parallel auf der Homepage in Form von Pressemeldungen veröffentlicht15. Abgesehen von dem konkreten Seitenlayout sind die Fahndungsmeldungen in ihrem von §§ 131 Abs. 4, 131a Abs. 4, 131b Abs. 1, 2, 3 StPO vorgegebenen Inhalt von allen Behörden vergleichbar gestaltet, sie sind in Form einer Pressemitteilung gehalten. Den Kernpunkt des Aufrufs bildet eine detaillierte Beschreibung der Tatsituation bzw. der Gefahrenlage und – soweit möglich – der gesuchten Person, ggf. unter Angabe von Personalien und Bereitstellung einer Abbildung (Foto, Videosequenz, subjektives Porträt)16. Vereinzelt werden auch Sprachsequenzen veröffentlicht, die sich in den meisten Fällen herunterladen lassen. Falls Ermittler davon ausgehen, dass sachdienliche Hinweise insbesondere von in Deutschland lebenden Ausländern gegeben werden können, werden Fahndungsinformationen in mehreren Sprachen veröffentlicht17. In Fällen, in denen eine Belohnung für 10

So z. B. die Praxis der Polizei Brandenburg, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Brandenburg am 15.1.2016. 11 So die Praxis etwa der Polizei Sachsen, siehe DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 7. 12 So detailliert Polizei Sachsen, https://www.polizei.sachsen.de/de/3579.htm (26.4.2020). 13 Polizei Bayern, https://www.polizei.bayern.de/fahndung/personen/index.html/292921 (26.4.2020); Polizei Brandenburg, https://polizei.brandenburg.de/suche/typ/Fahndung/kategorie/​ Gesuchte%20Straft%C3%A4ter?reset=1 (26.4.2020). 14 Wu, Rescriptum 2017, 83 (86). 15 So z. B. Polizei Berlin, siehe Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/18658, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 31.5.2016 und Antwort, Öffentlichkeitsfahndungen durch die Polizei Berlin, unter Pkt. 10. 16 Als Beispiel: Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 25.2.2019 wegen schweren Raubes in Mittäterschaft, https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.764635.php (25.2.2019). 17 Z. B. Polizei Schwaben SüdWest, Fahndungsaufruf vom 21.4.2017 wegen Mordes (auch auf Ungarisch und Rumänisch), http://www.polizei.bayern.de/schwaben_sw/fahndung/personen/​

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Hinweise aus der Bevölkerung ausgesetzt wurde, enthalten Fahndungsaufrufe detaillierte Informationen hierzu18. Bei Sachfahndungen werden oft Abbildungen von gesuchten bzw. am Tatort zurückgelassenen Gegenständen hochgeladen. Die Bilder lassen sich oft mit einem Klick vergrößern19 bzw. herunterladen20. Teilweise werden auf den Homepages Fahndungsplakate veröffentlicht (auch mit einem QR-Code21), was jedoch nicht als Regel anzusehen ist. In den Informationen ist stets die bearbeitende Dienststelle mit den erforderlichen Kontaktdaten angegeben. Anders als in Deutschland werden in der Schweiz Informationen zur Fahndung zum Teil auf staatsanwaltschaftlichen Internetseiten, etwa auf der Homepage der Staatsanwaltschaft Basel, veröffentlicht22. In Polen werden Fahndungsaufrufe auf polizeilichen Homepages veröffentlicht und die Meldungen nach steckbrieflich gesuchten Personen, weiter nach Vermissten, Zeugen sowie unbekannten Tatverdächtigen unterteilt23. In Österreich werden die Fahndungsinformationen nicht nur auf den Websites der Landespolizeidirektionen24, sondern auch auf der Website des Bundesministeriums für Inneres veröffentlicht25. index.html/259765 (30.12.2017); Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 8.10.2016 wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags (auch auf Arabisch), www.polizei.sachsen.de/de/​45360 (9.10.2016); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.1.2019 wegen Mordes (auch auf Polnisch und Russisch), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.771699.php (26.4.2020). 18 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.1.2019 wegen Mordes, https://www.berlin.de/ polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.771699.php (26.4.2020); Polizei Schwaben SüdWest, Fahndungsaufruf vom 21.4.2017 wegen Mordes, http://www.polizei.bayern.de/schwaben_​ sw/fahndung/personen/index.html/259765 (30.12.2017); Polizei Bremen, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, https://www.polizei.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen09.c.2097de&​ fbclid=IwAR2cfLozDQkh7aOE15Oj3QltftvW7yKiy1Gz8fZuVKxoJLNmwtsKOEdLwQ (11.1.2019). Zu den Rechtsgrundlagen und Voraussetzungen einer Aussetzung einer Belohnung für die Mithilfe bei der Fahndung siehe unter Pkt. A. II. 7. des 5. Teils. 19 So z. B. auf der Homepage der Polizei Berlin, Polizei Bayern, Polizei Rheinland-Pfalz. 20 Eine entsprechende Funktion auf der Homepage der Polizei Bayern bei ausgewählten Aufrufen, z. B. Fahndungsaufruf vom 30.10.2017 mit einem subjektiven Porträt, https://www. polizei.bayern.de/oberfranken/news/presse/aktuell/index.html/258728 (28.12.2017); Fahndungsaufruf vom 30.08.2017 mit Abbildungen des Tatverdächtigen, http://www.polizei.bayern. de/schwaben/news/presse/aktuell/index.html/266690 (29.12.2017). Es ist auch möglich, die Fahndungsbilder mittels der Funktion „Grafik speichern unter“ herunterzuladen. 21 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 19.12.2014 nach einem Raubmörder, http://www.lka.niedersachsen.de/fahndung/fahndung_social_networks/hannover-raubmoerder-​ gesucht-110499.html (22.1.2015). 22 Z. B. Zeugenaufruf vom 9.2.2019 nach einer Körperverletzung, https://www.stawa.bs.ch/ nm/2019-koerperverletzung-stawa.html (26.4.2020). Auf der Seite der Kantonspolizei sind dagegen nur Fahndungsaufrufe in Bezug auf Verkehrsunfälle zu finden, https://www.polizei. bs.ch/aktuell/zeugenaufrufe.html (26.4.2020). 23 So Policja Łódzka (Polizei Lodz), http://www.lodzka.policja.gov.pl (26.4.2020). 24 Z. B. Landespolizeidirektion Wien (dort nicht nach Kategorien gesuchter Personen unterteilt), https://www.polizei.gv.at/wien/lpd/fahndung/fahndung.aspx (26.4.2020). 25 https://www.bmi.gv.at/fahndung/ (26.4.2020).

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c) Social-Plugins Auf einigen polizeilichen Homepages26 sind in die Fahndungsaufrufe sog. ­ ocial-Plugins27 eingebunden (je nach Ausgestaltung ein Button „Gefällt mir“28 S bzw. „Teilen“29). Die Betätigung einer solchen Schnittstelle ermöglicht es den Inhabern eines Kontos in sozialen Netzwerken, die Inhalte von Internetseiten etwa auf Facebook oder Twitter zu verlinken. Gleichzeitig werden von sozialen Netzwerken (je nach Einstellung der konkreten Internetseite) über die bei dem Klick auf die Schnittstelle gesetzten Cookies30 Nutzungsdaten von Besuchern wie die IP-Adresse oder Informationen zum verwendeten Browser gesammelt und in die USA übertragen, unabhängig davon, ob man ein Konto in sozialen Netzwerken besitzt oder nicht31. Aus diesem Grund ist diese Funktion nicht unumstritten. So stellte die 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten fest, dass eine derartige direkte Einbindung von Social-Plugins in die Internetauftritte öffentlicher Stellen ohne eine umfassende Information an die Seitenbesucher unzulässig ist32. Auch von polizeilicher Seite wurde gegenüber Social-Plugins Kritik geäußert, die von genereller Ablehnung33 bis zum Vorbehalt der sog. Zwei-Klick-Lösung reichte, bei der die Social-Plugins erst im Moment des Anklickens und einer nochmaligen Bestätigung aktiviert werden34. Der EuGH hat 2019 entschieden, dass Betreiber von Webseiten die datenschutzrechtliche Verantwortung für die eingebauten Social-Plugins tragen, die allerdings nur auf den Vorgang der Datenerhebung und der weiteren Datenübermittlung beschränkt ist35.

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Polizei Hamburg, Polizei Nordrhein-Westfalen, Bundespolizei. Schreibweise auch Social Plug-ins oder Social Plug-Ins. 28 Polizei Hamburg, ohne Datum, https://www.polizei.hamburg/personen/straftaeter/1175​ 7248/bankraub-altona-a/ (25.2.2019); Bundespolizei, Fahndungsaufruf vom 9.12.2018, https:// www.bundespolizei.de/Web/DE/04Aktuelles/04Fahndungen/2019/oefa_06_2019.html (25.2.2019). 29 Polizei Nordrhein-Westfalen, Fahndungsaufruf vom 25.2.2019, https://polizei.nrw/fahn​ dungen/unbekannte-tatverdaechtige/muenster-schwerer-raub (25.2.2019). 30 Daten, die von den aufgerufenen Seiten auf dem Computer gespeichert werden, https:// support.mozilla.org/de/kb/cookies-informationen-websites-auf-ihrem-computer (26.4.2020). 31 Siehe ULD, Datenschutzrechtliche Bewertung, S. 7 f.; Arbeitsgruppe des AK I, Ergebnisbericht, S. 7 f., 11. 32 Entschließung der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 28./29. September 2011 in München, Datenschutz bei sozialen Netzwerken jetzt verwirklichen!, https://www.bfdi.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Entschliessungssammlung/ DSBundLaender/82DSK_SozialeNetzwerke.html (26.4.2020). Zur entsprechenden Aufforderung an Betreiber sozialer Netzwerke siehe den Beschluss der obersten Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich (Düsseldorfer Kreis am 8.12.2011), Datenschutz in sozialen Netzwerken, https://www.datenschutz.rlp.de/fileadmin/lfdi/Konferenz​dokumente/ Datenschutz/Duesseldorfer_Kreis/Beschluesse/20111208Umlauf_soznet.​html (26.4.2020). 33 Kolmey, DRiZ 2013, 242 (244); Federau, DPolBl. 6/2013, 27 (28). 34 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 13; BKA, Social Media Nutzung, S. 18. 35 EuGH, NJW 2019, 2755 (2759). 27

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Bezogen auf Seiten mit Fahndungsmeldungen erfolgt beim Anklicken des ­ eilen-​Buttons eine Verlinkung zum eigenen Konto bei einem sozialen Netzwerk T mit einer Seitenvorschau mit Bild und einem kurzen Begleittext, die anschließend in der sog. Chronik auf Facebook oder als Tweet auf Twitter erscheint. Das Gleiche passiert bei einem Klick auf den Gefällt-mir-Button, wodurch die Seite „empfohlen“ wird. So kommt es zur Verbreitung des konkreten Fahndungsaufrufs. Um zu verhindern, dass personenbezogene Daten der Gesuchten (vor allem Abbildungen) an soziale Netzwerke übertragen werden, wird von den Behörden bei der Seitenvorschau automatisch ein neutrales Bild angezeigt36. d) Schutzmaßnahmen Durch Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen im Internet bedürfen die Fahndungsinformationen, nicht zuletzt wegen Verlinkung in sozialen Netzwerken37, eines besonderen Schutzes38. Auf die Relevanz von Sicherheitsmaßnahmen, insbesondere die Verwendung elektronischer Signaturen, um etwa Fälschungen der Fahndungsbilder zu verhindern, wurde bereits in den 1990er-Jahren hingewiesen39. Nach Nr. 3.2 Abs. 3 S. 2 VwV-L sind zur Wahrung der Datenhoheit geeignete Vorkehrungen nach dem Stand der Technik zu treffen, die eine Weitergabe und einen automatisierten Abruf der personenbezogenen Daten im Internet zumindest erschweren. Auf diesen Punkt haben auch die Datenschutzbeauftragten in der 87. Datenschutzkonferenz (DSK) aufmerksam gemacht40. Als geeignete Schutzmaßnahmen vor sog. Web-Crawlern, also Computerprogrammen, die automatisiert Internetseiten analysieren, kommt etwa das Unleserlichmachen von Personalien durch Einstellen von Bild-Dateien in Betracht41. Die Fahndungsbilder können in Einzelbilder aufgeteilt werden42. Darüber hinaus sollen Maßnahmen vorgenommen werden, die das Herauskopieren von Inhalten der Seite erschweren und unbefugte Veränderungen auf der Homepage seitens Dritter unmöglich machen43.

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So z. B. Polizei Nordrhein-Westfalen, Polizei Hamburg. Dazu im Einzelnen unter Pkt. II. 2. a), b), 4. c) dieses Teils. 38 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6. 39 Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911. 40 https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020). 41 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6; dies., Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 16. 42 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6. 43 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6; siehe auch Seitz, S. 385 Fn. 1090; Bayerischer Landtag, Drs. 17/2467 vom 14.8.2014, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Horst Arnold SPD Fahndungsmaßnahmen der Bayerischen Polizei und Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr, unter Pkt. 5. 37

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2. Nachrichtenplattform presseportal.de Die Internetplattform presseportal.de (früher: na-presseportal.de)  wird durch das Hamburger Unternehmen na·news aktuell GmbH betrieben, das der dpaGruppe angehört44. Die Firma bezeichnet sich selbst als „eines der größten und reichweitenstärksten PR-Portale Deutschlands“45 und „das meistbesuchte Portal Deutschlands für Corporate Content“46. Zu ihren Dienstleistungen gehört die bundesweite Distribution von PR-Inhalten und Presseinformationen an einen E-MailVerteiler sowie ihr Bereitstellen auf einer allgemein zugänglichen Internetseite47. Auf der Startseite des Portals ist an einer sichtbaren Stelle ein Link zu polizeilichen Inhalten („Blaulicht“) zu finden. Unter den sog. Top-Themen sind sämtliche Fahndungsmeldungen zusammengestellt. Die Veröffentlichung der Einträge auf der Plattform wird von den Behörden selbst vorgenommen; das Unternehmen nimmt keinen Einfluss auf ihren Inhalt oder ihre redaktionelle Gestaltung48. News aktuell veröffentlicht die Beiträge in der Originalfassung des Kunden49; ein entsprechender Hinweis befindet sich unter jedem einzelnen Fahndungsaufruf50. Jede veröffentlichte Fahndungsmeldung enthält Angaben zur verantwortlichen Dienststelle samt Kontaktdaten. Polizeibehörden aller Organisationsstufen aus elf Bundesländern51 veröffentlichen dort ihre Fahndungsaufrufe parallel zu ihrer Homepage (etwa Polizei Baden-Württemberg, Polizei Hamburg, Polizei Nordrhein-Westfalen, Polizei Rheinland-Pfalz); andere Dienststellen (MecklenburgVorpommern52, Saarland, Thüringen) greifen primär auf presseportal.de zurück. Die Bundespolizei veröffentlicht allgemeine Zeugenaufrufe primär auf diesem Portal; Fahndungen mit Abbildungen sind sowohl auf der Homepage als auch bei dem privaten Anbieter zu finden. Diese Methode wurde bereits zu den Anfängen

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Bezeichnet sich als ihre „100 %ige Tochter“, http://www.newsaktuell.de/ueberuns (26.4.2020). https://www.presseportal.de/about (26.4.2020). 46 https://www.newsaktuell.de/presseportal/ (26.4.2020). 47 Kolmey, DRiZ 2013, 242 (243); Federau, DPolBl 6/2013, 27 (28). 48 Vgl. §§ 3 S. 2, 3; 4 S. 2, 4 Allgemeine Geschäftsbedingungen der news aktuell GmbH für die Veröffentlichung und Verbreitung von PR-Content, Stand: 1.3.2020 (weiter: na-AGB), https://www.newsaktuell.de/agb/verbreitung/ (26.4.2020). 49 Vgl. § 4 S. 1 na-AGB. 50 „Original-Content von [Name der Dienststelle], übermittelt durch news aktuell“. 51 Aus Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Schleswig-Holstein, Thüringen. Eine detaillierte Übersicht sortiert nach Bundesländern auf der Seite https://www.presseportal. de/blaulicht/dienststellen (26.4.2020). Zum 17.10.2018 betrieben 171 Landespolizeibehörden (einschließlich LKA) und 44 Bundespolizeibehörden ihren presseportal-Auftritt, auch das BKA ist dort vertreten. 52 In Mecklenburg-Vorpommern werden Inhalte aus dem presseportal.de in die Homepage eingebunden, siehe etwa Aufruf vom 13.9.2018, https://www.polizei.mvnet.de/Presse/Fahndun​ gen/Fahndungen-nach-Personen/?id=142636&processor=processor.sa.pressemitteilung (26.4.2020). 45

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der Internet-Ära verwendet: Im Internet sind immer noch Fahndungsaufrufe auf der Plattform aus dem Jahre 2000 bzw. 2005 auffindbar53. Bzgl. der inhaltlichen Gestaltung unterscheiden sich die Fahndungsaufrufe auf presseportal.de nicht von denen auf der jeweiligen Homepage. Das grafische ­Layout der Beiträge ist auf dem Portal für alle Behörden gleich. Abbildungen (seien es Fotos, subjektive Porträts oder Videosequenzen) werden jeweils über und unter dem Fahndungstext angezeigt und lassen sich über einen gesonderten Link von der Seite herunterladen. Zusätzlich ist eine Druck- sowie PDF-Version abrufbar. Auf sämtlichen Seiten des presseportal.de, auch auf denjenigen mit Fahndungsmeldungen, werden Social-Plugins verwendet. Laut Datenschutzerklärung des Anbieters wurde dabei die besucherfreundliche Variante der „Zwei-Klick-Lösung“ gewählt54. Allerdings wird beim Teilen eines Fahndungsaufrufs mit einer Abbildung, etwa auf Facebook, das Foto automatisch in die Verlinkung in einer Art Seitenvorschau eingebaut, so dass sie in der Facebook-Chronik des Nutzers und gleichzeitig für seine Freunde einsehbar ist. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass dadurch die Fahndungsdaten in die USA übertragen werden55. Vor diesem Hintergrund sollte die Teilungsfunktion (soweit der Einsatz von Social-Plugins beibehalten werden soll) so gestaltet werden, dass bei der Seitenvorschau statt eines Fahndungsfotos ein neutrales Bild gezeigt wird, wie von der Polizei NordrheinWestfalen oder Hamburg auf ihrer Homepage gehandhabt. 3. Polizei-App Die Polizei Brandenburg ist zurzeit die einzige Polizeibehörde in Deutschland, die aktiv eine eigene App-Anwendung für mobile Endgeräte betreibt56. Das benutzerfreundlich gestaltete Programm beinhaltet u. a. eine Rubrik mit Fahndungsaufrufen. Durch die Übertragung der Contents von der Homepage über eine Schnittstelle57 entspricht der Inhalt eines Fahndungsaufrufs in der App demjenigen auf der Website. Die Software bietet an, die Fahndungsaufrufe nach dem Landkreis auszuwählen (auf der Homepage ist das eine unter mehreren möglichen Auswahlfunktionen). 53 Fahndungsaufruf der Polizei Düren vom 14.1.2000: Öffentlichkeitsfahndung / Warnung vor falschem Arzt wegen sexuellen Missbrauchs mit einem subjektiven Porträt, https://www. presseportal.de/blaulicht/pm/8/103460 (26.4.2020); Fahndungsaufruf des Polizeipräsidiums Frankfurt am Main vom 25.7.2005: Raubüberfall und zweifacher Mordversuch mit Foto des namentlich bekannten Tatverdächtigten, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/4970/705461 (26.4.2020). 54 https://www.presseportal.de/impressum/#datenschutz (26.4.2020). 55 Siehe auch unter Pkt. D. I. 1. a) des 1. Teils und unter Pkt. A. II. 3. c) cc) dieses Teils. 56 Siehe hierzu auch unter Pkt. D. I. 2. des 1. Teils. Abbildungen der App bei Remus, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 149 (154 f.). 57 Remus, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 149.

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In der Anwendung sind sämtliche auf der Homepage veröffentlichten Fahndungsmeldungen einsehbar, dargestellt in derselben zeitlichen Abfolge58. Die grafische Gestaltung der Inhalte unterscheidet sich dabei nur geringfügig59 – die Abbildungen sind in der App über dem Mitteilungstext zu sehen, ähnlich wie es bei den Presseportal-Aufrufen der Fall ist; auf der Homepage werden sie unter dem Text platziert. Das Programm beinhaltet einen Button mit dem Link zu der Homepage sowie eine weitere Taste, die einen Info-Telefon-Anruf ermöglicht. In die App ist auch eine Funktion eingebaut, die es ermöglicht, den Fahndungsaufruf in einer Kurzfassung (ohne Abbildung) samt Link zur Homepage als SMS, per ­E-Mail oder über einen Messenger, etwa WhatsApp, weiterzuleiten. 4. E-Mail Eine weitere, wenn auch nicht auf den ersten Blick naheliegende Methode, Fahndungsaufrufe über Internet zu verbreiten, ist ihr Versenden per E-Mail an konkrete Adressaten. Auch bei einem eingeschränkten Empfängerkreis handelt es sich um eine Öffentlichkeitsfahndung im Hinblick darauf, dass die Fahndungsinformation publik gemacht wird, also nicht mehr behördenintern bleibt. Valerius merkte in diesem Zusammenhang an, dass das Versenden von E-Mails geeignet ist, die Befragung potenzieller Zeugen oder das Verteilen von Handzetteln oder Postwurfsendungen zu ersetzen60; in der Tat lassen sich E-Mails als „elektronische Handzettel“ bezeichnen. Dieses Kommunikationsmittel wird eingesetzt, um etwa der Presse Fahndungsinformationen bekannt zu geben, versehen mit einem Link auf die Homepage und einem frei verwendbaren Foto61. Sollte Anfang des neuen Millenniums die Verbreitung von E-Mails bzw. Newslettern noch „eine nicht allzu fern liegende Vision“ sein62, bieten aktuell Polizeibehörden über presseportal.de tatsächlich ein Abonnement ihrer Meldungen, darunter auch von Fahndungsaufrufen, an63. Die 58

Stand 15.11.2018: Von den aktuellen Fahndungsaufrufen zurückverfolgbar bis zum 29.1.2015. 59 Als Beispiel dient vorliegend ein Fahndungsaufruf vom 13.11.2018 mit einem subjektiven Porträt nach einem Tatverdächtigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes. Unter dem Aufruf befindet sich ein Link zu der Internetseite der Polizei mit demselben Fahndungsaufruf, siehe in dem beschriebenen Fall: https://polizei.brandenburg.de/fahndung/polizei-sucht-nachtaeter/1246564 (15.11.2018). 60 Valerius, S. 37. 61 Ähnlich bereits in den 1990er-Jahren, siehe Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911. 62 Valerius, S. 38 Fn. 167. 63 Die Verfasserin hat im Februar 2019 aktuelle Meldungen der Polizei Köln, Hamburg und Hamm bezogen. Unter den empfangenen Nachrichten in Kurzfassung mit einem Link zu presseportal.de befanden sich auch allgemeine Zeugenaufrufe und Fahndungsaufrufe nach Tatverdächtigen sowie nach vermissten Personen (Abbildungen wurden in der E-Mail nicht angezeigt).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Polizei Bayern und die Polizei Hessen ermöglichen es, Artikel, darunter aktuelle Fahndungsaufrufe, als RSS-Feeds zu beziehen. Des Weiteren besteht für die Besucher der Homepages der Polizei Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und der Bundespolizei die Möglichkeit, Fahndungsinformationen an eine angegebene EMail-Adresse zu versenden / versenden zu lassen. Dieselbe Funktion ist auch in der erwähnten App der Polizei Brandenburg vorhanden. Damit wird der Seitenbesucher konkludent dazu animiert, die Fahndungsinformation zu verbreiten.

II. Web 2.0 1. Spezifik sozialer Medien aus der Sicht virtueller Fahnder Soziale Netzwerke im Internet bilden ein Paralleluniversum zu den klassischen sozialen Netzwerken, also zu zwischenmenschlichen Beziehungen in der Gesellschaft mit kollektivem Charakter64 in der „realen Welt“; mittlerweile sind sie als Kommunikationskanal aus dem Leben Milliarden von Nutzern nicht mehr wegzudenken65. Das LKA NRW bezeichnete die neuen Medien angesichts ihrer vielseitigen Facetten und Verwendungsmöglichkeiten triftig als „Kombinationen aus Homepages, Kontaktbörsen, öffentlichen Tagebüchern, Diskussionsrunden und Ähnlichem“66. Bezogen auf die Nutzung konkreter Plattformen ist in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Tendenz zu beobachten: 2011 waren noch 76 % der deutschen Internetnutzer Mitglieder eines sozialen Netzwerkes67 (darunter 42 % von Facebook68), zwei Jahre später stieg die FacebookNutzer-Zahl unter sämtlichen Profilinhabern auf 89 %69. In den letzten Jahren hat sich der Trend jedoch zugunsten von Instant-Messaging-Diensten70 – „neues Gesicht der sozialen Medien“71  – wie WhatsApp oder Messenger gewandelt72, die es ermöglichen, Fotos und Videosequenzen in SMS / MMS-ähnlicher Art zu versenden und auch in Gruppen zu kommunizieren. 2017 wurde WhatsApp täglich 64

Siehe hierzu Jansen, S. 58 f. Siehe hierzu Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5. 66 LKA NRW 2011, S. 5. 67 2018 schon von drei sozialen Netzwerken, BITKOM-Studie 2018, S. 5. 68 BITKOM-Studie 2011, S. 4. In der Studie wurden Plattformen berücksichtigt, die aktuell eine geringe Rolle spielen bzw. nicht mehr existieren, wie StayFriends (17 %), bis 2014 betriebener wer kennt wen (24 %), meinVZ (10 %), studiVZ (8 %), myspace (7 %). 69 Busemann, Media Perspektiven 7–8/2013, 391 (392). 70 Zu dem Überblick zu den populärsten Messaging-Diensten der Welt und den unterschiedlichen Features siehe IPG Media Lab, Messaging Apps, S. 7 f. 71 Siehe Titel von IPG Media Lab, Messaging Apps. IPG Media Lab, Messaging Apps, S. 2 sowie BITKOM-Studie 2018 differenzieren strikt zwischen Social Media und Social Messaging. Frees / Koch, Media Perspektiven 2018, 398 (409 f.) betont die Eigenschaft einer Schnittstelle der Messengerdienste zwischen Chats und Sozialen Netzwerken. 72 Dies hat bereits 2014 Fred Wilson, der u. a. in Twitter, Tumblr, Zynga, Foursquare investierte, prognostiziert: „Messaging is the new social media“, https://www.businessinsider. com/fred-wilson-on-what-happened-in-2014-2014-12?IR=T (26.4.2020). Eine weitere seiner 65

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von 55 %, 2018 von 66 % und 2019 von 63 % der Internetnutzer in Deutschland genutzt, wogegen Facebook 2017 „nur“ noch von 21 %, 2018 von 19 % bzw. 2019 von 21 %73. Die Entwicklung des neuen Kommunikationsmediums stellte die Polizei, nicht zuletzt in Bezug auf die Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen, vor neue Herausforderungen tatsächlicher und rechtlicher Natur. War die 2005 eingeführte Fassung der Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV, wonach private Internetanbieter zu Zwecken der Öffentlichkeitsfahndung im Internet grundsätzlich nicht eingeschaltet werden sollten, noch als eine Soll-Nicht-Vorschrift74 formuliert, verzeichnete die Norm, nicht zuletzt den faktischen Gegebenheiten geschuldet, eine Dekade später in fast allen Bundesländern eine Umkehrung. Der Ausnahmecharakter der Regelung wurde aufgehoben und das Kriterium der Zulässigkeit des Einsatzes privater Anbieter, insbesondere der „Web 2.0 Dienste und Sozialer Netzwerke“ in Richtung Subsidiarität verschoben75. Es ist auch kein redaktioneller Fehler, dass Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L zwischen Web 2.0 Diensten und sozialen Netzwerken unterscheidet. Obwohl beide Ausdrücke in der Umgangssprache nebeneinander verwendet werden76, stellt Web 2.0 gegenüber den sozialen Netzwerken einen Oberbegriff dar: Soziale Netzwerke sind neben Weblogs, Wikis und Social Tagging-Diensten wie Flickr oder YouTube eine der Erscheinungsformen des Web 2.077 (oder, anders ausgedrückt, des Social Webs78). Das Hauptanliegen eines virtuellen Fahndungsaufrufs im Internet, insbesondere in sozialen Medien, ist die bessere Verbreitung der Fahndungsinformationen, worauf Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L ausdrücklich hinweist. So werden die Polizeibehörden, wie von den Normgebern beabsichtigt, Nutznießer der auf Interaktion zwischen den Nutzern und einer ununterbrochenen, direkten, auf Austausch von Inhalten und Positionen zielenden Reziprozität79. In diesem Zusammenhang Voraussagen, 2014 sei das Ende der „social media phase of the Internet“, ist jedoch nicht zuzustimmen, bedenkt man (nur) die ununterbrochene Popularität polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken. 73 Genaue (ausgewählte) Daten für 2017 (tägliche Nutzung): WhatsApp: 87 % der 14–29-Jährigen, 72 % der 30–49-Jährigen, 41 % der 50–69-Jährigen. Die Zahlen für Facebook betrugen in den genannten Altersgruppen jeweils 43 %, 25 % und 13 %, Koch / Frees, Media Perspektiven 2017, 434 (444). Für 2018 lagen die Zahlen für Facebook für die genannten Altersgruppen bei 36 %, 25 % und 10 %. Die Angaben für 2019 für die genannten Alternsgruppen: WhatsApp 90 %, 79 % und 54 %, Facebook 35 %, 32 % und 12 %, Frees / Koch, Media Perspektiven 2018, 398 (410); Beisch / Koch / Schäfer, Media Perspektiven 2019, 374 (383). 74 Esposito, Der Kriminalist 2017, 20. 75 Zu der Entstehungsgeschichte siehe unter Pkt. D. II. 1. des 1. Teils. 76 Jessen, Jan-Kristian, Web 2.0, Social Web und Social Media: Wording der Online-Kommunikation, 5.12.2011, https://qundg.de/blog/web-2-0-social-web-und-social-media-wordingder-online-kommunikation/ (26.4.2020). 77 Richter / Koch, S. 7. 78 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (38); dies., Die Polizei 2014, 153 f. m. w. N.; Richter / Koch, S. 7. 79 Siehe Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (134).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

äußerte Kahr: „Die Erkenntnis, dass durch Social Media die Möglichkeit besteht, dass Nutzer gleichzeitig als Sender und Empfänger agieren können, ist ebenso simpel wie revolutionär.“80 Den fahndenden Behörden kommt auch die Viralität, also die rasche und großflächige Verbreitung der Information, durch die Betätigung der Teilen-Funktion zugute. Dieser Schneeball-Effekt81 wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass auf der sog. Pinnwand eines jeden Facebook-Nutzers die geteilten Inhalte für alle seine „Freunde“ (und u. U., falls diese Funktion nicht deaktiviert wurde, auch für sonstige Facebook-Nutzer) einsehbar sind. Die Bekannten haben dann ihrerseits die Möglichkeit, die Inhalte zu kommentieren, zu „liken“ oder weiterzuleiten und so zum weiteren Rollen des Fahndungs-Schneeballs beizutragen. Das Reichweitenpotenzial wird zum einen schon bei der Berücksichtigung der durchschnittlichen Freundesanzahl (342) von Nutzern82, zum anderen der Nutzerzahl in einzelnen Städten deutlich – allein in Berlin waren 2013 bei Facebook 1,5 Millionen Nutzer angemeldet83. Dieses Phänomen wird auch nicht dadurch relativiert, dass die meisten Fanpage-Besucher passive Rezipienten der Inhalte sind (vergleichbar wie im Web 1.0 oder als Empfänger klassischer Medien), sich also nur auf das Lesen der Inhalte beschränken84. 2. Übersicht über die zur Öffentlichkeitsfahndung eingesetzten sozialen Netzwerke a) Facebook Die Polizeibehörden betreiben auf Facebook85 sog. öffentliche Fanpages (anders genannt Facebook-Seiten in Abgrenzung zu privaten Facebook-Profilen86), die für jedermann abrufbar sind, unabhängig davon, ob man dort ein Konto besitzt87. Außer für Fahndungsmeldungen werden diese Seiten auch für sonstige Öffentlichkeitsarbeit verwendet, wie für Informationsmitteilungen über aktuelle Ereignisse, 80

Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (142 f.). Statt aller Deutsche Polizei Gewerkschaft, Facebook-Fahndung, https://www.dpolg.de/ ueber-uns/positionen/facebook-fahndung/ (26.4.2020). 82 Ihwas, S. 267 mit Verweis auf Data Science of the Facebook World, Studie vom 23.4.2013. 83 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 22, Tabelle 4 mit Verweis auf allfacebook.de. 84 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (39 f.) m. w. N. 85 Zu dem Vertragsverhältnis zwischen Facebook und den Strafverfolgungsbehörden siehe Ihwas, S. 270 ff.; speziell zu den AGB Kühnhenrich, Die Polizei 2015, 3 (5). Auf die Tatsache, dass privatrechtliche AGB eingriffsrechtliche Maßnahmen nicht ausschließen können, weisen Henrichs / Wilhelm, Kriminalistik 2010, 218 (223) hin. 86 Wiese, Jens, Facebook für Anfänger: Profil, Seite oder Gruppe: Was ist der Unterschied?, allfacebook. de vom 6.3.2014, https://allfacebook.de/features/facebook-fuer-anfaenger-profilseite-oder-gruppe-was-ist-der-unterschied (26.4.2020). 87 2020 betreiben die Polizeibehörden 142 Facebook-Accounts, Böber, Alexander, Vernetzt bis in den letzten Winkel. So arbeitet die Polizei auf Social Media, mdr. de vom 14.5.2020, https:// www.mdr.de/medien360g/medienwissen/polizei-auf-social-media-104.html (15.5.2020). 81

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Warnungen und Nachwuchswerbung88. Eine Ausnahme bildete bis Ende April 2020 die Fanpage des LKA Niedersachsen „Polizei Niedersachsen Fahndung“, die ausschließlich der Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen diente. Die inhaltliche Gestaltung von Facebook-Fahndungsaufrufen verschiedener Behörden weist eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf, es lassen sich aber auch Unterschiede feststellen. Auf einen Fahndungsaufruf wird zumeist durch eine Grafik bzw. Fotografie89 aufmerksam gemacht, die den konkreten Post illustrieren und das Interesse der Besucher wecken soll. In der Regel ist in diese Darstellung das Wort „Fahndung“, „Öffentlichkeitsfahndung“ bzw. Formulierungen wie „Zeugen gesucht“ oder „Polizei bittet um Hinweise“ in einer gut sichtbaren Schriftgröße eingebunden. Bzgl. der grafischen Gestaltung des begleitenden Bildes ergeben sich in den Bundesländern einige Unterschiede. Häufig wird dort ein „Blaulicht“90 oder ein für das konkrete Delikt markanter Gegenstand (z. B. Bankautomat, Einkaufskorb oder Pistole) abgebildet. In der Regel beinhaltet die Illustration eine kurze, stichwortartige Information zu der Straftat91 bzw. zu der vermissten Person92 sowie einen Hinweis auf die jeweilige Homepage bzw. auf presseportal.de mit veröffentlichten Abbildungen (z. B. „Tatverdächtige mit Bildern gesucht“93). Manche Behörden stilisieren dort Konturen eines Kopfes mit einem Fragezeichen94, andere 88 Zu den Aktivitäten der Polizei Rheinland-Pfalz bei Facebook siehe etwa Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 16/2424 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Katharina Raue (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Nutzung von sozialen Netzwerken durch die rheinlandpfälzische Polizei, unter Pkt. 2. 89 Sog. Eyecatcher, Federau, DPolBl 6/2013, 27 (28). Zur Relevanz der Gestaltung der Beiträge mit Fotos (auch wenn nicht konkret im Kontext der Öffentlichkeitsfahndung) BKA, Social Media Nutzung, S. 8: „Reine Textbeiträge finden nur geringe Akzeptanz und erreichen daher geringere Viralität“. 90 Z. B. LKA Niedersachsen, das sämtliche Fahndungsaufrufe früher auf diese Art kennzeichnete, z. B. Fahndungsaufruf vom 8.1.2018, https://www.facebook.com/Landes​ kriminalamtNiedersachsen/posts/1770526739633287 (4.1.2019). Die erledigten Fahndungen wurden demgegenüber durch einen stilisierten Stempel in grün mit der Aufschrift „LKA NI ERLEDIGT“ markiert, z. B. Meldung vom 3.8.2017, https://www.facebook.com/Landes​ kriminal​amtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/160​382488​ 2970141/?type=3&theater (11.1.2018). Siehe auch Polizei Rheinland-Pfalz, z. B. Fahndungsaufruf vom 5.1.2018, https://www.facebook.com/PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.3666866167 69896.1073741830.346839815421243/1348654698573078/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Berlin, z. B. Fahndungsaufruf vom 14.12.2017, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/793763464141093 (26.4.2020). 91 Z. B. „Nach Überfall auf Juwelier“, Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 22.12.2017, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/797499203767519 (13.12.2018). 92 Auch stichwortartig: „Vermisst!“, Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 30.11.2017, https://www.facebook.com/PolizeiBremerhaven/photos/a.522209897917817.1073741831.5192 51304880343/998617973610338/?type=3&theater (26.4.2020). 93 So z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 22.12.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiBerlin/posts/797499203767519 (13.12.2018). 94 So z. B. Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 22.12.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/1665359880192179 /?type=3&theater (26.4.2020).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

zeigen Handschellen mit der Aufschrift „Fahndung“95, Stadtkonturen mit großer Aufschrift „Öffentlichkeitsfahndung“96 oder „Zeugensuche. Wir bitten um Mithilfe!“97. Einige Behörden bauen in ihre Grafiken verpixelte Fahndungsfotos bzw. subjektive Porträts ein, die das Gesicht bzw. den ganzen Körper der gesuchten Person unkenntlich machen98. Auf dem Bild werden auch Aufschriften wie „Keine Hinweise über Facebook!“ oder „Hinweise an [Telefonnummer] oder jede Polizeidienststelle“ platziert99. Andere Polizeibehörden veröffentlichen auf dem Bild einen Hinweis „Bitte teilen“100. Eine wiederholte Verwendung derartiger Grafiken mit charakteristischen Elementen für weitere Fälle dient dem Wiedererkennungswert der Fahndungsaufrufe, die als solche zu einem individuellen, unverkennbaren „Markenzeichen“ der jeweiligen Behörde werden können. Der Beitrag selbst, in der Regel im Stil eines kurzen „Text-Teasers“/Openers gehalten, beginnt mit einer markanten, optisch hervorgehobenen Überschrift101 und enthält eine gestraffte Beschreibung der Tat und der gesuchten Person102, einen Link zu der Internetseite mit dem vollständigen Fahndungsaufruf 103 sowie einen Vermerk, dass die Einzelheiten und (unverpixelte) Abbildungen gesuchter Personen 95

Z. B. Polizei Kiel und Plön, Fahndungsaufruf vom 2.11.2017, https://www.facebook.com/ permalink.php?story_fbid=702212396637567&id=323062354552575 (22.1.2018). 96 So z. B. Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 5.3.2018, https://www.facebook.com/ polizeihamburg/posts/1953215874938797 (8.6.2018). 97 So z. B. Polizei Frankfurt am Main, Fahndungsaufruf vom 27.12.2017, https://www. facebook.com/PolizeiFrankfurt/photos/a.1575508486006037.1073741828.145923184763370 2/2010656679157880/?type=3&theater (26.4.2020). 98 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 10.1.2018, https://www.facebook. com/ ​LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/1772847229401238 (11.1.2018); Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 22.9.2017, https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/​ 18869​95344894184 (4.1.2018); Polizei Hagen, Fahndungsaufruf vom 5.1.2018, https://www. facebook.com/Polizei.NRW.HA/photos/a.215738981931747.1073741830.208563659315946/8 34506916721614/?type=3&theater (26.4.2020); siehe auch DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 5. 99 So z. B. Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 22.9.2017, https://www.facebook.com/ polizeihamburg/posts/1886995344894184 (4.1.2018). 100 So z. B. Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 12.9.2017, https://www.facebook.com/ polizeisachsen.info/photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/71352608885 0223/?type=3&theater (26.4.2020). 101 Z. B. „Wer kennt diesen Mann?“, Polizei Westmecklenburg, Fahndungsaufruf vom 20.11.2017, https://www.facebook.com/PolizeiWestmecklenburg/photos/a.156149904730109.1 073741828.156122558066177/553564541655308/?type=3&theater (26.4.2020); „Zwei maskierte Täter überfallen Supermarkt“, Polizei Nordhessen, Fahndungsaufruf vom 13.11.2017, https://​ www.facebook.com/PolizeiNordhessen/photos/a.378817879182530.1073741828.342612972​ 803021/448918508839133/?type=3&theater (26.4.2020). 102 Polizei Brandenburg zeigt seit einiger Zeit bei allgemeinen Zeugenaufrufen eine Grafik mit Kopfkonturen und den wichtigsten Angaben zu dem Tatverdächtigen, wie Körpergröße, Figur, Kleidung, z. B. Fahndungsaufruf vom 4.10.2018: „Weitere Hinweise: Skimasken, schwarze Kleidung, schlanke Gestalt“, https://www.facebook.com/polizeibrandenburg/photos/a.152802 5210778605/2532134790367637/?type=3&theater (26.4.2020). 103 Dazu im Einzelnen unter Pkt. A. II. 4. c) dieses Teils.

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auf der polizeilichen Homepage bzw. auf presseportal.de zu finden sind. Häufig wird dabei der Beitragstext von der Fahndungsmitteilung auf der Homepage übernommen bzw. bearbeitet oder verkürzt104. Der Link zum eigentlichen Fahndungsaufruf ist in manchen Aufrufen in das beigefügte Bild eingebettet105. Die Posts beinhalten oft Fragen an die Bevölkerung, wie z. B. „Wer kennt den abgebildeten Mann? Wer kann Angaben zu seinem Aufenthaltsort machen? Wer hat zum fraglichen Zeitraum auffällige Beobachtungen gemacht? Wer kann sonst sachdienliche Hinweise geben?“106 In Fällen, in denen für die Fahndungshilfe eine Belohnung ausgesetzt wurde, ist auch auf Facebook eine entsprechende kurze Information zu finden107. In der Regel ist dort auch ein Hinweis enthalten, dass sich Hinweisgeber unter einer bestimmten Telefonnummer oder E-Mail-Adresse bei einer konkreten Dienststelle melden und die Hinweise nicht auf Facebook in einem Kommentar hinterlassen sollen108. Im Laufe der Ermittlungen informieren die Behörden über neue Erkenntnisse, aktualisieren ihren „alten“ Beitrag bzw. veröffentlichen einen neuen Post mit aktuellen Informationen. Unter jedem Posting befindet sich eine Fläche mit einem Kommentarfenster109, in dem sich Facebook-User zum jeweiligen Thema äußern können110. Des Weiteren 104

So z. B. Social Media Team der Polizei Berlin, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 105 So z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 27.11.2018, https://web.facebook.​ com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/2212285902124033?__xts__[0]=68.ARA​ EiwFSx8yJQwJzha_iuoCsC0UaWVvQKayeHr9rz1Yp9pP_YQjnakxCU4dtfdn4vTk9iujdDF 80YYZ1CGaw18O2-5JfKIOb3qHDQHRaL8cYPpueuxA_SmDFfEamB13pL5FLFYElldD_ bSXWug1CeonX4naXXjV-la10C8IV158rexqRLmUr2Yyj71DCbuccqS5gXRDOkKOM9Zd W0WcdfVqBjNbC7vCb3lFpCzOMXBsVBfmlkuaAzcPeCQoboGL2rA6ivNvG80liqbjwRv 02naTmBLTcFXOgb5vwA2cN5fSzfG_S2mGfpknhxSBnTYChp2pxcbX4nlT52FI1KHC6K_ BX9w&__tn__=-R (11.12.2018); Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 11.12.2017, https:// www.facebook.com/polizeihamburg/posts/1917187041875014 (3.1.2018). 106 So z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 14.12.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiBerlin/posts/793763464141093 (26.4.2020). 107 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.1.2019, https://www.facebook.com/Polizei​ Berlin/posts/1037280373122733?__xts__[0]=68.ARCaBxfwFkAF_P0BN5SosjHYM_c20Jge ieR0bVylm_71D5PrJRJanH1enI1g5BGRiOaWOVZmEG5ffcBynySQoDVJ_qw2rOqD1xJqLu WPPNjiVcD4RJQV00KXDEigtywdts1tqnl_bZ5fYsM-YPzeYBQfbLi1YIIi-npwKIXmJHVdJ LUpjx23uVWXLoUZeloAicUHt89d0UcfyBKw3hRwz0SuD6N9L3AxaHi4ii7isLL3veE3OpH Q0RuUMYhbAqrylps0SyFGZxytYRhLcigBlgMG1v5paRVdAa7wztWH1a6pSXKjdGvOHR Smr_BBM4WSKOGorUJuJI-Uy0cIK1H8C9qRmQ&__tn__=-R (26.4.2020); Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 3.11.2017, https://www.facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550 266206482.1073741825.182045575190291/1615481045180063/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Bremen, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, https://www.facebook.com/Polizei.Bre men / photos / a.945332568852410/2217572144961773/?type=3&theater (11.1.2019). 108 Dazu im Einzelnen unter Pkt. A. II. 3. b) dd) dieses Teils. 109 Dazu im Einzelnen unter Pkt. A. II. 3. b) bb) dieses Teils. 110 Ein Diskussionsforum im Internet zur Öffentlichkeitsfahndung wurde bereits 2001 errichtet. Siehe hierzu OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262 und Popp, jurisPR-ITR 4/2008, Anm. 3. Die Möglichkeit, Mitglieder eines Diskussionsforums um Mithilfe zu bitten, spricht auch Valerius, S. 33, an.

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besteht die Möglichkeit, konkrete Beiträge über die sog. „Gefällt-mir-Funktion“ zu „liken“111 (Symbol: Daumen hoch) oder die Befürwortung oder Missgunst anderweitig auszudrücken (Buttons mit einem Herzen, einem lachenden, staunenden oder verärgerten Smiley-Gesicht). Diese sog. Reaction bewirkt, dass der Post, der dem Nutzer gefällt, u. U. in der Timeline bzw. Chronik auf seinem Profil für alle Personen in der Kontaktliste sichtbar ist112. Durch Betätigen der Funktion „Teilen“ erscheint der gesamte Beitrag der Polizei auf der Pinnwand des Facebook-Users mit einem Link zu der ursprünglichen Seite, je nach Einstellung sichtbar für seine Kontakte. Auf der Fanseite der Polizei befindet sich auch ein Vermerk über das erfolgte „Teilen“ in Form einer Liste mit den Namen aller User, von denen der Inhalt geteilt wurde. Eine weitere Möglichkeit, zur Viralität der Beiträge beizutragen, besteht darin, die Seite zu abonnieren und somit aktuelle Beiträge zu erhalten, die dann auf dem Profil erscheinen. Auf diese Art und Weise entsteht eine sog. Community, also eine stetige Abonnentengruppe. Die Popularität der Seite bemisst sich, wie Ihwas zutreffend feststellte, nach der Anzahl der „Likes“ sowie danach, „wie viele Personen über die Seite sprechen“113. Die Polizei Berlin verzeichnete zum 11.12.2018 auf ihrer Fanpage 196.519 Abonnenten und 191.641 Gefällt-Mir-Angaben, die Polizei München 254.772 Abonnenten und 252.533 Gefällt-Mir-Angaben, die Polizei Hamburg 114.120 Abonnenten und 109.140 Gefällt-Mir-Angaben, das Bundeskriminalamt 71.496 Abonnenten und 69.146 Gefällt-Mir-Angaben. b) Twitter Das 2006 gegründete Microblogging-Portal Twitter (ursprünglich: twittr) gehört neben Facebook zu den von den deutschen Polizeibehörden am häufigsten eingesetzten sozialen Netzwerken114. Von den meisten Behörden werden beide Kanäle nebeneinander verwendet. Für eine andere Strategie der Aktivität in sozialen Netzwerken haben sich Behörden der Bundespolizei entschieden, die Twitter als Hauptkommunikationsplattform nutzen und auf Facebook lediglich eine Fanpage für die Nachwuchsgewinnung betreiben. Eine andere Praxis ist in Schleswig-Holstein zu beobachten: Dort werden Fahndungsmeldungen primär auf Facebook veröffentlicht115, auf Twitter als landesweite Plattform wird zurückgegriffen, wenn die gesuchte Person herausragend gefährlich ist oder davon ausgegangen werden kann, 111

Zu dieser Funktion auf vereinzelten Homepages (Social-Plugin) siehe unter Pkt. A. I. 1. c) dieses Teils. 112 Sofern die Gefällt-mir-Angaben nicht durch entsprechende Einstellungen der Funktion „Privatsphäre bearbeiten“ manuell verborgen werden. 113 Ihwas, S. 267. 114 2020 betreiben Polizeibehörden 163 Twitter-Accounts, Böber, Alexander, Vernetzt bis in den letzten Winkel. So arbeitet die Polizei auf Social Media, mdr. de vom 14.5.2020, https:// www.mdr.de/medien360g/medienwissen/polizei-auf-social-media-104.html (15.5.2020). 115 Polizeidirektionen Bad Segeberg, Flensburg, Itzehoe, Kiel, Lübeck, Neumünster und Ratzeburg.

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dass sie sich im gesamten Landesgebiet aufhalten könnte116. Die Attraktivität dieses Mediums für die Polizeibehörden mag auf den ersten Blick etwas überraschend erscheinen, wenn man ausschließlich die Nutzerzahlen berücksichtigt. Twitter wird generell von unvergleichbar weniger deutschen Onlinern benutzt als Facebook117. Dennoch ist diese Plattform gerade wegen der Möglichkeit, kompakte Kurznachrichten (sog. Tweets118, ursprünglich 140 Zeichen, 280 seit 2017) zu veröffentlichen und in der Regel in Echtzeit über aktuelle Ereignisse zu informieren, für Polizeibehörden ein begehrtes Kommunikationsmedium119. In seinen Leitlinien zur Nutzung sozialer Medien weist das BKA zum einen auf den Nutzerkreis von Twitter hin, zu dem „häufig Journalisten, Politiker oder sonst an Fakten interessierte Personen“ gehören, zum anderen darauf, dass „Twitter … aufgrund seiner Schnelligkeit und Kürze der Nachrichten besonders geeignet [ist] um Informationen und Botschaften zu präsentieren und um in Einsatzlagen Krisenkommunikation zu betreiben“120. Bezweckt wird damit der Zugang von Informationen an einen spezifizierten Adressatenkreis sowie ein gezielter Beitrag zum öffentlichen Meinungsaustausch121. Wegen des intensiven Einsatzes dieses Mediums von den Behörden und kontrollierter Inhaltssteuerung spricht man insoweit sogar von „Influencern in Uniform“122. Sog. „Twitter-Marathons“, also 24-Stunden-Tweeten etwa der Berliner Polizei, er-

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Nr. 1, 3 des Grunderlasses 12.90.04 –LPA LSt4 des LPA Schleswig-Holstein vom 1.2.2017, Einsatz sozialer Medien in der Landespolizei Schleswig-Holstein. Durchführungsregelungen für die Personen- und Sachfahndungen (nicht veröffentlicht). 117 4 % der Internetnutzer in 2015, 5 % in 2016, 3 % in 2017, 4 % in 2018 und 2019 (mindestens wöchentlich), Koch / Frees, Media Perspektiven 2016, 418 (434); Beisch / Koch / Schäfer, Media Perspektiven 2019, 374 (383). 118 Das Verb „tweeten“ bzw. „twittern“, also Versenden der Nachrichten bei Twitter sowie das Substantiv „Tweet“, das die Nachricht bei Twitter bezeichnet, fanden ihren Weg auch in den Duden, https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Tweet (26.4.2020). 119 Siehe bereits Paulus, Kriminalpolizei 3/2012; Milker, NVwZ 2018, 1751 f. 120 BKA, Social Media Nutzung, S. 6. Auf den Gesichtspunkt, dass polizeiliche Tweets von Medienvertretern verfolgt werden und aus diesem Grund im Ergebnis mehr Informationen auf Twitter veröffentlicht werden, wies auch das Social Media Team der Polizei Berlin hin, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. Auf die „schnelle Informationsverbreitung“ durch dieses Medium machte auch die Projektgruppe Neue Medien der Polizei Berlin in ihrem Abschlussbericht aufmerksam, Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 42. Siehe auch Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/4670 vom 7.10.2016, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Landespolizei in den sozialen Medien, unter Pkt. 5. 121 Reuter, Markus / Fanta, Alexandra / Bröckling, Marie / Hammer, Luca, Influencer in Uniform: Wenn die Exekutive viral geht, netzpolitik.org vom 5.3.2018, https://netzpolitik.org/​ 2018/​wenn-die-exekutive-viral-geht-twitter-wird-zum-lieblings-werkzeug-der-deutschenpolizei/ (26.4.2020). 122 Reuter, Markus / Fanta, Alexandra / Bröckling, Marie / Hammer, Luca, Influencer in Uniform: Wenn die Exekutive viral geht, netzpolitik.org vom 5.3.2018, https://netzpolitik. org/2018/wenn-die-exekutive-viral-geht-twitter-wird-zum-lieblings-werkzeug-der-deutschenpolizei/ (26.4.2020).

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freuen sich großer Beliebtheit123, auch der oftmals lockere Stil der „Tweets“ bleibt nicht unkommentiert124. Die beschränkte Zeichenzahl erzwingt es, die auf Twitter veröffentlichten Beiträge, auch die Fahndungsaufrufe, inhaltlich auf das erforderliche Minimum, also Essenzielles zu beschränken125. Gewöhnlich ist in den Tweets ein Link zu der vollständigen Mitteilung auf der Homepage bzw. auf presseportal.de enthalten; wegen der begrenzten Zeichenzahl wird die (in der Regel lange) URL mittels spezieller Programme, in der Praxis oft mit dem bitly.com, gekürzt126. Ähnlich wie bei Facebook beinhalten die meisten Tweets eine Grafik mit der Aufschrift „Zeugen gesucht“ bzw. „Öffentlichkeitsfahndung“, um die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen. Auch hier sind auf dem Bild das „Blaulicht“, Gegenstände bzw. Ortschaften, die mit dem Aufruf im Zusammenhang stehen oder verpixelte Bilder gesuchter Personen abgebildet und genauso trägt hier die wiederholte Verwendung von individuell gestalteten Grafiken mit charakteristischen Elementen zur besseren Erkennbarkeit der Fahndungstweets bei. Zu den Kommunikationsregeln auf ­Twitter gehört es, für bestimmte Begriffe sog. Hashtags (Raute-Symbol) zu verwenden, um sie hervorzuheben und für die Schlagwort-Suche auffindbar zu machen127. Sämtliche Beiträge sind auch für Personen sichtbar, die kein Konto bei Twitter besitzen. Ähnlich wie bei Facebook bezwecken die Behörden, eine möglichst große Zahl von „Followern“ zu erreichen, also Personen, die den Internetauftritt abonnieren bzw. die einzelnen Beiträge „liken“128. Auch diese Plattform ermöglicht es, Beiträge zu kommentieren, vor allem aber durch einen „Retweet“ weiterzuleiten und auf diese Art und Weise zur Weiterverbreitung der Information beizutragen. Dabei zeigt sich jedoch, dass die Anzahl der „Gefällt-mir“-Angaben und Retweets in

123 Siehe hierzu Tweet vom 2.6.2018, https://twitter.com/PolizeiBerlin_E/status/10029683​ 28682524672 (26.4.2020). Solche Twitter-Marathons hat schon 2011 die Polizei Zürich und 2012 die Polizei Rotterdam veranstaltet, siehe Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Practice, S. 21; Broekman / de Vries / Huis in’t Veld / Mente / Kerstolt, in: Bayerl / Karlović / A khgar / Markarian, S. 167. 124 Siehe Richter, Konstantin, Wie lustig darf die Polizei sein?, Zeit Online vom 6.10.2016, https://www.zeit.de/2016/42/twitter-polizei-humor-witze (26.4.2020). 125 Z. B. Bundespolizei Nord, Fahndungsaufruf vom 25.10.2016: „Unbekannter Täter verwendete in #Braunschweig eine gestohlene EC-Karte. #bpol bittet um #Zeugenhinweise [hier Link]“, https://twitter.com/bpol_nord/status/790883679727915008 (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.1.2019: „#Fahndung [Grafik mit Geldsymbol] 10.000 € ausgelobt. #LKA & @GStABerlin suchen den 67-Jährigen, der am 6.5.1999 in #Zehlendorf einen Medikamentenhändler erschossen haben soll. Die Fotos stammen aus den 90ern. Er nutzt Aliaspersonalien & wandelt sein Äußeres regelmäßig. [hier Link]“, https://twitter.com/polizeiberlin/ status/1082228608096186368 (26.4.2020). 126 So z. B. Bundespolizei Bayern, Baden-Württemberg, Berlin. 127 Siehe unter https://brucker-solutions.de/was-ist-ein-hashtag-und-wofuer-braucht-man-es/ (26.4.2020). Zu konkreten Beispielen siehe unter Fn. 125. 128 Siehe BKA, Social Media Nutzung, S. 6.

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der Regel bei Weitem nicht mit der von Facebook vergleichbar ist129. Gleichzeitig muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die Twitternachrichten, anders als bei Facebook, nicht für die „breite Masse“130 bestimmt sind. Polizeibehörden im Ausland setzten Twitter zur Öffentlichkeitsfahndung ein, bevor man in Deutschland auf dieses Medium aufmerksam wurde. Bereits 2011 twitterte die Polizei in London (London Metropolitan Police, weiter: MET) sowie in Manchester (Great Manchester Police, weiter: GMP) und verwies auf Bilder von Tatverdächtigen, die sie auf der Plattform Flickr veröffentlichte. Ein im Rahmen des polizeilichen COMPOSITE-Projektes131 untersuchtes Beispiel eines solchen Einsatzes waren Krawalle in London und Manchester im August 2011. Die Anzahl der Follower von MET wuchs damals von etwa 4.000 auf mehr als 42.000 und von GMP von 23.000 auf mehr als 100.000132. Auch aktuell wird Twitter von GMP und MET für Öffentlichkeitsfahndungen eingesetzt, wobei die Abbildungen gesuchter Personen, sowohl Tatverdächtigen als auch Vermissten (Fotos sowie Videosequenzen), teilweise direkt dort einsehbar sind; auch Personalien werden in den Tweets angegeben133. Die Beiträge enthalten Verlinkungen zur polizeilichen Homepage.

129 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 10.12.2018 wegen sexueller Nötigung: Facebook: 206 Gefällt-mir-Angaben, 457-mal geteilt; Twitter: 34 Gefällt-mir-Angaben, 65 Re­ tweets, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/1019905214860249?__xts__[0]=68. ARBnUlFpLZSRXtgAdNkD59WHLeZd2gKby0auV6HsIRhd795qLR4FAEWzEwQrbiAb Z2l5B_rVvY9KeCARmPl1pjaLAuLFU0ZGJiFC0Zj8zeYovvxFR7w69X1AmSkW4nhWkz KHrGoUaVj78L3OnqAdUAdjHvY6J4W6OwbF0SmuLrSAgSB_4KfPFWvw5frhgW-9Y​ON J12LsO13BaHMt1nOm4BI5kRRcJOz42BISUoRG1AwKQaH8miAuaFGBndfbGhowc2aCK u2418nstc1PDG4Z1H9XY99H4DwARrX7m61nhPh4hLakpCQDt8MLRHE6Xd3QHfSLb sssC7SigcZ4Tul7KbNw&__tn__=-R (Stand: 14.12.2018); https://twitter.com/polizeiberlin/ status/1072111613422067713 (14.12.2018); Fahndungsaufruf vom 5.12.2018 wegen sexueller Nötigung: Facebook: 89 Gefällt-mir-Angaben, 191-mal geteilt; Twitter: 26 „Gefällt-mir“Angaben, 42 Retweets, https://web.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/1016811285169642?__ xts__[0]=68.ARCbqgEQTIFiLx35XcvPxW6a_Mdmne42j23_qMRxx_V9hdG1RJ_LJz0G642​ VyBOkYOg4IpAVj7gRkTWxZF0JDUKNDKSBkxTxUGbkiupxwwMvak6A4YZ-qQ_wICZjn HZho5IyYrawbdY3jRKHi2azdW22-64p-Eth0NPdU3P1DmsuU2Hjyo0lqswJNLYwM2ftcrLn aBja1ZEWQOTef1prVLWZ4ocB0VaUQ4ytat5GvAn6qusZ6k_tsxENZPdMZGATOMGv3w​ GDODB5cyNHoDj-br_ZX-AYZ_mQYb2XyBG6o0gCFtYQsnWlOme9VSyITnS48FfHv mmzYP_R0KUTLurocUfK6w&__tn__=-R (14.12.2018); https://twitter.com/polizeiberlin/ status/1070322847237722118 (14.12.2018). 130 Vgl. BKA, Social Media Nutzung, S. 6. 131 Siehe unter Pkt. D. I. 1. b) des 1. Teils. 132 Hierzu im Einzelnen Denef / Bayerl / Kaptein, S. 1 ff., 8; siehe auch Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Practice, S. 19 unter Anführung eines Beispiels der Polizei Vancouver in Kanada. 133 Z. B. GMP, Fahndungsaufruf vom 14.12.2018 wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls, https://twitter.com/gmpolice/status/1073558242456887296 (17.12.2018); Fahndungsaufruf vom 14.12.2018 nach einer Vermissten, https://twitter.com/gmpolice/status/1073575354730594312 (17.12.2018); http://www.gmp.police.uk/content/TriageWebsitePages/8E4D7EC29BD9603 E80258363004A33A8 (17.12.2018); MET, Fahndungsaufruf vom 21.2.2019 nach FußballAusschreitungen, https://twitter.com/metpoliceuk/status/1098574151428829184 (26.4.2020); http://news.met.police.uk/news/appeal-to-identify-men-following-disorder-358837 (21.2.2019).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Eine weitere Besonderheit der GMP ist der Einsatz von „Community Police Officers“ („Kontaktbereichsbeamten“), die eigene Polizei-Twitter-Accounts u. a. zur Veröffentlichung von Suchanzeigen in „ihrem“ Bezirk nutzen134. Diese Strategie des Community-Policing über Twitter wird in Deutschland seit Oktober 2016 in Niedersachsen praktiziert135.

c) Google+ Das von dem Google-Unternehmen betriebene soziale Netzwerk Google+, das als Alternative zu Facebook konzipiert war, wurde in Deutschland von Polizeibehörden in drei Bundesländern eingesetzt136. Die Polizei Berlin betrieb dort aktiv ein Konto bis Herbst 2016, dann ist es nach ihren eigenen Eingaben wegen der geringer Nutzerzahl „eingeschlafen“137. Diese Plattform wurde auch zu Fahndungszwecken eingesetzt, wie Anfang 2016 nach einem Jugendlichen, der Fensterscheiben in der U-Bahn herausgetreten hatte138. Auch dort war es möglich, Beiträge zu kommentieren und zu teilen. Ähnlich wie bei Facebook und Twitter waren die Postings auch für nicht eingeloggte Internetnutzer einsehbar. Nach Bekanntgabe von Sicherheitsproblemen mit Nutzerdaten wurde die Plattform im Oktober 2018 zeitweise eingestellt, im April 2019 wurde sie endgültig geschlossen139. d) YouTube Auch wenn aktuell 14 Polizeibehörden einen YouTube-Account betreiben140, wird diese Plattform nicht für Zwecke der Öffentlichkeitsfahndung eingesetzt. Die Veröffentlichung einer Videosequenz auf diesem Kanal durch die Polizei Sachsen 134

Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (63). Ähnlich wird es in den Niederlanden praktiziert, siehe Broekman / de Vries / Huis in’t Veld / Mente / Kerstolt, in: Bayerl / Karlović / A khgar / Markarian, S.  167 f. 135 Rüdiger / Bayerl, Der Kriminalist 1–2/2017, 4 (9). 136 Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen (2 Accounts), siehe Statista / T homas-Gabriel Rüdiger, Anzahl der Social-Media-Accounts der Polizei in Deutschland in den verschiedenen Bundesländern, Stand: 1.9.2016, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/613454/umfrage/ social-media-accounts-der-polizei-in-deutschland-nach-bundeslaendern/ (26.4.2020). 137 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 138 Fahndungsaufruf vom 26.2.2016, https://plus.google.com/+PolizeiBerlin110/posts/hR​ ETS6oW2zH?sfc=false (23.1.2017). 139 Maag, Claudia, Google+ wird noch rascher eingestellt als geplant, Computerwelt vom 11.12.2018, https://computerwelt.at/news/google-wird-noch-rascher-eingestellt-als-geplant/ (26.4.2020); Welchering, Peter, Google+ wird abgeschaltet. Start mit Innovation – Ende mit Datenpanne, ZDF.de vom 2.4.2019, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/soziales-netzwerkgoogle-plus-wird-nach-datenpanne-abgeschaltet-100.html (26.4.2020). 140 Z. B. Polizei Berlin (seit 2015), Polizei NRW (seit 2013), Polizei Baden-Württemberg (seit 2018), Polizei Rheinland-Pfalz (seit 2013), Polizei Sachsen (seit 2014), Polizei Sachsen-Anhalt (seit 2019), Polizei Brandenburg (seit 2020). Hierzu Böber, Alexander, Vernetzt bis in den letzten Winkel. So arbeitet die Polizei auf Social Media, mdr. de vom 14.5.2020, https://www. mdr.de/medien360g/medienwissen/polizei-auf-social-media-104.html (15.5.2020). Nach den

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nach einem Sprengstoffanschlag auf eine Moschee 2016, aus der sich nicht klar ergab, ob ein Tatverdächtiger oder Zeuge gesucht wurde141, dürfte dabei eine Ausnahme darstellen. Anders als in Deutschland veröffentlichte die Manchester GMP auf ihrem YouTube-Kanal Fahndungsvideos, wie etwa die am 8.8.2016 veröffentlichte Sequenz, die zwei Tatverdächtige eines Raubdeliktes während ihrer Flucht mit dem Motorrad zeigte. Unter dem Video befand sich eine ausführliche Tatbeschreibung142. Auch die Aktion der GMP „Shop a Looter“ von 2011143 wurde auf ihrer YouTube-Seite veröffentlicht144.

e) Exkurs: Flickr Anders als in Deutschland145, wurde das Foto-Portal Flickr in Großbritannien146 zur Veröffentlichung von Bildern Tatverdächtiger verwendet. Bereits 2011 wurde es durch die Polizei in London und Manchester während der August-Krawalle, ausgelöst durch die Erschießung eines Tatverdächtigen bei seiner Festnahme durch die Londoner Polizei, eingesetzt (Fotos aus Videosequenzen) und über Twitter verlinkt (s. o.). Innerhalb weniger Stunden wurden die Bilder auf Flickr aus London 4,3 Millionen Mal aufgerufen147.

Angaben des NDR betrieben die Polizeibehörden 2018 insgesamt 8 YouTube-Accounts, NDR Norddeutscher Rundfunk, Polizei setzt immer stärker auf Social Media: Bundesweit betreiben Polizeibehörden 331 Profile, presseportal.de vom 5.9.2018, https://www.presseportal.de/ pm/6561/4052873 (26.4.2020). Noch 2014 war YouTube in der Gesamtschau für polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit ohne Relevanz, siehe Rogus / Rüdiger, S. 10 f., Markus, in: Cybercrime, Digital Natives und demografischer Wandel, S. 11 (23 f.). 141 https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/posts/553541488182018 (12.10.2016). 142 GMP, CIT Robbery Bury Old Road, https://www.youtube.com/watch?v=1IMf8AVAjTE (26.4.2020). 143 Als Reaktion auf die Krawalle in Manchester im August 2011 verbunden mit massenhaften Ladeneinbrüchen und Diebstählen, startete die GMP eine Aktion „Shop a Looter“. Auf Manchester Straßen fuhren Autos mit großflächigen Plakaten mit Abbildungen von Tatverdächtigen. Auf diese Aktion machte die Polizei auf Twitter aufmerksam und bat die Bevölkerung um Übermittlung von Informationen, auch über Twitter, siehe hierzu Denef / Bayerl / ​ Kaptein, S. 6. 144 GMP, Shop a Looter Launch, https://www.youtube.com/watch?v=Azhs2vP4Nu0 (26.4.2020). 145 Zahlreiche Polizeibehörden in Deutschland betreiben ein Instagram-Account, allerdings nicht zu Fahndungszwecken. 2018 betrieben Polizeibehörden 25 Instagram-Accounts, 2020 sind es 43, siehe NDR Norddeutscher Rundfunk, Polizei setzt immer stärker auf Social Media: Bundesweit betreiben Polizeibehörden 331 Profile, presseportal.de vom 5.9.2018, https://www. presseportal.de/pm/6561/4052873 (26.4.2020); Böber, Alexander, Vernetzt bis in den letzten Winkel. So arbeitet die Polizei auf Social Media, mdr. de vom 14.5.2020, https://www.mdr.de/ medien360g/medienwissen/polizei-auf-social-media-104.html (15.5.2020). Das Portal Picasa wurde in Deutschland nicht verwendet, das BKA betreibt ein Profil auf Pinterest. 146 Aktuell sind bei dem Flickr-Auftritt der GMP https://www.flickr.com/people/gmpolice1/ keine Fahndungsfotos mehr zu finden (Stand: 26.4.2020). 147 Denef / Bayerl / Kaptein, S. 8 f.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Diese Plattform wurde ebenfalls zu Zwecken der Öffentlichkeitsfahndung durch die Schweizer Polizei in Basel eingesetzt148. f) Ausblick: Instant-Messengers Auch wenn vereinzelte Polizeibehörden Messenger-Dienste zur Kommunikation mit der Bevölkerung benutzen149, erfolgt dies nicht zu Fahndungszwecken. Die in Deutschland populärste Software dieser Art, WhatsApp, wird zurzeit von der Polizei nicht verwendet150. Für eine etwaige Benutzung wäre erforderlich, dass Polizeibehörden über eine Großanzahl von Telefonnummern von Bürgern verfügen, mit denen sie mittels der sog. Broadcast-Funktion kommunizieren und die Fahndungsaufrufe in SMS-ähnlicher Art, etwa versehen mit einem Link zu ihrer Homepage, versenden könnten151. In der Literatur wird für einen derartigen Einsatz plädiert152, gleichzeitig wird aber seitens der Polizei darauf hingewiesen, dass ein derartiger (zur Zeit theoretischer) Einsatz angesichts der auf diesem Weg zu erwartenden eingehenden Hinweise „zu einer starken Veränderung der organisationalen Kommunikationsstruktur führen“ könnte153. Im Gegensatz zu zahlreichen Accountinformationen wie Telefonnummer, Geräteinformationen und Häufigkeit der Nutzung154 werden die (wie angegeben, verschlüsselten) Inhaltsdaten der Kommunikation von WhatsApp nicht an Facebook155 148

Siehe hierzu im Einzelnen Melzl, Kriminalistik 2012, 51 f. Z. B. Polizei Berlin verwendet den Messenger Snapchat seit Juli 2016, vor allem um junge Internetnutzer im Alter zwischen 16–29 Jahren zu erreichen. Zu den Einzelheiten siehe etwa Weigel, Thomas, Erfahrungsbericht: So nutzt die Berliner Polizei Snapchat (Interview mit dem Social Media Management Team der Berliner Polizei vom 6.7.2017), powersnap. de, https://www.powersnap.de/blog/erfahrungsbericht-so-nutzt-die-berliner-polizei-snapchat/ (26.4.2020). 150 In der Schweiz werden über WhatsApp seit 2016 die wichtigsten Polizei-News für interessierte Bürger bereit gestellt, siehe admin, polizeischweiz, 7.7.2016, Die wichtigsten Polizei-​News per WhatsApp aufs Handy, https://www.polizei-schweiz.ch/die-wichtigstenpolizei-​news-per-whatsapp-aufs-handy/ (26.4.2020). Seit Ende Oktober 2017 ist die Kantonpolizei Zürich während der Bürozeiten über WhatsApp erreichbar, das Portal dient jedoch nicht für Notrufe, siehe o. V., Kapo Zürich neu auch via WhatsApp erreichbar, polizeiticker.ch vom 31.10.2017, https://www.polizeiticker.ch/artikel/kapo-zuerich-neu-auch-via-auf-whatsapp-er​ reichbar-109597 (26.4.2020). 151 Im Einzelnen Astrath, Kriminalistik 2018, 333 (334). 152 Astrath, Kriminalistik 2018, 333 (336 f.). 153 Astrath, Kriminalistik 2018, 333 (335) mit Verweis auf ein mit der Leiterin des Social Media Teams Berlin, GHK’in Y. Tamborini durchgeführtes Interview zu dem Thema. 154 Im Einzelnen Mühlroth, Adrian, Diese Daten greift WhatsApp von Ihrem Handy ab, Techbook.de vom 26.10.2018 (Aktualisierung vom 10.4.2020, Co-Autorin Deutschbein, Rita), https://​www.techbook.de/apps/messenger/whatsapp-datenschutz-zugriff-facebook (26.4.2020). 155 2014 wurde dieser Messengerdienst von Facebook übernommen, siehe rtr / dpa / f b / cbo, Facebook kauft WhatsApp für 19 Milliarden Dollar, Welt.de vom 19.2.2014, https://www. welt.de/wirtschaft/article125021667/Facebook-kauft-WhatsApp-fuer-19-Milliarden-Dollar. html (26.4.2020). 149

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übermittelt156, dennoch ist aus datenschutzrechtlichen Gründen Zurückhaltung angesagt. Sollte dieser Kanal von der Polizei zu Fahndungszwecken in der Zukunft gleichwohl genutzt werden, müsste dies, ähnlich der Fahndung auf Facebook und Twitter, mittels der Link-Lösung, also mit Versenden eines Links zur polizeilichen Homepage erfolgen, ohne personenbezogene Daten über den Messenger zu übertragen157. Ein zusätzlicher Klick auf den Link sollte dabei nicht als ein unüberwindbares Hindernis angesehen werden158, weil interessierte Nutzer auch in klassischen sozialen Netzwerken erst auf diese Weise zur vollständigen Fahndungsinformation gelangen. Etwas überraschend lässt sich feststellen, dass WhatsApp mittelbar bereits gegenwärtig zu diesen Zwecken zum Einsatz kommt bzw. kommen könnte: Fahndungsinformationen der Polizei Brandenburg lassen sich über ihre PolizeiApp auch über WhatsApp versenden. Zur behördeninternen Kommunikation verwendet die Polizei Bayern seit Juli 2017 eine eigene Messenger-App (Teamwire), die es u. a. ermöglicht, Fahndungsfotos zu versenden159. Einen eigenen Messenger (NIMes – Niedersachsen Messenger) testet seit Mai 2018 auch die niedersächsische Polizei160; genauso die Polizei Rheinland-Pfalz seit November 2018 (poMMes – polizeilicher Multimedia-Messenger)161. Auch auf Bundesebene wird die Einführung eines eigenen Kommunikationsmessengers für Bundesbehörden erwogen und bei der Bundespolizei sowie durch Zollbehörden unterschiedliche Kommunikationssysteme mit Messenger-Funktion erprobt, auf öffentlich zugängliche Messengerdienste wird aus Sicherheitsgründen nicht zurückgegriffen162. 156

Schurwanz, Timo / Schuldt, Rainer / Brüggen-Freye, Claudia, WhatsApp: Neue StatusFunktion geplant – droht der Datenaustausch mit Facebook?, Computer Bild vom 27.6.2019, https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-WhatsApp-Facebook-Datenaustausch-​ 16099541.html (26.4.2020). 157 A. A. Astrath, Kriminalistik 2018, 333 (335), der für Versenden sämtlicher Fahndungsinformationen, einschließlich Bildmaterial, plädiert. Zu der Link-Lösung siehe im Einzelnen unter Pkt. A. II. 4. c) aa) dieses Teils. 158 So aber Astrath, Kriminalistik 2018, 333 (335). 159 Siehe Ullrich, Bettina, Die bayerische Polizei wird aufgerüstet – mit iPhones, Welt.de vom 27.7.2017, https://www.welt.de/regionales/bayern/article167101993/Die-bayerische-Polizeiwird-aufgeruestet-mit-iPhones.html (26.4.2020). 160 O. V., Datenschutz-Sorgen wegen neuer App für Polizei, Ndr.de vom 4.5.2018, https:// www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Datenschutz-Sorgenwegen-​neuer-App-fuer-Polizei,polizeimessenger100.html (18.12.2018). 161 SWR Aktuell, Mobile Geräte für Polizisten. Apps sollen Polizeiarbeit in RheinlandPfalz erleichtern, Swr.de vom 27.11.2018, https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ mainz/Mobile-Geraete-fuer-Polizisten-Polizei-in-Rheinland-Pfalz-wird-smart,polizei-wirdmobil-100.html (16.2.2019). 162 BT-Drs. 19/4233 vom 11.9.2018, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Benjamin Strasser, Stephan Thomae, Renata Alt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP (BT-Drs. 19/3955), Digitalfunk und Einsatzkommunikation, unter Pkt. 12, 14, 15. In der Praxis wurde WhatsApp durch Polizeibehörden dennoch vereinzelt verwendet, wie 2016 während des Münchener Amok-Laufs im Olympia-Einkaufszentrum, Ullrich, ­Bettina, Die bayerische Polizei wird aufgerüstet – mit iPhones, welt.de vom 27.7.2017, https:// www.welt.de/regionales/bayern/article167101993/Die-bayerische-Polizei-wird-aufgeruestetmit-iPhones.html (26.4.2020) oder bereits 2013 während der Hochwasser-Lage in SachsenAnhalt, Löbbecke, Die Polizei 2014, 276 (279 f.); ders., Die Polizei 2014, 328 (329 ff.).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

3. Betreuung der Auftritte in sozialen Netzwerken in Bezug auf Fahndungsaufrufe a) Personelle Seite – Social Media Teams Hinter dem Betreiben polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken stehen konkrete Personen, die auf die Pflege des polizeilichen Images in der Bevölkerung einen nicht zu unterschätzenden Einfluss haben. Bereits zu Beginn des Einsatzes sozialer Medien zu Fahndungszwecken wurde das Gewicht der personellen Seite des Vorhabens – der „Polizei-Redakteure“163 – betont, also der gezielt ausgebildeten164 Polizeibeamten165, die die Internetauftritte mit Engagement kontinuierlich und professionell betreuen und einen Dialog mit den Nutzern führen166. Die Komplexität und die Einhaltung der Qualitätsmaßstäbe erfordern es, die Betreuung der Profile nicht einem „Einzelkämpfer“ zu überlassen, sondern Teams167 aus mehreren Personen zu bilden, die ausschließlich zu dieser Aufgabe delegiert sind, also nicht nebenamtlich agieren168. Besonders relevant bei der Auswahl des Personals 163

Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (233). Zu den konkreten Ausbildungsmöglichkeiten und ihrer Wahrnehmung durch Social Media Teams in Sachsen, Berlin, Hamburg sowie der Bundespolizei siehe Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (233); ders., in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (30); Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/16452, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hakan Taş (LINKE) vom 16. Juni 2015 (Eingang im Abgeordnetenhaus am 17. Juni 2015) und Antwort, Nutzung von Social Media durch die Berliner Polizei (I), unter Pkt. 6; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/5809 vom 9.9.2016, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Michael Kruse und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 2.9.2016 und Antwort des Senats, Betr.: Einsatz von sozialen Medien für Notfall- und Rettungseinsätze in Hamburg, unter Pkt. 10; BT-Drs. 18/5672 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 9a, 11. 165 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (232): Vollzugsbeamte. 166 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (49); dies., Die Polizei 2014, 153 (158); Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (29). 167 In Rheinland-Pfalz werden keine Social Media Teams im eigentlichen Sinne gebildet, die Betreuung der Profile erfolgt dezentral durch die Pressestellen der jeweiligen Polizeibehörde. Siehe hierzu Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 16/2424 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Katharina Raue (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Nutzung von sozialen Netzwerken durch die rheinland-pfälzische Polizei, unter Pkt. 4; siehe auch Facebook-Impressum der Polizei Rheinland-Pfalz, https://www.polizei.rlp.de/index.php?id=2215 (26.4.2020). Im BKA werden die Fahndungsaufrufe in sozialen Netzwerken nicht durch das Social Media Team (das ansonsten die Auftritte betreut), sondern durch die zuständige Organisationseinheit des BKA eingestellt und betreut, siehe BKA, Social Media Nutzung, S. 13 f. 168 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (29); ders., Die Polizei 2015, 277 (286). Anders die Praxis bei der Bundespolizei, siehe BT-Drs. 18/5672 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 12. 164

A. Polizeiliche Internetfahndung

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sind dabei Eigenschaften wie „fachliche Qualifikation, Interesse (ggf. ‚Digital Native‘), Bereitschaft zur Fortbildung, soziale Kompetenz, Kreativität und hohes persönliches Engagement“169. Genauso wichtig ist, dass Social Media Teams die Interaktion als Grundlage ihrer Aktivitäten in sozialen Netzwerken wahrnehmen und umsetzen170. b) Inhalt der Betreuung im Einzelnen Eine Reihe von Behörden (sowohl die Polizei als auch andere Bundesund Landesbehörden171) erstellte einen internen Verhaltenskodex, also Nutzungsregeln in Bezug auf dienstliche Kommunikationsstrategien in sozialen Netzwerken (sog. Social Media Guidelines172) sowie Hinweise zur dienstlichen und privaten173 Verwendung sozialer Netzwerke durch ihre Mitarbeiter174. Bezogen auf die Öffentlichkeitsfahndung ergeben sich jedoch einige Besonderheiten: 169

Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (29 f.) mit Verweis auf den Abschluss­ bericht der Bund-Länder-Projektgruppe „Nachwuchsgewinnung in sozialen Netzwerken“, Stand 6.2.2014. 170 Siehe Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (31). 171 Z. B. „Handreichung zur Nutzung sozialer Medien in den Bundesministerien“ (Stand 8.11.2013), herausgegeben von BMI, http://www.verwaltung-innovativ.de/SharedDocs/Publika​ tionen/​A rtikel/handreichung.html (26.4.2020); Leitfaden Nutzung von sozialen Netzwerken in der Berliner Verwaltung. Umgang mit und in sozialen Netzwerken (Stand: 12.12.2012), https:// www.berlin.de/sen/inneres/service/publikationen/leitfaden_social_media_.pdf (26.4.2020); Social Media in der Hamburger Verwaltung. Hinweise, Rahmenbedingungen und Beispiele (Stand: 6.3.2012), https://www.hamburg.de/contentblob/​2882174/ef4fb2d307e74e67c70ac647 d7b2f265/data/social-media-in-der-hamburgischen-verwaltung.pdf;jsessionid=AF124EAAD 35B2BC3362C76EE0DA016A0.liveWorker2 (26.4.2020). 172 Allgemein dazu etwa Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (47); dies., Die Polizei 2014, 153 (157); Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 8 mit Verweis auf: „Soziale Netzwerke – Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung unter Beteiligung von AG Kripo, der Unterausschüsse IuK und RV, der PL PK sowie der VK“. Beispiele von Social Media Guidelines: BKA, Social Media Nutzung; in Rheinland-Pfalz eine Orientierungshilfe für Ermittlungsarbeiten „Polizeiliche Ermittlungen in Sozialen Netzwerken des Internet“, siehe Landtag Rheinland-Pfalz, Drucks. 16/2424 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Katharina Raue (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Nutzung von sozialen Netzwerken durch die rheinland-pfälzische Polizei, Pkt. 3; für die Bundespolizei außer Social Media Guidelines auch „Twitter-Rahmenkonzeption zur Anwendung für die Einsatzbegleitende Presseund Öffentlichkeitsarbeit“, siehe BT-Drucks. 18/5778 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucks. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 9. 173 Zu den Verhaltenspflichten von Polizeibeamten, die sich außerdienstlich in sozialen Netzwerken betätigen, sowie zu strafrechtlichen Folgen eines nicht angemessenen Verhaltens siehe Markus, in: Cybercrime, Digital Natives und demografischer Wandel, S. 11 (25 ff.). 174 Polizei Berlin, Allgemeine Hinweise zum Umgang mit sozialen Medien (Stand: März 2015), https://netzpolitik.org/wp-upload/Allgemeine_Hinweise_Social_Media_Polizei_Berlin1.pdf

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

aa) Ausgangspunkt: Verweis auf die Fahndung Zwischen der Veröffentlichung einer Fahndungsinformation auf der polizeilichen Homepage und deren Platzieren in sozialen Netzwerken besteht kein Automatismus. Einerseits ergibt sich das schon aus Nr. 3.2 Abs. 2 VwV-L, die vorschreibt, dass die Staatsanwaltschaft im Antrag auf richterliche Anordnung die Art der Maßnahmen im Internet darzulegen hat, was darauf hinausläuft, dass nunmehr konkrete Plattformen der Veröffentlichung benannt werden müssen. Andererseits wird in der Praxis betont, dass ein konkreter Fahndungsaufruf in sozialen Medien einen Mehrwert für die Öffentlichkeit, zuvörderst für die Fan-Community darstellen muss, m. a. W. die Öffentlichkeit muss sich für den konkreten Fall interessieren175. Dieser Faktor wird z. B. bei einer äußerst schlechten Qualität eines Bildes aus der Überwachungskamera verneint176. Social Media Teams entscheiden in Eigenregie, welche Informationen (darunter Fahndungsaufrufe) am konkreten Tag veröffentlicht werden177. Es ist zwar technisch möglich, mehrere Posts am Tag zu veröffentlichen, gleichwohl wird diese Möglichkeit in Bezug auf Fahndungsaufrufe nicht über Maß verwendet, um einen „Übersättigungseffekt“ beim Nutzer zu vermeiden178. Weiter ist eine Prognose vorzunehmen, ob ein Fahndungshinweis angesichts anderer brisanter Informationen, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zum konkreten Zeitpunkt auf sich ziehen (z. B. eine spektakuläre Durchsuchung), von der Community noch beachtet werden könnte oder er eher nicht die erwünschte Resonanz erzielt. In einer solchen Situation kann es zielführender sein, eine gewisse Zeit abzuwarten und den Fahndungsaufruf etwa (erst) am nächsten Tag zu veröffentlichen179. Vielfach werden jedoch Fahndungsmeldungen parallel zu bzw. (26.4.2020); Polizeipräsidium Land Brandenburg, Leitfaden zum Umgang mit sozialen Netzwerken (der Verfasserin zugänglich gemacht durch das Social Media Team der Polizei Brandenburg). In Rheinland-Pfalz wurde ein Merkblatt „Auftreten von Polizeibediensteten im Internet, insbesondere als Mitglieder Sozialer Netzwerke“ herausgegeben, siehe Landtag Rheinland-Pfalz, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Katharina Raue (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Nutzung von sozialen Netzwerken durch die rheinland-pfälzische Polizei, Drs. 16/2424 vom 11.6.2013 unter Pkt. 3. 175 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. Ähnlich Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter, S. 133 (141) in Bezug auf Twitter zu dem Gesichtspunkt der „Teilbarkeit“ – Ist der Beitrag so bedeutsam oder interessant, dass er von den Followern weitergeleitet wird. Siehe auch Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (51); dies., Die Polizei 2014, 153 (158). 176 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 177 BT-Drs. 18/5672 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 16. 178 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017; zur Erforderlichkeit einer Auswahl von Fahndungen, „um den einzelnen Facebook-Nutzer nicht mit Posts zu überfrachten“, Federau, DPolBl 6/2013, 27 (29). 179 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017.

A. Polizeiliche Internetfahndung

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einige Stunden nach der Veröffentlichung einer Information auf der Homepage über soziale Netzwerke bekannt gegeben180. bb) Überwachung von Kommentaren (1) Besonderheiten der Kommentarfunktion Zu den Kernzielen sozialer Netzwerke gehört die Ermöglichung eines dynamischen Diskurses unter den Nutzern181. Der Dialog mit den Bürgern auf den Plattformen ist von der Polizei ausdrücklich erwünscht – die Beiträge sind „nicht lediglich zur ‚Betrachtung freigegeben‘“182. Auch für Fahndungsaufrufe ist diese Funktion „ein grundlegender Kommunikations- und Bewertungsfaktor“183. Die neu erarbeitete Nr. 3.2 VwV-L schließt die Verwendung der Kommentarfunktion per se nicht aus. Im Abs. 1 S. 3 und 4 wird jedoch darauf hingewiesen, dass in Fällen, in denen in besonderem Maß die Gefahr diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe besteht, geprüft werden muss, ob von der Bereitstellung etwaiger Kommentierungsfunktionen abzusehen ist. Vor allem seitens der Datenschutz­ beauftragten war das Postulat eines vollständigen Verzichts auf ihre Verwendung in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken zu vernehmen184. Die angeführten Argumente, dass eine ausgeschaltete Kommentarfunktion doch

180 So z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 25.2.2019 wegen schweren Raubes in Mittäterschaft, https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.764635.php (25.2.2019); einige Stunden später in sozialen Netzwerken: https://de-de.facebook.com/ Polizei ​ B erlin/posts/1066656056851831?_ _xts_ _[0]=68.ARCS_zqcrJIA1Wj0mvT_ tBNQHuubHKgKtY9PJceQzKWvz-12Ouyk3FTrlixPm1IghdcaVTiDm1U3LtT_3sFv-RIh8l​ SAss4Mfj-DQrws7Hl_sAa5iXPum2BMZQqze_8oH8Ne01wp_REkO0dGv7ioJu-0l8V​ 7Iv0NPt3YCLfsx7QoRrF_lsq1rsX5PJ2wq6xn0ZShp8hIfvspvH2zg3HJuZhVubZpNeIUVVS 7aLKT​At-EclCQB9KiG9SkThQjstWh5sE1dr_L_3UN76TNMX5G3scm9bTswCSitG8AcHT OJy30f4TYV41TXh5F-BFVoUOQZ6aqeOfgjzc5JHA3ldXgzuhDig&__tn__=-R (25.2.2019); https://twitter.com/polizeiberlin/status/1100029108690477056 (25.2.2019). 181 Siehe hierzu auch Heymig / Kahr, Kriminalistik 2016, 222 (224). 182 DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 15. Siehe auch Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 24, Tabelle 6. 183 Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/1408 vom 2.1.2013, Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Polizeiliche Nutzung von Sozialen Netzwerken – Facebook-Fahndung und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 9a; siehe auch Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14. 184 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020); Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (89 f.); siehe auch Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 26; Frühwirt / L ange / L ohmeier / Menck / Noack / Zimmermann, Die Polizei 2012, 344 (351); Bajmel, S. 182.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

nicht daran hindere, sachbezogene Hinweise zu geben185 und dass Kommentare einen zumindest entfernt personenbezogenen Charakter aufweisen könnten186, haben ihre Richtigkeit und sind nicht von der Hand zu weisen. Auf der anderen Seite wäre die Konsequenz einer – auch zeitweisen – Deaktivierung der Kommentarfunktion, dass auch sonstige Beiträge auf der Fanpage nicht kommentiert werden könnten; das BKA weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dies nicht nur „eine erhebliche Einschränkung“, sondern auch „einen Akzeptanzverlust der Nutzer der Seite“ zur Folge hätte187. Bezweckt man eine größtmögliche Resonanz der Fahndungsaufrufe, muss dieses Argument ernst genommen werden. So haben auch die Erfahrungen der Polizei Hessen, die zeitweise auf die Kommentarfunktion verzichtet hatte188, gezeigt, dass sich eine derartige Veröffentlichung für die Community mangels der Möglichkeit interaktiver Mitwirkung als nicht attraktiv erwies und sich auch negativ in Bezug auf erwartete Fahndungserfolge auswirkte189. In den Kommentaren spiegelt sich regelmäßig die innere Einstellung der Diskussionsteilnehmer zum konkreten Fahndungsaufruf wider, darunter Missbilligung für die Straftat bzw. Täter, Mitleidsbekundung für Opfer, Sorge um vermisste Personen, Lob und Kritik für die Behörden. Ein immer wieder angesprochenes Thema in den Anmerkungen betrifft die Empörung / Verwunderung der Nutzer über die zeitliche Verzögerung einer Öffentlichkeitsfahndung bzw. die Frage, aus welchen Gründen die Abbildungen nicht in sozialen Netzwerken publiziert, nur verpixelt angezeigt oder von der Homepage gelöscht wurden. Nicht selten wird von den Seitenbetreuern an die Nutzer appelliert, eine sachbezogene Diskussion beizubehalten190. 185

Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (90); Bajmel, S. 182. Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (90). 187 BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anlage  – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14). 188 Siehe hierzu Hinrichs, Per, Polizei zwischen Fahndung und „Lynchsystem“, Die Welt vom 11.11.2013, https://www.welt.de/vermischtes/article121759470/Polizei-zwischen-Fahndungund-Lynchsystem.html (26.4.2020). 189 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 2 f. Auch das BKA verzichtete früher auf die Kommentarfunktion auf ihrer Facebook-Fanpage, siehe Ihwas, S. 276. 190 Zwei Beispiele der Kommentare des Social Media Teams der Polizei Berlin: 1) Vom 8.12.2016, 18.29 Uhr: „Liebe Community, aus gegebenen Anlass weisen wir darauf hin, dass wir ab sofort genau auf die Einhaltung unserer Netiquette in diesem Post achten werden. Bitte bleiben Sie sachlich und am Thema orientiert. Vor allem achten Sie auf den gebotenen Umgangston in einer öffentlichen Konversation. Im Sinne einer Verhinderung weiterer Konflikte in diesem Post werden wir künftige Verstöße ohne vorherige Warnung verbergen oder ganz löschen. Der Form halber weisen wir auch nochmal deutlich darauf hin, dass strafbare Äußerungen auch konsequent (und ohne einen entsprechenden Hinweis in diesem Post) weitergeleitet und von unseren zuständigen Dienststellen verfolgt werden. Vielen Dank für Ihr Verständnis und allen einen angenehmen Tag bzw. Abend.“, https://www. facebook.com/PolizeiBerlin/posts/612317292285712 (26.4.2020). 2) Vom 5.12.2016, 18.58 Uhr: „Liebe Community, dieser Beitrag ist jetzt etwa eineinhalb Stunden alt. Fassen wir mal jurz [sic] die Ereignisse zusammen: 186

A. Polizeiliche Internetfahndung

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Die meisten Kommentare erscheinen direkt nach dem Einstellen des Fahndungsaufrufs bzw. im unmittelbaren zeitlichen Abstand dazu. Ältere Fahndungsaufrufe werden Wochen oder Monate später in der Regel nicht kommentiert, als Ausnahme hierzu sind die Updates zum konkreten Post zu betrachten. So sind sowohl die Beiträge (sämtlicher Art) als auch die Kommentare sehr kurzlebig und ähneln einer „Zeitung von gestern“, für die sich kaum jemand interessiert. Dasselbe gilt aber auch generell für die Fahndungsaufrufe: Die der Verfasserin von der Onlineredaktion der Polizei Berlin zur Verfügung gestellten jeweiligen Klickzahlen ausgewählter Fahndungsaufrufe auf der Homepage191 machen deutlich, dass der Zeitfaktor für das Interesse der Bevölkerung an einem Fall eine entscheidende Rolle spielt. Je mehr Zeit seit dem Fahndungsaufruf vergeht, umso mehr schwindet das Interesse der Leser; schon einen Monat nach der Veröffentlichung eines konkreten Falles sinkt die an der Fahndungsinformation interessierte Besucherzahl um ca. 90 %192.

Einen Einfluss auf die Intensität der Diskussion hat nicht nur die Art des konkreten Deliktes, sondern auch seine Brisanz und mediale Tragbarkeit. So waren bei einer antisemitisch motivierten Körperverletzung in Berlin von 2018 bei Facebook 85 Kommentare zu verzeichnen193, der Post der Hamburger Polizei über die Veröffentlichung der vierten Öffentlichkeitsfahndung zu den G20-Ausschreitungen von 2017 wurde 183-mal kommentiert194, der Berliner U-Bahn-Treter-Fall von 2016195 sogar 1.117-mal196.

17:36 Uhr: Beitrag veröffentlicht 17:38 Uhr: 1. Kommentar zum Thema ‚Kuscheljustiz‘ 17:38 Uhr: 1. Kommentar zur Inneren Sicherheit 17:42 Uhr: 2. Kommentar zum Thema ‚Kuscheljustiz‘ 17:43 Uhr: 1. 1. Aufforderung zur Abschiebung 17:45 Uhr: 3. Kommentar zum Thema ‚Kuscheljustiz‘ 17:46 Uhr: 1. Beschwerde wegen ‚Halb-Faschos‘ im Netz 17:47 Uhr: 1. Mutmaßung zur Herkunft des Tatverdächtigen … undsoweiterundsofort … Hinweise, die zur Sachverhaltsaufklärung beitragen, waren bisher leider nicht zu verzeichnen.“, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/610720185778756 (26.4.2020). 191 Fahndungsaufruf vom 5.12.2016, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/presse​ mitteilung.538029.php (26.1.2017), Klickanzahl: Dezember 2016: 19.022; Januar 2017: 2.096; Bis zum 6.2.2017: 143. Fahndungsaufruf vom 6.12.2016, http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/presse mitteilung.523810.php (23.1.2017), Klickanzahl: Dezember 2016: 20.163; Januar 2017: 1.881; Bis zum 6.2.2017: 151. 192 Ähnliche Erkenntnisse zu der „Kurzlebigkeit“ bezogen auf Fahndungssendungen bei Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (59). 193 Fahndungsaufruf vom 19.12.2018, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/10256​ 12210956216?__tn__=-R (26.4.2020). 194 Fahndungsaufruf vom 13.12.2018, https://web.facebook.com/polizeihamburg/photos/a.1​ 401912723402451/2128688994058150/?type=3&theater (26.4.2020). 195 Siehe hierzu bereits unter Pkt. A. I. 4. d) des 2. Teils. 196 Fahndungsaufruf vom 8.12.2016 (aktualisiert), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/612317292285712 (26.4.2020).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Zu der „Kostenseite“ der Kommentierungsfunktion gehört ein teilweiser Verlust des Einflusses auf die Reaktion der Community, womit sich aber Fanpage-Betreiber, auch die Polizei, abfinden müssen197: So kann die Polizei vor allem der Veröffentlichung von rechtswidrigen Kommentaren nicht im Vorfeld vorbeugen, sie kann lediglich reagieren198. Auch damit die Diskussion nicht aus dem Ruder läuft und sachbezogen bleibt, müssen die Kommentare überwacht werden, was zugleich bedeutet, dass Polizei ihrerseits mit den Kommentatoren, soweit möglich, zeitnah in Interaktion treten soll. Dabei ist in jedem Einzelfall die Entscheidung zu treffen, wie die Reaktion ausfällt – ob auf provozierende Kommentare geantwortet wird, ob sie ignoriert, verborgen oder gelöscht werden199. Auf polizeilichen Auftritten wird die sog. Netiquette mit Verhaltensregeln im Netz veröffentlicht200, was von Besuchern positiv aufgenommen wird201. (2) Umgang mit problematischen Beiträgen Rechtsverstöße auf polizeilichen Social-Media-Kanälen müssen eine Reaktion der Behörde nach sich ziehen202; dies ergibt sich zumindest für Offizial­delikte schon aus dem Legalitätsprinzip, § 163 Abs. 1 S. 1 StPO203. In Bezug auf die Öffent­ lichkeitsfahndung im Internet macht Nr. 3.2 Abs. 4 S. 2 VwV-L deutlich, dass Kommentare mit diskriminierendem, strafrechtlich relevantem oder gefährdendem Inhalt unverzüglich zu entfernen sind. Die Hamburger Implementierung dieser Vorschrift204 (dort: Nutzung des Internets im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung, 197

Vgl. Bernet, S. 135 (auf Vertriebsbranche bezogen), zustimmend Heymig / Kahr, Kriminalistik 2016, 222 (224). 198 Vgl. Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14. 199 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (230 f.). 200 Z. B. Polizei Berlin, Hinweise, Netiquette, Datenschutz, Stand: 20.11.2018, https://www. facebook.com/PolizeiBerlin/ (26.4.2020). 201 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (231 f.). 202 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (49); dies., Die Polizei 2014, 153 (158); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (152); Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (220 f.). Siehe hierzu auch Ihwas, S. 275 f., der auch auf eine hypothetische Situation eines Missbrauchs der polizeilichen Fanpage zum Aufruf zur Selbstjustiz an einer unschuldigen Person eingeht. 203 Siehe BKA, Social Media Nutzung, S. 23 (Anlage – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media Pkt. 13); nach Nr. 4 des Grunderlasses 12.90.04 – LPA LSt4 des LPA SchleswigHolstein vom 1.2.2017 „Einsatz sozialer Medien in der Landespolizei Schleswig-Holstein. Durchführungsregelungen für die Personen- und Sachfahndungen“ (nicht veröffentlicht) werden Kommentierungen, die das Legalitätsprinzip berühren, unverzüglich den zuständigen Stellen übermittelt. Bei einem Verstoß gegen diese Prozessmaxime ist eine Strafbarkeit der Beamten aus § 258a StGB denkbar, Kühnhenrich, Die Polizei 2015, 41 (43). Da Beamten bei der Durchsicht von Kommentaren „förmlich über Straftaten stolpern“ können, könne sich das Legalitätsprinzip auf die flexible Arbeit in sozialen Medien hindernd auswirken, Bayerl  / ​ ­Rüdiger, in: Handbuch Polizeimanagement, S. 919 (933). 204 Nutzung des Internets im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung. Gemeinsame Allgemeine Verfügung der Justizbehörde und der Behörde für Inneres und Sport, AV der Justizbehörde

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Nr. I. 4.) ist in dem Punkt noch detaillierter und restriktiver: Die Entfernung „problematischer Kommentare“ hat nicht nur unverzüglich, sondern auch ohne Ausnahme, auch in Zweifelsfällen zu erfolgen. Der Hamburger Beispielkatalog umfasst nicht nur Kommentare mit strafrechtlich relevantem Inhalt, sondern auch solche, die die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden können sowie „Hasskommentare“, also Kommentare mit u. a. „fremdenfeindlichem, homophobem Inhalt“; weiter solche, die geeignet sind, das Opfer herabzusetzen. Darüber hinaus bestimmt die Hamburger Normierung, dass auch diejenigen Kommentare zu entfernen sind, die personenbezogene Daten zu Tätern, Opfern oder Zeugen enthalten205. Der Grund hierfür ist zum einen der Schutz der Persönlichkeitsrechte, zum anderen sollen die Ermittlungen nicht gefährdet werden. Die Strafbarkeit von Diskutanten kann sich bei Kommentaren mit volksverhetzendem Charakter aus § 130 StGB206, bei Veröffentlichung von Androhungen von Straftaten, z. B. eines Amoklaufs207, aus § 126 StGB ergeben. Bei Aufrufen zur Selbstjustiz ist u. U. an eine Strafbarkeit nach § 111 StGB bzw. §§ 212, 26, 30 StGB zu denken208. Erwähnt wurde auch eine mögliche Strafbarkeit der Nutzer wegen Publikation von Inhalten (u. a. Texte, Bilder), die gegen das Urheberrecht verstoßen209. Bei Äußerungen mit beleidigendem bzw. diffamierendem Charakter kann sich die Strafbarkeit aus § 185 StGB ergeben210; weiter wegen übler Nachrede in Beziehung auf eine im Ergebnis unschuldige Person aus § 186 StGB211. Es ist umstritten und bis dato durch Strafgerichte nicht problematisiert, ob das „Liken“ von beleidigenden Kommentaren ebenso als eine Straftat nach § 185 StGB zu werten ist212. Dagegen wird vorgetragen, dass es sich bei dem Betätigen des „Gefällt-mir“-Buttons lediglich um eine Billigung einer fremden ÄuNr. 1/2017 vom 5.1.2017 (Az. 4208/2), HmbJVBl 1/2017, S. 21; Nr. 13/2018 vom 6.12.2018 (Az. 4208/2), HmbJVBl 1/2019, S. 13. 205 Siehe auch DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8; siehe auch Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/1408 vom 2.1.2013, Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Polizeiliche Nutzung von Sozialen Netzwerken – Facebook-Fahndung und Antwort der Landesregierung, S. 4. 206 Siehe Bayerl / Rüdiger, in: Handbuch Polizeimanagement, S. 919 (933). Zu einem Ermittlungsverfahren gegen einen User, der zu einer Öffentlichkeitsfahndung einen Kommentar in Bezug auf Personen mit Migrationshintergrund schrieb: „An Ort und Stelle erschlagen sollte man sowas!“, siehe Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 16/13799 vom 15.12.2016, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 5355 vom 16.11.2016 der Abgeordneten Simone Brand PIRATEN Drs. 16/13490, Straftaten gegen Geflüchtete und deren Unterstützer, unter Anlage 2, S. 28. 207 Zu der Problematik BKA, Social Media Nutzung, S. 32 f. (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 6); Popp, jurisPR-ITR 4/2008 Anm. 3. 208 Siehe hierzu Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (531 ff.). 209 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14; DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 15. 210 Bei Beleidigungsdelikten als absoluten Antragsdelikten ist das Legalitätsprinzip eingeschränkt, siehe etwa MüKo / Peters, § 152 Rn. 25. 211 BKA, Social Media Nutzung, S. 32 f. (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 6). 212 Dafür: NK / Z aczyk, § 185 Rn. 22a; Gulden / Dausend, MMR 2017, 723 (727); Wahlers, jurisPR-ITR 12/2012 Anm. 2; Bauer / Günther, NZA 2013, 68 (71).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

ßerung, also einer vollendeten Straftat handeln soll, was im Übrigen auch nicht unter § 140 StGB fällt213. Andere plädieren für eine Strafbarkeit wegen Beihilfe214. Für das Bejahen einer eigenen Kundgabe im Sinne von § 185 StGB durch den Klick auf den Button spricht jedoch zum einen der Sinngehalt des Likens, der über das bloße Billigen fremder Aussagen im Sinne von „mir gefällt das, was du sagst“ hinausgeht – vielmehr ist er im Sinne von „ich stimme deiner Aussage zu“215, „so sehe ich das auch“, „ich stehe dahinter“ – also einer Bejahung, Übereinstimmung mit der Äußerung zu verstehen. Es geht also darum, dass sich der Likende auf diese Art und Weise die fremde beleidigende Aussage zu eigen macht216 und sie damit zumindest für alle seine Bekannten sichtbar217 perpetuiert und den Diffamierungseffekt vergrößert. So entsteht aus der Sicht des Empfängers eine „multiplizierte“ Beleidigung; die Bedeutung einer Äußerung wird häufig anhand der Anzahl der Likes beurteilt218. Dieses sichtbare Nach-außen-Tragen des eigenen Empfindens spricht auch gegen die Annahme einer bloß spontanen, unüberlegten Reaktion219.

Ein Hinweis auf die Entfernung von Kommentaren mit strafbarem, diskriminierendem oder gefährdendem Inhalt ist auch ein häufiger Bestandteil polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken220 und steht im Zusammenhang mit der Ausübung des „virtuellen Hausrechts“221. Gleichzeitig darf bei kontroversen Äußerungen, die die Strafbarkeitsgrenze noch nicht überschritten haben oder bei einem negativen Feedback bzw. einer Kritik gegenüber den Polizeibehörden die Meinungsfreiheit der Diskutanten aus Art. 5 Abs. 1 GG nicht außer Betracht bleiben222. Solange einzelne Kommentare lediglich leicht unsachlich sind, sich aber nicht beeinträchtigend auf die Diskussion auswirken, sind sie (noch) zu dulden223. Die Polizei darf es jedoch nicht zulassen, dass das Kommentarfeld zu einer Hetzjagd-Plattform sowie zur öffentlichen Diskussion über die Schuld konkreter Personen missbraucht wird, 213

Siehe Schönke / Schröder / Eisele, § 185 Rn. 1; SK-StGB / Rogall, § 185 Rn. 4; Geiring, S. 142 f. 214 Krischker, JA 2013, 488 (491 f.); ders., in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 68 (81); ­Geiring, S. 144 ff. 215 Vgl. BG Zürich, MMR 2018, 220 (40); Milker, NVwZ 2018, 1751 (1754 f.). 216 Vgl. Bauer / Günther, NZA 2013, 68 (71); Wahlers, jurisPR-ITR 12/2012 Anm. 2; OLG Frankfurt, MMR 2016, 489 (490). 217 Bauer / Günther, NZA 2013, 68 (70). 218 Wahlers, jurisPR-ITR 12/2012 Anm. 2; Bauer / Günther, NZA 2013, 68 (71). 219 So aber ArbG Dessau-Rosslau, K&R 2012, 442. So auch („zustimmende Billigung“) Kaumanns, K&R 2012, 445 (445, 446). 220 Z. B. Polizei Brandenburg: „Kommentare mit rechtsverletzenden Inhalten sowie ausländerfeindliche, gewaltverherrlichende oder sexistische Beiträge werden gelöscht. Sie führen zur Sperrung des Nutzers und werden juristisch verfolgt“, https://www.facebook.com/polizei​ brandenburg/app/1516161035333825/?ref=page_internal (26.4.2020). 221 Hierzu Milker, NVwZ 2018, 1751 (1754). 222 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (231 f.); siehe auch BKA, Social Media Nutzung, S. 31 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 1); Kühnhenrich, Die Polizei 2015, 41 (42); nach Milker / Schuster, juwiss.de/11–2018/ sei das Blocken eines Users, der auf dem Twitter-Auftritt der Polizei Hamburg die Vorgehensweise der Polizei während des G20-Gipfels mit einem „Polizeistaat“ verglich, rechtswidrig und nicht mit einem Verstoß gegen ihre Netiquette zu rechtfertigen gewesen. 223 Milker, NVwZ 2018, 1751 (1755).

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wie dies bereits in der Web 1.0-Ära bei einem 2001 durch die Polizei errichteten Diskussionsforum zu einem Mordfall224 oder in dem viel diskutierten Emden-Fall von 2012225 der Fall war. Weiter dürfen auch Situationen, die dem Bereich der Gefahrenabwehr zuzurechnen sind – etwa Suizidankündigungen – nicht ohne angemessene Reaktion bleiben226. Die Pflicht zum Einschreiten ergibt sich für die Polizei in den genannten Fällen auch aus dem Haftungsrecht – genauer gesagt wegen der ihr als Dienstanbieter i. S. v. § 2 S. 1 Nr. 1 TMG (gleich einem Betreiber eines Internetforums227) obliegenden Prüfpflichten228 und ihrer Verantwortlichkeit für die Beiträge der Nutzer229. Den Polizeibehörden steht als direkte Reaktion auf rechtswidrige Inhalte ein breites Spektrum von Maßnahmen zur Verfügung230. Die in der Nr. 3.2 Abs. 4 S. 2 VwV-L erwähnte Entfernung von Beiträgen kann durch ihre Löschung, in der Regel aber durch die Ausblendung231 erfolgen232. Nutzer, die wiederholt diffamierende, beleidigende bzw. grob unsachliche Kommentare publik machen, können auch von dem Social Media Team blockiert werden233 mit der Folge, dass sie sich an weiteren Diskussionen auf der polizeilichen Seite nicht mehr beteiligen können234. Mit einem sog. Shit-Storm, also einer zeitlich intensiven Vielzahl von Kommentaren mit aggressivem Charakter, muss besonders behutsam umgegangen werden; hier müssen rechtswidrige Kommentare verborgen und im Einzelfall abgewogen werden, ob mit einem Gegenkommentar reagiert werden soll oder ob es sachdien 224

Vgl. OLG Celle NJW-RR 2008, 1262; siehe hierzu auch Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87 (90 f.). 225 Auslöser der Lynchjustiz-Aufrufe auf der Pinnwand eines Facebook-Nutzers war ein Tötungsdelikt an einem 11-jährigen Mädchen; der Tatverdacht gegen einen 17-jährigen Berufsschüler hat sich als unzutreffend erwiesen; siehe zu dem Fall Caspar, ZD 2015, 12 (16); Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 f. 226 BKA, Social Media Nutzung, S. 23 (Anlage  – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media Pkt. 13). 227 Vgl. BGH, NJW 2007, 2558. 228 Vgl. BGH, NJW 2011, 753 (754 f.). 229 Im Einzelnen Kühnhenrich, DigiPol, Die Polizei 2015, 41 (42 f.); siehe auch BKA, Social Media Nutzung, S. 23 (Anlage – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media Pkt. 13). 230 Zur Übersicht siehe etwa DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 15; Kühnhenrich, Die Polizei 2015, 41 (44). 231 Z. B. Polizei Berlin, Kommentar vom 21.8.2015, 5.46 Uhr: „Wir haben Ihren Beitrag verborgen. Bitte unterlassen Sie weitere Verstöße gegen die Menschenwürde.“, http://www.berlin. de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.355452.php (18.9.2015). 232 BKA, Social Media Nutzung, S. 31 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 1). 233 BKA, Social Media Nutzung, S. 31 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 2); siehe auch Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14 f.; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/1408 vom 2.1.2013, Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN Polizeiliche Nutzung von Sozialen Netzwerken – Facebook-Fahndung und Antwort der Landesregierung, S. 4. 234 Zu dem „Blocken“ und „Sperren“ eines Nutzers auf Twitter und zum „virtuellen Haus­ verbot“ im Einzelnen Milker, NVwZ 2018, 1751 (1755 ff.), der diese Maßnahmen für Ultima Ratio hält.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

licher ist, eine solche Welle vorbeigehen zu lassen235. Es ist auch möglich, einen sog. Beleidigungsfilter zu nutzen: Kommentare, die ein „verbotenes“ Wort enthalten, werden vom sozialen Netzwerk automatisch blockiert und nicht angezeigt236. (3) Kommunikationsstil Im Zusammenhang mit dem Monitoring von Kommentierungen soll der Kommunikationsstil der Behörden mit der Community nicht unerwähnt bleiben. In der Literatur wird betont, dass eine gewisse Lockerung des üblichen, förmlichen und eher unpersönlichen polizeilichen „Korsetts“ bei dem Umgang mit den Internetnutzern förderlich ist, gleichzeitig erfordert dies einen Spagat aus einem informelleren, persönlicheren Stil und dennoch seriösen und neutralen Auftritt237. Zwei diametral unterschiedliche Kommunikationsstile setzten die bereits erwähnten Polizeibehörden in London und Manchester bei ihrer Berichterstattung über Ausschreitungen im August 2011 ein. Während die Londoner MET eher „trockene“ Kurznachrichten an die Allgemeinheit richtete, wählte die GMP einen engagierten Ton, wandte sich direkt an ihre Community und führte einen Dialog mit einzelnen Nutzern. Dies bezog sich auch auf den Stil der Zeugenaufrufe im Rahmen der damals gestarteten Internetfahndung: „New CCTV images of people police need to identify on our Flickr page http://bit.ly/rnax8U Pls look and RT“ (MET) bzw. „Can you help identify these people? Check our Flickr gallery of wanted suspects and call 0800 092 0410 http://bit.ly/oyfZin“ (GMP)238. In deutschen Fahndungsauf­ rufen in sozialen Netzwerken wird die Bevölkerung in der Regel direkt angesprochen, verbunden mit einer Frage (z. B. „Wer kennt die abgebildeten Personen bzw. kann Angaben zu ihrer Identität und / oder ihrem Aufenthaltsort machen?“239 oder „Können Sie unserer Kripo helfen?“240). Auch wenn Humor bei der Formulierung der Beiträge generell begrüßt wird241 und bei einzelnen Fahndungsaufrufen nach 235 BKA, Social Media Nutzung, S. 32 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 3). 236 Siehe Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 31 (78). 237 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (64); Heymig / Kahr, Kriminalistik 2016, 222 (224); BT-Drs. 18/5778 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 19; BKA, Social Media Nutzung, S. 8. 238 Genauer bei Denef / Bayerl / Kaptein, S. 4 f. 239 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 5.12.2016, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/610720185778756 (26.4.2020). 240 Polizei Hagen, Fahndungsaufruf vom 5.1.2018, https://www.facebook.com/Polizei.NRW. HA/photos/a.215738981931747.1073741830.208563659315946/834506916721614/?type=3&theater (26.4.2020). 241 BKA, Social Media Nutzung, S. 8; Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (23); ­Richter, Konstantin, Wie lustig darf die Polizei sein?, Zeit Online vom 20.10.2016, https:// www.zeit.de/2016/42/twitter-polizei-humor-witze (26.4.2020).

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Sachen durchaus das Interesse der Leser fand242, ist er bei Fahndungsaufrufen nach Personen in der Regel fehl am Platz243. Einer der Grundsätze der Interaktion in sozialen Netzwerken ist die Kommunikation „auf Augenhöhe“244. In der Praxis wählen manche Behörden bei der Anrede245 in den Fahndungsaufrufen die zweite Person Plural, in den Antworten auf Kommentare wird dann aber „gesiezt“246; andere Behörden benutzen durchgängig die Anrede in der dritten Person Plural247. Gerade polizeiliche Beiträge, sowohl Posts als auch Reaktionen auf Kommentare, werden mit besonderer Aufmerk­ samkeit durch die Community gelesen248 und sind für Gegenreaktionen der Nutzer anfällig249. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, dass Beiträge aller Art (Posts, Antworten auf Kommentare, Bilder) vor dem Veröffentlichen durch die Mitglieder der Social Media Teams gegenseitig kontrolliert werden, dabei wird in der Regel das sog. Vier-Augen-Prinzip praktiziert250. Die Beiträge sind dabei allgemein verständlich und bürgernah zu formulieren, vor allem, wenn es unerlässlich ist, polizeiliche Termini zu verwenden oder rechtliche Zusammenhänge zu erklären – der Polizei kommt dann gewissermaßen die Rolle eines „Dolmetschers“ zu251. 242

Z. B. „Dieben war Sommer wohl nicht heiß genug“ – Fahndung nach einem Anhänger mit Fasssauna, Polizei Westmecklenburg, Fahndungsaufruf vom 17.8.2016, https://www.facebook. com/PolizeiWestmecklenburg/photos/a.156149904730109.1073741828.156122558066177/322 704224741342/?type=3&theater (26.4.2020); Ein Zitat aus „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch: „Mancher gibt sich viele Müh / Mit dem lieben Federvieh …“ – Fahndungsaufruf der Polizei Konstanz vom 25.2.2019 nach einem Diebstahl von 12 Braunhennen, https://www.face​ book.com/PolizeiKonstanz/photos/a.1686933334887652/2296565367257776/?type=3&theater (26.4.2020). 243 Ein Gegenbeispiel – aus dem Zeugenaufruf der Polizei Konstanz vom 26.2.2019 wegen sexueller Belästigung: „Frei nach dem Song ‚Zu spät‘ von den Ärzten: ‚Er wollte mich angrapschen dieser ‚Supermann‘, er wusste nicht, dass ich auch Karate kann!‘“, https://www. facebook.com/PolizeiKonstanz/photos/a.1686933334887652/2297091850538461/?type=3&theater (26.4.2020). 244 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (231); Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (24). 245 Hierzu BKA, Social Media Nutzung, S. 8; Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (231). In Rheinland-Pfalz ist es den Behörden verboten, die Community zu „duzen“, vgl. Müller, Peter, Innenpolitik. Einsatz im Neuland, Die Rheinpfalz vom 2.5.2016, http://www. rheinpfalz.de/nachrichten/titelseite/artikel/einsatz-im-neuland/ (26.4.2020). 246 So etwa Polizei Unterfranken, Polizei Hamburg, Polizei Hessen. 247 Z. B. Polizei Berlin, Polizei Brandenburg. 248 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (230). 249 Das Beispiel der Manchester GMP zeigt, dass es manchmal zielführend ist, einen Schritt zurück zu machen. Ein Twitter-Beitrag vom 13.8.2011 („Mum-of-two, not involved in disorder, jailed for FIVE months for accepting shorts looted from shop. There are no excuses“) wurde durch die Community als unangemessen empfunden und weit diskutiert. Die GMP entschuldigte sich auf Twitter und bat ihre Follower um ein Feedback und Hinweise zu dem künftigen Umgangston, wodurch sie ihre Sympathie wiedererlangte, Denef / Bayerl / Kaptein, S. 7. 250 Polizei Sachsen, siehe Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (230, 234); BKA, Social Media Nutzung, S. 12; Polizei Berlin: Mindestens Vier-Augen-Prinzip, auch Sechs-Augen-Prinzip, Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 251 Siehe Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (231).

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cc) Betreuung „rund um die Uhr“ (1) Hintergrund Die Neuregelung der Nr. 3.2 Abs. 4 S. 1 VwV-L schreibt eine Rund-um-die-UhrÜberwachung der Auftritte in sozialen Netzwerken bei Fahndungen bei freigeschalteter Kommentierungsfunktion vor. Von dieser Obliegenheit sind so gut wie sämtliche behördlichen Auftritte in sozialen Netzwerken betroffen. Bereits 2012 wurde die Maßnahme durch das LKA Niedersachsen252 eingesetzt253. Der Grund dieser Vorgaben war zum einen die Gefahr vor – für andere Nutzer sichtbaren – Aufrufen zur Selbstjustiz und „Anprangerung“254, zum anderen das Risiko, dass Nutzer in den Kommentierungen personenbezogene Daten, z. B. Namen, kundtun, zu den Profilen gesuchter Personen verlinken oder Bilder publik machen könnten255. Die 24/7-Betreuung ist weiter unabdingbar, um etwaige sachliche Hinweise, die über soziale Netzwerke gegeben wurden, schnellstmöglich auszublenden mit dem Ziel, einem Verlust von Ermittlungsansätzen durch Bekanntgabe an die Öffentlichkeit vorzubeugen256 und gleichzeitig die Information an die sachbearbeitende Stelle weiterzuleiten; das Gleiche gilt für etwaige Anzeigen257. So wird auch eine zeitnahe258 und sachgemäße Reaktion auf rechtsverletzende Kommentare sowie Shit-Storms ermöglicht259. Aus breiterer Perspektive betrachtet, gewährt sie eine sachgemäße Erfüllung von Pflichten zur Gefahrenabwehr und Strafverfolgung260. Auch wenn sich diese Methode in der Praxis als effektiv erwiesen hat, ist der Einwand Caspers, dass sich selbst mit der Vollzeitkontrolle eine unkontrollierte Verbreitung diskriminierender oder beleidigender Postings und damit die Gefährdung 252 Direkt zuständig ist dafür das „Service Center Fahndung“ sowie das Lage- und Informationszentrum (LIZ), siehe Niedersächsischer Landtag, Drs. 16/5523, Kleine Anfrage der Abgeordneten Meta Janssen-Kucz (GRÜNE) und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 3. 253 Stellungnahme der Landesregierung zum XXI. Bericht über die Tätigkeit der Landes­ beauftragten für den Datenschutz Niedersachsen für die Jahre 2011 bis 2012, Niedersächsischer Landtag, Drs. 17/4381, S. 13. 254 Ihwas, S. 275 f.; Stellungnahme der Landesregierung zum XXI. Bericht über die Tätigkeit der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen für die Jahre 2011 bis 2012, Niedersächsischer Landtag, Drs. 17/4381, S. 13. 255 BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anlage  – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14). 256 Siehe Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 5; DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6. 257 DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 15. 258 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6. 259 DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 15. Siehe auch Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14 f.: „Inwiefern eine durchgängige Überwachung der betriebenen Netzwerke ‚rund um die Uhr‘ erforderlich erscheint, ist … nicht ausschließlich eine Frage zwingender rechtlicher Erfordernisse, sondern ebenso die einer strategischen Grundsatz­ entscheidung, welcher Anspruch an die kommunikativen Reaktionszeiten einer polizeilich betriebenen Social Media-Präsenz gestellt wird.“ 260 Berthel, Die Polizei 2015, 277 (281).

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von Tatverdächtigen, Zeugen oder Opfern von Straftaten nicht verhindern lasse261, ernst zu nehmen. Selbst bei einer kurz nach der Veröffentlichung erfolgten Entfernung derartiger Kommentare handelt es sich stets um eine (zeitlich verschobene) Reaktion der Behörden und um eine Schadensminimierung, nicht dagegen um eine Präventionsmaßnahme. Auch wenn den Behörden eine effektive Kontrolle über den Diskussionsverlauf bei eigenen Auftritten in sozialen Medien nicht abzusprechen ist, betrifft das nicht eine Diskussion auf fremden Seiten, von denen sie eventuell keine Kenntnis haben. (2) Umsetzung Das Erfordernis einer ununterbrochenen Erreichbarkeit stellt die Polizeibehörden vor „eine aufbau- und ablauforganisatorische Herausforderung“262, die sich in der Praxis gleichwohl als technisch realisierbar erwiesen hat263. Diese „24/7-Überwachung“ bedeutet jedoch nicht, dass Kommentare auch ununterbrochen beantwortet werden. Nach einer Untersuchung von 1.000 Facebook-Seiten in Deutschland sind die meisten Facebook-User zwischen 20–22 Uhr aktiv, der „Verkehr“ ist nachmittags größer als vormittags264. Bereits 2014 riet Berthel dazu, dass sich die Polizei an dem Traffic im Netz orientieren und bestimmte Zeitfenster für die Bedienung der Fanpages, optimal in einem Schichtsystem, bestimmen und ggf. die Lagezentren außerhalb der Betreuungszeiten für das Monitoring einbeziehen soll265. Jede Polizeibehörde gibt auf ihrer Fanpage die virtuellen Dienstzeiten des Social Media Teams an, außerhalb der Dienstzeiten wird der Verkehr auf der Fanpage durch andere Stellen beobachtet. In Notfällen, in denen es erforderlich ist, auf Kommentare anders als durch ihr Ausblenden zu reagieren, wird auch der Bereitschaftsdienst des Social Media Teams eingeschaltet266. So wird etwa die Fanpage der Polizei Berlin von 6–22 Uhr durch das Social Media Team betreut; in den Nachtstunden (22–6 Uhr) erfolgt dies durch die Einsatzzentrale, die befugt ist, einzelne Kommentare zu verbergen. Die Löschung der Kommentare erfolgt dann durch das Social Media Team267.

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Caspar, ZD 2015, 12 (16). Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (220). 263 A. A. noch Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (45); dies., Die Polizei 2014, 153 (157). 264 Vgl. https://blog.fanpagekarma.com/2014/12/04/die-besten-zeiten-fur-facebook-deutschland (26.4.2020). 265 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (33). 266 In Sachsen der Lagedienst des Polizeipräsidiums, Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (233). Ähnlich BKA (dort: KDD), siehe BKA, Social Media Nutzung, S. 12, 13, 14.  267 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 262

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dd) „Hinweis zur Hinweisgabe“ Nr. 3.2 Abs. 1 S. 5 VwV-L enthält die Vorgabe, im Fahndungsaufruf die Öffentlichkeit aufzufordern, sachdienliche Hinweise zur Fahndung nicht in sozialen Netzwerken oder auf sonstigen Seiten privater Internetdienstanbieter einzustellen, sondern unmittelbar (z. B. per Telefon oder E-Mail) an die Strafverfolgungsbehörden zu richten. Diese Maßnahme steht mit der Rund-um-die-Uhr-Überwachung im unmittelbaren Zusammenhang268. Auf die Tragweite eines solchen Hinweises wurde mehrfach in der Literatur269 hingewiesen; Datenschützer haben sich allerdings zur Wirksamkeit dieser Methode bereits 2012, als sie von der Polizeidirektion Hannover praktiziert wurde, zurückhaltend geäußert270. In der Praxis wird diese Vorgabe unterschiedlich umgesetzt: Manche Fahndungsaufrufe auf Facebook (auch derselben Behörde271) enthalten einen expliziten Hinweis (z. B. „Keine Hinweise auf Facebook“), in anderen fehlt dieser und es wird nur um Kontakt unter einer bestimmten Telefonnummer bzw. unter Notruf 110 gebeten. Manchmal war eine diesbezügliche Information zwar bei den allgemeinen Zeugenaufrufen zu finden, nicht aber bei Fahndungsmeldungen, wo etwa auf subjektive Porträts verlinkt wurde. In Fahndungsaufrufen anderer Behörden war dieser Hinweis nur auf dem Bild, das den Aufruf illustrieren sollte, nicht aber in der eigentlichen Meldung enthalten272. Über eine derartige Angabe in konkreten Fahndungsaufrufen hinaus wird er zusätzlich in den Verhaltensregeln für die Besucher der Fanpage erwähnt273. Die polizeiliche Aufforderung, die Kommunikation ausschließlich außerhalb sozialer Netzwerke zu führen, wird von den meisten Nutzern respektiert. Gleichwohl gab es in mehreren Bundesländern immer wieder Fälle, in denen Nutzer einen 268

Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (233 f.). Gerhold, ZIS 2015, 156 (167, 173); Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 270 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 127: „Dieser Hinweis stellt beim Betrieb der Fanpage jedoch die einzige der Polizei zur Verfügung stehende Steuerungsmöglichkeit dar, dem im Interesse der Nutzer zu beachtenden Datensparsamkeitsprinzip zu folgen. Die Auswirkung erreicht jedoch nicht den nach deutschem Datenschutzrecht zu fordernden Grad des Schutzes.“ 271 Analysiert wurden im Folgenden Fahndungsaufrufe der Polizei Schwaben Nord: vom 8.12.2017, https://www.facebook.com/polizeiSWN/photos/a.1161728223924275.1073741828.11​ 36757449754686/1551369741626786/?type=3&theater (26.4.2020); vom 24.3.2017, https:// www.facebook.com/polizeiSWN/photos/a.1161728223924275.1073741828.113675744975468 6/1313817782048651/?type=3&theater (26.4.2020); vom 23.10.2017, https://www.facebook. com/polizeiSWN/photos/a.1161728223924275.1073741828.1136757449754686/15081260692 84487/?type=3&theater (26.4.2020), vom 8.3.2017, https://www.facebook.com/polizeiSWN/ photos/a.1199817420115355.1073741829.1136757449754686/1471501169613644/?type=3&the ater (26.4.2020). 272 Z. B. Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 26.12.2017, https://www.facebook.com/ polizeisachsen.info/photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/73078415712 4416/?type=3&theater (26.4.2020). 273 Siehe z. B. BKA, Social Media Nutzung, S. 9; Polizei Berlin, Hinweise, Netiquette, Datenschutz (Stand: 20.11.2018), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ (26.4.2020). 269

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sachlichen Hinweis in ihren Kommentaren veröffentlicht hatten, sei es zur Tat274, zum Verbleib einer vermissten Person275, oder weitere ergänzende Umstände, die für die Ermittlungen hätten von Bedeutung sein können, aber von den Ermittlern möglicherweise nicht berücksichtigt wurden276. Diese Kommentare waren auch noch einige Zeit später auf Facebook auffindbar und wurden selbst bei einem Post mit dem Inhalt: „Ich habe einen Hinweis“ nicht entfernt; stattdessen bat die Polizei die Hinweisgeber (für alle Besucher sichtbar) um Kontaktaufnahme mit der sachbearbeitenden Stelle277. Die Hinweisgeber wurden zwar in solchen Situationen von den Social Media Teams gebeten, sich an die Ermittler zu wenden, gleichwohl sollen derartige Kommentare aus ermittlungstaktischen Gründen und zum Schutz der Hinweisgeber für andere Nutzer nicht mehr sichtbar sein278. Auch wenn es sich in der Gesamtbetrachtung sämtlicher veröffentlichter Fahndungsaufrufe dabei eher um Ausnahmen handeln dürfte, ist es dennoch wichtig, das Problembewusstsein zu stärken279 und die Einhaltung der Vorgaben zu gewährleisten280. Entsprechende 274 Z. B. Polizei Schwaben SüdWest, Fahndungsaufruf vom 16.2.2017 (Handverletzung durch Hundebiss), https://www.facebook.com/PolizeiSWS/photos/a.1807033016187312.1073 741828.1806569826233631/1854388411451772/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 16.6.2015 (Tod nach einem Verkehrsunfall), https://www.facebook. com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.167233600127419/404914239692 686/?type=1&theater (26.4.2020); Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 3.11.2017 (sexueller Übergriff auf eine 11-Jährige), https://www.facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550 266206482.1073741825.182045575190291/1615481045180063/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 17.10.2017 (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort), https://www.facebook.com / polizeibrandenburg / photos / a.1528025210778605.107374182 8.1429667093947751/2264331183814667/?type=3&theater (26.4.2020). 275 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 17.2.2017 nach einer vermissten 12-Jährigen, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/photos/a.253825908134854.1073741828.16723360 0127419/648346065349501/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 28.11.2017 nach einer vermissten 38-Jährigen, https://www.facebook. com/PolizeiVG/photos/a.498898100279830.1073741832.343323669170608/870223433147293/​ ?type=3&theater (26.4.2020). 276 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 8.1.2018 (Hinweis auf die Bedeutung eines auffälligen Tattoos), https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/ posts/1770526739633287 (4.1.2019); Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 28.7.2016 (Hinweis auf die Fahrgestellnummer eines gefundenen Motorrades), https://www.facebook. com/polizeibrandenburg/photos/a.1528025210778605.1073741828.1429667093947751/17575 49424492848/?type=3&theater (26.4.2020). 277 Z. B. Polizei Schwaben Südwest, Fahndungsaufruf vom 10.1.2017, https://www.facebook. com/PolizeiSWS/photos/a.1807033016187312.1073741828.1806569826233631/183831290972 5989/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 20.10.2015, https:// www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/447686112082165 (26.4.2020); Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 17.10.2017, https://www.facebook.com/polizeibrandenburg/photos/a. 1528025210778605.1073741828.1429667093947751/2264331183814667/?type=3&theater (26.4.2020). 278 Siehe dazu auch Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (24). 279 Gerhold, ZIS 2015, 156 (173). 280 Siehe auch Forderung der 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: „Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke  – Strenge Regeln erforderlich!“, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/

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Leitlinien sind auch in polizeilichen Social-Media-Leitfäden enthalten281. Von den in sozialen Netzwerken geposteten Hinweisen der Community ist die sachbearbeitende Stelle durch die Fanpage-Betreuer stets in Kenntnis zu setzen282 und ggf. in den Kommentaren ein erneuter „Hinweis zur Hinweisgabe“ zu veröffentlichen283. Es ist dann auch geboten, solche Kommentare schnellstens zu verbergen, den Hinweisgeber zu kontaktieren (etwa über eine persönliche Nachricht) und an die sachbearbeitende Stelle zu vermitteln. Von den genannten Fällen sind Situationen zu unterscheiden, in denen von aufmerksamen Lesern darauf hingewiesen wurde, dass für die öffentliche Fahndung die Bekanntgabe eines bisher in dem Aufruf nicht genannten Tatumstandes von Bedeutung sein könnte. Hinweise dieser Art wurden seitens der Behörden stets mit Sympathie entgegengenommen. Nicht vereinbaren mit den Vorgaben der Nr. 3.2 Abs. 1 S. 5 VwV-L ließ sich der Fall, in dem das LKA Sachsen-Anhalt seine Facebook-Community ermutigte, zu einem konkreten Ermittlungsvorgang Fotos und Videos auf Facebook hochzuladen. Diese Vorgehensweise wurde vom Landesdatenschutzbeauftragten beanstandet284 und dürfte in der Gesamtbetrachtung der polizeilichen Praxis einen Einzelfall darstellen. Diese letztgenannte Art der Informationsgewinnung lässt sich allerdings bei der Verkehrspolizei Neu-Delhi feststellen, die an ihre Facebook-Community mit der Bitte herangetreten war, auf Facebook Fotos und Videos von Personen zu veröffentlichen, die gegen die Regeln des Straßenverkehrs verstießen. Tatsächlich sollen zahlreiche Hinweise, etwa auf Mopedfahrer, die ohne Helm unterwegs waren, oder auf Missachtung des Halteverbotes durch Lkw-Fahrer eingegangen sein285. Auch die Manchester GMP machte 2011 auf die bereits an anderer Stelle erwähnte Aktion „Shop a Looter“286 auf Twitter aufmerksam und bat die Bevölkerung um die Zusendung von Informationen, auch über Twitter287.

konferenzentschliessungen/87__konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_ netzwerke-9477 (26.4.2020). 281 BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anlage  – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14); DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 6. 282 BKA, Social Media Nutzung, S. 32 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 5); DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8; siehe auch Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (233 f.). 283 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8. 284 Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, XIII. / X IV. Tätigkeitsbericht, S. 59 ff. 285 Drews, Vivien-Marie / Schenker, Frerk, Zeugenaufrufe im Netz. Polizei Hannover fahndet via Facebook, haz.de vom 5.4.2011, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/ Polizei-Hannover-fahndet-via-Facebook (26.4.2020). 286 Siehe dazu Fn. 143. 287 Siehe hierzu Denef / Bayerl / Kaptein, S. 6; o. V., Police inundated with calls to ‚Shop A Looter‘ scheme, BBC News vom 13.8.2011, https://www.bbc.com/news/uk-england-manchester-​ 14515631 (26.4.2020).

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ee) Information zur Fahndungsbeendigung Zur Betreuung polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken gehört auch das Veröffentlichen einer Information über die Fahndungserledigung sowie die ­Löschung des ursprünglichen Fahndungsaufrufs auf der Homepage bzw. auf presseportal.de288. Die Pflicht zu einem solchen Hinweis ergibt sich nicht direkt aus Nr. 3.2 Abs. 2 S. 1 Anl. B RiStBV bzw. Nr. 3.2 Abs. 5 S. 1 VwV-L, in denen nur eine unverzügliche Beendigung der Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken bei Erreichung des Fahndungsziels oder beim Vorliegen sonstiger Gründe289 erwähnt wird, ist aber allgemein anerkannt290. Eine Abschlussmeldung erfolgt in der Praxis in sozialen Netzwerken entweder in Form eines Updates zu dem ursprünglichen Post291, oder als ein neuer, gesonderter Beitrag, oft versehen mit einer charakteristischen Grafik „Fahndung erledigt“292, vereinzelt auch in Form eines Kommentars zum ursprünglichen Post293. Zum guten Ton gehört es, sich bei der Community für die Unterstützung durch Kommentierung und Teilen des Fahndungsaufrufs zu bedanken294. Manche Polizeien bezeichnen ihre Fangemeinde als „Supporter“295. Teilweise erfolgt auch eine Information, dass die entscheidenden Hinweise von den Besuchern von sozialen Netzwerken gegeben wurden296. Derartige Beiträge werden von der Fangemeinde sehr positiv angenommen.

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Zu den rechtlichen Aspekten der Fahndungserledigung im Einzelnen siehe unter Pkt. A. III.4.b. des 5. Teils. 289 Siehe Information der Polizei Bremen in einem Fahndungsaufruf vom 11.1.2019: „Aus rechtlichen Gründen wird dieser Post nach Fahndungserfolg oder spätestens nach zwei Monaten wieder gelöscht.“, https://www.facebook.com/Polizei.Bremen/photos/a.9453325688524 10/2217572144961773/?type=3&theater (11.1.2019). 290 Siehe etwa BKA, Social Media Nutzung, S. 25 (Anlage – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14); DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8. 291 So etwa Polizei Berlin, Mitteilung vom 2.1.2018, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/802790889905017 (26.4.2020). 292 So etwa LKA Niedersachsen, Mitteilung vom 3.8.2017, https://www.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/16 03824882970141/?type=3&theater (11.1.2018). 293 Z. B. Polizei Bremen, Kommentar zum Fahndungsaufruf vom 19.5.2016, https://www. facebook.com/Polizei.Bremen/photos/a.945332568852410.1073741827.270824859636521/11 47776901941308/?type=3&theater (2.1.2018). 294 Siehe z. B. Polizei Bremerhaven, Mitteilung vom 13.12.2017 (Identifizierung eines unbekannten Toten), https://www.facebook.com/PolizeiBremerhaven/photos/a.5222098979178 17.1073741831.519251304880343/1005090962963039/?type=3&theater (26.4.2020). 295 So etwa LKA Niedersachsen, Mitteilung vom 3.8.2017, https://www.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/16 03824882970141/?type=3&theater (11.1.2018). 296 So z. B. Polizei Lübeck und Ostholstein, Mitteilung vom 21.8.2017 (geteilt durch Polizei Hamburg), https://www.facebook.com/polizeihamburg/posts/1875347659392286 (26.4.2020). Anders die Praxis in Sachsen, wo derartige Informationen aus ermittlungstaktischen Gründen nicht veröffentlicht werden, siehe DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8.

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4. Datenschutzrechtliche Anforderungen a) Zulässigkeit eines Social-Media-Auftritts Die Frage, ob das Betreiben eines Social-Media-Auftritts mit dem geltenden Recht im Einklang steht, wurde auch im Zusammenhang mit der Internetfahndung in sozialen Netzwerken diskutiert297. Den Betreibern von Facebook-Fan­ pages, darunter der Polizei, wurde zu Beginn ihrer Aktivitäten in sozialen Medien eine Reihe datenschutzrechtlicher Verstöße von Facebook in Bezug auf die Nutzungsdaten der Fanpage-Besucher vorgehalten298, das Betreiben der Auftritte für unzulässig299 und das Animieren der Internetnutzer zum Besuch der Fanpage für „rechtlich nicht haltbar“ erachtet300. Es waren Stimmen zu vernehmen, es sei nicht hinnehmbar, dass Behörden, darunter auch die Polizei, die Dienste des „Datensammelkraken“ Facebook301 in Anspruch nehmen. Nach der Entscheidung des EuGH vom 5.6.2018, deren Leitsätze sich sinngemäß auch auf andere soziale Netzwerke übertragen lassen302, sind Betreiber einer Facebook-Fanpage neben Facebook mitverantwortlich für die Verarbeitung der Daten von Besuchern der Fanpage303. Als Folge dieses Urteils sind auch die Betreiber von Fanpages verpflichtet, datenschutzkonform zu agieren. aa) Mitverantwortlichkeit für die Datenverarbeitung Die Entscheidung der Großen Kammer des EuGH geht auf einen langjährigen Rechtsstreit304 zwischen der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein und dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) von 2011 zurück. Das ULD verbot dem Unternehmen, seine Facebook-Fanpage weiter zu betreiben. Der Hauptvorwurf betraf die durch Facebook durchgeführte Instal 297 Hierzu Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766); Caspar, ZD 2015, 12 (16); Gerhold, ZIS 2015, 156 (157 ff.); Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 120 ff.; Wiegand, S. 35 ff. 298 U. a. gegen die Unterrichtungspflicht nach § 13 Abs. 1 TMG, die Einholung einer Einwilligung in die Weitergabe von Daten nach § 13 Abs. 3 TMG, nicht zuletzt gegen § 15 Abs. 3 TMG (Erstellung von Nutzungsprofilen – sog. Reichweitenanalyse ohne Einräumung eines Widerspruchsrechts), siehe im Einzelnen ULD, Datenschutzrechtliche Bewertung, S. 20 f.; siehe auch Schröder / Haxwell, WD 3 – 3000 – 306/11 neu, S. 19. 299 ULD, Datenschutzrechtliche Bewertung, S. 20 f.; Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 126; a. A. Kolmey, DRiZ 2013, 242 (244); Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 13; Gerhold, ZIS 2015, 156 (164); Milker, NVwZ 2018, 1751 (1753). 300 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 127. 301 So Bannasch, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 87. Siehe auch Wewer, ZRP 2016, 23 (24 f.). 302 Etwa Niethammer, BB 2018, 1487. 303 EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 39). 304 In der Literatur ist in diesem Zusammenhang von einem Musterverfahren die Rede, siehe etwa Martini / Fritzsche, NVwZ 2015, 1497 (1498).

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lation von Cookies auf den Computern von sämtlichen Fanpage-Besuchern, unabhängig davon, ob sie ein Konto bei dem sozialen Netzwerk besaßen305. Das ULD war der Ansicht, die Wirtschaftsakademie sei für die Verarbeitung von Nutzungsdaten306 eine verantwortliche Stelle i. S. d. § 3 Abs. 7 BDSG a. F. bzw. Art. 2 lit. d RL 95/46307, habe gegenüber sämtlichen Fanpage-Besuchern eine Unterrichtungspflicht über das Einsetzen von Cookies nach § 13 Abs. 1 TMG sowie die aus § 13 Abs. 3 TMG erwachsende Pflicht von Einholung einer Einwilligung der Besucher in die Weitergabe von Daten. Besonders gravierend war dabei, dass Facebook den Fanpage-Betreibern automatisch und kostenlos eine anonymisierte Statistik308 („Facebook-Insights“) zur Verfügung stellt, die vielfältige demografische309 Daten der Besucher enthält310. Sowohl das VG Schleswig311, das über die Klage der Wirtschaftsakademie zu entscheiden hatte, als auch das OLG Schleswig312 und das BVerwG313 waren der Ansicht, dass Fanpage-Betreiber mangels eines rechtlichen und tatsächlichen Einflusses auf die Datenverarbeitung durch Facebook nicht als verantwortliche Stellen angesehen werden könnten314. Das BVerwG setzte den Rechtsstreit aus und wandte sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV an das EuGH, um u. a. die Frage der Verantwortlichkeit eines Fanpage-Betreibers für die Datenverarbeitung zu klären. Der EuGH bejahte die Mitverantwortlichkeit315 der Betreiber von Fanpages nach Art. 2 lit. d der RL 95/46316 und betonte, dass Betreiber einer Fanpage es nicht nur 305 Genauer zu den einzelnen von Facebook in diesem Zusammenhang gesetzten Arten von Cookies siehe ULD, Datenschutzrechtliche Bewertung, S. 6 f.; Arbeitsgruppe des AK I, Ergebnisbericht, S. 7, 9.  306 Nach § 15 Abs. 1 TMG sind Nutzungsdaten solche, die erforderlich sind, die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen, z. B. Merkmale zur Identifikation des Nutzers. 307 Entspricht dem Art. 4 Nr. 7 der ab 25.5.2018 geltenden DSGVO. 308 Martini / Fritzsche, NVwZ 2015, 1497 (1498) schreiben in diesem Zusammenhang von „Früchten vom Baum der Erkenntnis“. 309 U. a. Alter, Geschlecht, Beziehungsstatus, berufliche Situation, Lebensstil, Interessen, Online-Kaufverhalten, siehe EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 37). 310 Eine sog. „Reichweitenanalyse“ unter Verstoß gegen das Widerspruchsrecht gem. § 15 Abs. 3 TMG. Zu ähnlichen Praktiken von Twitter („Twitter Analytics“) siehe Engeler, MMR 2017, 651 f. 311 VG Schleswig, Urteil vom 9.10.2013 – 8 A 14/12, ZD 2014, 51. 312 OLG Schleswig, Urteil vom 4.9.2014 – 4 LB 20/13, ZD 2014, 643. 313 BVerwG, Beschluss vom 25.2.2016 – 1 C 28.14, ZD 2016, 393. 314 Für datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit: Karg, ZD 2014, 54 (55 f.); i. E. Polenz, VuR 2012, 207 (210 f.); Weichert, ZD 2014, 605 (606 ff.); in Bezug auf Twitter Engeler, MMR 2017, 651 (654). So wie die Instanzgerichte in Bezug auf den Begriff des Verantwortlichen Werkmeister / Schröder, ZD 2014, 645 (646); i. E. Pieper / Krügel, ZD-Aktuell 2013, 03831; Gerhold, ZIS 2015, 156 (160 f.). Aus anderen Gründen für Mitverantwortung plädierend Martini / Fritzsche, NVwZ 2015, 1497 (1498); Hoffmann / Schulz / Brackmann, ZD 2013, 122 (124). 315 Das hat aber nicht zwangsläufig eine gleichwertige Verantwortlichkeit zur Folge (zu beurteilen nach sämtlichen Umständen des Einzelfalls), so EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 43). 316 So auch der Schlussantrag des Generalanwalts, siehe Bot, ECLI:EU:C:2017:796, BeckRS 2017, 129013.

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in der Hand haben, Kriterien festzulegen, nach denen „Facebook-Insights“-Statistiken erstellt werden (sog. Parametrierung), sondern auch Kategorien von Personen für die erwünschte Auswertung benennen können317. Somit ist es ihnen möglich, an der Entscheidung über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten der Fanpage-Besucher durch Facebook mitzuwirken318. Dabei ist aus Gründen eines wirksamen und umfassenden Schutzes der betroffenen Personen eine weite Auslegung des Begriffes des „für die Verarbeitung Verantwortlichen“319 geboten320. bb) Rechtsfolge des EuGH-Urteils Das Urteil aus Luxemburg fand in der Fachwelt einerseits Zustimmung321, gleichzeitig erntete es Kritik wegen der weiten Auslegung des Begriffes des Verantwortlichen und wegen Bejahung der Verantwortlichkeit bei bloßer Nutzung der vorhandenen Infrastruktur eines sozialen Netzwerks322. Obwohl sich die Entscheidung auf die alte RL 95/46 bezog, ist sie auch unter der Geltung der neuen DSGVO von Bedeutung323. Die Mitverantwortlichkeit von Fanpage-Betreibern hat nach Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO zur Folge, dass sie nun mit Facebook eine Vereinbarung über das Tragen bzw. Verteilen datenschutzrechtlicher Verpflichtungen (sog. Joint Data Controller Agreement) schließen müssen324; die wesentlichen Punkte einer solchen Vereinbarung sind den Besuchern nach Art. 26 Abs. 2 S. 2 DSGVO zur Verfügung zu stellen. Dieses Erfordernis betonten auch die Datenschutzbeauftragten in ihrer unmittelbar nach dem Erlass des EuGH-Urteils ergangenen Entschließung325. Sie forderten eine transparente und verständliche Aufklärung sämtlicher (d. h. registrierter und nicht registrierter) Besucher der Fanpage darüber, welche Daten zu welchen Zwecken verarbeitet werden326; die Betreiber von Fanpages sollten selbst 317

EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 36). EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 39). 319 So EuGH bereits in dem Google Spain-Urteil, NJW 2014, 2257 (2259, Rn. 34). 320 EuGH, NJW 2018, 2537 (2538, Rn. 28). 321 Petri, EuZW 2018, 540 f.; Jotzo, JZ 2018, 1159 (1160). 322 S. E. Schulz, ZD 2018, 363 (364); D. Klein, IWRZ 2018, 226. 323 Brüggemann, CR 2018, 581; Marosi / Matthé, ZD 2018, 361 (362); Niethammer, BB 2018, 1487. 324 Petri, EuZW 2018, 540 (541); Niethammer, BB 2018, 1487; Härting / Gössling, NJW 2018, 2523 (2525); a. A. Brüggemann, CR 2018, 581 (582). 325 Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder – Düsseldorf, 6.6.2018, Die Zeit der Verantwortungslosigkeit ist vorbei: EuGH bestätigt gemeinsame Verantwortung von Facebook und Fanpage-Betreibern, https://www. datenschutzkonferenz-online.de/media/en/20180605_en_fb_fanpages.pdf (26.4.2020). 326 In der sog. Datenrichtlinie hat Facebook im Einzelnen dargelegt, welche Daten von ihm erfasst werden und dass von ihm anonyme Statistiken zusammengestellt werden, siehe unter Punkt: „Welche Arten von Informationen erfassen wir?“/Geräteinformationen und „Wie werden diese Informationen geteilt?“/Teilen mit Drittpartnern / Partner, die unsere Analysendienste nutzen, https://www.facebook.com/privacy/explanation?_rdc=1&_rdr (26.4.2020). 318

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dafür Sorge tragen, dass Facebook ihnen die zur Erfüllung der Informationspflicht benötigten Informationen zugänglich macht. Des Weiteren verlangten sie eine Einwilligung der Besucher für den Einsatz u. a. von Cookies bzw. Speicherung von IP-Adresse durch Facebook327. Erst als Reaktion auf einen weiteren Beschluss der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) vom 5.9.2018, die wegen Untätigkeit von Facebook in Bezug auf das Bereitstellen einer Vereinbarung nach Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO sämtliche Fanpages für illegal erklärte und beide Verantwortlichen, also Facebook und Fanpage-Betreiber zur Beantwortung eines detaillierten Fragenkatalogs verpflichtete328, veröffentlichte das soziale Netzwerk am 11.9.2018 die nach seiner Auffassung ordnungsgemäß gefasste Vereinbarung329 – „Page Controller Addendum“ oder „Seiten-Insights-Ergänzung“330. In diesem – nicht abdingbaren – Regelwerk erkannte Facebook zwar seine primäre Pflichtentragung aus der DSGVO bzgl. der Verarbeitung der Insights-Daten der Besucher an331, gleichzeitig billigte das Unternehmen den Fanpage-Betreibern aber kein Recht auf Offenlegung der von Facebook für die Statistiken verarbeiteten personenbezogenen Besucherdaten zu332. In dem Addendum verpflichtete sich 327 Entschließung der Konferenz der unabhängigen Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder – Düsseldorf, 6.6.2018, Die Zeit der Verantwortungslosigkeit ist vorbei: EuGH bestätigt gemeinsame Verantwortung von Facebook und Fanpage-Betreibern, https://www. datenschutzkonferenz-online.de/media/en/20180605_en_fb_fanpages.pdf (26.4.2020). 328 Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder  – Düsseldorf, 5.9.2018, Beschluss der DSK zu Facebook Fanpages, https://www.daten​ schutzkonferenz-online.de/media/dskb/20180905_dskb_facebook_fanpages.pdf (26.4.2020). 329 Es besteht insofern eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die „Vereinbarung“ von Facebook tatsächlich sämtlichen Anforderungen von Art. 26 DSGVO entspricht. Teilweise wird sie für unzureichend gehalten; mehrere Stellen klagen gegen Facebook auf Auskunft betreffend einer klaren Zuteilung der Verantwortlichkeiten nach Art. 26 DSGVO und auf Abschluss einer Vereinbarung, siehe Klageschrift der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN (die selber eine Fanpage betreibt), https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_ de/themen_az/netzpolitik/180928_Klage_Fb.pdf (26.4.2020); auch die Verbraucherzentrale Sachsen, siehe Pressemitteilung vom 23.10.2018, https://www.verbraucherzentrale-sachsen. de/pressemeldungen/digitale-welt/verbraucherzentrale-sachsen-verklagt-facebook-30961 (26.4.2020), Puppe, Matthias, Sachsens Verbraucherschützer verklagen Facebook, Leipziger Volkszeitung vom 24.10.2018, http://www.lvz.de/Region/Mitteldeutschland/SachsensVerbraucherschuetzer-verklagen-Facebook?fbclid=IwAR0G8MS3ABzD7SILsdJrVD0o2HTp​ KcqPe5sDFho90nGci-b-jtUz2AioYpw (26.4.2020). 330 https://www.facebook.com/legal/terms/page_controller_addendum_archived (26.4.2020). 331 Im Einzelnen: Informationspflichten nach Art. 12 und 13 DSGVO, Auskunftsrecht (Art. 15 DSGVO), Recht auf Berichtigung (Art. 16 GSGVO), Löschung (Art. 17 GSGVO), Einschränkung der Verarbeitung (Art. 18 DSGVO) und diesbezügliche Mitteilungspflicht (Art. 19 DSGVO), Recht auf Datenübertragbarkeit (Art. 20 DSGVO), Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO), Recht auf Verschonung von einer automatisierten Entscheidung bzw. Profiling (Art. 22 DSGVO), Pflichten bzgl. der Sicherheit personenbezogener Daten (Art. ­32–34 DSGVO), https://www.facebook.com/legal/terms/page_controller_addendum_archived (26.4.2020). 332 Informationen hierzu wurden in einem Fragenkatalog von der Datenschutzkonferenz gefordert, siehe Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und

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Facebook, die wesentlichen Punkte der Vereinbarung den betroffenen Personen zur Verfügung zu stellen; tatsächlich wurde an einer sichtbaren Stelle auf der Fanpage ein Link zu sog. Informationen zu Seiten-Insights-Daten333 eingestellt. Spätestens seit der Entscheidung des EuGH sind Fanpage-Betreiber dazu verpflichtet, auf ihrer Fanpage eine sog. Datenschutzerklärung zu platzieren, in der Besucher über die Datenverarbeitung in sozialen Netzwerken umfassend informiert werden. Dieser Pflicht (die i. Ü. auch für das Betreiben von Homepages besteht, bei deren Besuch es ebenfalls zur Datenverarbeitung kommt) sind sie auch nachgegangen334, ein entsprechender Hinweis mit dem Link befindet sich an einer sichtbaren Stelle auf den Fanpages335. Bereits 2012 wurde eine derartige Erklärung von dem LKA Niedersachsen veröffentlicht336, dann auch auf anderen Fanpages, u. a. der Polizei Rheinland-Pfalz seit 2013337. In der weiteren Positionierung vom 1.4.2019 vertrat die DSK den Standpunkt, dass die „Seiten-Insights-Ergänzung bezüglich des Verantwortlichen“ den Kriterien einer rechtmäßigen Vereinbarung nach Art. 26 DSGVO nicht entspreche: Zum einen wegen des Facebook-Vorbehalts, in Eigenregie über die Verarbeitung von Insights-Daten zu entscheiden, zum anderen wegen nicht hinreichender Transparenz und Konkretheit der veröffentlichten Angaben zu den Verarbeitungsvorgängen. Vor diesem Hintergrund sei, solange den Rechenschaftspflichten der Verantwortlichen nicht rechtskonform nachgegangen werde, „ein datenschutzkonformer Betrieb einer Fanpage nicht möglich“338. der Länder – Düsseldorf, 5.9.2018, Beschluss der DSK zu Facebook Fanpages, https://www.​ datenschutzkonferenz-online.de/media/dskb/20180905_dskb_facebook_fanpages.pdf (26.4.2020). 333 https://web.facebook.com/legal/terms/information_about_page_insights_data (25.1.2019). 334 Z. B. Polizei Berlin, Verlinkung auf Facebook https://www.berlin.de/polizei/datenschutz​ erklaerung.700498.php?fbclid=IwAR30dW7FlrAMdXEbsArfNjm-PaYnMy8t6fTalEOCh9ad ZjtkwLo0RmEtQao (26.4.2020) sowie „Hinweise, Netiquette, Datenschutz“ vom 20.11.2018, https://web.facebook.com/pg/PolizeiBerlin/about/?ref=page_internal (26.4.2020); Polizei Saarland, https://www.saarland.de/219664.htm (26.4.2020), Polizei Bayern, https://www. polizei.bayern.de/oberbayern_nord/wir/index.html/270839 (26.4.2020); Polizei Baden-Württemberg, https://www.polizei-bw.de/datenschutz-social-media/?fbclid=IwAR1IXy0o9G_Lyu AcVEBwFrzWyPRifit0nidliEsbE12wN1JQ_96K6ww_YKk (26.4.2020); Polizei Köln, https:// koeln.polizei.nrw/artikel/polizei-koeln-in-sozialen-netzwerken?fbclid=IwAR1En_iiOCLeXXAgGu_0YsTu4jSMZScNgn9AtOUXVu1fyKi__mEODwXCiI (26.4.2020); Polizei Hessen, https://www.polizei.hessen.de/datenschutz/ (26.4.2020). 335 Z. B. Polizei Köln in der Rubrik „Info“, https://de-de.facebook.com/pg/Polizei.NRW.K/ about/?ref=page_internal (11.2.2019). 336 Stellungnahme der Landesregierung zum XXI. Bericht über die Tätigkeit der Landesbeauftragten für den Datenschutz Niedersachsen für die Jahre 2011 bis 2012, Drs. 17/4381, S. 12; Federau, DPolBl 6/2013, 27 (28). 337 Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 16/2424 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer und Katharina Raue (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Nutzung von sozialen Netzwerken durch die rheinland-pfälzische Polizei, unter Pkt. 5. 338 DSK, Positionierung zur Verantwortlichkeit und Rechenschaftspflicht bei Facebook-​ Fanpages sowie der aufsichtsbehördlichen Zuständigkeit, 1.4.2019, https://www.datenschutz​

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Am 11.9.2019 entschied das BVerwG in dem o. g. Rechtsstreit, dass im Falle einer „mit schwerwiegenden Mängeln behafteten datenschutzrechtswidrigen Erhebung und Verarbeitung der Nutzerdaten“ von Facebook der Fanpage-Betreiber verpflichtet werden kann, diese zu deaktivieren339. Die Folgen dieser Entscheidung für die Internetfahndung über diese Plattform340 lassen sich zurzeit noch nicht abschätzen341. cc) Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung Es bleibt die Frage zu klären, auf welche Rechtsgrundlage die Polizei als ­ anpage-Betreiber die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Besuchern F ihrer Auftritte in sozialen Netzwerken, insbesondere von Insights-Daten stützen kann342. In Betracht kommt Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO, wonach die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Eine Rechtsgrundlage im nationalen Recht für den Bereich

konferenz-online.de/media/dskb/20190405_positionierung_facebook_fanpages.pdf (26.4.2020). 2019 schaltete die Staatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt ihre Facebook-Fanpage ab, o. V., Mangelhafter Datenschutz: Sachsen-Anhalt steigt bei Facebook aus, https://www.heise.de/ newsticker/meldung/Mangelhafter-Datenschutz-Sachsen-Anhalt-steigt-bei-Facebook-aus-​ 4446177.html (26.4.2020). 339 BVerwG, NJW 2020, 414 (417 f.). 340 Seit 20.12.2019 gilt eine aktualisierte und ergänzte Version des „Page Controller Addendum“ von Facebook, in dem konkrete Arten der Verarbeitungsvorgänge aufgelistet werden, https://www.facebook.com/legal/terms/page_controller_addendum (26.4.2020). Siehe hierzu Hutter, Thomas, Facebook: Ergänzungen an den Datenschutz-Bestimmungen zu Seiten Insights per 20.12.2019  – Was Seitenbetreiber beachten müssen, thomashutter.com vom 16.12.2019, https://www.thomashutter.com/facebook-ergaenzungen-an-den-datenschutz​ bestimmungen-zu-seiten-insights-per-20-12-2019-was-seitenbetreiber-beachten-muessen/# (26.4.2020). 341 Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg löschte als Reaktion auf die Entscheidung des BVerwG seinen Twitter-Account, NJW-aktuell 5/2020, 12 f. Einen  – zumindest vorübergehenden – Verzicht von Behörden auf Nutzung sozialer Netzwerke forderte Müller-Neuhof, DRiZ 2020, 56. Aktuell sind in sozialen Netzwerken neben anderen zahlreichen staatlichen Stellen die Bundesregierung (Facebook Twitter, Instagram, YouTube), das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Facebook, Twitter, Instagram, YouTube) und der Bundesgerichtshof (Twitter) vertreten (Stand: 26.4.2020). 342 Die Benennung der Rechtsgrundlage verlangten auch die Datenschützer in dem Fragenkatalog (Pkt. 5), Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder – Düsseldorf, 5.9.2018, Beschluss der DSK zu Facebook Fanpages, https:// www.datenschutzkonferenz-online.de/media/dskb/20180905_dskb_facebook_fanpages.pdf (26.4.2020). Facebook selbst beruft sich auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO und führt im Bereich Datenverarbeitung für Messungen und Analysen unter anderem die „Bereitstellung genauer und zuverlässiger Berichte für … Werbekunden, Entwickler und sonstige Partner“ als berechtigtes Interesse auf, siehe unter Facebook-Rechtsgrundlagen, https://www.facebook.com/ about/privacy/legal_bases (26.4.2020).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

der Anwendung dieser Norm für öffentliche Stellen des Bundes stellt § 3 BDSG dar343, für öffentliche Stellen der Länder die Normen der Landesdatenschutz­ gesetze344. Nach diesen Regelungen ist die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine öffentliche Stelle zulässig, wenn sie zur Erfüllung der in der Zuständigkeit des Verantwortlichen liegenden Aufgabe345 erforderlich ist346. Das Ziel der Verarbeitung von Daten ist also die Wahrnehmung der durch das Recht festgelegten Aufgaben durch zuständige Stellen347. Das Betreiben einer Fanpage348 – einer „öffentlichen Einrichtung 2.0“ – gehört zur polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit349. Diese ist als eine Staatsaufgabe tatsächlicher Art350 anerkannt und bedarf an sich keiner speziellen Ermächtigungsgrundlage, soweit der Bevölkerung nur allgemeine Informationen „über die Aufgabenerfüllung und aus der Aufgabenerfüllung“ mitgeteilt werden351, wie etwa bei der Berichterstattung über die Einsätze im Rahmen des „Twitter-Marathons“ durch die Berliner Polizei352. So gesehen, stützt sich für die Behörden die Datenverarbeitung in Bezug auf die Erhebung der durch Nutzer bereitgestellten Inhaltsdaten (Kommentare, Likes, Teilungen) sowie in Bezug auf die von Facebook filtrierten und zusammengestellten Nutzungsdaten auf diese Behör-

343

Siehe BeckOK Datenschutzrecht / Wolff, § 3 BDSG Rn. 8. § 4 BW LDSG; Art. 4 Abs. 1 BayDSG; § 3 BlnDSG; § 5 Abs. 1 BbgDSG; § 3 Abs. 1 Nr. 2 BremDSGVOAG; § 4 HmbDSG; § 7 Abs. 1 HDSG; § 4 Abs. 1 DSG M-V; § 3 S. 1 Nr. 1 NDSG; § 3 Abs. 1 DSG NRW; § 3 LDSG R-P; § 4 Abs. 1 DSG SL; § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSG; § 4 Abs. 1 DSG LSA; § 3 Abs. 1 S-H LDSG; § 16 Abs. 1 ThürDSG. 345 In manchen Bundesländern, angelehnt an Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO, ergänzt durch die Passage „im öffentlichen Interesse“: § 3 S. 1 Nr. 1 NDSG; § 1 DSG NRW; § 3 LDSG R-P; § 3 Abs. 1 LDSG S-H, § 16 Abs. 1 ThürDSG. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 SächsDSG, § 4 Abs. 1 DSG LSA ist die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zulässig, „wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt“. 346 Die zweite Variante, nach der die Datenverarbeitung in Ausübung öffentlicher Gewalt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde, erforderlich ist, ist hier nicht maßgebend. 347 BeckOK Datenschutzrecht / Wolff, § 3 BDSG Rn. 16a. 348 Das Gleiche gilt für Twitter-Auftritte, Milker, NVwZ 2018, 1751 (1753); Hessischer Landtag, Drs. 19/2194 vom 8.9.2015, Kleine Anfrage des Abg. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE) vom 21.7.2015 betreffend Nutzung von Twitter durch die Frankfurter Polizei und Antwort des Ministers des Innern und für Sport, unter Pkt. 1.  349 Milker, NVwZ 2018, 1751 (1753); Milker / Schuster, juwwis.de vom 8.2.2018, https://www. juwiss.de/11-2018/; Mergel / Müller / Parycek / Schulz, S. 67 nennen den Auftritt in sozialen Netzwerken „ausgelagerte Behördenhomepage“. Zu einer Auflistung von Themenbereichen, die durch ausgewählte Polizeibehörden aus NRW auf ihren Fanpages im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit gepostet wurden, siehe Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (23). 350 BVerwG, NJW 1991, 1770 (1771). 351 Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2707); Scholz, NJW 1973, 481 (483); WD 3 – 3000 – 157/15, S. 7 f.; WD 3 – 3000 – 044/18, S. 3; Aulehner, S. 252. Siehe auch zum Informationshandeln des Staates BVerfGE 105, 279. Kritisch Knebel / Schoss, DÖV 2016, 105 (106 f.) m. w. N. Gerhold, ZIS 2015, 156 (162 f.) sieht die Rechtsgrundlage für das Errichten einer Fanpage in § 163 StPO. 352 WD 3 – 3000 – 157/15, S. 8. 344

A. Polizeiliche Internetfahndung

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denaufgabe. Für das Auslesen von Statistiken können zusätzlich die Vorschriften über die Verarbeitung der Daten zu statistischen Zwecken353 herangezogen werden. In Bezug auf in sozialen Netzwerken veröffentlichte Fahndungsaufrufe als Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe der Strafverfolgung bzw. Gefahrenabwehr ist zu beachten, dass sich die Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung der Fahndungsinformationen selbst, je nachdem, ob es sich um eine Fahndung zu repressiven oder präventiven Zwecken handelt, in §§ 131 ff. bzw. §§ 161, 163 StPO oder in den jeweiligen polizeirechtlichen Vorschriften zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs / Spezialtatbeständen findet354. Dies bezieht sich in erster Linie naturgemäß auf die behördliche Bekanntgabe von Informationen zur Fahndung selbst, also auf die Verbreitung des Fahndungsaufrufs. Die Entgegennahme von Hinweisen zur Fahndung, also einer Rückinformation aus der Bevölkerung müsste als bezweckte Reaktion genauso von diesen Rechtsgrundlagen getragen sein. Die Besonderheit einer Verbreitung von Informationen im Internet – insbesondere in sozialen Netzwerken – besteht darin, dass Informationsrezipienten einen Datenfluss generieren, unabhängig davon, ob sie aktiv auf den Beitrag etwa durch Kommentare reagieren oder ihn „nur“ lesen. Der Betreiber einer Fanpage ist (nach der Entscheidung des EuGH auch in Bezug auf die Daten für die Statistiken) als Veranlasser dieses Datenflusses anzusehen355. In der „analogen“ Welt war es (abgesehen von den Einschaltquoten von Fernsehsendungen oder Auflagezahlen der Printmedien356) nicht möglich, genaue Angaben über die Anzahl von Personen zu machen, die von einer konkreten Fahndungsinformation Kenntnis genommen hatten, und erst recht nicht, wie sich die Empfänger hierzu positionierten. So gesehen, ist das „Datenfeedback“ zu den einzelnen Postings – ergänzend zu der oben erwähnten Aufgabe der Öffentlichkeitsarbeit – auch von der jeweiligen Rechtsgrundlage der Öffentlichkeitsfahndung umfasst357. Für die Heranziehung der Fahndungsvorschriften als Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung spricht auch, dass die Insights-Statistiken zu jedem einzelnen Post abrufbar sind und die Kommunikation zu den jeweiligen Nachrichten von den Behörden gerade erwünscht ist. Weiter dafür sprechen die Effektivität der Aufgabenerfüllung und Sinn und Zweck der Fahndungsvorschriften. Es bedarf also ihrer weiten Auslegung. Die Statistiken sind für die Strafverfolgungsbehörden von großer Relevanz und ermöglichen nicht

353

Z. B. Art. 54 Abs. 4 S. 1 BayPAG; § 39 Abs. 6 BbgPolG. Es handelt sich also um eine Veröffentlichung von Informationen zum Zweck der Aufgabenerfüllung, die einer Rechtsgrundlage bedarf, siehe hierzu allgemein Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2707). 355 Siehe auch Mergel / Müller / Parycek / Schulz, S. 79; Gerhold, ZIS 2015, 156 (160); Milker, NVwZ 2018, 1751 (1756). 356 Vgl. Valerius, S. 62. 357 Es ist insofern Gerhold, ZIS 2015, 156 (162) zuzustimmen, dass die Rechtsgrundlagen der Öffentlichkeitsfahndung nicht als Rechtsgrundlagen für das Errichten der Fanpage als solcher angesehen werden können, weil sie nicht nur zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen dient. 354

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nur die Reichweite der Fanpage selbst, sondern auch die einzelner Posts festzustellen und somit die Einsatzmethoden von Social Media zu validieren und ggf. zu verbessern358. Dies bedeutet auch, dass die konkrete Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung je nach den eingestellten Inhalten variieren kann. Eine Datenverarbeitung ist nur dann zulässig, wenn sie für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Erforderlichkeit bedeutet in diesem Sinne die Tauglichkeit zur Erfüllung der Aufgaben; „ein geeignetes Mittel, für das es keine zumutbare Alternative gibt“359, um die Aufgabe effektiv wahrzunehmen360. Die bei der Erstel­ lung von Statistiken durch Facebook verwendeten Algorithmen ermöglichen es den Polizeibehörden, Informationen u. a. zu Nutzerentwicklung, Alter, Geschlecht, Wohnort (Land und Stadt) sowie zu den Seiten- und Beitragsaufrufen und der Entwicklung der Fangemeinde abzurufen361. Ein derartiges Datenfeedback, das, wie dargestellt, nicht nur allgemein der Optimierung der Verwaltungsabläufe dient362, erlaubt auch, eine präzise Anpassung der Art und Weise des Auftritts in sozialen Netzwerken mit dem Ziel der Ausweitung der Nutzerreichweite und der gewonnenen Fahndungsinformationen zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr vorzunehmen. Für diese Verarbeitung der Nutzungsdaten ist momentan keine brauchbare Alternative erkennbar. Darüber hinaus hinterlassen die Fanpage-Besucher keine höchstpersönlichen Daten; damit handelt es sich, aus ihrer Perspektive betrachtet, nur um einen geringen, jedenfalls nicht besonders schwerwiegenden Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung363. b) Impressum Durch das Betreiben eines Social-Media-Auftritts, der es den Besuchern ermöglicht, die dortigen Inhalte zu lesen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, sind Polizeibehörden Diensteanbieter von Telemedien im Sinne von § 2 Nr. 1 TMG364. Nach § 5 Abs. 1 TMG sind die Betreiber verpflichtet, auf ihren Seiten ein sog. Impressum, also Informationen über sich bereitzustellen. Diese müssen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein und u. a. den Namen 358

Berthel, Die Polizei 2015, 277 (284); Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Kleine Anfrage des Abgeordneten Johannes Saalfeld, Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN, Polizeiliche Nutzung von Sozialen Netzwerken – Facebook-Fahndung und Antwort der Landesregierung, Drs. 6/1408 vom 2.1.2013, Pkt. 8; Kellner, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 96 (111); ­Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (765). 359 BeckOK Datenschutzrecht / Wolff; § 3 BDSG Rn. 17a. 360 Simitis / Hornung / Spieker gen. Döhmann / Roßnagel, Art. 6 DSGVO Rn. 77. 361 Siehe mit Abbildung Kellner, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 96 (110) sowie Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: ebenda, S. 33 (81 f.). 362 Siehe Fn. 358. 363 Gerhold, ZIS 2015, 156 (163). 364 Zur Rechtslage vor Einführung des TMG siehe A. Zimmermann, NJW 1999, 3145 (3146).

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und die Anschrift des Diensteanbieters, den Vertretungsberechtigten sowie eine E-Mail-Adresse enthalten. Bezogen auf Facebook, befinden sich die erforderlichen Daten etwa in der Rubrik „Info“365 bzw. „Impressum“366 in der linken Navigationsspalte. Auch wenn diese Informationen dann auf der aufgerufenen Seite nicht vollständig angegeben sind, sondern ggf. auf eine neue Seite verlinkt wird bzw. erst nach dem nochmali­ gen Klick angezeigt werden, ist diese sog. Zwei-Klick-Lösung nach dem BGH zulässig und hindert nicht die unmittelbare Erreichbarkeit367. Auf polizeilichen Twitter-Seiten ist demgegenüber keine einheitliche Praxis zu verzeichnen: Manche Behörden weisen auf das Impressum hin368 und verlinken auf die Homepage (teilweise mit dem Wort „Impressum“ in dem Link)369, bei anderen fehlt ein Hinweis auf das Impressum bzw. ist als solcher nicht erkennbar370. In diesem Punkt besteht ggf. noch Nachbesserungsbedarf. c) Verweis auf die Homepage Einer der grundlegendsten Einwände gegen das Betreiben von Facebook-Fanpages mit Fahndungsaufrufen betraf bereits zu ihrer Geburtsstunde das anfangs praktizierte Einstellen von Fotos und Personalien von gesuchten Personen in den Beitrag und damit die Übertragung der Daten in die USA371 (Drittstaat), wofür es nach der Ansicht der Datenschutzbeauftragten keine Ermächtigungsgrundlage gab372. Hinzu

365

So z. B. Polizei Freiburg, https://www.facebook.com/pg/PolizeiFreiburg/about/?ref=page_ internal (26.4.2020), BKA, https://www.facebook.com/pg/bundeskriminalamt.bka/about/?ref=​ page_internal (26.4.2020). 366 So z. B. Polizei Sachsen, https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/app/190322544​ 333196/ (26.4.2020), zusätzlich in der Rubrik „Info“, https://www.facebook.com/pg/polizei​ sachsen.info/about/?ref=page_internal (26.4.2020). 367 BGH, CR 2006, 850 (851, Rn. 22, 23); siehe auch BKA, Social Media Nutzung, S. 17. 368 Z. B. Polizei Hamburg, https://twitter.com/polizeihamburg?lang=de (26.4.2020), https:// www.polizei.hamburg / impressum/ (26.4.2020); Bundespolizei Berlin, https://twitter.com/ bpol_b?lang=de (26.4.2020); https://www.bundespolizei.de/Web/DE/Service/Impressum/ impressum_node.html (26.4.2020). 369 Z. B. Polizei Sachsen, https://twitter.com/polizeisachsen?lang=de (26.4.2020); https:// www.polizei.sachsen.de / de / impressum.htm (26.4.2020). 370 Z. B. Polizei Berlin, https://twitter.com/polizeiberlin?lang=de (26.4.2020) mit dem Link auf die Homepage des Polizeipräsidiums, https://www.berlin.de/polizei/ (26.4.2020), die unten Impressumsangaben enthält; BKA, https://twitter.com/bka?lang=de (26.4.2020): dort auf die Seite https://www.bka.de/DE/Service/Datenschutzerklaerung/DatenschutzSocialmedia/ twitter.html (26.4.2020) verlinkt, auf der sich das Impressum befindet. Vgl. aber BKA, Social Media Nutzung, S. 17 mit dem Hinweis, das Stichwort „Impressum“ auf Twitter zu verwenden. 371 Zu dortigem sektoralen Datenschutz Erd, NwVZ 2011, 19 f. 372 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 121 f.; siehe hierzu auch unter Pkt. D. I. 1. a) des 1. Teils. Facebook wurde über diese Gegebenheiten informiert, erklärte sich jedoch nicht bereit, auf die Datenübermittlung zu verzich-

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kam bzw. kommt, dass sich Facebook für eingestellte Inhalte, die dem geistigen Eigentum unterliegen, insbesondere Fotos, laut seiner Nutzungsbedingungen eine „übertragbare, unterlizensierbare und weltweite Lizenz“ zusagen lässt373. Diese Lizenz soll zwar mit dem Löschen der Inhalte bzw. des Kontos erlöschen, für eine gewisse Zeit sind die Inhalte aber in Form einer Sicherheitskopie gespeichert und erscheinen weiterhin, wenn sie von anderen Nutzern geteilt werden374. 2014 stellte das Berliner KG die Unwirksamkeit dieser Klausel fest375. Nach Nr. 3.2 Abs. 3 S. 1 VwV-L ist durch geeignete technische Maßnahmen sicherzustellen, dass die zur Öffentlichkeitsfahndung benötigten personenbezogenen Daten ausschließlich auf Servern im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden gespeichert, gesichert und nicht an private Internetdienstanbieter übermittelt werden376. Eine datenschutzkonforme Handhabung einer Fahndung über soziale Netzwerke, ohne personenbezogene Daten zu übertragen, ist mittels einer sog. Link-Lösung und i-frame-Lösung technisch möglich377. Vor die Klammer gezogen werden muss die Gemeinsamkeit, dass genau betrachtet die „Öffentlichkeitsfahndung damit nicht ‚in‘ dem sozialen Netzwerk stattfindet, sondern nur ‚über‘ das soziale Netzwerk, das als Hilfsmittel zur Verbreitung der Fahndungsseiten der Polizei genutzt wird“378.

ten, siehe Niedersächsischer Landtag, Stenografischer Bericht, 134. Sitzung, 23.3.2012, Anlage 8: Bessere Ermittlungserfolge durch Facebook? – Der Internetauftritt der Polizei Hannover, Antwort des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 9 des Abg. Jan-Christoph ­Oetjen (FDP), S. 17393. 373 Pkt. 3.3.1 der Facebook-Nutzungsbedingungen (Stand: 31.7.2019), https://www.facebook. com/legal/terms/update?_rdc=1&_rdr (26.4.2020). Siehe hierzu Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 125, die auf vergleichbare Regelungen im Pkt. 2.1 der Nutzungsbedingungen in der Fassung vom 4.10.2010 aufmerksam machte. Kritisch hierzu auch Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766). 374 Ein Beispiel aus der Praxis: Polizei Berlin teilte im März 2017 einen Fahndungsaufruf der Polizei Dortmund wegen eines Tötungsdeliktes an einem 9-Jährigen in Herne. Nachdem die Polizei Dortmund den Post nach der Festnahme und Identifizierung des Tatverdächtigen gelöscht hat, war er eine Zeit lang (mit einem Fahndungsplakat und Bild des Tatverdächtigen) auf der Fanpage der Polizei Berlin immer noch einsehbar, https://www.facebook.com/ PolizeiBerlin/posts/657610801089694 (19.3.2017). 375 KG, CR 2014, 319 (320, Ls. 4). 376 Diese Regelung wurde in erster Linie im Kontext sozialer Netzwerke erstellt, müsste aber auch für die Verwendung des presseportal.de gelten. 377 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 16 f.; „Soziale Netzwerke – Abschlussbericht der Bund-Länder-Projektgruppe des Unterausschusses Führung, Einsatz und Kriminalitätsbekämpfung unter Beteiligung von AG Kripo, der Unterausschüsse IuK und RV, der PL PK sowie der VK“, zitiert nach Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 8. 378 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 5.

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aa) Link-Lösung Die sog. Link-Lösung zeichnet sich dadurch aus, dass der originäre Fahndungsaufruf, der u. U. personenbezogene Daten der Gesuchten enthält, auf polizei­ lichen Internetseiten (etwa Homepage, presseportal.de) und damit eigenen Polizei­ servern379 im Inland veröffentlicht und die Daten auf einem Server im Inland gespeichert werden und über Facebook auf diesen lediglich verlinkt wird. Auf diese Art und Weise wird die Datenübermittlung an Drittländer (konkret: USA380) verhindert381. Bei Facebook erscheinen lediglich allgemeine Informationen zu dem Vorfall und ein Link zur externen Seite; nur diese Daten werden durch Facebook gespeichert382. So bleibt die Hoheit über die personenbezogenen Daten auch beim Löschen des Inhalts bei der Polizei383. Das Beibehalten der Hoheit über Daten ist besonders relevant, falls sich der Tatverdacht nicht bestätigen sollte384. bb) i-frame-Lösung Eine alternative Methode zu dem klassischen Verlinken auf die Homepage stellt die sog. i-frame-Lösung dar. Sie ermöglicht eine direkte Anzeige eines exter­nen Inhaltes (ein HTML-Element) in Form eines Rahmens / Fensters – besonders populär ist sie bei dem Einbinden von YouTube-Videos in Internetseiten. Dabei wird der Inhalt einer externen Seite in Form einer Abbildung angezeigt und die Daten nicht an ein soziales Netzwerk übermittelt385. Diese Inhalte können weder auf den

379 Bzw. auf dem Server des presseportal.de. Die Rechtsgrundlage für die Datenübermittlung zu Fahndungszwecken liegt in §§ 131 ff. StPO, Gerhold, ZIS 2015, 156 (172) bzw. in den jeweiligen polizeirechtlichen Vorschriften zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs/Spezialtatbeständen. 380 Auszug aus der sog. Datenrichtlinie von Facebook (Stand: 19.4.2018): „Deine … Informationen werden für die in dieser Richtlinie beschriebenen Zwecke in die USA oder andere Drittländer übertragen oder übermittelt bzw. dort gespeichert und verarbeitet.“, https://web.​face​ book.com/privacy/explanation (26.4.2020); ähnlich in der sog. Twitter Datenschutzrichtlinie: „… autorisieren Sie uns, Ihre Daten in die Vereinigten Staaten von Amerika, nach Irland und in alle anderen Länder, in denen wir tätig sind, zu übermitteln, dort aufzubewahren und zu nutzen“, S. 21 (Stand: 1.1.2020), https://cdn.cms-twdigitalassets.com/content/​dam/legaltwitter/site-assets/privacy-page-gdpr/pdfs/Twitter-Privacy-Policy-DE.pdf (26.4.2020). 381 Das Speichern von personenbezogenen Informationen auf einem Server im Inland bewirkt keine Datenübermittlung an ein Drittland, selbst wenn diese Informationen im Drittland abrufbar sind, EuGH, EuZW 2004, 245 (246, Ls. 4). 382 Siehe hierzu etwa Gerhold, ZIS 2015, 156 (171); Kolmey, DRiZ 2013, 242 (244). 383 Siehe dazu Presseinformation des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 6.2.2012, Schünemann: Polizei wird auch in der Zukunft Fahndungen über Facebook unterstützen, http://www.mi.niedersachsen.de/aktuelles/presse_informationen/102910.html (26.4.2020). 384 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (61 f.). 385 Siehe hierzu Ihwas, S. 283.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Seiten von Fans angezeigt noch geteilt werden386. Übertragen auf die Internetfahndung, kann auf diese Art und Weise in einem Facebook-Post bzw. Tweet etwa ein Fahndungsplakat gezeigt werden, wie es von dem BKA oder von der Polizei Hessen praktiziert wurde387. Diese Methode findet nicht nur im Schrifttum388, sondern auch unter Praktikern389 ihre Befürworter, vor allem wegen eines direkten Zugriffs auf die relevanten Fahndungsinformationen in sozialen Netzwerken ohne Zwischenschritte, d. h. ohne dass es eines Klicks auf den Link bedarf. Es wird deshalb vertreten, dass diese Methode zur besseren Verbreitung von Informationen geeignet ist390. cc) Praxis Die Link-Lösung, erstmals eingesetzt 2012 in Niedersachsen391 (was von den Datenschützern begrüßt392 und anschließend für sämtliche derartige Aufrufe gefordert wurde393) und durch Praktiker sowie von einem Teil der Literatur empfohlen394, hat sich im Laufe der Jahre etabliert und gehört inzwischen zur gängigen Praxis der Internetfahndung in sozialen Netzwerken395. Es wird betont, dass sie gegenüber der i-frame-Lösung den Vorteil hat, durch deutlichere Hoheit über die Daten datenschutzrechtlichen Anforderungen besser zu genügen; darüber hinaus erschwert 386

Gerhold, ZIS 2015, 156 (172). Siehe Ihwas, S. 283; Gerhold, ZIS 2015, 156 (172) m. w. N.; Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 3, 5. 388 Ihwas, S. 283; Gerhold, ZIS 2015, 156 (172). 389 Deutsche Polizeigewerkschaft, Facebook-Fahndung, https://www.dpolg.de/ueber-uns/ positionen/facebook-fahndung/ (26.4.2020); DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 16. 390 Gerhold, ZIS 2015, 156 (172); a. A. Bajmel, S. 164. 391 Siehe dazu Presseinformation des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 6.2.2012, Schünemann: Polizei wird auch in der Zukunft Fahndungen über Facebook unterstützen, http://www.mi.niedersachsen.de/aktuelles/presse_informationen/102910.html (26.4.2020); „Richtlinien-Entwurf des Landeskriminalamtes Niedersachsen zur Öffentlichkeitsfahndung in Sozialen Netzwerken“ (nicht veröffentlicht), zitiert nach Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 121; Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 3, 5.  392 Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 127. 393 Pressemitteilung zum Abschluss der 84. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 7./8. November 2012 in Frankfurt (Oder), Datenschutz der Zukunft jetzt gestalten!, https://www.bfdi.bund.de/DE/Infothek/Pressemitteilungen/2012/84DSK_Presse​ infoLDA.html?nn=5217154 (26.4.2020). 394 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 35; BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anhang – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (148); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766). 395 In Hessen wird sogar eine doppelte Verlinkung praktiziert, d. h. man gelangt über soziale Netzwerke auf die polizeiliche Homepage mit einer Liste mit Fahndungsaufrufen, aus der man die konkrete Mitteilung wählen kann. In sozialen Netzwerken ist die Ziffer des Fahndungsaufrufs angegeben. 387

A. Polizeiliche Internetfahndung

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sie eine uneingeschränkte Verbreitung von hochsensiblen Daten und ermöglicht einzelfallbezogene Lösungen396. Hinzu kommt, dass auf der Homepage selbst das Kommentieren nicht möglich ist397. Das Erfordernis eines zusätzlichen Klicks auf den Link wird von den meisten Besuchern inzwischen akzeptiert398, wobei vereinzelt immer wieder Fragen der Diskutanten nach dem Zweck der Verlinkung und dem Fehlen bzw. Verpixeln der Fahndungsbilder im Post selbst von den Polizeien beantwortet werden müssen399. dd) Problemfälle Beim Verlinken auf externe Polizeiseiten über soziale Netzwerke ist zwingend zu beachten, die Funktion auszuschalten, die ein sog. Vorschaubild ermöglicht. Auf diese Art und Weise wird verhindert, dass soziale Netzwerke in den Besitz der Daten gelangen und etwa die Fotos auf der Fanpage bzw. auf dem Twitter-Auftritt doch angezeigt werden400. Die Deaktivierung ist auch deshalb von Bedeutung, weil nach den aktuellen Facebook-Angaben eine Bearbeitungsmöglichkeit der Vorschaubilder nur eingeschränkt möglich sein soll401. In der Praxis ist auf das Einhal­ten dieser Vorgaben besonders hinzuweisen, weil derartige polizeiliche Seitenvorschauen mit Fotos bzw. subjektiven Porträts und / oder den im Fahndungstext genannten Personalien in mehreren Bundesländern bei der Verlinkung auf Facebook und Twitter zum Fahndungsaufruf (vor allem auf dem presseportal.de402, teilweise auch auf der Homepage403) nicht nur vereinzelt anzutreffen waren. 396

DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 16. DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 16. 398 A. A. Bajmel, S. 164. 399 Bzw. in einem speziellen Post, z. B. Polizei NRW Hagen, Post vom 8.6.2017, https://www. facebook.com/Polizei.NRW.HA/photos/a.213205282185117/734332076739099/?type=3&theater (26.4.2020). 400 Gerhold, ZIS 2015, 156 (171); ein besonderer Hinweis auf diesen Punkt in BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anhang – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14); Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 35 (dort ist von der Unterlassung der „Facebook eigenen ‚iframe Lösungen‘“ die Rede). 401 Vgl. Leitfaden für die Bearbeitung der Link-Vorschau, https://www.facebook.com/ business/help/174950763179500?id=250502925955301 (26.4.2020). 402 Z. B. Bundespolizei Bayern, Fahndungsaufruf vom 24.1.2018 wegen Diebstahls, https:// twitter.com/bpol_by/status/956435305816645633 (26.4.2020); Bundespolizei NRW, Fahndungs­ aufruf vom 23.1.2018 wegen Diebstahls, https://twitter.com/bpol_nrw/status/9557915​45​47​ 0476288 (26.1.2018); Polizei Rostock, Fahndungsaufruf vom 27.10.2017 nach einer Sexual­ straftat, https://www.facebook.com/Polizei.HRO.LRO/posts/1940647486197022 (26.4.2020), https://twitter.com/Polizei_Rostock/status/923863553374814210 (9.1.2018); Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 5.1.2018 wegen eines Raubdeliktes, https://www.face​ book.com/​PolizeiRheinlandPfalz/posts/1348744458564102 (26.4.2020); Polizei Magdeburg, Fahndungsaufruf vom 16.6.2017 wegen Diebstahls, https://twitter.com/PolizeiPDNord/status/​ 87565765​8245586944 (26.4.2020). 403 Polizei Niederbayern, Fahndungsaufruf vom 6.10.2016 nach einer Vermissten, https:// www.facebook.com/polizeiNiederbayern/posts/1657407207884402 (26.4.2020); Polizei Bre 397

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

In anderen Fällen wurden Fotos von gesuchten Personen direkt in das ChronikFoto eingebettet bzw. ihre Personalien (wenn auch der Nachname nur als Initiale) im Post genannt404. Vereinzelt wurden Fotos von gesuchten Personen in den Post integriert. Insofern besteht ein dringender Bedarf, Behörden zu sensibilisieren, ihre diesbezügliche Handhabung zu überprüfen. Als Alternative, die datenschutzrechtlichen Anforderungen gerecht wird, bietet sich die Veröffentlichung von verpixelten, also unkenntlich gemachten Fotos an, wie z. B. von der Polizei Tuttlingen 2017 auf Twitter gehandhabt405. Ähnlich hat z. B. Polizei Schwaben SüdWest 2017 für die Facebook-Seitenvorschau ein Foto des Tatverdächtigen durch einen Filter mit einem Verzerrungseffekt bearbeitet406. Die Ausschaltung der Gesichtserkennungsfunktion407 spielt keine Rolle mehr, wenn sich Behörden daran halten, keine Fahndungsbilder in sozialen Netzwerken hochzuladen. Bei dem Link zur polizeilichen Homepage bzw. zu presseportal.de ist zu beachten, dass die Internetadresse keine personenbezogenen Daten enthält (z. B. den Namen des Gesuchten, was vereinzelt408 in der Praxis vorgekommen ist)409. Das Ziel der dargestellten Schutzmaßnahmen liegt in der Wahrung der Datenhoheit durch die Behörden. Diese Sicherheitsvorkehrungen bieten aber keinen absoluten Schutz, dass Daten dennoch an soziale Netzwerke gelangen können – es lässt sich nicht verhindern, dass private Nutzer auf ihrem Account Fotos oder merhaven, Fahndungsaufruf vom 24.5.2017 nach einem Vermissten, https://www.facebook. com/PolizeiBremerhaven/posts/901575856647884 (26.4.2020). 404 Polizei Mittelfranken, Fahndungsaufruf vom 12.12.2017 nach einer Vermissten, https:// www.facebook.com/polizeimittelfranken/photos/a.1308370252542244.1073741828.12500310 28376167/1638643192848280/?type=3&theater (26.4.2020); Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 21.7.2017 nach einem Vermissten, https://www.facebook.com/PolizeiBremerhaven/ posts/935962869875849 (3.1.2018); Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 28.11.2017 nach einer Vermissten, https://www.facebook.com/PolizeiVG/photos/a.4988981002​ 79830.1073741832.343323669170608/870223433147293/?type=3&theater (26.4.2020). 405 Fahndungsaufruf vom 15.12.2017 nach einem versuchten Tötungsdelikt, https://twitter. com/PolizeiTUT/status/941696911127523328 (26.1.2018), der von einem User scherzhaft mit „Das ist Herr Achtbit“ kommentiert wurde. 406 Polizei Schwaben SüdWest, Fahndungsaufruf vom 31.3.2017 nach einem Tötungsdelikt, https://www.facebook.com/PolizeiSWS/posts/1872552689635344 (26.4.2020). 407 Ihwas, S. 282. 408 Z. B. BKA, Fahndungsaufruf vom 23.4.2018, Veröffentlichung des Namens des Beschuldigten, https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/Fahndungen/Personen/BekanntePersonen/ Wolsztajn/Sachverhalt_Wolsztajn.html;jsessionid=1DCF04EBCD8FB053A14362DC34E4​ C631.live0612 (26.4.2018); LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf von 2012 (undatiert), Veröffentlichung des Namens der Vermissten, https://www.lka.polizei-nds.de / fahndung / fahn dung_social_networks / aging-foto-der-vermissten-katrin-konert-1742.html (20.8.2018); Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 17.3.2017, Angabe des ganzen Vornamens und Namensinitiale eines Verurteilten, der sich aus einer Außengruppe eines psychiatrischen Krankenhauses absetzte, https://www.polizei.rlp.de/de/fahndung/detailansicht/news/detail/News/ fahndung-nach-mario-k/ (26.4.2020). 409 Darauf macht auch BKA, Social Media Nutzung, S. 24 (Anlage – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media Pkt. 14), aufmerksam.

B. Internetfahndung unter Zuhilfenahme von Massenmedien 

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personenbezogene Informationen von der Homepage herauskopieren oder einen Screenshot machen und in ihren eigenen Post bzw. Tweet einstellen410. Auf diesen Punkt haben auch Datenschützer aufmerksam gemacht411.

B. Internetfahndung unter Zuhilfenahme von Massenmedien Die im analogen Zeitalter von Stümper aufgestellte These: „Dabei sind Polizei und Medien auch aufeinander angewiesen: Die Polizei benötigt oft die Multi­ plikationsmöglichkeiten der Medien. Der den Medien obliegende Auftrag der Informationen ggf. auch der Warnung ist umgekehrt wieder ohne ein Zuarbeiten der Sicherheitsorgane nicht möglich“412, behält ihre Gültigkeit auch im digitalen Zeitalter, in dem sich die Polizei wegen der Bandbreite der Kommunikationskanäle im Internet von den klassischen Massenmedien unabhängig gemacht hat413. Dennoch spielen die digitale Presse, Fernsehen und Rundfunk bei der Verbreitung von Fahndungsinformationen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die auch durch die Anl. B RiStBV verwendete Bezeichnung „Inanspruchnahme von Publikationsorganen“ ist dabei nicht im Sinne einer Forderung414, sondern eines freiwilligen Zusammenwirkens zu verstehen, dies stellt auch die Nr. 3.1 Abs. 1 Anl. B RiStBV klar: „Die Publikationsorgane sind grundsätzlich nicht verpflichtet, bei der Öffentlichkeitsfahndung mitzuwirken. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass viele Publikationsorgane zur Mitwirkung bereit sind.“415

410

Z. B. Fotos eines Tatverdächtigen samt Angabe der Personalien und Alter nach einem Tötungsdelikt in Bayern, https://twitter.com/pr3mut05/status/776456088984190976 (26.4.2020); https://twitter.com/m_bittner / status/776433583195951105 (16.9.2016). Zur Problematik der „Privatfahndung“ siehe unter Pkt. C dieses Teils. 411 Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, 25. Tätigkeitsbericht, unter Pkt. 3.14. 412 Stümper, AfP 1989, 409 (410). 413 Im Einzelnen unter Pkt. A. III. des 4. Teils. 414 Siehe Duden, Stichwort: „Anspruch“, https://www.duden.de/rechtschreibung/Anspruch (26.4.2020). 415 Anders Bredel, S. 138, der den Begriff „Inanspruchnahme“ im Sinne eines Anspruchs / Forderung auslegt und seine Verwendung im Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsfahndung deshalb moniert. Seine Schlussfolgerung ist aber korrekt: „Die Polizei hat keinen Anspruch darauf, dass ein Fahndungsersuchen von den Medien verbreitet wird.“, siehe ebenda.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

I. Pressemeldungen mit Fahndungscharakter Seit über einem Jahrhundert gehört die Presse zu den traditionellen Publikationsorganen polizeilicher Fahndungsmeldungen416, auch in der digitalen Ära hat sich in diesem Punkt nichts geändert417. Der Unterschied zu früheren Zeiten besteht darin, dass ihre Erzeugnisse nicht nur in klassischer Papierform erhältlich sind, sondern dass sie auch Internet-Vitrinen mit Online-Ausgaben betreibt (allgemein zugänglich oder nur für Abonnenten). Falls in der Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung die Veröffentlichung von Fahndungsinformationen durch die Presse418 im Internet vorgesehen ist, lassen polizeiliche Pressestellen sie den Redaktionen zukommen419 mit dem ausdrücklichen Vermerk, dass die Fahndungsmeldung auch, also neben einer ggf. nur lokalen Printausgabe, online publiziert werden darf420. Die entsprechenden Informationen werden an die Presse in der Regel per E-Mail übermittelt. So werden auch in den Online-Ausgaben – vor allem in aufsehenerregenden Fällen421 – von der Presse Fahndungsmeldungen veröffentlicht, nicht selten versehen mit Fahndungsbildern oder Videosequenzen, mit der Bitte um sachdienliche Hinweise an die zuständige Polizeidienststelle unter Angabe von Kontaktdaten422. Berücksichtigt man, dass 2017 in Deutschland 327 Tageszeitungen herausgegeben und 698 Zeitungswebsites betrieben wurden423, liegt das Reichweitenpotenzial dieses Mediums auf der Hand. In den letzten Jahren sind leider wiederholt Situationen aufgetreten, in denen Pressebetreiber nach ihren eigenen Angaben die „Polizei unterstützten“424 und „Fahndungsaufrufe“ veröffentlichten, ohne dass dies durch eine offizielle Fahndungsanordnung legitimiert gewesen wäre. In diesen Fällen gelangen die Redaktio­ 416

Siehe dazu Geerds, Kriminalistik, S. 184; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 202 ff.; Valen­tin, in: Fahndung, S. 103 (104 f.). 417 Zu der Zusammenarbeit mit der Presse bereits Holle, S. 154 f. mit den abgedruckten „Grundsätzen über das Zusammenwirken von Kriminalpolizei und Presse“. 418 Zu der Berichterstattung der Presse über Straftaten, der Drittwirkung des Persönlichkeitsrechts und der Unschuldsvermutung etwa Eisele, JZ 2014, 932 (933). 419 Hierzu bereits Seitz, S. 379 f. Die von ihm ebenda sowie von Schön, S. 214 angesprochene „Banner-‚Werbung‘“ als Form der Internetfahndung hat sich jedoch in der Praxis nicht durchgesetzt. 420 Siehe E-Mail des Pressesprechers der Polizei Leipzig an Medienhäuser, abgedruckt bei Szabo, Andreas, Flurfunk vom 6.12.2016, https://www.flurfunk-dresden.de/2016/12/06/ leipziger-polizeisprecher-einige-vertreter-der-online-medien-zeigen-sich-leider-unbelehrbar/ (26.4.2020); hierzu auch ders., Andreas Loepki: „Medienvertreter mehrfach und konstruktiv auf Stufenmodell hingewiesen“, Flurfunk vom 6.12.2016, https://www.flurfunk-dresden. de/2016/12/06/andreas-loepki-medienvertreter-mehrfach-und-konstruktiv-auf-stufenmodellhingewiesen/ (26.4.2020). 421 Baumhöfener, K&R 2015, 625 (627). 422 Siehe auch Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1054); Baumhöfener, K&R 2015, 625 (627). 423 Damit ist Deutschland der europäische Spitzenreiter, BDZV 2018, S. 2, 5, 18. 424 Z. B. o. V., Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizei-Dienststelle, Bild vom 9.7.2017 (auch Printausgabe), https://www.bild.de/ news/inland/g20-gipfel/wer-kennt-diese-verbrecher-52493328.bild.html (26.4.2020).

B. Internetfahndung unter Zuhilfenahme von Massenmedien 

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nen über eigene Kanäle an die einschlägigen Informationen, etwa an Videos aus Überwachungskameras425 oder über ihre Leser, die ihre Fotos bzw. Videos entgeltlich zur Verfügung stellen426. Des Weiteren kam es im Internet zur Veröffentlichung polizeilicher Mitteilungen, die ausschließlich für die Printausgaben, ggf. nur in Regionalausgaben vorgesehen waren427. Derartige Vorkommnisse bleiben nicht ohne Reaktion der Strafverfolgungsbehörden428. Teilweise wurden Abbildungen wegen Taten veröffentlicht, die unterhalb der Schwelle einer Straftat von erheblicher Bedeutung und damit auch unterhalb der Schwelle zur Öffentlichkeitsfahndung geblieben sind (u. a. Diebstahl geringwertiger Sachen). Eine Veröffentlichung von Fahndungsinformationen samt Abbildungen durch Presseorgane darf nur erfolgen, soweit die Behörden um Fahndungshilfe ersuchen und ist in diesen Fällen von § 24 KUG getragen; eigenmächtige „Fahndungsmaßnahmen“ sind dagegen unzulässig429. 425

Z. B. Arndt, Markus / Knoop, Thomas / Röthemeier, Thomas, Überwachungskamera auf der Reeperbahn. Er schießt einem Türsteher in den Fuß. BILD zeigt das Video, das die Behörden geheim halten, Bild vom 7.1.2015, https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburgaktuell/hier-feuert-der-kiez-schuetze-39223866.bild.html (26.4.2020). Auch in dem Berliner U-Bahn-Treter-Fall veröffentlichte die Presse die Abbildungen bzw. das Video, bevor die Öffentlichkeitsfahndung angeordnet wurde, siehe Lier, Alex, Tatort U-Bahn Hermannstraße. Berlin-Neukölln: Mann tritt Frau die Treppenstufen runter, B. Z. vom 6.12.2016, www.bz-berlin. de/berlin/neukoelln/berlin-neukoelln-mann-tritt-frau-die-treppenstufen-runter (26.4.2020); Lier, Alex/Metag, Katharina, Tatort: Schon wieder die Berliner U-Bahn. Männer-Gang tritt Frau die Treppen runter, Bild vom 6.12.2016, www.bild.de/regional/berlin/koerperverletzung/ maedchen-treppe-runter-gestossen-49095948.bild.html (26.4.2020). 426 Z. B. über die „1414-App“ der BILD-Zeitung. Siehe im Einzelnen Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (151). 427 Z. B. mala, Nach brutalem Überfall in Dresden. Polizei will Online-Fahndung nach diesen Räubern verbieten, Bild vom 6.10.2016, https://www.bild.de/regional/dresden/fahn​ dungsfoto/polizei-will-online-fahndung-nach-brutalen-raeubern-verhindern-48159474.bild. html#fromWall (9.3.2019); o. V., Polizei will Phantombild-Fahndung im Netz verhindern. Absurde Jagd nach diesem Kinderfänger, Bild vom 12.7.2016, http://www.bild.de/regional/ chemnitz/chemnitz/absurde-fahndung-nach-kinderfaenger-46766166.bild.html (12.10.2016). Interessanterweise veröffentlichte die Bild-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe auch einen Leitfaden zur Öffentlichkeitsfahndung, siehe o. V., Bild erklärt. So geht Öffentlichkeits-Fahndung, Bild vom 10.10.2017, https://www.bild.de/news/inland/kindesmissbrauch/oeffentlichefahndung-missbrauch-53484938.bild.html (26.4.2020). 428 Siehe E-Mail des Pressesprechers der Polizei Leipzig an Medienhäuser, abgedruckt bei Szabo, Andreas, Flurfunk vom 6.12.2016, https://www.flurfunk-dresden.de/2016/12/06/ leipziger-polizeisprecher-einige-vertreter-der-online-medien-zeigen-sich-leider-unbelehrbar/ (26.4.2020); hierzu auch ders., Andreas Loepki: „Medienvertreter mehrfach und konstruktiv auf Stufenmodell hingewiesen“, Flurfunk vom 6.12.2016, https://www.flurfunk-dresden. de/2016/12/06/andreas-loepki-medienvertreter-mehrfach-und-konstruktiv-auf-stufenmodellhingewiesen/ (26.4.2020). Siehe auch Polizei Sachsen, Post vom 14.7.2016, https://www. facebook.com/polizeisachsen.info/photos/a.285563511646485.1073741828.27045636315720 0/520485544820946/?type=3&theater (26.4.2020). Siehe auch Sächsischer Datenschutzbeauftragter, 18. Tätigkeitsbericht, Pkt. 5.9.5 mit der Anregung, Fahndungsinformationen nicht an Zeitungen, die die Vorgaben missachten, zu liefern. 429 LG Köln, AfP 2004, 459 f. Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (309) entnimmt die Befugnis der Massenmedien nicht dem § 24 KUG, sondern der behördlichen Erlaubnis, die sich ihrerseits auf § 24 KUG stützt.

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Es wurde mehrfach betont, dass die Mehrheit der betroffenen Personen nicht gegen derartige Veröffentlichungen und die Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild vorgehen, weil sie ihre Identität bzw. ihren Aufenthaltsort nicht verraten wollen430, dennoch wurde 2017 ein bedeutendes Gegenbeispiel statuiert: Gegen einen Artikel der Bild-Zeitung431 im Zusammenhang mit den G20-Ausschreitungen in Hamburg 2017432 erwirkte die mehrfach abgebildete Frau („Der Wochenend-Einklau? Wasser, Süßigkeiten und Kaugummis erbeutet die Frau im pinkfarbenen TShirt im geplünderten Drogeriemarkt …“) ihren Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, §§ 22 f. KUG auf Unterlassung der Berichterstattung433. Der Bild-Beitrag wurde auf Facebook von über 70.000 Personen geteilt. In der Urteilsbegründung stellte das LG Frankfurt am Main fest, dass die Abbildungen wegen hoher öffentlicher Brisanz434 im Zusammenhang mit den G20-Krawallen und massiven Rechtsverstößen Bildnisse der Zeitgeschichte i. S. v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellen435. Gleichwohl bejahte es nach einer Abwägung436 zwischen den Rechten der abgebildeten Person aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG mit dem Recht der Bild-Zeitung auf Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG437 die Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung wegen der Verletzung berechtigter Interessen der abgebildeten Frau nach § 23 Abs. 2 KUG438. Das Gericht betonte, dass die Publikation auf eine Berichterstattung mit großer Breitenwirkung über eine Tat nach §§ 242, 248a StGB zielte. Dennoch sei es für einen Durchschnittsleser aus dem Gesamtkontext nicht erkennbar, dass der abgebildeten Person lediglich ein Diebstahl geringwertiger Sachen und nicht Taten aus §§ 125, 125a StGB vor 430

Vgl. Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1057); Gulden / Dausend, MMR 2017, 723 (726 f.). Die Bild-Zeitung war früher „das Fahndungsblatt“ für überörtliche Fahndungen, siehe Valentin, in: Fahndung, S. 103 (104). 432 O. V., Gesucht! Wer kennt diese G20-Verbrecher? Sachdienliche Hinweise bitte an die nächste Polizei-Dienststelle, Bild vom 9.7.2017 (auch Printausgabe), https://www.bild.de/news/ inland/g20-gipfel/wer-kennt-diese-verbrecher-52493328.bild.html (26.4.2020). 433 LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (73). 434 § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dient dem Interesse der Allgemeinheit an Informationen, siehe Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (307). 435 LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (73 f.). Die früher vorgenommene Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Personen der Zeitgeschichte wurde vom EGMR im „Caroline von Hannover“-Urteil beanstandet und im Folgenden durch deutsche Gerichte aufgegeben, EGMR, NJW 2004, 2647 (2650 f., Rn. 72 ff.); siehe z. B. BGH, GRUR 2007, 523 (524 f.). 436 LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (74 f.). Nach dem sog. abgestuften Schutzkonzept des BGH ist die Abwägung widerstreitender Interessen bereits bei der Beurteilung vorzunehmen, ob im konkreten Fall Bildnisse der Zeitgeschichte gegeben sind, BGH, GRUR 2007, 523 (525), siehe auch BVerfG, GRUR 2008, 539 (544 f.). Dem § 23 Abs. 2 KUG soll lediglich die Funktion eines Auffangtatbestandes zukommen, Schricker / L oewenheim / Götting, § 23 KUG Rn. 111; Götting / Schertz / Seitz / Schertz, § 12 Rn. 180; Wandtke / Bullinger / Fricke, § 23 KUG Rn. 42. Nach Dreier / Schulze / Specht, § 23 KUG Rn. 48 soll die Abwägung allein im Rahmen des § 23 Abs. 1 KUG vorgenommen werden. So wie LG Frankfurt am Main mit dem Hinweis auf die Gesetzessystematik Müller-Riemenschneider / Hermann, AfP 2018, 75 (76). 437 Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (306): Abwägung des Anonymitäts- mit dem Informationsinteresse. 438 LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (74 f.). 431

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geworfen werden, auch wenn in dem Artikel nicht behauptet wurde, dass sich die Frau am Landfriedensbruch (im besonders schweren Fall) beteiligte439. Des Weiteren wartete die Bild-Zeitung weder die Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden ab noch konsultierte sie mit ihnen die Veröffentlichung440. Durch die Bezeichnung „Verbrecher“ liege es für den Leser nahe, dass sich die Person jedenfalls an Straftaten im Zusammenhang mit der Demolierung und Plünderung des Drogeriemarktes beteiligte; diese Bezeichnung stelle sie an einen (Fahndungs-) Pranger441. Auch wenn das Gericht darauf nicht eingegangen ist, wurden durch den eigenmächtigen Fahndungsaufruf im konkreten Fall auch Grundsätze der Verdachtsberichterstattung442 verletzt, die erst recht im Vorfeld des Ermittlungsverfahrens gelten443, sowie das staatliche Gewaltmonopol missachtet444. Der geschilderte Rechtsstreit hatte einen Nachtrag: In der Ausgabe vom 12.1.2018 veröffentlichte die Bild-Zeitung die Abbildung der Frau in einer Folgeberichterstattung „Bild zeigt die Fotos trotzdem – Gericht verbietet Bilder von G20-Plünderin“ erneut und verstieß damit gegen die Unterlassungsverpflichtung. Das vom LG Frankfurt am Main nach § 890 ZPO auferlegtes Ordnungsgeld in Höhe von 50.000 Euro wurde vom OLG Frankfurt bestätigt445. Diese Entscheidung setzt ein Zeichen dafür, dass Verstöße gegen ein Verbot der Bildberichterstattung nicht folgenlos bleiben. Beiträge dieser Art werden auch von dem Deutschen Presserat nicht geduldet, im konkreten Fall stellte „die Art der Darstellung – mit Foto und eingeklinktem Porträtbild – in Verbindung mit dem Fahndungsaufruf“ einen Verstoß gegen Ziff. 8 des Pressekodexes dar446. Nach seiner Ziff. 8 RL 8.1 Abs. 2 spricht für ein überwiegendes öffentliches Interesse in der Regel u. a. ein vorliegendes Fahndungsersuchen der Ermittlungsbehörden. Die Maßnahmen des Deutschen Presserates – darunter 439

LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (74 f.). LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (75). 441 LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (75). Siehe zu dem Fall auch Gulden / Dausend, MMR 2017, 723 (725); Müller-Riemenschneider / Hermann, AfP 2018, 75 (77). Zu dem Internetpranger beim Verwenden eines Facebook-Profilfotos in einem Presseartikel im Internet OLG München, NJW-RR 2016, 871. 442 Zu denen gehören ein Mindestbestand an Beweistatsachen; keine Vorverurteilung; objektive Darstellung, die auch die für die Unschuld des Betroffenen sprechende Umstände berücksichtigt; Stellungnahme des Betroffenen im Vorfeld der Veröffentlichung, BGHZ 143, 199 (203 f.). 443 Müller-Riemenschneider / Hermann, AfP 2018, 75 (77). Siehe hierzu OLG Hamburg, AfP 2008, 404 ff. 444 Müller-Riemenschneider / Hermann, AfP 2018, 75 (77). 445 OLG Frankfurt, ZUM-RD 2019, 260; siehe auch Pressebericht des OLG Frankfurt vom 6.2.2019, Nr. 6/2019, https://ordentliche-gerichtsbarkeit.hessen.de/pressemitteilungen/ versto%C3%9F-gegen-verbot-der-bildberichterstattung-auch-bei-ver%C3%A4nderung-des (26.4.2020). 446 Im konkreten Fall sprach der Deutsche Presserat eine Missbilligung aus, Pressemitteilung vom 15.9.2017, https://www.presserat.de/presserat/news/pressemitteilungen/datum/2017/ (19.3.2019). 440

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eine Rüge, die nach Ziff. 16 des Pressekodex in dem betroffenen Publikationsorgan abzudrucken wäre – hindern die Presse jedoch nicht an Wiederholungstaten, so dass der faktische Einfluss dieses Gremiums auf Einhaltung der Maßstäbe der Berichterstattung und des journalistischen Verhaltens als beschränkt angesehen werden kann447.

II. Online-Fernsehsendungen mit Fahndungsinformationen 1. Begriffsbestimmung und Rechtslage In der Presse448 sowie teilweise in der Fachliteratur449 werden die Begriffe „Fernsehfahndung“ sowie „Fahndungssendungen“ bezogen auf Sendungen vom Typ „Aktenzeichen XY … ungelöst“ als Synonyme verwendet. Dabei sind jedoch zwei unterschiedliche Gebiete angesprochen. Bei der Fernsehfahndung geht es um Fälle, die dem Bereich der polizeilichen Öffentlichkeitsarbeit zuzurechnen sind, weil ihr Fokus auf der Fahndung selbst liegt und weil sie von den Strafverfolgungsbehörden in eigener Regie als eine der Erscheinungsformen der Öffentlichkeitsfahndung veranlasst werden (Fernsehfahndung im eigentlichen bzw. engeren Sinne wie die Veröffentlichung einer Mitteilung im Rahmen von Nachrichtensendungen wie „Tagesschau“ der ARD oder „Heute“ des ZDF oder im Anschluss an die Sendung450 bzw. im Rahmen von anderen Formaten)451. Fahndungssendungen sind dagegen private Sendungen, die im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Fernsehbetreiber darauf abzielen, Fahndungshilfe452 zu leisten (m. a. W. Fernsehfahndung im weite 447

In diese Richtung auch Gulden / Dausend, MMR 2017, 723 (727). Z. B. o. V., Fernseh-Fahndung. Düsseldorfer Polizei sucht Goldräuber bei „Aktenzei­chen xy…“, RP Online vom 25.7.2018, https://rp-online.de/nrw/staedte/duesseldorf/blaulicht/​ akten​zeichen-xy-im-juli-2018-polizeiduesseldorf-sucht-goldraeuber-im-zdf_aid-24052733 (26.4.2020); o. V., „XY“ sucht Devon Holahan. Fernsehfahndung nach vermisstem Millionärssohn, Frankfurter Allgemeine vom 8.12.2009, https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/ frankfurt/xy-sucht-devon-hollahan-fernsehfahndung-nach-vermisstem-millionaerssohn-​ 1896210.html (26.4.2020); dpa, Aktenzeichen XY ungelöst. Fernsehfahndung bringt neue Hinweise auf Serien-Bankräumer, Badische Zeitung vom 17.1.2013, https://www.badische-​ zeitung.de/polizei-meldungen/fernsehfahndung-bringt-neue-hinweise-auf-serien-bank ​raeuber​ --68301794.html (26.4.2020). 449 Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (310); Deutsch, GRUR Int 1973, 463; Kotz, NStZ 1982, 14; Stümper, Kriminalistik 1971, 57; E. Zimmermann, Das unsichtbare Netz, S. 119 („systematische Fernsehfahndung“); ders., in: Fahndung, S. 111 f.; ders., in: Vorträge im LKA Nds., S. 26 (26 f., 38); SK / Paeffgen, § 131 Rn. 15; Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9) verwendet diese Bezeichnung sowohl für die Fernsehfahndung als auch für Fahndungs­ sendungen. 450 Siehe dazu Valentin, in: Fahndung, S. 103 (108). 451 Valentin, in: Fahndung, S. 103 (106 ff.); Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (42; 45 f., 51); ders., Kriminalistik, S. 296; G. Bauer, S. 97; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 210. Siehe auch Nr. 3.1 Abs. 2 Anl. B RiStBV. 452 Wehner, Kriminalistik 1970, 544 (545). Siehe auch Schwagerl, Die Polizei 1974, 317 (320). 448

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ren Sinne, etwa die Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“)453. Anders ausgedrückt, unterfällt die Fernsehfahndung der Verantwortlichkeit der Behörden, für Fahndungssendungen sind dagegen die Fernsehanstalten verantwortlich454. Oder, wie von Fuhr beschrieben: „Nicht das Fernsehen betreibt Fahndung, sondern die Strafverfolgungsbehörden. Das Fernsehen leistet lediglich Fahndungshilfe“455. So herrscht auch die allgemeine Ansicht, dass die Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsfahndung aus §§ 131 Abs. 3, 131a Abs. 3, 131b Abs. 1, 2 StPO nicht für Fahndungssendungen, genauer genommen für die Fernsehanstalten gelten456, weil diese gerade nicht von den Strafverfolgungsbehörden betrieben werden457. Gleichzeitig ist jedoch anerkannt, dass die von den Behörden an den Sender übertragenen Fahndungsinformationen den strengen Kriterien der §§ 131 ff. StPO unterliegen458. Insoweit bezeichnen Praktiker die Fahndungssendungen doch als einen „festen Bestandteil der Öffentlichkeitsfahndung“459. Je nachdem, ob es möglich ist, den mutmaßlichen Aufenthalt der gesuchten Person regional einzugrenzen, erfolgt die Ausstrahlung einer Fernsehfahndung bundesweit oder in Regionalfernsehprogrammen460. Für die überregionale Ausstrah­lung gelten die „Grundsätze für die bundesweite Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Fernsehen“ (weiter: Grundsätze), die ausdrücklich in Nr. 3.1 Abs. 2 Anl. B RiStBV Erwähnung finden. Diese Vereinbarung zwischen den ARDRundfunkanstalten und ZDF mit den Bundes- und Landesjustizministern sowie Innenministern/-Senatoren vom 24.6.1987461 entspricht auch den heutigen, in §§ 131 ff. StPO festgelegten Standards und bezieht sich explizit auf die repressive 453

Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (42; 48 f.); ders., Kriminalistik, S. 296; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 210. Zu der Gestaltung im Einzelnen Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 209. 454 Siehe Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 210. 455 Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (30). Ähnlich Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (464). 456 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 8; Soiné, § 131Rn. 20; Graf / Niesler, § 131 Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 12; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 17; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 9; HK4 / L emke, § 131 Rn. 13; Ihwas, S. 287; Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn.  280; Benfer / Bialon, Rn. 1068. 457 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 8. 458 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 20; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 8; Graf / Niesler, § 131 Rn. 5; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 12; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 17; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 9. Für die analoge Anwendung der Vorschriften Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn. 280. Zu der alten Rechtslage, insb. der Erforderlichkeit eines Steckbriefs, siehe etwa Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (310); Ostendorf, GA 1980, 445 (452); L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 32. 459 Holger Münch, Präsident des BKA, zitiert nach Berthel, Die Kriminalpolizei 1/2018, https://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2018/maerz/detailansicht-maerz/artikel/aktenzeichen-​ xy-ungeloest-wurde-50.html (26.4.2020). 460 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 208. 461 Zu der Entstehungsgeschichte siehe Obermann, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 27 (29 f.); Bux, ebenda, S. 31 (34); zur früheren Rechtslage und Praxis S. 32. Zu den früheren Grundlagen siehe Valentin, in: Fahndung, S. 103 (107).

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Fahndung462. So können Strafverfolgungsbehörden bei den Fernsehanstalten um eine bundesweit auszustrahlende Fahndungsmeldung nach bekannten oder unbekannten Tatverdächtigen, flüchtigen Verurteilten sowie (ausnahmsweise) Zeugen (Pkt. I.2.1 der Grundsätze) ersuchen. Es muss sich um eine schwerwiegende Straftat von überregionaler Bedeutung handeln, als Beispiele werden Mord, Geiselnahme, Entführung, terroristischer Anschlag und organisierter Rauschgifthandel genannt (Pkt. I.2.2 der Grundsätze). Ganz im Sinne der Subsidiaritätsklausel sollen polizeiliche Fahndungsmaßnahmen zuvor erfolglos ausgeschöpft werden bzw. nicht den gleichen Erfolg versprechen (Pkt. I.2.4 der Grundsätze). Die bundesweite Fahndungsmeldung muss geeignet sein, die Ermittlungen entscheidend zu fördern (Pkt. I.2.3 der Grundsätze). Die Fernsehanstalten erklären sich bereit, die Fahndungsmeldung im Rahmen ihrer Sendezeit auszustrahlen, möglichst während der Hauptausgabe der Abendnachrichten (Pkt. I.3 Abs. 5 der Grundsätze). Zur Koordinierung derartiger Fahndungsmeldungen soll eine zentrale Stelle genannt werden, die ihrerseits die Meldungen an die Hauptredaktion „Aktuelles“ des ZDF und der Chefredaktion von „ARD-Aktuell“ übermittelt (Pkt. I.3 Abs. 1 der Grundsätze). Diese Aufgabe wurde von den Bundesländern zunächst an das LKA Hamburg übertragen463, das diese Funktion ab 1959 wahrnahm464. An diese Koordinationsstelle wendeten sich wiederum die zuständigen LKÄ bzw. das BKA (Pkt. I.3 Abs. 2 der Grundsätze); dabei hatte das LKA Hamburg weder die Befugnis, den Inhalt der Fahndungsmeldungen zu beeinflussen, noch ein Bestimmungsrecht im Falle eines Zusammentreffens von Fahndungsersuchen aus mehreren Bundesländern465. Später wurden die Aufgaben der Koordinierungsstelle vom BKA wahrgenommen466. Dem BKA kam dabei eine Filterfunktion zu, da auf Nachrichtensendungen zu Fahndungszwecken nicht allzu oft zurückgegriffen werden sollte467. Nr. 3.1 Abs. 2 S. 1, 2 Anl. B RiStBV stellt klar, dass es sich bei den o. g. Grundsätzen nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern vielmehr um eine Absichtserklärung handelt468; dennoch kommt ihnen praktische Bedeutung zu. Diese Grundsätze werden auch 462 Für die bundesweite Ausstrahlung anderer wichtiger polizeilicher Meldungen, die von den Grundsätzen nicht erfasst wurden, wurde die Möglichkeit einer Regelung im Einzelfall offen gelassen. 463 Siehe z. B. Mecklenburg-Vorpommern, Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Ministers für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten und des Innenministers vom 6.9.1993 – III A 340/4701 – 1 SH –, AmtsBl. M-V 1993, S. 1546. 464 Siehe hierzu Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9); Bux, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 31 (33); Valentin, in: Fahndung, S. 103 (107). 465 Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9); Valentin, in: Fahndung, S. 104 (108). 466 Siehe Nr. III des Gemeinsamen Erlasses des Niedersächsischen MJ und des MI vom 20.6.2005 – 4701-S.4.31, LPP 2.2–05202/1.9 – VORIS 34510 –. Aktuell unterhält das BKA keine Koordinierungsstelle für Nachrichtensendungen, es nimmt lediglich weiterhin die Aufgabe einer Koordinierungsstelle für „Aktenzeichen XY ... ungelöst“ wahr, Antwort auf Anfrage der Verfasserin bei KHK Jörg Langner, Sachleiter Zentrale Fahndungsunterstützung im BKA. 467 Weihmann / de Vries, S. 288. 468 Zu der Freiwilligkeit der Zusammenarbeit siehe auch Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (436 Fn. 52); Berg, AfP 1989, 416, nach dem die Vereinbarung die Sorge der Medien zerstreut, „zum kontinuierlichen elektronischen Steckbrief“ zu werden.

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für regionale Fahndungen herangezogen, auch wenn es sich dabei um Einzelfallentscheidungen handelt469. Die Ersuchen der zuständigen Polizeidienststellen um eine regionale Fernsehfahndung werden von dem jeweiligen LKA überprüft470 und anschließend an den jeweiligen Sender übermittelt471. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen mit geringerer Bedeutung die bearbeitenden Dienststellen an den Sender herantreten472. Auch in Vermisstenfällen können u. U. Fahndungsmeldungen ausgestrahlt werden, insbesondere bei einem anzunehmenden überregionalen Aufenthalt der gesuchten Person473. Das Gleiche gilt für Meldungen über unbekannte Tote sowie unbekannte hilflose Personen474. Speziell für Fahndungssendungen wurde ein durch die AG Kripo erarbeiteter „Kriterienkatalog zur Mitwirkung der Polizei an Fernsehproduktionen zur Öffentlichkeitsfahndung auf Initiative der Medien“ durch die IMK mit Beschluss vom 8.5.1998 akzeptiert475. Der Hintergrund des Entstehens dieser Regelung waren unerwünschte, über das Fahndungsziel hinausschießende „reißerische Darstellungen“ in Fahndungssendungen privater Fernsehsender; die Bemühungen, diese Sender zur Übernahme der „Grundsätze für die bundesweite Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Fernsehen“ zu bewegen, waren erfolglos476. Da diese bereits über 30 Jahre existierenden Regelungen zeitbedingt keine Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Internet vorsehen, besteht Bedarf, sie entsprechend zu ergänzen und den Zeitraum des Verbleibs der Sendungen im Internet zu vereinheitlichen. 2. Abrufbarkeit über sog. Mediatheken a) Fernsehfahndung Wie dargestellt, gehören zu der sog. Fernsehfahndung in erster Linie Fahndungsmitteilungen in den Nachrichtenausgaben477. Sie umfasst nicht nur das Verlesen der Fahndungsmitteilung selbst, sondern auch die filmische Aufbereitung, 469

Berg, AfP 1989, 416. Siehe auch Valentin, in: Fahndung, S. 103 (109). Auch den LKÄ kommt für die Ausstrahlung in Regionalsendern eine Filterfunktion zu, Weihmann / de Vries, S. 288. 471 Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9); siehe auch Stümper, AfP 1989, 409 (411). 472 Stümper, AfP 1989, 409 (411). 473 Im Einzelnen Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 82. 474 Stümper, AfP 1989, 409 (411). 475 Zitiert nach MI LPP 3.11–02053/4 vom 17.8.2004, Anl. 2 Abschlussbericht der Projektgruppe des UA FEK unter Beteiligung des UA RV zur Mitwirkung der Polizei bei Medienproduktionen im Rahmen von Reality-Formaten, Pkt. 3.3. 476 Siehe hierzu Hollmann / Kölbach, Kriminalistik 2004, 674 (677). 477 1957 erfolgte die erste Fernsehveröffentlichung einer Fahndungsmeldung im Rahmen von „Tagesschau“ bei ARD, 1963 bei ZDF in „Heute“, Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9). Bereits in den 1950er-Jahren wurden Fahndungsaufrufe auch in Rahmen der NDR-Sendung „Der Polizeibericht meldet“ veröffentlicht, siehe Holle, S. 164; Valentin, in: Fahndung, S. 103 (109 f.); Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (51). Die wohl 470

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Präsentation von Abbildungen gesuchter Personen478 bzw. des Tatorts sowie zumeist einen Kommentar der ermittelnden Stelle. In sog. Mediatheken, also Plattformen, auf denen einzelne Sendungen als Video-on-Demand eine Zeitlang nach der Sendung479 online abrufbar sind480, kann man sie jederzeit ansehen. Dabei lassen sich Fahndungsaufrufe nicht nur traditionell, d. h. integriert in die ganze (Nachrichten-)Sendung, wie im Fernsehen ausgestrahlt, sondern auch als einzelne Filmbeiträge abrufen481. Darüber hinaus veröffentlichen manche Fernsehanstalten Fahndungsmeldungen auf ihrer Homepage als einen zusätzlichen Beitrag im Stil einer Pressemitteilung482. Wie bereits oben im Zusammenhang mit dem Betreiben polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken dargestellt, ist es nicht erlaubt, Fahndungsvideos auf Facebook-Seiten des Senders zu veröffentlichen, was dennoch in der Praxis vorgekommen ist483. b) Fahndungssendungen Auch die Fahndungssendungen, zu denen gegenwärtig484 neben der seit 1967 ununterbrochen im ZDF ausgestrahlten „Mutter aller Fahndungssendungen“485 erste Fernsehfahndung erfolgte 1938 anlässlich eines Mordes an einem Berliner Taxifahrer, siehe Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 98; Pinseler, S. 42 m. w. N.; Conrad, Andreas, Polizeigeschichte. Vom Verbrecheralbum zur Fernsehfahndung, Der Tagesspiegel vom 31.3.2011, https://www.tagesspiegel.de/berlin/polizeigeschichte-vom-verbrecheralbum-zur-fernsehfahndung/4005482.html (26.4.2020). 478 Siehe hierzu (außer §§ 131 ff. StPO) auch „Grundsätze für die bundesweite Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Fernsehen“, Pkt. I.2.6. 479 Z. B. die Ausgaben der Tagesschau von ARD können innerhalb eines Jahres nach der Veröffentlichung abgerufen werden. 480 Sie sind auch in Echtzeit als Live-Stream zu sehen. 481 Z. B. Fahndungsmeldung zum Angriff auf einen AfD-Politiker vom 11.1.2019, https:// www.tagesschau.de/multimedia/video/video-492991.html (24.1.2019), https://www.zdf.de/ nachrichten/heute-19-uhr/magnitz-video-veroeffentlicht-100.html (24.1.2019). 482 Z. B. ZDF heute, AfD-Politiker Magnitz attackiert. Öffentlichkeitsfahndung mit ­Video, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/afd-politiker-magnitz-attackiert-oeffentlichkeits​fahndung-​ mit-video-100.html (26.4.2020). 483 RTL-West, Post vom 25.4.2018, https://www.facebook.com/rtlwest/videos/fahndungpolizei-bochum/1772110026173320/ (26.4.2020). Zum Zeitpunkt des Aufrufs durch die Verfasserin wurde der Inhalt 42-mal geteilt und 2.862-mal aufgerufen. 484 Sat.1 produzierte 1997–2000 die Sendungen „Fahndungsakte“ sowie 2016 „Fahndung Deutschland“. 485 So Bähr, Julia, „Fahndung Deutschland“. Dein Freund und Polizeihelfer, Frankfurter Allgemeine vom 16.6.2016, https://www.faz.net/aktuell/politik/mehr-polizei-mehr-sicherheit/ fahndung-deutschland-auf-sat1-die-polizeihelfer-14271137.html (26.4.2020). Die Bezeichnung ist auch deshalb zutreffend, weil „XY“ als Vorbild für ausländische Formate diente wie die BBC-Sendereihe „Crimewatch“, „Crime Investigation“ (Israel), „Americas most wanted“ (USA), A. Schulz, Der Kriminalist 11/2017, 4. Die Sendung wurde seit 1968 in Österreich, seit 1969 in der Schweiz ausgestrahlt und auch dortige Fälle präsentiert, siehe Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9 f.). Aufgrund des internationalen Charakters wurde sie sogar als „Fernseh-Interpol“ bezeichnet, E. Zimmermann, Das unsichtbare Netz, S. 11 f.

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„Akten­ zeichen XY … ungelöst“486, „Täter-Opfer-Polizei Der rbb Kriminal­ 487 report“ sowie „Kripo live“488 gehören489, sind online abrufbar und führen ihr zweites Leben im Internet. Dabei ist „Täter-Opfer-Polizei“ noch sechs Monate nach der Erstausstrahlung abrufbar, „XY“ und „Kripo live“ jeweils eine Woche. Das Rahmenkonzept dieser Sendungen, die beachtliche Fahndungserfolge aufzuweisen haben490, ist seit Jahrzehnten unverändert geblieben491. Dazu gehören nachgespielte Geschehnisse („Krimi aus dem wirklichen Leben“492), in denen die Tat und ihre Hintergründe anhand der Akte493 als „vermeintliche Wirklichkeit“494 erklärt durch einen Off-Sprecher und musikalisch untermalt dargestellt werden495. Darüber hinaus werden einige kurze „Studiofälle“496 gezeigt bzw. verlesen, in deren Rahmen vorhandene Fahndungsbilder mit etwaiger stichpunktartiger Beschreibung sowie Tatwerkzeuge bzw. Fotos von gesuchten Gegenständen präsentiert werden497. Nach jeder Darstellung kommen Ermittler zu Wort, beantworten Fragen des Moderators, informieren über die ggf. ausgesetzte Belohnung und bitten Zuschauer um sachdienliche Hinweise zu konkreten Fragen498. Vereinzelt treten in den Sendungen auch Tatopfer auf, wenn auch zuweilen unter geändertem Namen 486

Produktion der Firma SECURITEL im Auftrag von ZDF. Format des rbb, Fälle aus Berlin und Brandenburg. 488 MDR, Fälle aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 489 „Täter-Opfer-Polizei“ wird durch das LKA Berlin koordiniert, „Kripo live“ durch das LKA Sachsen. 490 Laut der sog. XY-Statistik (Stand: 23.12.2019) wurden in 549 Sendungen 4.752 Fälle geschildert, von denen 1.905 aufgeklärt wurden (40,1 %), https://www.zdf.de/gesellschaft/ aktenzeichen-xy-ungeloest/statistik-zu-aktenzeichen-xy-anzahl-und-art-der-faelle-sowie-100. html (26.4.2020). 491 Zu dem Stand 1974 (bezogen auf „Aktenzeichen XY … ungelöst“) siehe im Einzelnen Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (374 f.). 492 Hassemer, AfP 1989, 418. Zu der Machart der Filme siehe Schurr, Kursbuch 2002, 125 (126). Die Darstellung in „Täter-Opfer-Polizei“ bzw. „Kripo live“ unterscheidet sich dahingehend von „XY“, dass in den Filmszenen, in die teilweise Aussagen der (u. U. anonymisierten) Geschädigten eingebunden werden, keine ausführliche Vorgeschichte nachgespielt wird, sondern der Schwerpunkt auf der Tat selbst liegt. 493 Siehe hierzu Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (374) mit einem Beispiel aus der Praxis. 494 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 9, der auch moniert, dass sich die Filme auf „(bisweilen nicht einmal mit letzter Sorgfalt recherchiertes) polizeiliches Indizmaterial“ stützen. Ähnlich Benfer  / ​ Bialon, Rn. 1096. 495 Zu den verwendeten Authentifizierungstechniken, beabsichtigter Einwirkung auf die Zuschauer, Art der Darstellung der Welt der Opfer und der Verbrecher sowie zu den eingesetzten technologischen und soziologischen Mechanismen Pinseler, Fernsehfahndungen, S. 135 ff., 144 ff., siehe auch ders., in: Röser / T homas / Peil, S.  73 (85 f.). 496 Diese waren ursprünglich nicht geplant, sondern sind „aus Not“ entstanden, weil das BKA kurz vor der ersten Sendung bat, eine aktuelle, dringende Fahndungsmeldung vorzulesen, siehe E. Zimmermann, Das unsichtbare Netz, S. 72 f. 497 Zu den Vor- und Nachteilen der Studiofälle bereits Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (374 f.). 498 Dazu E. Zimmermann, in: Vorträge im LKA Nds., S. 26 (34); ders., in: Fahndung, S. 111 (117). 487

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bzw. ohne ihr Gesicht zu zeigen499. Zu jeder Sendung gehören Informationen über Fahndungserfolge. Daneben werden bei „Täter-Opfer-Polizei“ zur Auflockerung auch lustige Cartoons ausgestrahlt („Der kuriose Fall“), die bizzare Kriminalfälle nacherzählen500. Außer zu repressiven Zwecken werden die Sendungen auch zur Gefahrenabwehr, etwa zur Vermisstensuche, eingesetzt. Die Präsentation eines Falls im Rahmen einer Fahndungssendung (auch wenn sie im Internet abrufbar ist) bedeutet nicht automatisch, dass der Fahndungsaufruf von der Polizei auch im Internet auf ihren Kanälen veröffentlicht wird. In den meisten Fällen verliefen Fahndungen im Internet sowie in der Fernsehsendung jedoch parallel, im Vorfeld einer Sendung wird darüber von der Polizei in sozialen Netzwerken informiert501. Auf der Homepage der Polizei Brandenburg ist in der Rubrik „Fahndung“ sogar ein Link zu der Homepage von „Täter-Opfer-Polizei“ zu finden. Die Entscheidung, mit welchem konkreten Kriminalfall in welchem Umfang an den Sender herangetreten wird, unterliegt den Restriktionen der § 131 ff. StPO502; dabei sind neben den rechtlichen auch Gesichtspunkte der kriminalistischen Zweckmäßigkeit zu überprüfen503. Der Sender504 nimmt die Fälle – in der Regel nur Kapitaldelikte505 – auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden auf506; bei sonstigen Fällen, die die Öffentlichkeit besonders interessieren, fragen die verantwortlichen Redakteure bei den Behörden an507. Bei der Auswahl konkreter Fälle für die jeweilige Sendung ist für die Redaktion nicht nur die Sendezeit, sondern auch ihre „Telegenität“ von Bedeutung508. Die nachgespielten Filmbeiträge werden von der

499

Zu den Gefahren in solchen Fällen Deutsch, GRUR Int 1973, 463. Z. B. in der Sendung vom 15.12.2019 („Die Rezept-Fälscher“) wurde über ein Apothekerpaar berichtet, das Rezepte fälschte, deutschlandweit einlöste, die auf diese Weise unentgeltlich erlangten Vorräte an Medikamenten im Wert von 80.000 Euro an seine Kunden ausreichte und mit den Krankenkassen über echte Rezepte abrechnete, https://www.rbb-online. de/taeteropferpolizei/ (26.4.2020). 501 So z. B. Polizei Berlin, Post vom 3.9.2016 mit einem Hinweis auf Ausstrahlung einer Fahndungsmeldung nach der Mutter eines ausgesetzten Säuglings bei „Täter-Opfer-Polizei“ mit einem Link zu der Sendung, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/564538997063​ 542 (26.4.2020). 502 Siehe Fn. 458. 503 Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (377); Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (60 f.). 504 Bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ werden die Fälle von den Polizeidienststellen bei der sog. Deutschen Kriminal-Fachredaktion eingereicht, Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (9). 505 ZDF, Aktenzeichen XY … ungelöst – Fallaufnahme, zdf.de vom 30.3.2017, https://www. zdf.de/gesellschaft/aktenzeichen-xy-ungeloest/welche-faelle-in-die-sendung-aufgenommenwerden-100.html (26.4.2020). 506 Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (61); Pinseler, in: Röser / T homas / Peil, S. 73 (77). Auch das BKA ist im Vorfeld zu informieren, Weihmann / de Vries, S. 289. 507 ZDF, Aktenzeichen XY … ungelöst – Fallaufnahme, zdf.de vom 30.3.2017, https://www. zdf.de/gesellschaft/aktenzeichen-xy-ungeloest/welche-faelle-in-die-sendung-aufgenommenwerden-100.html (26.4.2020). 508 Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (378). 500

B. Internetfahndung unter Zuhilfenahme von Massenmedien 

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Redaktion gestaltet509, wobei auch der Polizei bei der Darstellung eine Beratungsfunktion zukommt510. Für die mediengerechte Gestaltung der Aufrufe trägt das Fernsehen die Verantwortung511. In der Praxis ist es auch vorgekommen, dass Strafverfolgungsbehörden mehrere Fahndungssendungen um Fahndungshilfe ersuchten, wie etwa die Polizei Havelland, die zunächst im März 2019 über ein Raubdelikt in „XY“512 und einen Monat später regional in „Täter-Opfer-Polizei“513 berichtete. Ähnlich wie Fernsehfahndungen lassen sich Fahndungssendungen in der Mediathek als ganze Sendung oder als einzelne Fälle abrufen. Auf den Internetauftritten der Sendungen werden zusätzlich Fahndungsinformationen veröffentlicht, ähnlich dargestellt wie auf der polizeilichen Homepage514. Sie enthalten jeweils Angaben zu der Tat und zu gesuchten Personen, Fahndungsbilder (Personen, Sa 509 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 245. Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (433) schrieb in Bezug auf Fahndungssendungen von „einer von der StPO nicht vorgesehenen Verantwortungskehre“, wo die Fernsehsendungen gestaltend und die Strafverfolgungsorgane lediglich „material­liefernd“ und „beratend“ mitwirken. 510 ZDF, Aktenzeichen XY … ungelöst – Fallaufnahme, zdf.de vom 30.3.2017, https://www. zdf.de/gesellschaft/aktenzeichen-xy-ungeloest/welche-faelle-in-die-sendung-aufgenommenwerden-100.html (26.4.2020); Pinseler, Fernsehfahndungen, S. 142 (als „vorausseilender Gehorsam der Redaktion“ wertend); ders., in: Röser / T homas / Peil, S.  73 (77); Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (34). Zu der Entscheidungskompetenz der Behörden über das „Wie“ der Darstellung Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (60 f.); Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (45, 64). Dabei darf nicht außer Acht bleiben, dass die Polizei und die Fernsehanstalten u. U. unterschiedliche Zwecke fokussieren, die sich jedoch – gerade in einer Fahndungssendung – miteinander vereinbaren lassen: Einerseits die nüchterne, zeitaufwendige Ermittlung und Tataufklärung, andererseits die schnelle Publikation, eine interessante Unterhaltung und möglichst hohe Einschaltquoten, siehe Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (378; 389); Geerds, Kriminalistik, S. 296; Hassemer, AfP 1989, 418; Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (58 f.); ders., AfP 1989, 409 (412 f.); Ihwas, S. 287. Insbesondere in den ersten Jahren nach der Erstveröffentlichung von „XY“ wurde ein Streit um die Rechtmäßigkeit der Sendung geführt, wobei als Kritikpunkte vor allem die Förderung der Menschenjagd und Denunziation, Außer-Acht-Lassen der Persönlichkeitsrechte der Gesuchten sowie Darbietung als „Fahndungs-Show“ genannt wurden. Zu den vertretenen Positionen umfassend Otto, in: Schneider / Bartz / Otto, S. 197 (207 ff.). Die Praktiker äußerten sich zu der Sendung generell positiv; betont wurde vor allem die Effektivität bei der Verbrechensbekämpfung, siehe etwa Valentin, in: Fahndung, S. 103 (110); Lach, ebenda, S. 55 (62); Wehner, Kriminalistik 1969, 544 f.; Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. Zu den spezifischen Gefahren dieser Art von Fahndungshilfe Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (57 ff.). 511 Weis, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 17 (24); Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (310). Zu der Haftung der Fernsehanstalt bei einer Abweichung von den von den Behörden vorgegebenen Rahmen der Darstellung und Verletzung von Persönlichkeitsrechten siehe Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (61); Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (310); Wente, StV 1988, 216 (223); MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 12: unter Heranziehung der Wertung der §§ 131 ff. StPO. 512 Sendung vom 6.3.2019, https://zdf.de/gesellschaft/aktenzeichen-xy-ungeloest/xy540fall4-hilfesuche-war-vorgetaeuscht-100.html (13.3.2019). 513 Sendung vom 7.4.2019, https://www.rbb-online.de/taeteropferpolizei/archiv/20190407_​ 1900/autopanne-vorgetaeuscht-franzb-wustermark-geschlagen.html (6.5.2019). 514 Darüber hinaus werden XY-Fälle auf der Facebook-Fanpage der Sendung präsentiert, https://www.facebook.com/ZDFAktenzeichenXY/ (26.4.2020).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

chen), gezielte Fragen sowie Kontaktdaten der zuständigen Polizeidienststelle515. Diese Fahndungsaufrufe werden zusammen mit der jeweiligen Sendung gelöscht. Auch über Fahndungserfolge wird auf diesen Seiten informiert.

III. Internetfahndung im Rundfunk Zu den traditionellen Fahndungsmethoden, sowohl für repressive, als auch für präventive Zwecke, zählt auch die Rundfunkveröffentlichung516. Im digitalen Zeitalter lassen sich Radiosendungen, darunter Nachrichten, auch über das Internet in Echtzeit sowie als Podcasts abrufen. Auf den Homepages von Rundfunksendern werden auch Fahndungsaufrufe veröffentlicht, dargestellt in der Art einer Pressemeldung – zusammen mit Fahndungsbildern bzw. Videos, Angaben zu der Tat, gesuchten Personen und zu der zuständigen Dienststelle517.

C. Phänomen der „Privatfahndung“ I. „Fahndung“ Privater 1. Nachahmen polizeilicher Accounts Das Phänomen der Privatfahndung entstand nicht erst mit der Popularisierung sozialer Netzwerke, derartige Aktivitäten waren bereits zu den Anfängen der Internetfahndung in den 1990er-Jahren zu verzeichnen518. In den Zeiten, als Polizeibehörden in sozialen Netzwerken noch nicht präsent waren bzw. „ihr Abenteuer“ mit Web 2.0 gerade erst anfing, haben Private, sog. Trittbrettfahrer, die Internetfahndung „in die eigenen Hände“ genommen. Sie erstellten Pseudo-Polizeiseiten in sozialen Medien, wo sie von den polizeilichen Homepages übernommene Fahndungsfotos sowie Fahndungsinformationen posteten, wobei die Auftritte nicht selten den Anschein erweckten, offiziell zu sein519. Derartige Seiten waren zum Teil nicht weniger populär als „echte“ Fanpages: So zählte ein Fake-Account der Poli 515

Z. B. zu der XY-Sendung vom 6.3.2019: https://www.zdf.de/gesellschaft/aktenzeichenxy-ungeloest/xy540-fall6-schock-in-der-mittagspause-100.html (13.3.2019); Zu der „TäterOpfer-Polizei“-Sendung vom 10.3.2019: https://www.rbb-online.de/taeteropferpolizei/archiv/​ 20190310_1900/ueberfall-warschauer-strasse-berlin-fotos.html (24.3.2019); Zu der „Kripo live“-Sendung vom 17.3.2019: https://www.mdr.de/kripo-live/artikel-700.html (24.3.2019). 516 Siehe hierzu z. B. Holle, S. 160 f.; G. Bauer, S. 96 f.; Valentin, in: Fahndung, S. 103 (106). 517 Z. B. https://www.radiohamburg.de/alles/zu/Fahndung/302323 (26.4.2020) (Auflistung aktueller Fahndungsaufrufe unter „Top-Themen“). 518 Hoch, Angelika, Wenn Täter ins digitale Netz gehen, Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998, S. 911. Zu den übereifrigen „Hilfssheriffs“ in Bezug auf die Fahndungssendungen siehe Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (53, 60). 519 2015 waren auf Facebook u. a. folgende nachgeahmte Polizeiseiten zu finden: „Polizei Potsdam“, „Polizei NRW“, „Polizeipräsidium Aachen“, „Polizeiberichte Duisburg“, „Polizei

C. Phänomen der „Privatfahndung“ 

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zei Berlin auf Facebook im Februar 2014 ca. 30.000 Fans520. Auf die Problematik solcher Aktivitäten und die damit verbundenen Gefahren wurde mehrfach in der Literatur hingewiesen; die Autoren betonten aber, dass die Abwesenheit der Behörden in sozialen Netzwerken von Trittbrettfahrern als Einladung empfunden wurde, die vorhandene Lücke zu schließen521. Das geschilderte Problem war aber nicht nur deutschlandspezifisch, auch in den Niederlanden waren Privatfahnder aktiv522. Obwohl die Polizei soziale Medien inzwischen bundesweit als gängige Kommunikationsplattform verwendet, ist dieses Phänomen bis heute anzutreffen. So wird etwa auf der immer noch aktiven inoffiziellen Facebook-Seite „Aktuelle Meldungen der Polizei Potsdam (PolizeiNewsPotsdam)“ mit aktuell fast 9.000 Abonnenten523 auf Fahndungsaufrufe der Polizei Brandenburg über einen Link mit einer Fahndungsbilder enthaltenden Seitenvorschau verwiesen524. Als besonders gefährlich kann sich dabei die unter vielen Besuchern herrschende Überzeugung auswirken, es handle sich um offizielle polizeiliche Auftritte bzw. um von der Polizei autorisierte Seiten. So liefern die Internetnutzer Fahndungshinweise bzw. bedanken sich bei den Betreibern bei einem Fahndungserfolg525. Die o. g. Fake-Fanpage „Aktuelle Meldungen der Polizei Potsdam (PolizeiNews​ Potsdam)“ bei Facebook enthielt den Polizeistern der Polizei Brandenburg mit dem Landeswappen, nur im Impressum fand sich ein Hinweis darauf, dass es sich um eine inoffizielle Seite handelt526. Für die Betrachter war es u. U. erst auf den zweiten Blick erkennbar, dass es sich nicht um einen offiziellen Polizeiaccount handelte527. Lippe“, „Kriminal Polizei Nürnberg“, „Polizei Nürnberg“, „Polizei News Mittelfranken“, „Polizei Regensburg“, „Polizei Konstanz“. 520 Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146); dasselbe Beispiel bei Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (45); dies., Die Polizei 2014, 153 (156). Siehe auch Gerhold, ZIS 2015, 156 (166); Huber, S. 35 f. 521 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (59); Gerhold, ZIS 2015, 156 (166); Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053); Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31); Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 20 Tabelle 2. 522 Siehe Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, S. 15. 523 Stand: 26.4.2020. 524 Ein „Fahndungsaufruf“ vom 21.11.2018 mit einem (nicht [mehr?] funktionierenden) Link zur Homepage der Polizei Brandenburg wurde 42-mal geteilt und 6-mal kommentiert, https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=2228177260526300&id=1411586​ 79228179&__xts__[0]=68.ARDr53K-G29oZutRa8GQwqQk1D3jyBYeuXFFy1mD5​K1kcm_ wymuewahM1JXbPpDkvcKEpGdCVKqZvOcoR1RiSAKZUycQdWcWTH0M2gezxfuZQV5 I1VUV4FXpV3IBCRrdMStXS_CuhOEmAh8GbOrSYuaHCxuZX6PCVh51rUQLVtsmoDHm mHZuLGRF113u3qAQgS6u1U91W3mSYBNoLTu5WbPyFnZ5ztVAdkhzCemv1NBaDutgvn xcTXi_GVSwcnDrWL5ErPy7XoxFJaFmjpxAkGt-h3UZLUsGZDPPX8LIDCeuvuwkf95ZT_ Oz3b-w2uWJBx9474eUXgvePlYHxAniYmg1Q&__tn__=-R (9.3.2019). 525 Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146). 526 https://www.facebook.com/pg/Aktuelle-Meldungen-der-Polizei-Potsdam-PolizeiNewsPotsdam-141158679228179/about/?ref=page_internal (9.3.2019). Inzwischen (Stand: 26.4.2020) wurde das Wappen der Polizei Brandenburg von der Seite entfernt; ein Hinweis auf den inoffiziellen Charakter ist jetzt auch auf der Startseite sichtbar. 527 Siehe hierzu auch Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (45); dies., Die Polizei 2014, 153 (156).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Die Motivation der Betreiber kann hierbei unterschiedlicher Natur sein. M ­ anche Personen wollen selbst „Polizei spielen“528, manche sehen sich tatsächlich in der Rolle eines Fahndungshelfers. Die moderne Technik und die hohe Qualität der mit Mobiltelefonen bzw. Smartphones erstellten Fotos ermöglicht es den Privatfahndern, die Inhalte in soziale Netzwerke mithilfe mobiler Endgeräte auch von unterwegs hochzuladen529. Die Erkenntnis, dass solchen Auftritten eine „gefährliche Eigen­dynamik“ innewohnt und dass sie u. U. zu Hetzkampagnen, sogar zu Aufrufen zur Selbstjustiz beitragen können530, bleibt nach wie vor aktuell. So kann es durch die unbefugte Veröffentlichung personenbezogener Daten zu massiven Verletzungen der Rechte der betroffenen Personen, vor allem zur virtuellen Brandmarkung sowie in Extremfällen zu einer Gefahr für Leib und Leben kommen, nicht zuletzt deshalb, weil Schutzmechanismen wie diejenigen bei den polizeilichen Auftritten, etwa Überwachung der Kommentare, nicht vorhanden sind. 2. Fahndungsauftritte mit Presseberichten Neben der Gruppe von „Hilfssheriffs“531, die polizeiliches Handeln vortäuschen, existiert eine nicht geringe Anzahl von Fanpages mit polizeilichen Presse­ berichten bzw. ausschließlich mit Fahndungen, die in ihren Facebookposts polizeiliche Mitteilungen wiederholen und die von den polizeilichen Homepages herauskopierten Fahndungsbilder bzw. einen Link mit Fahndungsfotos als Vorschaubilder beinhalten532. Diese Links führen allerdings in der Regel nicht zu 528

Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056). Zu den digitalen Fotografien und ihrer Bedeutung in Social Media Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (149 f.). 530 Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (149). Siehe auch unter Pkt. B. I. 1. a) des 4. Teils. 531 So Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1057). 532 Z. B. BlaulichtReport Hagen, https://www.facebook.com/BlaulichtREPORTHagen/photos/ a.403581003250/10156222948343251/?type=3&theater (26.4.2020); Blaulichtreport-Saarland, https://www.facebook.com/Blaulichtreportsaarland/posts/215964 8947407726?__xts__[0]=68.ARAQEEEHx1tVCRT4WMZnelvngj1YkaG9WTCPLTHnARN dGCW2XSAYOhFR3n2lKZIPc2F9u5_b7YuqThDeTUIjUIdvR-HGpJuk2GjDTM7BXTcNF 3kQUj7IRElsQPFht23y35b4AgeAqVa2agTpSta_mRd8HzZwNMEqECQLIDFXWkHbJwdR 1W4Gw2xoZVeN8Q2b-yHQcHX2oSxHgaOEU0LKfJfUH3QEW559GPkTHKWGwJcRU8v Ek5EAfLuyfYbcYDrYOIpNLgZZBs1PsZ_lqMdPaFgNlVe43hOO9QgML_yCLCJYr5Lkm_ RzgjWBo0lmanKKso97EBYJn30QJ1zEtMtW0rvVA&__tn__=-R (11.3.2019); https://blaulicht report-saarland.de/2019/03/achtung-bettelbetrueger-in-st-ingbert-unterwegs/?fbclid=IwAR2T5 aoPZG1bql-ztMCyA5lHYd0RvdWiM8YiC40nRHEuIBQStDlLj1CRFHg (11.3.2019); Fahndungen der Polizei  – Vermisstenfahndungen  – Infos, https://www.facebook.com/​ perma​link.php?story_fbid=2057852374293316&id=893432567401975&__xts__​[0]=68. ARBkSMu5M1m9EeikX3xGP_J_jUbMvMSw-KrLWJqrMMoB2K4Lc_N8qTglhvhE​ aEo6fRFIEzkK5_UQTzn9ftZFgk9qIb4YHBa-YZla5l_EN2F3c2RCnr9Ra3xXsFoahn​ TRLY0xbmhO_hmidp9uRvO3utCSoHG-SHOm5H47YppFLvEJ7hHDaD-vXv4B9-z5oA​ N0UkND6Db1bP_SMuWXN6NjIUUq2949eQEvV1qV-yPvuHr-N7j5j80FSHymfNOcf​ 50vBm1I8KHs___Z-apoJnEpgK9opjlnEJtOi12Q7erkVOCjEobfNEgvPCRb_​5vNN5GOR​ 529

C. Phänomen der „Privatfahndung“ 

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den originalen polizeilichen Homepages, sondern zu eigenen Internetseiten mit zusammengestellten, ausgewählten Fahndungsaufrufen. Solche Auftritte haben teilweise sehr viele Abonnenten in Größenordnungen von zehntausenden. Die dortigen Beiträge werden rege kommentiert, geliked und geteilt. Die Motivation der Betreiber geht ihren eigenen Angaben zufolge dahin, Fahndungshilfe zu leisten533. 3. Situationsbedingte Privatfahndung Darüber hinaus suchten und suchen Privatpersonen, meistens Opfer von Straftaten bzw. Personen aus ihrem sozialen Umfeld, über soziale Netzwerke auch „Hilfe zur Selbsthilfe“534, indem sie in sozialen Netzwerken selbst gemachte Fotos bzw. Videos von mutmaßlichen Tätern publizieren535. So erreichte eine auf dem Facebook-Profil eines Tatopfers hochgeladene Videosequenz aus einer Nachtkamera, auf der mutmaßliche Täter eines Wohnungseinbruchsdiebstahls zu sehen waren, eine enorme Viralität und wurde laut Presse über 1,3 Millionen Mal angesehen und mehr als 30.000-mal geteilt536. In einem anderen Fall warnte eine Facebook-Nutzerin mit einem Foto vor mutmaßlichen Betrügern537. Ähnlich wurde privat nach UP3sJAm-upqzoziEgcSbvW9fEfz5V1CKCihJHCBsEYNUX7leC4agmmaV9sg6​ Q8jNf8btnQw1G1mMhs8UH4rlhlpykxkXTgyBptl8PAqLFOYU3UEVL_8q84HqcOSfZB​ wRAZ​gDdX66svp4qhDDCb1&__tn__=-R (26.4.2020); Polizei Nachrichten, https://www.facebook.com/diepolizeisucht/posts/2245630225484624? __xts__[0]=68.ARB OssI77Jhqa7H9LFrwB0PsAqzKCeM2cS6l450rRST0CJNdZP1k967EtRc​ Q42S3Sv-UlOo0d_FZ2nVIr_z0THZj2GBJEQ ToIPWQl_ncJRV1sh84wSauHuggaXQOJXn​ EshKSW4U87d4Uf5sY4JdJA0upOd_F_qBH-gFUgwmRJgfmqXNFU1qW BrxJ4lqZC7f​Uyrb NG6NzKdeykLDm4vpgHOKVMXfCvsV8vRmTybsspDrKbWCdq2ihOMgVDE​Qw1–6sz8G4P66fWfWfRCTykU4I6cUU5jIRv7o2mq4nab6P4Dkmp91kfijKeUh4fuK1Vho3Q4ZU8​ Tkhu5-PYCmEd4uK-rYQA&__tn__=-R (11.3.2019); https://www.polizeimeldungen.com/show/​ 193076 (11.3.2019). 533 Z. B. Fahndungen der Polizei – Vermisstenmeldungen – Infos (Schreibweise originell): „Diese Seite ist der Versuch, überregional nach Gewalttätern, oder Vermissten zu suchen. Meist geschieht das nur im jeweiligen Bundesland, jedoch zeigt es sich, daß sich weder Gewalttäter, noch Vermisste in eben nur diesem aufhalten. Durch Euer ‚Gefällt mir‘ und ‚Teilen‘ entscheidet Ihr, ob wir mit diesem Versuch Erfolg haben. Bitte keine Hinweise auf dieser Seite, sondern direkt an Eure zuständige Polizei,oder die jeweilig zugeordnete Telefonnummer wenden. Vielen Dank für Euer Interesse und Unterstützung.“, https://www.facebook.com/pg/Fahndungen-derPolizei-Vermisstmeldungen-Infos-893432567401975/about/?ref=page_internal (26.4.2020). 534 Solche Handlungen resultieren teilweise aus mangelndem Vertrauen auf die polizeiliche Ermittlungsarbeit bzw. aus der Überzeugung, dass „Datenschutz Täterschutz“ ist, siehe hierzu etwa Kranig, VEKO Online, 3/2017. 535 Zu ähnlich gelagerten Fällen der „privaten Social-Media-Notwehr“ und zur Veröffentlichung von Abbildungen von Personen, von denen Gefahren ausgehen, zu Präventivzwecken siehe J. Fischer, MMR 2019, 355 ff. 536 Fengler, Dennis / Koch, Jakob, „Digitale Selbstjustiz“. Opfer jagt Einbrecher-Trio mit Facebook-Video, WELT vom 6.2.2017, https://www.welt.de/regionales/hamburg/article161860621/ opfer-jagt-Einbrecher-Trio-mit-Facebook-Video.html (26.4.2020). 537 Matthies, Maximilian, Fall aus Handewitt. Privat fahnden auf Facebook: Was erlaubt ist – und was nicht, shz.de vom 25.01.2017, https://www.shz.de/deutschland-welt/wissenschaft-netzwelt/ privat-fahnden-auf-facebook-was-erlaubt-ist-und-was-nicht-id15930166.html (26.4.2020).

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Sachen gefahndet, nicht ohne Erfolg538. Zu der situationsbedingten Privatfahndung gehört auch die eigenmächtige Veröffentlichung von (wohl) selbstgemachten „Fahndungsbildern“ von Internetnutzern, die weder selbst Opfer von Straftaten waren, noch in Kontakt zu solchen Personen standen, auf ihren Profilen versehen mit Bitte um Hinweise „an uns und die Polizei“539 bzw. mit von der polizeilichen Homepage übernommenen Abbildungen540. Des Weiteren kommt es vermehrt zur Veröffentlichung von Suchanzeigen von Angehörigen und Freunden nach vermissten Personen541. Teilweise wird in solchen Fällen eine Belohnung ausgesetzt542. Auch im europäischen Kontext wurde betont, dass derartige Aktivitäten sich auf Bürger irreführend auswirken können, weil sich die Zuverlässigkeit der jeweils verbreiteten Informationen schwer verifizieren lässt543. Privatfahndung wird nicht nur in klassischen sozialen Netzwerken, sondern auch über Messengers betrieben: So sendete eine Praktikantin bei der Berliner Polizei 2017 unbefugt polizeiinterne Fahndungsfotos über WhatsApp an ihre Bekannte544.

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Jutzi, Sebastian / L ehmkuhl, Frank, Jagd mit neuen Medien, Focus Magazin Nr. 14 (2003); jd / dpa, Privatfahndung im Netz. Gestohlenes über das Internet wiederfinden, Focus Online vom 10.11.2010, https://www.focus.de/digital/internet/privatfahndung-im-netz-gestohlenesueber-das-internet-wiederfinden_aid_570543.html (26.4.2020). 539 So z. B. https://twitter.com/aotto1968_2/status/775771571705221121(26.4.2020). Zu Privatfahndungen in sozialen Netzwerken nach den G20-Krawallen in Hamburg 2017 (Originalpost mit verpixelten Fotos sowie Nutzername: „WER BIST DU? Eben bist Du noch mit Deinen randalierenden Kumpels durch unsere Stadt gezogen. Hier sieht man Dich, wie Du Dich in einer Nebenstraße Deiner Vermummung entledigst. Jetzt trägst Du ein kariertes Hemd und ein Cappy. Und als Du merkst, dass Dich jemand filmt, versuchst Du Dein Gesicht zu verbergen. Leider zu spät. Du bist einer von denen, die dabei sind, wenn Autos angezündet und Geschäfte zerstört werden, die randalieren. Du bist einer von denen, die dafür verantwortlich sind, dass unsere Stadt brennt. Aber jetzt mein Freund, ist der Spaß für Dich vorbei. Jeder sieht hier Dein Gesicht.“) siehe etwa o. V., Privat-Fahndung in sozialen Netzwerken. Warum Sie auf keinen Fall Fotos von G20-Randalierern bei Facebook teilen sollten, Stern vom 10.7.2017, https://www.stern.de/digital/online/g20--warum-sie-keine-fotos-von-randalierernbei-facebook-teilen-sollten-7532138.html (26.4.2020). 540 Z. B. https://twitter.com/pr3mut05/status/776456088984190976 (26.4.2020), https://twitter.​ com/m_bittner / status/776433583195951105 (16.9.2016). 541 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (59); Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, S. 15. 542 O. V., Facebook Fahndung. Fahndung mit Facebook, Frankfurter Rundschau vom 31.1.2014, www.fr.de/rhein-main/blaulicht-sti879542/fahndung-facebook-11216679.amp.html (26.4.2020). 543 Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, S. 15. 544 dpa, Studentin schickt interne Unterlagen an Whatsapp-Gruppe, Berliner Zeitung vom 8.11.2017, https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/polizei-berlin-studentin-schickt-interneunterlagen-an-whatsapp-gruppe-28812688 (26.4.2020).

C. Phänomen der „Privatfahndung“ 

185

4. Rechtsfolgen Das Betreiben von Fake-Seiten bzw. ein unbefugtes Posten von Fahndungsinformationen ist im Gegensatz zum bloßen Verlinken auf polizeiliche Inhalte bzw. Teilen von polizeilichen Fahndungsaufrufen von polizeilichen Auftritten in sozialen Netzwerken, was ausdrücklich gewünscht ist, aus strafrechtlicher Sicht kein neutrales Verhalten. Durch die Verbreitung von Abbildungen bzw. Personalien545 auf eigene Faust ohne Einwilligung der abgebildeten Person machen sich die Postenden gemäß §§ 22, 33 KUG strafbar546. Dies bezieht sich sowohl auf die Fälle, in denen Privatpersonen polizeiliche Fahndungsfotos unbefugt herauskopieren, weil sie sich, anders als Presseorgane, die eine Erlaubnis zur Veröffentlichung von den Polizeibehörden erhalten, auf § 24 KUG gerade nicht berufen können547, als auch auf Situationen, in denen Fotos nach der Fahndungsbeendigung nicht gelöscht werden. Des Weiteren kann eine derartige Veröffentlichung den Tatbestand der Üblen Nachrede nach § 186 StGB erfüllen, sollten sich die von den Nutzern in den „Fahndungsaufrufen“ behauptete Tatsachen nicht als wahr erweisen548. Das Problem der Fahndung auf eigene Faust betrifft im Übrigen noch einen anderen Aspekt: Die Öffentlichkeit hat keine Garantie, dass es sich tatsächlich um eine Fahndung nach einem Tatverdächtigen und nicht um eine beabsichtige, böswillige Verleumdung einer unbeteiligten Person handelt. Denkbar ist auch das bewusste Ausdenken von imaginären Situationen, um der abgebildeten Person zu schaden. Beim absichtlichen Unterstellen von Straftaten wider besseres Wissen kommt bei sog. Fake-Aufrufen Verleumdung nach § 187 StGB in Betracht; bei diffamierenden Äußerungen auch Beleidigung nach § 185 StGB549. Solche Fälle kommen in der

545

§§ 22 ff. KUG gilt für die Namensnennung analog, siehe z. B. BVerfGE 35, 202 (224); OLG Hamm, NJW 2000, 1278 (1279); Eisele, JZ 2014, 932 (940); Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (306, 311). 546 Siehe hierzu Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1057); Gerhold, ZIS 2015, 156 (174); Wu, Rescriptum 2017, 83 (89). Es handelt sich allerdings um ein Antragsdelikt, § 33 Abs. 2 KUG. A. A. B. Dallmayer / T. Dallmayer, in: Vordermayer / von Heintschel-Heinegg / Schnabl, 1. Teil, 3. Kapitel, Rn. 32, wonach private Dritte während der offiziellen Fahndung Abbildungen gesuchter Personen nach §§ 23, 24 KUG (bei dortiger Bezeichnung UrhG handelt es sich wohl um einen Redaktionsfehler) veröffentlichen dürfen. 547 Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 6; Kranig, VEKO Online, 3/2017. A. A. wohl B. Dallmayer / T. Dallmayer, in: Vordermayer / von Heintschel-Heinegg / Schnabl, 1. Teil, 3. Kapitel, Rn. 32. 548 Siehe auch in Bezug auf Forum-Diskutanten Popp, jurisPR-ITR 4/2008 Anm. 3. Auch nach dem Attentat während des Boston-Marathons 2013 wurden im Internet Bilder von Personen hochgeladen, die sich im Nachhinein als unschuldig erwiesen, siehe Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31); im Einzelnen zu dieser Privatfahndung, zeitweiligem Kontrollverlust der Strafverfolgungsbehörden und Rolle der Medien Reeves, S. 42 ff. 549 Siehe hierzu Gulden / Dausend, MMR 2017, 723 (726); Gulden, Karsten, Private Fahndungsaufrufe bei Facebook und im Internet  – Fahndung 2.0 mit Hetzgarantie, 14.8.2015, https://ggr-law.com/persoenlichkeitsrecht/faq/private-fahndungsaufrufe-bei-facebook-undim-internet-fahndung-20-mit-hetzgarantie/ (9.3.2019).

186

3. Teil: Medien der Internetfahndung 

Praxis nicht nur vereinzelt vor und werden geahndet550; die Polizei warnt ihrerseits auch vor im Internet kursierenden Fake-Aufrufen551. Sollten private Fahndungsauftritte im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken552, durch die Verwendung des Namens „Polizei“, eines Wappens sowie nach dem Inhalt der Beiträge den Anschein eines behördlichen Agierens im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit erwecken („Identitätsdiebstahl“), indem sie die Existenz einer offiziellen Kommunikationsplattform suggerieren, die dazu dient, durch das Posten von Fahndungsaufrufen die Bevölkerung zur Abgabe von sachdienlichen Hinweisen zu bewegen, wird durch Betreiben solcher Seiten nicht nur der Tatbestand der Fälschung beweiserheblicher Daten nach § 269 StGB553, sondern auch der der Amtsanmaßung554 nach § 132 1. Alt. StGB erfüllt555; beide Delikte stehen zueinander in Tateinheit556. Wegen unberechtigter Verwendung des Logos der Behörde oder des Begriffs „Polizei“ steht den Behörden auch ein Anspruch auf Unterlassung (konkret: Löschung) aus §§ 12, 1004 BGB zu557. Sollte bei einem gefälschten Polizeiauftritt unberechtigterweise ein Landeswappen verwendet werden, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit nach § 124 OWiG i. V. m. der Verordnung über die Führung eines Landeswappens558. Darüber hinaus kann die Strafbarkeit für eigenwilliges Verbreiten polizeilicher Inhalte aus § 106 UrhG resultieren559. 5. Gefahr für Ermittlungen Das „Hilfssherifftum“, wenn auch in vielen Fällen gut gemeint, stellt für die Polizei ein äußerst unerwünschtes Phänomen dar, das ihre Ermittlungsarbeit erschweren bzw. u. U. sogar konterkarieren kann. Durch das Engagement von Pri 550

Siehe z. B. Nowotny, Ralf, Verleumderische Warnung vor einem Sexualstraftäter, MIMIKAMA vom 5.3.2019, https://www.mimikama.at/allgemein/verleumderische-warnung-voreinem-sexualstraftaeter/?fbclid=IwAR30QxuvZ9ASNXWwdizPW4orIe3fRr91FvapUjlGBk zTmb3vXOmf1v6Wuqg (26.4.2020). 551 Z. B. bzgl. einer gefälschten Vermisstenmeldung, Polizei Schwaben SüdWest vom 3.8.2017, https://www.facebook.com/PolizeiSWS/photos/a.1846290542261559.1073741829.18 06569826233631/1927490934141519/?type=3&theater (26.4.2020); bzgl. eines vermeintlichen Kinderschänders, Polizei Sachsen vom 17.8.2015, https://www.facebook.com/polizeisachsen. info/photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/410666135802888/?type=1&t heater (26.4.2020). 552 Zu der Website als Datenurkunde siehe Schönke / Schröder / Heine / Schuster, § 269 Rn. 14. 553 Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056 f.): „digitale Amtsanmaßung“; Wu, Rescriptum 2017, 83 (89). 554 Zu diesem Delikt, das seit der Einführung 1871 in unveränderter Fassung gilt, zu seiner Entstehungsgeschichte und der Auslegung statt aller Vormbaum, ZJS 2017, 433 ff. 555 A. A. Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1057). 556 Ähnlich Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben, § 132 Rn. 16 in Bezug auf § 267 StGB. 557 OLG Hamm, MMR 2016, 691; BKA, Social Media Nutzung, S. 33 (Anlage – Handlungsanweisung Umgang mit kritischen Situationen, Pkt. 7). 558 Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (22) zu der Sachlage in Nordrhein-Westfalen. 559 Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1057); Wu, Rescriptum 2017, 83 (89).

C. Phänomen der „Privatfahndung“ 

187

vatfahndern ist es der Polizei zum einen oft mangels Kenntnis nicht möglich, sich zu den geposteten Inhalten zu positionieren bzw. diese zu beeinflussen560. Zum anderen läuft sie Gefahr, dass etwaige sachdienliche Hinweise zu „Fahndungsaufrufen“, womöglich gepostet als Kommentar, sie gar nicht erreichen561. Da derartige private Fahndungsmeldungen teilweise in geschlossenen Gruppen verbreitet werden, erlangt die Polizei nicht immer Kenntnis von solchen Aktivitäten562. Auch aus ermittlungstaktischen Gründen ist die Privatfahndung kontraindiziert und kann zum Verlust oder der Entwertung wichtiger Beweismittel führen, indem man dem Täter einen Wissensvorsprung verschafft563. Darüber hinaus ist ein Nachahmeffekt nicht ausgeschlossen bzw. eventuelle Versuche, die Tataufklärung zu erschweren564. Privatfahnder, die einer Straftat zum Opfer gefallen sind, können einer Gefahr seitens der gesuchten Personen ausgesetzt sein, sollten diese von der Veröffentlichung solcher Fahndungsaufrufe Kenntnis erlangen565 – vor allem im Bereich organisierter Kriminalität. Sollten den Behörden nachgeahmte „polizeiliche“ Fake-Fanpages bekannt werden, ist bei den sozialen Netzwerken ihre Löschung zu beantragen566. Weiter ist auf Situationen hinzuweisen, in denen Nutzer, statt sich an die Behörden zu wenden, auf Profilen ihrer Bekannten, die die offizielle polizeiliche Fahndungsmeldung geliked bzw. geteilt / retweetet haben, in dem Kommentarfeld Hinweise zur Tat und Täter geben567. Denkbar wäre es auch, Abbildungen, etwa subjektive Porträts, mit dem Profil des Gesuchten im sozialen Netzwerk zu verlinken (von Facebook anscheinend technisch unterbunden)568. Auch in solchen Fällen läuft die Polizei Gefahr, nicht an wichtige Ermittlungsansätze zu gelangen. Die Polizei macht auf ihren Internetkanälen bisweilen auf dieses Phänomen aufmerksam und sensibilisiert die sich nicht selten der eigenen Strafbarkeit ihres Verhaltens nicht bewussten Internetnutzer569. Es wird zwar appelliert, nach kom 560

Siehe Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (59); Kahr, ebenda, S. 133 (146). 561 Siehe auch Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056). 562 Gotovac, Isabel, Polizei Freiburg klärt auf. Private Fahndungsaufrufe: „Man macht sich strafbar“, swr.de vom 23.11.2018, https://www.swr.de/swraktuell/baden-württemberg/ suedbaden/fahndung-missbrauch-freiburg-interview-plizei,fahndung-missbrauch-freiburginterview-polizei-100.html (27.3.2019). 563 Kranig, VEKO Online, 3/2017. 564 Kranig, VEKO Online, 3/2017. 565 Fengler, Dennis / Koch, Jakob, „Digitale Selbstjustiz“. Opfer jagt Einbrecher-Trio mit Facebook-Video, WELT vom 6.2.2017, https://www.welt.de/regionales/hamburg/article161860621/ opfer-jagt-Einbrecher-Trio-mit-Facebook-Video.html (26.4.2020). 566 RdErl. d. MIK NRW, AZ 401 – 58.02.09 (n. v.) vom 28.11.2012, zitiert nach Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (22). 567 Ähnlich Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 568 Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 569 Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (149). So z. B. Polizei Berlin, Post vom 14.3.2019, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/1076242235893213?__tn__=-R (26.4.2020); Polizei Freiburg klärte über Rechtswidrigkeit von Privatfahndungen im Zusam­ menhang mit der Veröffentlichung mehrerer Fotos auf Facebook durch die Mutter nach einem

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3. Teil: Medien der Internetfahndung 

plexen Lösungen dieses Problems zu suchen, zu denen Monitoring570 und Abschaltersuchen an den jeweiligen Seiten-Provider571 gehören, gleichzeitig würden solche Maßnahmen die Behörden aus praktischer Sicht vor erhebliche Herausforderungen stellen. Das eigene Durchforsten des Internets würde nach Ansicht der Polizei den Ermittlungsrahmen sprengen, dank der Community werden die Behörden häufig auf solche Aufrufe aufmerksam gemacht572. Faktisch gesehen ist es leider so gut wie unmöglich, der Privatfahndung einen Riegel vorzuschieben573.

II. Sonderfall: Fahndungsaufrufe eines Strafverteidigers Die StPO sieht keine explizite Rechtsgrundlage für das Recht des Strafverteidigers vor, eigene Ermittlungen zu führen574, eine derartige Möglichkeit wird jedoch seit Längerem in der Literatur und einem Teil der Rechtsprechung anerkannt575. Das Recht, Ermittlungstätigkeiten vorzunehmen, resultiert aus der von der Beistandsfunktion des Verteidigers umfassten Aufklärungsfunktion576, dem Grundsatz der Waffengleichheit577 sowie dem Prinzip des fairen Verfahrens578. Im Rahmen eigener Ermittlungstätigkeit soll es für den Strafverteidiger bei der Suche nach sexuellen Missbrauch ihrer 12-jährigen Tochter auf, auch in grafischer Form (verpixeltes Foto, durchgekreuzt mit der Aufschrift: „So nicht!“). Der „Fahndungspost“ wurde über 10.000-mal geteilt. Der Beitrag wurde offline gestellt; der Tatverdächtige von der Polizei festgenommen, siehe Gotovac, Isabel, Polizei Freiburg klärt auf. Private Fahndungsaufrufe: „Man macht sich strafbar“, swr.de vom 23.11.2018, https://www.swr.de/swraktuell/baden-württemberg/ suedbaden/fahndung-missbrauch-freiburg-interview-plizei,fahndung-missbrauch-freiburginterview-polizei-100.html (27.3.2019); Huber, Alexander, Mutter fahndet nach mutmaßlichem Täter auf Facebook  – Polizei warnt, Badische Zeitung vom 20.11.2018, http://www. badische-zeitung.de/mutter-fahndet-nach-mutmasslichem-taeter-auf-facebook-polizei-warnt (26.4.2020); Huber, Oliver, Polizei nimmt Mann fest, der 12-Jährige in Zug missbraucht haben soll, Badische Zeitung vom 22.11.2018, http://www.badische-zeitung.de/polizei-nimmt-mannfest-der-12-jaehrige-in-zug-missbraucht-haben-soll (26.4.2020). 570 Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (149). 571 Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1058). 572 Gotovac, Isabel, Polizei Freiburg klärt auf. Private Fahndungsaufrufe: „Man macht sich strafbar“, swr.de vom 23.11.2018, https://www.swr.de/swraktuell/baden-württemberg/ suedbaden/fahndung-missbrauch-freiburg-interview-plizei,fahndung-missbrauch-freiburginterview-polizei-100.html (27.3.2019). 573 So auch Gerhold, ZIS 2015, 156 (166). 574 Siehe hierzu MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 1. 575 OLG Frankfurt, NStZ 1981, 144 (145); aus der Literatur etwa Beulke, S. 44, 148 f., 246; Barton, S. 336 f., MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 7 f.; BeckOK / Wessing, § 137 Rn. 11; zu den einzelnen Bereichen Jungfer, StV 1981, 100 (101 f.); auch Bockemühl, JSt 2010, 59 ff.; insb. zur Einflussnahme auf Zeugen Kempf, StraFo 2003, 79 ff.; Beispiele von Gegenreaktionen von Staatsanwaltschaft bei MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 2 f.; dagegen auch BGH, Beschl. vom 8.8.1979 – 2 Ars 231/71, angeführt von Jungfer, StV 1981, 100. 576 Beulke, S. 43 f.; Barton, S. 336 f.; MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 7. 577 Beulke, S. 44; MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 8 f.; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 3. 578 MAH Strafverteidigung / Neuhaus, § 15 Rn. 8 f.; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 3.

C. Phänomen der „Privatfahndung“ 

189

entlastenden Beweisen579 nicht nur möglich sein, etwa Zeugen zu vernehmen580, sondern auch, gleich einer Öffentlichkeitsfahndung nach ihnen zu suchen; dabei sollen die Einschränkungen des § 131a Abs. 3 bzw. § 131b Abs. 2 StPO für sie nicht gelten581. In der Konsequenz dürfte ein Fahndungsaufruf des Strafverteidigers auch bei Delikten veröffentlicht werden, die unterhalb der Schwelle einer Straftat von erheblicher Bedeutung liegen582. Strafverteidiger können sich mit Hilfeersuchen an die Bevölkerung über Massenmedien wenden, der Mandant muss sie aber von der Schweigepflicht nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB entbinden583. Im konkreten Fall hätte die Lösung jedoch zur Folge, dass dem Strafverteidiger u. U. mehr erlaubt wäre als den Strafverfolgungsbehörden. Deshalb sollte sich dieses Recht zum Schutz des Zeugen und zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips unterhalb der Schwelle einer Straftat von erheblicher Bedeutung auf Mitteilungen im Stil allgemeiner Zeugenaufrufe nach §§ 161, 163 StPO beschränken584; bei der erreichten Schwelle einer Straftat von erheblicher Bedeutung ist auch eine Veröffentlichung von Abbildungen bzw. Personalien denkbar. Als Rechtsgrundlage derartiger Publikationen mit Bildern bzw. Namen kommt § 24 KUG in Betracht. Zwar erwähnt diese Norm nur eine Veröffentlichung von Bildnissen, die von Behörden, also von Trägern hoheitlicher Gewalt herrührt585, gleichzeitig nennt sie als Zweck die Rechtspflege (allen voran: die Strafrechtspflege586) und die öffentliche Sicherheit. Strafverteidiger handeln insoweit nicht als Privatpersonen, die, wie bereits erwähnt, vom Geltungsbereich des § 24 KUG herausgenommen sind587, sondern als Organ der Rechtspflege, § 1 BRAO588. Insofern bedarf es einer analogen Anwendung der Norm. Gleichzeitig muss aber im Hinblick auf die schützenswerten Interessen gesuchter Personen, insbesondere Zeugen, auch in diesen Fällen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben589. Eine eventuelle Publikation der Abbildung des eigenen Mandanten wäre von § 22 KUG erfasst.

579

OLG Frankfurt, NStZ 1981, 144 (145). OLG Frankfurt, NStZ 1981, 144 (145). 581 Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 9; L-R / Gleß, § 131a Rn. 7, 131b Rn. 6; Hilger, in: FS Rieß, S. 171 (177). 582 L-R / Gleß, § 131a Rn. 7; Hilger, in: FS Rieß, 171 (177). 583 Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 9. 584 Z. B. „Wer amüsierte sich am Abend des 30.4. zwischen 23 und 2 Uhr in der Diskothek … in … und hat meinen Mandanten gesehen?“ 585 Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 6. 586 Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 5. 587 Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 6; Kranig, VEKO Online, 3/2017. 588 Zu der Rechtsstellung als Rechtspflegeorgan siehe Beulke, S. 164 ff. 589 Dreier / Schulze / Specht, § 24 KUG Rn. 7, 10. Zu einer erforderlichen Interessenabwägung im Rahmen von § 24 KUG Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (309); siehe auch Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (465). Zu einem unverhältnismäßigen „Fahndungsaufruf“ eines Rechtsanwalts auf Facebook, um die Vollstreckung aus einem Versäumnisurteil zu betreiben, in dem er Personalien des Gesuchten angab und ihn massiv beleidigte, Anwaltsgerichtshof Rostock, Urteil vom 27.11.2015  – 1 AmtsgerichtsH 5/12, https://www.rechtslupe.de/beruf/der-fahndungsaufruffacebook-3119414 (26.4.2020). 580

190

3. Teil: Medien der Internetfahndung 

In der Praxis sind der Verfasserin derartige Fälle nicht bekannt; der (wohl) einzige Fahndungsaufruf älteren Datums auf einer Seite einer Rechtsanwaltskanzlei, der im Internet zu finden ist, betrifft die Suche nach einem vermissten Kind590. Zur Aufklärung des Sachverhaltes und Zeugenermittlung bedienen sich Strafverteidiger nicht selten der Hilfe von Privatdetektiven591.

590

Siehe https://www.ramo.de/fahndungsaufruf/ (26.4.2020). Hierzu Bockemühl, JSt 2010, 59 (62 f.). Zu dem Berufsbild und den Befugnissen eines Privatdetektivs siehe Vahle, Kriminalistik 2019, 156 ff.

591

4. Teil

Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung Die Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung unterscheiden sich nicht von den bereits in der Literatur umfassend behandelten positiven und negativen Effekten der Öffentlichkeitsfahndung (unabhängig von dem konkreten Mittel)1, gleichzeitig zeigen sich dabei neue – positive wie negative – Facetten, die speziell dem Medium Internet immanent sind. Die nachfolgende Darstellung ist daher im Sinne einer Ergänzung der bekannten Problematik konzipiert. Viele Aspekte, vor allem diejenigen, die Rechte der gesuchten Person bzw. Personen aus ihrem Umfeld betreffen, sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Maßnahme im Einzelfall zu berücksichtigen. Zur Ermöglichung einer Betrachtung im Gesamtzusammenhang werden sie bereits an dieser Stelle umfassend dargestellt und damit gewissermaßen vor die Klammer gezogen.

A. Vorzüge I. Effektivität des Mittels Internet 1. Effiziente Strafverfolgung und Gefahrenabwehr Die öffentliche Fahndung über das Internet in allen seinen Erscheinungsformen hat sich in der Praxis über die Jahre als äußerst effektives Mittel erwiesen. Bereits im Zeitalter des Web 1.0 haben Datenschützer die Augen nicht vor der Tatsache verschlossen, dass „mit einer Personenfahndung im Internet die Strafverfolgungsbehörde wesentlich mehr Menschen erreichen [kann], die ggf. zur Aufklärung von Straftaten beitragen können“2. Der rapide Bedeutungsgewinn dieser Methode, ja gewissermaßen die Renaissance ihrer Popularität in der Öffentlichkeit3, ist auf die Nutzung sozialer Netzwerke zurückzuführen. Durch die enge Vernetzung von Polizei und Community, durch Weiterleitungseffekte sowie entsprechende Mitteilungen in der Online-Presse verbreitet sich die Fahndungsinformation, einerlei, ob mit repressivem oder präventivem Charakter, innerhalb kürzester Zeit nach 1

Umfassend hierzu Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 212–231; siehe auch Bredel, S. 135 f. Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, VII. Tätigkeitsbericht, S. 88. 3 2018 wurde von der Polizei Berlin auf ihren Internetseiten 137-mal öffentlich gefahndet (ohne Angabe konkreter Kanäle), siehe (auch zu konkreten Deliktstypen) Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/21083, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 20.9.2019 zum Thema: Öffentlichkeitsfahndung und Antwort vom 2.10.2019, unter Pkt. 1. 2

192

4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

ihrer Veröffentlichung4 in einem Ausmaß, das von klassischen Medien nicht erreicht werden kann. Die Vervielfältigung des „Steckbriefs 2.0“ im Netz stößt so gut wie auf keine Grenzen5. Durch das Teilen bzw. Retweeten der Information in sozialen Netzwerken6 zeigen Nutzer ihr Interesse an der konkreten Meldung und signalisieren den Personen aus ihrer Kontaktliste, dass sie dem Fahndungsaufruf gewisse Bedeutung beimessen7. Der Freundes- bzw. Followerkreis eines Abonnenten oder Fans polizeilicher Beiträge umfasst in der Regel nicht nur Personen, die in der Gegend des Tatgeschehens, sondern auch verstreut im In- und Ausland wohnhaft sind8. Polizeiliche Erfahrungen zeigen, dass gepostete Fahndungsinformationen nicht nur lokal, sondern vielfach überregional gelesen werden – so können auch Personen aus anderen Bundesländern zum Fahndungserfolg beitragen9. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass Behörden ihre Auftritte in sozialen Netzwerken „pflegen“, etwa auf Facebook regelmäßig neue Nachrichten veröffentlichen. Die Aktivität des Fanpage-Betreibers und die Aktualität der Beiträge dienen Facebook dazu, Algorithmen zu berechnen, anhand derer entschieden wird, ob die Nachrichten tatsächlich auf der Pinnwand der Abonnenten erscheinen10. Allein im August 2011 notierte die Polizeidirektion Hannover auf ihrer FacebookFanpage über 2,2 Millionen Besucher, bis zu 150.000 Leser lasen einzelne Posts11. Die Polizeidirektion Hannover stellte im Rahmen ihres Modellprojekts auf Facebook12 bereits einige Monate nach Projektbeginn fest, dass die Möglichkeit, die Posts auf unkomplizierte Art und Weise zu teilen, die Motivation der Facebook-Nutzer erhöht, den Behörden bei der Fahndung zu helfen13. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Polizei nicht nur viele, sondern vor allem sachdienliche Informationen aus der Bevölkerung erhält14. Den Behörden kommt so das

4 Siehe Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (45); dies., Die Polizei 2014, 153 (156). 5 Schiffbauer, NJW 2014, 1052 f. 6 Dies ist in den meisten Fällen auf der Homepage wegen eines Verzichts auf Social-Plugins nicht möglich, anders bei Inhalten auf presseportal.de, siehe unter Pkt. A. I. 2. des 3. Teils. 7 Vgl. auch Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 8 Siehe auch Ihwas, S. 279. 9 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18) mit einem Beispiel eines in Wolfsburg gestohlenen Pkws und einem Hinweis aus Dannenberg. 10 Siehe hierzu Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (147 f.). 11 Diehl, Jörg, Fahndung bei Facebook: Der Polizei gefällt das, Spiegel Online vom 27.10.2011, http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fahndung-bei-facebook-der-polizeigefaellt-das-a-793974.html (26.4.2020). 12 Siehe unter Pkt. D. I. 1. a) des 1. Teils. 13 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). Ähnlich Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 7 f.; Frühwirt / L ange / L ohmeier / Menck / Noack / Zimmermann, Die Polizei 2015, 344 (346). 14 Siehe auch Schiffbauer, NJW 2014, 1053. Zu der Kehrseite der Medaille, also zum gesteigerten Arbeitsaufwand der Behörden bei der Bewertung der Hinweise siehe unter Pkt. B. II. 3. dieses Teils.

A. Vorzüge

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„kollektive Wissen der Bevölkerung“ zugute15. Auch die Reichweite stellt einen relevanten Maßstab für die Beurteilung der Effektivität polizeilicher Arbeit dar16. Wie essentiell es ist, eine ständige Gruppe von zahlreichen Rezipienten der Informationen, also eine Fangemeinde zu haben17, die für die anvisierte Verbreitung der Fahndungsaufrufe sorgt, zeigt das Beispiel der Polizei Berlin, die im Jahre 2016 mit der Plattform Google+ die Erfahrung machen musste, dass trotz des attraktiven Auftritts „wenig los” war und sie aus diesem Grund nicht weiter betrieben wurde18. Darüber hinaus profitieren die Behörden von der technischen Entwicklung wie immer höheren Übertragungsraten und leistungsfähigen, mit vielseitiger Kommunikationssoftware ausgestatteten mobilen Endgeräten, die heute massenhaft verwendet werden. So ist es möglich, Informationen nicht nur (fast) überall19 zu empfangen, sondern sie auch weiter zu verbreiten. Soweit sie keinen besonderen Anlass dazu haben, suchen Internetnutzer meist nicht gezielt nach Fahndungsinformationen auf polizeilichen Homepages20. Gleichwohl können sie über zahlreiche andere Wege auf den Fahndungsaufruf aufmerksam werden: über direkt bezogene polizeiliche Mitteilungen in sozialen Netzwerken, presseportal.de, RSS-Feed, Onlineausgaben von Printmedien, andere Onlineportale und Blogs, Mediatheken von Fernsehsendern sowie ihre Pressemitteilungen, Webseiten von Rundfunk und nicht zuletzt über eigenmächtige private Fahndungsaufrufe. Die Reichweite eines Fahndungsaufrufs soll nach Gerhold je nach der gewählten Plattform variieren und der Verbreitungsgrad sich je nachdem vergrößern, ob die Fahndungsmeldung nur auf der polizeilichen Homepage oder in einem sozialen Netzwerk mit ausgeschalteter bzw. mit freigeschalteter Teilungsfunktion veröffentlicht wurde21. Die größere Reichweite einer Fahndungsinformation in sozialen Netzwerken mit eingeschalteter Kommentarfunktion wurde auch von Polizeibehörden bestätigt22. Die Onlineredaktion der Polizei Berlin stellte der Verfasserin einige nicht repräsentative Daten zu der Anzahl der Aufrufe ausgewählter, auf der Homepage veröffentlichter Fahndungsmitteilungen zur Verfügung. Analysiert wurden Aufrufe aus dem Zeitraum Dezember 2016 / Januar 2017 (Klickanzahl gemessen ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der 15

Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (44); ders., Die Polizei 2014, 153 (156). Siehe auch Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Pracice, S. 18 f. Bereits zu den Anfängen von „XY“ schrieb E. Zimmermann, Das unsichtbare Netz, S. 183 von dem „überdimensionalen lebenden Computer ‚Fernsehgemeinde‘“. 16 Berthel, Die Polizei 2015, 277 (284). 17 Vgl. Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (147). 18 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 19 Zu der Netzabdeckung in Deutschland siehe https://www.telekom.de/start/netzausbau (26.4.2020); https://www.vodafone.de/hilfe/netzabdeckung.html (26.4.2020); https://www. o2online.de/service/netz-verfuegbarkeit / netzabdeckung/ (26.4.2020). 20 So auch Schön, S. 214; siehe auch Rüdiger, in: Frevel / Wendekamm, S. 213 (219). 21 Gerhold, ZIS 2015, 156 (166 f.). 22 Siehe dazu unter Pkt. A. II. 3. b) bb) des 3. Teils.

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

Fahndungsmeldung bis zum 6.2.2017). Die untersuchten Fahndungsaufrufe wurden dabei in vier Kategorien unterteilt, je nach der Plattform, auf der sie veröffentlicht wurden: 1) nur auf der Homepage23; 2) auf Homepage und Facebook24; 3) auf Homepage, Facebook und Twitter25; 4) auf Homepage und Twitter26. Die genannten Meldungen waren auf Raubdelikte beschränkt und enthielten Fotos bzw. Videosequenzen mit gesuchten Tatverdächtigen. Betreffend einzelner Plattformen, die zur Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen eingesetzt wurden, lässt sich die eingangs angeführte Auffassung Gerholds dahingehend bestätigen, dass die Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs in einem einzelnen sozialen Netzwerk die Reichweite der originären Homepage-Mitteilung um ca. 25 % steigert im Vergleich zu einem ausschließlich auf der Homepage veröffentlichten Fahndungsaufruf. Die Platzierung eines Fahndungsaufrufs in beiden genannten sozialen Netzwerken (Facebook und Twitter) ließ in den untersuchten Fällen eine nur um knapp über 10 % größere Klickanzahl auf der Homepage im Vergleich zu der Fahndung „nur“ auf Facebook (beide Aufrufe bezogen sich auf einen vergleichbaren Zeitraum) feststellen. Es lässt sich jedoch nicht eindeutig schlussfolgern, dass eine Verlinkung „nur“ auf Facebook27 (Fahndungsaufruf vom 5.12.2016, bezogen nur auf Dezember 2016) eine größere Reichweite des Aufrufs mit sich bringt als eine Verlinkung „nur“ auf Twitter (Fahndungsaufruf vom 17.1.2017, bezogen nur auf Januar 2017). In den analysierten Fällen war die Anzahl der Klicks auf der Homepage bezogen auf die „Facebook-Aufrufe“ zwar um fast die Hälfte größer, gleichzeitig war die Meldung28 bereits zwölf Tage länger im Netz aufrufbar. Ein anderes der Verfasserin zur Verfügung gestelltes Beispiel der Klickanzahl bezog sich auf einen schnell erledigten Fahndungsaufruf (Angriff auf einen Busfahrer), auf den „nur“ auf Twitter verlinkt wurde29 und legt wegen der hohen Klickanzahl vielmehr die Vermutung nahe, dass eine Veröffentlichung einer Fahndungsinformation nur auf Facebook keine größere Reichweite als eine Veröffentlichung nur auf Twitter generiert. Eine gleichzeitige Verwendung mehrerer Kanäle steigert jedoch die Möglichkeit, dass Behörden sachdienliche Hinweise erhalten.

23 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 29.12.2017, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.546284.php (26.1.2017). Klickanzahl im Dezember 2016: 7.723; im Januar 2017: 5.331; 1.–6.2.2017: 172. 24 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 5.12.2016, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/610720185778756 (26.1.2017); http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/presse​ mitteilung.538029.php (26.1.2017). Klickanzahl im Dezember 2016: 19.022; im Januar 2017: 2.096; 1.–6.2.2017: 143. 25 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 6.12.2016, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.523810.php (23.1.2017); https://www.facebook.com/Polizei​Berlin/​ posts/611091832408258 (23.1.2017); https://twitter.com/polizeiberlin/status/​806064​56767​ 9860736 (31.1.2017). Klickanzahl im Dezember 2016: 20.163; im Januar 2017: 1.881; 1.–6. 2.2017: 151. 26 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 17.1.2017, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.551578.php (26.1.2017); https://twitter.com/polizeiberlin/status/​ 821368078365757440 (29.1.2017). Klickanzahl im Januar 2017: 10.035; 1.–6.2.2017: 317. 27 Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass Internetnutzer von dem konkreten Fahndungsaufruf aus einer anderen Quelle (z. B. Online-Presse) erfahren haben, was sich auf die Klickanzahl ebenso auswirken kann. 28 Sie wurde am 5. Tag des Monats veröffentlicht. 29 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 12.1.2017, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.549564.php (31.1.2017); https://twitter.com/polizeiberlin/status/​ 819519829786984449 (31.1.2017). Klickanzahl im Januar 2017: 16.753.

A. Vorzüge

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Die meisten Hinweise treffen bei den Behörden innerhalb der ersten Stunden bzw. Tagen nach der Veröffentlichung ein, also zu dem Zeitpunkt, wenn die Fahndungsmeldung noch „frisch“ ist30. Je mehr Zeit seit der Veröffentlichung im Internet vergeht, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Tatverdächtige stellt bzw. sich jemand als Hinweisgeber meldet, weil die Information für die Internetnutzer an Aktualität verliert31. Die Aufrufe werden in sozialen Netzwerken in der Regel nur einmal gepostet, im Falle neuer Erkenntnisse können diese jedoch mühelos und zeitnah bekannt gemacht werden32. Die technikoffene Bestimmung der Nr. 1.2 Abs. 2 S. 1 Anl. B RiStBV: „Die Öffentlichkeitsfahndung kann dazu führen, dass Straftaten beschleunigt aufgeklärt werden und der Tatverdächtige bald ergriffen wird.“ passt nahtlos auf die Internetfahndung. Zwar werden von Strafverfolgungsbehörden keine Statistiken geführt, wie viele Fahndungserfolge auf die Hinweise der Internetuser zurückzuführen sind33, gleichwohl werden in sozialen Netzwerken vermehrt Informationen über Fahndungserfolge veröffentlicht – teilweise auch unter Angabe, dass der entscheidende Hinweis von der Community kam. Informationen über Fahndungserfolge sind auch in Medienberichten zu finden34. Ein weiterer Vorteil einer Internetfahndung besteht darin, dass im Fall der Veröffentlichung von Fahndungsbildern die Internetnutzer die abgebildeten Personen nicht nur wiedererkennen, sondern auch auf deren eventuelle Beteiligung an anderen Straftaten hinweisen können35. Es ist wichtig, dass die Polizei ein solches Feed 30

Siehe auch Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Practice, S. 19. Siehe hierzu bereits unter Pkt. A. II. 3. bb) (1) des 3. Teils. 32 So war es im Fall einer Aufklärungsfahndung der Polizei München wegen Mordes nach der Festnahme der tatverdächtigen Pflegehilfskraft im März 2018, wo mehrere Updates der ursprünglichen Nachricht als neue Postings veröffentlicht wurden, siehe https://web. facebook.com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.1073741831.312075995604822/1 372388389573572/?type=3&theater (26.4.2020); https://web.facebook.com/polizeimuenchen/ photos/a.552744488204637.1073741831.312075995604822/1373119729500438/?type=3&the ater (26.4.2020); https://web.facebook.com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.1 073741831.312075995604822/1373793299433081/?type=3&theater (26.4.2020). Siehe auch Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (45); dies, Die Polizei 2014, 153 (156); Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730. 33 Siehe z. B. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/13179 vom 1.6.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 24.5.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit G20, unter Pkt. 14. Auch in Berlin wird eine automatisierte / standardisierte Rückmeldung im Falle eines Fahndungserfolgs nicht praktiziert, siehe Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/21083, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 20.9.2019 zum Thema: Öffentlichkeitsfahndung und Antwort vom 2.10.2019, unter Pkt. 2. 34 So wurden nach fünf Serien von Öffentlichkeitsfahndungen im Internet im Anschluss an die G20-Krawalle 2017 in Hamburg 133 von 400 Beschuldigten identifiziert, o. V., Foto-Suche nach G20-Gewalttätern: Erster Erfolg, ndr.de vom 3.7.2019, https://www.ndr.de/nachrichten/ hamburg/Foto-Suche-nach-G20-Gewalttaetern-Erster-Erfolg,gzwanzig402.html (26.4.2020). 35 So etwa Hinweise der Community zum Fahndungsaufruf der Polizei Berlin vom 13.9.2016, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/568839633300145 (14.9.2016). 31

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

back und Anregungen, etwa konkrete Fahndungsaufrufe auf mehreren Plattformen zu veröffentlichen36, prüft und ggf. zur Verbesserung ihrer Arbeit einsetzt37. Schließlich ist die Internetfahndung ein zeitgemäßes Instrument, das zu einer effizienten Strafverfolgung und Gefahrenabwehr beiträgt und es den Behörden ermöglicht, mit den Straftätern, die sich ebenso moderner Kommunikationstechniken bedienen, gewissermaßen „Schritt zu halten“38. Eine in Deutschland in der Form nicht bekannte Form der Öffentlichkeitsfahndung im Internet wird in den USA praktiziert: So werden von dem US-Justizministerium auf der Internetseite www.namus.gov Datenbanken z. B. mit Daten vermisster Personen / unbekannter Toter betrieben und die Internetnutzer durchforsten das Netz anhand der offiziell veröffentlichten Daten und helfen so bei der Fahndung – sog. User generated search – nicht selten mit Erfolg39.

2. Erreichen angezielter Adressatengruppen Die Verbesserung der Reichweite der Internetfahndung war nicht nur ein Ziel für sich, gleichzeitig war von den Behörden bezweckt, mit der Information, etwa über soziale Netzwerke, sämtliche Altersgruppen anzusprechen40. Wie Irlbauer feststellte, „Einer der Erfolgsfaktoren ist das passgenaue Erreichen der altersmäßi­ gen Zielgruppe.“41 So wurden in sozialen Netzwerken nicht nur – von Anfang an von der Polizei als primäre Zielgruppe anvisierte42 – Jugendliche und junge Er-

36 So regte ein Facebook-User die Polizei Berlin an, eine Fahndungsmeldung auch auf Twitter zu veröffentlichen. Das Social Media Team bedankte sich und veröffentlichte den Hinweis anschließend auf Twitter, Fahndungsmeldung vom 13.1.2017, https://de-de.facebook.​ com/PolizeiBerlin/posts/630117027172405 (20.1.2017); https://twitter.com/polizeiberlin/status/​ 819955481414340609 (26.4.2020). 37 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (28). 38 Vgl. in Bezug auf Fahndung im Fernsehen Weis, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 17 (24). Siehe auch Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (53). 39 Siehe hierzu Hoeren, Kriminalistik 2016, 276 f. 40 Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 24, Tabelle 6; BT-Drs. 18/5778 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 4b; Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766). 41 Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766). 42 Siehe z. B. Kolmey, DRiZ 2013, 242 (243); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (764, 766); Federau, DPolBl 6/2013, 27. Auch im gesamteuropäischen Kontext wurde die Zielgerichtetheit polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken auf junge Bevölkerungsgruppen betont und die Feststellung gemacht, dass sie über „traditionelle Medien“ nicht mehr zu erreichen sind und ihre Informationen primär über soziale Netzwerke beziehen, Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, S. 15. Siehe auch unter Pkt. D (vor I) des 1. Teils.

A. Vorzüge

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wachsene erreicht43, für die klassische Informationskanäle nicht mehr attraktiv zu sein scheinen44; auch ältere Bevölkerungsgruppen, z. B. Personen über 45 Jahren, gehören inzwischen zu den Rezipienten von Fahndungsaufrufen45. Zwar bedient sich die jüngere Generation innerhalb der letzten Jahre immer mehr Instant-Messengers zur Kommunikation, dennoch ist sie in sozialen Netzwerken immer noch zahlreich vertreten46. So wurde das Ziel der direkten Ansprache dieser Zielgruppe erreicht47. Auch Erfahrungen anderer europäischer Länder zeigen, dass Fahndungsersuchen in sozialen Medien eine um ein Vielfaches größere Resonanz haben als in klassischen Medien48. Ein interessanter Aspekt ist dabei, dass die Polizei nach eigenen Angaben damit insbesondere Adressaten anspricht, die entweder selbst Opfer von Straftaten bzw. selbst „einschlägig aktiv“ waren49. Zu der Zielgruppe gehören auch Jugendliche aus einem sozialen Umfeld, in dem – laut Polizei Hannover – „nicht mehr täglich Zeitung gelesen wird“ – auf diese Kreise konzentriert sich oft die Ermittlungsarbeit50. Die bereits an anderer Stelle erwähnte Konstatierung der Polizei Hannover „Kriminalität ist jung, das Facebook-Publikum ist es auch“51 ist dabei in Bezug auf Täter, Geschädigte und andere Zeugen kein leerer Slogan, sondern eine Erkenntnis aus einschlägigen Kriminalstatistiken52. 43

So gehörten 2011 70 % Fans der Fanpage der Polizei Hannover der Altersgruppe unter 35 Jahren an, Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (88). Zu dieser Gruppe gehörten sog. Digital Natives, also Personen, die in der digitalen Ära nach 1980 aufgewachsen und mit digitalen Tools besonders gut vertraut sind, siehe hierzu Prensky, On the Horizon, Band. 9, Nr. 5, Oktober 2001; Palfrey / Gasser, S. 1. Zu dieser Problematik siehe auch Markus, in: Cybercrime, Digital Natives und demografischer Wandel, S. 11 (15 f.) m. w. N. 44 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 2; BT-Drs. 18/5778 vom 17.8.2015, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Jan Korte, Annette Groth, Ulla Jelpke, Dr. Alexander S. Neu, Dr. Petra Sitte, Kathrin Vogler und der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5672), Praxis der Bundespolizei bei der Nutzung des Kurznachrichtendienstes Twitter, unter Pkt. 4b; Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (60); Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (44); dies., Die Polizei 2014, 153 (156); Gerhold, ZIS 2015, 156 (164). 45 Siehe Deutsche Polizei Gewerkschaft, Facebook-Fahndung, https://www.dpolg.de/ueberuns/positionen/facebook-fahndung/ (26.4.2020). 46 Zu den statistischen Werten der Nutzung sozialer Netzwerke siehe Fn. 73 des 3. Teils. 47 Vgl. Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (215). 48 Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, Best Practice, S. 16. Ähnlich, bezogen auf Web 1.0, bereits Seitz, S. 384. 49 Beck, Sebastian, Mit Facebook auf Verbrecherjagd, SZ.de vom 11.8.2011, http://www. sueddeutsche.de/digital/soziale-netzwerke-als-fahndungswerkzeug-mit-facebook-aufverbrecherjagd-1.1130130 (26.4.2020). 50 Diehl, Jörg, Fahndung bei Facebook: Der Polizei gefällt das, Spiegel Online vom 27.10.2011, http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/fahndung-bei-facebook-der-polizeigefaellt-das-a-793974.html (26.4.2020). 51 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). 52 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (17 f.); ähnlich Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (212) m. w. N.

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

3. Entstehung eines Fahndungsdrucks Durch die rasche Verbreitung in sozialen Netzwerken erreichen Fahndungsaufrufe nicht selten auch das Umfeld des gesuchten Tatverdächtigen. Bei einer repressiven Fahndung kann der Tatverdächtige so Kenntnis von der Suche nach ihm erlangen, was für die Entstehung bzw. Erhöhung des Fahndungsdrucks bei ihm und etwaigen Komplizen nicht ohne Einfluss bleibt53. Es wird vertreten, dass diese psychische Pression dazu beitragen kann, die Verdunkelungsgefahr zu mindern, indem der Täter sich behindert fühlt, Beweismittel zu manipulieren oder Tatzeugen zu beeinflussen54. Diese Feststellung wird sich aber in erster Linie auf Fälle beschränken, in denen der Gesuchte nach der Kenntnisnahme der Fahndung unverzüglich die Flucht ergreift. Ein „erfahrener“ Täter dürfte erst recht bemüht sein, seine Beteiligung an der Tat und ihre Umstände zu verdecken. Gesuchte Personen sind sich auch der Tatsache bewusst, dass sie für die Internetgemeinde, insbesondere für Mitglieder sozialer Netzwerke, nicht mehr „anonym“ bleiben und an den öffentlichen Pranger gestellt werden könnten. Bereits im Rahmen des Facebook-Modellprojektes der Polizeidirektion Hannover von März bis August 2011 wurde der Effekt deutlich, der auch in anderen Bundesländern zu verzeichnen ist: Gesuchte Personen melden sich aufgrund der Fahndungsmaßnahme. So haben sich zwei Tatverdächtige gestellt, nachdem sie von der Fahndung Kenntnis erlangt hatten; genauso meldeten sich zwei vermisste Jugendliche55. In einem Fall der Polizei Hagen aus dem Jahr 2017 hat sich der Tatverdächtige zehn Minuten nach der Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs gestellt56. In anderen Fällen meldeten sich Strafverteidiger für ihre gesuchten Mandanten57. Ähnlich wie bei der klassischen (u. U. einmaligen) Fernsehfahndung muss der Gesuchte damit rechnen, dass Behörden binnen kürzester Zeit einen Hinweis zu seiner Identität bzw. seinem Verbleib erhalten; die Wahrscheinlichkeit ist bei der Internetfahndung um ein Vielfaches höher58. 53

Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18); Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (89); DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 2. Zu einem Interview mit einem per Internetfahndung gesuchten Tatverdächtigen siehe Fanarbeit Schweiz, Jahresbericht 2015, S. 25 f. 54 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (177); ders., JR 2002, 137 (140). 55 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18); Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (89). Zu einem Fall in der Schweiz, in dem die Tatverdächtigen die „Androhung“ der Veröffentlichung der Fahndungsfotos von der Staatsanwaltschaft abgewartet und sich nach der Veröffentlichung gestellt haben, Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (52). 56 Polizei Hagen, Meldung vom 30.11.2017, https://www.facebook.com/Polizei.NRW.HA/ photos/a.2157838981931747.1073741830.208563659315946/817120805126892/?type=3&thea ter (26.4.2020). 57 Manche Rechtsanwaltskanzleien veröffentlichen auf ihren Internetvitrinen Verhaltenstipps für gesuchte Personen, also ihre potenziellen Mandanten. 58 Zum Fahndungsdruck bei einem durch Fernsehfahndung Gesuchten Bauer, in: Handbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 256.

A. Vorzüge

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4. Präventive Wirkung Die Internetfahndung kann sich auch präventiv auf potenzielle Straftäter auswirken59. Dabei spielen zum Teil ähnliche Gesichtspunkte wie bei dem bereits erwähnten Fahndungsdruck eine Rolle, also die Befürchtung, im Fall einer Fahndung weltweit60 „abrufbar“ zu sein, auf den Profilen einer potenziell unbegrenzter Anzahl von Personen in sozialen Netzwerken zu erscheinen, in Presseartikeln erwähnt zu werden und auf diese Art und Weise selbst in ihrem sozialen Umfeld stigmatisiert zu werden sowie einen Gesichtsverlust der Angehörigen zu riskieren. Auch das Bewusstsein, dass die Straftat durch die Veröffentlichung tatsächlich zügig aufgeklärt werden und dass es zur Verurteilung kommen kann, spielt bei der Spezialprävention eine Rolle (vgl. Nr. 1.2 Abs. 2 S. 2 Anl. B RiStBV). Die von Fuhr angeführte Feststellung, die Öffentlichkeitsfahndung im Fernsehen stärke beim Bürger die Einsicht: crime doesn’t pay61, kann umso mehr auf die Internetfahndung übertragen werden. Andererseits werden durch virtuelle Fahndungsaufrufe auch potenzielle Opfer von Straftaten mit realen Situationen konfrontiert, gewarnt sowie sensibilisiert, wie sie sich vor Straftaten, etwa vor Trickbetrug bzw. -Diebstahl, schützen können62.

II. Bessere Kommunikation und Vertrauensaufbau im Verhältnis Bürger-Staat Die vielfältigen polizeilichen Online-Aktivitäten im Bereich der Fahndung vereinfachen die Kontaktaufnahme des Bürgers mit der zuständigen Stelle. So kann er den Fahndungsaufrufen entnehmen, wer sein direkter Ansprechpartner ist. Das ermöglicht ihm eine unkompliziertere und persönlichere Kontaktaufnahme, was seine Hemmschwelle gegenüber staatlichen Behörden verringern dürfte63. Der Hinweisgeber kann die Polizei telefonisch (in der App der Polizei Brandenburg auch ­ -Mail über einen Button zum Verbindungsaufbau64) oder auch elektronisch per E bzw. über das auf den Homepages bereitgestellte Hinweisformular erreichen. Die Links zu speziellen, oft über Captcha-Systeme gesicherten Online-Hinweisfor-

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Generell zur Öffentlichkeitsfahndung Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 214. Vgl. Nr. 1.2 Abs. 5 S. 1 Anl. B RiStBV. 61 Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (36); ähnlich Siegmund, in: ebenda, S. 73 (76). 62 Diese Rolle erfüllte im analogen Zeitalter die bis heute ausgestrahlte Fernsehsendung „Vorsicht, Falle!“. 63 Siehe Gerhold, ZIS 2015, 156 (166). 64 Nicht aber über Instant-Messengers wie WhatsApp, was den internen Richtlinien, etwa der Polizei Berlin, widersprechen würde, siehe hierzu Hasselmann, Jörn / Fröhlich, Alexander, U-Bahn-Pöbler in Berlin. Polizist leitete per Twitter illegale Video-Fahndung ein, Der Tagesspiegel vom 27.1.2019, https://www.tagesspiegel.de/berlin/u-bahn-poebler-in-berlin-polizistleitete-per-twitter-illegale-video-fahdung-ein/23915828.html (26.4.2020). 60

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

mularen sind bei einzelnen Fahndungsaufrufen an sichtbarer Stelle platziert65. Die Formulare müssen unter Angabe persönlicher Daten ausgefüllt und können zu beliebiger Zeit übermittelt werden. Sie enthalten eine Rechtsbelehrung sowie eine Datenschutzerklärung66. Hinweise können weiter über Social Media Teams der Polizei übermittelt werden, die sie an die zuständige Stelle weiterleiten bzw. den Informationsgeber mit dieser kontaktieren. Für das Hochladen „grafischer“ Hinweise zur Tat, also in der Regel mit Handys / Smartphones angefertigter Bilder und Videos, wurden von den Polizeibehörden spezielle Online-Plattformen bereitgestellt, wie etwa anlässlich der G20-Krawalle in Hamburg 201767. Andere Polizeien, wie Nordrhein-Westfalen, bieten diese Option aus Gründen der IT-Sicherheit nicht an, die etwaigen Anlagen können aber mit Worten beschrieben und der sachbearbeitenden Stelle zu einem späteren Zeitpunkt zugänglich gemacht werden. Diese vielfältige Palette von Kontaktmöglichkeiten beweist, dass die Polizei in digitalen Medien souverän agieren kann. Ihre Aktivitäten im Netz, insbesondere in sozialen Netzwerken, wirken sich unmittelbar auf die Beziehung zwischen der Behörde und der Bevölkerung aus68. Nicht nur die polizeiliche Präsenz selbst, sondern auch ein bürgernaher Auftritt, direkte Ansprache, Dialogbereitschaft und Kommunikation auf Augenhöhe tragen zu einem guten Image bei69, verbunden mit dem Vertrauensaufbau zu der Behörde70. Diese Aspekte stehen sowohl mit der Wahrscheinlichkeit, dass sich (seriöse) Hinweisgeber tatsächlich melden, als auch mit der regen Weiterverbreitung der Fahndungsaufrufe in einem unmittelbaren Zusammenhang71. So ist zunächst in der Facebook-Community der Polizei Hannover72 ein sympathisches Verhaltensmuster entstanden, das später durch Online-Besucher anderer Dienststellen aufgegriffen wurde73 und inzwischen zum 65

So z. B. in Nordrhein-Westfalen. Z. B. Polizei Brandenburg, Nordrhein-Westfalen. 67 Zu dem Hinweisportal G20 siehe im Einzelnen Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/10148 vom 29.8.2017, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 21.8.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Hinweisportal der Polizei und Datenschutz. 68 Federau, DPolBl 6/2013, 27 (29). 69 Das war auch eines der Ziele der Polizei, Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 24, Tabelle 6. 70 May / Arnd, Kriminalistik 2013, 385 (386); vgl. auch Heyming / Kahr, Kriminalistik 2016, 222; Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18); Kolmey, DRiZ 2013, 242 (245); Denef / Kaptein / Bayerl / Ramirez, S. 24 f.; Berthel, Die Polizei 2015, 277 (278); ders., in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (215). Nach den Ergebnissen der Studie „Trust in Professions 2018“ des GfK Vereins erfreut sich die Polizei des Vertrauens von 84 % der Bevölkerung, siehe GfK Verein, Pressemitteilung vom 21.3.2018, https://www.nim.org/sites/default/files/ medien/359/dokumente/pm_trust_in_professions_2018_dt_0.pdf (26.4.2020). 71 Zu der noch in den 1980er-Jahren unter den Zeugen herrschenden nicht unwesentlichen Reserve, sich zu melden, und ihren Ursachen (u. a. Vertrauensmangel zu den staatlichen Organen) Stümper, AfP 1989, 409 (412). 72 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). 73 Z. B. Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 18.10.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/160058732000276 66

A. Vorzüge

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guten Ton der Fahndungs-Kommunikation in sozialen Netzwerken gehört: Nutzer stellen in dem Kommentarfeld eine Meldung „Geteilt in (Ort)“ ein, wodurch sie auch ihre Hilfsbereitschaft und positive Einstellung zu der Fahndungsmeldung manifestieren74. Nicht selten bedanken sich die Nutzer für die polizeiliche Arbeit und drücken in den Kommentaren ihre Unterstützung aus75. Dieses Engagement der Bevölkerung ist wiederum ein Beweis dafür, dass die früher (zumindest in Teilen der Gesellschaft) zu beobachtende Einstellung, sich bei der Fahndung aus Prinzip nicht zu beteiligen, weil dies zu den Aufgaben der Polizei gehöre, für deren Erfüllung sie bezahlt werde76, eine Kehrtwende erlebt hat77. Aus den Kommentaren lässt sich weiter herauslesen, dass die Internetgemeinde ein positives Empfinden entwickelt, durch nur einen kleinen Klick (das Teilen) bei der Fahndung tatsächlich geholfen zu haben78. Diese Kommentare werden wiederum von anderen Nutzern geliked, was beweist, dass sie ihren Aussagegehalt unterstützen. Häufig appelliert die Community selbst um Beibehaltung einer sachlichen Diskussion bzw. reagiert sogar unwirsch auf unsachliche Kommentare. So vermitteln nicht nur die Polizei, wenn sie um Teilen der Posts bittet, sondern auch die Nutzer selbst untereinander positive Verhaltensmuster. Dadurch, dass sich die Polizei für die Hinweise bedankt, betont sie die Tragweite des bürgerlichen Engagements und ermutigt / animiert die Nutzer zugleich zur weiteren Mithilfe. Als gewisse „Gegenleistung“ wird von den Nutzern eine Information über Fahndungserfolge erwartet79, die dann tatsächlich seitens der Behörden erfolgt. Auch über neue Erkenntnisse im Fall wird informiert, soweit dies den weiteren Ermittlungserfolg nicht gefährdet. Die Resonanz auf einzelne Beiträge durch zahlreiche Kommentare, Likes und Teilungen / Retweets ist das beste Beispiel für eine gelungene Interaktion mit der Bevölkerung und eine

9/?type=3&theater (5.1.2018); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 17.4.2019, https://www. facebook.com/PolizeiBerlin/posts/1096714527179317?__tn__=-R&_rdc=1&_rdr (26.4.2020). 74 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). 75 Ein Post eines Nutzers der Fanpage der Polizei Hannover vom 4.7.2012, zitiert nach Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18): „Es ist nicht nur der Fahndungserfolg, der diese Aktion so erfolgreich macht. Es ist auch das Miteinbeziehen eines großen Teils der Gesellschaft und die sich daraus ergebende Bürgernähe der Polizei, die in den zurückliegenden Jahren leider zu sehr gelitten hat. … Ich denke, es ist eine gute Sache, dem kleinen Bürger jeden Tag zu zeigen, wie wichtig er und sein Beitrag bei der Unterstützung der Polizei ist, damit die Gesellschaft mit ihren Regeln auch nachhaltig funktioniert. Allein schon für diesen mutigen Schritt der Polizei, dieses Medium zu nutzen und zu zeigen, dass das Wort Bürgernähe nicht eben nur ein Wort, sondern ein Konzept ist, sollte belohnt werden mit dem Erfolg, der sich bereits schon eingestellt hat. Weiter so. Ich werde weiterhin fleißig teilen und wünsche mir weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei auf dieser Plattform.“ 76 Vgl. Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (384). 77 Siehe auch Huber, S. 69. 78 Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18). Gegen diese Erkenntnis spricht nicht, dass manche Personen, nach Melzl, Kriminalistik 2012, 51 sogar die Mehrzahl der Besucher, die Fahndungsnachrichten vor allem aus Sensationslust lesen. 79 Siehe Huber, S. 69. Kritisch zu den „Erfolgsmeldungen“ in Bezug auf Fahndungssendungen Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (63).

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

positive Einstellung der Bürger gegenüber den Behörden80. Zum Vertrauensaufbau trägt im Übrigen eine engagierte und souveräne Moderation der Kommentierungen, auch unter Zulassung konstruktiver Kritik sowie Aufklärung über die Konsequenzen von „Privatfahndungen“ bei – so wird verdeutlicht, dass die Polizei als staatliches Organ ihre gesetzliche Aufgabe ernst nimmt und wahrnimmt81. Als Zeichen der Anerkennung polizeilicher Aktivitäten auf Twitter wurden die Social Media Teams der Polizei Berlin und München mit dem Preis „Blogger des Jahres 2016“ ausgezeichnet82.

III. Mediale Unabhängigkeit Seit Beginn des Einsatzes des Internets zu Fahndungszwecken wird betont, dass dieses Kommunikationsmedium, nicht zuletzt soziale Netzwerke, den Polizeibehörden die Möglichkeit eröffnet, Fahndungsinformationen unabhängig von klassischen Massenmedien zu veröffentlichen und nach eigener Erfassung der Sachlage zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt, mit welchem Inhalt und in welcher Form diese publik gemacht werden83. So können auch neue Erkenntnisse zeitnah und schnell der Bevölkerung mitgeteilt werden84. Es ist gleichzeitig nicht ausgeschlossen, dass die Presse, für die manche öffentliche Fahndungen uninteressant85 sind oder etwa das Abdrucken eines Zeugenaufrufs wegen einer schlechten Bildqualität ablehnt, auf den ein oder anderen Fall aufgrund polizeilicher Bekanntmachung doch noch aufmerksam wird86. Die mediale Autonomie ist auch deshalb von Bedeutung, weil, wie bereits erwähnt, Presseorgane nicht ver 80

Vgl. auch Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (141). Insofern wurden die von Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (19) zukunftsorientiert genannten Postulate auch in der Praxis umgesetzt. 82 BM, Twitter-Team der Berliner Polizei bekommt Auszeichnung, Berliner Morgenpost vom 30.1.2017, https://www.morgenpost.de/berlin/article209450473/Twitter-Team-der-BerlinerPolizei-bekommt-Auszeichnung.html (26.4.2020). 83 Bär, CR 1997, 422 (427); Puglisi / Bauernschmidt / Wittke, Die Polizei 2012, 13 (18); Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (89); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766); Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (44); dies., Die Polizei 2014, 153 (156); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146); Heymig / Kahr, Kriminalistik 2016, 222 (224); Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (214 ff.), der diese Faktoren mit Deutungshoheit (allgemein bezogen) gleichsetzt; ders., Die Polizei 2015, 277 (285); Ingolf Mager, Direktor des LKA Mecklenburg-Vorpommern, zitiert nach Berthel, Die Polizei 2015, 277 (278). 84 Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730; Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (44); dies., Die Polizei 2014, 153 (156). 85 Siehe Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (307), der das Allgemeininteresse (in Bezug auf Fahndungssendungen) sogar für einen schweren Raub mit Notzucht aufgrund der hohen Anzahl solcher Fälle verneint. 86 Zu den einzelnen Kriterien für die Übernahme polizeilicher Presseberichte durch die Presse siehe Schramm, Kriminalistik 2014, 657 (662 f.); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (144 f.). 81

A. Vorzüge

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pflichtet sind, polizeiliche Nachrichten zu publizieren87. Eine besondere Rolle kann insbesondere den Twitter-Auftritten zukommen, bei denen die Polizei ihren medialen Kurs vorzeichnet und die von den Medienvertretern besonders aufmerksam verfolgt werden88. Dasselbe gilt auch für die Plattform presseportal.de, die Pressemitteilungen der Polizei, auch Fahndungsaufrufe, publiziert, die man auch über einen E-Mail-Verteiler beziehen kann. So kann sich die Polizei, selbstverständlich unter einer sachlich richtigen Darstellung der Sachverhalte, auf ihre Deutungshoheit, die mit der Verlässlichkeit der Informationen zusammenhängt, berufen89. In Bezug auf soziale Netzwerke wird sehr geschätzt, dass Nachrichten, darunter Fahndungsinformationen, durch Behörden selbst, auf direktem Wege und „ungefiltert“ an die Rezipienten gelangen90. Der höchste Grad der Unabhängigkeit beim Generieren von Nachrichten ist das bereits erwähnte Betreiben eigener Community-Policing-Accounts auf Twitter einzelner Polizeibeamten in Großbritannien und den Niederlanden91 sowie erste Versuche dieser Art in Deutschland92. Eine überprüfte und sichere Information aus erster Hand beugt der Gerüchte- oder Spekulatonsbildung vor93, die in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung besonders gefährlich sein und zu Selbstjustizaufrufen führen kann. In diesem Zusammenhang ist eine unverzügliche Veröffentlichung von Dementis von Bedeutung, in denen eine unrichtige Berichterstattung korrigiert werden94 und auf nicht autorisierte, fehlerhaft wiedergegebene95 oder erfundene Fahndungsaufrufe hingewiesen werden kann96.

87

Siehe unter Pkt. B des 3. Teils. Dazu unter Pkt. A. II. 2. b) des 3. Teils. 89 Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter III, S. 207 (214); Steinkemper, Der Kriminalist 7–8/2017, 18 (23); siehe auch Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146). 90 Schmitt, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 37 (49 f.); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (143). 91 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (63); Broekman / de Vries / Huis in’t Veld / Mente / Kerstolt, in: Bayerl / Karlović / A khgar / Markarian, S.  167 f. 92 Rüdiger / Bayerl, Der Kriminalist 1–2/2017, 4 (9). 93 Hirschmann / Bayerl / Boden, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 55 (60). 94 Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146). 95 Wittke / Kellner / Koc, in: Holzhausen, in: Polizei im digitalen Zeitalter II, S. 33 (89); siehe auch (krisenbezogen) Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 133 (146). 96 Z. B. im Zusammenhang mit einer von der Bild-Zeitung gestarteten Internetfahndung nach einem Mann, der Polizeibeamte mit Böllern beworfen haben soll, was sich als unzutreffend erwies. Hierzu Tweet der Polizei Hamburg vom 8.7.2017: „WICHTIG! Der gezeigte Mann ist NICHT tatverdächtig! Bitte Internet-Fahndung nach ihm beenden!“, zitiert nach Schwarz, Karolin, Faktencheck: Die Hilfssheriffs von Hamburg, Correctiv vom 10.7.2017, https://correctiv.org/faktencheck/2017/07/10/die-hilfssheriffs-von-hamburg (26.4.2020); dazu auch Krempl, Stefan, G20-Krawalle: Linke und Polizei beklagen „Online-Hetzjagd“ wegen privater Internet-Fahndung, Heise Online vom 10.7.2017, https://www.heise.de/newsticker/ meldung/G20-Krawalle-Linke-und-Polizei-beklagen-Online-Hetzjagd-wegen-privaterInternet-Fahndung-3768185.html (26.4.2020). 88

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

B. Gefahren Wie Wollweber den Gedanken aus der Caroline-Rechtsprechung triftig paraphrasierte, „büßt [der öffentlich Gesuchte] die Freiheit ein, über sein Erscheinungsund Lebensbild in der Öffentlichkeit eigenverantwortlich zu entscheiden“97. Dennoch wäre es zu eng, nur auf die von der Internetfahndung ausgehende Gefahren für die gesuchte Person, zuvörderst für den Tatverdächtigen und seine Umgebung hinzuweisen; Risiken ergeben sich auch für gesuchte Zeugen bzw. präventiv gesuchte Personen, für Strafverfolgungsbehörden sowie für die Gesellschaft als solche. Auch wenn die von der klassischen Internetfahndung im Web 1.0 resultierenden Gefahren und solche in sozialen Netzwerken gleich geartet sind, besteht ein gravierender Unterschied hinsichtlich der Reichweite der Information und damit hinsichtlich der Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen98.

I. Gefahr für die gesuchte Person 1. (Mutmaßlicher) Straftäter a) Virtuelle und reale Brandmarkung aa) Problemumriss Die vielfach in der Literatur99, aber auch in der Rechtsprechung100 betonte Gefahr der Internetfahndung, sowohl derjenigen in Web 1.0 als auch – insbesondere – in sozialen Netzwerken‚ ist die Brandmarkung des gesuchten Tatverdächtigen101, verstanden in beiden Sprachbedeutungen dieses Wortes sowohl als Stigmatisierung,

97

Wollweber, K&R 1998, 144 (145). Zu dem Recht des Beschuldigten auf Selbstdarstellung im Ermittlungsverfahren als einer der Erscheinungsformen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfassend Mansdörfer, ZStW 123 (2011), 570 ff. 98 Gerhold, ZIS 2015, 156 (166). 99 Für viele Valerius, S. 43; Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 22 ff.; Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (17 f.); Ihwas, S. 281; Wollweber, K&R 1998, 144 (145). Siehe auch (allgemein auf Öffentlichkeitsfahndung bezogen) S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 9; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 6; für den präventiven Bereich Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264). Zur Rechtslage vor StVÄG 1999 siehe Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 221 f.; speziell in Bezug auf Fahndung im Fernsehen Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (13). Allgemein zur Prangerwirkung im Internet Beukelmann, NJW-Spezial 2011, 504; zum Cybermobbing in sozialen Netzwerken Brand, Kriminalistik 2015, 687 ff. 100 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50) (dort in Bezug auf den Zeugen); OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (881) (dort in Bezug auf Fahndung zur Gefahrenabwehr); LG Frankfurt am Main, AfP 2018, 72 (75) (eigenmächtige Pressefahndung). 101 Die Gefahr besteht auch für einen flüchtigen Verurteilten.

B. Gefahren

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Auferlegen eines virtuellen „Brandzeichens“102 als auch als Stellen des Gesuchten an den virtuellen Pranger und seine Bloßstellung103. Auf dieses Risiko machte bereits der Rechtsausschuss im Rahmen der legislatorischen Arbeiten an dem StVÄG 1999 aufmerksam, wenn auch nicht konkret bezogen auf die Internetfahndung, sondern auf die Öffentlichkeitsfahndung allgemein104. Beiden Bedeutungen der Brandmarkung ist gemein, dass sie eine öffentliche Bloßstellung sowie Schädigung der Reputation des Gesuchten zum Gegenstand haben. Die Reputation eines Menschen ist ein wertvolles immaterielles Gut, sie stellt sein soziales Kapital in der Gesellschaft dar, das mit dem Respekt und der Vertrauenswürdigkeit einer Person einhergeht105. Für das Ausmaß des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, mit dem das Risiko einer Brandmarkung einhergeht, ist der Verbreitungsgrad der Fahndungsinformation maßgeblich, dem im Internet praktisch keine Grenzen gesetzt sind106. Dabei geht es insbesondere um den durch den Fahndungsaufruf geschaffenen Zusammenhang zwischen der gesuchten, womöglich abgebildeten Person und der beschriebenen Straftat107. In diesem Zusammenhang kommt der bis zur Verurteilung geltenden Unschuldsvermutung108 und dem Recht auf Ehre des Betroffenen109 besondere Bedeutung zu, nicht zuletzt deshalb, weil die Öffentlichkeitsfahndung eine gesetzlich festgelegte Ausnahme zu dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens statuiert110. Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung unterscheidet nicht zwischen dem Tatverdacht bzw. der Funktion des Ermittlungsverfahrens und der (rechtskräftigen) Verurteilung und stellt die Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs einer bereits bewiesenen Tat gleich111. 102

Siehe auch Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 22; Frühwirt / L ange / L ohmeier / ​Menck / Noack / Zimmermann, Die Polizei 2015, 344 (349). 103 Wobei, wie Beukelmann, NJW-Spezial 2011, 504 anmerkte, soll der Pranger „heutzutage angeblich die Öffentlichkeit informieren“, was als ein Feigenblatt verstanden werden kann. Zu dem historischen Kontext des Prangers als Ehrenstrafe im Einzelnen Fröhling, S. 31 ff. 104 BT-Drs. 14/2595, S. 27. Auch das BVerfG sah in einer identifizierenden Medienberichterstattung über einen Strafprozess das Risiko einer Prangerwirkung, BVerfGE 119, 309 (323); NJW 2009, 350 (351). Bezogen auf § 131 StGB a. F. bereits Hahn, Erste Abtheilung, S. 118: Geschützt werden soll „der Ruf des möglicherweise schuldlosen Beschuldigten gegen übereilte Bekanntmachungen in öffentlichen Blättern“. 105 Siehe hierzu Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 22 m. w. N. 106 Valerius, S. 51. 107 Valerius, S. 43; LG Berlin, Beschluss vom 17.12.2008, 501 Qs 208/08, BeckRS 2009, 06741. 108 In Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung als eine verfahrenssichernde Maßnahme schrieb Westphal, S. 22 f. von „einer negativen Absicherung der Unschuldsvermutung“; Ostendorf, GA 1980, 445 (452) bereits in Bezug auf massenmediale Fahndung sogar von dem Risiko der „Aushöhlung des Prinzips der Unschuldsvermutung“. 109 Bereits KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 2. Siehe auch Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (17). 110 Siehe hierzu bereits Kauder, StV 1987, 413; Ostendorf, GA 1980, 445 (453). 111 Vgl. Eisele, JZ 2014, 932 (939); Baumhöfener, K&R 2015, 225 (229); Ostendorf / ​Frahm / ​ Doege, NStZ 2012, 529 (530). Siehe auch Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (54) in Bezug auf die Fernsehfahndung. Zu einer möglichen öffentlichen Vorverurteilung bei einer staatsanwaltschaftlichen Pressemitteilung über ein laufendes Ermittlungsverfahren Schnoor / Giesen / Addicks, NStZ 2016, 256.

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Daran ändern die richtige Bezeichnung in den Fahndungsaufrufen und Hinweise auf die Unschuldsvermutung und auf einen noch nicht erhärteten Tatverdacht nichts112. So entscheidet über Schuld und Sühne des Gesuchten, die Unschuldsvermutung völlig missachtend, bereits ein virtueller Spruchkörper im Rahmen einer „Quasi-Jurisdiktion“113. Der Beschuldigte kann damit nicht nur zum „Spielball der Massenmedien“ werden114, sondern auch eines großen Teils der Bevölkerung. Diese Vorverurteilung kann sich u. U. auf die Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten im Strafprozess negativ auswirken115. bb) Intensität und Plattformen Die Erscheinungsformen einer Brandmarkung im Internet sind vielfältig und unterschiedlich intensiv. Der Effekt einer „dauerhaften ‚Stigmatisierung‘ im Gedächtnis der Zuschauer“116 erfolgt bereits im Moment der Veröffentlichung eines sachlichen, auf die Tataufklärung fokussierten und nicht auf Effekthascherei bedachten Fahndungsaufrufs im Internet. Er tritt konkludent als Reflex auch in dem (von den Strafverfolgungsbehörden ja bezweckten) Teilen bzw. Re­tweeten der Fahndungsmeldung in sozialen Netzwerken auf. Die Brandmarkung reicht von diffamierenden Kommentaren, in denen der Gesuchte nicht selten verbal regelrecht „gesteinigt“ wird117, über ein (unberechtigtes) Veröffentlichen von Abbildungen bzw. Personalien des Gesuchten im Rahmen einer unbefugten Pressefahndung bzw. sonstigen Privatfahndungen bis hin zu Aufrufen zur Lynchjustiz118 und einer „Hetzjagd“, wie in dem bekannten Emdener Fall aus dem Jahr 2012, in dem Personalien und Anschrift des Tatverdächtigen, der sich später als unschuldig erwies, bekannt gegeben wurden119. Die Hasstiraden können sich auf unterschiedlichste Delikte beziehen, wie z. B. Vergewaltigung120 oder Tierquäle­ 112

Vgl. zu der Unschuldsvermutung Soiné, Kriminalistik 1997, 565 (567). Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (17). Zur „faktischen Vorverurteilung“ durch Namensnennung auch Ostendorf, GA 1980, 445 (456). 114 Kauder, StV 1987, 413, BT-Drs. 10/4608, S. 153 paraphrasierend. 115 L-R / Gleß, § 131 Rn. 22. 116 Wollweber, K&R 1998, 144 (145). 117 Dieses Phänomen ist nicht nur bei den Öffentlichkeitsfahndungen zu beobachten, sondern auch auf anderen Internetseiten, die eine Kommentierungsfunktion enthalten sowie bei Bewertungsportalen, siehe Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (17). Das Gleiche gilt auch für soziale Netzwerke generell sowie sog. Beleidigungsportale bzw. -foren, zu den Letzteren siehe am Rande BGH, NJW 2018, 2324. 118 Bereits in Bezug auf Fahndungssendungen Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (467). Siehe auch Gerhold, ZIS 2015, 156 (173). 119 Zu dem Fall siehe Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 ff.; Ströbel, S. 146 ff.; hierzu auch Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053); Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 148 f. 120 Z. B. Beitrag mit veröffentlichten Fahndungsbildern eines wegen Vergewaltigung gesuchten Tatverdächtigen Daniels, Johannes, Polizei hatte mit Fahndungsbildern und Videos gesucht. Berlin: Serien-Vergewaltiger stellt sich „freiwillig“ – Bewährung?, Pi-news.net vom 5.3.2018, http://www.pi-news.net/2018/03/berlin-serien-vergewaltiger-stellt-sich-freiwillig 113

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rei121. Insbesondere in Facebook-Gruppen mit Tausenden von Mitgliedern werden Selbstjustizaktionen in Verbindung mit privaten Fahndungsaktivitäten betrieben, mit Veröffentlichung von Bildern im Paparazzi-Stil, Nennung von Kfz-Kennzeichen sowie Aufenthaltsorten der vermeintlich Tatverdächtigen122. In bestimmten Fällen bleibt es nicht „nur“ bei schriftlich geäußerten Hassparolen – manche wollen ihre Aggressivität tatsächlich auf dem Rücken des Tatverdächtigen ausleben, wie im bereits erwähnten Fall aus Emden, wo eine Gruppe von ca. 50 Personen vor der Polizeiwache die „Herausgabe“ des damaligen Tatverdächtigen verlangte123. In dem Fall des Berliner U-Bahn-Treters aus dem Jahr 2016 wurde Selbstjustiz an dem Verurteilten von den Mitinsassen in einer JVA verübt124. So wird der (mutmaßliche) Täter selbst zum Opfer. Es darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Anprangerung durch die weltweite Abrufbarkeit der Beiträge ein globaler Charakter zukommt125 und sie dadurch intensiviert wird. Im Zeitalter von „alternativen Fakten“ und Fakenews126 erscheint es auch nicht ausgeschlossen, dass die ursprüngliche polizeiliche Information von den Internetnutzern noch „verschönert“ wird und der Tatverdächtige von ihnen mit weiteren Taten in Verbindung gebracht wird. Eine weitere Erscheinungsform der Brandmarkung kann darin liegen, dass das Profil des Tatverdächtigen in sozialen Netzwerken, etwa Facebook, Twitter oder Instagram, von der Community entdeckt und er dann (falls er etwa in seinen Facebook-Einstellungen Kommentierungen von Personen außerhalb seines Bekanntenkreises zulässt) grob diffamiert wird – auch bzw. vor allem von ihm unbekannten Personen. Es ist auch möglich, die Person mit Beiträgen, etwa in der Kommentarfunktion, zu verlinken127. Diffamierende Hass-Videos können auch auf YouTube hochgeladen werden128. Für die Intensität der öffentlichen Anprangerung spielt auch der Zeitfaktor eine Rolle. In der Regel ist das öffentliche Interesse an einem konkreten Fall vorüber­ bewaehrung/ (26.4.2020). Nach den Angaben auf der Seite zum Zeitpunkt des Aufrufs wurde sie über ein Social-Plugin auf Facebook 265-mal geteilt. 121 Siehe Beigang, Thomas / L anger, Sebastian, Hass-Kommentare. Aufrufe zur Selbstjustiz auf Facebook sind strafbar, Nordkurier vom 29.1.2018, https://www.nordkurier.de/digital/ aufrufe-zur-selbstjustiz-auf-facebook-sind-strafbar-2931100701.html (26.4.2020). 122 Zu einem solchen Fall Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (15) m. w. N. 123 Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (530). 124 O. V., Berliner U-Bahn-Treter in JVA von Mithäftlingen schwer verprügelt, Stern vom 22.12.2017, https://www.stern.de/panorama/stern-crime/berliner-u-bahn-treter-in-jva-vonmithaeftlingen-schwer-verpruegelt-7797790.html (26.4.2020). 125 Ihwas, S. 281; siehe auch DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 4; Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 123. 126 Zu den Bemühungen gegen Desinformation in der EU sowie in Deutschland mit einem Vorschlag einer Ergänzung von § 130 StGB (Desinformation, die darauf zielt, den öffent­lichen Frieden zu stören) sowie Ergänzung von § 108a StGB bzw. Schaffung eines neuen § 108f StGB (Verbreitung falscher Tatsachen, die geeignet sind, den Wählerwillen zu beeinflussen) MafiGudarzi, ZRP 2019, 65 (66 ff.). 127 Gerhold, ZIS 2015, 156 (173). 128 Vgl. Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (14).

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gehender Natur. Dieses Phänomen ist durch die große Anzahl sowie die bereits erwähnte Kurzlebigkeit der Posts in sozialen Netzwerken bedingt. Autoren diffamierender Kommentare betrachten diese oft als eine abgeschlossene Sache und wenden sich anderen „Opfern“ zu. Die Behörden sind sich derartiger Gefahren bewusst. Nr. 3.2 Abs. 1 S. 3 VwV-L sieht vor, dass in Fällen, in denen aufgrund der Fahndung in besonderem Maß die Gefahr diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe besteht, die Erforderlichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet besonders sorgfältig zu prüfen ist. Des Weiteren lässt sich im Internet nicht ausschließen, dass die Bevölkerung von einem Fall, in dem keine offizielle Online-Fahndung läuft, aus anderen Quellen, z. B. Fernsehen bzw. Druckpresse erfährt und im Netz kommentiert bzw. die Informationen eigenmächtig weiterverbreitet129. Auch Nr. 1.2 Abs. 3 S. 1, 2 Anl. B RiStBV macht darauf aufmerksam, dass die Namensnennung des Tatverdächtigen im Zusammenhang mit einem Ermittlungsverfahren in einem Fahndungsaufruf, insbesondere im Internet, die Gefahr einer erheblichen Rufschädigung mit sich bringt. „Eine Bloßstellung oder Schädigung des Täters oder bloß Tatverdächtigen muß aber nicht nur in deren Interesse, sondern auch im Interesse der Strafrechtspflege möglichst vermieden werden.“130, wie das OLG Hamm in seinem Urteil zur Fahndung in den Medien feststellte. Diese Kompromittierung entsteht nicht nur bei einer Bekanntgabe der Personalien, sondern bereits bei der Veröffentlichung der Abbildung des Gesuchten131, selbst wenn die Mehrheit der Internetnutzer keine ihnen persönlich bekannte Person mit dem Foto assoziiert. Bezogen auf offizielle behördliche Auftritte in sozialen Netzwerken lässt sich der Brandmarkungseffekt insoweit vermindern, dass rechtswidrige und besonders diffamierende Kommentare von den Betreibern entfernt bzw. die von den Nutzern zugedichteten Einzelheiten abgestritten werden. Sollten beleidigende Äußerungen oder Hetzkommentare, die auf polizeilichen Auftritten veröffentlicht wurden, später gelöscht werden, so ist wegen der Reichweite der Ruf der Betroffenen bereits in Mitleidenschaft gezogen, weil die Community von dem Beitrag bereits Kenntnis genommen haben könnte132. Das Gleiche gilt, wenn diffamierende Kommentare geliked werden, was zur Intensivierung der beleidigenden Aussage führt, da die Likenden ihren Inhalt nicht nur gutgeheißen, sondern ihn sich auch zu eigen machen133. Die Entstehung einer öffentlichen Brandmarkung setzt nicht voraus, dass die betroffene Person von ihr Kenntnis nimmt. Die Rufschädigung kann sich auch zeitverschoben auswirken, ohne dass der ehemalig Gesuchte von dem wahren Grund 129 Das Gleiche gilt auch für die Presse, die unbefugt in Online-Ausgaben die für Print-Ausgaben bestimmte Fahndungsinformationen veröffentlicht, siehe unter Pkt. B. I. des 3. Teils. 130 OLG Hamm, NStZ 1993, 139. 131 Siehe auch L-R / Gleß, § 131 Rn. 22. 132 Vgl. Abschlussbericht Projektgruppe Neue Medien, S. 14. 133 Siehe unter Pkt. A. II. 3. b) bb) (2) des 3.  Teils.

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der sozialen Ablehnung erfährt, etwa wenn er nach einer Bewerbung trotz entsprechender Qualifikation für den erwünschten Arbeitsplatz nicht eingestellt wird. Zur Entstehung der Brandmarkung tragen auch die – relative – Anonymität im Netz sowie die Überzeugung bei, für virtuelle Äußerungen keine Konsequenzen tragen und auf innere Barrieren nicht achten zu müssen. Diese Einstellung wurde triftig von Berthel beschrieben: „Ich verurteile anonym andere in der Öffentlichkeit, ohne dass ich Gefahr laufe, selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden“134. So wird auch das staatliche Gewaltmonopol, konkret Strafmonopol durch die Selbstjustiz sowie Aufforderung zu derselben mit Füßen getreten135. Leider hat sich in Bezug auf das Medium Internet die Feststellung von Geerds nicht bewahrheitet, dass die Zeiten, als ein Steckbrief Lynchaufrufe nach sich zog, vorbei seien136. Selbst wenn die öffentliche Anprangerung infolge einer Öffentlichkeitsfahndung bei einer Verurteilung im Rahmen der Strafzumessung als ein sonstiger Grund außerhalb des Katalogs des § 46 Abs. 2 S. 2 StGB berücksichtigt werden sollte137, handelt es sich dabei, wie es Roxin bezeichnet, nur um einen „Trostpflaster für den verurteilten Schuldigen“138. cc) Jugendliche Die Brandmarkung durch die Internetfahndung kann sich besonders belastend auf als Tatverdächtige gesuchte Jugendliche auswirken, insbesondere in ihrer sozialen Umgebung (etwa Schule)139 bzw. im Hinblick auf ihr künftiges Berufsleben sowie auf ihre geistige Entwicklung. Nicht wenig tragen hierzu Medienberichte bei, in denen die gesuchte Person plakativ, zugespitzt bzw. abwertend bezeichnet wird. Eine gewisse Berühmtheit gewann die anprangernde Bezeichnung einer gesuchten,

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Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (18). Siehe Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (530 f.); Berthel, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 5 (14 f.). 136 Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (53 f.). Insofern sei aber an die älteren Vorwürfe gegenüber Fahndungssendungen erinnert, es handle sich dabei um eine „Menschenjagd“. 137 In diese Richtung auch Ihwas, S. 281. Zur Strafmilderung bei Veröffentlichung eines Videofilmes mit Aufzeichnung eines Fahrraddiebstahls auf YouTube im Rahmen einer Privatfahndung sowie in der Presse, Fernsehen und anderen sozialen Netzwerken AG Erfurt, Urteil vom 30.11.2010 – 180 Js 26290/10 50 Ds, juris sowie Anm. Seidl, jurisPR-ITR 13/2011 Anm. 4. Für die Berücksichtigung einer stigmatisierenden, traumatisierenden vorverurteilenden medialen Berichterstattung bei der Strafzumessung auch Knauer, GA 2009, 541 (550); Wohlers, StV 2005, 186 (191); Schönke / Schröder / Kinzig, § 46 Rn. 55; BGH, NJW 1990, 194 (195); NStZ-RR 2008, 343 (344); Beschluss vom 30.3.2011 – 4 StR 42/11, BeckRS 2011, 9437 Rn. 24; dagegen Roxin, NStZ 1991, 153 (154). 138 Roxin, NStZ 1991, 153 (154). 139 In manchen Kreisen kann die Veröffentlichung einer Abbildung allerdings als „heldenhaft“ gelten. 135

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wie es sich herausstellte, 17-jährigen Hamburgerin als „Krawall-Barbie“140 durch die Bild-Zeitung im Zusammenhang mit der ersten Serie der Öffentlichkeitsfahndung nach G20-Tatverdächtigen im Jahr 2017. Diese Art der Darstellung wurde nicht nur von anderen Pressehäusern141, sondern auch durch Strafverfolgungsbehörden selbst öffentlich kritisiert und den Herausgebern ein unverantwortlicher Umgang mit der Öffentlichkeitsfahndung vorgeworfen142. Der Presserat beurteilte die Bezeichnung als noch „presseethisch akzeptabel“143. Die Seite der Bild-Zeitung mit dem Foto ist bis heute im Netz zu finden144. dd) Soziales Umfeld Des Weiteren herrscht Einigkeit, dass die Stigmatisierung nicht nur den Tatverdächtigen trifft, sondern auch sein soziales Umfeld, insbesondere die Angehörigen in Mitleidenschaft gezogen werden können145. Als Beispiele hierzu sind die Gleichstellung mit dem Täter im Bekanntenkreis und Arbeitsumfeld oder Ausgrenzung der Kinder in der Schule zu nennen146. Auf diese Gefahren macht auch Nr. 1.2 Abs. 3 S. 4 Anl. B RiStBV aufmerksam.

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Diese Bezeichnung hat sich inzwischen von dem ursprünglichen Kontext (zumindest teilweise) losgelöst, im Netz sind etwa T-Shirts mit der Aufschrift „Krawall-Barbie“ zu finden, https://www.shirtee.com/de/krawallig/ (26.4.2020). 141 Die Kritik richtete sich auch generell gegen öffentliche Fahndung nach Minderjährigen, z. B. Hahn, Thomas, Die Methode Barbie, SZ.de vom 21.12.2017, https://www.sueddeutsche. de/politik/oeffentlichkeitsfahndung-die-methode-barbie-1.3801309 (26.4.2020). 142 Siemens, Ansgar, G20-Ermittlungen. „Ein Polizist, der Gewalt anwendet, macht sich nicht automatisch strafbar“, Spiegel Online vom 22.1.2018, https://www.spiegel.de/panorama/ justiz/g20-in-hamburg-generalstaatsanwalt-gegen-politische-einflussnahme-a-1188518.html (26.4.2020). Ähnlich Justizsenator Till Steffen, siehe Becker, Alexander, „Methode Barbie“: Polizei verteidigt öffentliche G20-Fahndung auch nach Minderjährigen, Meedia.de vom 22.12.2017, https://meedia.de/2017/12/22/methode-barbie-polizei-rechtfertigt-oeffentlicheg20-g20-fahndung-auch-nach-minderjaehrigen/ (26.4.2020). 143 https://www.presserat.de/fileadmin/user_upload/PM/Pressemitteilung_DPR_Beschwerde​ ausschuesse_Maerz2018.pdf (28.4.2019). 144 Z. B. o. V., „Ihr kommt nicht davon“: Bild druckt Fotos von mutmaßlichen G20-Straftätern und befeuert Pranger-Debatte, Meedia.de vom 19.12.2017, https://meedia.de/2017/12/19/ ihr-kommt-nicht-davon-bild-druckt-fotos-von-mutmasslichen-g20-straftaetern-und-befeuertpranger-debatte/ (26.4.2020). Das unverpixelte Foto (u. a.) der Beschuldigten ist auch bei Fengler, Denis, G-20-Gewalt. Der anonyme Mob kann sie nicht schützen, Welt.de vom 18.12.2017, https://www.welt.de/politik/deutschland/article171722710/G-20-Gewalt-Hamburgs-Polizeistartet-groesste-Oeffentlichkeitsfahndung-ihrer-Geschichte.html (26.4.2020) veröffentlicht. 145 Siehe z. B. Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (54); Stümper, AfP 1989, 409 (411). 146 Mende, S. 62; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 221.

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ee) Unschuldige Vielfach wird betont, dass es dem Gesuchten oft auch bei einem Freispruch nicht möglich ist, den entstandenen Ansehensverlust durch die bereits erfolgte gesellschaftliche Vorverurteilung zu kompensieren147. So kann er bei einem Teil seiner Mitmenschen auf Dauer mit der ihm vorgeworfenen Straftat assoziiert werden148 und seine Rehabilitierung in den Augen der Öffentlichkeit zumindest schwierig sein149. Eine falsche Verdächtigung eines Unschuldigen150 kann eine Traumatisierung und „Einbußen in der sozialen Stellung“ zur Folge haben151. Auch wenn sich der Tatverdacht gegenüber dem Gesuchten nicht erhärtet, das Verfahren eingestellt wird und die Polizei die Person öffentlich, etwa im Rahmen einer Pressekonferenz, als unschuldig darstellt152, lässt sich fast sprichwörtlich sagen: Reu und guter Rat sind unnütz nach der Tat. Zur Schadensbegrenzung wäre ggf. an mehrfach zu wiederholende Dementis auf sämtlichen Plattformen, auf denen der Aufruf veröffentlicht wurde, zu denken; es wurde auch vorgeschlagen, im Falle eines Freispruchs das Urteil der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen153. Ein anderer Aspekt im Zusammenhang mit der Brandmarkung Unschuldiger als Straftäter im Rahmen einer Internetfahndung ist die Gefahr einer Personenverwechslung. So kann es dazu kommen, dass der Name des Gesuchten falsch geschrieben, der Name verwechselt oder nicht das richtige Foto154 veröffentlicht 147 Ihwas, S. 280; Baumhöfener, K&R 2015, 225 (229), L-R / Gleß, § 131 Rn. 22; vgl. auch BVerfG, NJW 2009, 350 (352). Siehe auch L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 33. 148 Vgl. BVerfG, NJW 2009, 350 (352). 149 Valerius, S. 43; Baumhöfener, K&R 2015, 225 (229). Zur „virtuellen Tätowierung“ Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 123. 150 Siehe bereits Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (467). 151 Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31). Ein Beispiel dafür ist etwa der Fall, in dem die Bild-Zeitung ein Foto eines Mannes veröffentlichte, der angeblich einem Polizisten einen Böller ins Gesicht geworfen haben soll; dieses Foto wurde auch auf privaten Profilen in sozialen Netzwerken weiterverbreitet, die wiederum tausendfach geteilt wurden. Die Polizei veröffentlichte hierzu ein Dementi auf zahlreichen Kanälen. Zu dem Fall siehe Schwarz, Karolin, Faktencheck: Die Hilfssheriffs von Hamburg, Correctiv vom 10.7.2017, https://correctiv.org/ faktencheck/2017/07/10/die-hilfssheriffs-von-hamburg (26.4.2020); Krempl, Stefan, G20Krawalle: Linke und Polizei beklagen „Online-Hetzjagd“ wegen privater Internet-Fahndung, Heise Online vom 10.7.2017, https://www.heise.de/newsticker/meldung/G20-Krawalle-Linkeund-Polizei-beklagen-Online-Hetzjagd-wegen-privater-Internet-Fahndung-3768185.html (26.4.2020). 152 So geschah es im Fall eines polizeilichen Internetforums, siehe OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262. 153 Wollweber, K&R 1998, 144 (146 f.). 154 Z. B. ein Fall, in dem ein vom Geschädigten auf Facebook aufgefundenes Foto von den Behörden als Fahndungsbild verwendet und so nach einer unschuldigen Person gefahndet wurde, Koch, Michael, Fahndung in Hagen fußt auf eingereichtem Facebook-Bild, Westfalenpost vom 6.8.2016, https://www.wp.de/staedte/hagen/fahndung-in-hagen-fusst-auf-eingereichtemfacebook-bild-id12071695.html (26.4.2020). Zu einem Aufruf mit einem falschen Fahndungsfoto, das der Polizei von einer Bank übermittelt wurde, siehe auch Maas, Wolfgang, PolizeiPanne. Unschuldig auf der Fahndungsliste, Westfälische Rundschau vom 11.10.2011, https://

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wird155. Ein anderes Beispiel betrifft die Veröffentlichung eines subjektiven Por­ träts der gesuchten Person, das anhand eines existenten Fotos einer anderen Person gefertigt wird. So fertigte die Polizeiinspektion Stade in Niedersachsen 2017 nach einem Raubdelikt in Buxtehude ein subjektives Porträt des Beschuldigten anhand eines Fotos des Rappers Bushido an156, was sie später selber bestätigte157. Sollte es dagegen zu Verwechslungen wegen allgemeiner Angaben im Fahndungsaufruf kommen, stellt eine Bloßstellung ein allgemeines Lebensrisiko dar158; das Gleiche müsste für eine Verwechslung aufgrund physiognomer Ähnlichkeit gelten159. b) „Das Internet vergisst nichts“ und eventuelle Gegenmaßnahmen aa) Problemumriss Die Kehrseite der Effektivität der Strafverfolgung ist jedoch eine „sinkende Kontrollierbarkeit“ der Internetfahndung160. Der Grund dafür liegt in der praktisch uneingeschränkten Möglichkeit, Fahndungsinhalte zu kopieren und weiterzuverbreiten, selbst wenn die originäre polizeiliche Meldung nach der Fahndungserledigung von der Behörde zwischenzeitlich gelöscht wurde161. Dieses Problem betrifft gleichermaßen klassische Webseiten wie soziale Netzwerke162. Die von www.wr.de/staedte/dortmund/unschuldig-auf-der-fahndungsliste-id5148935.html (26.4.2020). Zu einem ähnlichen Fall aus der Schweiz siehe Walt, Daniel, Falsches Fahndungsfoto gezeigt, Tagblatt vom 30.9.2015, http://www.tagblatt.ch/ostschweiz/rheintal/Falsches-Fahndungsfotogezeigt;art169,4373897 (26.4.2020). Zu einer Fahndung nach einem Kontobetrüger in Dänemark mit einem falschen Foto im Internet sowie in der Lokalzeitung siehe o. V., Unschuldiger Familienvater mit den Nerven am Ende, Mdr.de, Brisant vom 20.10.2017, https://www.mdr.de/ brisant/grossangelegte-suche-mit-falschem-fahndungsfoto-100.html (23.3.2018). 155 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 4. In Bezug auf Fahndungssendungen siehe Weis, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 17 (24). 156 Polizeiinspektion Stade, Fahndungsaufruf vom 29.3.2017, http://www.presseportal.de/ blaulicht/pm/59461/3598810 (18.4.2017). 157 O. V., Streit über Phantombild. Bushido erstattet Anzeige gegen Polizei, Spiegel Online vom 18.4.2017, http://www.spiegel.de/panorama/leute/bushido-zeigt-wegen-phantombildpolizei-an-a-1143683.html (26.4.2020). 158 Valerius, S. 44. 159 Sogar Rudi Cerne, Moderator von „Aktenzeichen XY … ungelöst“, wurde wegen Ähnlichkeit mit dem Terroristen Christian Klar aufgrund eines Hinweises aus der Bevölkerung festgenommen. Dazu Freitag, Jan, 500mal „Aktenzeichen XY“: Rudi Cerne. „Ich selbst bin da ein gebranntes Kind“, Der Tagesspiegel vom 11.10.2015, https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/ medien/500mal-aktenzeichen-xy-rudi-cerne-ich-selbst-bin-da-ein-gebranntes-kind/12434238. html (26.4.2020). 160 So auch Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053); Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766); Baumhöfener, K&R 2015, 625 (627). 161 Siehe hierzu bereits Berliner Datenschutzbeauftragter, Jahresbericht 1998, Pkt. 3.4 S. 53 f.; Pätzel, DRiZ 2001, 24 (31); Seitz, Strafverfolgungsmaßnahmen im Internet, S. 385; Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (766); Baumhöfener, K&R 2015, 625 (627). 162 Hawellek / Heinemeyer, ZD-Aktuell 2012, 02730.

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vielen Autoren in diesem Zusammenhang angeführte, fast schon formelhaft lautende Warnung, dass „das Internet nichts ‚vergisst‘“163, ist tatsächlich ernst zu nehmen164. Das Problembewusstsein ist aber auch bei den Behörden geschärft: „Im Internet wird mit Tinte, nicht mit Bleistift geschrieben.“165 Beispiele dafür, dass das Internet nichts vergisst, sind vielfältig. Ein Problem in diesem Zusammenhang betrifft die Arbeitsweise der Suchmaschinen, über die die Fahndungsseiten aufgerufen werden können166. Inhalte von Websites werden durch Suchmaschinen im sog. Cache gespeichert, so dass sie nach deren Entfernen noch aufrufbar sind167. Ähnlich gehen sog. Webarchive vor. So existiert z. B. eine archivierte Kopie der originalen polizeilichen Homepage der Polizei Hamburg mit der ersten Serie der Fahndungsaufrufe zu G20-Ausschreitungen vom Dezember 2017 im Netz168. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg gab in diesem Zusammenhang zu, dass es zurzeit nicht möglich sei, die Praktiken der Webarchive zu unterbinden169. Im Internet sind auch zahlreiche Presseberichte170 mit mittlerweile erledigten Fahndungsaufrufen auffindbar171, etwa derjenige im Zusammenhang 163

Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053); Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 123. 164 Dagegen Roggenkamp, K&R 2013, I: „Werden personenbezogene Informationen nach Fahndungsbeendigung vom Netz genommen (und zuvor gegen Suchmaschinenzugriffe geschützt), ist kein nennenswerter Herrschaftsverlust zu befürchten.“ Siehe auch Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31) ohne nähere Nachweise. 165 DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 12. 166 DigiPol, Die sächsische Polizei im digitalen Zeitalter, S. 12. 167 Siehe z. B. https://support.google.com/websearch/answer/1687222?hl=de (26.4.2020); Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20. 168 https://web.archive.org/web/20171218154415/https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/​ 9921634/04-pluenderungen-a,page-4/ (26.4.2020). 169 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Pkt. 4. 170 Das Problem betrifft in der Regel nicht klassische Printmedien und Rundfunk, weil die Inhalte üblicherweise nicht gesammelt bzw. aufgezeichnet werden, siehe Seitz, S. 385. 171 Gleichzeitig sei an dieser Stelle auch auf das von anderen Redaktionen praktizierte Vorgehen hingewiesen, die ursprünglich veröffentlichten Fahndungsbilder nach dem Fahndungserfolg unkenntlich zu machen und so das Recht am eigenen Bild des Betroffenen zu wahren, z. B. Winterbauer, Stefan, Nach Fahndungserfolg: WDR verpixelt das Foto des Tatverdächtigen im Kindermordfall von Herne wegen Persönlichkeitsrechten, Meedia.de vom 10.3.2017, https://meedia.de/2017/03/10/nach-fahndungserfolg-wdr-verpixelt-das-foto-des-tat ​ ver​ daechtigen-im-kindermordfall-von-herne-wegen-persoenlichkeitsrechten/ (26.4.2020); o. V., Angriff in Neukölln. Polizei fahndet nach mutmaßlichem Messer-Stecher, Berliner Zeitung vom 18.1.2018, https://www.berliner-zeitung.de/berlin/polizei/angriff-in-neukoelln-polizeifahndet-nach-mutmasslichem-messer-stecher-29513792 (16.4.2019); o. V., Parfüme und Aftershave geklaut. Polizei sucht mit Fahndungsbild nach Dieb, Mitteldeutsche Zeitung vom 18.2.2019, https://www.mz-web.de/halle-saale/parfueme-und-aftershave-geklaut-polizeisucht-​m it-fahndungsbild-nach-dieb-32056374 (26.4.2020). So wurde der Apell Schiffbauers,

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

mit der G20-Fahndung172 oder mit dem mehrfach erwähnten Berliner U-Bahn-Treter173. Dieses Problem betrifft auch Meldungen auf Privataccounts auf Twitter174 sowie Facebook175, aber auch nicht-autorisierte Pressefahndungsmitteilungen176. Dieses Phänomen beschränkt sich keinesfalls nur auf repressive Fahndung: So ist ein Aufruf auf der Online-Vitrine der lokalen Presse nach einer Vermissten aus Leipzig von 2016, die später tot aufgefunden wurde, noch mehrere Jahre nach der Fahndungserledigung, über die auf der polizeilichen Homepage informiert wurde, zu finden177. Nicht nur die Presse sowie Privatfahnder vernachlässigen ihre Pflicht

die Löschung der Fahndungsinformationen sei nicht nur das Anliegen des Staates, sondern auch der Bürger, in der Praxis umgesetzt, Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1058). Nach einem schnellen Fahndungserfolg einer Fahndung nach einer 15-Jährigen wegen eines Tötungsdeliktes wurde ihr Gesicht in den Presseberichten verpixelt, gleichzeitig waren in dem Bericht ihre Personalien noch angegeben, o. V., Fahndung nach Tötungsdelikt an einem Kleinkind, Kukon.net vom 7.11.2019, https://kukon.net/detmold/139620-fahndung-nachtoetungsdelikt-an-einem-kleinkind/ (7.11.2019). Ein anderes Presseorgan nannte den Vornamen der Beschuldigten in der Internetadresse. Die Fotos des Mädchens wurden trotz des Löschens bzw. Verpixelns durch einzelne Medienhäuser gleichwohl in den Suchergebnissen von Google angezeigt (Suchbegriffe: Polizei, Detmold, Öffentlichkeitsfahndung). 172 Siehe dazu Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Vorbemerkung. Die in der Kleinen Anfrage als Beispiel angeführte Internetseite https://welt.de/politik/deutschland/ article171722710/G-20-Gewalt-Hamburgs-Polizei-startet-groesste-Oeffentlichkeitsfahndungihrer-Geschichte.html war am 26.4.2020 noch im Netz zu finden. 173 Die Bild-Zeitung hat sogar – anders als andere Verlage – seinen vollen Namen publik gemacht. 174 Siehe dazu Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Vorbemerkung. Der dort als Beispiel angeführte Tweet ist nicht mehr abrufbar, weil das Konto des Nutzers von Twitter blockiert wurde. 175 Z. B. durch eine Facebook-Nutzerin (Post vom 20.12.2017) geteilter Beitrag über die erste Person, die sich im Rahmen der G20-Öffentlichkeitsfahndung im Dezember 2017 gestellt hat, https://www.facebook.com/bine.spineakle/posts/10155708650346335 (26.4.2020) https://www.vice.com/de/article/kzn8de/der-erste-gestandige-aus-der-g20-grossfahndung-istoffenbar-ein-rechter?utm_campaign=sharebutton&fbclid=IwAR1GXTpoilTQXSXMEsreZan​ RCmZ1tJSg6r_OrZ2TN1PKCqfxNMCcD87YHjE (26.4.2020), in der Vorschau sind Abbildungen des früher Gesuchten zu sehen. 176 Z. B. Arndt, Markus / Knoop, Thomas / Röthemeier, Thomas, Überwachungskamera auf der Reeperbahn. Er schießt einem Türsteher in den Fuß, Bild vom 7.1.2015, https://www. bild.​de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/hier-feuert-der-kiez-schuetze-39223866.bild.html (26.4.2020). 177 O. V., Suizidgefährdete 36-Jährige aus Leipzig-Grünau noch immer vermisst, Leipziger Volkszeitung vom 25.5.2016, http://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/ Suizidgefaehrdete-36-Jaehrige-aus-Leipzig-Gruenau-noch-immer-vermisst (26.4.2020). Hierzu Polizei Sachsen, Pressemitteilung vom 13.9.2016, https://www.polizei.sachsen.de/de/ MI_2016_44837.htm (10.12.2016).

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zur Löschung der Fahndungsinformation nach Erledigung, auf die ausdrücklich von der Polizei im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit hingewiesen wird178; auch die Behörden haben vereinzelt versehentlich in Vergessenheit geratene derartige „Karteileichen“ zu verzeichnen. Im Netz sind nicht nur noch alte, beinahe 20 Jahre alte presseportal-Aufrufe179, sondern auch erledigte Aufrufe, in denen sich der Gesuchte etwa gestellt hat, auf polizeilichen Homepages zu finden180. Bezogen auf die polizeiliche Praxis in sozialen Netzwerken, in ihren Posts auf die Originalmeldung auf die Homepage zu verlinken, lässt sich die Gefahr, dass die Informationen und Fotos dennoch in sozialen Netzwerken auftauchen, nicht ausschließen, die Link-Lösung trägt jedoch zur Schadensbegrenzung bei. Auch rechtsverletzende Kommentare auf nicht-polizeilichen Seiten bleiben dauerhaft im Netz, sowohl in sozialen Netzwerken als auch außerhalb (z. B. auf den Online-Auftritten von der Presse), u. U. auch unter der Angabe von Personalien des Gesuchten, die nach der Beendigung der Fahndung ebenfalls einsehbar sind181. bb) Recht auf Vergessenwerden Die Rechtsentwicklung der letzten Jahre lässt betroffene Personen gegenüber derartigen Praktiken nicht ganz wehrlos. 2014 begründete der EuGH in dem Google Spain-Urteil das sog. Recht auf Vergessenwerden, also auf die (nachträgliche)  Löschung der Suchergebnisse durch Suchmaschinen. Dieses Recht steht Personen zu, deren Rechte durch Veröffentlichung personenbezogener Daten im Netz verletzt wurden, auch in Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung öffentliches Interesse an der konkreten Information bestand182. 2018 konkretisierte der BGH, dass den Betreibern von Suchmaschinen keine sog. proaktive Prüfungspflicht obliegt, ob von Suchprogrammen erfasste Inhalte rechtsmäßig ins Internet gelangt sind183. Gleichwohl sind sie zur Löschung der Suchergebnisse verpflichtet, 178

Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Pkt. 4; BKA, Mitteilung vom 9.10.2017, https://www. facebook.com/bundeskriminalamt.bka/photos/a.705185479523634/1662803963761776/?​ type=3&theater (26.4.2020). 179 Fahndungsaufruf vom 14.10.2000, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/8/103460 (26.4.2020); Fahndungsaufruf vom 25.7.2005, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/​49​ 70/705461 (26.4.2020). 180 Siehe Fahndungsaufruf vom 14.3.2016 mit Foto und Angabe des Namens des Tatverdächtigen, https://www.polizei.bremerhaven.de/pm-leser/fahndung-nach-versuchtem-toetungsdelikt. html (26.4.2020). 181 Vgl. Gerhold, ZIS 2015, 156 (166). 182 EuGH, NJW 2014, 2257, Ls. 4. Siehe hierzu Nolte, NJW 2014, 2238 (2241 f.), der betroffenen Personen nahelegt, „sich möglichst eng an die Vorgaben und die Terminologie“ des EuGH zu halten und ihr Ersuchen sorgfältig zu dokumentieren. 183 BGH, NJW 2018, 2324 (2327).

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wenn sie durch einen konkreten Hinweis Kenntnis von einer „offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung“ erhalten184. Diese Feststellung zu treffen kann sich in der Praxis als äußerst schwierig erweisen, weil Suchmaschinenbetreiber nicht selten über juristisch komplexe Fälle nur anhand des Vortrags des Ersuchenden und unscharfer Kriterien („offensichtlich“, „auf den ersten Blick klar erkennbar“) entscheiden müssen185. Die für Portalbetreiber geltende „Im-Zweifel-Löschen-Lösung“ (sog. notice-and-take-down-Verfahren) lässt sich nach dieser Rechtsprechung auf Google und Co. nicht übertragen186. Die aufgrund einer Internetfahndung stigmatisierten Personen müssen selbst gegen Suchmaschinenbetreiber vorgehen, sollte ihnen daran gelegen sein, dass die sie betreffenden Informationen nicht mehr in den Suchergebnissen erscheinen. Nach dem sog. Transparenzbericht von Google sind bei dem Unternehmen vom 29.5.2014 bis zum 12.4.2020 insgesamt 913.393 Ersuchen um Entfernung aus den Suchergebnissen von 3.588.212 Seiten eingegangen187. Dort sind u. a. Angaben zu den Entfernungsraten von Websites aus den Suchergebnissen enthalten, für Deutschland in der Kategorie „Kriminalität“ im Zeitraum 1.1.2016 bis 1.1.2020 schwanken sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten erheblich zwischen 35 % und 88 %188. Eines der in dem Bericht angeführten Beispiele zu erfolgreichen Ersuchen aus Deutschland zur Entfernung von Suchergebnissen betraf einen Mann, der beschuldigt wurde, einen Mord an seiner Frau begangen zu haben (undatiert)189. Auch das BVerfG hat in einer aktuellen Entscheidung aus 2019 das Recht auf Vergessenwerden anerkannt und entschieden, dass im konkreten Fall Online-Pressearchive verpflichtet sein können, Schutzvorkehrungen gegen die „namensbezogene Auffindbarkeit alter Berichte bei besonderem Schutzbedarf“ zu treffen190. Der Kampf gegen eine nicht selten „tausendköpfige Hydra“ ist jedoch für betroffene Personen zeitaufwendig, garantiert keinen Erfolg und kann sie zusätzlich erheblich emotional belasten, weil sie auf sich selbst gestellt sind und sich mit sie verletzenden Inhalten erneut kon-

184 BGH, NJW 2018, 2324 (2328). Siehe auch OLG Hamburg, Urteil vom 10.7.2018 – 7 U 125/14, BeckRS 2018, 21565. 185 Gounalakis / Muer, NJW 2018, 2299 (2301). 186 BGH, NJW 2018, 2324 (2328). Aber ganz im Sinne der Zweifelslösung in Fällen von Berichten über das Privatleben nach einem gewissen Zeitablauf der beratende Beirat bei Google, dem auch die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger angehörte, NJW-aktuell 46/2014, 12. 187 Siehe https://transparencyreport.google.com/eu-privacy/overwiev?submitter_types=​ ­country:DE;excludePrivateIndividuals:&m=privacy_requests&site_types= (26.4.2020). 188 https://transparencyreport.google.com/eu-privacy/overview?submitter_types=country:​ DE;excludePrivateIndividuals:&m=privacy_requests&site_types=&content_types_over_time​ =country:DE&lu=content_types_over_time (26.4.2020). 189 Siehe zu dem Ganzen https://transparencyreport.google.com/eu-privacy/overview?sub​ mitter_types=country:DE;excludePrivateIndividuals:&m=privacy_requests&site_types=​ &content_types_over_time=country:DE&lu=privacy_requests&privacy_requests=country: DE;year:;decision:;p:2 (26.4.2020). 190 BVerfGE 152, 152 (209 f.) – Recht auf Vergessen I.

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frontiert sehen. Die (mindestens teilweise) Wiedererlangung des guten Rufs kann sich somit als mühsam erweisen191. cc) Netzwerkdurchsetzungsgesetz Ein anderer Weg in dem Kampf des Betroffenen um die Zurückgewinnung seiner Reputation ist die 2017 durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, NetzDG vom 1.9.2017)192 geschaffene Möglichkeit, bei sozialen Netzwerken eine Löschung193, also Entfernung bzw. Sperrung, d. h. die Nichtverfügbarkeit eines rechtswidrigen Inhalts innerhalb Deutschlands194 zu beantragen. Ziel des Gesetzes war es, der Hasskriminalität und anderen strafbaren Inhalten in sozialen Netzwerken einen Riegel vorzuschieben und eine effektive Löschung derartiger Beiträge zu gewährleisten195. Anbieter sozialer Netzwerke mit mehr als zwei Millionen registrieren Nutzern196 sind nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 NetzDG verpflichtet, einen „offensichtlich rechtswidrigen Inhalt“, der u. a. gegen §§ 111, 126, 185 bis 187 StGB verstößt197, innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde des Betroffenen zu entfernen bzw. zu sperren; nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 NetzDG „jeden rechtswidrigen Inhalt“ unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde. Sollte das soziale Netzwerk keine Abhilfe schaffen, können Nutzer eine Beschwerde bei dem Bundesamt für Justiz einlegen, das u. U. gegen das soziale Netzwerk ein Bußgeld verhängen kann198. Es wurde moniert, dass die letzt 191 Das Gleiche dürfte gelten, wenn die betroffene Person direkt gegen einzelne Seitenbetreiber mit dem Ziel der Löschung rechtswidriger Inhalte vorgeht. 192 BGBl. I Nr. 61 vom 7.9.2017. Das Gesetz war bereits vor seinem Inkrafttreten umstritten. Es wurde als „verfassungswidriger Schnellschuss“ bezeichnet, Kalscheuer / Hornung, NVwZ 2017, 1721. Zu den Änderungsvorschlägen, u. a. der Einführung eines sog. Put-back-Verfahrens, also Wiederherstellung zu Unrecht gelöschter bzw. gesperrter Inhalte sowie Festschreibung einer nutzerfreundlichen Meldung bei den sozialen Netzwerken, Peukert, MMR 2018, 572 ff.; Löber / Roßnagel, MMR 2019, 71 (75). 193 In dem Glawischnig-Piesczek-Urteil vom 3.10.2019 entschied der EuGH, dass Facebook verpflichtet werden kann, nicht nur Äußerungen, die einen wortgleichen Inhalt wie rechtswidrige (etwa diffamierende) Äußerungen haben, sondern auch sinngleiche Kommentierungen weltweit zu entfernen, unabhängig davon, wer ihr Verfasser war, NJW 2019, 3287 (3289 f., Rn. 53, 37, 46, 49 f.). 194 Siehe https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/NetzDG/Fragen/ FAQ_​node.html (26.4.2020) unter Pkt. 9. 195 BT-Drs. 18/12356, S. 1 f. 196 Betroffen sind in erster Linie Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube. Nach § 2 Abs. 1 NetzDG sind sie verpflichtet, im Fall eines Eingangs von mehr als 100 Beschwerden über rechtswidrige Inhalte halbjährlich einen Bericht über den Umgang mit Beschwerden zu erstellen. 197 Siehe im Einzelnen § 1 Abs. 3 NetzDG. 198 Siehe https://www.bundesjustizamt.de/DE/Themen/Buergerdienste/NetzDG/NetzDG_ node.html (26.4.2020).

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genannte Möglichkeit unter den Nutzern teilweise unbekannt geblieben ist199. Des Weiteren wurde die nicht transparente Verortung des Meldeformulars bei Facebook kritisch betrachtet200, was den gesetzlichen Anforderungen der „leichten Erkennbarkeit“ und „unmittelbaren Erreichbarkeit“ widerspreche201. Die Bundesregierung plant, soziale Netzwerke zu verpflichten, rechtswidrige Inhalte202 sowie die IP-Adressen von Personen, die Hasskommentare abgeben, an das BKA zu melden203. Nach einem weiteren Gesetzesentwurf der Bundesregierung sollen soziale Netzwerke verpflichtet werden, das Meldeverfahren nutzerfreundlich, also leicht bedienbar und erkennbar zu gestalten204 und ein sog. Gegenvorstellungsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen sie dem Nutzer, dessen Post gelöscht

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Löber / Roßnagel, MMR 2019, 71 (74). Anders bei Twitter und YouTube, bei denen die Meldemöglichkeit direkt neben dem jeweiligen Post platziert ist. 201 Löber / Roßnagel, MMR 2019, 71 (72); siehe auch Hoppenstedt, Max, Ein Jahr mit NetzDG. Warum das Gesetz gegen Hass und Hetze nur wenig bewirkt, Spiegel Online vom 31.1.2019, https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/netzdg-neue-zahlen-von-facebook-you​ tube-twitter-a-1250875.html (26.4.2020). Dies könnte auch der Grund sein, weshalb bei Facebook etwa in der ersten Jahreshälfte 2018 nur 886 Beschwerden mit 1.704 Inhalten und in der zweiten Hälfte 2018 500 Beschwerden mit 1.048 Inhalten eingegangen sind, wohingegen die Zahl der gemeldeten Inhalte bei YouTube 214.827 (2018/1) und 250.957 (2018/2) und bei Twitter 264.818 (2018/1) und 256.462 (2018/2) erreichte, https://fbnewsroomus.files. wordpress.com/2018/07/facebook_netzdg_juli_2018_deutsch-1.pdf (26.4.2020); https://aboutfb-preprod.go-vip.net/de/wp-content/uploads/sites/4/2019/01/facebook_netzdg_januar_2019_ deutsch52-1.pdf (26.4.2020); https://storage.googleapis.com/transparencyreport/legal/netzdg/ YT-NetzDG-TR-Bundesanzeiger-2018-06.pdf (26.4.2020); http://storage.googleapis.com/ transparencyreport/legal/netzdg/YT-NetzDG-TR-Bundesanzeiger-2018-12.pdf (26.4.2020); https://cdn.cms-twdigitalassets.com/content/dam/transparency-twitter/data/download-netzdgreport/netzdg-jan-jun-2018.pdf (26.4.2020); https://cdn.cms-twdigitalassets.com/content/dam/ transparency-twitter/data/download-netzdg-report/netzdg-jul-dec-2018.pdf (26.4.2020). Das BfJ warf Facebook bzgl. der Angaben von der ersten Jahreshälfte 2018 vor, unvollständige Angaben über die tatsächliche Anzahl der Beschwerden (nicht berücksichtigt worden seien Beschwerden über den sog. Flagging-Meldeweg) veröffentlicht zu haben und dass das NetzDGFormular „zu versteckt“ sei und verhängte im Juli 2019 ein Bußgeld von zwei Millionen Euro, siehe BfJ, Pressemitteilung vom 3.7.2019, https://www.bundesjustizamt.de/DE/Presse/ Archiv/2019/20190702.html (26.4.2020). Facebook legte gegen die Entscheidung Einspruch ein, o. V., Zwei Millionen Euro Strafe. Facebook legt Einspruch gegen NetzDG-Bußgeld ein, zdf heute vom 19.7.2019, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/zwei-millionen-euro-strafefacebook-legt-einspruch-gegen-netzdg-bussgeld-ein-100.html (26.4.2020). 202 BT-Drs. 19/17741, S. 12. Nach § 3a Abs. 2 NetzDG sollen davon Delikte nach §§ 86, 86a, 89a, 91, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 241 (Bedrohung mit einem Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit), 184b i. V. m. 184d StGB umfasst sein. Ausgeklammert werden sollen Beleidigungsdelikte, § 189 und § 201a StGB, bei denen es „dem Betroffenen beziehungsweise den Angehörigen obliegen soll zu entscheiden, ob eine Strafverfolgung stattfinden soll oder nicht“, BT-Drs. 19/17741, S. 40. 203 § 3a Abs. 4 Nr. 2 NetzDG, BT-Drs. 19/17741, S. 12. 204 § 3 Abs. 1 S. 2 NetzDG, BT-Drs. 19/18792, S. 7, 17.  200

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wurde bzw. dem Nutzer, auf dessen Beschwerde ein als rechtswidrig gemeldeter Post beibehalten wurde, ihre Entscheidung begründen müssen205. c) Erschwerte Resozialisierung Das in § 2 StVollzG festgeschriebene Vollzugsziel besteht darin, dafür Sorge zu tragen, dass der Gefangene fähig sein wird, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Nach allgemeiner Ansicht kann sich die Brandmarkung durch Internetfahndung negativ auf die spätere Resozialisierung des Gesuchten, also seine gesellschaftliche Wiedereingliederung206, auswirken207. Auch Nr. 1.2 Abs. 3 S. 3 Anl. B RiStBV sieht vor, dass die spätere Resozialisierung des Täters durch unnötige Publizität seines Falles schon vor der Verhandlung erschwert werden kann. Eine ähnlich gelagerte Gefahr wurde im Zusammenhang mit der Fahndung im Fernsehen, insbesondere Fahndungssendungen208 sowie in Bezug auf die beabsichtigte Berichterstattung im Zusammenhang mit der Freilassung eines Verurteilten nach dem Verbüßen der Freiheitsstrafe209 diskutiert. Der Grund für die ggf. erschwerte, möglicherweise sogar zum Scheitern verurteilte210 Resozialisierung liegt dabei in der Breitenwirkung der Fahndungsaufrufe im Internet211, zum anderen auch in den kursierenden Fahndungs-„Klonen“ von Privatpersonen und Presse nach Beendigung der offiziellen Internetfahndung sowie in den damit verbundenen öffentlichen Diffamierungen. Dies setzt voraus, dass der früher Gesuchte bzw. sein soziales Umfeld von den Fahndungsaufrufen Kenntnis erlangt. Sollte er seine Strafe bereits verbüßt haben, kann eine dauerhafte Konfrontation mit früheren Straftaten und die damit verbundene gesellschaftliche Ablehnung (etwa bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche auch bei einem Umzug, Einstieg in neue Bekanntschaften bzw. Beziehungen) ihn wieder in kriminelle Bahnen ziehen212. 205

§ 3b NetzDG, BT-Drs. 19/18792, S. 8, 18, 46 f. Zu dem Begriff im Einzelnen siehe etwa AK-StVollzG / Feest / L esting, Vor § 2 Rn. 5. 207 Valerius, S. 43; Ihwas, S. 280; Die Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen, XXI. Tätigkeitsbericht, S. 123; Baumhöfener, K&R 2015, 225 (229); L-R / Gleß, § 131 Rn. 22; auch schon in der Vorauflage zu § 131 a. F. in Bezug auf die Publikationsorgane: L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 33; Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (446); siehe auch allgemein zu privaten Fahndungsaufrufen Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (531). 208 Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (59); Schwagerl, Die Polizei 1974, 317 (319); Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (13); Geerds, ebenda, S. 42 (54); kritisch Fuhr, ebenda, S. 29 (40). 209 BVerfGE 35, 202 (230 ff.). 210 Siehe L-R / Gleß, § 131 Rn. 22; auch schon in der Vorauflage zu § 131 a. F. in Bezug auf Publikationsorgane: L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 33. 211 Ihwas, S. 280 f. 212 Ihwas, S. 280 f.; Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (531). Im US-Bundesstaat Louisiana sind verurteilte Sexualstraftäter gesetzlich verpflichtet, sich als solche in sozialen Netzwerken öffentlich bekannt zu machen, siehe o. V., US-Gesetz: Sexualstraftäter müssen sich auf Facebook outen, Der Standard vom 24.6.2012, https://derstandard.at/1339638782605/ Social-Networks-US-Gesetz-Sexualstraftaeter-muessen-sich-auf-facebook-outen (26.4.2020). 206

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Dies gilt umso mehr, falls der Bloßgestellte die stigmatisierende Etikettierung, also das Labeling, nicht abstreifen kann und sich weiterhin als Straftäter wahrnimmt213. Diese Gefahr wurde mehr für psychisch labile Personen als für Wiederholungstäter attestiert214. Die Resozialisierung kann weiter für einen flüchtigen Verurteilten erschwert sein, zumal die Öffentlichkeit nicht nur über seine Straftat, sondern auch über seine Flucht informiert wird. Dabei sollte jedem öffentlich gesuchten Täter ein Anspruch auf „‚resozialisierungsfreundliches‘ Verhalten der Gesellschaft“ zustehen215. Um das geschilderte Risiko möglichst gering zu halten, ist die Erforderlichkeit des Löschens des erledigten Fahndungsaufrufs von den Behörden zu betonen216. Auch Presseorganen obliegt eine Pflicht, nach beendigter Fahndung die Berichte über die Öffentlichkeitsfahndung mit personenbezogenen Daten im Hinblick auf das Resozialisierungsinteresse des damaligen Gesuchten aus ihren öffentlich zugänglichen Online-Archiven zu entfernen217. 2. Zeuge Auch für Personen, deren strafprozessuale Rolle darin liegt, ihre Wahrnehmungen zum strafrechtlichen Sachverhalt zu bekunden, ist eine Internetfahndung nicht ohne Risiken. Daher wird sie in diesem Zusammenhang von Ranft als „Grundrechtseingriff neuer Art in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht auf Privatheit und auf Achtung der allgemeinen Handlungs- und Gestaltungsfreiheit“ genannt im Hinblick darauf, dass der Zeuge durch öffentliche Fahndung ungewollt in den Fokus der Öffentlichkeit gerät218. a) Brandmarkung Von dem Brandmarkungseffekt, also in erster Linie einer Stigmatisierung, ggf. auch einer Bloßstellung, können bei einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet nicht nur Tatverdächtigte, sondern auch Zeugen betroffen sein219. Ein allgemeiner Hinweis auf diesen Gesichtspunkt ist in Nr. 1.2 Abs. 3 S. 4 und 5 Anl. B RiStBV zu finden: „Auch andere Personen, die in den Tatkomplex verwickelt sind …, können durch eine öffentliche Erörterung schwer benachteiligt werden. Eine Bloßstellung oder Schädigung … anderer Betroffener muss nicht nur in deren Interesse, sondern auch im Interesse der Strafrechtspflege möglichst vermieden werden.“ Die nicht ganz gelungene Formulierung „verwickelt“, die womöglich für etwaige Tatbetei 213

Siehe Ostendorf / Frahm / Doege, NStZ 2012, 529 (531); Eisenberg / Kölbel, § 8 Rn. 6 f. Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (59). 215 Lampe, NJW 1973, 217 (221); Schwagerl, Die Polizei 1974, 317 (319). 216 Auch Ihwas, S. 280 f. 217 Vgl. LG Hamburg, NJW-RR 2009, 120. 218 Ranft, StV 2002, 38 (42); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755. 219 Valerius, S. 43; Soiné, ZRP 1994, 392 (394). 214

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ligte gedacht war, erweckt – eher unbeabsichtigt – den Eindruck, dass der Zeuge an dem Tatgeschehen aktiv beteiligt war. Der globale Charakter eines Fahndungsaufrufs, die im Ergebnis unmögliche Kontrollierbarkeit der Weiterverbreitung sowie die Tatsache, dass die Aufrufe im Netz auf Dauer verbleiben können, sind auch hier von Bedeutung220. Selbst die bereits vor dem Inkrafttreten des StVÄG 1999 geltende Prämisse221, den Zeugen in dem Fahndungsaufruf ausdrücklich in seiner Prozessrolle zu bezeichnen und gleichzeitig klarzustellen, dass es sich gerade nicht um eine Beschuldigtensuche handelt (geregelt in §§ 131a Abs. 4 S. 2, 131b Abs. 2 S. 2 StPO)222, kann nicht verhindern, dass ein Teil der Gesellschaft den Zeugen doch negativ mit der Tat, sogar in der Rolle eines Tatverdächtigten assoziiert223. Schon die bloße Tatsache, dass die Person als Zeuge einer konkreten Straftat gesucht wird, kann sich rufschädigend auswirken224. Als Beispiele hierzu wurden Mord an einer Prostituierten, Spendenaffären, Wirtschaftskriminalität angeführt225. Diese Gefahr wird besonders deutlich in sozialen Netzwerken durch die integrierte Möglichkeit, Fahndungsaufrufe zu kommentieren. In der Diskussion treten außer der Besorgnis der Community auch böswillige Statements und Verständnisschwierigkeiten durch ungenaues Lesen der Aufrufe zutage226. So kommentierte eine FacebookUserin einen Aufruf der Polizei Hamburg im Jahr 2018 nach einem Zeugen eines Tötungsdeliktes an Frau und Kind: „… geht von dem angeblichen Zeugen auch Gefahr aus? war dieser involviert?“227. Der Grad der geschilderten Gefahr, in den Augen der Gesellschaft „in die Nähe des Beschuldigten [zu] rücken“228, ist situationsbedingt und hängt von mehreren Faktoren ab wie der Art der Beschreibung und der Darstellung des vorhandenen Bildmaterials. Sollte in einem Fahndungsaufruf sowohl nach Tatverdächtigen als auch nach Zeugen gesucht werden, die womöglich gemeinsam auf einem Bild bzw. auf getrennten Bildern nebeneinander mit einer pauschalen Unterschrift „Tatverdächtige und Zeuge“ abgebildet sind, ist das Risiko einer Stigmatisierung nicht

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SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49 f.). Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 125 m. w. N. 222 Kritisch zur Wirksamkeit dieser Schutzformel Albrecht, StV 2001, 416 (419). 223 So bereits für Zuschauer von Fahndungssendungen und Zeitungsleser o. V., Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), 90 (96). Das war auch der Grund für eine gesetzliche Regelung, vgl. BR-Drs. 65/99 S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. Siehe auch Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (177); ders., JR 2002, 137 (140); Albrecht, StV 2001, 416 (419); Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn.  282. 224 Valerius, S. 44. 225 Kauder, StV 1987, 413 (414); Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134); SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50); Valerius, S. 44. 226 Siehe auch SK / Paeffgen, § 131a Rn. 8. 227 Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 27.4.2018, https://www.facebook.com/polizei​ hamburg/posts/1976058232654561 (26.4.2020). 228 BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 221

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

unwesentlich229. Anders kann es sein, wenn eine Videosequenz klar erkennen lässt, dass die gesuchte Person lediglich ein vorbeigehender Fußgänger ist bzw. aus der Beschreibung ersichtlich ist, dass sie sich zufällig zu gegebener Zeit am gegebenen Ort aufhielt. So ist es Aufgabe der Strafverfolgungsbehörden, durch unmissverständlich gefasste Aufrufe die Gefahr falscher Rückschlüsse, Gerüchte oder Spekulationen so gering wie möglich zu halten. In sozialen Netzwerken kann dies zusätzlich durch geschickte Moderation der Diskussion bzw. Klarstellungen bewirkt werden, sowie dadurch, unrichtige Informationen, die von Privaten auf anderen Kanälen veröffentlicht wurden (vorausgesetzt, die Behörden erlangen davon Kenntnis), zu dementieren. Eine erhebliche Bloßstellung kann für den Zeugen auch gegeben sein, wenn er sich an die konkrete Situation nicht erinnern kann oder womöglich keine Erkenntnisse zu der Tat gewonnen hat, also die Vermutung der Behörden, er könne zur Aufklärung der Tat beitragen, sich als falsch erweist230. Des Weiteren sind Verwechslungen nicht ungewöhnlich, da die Öffentlichkeit auch ähnlich aussehende Personen der Polizei melden kann – wie es Ranft formuliert, handelt es sich ja um eine „Aufforderung an jedermann, Hinweise auf diejenige Person zu geben, die seiner Ansicht nach die Suchkriterien erfüllt“231. Solche Verwechslungen können, insbesondere wenn sie in sozialen Netzwerken publik gemacht werden, für die betroffenen Personen rufschädigend sein, so dass diese sich genötigt sehen, sich nicht nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, sondern auch öffentlich klarstellend zu äußern, um der Entstehung von „Verschwörungstheorien“ vorzubeugen, was im Ergebnis für noch mehr Gesprächsstoff im Netz sorgt. Auch böswillige, der Wahrheit nicht entsprechende Meldungen oder Kommentare, also eine gewisse Tendenz zur Denunziation, lässt sich in diesem Zusammenhang nicht ausschließen232. Durch den Aufruf erfährt die Öffentlichkeit nicht nur, dass sich die gesuchte Person zum gegebenen Zeitpunkt am gegebenen Ort aufhielt, sondern u. U. auch, wie sie sich in der gegebenen Situation verhielt, was sich zusätzlich kompromittierend auswirken kann. So kann sich der Internetcommunity nicht nur die Frage aufdrängen, warum sich die gesuchte Person nicht von sich aus gemeldet hat, sondern bekommt so auch Raum für Spekulationen über eine eventuelle Tatbeteiligung bzw. Verdeckung / Verdunkelung233. Für die Behörden ist es äußerst relevant, keine Informationen über eine „sozial mißbilligte Beziehung zu Täter, Opfer oder Tatort“ zu veröffentlichen234. 229

Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 13.9.2016, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.478276.php (14.9.2016). 230 Vgl. Ranft3, Rn. 755. 231 Ranft, StV 2002, 38 (42); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755. 232 Ranft, StV 2002, 38 (42); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755 schreibt sogar von einer „öffentlichen Aufforderung zur Denunziation“. 233 Vgl. Ranft, StV 2002, 38 (42); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755; Murmann, in: Hegh­ manns / Scheffler, III Rn.  282. 234 Mende, S. 136; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 126; ders., ZRP 1994, 392 (394).

B. Gefahren

223

Sollte eine Abbildung und / oder Personalien des Zeugen im Fahndungsaufruf veröffentlicht werden, so sind diese auch für Personen aus dem sozialen Kreis des Gesuchten, etwa aus dem Arbeitsumfeld, auffindbar. Das Bekanntwerden sensibler Umstände aus seinem Privatleben, wie z. B. eines früheren Betäubungsmittelkonsums, kann weitreichende negative Folgen für seine Reputation und den weiteren beruflichen Werdegang des Zeugen haben235. Die Veröffentlichung kann sich auch negativ auf die physische und psychische Verfassung des Zeugen auswirken236. Von der Brandmarkung können darüber hinaus auch die Angehörigen des Zeugen betroffen sein. Auch weitere Personen, nach denen gar nicht gefahndet wurde, die aber zufällig auf den von den Strafverfolgungsbehörden veröffentlichten Videosequenzen bzw. Fotos zu sehen waren und nicht unkenntlich gemacht wurden, können unbeabsichtigt in den Fokus der Öffentlichkeit gelangen237. So waren in dem Berliner U-Bahn-Treter-Fall im Jahr 2016 auf dem Video zwei Personen zu sehen, die sich zum Tatzeitpunkt in der U-Bahn-Station aufhielten und dem Tatopfer Hilfe leisteten238. Vergleichbare Situationen waren auch bei den eigenmächtigen Pressefahndungen zu verzeichnen239. Derartige Veröffentlichungen können sich für betroffene Person in mehrfacher Hinsicht negativ auswirken: Zum einen erscheint ihre Abbildung im Netz, ohne dass die Voraussetzungen der Internetfahndung nach Zeugen überhaupt im Vorfeld geprüft wurden. Das führt nicht nur zu einer Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, sondern kann auch eine Gefahr seitens des Tatverdächtigten begründen und darüber hinaus zu einer Kompromittierung führen („was hatte die Person dort zu suchen?“). Zum anderen kann die Internetcommunity ihre Empörung lautstark und hemmungslos ausdrücken, wie in dem von Melzl beschriebenen Fall einer Fahndung nach Tatverdächtigen einer Körperverletzung in Basel im Jahr 2009, wo der in einer Videosequenz abgebildete Zeuge dem Opfer nicht beistand240. So sind Behörden darauf zu sensibilisieren, auch „in der Hitze des Gefechts“241 auf eine Anonymisierung nicht gesuchter Personen zu achten242. 235

SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50). Vgl. auch für Fahndungssendungen Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (467). 236 Valerius, S. 52. 237 Hierzu ein Beispiel bei Melzl, Kriminalistik 2012, 51. 238 Dieses Video kursiert immer noch im Netz, siehe z. B. BM, Polizei veröffentlicht Video vom U-Bahn-Treter, Berliner Morgenpost vom 8.12.2016, https://www.morgenpost.de/​ berlin/polizeibericht/article208921155/Polizei-fahndet-nach-U-Bahn-Treter-von-der-Hermann​ strasse.html (26.4.2020). 239 Z. B. Arndt, Markus / Knoop, Thomas / Röthemeier, Thomas, Überwachungskamera auf der Reeperbahn. Er schießt einem Türsteher in den Fuß. Bild zeigt das Video, das die Behörden geheim halten, Bild vom 7.1.2015, https://www.bild.de/regional/hamburg/hamburg-aktuell/ hier-feuert-der-kiez-schuetze-39223866.bild.html (26.4.2020). 240 Melzl, Kriminalistik 2012, 51 f. 241 Melzl, Kriminalistik 2012, 51. 242 So hat Polizei Berlin in zwei Videosequenzen zu einem Fahndungsaufruf vom 16.4.2019 wegen eines Tötungsdelikts sämtliche sich in der U-Bahn-Station Alexanderplatz befindenden

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

b) Gefährdung seitens des gesuchten Tatverdächtigen Eine weltweite Publizität eines Fahndungsaufrufs im Internet auf zahlreichen Kanälen begründet die Gefahr, dass auch Tatverdächtige aufgrund der Fahndung nach einem Zeugen, womöglich mit einer Abbildung, überhaupt erst Kenntnis von dessen Existenz erlangen. In Extremfällen, insbesondere bei Gewalttaten oder in der kriminellen Szene / im Bereich organisierter Kriminalität können Aufrufe Gefahren für Leib und Leben des Zeugen bzw. Personen aus seinem persönlichen Umfeld nach sich ziehen243. c) Wiederholte Traumatisierung Wenn in Fahndungsaufrufen Abbildungen bzw. Videosequenzen veröffentlicht werden, auf denen das Opfer (womöglich in der Tatsituation) erkennbar ist, besteht die Gefahr einer erneuten Traumatisierung des Geschädigten, wenn dieser damit konfrontiert wird. Der Umstand, dass Fahndungsaufrufe im Netz zeitlich und örtlich unbegrenzt aufrufbar sind, auf zahlreichen Plattformen kommentiert werden können und eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Umfeld des Opfers auf den Fall aufmerksam wird und die betroffene Person  – womöglich gegen ihren ausdrücklichen Willen  – von nun an in der Opferrolle bemitleidet wird244, bleibt nicht ohne Folgen für ihre Psyche. Sie wird um ihre Anonymität in der Gesellschaft gebracht245. So kann sich der Geschädigte zusätzlich innerlich verschließen, die Öffentlichkeit meiden, um nicht ungewollt, unerwartet und womöglich von unbekannten Personen an die Tatsituation erinnert zu werden. Dass solche Situationen in der Praxis vorkommen, zeigt sich am Beispiel des Opfers des Berliner U-Bahn-Treters aus dem Jahr 2016, das wegen des im Netz kursierenden Videos zurückgezogen lebte246. Ein derartiger Effekt kann darüber hinaus entstehen, wenn die Abbildung des Geschädigten erst nach längerer Zeit zu Fahndungs-

Personen (außer dem Tatverdächtigen) unkenntlich gemacht, https://www.berlin.de/polizei/ polizeimeldungen/pressemitteilung.794129.php?fbclid=IwAR0O1Ip3gJCRV0AMOsxY5p4_ JnC8AyKbc9m4bC-vW4C1DgaJqMg5xcV7QN4 (26.4.2020). 243 Siehe Ranft, StV 2002, 38 (43); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755; Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134); Soiné, § 131b Rn. 7; Heghmanns / Herrmann, Rn. 636; Ferner, Jens, Neuland: Digitale Fahndung nach Zeugen gestartet, 12.1.2013, https://www.ferner-alsdorf.de/datenschutzrecht/ persoenlichkeitsrecht_neuland-digitale-fahndung-nach-zeugen-gestartet-rechtsanwalt-als​ dorf_9180/ (20.4.2018). Siehe auch Irlbauer, Kriminalistik 2012, 764 (765). 244 Zu den Folgen von Fahndungssendungen Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (467). 245 Siehe auch Ranft, StV 2002, 38 (42). Nach BeckOK / Engelstätter, Anl. B RiStBV Rn. 10 seien betroffene Personen, die selbst Kontakt zu Medien aufnehmen bzw. deren Name bereits bekannt ist, weniger schutzbedürftig. 246 Siehe Kensche, Christine, U-Bahn-Treter-Prozess. „Was ist denn jetzt los, ich bin doch nicht gestolpert?“, Welt vom 29.6.2017, https://www.welt.de/vermischtes/article1660818447/ Was-ist-denn-jetzt-los-ich-bin-doch-nicht-gestolpert.html (19.4.2019).

B. Gefahren

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zwecken präsentiert bzw. zur Berichterstattung über den Prozess von den Medien verwendet wird. Hier kann auch das Umfeld des Opfers, etwa die Angehörigen, durch die Publikation in Mitleidenschaft gezogen werden. Auch die Polizei weist darauf hin, dass eine medienintensive Berichterstattung über die Tat für Geschädigte erneutes Leid bedeutet247. d) Suche nach Opfern von Straftaten Die Öffentlichkeitsfahndung nach Opfern von Straftaten, auch wenn nicht so häufig wie nach Beschuldigten und sonstigen „gewöhnlichen“ Zeugen, gehört zur gängigen Praxis der Strafverfolgungsbehörden. Opfer von Straftaten, also Verletzte, gehören zum Personenkreis, der Angaben zu seinen Wahrnehmungen zu der Tat machen kann248, sind demnach auch als Zeugen anzusehen, § 48 Abs. 3 StPO, Nr. 1.2 Abs. 6 Anl. B RiStBV. Eine Internetfahndung kann für sie, je nach den einzelnen Umständen, nicht nur die oben angeführte Brandmarkungsgefahr und Traumatisierung mit sich bringen. In besonderen Situationen kann es zur Gefährdung von Leib und Leben kommen, vor allem dann, wenn sich das Opfer in der Gewalt des (u. U. unbekannten) Tatverdächtigen befindet, der von der Öffentlichkeitsfahndung Kenntnis nimmt und die Tat verdecken will249. In den letzten Jahren betraf ein kontrovers diskutierter Fall eine Identitätsfahndung unter Veröffentlichung eines Bildes eines 4-jährigen Mädchens im Oktober 2017, das einem schweren sexuellen Missbrauch zum Opfer fiel250. Abgesehen davon, dass auch hier die Fahndungsinhalte, insbesondere Abbildungen des Opfers trotz der Löschung des ursprünglichen Aufrufs dauerhaft im Netz verbleiben können, liegen besondere Gefahren der Internetfahndung nach Opfern in einer dauerhaften Brandmarkung, also einer möglichen künftigen Assoziation mit der Straftat sowie im Phänomen des victim blaming251 (obwohl der Gedanke, die Schuld bei dem Opfer zu suchen, 247 Polizeidirektion Leipzig, Polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung oder: „Warum kommt das Bild erst jetzt?“, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/PolizeilicheXXffentlich keitsfahndungXod.pdf (26.4.2020). 248 MüKo / Maier / Percic, Vor § 48 Rn. 1. 249 Siehe bereits Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (52). 250 Siehe Teutsch, Oliver, BKA-Suche nach missbrauchtem Mädchen erfolgreich, Frankfurter Rundschau vom 9.10.2017, http://www.fr.de/rhein-main/kriminalitaet/kinderpornographiebka-suche-nach-missbrauchtem-maedchen-erfolgreich-a-1365442 (11.10.2017). Eine ähnliche Fahndung unter Veröffentlichung von Abbildungen von minderjährigen Missbrauchsopfern wurde bereits 2007 durchgeführt, siehe ebenda. Die deutschlandweit erste massenmediale Öffentlichkeitsfahndung nach einem Opfer sexuellen Missbrauchs unter Veröffentlichung von ausgewählten Lichtbildern erfolgte 1999 in „Aktenzeichen XY … ungelöst“ und führte zur Identifizierung des Opfers und zur Ermittlung des Täters, siehe o. V., Die Polizei 1999, 310. 251 Siehe Witting, Sabine, Nach dem Fahndungserfolg ist vor der Rechtsverletzung: Öffentlichkeitsfahndung nach Opfern von Straftaten, verfassungsblog.de vom 15.10.2017, https://​ verfassungsblog.de/nach-dem-fahndungserfolg-ist-vor-der-rechtsverletzung-oeffentlichkeits​ fahndung-nach-opfern-von-straftaten/ (26.4.2020).

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

im geschilderten Fall schon altersbedingt fernliegt). Trotz eines ausdrücklichen Appells des BKA, die Abbildungen zu löschen, sind die Fahndungsbilder des Mädchens vereinzelt noch im Netz auffindbar252. 3. Präventiv Gesuchte Auch aus präventiven Gründen gesuchte Personen sind von dem Brandmarkungs­ effekt der Internetfahndung wegen ihrer Breitenwirkung nicht verschont253. Betroffen können hier in erster Linie Vermisste, etwa hilflose Personen sein, die an psychischen Krankheiten leiden. So haben sich etwa Facebook-Nutzer in den Kommentaren zu einer Fahndung nach einer Vermissten aus Greifswald im Jahr 2017 zu ihrem Aussehen und auffälligen Verhalten, wenn auch gut gemeint, ausgiebig ausgetauscht254. Auch bei Fahndungen nach vermissten Jugendlichen wird ihr Abgang lebhaft, nicht selten hoch spekulativ, kommentiert255. Eine Stigmatisierung kann auch Personen betreffen, die als Störer gesucht werden bei bestehenden Anhaltspunkten für eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit256. Da das Phänomen der Privatfahndung nach Vermissten oder vermeintlich Vermissten in der letzten Zeit zugenommen hat, wurde von den Polizeibehörden die Gefahr der Auswirkungen eines solchen Aufrufs, etwa auf die künftige Arbeitssuche, betont257.

II. Gefahr für Behörden 1. „Überfahndung“ In der Literatur und in der Rechtsprechung herrscht Einigkeit, dass eine zu häufige Inanspruchnahme der Bevölkerung zur Mithilfe bei der Fahndung, auch im Internet, das Interesse der Gesellschaft und die Bereitschaft zur Mitwirkung er-

252

Z. B. https://daserwachendervalkyrjar.wordpress.com/2017/10/10/wer-kennt-dieses-kleine-​ maedchen-bka-sucht-opfer-eines-kinderschaenders-fotos-im-darknet/ (26.4.2020). 253 Söllner, Die Polizei 2009, 264. 254 Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 28.11.2017 (unter Angabe der Personalien, Alter sowie Abbildung der Vermissten auf Facebook) https://www.facebook.com/ PolizeiVG/photos/a.498898100279830/870223433147293/?type=3&theater (26.4.2020). 255 Z. B. bei einer 15-jährigen Vermissten mit südländischem Erscheinungsbild: „Zum IS abgewandert?“, wobei die Kommentatorin für diese Behauptung ins Blaue hinein durch Community scharf kritisiert wurde, Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 15.9.2017, https://www. facebook.com/polizeihamburg/posts/1884449828482069 (26.4.2020). 256 OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (881); Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264); Ostendorf, GA 1980, 445 (455 f.). 257 Woydt, Maike, Falsche Vermisstenmeldungen nehmen zu, Schwäbische vom 2.2.2018, https://www.schwaebische.de/landkreis/landkreis-biberach/biberach_artikel,-falsche-vermissten​ meldungen-nehmen-zu-_arid,10812163.html (26.4.2020).

B. Gefahren

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lahmen lassen kann (sog. Überfahndung)258. Auf dieses Risiko macht auch Nr. 1.1 Abs. 3 S. 1 Anl. B RiStBV aufmerksam; auf die Gefahr wurde auch früher, etwa in Bezug auf Inanspruchnahme des Fernsehens zu Fahndungszwecken, hingewiesen259. Die Praxis zeigt, dass trotz der relativ hohen Anzahl von Fahndungsaufrufen die positive Einstellung der Internetnutzer gegenüber derartiger polizeilicher Arbeit (noch) nicht überstrapaziert wurde. Ein Indiz dafür ist etwa die Anzahl der Likes sowie der Teilungen / Retweets und Kommentare bei einzelnen Fahndungen. Die Gefahr von „Abnutzungserscheinungen“ bezieht sich gleichermaßen auf die Fahndung nach Tatverdächtigen wie auf Zeugen260. Ein ähnlicher Effekt kann auftreten, sollten an einem Tag mehrere Aufrufe veröffentlicht werden261. Auch in Niedersachsen wurde dieses Phänomen bei einer zu häufigen Einstellung von Fahndungsaufrufen bei Facebook beobachtet262; daher wurden nur ausgewählte, herausragende Fahndungsaufrufe postiert263. Dieses Risiko soll jedoch kein Grund sein, allein deshalb von der Veröffentlichung eines Fahndungsaufrufs abzusehen264. Es ist wie bei anderen Publikationsmitteln eine Balance zwischen dem (unerwünschten) Abstumpfen des Interesses der Öffentlichkeit und gleichzeitigem Zurückgreifen auf die Internetfahndung in geeigneten Fällen erforderlich. Die Internetfahndung muss, um erfolgreich zu sein, für die Bevölkerung etwas „Außergewöhnliches“ bleiben und sich von der Alltäglichkeit abheben265. 2. Warneffekt Auf die Gefahr der Täter- oder Beteiligtenwarnung durch die Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Öffentlichkeitsfahndung wird bereits in Nr. 1.1. Abs. 3 S. 2 Var. 1 Anl. B RiStBV sowie in der Literatur266 hingewiesen. Dieser Effekt, auf den auch im Zusammenhang mit der Fahndung im Fernsehen aufmerksam gemacht wurde267, gewinnt bei einer Internetfahndung, insbesondere bei der Nutzung sozialer Netzwerke, an Relevanz. War es bei der Fernsehfahndung, Fahndungs 258

S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 19; Soiné, § 131 Rn. 16; Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31); Ihwas, S. 282; Benfer / Bialon, Rn. 1089; Busching, jurisPR-ITR 2/2016 Anm. 6; AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. In Bezug auf die alte Rechtslage bereits Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 259 Z. B. Valentin, in: Fahndung, S. 103 (107) in Bezug auf Fernsehfahndung, „damit das Publikum nicht abstumpft oder ermüdet“; Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (51); Stümper, AfP 1989, 409 (411 f.); Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. 260 Benfer / Bialon, Rn. 1089. 261 Siehe unter Pkt. A. II. 3. b) aa) des 3. Teils. 262 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 3. 263 Federau, DPolBl 6/2013, 27 (29). 264 Siehe Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. 265 Vgl. Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (60). 266 Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257; Holle, S. 146, 150; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 219 ff. 267 Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (52).

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

sendungen oder klassischer Pressefahndung wegen der Einmaligkeit des Aufrufs teilweise vom Zufall abhängig, ob der (bekannte oder unbekannte) Tatverdächtige selbst oder eine Person aus seinem Umfeld von den Fahndungsmaßnahmen Kenntnis nahm, so ist das Risiko bei einer weltweiten Streuung der im Netz gespeicherten Information sowie jederzeitiger Abrufbarkeit auf mobilen Endgeräten um ein Vielfaches größer268. Wenn sich schon Beschuldigte einige Stunden nach Fahndungsbeginn bei der Polizei melden, weist dies darauf hin, dass sie häufig rasch von der Maßnahme Kenntnis nehmen. Dies gilt genauso für diejenigen, die sich nicht stellen möchten. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig im Vorfeld abzuwägen, welche Informationen konkret von den Ermittlungsbehörden veröffentlicht werden, damit für die Ermittlungen keine Nachteile entstehen269. So können die Tatverdächtigen etwa ihr Äußeres verändern, um unerkannt zu bleiben270. Zur Verdunkelungsgefahr gehört auch die Möglichkeit einer Einwirkung (ggf. unter Anwendung von Gewalt) des Tatverdächtigen auf den Zeugen271. Denkbar ist weiter, dass manche Kriminelle gerade in Kenntnis um die Existenz von Videoaufnahmen am Tatort und einer möglichen anschließenden Internetfahndung (etwa bei Raubdelikten) vermummt agieren272. Zur Warnung des Täters kann es auch durch einen unvorsichtigen Hinweis eines Users in sozialen Netzwerken kommen, sollten die Behörden den einschlägigen Kommentar nicht unverzüglich löschen. Das Gleiche gilt in Fällen einer Privatfahndung, falls nicht die Polizei, dafür aber der Täter davon Kenntnis nimmt, wodurch die Ermittlungen konterkariert werden könnten. 3. Arbeitsaufwand Mit der Reichweite der Internetfahndung, insbesondere in sozialen Netzwerken, geht eine sehr hohe Anzahl an Hinweisen zu den Aufrufen einher, die die Anzahl von Hinweisen bei der Inanspruchnahme klassischer Publikationsorgane oft um ein Vielfaches übersteigt. So sind bei der Polizeidirektion Hannover zu Beginn der Fahndung 2011 in sozialen Netzwerken vierhundert Hinweise zu einem Mordfall 268

Es ist auch nicht auszuschließen, dass womöglich Kriminelle gerade deshalb in sozialen Netzwerken die polizeilichen Nachrichten abonnieren, um Informationen über sie betreffende Fahndungen zu erhalten. 269 Dazu Soiné, § 131 Rn. 32; siehe auch bereits Holle, S. 146. 270 So etwa der im Oktober 2016 wegen Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags gesuchte Jaber Al-Bakr, der seine Landsleute, die ihm in Unkenntnis der Fahndung eine Übernachtungsmöglichkeit in Leipzig gewährten, darum bat, seinen Kopf zu rasieren. Zu weiteren Beispielen siehe auch Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (52); Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 219. 271 Vgl. Ranft, StV 2002, 38 (43); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 755; Ferner, Jens, Neuland: Digitale Fahndung nach Zeugen gestartet, 12.1.2013, https://www.ferner-alsdorf.de/ datenschutzrecht/persoenlichkeitsrecht_neuland-digitale-fahndung-nach-zeugen-gestartetrechtsanwalt-alsdorf_9180/ (20.4.2018). 272 Gleichzeitig ist es schwer vorstellbar, dass sich Täter eines Deliktes aus § 263a StGB zur Verwendung einer gestohlenen EC-Karte vermummt in die Bankfiliale begeben – das würde umso mehr Aufsehen erregen, siehe auch LG Bonn, NStZ 2020, 55 (56).

B. Gefahren

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eingegangen273; bei der Polizei Essen 2019 hundert Hinweise zu einem Serien-Vergewaltiger, ohne dass sich eine heiße Spur darunter befand274. Bereits in Bezug auf die Fahndung im Fernsehen wurde betont, dass sie einen enormen Arbeitsaufwand mit sich bringt, die Informationen zu überprüfen und dass eine Vielzahl von Hinweisen für den Fall irrelevant ist275. Diese Erkenntnis lässt sich umso mehr auf die Internetfahndung übertragen. Auch Datenschützer wiesen auf „das Risiko von Falschinformationen, Falschverdächtigungen, fehlgeleiteten Ermittlungen und ineffektivem Ressourceneinsatz“ hin276. 4. Eigenmächtige Fahndungen von Privaten Wie bereits dargestellt277, stellt die eigenmächtige Internetfahndung von Privatpersonen und Presseorganen einen unerwünschten Nebeneffekt der polizeilichen Internetfahndung dar. Diesem Phänomen lässt sich nicht gänzlich vorbeugen, die Behörden können in derartigen Fällen (falls sie davon Kenntnis erlangen) höchstens reaktiv und damit zeitverschoben agieren. Im Hinblick auf laufende Ermittlungen wird betont, dass derartige Aktionen die Ermittlungen torpedieren können: Zahlreiche Ansätze lassen sich nicht mehr verwerten278, Täter werden u. U. gewarnt, die Hinweise erreichen die Behörden möglicherweise gar nicht. Aus den genannten Gründen ist die polizeiliche Aufklärungsarbeit von besonderer praktischer Relevanz. 5. Hackerangriff Eine durch die Polizeibehörden durchaus ernst genommene Gefahr betrifft Hackerattacken in die Integrität polizeilicher Internetauftritte, sowohl in Bezug auf ihre Homepages als auch in sozialen Netzwerken. So ist an dieser Stelle die Löschung bzw. das sog. Defacement, also die unbefugte Änderung der FacebookFanpages oder Twitter-Auftritte durch Fake-Beiträge, bezogen auf Fahndungsauf-

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Morchner, Tobias, Tücken des Fortschritts. Facebook und die Polizei Hannover, Hannoversche Allgemeine vom 31.12.2011, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/ Facebook-und-die-Polizei-Hannover (26.4.2020). 274 Niewerth, Gerd, Polizei Hessen erreichen Hundert Hinweise auf Sexualtäter, WAZ vom 12.3.2019, https://www.waz.de/staedte/essen/polizei-essen-erreichen-hundert-hinweise-aufsexualtaeter-id216648561.html (26.4.2020). 275 Geerds, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 42 (52). Kritisch auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 224 f. 276 Weichert, in: Möllers / van Ooyen, JBÖS 2012/13, 379 (391). 277 Hierzu im Einzelnen unter Pkt. C. I. 5. des 3. Teils. 278 Laudon, Mirko, Öffentlichkeitsfahndung: „Bild“ zeigt erneut Tatortvideo, strafakte.de vom 8.1.2015, https://www.strafakte.de/strafprozessrecht/oeffentlichkeitsfahndung-tatvideo (26.4.2020).

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4. Teil: Vorzüge und Gefahren der Internetfahndung

rufe zu nennen279. Auf Sicherheitsgefahren polizeilicher Internetauftritte im Netz im Allgemeinen und im Speziellen in Bezug auf eine mögliche Fälschung oder Manipulation von Fahndungsinformationen280 wurde bereits zu Beginn der Internet-Ära hingewiesen281. Dass dieses Risiko tatsächlich praxisrelevant ist, zeigt der Hackerangriff auf die Funktion des Bürgerkontaktes auf der Homepage der Polizei Nordrhein-Westfalen im Januar 2012, was ihre weitere Nutzung zur Öffentlichkeitsfahndung konterkarierte; die Freischaltung des zentralen Fahndungsportals erfolgte erst im November 2018282. Sicherheitsprobleme auf polizeilichen Homepages (konkret: Diskussionsforum der Polizei Niedersachsen) wurden auch 2002 ausgerechnet durch den Chaos Computer Club, also die Tagung der Hackergemeinde, öffentlich aufgezeigt283.

III. Gefahr für die Allgemeinheit Bezogen auf die Allgemeinheit birgt die Internetfahndung die Gefahr in sich, dass sich potenzielle Straftäter von der Tatbegehung inspirieren lassen und Straftaten nachahmen284. Das Risiko der Nachahmung wurde auch hinsichtlich sämtlicher Publikationsorgane in Nr. 1.1. Abs. 3 S. 2 Var. 2 Anl. B RiStBV angesprochen. So kann die konkrete Begehungsweise eines Deliktes, die in der Tatbeschreibung geschildert oder aus der angeführten Videosequenz ersichtlich ist, zum Vorbild genommen werden, ähnliche Straftaten zu begehen. Manche Amokläufer, Rechtsextremisten und Islamisten genießen sogar den Status eines negativen InternetStars mit eigener Fangemeinde285. 279 BKA, Social Media Nutzung, S. 28 (Anlage – Risikobetrachtung unter IT-Sicherheitsaspekten bei Social Media Auftritten, Pkt. 1). 280 Sánchez, S. 257; Schaar, Rn. 854; Seitz, S. 385. 281 Allgemein Störzer, Kriminalistik 1996, 811 (814). Auch Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132), nach dem sich die Gefahr allerdings in Grenzen hielt. 282 Siehe Blasius, Tobias, NRW-Bürger sollen Polizei bei der Fahndung helfen, Westfälische Rundschau vom 12.11.2018, https://www.wr.de/politik/nrw-buerger-sollen-polizei-beider-fahndung-helfen-id215782683.html (26.4.2020); o. V., Neues Online-Fahndungsportal der NRW-Polizei, WDR vom 12.11.2018, https://www1.wdr.de / nachrichten / landespolitik / fahn dungsportal-reul-100.html (24.4.2019). Siehe auch unter Pkt. A. I. 3. des 3. Teils. 283 Siehe Krempl, Stefan, 19C3: Erste „Kollateralschäden“ der Hacker im Web, Heise Online vom 29.12.2002, https://www.heise.de/newsticker/meldung/19C3-Erste-Kollateralschaedender-Hacker-im-Web-72373.html (26.4.2020). Zu den Hackerangriffen auf Inhalte der CIAHomepage sowie Seite des US-Justizministeriums siehe Vassilaki, in: Freundesausgabe Büllesbach, S. 347 (349). 284 Walter, Polizeiinfo · Report 1/2014, 29 (31). Dieses Risiko wurde auch für Fahndungssendungen erkannt, Schima, in: ORF Forschungsauftrag, S. 367 (391 f.); Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (14); Deutsch, GRUR Int 1973, 463 (468); differenzierend Weis, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 17 (24); Geerds, ebenda, S. 42 (44); Stümper, Kriminalistik 1971, S. 57 (60). A. A. E. Zimmermann, in: Fahndung, S. 111 (118). Zu der Nachahmungsgefahr siehe auch Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. 285 Siehe Kahr, in: Polizei im digitalen Zeitalter I, S. 135 (140 f.).

5. Teil

Voraussetzungen der Internetfahndung nach Personen und ihre praktische Umsetzung Die repressive und präventive Internetfahndung stehen unter zwei gemeinsamen Nennern. Der erste ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der unter mehreren Gesichtspunkten eine Rolle spielt: Zum einen bei der Frage, ob überhaupt öffentlich gefahndet wird und falls ja, ob tatsächlich das Internet zum Einsatz kommen wird, des Weiteren, auf welche Plattformen zurückgegriffen wird und schließlich welche Angaben im Fahndungsaufruf gemacht werden. So kann die Auffassung, mit Einführung der §§ 131 ff. StPO habe die Bedeutung der Verhältnismäßigkeit abgenommen1, nicht geteilt werden. Der zweite gemeinsame Nenner ist der mit der Internetfahndung einhergehende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie andere Grundrechte des Gesuchten, der gleichermaßen Tatverdächtige und Zeugen wie Vermisste sowie Personen, vor denen gewarnt wird, betrifft.

A. Repressiver Bereich Die im Nachfolgenden dargestellten gesetzlichen Voraussetzungen gelten für sämtliche Konstellationen der repressiven Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Internet. Auf eventuelle Besonderheiten, die aus dem jeweiligen Fahndungszweck und dem Kreis der gesuchten Personen resultieren, wird im Rahmen der Darstellung der jeweiligen Voraussetzung eingegangen. Die Darstellung konzentriert sich auf §§ 131 ff. StPO, auf die allgemeinen Fahndungsaufrufe i. S. d. §§ 161, 163 StPO und auf die Sachfahndung wird in den Ausführungen nicht eingegangen.

I. „Ob“-Voraussetzungen Die Entscheidung über den Einsatz des Internets und seiner einzelnen Plattformen zu Fahndungszwecken ist das Ergebnis einer vorherigen Prüfung, ob die Öffentlichkeitsfahndung überhaupt als Ermittlungsmaßnahme zulässig ist. Erst nach der Beantwortung dieser Vorfrage entscheidet sich, ob auf das Medium Internet zurückgegriffen werden kann. Wenn sämtliche Voraussetzungen für eine Öffent 1 Seitz, S. 383 f., wobei er der Verhältnismäßigkeit dennoch einen eigenständigen Anwendungsbereich in Bezug auf die Internetfahndung attestiert, S. 385 f.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

lichkeitsfahndung vorliegen2, wird im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung über ihre konkrete Form entschieden. In jeder einzelnen Voraussetzung spiegelt sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen wider. Obwohl §§ 131 ff. StPO eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe enthalten, die einer Ausfüllung und Auslegung bedürfen, sind sie dennoch hinreichend bestimmt und normenklar3. 1. Vorfrage: Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsfahndung generell a) Straftat von erheblicher Bedeutung Der materiellrechtlichen Voraussetzung der Straftat von erheblicher Bedeutung kommt bei der Öffentlichkeitsfahndung eine Schlüsselbedeutung zu. Wegen der Komplexität dieses Begriffes, dessen Reichweite im Zusammenhang mit der Internetfahndung teilweise verkannt wird, bedarf es einer näheren Erläuterung. aa) Genese des Begriffes bezogen auf die Fahndungsvorschriften Der Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung war, fahndungsbezogen, in dieser oder ähnlicher Form zunächst in Verwaltungsvorschriften enthalten. Nach Nr. 34 Abs. 2 RiStBV vom 1.12.19704 sollten die Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß und zur Bedeutung der Straftat stehen5. Eine ähnliche Formulierung6 war auch in der 1973 in Bund und Ländern in Kraft getretenen Anl. B RiStBV7 in den Bestimmungen zur Verhältnismäßigkeit enthalten (Nr. I.2 Abs. 4 S. 1). Nach Nr. II.1 Abs. 1 Anl. B RiStBV a. F. hing eine Fahndung nach einem namentlich bekannten Tatverdächtigen vom Vorliegen einer nach Art und Umfang schwerwiegenden Straftat (Verbrechen, Vergehen von erheblichem Gewicht, z. B. schwere oder gefährliche Körperverletzung, Betrug, Unterschlagung hoher Geldbeträge, Serientaten) ab8. Demgegenüber war 2

Siehe auch Seitz, S. 383. Valerius, S. 49 (generell); Rieß, GA 2004, 623 (630) zur Straftat von erheblicher Bedeutung; L-R 25 / Schäfer, § 100c a. F. Rn. 31 (Straftat von erheblicher Bedeutung: „relativ unbestimmt, aber gebräuchlich und bestimmbar“); vgl. Hohenhaus, S. 217. Vgl. auch BVerfGE 112, 304 (316); a. A. Lindemann, KJ 2000, 86 (91, 96) zur Straftat von erheblicher Bedeutung. 4 Abgedruckt in: Kleinknecht32 unter F1. 5 Diese Formulierung galt (auch in der späteren Nr. 39 RiStBV) bis 2002, als RiStBV für neue Normierungen der Fahndungsmaßnahmen durch das StVÄG 1999 angepasst wurde. Sie wurde auch 1985 in § 131 Abs. 1 StPO des sog. Problempapiers (PP) übernommen. 6 „… und die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe nicht außer Verhältnis steht zu der Bedeutung der Sache und zu den zu erwartenden Rechtsfolgen der Tat.“ 7 Abgedruckt in: Kleinknecht33 unter G1. 8 Diese Formulierung wurde 2005 mit einer geringfügigen Änderung (Betrug mit hohem Vermögensschaden) bei den Anpassungen an das StVÄG 1999 übernommen und gilt bis heute 3

A. Repressiver Bereich

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Voraussetzung für eine Öffentlichkeitsfahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigten eine „nicht unerhebliche Straftat“, Nr. II.2. S. 1 Anl. B RiStBV a. F. Für Fahndungen nach Zeugen war eine derartige Einschränkung nicht vorgesehen. Gleichzeitig enthielt Nr. 41 Abs. 3 RiStBV9 die Bezeichnung „Straftaten von geringer Bedeutung“ in Bezug auf das evtl. Unterbleiben einer Ausschreibung nach einem ausländischen Beschuldigten. Bereits in den Zeiten vor dem Volkszählungsurteil war anerkannt, dass die Öffentlichkeitsfahndung mithilfe von Fahndungssendungen, damals die empfindlichste Form des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gesuchter Personen, für Kapitaldelikte10, Serientaten mit hohen Schäden, gemeingefährliche und gewerbsmäßige Delikte, nicht aber für Bagatell- und Einzelfälle sowie generell nicht für Delikte aus dem Bereich mittlerer Kriminalität in Betracht kam11. Es musste sich um eine „nach Art oder Umfang schwerwiegende Straftat“12, um „eine schwere kriminelle Tat von überörtlicher Bedeutung“13 handeln. Auch Gerichte, die über die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsfahndung, etwa zur Aufklärung, zu entscheiden hatten, zählten die Straftat von erheblicher Bedeutung bzw. eine nach Art und Umfang schwerwiegende Straftat zu ihren Voraussetzungen14. Im Rahmen der Umsetzung der Vorgaben des BVerfG aus dem Volkszählungsurteil kam der Begriff einer Straftat von erheblicher Bedeutung im sog. Problempapier zu den rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren des Bundesministeriums der Justiz von 1985 (Problempapier, PP)15, das erste Vorschläge von Regelungen zur Öffentlichkeitsfahndung mittels Publikationsorganen zur Aufenthaltsermittlung nach Beschuldigten und Zeugen enthielt, noch nicht vor. Gleichwohl bestimmte der dortige § 131c Abs. 1 StPO-PP ganz im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips, dass die Einschaltung der Publikationsorgane in einem angemessenen Verhältnis zu der Bedeutung der Sache stehen muss. Der sog. Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Regelung der rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren von 1986 (Arbeitsentwurf,

in Bezug auf eine Straftat von erheblicher Bedeutung. Der Katalog der genannten Straftaten hat keinen abschließenden Charakter. 9 In der ab 1.1.1977 geltenden Fassung, abgedruckt in: Kleinknecht33 unter G1. Diese Bestimmung ist seit 1.4.2012 in Nr. 41 Abs. 4 RiStBV verortet, BAnz AT 2.5.2012 B1. 10 Nach OLG München, NJW 1970, 1745 kam die Öffentlichkeitsfahndung in der Praxis nur bei Schwerkriminalität zur Anwendung; so auch Ostendorf, GA 1980, 445. 11 Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (59). Siehe auch Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (35). 12 Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (12); so auch für die Fahndung in der Presse OLG Hamm, NStZ 1982, 82. 13 OLG München, NJW 1970, 1745 f. 14 So explizit OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48); OLG Hamburg, NJW 1980, 842; OLG Hamm, NStZ 1982, 82; NStZ 1993, 139. 15 Siehe Auszüge in Bürgerrechte & Polizei / CILIP 23 (1/1986), S. 118 ff.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

AE)16 sah in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme sowie zur Aufenthaltsermittlung nach Beschuldigten und Zeugen eine erhebliche Straftat vor, namentlich eine mit überörtlicher Bedeutung (§ 131b Abs. 1 StPO-AE). Zwei Jahre später führte der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens (StVÄG 1988)17 den Begriff einer „Straftat mit erheblicher Bedeutung“ als eine der Voraussetzungen für die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme (§ 131b Abs. 2 S. 2 StPO-StVÄG 1988) sowie zur Tataufklärung und zur Identitätsfeststellung eines Beschuldigten (§ 131b Abs. 3 StPO-StVÄG 1988) und zur Fahndung nach Zeugen (§ 131b Abs. 4 StPO-StVÄG 198818) ein. Der Entwurf eines Regierungsentwurfes zum StVÄG 198919 hielt an diesem Begriff aus dem genannten Vorentwurf fest. In einem späteren Entwurf des BMJ zum sog. Rest-StVÄG20 wurde dieses Erfordernis auch in der dort eingeführten Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten vorgesehen (§ 131b Abs. 4 StPO-Rest-StVÄG). Im Regierungsentwurf des StVÄG 199621, der zum Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens wurde, gehörte die „Straftat von erheb­ licher Bedeutung“ zu den Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme (§ 131 Abs. 1 StPO-StVÄG 1996) und zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten22 (§ 131a Abs. 3 S. 2 StPO-StVÄG 1996) sowie zur Aufklärung und Identitätsfeststellung eines Beschuldigten23 (§ 131b Abs. 1 StPO-StVÄG 1996). Die Empfehlung des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten, die Einschränkung auf derartige Straftaten zu streichen24, wurde vom Bundesrat abgelehnt25. Der Regierungsentwurf der nächsten, 16. Wahlperiode (StVÄG 199926) enthielt inhaltsgleiche Regelungsvorschläge wie sein Vorgänger. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde darum gerungen, die Voraussetzung einer Straftat von erheblicher Bedeutung auf die Öffentlichkeitsfahndung nach Zeugen auszudehnen: Die Empfehlung des Rechtsausschusses, diese Voraussetzung auch für die Öffentlichkeitsfahndung nach Zeugen zur Aufenthaltsermittlung sowie zur Identitätsfeststellung und Tataufklärung wegen des Schutzbedürfnisses, der besonderen Eingriffsintensität sowie Verwechslungsgefahr mit dem Tatverdächtigen 16 So auch die Ressortbezeichnung. Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), S. 68 (69 f.). 17 Abgedruckt in: StV 1989, 172 ff. sowie in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen (mit Begründung). 18 In dieser Regelung wurde kein spezifischer Fahndungszweck benannt, aus dem systematischen Zusammenhang lässt sich schließen, dass es sich ebenso um eine Identitäts- und Aufklärungsfahndung handeln konnte. 19 Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht). 20 Stand: 12.2.1993 (nicht veröffentlicht). 21 BR-Drs. 961/96. 22 Nicht aber von Zeugen, nach denen auch zur Aufenthaltsermittlung öffentlich gefahndet werden durfte, § 131a Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 StPO-StVÄG 1996. 23 Nicht aber von Zeugen, nach denen auch zur Aufklärung und Identitätsfeststellung öffentlich gefahndet werden durfte, § 131b Abs. 2 StPO-StVÄG 1996. 24 BR-Drs. 961/2/96 unter Pkt. 6, 9, 11. 25 BR-Plenarprotokoll von der 709. Sitzung vom 21.2.1997, S. 60 B, C. 26 BR-Drs. 65/99 = BT-Drs. 14/1484.

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durch breite Öffentlichkeit auszuweiten27, wurde vom Bundestag angenommen28. Den anschließenden Bemühungen des Bundesrates, diese Voraussetzung wieder zu streichen, weil der Zeuge seine staatsbürgerliche Pflicht erfülle und die restriktive Voraussetzung die Wahrheitsfindung beeinträchtigen und sich nicht nur zu Gunsten, sondern auch zu Lasten des Beschuldigten auswirken könne29, wurde durch den angerufenen Vermittlungsausschuss keine Abhilfe geschaffen. Nach dem verabschiedeten Gesetz vom 2.8.2000 gilt die Prämisse der Straftat von erheblicher Bedeutung somit für die öffentliche Fahndung nach Beschuldigten, aber auch nach Zeugen. bb) Begriffsbestimmung Der Begriff „Straftat von erheblicher Bedeutung“ ist nach aktueller Rechtslage nicht nur den Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung eigen, vielmehr ist er in zahlreichen Eingriffsbestimmungen der StPO30 sowie an mehreren Stellen des BKAG31 und in den Landespolizeigesetzen32 zu finden. In der Strafprozessordnung kommen ihm, nicht zuletzt wegen unterschiedlicher Gestaltung der Eingriffsmaßnahmen, unterschiedliche Funktionen zu. So dient er zum einen der Präzisierung unter Anwendung von Katalogen mit Regelbeispielen („insbesondere“, so z. B. § 81g Abs. 1 StPO a. F.; § 100g Abs. 1 StPO; § 100i Abs. 1 StPO), zum anderen als zusätzliche Einschränkung bei verallgemeinernden Katalogen mit unterschiedlichen Deliktgruppen (z. B. § 98a Abs. 1 StPO; § 110a Abs. 1 StPO), schließlich, unter Verzicht auf Katalogtaten, als eine der Hauptvoraussetzungen und gleichzeitig als eine Einschränkung des Eingriffs (§§ 131 ff. StPO; § 163e Abs. 1 S. 1 StPO; § 163f Abs. 1 S. 1 StPO)33. Wegen des unterschiedlichen Eingriffsmaßes bedarf es in je-

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BT-Drs. 14/2595 S. 5, 6, 28. BT-Plenarprotokoll 14/84 (neu), S. 7813 B. 29 BR-Drs. 64/00 (Beschluss), S. 4. 30 In der StPO: § 81g Abs. 1 (DNA-Identitätsfeststellung); § 98a Abs. 1 (Rasterfahndung); § 100c Abs. 1 Nr. 1b a. F. (Akustische Wohnraumüberwachung, geändert durch Gesetz vom 24.6.2005, GVBl. I S. 1481, in dem ein abschließender Straftatenkatalog eingeführt wurde und der Begriff aus der Norm verschwand, allerdings wurde die Anforderung eingeführt, dass die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegen muss); § 100g Abs. 1 Nr. 1 (Erhebung von Verkehrsdaten); § 100h Abs. 1 (Weitere Maßnahmen außerhalb von Wohnraum); § 100i Abs. 1 (Technische Ermittlungsmaßnahmen bei Mobilfunkgeräten); § 110a Abs. 1 (Verdeckter Ermittler); § 163e Abs. 1, Abs. 2 (Ausschreibung zur Beobachtung bei Polizeilichen Kontrollen); § 163f Abs. 1 (Längerfristige Observation). 31 Im BKAG: § 2 Abs. 1; § 18 Abs. 1 Nr. 4; § 19 Abs. 1; § 27 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, Abs. 8 S. 3; § 30 Abs. 1 Nr. 1; § 33 Abs. 4 Nr. 3, Abs. 8 Nr. 3. 32 Definiert in § 22 Abs. 5 PolG BW; § 17 Abs. 3 ASOG Bln; § 10 Abs. 3 S. 1 BbgPolG; § 2 Nr. 5 BremPolG; § 2 Abs. 2 HmbPolDVG; § 13 Abs. 3 S. 1 HSOG (Straftat mit erheblicher Bedeutung); § 49 SOG M-V; § 2 Nr. 14 NPOG; § 8 Abs. 3 PolG NRW; § 28 Abs. 3 POG R-P; § 4 Nr. 4 SächsPVDG; § 3 Nr. 4 SOG LSA. Siehe hierzu auch unter Pkt. B. I. 1. b) aa) dieses Teils. 33 Rieß, GA 2004, 623 (625 f., 631 ff.). 28

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

der der genannten Konstellationen einer unterschiedlichen Auslegung34. Bei der Begriffsbestimmung soll man jedoch auf den dem Maßregelrecht entstammenden Begriff der „erheblichen Straftat“, nicht zuletzt wegen funktioneller Unterschiede, nicht zurückgreifen35. Dieser Terminus ist als eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in der Gestalt des Übermaßverbotes, gemeint als Angemessenheit, zu verstehen36. (1) Ausgangspunkt: Gesetzesmaterialien Wie bereits erwähnt, wurden die Konturen dieses unbestimmten Rechtsbegriffes für die Praxis der Öffentlichkeitsfahndung durch Nr. II.1 Abs. 1 Anl. B RiStBV a. F. sowie durch die Rechtsprechung festgelegt. Eine weitere Konkretisierung, ja Erweiterung des Maßstabs erfolgte u. a. in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung in dem Referentenentwurf zum StVÄG 198837. So erfüllen die Voraussetzungen einer „Straftat mit38 erheblicher Bedeutung“ Delikte, „die den Rechtsfrieden erheblich stören oder geeignet sind, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung zu beeinträchtigen“39. Die entscheidende Bedeutung sollte dabei „dem Maß des 34

LG Saarbrücken, wistra 2004, 279; in diese Richtung auch Rieß, GA 2004, 623 (631 ff.); Hohenhaus, S. 214 f. Anders wohl Heghmanns / Herrmann, Rn. 635, die den Begriff in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung genauso wie bei § 100g StPO auslegen wollen. 35 Rieß, GA 2004, 623 (631); Lindemann, KJ 2000, 86 (89 f.). 36 Rieß, GA 2004, 623 (631); ders., in: GS Meyer, S. 367 (372). Zu den verwendeten Begriffen siehe auch L-R25 / Rieß, Einl. Abschn. H, Rn. 93. Darüber hinaus wird die Bezeichnung „Übermaßverbot“ auch auf die Verhältnismäßigkeit als solche angewandt. 37 Abgedruckt in: StV 1989, 172 ff. sowie in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen (mit Begründung). In der Begründung zu § 131b Abs. 2 S. 2 StPO-StVÄG 1988 wird auf die Ausführungen zu § 163e StPO-StVÄG 1988 (Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung) verwiesen, ebenda, S. 54, 61. Kritisch hierzu wegen mangelnder Normenklarheit Zieger, in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 134 f.; Klawitter, ebenda, S. 141 f. 38 So die dortige Bezeichnung in § 131b Abs. 2 S. 2, Abs. 3 StPO-StVÄG 1988. 39 Diese Formulierung erinnert an die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens, die dem materiellen Strafrecht, etwa in §§ 126, 130, 166 StGB entstammt. Öffentlicher Frieden ist demnach „sowohl der Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des befriedeten Zusammenlebens der Bürger als auch das im Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer dieses Zustands begründete Sicherheitsgefühl“, Schönke / Schröder / Sternberg-Lieben / Schittenhelm, § 126 Rn. 1 m. w. N. Fluck, NJW 2001, 2292 (2293) bezeichnete die Definition als „schwammig“; Welp, GA 2002, 535 (539) kritisierte, die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe mache ihre Präzisierung unmöglich und helfe in Bezug auf die Bestimmtheit der Voraussetzungen der Eingriffsmaßnahme nicht viel mehr als der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Ähnlich SK / Rogall, § 81g Rn. 18, der den Begriff für „im Kern relativ unbestimmt“ hält; es wäre zweckmäßig, eine Legaldefinition in die StPO aufzunehmen, ähnlich wie es in den landesrechtlichen Polizeigesetzen der Fall ist. Eine inhaltliche Präzisierung der Definition in Ergänzung der Vorgaben der Ressortarbeiten wurde von Rieß, GA 2004, 623 (635 f.) unternommen. So soll sich der Grad der Störung des Rechtsfriedens anhand der Strafzumessungsregeln, die Eignung zur Beeinträchtigung des Gefühls der Rechtssicherheit anhand der anerkannten Schutzzwecke, in erster Linie der Generalprävention bestimmen. Dabei stellt Rieß jedoch nicht auf den „Verlust an Sicherheitsgefühl der

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Unrechts“ im konkreten Einzelfall zukommen, wobei für die Beurteilung weniger der „abstrakte Charakter des Straftatbestandes“, als vielmehr „die Art und Schwere der konkreten Tat“ maßgebend sein sollte. Als Beispiele für die Störung des Rechtsfriedens bzw. Beeinträchtigung der Rechtssicherheit wurde die Verletzung von Rechtsgütern wie Leib, Leben, Gesundheit oder fremde Sachen von bedeutendem Wert angeführt. Von dem Anwendungsbereich dieses Begriffs konnten weiter „Eigentums- oder Vermögensdelikte mittlerer Kriminalität“, namentlich Serienstraftaten oder beim beträchtlichen „(Gesamt-)Schaden für die Allgemeinheit“ sowie, je nach Einzelfall, Versuchsfälle umfasst sein. Demgegenüber sollten Bagatelldelikte wie „kleinere Diebstähle und Betrügereien oder Straftaten, die nur einzelne Mitmenschen unerheblich beeinträchtigen, z. B. Belästigungen ohne ernsthafte Bedrohung des Rechtskreises der betroffenen Person“ aus dem Geltungsbereich dieses Begriffes herausgenommen werden40. Der spätere Entwurf des Regierungsentwurfes zum StVÄG 1989 übernahm diese Kriterien mit kleinen redaktionellen Änderungen und präzisierte sie dahingehend, dass die Anlasstaten mindestens aus dem Bereich der mittleren Kriminalität entstammen müssen; auch auf die Inhaltsbestimmungen der Nr. II.1 Abs. 1 Anl. B RiStBV wurde hingewiesen41. Auf die Fassung aus StVÄG 1989 wiederum verwies der Gesetzgeber in mehreren Gesetzesbegründungen42 sowie das BVerfG43 (wenn auch mittelbar und noch nicht in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung). Schließlich, bezogen auf die Öffentlichkeitsfahndung, wurden diese Richtlinien durch Instanzgerichte44, zahlreiche Autoren45 sowie Behörden in internen Vorschriften46 übernommen und dienten als Ausgangs- sowie Orientierungspunkt für weitere Präzisierungen, nicht zuletzt für die Internetfahndung. Es wird vielfach vertreten, auch in Bezug auf die Internetfahndung, dass bereits bei der Auslegung Öffentlichkeit“ ab (a. A. HK3 / L emke, § 98a Rn. 9), was bereits deshalb überzeugt, weil dieser abstrakte Begriff stets subjektiv geprägt und schwer zu bestimmen ist. Ähnlich wie hier Wollweber, K&R 1998, 144 (146) m. w. N. 40 Referentenentwurf StVÄG 1988, abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 61. 41 Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht), S. 73 f. (zu § 131a Abs. 1 S. 2 StPO-StVÄG 1989). 42 Zur OrgKG, BT-Drs. 11/7663, S. 35; zur DNA-IFG, BT-Drs. 13/10791, S. 4 f. 43 BVerfGE 103, 21 (34); 107, 299 (322); 109, 279 (344); 112, 304 (316). 44 LG Saarbrücken, wistra 2004, 279; AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. 45 L-R / Gleß, § 131 Rn. 18; KMR / Wankel, § 131b Rn. 2; HK4 / L emke, § 131 Rn. 11; KK / Schultheis, § 131 Rn. 16; Soiné, § 131 Rn. 21; ders., ZRP 1994, 392 (393); ders., Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., JR 2002, 137 (138); MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 14; ders., ZIS 2015, 156 (165); S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 19; Graf / Niesler, § 131 Rn. 6; Meyer-Goßner / Schmitt, § 98a Rn. 5, 131 Rn. 2; Valerius, S. 50; Ihwas, S. 278. 46 Z. B. Nr. 2.1 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht), siehe hierzu Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/5048 vom 26.1.2017, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Internetfahndung in Schleswig-Holstein, unter Pkt. 6.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

des Begriffes dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung zu tragen und abzuwägen ist, ob das Gewicht der Straftat den vorgenommenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere die dauerhafte Rufschädigung, rechtfertigt47. (2) Weitere Konkretisierungen Die weiteren, durch Literatur und Rechtsprechung vorgenommenen Konkretisierungen des Begriffs „Straftat von erheblicher Bedeutung“ betrafen zum einen die Art der Tat, zum anderen ihren Unrechtsgehalt48. Auch andere Umstände wurden bei der Auslegung mit einbezogen. So wurden von dem Anwendungsbereich der Straftat von erheblicher Bedeutung Ordnungswidrigkeiten ausgeschlossen49. Die von Hilger vorgeschlagene Grenze „oberhalb der Kleinkriminalität“50 ist insofern einerseits sprachlich zutreffend, sollte damit nicht geringfügige Delikte51, sondern mittlere Kriminalität umfasst werden, andererseits birgt sie die Gefahr in sich, angesichts der Eingriffsintensität die Hürde zu niedrig zu halten. Delikte mittlerer Kriminalität können jedoch auch „alltägliche Straftaten ohne besondere Folgen“ umfassen52. Die Rechtsfolgen der Tat können dagegen nur dann zur Beurteilung herangezogen werden, soweit sich diesbezüglich bereits im Ermittlungsverfahren eine genügend konkrete Prognose erstellen lässt, was nicht der Regelfall ist53. Aus diesem Grund kann der Strafrahmen nicht alleiniges Beurteilungskriterium sein, zumal sich die konkrete Strafe 47 LG Saarbrücken, wistra 2004, 279; AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248; HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 11; Soiné, § 131b Rn. 2. Kritisch zu der Berücksichtigung der Eingriffsschwere für die Bestimmung der Straftat von erheblicher Bedeutung Rieß, GA 2004, 623 (633): Es sei nicht nötig, weil die Eingriffsschwere bei anderen Merkmalen (Tatverdacht, Subsidiaritätsklausel, Richtervorbehalt) zu berücksichtigen sei, eine subjektiv angefärbte Beurteilung des Eingriffs würde an dieser Stelle eine übermäßige Bedeutung gewinnen. Bei der Öffentlichkeitsfahndung in ihren vielfältigen Facetten würde dies zu einer nicht einheitlichen Bestimmung der Erheblichkeit führen. 48 Unterteilung nach Rieß, GA 2004, 623 (636, 638 f.). 49 LG Bonn, NStZ 2005, 528; in diese Richtung bereits Brodersen, NJW 2000, 2536 (2537); genauso SK / Paeffgen, § 131b Rn. 3; KMR / Wankel, § 131a Rn. 1; Benfer / Bialon, Rn. 1088. In der Praxis soll es dennoch zu einem Fall der Öffentlichkeitsfahndung im Internet wegen einer Ordnungswidrigkeit gekommen sein, siehe Seitz, S. 383 m. w. N. Eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 1 StPO ist demgegenüber auch bei Ordnungswidrigkeiten möglich, Meyer-Goßner / Schmitt, § 131a Rn. 1; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 3. 50 Hilger, NStZ 1992, 457 (462), der seine Aussage später in L-R 26 / Hilger, § 131 Rn. 18 präzisierte – „nicht also bei sogenannter Kleinkriminalität“, „die wesentlichen Fälle der wenigstens mittleren Kriminalität“ (so auch L-R / Gleß, § 131 Rn. 18). Kritisch zu der gewählten Bezeichnung auch SK / Wolter, § 163e Rn. 17. 51 Rieß, GA 2004, 623 (636). 52 LG Bonn, NStZ 2020, 55 (56). 53 AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. Siehe auch L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 12; Rieß, GA 2004, 623 (639).

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zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs nicht prognostizieren lässt54. Bei einer lediglich drohenden Geldstrafe oder geringfügigen Freiheitsstrafe soll die Öffentlichkeitsfahndung in der Regel nicht in Betracht kommen55. Es sei allerdings nicht erforderlich, dass die Straftat mit erhöhter Mindeststrafe bedroht ist56. Teilweise wird auf die Überschreitung der Strafrahmenobergrenze von zwei57 bzw. fünf Jahren58 abgestellt; einer anderen Auffassung nach seien bereits Straftaten mit zu erwartender Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ausreichend59. Bei Serienstraftaten reiche es aus, dass es sich in der Gesamtbeurteilung um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handele, selbst wenn einzelne Straftaten für sich betrachtet unterhalb dieser Schwelle liegen60. Auch Qualifikationen und Regelbeispiele können ein Indiz für die Erheblichkeit sein61; Fahrlässigkeitsdelikte sollen per se nicht ausgeschlossen werden62. Nicht gefolgt wird der Auffassung, nach der sich mit zunehmendem Tatverdacht die Erheblichkeitsschwelle absenke63 und etwa eine einfache Körperverletzung, die man auf Videosequenzen einer Überwachungskamera sehen kann, oder eine gefilmte Verwendung einer gefälschten Kreditkarte bereits aufgrund des Videobeweises eine erhebliche Straftat sein soll64. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Verdichtung des Tatverdachts über den Grad der Erheblichkeit der Tat entscheiden sollte. Die Ansicht hätte weiter zur Folge, dass die dargestellten

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AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248; Rieß, GA 2004, 623 (639); Graf / Niesler, § 131 Rn. 6. AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; S / S/W / ​ Satzger, § 131 Rn. 19; Rieß, GA 2004, 623 (640). Siehe auch AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. 56 LG Saarbrücken, wistra 2004, 279. 57 Rieß, GA 2004, 623 (637); Welp, GA 2002, 535 (539); Baumhöfener, K&R 2015, 625 (628); gegen eine starre Grenze von 2 Jahren LG Bonn, NStZ 2020, 55 (56). Nicht umfasst wären damit Delikte wie §§ 104 Abs. 1; 108a Abs. 1, 109g Abs. 2; 127; 132; 133 Abs. 1; 145 Abs. 2; 160 Abs. 1; 169 Abs. 1; 184i Abs. 1; 184j; 185; 186; 187; 189; 201a Abs. 1, Abs. 3; 202b; 202c Abs. 1; 203 Abs. 5; 204 Abs. 1; 206 Abs. 4; 218b Abs. 1; 219b Abs. 1; 233 Abs. 4, Abs. 5; 248c Abs. 4; 261 Abs. 5; 275 Abs. 1; 276 Abs. 2; 278; 283 Abs. 4, Abs. 5; 283b Abs. 1; 283c Abs. 1; 284 Abs. 1; 293; 297 Abs. 1; 303 Abs. 1; 303a Abs. 1; 311 Abs. 3; 315 Abs. 6; 315a Abs. 3; 315b Abs. 5; 315c Abs. 3; 319 Abs. 4; 325a Abs. 3; 327 Abs. 3; 329 Abs. 5; 334 Abs. 1 S. 2; 355 Abs. 1 StGB. Umfasst wären dagegen z. B. §§ 223, 304, 246, 166, 86a, 257, 258 StGB. 58 So Nr. 2.2.1 des Erlasses IV LKA 12  – 35.00  – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht); vgl. BVerfGE 124, 43 (64); Beschluss vom 24.7.2013 – 2 BvR 298/12, BeckRS 2013, 54084. 59 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 60 KMR / Wankel, § 131b Rn. 2; ähnlich H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 61 Rieß, GA 2004, 623 (637 f.). 62 Rieß, GA 2004, 623 (638) mit dem Beispiel einer fahrlässigen Tötung verursacht durch einen Raser oder Drängler auf der Autobahn; siehe auch SK / Rogall, § 81g Rn. 19; dagegen z. B. L-R25 / Krause, § 81g Rn. 23 (mangels einer „bewussten Normverletzung“, selbst bei erheblichen Schäden); L-R25 / Schäfer, § 100g Rn. 13 (fahrlässige Trunkenheitsfahrt). 63 KMR / Wankel, § 131b Rn. 2. 64 Baumhöfener, K&R 2015, 625 (628). 55

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

vielfältigen Kriterien der Erheblichkeit nicht angemessen berücksichtigt werden. Nicht überzeugend ist auch die Ansicht, nach der bei bereits vorliegendem Auslöse­ verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung auch nach Delikten gefahndet werden kann, die diese Schwelle nicht erreicht hätten65. Dies mag allenfalls noch bei Straftatbeständen, die im Rahmen einer prozessualen Tat zusammentreffen, den Willen des Gesetzgebers nicht überstrapazieren. Bei Tatgeschehen, die in keinem Zusammenhang zueinanderstehen, wäre eine solche Auslegung mit dem Wortlaut des Gesetzes nicht mehr vereinbar; darüber hinaus ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund eine Fahndung wegen mehrerer Delikte nach einem unbekannten Tatverdächtigen die Erfolgschancen der Maßnahme signifikant erhöhen sollte. Dagegen bestehen keine Bedenken, bei einer bezweckten Aufklärung weiterer möglicher Straftaten von erheblicher Bedeutung eine Internetfahndung zu veranlassen, wie etwa in dem Fall der wegen mehrfachen Mordes und Raub mit Todesfolge verdächtigen Pflegehilfskraft im Jahr 201866. Ferner ist der Unrechtsgehalt der jeweiligen Tat zu bestimmen, der u. a. die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat umfasst, so wie in § 46 Abs. 2 S. 2 StGB geregelt67. Zu berücksichtigen ist hier neben der konkreten Vorgehensweise, dem Grad der kriminellen Energie und der Gefährlichkeit der Tatbegehung auch die organisierte, banden-, gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Vorgehensweise sowie die Wiederholungsgefahr68. Ein weiterer Bewertungsfaktor ist der Grad der Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte des Geschädigten: Je höher dieser ist, umso höher ist auch der Schuldgehalt des Tatverdächtigen und umso niedriger das Maß für die Erheblichkeit der Tat69. Denkbar wäre weiter, die soziale Bedeutung der Tatfolgen und eine besondere Verwerflichkeit zu berücksichtigen, z. B. bei Straftaten gegenüber Senioren, Obdachlosen oder Patienten im Krankenhausbereich, selbst wenn diese von Ersttätern begangen wurden70. Als ein weiterer Gesichtspunkt (konkret bezogen auf die Internetfahndung) wird das Risiko einer zu häufigen Inanspruchnahme der Bevölkerung und damit einer 65

KMR / Wankel, § 131b Rn. 3. Polizei München, Fahndungsaufruf vom 6.3.2018, http://www.polizei.bayern.de/muenchen/​ fahndung/personen/straftaeter/bekannt/index.html/275956 (22.3.2018); https://web.face​book.​ com/polizeimuenchen/photos / a.552744488204637.1073741831.312075995604822/137​16275​ 56316322/?type=3&theater (26.4.2020). 67 Rieß, GA 2004, 623 (638 f.). Ähnlich bereits Fuhr, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 29 (39). 68 Rieß, GA 2004, 623 (639); KK / Moldenhauer, § 163e Rn. 13; SK / Wolter, § 163e Rn. 17; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. 69 KMR / Wankel, § 131b Rn. 2 mit einem Beispiel, nach dem selbst eine einfache Körperverletzung diese Voraussetzung erfüllt, wenn sie von einem Vorbestraften begangen wurde, und wahrscheinlich mit einer Freiheitsstrafe geahndet wird, oder auch dann, wenn durch die Tat, etwa die Hetzjagd auf Minderheiten, das Sicherheitsgefühl in der Gesellschaft, die Rechtsordnung sei unverbrüchlich, beeinträchtigt wird. Siehe auch Baumhöfener, K&R 2015, 625 (628). 70 Siehe LG Bonn, NStZ 2020, 55 (56). 66

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Überfahndung genannt71. Auch generalpräventive Aspekte können bei der Abwägung berücksichtigt werden72. Einen interessanten weiteren Aspekt nannte Rieß, nämlich die Inhaltsbestimmung des Begriffes je nach dem Ziel der Maßnahme. So soll sich bei der Sachverhaltsaufklärung die Erheblichkeit nach dem Gesamtbild der prozessualen Tat bemessen; bei der Aufenthaltsermittlung dagegen nach den den Beschuldigten bzw. Verurteilten betreffenden Umständen, also nach der prognostizierten oder verhängten Rechtsfolge der Tat73. So triftig dieser letztgenannte Gedanke in Bezug auf die Verurteilten ist74, so ist er in Bezug auf die öffentliche Fahndung nach dem Beschuldigten zur Aufenthaltsermittlung zu eng. Auch dort sollen sämtliche Umstände des Einzelfalles berücksichtigt werden, weil die Aufenthaltsermittlung in diesen Fällen auch stets der Sachaufklärung dient. Darüber hinaus ist es, wie bereits festgestellt, in den wenigsten Fällen möglich, bereits im Ermittlungsverfahren die Rechtsfolgen der Tat genau zu bestimmen75. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Öffentlichkeitsfahndung nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzulassen, bedeutet gleichzeitig, dass bei Straftaten, die diese Schwelle nicht erreichen, das Interesse der Allgemeinheit an der Tataufklärung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Gesuchten in den Hintergrund tritt, was von der Gesellschaft zu akzeptieren ist76. Diese Voraussetzung hat im Falle von § 131b Abs. 1 und 2 StPO, der keinen dringenden Tatverdacht verlangt, eine zusätzliche Korrektivfunktion. Es wird vertreten, dass ein Verzicht des Gesetzgebers auf einen Deliktskatalog in §§ 131 ff. StPO den Bedürfnissen der Praxis entgegenkommt, weil ein solcher alle in Betracht zu ziehenden Tatmodalitäten schwerlich aufgreifen könnte; vielmehr kann die gewählte offene Formulierung auch Neuerscheinungen in der kriminellen Szene miteinschließen77. Ein weiteres Argument gegen einen Deliktskatalog war die Befürchtung, dass seine strikte Anwendung zu einem Automatismus führen

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AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233; AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. So bereits zur alten Rechtslage Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). Zustimmend S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 19; Kohn, FD-StrafR 2018, 408372. 72 KMR / Wankel, § 131b Rn. 2. 73 Rieß, GA 2004, 623 (634 f.; 639 f.). 74 Zur Straftat von erheblicher Bedeutung bei Öffentlichkeitsfahndung zur Sicherung der Strafvollstreckung siehe bereits unter Pkt. A. I. 3. c) des 2. Teils. 75 Rieß, GA 2004, 623 (635 Fn. 80) selbst relativiert seine Aussage, indem er einräumt, dass es bei solchen Mischfällen anders liegen kann. 76 Vgl. Hilger, NStZ 2000, 561 (563) in Bezug auf die Zeugenfahndung. 77 Soiné, § 131 Rn. 22; ders., ZRP 1994, 392 (393); ders., Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., JR 2002, 137 (138); Valerius, S. 50; vgl. Referentenentwurf StVÄG 1988, Begründung zu § 163e StPO, abgedruckt in: Stellungnahme der Strafverteidigervereinigungen, S. 61. Differenzierend Albrecht, StV 2001, 416 (419). Kritisch allerdings Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 6, nach dem die gesetzgeberische Entscheidung zu einem „vermeidbaren Maß an Rechtsunsicherheit“ führe sowie Pütter, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 65 (1/2000), 62 (69). Für einen Deliktskatalog Baumhöfener, K&R 2015, 625 (631).

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kann, ohne dass das Kriterium der Unerlässlichkeit im konkreten Fall ausreichend Berücksichtigung findet78. Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L sieht vor, dass bei einer „auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat“ zur besseren Verbreitung der Fahndung auf private Internetdienstanbieter, insbesondere Web 2.0 Dienste und Soziale Netzwerke, zurückgegriffen werden darf. Auch wenn die Ideengeber der Verwaltungsvorschriften, die auf die Änderung der Anl. B RiStBV abzielten, durch Schaffung dieser Vorschriften die Konkretisierung der Regelungen in der StPO und eine Orientierungshilfe zur Ermessensausübung79 durch einen klarstellenden Hinweis80 im Blick gehabt haben mögen, deutet die gewählte und dem Vorschlag der Unterarbeitsgruppe „Recht“ der Bund-Länder-Projektgruppe Soziale Netzwerke entsprechende Formulierung „auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat“, darauf hin, dass die Erheblichkeitsschwelle auf Anlasstaten, die auch im Einzelfall schwer wiegen, angehoben werden sollte, wie vom Leiter der genannten Arbeitsgruppe vorgeschla­ gen wurde81. cc) Praxis Die dargestellte Einzelfalllösung anhand zahlreicher Eckpfeiler hat den Nachteil, dass die Bestimmung des Begriffs einer Straftat von erheblicher Bedeutung gewissermaßen zu einem Kasuistikdasein verurteilt ist. Dies ist bezogen auf die Eingriffsintensivität der Internetfahndung aus rechtsstaatlicher Sicht äußerst bedenklich82. Wegen der Vielfältigkeit der Konstellationen und seiner Dehnbarkeit scheint es nicht ganz unberechtigt, den Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung als einen „argumentativen Alleskleber“ zu charakterisieren83. Die überschaubare Anzahl der veröffentlichten Entscheidungen bezieht sich überwiegend auf Eigentums- und Vermögensdelikte. So ist einzelfallabhängig, ob etwa ein Computerbetrug als eine Straftat von erheblicher Bedeutung gelten kann. Dieser Charakter wurde in einem Fall bejaht, in dem der Geschädigten ihre Handtasche samt 360,00 Euro Bargeld, diversen Dokumenten sowie EC-Karte durch Anrempeln entwendet wurde und anschließend ein Geldbetrag in Höhe von 500,00 Euro von ihrem Konto abgehoben wurde. Das Gericht berücksichtigte zum einen die Umstände der Tatausführung unter Gewaltanwendung, die arbeitsteilige, möglicherweise gewerbsmäßige Mitwirkung von zwei Personen sowie die Höhe des entstande 78

Valerius, S. 50. Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20 (21, 22). 80 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 4. 81 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 2. 82 Zu der Kritik sowie einem Vorschlag de lege ferenda siehe unter Pkt. A. II. 1. a) des 6. Teils. 83 Lindemann, KJ 2000, 86 (94 f.), der diese Bezeichnung von Albrecht, KritV 1986, 55 (61) übernimmt (dort in einem anderen Zusammenhang verwendet). Siehe auch Pütter, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 65 (1/2000), 62 (65). 79

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nen Schadens84. Auch bei einem Diebstahl und anschließendem Computerbetrug bei einem Gesamtschaden von 970,00 Euro wurde eine Straftat von erheblicher Bedeutung angenommen85. Sie wurde weiter im Fall eines versuchten Computerbetrugs nach Diebstahl aus einem Krankenhauszimmer bejaht. Das Gericht hob zum einen die Höhe des potenziellen Schadens hervor (500–1.000 Euro) sowie den Massencharakter derartiger Delikte, wobei gerade die Nichtdurchführung einer Öffentlichkeitsfahndung geeignet wäre, „das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen, weil dadurch der Eindruck erweckt wird, dass der jeweilige Täter nicht effektiv verfolgt werde“86. Das Tatbestandsmerkmal wurde dagegen in einem Fall verneint, in dem zunächst aus einer Umkleidekabine eine Geldbörse mit 80,00 Euro Bargeld, einer EC-Karte sowie einer Notiz mit der Konto-Geheimzahl gestohlen, anschließend 1.000 Euro abgehoben wurden, sich jedoch in der später wieder aufgefundenen Geldbörse 1.071,00 Euro befanden, so dass schließlich ein Schaden in Höhe von lediglich 9,00 Euro entstand87. Auch im Fall eines versuchten Diebstahls von Kinderbekleidung im Gesamtwert von 95,92 Euro verneinte das Gericht das Vorliegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung – zwar überschritt der Wert der gestohlenen Gegenstände die Grenze der Geringwertigkeit, allerdings nicht wesentlich. Die Tat wurde der Kleinkriminalität zugerechnet; Anhaltspunkte auf eine gewerbsmäßige Begehung lagen im konkreten Fall nicht vor88. Eine detaillierte Aufzählung einzelner Delikte und Tatumstände, in denen der Charakter einer Straftat von erheblicher Bedeutung angenommen wurde, würde den Rahmen dieser Bearbeitung sprengen, daher wird nur kursorisch auf signifikante Fallgruppen aus der Praxis hingewiesen. Zahlreiche Fälle der Internetfahndung betrafen Tötungs-89 und Körperverletzungsdelikte; Vermögens- und Eigentumsdelikte (z. B. Raubdelikte, Wohnungseinbruchsdiebstahl90, Betrug91,

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LG Saarbrücken, wistra 2004, 279 f. Kritisch Joecks, § 131b Rn. 2. AG Bonn, Beschluss vom 6.8.2008 – 51 Gs 1258/08, BeckRS 2008, 18552. 86 LG Bonn, NStZ 2020, 55 (56). 87 AG Hannover, Beschluss vom 23.4.2015 – 174 Gs 434/15, BeckRS 2015, 12233. Zu dem Fall auch Busching, jurisPR-ITR 2/2016 Anm. 6; Burhoff, StRR 2015, 426 f. 88 AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. 89 Das wohl schillerndste Beispiel betraf die Internetfahndung nach Anis Amri wegen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016, siehe BMJV, Fahndungsaufruf vom 21.12.2016, https://twitter.com/BMJV_Bund/status/811628295703949312 (26.4.2020). 90 Z. B. Polizei Westmecklenburg / Polizei Wismar & NWM, Fahndungsaufruf vom 20.11.2017, https://www.facebook.com/PolizeiWestmecklenburg/photos/a.156149904730109.107374​ 1828.156122558066177/553564541655308/?type=3&theater (26.4.2020), https://twitter.com/​ Polizei_NWM/status/932560203912015873 (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/​ pm/108764/3792543 (26.4.2020). 91 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 9.3.2017 („Maklertrick“), https://www. facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/1436345123051452 (11.1.2018), http:// www.lka.polizei-nds.de/fahndung / fahndung_social_networks / hannover-betrueger-gibt-sichals-makler-aus-111914.html (11.1.2018). 85

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Computerbetrug92). Öffentlich gefahndet im Internet wurde auch wegen Sexualdelikten93 (auch an Kindern94 – darunter auch wegen exhibitionistischer Handlungen95) sowie im Zusammenhang mit der Herstellung und Verbreitung von Kinderpornografie96 und wegen Verbreitung pornografischer Schriften97. Des Weiteren bezogen sich virtuelle Fahndungsaufrufe auf Brandstiftungsdelikte98. In Bezug auf die G20-Krawalle von 2017 wurde eine Straftat von erheblicher Bedeutung bei Delikten wie §§ 113 Abs. 2, 114 Abs. 1, Abs. 2; 125a; 223, 224; 242, 243; 306 Abs. 1 StGB angenommen99. Auch wegen gemeingefährlicher Sachbeschädigung, etwa dem Austreten von U-Bahn-Fenstern in Berlin 2015 von einem Jugendlichen, wurde im Internet gefahndet100, genauso wegen der Beschädigung mehrerer Pkws 92 Z. B. Polizei NRW Düsseldorf, Fahndungsaufruf vom 11.12.2014, https://www.face​ book.com/Polizei.NRW.D/photos/a.1426486374266432.1073741828.1425666567681746/152​ 2609764654092/?type=3&theater (26.4.2020); https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/​ 13248/2902775 (26.4.2020). 93 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 29.9.2015 wegen Vergewaltigung, https:// www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/442407945943315 (26.4.2020); http://www.berlin. de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.379061.php (29.9.2015). 94 Z. B. Polizei Hessen / Polizeipräsidium Westhessen, Fahndungsaufruf vom 3.11.2017 wegen eines sexuellen Übergriffs an einer 11-Jährigen, https://www.polizei.hessen.de/Startseite/ broker.jsp?uMen=bd470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046&uCon=d8970393-f510-de510078-2256f0683340&uTem=8ed702cd-aff2-3941-cd47-a0a30165474d (5.1.2018); https://www. facebook.com/PolizeiHessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/1615 481045180063/?type=3&theater (26.4.2020). 95 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 8.12.2017, https://www.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/1736696973016264 (11.1.2018), www.lka.polizeinds.de/fahndung/fahndung_social_netzworks / freden-fahndung-nach-exhibitionisten-112610. html (11.1.2018). 96 Z. B. Bundeskriminalamt, Fahndungsaufruf vom 9.10.2017, https://www.presseportal. de/blaulicht/pm/7/3755436 (26.4.2020); https://de-de.facebook.com/PolizeiRheinlandPfalz/ posts/1270489619722920 (26.4.2020); Fahndungsaufruf vom 26.3.2018, https://www.presse​ portal.de/blaulicht/pm/7/3900578 (26.4.2020). 97 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 13.3.2017, https://www.facebook.com/​ PolizeiBerlin/posts/659584534225654 (26.4.2020); http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.569587.php (19.3.2017). 98 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 22.7.2019, https://web.facebook. com/ ​L andeskriminalamtNiedersachsen/photos/a.422664367752871/2602497779769508/? type=​ 3&theater (20.10.2019); https://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_ networks/hannover-schwere-brandstiftung---polizei-sucht-mit-neuem-bild-nach-fluechtigemtatverdaechtigen-113940.html?fbclid=IwAR2PqhAHUQrd9JrKF6jjH40zOEuJuEqIXN-FUzTtwAp41OEW2EY76qRnoA (20.10.2019). 99 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/121179 vom 1.6.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 24.5.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit G20, unter Pkt. 1a; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11458 vom 2.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 27.12.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Öffentlichkeitsfahndung der SoKo „Schwarzer Block“ – Läuft alles rechtmäßig?, unter Vorbemerkung. 100 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 26.2.2016, https://plus.google.com/+PolizeiBerlin110/ posts/hRETS6oW2zH?sfc=false (23.1.2017).

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durch Zerkratzen in Kaiserslautern 2017101 bzw. durch Schläge und Tritte in Wetzlar 2016102. Im Internet wurde aber auch wegen eines Diebstahls von 60 Euro (Bernau 2015) gefahndet103, was an dem Einhalten der dargestellten Grundsätze Zweifel aufkommen lässt. Auf den ersten Blick verwundert es, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung bei einem Diebstahl von Smartphones wie in Essen 2017104 oder bei Handtaschen- bzw. Gepäckdiebstählen, etwa an Bahnhöfen oder aus Zügen wie 2017 auf der Strecke Köln-Hagen105, angenommen wurde106. Dies ließe sich allenfalls im Einzelfall durch den konkreten Modus Operandi oder durch ein gewerbsmäßiges, auch bandenmäßiges Vorgehen begründen (immer mehr gehören solche „petty crimes“ zu dem Bereich der Organisierten Kriminalität107). Dass auch der höchstpersönliche Lebensbereich für besonders schützenswert erachtet wurde, zeigt die Fahndung nach einem Tatverdächtigen, der 2019 auf einem Campingplatz in Wangerland unbefugt Fotos einer sich entkleidenden 15-Jährigen in einer Duschkabine anfertigte (§ 201a Abs. 1 Nr. 1, ggf. auch Abs. 3 Nr. 1 StGB)108 oder der Fall, in dem der Tatverdächtige ein sog. Gaffervideo nach einem Busunfall in Wiesbaden 2019 anfertigte und im Internet veröffentlichte (Verstoß gegen § 201a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB sowie § 323c Abs. 1 StGB)109. Eine weitere Fallgruppe bildet die Volksverhetzung, nicht selten verbunden mit Körperverletzungsdelikten wie in Schwe-

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Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 24.7.2017, https://www.facebook.com/​ PolizeiRheinlandPfalz/photos/a.366686616769896.1073741830.346839815421243/120498518​ 9606697/?type=3&theater (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117683/36​ 92527 (26.4.2020). 102 Polizeipräsidium Mittelhessen / Polizeidirektion Lahn-Dill, Fahndungsaufruf vom 26.2.2016, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/56920/3262442 (26.4.2020). 103 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 5.2.2016, https://polizei.brandenburg.de/ fahndung/polizei-bittet-um-mithilfe-der-bevoelker/161363 (5.4.2016). 104 Z. B. Bundespolizei NRW, Fahndungsaufruf vom 11.1.2018, https://www.presseportal.​ de/blaulicht/pm/70116/3836373 (27.1.2018), https://twitter.com/bpol_nrw/status/95137​21919​ 45363456 (27.1.2018). 105 Bundespolizei NRW, Fahndungsaufruf vom 21.8.2017, https://www.presseportal.de/blau​ licht/​pm/70116/3714404 (26.4.2020), https://twitter.com/bpol_nrw/status/899612030​784​74​ 5477 (26.4.2020). 106 Generell dagegen L-R / Gleß, § 131 Rn. 18. 107 Siehe Gögelein, Kriminalistik 2017, 129 (132). 108 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 13.9.2019, https://www.lka.polizei-nds.de/ fahndung/fahndung_social_networks/wangerland-unerlaubte-filmaufnahmen--114031. html?​f bclid=IwAR1BzagnNGV9sRTt23JCVvnCT5Bw0m1GRockj6NTcJgIhzDMV7iZJp0​ af64 (26.4.2020); https://www.facebook.com/LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/​270​ 7917369227548?__xts__[0]=68.ARBbUpSvD4zLEkA330Jjlkq3vI47s_58LLxetJxea​Rd_​ X6xbn5zBs1v77I1WIVDpuIJFzRLd88JjyVAmafCklziguNcXG2xJSxCGNLp_gAEqB​Z Q​ OO3RUEC7GLRR1-efWjb7EJx4aoOa9Ee_KER8VLg73Ai5whsmrBBKW7dD-YhJI​N F-h1 s7KgSASedgelv3XRwIeXfyiwDy3Vnnx8Z-IW8LbkgGEBYn-F4x7iNPA39u7RL3_v8Iq_ JTr15V8TDqolVd_2Ba7s9WDjFBz-gNpueI28od0wOAbn64gB9CYhZ5QwSGu0JEk_ql​ 9jxmoH4Y_RohtpKnuzjGCtPtvWQ1irhVa5w&__tn__=-R (26.4.2020). 109 Polizei Westhessen, Fahndungsaufruf vom 14.1.2020, https://www.facebook.com/Polizei​ Westhessen/posts/2892135274164937 (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

rin 2016110. Gefahndet wurde auch wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – konkret in einem Fall in Cottbus (undatiert), in dem ein Fußballfan ein Trikot mit einer einschlägigen Aufschrift trug111. Andere Fahndungsaufrufe betrafen das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln wie in Hamburg (undatiert)112 sowie das Inverkehrbringen von Falschgeld wie in Duderstadt 2019113. Zu den besonders schwerwiegenden Fällen der Internetfahndung gehört neben der Fahndung nach Anis Amri wegen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in Berlin 2016 auch diejenige nach Jaber Al-Bakr wegen Verdachts einer Tat aus § 89a StGB von 2016114. In der Schweiz werden in Art. 211 schweiz. StPO, der die Zulässigkeit der Öffentlichkeitsfahndung regelt, keine einzelnen Voraussetzungen genannt. Sie werden kantonal präzisiert, so setzt etwa eine Internetfahndung in Zürich ein Delikt von gewisser Schwere, konkret: ein Verbrechen oder schwerwiegendes Vergehen, an deren Aufklärung ein erhebliches Interesse besteht, voraus115. Nach § 169 Abs. 1 S. 1 österr. StPO ist eine Öffentlichkeitsfahndung bei einer vorsätzlich begangenen Straftat zulässig, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist. In den polnischen Vorschriften der Art. 279 f. k. p. k. wird die Schwere einer Straftat, die eine Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme erlaubt, nicht genannt. In der Praxis wird zur Festnahme sogar in Fällen leichter Kriminalität gefahndet, auch in Fällen, bei denen der Schaden in Deutschland die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreiten würde116. Der 110

Z. B. Polizei Westmecklenburg, Fahndungsaufruf vom 9.2.2016, https://www.facebook. com/PolizeiWestmecklenburg/posts/221187531559679 (26.4.2020), https://www.presseportal. de/blaulicht/pm/108746/3247460 (26.4.2020). 111 Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 12.10.2018, https://polizei.brandenburg.de/ fahndung/polizei-bittet-um-hilfe/1207055 (15.11.2018). 112 Z. B. Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 12.8.2019, https://web.facebook.com/ polizeihamburg/photos/a.1401912723402451/2273921279534920/?type=3&theater&_rdc=​ 1&_rdr (26.4.2020); https://www.polizei.hamburg/personen/straftaeter/12787772/drogen​ handel-a/ (26.4.2020). 113 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 29.4.2019, https://web.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/2449695435049744?__xts__[0]=68.ARBd UyW6mxakoJ6SxQC4ZzLcpimVU7PDVql8-9VMotDLRLb9XejIdpk2bqmxT8749v​ CKiRc5yDJLTGD11Pu_D1pJ4eS5rrCsWWC-2R_qqfYTluAQLKLbYBVNoK7_aHHg​ FMNrROhh6PHPJKDAUhlFTEZ_WjuLlvlAaZZIwmfHI7XEsKOGP2Uimo1WhkisBcBU kcv​DVG6nYztliR4AX8rJTjQ31C0U7ViNj4sa0GGsBCWe8HvS0LbLovDtX5x20OKVgYkH seil​4gPRSpykAI33cY_AAY5_efeLngCKbikAZ2jTELt8Mfj5mnt5cvNFjRVMioGKFGDVu rnvg6cySoC0VL8Ayw&__tn__=-R (26.4.2020); https://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/ fahndung_social_networks/goettingen-fahndung-nach-vier-falschgeldverbreitern-113758.ht ml?fbclid=IwAR2HIy2nJCV0291toguwFNdCdszgT0rGpvr-kGLDSHbE0SeMIdwi37KhHfg (26.4.2020). 114 Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 8.10.2016, https://www.polizei.sachsen.de/de/45​ 350.htm (9.10.2016), https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/posts/558049211064579 (26.4.2020), https://twitter.com/PolizeiSachsen/status/784737121772957697 (26.4.2020). 115 BSK / Rüegger, Art. 211 Rn. 9 m. w. N.; Indermaur, Forum poenale 2013, 223 (226). 116 Siehe Interpelacja nr 16377 do ministra sprawiedliwości w sprawie wystawiania listów gończych, 21.3.2013 (Kleine Anfrage an den Justizminister zum Steckbrieferlass), http:// www.sejm.gov.pl/sejm7.nsf/InterpelacjaTresc.xsp?key=7D89E523&view=null (26.4.2020); Jamróg, Karolina, Ścigani listem gończym to nie tylko najgroźniejsi bandyci, Nowiny24

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polnische Gesetzgeber sieht keinen Bedarf, die Öffentlichkeitsfahndung auf Delikte mit gewisser Tatschwere zu beschränken117; gleichwohl wird in der Literatur vertreten, dass bei der Inanspruchnahme von Publikationsorganen zur Fahndung eine erhebliche Straftat vorliegen muss118.

b) Verdachtsgrad Die weitere Voraussetzung für die Durchführung einer Öffentlichkeitsfahndung ist das Vorliegen eines Tatverdachts. Dabei soll der Verdacht nicht nur die Tat als solche betreffen, sondern auch die Umstände für die Erheblichkeit umfassen119. § 131 Abs. 3 StPO, also die Fahndung zur Festnahme, setzt für öffentliche Fahndung einen dringenden Verdacht voraus. Diese Voraussetzung wird nicht explizit im Wortlaut der Norm erwähnt, wird aber aus dem Sachzusammenhang hineingelesen, weil die Fahndung zur Festnahme einen Haft- bzw. Unterbringungs­befehl oder zumindest das Vorliegen seiner Voraussetzungen erfordert120. Auch die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO von Beschuldigten und Zeugen121 setzt einen dringenden Tatverdacht voraus, worauf ausdrücklich im Gesetzeswortlaut hingewiesen wird. Anders als in den beiden genannten Normierungen ist im Wortlaut des § 131b Abs. 1 StPO (Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach einem Beschuldigten) lediglich ein „Verdacht“122 festgeschrieben, womit der Anfangs-/einfacher Verdacht gemeint ist123. In § 131b Abs. 2 StPO, der eine vom 3.1.2013, https://nowiny24.pl/scigani-listem-gonczym-to-nie-tylko-najgrozniejsi-bandycizdjecia / a r/6178539 (26.4.2020). 117 Odpowiedź podsekretarza stanu w Ministerstwie Sprawiedliwości – z upoważnienia ministra – na interpelację nr 16377 w sprawie wystawiania listów gończych, 23.4.2013 (Antwort des Unterstaatssekretärs des Ministeriums der Justiz im Auftrag des Ministers auf Kleine Anfrage Nr. 16377 zum Steckbrieferlass), http://www.sejm.gov.pl/sejm7.nsf/InterpelacjaTresc. xsp?key=430DB19A (26.4.2020). 118 Stefański, Art. 280, S. 1202. 119 Rieß, GA 2004, 623 (641). 120 Vgl. S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 18. 121 L-R26 / Hilger, § 131a Rn. 7 (so auch L-R / Gleß, § 131a Rn. 7); ders., in: FS Rieß, 171 (177 f.); ders., NStZ 2000, 561 (563) kritisierte die Ausdehnung dieser Voraussetzung (und der Straftat von erheblicher Bedeutung) auf öffentliche Fahndungen nach Zeugen als „ein unnötiges Risiko für den Beschuldigten und eine ebensolche Belastung für den Verteidiger“, weil Letzterer bei geringfügigen Straftaten selbst nach Entlastungszeugen suchen müsse; er hob auch die Gefahr von Ermittlungsverzögerungen hervor, die sich negativ auf die Wahrheitsfindung auswirken könnten. Dem wird zutreffend entgegengehalten, dass auch unter Berücksichtigung der staatsbürgerlichen Pflicht des Zeugen zur Aussage durch diese Voraussetzung wegen der Eingriffsintensität gerade dem Schutz des Zeugen Rechnung getragen wird, nicht zuletzt wegen des Verwechslungsrisikos bei nur oberflächlich informierten Lesern; die meisten der gesuchten Zeugen sind darüber hinaus nicht Entlastungs-, sondern Belastungszeugen (SK / Paeffgen, § 131a Rn. 7; KK / Schultheis, § 131b Rn. 4). Hinzu kommt, dass eine Öffentlichkeitsfahndung eines Verteidigers nach Zeugen, auch wenn rechtlich keine Hindernisse entgegenstehen, nicht üblich ist, siehe hierzu unter Pkt. C. II. des 3. Teils. 122 Siehe auch BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 123 L-R / Gleß, § 131b Rn. 3; Soiné, § 131b Rn. 1.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach einem Zeugen regelt, ist der Verdachtsgrad nicht erwähnt. Dennoch wird angenommen, dass auch dort ein Anfangs-124 /  einfacher Verdacht125 einer Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegen muss. Die Gründe dieser unterschiedlichen Gestaltung werden in der Gesetzesbegründung zum StVÄG 1999 nicht erwähnt. In den 1990er-Jahren wurden sie nicht zum Gegenstand legislatorischer Diskussionen gemacht, auch nicht bei den Arbeiten am StVÄG 1996. Ganz anders sah es jedoch in den früheren Gesetzentwürfen aus. Sowohl in dem Arbeitsentwurf 1986 (§ 131b Abs. 1 S. 2 StPO-AE) als auch in dem Referentenentwurf zum StVÄG 1988 (§ 131b Abs. 3 StPO-StVÄG 1988) und in dem Entwurf des Regierungsentwurfs zum StVÄG 1989 (§ 131c StPO-StVÄG 1989) setzte die Aufklärungsfahndung (in dem Letzteren auch Identitätsfahndung) nach einem Beschuldigten einen dringenden Tatverdacht voraus. In der Begründung zum Referentenentwurf StVÄG 1988 sowie StVÄG 1989 war zu lesen126: „Da diese Fahndungsmaßnahme nicht an das Vorliegen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls bzw. deren Voraussetzungen gebunden ist, wird die Bejahung eines dringenden Tatverdachts einer Straftat mit erheblicher Bedeutung gefordert …“. Im Ergebnis der Gespräche zwischen Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium wurde Anfang 1993 die Verdachtsschwelle „dringender Tatverdacht“ aus der Vorschrift gestrichen127. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt128, wurde die öffentliche Fahndung nach einem unbekannten Täter in den Zeiten vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 von einem Teil der Autoren auf §§ 161, 163 StPO gestützt. Dabei wurde argumentiert, eine erhöhte Verdachtslage sei nicht notwendig, weil solche Fahndungsmaßnahmen nicht selten bereits am Anfang der Ermittlungen vorgenommen würden129. In Bezug auf die heutige Rechtslage wird vielfach argumentiert, dass ein einfacher Tatverdacht i. S. e. Anfangsverdachts130 genüge, da es gerade nicht erforderlich sei, dass die Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls vorliegen131 bzw. weil die Maßnahme nicht auf die Festnahme bzw. den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls abziele132. Der dringende Tatverdacht ist auf der Verdachtsskala133 die stärkste Form des Verdachts, also eine nach dem jeweiligen Ermittlungsstand (der sich naturgemäß 124

KMR / Wankel, § 131b Rn. 2; HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 2; L-R / Gleß, § 131b Rn. 3, 5. KK / Schultheis, § 131b Rn. 2; Graf / Niesler, § 131b Rn. 1; BeckOK / Niesler, § 131b Rn. 1; Ranft, StV 2002, 38 (42). 126 StVÄG 1988 (Stand: 22.12.1988) abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidiger­ vereinigungen, S. 55; StVÄG 1989, Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht), S. 78 f. 127 Rest-StVÄG, Stand 12.2.1993 (nicht veröffentlicht), § 131d Abs. 1 StPO-Rest-StVÄG. 128 Siehe unter Fn. 29 des 1. Teils. 129 L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 10. 130 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 3. 131 KK / Schultheis, § 131b Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 3; Soiné, § 131b Rn. 1. 132 MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 3; AnwK / Walther, § 131b Rn. 3. Zu der Kritik sowie einem Vorschlag de lege ferenda siehe unter Pkt. A. II. 3. b) des 6. Teils. 133 Bei dem Verdacht handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, siehe etwa L. Schulz, S. 619. 125

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ändern kann134) hohe Wahrscheinlichkeit135, dass der Tatverdächtige auch tatsächlich (Mit- bzw. mittelbarer) Täter bzw. Beteiligter der vorgeworfenen Tat ist136. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Informationsstand im Moment der Entscheidung über die vorzunehmende Maßnahme (sog. entscheidungserheblicher Zeitpunkt)137. Der Anfangsverdacht, abgeleitet aus § 152 Abs. 2 StPO, liegt dagegen vor, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die Strafverfolgung bestehen; es muss sich um konkrete Tatsachen (wozu auch Indizien genügen) und nicht nur um Vermutungen handeln, die die Feststellung erlauben, dass eine Möglichkeit der Begehung einer Straftat bestand138. Es handelt sich dabei um eine retrospektive Diagnose139. Der Anfangsverdacht ist dabei die schwächste Verdachtsform, er ist, anders ausgedrückt, die „Eingangsstufe“ auf der Skala der Wahrscheinlichkeit140. Wenn auf dieser Skala, auf der der Maximalwert von 1 als absolute Sicherheit gilt, der Wert von 0,5 als non liquet anzunehmen ist, dann muss der dringende Tatverdacht größer als dieser Wert sein; der einfache Tatverdacht darf geringer als 0,5 sein und entfällt erst bei Gewissheit der Unschuld141. Es ist zu berücksichtigen, dass nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch das Erfordernis eines bestimmten Verdachtsgrades der Eingriffsschwere Rechnung zu tragen ist142, oder, um es mit Lohner auszudrücken143: „Je weitergehender der Eingriff ist, desto stärker muss der Verdacht sein“. So gesehen, bleibt es das Geheimnis des Gesetzgebers, die Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach Beschuldigten und Zeugen unter Veröffentlichung von Abbildungen, die nicht nur besonders eingriffsintensiv sind, sondern auch gerade eine stärkere Form des Verdachts gegenüber dem (abgebildeten) Beschuldigten indizieren, lediglich von einem Anfangsverdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung abhängig zu machen. Umgekehrt ist aus demselben Grund des Grundrechtsschutzes die gesetzgeberische Entscheidung, für die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung nicht einen einfachen, sondern

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L-R / Lind, § 112 Rn. 21; Benfer / Bialon, Rn. 96. Zu dem Beweismaß der hohen (hochgradigen) Wahrscheinlichkeit siehe Herdegen, StV 1992, 527 (533). 136 Statt aller L-R / Lind, § 112 Rn. 16; Kastner, in: Wörterbuch der Polizei (Tatverdacht). Es ist umstritten, ob die Prognose auch die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung umfassen muss. Dagegen z. B. BGH, NStZ 1981, 94 (Pfeiffer); Meyer-Goßner / Schmitt, § 112 Rn. 5; dafür z. B. L-R26 / Hilger, § 112 Rn. 17. 137 Benfer / Bialon, Rn. 96. 138 Meyer-Goßner / Schmitt, § 152 Rn. 4 m. w. N. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 26.10.2011  – 2 BvR 15/11, BeckRS 2011, 56457; H.-P. Schneider, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 37 (40). Auch ein legales Verhalten kann u. U. den Anfangsverdacht begründen, es sei denn, dass die Persönlichkeit des Betroffenen zur alleinigen Beurteilungsgrundlage wird, siehe Hoven, in: Fischer / Hoven, S. 117 (121 f., 128, 132 f.). 139 L. Schulz, S. 587. 140 Lohner, S. 61 f. 141 Kühne, NJW 1979, 617 (622). Nach L. Schulz, S. 608 ist vom dringenden Tatverdacht erst bei einem Wert von 0,75, wenn nicht bei 0,9 auszugehen. 142 Rieß, GA 2004, 623 (633). 143 Lohner, S. 66. 135

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

einen dringenden Tatverdacht zu verlangen, vollkommen legitim, selbst wenn sich deshalb das Ermittlungsverfahren verzögern sollte144. An dieser Stelle ist kurz auf die Nomenklatur des Gesetzgebers bzgl. der Bezeichnung der gesuchten Person einzugehen. In den §§ 131 ff. StPO wird stets der Begriff des „Beschuldigten“ verwendet. Dabei stellt sich heraus, dass dieser Begriff für die Fahndungsvorschriften weit zu verstehen ist. Bei einem von den Fahndungsmaßnahmen Betroffenen, der nicht Zeuge ist, soll es sich automatisch um einen Beschuldigten handeln, wie in dem Entwurf eines Regierungsentwurfes zum StVÄG 1989 zu lesen ist145: „Der Begriff des Beschuldigten umfaßt denjenigen, gegen den das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird und denjenigen, gegen den sich Maßnahmen, die nur gegen einen Beschuldigten zulässig sind oder regelmäßig nur gegenüber einem Beschuldigten erfolgen, richten. Werden nur gegen Beschuldigte zulässige oder regelmäßig nur gegen Beschuldigte gerichtete Maßnahmen von den Strafverfolgungsbehörden ergriffen, so stehen diese der förmlichen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens insoweit gleich, als der von der Maßnahme Betroffene hierdurch die Beschuldigteneigenschaft erlangt.“ Der Verdächtige ist dabei eine „personale Vorstufe“ im Verhältnis zum Beschuldigten146, die Verdächtigung eine conditio sine qua non der Beschuldigung147. Dies gilt insbesondere nach dem Wortlaut des Gesetzes für die Veröffentlichung von Abbildungen von Unbekannten nach § 131b Abs. 1 StPO148 – sie erlauben (insbesondere wenn sie am Tatort angefertigt wurden), den Verdächtigen als Beschuldigten zu betrachten – sei es aufgrund bloßen Willensaktes der Strafverfolgungsbehörde (subjektivierender Ansatz), sei es aus der Sicht eines objektiven Betrachters (materiell-objektivierender Ansatz), sei es schließlich wegen des Anfangsverdachts, für den die Abbildungen sprechen, und der Einleitung des Ermittlungsverfahrens (subjektiv-objektiver Ansatz)149. Nach Art. 197 schweiz. StPO, der auch für die Öffentlichkeitsfahndung als eine der Zwangsmaßnahmen gilt150, muss ein hinreichender Tatverdacht als Grundverdachtsgrad151 vorliegen. Nach den kantonalen, präzisierenden Vorschriften, etwa in Zürich, ist ein dringender Tatverdacht eine der Voraussetzungen der Internetfahndung152; auch in der Literatur wird teilweise ein dringender Tatverdacht befürwortet, der ein „mehr“ gegenüber dem hinreichenden Tatverdacht ist153. 144

So auch SK / Paeffgen, § 131a Rn. 7; a. A. L-R / Gleß, § 131a Rn. 7 in Bezug auf die Zeugenfahndung. 145 Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht), S. 70. 146 Bringewat, JZ 1981, 289 (284). 147 L. Schulz, S. 552 f. 148 So auch MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 2; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 2. 149 Zu den einzelnen begrifflichen Ansätzen zusammenfassend L. Schulz, S. 554 f. m. w. N. A. A. im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines subjektiven Porträts (Phantombildes) mangels Inkulpationsaktes gegen eine bestimmte Person AG Torgau, NStZ-RR 2003, 112; Beschluss vom 10.2.2004, 5 Gs 13/04, juris; Benfer / Bialon, Rn. 1072, 1093. 150 Indermaur, Forum poenale 2013, 223 (225). 151 BSK1 / Weber, Art. 197 Rn. 8. 152 Indermaur, Forum poenale 2013, 223 (225). 153 BSK / Weber, Art. 197 Rn. 8 f.; BSK / Rügger, 211 Rn. 11. Nach Künzli, S. 73 soll auf den hinreichenden Tatverdacht abgestellt werden.

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Nach § 169 Abs. 1 S. 1 österr. StPO setzt die Öffentlichkeitsfahndung einen dringenden Tatverdacht voraus. In Polen muss für einen Haftbefehl, der eine Voraussetzung der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme darstellt, eine große Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung vorliegen154.

c) Subsidiaritätsklausel aa) Allgemeines Die durch StVÄG 1999 für die Öffentlichkeitsfahndung eingeführte Voraussetzung der Subsidiarität ist zurzeit (in unterschiedlichen graduellen Formen155) auch in zahlreichen anderen strafprozessualen Vorschriften zu finden156 und wurde als eine „Standardklausel bei den strafprozessualen Zwangs- und Überwachungsmaßnahmen“ bezeichnet157. Die Urform der Subsidiaritätsklausel158 ist in der durch das G10-Gesetz vom 13.8.1968159 eingeführten Telekommunikationsüberwachung in § 100a S. 1 StPO zu finden, der Begriff der Subsidiarität wurde in diesem Zusammenhang auch in der Gesetzesbegründung160 sowie der zeitgenössischen Kommentarliteratur verwendet161. Ihr Zweck liegt in der Einschränkung des Eingriffs zum Schutz des von der Maßnahme Betroffenen. Es wurde von Anfang an mehrheitlich vertreten, dass sie als besonderer Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes162, 154 Szymczykiewicz, Roland, Jakie są przesłanki stosowania tymczasowego aresztowania?, Infor.pl vom 26.1.2012, https://www.infor.pl/prawo/wieziennictwo/areszt-tymczasowy/​ 300050,Jakie-sa-przeslanki-stosowania-tymczasowego-aresztowania.html (26.4.2020). 155 „Weniger Erfolg versprechend (bzw. erfolgsversprechend)  oder erschwert“ (sog. einfache Subsidiaritätsklausel), „erheblich weniger Erfolg versprechend (bzw. erfolgsversprechend)  oder wesentlich erschwert“ (sog. qualifizierte Subsidiaritätsklausel), „aussichtslos oder wesentlich erschwert“ (sog. strenge Subsidiaritätsklausel), „unverhältnismäßig erschwert oder aussichtslos“ (sog. Ultima-Ratio-Klausel), „aussichtslos“, siehe etwa Blozik, S. 90 ff.; KK / Bruns, § 100c Rn. 15. 156 Z. B. § 98a Abs. 1 S. 2; 100f Abs. 1; § 100h Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2; 110a Abs. 1 S. 3; § 163e Abs. 1 S. 2, 3; § 167 Abs. 1 S. 1, 2 StPO. Nach Löffelmann, ZStW 118 (2006), 358 (361) mindere sich der Wert der Subsidiaritätsklausel als einschränkendes Merkmal durch ihre „inflationäre“ Verwendung. 157 Schroeder, GA 2005, 73. 158 „… wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“ 159 BGBl. I, S. 949. 160 BT-Drs. V/1880, S. 12. 161 Siehe z. B. Kleinknecht32, § 100a Pkt. 5, dort als „die Unentbehrlichkeit der Maßnahme“; siehe auch L-R23 / Meyer, § 100a Rn. 8. E. Schmidt, Nachtragsband II, § 100a Rn. 5 schreibt von „Erforderlichkeit“. 162 Bereits Kaiser, NJW 1969, 18 (19); Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (378); Bernsmann / Jansen, StV 1998, 217 (220); Schroeder, GA 2005, 73 (74); Zöller, StraFo 2008, 15 (20); KK / Moldenhauer, § 163f Rn. 17; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20, 131a Rn. 9; AnwK / Walther, § 131 Rn. 13; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; L-R / Gleß, § 131 Rn. 20; R. Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 6 (9); Ihwas, S. 278.

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insbesondere der Erforderlichkeit163, anzusehen sei. Gleichwohl ist die Subsidiaritätsklausel weiter als die Erforderlichkeit gefasst  – sie zielt zwar wie die Erforderlichkeit auf die Auswahl des mildesten Mittels ab, aber nicht unter gleich wirksamen Maßnahmen164. § 131 Abs. 3 StPO regelt, dass die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme in Betracht kommt, „wenn andere Formen der Aufenthaltsermittlung erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wären“. Auch nach § 131a Abs. 3 StPO darf die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Beschuldigten sowie Zeugen angeordnet werden, wenn „die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“. Die Veröffentlichung einer Abbildung von Zeugen bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung ist demgegenüber nach § 131a Abs. 4 S. 4 StPO nur dann zulässig, „soweit die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“. Bei der Identitäts- und Aufklärungsfahndung ist eine Veröffentlichung von Abbildungen eines Zeugen und Hinweise auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren nach § 131b Abs. 2 StPO zulässig, „wenn die Aufklärung einer Straftat von erheblicher Bedeutung, insbesondere die Feststellung der Identität des Zeugen, auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“. Demgegenüber ist bei der Identitäts- und Aufklärungsfahndung eines Beschuldigten die Veröffentlichung seiner Abbildungen nach § 131b Abs. 1 StPO zulässig, „wenn die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“. bb) Genese bezogen auf die Fahndungsvorschriften Bereits vor dem Inkrafttreten des StVÄG 1999 waren sich Rechtsprechung, Literatur und die Praxis einig, dass die Öffentlichkeitsfahndung zulässig war, wenn „das angestrebte Ziel nicht mit weniger eingreifenden Maßnahmen erreicht werden“ konnte165 bzw. diese erfolglos geblieben sind oder nach einer Prognose nicht oder nicht rechtzeitig zum Erfolg führen würden166. Andere Maßnahmen durften m. a. W. „nicht genügend erfolgversprechend erscheinen“, worauf Nr. I.2. Abs. 4

163 Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (371); Schroeder, GA 2005, 73 (74); Zöller, StraFo 2008, 15 (20); SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 110. 164 Siehe Blozik, S. 113 f.; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 15; ders., ZIS 2015, 156 (165). Ähnlich HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 12, nach dem die Subsidiaritätsklausel aus diesem Grund über das Verhältnismäßigkeitsprinzip hinausgeht. 165 L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 7; siehe auch etwa AK / Krause, § 131 Rn. 5; KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 2; Fezer I, 6 Rn. 115; Pätzel, NJW 1997, 3131 (3132); Bär, CR 1997, 422 (426 f.); OLG Hamburg, NJW 1980, 842. 166 H.-P. Schneider, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 37 (44); Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 110; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (49).

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S. 1 Anl. B RiStBV hinwies167. Der Grund dieser Einschränkung war bereits damals die Erkenntnis, dass die Maßnahme einen schwerwiegenden Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung des Gesuchten darstellt und die öffentliche Bloßstellung nach sich zieht168. Die heutige Fassung der Subsidiaritätsklausel(n) bei der Öffentlichkeitsfahndung unterlag im Laufe der legislatorischen Arbeiten zahlreichen, nicht geringfügigen Änderungen. Bereits 1985 wurde in § 131c StPO-PP geregelt, dass eine Fahndung nach einem Beschuldigten oder einem Zeugen mittels Publikationsorganen nur zulässig war, „wenn andere Fahndungsmaßnahmen keinen Erfolg versprechen“169. Nach § 131b Abs. 1 S. 1 StPO-AE war die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung (nach Beschuldigten und Zeugen) zulässig, „wenn dies für den Fahndungserfolg unerlässlich“ war. Nach § 131b Abs. 1 S. 2 StPO-AE war die Veröffentlichung einer Abbildung des Beschuldigten nur zulässig, „soweit dies unerlässlich [war], um der Tataufklärung dienliche Hinweise zu erhalten“. Die Voraussetzung der „Unerlässlichkeit“ war auch im Referentenentwurf zum StVÄG 1988170 bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme (§ 131b Abs. 2 StPO-StVÄG 1988) sowie Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach Beschuldigten und zur Fahndung (ohne konkrete Zweckangabe171) nach Zeugen mit Veröffentlichung von Abbildungen (§ 131b Abs. 3 und Abs. 4 S. 2 StPO-StVÄG 1988172) enthalten. Im Laufe der Ressortarbeiten am StVÄG 1989 wurde die Subsidiaritätsklausel zum Gegenstand mehrerer Änderungen. So war die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Zeugen nur dann zulässig, wenn andere Maßnahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert waren (mit Abbildung, wenn die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise aussichtslos wäre), § 131b Abs. 4 S. 1, 4 StPOStVÄG 1989173. Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Beschuldigten zur Festnahme unter Veröffentlichung einer Abbildung setzte voraus, dass „die Fahndung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“ (§ 131a Abs. 1 S. 2 StPO-StVÄG 1989), bei einer Aufklärungs- und Identitätsfahndung mit Abbildung dagegen, dass die Erreichung des Fahndungsziels „auf andere Weise aussichtslos wäre“ (§ 131c StPO-StVÄG 1989). Weitere Änderungen in Bezug auf die Subsidiaritätsklausel sind in einem späteren StVÄG 1989-Entwurf174 (weiter: StVÄG 1989*) zu finden – diese sind mit der heutigen Fassung inhaltsgleich. So war die öffentliche Fahndung zur Festnahme zulässig, „wenn die Fahndung auf andere Weise erheblich 167

Abgedruckt in: Kleinknecht33, unter G1. L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 7. 169 Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 23 (1/1986), S. 118 ff. 170 Abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen. 171 Siehe Fn. 18. 172 Diese Regelung enthielt auch die Formulierung „Abbildungen des Zeugen und Hinweise auf das der Maßnahme zugrunde liegende Strafverfahren dürfen nur erfolgen“, die dem heutigen § 131b Abs. 2 StPO ähnelt. 173 Stand: 26.6.1989 (nicht veröffentlicht). 174 Stand: 11.4.1990 auf der Grundlage der (damals noch nicht abgeschlossenen) Ressort­ abstimmung (nicht veröffentlicht). 168

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weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre“ (§ 131a Abs. 1 S. 2 StPO-StVÄG 1989*), genauso die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Zeugen (§ 131b Abs. 4 S. 1 StPO-StVÄG 1989*) und Aufklärung- und Identitätsfahndung nach einem Beschuldigten (§ 131c Abs. 1 StPO-StVÄG 1989*). Bei der Veröffentlichung von Abbildungen durfte eine Fahndung nach Zeugen nur erfolgen, „soweit die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“ (§ 131b Abs. 4 S. 2 StPO-StVÄG 1989*). Ein Novum war die Einführung einer öffentlichen Identitätsfahndung nach Zeugen, die nur zulässig war, „wenn die Feststellung der Identität … auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“ (§ 131c Abs. 2 StPO-StVÄG 1989*). cc) Begriffsbestimmung Ausgehend von der Charakterisierung von Rieß sind jedem Subsidiaritätsverhältnis drei Elemente eigen. Das erste – der Bezugspunkt der Subsidiarität – ist der Zweck, dem die miteinander konkurrierenden Maßnahmen dienen sollen175. Im Falle von § 131 Abs. 3 StPO ist das die Festnahme, in § 131a Abs. 1 StPO die Aufenthaltsermittlung des Beschuldigten bzw. Zeugen, in § 131b Abs. 1 und 2 StPO die Identitätsfeststellung bzw. die Aufklärung einer Straftat. Das zweite Charakteristikum sind konkurrierende Prozesshandlungen (Maßnahmen), die geeignet sind, den Bezugspunkt zu erreichen, von denen zumindest eine gegenüber den anderen subsidiär anzuwenden sein soll176. In den hier maßgeblichen Vorschriften ist die Öffentlichkeitsfahndung als subsidiär zu bezeichnen; die Maßnahmen, die Vorrang genießen, sind im Gesetz im Einzelnen nicht bezeichnet – sie wurden mit dem Sammelbegriff „auf andere Weise“ (§ 131a Abs. 3 und 4, § 131b Abs. 1 und 2 StPO) oder „andere Formen der Aufenthaltsermittlung“ (§ 131 Abs. 3 StPO) umfasst. Auch wenn der Wortlaut der Normierungen dies nicht unbedingt hergibt und nicht auf die Auswirkung auf den Gesuchten, sondern auf die Erfolgslosigkeit oder Verfahrenserschwernis abgestellt wird, sind hier konkret177 Maßnahmen gemeint, die die gesuchte Person in einem geringeren Maße beeinträchtigen178. Das dritte und letzte Element sind schließlich sog. Subsidiaritätsbedingungen, also Aspekte, 175 Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (370). Bernsmann / Jansen, StV 1998, 217 (220) schreiben in diesem Zusammenhang vom Ermittlungsziel. 176 Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (370). 177 Ansonsten ist umstritten, ob auch andere eingriffsintensivere Maßnahmen oder nur weniger belastende Maßnahmen gemeint sind, zum Streitstand siehe Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (370) m. w. N. 178 Siehe z. B. HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 12; L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 16, § 131 Rn. 19; S / S/W / ​ Satzger, § 131 Rn. 20; Benfer / Bialon, Rn. 1061; Nr. 2.1 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht), zitiert in: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/5048 vom 26.1.2017, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Internetfahndung in Schleswig-Holstein, unter Pkt. 6.

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die das Eingreifen der subsidiären Maßnahme (hier: der Öffentlichkeitsfahndung) ermöglichen179. Bezogen auf die Fahndung nach einem Beschuldigten zur Festnahme, zur Aufenthaltsermittlung und zur Identitätsfeststellung bzw. Tataufklärung sowie nach einem Zeugen zur Aufenthaltsermittlung ohne Abbildung muss das Erreichen des Fahndungsziels mit den konkurrierenden Prozesshandlungen erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert sein. Bezogen auf die Fahndung nach einem Zeugen zur Aufenthaltsermittlung unter Veröffentlichung einer Abbildung sowie zur Identitätsfeststellung bzw. Tataufklärung muss das Erreichen des Fahndungsziels mit konkurrierenden Maßnahmen aussichtslos oder wesentlich erschwert sein. Bzgl. der zuletzt genannten Subsidiaritätsklausel herrscht Uneinigkeit zu ihrer Bewertung: Für manche Autoren ist das eine „minimale Verschärfung“180, andere bezeichnen sie als „sehr weitgehend“181. Der Versuch, diese Termini auszulegen, wurde im Laufe der Zeit von mehreren Autoren vorgenommen. Die Begriffe „erheblich weniger Erfolg versprechend“182 bzw. „aussichtslos“ sind dabei an dem Ermittlungserfolg orientiert; die Bezeichnung „wesentlich erschwert“ bezieht sich demgegenüber vorrangig auf die Erschwernis bei den Ermittlungen bzw. bei der Beweisgewinnung183, sie bezieht sich letztendlich, wenn auch nicht vordergründig, auch auf den Ermittlungserfolg. Unter „Aussichtslosigkeit“ (der Aufklärung), der ein höherer Grad fehlender Erfolgswahrscheinlichkeit im Vergleich zu „erheblich weniger Erfolg versprechend“ beiwohnt, wird eine Situation verstanden, in der keine anderen Ermittlungsmaßnahmen vorhanden sind bzw. bei ihrem Vorhandensein ihr Einsatz ersichtlich gegenüber der subsidiären Maßnahme keine vergleichbaren Erfolgschancen bietet – das Ermittlungsziel lässt sich realistischerweise ohne die subsidiäre Maßnahme (die ggf. zusätzlich einzusetzen ist184) nicht erreichen185. Demgegenüber bedeutet „erheblich weniger Erfolg versprechend“, dass infolge einer kriminalistischen Prognose bei einer ex-ante-Betrachtung ein beträchtliches Aufklärungsdefizit festgestellt wird, sollte die subsidiäre Maßnahme nicht (auch zusätzlich) zum Einsatz kommen186. 179

Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (371). Blozik, S. 24 ff. schreibt in diesem Zusammenhang umgekehrt von „Bedingungen der Vorrangigkeit“. 180 SK / Paeffgen, § 131b Rn. 4; Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn. 284. 181 Kühne, Rn. 550.2; siehe auch AnwK / Walther, § 131b Rn. 4. 182 Schroeder, NJW 2000, 2483 (2484) bezeichnet diese Formulierung als „eine sprachliche Zumutung“. 183 Pehl, S. 29; Blozik, S. 138; Krüger, in: GS Gülzow, 33 (39); L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 12. 184 Siehe bereits Schoreit, DRiZ 1989, 259 (260): „Fahndungsmaßnahmen wie gezielte Nachfragen, Ausschreibung, Öffentlichkeitsfahndung und Steckbriefnachricht beim BZR müssen bei schwerwiegenden Straftaten nebeneinander veranlaßt werden, will man ‚Fahndungspannen‘ vermeiden.“ Einen gesetzlich geregelten Fall einer Öffentlichkeitsfahndung neben einer milderen Maßnahme regelt § 131a Abs. 3 StPO – „auf Grund einer Ausschreibung“. 185 Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (384); ähnlich Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 282, 284; ders., ZRP 1994, 392 (394, 395) bezogen auf § 131c StPO-StVÄG 1989 (Stand: 26.6.1989); Blozik, S. 143 f. 186 Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (384).

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Der Inhaltsgehalt des Begriffes „wesentlich erschwert“ ist umstritten. Bei der Auslegung des Merkmals stellt Rieß nicht auf den „anderenfalls erforderlichen Ermittlungsaufwand“ bzw. auf die Erfolgsprognose, sondern allenfalls auf die „zeitliche Verzögerung bei (ausschließlicher) Verwendung der anderen Maßnahmen“ ab187. Soiné bezieht die wesentliche Erschwernis in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung auf die erhebliche zeitliche Verzögerung des Fahndungserfolgs sowie auf Nachteile für den Verfahrensablauf188. Pehl will bei diesem Merkmal auch das Beschleunigungsgebot und den Verfahrensaufwand berücksichtigen189, ­Blozik den Arbeitsaufwand im Sinne von Zeit- und Personalaufwand190. Nach Meyer soll größerer Arbeitsaufwand nur dann berücksichtigt werden, wenn das Strafverfolgungsinteresse gegenüber den Grundrechtspositionen der von der Maßnahme Betroffenen offensichtlich überwiegt191. Keine Einigkeit herrscht auch zu dem Punkt, ob „wesentliche Erschwernis“ auch Kostenfaktoren umfassen soll192. Für diesen Auslegungsweg spricht, wenn auch mittelbar, die Begründung des Regierungsentwurfs zu G10-Gesetz 1967, die auf einen unverhältnismäßig größeren Arbeits-, Zeit und Kostenaufwand abstellte193. Wegen der Gleichrangigkeit beider Alternativen soll es im Ergebnis keine Rolle spielen, ob die Entscheidung, die subsidiäre Maßnahme zu verwenden, auf die Aussichtslosigkeit / erheblich geringere Erfolgschancen oder wesentliche Erschwernis gestützt wird194; im Ergebnis soll diese „Kopplung der alternativen Subsidiaritätsmerkmale“ für die Behörden unschwer zu überwinden sein195. dd) Kritik Die Konstruktion der Subsidiaritätsklausel an sich ist im Schrifttum innerhalb der letzten Jahrzehnte auf massive Kritik gestoßen, nicht zuletzt in Reaktion auf das Votum des BGH, wonach sie „derart fein abgestimmt“ sei, „daß die Übergänge notwendigerweise fließend und eindeutige – von den subjektiven Einschätzungen und Wertungen des zur Entscheidung Berufenen unabhängige – Grenzziehungen nicht möglich sind“196. Der Hauptkritikpunkt bezieht sich auf die Komplexität der

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Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (385). Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (348) bezweifelt, ob sich die Aussichtslosigkeit von der wesentlichen Erschwernis sinnvoll abgrenzen lasse „bzw. ob bei ‚Aussichtslosigkeit‘ überhaupt noch ein Anwendungsbereich für die Erschwernis verbleibt“. 188 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 281, 282; ders., ZRP 1994, 392 (394, 395). 189 Pehl, S. 32 f. 190 Blozik, S. 146. 191 L-R 23 / Meyer, § 100a Rn. 8. 192 Dafür etwa Blozik, S. 147; dagegen L-R23 / Meyer, § 100a Rn. 8. 193 BT-Drs. V/1880, S. 12. So auch Blozik, S. 144, 147; Kleinknecht32, § 100a Pkt. 5. 194 Pehl, S. 33, Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (386). Zu der einschränkenden Auslegung in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung nach Zeugen siehe unter Pkt. A. I. 1. c) ff) dieses Teils. 195 Krüger, in: GS Gülzow, S. 33 (40). 196 BGHSt 41, 30 (34).

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Regelung197. Der Kritik ist insofern zuzustimmen, dass die gesetzliche Nuancierung eine unvermeidliche Begriffsjongliererei198 mit sich führt, die auch Probleme bei der (einzelfallbezogenen199) Abgrenzung zur Folge hat. Es handelt sich in der Tat um eine „ausgesprochen weiche Regulierung“200. Wegen der Komplexität der Subsidiaritätsklausel wurden auch Zweifel an der effektiven Anordnung / Überprüfbarkeit durch den Richter201 erhoben. In Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung wurde darauf hingewiesen, dass als Folge einer konsequenten Anwendung der Begriffe „erheblich weniger Erfolg versprechend“ und „wesentlich erschwert“ mildere Maßnahmen stets vorrangig anzuwenden sind, die doch weniger (also eben nicht erheblich weniger) Erfolg versprechend bzw. durch die das Fahndungsziel doch erschwert (also eben nicht wesentlich erschwert) wird202. Aufgrund dessen wurde der Subsidiaritätsklausel mangelnde Sachgerechtheit attestiert und vorgeworfen, dass die Strafverfolgungsbehörden dann zuerst weniger eingreifende Mittel ohne Erfolg zurückgreifen bzw. zukunftsorientierte Voraussagen aufstellen müssten203. Die letztgenannten Kritikpunkte, also die Prognose über Erfolgsaussichten und ggf. der Einsatz von weniger einschneidenden Maßnahmen, gehören jedoch gerade zu der Praxis der Strafverfolgungsbehörden und gewährleisten eine sachgerechte Anwendung der Subsidiaritätsklausel. Es wurde moniert, dass die Voraussetzung „erheblich weniger Erfolg versprechend“ unergiebig sei, weil die Öffentlichkeitsfahndung

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Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (372, 388 f., 390) betonte zwar ihre Praxistauglichkeit wegen Begrenzung der in Betracht kommenden Maßnahmen und wegen verbleibenden Beurteilungsspielräumen, dennoch sei sie „für Detailfragen sperrig und nur wenig operationalisierbar, weil [sie] eine einzelfallbezogene Abwägung anhand sehr allgemeiner Maßstäbe“ erfordere und mit dem Risiko verbunden sei, „daß sie das Ermittlungsverfahren übermäßig komplizieren, dessen Flexibilität gefährden und damit den Grundsatz seiner freien Gestaltung beeinträchtigen“ könnte. Nach Bernsmann / Jansen, StV 1998, 217 (221) sei ein „ausgeklügeltes System der Absicherung“ nur vorgetäuscht; es handle sich vielmehr, bezogen auf die praktische Durchführbarkeit, um ein „überflüssiges Kunstgewerbe“ – gemeint Kunstgewebe. Hilger, in: FS Salger, 319 (331, 332) sah das Risiko „‚apokrypher Lösungen‘ durch die Praxis“, weil die Subsidiaritätsklausel wegen ihrer Komplexität die Praxis überfordere und eher zur Nivellierung ihrer Abstufungen führe. Nach Schroeder, GA 2005, 73 schließlich seien die Differenzierungen in den Formulierungen praktisch nicht nachvollziehbar. 198 Dieser Begriff auch bei Bernsmann / Jansen, StV 1998, 217 (221) in Bezug auf die Abstufung der Subsidiaritäten insgesamt. 199 Gerhold, ZIS 2015, 156 (165). 200 Pütter, Bürgerrechte & Polizei / CILIP 65 (1/2000), 62 (65). 201 Nach Krüger, in: GS Gülzow, 33 (39) verlangt „die graduelle Unterscheidung nach der fehlenden Erfolgswahrscheinlichkeit ein geradezu unrealistisches Differenzierungsvermögen“; deshalb ist nach Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (348) eine Prognose schwierig und eine Herausforderung in Bezug auf die Beurteilung der fehlenden Erfolgswahrscheinlichkeit – der Richter müsste wenigstens detailliert von dem Ermittlungsstand unterrichtet werden. Auch KK / Moldenhauer, § 163f Rn. 17 hält die gesetzliche Konstruktion für „kaum justitiabel“; ähnlich Bernsmann, NJW 1995, 512. 202 L-R / Gleß, § 131 Rn. 19; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 15; vgl. hierzu auch HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 11. 203 L-R / Gleß, § 131 Rn. 19.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

stets höhere Erfolgsaussichten als die polizeiinterne Ausschreibung habe204. Die Gefahr wurde auch darin gesehen, dass die Behörden im Zweifel eher auf grundrechtsintensivere Mittel zurückgreifen, weil die Annahme, dass ohne das konkrete Mittel etwa die Sachverhaltsaufklärung aussichtslos sei, kaum zu widerlegen sei, zumal Gerichte die Subsidiaritätsklausel nicht zu dokumentieren pflegen205. Dieser Punkt wurde in den bis dato veröffentlichten Entscheidungen nicht ausführlich problematisiert, vielmehr beschränkte sich die gerichtliche „Auseinandersetzung“ mit der Subsidiarität auf eine knappe Feststellung durch die Wiedergabe des Gesetzestextes206. Mehrere Autoren plädieren dafür, wegen der sonst zu beachtenden Verhältnismäßigkeit207 bzw. wegen der einfachen Überwindbarkeit in der Praxis208 die Subsidiaritätsklausel aus der StPO zu streichen209. ee) Umsetzung in der Praxis Trotz der dargestellten Unzulänglichkeiten zeigt die Praxis einen sicheren Umgang mit der Subsidiaritätsklausel bezogen auf die Öffentlichkeitsfahndung. So enthält etwa ein Erlass des LKA Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2015 eine äußerst praxistaugliche Erklärung der Subsidiaritätsklausel, die sämtliche Varianten in sich vereint210: „Eine Internetfahndung sollte nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn andere den Betroffenen weniger beeinträchtigende Fahndungs­ maßnahmen bereits erfolglos angewandt wurden oder werden bzw. voraussichtlich nicht oder nicht rechtzeitig zum Erfolg führen werden.“ Zur Feststellung, ob andere Maßnahmen erheblich weniger Erfolg versprechen oder das Fahndungsziel wesentlich erschweren, wird, wie bereits erwähnt, eine Prognose in Bezug auf den 204

Heghmanns / Herrmann, Rn. 635; ähnlich Jahn, in: Heghmanns / Scheffler, II Rn. 37. Kühne, Rn. 413; in diese Richtung L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 7. Nach Bernsmann / Jansen, StV 1998, 217 (221) sei die Verwendung dieses Begriffes für unterschiedliche Subsidiaritätsstufen „das Einfallstor für Vagheit und Ungenauigkeit“. 206 Z. B. AG Bonn, Beschluss vom 6.8.2008 – 51 Gs 1258/08, BeckRS 2008, 18552 („Um den unbekannten Täter dieser Straftat ermitteln zu können, ist die Veröffentlichung von Abbildungen nötig. Die Identitätsfeststellung wäre auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend, wenn nicht gar ausgeschlossen. Die Einstellung ins Polizeiintranet verlief ergebnislos.“). 207 Krüger, in: GS Gülzow, S. 33 (40); Zöller, StraFo 2008, 15 (20). 208 Blozik, S. 237 f. 209 Bedenken in Bezug auf §§ 131 ff. StPO bei L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 7, 131 Rn. 19 f. 210 Nr. 2.1 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht). Zitiert in: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/5048 vom 26.1.2017, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Internetfahndung in Schleswig-Holstein, unter Pkt. 6. Wortgleich Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257, allgemein für die Inanspruchnahme von Publikationsorganen, insbesondere für die Öffentlichkeitsfahndung nach unbekannten Tätern. Siehe auch Polizei NRW, https://polizei.nrw/artikel/druck-auf-straftaeter-erhoehen-das-zentrale-fahndungsportal-derpolizei-nrw-ist-online (26.4.2020). 205

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Misserfolg des Einsatzes dieser Maßnahmen vorgenommen211. Dabei wird geprüft, ob der Verzicht auf die Öffentlichkeitsfahndung zu einem erheblich größeren Arbeits- und Sachaufwand führt, ohne dass damit der Erfolg der alternativen Maßnahme gewährleistet ist212. Die bloße Feststellung, andere Mittel seien mit Erschwernissen für die Ermittlungen verbunden, kann dabei nicht ausschlaggebend sein, weil Erschwernisse von einem Ermittler einzukalkulieren und zu bewältigen sind213. Die Öffentlichkeitsfahndung ist allerdings anzuwenden, wenn ein Verzicht zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden bei den Ermittlungen führen würde214. Zur konkreten Vorgehensweise äußerte sich die Polizei Berlin im Jahr 2016 auf ihrer Facebook-Fanpage wie folgt215: „Wie bereits schon öfter erwähnt, wird nach einer begangenen Straftat zunächst ermittelt. Es werden Opfer und Zeugen befragt, Beweismittel gesichert und ausgewertet, danach werden durch unsere Ermittler die internen Fahndungsmittel ausgeschöpft und erst, wenn dies alles nicht zum Erfolg führt, dann wenden sich unsere Ermittlerinnen und Ermittler an die Öffentlichkeit. … So können schon ein paar Wochen / Monate verstreichen, bis öffentlich und auf Facebook gefahndet wird. So soll bestmöglich sichergestellt werden, dass niemand möglicherweise voreilig und zu Unrecht mit Fotos oder Videos in der Öffentlichkeit als Tatverdächtiger gesucht wird.“ Die Praktiker betrachten die Öffentlichkeitsfahndung gegenwärtig generell als Ultima Ratio216. Als klassisches internes, primär zu verwendendes Fahndungsmittel gilt u. a. die polizeiinterne Ausschreibung, etwa zur Aufenthaltsermittlung217. 211

Benfer / Bialon, Rn. 1077; siehe auch SK / Paeffgen, § 131 Rn. 7. Benfer / Bialon, Rn. 1077. 213 Benfer / Bialon, Rn. 930; siehe auch H.-P. Schneider, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 37 (44). 214 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 7. 215 Polizei Berlin, Kommentar zum Fahndungsaufruf vom 8.12.2016, 15.37 Uhr, https:// www.facebook.com/Polizeiberlin/posts/612317292285712 (26.4.2020). Siehe auch Polizeidirektion Leipzig, Polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung oder: „Warum kommt das Bild erst jetzt?“, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/PolizeilicheXXffentlichkeitsfahn dungXod.pdf (26.4.2020). 216 lori / f ls / cat, Oft schnelle Identifizierung. Warum werden Fahndungsfotos oft so spät veröffentlicht?, B. Z. vom 2.1.2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/warum-werden-fahndungs​ fotos-oft-so-spaet-veroeffentlicht (26.4.2020); SK / Paeffgen, § 131a Rn. 7: „regelrechter Ermittlungs-Notstand“; a. A. Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 110. 217 Diese ist wegen des Wortlauts des § 131a Abs. 3 StPO „auf Grund einer Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung“ ohnehin Voraussetzung einer Öffentlichkeitsfahndung zu diesem Zweck, siehe auch AnwK / Walther, § 131a Rn. 5. Auch bei einer Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme kann eine bereits erfolgte Ausschreibung nach § 131 Abs. 1 (bzw. Abs. 2) StPO verlangt werden – „in den Fällen der Absätze 1 und 2“. Teilweise wird vertreten, ein milderes, vorrangig anzuwendendes Mittel sei bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme auch eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung (auch gegenüber § 131 Abs. 1 StPO), SK / Paeffgen, § 131 Rn. 7, 131a Rn. 3; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 3; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20. Es ist aber zu berücksichtigen, dass bei einer bezweckten Festnahme die bloße Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung nicht als gleich effektiv anzusehen ist, siehe AnwK / Walther, § 131 Rn. 7; in diese Richtung auch HK4 / L emke, § 131 Rn. 9; a. A. Ranft, StV 2002, 38 (39); ders., Strafprozessrecht3, Rn. 753, der keinen Unterschied bzgl. des Effekts zwischen beiden Maß 212

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Bei der G20-Fahndung in Hamburg waren die Beschuldigten zunächst im LKABlatt218 zur Feststellung der Identität ausgeschrieben219. Unterstützend hierzu können behördenintern Gesichtserkennungsprogramme sowie sog. Super-Recognizer, also Personen, die überragend Gesichter erkennen können, eingesetzt werden220. Als weniger eingriffsintensive Maßnahmen kommt des Weiteren eine allgemeine Internetrecherche in Betracht, sollte der bekannte Beschuldigte bzw. Zeuge dort unter den den Strafverfolgungsbehörden bekannten Personalien aktiv sein221. Auch gezielte Auskünfte, etwa bei der Meldebehörde, sind in Betracht zu ziehen222. Beim geplanten Einsatz besonderer Eingriffsmaßnahmen wie Rasterfahndung, Telekommunikationsüberwachung oder Einsatz Verdeckter Ermittler223 wäre zu beachten, dass solche speziellen Maßnahmen, sollten sie überhaupt geeignet sein, genauso eingriffsintensiv wie die Öffentlichkeitsfahndung sein können, selbst wenn der Eingriff nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abzielt. Darüber hinaus können sich Probleme wegen unterschiedlicher Auslegung des Begriffes „Straftat von erheblicher Bedeutung“ ergeben sowie dabei, welche der Subsidiaritätsklauseln den Vorrang genießt. Eine sachgerechte Lösung wäre dabei, im Einzelfall diejenige Maßnahme zu wählen, die weniger eingriffsintensiv ist224. Des Weiteren wird teilweise argumentiert, dass ohne die Öffentlichkeitsfahndung das konkrete Verfahren eingestellt werden müsste225, was jedoch per se nicht ausschlaggebend sein kann, weil die Einstellung zu den „Risiken“ eines jeden Ermittlungsverfahrens gehört. Denkbar sind allerdings Situationen, in denen aus nahmen sieht. Aus der Sicht des Betroffenen besteht bzgl. der Eingriffsintensität in seine Persönlichkeitsrechte kein Unterschied, ob eine interne Ausschreibung in behördlichen Informationssystemen nach § 131 Abs. 1 StPO oder § 131a Abs. 1 bzw. Abs. 2 StPO erfolgte; diese wirkt sich zunächst auf den Gesuchten nicht spürbar (ausschließlich interne „Bloßstellung“) negativ aus, Soiné, § 131 Rn. 5. 218 Das Landeskriminalblatt ist das von einigen LKÄ herausgegebene interne Nachrichtenblatt für die Kriminalpolizei mit Fahndungs- und Ermittlungshinweisen zur Personen- und Sachfahndung (ergänzend zu bzw. statt einer Veröffentlichung in INPOL), es ist als solches als Fahndungshilfsmittel in Nr. 40 Abs. 1 lit. d RiStBV aufgeführt, siehe Soiné, in: Kriminalistik-Lexikon, S. 364; M. Möllers, in: Wörterbuch der Polizei, S. 1344 (Landeskriminalblatt); BeckOK / Kreiner, Nr. 40 RiStBV Rn. 7. 219 Siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11458 vom 2.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 27.12.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Öffentlichkeitsfahndung der SoKo „Schwarzer Block“ – Läuft alles rechtmäßig? Unter Vorbemerkung. 220 Siehe hierzu Sticher / Grasnick, Kriminalistik 2019, 369 ff. Zu der Problematik biometrischer Gesichtserkennung siehe z. B. Heldt, MMR 2019, 285 ff. 221 L-R / Gleß, § 131 Rn. 17. 222 Valerius, S. 61. 223 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 17; KMR / Wankel, § 131 Rn. 2. 224 Genauso Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (387 f.); Hohenhaus, S. 220; Pehl, S. 31; L-R / Erb, § 163e Rn. 19. 225 Siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11458 vom 2.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 27.12.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Öffentlichkeitsfahndung der SoKo „Schwarzer Block“ – Läuft alles rechtmäßig? Unter Vorbemerkung.

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ermittlungstaktischen Gründen keine öffentliche Fahndung durchgeführt wird, so etwa, um den Kreis der gesuchten Person nicht zu warnen und den Überraschungseffekt auszunutzen226. Grundsätzlich gilt, dass gering bzw. nicht eingreifende Maßnahmen nach §§ 161, 163 StPO, wie etwa lokale Nachforschungen oder Nachfragen bei Meldebehörden (für bekannte Gesuchte)227, Vorrang vor einer Öffentlichkeitsfahndung genießen228. Es kann sich aber gleichwohl im Rahmen einer Abwägung widerstreitender Interessen im Einzelfall ergeben, dass sich im Falle einer Fahndung nach einem bekannten Beschuldigten bzw. Zeugen eine Öffentlichkeitsfahndung wegen der Anonymität des Gesuchten in der breiten Allgemeinheit doch nicht so intensiv und rufschädigend auswirkt wie z. B. eine diskrete, aber direkte Nachforschung im Kreis der Familie, Nachbarn, Freunde bzw. im Arbeitsumfeld229. In der Praxis hängt der Zeitpunkt der Öffentlichkeitsfahndung nicht selten von der Urgenz sowie dem Ermittlungsgang im konkreten Fall ab230. Bei schweren Straftaten und einer von der gesuchten Person ausgehenden Gefahr wird ein Fahndungsaufruf im Laufe kürzester Zeit veröffentlicht – die Akten werden im wahrsten Sinne des Wortes von Hand zu Hand übergeben231. In solchen Fällen wird die Öffentlich­keitsfahndung parallel zu internen Maßnahmen durchgeführt232. An 226

Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 252. Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 3; HK4 / L emke, § 131 Rn. 9; Hilger, NStZ 2000, 561 (562); SK / Paeffgen, § 131a Rn. 3; vgl. auch BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 228 Valerius, S. 61; Hilger, NStZ 2000, 561 (562). 229 Soiné, ZRP 1994, 392 (393); Graf / Niesler, § 131 Rn. 7; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 7; vgl. L-R / Gleß, § 131a Rn. 2; Hilger, NStZ 2000, 561 (562); Valerius, S. 61. Vgl. auch BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 230 Wahl, Philipp, Wann die Polizei Fahndungsfotos veröffentlichen darf, WAZ, https://www. waz.de/staedte/essen/oeffentlichkeitsfahndung-wann-die-polizei-fahndungsfotos-verbreitendarf-id11339546.html (26.4.2020); siehe auch Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/4509 vom 27.5.2016, Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 19.5.2016 und Antwort des Senats, Betr.: Opferschutz vor Täterschutz bei der Veröffentlichung von Abbildungen zur Aufklärungs- und Identitätsfahndung, unter Pkt. 9. 231 Heghmanns / Herrmann, Rn. 635. Z. B. Polizei Göttingen, Fahndungsaufruf vom 26.9.2019 wegen Mordes, die Veröffentlichung erfolgte dort wenige Stunden nach der Tatbegehung, https:// web.facebook.com/polizeidirektion.goettingen/photos/a.485123801503220/30807613986061 01/?type=3&theater&_rdc=1&_rdr (26.4.2020); https://web.facebook.com/polizeidirektion. goettingen/photos/a.485123801503220/3079469662068608/?type=3&theater (26.4.2020); https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/119508/4386655 (30.9.2019); Wahl, Philipp, Wann die Polizei Fahndungsfotos veröffentlichen darf, WAZ, https://www.waz.de/staedte/essen/ oeffentlichkeitsfahndung-wann-die-polizei-fahndungsfotos-verbreiten-darf-id11339546.html (26.4.2020); lori/fls/cat, Oft schnelle Identifizierung. Warum werden Fahndungsfotos oft so spät veröffentlicht?, B. Z. vom 2.1.2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/warum-werdenfahndungsfotos-oft-so-spaet-veroeffentlicht (26.4.2020). 232 Polizeidirektion Leipzig, Polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung oder: „Warum kommt das Bild erst jetzt?“, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/PolizeilicheXXffentlich keitsfahndungXod.pdf (26.4.2020). 227

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dere Delikte wie Raub oder Diebstahl werden – nicht zuletzt wegen ihres hohen Aufkommens und zeitaufwendigen Prüfungsbedarfs  – nicht derartig zügig von den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten bearbeitet233. Die Zeitaufwendigkeit des Verfahrens war ein Grund für weitere Kritik an der Subsidiaritätsklausel in Bezug auf die Öffentlichkeits-, im Speziellen die Internetfahndung. Der Sächsische Landesverband der Deutschen Polizeigewerkschaft plädierte 2018 für die zügige Veröffentlichung von Abbildungen von Tatverdächtigen, nicht zuletzt wegen des eingeschränkten Erinnerungsvermögens potenzieller Hinweisgeber nach Ablauf längerer Zeit234. Ähnliche Stimmen waren von der DPolG NRW235 sowie aus der Politik zu vernehmen236. So stellte die AfD-Fraktion im Landtag Nordrhein-Westfalen einen Antrag, sich für die Beschleunigung der Öffentlichkeitsfahndung einzusetzen237. Auch im Abgeordnetenhaus Berlin beantragte die AfD-Fraktion, sich für eine Bundesratsinitiative für die Reformierung der Fahndungsvorschriften dahingehend einzusetzen, eine Passage in sämtliche Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung einzuführen, die Öffentlichkeitsfahndung „zeitnah zu veranlassen“ und die Subsidiaritätsklausel in §§ 131 Abs. 3, 131a Abs. 3 sowie 131b Abs. 1 StPO durch die Formulierung „vorheriges Ergreifen von weniger geeigneten Maßnahmen ist insoweit nicht erforderlich“ aufzuweichen238. Abgesehen davon, dass der Vorschlag die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen außer Acht lässt, würde eine derartige Änderung die Subsidiaritätsklausel im Endeffekt überflüssig machen. Auch wenn das Argument des abnehmenden Erinne 233

Wahl, Philipp, Wann die Polizei Fahndungsfotos veröffentlichen darf, WAZ, https://www. waz.de/staedte/essen/oeffentlichkeitsfahndung-wann-die-polizei-fahndungsfotos-verbreitendarf-id11339546.html (26.4.2020). 234 dpa / bob, Polizisten fordern schnellere Öffentlichkeitsfahndung, lr-online vom 15.1.2018, https://www.lr-online.de/nachrichten/sachsen/polizisten-fordern-schnellere-oeffentlichkeits​ fahndung-aid-7049028 (26.4.2020). 235 O. V., Polizeigewerkschaft zum U-Bahn-Tritt. „Täterrechte hängen sehr hoch in unserem Land“, B. Z. vom 15.12.2016, https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/taeterrechte-haengensehr-hoch-in-unserem-land (26.4.2020). 236 lori / f ls / cat, Oft schnelle Identifizierung. Warum werden Fahndungsfotos oft so spät veröffentlicht?, B. Z. vom 2.1.2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/warum-werden-fahndungs​ fotos-oft-so-spaet-veroeffentlicht (26.4.2020). 237 Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 17/3023 vom 12.7.2018 (Neudruck), Antrag der Fraktion der AfD, Öffentlichkeitsfahndung beschleunigen – Täter schneller fassen – Potentielle Opfer schützen. Der Antrag wurde am 27.9.2018 im Innenausschuss abgelehnt, siehe Drs. 17/3834, S. 6. 238 Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/0068 vom 4.1.2017, Antrag der AfD-Fraktion, Öffentlichkeitsfahndung. Der Antrag wurde am 18.5.2017 vom Abgeordnetenhaus Berlin gemäß der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 3.5.2017 (Drs. 18/0317) abgelehnt, Beschlussprotokoll Plenum 18/11, 18.5.2017 unter Nr. 13. Gegen die Streichung der Subsidiaritätsklausel aus § 131b StPO mit dem Hinweis auf eine Stigmatisierungsgefahr Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/21083, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 20.9.2019 zum Thema: Öffentlichkeitsfahndung und Antwort vom 2.10.2019, unter Pkt. 6.

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rungsvermögens der Hinweisgeber nicht von der Hand zu weisen ist239, stellt die vorgeschlagene Einführung fester zeitlicher Angaben bzw. zeitnaher Veranlassung kein Allheilmittel gegen eine lange Verfahrensdauer dar. Es ist weniger die Frage einer (fehlenden) gesetzlichen Regelung als ein Postulat, gerichtet auf die Verbesserung der internen Organisation sowie Personalpolitik der Behörden. ff) Besonderheiten bei der Zeugenfahndung Die Subsidiaritätsklausel weist in Bezug auf die Fahndung nach Zeugen240 einige Besonderheiten auf. Sie ist zum einen – je nach dem Fahndungszweck – als materiellrechtliche Voraussetzung unterschiedlich gestaltet: So ist eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO zulässig, wenn diese „auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“; zur Identitätsfeststellung bzw. Tataufklärung mit Veröffentlichung von Abbildungen und Hinweisen auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren nach § 131b Abs. 2 StPO dagegen, wenn die Tataufklärung oder Identitätsfeststellung „auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“. Die letztgenannte Subsidiarität ist auch – diesmal als eine Inhaltsmodalität – Voraussetzung für die Veröffentlichung von Abbildungen von Zeugen bei der Fahndung241 zur Aufenthaltsermittlung, § 131a Abs. 4 S. 4 StPO. Bei der Aufenthaltsermittlung kommt der Subsidiaritätsklausel somit eine doppelte Funktion zu: Als Sachvoraussetzung sowie Inhaltsbeschränkung. In Bezug auf § 131a Abs. 3 StPO wird die Geltung der Subsidiaritätsklausel „die Aufenthaltsermittlung auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre“ gleichermaßen für Beschuldigten und Zeugen wegen der Schutzbedürftigkeit des Zeugen als problematisch erachtet und für eine einschränkende Auslegung im Sinne einer „einzig sinnvoll verbleibenden Maßnahme“ plädiert242. Die herausragende Rolle dieser Regelung wird mehrfach betont, weil sich die Öffentlichkeitsfahndung auf den Zeugen durch Verwechslungsgefahr so 239

Es ist außerdem nicht ausgeschlossen, dass sich potentielle Hinweisgeber tatsächlich am Tatort aufhielten, aber dem Gesehenen keine Rolle zuschrieben. Auch das Äußerliche der gesuchten Person kann sich im Laufe der Zeit stark ändern, bereits durch eine andere Frisur, Bart oder Brille. 240 Zu den vielfältigen Gründen für den mangelnden Willen der Zeugen, mit Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten, Stümper, AfP 1989, 409 (412). 241 Der Wortlaut des § 131a Abs. 4 S. 4 StPO ist nicht auf die öffentliche Fahndung begrenzt, umfasst also auch interne Ausschreibungen, HK / Ahlbrecht, § 131a Rn. 7. Ob dies wegen des eingeschränkten und für den Zeugen nicht spürbaren Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte tatsächlich dem gesetzgeberischen Willen entspricht, erscheint fraglich. Es spricht Einiges dafür, dass es sich um ein redaktionelles Versehen handelt. In den Entwürfen zum StVÄG 1989 (Stand: 26.6.1989, 11.4.1990) bis zu dem Rest-StVÄG (Stand: 12.7.1993) war eine gleichlautende Regelung ausschließlich für die Öffentlichkeitsfahndung vorgesehen. 242 KMR / Wankel, § 131a Rn. 5; so auch SK / Paeffgen, § 131a Rn. 8.

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wie durch das Rücken in die Nähe der Straftat besonders negativ auswirken kann243. Nicht ohne Bedeutung ist hier der von Paeffgen den Empfängern einer Fahndungsmeldung nicht ganz zu Unrecht attestierte Perzeptionsmangel244, der, wenn auch nicht allherrschend, in der Praxis der Internetfahndung tatsächlich zu beobachten war245. Auch bei der verschärften bzw. qualifizierten Subsidiaritätsklausel246 („aussichtslos oder wesentlich erschwert“247) wird befürchtet, dass ihre (konturlose) 2. Alternative, nämlich die der wesentlichen Erschwernis, von den Behörden zu extensiv ausgelegt, somit zur Standard-Begründung für die Entscheidung und in der Praxis nicht als „‚Notventil‘ für nicht vorhersehbare Fälle“ angesehen wird248. So ist die Auslegung dieser Klausel wegen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte des Zeugen bei der Veröffentlichung einer Abbildung ausschließlich auf die Alternative „aussichtslos“ einzuschränken249. Die Fahndung nach Zeugen mit einer Abbildung hat also schon von Gesetzes wegen einen Ultima-Ratio-Charakter250. Eine weitere Besonderheit der Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach Zeugen (§ 131b Abs. 2 StPO) liegt darin, dass sich die Subsidiaritätsklausel, wie auch andere sachliche Voraussetzungen, nach dem Wortlaut auch auf die Veröffentlichung von Hinweisen auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Verfahren bezieht251. Dies wurde von Satzger kritisiert und hervorgehoben, dass der gesetzgeberische Wille, den Zeugen zu schützen, gegen die Ausweitung der Subsidiaritätsklausel auf die Hinweise spreche252. Vielmehr sei hier nur das allgemeine Verhältnismäßigkeitsprinzip253 anzuwenden, weil Hinweise auf das Strafverfahren nicht automatisch zur Bloßstellung des Zeugen führten254. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass zum einen gerade die Hinweise auf die Straftat und ihre Umstände bei den Empfängern die den Zeugen kompromittierenden Assoziationen wecken können, zum anderen spricht der Wortlaut, insbesondere die Verknüpfung mit der

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Meyer-Goßner / Schmitt, § 131a Rn. 2; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 8; Graf / Niesler, § 131a Rn. 2; BeckOK / Niesler, § 131a Rn. 2. 244 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 8. 245 Zu einem Beispiel siehe unter Pkt. B. I. 2. a) des 4. Teils. 246 BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21 („engere Subsidiaritätsklausel“). Klarstellend in Bezug auf § 131b Abs. 2 StPO Nr. 2.3 S. 4 Anl. B RiStBV. Siehe auch HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 3; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 6. 247 Also „quasi vereitelt“, Benfer / Bialon, Rn. 1060. Siehe zu dem Rangverhältnis Rieß, in: GS Meyer, S. 367 (388). 248 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 9; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 10, 131b Rn. 4. 249 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 9; Ihwas, S. 286 f.; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 10; HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 3. 250 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 6; Malek / Popp, Rn. 430; Benfer / Bialon, Rn. 1088; siehe auch Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 251 Dazu im Einzelnen unter Pkt. A. II. 4. dieses Teils. 252 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 8. 253 Die Verhältnismäßigkeit steht unterhalb der Anforderungen einer Subsidiaritätsklausel, Bersmann / Jansen, StV 1998, 217 (221). 254 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 8.

A. Repressiver Bereich

265

Veröffentlichung einer Abbildung, für die Anwendung (auch) der Subsidiaritäts­ klausel auf diese Fälle. gg) Sonderfall: Subsidiaritätsklausel in Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L (Anlage B RiStBV in der Länderfassung) Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L normiert eine zusätzliche, außergesetzliche Einschränkung der Internetfahndung. Danach können private Internetdienstanbieter, insbesondere Web 2.0 Dienste und Soziale Netzwerke, bei einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat zur besseren Verbreitung der Fahndung eingeschaltet werden, wenn andere Maßnahmen, die den Tatverdächtigen oder andere Betroffene weniger beeinträchtigen, erheblich weniger oder keinen Erfolg versprechen. Von dieser Klausel, gezielt auf den Einsatz sozialer Netzwerke255, sind ihrem Wortlaut nach auch andere private Plattformen, so auch presseportal.de, umfasst. Die in dieser Norm verwendete Wortwahl „erheblich weniger oder keinen Erfolg versprechen“ ist so in keiner der Bestimmungen der §§ 131 ff. StPO enthalten, sie weist jedoch zu der Formulierung „aussichtslos oder wesentlich erschwert“ eine gewisse Ähnlichkeit auf. Sie lässt sich auch als eine Verknüpfung der im Rahmen der in §§ 131 ff. StPO verorteten Subsidiaritätsklauseln verwendeten Prämissen „erheblich weniger Erfolg versprechen“ und „aussichtslos“ interpretieren. Dem Bericht der RiStBV-Unterarbeitsgruppe, die die Vorschrift erarbeitet hatte, kann der Grund einer solchen Regelung nicht entnommen werden. Abgesehen von der Frage, in welchem Verhältnis sie zu den Subsidiaritätsklauseln aus §§ 131 ff. StPO steht, hat sie wegen ihrer Natur als Verwaltungsvorschrift keine Gesetzeskraft und kann „nur“ bei der Auslegung herangezogen werden256. Das Ziel der Regelung war es, soziale Netzwerke gerade nicht nur im Ausnahmefall anzuwenden257. Gleichwohl ist auf die Feststellung der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses hinzuweisen, die besagt, dass „hinsichtlich der konkreten Umsetzung es jedoch wegen der besonderen Streubreite derartiger Fahndungen zur Vermeidung damit verbundener, über den eigentlichen Fahndungszweck hinausgehender negativer Effekte einer zurückhaltenden Anwendung [bedarf]“258. Auch § 169 Abs. 1 S. 2 österr. StPO enthält in Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme nach einem Beschuldigten bzw. zur Aufenthaltsermittlung von Beschuldigten oder Zeugen eine Subsidiaritätsklausel dahingehend, dass die Ausforschung des Beschuldigten, weiterer Opfer oder die Auffindung einer anderen Person andernfalls wenig erfolgversprechend wäre. § 169 Abs. 1a österr. StPO regelt, dass eine Veröffentlichung von Abbildungen eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten nur dann zulässig ist, soweit andernfalls die Aufklärung weiterer Straftaten, deren Begehung er verdächtig ist,

255

Siehe Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20. Weiler, ZRP 1995, 130 (134). 257 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 4. 258 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 7. 256

266

5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

wesentlich erschwert wäre. Insoweit erinnern diese Regelungen sprachlich nicht nur zufällig an die deutsche Formulierung „erheblich weniger Erfolg versprechend“ sowie „wesentlich erschwert“ – die letztere, aus deutschen Vorschriften übernommene Formulierung soll Ausdruck des Ultima-Ratio-Prinzips sein und wird so ausgelegt, dass „die Benutzung anderer Aufklärungsmittel einen erheblich größeren Zeitaufwand erfordern und daher zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung führen würde“259. In der Schweiz enthält die gesetzliche Regelung des Art. 211 StPO keine Aussage zur Subsidiarität. Nach Art. 197 Abs. 1 lit. c schweiz. StPO, der auch für die Öffentlichkeitsfahndung anzuwenden ist und die Subsidiarität (dortige Bezeichnung: Subsidiaritätsgrundsatz / P rinzip) regelt260, sind Zwangsmaßnahmen zulässig, wenn die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Maßnahmen erreicht werden können. Eine Empfehlung der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz konkretisiert diese Vorgaben dahingehend, dass „bisherige Fahndungsmittel nicht zum Erfolg führten oder voraussichtlich nicht zum Erfolg führen können. Es müssen somit alle Fahndungsmittel der Polizei ausgeschöpft worden sein …“261 Bezogen auf die Fahndungspraxis in der Schweiz bedeutet das, dass „die übrigen Ermittlungsmaßnahmen bisher nicht zum Erfolg geführt haben und die Gefahr besteht, dass durch Zeitablauf die Ermittlungen erschwert oder verunmöglicht werden. Zudem muss ein öffentliches Interesse an einer raschen Ermittlung der Täterschaft vorliegen“262. Im Endeffekt bestehen keine Unterschiede zu der Rechtspraxis in Deutschland. In Polen enthält Art. 279 f. k. p. k. keine Subsidiaritätsklausel. Es wird vertreten, dass vor der Einleitung der öffentlichen Fahndung zur Festnahme zunächst mildere Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung ausgeschöpft werden sollten und es wird auf Art. 278 k. p. k. verwiesen. Hierzu gehört die Feststellung des letzten Aufenthaltsortes über die Meldebehörde sowie zentrale Informationssysteme; sollten diese Maßnahmen erfolglos bleiben, soll die für den letzten bekannten Aufenthaltsort zuständige Polizeibehörde Fahndungsmaßnahmen ergreifen263. Zu den milderen Mitteln gehört auch die Befragung im persönlichen Umkreis des Gesuchten264. Bis zum Erlass eines Steckbriefs vergehen in der Praxis mehrere Monate265.

259

WK / Vogl, 179. Lfg. September 2012, § 169 Rn. 23. Donatsch / Hansjakob / Lieber / Weder, Art. 197 Rn. 17 (Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes); 211 Rn. 9a. BSK / Weber, Art. 197 Rn. 9 bezeichnet diese Regelung als Voraussetzung der Erforderlichkeit. 261 SSK / CPS Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz, Empfehlung Öffentlichkeitsfahn­ dung bei Ausschreitungen und Krawallen, https://www.ssk-cps.ch/sites/default/files/ empfehlung_oeffentlichkeitsfahndung.pdf (26.4.2020). 262 Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (53). Siehe auch BSK / Rüegger, Art. 211 Rn. 15. 263 Stefański, Art. 279 S. 1196; Świecki / Eichstaedt, Art. 279 Rn. 2. 264 Jamróg, Karolina, Ścigani listem gończym to nie tylko najgroźniejsi bandyci, Nowiny24 vom 3.1.2013, https://nowiny24.pl/scigani-listem-gonczym-to-nie-tylko-najgrozniejsi-bandycizdjecia/ar/6178539 (26.4.2020). 265 Jamróg, Karolina, Ścigani listem gończym to nie tylko najgroźniejsi bandyci, Nowiny24 vom 3.1.2013, https://nowiny24.pl/scigani-listem-gonczym-to-nie-tylko-najgrozniejsi-bandycizdjecia/ar/6178539 (26.4.2020). 260

A. Repressiver Bereich

267

2. Im Speziellen: Einhalten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzgl. der Auswahl des Mediums Internet als konkretes Fahndungsmittel a) Allgemeines Neben den Voraussetzungen, die für jede Öffentlichkeitsfahndung gelten, müssen bei der Auswahl der konkreten Fahndungsform die Voraussetzungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfüllt sein. Diese Prämisse wurde im Rahmen der Arbeiten am StVÄG 1999 durch den Rechtsausschuss besonders betont266: „Angesichts der Eingriffsintensität und Breitenwirkung einer Öffentlichkeitsfahndung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel besonders zu beachten.“ Auch die Literatur macht auf diesen Punkt, namentlich in Bezug auf die Internetfahndung besonders aufmerksam267 und betont, dass dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Auswahl der konkreten Form der Öffentlichkeitsfahndung eine selbständige Rolle zukommt268. Insbesondere stehen die Verhältnismäßigkeit und die Subsidiaritätsklausel nebeneinander. Die Subsidiaritätsklausel bezieht sich nach dem Wortlaut von §§ 131 Abs. 3, 131a Abs. 3, 131b Abs. 1 und 2 StPO auf die Wahl zwischen öffentlicher Fahndung und nichtöffentlichen Fahndungsmaßnahmen und umfasst nicht269 266

BT-Drs. 14/2595, S. 27. MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 15; § 131a Rn. 8; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20; L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 6, 8, 131b Rn. 1a; Hilger, StraFo 2001, 109 (110); ders., NJW 2000, 561 (563); Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (134); Seitz, S. 385 f.; Malek / Popp, Rn. 424. Allgemeiner Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 3. SK / Paeffgen, § 131 Rn. 7; KK / Schultheis, § 131 Rn. 14 wollen die Prüfung der Verhältnismäßigkeit auf die Angemessenheit einschränken. Zwar ist dem Bericht des Rechtsausschusses zum Gesetzesentwurf StVÄG 1999 BT-Drs. 14/2595, S. 27, der die Verhältnismäßigkeit der Mittel betont, zu entnehmen, dass es einer Prüfung im Einzelfall bedürfe, „welches Fahndungsmittel im Hinblick auf die mit ihm verbundene öffentliche Wirkung angemessen ist“, daraus ist aber nicht zu schließen, dass die übrigen Elemente der Verhältnismäßigkeit, insbesondere die Erforderlichkeit, außer Betracht bleiben sollen. 268 HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 12; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20; Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174); ders., JR 2002, 137 (138); Valerius, S. 39; siehe auch Hilger, StraFo 2001, 109 (111). Nach L-R / Gleß, § 131 Rn. 20, 21 seien angesichts der allgemeinen Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die übrigen Voraussetzungen überflüssig, wenn überhaupt, ließen sie sich nur für die eingriffsintensive Öffentlichkeitsfahndung unter Inanspruchnahme von Publikationsorganen rechtfertigen, für mildere Formen, insb. örtlich bzw. personenbegrenzte Fahndung seien sie sachwidrig. 269 Anders wohl die Praxis, die die Subsidiaritätsklausel in terminologisch abgewandelter Form offenbar auf die Frage der Auswahl der Internetfahndung gegenüber anderen Formen der Öffentlichkeitsfahndung (auch bei der Frage der Anwendung von Plattformen privater Internetdienstanbieter gegenüber anderen Maßnahmen, Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L, dazu unter Pkt. A. I. 1. c) gg) dieses Teils) anwendet, siehe Nr. 2.1 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht), zitiert unter Pkt. A. I. 1. c) ee) dieses Teils; Polizei NRW, https://polizei.nrw/artikel/druck-auf-straftaetererhoehen-das-zentrale-fahndungsportal-der-polizei-nrw-ist-online (26.4.2020); vgl. Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257. Gleichzeitig deutet Nr. 3.2 Abs. 1 S. 3 VwV-L auf die zusätzliche Prüfung der Verhältnismäßigkeit (Erforderlichkeit) bei Gefahr diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe hin. 267

268

5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

die Frage, welche Maßnahme der Öffentlichkeitsfahndung im konkreten Fall anzuwenden ist270. Datenschutzbeauftragte heben die besondere Bedeutung der Verhältnismäßigkeit bei der Fahndung über soziale Netzwerke hervor271. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Eingriff in die Rechte des Betroffenen bereits im Zeitpunkt des Hochladens der Fahndungsinformationen durch die Strafverfolgungsbehörden und nicht erst mit der Kenntnisnahme der Internetnutzer erfolgt; gleichwohl wird mit jedem einzelnen Aufruf einer Fahndungsmeldung die Grundrechtsverletzung perpetuiert und intensiviert272. b) Legitimer Zweck Die Öffentlichkeitsfahndung dient in allen ihren Erscheinungsformen der Aufklärung der konkreten Straftat und der Ermittlung des Täters, also einer effektiven Strafverfolgung und der Erfüllung des damit verbundenen gesellschaftlichen Aufklärungsinteresses273. Die wirksame Strafverfolgung, die mit der Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs einhergeht, gehört zu originären Aufgaben und Pflichten eines Rechtsstaates, sie genießt Verfassungsrang und wird als legitimer Zweck anerkannt274. c) Geeignetheit Die Internetfahndung in allen ihren Erscheinungsformen275 ist zur Erfüllung dieses Zwecks, nämlich zum Auffinden bzw. Festnahme des Gesuchten zur Prozessdurchführung bzw. zum Erhalten von Hinweisen, die der Tataufklärung dienen, förderlich, also geeignet276. Nach einer Auffassung genügt dabei bereits die

270

Siehe L-R / Gleß, § 131 Rn. 20; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6, die die Subsidiaritätsklausel als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit verstehen und monieren, die Voraussetzungen des § 131 Abs. 3 StPO seien missverständlich formuliert, weil der Eindruck entstehe, die Verhältnismäßigkeit gelte nicht für die Auswahl der konkreten Art der Öffentlichkeitsfahndung. 271 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020). 272 Valerius, S. 38. 273 Siehe Stümper, Kriminalistik 1971, 57. 274 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49); BVerfGE 115, 166 (192); vgl. BVerfGE 80, 367 (375); BGHSt 42, 139 (157). Kritisch gegenüber der Abwägung von Grundrechten gegenüber staatlichen Aufgaben, wodurch Grundrechte relativiert werden, siehe Sondervotum Mahrenholz / Böckenförde, BVerfGE 69, 1 (62 ff.); zustimmend Röhl, S. 663; hierzu auch Röhl / Röhl3, S. 664 f. 275 Insbesondere zu Facebook wegen der größten Nutzerzahl DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 4. 276 Siehe auch Ihwas, S. 279.

A. Repressiver Bereich

269

Möglichkeit, dass der Zweck der Maßnahme erreicht werden kann277, teilweise wurde restriktiver verlangt, dass die Öffentlichkeitsfahndung im konkreten Fall die Ermittlungen entscheidend fördert278. d) Erforderlichkeit aa) Zu berücksichtigende Faktoren Bei der Prüfung der Erforderlichkeit, also bei der Frage, ob die konkrete Maßnahme das mildeste, unter gleich geeigneten Maßnahmen schonendste Mittel darstellt, müssen in Bezug auf die Internetfahndung mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Es ist zunächst anerkannt, dass Maßnahmen mit einem eingeschränkten Adressatenkreis, insbesondere die sog. zielgruppenorientierte Öffentlichkeitsfahndung, vor einer allgemeinen Öffentlichkeitsfahndung, also Maßnahmen, die an die breite Öffentlichkeit adressiert sind, Vorrang genießen279. Als Beispiel sei die Verteilung von Handzetteln bzw. Postwurfsendungen an einen eingeschränkten Adressatenkreis genannt280. Es ist in diesem Zusammenhang der Auffassung von Soiné zuzustimmen, dass die Gefahren und Nachteile bei einer zielgruppenorientierten Fahndung281 und bei der Inanspruchnahme eines nicht begrenzten Personenkreises vom Prinzip her die gleichen sind282: In beiden Fallgruppen besteht etwa eine Brandmarkungsgefahr, sei es unmittelbar vonseiten des sozialen Umfelds des Gesuchten oder von der breiten Öffentlichkeit. Bei der Inanspruchnahme eines unbekannten Personenkreises sei nach dieser Ansicht die Gefahr einer Rufschädigung deshalb begrenzt, weil der Gesuchte der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt sei283. Auch wenn die letzte Aussage im Kern zutreffen mag, muss im digitalen Zeitalter besonders berücksichtigt werden, dass die relative Anonymität dem Gesuchten gegenüber, also die Tatsache, dass man diese Person nicht persönlich kennt, gerade den Grund dafür darstellt, weshalb sich empörte Leser von Fahndungsmitteilungen „im Recht“ fühlen, den Gesuchten im Internet öffentlich zu diffamieren und in derbsten Worten anzuschwärzen. Dies war im analogen Zeitalter nicht möglich, abgesehen von Leserbriefen in der Presse, über deren Veröffentlichung die Redaktion entschied. Der gravierende Unterschied zwischen der zielgruppen 277 BVerfGE 117, 163 (188); SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51), der Chancen einer Internetfahndung nach einem Zeugen einer vier Jahre zurückliegenden Straftat als geringfügig einschätzt. Siehe auch OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48 f.). 278 OLG Hamburg, NJW 1980, 842. 279 Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 71. 280 Valerius, S. 61. Es ist jedoch nach den Umständen des Einzelfalles nicht ausgeschlossen, dass eine umfangreiche Postwurfaktion in dem sozialen Kreis des Gesuchten (soweit bekannt) u. U. eingriffsintensiver sein könnte als eine einmalige Publikation in einer regionalen Zeitung, siehe ebenda. 281 Insbesondere bei einer Fahndung nach einem bekannten Beschuldigten bzw. Zeugen. 282 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 274; ders., ZRP 1994, 392 (393). 283 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 274; ders., ZRP 1994, 392 (393); Valerius, S. 61.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

orientierten und der allgemeinen Öffentlichkeitsfahndung liegt in ihrer Reichweite: So ist der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Gesuchten sowie die Brandmarkungswirkung und damit verbundene Verletzung des Persönlichkeitsrechts umso intensiver, je größer der Verbreitungsgrad der Fahndungsinformation ist284. Bei der Auswahl des konkreten Fahndungsmittels sollen die negativen Folgen für den Gesuchten und die Allgemeinheit möglichst gering ausfallen285. Sollte also die breite Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten werden, muss auch nach dem Verbreitungsgrad differenziert werden286, denn das ist gerade der die Eingriffsintensität bestimmende Faktor. Ein Hinweis auf die Erforderlichkeit ist auch in Nr. 1.2 Abs. 4 Anl. B RiStBV zu finden. Als Beispiele von den Betroffenen weniger beeinträchtigenden Maßnahmen werden Medien von geringerer Breitenwirkung, andere Formen der Öffentlichkeitsfahndung (etwa Plakate, Handzettel, Lautsprecherdurchsagen) sowie die örtliche Beschränkung der Fahndung genannt. So geht die Polizei Sachsen nach einem sog. Stufenmodell vor, nach dem bei einer Öffentlichkeitsfahndung die Publikationsorgane in bestimmter Reihenfolge in Anspruch genommen werden: Zunächst regionale Printmedien, dann überregionale Printmedien / Hörfunk, dann Fernsehen und zum Schluss Internet287. Auf die Internetfahndung ist im Hinblick auf ihren weltweiten Charakter also erst dann zurückzugreifen, wenn die regional beschränkte Öffentlichkeitsfahndung nicht genügend Erfolg verspricht288. Die regionale Fahndung, die in der Regel weniger eingriffsintensiv ist, ist vorzuziehen, falls begründete Anhaltspunkte bestehen, dass sich die gesuchte Person (noch) in der Gegend aufhält289. Ein milderes, genauso effektives Mittel wie die Veröffentlichung im Internet inklusive sozialer Netzwerke ist insbesondere dann nicht ersichtlich, wenn sich der Tatverdächtige auf der Flucht befindet290; so kann nicht nur die Polizei am Tatort, sondern auch Behörden am vermeintlichen / prognostizierten Aufenthaltsort den Fahndungsaufruf auf ihren Internetvitrinen veröffentlichen und zu deren größeren Verbreitung beitragen. Auch die Tatsache, dass die Fans / Abonnenten polizeilicher Auftritte in sozialen Netzwerken deutschlandweit

284

Valerius, S. 38, 51; Gerhold, ZIS 2015, 156 (166 f.). Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (134); DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 4 konkret in Bezug auf ­Facebook. 286 Bereits Bauer, in: Handwörterbuch der Kriminologie (Fahndung), S. 257; L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 33. 287 Polizeidirektion Leipzig, Polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung oder: „Warum kommt das Bild erst jetzt?“, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/PolizeilicheXXffent​ lichkeitsfahndungXod.pdf (26.4.2020). Siehe dazu auch Szabo, Andreas, Andreas Loepki: „Medienvertreter mehrfach und konstruktiv auf Stufenmodell hingewiesen“, Flurfunk vom 6.12.2016, https://www.flurfunk-dresden.de/2016/12/06/andreas-loepki-medienvertreter-mehr​ fach-und-konstruktiv-auf-stufenmodell-hingewiesen/ (26.4.2020). 288 Schaar, Rn. 853. 289 Valerius, S. 62. 290 Ihwas, S. 279. 285

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Kontakte haben, kann hier von Bedeutung sein291. Eine Veröffentlichung nur auf der Homepage weist einen geringeren Verbreitungsgrad auf als das Einstellen einer zusätzlichen Meldung in einem bzw. mehreren sozialen Netzwerken, ist also nicht gleich effektiv wie die Fahndung über soziale Netzwerke292. An dieser Stelle sei nochmal die von der Verfasserin durchgeführte Analyse angeführt, nach der eine Fahndungsmeldung bereits in einem sozialen Netzwerk die Reichweite der Ursprungsmeldung auf der Homepage um ca. 25 % vergrößert, verglichen mit einem Fahndungsaufruf, der ausschließlich auf der behördlichen Homepage platziert wurde293. Hinzu kommt, dass Internetnutzer polizeiliche Seiten in der Regel nicht zufällig beim Internetsurfen besuchen, vielmehr gezielt aus eigener Initiative294. Des Weiteren bieten soziale Netzwerke die Möglichkeit, dass die Nutzer den konkreten Fahndungsaufruf teilen und so tatsächlich Hinweise aus dieser Rezipientengruppe kommen. Vor der Anordnung der Internetfahndung sollten Schätzungen bzgl. der erwarteten Reichweite des konkreten Fahndungsmittels vorgenommen werden295. Bezogen auf die Homepages bzw. auf die Meldungen in presseportal.de kann die Anzahl der Klicks bei vergleichbaren Fällen einen Messwert darstellen, bei Auftritten in sozialen Netzwerken wiederum zumindest die Anzahl der Fans/ Abonnenten sowie die Anzahl der Klicks / Likes / Teilen vergleichbarer Beiträge, wobei die Reichweite durch Teilen bzw. Liken je nach Fall stark variieren kann. Ähnliche Schätzungen müssten für die Presse sowie für die Fahndungssendungen im Internet vorgenommen werden. Internetfahndung kann auch neben anderen Fahndungsmaßnahmen, etwa Plakataushängen296, eingesetzt werden. Nach Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV, die für Bundesbehörden sowie in Bremen gilt, sollen private Internetanbieter grundsätzlich nicht eingeschaltet werden. Diese Norm ist jedoch im Sinne eines Regel-Ausnahme-Prinzips auszulegen, sodass der Zugriff insbesondere auf soziale Netzwerke nicht gesperrt ist, was auch die Praxis der Behörden zeigt. Nr. 3.2 Abs. 1 S. 3 und 4 VwV-L schreibt vor, in Fällen, in denen aufgrund der Fahndung in besonderem Maß die Gefahr diskriminierender Äußerungen oder tätlicher Übergriffe besteht, die Erforderlichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet besonders sorgfältig zu prüfen. Bei der Gestaltung des Fahndungsaufrufs sind dann geeignete Vorkehrungen zur Verringerung einer solchen Gefahr zu treffen, insbesondere ist zu prüfen, ob von der Bereitstellung etwaiger Kommentierungsfunktionen abzusehen ist. Diese Vorschrift betrifft die Internetfahndung generell, der Hinweis auf die Möglichkeit des Ausschaltens der Kommentarfunk 291

Ihwas, S. 279. So auch Ihwas, S. 279; Baumhöfener, K&R 2015, 625 (629). 293 Siehe im Einzelnen unter Pkt. A. I. 1. des 4. Teils. 294 Siehe Rüdiger, in: Frevel / Wendekamm, S. 213 (219), das Gleiche soll allerdings auch für polizeiliche Auftritte in sozialen Netzwerken gelten. 295 Valerius, S. 62. 296 Z. B. im Fall der Suche nach dem vermissten 6-jährigen Elias in Brandenburg 2015 bzw. RAF-Tatverdächtigen. 292

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

tion ist zurzeit auf soziale Netzwerke beschränkt, weil diese Option auf den Homepages bzw. auf presseportal.de nicht angeboten wird. Es handelt sich dabei um Maßnahmen zur Gefahrverringerung, da sich eine Gefahr nicht ganz ausschließen lässt. Nach der vorzunehmenden Prognose muss der Grad des Risikos als besonders hoch eingeschätzt werden. Vom Grundsatz her ist jeder einzelne Fahndungsaufruf mit derartigen Gefahren verbunden, besonders gravierend sind sie aber bei Tötungsdelikten, gefährlicher Körperverletzung und Sexualdelikten. Die Gefahr tätlicher Übergriffe besteht nicht nur bei Fahndungen nach bekannten, sondern auch nach unbekannten Tatverdächtigen im Fall einer schnellen Identifizierung durch Internetnutzer. Eine sorgfältige Prüfung muss in derartigen Fällen nicht automatisch zum generellen Ausschluss der Internetfahndung führen. Dass sie in derartig gelagerten Fällen dennoch in sozialen Netzwerken durchgeführt wird, zeigen Beispiele des an mehreren Stellen erwähnten Berliner U-Bahn-Treters oder der Suche nach Beschuldigten eines Kindermissbrauchs. Der Begrenzung der Eingriffsintensität, zumindest bezogen auf diskriminierende Äußerungen (unter die auch Beleidigungen fallen) dient die durch Nr. 3.2 Abs. 4 S. 1 VwV-L festgeschriebene und praktizierte Rund-um-die-Uhr-Überwachung polizeilicher Kanäle in sozialen Netzwerken297 sowie eine professionelle Moderation der Kommentare und Entfernung solcher mit diskriminierendem, strafrechtlich relevantem oder gefährdendem Inhalt (Nr. 3.2 Abs. 4 S. 2 VwV-L)298. Der Aussage des OLG Celle, nach der die polizeiliche Einrichtung und Aufrechterhaltung eines Internetforums zum Zwecke einer öffentlichen Diskussion über ein begangenes Delikt rechtswidrig ist, ist übertragen auf soziale Netzwerke dahingehend zuzustimmen, dass eine öffentlich einsehbare Seite nicht der Veröffentlichung von sachdienlichen Hinweisen dienen darf, kursierende Informationen ein Nährboden für Gerüchteentstehung sein können und eine bloße Kundgabe der Meinung Einzelner keine Hilfe bei der Sachaufklärung darstellt299. Anders als im entschiedenen Fall wird die öffentliche Diskussion auf den polizeilichen Auftritten in sozialen Netzwerken einer strengen inhaltlichen Kontrolle unterzogen und darauf geachtet, dass sachdienliche Hinweise nicht unter Kommentaren platziert werden300, wodurch auch dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Rechnung getragen wird. Aktuell ist es auf Facebook technisch nicht möglich, die Kommentarfunktion für einzelne Beiträge auszuschalten301; rein faktisch können jedoch einzelne bzw. sämt-

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Siehe im Einzelnen unter A. II. 3. b) cc) des 3. Teils. Siehe im Einzelnen unter A. II. 3. b) bb) des 3. Teils. 299 OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262 (1263 f.). 300 Siehe im Einzelnen unter A. II. 3. b) dd) des 3. Teils. 301 „Vergiss nicht, dass du die Kommentar-Funktion für die Beiträge auf deiner Seite nicht deaktivieren kannst, einzelne Kommentare jedoch verbergen oder löschen kannst.“, Facebook Hilfebereich unter: „Wie kann ich einstellen, was Besucher auf meiner Seite posten können?“, https://www.facebook.com/help/356113237741414 (26.4.2020). 298

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liche Kommentare ausgeblendet werden, was einer Ausschaltung gleichkommt302. Das Beibehalten einer aktiven Kommentarfunktion bietet den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit, auf erhitzte Gemüter mancher Besucher angemessen zu reagieren und so Kontrolle auszuüben – wenn sie ausgeschaltet wäre, könnte dies zum Abreagieren der Community unter anderen Posts führen. Trotz der generellen Ablehnung durch die Datenschützer303 sah es der Unterausschuss der RiStBV selbst als nicht sachdienlich an, die Kommentarfunktion auszuschalten, „da dies der Grundidee sozialer Netzwerke widerspricht und dazu führen würde, dass das Interesse an den entsprechenden Seiten nachlässt“304. In der Praxis wird auf die Kommentarfunktion nicht verzichtet305, gleichwohl soll in besonders gelagerten Einzelfällen die Möglichkeit verbleiben, sämtliche Kommentare auszublenden – auf diesen Umstand sollte dann aber auch unter einer kurzen Benennung von Gründen in dem Post an sichtbarer Stelle hingewiesen werden. Diese Verfahrensweise kann auch bei der Fahndung nach Zeugen relevant werden, insbesondere bei Kapitaldelikten. Es lässt sich trotzdem nicht ausschließen, dass diskriminierende Äußerungen bzw. Aufrufe zu Gewalttaten außerhalb der polizeilichen Kanäle Verbreitung finden, etwa über private Profile in sozialen Netzwerken, aber auch über Mundpropaganda oder über Messenger-Dienste. Eine in Deutschland nicht praktizierte Lösung ist bei den Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz zu beobachten (sog. Dreistufenmodell). Bei Vergehen306 (insb. im Zusammenhang mit Teilnahme an Fußballveranstaltungen) wird von der Staatsanwaltschaft307 in Abständen von jeweils sieben Tagen zunächst ein textlicher Fahndungsaufruf im Internet veröffentlicht (ohne Namensnennung), anschließend eine verpixelte Videosequenz bzw. ein verpixeltes 302 Siehe z. B. Arch, techjunkie.com vom 10.5.2019, How To Disable Comments on a Facebook Page, https://www.techjunkie.com/disable-comments-facebook-page/ (26.4.2020). 303 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!, https://www.datenschutz.bremen.de/publikationen/konferenzentschliessungen/87__ konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020). 304 Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 3. 305 Die Internetfahndung in sozialen Netzwerken ohne Kommentarfunktion wurde früher vom BKA praktiziert, Ihwas, S. 276. Die „alte“ BKA-Fanpage wies einen spezifischen Aufbau auf. Dort waren die vereinzelten Fahndungsaufrufe nicht als Chronik-Beiträge, sondern als einzelne Unterseiten („Bereiche“) mittels der i-frame-Lösung mit Abbildungen der Gesuchten sowie Angaben zur Person und Sachverhalt dargestellt. Auf die konkreten Fahndungsaufrufe gelangte man über die linke Spalte, wo einzelne Rubriken („Tabs“) zu Fahndungen jeweils mit dem Nachnamen der gesuchten Person („Fahndung …“ bzw. „Fahndung ‚Nationalsozialistischer Untergrund [NSU]‘“) platziert waren. Diese Lösung wurde von anderen Behörden nicht übernommen und wird heute selbst durch das BKA nicht mehr praktiziert. 306 Vergehen sind nach Art. 10 S. 3 schweiz. StGB Taten, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht sind. Bei Kapitalverbrechen i. S. v. Art. 64 schw. StGB (z. B. Mord, vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Vergewaltigung, Raub) oder bei Gemeingefährlichkeit des Gesuchten i. S. v. Art. 75a Abs. 3 schweiz. StGB ist auch eine sofortige Veröffentlichung zulässig, Donatsch / Hansjakob / Lieber / Weder, Art. 211 Rn. 9a. 307 In der Schweiz liegt die Öffentlichkeitsfahndung im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft, Donatsch / Hansjakob / Lieber / Weder, Art. 211 Rn. 12; BSK  / ​ ­Rüegger, Art. 211 Rn. 22.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Foto, im dritten und letzten Schritt eine unverpixelte Abbildung des Gesuchten308. Dieses Modell erinnert an die Regeln zur Verwendung von Schusswaffen im Rahmen des Notwehrrechts: Warnruf / Warnschuss/(möglichst schonender) Schuss. In einem konkreten, von Melzl geschilderten Fall einer angekündigten Veröffentlichung von Abbildungen von 17 Stadion-Hooligans haben sich nach der „Warnung“ zwar keine Tatverdächtigen gemeldet, nach der Veröffentlichung waren es aber neun Personen. Der Vorteil dieser Lösung liegt darin, dass sie dem Persönlichkeitsrechtschutz besonders Rechnung trägt, indem sie es den gesuchten Personen ermöglicht, sich selbst bei den Strafverfolgungsbehörden zu melden und einer Rufschädigung vorzubeugen. Sollte es aber zur Veröffentlichung kommen, ist in der Regel davon auszugehen, dass sich der Betroffene mit der Publikation abgefunden hat. Diese durchaus unkonventionelle Methode birgt gleichzeitig die Gefahr einer Täterwarnung in sich, die auch von den schweizerischen Behörden gesehen wird: „Es musste also davon ausgegangen werden, dass Tatverdächtige zuerst sehen wollten, was wir effektiv an Bildmaterial besässen und sich dann entschlossen hatten, sich bei der Polizei zu melden.“309 Andererseits können sich auf die Ankündigung der Veröffentlichung Personen melden, die auf den Abbildungen nicht zu sehen waren, wie es 2007 in Luzern der Fall war310.

bb) Exkurs: Schulfahndung Ein Beispiel für eine der Internetfahndung vorrangige und schonendere Form der Öffentlichkeitsfahndung ist die sog. Schulfahndung, die eine Zielgruppenfahndung darstellt. Sie kommt in Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie Kinderpornografie zum Einsatz. Dabei werden neutrale Abbildungen von wahrscheinlich in Deutschland wohnhaften311 Geschädigten im Rahmen einer Amtshilfe je nach Bundesland ausschließlich der jeweiligen Schulleitung und den Lehrkräften312 oder darüber hinaus Schulsekretären und Schulsozialarbeitern313 vorgelegt (nicht Schülern‚ Hausmeistern u. a.). Die Empfänger sind wegen der Sensibilität der personenbezogenen Daten und Brandmarkungsgefahr bzw. Gefährdung für die Opfer zur Verschwiegenheit verpflichtet. Die einschlägigen, überwiegend inhaltsgleichen Ländervorschriften betonen, dass es Ziel solcher Maßnahmen ist, Opfer zu 308

Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK / CPS) vom 21.11.2013, Empfehlung Öffentlichkeitsfahndung bei Ausschreitungen und Krawallen, https://www.ssk-cps.ch/sites/ default/files/empfehlung_oeffentlichkeitsfahndung.pdf (26.4.2020); Kanton Zürich: Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft für das Vorverfahren (WOSTA) vom 18.9.2019, Ziff. 11.2.4.2; Donatsch / Hansjakob / Lieber / Weder, Art. 211 Rn. 9a; Melzl, Kriminalistik 2012, 51 f.; Indermaur, Forum poenale 2013, 223 (226). 309 Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (52). 310 Fanarbeit Schweiz, Jahresbericht 2015, S. 28. 311 LKA BW, Cybercrime und Digitale Spuren 2016, S. 22. 312 So etwa in Brandenburg, siehe Merkblatt zur Schulfahndung nach Opfern von Kinderpornografie (Stand: April 2018), https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/xx_18_anhang_ merkblatt_zur_schulfahndung_nach_opfern_von_kinderpornografie.pdf (20.11.2018). 313 So etwa in Schleswig Holstein und Bremen, Dienstanweisung „Schulfahndung“ (Kinderpornografie), Erlass des Ministeriums für Schule und Berufsbildung vom 5.5.2015 – III 43, NBl. MSB. Schl.-H. 2015, S. 138; Freie Hansestadt Bremen, Die Senatorin für Kinder und Bildung, Verfügung Nr. 15/2016 vom 22.2.2016, Schulfahndung HB, Az. 24–10.

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identifizieren, dem ggf. befürchteten weiteren Missbrauch ein Ende zu setzen und den Täter zu ermitteln. Die Bilddateien werden den Adressaten in Form einer Lichtbildmappe bzw. über eine digitalisierte geschützte Datenablage bekannt gegeben. Sollten die Opfer identifiziert werden, ist eine Kontaktaufnahme mit ihnen bzw. ihren Eltern durch die Schule untersagt. Im Zeitraum 2006–2018 wurde auf diese Art und Weise bundesweit nach 33 Opfern gefahndet, es konnten 19 Opfer und 17 Täter identifiziert werden314. Die Maßnahme, in der Regel bundesweit zweimal jährlich durchgeführt (sog. Frühjahrs- und Herbstfahndung), wird durch das BKA koordiniert, das die LKÄ informiert315. Bei besonders gebotener Eile werden darüber hinaus zusätzliche Fahndungen auf diese Weise vorgenommen316. Die LKÄ setzen die Schulfahndungen um und übermitteln die Fahndungsinformationen nach erster Auswertung an das BKA317. Die Effizienz dieser Methode führen die Ermittler nicht zuletzt auf die Schulpflicht zurück – so besteht die Wahrscheinlichkeit, dass Lehrer ihre Schüler wiedererkennen, selbst wenn die Abbildungen vor mehreren Jahren angefertigt wurden und sich das Äußere des Opfers geändert hat318. Verbesserungsbedarf wird jedoch bei einer angemessenen Vorbereitung der Schulen auf die Fahndung gesehen: Laut einer Befragung von 84 Schulen in sieben Bundesländern war das bei 43 Schulen nicht der Fall; 64 Schulen wurden nicht über die mögliche Entstehung von psychischen Belastungen informiert319. In Missbrauchsfällen von Kindern, die das Schulalter noch nicht erreicht haben, wird demgegenüber keine zielgruppenorientierte Kita-Fahndung praktiziert. 314

Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 16/5658 vom 5.2.2019, Antrag der Abg. Daniel Born u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, Verbesserungspotenzial bei Schulfahndungen, unter Pkt. 2. 315 Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 16/5658 vom 5.2.2019, Antrag der Abg. Daniel Born u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, Verbesserungspotenzial bei Schulfahndungen, unter Pkt. 2; LKA BW, Cybercrime und Digitale Spuren 2016, S. 22. 316 dpa / Ruf, Jürgen, Schulfahndung: Lehrer helfen der Polizei auf der Suche nach Missbrauchsopfern, news4teachers.de vom 15.7.2018, https://www.news4teachers.de/2018/07/schul​ fahndung-lehrer-helfen-der-polizei-auf-der-suche-nach-missbrauchsopfern/ (26.4.2020). 317 Landtag von Baden-Württemberg, Drs. 16/5658 vom 5.2.2019, Antrag der Abg. Daniel Born u. a. SPD und Stellungnahme des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration, Verbesserungspotenzial bei Schulfahndungen, unter Pkt. 2. 318 Schäfer-Marg, Silke, Bislang noch kein Kind identifiziert. Lehrer sehen Opfer-Fotos: Rothenburger Polizei kämpft an Schulen gegen Kinderpornografie, hna.de vom 15.3.2019, https://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/rotenburg-fulda-ort305317/polizei-kaempft-auch-​ an-schulen-gegen-kinderpornografie-11854774.html (26.4.2020); Sauerbier, Michael, Erlass unterzeichnet. Lehrer helfen künftig bei Fahndung nach Kinderschändern, B. Z. vom 25.6.2018, https://www.bz-berlin.de/berlin/lehrer-helfen-kuenftig-bei-fahndung-nach-kinderschaendern (26.4.2020). 319 Innocence in Danger, Studie „Empirische Untersuchung zur Versorgung von Mädchen und Jungen, deren Missbrauchsabbildungen bzw. Sextingabbildungen digital verbreitet werden und notwendige Lehren für gute Prävention an Schulen“, zitiert nach o. V., Missbrauchsopfer via Schulfahndung identifizieren, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft gew.de vom 8.6.2018, https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/missbrauchsopfer-viaschulfahndung-identifizieren/ (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Der eine Grund ist, dass der Kita-Besuch nicht verpflichtend ist und sich auch das Äußere von kleineren Kindern schnell verändert. Des Weiteren wird argumentiert, dass zu viele verschiedene Einrichtungen eingebunden werden müssten320. So kann sich im Einzelfall eine Internetfahndung nach einem jüngeren unbekannten Missbrauchsopfer doch als mildestes Mittel erweisen, wie es im Oktober 2017 bei einem Fahndungsaufruf des BKA der Fall war321. e) Angemessenheit Damit den Anforderungen der Angemessenheit genüge getan wird, bedarf es, wie es Nr. 1.2 Abs. 1 S. 2 Anl. B RiStBV formuliert, „einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten und anderer Betroffener andererseits“322. Die Internetfahndung ist nur dann angemessen, wenn im Rahmen einer durchzuführenden Interessenabwägung das Interesse des Staates an einer Internetfahndung im Verhältnis zu der Verletzung der grundrechtlichen Positionen der betroffenen Person überwiegt. Bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip und der mit ihm einhergehenden wirksamen Strafverfolgung lässt sich herleiten, dass mit unvermeidbaren negativen Konsequenzen einer Fahndung bei ihrer Planung zu rechnen ist323. aa) Entgegenstehende Positionen Nach den durch das BVerfG aufgestellten allgemeinen Kriterien für die Bestimmung der Schwere des Grundrechtseingriffs ist danach zu fragen, ob der Betroffene anonym bleibt, welche personenbezogenen Informationen verwendet werden 320 Schäfer-Marg, Silke, Bislang noch kein Kind identifiziert. Lehrer sehen Opfer-Fotos: Rothenburger Polizei kämpft an Schulen gegen Kinderpornografie, hna.de vom 15.3.2019, https://www.hna.de/lokales/rotenburg-bebra/rotenburg-fulda-ort305317/polizei-kaempft-auchan-schulen-gegen-kinderpornografie-11854774.html (26.4.2020). 321 Teutsch, Oliver, BKA-Suche nach missbrauchtem Mädchen erfolgreich, Frankfurter Rundschau vom 9.10.2017, http://www.fr.de/rhein-main/kriminalitaet/kinderpornographiebka-suche-nach-missbrauchtem-maedchen-erfolgreich-a-1365442 (26.4.2020). 322 Zu der Beschränkung der strafprozessualen Wahrheitsfindung durch Rechte der von staatlichen Maßnahmen Betroffenen bereits der Abgeordnete Eysoldt im Rahmen der Beratungen an der RStPO (konkret zur § 71b RStPO-E – gerichtliche Anordnung zur Einweisung des Beschuldigten in eine Irrenanstalt zur Beobachtung zwecks Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Geisteszustand): „… dagegen lasse man eben nicht Alles im Strafprozesse zu, was bequem oder für die Untersuchung nützlich sei: die zur Erforschung der Wahrheit erforderlichen Mittel würden beschränkt durch die Grenzlinie, über welche hinaus die bürgerliche Freiheit in einer Weise gefährdet werde, welche nicht dem Interesse des Staats an der Erforschung der Wahrheit entspreche“, Hahn, Band 3, Abteilung 2, S. 1258. 323 Wollweber, K&R 1998, 144 (145).

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und welche Gefahren für den Betroffenen die Maßnahme mit sich trägt324. Zu berücksichtigen sind also, wie es das SächsVerfGH formuliert hat325, die „erhebliche Persönlichkeitsrelevanz der zur Veröffentlichung vorgesehenen Informationen und das hierdurch gesteigerte Eingriffsgewicht“. An der Seite des Betroffenen, unabhängig von seiner Prozessrolle, streiten stets seine Grundrechte, also allen voran das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Menschenwürde und das Recht auf Ehre, sowie einfachgesetzliche Rechte wie Art. 3 EMRK (Verbot unmenschlicher und erniedrigender Behandlung), Art. 6 Abs. 2 EMRK (Unschuldsvermutung) und Art. 8 EMRK (Gebot der Achtung des Privatlebens)326. Nach Nr. 1.2 Abs. 6 S. 1 Anl. B RiStBV ist weiter auf die schutzwürdigen Interessen von Personen, die von einer Straftat betroffen sind, Rücksicht zu nehmen. Zu beachten327 sind also in erster Linie die Rechte der Geschädigten, aber auch Rechte anderer betroffener Personen im nahen sozialen Umfeld des Gesuchten, vor allem seiner Familie328. Des Weiteren ist den bereits dargestellten329 Gefahren der Internetfahndung bei der Abwägung besonders Rechnung zu tragen, allen voran der Gefahr der Brandmarkung von Beschuldigten und Zeugen in der Gesellschaft durch Aushöhlen ihrer Anonymität, der Vorverurteilung, der unmöglichen Kontrolle über die Weiterverbreitung und des dauerhaften Verbleibens der weltweit abrufbaren330 Fahndungsinformation im Netz. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass der Internetnutzer – anders als der Fernsehzuschauer im analogen Zeitalter – die Fahndungsinformation nicht nur zu dem ihm passenden Zeitpunkt aufrufen kann, sondern auch wiederholt studieren kann, was den 324

BVerfGE 100, 313 (376); 115, 320 (347); siehe auch SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49). SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50). 326 Siehe bereits für die Fahndung im Fernsehen Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (58); H.-P.  Schneider, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 37 (40 ff.). Siehe auch KK / Schultheis, § 131 Rn. 9. 327 In diesem Zusammenhang sei ergänzend Nr. 23 Abs. 1 S. 1–3 RiStBV herangeführt, die die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsorgane mit Presse und Rundfunk regelt: „Diese Unterrichtung darf weder den Untersuchungszweck gefährden noch dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorgreifen; der Anspruch des Beschuldigten auf ein faires Verfahren darf nicht beeinträchtigt werden. Auch ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer vollständigen Berichterstattung gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Beschuldigten oder anderer Beteiligter, insbesondere auch des Verletzten, überwiegt. Eine unnötige Bloßstellung dieser Person ist zu vermeiden.“ 328 Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (58). 329 Im Einzelnen hierzu unter Pkt. B. I. des 4. Teils. Zusammenfassend Ihwas, S. 280 f. Auch Behörden sind sich der Risiken der Internetfahndung bewusst und betrachten sie als Abwägungsfaktor im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit, siehe etwa Nr. 1, 2.1 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht), zitiert in: Schleswig-Holsteinischer Landtag, Drs. 18/5048 vom 26.1.2017, Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug (FDP) und Antwort der Landesregierung – Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, Internetfahndung in Schleswig-Holstein, unter Pkt. 6; DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 2, 3, 4. Siehe auch S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 20; Wollweber, K&R 1998, 144 (145 f.). 330 Nr. 1.2 Abs. 5 S. 1 Anl. B RiStBV. 325

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Eingriff intensiviert331. Sollte es sich „lediglich“ um einen Fall aus dem Bereich mittlerer Kriminalität handeln, ist die Interessenabwägung wegen der Eingriffsintensität unter Berücksichtigung negativer Folgen für den Gesuchten besonders sorgfältig vorzunehmen. Das Gleiche gilt für die nicht seltene Internetfahndung nach Jugendlichen im Internet332 wegen schutzwürdiger Interessen, insbesondere der späteren Integration in die Gesellschaft. Auf der Seite des öffentlichen Interesses an der Verfolgung konkreter Straftat streiten die Schwere der Straftat, insbesondere die Wiederholungsgefahr, die Tauglichkeit des Mittels zur Aufklärung der Straftat, der Verdachtsgrad sowie die Erfüllung der Subsidiaritätskriterien333, also letztendlich Elemente, die die „Ob“-​Voraussetzungen für die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung darstellen334. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Tataufklärung ist proportional zu der Schwere des Deliktes335 – so bestünden nach Pätzel an der Zulässigkeit einer Internetfahndung „nach Terroristen und Massenmördern“ und an dem Überwiegen des Interesses an einer effektiven Strafverfolgung wohl keine Zweifel336. In der Gesamtabwägung sind auch der Warneffekt für den Tatverdächtigen, die Gefahr der Nachahmung von Straftaten, die präventive Wirkung einer schnellen Aufklärung337 und effektiven Strafverfolgung, respektive die Gefahr einer weiteren Begehung von 331

Valerius, S. 62 f. Nach Eisenberg, NStZ 1999, 281 (283) ist eine Öffentlichkeitsfahndung unter Inanspruchnahme von Publikationsorganen nach Jugendlichen wegen Gefahren für die Sozialisation per se unzulässig. 333 So bereits OLG Frankfurt, NJW 1971, 47 (48 f.); OLG Braunschweig, NJW 1975, 651 (652); ähnlich OLG Hamm, NStZ 1982, 82; NStZ 1993, 139; zusammenfassend Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (437 f.). Vgl. auch Nr. I.2 Abs. 4 S. 1 Anl. B RiStBV a. F.: „… die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe nicht außer Verhältnis steht zu der Bedeutung der Sache und zu den zu erwartenden Rechtsfolgen der Tat.“ Siehe auch L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 12; Valerius, S. 63. 334 Siehe auch Valerius, S. 63. Eine Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte auch im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit ist sachgerecht – sie dient einer umfassenden Abwägung sämtlicher zu berücksichtigender Gesichtspunkte, darüber hinaus handelt sich hier konkret nicht um die Frage, ob Öffentlichkeitsfahndung generell, sondern Internetfahndung auf der konkret gewählten Plattform angemessen ist. 335 KMR / Wankel, § 131a Rn. 5; vgl. auch Bär, CR 1997, 422 (426); Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (58). 336 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3133). 337 Siehe Nr. 1.2 Abs. 2 S. 3 Anl. B RiStBV. Valerius, S. 63 f. äußert Zweifel an der Abwägungsfähigkeit präventiver Aspekte, weil das primäre Ziel der Fahndungsmaßnahmen ein repressives sei, nämlich die Aufklärung von Straftaten und das Abstellen auf Prävention der Unschuldsvermutung zuwiderliefe. Dem ist insofern zuzustimmen, dass die Generalprävention nicht das Primärziel der repressiven Internetfahndung ist und auch nicht sein darf, gleichwohl bestehen keine Hindernisse, auch diesen Aspekt in die Gesamtabwägung aufzunehmen und sein Gewicht je nach Einzelfall zu beurteilen. Siehe auch Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (60) (zählt sie zu den „taktischen Überlegungen“); H.-P. Schneider, in: Möglichkeiten und Grenzen der Fahndung, S. 37 (45); KMR / Wankel, § 131a Rn. 5. Zur Prävention als „sekundärer Nebenfolge der primär strafprozessualen Funktion“ der Überwachungsmaßnahmen Welp, Die strafprozessuale Überwachung, S. 52, 54 f. 332

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Straftaten zu berücksichtigen338. Zu den Entscheidungsfaktoren im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit gehören auch die Erfolgsaussichten der Fahndung, also die Wirksamkeit der Maßnahme339. bb) Besonderheiten bei der Zeugenfahndung Ein besonderes Augenmerk wurde vom Gesetzgeber auf die Schutzbedürftigkeit gesuchter Zeugen gelegt, die je nach Sachlage das Interesse des Staates an der Strafverfolgung, das öffentliche Interesse an der Aufklärung und Wahrheitsfindung sowie das Interesse des Beschuldigten an seiner Entlastung zurücktreten lassen kann340. Nach § 131a Abs. 4 S. 3 StPO (Aufenthaltsermittlung) hat die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Zeugen zu unterbleiben, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen entgegenstehen. Abgesehen von den zutreffenden Einwänden des Schrifttums, die aus systematischen Gründen (als materiell­ rechtliche Voraussetzung und keine Inhaltsbestimmung) diese Regelung eher in § 131a Abs. 3 StPO verortet sehen341, verwundert es, dass eine entsprechende Regelung nicht auch in § 131b Abs. 2 StPO integriert wurde. In der Literatur wird um Bedacht bei der Internetfahndung nach Zeugen appelliert342, das Einwenden Albrechts, die „vagen Topoi der überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Zeugen“ seien kein Hindernis für die öffentliche Fahndung, weil sie sich „mit dem ebenso vagen, gleichwohl aber effektiven Topos von der Funktionstüchtigkeit der Strafverfolgung bequem und bei Bedarf zur Seite schieben [lassen]“343, sind nicht von der Hand zu weisen. Es wird zwar betont, dass es grundsätzlich nicht darauf ankommt, wie wichtig der Zeuge und seine Aussage für das Verfahren sei344, gleichwohl seien diese Aspekte bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen345. So kann es etwa in einem Fall, der nicht dem Bereich schwerer Kriminalität zuzuordnen ist und in dem eine Prognose abgegeben werden kann, dass die Zeugenaussage voraussichtlich keine neuen Erkenntnisse ins Ermittlungsverfahren bringt, zielführend sein, von einer Öffentlichkeitsfahndung abzusehen346. Überwiegende schutzwürdige Interessen der Zeugen können in erster Linie bei

338

Siehe Nr. 1.1 Abs. 3 S. 2; 1.2 Abs. 2 S. 2 Anl. B RiStBV. SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50 f.). 340 HK / Ahlbrecht, § 131b Rn. 3; L-R / Gleß, § 131a Rn. 9; Hilger, NJW 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110). 341 L-R / Gleß, § 131a Rn. 9; AnwK / Walther, § 131a Rn. 6; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 10. 342 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 343 Albrecht, StV 2001, 416 (419). 344 Siehe aber Nr. 39 Abs. 1; 42 RiStBV, die im Zusammenhang mit der Fahndung von einem „wichtigen Zeugen“ sprechen. 345 L-R / Gleß, § 131a Rn. 3; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 2; Schaar, Rn. 853: „Eine öffentliche Fahndung nach Zeugen im Internet darf nach Art und Umfang nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Zeugenaussage für die Aufklärung der Tat stehen.“ 346 Vgl. L-R / Gleß, § 131a Rn. 3. 339

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anzunehmender, auch nur geringster Gefahr für die persönliche Integrität347 etwa dann vorliegen, sollten diese Personen Gewaltkriminalität oder Straftaten aus dem Bereich Organisierter Kriminalität beobachtet haben348 oder einer Entführung zum Opfer gefallen sein349. Entsprechendes gilt auch bei zu erwartenden Gefahren für nahestehende Personen des Zeugen350. Das „überwiegende Interesse“ des Zeugen lässt sich wegen der Vielzahl denkbarer Fälle nicht abschließend bestimmen351, muss aber aus der Akte ersichtlich sein352. Dennoch sind Situationen nicht auszuschließen, in denen die Gefahren für Leib und Leben des Zeugen nicht stets erkannt oder prognostiziert werden können und dementsprechend eine Interessenabwägung die tatsächliche Interessenlage gar nicht berücksichtigt353. Auch in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Eingriffe in Grundrechtsposi­ tionen Unverdächtiger besonderer Rechtfertigung bedürfen354. Eine Internetfahndung greift in die Rechte des Zeugen besonders empfindlich ein. Gleichwohl steht dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Zeugen ein Anspruch des Beschuldigten und dann ggf. Angeklagten auf ein faires Verfahren und auf die Wahrheitsfindung, vor allem durch eine entlastende Aussage des Zeugen, gegenüber355. Die Behörden sind also gehalten, diese Maßnahme mit Bedacht einzusetzen356 und die Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältig zu prüfen357. Die Duldungspflicht des Zeugen in die Eingriffe ist dennoch eingeschränkt358. Ein Teil der Autoren ist sogar der Auffassung, dass die Gefahren der Öffentlichkeitsfahndung für den Zeugen, zuallererst das Assoziieren mit der Straftat, Verwechslungs­gefahr und damit einhergehende Rufschädigung, die staatsbürgerliche Zeugenpflicht stets zurücktreten lassen359. Andererseits kann es im Einzelfall angemessen sein, eine Internetfahndung durchzuführen, wenn feststeht, dass die Tatbegehung von einer einzigen Person beobachtet wurde und mit ihrer Aussage der Ausgang des Verfahrens steht und fällt360. Sollte es sich um die Verfolgung schwerster Delikte 347

HK4 / L emke, § 131b Rn. 5; Heghmanns / Herrmann, Rn. 636; Murmann, in: Heghmanns / ​ Scheffler, III Rn. 282; Benfer / Bialon, Rn. 280. L-R / Gleß, § 131b Rn. 8 nimmt diese Möglichkeit erst bei „hoher, nicht anders abwendbarer Gefährdung“ des Zeugen an. 348 HK4 / L emke, § 131b Rn. 5; Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134); SK / Paeffgen, § 131b Rn. 5. 349 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 9. 350 Benfer / Bialon, Rn. 1086. 351 Benfer / Bialon, Rn. 1086. 352 SK / Paeffgen, § 131a Rn. 9; L-R / Gleß, § 131a Rn. 9; in diese Richtung Hilger, NStZ 2000, 561 (563); HK4 / L emke, § 131a Rn. 7; MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 10. 353 Ranft, StV 2002, 38 (43). 354 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49); BVerfGE 113, 29 (54). 355 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49); vgl. BVerfGE 57, 250 (275); L-R / Gleß, § 131a Rn. 9; Hilger, NStZ 2000, 561 (563); ders., StraFo 2001, 109 (110); KMR / Wankel, § 131a Rn. 5; S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 10; Valerius, S. 64. 356 Heghmanns / Herrmann, Rn. 636; KMR / Wankel, § 131a Rn. 5. 357 Schaar, Rn. 853; KMR / Wankel, § 131a Rn. 5. 358 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50). 359 Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 2; Ranft, StV 2002, 38 (42 f.). 360 Vgl. Benfer / Bialon, Rn. 279.

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wie etwa Mord handeln, muss ein gesuchter Zeuge u. U. die Nachteile, die mit der Veröffentlichung personenbezogener Informationen im Internet einhergehen, im Hinblick auf die Strafverfolgung dulden361. In Bezug auf den Zeugen müssen sämtliche Folgen für sein Privat- sowie Berufsleben berücksichtigt werden. Sollte er etwa, vormalig drogenabhängig, nunmehr berufsmäßig Kunden betreuen und die Vertraulichkeit der Informationen, zu denen er Zugang hat, eine herausragende Rolle spielen, können erhebliche negative Folgen für seinen beruflichen Werdegang und seinen Ruf in der Gesellschaft durch eine Internetfahndung zur Aufklärung eines Mordfalls schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung362. Auch wenn die Internetfahndung in diesem vom SächsVerfGH entschiedenen Fall zeitlich auf zwei Monate begrenzt werden sollte, wog die Gefahr, auch nach Beendigung der Maßnahme im Internet auf unkontrolliert verbreitete Informationen zu stoßen und die Möglichkeit, diese mittels Suchmaschinen unschwer zu finden, besonders schwer363. Die Tatsache, dass der Zeuge zum Tatzeitpunkt persönlichen Kontakt zu dem Beschuldigten pflegte, erhöht nicht die Duldungspflicht des Zeugen an einer Öffentlichkeitsfahndung364. Soll es sich um eine Aufklärungsfahndung unter Verwendung von Abbildungen eines bekannten Zeugen handeln, hängt die Zulässigkeit einer solchen Maßnahme davon ab, dass die Strafverfolgungsbehörden belegen können, welche Informationen sie sich von der Öffentlichkeitsfahndung versprechen365. Sollten der Prognose nach nur geringe Chancen auf Fahndungserkenntnisse bestehen, ist auf die Internetfahndung zu verzichten366. Auch der Grad des Tatverdachts soll bei der Abwägung nicht „gegen“ die Interessen der Zeugen in die Waagschale geworfen werden367. In Fällen von Kindesmissbrauch, bei denen eine Abbildung des Opfers veröffentlicht wurde, wurde neben den Risiken einer Brandmarkung sowie der weiteren Abrufbarkeit des Fotos im Netz auch berücksichtigt, dass sich das Äußere des Kindes im Laufe der Zeit erfahrungsgemäß stark verändert368.

361

SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51). SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50 f.), der auch darauf hinweist, dass es unzulässig ist, die Eingriffsschwere durch die Aufforderung an den Zeugen zu relativieren, dem Arbeitgeber seine Zeugenstellung im konkreten Verfahren mitzuteilen sowie aus eigener Initiative sensible Einzelheiten aus dem Privatleben zu offenbaren. 363 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49 f.). 364 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (50). 365 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51). 366 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51). 367 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51). 368 Siehe o. V., Bild erklärt. So geht Öffentlichkeits-Fahndung, BILD.de vom 10.10.2017, https:// www.bild.de/news/inland/kindesmissbrauch/oeffentliche-fahndung-missbrauch-53484938. bild.​html (26.4.2020). 362

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cc) Flüchtige Verurteilte Bei der Prüfung der Angemessenheit einer Internetfahndung nach einem flüchtigen Verurteilten kommt nach § 457 Abs. 3 S. 2 StPO der Berücksichtigung der Restdauer der Freiheitsstrafe eine besondere Relevanz zu. Der Gesetzgeber gibt wegen der Vielzahl der Eingriffsmittel keine konkreten Vorgaben zu der Dauer der noch zu vollstreckenden Strafe vor. Die Regelung hat zum Ziel, den Einsatz von intensiven Eingriffsmaßnahmen bei einem nur noch geringen zu verbüßenden Strafrest auszuschließen369. Nach den Richtlinien der Nr. 2.4 Abs. 1 Anl. B RiStBV soll bei der Öffentlichkeitsfahndung unter Inanspruchnahme von Publikationsorganen die Mindestrestdauer der Strafe bei einem Jahr liegen370. Alternativ ist dort geregelt, dass die Öffentlichkeitsfahndung nach einem flüchtigen Verurteilten auch dann zulässig ist, „wenn seine Ergreifung aus anderen Gründen, etwa wegen der Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, im öffentlichen Interesse liegt“. In die Gesamtabwägung sind dann außer der Wiederholungsgefahr oder Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit auch die Schwere der Tat sowie Höhe der Strafe (Freiheitsstrafe), die Fahndungsdauer und Art der bisher eingesetzten Fahndungsmittel einzubeziehen371. So könnte es sich im Einzelfall ergeben, dass der Flüchtige zwar weniger als ein Jahr zu verbüßen hat, aber als besonders gefährlich einzustufen ist. In der Literatur sind auch restriktive Auslegungen des Strafrestes anzutreffen, so etwa zwei Jahre, gestützt auf den Rechtsgedanken aus § 57 Abs. 1 StGB (Verbüßung von zwei Drittel der verhängten Strafe)372. Appl und Pollähne betonen mit Hinweis auf § 34 Abs. 2 S. 1 StVollstrO, wonach Art und Umfang der Fahndungsmaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zur Höhe der verhängten Strafe stehen sollen, dass Fahndungsmaßnahmen bei einer Ersatzfreiheitsstrafe bzw. bei einem Strafrest bis zu zwei Wochen in der Regel unzulässig sind373. Dem ist im Hinblick auf die gravierenden negativen Folgen der Internetfahndung zuzustimmen. § 457 Abs. 3 S. 2 StPO gilt auch sinngemäß für einen Unterbringungsbefehl, § 463 Abs. 1 StPO.

369

BT-Drs. 12/989, S. 59. Anders z. B. KG, StraFo 2008, 239 (240) bei Maßnahmen aus § 100g StPO: Verkehrsdatenerhebung bei einem Strafrest von 145 Tagen unverhältnismäßig. Siehe auch OLG Zweibrücken, StV 2001, 305: Eine Anordnung der Telefonüberwachung nach § 100a StPO ist verhältnismäßig, wenn der Strafrest nicht wesentlich unter der für die Katalogtat angedrohten Mindeststrafe liegt. 371 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134); Röttle / Wagner, Rn. 127. Nicht (mehr) aber die Unschuldsvermutung, BVerfGE 35, 202 (232); Valerius, S. 52. 372 Pohlmann / Jabel / Wolf, § 34 Rn. 4. 373 KK / Appl, § 457 Rn. 9; HK / Pollähne, § 457 Rn. 9. 370

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dd) Massenfahndungen Ein anderes Problem, das insbesondere bei der Internetfahndung der Polizei Hamburg nach den G20-Krawallen im Jahr 2017 sichtbar wurde, betrifft den Umfang der Internetfahndung. In diesem Kontext wurde die Internetfahndung als „Masseninstrument“ bezeichnet374. Trotz verbreiteter Ansicht war es nicht die erste umfangreiche Internetfahndung dieser Art – die Polizei Berlin fahndete bereits 2001 und 2002 nach den Krawallen vom 1. Mai auf ihrer Homepage mit einigen Duzend Abbildungen nach Tatverdächtigen375. Eine Fahndung nach mehreren Personen in einem einzigen Fahndungsaufruf ist per se nicht unzulässig, genauso wenig wie die Bildung von Tatkomplexen, nicht nur aus juristischen Gesichtspunkten, um einen örtlich / zeitlichen Zusammenhang herzustellen, sondern auch zur besseren, übersichtlichen Einordnung der Straftaten376. Es muss aber vermieden werden, dass durch eine pauschalierte, in Tatkomplexen und Videosequenzen erfolgte Darstellung (wie es bei der ersten Serie der G20-Fahndung der Fall war377) der Eindruck entsteht, der Tatvorwurf gegen den jeweils Gesuchten umfasse sämtliche Taten aus dem gezeigten Tatkomplex. Dies kann zu erheblichen Stigmatisierungen führen378. Zu den Voraussetzungen der Öffentlichkeitsfahndung in der Schweiz gehört nach Art. 211 i. V. m. Art. 197 Abs. 1 lit. d schweiz. StPO, dass die Bedeutung der Straftat die Zwangs 374

So z. B. Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. Krempl, Stefan, Berliner Polizei fahndet nach Kreuzberger Steinewerfern im Netz, Telepolis vom 5.1.2001, https://www.heise.de/tp/features/Berliner-Polizei-fahndet-nach-Kreuz​ berger-Steinewerfern-im-Netz-3448668.html (26.4.2020); ders., Berliner Polizei packt erneut das Online-Jagdfieber, Telepolis vom 1.10.2002, https://www.heise.de/tp/features/BerlinerPolizei-packt-erneut-das-Online-Jagdfieber-3426823.html (26.4.2020). Siehe auch Pohl, S. 89 f. Fn. 342. 376 Nr. 3.2 Abs. 1 S. 1 Anl. B RiStBV und Nr. 3.2 Abs. 1 S. 1 VwV-L erwähnen zwar „Bündeln“ auf der Internetseite der Polizei, gemeint ist damit jedoch nicht die Bildung von Tatkomplexen, sondern das Einstellen der Fahndungsaufrufe ins Netz schlechthin an einer Stelle („gebündelt“), siehe auch (gegen die Bildung von Tatkomplexen) Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 377 So konnte z. B. die Beschreibung im Fahndungsvideo zum Tatkomplex Elbchaussee „Am 07.07.2017 kam es zwischen 07:20 und 08:30 Uhr im Bereich Elbchaussee zu schweren Straftaten wie Brandstiftungen, schwerem Landfriedensbruch und einem gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr.“ in diesem Sinne missverstanden werden, Polizei Hamburg, G20-Fahndungsaufruf vom 18.12.2017, https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/9916808/01-elbchaussee-a/ (18.12.2017). In den nächsten Serien der Öffentlichkeitsfahndung (bislang sechs, die letzte am 2.7.2019) wurden unter dem Sammeltitel „G20 Öffentlichkeitsfahndung“ ausschließlich Abbildungen von Tatverdächtigen ohne weitere Angaben veröffentlicht, so dass der genannte Vorwurf nicht mehr aktuell ist, siehe https://www.polizei.hamburg/galerie-oefa-6/ (4.10.2019). Der Verzicht auf eine Zuordnung zu einzelnen Tatkomplexen wurde mit ermittlungstaktischen Gründen begründet, siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/13179 vom 1.6.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 24.5.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit G20, unter Pkt. 4.  378 Vgl. Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 375

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maßnahme rechtfertigt. Zwangsmaßnahmen, die in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind nach Art. 197 Abs. 2 schweiz. StPO besonders zurückhaltend einzusetzen. In Ausnahmefällen wird nach Tatopfern öffentlich gefahndet; sollte eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung erfolglos verlaufen, wird eine massenmediale Öffentlichkeitsfahndung nach sonstigen Zeugen jedoch für unverhältnismäßig und damit unzulässig gehalten379. § 169 Abs. 1 S. 2 österr. StPO bezieht sich auf die massenmediale Öffentlichkeitsfahndung und bestimmt, dass Abbildungen nur dann veröffentlicht werden dürfen, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich scheint. Diese Voraussetzung bedarf einer restriktiven Auslegung380. In Bezug auf die Öffentlichkeitsfahndung in Polen wird vertreten, dass das Recht des Gesuchten am eigenen Bild gegenüber dem staatlichen Interesse an effektiver Strafverfolgung zurückzutreten hat381.

II. „Wie“-Voraussetzungen: Inhalt eines Fahndungsaufrufs Die inhaltlichen Angaben in den im Internet veröffentlichten konkreten Fahndungsaufrufen stellen das Ergebnis der vorherigen Prüfung der Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall dar382. Auch wenn in der Praxis die breite Öffentlichkeit das meiste Interesse an veröffentlichten Abbildungen des Gesuchten zeigt, werden vorliegend die inhaltlichen Komponenten anhand der in § 131 Abs. 4 StPO383 vorgenommenen Systematik dargestellt. Diese Norm, verortet bei der Fahndung zur Festnahme, gilt entsprechend auch für die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 4 S. 1 StPO) sowie, mit Einschränkungen, für die Identitäts- und Aufklärungsfahndung (§ 131b Abs. 3 StPO384). Der Wortlaut der durch StVÄG 1999 eingeführten Norm erinnert stark an ihren Vorgänger, § 131 Abs. 3 StPO a. F.: „In dem Steckbrief ist der Verfolgte zu bezeichnen und soweit möglich zu beschreiben. Die Tat, deren er verdächtig ist, sowie Ort und Zeit ihrer Begehung sind anzugeben.“ In die Gesamtabwägung sind aber nicht nur die Interessen der Betroffenen sowie eine eventuelle Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen; es besteht für die Strafverfolgungsbehörden die Pflicht einer umfassenden Prüfung, welche Informationen konkret an die Bevölkerung weitergegeben werden sollen, damit für die Ermittlungen keine Nachteile erwachsen und der Beschuldigte trotz der Öffentlichkeitsfahndung im Ungewissen bzgl. des konkreten Ermittlungs 379

BSK / Rüegger, Art. 211 Rn. 18. Siehe WK / Vogl, § 169 Rn. 22. 381 Świecki / Eichstaedt, Art. 280 Rn. 4; Lis, Przegląd Sądowy 3/2013, 51 (66). 382 Hilger, StraFo 2001, 109 (111); Valerius, S. 39; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 24; SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49 ff.). 383 Diese Norm umfasst neben öffentlichen Fahndungsaufrufen auch behördeninterne Ausschreibungen. 384 Siehe auch SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49). 380

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standes bleibt385. Auch hier handelt es sich um einen „Spagat“ zwischen Rechtmäßigkeit und kriminalistischer Zweckmäßigkeit. Von essentieller Bedeutung sind auch die an die Bevölkerung gerichteten konkreten Fragen386. Diese sind kurz und unmissverständlich zu formulieren, sodass jeder, der sachdienliche Beobachtungen gemacht hat, sich als Adressat des Aufrufs empfindet387. 1. Bezeichnung Nach § 131 Abs. 4 S. 1 Hs. 1 StPO ist der Beschuldigte möglichst genau zu bezeichnen. Das Wort „bezeichnen“ bedeutet nach Duden u. a. „benennen“388 und ist hier in diesem Kontext gemeint. Es geht also um Angaben zur Person389. Die Bezeichnung richtet sich grundsätzlich nach § 114 Abs. 2 Nr. 1, § 126a Abs. 2 S. 1 StPO390 und umfasst den Familiennamen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort und Wohnort des Gesuchten391, außerdem die Staatsangehörigkeit. Denkbar ist auch die Veröffentlichung eines Spitz- oder Decknamens. In der Praxis werden im Einzelfall nicht alle dieser Angaben bekanntgegeben392 bzw. sind aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt zu geben393. Bereits in den 1990er-Jahren monierte die Thüringer Landesbeauftragte für den Datenschutz die Angabe des letzten Wohnsitzes des Beschuldigten im Internet und wies auf negative Folgen für sein persönliches Umfeld hin, woraufhin durch das Thüringer LKA im Fahndungsaufruf nur der letzte Aufenthaltsort als eine neutralere Angabe benannt wurde394. Selbst eine Namensabkürzung mit der Angabe des Wohnortes oder des ausgeübten Berufs wie Oberbürgermeister einer konkreten Stadt oder Betreiber einer Gaststätte (mit dem Namen des Lokals) kann für die identifizierende Bezeichnung genügen395. Es wird vielfach betont, dass die gesuchte Person möglichst genau zu 385

Holle, S. 146, 150; Benfer / Bialon, Rn. 1079. Holle, S. 150. 387 Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 73. 388 Siehe Duden, Stichwort: „bezeichnen“, https://www.duden.de/rechtschreibung/bezeichnen (26.4.2020). 389 Soiné, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (136); KK / Schultheis, § 131 Rn. 18. Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981 verwechseln Bezeichnungs- mit Beschreibungselementen. 390 Strikt nach diesen gesetzlichen Regelungen L-R / Gleß, § 131 Rn. 27; a. A. Meyer-Goßner  / ​ Schmitt, § 131 Rn. 5, nach dem die Anforderungen im Hinblick auf die gesetzliche Formulierung „möglichst genau“ geringer seien. 391 Siehe bereits KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 9; L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 22. 392 So aber bei bekannten Beschuldigten die Praxis der Polizei Bayern, z. B. Fahndungsaufruf vom 31.7.2019, https://www.polizei.bayern.de/fahndung/personen/straftaeter/bekannt/ index.html/300702 (22.8.2019). 393 Es ist nicht ersichtlich, welchen Mehrwert für die breite Bevölkerung, anders als für Behörden bei interner Ausschreibung, die Angabe des genauen Geburtsdatums und Geburtsorts haben sollte. 394 Thüringer Landesbeauftragter für den Datenschutz, 2. Tätigkeitsbericht, S. 117. 395 Ostendorf, GA 1980, 445; OLG Braunschweig, NJW 1975, 651 (652). 386

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bezeichnen ist, um einer Verwechslungsgefahr und einer Beeinträchtigung der Rechte Dritter vorzubeugen396. Aus diesem Grund kommt dieser Vorgabe bei der Fahndung nach Zeugen eine besondere Bedeutung zu397. In virtuellen Fahndungsaufrufen wurden Personalien der gesuchten Person, in erster Linie des Beschuldigten, in zahlreichen Fällen veröffentlicht. Dazu gehörten in der Regel Fahndungsaufrufe zur Festnahme nach einem Beschuldigten398 oder nach den aus dem Maßregelvollzug entwichenen Verurteilten399, aber auch eine Aufklärungsfahndung unter Angabe von Personalien eines Beschuldigten400 oder zur weiteren Identifizierung eines mit Spitzname benannten Zeugen401. In Mischfällen, z. B. bei einer Identitätsfahndung nach einem unbekannten Beschuldigten oder bei einer Fahndung zur Festnahme, wurden, etwa bei Tötungsdelikten, auch Personalien des verstorbenen Opfers angegeben402.

396

BR-Drs. 65/99, S. 40 = BT-Drs. 14/1484, S. 20; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 18, 131b Rn. 5; KMR / Wankel, § 131 Rn. 17; KK / Schultheis, § 131 Rn. 18; Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (136). 397 KK / Schultheis, § 131a Rn. 5; AnwK / Walther, § 131a Rn. 6. 398 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 24.1.2012 wegen Mordes (Vor- und Nachname, Staatsangehörigkeit), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.85205. php (26.7.2019); Polizei Bayern, Fahndungsaufruf vom 15.9.2016 wegen Tötungsdeliktes (Vorund Nachname, Geburtsdatum, Geburtsort, Staatsangehörigkeit), http://www.polizei.bayern. de/fahndung/personen/index.html/248067 (16.9.2016); LKA Bayern, Fahndungsaufruf vom 12.9.2017 wegen schweren Betrugs und Geldwäsche (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit), http://www.polizei.bayern.de/lka/fahndung/personen/index.html/215554 (29.12.2017). 399 Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 17.3.2017 (Angabe des ganzen Vornamens und Namensinitiale), https://www.polizei.rlp.de/de/fahndung/detailansicht/news/detail/ News/fahndung-nach-mario-k/ (26.4.2020); Polizei Baden-Württemberg, Fahndungsaufruf vom 16.2.2018 (Vor- und Nachname, Staatsangehörigkeit), https://fahndung.polizei-bw.de/ fahndung/pp-freiburg-emmendingen-entwichener-strafgefangener/ (26.4.2018). 400 BKA, Fahndungsaufruf vom 23.4.2018 wegen weiterer Morde einer Pflegehilfskraft (Vorund Nachname, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit), https://www.bka.de/DE/IhreSicherheit/ Fahndungen/Personen/BekanntePersonen/Wolsztajn/Sachverhalt_Wolsztajn.html;jsessionid=​ 1DCF04EBCD8FB053A14362DC34E4C631.live0612 (26.4.2018); siehe auch Polizei München, Fahndungsaufruf vom 6.3.2018, http://www.polizei.bayern.de/muenchen / fahndung / per sonen / straftaeter / bekannt / index.html/275956 (22.3.2018). 401 Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf von April 2018 – Update vom 27.4.2018, https://www. facebook.com/polizeihamburg/posts/1976058232654561 (26.4.2020). 402 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 24.1.2012 wegen Mordes (Vor- und Nachname), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.85205.php (26.7.2019); Fahndungsaufruf vom 19.3.2017 (Mord in Kreuzberg, unbekannter Tatverdächtiger, Vorname und Initiale des Nachnamens des Opfers), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/ pressemitteilung.572774.php (26.4.2020), zu den Rechtsgrundlagen siehe unter Pkt. A. I. 3. b) und A. I. 5. f) bb) des 2.  Teils.

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2. Beschreibung Sollte nach den Umständen des Einzelfalls die Bezeichnung des Gesuchten nicht genügen, die Verwechslungsgefahr auszuschließen und zur Erreichung dieses Zwecks vonnöten sein403, kann der Gesuchte im Fahndungsaufruf zusätzlich beschrieben, also ausführlich im Einzelnen dargestellt werden404. Die Beschreibung umfasst vielfältige individualisierende Angaben, die seine Person oder Tatverhalten charakterisieren405. Dazu gehören, wie etwa im behördeninternen POLIS-Informationssystem aufgezählt, u. a. Geschlecht, geschätztes Alter, Gewicht, Größe, Gestalt, äußeres Erscheinungsbild und körperliche Merkmale406. Darunter fallen etwa Tätowierungen407, auffällige Narben408, körperliche Anomalien409 sowie wie Hautfarbe, soweit sie einen objektiven Anknüpfungspunkt für die Fahndung darstellen kann410. Auch sprachliche Ausprägungen wie Dialekt können charakterisierende Merkmale darstellen411. Die Beschreibung kann auch Angaben zur Gefährlichkeit des Gesuchten umfassen, ebenso wie zu seiner körperlichen und psychischen Verfassung, spezifischen Neigungen (auch sexueller Art) und zu außergewöhnlichem Benehmen412. Dagegen wird bei der Beschreibung, zumindest nach einzelnen behördlichen Vorgaben, auf einen Hinweis auf einen Migrationshintergrund verzichtet, weil dieser „durch Äußerlichkeiten nicht erkennbar“ sei413. 403

HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 14; KK / Schultheis, § 131 Rn. 18; Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (136); S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 23. 404 Siehe Duden, Stichwort: „beschreiben“ – u. a. „ausführlich, im Einzelnen mit Worten wiedergeben, schildern, darstellen, erklären“ mit einschlägigem Beispiel „den Täter genau beschreiben“, https://www.duden.de/rechtschreibung/beschreiben (26.4.2020). 405 Siehe bereits L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 22. 406 Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 16/2425 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Sensibilität gegenüber queeren Lebensweisen im Zuge von Fahndungen der rheinland-pfälzischen Polizei, unter Pkt. 1. 407 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 8.1.2018, http://www.lka.polizei-nds.de/ fahndung/fahndung_social_networks/hannover-wer-kennt-den-raeuber-mit-der-auffaelligenhandtaetowierung-112681.html (11.1.2018). 408 Benfer / Bialon, Rn. 1079. 409 KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 9. 410 Vgl. Thüringer Landtag, Drs. 6/6808 vom 18.2.2019, Zwischenbericht der Enquetekommission 6/1 „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“, S. 99 m. w. N. 411 Siehe bereits L-R25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 22. 412 Kühne, Rn. 550; Benfer / Bialon, Rn. 1079. 413 Sächsisches Staatsministerium des Innern, Antwort vom 28.7.2016 auf Kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Wippel, AfD-Fraktion, Drs. 6/5692, Pressemitteilungen der Polizei Sachsen, Az. 33-0141.50/10094 unter Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 bis 5, https://www.sebastian-wippel.de/hOjNd64/wp-content/uploads/2016/08/6_ Drs_5692_1_1_1_.pdf (26.4.2020). Ein Tatverdächtiger der G20-Ausschreitungen wurde aber als „mglw. Kurde / Türke“ beschrieben, siehe Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Angaben zur Religion, Herkunft und Nationalität sollen nur erfolgen, soweit sie für die Fahndung zwingend erforderlich sind414. Eine Charakterisierung des Gesuchten als „Hoteldieb“415 ist dagegen wegen der geltenden Unschuldsvermutung und des Stigmatisierungseffekts zumindest zweifelhaft. In Einzelfällen kann es für einen Fahndungserfolg bei der Suche nach transsexuellen Personen erforderlich sein, detaillierte Angaben zum Geschlecht zu machen sowie dazu, ob eine Personenstands- oder Namensänderung bereits vorgenommen wurde416. Hierbei können auch Hinweise auf ihr eventuelles männliches Äußeres (z. B. „Glatze mit Haarkranz“) sowie auf den früher geführten Namen gemacht werden, wobei diskriminierende Formulierungen zu vermeiden sind417. Die Beschreibung kann auch unter einer zusätzlichen Veröffentlichung von Abbildungen418 von getragenen419 oder vergleichbaren420 Kleidungsstücken sowie am Tatort zurückgelassenen Gegenständen, Tatwerkzeugen sowie Tatfahrzeugen421 erfolgen. Außer dem primären Zweck des Ausschlusses einer Verwechslungsgefahr kann eine detaillierte Beschreibung zum besseren Verständnis des Fahndungsaufrufs und besseren Wiedererkennbarkeit des Gesuchten und somit für den Fahndungserfolg förderlich sein („soweit erforderlich“)422. Je genauer die Beschreibung, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahndung erfolgreich verläuft.

18.12.2017, https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/9921638/05-komplex-herrengraben​ -a/ (18.12.2017). 414 Sächsisches Staatsministerium des Innern, Antwort vom 28.07.2016 auf Kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Wippel, AfD-Fraktion, Drs. 6/5692, Pressemitteilungen der Polizei Sachsen, Az. 33-0141.50/10094 unter Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 bis 5, https://www.sebastian-wippel.de/hOjNd64/wp-content/uploads/2016/08/6_ Drs_5692_1_1_1_.pdf (26.4.2020). 415 Siehe L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 22. 416 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 26.1.2018 (dort konkret: Vermisstenmeldung), https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.668044.php (26.4.2020), https://www.facebook.com / PolizeiBerlin / photos / a.253825908134854/814466442070795/?ty pe=3&theater (26.4.2020). 417 Siehe Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 16/2425 vom 11.6.2013, Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia Schellhammer (BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN) und Antwort des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur, Sensibilität gegenüber queeren Lebensweisen im Zuge von Fahndungen der rheinland-pfälzischen Polizei, unter Pkt. 1. 418 Dabei fallen derartige Abbildungen unter das Merkmal „Beschreibung“, nicht aber „Abbildung“ i. S. v. § 131 Abs. 4 S. 4 Hs. 2 StPO, weil bei dem Letzteren eine Abbildung des Beschuldigten gemeint ist, vgl. auch § 131a Abs. 4 S. 4 und § 131b StPO. Eine Abbildung eines Kleidungsstücks oder Tatwerkzeugs ist gerade keine Abbildung des Beschuldigten oder Zeugen selbst, vgl. auch BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 419 LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 15.1.2015, http://www.lka.niedersachsen.de/ fahndung/fahndung_social_networks/hannover-raubmoerder-gesucht-110499.html (22.1.2015). 420 Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 2.1.2017, https://www.presseportal.de/blaulicht/ pm/6337/3525082 (26.4.2020). 421 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 8.9.2016 (zurückgelassenes Tatfahrzeug), https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/566536720197103 (14.9.2016), http://www. berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.512246.php (14.9.2016). 422 Siehe auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 108.

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Nach Valerius werden veröffentlichte Audiodateien mit einer Stimmprobe der gesuchten Person vom Wortlaut des Begriffes „Abbildung“ nicht umfasst, weil sich dieser ausschließlich auf Bildmaterialien beziehe, was aber womöglich nicht im Sinne des Gesetzgebers sei, weil Stimmveröffentlichungen ja zur gängigen Fahndungspraxis gehörten423. Die akustischen Aufnahmen könnten danach höchstens unter „Beschreibung“ (§ 131 Abs. 4 S. 2 StPO) bzw. einen „Umstand, der für die Ergreifung von Bedeutung sein könnte“ (§ 131 Abs. 4 S. 2 StPO) subsumiert werden. Die Folge einer derart weiten Auslegung wäre aber, dass auch die Abbildung unter diese Begriffe fallen würde und insofern ihre Benennung in § 131 Abs. 4 StPO (nicht aber in § 131a Abs. 4 S. 4 und § 131b StPO) wegen ihres ausschließlich klarstellenden Charakters überflüssig wäre424. Es ist Valerius insofern zuzustimmen, dass die Erweiterung des Abbildungsbegriffs auf Stimmproben, m. a. W. auf Stimmabbildungen, an die Wortlautgrenze stoßen würde, selbst wenn man die Abbildung im übertragenen Sinne auch als Darstellung, Wiedergabe versteht. Gleichwohl würde wohl niemand mehr diese Eigenschaft einer Videosequenz mit Bild und Ton absprechen. Der Wortlaut von § 131 Abs. 3 StPO a. F. umfasste lediglich die Bezeichnung und Beschreibung, aber auch dort war die Veröffentlichung von Abbildungen zulässig425. Wenn der Begriff „Abbildung“ auf die bildliche Wiedergabe des gesamten Äußeren des Gesuchten (Duden: „bildliches Darstellen“426) abstellt, würde Einiges dafür sprechen, die Stimme als Element einer Beschreibung, also als eines der Merkmale der gesuchten Person, anzusehen427. So kann von einer gesetzlichen Lücke wohl keine Rede sein. Mit einer ähnlichen Argumentation („kein Bild des Trägers“) verneint Valerius das Merkmal einer Abbildung bei Fingerabdrücken428. Auch wenn Abbildungen generell unter Beschreibung subsumiert werden könnten, ist die besondere Hervorhebung im Gesetz wegen des besonders eingriffsintensiven Charakters der Veröffentlichung nicht überflüssig; auch in polizeirechtlichen Vorschriften wird die Abbildung bei der präventiven Öffentlichkeitsfahndung im Gesetzestext wegen ihrer Praxisrelevanz hervorgehoben429. 423

Valerius, S. 55 f. Valerius, S. 56. 425 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 108. 426 Siehe Duden, Stichwort: „Abbildung“: „1. das Abbilden, bildliches Darstellen; 2. das Abgebildete, bildliche Wiedergabe, einem Buch- oder Zeitschriftentext beigegebene bildliche Darstellung, die im Text Behandeltes veranschaulicht; Bild“, https://www.duden.de/suchen/ dudenonline/Abbildung (26.4.2020). 427 Nicht ganz eindeutig bei Valerius, S. 56, der sie alternativ als einen ergreifungsrelevanten Umstand i. S. v. § 131 Abs. 4 S. 2 StPO ansieht. 428 Valerius, S. 56 Fn. 254, wobei er sie unter „Bezeichnung“ subsumiert. Es spricht aber mehr dafür, Fingerabdrücke als Element der Beschreibung anzusehen, abgesehen von der grundlegenden Frage, ob es für den Ermittlungserfolg zielführend ist, Fingerabdrücke in einem Fahndungsaufruf zu veröffentlichen. Zu den Fingerabdrücken als Element der Beschreibung i. S. v. § 131 Abs. 4 StPO auch MüKo / Böhm / Werner, § 114 Rn. 17. 429 § 44 Abs. 2 S. 1 BbgPolG; § 36g Abs. 2 S. 1 BremPolG; § 47 Abs. 2 S. 1 HmbPolDVG; § 44 Abs. 2 S. 1 NPOG; § 34 Abs. 7 S. 1 POG R-P; siehe auch Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35. 424

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

3. Abbildung a) Arten Ein wichtiges, wenn nicht sogar (zumindest aus der Perspektive potenzieller Hinweisgeber) das wichtigste Element eines Fahndungsaufrufs ist die Abbildung des Gesuchten. Eine Abbildung ist eine bildliche Darstellung430. Nach der Begründung des Entwurfs zum StVÄG 1999 gehören dazu „jegliche für eine Öffentlichkeitsfahndung geeignete Bildmaterialien; auch sog. ‚Phantombilder‘431 sind dadurch erfaßt“432. Umfasst sind damit nicht nur Fotografien und Videoprints433, sondern nach inzwischen434 allgemeiner Auffassung435 auch die in der Praxis häufig anzutreffenden Videosequenzen436, etwa aus den im öffentlichen Raum oder im öffentlichen Nahverkehr installierten Kameras437. Soweit dies als zweckmäßig angesehen 430

Siehe Duden, Stichwort: „Abbildung“, https://www.duden.de/suchen/dudenonline/Abbildung (26.4.2020), siehe auch unter Fn. 426. 431 Siehe auch unter Pkt. A. I. 5. d) des 2. Teils. 432 BR-Drs. 65/99, S. 40, 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 20, 21. 433 H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25). 434 Zu der früheren Auffassung, nach der unter „Abbildung“ Filmsequenzen nicht subsumiert wurden, SK / Paeffgen, § 131 Rn. 8. 435 Z. B. L-R / Gleß, § 131 Rn. 27; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 8; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 18; Valerius, S. 56. 436 HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 14; Valerius, S. 42: „bewegte Bilder“. 437 2015 waren in Berliner U-Bahn-Stationen ca. 2.020 Kameras installiert zzgl. derjenigen in jedem U-Bahnzug, darüber hinaus in 86 % der Busse und 64 % der Straßenbahnen, siehe kr / dpa, 239 Verdächtige in Berlin durch Videokameras ermittelt, Berliner Morgenpost vom 29.5.2015, http://www.morgenpost.de/berlin/article205518277/239-Verdaechtigein-Berlin-durch-Videokameras-ermittelt.html (26.4.2020). Die Aufnahmen dürfen jedoch von den Verkehrsbetrieben lediglich 48 Stunden aufbewahrt werden und müssen danach gelöscht werden, § 31b Abs. 3a S. 2 Berliner Datenschutzgesetz. 2014 hat die Berliner Polizei von den Verkehrsbetrieben 3.045-mal Videomaterial angefordert, im Ergebnis wurden 511 Tatverdächtige in die Ermittlungsvorgänge eingetragen, siehe dazu Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/16530, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Peter Trapp (CDU) vom 30. Juni 2015 und Antwort Aufklärung von Straftaten mit Hilfe der Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2014 und im ersten Halbjahr 2015 (hier: BVG), unter Pkt. 3 (30.3.2017). 2016 lagen die Zahlen entsprechend bei 6.087 Anforderungen sowie 740 infolge dessen erfassten Tatverdächtigen, siehe Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/10365, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Peter Trapp (CDU) vom 31.1.2017 und Antwort Aufklärung von Straftaten mit Hilfe der Videoüberwachung im öffentlichen Personennahverkehr im Jahr 2016, unter Pkt. 1, 3. 2014 konnte in insgesamt 48 Fällen der Anforderung nicht entsprochen werden, weil die Speicherfrist von 48 Stunden überschritten war, siehe Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/15216, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Joschka Langenbrinck (SPD) vom 5.1.2015 und Antwort Gewaltvorfälle und Videoüberwachung bei der BVG im Jahr 2014, unter Pkt. 4. 2016 hatte die Bundespolizei Zugangsmöglichkeit auf Daten aus 6.400 Videokameras der DB AG und aus 1.730 Kameras der fünf größten bundesdeutschen Flughäfen, BT-Drs. 18/10137 vom 25.10.2016, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Irene Mihalic, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Drs. 18/9926 – Intelligente Videoüberwachung, unter Pkt. 7, 13.

A. Repressiver Bereich

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wird, werden alte Fotos von gesuchten Personen, insbesondere von Tatverdächtigten, nach der sog. Aging-Methode digital so bearbeitet, dass ihr aktuelles Aussehen / Alter simuliert wird438. Durch die Verbreitung einer Abbildung sollen im besonderen Maße die Erfolgsaussichten der Fahndung vergrößert werden439. Entgegen einer in der Rechtsprechung anzutreffenden Ansicht440 ist es nicht zwingend erforderlich, dass die veröffentlichten Abbildungen einen direkten Tatbezug aufweisen, also vom Tatort stammen. Den Behörden stehen nicht immer derartige Fotografien von gesuchten Personen zur Verfügung441, viel bedeutsamer ist es, dass die Abbildungen eine entsprechende Qualität aufweisen442, was nicht immer der Fall ist. Diese Auffassung steht auch im Widerspruch zu der gängigen Praxis, denn in zahlreichen Fällen werden nicht nur Abbildungen mit einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Tatgeschehen veröffentlicht. Sie hätte überspitzt weitergedacht zur Folge, dass auch drastische Sequenzen, etwa bei Gewaltdelikten, gezeigt werden müssten, was nicht zuletzt aus Opferschutzgründen äußerst problematisch wäre. Außerdem könnte ein solches Erfordernis bei der Veröffentlichung von Abbildungen gesuchter Zeugen diese umso mehr in die Nähe der Tat und des Tatverdächtigen rücken. Die Behörden greifen teilweise auf Bildnisse aus eigenen Beständen zurück (z. B. aus erkennungsdienstlicher Behandlung oder polizeilicher Observation443), manchmal auf Fotos aus sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram oder auf solche, die von Betreibern öffentlicher Verkehrsmittel sowie von der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden444. Einen in Deutschland wohl nicht praktizierten Vorgang aus der Schweiz beschreibt Melzl, wonach Videosequenzen subsidiär gegenüber 438

Bereits H. Schneider, Deutsche Polizei 1/2003, 24 (25); siehe auch Lattacher, Öffentliche Sicherheit 11–12/2014, 10 f. mit Beispielen aus der Praxis. Zu den von dem BKA künstlich gealterten Fotos der gesuchten ehemaligen RAF-Mitgliedern siehe msc / dpa, Polizei sucht RAFTrio in den Niederlanden, Spiegel Online vom 26.7.2016, https://www.spiegel.de/panorama/ justiz/raf-trio-polizei-weitet-fahndung-auf-die-niederlande-aus-a-1104842.html (26.4.2020). 439 Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn. 284. 440 AG Bonn, NStZ-RR 2016, 248. 441 Anders etwa bei einem Computerbetrug, wo in der Regel Abbildungen der das Geld von Bankautomaten abhebenden Person veröffentlicht werden; auch von Einbruchsdiebstählen werden „Tatort“-Abbildungen publik gemacht. Besondere (weltweite) Empörung hat die Veröffentlichung einer Videosequenz verursacht, auf der zu sehen ist, wie der Tatverdächtige das Opfer von hinten tritt, woraufhin es die Treppe herunterfällt; siehe zu dem Fall unter Pkt. A. I. 4. d) des 2. Teils. 442 Internetnutzer äußern sich in den Facebook-Kommentaren positiv bei einer guten bzw. negativ bei einer schlechten Bildqualität. Siehe auch Valerius, S. 42; Soiné, ZRP 1994, 392 (394). 443 Benfer / Bialon, Rn. 1071. Sollte die Abbildung von gesuchten Personen, die unter Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs in einer Wohnung oder einem anderen gegen Einblick besonders geschützten Raum angefertigt worden sein, erfüllt die Veröffentlichung den Tatbestand des § 201a StGB nicht, weil diese zu Strafverfolgungszwecken erfolgt und damit gerechtfertigt ist, Soiné, § 131 Rn. 32. 444 So z. B. bei einer Fahndung wegen einer Fundunterschlagung eines Smartphones, bei der die geschädigte Person das Foto der Tatverdächtigten aus dem WhatsApp-Profil den Behörden zur Verfügung stellte, siehe Gohlke, Pirkko, Bundespolizei erklärt Details zur Fahndung

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Fotografien anzuwenden sind und nur dann im Internet veröffentlicht werden, „wenn dies zur Erreichung des Ermittlungsziels besser geeignet erscheint als die Veröffentlichung von Einzel-/Standbildern“445. In der deutschen Fahndungspraxis werden nicht selten beide Abbildungsformen nebeneinander verwendet446. Es ist auch kein rechtlicher Grund für eine derartige Abstufung ersichtlich, insbesondere wird dadurch der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten nicht intensiviert. In anderen Fällen wurde neben Fotografien, auf denen das Gesicht des Tatverdächtigten nicht genau zu sehen war, zusätzlich ein subjektives Porträt veröffentlicht447. In Einzelfällen kann auf die Veröffentlichung einer Abbildung verzichtet werden, wenn das Antlitz des Gesuchten nach Ansicht der Behörden ein unscheinbares Gesicht ist und keine spezifischen Merkmale aufweist; eine Veröffentlichung könnte dann zu zahlreichen unbrauchbaren Hinweisen führen448, abgesehen von der Verwechslungsgefahr. Auch zusammengeschnittene Videos können unter den Begriff der Abbildung nach § 131 Abs. 4 S. 2 StPO fallen449. Eine anschauliche Methode war bei der Polizei Sachsen-Anhalt bei der Veröffentlichung von Abbildungen mehrerer Tatverdächtiger nach den Ausschreitungen in Magdeburg nach dem Aufstieg des 1. FC Magdeburg in die 2. Bundesliga im April 2019 zu beobachten: In jedes einzelne Fahndungsbild wurde eine kurze Beschreibung integriert. Bei der Veröffentlichung mehrerer Lichtbilder derselben Person wurden sie entsprechend markiert (z. B. TV 34, TV 34_1)450. Den subjektiven Porträts kommt bei der Öffentlichkeitsfahndung die gleiche Relevanz zu wie Fotografien451. Zu ihrer Anfertigung wird aktuell weniger mit der mit WhatsApp-Foto, WAZ vom 13.4.2014, https://www.waz.de/staedte/essen/bundespolizeierklaert-details-zur-fahndung-mit-whatsapp-foto-id9113418.html?one=true (26.4.2020). 445 Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (53). 446 Z. B. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 16.4.2019 wegen eines Tötungsdeliktes, https:// www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/pressemitteilung.794129.php?fbclid=IwAR0O1Ip3g JCRV0AMOsxY5p4_JnC8AyKbc9m4bC-vW4C1DgaJqMg5xcV7QN4 (26.4.2020); LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 8.12.2017 nach ehemaligen RAF-Terroristen wegen Raubdelikten und versuchten Mordes, http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung / fahndung_social_ networks / fahndung-nach-ehemaligen-raf-terroristen-mit-tatvideos-112550.html (26.4.2020). 447 Polizei Magdeburg, Fahndungsaufruf vom 16.6.2017, https://twitter.com/PolizeiPDNord/ status/875657658245586944 (26.4.2020), http://www.presse.sachsen-anhalt.de/index.php?cmd​ =get&id=884892&identifier=82c4194db1552e41610854af03d722ba (26.4.2020); Polizeiprä­ sidium Trier, Polizei setzt erstmals neues, vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz entwickeltes Verfahren zur Täteridentifizierung ein, presseportal.de vom 20.7.2017 (zugleich ein Fahndungsaufruf), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117701/3689337 (26.4.2020). 448 Siehe o. V., Kehrtwende: Aus JVA Diez geflohen – jetzt doch Öffentlichkeitsfahndung nach Mörder Sascha Ball, pfalz-expres.de vom 17.6.2016, https://www.pfalz-express.de/ kehrtwende-aus-jva-geflohen-jetzt-doch-oeffentlichkeitsfahndung-nach-moerder-sascha-ball/ (20.4.2018). 449 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 450 Polizei Sachsen-Anhalt, Fahndungsaufruf vom 11.7.2019, https://polizei-web.sachsenanhalt.de/aktuelles/fahndung/ (26.4.2020). 451 Polizeidirektion Leipzig, Polizeiliche Öffentlichkeitsfahndung oder: „Warum kommt das Bild erst jetzt?“, https://www.polizei.sachsen.de/de/dokumente/PDL/PolizeilicheXXffentlich keitsfahndungXod.pdf (26.4.2020).

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Hand gezeichnet, als unterschiedliche Computerprogramme verwendet452. 2017 wurde von der Polizei Trier ein innovatives Verfahren zur Identifizierung von Tatverdächtigen eingesetzt: Die Personen wurden als 3-D-Bild aus allen Perspektiven dargestellt (sog. GEMINIUS-Datenbank)453. In geeigneten Fällen werden mehrere Versionen ein und desselben subjektiven Porträts veröffentlicht, z. B. mit und ohne Kopfbedeckung454. Manchmal werden anhand von Angaben unterschiedlicher Zeugen mehrere Fassungen von subjektiven Porträts angefertigt und publiziert, die tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten aufweisen455. Nach den Angaben des LKA Nordrhein-Westfalen liegen die Erfolgsquoten bei der Verwendung von subjektiven Porträts zwischen 25 und 30 %456. Veröffentlicht werden können auch mit sog. Beauty-Filtern visuell bearbeitete Abbildungen von Personen, die im Ergebnis dem Tatverdächtigen möglicherweise nur wenig ähneln, aber dennoch eine Chance besteht, dass deren Veröffentlichung den Fahndungserfolg unterstützt457. Subjektive Porträts können auch anhand existierender Fotos von unbeteiligten Personen entstehen wie in dem bereits erwähnten Beispiel, in dem eine Fotografie des Rappers Bushido als Vorlage verwendet wurde458. Stets ist zu beachten, dass das subjektive 452

Detailliert zur aktuellen Praxis in unterschiedlichen Bundesländern etwa Heitmüller, Ulrike, Missing Link: Das Phantom der Polizei, oder: die Digitalisierung der Phantombilder, heise.de vom 26.11.2017, https://www.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Das-Phantom-derPolizei-oder-die-Digitalisierung-der-Phantombilder-3901572.html (26.4.2020). Zu den Erfahrungen aus den 1970er-Jahren siehe Hirsch, in: Fahndungssendungen im Fernsehen, S. 7 (8 f.). 453 Polizeipräsidium Trier, Polizei setzt erstmals neues, vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz entwickeltes Verfahren zur Täteridentifizierung ein, presseportal.de vom 20.7.2017 (zugleich ein Fahndungsaufruf), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/117701/3689337 (26.4.2020). 454 Polizei Westmecklenburg / Polizeipräsidium Rostock, Fahndungsaufruf vom 16.10.2017 (subjektives Porträt mit und ohne Kapuze), https://www.facebook.com/PolizeiWestmecklen​ burg/posts/538392203172542 (26.4.2020), https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/108746/​ 3760263 (26.4.2020). 455 Polizei Rostock / Polizeiinspektion Güstrow, Fahndungsaufruf vom 26.2.2016, https:// www.facebook.com/Polizei.HRO.LRO/posts/1669429959985444 (26.4.2020), https://www. presseportal.de/blaulicht/pm/108766/3261795 (26.4.2020). 456 LKA NRW, Visuelle Fahndungshilfe. Zeugen beschreiben den Täter – das LKA NRW erstellt das Fahndungsbild, 28.12.2016, https://lka.polizei.nrw/artikel/visuelle-fahndungshilfe (26.4.2020). 457 Soiné, § 131 Rn. 32. 458 Siehe unter Pkt. B. I. 1. a) ee) des 4. Teils. Ein vom LKA Niedersachsen veröffentlichtes subjektives Porträt erinnerte stark an Sylvester Stallone, worauf auch in mehreren Kommentaren hingewiesen wurde, siehe LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 28.4.2019, https://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_networks/goettingen-fahndungnach-vier-falschgeldverbreitern-113758.html?f bclid=IwAR2HIy2nJCV0291toguwFNd​ CdszgT0rGpvr-kGLDSHbE0SeMIdwi37KhHfg (26.4.2020); https://web.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/2449695435049744?__xts__[0]=68.ARBdUyW6mx akoJ6SxQC4ZzLcpimVU7PDVql8-9VMotDLRLb9XejIdpk2bqmxT8749vCKiRc5yDJLTGD 11Pu_D1pJ4eS5rrCsWWC-2R_qqfYTluAQLKLbYBVNoK7_aHHgFMNrROhh6PHPJKDA​ UhlFTEZ_WjuLlvlAaZZIwmfHI7XEsKOGP2Uimo1WhkisBcBUkcvDVG6nYztliR4A X8rJTjQ31C0U7ViNj4sa0GGsBCWe8HvS0LbLovDtX5x20OKVgYkHseil4gPRSpykA I33cY_AAY5_efeLngCKbikAZ2jTELt8Mfj5mnt5cvNFjRVMioGKFGDVurnvg6cySoC 0VL8Ayw&__tn__=-R (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Porträt neben Rechten des Gesuchten auch Rechte von Personen tangieren kann, die äußere Ähnlichkeiten zu dem Porträt aufweisen459. b) Besonderheiten bei Abbildungen von Zeugen Die Veröffentlichung von Abbildungen eines Zeugen460, darunter auch subjektiven Porträts461, darf nur erfolgen, soweit die Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 4 S. 4 StPO) bzw. Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Feststellung der Identität eines unbekannten Täters (§ 131b Abs. 2 S. 1 StPO) auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Wie bereits erwähnt462, handelt es sich bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung um eine (zusätzliche) In­haltsmodalität (Wie-Voraussetzung), während die gleichlautende Subsidiaritätsklausel bei der Identitäts- und Aufklärungsfahndung neben dem Erfordernis einer Straftat von erheblicher Bedeutung und eines einfachen Tatverdachts zu den materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Norm gehört. So sei auf die obigen Ausführungen, insbesondere auf die einschränkende Auslegung dieser Voraussetzung verwiesen. In der Schweizer Praxis erfolgt die Öffentlichkeitsfahndung unter Veröffentlichung persönlicher Daten von Geschädigten nach ihrer Zustimmung bzw. unter Zustimmung ihrer Angehörigen, alternativ werden die betroffenen Personen in dem Fahndungsaufruf auf der Abbildung unkenntlich gemacht463.

4. Angaben zum Tatgeschehen Nach § 131 Abs. 4 S. 2 StPO kann ein Fahndungsaufruf Angaben zur Tat, Tatzeit und zum Tatort enthalten sowie zu den Umständen, die für die Ergreifung von Bedeutung sein können464. Eine Schilderung in der Art des Anklagesatzes (§ 200 Abs. 1 StPO) ist aus Praktikabilitätsgründen bei der Adressierung an die breite Öffentlichkeit nicht erforderlich und auch nicht üblich465. Es ist Wollweber 459

Gusy10, Rn. 272. In der Praxis ist diese Maßnahme selten anzutreffen. Geläufiger sind Fahndungen nach einem Zeugen, die ausschließlich eine Beschreibung beinhalten, diese richten sich jedoch nach §§ 161, 163 StPO, siehe unter Pkt. A. I. 6. c) des 2. Teils. 461 Zu einem Beispiel dieser äußerst selten anzutreffenden Maßnahme LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 12.12.2016, http://www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_ social_networks/wolfsburg-mord-an-prostituierter-polizei-sucht-wichtigen-zeugen--111729. html (11.1.2018). 462 Siehe unter Pkt. A. I. 1. c) ff) dieses Teils. 463 Melzl, Kriminalistik 2012, 51 (53). 464 Auf diese Norm verweisen auch § 131a Abs. 4 S. 1 sowie § 131b Abs. 3 StPO. 465 Graf / Niesler, § 131 Rn. 8; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 8; Wollweber, K&R 1998, 144 (146); a. A. für den Fall des § 131 Abs. 2 StPO KMR / Wankel, § 131 Rn. 17 (aber ohne Angabe des Sachverhalts); AnwK / Walther, § 131 Rn. 19. 460

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zuzustimmen, dass eine zu detailreiche Sachverhaltsdarstellung auf „eine antizipierte Anklageschrift“ hinauslaufen und die Unschuldsvermutung konterkarieren kann466. Abgesehen von den Angaben zu der Bezeichnung der gesuchten Person, die sich grundsätzlich nach §§ 114 Abs. 2 Nr. 1, 126a Abs. 2 StPO zu richten haben467, gelten für die Inhalte nach § 131 Abs. 4 S. 2 StPO mildere Maßstäbe als diejenigen in einem Haftbefehl nach § 114 Abs. 2 StPO468. Eine Angabe z. B. gesetzlicher Merkmale einer Straftat (§ 114 Abs. 2 Nr. 2 StPO) bzw. von Tatsachen, aus denen sich der dringende Tatverdacht ergibt (§ 114 Abs. 2 Nr. 4 StPO), wäre für einen Fahndungsaufruf überflüssig und würde für die breite Öffentlichkeit keinen Mehrwert darstellen. Sie könnte vielmehr zur Bloßstellung des Gesuchten führen sowie als eine Vorverurteilung missverstanden werden. Des Weiteren könnten dadurch wichtige Ermittlungserkenntnisse preisgegeben werden, was aus kriminaltaktischen Gründen zu vermeiden ist. Die in § 131 Abs. 4 S. 2 StPO aufgezählten Angaben sind nicht zwingend vorgeschrieben und sollen erfolgen, soweit sie zur Aufklärung der Straftat, Identitätsfeststellung, Festnahme oder Aufenthaltsermittlung des Gesuchten beitragen können469. Zu den ergreifungsrelevanten Umständen gehören etwa Hinweise auf ein auffälliges Verhalten des Beschuldigten, etwa bei der Flucht, sowie zu seiner Gefährlichkeit470. Nicht ausgeschlossen sind auch Hinweise präventiver Natur, falls sie im konkreten Fall relevant sein sollten471. Einer Veröffentlichung konkreter Informationen können ermittlungstaktische Gründe im Wege stehen, so etwa, wenn ihre Angabe die Festnahme, weitere Tataufklärung und schließlich die Überführung des Täters konterkarieren würde472. Umso weniger besteht eine Pflicht zur Preisgabe von Ermittlungsergebnissen473. Einigkeit besteht in dem Punkt, dass bei einer Fahndung zur Festnahme der Haftgrund nicht angegeben werden muss474. Dem ist zuzustimmen, weil es bei der Fahndung zur Festnahme bereits aus dem 466

Wollweber, K&R 1998, 144 (146). Siehe unter Pkt. A. II. 1. dieses Teils m. w. N. 468 S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 24; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 5; a. A. Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 11. 469 BR-Drs. 65/99, S. 40 = BT-Drs. 14/1484, S. 20; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 24; Soiné, § 131 Rn. 32; KMR / Wankel, § 131 Rn. 17; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 9. 470 L-R / Gleß, § 131 Rn. 28; Hilger, StraFo 2001, 109 (110); ders., NStZ 2000, 561 (562). Ein Hinweis auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten war etwa im Fahndungsaufruf der Polizei Bayern vom 31.7.2019 enthalten, https://www.polizei.bayern.de/fahndung/personen/ straftaeter/bekannt/index.html/300702 (22.8.2019). 471 L-R / Gleß, § 131 Rn. 28. So z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 5.1.2018 („Handwerkertrick“ mit sehr genauer Tatbeschreibung des vermeintlichen Wasserwerkers sowie zahlreichen Tipps zur Vorgehensweise gegenüber „falschen Handwerkern“), http:// www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_networks/hannover-handwerkertrickwer-​kennt-diesen-mann-112672.html (11.1.2018). 472 Soiné, § 131 Rn. 32; Stümper, Kriminalistik 1971, 57 (61). Vgl. auch OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262 (1263). 473 Vgl. OLG Celle, NJW-RR 2008, 1262 (1263). 474 Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 5; HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 14; Graf / Niesler, § 131 Rn. 8; BeckOK / Niesler, § 131 Rn. 8; L-R / Gleß, § 131 Rn. 28. 467

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Gesetzeswortlaut, der auf die Aufenthaltsermittlung abstellt, ersichtlich ist, dass der Gesuchte flüchtig ist bzw. sein Verbleibeort den Behörden unbekannt ist. Bei einer öffentlichen Fahndung nach einem entwichenen Strafverurteilten soll die zu vollstreckende Entscheidung, Art und Dauer der zu vollstreckenden Strafe sowie die Vollzugsanstalt angegeben werden475. Ähnlich wie die Veröffentlichung anderer in § 131 Abs. 4 S. 1 StPO aufgeführten Angaben, dienen die Hinweise nach § 131 Abs. 4 S. 2 StPO der Vermeidung der Verwechslungsgefahr476. In der Praxis sind derartige Angaben unterschiedlich umfangreich477, je nach der fahndenden Behörde und dem Duktus des jeweiligen Sachbearbeiters478. Wegen der Unschuldsvermutung, des noch nicht erhärteten Tatverdachts sowie der in der breiten Öffentlichkeit herrschenden Überzeugung über die Überführung des Gesuchten bereits zum Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens ist auf die Bezeichnung der gesuchten Person als „Beschuldigter“ bzw. „Tatverdächtiger“ zu achten479, was in der Praxis nicht immer der Fall ist480. Durch die getätigten Angaben sollte erkennbar sein, dass Täterschaft und Schuld des Gesuchten noch nicht erwiesen sind481. Auch ein Hinweis auf frühere Straftaten der gesuchten Person 475

L-R 25 / Hilger, § 131 a. F. Rn. 22. L-R / Gleß, § 131 Rn. 28. 477 Nach älteren Kommentierungen genügte bereits eine „summarische Bezeichnung“, siehe etwa KK3 / Boujong, § 131 a. F. Rn. 9. 478 Als Beispiel hierzu sollen vorliegend Auszüge aus zwei Fahndungsaufrufen wegen schweren Raubes dienen: Polizei Südosthessen, Fahndungsaufruf vom 21.4.2017 (mit Lichtbild), https://www.presse​ portal.de/blaulicht/pm/43561/3617191 (26.4.2020): „… hatte am Samstag, den 25. März, kurz nach 22.30 Uhr, ein zirka 20 Jahre alter bewaffneter maskierter Mann eine Tankstelle in der Rumpenheimer Straße in Offenbach Bürgel überfallen. Mit der Beute flüchtete der … Räuber … zu Fuß in unbekannte Richtung.“ LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 10.1.2018 (mit einem subjektiven Porträt), http:// www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_social_networks/salzgitter-bad-raeuberischeerpressung-112687.html (11.1.2018) (Hervorhebungen und Textgestaltung von dort): „Die Angestellte eines Getränkemarktes in der Galbergstraße wurde am 28.12.2017, gegen 17:10 Uhr von einem Täter unter Vorhalt eines Messers zur Herausgabe von Bargeld aufgefordert. Nachdem der Täter beim Kassiervorgang an die Frau herangetreten war, zog er aus einer mitgebrachten Tragetasche das Messer und hielt es in Richtung der Beschäftigten. Nachdem die Frau das Geld ausgehändigt hatte, verließ der Mann die Verkaufsräume und flüchtete. Angaben zum Diebesgut können derzeit nicht gemacht werden.“ 479 Wollweber, K&R 1998, 144 (146); vgl. Benfer / Bialon, Rn. 1082; Soiné, NStZ 1997, 321; Valerius, S. 60 f. Nach Ostendorf, GA 1980, 445 (455) verstößt selbst eine derartige Bezeichnung gegen die Unschuldsvermutung. 480 Siehe unter Fn. 478. Andere gängige Bezeichnungen: „Mutmaßlicher Täter“, z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 3.1.2018, www.lka.polizei-nds.de/fahndung/fahndung_ social_networks/holzminden-schuelerin-von-unbekannten-mann-ueberfallen--112662.html (11.1.2018); „unbekannter Tatverdächtiger“, z. B. Polizei Hamburg, G20-Fahndungsaufruf vom 18.12.2017, https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/9916808/01-elbchaussee-a/ (18.12.2017). 481 Benfer / Bialon, Rn. 1082; Soiné, NStZ 1997, 321; Valerius, S. 60 f.; Wollweber, K&R 1998, 144 (146). 476

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kann einen Eindruck der Überführung hervorrufen482. Unzulässig wäre etwa eine Bezeichnung der Gesuchten als „erwiesene Randalierer und Kriminelle“, wie es 2003 in der Schweiz anlässlich der Fahndung nach G8-Krawallen der Fall war483, auch die Bezeichnung von Tatverdächtigen von Sachbeschädigungen mit bedeutendem Wert als „Vandalen“484 geht in dieselbe Richtung, selbst wenn sie umgangssprachlich naheliegend sein sollte. Ebenso bedeutsam angesichts der möglichen Überreaktionen auf Fahndungsaufrufe (Hetzjagd bis zu Lynchaufrufen) ist eine sachliche und von Emotionalität befreite Darstellung der Tatumstände, ohne Vornahme von Wertungen und ohne Versuche, die Öffentlichkeit über die erfolgte Darstellung zu beeinflussen, geschweige denn zu manipulieren485. Pajunk / Wendorf wiesen in ihrer Analyse der G20-Aufrufe im Jahr 2017 mit Filmsequenzen zutreffend darauf hin, dass eine emotionalisierende Art der Berichterstattung die Verdrängung der Unschuldsvermutung nach sich zieht; deshalb sei auf eine „objektive, personenbezogene und nüchterne“ Wiedergabe der Informationen zu achten486. Auch „einleitende Statements“, die Bottke am Beispiel der Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ erwähnt (z. B. „Die Drogenkriminalität nimmt in erschreckendem Maße zu …“)487, die die Zuschauer zur Mithilfe motivieren sollen, könnten die Öffentlichkeit beeinflussen. Einschübe dieser oder ähnlicher Art wurden von der Verfasserin in Fahndungsaufrufen jedoch nicht festgestellt. Genauso wie bei allen inhaltlichen Angaben gilt auch hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz488. In diesem Zusammenhang ist noch kurz auf die bildliche Aufarbeitung der ersten Serie der Öffentlichkeitsfahndung vom Dezember 2017 nach den G20-Tatverdächtigen durch die Polizei Hamburg einzugehen. In den veröffentlichten einzelnen Videosequenzen waren keine Tathandlungen oder Tatverdächtigen, dafür aber die Folgen der Krawalle489 bzw. der Durchmarsch der Demonstranten zu sehen490. Derartige Szenen könnten unter Umstände der Tatbegehung i. S. d. § 131 Abs. 4 S. 2 StPO subsumiert werden, zumal in den Fahndungsaufrufen die textliche Tatbe 482

Wollweber, K&R 1998, 144 (146). Stock, Oliver, Streit um Fahndungsmethode. Polizei fahndet im Internet nach Krawallmachern, Handelsblatt vom 31.7.2003, http://www.handelsblatt.com/technik/it-internet/ streit-um-fahndungsmethode-polizei-fahndet-im-internet-nach-krawallmachern/2262526. html (26.4.2020). 484 Polizeipräsidium Mittelhessen / Pressestelle Lahn-Dill, Fahndungsaufruf vom 26.2.2016, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/56920/3262442 (26.4.2020). 485 Vgl. auch Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981; WD 3 – 3000 – 157/15, S. 9; WD 3 – 3000 – 044/18, S. 3. 486 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 487 Bottke, ZStW 93 (1981), 425 (428). 488 L-R / Gleß, § 131 Rn. 28. 489 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 490 So in den Sequenzen im Tatkomplex Elbchaussee, Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 18.12.2017, https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/9916808/01-elbchaussee-a/ (18.12.2017). 483

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schreibung nur kurz im Rahmen einzelner Filmsequenzen eingeblendet wurde491. Sollten Demonstrierende aus weiter Entfernung als Menschenmenge gezeigt werden, so dass keiner der (vermummten) Beteiligten wiedererkannt werden kann492, dürfte eine solche Veröffentlichung auch keine Rechte am eigenen Bild verletzen493. Eine Besonderheit ergibt sich, wie bereits an anderer Stelle kurz erwähnt494, bei § 131b Abs. 2 und 3 StPO, also bei der Aufklärungs- und Identitätsfahndung nach Zeugen. Anders als bei anderen Fahndungszwecken steht die Veröffentlichung von „Hinweisen auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren“495 neben der Veröffentlichung einer Abbildung nach dem Wortlaut im Fokus dieser Ermächtigungsgrundlage. Es handelt sich dabei, anders als bei den sonstigen Fahndungszwecken, zu denen auch § 131b Abs. 1 StPO gehört, nicht nur um eine bloße Inhaltsmodalität eines Fahndungsaufrufs. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut dieser Norm ist für die Veröffentlichung derartiger Hinweise, also für die Entscheidung, ob Hinweise überhaupt veröffentlicht werden können, das Vorliegen eines einfachen Verdachts einer Straftat von erheblicher Bedeutung und einer strengeren Subsidiaritätsklausel (Aufklärung der Straftat oder Identifizierung des Zeugen auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert), die dem Schutz des Zeugen dienen soll496. Eine Besonderheit ergibt sich daraus, dass § 131b Abs. 3 StPO, der auf die entsprechende Anwendung des § 131 Abs. 4 S. 2 StPO verweist (also die mögliche Angabe der Tat, des Tatortes, der Tatzeit sowie ergreifungsrelevanter Umstände)497, nicht nur für § 131b Abs. 1 StPO, sondern auch für § 131b Abs. 2 StPO gilt. Damit stellt sich das Problem der Zulässigkeit der Hinweise (hier quasi doppelt) nicht nur auf der „Ob-Ebene“, sondern auch auf der „Wie-Ebene“. Die Frage, ob diese Lösung im Sinne des Gesetzgebers war oder ob es sich um ein

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Z. B. „Am 07.07.2017 gegen 06:25 Uhr kam es im Bereich der öffentlichen Straße Rondenbarg zu einer unangemeldeten Versammlung einer größeren, fast ausschließlich vermummten und uniformierten Personengruppe und zu Gewalttätigkeiten gegenüber Polizeikräften (insbesondere Bewurf mit Steinen und Pyrotechnik). Die folgenden Aufzeichnungen zeigen die Flüchtenden.“, Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 18.12.2017, https://www.polizei. hamburg/g20-fahndungen/9921558/02-rondenbarg-a/ (18.12.2017). 492 So in den Sequenzen im Tatkomplex Elbchaussee, Polizei Hamburg, Fahndungsaufruf vom 18.12.2017, https://www.polizei.hamburg/g20-fahndungen/9916808/01-elbchaussee-a/ (18.12.2017). 493 In anderen Sequenzen wurde wiederum die Festnahme von Randalierern gezeigt. Sollte es sich in derartigen Szenen um Veröffentlichung von Abbildungen nicht gesuchter Personen handeln, ist dies nicht von § 131b Abs. 1 StPO umfasst, Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 494 Siehe unter Pkt. A. I. 1. c) ff) dieses Teils. 495 Gemeint sind „Hinweise jeder Art“, L-R / Gleß, § 131b Rn. 6. Es handelt sich dabei also u. a. um Angaben zur Tat, Tatort, Tatzeit sowie um aufklärungs- und identifizierungsrelevante Umstände, ähnlich wie in § 131 Abs. 4 S. 2 StPO, siehe L-R / Gleß, § 131b Rn. 7. 496 BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 497 Insofern besteht u. U. eine Identität mit den Hinweisen auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren (§ 131b Abs. 2 StPO), L-R / Gleß, § 131b Rn. 7; siehe auch Fn. 495.

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redaktionelles Versehen handelt, kann nicht abschließend beantwortet werden498. In der Gesetzesbegründung steht hierzu lapidar499: „Absatz 3 bestimmt, daß die bei einer Ausschreibung zur Festnahme geltenden Erfordernisse auch hier zu beachten sind.“ Somit wäre auch hier eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit erforderlich, gerichtet auf die „innere Kontrolle“ der konkret zu veröffentlichenden Hinweise, also auf die Prüfung (insbesondere im Rahmen der Erforderlichkeit), ob sie unerlässlich und darauf gerichtet sind, zur Tataufklärung zu führen sowie Verwechslungen bei der Identitätsfeststellung zu vermeiden500. Es soll betont werden, dass Hinweise auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren, insbesondere Ort, Zeit und nähere Tatumstände, in vielen Fällen für die Identitätsfeststellung des Zeugen (auch seine eigene Wiedererkennung) unentbehrlich ist501, das Gleiche gilt auch für die Aufenthaltsermittlung502. Nach einer anderen Auffassung habe diese Befugnis keine eigenständige Bedeutung, weil eine Aufklärungsfahndung ohne solche Hinweise kaum vorstellbar sei503. Es wird auch mehrfach vertreten, ein Hinweis auf den Tatverdacht sei bei einer Zeugenfahndung unsachgemäß, weil dadurch unnötige Details über den Tatverdächtigen der breiten Öffentlichkeit bekannt gegeben würden504. Dieser Vorwurf greift zumindest dann nicht durch, wenn in einem Fahndungsaufruf sowohl nach dem Tatverdächtigen als auch nach dem Zeugen gefahndet wird und Angaben zur Tat gemacht werden. Der Fahndungsaufruf kann, wie bereits an einer anderen Stelle angeführt505, außer auf Deutsch auch in anderen Sprachen veröffentlicht werden, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass Leser ausländischer Herkunft den Gesuchten (etwa ihren Landsmann) erkennen können, wenn es also der Fahndungseffizienz dienlich ist506.

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Zu einem Vorschlag de lege ferenda siehe unter Pkt. A. II. 3. des 6. Teils. BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 500 L-R / Gleß, § 131b Rn. 6. 501 Soiné, ZRP 1994, 392 (394 f.), ders., Kriminalistik 2001, 173 (177); S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 7. 502 L-R / Gleß, § 131a Rn. 8. 503 AnwK / Walther, § 131b Rn. 4. 504 S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 14; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 8 Fn. 21; in diese Richtung L-R / Gleß, § 131a Rn. 8. 505 Siehe unter Pkt. A. I. 1. b) des 3. Teils. 506 Das war etwa bei der erfolgreichen Internetfahndung nach Jaber Al-Bakr im Oktober 2016 der Fall, vgl. Biewald, N., Helden-Flüchtlinge fesselten Terroristen. „Wir konnten nicht zulassen, dass er Deutschen etwas antut“. Verfassungsschutz: Al-Bakr soll Anschläge auf Berliner Flughafen geplant haben, Bild.de vom 10.10.2016, http://www.bild.de/news/inland/ terrorismus/helden-fluechtlinge-fesselten-terroristen-48227342.bild.html (26.4.2020); Kogel, Eva Marie, Die Welt vom 11.10.2016, Dschaber Al-Bakr: Wie Syrer in Deutschland einen Syrer jagten, https://www.welt.de/politik/deutschland/article158673311/Wie-Syrer-in-Deutschlandeinen-Syrer-jagten.html (26.4.2020). 499

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5. Ausdrücklicher Hinweis auf die Zeugenfahndung Aus Gründen des Zeugenschutzes507, insbesondere, um den Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht zu minimieren508 und zu vermeiden, dass die nicht detailliert informierte Bevölkerung nach der Lektüre eines Fahndungsaufrufs den Zeugen in der Rolle des Tatverdächtigen wahrnimmt509 und der gute Ruf des Zeugen Schaden nimmt510, sehen § 131a Abs. 4 S. 2 StPO bei der Fahndung zur Aufenthaltsermittlung sowie § 131b Abs. 2 S. 2 StPO bei der Identitäts- und Aufklärungsfahndung (dort in Bezug auf die Abbildung als Sachvoraussetzung) vor, dass die Veröffentlichung erkennbar machen muss, dass der Gesuchte nicht Beschuldigter ist. Derartige Hinweise wurden bereits unter der Geltung des § 131 a. F. StPO praktiziert; Soiné wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass „schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit an der Stellung des Zeugen im Strafprozeß kein Zweifel bestehen [darf]“511. Diese Vorgabe des Gesetzgebers wurde in der Literatur als „vage und wenig brauchbar“ kritisiert, weil sie im massenmedialen Zeitalter den Zeugen nicht davor schütze, in die Nähe des Tatverdächtigen gebracht zu werden512. Dieser Einwand kann in vielen Fällen zutreffen, greift aber dennoch nicht immer durch: Die entscheidende Bedeutung kommt der im Einzelfall erfolgten Ausgestaltung des Fahndungsaufrufs sowie dem Aspekt zu, ob es sich klar und deutlich aus ihm ergibt, dass es sich um die Suche nach einem unbeteiligten Zeugen handelt. Die Strafverfolgungsbehörden stehen daher vor der Aufgabe, durch eine eindeutige und klare Formulierung zu verhindern, dass der Empfänger des Fahndungsaufrufs falsche Rückschlüsse daraus zieht. Dies lässt sich am besten durch einen mehrfachen, unmissverständlichen513 Hinweis handhaben: in der Überschrift514, in dem Bild zum Fahndungspost in sozialen Netzwerken, in dem Fahndungstext sowie bei den veröffentlichten Abbildungen. Ein interessanter und für die Praxis überlegenswerter Vorschlag kommt von Gleß, nämlich eine Angabe, dass nach der gesuchten

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S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 14 schreibt hierzu (auch im Zusammenhang mit der engeren Subsidiaritätsklausel für Abbildungen), dass „der Zeuge weitaus schutzwürdiger ist als der Beschuldigte und daher sein Selbstbestimmungsrecht in herausragender Weise berücksichtigt werden muss“. 508 HK / Ahlbrecht, § 131a Rn. 7; KK / Schultheis, § 131a Rn. 5. 509 BT-Drs. 14/2595, S. 28; vgl. auch BR-Drs. 65/99, S. 42 = BT-Drs. 14/1484, S. 21; Soiné, § 131b Rn. 6. Das bestehende diesbezügliche Restrisiko, als Tatverdächtiger zu gelten, muss im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden, MüKo / Gerhold, § 131a Rn. 10. 510 S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 9. Mende, S. 137 nimmt eine Rufschädigung eines Zeugen nur für den Fall einer sozial missbilligten Beziehung des Zeugen zum Täter, Opfer oder Tatort an. Dieses Ergebnis mag in vielen Fällen zutreffend sein, gleichwohl kann jeder, auch nur neutraler Hinweis auf die Zeugenstellung missverstanden und in sinnveränderter Form im Internet weiterverbreitet werden. 511 Soiné, ZRP 1994, 392 (395). 512 Albrecht, StV 2001, 416 (419). 513 Heghmanns / Herrmann, Rn. 636. 514 Ihwas, S. 286.

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Person „nur“ in der Zeugenrolle gefahndet wird515. Darüber hinaus ist es vielfach situationsabhängig, ob der Zeuge in den Augen der Gesellschaft tatsächlich in die Nähe der Tat gerückt wird. Sollte z. B. aus einer Videosequenz bzw. (zusätzlich) aus der Schilderung ersichtlich sein, dass sich ein vorbeigehender Fußgänger zufällig am Tatort aufhielt, ist die Gefahr als überschaubar zu werten. Ein Hinweis auf die Zeugensuche ist in den Fahndungsaufrufen im Internet an verschiedenen Stellen zu finden, dabei fällt die Angabe unterschiedlich detailliert aus. So fahndete die Polizei Berlin 2015 nach einem unbekannten Zeugen eines Tötungsdelikts mit einem Foto, auch das Bild zum Post auf Facebook enthielt den unmissverständlichen Text „Unbekannter Zeuge mit Bildern gesucht“. In dem Fahndungsaufruf selbst wurde betont, dass es sich bei der abgebildeten Person um einen Zeugen handelt516. In einem anderen Fahndungsaufruf von 2016 wurden drei Videoprints aus der Berliner U-Bahn mit zwei Tatverdächtigen und einem Zeugen so nebeneinander veröffentlicht, dass auf den ersten Blick der Eindruck entstand, es handle sich um ein einziges Foto. Darüber hinaus trugen die Fotos die Unterschrift „Tatverdächtige und Zeuge“ ohne genaue Angaben, welcher Person welche Prozessrolle zukommt. Dass die auf dem rechten Bild gezeigte Person der Zeuge war, konnte man nur aus der Beschreibung der Kleidung der Person in dem Fahndungsaufruf entnehmen. Die Überschrift auf der Homepage lautete damals „Mutmaßliche Täter und Zeuge gesucht“, auf Facebook „Täter und Zeuge mit Bild gesucht“517. In einem anderen Fahndungsaufruf vom Dezember 2017 war aus der Überschrift „Mutmaßliche antisemitische Schläger gesucht“ nicht ersichtlich, dass es sich auch um eine Zeugensuche handelte. Der veröffentlichten Abbildung ließ sich erst nach der Vergrößerung entnehmen, dass dort zwei Zeugen dargestellt wurden  – das Bild im Kleinformat neben dem Fahndungstext wurde lediglich mit „Bild: Quelle: Bekannt“ unterschrieben518. Aus gegebenem Anlass ist deshalb die Relevanz einer genauen Beschreibung von Abbildungen zu betonen. Falls auf einem Foto Tatverdächtige und Zeuge gemeinsam abgebildet werden, ist dafür Sorge zu tragen, dass auf die Prozessrolle der jeweiligen Person unmissverständlich hingewiesen wird. Um Verwechslungen zu vermeiden, wäre es angebracht, Tatverdächtige und Zeugen getrennt abzubilden, was aus technischen Gesichtspunkten problemlos umsetzbar ist. Sollte es sich um einen den Behörden bekannten Zeugen handeln und die Veröffentlichung (nur) zu Aufklärungszwecken erfolgen, wäre es sachgemäß, auf diesen Umstand hinzuweisen. 515

L-R / Gleß, § 131a Rn. 8. Der Zeuge meldete sich zwei Tage später. Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 5.10.2015, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/posts/443784589138984 (26.4.2020); http://www. berlin.de/polizei / polizeimeldungen / pressemitteilung.380765.php (26.4.2020). 517 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 13.9.2016, https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/ posts/568839633300145 (14.9.2016); http://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/presse​ mitteilung.478276.php (14.9.2016). 518 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 19.12.2018, https://www.berlin.de/polizei/​polizei​ meldungen/pressemitteilung.768007.php?fbclid=IwAR3vpJ_SQaBdULHzvXG6EuJtjAl-OT​ P6-sLfRvR-iF60s6s4pDPknY-Z0EA (27.12.2018). 516

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

In der Literatur wird hervorgehoben, die in § 131b Abs. 2 S. 2 StPO enthaltene Regelung gehöre systematisch als eine Inhaltsmodalität in Abs. 3, genauso wie es in § 131a Abs. 4 S. 2 StPO geregelt ist519. Grundsätzlich ist dem zuzustimmen, gleichzeitig ist aber darauf hinzuweisen, dass die ersten beiden Absätze des § 131b StPO einen spezifischen Aufbau aufweisen, in dem sich die materiellrechtlichen Elemente auf die Inhaltsangaben beziehen (Abbildung in beiden Absätzen, Hinweise im Abs. 2). 6. Auswirkungen der Verhältnismäßigkeit auf den Inhalt des Fahndungsaufrufs Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt im Rahmen der Entscheidung darüber, welche konkreten Informationen in einem Fahndungsaufruf im Internet veröffentlicht werden, eine besondere Bedeutung zu. a) Abbildung und Personalien Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang das Gebot der Erforderlichkeit, insbesondere bzgl. einer umsichtigen Veröffentlichung von Abbildungen, die sich für den Gesuchten besonders stigmatisierend auswirken kann520. In der Anlage B RiStBV wird in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit sowohl auf die Eingriffsqualität der Veröffentlichung einer Abbildung521 als auch des Namens522 hingewiesen. Auch der Gesetzgeber hebt die Eingriffsintensität der Veröffentlichung einer Abbildung besonders hervor, §§ 131a Abs. 4 S. 4, 131b Abs. 1 und 2 StPO. Hier muss erneut auf die Spezifika der Internetfahndung, vor allem den Verbreitungsgrad und die mangelnde Rückholbarkeit der publizierten Daten hingewiesen werden; aus diesem Grunde ist besondere Vorsicht geboten523. Es wird vertreten, dass aus kriminaltaktischen Gesichtspunkten die Namensnennung zur Identifizierung des Gesuchten in vielen Fällen besser als die Veröffentlichung einer – möglicherweise älteren oder qualitativ schlechten, und damit zur Verwechslung führenden – Abbildung beitragen könne524; erst durch die Namensnennung (in Verbindung mit einer Wortberichterstattung) ließen sich Zweifel an 519

AnwK / Walther, § 131b Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 4. Valerius, S. 60; Wollweber, K&R 1998, 144 (145); siehe auch S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 9. 521 In Nr. 1.2 Abs. 4 Anl. B RiStBV wird nahegelegt, als milderes Mittel auf die Verbreitung der Abbildung eines Gesuchten zu verzichten. 522 Nr. 1.2 Abs. 3 S. 1 und 2 Anl. B RiStBV. 523 Vgl. Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 7. 524 Soiné, § 131b Rn. 7; ders., ZRP 1994, 392 (394); ders., Kriminalistik 2001, 173 (177); ders., JR 2002, 137 (140); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (141); Neumann-Duesberg, JZ 1971, 305 (311); Ostendorf, GA 1980, 445 (454); Valerius, S. 41 f.; in diese Richtung von Becker, S. 145. 520

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der Identität des Gesuchten bei einer unscharfen Abbildung ausräumen525. Dieser Auffassung ist insoweit zuzustimmen, als sie sich auf ältere bzw. unscharfe Abbildungen bezieht. Verfügen die Strafverfolgungsbehörden über aktuelle, qualitativ gute Abbildungen, so können sie dem Identifizierungszweck mindestens ebenso gut dienen wie die Namensnennung. Soweit es um die Angabe von Personalien geht, kann es bei Namen, die häufig vorkommen oder regional sehr populär sind, zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr geboten sein, eine zusätzliche Angabe des Alters bzw. Wohnortes hinzuzufügen. Eine zahlenmäßig größere Gruppe der Betrachter eines Fahndungsaufrufs dürfte wohl eine Identifizierung anhand eines Fotos sicherer als anhand des Namens vornehmen können – der Name ist für die Mehrheit der Betrachter nichtssagend. Darüber hinaus kann die gesuchte Person von ihrem Umfeld (Familie, Nachbarn, Freunde, Vereinskameraden usw.) schon anhand der Abbildung identifiziert werden526. Die Abbildung in Verbindung mit dem Fahndungstext kann bereits rufschädigend sein (noch mehr, wenn die Person bei der Tatbegehung gezeigt wird), ohne dass es der zusätzlichen Veröffentlichung des Namens bedürfte527. Der Verfasserin ist kein Fall bekannt, in dem nur mit dem veröffentlichten Namen (ohne Abbildung) im Internet gefahndet wurde. Die gleichzeitige Veröffentlichung von Namen und Abbildung stellt einen höheren Grad des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte des Gesuchten dar. So wird in manchen Fällen, etwa bei der Aufklärungsfahndung unter der Veröffentlichung einer Abbildung, z. B. eines bekannten Tatverdächtigen eines versuchten Mordes, auf die Veröffentlichung seines Namens verzichtet, es wurde lediglich seine Staatsangehörigkeit angegeben528. Insbesondere bedarf § 131b Abs. 3 i. V. m. § 131 Abs. 4 S. 1 StPO („Der Beschuldigte ist möglichst genau zu bezeichnen“), sollte es sich um einen bekannten Beschuldigten handeln, einer dem Einzelfall angepassten einschränkenden Auslegung. In einem anderen Fall aus der Praxis wurden jedoch sowohl die Personalien als auch die Lichtbilder eines bekannten, in der Untersuchungshaft verbleibenden Tatverdächtigen zu Zwecken einer Aufklärung etwaiger weiterer von ihm begangener Delikte mitgeteilt529. Bei Fahndungen zur Festnahme, insbesondere nach Tötungsdelikten, werden in der Regel sowohl der Name als auch die Abbildung veröffentlicht530. 525

von Becker, S. 145. Auch das Recht auf Anonymität hat zum Inhalt, dass der Name unerwähnt bleibt, Arzt, S. 119. 526 OLG Hamm, NStZ 1982, 82. 527 OLG Hamm, NStZ 1982, 82. 528 Polizeipräsidium Schwaben Süd / West, Fahndungsaufruf vom 21.4.2017, http://www. polizei.bayern.de/schwaben_sw/fahndung/personen/index.html/259765 (30.12.2017). 529 Polizei München, Fahndungsaufruf vom 6.3.2018, http://www.polizei.bayern.de/muenchen/​ fahndung/personen/straftaeter/bekannt/index.html/275956 (22.3.2018); https://web.facebook. com/polizeimuenchen/photos/a.552744488204637.1073741831.312075995604822/137162755​ 6316322/?type=3&theater (26.4.2020). 530 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 4.2.2015, http://www.lka.polizei-nds.de/ fahndung/fahndung_social_networks/salzgitter-fahndung-nach-toetungsdelikt-110593.html (12.1.2018); Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 7.1.2019, https://www.berlin.de/polizei/ polizeimeldungen/pressemitteilung.771699.php (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Besondere Sorgfalt ist bei der geplanten Veröffentlichung von Abbildungen von Zeugen gefragt. Sollte eine Gefahr für die körperliche Integrität des Zeugen seitens des Tatverdächtigen zu befürchten sein, ist von einer Veröffentlichung einer Abbildung sowie der Hinweise auf die Straftat als Ergebnis einer Interessenabwägung zugunsten der Rechte des Zeugen abzusehen531. In sonstigen Fällen sollen nach Soiné gegen eine gleichzeitige Veröffentlichung von Namen und Abbildung eines Zeugen nach § 131b Abs. 2 StPO keine Bedenken bestehen, weil nach ihm erst dann gefahndet werde, wenn die Strafverfolgungsbehörden keinen Kontakt zu ihm aufnehmen können und er sich an seinem gewöhnlichen, bekannten Verbleibeort eine längere Zeit lang nicht aufhält532. Dieser Begründungsansatz kann, wenn überhaupt, nur für § 131a Abs. 3 StPO, also für die Fahndung zur Aufenthaltsermittlung eines bekannten Zeugen gelten, und dies, wegen der engeren Subsidiaritätsklausel in § 131a Abs. 4 S. 4 StPO, nicht uneingeschränkt. Auf § 131b Abs. 2 StPO ist diese Feststellung dagegen nicht übertragbar, weil bei einer Identitätsfahndung der Wohnort und die Arbeitsstätte des Zeugen gerade nicht bekannt sind, bei der Aufklärungsfahndung wiederum (mit der Abbildung eines bekannten Zeugen) haben Strafverfolgungsbehörden Kenntnis vom Verbleibeort des Zeugen, dieser ist somit für den Fahndungszweck irrelevant. Auch die Annahme, dass der Tatverdächtige i. d. R. davon absehe, anhand veröffentlichter Informationen den Zeugen aufzuspüren533, kann im digitalen Zeitalter nicht geteilt werden. Mag dies früher mit aufwendigen Recherchen verbunden gewesen sein, so besteht heute die Versuchung, mit wenigen Klicks anhand der im Internet veröffentlichten Daten Informationen über den Zeugen, etwa seinen Wohnort, Arbeitsstätte oder Bekanntenkreis über Suchmaschinen herauszufinden. Dass die Veröffentlichung sowohl der Abbildung als auch der Personalien einer bekannten Zeugin nach § 131b Abs. 2 StPO bei einer Aufklärungsfahndung äußerst problematisch sein kann, zeigt der Beschluss des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom 27.8.2015534: „Es liegt nahe, dass den Strafverfolgungsbehörden mit der Möglichkeit einer Veröffentlichung einer zeichnerischen oder photographischen Abbildung der Beschwerdeführerin, die diese in dem Aussehen zur mutmaßlichen Tatzeit zeigt, ohne Angabe ihres Namens ein weniger einschneidendes, gleich geeignetes Mittel zur Verfügung steht. … Dabei liegt auf der Hand, dass ein Absehen von der Namensnennung die Intensität der Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführerin erheblich verringerte. … Die Wahrscheinlichkeit, dass sie von Dritten, insbesondere von ihrem beruflichen Umfeld, mit dem geschilderten Fahndungssachverhalt in Verbindung gebracht wird und hierdurch Nachteile er 531

SK / Paeffgen, § 131b Rn. 5; HK4 / L emke, § 131b Rn. 5; Soiné, § 131b Rn. 7; L-R / Gleß, § 131a Rn. 10; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 9. 532 Soiné, § 131b Rn. 7; ders., Kriminalistik 2001, 173 (177); ders., JR 2002, 137 (140 f.); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (141); vgl. auch ders., ZRP 1994, 392 (395). 533 So Soiné, § 131b Rn. 7; vgl. auch ders., ZRP 1994, 392 (395). 534 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51).

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leidet, würde sich deutlich reduzieren.“ Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen; für die Wiedererkennung durch die breite Allgemeinheit zu Aufklärungszwecken eines konkreten Lebenssachverhaltes ist die Angabe des Namens überflüssig – eine Abbildung reicht aus, um Hinweise zu erlangen, etwa wie im genannten Fall zum konkreten Aufenthaltsort der Zeugin zu einem bestimmten Zeitpunkt. Die Interessen von etwaigen Personen, die mit der Zeugin verwechselt werden könnten, waren zwar im Rahmen der Gesamtabwägung zu berücksichtigen, mussten aber im konkreten Fall gegenüber dem Recht und Interesse der Betroffenen, wegen bestehender Gefahr von gravierenden beruflichen Konsequenzen535 nicht unter ihrem vollständigen Namen bekannt zu werden, zurücktreten, weil etwaige Verwechslungen von den Strafverfolgungsbehörden auch bei dem Verzicht auf die Namensveröffentlichung hätten leicht ausgeräumt werden können536. Die Entscheidung des SächsVerfGH hat insofern im konkreten Fall eine Durchbrechung des Prinzips zur Folge, nach dem die Veröffentlichung einer Abbildung eines Zeugen aus Gründen des Zeugenschutzes stets einen Ultima-Ratio-Charakter haben muss537. So wurde vertreten, dass der erste Fahndungsaufruf nach einem bekannten Zeugen stets ohne Veröffentlichung seiner Abbildung erfolgen soll538, was auch dahingehend verstanden wird, dass die Veröffentlichung des Namens eines Zeugen bzw. einer Beschreibung stets Vorrang vor der Veröffentlichung der Abbildung genießt539. Gleichwohl ist die Verfasserin keinem Fahndungsaufruf im Internet begegnet, in dem nur der Name des Zeugen benannt wurde; demgegenüber aber solchen mit einer detaillierten Beschreibung (ohne Abbildung)540 bzw. mit der Abbildung der Bekleidung des bekannten Zeugen (im konkreten Fall: einer Geschädigten)541. Nach Nr. 1.2 Abs. 6 Anl. B RiStBV sind Personalien von Personen, die von der Straftat betroffen sind (etwa Geschädigten bzw. ihren Angehörigen) im Hinblick auf ihre hohe Schutzbedürftigkeit üblicherweise nicht bekanntzugeben; sollte dies aus Gründen der effektiven Strafverfolgung unentbehrlich sein, sind sie im Vorfeld zu kontaktieren. Ein Fall, in dem der Name des Tatopfers bekannt gegeben wurde, betraf die Öffentlichkeitsfahndung nach einer gefährlichen Körperverletzung an 535

Es war geplant, neben der Abbildung der früher drogensüchtigen, nunmehr geheilten und in der Bankbranche berufstätigen Zeugin Abbildungen von Beschuldigten, Kriminellen aus dem Drogenmilieu zu veröffentlichen. 536 SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (51). 537 Siehe unter Pkt. A. I. 1. c) ff) dieses Teils. 538 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 539 Vgl. Benfer / Bialon, Rn. 1085. 540 Z. B. Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 10.11.2015 wegen versuchten Totschlags (Beschreibung des Äußeren des Zeugen, des mitgeführten Hundes sowie seines Standortes zum Tatzeitpunkt) https://www.facebook.com/polizeibrandenburg/photos/a.1528025210778605.​ 1073741828.1429667093947751/1653288594918932/?type=3&theater (26.4.2020), http://www. internetwache.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=12799997 (11.11.2015). 541 Polizei Rheinland-Pfalz, Fahndungsaufruf vom 17.11.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiRheinlandPfalz/posts/1302522379852977 (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

dem (auf dem Fahndungsvideo zu sehenden) AfD-Politiker Frank Magnitz in Bremen im Januar 2019542. Nicht selten werden, auch in Fahndungsaufrufen nach bekannten / unbekannten Tatverdächtigen, Abbildungen543 von Opfern von Tötungsdelikten544, auch in Verbindung mit Personalien545, veröffentlicht546. b) „Spezialeffekte“ in Fahndungsvideos Ein weiteres Problem ergibt sich bei der grafischen Aufarbeitung von Fahndungsvideos. Bei der ersten Serie der G20-Öffentlichkeitsfahndung im Jahr 2017 wurden etwa bestimmte Tatwerkzeuge (z. B. Flugkörper) zur besseren Erkennbarkeit auf dem Video von den Ermittlern besonders gekennzeichnet oder die Wirkung auf Tatopfer in einer Zeitschleife wiederholt bzw. verlangsamt dargestellt547. Auch wenn diese Stilmittel darauf abzielten, die Bereitschaft der Internetnutzer zur Fahndungsmithilfe zu steigern und zu diesem Zweck tatsächlich geeignet waren, ist Pajunk / Wendorf beizupflichten, dass solche Maßnahmen eine erhöhte Eingriffsintensität zur Folge haben548. Entgegen der Ansicht der genannten Autoren kann ihre Erforderlichkeit nicht angenommen werden, weil eine textliche Beschreibung ein gleich geeignetes, aber milderes Mittel ist. Darüber hinaus wird durch derartige „Tricks“ die Wahrnehmung und Beurteilung des Geschehens durch die Allgemeinheit beeinflusst, was aber nicht das Ziel der Öffentlichkeitsfahndung sein darf – dadurch entstehen spätestens bei der Frage nach der Angemessenheit des Eingriffs erhebliche Bedenken549. Wie bereits im Zusammenhang mit der Verhältnismäßigkeit der Internetfahndung als solcher erwähnt, schreibt Nr. 3.2 Abs. 1 S. 3 und 4 VwV-L vor, in Fällen, in denen aufgrund der Fahndung in besonderem Maß die Gefahr diskriminieren 542 Polizei Bremen, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, https://www.facebook.com/Polizei. Bremen/photos/a.945332568852410/2217572144961773/?type=3&theater (26.8.2019); https://​ www.polizei.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen09.c.2097.de&fbclid=Iw​A R2cf​ LozDQkh7-aOE15Oj3QltftvW7yKiy1Gz8fZuVKxoJLNmwtsKOEdLwQ (11.1.2019). 543 Z. B. Polizei Sachsen, Fahndungsaufruf vom 19.11.2017 nach einem Tötungsdelikt in Leipzig-Plagwitz, https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/photos/a.285563511646485. 1073741828.270456363157200/740676262801872/?type=3&theater (26.4.2020); https://www. polizei.sachsen.de/de/52680.htm (26.4.2020). 544 Hierbei ist ihr postmortales Persönlichkeitsrecht zu beachten, siehe auch unter Pkt. A. I. 6. d) des 2.  Teils. 545 Z. B. Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 2.3.2017 nach einem Tötungsdelikt am Präsidenten des Hells Angels Charters Gießen, https://www.polizei.hessen.de/icc/internetzentral/ nav/bd4/broker.jsp?uCon=e9360d36-4267-8a51-a903-66720ef798e7&uTem=8ed702cd-aff23941-cd47-a0a30165474d&uMen=bd470ee1-825a-f6f8-6373-a91bbcb63046 (26.4.2020). 546 Zur rechtlichen Einordnung siehe unter Pkt. A. I. 3. b), A. I. 5. f) bb) und A. I. 6. d) des 2. Teils. 547 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 548 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981. 549 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981.

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der Äußerungen oder tätlicher Übergriffe besteht, die Erforderlichkeit einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet besonders sorgfältig zu prüfen. Bei der Gestaltung des Fahndungsaufrufs sind dann geeignete Vorkehrungen zur Verringerung einer solchen Gefahr zu treffen. Diese Norm ist in Verknüpfung mit Nr. 1.2 Anl. B RiStBV zu lesen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit detailliert regelt. Bei geeigneten Vorkehrungen wäre auch an eine überlegte/sparsame Angabe von Informationen zum Tathergang (z. B. Absehen von einer Beschreibung der drastischen Vorgehensweise des Tatverdächtigen), bei der Zeugenfahndung an eine sorgfältige Auswahl der Informationen zu denken550. 7. Ausgesetzte Belohnung für Hinweise Nicht nur vereinzelt enthalten Fahndungsaufrufe Informationen über die ausgesetzte Belohnung für die Mitwirkung bei der Aufklärung der Tat bzw. (Wieder-) Ergreifung der flüchtigen Tatverdächtigen oder rechtskräftig Verurteilten durch Hinweise aus der Bevölkerung551. Eine Auslobung hat zum Ziel, eine unbestimmte Personengruppe zu einem konkret bezeichneten Verhalten zu motivieren552. So kann sie für potenzielle Hinweisgeber einen Ansporn darstellen, die Strafverfolgungsbehörden über ihre Wahrnehmungen zu einem konkreten Delikt zu informieren, insbesondere dann, wenn sie bislang aus unterschiedlichen Gründen die Beobachtungen nicht mitgeteilt haben553. Besondere Geeignetheit wird ihr bei schweren Straftaten oder bei der Fahndung nach besonders gefährlichen Straftätern, insbesondere nach Ausschöpfung gängiger Maßnahmen attestiert554. Die 550

Siehe auch Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). Aussetzung von Belohnungen wird auch im Gefahrenabwehrbereich praktiziert, Soiné, Vorbem. §§ 131–131c Rn. 2; Stober, DÖV 1979, 853 (856); Pohl, S. 82. Bei Vermisstenfällen kommt sie insbesondere dann zum Einsatz, wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die vermisste Person einem Kapitalverbrechen zum Opfer fiel, Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 86. Zu einem Beispiel aus der Praxis siehe etwa Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord, Fahndungsaufruf nach dem seit 2015 vermissten, damals 5-jährigen Mädchen, https://www. woistinga.de/ (26.4.2020). Auch bei Fahndungen im Internet wird von der Polizei auf Aussetzung von Belohnungen von privater Hand hingewiesen, siehe etwa Polizei Brandenburg, Fahndungsaufruf vom 20.8.2015, https://www.facebook.com/polizeibrandenburg/photos/a.152802 5210778605.1073741828.1429667093947751/1628551547392637/?type=1&theater (26.4.2020). 552 Palandt / Sprau, § 657 Rn. 1. 553 Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 16/8688 vom 18.5.2015, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3312 vom 15.4.2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drs. 16/8409, Belohnungen für die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten, unter Pkt. 4; siehe auch Weihmann / de Vries, S. 290; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/3470 vom 4.12.2014, Kleine Anfrage des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD, Belohnungen für Hinweise zur Ermittlung von Tätern und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 3. Gleichzeitig wurden aber auch nicht auszuschließende negative Aspekte einer solchen Auslobung genannt, wie Hinweise gegen unschuldige Personen sowie belanglose Hinweise, die in hoher Zahl die Ermittlungen zumindest erschweren können. 554 Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 16/8688 vom 18.5.2015, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3312 vom 15.4.2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drs. 551

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

öffentlich-rechtlichen Vorschriften enthalten keine Normen zur Auslobung durch Verwaltungsbehörden555; als Rechtsgrundlage für die Aussetzung von Belohnungen werden daher die privatrechtlichen Vorschriften der §§ 657 ff. BGB über die Auslobung herangezogen556. Das Verfahren für die Aussetzung von Belohnungen ist in Verwaltungsvorschriften der Bundesländer geregelt557. So kommt die Aussetzung von Belohnungen nach der Sächsischen558 sowie Thüringer559 Regelung insbesondere zur Aufklärung von Straftaten infrage, die im besonderen Maße öffentlichkeitswirksam waren oder in deren Folge schwere Personen- oder Sachschäden entstanden sind, zur Aufklärung von Serienstraftaten und Straftathäufungen sowie zur Aufklärung von Straftaten mit terroristischem oder extremistischem Hintergrund. Die länderrechtlichen Vorschriften sind weitgehend aufbau- und inhaltsgleich. Zuständig für die Aussetzung von Belohnungen sind Staatsanwaltschaften (i. d. R. LOStA bzw. 16/8409, Belohnungen für die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten, unter Pkt. 4; siehe auch Weihmann / de Vries, S. 290; Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/3470 vom 4.12.2014, Kleine Anfrage des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD, Belohnungen für Hinweise zur Ermittlung von Tätern und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 3. 555 Siehe Stober, DÖV 1979, 853. 556 Für direkte Anwendung Soiné, Vorbem. §§ 131–131c Rn. 3; ders., Öffentlichkeitsfahndung, S. 183 f.; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 9; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 12; ausführlich Stober, DÖV 1979, 853 (854 ff.); L-R / Erb, § 161 Rn. 50; für analoge Anwendung L-R / Gleß, § 131 Rn. 31; Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175). Siehe auch Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/3470 vom 4.12.2014, Kleine Anfrage des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD, Belohnungen für Hinweise zur Ermittlung von Tätern und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 1, 2. Gegen die Anwendung von §§ 657 ff. BGB Pohl, S. 83 mit dem Argument, dass diese Vorschriften lediglich Rechtsfolgen einer Auslobung regeln, nicht aber die behördliche Ermächtigung hierzu. 557 Abgedruckt bei Soiné, Vorbem. §§ 131–131c nach Rn. 5: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. Darüber hinaus Niedersachsen: Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung von Privatpersonen bei der Aufklärung von Straftaten, Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI vom 25.7.1995 (4700 – 304.75), Nds. Rpfl. 1995 Nr. 8, S. 228, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 18.2.2002 (Nds. MBl. 2002 Nr. 8, S. 114); Rheinland-Pfalz: Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung von Privatpersonen bei der Aufklärung von Straftaten und bei der Ergreifung oder Wiederergreifung flüchtiger Straftäter, Rundschreiben des Ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz vom 10.6.2013 (4700 – 4 – 3), JBl. 2013, S. 66; Saarland: Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung von Privatpersonen bei der Aufklärung strafbarer Handlungen oder der Ergreifung oder Wiederergreifung flüchtiger Straftäter, Gemeinsame Verfügung des Justizministers und des Innenministers vom 29.10.1957 (JBl. Saar S 94) geändert durch Gemeinsame Verfügung vom 1.7.1971 (4700 – 1) (Stand: 19.12.2002) sowie Aussetzung von Belohnungen für die Mitwirkung von Privatpersonen bei der Aufklärung strafbarer Handlungen oder der Ergreifung oder Wiederergreifung flüchtiger Straftäter, AV des JM Nr. 19/1971 vom 2.8.1971, zuletzt geändert durch AV des MdJ Nr. 3/1994 vom 10.5.1994 (4700 – 1) (Stand: 19.12.2002). 558 Nr. III.1. VwV-Auslobung. 559 Nr. 1 S. 1 a) b) VwV-Auslobung.

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GenStA) sowie Polizeibehörden (i. d. R. LKA bzw. Polizeipräsidien). Die Höhe der ausgesetzten Belohnung variiert je nach Bundesland und i. d. R. je nach der aussetzenden Behörde: So beträgt etwa der Höchstbetrag in Sachsen (ohne Zustimmung des jeweiligen Ministeriums) bis zu 12.500 Euro560; in Berlin bis zu 5.000 Euro (LOStA) bzw. mit Zustimmung des Generalstaatsanwalts bis zu 10.000 Euro, bis zu 1.000 Euro (Polizei / LKA), über 1.000 Euro (Polizeipräsident)561. In vielen Bundesländern562 kann in begründeten Einzelfällen die Belohnung auch ohne Auslobung erfolgen. Der Inhalt einer Auslobung umfasst (außer der Höhe der Belohnung563) Angaben dazu, für welche Art der Mitwirkung bei der Aufklärung der Straftat die Belohnung ausgesetzt ist, etwa für die zur Ermittlung oder Ergreifung des Tatverdächtigen führenden Hinweise oder für die Herbeischaffung von Beweismitteln564. Des Weiteren informiert sie – in sämtlichen Bundesländern – darüber, dass über die Zuerkennung und Verteilung der Belohnung unter Ausschluss des Rechtsweges entschieden wird565. Zum Inhalt einer Auslobung gehört auch ein Hinweis, dass die Belohnung ausschließlich an Privatpersonen adressiert und nicht für Beamte bestimmt ist, zu deren Berufspflicht die Verfolgung strafbarer Handlungen gehört566. Des Weiteren wird die die Mitteilungen entgegennehmende Stelle benannt567. Auch die Umstände, die Anhaltspunkte für Mitteilungen aus der Bevölkerung geben können, sollen angegeben werden, was sich für Fahndungsaufrufe bereits aus § 131 Abs. 4 StPO ergibt. Die Vorschriften weisen dabei auch darauf hin, dass durch Angabe von tatrelevanten Details der Untersuchungszweck nicht gefährdet werden darf568. Sollte aus privater Hand569 (ggf. zusätzlich) eine Belohnung ausgesetzt werden, kann die Behörde auf diesen Umstand hinweisen570. 560

Der höchste Betrag unter allen Bundesländern, Nr. II.5 VwV-Auslobung. Nr. 3 Abs. 1 und 2 GAV Auslobung. 562 Nr. 2 VwV-Baden-Württemberg; Nr. 2 VwV-Brandenburg; Nr. II VwV-Bremen; Nr. II VwV-Hamburg; Nr. 1 § 1 Abs. 1 VwV-Hessen; Nr. 6 VwV-Mecklenburg-Vorpommern; Nr. II.5 VwV-Nordrhein-Westfalen; Nr. II VwV-Saarland; Nr. VI.4 VwV-Sachsen; Nr. I.14 VwV-Sachsen-Anhalt; Nr. 7 VwV-Schleswig-Holstein; Nr. 7 VwV-Thüringen. 563 Festgeschrieben nur in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin. 564 Statt aller: Nr. 1.2 VwV-Brandenburg. 565 Statt aller: § 2 Abs. 1 Nr. 3 VwV-Hessen. Nach Soiné, Vorbem. §§ 131–131c Rn. 3; ders., Öffentlichkeitsfahndung, S. 185 f.; ders., Kriminalistik 2001, 173 (175) wird durch den Rechtswegausschluss Art. 19 Abs. 4 GG nicht verletzt, weil die Behörden bei der Auslobung nicht als „öffentliche Gewalt“ tätig werden (kein Über-Unterordnungsverhältnis, keine Abhängigkeit, kein „Aushöhlen“ der Grundrechtsbindung durch privatrechtliche Handlungsform); a. A. Stober, DÖV 1979, 853 (859 f.) mit dem Hinweis darauf, dass die Behörden mit der Aussetzung der Belohnung die Hoheitsaufgaben Strafverfolgung und Gefahrenabwehr in privatrechtlichen Formen ausführen. 566 Statt aller: Nr. 3c VwV-Mecklenburg-Vorpommern. 567 Statt aller: Nr. I.6.d. VwV-Nordrhein-Westfalen. 568 Statt aller: Nr. I.9. VwV-Sachsen-Anhalt. 569 In den USA setzt die private Organisation Crime Stoppers Belohnungen aus und garantiert den anonymen Hinweisgebern Vertraulichkeit, Harnischmacher, Kriminalistik 2008, 567 f. Zu dem internationalen Programm dieser Organisation siehe https://csiworld.org (26.4.2020). 570 Detaillierte, in Niedersachsen diesbezüglich geltende Regelungen abgedruckt bei Soiné, Vorbem. §§ 131–131c nach Rn. 5, S. 31–33. 561

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Einige Bundesländer571 nennen konkret das Internet als eine geeignete Veröffentlichungsplattform für eine Auslobung; in Schleswig-Holstein und Thüringen wird darüber hinaus direkt auf Anl. B RiStBV in der Länderfassung verwiesen. Auf der ausgewählten Plattform soll auch entsprechend über einen etwaigen Widerruf der Auslobung nach § 658 Abs. 1 BGB informiert werden572; das Recht hierzu resultiert aus dem einseitigen Charakter der Verpflichtungserklärung573 sowie aus der mangelnden Schutzbedürftigkeit der Auslobungsadressaten wegen fehlenden Vertrauenstatbestandes574. Über die Zuerkennung, Verteilung und Auszahlung der ausgesetzten Belohnung entscheidet in der Regel der jeweilige Behördenleiter575; das zuständige Ministerium kann sich allerdings die Entscheidung vorbehalten576. Diese Entscheidung ergeht üblicherweise nach rechtskräftiger Erledigung der Strafsache577. In der Praxis ist die Anzahl der Auslobungen überschaubar. So wird von der Freiburger Staatsanwaltschaft die Belohnung in einem Fall pro Jahr ausgesetzt, Tendenz ist eher niedriger578. Bezogen auf den Erfolg (Ermittlung eines Tatverdächtigen) wurden etwa von dem Polizeipräsidium Rostock im Zeitraum 2006– 2013 insgesamt 7 Fälle, bei der Staatsanwaltschaft Rostock 2 Fälle festgestellt579. Selbst wenn eine Belohnung ausgesetzt werden sollte, ist es nicht gleichbedeutend mit ihrer Auszahlung: Nach den Angaben des Landesamtes für Zentrale Polizeiliche Dienste NRW wurde im Zeitraum 2010–2014 im polizeilichen Bereich keine ausgelobte Belohnung ausgezahlt580. Es ist auch nicht immer der Fall, dass die Auslobung den Hinweisgeber motivierte581 – es ist aber auch nach § 657 BGB 571

Nr. 1.3 VwV-Baden-Württemberg; Nr. 2.3 VwV-Bayern; Nr. 4 Abs. 2 GAV Auslobung Berlin; Nr. I.3 VwV- Bremen; Nr. 1 § 2 Abs. 3 VwV-Hessen; Nr. I.8 VwV-Nordrhein-Westfalen; Nr. 3 VwV-Schleswig-Holstein. 572 Statt aller: Nr. I.3. VwV-Bremen. 573 Palandt / Sprau, § 658 Rn. 1. 574 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (175). 575 Statt aller: Nr. 9 VwV-Niedersachsen. 576 Statt aller: Nr. II.2. Abs. 1 VwV-Nordrhein-Westfalen. 577 Ausnahmefälle: Beim vorliegenden Urteil erster Instanz und bei der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß; beim Freispruch wegen Notwehr oder Schuldunfähigkeit; bei der Einstellung des Verfahrens wegen eines dieser Umstände, statt aller: Nr. 1.7 Abs. 1 VwVRheinland-Pfalz. 578 Kornmeier, Claudia, Wie funktioniert eigentlich eine Belohnung?, Fudder.de vom 8.9.2009, http://fudder.de/wie-funktioniert-eigentlich-eine-belohnung--118501257.html (26.4.2020). 579 Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Drs. 6/3470 vom 4.12.2014, Kleine Anfrage des Abgeordneten David Petereit, Fraktion der NPD, Belohnungen für Hinweise zur Ermittlung von Tätern und Antwort der Landesregierung, unter Pkt. 5. 580 Landtag Nordrhein-Westfalen, Drs. 16/8688 vom 18.5.2015, Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 3312 vom 15.4.2015 des Abgeordneten Gregor Golland CDU Drs. 16/8409, Belohnungen für die Mitwirkung bei der Aufklärung von Straftaten, unter Pkt. 3. 581 Landtag Rheinland-Pfalz, Drs. 17/3139 vom 26.5.2017, Antwort des Ministeriums des Innern und Sport auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Lammert (CDU) – Drs. 17/2963 –, Graffiti-Anzeigen in Koblenz und Rheinland-Pfalz, unter Pkt. 6.

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unschädlich, dass derjenige, der die Handlung vorgenommen hat, nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat. In manchen Fällen wurde die Belohnung erst nach einiger Zeit nach dem bereits erfolgten Fahndungsaufruf ausgesetzt, so etwa 2019 in Berlin nach einem Tötungsdelikt: Die erste Fahndungsmeldung nach einem unbekannten Tatverdächtigen, der auf Überwachungsaufnahmen zu sehen war, wurde dort im April veröffentlicht582, die Aussetzung von Belohnung für Hinweise erfolgte Ende August, wobei die Information über die Auslobung auch über soziale Netzwerke verbreitet wurde583. Zu den Beispielen von Delikten, bei denen Belohnungen für zielführende Mitteilungen aus der Bevölkerung ausgesetzt und in einem virtuellen Fahndungsplakat veröffentlicht wurden, gehören neben Tötungsdelikten etwa schwerer Betrug und Geldwäsche584; schwerer Raub585 (auch als Serientat586), räuberischer Angriff auf Kraftfahrer587, gefährliche Körperverletzung588, sexueller Missbrauch von Kindern589, Entführungsfälle590.

582 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 16.4.2019, https://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.794129.php (26.4.2020). 583 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 28.8.2019, https://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.794129.php (26.4.2020); https://www.facebook.com/PolizeiBerlin/​ posts/1186290174888418?__tn__=-R (26.4.2020); https://twitter.com/polizeiberlin/​ status/​ 1166659012416458752 (26.4.2020). 584 Z. B. LKA Bayern, Fahndungsaufruf vom 12.9.2017, http://www.polizei.bayern.de/lka/ fahndung/personen/index.html/215554 (29.12.2017). 585 Z. B. Polizei Mittelfranken, Fahndungsaufruf vom 4.9.2017, http://www.polizei.bayern. de/mittelfranken/news/presse/aktuell/index.html/266970 (29.12.2017). 586 Polizei Oberbayern-Nord, Fahndungsaufruf vom 8.11.2017, http://www.polizei.bayern. de/​oberbayern_nord/fahndung/personen/index.html/270216 (2.1.2018); https://www.facebook. com/​PolizeiOBN/photos/a.1330023070391111.1073741828.1274138329312919/162595926079 7489/?type=3&theater (26.4.2020). 587 Polizei Berlin, Fahndungsaufruf vom 19.8.2015, http://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.354124.php (18.9.2015). 588 Polizei Bremen, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, https://www.facebook.com/Polizei.​ Bremen/photos/a.945332568852410/2217572144961773/?type=3&theater (28.8.2019); https://​ www.polizei.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen09.c.2097.de&fbclid=​IwAR2cf​ LozDQkh7-aOE15Oj3QltftvW7yKiy1Gz8fZuVKxoJLNmwtsKOEdLwQ (11.1.2019). 589 Polizei Hessen, Fahndungsaufruf vom 3.11.2017, https://www.facebook.com/Polizei​ Hessen/photos/a.838550266206482.1073741825.182045575190291/1615481045180063/?type =3&theater (26.4.2020); https://k.polizei.hessen.de/2044031364 (30.8.2019). 590 Polizeipräsidium Osthessen, Fahndungsaufruf vom 13.4.2017, https://www.polizei.​ hessen.de/Fahndung/Personen/broker.jsp?uMen=17e706de-6c31-2c41-12da-af82bb838​ f39&uCon=d7d5047c-cd9c-3e41-6d22-d810ef798e7b&uTem=8ed702cd-aff2-3941-cd47a0a30165474d (8.1.2018).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

III. Zuständigkeit und Umsetzung Der Gesetzgeber hat das System der Anordnungskompetenzen der Öffentlichkeitsfahndung, darunter auch der Internetfahndung, nach dem Grundsatz „einer der Eingriffsintensität entsprechend abgestuften Verantwortung“591 mit Zuständigkeiten verschiedener Organe gestaltet. 1. Primäre Anordnungskompetenz Die primäre Zuständigkeit für die Anordnung592 einer Öffentlichkeitsfahndung ist je nach dem konkreten Fahndungszweck unterschiedlich gestaltet. Die Anordnungskompetenz für die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme liegt nach § 131 Abs. 3 StPO gleichermaßen bei dem Richter und der Staatsanwaltschaft (das Wort „und“ im Abs. 3 ist dabei nicht i. S. v. „kumulativ“, sondern genauso wie im Abs. 1 als „oder“ zu verstehen593). Für den Fall, dass der Richter die Anordnung trifft, ergeht sie bis zur Anklageerhebung durch den Ermittlungsrichter (§§ 162 Abs. 1, 125, 126 StPO) bzw. den Jugendrichter (§ 34 Abs. 1 JGG)594. Nach den Vorgaben der Nr. 2.1 Abs. 2 S. 1, 2 Anl. B RiStBV soll die Entscheidung jedoch grundsätzlich von der Staatsanwaltschaft getroffen werden. Die führende Rolle der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren wird auch durch Nr. 2.1 Abs. 2 S. 3 Anl. B RiStBV betont, wonach die Polizei eine Entscheidung des Richters über die Öffentlichkeitsfahndung nach § 131 Abs. 3 S. 1 StPO nur dann herbeiführt, wenn sie die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichen kann. Es soll sich dabei aber um einen „eher theoretischen Fall“ handeln595, die Staatsanwaltschaft ist jedoch über eine solche Maßnahme von der Polizei zu benachrichtigen596. Innerhalb der Staatsanwaltschaft ist jeder Beamte anordnungsbefugt, der die staatsanwaltschaftlichen Aufgaben wahrnimmt, damit auch der Amtsanwalt (§§ 142 Abs. 1 Nr. 3, 145 Abs. 2 GVG)597. Als Folge dieser Kompetenzgestaltung im Ermittlungsverfahren kann die Staatsanwaltschaft, sollten ihrer Ansicht nach die Fahndungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen, wegen der Verfahrensherrschaft auch die richterliche Anordnung zurücknehmen, nicht aber umgekehrt598. Der Richter kann die Anordnung eines

591

BT-Drs. 14/2595, S. 28; siehe auch KK / Schultheis, § 131 Rn. 14; KMR / Wankel, § 131 Rn. 4. In der StPO werden hierbei unterschiedliche Begriffe verwendet: § 131 Abs. 3 StPO spricht vom „Veranlassen“, § 131c Abs. 1 StPO dagegen vom „Anordnen“. Gemeint ist aber eine Anordnung, vgl. auch § 131 Abs. 3 S. 4 StPO, KMR / Wankel, § 131 Rn. 15; Benfer / Bialon, Rn. 1092. 593 KMR / Wankel, § 131 Rn. 15; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 16. 594 Der Richter kann die Anordnung der Öffentlichkeitsfahndung auch der Staats­anwaltschaft überlassen, SK / Paeffgen, § 131 Rn. 11. 595 KMR / Wankel, § 131 Rn. 15. 596 KMR / Wankel, § 131 Rn. 16. 597 KMR / Wankel, § 131 Rn. 3; Soiné, § 131 Rn. 6. 598 L-R / Gleß, § 131 Rn. 9a. 592

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Haftbefehls mit der Entscheidung über die Öffentlichkeitsfahndung verbinden599. Nach der Anklageerhebung, also nach der Übernahme der Verfahrensherrschaft, geht die Anordnungskompetenz auf das Gericht über600. Nach der Anklageerhebung ist der Strafrichter bzw. Vorsitzende des Kollegialgerichts zuständig (§§ 162 Abs. 3, 126 Abs. 2 S. 3 StPO; 30 Abs. 2, 76 Abs. 1 S. 2 GVG)601. Im Vollstreckungsverfahren liegt die Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 457 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 131 Abs. 3 StPO), deren Geschäfte ggf. durch den Rechtspfleger (§ 451 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 31 Abs. 2 S. 1 RPflG) ausgeübt werden, soweit nicht der Jugendrichter nach § 82 Abs. 1 JGG tätig wird602. Die primäre Zuständigkeit für die Anordnung der öffentlichen Fahndung nach Beschuldigten oder Zeugen zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO sowie zur Aufklärung und Identitätsfeststellung nach § 131b StPO liegt im Gegensatz zu der Fahndung zur Festnahme ausschließlich bei dem Richter, § 131c Abs. 1 S. 1 Hs. 1 StPO. Auch hier ist der Ermittlungs- bzw. Jugendrichter oder der Vorsitzende zuständig603. Die unterschiedliche Gestaltung der Anordnungskompetenz und der Grund für die Herausnahme der Staatsanwaltschaft von der primären Zuständigkeit bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung sowie Identitäts- und Aufklärungsfahndung „bleibt das Geheimnis des Gesetzgebers“604. Vielfach wurde betont, dass der Grund für den Richtervorbehalt für Maßnahmen aus § 131a Abs. 3 und § 131b StPO in der Intensität des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen zu sehen sei und die Trag- und Reichweite der Öffentlichkeitsfahndung unterstreichen solle605. Auch auf einen gewissen Widerspruch (wohl zugunsten der Regelung in § 131c Abs. 1 S. 1 Hs. 1 StPO, also des Richtervorbehalts) wurde in der Kommentarliteratur hingewiesen606. Die Analyse der Gesetzgebungsmaterialien erlaubt jedoch die Schlussfolgerung, dass eine derartige Normierung der primären Anordnungskompetenz nicht von vornherein selbstverständlich war. Im sog. Problempapier von 1985 wurde nach § 131c Abs. 2 StPO-PP 599

L-R / Gleß, § 131 Rn. 23; nicht aber im Falle von § 131 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 S. 2, 3, 4, siehe unter Pkt. A. III. 2. b) aa) dieses Teils. 600 KMR / Wankel, § 131 Rn. 11; Soiné, § 131 Rn. 6; nach MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 6 bleibt nach der Anklageerhebung die Staatsanwaltschaft weiterhin zuständig. 601 HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 5; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 4; KMR / Wankel, § 131 Rn. 3, 11; AnwK / Walther, § 131 Rn. 5; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 11; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 10. 602 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3.9.2018 – 2 VAs 36/18 –, juris; BeckOK/Engelstätter, Anl. B RiStBV Rn. 18. Siehe auch Nr. 2.4 Abs. 2 Anl. B RiStBV; KMR/Wankel, § 131 Rn. 3 und Soiné, § 131 Rn. 6. 603 SK / Paeffgen, § 131c Rn. 3; Graf / Niesler, § 131a Rn. 5, 131b Rn. 5; BeckOK / Niesler, § 131a Rn. 5, 131b Rn. 5. 604 R. Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 6 (10 f.). 605 SK / Paeffgen, § 131c Rn. 3; HK4 / L emke, § 131c Rn. 1; Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131a Rn. 4, 131b Rn. 3; KK / Schultheis, § 131c Rn. 2; KMR / Wankel, § 131c Rn. 2; AnwK / Walther, § 131c Rn. 3. 606 Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131c Rn. 1.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

die Primärzuständigkeit für die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Beschuldigten oder Zeugen (dort: zur Festnahme sowie Aufenthaltsermittlung) dem Richter sowie („oder“) der Staatsanwaltschaft zugewiesen607. In dem Arbeitsentwurf 1986 wurde die Anordnungskompetenz für die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, Aufenthalts­ermittlung (eines Beschuldigten oder Zeugen) und Tataufklärung (bei Beschuldigten) ausschließlich an den Richter übertragen, § 131b Abs. 2 StPO-AE608. Eine richterliche Primärzuständigkeit609 war in § 131b Abs. 5 StPO-StVÄG 1988610 sowie §§ 131a Abs. 2, 131d StPO-StVÄG 1989611 und § 131e StPO-Rest-StVÄG612 vorgesehen. Die Ende 1991 von BMI Bayern gemeldeten Änderungsvorschläge, für sämtliche Fahndungszwecke die primäre Anordnungskompetenz neben dem Richter auch der Staatsanwaltschaft zu überlassen613, wurden im Laufe der weiteren Ressortarbeiten nicht übernommen. Im Entwurf der Bundesregierung zum StVÄG 1996614 wurde für die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme die Zuständigkeit des Richters sowie („oder“) der Staatsanwaltschaft vorgesehen, § 131 Abs. 1 StPO-StVÄG 1996; für die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung, Identitätsfeststellung und Aufklärung nach Beschuldigten und Zeugen lag die Anordnungskompetenz „wegen ihrer Bedeutung und der Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der von der Maßnahme Betroffenen“615 dagegen nur bei dem Richter, § 131c S. 1 StPO-StVÄG 1996. Im Laufe weiterer Arbeiten gingen gemeinsame Empfehlungen des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Innere Angelegenheiten dahingehend, den Richtervorbehalt in § 131c StPO-StVÄG 1996 (für Aufenthaltsermittlung, Identitätsfeststellung und Aufklärung) durch primäre alleinige Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft bzw. das primär zuständige Duett Richter oder Staatsanwalt zu ersetzen616. Der letztere Vorschlag wurde noch vom Bundesrat in seiner Stellungnahme übernommen617, bevor das Projekt durch die 607

Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 23 (1/1986), S. 118 (121). Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), S. 68 (70). 609 Für Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, Identitäts- und Aufklärungsfahndung (Beschuldigte und Zeugen, siehe auch Fn. 18 zum StVÄG 1988 für die Zeugenfahndung). Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung war jedoch im StVÄG 1988 nicht vorgesehen, vgl. § 131b Abs. 1 StPO-StVÄG 1988. 610 Abgedruckt in: Schriftenreihe der Strafverteidigervereinigungen, S. 7. 611 Stand: 26.6.1989 (Festnahme, Aufenthaltsermittlung nach Zeugen, Aufklärung und Identitätsfeststellung beim Beschuldigten) sowie 11.4.1990 (hinzu kam Aufklärung und Identitätsfeststellung beim Zeugen). 612 Stand: 12.7.1993, zwischen BMJ und BMI abgestimmt (Festnahme, Aufenthaltsermittlung nach Beschuldigten und Zeugen, Aufklärung und Identitätsfeststellung bei Beschuldigten und Zeugen). 613 Nicht veröffentlicht. 614 BR-Drs. 961/96 = BT-Drs. 13/9718. 615 BR-Drs. 961/96, S. 20 = BT-Drs. 13/9718, S. 18. 616 BR-Drs. 961/2/96, unter Pkt. 13, 14. 617 BR-Drs. 961/96 (Beschluss), unter Pkt. 14. Begründung wie in BR-Drs. 961/2/96, unter Pkt. 14: „Im konkreten Fall erscheint die Grundrechtsbeeinträchtigung für den Einzelnen nicht so schwerwiegend, daß sie der Entscheidung des Richters vorbehalten werden müsste. Die Anordnung der Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung gehört zum ureigensten Feld 608

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Diskontinuität des Parlaments im Oktober 1998 unterbrochen wurde. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum StVÄG 1999618 wurden die Zuständigkeitsregelungen aus dem Entwurf zum StVÄG 1996 unverändert beibehalten. Begründet wurde die primäre Zuständigkeit des Richters und Staatsanwalts für die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme mit der „außerordentlichen Breitenwirkung und Eindrucksintensität des Fernsehens“ sowie damit, dass „die Verantwortung für die Durchführung eines Strafverfahrens generell bei der Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht liegt“619. 2. Subsidiäre Anordnungskompetenz Die selbst durch Praktiker als „weitreichend“ bezeichnete620 Eilzuständigkeit wird für die Öffentlichkeitsfahndung je nach Fahndungszweck unterschiedlich gestaltet. Im Fall der Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, auch im Internet621, sind bei vorliegender Gefahr im Verzug622 nach § 131 Abs. 3 S. 2 StPO623 die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) anordnungsbefugt. Die Einführung dieser Eilkompetenz wurde mit bedeutenden praktischen Bedürfnissen begründet624. Bei der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO und der Aufklärungs- und Identitätsfahndung nach § 131b StPO liegt die subsidiäre Anordnungskompetenz bei der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen, § 131c Abs. 1 S. 1 Hs. 2 StPO.

der Staatsanwaltschaft als Leiterin des Ermittlungsverfahrens. Diese Aufgabenverteilung berücksichtigen bisher die Nr. 41 Abs. 4 und Nr. 42 RiStBV, die eine ausschließliche Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft angenommen haben. Den Belangen der Betroffenen ist durch die Umschreibung der materiellen Voraussetzungen im Gesetz Rechnung getragen.“ 618 BR-Drs. 65/99 = BT-Drs. 14/1484. 619 BT-Drs. 14/2595, S. 27. 620 Benfer / Bialon, Rn. 1067. 621 Soiné, § 131 Rn. 28. 622 Der Gesetzgeber hat sich in § 131 Abs. 3 S. 2 StPO für eine irreführende Formulierung „bei Gefahr im Verzug und wenn der Richter oder die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichbar ist“ entschieden. Entgegen der Ansicht einiger Autoren (KK / Schultheis, § 131 Rn. 17; Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538): beide Satzteile kumulativ; HK4 / L emke, § 131 Rn. 12: beide Satzteile alternativ) handelt es sich dabei um eine einzige Voraussetzung der Gefahr im Verzug, weil der Begriff einer Gefahr im Verzug per definitionem von der nicht rechtzeitigen Erreichbarkeit der primären Entscheidungsträger ausgeht, so bereits BVerfGE 51, 97 (111); 103, 142 (154); siehe SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6; L-R / Gleß, § 131 Rn. 24; S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 21; KMR / Wankel, § 131 Rn. 15; R. Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, 6 (9). 623 Für die Fälle des § 131 Abs. 1 StPO (bei vorliegendem Haft- oder Unterbringungsbefehl) und Abs. 2 (beim Vorliegen von Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls). 624 Siehe bereits Soiné, ZRP 1994, 392 (394): „Denn in der Praxis muß eine Öffentlichkeitsfahndung häufig ohne größere zeitliche Verzögerung eingeleitet werden, um den Aufenthaltsort des Gesuchten ermitteln und ihn festnehmen zu können.“

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a) Gefahr im Verzug Die Gefahr im Verzug (wörtliche Übersetzung des Aphorismus periculum in mora) bedeutet eigentlich Gefahr, die durch Zögern entsteht625, und wurde an anderen Stellen der StPO, etwa in § 81a Abs. 2 und § 81c Abs. 5 S. 1 StPO mit der schönen Formulierung „Gefährdung des Untersuchungserfolgs“ umschrieben. Von einer Gefahr im Verzug ist dann auszugehen, „wenn die richterliche Anordnung nicht mehr eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Maßnahme … gefährdet würde“626. So sind die Strafverfolgungsbehörden gehalten, im Vorfeld der Maßnahme – hier der Anordnung einer öffentlichen Fahndung – in der Regel zu versuchen, den primär zur Entscheidung berechtigten Richter (im Fall des § 131 Abs. 3 StPO alternativ  – den primär zu kontaktierenden Staatsanwalt627) zu erreichen628. Etwas anderes – als absolute Ausnahme – soll dann gelten, wenn der Zweck der Maßnahme schon durch den bloßen Versuch, sich um eine richterliche Anordnung zu bemühen, gefährdet sein sollte629, was aber im Fall einer Internetfahndung, selbst zur Festnahme, nur schwer vorstellbar ist. Denn auch wenn zwischen Anordnung und Durchführung einer öffentlichen Fahndung in der Regel ein kurzer zeitlicher Abstand liegt630, müssen Fahndungsaufrufe im Internet besonders sorgfältig vorbereitet werden, weil es dort wegen der Eingriffsintensität in die Rechte des Gesuchten und aus kriminalistischen Gründen auf jedes Wort und jedes veröffentlichte Bildmaterial ankommt. Vielerorts wurde betont, dass Situationen, in denen eine Gefahr im Verzug bejaht werden könnte, aufgrund der staatsanwaltschaftlichen (und auch richterlichen) Bereitschaftsdienste in der Praxis äußerst selten sind631. Praktiker vertreten sogar die Auffassung, bei der „begrenzten Öffentlichkeitsfahndung" sei ein Zurückgreifen auf Gefahr im Verzug wegen eines erheblichen zeitlichen Vorlaufs behördeninterner Fahndungsmaßnahmen unzulässig, so dass es stets bei der richterlichen Primärkompetenz bleibe632. Diese Anordnungsbefugnis soll also in sämtlichen vor-

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Hantschel, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 33 (58). BVerfGE 151, 67 (88) m. w. N. 627 Nr. 2.1 Abs. 2 S. 3 Anl. B RiStBV. 628 BVerfGE 151, 67 (88). 629 BVerfGE 151, 67 (88). 630 Soiné, ZRP 1994, 392 (394). 631 Siehe bereits BT-Drs. 14/2595, S. 27; Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens, Februar 2004, unter Pkt. 6, www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_ wp/StrafverfahrensRefG/DiskE.pdf (26.4.2020); Meyer-Goßner / Schmitt, § 131a Rn. 3; SK  / ​ Paeff­gen, § 131 Rn. 6, 131a Rn. 10; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 17; KK / Schultheis, § 131 Rn. 17; Jahn, in: Heghmanns / Scheffler, II Rn. 40; Wahl, Philipp, Wann die Polizei Fahndungsfotos veröffentlichen darf, WAZ, https://www.waz.de/staedte/essen/oeffentlichkeitsfahndungwann-die-polizei-fahndungsfotos-verbreiten-darf-id11339546.html (26.4.2020); siehe auch S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 22. 632 Benfer / Bialon, Rn. 1091c in Bezug auf § 131b StPO. 626

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gesehenen Fällen stets ihren Ausnahme­charakter beibehalten633, bei der Fahndung nach Zeugen ist sie besonders behutsam zu handhaben634. Als Beispiele von Eilfällen für die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung wurden in der Regierungsbegründung zum StVÄG 1999 bezogen auf die Fahndung zur Festnahme Situationen angeführt, „in denen der Polizei Anhaltspunkte für Fluchtvorbereitungen eines mit Haftbefehl gesuchten Beschuldigten bekannt werden und Sofortmaßnahmen ergriffen werden müssen“635. Diese Fallkonstellation ist übereinstimmend mit Soiné dahingehend zu verstehen, dass es sich um einen „kurz vor seiner Festnahme stehenden Beschuldigten“636 handeln muss, m. a. W. um einen solchen, gegenüber dem der Haftbefehl vollstreckt werden soll, weil bekannt wurde, dass er Fluchtvorbereitungen unternimmt. Als weitere Beispiele für Gefahr im Verzug wurden Situationen angeführt, in denen eine festgenommene Person entweicht oder sich sonst der Bewachung entzieht637. Im Fall von § 131 Abs. 2 i. V. m. Abs. 3 StPO kommen die Maßnahmen etwa „bei plötzlicher Flucht eines beinahe festgenommenen Tatverdächtigen“638 in Betracht. In diesem Zusammenhang ist der Beschluss des BVerfG vom 12.3.2019 von Bedeutung, in dem es – als konsequente Weiterführung und Konkretisierung seiner Rechtsprechung639 – zur Absicherung des Richtervorbehalts bindende Vorgaben zu dem Einrichten eines richterlichen Bereitschaftsdienstes, ganzjährig640 zwischen 6 und 21 Uhr machte641. Dies gilt auch für Wochenenden und Feiertage642. Auch wenn sich die Entscheidung des BVerfG explizit auf den Erlass einer Durchsuchungsanordnung bezieht, hat der Richter während der Bereitschaftszeit über sämtliche Anträge643, so auch über die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung, zu entscheiden. Das BVerfG überließ es dem pflichtgemäßen Ermessen der einzelnen Gerichtspräsidien, einen ermittlungsrichterlichen Bereitschaftsdienst auch für die Nachtzeit einzurichten644. Die Frage, ob der ggf. errichtete nächtliche Bereitschafts-

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L-R / Gleß, § 131 Rn. 10, 131c Rn. 3; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3. Vgl. Benfer / Bialon, Rn. 1094. 635 BR-Drs. 65/99, S. 39 = BT-Drs. 14/1484, S. 20. 636 Soiné, § 131 Rn. 28; ders., Kriminalistik 2001, 173 (175), ders., JR 2002, 137 (138 f.); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (135). 637 S / S/W / Satzger, § 131 Rn. 22. Die Eilkompetenz der Hilfsbeamten der Staats­anwaltschaft sollte nach dem Vorschlag des Rechtsausschusses auf diese beiden Fälle reduziert werden und dazu wegen „der außerordentlichen Breitenwirkung und Eindrucksintensität“ unter Ausschluss des Zurückgreifens auf das Fernsehen, BT-Drs. 14/2595, S. 5, 27.  638 BR-Drs. 65/99, S. 39 = BT-Drs. 14/1484, S. 20. 639 BVerfGE 103, 142 (152, 156); 105, 239 (248); 139, 245 (268). 640 In Abweichung von § 104 Abs. 3 StPO. 641 BVerfGE 151, 67 (89). 642 BVerfGE 151, 67 (96). 643 Rabe von Kühlewein, NStZ 2019, 501 (505); Fikenscher / Dingelstadt, NJW 2009, 3473 (3474). 644 BVerfGE 151, 67 (92). Ein derartiger Bereitschaftsdienst besteht z.Zt. bei dem AG Tiergarten, AG Bielefeld sowie zwei Amtsgerichten in Brandenburg, siehe BVerfGE 151, 67 (82 f.). Nach M. Klein, Kriminalistik 2019, 526 (527 f.) soll eine diesbezügliche Entscheidung für die Staatsanwaltschaft und die Polizei schwer revidierbar sein. 634

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dienst über sämtliche anfallenden Anträge645 oder nur über Wohnungsdurchsuchungs­ anordnungen646 entscheiden muss, wird nicht einheitlich beantwortet. Auch wenn sich die Entscheidung des BVerfG explizit nur auf Wohnungsdurchsuchungen bezieht, wäre jedoch für die Entscheidung der Gerichtspräsidien, ob praktischer Bedarf für die Errichtung eines nächtlichen Bereitschaftsdienstes besteht, wünschenswert, sämtliche in Betracht kommende Konstellationen, also auch Öffentlichkeitsfahndungen, zu berücksichtigen647.

Zur Überprüfung der Inanspruchnahme der Eilkompetenz sind die Behörden verpflichtet, genau aufzuführen, wann und auf welche Art und Weise sie erfolglos versucht haben, den primären Kompetenzträger zu erreichen. Es reicht dabei nicht aus, dass vermutet oder nur befürchtet wurde, der Entscheidungsträger wäre über den Eildienst nicht erreichbar oder würde nicht zeitnah entscheiden648. Darüber hinaus müssen sie in der Akte vermerken, aus welchen Gründen sie die einzelnen sachlichen und inhaltlichen Erfordernisse einer Öffentlichkeitsfahndung, darunter auch eine Prognose bzgl. der Vorgaben der Subsidiaritätsklausel, deren Annahme in Eilfällen besondere Bedeutung zukommt649, im konkreten Fall für gegeben halten650. b) Bestätigungspflicht aa) Fahndung zur Festnahme Sollten Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft von der Eilzuständigkeit bei einer Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme im absoluten Ausnahmefall651 Gebrauch gemacht haben, obliegt es ihnen, nach § 131 Abs. 3 S. 3 StPO unverzüglich eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft652 herbeizuführen653 – ein Vorgehen „nach Art einer Echternacher Springprozession“, wie es Paeffgen nicht ganz unzutreffend pointierte654. Sollte diese Bestätigung nicht binnen 24 Stunden erfolgen, tritt die polizeiliche Anordnung außer Kraft, § 131 Abs. 3 645

Fikenscher / Dingelstadt, NJW 2009, 3473 (3474). Rabe von Kühlewein, NStZ 2019, 501 (505). 647 Auch Fikenscher / Dingelstadt, NJW 2009, 3473 (3474). 648 L-R / Gleß, § 131 Rn. 10; Soiné, § 131 Rn. 7; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3. 649 Gerade bei Eilmaßnahmen, z. B. sofortiger Fahndung nach einer bewaffneten Person, die verdächtig ist, auf öffentlichen Straßen Tötungsdelikte begangen zu haben, können wegen der Eilbedürftigkeit die üblichen Ermittlungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft werden. 650 Siehe auch L-R / Gleß, § 131a Rn. 12. 651 Siehe auch L-R / Gleß, § 131 Rn. 10. 652 Nach MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 17, wohl auch L-R / Gleß, § 131 Rn. 16, kann auch der Richter wegen seiner Primärzuständigkeit eine solche Bestätigung erlassen. Dies widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des § 131 Abs. 3 S. 3 StPO, der die Rolle der Staatsanwaltschaft als Herrin des Ermittlungsverfahrens unterstreicht. 653 Keine Bestätigung ist demgegenüber für eine Eilentscheidung über eine Ausschreibung nach § 131 Abs. 1 und Abs. 2 StPO erforderlich, siehe hierzu L-R / Gleß, § 131 Rn. 12; Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538). Die Eingriffsintensität einer solchen Maßnahme ist um ein Vielfaches geringer als die einer Öffentlichkeitsfahndung. 654 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6. 646

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S. 4 StPO. Diese im Gesetzgebungsverfahren zum StVÄG 1999 zum Gesetz gewordene, durch den Rechtsausschuss vorgeschlagene Regelung sollte der Eingriffsintensität der Öffentlichkeitsfahndung Rechnung tragen655. Eine Bestätigung der Staatsanwaltschaft wird durch den ggf. im Nachhinein erlassenen Haft- bzw. Unterbringungsbefehl (§ 131 Abs. 2 StPO) nicht ersetzt656; etwas anderes würde auch einen klaren Verstoß gegen die gesetzlich festgeschriebenen Zuständigkeiten zur Folge haben. Das ist, abgesehen von den unterschiedlichen Fristenregelungen in § 131 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 4 StPO und der unterschiedlichen Zuständigkeit657 auch deshalb zutreffend, weil im Haftbefehl die Umstände für die Zulässigkeit einer Öffentlichkeitsfahndung nicht berücksichtigt werden658. Sollten die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft eine Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme lediglich beim Vorliegen der Voraussetzungen eines Haftbefehls im Eilfall angeordnet haben (§ 131 Abs. 3 S. 2 i. V. m. Abs. 2 StPO), so muss auch diese Entscheidung innerhalb von 24 Stunden von der Staatsanwaltschaft nach § 131 Abs. 3 S. 4 StPO bestätigt werden; ansonsten gilt die Wochenfrist für den Erlass eines Haftbefehls659. Falls die Staatsanwaltschaft diese Entscheidung innerhalb der 24 Stunden nicht bestätigt, tritt die polizeiliche Anordnung außer Kraft, in dieser Situation bedarf es auch keines Haftbefehls mehr660. bb) Fahndung zur Aufenthaltsermittlung, Identitäts- und Aufklärungsfahndung Nach § 131c Abs. 2 S. 1 StPO sind Eilentscheidungen der Staatsanwaltschaft und ihrer Ermittlungspersonen über die Öffentlichkeitsfahndung nach § 131a Abs. 3 StPO (Aufenthaltsermittlung) sowie § 131b StPO (Identitäts- und Aufklärungsfahndung), falls es sich dabei u. a. um eine „andauernde Veröffentlichung in elektronischen Medien“ handelt, binnen einer Woche von dem Richter zu bestätigen, ansonsten treten sie außer Kraft661. Diese Regelung beruht auf einem Vorschlag des Ver 655

BT-Drs. 14/2595, S. 5, 27; siehe auch MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 17. MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 17; a. A. KMR / Wankel, § 131 Rn. 13; in diese Richtung L-R  / ​ Gleß, § 131 Rn. 16; Hilger, NStZ 2000, 561 (562). 657 Eine Ausnahme sind Haftbefehle, die im Vollstreckungsverfahren ergehen – diese werden von der Staatsanwaltschaft oder vom Rechtspfleger erlassen, §§ 456a Abs. 2 S. 3; 457 Abs. 2 StPO, siehe KMR / Wankel, § 131 Rn. 13. 658 Vgl. Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174): § 131 Abs. 2 StPO sehe die Prüfung der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Ermittlungsmaßnahme nicht vor. 659 So auch AnwK / Walther, § 131 Rn. 14. 660 Anders wohl L-R / Gleß, § 131 Rn. 16, die die Bestätigung auch im Haftbefehl durch den Richter für zulässig hält, die 24-Stunden-Frist aus § 131 Abs. 3 S. 4 StPO übersieht und die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für diesen Fall nicht berücksichtigt. 661 Nicht aber Eilentscheidungen über die Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme, weil § 131c Abs. 2 StPO schon von seinem Wortlaut und seiner Systematik her nicht für § 131 Abs. 3 StPO gilt und § 131 StPO eine in sich geschlossene Regelung ist, siehe Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538); KMR / Wankel, § 131 Rn. 13; Soiné, § 131 Rn. 30; kritisch Ranft, StV 2002, 39 (40) Rn. 13: „Von einer Systematik kann bei dem verklausulierten und z. T. mit sachlogischen Unge 656

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mittlungsausschusses662 und wurde geltendes Recht. Leider lassen die Gesetzesmaterialien die Begründung hierzu vermissen, worauf auch Brodersen aufmerksam machte663. Unzweifelhaft handelt sich bei den „elektronischen Medien“ um das Internet664; da der Gesetzgeber von einer „Veröffentlichung“ spricht, werden behördeninterne Maßnahmen hiervon nicht erfasst665. Verwirrend und missverständlich ist jedoch die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung „andauernd“. Nach der vielzitierten Interpretation von Wankel hat der Begriff zum Inhalt, dass die Veröffentlichung im Internet nicht vorübergehend sein darf, vielmehr über eine „begrenzte und überschaubare Zeit“ hinaus abrufbar sein müsste666. Die Grenze soll dabei bei zwei Tagen ab der Veröffentlichung liegen667. Von einer andauernden Veröffentlichung in öffentlichen Medien dürfte nach dem verbreiteten Ansatz von Gleß auch dann die Rede sein, „wenn die Veröffentlichung zwar nicht ununterbrochen, aber wiederholt über einen nicht nur kurzen Zeitraum erfolgt“668. Damit soll eine „einmalige Veröffentlichung“ im Internet nicht andauernd sein669. Die angeführten Definitionsversuche leiden darunter, dass sie das Wesen des Internets nicht berücksichtigen, das seiner Natur nach „andauernd“ ist. Die dorthin einmal eingestellten Informationen können beliebig und unkontrolliert vervielfältigt werden und befinden sich damit, bildhaft gesagt, „im ewigen Kreislauf“. Anders ausgedrückt, ist für die Interpretation des Begriffes „andauernd“ maßgeblich, dass eine Information im Internet potentiell dauerhaft verbleiben kann, und nicht, wie lange sie tatsächlich im Netz verbleibt. Nicht weit entfernt von dieser Erkenntnis war ausgerechnet Wankel, der konstatierte, dass die Internetfahndung „aus der Natur der Sache heraus nicht einmalig“ sei670. Es ist daher reimtheiten behafteten Gesetzeswerk nicht gesprochen werden.“ A. A. Heghmanns / Herrmann, Rn. 638, die die Bestätigungsfrist von § 131c Abs. 2 S. 2 StPO auch für Eilentscheidungen bei einer Ausschreibung zur Festnahme nach § 131 Abs. 1 und Abs. 2 StPO annehmen. 662 BT-Drs. 14/3525, S. 2. 663 Brodersen, NJW 2000, 2536. 664 Statt aller: L-R / Gleß, § 131c Rn. 5. 665 Der Gesetzgeber verwendet den Terminus „Veröffentlichung“ in § 131c Abs. 2 S. 1 StPO auch im Zusammenhang mit Fernsehen und periodischen Druckwerken, daher ist nach dem Telos des Gesetzes sowie seiner Systematik (Vergleich mit § 131b StPO) das Zugänglichmachen an breite Öffentlichkeit gemeint. Siehe auch L-R / Gleß, § 131c Rn. 5; KK / Schultheis, § 131c Rn. 3; HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2; i. E. auch Seitz, S. 381, der zwar auch in Eintragungen im Intranet eine „Veröffentlichung“ sieht, den Begriff „elektronische Medien“ jedoch auf an die Allgemeinheit gerichtete Medien reduziert. 666 KMR / Wankel, § 131c Rn. 3; so auch AnwK / Walther, § 131c Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131c Rn. 4. 667 KMR / Wankel, § 131c Rn. 3; so auch AnwK / Walther, § 131c Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131c Rn. 4. 668 L-R / Gleß, § 131c Rn. 5; ähnlich SK / Paeffgen, § 131c Rn. 5: „ununterbrochen oder über einen längeren Zeitraum mit Unterbrechungen“, so auch S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 13; HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2; Murmann, in: Heghmanns / Scheffler, III Rn. 285. 669 HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2. 670 KMR / Wankel, § 131c Rn. 3. Siehe auch die vielleicht nicht ganz optimale Formulierung von SK / Paeffgen, § 131c Rn. 5 (auch wenn nicht in dem dargestellten Kontext) „… das Internet, das ununterbrochen … erfolgen kann.“

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eher auf die jederzeit wiederholbare Abrufbarkeit, also die Zugriffsbereitschaft abzustellen. Die dargestellten Ansätze lassen auch außer Acht, dass im Zeitalter des Web 2.0 die Fahndungsinformationen in der Regel (wenn auch nicht immer) auf mehreren Kanälen im Internet gleichzeitig publiziert werden, und zwar nicht nur von den Strafverfolgungsbehörden, sondern auch von den Massenmedien – Presse, Fernsehen und Rundfunk671. Es kann wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers gewesen sein, zunächst zwei Tage ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung verstreichen zu lassen, um das Merkmal „andauernd“ abzulehnen oder anzunehmen und erst dann um eine richterliche Bestätigung zu ersuchen. Innerhalb dieses Zeitraums kann eine „frische“ Fahndungsmeldung im Zeitalter des Web 2.0 Tausende von Internetnutzern erreichen und einen Brandmarkungseffekt bei dem Gesuchten verursachen. Keine andere Beurteilung erlaubt eine einmalige Veröffentlichung einer Fahndungsmeldung (nur) auf der polizeilichen Homepage bzw. auf presseportal.de, auf die aus unterschiedlichen Gründen in sozialen Netzwerken nicht hingewiesen wird und die für die Massenmedien wegen ihres Massencharakters (z. B. Wohnungseinbruchdiebstahl) möglicherweise uninteressant ist. Wankel begründete seinen Vorschlag zur Zwei-Tage-Grenze mit einer Parallele zu einer Fahndung in Printmedien, die sich am Tag der Veröffentlichung sowie am Folgetag besonders belastend für den Betroffenen auswirken kann672. Zwar ist die Belastungsintensität auch im Internet unmittelbar nach der Veröffentlichung größer als nach einem gewissen Zeitablauf, gleichwohl ist die Anzahl der Informationsrezipienten und damit die Schwere der Beeinträchtigung um ein Vielfaches größer als in der Presse. Im Gegensatz zu einer einmaligen Information in einem Druckwerk oder im Fernsehen im analogen Zeitalter, die sich nach der Veröffentlichung „erledigt“ hat673, ist die Fahndungsinformation im Internet auch später noch auffindbar, sei es direkt auf den sie veröffentlichenden Seiten oder über Suchmaschinen674. Hinzu kommt, dass die Information, insbesondere in sozialen Medien und im Rahmen einer Privatfahndung675, viral weiterverbreitet und beliebig multipliziert werden kann, selbst nach der Löschung der offiziellen Fahndungsmeldung676. Die Weiterverbreitung des Fahndungsaufrufs durch die Nutzer ist von den Behörden ausdrücklich erwünscht. Sie bleibt auch „lebendig“ durch die Nutzerkommentare. Eine wiederholte Veröffentlichung derselben Fahndungsmeldung auf derselben Plattform wird – zumindest innerhalb eines kurzen Zeitraums – in der Regel nicht praktiziert, es sei denn es werden neue Tatumstände bekannt, die nach Ansicht 671

Siehe hierzu im Einzelnen unter Pkt. B des 3. Teils. KMR / Wankel, § 131c Rn. 3. 673 MüKo / Gerhold, § 131c Rn. 4; HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2. Für die wiederholte Veröffentlichung in den Druckmedien wird sogar einschränkend verlangt, dass der durchschnittlich aufmerksame Empfänger die alte und die neue Fahndungsinformation als eine Einheit betrachtet, Benfer / Bialon, Rn. 1090. Es bleibt fraglich, ob diese Auslegung mit dem Telos der Vorschrift zu vereinbaren ist. 674 Siehe auch Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630). 675 Siehe hierzu im Einzelnen unter Pkt. C. I. des 3. Teils. 676 Zu der Problematik auch SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (49 f.). 672

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der Behörden auch für die breite Öffentlichkeit von Bedeutung sind. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kann in der Regel keine Prognose darüber getroffen werden, wie lange der konkrete Fahndungsaufruf im Internet verbleibt, also wie schnell mit dem Fahndungserfolg zu rechnen ist oder sich die Fahndung anderweitig erledigt677. Eine Auslegung nach den bislang angenommenen Kriterien führt schließlich zu einem Wertungswiderspruch: Sollte, wie vertreten wird678, im Falle einer „einmaligen Internetfahndung“ nach § 131c Abs. 2 S. 2 StPO („im Übrigen“) nicht der Richter nach § 131c Abs. 2 S. 1 StPO, sondern die Staatsanwaltschaft eine solche (polizeiliche) Anordnung bestätigen, würde die Bestätigung von einer Behörde stammen, die für solche Fälle keine primäre Anordnungskompetenz hat (vgl. § 131c Abs. 1 S. 1 StPO)679. Sollte die Staatsanwaltschaft selbst eine derartige Internetfahndung anordnen, bedürfte es nach der geltenden Gesetzeslage und der dargestellten herrschenden Interpretation des Begriffes „andauernd“ sogar keiner Bestätigung680. Wie diese Erkenntnisse mit dem Schutz des Persönlichkeitsrechts (zum Schutz des Betroffenen vor Brandmarkung ist die Bestätigung rechtzeitig zu beantragen681) und der durch diese Vorschrift bezweckten Gewährleistung des Richtervorbehalts682 zu vereinbaren sind, ist mehr als fraglich. Eine praxisgerechte Lösung des skizzierten Problems, die ausgerechnet von staatlicher Seite kommt, bietet Nr. 2.2 Abs. 2 S. 1 Var. 1 Anl. B RiStBV683: „Wenn bei Gefahr im Verzug die Staatsanwaltschaft tätig geworden ist, bedarf die Maßnahme dann einer nachträglichen richterlichen Bestätigung, wenn das Internet zu Fahndungszwecken genutzt worden ist … und die Maßnahme nicht binnen einer Woche erledigt ist (§ 131c Abs. 2 Satz 1 StPO).“ Diese Norm spricht von der Nutzung des Internets schlechthin, also von jeglicher Verwendung und bietet damit eine Auslegungshilfe für die „andauernde Veröffentlichung“. So ist § 131c Abs. 2 S. 1 StPO dahingehend zu verstehen, dass eine richterliche Bestätigung für sämtliche Fälle einer Internetfahndung einzuholen ist, wodurch den Persönlichkeits 677

Die Ausnahme betrifft die Befristung des Fahndungsaufrufs, siehe z. B. Polizei ­Bremen, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, der auf zwei Monate befristet war, siehe https://www. facebook.com/Polizei.Bremen/photos/a.945332568852410/2217572144961773/?type=3&theater (11.1.2019). 678 HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2; L-R / Gleß, § 131c Rn. 6; SK / Paeffgen, § 131c Rn. 5. 679 Die Folge der Regelung des § 131c Abs. 2 S. 2 StPO ist, dass die Staatsanwaltschaft für Öffentlichkeitsfahndungen, die außerhalb des Bereiches des § 131c Abs. 2 S. 1 StPO liegen, zur Bestä­tigung einer Eilentscheidung ihrer Ermittlungspersonen befugt ist, Murmann, in: ­Heghmanns  / ​Scheffler, III Rn.  285. 680 S / S/W / Satzger, § 131a Rn. 11. 681 Nach Nr. 2.2 Abs. 3 Anl. B RiStBV ist in Fällen von § 131c Abs. 2 S. 1 StPO die Staats­ anwaltschaft von ihren Ermittlungspersonen rechtzeitig einzuschalten, damit sie die richterliche Bestätigung einholen kann, siehe auch L-R / Gleß, § 131c Rn. 5. 682 HK / Ahlbrecht, § 131c Rn. 2; MüKo / Gerhold, § 131c Rn. 4. 683 Misslungen ist jedoch die Verortung dieser Normierung im Abschnitt „Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen“, was an sich schon deshalb irreführend ist, weil § 131b StPO (und der in Anl. B RiStBV nur am Rande erwähnte § 131a StPO) auch für bekannte Tatverdächtigte gilt.

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rechten der Betroffenen und dem Richtervorbehalt Rechnung getragen wird. Nichts anderes dürfte für die Anordnung der Polizei gelten, auch wenn sie in dieser Norm nicht erwähnt wurde. Gleichzeitig weist Nr. 2.2 Abs. 2 S. 1 Anl. B RiStBV darauf hin, dass die richterliche Bestätigung erforderlich ist, sollte sich die Maßnahme nicht binnen einer Woche erledigt haben. Diese Formulierung suggeriert unzutreffend, dass die richterliche Bestätigung nach Ablauf einer Woche einzuholen ist684. Dies steht wiederum im Widerspruch zu § 131c Abs. 2 S. 1 StPO, nach dem die Eilanordnung außer Kraft tritt, wenn sie nicht binnen einer Woche von dem Richter bestätigt wird. Anders ausgedrückt, sie erledigt sich, falls binnen einer Woche keine richterliche Bestätigung erfolgt. Dass es sich nur um eine missverständliche Formulierung handelt und dass Anl. B RiStBV den Anforderungen des § 131c Abs. 2 S. 1 StPO gerecht werden will, zeigt wiederum Nr. 2.2 Abs. 3 Anl. B RiStBV, die vorschreibt, bei der Eilentscheidung der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft die Staatsanwaltschaft rechtzeitig vor Ablauf der Wochenfrist einzuschalten, damit sie die richterliche Entscheidung herbeiführen kann.

Für sämtliche Fälle gilt, dass innerhalb der 24-Stunden- (§ 131 Abs. 3 S. 4 StPO) bzw. Wochenfrist (§ 131c Abs. 2 S. 1 StPO) erledigte Maßnahmen (z. B. sollte sich der im Internet gesuchte Tatverdächtige selbst stellen bzw. die Polizei sichere Informationen zu seiner Identität erhalten) keiner Bestätigung mehr bedürfen685. cc) Kritik Das gesetzliche Erfordernis einer Bestätigungspflicht wird im Hinblick darauf kritisiert, dass bereits eine polizeiliche Veröffentlichung einen tiefen, unumkehrbaren Grundrechtseingriff nach sich ziehen kann686. Dieser Einwand ist berechtigt, bedenkt man, dass die Verwendung zahlreicher Plattformen, nicht zuletzt sozialer Netzwerke zu Zwecken einer Internetfahndung zu einer rapiden und breitflächigen Informationsverbreitung, insbesondere innerhalb der ersten Stunden / Tagen nach der Veröffentlichung führt (solange die Information „heiß“ ist) und dass sich durch ein abgelehntes Bestätigungsersuchen in dieser Hinsicht nichts ändert687. Eine bereits erfolgte Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ist mit der Löschung des Aufrufs, z. B. bei einem Außer-Kraft-Treten der ­Anordnung, nicht aus der Welt. Auch wenn sich das Bestätigungserfordernis in § 131c Abs. 2 S. 1 StPO für die Praxis belastend auswirken sollte, wie von Brodersen prognostiziert688, ist dieses vom Grundsatz her zur Absicherung des Richtervorbehalts und Grundrechts 684

In diese Richtung aber BeckOK / Engelstätter, Anl. B RiStBV Rn. 15, 16, 17. Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538); KMR / Wankel, § 131 Rn. 5; L-R / Gleß, § 131 Rn. 26 zählt dazu auch eine einmalige Ausstrahlung im Fernsehen. 686 Bereits Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 278; ders., § 131 Rn. 29, 131c Rn. 3; ders., Kriminalistik 2001, 173 (175, 177), ders., JR 2002, 137 (139, 141); ders., in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 128 (135, 142); Ranft, StV 2002, 38 (41); Valerius, S. 54 f. 687 Siehe auch Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630). 688 Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538). 685

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schutzes geboten. Gleichwohl ist der Kritik zuzustimmen, dass die unterschiedliche gesetzliche Regelung bzgl. der Bestätigungsfristen für unterschiedliche Fahndungszwecke nur ein Beispiel für die schwer zu entziffernde, verklausulierte Gesetzessystematik in Bezug auf die Fahndungsregelungen darstellt689. Sollte das gesetzgeberische Ziel darin gelegen haben, eine staatsanwaltschaftliche Bestätigungspflicht aus § 131c Abs. 2 S. 2 StPO als Mindestvoraussetzung und Ausgangspunkt zu betrachten, dann ist die Umsetzung dieser Intention nicht gelungen690, zumindest aus den Vorschriften nicht (mehr) ablesbar. Dieses – zumindest vorübergehend verfolgte – gesetzgeberische Ziel ergab sich einst aus dem Vorschlag des Rechtsausschusses, für sämtliche von den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft getroffenen Eilentscheidungen über die Ausschreibung in Fahndungshilfsmitteln, also bei einer nichtöffentlichen Fahndung zu jedem Zweck (auch der Festnahme) stets eine Bestätigung der Staatsanwaltschaft einzuholen691. Eine andere Frage ist, ob von der Eilkompetenz wegen des richterlichen Bereitschaftsdienstes in der Praxis tatsächlich Gebrauch gemacht wird692. 3. Inhalt der Anordnung Die Tatsache, dass die Verwendung des Internets mit seinen unterschiedlichen Plattformen zur gängigen Fahndungspraxis wurde, blieb nicht ohne Bedeutung für den Inhalt des staatsanwaltlichen Antrags auf Anordnung der Öffentlichkeitsfahndung sowie den Inhalt dieser Anordnung selbst. Noch in der im Rahmen des DigiPol-Projektes der sächsischen Polizei erarbeiteten Handlungsrichtlinie „Öffentlichkeitsfahndung unter Berücksichtigung des Einsatzes sozialer Medien“ wurde festgehalten, dass die staatsanwaltschaftliche bzw. richterliche Anordnung in der Praxis keine konkreten Angaben zur Nutzung sozialer Netzwerke enthalte und die konkrete Plattform sowie Anwendungsmodalitäten offen gelassen würden693. Eine Neuerung und Konkretisierung brachte die Nr. 3.2 Abs. 2 VwV-L, wonach in dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf richterliche Anordnung bzw. in der staatsanwaltschaftlichen Anordnung der Internetfahndung Art, Umfang sowie Dauer694 der beabsichtigten Maßnahmen darzulegen ist. Nichts anderes soll für richterliche

689

Siehe Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 10; Soiné, § 131 Rn. 14; ders., Kriminalistik 2001, 173 (174); Heghmanns / Herrmann, Rn. 638; R. Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 6 (11). 690 R. Herrmann, in: Schriftenreihe der Polizei-Führungsakademie 1/2001, S. 6 (11). 691 BT-Drs. 14/2595, Vorschlag des § 131c Abs. 2 StPO, S. 6, 28; hierzu Brodersen, NJW 2000, 2536 (2538). 692 Zu den Vorschlägen de lege ferenda unter Punkt A.II.4. des 6. Teils. 693 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 3. 694 So befand sich in einem Fahndungsaufruf der Polizei Bremen auf Facebook folgender Vermerk: „Aus rechtlichen Gründen wird dieser Post nach Fahndungserfolg oder spätestens nach zwei Monaten wieder gelöscht.“, Fahndungsaufruf vom 11.1.2019, https://www.facebook.com/ Polizei.Bremen/photos/a.945332568852410/2217572144961773/?type=3&theater (11.1.2019).

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Beschlüsse gelten695. So sind in dem Antrag bzw. in der Anordnung die Ausformung des Mediums Internet (z. B. ob mit oder ohne Einsatz sozialer Netzwerke), die Anzahl der Veröffentlichungen sowie die Dauer696 der Abrufbarkeit der Fahndungsmeldung im Netz genau zu benennen697. Die Vorgabe, Ermittlungsmaßnahmen zeitliche Schranken aufzuerlegen, ist aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuleiten698. Optimal wäre es, in Bezug auf die Art der Fahndung die konkreten Plattformen einzeln zu benennen699, sowohl im Web 1.0 (z. B. Homepage, presseportal.de, ggf. Polizei-App, Internetvitrinen einzelner Massenmedien) als auch in sozialen Netzwerken (in der Praxis 2019: Facebook und / oder Twitter700). So wäre es eindeutig, auf welche Medien sich die Fahndung beziehen soll – man könnte auch im Einzelfall konkrete Aufrufe an die konkreten Plattformen anpassen und die Eingriffsintensität von vornherein beschränken bzw. bei Verwendung sozialer Netzwerke zielgerichtet das Ausmaß des Eingriffs bestimmen. Zu der „Art der Maßnahmen“ wird auch die Inhaltsgestaltung des konkreten Fahndungsaufrufs gezählt701. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Fahndungsaufrufs ist aus Praktikabilitätsgründen der Zeitpunkt der Fahndungsanordnung maßgeblich702. Dabei hat die Staatsanwaltschaft die Deutungshoheit bzgl. der rechtlichen Beurteilung des ihr vorliegenden Sachverhalts und der Frage, ob sich daraus Anhaltspunkte für einen entsprechenden Verdachtsgrad ergeben703.

695

DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 5. Z. B. spätestens zwei Monate ab Vollzug. 697 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 5. 698 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 13; siehe auch Kropp, ZRP 2001, 404 (405). 699 Siehe DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 5; Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20 (22). 700 Bei schlechter Qualität von Abbildungen wäre es auch möglich, die Anwendung sozialer Netzwerke von vornherein auszuschließen. 701 Esposito, Der Kriminalist 10/2017, 20 (22). 702 KMR / Wankel, § 131 Rn. 1; L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 22; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 3a; AnwK / Walther, Vor § 131 Rn. 3; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 2; Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11458 vom 2.1.2018, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 27.12.2017 und Antwort des Senats, Betr.: G20: Öffentlichkeitsfahndung der SoKo „Schwarzer Block“ – Läuft alles rechtmäßig?, unter Pkt. 2 (zum Zeitpunkt der Anordnung hatten die Behörden keine Kenntnis von dem Umstand, dass der Beschuldigte Betreiber eines Videoblogs im Internet war). 703 Liesching, beck-community vom 6.12.2017. 696

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4. Umsetzung a) Aufnahme der Internetfahndung Es ist länderspezifisch geregelt, welche Stelle bei der Umsetzung der Anordnung tätig wird, also die Fahndungsmaßnahmen betreibt. Teilweise liegt dies in der Hand der örtlich zuständigen Polizeibehörden704, in anderen Fällen zentral bei dem Landeskriminalamt705. Im Bundeskriminalamt erfolgt die Einstellung von Fahndungsaufrufen, auch in soziale Netzwerke, durch die für Öffentlichkeitsfahndungen zuständige Organisationseinheit706. In der Regel liegt in den Bundesländern die Zuständigkeit für das Einstellen der Fahndungsinformationen auf die Homepage bzw. auf presseportal.de sowie in soziale Netzwerke nicht in einer Hand707. Die konkrete Marschroute bei bestehendem Bedarf für die Internetfahndung wird behördenintern bestimmt. In Sachsen etwa wird das Verfahren von der sachbearbeitenden Polizeidienststelle selbst betrieben, diese führt auch die Anordnung für die Internetfahndung herbei. Der Beschluss wird anschließend mit konkreten Inhaltsangaben an das LKA Sachsen weitergeleitet, das den Fahndungsaufruf im Internet veröffentlicht. Im nächsten Schritt wird das Social Media Team am Landespolizeipräsidium vom LKA über die Veröffentlichung benachrichtigt und erhält den Inhalt des Aufrufs sowie den Link für die Veröffentlichung in sozialen Netzwerken708. Jedes Bundesland hat seine eigenen Erfahrungen und sein eigenes Modell entwickelt, so dass vorliegend nicht pauschal beurteilt werden kann, ob das dargestellte Modell – alles in einer Hand – das geeignetste ist. Sein Vorteil liegt allerdings darin, dass zumindest bei der Veröffentlichung von Fahndungsaufrufen auf der polizeilichen Homepage die Einheitlichkeit gewährleistet wird. Es wird unter den Behörden teilweise praktiziert, ausgewählte Fahndungsaufrufe aus anderen Bundesländern auf eigenen Homepages zu veröffentlichen bzw. sie in sozialen Netzwerken zu teilen. Auch das Bundeskriminalamt veröffentlicht ausgewählte Fahndungsaufrufe der Bundesländer auf seiner Homepage, bearbeitet das Layout jedoch selbst.

704

Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1053). So etwa in Sachsen, siehe DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 7. 706 BKA, Social Media Nutzung, S. 13. 707 Siehe hierzu unter Pkt. A. I. 1. a), A. I. 2., A. II. 3. a) des 3.  Teils. 708 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 7. Zu dem Vorgehen in Bremen siehe Dienstanweisung über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Bremen (Entwurf, Stand vom 18.9.2012), http://www.docplayer.org/15745067-Dienstanweisung-ueber-die-presse-undoeffentlichkeitsarbeit-der-polizei-bremen.html (26.4.2020). 705

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b) Beendigung Auch wenn §§ 131 ff. StPO709 keine Normierung zu den Folgen der außer Kraft getretenen710 oder sonst erledigten Fahndungsmaßnahmen enthalten, ist es anerkannt, dass derartige Beendigungsmaßnahmen getroffen werden müssen711. Gemäß Nr. 39 Abs. 2 RiStBV veranlasst der Staatsanwalt, soweit erforderlich, nach Wegfall des Fahndungsgrundes unverzüglich die Rücknahme aller Fahndungsmaßnahmen. Bei Bedarf sollen bereits im Vorfeld Vorbereitungen zu diesen Handlungen (etwa Anweisungen, Benachrichtigungen) getroffen und entsprechende Vorkehrungen vorgenommen werden712. Nach Nr. 3.2 Abs. 5 S. 1 VwV-L bzw. Nr. 3.2 Abs. 2 S. 1 Anl. B RiStBV ist die Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken, sobald das Fahndungsziel erreicht ist oder die Ausschreibungsvoraussetzungen aus sonstigen Gründen nicht mehr vorliegen, unverzüglich zu beenden. Zu den zahlreichen Konstellationen, in denen die Anordnungen aufzuheben sowie Fahndungsmaßnahmen zu beenden sind, gehört ihr Außer-Kraft-Treten wegen (auch geringfügiger) Überschreitung der in §§ 131 Abs. 2 S. 2713; 131 Abs. 3 S. 4; 131c Abs. 2 S. 1 und 2 StPO genannten 24-Stunden- bzw. Wochenfrist oder Ablehnung der Bestätigung, der Ablauf der in der Anordnung genannten Frist sowie die Fahndungserledigung wegen Zielerreichung (also Ermittlung des Aufenthaltes, der Identität der gesuchten Person oder Tataufklärung)714, schließlich das Vorliegen von Umständen, die die Öffentlichkeitsfahndung nachträglich als sachwidrig oder unverhältnismäßig erscheinen lassen (etwa bei einer festgestellten Personenverwechslung oder dem Auftreten eines glaubwürdigen Alibi-Zeugen)715. Die Rücknahme sämtlicher Fahndungsmaßnahmen muss unverzüglich auf allen verwendeten Internetplattformen erfolgen716. In concreto bedeutet das eine Löschung des Fahndungsaufrufs von der Homepage bzw. von presseportal.de, genauer genommen von den Servern, bzw. ihre entsprechende Anpassung sowie Entfernung personenbezogener Informationen, insbesondere Personalien und Abbildungen 709

Siehe aber § 34 Abs. 3 StVollstrO: „Ist die verurteilte Person in den kriminalpolizeilichen Fahndungshilfsmitteln ausgeschrieben und fällt der Fahndungsgrund weg, so veranlasst die Vollstreckungsbehörde unverzüglich die Löschung; ein Ausschreibungsersuchen, dem noch nicht entsprochen worden ist, nimmt sie zurück.“ 710 Siehe hierzu unter Pkt. A. III. 2. b) aa) und bb) dieses Teils. 711 Statt aller: Hilger, NStZ 2000, 561 (563). 712 Hilger, NStZ 2000, 561 (563). 713 In diesem Falle hat der Gesetzgeber bewusst auf eine Bestimmung des Außer-KraftTretens der Ausschreibung zur Festnahme / Öffentlichkeitsfahndung bei dem Vorliegen der Voraussetzungen eines Haftbefehls nach Verstreichenlassen der Wochenfrist für den Erlass eines Haftbefehls verzichtet, schreibt aber ausdrücklich in der Gesetzesbegründung vor, dass die Maßnahme in einem solchen Fall unverzüglich zu beenden ist, BR-Drs. 65/99, S. 39 f. = BT-Drs. 14/1484, S. 20; kritisch Ranft, StV 2002, 39 (41); früher noch SK / Paeffgen (Loseblattausgabe, EL 2003), § 131 Rn. 5 zitiert nach SK / Paeffgen, § 131 Rn. 5. 714 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 14; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 2. 715 SK / Paeffgen, § 131Rn. 3a; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 2; Soiné, § 131 Rn. 8. 716 Vgl. L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 14, 131 Rn. 25; 131c Rn. 5; Hilger, NStZ 2000, 561 (563).

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(dies betrifft auch die für Presseorgane zugänglichen Dateien)717. Bezogen auf die Informationen in sozialen Netzwerken werden Fahndungsposts überwiegend nicht gelöscht (anders die Praxis des BKA718 und des LKA Niedersachsen719). Der im Post enthaltene Link führt dann ins Leere oder zu einer Information über die Fahndungserledigung. In Hamburg erfolgt bei jeder Identifizierung und Löschung des Fahndungsaufrufs eine entsprechende Pressemeldung720, sie ist auch bei anderen Behörden anzutreffen721. In der Praxis, etwa in Sachsen, wird bei Fahndungserledigung das LKA von der sachbearbeitenden Dienststelle über diese Tatsache informiert, damit von dort die Fahndungsmeldung im Internet gelöscht wird. Auch das Social Media Team wird von der Löschung des Fahndungsaufrufs in Kenntnis gesetzt, damit es eine entsprechende Abschlussmeldung vorbereiten kann722. In Sachsen wird aus ermittlungstaktischen Gründen im Internet über die Einzelheiten des Fahndungserfolges nicht informiert, auch nicht darüber, ob der entscheidende Hinweis (ausschließlich) von der Facebook-Community stammte723. In anderen Bundesländern wird allerdings öffentlich mitgeteilt, dass der Zeugenaufruf in der Presse bzw. auf Facebook für den Fahndungserfolg hilfreich war724. Auch bei Einschaltung weiterer Publikationsorgane ist auf die Beendigung hinzuweisen. So schreibt Nr. 2.1 Abs. 3 Anl. B RiStBV in Bezug auf die Öffentlich 717

Siehe KMR / Wankel, § 131c Rn. 5; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 17. Bundeskriminalamt, Fragen & Antworten, Öffentlichkeitsfahndung, https://www.bka.de/ DE/Service/FAQs/Oeffentlichkeitsfahndung/oeffentlichkeitsfahndung_node.html (26.4.2020). 719 Siehe etwa Mitteilung vom 10.12.2018, https://web.facebook.com/Landeskriminalamt​ Niedersachsen/posts/2231449236874366?__xts__[0]=68.ARCLJ7s6_936uSV-T5tp7UFJZZm CdMK8XzwGfeVD2pu00pTyAHMFMfgtg4YemkoOK4mwb46_owSppnDA0xTfL5OVMeFr​ HLpgsAfce7qyD_ATTGjJzI8P0Ts4bhAw8C8raPh0SQC2OLykP557Z0INXpT_miIJmdHsR5 k15pgYoo76MFQx3SLN0ByFUbMiISUxRyjMLdxuViu9jPhvkT5V3hPlciyKiwj7qIAkug3yC uZstNTNYnYAQOC9igSuLDb0Q5PwF6WuP-hz7D06wydZ5LjJunEirl_TRe_Pl5ewmI7DC KW2JSSVlxd8RD9T50yDC6sQJ1BqRBQ-NI_XxSg&__tn__=-R (20.10.2019). 720 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/121179 vom 1.6.2018, Schrift­ liche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 24.5.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit G20, unter Pkt. 7 (2.2.2019). 721 Z. B. Polizei Berlin, Meldung vom 27.8.2015, http://www.berlin.de/polizei/polizei​meldun​ gen/​pressemitteilung.357288.php (26.4.2020); Polizei Bayern / Polizeipräsidium München, Meldung vom 1.10.2019, https://polizei.bayern.de/muenchen/news/presse/aktuell/index.html/​ 303639 (26.4.2020); Polizeipräsidium Recklinghausen, Meldung vom 13.3.2020, https://www. presseportal.de/blaulicht/pm/42900/4546557 (26.4.2020). 722 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8. 723 DigiPol, Öffentlichkeitsfahndung, S. 8. 724 Z. B. LKA Niedersachsen, Meldung vom 21.3.2014, https://www.facebook.com/Landes​ kriminal​amt​Niedersachsen/photos/a.422664367752871.101059.360574570628518/734880263 197945/?type=3&theater (12.1.2018); Polizei Hamburg, Meldung vom 21.8.2017, https://www. facebook.com/polizeihamburg/posts/1875347659392286 (26.4.2020); Polizei Niederbayern, Meldung vom 16.10.2016, https://www.facebook.com/polizeiNiederbayern/photos/a.16293245​ 50692668.1073741828.1614500538841736/1660088964282893/?type=3&theater (26.4.2020). 718

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keitsfahndung zur Festnahme nach bekannten Tatverdächtigen, bei der die polizeiliche Eilanordnung nicht binnen 24 Stunden von der Staatsanwaltschaft bestätigt wurde (§ 131 Abs. 3 S. 2–4 StPO), vor, dass die Beendigung der Fahndung und ihr Grund den eingeschalteten Publikationsorganen mitzuteilen ist und sie darauf hinzuweisen sind, dass sie sich bei einer Fortsetzung ihrer Maßnahmen nicht mehr auf das Fahndungsersuchen der Strafverfolgungsbehörden berufen können; eine erfolgte Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken ist zu beenden. Das Gleiche gilt nach Nr. 2.1 Abs. 4 S. 1, 2 Anl. B RiStBV für den Fall einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung nach § 131 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 StPO, wenn der Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls vom Richter abgelehnt wurde (und der Richter auch keine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung/Aufklärung einer Straftat angeordnet hat). Es wurde jedoch unterlassen, diese Mitteilungspflicht auf die Beendigung einer regulär angeordneten Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme (§ 131 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 StPO) auszudehnen bzw. auf diese Normierung auch in anderen Abschnitten der Anl. B RiStBV (Fahndung nach unbekannten Tatverdächtigen, Zeugen, flüchtigen Verurteilten) zu verweisen, was wohl als ein Redaktionsversehen zu werten ist. So sind auch in sonstigen Fällen Publikationsorgane über die Fahndungsbeendigung zu benachrichtigen. Die Meldung über die Beendigung der Internetfahndung ist als actus contrarius auf sämtlichen verwendeten Internetkanälen zu veröffentlichen; dabei ist darauf hinzuweisen, dass das Fahndungsmaterial von Privaten, die es auf anderen Servern abgespeichert haben, gelöscht werden muss und nicht verwendet werden darf725. Es wurde sogar dafür plädiert, die Verpflichtung für Massenmedien und sonstige Private, Fahndungsinformationen zu löschen, gesetzlich zu fixieren726. Es wäre jedoch wünschenswert, sich bei den Meldungen über die Beendigung der Fahndung in den sozialen Netzwerken nicht nur für die Unterstützung zu bedanken727, sondern darüber hinaus in kurzen Worten auch in den Posts in sozialen Netz­werken

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Gerhold, ZIS 2015, 156 (173); Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056). Siehe Polizeipräsidium Hamm, Meldung vom 24.1.2014, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/65844/2647819 (4.11.2019): „Die Fahndung wird hiermit zurückgenommen. Alle Medien, die die Fahndung vom 21.01.2014 elektronisch veröffentlicht haben, werden gebeten, das entsprechende Bild zu löschen.“ Schiffbauer, ebenda, merkte zutreffend an, dass diese Meldung nicht bei dem ursprünglichen Fahndungsaufruf veröffentlicht wurde. 726 Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 25. 727 Z. B. LKA Niedersachsen, Meldung vom 10.1.2019, https://web.facebook.com/Landes​ kriminalamtNiedersachsen/posts/2278403568845599?__xts__[0]=68.ARBoNrRiF0Us3gese XgBNJpjL6LaqjjBXxpVST34Wg3ZdZnUA225K0KQi2SDp7UY9kmSitebbIbyXkTDE4V9RD8H0cPhJaD6IOZhsua_BFHOkuhRjdBIhue1RSluWKgBmPyZ70WEgcDy3YuzKMXKH Ooo_Txcpa-O4IeJ9uzU9-fcD4WcQ28LqWAW-1Pe1Lnyemm2r0PV9-_AkPEbSgyqZXw6Itcx zq04b3Y7LfxijzyB9bmdrMI_lnTRZgA0zBF_jdI-AXn8a7KRsP9u7YbugrOKHMcumXoilw iONqP8ytBNebZSzqHbPMPTBF6tCTzSE17psvJe8IjvEdM3enFPw&__tn__=-R (15.9.2019); Polizei Sachsen, Meldung vom 24.4.2017, https://www.facebook.com/polizeisachsen.info/ photos/a.285563511646485.1073741828.270456363157200/649755748560591/?type=3&thea ter (26.4.2020).

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

auf die Löschungspflicht hinzuweisen728. So hat das LKA Niedersachsen in einem älteren Erledigungspost auf Facebook darum gebeten, „das Fahndungsbild, den Namen des Beschuldigten und seine Beschreibung aus dem Internet zu entfernen, da die Fahndungsmaßnahme beendet ist und die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten zu schützen sind“729. Derartige Nachrichten erreichen jedoch nicht sämtliche Internetnutzer, die in sozialen Netzwerken Zugang zu den Fahndungsinformationen hatten. Dies betrifft zwar die Abonnenten des Auftritts in sozialen Netzwerken bzw. über presseportal.de, nicht aber Personen, die den Post geteilt haben. Gleichwohl wird bei jedem Post eine Liste mit Namen von Personen gezeigt, die den Post direkt über die Fanpage auf Facebook geteilt haben, sodass den Behörden zumindest Informationen zu den „Erstteilern“ zur Verfügung stehen. Somit wäre es zumindest technisch möglich, an diesen Personenkreis eine standardisierte Nachricht zur Löschungspflicht zu übermitteln. Ein genauer Hinweis auf die Beendigung der Fahndung sowie die Aufforderung zur Löschung ist auch aus einem anderen Grund bedeutsam: Bei seinem Unterlassen könnten etwaige rechtswidrige Weiterveröffentlichungen u. U. den Behörden zugerechnet werden, was zur Entstehung eines aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Anspruchs der Betroffenen auf Beseitigung rechtswidriger Folgen der legalen Ausgangshandlung führen könnte730. Zugerechnet werden könnten den Behörden jedoch allenfalls weitere Veröffentlichungen von Presseorganen, die zunächst durch § 24 KUG gedeckt waren, nicht aber die – stets rechtswidrigen – Publikationen von Privatfahndern731. Gleichzeitig wurde hervorgehoben, dass eine Weiterveröffentlichung von Fahndungsinformationen von Privaten „keine Gefahr im Sinne der polizeilichen Aufgabenstellung“ darstelle, so dass der Polizei eine Rechtsgrundlage zum eigenständigen Einschreiten fehle732. Zu den polizeirechtlichen Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit zählen auch Rechtsgüter des Einzelnen wie das allgemeine Persönlich 728

Z. B. BKA, Meldung vom 9.10.2017, https://www.facebook.com/bundeskriminalamt.bka/ photos/a.705185479523634/1662803963761776/?type=3&theater (26.4.2020). 729 LKA Niedersachsen, Meldung vom 2.11.2014, https://de-de.facebook.com/Landes​k rimi​ nalamtNiedersachsen/photos/-zeven-rotenburgw%C3%BCmme-%C3%B6ffent ​l ich ​keits​ fahndung-nach-entwichenem-21-j%C3%A4hrigen-beend/851252271560743/ (16.9.2019); die gleiche Formulierung in einer Erledigungsmeldung der Polizeiinspektion Nienburg / Schaumburg vom 21.10.2014, https://www.presseportal.de/blaulicht/pm/57922/2859983 (26.4.2020). 730 Im Einzelnen Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1055 f.); siehe auch L-R / Gleß, § 131 Rn. 6. 731 Vgl. BKA, Social Media Nutzung, S. 25 (Anlage – Rechtliche Rahmenbedingungen Social Media, Pkt. 14): „Sollte die Fahndung von der Homepage kopiert und durch Dritte an anderer Stelle verbreitet werden, stellt dies das übliche Risiko einer Öffentlichkeitsfahndung dar (auch die Fahndung in einer Zeitung könnte im Internet veröffentlicht werden), worauf das BKA weder Einfluss hat noch verantwortlich ist.“ 732 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schrift­ liche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Pkt. 1e, 2e, 3e.

A. Repressiver Bereich

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keitsrecht, konkretisiert durch das Recht am eigenen Bild733. Gleichwohl obliegt der Polizei der Schutz privater Rechte nur in einem beschränkten Umfang, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde734. So ist die Polizei bei Kenntnis von einem Verstoß nicht zum Einschreiten verpflichtet735; es besteht auch keine Pflicht, gezielt nach illegalen Fahndungsaufrufen zu suchen. Beim Vorliegen eines Strafantrages wegen Verdachts eines Verstoßes gegen §§ 33 i. V. m. 22, 23 KUG wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet736; zu der Hamburger G20-Fahndung wurde jedoch bis Juli 2019 kein Strafantrag verzeichnet737. Ein Folgenbeseitigungsanspruch des Betroffenen dürfte auch dann gegeben sein, wenn die Behörden es unterlassen, die erledigten Fahndungsaufrufe von ihren Servern zu nehmen. Deshalb wäre zu überlegen, in internen Vorschriften eine Pflicht vorzuschreiben, die vorgenommene Löschung und einen entsprechenden Hinweis an die Bevölkerung aktenkundig zu machen. Ob dieser Pflicht von den Behörden tatsächlich nachgegangen wurde, könnte die Staatsanwaltschaft als Aufsichts­behörde überprüfen, ähnlich wie sie nach § 100b Abs. 6 StPO a. F. die Vernichtung von Daten aus der TKÜ überwacht hat; denkbar wäre auch, diese Aufgabe behördenintern zu regeln. Nr. 3.2 Abs. 5 S. 2 VwV-L sowie Nr. 3.2 Abs. 2 S. 2 Anl. B RiStBV sehen vor, dass Internetfahndungen von der Staatsanwaltschaft738 regelmäßig, spätestens in halbjährlichen Abständen, hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Ausschreibungsvoraussetzungen, insbesondere der weiteren Erfolgsaussichten dieser Fahndungsmethode, zu prüfen sind. Diese Überprüfungspflicht sowie Festlegung bestimmter Messgrößen folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit739. Es wurde kritisiert, die sechsmonatigen Abstände seien unverhältnismäßig, weil zu lang und würden die Interessen der Betroffenen beeinträchtigen740. Dem ist entgegenzuhalten, dass es den Behörden unbenommen bleibt, die Prüfung in kürzeren Zeitabständen vorzunehmen. So überprüft etwa die Online-Redaktion der Polizei Berlin die Fälle alle drei Monate auf ihre Aktualität741. 733

VGH Mannheim, NwVZ-RR 2008, 700 (701); siehe auch Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056). Vgl. z. B. § 2 Abs. 2 PolG BW; § 1 Abs. 2 BbgPolG. Dazu VGH Mannheim, NwVZ-RR 2008, 700 (701); Urteil vom 22.5.1995 – 1 S 3184/94, juris. 735 A. A. wohl Schiffbauer, NJW 2014, 1052 (1056); Geiring, S. 181. 736 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/11666 vom 23.1.2018, Schrift­ liche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 17.1.2018 und Antwort des Senats, Betr.: Umgang der Polizei mit im Internet befindlichen Bildern der Öffentlichkeitsfahndung, unter Pkt. 1f, 2f, 3 f. 737 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/17747 vom 12.7.2019, Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 4.7.2019 und Antwort des Senats, Betr.: Weitere Öffentlichkeitsfahndung im Zusammenhang mit G20, unter Pkt. 10. 738 Bei Strafvollstreckungssachen von der Vollstreckungsbehörde, Nr. 2.4 Anl. B RiStBV. 739 L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 13; vgl. Kropp, ZRP 2001, 404 (405 f.). 740 Landesbeauftragter für den Datenschutz Sachsen-Anhalt, VII. Tätigkeitsbericht, S. 89. 741 Gespräch mit dem Social Media Team der Polizei Berlin am 24.1.2017. 734

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

IV. Rechtsschutz Richterliche Anordnungen einer Internetfahndung, die sich noch nicht erledigt haben, können Betroffene, darunter Zeugen742, mit einer Beschwerde nach § 304 StPO anfechten743. Eine gerichtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Eingriffs ist auch bei bereits erledigten Maßnahmen zu ermöglichen – dies soll nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vor allem für erhebliche Grundrechtseingriffe gelten, wenn der Betroffene zur Zeit des hoheitlichen Eingriffs keinen effektiven Rechtsschutz erlangen konnte, auch wenn sich die direkte Beeinträchtigung nur auf diese Zeitspanne beschränkte744, was auch generell bei der Internetfahndung anzunehmen ist745. Gegen laufende sowie erledigte746 Anordnungen der Staatsanwaltschaft sowie ihrer Ermittlungspersonen im Ermittlungsverfahren ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 S. 2 StPO zu stellen747. Bei der Anordnung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde ist hingegen der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG statthaft748. Denkbar sind weiter Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüche der Betroffenen aus §§ 839, 847 BGB i. V. m. Art. 34 GG, insbesondere bei fehlerhaften Fahndungen749.

B. Präventiver Bereich Im präventiven Bereich wird die öffentliche Fahndung eingesetzt, um Identität bzw. Aufenthaltsort von (meist hilflosen oder vermissten) Personen zu klären oder vor Personen zu warnen750. Diese Fahndungszwecke gelten für alle Bundesländer, unabhängig davon, ob sie spezielle Regelungen für Öffentlichkeitsfahndung (technikoffen751) getroffen haben. Die geltenden rechtlichen Voraussetzungen, die im Folgenden dargestellt werden, ähneln zum Teil denen der repressiven Internetfahndung.

742

Siehe SächsVerfGH, NJW 2016, 48 (geplant war u. a. eine Internetfahndung). SK / Paeffgen, § 131 Rn. 16. 744 BVerfGE 96, 27 (40); 117, 244 (268). 745 SK / Paeffgen, § 131 Rn. 16; ähnlich (Medienfahndung) L-R / Gleß, § 131 Rn. 30. 746 Vgl. OLG Brandenburg, NStZ 2007, 54. 747 Siehe OLG Celle, NStZ 2010, 534; OLG Brandenburg, NStZ 2007, 54 (zu § 131a Abs. 1 StPO); L-R / Gleß, § 131 Rn. 30; KMR / Wankel, § 131 Rn. 9; Meyer-Goßner / Schmitt, § 131 Rn. 7; a. A. (§§ 23 ff. EGGVG) SK / Paeffgen, § 131 Rn. 14. 748 OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3.9.2018 – 2 VAs 36/18, juris. 749 OLG Hamm, NStZ 1993, 139; L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 27; Soiné, Vorbem. §§ 131–131c Rn. 4; ders., Öffentlichkeitsfahndung, S. 187 f. (bei fehlendem Einsatz sämtlicher weniger eingriffsintensiver Fahndungsmaßnahmen u. U. auch Schmerzensgeld wegen Rufschädigungen, S. 189). Dazu auch Wollweber, K&R 1998, 144 (147). 750 Zu verschiedenen Konstellationen dieser Fallgruppen siehe unter Pkt. B. I. des 2. Teils. 751 Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35. 743

B. Präventiver Bereich

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I. „Ob“-Voraussetzungen 1. Spezielle gesetzliche Regelung zur Öffentlichkeitsfahndung Aktuell enthalten Normierungen von sechs Bundesländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz)752 Spezialregelungen zur präventiven Öffentlichkeitsfahndung, die an zahlreichen Stellen inhalts-, ja wortgleich formuliert sind. a) Bestehende Gefahrenlage aa) Gefahr für eine Person Die erste Fallgruppe der Öffentlichkeitsfahndung (Ermittlung der Identität oder des Aufenthaltes) betrifft das Vorliegen einer Gefahr für eine Person, konkret für ihre Rechtsgüter. Die häufigsten Anwendungsfälle betreffen die Fahndung nach Vermissten und hilflosen Personen. Es muss sich dabei um eine tatsächlich bestehende konkrete Gefahr handeln753, eine Vermutung im Sinne einer Gefahr­ erforschung reicht nicht aus754. Unter einer konkreten Gefahr ist eine Situation zu verstehen, in der der Eintritt eines Schadens für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entweder bereits begonnen hat oder in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bevorsteht755. Für die Beurteilung bedarf es dabei einer Abwägung sämtlicher Umstände im Einzelfall756. § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BbgPolG verlangt in diesem Kontext das Vorliegen einer dringenden Gefahr (einer qualifizierten Gefahrform), für die strengere Anforderungen als an die konkrete Gefahr gelten. So sind bei dieser nach den Maßgaben des BVerfG das Ausmaß des zu erwartenden Schadens sowie seine Wahrscheinlichkeit maßgeblich757. Dabei ist weniger auf die zeitliche Nähe als auf die Hochrangigkeit der geschützten Rechtsgüter abzustellen758. 752

§ 44 Abs. 2 BbgPolG; § 36g Abs. 2 BremPolG; § 47 Abs. 2 HmbPolDVG; § 41 Abs. 2 SOG M-V; § 44 Abs. 2 NPOG; § 34 Abs. 7 POG R-P. Zu der geschichtlichen Entwicklung siehe unter Pkt. A. II., B. I. 2., C. I. und D. II. 2. des 1. Teils. 753 OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (883); De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG, S. 14; Roos / L enz, § 34 POG Rn. 25 („mindestens eine konkrete Gefahr“); Söllner, Die Polizei 2009, 263 Fn. 4. 754 Rühle, Rn. 149; Roos / L enz, § 34 POG Rn. 26. Siehe auch OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (882). 755 Siehe VwV OBG zu § 13 OBG (Brandenburg), Nr. 13.2.1; PdK Brandenburg OBG / Benedens, § 1 BbgPolG Pkt. 1.1. 756 Müller-Eiselt, DVBl. 2014, 1168 (1171). 757 BVerfGE 113, 1 (32); 141, 220 (296). 758 Jarass / Pieroth, Art. 13 Rn. 37; BeckOK GG / Kluckert, Art. 13 Rn. 28; BeckOK PolR Bayern / Schwabenbauer, Art. 23 BayPAG Rn. 94; siehe auch PdK Brandenburg OBG / Benedens, § 23 BbgPolG Pkt. 23.3.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Die Normierungen sämtlicher Bundesländer, die eine Sonderregelung für die Öffentlichkeitsfahndung vorgesehen haben, enthalten einen abschließenden Katalog von geschützten Rechtsgütern. In allen sechs Bundesländern muss es sich um die Gefahr für Leib und Leben handeln759, eine Lebenssituation also, bei der eine nicht nur leichte Körperverletzung oder der Tod einzutreten droht760. In Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz wird von dem Katalog der geschützten Rechtsgüter darüber hinaus die Freiheit einer Person umfasst. bb) Von einer Person ausgehende Gefahr (1) Annahme der bevorstehenden Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung Die Normierungen von vier der sechs Bundesländer, die die präventive Öffentlichkeitsfahndung explizit geregelt haben, sehen sie auch als zulässig an, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die gesuchte Person eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird761. Es handelt sich damit um eine Gefahrenlage anderer Art762. Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen haben in ihre polizeirechtlichen Vorschriften eine eigene Definition der Straftat von erheb­ licher Bedeutung aufgenommen763, die vom Regelungsgehalt her teilweise stark voneinander abweichen. Umfasst sind in allen hier genannten Bundesländern Verbrechen (teilweise mit wenigen Ausnahmen innerhalb des Verbrechenskatalogs), bzgl. anderer Delikte divergieren die Regelungen jedoch stark, auch hinsichtlich der des Nebenstrafrechts. Bereits durch die Aufnahme eines abschließenden Deliktskataloges unterscheidet sich die Begriffsbestimmung stark von dem strafprozessualen Inhaltsgehalt764 und ist schon deshalb enger als im repressiven Bereich, weil es zur Berücksichtigung sämtlicher Aspekte des Einzelfalles gar nicht kommt. Der repressiven Begriffsbestimmung am nächsten scheint noch die Regelung des § 2 Nr. 14c NPOG zu kommen, wonach zu Straftaten von erheblicher Bedeutung banden- oder gewerbsmäßig begangene Vergehen zählen, wenn die Tat im 759 § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BbgPolG; § 36g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BremPolG; § 47 Abs. 2 S. 1 HmbPolDVG; § 41 Abs. 2 Nr. 1 SOG M-V; § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NPOG; § 34 Abs. 7 S. 1 POG R-P. 760 § 2 Nr. 3d BremPolG; § 2 Nr. 5 NPOG. 761 § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BbgPolG; § 36g Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BremPolG; § 41 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SOG M-V; § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 NPOG. 762 Benfer / Bialon, Rn. 68. 763 § 10 Abs. 3 S. 1 BbgPolG; § 2 Nr. 5 BremPolG; § 49 SOG M-V; § 2 Nr. 14 NPOG. Eine Legaldefinition ist darüber hinaus in § 22 Abs. 5 PolG BW; § 17 Abs. 3 ASOG Bln; § 2 Abs. 2 HmbPolDVG; § 13 Abs. 3 S. 1 HSOG; § 8 Abs. 3 PolG NRW; § 28 Abs. 3 POG R-P; § 4 Nr. 4 SächsPVDG; § 3 Nr. 4 SOG LSA zu finden. 764 Siehe im Einzelnen unter Pkt. A. I. 1. a) dieses Teils.

B. Präventiver Bereich

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Einzelfall nach Art und Schwere geeignet ist, den Rechtsfrieden besonders zu stören. Andererseits werden manche Delikte gar nicht von der Norm erfasst, wodurch die Landesgesetzgeber signalisieren, dass sie aus dem präventiven Gesichtspunkt, also einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit (und Ordnung) nicht bedeutsam sind. Dennoch haben Benfer / Bialon765 einen Versuch unternommen, eine allgemeingültige Definition für den präventiven Bereich zu erstellen und stellten dabei auf eine von den Straftaten ausgehende Gefahr für die Allgemeinheit, die Geeignetheit, die Rechtssicherheit in der Bevölkerung zu stören sowie eine „besonders niedrige Gesinnung“ ab. Dabei rechneten sie dem Begriff (wie auch einige Landesgesetzgeber766) auch Delikte aus dem Bereich Organisierter Kriminalität hinzu767. Um der Eingriffsintensität der Maßnahme Rechnung zu tragen, muss die Annahme einer bevorstehenden Begehung einer Straftat von erheblicher Bedeutung mit Tatsachen untermauert werden. Bloße Vermutungen oder Erfahrungssätze reichen dafür nicht aus768. So muss eine Prognose bzgl. einer hinreichenden zeitnahen Eintrittswahrscheinlichkeit von konkretisierten Delikten gestellt werden und die Annahmen und Schlussfolgerungen auf konkreten tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen769. Gerade an diesen Tatsachen fehlte es in einem vom OVG Hamburg entschiedenen Fall, in dem die Öffentlichkeitsfahndung (auch im Internet) nicht der Gefahrenabwehr, sondern lediglich der Gefahrerforschung dienen sollte und nur auf einem mitgehörten Gespräch vermutlich in arabischer Sprache gestützt wurde, wo die angebliche Äußerung „Mach Dir keine Angst. Gib mir den Rucksack. Egal was passiert, mit dem, was wir morgen machen, werden wir vor Allah Helden sein“ unterschiedlich gedeutet werden konnte770. Eine Öffentlichkeitsfahndung, die lediglich der Erforschung diente, ob eine Gefahr für Leben oder Gesundheit bestand, also noch im Vorfeld der Gefahrenabwehr lag (bloßer Gefahrenverdacht), war in diesem Fall rechtswidrig771. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass die „Annahme“ als eine Beurteilung aus subjektiver Perspektive zu verstehen ist und dass den Beamten vom Gesetzgeber ein breites Ermessen zugesprochen wird, zu 765

Benfer / Bialon, Rn. 69. Z. B. § 49 Nr. 3 SOG M-V. 767 Nach der gängigen Definition, entwickelt 1990 durch die Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz / Polizei (GAG), umfasst Organisierte Kriminalität „die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken“, siehe https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/OrganisierteKriminalitaet/ ok.html (26.4.2020). 768 Vgl. BVerfGE 120, 274 (328). 769 Vgl. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (883); BVerfGE 120, 274 (328 f.). 770 OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878. Das Gericht hat § 21 S. 1 Nr. 2 HmbPolDVG a. F., soweit er Eingriffe zur Gefahrenvorsorge und Gefahrerforschung regeln sollte, für verfassungswidrig erklärt. 771 OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (879). 766

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

mal polizeiliche Erfahrung und die darauf gestützten Schlussfolgerungen – zumindest unter Praktikern – ebenso als „Tatsache“ gewertet werden772. (2) Sonstige Fälle Nach § 47 Abs. 2 S. 1 HmbPolDVG ist eine präventive Öffentlichkeitsfahndung auch zur Warnung bei einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder bedeutende Vermögenswerte zulässig. Zu den bedeutenden Vermögens­wer­ ten sollen etwa besondere Kunstgüter zählen; der Landesgesetzgeber bezog sich in der Gesetzesbegründung auf den Fall Hans-Joachim Bohlmann, bekannt als „Säure­attentäter“, der innerhalb mehrerer Jahre über fünfzig Kunstwerke beschädigt hatte, was zu einem Schaden in Millionenhöhe führte773. In Rheinland-Pfalz setzt die Öffentlichkeitsfahndung, ähnlich der Hamburger Normierung, eine von der gesuchten Person ausgehende Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit anderer Personen voraus774. Es ist nach dem Wortlaut, aus systematischen Gründen sowie nach Sinn und Zweck der Vorschriften auch in anderen Bundesländern nicht ausgeschlossen, bei bestehender Gefahr, zumindest für Leib oder Leben, die von einer Person ausgeht, die Öffentlichkeitsfahndung nach § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BbgPolG, § 36g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BremPolG, § 41 Abs. 2 Nr. 1 SOG M-V und § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NPOG zur Warnung zuzulassen. Delikte gegen das Leben sind, soweit ihnen Verbrechenscharakter zukommt, bereits von dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung umfasst, die landesrechtlichen Regelungen775 lassen jedoch Körper­verletzungsdelikte vermissen. So lässt sich die jeweilige Vorschrift auch dahingehend interpretieren, dass von der gesuchten Person eine Gefahr für Leib, Leben oder – je nach Gesetzesformulierung – die Freiheit ausgehen muss776. b) Subsidiaritätsklausel Fünf der sechs polizeirechtlichen Spezialnormierungen der präventiven Öffentlichkeitsfahndung enthalten eine eigene Subsidiaritätsklausel777. Dabei stellt sich heraus, dass (je nach der im konkreten Bundesland gewählten Formulierung) die Subsidiaritätsklausel für den Bereich der „Gefahr für eine Person“ und „von 772

Benfer / Bialon, Rn. 69. Kritisch zu der „kriminalistischen Erfahrung“ als einzige Beurteilungsgrundlage Hoven, in: Fischer / Hoven, S. 117 (126), vgl. auch Prittwitz, ebenda, S. 189 (193). 773 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 20/1923, S. 22. 774 § 34 Abs. 7 S. 2 POG R-P. 775 Mit Ausnahme von § 49 Nr. 3a SOG M-V, der § 224 StGB bei einer banden-, serien- oder sonst organisiert begangener Begehung umfasst. 776 So explizit § 34 Abs. 7 S. 2 POG R-P, der, wie dargestellt, wiederum nicht auf die Straftat von erheblicher Bedeutung abstellt. 777 Siehe auch BeckOK PolR Nds / Graf, § 44 Nds. SOG Rn. 31. Zu der Subsidiaritätsklausel im repressiven Bereich siehe unter Pkt. A. I. 1. c) dieses Teils.

B. Präventiver Bereich

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einer Person ausgehenden Gefahr“ in Bremen778, Hamburg779, Mecklenburg-Vorpommern780 und Rheinland-Pfalz781 jeweils gleichlautend ist. Unabhängig von der gewählten Formulierung („auf andere Weise nicht möglich erscheint“ bzw. „sonst nicht möglich ist oder wesentlich erschwert wird“) soll die Öffentlichkeitsfahndung „nur als eines der letzten Mittel“782 bzw. als letztes Mittel783 in Betracht kommen, falls weniger eingriffsintensive Mittel nicht mehr verfügbar sind784. Dies gilt insbesondere für die erwähnte Formulierung „sonst nicht möglich ist oder wesentlich erschwert wird“ aus § 34 Abs. 7 S. 1 POG R-P, die an die Bestimmungen in §§ 131a Abs. 4 S. 4, 131b Abs. 2 StPO erinnert und wegen der Eingriffsintensität auch im präventiven Bereich einschränkend ausgelegt werden sollte. Es handelt sich insofern um eine jeweils vorzunehmende Prognose785. In § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NPOG786 wurde 2019 die dort bis dato für beide Fallgruppen geltende und im Sinne einer Subsidiaritätsklausel zu deutende787 Formulierung „auf andere Weise nicht möglich erscheint“ dahingehend geändert, dass die öffentliche Fahndung zur Abwehr einer Gefahr „unerlässlich“ sein muss. Mit dieser Änderung bezweckte der Landesgesetzgeber, die im Gesetz verwendeten Begriffe zu vereinheitlichen788. Im konkreten Fall handelt es sich jedoch weniger um ein Synonym der früheren Bezeichnung; vielmehr hat die Änderung zur Folge, dass sich der Inhalt von einer Subsidiaritätsklausel in Richtung eines allgemeinen Hinweises auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip verschiebt. So soll nach den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien der Begriff der „Unerlässlichkeit“ zur Kennzeichnung der „Steigerung der Erforderlichkeit“ dienen789.

778 § 36 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BremPolG: „Die Abwehr einer Gefahr … auf andere Weise nicht möglich erscheint“ / Nr. 2: „die Vorsorge für die Verfolgung oder die Verhütung dieser Straftat auf andere Weise nicht möglich erscheint“. 779 § 47 Abs. 2 S. 1 HmbPolDVG: „wenn die Abwehr einer Gefahr … auf andere Weise nicht möglich erscheint“. 780 § 41 Abs. 2 Nr. 1 SOG M-V: „die Abwehr einer … Gefahr … auf andere Weise nicht möglich erscheint“/ Nr. 2: „die Verhütung oder die Vorsorge für die Verfolgung dieser Straftat auf andere Weise nicht möglich erscheint“. 781 § 34 Abs. 7 S. 1, S. 2 POG R-P: „soweit die Abwehr einer Gefahr … sonst nicht möglich ist oder wesentlich erschwert wird“. 782 Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35. 783 Niedersächsischer Landtag, Drs. 12/4140, S. 83. 784 Bremische Bürgerschaft, Drs. 15/599, S. 33. 785 Siehe Niedersächsischer Landtag, Drs. 12/6395, S. 26. 786 Früher § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Nds. SOG. 787 Siehe auch BeckOK PolR Nds / Graf, Nds. SOG § 44 Rn. 31. 788 Siehe Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/3723, S. 46 f., 70. 789 Niedersächsischer Landtag, Drs. 18/3723, S. 46 f. Nichts anderes ergibt sich aus der Ablehnung der Formulierung „wenn die Abwehr der Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesent­ lich erschwert wäre“, die ursprünglich in dem Gesetzesentwurf (Drs. 18/850) für § 33a Abs. 1 S. 1 NPOG (Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation) vorgesehen war, weil sie zu der Erforderlichkeit nicht passe, a. a. O., S. 45, und zu einer möglicherweise niedrigeren Eingriffsschwelle gegenüber der Anforderung „unerlässlich“ führen würde, a. a. O., S. 46.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Eine gleiche Wortwahl wie in der neuen niedersächsischen Regelung („unerlässlich“) wurde in § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BbgPolG getroffen. In Nr. 2 dieser Vorschrift verwendete der Gesetzgeber im Land Brandenburg hingegen die Formulierung „auf andere Weise nicht möglich erscheinen“, obwohl er, wie andere Landesgesetzgeber, in Nr. 1 mutmaßlich eine inhaltlich gleiche Prämisse vorgeben wollte wie in Nr. 2790. Der Grund, für den gleichen Aussagekern unterschiedliche Termini zu verwenden, ist schwer nachvollziehbar. Dennoch soll aber auch in Brandenburg trotz unterschiedlicher Begriffe die präventive Öffentlichkeitsfahndung nach der Subsidiaritätsklausel, wie vom Landesgesetzgeber betont, „nur als eines der letzten Mittel“ zur Anwendung kommen791. Als andere Mittel für die Abwehr einer Gefahr für eine Person kommt etwa die Befragung anderer Personen nach dem Aufenthaltsort einer vermissten Person792 oder die Standortbestimmung ihres mobilen Endgerätes793 in Betracht. Bei einer von einer Person ausgehenden Gefahr wurde als Beispiel für mildere Maßnahmen etwa die Ermittlung der IP-Adresse einer Person genannt, die im Internet ein Video mit der Ankündigung eines Amoklaufes veröffentlicht hat794. Die in den Regelungen einiger Bundesländer im Zusammenhang mit der Subsidiaritätsklausel genannte Verhütung von Straftaten (und je nach der landesrechtlichen Bestimmung – die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten795) gehören als vorbeugende Bekämpfung von Straftaten zu dem Aufgabenbereich der Gefahrenabwehr796. Diese beziehen sich hier konkret auf Straftaten von erheblicher 790 Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35: „Vergleichbar zu Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 darf auch hier die Verhütung dieser Straftat auf andere Weise nicht möglich erscheinen.“ Gleichzeitig entnimmt der Gesetzgeber die Formulierung „unerlässlich“ in Nr. 1 dieser Vorschrift dem § 33a Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG (Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel zur Überwachung von Wohnungen), dort war „unerlässlich“ i. S. v. „erforderlich“ zu verstehen. Der Vorgänger jener Norm (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 BbgPolG a. F., GVBl. I Nr. 7 vom 7.3.1996) regelte explizit, dass der Eingriff erforderlich sein muss. 791 Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35. 792 Niedersächsischer Landtag, Drs. 12/4140, S. 83; Unger / Siefken, § 44 Nds. SOG, Rn. 44 Pkt. 7; R. Schmidt, § 36g BremPolG Rn. 4. 793 De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG, S. 14; Roos / L enz, § 34 POG Rn. 26. 794 De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG R-P, S. 14. 795 Dabei ist zu beachten, dass nach BVerfGE 113, 348 (370) die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das gerichtliche Verfahren gehört. Eine länderrechtliche Regelung ist aber zulässig, „soweit die Aufgabe darin besteht, im Vorfeld der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung Vorsorge im Hinblick auf in der Zukunft eventuell zu erwartende Straftaten zu treffen“, ebenda, S. 377. Sollte die Öffentlichkeitsfahndung dazu dienen, einer Person habhaft zu werden oder im Strafverfahren Beweise erheben zu können, kann sie nicht auf polizeirechtliche Vorschriften gestützt werden, Baller / Eiffler / Tschisch, § 45 ASOG Bln Rn. 4. 796 § 1 Abs. 1 S. 2 BbgPolG; § 7 Abs. 1 Nr. 4 SOG M-V; § 1 Abs. 1 S. 3 NPOG (siehe auch Pkt. 1.1. und 1.2 Abs. 3 S. 1 der Ausführungsbestimmungen zu § 1 Nds. SOG, die neben der Verhütung von Straftaten auch die Vorsorge für die Verfolgung von Straftaten zu der Gefahrenabwehr zählen; abgedruckt in: BeckOK PolR Nds, 14. Ed., Stand: 1.5.2019).

B. Präventiver Bereich

339

Bedeutung. Zu der Verhütung von Straftaten gehören ihre Vorbeugung sowie die Aufklärung von Umständen künftiger Delikte797. c) Im Speziellen: Einhalten des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bzgl. der Auswahl des Mediums Internet als konkretes Fahndungsmittel Ähnlich wie im repressiven Bereich müssen bezüglich der Auswahl des Internets als konkretes Fahndungsmittel und seiner einzelnen Plattformen wegen der Eingriffsintensität, vor allem der Brandmarkungsgefahr, mit der Rolle eines Vermissten, Hilflosen oder Störers in Verbindung gebracht zu werden798, die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingehalten werden799. Dieser ist in den polizeigesetzlichen Regelungen auch besonders normiert800. So ist von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen diejenige zu treffen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt801. So muss der Einsatz des Internets, insbesondere sozialer Netzwerke, im konkreten Fall das mildeste unter gleich geeigneten Mitteln sein, was etwa der Niedersächsische Gesetzgeber in § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 NPOG mit der Bezeichnung „unerlässlich“ betont802. Des Weiteren normieren die Landesgesetzgeber explizit, dass eine Maßnahme nicht zu einem Nachteil führen darf, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht803. Als Abwägungselement steht den Grundrechten des Betroffenen die Gefahr für das jeweilige geschützte Rechtsgut gegenüber. In den meisten Fällen dürfte im präventiven Bereich die Internetfahndung wegen konkreter Gefahr und Hochrangigkeit der Rechtsgüter auch angemessen sein. 2. Allgemeine Regelung zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs In zehn Bundesländern804 wurde bis dato die präventive Öffentlichkeitsfahndung nicht explizit ins Gesetz aufgenommen. Sie wird in der Praxis auf die Vorschriften zur Datenübermittlung an Personen oder an Stellen außerhalb des öffentlichen 797

BeckOK PolR Nds / Weiner, § 1 Nds. SOG Rn. 17. Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264); OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (881). 799 Siehe Rühle, Rn. 149; De Clerck / Schmidt / Pitzer / Baunack, 22. EL, Oktober 2015, § 34 POG, S. 13. 800 § 3 BbgPolG; § 3 BremPolG; § 4 HmbSOG; § 15 SOG M-V; § 4 NPOG; § 2 POG R-P. 801 Siehe § 3 Abs. 1 BbgPolG; § 3 Abs. 1 BremPolG; § 4 Abs. 2 HmbSOG (in Abs. 1 ist die Geeignetheit normiert); § 15 Abs. 1 SOG M-V; § 4 Abs. 1 NPOG; § 2 Abs. 1 POG R-P. 802 Siehe auch Bär, CR 1997, 422 (430), der den Ultima-Ratio-Charakter präventiver Internetfahndung betont. 803 Siehe § 3 Abs. 2 BbgPolG; § 3 Abs. 2 BremPolG; § 4 Abs. 3 HmbSOG; § 15 Abs. 2 SOG M-V; § 4 Abs. 2 NPOG; § 2 Abs. 2 POG R-P. 804 Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen. 798

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Bereichs gestützt805 und stellt dabei einen Spezialfall der Datenübermittlung dar806. Die landesrechtlichen Regelungen sind vom Aufbau her ähnlich bzw. sogar inhaltsgleich. a) Zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben / zur Gefahrenabwehr Die Übermittlung personenbezogener Daten zwecks präventiver Öffentlichkeits­ fahndung wird unter die Alternative „zur Erfüllung polizeilicher807 Aufgaben“ subsumiert808, die in vielen länderrechtlichen Regelungen zu finden ist809. Es handelt sich dabei um eine Datenübermittlung auf Initiative der Polizei (von Amts wegen) in Abgrenzung zu einer Übermittlung auf Antrag810. Derartige, weitgefasste Vorschriften ähneln vom Charakter her einer Generalklausel811; aufgrund eines erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte sind sie in Ausnahme­ fällen812 anzuwenden und bedürfen dabei einer engen Auslegung813. Zu den originären polizeilichen Aufgaben, die jeweils in polizeirechtlichen Gesetzen in der sog. Aufgabennorm bezeichnet sind, gehört die Abwehr konkreter Gefahren für 805

§ 44 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW; Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG; § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 22 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 3, 4 HSOG; § 27 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2a PolG NRW; § 34 Abs. 1 S. 2 SPolG; § 84 Abs. 3 Nr. 1 SächsPVDG; § 28 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 26 Abs. 3 SOG LSA; § 193 Abs. 1 S. 2 LVwG SH; § 41 Abs. 2 Nr. 2a ThürPAG. Siehe auch § 25 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 BKAG; § 32 Abs. 4 BPolG. 806 Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 7. 807 Bzw. auch ordnungsbehördlicher (§ 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln) bzw. gefahrenabwehrbehördlicher (§ 22 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HSOG) oder sicherheitsbehördlicher (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA) Aufgaben. 808 Statt aller: Belz / Mußmann / Kahlert / Sander, § 44 PolG BW Rn. 5; König / G nant, Rn. 616; BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 43; Meixner / Fredrich, § 24 HSOG Rn. 2. A. A. Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/18658, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 31.5.2016 und Antwort, Öffentlichkeitsfahndungen durch die Polizei Berlin, unter Pkt. 14, wo als Rechtsgrundlage § 45 Abs. 1 Nr. 3 („zur Abwehr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Rechte einer Person erforderlich“) bzw. Nr. 5 ASOG Bln („der Auskunftsbegehrende ein berechtigtes Interesse geltend macht und offensichtlich ist, dass die Datenübermittlung im Interesse der betroffenen Person liegt, die betroffene Person eingewil­ligt hat oder in Kenntnis der Sachlage ihre Einwilligung hierzu erteilen würde“) herangezogen wird. 809 § 44 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW; Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG; § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 22 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HSOG; § 27 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2a PolG NRW; § 84 Abs. 3 Nr. 1 SächsPVDG; § 28 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA; § 41 Abs. 2 Nr. 2a ThürPAG. 810 Pewestorf / Söllner / Tölle, § 45 ASOG Bln Rn. 3; Honnacker / Beinhofer / Hauser, § 41 BayPAG Rn. 1; Belz / Mußmann / Kahlert / Sander, § 44 PolG BW Rn. 5; Ebert / Seel / Joel, § 41 ThürPAG, § 41 Rn. 12. Dabei ist weniger auf das Vorliegen eines „Antrags“ abzustellen, sondern auf das Handeln der Polizei nach pflichtgemäßem Ermessen in Erfüllung ihrer Aufgaben, siehe Schütte / Braun / Keller, § 29 PolG NRW Rn. 7. 811 Baller / Eiffler / Tschisch, § 45 ASOG Bln Rn. 3; Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 5. 812 Zu der Kritik und der Verfassungsmäßigkeit derartiger allgemeiner Regelungen ausführlich unter Pkt. B des 6. Teils. 813 Honnacker / Beinhofer / Hauser, § 41 BayPAG Rn. 1; Berner / Köhler, Art. 41 BayPAG Rn. 2.

B. Präventiver Bereich

341

die öffentliche Sicherheit (oder Ordnung), darunter die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten814. So regeln die Normen in Saarland und Schleswig-Holstein explizit, dass die Datenübermittlung in diesem Falle zur Abwehr einer Gefahr dienen muss815. Es ist anerkannt, dass es sich um eine konkrete Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut wie Leib816, Leben817 oder persönliche Freiheit818 handeln muss. Ein expliziter Hinweis auf die präventive Öffentlichkeitsfahndung, wenn auch so nicht genannt, findet sich auch in länderrechtlichen Ausführungsvorschriften819. b) Erforderlich Die Regelungen in allen zehn Bundesländern sehen vor, dass die Datenübermittlung zur Erfüllung der Aufgaben / zur Abwehr der Gefahr erforderlich sein muss. Der Begriff „erforderlich“ stellt dabei kein Tatbestandsmerkmal dar, sondern weist auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin, der in den polizeirechtlichen Normierungen enthalten ist820. Wie bereits oben erwähnt, bedarf es wegen der Eingriffsintensität durch Veröffentlichung im Internet einer sorgfältigen Abwägung der Grundrechtspositionen mit der konkreten Gefahrenlage821.

814 BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 42; Berner / Köhler, Art. 41 BayPAG Rn. 4; Söllner, Die Polizei 2009, 263 f. 815 § 34 Abs. 1 S. 2 SPolG; § 193 Abs. 1 S. 2 LVwG SH. 816 Schütte / Braun / Keller, § 29 PolG NRW Rn. 10 zählt daneben die körperliche Unversehrtheit auf, was eine Doppelung mit dem Rechtsgut „Leib“ ergibt. 817 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 268; ders., ZRP 1992, 84 (86); König / G nant, Rn. 616; Baller / Eiffler / Tschisch, § 45 ASOG Bln Rn. 4; Pewestorf / Söllner / Tölle, § 45 ASOG Bln Rn. 12; Schmidbauer / Steiner, Art. 59 BayPAG Rn. 11. 818 Stephan / Deger, § 44 PolG BW, Rn. 2; Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264); OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (879). 819 Z. B. Vollzugsbekanntmachung zu Art. 41 BayPAG, Pkt. 41.2: „Von sich aus kann die Polizei personenbezogene Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit dies für einen in Nr. 1 bis Nr. 3 genannten Zwecke erforderlich ist (z. B. Warnung vor entwichenen Gewalttätern, Hinweis auf Trickbetrüger).“, abgedruckt etwa in: BeckOK PolR Bayern bei Art. 59 BayPAG; nicht angepasst an die geltende Gesetzesfassung. 820 Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 7. Siehe § 5 PolG BW; Art. 4 BayPAG; § 11 ASOG Bln; § 4 HSOG; § 2 PolG NRW; § 2 SPolG; § 5 SächsPVDG; § 5 SOG LSA; § 73 Abs. 2, 3 LVwG SH; § 4 ThürPAG. 821 Schütte / Braun / Keller, § 29 PolG NRW Rn. 9; Stephan / Deger, § 44 PolG BW, Rn. 2. So darf nach Nr. 6 des Erlasses des LKA Schleswig-Holstein IV LKA 12 – 35.00 – vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht) die Fahndung nach vermissten Jugendlichen über soziale Medien nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen. Die Voraussetzung für die Internetfahndung nach Vermissten ist eine bestehende INPOL-Fahndung, Nr. 2.3 des Erlasses. Eine Internetfahndung zur Identifizierung unbekannter hilfloser Personen bzw. unbekannter Toter darf nur dann erwogen werden, wenn sämtliche anderen Hilfsmittel wie lokale Öffentlichkeitsfahndung oder regionale Fahndung erfolglos geblieben sind, Nr. 2.4 des Erlasses.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

II. „Wie“-Voraussetzungen: Inhalt des Fahndungsaufrufs Genauso wie bei der repressiven Internetfahndung ist bei der Frage, welche konkreten Angaben zur Person veröffentlicht werden sollen, wegen der erheblichen Stigmatisierungsgefahr822 von präventiv Gesuchten der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten. So kann das Veröffentlichen „nur“ einer genauen Personenbeschreibung gegenüber der Angabe von Personalien im Einzelfall ein milderes Mittel sein823. Das Gleiche betrifft das Verhältnis zwischen der Personenbeschreibung und einer Veröffentlichung von Abbildungen. 1. Personenbezogene Daten, insbesondere Abbildungen Sowohl die allgemein gehaltenen Vorschriften als auch diejenigen, die die präventive Öffentlichkeitsfahndung explizit regeln, haben die öffentliche Bekanntgabe personenbezogener Daten zum Gegenstand. Darunter sind nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sämtliche Informationen zu verstehen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare Person beziehen. Als identifizierbar gilt nach dieser Vorschrift eine natürliche Person, „die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann“. Ähnlich wie bei repressiven Fahndungen fallen darunter in erster Linie Bezeichnungen, also vor allem die Personalien, Geburts- und Wohnort sowie die Staatsangehörigkeit. In den Spezialvorschriften werden neben den personenbezogenen Daten auch Abbildungen genannt824 – diese sind ihrer Natur nach auch personenbezogene Daten, die Hervorhebung im Wortlaut wurde mit ihrer Praxisrelevanz begründet825. Bezogen auf die Personalien der Gesuchten, vor allem Vermissten, werden in den Auftritten im Web 1.0 zum Teil Familien- und Vornamen826 genannt, teilweise Vorname und Initiale des Familiennamens827. In sozialen Netzwerken werden teilweise keine Personalien828 mitgeteilt, in anderen

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Siehe unter Pkt. B. I. 3. des 4. Teils. Roos, § 34 POG R-P Rn. 24; vgl. auch Benfer / Bialon, Rn. 1064. 824 So § 44 Abs. 2 S. 1 BbgPolG; § 36g Abs. 2 S. 1 BremPolG; § 47 Abs. 2 S. 1 HmbPolDVG; § 44 Abs. 2 S. 1 NPOG; § 34 Abs. 7 S. 1 POG R-P. 825 Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 35. 826 Z. B. Polizeipräsidium Mainz, Fahndungsaufruf vom 25.11.2015, www.presseportal.de/ blaulicht/pm/117708/3185214 (27.11.2015). 827 Z. B. Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 30.11.2017, https://www.polizei. bremerhaven.de/index.php/pm-leser/maedchen-vermisst-9732.html (26.4.2020). 828 Z. B. Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 30.11.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiBremerhaven/photos/a.522209897917817.1073741831.519251304880343/998617973610 338/?type=3&theater (26.4.2020). 823

B. Präventiver Bereich

343

Fällen nur Vornamen829, teilweise auch mit Initiale des Nachnamens830, teilweise sowohl Vor- als auch Familienname831. Die Angabe personenbezogener Daten in sozialen Netzwerken ist aus datenrechtlichen Gründen äußerst problematisch und sollte in der Praxis unterlassen werden832. Der Veröffentlichung von Abbildungen kommt bei der Suche nach vermissten bzw. hilflosen Personen besondere Bedeutung zu. Die Lichtbilder werden den Behörden in der Regel von den Angehörigen der zu suchenden Person zur Verfügung gestellt, auf ausdrücklichen Wunsch der Angehörigen wird die Fahndung ohne Abbildungen durchgeführt833. In einem Berliner Fall von 2019 (Suche nach einer vermissten 15-Jährigen) wurde bekanntgegeben, dass das Foto, das in sämtlichen Medien in Deutschland über mehrere Wochen zu sehen war, dem Instagram-Profil der Gesuchten entstammte, zuvor mit Beauty-Filtern in Model-Manier bearbeitet wurde und mit dem wirklichen Aussehen des Mädchens nur bedingt zu tun hatte834. Nach Ansicht der Behörden sei es allerdings „nicht im Sinne der Sache“, dass ihnen zu Fahndungszwecken Fotos zugänglich gemacht werden, auf denen sich die Vermissten aufgrund der Manipulationen selbst nicht mehr ähnlich sehen835. Bei der Suche nach lange vermissten Personen werden auch mittels der Aging-Methode bearbeiteten Fotos veröffentlicht, die das gegenwärtige Aussehen der Gesuchten möglichst realistisch widerspiegeln sollen836. Zulässig ist weiter die Veröffentlichung einer Personenbeschreibung; unverhältnismäßig kann jedoch die Angabe konkreter Krankheits- bzw. Intimdaten, wie z. B. Art der Beschwerden837 sein. Erlaubt ist demgegenüber eine Information, dass sich die gesuchte Person zur stationären Behandlung, auch unter Angabe der Einrich-

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Z. B. Polizei Rostock, Fahndungsaufruf vom 26.10.2017, https://twitter.com/Polizei_ Rostock/status/923782593576931328 (26.4.2020). 830 Z. B. Polizei Bremerhaven, Fahndungsaufruf vom 21.7.2017, https://www.facebook.com/ PolizeiBremerhaven/posts/935962869875849 (26.4.2020). 831 Z. B. Polizei Westmecklenburg, Fahndungsaufruf vom 18.7.2017, https://www.facebook. com/PolizeiWestmecklenburg/posts/499298813748548 (26.4.2020). 832 Siehe unter Pkt. D. I. 1. a) des 1. Teils. 833 Siehe Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 22.11.2016, https://www. facebook.com/PolizeiVG/posts/681589002010738 (26.4.2020). 834 Kröning, Anna, 15-Jährige aus Berlin. Warum fahndet die Polizei mit dem Instagram-Foto nach Rebecca?, Welt vom 7.3.2019, https://www.welt.de/vermischtes/article189862233/15-Jaehrige-​ aus-Berlin-Warum-fahndet-die-Polizei-mit-dem-Instagram-Foto-nach-Rebecca.html (26.4.2020). 835 Kröning, Anna, 15-Jährige aus Berlin. Warum fahndet die Polizei mit dem Instagram-Foto nach Rebecca?, Welt vom 7.3.2019, https://www.welt.de/vermischtes/article189862233/15-Jaehrige-aus-Berlin-Warum-fahndet-die-Polizei-mit-dem-Instagram-Foto-nach-Rebecca.html (26.4.2020). 836 Z. B. LKA Niedersachsen, Fahndungsaufruf vom 16.7.2012, http://www.lka.niedersachsen. de/fahndung/fahndung_social_networks/-1742.html (12.1.2018), https://www.facebook.com/ LandeskriminalamtNiedersachsen/posts/347587858649992 (12.1.2018). 837 Roos, § 34 POG R-P Rn. 26.

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5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

tung, befand838 bzw. wie sie mit Stresssituationen umgeht839. Besonders relevant ist auch die Angabe der von einer vermissten Person zuletzt getragenen Bekleidung und der mitgeführten Gegenstände840, genauso wie die Beschreibung eines Störers bei der Warnung vor konkreten Kriminalitätserscheinungen, wie etwa Trickdiebstahl durch Antänzer841. Sollte die Bekanntgabe dazu dienen, Gefahren für das Leben oder schwerwiegende gesundheitliche Schäden abzuwehren, bestehen gegen die Annahme der Verhältnismäßigkeit in der Regel keine Bedenken842. 2. Wertende Angaben über die gesuchte Person Eine besondere Bedeutung für die Gefahrenabwehr kommt bei der präventiven Öffentlichkeitsfahndung den Angaben wertender Natur über die gesuchte Person zu, insbesondere zur Warnung. Die Zulässigkeit derartiger Informationen wurde von einem Teil der Bundesländer explizit geregelt843. Zu derartigen Angaben gehören etwa Informationen über die besondere Gefährlichkeit (auch Verneinen auf Anfrage844), die Rücksichtslosigkeit der gesuchten Person oder über ihre Suizidgefährdung845. Diese Angaben müssen jedoch wegen ihrer Empfindlichkeit auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen846. Auch sie, allen voran negative Wertungen, unterfallen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit847.

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Siehe Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 22.11.2016, https://www. facebook.com/PolizeiVG/posts/681589002010738 (26.4.2020). 839 Z. B. Polizei Berlin, Meldung vom 22.10.2019, https://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.856709.php?fbclid=IwAR1JyH3ctQXoyBp83RxWds0oTOkVR0​ NJrGZ7cJylWhs_E-jMJvDR9jT4ud0 (26.4.2020). 840 Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 81. 841 Sächsisches Staatsministerium des Innern, Antwort vom 28.7.2016 auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Sebastian Wippel, AfD-Fraktion, Drs. 6/5692, Pressemitteilungen der Polizei Sachsen, Az. 33-0141.50/10094, unter Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 3 bis 5, https://www.sebastian-wippel.de/hOjNd64/wp-content/uploads/2016/08/6_ Drs_5692_1_1_1_.pdf (26.4.2020). 842 Benfer / Bialon, Rn. 1065. 843 § 44 Abs. 2 S. 1 BbgPolG; § 36 Abs. 2 S. 2 BremPolG; § 21 Abs. 1 S. 3, 4 HSOG; § 44 Abs. 2 S. 2 NPOG; § 26 Abs. 3 SOG LSA. 844 Siehe Polizei Vorpommern-Greifswald, Fahndungsaufruf vom 22.11.2016, https://www. facebook.com/PolizeiVG/posts/681589002010738 (26.4.2020). 845 Bremische Bürgerschaft, Drs. 15/599, S. 33; Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 36; BeckOK PolR Nds / Graf, § 44 Nds. SOG Rn. 35; Böhrenz / Unger / Siefken, § 44 Nds. SOG Rn. 7; R. Schmidt, § 36g BremPolG Rn 5. 846 Siehe § 44 Abs. 2 S. 1 BbgPolG. 847 BeckOK PolR NRW / Ogorek, § 27 PolG NRW Rn. 43.

B. Präventiver Bereich

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3. Darstellung des Sachverhalts Insbesondere bei der Fahndung nach Vermissten muss der Sachverhalt darauf gerichtet sein, die Aufmerksamkeit der Leser zu erregen – dabei ist zu verdeutlichen, dass es sich um eine Vermisstensache handelt. Die dargestellten Informationen und Details sollen dazu dienen, das Erinnerungsvermögen der Zeugen anzuregen, auch durch klare und gezielte Fragestellungen848.

III. Zuständigkeit und Umsetzung In einigen Länderregelungen sind die Anordnungskompetenzen zur präven­tiven Öffentlichkeitsfahndung explizit normiert. Nach § 44 Abs. 2 S. 3 BbgPolG ist für die Anordnung der Behördenleiter bzw. seine Vertretung zuständig. Die herausgehobene Stellung, Fachkundigkeit und Erfahrung einer Führungskraft sollen nach der Gesetzesbegründung eine angemessene Anwendung dieser Maßnahmen gewährleisten849. Auch nach § 36g S. 3 i. V. m. § 30 S. 1 BremPolG liegt „wegen des Gewichts der Maßnahme“850 die Zuständigkeit bei der Behördenleitung; diese kann ihre Befugnis auf besonders beauftragte Beamte der Laufbahngruppe 2 ab dem zweiten Einstiegsamt851 übertragen, § 36g S. 3 i. V. m. § 30 S. 2 BremPolG852. Auch in den Bundesländern, die die präventive Öffentlichkeitsfahndung nicht speziell geregelt haben, wurde diese von der Polizeiführung angeordnet, so etwa in Hamburg unter der Geltung des § 21 HmbPolDVG a. F.853; ansonsten werden die Koordinationsaufgaben bei der Fahndung zur Identifizierung unbekannter, hilfloser Person und Vermissten von den Landeskriminalämtern als Zentralstellen der Länder wahrgenommen854. Nach der Gesetzesänderung in Hamburg wurde die Anordnungskompetenz zur Gewährleistung des Grundrechtsschutzes855 dem Richter übertragen, § 47 Abs. 2 S. 2 HmbPolDVG856; der Polizeipräsident bzw. sein Vertreter haben aber die Eilkompetenz, § 47 Abs. 2 S. 4 HmbPolDVG857. 848

Ackermann / Clages / Roll / Clages, IX Rn. 81. Landtag Brandenburg, Drs. 6/9821, S. 36. 850 Bremische Bürgerschaft, Drs. 15/599, S. 33. 851 Nach § 2 Abs. 1, 2 BremPolLV wird das zweite Einstiegsamt der Laufbahngruppe 2 dem Amt des Polizei- oder Kriminalrates zugewiesen. 852 Siehe auch Nr. 3.1.4. der Dienstanweisung über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizei Bremen (Entwurf, Stand: 18.9.2012), http://www.docplayer.org/15745067-Dienst​ anweisung-ueber-die-presse-und-oeffentlichkeitsarbeit-der-polizei-bremen.html (26.4.2020). 853 Siehe OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878. 854 Siehe Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 269 m. w. N. 855 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 20/1923, S. 22. 856 Zuständig ist das Amtsgericht Hamburg, das Verfahren richtet sich nach Buch 1 des FamFG, § 47 Abs. 2 S. 6 i. V. m. § 22 Abs. 3 S. 10, 11 HmbPolDVG. 857 Eine Eilanordnung muss innerhalb von drei Tagen von dem Richter bestätigt werden, sonst tritt sie außer Kraft und die Maßnahme ist zu beenden, § 47 Abs. 2 S. 6 i. V. m. § 22 Abs. 3 S. 9 HmbPolDVG. 2017 betraf eine Eilanordnung in Hamburg (Vermisstensachen) fünf von 849

346

5. Teil: Voraussetzungen der Internetfahndung 

Bzgl. der Umsetzung der Anordnung ist auf detaillierte Angaben in § 36g S. 3 i. V. m. § 30 S. 4 BremPolG hinzuweisen: Danach soll die Anordnung, die aktenkundig zu machen ist858, Angaben über Art, Beginn und Ende der Maßnahme, die beauftragte Organisationseinheit, Tatsachen, die den Einsatz der präventiven Öffentlichkeitsfahndung begründen sowie den Zeitpunkt der Anordnung, Name und Dienststellung des Anordnenden enthalten. Nach § 36g S. 3 i. V. m. § 30 S. 5 BremPolG ist die Maßnahme zu befristen. Nach Fristablauf bzw. bei Erledigung (z. B. Auffinden der gesuchten Person) ist die Maßnahme unverzüglich zu beenden859 – die personenbezogenen Daten sind aus dem Internet zu entfernen. Ähnlich wie im repressiven Bereich muss auf sämtlichen Plattformen nicht nur auf die Beendigung der Fahndung860 (auch hier führt der ursprüngliche Link ins Leere861 bzw. zu einer entsprechenden Mitteilung862), sondern auch auf die Pflicht der Privaten zur Löschung relevanter personenbezogener Dateien hingewiesen werden.

14 Fällen, 2018 vier von 19 Fällen, 2019 keinen von vier Fällen, siehe Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 21/17273 vom 18.6.2019, Große Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider, Canzu Özdemir, Sabine Boeddinghaus, Deniz Celik, Martin Dolzer, Dr. Carola Ensslen, Norbert Hackbusch, Stephan Jersch, Heike Sudmann und Mehmet Yildiz (DIE LINKE) vom 21.5.2019 und Antwort des Senats, Betr.: Maßnahmen nach dem Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG), unter Pkt. 19. 858 § 36g S. 3 i. V. m. § 30 S. 3 BremPolG. 859 Siehe auch die Regelung in Art. 4 Abs. 3 BayPAG; § 11 Abs. 3 ASOG Bln; § 3 Abs. 3 BbgPolG; § 3 Abs. 3 BremPolG; § 4 Abs. 3 HSOG; § 15 Abs. 3 SOG M-V; § 4 Abs. 3 NPOG; § 2 Abs. 3 PolG NRW; § 2 Abs. 3 POG R-P; § 2 Abs. 3 SPolG; § 5 Abs. 4 SächsPVDG; § 5 Abs. 3 SOG LSA; § 4 Abs. 3 ThürPAG, wonach eine Maßnahme nur solange zulässig ist, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann. 860 Z. B. Polizei Hagen, Meldung vom 21.12.2017, https://www.facebook.com/Polizei.NRW. HA/photos/a.215738981931747.1073741830.208563659315946/827579810747658/?type=3&​ theater (26.4.2020). 861 So etwa bei der Polizei Hamburg. 862 Z. B. Polizei Berlin, Meldung vom 22.10.2019, https://www.berlin.de/polizei/polizei​ meldungen/pressemitteilung.856709.php?fbclid=IwAR1JyH3ctQXoyBp83RxWds0oTOkVR0​ NJrGZ7cJylWhs_E-jMJvDR9jT4ud0 (26.4.2020).

6. Teil

Ausblick de lege ferenda A. Repressiver Bereich I. Gesamtbetrachtung der geltenden Regelung Die Analyse der durch das StVÄG 1999 eingeführten Fahndungsvorschriften sowie ihrer praktischen Umsetzung im Laufe der letzten zwanzig Jahre erlaubt die Feststellung, dass sie trotz ihrer Komplexität1 die Zeitprobe grundsätzlich überstanden und sich in der Praxis der Internetfahndung bewährt haben, auch wenn sie das Kind ihrer Zeit sind, in der der Fokus nicht auf der aktiven Nutzung des Webs, sondern dem passiven Konsum seiner Inhalte lag2. Die gesetzliche Regelung sollte bereits damals eine rechtliche Grundlage für die Internetfahndung bilden3 und die mit ihr verbundenen Gefahren wurden vom Ansatz her erkannt4. Die Etablierung sozialer Netzwerke stellte die Strafverfolgungsbehörden vor rechtliche und organisatorische Herausforderungen, denen in der angepassten Nr. 3.2 Anl. B RiStBV, die bis dato in fast allen Bundesländern5 als Verwaltungsvorschrift (Nr. 3.2 VwV-L) gilt, Rechnung getragen wurde. Dass die Strafverfolgungsbehörden die Vorgaben in internen Verwaltungsvorschriften ernst nehmen, zeigt sich am Beispiel Brandenburgs, wo die Rund-um-die-Uhr-Überwachung sozialer Netzwerke nicht gewährleistet war und aus diesem Grunde Fahndungsaufrufe dort nicht veröffentlicht wurden6. Einige Defizite hinsichtlich der praktischen Umsetzung der Vorschriften, insbesondere einer verhältnismäßigen Aufarbeitung von Fahndungsaufrufen, sind dennoch evident. Die Ansicht, es bestünde Unsicherheit in diesem Bereich7, kann in der Gesamtbetrachtung nicht unbegrenzt geteilt werden, zumal der Spruch „aus Fehlern wird man klug“ auch hier seine Geltung hat.

1

Siehe auch Ranft, StV 2002, 38 (39); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 751; Radtke / Hohmann / ​ Kretschmer, § 131 Rn. 1; Valerius, S. 53. 2 Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630). 3 BR-Drs. 65/99, S. 41 = BT-Drs. 14/1484, S. 21. 4 Siehe unter Pkt. B. I. des 1. Teils. 5 Außer Bremen, auch nicht für den Bund. 6 O. V., Soziale Medien. Der direkte und schnelle Draht zur Bevölkerung, Info 110 1/2019, S. 14 (17); Baumert, Bodo, Fahndungsfotos entwickeln Eigenleben im Internet, LR online vom 11.11.2017, https://www.lr-online.de/nachrichten/polizeifahndung-im-internetfahndungsfotos-entwickeln-eigenleben-im-internet-37953822.html (26.4.2020). 7 Pajunk / Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981.

348

6. Teil: Ausblick de lege ferenda

Gleichwohl wird von Vielen wegen der mit der Internetfahndung verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen und damit einhergehenden nachhaltigen negativen Folgen für die Anpassung bzw. eine vollständige Revision des existierenden Fahndungssystems plädiert8 und den geltenden Vorschriften teilweise die Verfassungsmäßigkeit abgesprochen9. Dem generellen Ruf nach Reformen in diesem Bereich ist aus mehreren Gründen zuzustimmen: Die Brisanz der Problematik gebietet es, auch angesichts des technischen Fortschritts und der gegenwärtigen Entwicklungen des Datenschutzes, gesetzliche Korrekturen vorzunehmen. Dafür sprechen auch Aspekte der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit. Die Bestimmungen zu derartig schwerwiegenden Eingriffsmaßnahmen sollten nicht in weitem Maße Verwaltungsvorschriften vorbehalten bleiben, sie haben vielmehr den Kriterien der vom BVerfG vorgezeichneten Wesentlichkeitstheorie10 zu entsprechen. Eine Neuregelung der Internetfahndung bedeutet einerseits einen Bruch mit der technikoffenen Ausgestaltung der §§ 131 ff. StPO; andererseits sollte sie sich jedoch in das existierende und in der Praxis gut funktionierende Konstrukt einfügen und es ergänzen. Gleichzeitig erscheint es geboten, mit Blick auf das Gesamtsystem einige Änderungen in den existierenden Regelungen zur Öffentlichkeitsfahndung vorzunehmen.

II. Änderungs-/Ergänzungsvorschläge 1. Internetfahndung a) StPO Bereits in den 1990er-Jahren forderten Datenschützer die Einschränkung der Internetfahndung auf Straftaten gegen das Leben, schwerwiegende Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit wegen der den Gesuchten drohenden Gefahren11. Bezogen auf die Fahndung im Web 1.0 sowie speziell in sozialen Netzwerken wurde von einem Teil der Autoren dafür plädiert, wegen des Verbreitungsgrades sowie der mangelnden Kontrollierbarkeit kursierender Aufrufe die Internetfahndung ausschließlich (auch bei einer Zeugenfahndung12)

8 In diese Richtung bereits Seitz, S. 385; Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630, 631) („Kein effizienter Ausgleich über Richtlinien zur Öffentlichkeitsfahndung im Internet“); Pajunk  / ​ Wendorf, ZD-Aktuell 2018, 05981; Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 24, 25, Fn. 99; Frühwirt / L ange / L ohmeier / Menck / Noack / Zimmermann, Die Polizei 2015, 344 (350, 351); L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 5, 7. A. A. Bericht der Unterarbeitsgruppe des RiStBV-Ausschusses, S. 4. 9 Ranft, StV 2002, 38 (41); Valerius, S. 55; Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630). 10 BVerfGE 33, 125 (158); 34, 165 (192 f.); 147, 253 (309 f.). 11 Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, 18. Tätigkeitsbericht, Pkt. 7.3.1. 12 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134).

A. Repressiver Bereich

349

zur Aufklärung konkret bestimmter13 schwerster14 bzw. schwerer15 Kriminalität einzusetzen bzw. das Tatbestandsmerkmal der Straftat von erheblicher Bedeutung eng auszulegen16. Dabei wurde auch vorgeschlagen, die Internetfahndung nach Zeugen nur für „besonders gravierende Straftaten“ zuzulassen17. In der Praxis wurde bisher in zahlreichen Fällen im Internet auch im unteren Bereich mittlerer Kriminalität gefahndet, manchmal sogar bei Kleinkriminalität18. Sollten die Autoren unter schwerster Kriminalität nur Kapitaldelikte wie Mord, Totschlag oder Körperverletzung oder Raub mit Todesfolge im Blick gehabt haben, wäre es zu weitgehend, lediglich solche Delikte von der Internetfahndung zu umfassen, da auch bei schweren Taten wegen des gesellschaftlichen Aufklärungsinteresses eine effektive Strafverfolgung als staatliche Aufgabe gewährleistet sein muss19. Die Folge einer solchen Einschränkung wäre, in der Praxis auf diese Maßnahme in den meisten Fällen ganz zu verzichten. Die Ansicht, die Internetfahndung auf schwere Straftaten zu beschränken, verdient demgegenüber Zustimmung. Dadurch würde einerseits der extensiven Auslegung des Begriffes „Straftat von erheblicher Bedeutung“ eine klare Grenze gesetzt, gleichzeitig ein Orientierungsrahmen geschaffen, bei dem der Betroffene im Einzelfall eine Einschränkung seiner Grundrechte dulden muss. Daher ist es geboten, die Erheblichkeitsschwelle der Delikte zu erhöhen. Dafür bietet die in Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L in Bezug auf soziale Netzwerke getroffene Einschränkung auf „eine auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat“ einen geeigneten Anknüpfungspunkt, der hier auf sämtliche Erscheinungsformen der Internetfahndung übertragen werden sollte. Unter „einer im Einzelfall schwerwiegenden Straftat“ ist eine schwere Straftat zu verstehen, die nicht nur abstrakt, sondern auch im konkreten Fall schwer wiegt20. Auf der Skala der Tatschwere liegt sie, zumindest begrifflich21, höher als eine Straftat

13

Baumhöfener, K&R 2015, 625 (626). Seitz, S. 386; MüKo / Gerhold, § 131 Rn. 15; ders., ZIS 2015, 156 (174) (dabei Entscheidung im Einzelfall, ob im Web 1.0 oder auch in sozialen Netzwerken gefahndet werden soll); so wohl auch SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6. 15 In diese Richtung Valerius, S. 63 (mehr als mittlere Kriminalität); Forschungsbericht Social Media Think Unit, S. 24 mit dem Vorschlag, § 131 Abs. 3 StPO dahingehend zu ändern, die „Straftat von erheblicher Bedeutung“ durch „schwere Straftat“ zu ersetzen; siehe auch Frühwirt / L ange / L ohmeier / Menck / Noack / Zimmermann, Die Polizei 2015, 344 (350). Auch Baumhöfener, K&R 2015, 625 (630 f.) hält die Internetfahndung bei mittelschweren Straf­taten für unverhältnismäßig und plädiert für eine Gesetzesänderung mit einer Begrenzung auf schwere Straftaten. 16 Pätzel, DRiZ 2001, 24 (31). 17 Pätzel, NJW 1997, 3131 (3134). 18 Siehe unter Pkt. A. I. 1. a) cc) des 5. Teils. 19 Vgl. Stümper, Kriminalistik 1971, 57. 20 Meyer-Goßner / Schmitt, § 100a Rn. 11. 21 S / S/W / Eschelbach, § 100a Rn. 13 hält es für problematisch, einen trennscharfen Unterschied zwischen dem Begriff der Straftat von erheblicher Bedeutung und den Katalogtaten aus § 100a Abs. 2 StPO zu ziehen. 14

350

6. Teil: Ausblick de lege ferenda

von erheblicher Bedeutung22. Welche schwerwiegenden Straftaten die Normgeber der VwV-L gemeint haben, lässt sich aus dieser Bezeichnung nicht herauslesen. Dies eröffnet den Strafverfolgungsbehörden zwar einen weiten Handlungsspielraum und kommt den praktischen Bedürfnissen entgegen, kann aber gleichzeitig aus Gesichtspunkten des Bestimmtheitsgebots problematisch sein, weil nach den Vorgaben des BVerfG zur Konkretisierung des Begriffes auf bereits bestehende Straftatenkataloge zurückgegriffen oder ein neuer Katalog geschaffen werden müsste23. Nach der vom BVerfG für den Bereich des § 100a Abs. 2 StPO für akzeptabel gehaltenen24 Begriffsbestimmung gehören zu schweren Straftaten solche, „die eine Mindesthöchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe aufweisen, in Einzelfällen aufgrund der besonderen Bedeutung des geschützten Rechtsguts oder des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung aber auch eine geringere Freiheitsstrafe. Eine Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe entspricht dem Begriff der schweren Straftat nicht mehr.“25 So könnte man als Lösung etwa auf die Taten aus den bestehenden Katalogen in § 100a Abs. 2 StPO sowie § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StPO zurückgreifen und sie bei Bedarf noch entsprechend ergänzen. Diese Herangehensweise hätte zwar zur Folge, dass in bestimmten Deliktsbereichen weniger Internetfahndungen ausgelöst werden, gleichzeitig bietet sie transparentere Orientierungsmöglichkeiten sowohl für die Strafverfolgungsbehörden als auch für die Gesellschaft. Daher sollte die hier vorgeschlagene Lösung in einer Neuregelung der Internetfahndung in § 131d StPO ihren Platz finden, der als Ergänzung der existierenden Normen konzipiert ist. Auch wenn detaillierte Regelungen insbesondere zur Nutzung sozialer Netzwerke bereits in Nr. 3.2 VwV-L enthalten sind, sollten ihre Eckpunkte als Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zum Bestandteil der gesetzlichen Neuregelung werden: Zum einen sollte festgeschrieben werden, dass personenbezogene Daten der Betroffenen im Kontrollbereich der Behörden zu verbleiben haben. Dabei wäre die Vorschrift in Bezug auf den Einsatz konkreter Plattformen wegen möglicher technischer Weiterentwicklungen technikoffen zu formulieren. Diese Vorgabe wird zurzeit in der Praxis in sozialen Netzwerken durch die sog. LinkLösung umgesetzt. Sie würde gleichzeitig die Behörden verpflichten, die Prämisse der Datenkontrolle bei der inhaltlichen Ausgestaltung von Fahndungsaufrufen zu beachten, was bisher nicht immer zu beobachten war. Die Regelung wäre gezielt offen zu formulieren, weil sich die Tendenzen in diesem Bereich noch nicht ab-

22 BVerfGE 141, 220 (270). Es besteht kein Anhaltspunkt zur Annahme, dass die Normgeber der VwV-L die Formulierung i. S. v. „einer Straftat von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung“, wie in § 100g Abs. 1 Nr. 1, 100i Abs. 1 StPO, verstanden haben. 23 Vgl. BVerfGE 125, 260 (329); 129, 208 (243 f.); S / S/W / Eschelbach, § 100a Rn. 13. In diese Richtung Baumhöfener, K&R 2015, 625 (631). 24 BVerfGE 129, 208 (243 f.). 25 BT-Drs. 16/5846, S. 40.

A. Repressiver Bereich

351

schließend abschätzen lassen26. Außerdem sollte, erneut mit besonderem Fokus auf soziale Netzwerke, das Erfordernis des Geringhaltens negativer Folgen für den Betroffenen ebenso wie die behördliche Löschungspflicht im Gesetz verankert werden. Der Verweis im neu zu schaffenden § 131d StPO auf §§ 131 Abs. 3, 131a Abs. 3 sowie 131b Abs. 127 StPO soll zum Ausdruck bringen, dass es sich um die Ergänzung dieser Regelungen handelt. Infolge dessen würden für die Internetfahndung in ihrer konkreten Erscheinungsform und im Verhältnis zu anderen Fahndungsmaßnahmen dort enthaltene Subsidiaritäten fortgelten. An dieser Stelle sollen die Subsidiaritätsklausel für soziale Netzwerke in Nr. 3.2 Abs. 1 S. 2 VwV-L („wenn andere Maßnahmen … erheblich weniger oder keinen Erfolg versprechen“) sowie der Apell der Datenschützer28 um eine gesetzliche Klarstellung einschränkender Nutzung sozialer Netzwerke nicht unerwähnt bleiben. Gleichwohl wäre eine zusätzliche Einführung einer eigenen Subsidiaritätsklausel für die Internetfahndung mit dem Risiko einer Normenkollision behaftet, sie könnte auch zu der unerwünschten Folge einer Überregulierung führen. Darüber hinaus reichen die im Gesetz enthaltenen Prämissen „erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert“ bei sachgemäßer Anwendung durch die Praxis aus, einen angemessenen Grundrechtsschutz für den Betroffenen zu gewährleisten. Schließlich würde dadurch der berechtigte Einwand des Schrifttums29, Subsidiaritäten umfassten nicht die konkrete Form der Öffentlichkeitsfahndung, in diesem konkreten Fall seine gesetzliche Umsetzung finden. Aus diesen Gründen wird die Einführung einer neuen Vorschrift in die StPO vorgeschlagen: § 131d [Internetfahndung] In den Fällen des § 131 Abs. 3, § 131a Abs. 3 und § 131b Abs. 1 ist die Internetfahndung in ihrer konkreten Erscheinung auf im Einzelfall schwerwiegende Straftaten aus § 100a Abs. 2 und § 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 zu beschränken. Bei der Nutzung von Diensten privater Internetanbieter ist dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche personenbezogenen Daten der Betroffenen im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsbehörden verbleiben. Negative Folgen für den Betroffenen

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Es bleibt abzuwarten, wie sich das Urteil des BVerwG vom 11.9.2019, NJW 2020, 414 (417 f.), wonach gegenüber dem Betreiber einer Facebook-Fanpage die Deaktivierung des Internetauftritts angeordnet werden kann, falls die Erhebung und Verarbeitung der Nutzerdaten durch das soziale Netzwerk mit schwerwiegenden datenschutzrechtlichen Mängeln behaftet ist, auf die Praxis auswirkt. 27 Siehe dazu unter Pkt. A. II. 3. dieses Teils. 28 Dort: Speziell bezogen auf soziale Netzwerke, 87. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 27./28.3.2014, Entschließung: „Öffentlichkeitsfahndung mit Hilfe sozialer Netzwerke – Strenge Regeln erforderlich!“, https://www.datenschutz.bremen.de/ publikationen/konferenzentschliessungen/87__konferenz__oeffentlichkeitsfahndung_mit_​ hilfe_sozialer_netzwerke-9477 (26.4.2020). 29 L-R / Gleß, § 131 Rn. 20; SK / Paeffgen, § 131 Rn. 6.

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6. Teil: Ausblick de lege ferenda

sind nach dem Stand der Technik möglichst gering zu halten. Nach Beendigung der Fahndung sind personenbezogene Daten der Betroffenen unverzüglich aus dem Internet zurückzunehmen. b) Anlage B RiStBV Die technischen Modalitäten der Internetfahndung sollten, wie bisher, in Anlage B RiStBV bzw. in den Länderregelungen ihren Platz finden. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte betroffener Personen sollten die Regelungen zur Verhältnismäßigkeit (Nr. 1.2 Abs. 3 Anl. B RiStBV) um die Schweizer Lösung des sog. Dreistufenmodells30, hier in einer modifizierten Form einer Zweistufenregelung, ergänzt werden. So könnte in geeigneten Fällen im Vorfeld der Anordnung der Öffentlichkeitsfahndung zunächst eine Abbildung, auf der die ganze Silhouette des Betroffenen, also nicht nur sein Gesicht, durch technische Methoden unkenntlich gemacht wird31, veröffentlicht werden mit dem Hinweis, dass eine unverpixelte Abbildung zu einem späteren Zeitpunkt gezeigt wird; nach Ablauf einer Woche, innerhalb der eine Anordnung der Öffentlichkeitsfahndung zu besorgen wäre, könnte eine unverpixelte Abbildung folgen. Diese Möglichkeit könnte insbesondere bei der Suche nach unbekannten Tatverdächtigen zur Beschleunigung des Verfahrens beitragen, zumal sie nicht auf § 131b Abs. 1 StPO, sondern auf die Ermittlungsgeneralklauseln der §§ 161, 163 StPO gestützt werden könnte und somit keiner richterlichen Anordnung bedürfte. Das Ziel ist es, dem Betroffenen, der aufgrund seines spezifischen Wissens in der Lage ist, sich auf dem bearbeiteten Bild wiederzuerkennen, die Gelegenheit zu geben, sich vor Veröffentlichung des unverpixelten Bildes bei der Polizei zu melden, um die negativen Folgen einer Internetfahndung, allem voran die virtuelle Brandmarkung, zu vermeiden. Diese Lösung hätte weiter den Vorteil, dass derartig bearbeitete Bilddateien auch in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden könnten, da sich das Problem der Übertragung personenbezogener Daten ins Ausland nicht stellen würde. Bereits jetzt sind solche verpixelten Bilder in den Fahndungsaufrufen in sozialen Netzwerken als Begleitbild zum Post anzutreffen32.

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Siehe unter Pkt. A. I. 2. d) aa) des 5. Teils. Siehe auch L-R / Gleß, Vor § 131 Rn. 8. Es ist darauf zu achten, dass sich die Abbildungen durch technische Mittel von den Internetnutzern nicht „entpixeln“ lassen, dazu Tischbein, ­Valerie, Verpixelung macht unsichtbar  – oder doch nicht?, Netzpolitik.org vom 15.9.2016, https://netzpolitik.org/2016/verpixelung-macht-unsichtbar-oder-doch-nicht/ (26.4.2020). 32 Z. B. Polizei Göttingen, Fahndungsaufruf vom 27.9.2019, https://web.facebook.com/ polizeidirektion.goettingen/photos/a.485123801503220/3080761398606101/?type=3&theater (26.4.2020). 31

A. Repressiver Bereich

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2. Verstärkung des Zeugenschutzes Um dem Zeugenschutz im digitalen Zeitalter noch mehr Geltung zu verschaffen, ist vorzuschlagen, die Öffentlichkeitsfahndung auf einen „wichtigen Zeugen“ einzuschränken. Dieser Begriff wird nicht nur in Nr. 39 Abs. 1 sowie Nr. 42 RiStBV im Zusammenhang mit den Fahndungsmaßnahmen nach §§ 131 ff. StPO, sondern auch im Schrifttum verwendet33. Er war darüber hinaus bereits in § 131b Abs. 1 StPO-AE zu finden34. Durch eine derartige Einschränkung müssten Strafverfol­ gungsbehörden aufgrund des ihnen vorliegenden Beweismaterials, etwa einer Videoaufnahme, im Vorfeld der Maßnahme die Prognose stellen, ob von dem Zeugen im konkreten Fall eine sachdienliche Aussage zu erwarten ist. Hierbei können Kriterien wie die örtliche Entfernung des Zeugen zum Tatgeschehen, seine Verweildauer in der Nähe des Tatorts oder seine Blickrichtung eine Rolle spielen. 3. Konstruktion und Inhalt des § 131b StPO a) Fokussierung auf inhaltliche Elemente Das Augenmerk der beiden ersten Absätze des § 131b StPO ist, anders als in § 131 und § 131a StPO, nicht auf den Fahndungszweck, sondern auf die Veröffentlichung einer Abbildung (in Abs. 2 zusätzlich auf Hinweise auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren) fokussiert. Diese ungewöhnliche Lösung ist auf die Gesetzgebungsarbeiten aus den 1980er- und frühen 1990er-Jahren zurückzuführen35. Sie führt zu Unstimmigkeiten, sollte eine ausschließliche Veröffentlichung von Namen (§ 131b Abs. 3 i. V. m. § 131 Abs. 4 S. 1 StPO) ohne Abbildung im Rahmen der Öffentlichkeitsfahndung bezweckt sein. Zwar ist, wie bereits erwähnt36, § 131b StPO nach Sinn und Zweck auch für diesen Fall anwendbar, der Wortlaut des Abs. 1 und 2 ist jedoch ausdrücklich auf die Veröffentlichung einer Abbildung zugeschnitten. So wird, überspitzt gesagt, eine Norm, die die Veröffentlichung einer Abbildung regelt, für Fälle ohne Abbildung herangezogen, was bereits zu sprachlichen Dissonanzen nahe an der Wortlautgrenze führt. Hinzu kommt, dass § 131b Abs. 2 StPO in seiner aktuellen Gestalt in Bezug auf Hinweise auf das der Veröffentlichung zugrunde liegende Strafverfahren zu unnötigen Doppelungen führt, weil solche Informationen auch durch den Verweis in § 131b Abs. 3 StPO auf § 131 Abs. 4 S. 2 StPO umfasst sind, der für die Identitäts- und Aufklärungsfahndung nach Zeugen Anwendung findet. Die gesetzliche Formulierung ist vielmehr irreführend, weil sie nach der geltenden Rechtslage die

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Hilger, in: FS Rieß, 171 (178); Jahn, in: Heghmanns / Scheffler, II Rn. 27. Abgedruckt in: Bürgerrechte & Polizei / CILIP 29 (1/1988), S. 68 (70). 35 Siehe unter Pkt. A. I. 5. b) des 2. Teils. 36 Siehe unter Pkt. A. I. 5. f) aa) des 2. Teils. 34

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6. Teil: Ausblick de lege ferenda

Hinweise in Abs. 2 auf der Sachebene der Subsidiaritätsklausel, in Abs. 3 auf der Inhaltsebene einer allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprüfung unterwirft37. Demgegenüber enthalten Vorschriften zur Aufenthaltsermittlung nach Zeugen unter Inanspruchnahme der Öffentlichkeit in § 131a Abs. 3 und 4 StPO, wo Abbildungen einer strengen Subsidiaritätsklausel unterworfen sind, keine vergleichbare Regelung zu den Hinweisen, vielmehr wird in § 131a Abs. 4 S. 1 StPO auf § 131 Abs. 4 StPO verwiesen. Im Ergebnis ist vorzuschlagen, die Vorschrift mit dem Fokus auf den Fahndungszweck umzuformulieren. Im neuen § 131b Abs. 1 StPO sollte die Öffentlichkeitsfahndung nach Beschuldigten und Zeugen gemeinsam geregelt werden. Als Vorbild hierzu dienen § 131a Abs. 3 und 4 StPO, wobei auf der materiellrechtlichen Ebene die dort verwendete Subsidiaritätsklausel „auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert“ gelten sollte. Einer strengeren Fassung der Subsidiaritätsklausel in Bezug auf Zeugen bedarf es nicht, weil der Zeugenschutz durch die vorgeschlagene Einschränkung des Tatbestandsmerkmals auf „wichtigen Zeugen“38 zusätzlich gestärkt wird. Die Korrektur sollte dann wie bei § 131a Abs. 4 S. 4 StPO auf der Inhaltsebene durch die inhaltliche Subsidiaritätsklausel „aussichtslos oder wesentlich erschwert“ in Bezug auf die Abbildung des Zeugen erfolgen. Des Weiteren sollte auf die entsprechende Geltung des § 131 Abs. 4 StPO verwiesen und zusätzlich geregelt werden, dass die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Zeugen unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen entgegenstehen. Diese aus § 131a Abs. 4 S. 3 StPO übernommene Regelung dient zur Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, ähnliche Regelungen sind auch an mehreren Stellen in der StPO zu finden39. Schließlich sollte dort auch der Hinweis, dass die Veröffentlichung erkennbar machen muss, dass die abgebildete Person nicht Beschuldigter ist, aufgenommen werden. b) Einfacher Tatverdacht Ferner ist die Voraussetzung eines einfachen Tatverdachts in § 131b Abs. 1 und 2 StPO nicht sachgerecht, berücksichtigt man, dass die Identitätsfahndung im Internet die überwiegende Zahl sämtlicher Fahndungsaufrufe betrifft. Die Argumentation, ein dringender Tatverdacht sei nicht notwendig, weil die Maßnahme keine Festnahme bezwecke40 und die Voraussetzungen für den Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nicht vorliegen müssten41, lässt nicht nur die Systematik außer Acht, sondern auch die erheblichen negativen Folgen der Maßnahme für 37

Siehe unter Pkt. A. I. 1. c) ff) und A. II. 4. des 5. Teils. Siehe unter Pkt. A. II. 2. dieses Teils. 39 In der StPO: §§ 100j Abs. 4 S. 3; 101 Abs. 4 S. 3; 147 Abs. 4 S. 1, 155b Abs. 2 S. 1; 385 Abs. 3 S. 1; 406e Abs. 2 S. 1. 40 MüKo / Gerhold, § 131b Rn. 3; AnwK / Walther, § 131b Rn. 3. 41 KK / Schultheis, § 131b Rn. 2; S / S/W / Satzger, § 131b Rn. 3; Soiné, § 131b Rn. 1. 38

A. Repressiver Bereich

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den Betroffenen, sei es als Beschuldigter oder Zeuge. Darüber hinaus muss der dringende Tatverdacht nicht zwingend mit einem Haftbefehl verbunden sein. Er zählt auch zu den Voraussetzungen der Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung nach § 131a Abs. 3 StPO, die gerade nicht auf die Festnahme des Beschuldigten abzielt, sowie der Durchsuchung bei anderen Personen gemäß § 103 Abs. 1 S. 2 StPO. Von ihrer Eingriffsintensität her unterscheidet sich eine Identitäts- oder Aufklärungsfahndung nicht von der öffentlichen Fahndung zur Festnahme oder zur Aufenthaltsermittlung, zumal sie nach dem Wortlaut des § 131b StPO die Veröffentlichung einer Abbildung des Beschuldigten oder Zeugen, nicht selten vom Tatort, bezweckt. Bei der gesetzlichen Entscheidung, die Identitätsund Aufklärungsfahndung nach Beschuldigten und Zeugen lediglich von einem Anfangsverdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung abhängig zu machen, wurde nicht berücksichtigt, dass eine größere Eingriffsintensität der Ermittlungsmaßnahme einen stärkeren Tatverdacht verlangt42. Daher sollte auch in § 131b StPO ein dringender Tatverdacht eingeführt werden43. Dafür spricht auch, dass bei einer Öffentlichkeitsfahndung nach § 131b Abs. 1 StPO die Tat einer konkreten bzw. relativ konkretisierten Person, von der ein Foto, Video oder subjektives Porträt existiert, zur Last gelegt wird44. Für einen höheren Verdachtsgrad spricht das Bedürfnis des Zeugenschutzes – in § 131a Abs. 3 StPO wird dieses (auch) in der Voraussetzung des dringenden Tatverdachts erblickt45. Der Wortlaut des § 131b Abs. 1 StPO bezieht sich auf einen Beschuldigten, also mehr als „nur“ einen Tatverdächtigen. Das Erfordernis eines dringenden Tatverdachts ist daher besser geeignet, die Interessen des Betroffenen zu schützen. Folgerichtig überzeugt genau deshalb die Entscheidung des Gesetzgebers, die Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung von einem höheren Verdachtsgrad abhängig zu machen, auch wenn dadurch die Ermittlungen mehr Zeit in Anspruch nehmen sollten46. Daher wird folgende Neufassung des § 131b StPO vorgeschlagen: § 131b [Öffentlichkeitsfahndung zur Aufklärung einer Straftat, insbesondere zur Identitätsfeststellung] (1) Bei einer Straftat von erheblicher Bedeutung darf eine Öffentlichkeitsfahndung angeordnet werden, wenn der Beschuldigte der Begehung der Straftat dringend verdächtig ist und die Aufklärung einer Straftat, insbesondere die Fest 42

Lohner, S. 66. Bedenken auch bei Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131b Rn. 2 (ohne Begründung). Siehe auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 287. Nr. 2.2.2 des Erlasses IV LKA 12 – 35.00 – des LKA Schleswig-Holstein vom 6.7.2015 Einstellungen von Personen- und Sachfahndungen auf der Internetseite der Landespolizei Schleswig-Holstein (nicht veröffentlicht) sieht für die Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen „einen dringenden Verdacht einer Straftat von erheblicher Bedeutung“ vor. 44 Vgl. Benfer / Bialon, Rn. 1084. 45 Vgl. KK / Schultheis, § 131a Rn. 4. 46 So i. E. auch SK / Paeffgen, § 131a Rn. 7; a. A. L-R / Gleß, § 131a Rn. 7 bezogen auf die Zeugenfahndung. 43

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6. Teil: Ausblick de lege ferenda

stellung der Identität eines unbekannten Täters oder eines wichtigen Zeugen auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Die Öffentlichkeitsfahndung unterbleibt, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des wichtigen Zeugen entgegenstehen. (2) § 131 Abs. 4 gilt entsprechend. Abbildungen des wichtigen Zeugen dürfen nur erfolgen, soweit die Erreichung des Fahndungsziels auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Bei Fahndungsmaßnahmen nach einem wichtigen Zeugen ist erkennbar zu machen, dass die abgebildete Person nicht Beschuldigter ist. 4. Gestaltung der Anordnungskompetenzen In den letzten Jahren wurden Stimmen lauter, die die richterliche Primärkompe­ tenz in § 131c Abs. 1 S. 1 StPO infrage stellten und forderten, diese durch die Primärkompetenz der Staatsanwaltschaft zu ersetzen; die Eilkompetenz solle bei den Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft verbleiben47. Es wurde argumentiert, die Staatsanwaltschaft könne besser als der Richter prognostizieren, ob sich die Identität des Gesuchten anderweitig feststellen lässt; zum anderen habe diese Lösung den Nebeneffekt, richterliches Personal zu entlasten. Dem wurde entgegengehalten, dass es wegen der Eingriffsintensität sachdienlich sei, den Richter­vorbehalt beizubehalten, zumal sich auch keine Verfahrensverzögerungen hierdurch ergäben48. Dem ist zuzustimmen: Für die alleinige Primärkompetenz des Richters in § 131c Abs. 1 S. 1 StPO spricht, dass dadurch eine Kontrollinstanz geschaffen wird, die auf eine eventuell zu extensiv ausfallende Auslegung einzelner Voraussetzungen im Einzelfall (z. B. Straftat von erheblicher Bedeutung, Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit) hinweisen und den Erlass einer Anordnung ablehnen kann49. Die veröffentlichte Rechtsprechung zur Öffentlichkeitsfahndung betraf gerade solche Konstellationen. Auch wenn die Umsetzung des Richtervorbehalts als solchem

47 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 20/9945 vom 12.11.2013, Antrag der Abgeordneten André Trepoll, Christoph Ahlhaus, Ralf Niedmers, Katharina Wolff, Kai Voet van Vormizeele (CDU) und Fraktion, Betr.: Identitäts- und Aufklärungsfahndung gemäß § 131b StPO erleichtern. Ähnliche Stimmen waren auch von polizeilicher Seite zu vernehmen, O. V., Polizeigewerkschaft zum U-Bahn-Tritt. „Täterrechte hängen sehr hoch in unserem Land“, B. Z. vom 15.12.2016, https://www.bz-berlin.de/berlin/neukoelln/taeterrechte-haengen-sehrhoch-in-unserem-land (26.4.2020). 48 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, Drs. 20/14235 vom 9.1.2015, Bericht des Ausschusses für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung über die Drucksache 20/9945: Identitäts- und Aufklärungsfahndung gemäß § 131b StPO erleichtern (Antrag CDU), S. 1. In Hamburg entscheiden Richter über die beantragte Öffentlichkeitsfahndung am Tag des Akteneingangs oder am folgenden Tag, siehe ebenda. 49 Gegen die Abschaffung bzw. Modifizierung des Richtervorbehalts auch Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 18/21083, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Sven Rissmann (CDU) vom 20.9.2019 zum Thema: Öffentlichkeitsfahndung und Antwort vom 2.10.2019, unter Pkt. 6.

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in der Praxis von manchen kritisiert wird50, hat sich dieser aus der Zeitperspektive betrachtet bewährt. Er dient dazu, das Fahndungsersuchen „mit einem objektiven Auge“ zu beurteilen51. Eine Problemquelle wurde im Schrifttum an einer anderen Stelle verortet: Es wurde mehrfach dazu aufgerufen, die polizeiliche Eilkompetenz, insbesondere für die Internetfahndung, abzuschaffen52. Die Hauptkritikpunkte betrafen die Umgehung des Richtervorbehalts sowie den Vorwurf, dass Polizeibeamte, die auf den Ermittlungserfolg konzentriert seien, gleichzeitig nicht die erforderliche Neutra­ lität besäßen, über komplexe Einzelvoraussetzungen der Öffentlichkeitsfahndung zu entscheiden und Grundrechtspositionen der Betroffenen, insbesondere Gefahren für Zeugen, sowie die Unschuldsvermutung sachgerecht zu berücksichtigen53. Bereits im Rahmen legislatorischer Arbeiten am StVÄG 199954 schlug der Rechtsausschluss (im Ergebnis ohne Erfolg55) vor, die Eilkompetenz der Polizei aus § 131c Abs. 2 StPO zu streichen und es bei der Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft zu belassen56. Er begründete das wie folgt57: „Die Einschränkung der Kompetenz für die Anordnung einer Aufenthaltsermittlung im Wege der Öffentlichkeitsfahndung auf den Richter, in Eilfällen auch auf die Staatsanwaltschaft, trägt der … Eingriffsintensität Rechnung. Öffentlichkeitsfahndungen bedürfen regelmäßig längerer Vorbereitung. Durch den Wegfall der Eilzuständigkeit der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft sind somit – auch im Hinblick auf die modernen Formen der Kommunikation mit dem staatsanwaltschaftlichen Notdienst – keine ermittlungstaktischen Nachteile zu befürchten.“ Auch in dem von der Fraktion der SPD, 50 Kritisch zu dem Richtervorbehalt als solchen und praktischen Defiziten Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (347 f.); Helmken, StV 2003, 193 ff.; zu empirischen Daten in Bezug auf Telefonüberwachung siehe Backes / Gusy / Begemann / Doka / Finke, Abschlussbericht Kurzfassung. 51 Siehe bereits Wollweber, K&R 1998, 144 (146). 52 Ranft, StV 2002, 38 (41); ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 758; Valerius, S. 54 f.; Baumhöfener, K&R 2015, 625 (631); Jahn, in: Heghmanns / Scheffler, II Rn. 41. Kritisch auch Radtke  / ​ Hohmann / Kretschmer, § 131 Rn. 10, 131c Rn. 1; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 10, 131b Rn. 7, 131c Rn. 2, 5.  A. A. HK / Ahlbrecht, § 131 Rn. 13; KK / Schultheis, § 131 Rn. 17 (der allerdings für § 131 Abs. 2 StPO einräumte, dass die Bewertung der Voraussetzungen für die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft nicht einfach sein kann, § 131 Rn. 12). 53 Ranft, StV 2002, 38 (38, 41, 43), der die Vorschrift deshalb für unverhältnismäßig und verfassungswidrig hält; ders., Strafprozeßrecht3, Rn. 758; genauso Valerius, S. 54 f.; Baum­ höfener, K&R 2015, 625 (631); in diese Richtung Radtke / Hohmann / Kretschmer, § 131c Rn. 1; SK / Paeffgen, § 131a Rn. 10. 54 Soiné, Kriminalistik 2001, 173 (174) konstatierte, dass die Regelung der abgestuften Anordnungskompetenz eine der „politisch heikelsten“ Fragen des Gesetzgebungsverfahrens war. 55 Dagegen der Bundesrat: „Die der Staatsanwaltschaft und ihren Hilfsbeamten eingeräumte Eilkompetenz entspricht praktischen Bedürfnissen …“, BR-Drs. 64/1/00, S. 5 unter Pkt. 6. Der Vermittlungsausschuss führte die polizeiliche Eilkompetenz wieder ein, BT-Drs. 14/3525, S. 2. 56 BT-Drs. 14/2595, S. 6, 28. Gleichzeitig wurde die im Regierungsentwurf enthaltene Eilkompetenz bei der Fahndung zur Festnahme beibehalten, dafür aber die staatsanwaltschaftliche Bestätigung innerhalb von 24 Stunden vorgeschlagen, ebenda, S. 5. 57 BT-Drs. 14/2595, S. 28.

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BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sowie dem Bundesministerium der Justiz 2004 vorgestellten „Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens“ wurde für eine Streichung der Eilkompetenz der Polizei aus § 131c Abs. 1 S. 1 StPO plädiert58. Zur Begründung wurde herangeführt, nach den Erfahrungen seit dem Inkrafttreten des StVÄG 1999 bestehe wegen rechtzeitiger Erreichbarkeit der Staatsanwaltschaft kein Bedarf für die Eilkompetenz der Polizei59. Diese Forderung wurde auch vom Deutschen Richterbund unterstützt, der den Streichungsbedarf mit der Stärkung der Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft begründete60. Auch wenn der tatsächlich bestehende praktische Bedarf für die Eilkompetenz der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft für die Öffentlichkeitsfahndung an dieser Stelle nicht beurteilt werden kann, spricht die Komplexität der Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Öffentlichkeitsfahndung, die einer Vornahme zahlreicher juristischer Wertungen bedarf, sowie die Tatsache, dass eine Veröffentlichung im Internet, insbesondere in sozialen Netzwerken, bereits innerhalb kürzester Zeit zu gravierenden Nachteilen für den Betroffenen führen kann61, dafür, diese Eilkompetenz sowohl aus § 131 Abs. 3 StPO als auch aus § 131c Abs. 1 StPO zu streichen. Auch wenn das Handeln bei Gefahr im Verzug auch bei anderen Maßnahmen, etwa bei einer Durchsuchung, stets mit einem Grundrechtseingriff verbunden ist, ist die Internetfahndung insoweit spezifisch, als von ihr die breite Öffentlichkeit erfährt. Bedenkt man, dass die Aufarbeitung eines Fahndungsaufrufs (Vorbereitung der Mitteilung, Auswahl der zu veröffentlichenden Informationen, Auswahl und Bearbeitung des vorhandenen Bildmaterials) Zeit in Anspruch nimmt, das BVerfG konkrete Vorgaben für die Einführung des richterlichen Bereitschaftsdienstes gemacht hat und auch die Staatsanwaltschaft in der Regel erreichbar ist, entfällt das Argument, es könne nicht rechtzeitig entschieden werden, ohne den Ermittlungserfolg zu gefährden62. Andere Lösungen wie etwa der Ausschluss der Zeugenfahndung von der polizeilichen 58

Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens, Februar 2004, S. 2, unter Pkt. 6, www.gesmat.bundesgerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/StrafverfahrensRefG/DiskE. pdf (26.4.2020). 59 Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens, Februar 2004, S. 28, www. gesmat.bundes​gerichtshof.de/gesetzesmaterialien/15_wp/StrafverfahrensRefG/DiskE.pdf (26.4.2020). Genauso Jahn, in: Heghmanns / Scheffler, II Rn. 41; AnwK / Walther, § 131c Rn. 1. 60 Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN für eine Reform des Strafverfahrens vom 18.2.2004, September 2004, www.gesmat.bundesgerichtshof. de/gesetzesmaterialien/15_wp/StrafverfahrensRefG/stellung_drb_sept_04.pdf (26.4.2020). 61 Siehe bereits unter Pkt. A. III. 2. b) cc) des 5. Teils. 62 Bereits der Rechtsausschuss stellte im Rahmen der Gesetzgebungsarbeiten am StVÄG 1999 fest, dass aufgrund „der in aller Regel gegebenen Erreichbarkeit der Staatsanwaltschaft“ eine Eilkompetenz zur Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme auf „seltene Ausnahmefälle“ beschränkt sei, BT-Drs. 14/2595, S. 27. Siehe auch SK / Paeffgen, § 131c Rn. 5: „Problemlos könnte man mittels Absprachen mit dem zuständigen Richter / Staatsanwalt gewährleisten, daß, wenn es wirklich pressierlich werden sollte, der Zuständige auch zum Erlaß der Anordnung verfügbar sein könnte.“

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Eilkompetenz, der Verzicht auf die Wochenfrist in § 131c Abs. 2 S. 1 StPO63 und gleichzeitige Angleichung der Bestätigungspflicht auf 24 Stunden, wie es in § 131 Abs. 3 S. 4 StPO der Fall ist, oder das Belassen der Eilkompetenz bei der Fahndung zur Festnahme wären lediglich halbe Lösungen und werden hier nicht befürwortet. Bei der so verbleibenden Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft sollte in der Fassung des § 131c Abs. 2 S. 1 StPO der missverständliche Begriff „andauernd“64 bezogen auf die Internetfahndung gestrichen sowie die richterliche Bestätigungsfrist auf 24 Stunden gekürzt werden. Die Wochenfrist in o. g. Norm ist im Zeitalter des Web 2.0 angesichts zahlreicher eingesetzter Plattformen und Medien sowie des Verbreitungsgrads der Fahndungsinformation, vor allem über mobile Endgeräte, nicht mehr angemessen. 5. Beendigung der Maßnahme Wie bereits dargestellt65, enthalten §§ 131 ff. StPO keine Regelungen über die Folgen der Beendigung der Maßnahme. Bereits das Volkszählungsurteil sah die Löschungspflicht66 als „verfahrensrechtliche Schutzvorkehrung“ des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vor67. Diese Pflicht ist weiter aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleiten68. Zwar sind Beendigungsmaßnahmen an sich selbstverständlich, gleichwohl ist mit einem Teil des Schrifttums zu fordern, eine entsprechende Vorschrift gesetzlich zu verankern69, auch um der Entstehung hier und da im Internet anzutreffender polizeilicher „Karteileichen“ zukünftig nachdrücklicher entgegenzuwirken. Eine Beendigungspflicht bestimmter Maßnahmen ist bereits in §§ 100e Abs. 5 S. 1; 110b Abs. 1 S. 2 Hs. 2, Abs. 2 S. 4; 163d Abs. 4 S. 1 StPO zu finden. Für die gesetzliche Fixierung spricht auch, dass die Öffentlichkeitsfahndung für den Betroffenen eingriffsintensiver ist als die in § 163d StPO geregelte Schleppnetzfahndung. Die letztgenannte Vorschrift enthält eine treffende Formulierung, die auch für §§ 131 ff. StPO übernommen werden kann. Darüber hinaus wäre es sachdienlich, die Befristung der Fahndung im Gesetz zu verankern, wie es bereits in §§ 163d Abs. 3 S. 4, 5; 163e Abs. 4 S. 5 StPO der Fall ist. Die maximale Fristdauer könnte wie in § 163e Abs. 4 S. 5 StPO ein Jahr betragen, was auch mit der staatsanwaltschaftlichen Überprüfungspflicht spätestens nach sechs Monaten in Nr. 3.2 Abs. 2 S. 2 Anl. B RiStBV und Nr. 3.2 Abs. 5 S. 2 V ­ wV-L korrespondieren würde. 63

Kritisch auch Ranft, StV 2002, 38 (41); Valerius, S. 55. Siehe hierzu unter Pkt. A. III. 2. b) bb) des 5. Teils. 65 Siehe unter Pkt. A. III. 4. b) des 5. Teils. 66 SK / Paeffgen, § 131c Rn. 2 Fn. 2 schreibt in diesem Zusammenhang von einer „staatlichen Pflicht zum Vergessen“. 67 BVerfGE 65, 1 (Ls. 7, 46, 59). 68 Vgl. BVerfGE 100, 313 (364 f.). 69 SK / Paeffgen, § 131c Rn. 5; Ranft, StV 2002, 38 (41). A. A. L-R26 / Hilger, Vor § 131 Rn. 10; vgl. auch Schoreit, DRiZ 1989, 259 (261). 64

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6. Teil: Ausblick de lege ferenda

Daher ist folgende Norm vorzuschlagen und im neuen § 131 Abs. 6 StPO zu verorten: Die Anordnung ist auf höchstens ein Jahr zu befristen. Liegen die Voraussetzun­ gen für den Erlass der Anordnung nicht mehr vor oder ist der Zweck der sich aus der Anordnung ergebenden Maßnahmen erreicht, so sind diese unverzüglich zu beenden. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Hinweises auf die Fahndungs­ erledigung und auf die Pflicht Privater zur Löschung personenbezogener Daten sollte als technische Vorschrift in die Anl. B RiStBV etwa in die Nr. 2.1 Abs. 3 aufgenommen werden. Auf diese Normierung wäre weiter in Nr. 2.2 (Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen), Nr. 2.3 (Fahndung nach Zeugen) und Nr. 2.4 Anl. B RiStBV (Fahndung nach einem flüchtigen Verurteilten) zu verweisen. Darüber hinaus sollte in Anl. B RiStBV eine Kontrollpflicht der Staatsanwaltschaft bzw. einer internen Stelle der Polizeibehörden bzgl. der Löschung personenbezogener Daten bzw. ganzer Fahndungsaufrufe geregelt werden.

B. Präventiver Bereich In einzelnen Bundesländern, die die präventive Öffentlichkeitsfahndung auf allgemeine Vorschriften zur Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs stützen, werden Gesetzesänderungen nicht für nötig gehalten, weil sich die geltende Regelung bewährt habe und dementsprechend als ausreichend bewertet werde70. In diesem Bereich besteht jedoch Bedarf an einer expliziten Regelung, um dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit Rechnung zu tragen71. Zurzeit lässt der jeweilige Gesetzeswortlaut den konkreten Anlass und den Zweck des Eingriffs in Grundrechtspositionen durch Datenübermittlung vermissen72. Bereits in den 1990er-Jahren wurde auf eine Regelungslücke bei der präventiven Öffentlichkeitsfahndung aufmerksam gemacht und für eine entsprechende Ergänzung plädiert73. Aus dem Hinweis auf

70 Abgeordnetenhaus Berlin, Drs. 17/18658, Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Christopher Lauer (PIRATEN) vom 31.5.2016 und Antwort, Öffentlichkeitsfahndungen durch die Polizei Berlin, unter Pkt. 3 und 4; siehe auch Meixner / Fredrich, § 24 HSOG Rn. 2. 71 So auch Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264, 265) mit einem Änderungsvorschlag; Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 8; BeckOK PolR Hessen / Bäuerle, § 22 HSOG Rn. 63; siehe auch Lisken / Denninger5 / Petri, G Rn. 304. 72 Vgl. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (881); Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 8. Nach BeckOK PolR Hessen / Bäuerle, § 22 HSOG Rn. 62 erfasse die Datenübermittlung an „nicht-öffentliche Stellen“ aufgrund des Bestimmtheitsgebotes gerade nicht die Übermittlung an die Öffentlichkeit. 73 Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 288 f.; ders., ZRP 1992, 84 (87); Becker, Die Polizei 1996, 25 f.

B. Präventiver Bereich

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die Aufgabenerfüllung in länderrechtlichen Regelungen74, die zurzeit nicht explizit auf eine Gefahrenabwehr abstellen75, lässt sich zwar im Rahmen einer Auslegung eine konkrete Gefahr ableiten, gleichwohl nennen diese Normen keine anderen konkreten Voraussetzungen76. § 193 Abs. 1 S. 2 LVwG SH77 und § 34 Abs. 1 S. 2 SPolG78 setzen wiederum eine Gefahr voraus, regeln aber nicht, für welche Rechtsgüter sie bestehen soll. Diese allgemeinen Vorschriften zur Datenübermittlung an nichtöffentliche Stellen werden sogar für verfassungswidrig gehalten, da sie der Intensität des Grundrechtseingriffs nicht genügend Rechnung trügen79. Dieser Vorwurf liegt nahe, weil sie sich nicht verfassungskonform auslegen lassen – der Zweck, Art und Umfang des konkreten Eingriffs ist aus der jeweiligen Regelung nicht ablesbar80. Auch wenn diese Normen ihre Einschränkung in dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit finden, wird auf diesen Umstand ausschließlich durch den Hinweis auf die „Erforderlichkeit“ verwiesen, was wegen der Eingriffsschwere der Internetfahndung und der Empfindlichkeit der veröffentlichten Daten (z. B. körperliche Schwächen, Gesundheitszustand, Gefährlichkeit des Gesuchten) unzureichend ist81. Die Notwendigkeit einer gesetzlichen Fixierung der präventiven Öffentlichkeitsfahndung ergibt sich nicht nur aus dem fast vierzig Jahre zurückliegenden Volkszählungsurteil82, sondern auch aus den Anforderungen des Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 der JI-Richtlinie der EU (2016/680), die in ihrem Erwägungsgrund Nr. 33 die Schaffung einer klaren und präzisen Rechtsgrundlage vorschreibt83. So sollten als Fahndungszwecke die Identitäts- bzw. Aufenthaltsermittlung sowie die Warnung vor Personen, von denen eine Gefahr ausgeht, in das Gesetz aufgenommen werden. Neben personenbezogenen Daten sollten auch hier Abbildungen gesondert genannt werden. Zu den zu schützenden Rechtsgütern sollten Leib, Leben und Freiheit einer Person als höherrangige Rechtsgüter der öffentlichen 74

§ 44 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW; Art. 59 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG; § 45 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 22 Abs. 3 S. 1 i. V. m. Abs. 2 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 21 Abs. 1 S. 3, 4 HSOG; § 27 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2a PolG NRW; § 84 Abs. 3 Nr. 1 SächsPVDG; § 28 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 26 Abs. 3 SOG LSA; § 41 Abs. 2 Nr. 2a ThürPAG. 75 Kritisch bereits Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 268; ders., ZRP 1992, 84 (86). 76 Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 7. Siehe auch Schütte / Braun / Keller, § 29 PolG NRW Rn. 11. 77 „Im übrigen [sic] können personenbezogene Daten an Behörden oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermittelt werden, soweit dies zur Abwehr einer im einzelnen Falle bevorstehenden Gefahr erforderlich ist.“ 78 „Im Übrigen kann die Polizei personenbezogene Daten an Behörden und öffentliche Stellen sowie an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs übermitteln, soweit das zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist.“ 79 Söllner, Die Polizei 2009, 263 (264). Vgl. auch Bajmel, S. 88 f., 144. 80 Vgl. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (883); Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 7. Anders lag es bei § 21 S. 1 Nr. 2 HbgPolDVG a. F., bei dem der Kern der Regelung (Datenübermittlung zur Abwehr von Gefahren für Leib, Leben, Gesundheit oder persönliche Freiheit) hinreichend bestimmt war, OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (879, 883 f.). 81 So auch Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 268 f.; ders., ZRP 1992, 84 (86). 82 Hierzu OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (881). 83 Vgl. Johannes / Weinhold, Rn. 124.

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6. Teil: Ausblick de lege ferenda

Sicherheit84 gezählt werden85. Eine Aufnahme bedeutender Vermögenswerte in den Rechtsgüterkatalog erscheint dagegen nicht zwingend, zumal diesbezügliche Delikte (zumindest teilweise) durch die länderrechtliche Definition der Straftat von erheblicher Bedeutung umfasst sind. Abzustellen ist daher zum einen auf die konkrete Gefahr, zum anderen auf die Prognose einer Straftat von erheblicher Bedeutung; das Letztere ist wegen der notwendigen polizeirechtsspezifischen Auslegung sachgerecht86. Darüber hinaus sollte geregelt werden, dass die Übermittlung personenbezogener Daten zur Gefahrenabwehr „unerlässlich“ sein muss. Dieser Begriff ist nicht nur in § 44 Abs. 2 S. 1 BbgPolG und § 44 Abs. 2 NPOG zu finden, er wurde bereits im Volkszählungsurteil zur Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips geprägt87. Ferner sollten wertende Angaben explizit aufgenommen werden, um den Anforderungen der Normenklarheit wegen der Eingriffsintensität solcher Informationen gerecht zu werden. Darüber hinaus sollte die Zuständigkeit gesondert geregelt und auf die Behördenleitung übertragen werden. Dafür spricht zum einen die Erfahrung bei der Abschätzung drohender Gefahren, zum anderen wird dadurch der Eingriffsintensität hinreichend Rechnung getragen88. Eine richterliche Anordnung wie in § 47 Abs. 2 S. 2 HmbPolDVG ist, anders als im repressiven Bereich, wegen der Spezifik der Gefahrenabwehr nicht erforderlich89, auch wenn auf den ersten Blick die Frage eines Widerspruchs zu den Wertungen der §§ 131 ff. StPO und zum Richtervorbehalt im Raum stehen mag. Anders als im repressiven Bereich sind die Behörden nicht auf den Ermittlungserfolg fokussiert. Es bedarf weiter wegen der Dringlichkeit einer schnellen Entscheidung im Einzelfall90. Die negativen Wirkungen einer Internetfahndung zu präventiven Zwecken, etwa der Brandmarkungseffekt, sind in der Gesamtbetrachtung (zumindest bei Vermissten) geringer als bei der repressiven Fahndung bzw. gehen in eine andere Richtung als bei einem gesuchten Beschuldigten. So kann als Vorlage einer Neuregelung die geltende Regelung des § 44 Abs. 2 BbgPolG mit Modifikationen dienen. Wegen der technikoffenen Formulierung ist die Internetfahndung von der Vorschrift mit umfasst. Gleichwohl sollte wegen der Eingriffsintensität aus Gründen der Rechtsklarheit auf die Besonderheiten ihrer Nutzung in Abs. 2 der Norm hingewiesen werden. Diese Norm könnte auch die Vorschriften in den Bundes­ländern ergänzen, die bereits die Öffentlichkeitsfahndung gesondert normiert haben. 84

Vgl. Nr. 13.1 b Anhang OBG Bbg. Vgl. OVG Hamburg, NVwZ-RR 2009, 878 (879); Söllner, Die Polizei 2009, 263 (265). 86 Kritisch Söllner, Die Polizei 2009, 263 (265) unter Zugrundelegung einer strafprozessualen Auslegung. 87 Anders Soiné, Öffentlichkeitsfahndung, S. 289; ders., ZRP 1992, 84 (87), der auf Aussichtslosigkeit bzw. wesentliche Erschwernis abstellt. 88 So auch die explizite Regelung in § 44 Abs. 1 S. 3 BbgPolG; Söllner, Die Polizei 2009, 263 (265); Knape / Schönrock, § 45 ASOG Bln Rn. 8. 89 So auch Söllner, Die Polizei 2009, 263 (265). 90 Vgl. Wolter, DÖV 1997, 939 (940). 85

B. Präventiver Bereich

363

Daher ist folgende Norm vorzuschlagen: [Öffentlichkeitsfahndung] (1) Die Polizei kann personenbezogene Daten und Abbildungen einer Person zum Zweck der Ermittlung ihrer Identität oder ihres Aufenthaltsortes oder zur Warnung öffentlich bekannt geben, wenn 1. dies zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person unerlässlich ist oder 2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person eine Straftat von erheblicher Bedeutung (§ x) begehen wird, und die Bekanntgabe zur Verhütung dieser Straftat unerlässlich ist. Die Bekanntgabe kann mit auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhenden wertenden Angaben über die Person verbunden werden, wenn dies zur Abwehr der in Satz 1 genannten Gefahren erforderlich ist. Die Maßnahme darf nur durch die Behördenleitung oder die jeweilige Vertretung angeordnet werden. (2) Bei dem Einsatz des Internets zu den in Abs. 1 bezeichneten Zwecken, insbesondere bei der Nutzung von Plattformen privater Internetanbieter ist dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche personenbezogenen Daten der Betroffenen im Verantwortungsbereich der Behörden verbleiben. Negative Folgen für den Betroffenen sind nach dem Stand der Technik möglichst gering zu halten. Nach Beendigung der Maßnahme sind personenbezogene Daten der Betroffenen unverzüglich aus dem Internet zurückzunehmen.

Fazit Die im Jahr 2000 eingeführten Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung in §§ 131 ff. StPO, die wegen ihrer technikoffenen Formulierung auch für die Internetfahndung gelten, sollten nach dem Willen des Gesetzgebers den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Volkszählungsurteil von 19831 Rechnung tragen. Es wurde dort festgeschrieben, für Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung eine normenklare und hinreichend bestimmte Rechtsgrundlage zu schaffen, in der dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Genüge getan wird. In den Gesetzgebungsarbeiten wurde ein vielstrukturiertes Gewebe aus Fahndungszielen, einzelnen Voraussetzungen wie Eingriffsschwelle (Straftat von erheblicher Bedeutung), Tatverdacht, Subsidiaritäten, Zuständigkeiten, Kreis der gesuchten Personen, Inhalt und Einschränkungen geschaffen, die der heute geltenden Regelung zugrunde liegt. Später kamen Ausführungsvorschriften hinzu, die sich zunächst allgemein auf die Internetfahndung bezogen2, später jedoch ihren Fokus auf der Verwendung sozialer Netzwerke legten3. Auch im präventiven Bereich entschieden sich Bundesländer, die verfassungsrechtlichen Vorgaben umzusetzen. Als Ergebnis wurden bisher in sechs Bundesländern4 Normen in Kraft gesetzt, die die präventive Öffentlichkeitsfahndung explizit regeln, in den anderen zehn allgemein gehaltene Regelungen zur Übermittlung personenbezogener Daten an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs. Die Internetfahndung wird seit Mitte der 1990er-Jahre als Fahndungsmaßnahme eingesetzt, seit 2011 sind die Behörden in sozialen Netzwerken präsent. Gefahndet wird im repressiven wie präventiven Bereich nach Personen und Sachen entsprechend dem jeweiligen gesetzlich erfassten Fahndungszweck. Die meisten Fahndungsaufrufe im Internet zur Strafverfolgung betreffen dabei die Identitätsfahndung nach unbekannten Beschuldigten mit Abbildungen sowie allgemeine Zeugenaufrufe, im präventiven Bereich die Fahndung nach Vermissten. Polizeien des Bundes und der Länder sind im Internet auf mehreren Plattformen aktiv. Die wesentlichen Informationen zur Fahndung, die auch personenbezogene Daten umfassen, werden auf ihren Homepages bzw. auf der Plattform presseportal. de veröffentlicht, in Brandenburg sind sie zusätzlich über die Polizei-App abruf 1

BVerfGE 65, 1 (44). Nr. 3.2 Anl. B RiStBV. 3 Nr. 3.2 VwV-L. 4 Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz. 2

Fazit

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bar. Auftritte in sozialen Netzwerken, allen voran Facebook und Twitter, werden von speziell qualifiziertem Fachpersonal betreut, um die Einhaltung datenschutzrechtlicher Anforderungen im Fahndungsbereich zu gewährleisten und die Kommunikation mit den Nutzern zu steuern. Um die Hoheit über personenbezogene Daten gesuchter Personen zu bewahren, werden in den Posts Links zu Fahndungsinformationen auf Servern im behördlichen Kontrollbereich eingebettet. Vor dem Hintergrund der aktuellen EuGH-Entscheidung von 20185, nach der Betreiber von Auftritten in sozialen Netzwerken Mitverantwortung für die Datenverarbeitung tragen, sowie der Entscheidung des BVerwG von 20196, wonach Datenschutzbehörden in bestimmten Fällen befugt sind, den Betrieb von Facebook-Fanpages zu verbieten, bleibt abzuwarten, wie sich die Zukunft der Internetfahndung in diesem Bereich gestaltet. Neben der eigenen behördlichen Präsenz im Internet zu Fahndungszwecken werden auch zahlreiche Publikationsorgane (Presse, Rundfunk, Fernsehen) in Anspruch genommen, die auf behördliche Initiative Fahndungsinformationen im Internet veröffentlichen. Seit einigen Jahren macht sich auch das Phänomen unberechtigter Veröffentlichungen von Fahndungsinformationen, sei es durch Presseorgane oder durch Privatpersonen, bemerkbar. Wegen der mit der Internetfahndung einhergehenden Chancen und Gefahren ist sie als zweischneidiges Schwert zu bezeichnen. Sie hat sich als eine äußerst effektive Maßnahme zur Strafverfolgung sowie zur Gefahrenabwehr erwiesen. Gleichzeitig geht sie mit vielfältigen Risiken für die Betroffenen einher, seien es Beschuldigte, Zeugen oder Vermisste, allen voran wegen der Gefahr einer dauerhaften Brandmarkung nicht nur durch unberechenbare Reaktionen der Internetnutzer, sondern auch durch das Verbleiben rufschädigender Informationen im Netz. Die Folgen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch Fahndungsaufrufe vor zwei Dekaden lassen sich dabei mit denjenigen im jetzigen digitalen Zeitalter, in dem der Zugang zur Information allgegenwärtig ist und in dem Internetnutzer zu Mitgestaltern der virtuellen Welt wurden, schwerlich vergleichen. Das Recht auf Vergessenwerden durchzusetzen ist möglich, erweist sich aber meist als steiniger Weg. Die Analyse der geltenden Rechtslage im repressiven Bereich hat einige Problemstellen offenbart, andere potenzielle Brennpunkte haben sich als unproblematisch erwiesen. Hierzu sollen zwei wichtige Punkte herausgegriffen werden: Das kompexe System der Subsidiaritätsklauseln, die den Vorrang anderer, den Betroffenen weniger beeinträchtigender Fahndungsmaßnahmen sicherstellen soll, gehört zu den besonders polarisierenden Themen. Gleichwohl scheint die Praxis mit ihren Nuancierungen in §§ 131 Abs. 3, 131a Abs. 3, 131b Abs. 1 und 2 StPO einen sicheren Umgang zu zeigen, wodurch sie sich allerdings mit Vorwürfen konfron 5 6

EuGH, NJW 2018, 2537 (2539, Rn. 39). BVerwG, NJW 2020, 414 (417).

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Fazit

tiert sieht, die Abbildungen von gesuchten Personen würden nicht zügig genug veröffentlicht. Dagegen bereitet die Anwendung des etablierten, unbestimmten Rechtsbegriffs „Straftat von erheblicher Bedeutung“ wegen unscharfer Kriterien in einigen Fällen Schwierigkeiten. Die in den Ausführungsvorschriften erhöhte Schwelle für den Einsatz sozialer Netzwerke auf eine „auch im Einzelfall schwerwiegende Straftat“ sollte zur Verschärfung der Voraussetzungen beisteuern, gleichwohl lässt sich, wenn auch nicht in der überwiegenden Anzahl der Fälle, vor allem im unteren Bereich der mittleren Kriminalität bei alltäglichen Straftaten, eine eher großzügige Auslegung im Sinne einer „Straftat von etwas mehr als unerheblicher Bedeutung“ feststellen. Im präventiven Bereich ergab der Vergleich von Spezialregelungen, dass sie trotz unterschiedlicher sprachlicher Gestaltung und zum Teil unterschiedlicher geschützter Rechtsgüter auf vergleichbare Fahndungsziele fokussiert sind und einen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleisten. In Ländern mit allgemeinen Regelungen wird die präventive Öffentlichkeitsfahndung auf der Übermittlung der Daten zur Aufgabenerfüllung bzw. zur Gefahrenabwehr gestützt. Bei der konkreten Umsetzung der geltenden gesetzlichen Vorgaben bei der Ausgestaltung von Fahndungsaufrufen sind im repressiven und präventiven Bereich im Rahmen der Analyse zahlreicher Fahndungsaufrufe aus der Praxis einige Defizite festgestellt worden. So haben in Einzelfällen Behörden entgegen den Vorgaben in Verwaltungsvorschriften etwa sozialen Netzwerken Zugriff auf Personalien bzw. Abbildungen von gesuchten Personen eingeräumt. Bei der Zeugenfahndung wurde nicht immer hinlänglich darauf geachtet, entsprechend der gesetzlichen Vorgaben den Zeugen etwa auf Abbildungen als solchen zu kennzeichnen. So wurden Zeugen des Öfteren unbeabsichtigt in die Nähe des Tatverdächtigen gerückt. Die Untersuchung der geltenden Rechtslage führt zum Ergebnis, dass das geltende System der Fahndungsvorschriften in §§ 131 ff. StPO bezogen auf die Internetfahndung im digitalen Zeitalter teilweise an Aktualität eingebüßt hat und reformbedürftig ist. Auch im Bereich der Gefahrenabwehr sollte eine Revision erfolgen. Das Primärziel der Novellierung im repressiven Bereich sollte dahin gehen, Regelungen zu etablieren, die dem Grundrechtsschutz der betroffenen Personen umfassend Rechnung tragen. Zu bezwecken wäre weiter, Regelungen aus den in den meisten Bundesländern geltenden Verwaltungsvorschriften, insbesondere bezogen auf die Fahndung mithilfe privater Internetdienstanbieter, mit Blick auf die Wesentlichkeitstheorie auf gesetzlicher Ebene zu etablieren. Dieses Ziel wäre durch die Einführung einer Sondernorm für die Internetfahndung zu erreichen, die den Grundsätzen der Normenklarheit und dem Bestimmtheitsgebot entspricht und sich nahtlos in das bestehende Regelungskonstrukt der unterschiedlichen Fahndungsziele, Fahndungsmittel und Zuständigkeiten einfügt. In dieser sollte die Schwere der Tat für diesen Bereich auf konkret katalogisierte7 „im Einzelfall 7

Vgl. BVerfGE 125, 260 (329).

Fazit

367

schwer­wiegende Straftaten“ angehoben sowie ein Rahmen zur datenschutzkonformen Einschaltung privater Internetdienstanbieter geschaffen werden. Des Weiteren sollten die existierenden Regelungen zu §§ 131 ff. StPO durch Maßnahmen wie Stärkung des Zeugenschutzes, Angleichung der für die Öffentlichkeitsfahndung erforderlichen Verdachtsschwelle in allen einschlägigen Normen auf einen „dringenden Tatverdacht“ wegen derzeit bestehender unterschiedlicher Verdachtsgrade ergänzt und der Bereich der Eilkompetenz reformiert werden. Darüber hinaus sollten bestehende Unstimmigkeiten in den bestehenden Vorschriften der StPO beseitigt sowie Vorschriften zur Selbstkontrolle (Beendigungsund Löschungspflichten sowie die Befristung der Maßnahme) eingeführt werden. Ferner sollte die Anl. B RiStBV ergänzt werden. Im Bereich der Gefahrenabwehr sollte der Schwerpunkt anderweitig gesetzt werden, weil zurzeit zehn von sechzehn Bundesländern noch keine explizite Regelung der Öffentlichkeitsfahndung getroffen haben. Dieser verfassungsrechtlich bedenkliche Zustand sollte durch die Schaffung einer normenklaren Regelung unter Angabe von Fahndungszielen, den Voraussetzungen, dem Inhalt des Fahndungsaufrufs sowie der Zuständigkeiten geschlossen werden. Um vergleichbare Grundrechtsschutzstandards im ganzen Bundesgebiet zu schaffen, wäre die Norm in das in den länderrechtlichen Polizeigesetzen bestehende System der Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs zu integrieren. Sie sollte technikoffen formuliert werden und einen Annex zur datenschutzgerechten Verwendung personenbezogener Daten bei einer Internetfahndung enthalten, der den repressiven Vorschriften angeglichen wäre.

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Sachverzeichnis Abbildung – Aging-Methode ​105, 291, 343 – Arten ​290  ff. – Beauty-Filter ​293, 343 – Begriff ​289, 290 – Beschuldigter ​66, 77, 82 f., 87, 88, 301 – Beschuldigter und verstorbenes Tat­opfer ​ 66, 90 – hilflose Person ​105, 343 – präventiver Bereich ​342  f. – Quelle ​291 – Sache ​95 ff., 109 f., 114, 288 – subjektives Porträt, siehe dort – Tatopfer ​82, 224, 225, 274 f., 281, 291, 305 f. – vermisstes ​89 – verstorbenes ​89 f., 93 f., 306 – Verhältnis zur Veröffentlichung von ­Personalien ​302  ff. – Verhältnismäßigkeit ​302  ff., 342 – Vermisster (präventiv) ​343 – verstorbener Tatverdächtiger ​94 – Videoprint, siehe dort – Videosequenz, siehe dort – Zeuge ​77, 82, 87, 89, 225, 263, 264, 274 ff., 281, 294, 301, 304 f. „Aktenzeichen XY … ungelöst“, siehe unter Fahndungssendung Allgemeines Persönlichkeitsrecht ​26, 54, 204, 220, 330 f., siehe auch Recht auf informationelle Selbstbestimmung Allgemeine Zeugenaufrufe ​91, siehe auch Ermittlungsgeneralklausel – Beschreibung ​92  f. Alternativentwurf einheitlicher Polizei­ gesetze des Bundes und der Länder (AE PolG) ​29 Amtsanmaßung – durch Privatfahnder ​186 Amtshaftungsanspruch ​23, 332

Anfangsverdacht ​247, 248, 249, 354 f., siehe auch Tatverdacht (einfacher) Angaben zum Tatgeschehen ​294 ff. – Art der Darstellung ​113, 296 ff., 299, 306 f. – ergreifungsrelevante Umstände ​294, 295, 298 – Hinweise auf das Strafverfahren ​298 f. – Tat ​294, 297 f., 306 f. – Tatort ​294 – Tatzeit ​294 Anlage B RiStBV – Anpassung an StVÄG 1999 ​38 f. – Regelung der Nutzung des Internets /  sozialer Netzwerke in der novellierten Nr. 3.2 (Ländervorschriften, VwV-L)  51 f. – Systematik ​38  f. – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​25 Anonymisierte Statistik, siehe FacebookInsights Anordnung – Antrag (Inhalt) ​136, 324 f. – Außer-Kraft-Treten, siehe Beendigung (Fahndungsmaßnahmen) – Befristung, siehe dort – Eilzuständigkeit ​315 ff., 357 ff. – Inhalt ​324  f. – präventiver Bereich ​30 f., 345 f., 362 – primäre Anordnungskompetenz ​312  ff., 356 f. – Überprüfung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ​331, 360 – Umsetzung ​113, 326 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​25 f., 32 Anprangerung, siehe Brandmarkung App-Anwendungen, siehe Polizei-App Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Regelung der rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungs-

Sachverzeichnis hilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren (1986) ​28 – Anordnungskompetenz ​314 – Aufklärungsfahndung ​79  f. – Straftat von erheblicher Bedeutung ​ 233 f. – Subsidiaritätsklausel ​253 Audio-Datei, siehe Stimmprobe Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeits­ fahndung) – Abgrenzung zur Identitätsfahndung ​ 76 f., 84 ff. – Abgrenzung zur Öffentlichkeits­ fahndung zur Festnahme ​71 – Ausschreibung ​70 – DNA-Analyse ​72 – Eilzuständigkeit (Anordnung) ​315  ff., 357 ff. – erkennungsdienstliche Behandlung ​72 – Identitätsfeststellung ​72 f., 75 f. – präventiv ​102, 332 – primäre Anordnungskompetenz ​313, 356 f. – Sachfahndung (zusätzlich) ​101 – sachlicher Anwendungsbereich ​74 f., 85 f. – Sicherstellung eines Führerscheins ​72 – Strafvollstreckung ​73  f. – Subsidiaritätsklausel ​252, 263  f. – Tatverdacht ​247, 249 f., 355 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999  24 Aufklärung, siehe Aufklärungsfahndung Aufklärungsfahndung – Begriff ​81 – de lege ferenda ​353 ff. – Eilzuständigkeit (Anordnung) ​315  ff., 357 ff. – primäre Anordnungskompetenz ​313, 356 f. – Sachfahndung (zusätzlich) ​101 – sachlicher Anwendungsbereich ​86  ff., 281 – Subsidiaritätsklausel ​252, 263, 264 f. – Tatverdacht ​247 f., 249, 354 f. – Verhältnis zu anderen Fahndungszielen ​ 78, 81, 86 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​24 Ausländerzentralregister ​59, siehe auch Fahndungshilfsmittel

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Auslandsfahndung ​55 Auslobung, siehe Aussetzung von Belohnungen Ausschreibung – im engeren Sinne ​58 – im weiteren Sinne ​57 f. – in Fahndungshilfsmitteln ​58 f., 75, 259 f. – mildere Maßnahmen ​74 Außer-Kraft-Treten, siehe Beendigung (Fahndungsmaßnahmen) Aussetzung von Belohnungen ​307 ff. – Anwendbarkeit der §§ 657 ff. BGB  308 – Anwendungsbereich ​308 – Inhalt der Auslobung ​309 – Praxis ​310  f. – Private ​307, 309 – Zuständigkeit ​308  f., 310 Bagatelldelikte, siehe Kriminalität – Kleinkriminalität Beendigung (Fahndungsmaßnahmen) ​ 327 ff., 346, 359 f. – Actus-Contrarius-Grundsatz ​329 – de lege ferenda ​359  f. – Gründe ​327, 346 – Hinweis auf die Beendigung ​328 ff., 346 – Hinweis auf die Löschungspflicht Privater ​329 f., 346, 360 – Kontrollpflicht ​331, 360 – Löschung ​327 f., 346, 359 f. – Rücknahme der Fahndungsmaßnahmen ​ 327 – soziale Netzwerke ​151, 328, 329 f. Befristung (Anordnung) ​325, 359 f. Beleidigung – Kommentare ​141 – Likes ​141  f. – Privatfahndung ​185 Belohnung, siehe Aussetzung von Belohnungen Beschreibung des Gesuchten ​92 f., 287 ff., 343 f. – Fingerabdrücke ​39  f., 289 – Stimmprobe ​39, 289 Beschuldigter – Bedeutung i. S. d. §§ 131 ff. StPO 250 Beschwerde, siehe Rechtsmittel Bestätigung der Eilanordnung ​318 ff.

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Sachverzeichnis

– andauernde Veröffentlichung in elektronischen Medien ​320 ff., 359 – Aufenthaltsermittlung, Identitäts- und Aufklärungsfahndung ​319  ff., 359 – Öffentlichkeitsfahndung zur Festnahme ​ 318 f. Bezeichnung des Gesuchten ​88 f., 285 f., 302 f., 342 Bloßstellung, siehe Brandmarkung Brandmarkung ​17, 204 ff., 220 ff., 226 – Begriff ​204  f. – Beschuldigter ​204  ff. – Erscheinungsformen ​206  ff. – nicht gesuchte Personen ​223 – präventiv Gesuchter ​226 – soziales Umfeld des Beschuldigten ​210 – Tatopfer ​225  f. – Unschuldiger ​141, 185, 206, 211 f. – Unschuldsvermutung, siehe dort – Zeuge ​220 ff., 225 f. Bundeszentralregister ​59, siehe auch Fahndungshilfsmittel Community-Policing ​130 Cookies ​115, 152  f. Datenschutzbehörden (Stellungnahme) – Anlage B RiStBV (Anpassung an StVÄG ​ 1999) 39 – Facebook-Fahndung ​44  ff., 148 – Kommentierungsfunktion ​137  f., 273 – Novellierung der Anlage B RiStBV (soziale Netzwerke) ​52, 137 f. – Rechtslage in den 1990er-Jahren  33, 34, 36 – Social-Plugins ​115 – Vereinbarung gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO  154 ff. Datenschutzerklärung ​156 Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs, siehe unter Öffentlichkeitsfahndung (präventiv), siehe auch Öffentlichkeitsfahndung (präventiv) – allgemeine Rechtsgrundlage – ins Ausland ​56 Dauer (Internetfahndung), siehe Befristung (Anordnung)

Dauercharakter (Information), siehe unter „Internet vergisst nichts“ Deutungshoheit ​203, 325 Diffamierung, siehe Brandmarkung Digital Natives ​135, 197 Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens (2004) ​37 f., 357 f. Diskussionsforum, siehe Internetforum DNA-Analyse, siehe unter Aufenthalts­ ermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) Effiziente Strafverfolgung und Gefahren­ abwehr ​191  ff. – Fahndungserfolg, siehe dort – präventive Wirkung ​199 – Reichweite ​122, 126, 193 f., 271 – Teilen / Retweeten ​126, 128 f., 201 f. – Viralität ​122, 126, 128 f., 191 – Zeitfaktor (Hinweise) ​195 E-Mail ​119  f. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens – Strafverfahrensänderungsgesetz 1989 – (StVÄG 1989)  28 – Anordnungskompetenz ​314 – Aufklärungsfahndung ​80 – Identitätsfahndung ​80 – Straftat von erheblicher Bedeutung ​234, 237 – Subsidiaritätsklausel ​253  f. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrensrechts – Strafverfahrensänderungsgesetz 1996 – (StVÄG 1996)  34 f. – Anordnungskompetenz ​314 – Aufklärungsfahndung ​80 – Identitätsfahndung ​80 – Straftat von erheblicher Bedeutung ​234 Ergreifungsrelevante Umstände, siehe unter Angaben zum Tatgeschehen Erkennungsdienstliche Behandlung, siehe unter Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) Ermittlungsgeneralklausel – Abgrenzung zu §§ 131 ff. StPO  90 f. – allgemeine Zeugenaufrufe ​91  f. – Sachfahndung ​99  ff. – StVÄG 1999 ​36, 90

Sachverzeichnis – verstorbenes Tatopfer ​89 f., 93 – verstorbener Tatverdächtiger ​94 Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft – Bestätigungspflicht (Anordnung) ​318  ff. – Eilzuständigkeit (Anordnung) ​315  ff., 357 ff. Europol ​56 Facebook – Datenschutzverletzung ​152  f., 157 Facebook-Fanpage – Abgrenzung zum Facebook-Profil ​42 f. – Begriff ​43, 122 – Fahndungsaufrufe (Gestaltung) ​123  ff. – Mitverantwortlichkeit für die Daten­ verarbeitung ​152  ff. – Page Controller Addendum ​155 ff. – Pilotprojekt Polizeidirektion Hannover ​ 42 ff. – Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung (Behörden) ​157  ff. – Reichweite ​122, 126 – Vereinbarung gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO  154 ff. – Zulässigkeit ​152  ff. Facebook-Insights ​44, 153 ff., 160 Fahndungsaufruf (Inhalt) – präventiv ​342  ff. – repressiv ​284  ff. Fahndungsdruck ​198 Fahndungserfolg ​177, 195, 198 Fahndungshilfe (Publikationsorgane) ​22, 23, 168, 172 ff., 180 Fahndungshilfsmittel ​58  f. Fahndungssendung – Abgrenzung zur Fernsehfahndung ​172 f. – Abrufbarkeit im Internet ​177, 179 f. – „Aktenzeichen XY … ungelöst“ ​23, 26, 172 f., 176 ff. – Begriff ​172  f. – Fahndungshilfe ​172  f. – Fallaufnahme (Voraussetzungen) ​178  f. – Internetauftritte ​179  f. – Koordinierungsstelle ​26, 174, 177 – „Kripo live“ ​177  ff. – Mediatheken ​179 – Rahmenkonzept ​177  f. – „Täter-Opfer-Polizei“ ​177  ff.

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Fälschung beweiserheblicher Daten (Privatfahnder) ​186 Fanseite, siehe Facebook-Fanpage Fernsehfahndung – Abgrenzung zur Fahndungssendung ​ 172 f. – Begriff ​172  f. – bundesweite ​173  ff. – Fahndungshilfe ​172  f. – Fahndungsmeldungen auf der Fernsehhomepage ​176 – Grundsätze für die bundesweite Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Fernsehen ​173  ff. – Mediatheken ​175  f. – regionale ​173, 175 Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) – Eilzuständigkeit (Anordnung) ​315  ff., 358 f. – Flucht ​62 – Fluchtvorbereitung ​317 – kein Festnahmerecht Privater ​63 f. – primäre Anordnungskompetenz ​312  f. – Sachfahndung (zusätzlich) ​66, 101 – sachlicher Anwendungsbereich ​62  f. – Sich-verborgen-Halten ​62 – Strafvollstreckung ​67  ff. – Subsidiaritätsklausel ​252 – Tatverdacht (dringender) ​247 – Verhältnis zu anderen Fahndungszielen  65 f., 78 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​21 ff., 24 Filmsequenz, siehe Videosequenz Fingerabdrücke ​39 f., 71 f., 289, siehe auch unter Beschreibung des Gesuchten Fahndungsvideo, siehe Videosequenz Flickr ​131  f. Folgenbeseitigungsanspruch ​330  f. Fotografie, siehe Abbildung Gefahr – dringende ​333 – für die Allgemeinheit ​106 f., 334 ff., 340 f. – für Beschuldigte ​204  ff. – für die Ermittlungen ​186 ff., 226 ff. – für eine Person ​103 ff., 333 f., 340 f.

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– – – – – –

für Zeugen ​220  ff. Gefahrerforschung ​333, 335 im Verzug ​315, 316 ff. konkrete ​333, 340 f., 361, 362 Rechtsgüter ​334, 336, 341, 361 f. vom gesuchten Tatverdächtigen aus­ gehende für Zeugen ​224, 225, 279 f. – von einer Person ausgehende ​106 f., 334 ff., 340 f. Gefährliche ansteckende Krankheit ​106, siehe auch Gefahr – von einer Person ausgehende Gemeinsam Verantwortliche, siehe Facebook-Fanpage – Mitverantwortlichkeit für die Datenverarbeitung Generalklausel (Polizeirecht) – frühere Rechtsgrundlage der Öffentlichkeitsfahndung ​28  f. – Sachfahndung ​109  f. Generalprävention, siehe unter Effiziente Strafverfolgung und Gefahrenabwehr – präventive Wirkung Geschädigter, siehe Tatopfer Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens – Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 – (StVÄG 1999)  35 f. – Anordnungskompetenz ​315, 357 – Straftat von erheblicher Bedeutung ​234 f. Google+ ​130, 193

Hackerangriff ​48, 229  f. Haftbefehl – Strafverfolgung ​60  f. – Strafvollstreckung ​67, 68 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​21 f., 24 – Vorliegen der Voraussetzungen (Erlass steht noch aus) ​60, 319, 329 Hasskommentare ​140 ff., 206 f., siehe auch Brandmarkung, Netzwerkdurchsetzungsgesetz Hauptverhandlungshaft ​60  f., siehe auch Haftbefehl – Strafverfolgung Hetzjagd ​141, 206 f., 273, 297, siehe auch Brandmarkung Hilflose Person ​103, 105, 175, 226, 332, 333, 343 Hinweise (aus der Bevölkerung) – Arbeitsaufwand (Behörden) ​228  f.

– außerhalb sozialer Netzwerke ​125, 148 ff., 272 – Kontaktkanäle ​114, 119, 125, 199 f. Hinweise auf das Strafverfahren (Fahndungsaufruf), siehe unter Angaben zum Tatgeschehen – Subsidiaritätsklausel ​264  f. Homepage (polizeiliche) ​112  ff. – 1990er-Jahre ​31 f. – Beendigung (Fahndungsmaßnahmen) ​ 151, 327 ff. – Fahndungsaufruf (Gestaltung) ​113  f. – Schutzmaßnahmen ​116 – Zuständigkeit ​113, 326 Identifizierung unbekannter Toter ​107 f., 341, siehe auch Öffentlichkeitsfahndung (präventiv) Identitätsfahndung – Abgrenzung zur behördeninternen Ausschreibung ​77 – Anwendungsbereich ​82  ff. – Ausschreibung in Fahndungshilfs­m itteln ​ 75 f. – de lege ferenda ​353 ff. – Eilzuständigkeit (Anordnung) ​315  ff., 357 ff. – Identitätsfeststellung ​85 – präventiv ​102, 332 – primäre Anordnungskompetenz ​313, 356 f. – Subsidiaritätsklausel ​252, 263, 264 f. – Tatverdacht ​247 f., 249, 354 f. – Verhältnis zu anderen Fahndungszielen ​ 78, 81, 84 ff. – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999  24 Identitätsfeststellung ​85 Identitätsfeststellungsfahndung, siehe Identitätsfahndung I-frame-Lösung ​50, 163  f. Innenministerkonferenz – Öffentlichkeitsfahndung in sozialen Netzwerken ​50 – Polizei-App ​48 – Polizeirecht ​29  f. Inlandsfahndung ​55  ff. INPOL ​58 f., 103, 260, 341, siehe auch Fahndungshilfsmittel

Sachverzeichnis

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Instagram ​131, 343 Instant-Messengers ​132  f. – behördliche ​133 – Reichweite ​120  f. – Snapchat ​132 – WhatsApp  ​119, 121, 132 f., 184, 199 Internationale Fahndung ​55  ff. „Internet vergisst nichts“ ​212 ff. – erledigte Fahndungsaufrufe ​213  ff. – Kommentare ​215 – Suchmaschinen-Cache ​213 – virtuelle Kopien ​180 ff., 212 f., 214 – Webarchive ​213 Internetforum ​91, 125, 142 f., 211, 272 Internetseite (polizeiliche), siehe Homepage Internetwache, siehe Homepage Internetvitrine (polizeiliche), siehe Homepage Interpol ​40  f., 56 Intranet ​58, 75, siehe auch Fahndungshilfsmittel

Kriminalität – Kleinkriminalität ​61, 237, 238, 243, 245 – mittlere Kriminalität ​61, 237, 238, 278 „Kripo live“, siehe unter Fahndungssendung

JI-Richtlinie der EU (2016/680) ​53, 361 Jugendliche, siehe auch Soziale Netzwerke – Adressatengruppe, Digital Natives – Brandmarkung ​209  f. Justizministerkonferenz – Novellierung der Anlage B RiStBV (Internetfahndung, soziale Netzwerke)  50 f.

Nachahmungseffekt ​230 Netzwerkdurchsetzungsgesetz ​217  ff. Nichtöffentliche Stellen, siehe unter Öffentlichkeitsfahndung (präventiv)

Kommentare – Entfernen ​140 f., 142 ff., 272 f. – Intensität der Diskussion ​139 – problematische ​140 f., 142 ff., 272 – Reaktion von Behörden ​140 f., 142 ff., 272 f. – Strafbarkeit ​141  f. Kommentierungsfunktion – Bereitstellen / Ausschalten ​51 f., 137 f., 271 ff. – Erforderlichkeit (Verhältnismäßigkeit) ​ 271 f. – Moderation ​138 f., 140, 142 ff., 272 f. – Monitoring ​137 ff., 272 f. – Relevanz ​137  f., 273 – „Rund-um-die-Uhr-Überwachung“ ​51  f., 146 f., 272, 347

Landeskriminalblatt ​75, 260, siehe auch Fahndungshilfsmittel Legalitätsprinzip ​140, 141 Lichtbild, siehe Abbildung Link-Lösung ​45, 50, 124 f., 128, 163, 164 f. Löschung, siehe unter Beendigung (Fahndungsmaßnahmen) Lynchaufrufe ​141, 143, 206 f., 297, siehe auch Brandmarkung – Erscheinungsformen Monitoring sozialer Netzwerke, siehe unter Kommentierungsfunktion Musterentwurf eines einheitlichen Polizei­ gesetzes des Bundes und der Länder (MEPolG) ​29

Öffentliche Aufforderung zu Straftaten – Kommentare ​141 Öffentlichkeitsarbeit, siehe unter Presseund Öffentlichkeitsarbeit (Polizei) Öffentlichkeitsfahndung (präventiv) – allgemeine Rechtsgrundlage ​29 f., 102, 339 ff. – Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs ​29 f., 102, 339 ff. – de lege ferenda ​360 ff. – Gefahr, siehe dort – hilflose Person, siehe dort – Identifizierung unbekannter Toter, siehe dort – nichtöffentliche Stellen ​29 – spezielle Rechtsgrundlage ​30, 37, 52 f., 102, 333 ff. – Vermisster, siehe dort Öffentlichkeitsfahndung (repressiv) – allgemeine ​269, 270

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– Aufenthaltsermittlung, siehe unter Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) – Aufklärungsfahndung, siehe dort – Begriff ​15 – de lege ferenda ​348  ff. – Festnahme, siehe unter Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) – Formen ​15 ff., 267 f., 269 ff. – Identitätsfahndung, siehe dort – Schulfahndung, siehe dort – Steckbrief, siehe dort – Strafvollstreckung, siehe dort – Voraussetzungen ​231  ff. – zielgruppenorientierte ​269, 270, 274 ff. Opfer, siehe Tatopfer Ordnungshaft ​60, siehe auch Haftbefehl – Strafverfolgung Österreich – Abbildungen ​284 – Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) ​71, 78 – Aufklärungsfahndung ​78 – Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) ​61 – Homepage ​40, 114 – Identitätsfahndung ​78 – präventive Öffentlichkeitsfahndung ​108 – Sach(en)fahndung ​101 – Subsidiaritätsklausel ​265  f. – Tatschwere ​246 – Tatverdacht ​251 Personalien, siehe Bezeichnung des ­Gesuchten Personenbezogene Daten – Begriff ​92, 342 – Datenübermittlung an ausländische Behörden (soziale Netzwerke) ​44 f. – Server im Ausland (soziale Netzwerke) ​ 44, 115, 118, 161, 163 – Server im behördlichen Verantwortungsbereich ​45, 51, 52, 55, 162 ff. – Veröffentlichung (in sozialen Netz­ werken) ​43, 165 f., 342 f. Phantombild, siehe subjektives Porträt Polen – Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) ​61 – Homepage ​114

– Identitätsfahndung ​78  f. – präventive Öffentlichkeitsfahndung ​109 – Subsidiarität ​266 – Tatschwere ​246  f. – Tatverdacht ​251 Polizei-App ​48 f., 118 f. Postmortales Persönlichkeitsrecht ​93  f. Prangerwirkung, siehe Brandmarkung Presse (Fahndungshilfe) – Anordnung (Öffentlichkeitsfahndung) ​ 168 – Deutscher Presserat ​171  f. – eigenmächtige Fahndung ​168  f. – Freiwilligkeit (Fahndungsaufrufe) ​167, 202 f. – Unterlassungsanspruch ​170  f. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit (Polizei) – Deutungshoheit ​203 – Facebook ​122  f. – Homepage ​113 – mediale Unabhängigkeit ​202  ff. – Öffentlichkeitsarbeit ​15, 122 f., 158, 172, 215 – Pressemeldung ​113, 203, 328 – presseportal.de ​117  f., 203 – Twitter ​127 f., 202, 203 – Zusammenarbeit (Presse) ​168, 169, 202 f. Presseportal.de – Fahndungsaufrufe (Gestaltung) ​118 – Konzept ​117 Privatfahndung – Abgrenzung zum Verlinken / Teilen ​185 – Fahndungsauftritte mit Presseberichten ​ 182 f. – Nachahmung polizeilicher Fanpages ​180 f. – Gefahr für den Gesuchten ​182, 185 – Gefahr für Ermittlungen ​186 f., 229 – Gefahr für Privatfahnder ​187 – Motivation ​182, 183 – präventiv ​183, 226 – Rechtsfolgen ​185  f. – situationsbedingte ​183  f. Problempapier zu den rechtlichen Grundlagen für Fahndungsmaßnahmen, Fahndungshilfsmittel und für die Akteneinsicht im Strafverfahren (1985) ​27 f. – Anordnungskompetenz ​313  f. – Subsidiaritätsklausel ​253

Sachverzeichnis Publikationsorgane, siehe Fernsehfahndung, Presse (Fahndungshilfe), Rundfunk (Fahndungshilfe) – Inanspruchnahme zur Öffentlichkeitsfahndung, siehe Anlage B RiStBV Recht am eigenen Bild ​54 – abgestuftes Schutzkonzept ​170 – Abgrenzung § 24 KUG zu §§ 131 ff. StPO  54 – Bildnisse der Zeitgeschichte ​170 – postmortales Persönlichkeitsrecht, ­siehe dort  – Verletzung ​168 ff., 185 Recht auf Ehre ​205, siehe auch Brandmarkung Recht auf informationelle Selbstbestimmung ​ 26 f. – Bedeutung ​26  f. – Volkszählungsurteil ​26  f. Recht auf Vergessenwerden – BGH: Suchmaschinenbetreiber ​215  f. – BVerfG: Recht auf Vergessen I ​216 – EuGH: Google Spain-Urteil ​215 Rechtsbehelfe, siehe Rechtsschutz Rechtsschutz ​332 Referentenentwurf für ein Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Strafverfahrens (StVÄG 1988) ​28 – Anordnungskompetenz ​314 – Aufklärungsfahndung ​80 – Identitätsfahndung ​80 – Straftat von erheblicher Bedeutung ​234, 236 f. – Subsidiaritätsklausel ​253 Reichweitenanalyse, siehe Facebook-­ Insights Reputationsschaden, siehe Brandmarkung Resozialisierung (erschwerte) ​219  f. Rest-StVÄG ​28 – Anordnungskompetenz ​314 – Aufklärungsfahndung ​80 – Identitätsfahndung ​80 – Straftat von erheblicher Bedeutung ​234 Richter – Bestätigung (Eilanordnung) ​319  f. – nachträglicher Erlass eines Haft- oder Unterbringungsbefehls ​319, 329

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– primäre Anordnungskompetenz ​312  f., 356 f. Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektro­ nischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren, siehe Anlage B RiStBV RiStBV Anlage B, siehe Anlage B RiStBV Rufschädigung, siehe Brandmarkung Rundfunk (Fahndungshilfe) ​180 „Rund-um-die-Uhr-Überwachung“ ​51  f., 146 f., 272, 347, siehe auch unter Kommentierungsfunktion Sachfahndung (präventiv) – mittels einer Sache nach Personen ​ 109 f. – nach einer Sache ​109 f. Sachfahndung (repressiv) – mittels einer Sache nach Personen ​97 ff., 99 f. – nach einer Sache ​95 f., 99 – Personenfahndung unter zusätzlicher Abbildung einer Sache ​101 Schadensersatz ​23, 332 Schmerzensgeld ​332 Schulfahndung ​274  ff. Schweiz – Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) ​71 – Dreistufenmodell ​273  f. – Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) ​61 – Homepage ​40, 114 – Identitätsfahndung ​78 – präventive Öffentlichkeitsfahndung ​108  f. – Subsidiaritätsgrundsatz ​266 – Tatschwere ​246 – Tatverdacht ​250 – Verhältnismäßigkeit ​283  f. Seiten-Insights-Ergänzung, siehe FacebookFanpage – Page Controller Addendum Selbstjustiz, siehe Lynchaufrufe, siehe auch Brandmarkung – Erscheinungsformen Sicherstellung eines Führerscheins, siehe unter Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung)

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Sicherungshaftbefehl ​67, siehe auch Haftbefehl – Strafvollstreckung SIS II ​59, siehe auch Fahndungshilfsmittel SMS-Fahndung ​41 Snapchat, siehe unter Instant-Messengers Social Media, siehe Soziale Netzwerke Social Media Guidelines ​135 Social Media Team ​134 f. – Fahndungsaufruf (Veröffentlichung) ​ 136 f., 326 – Kommunikationsstil ​144 f., 200 ff. – siehe auch Kommentierungsfunktion – Moderation, – Monitoring, – „Rund-umdie-Uhr-Überwachung“; Kommentare – Entfernen, – Reaktion von Behörden – Zusammensetzung ​134  f. Social-Plugins ​115  f., 118 Soziale Medien, siehe Soziale Netzwerke Soziale Netzwerke, siehe auch Facebook, Facebook-Fanpage, Twitter, Google+, YouTube, Flickr, Instagram, Snapchat – Adressatengruppe ​41 f., 196 f. – Betreuung behördlicher Auftritte ​134 f., 136 ff., 326, siehe auch Social ­Media Team – Impressum ​160  f. – Reichweite ​43, 120 ff., 126, 127, 192, 193 f. – Web 2.0 (Abgrenzung)  121 Staatsanwaltschaft – Antrag ​51, 136, 324 f. – Bestätigung (Eilanordnung) ​318 f., 322 – Eilzuständigkeit (Anordnung)  315 ff., 359 – primäre Anordnungskompetenz ​312  f. – Vollstreckungsbehörde ​67, 313, 327, 332 Steckbrief ​15, 17, 21 f., 28, siehe auch Öffentlichkeitsfahndung ­(repressiv) – Begriff Stigmatisierung, siehe Brandmarkung Stimmprobe, siehe unter Beschreibung des Gesuchten Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten – Kommentare ​141 Straftat (eine auch im Einzelfall schwer­ wiegende) ​51, 242, 349 f., siehe auch Straftat (schwere) Straftat (schwere) ​349  f.

Straftat von erheblicher Bedeutung – Funktion in anderen Vorschriften der StPO ​235 – Genese ​232  ff. – Kriterien ​236  ff. – präventiv ​235, 334  ff. – Praxis ​242  ff. – Strafvollstreckung ​68 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​24, 233 Strafverteidiger (Fahndungsaufrufe) ​188  ff., 247 Strafvollstreckung ​67 ff., 73 f., 282 Subsidiaritätsklausel – Abstufung in anderen Vorschriften ​251 – Abstufung in Fahndungsvorschriften ​ 252 – Auslegung ​255  f. – Genese ​251, 252  ff. – Kritik ​256 ff., 262 f. – mildere Maßnahmen ​258  ff. – präventiv ​336  ff. – Praxis ​258  ff. – Prognose ​255, 257, 258 f. – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ​251  f., 267 f. – Verwaltungsvorschriften der Länder ​51, 265 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​24 – Zeuge ​263 ff., 294, 305 Subjektives Porträt – Abbildung ​290 – Anfertigung ​212, 292  ff. – Begriff ​23 – Weichteilrekonstruktion ​107  f. Suchmaschinen, siehe auch Recht auf Vergessenwerden – BGH: Suchmaschinenbetreiber – Cache ​213, siehe auch unter „Internet vergisst nichts“ Tatopfer – Abbildung, siehe dort – Fahndung (Zeuge) ​225, 274 ff. – Personalien ​305  f. – verstorben ​89 f., 93 f., 286 Tatort, siehe unter Angaben zum Tat­ geschehen

Sachverzeichnis Tatverdacht (dringender) – Aufenthaltsermittlung (Öffentlichkeitsfahndung) ​247 – Begriff ​248  f. – de lege ferenda ​354 f. – Festnahme (Öffentlichkeitsfahndung) ​ 247 Tatverdacht (einfacher) – Identitäts- und Aufklärungsfahndung ​ 247 ff., 354 f. Tatzeit, siehe unter Angaben zum Tat­ geschehen „Täter-Opfer-Polizei“, siehe unter Fahndungssendung Totschlag, versuchte Anstiftung – Kommentare ​141 Trittbrettfahrer, siehe Privatfahndung Twitter – Großbritannien ​129  f. – Nutzungskonzept ​126  ff. – Fahndungsaufrufe (Gestaltung) ​128 – Reichweite ​127, 128  f. Überfahndung ​226 f., 240 f. Üble Nachrede – durch Kommentare ​141 – durch Privatfahnder ​185 Ungehorsamshaft ​60, siehe auch Haft­ befehl – Strafverfolgung Unschuldiger, siehe unter Brandmarkung Unschuldsvermutung ​205 f., 296 f. Unterbringungsbefehl ​60, 67, 282 Unterlassungsanspruch – Berichterstattung (gegen die Presse)  170 f. – Verwendung polizeilicher Bezeichnungen und Symbole (Privatfahndung) ​186 Untersuchungshaft ​60, siehe auch Haft­ befehl – Strafverfolgung Urheberrechtsverstöße – Kommentare ​141 – Privatfahndung ​186 Verdachtsberichterstattung ​171 Vereinbarung gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 2 DSGVO ​154  ff. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz – Abwägungsfaktoren ​191 ff., 204 ff., 276 ff. – Angemessenheit ​276  ff.

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– Erforderlichkeit (Formen der Öffentlichkeitsfahndung) ​269 f., 274 ff. – Erforderlichkeit (Plattformen der Internetfahndung) ​270  f. – Geeignetheit ​268  f. – Inhalt des Fahndungsaufrufs (präventiv) ​ 342 ff. – Inhalt des Fahndungsaufrufs (repressiv) ​ 284 f., 297, 302 ff. – Internet (Fahndungsform) ​267  ff. – Kommentierungsfunktion ​271  ff. – legitimer Zweck ​268 – Massenfahndungen ​283 – präventiver Bereich ​339, 341 – „Spezialeffekte“ (Videosequenz) ​306  f. – Straftat von erheblicher Bedeutung ​ 237 f. – Strafvollstreckung ​69, 282 – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​23 f., 25 – Zeuge ​279  ff. Verhütung von Straftaten ​338 f. Verleumdung – durch Privatfahnder ​185 Vermisster – Begriff ​103 – Inhalt eines Fahndungsaufrufs ​104 f., 342 ff. – Tatopfer ​89 Verwechslungsgefahr ​211  f., 284 – Abbildung ​211 f., 292, 301, 302 – Angaben zum Tatgeschehen ​296 – Beschreibung des Gesuchten ​287 – Bezeichnung des Gesuchten ​211, 285 f., 303 – Zeuge ​222, 247, 263 f., 280, 285 f., 301, 305 Videoprint ​82, 290, siehe auch Video­ sequenz, Abbildung Videosequenz ​39, 82, 290, 291 f. – „Spezialeffekte“, siehe unter Verhältnis­ mäßigkeit Videotext ​41 Volksverhetzung – Kommentare ​141 Volkszählungsurteil ​26 f., 359, 361, siehe auch Recht auf informationelle Selbstbestimmung

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– Übergangsbonus ​27 Vollstreckungshaftbefehl ​60, 67, 68, 73, siehe auch Haftbefehl – Strafvoll­ streckung Vorentwurf zur Änderung des ME PolG (VE ME PolG) ​29 f. Vorführungshaftbefehl ​67, 68, 73, siehe auch Haftbefehl – Strafvollstreckung Vorschaubild (soziale Netzwerke) ​165 Vorverurteilung, siehe Brandmarkung Warnung – präventiv ​102, 107 f., 332, 336, 340 f. – des Tatverdächtigen ​227  f. Webarchive ​213, siehe auch unter „Internet vergisst nichts“ Wertende Angaben ​344 WhatsApp, siehe Instant-Messengers

YouTube ​130  f. Zeitungen, siehe Presse (Fahndungshilfe) Zeuge – Abbildung, siehe dort – Brandmarkung, siehe dort – de lege ferenda ​353 f. – Hinweis auf die Prozessrolle ​221, 300 ff. – präventive Fahndung ​104  f. – Subsidiaritätsklausel, siehe dort – Tatopfer, siehe dort – vor Inkrafttreten des StVÄG 1999 ​24 – Verhältnismäßigkeit, siehe dort – wichtiger Zeuge ​80, 279, 353, 354 Zeugenaufrufe, siehe allgemeine Zeugenaufrufe Zuständigkeit, siehe Anordnung