Öffentliches Seerecht [Reprint 2019 ed.] 9783110900712, 9783110096552

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Öffentliches Seerecht [Reprint 2019 ed.]
 9783110900712, 9783110096552

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungs-Verzeichnis
Einleitung
Teil A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes
Teil B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen in der Bundesrepublik
Teil C. Die Seeschiffahrt
Teil D. Schiffahrt in Kriegs- und Krisenzeiten
Teil E. Das Überflugsrecht
Teil F. Fischerei
Teil G. Wirtschaftliche Nutzung des Meeresbodens und -untergrundes
Teil H. Das Legen von Kabeln und Rohrleitungen auf dem Meeresgrund
Teil I. Die militärische Nutzung der See
Teil K. Meeresumweltschutz
Teil L. Meeresforschung
Ergänzung
Literaturverzeichnis
Sachregister
Anhang

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Beckert/Breuer Öffentliches Seerecht

Öffentliches Seerecht von Erwin Beckert und Gerhard Breuer

w DE

G_ 1991 Walter de Gruyter • Berlin • New York

Dr. Erwin Beckert, D o z e n t für Völker- und Staatsrecht an der Führungsakademie der Bundeswehr a. D . Dr. Gerhard Breuer, Leiter der Unterabteilung für Schiffahrtsrecht und -politik des Bundesverteidigungsministeriums, Abteilung Seeverkehr a. D .

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

CIP-Titelaufnähme der Deutschen Bibliothek

Beckert, Erwin: Öffentliches Seerecht / von Erwin Beckert und Gerhard Breuer. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1991 ISBN 3-11-009655-2 NE: Breuer, Gerhard:

© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin. — Buchbinder: Verlagsbuchbinderei Dieter Mikolai, Berlin

Vorwort Das Öffentliche Seerecht, das im Interesse der gesamten Menschheit die verschiedenen Nutzungsarten des Meeres ordnet, ist ein umfangreiches Rechtsgebiet. Für das Meer, welches die Kontinente und ihre Staaten nicht nur trennt, sondern auch verbindet, ist es natürlich, daß seine weltweite und regionale Rechtsordnung durch eine ständig steigende Zahl internationaler Vereinbarungen gekennzeichnet ist und daß an der Fortbildung der Regeln für die einzelnen Nutzungsarten mehrere internationale Organisationen beteiligt sind. Dennoch bleiben weite Teilgebiete des öffentlichen Seerechts, die in enger Verbindung mit der jeweiligen Wirtschafts- und Verwaltungsordnung der Küstenstaaten stehen, nationalen — von Staat zu Staat verschiedenen — Rechtsvorschriften unterworfen. Die Übersicht ist nicht nur wegen dieser Fakten, sondern auch durch die weit verstreuten Rechtsquellen erschwert. In dieser Lage waren sich der Verlag und die Verfasser darin einig, daß eine gegliederte Darstellung des Öffentlichen Seerechts notwendig sei, zumal das Rechtsgebiet in einem ausreichend weit bemessenen Umfang seit dem Werk von Pereis (2. Aufl. 1903) in Deutschland nicht behandelt worden ist und für den Teilbereich des Seekriegsrechts und der militärischen Nutzung des Meeres eine gegenwartsnahe Übersicht, die alle militärischen Auseinandersetzungen mit seerechtlichem Bezug nach dem Zweiten Weltkrieg berücksichtigt, fehlt. Einigkeit besteht auch darin, daß die Darstellung sich nicht nur an die mit der Materie befaßten Juristen wenden solle, sondern auch für alle geeignet sein müsse, die aus beruflichem oder praktischem Interesse Aufklärung über Fragen des Öffentlichen Seerechtes wünschen. Bei der Vorbereitung unserer Texte haben uns viele Angehörige der zuständigen Verwaltungsbehörden und — Organisationen tatkräftig unterstützt. Ihnen allen gebührt unser Dank. Dies gilt vor allem für Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Winfried Masberg, der den fischereipolitischen Abschnitt (F I) beisteuerte.

Inhaltsverzeichnis Seiten Vorwort Einleitung 1. Zum Begriff des Öffentlichen Rechts und Seerechts 2. Gegensatz der Rechtsordnungen des Meeres und der Kontinentalstaaten 3. Internationale Rechtseinheitlichkeit 4. Englisch als Sprache der Seefahrt 5. Das Problem der schnellen Änderung von Vorschriften des Öffentlichen Seerechts

V 1 2 2 2 2 Randnummern

Teil A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes I. Das Entstehen der völkerrechtlichen Ordnung des Meeresraumes bis zum Abschluß des Seerechtsübereinkommens von 1982 1. Das Meer als „gemeinsames Erbe der Menschheit" 2. Staatliche Herrschaftsansprüche über Meeresgebiete und ihre Zurückdrängung a) Griechenland, Rom, Byzanz, Venedig, Osmanisches Reich . . . . b) Spanien / Portugal c) Nordmeer d) England 3. Der Weg zur Anerkennung des staatlichen Küstenmeeres 4. Zusätzliche Ansprüche von Küstenstaaten zur ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzung II. Die Raumordnung nach dem Seerechtsübereinkommen 1. Das Küstenmeer a) Basislinie b) Buchten c) Arktische Zonen 2. Archipelgewässer 3. Straßen der internationalen Schiffahrt und Luftfahrt in Meerengen und Archipelgewässern 4. Die Anschlußzone 5. Ausschließliche Wirtschaftzone und Festlandsockel a) Die Auschließliche Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone) b) Der Festlandsockel (Continentalshelf) 6. Inseln 7. Zonengrenzen zwischen Staaten mit gegenüberliegenden oder benachbarter Küsten 8. Das Gebiet (der Tiefsee) 9. Die Hohe See 10. Geschlossene und halbgeschlossene Meere 11. Staaten ohne Meeresküste 12. Die Region 13. Beilegung von Streitigkeiten III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom Schicksal des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) 1. Hindernisse für das Inkrafttreten des SRÜ 2. Die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des SRÜ 3. Änderung des SRÜ ?

1 — 120 1 — 12 2—5 6—12 7+8 9 10 11 13 — 16 17 — 24 25 — 99 26—33 27 28+29 30 — 33 34—36 37—42 43 44—54 45—48 49 — 54 55 + 56 57 — 59 60-76 77-79 80+81 82—88 89-92 93—99 100—120 100—102 103-109 110-120

VIII

Inhaltsverzeichnis

Teil B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen in der Bundesrepublik . . . I. Geschichtliche Entwicklung 1. Mittelalter 2. Die Entwicklung in der Neuzeit 3. Die Paulskirchen-Verfassung von 1849 4. Die Reichsverfassung von 1871 5. Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) 6. Der Staatsvertrag von 1921 7. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland 8. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Schleiurteil) 9. Das Bundeswasserstraßengesetz vom 02. April 1968 (WaStrG) II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen 1. Die Grenze zwischen Binnen-und Seewasserstraße 2. Der Begriff der Seewasserstraße 3. Die Basislinien a) Nordsee b) Ostsee 4. Die Buchten der Bundesrepublik a) Deutsche Bucht b) Ems-Dollart c) Jadebusen d) Meldorfer Bucht e) Lübecker Bucht f) Hohwachter Bucht g) Kieler Förde h) Eckernförder Bucht i) Flensburger Förde 5. Das Eigentum an öffentlichen Sachen, insbes. Bundeswasserstraßen . . a) Der Staat (der Bund) als Eigentümer b) Die Sachherrschaft beim Eigentum an öffentlichen Sachen . . . . c) Ergebnis für die Bundeswasserstraßen 6. Nutzungsrechte an den Bundeswasserstraßen a) Nutzungsrechte an öffentlichen Sachen aa) Gemeingebrauch (einfacher) bb) Gesteigerter Gemeingebrauch cc) Sondernutzung dd) Anstaltsnutzung b) Zuordnung der Nutzungsrechte an den Bundeswasserstraßen . . . aa) Natürliche Wasserstraßen bb) Kanäle cc) Schiffahrtseinrichtungen 7. Watten und Strand a) Die Wattgebiete b) Der Strand 8. Die hoheitliche Zuordnung der Seewasser- und Seeschiffahrtsstraßen a) Der Streit zwischen Lübeck und Mecklenburg-Schwerin b) Die Landesgrenze in der Elbmündung c) Vertrag zwischen Hamburg und Niedersachsen von 1961 (Cuxhaven Vertrag) aa) Vorgeschichte bb) Der Cuxhaven-Vertrag d) Die Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein . . . e) Die Ländergrenzen im Küstenmeer

121—271 122—139 122 123+124 125 126 127+128 130 — 135 136+137 138 139 140—216 140+141 142—144 145-152 145 146 147 — 152 147 147 + 148 149 149 150 151 152 152 152 153—162 154 155—160 161 + 162 163—171 163—168 163+164 165 166 167 169—171 169 170 171 172-179 172-177 178 179—207 181 — 183 184—189 190-195 190+190a 191-195 196—203 204— 207

Inhaltsverzeichnis 9. Häfen a) Eigentumsverhältnisse der Häfen b) Seehäfen an Bundeswasserstraßen c) Hamburg d) Die Hamburg-Preußische Hafengemeinschaft von 1 9 2 8 - 1 9 3 4 . . e) Bremen III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen 1. Funktionale Grenze der Bundesverwaltung 2. Die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes . . 3. Die Verwaltungsaufgaben der Wasserstraßenverwaltung (WSV) . . . 4. Planung, Bau und Unterhaltung von Wasserstraßen; Verkehrssicherungspflicht a) Planung und Bau b) Die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen c) Verkehrssicherungspflicht des Bundes 5. Beseitigung von Schiffahrtshindernissen 6. Strompolizei a) Aufgabenbereich b) Strompolizeiliche Verfügungen c) Durchsetzung strompolizeilicher Verfügungen d) Vereinbarungen über Wasserschutzpolizei und Gerichtszuständigkeit der Länder aa) Abk. von 1974 über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf der Elbe bb) Abk. von 1986 über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf dem Küstengewässer cc) Staatsvertrag von 1986 zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schlesw.-Holstein über die Regelung der Gerichtszugehörigkeit des Küstengewässers und der Elbmündung 7. Eisbekämpfung und Feuerschutz 8. Schiffahrtszeichen 9. Genehmigung von Sondernutzungen 10. Entschädigungen 11. Ahndung von Ordnungswidrigkeiten Teil C. Die Seeschiffahrt I. Allgemeine Prinzipien II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen 1. Die Schiffahrtsfreiheit auf der Hohen See a) Die weltweit verfolgten Delikte aa) Piraterie bb) Sklavenhandel cc) Unerlaubte Rundfunksendungen dd) Verfahrensvorschriften b) Kontrollrechte nach besonderen Übereinkommen aa) Telegrafenschutzvertrag bb) Branntweinhandel unter Nordseefischern cc) Alkoholschmuggel in der Ostsee dd) Suchtstoffe ee) Maßnahmen auf Hoher See bei Fällen von Verschmutzung . . c) Nacheile . . . _ 2. Die Schiffahrtsfreiheit über dem Festlandsockel und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone

IX 208-216 208+209 210+211 212 213+214 215+216 217—271 220 221 222 223-229 223 224 229—233 234—238 239-260 239—244 245—250 251 + 252 253-260 253 + 254 255 — 258

259+260 261 262-264 265 — 266 267 — 269 270+271 272-851 272—277 278—413 278-302 283 — 292 284-286 287 288—290 291 + 292 293—299 294 295 296 297 + 298 299 300-302 303 - 305

X

Inhaltsverzeichnis a) Festlandsockel b) Ausschließliche Wirtschaftszone 3. Die Schiffahrtsfreiheit — friedliche Durchfahrt — im Küstenmeer, in der Anschlußzone und in den Archipelgewässern a) Okinawa-Zwischenfall b) Sewastopol-Zwischenfall c) Jackson Hole Übereinkommen 4. Das Recht des Transits durch Meerengen und Archipelgewässer . . . a) Regelung nach dem SRÜ 1982 b) Bosporus / Dardanellen c) Magellanstraße d) Straße von Gibraltar e) Ostseeausgänge, Sund und Belte f) Aalands-Inseln 5. Kanäle der internationalen Schiffahrt a) Suezkanal b) Nord-Ostsee-Kanal (Kiel-Kanal) c) Panamakanal aa) Die geschichtliche und rechtliche Ausgestaltung bb) Der Panama-Kanal-Vertrag vom 07.09.1977 cc) Vertrag über dauernde Neutralität und Betrieb des Kanals vom 07.09.1977 dd) Das Panama-Kanal-Gesetz 9 6 - 7 0 der USA vom 27.09.1979 . ee) Die amerikanische Intervention am 20.12.1989 6. Die Freiheit des Zugangs zu den Seehäfen, Internationalisierung von Flüssen a) Allgemeine Freiheit des Anlaufens fremder Küsten b) Das Internationale Seehafenstatut von 1923 c) Das Übereinkommen zur Erleichterung des Internationalen Seeverkehrs d) Freihäfen, Freihandelszonen e) Die Benutzung von Flüssen durch die internationale Seeschiffahrt 7. Freiheit des Wettbewerbs beim Ladungsaufkommen? a) Der Kampf um die Ladung b) Das Übereinkommen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen c) Wettbewerbs Vorschriften der E G d) Die Kabotage III. Das Schiff 1. Begriffsmerkmale, rechtlich bedeutsame Arten a) Schiffsbegriff b) Seeschiff-Binnenschiff c) Arten der Seeschiffe aa) Die Erwerbszwecken dienenden Schiffe bb) Staatsschiffe cc) Sport- und Vergnügungsfahrzeuge dd) Sonderfahrzeuge ee) Schiffe mit Spezialantrieb 2. Name und sonstige Unterscheidungsmerkmale des Schiffes, Schiffsvermessung a) Der Schiffsname b) Der Heimathafen als Unterscheidungsmerkmal, besondere Kennzeichnung von Fischereifahrzeugen

304 305 306 — 314f 314a+314b 314c 314d—314f 315 — 333 315-321 322—329 330 331 332 333 334—363 335-342 343-347 348—363 349 — 353 354-356 357 358-361 362+363 364-377 364+365 366—368 369 370—374 375 — 377 378—413 378—381 382-401 402—407 408 - 413 414-526 414—418 414-418 419-422 423—431 423—425 426 - 428 429 430 431 432—450 432 + 433 434

Inhaltsverzeichnis c) Das Unterscheidungssignal d) Die Kennummer e) Die Schiffsvermessung 3. Die Staatszugehörigkeit des Schiffes a) Flaggenrecht, Seeschiffsregister b) Die Rechtsordnung auf dem Schiff 4. Sicherheitsanforderungen a) SchiffssicherheitsVorschriften (Allgemeines) b) Sicherheitsanforderungen an Bau und Ausrüstung der Schiffe . . c) Der Freibord d) Die Überwachung der Sicherheit betr. Bau, Ausrüstung und Freibord des Schiffes 5. Anforderungen an Bau und Ausrüstung des Schiffes aus anderen als Sicherheitsgründen IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt 1. Anforderungen an die Besatzung a) Stärke und Zusammensetzung der Besatzung b) Qualifikationsanforderungen c) Die Verordnung über die Seediensttauglichkeit d) Die Berufsbildungsverordnungen der Seefahrt 2. Der Schutz der Arbeitskraft und Einsatzbereitschaft der Besatzungsmitglieder a) Jugend- und Frauenschutz b) Arbeitszeit und Urlaub c) Fürsorge während der Schiffsreise d) Seefahrtsbuch, Musterrolle e) Die Seemannsämter 3. Ordnung an Bord, Rechte und Pflichten der nicht zur Besatzung gehörenden Personen V. Die Schiffsreise 1. Die Verkehrsordnung der Seeschiffahrt a) Die Internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See b) Schiffahrtswege c) Warn- und Sperrgebiete d) Besondere nationale Verkehrsregelung e) Die Seeschiffahrtsstraßen-Ordnung aa) Algemeines bb) Sichtzeichen, Laternen, Schall- und Lichtsignale cc) Fahrtregeln, Vorschriften über den ruhenden Verkehr . . . . dd) Schiffahrtspolizeiliche Verwaltungsakte und Verordnungen . . f) Schiffahrtsordnung in der Emsmündung g) Annahme von Seelotsen 2. Maßnahmen der Schiffsführung für die Sicherung des Verkehrs und des Schiffes a) Meldungen der Schiffsführer b) Beistandsleistung c) Internationale Handbücher d) Der Wachdienst e) Bordmaßnamen für die Sicherheit des in Fahrt befindlichen Schiffes f) Seetagebücher

XI 435+436 437 438—450 451—468 452—463 464—468 469 — 527 469—480 481 — 511 512-516 517-527 528 — 531 532 — 604 533—575 535 — 543 544—552 553 + 554 555—575 576-596 576—579 580 581—588 589-592 593 — 596 597 — 604 605-681 607 — 655 609-620 621—626 627—630 631—633 634—653 634—640 641 — 647 648 — 651 652+653 654 655 656-681 657+658 659—663 664+665 666-673 674—679 680+681

XII

Inhaltsverzeichnis

VI. Das Schiff im Hafen; Ladevorschriften 1. Hafenordnungen 2. Hafenstaatskontrollen a) Zoll b) Ausländerpolizei; Bundesgrenzschutz c) Gesundheitspolizei d) Statistik e) Schiffssicherheit; f) Umweltschutz g) Unterstützung der Behörden durch die Schiffsführung h) Das Übereinkommen zur Erleichterung des Internationalen Seeverkehrs 3. Anforderungen an die Beladung des Schiffes a) Güter, die bei falscher Ladung die Stabilität des Schiffes gefährden b) Gefährliche (Ladungs-) Güter c) Sonstige Ladungsgüter, deren Beförderung besondere Maßnahmen erfordert 4. Kriegsschiffe und sonstige Staatsschiffe in fremden Häfen a) Allgemeine Rechtsstellung der Kriegsschiffe b) Zivilgerichtliche und strafrechtliche Maßnahmen c) Asylrecht und Schutzgewährung an Bord von Kriegsschiffen . . . d) Die Ausnahmestellung der Kriegsschiffsbesatzung an Land . . . e) Behandlung der Besatzung gemäß NATO-Truppenstatut f) Unerlaubtes Verlassen des Schiffes (Desertion) g) Sonstige Staatsschiffe VII. Staatliche Maßnahmen zur Förderung der Seeschiffahrt 1. Seehäfen und Seeschiffahrtsstraßen 2. Seelots wesen a) Historische Entwicklung b) Gesetz über das Seelotswesen c) Verwaltung des Seelotswesens 3. Hydrographische Dienste a) Historischer Rückblick b) Die nautischen Veröffentlichungen c) Die Internationale Hydrographische Organisation 4. Such- und Rettungsdienst (SAR) 5. Funkdienste a) Warndienste b) Ortungsfunk c) Funkverkehr in Seenotfällen d) Sonderfunkdienste zum Schutz des menschlichen Lebens auf See e) Fernmeldesatelliten f) Das entstehende weltweite Seefunksystem 6. Strandungswesen 7. Konsulate VIII. Schiffahrtspolizei auf den Seewasserstraßen und der Hohen See . . . . 1. Definition der Schiffahrtspolizei 2. Organisation der Schiffahrtspolizei a) Wasser- und Schiffahrtsverwaltung und Wasserschutzpolizei . . . b) Bundesgrenzschutz und Zollverwaltung c) Zusammenfassung 3. Verfahrensvorschriften

682—744 684+685 686—704 686-689 690—693 694 695 696+697 698 699 700-704 705 — 726 706—714 715—721 722-726 727—744 727—729 730 — 744 731 + 732 733—736 737 — 741 739—741 742—744 745 — 810 746 — 749 750—764 752+753 754—756 757 — 764 765—774 766—769 770—773 774 775-785 786—789 787 788+789 790 791 792—794 795 — 799 800—807 808-810 811—840 812—814 815 — 840 816+820 821 — 830 831 + 832 833 — 840

Inhaltsverzeichnis

XIII

a) Wasser- und SchiffahrtsVerwaltung b) Bundesgrenzschutz c) Zollverwaltung IX. Rechte und Pflichten der Schiffe des öffentlichen Dienstes auf Hoher See in Friedenszeiten X. Die Untersuchung von Seeunfällen

833 — 837 838 839+840

Teil D. Schiffahrt in Kriegs- und Krisenzeiten I. Einführung 1. Änderung kriegsrechtlicher Begriffe 2. Die Entwicklung des Kriegsrechtes nach dem Zweiten Weltkrieg . . 3. Seekriegsrecht; Überblick über die Rechtsquellen II. Geltendes Recht der Seekriegsführung 1. Pariser Erklärung über gewisse Seekriegsregeln in Kriegszeiten vom 16. April 1856 a) Abschaffung der Kaperei und die Bildung des Kriegsschiffbegriffs b) Das Wesen der Neutralität im Seehandelskrieg c) Blockade und Operationszonen d) Konterbande 2. Die Haager Abkommen von 1907, welche den Seehandelskrieg betreffen a) Das VI. Haager Abkommen über die Behandlung der Kauffahrteischiffe beim Ausbruch der Feindseligkeiten b) Das VII. Haager Abkommen über die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe aa) Die falsche Flagge als Kriegslist bb) Die Rückumwandlung cc) Prisen als Hilfskriegsschiffe c) Das XI. Haager Abkommen über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekrieg aa) Der Beschlagnahme entzogene Gegenstände (Briefpost, bestimmte Fahrzeuge) bb) Die Behandlung der Besatzung im Seehandelskrieg d) Das XIII. Haager Abkommen betreffend die Rechte und Pflichten der Neutralen im Falle des Seekrieges 3. Prisenrecht; die Londoner Erklärung von 1909; nationale Prisenordnungen a) Allgemeines b) Grundsätze des Prisenrechts c) Aufbringungsgründe aa) Konterbandebeförderung bb) Fahren im Geleit cc) Leisten von Widerstand dd) Feindselige Unterstützung ee) Nicht ordnungsgemäße Papiere ff) Blockadebruch d) Der Ablauf prisenrechtlicher Maßnahmen aa) Der Anhaltevorgang bb) Die Durchsuchung cc) Die Kursanweisung dd) Die Aufbringung ee) Die Einbringung ff) Die Nutzung der Prise vor der Einbringung gg) Die Zerstörung aufgebrachter Schiffe

860—1382 860-876 860—865 866—872 873—876 877 — 1075

841—844 845 — 859

877-912 878—887 888-894 895—907 908-912 913—952 915 + 916 917 — 926 922—924 925 926 927 — 933 928+929 930—933 934—951 952-1002 952-957 958—965 966—981 967 + 968 969-973 974+975 976—978 979 980+981 982-1002 983—985 986 987+988 989+990 991 992+993 994—996

XIV

Inhaltsverzeichnis

hh) Die Behandlung von Besatzung und Fahrgästen ii) Die Einziehung e) Reprisen 4. Seekriegsrechtliche Entwicklung infolge des Unterseebootkrieges . . a) Erster Weltkrieg b) Die Zeit zwischen den Kriegen und das Londoner Protokoll von 1936 c) Der Zweite Weltkrieg d) Das Nürnberger Militärgerichtsverfahren e) Die heutige Rechtslage aa) Der Status der bewaffneten Handelsschiffe bb) Schutz feindlicher Handelsschiffe cc) Der U-Bootkrieg und das I. Zusatzprotokoll dd) Die Weiterentwicklung der U-Boot-Waffe 5. Regeln für die Verwendung von Minen im Seekrieg a) Das VIII. Haager Abkommen über die Legung von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen b) Grundsätze und Einschränkungen außerhalb des VIII. Haager Abkommens 6. Das IX. Haager Abkommen betreffend die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten a) Die materiellen Bestimmungen b) Die heutige Bedeutung des Abkommens c) Über das Abkommen hinausgehende Entwicklungen III. Humanitätsrecht im Seekrieg 1. Historische Grundlagen 2. Rettung wehrloser Gegner und Schiffbrüchiger 3. Lazarett-und Sanitätsschiffe 4. Wahrnehmung humanitärer Hilfeleistungen durch Kriegsschiffe . . . 5. Sanitätsluftfahrzeuge auf See IV. Der Einfluß internationaler Konflikte auf das Seekriegsrecht 1. Die Anwendung des Seekriegsrechtes in den Waffenauseinandersetzungen nach dem Zweiten Weltkrieg a) Der Palästina-Krieg 1945 - 1 9 4 9 b) Der chinesische Konflikt in der Straße von Formosa (Juni 1949 bis Dezember 1954, bzw. 1958) c) Der Korea-Konflikt (25.06.1950-27.07.1953) d) Der Suez-Konflikt 1956 (19.10.-06.11.1956) e) Der Algerien-Konflikt (1954-03.07.1962) f) Die Kuba-Krise (22.10.-21.11.1962) g) Der Kashmir-Krieg zwischen Indien und Pakistan (25.08.— 23.09.1965) h) Die Rhodesien-Krise (11.11.1965 - März 1980) i) Der Vietnam-Konflikt (02.08.1964-27.01.1973) j) Der Nigeria-Biafra-Konflikt (27.05.1967-12.01.1970) k) Der Bangla-Desh-Krieg zwischen Indien und Pakistan (03.12.— 21.12.1971) 1) Der israelisch-arabische Krieg (06.10.-25.10.1973) m) Der Falkland (Malwinen)-Konflikt (02.04.-11.07.1982) n) Der Irak-Iran-Konflikt (22.09.1980-20.08.1988) o) Krise zwischen Nicaragua und USA

997 — 1000 1001 1002 1003 — 1041 1004-1006 1007-1012 1013-1017 1018—1021 1022-1041 1022—1030 1031-1034 1035-1039 1040 + 1041 1042 — 1059 1043 — 1055 1056-1059 1060 — 1075 1060 — 1066 1067 — 1071 1072—1075 1076 — 1111 1076-1078 1079 — 1085 1086 — 1103 1104—1105 1106 — 1111 1112—1282 1113—1162a 1113 - 1 1 2 5 1126-1132 1133-1143 1144-1150 1151-1154 1155-1162 1163-1173 1174 - 1 1 8 1 1182-1195 1196-1204 1205-1215 1216-1221 1222-1227 1228-1257 1258 — 1262

Inhaltsverzeichnis

XV

p) Krieg zwischen Panama und den USA (20.12.89 - 03.01.1990) . . q) Golfkrise (Kuwait), ab 02.08.1990 2. Zusammenfassende Wertung der gegenwärtigen Rechtslage a) Seekrieg und Neutrale; bewaffneter internationaler Konflikt und Unbeteiligte b) Die Anwendung sonstigen Seekriegsrechts in Konfliktfallen . . . 3. Zur Situation des Kriegsvölkerrechts 4. Ausblick V. Vorschriften für die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit der Bundesrepublik 1. Einführung 2. Der Katalog der hoheitlichen Befugnisse der Streitkräfte a) Artikel 87a Abs. 3 G G b) Artikel 87a Abs. 4 G G c) Artikel 35 G G 3. Technische Hilfeleistungen durch die Bundeswehr Nothilfe nach Art. 35 Abs. 1 G G (Amtshilfe) VI. Der Einsatz als UN-Friedensstreitmacht VII. Deckung des öffentlichen Bedarfs an Seetransportleistungen 1. NATO-Planung für die Versorgung über See und den Schutz der Handelsschiffahrt 2. Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland zur Bedarfsdeckung a) Das Bundesleistungsgesetz b) § 10 Seeaufgabengesetz c) Sondervorschriften zur Sicherstellung des Seeverkehrs 3. Das Angarienrecht a) Zur Einführung und zum Begriff b) Abgrenzung des Angarienrechtes von anderen völkerrechtlichen Eingriffen in fremdes Eigentum c) Praktische Anwendung des Angarienrechts 4. Das Arbeitssicherstellungsgesetz 5. Zusammenfassung

1262a 1262b-1262h 1263 — 1272

Teil E. Das Überflugsrecht I. Das Gebiet der Hohen See II. Das Uberflugsrecht über der Ausschließlichen Wirtschaftszone und dem Festlandsockel III. Das Recht zum Überfliegen von Meerengen IV. Das Recht zum Überfliegen archipelagischer Gewässer

1383-1397 1384-1387 1388-1390 1391 — 1393 1394—1397

Teil F. Fischerei I. Gemeinsame Fischereipolitik der E G 1. Der Weg zur Einigung 2. Bilaterale Fischereibeziehungen 3. Multilaterale Fischereibeziehungen 4. Die Einigung a) Der gleichberechtigte Zugang b) Die zulässige Fangmenge c) Fangbeschränkungen technischer Art d) Fischereiüberwachung 5. Die Süderweiterung der Gemeinschaft 6. Zur Lage der deutschen Fischereiflotte

1398-1442 1398 — 1432 1398-1403 1404—1409 1410—1412 1413-1421 1414 1415 1416+1417 1418—1421 1422—1425 1426 — 1432

1263-1265 1266 — 1272 1273 — 1279 1280-1282 1283-1307 1283-1285 1286 — 1303 1287-1292 1293-1298 1299-1303 1304-1307 1308—1312 1313 — 1382 1314-1325 1326 — 1358 1326 — 1336 1337 1338 — 1358 1359-1372 1359 + 1360 1361 — 1365 1366 — 1372 1373 — 1380 1381 + 1382

XVI

Inhaltsverzeichnis

II. Nationales Fischereirecht der Bundesrepublik 1. Das Seefischereigesetz 2. Die Seefischereiverordnung vom 18. Juli 1989 3. Fischerei und Seeschiffahrtsrecht

1433 — 1442 1434+1435 1436-1441 1442

Teil G. Wirtschaftliche Nutzung des Meeresbodens und -untergrundes . . . . I. Küstengewässer der Bundesrepublik Deutschland II. Festlandsockel III. Gebiet seewärts der Küstengewässer und des Festlandsockels der Bundesrepublik Deutschland IV. Ahndung von Zuwiderhandlungen

1443—1458 1443 + 1444 1445-1449

Teil H. Das Legen von Kabeln und Rohrleitungen auf dem Meeresgrund . . . I. Der „Kabelschutzvertrag" von 1884 II. Das Legen von Kabeln und Rohrleitungen als völkerrechtliche Meeresfreiheit III. Anforderungen nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland . . . . IV. Ahndung von Zuwiderhandlungen

1459 — 1469 1459-1461

Teil I. Die militärische Nutzung der See I. Der Grundsatz: Die Hohe See ist friedlichen Zwecken vorbehalten . . . 1. Artikel 88 SRÜ 2. Die vergeblichen Bemühungen, das Meer zu entmilitarisieren . . . . 3. Begrenzte entmilitarisierte Seegebiete a) Die Aalandsinseln b) Spitzbergen (Svalbaardinseln) II. Verwendung von Kriegsschiffen 1. Kriegsschiffe auf Hoher See und in Ausschließlichen Wirtschaftszonen 2. Marineübungen in der Ostsee a) ehemalige DDR b) Polen c) Sowjetunion d) Finnland e) Schweden f) Dänemark III. Militärische Anlagen und stationäre Waffen auf See 1. Allgemeines 2. Inaktive Grundminen 3. Einschränkungen für das Legen inaktiver Minen a) Minenlegen auf der Hohen See im Konfliktsfalle b) Minenlegen in Meerengen aa) Allgemeines; der Korfu-Kanal-Fall bb) Vertrag von Montreux 1936; Bosporus und Dardanellen . . . cc) Ostseeausgänge IV. Abgegrenzte Übungsgebiete 1. Sperrgebiete ( a - g ) 2. Warngebiete ( a - i ) 3. Unzulänglichkeit der Rechtsgrundlage für die Einrichtung und den polizeilichen Schutz von Übungsgebieten 4. Interessenausgleich zwischen übenden Streitkräften und anderen Meeresnutzern außerhalb der Rechtsvorschriften

1450—1457 1458

1462 + 1463 1464—1467 1468 + 1469 1470—1587 1470—1482 1470 +1471 1472—1479 1480—1482 1481 1482 1483 — 1505 1483—1490 1491 — 1505 1491 + 1492 1493 1494—1496 1496a 1497-1500 1501-1505 1506 — 1544 1506-1510 1511—1514 1515 — 1520 1515 1516 — 1520 1516 + 1517 1518 1519 + 1520 1521 — 1544 1522 + 1523 1524-1532 1533 — 1538 1539

XVII

Inhaltsverzeichnis 5. Militärische Übungsgebiete, die nicht als Warn- oder Sperrgebiete erklärt worden sind 6. Sperr- und Warngebiete in der ehemaligen D D R V. Kernwaffenversuche 1. Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg 2. Regionale Vereinbarungen und Erklärungen über kernwaffenfreie Zonen a) Lateinamerika aa) Vertrag von Tlatelco über das Verbot von Kernwaffen in Lateinamerika vom 14.02.1967 bb) Vertrag von Ayacucho b) Afrikanische Staaten c) Indischer Ozean als Zone des Friedens d) Südostasien e) Mittelmeergebiet f) Nordeuropa g) Südpazifischer Raum VI. Kollisionsverhütungsregeln und gewohnheitsrechtliche Ausnahmen . . . VII. Die Fragen der Haftung 1. Haftung für bei Übungen verursachte Schäden? 2. Schadensersatz für Kosten des Abbruches von Übungen? Teil K. Meeresumweltschutz I. Geschichtliche Vorbemerkungen II. Meeresverschmutzung durch Schiffe 1. Ölverschmutzung (MARPOL Anlage I) a) Seegebiete, in denen das Ablassen von ÖL verboten ist b) Regeln für das erlaubte Einleiten von Ölrückständen c) Auffanganlagen d) Technische Vorkehrungen auf den Schiffen e) Öltagebuch 2. Verschmutzung durch andere, als Massengut beförderte schädliche Flüssigkeiten (MARPOL Anlage II) 3. Verschmutzung durch Schadstoffe, die auf See als Stückgut oder in Containern oder an Bord genommenen Landfahrzeugen befördert werden (MARPOL Anlage III) 4. Verschmutzung durch Schiffsabwässer (MARPOL Anlage IV) . . . . 5. Verschmutzung durch Schiffsmüll (MARPOL Anlage V) 6. Schiffsbesichtigungen und Zeugnisse 7. Ergänzende nationale Reinhaltungsvorschriften 8. Verwaltungzuständigkeiten III. Meersverschmutzung durch das Einbringen von Abfallen und anderen Stoffen durch Schiffe und Luftfahrzeuge (Dumping) 1. Die beiden Übereinkommen von 1972 2. Das Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes 3. Ergänzende Vorschriften des Bundes und der Länder . IV. Meeresverschmutzung vom Lande aus V. Meeresverschmutzung durch Erschließungstätigkeit am Meeresboden und -untergrund VI. Maßnahmen gegen die Verschmutzung des Meeres . 1. Meldungen 2. Überwachung a) Zuständigkeit des Flaggenstaates

15.43 + 1544 1544—1544c 1545 — 1566 1545 — 1550 1551 —1566 1552—1554 1552+1553 1554 1555 1556 — 1558 1559+1560 1561 1562-1564 1565 + 1566 1567 — 1577 1578-1587 1581 — 1585 1586 + 1587 1588 — 1704 1588 — 1596 1597 — 1622 1600-1609 1600' 1601 1602 1603 — 1608 1609 1610-1614

1615 1616 1617 1618 + 1619 1620 1621 + 1622 1623 — 1637 1624—1629 1630 1631 — 1637 1638 — 1640

.

1641 — 1643 1644 1645-1650 1651 — 1666 1654

XVIII

Inhaltsverzeichnis

b) Zuständigkeit des Hafenstaates c) Zuständigkeit des Küstenstaates d) Verfahrensvorschriften e) Überwachungsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland . . . 3. Maßnahmen aufgrund unmittelbar drohender oder eingetretener Küstenschäden a) Übereinkommen zur Zusammenarbeit bei der Ölverschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe b) Übereinkommen über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungsfällen c) Durchführung der Übereinkommen in der Bundesrepublik Deutschland VII. Die Haftung für Ölverschmutzungsschäden 1. Die Haftung nach den allgemeinen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland 2. Internationale Vereinbarungen über die Entschädigung von Ölverschmutzungsschäden VIII. Straf-und Bußgeld Vorschriften

1655 — 1657 1658—1661 1662—1664 1665 +1666 1667 — 1678 1668 + 1669 1670 — 1676 1677 + 1678 1679 — 1695 1679-1681 1682 — 1695 1696-1704

Teil L. Meeresforschung I. Geschichtliche Entwicklung 1. Die freie internationale Meeresforschung 2. Beginnende völkerrechtliche Regelung und Organisation der Meeresforschung II. Das Recht der Meeresforschung nach dem SRÜ 1. Materielle Vorschriften 2. Antragsverfahren 3. Unterbrechungs- und Aufhebungsgründe

1709-1718 1719-1728 1719-1723 1724—1726 1727 + 1728

Teil M. Für das Öffentliche Seerecht wichtige internationale Organisationen und nationale Behörden I. Die IMO und die mitwirkenden Organisationen II. Seeschiffahrtsbehörden und —stellen der Bundesrepublik Deutschland . . 1. Ministerialinstanz 2. Behörden und Körperschaften mit Schiffahrtsaufgaben a) Behörden und Öffentlichrechtliche Körperschaften b) Privatrechtliche Vereinigungen als beliehene Verbände 3. Anderungsbestrebungen

1729-1738 1729 — 1734 1735 — 1738 1735 + 1736 1737 1737 1737 1738

Ergänzungen Das öffentliche Seerecht nach dem Einigungsvertrag

1742—1747

Anhang

1705-1728 1705 — 1718 1705 — 1708

Seite 685

Abkürzungs-Verzeichnis AA AbfG AB1EG AdG AöR AO AJIL AVR AWZ

Auswärtiges Amt Abfallgesetz Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Archiv der Gegenwart Archiv des öffentlichen Rechts Abgabenordnung 1977 American Journal of International Law Archiv des Völkerrechts Ausschließliche Wirtschaftszone

BBergG Bek. BFH BGH BGHZ BGSG BMF BMI BMJ BML BMP BMV BMVtdg BMZ Brm. Bull. BVerfG BYLL

Bundesberggesetz Bekanntmachung Bundesfinanzhof Bundesgerichtshof Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bundesgrenzschutzgesetz Bundesminister der Finanzen Bundesminister des Innern Bundesminister der Justiz Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesminister für Post und Telekommunikation Bundesminister für Verkehr Bundesminister der Verteidigung Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Bremen Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Zusammenstellung der Fundstellen der im BGBl, veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, FN A 1104—5 British Yearbook of International Law

Diss. DÖV DV DVIS DVB1. DVZ

Dissertation Die Öffentliche Verwaltung Durchführungsverordnung Deutscher Verein für Internationales Seerecht Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verkehrszeitung

EG ECE EuGHE

Europäische Gemeinschaften Economic Commission for Europe Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs

FAZ FGG F1G F1RV F1S FN A

Frankfurter Allgemeine Zeitung Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Flaggenrechtsgesetz Flaggenrechtsverordnung v. 04.07.1990 Festlandsockel Fundstellennachweis A (Bundesrecht ohne völkerrechtliche Vereinbarungen), hrsg. vom B M J Fundstellennachweis B (Völkerrechtliche Vereinbarungen und Verträge mit der DDR) hrsg. vom B M J

FN B

XX G GewO GG GGV-See

Abkürzungs-Verzeichnis

GL Gruchot GVB1. GVG GWB GYIL

Gesetz Gewerbeordnung Grundgesetz Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen (GefahrgutV-See) Germanischer Lloyd Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr. von Gruchot Gesetz und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, n.F. 1990 German Yearbook of International Law

HansOLG Hmb. HGB

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg Handelsgesetzbuch

I G H (ICJ) IHB ILM ILR IMO INMARSAT IWF

Internationaler Gerichtshof (International Court of Justice) International Hydrographie Bureau International Legal Materials International Law Reports International Maritime Organisation Internationale Seefunk-Satelliten-Organisation Internationaler Währungsfonds

JArbSchG JIR JWG

Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz) Jahrbuch des Internationalen Rechts Gesetz für Jugendwohlfahrt

KVR

Kollisionsverhütungsregeln (Internationale Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See)

LNTS

League of Nations Treaties Series

MARPOL

Die internale gebräuchliche Abkürzung für „Marine Pollution" bezeichnet das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe nebst Protokoll von 1978 zu diesem Übereinkommen

NJW Nds. NfS NVwZ NZWehrr.

Neue Juristische Wochenschrift Niedersachsen Nachrichten für Seefahrer, Amtsblatt des Bundesamts für Seeschiffahrt und Hydrographie Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Wehrrecht

ÖZA

Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik

OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, n.F. vom 19.02.1987

PaßG

Paßgesetz vom 19.04.1986

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

Sartorius I

Verfassungs- und Verwaltungsgesetze der Bundesrepublik Deutschland (Loseblattsammlung)

Abkürzungs-Verzeichnis SeeAufgG SeeTgbV SeuffArch SLG Slg. sm SOLAS

SRÜ STANAVFORLANT StGB StPO SUG SchBesV SchlHolst Schönfelder SchOffzAusbV

SchRegO SchSV SchVm UNESCO UNTS UZwG

XXI

Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt, n.F. vom 21.01.1987 Verordnung über Seetagebücher (SeetagebuchV) vom 08.02.1985 Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den Deutschen Staaten Gesetz über das Seelotswesen Sammlung Seemeile Die international gebräuchliche Abkürzung für „Safety of Life at Sea" bezeichnet das Internationale Übereinkommen von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See Seerechtsübereinkommen der UN, 1982 Standing Navalforce Atlantik Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Gesetz über die Untersuchung von Seeunfällen Schiffsbesetzungsverordnung Schleswig-Holstein Deutsche Gesetze, Sammlung des Zivil-, Straf- und Verfahrensrechts Verordnung über die Ausbildung und Befähigung von Kapitänen und Schiffsoffizieren des nautischen und technischen Schiffsdienstes (Schiffsoffizier-AusbildungsV) Schiffsregisterordnung Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (Schiffssicherheitsverordnung) Schiffsvermessung Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur United Nations Treaty Series Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes

V VkBl. VN VSAA VwVfG VwGO VwVG

Verordnung Verkehrsblatt Vereinte Nationen Vertragssammlung des Auswärtigen Amtes Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz

WaStrG WdV WHG WiCo WSD WSP

Bundeswasserstraßengesetz Wörterbuch des Völkerrechts (Hrsg. Strupp-Schlochauer) Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz) Wirtschaftscorrespondent Wasser- und Schiffahrtsdirektion Wasser- und Schiffahrtspolizei

YBILG

Yearbook International Law Commission

ZaöRV ZfW

Zeitschrif für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Wasserrecht

Fußnotenziffern im Text, die mit einem Stern versehen sind, weisen darauf hin, daß die Erläuterung des markierten Begriffs bereits unter der genannten Fußnotenziffer erfolgte.

Einleitung 1. Zum Begriff des öffentlichen Rechts und des Seerechts Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wird durch den französischen Einfluß das Recht in zwei große Gebiete eingeteilt: in öffentliches Recht einerseits und in Privatrecht (Ziviloder auch bürgerliches Recht) andererseits. Eine klare Grenzziehungen zwischen den beiden Rechtsgebieten ist schwierig. Kelsen 1 geht soweit, jede Abgrenzungsmöglichkeit überhaupt zu leugnen. Einig ist man sich lediglich darüber, daß Organisation und Verwaltungsakte des Staates zum Öffentlichen Recht gehören, die Rechtsbeziehungen der Bürger dagegen zum Privatoder Zivilrecht. 2 Ein weiteres Kriterium des öffentlichen Rechtes wird darin gesehen, daß der Bürger seinen Vorschriften kraft der übergeordneten Ordnungsgewalt des rechtsetzenden Gemeinwesens unterworfen ist. Danach liegt eine öffentlichrechtliche Beziehung immer dann vor, wenn der Staat oder ein sonstiger Träger der öffentlichen Gewalt, z. B. Gemeinden, dem Einzelnen mit dem Anspruch auf Gehorsam gegenübertreten. Privatrechtliche Beziehungen bestehen dann, wenn die Partner sich in den Beziehungen, die sie regeln, gleichberechtigt gegenübertreten, 3 also auch dann, wenn ein Inhaber öffentlicher Gewalt wie ein Bürger am Rechtsverkehr teilnimmt, z. B. ein Grundstück veräussert. Zum Öffentlichen Recht gehört die Ordnung, mit welcher der Staat die Sicherheit und das Wohlergehen der Gemeinschaft und damit auch des Einzelnen (Daseinsvorsorge) zu gewährleisten versucht, man denke hier an das Gesundheitsrecht, das Lebensmittelrecht, das Baurecht, den Umweltschutz usw. Neben diesem Ordnungsrecht, das man allgemein als das besondere Verwaltungsrecht bezeichnet, ist Öffentliches Recht auch das gesamte Staats- und Verfassungsrecht einschließlich des Völkerrechtes. Ferner gehören dazu das Strafrecht und die gerichtlichen Verfahrensordnungen. Große Rechtsgebiete fassen unter Sammelbezeichnungen — wie z. B. das Arbeits- oder das Wirtschaftsrecht — Vorschriften aus öffentlichem und zivilem Recht zusammen, ohne sie klar abzugrenzen. Obwohl der Begriff Seerecht ähnlich dem Begriff Arbeitsrecht eine Sammelbezeichnung ist, lassen sich öffentliches und privates Seerecht leicht trennen. Zum privaten Seerecht gehören das gesamte Seehandelsrecht (5. Buch des HGB) und die Bestimmungen über das Recht an den Schiffen (Sachenrecht). Zum Öffentlichen Seerecht gehören alle verwaltungs- und völkerrechtlichen Bestimmungen für die Seeschiffahrt, die Fischerei und sonstigen wirtschaftlichen und militärischen Nutzungen des Meeres, des Meeresbodens und des Meeresuntergrundes. 2. Gegensatz der Rechtsordnungen des Meeres und der Kontinentalstaaten Menschen, die in einem kontinentalen Staat aufwachsen, sind gewohnt, ihre Rechtsordnung von landbezogenen Gegebenheiten aus zu betrachten. Sie sind daher verständlicherweise geneigt, auch Fragen des Meeres von ihrem Standpunkt an Land aus zu beurteilen. Daß man mit dieser Betrachtungsweise den besonderen Gegebenheiten der See, namentlich ihrer Freiheit, nicht gerecht wird, verdeutlicht am besten das Beispiel 1

2 3

Kelsen, Hans, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 80 ff, so neuerdings auch Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, 1968. Jellinek, Walter, Verwaltungsrecht, 1948, 3. Aufl. (Neudruck) S. 48. Jellinek (2), S. 48; RGZ 166, S. 218; Kimminich Otto, Einführung in das Öffentliche Recht, 1972

2

Einleitung

der Seeschiffahrt, zumal diese auch für alle anderen Nutzungen des Meeres weitgehende Bedeutung hat (Seefischerei, Legen von Kabeln auf dem Meeresgrund, Gewinnung von Bodenschätzen des Meeres, Abfallbeseitigung, Meeresforschung usw). Hauptaufgabe der Seeschiffahrt ist es, zwischen den Küsten des Meeres und den Staaten, denen diese gehören, eine Verbindung herzustellen; ihr eigentlicher Lebensraum ist das Meer, das, von Randgebieten abgesehen, keiner staatlichen Hoheit untersteht. Gilt es, Fragen der See rechtlich angemessen zu regeln, dann muß man von den Rechtsschöpfern fordern, daß sie ihren gewohnten Standort an Land gedanklich verlassen und sich auf die offene See hinausversetzen, den Blick den umgebenden Küsten zugewandt. Für eine dem Weltmeer gemäße Rechtsordnung muß der Freiheit der Schiffahrt eine zentrale und grundsätzliche Bedeutung eingeräumt werden. 3. Internationale Rechtseinheitlichkeit Soweit auf dem allen gemeinsam offenstehenden Meere rechtliche Regeln notwendig werden, müssen sie international einheitlich sein, denn wenn dort jedermann nach seinem nationalen Recht handeln würde, wären Kollisionen und Streitigkeiten unvermeidlich. Selbst an den Küsten bis hin zu den Seehäfen, wo weitgehende nationale Interessen zu beachten sind, ist möglichst gleichmäßige Gestaltung und Handhabung des Rechtes erwünscht. Andererseits sind angesichts der sehr ausgeprägten Souveränität der Staaten und der sehr verschieden gestalteten Küstenräume einzelstaatliche Regelungen noch unumgänglich. Die für das Meer erforderlichen einheitlichen Regeln haben sich entweder im Völkergewohnheitsrecht niedergeschlagen oder werden durch internationale Ubereinkommen geregelt. Dies ist der Grund für die große Zahl internationaler Vereinbarungen im öffentlichen Seerecht. 4. Englisch als Sprache der Seefahrt Der Gemeinschaft in einer einheitlichen Rechtsordnung wird insbesondere durch eine einheitliche Sprache gedient. Wie im Luftverkehr hat sich auch für die Seefahrt das Englische durchgesetzt. In diesem Grundriß wird daher bei vielen Begriffen des Seerechtes der entsprechende englische Ausdruck in Klammern angegeben, in einigen Fällen gibt es für seerechtliche Begriffe noch keinen allgemein zuerkannten deutschen Sprachbegriff. 5. Das Problem der schnellen Änderung von Vorschriften des öffentlichen Seerechts Da die Ordnung der menschlichen Lebensgemeinschaften mannigfachem und ständigem Wandel der Gegebenheiten des Lebens unterworfen ist, sind auch Änderungen der für sie maßgeblichen Rechtsvorschriften notwendig. Für die ständigen Änderungen auf dem Gebiet des Öffentlichen Seerechts sind zusätzliche Gründe zu verzeichnen. Dies Rechtsgebiet mit seiner weitgehenden internationalen Vereinheitlichung erfordert — und zwar beim zwangsläufigen Zusammenleben der einzelnen Nationen immer häufiger —, national gewachsene Rechtsvorschriften mit denen der Partner abzustimmen, auf örtlich Althergebrachtes zu verzichten und Vorgaben international vereinbarter Regeln zur Geltung zu bringen. Aber auch dort, wo eine internationale Vereinheitlichung noch nicht stattgefunden hat, zwingt die natürliche und rechtliche Besonderheit des Meeres, bei der noch

Einleitung

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bestehenden nationalen Rechtsordnung diesen Besonderheiten mit Sondervorschriften Rechnung zu tragen. Die divergierenden Strömungen in der internationalen Ordnung des Meeres einerseits und der durch die nationale Politik bedingten Ordnung des Staates andererseits erzeugen Turbulenzen, die durch harmonisierende Rechtsvorschriften beseitigt werden müssen. Die Darstellung des öffentlichen Seerechts kann daher genau genommen nur eine Momentaufnahme sein — hier Mitte 1990 —; und dies ist sicher ein Grund dafür, daß es für dieses Rechtsgebiet zwar viele und gute Sammlungen der internationalen und nationalen Rechtsvorschriften — meist in Loseblattform — gibt, aber im deutschen Sprachraum keine selbständige, die betr. Rechtsvorschriften einordnende Gesamtdarstellung. Eine solche zu versuchen, heißt, primär die Grundlinien aufzuzeigen, die ihre Bedeutung in absehbarer Zeit nicht verlieren und auf denen die einzelnen Rechtsvorschriften beruhen und sich entwickeln. Da die Grundzüge nicht dargestellt werden können, ohne sie den aktuellen Vorschriften gegenüberzustellen, letztere aber oft sehr schnell Änderungen erfahren, muß ein Weg gefunden werden, dem Benutzer des Buches die nationalen Rechtsvorschriften in der jeweils neuesten Fassung anzubieten. Die beste Hilfe bieten hierfür die vom Bundesminister der Justiz jährlich in überarbeiteter Form herausgegebenen Fundstellennachweise A und B, die den regelmäßigen Beziehern des Bundesgesetzblattes automatisch zugehen und in den Büchereien bei den beiden Teilen des BGBl, aufgestellt werden (Teil I: Gesetze und Verordnungen; Teil II: Völkerrechtliche Vereinbarungen und zu ihrer Inkraftsetzung oder Durchsetzung erlassene Rechtsvorschriften). Zu den Fundstellennachweisen führen die ihnen vorangestellten Erläuterungen u. a. folgendes aus: „ A u f Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages erscheint seit 1952 jährlich der Fundstellennachweis als amtlicher Nachweis der Bundesgesetzgebung. Er wurde 1968 in die Teile A und B unterteilt. Mit den Fundstellen der Sammlung des Bundesrechts — BGBl. III — als Basis enthält der Fundstellennachweis A seit dem 0 1 . 0 1 . 1 9 6 6 kontinuierlich die Fundstellen aller nach dem 3 1 . 1 2 . 1 9 6 3 im Bundesgesetzblatt Teil I veröffentlichten und im Bundesgesetzblatt Teil II sowie im Bundesanzeiger verkündeten Vorschriften einschließlich der dazu ergangenen Änderungen. Die Aufteilung nach Sachgebieten und die dazu gehörenden Gliederungsnummern stützen sich auf die Sammlung des Bundesrechts und sind weiter ausgebaut. Der Fundstellennachweis B enthält die v o n der Bundesrepublik und ihren Rechtsvorgängern abgeschlossenen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die im Bundesgesetzblatt, Bundesanzeiger und deren Vorgängern veröffentlicht wurden und die — soweit ersichtlich — noch in K r a f t sind oder sonst noch praktische Bedeutung haben können. ... Der Fundstellennachweis B führt auf a) zweiseitige Verträge mit Staaten sowie mit Gemeinschaften und Organisationen in alphabetischer Folge. ... b) mehrseitige Verträge in chronologischer Ordnung. ..."

Völkerrechtliche Vereinbarungen sind nach den vorstehenden Erläuterungen im Fundstellennachweis B leicht zu finden. Die Benutzung des Fundstellennachweises A wird durch seine Gliederungsnummern erleichtert; sie werden daher in die Anmerkungen, die sich am Ende jedes Teiles finden, aufgenommen.

Teil A Hauptliteratur: Gündling, Lothar, Die 200 Seemeilen Wirtschaftszone, 1983; Jaenicke, Günther, The Legal Status of the International Seabed, in Festschrift für Hermann Mosler, 1983, S. 429 ff; - ders. - Die Dritte Seerechtskonferenz, in N J W 36 (1983) S. 1936 ff; - ders. - Dispute Settlement, in ZaöRV, Bd. 43 (1983) S. 813 ff; Platzöder, Renate, Sammlung der Dokumente der Dritten Seerechtskonferenz nach Sessionen getrennt — Stiftung Wissenschaft und Politik —; - dies. - Meerengen in ZaöRV, Bd. 38 (1978) S. 710; Platzöder, R./Grunenberg H., Internationales Seerecht, Beck'sche Textausgaben, 1990; Rauch, Elmar, Die Sowjetunion und die Entwicklung des Seevölkerrechts, Berlin 1982; Rojahn, O., 200 sm-Wirtschaftszone, Meeresfreiheit und Hochseeforschung, völkerrechtliche Entwicklungslinien, in GYIL 19 (1976) S. 73; Sturies, Rainer, Archipelgewässer, Zur Entwicklung eines neuen Rechtsbegriffs im Seerecht, 1981; Großer Krüger Atlas der Ozeane, Deutsche Ausgabe, Frankfurt 1982; Times Atlas of the Oceans, 1983.

Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes Ehe die Rechtsordnung der See im einzelnen dargelegt werden kann, muß Klarheit 1 darüber bestehen, ob und ggf. inwieweit die See einer Herrschafts- und Rechtsetzungsgewalt unterliegt und wie die Grenzen der insoweit differenzierten Meeresräume verlaufen. Die Regeln hierüber sind neuerdings in der Seerechtskonvention der UN von 1982 enthalten; um sie verständlich zu machen, muß auf die Grundzüge ihrer Entstehungsgeschichte eingegangen werden.

I. Das Entstehen der völkerrechtlichen Ordnung des Meeresraums bis zum Abschluß der Seerechtskonvention von 1982 1. Das Meer als „gemeinsames Erbe der Menschheit" Das Meer in seiner Erhabenheit und Größe hat den Menschen seit Alters her stets die 2 Überzeugung nahegelegt, daß jedermann es nutzen dürfe, daß es sich territorialer Herrschaftsgewalt, also auch Rechtsvorschriften der Küstenmächte entziehe. Das galt zwar nicht unbedingt für regelmäßig trockenfallende oder z.B durch Eindeichung ausgesonderte Randgebiete, aber uneingeschränkt für das offene Meer. Niemand konnte und wollte an einer Fläche desselben Eigentum begründen, zumal Meeresboden und Meeresuntergrund dort überhaupt nicht genutzt werden konnten.

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

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Das Meer war aber keineswegs eine herrenlose Sache, denn wenn auch dort niemand privates Eigentum begründen konnte, so stand es doch, wie man heute sagt, als „gemeinsames Erbe der Menschheit" jedermann zur Nutzung offen. Im römischen Recht war dies bereits anerkannter Grundsatz.4 Auch für alle heutigen Auseinandersetzungen ist dabei wichtig: Dieses Nutzungsrecht stand unmittelbar jedem einzelnen Menschen zu, der Einzelne leitete sein Recht also nicht nur mittelbar von einem primär dem Staat zustehenden Rechte her; das umgekehrte ist richtiger, denn das erst im Mittelalter entstehende Völkerrecht übernahm Grundsätze des römischen Privatrechts und betrachtete den einzelnen Staat als „Juristische Person", wonach dann, ohne das unmittelbare Recht des Einzelnen zu leugnen, gefolgert werden konnte, daß das Meer allen Nationen offenstehe.

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Wie bei jedem Gemeingebrauch gilt für das Meer der natürliche Grundsatz, daß jeder von dem gemeinsamen Gut nur soweit Gebrauch machen darf, als er das gleiche Recht aller anderen nicht verkürzt. Da das Meer keiner staatlichen Hoheit und Ordnungsgewalt unterlag, begegnete die Bekämpfung von Mißbräuchen des gemeinsamen Nutzungsrechts tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten. Ein einzelner Staat oder eine frei organisierte Interessengemeinschaft handelte, solange es eine organisierte Gemeinschaft aller beteiligten Staaten nicht gab, nur zur Erfüllung nationaler Meeresinteressen.

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Das gemeinsame Nutzungsrecht erstreckt sich nicht nur auf die Oberfläche und die Wassersäule des Meeres (Seeschiffahrt, Fischerei), sondern auch auf den Meeresboden und -untergrund sowie die Luftsäule über dem Meere, die alle erst in jüngerer Zeit wirtschaftlich nutzbar und damit politisch interessant wurden (Legen von Leitungen, Ölbohrungen vor der Küste, Versenken und sonstiges Einbringen von Stoffen, Uberflug). 2. Staatliche Herrschaftsansprüche über Meeresgebiete und ihre Zurückdrängung

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Der Grundsatz, daß das Meer keiner Herrschaftsgewalt unterliege, hat, wie wir aus der Geschichte wissen, durchaus nicht immer allgemeine Anerkennung gefunden. Viele Staaten, deren Bürger sich dem Handel über See widmeten, gewährten nicht nur militärischen Schutz, sondern sie nahmen, gestützt auf ihre Seemacht, auch die Herrschaft über meist begrenzte, nicht selten auch über weitere Flächen des Meeres in Anspruch. Dies sei mit den folgenden Beispielen belegt: a) Griechenland, Rom, By^an^, Venedig, Osmanisches Reich Im alten Griechenland wurde 423 v. Chr. der Waffenstillstand zwischen Athen und Sparta geschlossen, der die Schließung des Ägäischen Meeres für alle Kriegsschiffe proklamierte. Aus dem römischen Recht leiten Bartolus und Baldus, italienische Juristen im 14. Jahrhundert, die Geltung einer Jurisdiktionszone in der Breite von 100 Meilen (ca. 150 km) her. Nikephoros Phokas, 963 — 969 Kaiser von Byzanz, postuliert: „Die Herrschaft über das Meer ruht bei mir allein." Zwischen 1000 und 1500 beansprucht Venedig die Herrschaft über die Adria, das Ägäische Meer und das östliche Mittelmeer; alljährlich 4

Dernburg, Heinrich, Pandekten, 1. Bd. 4. Aufl. 1894, S. 191 Anm.4; Windscheid, Bernhard, Lehrbuch des Pandektenrechtes, 1. Bd. 1891, 7. Aufl. S. 4 1 1 - 4 1 3 .

I. Das Entstehen der völkerrechtlichen Ordnung des Meeresraums bis 1982

7

zelebriert der Doge die „Verlobung mit dem Meer". Nach siegreichen Kriegen der Osmanen in der Ägäis erklärt der türkische Sultan in Istanbul den Venezianern: „Bisher wart Ihr mit dem Meer vermählt; jetzt gehört es mir". b) Spanien / Portugal Nachdem Papst Alexander VI. 1493 einen Meridian westlich der Azoren und kapver- 9 dischen Inseln zur Grenze zwischen den Besitzungen Spaniens (westlich der Linie) und Portugals (ostwärts derselben) bestimmt hatte und die beiden Staaten 1494 im Frieden von Tordesillas die Demarkationslinie 370 Seemeilen nach Westen gerückt hatten, beanspruchten Spanien für die Schiffahrt nach Amerika und Portugal für die nach Ostindien und Afrika ein Monopol. c)

Nordmeer König Erich von Dänemark und Norwegen erklärt 1432 an die Adresse Englands, 10 daß in den norwegischen Meeren seit alters her niemand ohne besondere königliche Erlaubnis fischen oder Handel treiben dürfe, wobei er in erster Linie an den lukrativen Walfischfang zwischen Norwegen, Island, Grönland und nördlich dieses Gebiets dachte. Der Anspruch wird bis 1691 aufrechterhalten.

d) England Bereits im 10. Jahrhundert hatte König Edgar alle Meere rings um England bean- 11 sprucht, eine Forderung, die in England fortlebte, bis sie in John Seidens berühmtem Werk „Mare clausum", das, von Jakob I. mit Rücksicht auf Dänemark noch zurückgehalten, auf Anordnung Karls I. 1635 erschien, geographisch näher definiert wurde. Der Anspruch umfaßte im Norden die Meeresgebiete bis zu den Shetlands, im Osten die gesamte Nordsee, im Süden und Südwesten den Kanal und die gesamte Biskaja bis zu den Küsten Frankreichs und Spaniens, im Westen den Nordatlantik ohne definierte Grenze. Dies geschah im Hinblick auf die lästige niederländische Konkurrenz, obwohl schon ein halbes Jahrhundert früher Königin Elisabeth I. in Abwehr spanischer Ansprüche und schon vor der Vernichtung der Armada (1588) erklärt hatte, daß der Ozean für jedermann frei sei; 5 eine Erklärung mit politischem Weitblick, da die Alleinherrschaft über Teile des Meeres im Zeitalter der Entdeckungen mit seinen neuen Weltmaßstäben nicht mehr vereinbar erschien, dafür aber der Schutz der eigenen Handelsflotte gegen Übergriffe Dritter auf dem Meer in den Vordergrund rückte. Ein Rückblick auf die vorstehend nur beispielhaft aufgezeigten Ansprüche einzelner 12 Staaten, Teile des Weltmeeres allein zu beherrschen, zeigt, daß dafür stets wirtschaftspolitische oder militärische Gründe maßgeblich waren: Der Schutz der eigenen Handelsschiffahrt und Fischerei gegen Konkurrenten und Piraten; seltener der Schutz des eigenen Staatsgebietes oder der an fremden Küsten gegründeten Handelsplätze; vereinzelt auch die Staatsfinanzen, denen mit Gebühren für die Zulassung Fremder aufgeholfen werden sollte. Die Weite des Weltmeeres und das Heranwachsen mächtiger Konkurrenten bereiteten derartigen Ansprüchen ein Ende. Was Elisabeth I. schon erkannt hatte, erhob Hugo Grotius, der Vater des neuzeitlichen Völkerrechts, 6 mit dem vorgezogenen Kapitel „De Mare Liberum", das 1609 als selbständiges Buch erschien, zum bis in die Gegenwart 5 6

Fulton Thomas Wemyss, The Sovereignty of the Sea, Edinburgh, London 1911, S. 107. Grotius, Hugo, De iure belli ac pacis, 1635.

8

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

fortgeltenden völkerrechtlichen Grundsatz. Die Hohe See steht jedermann zur freien Nutzung offen. Wenn auch England im ersten Seekrieg mit den Niederlanden (1652—1654) siegte und seine See- und Weltmachtgeltung festigte, so siegte im Völkerrecht der Grundsatz des Niederländers.

3. Der Weg zur Anerkennung des staatlichen Küstenmeeres 13

War damit jeglichem Anspruch einer Seemacht, andere von der Benutzung bestimmter Seegebiete auszuschließen, die rechtliche Grundlage definitiv entzogen, so begannen nunmehr die Küstenstaaten das nun wieder bis zu ihrer Küste reichende Gebiet der freien, keiner Herrschaft unterliegenden See vom Lande aus zurückzudrängen. Begründungen: Küstenschutz, Zollhoheit, Existenzsicherung der Küstenfischer. Auch für solche Ansprüche lieferte die Geschichte Grundlagen: Die schon seit griechischer Zeit allerorts erhobenen und unbestrittenen Eigentumsansprüche an natürlichen Buchten sowie auch die z. B. im Nord- und Ostseegebiet zur Sicherung des Schiffsverkehrs auch seewärts von Flußmündungen in Anspruch genommenen „Ströme" (z. B. Scheide, Trave).

14

Eine einheitliche Bezeichnung für einen dem Küstenstaat zuzurechnenden Meeressaum gab es zunächst nicht. Erst mit dem 17. Jahrhundert tritt sie als „mare proximum" auf, wobei die Breite des bezeichneten Meeressaumes nicht fest begrenzt, sondern von der Fähigkeit des Küstenstaates zur effektiven Beherrschung abhängig ist. Bynkershoek 7 definiert: „Potestatem terrae finiri ubi finitur armorum vis", frei übersetzt also: Die Hoheitsgewalt des Küstenstaates endet mit der Reichweite seiner (von Land aus eingesetzten) Waffen. Diese Entfernung wird dann üblicherweise als „Kanonenschußweite" zitiert; erst später wird sie durch Galiani mit 3 sm beziffert. Die „Dreimeilenzone" wurde im Völkerrecht vorherrschend, obwohl aus besonderen historischen Gründen anderwärts 4 sm (Skandinavien) oder'6 sm (Mittelmeer) beansprucht werden 8 .

15

Wenn auch seit Ende des 17. Jh. eine Zweiteilung des Meeresraumes in Hohe See und Küstenmeer allgemein anerkannt wurde, so gingen doch die Auffassungen über die rechtliche Ausgestaltung des letzteren sehr auseinander. Schon die Ansicht, daß das Küstenmeer dem Hoheitsgebiet des Küstenstaates zuzurechnen sei, wurde vereinzelt bestritten; Frankreich ging noch 1930 von einer unveränderten Einheit des Meeresraumes aus, betrachtete das Küstenmeer also als Teil der Hohen See, in dem der Küstenstaat lediglich bestimmte Sonderrechte besitzt. Auch wurde nicht überall klar erkannt, daß ein Staat in seinem Küstenmeer gegenüber anderen Staaten nicht nur Rechte, sondern auch Verpflichtungen hat, z. B. als Neutraler in einem Kriege zwischen Dritten.

16

Keine Einigkeit bestand auch in folgenden Fragen: — Inwieweit untersteht ein Schiff fremder Flagge bei der Durchfahrt durch das Küstenmeer der Rechtsordnung des Küstenstaates? — Kann die Durchfahrt von Kriegsschiffen von einer Anmeldung oder Genehmigung abhängig gemacht werden? 7 8

Bynkershoek, Cornelius von, Dissertation 1703, De Dominio Maris, cap. 2. Siehe gegenwärtig noch Norwegen, Finnland, Griechenland, z. T. Türkei, Israel; vergl. Beilage zum NfS Heft 23/1989 (Ansprüche der Staaten auf Meereszonen).

I. Das Entstehen der völkerrechtlichen Ordnung des Meeresraums bis 1982

9

— Inwieweit ist die durchgehende Schiffahrt in Meerengen vom Recht der Kütenstaaten freigestellt, wenn deren Küstenmeerstreifen an gegenüberliegenden Küsten unmittelbar aneinandergrenzen? Schücking 9 wies darauf hin, daß mindestens in derartigen Meerengen eine Durchfahrtgenehmigung für Kriegsschiffe nicht in Betracht gezogen werden könne, weil dies auf eine Sperrung der Meerenge hinauslaufen würde.

1930 wurde auf der Haager Seerechtskonferenz — der sogen. Kodifikationskonferenz — der Versuch unternommen, dem Küstenmeer eine einheitliche Rechtsordnung zu geben und die Küstenmeerbreite einheitlich festzulegen. Beides mißlang; für die Folgezeit wichtig blieben — ein der Konferenzschlußakte beigefügter Vorentwurf über die Schiffahrtsfreiheit im Küstenmeer, bestehend aus 13 Artikeln; — der Beschluß, zur Bezeichnung der unter Hoheitsgewalt des Küstenstaates stehenden Meereszone künftig nicht mehr „Territorial waters", sondern „Territorial sea" zu verwenden. 4. Zusätzliche Ansprüche der Küstenstaaten zur ausschließlichen wirtschaftlichen Nutzung Das zunehmende wirtschaftliche Interesse an den jedermann zur Verfügung stehenden 17 lebenden und mineralischen Schätzen des Meeres verlockte in jüngster Zeit zu immer weiterer Einengung des Gebiets der Hohen See zugunsten der Volkswirtschaft der Küstenstaaten. Die USA eröffneten den Reigen; am 28.9.1945 proklamiert Präsident Truman die alleinige Nutzung des „Festlandsockels" (Continental Shelf) durch den Küstenstaat sowie die Einrichtung nationaler „Fischereierhaltungszonen", wobei dip seewärtigen Begrenzungen dieser Ansprüche offengelassen wurden. Dieser Schritt der USA war ein Signal für alle Staaten, namentlich die der Dritten Welt. Der bisher nur in der Geologie verwendete Begriff des Festlandsockels wurde bereits 1951 Gegenstand eines Konventionsentwurfs der International Law Commission. 1952 beanspruchten Chile, Ecuador und Peru als Ausgleich für einen ihnen fehlenden Festlandsockel in der Deklaration von Santiago eine 200 sm-Zone als Hoheitsgewässer unter besonderen Hinweis auf das alleinige Recht zur Ausbeutung der lebenden und nichtlebenden Meeresschätze. Die Deklaration diente Peru 1959 als Rechtsgrundlage für die Aufbringung von fünf 18 Walfangschiffen des griechischen Reeders Onassis und die Entscheidung der Hafenbehörde von Paita/Peru, nach welcher Reeder und Versicherung die verhängte Strafe unter Vorbehalt ihrer Rechte zahlten. 10 Korea und die UdSSR erklärten 1956 weite Teile des nördlichen und nordwestlichen Pazifiks zum nationalen Fischereigebiet. 11 1958 beschloß die 1. UN-Seerechtskonferenz neben drei Übereinkommen, die bestehendes Seevölker-

9 10

11

Schücking, Walter, Kodifikationsversuch, S. 42. Deklaration von Santiago im Wortlaut bei Platzöder/Vitzthum, Seerecht, Textauszug S. 479; zum Fall Onassis Walfanger Azcaraga, in AVR 1955, S. 41. Moto Ogiso, Japan and the UN-Convention on the Law of the Sea in AVR Bd. 25, 1958 Heft 1.

10

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

recht fortbildeten, ein viertes Übereinkommen über den Festlandsockel und beschritt damit völkerrechtliches Neuland. 12 19

Da es nicht gelang, auf der Konferenz die Breite des Küstenmeeres festzulegen, wurde 1960 in Genf eine speziell diesem Zweck gewidmete Zweite Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen abgehalten. Man kam einem Kompromiß nahe, der darin bestand, einem auf 6 Seemeilen Breite festgelegten Küstenmeer eine ausschließlich der Nutzung des Küstenstaates freistehende Fischereizone vorzulagern, die ebenfalls auf eine Breite von 6 Seemeilen bemessen werden sollte. Uber diese Formel wurde in den späten Nachtstunden des letzten Verhandlungstages abgestimmt. An der nach der Verfahrensordnung erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit fehlte eine einzige Stimme. Unter dem donnernden Applaus der an weitergehenden Fischereirechten interessierten Staaten ging die Konferenz und damit praktisch die Theorie von der blossen Zweiteilung des Meeres in Küstenmeer und Hohe See zu Ende.

20

Was sich in der Praxis der Staatenwelt seit 1960 auswirkte, waren zwei Erkenntnisse der im Resultat erfolglosen Ersten und Zweiten Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen: — Das traditionelle System mit der Zweiteilung in die weite Hohe See und das schmale Küstenmeer wird von der Mehrheit der Nationen als nicht mehr ausreichend angesehen; allein dem Küstenstaat zustehende weiter hinausreichende Fischereirechte sind anzuerkennen; — für die küstenstaatlichen Randzonen des Meeres gibt es seewärts keine allgemein verbindliche Grenze, weder für das Küstenmeer noch für die ausschließlichen Fischereirechte und schließlich auch nicht für den Festlandsockel. Bei letzterem zeigte sich bald, daß die 1958 noch für ausreichend gehaltene Definition der Außengrenze in Art. 1 der Konvention über den Festlandsockel (Tiefe von 200 m oder darüber hinaus, soweit die Tiefe des über dem Meeresboden befindlichen Wassers die Ausbeutung der natürlichen Schätze des Meeresbodens und -untergrundes gestattet) nicht ausreicht, da das Heraufholen von Manganknollen aus sehr viel größeren Tiefen schon sehr bald technisch möglich wurde und die Frage, ob sich damit der Festlandsockel nur für den technisch erfolgreichen Staat oder gleichzeitig auch für alle anderen Staaten erweitert, aus der Konvention nicht beantw'ortet werden konnte. In dieser Lage nahmen viele Staaten — in Europa z. B. Island —, was sie mochten. Sie verbreiterten ihre Küstenmeere und Fischereizonen, ohne mehr als papierene Proteste erwarten zu müssen.

21

Mit der Verbreiterung der Küstenmeere drohte die Gefahr, daß Meerengen, die keinen durch besondere Konventionen gesicherten Status besaßen, Teil des Küstenmeeres würden und die internationale Schiffahrt, deren Transit sie dienten, an die dort limitierten Freiheiten der friedlichen Durchfahrt gebunden wären. Und als Arvid Pardo 13 , damals 12

13

Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlußzone (von der Bundesrepublik unterzeichnet, aber nicht ratifiziert) UNTS 516 S. 205; Übereinkommen über die Hohe See (von der Bundesrepublik ratifiziert) BGBl. 1972 II S. 1091; Übereinkommen über die Fischerei und die Erhaltung der lebenden Schätze der Hohen See (von der Bundesrepublik weder unterzeichnet noch ratifiziert) UNTS 559 S. 285; Übereinkommen über den Festlandsockel (von der Bundesrepublik gezeichnet, aber nicht ratifiziert) UNTS 499 S. 311; alle abgedruckt bei v. Münch, International Law S. 112 ff und Platzöder/Grunenberg S. 684 ff. Siehe Fritz Münch, Werkheft 19, S. 46; Freericks, Lautlose Eroberung des Meeres, S. 29.

I. Das Entstehen der völkerrechtlichen Ordnung des Meeresraums bis 1982

11

UN-Botschafter Maltas, 1967 die Forderung aufstellte, den gesamten Meeresboden und -untergrund außerhalb der bestehenden küstenstaatlichen Jurisdiktionsgrenzen als „gemeinsames Erbe der Menschheit" nationaler Aneignung zu entziehen und unter internationaler Treuhandschaft gemeinsam zu nutzen, erwuchs für die an Verbreiterung ihrer Küstenzonen wirtschaftlich interessierten Staaten die weitere Gefahr, daß nunmehr von See aus eine Grenze des gemeinsamen Erbes der Menschheit sich zu dicht an die Küsten heranschöbe. Deutlich wurde schließlich, daß die Entwicklungsländer, deren „Gruppe der 77" an 22 Zahl und Bedeutung ständig wuchs, die Konventionen von 1958 als zu konservativ ablehnten und eine umfassende Ordnung des Meeresgebietes auf dem Wege zu einer neuen Wirtschaftsordnung forderten. Die Genfer Konventionen wurden demgemäß nur von weniger als der Hälfte der UN-Mitgliedstaaten ratifiziert, zu wenig, um ihren Inhalt als allgemein geltendes Völkerrecht werten zu können. Angesichts dieser Lage ergingen am 17. Dezember 1970 die beiden UN- Resolutionen 23 2749 und 2750; die erstere enthielt den Beschluß, für 1973 eine Seerechtskonferenz einzuberufen, die sich nicht nur mit den Gegenständen der beiden Genfer Vorläuferkonferenzen von 1958 und 1960 befassen, sondern hauptsächlich eine internationale Nutzungsordnung für den küstenfernen Meeresboden finden sollte; die letztere enthielt eine Prinzipienerklärung, die den Meeresboden und seine Schätze zum „gemeinsamen Erbe der Menschheit" deklarierte und einem Aneignungsverbot unterwarf. Diese Resolutionen gaben zunächst vielen Entwicklungsländern Anlaß, noch vor Beginn der beschlossenen Seerechtskonferenz die Grenzen ihrer Küstenzonen bis zu der anderwärts schon beanspruchten 200 Seemeilen-Grenze hinauszuschieben. Die Zahl der südamerikanischen Staaten, die diese Forderung stellten, nahm zu. Das Asian-African-Legal-Committee stellte 1971 vergleichbare Forderungen; und 1972 forderten 10 Staaten der Karibik auf der Konferenz von Santo Domingo ein „Mar Patrimonial" von 200 Seemeilen Breite, in welchem die Verfügung über lebende und nichtlebende Ressourcen, die Kontrolle der Meeresverschmutzung und die Regelungskompetenz für die Meeresforschung dem Küstenstaat zufallen sollten. Gleichzeitig bereitete ein von der UNO 1968 eingesetzter Meeresbodenausschuß, dem 24 86 Mitgliedstaaten angehörten, die Konferenz mehr schlecht als recht vor. Im Gegensatz zur ersten UN-Seerechtskonferenz von 1958, der ein von der International Law-Commission ausgearbeiteter Konventionsentwurf als Verhandlungsgrundlage diente, unterbreitete der Meeresbodenausschuß der Dritten UN-Seerechtskonferenz nur rund 100 Entwürfe und Arbeitspapiere zu Konventionsteilen und Deklarationen. Die Konferenz einigte sich 1973 in New York zunächst über die Organisations- und Verfahrensfragen und behandelte die Sachfragen von 1974 bis 1982 in mehreren Sessionen in Caracas, New York und Genf. 14 Insgesamt nahmen die Verhandlungen 93 Wochen in Anspruch. Am 10.12.1982 wurde in Montego Bay (Jamaika) neben der für die Dauer von sechs Jahren zur Zeichnung aufgelegten Konvention das Schlußprotokoll der Konferenz unterzeichnet, das u. a. als Annex I vier Resolutionen umfaßt. Das Seerechtsübereinkommen (SRÜ) der 14

Sammlung der Konferenzdokumente, siehe R. Platzöder. Einen guten Überblick über das gesamte Konferenzgeschehen gibt Rauch Elmar, Die Sowjetunion und die Entwicklung des Völkerrechts, Berlin 1982.

12

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Vereinten Nation (United Nations Convention on the Law of the Sea; UNCLOS) umfaßt 320 Artikel und 9 Anhänge. Diese Konvention ist gemeint, wenn in den folgenden Darlegungen Artikel ohne Konventionsbezeichnung zitiert werden.

II. Die Raumordnung nach den Seerechtsübereinkommen 1982 25

Die Konvention hat die räumliche Ordnung des Meeres unter weitgehender Übernahme der exzessiven Ansprüche diverser Staaten oder Staatengruppen (siehe Rn. 11,16) neu gestaltet, indem sie den Küstenstaaten neben einem nunmehr klar begrenzten Küstenmeer weiter hinausgreifende Zonen mit begrenzteren Rechten zuspricht und die traditionell für jedermann bestehenden Freiheitsrechte, von der Schiffahrt abgesehen, entsprechend einschränkt.

1. Das Küstenmeer 26

Das Küstenmeer, das zum Hoheitsgebiet des Küstenstaates gehört (Artikel 2), Schiffen aller Flaggen aber für die friedliche Durchfahrt zur Verfügung steht, darf bis zu 12 Seemeilen breit sein. Ragt über diese Grenze eine Reede hinaus, die regelmäßig zum Ankern und für Umschlagszwecke benutzt wird, dann wird sie in vollem Umfang dem Küstenmeer zugerechnet (Art. 12). Die genaue Festlegung der Küstenmeerbreite obliegt dem Küstenstaat (Art. 3); der Küstenstaat braucht also die zulässige Breite nicht voll in Anspruch zu nehmen; es kann ihm auch nicht verwehrt werden, die Breite an verschiedenen Teilen seiner Küste in dem zugelassenen Rahmen verschieden zu bemessen. Von dieser Möglichkeit hat z. B. die Bundesrepublik Gebrauch gemacht. Neben der generell beibehaltenen 3 sm-Zone ist zwischen Elbe und Jade, um eine sichere Lenkung der Verkehrsströme zu gewährleisten, eine „Box" bis zur höchstzulässigen Küstenmeerbreite, in ihrem Nordwest-Teil sogar darüber hinaus, eingerichtet worden. 15 Siehe Zeichnung.

a) 27

Basislinie Die Breite des Küstenmeeres wird von einer Basislinie aus gemessen, für deren Verlauf die Konvention genaue Grundsätze aufstellt. Die normale Basislinie wird nach Artikel 5 durch die Niedrigwasserlinie entlang der Küste gebildet. Wo aber die Küste durch tiefe Einbuchtungen und Einschnitte oder eine Kette vorgelagerter Inseln gekennzeichnet ist, darf der Küstenstaat gerade Basislinien ziehen, die jedoch vom allgemeinen Verlauf der Küste nicht erheblich abweichen und das Küstenmeer eines anderen Staates nicht von den weiter außerhalb gelegenen Meeresteilen abschneiden dürfen. Die Wasserflächen landwärts dieser geraden Basislinien müssen, vorauf schon bei der Ziehung der Basislinien zu achten ist, mit dem Land in enger natürlicher Verbindung stehen und werden dann den inneren Gewässern — auch Innengewässer (internal waters) — zugerechnet; näheres vgl. Art. 7 und 8. 15

Bekanntmachung vom 12.11.1984 (BGBl. 1984 I S. 1366); zur seewärtigen Grenze siehe Wolfrum Rüdiger, Die Küstenmeergrenzen der Bundesrepublik Deutschland, in AVR 24 (1986) S. 247; zur völkerrechtlichen Situation in der westlichen Ostsee nach Ausdehnung der Territorialgewässer - DDR-Grenzverordnung vom 20.12.1984 (GBl. DDR S. 441) - s. Aufzeichnung der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP-AZ 2409) vom Januar 1985 von Renate Platzöder (Wasum).

13

II. Die Raumordnung nach den Seerechtsübereinkommen 1982

54°1ii'26"N 07°/.9'50,,(

5/.° 13'36" N J)7°58'57"0

Helgoland' 5 W O 07° 2V 36" 0

frischen^ 5ii°0V 1VN 08°lB'ii0"0 Scharhörn^

^

Neuwerk 53°i.7'58"N 07°2/,'36"0 „

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S p i e k e r o o g ^ f ' Langeoog BaU^ym^3

0 0

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Koordinalenangabe im Europa - Dalum - ED neue seewärtige Begrenzung des Küstenmeeres bisherige seewärtige Begrenzung des Küstenmeeres Erweiterung des Küstenmeeres

Der Küstenstaat kann, um den besonderen Gegebenheiten seiner Küste zu entsprechen, die beiden für die Ziehung von Basislinien zulässigen Verfahren — Niedrigwasserlinien und gerade Basislinien — kombinieren (Art. 14 SRÜ). 15a b) Buchten Sonderregeln für den Verlauf der geraden Basislinien gelten nach Art. 9 bei Flußmündungen, bei welchen die Niedrigwassermarken an den Ufern, und nach Art. 11 bei Häfen, bei welchen die äußersten ständigen Hafenanlagen am Festland maßgeblich sind. Besondere Linien dürfen bei Buchten gezogen werden, deren Küsten zu einem einzigen Staat gehören und deren Wasserfläche mindestens so groß ist wie die Fläche eines Halbkreises, dessen Durchmesser die quer über die Öffnung des Einschnittes gezogene Linie ist. Die gerade Basislinie darf als Buchtenabschlußlinie nicht länger sein als 24 Seemeilen; ist die 151

Artikel ohne Angaben sind Artikel des SRÜ.

14

A . Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Bucht breiter, dann muss die gerade Basislinie weiter landwärts so gezogen werden, daß sie bei einer Länge von 24 Seemeilen die größtmögliche Wasserfläche umschließt. 29

„Historische Buchten" werden oft breite Buchten genannt, die von einzelnen Staaten, deren Gebiet eine solche Bucht voll einschließt, in ständiger Praxis als innere Gewässer (Rn. 27) beansprucht werden. Sie unterliegen gemäß Art. 35 c nicht der 24 sm-Begrenzung für die Breite der Öffnung. Wichtigste Beispiele: USA: Chesapeake- und Delaware Bucht; Norwegen: Vestfjord, Varangerfjord; Sowjetunion: Rigaer Meerbusen, Karische, Laptev-, Ostsibirische- und Tschuktschen See; Australien: Sharks Bay; Libyen: Neuerdings (umstritten) die Syrte. Vergleiche dazu die Erklärung der Regierung Libyens in der UN-Vollversammlung vom 19.10.1973:16 „As the Gulf penetrates Libyan territory and forms a part thereof, it constitutes internal waters, beyond which the territorial waters of the Libyan A r a b Republic start. Through history and without any dispute, the Libyan A r a b Republic has exercised its sovereignty over the G u l f . . . "

30

c) Arktische Zonen Kein Küstenmeer kann es dort geben, wo die Küste nicht zum Hoheitsgebiet eines Staates gehört, denn Art. 2 Abs. 1 definiert das Küstenmeer als Annex einer Landküste, die unter staatlicher Hoheitsgewalt steht (the sovereignty of a coastal state extends, beyond its land territory and internal waters to an adjacent belt of sea, described as the territorial sea). Von praktischer Bedeutung ist dies namentlich für die Küste der Antarktis, zu der man neben dem 6. Erdteil alle Inseln südlich des 60. Breitengrades rechnet, denn der Antarktisvertrag besagt: Dieser Vertrag gilt für das Gebiet südlich v o n 60 Grad südlicher Breite einschließlich aller Eisbänke; jedoch läßt dieser Vertrag die Rechte oder die Ausübung der Rechte eines Staates nach dem Völkerrecht in Bezug auf die Hohe See in jenem Gebiet unberührt". 1 7

31

Es gibt dort vom 20.—25. und vom 80. —150.° West lange Küstenabschnitte, für die bisher kein Staat Ansprüche geltend gemacht hat. Aber auch für die Teile der Antarktisküste, für die Hoheitsansprüche geltend gemacht werden, sind diese Ansprüche zwar durch den Antarktisvertrag vom 01.12.1959 zur Kenntnis genommen, aber in Artikel IV „eingefroren"; auch die Begründung neuer Ansprüche wird verhindert. Niemand kann sich also gegenwärtig auf einen Anspruch berufen. Ansprüche, in der Regel auf Sektoren bis zum Pol, erheben Großbritannien ( 5 0 - 8 0 ° W), Australien ( 4 5 - 1 3 6 ° und 1 4 2 - 1 6 0 ° Ost), Neuseeland (160° O s t 150° W), Argentinien ( 2 5 - 7 4 ° W), Chile ( 5 3 - 9 0 ° W), Frankreich ( 1 3 6 - 1 4 2 ° O), Norwegen (20°W—45° O). 1 8

32 Selbst wenn gegenwärtig die Hoheitsgewalt eines Staates über irgendeinen antarktischen Küstenstrich anzuerkennen wäre, so würde doch die nach dem Vertrag (Art. II und III) bestehende Freiheit der wissenschaftlichen Nutzung in seinem ganzen Hoheitsgebiet 16 17 18

UN Doc ST/REGISTER B/18.26. Art. V I des Antarktisvertrages v o m 0 1 . 1 2 . 1 9 5 9 (Gesetz v o m 22.12.1978, BGBl. II S. 1517). Näheres über die Geltendmachung und die meist wenig überzeugende Begründung siehe Wolfrum, Internationalisierung staatsfreier Räume, S. 36 — 42.

II. Die Raumordnung nach den Seerechtsübereinkommen 1982

15

gelten. Diese Freiheit stände dann in einem so starken Gegensatz zu Art. 245 SRÜ, der die Forschungen im Küstenmeer der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Küstenstaates unterstellt, daß man von einem Küstenmeer als Teil des Hoheitsgebietes nicht mehr sprechen könnte, ohne seinen Begriff inhaltlich anders zu definieren. Das Fehlen eines Küstenmeeres in der Antarktis macht auch verständlich, warum Art. VI des Antarktisvertrages zwar die Freiheitsrechte der Hohen See, aber nicht die des Küstenmeeres erwähnt. Auch die Frage, ob in den Polarregionen die Breite des Küstenmeeres nicht von der 33 Küstenlinie, sondern vom Außenrand des Schelfeises aus gemessen werden darf, ist durch Art. 5 geklärt worden. Sie wird verneint, denn Art. 5 besagt, daß ohne eine ausdrückliche andere Regelung durch die Konvention die normale Basislinie entlang der Küste maßgeblich ist. Die Regelung ist für die Nordostpassage entlang der Küsten Norwegens und der Sowjetunion (hier „Nördlicher Seeweg" genannt) ebenso maßgeblich wie für die Nordwestpassage entlang den Küsten Alaskas (USA) und Kanadas.18" Ohne praktische Bedeutung ist die Regelung für den 5. Staat der nördlichen Polarregion, da der Nordrand Grönlands über die Packeisgrenze hinausragt, so daß Seefahrt dort zu keiner Jahreszeit stattfinden kann. Nur in einer Beziehung ist die Hoheitsgewalt der vorgenannten vier Polarstaaten über ihr Küstenmeer hinaus erweitert worden. Art. 234 schreibt nämlich vor, daß Küstenstaaten für Schiffe, die ihre eisbedeckten Gebiete durchfahren, besondere Vorschriften zum Schutz der Meeresumwelt erlassen und durchsetzen dürfen. 2. Archipelgewässer Archipelgewässer sind ihrer Rechtsnatur nach mit dem Küstenmeer vergleichbar und 34 daher an dieser Stelle zu erläutern. 19 Was ein Archipel ist, wird in Art. 46 Buchst, b) definiert. Es ist eine Gruppe von Inseln mit dazwischenliegenden Gewässern und anderen natürlichen Bestandteilen (z. B. Felsen, Sandbänke), die untereinander so eng verbunden sind, daß sie eine echte geographische, wirtschaftliche und politische Einheit bilden oder seit jeher als solche betrachtet worden sind. Archipelstaaten sind nach der Definition des Art. 46 Buchst, a) Staaten, deren Gebiet ausschließlich durch einen oder mehrere Archipele und evtl. weitere Inseln gebildet werden (Hauptbeispiele: Indonesien, Fidschi, die Philippinen, Salomonen, Malediven, Kap Verde, die Bahamas). Archipelgewässer sind die zwischen den Inseln des Archipelstaates belegenen Gewässer. Wie im Küstenmeer haben die Schiffe aller Flaggen das vom Küsten-(Archipel-)staat unentziehbare Recht der friedlichen Durchfahrt und auf den normalen Passagerouten, an die der Archipelstaat die Transitschiffahrt binden darf, sogar das noch freiere Durchfahrtsrecht nach Maßgabe der Meerengenbestimmungen (Art. 53 Abs. 12 und Art. 54, vgl. Teil C Abschn. II 4). Die Archipelgewässer enden seewärts an den archipelagischen Basislinien, an denen 35 das auch dem Archipelstaat zustehende Küstenmeer (siehe Rn. 26) beginnt und in die den Archipelstaat umgebende offene See hinausgreift. Für die archipelagischen Basislinien gelten die in Art. 47 zusammengefaßten Besonderheiten. Es sind gerade Linien, die der Archipelstaat zwischen den äußersten Punkten seiner äußersten Inseln und trockenfallen18a

19

Vgl. dazu die kanadische Feststellung v o m 10.09.1985 über die kanadische Souveränität in der Arktis, ILM 1984 S. 1715. Zur Entstehung des Begriffes s. Sturies Archipelgewässer, S. 10.

16

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

den Riffs in der Weise ziehen darf, daß sie der natürlichen Gestaltung des Archipels im wesentlichen folgen und das Verhältnis der eingeschlossenen Wasserflächen zu den Landflächen zwischen 1:1 und 9:1 liegt. Die Länge jeder dieser geraden Linien darf im allgemeinen 100 Seemeilen nicht überschreiten; nur 3 v.H. der verwendeten Linien dürfen bis 125 Seemeilen lang sein. Wegen weniger bedeutungsvoller Einzelheiten der archipelagischen Basislinien vgl. Art. 47. 36

Hervorgehoben sei noch, daß der Archipelstaat auch innerhalb seiner Archipelgewässer, also an den von der offenen See abgewandten Inselküsten, vor Flußmündungen, Buchten und Häfen gerade Basislinien ziehen darf, welche seine inneren Gewässer, an denen er die unverkürzte Hoheitsgewalt hat, von den Archipelgewässern, auf denen im allgemeinen die Küstenmeervorschriften anwendbar sind, trennen (Art. 50). 3. Straßen der internationalen Schiffahrt und Luftfahrt in Meerengen und Archipelgewässern

37

Mit der allgemeinen Anerkennung einer Küstenmeerbreite bis zu 12 sm und des Rechtsinstituts der Archipelgewässer verbreitert sich das Hoheitsgebiet und damit die Rechtsetzungsbefugnis des Küsten- bzw. Archipelstaates in einer Weise, die für die herkömmlichen Durchfahrtrechte der Schiffahrt und Luftfahrt hinderlich sein kann. Für Meerengen, die von der internationalen Schiffahrt ständig benötigt und befahren werden, bei denen aber nach einer zulässigen Verbreiterung des Küstenmeeres die benutzten Routen nunmehr durch das Küstenmeer von Anliegerstaaten laufen, wurde in die Konvention ein besonderer Teil III (Art. 34 bis 45) mit dem Titel: „Meerengen, die der internationalen Schiffahrt dienen (straits used for international shipping)" aufgenommen, um die Freiheitsrechte der Transitschiffahrt im bisher bestehenden Umfang völkerrechtlich zu sichern. Diese rechtlichen Vorkehrungen werden in den Ausführungen über die Schiffahrtsfreiheiten im Abschnitt C II 4 näher behandelt. Hier interessiert zunächst nur, ob und wie die Routen den Rechtsstatus des Küstenmeeres beeinflussen.

38

Art. 34 Abs. 1 stellt klar, daß das in den Art. 37 ff geregelte Durchfahrtsrecht die einzige Einschränkung der Hoheitsgewalt des Küstenstaates darstellt, so daß dieser in allen übrigen Beziehungen seine Hoheitsrechte frei ausüben kann. Auch wirkt sich die Meerengenregelung rechtlich in keiner Weise auf die dem Küstenmeer eines Anrainerstaates vorgelagerten Wasserflächen der Ausschließlichen Wirtschaftszone und der Hohen See aus (Art. 35 Buchst b).

39

Das Recht der Durchfahrt genießt die Schiffahrt grundsätzlich in der vollen Breite des Küstenmeeres in seinem herkömmlichen Umfang; der Küstenstaat kann durch Ziehung einer neuen geraden Basislinie nicht erreichen, daß die nunmehr binnenwärts eingeschlossenen Meeresteile die Rechtsnatur innerer Gewässer erhalten, wenn das vorher nicht der Fall gewesen war (Art. 35 Buchst, a). Wohl aber darf er in dem von der IMO entwickelten besonderen Routeing-Verfahren für die Transitschiffahrt bestimmte Fahrwege vorschreiben und Verkehrsströme, die zu einer Gefährdung der Schiffahrt führen können, in geeigneter Weise trennen (Verkehrstrennungsgebiete), Art. 41. Da die Transitschiffahrt solche ordnungsgemäß eingeführten und veröffentlichten Verkehrswege nach Art. 41 Abs. 7 zu respektieren hat, kann der Küstenstaat damit praktisch das Gebiet, in dem seine Hoheitsgewalt im Küstenmeer zugunsten der Transitschiffahrt eingeschränkt ist, räumlich begrenzen.

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Übrigens gilt in den beiden Spezialfällen des Artikels 45 das unveränderte Recht der 40 friedlichen Durchfahrt, also die vom Meerengen-Transit zu unterscheidende allgemeine Küstenmeerregelung: bei einer Meerenge, die auf der einen Seite durch eine dem Küstenstaat vorgelagerte Insel begrenzt wird und bei der seewärts dieser Insel eine für die Schiffahrt ähnlich günstige Route durch das vorgelagerte Gebiet der Ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. der Hohen See besteht; bei einer Meerenge, die von der Hohen See bzw. Ausschließlichen Wirtschaftszone nicht zu einem anderen Teil dieser Seegebiete führt, sondern lediglich zum Küstenmeer eines anderen Staates. Für das Durchfahrtsrecht der internationalen Schiffahrt durch archipelagische Gewässer 41 gilt eine sehr ähnliche Regelung. Grundsätzlich hat die Schiffahrt wie im Küstenmeer in der vollen Breite der Gewässer das Recht der friedlichen Durchfahrt, Art. 52 Abs. 1. Der Archipelstaat kann aber nach Art. 53 geeignete Transitrouten für die Schiffahrt und Luftfahrt einrichten, die den Archipel durchqueren und alle herkömmlichen Wege einschließen, wobei er sich für die Schiffahrt, wenn sie zwischen den Ein- und Ausgangstellen des Archipels bisher verschiedene Routen wählte, mit der Fixierung einer dieser Routen begnügen darf. Die Einrichtung der Transitroute erfolgt durch eine kartographisch festzulegende Linie, die zwischen Ein- und Ausgang anzugebende Festpunkte verbindet. Schiffe und Luftfahrzeuge können danach einen Korridor benutzen, der beiderseits dieser Linie verläuft; sie haben dabei von der nächsten Inselküste einen Abstand zu halten, der mindestens 1/10 zwischen Linie und Küste beträgt; der höchstzulässige Abstand von der Linie beträgt 25 sm (Art. 53 Abs. 4 und 5). Auch Verkehrstrennungsgebiete kann der Archipelstaat einrichten. Bei der Fixierung 42 der Routen und Trennungsgebiete ist der Archipelstaat genau wie der Anliegerstaat einer Meerenge an das o. a. internationale Verfahren, d. h. an eine genau regulierte Zusammenarbeit mit der IMO gebunden, vgl. die Absätze 8 und 9 des Art. 53, die den Absätzen 3 und 4 des Art. 41 entsprechen. Auf den Durchfahrtsrouten gelten für die Schiffahrt nach Art. 54 — wie in den Meerengen — die gegenüber der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer freieren Regeln, vgl. Abschnitt C II 4; solange der Archipelstaat solche Routen nicht festgelegt hat, gilt diese freiere Regelung auf allen herkömmlichen Routen (Art. 53 Abs. 12).

4. Die Anschlußzone Der Küstenstaat ist berechtigt, seinem Küstenmeer bis zur Entfernung von 24 See- 43 meilen ab Basislinie (siehe Rn. 20) eine bestimmten polizeilichen Zwecken dienende Zone anzuschließen; daher ihr Name „Anschlußzone (Contiguous Zone)". Sie kann nach Art. 33 aus zwei Gründen begründet werden: a) Um Kontrollen, die man im Falle eines Grenzüberganges auf dem festen Land unmittelbar vor dem Einlassen in das Staatsgebiet an der Grenze vornehmen würde, bei der durchlaufenden Schiffahrt schon vor diesem Moment durchführen oder wenigstens beginnen zu können; die in der Anschlußzone statthaften Kontrollen sind in Art. 33 abschließend aufgezählt; sie dürfen nur der Beachtung der Zoll-, Finanz-, Einwanderungs- und Gesundheitsvorschriften dienen. b) Um bei Schiffen, die das Staatsgebiet (Küstenmeer) seewärts verlassen, Verstöße gegen die unter a) genannten Vorschriften noch strafrechtlich verfolgen zu können.

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Die Bundesrepublik hat von dem Recht, eine Anschlußzone einzurichten, keinen Gebrauch gemacht. Wenn sie auf Grund besonderer völkerrechtlicher Verpflichtungen oder Befugnisse auf Hoher See polizeiliche Maßnahmen ergreift, 20 so hat dies mit der Inanspruchnahme einer Anschlußzone nichts zu tun. 5. Ausschließliche Wirtschaftszone und Festlandsockel 44

An der seewärtigen Außengrenze des Küstenmeeres beginnen nach der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen neben der vom Küstenstaat möglicherweise eingerichteten Anschlußzone in jedem Fall zwei speziell für die wirtschaftliche Nutzung durch den Küstenstaat aufgestellte Gebiete, die Ausschließliche Wirtschaftszone — ausschließlich den Wirtschaftsinteressen des Küstenstaates dienende, Dritte also grundsätzlich ausschließende Zone — und der Festlandsockel. Beide sind das Ergebnis der Aneignungspolitik, die mit Trumans Doktrin von 1945 begann und welche die letzten Jahrzehnte beherrschte. Die Erste UN-Seerechtskonferenz von 1958 hatte bereits zur völkerrechtlichen Anerkennung des Festlandsockels geführt; 21 die von einigen Staaten allein oder regional begründeten Fischereizonen, die weit über das Küstenmeer hinausragten, sowie die zuerst von Staaten der südamerikanischen Westküste beanspruchten 200 sm-Zonen (Rn. 17) führten zur Ausschließlichen Wirtschaftszone. Letztere ist, was ihre Einführung in das Völkerrecht anbetrifft, die jüngste Zone; sie ist aber in einer Darstellung, die von der Küste zum offenen Meer und der Hohen See voranschreitet, zuerst zu behandeln, da sie, wenn so viel Raum überhaupt zur Verfügung steht, ihre definitive Außengrenze an der 200 smLinie findet (Art. 57), während der Festlandsockel unter Umständen noch darüber hinaus bis zu einer 350 sm-Linie reichen kann (Art. 76 Abs. 5 und 6). Siehe die Größe des deutschen Festlandsockels in der Nordsee und des Festlandsockels zwischen der ehemaligen DDR und Dänemark auf den Zeichnungen, die Abgrenzung des Festlandsockels zwischen der ehemaligen DDR und Polen siehe Rn. 1492a).

45

a) Die Ausschließliche Wirtschaftszone (Exclusive Economic Zone) Die Ausschließliche Wirtschaftszone ist in Art. 55 i.V.m. Art. 56 und 58 definiert als ein Gebiet, das an das Küstenmeer des Staates anschließt, aber nicht mehr zum Staatsgebiet des Küstenstaates gehört, sondern einen speziellen rechtlichen Status besitzt, nach welchem bestimmten Hoheitsrechten des Küstenstaates unentziehbare Freiheitsrechte aller anderen Staaten (mit oder ohne Meeresküsten) gegenüberstehen. Dem Küstenstaat sind als klar begrenzte einzelne Hoheitsrechte nach Art. 56 übertragen — die Ausbeutung der lebenden und nicht-lebenden Meeresschätze über, an und unter dem Meeresboden (Fische, Kriechtiere Pflanzen, feste Mineralien, Rohöl, Erdgas). Dabei gelten für die Fischerei Spezialvorschriften in den Art. 61 —68, für den Erwerb von Mineralien und Lebewesen am Meeresboden nach Art. 56 Abs. 3 die Vorschriften über den Festlandsockel; s. dazu den folgenden Unterabschnitt b). Als Ausfluß dieses Hoheitsrechtes hat der Küstenstaat in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone die Rechtsgewalt betreffend — Einrichtung und Betrieb von ortsfesten Einrichtungen, 20

21

Vergl. z. B. das Internationale Übereinkommen über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungen und Unfällen vom 29.11. 1969 (BGBl. 1975 II S. 139). UNTS 499 S. 311, abgedruckt bei v. Münch (12) S. 120 und Platzöder/Grunenberg (13) S. 706.

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— die wissenschaftliche Forschung, — den Meeresumweltschutz. Der Küstenstaat hat hinsichtlich der Fischerei und nur für diese die regional mit ihm 46 verbundenen Staaten ohne Meeresküste sowie geographisch benachteiligte Staaten — das sind Staaten, die entweder keine oder für den Bedarf ihrer Bevölkerung nicht ausreichende eigene Ausschließliche Wirtschaftszone besitzen — teilhaben zu lassen. Von dieser Verpflichtung sind nur Küstenstaaten ausgenommen, deren Wirtschaft überwiegend von der Fischerei abhängig ist (Art. 71). Die Beteiligungsrechte der genannten Staaten sind im Wege bilateraler oder regionaler Vereinbarungen auszuhandeln. An den Ausschließlichen Wirtschaftszonen von Entwicklungsländern sollen küstenlose oder geographisch benach-

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teiligte Länder, die nicht ihrerseits Entwicklungsländer sind, nicht teilhaben; vgl. näheres in Art. 69 (Staaten ohne Meeresküste) und 70 (Geographisch benachteiligte Staaten). Die unentziehbaren Rechte, die andere Staaten in der Ausschließlichen Wirtschaftszone 47 des Küstenstaates besitzen, sind nach Art. 58 wie auf der Hohen See die Rechte der Schiffahrt, des Überflugs sowie des Legens von Leitungen auf dem Meeresboden. Verloren sind hingegen die Fischereirechte, welche die anderen Staaten besaßen, solange die Ausschließliche Wirtschaftszone von der Hohen See noch nicht abgetrennt war und der Küstenstaat auch noch keine eigene Fischereizone beanspruchen durfte. Der Küstenstaat hat bei der Ausübung seiner Rechte auf die Rechte der anderen Staaten gebührend Rücksicht zu nehmen und umgekehrt (Art. 56 Abs. 2 und Art. 58 Abs. 3). Keine Ausschließlichen Wirtschaftszonen sind die gegenwärtig von vielen Staaten in 48 Anspruch genommenen 200 sm breiten Fischereischutzzonen, die im SRÜ nicht vorgesehen sind. Entsteht über die beiderseitigen Rechte an der Wirtschaftszone Streit, so soll er unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände so beigelegt werden, daß das Ergebnis den Interessen der Parteien angemessen und gegenüber der Familie der Vereinten Nationen verantwortet werden kann (Art. 59). Die Breite der Ausschließlichen Wirtschaftszone ist nach Art. 57, sofern genügend Seegebiet für diese Ausdehnung überhaupt zur Verfügung steht, 200 sm. Die Zuweisung eines so breiten Küstensaumes an die Küstenstaaten bedeutet in der Praxis das, was von Vitzthum als „Plünderung der Meere" bezeichnet wird. 22 b) Der Festlandsockel (Continental Shelf) Im geomorphologischen Sinne beginnt der Sockel des Festlandes selbstverständlich 49 unmittelbar an der Küste; aber die besonderen nicht mehr auf die volle Hoheitsgewalt der Küstenstaaten gegründeten Rechtsvorschriften des Teils IV der Konvention haben erst von der Grenze seines Hoheitsgebietes, also von der äußeren Küstenmeergrenze an Geltung. Die geomorphologische Bedeutung des Begriffs ist auch für die seewärtige Begrenzung des Festlandsockels im völkerrechtlichen Sinne nicht immer maßgeblich. Der äußere Kontinentalrand ist zwar grundsätzlich die Grenze des — Meeresboden und -untergrund umfassenden — Festlandsockels, aber wenn dieser Rand — wie z. B. bei den steil abfallenden Anden an der Westküste Südamerikas — der Küste sehr nahe ist, dann wird als Außenrand des geomorphologisch zwar nicht vorhandenen, aber rechtlich fingierten Festlandsockels die 200 sm-Linie festgesetzt, Art. 76 Abs. 1. Für den Fall, daß sich der natürliche Kontinentalrand weiter als 200 sm von der Küste entfernt befindet, hätte es nahegelegen, auch hier die 200 sm-Linie, also die Außengrenze der Ausschließlichen Wirtschaftszone, zur Außengrenze des Festlandsockels zu erklären; entsprechende Anträge der arabischen Staatengruppe fanden aber keine Mehrheit. Die geographisch begünstigten Staaten waren hier nicht zimperlich und setzten sich mit ihren weiterreichenden Ansprüchen durch, da sie von den Entwicklungsländern, die sich eigentlich nur gegen den Zugriff Dritter vor ihrer evtl. recht schmalen Küste zur Wehr setzen wollten, unterstützt wurden. Die Bundesrepublik, die sich während der ersten Sessionen der Seerechtskonferenz 50 vernünftigerweise in der Gruppe der küstenlosen und geographisch benachteiligten 22

Graf Vitzthum im gleichnamigen Sammelband, S. 13; siehe auch Rojahn in GYIL 19 (1976) S. 73.

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Staaten (Landlocked and geographically disadvantaged States — Ll/GdS) intensiv betätigt hatte, fühlte sich später im Rahmen der EG veranlaßt, die Expansionisten gewähren zu lassen, erwägend, daß man für die EG ein weites Festlandsockelgebiet sichern müsse und bilaterale Verträge mit Staaten, die einen ausgedehnten Festlandsockel besitzen, immer noch aussichtsreicher seien als die Berücksichtigungschancen bei der für ein erweitertes Gemeinschaftsgebiet zuständigen Meeresbodenbehörde. 51

Art. 76 Abs. 4 — 7 geben die Merkmale an, die für die Festlegung der definitiven Außengrenze zu beachten sind. Die Linie wird nach der sogen. „Irischen Formel" bestimmt, nach der der Neigungswinkel des Festlandsockels und die Sedimentsdicke bestimmend sind für gerade Linien, welche die so gefundenen Fixpunkte mit höchstens 60 sm seitlichem Abstand verbinden und entweder die 350 sm-Linie, wiederum von der Basislinie des Küstenmeeres gemessen, oder einen Abstand von 100 sm von der 2500 smTiefenlinie nicht überschreiten dürfen.

52

Nimmt ein Staat einen Festlandsockel seewärts der 200 sm-Grenze in Anspruch, dann hat er zwei besondere Verpflichtungen zu erfüllen: — er hat die von ihm geplante Außengrenze einer „Kommission" für die Grenzen des Festlandsockels zu unterbreiten. Diese Kommission, nach Anlage II der Konvention aufgestellt und arbeitend, hat die Prüfung mit einer Empfehlung abzuschließen; der Küstenstaat hat die Grenze dann auf der Grundlage dieser Empfehlung definitiv und mit verbindlicher Wirkung für alle festzusetzen (Art. 76 Abs. 8). — Der Küstenstaat hat, im 6. Jahr nach der Aufnahme der Produktion beginnend, Zahlungen an die „Behörde" zu leisten, die von 1 % des Produktionsertrages im 6. Jahr bis zu 7 % ab 12. Jahr wachsen und von der Behörde an die Vertragsstaaten zu verteilen sind, vgl. Art. 82.

53

Der Festlandsockel in dem vorerwähnten Umfang wird dem Küstenstaat durch die Konvention zugesprochen, ohne daß es einer besonderen Besitznahme oder Proklamation des Küstenstaates bedarf (Art . 77 Abs. 3). Allein der Küstenstaat hat das hoheitliche Recht, den Festlandsockel zu erforschen und seine natürlichen Schätze auszubeuten; diese natürlichen Schätze umfassen alle mineralischen und sonstigen nicht-lebenden Stoffe, die auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund vorkommen, sowie die lebenden Organismen, die auf dem Meeresboden leben und sich nicht von ihm zu trennen vermögen. Selbst wenn der Küstenstaat von seinen vorerwähnten Rechten keinen Gebrauch macht, hat kein anderer Staat das Recht, den Festlandsockel des Küstenstaates zu erforschen oder auszubeuten; vgl. Art. 77. Kraft seines Hoheitsrechtes hat allein der Küstenstaat das Recht, auf seinem Festlandsockel feste Anlagen zur Ausbeutung und Erforschung desselben zu errichten (Art. 80); auch obliegt es allein dem Küstenstaat, für das Gebiet seines Festlandsockels Bohrkonzessionen zu erteilen (Art. 81).

54

Was die Wassersäule und Luftsäule über dem Festlandsockel anbetrifft, so ändert an ihrem Rechtsstatus der Festlandsockel nichts. Das bedeutet, daß die Schiffahrt und Luftfahrt seewärts der 200 —Meilenlinie den Regeln der Hohen See und landwärts dieser Linie den Regeln der Ausschließlichen Wirtschaftszone unterliegt, also im allgemeinen frei ist; vgl. insoweit Art. 78. Aber schon beim Legen von Leitungen auf dem Meeresboden müssen sich der Küstenstaat und andere Staaten, die Leitungen legen, abstimmen. Der Küstenstaat kann das Legen von Leitungen nicht versagen, aber wegen der Linienführung ist seine Zustimmung einzuholen; auch sind seine Interessen an der Erforschung

II. Die Raumordnung nach den Seerechtsübereinkommen 1 9 8 2

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und Ausbeutung des Festlandsockels zu beachten, so daß der Küstenstaat gewisse Auflagen erteilen kann; Art. 70. Zum deutschen Festlandsockelgebiet in der Nordsee und zur Abgrenzung des Festlandsockels der ehemaligen DDR — Dänemark siehe Rn. 44, zur Abgrenzung des Festlandsockels der ehemaligen DDR — Polen siehe Rn. 1492a. 6. Inseln Nachdem wir uns von der großen Ausdehnung der küstennahen Flächen überzeugt 55 haben, die den Staaten nach Maßgabe ihrer Küstenlänge zufallen, haben wir noch zu prüfen, ob für Inseln die gleiche Regelung gilt. Art. 121 Abs. 2 bejaht diese Frage uneingeschränkt. Eine kleine Einschränkung bedeutet im Gegensatz zur Hohen SeeKonvention von 1958 die Vorschrift des Absatzes 3, wonach Felsen, auf denen es weder eine menschliche Behausung noch eine wirtschaftliche Nutzung der Oberfläche gibt, keine Wirtschaftszone und kein Festlandsockel zuerkannt wird. Hieraus folgt, daß eine winzige Insel, welche die genannten Voraussetzungen erfüllt, beides erhält. Welche Konsequenz das hat, folgt aus einer einfachen Rechnung. Nehmen wir als Exerzierfall ein mitten im Ozean gelegenes Inselchen, und errechnen 56 wir die Größe der Wirtschaftszone nach der Kreisflächenformel U = irr 2 , wobei als Radius (r) die Breite der Wirtschaftszone, also 200 sm = 370 km einzusetzen ist. Für die Wirtschaftszone ergibt sich danach eine Fläche von über 430.000 qkm. Die gestreckte und dem offenen Meer zugewandte Küste eines Kontinentalstaates müßte schon eine Länge von rd. 1.200 km besitzen, um eine Wirtschaftszone gleicher Größe zu erbringen. Ob dies gerecht ist, ob eine so gewaltige Fläche wirklich für den Nutzen von nur wenigen Menschen zu reservieren und das gemeinsame Erbe der Menschheit in gleichem Maße zu reduzieren ist, muß bezweifelt werden. Man führe sich vor Augen, daß etwa Island mit seinen 220.000 Einwohnern eine Fischereifläche erhält, von der auf den Kopf der Bevölkerung ca. 2 qkm entfallen; im südlichen Pazifik gibt es noch groteskere Fälle. 7. Zonengrenzen zwischen Staaten mit gegenüberliegenden oder benachbarten Küsten Berühren sich die Küstenmeere zweier benachbarter oder einander gegenüberliegender 57 Staaten, dann sind sie aufgerufen, sich über den Verlauf der Grenze unter Berücksichtigung historischer Ansprüche und geographischer Besonderheiten zu einigen. Solange es eine solche bilaterale Einigung nicht gibt, gilt nach Art. 15 die Äquidistanzlinie als Grenze. Berühren sich die ausschließlichen Wirtschaftszonen oder Festlandsockel zweier Staaten, dann sind sie in erster Linie wiederum aufgerufen, sich zu einigen. Die wörtlich übereinstimmenden Artikel 74 (betr. Ausschließliche Wirtschaftszone) und 83 (betr. den Festlandsockel) verweisen die Parteien hierzu unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 38 der Statuten des Internationalen Gerichtshofs auf die Regeln des Völkerrechts. Wenn in angemessener Zeit auf diesem Wege keine Einigung erreicht werden kann, 58 dann sind die Parteien verpflichtet, nach den Verfahrensvorschriften des Teils XV (Art. 279—299) vorzugehen; bis zur Einigung sollen die Parteien alles tun, um wenigstens eine vorläufige Regelung zu treffen, für die jegliche präjudizierende Wirkung ausdrücklich ausgeschlossen wird (Art. 74 Abs. 3 S. 2). Das nach den fruchtlosen Einigungsbemühungen der Parteien vorgesehene Verfahren nach Teil XV sieht unter Verweisung auf den Anhang V der Konvention folgende Stufen vor:

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a) Schiedsverfahren mit Hilfe einer fünfköpfigen Schiedskommission, deren Vorsitzender aus einer vom UN-Generalsekretär zu führenden Liste zu wählen ist. Auch die beiden von den Parteien zu berufenden Mitglieder können und sollten dieser Liste entnommen werden. 12 Monate nach der Bildung der Kommission hat sie einen Bericht zu unterbreiten, dessen Schlußfolgerungen oder Empfehlungen jedoch für die Parteien nicht verbindlich sind (Art. 284). 59 b) Ist das unter a) genannte Verfahren erfolglos geblieben, dann folgt obligatorisch ein gerichtliches oder schiedsgerichtliches Verfahren. Es stehen nach näherer Maßgabe des Artikels 287 zur Wahl — der vorgesehene spezielle Seegerichtshof — der Internationale Gerichtshof — ein nach Maßgabe des Anhangs VII begründetes Schiedsgericht. Welches dieser Verfahren zur Anwendung kommt, richtet sich primär nach den Erklärungen der Parteien, die sie als Mitgliedsstaaten bei der Unterzeichnung oder mit der Ratifikation abgeben können. Wenn nach der so getroffenen Wahl der beiden Vertragsstaaten keine Übereinstimmung über den zu wählenden Weg besteht, dann ist die vorerwähnte dritte Möglichkeit (Schiedsgericht nach Anhang VII) obligatorisch vorgeschrieben. 8. Das Gebiet (der Tiefsee) 60

Was nach den Zugeständnissen an die Begehrlichkeit der Küstenstaaten vom Meeresboden und — untergrund noch — seewärts der Außengrenze des Festlandsockels — übrig bleibt, ist das Gebiet der Tiefsee, von der Konvention „das Gebiet" (Area) genannt. Dieses Gebiet ist es, auf welches man d^n ursprünglich so weit ausgreifenden Begriff „gemeinsames Erbe der Menschheit" reduziert hat (Art. 136). Art. 137 besagt, was das bedeutet: Kein Staat besitzt hier Souveränität und darf auch im Hinblick auf die dort vorhandenen Naturschätze Hoheitsrechte nicht beanspruchen; Mineralien darf ein Staat nur nach Maßgabe der Konvention erwerben. Nach Artikel 133 werden die wirtschaftlich nutzbaren Rohstoffe, solange sie sich an Ort und Stelle befinden als „Naturschätze", und, sobald sie gefördert worden sind, als „Mineralien" bezeichnet.

61

Von den anderen Grundsätzen, die das Gebiet betreffen (Teil XI Abschnitt 2) sind hervorzuheben: In erster Linie ein ungeschriebener Grundsatz, der sich aber wie ein roter Faden durch die gesamte Regelung des Gebietes hindurchzieht: Das Gebiet soll zwar den Staaten und Unternehmen, die zur technischen Ausbeutung bereits in der Lage sind — ganz besonders in der Anlaufphase — in wertvollen Teilen zur Verfügung gestellt werden, aber was auch immer dort vorgeht und erworben wird, geschieht stark im Hinblick auf die Entwicklungsländer, die durch die Behörde und deren eigenes Unternehmen in erster Linie die Nutznießer sein sollen. Die Seerechtskonvention folgt hier gewissen Vorstellungen der Dritten Welt über die neue Weltwirtschaftsordnung, obgleich über diese Grundvorstellungen keine Einigkeit besteht und die Industrieländer ihnen mit großer Reserve und Kritik begegnen.

62

Weiter sind die Artikel 141 — 149 zu nennen. Art. 141 bestimmt, daß das Gebiet ausschließlich für friedliche Zwecke genutzt werden darf; diese Vorschrift umfaßt den bereits bestehenden Vertrag vom 11.2.1971 über das Verbot der Einbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf den Meeresboden und Meeresunter-

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grund. 23 Nach Artikel 142 dürfen Tätigkeiten an der Grenze des Festlandsockels eines Küstenstaates erst nach Konsultationen mit dem betreffenden Küstenstaat in einem noch zu erstellenden Verfahren ausgeübt werden. Art. 143 handelt von der wissenschaftlichen Meeresforschung. Vertragsstaaten und die Behörde dürfen forschen, sie haben aber die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Die Vertragsstaaten haben dabei nach Abs. 3 besondere Verpflichtungen gegenüber den Entwicklungsländern, nämlich Beteiligung und Förderung sowie Verteilung von Forschungsergebnissen. Art. 144 enthält den für die bisherige kontinentale Wirtschaftsforschung völlig neue 63 Vorschrift, nach welcher ein Unternehmen seine für die Ausbeutung verwendete Technologie durch die Behörde zum Nutzen des Unternehmens und der Entwicklungsländer weiterzugeben hat. Die Art. 145 und 146 ermächtigen die Behörde zum Erlaß von Vorschriften über den Schutz der Meeresumwelt und des menschlichen Lebens. Art. 147 bestimmt für die im Gebiet zu errichtenden Anlagen, daß auf andere Tätigkeiten in der Meeresumwelt Rücksicht zu nehmen ist, daß die Schiffahrt nicht behindert werden darf, und daß die zulässigen Anlagen, denen der Rechtsstatus einer Insel abgesprochen wird, mit Sicherheitszonen umgeben werden dürfen, welche die Schiffahrt zu beachten hat. Art. 149 schließlich bestimmt, daß archäologische und historische Gegenstände, die im Gebiet gefunden werden, unter Anerkennung gewisser Vorrechte des Ursprungslandes zum Nutzen der gesamten Menschheit verwahrt werden sollen. Der folgende Abschnitt 3 enthält Leitsätze für die Tätigkeiten in dem Gebiet, wobei 64 sich die Seerechtskonvention in schwer verständlichen, stark planwirtschaftlich geprägten Verfahrensvorschriften verliert. Art. 150 postuliert die ordentliche Bewirtschaftung und Erschließung der Naturschätze durch alle und zum Nutzen aller. Hierzu soll die zu schaffende Meeresbodenbehörde (vgl. unten) an den Einnahmen beteiligt sein und die ihr übergebene Technologie (vgl. Art. 144) an ihr eigenes Unternehmen und Entwicklungsländer weitergeben. Bei der Verwertung der Mineralien sollen Staaten , die solche aus eigenen Vorkommen exportieren, in ihrer Wirtschaft nicht geschädigt werden. Eine Monopolisierung ist zu vermeiden, das Angebot soll der Nachfrage angepaßt werden; die Preise sollen gerecht aber doch nicht niedriger sein als die Preise, die für Einfuhren aus anderen Vorkommen zu zahlen sind. Die Gesamtproduktion wird durch die Meeresbodenbehörde (Art. 151) bestimmt. 65 In einer als Ubergangszeit bezeichneten Anfangsphase, die ca. 20 Jahre nach Aufnahme der ersten genehmigten Produktion im Gebiet enden soll (Einzelheiten der Terminierung s. Abs. 3 i.V.m. Art. 155) ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen: — ein genehmigter Arbeitsplan, — eine Produktionsgenehmigung aufgrund besonderen Antrags unter Beachtung einer Höchstgrenze für die Produktion von Nickel. In keinem Arbeitsplan darf eine Jahresproduktion von mehr als 46.500 t Nickel zugestanden werden; nach diesem Umfang richten sich auch die Produktionsmengen an Kupfer, Kobalt und Mangan. Für sonstige Mineralien — die also nicht aus ManganKnollen stammen, — sind Beschränkungen durch eine zu erlassende Verordnung der Behörde vorgesehen. Die Behörde berechnet für jedes Jahr eine Produktionshöchstgrenze, von der sie für ihr eignes Unternehmen eine Menge von 38.000 t Nickel vorzumerken hat. 23

Gesetz vom 12.05.1972 - BGBl. 1972 II S. 325.

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Nach Art. 153 werden alle Tätigkeiten in dem Gebiet durch die Behörde überwacht. Die Ausbeutung des Gebiets geschieht entweder durch das eigene Unternehmen oder durch Unternehmen von Vertragsstaaten unter Einbeziehung der Behörde. Alles unterliegt der Überwachung durch die Behörde. Die Ausbeutung durch Unternehmen von Vertragsstaaten richtet sich nach einem Arbeitsplan, der mit der Behörde in Form eines Vertrages festgelegt wird. Der Vertrag räumt das Besitzrecht an den zu bergenden Naturschätzen ein, während das Eigentum erst nach der Erwirtschaftung der Mineralien übergeht. Vgl. insoweit Art. 1 der Anlage III.

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Die Anlage III regelt die Grundbedingungen für die Prospektion, Erforschung und Ausbeutung des Gebiets. Art. 8 der Anlage sieht vor, daß Anträge eines Unternehmens sich auf eine Gesamtfläche beziehen müssen, die so groß ist, daß 2 Abbauvorhaben begonnen werden können; die Behörde wählt für ihr eigenes Unternehmen das eine Vorhaben aus, während sie das andere dem beantragenden Unternehmen zuschreibt. In dem Vertrag zwischen Unternehmen und Behörde sind nach Art. 5 auch Verpflichtungen über die Weitergabe von verwendeter Technologie über die Behörde aufzunehmen. Nach Art. 15 hat der Unternehmer Ausbildungsprogramme aufzustellen, um die Produktion zum unmittelbaren Nutzen der Entwicklungsländer anzubahnen.

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Für die weitere Zukunft sind die Art. 154 und 155 der Konvention von Bedeutung; danach soll alle fünf Jahre eine allgemeine Überprüfung der Ordnung des Gebietes stattfinden; 15 Jahre nach dem 1. Januar des Jahres, in dem die erste kommerzielle Produktion im Rahmen eines genehmigten Arbeitsplanes aufgenommen worden ist, soll eine Überprüfungskonferenz stattfinden. Art. 155 Abs. 2 schreibt allerdings verbindlich vor, daß die Konferenz bestimmte Grundsätze des Übereinkommens nicht verlassen darf. Beizubehalten ist danach vor allem „eine Behörde, welche die Tätigkeiten in dem Gebiet organisiert, durchführt und kontrolliert" sowie die Verpflichtung zur Weitergabe von Technologie. Einige durchaus bedeutsame Änderungen können durch die Überprüfungskonferenz getroffen werden, so z. B. die Aufteilung des Gesamtgebietes in Regionalgebiete, die durch regionale Stellen — über die Zulässigkeit s. Art. 156 Abs. 5 — verwaltet werden und der erleichterten Oberaufsicht der Meeresbodenbehörde unterstehen.

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Verfahrensrechtlich wichtig ist die Vorschrift des Art. 155 Abs. 4. Danach sollen Änderungen des Teils X I der Konvention, die an der Überprüfungskonferenz beschlossen werden, für alle Vertragsstaaten inkrafttreten treten, wenn 3/4 der Vertragsstaaten ratifiziert haben und dann eine Frist von 12 Monaten verstrichen ist. Staaten, die auf die Änderungen nicht gebunden sein wollen, können daher nur von ihrem Kündigungsrecht nach Art. 317 Gebrauch machen. Das neue Verfahren geht über das aus anderen Übereinkommen bekannte Verfahren der schweigenden Zustimmung hinaus, nach welchem Staaten ohne ihr eigenes Zutun nur dann an eine Änderung gebunden sind, wenn sie nicht in einer bestimmten Frist ausdrücklich erklärt haben, daß sie nicht zustimmen.

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Der Abschnitt 4 des Teils X I handelt von der schon mehrfach erwähnten „Behörde". Nach Art. 156 wird die internationale Meeresbodenbehörde errichtet; alle Vertragsstaaten gehören ihr an. Ihr Sitz ist Jamaika. Eine für das Recht der internationalen Organisationen bedeutsame Neuerung besteht darin, daß die Behörde, wie schon mehrfach erwähnt, für die Mitgliedstaaten unmittelbar verbindliche Rechtsvorschriften erlassen kann. Für das internationale Auftreten der Behörde sind ergänzend die Art. 176 — 183 bedeutsam. Danach ist die Behörde eine internationale Rechtspersönlichkeit und besitzt die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben not-

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wendige Rechts- und Geschäftsfähigkeit. Sie besitzt Immunität gegenüber staatlicher Gerichtsbarkeit und jeglicher Durchsuchung und Beschlagnahme. Ihre Archive sind unverletzlich. Die Organisation ist von jeglicher Besteuerung frei. Art. 158 bestimmt die Organe der Behörde, nämlich Versammlung, Rat und Sekretariat. 71 Als selbständiges Organ für die eigene wirtschaftliche Betätigung in dem Gebiet wird „das Unternehmen" (Enterprise) begründet; die Satzung des Unternehmens befindet sich in Anlage IV der Konvention (Verwaltungsrat, bestehend aus 15 auf 4 Jahre gewählten Mitgliedern, Art. 5 aaO) Über die Versammlung besagen die Art. 159 und 160: Alle Mitglieder der Behörde, also alle Vertragsstaaten gehören ihr an: Tagungen, jährlich eine ordentliche Jahrestagung, sowie Sondertagungen nach Bedarf finden normalerweise am Sitz der Behörde statt. Die Versammlung hat neben den üblichen Aufgaben des Hauptorgans einer internationalen Behörde (Personal- und Haushaltsfragen u. a.) folgende besonderen Aufgaben: Wahl der Mitglieder der anderen Organe, Berechnung der Beiträge zum Verwaltungshaushalt, (solange nicht genug andere Einnahmen, richten sich die Beiträge nach dem UN-Schlüssel), Genehmigungen der vom Rat vorgeschlagenen Rechtsvorschriften, Verteilung der Gewinne, Leistung von Ausgleichszahlungen. Der Rat besteht nach Art. 161 aus 36 Mitgliedern, für deren Wahl ein fester Schlüssel 72 besteht; — aus den vier Staaten des größten Verbrauchs, darunter der größte Verbraucher und ein Ostblockstaat; — aus vier Mitgliedern, welche die größten vorbereitenden Investitionen getroffen haben; — vier Staaten, die einen besonders großen Export an solchen Mineralien haben, die auch im Gebiet gewonnen werden, davon zwei Entwicklungsländer; — sechs weitere Entwicklungsländer; — 18 Staaten, mit denen eine gute geographische Verteilung gewährleistet werden soll, darunter mindestens je ein Mitglied der Hauptwirtschaftsregionen Afrika, Asien, Südamerika, Ostblock, Westblock. Der Rat tagt mindestens dreimal jährlich. Nach Art. 162 übt der Rat die Aufgaben aus, wie sie in den Räten der internationalen Organisationen allgemein üblich sind. Nach Artikel 163 besitzt der Rat zwei Unterorgane, nämlich je eine Kommission für wirtschaftliche Planung bzw. für Rechts- und Haftungsfragen. Jede Kommission hat 15 Mitglieder. Das Sekretariat besteht nach Art. 165 aus dem Generalsekretär und den notwendigen 73 festen Bediensteten. Der Generalsekretär wird für 4 Jahre durch die Versammlung gewählt; er ist wieder wählbar. Das Unternehmen (Art. 170) handelt nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Behörde und unterliegt den Richtlinien und Kontrollen des Rates. Die Hauptgeschäftsstelle des Unternehmens befindet sich am Sitz der Behörde. Art. 171 regelt den finanziellen Fundus der Behörde. Der Fundus umfaßt a) Beiträge der Mitgliedstaaten, b) das Gebührenaufkommen der Behörde (Anlage III Art. 13), z. B. 500.000 US$ für Genehmigungen eines Arbeitsplanes; dann Jahresnutzungsgebühr von 1 Mio. US Dollar; nach Aufnahme der Produktion entweder Produktionsabgabe oder feste Jahresgebühr;

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

c) vom Unternehmen überwiesene Mittel (vgl. Anlage IV Art. 10); d) sonstige Mittel (Darlehen, freiwillige Beiträge u. a.). 74

Nach Art. 168 i.V.m. Art. 288 Abs. 3 und Anlage VI Art. 14 und 35 wird beim Internationalen Seegerichtshof eine spezielle Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten gegründet. Diese aus 11 Mitgliedstaaten bestehende Kammer ist nach Art. 187 zuständig für Streitigkeiten — zwischen Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung der das Gemeinschaftsgebiet betreffenden materiellen und formellen Vorschriften der Konvention, — zwischen einem Vertragsstaat und der Meeresbodenbehörde betreffend die Erfüllung der Aufgaben, die der Behörde durch die Konvention übertragen sind, — zwischen den Parteien eines Nutzungsvertrages.

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Bei den zuerst genannten Streitigkeiten zwischen Vertragsstaaten kann anstelle der Kammer, — wenn die streitenden Parteien es gemeinsam beantragen, der Seegerichtshof nach Anlage VI Art. 15 eine aus mindestens 3 Mitgliedern bestehende Spezialkammer einsetzen, und wenn eine Partei es beantragt, nach Anlage VI Art. 36 durch die Kammer in Zusammenwirken mit den Parteien eine aus drei Mitgliedern bestehende ad hoc-Kammer eingesetzt werden. Ermessensentscheidungen der Behörde sind nach Art. 189 durch die Kammer nicht nachprüfbar.

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Das Verfahren der Kammer richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Völkerrechts, den ordnungsgemäß erlassenen Vorschriften der Behörde sowie Bestimmungen des Nutzungsvertrages, wenn über ihn gestritten wird (Art. 293, Anlage VI Art. 3 ). Die Entscheidungen der Kammer sind in den Vertragsstaaten in derselben Weise vollstreckbar wie Entscheidungen ihrer eigenen höchsten Gerichte (Anlage VI Art. 39). Die Kammer hat nach Art. 191 auf Ersuchen der Versammlung und des Rates der Behörde über Fragen ihres Aufgabenbereichs Rechtsgutachten zu erstatten. 9. Die Hohe See

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Wenden wir nach der Betrachtung der Zonen, in denen die Landmächte Hoheits- oder Gemeinschaftsrechte besitzen, den Blick auf die ursprüngliche Rechtsnatur der freien See zurück, dann wird offenbar, daß auf Karten festgelegte Grenzen, die für den Seefahrer in natura unsichtbar sind, das Gebiet, in dem die alten Freiheiten der Menschen unverkürzt noch gelten, in ein zerfetztes und durchlöchertes Gebilde verwandelt haben, vgl. Art. 86. Noch in den Genfer Seerechtskonventionen von 1958 hatte man der Hoheitsgewalt der Landmächte nur einen schmalen Meeressaum als Küstenmeer überlassen.24 Die „Hohe See" umfaßte die gesamte verbleibende Meeresfläche; selbst die dem Küstenmeer unmittelbar vorgelagerte und die mit ihm in derselben Konvention geregelte Anschlußzone wurde noch der Hohen See zugerechnet. 25 24 25

Art. 1 des Übereinkommens über die Hohe See vom 29.04.1958. Art. 24 des Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone vom 29.04.1958. Die von der Bundesrepublik unterzeichnete, aber nicht ratifizierte Konvention ist im englischen Urtext und deutscher Übersetzung bei Hoog, bei v. Münch (12) und bei Platzöder/Grunenberg (13) abgedruckt.

II. Die Raumordnung nach den Seerechtsübereinkommen 1982

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Heute ist die Hohe See nur noch ein Reservat, ein Schutzgebiet; ihres Bodens beraubt, 78 umfaßt die Hohe See heute nur noch eine Wassermasse zwischen den Außengrenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen. Dennoch bildet sie, namentlich für die Seeschiffahrt, immer noch den zentralen, von der Hoheitsgewalt der einzelnen Staaten grundsätzlich freien Lebensraum, dessen Freiheitsgrundsätze, wie wir alsbald sehen werden, in bestimmtem Umfang bis hin zu den Küsten und ihren Häfen fortwirken. Die Hohe See, der Hoheitsgewalt der Staaten entzogen (Art. 89) und friedlichen Zwecken vorbehalten (Art. 88) siehe dazu Abschnitt Rn. 1470—1479, steht nach Art. 87 allen Staaten, auch denen ohne Meeresküste, als freies Gebiet zur Verfügung. Die Freiheitsrechte, welche die Staaten dort ausüben dürfen, sind seit 1958, wenn auch nicht abschließend, in Konventionen aufgeführt. Das Übereinkommen über die Hohe See von 1958 führte in Art. 2 nur die vier wichtigsten Freiheiten auf, nämlich die der Schiffahrt, der Fischerei, des Legens von Leitungen sowie des Überflugs; unerwähnt blieb hingegen selbst die in der Praxis wichtige Freiheit der Forschung. Die neue Seerechtskonvention zählt detaillierter und der verringerten Ausdehnung der 79 Hohen See Rechnung tragend folgende grundsätzliche Freiheiten auf, die jedoch alle — siehe Klammerzusätze — an anderer Stelle inhaltliche Begrenzungen erfahren: — Die Schiffahrt (Begrenzungen: Staatszugehörigkeit mit Flaggenrecht, völkerrechtlich verbotene Transporte, Piraterie, Sicherheit des Schiffs und des Verkehrs); — den Überflug (Begrenzung: Rules of the Air); — die Fischerei (Begrenzung: Pflege der Fischbestände); — das Legen von Kabeln und Rohrleitungen sowie die Errichtung von künstlichen Inseln und sonstigen Anlagen (Begrenzung: Über Festlandsockelgebiet Einvernehmen mit dem Küstenstaat betr . Linienführung der Leitungen bzw. technische Einzelheiten der Anlagen); — die wissenschaftliche Forschung, s. dazu auch Art. 257, (Begrenzung: Veröffentlichung von Planung und Ergebnissen, Sicherheitsvorkehrungen bei Forschungseinrichtungen, Schiffahrtsrouten). Einzelheiten über die Freiheiten und ihre Begrenzungen enthalten die nachfolgenden Teile über die einzelnen Nutzungsarten des Meeres. Ehe der Abschnitt A II über die Meereszonen beendet wird, ist noch ein Blick auf die Teile IX und X der Konvention zu werfen, die keine zusätzlichen Meereszonen schaffen, aber Bestimmungen enthalten, welche auf die maritimen Interessen von Staaten mit bestimmten geographischen Besonderheiten zugeschnitten sind. 10. Geschlossene und halbgeschlossene Meere Der Teil IX über die geschlossenen und halbgeschlossenen Meere (Enclosed or semi- 80 enclosed seas) umfaßt nach starker Beschneidung weitergehender Interessen namentlich des Ostblocks nur noch zwei Artikel. Der Artikel 122 definiert die in der Überschrift des Teils IX verwendeten Begriffe. Danach ist „geschlossenes Meer" ein Meer, das ganz oder im wesentlichen von den Küstenmeeren oder Ausschließlichen Wirtschaftszonen zweier oder mehrerer Staaten bedeckt wird (Beispiel: Kaspisches Meer); und „halbgeschlossenes Meer" ist eine Meereseinbuchtung, die von zwei oder mehreren Staaten umgeben und mit dem offenen Meer nur durch einen schmalen Ausgang verbunden ist.

30 81

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

In Artikel 123 werden die Anrainerstaaten der vorgenannten Meeresgebiete aufgerufen, auf drei speziellen Gebieten zusammenzuarbeiten, nämlich bei — der Pflege der lebenden Schätze des Meeres (Fischerei u. a.), — der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten im Rahmen des maritimen Umweltschutzes, — der Meeresforschung in dem betreffenden Gebiet. Eine rechtliche Verpflichtung zur Vereinbarung solcher Zusammenarbeit besteht nach Artikel 123 nicht. Da andererseits die Zusammenarbeit benachbarter Staaten ganz allgemein zulässig und wünschenswert ist, also auch dann, wenn sie nicht Anrainer eines geschlossenen oder halbgeschlossen Meeres sind, ist die Regelung des Teils IX ohne wesentliche Bedeutung; die deutsche Delegation hatte sich daher auf der Konferenz für die ersatzlose Streichung dieses unnötigen Teils eingesetzt. 26 11. Staaten ohne Meeresküste

82

Von erheblicher praktischer Bedeutung ist hingegen der Teil X der Konvention, der für benachbarte Staaten unter gewissen Voraussetzungen Rechte und Pflichten anerkennt bzw. begründet. Es handelt sich um das Recht von Staaten ohne Meeresküste (Landlocked states), bestimmte andere Staaten zu durchqueren (Transitstaaten), um ihre völkerrechtlich garantierten Rechte am Meere wahrzunehmen. Transitstaat ist nach der Definition in Art. 124 ein Staat mit oder ohne Meeresküste, der zwischen einem Staat ohne Meeresküste und der See gelegen ist und „dem Transitverkehr dient" (through whose territory traffic in transit passes). Wenn man die letztgenannten Worte nicht als Hindernis für eine neu anzubahnende Entwicklung auffaßt, hätte also z. B. Afghanistan nach dem neuen Artikel das Recht, nicht nur den Persisch-Arabischen Golf mittels Durchquerung von Pakistan oder Iran, sondern auch das Schwarze Meer mittels Transit durch die Sowjetunion oder durch den Iran und die Türkei zu erreichen. 83 „Transitverkehr" ist nach der Definition in Art. 124 Abs. 1 Buchst, c) und d) das Passieren durch Personen, Gepäck, Güter und Transportmittel, wobei das Passieren das Recht des Umladens auf ein anderes Verkehrsmittel umfaßt und als Transportmittel Eisenbahn-, Wasser- und Straßenfahrzeuge und bei besonderen örtlichen Bedingungen auch Träger und Lasttiere zugelassen sind. Das Recht des Transits wird durch einige ergänzende Bestimmungen gefördert: — Der Transitverkehr ist, soweit nicht besondere Dienstleistungen in Anspruch genommen werden, von Zöllen, Steuern und sonstigen Abgaben befreit (Art. 127 Abs. 1), — er hat Anspruch darauf, a) daß der Transit von Verzögerungen oder technischen Schwierigkeiten durch geeignete Maßnahmen des Transitstaates freigehalten wird (Art. 130), b) in den Häfen Schiffe des Staates ohne Meeresküste genauso behandelt werden müssen, wie andere ausländische Schiffe (Art. 131). 84

Angesichts dieser Rechte der Staaten ohne Meeresküste sind die natürlichen Rechte der Transitstaaten ausdrücklich geschützt: — Sie haben zur Wahrung ihrer vollen Souveränität das Recht, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um ihre rechtmäßigen Interessen gegen Verletzungen zu schützen (Art. 125 Abs. 3); 26

Symonides Janusz, The Legal Status of the Enclosed and Semi-Enclosed Seas, in GYIL 27(1984) S. 315.

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— die o. a. besonderen Rechte der Staaten ohne Meeresküste geben dritten Staaten kein Recht, im Hinblick auf eine vertraglich begründete Meistbegünstigungsklausel die Einräumung entsprechender Freiheiten zu fordern (Art. 126). In Würdigung der hiermit fixierten Rechte beider Seiten sind die Bedingungen, denen 85 der Transit zu entsprechen hat, zwischen den beteiligten Staaten durch bilaterale oder regionale Vereinbarungen festzulegen. Diese in Art. 125 Abs. 2 enthaltene Generalklausel beherrscht die vertraglichen Vereinbarungen, von denen die folgenden ausdrücklich genannt werden: — Zulassung weiterer Transportmittel, wie z. B. Rohrleitungen für den Transport von Flüssigkeiten oder Gasen (Art. 124 Abs. 2); — freie Zonen und Zollerleichterungen in den Häfen des Transitstaates (Art. 128); — Vorhaltung von Fahrzeugen und angemessenen Hafeneinrichtungen (Art. 129); — Einräumung zusätzlicher bzw. Beibehaltung bestehender Transitrechte, die über den im Übereinkommen festgelegten Umfang hinausgehen (Art. 132). Wichtiger Vorgänger des Teils X des Übereinkommens ist Artikel 3 des Übereinkom- 86 mens über die Hohe See von 1958, der nicht auf den Arbeiten der International Law Commission beruhte, sondern erst durch die UN- Resolution 1105 (XI) vom 21.02.1957 als Programmpunkt der 1. UN-Seerechtskonferenz genannt und durch ein spezielles (fünftes) Komitee formuliert worden ist. Dieser Artikel räumte dem Staat ohne Meeresküste noch kein einseitiges Recht ein, sondern gewährte das Transitrecht nur unter der Bedingung, daß der Staat ohne Meeresküste seinerseits in der vorgesehenen Vereinbarung dem Transitstaat Durchgang „on a basis of reciprocity" gewährte, d. h. daß die beiden Staaten sich die Passage durch ihre Gebiete gegenseitig einräumten. Diese Forderung der Gegenseitigkeit war auf der 3. UN-Seerechtskonferenz nicht mehr durchsetzbar. Für die Staaten ohne Meeresküste besteht nur noch die Einschränkung, daß ihnen Transitrechte nur zur Wahrnehmung ihrer garantierten Rechte am Meere eingeräumt worden sind. Wir müssen hier also noch, um den Teil X richtig zu bewerten, feststellen, welche Rechte denn ein Staat ohne Meeresküste an dem Meere, dessen Zugang ihm gesichert wird, in Anspruch nehmen kann. Nach Art. 87 und Art. 58 Abs. 1 hat er auf der Hohen See und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone die Freiheiten der Schiffahrt, des Überflugs und des Legens von Kabeln und Rohrleitungen; bei letzterer Freiheit ist allerdings die Linienführung der Leitungen an die Zustimmung des Küstenstaates gebunden (Art. 79 Abs. 3). Hinsichtlich der Fischerei ist die Lage der Staaten ohne Meeresküste noch schlechter: 87 Ist der benachbarte Küstenstaat wirtschaftlich überwiegend von den lebenden Meeresschätzen seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone abhängig, so steht dem Staat ohne Meeresküste kein Anteil zu. Liegen diese besonderen Verhältnisse nicht vor, dann ist für die Rechte der Staaten ohne Meeresküste noch von Bedeutung, ob sie ein entwickeltes oder ein unentwickeltes Land sind. In letzterem Fall steht ihnen ein Anteil an dem Fangüberschuß der Ausschließlichen Wirtschaftszone der regional verbundenen Küstenstaaten zu (Art. 69 Abs. 1). Schickt sich einer dieser Küstenstaaten an, seine Fangrechte selbst voll auszunutzen, dann soll eine Vereinbarung der genannten Regionalstaaten die Teilnahme des Staates ohne Meeresküste sicherstellen (Art. 69 Abs. 3). Entwickelte Staaten ohne Meeresküste können am Fischfang von regional verbundenen Küstenstaaten in gewissen Grenzen (vgl. dazu Art. 69 Abs. 4) nur dann teilnehmen, wenn letztere selbst zu den entwickelten Ländern gehören.

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Was die Ausbeutung des Festlandsockels anbetrifft, so sind die Staaten ohne Meeresküste hier von jeglicher Teilnahme ausgeschlossen — siehe Art. 78 —, obwohl sie doch auch auf dem Kontinent, zu dem der Sockel gehört, belegen sind. 88

Was schließlich die Meeresforschung anbetrifft, so steht sie im Küstenmeer dem Küstenstaat allein zu; in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Festlandsockel benötigt auch ein benachbarter Staat ohne Meeresküste der Genehmigung des Küstenstaates (Art. 246 Abs. 2), zu deren Vorbereitung er spätestens 6 Monate vor Beginn der Forschungstätigkeit den Küstenstaat über Einzelheiten des Vorhabens zu unterrichten hat (siehe im einzelnen Artikel 248) und bei deren Durchführung die Teilnahmerechte des Küstenstaates nach Maßgabe des Art. 249 zu beachten sind. 12. Die Region

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In den Teilen IX und X fanden wir Vorschriften, die keineswegs für alle Vertragspartner von Bedeutung sind, sondern nur für diejenigen unter ihnen, die als Nachbarn wegen bestimmter äußerer Bedingungen eine Interessengemeinschaft bilden. Das Gebiet der so verbundenen Staaten weist damit alle Voraussetzungen auf, um es im völkerrechtlichen Sinne als „Region" zu bezeichnen. Der Begriff der „Region" ist in der UN-Charta nicht definiert worden, er hat aber in deren Kapitel VIII Art. 52 bis 54 eine besondere Prägung erhalten. Einigkeit besteht darüber, daß eine geographische Verbindung zwar erforderlich ist, aber für sich allein nicht genügt. Eine gewisse natürlich bedingte Interessengemeinschaft muß hinzutreten. 27

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Im SRÜ werden die Begriffe „region" und „subregion", ohne definiert zu werden, an vielen Stellen verwendet. Er taucht an zwei Stellen der Konvention sogar in Abschnittsüberschriften auf, vgl. Teil XII Abschnitt 2 (regionale Zusammenarbeit im Meeresumweltschutz) und Teil XIII Abschnitt 3 (nationale und regionale Zentralstellen für Meeresforschung und — technologie). Darüber hinaus hat das SRÜ dort, wo Zusammenarbeit mehrerer Staaten zweckmässig erscheint, Regelungen im Rahmen von Regionen und Unterregionen vorgesehen. Dies gilt insbesondere auf dem Gebiet der Fischerei; vgl. außer den bereits erwähnten Vorschriften über die Teilnahmerechte der Staaten ohne Meeresküste am Fischfang weiterhin z. B. Art. 61 betreffend Pflegemaßnahmen für die lebenden Schätze des Meeres oder Art. 118 Satz 2, wo von regionalen Fischereiorganisationen die Rede ist. Wo aber immer die Region im Übereinkommenstext auftaucht, wird sie lediglich als Möglichkeit für die Lösung einer Interessenkollision empfohlen.

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Daß man die Region auf der 3. Seerechtskonferenz nicht viel stärker zum allgemeinen Ordnungselement erhoben hat, liegt einfach daran, daß sich die Konferenz von dem hehren Plan, das ganze Meer als „common heritage of mankind" zu behandeln und mit dieser Devise ein harmonisches Seerecht der Völker zu schaffen, abwandte und im Namen der Vereinten Nationen die Staaten als Meeresteilhaber in Klassen einteilte. Eine unheilige Allianz zwischen habgierigen Langküsten- bzw. Inselstaaten einerseits und Entwicklungsländern, die nur wünschten, ihre küstennahen Gewässer vor dem Zugriff entwickelter Industrienationen zu bewahren, andererseits, drückten mit ihrem Stimmgewicht eine Umverteilung durch, die einigen Staaten mehr gab, als sie in ihren kühnsten 27

Siehe dazu J. Wolf, Regional Arrangements and the UN-Charta in R. Bernhard (ed.) Encylopedia of Public International Law, Instalment 6 (1983) S. 289; Lazareo, M.J. a. a. O. S. 153 ff.

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Träumen zu hoffen gewagt hatten (Beispiele: Indonesien, Australien, Island), und die geographisch benachteiligen Staaten ohne oder mit ungünstig geschnittenen Meeresküsten in demütigender Weise mit Brosamen abspeiste (Beispiele: Bolivien, CSFR, Türkei, Polen, Deutschland). Eingebrachte Regionalvorschläge waren solchem Beginnen hinderlich und blieben auf 92 der Strecke. Aber es ist bemerkenswert, daß einige EG- Staaten (die Niederlande, Belgien und die Bundesrepublik), die rechtzeitig die für sie nachteilige Konferenzsituation erkannten, das Obsiegen eines Regionalkonzeptes in der Konvention nicht mehr erwarten durften und in der Gruppe der geographisch benachteiligten Staaten fortan schwiegen, in dem großen Gemeinschaftsmeer der EG eine neue Regionallösung erblickten und fanden. Dies Beispiel ist eventuell für die künftige Entwicklung förderlich; denn wenn das SRÜ, das bisher nur 42 der zum Inkrafttreten erforderlichen 60 Ratifikationen erreicht hat, völkerrechtlich nicht oder ohne die großen Seemächte in Kraft tritt, dann bieten sich für eine geläuterte Betrachtung des Meeres als gemeinsames Erbe der Menschheit und eine befriedigende völkerrechtliche Regelung Regionen mit eigener Ordnungsgewalt an. Wir werden am Ende des Teiles A über die Meereszonen nach einem Blick auf die unbefriedigende Situation, die sich beim Fehlen einer für alle verbindlichen Ordnung ergibt, auf diesen Punkt zurückkommen (Rn. 111 ff). 13. Beilegung von Streitigkeiten Die neue völkerrechtlich Ordnung der behandelten Meereszonen, insbesondere das 93 Rechtsverhältnis des Küstenstaates zu den anderen Staaten ist richtig nur zu bewerten, wenn man noch die Vorschriften des Teil XV über die Streitbeilegung in Betracht zieht. Ergeben sich zwischen Vertragsstaaten, die nach den vorgenannten Zonenregelungen Rechte und Pflichten haben, Streitigkeiten über die Auslegung und die Anwendung des SRÜ, dann sind sie nach Art. 279 und 283 Abs. 1 zunächst verpflichtet, den Streit mit friedlichen Mitteln beizulegen und zu diesem Zweck sofort ihre Meinungen über die anzuwendende Methode auszutauschen. Zur Streitbeilegung sind sie nach Art.279 in erster Linie auf die in Art. 33 Abs. 1 der UN-Charta genannten Mittel hingewiesen. Art. 33 führt als Mittel der friedlichen Konfliktlösung auf: negotiation, enquiry, mediation, conciliation, arbitration, judicial settlement, resort to regional agencies or arrangements or other peaceful means of their own choice. 28

Zweitens können sie auch nach Art. 284 ein Vermittlungsverfahren wählen, für das Anhang V Abschnitt 1 Verfahrensbestimmungen enthält; drittens können sie untereinander ein Verfahren zur Beilegung des Streites frei vereinbaren (Art. 280, 281). Ist auf diesem Wege eine friedliche Beilegung nicht gelungen, dann kann jede Partei 94 eine gerichtliche Entscheidung fordern (Art. 286). Hierfür stehen zur Verfügung — der neu aufzustellende Internationale Seegerichtshof (dazu Anhang XI) — der Internationale Gerichtshof (IGH) — ein Schiedsgericht (dazu Anhang VII) — ein nach Maßgabe des Anhanges VIII aufgestelltes spezielles Schiedsgericht. 28

Siehe dazu I. Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitigkeiten vom 18.10.1907 (RGBl. 1910 S. 5); VS A A 28/A 345.

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Für fast alle Grenzkonflikte — die Basislinien, die Außengrenzen des Küstenmeeres, der Anschlußzone, der Ausschließlichen Wirtschaftszone und des Festlandssockels — können jedoch nur die drei erstgenannten Gerichte gewählt werden, während das zuletzt genannte spezielle Schiedsgericht zusätzlich nur für die unterschiedlichen Rechte und Pflichten auf den Gebieten der Fischerei, des Meeresumweltschutzes, der Meeresforschung und der Schiffahrt vorgesehen ist. 29 95

Ist also im allgemeinen für eine Beilegung von Streitigkeiten des Seevölkerrechtes auf mannigfaltige Weise Rechnung getragen, so sind doch bei den uns interessierenden Zonenrechten wichtige Einschränkungen zu verzeichnen; eine besondere Sektion 3 des Teils XV (Art. 297 bis 299) ist ihnen gewidmet. Schon bei Konflikten zwischen benachbarten und gegenüberliegenden Staaten über die Seiten- bzw. Berührungsgrenzen der o.g. Küstenzonen (Rn. 57), desgleichen bei Streitigkeiten über historische Buchten oder Nutzungrechte, kann ein Vertragsstaat nach Art. 298 Abs. 1 bei der Unterzeichnung, der Ratifikation oder dem Beitritt schriftlich einen Vorbehalt dahingehend erklären, daß er eine gerichtliche Erledigung nicht anerkenne, wonach er dann eine Streitigkeit aber nur mit Zustimmung der Gegenpartei einer der in der Konvention vorgesehenen Verfahren unterwerfen kann ( Art. 298 Abs. 5) Militärische Aktionen mit Einsatz von Kriegs- und sonstigen Staatsfahrzeugen sowie nach innerstaatlichem Recht zulässige Zwangsvollstrekkungsmaßnahmen können vom Vertragsstaat auf gleiche Weise und mit gleichem Ziel vorbehalten werden.

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Die oben genannten Gerichte haben nach Art. 297 Abs. 3 keine Entscheidungskompetenz, müssen also eine Klage als unzulässig zurückweisen, wenn sich der Rechtsstreit auf die Fischereirechte des Küstenstaates in der Ausschließlichen Wirtschaftszone bezieht und der Küstenstaat dem gerichtlichen Verfahren widerspricht; dies auch dann, wenn die klagende Partei die durch den Küstenstaat vorgenommene Festsetzung der höchstzulässigen Fangmenge (Total allowable catch — TAC), der eigenen Fangmöglichkeit oder der Aufteilung der verbleibenden Fangüberschüsse auf andere Staaten für namentlich ihr gegenüber ungerecht hält.

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Ihr bleibt nur die Möglichkeit, die außergerichtliche Beilegung der Streitigkeiten zu versuchen; kommt diese aber nicht zustande, dann ist die durch den Küstenstaat benachteiligte Partei praktisch wehrlos, denn das in Art. 297 Abs. 3 Unterabsatz b vorgesehene obligatorische Vermittlungsverfahren steht ihr nur zur Verfügung, wenn sie behaupten sollte, daß der Küstenstaat — eine Festsetzung der höchstzulässigen Fangmengen trotz Aufforderung willkürlich verweigert, — ihr die nach Art. 62, 69, 70 zustehenden bevorzugten Fangrechte verweigert, — keine ausreichende Maßnahme zur Erhaltung und Pflege der Fischbestände ergriffen hat. Da der Küstenstaat solchen Behauptungen durch ein Minimum an Aktivitäten leicht vorbeugen kann, ist er praktisch unangreifbar, so daß man schon heute sagen kann, daß sich das „souveräne Recht" der Fischerei in der Ausschließlichen Wirtschaftszone von dem Fischereirecht als Teil küstenstaatlichen Hoheitsrechts im Küstenmeer nicht bemerkbar unterscheidet.

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SRÜ, Anlage VIII Art. 1.

III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom SRÜ

35

Für eine Streitbeilegung hinsichtlich der Ausbeutung nicht lebender Meeresschätze in den küstennahen Zonen kann es konsequenterweise in Teil XV keine Bestimmung geben, da ja die Rechte des Küstenstaates hier von Ansprüchen sonstiger Staaten umfassend freigestellt sind (Rn. 87). Was die Meeresforschung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf dem Fest- 98 landsockel anbetrifft, so werden wir im Abschnitt L sehen, daß nicht nur die angewandte, auf die Zwecke möglicher Ausbeutung gerichtete Forschung, sondern auch jede von Ausbeutungsinteressen freie Grundlagenforschung in den küstennahen Zonen als Annex der küstenstaatlichen Ausbeutungsanrechte aufgefaßt wird und daher der Genehmigung des Küstenstaates bedarf; und was die Streitbeilegung anbetrifft, können wir uns hier auf die summarische Feststellung beschränken, daß Teil XV in Art. 297 Abs. 2 ähnlich wie bei der Fischerei dem Küstenstaat einräumt, in allen praktisch bedeutenden Fällen jegliche gerichtliche Entscheidung zu unterbinden und sie bei der dann eröffneten Vermittlung (conciliation) nach Anlage V Sektion 2 der Vermittllungsausschuß gehindert ist, eine verweigerte Genehmigung nachzuprüfen, es sei denn, daß dies mit praktisch nicht vorkommenden Gründen geschehen ist. Übrig bleibt in den nach Art. 297 Abs. 2 und 3 (Meeresforschung und Fischerei) und 99 Art. 298 (Vorbehaltsfälle) der Streitbeilegung nicht unterworfenen Fällen nur die wirklich nicht vielversprechende Vorschrift des Art. 299 Abs. 1; sie besagt, daß der Streit einer gerichtlichen Beilegung dennoch zugeführt werden kann, wenn beide Parteien zustimmen, d. h.: will der Küstenstaat nicht, dann ist die Streitbeilegung ohne Erfolg beendet. Begünstigt ist damit der Küstenstaat, der seine evtl. höchst bedenkliche Praxis weiter betreiben kann, da ja sein Gegner ihn nicht besiegen durfte. Letzterer hat nur noch die vage Hoffnung auf eine ungewisse und sicher nicht schnelle Wiederaufnahme der Frage im politischen Räume. Ob er diese Hoffnung und evtl. eine anders begründete Klage auf Art. 300 (Erfüllung der Konventionspflichten nach Treu und Glauben), die erste der Allgemeinen Vorschriften des Teils XVI, stützen kann, ist angesichts der speziellen Verfahrensregelung in Teil XV zweifelhaft. 30

III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom Schicksal des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) 1. Hindernisse für das Inkrafttreten des SRÜ Wir haben vorstehend die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes dargestellt, 100 wie sie sich aus dem SRÜ 1982 ergibt. Da die Konvention noch nicht in Kraft ist, haben wir noch zu prüfen, was gegenwärtig Völkerrecht ist und inwieweit sich die Lage ändert, wenn die Konvention in Kraft tritt. Völkergewohnheitsrecht entsteht durch die Behauptung einer Rechtsposition seitens einzelner oder mehrerer Staaten und die Zustimmung der Staatengemeinschaft, die nur 30

Siehe dazu Wasum, Susanne, Der internationale Seegerichtshof im System der obligatorischen Streitbeilegungsverfahren in der Seerechtskonvention, 1984. Jaenicke G., in ZaöRV 43 (1983) S. 813.

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A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

selten ausdrücklich, in aller Regel aber durch die anhaltende stillschweigende Hinnahme ausgedrückt wird. 31 Durch Vertrag kann — spezielles — Völkerrecht entstehen, aber immer nur im Verhältnis zwischen den jeweils beteiligten Staaten. Die lang gehegte Meinung, daß ein multilateraler, für die meisten Staaten verbindlicher Vertrag auch geeignet sei, mit seinem Inkrafttreten allgemeines Völkerrecht zu erzeugen, ist gerade durch das Schicksal der Seerechtskonvention in Frage gestellt. 101

Schon die Schlußabstimmung über den Konventionsentwurf machte deutlich, daß eine gewichtige Opposition bedeutender Staaten nicht bereit war, diese mitzutragen. 4 Staaten stimmten dagegen, und 17 — darunter so wichtige Seenationen wie die USA, die UdSSR, das Vereinigte Königreich und andere EG-Staaten (auch die Bundesrepublik) — enthielten sich der Stimme. Von den 164 Staaten, die auf der Konferenz vertreten waren, haben bis April 1990 nur 42 ratifiziert; Die Mitgliedsstaaten, fast nur Entwicklungsländer und Inseln (Antigua und Barbuda, Jamaika, Kuba, St. Lucia, Bahrain, Island), Archipele (Bahamas, Philippinen, Fidschi, Indonesien, Trinidad und Tobago), Staaten ohne Meeresküste (Sambia, Mali, Zaire, Paraguay) sowie weitere Staaten vor allem in Afrika (Namibia, Ghana, Elfenbeinküste, Gambia, Senegal, Togo, Guinea, Kamerun, Nigeria, Guinea-Bissau, Ägypten, Sudan, Tansania, Tunesien), und Westasien (Irak, Kuwait Oman), in Europa nur Island und Jugoslawien.

102

Von den Großmächten hat keine ratifiziert. Die USA, das Vereinigte Königreich und die Bundesrepublik haben nicht einmal unterzeichnet; die UdSSR, Japan, China, Kanada, Frankreich, Italien sowie — nach Maßgabe des Art. 305 in Verb, mit Anhang IX — die EG haben zwar unterzeichnet, halten sich aber vornehmlich im Hinblick auf das vorgesehene Regime des Tiefsee-Meeresbodens (Teil XI SRÜ) mit der Ratifikation zurück. Das SRÜ ist damit noch nicht in Kraft, denn für das Inkrafttreten sind nach Art. 305 SRÜ 60 Ratifikationen oder Beitritte sowie das anschließende Verstreichen einer Frist von 12 Monaten erforderlich. Wenn die Großmächte weiterhin abseits stehen, dann wird selbst dann, wenn das SRÜ nach Ratifikation oder Beitritt durch 18 weitere Staaten in Kraft tritt, nicht angenommen werden können, daß sich damit nun auch das für die abseits stehenden Großmächte verbindliche Völkerrecht geändert habe. 2. Die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des SRÜ

103

In dieser gegenwärtigen Lage ist daher zu prüfen, was vor und nach Inkrafttreten des SRÜ für die vertraglich (noch) nicht gebundenen Staaten gilt 32 . Solange das SRÜ noch nicht in Kraft getreten ist, muß für alle Staaten hinsichtlich der Meereszonen wohl folgendes gelten: Eine Küstenmeerbreite bis zu 12 Seemeilen wird nicht mehr als völkerrechtswidrig angesehen werden können, denn von den Küstenstaaten beanspruchen inzwischen bis auf 35 ein Küstenmeer von 12 sm Breite 33 . Selbst von den Küstenstaaten, die gegenwärtig ein Küstenmeer von geringerer Breite haben, wird ein fremdes Küstenmeer von bis zu 12 sm mindestens stillschweigend anerkannt. Die USA und die Bundesrepublik haben 31 32

33

Siehe Bernhard (27) S. 158. Jenisch, Uwe, Was wird aus der Seerechts konferenz? in Außenpolitik 1988; Vortrag vom 18.01.1988, Heft 65 der Schriften des DVIS, Hamburg 1988. DHI Merkblatt, Beilage zum NfS-Heft 23/1989.

III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom SRÜ

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hierzu auf der Dritten Seerechtskonferenz ausdrückliche Erklärungen abgegeben, in denen sie allerdings das Rechtsinstitut der freien Durchfahrt oder Transitpassage durch Internationale Meerengen, die ja künftig von den verbreiterten Küstenmeeren der Anrainerstaaten überdeckt werden könnten, als unabdingbare Voraussetzung bezeichneten. Angesichts dieser Entwicklung werden die früher bei der Verbreiterung eines fremden Küstenmeeres auf bis zu 12 sm üblichen Proteste nicht mehr eingelegt. Den Archipelgewässern ist trotz längerer Vorgeschichte 34 erst durch den Konventions- 104 entwurf das Tor zur völkerrechtlichen Anerkennung geöffnet worden. Sie wird perfekt zwischen den Vertragsstaaten mit dem Inkrafttreten des SRÜ, für die anderen Vertragsstaaten dann, wenn sie — was zu erwarten ist — keine Einwände erheben. Für die Straßen der Internationalen Schiffahrt und Luftfahrt in den Meerengen und Archipelgewässern hat sich durch das SRÜ nichts wesentliches geändert (s. Rn. 37 — 42), so daß Schwierigkeiten nicht zu erwarten sind. Für bis zu 24 sm hinausgeschobene Anschlußzonen gilt gleiches; auch kommt ihnen keine große Bedeutung zu. Bei den seewärts der Hoheitsgrenze anschließenden und bis zur 200—Seemeilen-Grenze 105 reichenden Zonen, ob sie nun nach Maßgabe des SRÜ als Ausschließliche Wirtschaftszone oder einschränkender nur als Fischereizone in Anspruch genommen werden, ist zu erwägen: Solche Zonen sind nicht nur von Entwicklungsländern, sondern auch von Island, Kanada, der EG, der Sowjetunion u. a., sogar von den USA, die weder dem SRÜ zustimmten noch es unterzeichneten, begründet worden, und völkerrechtlich relevante Widersprüche sind dagegen nicht erhoben worden. Hierbei ist aber zu beachten, daß die Ausschließlichen Wirtschaftszonen nach dem SRÜ bestimmten Einschränkungen unterworfen sind (Teilhabe anderer Staaten am Fischfang; obligatorische Streitregelung), so daß die einseitig begründeten Wirtschaftszonen, wenn sie entsprechende Einschränkungen nicht beinhalten, die Zustimmung mindestens der Staaten, die dadurch benachteiligt werden, nicht finden dürften. Für den Festlandsockel, der bis zur 200 Seemeilen-Grenze und evtl. noch darüber 106 hinaus reichen soll, ist dergestalt erst durch das SRÜ eine Außengrenze fixiert worden. Ob Nichtmitgliedstaaten mit den ungenauen Abgrenzungskriterien des Festlandsockelübereinkommens von 1958 oder als Nichtmitgliedstaaten auch dieser Konvention gleiche Ergebnisse erzielen können, ist zu bezweifeln. Nehmen sie einen Festlandsockel bis zur 200 sm-Grenze in Anspruch, wird entsprechendes wie bei der Ausschließlichen Wirtschaftszone (Rn. 105) zu gelten haben. — Für das in Teil XI des SRÜ geregelte Gemeinschaftsgebiet (Area) kann, zumal gerade 107 gegen diesen Teil starke Widerstände bestehen und verlautbart worden sind, nur der herkömmliche Rechtszustand gelten. Das Gebiet ist demnach eine res omnium, beherrscht von dem Grundsatz, daß jede Maßnahme gemeinverträglich sein muß (s. Rn. 4), d. h. die Rechte der anderen Gemeinschaftsmitglieder nicht verletzen darf. Zu beachten ist im Zusammenhang damit die am 17.12.1970 ohne Gegenstimmen beschlossene Meeresbodenprinzipien-Deklaration der UN-Resolution 2749 (XXV) —, die in ihrem Grundsatz 4 die Erforschung und Ausbeutung dem zu schaffenden internationalen Regime unterstellt. Siehe dazu Rn. 23.

34

Siehe Sturies (19) Archipelgewässer.

38 108

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

Nach dem Zustandekommen des SRÜ, das diesem Ziel dient, aber noch nicht in Kraft getreten ist, hat die Resolution immer noch Bedeutung, da sie das zu verfolgende Ziel festlegt. Auf dem Wege dorthin folgen die Staaten und Unternehmen, die mit der Ausbeutung des „Gebietes" beginnen wollen und dafür investieren, zwei verschiedene Verfahren, nämlich — soweit die Staaten bzw. Sitzstaaten der Unternehmen das SRÜ unterzeichnet haben (Frankreich, Indien, Japan, Sowjetunion, Niederlande), dem Verfahren nach der SRKResolution II über vorbereitende Investitionen für Pioniertätigkeiten in Bezug auf polymetallische Knollen (Governing Preparatory Investment in Pioneer Activities relating to Polymetallic Nodules), wonach die nach Maßgabe der Resolution I gebildete Kommission für die Vorbereitung der Internationalen Meeresbodenbehörde und des Internationalen Seegerichtshofes „Pionierinvestoren" bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen registriert und ihnen das nach dem Antrag ausgewählte Teilgebiet (Rn. 67) zuweist, die Ausbeutungstätigkeit aber erst nach Inkrafttreten des SRÜ von der Meeresbodenbehörde genehmigt werden kann;

109 — die Bundesrepublik, Frankreich, Großbritannien, USA als Staaten, die gegenwärtig den Meeresbergbau weiterhin als Meeresfreiheit der Hohen See betrachten — so die Präsidentielle Erklärung vom 10.03.1983 zur Meerespolitik der USA —, dem Verfahren, das sie in dem Übereinkommen vom 02.09.1982 über vorläufige Regelungen für polymetallische Knollen des Tiefseebodens festlegten. 35 Über nähere Einzelheiten siehe Abschnitt G. Was schließlich die Hohe See anbetrifft, so muß unterschieden werden zwischen den Staaten, die sich mit einer Ausschließlichen Wirtschaftszone durchsetzen konnten, und allen anderen (auch denen, die lediglich eine Fischereizone in Anspruch nehmen). Für die letzteren beginnt die Hohe See noch an der Küstenmeergrenze. 3. Änderung des SRÜ? 110

Der vorstehende Überblick zeigt, daß nach dem Inkrafttreten der Konvention für die Staaten, die ihr nicht angehören, eine in einigen Punkten unterschiedliche Völkerrechtsordnung gilt. Da dies mit Sicherheit zu vielfältigen Rechtsstreitigkeiten, insbesondere zwischen Vertragsstaaten auf der einen und Nichtvertragsstaaten auf der anderen Seite, führen muß, erscheint es wünschenswert, beide völkerrechtliche Ordnungen in Einklang zu bringen. Da man die gewachsene Völkerrechtsordnung nur durch einen allgemeinen Konsens ändern kann und dieser mit dem SRÜ offensichtlich noch nicht erreicht worden ist, kann nur versucht werden, das Übereinkommen konsensfahig zu machen. Gründe, die einer alle befriedigenden Ordnung entgegenstehen, sind hauptsächlich folgende: — Ablehnend sind die Industriestaaten gegenüber der Organisation und dem Ausmaß ihrer Verpflichtungen, die für das Gemeinschaftsgebiet des Tiefseemeeresbodens vorgesehen sind (SRÜ Teil XI). — Die Staaten ohne oder mit ungünstig geschnittenen Meeresküsten sind bei der Neuverteilung der Meeresschätze mehr als unbedingt geboten benachteiligt worden. — Der Gedanke der gleichmäßigen Nutzung ist fallengelassen worden. 35

Bekanntmachung vom 03.11.1982 (BGBl. II S. 983), s. Platzöder/Grunenberg (13) S. 262.

III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom SRÜ

39

Summa Summarum: Nicht eine die gesamte Menschheit befriedigende Gemeinschaftsordnung, sondern von Eigennutz geprägter Nationalismus bestimmt den Inhalt der Konvention. Will man eine für alle Nationen tragbare Rechtsordnung für die Zukunft schaffen, 111 dann muß man die Konvention bei weitgehender Aufrechterhaltung ihrer gelungenen Teile durch ein Protokoll oder eine umfassende Neuformulierung ändern. Zu einer Änderung ist aber eine 4. Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen erforderlich. Sie sollte möglichst noch vor Inkrafttreten der Konvention stattfinden; tritt sie nämlich erst einmal in Kraft, dann sind ihre Vertragsparteien wegen der dann bestehenden Bindung an die sehr restriktiven Änderungsbestimmungen der Art. 312 — 314 gehindert, mitzuwirken, es sei denn, daß sie nach Art. 317 der Konvention kündigen und dann nach Jahresfrist ihre Handlungsfreiheit wiedergewinnen. Man wird zu diesem Vorschlag drei Fragen stellen: 112 a) Ist der Gedanke nicht völlig unrealistisch? b) Mit welchem Konzept könnte man namentlich die Staaten, denen die Konvention reichen Gewinn bescherte, zu einer Änderung bewegen? c) Wer sollte mit dem Vorschlag einer 4. Seerechtskonferenz auf den Plan treten; die Bundesrepublik, die EG, wer sonst? Zur Frage a) ist zu antworten: Der Kosten- und Zeitaufwand einer 4. Seerechtskonferenz sollte nicht schrecken. Gerade bei der Gestaltung des Seerechts durch Übereinkommen der Vereinten Nationen, in denen althergebrachte Regeln der Schiffahrt mit völlig neuen über die wirtschaftliche Nutzung der Meereschätze zu verbinden sind, haben die beteiligten Staatengruppen seit 1958 erfahren müssen, daß eine allgemeine völkerrechtliche Ordnung mittels Übereinkommen viel Zeit braucht. Wenn mit dem Ergebnis aller drei bisherigen Seerechtskonferenzen immer noch keine zufriedenstellende allgemeine Rechtsordnung gefunden worden ist, dann ist dies keineswegs erstaunlich oder gar unverständlich. Für den Werdeprozeß sind 40 Jahre durchaus angemessen. Die Methode, ein noch nicht in Kraft getretenes Übereinkommen durch ein Protokoll 113 zu ändern, hat gerade auf dem Gebiet des Seerechts ein Vorbild. Das Internationale Übereinkommen von 1973 zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe wurde durch ein Protokoll von 1978 geändert und trat dann mit diesen Änderungen 1983 in Kraft 36 . Damals bestand bei allen Beteiligten Einvernehmen über die zu ändernden Vorschriften. Um diese Voraussetzung auch im jetzigen Fall zu erfüllen, müßte von vornherein durch Resolution sichergestellt werden, daß nur die in Rn. 110 aufgezeigten Mängel der räumlichen Ordnung des Meeres zur Änderung anstehen und daß ein Konzept gefunden werden soll und kann, aus dem sich die Vereinten Nationen mehr Vorteile versprechen können. Zur Frage b): Als Konzept für die wirtschaftliche Nutzung des Meeres außerhalb der staatlichen 114 Küstenmeergrenzen, bei dem der Nutzen für die Küstenstaaten etwaige Verluste mindestens aufwiegt, bietet sich folgende Regionallösung an, die großzügiger ist als die auf der 3. UN-Seerechtskonferenz erörterten Modelle und die gleichzeitig die Frage nach einer 36

Siehe Bekanntmachung vom 05.03.1984 (BGBl. 1984 II S. 230).

40

A. Die völkerrechtliche Ordnung des Meeresraumes

neuen Weltwirtschaftsordnung offen läßt: Das gesamte Meeresgebiet jenseits der staatlichen Küstenmeergrenzen wird in große, durch die natürliche Beschaffenheit des Meeresuntergrundes (z. B. Mittelatlantischer Rücken) beeinflußte und beliebig unterteilbare Regionen mit eigener regionaler Verwaltung aufgeteilt. In den Regionen gehen auf: die bis zur 200—Seemeilen-Grenze reichenden Wirtschaftszonen und die etwa noch darüber hinausgreifenden Festlandsockel der einzelnen Küstenstaaten sowie das anschließende Gebiet des Tiefsee-Meeresbodens. 115

Als regionale Verwaltungsbehörden könnten weitestgehend die fünf regionalen Wirtschaftsorganisationen der UN (für Europa ECE, für Afrika ECA, für Westasien ECWA, für Asien und Ozeanien ESCAP, für Lateinamerika und Karibik ECLAC) herangezogen werden. Hinsichtlich der Fischerei wären sie auf das Zusammenwirken mit schon vorhandenen regionalen Fischereiorganisationen zu verpflichten. Die Nord-Süd-Komponente könnte durch eine Kooperation zwischen ECA und ECE einerseits sowie ECLAC und Nordamerika andererseits betont werden.

116

Für die Aufteilung der Ausbeutungsrechte an die Staaten der Region wären in der Konvention Richtlinien festzulegen. Zu berücksichtigende Faktoren wären dabei die Einwohnerzahl der jeweiligen Staaten, ihre Küstenlänge, der Grad der volkswirtschaftlichen Abhängigkeit von den Schätzen des Meeres, die bisherige Tätigkeit der Staatsangehörigen an der Ausbeutung der Meeresschätze. Die Meeresbodenbehörde bleibt für die gesamte regional aufgeteilte Meeresfläche zuständig; aber ihr Aufgabenbereich (Art. 156 — 169 SRÜ) würde geändert. Ihr oblägen nur überregionale Aufgaben d. h. Statistiken, Berichte an die UN, zwischenregionaler Ausgleich bei Störung des Gleichgewichts der Ausbeutung in den verschiedenen Regionen. Für den letztgenannten Zweck könnte der Meeresbehörde eine Reserve-Verfügungszone in dem weiten Gebiet des mittleren und südlichen Pazifik zugeteilt werden, ohne daß sie eines eigenen aufwendigen Ausbeutungsunternehmens (Enterprise) bedürfte.

117

Diese Regionallösung hätte folgende Vorteile: — Die Küstenstaaten würden von den ihnen bisher zugedachten Wirtschaftsgebieten wenig verlieren, dafür aber große Anteile an dem Tiefseegebiet gewinnen. Dies ist, obwohl der Verbrauch an Metallen durch erweiterte Verwendung von Kunststoffen sinkt, in allen Regionen lohnend, da schon heute im Vordergrund des Interesses neben den ungleichmäßig verteilten Manganknollen die in allen Ozeanen georteten metallhaltigen Schlämme und Krusten der unterseeischen Gebirgsrücken und Berge stehen. — Die Industriestaaten könnten in einem ausreichend großen Gebiet unverzüglich mit der gewünschten Ausbeutung beginnen; wobei die unbillige Benachteiligung namentlich von Entwicklungsländern durch die Regional- bzw. die Meeresbodenbehörde verhindert werden könnte.

118 — Die Entwicklungsländer würden in den Regionen, zu denen sie jeweils gehören, vor Zugriffen ferner gelegener Industriestaaten geschützt. — Staaten ohne Meeresküste und sonstige geographisch benachteiligte Staaten hätten, ohne daß für sie Sonderregeln aufgestellt werden müßten, an den Meeresschätzen ihrer Region nach Maßgabe der o. a. Verteilungsrichtlinien unmittelbar Anteil. Das gälte auch für die nicht geographisch, sondern durch Staatsgrenzen benachteiligten Staaten (z. B. Türkei). — Inseln, namentlich die weit von Festlandküsten entfernten, hätten — wieder nach Maßgabe der Verteilungsrichtlinien — ihren gesicherten Anteil an den Meeresschätzen

III. Die völkerrechtliche Ordnung der Meereszonen in Abhängigkeit vom SRÜ

41

ihrer Region, wobei gleichzeitig vermieden würde, daß eine schwach besiedelte Insel einen unverhältnismäßig großen Teil des gemeinsamen Erbes der Menschheit erhält. Zur Frage c): 119 Zu prüfen bleibt, ob die Bundesrepublik oder die EG oder ein dritter Staat den Vorschlag einer vierten Seerechtskonferenz offiziell einbringen sollte. Für die Bundesrepublik spricht, daß sie mit dem Vorschlag eine einleuchtende Erklärung für ein zwiespältiges Verhalten geben könnte, das ihr schon viel herbe Kritik eingetragen hat. Es handelt sich darum, daß einerseits ihre Freie und Hansestadt Hamburg in der Seerechtskonvention (Art. 1 des Anhangs VI) zum Sitz des neuen Internationalen Seegerichtshofs bestimmt worden ist und dort alle Vorbereitungen für die rechtzeitige Bereitstellung des Gerichtsgebäudes getroffen werden 37 , die Bundesrepublik aber andererseits die Konvention, der sie insoweit folgt, nicht unterzeichnete und den Beitritt nicht in Aussicht gestellt hat. Die Bundesrepublik könnte zu dem von ihr eingebrachten Vorschlag erklären, daß erst eine weltweit auch für die Industriestaaten — verbindliche Seerechtsregelung den Seegerichtshof mit Leben erfüllen werde, zumal die Vertragsstaaten an seiner Stelle eine andere gerichtliche Streiterledigung, insbesondere durch Schiedsgericht, wählen könnten (Art. 287). Auch ein Beitritt der Bundesrepublik erreiche dies Ziel nicht, zeitgemäße Änderungen seien notwendig. Könnte erreicht werden, daß die EG den Vorschlag macht, dann hätte dies den Vorteil, daß sich eine Organisation zu Wort meldet, welche — die Konvention unterzeichnet hat und für das Sachgebiet, auf das sich ihr Vorschlag speziell bezieht, zuständig ist, — mehrere wichtige Industriestaaten umfaßt, von denen noch keiner Vertragsstaat ist. Daß in beiden Fällen mehrere Staaten vor Einbringung des Vorschlags konsultiert 120 werden müssen, ist selbstverständlich. An Staaten außerhalb der EG kommen dabei vor allem in Betracht — die Sowjetunion, Indien und Kanada, die hinsichtlich der Gewinnung von Manganknollen des Tiefseegebiets „Pionier-Investoren" im Sinne der Resolution II der 3. Seerechtskonferenz sind, — die USA als Mitgliedstaat des Übereinkommens zum Tiefseebergbau vom 3.8.1984, — Japan, das zu beiden vorgenannten Gruppen gehört, — führende Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Lateinamerika. Jedoch ist keiner dieser Staaten im Hinblick auf den Änderungsvorschlag in einer besseren Lage als die Bundesrepublik oder die EG. Für eine Initiative geeignet wäre evtl. Österreich. Dieses Land hat auf der 3. Seerechtskonferenz die Verhandlungsgruppe der Staaten ohne oder mit ungünstig geschnittenen Küsten (Landlocked and Geographically disadvantaged States — Ll/GdS) geleitet. Sein Bundespräsident Waldheim war während der Konferenz noch Generalsekretär der Vereinten Nationen.

37

Platzöder/Grunenberg (13) S. 6 2 8 - 6 5 5 .

Teil B Hauptliteratur: Anschütz, Gerhard, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl., 1919; Drews-Wacke, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1961; Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 1973; Friesecke, Albrecht, Bundeswasserstraßengesetz, 2. Aufl., 1981; Lagoni, Rainer, Landesgrenzen in der Elbmündung und der Deutschen Bucht, 1982; Maunz-Dürig-Herzog, Kommentar zum Grundgesetz, München 1987; Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, in Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft, 6. Abtlg. 2. Bd. 3. Aufl. München 1924; Mintzel, Kurt, Bundeswasserstraßengesetz, Handkommentar, 1969; Schröder, Richard, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. Aufl. 1966.

Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik Nach der Darstellung der völkerrechtlichen Raumaufteilung der Seegewässer soll 121 nunmehr die rechtliche Situation der für das Seerecht wichtigen Wasserstraßen der Bundesrepublik dargestellt werden. Sie umfassen das völkerrechtlich relevante Küstenmeer und Wasserstraßen, die noch weit ins Binnenland reichen, da Seehäfen aus Sicherheitsgründen und zur Verkürzung der Landwege oftmals weit im Binnenland entstanden sind (Hamburg und Bremen; London und Rotterdam).

I. Geschichtliche Entwicklung 1. Mittelalter Die Flüsse und Ströme haben stets, auch wenn sie durch mehrere örtliche Herrschafts- 122 gebiete flössen, rechtlich in der Hand der souveränen Landesherren gelegen. Der Kaiser als Souverän erkannte den großen Nutzen der Flüsse als Transportstraßen, zumal es bis zum 18. Jahrhundert nur wenige durchgehende Straßen in Europa gab, und war daher bestrebt, die Flüsse unter seine Herrschaftsgewalt zu stellen. So wurde die kaiserliche Stromhoheit über schiffbare Flüsse schon 1158 in der Constitutio de regalibus Kaiser Friedrichs I. festgelegt.' Die Verwendung als Schiffahrtsstraße bedingte, daß die Ufer, 1

Vergl. Heimbach, Wasserrecht, in Rechtslexikon, 14.Bd. Leipzig 1860, S. 86, 123; Schröder Richard, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, 7. Aufl. Berlin 1966, S. 580 f; Conrad Hermann, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. II, Karlsruhe 1966 S. 137; zit. Lagoni Rainer, Ländergrenzen in der Elbmündung und der Deutschen Bucht, Berlin 1982, S. 17 Anm. 7.

44

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

auf denen sich die Leinpfade (die Wege auf denen die Schiffe mit Pferden oder Schiffsleuten stromaufwärts gezogen wurden), die Anlegestellen und Fähreinrichtungen, unabhängig von den örtlichen Herrschafts- oder Eigentumsverhältnissen mit in das Hoheitsrecht des Souveräns fielen. Die Schiffahrtsstrassen waren als strata regia Reichseigentum, und Hoheitsrechte konnten regionale Landesherrn nur im Wege der kaiserlichen Verleihung erwerben. Dadurch war ausgeschlossen, daß es am Fluß je nach örtlicher Herrschaft unterschiedliche Rechte gab, die sich störend auf den Durchgangsverkehr ausgewirkt hätten. 2 2. Die Entwicklung in der Neuzeit 123

Der Niedergang der Herrschaft der deutschen Kaiser und die entsprechende Stärkung der Landesfürsten, dokumentiert im Frieden von Münster und Osnabrück 1648, führte schließlich dazu, daß die Landesherren mit der Übernahme der immer unabhängiger werdenden Herrschaftsgebiete (souveräne Gewalt) auch die Gewalt über die Flüsse und Ströme ausübten, die durch ihr Gebiet flössen. 3 In rechtlicher Hinsicht stellte sich diese Gewaltausübung als eine Kombination zwischen Hoheits- und privaten Eigentumsrechten dar und damit als eine juristische Besonderheit, die bis in die heutige Zeit hinein beobachtet werden kann.

124

Auf dem Wiener Kongress 1815, der die Neuordnung Deutschlands nach dem Ende des Kaiserreiches 1806 und der Epoche Napoleons zum Ziele hatte, wurden für die Wasserstraßen lediglich verkehrsrechtliche Vorschriften vereinbart; die Hoheits- und Eigentumsrechte wurden nicht angesprochen. 4 Es wurde lediglich eine Kommission für die Flußschiffahrt geschaffen (Art. 108 der Wiener Schlußakte), die jedoch keine Verwaltung im herkömmlichen Sinne wahrnehmen konnte. Die Seeschiffahrt, damals ein Hauptanliegen der Hansestädte, wurde in der Schlußakte mit keinem Wort erwähnt. Im Grunde bestand dafür auch keine Notwendigkeit, weil man sich über die Eigentumsund Hoheitsrechte über das Meer, abgesehen von einem Sicherheitstreifen an der Küste, keine Gedanken zu machen brauchte. Darüber hinaus gab es schon seit Jahrhunderten bedeutende seerechtliche Ordnungen des Handels- und Verkehrsrechtes, so z. B. die Seerechte der Städte Hamburg, Lübeck und Wisby, aber auch das den internationalen Seeverkehr regelnde Consolat von Barcelona und die Seerechtsordnung von Oleron. 3. Die Paulskirchen-Verfassung von 1849.

125

Im Wortlaut dieser Verfassung, die leider nur ein Entwurf geblieben ist, wurde bestimmt, daß die Verwaltung der Wasserwege zwar bei den Ländern verbleiben, jedoch das Reich die Oberaufsicht haben sollte. Diese sollte auch die Schiffahrtsanstalten am Meer und in den Flußmündungen an der Küste umfassen. Zu den Schiffahrtsanstalten zählten Häfen, Leucht- und Feuerschiffe, aber auch das Lotswesen. 5 2

3

4 5

Geffken Heinrich, Zur Geschichte des deutschen Wasserrechtes, in Zeitschrift Savigny Stiftung für Rechtsgeschichte, Band 21 Germ. Abtlg. S. 187 - 192. Schröder, Richard, Lehrbuch der deutschen Rechtssgeschichte, 5. Auflage, 1907, S. 55 Anm. 81 (Situation Lübecks). Friesecke, Albrecht, Bundeswasserstraßengesetz, 2. Aufl. 1981, S. 33. Friesecke (4) S. 33.

I. Geschichtliche Entwicklung

45

Wenn auch der Begriff „Seeschiffahrtsstraße" selbst nicht verwendet wurde, so war dennoch die Absicht der verfassungsgebenden Versammlung zu erkennen, die großen Ströme, die nicht nur mehrere deutsche Länder durchflössen, sondern im Küstengebiet auch von Seeschiffen befahren wurden, einer einheitlichen rechtlichen Regelung zuzuführen. Wenn auch die Paulskirchen-Verfassung von Eigentum an den Flüssen nicht spricht, so ist doch zu erkennen, daß die Flüsse und Ströme in der Herrschaftsgewalt der Länder verbleiben sollten, deren Gebiet sie durchflössen. 6 Die Rechtsverhältnisse der Küstengewässer wurden nicht angesprochen.

4. Die Reichsverfassung von 1871 Nach der Neugründung des Deutschen Bundes, 1871, dem man wieder den alten 126 Namen „Reich" gab und dessen Bundespräsident den erblichen Titel „Kaiser" erhielt, war es darum auch sachgerecht, der nun wieder etwas zentralisierteren Reichsgewalt ein Aufsichtsrecht über Flüsse und Ströme, sowie über die Schiffahrt überhaupt einzuräumen. So wurde im Art. 4 Nr. 9 der Reichsverfassung bestimmt, daß die Schiffahrtszeichen, die zur Sicherheit des Seeverkehrs errichtet wurden, in die Gesetzeskompetenz und in das Aufsichtsrecht des Reiches fielen. Infolge dieser Verfassungsbestimmung kam es nunmehr zum Erlaß von Reichsgesetzen, die einen möglichst gefahrlosen Schiffsverkehr bei der Ansteuerung der eigenen Häfen gewährleisten sollten. So wurde u. a. eine Not- und Lotsensignalordnung für Schiffe auf See und den Küstengewässern vom 14.08.1876 und eine Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßes der Schiffe auf See vom 07.01.1880 erlassen.

5. Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) Mit dem Ausrufen der Republik im November 1918 wurde zwar die Monarchie 127 abgelöst und zum ersten Mal festgestellt, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, dennoch blieben der Name „Deutsches Reich" und die föderative Staatsstruktur erhalten. Lediglich die Zahl der Länder von wurde 1920/29 von 25 auf 16 verringert. Es gab dann nur noch: Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Hamburg, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Braunschweig, Oldenburg, Anhalt, Bremen, Thüringen, Lippe und Schaumburg-Lippe. Damit war das Deutsche Reich zwar eine Republik, aber weiterhin ein Bundesstaat. Der Bundespräsident trug nun den nicht erblichen Titel „Reichspräsident". Der technische Fortschritt auf dem Gebiet der Seeschiffahrt, (Verdrängen der Segelschiffe durch Dampfer), führte dazu, daß sich die Weimarer Verfassung nunmehr stärker mit dem Seeverkehr befassen mußte. Der Dritte Entwurf für die Weimarer Verfassung vom 17.02.1919 sah in Art. 98 vor, 128 daß die von den großen Seehäfen zum Meere führenden Flußunterläufe zur Erhöhung der Verkehrssicherheit in die Verwaltung des Reiches übergehen sollten. Zur Abgrenzung 6

v. Gierke, Otto, Deutsches Privatrecht, 2. Bd. Sachenrecht, Leipzig, 1905 S. 29 ff; Binding, Karl, Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft (2. Abtlg., 3. Teil, 2. Bd.) Leipzig 1905.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

von den übrigen Wasserstraßen sollte für den Teil der Flüsse, der von Seeschiffen befahren wird, der Begriff „Seewasserstraße" eingeführt werden. Damit waren die Wasserstraßen in Binnen- und Seewasserstraßen aufgeteilt. 7 Eine Ausnahme bildete Hamburg; hier sollten zwischen der Stadt und dem Reich Sonderverträge geschlossen werden. 129

Dieser Entwurf wurde nicht verwirklicht. Es wurde nicht nur die Unterscheidung in Seewasserstraßen und Binnenwasserstraßen aufgeben, sondern in dem endgültigen Verfassungsartikel 97 (im Entwurf hatte er die Nr. 98) wurde bestimmt, daß alle Wasserstraßen ohne Unterschied in das Eigentum und in die Verwaltung des Reiches übergehen sollten. 8 Im Art. 171 WRV wurde angeordnet, entsprechende Verträge zwischen den Ländern und dem Reich bis zum Ol. April 1921 abzuschließen. 6. Der Staatsvertrag von 1921

130

Getreu den Verfassungsbestimmungen des Art. 97 in Verbdg. mit Art. 171 wurde von den damaligen Regierungen der deutschen Länder mit Ausnahme von Thüringen und Schaumburg-Lippe und der Reichsregierung am 1. April 1921 ein Staatsvertrag geschlossen, der den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vorsah. In dem Vertrag wurde, wie schon im Entwurf zur Verfassung, wiederum zwischen Binnen- und Seewasserstraßen unterschieden. Dieser Vertrag wurde am 29. 06.1921 als Gesetz in Kraft gesetzt. 9 Durch die Umwandlung des Staatsvertrages in ein Gesetz, wurden die Vertragspflichten für die Beteiligten nunmehr zu gesetzlichen Pflichten, d. h. es gab keine Möglichkeit mehr, sich ihnen zu entziehen. Der Ubergang des Eigentums der Länder auf das Reich geschah somit auch nicht derivativ, d. h. durch vertragliche Einigung, sondern durch Gesetz und damit originär. 10

131

Im Staatsvertrag wurde zum ersten Mal für einen Teil der nationalen Wasserstraßen der Begriff der Seewasserstraße verwandt. Die Notwendigkeit dazu ergab sich durch den Art. 97 WRV, der gebot, daß das Eigentum an den Wasserstraßen auf das Reich überzugehen habe. Die dafür notwendige Begrenzung lag lediglich für die Flüsse durch ihre Ufer fest. Da es im Mündungsgebiet keine natürliche Grenzen zur See gab, wurden in der Anlage A zum Staatsvertrag, die Grenzen für die Flüsse der heutigen Bundesrepublik wie folgt festgelegt: Elbe: Weser:

7

8

9 10

Verbindungslinie zwischen der Kugelbake bei Cuxhaven-Döse und der westlichen Kante des Deichs bei Friedrichskoog). Verbindungslinie zwischen dem Kirchturm bei Langwarden und der Mündung des Opstedter Bachs (Hamburgische Grenze).

Verhandlungen der Nationalversammlung, 37. Bd. S. 1 3 6 4 D, zit. bei Tober, Siegbert, Welche Gewässer sind Seewasserstraßen im Sinne des Gesetzes zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen? in DVB1. 1961, S. 575 ff. Verhandlungen der Nationalversammlung 36. Bd. Drucks. 391, Bericht des Verfassungsausschusses S. 347, und 37. Bd. S. 1 3 6 4 D, zit. bei Tober (7) S. 575. RGBl. 1921 S. 961. Vergl. dazu Ficker, Vertragliche Beziehungen zwischen Gesamtstaat und Einzelstaat im Deutschen Reich, in Abhdlg. aus dem Staats- und Verwaltungsrecht, 38. Heft, S. 173. Seibold, Zuständigkeiten des Reiches und der Länder auf dem Gebiet des deutschen Wasserstraßenwesens 1927; Heim, Die Auswirkungen der Weimarer Reichsverfassung auf dem Gebiet des deutschen Wasserstraßenwesens in den Jahren 1 9 1 9 — 1927.

I. Geschichtliche Entwicklung

Ems: Wittmunder Tief:

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Verbindungslinie der westlichen Spitze der Wesermarsch (Utlands Hörn) und Ostpolder Siel. Verbindungslinie zwischen der Seekante des Molenkopfes (westliches Ufer) und der Seekante des östlichen Ufers.

Die Wasserstraßen wurden bis zu diesen Grenzen als Binnenwasserstraßen bestimmt, jenseits dieser Grenzen waren sie Seewasserstraßen, ohne daß für diese eine Definition oder Begrenzung in der Anlage A festgelegt wurde. Die durch den Staats vertrag vorgenommene Aufteilung der Wasserstraßen war früher 132 wegen der bisher niemals angesprochenen Eigentumsfrage unnötig gewesen. Es hatte stets ausgereicht, Verkehrsvorschriften für die Sicherheit der Schiffahrt zu erlassen, die auf „See oder auf den mit der See im Zusammenhang stehenden und von Seeschiffen befahrenen Gewässer" zu beobachten waren. 11 Doch was nun von diesen Verbindungslinien (Seegrenze) seewärts als Seewasserstraße zu gelten hatte — nur die dem Schiffsverkehr dienenden Fahrwasser oder auch die übrigen Seeflächen des Küstenmeeres — blieb in der Anlage A zum Staatsvertrag offen. Möglicherweise war man sich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Staatsvertrages im Jahre 1921 noch nicht im Klaren darüber, was als Seewasserstraße zu gelten hätte. Nach Ansicht des preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten 12 133 bestand zwischen dem Reich und Preußen Einverständnis darüber, daß die Kieler Förde als Meeresteil, aber nicht als Seewasserstraße anzusehen sei und damit nicht in das Eigentum des Reiches übergegangen sein könnte. Das Reich hat seinerseits diese Auffassung in einem Schadensersatzprozess bestätigt. 13 Bremen vertrat demgegenüber die Ansicht, daß die Außenweser, da sie nach Teil A des Staatsvertrages jenseits der Seegrenze der Weser liege, im Ganzen, also einschließlich der Wattengebiete, als Seewasserstraße in das Eigentum des Reiches übergegangen sei, nicht nur die ausgetonnte Fahrrinne. Entsprechend insoweit schon eine VO der königl. Regierung in Schleswig. 14 In den Seewasserstraßenordnungen von 1927 und 193715 wird zwischen Wasserstraßen 134 und Fahrwasser unterschieden. Somit ist nicht nur die Fahrrinne eine Seewasserstraße, sondern darüberhinaus die gesamte Wasserfläche, in der die Fahrrinne liegt. Damit gehören u. a. das Norder Außentief und Wittmunder Tief zu den Seewasserstraßen. Das wird auch dadurch bestätigt, daß diese beiden Gebiete u. a. ursprünglich im Teil A des Staatsvertrages als Seewasserstraßen ausdrücklich aufgeführt waren. Erst als entschieden wurde — vermutlich wegen mangelnder Fixierbarkeit —, die Seewasserstraßen nicht

11 12

13

14

15

Siehe dazu Rn. 631 f. Schreiben des Preuß. Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 29.08.1930 an das Preuß. Regierungspräsidium von Schleswig-Holstein VII 25977 III. Die Entscheidung ist abgedruckt in Zeitschrift für Agrar- und Wasserrecht 19, S. 251 f; Schreiben an den Preuß. Minister für Landwirtschaft, Domämen und Forsten vom 13.9.1932, zit. bei Tober (7) S. 578. Schreiben an den Preuß. Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten zit. bei Tober (7) S. 578); Vergl. dazu die V O im Amtsblatt der Königlichen Regierung Schleswig, 1885, S. 176/ 177. Siehe dazu RGBl. 1927 S. 157 und RGBl. 1937 II S. 1380.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

namentlich aufzuführen, wurden die obigen Seegebiete, Norder Außentief, Wittmunder Tief u. a. wieder im Teil A gestrichen. 16 135

Die Frage der Begrenzung der Seewasserstraßen war damit erst in den Vordergrund gerückt, als das Reich Eigentümer der Seewasserstraßen wurde. Ständiger Diskussionsgegenstand war, ob a) die Seewasserstraßen die Teile der Flüsse und Ströme zwischen Seegrenze und Basislinie des Küstenmeeres umfassen sollten, die von Seeschiffen befahren werden, b) zu den Seewasserstraßen die Teile des Küstenmeeres zählen, die als Schiffahrtswege (Fahrwasser) durch Seezeichen ausgewiesen sind; c) das Küstenmeer im Ganzen zu den Seewasserstraßen zählt. 7. Das Grundgesetz der Bundesrepublik vom 23. Mai 1949

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Die grundlegenden Bestimmungen für die Bundeswasserstraßen enthalten Art. 89 GG und nach seiner Maßgabe Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG. Nach Art. 89 Abs. 1 sind die Reichswasserstraßen nach dem Willen des Grundgesetzgebers ohne die Notwendigkeit eines weiteren Gesetzes oder Staatsaktes Bundeseigentum geworden, und zwar ausnahmslos. Der Möglichkeit, daß einzelne Reichswasserstraßen Landeseigentum gewesen sein könnten, wird kein Raum gegeben. Eine Entschädigung, die gemäß Art. 14 GG bei Enteignungen gezahlt werden muß, kommt auf Grund der Regelung des Art. 89 Abs. 1 GG also nicht in Betracht. 17 Mit den übergehenden Wasserstraßen werden alle natürlichen und künstlichen Binnen- und Seewasserstraßen erfaßt, auf denen ein nennenswerter Verkehr stattfindet oder auf Grund der Gegebenheiten stattfinden könnte. 18 Zur Frage der sachenrechtlichen Bestimmbarkeit siehe unten Rn. 158.

137

Mit dem Begriff Eigentum ist nicht die Gebietshoheit des Staates zu verwechseln; letztere kann nur bei den Ländern liegen; siehe dazu Rn. 181. Durch die Feststellung im Art. 89 GG, daß der Bund Eigentümer der Reichswasserstraßen geworden ist, blieb die Streitfrage, was als Seewasserstraßen zu gelten habe — das Küstenmeer im Ganzen oder nur die im Küstenmeer befindlichen Fahrrinnen — weiterhin offen und damit Gegenstand vieler Veröffentlichungen, die mit jeweils guten Gründen die eine oder die andere Position vertraten. 19 . Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen wird nach Art. 87 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 GG in bundeseigene Verwaltung, und zwar durch eigene Behörden geführt. 16

17 18 19

Registratur beim Verwaltungsgerichtspräsidenten in Oldenburg VI/211/112 IV. A./37; Tober (7) S. 578. Maunz-Dürig-Herzog, Kommentar zum G G , Art. 89 Rn. 27. Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 30. Dafür, daß das ganze Küstenmeer zu den Bundeswasserstraßen gehört, sprachen sich aus: Tober (7); Friesecke, in Die Wasserwirtschaftl961 S. 159; Maunz-Dürig, (17) Art. 89 Anm. 30; Kuhn, in SchlHA 1961 S. 45; Giese, Die Bundeswasserstraßen als Gegenstand der Bundeskompetenz, Rechtsgutachten, 1955, S. 9; Rutkowsky, in Die Wasserschutzpolizei, 1956 S. 1; Rimann, in SchlHA 1961, S. 71 f; Bernhard, in DVB1.1961 S. 570; Matthes, in Wasser- und Uferrecht, 1956, S. 95/96. OLG Schleswig vom 08.11.1963 in DVB1. 1965 S. 35 ff; BGHE. vom 24.02.1967 in DVB1. 1967, S. 537; OLG Oldenburg, Beschluß 3 Wx 4 2 / 6 1 - G A 190. Dafür, daß nur die Fahrrinnen zu den Bundeswasserstraßen gehören, waren: Heerfahrdt, Bonner-Kommentar, Art. 89, Anm. 1; Andresen in SchlkHA 1960 S. 45 f; Bochalli,

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

49

8. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) — Schleiurteil Der B G H bestätigt in einem grundlegenden Urteil über die Eigentumsfrage der Schlei 138 am 24.02.1967 20 , daß weder in der Weimarer Verfassung noch im Staatsvertrag und auch nicht im Grundgesetz der Begriff der Seewasserstraße geklärt worden ist. 21 Er ist der Ansicht, daß das Küstenmeer im Ganzen, also einschließlich des Wattenmeeres als Seewasserstraße zu gelten habe. Aber auch nach diesem Urteil blieb die Frage in der Literatur weiter umstritten. Die Rechtsprechung folgte der Ansicht des B G H .

9. Das Bundes wasserstraßengesetz vom 2. April 1968 (WaStrG)22 Das WaStrG beendet durch eine klare Definition des Begriffes „Wasserstraßen" die 139 früher bestehenden Meinungsverschiedenheiten. Es klärt den Inhalt des durch Art. 89 G G auf den Bund übergegangenen Eigentums an den Bundeswasserstraßen und ihrem Zubehör, regelt die Verwaltungsfragen und umreißt die Nutzungsrechte, die an den Bundeswasserstraßen nach Maßgabe ihrer Zweckbindung bestehen.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen 1. Die Grenze zwischen Binnen- und Seewasserstraßen Die Einordnung als Binnen- bzw. Seewasserstraße bestimmt sich nicht nach der 140 Möglichkeit, inwieweit Seeschiffe die Gewässer befahren können, sondern allein danach, wo der Gesetzgeber die Grenze zwischen Binnen- und Seewasserstraße gezogen hat. Neben den beiden Begriffen Binnen- und Seewasserstraßen unterscheidet man noch die beiden Begriffe Binnenschiffahrts- und Seeschiffahrtsstraßen. Da diese lediglich die Geltungsbereiche der Seeschiffahrts- und der Binnenschiffahrtsstraßenordnung bezeichnen, werden diese Grenzziehungen bei der Behandlung der Verkehrsvorschriften behandelt (Siehe Rn. 624). Seeschiffahrtsstraßen schließen Teile der Binnenwasserstraßen ein. Die Begriffe der Schiffahrtsstraßen gehören zum Verkehrsrecht, während Binnen- und Seewasserstraßen Begriffe des Wasserwegerechtes sind.

Die erste Grenzziehung zwischen Binnen- und See Wasserstraßen, die in der Anlage A 141 zum Staatsvertrag von 1921 (Siehe Rn. 130 ff) enthalten ist, wird in der Anlage zum § 1 Abs. 1 Nr. 1 WaStrG übernommen und zum Teil ergänzt:

20 21

22

Bes. Verwaltungsrecht 3. Aufl., 1967, S. 137; Giese, in Grundrisse des Staatsrechts, 5. Aufl. 1930, S. 146; Löffelmann, Bundeswasserstraßen im Grundgesetz, Diss. Köln, 1954, S. 38—40; Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich, RGZ 112, Anhang S. 18; Böhmert, Rechtsgutachten für den Hamburger Senat, S. 96 ff, 134 ff, zit. nach Wiedemann, Hans, Der räumliche Umfang der Bundeswassersraßen, in DVB1. 1965, S. 17 Anm. 1. DVB1. 1967 S. 535. Nochmals bestätigt durch das OLG Schlesw. Holst, vom 07.03.1980, VkBl Nichtamtl. Teil 1980 S. 500. N.F. BGBl. 1990 I S. 1818 FN A 9 4 0 - 9 .

50

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Eider: Elbe: Ems: Trave: Weser:

Verbindungslinie zwischen der Mitte der Burg (Tränke) und dem Kirchturm vom Vollerwiek, Verbindungslinie zwischen der Kugelbake bei Cuxhaven-Döse und der westlichen Kante des Deiches des Friedrich-Koogs (Dieksand), Verbindungslinie der nordöstlichen Deichdecke bei Hetoudeschit (ungefähre Lage 53° 26'5" N und 6° 52'4" O) und der vorspringenden Deichdecke westlich Pilaum (ungefähre Lage 53° 29'8" N und 7° 1'52" O) Verbindungslinie der Köpfe der Süderinnenmole und Norderaußenmole. Verbindungslinie zwischen dem Kirchturm von Langwarden und der Mündung des Ochstetter Bachs.

Die Grenzen der Elbe, Ems und Weser sind deckungsgleich mit den schon 1921 bestimmten Grenzen (Rn. 131). Der Nord-Ostsee Kanal ist Binnenwasserstraße. 2. Der Begriff der Seewasserstraßen 142

Was zwischen den Grenzen der Flüsse bzw. der Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser und der seewärtigen Küstenmeergrenze gelegen ist, sind die Seewasserstraßen. Sie umfassen — das gesamte Küstenmeer; — die Wasserflächen zwischen den Basislinien des Küstenmeeres und der Festlandküste bei mittlerem Hochwasser , bzw. den vorgenannten Abschlußgrenzen der Binnenwasserstraßen; — die Watten, da sie bei mittlerem Hochwasser vom Wasser bedeckt sind. Damit ist durch das WaStrG u. a. die alte Streitfrage, wem die Watten gehören, gelöst. Sie sind Eigentum des Bundes, aber gehören hoheitsrechtlich zu den Küstenländern.

143

Zwischen der inneren Küstenmeergrenze, soweit sie durch Inselküsten und die geraden Basislinien zwischen den Inseln bestimmt wird, und der Landküste liegen Innengewässer, die völkerrechtlich auch zu den Hoheitsgewässern gehören, aber einen vom Küstenmeer abweichenden Status haben (Rn. 27). Als Seewasserstraßen stehen sie ebenso wie das Küstenmeer im Privateigentum des Bundes, verfassungs- und staatsrechtlich gehören sie jedoch zu den Hoheitsgewässern der Länder Niedersachsen, Hamburg und SchleswigHolstein, was für die polizeilichen Exekutivbefugnisse und die Gerichtsbarkeit rechtlich bedeutsam ist.

144

Für die Basislinie zur Bemessung der Küstenmeerbreite spielt an der deutschen Nordseeküste die Tide eine wesentliche Rolle, da die Basislinie nicht nur von der mittleren Niedrigwasserlinie der der Küste vorgelagerten Ost- und Nordfriesischen Inseln, sondern auch, völkerrechtlich zulässig, von dazwischen liegenden, nur bei Niedrigwasser auftauchenden Sandbänken gebildet wird. Sie folgt von der Insel Borkum dem Küstenverlauf bis zur Insel Sylt. Die zwischen den Inseln liegenden Wasserflächen werden durch gerade Basislinien überbrückt, ebenso wie die Mündungstrichter von Weser und Elbe. Die Binnenwasserstraßengrenzen, die dort gezogen werden, wo der Charakter eines Flußlaufes verloren geht 23 und seewärtige Verhältnisse überwiegen, spielen für die Festlegung der geraden Basislinien in der Regel keine Rolle. Von den Flüssen der heutigen Bundesrepublik 23

Mintzel, Kurt, Bundeswasserstraßengesetz, Handkommentar 1969 S. 57/58.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

51

hat lediglich die Trave keinen Mündungstrichter, dort gibt es keinen Unterschied zwischen Basislinie und Binnenwasserstraßengrenze. Buchtenabschlußlinien dürfen unter den völkerrechtlichen Voraussetzungen des Art. 10 SRÜ als Basislinien verwendet werden. Im Abschn. 4 wird in einem Überblick über die Buchten der Bundesrepublik aufgezeigt, wo von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht worden ist. 3. Die Basislinien (Staatslandgrenze) Die Basislinien an den deutschen Küsten werden durch folgende Koordinaten be- 145 stimmt: a) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

Nordsee24 53° 53° 53° 53° 53° 53° 53° 53° 53° 53° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54°

41' 42' 44' 44' 45' 45' 46' 47' 47' 58' 17' 26' 39' 40' 45' 02' 04' 11' 11' 11' 10' 10' 10'

24" N 53" N 29" N 34" N 34" N 51" N 54" N 03" N 39" N 42" N 52" N 21" N 44" N 27" N 13" N 35" N 14" N 39" N 33" N 28" N 50" N 12" N 09" N

7° 7° 7° 7° 7° 7° 7° 7° 7° 8° 8° 8° 8° 8° 8° 8° 8° 7° 7° 7° 7° 7° 7°

04' 08' 21' 22' 29' 35' 41' 45' 50' 22' 33' 26' 17' 17' 16' 23' 23' 51' 55' 55' 55' 53' 53'

02" O (Juist) 54" O (Norderney) 41" O (Baltrum Riff) 41" O (Baltrum Riff) 02" O (Langeoog) 37" O(Langeoog) 32" O (Spiekeroog) 22" O (Spiekeroog) 57" O (Wangerooge) 36" O (Scharhörn Riff) 55" O (St Peter Boll) 39" O (Süderoog Sand) 27" O (Amrum) 12" O (Amrum) 37" O (Hörnum) 13" O (List) 30" O (Staatsgrenze) 46" O (Helgoland) 12" O (Helgoland) 18" O (Helgoland) 33" O (Helgoland) 48" O (Helgoland) 32" O (Helgoland)

Wie sich aus den Koordinaten ergibt, werden die Flußmündungen der Ems, Weser und Elbe in einer Entfernung vom Festland von ca. 10 sm überbrückt. b) Ostsee: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54° 54°

49'13" 47' 53" 33' 08" 29' 08" 27' 25" 26' 11" 21' 46" 21' 53" 22' 57"

N N N N N N N N N

9° 9° 10° 10° 10° 10° 10° 10° 10°

56'30" 54' 37" 01' 44" 08' 09" 11' 59" 19' 54" 36' 11" 53' 19" 55' 54"

O O O O O O O O O

(Staatsgrenze) (Kalkgrund) (Bokniseck) (Südost-Ufer, Eckernförde) (Bülk Leuchtturm) (Ufer) (Neuland) (Ufer Hohwacht) (Ufer)

24

Seekarte des Deutschen Hydrographischen Instituts, Nr. 50 sk.

146

52

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

10. 54° 27' 00" N 11. 54° 24' 10" N 12. 54° 11' 52" N

11° 00' 21" O (Fehmarn) 11° 18' 48" O (Staberhuk) 11° 05' 38" O (Dameshöved)

Zwischen den Punkten 7 und 8 (Hohwachter Bucht) und zwischen 11 und 12 folgt die Basislinie nicht weitgehend der Uferlinie. Dadurch ergeben sich hier in völkerrechtlicher Sicht größere Küstenmeerbreiten von 6 bzw. 7.5 sm. Da die Staatengemeinschaft sich im SRÜ auf eine 12 smBreite geeinigt hat, halten sich diese Breiten im zulässigen Rahmen. Allerdings ist damit auch an der Ostseeküste der Bundesrepublik die Einheitlichkeit der Küstenmeerbreite nicht mehr gegeben.

4. Die Buchten der Bundesrepublik (Siehe zu den völkerrechtlichen Erfordernissen einer Bucht Rn. 21.)

147

a) Die Deutsche Bucht Die Deutsche Bucht ist keine Bucht im völkerrechtlichen Sinne, da die Basislinie von Borkum nach Sylt im allgemeinen dem Verlauf der Küste folgt. b) Ems-Dollart Eine Buchtenabgrenzungslinie über den Dollart ist nicht möglich, da er durch die (noch nicht festliegende) Staatsgrenze zweier Staaten getrennt wird. Da nicht nur die Insel Borkum im Dollartgebiet liegt, sondern auch die Insel Juist, sind in der vom Hydrographischen Institut herausgegebenen Seekarte (50sK) selbst die beiden Inseln wegen der noch nicht festliegenden Staatsgrenze noch nicht durch eine gerade Basislinie verbunden. Die Basislinie beginnt erst am westlichen Ufer der Insel Juist. Falls eine Einigung über den Grenzverlauf zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik erreicht ist, kann die Basislinie entweder schon bei Borkumriff oder mit der natürlichen Basislinie der Insel Borkum beginnen.

148

Über den Grenzverlauf im Dollart und im Küstenmeer bestehen, wie im Ems-Dollart Vertrag vom 08. April 1960 im Art. 46 Abs. I 25 ausdrücklich festgestellt wird, zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik unterschiedliche Rechtsauffassungen, die sich jede Partei vorbehält. Der Vertrag regelt im übrigen verkehrsrechtliche Fragen für das Befahren des Ems-Dollartgebietes. Die Koordinaten der Emsmündung werden in der Anlage B zum Zusatzabkommen bestimmt. 26 Am 10. September 1984 wurde ein Kooperationsvertrag zwischen den Niederlanden und der Bundesrepublik 27 geschlossen, der die beiderseitige vereinbarte Modernisierung des Hafens Emden bzw. den Bau eines neuen Dollart-Hafens regelte; er konnte keine prinzipielle Einigung über den Verlauf der Staatsgrenzlinie im Dollart erreichen, wohl 25

26

27

Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Regelung der Zusammenarbeit in der Emsmündung (Ems-Dollart-Vertrag) vom 08.04.1960 - BGBl. 1963 II S. 602. Zum Ems-Dollart-Vertrag wurde am 14.05.1962 ein Zusatzabkommen geschlossen (betr. die Nutzungsrechte der im Grenzbereich vorkommenden Bodenschätze) — BGBl. 1963 II S. 652 - . Am 17.11.1975 wurde eine Änderung des Vertrages vom 08.04.1960 vereinbart (BGBl. 1978 II S. 310); die Grenzfrage wurde darin nicht berührt. Zustimmungsgesetz vom 17.03.1986 (BGBl. II S. 509); dazu die Berichte anläßlich der Paraphierung, A d G 1984 S. 2716.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

53

aber konnte für funktionale Zwecke die Grenzfrage endgültig geklärt werden. Das von beiden Staaten beanspruchte Gebiet wurde aufgeteilt. Ein Teil des als Aufschüttung vorgesehenen Geiserückens wurde dabei den Niederlanden als Staatsgebiet zugesprochen. c) Jadebusen Der Jadebusen ist eine Einbuchtung südlich der Linie Wilhelmshaven — Eckwarden. 149 Er stellt im geographischen Sinne eine typische Meeresausbuchtung dar. Völkerrechtlich tritt der Jadebusen dagegen nicht in Erscheinung, da — wie oben dargestellt — die gerade Basislinie von der Insel Wangerooge nach Scharhöm Riff verläuft und damit in einer Entfernung von ca. 20 sm nicht nur den Jadebusen, sondern auch die ganze Wesermündung überspringt. Der Jadebusen ist insgesamt Seewasserstraße im Gegensatz zur Wesermündung, deren innerer Teil Binnenwasserstraße ist (Siehe Rn. 134). d) Meldorf er Bucht Auch die Meldorfer Bucht an der Westküste Schleswig-Holsteins ist nur geographisch eine Bucht. Sie tritt völkerrechtlich nicht in Erscheinung, da sie von der geraden Basislinie, die in einer Entfernung von ca. 13 sm Scharhörnriff mit St.Peter Boll verbindet, überbrückt wird. e) Lübecker Bucht Auch hier handelt es sich um eine Bucht, die z. Z. noch zwei Staaten trennt und daher 150 eine Buchtenabgrenzungslinie im Sinne der Buchtenregelung des Art. 10 SRÜ z.Z. nicht ermöglicht. Die Innerdeutsche Grenze zwischen der Bundesrepublik und der DDR, die gemäß Grundlagenvertrag von 197228 ein souveräner Staat ist,*) wird durch folgende Koordinaten bestimmt: 29 53° 53° 53° 54° 54°

57' 57' 59' 02' 03'

30" 55" 38" 36" 45"

N N N N N

10° 10° 10° 11° 11°

54' 54' 56' 00' 02'

18" 18" 30" 36" 45"

O O O O O

*) Nach dem Zusammenschluß beider Staaten stellt diese Grenze die Landesgrenze zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg dar. Die innere Lübecker Bucht ist dann eine Bucht im völkerrechtlichen Sinne, mit der Buchtenabschlußlinie Dameshöft — Mecklenburger Küste (ca. 21.5 sm).

f ) Hohwacht er Bucht Sie ist im völkerrechtlichen Sinn keine Bucht, da sie im Hinblick auf die Buchtenre- 151 gelung nicht tief genug in das Festland hineinragt und daher nur eine Krümmung der. Küste darstellt. Dennoch wird sie auf der Karte 67sk des Deutschen Hydrographischen Instituts durch eine gerade Linie überbrückt. Sie folgt zwar dem Verlauf der Küste nicht ganz, was aber mit der völkerrechtlich möglichen Küstenmeerbreite vereinbar ist (Siehe Rn. 27 und — zu dem Rechtsstreit über die dortigen Anlandungen — Rn. 138). 28 25

Gesetz über den Grundlagenvertrag vom 21.12.1972 (BGBl. 1973 I I S. 421). Die Koordinaten aus der Zweiten DurchführungsVO zum Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzverordnung) vom 20.12.1984, in GBl. der DDR, Teil I Nr. 37 vom 28.12.1984 S. 441. Das Grenzgesetz ist vom 25.03.1982 (GBl. I Nr. 11 S. 197).

54

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

g) Kieler Förde Eine Förde oder auch Fjord ist ein tiefer und schmaler Einschnitt in das Festland, der generell nicht breiter als 3 sm ist. Die Kieler Förde ist in geographischer Hinsicht nicht mehr als 3 sm breit. Die Basislinie, die sie überbrückt, hat eine Länge von 3.5 sm und ist eine Buchtenbegrenzungslinie, die die völkerrechtlichen Anforderungen des Art. 10 SRÜ erfüllt.

152

h) Eckernförder Bucht Hier handelt es sich um eine echte Bucht im völkerrechtlichen Sinne. Die Öffnungsbreite ist ca. 4 sm. Die in den deutschen Seekarten ausgedruckte Basislinie ist eine Buchtenbegrenzungslinie im Sinne des Art. 10 SRÜ. i) Die Flensburger Förde Im geographischen Sinne ist die Förde eine echte Bucht, fallt jedoch nicht unter Art. 10 SRÜ, da die Staatsgrenze zwischen Dänemark und der Bundesrepublik mitten durch die Förde verläuft. Die deutschen Küstengewässer gehen nur bis zur Mitte der Förde und sind z. T. von sehr geringer Breite. Die ganze Förde ist bis zum Flensburger Hafen Seewasserstraße. 5. Das Eigentum an öffentlichen Sachen, insbesondere an den Bundeswasserstraßen

153

Wenn auch die Begrenzung nunmehr unstreitig geworden ist, so besteht hinsichtlich der Frage, ob der Bund Eigentümer der im § 1 WaStrG definierten Seewasserstraßen geworden ist, deshalb Zweifel, weil nach § 3 Abs. 2 des Bundesjagdgesetzes diese Gebiete zu den eigentumslosen gehören könnten. § 3 Abs. 2 lautet: Auf Flächen, an denen kein Eigentum begründet ist, steht das Jagdrecht den Ländern zu.

Nach der Kommentierung 30 gehören zu diesen eigentumslosen Gebieten die offenen Meeresbuchten, die Küstengewässer und auch die Meeresstrände. Daher soll die Frage des Eigentums an öffentlichen Sachen, insbes. an den Wasserstraßen, näher untersucht werden. Im Zusammenhang damit müssen auch die Nutzungsrechte dargestellt werden.

154

a) Der Staat (der Bund) als Eigentümer Daß der Staat als eine juristische Person des öffentlichen Rechtes wie andere juristische Personen des Zivilrechtes rechts- und handlungsfähig ist und damit Eigentum erwerben kann, ist anerkannt. Im Unterschied zu den juristischen Personen des Zivilrechtes ist der Staat eine Gebietskörperschaft und zwar im Unterschied zu den Gemeinden und Städten mit ursprünglicher Herrschaftsgewalt.

Das gilt uneingeschränkt für Sachen, die keinem öffentlichen Zwecke dienen oder deren öffentliche Zweckbestimmung weggefallen ist, (z.b. stillgelegter Bahnhof). Hier kann der 30

Mitschke-Schäfer Kommentar zum Bundesjagdgesetz v. 29.11.1952 (BGBl. 1952 I S. 780) 3. Aufl. 1971 S. 36, Anm. 7 zu § 3 Abs. 2. Das BJagdG gilt jetzt i. d. F. d. Bek. vom 29.09.1976 (BGBl. I S. 2849) - s. Schönfelder Nr. 28 - . § 3 Abs. 2 ist aber unverändert.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

55

Staat wie eine Privatperson verfügen; es kommt die sogenannte Fiskustheorie zur Anwendung. 31 Fraglich ist jedoch der Umfang der Sachherrschaft des Staates im Hinblick auf öffentliche Sachen. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind in ihrer Eigentumsfähigkeit nur dann einer Privatperson gleichgestellt, wenn keine öffentlichen Zwecke ihre Sachherrschaft begrenzen. b) Die Sachherrschaft beim Eigentum an öffentlichen Sachen Die Sachherrschaft wird in den §§ 903 und 90 BGB wie folgt geregelt: Gemäß § 903 155 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen. Die Sache selbst wird in § 90 BGB als körperlicher Gegenstand definiert. Dazu gehören auch Grundstücke; sie sind von anderen Grundstücken unterscheidbar begrenzt und rechnen zu den unbeweglichen Sachen. Dies gilt auch für Binnen- und Seewasserstraßen. Die Grundstücksgrenzen eines Flusses bilden die Ufer und die Linien, die als Grenze der Schiffbarkeit einerseits und als gesetzliche Grenze der Binnenwasserstraße andererseits (siehe Rn. 161) festgestellt worden sind. Bei den Seewasserstraßen sind die Grenzen durch die Küstenlinien einschließlich der Binnenwasserstraßengrenzen und die Staatsgrenzen gegeben. Allerdings wird hierbei das Wasser unberücksichtigt gelassen. Zur Frage des Wassereigentums vergleiche auch Rn. 165. Hier gelten für das Eigentum gegenüber dem in § 903 BGB geregelten Normalfall 156 Besonderheiten. Schon bei der Begründung des Bundeseigentums kommt der Schiffbarkeit des Flusses Bedeutung zu. Die Schiffbarkeitsgrenze wird vom Bund im Einvernehmen mit den Ländern (§ 24 Wasserhaushaltsgesetz) festgelegt. An dieser Grenze beginnt die in das Eigentum des Bundes übergehende Bundeswasserstraße. Der zivilrechtlichen Einigung und Auflassung (§§ 873, 925 BGB) bedarf es nicht, wohl aber einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung gemäß § 2 WaStrG. 32 Sachen, wie z. B. Straßen, Kanäle usw. sind nur geschaffen worden, um öffentliche 157 Zwecke zu erfüllen, und natürliche Sachen, wie z. B. schiffbare Flüsse, sind der Nutzung durch die Öffentlichkeit gewidmet worden. Das private Recht, mit seinem Eigentum nach Belieben zu verfahren, tritt wegen der öffentliche Widmung zurück, so daß jede Art von Verfügungsrecht ausscheidet.33 Da nach dem Wortlaut des § 903 BGB Beschränkungen durch Gesetz und Rechte Dritter möglich sind, kann vom Wortlaut her der Bund an öffentlichen Sachen Privateigentum haben. Da aufgrund des öffentlichen Zweckes die volle privatrechtliche Sachherrschaft an öffentlichen Sachen nicht bestehen kann, 34 diese aber für sich das Wesen des Eigentums darstellt, ist vielfach der Schluß gezogen worden, daß es an öffentlichen Sachen überhaupt kein Privateigentum geben kann und daß dem privatrechtlichen ein öffentliches Eigentum gegenüberzustellen sei. 31

32 33

34

Zur Fiskustheorie siehe Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Bd. Allgem. Teil, München 1973, S. 122 ff. BVerwGE 9 S. 50 (58); s. zum Eigentumsübergang, RGZ 31, S. 217. Mayer, Otto, Deutsches Verwaltungsrecht, in Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft, 6. Abtlg. 2. Bd. 3. Aufl. München 1924 S. 39 ff; v.Gierke, Otto, (6) S. 2 0 - 2 2 . BVerGE vom 18.12.1968 in DVB1. 1969 S. 161. Mintzel (23) S. 61; Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 20, 32 Anm. 1.

56

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

158

So verwenden Z. B. die §§ 4 und 5 des Württembergischen Wassergesetzes, der § 4 des Hamburgischen Wegegesetzes und der § 4 a des Hamburgischen Wassergesetzes in der Fassung der Hamburger Deichordnung vom 29.04.1964 den Begriff des öffentlichen Eigentums. 35 Auch das französische Recht, das mit seiner Trennung von privatem und öffentlichem Recht auch für das deutsche Recht vorbildlich geworden ist, kennt den Begriff des öffentlichen Eigentums (domaine public). In der deutschen Literatur ist es insbesondere Otto Mayer, der für ein öffentliches Eigentum an öffentlichen Sachen eintrat. 36 Doch er konnte sich mit seiner Auffassung nicht durchsetzen. Weder Gierke 37 noch Forsthoff 38 sehen eine Notwendigkeit, den Begriff des öffentlichen Eigentums einzuführen. Wenn auch die öffentliche Zweckbestimmung den absoluten Vorrang vor kollidierenden privatrechtlichen Bestimmungen haben muß, würden sich im Falle, daß die öffentliche Zweckbestimmung nicht berührt wird (z. B. bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht), die Schadensersatzansprüche des Verletzten der Zivilgerichtsbarkeit entziehen, was jedoch nach der Rechtsprechung des BGH nicht möglich ist. 39

159

Da das deutsche öffentliche Recht für das Eigentum besondere Normen weder für das Haftungsrecht, noch für die Abwehr von Eigentumsstörungen (§ 1004 BGB) aufgestellt hat, wird die Geltung des privatrechtlich geregelten Eigentums von der herrschenden Meinung auch an öffentlichen Sachen anerkannt, 40 allerdings mit der Einschränkung, daß jede fiskalische Handhabung des Bundes ausgeschlossen ist. 41 Wenn also der Begriff des „öffentlichen Eigentums" in Gesetzen verwandt wird, so bezeichnet er nicht ein unterschiedliches Eigentum, sondern nur das Eigentum an besonderen, nämlich öffentlichen Zwecken dienenden Sachen. 42

160

In diesem Sinne setzt sich das BVerfG mit dem oben erwähnten Hamburgischen Wassergesetz auseinander, 43 das im § 4 a vbn öffentlichen Eigentum spricht, und kommt zu dem Schluß, daß es sich von den materiellen Möglichkeiten her nur um ein Etikett für öffentliche Sachen handeln könne. 44 Das WaStrG und das Wasserhaushaltsgesetz schließen wegen des öffentlichen Zweckes jedes fiskalische Handeln des Bundes an den Wasserstraßen aus. Ein „öffentliches Eigentum" gäbe ihm nichts, weil damit die Befug35

36 37 38 39 40 41 42

43 44

GVB1. 1964 S. 79; Siehe dazu auch Dürig, Günther, Verträge zwischen Gliedstaaten im Bundesstaat, in Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer, Heft 19, Berlin 1961, S. 133. Zum Württembergischen Wassergesetz siehe Sievers, Rudolf, Die Problematik zum Wasserrecht, in DVB1. 1962 S. 317 Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 20, Anm. 1. Mayer, Otto (33) S. 40. Gierke von, Otto (6) S. 2 0 - 2 2 . Forsthoff (31) S. 378 ff. BGHZ 49 S. 68, auch im DVB1. 1968 S. 592. Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 19, 20. BVerwGE 9 S. 50; Forsthoff (31) S. 381. Gieseke, Paul, Sozialbindungen des Eigentums im Wasserrecht, in Das Deutsche Privatrecht in der Mitte des 20. Jahrhunderts, Festschrift für Heinrich Lehmann 1. Bd.,1956 S. 314; HoltzKreutz-Schlegelberger, Das Preußische Wassergesetz vom 07.04.1913, 3. Aufl. 1929, Anm. zu § 1 Ziff.9 S. 3f. BGH-Urteil vom 24.11.1967 - BHZ 28 S. 34: Eigentum ist Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts; Salzwedel Jürgen, Gedanken zur Fortentwicklung des Rechts der öffentlichen Sachen, in DÖV 1963 S. 241; BVerwGE 9 S. 50; Forsthoff (31) S. 380. BVerfGE 24 S. 367. Forsthoff (31) S. 380, 381; BVerfGE von 18.12.1968 in DVB1. 1968 S. 191; Salzwedel (42) S. 244.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

57

nisse des Bundes weder erweitert noch geschmälert werden könnten. 45 Selbst aus der Folgerung, daß nach dem Bundesjagdgesetz die Küstengewässer eigentumslos seien, folgt nur, daß Nutzungen wie die Jagd auf Seevögel so ausgeübt werden können, als wenn kein Eigentümer vorhanden wäre. Es besteht in einem solchen Fall für den Bund in seiner Funktion als Garant des Schiffsverkehrs weder ein zivilrechtlicher Abwehranspruch (§ 1004 BGB), noch kann dem Bund als zweckgebundenem Eigentümer einer öffentlichen Sache ein Jagdrecht zustehen. Unberührt bleiben für den Bund die privatrechtlich geregelten Haftungs- und Abwehransprüche im Falle der Beeinträchtigung der öffentlichrechtlichen Zweckbindung. c) Ergebnis für die Bundeswasserstraßen Für Kanäle, schiffbare Flüsse und das Küstenmeer ist zweifelsfrei, daß sie öffentliche 161 Sachen sind; daß aber das Eigentum des Bundes trotz der sehr umfassenden öffentlichen Zweckbestimmung der Wasserstraßen privatrechtlicher Natur ist, wird durch § 8 des Wasservermögensgesetzes46 ausdrücklich dadurch bestätigt, daß sogar die für den Eigentumserwerb notwendige Grundbucheintragung an Wassergrundstücken vorgesehen ist. 47 Ob auch für das Küstenmeer eine Grundbucheintragung zu erfolgen hat, ist aus diesem Gesetz nicht ersichtlich. Im Grunde ist hier wegen der klaren Abgrenzung gegenüber Grundstücken an Land die gesetzliche Bestimmung, daß das Küstenmeer im Eigentum des Bundes steht, trotz fehlender Grundbucheintragung zweifelsfrei. 48 Die Begrenzung der Fahrrinnen im Küstenmeer durch Seezeichen ist sachenrechtlich irrelevant, abgesehen davon , daß sie auf Grund der sich stets ändernden Verhältnisse des Meeresbodens auch die sachenrechtlichen Voraussetzungen der Begrenzbarkeit eines Grundstückes nicht erfüllen würden. Seezeichen haben nur Sicherheitsaufgaben zu erfüllen. 49

Die Art des Eigentums ist, weil nicht nur das Flußbett bzw. der begrenz bare Meeres- 162 boden Eigentum werden soll, sondern auch die nicht begrenzbare „fließende Welle" weder Mobilien- noch Immobilieneigentum. Aus diesem Grunde greift man hier auf eine besonderes Wassereigentum zurück. 50 Die nach dem BGB für das Eigentum geforderte Bestimmbarkeit kann hinsichtlich des Wassers entfallen, wenn man der Ansicht folgt, daß die Verfassungsbestimmung des Art. 89 GG nicht an die Voraussetzungen des sachenrechtlichen Eigentums nach einfachem Gesetz (BGB) gebunden ist.51 45

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OHG-Urteil vom 08.11.1963, DVB1 1965 S. 36; hier wird die Notwendigkeit des Eigentums an dem gesamten Küstenmeer auch noch aus der Anlage A des Staatsvertrages von 1921 hergeleitet. Das Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen vom 21.05.1951 — BGBl. 1951 I S. 352 — bestimmt, daß die Bundeswasserstraßen im Privateigentum des Bundes stehen. Otto Mayer (33) S. 66 war 1924 noch der Ansicht, daß die Anwendbarkeit der Grundbuchordnung sich nicht von selbst verstehe. Kübler, Karl, Rechtseinheit im Wasserrecht? (Bemerkungen zur 5. Vortragsveranstaltung des Instituts für das Recht der „Wasserwirtschaft an der Universität Bonn am 23.10.1960), in DOV 1961 S. 9 3 5 - 9 3 7 , vergl. dazu aber v.Gierke (6) S. 314/315; Mayer (33) S. 63; Sievers in DVB1. 1960 S. 457 (460). Sievers, Rudolf, Die Problematik der Landesgesetzgebung zum Wasserrecht, in DVB1. 1962 S. 321. OHG-Schlesw.Holst. vom 08.11.1963 (Schlei) DVB1. 1965 S. 35 ff; Tober (7) S. 577; Vergl. dazu aber auch Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89, Rn. 31 Anm. 2. Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 24, Anm. 2. Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 89 Rn. 31, Anm. 2.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

In Übereinstimmung mit dem BGH 52 ist also abschließend festzustellen, daß das Eigentum des Bundes an den Wasserstraßen als öffentlichen Sachen privatrechtlich ist, obwohl ein fiskalisches Verfügungsrecht nicht besteht. 6. Nutzungsrechte an den Bundeswasserstraßen 163

a) Nutzungsrechte an öffentlichen Sachen Das Recht zu Nutzung öffentlicher Sachen kann auf verschiedene Weise erlangt werden: aa) Gemeingebrauch (einfacher) Eine gesetzliche oder wenigstens einheitliche Definition des Gemeingebrauchs gibt es z.Zt. nicht; in der Literatur hat man sich über den Inhalt des Begriffes noch nicht einigen können. Nach Forsthoff 53 liegt Gemeingebrauch vor, wenn die öffentlichen Sache jedermann oder mindestens einem nicht individualisierten Personenkreis zur Nutzung ohne besondere Zulassung eröffnet ist. Das Recht kann ein subjektiv-öffentliches Recht sein, das eine Person mit Erlangung der Rechtsfähigkeit erwirbt. Hierher gehört z. B. das Recht,öffentliche Wege zu begehen, in öffentlichen Gewässern zu baden oder mit Handgefaßen Wasser zu schöpfen. In diesen Fällen steht die öffentliche Sache, wie man es in der Rechtssprache nennt, im (einfachen) Gemeingebrauch. 54

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Der einfache Gemeingebrauch bleibt im Grunde unberührt, wenn er durch Wassergesetze anerkannt wird; darum kann auch § 23 des Wasserhaushaltsgesetzes55 widerspruchsfrei feststellen, daß jedermann die oberirdischen Gewässer in dem Umfange benutzen kann, der dem landesrechtlichen Gemeingebrauch entspricht. Damit ergeben sich für die bundeseigenen Gewässer landesrechtliche Klarstellungen. So wird im § 26 des Wassergesetzes für Baden-Württemberg 56 festgestellt, daß Baden, Schwimmen, Waschen, Wasserschöpfen mit Handgefäßen, Trinken, Eislaufen und ähnliche unschädliche Verrichtungen zum Gemeingebrauch gehören, ebenso das Befahren der Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne Triebkräfte. Dasselbe gilt dann, wenn z. B. § 6 WaStrG, den Gemeingebrauch voraussetzend, zweckgerichtete Änderungen zuläßt. Aus der Trennung zwischen Befahren der Wasserstraßen (§ 5 WaStrG) und sonstige Nutzungen (§ 6 ) folgt, daß das Befahren der Wasserstraßen nicht mehr zum einfachen Gemeingebrauch gehört. 57 hh) Gesteigerter Gemeingebrauch Das Benutzungsrecht kann, wenn die Benutzung allen Personen zustehen soll, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, durch Gesetz begründet werden; hierher gehört z. B. die in § 5 WaStrG erlaubte Schiffahrt auf den Wasserstraßen. In diesen Fällen steht die öffentliche Sache nach der Rechtssprache im „gesteigerten" Gemeingebrauch. Nicht 52 53 54 55

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BGHZ 49 S. 68, DVB1. 1968 S. 592; BGHZ 28, S. 34; Salzwedel (42) S. 241. Forsthoff (66) S. 390. Zum gesteigerten Gemeingebrauch siehe Rn. 165. Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz — WHG) i.d. Fassung vom 23.09.1986 - BGBl. I S. 1539, ber. I S. 1654, Sartorius Nr. 845. Gesetz vom 25.02.1960, GBl. S. 17. Frieseke, (4) S. 97 f.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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nur Friesecke 58 spricht von einer „jedermann zustehenden Gebrauchsbefugnis". Mintzel 59 sieht in der Nutzung durch Befahren nur eine Art intensivierten Gemeingebrauch und unterscheidet demzufolge zwischen einem großen und kleinen Gemeingebrauch. Ähnlich das OLG Karlsruhe. 60 ccj

Sondernut^ung Sieht das Gesetz für die Nutzung der Sache nicht nur die Erfüllung bestimmter 166 Voraussetzungen, sondern darüber hinaus für den Einzelfall eine besondere Genehmigung oder Bewilligung vor, so spricht man bei der eingeräumten Nutzung von einer „Sondernutzung". Beispiel: Recht zum Legen einer Rohrleitung durch die Wasserstraße. dd)

Anstaltsnut^ung Ist eine öffentliche Sache ihrer Grundlage nach nicht Bestandteil der Natur, sondern 167 wird sie von einer Gebietskörperschaft für bestimmte öffentliche Zwecke erst geschaffen und der Öffentlichkeit nach Maßgabe einer Benutzungsordnung — meist gegen Entrichtung einer Gebühr — zur Verfügung gestellt, dann bezeichnet man die betr. Sache als „Öffentliche Anstalt" und deren Nutzung als Anstaltsnutzung. Es gibt inhaltliche Überschneidungen der Begriffe und auch Grenzfalle, wobei jedoch der Streit über die juristische Zuordnung im Grunde nutzlos ist, weil die Öffentlichkeit nur wissen möchte, unter welchen Voraussetzungen sie eine öffentliche Sache nutzen darf und hierfür aus der rechtlichen Klassifizierung der öffentlichen Sache keine exakte Schlußfolgerung zu ziehen vermag. Es darf nicht übersehen werden, daß selbst der einfache Gemeingebrauch als subjektiv- 168 öffentliches Recht eingeschränkt oder gar beseitigt werden kann, wenn dies aus Gründen des allgemeinen Wohles notwendig ist, ohne daß es dazu wie im Falle des § 6 WaStrG einer besonderen Gestattung im Gesetz bedarf; z. B. Badeverbot bei Verseuchung öffentlicher Gewässer.61 b) Zuordnung der Nutzungsrechte an den Bundeswasserstraßen Betrachten wir unter Würdigung dieser Grundsätze die im Rahmen des Seerechts 169 wichtigen Bundeswasserstraßen, so ergibt sich: aa) Natürliche Wasserstraßen Für das Befahren der natürlichen Bundeswasserstraßen mit Wasserfahrzeugen besagt § 5 WaStrG:„Jedermann ist das Befahren der Wasserstraßen gestattet". Es handelt sich also hier nicht um ein subjektiv-öffentliches Recht des (einfachen) Gemeingebrauches, auch nicht in der Gestalt des § 6 WaStrG in Verbindung mit Landesgesetzen, sondern um eine jedermann offenstehende Befugnis, nach obiger Klassifizierung also um „gesteigerten Gemeingebrauch". 58 59 60

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Friesecke,(4) S. 98 ff. Mintzel, (23)S. 65. OlG Karlsruhe, Beschluß vom 10.12.1969, DVB1. 1970 S. 395. Die Benutzung eines Wohnbootes hält sich nicht im Rahmen des Gemeingebrauches. Vergl. dazu Salzwedel (42) S. 241; Forsthoff (31) S. 412; v.Gierke, (6) S. 24; Mayer (33) S. 77; Hanseatisches OLG Bremen, Urteil vom 07.07.1971, in VkBl. Nichtamtl. Teil 1973 S. 115.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

bb) Kanäle Soweit Kanäle Bundeswasserstraßen sind, fallen sie wie die natürlichen Wasserstraßen unter § 5 WaStrG. Auch hier besteht also eine allgemeine Gebrauchsbefugnis. Als künstliche, ausschließlich für die Schiffahrt geschaffene Einrichtung hätte man die Kanäle als öffentliche Anstalten auffassen und ausgestalten können. Dies ist nicht geschehen, denn es gibt keine von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion (WSD) als Kanalverwaltung erlassene Anstaltsordnung; vielmehr ergeben sich die Benutzungsbedingungen aus dem Gesetz oder danach erlassenen Rechtsverordnungen. Im Gegensatz zu den natürlichen Wasserstraßen gibt es hier nicht den einfachen Gemeingebrauch. cc)

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Schiffahrtseinrichtungen Signalstellen, Anlegestellen, Brücken, Ladeeinrichtungen u. a. dienen als Schiffahrtseinrichtungen zwar der Schiffahrt, sind aber nicht ihr Wesensbestandteil. Der Bund als Eigentümer der dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Bundeswasserstraßen ist berechtigt, solche Anlagen selbst zu errichten. Dritte können die Errichtung auch nicht im Rahmen der Gestattung nach § 5 WaStrG wahrnehmen, sondern benötigen dazu eine besondere Erlaubnis gemäß § 31 WaStrG. Dabei ist der Bund als Eigentümer nicht in derselben Position wie der Privatbesitzer eines Grundstückes. Er steht unter dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit des Art. 20 GG, d. h. er ist verpflichtet, besondere Grundsätze der Verfassung zu beachten, wozu insbesondere das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG gehört. Gemäß der Entscheidung des BVerfG62 ist der Gleichheitssatz verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst ein sachlicher einleuchtender Grund für die Nichtbeachtung des Gleichheitssatzes nicht finden läßt, kurzum, wenn die Entscheidung als willkürlich bezeichnet werden muß. Damit kann nicht einem Bewerber zur Errichtung einer Schiffsanlegestelle die Erlaubnis versagt werden, wenn sie einem anderen bei Vorliegen der gleichen Umstände erlaubt worden ist. 7. Watten und Strand Wattgebiete63

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a) Die Das Völkerrecht unterscheidet bei der Unterteilung der Erdoberfläche nur zwischen Gewässer und Land. Dort wo beide Gebietsteile — wie in der Bundesrepublik — an flachen Küsten zusammenstoßen, gibt es Flächen, bei denen die Zuordnung zu einem der beiden Begriffe Schwierigkeiten bereitet, weil sie gelegentlich oder infolge des Tideeinflusses in regelmässigem Wechsel als Land bzw. als Wasserfläche erscheinen. Dieses Gebiet wird landwärts durch die Grasnarbe und die Dünenbildung der Landküste und seewärts durch die Linie des (mittleren) Niedrigwasserstandes begrenzt. Es wird mit den beiden Begriffen „Strand" und „Watten" erfaßt, die untereinander bis in die neueste Zeit nicht scharf abgegrenzt werden. Watten oder Wattgebiete sind die vegetationslosen Sandgebiete an der deutschen Nordseeküste, die in einem stets gleichbleibenden Rhythmus bei Flut überströmt werden und bei Ebbe trockenfallen. 62 63

BVerfGE 1 S. 14 (Leitsatz 18). Vergl. dazu Lüders Karl, Kleines Küstenlexikon, 2. Aufl. 1967, S. 230; Krause/Dünow, Der Rechtsstatus von Wasserwegen in DVB1. 1965 S. 592.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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Strand ist die Sandfläche seewärts der Grasnarbe und Dünenbildung an der Nordseeküste. Ob die trockenfallenden Wattgebiete dazu gehören, „Strand" also gegenüber „Watten" ein Oberbegriff ist, war unklar. Ältere Rechte, wie z. B. das Römische Recht oder in neuerer Zeit das Allgemeine Landrecht von 1797 rechnen die Watten dem Strand zu. Auch nach Ansicht des Reichsgerichts 64 gehören die Watten zum „Meeresstrand"; das Gericht folgt damit dem allgemeinen Sprachgebrauch, der damals zwischen Strand und Meeresstrand nicht unterschied und mit beiden Begriffen — anders z. T. die ältere Literatur — die gesamte Fläche bezeichnet, die seewärts an die Grenze der Grasnarbe und Dünenbildung anschließt, unabhängig davon ob sie bei Flut von Wasser bedeckt ist oder nicht. Geologisch wird das Wattengebiet dem Meer und nicht dem Festland zugeordnet. 65 Heute besteht über die Grenze zwischen Wattgebiet und Strand kein Zweifel mehr, 174 wenn auch für die rechtliche Fixierung mehrere Schritte nötig sind: — Völkerrechtlich ist als normale Basislinie für die Bemessung der Küstenmeerbreite die (mittlere) Niedrigwasserlinie entlang den Festland- bzw. Inselküsten vorgesehen (Art.3 des Übereinkommen v. 1958 über das Küstenmeer und die Anschlußzone 66 = Art. 5 SRÜ). — Diese Niedrigwasserlinie ist gleichbedeutend mit der seewärtigen Grenze des Wattgebietes; (sie wird als Wattlinie bezeichnet, ist in den Seekarten der Nordsee verzeichnet, bildet einen Teil der Basislinien des Küstenmeeres und ist damit gleichzeitig die Staatslandgrenze). 67 — Gewässer landwärts der Basislinie gehören völkerrechtlich zu den Inneren (Hoheits-) Gewässern des Küstenstaates (Art. 5 Abs. 1 des o. a. Übereinkommens von 1958, Art. 8 Abs. 1 SRÜ). — Diese Gewässer sind nach deutschem Recht Teil der Seewasserstraßen, als deren landwärtige Grenze § 1 Abs. 2 WaStrG die „Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser ..." bestimmt. Ergebnis: Die Küstenlinie bei mittlerem Hochwasser ist die Grenze zwischen dem Wattgebiet als Teil der Bundeswasserstraßen und dem Strand als Teil der festen Landküste. Im sachenrechtlichen Sinne sind die Wattengebiete Grundstücke des Bundes. Ihrer 175 Zweckbestimmung nach haben sie der Allgemeinheit zu dienen, was insbesondere durch die Erklärung großer Teile dieser Gebiete zu Landschaftsschutzgebieten deutlich wird. 68 Damit wird der einfache Gemeingebrauch, z. B. die Watten betreten und auch bei Flut baden zu können, nicht eingeschränkt. Der Fischfang steht nur Deutschen offen; sie haben also auf dem Wattenmeer als Teil der Seewasserstraßen ein Recht zum gesteigerten

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RGZ 44, S. 124; Lüders Karl (63) S. 121; Ewald H., Strandungordnung v. 17.05.1874, Hamburg 1955, S. 19. OLG Oldenburg Urteil v. 03.05.1926, in Zeitschr. f. Verwaltung und Rechtspfl. in Oldenburg, Bd. 53 S. 225 (zit. bei Bernhard, Zum Wasserreinhaltungsgesetz, in DVB1. 1961 S. 571). A.A. Casper, RuPrVBl. 1928 S. 437; Matthes, Das Wasser- und Uferrecht, 1956, S. 233 (zit. bei Krause/ Dünow (63) S. 592 Anm. 4). Vergl. dazu Teil A Anm. 12. Hellfritz, Der Meeresstrand im preußischen öffentlichen Recht der Gegenwart, in Festschrift für das PrOVG, 1925, S. 62 ff. (zit. bei Krause/Dünow (63) S. 592 Anm. 59). LandschaftsschutzVO 1986.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Gemeingebrauch, jedoch kein subjektiv-öffentliches Recht. 69 Nicht berufsmäßiges Krabbenfangen, z. B. durch Badegäste, ist auch Ausländern erlaubt. 176

Bei Flut ist das Wattenmeer Teil der Wasserstraßen. Polizeilich gehören die Watten dann, soweit es den Schiffsverkehr oder vom Schiffsverkehr ausgehende Gefahren angeht, zum sachlichen Zuständigkeitsbereich der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes, und für den polizeilichen Vollzug ist gemäß der getroffenen Verwaltungsvereinbarungen zwischen dem Bund und den Küstenländern (Rn. 816) die Wasserschutzpolizei der Länder zuständig. 70 Für die Zeit der Ebbe, in der Schiffsverkehr im Wattengebiet nicht möglich ist, haben auf den Watten primär die Länder nach ihren Polizeigesetzen die Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrzunehmen. Praktisch wird die Gefahrenabwehr in der Regel den Gemeinden obliegen, die an das Wattgebiet angrenzen. Das trockenfallende Wattengebiet gilt polizeilich als erweiterter Gemeindebezirk.

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Wattenwege, von denen der zwischen Cuxhaven-Duhnen und Neu werk eine wichtige Verkehrsverbindung darstellt, haben einen durch Tideeinflüsse wechselnden Verlauf, der jährlich im Frühjahr neu erkundet und durch auf Stangen befestigte Reisigbündel (Pricken) gekennzeichnet wird. Mangels einer festen Trasse können sie als Wege weder sachenrechtlich erfaßt noch verwaltungsrechtlich durch Widmung öffentliche Verkehrswege werden. Wattenwege sind also keine öffentlichen Straßen im Sinne des Landesstraßengesetzes.71 Wohl aber sind sie öffentliche Sachen im Gemeingebrauch. 72 Verkehrssicherungspflichtig ist derjenige Hoheitsträger, welcher die Erreichung des öffentlichen Zweckes (Verkehr) gewährleistet. 73 Das ist nicht der Bund, da Schiffsverkehr nicht in Frage steht, sondern das Küstenland.

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b) Der Strand Der Strand wird heute als eine öffentliche Sache anzuerkennen sein,74 die im Privateigentum des jeweiligen Küstenstaates steht, soweit das Eigentum nicht durch Verleihung auf die Gemeinde übergegangen ist. 75

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OLG Oldenburg, Beschluß vom 26.05.1961 in VkBl. Nichtamtl. Teil 1961, S. 566; BGHZ 8 S. 873; 23, S. 157; 23, S. 235. Vergl. Holtz-Kreutz-Schlegelberger (42) S. 2 Anm.2 zu § 1; Brauchitsch von, Verwaltungsgesetze für Preußen 3. Bd. 17. Aufl. 7* Bearbeitung 1929 zu § 1 Preuß. Wassergesetz (zit. bei Krause/ Dünow (63) S. 593 Anm. 14). Siehe dazu auch die Anordnung zur Durchführung der in Neuwerk weitergeltenden niedersächsischen Rechtsvorschriften v. 26.09.1967, (Amtl. Anz.1223), insbes. Buchst, c) mit Hinweis auf die V O über den Fuhrwerksverkehr zwischen Cuxhaven-Duhnen und der Insel Neuwerk (WattenfahrVO) v. 20.02.1957 (Amtsbl. der Stadt Cuxhaven S. 7). A.A. Kodal, Straßenrecht, 2. Aufl. 1964, S. 240. Krause/Dünow (63) S. 592. Ebenso Giese, Die Bundeswasserstraßen als Gegenstand der Bundeskompetenz, Rechtsgutachten für Bundesminister für Verkehr, 1955 S. 17 (zit. bei Krause/Dünow (63) S. 593 Anm. 13). Holtz-Kreutz-Schlegelberger (42) Dieser Meinung schließt sich der BGH im Urteil vom 31.05.1965 an, in DÖV 1965 S. 568. § 26 II 14 ALR: „Die einzelnen Nutzungsrechte oder niedern Regalen aber können von Privaten und Communen erworben und besessen werden".

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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Im Allgemeinen Landrecht ist das Meeresufer und damit der Strand (II 14 § 21) Gemeinsames Eigentum des Staates. Auch laut Kommentar zum Preußischen Wassergesetz 76 ist der Strand Gemeineigentum, das dem Privatrecht nach damaliger Auffassung grundsätzlich entzogen ist. Lediglich in Einzelfällen kann privatrechtliches Eigentum an andere Personen (Gemeinden) durch landesherrliche Verleihung übergeben werden. Während Palandt 7 7 den Meeresstrand für eigentumsunfahig im privatrechtlichen Sinne ansieht, hält Gierke 7 8 zumindest privates Staatseigentum für möglich. Mayer 7 9 versteht dieses Eigentum öffentlichrechtlich.

Der Eigentümer braucht selbst den einfachen Gemeingebrauch, z. B. Begehen, dann nicht zu dulden, wenn er den Strand für den Badebetrieb herrichtet und überwacht. Da im Falle solch eines kurtaxpflichtigen Strandes die Nutzung von einer konkreten Einzelerlaubnis (Zahlung eines Eintrittspreises oder Kurtaxe) abhängig ist, haben Strände dieser Art heute den Charakter öffentlicher Anstalten angenommen. Ein rechtliches Problem stellt die Frage nach dem Eigentum von Anlandungen dar. Der B G H entschied in seinem Urteil v o m 22.06.1989, 7 9 1 daß es dabei auf den Zeitpunkt ankomme, in dem die Anlandungen begannen. Ehemalige Wasserflächen, die nach dem Inkrafttreten des Staatsvertrages v o m 0 1 . 0 4 . 1 9 2 1 versandeten, wurden wie die ehemalige Wasserfläche Eigentum des Reiches und nach Inkrafttreten des G G (Art. 89 G G ) Eigentum des Bundes. Der in der Hohwachter Bucht seit 1970 entstandene Strand unterlag somit dem Aneignungsrecht des Bundes und nicht dem des Landes Schleswig Holstein.

8. Die hoheitliche Zuordnung der Seewasser- und Schiffahrtsstraßen Die Polizei- und Gerichtshoheit der Länder und damit verbundene Aufgaben können 179 nur innerhalb der Ländergrenzen ausgeübt werden. Das gilt auch für die Territorialgewässer in der Ost- und Nordsee. Andernfalls wäre dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit gemäß Art. 20 GG nicht Genüge getan; denn Rechtsstaatlichkeit bedeutet Rechtssicherheit, 80 und Rechtssicherheit erfordert Beachtung der Grenzen des Hoheitsgebietes. Sowohl die Exekutive, insbes. die Polizei, als auch die Bürger haben den verfassungsrechtlichen Anspruch (Gesetzmäßigkeit der Verwaltung), zu wissen, wer wo und wann zur Wahrnehmung öffentlicher Gewalt ermächtigt ist. Es ist daher für dieses Sachgebiet zu prüfen, wo die Hoheitsgrenzen der Küstenländer auf den für die Meeresnutzer wichtigen Wasserund Schiffahrtsstraßen verlaufen. Aus Art. 23 GG, wonach das Bundesgebiet aus den Gebieten der Länder besteht, 180 folgt, daß jedes Landesgebiet damit gleichzeitig Bundesgebiet ist und umgekehrt. 81 Wenn es somit kein unmittelbares Bundesgebiet gibt, gibt es auch keine Gebietshoheit für den Bund. Gebietshoheit haben somit nur die Länder. Der Bund hat nur die hoheitlichen Kompetenzen, die die Länder dem Bund ursprünglich übertragen haben. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes hat der staatsrechtliche Zusammenschluß dem Bund eine eigene 76

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80 81

Holtz-Kreutz-Schlegelberger (42) S. 2 (Anm. 15a) R G , in Seuff. Archiv 55 S. 387 zit. in B G H Urt. v o m 31.05.1965 in D Ö V 1965 S. 568. Palandt, Kommentar zum B G B v o r § 90 Anm. 4 d. v.Gierke, (6) S. 30. Mayer Otto (33) S. 54. D III ZR 266/87 (Schleswig) N J W 1989 S. 2464; Härders, J. Enno, Zum Eigentum an Anlandungen oder „Wem gehören die Küstengewässer?" in N J W 1989, S. 2452. Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 20 Rn. 5 3 - 5 5 . Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 20 Rn. 16/17.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

originäre Staatlichkeit verliehen, und damit existiert der Bund als Staat, mit den in Art. 72—74 GG genannten Hoheitsbefugnissen. 82 Eine Gebietshoheit ist darin nicht enthalten und somit nicht vorhanden. Der Bund übt seine Hoheitsrechte auf den Gebieten der Länder aus, die für die Wahrnehmung dieser Funktionen gleichzeitig Bundesgebiet sind. Das gilt für den gesamten Geltungsbereich des Grundgesetzes, also auch für die Territorialgewässer, d. h. die Seewasserstraßen, die aus bestimmten Inneren Gewässern und dem Küstenmeer bestehen. Für die Seegebiete gab es jedoch wohl aus dem Bewußtsein, daß Schiffahrt und Fischerei geregelt, aber die Gewässer frei sein müssen, früher nur Fischereigrenzen, aber keine Staatsgrenzen. 181

_ a) Der Streit ^wischen Lübeck und Mecklenburg-Schwerin Als im Jahre 1925 dem damaligen Land Lübeck durch eine VO des Landes Mecklenburg-Schwerin die Fischereirechte in der Lübecker Bucht vor dem Travemündungsgebiet streitig gemacht wurden, beantragte die Freie und Hansestadt Lübeck bei dem Deutschen Staatsgerichtshof, festzustellen, daß ihr die Fischereirechte zustehen. Der Deutsche Staatsgerichtshof legte in seiner Entscheidung vom 7.Juli 192883 nicht nur die Fischereirechte fest, sondern gleichzeitig die Landesgrenze zwischen den beiden streitenden Ländern in der Lübecker Bucht. Soweit ersichtlich, ist das die erste Feststellung von Landesgrenzen im Seegebiet des Deutschen Reiches Der Deutsche Staatsgerichtshof erkannte für Recht:

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1. Vorbehaltlich der Rechte des Deutschen Reiches und der Länder Preußen und Oldenburg steht die Gebietshoheit in dem Teil der Lübecker Bucht, der von der Landseite durch die Küste zwischen dem Brodtner Grenzpfahl im Westen bis zur Mündung der Harkenbeck im Osten, von der Seeseite durch eine von dort in die Richtung des Gömnitzer Turms gezogene Linie und ein v o m Brodtener Grenzpfahl auf diese Linie gefälltes Lot begrenzt wird, soweit es sich um die Schiffahrts- und Fischereihoheit handelt, dem Lande Lübeck zu. Im übrigen steht dort die Gebietshoheit zu: westlich einer v o m Zollhaus (Wachtgraben am Priwall) in nördlicher Richtung bis zur Schiffahrtsstraße und in deren Verlängerung (an ihrer Ostseite) laufenden Linie dem Lande Lübeck, östlich dem Lande Mecklenburg-Schwerin. 2. In dem ganzen zu 1 bezeichneten Seegebiet steht dem Lande Lübeck das Fischereirecht zu. Bei Regelung der Fischerei dort hat Lübeck im hergebrachten Umfang den mecklenburgischen Fischern ein Mitfischungsrecht einzuräumen. 3. Den im Lande Lübeck ansässigen Fischern steht das Recht der Fischerei im mecklenburgischen Küstengewässer zwischen der Mündung der Harkenbeck und Tarnewitz unter den gleichen Bedingungen zu wie den Fischern Mecklenburg-Schwerins. 4. Die weitergehenden Anträge beider Streitteile werden abgewiesen.

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Aus dem Urteil ergibt sich, daß im Streitfall die Fischereihoheit bedeutender ist als die allgemeine Gebietshoheit, denn die Gebietshoheit kann nur unter Berücksichtigung des alten Prinzipes von der Freiheit des Meeres für die Fischerei und Schiffahrt ausgeübt werden. Der im heutigen Bundeswasserstraßengesetz vorhandene Begriff des Eigentums spielte für den Staatsgerichtshof keine Rolle. Lübeck hatte zwar beantragt, festzustellen, daß die von ihm beanspruchten Gewässerteile als öffentliche Binnengewässer Eigengewässer seien, wurde aber vom Staatsgerichtshof darauf hingewiesen, daß der Ausdruck „Eigen82 83

Maunz-Dürig-Herzog (17) Art. 23 Rn. 10/11. R G Z 122 Anl. 1.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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gewässer" keine privatrechtliche Bedeutung habe und sich nur auf die staatsrechtliche Zugehörigkeit beziehe. Im Streitfall handelt es sich nur um einen Grenzstreit und um die Feststellung des Staatsgebietes. b) Die Landesgren^eti in der Elbmündung Hamburg hatte schon im Mittelalter kaiserliche Freibriefe — der erste stammt aus dem 184 Jahre 1359 —, die hamburgische Schiffe und Waren von kaiserlichen Zollabgaben befreiten. ^Die Gegenleistung der Stadt bestand in der Aufgabe, die Elbe von Piraten freizuhalten. Doch Hamburg bemühte sich auch um eine eigene Territorialpolitik und schloß schon im Jahre 1316 mit dem linkselbischen Gebiet, dem Lande Wursten einen Vertrag zur gemeinsamen Verteidigung des heute noch auf der Insel Neuwerk befindlichen Leucht- und Wehrturmes. Mit dem Erwerb der Exklave Ritzebüttel, zu der die in der Elbmündung gelegene Insel Neuwerk gehörte, hatte die Stadt ein Territorialgebiet, das als Stützpunkt für die Bekämpfung des See- und Strandräubertumes, für die Hamburg Privilegien bekam, der Stadt sehr nützlich war. 85 Ungefähr ab 1450führte Hamburg einen Neuwerker Seezoll ein, der zur Finanzierung der in der Elbmündung ausgebrachten Seezeichen (Baken und Tonnen) diente. Dieses Zollrecht wurde jedoch erst 1628 durch einen kaiserlichen Freibrief privilegiert. Auf Grund der Freibriefe, Verträge, Regalien erwarb Hamburg für die Elbe eine sogenannte Elbhoheit, die jedoch nicht durch territoriale Grenzen erkennbar war. So kam es, daß Hamburg, das nach Ansicht der Holsteiner Grafen (Grafschaften 1474 185 zum Herzogtum Holstein zusammengefaßt) auf Holsteiner Gebiet lag, um die Anerkennung als Reichsstadt streiten mußte. 86 Im Jahre 1618 wurde Hamburg vom Reichskammergericht in Speyer als Reichsstadt bestätigt. Endgültig wurde der Streit aber erst durch den Gottorfer Vertrag von 1768 beigelegt, in dem Hamburg als freie Reichsstadt vom Herzogtum Holstein anerkannt wurde. 87 Die Elbe war darin jedoch nicht als Hamburger Strom anerkannt. Die Gebietshoheit über den Strom beanspruchten die Herzöge von Holstein, seit Christian I. (1460) in Personalunion mit Dänemark. Sie scheuten sich auch nicht, in Kriegszeiten Hamburger Schiffe auf der Elbe aufzubringen. Im Jahre 1807 kam das linke Elbufer mit dem Hamburger Gebiet Ritzebüttel zu dem 186 von Napoleon gegründeten Königreich Westfalen. Im Wiener Kongress wurden die territorialen Verhältnisse neu geordnet. Das linke Elbufer kam zum Königreich Hannover, die Hamburger Exklave an der Elbmündung wurde wieder hergestellt. Das Herzogtum Holstein gehörte seit 1815 zum Deutschen Bund. Da die sogenannte Hamburger Elbhoheit zum größten Teil auf Grund kaiserlicher Privilegien bestand, war sie mit dem Ende der kaiserlichen Stromhoheit 1806 weitgehend ohne Legitimationsgrundlage. Selbst wenn man die Hamburger Elbhoheit auf unvordenkliche Ersitzung stützt, so war und ist auch heute noch unklar, ob es sich um Gebietshoheit oder um Nutzungsrechte am Strom und in der Mündung handelt. Auf Grund dieser Hamburger Rechte war eine Grenzziehung 84

85

86 87

Kaysers Caroli IV. Privilegium für Hamburg, in Lünigs Reichsarchiv, Bd. XIII, S. 938 Nr. XXXIII, dort irrtüml. unter 1355; zit. Lagoni (1), S. 19, Anm. 16. Reinicke Heinrich, Hamburgische Territorialpolitik, Zeitschr. d. Vereins f. hamb. Geschichte, Bd. 37 (1939) S. 68, Anm. 118; Volquart Pauls, Hamburger Territorialpolitik in der Vergangenheit, Kiel 1922, S. 8 ff; ( Lagoni (1) S. 21 Anm. 24). Vergl. dazu Lagoni (1) S. 23. Lünigs Reichsarchiv, Bd. XIII, S. 1139, Nr. L X X X V I , (Lagoni (1) S. 24, Anm. 39).

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

im Mündungsgebiet der Elbe so verwickelt, daß eine einfache Aufteilung des Stromes unter die Küstenländer nicht möglich war. 187

Lediglich in einem Abschnitt der Niederelbe kam es zwischen Hannover und Holstein (Dänemark) 1863 zu einem Grenzabkommen 88 über die vor Blankenese liegende Insel Schweinesand, das zwar niemals in Kraft trat, aber deswegen von Bedeutung ist, weil darin das Fehlen einer Grenzlinie in der Elbe bestätigt wurde. Auch als Hannover (1866) und Holstein (1867) unter preußischer Hoheit vereinigt wurden, blieb Ritzebüttel an der Elbmündung weiterhin eine Hamburger Exklave. Im Rahmen der Einführung bzw. Neuordnung der Grundsteuer zwischen den nunmehr preußischen Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein sollte die Provinzgrenze auch für die Niederelbe bestimmt werden. Es wurde an eine Mittellinienlösung gedacht, „welche den Wasserspiegel ... der Länge nach in zwei gleiche Theile theilt.." 89 1875 wurden in der Schiffahrtsrinne Brechpunkte für die neue Provinzgrenze festgelegt und 1878 in die Gemarkungsurkunde Elbmündung eingetragen.

188

Nach der Auflösung der deutschen Länder 193490 gingen die Gebietsansprüche der Länder auf das Deutsche Reich über und erloschen durch die Vereinigung von Anspruch und Gegenstand. Durch das Groß- Hamburg-Gesetz von 193791 wurde die Exklave Ritzebüttel in den Regierungsbezirk Stade eingegliedert. 92 Die Gemarkungsgrenze von 1878 galt als noch in Kraft befindliches preußisches Recht weiter. Die Hamburger Ansprüche erloschen, ein Wiederaufleben der Ansprüche nach 1945 findet keine Anspruchsgrundlage. 93 Im Jahre 1946 wurden aus den preußischen Provinzen Länder, 94 und die Provinzgrenze in der Niederelbe wurde Staatsgrenze. 95 Da aber die Schiffahrtsrinne von der Ostemündung ab dicht am linken Elbufer entlang läuft, ist dieser Teil der Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein streitig. Sowohl das Groß-Hamburg-Gesetz wie auch davor erlassene Rechtsvorschriften wurden durch die Reföderalisierung nicht berührt. Demzufolge ist Grenze zwischen den Ländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein in der Elbmündung von Ostemünde bis CuxhavenDöse noch die preußische Provinzgrenze von 1878. 96

189

Das gilt sowohl für den Teilabschnitt bis Altenbruch, wo noch bis 1937 die Hamburger Exklave Ritzebüttel begann, als auch für den zweiten streitigen Grenzabschnitt von 88 89 50 91

92

93 94

95

96

Lünigs Reichsarchiv, Bd. X, S. 54 Nr. XLI. Niedersächsisches Staatsarchiv Stade, Rep. 80 A Nachtrag Nr. 143 (Lagoni (1) S. 34 Anm. 89). Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30.01.1934 - RGBl. S. 34 ff. Gesetz über Groß-Hamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 26.01.1937 — RGBl. I. S. 91. Zusammenfassung des Hamb. Archivdirektors, Senatssekr. Hagedorn v. 24.03.1964, St AH CL Lit. A Nr. 3a Vol. 59 Bl. 6, S. 33, (Lagoni (1) S. 49 Anm. 122. Lagoni (1) S. 51. § 4 der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 (pr.GS. S. 335) i.d.F vom 22.März 1881 (pr.GS S. 233); Die Änderung der Provinzialgrenzen mußte in die betroffenen Gemarkungskarten eingetragen werden, vergl. V O v. 12.12.1864 (pr.GS S. 673), § 2 0 und Ges. vom 08.02.1867 (pr.GS. S. 185), § 32 h (Lagoni (1) S. 44 Anm. 108). V O der Militärregierung Nr. 46 vom 23.08.1946. ABl. d. Mil.-Reg. Deutschi. Brit. Kontrollgeb. 1946, Nr. 13 S. 305 (Lagoni (1) S. 46/47 Anm. 116. Lagoni (1) S. 52.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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Altenbruch bis Cuxhaven-Döse, von wo aus Preußen 1878 die Grenze nach der Talweglinie ohne Beteiligung Hamburgs gezogen hatte. 97 Allerdings hatte Hamburg 1873 vor der Reichsfortifikationsbehörde selbst erklärt, daß es die Hoheit und das Eigentum hinsichtlich aller bis über Neuwerk hinaus zur linken Hand des Hauptstromes der Elbe liegenden Sände, nicht aber hinsichtlich derjenigen zur rechten Hand in Anspruch nehme.98. c) Vertrag £wischen Hamburg und Niedersachsen von 1961

(Cuxhaven-Vertrag)

aa)

Vorgeschichte Auf Grund des Gesetzes über Großhamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 190 26.01.1937,98a alle Exklaven und Enklaven zwischen Hamburg und Preußen beseitigen sollte, gingen nach § 1 Abs. 2 Buchst, c von Hamburg auf das Land Preußen u. a. die Stadt Cuxhaven über. Der Hafen von Cuxhaven, der bis 1937 unter der Gebietshoheit Hamburgs stand, diente als Ergänzung des Hamburger Hafens, vor allem als Schutz-, Eis-, Quarantäne- und Fischereihafen sowie als Ausgangs- und Endpunkt des transatlantischen Passagierschnellverkehrs. Nach § 4 Abs. 1 Vierte VO zum Gesetz über Großhamburg und andere Gebietsbereinigungen vom 22. März 193799 verblieben gewisse Flächen, so der Amerikahafen, im Hafengebiet von Cuxhaven im Privateigentum von Hamburg. Seit nach dem Zweiten Weltkrieg der Einheitsstaat Deutsches Reich beseitigt war, 190 befanden sich diese Gebiete nunmehr im Lande Niedersachsen. Um dem Land Niedersachsen die Erweiterung des Fischereihafens und den Ausbau der damit zusammenhängenden Fischmarkt- und Fischindustrieanlagen in Cuxhaven zu ermöglichen, löste sich Hamburg weitgehend von Cuxhaven und prüfte weiter elbaufwärts die Möglichkeiten für einen neuen Vorhafen. Da die Elbe ostwärts von Neuwerk selbst durch kostspielige Strombaumaßnahmen nicht über 13 —14 m vertieft werden kann, ergab es sich, daß ein Vorhafen nur in dem Raum Neuwerk/Scharhörn liegen kann, da hier der unmittelbarer Anschluß an den über 20 m tiefen Nordseeschiffahrtsweg gegeben ist. 98b bb) Der Cuxhaven-Vertrag Um das Interesse Hamburgs an der Sicherung dieses Geländes für die Möglichkeit der 191 Schaffung eines Vorhafens zu wahren und um die gemeinsamen Interessen beider Länder an einer einheitlichen Seehafenpolitik zu fördern, schlössen die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Niedersachsen am 26. Mai 1961 einen Staatsvertrag, in dem vereinbart wurde: Hamburg hat im Gebiet Niedersachsens bis auf die Insel Neuwerk 97

98 98a 99

98b

Ipsen, Hans-Peter, Hamburg zwischen Krieg und Frieden, in Festschrift für Leo Raape, Hamburg, 1948, S. 423; Humburg, Hans-Werner, Hamburgs Rechtsstellung in Cuxhaven, Hamburg 1955, S. 24. Das BVerfG ließ 1956 die Weitergeltung des Gesetzes in seiner Lübeck-Entscheidung dahingestellt und hob auf das tatsächliche Fortbestehen der Gebietsänderung nach 1945 ab, BVerfGE 6 S. 20 (26), Lagoni (1) S. 51/52 Anm. 129. Lagoni (1) S. 70/71. RGBl. 1937 I S. 91. Siehe dazu auch 4. D V O des Reiches zum Großhamburg-Gesetz vom 22.03.1937 - RGBl. 1937 S. 335 sowie Rn. 225. Ipsen, H.P., Hamburger Verfassung und Verwaltung, Hamburg 1956, S. 98 ff. Übernommen aus Schäfer, Albrecht, Das Tiefwasserhafenprojekt Scharhörn, Werkheft 23 des Instituts für Internationale Angelegenheiten der Universität Hamburg, 1978 S. 3ff.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

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Exklave

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Entnommen aus Lagoni, Ländergrenzen in der Elbmündung und der Deutschen Bucht, 1982

keine Hoheitsrechte mehr; als Ausnahme im und am Amerikahafen in Cuxhaven (Art. 1) noch öffentlich-rechtliche Polizeibefugnisse, die in dem damaligen Art. 4 Abs. 2 als Hoheitsrechte bezeichnet werden. 100 Um Hamburg den Bau eines Vorhafens im Elbmündungsgebiet mit Einschluß der Insel Neuwerk zu ermöglichen, erhält das Land Hamburg ein Gebiet in der Elbmündung als Eigentum zum Bau eins Vorhafens (Art. 2 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2).

,0 °

GVB1. 1961 S. 318; in Kraft seit dem 05.10.1962 (GVB1. S. 177).

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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Das im Art. 2 angesprochene Gebiet der Exklave soll das sogenannte Neuwerker Watt umfassen und wie folgt begrenzt werden: Die Punkte A, B, C, D im Plan II (siehe Zeichnung) sind nach geographischer Breite und Länge festgelegt: A) B) C) D)

8° 53° 8° 53° 8° 53° 8° 53°

25,8' 53,7' 32,1' 53,2' 33,7' 54,4' 32,8' 55,9'

O N O N O N O N

Die Grenze der Exklave verläuft nunmehr von Punkt B nach A und von dort seewärts über eine Punkt AI mit den Koordinaten: 8° 20,4' O 53° 55,9' N Von Punkt C verläuft die Grenze nach D und von dort seewärts über einen Punkt D 1 mit den Koordinaten: 8° 28,0' O 53° 59,0' N Zwischen den Punkten B und C setzt die Verbindung zum Land an; die Grenze verläuft von den Punkten B und C auf einen Punkt X an der Küste. Die Breite des Anschlusses beim Punkt X in Küstenlängsrichtung beträgt 200 m.

Dieser Eigentumsübergang von Niedersachsen auf das Land Hamburg geschah trotz 192 des Art. 89 Abs. 1 GG, wonach doch alle ehemaligen Reichswasserstraßen in das Eigentum des Bundes übergegangen waren. In dem Vertrag war kein Hinweis enthalten, daß der Bund auf sein Eigentum verzichtet habe. Da Art. 2 Abs. 1 des Vertrages nur die Verpflichtung zur Schaffung der Exklave enthält, ist er nicht verfassungswidrig. Im Jahre 1965 konnte der Gebietsübergang verfassungskonform erfolgen, da er durch das Bundesgesetz vom 16. März 1965 ermöglicht wurde. 101 Der zeitliche Zwischenraum von vier Jahren kann seine Erklärung darin finden, daß zu damaliger Zeit, d. h. bis zum Erlaß des Bundeswasserstraßengesetzes (1968) nicht klar war, ob die Wattengebiete mit zu den Seewasserstraßen gehörten. Die Rechtfertigung für den Eigentumsübergang von Niedersachsen an Hamburg wurde 193 aus dem § 8 Abs. 2 des Gesetzes über das Verfahren bei Änderung des Gebietsbestandes der Länder nach Art. 29 Abs. 7 GG vom 16.März 1965101 D hergeleitet. Art. 29 Abs. 7 GG behandelt aber nur den Wechsel der Gebietshoheit und berührt nicht das Eigentum der in Betracht stehenden Gebiete. Der Cuxhavener Vertrag läßt nicht nur Gebietshoheit übergehen, sondern hinsichtlich bestimmter Wattflächen auch Eigentum. Dieses hat jedoch nach Art. 89 GG der Bund, was § 1 WaStrG feststellt und inhaltlich näher erläutert. Abgesehen davon enthält Art. 29 Abs. 7 GG keine materiellen Abgrenzungsregeln. 101

BGBl. 1965 I S. 65; dazu Ipsen, Hans Peter, Hamburgisches Staats- und Verwaltungsrecht 5. Aufl. 1975, S. 12 ff.

70 194

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Am 14.06. bzw. am 07.08.1967 schlössen beide Länder ein Durchführungsabkommen zu Art. 2 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 3. des Staatsvertrages zur Neuordnung des Rechtsverhältnisses im Gebiet der Elbmündung. 102 . Darin wird die Grenzziehung der Enklave genauer bestimmt: Gemäß Artikel 1 Abs. 2 liegt der Verbindungspunkt x zum Land in der Mitte der 200 m langen, in Küstenlängsrichtung verlaufenden Grenzlinie in einem Bereich, der mit 2.5 km beiderseits der Nordheimstiftung begrenzt ist (Punkte XI und X2). Gemäß Artikel 2 verläuft die Grenze der Exklave wie schon im Staatsvertrag bestimmt, von Punkt A 1 in Verlängerung der Geraden A — A 1 weiter bis zur Grenze der Exklave zur See; vom Punkt D 1 verläuft die Grenze in Verlängerung der Geraden D — D 1 munmehr weiter bis zur Landesgrenze Niedersachsen / Schleswig — Holstein und weiter entlang dieser Grenze bis zur Grenze der Exklave zur See. — Die Grenze der Exklave zur See wird durch die seewärtige Begrenzung des Küstenmeeres (Territorialgewässer) gebildet.

195

196

197

Auf Grund von Meinungsverschiedenheiten über Schürfrechte ist der Art. 2 Abs. 1 des Staatsvertrages erst am 01. Oktober 1969 in Kraft getreten. 103 Mit diesem Tage wurde Neuwerk mit seinen damals 59 Einwohnern nach 32 Jahren wieder hamburgisches Staatsgebiet. Im Art. 3 des Durchführungsabkommens vom 14.06./07.08.1967 und der Bekanntmachung vom 02.10.1969 überträgt Hamburg die ihm innerhalb der Exklave jetzt oder künftig zufallenden öffentlich-rechtlichen Aufsuchungs- und Gewinnungsrechte an Bodenschätzen und weitere öffentliche Nutzungsrechte hinsichtlich des Untergrundes an Niedersachsen. In Art. 3 Abs.3 verpflichtet sich Niedersachsen, Hamburg von allen Ansprüchen freizuhalten, die etwa seitens des Bundes gegen Hamburg daraus hergeleitet werden könnten, daß Niedersachsen die Ausübung von Nutzungsrechten, ohne sie selbst zu besitzen, übertragen hat104. d) Die Grenze %wischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein Während die linke Seite der Elbmündung hoheitsrechtlich weitgehend durch den Cuxhaven-Vertrag zwischen Niedersachsen und Hamburg begrenzt wird, ist die Grenze auf der rechten Seite der Elbmündung ungeklärt. Die oben beschriebene preußische Grenze hört an der Binnenwassergrenze zwischen Cuxhaven-Döse (Kugelbake) und Dieksand auf. Das in Rn. 194 genannte Durchführungsabkommen zwischen Hamburg und Niedersachsen enthält keinen Hinweis auf die Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein. Da an dem Cuxhaven-Vertrag Schleswig-Holstein nicht mitwirkte, gehen Hamburg und auch Niedersachsen von einer Grenzziehung aus, deren Bestätigung seitens Schleswig-Holsteins noch aussteht. Auch in den Verwaltungsabkommen zwischen den Ländern Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 30.01./07.02./14.02.1974, das die Zuständigkeit der Hamburger Wasserschutzpolizei auf der Elbe regelt, — in Kraft am 01.01.1975105, — und zwischen den Ländern Bremen, Hamburg, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf dem Küstenmeer vom 28.08./05.09./ 26.08. und 27./10., in Kraft am 12.12.1986, wird nur von Vertrags- und nicht von ,02 103 104 105

Hamb. GVB1. 1967 S. 285. Hamb. GVB1. 1969 S. 195. Sammlung hamb. Landesrecht 2, 64; Nachtrag 01.01.1990. Abkommen über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf der Elbe vom 30.01./ 07.02.1974 (Schl.-Holst. GVB1. S. 412.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

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Hoheitsgebieten gesprochen. Dadurch daß in dem letztgenannten Abkommen im Art. 1 ausdrücklich festgestellt wird, daß die Verwaltungsgebiete unabhängig von den Hoheitsgebieten festgelegt worden sind, ist auch keine Präjudizierung der Landesgrenzen erfolgt. Auch der Staats vertrag aus dem Jahre 1986 zwischen den drei Küstenländern über die Ausübung der Gerichtsbarkeit in der Elbmündung, insbesondere über den Gerichtsbezirk des Amtsgerichtes Cuxhaven, legt lediglich funktionale Grenzen, aber nicht die Landesgrenzen fest. Siehe die Grenzkoordinaten der drei Vereinbarungen in Rn. 253—260. Mangels einer vertraglich festgelegten Grenze geht das Land Schleswig-Holstein davon 198 aus, daß die Grenzlinie entsprechend den Regeln des internationalen Flußrechtes auf der Talweglinie der Elbe verläuft. Wesentliche Voraussetzung dafür wäre jedoch, daß die Elbe nicht an der Binnenwassergrenze Cuxhaven-Döse — Dieksand endet, sondern sich in das Wattenmeer, wo sie als Fluß noch feststellbar ist, erstreckt. Wenn man den rechtlichen Gesichtspunkt der unvordenklichen Ersitzung berücksichtigt, bezogen sich die Hamburger Elbprivilegien immer auf den ganzen Fluß, von der Stadt bis zum Meer, ohne Gebietsbegrenzung. Bestätigt wurde dies 1628 durch das Große Elbprivileg Kaiser Ferdinands 106 und in der Neuzeit durch die beiden Elbschiffahrtsakten von 1821 und 1923, die ebenfalls die Elbe als Fluß gegen das offene Meer nicht abgrenzten. 107 Unter Berücksichtigung der geographischen und hydrologischen Situation in der Elbmündung könnte man, unabhängig von der Verwaltungsgrenze der Binnenwasserstraße Elbe, auch in rechtlicher Hinsicht die Elbe als Fluß im Mündungsgebiet soweit anerkennen, wie man ihre Ufer bei Ebbe im Wattenmeer erkennen kann. Auch wenn man dieser Argumentation folgt, ist damit noch nicht entschieden, daß 199 sich die Grenze zwischen Niedersachsen und Schleswig- Holstein auch nach dem Talwegprinzip zu richten hat. Denn Niedersachsen vertritt die Auffassung, daß die Elbe seewärts der Binnenwassergrenze nicht als Grenzfluß angesehen werden kann. Niedersachsen scheint davon auszugehen, 108 daß die Grenze von einer Mittellinie gebildet wird, die ausgehend vom Mittelpunkt der Verbindungslinie Cuxhaven-Döse — Dieksand lotrecht auf die Basislinie vor der Schleswig- holsteinischen Küste trifft und dabei etwa in nordwestlicher Richtung über die rechtselbischen Sandbänke verläuft. Bei dieser Grenzziehung wäre jedoch die gebietsrechtliche Zugehörigkeit des Flusses selbst und einiger Teile des rechtselbischen Wattengebietes weiterhin ungeklärt. Das gesamte Wattenmeer war bis zur Bildung der Territorialstaaten hoheitsfrei. Ledig- 200 lieh Fischereirechte wurden von den jeweiligen Landesherrn beansprucht. Die Gebietshoheit im Sinne von imperium hat im Wattenmeer im Gegensatz zu den Eigentumsrechten am Strand (dominium) auch im rechtlichen Sinne kaum eine Bedeutung erlangt. 109 Die ersten Verträge über hoheitliche Abgrenzungen im Wattenmeer werden 1587 und 1692 zwischen Hamburg und Bremen geschlossen, um zwischen dem zu Bremen gehörenden

m 107 108 105

Lünigs Reichsarchiv Bd. XIII S. 1121, Nr. L X X V I (Lagoni S. 20 Anm. 22). RGBl. 1923 II S. 183, Art. 1. Lagoni (1) S. 57. Vergl. Baus, Hans-Joachim, Die Grenzen der deutschen Hoheitsgewässer im schleswig-holsteinischen Raum, Diss. Kiel 1957 S. 210 (dort auch die Stellungnahme des Hamburger Senats zum Grenzverlauf); zu den älteren Herrschaftsrechten vergl. insbesondere Stegemann Klaus-Dieter, Die schleswig-holsteinischen Meeresgewässer als Gegenstand des Privatrechts, Diss. Kiel 1966, S. 1 3 - 4 3 , 6 1 - 9 1 (Lagoni (1) S. 59 Anm. 153).

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Land Wursten und der Hamburger Exklave Ritzebüttel eine Aufteilung der räumlichen Zuständigkeiten für die Erhebung von Bergegeld zu erreichen. 110 201

Im Gegensatz zur Gebietshoheit gab es schon früh Vorstellungen von sogenannten Sicherheits- und Neutralitätsstreifen vor der Küste insbesondere zum Schutz der eigenen Interessen. Die Inanspruchnahme der Neutralitätsstreifen war der eigentliche Kern des heutigen Küstenmeeres. Aus der Küstenmeergrenze entwickelte sich dann die Staatsgrenze. So wurde in einer königl. dänischen Resolution vom 22.02.1812 auch für die Westküste Schleswig-Holsteins festgestellt, daß in allen Fällen, in welchen eine Frage der Bestimmung der Territorialhoheitsgrenze im Meer entsteht, diese Grenze im Abstand von einer gewöhnlichen Seemeile von den äußersten Inseln, die nicht von der See überspült werden, verlaufen soll. 111 . Diese Grundsätze wurden in einer weiteren Resolution von 1863 bekräftigt. Im Jahre 1865 wurde die dänische Seemeile, die vier international anerkannte Seemeilen betrug, auf drei Seemeilen umgestellt.

202

Nach der Einverleibung Schleswig-Holsteins behandelt Preußen die rechtselbischen Wattengebiete schon vor 1882 als Teil der Provinz Schleswig-Holstein. Die Strandämter Friedrichskoog und Brunsbüttel waren auf Grund der Strandungsordnung vom 17.05.1874 für die Strände und Watten auf der rechtselbischen Seite der Elbmündung zuständig. 112 Anläßlich der Neuaufteilung der Strandvogtbezirke in Schleswig-Holstein im Oktober 1900 bestand Preußen gegenüber Hamburg auf der Zuständigkeit für die rechtselbischen Sände Medemsand, Spitzsand und Gelbsand. 113

203

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die preußische Auffassung von der Zugehörigkeit der Sände dadurch bestätigt, daß die britische Militärregierung die Verfügung über die Wehrmachtsanlagen auf Medemsand nicht der Landesregierung in Hannover, sondern dem Sozialministerium in Kiel übertrug. Auch die Muschelkultur auf der Insel Gelbsand wurde Schleswig-Holstein zugesprochen. 114 Somit kann zumindest für das rechtselbische Wattenmeer davon ausgegangen werden, daß es einschließlich der trockenfallenden Sandbänke Medemsand, Spitzsand, Gelbsand und Großer Vogelsand zu Schleswig-Holstein gehört. Für den Außenelbbereich sollte die Grenze daher nach dem Talwegprinzip bestimmt werden. 115 Die Grenzlinie beginnt an dem Punkt, an dem die Niederelbprovinzialgrenze von 1878 auf die Binnenwassergrenze, d. h. die Verbindungslinie zwischen der Kugelbake 1,0

111

112

1,3 114 115

Texte bei Schuback Jacob, Vom Strandrechte, Zweyter Teil, Hamburg 1, 1781, S. 191, Nr. 52; S. 207, Nr. 57 (Lagoni S. 59 Anm. 157). Vergl. Stegemann (109) S. 82; Fulton Thoma Wemyss, The Sovereignty of the Sea, EdinburghLondon 1911, S. 167. Vergl. Ewald/Graf Kurt, Strandungsordnung, Kommentar, 2. Aufl. 1955, S. 132; siehe S. 59 auch den Hinweis, daß die Elbe von jeher kraft Gewohnheitsrechts von der Einmündung der Dove-Elbe bis zur Elbmündung als „See" i.S. von § 22 StrandO gegolten habe (Lagoni S. 68 Anm. 200). Baus (109) S. 210 (Lagoni (1) S. 68 Anm. 201). Mitteilung Dr. Gebel, Schlesw.-Holst. Innenministerium, Kiel (Lagoni (1) S. 68/69 Anm. 202 f). Art. 178 Abs. 2 W R V regelte nur die Weitergeltung der „Gesetze und Verordnungen des Reiches". Vergl. zur Streitfrage, ob das Talwegprinzip für Grenzflüsse mangels anderer Grenzregelungen vom Völkerrecht verbindlich vorgeschrieben wird; zuletzt Rauschning Dietrich, Die Grenzlinie im Verlauf der Elbe, in Festschrift für Eberhard Menzel, Berlin 1975 S. 429, 439 m.w.N. (Lagoni (1) S. 86, Anm. 236).

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

73

bei Cuxhaven-Döse und der Westkante des Diecksander Kooges auftrifft. Sie folgt der Mittellinie der Hauptschiffahrtsrinne dort, wo diese zum Zeitpunkt der Grenzziehung verläuft. Ihr Endpunkt liegt auf der Basislinie vor der Elbmündung. 116 Die Koordinaten sind: 53° 58' 42" N

8° 22' 30" O

e) Die Ländergren^en im Küstenmeer Ist zwischen den Ländern der Bundesrepublik im Küstenmeer keine Grenze vorhanden, 204 können für eine Grenzfestsetzung völkerrechtliche Regeln nicht unmittelbar angewandt werden, da die Länder zueinander in einem ausschließlich staatsrechtlichen, also nicht völkerrechtlichen Verhältnis stehen. Wenn auch bis zur Gründung des Bundesstaates Deutsches Reich im Jahre 1871 zwischen den deutschen Ländern Völkerrecht galt, so gab es weder damals noch danach vertragliche oder gewohnheitsrechtliche Abgrenzungsregeln, die etwa nach Art. 123 Abs. 1 GG fortgelten könnten. 117 Die weitere Frage, ob seitliche Grenzen im Küstenmeer analog dem Völkerrecht 205 bestimmt werden können, wird unterschiedlich beantwortet. Lagoni hält Analogieschlüsse im Zwischenländerrecht dann für unvermeidlich, wenn eine Lösung anstehender Rechtsfragen sonst nicht möglich wäre. 118 Da im Küstenmeer von einer flußähnlichen Strömung der Elbe nicht mehr gesprochen werden kann, scheidet die analoge Anwendung des Talwegprinzips aus. So entwarfen auch Hamburg und Niedersachsen andere Grenzvorschläge, die allerdings nicht veröffentlicht sind. In Betracht kommt ferner die analoge Anwendung der völkerrechtlichen Grundsätze, die für die Abgrenzung der Festlandsockelgebiete benachbarter Staaten gelten. Sie bestimmen, daß die Nachbarstaaten sich zu einigen haben.; vgl. Art. 6 Abs.l des Festlandsockelübereinkommens von 1958 und Art. 83 SRÜ. Nur das Übereinkommen von 1958 bestimmt für den Fall der Nichteinigung die Äquidistanzlinie als Grenze (Art. 6 Abs. 1 Satz 2). Äquidistanzmethode bedeutet, daß von der Basislinie eine Grenzlinie gezogen wird, auf welcher jeder Punkt gleich weit von den nächstgelegenen Punkten der Basislinie entfernt ist. 119

Die genannten Übereinkommen gelten für die Bundesrepublik nicht. Wichtig ist aber, 206 daß das Äquidistanzprinzip in der Bundesrepublik für innerstaatliche Belange gesetzlich verankert ist, denn in § 137 Abs. 1 Bundesberggesetz ist für die Abgrenzung der Länderzuständigkeiten im „Bereich des Festlandsockels" und für die Zuordnung eines Bergbaufeldes zum Gebiet eines Landes das Äquidistanzprinzip vorgeschrieben worden. Für das Küstenmeer gilt dies nicht, obwohl das Bundesberggesetz im übrigen auch auf die Bodenschätze im Bereich des Küstenmeeres anwendbar ist.120 In dieser Lage stellt sich die Frage, ob das Äquidistanzprinzip für das Küstenmeer analog angewandt werden darf. Auf Grund der verbindlichen Regelung für den Festlandsockel erscheint es sachgerecht, 1,6 117

118 1,9 120

Lagoni (1)) S. 90. Vergl. BVerfGE 15 S. 226 (233); E 34, S. 293 (303); E 41, S. 251 (263); Tomuschat Christian, Verfassungsgewohnheitsrecht ? Heidelberg 1972 S. 81 ff. Lagoni (1) S. 86. Lagoni (1) S. 94. Vgl. den sachlichen und räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes in §§ 2 und 3 BBergG. (Lagoni S. 93 Anm. 279).

74

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

eine einheitliche Abgrenzungsmethode dann anzuwenden, wenn es den Küstenländern nicht gelingt, für das Küstenmeer eine andere vertragliche Grenzregelung zu finden. 207

Im Ergebnis würde im vorliegenden Fall eine analoge Anwendung sowohl des § 137 Abs. 1 BBergG wie auch des Art. 6 Abs. 1 des Festlandsockelübereinkommen von 1958 zu einer Anwendung des Äquidistanzprinzip im Küstenmeer führen. Als Ausgangspunkt der Äquidistanz-Grenzlinie würde der Endpunkt der (Außen)Elbegrenze auf der Basislinie vor der Elbmündung dienen. Der Basislinienknick wäre den Umständen nach zu berücksichtigen. Der Endpunkt der Grenze wäre der Schnittpunkt der Äquidistanzlinie mit der Außengrenze des Küstenmeeres (Territorialgrenze). 121 Die Abgrenzungsschwierigkeiten, die sich im Falle einer Ausdehnung der Küstengewässer auf 12 sm wegen der Insel Helgoland ergeben würden, können hier vorerst außer Betracht bleiben. 9. Häfen

208

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 WaStrG gehören Häfen und auch deren Einfahrten nicht zu den Seewasserstraßen. Grundsätzlich ist ein Hafen ein geschützter Landeplatz. Ein bedeutsamer Zweck der Häfen ist der Schutz für die Schiffahrt, insbesondere vor den Kräften der Natur wie z. B. Sturm, Wellen, Eisgang usw. Landeplätze bzw. Anlegeeinrichtungen (Ölpier), denen diese Schutzfunktionen fehlen, sind keine Häfen im Sinne des Seerechtes. a) Eigentumsverhältnisse der Häfen Auf Grund des § 1 des Gesetzes über den Staatsvertrag von 1921 sind die Schutz- und Sicherheitshäfen der Länder ebenfalls in das Eigentum des Reiches übergegangen, nicht dagegen die Verkehrshäfen. So bestand über die Zugehörigkeit des Kieler Hafens zur Stadt Kiel ein jahrelanger Streit. Bis zur Annektion Holsteins durch Preußen nach dem preußisch-dänischen Krieg 1864 gehörte der Kieler Hafen der Stadt Kiel. Danach beanspruchte Preußen ihn. Die Stadt widersprach und stützte sich dabei auf alte Rechtstitel, die von den Grafen von Holstein 1242 und 1334 eingeräumt worden waren. Im Jahre 1380 und 1469 wurden die Eigentumsrecht der Stadt auch auf den Strand ausgedehnt. Im Jahre 1847 wurde ein bei Friedrichsort vorgekommener Strandfall auf Grund des vorhandenen Rechtes von dem Magistrat der Stadt Kiel verhandelt. 122

209

Schon früher waren und nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG sind die Schutz-, Sicherheitsund Bauhäfen Eigentum des Bundes. Öffentliche Handels- oder Verkehrshäfen, die der Schiffahrt gegen Zahlung von Gebühren offenstehen, sind grundsätzlich kein Bundeseigentum 123 , sondern Landes- oder Gemeindeeigentum. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß der Bund Eigentümer von Verkehrshäfen wird, die er im Gebiet seiner o. a. Häfen einrichtet. So ist er Eigentümer von folgenden kleineren Verkehrshäfen: Borkum, Stadersand, Helgoland, List/Sylt, Hörnum/Sylt, Schleimünde, Kiel-Holtenau und Brunsbüttel. Bundeseigene Lösch- und Ladeplätze sind: Mittelkirchen, Landwehr, Sehestedt-Süd, Oldenbüttel-Süd, Fischerhütte-Nord, Hohenhörn-Süd, Hohenhörn-Nord und Hochdonn.124 121 122 123 124

Vergl. Art. 12 Abs.l Küstenmeerübereink. 1958 bezw. Art. 15 SRÜ (Lagoni (1) S. 94 Anm. 280). Hansa 1899 S. 562. BVerfG 2 S. 348 (376/377). VkBl.amtl. Teil, 1976 S. 296.

II. Die gegenwärtige Situation der Bundeswasserstraßen

75

b) Seehäfen an Bundeswasserstraßen Abgesehen von den wenigen o. a. kleineren Bundeshäfen sowie den Häfen der Bun- 210 desmarine gelten folgende Grundsätze: Gemäß § 1 Abs. 2 WaStrG fallen Hafeneinfahrten an Seewasserstraßen, die von Leitdämmen oder Molen beiderseitig oder einseitig begrenzt sind, nicht mehr in das Bundeseigentum. Die Grenze zwischen Landes-und Bundeseigentum bildet bei einem Seehafen die Linie zwischen den äusseren Molenköpfen des Hafens. Gibt es nur eine Mole oder ist keine vorhanden,wird die Grenze durch Vereinbarungen zwischen dem Land und dem Bund festgelegt. Gibt es besondere Hafenbauwerke, wie z. B. Schleusen, gehören sie nicht zu den Bundeswasserstraßen. Längshäfen, d. h. Häfen, die nur eine seitliche Erweiterung einer Binnenwasserstraße 211 darstellen, gehören zu den Bundeswasserstraßen, wenn nicht Sonderverträge, wie im Falle Hamburgs, den Hafen aus dem Bundeseigentum herausnehmen. Parallel-, Dreiecks- oder Trapezhäfen gehören zur Bundeswasserstraße, wenn diese die Häfen durchfließt und mit dem Hafen als ein einheitliches Gewässer im natürlichen Sinne angesehen werden kann. Dazu hat das Reichsgericht festgestellt, daß ein einheitliches Gewässer nicht mehr gegeben ist, wenn Hafenbecken tief in das Land eingreifen und damit deutlich vom Strom abgesetzt sind (Stichhäfen). So angelegte Hafenbecken fallen damit in das Landeseigentum. 125 Die Grenze zwischen Bundes- und Landesgewässer bildet bei einem Stichhafen die frühere Uferlinie. c)

Hamburg Wie im Staatsvertrag von 1921 vorgesehen, wurde zwischen dem Reich und der 212 Hansestadt Hamburg ein Zusatzvertrag am 08./10.Februar 1922 über den Hamburger Hafen geschlossen.126 Es wurde darin vereinbart, daß von dem Ubergang auf das Reich ausgeschlossen sind: — die zwar zu den hamburgischen Häfen gehörenden, aber an den Reichswasserstraßen (Elbarme) liegenden Anlagen und Einrichtungen, — die Bauwerften, Bagger und ähnliche Anlagen und Geräte dieser Wasserstraßen, welche für die Verwaltung der Hamburgischen Häfen und der vom Reich in die Hamburgische Verwaltung zurückübertragene Elbstrecke (s. §§11, 12) erforderlich sind. — Als Stromgrenze gelten die im Staatsvertrag zwischen Preußen und Hamburg vom 14.11.1908 (Köhlbrandvertrag) vereinbarten Ausbaulinien und, wo diese im Gebiet des Hamburger Hafens fehlen, die Linien, zwischen denen der Strom von 300 m Breite bei den Elbbrücken auf 370 m Breite bei der Mündung des Köhlbrandes zunimmt. d) Die Hamburgisch-preußische Hafengemeinschaft von 1928—1934 Am 5. Dezember 1928 wurde zwischen der hamburgischen und der preußischen 213 Regierung ein Abkommen über die Bildung einer Hafengemeinschaft, den Aufbau einer gemeinsamen Landesplanung und Verkehrsgestaltung sowie die Regelung sonstiger Fragen geschlossen.127 Mit diesem Abkommen wurde die für den Ausbau der preußischen Häfen Harburg-Wilhelmsburg und Altona einerseits und der hamburgischen Häfen an-

125 126 127

RGPr.VBl. Bd. 34 S. 895 ff (RG VII Senat vom 01.12.1912) und RG VII Senat vom 25.10.1912. RGBl. 1922 I S. 222. Berichte und Dokumente aus der Freien und Hansestadt Nr. 560 vom 24.11.1978.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

dererseits hinderliche hamburgisch-preußische Staatsgrenze im Bereich der Elbstromspaltung südlich Hamburgs eliminiert. Die vereinbarte Hafengemeinschaft hatte sich rein nach wirtschaftlichen Zweckmäßigkeitserwägungen auszurichten, so, als wenn es keine Ländergrenzen gäbe. 128 Damit konnte ein einheitlicher Gesamthafen entstehen, in dem ein Wettbewerb der beteiligten Einzelhäfen untereinander ausgeschaltet wurde. Auch der Bau neuer Hafenanlagen im Gebiet Kattwyk, Hohe Schaar, Neuhof und dem Hafenerweiterungsgebiet wurde nunmehr der Hafengemeinschaft überlassen. Für die Hafenerweiterungen wurden die Gebiete von Moorburg, Altenwerder — deren Bürger sich noch heute gegen diese Erweiterungen wehren — Hamburgisch- und Preußisch-Finkenwerder, Dradenau und Francop in Aussicht genommen. 214

Das Abkommen betraf somit nicht die Häfen von Hamburg-Harburg (ohne Wilhelmsburg) und Altona. Das Hafengeld wurde jedoch in dem Hafenbereich von Hamburg, Harburg und Altona nach gleichen Grundsätzen und gleicher Höhe festgesetzt. Damit konnte Hamburg in den ersten sechs Monaten des Jahres 1928 zum ersten Mal wieder Antwerpen und Rotterdam durch die Größe seines Seeverkehrs überflügeln. 129 Mit dem Inkrafttreten der Gesetze vom 30.01.1934 über den Neuaufbau des Reiches 130 und vom 14.02.1934 über die Aufhebung des Reichsrates, 131 verloren die deutschen Länder und damit auch Hamburg ihren Staatscharakter. Durch das Groß-HamburgGesetz vom 26.01.1937 132 wurden das Gebiet Hamburgs erweitert und vier weitere Häfen in den Hafen Hamburgs eingegliedert. Durch Einfügen der drei preußischen Stadtkreise Altona, Harburg-Wilhelmsburg und Wandsbek, 27 preußischer Gemeinden und zweier Gemeindeteile bei gleichzeitige Aussiedlung der Hamburgischen Städte Cuxhaven und Geesthacht und weiterer fünf Gemeinden ist am 01.April 1938 GroßHamburg entstanden. 133 Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Hamburg wieder Bundesland. In der vorläufigen Verfassung vom 15.05.1946 (GVB1. S. 51) wurde als Name „Land Hansestadt Hamburg" bestimmt. Die heutige Bezeichnung „Freie- und Hansestadt Hamburg", die Hamburg seit der Befreiung von der französischen Herrschaft 1819 bis 1938 hatte führen können, wurde erst mit Inkrafttreten der endgültigen Verfassung am 06.06.1952 (GVB1. S. 117) durch den Art. 1 wieder eingeführt.

Im § 45 Abs. 5 WaStrG wurde bestätigt, daß alle zwischen Preußen, dem Reich und Hamburg geschlossenen Verträge über den Hamburger Hafen sowie die Reichsgesetze über die Bildung Groß-Hamburgs von dem WaStrG unberührt bleiben. Damit ist der Verkehrshafen Hamburg, obwohl er von der Elbe durchflössen wird, Eigentum Hamburgs geblieben.

e) Bremen 215

Das heutige Bundesland Bremen besteht aus den Städten Bremen und Bremerhaven (Art. 143 der Bremer Verfassung vom 21.10.1947). Die Gründung Bremerhavens im vorigen Jahrhundert war eine notwendige Konsequenz auf Grund der immer mehr 128 129 130 131 132 133

Rede des Bürgermeisters Petersen am 9.7.1927 in Berichte ... (127) S. 3 ff. Magdeburger Zeitung v. 07.12.1928, in Berichte ... (127). RGBl. 1934 S. 34. RGBl. 1934 S. 89. RGBl. 1937 S. 91. Ipsen, Hans Peter (101) S. 5 ff.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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versandenden Weser. Bremen konnte befürchten, ohne einen weiteren Hafen an der Wesermündung als Hafenstadt nicht mehr konkurrenzfähig zu bleiben. Nach langen Verhandlungen mit dem damaligen Königreich Hannover wurde am 01.05.1827 ein Vertrag geschlossen, in dem Bremen das Recht bekam, an der Geestemündung einen Hafen zu bauen.Im Jahre 1847 konnten die ersten Schiffe den neuen Hafen, der den Namen Bremerhaven bekam, anlaufen. Die Größe des von Bremen gekauften Geländes betrug zusammen 341 Morgen (calenbergisches Maß = 26.21 a), die Kaufsumme betrug 73658 Taler 17 Groschen, 1 Pfennig. Initiator war der Bremer Bürgermeister Smitt. 134

Neben Bremerhaven hatten sich die beiden preußischen Orte Lehe und Geestemünde weiter entwickelt. Sie wurden 1924 zur Stadt Wesermünde vereinigt. Ebenso wie mit Hamburg wurde 1921 auch ein Zusatzvertrag zwischen dem Reich 216 und der Hansestadt Bremen geschlossen. Danach wurde die Weser auch im Stadtgebiet Bremens im Zuge der Übernahme der Wasserstraßen in das Reichseigentum Bestandteil der Reichswasserstraßen. 135 Die Hafenbecken, die als Stichhäfen angelegt sind, verblieben nach der für Stichhäfen gültigen Regelung (Rn. 211) im Eigentum der Stadt Bremen. Das Reich verpflichtete sich in diesem Vertrag, die Weser oberhalb Bremerhavens in einem Zustand zu erhalten, daß Schiffe mit einem Tiefgang von 7 m in einer Tide von Bremerhaven aus die See erreichen können. Unterhalb Bremerhavens sollte das Fahrwasser der Weser auf eine Tiefe von 10 m bei mittlerem Niedrigwasser gebracht werden. Daneben erhielt Bremen noch das Recht der Wasserentnahme und der Einleitung von Abwässern. Im Eigentum Bremens blieb damals auch das Grundstück, auf dem Tonnen und Unterhaltungsmaterial lagerten, der sogen. Tonnenhof. Durch das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches vom 30.01.1934 wurde das Land Bremen seiner Staatlichkeit entkleidet und Bremerhaven 1939 in die Stadt Wesermünde eingegliedert. Im Zuge der Reföderation 1947 wurde die Stadt Wesermünde in Bremerhaven unbenannt und Bestandteil des Bundeslandes Bremen. Es gibt in Bremen und Bremerhaven keine bundeseigenen Hafeneinrichtungen. 136

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen In dem vorhergehenden Abschnitt wurde die Hoheitsgewalt und das Eigentum an den 217 Seewasserstraßen der Bundesrepublik eingehend dargestellt, weil sich aus beiden Grundlagen die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden ergibt, die den Nutzern der Wasserflächen mit allgemeinen Rechtsvorschriften, Verwaltungsakten, polizeilichen Maßnahmen gegenübertreten. Für die Bundesrepublik obliegt die Verwaltung nach Art. 87 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 Satz 1 GG dem Bund, der sie mit bundeseigenen Behörden ausübt. Diese Verfassungsentscheidung, daß die Zentralgewalt, also der Bund die Verwaltung selbst ausübt, ist zwar eine Ausnahme in der Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und 134 135 136

Bessel, Georg, Geschichte Bremerhavens, 1927, Seiten 143 ff. RGBl. 1922 S. 224. Zu den bundeseigenen Häfen s. Rn. 685.

78

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

den Ländern ( Siehe Art. 83 GG ), nicht jedoch auf Grund der historischen Entwicklung. Eigentum und Verwaltung der Wasserstraßen hatten schon, ohne daß man das eine von dem anderen trennen konnte, in der Hand des Kaisers gelegen. 218

Lediglich für die Zeit der Entmachtung der kaiserlichen Gewalt nach 1648 waren bis zur Gründung des Deutschen Bundes die jeweiligen regionalen Landesherren Eigentümer und Verwalter der Wasserstraßen. Schon in der Paulskirchen-Verfassung waren in den Art. 20 und 21 regional übergreifende Aufsichtsbestimmungen vorgesehen. Preußen als Eigentümer und Verwalter aller großen deutschen Ströme garantierte die Einheitlichkeit der Nutzung durch die Schaffung von Strombauverwaltungen (für die Elbe in Magdeburg und für die Weser in Hannover), deren Gebiete selbst unabhängig waren von den Gebieten der damaligen preußischen Oberpräsidenten. In der alten Reichsverfassung von 1871 wurde in Art. 4 die Reichseinheitlichkeit nur sehr rudimentär durch die Einführung eines Aufsichtsrechtes des Reiches begründet. Die Länderverwaltungen betr. die Wasserstraßen, insbesondere die preußische, wurden noch nicht in eine Reichsverwaltung umgewandelt.

219

Erst durch Art. 97 WRV wurde die Verwaltung der Wasserstraßen ausdrücklich als Reichsverwaltung festgestellt. 137 Damit war der Rechtsstatus wiederhergestellt, wie er vor dem 17. Jahrhundert bestanden hatte. 138 Allerdings blieben, im Gegensatz zum heutigen Grundgesetz, die mittleren und unteren Wasserstraßenbehörden weiterhin Landesbehörden. Sie führten die Verwaltungsaufgaben des Reiches als Auftragsangelegenheit durch. 139 Der Grundgesetzgeber hat dagegen alle Behörden als Bundesbehörden errichtet, wenngleich bis zum Erlaß des WaStrG als gesetzliche Grundlagen für deren Tatigwerden lediglich Landesgesetze vorhanden waren, die für eine Bundesverwaltung keine rechtmäßige Grundlage sein konnten. 140 Durch das WaStrG wurde dieser rechtliche Mangel beseitigt. Bei den Häfen obliegt die Verwaltung in aller Regel den Ländern; soweit sie vornehmlich örtlichen Interessen dienen, den Gemeinden, und soweit sie Bestandteile der Bundeswasserstraßen sind, dem Bund (Siehe dazu Rn. 208). 1. Funktionale Grenze der Bundesverwaltung

220

Obwohl Flüsse und Seegebiete nicht nur dem Verkehr dienen, sondern auch sonst noch in vielfältiger Weise genutzt werden, bezieht sich die Bundeswasserstraßenverwaltung gemäß der Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern nur auf ihre Funktion als Wasserstraßen (vgl. die Art. 87 Abs. 1 und 89 Abs. 2 GG sowie das 1957 erlassene 137 138 139

140

Anschütz, Gerhard, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts 7. Aufl. 3. Teil, 1919, Art. 97 Anm. 10. Anschütz (137) Art. 97 Anm. 5. Entscheidung des Staatsgerichtshofes vom 12.12.1925 in RGZ 112, Anhang S. 33 (43); Anschütz (137) Art. 97 Anm. 10; Friesecke (4) S. 6 über die Begründung zum WaStrG. BVerfGE 21, 312 (325) in DÖV 1967, 563 und DÖV 1968, 589 (gekürzt) Die Ausführung von Landesgesetzen durch Bundesbehörden ist nach dem G G schlechthin ausgeschlossen. BVerfGE 12, 205 (221). Organe des Bundes werden niemals zum hoheitlichen Handeln im Landesrecht zuständig sein (zit. Zeidler in DVB1. 1960 S. 573.) Giese (17) S. 21; Schmuck, Herbert, Kann der Bund im Rahmen der bundeseigenen Verwaltung nach Art. 89 G G auch auf Bestimmungen des Landesrechts zurückgreifen? in DÖV 1961 S. 662 (665), er bejaht diese Möglichkeit. Salzwedel, Jürgen, Wasserwegerecht an Bundeswasserstraßen. Eine Untersuchung zum Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11.04.1967 (DÖV 1967, S. 563) und seinen rechtlichen Konsequenzen in D Ö V 1968 S. 103 (104).

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse an den Bundeswasserstraßen, § 1 Abs. 1). Diese klare Kompetenzabgrenzung wurde durch eine Entscheidung des BVerfG vom 30.10.1962 141 bestätigt. Es hob das Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen auf, 142 da hier eine Verwaltungstätigkeit — Reinhaltung der Wassers — begründet werden sollte, welche die Gewässer als Wasserstraße nicht berührte. Dieses Urteil sah sich einer erheblichen Kritik ausgesetzt, weil es die zusammengehörende fiskalische und hoheitliche Verwaltung nunmehr verschiedenen Hoheitsträgern zuwies und damit die Verwaltung wirkungsloser und die notwendige internationale Zusammenarbeit erschwert wurde. Alle diese Nachteile wurden im Interesse einer verfassungskonformen Beschränkung des Bundes auf die Funktion der Gewässer als Wasserstraßen in Kauf genommen.

2. Die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes Da der Bund die Bundeswasserstraßen nach Maßgabe der für sie erlassenen Gesetze 221 durch bundeseigene Verwaltung auszuüben hat, hat die Bundesregierung nach Art. 86 GG die Einrichtung der Behörden zu regeln und die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen. Oberste Behörde der Bundeswasserstraßenverwaltung ist der Bundesminister für Verkehr (BMV). Mittelbehörden für den Küstenbereich sind zwei der insgesamt sechs Wasser- und Schiffahrtsdirektionen (WSDn), denen als Unterbehörden Wasser- und Schiffahrtsämter (WSÄ) nachgeordnet sind. 143 Im einzelnen handelt es sich um die WSD Nord mit Sitz in Kiel und den sechs unterstellten WSÄ Kiel-Holtenau, Brunsbüttelkoog, Lübeck, Tönning, Hamburg und Lauenburg, von denen die beiden erstgenannten Aufgaben des früheren Kanalbauamtes übernommen haben, die WSD Nordwest mit Sitz in Aurich und den vier unterstellten WSÄ Bremen (Aufgabenbereich Weser von km 20.00 bis 40.04), Bremerhaven (Aufgabenbereich Weser von km 40.04 bis 58.00), Wilhelmshaven und Emden. 3. Die Verwaltungsaufgaben der Wasserstraßenverwaltung (WSV) Die Verwaltungstätigkeit der WSV umfaßt: 222 — Planung, Aus- und Neubau von Bundeswasserstraßen nebst Verkehrssicherungspflicht, — Beseitigung von Schiffahrtshindernissen, — Festsetzung von Entschädigungen, — Setzen und Betrieb von Schiffahrtszeichen sowie Genehmigung entsprechender Maßnahmen durch Dritte, — Genehmigung von Sondernutzungen (§ 31 WaStrG) und Überwachung der ordnungsgemäßen Durchführung, 141 142

143

BVerfGE 15, 1 (7). Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen vom 17.08.1960, BGBl. 1960 S. 2175; aufgehoben am 30.10.1962. Neuordnung der Wasser- und Schiffahrtsverwaltungen des Bundes. Neuordnung der Unterinstanzen, Bonn, den 23.01.1978, BW 15/02.04.31-00 in VkBl. amtl. Teil, S. 84; Gemäß Erlaß vom 15.03.1979 - BW 1 5 / 0 2 0 4 - 0 0 - 0 1 wurden die Zuständigkeitsbereiche der W S Ä im Bezirk der W S D Nord geändert. Siehe dazu VkBl. 1979, amtl. Teil, S. 127.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

- Strom-Polizei (§ 24 WaStrG), — Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Jede dieser Verwaltungsaufgaben wird nachstehend in einem besonderen Abschnitt behandelt. 4. Planung, Bau und Unterhaltung von Wasserstraßen und Verkehrssicherungspflicht 223

224

225

a) Planung144 und Bau Aus- und Neubau von Bundeswasserstraßen sind Hoheitsaufgaben des Bundes. Die Entscheidungen, die zur Durchführung dieser Aufgaben zu treffen sind, haben noch keine unmittelbare Auswirkungen für eventuell Betroffene. Sie sind darum auch keine Verwaltungsakte, sondern Hoheitsakte des Bundes, die nicht justitiabel sind. 145 Erst das nachfolgende Planfeststellungsverfahren, das in den Kompetenzbereich der Wasser- und Schiffahrtsdirektion fällt (§§ 14 ff WaStrG) läßt gemäß § 17 WaStrG Einwendungen und evtl. die gerichtliche Überprüfung zu, wenn die Betroffenen mit einem Plan nicht einverstanden sind. Da ein Planfeststellungsverfahren für Seewasserstraßen relativ selten ist und die Vorschriften für den Schiffsverkehr hier im Vordergrund stehen, kann es mit dem Hinweis auf die einschlägigen Vorschriften des WaStrG hier sein Bewenden haben.146 Für die Baumaßnahmen sind die WSÄ zuständig, in deren Gebiet die Maßnahmen durchgeführt werden sollen. b) Die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen Vor Inkrafttreten des Wasserstraßengesetzes war es zwar stets zweifelsfrei, daß der Bund Träger einer Unterhaltungsverbindlichkeit ist; dennoch herrschte damals noch Unsicherheit darüber, woraus diese Verbindlichkeit abzuleiten sei. Die einen folgerten die Unterhaltungspflicht entsprechend § 113 Preuß. Wassergesetz aus dem Eigentum — so § 29 Wasserhaushaltsgesetz —, andere leiteten die Unterhaltungspflicht ohne weiteres aus dem Art. 89 GG ab.147 Im § 7 Abs. 1 WaStrG wird bestimmt, daß die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und der Betrieb der bundeseigenen Schiffahrtsanlagen Hoheitsaufgaben des Bundes sind. Während die Plicht zur Unterhaltung von Wasserläufen im allgemeinen nur an das Eigentum gebunden ist, ist die Unterhaltung hier gleichzeitig eine amtlich wahrzunehmende staatliche Aufgabe; daß sie nicht fiskalischer Natur ist, hat insbesondere für den Betrieb bundeseigener Schiffahrtsanlagen Bedeutung. 148 Es handelt sich um eine öffentlichrechtliche Verbindlichkeit, die nicht gegenüber bestimmten Personen, etwa den Anliegern der Bundeswasserstraßen, zu erfüllen ist, sondern der Allgemeinheit gegenüber besteht.149 Zur Unterhaltung der Bundeswasserstraßen und damit auch zum Aufgabenkreis des Bundes gehört gemäß § 8 WaStrG auch die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Wasser144 145 146 147 148

149

Siehe dazu § 13 WaStrG. Friesecke (4) S. 128/129. Siehe dazu § § 1 4 - 2 3 WaStrG. Friesecke (4) S. 74. Czychowski, Manfredt, Das Bundeswasserstraßengesetz, in DVB1. 1968. S. 573, Bundestagsdrucksache IV-352 S. 21. So schon § 113 Preuß. WasserG; dazu Holtz-Kreutz-Schlegelberger (42) S. 94.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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abflusses, um Störungen des Schiffsverkehrs zu vermeiden. Im übrigen gehören die Räumung und die Freihaltung eines Wasserablaufes nicht zu den Bundesaufgaben. Sollten durch die Schiffahrt Schäden an Ufergrundstücken entstanden sein oder sind solche zu befürchten, so gehört es mit zum Aufgabenkreis des Bundes, Arbeiten zur Beseitigung oder Verhütung von Schäden durchzuführen. Hingegen sind die Unterhaltung von Deichen oder Dämmen, sowie der gesamte Hochwasserabfluß Aufgabe der Länder.150 Auch erstreckt sich die Verpflichtung zur Erhaltung der Schiffbarkeit gemäß § 8 Abs. 3 WaStrG nicht auf die Zufahrt zu den nicht bundeseigenen Häfen. Die gesamten Unterhaltungsaufgaben des Bundes können auch an Dritte zur Ausführung übertragen werden. Die hoheitlichen Befugnisse gehen dabei jedoch nicht auf die beauftragten Firmen über. Speziell der Unterhaltung der Seewasserstraßen ist § 8 Abs. 5 WaStrG gewidmet, 226 wonach die Erhaltung der Schiffbarkeit bei den Seewasserstraßen anders als bei den sonstigen Bundeswasserstraßen nur hinsichtlich der gekennzeichneten Schiffahrtswege geboten ist. Eine weitere Grenze für die Unterhaltung der Seewasserstraßen ergibt sich nach § 8 Abs. 5 WaStrG aus der Wirtschaftlichkeit der zu treffenden Maßnahmen. Dies liegt in der Natur der Sache, zumal zu den Seewasserstraßen die Wattengebiete und andere Gewässerflächen gehören, deren Untergrund sich durch die Naturkräfte des Meeres ständig verändert. Durch die besonderen geographischen Verhältnisse, die in den Küstenvorfeldern der 227 Nordsee gegeben sind, können sich Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung bestimmter Schiffswege ergeben, die vernünftigerweise wirtschaftlich nicht überwunden werden können. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß es auch dann Grenzen für die Unterhaltung einer Seewasserstraßen geben kann, wenn durch diese sonstige Gefahren entstehen, wie z. B. nachteilige Änderung der Strömungsverhältnisse der Umgebung dieses Schiffahrtsweges. Es muß deshalb der Bundesverwaltung überlassen bleiben, zu entscheiden, ob die Sicherheit bestimmter Schiffahrtswege unter Berücksichtigung aller notwendigen Umstände weiterhin gewährleistet werden kann. Daraus folgt, daß von der Bundesverwaltung z. B. die Länder keine konkreten Unterhaltungsmaßnahmen verlangen können.151 Für die heute im Küstengebiet liegenden Fahrwasser von Emden, Bremen und Ham- 228 bürg wurden schon im Nachtrag zum Wasserstraßenvertragsgesetz vom 18.02.1922 in den §§18 und 19 Sonderregeln vorgesehen. Soweit hierin auch eine Unterhaltungspflicht begründet ist, die über den Umfang der jetzigen Anforderungen des § 8 WaStrG hinausgeht, bleiben sie in dem damals festgelegten erweiterten Umfange bestehen und werden von der Unterhaltsungsregelung des § 8 nicht berührt. 152 Durch die Reföderation wurden die Unterhaltungspflichten des Reiches und heute des Bundes für die Weser nicht berührt. Die Häfen Bremens sind jedoch im neuen Land Bremen landeseigene Häfen geworden. c) Verkehrssicherungspflicht des Bundes Aus der hoheitlichen Aufgabe des Bundes, die Bundeswasserstraßen als Schiffahrts- 229 Straßen zu unterhalten (§ 7 Abs. 1 WaStrG) folgt auch die Pflicht zur Verkehrssicherung. So im Schrifttum die herrschende Meinung; die Rechtsprechung folgert die Pflicht aus 150 151 152

Czychowski (148) S. 576; s. dazu § 8 WaStrG. BGH-Urteil vomm 29.03.1962 - NJW 1962 S. 1051. Friesecke (4) S. 90.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

§ 823 Abs.l BGB 153 Die Verkehrssicherungspflicht beruht darauf, daß durch die Zulassung des öffentlichen Verkehrs auf den Wasserstraßen — zum Teil mit sehr großen und auch schnell fahrenden Schiffen — eine Gefahr für Dritte, insbesondere anderer Verkehrsteilnehmer bestehen kann. 154 230

Kraft der Verkehrssicherungspflicht hat der Bund für die Beseitigung vorhandener oder bevorstehender Gefahren zu sorgen. 155 Zur Verkehrssicherungspflicht gehört daher insbesondere die Beseitigung von Schifffahrtshindernissen oder, wenn sie nicht sofort möglich ist, zum mindesten eine genügende Kennzeichnung der Gefahrenstelle. Schiffahrtshindernisse können sich sowohl durch naturgegebene Veränderungen des Fahrwasserweges als auch sonstige gegenständliche Hindernisse ergeben, die im Fahrwasser liegen oder schwimmen. Neben dem Aufstellen von Warnzeichen müssen auch verlorengegangene Gegenstände gesucht werden, falls diese geeignet sind, eine Gefahr für die Schiffahrt zu werden. (Zur Beseitigung von Schiffahrtshindernissen siehe Abschnitt 5 Rn. 234 ff).

231

Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich zwar nicht auf die gesamte Wasserstraße, aber doch auf das Fahrwasser, also nicht nur die amtliche Fahrrinne. 156 Zu diesem Begriff vgl. Nr. 1 der Richtlinien des RVM von 1931.157 Danach sind Fahrwasser alle für die Seeschiffe nutzbaren Wasserwege, einschließlich der Reeden, die von der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung innerhalb des Geltungsbereiches der Strandungsordnung unterhalten werden, d. h. jeder Teil der Wasserfläche, der für Seeschiffe nutzbar ist, soweit diese Wasserfläche im Eigentum oder in der Verwaltung des Bundes steht. 158 Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht ist innerhalb und außerhalb der amtlichen Fahrrinne nicht gleich. Außerhalb der Fahrrinnen genügt es, entstehende Hindernisse, sobald sie erkannt worden sind, zu kennzeichnen. In der Fahrrinne müssen sie entfernt werden.

232

Zur wirksamen Sicherung der Wasserstraßen sind auch angemessene Kontrollen notwendig. 159 Ständige Überwachungsmaßnahmen können dann nicht gefordert werden, wenn auf Grund der Länge und des Umfanges der Wasserstraßen dafür eine sehr aufwendige Organisation geschaffen werden müßte. 160 Welche konkreten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, wozu auch Planungen und Regulierungen gehören können, 161 jeweils ergriffen werden müssen, wird in jedem Einzelfall durch die besondere Gefahrensituation bestimmt werden. 153

154 155 156

157

158 159 160 161

BGHZ 9, 373; 24, 124; Eingehend dazu Salzwedel in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht § 46. Friesecke (4) S. 93. BGHZ 12, 95; 14, 85; 16, 95 ff; 21 48 ff. OLG Köln, Urt. v. 23.01.1970 in VkBl. 1970 S. 626 f, nichtamtl. Teil; BGH-Urt. vom 29.03.1962 II ZE 43/60 vergl. BGHZ 37/69, MDR 62/545. Richtlinien vom 19.02.1931 für die Handhabung des § 2 5 der Strandungsordnung; zu letzterer Rn. 805 f. Ewald (112) S. 64, Anm. 8 zu § 25. Friesecke (4) Anm. 21 zu § 24 am Ende, S. 264. BGHZ 9, 373; Friesecke (4) S. 94. V G Schleswig-Holstein, Urt, v. 14.01.1970, in VkBl. 1970 S. 652 Die Behörden haben auch bei Planungen und Regulierungen gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 des SeeAufgG die Belange der Schiffahrt zu beachten.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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Die Verbesserung einer Bundeswasserstraße zur Erleichterung ihrer Benutzung gehört zur Unterhaltung der Bundeswasserstraßen, nicht aber zur Verkehrssicherungspflicht, weil diese lediglich dem Schutz vor möglichen Gefahren dient. Die Ausbaggerung der Fahrrinnen gehört in der Regel allein zur Unterhaltungsaufgabe des Bundes; der Verkehrssicherungspflicht dient sie aber z. B. dann, wenn mit dem langsamen Versanden der Fahrrinne z. B. infolge mangelhafter Unterhaltung eine Gefahr für die Schiffahrt entsteht.162 Es wurde aufgezeigt, daß der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des § 7 WaStrG, die 233 Bundeswasserstraßen zu unterhalten — d. h. nach § 8 WaStrG insbesondere die Schiffbarkeit zu erhalten —, die nach der Rechtsprechung privatrechtliche Verpflichtung folgt, Schäden zu ersetzen, für welche die unzulängliche Erhaltung der Schiffbarkeit einer dem Verkehr gewidmeten Wasserstraße ursächlich gewesen ist. Aus der Verpflichtung ergeben sich für die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung zwei zusätzliche Verpflichtungen, die über die in § 8 Abs. 2 beispielhaft genannten Tätigkeiten hinausgehen. Es handelt sich um — die speziell geregelte Beseitigung von Schiffahrtshindernissen, d. h. treibenden oder auf Grund geratenen Gegenständen, — die allgemeine Aufgabe der Strompolizei (§ 24 WaStrG), die mehr dem Schutz der betriebsfertig vorgehaltenen Bundeswasserstraße dient, also auch die vorgenannte Beseitigungsaufgabe umfaßt. 5. Die Beseitigung von Schiffahrtshindemissen Die rechtliche Grundlage für die Beseitigungspflicht ist jetzt allein § 30 WaStrG, da 234 die einschlägigen §§25, 25a der Strandungsordnung vom 17. Mai 1874163 aufgehoben sind (s. Rn. 805). Nach § 30 Abs. 1 WaStrG können hilflos treibende, festgekommene, gestrandete oder gesunkene Fahrzeuge, bzw. schwimmende Anlagen oder andere treibende oder auf Grund geratene Gegenstände, z. B. verlorene Anker, Baumstämme, Container, ein Eingreifen notwendig machen.164 Die Beseitigungspflicht dieser Schiffahrtshindernisse trifft zuerst den nach § 25 WaStrG Verantwortlichen, d. h. den Störer oder Eigentümer einer störenden Sache. Bergungsschiffe fremder Flagge sind in der Bundesrepublik im Gegensatz zur Praxis einiger anderer Staaten — dagegen gerichtet die IMO Res. A 203 (VII) — ohne weiteres berechtigt, ihre Tätigkeit auszuüben. Zuvor haben jedoch die verantwortlichen Personen, falls sie in räumlicher Nähe des Schiffshindernisses sind, alles zu tun, um die Gefahrenstelle zu kennzeichnen, da eine bloße Beeinträchtigung des Schiffsverkehrs durch ein sichtbares Schiffshindernis bei Verschlechterung der Sichtverhältnisse (Dunkelwerden, Nebel) leicht zu einer Gefahr für die Schiffahrt werden kann. Diese Warnpflicht trifft auch die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung (WSV), falls Maßnahmen von dem Verantwortlichen nicht oder nicht genügend getroffen worden sind. 165 Fordert die WSV Beseitigungsmaßnahmen durch einen Verantwortlichen, so richtet 235 sie an ihn eine strompolizeiliche Verfügung. BGH Urt. vom 31.01.1966 in VkBl. Nichtamtl. Teil 1966 S. 370. RGBl. 1874 S. 73. 164 Frjesecke (4) S. 269; Looks, Volker, Neuere Rechtsfragen der Wrackbeseitigung, Hamburg 1977, Heft 29 der Schriften (Reihe A) des DVIS. 165 BGH Urt. vom 12.04.1964 in N J W 1964 S. 1325; Mintzel (23) S. 141. 162 163

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Je nach Art der Gefahr oder Störung ist in der polizeilichen Verfügung anzuordnen, von welchem Zeitpunkt an, in welcher Zeit oder bis wann eine Handlung vorzunehmen, zu dulden oder zu unterlassen ist. Für den Fall der Nichtbefolgung der geforderten Handlung, Duldung oder Unterlassung ist ein Zwangsmittel anzudrohen. Die Androhung des Zwangsmittels richtet sich nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz (§§ 7 ff). 166 Betreiber von Seeschiffen (Reeder, Charterer, Ausrüster) haften für Beseitigungskosten nur beschränkt bis zu einer Haftungshöchstsumme, die sich nach dem Schiffsraum bemißt (§ 30 Abs. 12). 236

Die WSV ist zur unmittelbaren Beseitigung berechtigt, wenn „ein sofortiges Eingreifen erforderlich ist und wenn ein nach § 25 Verantwortlicher nicht oder nicht rechtzeitig herangezogen werden kann oder wenn zu besorgen ist, daß dieser Verantwortliche das Hindernis nicht oder nicht wirksam beseitigen wird" (§ 30 Abs. 1 WaStrG). Diese unmittelbare Beseitigung ist ein gesetzliches Recht der Behörde; sie obliegt ihrem Ermessen und ist keine Selbstvornahme als Mittel zur Anwendung des unmittelbaren Verwaltungszwanges nach § 6 Abs. 2 VwVG. Ein Vorgehen nach § 30 WaStrG ist vor allem dann angezeigt, wenn nach den Umständen des Falles das Hindernis dem Zugriff des Verantwortlichen oder eines Dritten entzogen werden soll, weil nur durch das Eingreifen in Form einer Beschlagnahme eine möglichst zügige Beseitigung des Schifffahrtshindernisses sichergestellt erscheint.

237

Ein Vorgehen nach § 30 WaStrG seitens der WSV, d. h. wenn sie erkennbar mit der Beseitigung der Schiffahrtshindernisse begonnen hat, hat folgende Konsequenzen: — Ohne Zustimmung der Behörden dürfen das Hindernis nicht beseitigt und Gegenstände von diesem nicht mehr fortgeschafft werden. Soweit möglich, sind die nach § 25 WaStrG Verantwortlichen und die Eigentümer der beseitigten Gegenstände darüber unverzüglich zu unterrichten (§ 30 Abs. 2 WaStrG). — Nach Beseitigung des Schiffahrtshindernisses ist den Eigentümern der beseitigten Gegenstände und den Inhabern von Rechten an den Gegenständen von der Wasserund Schiffahrtsdirektion anheimzustellen, binnen einer von ihr zu bestimmenden Frist zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung in die Gegenstände, die Kosten der Beseitigung zu erstatten oder für diese Sicherheit zu leisten (§ 30 Abs. 3 WaStrG).

238 — Der Verantwortliche haftet nicht persönlich für die Beseitigungskosten des Schiffshindernisses, die Behörde hat dafür das Recht zur Verwertung der beseitigten Gegenstände (§ 30 Abs. 9 WaStrG). — Die Vollstreckung in die Gegenstände richtet sich nach dem 2. Abschnitt des VwVG. Vollstreckungsbehörde ist die Wasser- und Schiffahrtsdirektion, Vollstreckungsschuldner sind die Eigentümer der beseitigten Gegenstände, die als solche jedoch nur zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die Gegenstände verpflichtet sind (§ 30 Abs. 5 WaStrG). — Die Wasser- und Schiffahrtsdirektion kann wegen der Kosten für die Beseitigung des Schiffahrtshindernisses die beseitigten Gegenstände mit Vorrang vor anderen Gläubigern verwerten ( § 30 Abs. 5 Satz 4 WaStrG).

166

Richtlinien für strompolizeiliche und schiffahrtspolizeiliche Verfügungen v o m 14.07.1974 in VkBl. 1974 S. 520 (523).

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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— Der Verantwortliche kann ordnungsrechtlich nicht zur Bezahlung solcher Kosten der Beseitigung herangezogen werden, die bei der Verwertung der beseitigten Gegenstände ungedeckt bleiben (beschränkt dingliche Haftung, § 30 Abs. 10 WaStrG).

6. Strompolizei a)

Aufgabenbereich

In den Rahmen der Verwaltung der Bundeswasserstraßen fallt die Aufgabe der Strom- 239 polizei. Nach ihrer gesetzlichen Grundlage, dem § 24 WaStrG, haben die Behörden der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes die Aufgabe, nach pflichtgemäßem Ermessen zur Gefahrenabwehr Maßnahmen zu treffen, die nötig sind, um die Bundeswasserstraße in einem für die Schiffahrt erforderlichen Zustand zu halten. 167 Daß diese Aufgabe der Gefahrenabwehr als „Annex-Kompetenz" zu dem Sachgebiet „Verwaltung der Bundeswasserstraßen" (Art. 89 Abs. 2 G G ) gehört, erhärtet ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. 168 Zu den beiden Wortelementen des Begriffes „Strompolizei" sei angemerkt: 240 Mit dem Begriff „Polizei" wurde ursprünglich die gesamte Durchführung der Gesetze durch die Exekutivorgane eines Staates bezeichnet. Der Begriff „Polizei" war damit nichts anderes als ein anderer Begriff für staatliche Verwaltung. 169 Doch war dieser historische Polizeibegriff, der keine deutlichen Konturen aufwies, einem häufigen Inhaltswandel unterzogen. So wurde durch das preuß. Allgemeine Landrecht (ALR) von 1794170 der Teil der Verwaltung betr. die Wohlfahrtspflege — heute: Daseinsvorsorge oder Leistungsverwaltung — aus dem Inhalt des Polizeibegriffes entfernt. Somit blieben als Polizeiaufgaben die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung übrig. 171 Da diese Trennung zwischen Wohlfahrtsverwaltung und Gefahrenabwehr aber selbst in Preußen im 19. Jahrhundert nicht durchgehalten wurde, führte das preuß. Oberverwaltungsgericht in dem berühmten Kreuzberg-Urteil vom 14.06.1882172 die Polizei auf die Funktion der Gefahrenabwehr zurück. Dieser preußische Polizeibegriff wurde durch das preußische Polizeiverwaltungsgesetz (PVG) vom 01.06.1931173 mit dem grundlegenden § 14 bestätigt und von allen deutschen Ländern und auch von der Schweiz übernommen. 174 Der Begriff „Strom" ist inhaltlich nicht eindeutig festgelegt. Er bezeichnet nicht etwa nur einen 241 großen Fluß; die geographische Unterscheidung zwischen Strömen und Flüssen wird rechtlich nicht nachvollzogen. Strom ist früher auch ein seerechtlicher Begriff gewesen, der die Territorialgewässer der Küstenstaaten bezeichnete.175 So wurden im Jahre 1305 die küstennahen Meeresteile Flanderns 167 168 169 170

171

172 173 174 175

Siehe dazu die Richtlinien (166) S. 519. BVerfGE 3, 407; 8, 143, 149 f. Drews-Wacke, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 1961 7. Aufl. S. 2/3. Das Allgemeine Landrecht (offizieller Name „Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten") wurde am 01.06.1794 in Preußen in Kraft gesetzt; bis 1854 noch 95 Nachträge in Form von Gesetzen. Die Gesetzsammlung liegt vor in fünf Bänden vom Verlag Albert Nauck & Comp. Berlin 1855. § 10 II. Teil 17. Titel lautet:„Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Miglieder desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei". Pr. OVG 9 S. 353 - 384; (zit. bei Drews-Wacke (169) S. 6). Pr. GS. 1931, S. 17. Drews-Wacke (169) S. 8. Röhrig, Abhandlungen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Philos.-histor. Klasse 1948, S. 2, 7 ff (zit. bei Friesecke (4) S. 254.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

Ströme genannt. 176 Auch in Lübeck wurde im 16. und 17. Jahrh. das Wort Strom für die der lübeckischen Hoheitsgewalt unterliegenden Gewässer und Meeresteile benutzt. Zur Geschichte des kombinierten Begriffes „Strompolizei" sei auf die umfangreiche Literatur hingewiesen. 177 Erwähnt sei nur, daß bis 1913 im preußischen Recht für die öffentlichen, d. h. schiffbaren Gewässer eine Strompolizei zuständig war, neben der es für die nicht schiffbaren sogen. Privatflüsse die Wasserpolizei gab. 178 Nach einer allgemeinen Feststellung des preuß. O V G gehörte zu den Aufgaben der Strom-Polizei die Sorge für die Erhaltung des Strombettes, seiner Ufer und des fließenden Wassers in dem gesetzmäßigen Zustand. 179 Mit dem preuß. Wassergesetz von 1913 1 8 0 wurde die Trennung der Polizeigewalt in Strom- und Wasserpolizei fallengelassen, es wurde nur noch von Wasserpolizei gesprochen.

242

Obwohl der Begriff Strom-Polizei in den meisten deutschen Ländern nicht verwandt wurde, wurde er dennoch 1919 in Art. 97 Abs. 5 der Weimarer Reichs Verfassung (WRV) aufgenommen. In diesem Fall wurde er kombiniert mit dem Begriff der Schiffahrt-Polizei, obwohl mit beiden Begriffen sehr unterschiedliche sachliche Kompetenzkreise verbunden sind. Diese Begriffskombination Strom- und Schiffahrtspolizei wurde 1921 im Staatsvertrag wiederholt. 181 Allerdings wurde hier im § 12 des Gesetzes über den Staatsvertrag darauf hingewiesen, daß der Begriff Strompolizei im Sinne des Landesrechtes zu verstehen sei. Damit konnte nur die preußische Auffassung gemeint sein; Preußen besaß die meisten großen Flüsse. Aus dem Art. 97 WRV kann auch mittelbar der Schluß gezogen werden, daß die Verwendung des Begriffes Wasserpolizei dem Landesrecht überlassen bleibt. 182 Aus der Vereinbarung zwischen dem Reichs- und Preußischen Verkehrsminister und dem Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei über die Ausübung der Schiffahrtpolizei auf den deutschen Wasserstraßen vom 21.01.1937, folgt, daß man von einer Unterscheidung zwischen Strom- und Schiffahrtpolizei ausging. 183 Obwohl auch in der Bundesrepublik der WSV die Strom- und Schiffahrtspolizei als gekoppelte Aufgabe obliegt, sind beide durch getrennte Definitionen klar unterschieden. (Zur Schiffahrtspolizei siehe Rn. 812)

243

Nach den gesetzlichen Grundlagen der Strompolizei (§ 24 Abs. 1 WaStrG) kommen strompolizeiliche Maßnahmen vor allem bei folgenden Gefahren, Störungen oder Zuwiderhandlungen gegen das WaStrG in Beträcht: 184 1. Beschädigungen des Gewässerbettes, der Ufer, der Buhnen, der Parallelwerke sowie von Schiffahrtsanlagen, Schiffahrtszeichen, femer Beeinträchtigungen der Schiffahrt durch Hindernisse wie gesunkene Fahrzeuge oder schwimmende Anlagen oder durch andere auf Grund geratene Gegenstände, wie verlorene Anker. 2. Mangelnde Unterstützung der Unterhaltungsmaßnahmen an der Bundeswasserstraße. Z.B: Der Eigentümer eines Wohnschiffes weigert sich, die Liegestelle freizumachen 176

177

178 179 180 181 182 183 184

Tschentscher, Zeitschr. des Vereins f. Hamb.Geschichte 42. Bd. S. 139 ( zit. bei Friesecke (4) S. 254). Krebs, Pr. VerwBl. 1927 S. 163 (zit. bei Friesecke (Recht) S. 163; Friesecke Albrecht, Zum Inhalt der Strompolizei, in DVB1. 1961 S. 118. Friesecke (Recht) S. 88; Zuständigkeitsgesetz vom 01.08.1883, XII. Titel, PrGS S. 237. Pr.OVG 48, S. 268/269; 14, S. 308. Gesetz vom 07.04.1913, Pr.GS S. 53. Anlage 1 zum Staatsvertrag von 1921, RGBl. 1921 S. 961. Siehe dazu Giesecke-Scheuner S. 54 u. S. 60 für die Rechtslage bis zum Erlaß des WaStrG. Reichsverkehrsbl. 1937 S.A. 9; zit. bei Giesecke-Scheuner S. 55. Maßnahmekatalog in den Richtlinien (166) S. 521.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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4. 5. 6.

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und verhindert dadurch Baggerungen. Ein Anlieger duldet nicht, daß sein Grundstück zur Ablagerung von Material für Unterhaltungsarbeiten in Anspruch genommen wird. (§ 11 Abs. 1 WaStrG) 185 . Verstoß gegen die Pflicht, Anlagen, Einrichtungen in, über oder unter einer Bundeswasserstraße oder an ihren Ufern so zu unterhalten und zu betreiben, daß die Unterhaltung der Bundeswasserstraße, der Betrieb der bundeseigenen Schiffahrtsanlagen oder Schiffahrtszeichen sowie die Schiffahrt nicht beeinträchtigt werden (§10 WaStrG). Zuwiderhandlungen gegen Rechtsverordnungen, die nach dem WaStrG (§§ 27 und 244 46) erlassen sind und der Abwehr strompolizeilicher Gefahren dienen (Verstoß gegen ein Bade verbot). Benutzung von Bundeswasserstraßen oder Errichtung, Veränderung und Betrieb von Anlagen in, über oder unter einer Bundeswasserstraße oder am Ufer ohne eine nach § 31 WaStrG erforderliche ström- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung. Nichterfüllen von Auflagen, die in Verwaltungsakten nach dem WaStrG und anderen Gesetzen (z. B. Planfeststellungsbeschlüssen, Planungsgenehmigungen) Dritten auferlegt sind und der Abwehr strompolizeilicher Gefahren dienen. Unberührt bleibt die Möglichkeit, daß die Behörden einschreiten, die den Verwaltungsakt erlassen haben. Erschwerung oder Verhinderung der strompolizeilichen Überwachungsaufgaben, indem entgegen den Vorschriften des § 33 Abs. 1 WaStrG a) das Betreten von Grundstücken nicht gestattet wird, Anlagen oder Einrichtungen nicht zugänglich gemacht oder technische Ermittlungen oder Uberprüfungen nicht geduldet werden, b) die erforderlichen Arbeitskräfte, Unterlagen oder Werkzeuge nicht zur Verfügung gestellt werden oder c) die Auskunft nicht, unrichtig, unvollständig oder nicht rechtzeitig erteilt wird. Setzen oder Betreiben von Schiffahrtszeichen ohne rechtliche Verpflichtung oder ohne Genehmigung (§ 34 Abs. 2 WaStrG).

b) Strompoli^eilicbe Verfügungen Zur Erfüllung der Aufgabe, durch strompolizeiliche Maßnahmen Gefahren für die 245 Bundeswasserstraßen abzuwenden oder eingetretene Störungen zu beseitigen, kann das örtlich zuständige Wasser- und Schiffahrtsamt (WSA) nach § 28 Abs. 1 und 2 strompolizeiliche Verfügungen erlassen. Gefahr ist eine Sachlage, die erkennbar die objektive Möglichkeit eines Schadenseintrittes enthält. 186 Man unterscheidet zwei Arten von Gefahren, die abstrakte und die konkrete. Eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn ohne Beschränkung auf einen Einzelfall bestimmte Handlungen oder Zustände nach den Erfahrungen des täglichen Lebens geeignet sind, Schäden hervorzurufen bzw. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu Schäden führen. 187 Konkret ist eine Gefahr dann, wenn nicht nur die Möglichkeit eines Schadenseintrittes besteht, sondern ein Schaden unmittelbar zu erwarten ist. 188

Verfügungen sind Anordnungen, die an bestimmte Personen oder an einen bestimmten 246 Personenkreis gerichtet sind und ein Gebot oder Verbot enthalten. Die Verfügungen gehen den Polizei- oder sonstigen Rechtsverordnungen, den durch Schiffahrtzeichen 185 186 187 188

Vergl. dazu Text des § 11 WaStrG. Drews-Wacke-Vogel-Martens, Gefahrenabwehr, Bd. 1 1975, S. 178. Drews-Wacke-Vogel-Martens (186) S. 106/107. Drews-Wacke, (169) S. 2/3.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

getroffenen Allgemeinverfügungen und den Regeln des Schiffahrtsbrauches vor, da sie zur Beseitigung aktueller Gefahren gegeben werden. Gemäß § 25 Abs. 1 WaStrG sind Verfügungen über Maßnahmen der Gefahrenabwehr in erster Linie gegen Personen zu richten, die eine Gefahr oder eine Störung verursacht haben. Die Frage, welches Verhalten für den Schadenseintritt als ursächlich anzusehen und damit auch vorwerfbar ist, war lange umstritten. Nach der neueren Rechtsprechung und dem neueren Schrifttum kommen als Ursachen von Störungen nur die Handlungen in Betracht, die nach der Erfahrung des täglichen Lebens als allgemein geeignet angesehen werden, einen Schaden oder eine Störung der eingetretenen Art herbeizuführen, die somit dem Erfolg angemessen (adäquat) sind. 247

Personen sind nicht nur für ihr eigenes Verhalten bzw. für das Verhalten einer von ihnen beauftragten Person polizeipflichtig (§ 25 Abs. 1 und 2 WaStrG) 189 , sondern gemäß § 25 Abs. 3 WaStrG auch für den Zustand der Sachen, die in ihrem Eigentum stehen oder über die sie verfügungsberechtigt sind, selbst dann, wenn sie die tatsächliche Gewalt gegen den Willen des Eigentümers oder Verfügungsberechtigten ausüben. Dabei muß die Sache selbst, bedingt durch ihren Zustand, die Gefahrenquelle bilden, z. B. ein manövrierunfähiges im Strom treibendes Schiff; oder die Situation muß sich so verändert haben, daß die Sache zur Gefahrenquelle geworden ist, z. B. Staubildung durch Gegenstände während eines Hochwassers. Für den Zustand einer Sache ist man auch dann polizeipflichtig, wenn man nicht ursächlich gehandelt hat. Die verantwortliche Person hat einen polizeiwidrigen Zustand auch dann zu beseitigen, wenn er durch Naturgewalt oder durch sonstige zufallige Ereignisse entstanden ist. 190 Auch der Kapitän als Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist für den ordnungsgemäßen Zustand des Schiffes polizeipflichtig. Die Strom-Polizei kann auch den Mitbesitzer, wenn er Sachherrschaft ausübt, für die .Beseitigung des polizeipflichtigen Zustandes heranziehen, wenn er dazu in der Lage ist. 191

248

Kann eine Gefahrenquelle weder vom Verantwortlichen noch von der Polizei trotz Einsatz aller verfügbaren Kräfte behoben werden, kann die Polizei, wenn die Gemeinschaft bedroht ist (polizeilicher Notstand), sich an unbeteiligte Dritte (Nicht-Störer) wenden, um die Gefahr zu beseitigen (§ 26 WaStrG). In einem polizeilichen Notstand ist der Schaden meist schon eingetreten, oder es besteht eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben bzw. bedeutende Sachgüter, — so z. B. Tankerunglück, trotz Rettung der Besatzung. Ein unbeteiligter Dritter darf zur Hilfeleistung nicht herangezogen werden, wenn damit für ihn nicht zumutbare Gefahren verbunden sind (z. B. Hilfeleistungen unter Wasser) oder sonstige wesentliche Pflichten des unbeteiligten Dritten entgegenstehen, z. B. Feuerwehr oder Kriegsschiff in einem anderen Einsatz. Die herangezogenen Personen üben, selbst wenn sie zu Absperrmaßnahmen herangezogen werden, keine hoheitliche Tätigkeit aus; sie sind keine Hilfspolizei. Das gilt auch für die in einem polizeilichen Notstand eingesetzten Bundeswehreinheiten, es sei denn, die Ausnahmesituation des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG ist gegeben; dazu ausführlich Rn. 1299. 185 190

191

BGHZ 12, S. 206. Pr.OVG 72, S. 261 (266); 80, S. 77 (189/190); 82, S. 351 (359) (zit. bei Friesecke (4) OVG Münster 5 S. 185 (187); Drews-Wacke (169) S. 223 ff; Ule-Rasch, Polizeiverwaltungsgesetz, § 19 PVG P V G Anm. 5ff. Drews-Wacke-Vogel-Martens (220) S. 191. Drews-Wacke (169) S. 245.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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Die zur Beseitigung eines polizeiwidrigen Zustandes ergehenden Verfügungen müssen 249 ihrem Inhalt nach bestimmt sein. Unzulässig ist z. B. eine Verfügung an einen Anlieger einer Wasserstraße, diese wieder verkehrssicher zu machen, oder an einen Schiffsführer, bei der Fahrt die obwaltenden Bedingungen und Umstände zu berücksichtigen. 192 Die Verfügung hat die geforderte Handlung konkret zu benennen und darf kein unzulässiges oder unmögliches Verhalten verlangen. Nach § 29 Abs. 2 WaStrG ist dem Betroffenen auf Antrag zu gestatten, an Stelle eines durch strompolizeiliche Verfügung angedrohten oder festgesetzten Mittels ein von ihm angebotenes anderes Mittel anzuwenden, das die Gefahr ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit ebenso wirksam abwehren kann. Kommt der durch die Verfügung Verpflichtete der Anordnung zum Handeln, Dulden oder Unterlassen nicht nach, so kann die Verfügung nach dem VwVG durchgesetzt werden. 193 Zur Erfüllung der Aufgaben der Gefahrenabwehr können die Behörden nach pflicht- 250 gemäßem Ermessen auch Warnungen oder sonstige Hinweise erteilen. Das pflichtgemäße Ermessen der Polizei zur Beseitigung einer Gefahrensituation umfaßt zwei Entscheidungen: Die erste Entscheidung betrifft die Frage, ob die Polizei eingreifen muß (Entschließungsermessen) und die zweite die Frage des Einsatzes der Mittel (Auswahlermessen). 1,4

Bei einer konkreten Gefahr für absolute Rechtsgüter ist die Polizei nach höchstrichterlichen Entscheidungen zum Eingreifen verpflichtet, so daß in solchem Fall das Entschließungsermessen entfällt. 195 Beim Auswahlermessen geht es um die Frage des Einsatzes der richtigen Mittel zu Gefahrenbeseitigung. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, 196 daß Eingriffe der Polizei nicht weitergehen dürfen, als die sie legitimierenden öffentlichen Interessen es erfordern. Das heißt, die Eingriffsmittel müssen zur Erreichung der angestrebten Zwecke geeignet und dürfen nicht übermäßig belastend sein. 197 Nach § 29 Abs. 1 WaStrG haben die Wasser- und Schiffahrtsämter nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigen. 198 Die Prüfung kann bei zu erwartenden Beeinträchtigungen des Allgemeinen Wohls zu einem Abstandnehmen vom geplanten Einschreiten der Polizei führen. 199 Mit Sicherheit läßt sich die Frage, ob die eingesetzten Mittel erforderlich waren, in der Regel erst nachträglich beantworten. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, darüber zu entscheiden, ob sie ein Einschreiten für geboten hält; ein Rechtsanspruch auf ein Tätigwerden besteht im allgemeinen nicht. 192

193 194 195

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BVerwGE in D Ö V 1969 S. 471, Nr. 164; Drews-Wacke-Vogel-Martens (186) S. 205, 207, Mintzel (23) S. 129. Richtlinien (166) S. 520. Drews-Wacke (169) S. 158/159. Drews-Wacke (169) S. 163 mit weiteren Nachweisen; BGH in Verwaltungsrechtsprechung Bd. 5 S. 319 (320); BGH in VRS 7 S. 87; BGHZ 14, S. 830; BVerwGE 11, S. 95. BVerfGE 19, S. 330 (337); Drews-Wacke-Vogel-Martens (186) S. 186; Ossenbühl Fritz, Der polizeiliche Ermessens- und Beurteilungsspielraum, in D Ö V 1976 S. 463 ff ( 466 Anm. 10 mit folgenden Nachweisen: BVerwG D Ö V 1970 S. 173 (175); N J W 1970 S. 1892, BVerG DVB1. 1974 S. 297 und S. 843; O V G Saarlouis DÖV 1973, S. 863, hier S. 470 Anm. 52, 53. Ule-Rasch, Polizeiverwaltungsgesetz, § 14 PVG, Abnm. 57; O V G Münster in DVB1. 1972 S. 502; BVerwGE 26, S. 131; Ossenbühl (196) S. 568 Anm, 46, 47. Ossenbühl (196) S. 470. BGHZ 12 S. 206.

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B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

c) Durchsetzung strompolizeilicher Verfügungen Strompolizeiliche Verfügungen, die die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung erläßt, kann sie nach Maßgabe des VwVG mit den Mitteln des Verwaltungszwanges — (Ersatzvornahme, Zwangsgeld, unmittelbarer Zwang) — durchsetzen; unmittelbaren Zwang können aber gemäß § 6 Nr. 4 UZwG nur die mit ström- und schiffahrtspolizeilichen Befugnissen ausgestatteten Vollzugsbeamten ausüben; das sind z. B. Beamte des Schleusenaufsichtsdienstes bzw. Streckenaufsichtsbeamte. Vgl. dazu im einzelnen die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des BMV zum Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes im Bereich der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung. 200 Im übrigen kann zur Durchsetzung strompolizeilicher Maßnahmen die Polizei der Länder in Form der Wasserschutzpolizei herangezogen werden. Die Wasserschutzpolizeibehörden sind Teil der Polizei der Länder, denen die Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung einschließlich Verfolgung und Aufklärung strafbarer Handlungen und Ordnungswidrigkeiten obliegt. Dabei ist es gleichgültig, in welchem Teil des Hoheitsgbietes des Landes die Gefahren auftreten. Sie sind demnach auch für die im Landesgebiet belegenen Hoheitsgewässer zuständig, sowohl für die dem Verkehr gewidmeten Bundes Wasserstraßen,201 als auch für die sie umfassenden sonstigen Wasserflächen. Auf den letzteren dienen sie weitgehend Fachbehörden des Landes oder, insbesondere zwecks Bekämpfung von Wasserverunreinigungen, kommunalen Wasserbehörden. Diese sind Sonderpolizeibehörden, die wie die WSV allgemeinen Verwaltungszwang ausüben dürfen, sich aber für den unmittelbaren Zwang der Wasserschutzpolizei bedienen; letztere ist auch bei Gefahr im Verzuge zuständig, da sie als Schutzpolizei jede Gefahr beseitigen muß, gleichgültig ob zu Wasser oder zu Lande. 202 Hingegen wird die Wasserschutzpolizei (WSP) im Rahmen der strompolizeilichen Aufgaben der WSV kraft Auftragsverwaltung nach Art. 85 in Verb, mit Art. 89 Abs. 2 Satz 3 GG für den Bund tätig. d) Vereinbarungen über Wasserschutzpolizei und Gerichtszuständigkeit der Länder Für die Bundeswasserstraßen sind die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten dort, wo sich Zweifel ergeben, wie ihre Gerichtszugehörigkeit durch folgende drei Abkommen der Küstenländer geregelt worden: aa) Abkommen von 1974 über die ivasserschut%poli%eilichen Zuständigkeiten auf der Elbe (Vertragsparteien Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) Vgl. dazu z. B. das Hamburgische Gesetz vom 16.09.1974,203 Art. 1 lautet: (1) Die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein übertragen die Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben in dem nachfolgend bezeichneten Vertragsgebiet auf die Freie und Hansestadt Hamburg: 200 201 202

203

A v v

U Z w G

BMV (WSV) v. 21.08.1963 (VkBl. 1962 S. 480), mehrfach geändert.

Drews-Wacke-Vogel-Martens, (186) S. 87. Kirchhof, Paul, Sicherungsauftrag und Handlungsvollmachten der Polizei, in D Ö V 1976 S. 449ff.(451 f) Siehe hierzu die Aufsätze von Pursche, Wolfgang, 175 Jahre Hamb. Wasserschutzpolizei, in Hamburg und die Polizei, Sonderausgabe S. 106 ff; Kuhnert, Herbert, Polizeiliche Erfahrungen bei der Aufklärung von Straftatbeständen der Gewässerverschmutzung, in Die Polizei 1982 S. 361; Ruchay, Dietrich, Die Überwachung industrieller Abwassereinleitungen durch Sonderbehörden, in Die Polizei, 1982, S. 357. GVB1. 1974 S. 295.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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a) Auf den in ihren Hoheitsgebieten gelegenen Teilen der Elbe von der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik östlich von Schnackenburg bis zur Mündung einschließlich der Teile der Binnengewässer und des Küstenmeeres, die begrenzt werden im Norden durch die Wattgrenze des Neufelder Watts, die nördliche Begrenzung des Klotzenlochs bis zum Punkt mit den Koordinaten 53° 58' 00" N

8° 46' 00" O,

von hier durch die geradlinige Verbindung bis zum Punkt mit den Koordinaten 54° 01' 48" N

8° 30' 00" O,

und von dort seewärts durch die Linie, die hindurchgeht durch den Punkt 54° 01' 41" N

8° 15' 01" O,

sowie im Süden durch die Verbindungslinie der Punkte mit den Koordinaten 53° 50' 45" N 53° 54' 24" N 53° 55' 54" N

8° 34' 35" 0, 8° 33' 42" 0, 8° 32' 48" 0

und von dort seewärts durch die Linie, die hindurchgeht durch den Punkt 53° 59' 00" N

8° 28' 00" 0.

b) Im Schnackenburger Hafen, im Lauenburger Hafen, im Geesthachter Hafen, in der Schleuse Geesthacht mit dem Stichkanal, im niedersächsichen Teil des Cuxhavener Hafens (einschließlich des Skandinavien-Anlegers). (2) Die Zuständigkeit der hamburgischen Wasserschutzpolizei erstreckt sich nicht: 254 a) auf die sonstigen Häfen an der Elbe und die Brunsbütteler Reeden, b) auf die Aufgaben an den Anlegern und in den Strandbädern sowie auf den Kai-, Ufer- und sonstigen Anlagen. Art. 2 lautet: Bei der Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben durch Beamte der hamburgischen Wasserschutzpolizei ist das Recht anzuwenden, das in dem Gebiet gilt, in dem sie tätig werden. Art. 3 bestimmt eine gegenseitige Unterrichtungspflicht, Art. 4 die Verteilung der Kosten und Art. 5 die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden bei dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg. bb) Abkommen von 1986 über die wasserschutzpolizeilichen Zuständigkeiten auf dem Küstengewässer (Vertragsparteien Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) Vgl. dazu z. B. das Hamburgische Gesetz v o m 12.12.1986. 2 0 4 Art. 1 lautet: D i e wasserschutzpolizeilichen Aufgaben werden in dem nachstehend beschriebenen Vertragsgebiet (Küstengewässer) — unabhängig v o n Landesgrenzen — wahrgenommen (alle Koordinaten sind im System des Europadatums angegeben) a) von der Freien und Hansestadt Hamburg in dem Gebiet, das begrenzt wird durch eine Linie, die nacheinander geradlinig verläuft: (siehe Zeichnung) im Nordosten durch die Punkte mit den Koordinaten 204

GVB1. 1986 S. 359.

255

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

92

Punkte, (ür die im A b k o m m e n geographische ( 2 1 )

Koordinaten im System des Europadatums angegeben sind.

53° 53° 53° 53° 54° 54°

50' 53' 53' 58' 00' 01'

39" 09" 39" 51" 43" 11"

N N N N N N

8° 8° 8° 8° 8° 8°

34' 32' 25' 13' 18' 18'

33" 07" 49" 01" 24" 40"

O O O O O O

(1) (2) (3) (4) (5) (6)

im Norden durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 01'11" N 54° 01' 39" N 54° 01' 23" N

8° 18'40" O (6) 8° 17' 55" O (7) 7° 52' 02" O (8)

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

93

im Südwesten durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 53° 53° 53°

Ol'23" 58' 00" 49' 15" 49' 09"

N N N N

7° 8° 8° 8°

52' 05' 27' 33'

02" 30" 01" 34"

O O O O

(8) (9) (10) (11)

b) vom Land Schleswig-Holstein in dem Gebiet, das begrenzt wird durch eine Linie, die verläuft im Nordosten geradlinig durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 01' 39" N 54° 13' 36" N

256

8° 17'55" O (7) 7° 58' 57" O (12)

im Norden zunächst auf der Dreiseemeilengrenze der Insel Helgoland bis zum Punkt mit den Koordinaten 54° 14' 26" N

7° 49' 50" O (13)

von dort geradlinig bis zum Punkt mit den Koordinaten 54° 10' 52" N

7° 35' 24" O (14)

weiter durch eine Linie, die nacheinander geradlinig verläuft im Südwesten durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 10' 52" N 54° 03' 56" N 54° 01' 39" N

7° 35' 24" O (14) 7° 41' 50" O (15) 7° 52' 02" O (8)

im Süden durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 01' 23" N 54° 01' 39" N

7° 52' 02" O (8) 8° 17' 55" O (7)

c) vom Land Niedersachsen in dem Gebiet, das begrenzt wird durch eine Linie, die nacheinander geradlinig verläuft, im Westen durch die Punkte mit den Koordinaten 53° 47' 58" N 54° 08' 11" N

257

7° 24' 36" O (16) 7° 24' 36" O (17)

im Norden durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 08' 11" N 7° 24' 36" O (17) 54° 10' 52" N 7° 35' 24" O (14) im Osten durch die Punkte mit den Koordinaten 54° 10' 52" N 7° 35' 24" O (14) 53° 51' 39" N 7° 53' 07" O (18) und die im Süden entlang der Dreiseemeilenlinie verläuft. d) von der Freien Hansestadt Bremen in dem Gebiet, das begrenzt wird durch eine Linie, die nacheinander geradlinig verläuft im Nordosten durch die Punkte mit den Koordinaten 53° 4 9 ' 0 9 " N 8° 3 3 ' 3 4 " O (11) 53° 49' 15" N 8° 27' 01" O (10) 53° 58' 00" N 8° 05' 30" O (9) 54° 01' 23" N 7° 52' 02" O (8) 54° 03' 56" N 7° 41' 50" O (15)

258

94

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

im Südwesten 54° 03' 56" 53° 51' 39" 53° 57' 21" 53° 43' 45"

durch die Punkte N 7° 41' 50" O N 7° 53' 07" O N 8° 01' 07" O N 8° 34' 07" O

mit den Koordinaten (15) (18) (19) (20)

(2) Der Vertragspartner, in dessen Hoheitsgebiet die Wasserschutzpolizei eines anderen Vertragspartners nach Absatz 1 zuständig ist, überträgt insoweit dem anderen Vertragspartner die wasserschutzpolizeilichen Aufgaben zur Wahrnehmung. (3) Bei Gefahr im Verzug können die Wasserschutzpolizeien der Vertragsländer auch außerhalb der ihnen in Absatz 1 zugewiesenen Zuständigkeitsbezirke im Vertragsgebiet zur Erfüllung wasserschutzpolizeilicher Aufgaben tätig werden.

Art. 2 lautet: (1) Bei der Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben nach Artikel 1 ist das Recht des Landes anzuwenden, in dessen Vertragsgebiet die Beamten tätig werden. (2) Abweichend vom Absatz 1 ist bei der Wahrnehmung wasserschutzpolizeilicher Aufgaben in dem Küstengewässer, das begrenzt wird durch eine Linie, die nacheinander geradlinig verläuft: im Nordosten durch die Punkte mit den Koordinaten 53° 50' 39" N 8° 34' 33" O (1) 53° 53' 09" N 8° 32' 07" O (2) 53° 53' 39" N 8° 25' 49" O (3) 53° 58' 51" N 8° 13' 01" O (4) 53° 57' 03" N 8° 07' 50" O (21) 53° 58' 00" N 8° 05' 30" O (9) 54° 01' 23" N 7° 52' 02" O (8) 54° 03' 56" N 7° 41' 50" O (15) im Südwesten 54° 03' 56" 53° 51'39" 53° 57' 21" 53° 43' 45"

durch die Punkte N 7° 41' 50" O N 7° 53'07" O N 8° 01' 07" O N 8° 34' 07" O

mit den Koordinaten (15) (18) (19) (20)

niedersächsisches Recht anzuwenden; insbesondere gelten die sich auf einen Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer" beziehenden Vorschriften. Im Art. 4 wird die Verantwortlichkeit der Vertragspartner für die Vertragsgebiete vereinbart; und im Art. 5 wird vereinbart, daß jeder Vertragspartner die Kosten für seine Tätigkeit in seinem Gebiet selbst zu tragen hat, ihm stehen auch die Verwaltungseinnahmen zu. Gemäß Art.6 wird dieses Abkommen zunächst für die Dauer von vier Jahren geschlossen. Danach kann es unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr gekündigt werden.

cc) Staatsvertrag von 1986 ^wischen den Ländern Hamburg, Niedersachsen und SchleswigHolstein über die Regelung der Gerichts^ugehorigkeit des Küstengewässers und der Elbmündung 259

Der Vertrag — dazu z. B. das Hamburgische Gesetz vom 19.09.1986205 — ist für gerichtlichen Verfahren, die sich beim Vollzug polizeilicher Verfügungen ergeben können, von Bedeutung.

205

GVB1. 1986 S. 279.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

95

Art. 1 lautet: Das nachfolgend beschriebene Hoheitsgebiet im Küstengewässer und in der Elbmündung (alle Koordinatenwerte sind im System des Europa-Datums angegeben) wird eingegliedert: 1. in den Bezirk des Amtsgerichtes Cuxhaven das Gebiet des Küstengewässers und der Binnenwasserstraße Elbe, das begrenzt wird 2.a) im Südwesten und Westen durch eine Linie, die verläuft von den Koordinaten: (siehe Zeichnung) 53° 58' 51" N 8° 13' Ol" 0 , ( a ) geradlinig zu den Koordinaten 54° 07' 18" N 7° 52' 00" 0 , ( b ) und von dort geradlinig zu den Koordinaten: 54° 09' 00" N 7° 53' 36" 0,(c) von dort geradlinig zu den Koordinaten: 54° 09' 30" N 7° 56' 00" 0 , ( d ) von dort geradlinig zu den Koordinaten: 54° 10' 54" N 7° 56' 12" 0 , ( e ) von dort geradlinig zu den Koordinaten: 54° 13' 30" N 7° 56' 00" 0 , ( f ) von dort geradlinig zu den Koordinaten: 54° 14' 24" N 7° 49' 48" O.(g) und von dort zu den Koordinaten: 54° 14' 26" N 7° 49' 50" O.(h) b) im Norden entlang der bisherigen Drei-Seemeilen-Grenze um die Insel Helgoland von den Koordinaten. 54° 14' 26" N 7° 49' 50" 0 , ( h ) zu den Koordinaten: 54° 13' 36" N 7° 58' 57" 0 , ( i ) c) im Nordosten durch eine Linie, die geradlinig verläuft von den Koordinaten 54° 13' 36" N 7° 58' 57" 0 , ( i ) zu den Koordinaten: 54° 01' 11" N 8° 18' 40" 0 , ( j ) d) weiter durch eine Linie, die gradlinig verläuft von den Koordinaten 54° 01'11" N 8° 18'40" O.(j) in nordöstlicher Richtung zu den Koordinaten: 54° 03' 00" N 8° 19' 44" O.(k) e) von dort durch eine Linie, die verläuft auf der geographischen Breite: 54° 03' 00" N bis zum Meridian 8° 35' 00" 0,(1) f) von dort durch eine Linie, die verläuft auf dem Meridian 8° 35' 00" 0,(1) von der geographischen Breite 54° 03' 00" N,(m) und in südlicher Richtung bis zur geographischen Breite 54° 01' 42" N,(n) und auf dieser in östlicher Richtung bis zur westlichen Grenze der Gemeinde Friedrichskoog, g) weiter entlang der elbseitigen Gemeindegrenzen der Gemeinden Friedrichskoog, Kaiser-Wilhelm Koog und Neufelder Koog bis zu der in der Elbe verlaufenden westlichen Grenze der Gemeinde Brunsbüttel,

96

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

h) von dort weiter nordwestlich und westlich der in der Elbe verlaufenden Grenze der Gemeinde Balje entlang der elbseitigen Gemeindegrenzen der Gemeinden Belum, Otterndorf und Cuxhaven bis zur als seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraße Elbe bestimmten Kugelbake Döse, i) von hier entlang der nordwestlichen Grenze der Stadt Cuxhaven in Richtung auf den Festlandanschluß der hamburgischen Exklave Neuwerk/ Scharhörn bis zu dem Punkt, an dem diese Stadtgrenze die östliche Grenze der Exklave trifft, j) im Südosten durch eine Linie, die von hier in nordwestlicher Richtung entlang der östlichen Grenze der Exklave verläuft, bis diese die geographische Breite 53° 57' 37" N,(o) erreicht, k) im Süden durch eine Linie, die von hier geradlinig verläuft bis zu den Koordinaten: 53° 58' 44" N 8° 24' 02" 0 , ( p ) und von dort geradlinig zu den Koordinaten 53° 58' 51" N 8° 13' 01" 0 , ( q ) verläuft.

2. In den Bezirk des Amtsgerichtes Wilhelmshaven das Gebiet des Küstengewässers — einschließlich des Jadebusens und der Weser —, das begrenzt wird 260

a) im Westen durch den Meridian 7° 24' 36" 0 , ( r ) von der Küstenlinie bis zu den Koordinaten 54° 08' 11" N 7° 24'36" 0 , ( s ) b) im Norden von den Koordinaten 54° 08' 11" N 7° 24'36" 0 , ( s ) geradlinig bis zu den Koordinaten 54° 14' 26" N 7° 49' 50" Q,(t) c) im Osten und Nordosten von den Koordinaten: 54° 14' 26" N 7° 49' 50" 0 , ( t )

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

97

zu den Koordinaten 54° 14' 24" N 7° 49' 48" 0,(u) von dort geradlinig zu den Koordinaten 54° 13' 24" N 7° 49' 00" O.(v) von dort geradlinig zu den Koordinaten 54° 10' 36" N 7° 48' 12" O.(w) von dort geradlinig zu den Koordinaten 54° 09' 00" N 7° 53' 36" O.(x) von dort geradlinig zu den Koordinaten 54° 07' 18" N 7° 52' 00" 0 , ( y ) von dort geradlinig zu den Koordinaten 53° 58' 51" N 8° 13' 01" 0,(z) d) von den Koordinaten 53° 58' 51" N 8° 13' 01" O.(z) entlang der Grenze zwischen dem Land Niedersachsen und der Freien Hansestadt Hamburg — Exklave Neuwerk/Scharhörn —, e) im Süden durch die Grenze des Küstengewässers und der Weser gegenüber dem Festland und der Landgrenze der Freien Hansestadt Bremen — Stadt Bremerhaven —.

Art. 2 lautet: Ausgenommen von der Eingliederung in die Bezirke der Amtsgerichte Cuxhaven und Wilhelmshaven ist das Gebiet um Helgoland, das begrenzt wird durch die geradlinige Verbindung der Punkte mit den nachfolgenden Koordinaten: 54° 09' 00" N 7° 53' 36" O 54° 10' 36" N 7° 48' 12" O 54° 13' 24" N 7° 49' 00" O 54° 14' 24" N 7° 49' 48" O 54° 13' 30" N 7° 56' 00" O 54° 10' 54" N 7° 56' 12" O 54° 09' 30" N 7° 56' 00" O Im Art 4 ist eine einjährige Kündigungsfrist vereinbart worden, durch Art. 5 ist der frühere Vertrag über die Gerichtszugehörigkeit des Elbmündungsbereiches vom 15.12.1976 aufgehoben worden, und nach Art. 6 sind die Ratifikationsurkunden bei der Niedersächsischen Staatskanzlei zu hinterlegen.

7. Eisbekämpfung und Feuerschutz Eine über die Unterhaltung der Bundeswasserstraßen hinausgehende Aufgabe, welche 261 die W S V wahrnehmen soll, ist die Eisbekämpfung auf allen Bundeswasserstraßen, soweit wirtschaftlich vertretbar (§ 35 Abs. 1 WaStrG). Auch für den Feuerschutz (§ 35 Abs. 2 WaStrG) wird der W S V keine Verpflichtung auferlegt, wohl aber die Zuständigkeit eingeräumt, dies jedoch nur für verkehrshindernde Schiffsbrände auf den Seewasserstraßen und den angrenzenden Mündungstrichtern — die binnenwärtige Grenze wird von der Rechtsprechung nach den geographischen Erscheinungsbild der Elbmündung beantwortet 206 — und nur nach Maßgabe einer Vereinbarung mit den Ländern. Brennt ein Schiff auf einer Binnenwasserstraße, ist die Gefahrenbeseitigung allein Ländersache. 206

BVerwG Urt. v. 05.12.1986 - 4 A 1.85.

98

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

8. Schiffahrtzeichen. 207 262

Das Setzen und Betreiben von Schiffahrtzeichen ist für die WSV eine Verpflichtung, die aus der Verkehrssicherungspflicht entspringt. Ihre Besonderheit besteht darin, daß sie einmal der Erhaltung des ordnungsgemäßen Zustandes der Bundeswasserstraßen, aber gleichzeitig der Abwehr von Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dient. Sie stellt daher nach § 34 Abs. 1 WaStrG eine besondere Hoheitsaufgabe des Bundes, d. h. der WSV, dar.208 Schiffahrtzeichen sind also Einrichtungen, die zur Wasserstraße gehören und dem Verhalten der Schiffsführer dienen, indem sie je nach ihrem Zweck das Fahrwasser kennzeichnen, den Schiffsführer warnen, ihn über den Standort seines Fahrzeuges unterrichten oder ihm ein bestimmtes Verhalten vorschreiben oder empfehlen.209 In der Regel ergeben sich die Bedeutung und die Gestaltung der Schiffahrtzeichen aus den schiffahrtpolizeilichen Verkehrsvorschriften, insbesondere aus der Anlage 4 der Binnschiffahrtstraßenordnung bzw. der Anlage I der Seeschiffahrtsstraßenordnung. Die besonderen Zeichen der deutschen Küste sind in der Bekanntmachung vom 12.02.1954 enthalten.210

263

Von den Schiffahrtzeichen zu unterscheiden sind bloße Orientierungszeichen, meist besonders weit sichtbare natürliche oder künstliche Erhebungen (Kirchtürme u.ä.). Mit Schiffahrtzeichen wendet sich die Verwaltung an die Führer der Fahrzeuge, welche die mit dem Zeichen vorhandene Fahrstrecke benutzen. Uber die Rechtsnatur der Verkehrszeichen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Nach herrschender Meinung handelt es sich im Gegensatz zu einer allgemein gültigen Rechtsverordnung um Verwaltungsakte in der Gestalt von Allgemein Verfügungen,211 die beständig an die Stelle einer Vielzahl von einzelnen Verwaltungsakten (Einzelverboten und — geboten) treten. Die durch Verkehrszeichen ausgesprochenen Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote sind Verwaltungsakte (Allgemeinverfügungen), deren Aufhebung gemäß § 42 Abs.l VwGO mit der Anfechtungsklage begehrt werden kann.

264

In diesem Sinne hat z. B. der hessische Verwaltungsgerichtshof 212 entschieden, daß Verkehrszeichen Allgemeinverfügungen und damit Verwaltungsakte darstellen, die gemäß § 113 Abs. 1 Nr. 4 VWGO mit der Feststellungsklage angegriffen werden können. 213 Allerdings kann das Gericht nur überprüfen, ob die Schiffahrtsverwaltung ihr Ermessen pflichtgemäß gehandhabt hat, falls es sich um Zeichen handelt, die aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung errichtet werden mußten. 214 207 208 209 2,0 211

2,2 213 214

Siehe dazu Lang A.W., Geschichte des Seezeichenwesens, 1965 S. 18 ff. Vergl. dazu Friesecke (4) S. 352. Friesecke (4) S. 353. BGBl. 1954 II S. 17. BVerfG NJW 1965 S. 2395; BVerwGE 6, S. 317; 27, S. 181; Mintzel (58) S. 166. Ausführlich wird das kontroverse Schrifttum bei Podlech in DÖV 1967, S. 740 ff dargestellt. Urteil vom 06.04.1966 in VkBl 1966 S. 426 (Nichtamtl. Teil). So auch BVerGE 27, S. 181. Menger-Erichsen, Verwaltungsarchiv 56 (1965) S. 374 (386); Wolff, Hans J. Verwaltungsrecht I 6. Aufl. 1965 § 46 VIb.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

99

Friesecke 215 meint im Hinblick auf die eingangs geschilderte Doppelnatur der Schiffahrtzeichen, daß sie eine besondere Art von Verwaltungsakten, sogenannte dingliche Verwaltungsakte, darstellten, weil sie eine öffentlich-sachenrechtliche Regelung für einen bestimmten örtlichen Bereich enthalten; diese dingliche Zustandsregelung betreffe aber — wenn auch nur mittelbar — das Verhalten unbestimmt vieler Personen in unbestimmt vielen Fällen (Verkehrssituation). Zwingend ist diese Argumentation nicht. Der schifffahrtpolizeiliche Zweck ist dem strompolizeilichen Zweck der Allgemeinverfügung nicht unterzuordnen; die Verfügung ist im wahrsten Sinne eine Strom- und schiffahrtpolizeiliche.

9. Die Genehmigung von Sondernutzungen Die Bundeswasserstraßen sind dem Befahren mit Wasserfahrzeugen gewidmet (§ 5 265 WaStrG), und dem Bund ist ihre Unterhaltung zu diesem Zweck als Hoheitsaufgabe übertragen (§ 7 WaStrG). Andere Benutzungen wie die Entnahme oder das Einbringen von Wasser oder festen Stoffen, das Aufstauen bzw. Absenken des Wasserspiegels zu wirtschaftlichen Zwecken, sowie Errichtung und Betrieb von Anlagen zum Landen, Uberqueren oder für gewerbliche Zwecke sind damit nicht ausgeschlossen, müssen aber mit dem Hauptzweck der Wasserstraße, nämlich ihrer Schiffbarkeit, in Einklang gebracht werden. Sie erscheinen gegenüber diesem Gemeingebrauch als Sondernutzungen und sind daher nach § 31 WaStrG in der Regel an eine ström- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung des Wasser- und Schiffahrtamtes (WSA) gebunden, die nach § 32 WaStrG unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder zurückgenommen werden kann. Anträge auf Erteilung der Genehmigung sind an das örtlich zuständige WSA zu richten. Bei zu den Bundes Wasserstraßen gehörenden Binnenwasserstraßen (s. Anlage zum WaStrG) genügt die bloße Anzeige der beabsichtigten Maßnahme (§31 Abs. 2 ). Das WSA hat binnen eines Monats nach Eingang der Anzeige bzw. des Genehmi- 266 gungsantrages darüber zu entscheiden, ob mit der beabsichtigten Maßnahme eine Beeinträchtigung des für die Schiffahrt erforderlichen Zustandes der Bundeswasserstraße oder der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, hat das WSA entweder die Genehmigung zu erteilen, wenn der Gemeingebrauch des Verkehrsweges durch beigefügte Bedingungen und Auflagen gesichert werden kann oder sie, wenn dies nicht möglich ist, abzulehnen. Hat der Anzeigende binnen eines Monats keinen Bescheid des WSA erhalten, darf er die angezeigte Maßnahme ohne weiteres treffen. Dies gilt bei den unter § 31 Abs. 1 WaStrG fallenden Maßnahmen im Gebiet der Seewasserstraßen nicht, weil hier die Besonderheiten des Absatzes 2 nicht vorliegen, eine ausdrückliche Genehmigung also erforderlich ist. Nach § 31 Abs. 3 WaStrG ist hinsichtlich aller Bundeswasserstraßen weder eine Genehmigung noch eine Anzeige erforderlich, wenn sich die beabsichtigte Maßnahme im Rahmen des Gemeingebrauches hält oder wenn lediglich Stoffe zu Zwecken der Fischerei eingebracht werden sollen.

2,5

Friesecke (4) S. 354.

100

B. Die rechtliche Situation der Wasserstraßen der Bundesrepublik

10. Entschädigungen 267

Da die Bundeswasserstraßen und ihre Verwaltung dem öffentlichen Wohl dienen , sind die damit verbundenen und diesem Zweck dienenden Eingriffe in Vermögenswerte Privatrechte — in aller Regel der Anlieger — zu entschädigen. 216 Zweck der Entschädigung ist der Wertausgleich, d. h. der Ausgleich eines Substanzverlustes. Die Entschädigung ist also rechtlich vom Schadensersatz zu unterscheiden, der nach § 249 Satz 1 BGB in der Verpflichtung besteht, „den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre". Andererseits gehören die zu entschädigenden Fälle in die rechtliche Kategorie der Enteignung im Sinne ihrer begrifflichen Erweiterung, 217 so daß Artikel 14 Abs. 3 GG als beherrschender Grundsatz zu berücksichtigen ist.

268 Im einzelnen sieht das WaStrG Entschädigungen in folgenden Fällen vor: 218 — § 3 Abs. 2 S. 2, wenn das Eigentum an Landflächen infolge künstlicher Erweiterung einer Bundeswasserstraße auf den Bund übergeht; — § 9 Abs. 1 in Verb, mit § 19 Abs. 3 Satz 4, wenn nachteilige Wirkungen auf Rechte bei Maßnahmen in Landflächen an Bundeswasserstraßen ausnahmsweise weder verhütet noch ausgeglichen werden; — § 14 Abs. 2 Satz 8, wenn eine nach Einleitung des Planfeststellungsverfahrens vorläufig angeordnete Teilmaßnahme durchgeführt und dann mit der Planfeststellung für unzulässig erklärt worden ist und trotz Wiederherstellung des früheren Zustandes ein Schaden eingetreten ist — ein Entschädigungsfall, der dem Schadensersatz nahekommt; — § 15 Abs. 2, wenn im Planfeststellungsverfahren eine sogenannte Veränderungssperre, nach welcher eine vom Plan betroffene Fläche nicht wertsteigernd oder bauerschwerend verändert werden darf, über vier Jahre dauert; — § 19 Abs. 3 und 4, wenn nachteilige Wirkungen auf Rechte beim Ausbau oder Neubau ausnahmsweise weder verhütet noch ausgeglichen werden; — § 22 Abs. 2 Satz 2, wenn nachteilige Wirkungen des Ausbaus oder Neubaus durch nachträgliche Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden können; — § 26 Abs. 1 Satz 2, wenn einem als Nichtstörer strompolizeilich in Anspruch Genommenen ein Schaden entstanden ist; — § 32 Abs. 1 Satz 2, wenn eine ström- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung aus wege- oder verkehrsrechtlichen Gründen widerrufen wird und nach anderen Rechtsvorschriften Entschädigung zu leisten ist. 269

Über die Entschädigung enthält der Abschnitt 8 des WaStrG (§§ 36 — 39) spezielle Vorschriften, bei deren Auslegung die zu Art. 14 Abs. 3 GG entwickelten allgemeinen Entschädigungsgrundsätze heranzuziehen sind. 219 § 36 enthält Grundsätze für die Bemessung der Entschädigung, § 37 überträgt die damit zusammenhängenden Verwaltungsaufgabe der WSD, die zunächst auf eine Einigung hinzuwirken und bei Erfolg eine entsprechende Niederschrift aufzunehmen hat, im Falle der Nichteinigung aber die Entschädigung festzusetzen und den Beteiligten einen be216 2,7 218 219

BGHZ 6, S. 270; Friesecke (4) S. 365. BGH N J W 1966 S. 493; BGHZ 30 S. 338; Friesecke S. 366. Weitgehend zitiert nach Friesecke (4) S. 364/365. Friesecke (4) S. 365/366.

III. Die Verwaltung der Bundeswasserstraßen

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gründeten Feststellungsbescheid zuzustellen hat. § 38 erklärt Niederschrift und Feststellungsbescheid als Urkunden, aus denen die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, sobald eine vollständige Ausfertigung des Amtsgerichts zugestellt und unanfechtbar geworden ist. § 39 regelt den Rechtsweg. 11. Ahndung von Ordnungswidrigkeiten Die Tätigkeit der WSV wird sehr dadurch unterstützt, daß der Verstoß gegen bestimmte 270 Vorschriften des WaStrG und der danach erlassenen Rechtsverordnungen als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße nach Maßgabe des Ordnungswidrigkeitsgesetzes (OWiG) geahndet werden kann. Diesem Zweck dient der § 50 WaStrG; er ist nachstehend im vollen Wortlaut wiedergegeben, da seine Vorschriften — wenn man einmal von den Zuwiderhandlungen gegen § 5 Satz 2 über Talsperren und Speicherbecken absieht — im Rahmen des öffentlichen Seerechts von Bedeutung sind oder werden können. § 50 OWiG lautet: (1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 271 1. entgegen § 5 eine Talsperre oder ein Speicherbecken mit Wasserfahrzeugen befährt, 2. einer Vorschrift einer nach § 5 Satz 3, § 27 oder § 46 Nr. 1 bis 3 ergangenen Rechtsverordnung zuwiderhandelt, soweit die Rechtsverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist, 3. entgegen der Vorschrift des § 30 Abs. 2 ein Hindernis beseitigt oder Gegenstände von diesem fortschafft, 4. entgegen § 31 Abs. 1 ohne ström- und schiffahrtspolizeiliche Genehmigung eine Bundeswasserstraße benutzt oder Anlagen errichtet, verändert oder betreibt oder einer nach § 31 Abs. 4 erteilten Auflage nicht nachkommt, 5. entgegen der Vorschrift des § 33 Abs. 1 a) das Betreten von Grundstücken nicht gestattet, Anlagen oder Einrichtungen nicht zugänglich macht oder technische Ermittlungen oder Prüfungen nicht duldet, b) die erforderlichen Arbeitskräfte, Unterlagen oder Werkzeuge nicht zur Verfügung stellt oder c) die Auskunft nicht, unrichtig, unvollständig oder nicht rechtzeitig erteilt, 6. ohne die nach § 34 Abs. 2 erforderliche Genehmigung ein Schiffahrtszeichen setzt oder betreibt oder 7. der Vorschrift des § 34 Abs. 4 über die Ausgestaltung oder den Betrieb von Anlagen, ortsfesten Einrichtungen oder Schiffahrtszeichen zuwiderhandelt. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Deutsche Mark geahndet werden. (3) Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Wasser- und Schiffahrtsdirektion.

Teil C Hauptliteratur: Bemm-Lindemann, Seemannsgesetz, 2. Aufl. Ülzen, 1984; Berber, Friedrich, Lehrbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. 1975; Gesamtkommentar Sozialversicherung (SGB-SozVers-GesKomm.) Loseblatt Sammig. Chmielers Verlag Wiesbaden; Graf, K./Steinicke, D., Seeschiffahrtsstraßenordnung und Internationale Kollisionsverhütungsregeln, Kommentar, 9. Aufl. 1990; Hasselmann, Cord-Georg, Die Freiheit der Handelsschiffahrt, Kehl 1987; Hoog, Günther, Deutsches Flaggenrecht, Hamburg 1982; IMO: International Convention for the Safety of Life at Sea, Consolidated Text, London 1986; IMO: List of resolutions adopted by the Assembly, Council pp. (IMO Sales Nr. 126 87. 14 E); Lampe, W.O., Die völkerrechtliche Situation des Kieler Kanals gestern und heute, Baden-Baden 1985; Seemannsrecht, Loseblatt Sammlung, 5. Aufl. 1985, Schaps-Abraham, Das Seerecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. Berlin 1978; Wolf, Bernhard, Die Panamakanal-Frage in ihrer globalen Verflechtung — Analyse, Wertung, Perspektiven in AVR, 1987, S. 125 ff. Wolfrum, R., Internationalisierung staatsfreier Räume, Berlin 1984.

Die Seeschiffahrt I. Allgemeine Prinzipien In der Rechtsordnung der Seeschiffahrt gibt es vier natürliche, allgemein anerkannte 272 Grundsätze, welche durch die spezielleren Vorschriften immer wieder hindurchleuchten. Grundsatz 1: Die Seeschiffahrt hat Anspruch, auf See durch keine Hoheitsgewalt eines fremden Staates behindert zu werden, weil sie sonst ihre ordnungsgemäßen Aufgaben — die Handelsschiffahrt als internationaler Verkehrsträger, die Staatsschiffe im öffentlichen Dienst ihres Staates und der Völkergemeinschaft — nicht erfüllen können. Grundsatz 2: Der Küstenstaat ist berechtigt, sich vor Gefahren, die von der Seeschiffahrt ausgehen können, zu schützen. Zwischen diesen beiden kontroversen Grundsätzen muß ein völkerrechtlicher Kom- 273 promiß geschlossen werden, da alle Staaten mit Meeresküsten und Schiffahrt an beiden Grundsätzen in gleicher Weise interessiert sind. Jeder von ihnen wird der Freiheit der Schiffahrt auch in seinem eigenen Hoheitsgebiet Raum gewähren, denn wenn er das nicht täte, liefe die Schiffahrt seiner Flagge Gefahr, in fremden Hoheitsgewässern (mindestens) gleichen Erschwernissen unterworfen zu werden. Da jeder Küstenstaat andererseits im Interesse des eigenen Volkes dafür Sorge zu tragen hat, daß die fremde Schiffahrt seiner öffentlichen Ordnung keinen Schaden zufügt, wird

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C. Die Seeschiffahrt

er Schutzmaßnahmen ergreifen, die aber in genügsamer Weise so begrenzt sind, daß sie sich — von anderen Küstenstaaten in gleicher Weise angewandt — für die eigene Schiffahrt nicht nachteilig auswirken. Daher muß bei allen Schiffahrtsverhandlungen mit anderen Staaten beachtet werden, daß eigene wie fremde Hoheitsgewässer für die Schiffe der Verhandlungspartner nur Durchgangsstationen darstellen. Staatliche Grenzen sind für die Zwecke der Seeschiffahrt im Grunde hinderlich. Wer der Schiffahrt helfen will, muß das Meer und damit auch dessen Küsten als Einheit sehen.

So stellen die seewärtigen Hoheitsgrenzen der Küstenstaaten — zusammengenommen — für das freieste Gebiet der Schiffahrt, die offene See, eine äußere Grenze dar, hinter welcher die Schiffahrt in ihrer freien Beweglichkeit zwar nicht behindert, aber doch verpflichtet wird, div. mit der Küste verhaftete Interessen zu beachten, die draußen nicht bestanden. 274

Man wird also zu erwarten haben und belegt finden, daß es für die Schiffahrt auf dem Meere — von unwesentlichen Modifikationen abgesehen — zwei Rechtsordnungen gibt, die durch die seewärtigen Hoheitsgrenzen der Staaten gegeneinander abgegrenzt werden, nämlich die Rechtsordnung der keiner staatlichen Hoheit unterliegenden offenen See und die Rechtsordnung der zum Hoheitsgebiet jeweils eines bestimmten Staates gehörenden Territorialgewässer. Für die letztere Rechtsordnung findet man die Grundlinien für den gesuchten Kompromiß zwischen den Grundsätzen 1 und 2 vorstehend bereits belegt. Gibt es einen solchen Kompromiß auch für die Rechtsordnung des offenen Meeres? Wirkt sich — anders gefragt — das Schutzbedürfnis der Küstenstaaten nicht auch seewärts ihrer Hoheitsgrenzen irgendwie aus? Dies ist zu bejahen, aber nur zu erklären, wenn man die Grundsätze 3 und 4 kennengelernt hat.

275 Grundsatz 3: Auf jedem Schiff muß eine für jedermann nach objektiven Merkmalen feststellbare Rechtsordnung auch dann gelten, wenn sich das Schiff in einem herrschaftslosen Gebiet des Meeres befindet. Grundsatz 4: Niemand darf sich der Gefahrengemeinschaft, zu der das Meer die Weltschiffahrt ungeachtet nationaler Grenzen zusammenschließt, entziehen. Es handelt sich nicht um eine Gefahrengemeinschaft im Sinne des Strafrechtes, d. h. es gibt keine Garantenpflichten der Schiffe untereinander, wohl aber — s. vor allem Art. 218 f SRÜ — eine immer enger zusammenwachsende völkerrechtliche Schiffahrtsgemeinschaft.

Gemeinschaftsaufgaben sind: — für die Seeschiffahrt die gegenseitige Hilfe in Notfällen, — für die Regierungen der an der Seeschiffahrt beteiligten Staaten der Schutz des menschlichen Lebens auf See sowie der Schutz bestimmter sonstiger Interessen der Völkerrechtsgemeinschaft. 276

Auf den Grundsatz 3 wird namentlich im Abschnitt C III 3 über das Flaggenrecht und auf den Grundsatz 4 in mehreren Abschnitten, besonders bei der Behandlung der Verkehrssicherheit, näher einzugehen sein. Hier sollen sie nur, bevor die Schiffahrtsfreiheit näher betrachtet wird, die oben gestellte Frage beantworten helfen, ob und wie sich die Schutzbedürfnisse der Küstenstaaten auch seewärts ihres Hoheitsgebietes auswirken.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Es gibt schutzbedürftige Interessen, welche weltweit alle Staaten oder mindestens 277 regional mehrere Staaten zu gemeinsamem Handeln aufrufen (siehe Grundsatz 4: Schutz des menschlichen Lebens auf See sowie gegen bestimmte, die ganze Menschheit bedrohende Delikte). Hier haben sich die Staaten, durch besondere völkerrechtliche Verträge verbunden, gegenseitig verpflichtet, auch seewärts ihrer jeweiligen Hoheitsgrenzen solchen Gefahren entgegenzutreten. Derartige Verträge sind bei jedem Mitgliedstaat, wenn sie für ihn völkerrechtlich verbindlich geworden sind, Gegenstand seiner nationalen Rechtsordnung. Da die nationale Rechtsordnung an Bord der Schiffe, die dem Staat zugehören, auch auf Hoher See gilt (vgl. Grundsatz 3), können die Vertragsstaaten in der jeweils vertraglich festgelegten Weise selbst auf Hoher See Maßnahmen gegenüber ihren Schiffen ergreifen. Auch auf Hoher See ist also die Freiheit der Schiffahrt (Grundsatz 1) im Wege der Selbstbeschränkung der Flaggenstaaten zum gemeinschaftlichen Nutzen ihrer Rechtsordnungen (Grundsatz 2) einem besonders gearteten Kompromiß unterworfen worden, den die neue Seerechtskonvention übernommen hat.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen 1. Die Schiffahrtsfreiheit auf der Hohen See Die größte Freiheit besitzt die Schiffahrt natürlicherweise auf der Hohen See, denn in 278 ihrem trotz aller neuen Randzonen immer noch weiten Gebiet hat kein Staat das Recht, Hoheitsgewalt in Anspruch zu nehmen. Dies wird in Artikel 89 SRÜ ausdrücklich bekräftigt. Die Schiffahrtsfreiheit kann hier nur durch völkerrechtliche Regeln eingeschränkt werden. Nach Art. 87 Abs. 1 Buchstabe a und Art. 90 SRÜ sind alle Staaten, auch die ohne Meeresküste, 1 berechtigt, die See mit Schiffen zu befahren, die ihre Flagge führen. Die nachweisbar rechtmäßig geführte Flagge stellt das objektive Merkmal dar, das nach dem o. a. allgemeinen Grundsatz 3 die auf dem Schiff herrschende Rechtsordnung bestimmt. Kein Staat ist verpflichtet, seine Rechtsordnung für Seeschiffe bereitzustellen; aber alle Staaten, die über Meeresküsten oder Seehäfen verfügen, haben von diesem Recht Gebrauch gemacht; ebenso Staaten ohne Meeresküste, in denen Reeder beheimatet sind, wie z. B. die Schweiz, Österreich, die CSSR, Ungarn, Bolivien, Sambia. Die Unterstellung eines Schiffes unter die Rechtsordnung eines Staates , mit anderen Worten die Zuerkennung der Staatszugehörigkeit, wird durch Eintragung in ein staatliches Register und Erteilung einer amtlichen Urkunde erreicht und kann durch das Zeigen der Flagge, die das Schiff danach führen darf, nach außen kenntlich gemacht werden (Art. 91 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SRÜ). Die Voraussetzungen für den Erwerb des Flaggenrechtes werden darzustellen sein, wenn die mit dem Schiff zusammenhängenden Rechtsvorschriften behandelt werden. Für die hier und jetzt behandelte Hohe See ist nur festzustellen, daß zur Vermeidung von Rechtlosigkeit und Willkür an Bord jedes Schiff eine, und zwar nur eine Staatszugehörigkeit hat, also auch nur eine Flagge führen darf (Art. 92 SRÜ). 1

Siehe dazu bereits die Erklärung von Barcelona vom 20.04.1921 über die Anerkennung des Flaggenrechts der Staaten ohne Meeresküste. Für das Deutsche Reich in Kraft getreten am 10.11.1931, Bek. vom 19.03.1932 - RBG1. II S. 93.

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C. Die Seeschiffahrt

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Staatenlosigkeit von Seeschiffen, d. h. das Fehlen des Rechts 2ur Führung einer bestimmten Flagge und damit einer Rechtsordnung auf dem Schiff, ist völkerrechtlich nicht statthaft und gehört zu den Angelegenheiten, in denen die Staaten zusammenwirken, um den Störer der Ordnung von See zu entfernen. Als staatenlos wird ein Schiff nach Art. 92 Abs. 2 auch dann angesehen, wenn es wechselweise zwei oder mehrere Flaggen führt. Da es in diesen Fällen einen für das Schiff allein verantwortlichen Flaggenstaat nicht gibt, sind nach Art. 110 SRÜ alle Staaten berechtigt, das Schiff zu kontrollieren und, wie aus Art. 97 Abs. 3 gefolgert werden darf, zu beschlagnahmen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe dürfen die Staaten Schiffe und Luftfahrzeuge ihres militärischen oder sonstigen öffentlichen Dienstes, die als solche deutlich zu kennzeichnen sind, einsetzen; die Staaten haben nach pflichtgemäßem Ermessen die in Betracht kommenden Schiffe auszuwählen und zu beauftragen (Art. 110 Abs. 1, 4, 5). Strafrechtliche oder disziplinäre Maßnahmen gegen ein Besatzungsmitglied des kontrollierten bzw. beschlagnahmten Schiffes dürfen nur ergriffen werden, wenn jene Person die Staatsangehörigkeit des kontrollierenden Staates besitzt (Art. 97).

280

Mit der Zuerkennung des Rechts zur Führung einer nationalen Flagge entstehen nach Art. 94 SRÜ auch für den Flaggenstaat bestimmte Verpflichtungen. Er hat durch Rechtsetzung und effektive Kontrollen sicherzustellen, daß alle seiner Rechtsordnung unterliegenden Seeschiffe bei ihm amtlich registriert werden. Von der Registrierung kann er die Schiffe ausnehmen, die wegen ihrer geringen Größe aus dem Anwendungsbereich der nachstehend aufgeführten internationalen Vorschriften ausgenommen sind.

Ferner müssen die Schiffe und ihre Besatzung den allgemein anerkannten internationalen Vorschriften (generally accepted international regulations) unterstellt werden. Dies erfordert nach Art. 94 Abs. 3 insbesondere, daß — das Schiff hinsichtlich Bau, Ausrüstung, Unterhaltungszustand, und die Besatzung nach Zahl und Qualifikation den gestellten Anforderungen entsprechen und daß — während der Schiffsreise die Vorschriften über das Verkehrsverhalten, die Signalgebung, die Erstattung von Meldungen, die Hilfeleistung und den Meeres-Umweltschutz befolgt werden. 281 Diese generellen Verpflichtungen des Flaggenstaates verweisen ihn nachdrücklich auf folgende wichtige SpezialÜbereinkommen der Seeschiffahrt: — Das Ubereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See vom 01.11.1974 mit Zusatzprotokoll vom 17.02.1978, 2 — das Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten vom 07.07.1978, 3 — das Übereinkommen über die Internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See vom 20.10.1972," — das Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe vom 02.11.1973 und Zusatzprotokoll vom 17.02.1978. 5 2

3 4 5

Zum Übereinkommen siehe VO vom 11.01.1979 - BGBl. II S. 141 Zum Protokoll siehe VO vom 26.03.1980 - BGBl. II S. 525. Gesetz vom 25.03.1982 - BGBl. II S. 297. Gesetz vom 29.06.1976 - BGBl. I S. 1017. Gesetz vom 23.11.1981 - BGBl. II S. 2.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Das Schiff, das die Zugehörigkeit zu einem Staat erworben hat, unterliegt auf Hoher 282 See grundsätzlich nur Kontrollen durch den Flaggenstaat; in der Praxis sind solche Kontrollen selten, da sie regelmäßig in der Heimat oder in den angelaufenen Häfen leichter anzustellen sind. Als regelmäßig nur auf See durchführbare Kontrolle bleibt der ebenfalls seltene Fall des Art. 110 Abs. 1 Buchst, e übrig, daß ein Schiff, obwohl es eine fremde Flagge führt, unter dem begründeten Verdacht steht, in Wahrheit dem kontrollierenden Staat zuzugehören. Polizeiliche Maßnahmen anderer Staaten kommen auf Hoher See nur in konkreten Ausnahmefällen und unter Beachtung besonderer Verfahrensregeln in Betracht. Die Ausnahmefälle sind die in Art. 110 genannten völkerrechtlichen Verstöße, die mit einem Schiff begangenen Zuwiderhandlungen gegen die vom Flaggenstaat mit anderen Staaten abgeschlossenen SpezialÜbereinkommen sowie die „Nacheile". a) Weltweit verfolgte Delikte Verstöße, deren Verfolgung nach Art. 110 eine völkerrechtliche Gemeinschaftsaufgabe 283 ist und bei denen jeder Staat bei begründetem Verdacht Schiffe fremder Flagge — ausgenommen die immunen Schiffe, Art.95 und 96 — auf Hoher See kontrollieren darf, sind neben der bereits oben behandelten Staatenlosigkeit eines Schiffes (Art. 110 Abs. 1 Buchst, b) folgende Delikte: aa)

Piraterie Da der Schutz der Schiffahrt gegen Piraten seit alters her als Aufgabe der Schiffahrts- 284 nationen angesehen wurde, 6 sind die Definitionen ihres Tatbestandes und die Regeln für ihre Bekämpfung in der Seerechtskonvention selbst enthalten. Die Piraterie nimmt wie schon im Übereinkommen über die Hohe See von 1958 einen verhältnismäßig breiten Raum ein (Art. 100 - 107 SRÜ). Man hat diese Regelungen früher belächelt. Daß aber die Piraterie keineswegs ausgestorben ist und völkerrechtliche Regeln für ihre Bekämpfung notwendig sind, zeigen bestimmte Vorgänge der jüngsten Vergangenheit, insbesondere — die Piraterie von Thailändern im Golf von Siam und anderen Piraten in der Südchinesischen See gegen Flüchtlinge (boats-people) aus Vietnam, — die Beraubung von Schiffen auf der Reede von Lagos/Nigeria. Piraterie ist nach Art. 101 SRÜ die von der Besatzung oder Fahrgästen eines Schiffes 285 oder Luftfahrzeuges auf Hoher See oder in herrschaftslosem Gebiet — z. B. Antarktis — unerlaubt begangene und dem persönlichen Vorteil dienende Gewaltanwendung gegen ein anderes Schiff oder Luftfahrzeug oder die dort befindlichen Personen oder deren Habe. Als Piraterie gilt auch die Teilnahme einer Besatzung, die zwar nicht unmittelbar an den Gewaltakten teilnimmt, sie aber durch ihre freiwillig geleisteten Dienste erleichtert; auch jede Form der sonstigen Beihilfe sowie die Anstiftung und die Begünstigung sind Piraterie. Piraterie ist schließlich noch der in Art. 102 behandelte Sonderfall, bei dem die Besatzung eines im öffentlichen Dienst eines Staates verwendeten Schiffes oder Luftfahrzeuges, also auch Kriegsschiffes, bei einer Meuterei das Fahrzeug in ihre Gewalt bringt.

6

Berber, Friedrich, Lehrbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. 1975, S. 342. — ders. — Von der Piraterie in der Antike, in Recht über See, Festschrift für R. Stödter, 1979, S. 147.

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C. Die Seeschiffahrt

Keine Piraterie sind terroristische Gewalttaten, die — abgesehen von dem soeben behandelten Falle des Art. 102 — eine an Bord eines Seeschiffes befindliche Person vornimmt, um die Herrschaft über das in Fahrt oder in Abfertigung befindliche Schiff zu erlangen oder auf seine Führung einzuwirken. Die weltweite Bestrafung solcher "Iater, nicht aber die Erweiterung der allgemeinen Kontrollbefugnisse bezweckt das am 10.03.1988 in Rom abgeschlossene Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Schiffahrt. (Convention on the Suppression of unlawful acts against the safety of maritime Navigation)6* Der Anlaß war der Überfall auf des italienische Schiff „Achille Lauro". Das italienische Kreuzfahrerschiff „Achille Lauro" wurde am 07.10.1985 auf der Fahrt von Alexandria nach Port Said mit ca. 5oo Passagieren an Bord von vier Terroristen mit Waffengewalt in Besitz gebracht. Sie wollten mit dem Schiff und den Passagieren als Geiseln 50 palästinensische Gefangene in Israel freipressen. Ein amerikanischer Staatsbürger wurde dabei von den Terroristen erschossen. Durch Vermittlung der ägyptischen Behörden gaben die Geiselnehmer, ohne ihr Ziel erreicht zu haben, am 09.10.85 ihr Vorhaben auf. 6b Da die Terroristen das Schiff nicht von außen her angriffen, waren sie keine Piraten im Rechtssinne. Das o. a. Übereinkommen zur Erfassung dieser Terrorakte und ein gleichzeitig beschlossenes und gleich geartetes Protokoll betr. „feste Plattformen, die sich auf dem Festlandsockel befinden", sind noch nicht in Kraft. Die Bundesrepublik hat ein Zustimmungsgesetz vom 13.06.90 (BGBl. II S. 494) erlassen, mit dem u. a. die dem Schutz des internationalen Luftverkehrs dienenden Vorschriften des § 316c und des § 6 Nr. 3 StGB auf die Seeschiffahrt ausgedehnt werden. 286

Der eingreifende Staat darf das Piratenfahrzeug und alle Gegenstände an Bord beschlagnahmen und die Personen festnehmen (Art. 105); auch sind seine Gerichte für die Strafverfolgung sowie die Verfügung über die beschlagnahmten Sachen zuständig. Der Pirat muß im übrigen gewärtigen, daß er nicht nur von den Gerichten, sondern auch nach dem materiellem Strafrecht desjenigen Staates beurteil wird, dessen Schiff ihn ergriff. In der Bundesrepublik ist die Anwendung deutschen Strafrechts nach § 6 Nr. 9 StGB geboten. Ob das beschlagnahmte Fahrzeug seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat beibehält, ist allein von letzterem zu entscheiden (Art. 104).

bb) Sklavenhandel 287

Die Bekämpfung des Sklavenhandels ist Gegenstand eines besonderen Übereinkommens über die Sklaverei (Slavery Convention) vom 26.09.1926 nebst Änderungsprotokoll vom 07.12.1953 7 . Nach seinem Art. 1 ist Sklaverei „die Rechtsstellung oder Lage einer Person, an der einzelne oder alle mit dem Eigentumsrecht verbundene Befugnisse ausgeübt werden". Zum Sklavenhandel gehört nach der Definition des Ubereinkommens auch die Beförderung von Sklaven. In Art. 3 und 4 verpflichten sich die Vertragsparteien, die Beförderung von Sklaven auf allen ihre eigene Flagge führenden Schiffen zu unterbinden und einander in jeder Weise zwecks Abschaffung von Sklaverei und Sklavenhandel zu unterstützen. Nach Art. 6 haben die Vertragsparteien den Sklavenhandel unter Strafe zu stellen; dieser Forderung genügt in der Bundesrepublik Deutschland der § 234 StGB. Auch der Sklavenhandel ist, vor allem im arabisch-ostafrikanischen Raum, noch nicht ganz ausgestorben, so daß Art. 1 1 0 Abs. 1 Buchst, b und die o. a. ergänzenden Rechtsvorschriften leider noch praktische Bedeutung haben. 8 6a 6b 7 8

Siehe dazu Halberstam, Mahira, in AJIL 82 (1988) S. 269. AdG 1985 S. 29263 ff. Bekanntmachung der Neufassung vom 19.10.1972 - BGBl. II S. 1473. Nentrup, Dieter, Mensch als Ware, Sklaverei und Sklavenhandel sind auch heute noch nicht ausgerottet; Frankf. Rundschau vom 03.11.1979.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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cc) Unerlaubte Rundfunksendungen Eine Neuerung gegenüber dem Übereinkommen über die Hohe See bedeutet Art. 110 288 Abs. 1 Buchst, c in Verbindung mit Art. 109, wonach die Verfolgung von Piratensendern zur völkerrechtlichen Gemeinschaftsaufgabe erklärt worden ist. Der genauere Deliktstatbestand ergibt sich aus dem im Rahmen des Europarates abgeschlossenen Europäischen Übereinkommen vom 22.01.1965 zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden. 9 Das Übereinkommen richtet sich gegen Rundfunksendestellen, die sich auf Hoher See an Bord von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen oder auf festen Anlagen befinden und deren Ausstrahlungen — wenn nicht durch Zwecke der Rettung oder Hilfeleistungen auf See gerechtfertigt — geeignet sind, im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten gehört zu werden oder die dort autorisierten Sendungen zu stören, vgl. Art. 1, 2 und 6 des Übereinkommens. Nach Artikel 3 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, die Errichtung und den Betrieb sowie die wissentliche Mitwirkung — dazu gehören die Beförderung von Personen, Betriebsmitteln und Versorgungsgütern sowie die Bereitstellung von Beförderungsmitteln — zu verfolgen und das Übereinkommen auf ihre Staatsangehörigen, an Bord der Schiffe ihrer Flagge auch auf Ausländer anzuwenden. Zur Beschlagnahme des Schiffes, Festnahme von Personen und Sicherstellung des 289 Piratensenders sind nach Art. 109 Abs. 4 die Staaten berechtigt, die nach Art. 109 Abs. 3 Gerichtshoheit besitzen; das sind über die allgemeinen Regeln des Art. 97 hinausgehend die Staaten, die nach dem Übereinkommen für die Errichtung und den Betrieb des Piratensenders irgendwelche Verantwortung tragen oder durch seine Ausstrahlungen beeinträchtigt werden oder denen eine bei den Sendungen beschäftigte Person angehört. Die Bundesrepublik Deutschland hat durch das Gesetz vom 26.09.196910 dem Europäischen Übereinkommen zugestimmt und seinen Verpflichtungen entsprochen. Zuwiderhandlungen bedroht Art. 2 des Gesetzes in der Fassung des Art. 263 des 290 Strafrechtsänderungsgesetzes vom 02.03.1974" mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe, sofern die Tat nicht nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen (FAG) 12 mit schwererer Strafe bedroht ist. Da auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen die Errichtung und der Betrieb eines Rundfunksenders auch dann einer Genehmigung nach § 4 FAG bedarf, wenn sie sich außerhalb der Hoheitsgewässer befinden, ist bei ihnen das genehmigungslose Senden immer nach § 15 FAG strafbar, da dessen Strafdrohung höher ist als die des Artikels 2 des Zustimmungsgesetzes. 13 Letztere Vorschrift kommt daher praktisch nur zur Anwendung, wenn Sender auf Anlagen betrieben werden, welche auf dem Meeresgrund befestigt sind oder darauf ruhen. Deutsche Gerichte sind nach Art. 109 Abs. 3 nicht nur dann zuständig, wenn der Beschuldigte deutscher Staatsangehöriger ist oder das Schiff die Bundesflagge führt, sondern auch dann, wenn in der Bundesrepublik Deutschland entweder die Anlage genehmigt worden ist oder die Sendungen empfangen werden können oder Störungen

9 10 11 12 13

Gesetz vom 26.09.1969 - BGBl. II S. 1939. BGBl. 1969 II S. 1939. BGBl. 1974 I S. 469. Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12.03.1977 Aubert, Joachim, Femmelderecht, 3. Aufl. 1984, Bd. 1 S. 96.

BGBl. I S. 459, 573.

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C. Die Seeschiffahrt

der dort zugelassenen Sendungen verursachen; die Zuweisung dieser Zuständigkeit hat wiederum nach § 6 Nr. 9 StGB die Folge, daß in diesen Fällen deutsches Recht anzuwenden ist. 291

292

293

294

dd)

Verfahrensvorschriften Wird in den vorgenannten Fällen ein Staat tätig, dem das kontrollierte Schiff nicht zugehört, dann hat er nach Art. 110 folgende Verfahrensvorschriften zu beachten: Für die Kontrolle sind seine Kriegsschiffe und -flugzeuge (siehe für die Bundesrepublik Rn. 829, 1286) ohne weiteres zuständig; sonstige Schiffe und Flugzeuge bedürfen eines besonderen Auftrages und müssen als Dienstfahrzeuge klar gekennzeichnet und erkennbar sein. Schiffe dürfen ein Boot unter Führung eines Offiziers (bzw. Polizeibeamten) zum verdächtigen Schiff schicken; dort angekommen, dürfen sie an Bord zunächst nur anhand der Dokumente das Recht des Schiffes zur Führung seiner Flagge prüfen. In Fällen, in denen diese Prüfung zur Beseitigung des Verdachtes nicht ausreicht, darf anschließend an Bord unter Wahrung geschützter Persönlichkeitsrechte eine weitergehende Prüfung durchgeführt werden. Für Flugzeuge, die zur Kontrolle eingesetzt werden, gelten diese Vorschriften entsprechend. Schutz gegen willkürliche Kontrollen bietet der Art. 110 Abs. 3, wonach dem Schiff für alle mit der Kontrolle verbundenen Verluste und Schäden eine Entschädigung zu leisten ist, wenn sich der gehegte Verdacht als unbegründet erwiesen hat und das Schiff auch durch sein Verhalten keinen Anlaß gegeben hat, ihn zu begründen. Keinerlei Kontrolle unterliegen wegen ihrer allgemeinen Immunität (siehe dazu Rn. 427) Kriegsschiffe und Staatsschiffe des öffentlichen Dienstes. Für Strafverfolgungsmaßnahmen, die über die o. a. Kontrollen hinausgehen, gilt regelmäßig die allgemeine Vorschrift des Art. 97 SRÜ; die Festhaltung oder Beschlagnahme eines Schiffes ist danach (Abs. 3) allein dem Flaggenstaat vorbehalten. Für die Bestrafung der beschuldigten Personen ist nur der Flaggenstaat oder der Staat, dem der Beschuldigte angehört, zuständig (Abs. 1); für die Entziehung eines Befähigungszeugnisses ist nur der Staat zuständig, der es erteilt hat (Abs. 2). Daß weitergehende Zuständigkeiten für alle Staaten im Falle der Piraterie und für die geschlossene Zahl betroffener Staaten im Falle der Piratensender bestehen, ist oben bei der Behandlung dieser Delikte ausgeführt. Der Grund für diese Ausnahme ist darin zu suchen, daß derjenige, der sich der gemeinschaftlichen Ordnung der betreffenden Staaten entzieht und sie verletzt, durch sein eigenes Handeln die Gegenwehr dieser Staatengemeinschaft herausfordert und bewußt in Kauf nimmt. b) Kontrollrechte nach besonderen Übereinkommen Neben den behandelten Verstößen gegen das allgemeine Völkerrecht, die von allen Staaten weltweit verfolgt werden, erwähnt Art. 110 noch in allgemeiner Form Fälle, in denen sich aus speziellen Ubereinkommen des Flaggenstaates mit dritten Staaten das Kontrollrecht, evtl. auch weitergehende Rechte der betreffenden Staaten auf Hoher See ergeben. Für Schiffe, welche die Bundesflagge führen, sind insoweit folgende Übereinkommen der Bundesrepublik, die Teil ihrer Rechtsordnung sind, von Bedeutung: aa)

Telegrafenschutayertrag Der internationale Vertrag vom 14.3.1884 zum Schutz der unterseeischen Telegrafenkabel nebst Erklärungen vom 01.12.1886 und vom 23.03.1887:14 Schutzobjekt dieses 14

RGBl. 1888 S. 151, 167; RGBl. 1926 II S. 134, Ausführungsgesetz in der im BGBl III Gliederungsnr. 453 — 14 veröffentlichten bereinigten Fassung, geändert durch Art. 151 des Gesetzes

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Übereinkommens sind die telegrafischen Kabel, die der Verbindung der Vertragsstaaten dienen; nicht darunter fällt also z. B. ein Kabel zwischen der Bundesrepublik und Finnland, weil zwar die Bundesrepublik, aber nicht Finnland Vertragsstaat ist. Verboten ist das schuldhafte Zerreißen eines Kabels. Die meist durch Fischer begangene Zuwiderhandlung ist nach § 2 des deutschen Ausführungsgesetzes eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße bis zu 10.000,- DM bedroht ist. Kontrollberechtigt auf hoher See sind alle Vertragsstaaten, also auch diejenigen, denen das betreffende Kabel nicht unmittelbar dient. Es gelten für die Gerichtshoheit nach Art. 8 und für die Kontrollen nach Art. 10 des Übereinkommens dieselben allgemeinen Regeln, die bereits bei Art. 97 und 110 (siehe Rn. 291 f) behandelt wurden. 15 bb) Branntweinhandel unter Nordsee- Fischern Der Internationale Vertrag vom 16.11.1887 zur Unterbindung des Branntweinhandels 295 unter den Nordsee-Fischern auf Hoher See nebst Protokollen vom 14.02.1893 und 11.04.1894.16 Es handelt sich um ein von allen Nordsee-Anrainerstaaten getroffenes Regionalabkommen. Es verbietet den Abschluß und die Erfüllung von Kaufverträgen über Branntwein an Bord von Fischereifahrzeugen und beschränkt die Belieferung dieser Fahrzeuge mit Gegenständen zum Verbrauch an Bord auf Schiffe, die eine amtliche Konzession besitzen und das vereinbarte Kennzeichen (quadratische Flagge mit schwarzem F auf weißem Grund) am Hauptmast führen. Die Überwachung geschieht durch beauftragte Kreuzer der Vertragsstaaten (Art. 77). Sie dürfen neben dem Flaggenzertifikat der Fischereifahrzeuge auch die vorerwähnten Konzessionsurkunden prüfen. Sie sind ferner berechtigt, verdächtige Fahrzeuge in einen Hafen des Vertragsstaates, dessen Flagge sie führen, zu geleiten. Die Nordsee umfaßt heute noch Teile der Hohen See; nach Inkrafttreten der Seerechtsübereinkommens (SRÜ) wird sie voll von den Wirtschaftszonen der Anrainer-Staaten überdeckt werden. Dennoch bleibt des o. a. Abkommen wirksam, weil in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen die Rechtsordnung der Hohen See in allen ihr relevanten Belangen weiter gilt und auch die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten des vorgen. Vertrages mit dem Seerechtsübereinkommen vereinbar sind (insoweit Art. 311 Abs. 2). cc) Alkoholschmuggel in der Ostsee Das in Helsinki abgeschlossene Abkommen vom 18.09.1925 zur Bekämpfung des 296 Alkoholschmuggels 17 verpflichtet die Vertragsstaaten in den Art. 1, 2 und 8, Schiffe unter 300 NRT vom Alkoholtransport auszuschließen, solche unter 500 NRT nur mit beson-

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vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469); dazu V O über die Zuständigkeit der Wasser- und Schiffahrtsdirektionen für die Verfolgung und Ahndung bestimmter Ordnungswidrigkeiten vom 19.12.1974 (BGBl. I S. 3709). Nach der Bekanntmachung vom 04.09.1981 zu Art. 10 Abs. 2 des Vertrages (BGBl. II S. 892) sind für die Überwachung durch die Bundesrepublik drei Fischereischutzboote und drei Fischereiforschungsschiffe bestellt worden. RGBl. 1894 S. 427, V S A A Bd. 27 A 326, dazu Ausführungsgesetz vom 04.03.1894 - RGBl. 1894 S. 151. Gesetz vom 14.04.1926 - RGBl. II S. 220.

112

C. Die Seeschiffahrt

derer auf drei Jahre befristeter Genehmigung zuzulassen und allgemein den Alkoholschmuggel auf allen Schiffen zu bekämpfen. 18 Es handelt sich um ein Regionalabkommen der Ostsee-Anrainerstaaten und dient damit demselben Zweck wie auf der Nordsee das vorgenannte Übereinkommenm von 1887. Im Gegensatz zu diesem sieht es aber keine gemeinsame Überwachung auf Hoher See vor, sondern es räumt in Art. 9 jedem Vertragsstaat das Recht ein, in einer Zone bis zu 12 sm ab Basislinie seine Gesetze anzuwenden und Schiffe, die gegen dieses Abkommen verstoßen, über die Grenze hinaus noch zu verfolgen (Nacheile). Das Abkommen ist in diese Aufzählung aufgenommen, weil vor den West- und Südküsten der Ostsee die Anrainerstaaten , d. h. die Bundesrepublik und Dänemark ihr Küstenmeer noch nicht auf 12 sm ausgedehnt haben und gegenwärtig die von ihnen im Abkommen vereinbarten Zonen noch in 8 bzw. 9 sm Breite zum Gebiet der Hohen See gehören. dd) 297

298

299

Suchtstoffe Das Einheitsabkommen vom 30.03.1961 über Suchtstoffe (Single Convention on narcotic Drugs), geändert durch Protokoll vom 25.03.1972,19 dient der Unterdrückung des unerlaubten Drogenhandels. 60 Vertragsstaaten verpflichten sich zur Zusammenarbeit, insbes. auch zur Unterstützung im Kampf gegen den unerlaubten Verkehr mit Drogen (Art. 4 und 35). Das Seerechtsübereinkommen folgt diesem weltweitem Anliegen (Art. 108 Abs. 1); da aber die unerlaubte Beförderung von Drogen mit einem Schiff weniger offensichtlich und schwerer feststellbar ist als dies bei den im Abschnitt a) aufgezeigten gemeinschaftlich verfolgten Delikten der Fall ist, darf ein Staat ein Schiff unter fremder Flagge auf Hoher See wegen der unerlaubten Beförderung von Drogen nur dann kontrollieren, wenn der Flaggenstaat dieses Schiffes bei begründetem Verdacht ihn um Unterstützung ersucht. Der kontrollierende Staat darf dann aber, wenn sich der Verdacht bei der Kontrolle als gerechtfertigt erweist, das Schiff festhalten. Die strafrechtliche Ahndung bleibt Aufgabe des Flaggenstaates. Art. 44 Abs. 1 Buchst, c setzt das Opiumübereinkommen von 192520 im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten außer Kraft. Es gilt für die Bundesrepublik nur noch im Verhältnis zu sechs kleineren Staaten weiter. ee) Maßnahmen auf Hoher See bei Fällen von Verschmutzung Das Übereinkommen vom 29.11.1969 über Maßnahmen auf Hoher See bei Ölverschmutzungsunfällen nebst Protokoll vom 02.11.197321 setzt für seine Anwendung immer einen Seeunfall voraus, bei dem durch Öl oder andere schädliche Stoffe das Meer derart verschmutzt wird, daß eine ernste Gefahr für Lebewesen oder die Küste droht. Über die Maßnahmen, die der bedrohte Staat dann ergreifen kann, s. Rn. 1670 ff. Kommen sie in 18

19

20 21

Gesetz über die Verfrachtung alkolholischer Waren vom 14.04.1926 i.d. Neufassung der Bekanntmachung vom 02.01.1975 — BGBl. I S. 289, das für die Ausstellung der Genehmigungen mit anhängenden durchnummerierten Blättern zum Nachweis der beförderten Mengen die Hafenbehörde des Heimatstaates bestellt und in § 8 Zuwiderhandlungen mit Strafe bedroht. Bekanntmachung der geänderten Fassung vom 04.02.1977 BGBl. II S. 111; V A A S Bd.45 A 612 und 48 A 652. Zustimmungsgesetz vom 04.09.1973 (BGBl. II S. 1353), geändert und ergänzt durch Gesetz vom 28.07.1981 zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts (BGBl. I S. 681, 1187). Gesetz vom 26.06.1929 - RGBl. II S. 407. Gesetz vom 27.01.1975 - BGBl. II S. 137, BGBl. 1985 II S. 593.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

113

Betracht, dann muß dem betreffenden Staat zugebilligt werden, sich vor allen konkreten Schritten nach dem Übereinkommen an Bord über die Art und den Umfang der eingetretenen Schäden zu vergewissern. Diesem Anliegen entsprechen die Vorschriften in Art. 221 sowie Art.220 Abs. 5 SRÜ. c) Die Nacheile (bot pursuit) Gemäß Art. 111 SRÜ darf der Küstenstaat ein Schiff fremder Flagge notfalls auf die 300 Hohe See hinaus bis zur Grenze eines anderen Küstenmeeres verfolgen, wenn begründeter Verdacht (good reason to believe) besteht, daß das Schiff in einer seiner Küstenzonen einer Rechtsvorschrift zuwidergehandelt hat, für welche dem Küstenstaat dort die Rechtsgewalt zusteht, vgl. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 und 2 und Abs. 2. Die Nacheile darf nach Art. 111 Abs. 5 nur von bestimmten Fahrzeugen ausgeübt werden: Kriegsschiffen oder -flugzeugen, (vgl. für die Bundesrepublik Rn. 1286), schließlich anderen Dienstfahrzeugen des Küstenstaates, die besonders beauftragt und klar erkennbar gekennzeichnet sind. Die Nacheile darf nur in einem Zeitpunkt beginnen, in dem sich das zu verfolgende 301 Schiff oder eines seiner Boote in einer Zone befindet, in welcher der Küstenstaat hinsichtlich der betreffenden Zuwiderhandlung Rechtsgewalt noch in Anspruch nehmen darf und das verfolgende Fahrzeug mit verfügbaren Mitteln sich vergewissert hat, daß diese Voraussetzung erfüllt ist. Ferner darf die Nacheile nur beginnen, wenn dem verfolgten Schiff zunächst die Aufforderung anzuhalten mittels eines für das Schiff wahrnehmbaren Sicht- oder Schallsignals übermittelt wird (Art. 111 Abs. 4 Satz 2). Das Schiff, von dem aus dieses Signal gegeben wird, braucht sich nicht in derselben Zone aufzuhalten wie das zum Anhalten aufgeforderte Schiff (Art. 111 Abs. 1 Satz 3). Die durch die Nacheile bezweckte Anhaltung des Schiffes ist nur zulässig, wenn die Nacheile ohne Unterbrechung durchgeführt wurde (Art. 111 Abs. 1 Satz 2); wurde sie abgebrochen, dann ist eine neue Nacheile nur zulässig, wenn die o. a. Voraussetzungen für ihren Beginn wiederum erfüllt sind. Das Recht der Nacheile endet, wenn das verfolgte Schiff das Küstenmeer seines 302 eigenen oder eines Dritten Staates erreicht hat (Art. 111 Abs. 3). Wird das verfolgte Schiff auf Hoher See erreicht, dann können nicht nur, wie in den Fällen des Art. 110, zulässige Untersuchungen an Bord angestellt werden, sondern das angehaltene Schiff kann auch zwecks weiterer Untersuchungen durch die zuständigen Stellen in einen Hafen des Küstenstaates geleitet werden. Das verfolgte Schiff kann also die Anwendbarkeit des küstenstaatlichen Strafverfolgungsrechtes durch die Erreichung der Hohen See nicht abschütteln, wenn die für die Nacheile gestellten detaillierten Voraussetzungen (siehe oben) genau befolgt worden sind. Dies folgt auch aus Art. 111 Abs. 7. Ist ein Schiff außerhalb des Küstenmeeres angehalten worden, obwohl die Voraussetzungen für die Nacheile nicht vorlagen, dann ist ihm Entschädigung für jeden Verlust und Schaden zu leisten (Art. 111 Abs. 8). 2. Die Schiffahrtsfreiheit über dem Festlandsockel und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone So zahlreich und verstreut die Vorschriften sind, die Küstenstaaten das Recht einräu- 303 men, Schiffe unter fremder Flagge auch auf Hoher See zu kontrollieren, so selten sind die Fälle, in denen sie praktisch Anwendung finden, weil die Abweichung von einer

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C. Die Seeschiffahrt

solchen völkerrechtlichen Norm jeweils außerordentlich und in der Abwehrbereitschaft der Staaten eine Gemeinsamkeit zu konstatieren ist, wie man sie anderwärtig kaum findet. Dieser Umstand erlaubt es, für die Schiffahrt auf Hoher See das völkergewohnheitsrechtlich herausgebildete Prinzip der Freiheit (siehe Rn. 272 f) nach wie vor anzuerkennen. Es gilt grundsätzlich bis zur äußeren Grenze der Küstenmeere und zwar gegenwärtig einfach deswegen, weil sich die Hohe See bis dorthin erstreckt. In Zukunft, wenn das neue Seerechtsübereinkommen in Kraft getreten sein wird, ändert sich der Bereich der Schifffahrtsfreiheit nicht, denn in den neuen Meereszonen, die das Küstenmeer von der Hohen See räumlich trennen, sind die Freiheitsgrundsätze der Schiffahrt beibehalten und lediglich gegen die sonstige wirtschaftliche Nutzung des Meeres eingegrenzt worden. Dies ist im Folgenden aufzuzeigen: a) 304

305

Festlandsockel Uber dem Festlandsockel, der sich u.U. bis zu einem Abstand von 350 sm ab Basislinie erstrecken kann, bleibt nach Art. 78 Abs. 1 SRU der Rechtsstatus der Wasser- und Luftsäule unberührt; das bedeutet für die Schiffahrt, daß über dem Festlandsockel dort, wo er über die 200 sm-Grenze der Ausschließlichen Wirtschaftszone hinausragt, weiterhin Hohe See ist und damit deren Freiheitsrechte weiter gelten. Zwar hat der Küstenstaat hier nach Art. 77 Abs. 1 eine unbeschränkte Rechtsgewalt hinsichtlich Erforschung und Ausbeutung des Meeresbodens und -untergrundes und kann zu diesem Zweck nach Art. 80 in Verbindung mit Art. 60 Bohrtürme und sonstige künstliche Inseln sowie geeignete Anlagen auf dem Meeresboden errichten. Aber seine spezielle Rechtsgewalt endet dort, wo die Freiheitsrechte der Schiffahrt vorhanden sind; sie dürfen nach Art. 78 Abs. 2 nicht verletzt werden, sondern lediglich aus Sicherheitsgründen geringfügig eingeschränkt werden. So ist bei dem Passieren von Bohrtürmen oder ähnlichen technischen Einrichtungen ein Sicherheitsabstand von 500 m zu wahren. Auf anerkannten Schifffahrtsrouten dürfen daher die vorgenannten Einrichtungen nicht eingerichtet werden (Art. 80 in Verbdg. mit Art 60 Abs. 7 SRÜ) b) Ausschließliche Wirtschaftszone Die Ausschließliche Wirtschaftszone gehört nicht mehr zur Hohen See; dennoch werden für sie im Art. 58 Abs. 1 und 2 die Freiheit der Schiffahrt zunächst generell und darüber hinaus die Vorschriften der Art. 87 bis 111 über diese Freiheit ausdrücklich für anwendbar erklärt. Der Küstenstaat hat aber über die hier einbezogenen Rechte am Festlandsockel hinaus noch zusätzliche Rechtssetzungs- und Kontrollbefugnisse in Bezug auf die in der Wassersäule vorhandenen Lebewesen und sonstigen Meeresschätze, insbes. also den Fischfang. Die nationalen Vorschriften und Verwaltungsmaßnahmen müssen nach Art. 58 Abs. 3 mit den Vorschriften des Seerechtsübereinkommens über die Ausschließlichen Wirtschaftszone vereinbar sein; die schiffahrtstreibenden Staaten haben andererseits die internationalen Vorschriften über die Ausschließliche Wirtschaftszone gebührend zu beachten, und ihre Schiffe haben die rechtmäßig erlassenen Vorschriften zu befolgen; also ein Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. 3. Die Schiffahrtsfreiheit — friedliche Durchfahrt — im Küstenmeer, in der Anschlußzone und den Archipelgewässern

306

Es ist festzustellen, daß sich die Schiffahrt in den bisher behandelten Zonen seewärts der Grenzen des Küstenmeeres und damit des Staatsgebietes der Küstenstaaten grundsätzlich frei bewegen und nur in seltenen, völkerrechtlich genau umrissenen Fällen

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

115

bestimmten Maßnahmen eines fremden Küstenstaates unterworfen sein darf. Spätestens mit Erreichen der seewärtigen Hoheitsgren2e eines Küstenstaates gelangt das Schiff in den Geltungsbereich der Rechtsordnung dieses Küstenstaates. Hier haben das Schutzinteresse des betreffenden Küstenstaates und das Seeverkehrsrecht nunmehr unter der Herrschaft der UN-Charta einen gleichen Rang. Die Handelsschiffahrt kann also die Reise zwar fortsetzen, hat aber nunmehr die verschiedenen schutzwürdigen Interessen des Küstenstaates nach Maßgabe seiner Rechtsordnung zu berücksichtigen. Für Kriegsschiffe gilt zwar auch grundsätzlich das Recht der friedlichen Durchfahrt, doch sind hier von Land zu Land unterschiedliche Vorschriften zu beachten. Siehe dazu Rn. 314. Hat der Küstenstaat eine Anschlußzone eingerichtet, die sich nach Art. 33 bis zu einem 307 Abstand von 24 sm ab Basislinie erstrecken kann, dann ist die Rücksichtnahme auf die in dieser Zone geltenden Teile der küstenstaatlichen Rechtsordnung bereits bei Erreichen der Anschlußzone geboten. Vgl. dazu Rn. 43. Die weiteste Erstreckung nach dem Übereinkommen über die Hohe See von 1958 lag bei 12 sm. Die Bundesrepublik hat keine Anschlußzone errichtet. Ein Handelsschiff hat nach Art. 17 im Küstenmeer oder in gleicher Weise nach Art. 52 308 Abs. 1 in den Archipelgewässern das Recht der sogen. „Friedlichen Durchfahrt" und zwar nach Art. 18 unabhängig davon, ob Reeden, Binnengewässer, Häfen oder sonstige Umschlagseinrichtungen des Küstenstaates angelaufen werden sollen oder das Küstenmeer nach bloßem Durchfahren wieder verlassen werden soll. Nur wenn das Schiff sein Recht verletzt, kann der Küstenstaat seine Hoheitsgewalt zur Geltung bringen. Der Begriff der friedlichen Durchfahrt war bisher in Artikel 14 der Konvention von 1958 über das Küstenmeer und die Anschlußzone nur sehr allgemein definiert: Jede Durchfahrt, die nicht den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenstaates beeinträchtigt. Für das Durchfahrtsrecht der Kriegsschiffe siehe Rn. 314. Der Art. 19 des SRÜ enthält nunmehr eine detailliert aufgeschlüsselte Definition der 309 friedlichen Durchfahrt. In Abs. 2 findet sich eine Aufzählung von Aktivitäten eines Schiffes, die den Frieden, die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung des Staates stören und die Durchfahrt nicht mehr als unschädlich erscheinen lassen. Unter Buchst, a—g findet man feindselige Aktivitäten aufgezählt; dann folgen unter Buchst, h—k die absichtliche und grobe Verschmutzung der Meeresumwelt, der Fischfang, die Forschungs- und Vermessungstätigkeiten sowie Aktionen, die das Nachrichtensystem oder andere Einrichtungen des Küstenstaates stören könnten. Die Aufzählung der Verbote schließt mit der Generalklausel: Jede andere Tätigkeit, die nicht im direkten Zusammenhang mit der Durchfahrt steht („Any other activity not having a direct bearing on passage"). Zu den materiellen Anforderungen an die friedliche Durchfahrt gehört noch die 310 besonders für die Seestreitkräfte wichtige Vorschrift, daß U-Boote im Küstenmeer aufgetaucht zu fahren und ihre Flagge zu zeigen haben (Art. 20). Der Handelsschiffahrt wird es in aller Regel keine Schwierigkeiten bereiten, den Anforderungen an die „friedliche Durchfahrt" nachzukommen. Viel eher können Schwierigkeiten aus Maßnahmen erwachsen, die der Küstenstaat in seinem Küstenmeer bzw. in seinen Archipelgewässern aufgrund folgender Vorschriften ergreifen darf: Der Küstenstaat/Archipelstaat kann alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Befolgung der vorgenannten Anforderungen an die friedliche Durchfahrt zu erzwingen, notfalls sogar die Fortsetzung einer Durchfahrt, die nicht als friedlich bzw. als unschädlich angesehen werden kann, zu verhindern (Art. 25 Abs. 2 bzw. Art. 52 Abs. 1).

116

C. Die Seeschiffahrt

311

Kriegsschiffe fremder Flagge können in solchen Fällen mit Rücksicht auf ihre Immunität nur aufgefordert werden, das Küstenmeer sofort zu verlassen. Kommen sie dieser Aufforderung nicht nach, so kann sich der Küstenstaat nur an die Regierung des Flaggenstaates wenden; letztere ist auch für jeden Verlust oder Schaden verantwortlich, der dem Küstenstaat durch die Nicht-Befolgung der erwähnten Vorschriften und Aufforderungen erwächst; vgl. Art. 30—32 SRÜ. Für die Schiffahrt besonders wichtig ist das Recht des Küstenstaates, Teile seiner Küstenbzw. Archipelgewässer auf Zeit zu sperren, wenn die Sicherheit seines Staatsgebietes oder dazu abgehaltene Manöver dies erfordern (vgl. Art. 25 Abs. 3 bzw. Art. 52 Abs. 2 SRÜ). Die Zufahrt zu den Häfen ist jedoch, wenn auch mit Einschränkungen, zu gewährleisten.

312

Im Einklang mit den Vorschriften des Völkerrechts kann der Küstenstaat für die Schiffahrt Rechtsvorschriften erlassen — über die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs (Art. 21 Abs. 1 Buchst, a) — zum Schutz von Schiffahrtszeichen und Hilfseinrichtungen (Art. 21 Abs.l Buchst, b) — zum Schutz der Meeresumwelt des Küstenstaates (Art. 21 Abs. 1 Buchst.f); — zur Verhinderung von Verstößen gegen die Zoll-, Gebühren- Einwanderungs- und Gesundheitsvorschriften (Art. 21 Abs. 1 Buchst, h), — die im wesentlichen auf Spezialfahrzeuge für Zwecke der Fischerei, der Forschung oder des Legens von Leitungen ausgerichtet sind (Art. 21 Abs. 1 Buchst, c, d, e und g).

313

Beim Erlassen dieser Rechtsvorschriften sind dem Staat zwei generelle Grenzen gesetzt; die Rechtsvorschriften müssen mit den bestehenden internationalen Übereinkommen, die Schiffahrtsfragen einheitlich regeln, vereinbar sein und dürfen nicht von den internationalen Regeln abweichen, die zur Sicherheit der Seefahrt, für den Bau, die Ausrüstung und die Besetzung der Schiffe aufgestellt worden sind; denn jede vom Küstenstaat geforderte Besonderheit würde die freie Beweglichkeit der Schiffe, welche durch die internationalen Vereinheitlichung gerade gefördert werden sollte, zwangsläufig behindern (Art. 21 Abs. 1 und 2). Nach Art. 22 kann der Küstenstaat vorschreiben, daß zur Verkehrssicherung eingerichtete Schiffahrtsrouten und Verkehrstrennungsgebiete zu benutzen sind, wobei das Gebot sich entweder an alle Schiffe oder speziell an solche Schiffe richten darf, die wegen ihrer Ladung (vor allem Rohöl und gefährliche Frachtgüter) oder Antriebsart (Reaktorschiffe) eine erhöhte Gefahr mit sich bringen; bei derartigen Ladungskategorien sind die hierauf bezüglichen Empfehlungen der IMO in Betracht zu ziehen.

314

Keinen Artikel gibt es über die schon auf der ersten Seerechtskonferenz 1958 umstrittene und bis in die Gegenwart wichtige Frage, ob Kriegsschiffe vor der Durchfahrt durch das Küstenmeer beim Küstenstaat anzumelden sind oder gar einer Genehmigung bedürfen. Die großen Seemächte einschließlich der UdSSR folgern aus dem Fehlen einer speziellen Regelung für Kriegsschiffe , daß somit auch diese das Recht der friedlichen Durchfahrt ohne Anmeldung oder Erlaubnis ausüben können. 22 Bis zum Schluß der Dritten Seerechtskonferenz hat sich jedoch eine große Staatengruppe ausdrückliche dafür ausgesprochen, daß für die Durchfahrt von Kriegsschiffen durch fremde Küstenmeere 22

Rauch, Elmar, Die Sowjetunion und die Dritte Seerechtskonferenz, Berlin 1982, S. 249; Geck, W.K. Die Schiffahrtsfreiheit von Kriegschiffen nach UNCLOS, in Festschrift für Hermann Mosler, 1983, S. 299 - 302.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen eine Sonderregelung erfolgen Zu dieser Staatengruppe gehörten China, Ägypten, Iran, Philippinen und auch Schweden,22» (Siehe Rn.

117

müsse, Anmeldung oder sogar Genehmigungsvorbehalt. u. a. Pakistan, Rumänien, Syrien, Libyen, Finnland, Madagaskar, , Albanien, Vereinigte arabische Emirate, Peru, Türkei, Panama 1497 ff)

Möglicherweise ist hier eine Ursache für zukünftige Streitigkeiten vorhanden.

a) Der

Okinawa-Zwischenfall

Im August 1982 kam es zu einer Kontroverse zwischen der UdSSR und Japan über 314a die Frage, ob Schiffe mit Nuklear-Waffen an Bord das Recht der friedlichen Durchfahrt haben.2211 Dem Zwischenfall liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Am 21.08.1982 kam es zu einem Brand auf einem nuklearangetriebenen sowjetischen U-Boot der Echo-Klasse, der das Boot 110 Km östlich Okinawas manövrierunfähig machte. Das japanische Außenministerium verlangte noch am 21. und am 22.08. Aufklärung über die Gefahr einer nuklearen Verseuchung und verbot mit Hinweis auf die japanischen „Three Non-Nuclear-Principles" das Einlaufen des mit Atomraketen bewaffneten Bootes in die japanischen Territorialgewässer. Sowjetische Experten verneinten am 23.08. die Gefahr einer nuklearen Verseuchung. Die sowjetische Regierung verlangte angesichts dieses Falles von höherer Gewalt, das Boot auf dem kürzesten Weg in die östliche chinesische See, d. h. durch die japanischen Küstengewässer schleppen zu dürfen. Unmittelbar nach diesem Verlangen begannen drei sowjetische Schiffe mit dem Abschleppen des U-Bootes, und erreichten um 15.20 Uhr die japanischen Gewässer zwischen den Inseln Yoron und Ikinoerabu. Gegenüber dem Verlangen des Kommandanten eines japanischen Patrouillenbootes, die Fahrt abzubrechen, wurde erwidert, daß eine japanische Regierungserlaubnis für die Passage vorliege. Daraufhin protestierte das japanische Außenministerium bei dem sowjetischen Botschafter und verlangte das sofortige Verlassen der japanischen Gewässer. Ungeachtet des Protestes und der Verweisung aus den japanischen Gewässern setzten die sowjetischen Schiffe mit dem im Schlepp befindlichen U-Boot die Fahrt fort und verliessen nach einer Durchfahrtsdauer von ca. 2,5 Std. um 17.55 Uhr. die japanischen Küstengewässer. Die japanische Regierung sah in dem Verhalten der sowjetischen Kriegsschiffe eine völkerrechtswidrige Invasion ihres Küstenmeeres. Japan hatte sich in der Zweiten Seerechtskonferenz grundsätzlich damit einverstanden 314b erklärt, daß für die Durchfahrt fremder Kriegsschiffe durch seine Küstengewäasser eine Anmeldung genüge. Im Gegensatz dazu stand die damalige Auffassung der UdSSR, die eine vorher einzuholende Erlaubnis verlangte. Aufgrund des SRÜ wird die Durchfahrt für alle Schiffe als friedlich angesehen, solange die in Art. 19 enumerativ aufgeführten Verhaltensweisen nicht praktiziert werden. (Siehe dazu Rn. 309) Zwar kann der Küstenstaat gemäß Art. 21 SRÜ für die Schiffahrt Rechtsvorschriften erlassen — siehe im Einzelnen Rn. 312 —, aber er hat kein freies Ermessen, die friedliche Durchfahrt zu untersagen. Damit war der Schleppvorgang durch das japanische Küstenmeer im Einklang mit den Vorschriften des SRÜ. Denn es kommt für das Prinzip der friedlichen Durchfahrt nicht auf die A r t des Schiffes einschließlich. Bewaffnung und Ladung an, sondern allein auf das Verhalten der Schiffe in fremden Küstengewässern, so auch Prof. K o Nakamura. 221 221 m 220

Rauch (22) S. 249, 300. Japanese Annual of International Law, Vol. 25, 1982. S. lff. Nakamura, Ko, The Passage through the Territorial Sea of Foreign Warships carrying nuclear Weapons, an Interpretation of the Convention on the Territorial Sea and the Contiguous Zone and its Application to the Bröken Nuclear Powered Submarine, in Japanese Annual of International Law, Vol. 25, 1982 S. lff.

118 b) Der 314c

C. Die Seeschiffahrt

Sewastopol-Zwischenfall

Das Verhalten von fremden Kriegsschiffen steht im Mittelpunkt eines anderen Zwischenfalles, der sich am.12.02.1990 in den sowjetischen Küstengewässer der Halbinsel Krim zwischen zwei amerikanischen und zwei sowjetischen Kriegsschiffen ereignet hat. Am 12.02.1990 rammten zwei sowjetische Fregatten nach vergeblicher Warnung über Seefunk, den eingeschlagenen Kurs nicht beizubehalten, den amerikanischen Lenkwaffenkreuzer „Yorktown" und den Zerstörer „Caron" in der Nähe des Kriegshafens Sewastopol innerhalb der 12 sm Zone gegen 11.00 Uhr vormittags. Sowohl an der „Yorktown", dem modernsten und teuersten Kriegsschiff der Welt als auch an der mit elektronischen Vermessungsmitteln ausgerüsteteten „Caron" entstand nur geringer Sachschaden. Beide Schiffe verließen nach zweistündigen Aufenthalt wiederum die sowjetischen Gewässer.226

c) Das Jackson Hole Übereinkommen 314d

Dieser Zwischenfall vor Sewastopol führte im September 1989 in Jackson Hole in den USA zu einer gemeinsamen Erklärung der USA und der UdSSR über das Recht der friedlichen Durchfahrt und fügten ihr eine Interpretation der Regeln über die friedliche Durchfahrt bei. Diese gemeinsame Erklärung, sieben Jahre nach Abschluß der Dritten Seerechtskonferenz, zeigt die Bedeutung der Seerechtskonvention (SRÜ) auf. Denn obwohl sie von den beiden Supermächten nicht ratifiziert, von den USA noch nicht einmal gezeichnet wurde und auch überhaupt noch nicht in Kraft ist, diente sie dennoch den USA und den UdSSR als Grundlage der Jackson Hole Erklärung.

Übereinstimmende Interpretation der Regeln des internationalen Rechts, die die friedliche Durchfahrt betreffen:22e 1. Die relevanten Regeln des Internationalen Rechts, die die friedliche Durchfahrt von Schiffen durch das Küstenmeer bestimmen, sind niedergelegt in der Seerechtskonvention der UN von 1982 (besonders im Teil II Abschn. 3) 2. Alle Schiffe, einschließlich Kriegsschiffe, haben ohne Rücksicht auf Ladung, Ausrüstung oder Antriebsart das Recht der friedlichen Durchfahrt durch die Küstengewässer in Überstimmung mit dem Internationalen Recht, ohne daß eine vorhergende Anmeldung oder Erlaubniserteilung benötigt wird. 314e 3. Artikel 19 der Seerechtskonvention enthält eine erschöpfende Liste von Handlungen, die die Durchfahrt nicht friedlich erscheinen lassen. Ein Schiff, das während der Durchfahrt durch das Küstenmeer keine derartige Handlung begeht, erfüllt die Bedingungen der friedlichen Durchfahrt. 4. Ein Küstenstaat, der zweifelt, ob die einzelne Durchfahrt eines Schiffes durch sein Küstenmeer friedlich ist, soll das Schiff über die Gründe des Zweifels an der Friedlichkeit der Durchfahrt informieren und dem Schiff Gelegenheit geben, sein Verhalten unverzüglich zu korrigieren. 5. Schiffe, die das Recht der friedlichen Durchfahrt ausüben, sollen alle Gesetze und Regelungen des Küstenstaates beachten, die in Übereinstimmung mit den relevanten Regeln des Internationalen Rechts stehen, so wie sie in den Artikeln 21—23 und 24 der Seerechtskonvention niedergelegt sind. Diese schließen die Gesetze und Bestimmungen mit ein, die notwendig sind, um die friedliche Durchfahrt auf den Schiffahrtswegen und Verkehrstrennungsgebieten durchzuführen, die für die Sicherheit der Schiffahrt notwendig sind. In den Gebieten, in denen solche Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete nicht vorgeschrieben sind, haben Schiffe dennoch das Recht der friedlichen Durchfahrt. ^ 220

AdG 1988 S. 31948; Münzinger-Archiv/Zeitarchiv 9/89 Sowjetunion, Chronik 1988 S. 84. UdSSR-US: Joint Statement with attached uniform interpretation of Rules of International Law governing Innocent Passage (Done at Jackson Hole, Wyoming, Sept. 23), 1989, in ILM 1989, S. 1444.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

119

6. Solche Gesetze und Bestimmungen des Küstenstaates sollen praktisch die friedliche Durchfahrt 3 1 4 f nicht ausschließen oder erschweren, so wie es auch in Artikel 24 der Seerechtskonvention untersagt ist. 7. Wenn ein Kriegsschiff bei der Verletzung dieser Gesetze und Bestimmungen betroffen wird, ist die Durchfahrt nicht friedlich; ändert es sein Verhalten auf Aufforderung nicht, kann der Küstenstaaten es auffordern, die Küstengewässer zu verlassen, so wie es auch in Artikel 30 der Seerechtskonvention bestimmt worden ist. In solchem Fall hat das Kriegsschiff dieser Aufforderung sofort nachzukommen 8. Ohne die Rechte des Küsten- oder Flaggenstaates zu präjudizieren, sollen alle Differenzen, die im Einzelfall durch die Passage eines Schiffes durch das Küstenmeer entstehen können, durch die diplomatischen Kanäle oder durch andere vereinbarte Möglichkeiten ausgeräumt werden.

Zu Nr. 8 sei darauf hingewiesen, daß sich Streitigkeiten über das Prinzip der friedlichen Durchfahrt einem Verfahren vor dem Internationalen Seegerichtshof (vgl. zur Beilegung von Streitigkeiten Rn. 93 ff) entziehen. 4. Das Recht des Transits durch Meerengen und Archipelgewässer a) Regelung nach dem Seerechtsübereinkommen (SRÜ) 1982 Nach den Erschwernissen, die sich im Küstenmeer bzw. in Archipelgewässern für die 315 auf der Hohen See freiere Schiffahrt ergeben können, sind nunmehr die Straßen der internationalen Seeschiffahrt in Meerengen und Archipelgewässern zu behandeln, die in den Rn. 33—42 bereits vorgestellt wurden und in denen die Schiffahrt soweit wie möglich die Freiheit der Hohen See behalten soll, die sie bisher beim Transit durch Meerengen und Archipelgewässer besaß. Die Super- und Großmächte machten auf der Seerechtskonferenz ihre Zustimmung zur seewärtigen Ausdehnung der küstenstaatlichen Hoheitsgewalt von einer die Schiffahrt unberührt lassenden Regelung abhängig. Sie haben sich mit dieser Forderung auch durchgesetzt. Die entsprechenden Vorschriften finden sich für die Meerengen in den Art. 41, 42 und 44, für die Archipelgewässer in den Art. 53 und 54. Geht man anhand dieser Vorschriften die oben für das Küstenmeer bzw. die Archipelgewässer verzeichneten Erschwernisse nochmals durch, so ergeben sich folgende Unterschiede: Der Küstenstaat darf die durchgehende Schiffahrt nicht behindern und die Ausübung 316 des Transitrechts auch nicht vorübergehend unterbrechen (Art. 44 bzw. 54); zur Verwendung von sogen, „schlafenden" Minen s. Rn. 1511). Was die Rechtsvorschriften über die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs anbetrifft, so darf der Küstenstaat hier nur begrenzte Schiffahrtsrouten sowie Verkehrstrennungsgebiete einrichten. Er hat dabei auch nicht nur die Empfehlungen der IMO zu berücksichtigen, sondern hat die „generally accepted international regulations" zu beachten, d. h. die IMO in genau bestimmter Weise einzuschalten. Die geplante Maßnahme ist der IMO als Vorschlag zu unterbreiten. Die Organisation prüft den Vorschlag, führt eine Einigung mit dem beantragenden Küstenstaat herbei, und erst wenn diese Einigung vorliegt, darf die IMO die Regelung annehmen und danach der Küstenstaat sie als nationale Rechtsvorschrift erlassen (Art. 42 Abs. 1 Buchst, a i.V.m. Art. 41 und Art. 54). Zum Schutz von Schiffahrtszeichen und — hilfseinrichtungen hat der Küstenstaat, wie 317 sich aus dem Katalog in Art. 42 Abs. 1 bzw. Art. 54 ergibt, keine Rechtssetzungsbefugnis. Auf dem Gebiet des maritimen Umweltschutzes kann der Küstenstaat nur die — inzwischen umfangreichen und detaillierten — internationalen Rechtsvorschriften übernehmen,

120

C. Die Seeschiffahrt

aber zusätzliche nationale Vorschriften auch dann nicht erlassen, wenn die zu regelnde Spezialfrage in dem internationalen Vertragswerk nicht berücksichtigt ist (Art. 42 Abs. 1 Buchst, b; Art. 54). 318

Der Erlaß von Rechtsvorschriften zur Unterbindung des Fischens und des Warenumschlages sowie des Ein- und Ausbootens ist dem Küstenstaat nicht verwehrt (Art. 42 Abs. 1 Buchst, c und d; Art. 54), zumal diese Tätigkeiten mit dem reinen Transit, dem die Schiffahrtsrouten in Meerengen und Archipelgewässern dienen, schon begrifflich unvereinbar sind. Dasselbe gilt für die Meeresforschung und für das Legen von Leitungen; die Artikel 42 und 54 sagen zwar hierüber nichts aus, das Schweigen erklärt sich aber aus den Artikeln 34 Abs. 1 bzw. 49 Abs. 4, nach denen die Hoheitsgewalt des Küstenund Archipelstaates u. a. auf diesen beiden Gebieten unberührt bleibt.

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Für die Durchfahrt von U-Booten enthält die Konvention — anders als beim Küstenmeer (Art. 20) — weder eine spezielle Vorschrift noch eine Ermächtigung für den Küstenstaat, eine solche zu erlassen. U-Boote dürfen also auch getaucht fahren. Nur die Benutzung einer besonderen Route kann theoretisch mittels des oben dargestellten Verfahrens durchgesetzt werden. Auch im übrigen gibt es keine spezielle Vorschrift über die Transitpassage von Kriegsschiffen, 23 also auch keine Art. 30 entsprechende Norm mit der Befugnis, unbotmäßige Kriegsschiffe zum sofortigen Verlassen der Küstengewässer aufzufordern; es gelten aber wie für alle anderen Schiffe die allgemeinen Verhaltensvorschriften des Art. 39 Abs. 1 mit der Verpflichtung, die Transitroute ohne Aufenthalt zu durchfahren und jede auf den Küstenstaat gezielte Bedrohung oder Gewaltanwendung zu unterlassen. Schließlich scheidet für die Benutzung von Transitrouten jede Überlegung, eine Genehmigung oder Anzeige zu verlangen, selbstverständlich aus.

320

Speziell für die Transitregelung durch Meerengen müssen noch einige Sonderfälle betracht werden, in denen die aufgezeigten allgemeinen Transitregeln nicht oder abgewandelt gelten. Zunächst enthält Art. 45 zwei dieser Fälle, in denen kein Anlaß gegeben erschien, die allgemeinen Regeln für das Küstenmeer, d. h. insbes. über die friedliche Durchfahrt zugunsten der Schiffahrt durch die freiere Regelung der Transitpassage zu ersetzen. Dies ist der Fall — bei einer Meerenge, die auf der einen Seite durch eine dem Küstenstaat vorgelagerte Insel begrenzt wird, wenn seewärts dieser Insel eine für die Schiffahrt ähnlich günstige Route durch das vorgelagerte Gebiet der Ausschließlichen Wirtschaftszone bzw. der Hohen See besteht; — bei einer Meerenge, die von der Hohen See bzw. Ausschließlichen Wirtschaftszone nicht zu einem anderen Teil dieser Seegebiete führt, sondern lediglich zum Küstenmeer eines Staates. 321 Art. 45 Abs. 2 verpflichtet jedoch die Küstenstaaten in diesen beiden Sonderfallen, die friedliche Durchfahrt ununterbrochen zu gewährleisten. Schließlich besagt Art. 35 Buchst, c, daß die Vorschriften des SRÜ über Meerengen nicht anwendbar sind, soweit durch bereits bestehende Übereinkommen für eine Meerenge besondere Durchfahrtsbestimmungen festgelegt worden sind. Wir haben in diesem Zu-

23

Ausführlich bei Geck, (22) S. 316.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

121

sammenhang sechs Meerengen zu betrachten, nämlich den Bosporus/Dardanellen, die Magellanstraße an der Südspitze Südamerikas, die Straße von Gibraltar, den Sund und die Belte sowie die Durchfahrt durch die Aalandsinseln. b) Bosporus/Dardanellen In ihrer geschichtlichen Bedeutung werden alle Meerengen durch die des Bosporus/ 322 Dardanellen übertroffen, also die „Hohe Pforte", welche das Mittelmeer mit dem Schwarzen Meer verbindet. Die freie Durchfahrt durch die Meerengen wurde durch Einzelverträge der „Hohen Pforte" mit den Großmächten im 18. und 19. Jahrhundert gesichert. Bis in die Gegenwart sind jedoch wegen der strategischen Bedeutung der Meerengen spezielle Regelungen getroffen worden. Die Sowjetunion kann nur im Westen durch die Ostsee, im Norden durch die Behringstraße und das Weiße Meer und im Osten über Wladiwostock in den Atlantik bzw. in den Pazifik gelangen. In der politisch besonders wichtigen Südrichtung kann sie vom Schwarzen Meer nur durch den Bosporus und die Dardanellen ins Mittelmeer und von dort nur durch den Suez-Kanal oder durch die Straße von Gibraltar in den Indischen Ozean bzw. in den Atlantik gelangen. Andererseits war der Seeweg Gibraltar — Malta — Kreta — Zypern — Suez bis nach dem Zweiten Weltkrieg eine Lebensader der Seemacht Großbritannien nach Indien, die sie gegenüber der russischen bzw. sowjetischen Bedrohung zu schützen hatte. Die Stärke der Türkei einerseits, der Sowjetunion bzw. Großbritanniens andererseits, war daher für die Öffnung und Schließung der Meerengen in einer oder in beiden Fahrtrichtungen maßgeblich. 24 In der auf dem Londoner Vertrag von 1840 beruhenden Londoner Meerengen- 323 Konvention vom 13.07.1841 vereinbarten die europäischen Großmächte (Großbritannien, Frankreich, Österreich, Preußen und Rußland) mit der Türkei als Grundlagen des Gleichgewichts, daß die Türkei in Friedenszeiten die Meerengen für fremde Kriegsschiffe geschlossen zu halten habe. Der nach dem Krimkrieg abgeschlossene Pariser Friede von 1856, der als Anhang die sogen. Pariser Meerengenkonvention enthielt, bestätigte diese Regelung. Das gleiche geschah im Londoner Vertrag vom 13.03.1871 und auf dem Berliner Kongress von 1878, jedoch mit folgender Abweichung: Der Sultan durfte in Friedenszeiten die Meerengen den Kriegsschiffen den Staaten öffnen, die wie die Türkei daran interessiert waren, daß Rußland die Bestimmungen des Pariser Vertrages nicht verletzte. Nach dem ersten Weltkrieg mußte die Türkei, die zu den Verliererstaaten gehörte, 324 nach einigem Sträuben in einem neuen Meerengen vertrag von 1923, der einen Teil des Lausanner Friedens bildete und 1924 in Kraft trat, gegenüber Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Rumänien und Griechenland das freie Durchfahrtsrecht von Handels- und Kriegsschiffen durch die Meerengen in Friedenszeiten und auch in einem Krieg, bei dem die Türkei neutral blieb, anerkennen; keine durchfahrende Flotte durfte jedoch größer sein als die größte Flotte der Schwarzmeerstaaten, d. h. der Sowjetunion. Auf ständiges Drängen der Türkei, die ihre Sicherheit durch diese Regelung als nicht 325 ausreichend betrachtete, traten die Signatarstaaten 1936 in Montreux zu einer Konferenz zusammen, die mit der Unterzeichnung des Montreux-Abkommens am 20.07.1936 schloß. 24

Über die Vorgeschichte der heutigen Regelung siehe Strupp-Schlochauer, WdV, Bd. 1 Dardanellen.

122

C. Die Seeschiffahrt

Vertragsparteien waren dieselben wie die des Lausanner Vertrages, zusät2lich die Sowjetunion, Jugoslawien und Bulgarien. Das Ubereinkommen ist für den Beitritt weiterer Staaten geschlossen, ist jedoch als ein Vertrag zugunsten Dritter zu betrachten. Unter diesen besonderen Voraussetzungen ist der Vertrag in keinem offiziellen Verkündungsorgan der Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht, obwohl die Bundesrepublik sich auf den Vertrag berufen kann. Mit seinem Art. 1 bestätigen die Vertragsstaaten den Grundsatz der Transitfreiheit der Schiffahrt durch die Meerengen, der sogar unabhängig von einer evtl. Kündigung des Abkommens nach Maßgabe des Art. 28 zeitlich unbeschränkt weitergilt, was der Meerengenregelung des Seerechtsübereinkommens entspricht. Für die Handelsschiffahrt gilt das Recht der freien Durchfahrt nicht nur im Frieden, sondern auch bei Neutralität der Türkei im Kriege, die sich wegen ihrer NATOZugehörigkeit nur in Konflikten außerhalb des Ost- Westgegensatzes ergeben kann. Im NATO-Bündnisfall oder wenn die Türkei sich sonst vom Kriege bedroht fühlt, kann sie die Handelsschiffahrt veranlassen, — nur bei Tage in die Meerengen einzufahren, — die Routenanweisungen der zivilen NATO-Behörden bzw. ihrer eigenen Behörden zu befolgen, — einen Lotsen ohne zusätzliche Kosten anzunehmen (Art. 6). 326

Für Kriegsschiffe enthält das Abkommen in den Artikeln 8 bis 22 umfangreiche Spezialvorschriften, die das eigentliche Kernstück des Abkommens darstellen. Anzumelden sind danach die Durchfahrt von Kriegsschiffen — ausgenommen Hilfsschiffe leichter Bauart und Armierung (näheres siehe Anhang II). Sie muß der türkischen Regierung auf diplomatischem Wege notifiziert werden und zwar von den Schwarzmeerstaaten neun Tage, von anderen Staaten möglichst 15 Tage vor der Durchfahrt. Anzugeben sind Name, Typ und Nummer des Schifffes, sein Bestimmungsort und das Datum der Durchfahrt. Beim Beginn der Durchfahrt hat der Kommandant den Signalstellen am Eingang der Dardanellen bzw. des Bosporus die Zusammensetzung der an Bord befindlichen Truppe zu melden, Art. 13 i.V.m. Art. 9. Beschränkungen in der Gesamtstärke der gleichzeitig in Durchfahrt befindlichen Schiffe sind folgende: Die Wasserverdrängung eines Schiffes darf 15.000 t nicht übersteigen (1 t = 1016 kg); die Gesamtzahl der Schiffe darf nicht größer sein als 9 (Art. 14), wobei leichte Hilfsschiffe nach Art. 9 wieder ausgenommen sind. Hat ein Schiff eine Wasserverdrängung, welche die vorgenannte Tonnagegrenze übersteigt, dann darf es, solange es sich in Durchfahrt befindet, nur von zwei Zerstörern begleitet werden (Art. 11).

327

Begrenzung für die im Schwarzen Meer befindliche Gesamttonnage von Nicht- Anliegerstaaten: — Sie darf im Normalfall 30.000 t, in bestimmten Ausnahmefällen bis 45.000 t betragen; davon kann ein einzelner Nicht-Anliegerstaat höchstens 2/3 in Anspruch nehmen (nähere Einzelheiten siehe Art. 18 Abs. 1). Aufenthaltsbegrenzung für Kriegsschiffe von Nicht-Anliegerstaaten im Schwarzen Meer: 3 Wochen (Art. 18 Abs. 2). Kein Gebrauch von an Bord befindlichen Luftfahrzeugen, d. h. kein Starten oder Landen während der Durchfahrt. (Ar. 15) Flugzeugträger dürfen die Meerengen nicht durchfahren.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Leichte Überwasserschiffe genießen im Frieden Gebührenfreiheit, wenn sie die Durchfahrt am Tage antreten und die vorgenannten allgemeinen Verpflichtungen beachten (Art. 10). U-Boote dürfen die Meerengen grundsätzlich nicht durchfahren; eine Ausnahme gilt 328 für die U-Boote von Schwarzmeerstaaten, die im Gebiet außerhalb des Schwarzen Meeres erworben worden sind, dorthin veräußert oder dort in Werften überholt werden. Einzelheiten hierüber sind der Türkei zu notifizieren; die U-Boote dürfen nur einzeln, bei Tage und aufgetaucht fahren (Art. 12); Während eines Krieges, in dem die Türkei neutral ist, unverändertes Durchfahrtsrecht von Kriegsschiffen; für Kriegsschiffe der kriegführenden Staaten ist die Durchfahrt nur in völkerrechtlichen Ausnahmefällen erlaubt (näheres siehe Art. 19). Sie haben sich in den Meerengen aller Beschlagnahmen, Durchsuchungen oder Feindseligkeiten zu enthalten. Betrachtet sich die Türkei durch einen Krieg bedroht und notifiziert sie dies den 329 Signartarmächten, dann dürfen deren Schiffe, die von ihrer Heimatbasis getrennt sind, noch zu dieser Basis zurückkehren, wobei die Türkei Schiffe des Staates, durch den sie sich bedroht fühlt, ausschließen kann. (Nach der Mitgliedschaft der Türkei in der NATO richtet sich diese Maßnahme gegen Schiffe des Warschauer Paktes und damit insbes. gegen die Sowjetunion). Danach hat dann die Türkei betreffend die Durchfahrt von fremden Kriegsschiffen freie Hand (Art. 21). Führt die Türkei selbst Krieg, so sind die beiden vorgenannten Durchfahrtsfreiheiten der Dritten Staaten für die Türkei nicht mehr bindend. In Artikel 23 ist der Uberflug ziviler Luftfahrzeuge über die Meerengen geregelt, und zwar sowohl für die Route vom Mittelmeer zum Schwarzen Meer als auch für den kreuzenden Transitverkehr Europa — Asien. In beiden Fällen kann die Türkei verbindliche Korridore vorschreiben, andererseits haben die Staaten, welche die Routen nach Maßgabe der in der Türkei gültigen Luftfahrtvorschriften benutzen, die Türkei über die in Anspruch genommenen Flugzeiten zu unterrichten. Der Vertrag kann von jedem Staat durch Erklärung gegenüber der französischen Regierung gekündigt werden. Der Vertrag gilt danach noch zwei Jahre weiter; sodann ist zwecks Neuregelung eine Konferenz einzuberufen (Art. 28). c)

Magellanstraße Für die Magellanstraße ist die Freiheit des Transits für Schiffe aller Flaggen vereinbart 330 durch einen Vertrag zugunsten Dritter, nämlich den Grenzvertrag zwischen Argentinien und Chile vom 23.07.188125, der auf ein Schiedsgutachten Eduards VII. von England zurückgeht. d) Straße von Gibraltar Für die Straße von Gibraltar gibt es keinen derartigen Vertrag zugunsten Dritter. Es 331 besteht nur der Vertrag von Utrecht (1713) zwischen Frankreich, Großbritannien und Spanien betreffend die Entmilitarisierung der Marokko-Zone. Die Staaten verpflichten sich darin, den Schiffsverkehr durch die Straße von Gibraltar zu gewährleisten. Der Anspruch dritter Staaten, mit ihren Schiffen die Straße von Gibraltar frei zu durchfahren, beruht also nicht auf Vertrag, sondern auf der Tatsache, daß ein breiter Streifen der 25

Siehe den maßgeblichen Artikel V dieses Vertrages bei Singh Nagendra, International Conventions of Merchant Shipping, 2. Aufl., London 1973 S. 1525.

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C. Die Seeschiffahrt

Straße von Gibraltar Hohe See war, auf der es keine Ausübung nationaler Hoheitsrechte geben konnte. Spanische Delegierte vertraten auf der Dritten Seerechtskonferenz die Ansicht, daß es sich bei der Straße von Gibraltar ebenfalls um eine historische Enge im Sinne des Art. 35 Buchst, c SRU handele. Sollte sich diese Ansicht durchsetzen, würde nach Inkrafttreten des SRÜ die Durchfahrt durch die Meerenge nicht nach dem Transitrecht erfolgen können.253

332

e) Ostseeausgänge (Sund und Belte) Zweifelhaft ist schließlich, ob für die Ostseemeerengen Sund, Großer und Kleiner Belt ein unter Art. 35 Buchst, c fallender Vertrag existiert. Der Vertrag zwischen Dänemark und div. europäischen Staaten (u. a. Preußen, Oldenburg und Österreich/Ungarn) vom 14.03.1857 über die Ablösung des Sundzolles durch eine einmalige Zahlung erkennt in Art. 1 im Verhältnis zu den Vertragsstaaten die freie Durchfahrt der Schiffahrt praktisch an, ohne jedoch ausdrücklich klarzustellen, was für Dritte gilt. Die USA zahlten Dänemark zwei Jahre später ebenfalls eine Ablösung. Dänemark verpflichtete sich lediglich zu Befeuerung und Kennzeichnung sowie zur Vorhaltung von Lotsen. Seit 1938 gibt es allerdings dänische Vorschriften über die Anmeldung von Kriegsschiffen für die Durchfahrt durch die dänischen Engen. Die letzte dänische Durchfahrtsregelung stammt aus dem Jahre 1976 (Rn. 1501 ff) und wird von allen Staaten beachtet.26 Auch die Sowjetunion hält sich an diese dänische Regelung mit der Begründung, daß der Sundvertrag von 1857 die dänischen Engen zu historischen Engen im Sinne des Art. 35 Buchst, c macht, so daß eine Transitreglung nicht in Betracht zu ziehen sei. (Siehe auch für Schweden Rn. 1497). f)

333

Aalandsinseln Die Durchfahrt durch die Engen der Aalandsinseln wurde in den Friedensverträgen nach dem Ersten Weltkrieg, 27 die diese Inseln entmilitarisierten und unter finnische Hoheit stellten, geregelt (Siehe dazu Rn. 1481) 5. Kanäle der internationalen Seeschiffahrt

334

Es wurde dargestellt, daß die Schiffahrt auch in Seegebieten, die Teile eines staatlichen Hoheitsgebietes sind, das Recht der Durchfahrt besitzt, wobei die Schutzbedürfnisse der Küstenstaaten, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, Berücksichtigung finden (siehe Grundsätze 1 und 2 in Abschnitt C I). Beide Grundsätze müssen in einem besonders abgewogenen Verhältnis ferner dort Anwendung finden, wo die Schiffahrt auf ihrem Weg zwischen zwei Meeren auf umwegsparenden künstlich angelegten Wasserstraßen Land25a

26 27

Vgl. zur Situation Gibraltars die v o m spanischen Außenministerium 1966 herausgegebene Dokumentensammlung, in der der Vertrag v o n Utrecht, 1713, ebenfalls enthalten ist. Siehe dazu Rauch, Elmar (22) S. 290 f. Vertrag von Brest-Litowsk v o m 0 3 . 0 3 . 1 9 1 8 (RGBl. 1 9 1 8 S. 479) zwischen Deutschland, Finnland, Rußland und Schweden über die Entmilitarisierung. Ubereinkommen v o m 20.10.1921 über die Nichtbefestigung und Neutralisierung der Alandsinseln zwischen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und alle Ostseestaaten bis auf die UdSSR, deren Regierung damals noch nicht diplomatisch anerkannt w a r . ( V S A A Bd. 29 A 374 A), Friedensvertrag von Moskau v o m 12.03.1940, Friedensverträge mit den Alliierten v o m 10.02.1947, Strupp-Schlochauer W d V Band 1, Alandsinseln.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

125

brücken überquert und dort in ungewöhnlicher Weise gebündelt wird. Die der internationalen Schiffahrt dienenden wichtigen Seekanäle werden nachstehend in der Reihenfolge ihrer Eröffnung betrachtet. a)

Sue^-Kanal Der älteste der internationalen Seekanäle ist der 171 km lange Suez-Kanal, der das 335 Mittelmeer und das Rote Meer verbindet und insbesondere den Seeweg zwischen Nordatlantik und dem Indischen Ozean, da Afrika nicht umfahren werden muß, für die Schiffe, die den Kanal befahren können, entscheidend verkürzt, z. B. für die Strecke Hamburg — Bombay um 4500 sm. Der folgende geschichtliche Rückblick erhellt die völkerrechtliche Entwicklung und Situation.

Schon vor 2000 Jahren hatte ein von römischen Schiffen benutzter Kanal bestanden; im 7. Jahrhundert wurde er von den Türken wieder ausgegraben, aber aus strategischen Gründen wieder zugeschüttet. Napoleon I. veranlaßte Nachforschungen; der Österreicher Negrelli erstellte den ersten Bauplan.

1854 Der Franzose Ferdinand de Lesseps erhält vom ägyptischen Vizekönig die erste 336 Konzession zum Bau des Kanals. 1856 Gründung der Suez-Kanalgesellschaft (Compagnie Universelle du Canal Maritime de Suez) mit Sitz in Alexandrien und Paris; ihr wird eine zweite detaillierte Konzession erteilt. 1859 de Lesseps beginnt mit dem Bau. 1866 Abkommen zwischen der Kanalgesellschaft einerseits und dem ägyptischen Vicekönig mit nachfolgender Genehmigung des Sultans andererseits; das Abkommen übernimmt die Klauseln der zweiten Konzession von 1856. Ägypten unter türkischer Oberhoheit behält sich das Recht der militärischen Verteidigung des Kanals ohne Behinderung der Schiffahrt vor. 1869 (17. November) feierliche Eröffnung des Kanals nach 10—jähriger Bauzeit. 337 1872 Die Britische Regierung erwirbt vom Khedive 44% der Kanalanteile und wird damit im Gegensatz zu Frankreich, das durch den Krieg von 1870/71 finanziell geschwächt war, größter Kanalaktionär. 1873 Deklaration der Hohen Pforte (Ägypten war Teil des Großtürkischen Reiches): Kanal bleibt für die Durchfahrt aller Kriegsschiffe auch im Kriege offen; keine Einschränkung für den Fall der Teilnahme der Türkei an einem Kriege. Die Deklaration entsprach der bereits im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 eingenommenen Haltung. 1877 Im russisch-türkischen Krieg wurde, obwohl aktuelle Feindseligkeiten den Kanal nicht berührten, die Rechtsfrage akut, ob der Grundsatz der Deklaration von 1873 auch bei Beteiligung der Türkei an einem Krieg gelte. 1882 England besetzt nach Niederschlagung eines Aufstandes Ägypten. 1888 Am 29.10. schließen England und Frankreich in Istanbul (Konstantinopel) den Vertrag über die Schiffahrt im Suez-Kanal, der von allen damaligen Großmächten mit bindender Wirkung unterzeichnet wird. 28

28

Der auch vom Deutschen Reich unterzeichnete Vertrag ist im Reichsgesetzblatt nicht veröffentlicht, wohl aber in der Vertragssammlung des A A Band 27 A 327 enthalten.

126 338

C. Die Seeschiffahrt

Nach seinem Artikel 1 ist der Kanal für Kriegsschiffe und Handelsschiffe aller Flaggen im Frieden und im Krieg offenzuhalten. Feindseligkeiten und sonstige Kriegshandlungen sind im Kanal und innerhalb einer 3 sm-Zone vor den Zugangshäfen Port Said und Suez untersagt (s. dazu auch Rn. 342). Zeitlicher Abstand der Durchfahrt zweier feindlicher Kriegsschiffe beträgt 24 Stunden. Im übrigen wird das Verhalten von Kriegsschiffen Regeln unterworfen, die den neueren Grundsätzen für die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer (vgl. Artikel 19 des Seerechtsübereinkommens) gleichkommen. Der Kanal wird demzufolge nach dem Neutralitätsrecht behandelt, wie es in dem Abkommen von 190729 vereinbart wird. 1922 1923 1936

Ägypten wird ein selbständiger Staat. Türkei verzichtet im Vertrag von Lausanne auf alle Rechte an Ägypten. Vertrag zwischen Großbritannien und Ägypten. Großbritannien beteiligt sich wegen der besonderen Bedeutung des Kanals für den Weg nach Indien an der Verteidigung und sichert sich für seine Streitkräfte Positionen in unmittelbarer Nähe des Kanals. An die Stelle der „militärischen Okkupation" tritt eine „permanente militärische Defensivallianz". Die Suez-Kanal-Konvention von 1888 bleibt unberührt. 1938 Vertrag zwischen Italien und England zwecks unbehinderter Durchfahrt italienischer Schiffe im Abessinienkrieg. 339 1947 Ägypten beantragt vor der UNO die völlige Räumung des Kanals, läßt den Antrag aber schließlich fallen, nachdem Großbritannien auf den Vertrag von 1936 hingewiesen hatte und die anderen Staaten im Sicherheitsrat den Antrag Ägyptens wegen der Befürchtung, daß die internationale Schiffahrt berührt werden könnte, nicht ausreichend unterstützen. 1948/49 Ägypten inspiziert die den Kanal durchlaufenden Schiffe Israels und nimmt Prisen, was einen Verstoß der Konvention von 1888 darstellt. 1954 Abkommen zwischen Großbritannien und Ägypten, das den Vertrag von 1936 aufhebt und in dem beide Regierungen erklären, daß der Kanal einerseits wesentlicher Bestandteil Ägyptens, andererseits aber eine Wasserstraße ist, die für die internationale Wirtschaft und Seeschiffahrt sowie strategische Belange von allgemeiner Bedeutung ist. Ägypten erhält 7% der Kanaleinnahmen. 30 Am 24. April erklärt Ägypten gesondert, daß die Suez-Kanal-Konvention von 1888 und damit die Garantie der Freiheit des Schiffsverkehrs aufrecht erhalten wird. Großbritannien räumt seine Kanalpositionen. 340 1956

29

30 31 32

Suezkrise: Als Antwort auf die Zurückziehung der USA vom Projekt des AssuanStaudammes erläßt Ägypten am 26.07.1956 ein Gesetz zur Nationalisierung der Suezkanalgesellschaft und zieht ihre Fonds unter Übernahme ihrer Rechte und Verpflichtungen ein. Die USA, Großbritannien und Frankreich weisen diesen einseitigen Schritt unter Hinweis auf die Konzession von 1866 und die SuezKanal- Konvention von 1888 als unzulässig zurück. 31 Im Herbst kommt es zu drei Suez-Kanal-Konferenzen der betroffenen Schiffahrtsnationen in London. 32

Abkommen vom 18.10.1907 über die Rechte und Pflichten der Neutralen im Falle eines Seekrieges, Bek. vom 25.01.1910 RGBl. 1910 S. 343, 375, V S A A Bd. 28 A 356. Gesamteinnahmen 1955 gleich 34.5 Mio fs, davon 1/3 Reingewinn der Gesellschaft. Rauschning, D. Rechtsprobleme der Suez-Kanal-Krise, JIR Bd. 7, S. 257. 16. bis 23.08; 19. bis 21.09 und 01. bis 05.10.1956.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

127

Gründung einer Suez-Canal-Users Association (SCUA). Resolution der UNO, die im wesentlichen die Transitrechte durch den Kanal in dem 1888 vereinbarten Umfang bekräftigt. 1957

1963 1967

1975

In einem ägyptischen Dekret wird festgestellt, daß Großbritannien Israel bei 341 seinem Eindringen auf ägyptisches Gebiet unterstützt habe und daß daher das anglo-ägyptische Abkommen von 1954 erloschen sei. In einer weiteren Deklaration erklärt Ägypten aber, daß „es in Übereinstimmung mit der Konstantinopler Konvention von 1888 und der Charta der Vereinten Nationen die unveränderte Politik und feste Absicht der Regierung von Ägypten bleibe, die Bedingungen und den Geist der Konvention von 1888 sowie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten zu respektieren", insbesondere „die freie und ununterbrochene Schiffahrt für alle Nationen innerhalb der Grenzen und in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Konvention von 1888 aufrecht zu erhalten". Verhandlungen zwischen der SCUA und Ägypten führen zu einer Abfindung der früheren Kanalaktionäre mit einem Betrag, der etwa zwei Jahresdividenden gleichkommt. Im Juni erreichen israelische Truppen das Ostufer des Suez-Kanals. / Versenkte Schiffe sperren den Kanal und bewirken die Einschließung einiger Handelsschiffe im Bittersee. Der Kanal blieb bis zum israelisch-ägyptischen Truppenentflechtungsabkommen geschlossen. Wiedereröffnung des Suezkanals.

Zusammenfassend darf man feststellen, daß bis in die jüngste Gegenwart die Grundsätze 342 der Suez-Kanal-Konvention von 1888, vor allem die freie Durchfahrt der Schiffe aller Nationen, aufrechterhalten worden sind. Die Sperr- und Kontrollmaßnahmen gegen israelische Schiffe und Waren, die im israelisch-ägyptischen Friedensvertrag aufgehoben wurden, erklären sich aus dem Nahost-Konflikt. Da zunächst der Suez-Kanal nicht mehr von einer internationalen Gesellschaft verwaltet wird, sondern uneingeschränkt der Gebietshoheit Ägyptens unterliegt, werden Schiffe eines Staates, der gegen Ägypten Krieg führt oder mit ihm in einen bewaffneten Konflikt verwickelt ist, die Durchfahrt nicht beanspruchen können. Ist Ägypten an einem Kriege anderer Staaten nicht beteiligt, so werden deren Schiffe außer der Durchfahrt durch den Kanal von Ägypten weitergehende Hilfe (z. B. Proviant, Treibstoff) nur in dem durch die Neutralität Ägyptens gebotenen Umfang erwarten können. Anders in einem bewaffneten Konflikt dritter Staaten, da dann Unterstützungen vom Neutralitätsrecht nicht berührt werden. Siehe dazu Rn. 1263 f. b) Nord-Ostsee-Kanal (Kiel-Kanal)^ Der Nord-Ostsee-Kanal, der zunächst den Namen „Kaiser-Wilhelm-Kanal" trug, wurde 343 nach 7jähriger Bauzeit am 20.06.1895 eröffnet. Für seinen Bau waren letztlich strategische Gründe — Verbindung der Flottenbasen Kiel und Wilhelmshaven — maßgeblich; Interessen der Handelsschiffahrt standen aber stets mit im Vordergrund, wie schon die Existenz des 1777 bis 1784 erbauten „Eider-Kanals" zwischen der Kieler Förde bei Holtenau und der Einmündung der Eider in die Nordsee zeigt. 34 Auch was die Entschlußfassung und die Planung anbetrifft, wurde Bismarck entscheidend vom Hamburger Reeder Dahlström 33

34

Lampe, W. Otto, Die völkerrechtliche Situation des Kieler Kanals gestern und heute, BadenBaden 1985. Einzelheiten bei Jensen W. Der Nord-Ostsee-Kanal, Neumünster 1970 S. 33, 165.

128

C. Die Seeschiffahrt

unterstützt, während der strategische Wert von den militärischen Beratern — vor allem Moltke in seiner Reichstagsrede von 1873 — durchaus bezweifelt wurde. Die Strecke, die gegenüber der Umrundung Jütlands (Skagen) erspart wurde, ist im Vergleich mit den beiden anderen Welt-Kanälen geringfügig, beträgt aber immerhin für die Strecke Kiel — Rotterdam 339 sm. 344

Der Kanal ist in den Jahren von 1907 bis 1914 auf l i m vertieft und an der Sohle auf 44 m verbreitert worden und hat nach dem Zweiten Weltkrieg umfangreiche Ausbesserungen und Ausbauten erfahren. 34 Für die Frage des Durchfahrtsrechtes sind die hier nachstehend in zeitlicher Reihenfolge geordneten Fakten zu beachten. Der Kanal ist als nationale Wasserstraße gebaut und auch stets national verwaltet worden. Wenn er auch von Anfang an der internationalen Schiffahrt aller Flaggen zur Verfügung stand, so gebot doch das Schutzbedürfnis des umgebenden deutschen Reichsgebietes (Grundsatz 2; s. C I) gewisse dem allgemeinen Völkerrecht entsprechende Einschränkungen; so die Verpflichtungen zur Anmeldung von Kriegsschiffen 35 sowie ggf. des deutschen Neutralitätsrechtes.

345

Nach dem Ersten Weltkrieg bestimmt Artikel 380 des Versailler Vertrages: „Der KielKanal und seine Zufahrten sind für die Handels- und Kriegsschiffe aller Staaten, die mit Deutschland im Frieden leben, auf der Basis völliger Gleichheit frei und offen zu halten." Für die internationale Schiffahrt bestand also nunmehr ein völkerrechtlicher Anspruch auf freie Durchfahrt. Selbst Schiffe kriegführender Mächte hatten dieses Recht, solange Deutschland neutral war; wegen letzterer Frage kam es zu einem Rechtsstreit: Am 21. März 1921, während des russisch-polnischen Krieges, wurde dem britischen an Frankreich vercharterten Dampfer „Wimbledon", der Munition und Artilleriegerät für Polen transportierte, die Durchfahrt verweigert. Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan erhoben daraufhin Klage gegen das Deutsche Reich. Der Internationale Gerichtshof entschied mit 9 : 3 Stimmen gegen das Deutsche Reich. 36

346

Mit einer an 16 Staaten gerichteten Note vom 14.11.1936 37 kündigte die Reichsregierung die Artikel 380 ff des Versailler Vertrages über die Internationalisierung deutscher Wasserstraßen. Sie erklärte aber:"Die Schiffahrt auf den auf deutschem Gebiet befindlichen Wasserstraßen steht den Schiffen aller mit dem Deutschen Reich in Frieden lebenden Staaten offen. Es findet kein Unterschied in der Behandlung deutscher und fremder Schiffe statt; das gilt auch für die Frage der Schiffahrtsabgaben. Dabei setzt die deutsche Regierung voraus, daß auf den Wasserstraßen der anderen beteiligten Staaten die Gegenseitigkeit gewährt wird." Die Adressaten fanden sich damit ab, so auch Frankreich und die Tschechoslowakei, die anfangs gegen die einseitige Kündigung Protest eingelegt hatten. Der Nord-Ostsee-Kanal war damit wieder in die uneingeschränkte Hoheitsgewalt des Deutschen Reiches zurückgeführt.

347

Die Frage, ob der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges oder nach Beendigung des Krieges die staatsrechtlichen Veränderungen des Deutschen Reiches als Vertragspartner 35

36 37

§ 2 Satz 2 der Betriebsordnung für den Kaiser-Wilhelm-Kanal forderte eine vorherige, auf diplomatischem Wege einzuholende Genehmigung. In der Praxis bürgerte sich an Stelle der Genehmigung schon bald rechtzeitige Anzeige ein. Siehe Lampe ( 33) S. 28 und 31. Siehe dazu Wehberg, in Hansa 1923 S. 1277. RGBl. 1936 II S. 363.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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den Versailler Vertrag im ganzen zum Erlöschen gebracht haben, ist danach hier nicht mehr von Bedeutung. Da auch die früheren Besatzungsmächte weder die Anwendbarkeit der Artikel 380 ff des Versailler Vertrag behauptet noch neue Maßnahmen zu einer weiterreichenden Internationalisierung getroffen haben, ist der Nord-Ostsee-Kanal als Teil des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik Deutschland anzusehen. Das bedeutet aber nicht, daß die Bundesrepublik nunmehr nach Belieben den Kanal öffnen oder schließen könnte. Denn wie eine Hypothek auf einem Grundstück liegt die gewohnheitsrechtliche Verpflichtung auf dem Kanal, ihn als internationale Schiffahrtsstraße für Schiffe aller Flaggen offen zu halten372. c)

Panamakanal Der Kanal hat eine Länge von 81.6 km, eine Breite von 90 — 300 m und eine 348 Mindesttiefe von 12.5 m; er besitzt sechs Doppelschleusen, nämlich vom Atlantikniveau beginnend zunächst eine dreistufige Doppelschleuse bei Gatun, welche die Schiffe 26 m bis zum künstlichen Gatunsee hebt, dann eine einstufige Doppelschleuse Pedro Miguel, welche die Schiffe 9.2 m absenkt und schließlich die zweistufige Doppelschleuse hinter dem Miraflores-See, welche die Schiffe um weitere 16.8 m bis zum Pazifikniveau absenkt. Die Durchfahrt beträgt 7 bis 8 Stunden. Der Kanal wird in Richtung Atlantik — Pazifik etwas mehr benutzt als umgekehrt. Die Wegeersparnis beträgt von New York nach Valparaiso 8.500 km, nach Tokio 13.000 Km. aa) — — — — — — —

Die geschichtliche und rechtliche Ausgestaltung des Panama-Kanals Sie wird in den nachfolgenden Randnummern (Rn) behandelt. 349 Rn. 350: Vorbereitende Schritte bis zur Gründung Panamas (1903); Rn. 351: Bau und Organisation des Kanals (bis 1914); Rn. 352: Vom Beginn des Ersten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges; Rn. 353: Nachkriegsentwicklung bis zu den Kanalverträgen von 1977; Rn. 354-357: Die Kanalverträge von 1977; Rn. 358—362b): Wachsende Spannungen aufgrund einseitiger Vertragsänderungen der USA und Waffenauseinandersetzung Panama/USA (Dezember 1989/Januar 1990).

1846 Vertrag der USA mit Neu-Granada (das sich später Kolumbien nannte), nach dem 350 jeder künftige Verkehrsweg über die Landenge von Panama für die Beförderung von Waren der USA frei und offen sein sollte. 1850 Vertrag der USA mit Großbritannien, das für die Pläne der USA größtes Interesse gezeigt hatte. Hauptinhalt des sogenannten Clayton-Bulwer-Vertrages: — Durchfahrt ist für die Schiffe beider Vertragspartner auch während der Dauer von Feindseligkeiten offenzuhalten. — Keine Staatshoheit über das Kanalgebiet und über die benachbarten Gebiete. — Durchfahrt ist gegen alle Angriffe zu verteidigen, aber keine Befestigungen, die der Beherrschung des Kanals dienen könnten. Damals war noch nicht unbedingt an den heutigen Panamakanal gedacht, sondern in erster Linie an einen Kanal über Nicaragua unter Einbeziehung des Nicaraguasees. Später rückte der Gedanke an einen Bohlen- und Schienenweg über das Gebiet von Mexico

37a

Lampe (33) S. 160 f.

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C. Die Seeschiffahrt

(Tehuantepec) in den Vordergrund, der aber wegen des finanziellen Zusammenbruchs der konzessionierten Gesellschaft nicht weiter verfolgt werden konnte. 1879 de Lesseps, der Erbauer des Suezkanals, regte die Gründung der Gesellschaft: „Compagnie Universelle du Canal de Panama" an. Die Gesellschaft erwarb nach ihrer Gründung für 10 Millionen frs die Baugenehmigung, begann 1879—81 mit dem Bau, geriet aber dann in finanzielle Schwierigkeiten. 1889 Konkurs der Panamakanalgesellschaft. 1892 — 99 Panamaskandal. Gründung einer neuen Gesellschaft, die aber ebenfalls in finanzielle Schwierigkeiten geriet. 1901 Neuer Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien, der sogenannte Hay-Pauncefote-Vertrag. Sein wesentlicher Inhalt war: — Der zu bauende Kanal zwischen Atlantik und Pazifik soll für Handels- und Kriegsschiffe aller Nationen offenstehen, — den USA wird die alleinige Verwaltung einschließlich des Rechts der Unterhaltung der Militärpolizei sowie der Schutz des Kanals übertragen, — sonstiger Vertragsinhalt nach dem Vorbild der Suez-Kanal- Konvention. 1902 Die USA erwerben die französischen Rechte für 40 Millionen Dollar. 1903 Die USA lassen die Nikaraguaroute endgültig fallen und wenden sich offiziell der Panamastrecke zu. Da neue Vertragsverhandlungen mit Kolumbien auf Widerstand treffen, erklärt sich die kolumbianische Provinz Panama für unabhängig. 351

Panama schließt am 18.11.1903 mit den USA den Hay-Varilla-Vertrag mit folgendem Inhalt: — Es wird eine 10 km breite Kanalzone für einen ozeanischen Schiffahrtskanal eingerichtet; — die USA erwerben die ausschließlichen Hoheitsrechte in dieser Zone und zahlen dafür 10 Millionen Dollar zuzüglich einer jährlichen Pachtsumme; — Der Kanal ist für neutral erklärt, unverletzbar und für alle Zeiten frei für den Zugang von Schiffen aller Nationen. 1906 Beschluß der USA, den Panamakanal zu bauen. Die Leitung wird dem Ingenieur G.W. Goethals übertragen. 1914 Am 14.08. wird der Panama-Kanal eröffnet und am folgenden Tage für den Verkehr freigegeben. Wesentliche Unterschiede im Vergleich zum Suez-Kanal: — Der Panamakanal gehört nicht einer Gesellschaft, sondern steht im Besitz der USA, sie üben auch die Gebietshoheit aus. — Kein Beitritt anderer Staaten zum bilateralen Pauncefote-Hay- Vertrag. Nur Großbritannien kann sich als Vertragspartner von 1901 auf diesen Vertrag berufen. — Am Suez-Kanal gibt es keine militärischen Befestigungen, der Panamakanal kann militärisch befestigt werden.

352

Im Ersten Weltkrieg gab es bis zum Jahre 1917, dem Eintritt der USA in den Krieg, keine Beschränkungen für die Handelsschiffe aller Nationen; für die Kriegsschiffe der Kriegsgegner gab es Sonderregeln, die den Neutralitätsregeln von 1907 entnommen waren. Deutschland konnte davon wegen der britischen Seeherrschaft keinen Gebrauch machen. Mit dem Eintritt der USA in den Krieg war es nunmehr Kriegsgegnern nicht mehr möglich, den Kanal zu benutzen. 1922 Inkrafttreten eines 1914 mit Kolumbien abgeschlossenen Vertrages. Die wesentlichsten Bestimmungen sind:

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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— Die USA zahlen an Kolumbien 25 Millionen Dollar. — Kolumbien erkennt Panama als selbständigen Staat an und erhält das Recht zum freien Transport von Truppen und Waffen auf dem Kanal. 1939 Beginn des Zweiten Weltkrieges. Die gleiche Situation wie 1914—1917. Rechtlich steht der Kanal auch deutschen Schiffen offen; tatsächlich kann davon kein Gebrauch gemacht werden. 1942 Kriegserklärung Deutschlands an die USA. Zugänge zum Panama-Kanal werden zu einem besonderen Kontrollgebiet erklärt und damit auch rechtlich für deutsche Schiffe gesperrt. 1962—1971 Erweiterungsbauten am Kanal. 1976 Kolumbien beginnt mit dem Bau eines weiteren Kanals, der unter Einbeziehung 353 von Flußstrecken das Karibische Meer mit dem Pazifik verbinden und damit den Panamakanal entlasten soll.Dieses Projekt wurde anscheinend aufgegeben. 1985 Am 26.09. geben Panama, die USA und Japan in New York für 20 Mio Dollar eine Studie in Auftrag, um die Möglichkeiten und Kosten eines breiteren oder neuen Kanals ohne Schleusen zu untersuchen. Der Panama-Kanal ist für heutige Bedürfnisse zu eng geworden; Riesentanker, Großkampfschiffe sowie Super-Kreuzfahrer können die Schleusen nicht passieren. Die Kosten eines neuen Kanals werden auf 54 Millionen Dollar geschätzt. 1.8 Milliarden t Erde müßten ausgehoben werden. 38

1977 Am 07.09. schließen die USA und Panama die sogenannten Carter-Torrijos-Verträge, d. h.einen neuen Kanal-Vertrag und ergänzend einen Vertrag über dauernde Neutralität und Betrieb des Panamakanals. 39 bb) Der Panama-Kanal-Vertrag von 07.09.197740 Die Artikel I und II enthalten folgende Grundsätze: 354 — Panama überträgt bis zum 31.12.1999 den USA das Recht zum Betrieb und Schutz des Kanals, seine Verteidigung sowie die Regelung des Transits; — Panama garantiert für die friedliche Nutzung des Gebiets der Kanalzone; — Panama soll an den vorgenannten Aufgaben der USA im wachsenden Umfang beteiligt werden; — Zusammenarbeit der beiden Staaten in allen auftauchenden Fragen. Der Artikel III gliedert die übertragenen Verwaltungsaufgaben näher auf. Die Verwaltung umfaßt — die Benutzung der Anlagen, — die Verbesserung und Ergänzung der Anlagen, — die Durchsetzung der Durchfahrtsregeln, wofür Panama seine Unterstützung zusagt, — die Gebührenerhebung, — die Regelung der Beziehungen mit den Regierungsbeamten der USA, — die Vorhaltung des nötigen Personals, — den Erlaß von Verwaltungsvorschriften und ihre Durchsetzung. 38 39 40

„Die Welt" vom 27.September 1985 S. 32. Abdruck in AVR Bd. 18 S. 59. Abgedruckt in ILM Vol. X V I Nr. 5 (Sept. 1977) S. 1082 ff. Urtexte der Dokumente Ziffer 1 - 4 , englisch und spanisch mit Gleichwertigkeit. Deutsche Übersetzung (zum Teil im Auszug) Europa Archiv, 32. Jahrg. (1977), Heft 23 D 640 ff.

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C. Die Seeschiffahrt

Die USA setzen zur Ausübung dieser Rechte ein: — die Panama-Canal Commission (PCC), — zur Überwachung der Kommission einen Board, dem fünf US-Amerikaner und vier Panamesen angehören, — einen Verwalter (Administrator) und seinen Vertreter. Der Administrator soll bis Ende 1989 ein US-Amerikaner sein, sein Vertreter ein Panamese; ab Anfang 1990 umgekehrt. 355

Der Artikel IV handelt vom Schutz und der Verteidigung des Kanals. Die Vertragsstaaten sollen dabei zusammenwirken. Für die Dauer des Vertrages übernehmen die USA die Hauptverantwortlichkeit. Unbeschadet der Kommandogewalt über die Truppen der beiden Vertragsstaaten wird für die gemeinsame Verteidigung des Kanals ein „Combined Board" begründet, beide Staaten sind darin mit gleicher Mitgliederzahl vertreten. Artikel V bestimmt, daß alle US-Mitglieder der Kommission die Panama- Gesetze zu beachten und sich aller vertragswidrigen Akte zu enthalten haben. Artikel VI bestimmt für den Schutz der Umwelt eine paritätische „Joint Commission of the Environment". Artikel VII regelt die Flaggenfrage. Da das Kanalgebiet zum Hoheitsgebiet Panamas gehört, ist dort grundsätzlich die Panama-Flagge zu zeigen; nur am Hauptquartier der PCC und des Combined Board kann auch die US-Flagge gezeigt werden. Artikel VIII regelt Fragen der Privilegien und Immunitäten. Artikel IX bestimmt, daß grundsätzlich in der Kanalzone das Recht Panamas gilt; Panama darf aber kein Recht setzen, das den eingeräumten Rechten der USA zuwiderläuft. Schiffe, die lediglich den Kanal durchfahren, ohne Häfen anzulaufen, sind von Gebühren und Steuern der Republik Panama befreit.

356

Artikel X regelt Personalfragen der PCC. Das von Panama gestellte Verwaltungspersonal soll planmäßig unterwiesen werden, so daß in fünf Jahren die Zahl der zu Vertragsbeginn vorhandenen US-Staatsangehörigen um 20% verringert werden kann. Die USA werden Personal, das nicht die Staatsangehörigkeit Panamas besitzt, spätestens in fünf Jahren auswechseln. (Artikel XI ist nach Ablauf einer Ubergangsperiode nicht mehr von aktueller Bedeutung.) In Artikel XII wird eine gemeinsame Studie betreffend einen schleusenlosen Seekanal vereinbart. Wenn nicht besonders vereinbart, soll während der Vertragsdauer kein neuer Kanal gebaut werden. Die USA dürfen aber in Einvernehmen mit Panama die Kanaldurchfahrt dadurch verstärken, daß die vorhandenen Doppelschleusen durch DreifachSchleusen ersetzt werden. Artikel XIII regelt Vermögens- und Finanzfragen. Die USA übergeben den Kanal lastenund schuldenfrei. Sie zahlen an Panama eine jährliche Vergütung, die sich zusammensetzt aus einer festen Summe von 10 Millionen Dollar und, wenn noch ein Überschuß der Kanaleinnahmen nach Abzug der Aufwendungen bestehen sollte, einen Betrag von 0.3 Dollar pro Nettotonne, jedoch insgesamt höchstens 10 Millionen Dollar. Artikel XIV regelt die friedliche Beilegung von Streitigkeiten aus dem Vertrage.

cc) Vertrag über dauernde Neutralität und Betrieb des Panama-Kanals vom 07.09.1977 (Treaty Concerning the Permanent Neutrality and Operation of the Panama-Canal) 357 Nach Artikel I ist der Panama-Kanal, zu dem auch die Kanaleingänge und das vorgelagerte Küstenmeer Panamas gehören, eine internationale Transitwasserstraße, die permanent neutral ist. Dies soll auch für alle in Panama neugebauten internationalen Wasserwege gelten.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Im Artikel II erklärt Panama ausdrücklich, daß der Kanal kraft seiner Neutralität in Krieg und Frieden für Schiffe aller Nationen offen steht; kriegerische Akte dürfen jedoch im Kanalgebiet nicht vorgenommen werden. Artikel III hebt unter Ziffer 1 Buchst.e nochmals ausdrücklich hervor, daß Kriegsschiffe und Hilfsschiffe aller Nationen auch in Kriegszeiten durchfahren dürfen, ohne irgendwelchen Kontrollen, Durchsuchungen und Überwachungshandlungen unterworfen zu sein. Sie haben jedoch auf Verlangen nachzuweisen, daß sie den vorgeschriebenen Gesundheitskontrollen genügt haben. Hilfsschiffe haben auf Verlangen eine von einer hohen Behörde des Flaggenstaates unterschriebene Versicherung vorzulegen, daß sie nur für den öffentlichen Staatsdienst, also nicht für Handelszwecke eingesetzt sind. Artikel V stellt ausdrücklich klar, daß nach Ablauf des Panama-Kanal- Vertrages, also ab 01.01.2000, nur Panama für den Kanal verantwortlich ist. Im Artikel VI wird vereinbart, daß die Kriegs- und Hilfsschiffe der beiden Vertragsparteien beschleunigt abzufertigen sind. Der Vertrag wird durch ein Protokoll ergänzt, dem alle Staaten beitreten können. Sie erkennen damit die in dem bilateralen Vertrag erklärte Neutralität an und verpflichten sich zur Befolgung aller für den Kanal erlassenen Vorschriften.Hier ist also im deutlichen Unterschied zur Suez-Kanal-Regelung, welche die Neutralisierung in der multilateralen Konvention von Konstantinopel festlegte, verfahren worden. dd) Das Panama-Kanal-Geset% 96-70 der USA vom 27.09.1979 Aus dem der Durchführung des Vertrages von 1977 dienenden US-Gesetz interessieren 358 die Nutzer des Kanals hauptsächlich drei Punkte des Titels I über „Verwaltung und Rechtsetzung". Die PCC zahlt Schadensersatz,wenn ein Schiff während des Schleusungsvorganges, bei Fehlverhalten des Kanalpersonals auch außerhalb der Schleuse, beschädigt wird. Die Haftung ist auf 120.000 Dollar beschränkt und ermäßigt sich bei Mitverschulden der Schiffsführung; für die Durchfahrt durch den Kanal ist zur Zeit noch ein besonderes Schiffsvermessungszertifikat erforderlich, das jedoch in absehbarer Zeit dem neuen Schiffs Vermessungsübereinkommen von 1969 angepaßt sein wird; Handelsschiffe unterliegen grundsätzlich einer jährlichen Inspektion betreffend Bau, Maschine, Ausrüstung und Fahrgasteinrichtungen. Wenn ein Flaggenstaat, wie z. B. die Bundesrepublik Deutschland, ähnliche Überwachungsvorschriften wie die USA hat, so soll nur die Ubereinstimmung des vorgefundenen mit dem testierten Zustand überprüft werden dürfen. Die Kommission erläßt nähere Vorschriften über die hiernach zulässigen Kontrollhandlungen. Das US-Gesetz 96 —704Oa (Panama Canal Act, oft als „Murphy-Act" zitiert) wurde nur vier Tage vor der Unterzeichnung der Carter-Torrijos-Verträge erlassen; sein Text wurde der Ratifikationsurkunde der USA beigefügt. Über die Tragweite dieser Handlungsweise sowie über den Inhalt des Gesetzes entstanden erhebliche Meinungsverschiedenheiten, denn das Gesetz schrieb die Dominanz der USA gegenüber Panama dadurch fest, daß die Kanalkommission in die Hierarchie der USExekutive eingegliedert wurde. Das US-Mitglied, das den Vorsitz in der Kanalkommission 40"

Wolf, B. Rolf, Die Panamakanal-Frage in ihrer globalen Verflechtung — Analyse, Wertung, Perspektiven - , in AVR 25 (1987) S. 145.

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C. Die Seeschiffahrt

führt, ist danach stets ein Delegierter des US-Verteidigungsministeriums, was dem Kanalvertrag widerspricht. Des weiteren bestimmt das Gesetz, daß bei Sitzungen des Board of Directors die Beschlußfähigkeit nur dann besteht, wenn eine Mehrheit von USMitgliedern anwesend ist, ohne die Gesamtzahl der Teilnehmenden überhaupt zu berücksichtigen. 359

Die panamaische Regierung sieht in dem Gesetz 96—70 eine „inakzeptable Ausnahme von Prinzipien des internationalen Rechts und den Usancen zwischen Nationen, die die Gerechtigkeit respektieren" und fordert deshalb eine substantielle Revision dieses für sie nachteiligen Gesetzes, das außerdem so kurz vor dem Inkrafttreten des Carter-Torri josVertrages erlassen worden ist, daß Panama nur noch protestieren konnte. Die Priorität des Kanals für die USA ergibt sich auch aus dem Zusatz des Neutralitätsvertrages — Condition one — der den Art. V des Neutralitätsvertrages dahingehend modifiziert, daß auch nach dem 31.12.1999 die US-Streitkräfte berechtigt sein sollen — wenn auch mit begrenzter Dauer —, militärische Einrichtungen aufrechtzuerhalten und unter bestimmten Umständen sogar eine militärische Besetzung Panamas vorzunehmen. Das wird durch das weitere Amendment one dahingehend verstärkt, daß alle notwendigen militärischen Maßnahmen der US-Streitkräfte, die der Offenhaltung des Kanals zu dienen haben, nicht als militärische Intervention angesehen werden sollen. 360 Die USA teilen die rechtlichen Bedenken Panamas nicht. Der Kongress habe aufgrund der amerikanischen Verfassung die Gesetze zu erlassen, die die Erfüllung von Verpflichtungen aus internationalen Verträgen gestatten. Darüberhinaus sei die Panama-Kommission eine US-Regierungs-Einrichtung (Government-Agency), an deren Spitze das Pentagon und damit der Präsident zu stehen habe. Das der Ratifikationsurkunde beigefügte Gesetz 96—70 sei ein integrierender Bestandteil der Carter-Torrijos-Verträge geworden, so daß ihm eine bindende völkerrechtliche Wirkung zukomme, auch wenn es nur vier Tage vor Inkrafttreten der Verträge erlassen worden sei. Demgegenüber wirft Wolf40" die Frage auf, ob die Vorbehalte des Gesetzes nicht als Angebote zu Neuverhandlungen gewertet werden müßten. Folgt man seiner Auffassung, liegt „ein Grund zur relativen Ungültigkeit des Vertrages vor" da ein neuer Vertrag hätte ausgehandelt und gemäß Art. 274 der panamaischen Verfassung auch einem neuen Plebiszit hätte unterworfen werden müssen. Das panamaische Außenministerium war seinerzeit nicht der Auffassung, daß die Vorbehalte des Gesetzes 96—70 den Vertrag substantiell modifizierten. Ob Panama seine spätere Aufforderung zur Reform des Gesetzes 96—70 wird durchsetzen können, erscheint zweifelhaft, zumal der abgesetzte General Noriega keinen Einfluß mehr auf die Politik Panamas ausüben kann. 361 Am 11. April 1982 übernahm Panama die uneingeschränkte Souveränität über die Kanalzone, nachdem eine 30monatige Übergangszeit abgelaufen war. Damit kamen die rund 30750 Amerikaner, die in der Kanalzone leben — darunter ca. 10000 Soldaten —, unter panamaische Gerichtsbarkeit. Die US-Polizeimacht wurde aufgelöst. 41 Dennoch blieben starke Vorbehalte Panamas gegen das Gesetz 96—70 bestehen, weil es gegen den Geist der Assoziation Verstösse und den USA weiterhin eine dominierende Stellung sichere, die durch die Carter-Torrijos-Vertrag gerade abgelöst werden sollte. Abgelehnt werden u. a.im einzelnen: 41

AdG vom 01.04.1982 S. 25473; Seiler Otto J., Der Panama-Kanal und seine Bedeutung für die internationale Schiffahrt, in Marine Forum, 1985 S. 151; Wolf, Bernhard (40a) S. 129.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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— die Überleitung des Vermögens der aufgelösten Kanalgesellschaft auf die USA und nicht auf die Kanal-Kommission als Rechtsnachfolgerin, — die Unterstellung der Kanal-Kommission unter den Präsidenten der USA, — die Sicherung der Präsenz von US-Streitkräften nicht nur für die Kanalsicherheit, sondern mit ihrem Oberkommando Süd als Kontrollorgan des ganzen südamerikanischen Kontinents, — das Verteidigungsrecht der USA unabhängig vom Antrage Panamas, selbst gegen Angriff von innen (Art. IV des Neutralitätsvertrages). ee) Die amerikanische Intervention am 20.12.1989 Am 15.12.1989 verkündete General Noriega den von der Volksvertretung festgestellten 362 Kriegszustand mit den USA41". Der panamaischen Kriegszustandserklärung maß die USRegierung offiziell keine Bedeutung bei 4,b . In der Nacht des 20.12.1989 um 0100 Uhr intervenierten nordamerikanische Truppen in Panama. Zu den in der Kanalzone stationierten Truppen kamen unter Einsatz der Luftwaffe weitere 9500 Soldaten in Panama zum Einsatz. Eine Stunde vor dem Beginn der Intervention wurde der Rechtsanwalt Guillamo Endara, der vermutliche Gewinner der Wahl vom 07.05.198941c in einer amerikanischen Militärbasis vereidigt. Dies alles geschah mit Rücksicht auf die Einhaltung der Kanal Verträge. Die Vereidigung als Präsident Panamas erfolgte am 24.12.1989. Mit der Gefangennahme und anschließenden Verhaftung des Generals Noriega, des kurz vor der Intervention eingesetzten Regierungschefs, hörten die Kampfhandlungen am 03.01.1990 auf. Zweifelhaft ist danach das rechtliche Schicksal der Carter-Torrijos-Verträge. Begegnet 362a schon das rechtsgültige Zustandekommen der durch das „Murphy-Gesetz" und den übrigen zu dem Neutralitätsgesetz erlassenen Amendments modifizierten Verträge Bedenken (s. Rn. 359), so könnten sie auch als Verträge politischer Art, die fortlaufend durchzuführende politische Pflichten enthalten, durch die amerikanische Intervention im Dezember 1989, die von Panama als Krieg angesehen wurde, erloschen sein41d. Ob die Vereidigung Endaras in einer amerikanischen Militärbasis eine Stunde vor Beginn der Intervention in der Lage war, die fortlaufende Gültigkeit der Kanalverträge zu sichern, erscheint insbesondere angesichts der Entscheidung der panamaischen Volkskammer am 15.12.1989 über das Bestehen des Kriegszustandes mit den USA zweifelhaft. (Siehe dazu auch Rn. 1262a) Dennoch läßt die völlige Aussparung des Kanals nicht nur durch die Kampfhandlung, sondern auch in allen Erklärungen und Stellungnahmen der USA und Panamas auf das stillschweigende Einverständnis beider Parteien schließen, die Kanalverträge im Grunde unangetastet zu lassen. Der Kanal war übrigens lediglich am Tag des Beginns der Intervention, am 20.12.89, für acht Stunden — das erste Mal in seiner 75jährigen Geschichte — gesperrt gewesen. Auch diese im Sinne des Vertrages ständig aufrechterhaltene Betriebssicherheit spricht für die Weitergeltung des Vertrages aus dem Prinzip der normativen Kraft des Faktischen; jedoch wäre ein bestätigender Akt 4,1 4,b 41c 4,d

Financial Times vom 21.12.1989 S. 12; A d G 1990 S. 34119. Hamb. Abendbl. vom 18.12.1989. Südd.Ztg. vom 29.12.1989; A d G 1990 S. 34120. Guggenheim-Marek, Völkerrechtliche Verträge, in WdV, Bd.III, S. 538 ff; Berber, Friedrich, Lehrbuch des Völkerrechts, 2. Aufl. 1969, Bd. II, § 19, S. 93.

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C. Die Seeschiffahrt

der neuen Regierung Panamas nebst Bekanntmachung der geltenden Fassung wünschenswert. 362b

Für die USA liegt die reale Bedrohung des Kanals auf politischem Gebiet, denn ein antagonistisches Panama würde nach Ansicht der USA ein ernstes Risiko nicht nur für den Kanal bedeuten. 41 ' Daher hat auch die Feststellung der UN-Vollversammlung, die Intervention amerikanischer Streitkräfte sei ein flagrante Verletzung des Internationalen Rechts,41f für die USA keine durchschlagende Bedeutung. Ob das Völkerrecht bisheriger Prägung für derartige Erschütterungen des Weltfriedens maßgeblich sein kann, ist heute ernstlich in Frage gestellt. 418 gg)

363

Zusammenfassung: Der Panamakanal steht im Frieden und im Krieg Schiffen aller Nationen offen. Da er aber trotz seiner „permanenten Neutralität" zum Hoheitsgebiet Panamas gehört, wird Panama, wenn es nicht im ganzen neutralisiert wird und selbst Krieg führt, Schiffen seiner Gegner die Durchfahrt verwehren dürfen. Ob den USA bis zum 31.12.1999 dasselbe Recht zusteht, mag rechtlich zweifelhaft sein; praktisch ist die Frage kaum von Bedeutung, da feindliche Kriegsschiffe Gefahr laufen, daß die USA sie schon bei der Annäherung an die Kanalzone in Kampfhandlungen verwickeln, so daß es zu einer Durchfahrt nicht kommen kann. 6. Die Freiheit des Zuganges zu den Seehäfen; Internationalisierung von Flüssen

364

365

a) Allgemeine Freiheit des Anlaufens fremder Küsten Es wurde aufgezeigt, daß das Interesse aller schiffahrtstreibenden Staaten, mit ihren Schiffen die Weltmeere ungehindert zu befahren, im allgemeinen Völkerrecht seinen Niederschlag gefunden hat. Es besteht grundsätzlich Schiffahrtsfreiheit auf allen Teilen des Meeres. Darüber hinaus sind die Staaten aber auch daran interessiert, daß ihre Schiffe alle fremden Küsten anlaufen dürfen, um dort Fracht- und Beförderungsverträge abzuschließen bzw. bestehende Verträge zu erfüllen, ggf. auch Besatzungsmitglieder auszuwechseln und Schiffsbedarf zu ergänzen. Ein gleichstarkes Interesse der Staaten besteht daran, daß ihre eigenen Küsten von der Schiffahrt fremder Flaggen zu dem selben Zweck angelaufen werden; daher halten sie ihre Küste im eigenen Interesse für die Schiffahrt offen. Aus dieser allgemeinen Praxis kann man auch einen Satz des Völkergewohnheitsrecht herleiten: Jeder Staat ist verpflichtet, Schiffen fremder Flagge das Anlaufen seines Staatsgebietes für Umschlagszwecke zu gestatten. 42 Das bedeutet aber noch keineswegs, daß dafür alle verfügbaren Häfen und Reeden bereitzustellen wären; denn die Häfen und Reeden unterliegen der Hoheitsgewalt des Staates, kraft derer er die Häfen für die Schiffahrt öffnen und auch schließen darf. Wenn auch in den westlichen Ländern das Interesse an einer lukrativen Hafentätigkeit Ziel des Handels und Gewerbes ist und somit dort praktisch alle für die Handelsschiffahrt 4,< 41f 4lR

42

Wolf (40a) S. 145. Times 0 8 . 0 1 . 1 9 9 0 S. 21. Fiedler Wilfried, Die staatliche und völkerrechtliche Situation der Bundesrepublik Deutschland, in J Z 1988, S. 132 ff. Der Grundsatz findet mittelbar z. B. Ausdruck in der Barcelona-Erklärung v o m 20.04.1921 über die Anerkennung des Flaggenrechts der Staaten ohne Meeresküste; denn wie sollte dies Recht ohne die Möglichkeit des Anlaufens v o n Häfen realisiert werden?

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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in Betracht kommenden Häfen der fremden Schiffahrt offenstehen, so ist doch festzuhalten, daß das allgemeine Völkerrecht von den Küstenstaaten zwar fordert, daß sie das Anlaufen ihrer Küsten gestatten und es ermöglichen, dort Ladung und Personen auszutauschen, was das Recht gesicherter Zufahrt zu einem geeigneten Platze einschließt, daß es aber einen völkerrechtlichen Anspruch auf Öffnung aller verfügbaren Häfen nicht gibt. 43 Der Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts und seine Einschränkung werden bestätigt durch den Teil X des Seerechtsübereinkommens (SRU) — siehe insbesondere Artikel 125 —, der den Staaten ohne Meeresküste zur Verwirklichung ihrer Rechte auf dem Meere den Transit durch Staaten, die sie vom Meere trennen, gestattet, wobei Umfang und Modalitäten des Transits besonderen Vereinbarungen zwischen den beiden beteiligten Staaten vorbehalten bleiben. Noch nach dem Übereinkommen über die Hohe See 1 9 5 8 (Art. 3) war das Transitrecht daran gebunden, daß der Staat ohne Meeresküste seinerseits dem Küstenstaat „auf der Grundlage der Gegenseitigkeit (on the basis of reciprocity)" das Durchfahrtsrecht gewährte. Ein Vorläufer des Teils X SRU ist auch das Übereinkommen für den Durchgangshandel von Binnenstaaten (New York 08.07.1965), das völkerrechtlich am 09.07.1967 in K r a f t getreten und von der Bundesrepublik zwar gezeichnet, danach aber nicht ratifiziert worden ist.

b) Das Internationale Seehafenstatut von 1923 Das weitergehende Recht, alle der Handelsschiffahrt zur Verfügung stehenden Häfen 366 auch mit Schiffen fremder Flagge anzulaufen, räumen sich die Staaten in aller Regel formell erst in bilateralen Schiffahrtsverträgen ein. Eine Reihe von Staaten haben sich das Recht durch mehrseitigen Vertrag eingeräumt, nämlich in Art. 2 Abs. 1 des Statuts über die internationale Rechtsordnung der Seehäfen von 1923, der lautet: 44 Unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit verpflichtet sich jeder Vertragsstaat, den Seeschiffen jedes anderen Vertragsstaates die gleiche Behandlung zu gewährleisten wie seinen eigenen Seeschiffen oder denen irgendeines anderen Staates in den seiner Staatshoheit oder Herrschaft unterstellten Häfen hinsichtlich des freien Zugangs zum Hafen, seiner Benutzung und des vollen Genusses der für die Schiffahrt und die Handelsverrichtungen bestehenden Einrichtungen, die er den Seeschiffen, ihren Waren und Fahrgästen zur Verfügung stellte.

Diese Vertragsbestimmung spricht verständlicherweise nur solche Staaten an, die an 367 einem liberalen Handelsverkehr interessiert sind; daher ist hier das Verzeichnis der Vertragsstaaten besonders interessant:45 — Staaten ohne Meeresküste haben ratifiziert, wenn der sie interessierende Transitstaat das gleiche tat; Mitgliedsstaaten sind Österreich und die Schweiz im Hinblick auf die Vertrags-Häfen der Bundesrepublik Deutschland und Italiens, die CSSR im Hinblick auf die Häfen, die über die Bundesrepublik Deutschland und die DDR 46 oder via Österreich erreichbar sind, Ungarn im Hinblick primär auf den Vertragsstaat Jugo43

44

45 46

Weitergehend Colombos C. John , Internationales Seerecht, Studienausgabe 1963, S. 137, § 181; auch die Entschließung des Institute of International Law, Stockholm 1928, s. Annuaire Bd. 34 S. 736. Übereinkommen und Statut v o m 09.12.1923, Gesetz v o m 20.2.1938 RGBl. II S. 22; L N T S Bd. 58 S. 285, V S A A Bd. 29 A 383. Fundstellennachweis B zum Bundesgesetzblatt. Die D D R hat die Wiederanwendung ausdrücklich erklärt, vgl. Bekanntmachung v o m 25.06.1976 (BGBl. II S. 1219).

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C. Die Seeschiffahrt

slawien, Obervolta (heute Burkina Faso) als Nachbar des Vertragsstaates Elfenbeinküste; — der Ostblock und andere seinem Staatshandelssystem folgende Länder sind nur ausnahmsweise Mitglied geworden, wenn sie es für vorteilhaft hielten, so siehe oben die CSSR und Ungarn. — So stellt Westeuropa — mit Ausnahme von Finnland, Irland, Spanien und Portugal — die Hauptgruppe der Vertragsstaaten. Wenige Mitgliedsstaaten gehören zu den Kontinenten Asien (Indien, Japan, Irak, Malaysia), Afrika (Elfenbeinküste, Marokko, Nigeria, Burkina Faso und Mittelamerika (Mexiko, Panama) oder sind Inselstaaten (Fidschi, Grenada, Madagaskar, Mauritius, Taiwan, Trinidad und Tobago, Zypern). 368

Daß so viele andere Staaten und ganze Regionen wie Nord- und Südamerika sowie Australien nicht vertreten sind, erklärt sich vornehmlich aus anderen Bestimmungen des Statuts: Völlig gleiches Recht der Hafenbenutzung durch Schiffe der eigenen und der fremden Flagge (Artikel 2 und 3); Veröffentlichung aller Benutzungs-, Betriebs-, Polizeiund Gebührenvorschriften (Artikel 4); keine Flaggendiskriminierung durch Erhebung höherer Zölle und Hafenabgaben (Artikel 55, dem besondere praktische Bedeutung zukommt); grundsätzlich gleiche Zölle in allen Häfen ein und desselben Staates (Artikel 7). Ein Grundsatz des allgemeinen Völkerrechts, der in -Artikel 1 des Statuts wiederholt wird, berechtigt Schiffe aller Flaggen, bei Sturm und anderen Notlagen an fremden Küstenplätzen Schutz zu suchen, was viele Staaten dadurch unterstützen, daß sie in besonders gefährlichen Seegebieten ihres Küstenbereiches Schutzhäfen einrichten, wie z. B. die Bundesrepublik Deutschland mit dem Schutzhafen Helgoland u. a. Hingegen nimmt das Hafenstatut vom Grundsatz des freien Anlaufens aus: — in Artikel 13 Kriegsschiffe und sonstige Staatsschiffe, bei denen der Besuch fremder Häfen nach allgemeinem Völkerrecht der Anmeldung und bestätigenden Antwort bedarf, — in Artikel 14 Fischereifahrzeuge, weil bei ihnen das Anlanden ihrer Fänge in Frage steht und einer besonderen Prüfung bedarf.

369

c) Das Ubereinkommen %ur Erleichterung des internationalen Seeverkehrs Im Zusammenhang mit den freien Rechten zum Anlaufen von Häfen steht das im gemeinsamen Interesse der großen Schiffahrtsnationen am Sitz der IMO abgeschlossene Übereinkommen zur Erleichterung des internationalen Seeverkehrs vom 09. April 196547. Es bezweckt nach seinem Artikel II, Handelsschiffen, welche die Flagge eines Vertragsstaates führen, das Ein- und Auslaufen sowie den Aufenthalt in Häfen zu erleichtern, insbesondere die dafür erforderlichen Dokumente zu vereinheitlichen. Die Staaten sollen zu diesem Zweck in der IMO zusammenarbeiten (Artikel IV), die dafür einen besonderen Ausschuß (Facilitation Committee) eingerichtet hat. In der Anlage des Ubereinkommens, die seit 1984 in vereinfachtem Verfahren geändert und ergänzt werden kann (Artikel VII), übernehmen die Regierungen Verpflichtungen betr. z. B. Art, Anzahl und Ausstel47

Das Übereinkommen ist ein die Regierungen verpflichtendes Verwaltungsabkommen, für dessen Übernahme in das deutsche Recht es nach Art. 59 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 84 keines Bundesgesetzes bedurfte; es ist mit seinen Änderungen Gegenstand der Bekanntmachungen vom 19.10.1967 (BGBl. II S. 2434, 21.12.1971 (BGBl. II S. 1377) 17.11.1978 (BGBl. II S. 1445 und 1983 II S. 576) und 11.12.1986 (BGBl. II S. 1141); UNTSRd. 591, S. 265; V S A A Bd. 33 A 450, Bd. 62 A 809.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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lung der vom Schiff zu fordernden Dokumente, die Gleichstellung des für ein Besatzungsmitglied erteilten gültigen Seemannsausweises mit einem Reisepaß, die Modalitäten der Schiffsabfertigung. Wegen weiterer Einzelheiten siehe Rn. 701 ff. d) Freihäfen, Freihandelszonen Eine sehr wesentliche Förderung des freien Zugangs zu den Häfen ist die Einrichtung 370 von Freihäfen oder Freihandelszonen,48 d. h.Hafengebieten, die ganz oder teilweise aus dem Zollgebiet des Küstenstaates kraft nationalen Gesetzes ausgeschlossen sind. Beide Begriffe sind nicht scharf voneinander abgegrenzt. Meist wird der Begriff „Freihafen" dort gewählt, wo entweder das Zollauschlußgebiet räumlich weit ausgedehnt ist oder die Zollfreiheit sich neben dem reinen Handel auch auf den Export von Schiffen oder anderen Gegenständen erstreckt, die in dem Gebiet aus zollfrei importiertem Material hergestellt worden sind. Bei der Bezeichnung „Freihandelszone" kann man stets davon ausgehen, daß es sich um ein umzäuntes Zollauschlußgebiet handelt, das solcher räumlichen oder rechtlichen Ausweitung ermangelt. Freihäfen entstanden zuerst im Mittelmeergebiet und entsprachen zunächst den beson- 371 deren Bedürfen eines Seehandels, der transportierte Güter oft auf Zeit in Häfen einlagerte, um sie später für den Weitertransport wieder abzuholen. Den ersten Freihafen hatte Livorno (1577). Wenn auch dort zunächst nur die Warenlagerung möglich war, wurden die Freiheiten bald erweitert, bis schließlich (1675) nicht nur der Hafen, sondern die ganze Stadt für den gemeinsamen ein- und ausgehenden Handel zollfreies Gebiet war; eine freie Stadt, bei welcher Zoll erst von den angrenzenden Staatsgebieten erhoben wurde. Genua entwickelte auf demselben Grundgedanken ebenfalls im 16. Jahrhundert das organisatorisch für den Betrachter unterschiedliche System der eng umgrenzten und von Zäunen umschlossenen Freihandelszone innerhalb eines ansonsten ringsherum vorhandenen Zollgebiets. Beide Gestaltungsformen verbreiteten sich im Gebiet des westlichen Mittelmeeres, von 372 den an Zolleinahmen interessierten Fürsten nicht immer begünstigt und nur an großen Plätzen von Dauer (Neapel in Italien; Triest, Fiume, Venedig in Osterreich- Ungarn, Marseille in Frankreich). Auch an der europäischen Atlantikküste griff bereits im 17. Jahrhundert der Gedanke Platz (Dünkirchen in Frankreich, Altona damals in Dänemark). In Staaten, bei denen die im Mittelmeer bedeutende Handelsform mit Einlagerung und Reexport keine Rolle spielte — so die Kolonialmächte Spanien, Portugal, England und die Niederlande — erlangte die Konzeption daheim keine Bedeutung. Das British Empire übernahm die Einrichtung für Hongkong, Singapur, Aden, Malta; Spanien weniger wirksam in Süd-Amerika und auf den Kanarischen Inseln.

Anders in den Hansestädten: 1669 entstand der Freihafen in Hamburg; Bremen und 373 Lübeck folgten. Wenn sich auch Lübeck 1868 und Hamburg und Bremen 1888 der Zollunion anschließen mußten, so konnte doch Hamburg unter Aufgabe der weitergehenden Rechte der „freien Stadt" wenigstens unter dem Namen „Freihafen" eine umgrenzte Zone aus der Zollunion heraushalten, in der sogar der Schiffbau und sonstige Industrie statthaft war, so daß mit zollfrei importiertem Material hergestellte Schiffe u. a. zollfrei exportiert werden konnten. Bremen konnte zunächst nur ein „Freilager" retten, 48

Siehe dazu Thoman Richards, Free Ports and Foreign-trade-zons, Cambridge 1956.

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C. Die Seeschiffahrt

dies aber inhaltlich über einen „Freibezirk" zum Zollausschlußgebiet erweitern, wobei lediglich die zollfreie Herstellung von Waren versagt blieb. Heute gibt es in der Bundesrepublik Deutschland neben Hamburg und Bremen noch die Freihäfen Bremerhaven, Cuxhaven, Emden und Kiel. Im skandinavischen Ostseeraum ist Kopenhagen (1894) der wichtigste, sogar mit begrenzten Produktionsrechten ausgestattete Freihafen; Schweden hat seit dem Ersten Weltkrieg die Freihäfen Stockholm, Göteborg und Malmö gegründet. 374

In sehr großem Umfang und weitgehend an den Vorbildern von Hamburg und Bremen orientiert, wurden „Freihandelszonen" in den USA gegründet. Freihandelszonen haben dort alle bedeutenden Häfen an den beiden Ozeanküsten sowie an den großen Seen. Weitere Freihäfen oder Freihandelszonen finden sich über die ganze Welt verstreut, eine Ausnahme bildet lediglich Australien. Die Einrichtung eines internationalen Seeweges am St. Lorenz Strom, der die Häfen der Großen Seen erreichbar machte, ist ein verwandter Fall.

In der Bundesrepublik bildet das Zollgesetz49 die Rechtsgrundlage für die Freihäfen; § 2 Abs. 3 erklärt die vom Zollgebiet ausgeschlossenen Teile von Seehäfen zum Zollfreigebiet, und § 86 garantiert die bestehenden Freihäfen in ihrem Bestand, wobei der Bundesminister der Finanzen lediglich ermächtigt ist, die Grenzen eines Freihafens ohne Gefährdung seines Fortbestandes im Verordnungswege zu ändern. Der Rat der EG hat eine ergänzende Richtlinie vom 04.03.1969 zur Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Freihafenzonen erlassen.50

375

e) Die Benutzung von Flüssen durch die internationale Seeschiffahrt Ist ein Hafen aufgrund des Seehafenstatuts oder durch öffentliche Widmung — z. B. durch Erklärung zum Freihafen — für Seeschiffe frei zugänglich, dann besteht Schifffahrtsfreiheit damit auch auf den Binnengewässern, welche den Hafen von der See trennen und von den ein- und auslaufenden Schiffen notwendigerweise durchfahren werden müssen.51 Darüber hinaus gibt es allerdings keinen Satz des allgemeinen Völkerrechts, aus dem die Freiheit der Schiffahrt auf Flüssen grundsätzlich hergeleitet werden könnte. Keine Ausnahme stellen insoweit die sogen, „internationalen Wasserläufe" dar, also die natürlichen Ströme, die auf ihrem Wege zum Meer entweder mehrere Staaten durchqueren (z. B. Nil, Niger) oder streckenweise die Grenze zwischen zwei Staaten bilden ( z. B. Pruth, Kongo, Parana) oder — wie meist — beide Merkmale erfüllen (z. B. Rhein, Donau). Auch bei diesen Wasserläufen52 hat jeder Anlieger über seinen Teil des internationalen Flusses volle Gewalt inne, für deren Ausübung lediglich nationale Normen maßgebend sind; nach herrschender Meinung haben nicht einmal die benachbarten

49

50 51

52

Zollgesetz v o m 14.06.1961 in der Fassung der Bekanntmachung v o m 18.05.1970 (BGBl. I S. 529); die späteren Änderungen des Gesetzes betreffen die hier zitierten Bestimmungen nicht. A B 1 E G Nr. L 58 v o m 08.03.1969 S. 11. So auch Guggenheim, P. Traité de Droit International Public, Genf 1967, S. 415; die generelle Aussage mehrerer Autoren, daß es völkerrechtliche Freiheit der Schiffahrt auf Flüssen grundsätzlich nicht gebe, (z. B.Oppenheim-Lauterpacht), steht dieser Annahme nicht entgegen, da der Insanspruchnahme der Schiffahrtsfreiheit auch hier ein sie gewährender konstitutiver A k t des betreffenden Staates zugrundeliegt. W o l f r u m R., Internationalisierung staatsfreier Räume, S. 18 mit weiteren Literaturangaben; Krüger, H., Internationale Flüsse in Strupp-Schlochhauer W d V Bd. II S. 136.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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Anliegerstaaten, geschweige denn Dritte, kraft allgemeinen Völkerrechts einen Anspruch auf grenzüberschreitende freie Schiffahrt. 53 Jedoch besteht insbesondere bei den Anliegerstaaten ein natürlicher Drang zu Zusam- 376 menarbeit. Dem trug schon Art. 109 der Wiener Schlußakte vom 04.07.1815 Rechnung, der die völlige Schiffahrtsfreiheit der Uferstaaten proklamierte. Die Schiffahrtsfreiheit auf internationalen Flüssen war damit noch kein Gegenstand unmittelbar geltenden europäischen Völkerrechts, sondern nur eines Vorvertrages, eines pactum de contrahendo. Auf dieser Basis beruht vor allem die Rheinschiffahrtsakte. Da auf dem Rhein bereits 1804 alle bisherigen Zölle durch eine einheitliche Abgabe (Oktroi) ersetzt und mit der Generaldirektion in Mainz ein internationales Organ der Stromverwaltung geschaffen worden war, kam eine Mainzer Akte vom 31.03.1831 zustande, die dann durch die noch heute geltende Mannheimer Rheinschiffahrtsakte vom 17.10.186854 ersetzt wurde. Für andere internationale Flüsse in Europa haben spätere Friedensverträge die Schiff- 377 fahrtsfreiheit auch für Nichtanliegerstaaten verlangt, so der Pariser Friede von 1856 für die Donau, der Versailler Vertrag 1919für die Elbe u.a., die Friedensverträge mit Rumänien, Bulgarien und Ungarn 1946 für die Donau. Ein in diesem Zusammenhang zu nennendes Statut der Verkehrskonferenz von Barcelona 1921, das deutscherseits nicht ratifiziert worden ist, verpflichtet in Art. 3 die Vertragsstaaten, einander das Recht der freien Schiffahrt auf den ihnen unterstehenden Teilen internationaler Flüsse einzuräumen. Geltendes Völkerrecht sind alle diese Postulate nicht geworden; praktisch bestehen geblieben ist höchstens die vertraglich gesicherte Schiffahrtsfreiheit der Anliegerstaaten. Auf der Donau gilt die Belgrader Donaukonvention vom 18.08.1948, die von den Anrainerstaaten des Ostblocks gegen die Stimmen der westlichen Großmächte beschlossen wurde und der Österreich 1960 beigetreten ist. Die Bundesrepublik nimmt an den Sitzungen der den Anliegerstaaten vorbehaltenen Donaukommission mit einem ständigen Beobachter teil. Auf der Elbe besteht, da der Versailler Vertrag und die ihn ausführende Elbschiffahrtsakte 1922 spätestens durch den Zweiten Weltkrieg außer Kraft getreten sind, ein vertragsloser Zustand, die Schiffahrtsfreiheit der Anliegerstaaten blieb gewahrt. 55 7. Freiheit des Wettbewerbs beim Ladungsaufkommen? a) Der Kampf um die Ladung Als die traditionellen Schiffahrtsländer sich in jüngster Zeit im Seeverkehr auf ver- 378 stärkte Konkurrenz von „Newcomers" einstellen mußten, die sich mit außergewöhnlichen Maßnahmen auf dem Frachtenmarkt durchsetzten und das Ladungaufkommen der alteingesessenen Reeder mehr und mehr beschnitten, wurde von Reederseite oft und gern behauptet, die Freiheit der Schiffahrt beinhalte auch die Freiheit des Zugangs zur Ladung. 53 54

55

Eingehend Berber, Friedrich, Die Rechtsquellen des Internationalen Wasserrechts, 1955. Jetzige Fassung siehe Bek. v o m 1 1 . 0 3 . 1 9 6 9 (BGBl. II S. 595) mit drei Zusatzprotokollen, vergl. dazu die Gesetze v o m 04.12.1974 (BGBl. II S. 1385) und 22.07.1980 (BGBl. II S. 870 und S. 875). Eingehend dazu Krüger, H. Die Rechtslage der Elbe, Hamburg 1974, (Hamburger öffentlichrechtliche Nebenstunden Bd. 25).

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C. Die Seeschiffahrt

Ein Blick in die neuere Geschichte lehrt, daß diese Behauptung unbegründet ist. Man braucht hier nur auf Cromwells Navigationsakte vom 09.10.1651 hinzuweisen, die folgende Grundsätze enthält: — Von aussereuropäischen Plätzen dürfen Waren nach England nur auf Schiffen englischer Nationalität verladen werden (Strafe: Konfiskation von Schiff und Ladung): — Von außereuropäischen Plätzen darf nach England und allen englischen Besitzungen nur auf Schiffen Englands oder des Landes, aus welchem die Waren herrühren, oder zuerst verschifft werden, verladen werden. — Seefische dürfen nur von Schiffen des Landes angelandet werden, dessen Angehörige sie gefangen oder zubereitet haben. — Für die an Bord fremder Schiffe eingeführten Waren gelten stark erhöhte Einfuhrzölle. — Die Teilnahme am Küstenhandel (Kabotage) ist für fremde Flaggen verboten, eine Forderung, die schon aus der Zeit Elisabeths überkommen war. 379

Während die Niederlande nach dem wechselvollen Verlauf ihres Krieges mit England im Frieden von Breda 1667 eine Einschränkung der Navigationsakte zu ihren Gunsten erreichten und auch die deutsche Hanse von England ähnliche Konzessionen erwirkte, drohten andere Staaten mit gleichartigen Retorsionen. Die USA reagierten nach dem Unabhängigkeitskampf mit einer gegen die ausländische Frachtfahrt gerichteten Akte von 1787. Diese Umstände führten bei den großen Schiffahrtsnationen zum Abschluß einer wachsenden Reihe von Handels- und Schiffahrtsverträgen, in denen mit dem jeweiligen Partner die Gleichstellung der Schiffe beider Partner vereinbart wurde. Dieser Grundsatz wird dann in der britischen Navigationsakte vom 26.06.1849 aufgegriffen; der britischen Flagge wird nur noch die Küstenfrachtfahrt (Kabotage) vorbehalten. 56

380

Die Reeder der verschiedenen Schiffahrtsnationen — die oft aufgrund der bestehenden zweiseitigen Schiffahrtsverträge — dasselbe Fahrtgebiet bedienten, fanden damit bald Anlaß genug, sich mit den Konkurrenten in dem betreffenden Fahrtgebiet zusammenzutun, um wilden Wettbewerb mit gegenseitiger Unterbietung zu verhüten und einheitliche Beförderungsbedingungen und Frachtsätze zu vereinbaren. So bildeten sich die Schiffahrtskonferenzen, in deren Rahmen oft auch die Abfahrtspläne aufeinander abgestimmt wurden (Pools). Nach der Definition des nachstehend zu behandelnden Übereinkommens sind Konferenzen „ Gruppen von zwei oder mehr Reedern, die einen internationalen Liniendienst über See für den Transport von Frachtladung in einem geographisch fest umgrenzten Fahrtgebiet betreiben und sich zur Beachtung einheitlicher Frachtraten und sonstiger Beförderungsbedingungen zusammenschließen". Auf das Konferenzwesen hatten die Regierungen der traditionellen Schiffahrtsnationen, von einer gewissen Mißbrauchsaufsicht abgesehen, bisher regelmäßig keinen Einfluß. Für die Tätigkeit der Konferenzen waren allein die freien Entschließungen der Mitgliedsreeder maßgeblich. Dasselbe galt für die o. a. im Rahmen der Konferenz abgeschlossenen Poolverträge. Dieses freiheitliche Prinzip, dem die Konferenzen folgen, fand schließlich auch in einem wichtigen Grundsatzdokument der OECD, dem sogenannten Liberalisierungskodex, Ausdruck. 57 Er legte die Regierungen auf liberale Grundsätze fest; sie sollten die Vertragsfreiheit der Reeder nicht untunlich beschränken und insbesondere den Linienverkehr

56

57

Letzterer Grundsatz gilt auch in der Bundesrepublik, Gesetz über die Küstenschiffahrt vom 26.07.1957 (BGBl. II S. 738) geändert durch Art. 145 des Ges. v. 24.05.1968 (BGBl. I S. 503). Wortlaut vgl. Bek. vom 10.08.1967 (BAnz. Nr. 194 v. 13.10.1967, Beilage).

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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nicht — wie gelegentlich bereits geschehen — zum Gegenstand bilateraler Verträge mit anderen Staaten machen. Ausfluß der Wirtschaftsfreiheit war auch, daß die Konferenzen stets der Konkurrenz 381 von Außenseitern, d. h. Nichtmitgliedern der Konferenz, ausgesetzt waren. Solange diese Außenseiter als Einzelreeder marktwirtschaftlichen, liberalen Konkurrenzregeln folgten, entstanden immer nur gelegentliche und vorübergehende Schwierigkeiten. In neuerer Zeit entstanden aber zwei Außenseiter-Gruppen, die, staatlich unterstützt, besonderes Gewicht erhielten: Es handelt sich einmal um Staaten im wesentlichen des Ostblocks, die sich starke Staatsflotten aufbauten und mit sehr viel längerem Atem als normale Außenseiter in das Seegeschäft eindrangen, mit Rücksicht auf staatliche gewährte Unterstützung Dumping-Raten berechnen konnten und damit Marktanteile erorberten, die mit normalen marktwirtschaftlichen Mitteln nicht zurückzuerlangen waren. Die alten Konferenzen sahen sich oft veranlaßt, solche neuen Konkurrenten als Mitglieder aufzunehmen, weil sie damit wenigstens an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden werden konnten. Die zweite wichtige Aussenseitergruppe bilden Entwicklungsländer, die sich eigene Flotten bauten und, da sie in die bestehenden Konferenzen nicht oder nur mit größten Schwierigkeiten Eingang finden konnten, ihren neuen Flotten mit diversen dirigistischen Maßnahmen Ladung verschafften. Letztere Gruppe war es, die gebieterisch eine Neuordnung des Konferenzwesens forderte, um damit leichter in die Konferenzen Eintritt zu finden. Mit ihrer großen Zahl und ihrem damit wachsenden Stimmengewicht erreichten sie mit Hilfe der UNCTAD die Einberufung einer Konferenz, die in zwei Sessionen 1973 und 1974 in Genf tagte und zu einem Übereinkommen vom 06.04.1974 über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen führte. 58 b) Das Ubereinkommen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferen^en Die wesentlichen Regelungen des Übereinkommens sind folgende: Das Übereinkom- 382 men wendet sich nur an die Konferenzen und deren Mitglieder, d. h. die Konferenzreeder. Nur für die Konferenzen werden gewisse Verhaltensregeln aufgestellt. Das Übereinkommen wendet sich primär nicht an die Regierungen und auch nicht an die Außenseiter, d. h. die Reeder, die sich in den Konferenzgebieten betätigen, ohne Mitglied der Konferenz zu sein. Diese beiden Abgrenzungen sind wichtig. Die Regierungen werden sich zwar mehr als bisher mit den Konferenzen zu befassen haben; grundsätzlich bleiben aber die Reeder die handelnden Vertragspartner. Die Regierungen stehen im Hintergrund; sie können zwar an Konferenzverhandlungen von sich aus oder, was bei uns die Regel sein dürfte, auf Antrag der Reeder teilnehmen. Sie können aber nur beobachten und unverbindliche Ratschläge geben; niemals haben sie entscheidende Befugnisse. Das ist bei Konferenzverhandlungen auch so, wenn ein Konferenzmitglied eine Staatsreederei ist. In solchem Falle werden sich allerdings die übrigen Verhandlungspartner öfter als bisher der Unterstützungen ihrer Regierungen bedienen. Die Außenseiter sind in dem Übereinkommen nicht an bestimmte Verhaltensregeln 383 gebunden worden, obwohl dies angesichts der aufgestellten Regeln für die Konferenzen nahegelegen hätte. Vorschläge, auch für die Außenseiter in der Konvention gewisse 58

Uber die interessante Vorgeschichte der Konferenz vgl. Breuer, Gerhard, in Hansa 1974, S. 1123; Wortlaut des Ubereinkommens und der ergänzenden Resolutionen siehe Gesetz vom 03.12.1982 (BGBl. II S. 62).

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C. Die Seeschiffahrt

Mindestregeln — etwa betreffend Offenlegung ihrer Tarife, Abgabe von Jahresberichten usw. — aufzustellen, fanden keine ausreichende Unterstützung. Jedoch steht neben dem Übereinkommen eine ergänzende Resolution, in der der freie Wettbewerb der Außenseiter weiterhin garantiert wird, solange dieser Wettbewerb fair und auf kommerzieller Basis geführt wird. Die Verlader finden in der Resolution ihr Recht verankert, Außenseiter ebenso zu benutzen wie Konferenzreedereien. 384

Die Mitgliedschaft in den Konferenzen ist erleichtert worden; die Konferenzen sind also nicht völlig offen, aber doch offener geworden als bisher. Nationale Schiffahrtslinien haben vorbehaltlich gewisser wirtschaftlicher Kriterien ein Recht auf Vollmitgliedschaft in Konferenzen, die den Außenhandel ihres Landes bedienen. Als nationale Linien eines Landes werden Schiffahrtsunternehmen angesehen, die den Ort ihrer Geschäftsführung und ihre effektive Kontrolle in diesem Land haben und von den zuständigen Behörden des Landes oder nach dem Recht des Landes als solche anerkannt werden. Die Aufnahme von nicht-nationalen Linien als Mitglieder kann die Konferenz davon abhängig machen, daß das Verhältnis zwischen Ladungsaufkommen und Tonnage sowie die bisherige Beteiligung des Bewerbers am Verkehr außerhalb der Konferenz dies sinnvoll erscheinen läßt. Diese Bedürfnisprüfung darf jedoch nicht dazu benutzt werden, um Drittflaggen den ihnen zustehenden Ladungsanteil zu verweigern.

385

Hinsichtlich der Poolverträge ist verhindert worden, daß nicht jede Konferenz, wie es die Entwicklungsländer wollten, einen Poolvertrag abschließen muß. Wenn aber eine Konferenz einen Poolvertrag schließt, dann gelten für ihn bestimmte Richtlinien betreffend die Ladungsaufteilung, die vor, während und nach der Genfer Konferenz der am härtesten umstrittene Verhandlungspunkt war und ist. Die Richtlinie lautet: gleiche Ladungsanteile für die beiden nationalen Liniengruppen der Länder, deren gegenseitiger Außenhandel von der Konferenz befördert wird, und angemessener Anteil für Reeder der Drittflaggen, der „bei 20% (such as twenty per cent)" liegen soll. Die Mitgliedsreeder haben, wie in Art. 2 Abs. 4 ausdrücklich klargestellt ist, die Freiheit, eine andere Aufschlüsselung zu vereinbaren. Insbesondere kann der Anteil der Drittflaggen je nach den Bedürfnissen des Fahrgebietes der Konferenz und auch der dort gegebenen Konkurrenzlage höher oder niedriger sein als 2 0 % . E s besteht also für die Reeder z. B. kein Hindernis, eine Poolverteilung von 35 zu 35 zu 30 oder drei gleichen Dritteln zu vereinbaren.

386

Wie schon in dem von den europäischen Reedern entwickelten C E N S A - C o d e sind auch in dem Übereinkommen Konsultationen zwischen den Konferenzlinien und den Seeverladern über alle wichtigen Angelegenheiten wie Frachttarife oder Loyalty-Arrangements vorgesehen. Für die Bildung der Frachtraten sind feste Kriterien aufgestellt worden. Die Raten sollen zwar so niedrig wie möglich sein, aber doch eine angemessene Verdienstspanne garantieren. Das Übereinkommen legt damit, allerdings mit einer sehr allgemeinen Umschreibung, die Grundsätze fest, die bei den vorbereitenden Beratungen von den Entwicklungsländern einerseits und von den entwickelten Schiffahrtsnationen andererseits gefordert wurden.

387

Allgemeine Tariferhöhungen können nicht mehr kurzfristig vorgenommen werden. U m für ausreichende Konsultationen Zeit zu lassen, müssen sie — so lautet die nach harten Erörterungen gefundene Kompromißformel — fünf Monate vor der Erhöhung angekündigt werden, und, wenn die Erhöhung in Kraft getreten ist, müssen bis zur nächsten Ankündigung zehn Monate verstreichen.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

145

Tritt die Erhöhung ohne Beachtung einer Empfehlung der Schlichter (siehe nachstehend) in Kraft, dann haben die Verlader bzw. ihre Organisation das kurz befristete Recht, zu erklären, daß sie sich an eine Treueabmachung — d. h. die mit einem Frachtnachlaß honorierte Verpflichtung, ausschließlich Linienreeder der Konferenz zu benutzen — nicht mehr gebunden halten.

Dieser Punkt wird sicher zu denen gehören, die bei späteren Revisionskonferenzen wieder auf dem Programm stehen werden. Bei den sogenannten Surcharges ist die Position der Reeder freier. Sie können nach Vorankündigung und in Ausnahmefällen ohne vorherige Konsultation eingeführt werden, um unvorhergesehene oder außergewöhnliche Kostenerhöhungen oder Einnahmeausfalle auszugleichen. Zuschläge gelten als vorübergehend und sind deshalb nur bedingt geeignet, um dauernde Kostenerhöhungen aufzufangen. Den besonderen Einflüssen durch monetäre Auf- und Abwertungen trägt eine Currency — Klausel Rechnung. Für wichtige Streitigkeiten, die sich innerhalb der Konferenz oder bei den Konsulta- 388 tionen zwischen Konferenzreedern und Verladern ergeben können (z. B. Zulassung als Konferenzmitglied, Bemessung eines Ladungsanteils, Tarifbemessung u. a.), ist nicht, wie die Entwicklungsländer gefordert hatten, ein den ordentlichen Rechtsweg ausschließendes obligatorisches Schiedsgerichtsverfahren eingeführt worden, sondern nur ein verbindliches internationales Schlichtungsverfahren. Dieses Schlichtungsverfahren bindet zwar die streitenden Partner nicht unbedingt, aber die Praxis dürfte wohl zeigen, daß mit dem internationalen Schlichtungsverfahren in der Regel gut auszukommen ist. Notfalls stehen, wie gesagtem Hintergrund die Regierungen zur weiteren Vermittlung bereit. Für das Konferenzwesen ist nicht, wie dies vielen Entwicklungsländern vorgeschwebt hatte, eine starke, zentrale internationale Behörde geschaffen worden. Bei den Vereinten Nationen in Genf wird lediglich ein Registrator eingesetzt, der Informationshilfe zu leisten, gewisse Inventare zu führen und insbesondere Schiedssprüche zu sammeln hat. Das Übereinkommen enthält keine Vorschrift über die Möglichkeit, bei der Unter- 389 Zeichnung oder Ratifizierung Vorbehalte einzulegen. Das Fehlen einer solchen Vorschrift hat völkerrechtlich die Folge, daß grundsätzlich jeder Staat Vorbehalte einlegen kann, soweit sie nicht den Zwecken und Zielen des Übereinkommens zuwiderlaufen. Von dieser Möglichkeit haben die EG-Staaten, wie noch zu zeigen wird, Gebrauch gemacht. In dem Übereinkommen sind, da seine Vorschriften ganz neuartig und nach den zu sammelnden Erfahrungen sicher in vielen Punkten änderungsbedürftig sind, regelmäßige Revisionskonferenzen vorgesehen. Die erste Revisionskonferenz hatte fünf Jahre nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens — also 1988 — stattzufinden. Sie hat keine Änderungen erbracht. Das Übereinkommenn ist ein echter Kompromiß zwischen den drei großen Länder- 390 gruppen. Jede dieser Gruppen hat wichtige Grundsätze, für die sie am Beginn der Konferenz eintrat, aufgeben müssen: Die Gruppe der „77" (Entwicklungsländer) hat es aufgegeben, für die Ladungsaufteilung eine starre 40:40:20 = Formel durchzusetzen; die erreichte Formel ist flexibler. Die „77" haben ferner die Forderung aufgegeben, daß jede Konferenz einen Poolvertrag nach den Richtlinien der Konvention abzuschließen habe. Es wird auch künftig Konferenzen geben können, die keine Poolverträge schließen. Aufgegeben haben die „77" die Forderung, daß die Regierungen im Konferenzwesen eine starke Rolle spielen und weithin Entscheidungsbefugnisse haben sollten. Besonders wichtig ist, daß sie auch die verbindliche Schiedsgerichtsbarkeit (Mandatory Arbitration) aufgegeben haben und mit einem inter-

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C. Die Seeschiffahrt

nationalen Schlichtungsverfahren zufrieden sein mußten. Aufgegeben wurde von ihnen auch die starke internationale Behörde; und sie haben schließlich, wenn auch leider nicht in dem Ubereinkommen selbst, während der Konferenz mehrfach durch wichtige Delegationen erklärt, daß sie nationale flaggenprotektionistische Rechtsvorschriften nach Ratifizierung des Ubereinkommens mit dem Ubereinkommen in Einklang zu bringen hätten. 391

Auch die Gruppe der Ostblockstaaten hat wichtige Positionen aufgeben müssen; so den Wunsch, den Regierungen starke Einflußnahme einzuräumen, ferner die Garantie eines Drittelanteiles des Ladungsaufkommens für Drittflaggen. Schließlich werden bilaterale Schiffahrtsvereinbarungen, insbesondere Verträge über neue Gemeinschaftsdienste nach Ratifizierung des Übereinkommens kaum noch möglich sein, da die anderen Staaten bei Konferenzen, an denen sie beteiligt sind, nach den Richtlinien des Ubereinkommens besser reagieren können als bisher. Die Gruppe der OECD-Länder schließlich hat den Wunsch, die Freiheit der Konferenzmitglieder völlig aufrecht zu erhalten, nicht durchsetzen können. Die Außenseiter sind zwar grundsätzlich gesichert, aber nicht wie die Konferenzen an konkrete Mindestregeln gebunden worden, wie dies einige Staaten der Gruppe gewünscht hatten.

392

Das Übereinkommen als echter Kompromiß muß, obgleich Wünsche offen blieben, aus folgenden Gründen als vorteilhaft angesehen werden: Mit den Mindestvoraussetzungen für die Erringung der Konferenzmitgliedschaft ist ein alter Streit schiffahrtspolitischer Diskussionen beigelegt. Die Richtlinien über die Ladungsaufteilung sind flexibel genug, um den Reedern genügenden Verhandlungsspielraum zu lassen. Die Regierungen sind im Grunde auf Hilfsfunktionen beschränkt und bleiben bei den Konferenzvereinbarungen im Hintergrund. Die Aussenseiter als Wettbewerber der Linienkonferenzen werden von dem Übereinkommen, das nur Regeln für die letzteren aufstellt, rechtlich nicht berührt; ihrem Schutz dient eine unmittelbar vor Schluß der Konferenz zustandegekommene und selbständig neben dem Übereinkommen stehende Resolution.

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Die Resolution betont, daß die Konvention die Verlader grundsätzlich nicht an der Wahl zwischen Linienkonferenzen und Außenseitern hindert; sie ruft auf: — die Außenseiter zum fairen kaufmännischen Wettbewerb, — die Konferenzen und Regierungen, nicht die Tätigkeit von Außenseitern zu verhindern, die den an sie gerichteten Appell befolgen.

Vorteilhaft ist schließlich, daß anstelle des internationalen Schiedsgerichtsverfahrens nur ein internationales Schlichtungsverfahren vorgeschrieben worden ist, so daß nach Ablauf oder Verwirkung dieses Verfahrens nationale Rechtsmittel erhalten bleiben. Die Bundesrepublik Deutschland hat angesichts dieser Vorteile für den Kodex gestimmt, weil sie darin die vorerst letzte Möglichkeit sah, einen weltweit annehmbaren Ordnungsrahmen an die Stelle einseitiger Eingriffe in den Linienverkehr zu setzen. 394

Offengeblieben ist leider die Frage, ob und inwieweit aufgrund von bilateralen Übereinkommen vereinbarte Gemeinschaftsdienste, die praktisch die bei den Vertragspartnern anfallende Ladung unter sich aufteilen, Reeder dritter Länder ausschließen dürfen. Die beiden Gruppen der Entwicklungsländer und des Ostblocks erklärten zum Abschluß der Konferenz daß sie die staatlichen Gemeinschaftsdienste als außerhalb des Kodex stehend ansähen. Die Delegation der Bundesrepublik Deutschland hat dagegen sofort erwidert, daß die Rechte der Drittländerreedereien auch dann gewahrt werden müßten, wenn der Abschluß einer dem Kodex entsprechenden Linienkonferenz dadurch verhindert wird,

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

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daß die beiden Regierungen einer Verkehrsrelation durch — zweiseitigen — Vertrag die Ladung aufteilten. Die Bundesrepublik hat dabei auf ihre gesetzlichen Kontrollmöglichkeiten hingewiesen und betont, daß die beiden staatlichen Partner eines derartigen Gemeinschaftsdienstes nicht erwarten könnten, daß die damit ausgeschlossenen Linien eines Drittlandes, wenn sie ihrerseits mit dem einen Partner des bewußten Gemeinschaftsdienstes eine Konferenz nach Maßgabe des Kodex begründeten, Reeder des anderen Gemeinschaftsdienstpartners als Dritten zuließen; plastisch ausgedrückt: Schließen A und B durch einen Gemeinschaftsdienst Reeder von C aus, dann kann A nicht erwarten, daß er in einer Konferenz zwischen B und C als Drittland fungieren darf. Die beiden Gruppen des Ostblocks und der Entwicklungsländer stimmten geschlossen 395 für das Übereinkommen; von den 19 vertretenen OECD-Staaten sieben dafür (Australien, Belgien, Frankreich, Bundesrepublik Deutschland, Japan, Spanien, Türkei) sieben dagegen (Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden, Schweiz, Großbritannien, USA) fünf Staaten enthielten sich der Stimme: (Kanada, Griechenland, Italien, Niederlande, Neuseeland). Schon während der Konferenz waren in der OECD-Gruppe Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden, ob insbesondere der Art. 3 über die Ladungsverteilung (siehe Rn. 385) mit dem EG-Vertrag und dem alle OECD-Partner verpflichtenden Liberalisierungskodex vereinbar sei. Hier standen Staaten (wie die Bundesrepublik, Frankreich, Belgien und Japan), deren Reeder sich vornehmlich am Im- und Export des eigenen Landes und weniger am Ladungsaufkommmen dritter Staaten orientieren, anderen Staaten (wie Norwegen, Vereinigtes Königreich) gegenüber, deren Reeder in erster Linie auf das Ladungsaufkommen dritter Staaten ausgerichtet sind. Es kann hier nicht auf die ebenso interessanten wie zeitraubenden Auseinandersetzun- 396 gen eingegangen werden, die nach dem Zustandekommen des Ubereinkommens innerhalb der EG und der OECD stattfanden. 59 Den daraus resultierenden Kompromiß bildet die EG-Rats-VO 954/79 vom 15.05.1979, 60 die nach h.M. auch mögliche Konflikte mit dem Liberalisierungskodex der OECD ausräumt. Die Verordnung verpflichtet die EG-Mitglieder bzw. deren Reeder in Linienkonferenzen: — bei den Entscheidungen über die Mitgliedschaft in einer Linienkonferenz untereinander weiterhin aufgrund kaufmännischer Verhandlungen zu entscheiden und als „nationale Linienreederei" (Definition in Kap. 1 des Kodex) unabhängig davon, in welchem EG-Land sich der Hauptgeschäftssitz befindet, alle Linienreedereien zu berücksichtigen, die sich in ihrem Hoheitsgebiet eine Niederlassung gegründet haben; 61 — in den Verkehren untereinander und — auf der Basis der Gegenseitigkeit- auch mit den weiteren Staaten der OECD, die nicht der EG angehören, auf die Anwendung der Ladungsformel des Kodex — Artikels 2 zu verzichten und unbeschadet der Drittländeranteile von Entwicklungsländern alle auf sie entfallenden Ladungsanteile nach kaufmännischen Grundsätzen umzuverteilen, sofern sie nichts anderes vereinbaren; bei Nichteinigung besonderes Schlichtungsverfahren und im Bedarfsfall anschließendes Schiedsgericht, dessen Schiedsspruch die Parteien bindet;

55 60 61

Dazu Hinz, Christoph, in Hansa 1980 Nr. 1 S. 12. ABl EG Nr. L 121 S. 1. Bei Nichteinigung über die Teilnahme an einer Konferenz entscheidet in der Bundesrepubli der BMV im Einvernehmen mit dem BMWi, Art. 3 des Gesetzes vom 17.02.1983 (BGBl. II S. 62).

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C. Die Seeschiffahrt

— bei der Ratifikation des Übereinkommens die im Anhang I der VO enthaltenen Vorbehalte einzulegen. Die Bundesrepublik ist dieser Verpflichtung anläßlich der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde mit einer Note vom 06.04.1983 nachgekommen. 397

Mit der Rats-Verordnung war der Weg für die Ratifikation durch die Bundesrepublik endlich frei. Der Verband Deutscher Reeder hatte das Bestreben der Bundesrepublik stets unterstützt, um die Chancengleichheit deutscher Linienreedereien in einer Reihe von Fahrtgebieten wiederherzustellen und sie vor Benachteiligungen zu schützen. Die Verladerorganisationen stimmten ebenfalls unter der Bedingung zu, daß der AußenseiterWettbewerb unberührt bliebe. Der Bundestag verabschiedete am 03.12.1982 das Gesetz zum Übereinkommen vom 06.04.1974 über einen Verhaltenskodex der Linienkonferenzen 62 und wiederholte gleichzeitig die o. a. Konferenzresolution über die Außenseiter, wobei die Bundesregierung ersucht wurde, bei der Durchführung des Übereinkommens die Grundsätze jener Resolution zu beachten. Das bedeutet also, daß die Betätigung von Linienreedereien, die keiner Konferenz angehören, grundsätzlich nicht behindert werden soll, solange sie den Grundsatz lauteren Wettbewerbs auf kaufmännischer Grundlage beachten. Die Bundesregierung hat mit der oben angegebenen Note in einer speziellen Nr. 5 bekräftigt, daß sie in Übereinstimmung mit der Konferenzresolution handeln werde.

398

Wenn auch der Verhaltenskodex für Linienreedereien einen wichtigen Ausgleich im Kampf um die Ladung darstellt, so verstoßen doch namentlich Staaten, die der EG oder der OECD nicht angehören, darunter sogar Mitgliedsstaaten des Kodexübereinkommens, mit einer oder mehreren der folgenden Verhaltensweisen gegen Grundsätze des Übereinkommens: — sie wenden diese Ladungsverteilungsklausel nicht nur auf Konferenzlinien, sondern auch auf Außenseiter an, — sie wenden diese Verteilungsklausel nicht nur auf den Linienverkehr, sondern auch auf Trampdienste an (d. h. die gelegentlichen Verkehrsleistungen außerhalb ständiger Liniendienste), — sie nehmen eine Ladungsverteilung auch im Massengutverkehr vor, der ebenfalls außerhalb des Linienverkehrs abgewickelt wird und bei dem eine feste Ladungsverteilung zu einer wesentlichen Erhöhung der Beförderungsentgelte führt, — sie schalten den Wettbewerb Dritter durch zweiseitige Abkommen, oft mit Bildung von Gemeinschaftsdiensten aus. Gegen solches Verhalten waren Maßnahmen der Abwehr bzw. Retorsion notwendig. Diesem Zweck dient die Verordnung (EWG) Nr. 4058/86 des Rates vom 22.12.1986 (AB1EG L 378 S. 21). Die Verordnung folgt den schon früher (EG-Entscheidungen 77/ 587 und 83/573) verlautbarten Gemeinschaftsgrundsätzen (Konsultationspflicht und gleichartige Maßnahmen der Mitglieder).

399

Der Katalog der in Art. 4 der Verordnung genannten befristeten Maßnahmen, mit denen Reeder und Regierungen auf wettbewerbstörende Aktionen reagieren können, umfaßt nach den stets in erster Linie gebotenen diplomatischen Schritten: die Einführung einer Erlaubnispflicht für das Verladen, Befördern und Entladen; die Auferlegung eines Ladungskontingents; die Erhebung von Abgaben. Nach Art. 5 ist der dann entsprechend 62

Gesetz vom 17.02.1983 -

BGBl. II S. 62.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

149

reagierende Mitgliedstaat der E G berechtigt, seine Maßnahmen unmittelbar auf den entsprechenden Ratsbeschluß zu stützen, wenn gleichartige innerstaatliche Rechtsvorschriften fehlen. Art. 6 gestattet den Mitgliedstaaten, wenn ein koordiniertes Verfahren (dazu Art. 3) vorgeschlagen worden ist, nach Ablauf einer Zwei-Monatsfrist, bei Dringlichkeit auch schon vorher, entsprechende einzelstaatliche Maßnahmen zu ergreifen, die selbstverständlich nur auf innerstaatliche Rechtsvorschriften gestützt werden können. In der Bundesrepublik enthält das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) vom 28.04.1961 63 400 zwei Ermächtigungsvorschriften: § 6 Abs. 1 sieht zur Abwehr schädigender Einwirkungen aus fremden Wirtschaftsgebieten die Beschränkung von Rechtsgeschäften und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr vor, und der noch spezieller auf die Belange der Seeschiffahrt abgestellte § 18 lautet: Wenn der internationale Seeverkehr durch Maßnahmen beeinträchtigt wird, die eine wettbewerbsmäßige Beteiligung der Deutschen Handelsflotte an der Beförderung von Gütern behindern, können der Abschluß von Frachtverträgen zur Beförderung von Gütern durch Seeschiffe fremder Flagge und das Chartern solcher Seeschiffe durch Gebietsansässige beschränkt werden, um erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der deutschen Handelsflotte entgegenzuwirken."

Auf diese Ermächtigung gehen zwei Vorschriften (§§ 44 b und 46) der Außenwirt- 401 schaftsverordnung (AWV) v o m 18.12.1986 64 zurück, die bei Erfüllung der Voraussetzungen des Art. 6 der V O ( E W G ) 4058/86 herangezogen werden können: Nach § 44 b bedarf der Abschluß von Verträgen zwischen gebietsansässigen und gebietsfremden Seeschifffahrtsunternehmen insoweit der Genehmigung, als die Verträge Bestimmungen über die Aufteilung von Ladungen und Frachten enthalten; und nach § 46 Abs. 1 bedarf der Abschluß von Frachtverträgen zur Beförderung einzelner Güter durch Seeschiffe fremder Flagge zwischen Gebietsansässigen und Gebietsfremden, die in einem schädigend handelnden fremden Wirschaftsgebiet ansässig sind, der Genehmigung, wenn das Entgelt für die Dienstleistung 1000,— D M übersteigt. Für die Erteilung dieser Genehmigungen ist nach § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Regelung der von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18.07.1977 65 der Bundesminister für Verkehr zuständig. Genehmigungsanträge sind nach § 2 der Verordnung zu stellen: von Antragstellern mit Wohnsitz oder Sitz in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an die W S D Nordwest in Aurich, von anderen Antragstellern an die W S D N o r d in Kiel. c) Wettbewrbsvorschriften der EG Der Rat der E G hat zur Sicherung des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschiff- 402 fahrt neben der oben behandelten Verordnung 4058/06 mit qualifizierter Mehrheit drei weitere Verordnungen erlassen. Rechtsgrundlage aller Verordnungen ist der Artikel 84 Abs. 2 des EWG-Vertrages, 6 6 welcher lautet: Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschiffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind. Die Verfahrensvorschriften des Artikels 75 Abs. 1 und 3 finden Anwendung. 63 64 65 66

Fundort des oft geänderten Gesetzes siehe Abschnitt 7400 des FN A. BGBl. 1968 I S. 2671 mehrfach geändert; FN A 7400 - 1 - 6. BGBl. 1977 I S. 1308, FN A 7400 - 1 - 5. Vertrag zur Gründung der Europ. Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) vom 25.03.1957 (BGBl. II S. 766, 1678); mehrfach geändert, siehe FN B.

150 Die drei Verordnungen sind gleichzeitig

C. Die Seeschiffahrt

am 22.12.1986

ergangen.61

403

Die Verordnung (EWG) Nr. 4055/86 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern war schon deswegen erforderlich, weil noch nicht alle Mitgliedstaaten den Verhaltenskodex ratifiziert haben und bestimmte Drittländer ihn nicht ratifizieren werden. Schon in der Präambel wird hervorgehoben, daß die EG am Grundsatz des freien Wettbewerbs festzuhalten wünscht. Die Verordnung gilt nach Artikel 1 auch für außerhalb der Gemeinschaft ansässige Staatsangehörige der Mitgliedstaaten sowie für Linienreedereien mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft, die von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates kontrolliert werden, sofern die Schiffe in diesem Staat registriert sind (Art. 1 Abs. 2). Nach Art. 2 kann ein Mitgliedstaat, der sich vor dem 01.06.1986 für die eigene Flagge die Beförderung bestimmter Güter ganz oder teilweise vorbehalten hatte, den Vorbehalt nicht mehr nutzen, sobald bestimmte Termine erreicht sind. Ladungsanteilvereinbarungen in bestehenden zweiseitigen Abkommen werden beendet (Art. 3) oder sind dem Verhaltenskodex bzw. dem Grundsatz der Gleichberechtigung der EG-Mitglieder anzupassen (Art. 4). Neue Ladungungsanteilvereinbarungen sind grundsätzlich untersagt (Art. 5); nur wenn bei einem bestimmten Drittstaat kein tatsächlicher Zugang zum Handelsverkehr zu erreichen ist, sieht Art. 6 ein im Rahmen der EG abgestimmtes Verfahren vor, nach welchem der einzelne Mitgliedstaat evtl. sogar allein reagieren darf. Nach Art. 7 kann der Rat im Einklang mit den Bestimmungen des Vertrages die Verordnung auf Staatsangehörige eines Drittlandes ausdehnen, die Seeverkehrsleistungen erbringen und in der Gemeinschaft ansässig sind.

404

Die Verordnung (EWG) des Rates Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr erfordert zunächst einen Blick auf jene Artikel. Die Artikel 85 und 86 leiten den Dritten Teil des EWG-Vertrages ein und enthalten gemeinsame Wettbewerbsregeln für die Tätigkeit von Unternehmen innerhalb des gemeinsamen Marktes. Artikel 85 verbietet ihnen wettbewerbshindernde Vereinbarungen und Beschlüsse; Artikel 86 untersagt ihnen den Mißbrauch einer den Markt beherrschenden Stellung.

405

Artikel 1 der Verordnung stellt klar, daß die Verordnung nur für den Seeverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der EG gilt. Die Trampdienste (Genaue Definition des Begriffes in Art.l Abs. 3), also im wesentlichen Massenguttransporte mit gecharterten Schiffen zu von Fall zu Fall ausgehandelten Frachtraten, nimmt Art. 1 Abs. 2 aus dem Anwendungsbereich der Verordnung aus, weil hier der dem freien Dienstleistungsverkehr immanente Ausgleich von Angebot und Nachfrage gewährleistet erscheint. Freigestellt sind auch nach Art. 3 Absprachen von Verkehrsunternehmen über die Linienschiffahrt, wenn sie den Bedingungen des Artikels 4 (keine Vorzugsfrachten bzw.- Beförderungsbedingungen für bestimmte Güter nach Maßgabe des Herkunfts- oder Bestimmungslandes bzw. des Be- oder Entladehafens) sowie bestimmten Auflagen des Artikels 5 (insbesondere Konsultationen mit den Verkehrsbenutzern, Bekanntgabe der Tarife) entsprechen. Die mit der Freigabe verbundenen Auflagen nach Artikel 5 unterliegen nach Artikel 7 bestimmten Kontrollen. Für die Anwendung solcher Kontrollen sowie ganz allgemein zur Abstellung von Zuwiderhandlungen-gegen die durch Artikel 1 bis 8 der Verordnung 67

AB1EG L 378 S. 1, 4, 14.

II. Die Schiffahrtsfreiheit und ihre Einschränkungen

151

modifizierten Artikel 85 und 86 des Vertrages enthält die Verordnung in Abschnitt II (Artikel 10 bis 26) Verfahrens Vorschriften, die von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden durch Mitgliedstaaten oder betroffene Personen anzuwenden sind. Die Verordnung (EWG) Nr. 4057/86 des Rates über unlautere Preisbildungspraktiken 406 in der Seeschiffahrt richtet sich gegen eine spezielle unlautere Verhaltensweise von Drittlandreedereien. Sie besteht in der ständigen Berechnung von Frachtraten für die Beförderung ausgewählter Güter unter der niedrigsten Frachtrate, die von niedergelassenen und repräsentativen Reedereien für die gleichen Güter berechnet wird. Solche Preisbildungspraktiken werden dadurch ermöglicht, daß ein der Gemeinschaft nicht angehöriger Staat marktfremde Vorteile gewährt. Die Verordnung sieht gegen diese Verhaltensweise eine Ausgleichsabgabe vor, die 407 gegen die betreffenden ausländischen Reedereien im Verordnungswege festgesetzt wird (Artikel 2 in Verbindung mit Artikel 13 Abs. 1). Das vorhergehende Prüfungsverfahren (Artikel 4) ermittelt hauptsächlich die übliche Frachtrate sowie die Auswirkungen der unlauteren Preisbildung. Das Verfahren beginnt mit einem Antrag (Artikel 5) und einer darauf folgenden Konsultation (Artikel 6). Ergibt sich danach eine Gefahr, wird das eigentliche in Artikel 7 sehr eingehend geregelte Untersuchungsverfahren eingeleitet. Die Einleitung und, wenn keine Schutzmaßnahme geboten erscheint, die Einstellung der Untersuchung sind im AB1EG bekanntzugeben. Wird hingegen eine unlautere Preisbildungspraxiz mit der Folge einer Schädigung festgestellt, dann schlägt die Kommission, wenn ein gemeinschaftliches Vorgehen geboten erscheint, dem Rat die Einführung einer Ausgleichsabgabe vor, über die der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheidet (Artikel 11).

d) Die Kabotage Für das Thema dieses Abschnittes bleibt aufzuzeigen, daß es im Seeverkehr einen 408 bestimmten Teil gibt, welcher der Schiffahrt jeweils nur eines Staates vorbehalten ist. Dies ist der Fall der Kabotage, der gewerblichen Schiffahrt zwischen Plätzen der Küste ein und desselben Staates. Schon die nationale Vorbehaltsliste der britischen Navigationsakten von 1651 und 1849 (Rn. 381 f) enthielt die Kabotage. Heute besteht sie in aller Welt, so daß bei der Kabotage von einem Völkergewohnheitsrecht gesprochen werden kann. 68 Im geltenden Recht der Bundesrepublik 69 ist die Kabotage — etwas gelockert — im Prinzip ebenfalls beibehalten. § 1 des Gesetzes über die Küstenschiffahrt definiert die Kabotage wie folgt: Küstenschiffahrt im Sinne des Gesetzes betreibt, wer Fahrgäste oder Güter in einem Ort im Geltungsbereich dieses Gesetzes an Bord nimmt und sie unter Benutzung des Seeweges gegen Entgelt an einen Bestimmungsort in diesem Bereich befördert.

Damit ist klargestellt, daß 409 — nur die Beförderung auf dem Seewege, d. h. mit Überschreitung der Grenze der Seefahrt — Verlassen der Binnenwasserstraße — zur Küstenschiffahrt gehört, nicht etwa auch die auf Küstenkanälen; 68 69

Krüger, H. Kabotage , Strupp-Schlochauer WdV Bd. 2. Gesetz über die Küstenschiffahrt vom 26.07.1957 (BGBl. II S. 738), And. G. v. 24.05.1968 (BGBl. I S. 503).

152

C. Die Seeschiffahrt

— in Abweichung von dem außer Kraft tretenden Gesetz über die Küstenfrachtfahrt von 1881 nicht nur die Beförderung von Gütern, sondern auch die von Fahrgästen unter den grundsätzlichen Vorbehalt für die Bundesflagge fällt; — nicht nur der Verkehr entlang der Küste, sondern auch der sogenannte Hufeisenverkehr (d. h. der den Weg über die Hohe See einschliessende Verkehr von und nach einem Ort im Binnenlande) als Küstenschiffahrt anzusehen ist; — Ausflugsfahrten, bei denen von einem Ort der Bundesrepublik aus ein ausländischer Hafen angelaufen und zum Ausgangsort zurückgekehrt wird, nicht zur Küstenschiffahrt gehören; — unentgeltliche Beförderungen nicht unter das Gesetz fallen. 410

Grundsätzlich ist, wie § 2 klarstellt, die Küstenschiffahrt deutschen Schiffen vorbehalten; das sind Seeschiffe, welche die Bundesflagge führen, sowie Binnenschiffe, die im deutschen Binnenschiffsregister eingetragen sind und außer dem Schiffszeugnis einen zur Seefahrt ermächtigenden Fahrterlaubnisschein der See-Berufsgenossenschaft erhalten haben. § 2 Abs. 2 lockert den strengen nationalen Vorbehalt für einen eng auszulegenden Sonderfall auf. Falls nämlich deutsche Schiffe nicht oder nur zu sehr ungünstigen Bedingungen zur Verfügung stehen, darf die örtlich zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion auf Antiag die Beförderung mit einem Schiff fremder Flagge erlauben, das nach dem Recht seines Landes für die Seefahrt zugelassen ist. 70

411

In der E G wird seit langem erörtert, ob nicht im Gemeinschaftsgebiet nationale Kabotage — Vorbehalte für alle Mitgliedstaaten bedeutungslos werden sollten. In dieser Frage stehen sich innerhalb der E G zwei regional begrenzte Meinungen gegenüber: die an die Nordsee angrenzenden Staaten sind für gegenseitige Zulassung zur Kabotage; die übrigen Mitgliedstaaten, namentlich die des Mittelmeerbereichs, sind im Hinblick auf tiefgreifende Wandlungen innerhalb ihrer nationalen Seeverkehrswirtschaft entschieden dagegen.

412

Ein Spezialfall der Kabotage ist die sogenannte „große Kabotage", bei der sich ein Staat auch den Verkehr zu weit von seiner Küste entfernten überseeischen Provinzen oder Kolonien vorbehält. Die große Kabotage ist ein Grenzfall, der bedenklich ist; denn hier werden Schiffahrtslinien, die auf ihrer Reise fast in ganzer Länge denselben Kurs nehmen, von rationeller Konkurrenz ausgeschlossen.

413

Rechtlich ebenso bedenklich ist es, wenn z. B. die USA den Verkehr zwischen ihrer Küste und ihren oft weit entfernt stationierten Bohrinseln (Drilling rigs) Schiffen der eigenen Flagge vorbehalten. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn sich die Bohrinsel oder künstliche Plattform im Küstenmeer befindet, denn hier läge ein echter Kabotage-Fall vor. Schon in den Seegebieten des Festlandsockels und der Ausschließlichen Wirtschaftszone wird die Rechtslage höchst zweifelhaft, denn sie gehören nicht zum uneingeschränkten Hoheitsgebiet des Küstenstaates. Die Plattformen haben auch kein eigenes Küstenmeer, sind also auch keine zum Küstenstaat gehörenden Inseln. Sie sind rechtlich mit den dem Küstenstaat zugehörigen Schiffen vergleichbar; auf beiden gilt das Recht des Küstenstaates, und polizeiliche Akte sind grundsätzlich dem Küstenstaat vorbehalten. Die Plattformen dienen der ausschließlichen Nutzung des Küstenstaates bzw. der von 70

Durchführungsbestimmungen des BMV zu § 2 Abs. 2 des Küstenschiffahrtsgesetzes vom 24.01.1958 (VkBl. S. 433, 476) und 18.12.1964 (VkBl. 1965) S. 46.

III. Das Schiff

153

ihm autorisierten Besitzer, aber ihre Standorte gehören nicht zu seinem Staatsgebiet. Es wäre zu begrüßen, wenn die Frage, ob auch hier internationale Konkurrenz ausgeschlossen werden darf, bald geklärt würde. Dazu könnte zur Vermeidung eines Rechtsstreites eine Resolution der IMO oder UNCTAD evtl. schon genügen. Zusammenfassung: Abschließend darf festgestellt werden, daß es einen völkerrechtlichen Anspruch auf einen freien Zugang zur Ladung nicht gibt.

III. Das Schiff 1. Begriffsmerkmale, rechtlich bedeutsame Arten a)

Schiffsbegriff Im deutschen Recht und ebenso in fast allen ausländischen Rechten (Ausnahme 414 Großbritannien) fehlt es an einer Definition des Begriffs „Schiff. Verkehrsauffassung und deutsche Rechtsprechung 71 sind sich aber darin einig, daß das Schiff wie folgt zu definieren ist: „Ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe, der fähig und bestimmt ist, auf oder unter dem Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder Sachen zu tragen." Wegen des Fehlens eines dieser Merkmale sind als Schiff manche Gegenstände, die mit dem Verkehr auf dem Wasser in Verbindung stehen, auszuschließen. — Wegen des Begriffsmerkmales „schwimmfähiger Hohlkörper" fallen aus: Flöße aus verbundenen Baumstämmen, 72 die außerdem keine Fahrt durch das Wasser, sondern nur über Grund machen, ferner die für sportliche Zwecke verwendeten Bretter (Surfbretter); — wegen des Merkmals „nicht ganz unbedeutende Größe" fallen aus: Die den sportlichen oder Vergnügungsinteressen weniger Personen dienenden Ruder-, Paddel- und Segelboote, Gondeln sowie aufblasbare Kleinboote und Rettungsinseln. — Bei der Forderung, daß ein Schiff fähig sein müsse, im Wasser (durch das Wasser) fortbewegt zu werden, wird klar, daß ein eigener Antrieb nicht erforderlich ist (Schuboder Schleppkahn); jedoch schließt sie etwa die stationären, im Wasser schwenkbaren Schwimmbrücken aus. — Wegen mangelnder Bestimmung zur Fortbewegung fallen aus: Schwimmdocks, die an Land festgemachten Molen, Gaststätten- und Lagerschiffe, sowie schwimmende Landebrücken; Schwimmkräne und -rammen sind zwar nicht immer zur Fahrt durchs Wasser befähigt, können aber durch das Wasser fortbewegt werden und werden deshalb als Schiffe angesehen. 73 Bohrinseln hingegen können zwar auf dem Wasser fortbewegt werden; da sie aber einer anderen Bestimmung dienen, werden sie nicht 71 72

73

BGH N J W 1952 S. 1135. Dazu Gesetz betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei vom 15.06.1895 (RGBl S. 341), zuletzt geändert durch Art. 287 Nr. 19 des Gesetzes vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469). BGH I ZR 84/51 = WiCo Nr. 31 S. 18; BFHV 106/55 Urt. v. 21. 09.1955, BStBl III 358, Hansa 1956/1052.

154

C. Die Seeschiffahrt

als Schiffe angesehen, mit der Konsequenz, daß das deutsche Strafrecht außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes dort nicht gilt. 74 415

Für die Zwecke von Übereinkommen, die Spezialfragen dienen, ist der Begriff des Schiffes bisweilen besonders bestimmt; vgl. z. B. Art. 1 Oilpol: Jedes auf einer Seereise befindliche Fahrzeug, das eigenen Antrieb hat oder von einem anderen Schiff geschleppt wird". Charakteristisches Kennzeichen auch hier die Fahrt durch das Wasser. Ahnlich das Helsinki-Übereinkommen (s. Teil K), das aber in Art. IV Regel 3 sogar feste Plattformen in den Schiffsbegriff einschließt. 75

416

Das aus Bauteilen entstehende Schiff kann als solches erst bezeichnet werden, wenn das Bauwerk einen bestimmten Vollkommenheitsgrad erreicht hat. Jedem Schiff ist auch ein Ende seiner Schiffsnatur beschieden, ob es während einer Schiffsreise sinkt, nicht gehoben wird und sich in ein Wrack verwandelt oder ob es abgewrackt und verschrottet wird; stets wird ein Moment erreicht, in dem Wesensmerkmale eines Schiffes nicht mehr festgestellt werden können. Das Schiff besteht demnach als solches wie ein Lebewesen nur in der Zeitspanne zwischen Geburt und Tod. 76 Die Geburtsstunde schlägt und die Schiffseigenschaft beginnt nach allgemeiner Auffassung mit dem Stapellauf. 77 Vorher ist es ausschließlich „Schiffsbauwerk", das als solches in ein besonderes Schiffsbauregister eingetragen werden kann, sofern dies bei der gleichzeitig einzutragenden Belastung des Schiffsbauwerkes mit einer Schiffshypothek oder beim Antrag einer Zwangsversteigerung notwendig wird. 78 Abraham wendet ein, daß jedenfalls registerrechtlich (§§71 — 73 SchRegO) die Schiffseigenschaft erst mit der endgültigen Fertigstellung des Schiffsbauwerkes beginnt. Da aber ein Schiff im Schiffsregister eingetragen werden kann, ohne daß es als Bauwerk schon vorher im Schiffsbauregister erschien, und bei dieser Eintragung lediglich die bereits vorher mögliche Vermessung nachzuweisen ist (§13 SchRegO), besteht auch vom Standpunkt des Registerrechts kein Hindernis, ein noch nicht völlig fertiggestelltes Bauwerk in das Schiffsregister aufzunehmen; das Schiff kann also in diesem Endstadium registerrechtlich sowohl als Schiffsbauwerk als auch als „Schiff" bezeichnet werden. Für alle anderen Belange kommt es entscheidend darauf an, daß das Bauwerk mit dem Stapellauf in sein neues Element gelangt und darin fortbewegt werden kann. Daß das Schiff regelmäßig erst nach dem Stapellauf fertiggestellt und insbesondere ausgerüstet wird, beeinflußt die Schiffseigenschaft ebensowenig wie eine umfangreiche Reparatur, die während des späteren Lebenslaufes des Schiffes — etwa nach einem Brand oder einer Kollision — auf einer Werft durchgeführt werden muß.

417

Die Schiffseigenschaft endet, wenn das Schiff — vgl. § 17 Abs. 4 i.V.m. § 20 Abs. 1 SchRegO — entweder ausbesserungsunfahig geworden ist oder wenn es „untergeht und als endgültig verloren anzusehen ist". Im letzteren Falle müssen beide Voraussetzungen erfüllt sein, wobei als „Untergang" jeder Totalverlust, also auch das Abwracken zu 74 75

76

77 78

§ 4 StGB. Übereinkommen vom 22.03.1974 über den Schutz der Meeresumwelt im Ostseegebiet, Gesetz vom 30.11.1979 (BGBl. II S. 1229). Quaritsch, Helmuth, Das Schiff als Gleichnis, Recht über See, Festschrift für Stödter, 1979, S. 251. Dazu mit Literaturangaben Schaps-Abraham, Das deutsche Seerecht, 3. Aufl., I. Kap. Anm. 9. Vergleiche § 66 SchRegO.

III. Das Schiff

155

verstehen ist, 79 und der Verlust eines gesunkenen Schiffes als endgültig gelten kann, wenn seine Bergungsmöglichkeit technisch oder wirtschaftlich ausgeschlossen erscheint. Der Frage, ob ein Gegenstand als Schiff anzuerkennen sei, kommt im öffentlichen 418 Seerecht nur bei der Eintragung im Schiffsregister (siehe Abschn. b) und steuerlichen Fragen 80 selten wesentliche Bedeutung zu. Groß ist hingegen die Zahl der Rechtsvorschriften, die nur für eine bestimmte Unterart von Schiffen gelten. Mit rechtlicher Relevanz werden Schiffe unterschieden — nach ihrem räumlichen Einsatzgebiet (dazu Abschn. b): Seeschiffe und Binnenschiffe; — nach ihrer Einsatzart (dazu Abschn. c) die Erwerbszwecken dienenden Schiffe, bei denen wiederum nach Kauffahrtei- oder Handelsschiffen einerseits sowie Fischereifahrzeugen andererseits unterschieden wird, die Staatsschiffe, die öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben; hier wird noch einmal unterschieden zwischen Staatsschiffen mit hoheitlichen Befugnissen, (z. B. Polizei-, BGS-, Zolldienst-, Kriegsschiffe) und anderen Staatsschiffen wie z. B. Vermessungsschiffen, Tonnenlegern, Eisbrechern, Marinedienstfahrzeugen u. a.m., die Sport- und Vergnügungsfahrzeuge; — nach ihrer Antriebsart (Abschnitt d): Segelschiffe, Reaktorschiffe u. a.m. b) Seeschiff — Binnenschiff Für Seeschiffe einerseits und Binnenschiffe andererseits gibt es wegen der natürlichen 419 Besonderheiten ihrer unterschiedlichen Einsatzgebiete ebenso unterschiedliche Rechtsvorschriften, vor allem hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen an Bau und Ausrüstung, Betrieb und Besatzung des Schiffes. Ein wesentlicher rechtlicher Unterschied zwischen beiden Schiffarten besteht ferner darin, daß die Seeschiffe anders als Binnenschiffe hauptsächlich in einem hoheitsfreien Raum — der Hohen See — verkehren. Da sie aber auch hier für die Ordnung und die zwischenmenschlichen Beziehungen an Bord einer bestimmten Rechtsordnung bedürfen, haben sie eine feste Staatszugehörigkeit zu erwerben, die durch die Flagge des betreffenden Staates dokumentiert wird. Dieser Staat hat nun seinerseits den Schiffen, die zur Führung seiner Flagge berechtigt sind, bei möglichen Schwierigkeiten im internationalen Verkehr Schutz zu gewähren. Genügend Gründe also, die Seeschiffe von den Binnenschiffen getrennt zu registrieren. Für die Belange des Flaggen- und Registerrechts werden die Seeschiffe als die „zur 420 Seefahrt bestimmten Schiffe" definiert; vgl. die Klammerdefinitionen in § 1 Abs. 1 F1G und in § 3 Abs. 2 SchRegO. Hier kommt es also entscheidend auf die subjektive Willensbildung des zur Registeranmeldung verpflichteten Eigentümers an. 81 Daß objektiven Merkmalen des Schiffes, die es zur Seefahrt geeignet erscheinen lassen, zunächst keine maßgebliche Bedeutung zukommt, muß erstaunlich wirken, erklärt sich aber daraus, daß eine Zuständigkeit für Sicherheitsüberprüfungen und Erteilung entsprechender Dokumente für einen Staat erst dann besteht, wenn das betreffende Schiff seine Flagge führt, d. h. ihm zugehört; vgl. Art. 94 Abs. 1 bis 3 SRÜ. Da jedoch das Schiff eine Seereise ohne die erforderlichen Zeugnisse nicht antreten darf, ist es gerechtfertigt, die testierten und weitestgehend international geregelten Sicherheitsanforderungen an Bau und Ausrüstung zu den Merkmalen der Schiffe zu rechnen, welche die See befahren dürfen (engl. 79 80 81

Abraham (77) Anm. 3 zu § 17 SchRegO; über völkerrechtliche Fragen v. Münch, AVR 20 S. 183. Siehe BFH: V 106 d 55 vom 21.09.1955 (BStBl. 55 III 358 und Hansa 1956 S. 1052). Siehe § 9 SchRegO.

156

C. Die Seeschiffahrt

seagoing ship), also nicht nur registerrechtlich als Seeschiffe gelten. Schaps-Abraham halten die Einbeziehung des Merkmals in den Begriff des Seeschiffes für zu weitgehend. 82 Zwar ist einzuräumen, daß ein für die Seefahrt bestimmtes Schiff in das Schiffsregister ohne Vorlage eines Sicherheitszeugnisses eingetragen wird, dann registerrechtlich als Seeschiff gilt und auch vom Eigentümer nur noch als Seeschiff und keinesfalls als Binnenschiff bezeichnet werden darf (§ 5 SchRG); aber dies hat eben seinen Grund lediglich darin, daß vor der Eintragung die Zugehörigkeit des Schiffes zu einem bestimmten Staat und seiner Rechtsordnung nicht feststeht und der betr. Staat daher auch nicht fordern kann, daß das Schiff seinen Sicherheitsanforderungen entspricht. 83 Wäre es anders, so könnte der Besteller eines Schiffsbaues von der Werft nicht fordern, während des Baus von bestimmten Sicherheitsanforderungen des einheimischen Rechts abzusehen, was besonders bei Schiffen, die unter fremder Flagge eingesetzt werden sollen, oft vorkommt. Aus diesen Gründen scheint es gerechtfertigt, für den Begriff des Seeschiffes als bedeutungsvolles objektives Merkmal die staatlich gesondert zu testierende Erfüllung der Sicherheitsanforderungen mit heranzuziehen. 84 421

Notwendig ist zu wissen, — gleichgültig, ob das Schiff im Sinne des Registerrechts „zur Seefahrt bestimmt" ist oder im verkehrsrechtlichen Sinne für eine Seefahrt eingesetzt wird —, was unter „Seefahrt" zu verstehen ist. Aufgrund der Ermächtigung in § 22 Abs. 1 Nr. 1 F1G sind im Verordnungswege 85 entlang der Küste der Bundesrepublik Deutschland Grenzen der Seefahrt bestimmt worden, bei deren Überschreitung die „Seefahrt" eines von der Bundesrepublik Deutschland auslaufenden Schiffes beginnt. Die Grenze der Seefahrt verläuft auf der Festland- bzw. Inselküste bei mittlerem Hochwasser, bei an der Küsten gelegenen Häfen auf den Verbindungslinie der Molenköpfe. Bei Flußmündungen wird unterschieden: Bei Bundeswasserstraßen ist die seewärtige Begrenzung der Binnenwasserstraße — Rn. 141 — auch Grenze der Seefahrt; bei anderen Flußmündungen ist die Verbindungslinie der äußeren Uferausläufer maßgeblich. 86

422

Ist ein Schiff zur Seefahrt bestimmt worden, so ist es nach Aufnahme in das Schiffsregister 87 den für Seeschiffe geltenden Rechtsvorschriften unterworfen. Das bedeutet: — Der Eigentümer kann durch bloße Änderung seines Entschlusses über das Einsatzgebiet weder das Schiff in ein Binnenschiff verwandeln (§ 6 Abs. 1 SchRegO) noch allgemein den sachlichen Anwendungsbereich des Binnenschiffahrtsrechts erreichen (die See-BG kann hinsichtlich der Sicherheitsanforderungen im Einzelfall allerdings gewisse Ausnahmen gestatten); 82 83

84 85

86

87

Schaps-Abraham (77) 4. Aufl. S. 74 Anm. 12 vor § 476 HGB. Dies ist auch der Grund für die erleichterten Anforderungen an den Nachweis des Vermessensergebnisses (§11 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 SchRegO). So Breuer, Gerhard, in Hansa 1953 S. 393. § 1 F1RV vom 04.07.1990 - BGBl. I S. 1389 der die Regelung der 3. DVF1G BGBl. 1957 II S. 155 ablöst. Für den Sachbereich der Seeunfallversicherung definiert § 836 R V O den Begriff „Seefahrt" abweichend; zwar wird in Nr. 1 auf die 3. D V F1G Bezug genommen, jedoch werden in Nr. 2 „die Fahrt auf Buchten, Haffen und Watten der See" und in Nr. 3 für die Fischerei darüberhinaus noch der gesamte, Teile von Binnenwasserstraßen umfassende, Anwendungsbereich der SSchSO einbezogen, hier und auf den Watten sogar das Fischen ohne Fahrzeug. Verpflichtung zur Eintragung nur für Seeschiffe von mehr als 50 cbm Bruttoraumgehalt ( § 1 0 Abs. 1 SchRegO).

III. Das Schiff

157

— auch wenn das Seeschiff vor oder nach seiner Reise auf See Teile von Binnengewässern durchfahrt oder im Ausnahmefall eine Reise unternimmt, bei der es die Grenze der Seefahrt überhaupt nicht überschreitet, hat es hierbei sein Bewenden. 88 Für Seeschiffe, die wegen ihres geringen Bruttoraumgehaltes von 50 cbm oder weniger nicht in das Seeschiffsregister eingetragen zu werden brauchen, gilt das Vorstehende nur mit Einschränkungen. Wird ein solches Seeschiff zeitweise auf Binnengewässern eingesetzt und braucht es dann auch wegen seiner Tragfähigkeit von weniger als 20 t oder seiner Antriebskraft von weniger als 100 PS nicht in das Binnenschiffsregister eingetragen zu werden (§ 3 Abs. 3, § 10 Abs. 2 SchRegO), dann ist für das anzuwendende Recht das jeweilige Einsatzgebiet maßgeblich. So kommt z. B. die Eigentumsübertragung ohne Besitzübergabe (§ 929a BGB) nur in Betracht, wenn das Schiff im Zeitpunkt des Eigentumsüberganges als Seeschiff zu behandeln ist. 89 c) Verwendungsarten der Seeschiffe Der Anwendungsbereich vieler öffentlich-rechtlicher Vorschriften für Seeschiffe richtet 423 sich nach der Verwendungsart derselben. aa) Die Erwerbsi^mcken dienenden Schiffe Eine Hauptgruppe stellen die Erwerbszwecken dienenden Schiffe dar, sie umfaßt zwei Untergruppen. — Die erste Untergruppe bilden die zum Erwerb „durch die Seefahrt" dienenden Schiffe, die in älteren Gesetzen „Kauffahrteischiffe",im modernen Sprachgebrauch „Handelsschiffe" genannt werden. Hierzu gehören auch die Schiffe, die zwar nicht im Seetransport eingesetzt sind, aber mittels der Seefahrt gewerbliche Dienste leisten, als Bergungs-, Werkstatt-, Reparaturschiffe, Schlepper usw. eingesetzt sind. Der Begriff Kauffahrteischiff stammt noch aus der Zeit, in der der Schiffseigentümer selbst die ihm gehörende Ware über See transportierte, um sie dort für eigene Rechnung zu verkaufen; Handelsgeschäft und Reederei lagen also in einer Hand.

— Die zweite Untergruppe sind die Fischereifahrzeuge, bei denen die Erwerbsquelle nicht die Seefahrt als solche, sondern die Veräusserung der auf See gefangenen Fische ist. Bei den Kauffahrtei- oder Handelsschiffen gibt es Spezialgruppen von Schiffen, die 424 enger begrenzten Sonderzwecken dienen und darauf abgestellte Spezialvorschriften zu befolgen haben. Wichtig ist zunächst die Einteilung in Fahrgast- und Frachtschiffe, die in den internationalen und nationalen Sicherheitsvorschriften zwar oft einheitlich, oft aber auch unterschiedlich behandelt werden. Man findet daher ihre Definition auch am Beginn der jeweiligen Rechtsvorschriften: — Fahrgastschiff ist laut Anlage zu SOLAS 1974/78 Kap. I Regel 2 „ein Schiff, das mehr als 12 Fahrgäste befördert": dieser Definition fügt für Schiffe deutscher Staatszugehörigkeit § 2 Abs. 3 SchSV vom 08.12.198690 an: „oder das für die Beförderung von mehr als 12 Fahrgästen zugelassen ist, ausgenommen Boote im Bäderdienst und Sportanglerfahrzeuge". 88 89 90

S. RG Gruchot Bd. 38 S. 1142, Hans OLG Seuffert A Bd. 69 S. 414. So auch Schaps-Abraham (77) Anm. 15 S. 234. BGBl. 1986 I S. 2361, Änderung durch V O vom 26.06.1987 (BGBl. I S. 1570).

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C. Die Seeschiffahrt

— Frachtschiff ist ein Schiff, das kein Fahrgastschiff ist. Hier ist die internationale Definition (Anlage zu SOLAS 1974/78 Kap.I Regel 2) mit der nationalen (§ 2 SchSV) identisch. 425 Bei den Frachtschiffen gibt es eine große Anzahl von Spezialschiffen, für die besondere oder zusätzliche Sicherheitsvorschriften gelten. Als besonders wichtiger Sondertyp ist das „Tankschiff international und national u. a. wie folgt definiert: — „Tankschiff ist ein Frachtschiff, das für die Beförderung flüssiger, entzündbarer Tankladungen gebaut oder hergerichtet ist." Ein Sondertyp der Tankschiffe ist der Flüssiggastanker, für den es einen besonderen Kodex der IMO — Resolution 328 (IX)) - gibt. Bei den sonstigen für Trockenladungen konstruierten „Massengutschiffen" gibt es besondere Richtlinien für Schiffe, die gefährliche Chemikalien als Schüttladung befördern, vgl. IMO-Kodex in Resolution 212 (VII). Es gibt einzelne Sondervorschriften für noch andere Frachtschiffarten, bei denen , um den Überblick nicht zu überlasten, als Beispiel nur die für den Transport von Lastkraftwagen und Eisenbahnwagen konstruierten Fährschiffe oder die Roll-on-roll-off (RoRo)Schiffe zu erwähnen sind. Im übrigen wird auf Abschn. III 4 (Rn. 483) verwiesen.

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bb) Die Staatsschiffe Dem Verwendungszweck nach sind von den soeben betrachteten, Erwerbszwecken dienenden Schiffen wegen ihres besonderen Rechtsstatus die Schiffe zu unterscheiden, die staatlichen Hoheits- oder Verwaltungsaufgaben dienen. Hierunter fallen: — Schiffe mit hoheitlichen Befugnissen, insbesondere Kriegsschiffe, Polizeiboote des BGS und der Wasserschutzpolizei, Zollüberwachungsboote, Fischereikreuzer und Hilfsschiffe der Marine, die unter Dienstflagge der Seestreitkräfte laufen; — Schiffe mit sonstigen öffentlichen Aufgaben, wie z. B. Hilfsschiffe der Marine unter der Bundesdienstflagge und alle sonstigen der öffentlichen Verwaltung dienenden Schiffe (Tonnenleger, Vermessungsfahrzeuge, Feuerschiffe, Schlepper, Eisbrecher, Hafen- und Schulfahrzeuge). Schiffe mit Hoheitsbefugnissen sind sowohl auf der Hohen See als auch in fremden Hoheitsgewässern immun, d. h. ein fremder Staat kann an Bord dieser Schiffe keine Amtshandlungen vornehmen, noch unterstehen die Schiffe, u.U. die Besatzung der fremden Gerichtsbarkeit. 91 Die Immunität ist nicht der Exterritorialität gleichzusetzen. Man meinte früher, daß das Schiff als schwimmendes Gebiet des Flaggenstaates zu gelten habe; jedoch ist diese Ansicht, obwohl sie z. T. noch amtlicherseits vertreten wird, zu weitgehend, da der von einem Kriegsschiff eingenommene Raum die senkrecht anschließenden Wasser- und Luftsäulen anders als beim Staatsgebiet nicht einschließt, so daß gegen Unterquerung und Überfliegen des Schiffes rechtlich nichts einzuwenden ist. 92 (Siehe Rn. 744, 1308 ff) 91 52

Geck, W.K., „Staatsschiffe", in WdV Bd. 3 S. 336. Steinert, K.F., Die internationalrechtliche Stellung der Schiffe in fremden Küstenmeeren im Frieden, Frankfurt 1970 S. 214 ff.

III. Das Schiff

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Der verschiedentlich noch im See- und Luftrecht verwendete Begriff der Exterritorialität bedeutet daher nur noch den Ausschluß der Möglichkeit, daß an Bord dieser Fahrzeuge Amtshandlungen seitens einer fremden Staatsgewalt vorgenommen werden können. Zwischen den Staatsschiffen, die hoheitliche Aufgaben erfüllen, und denen, die son- 428 stigen öffentlichen Aufgaben des Staates dienen, besteht hinsichtlich der Immunität ein Unterschied: anders als bei den Kriegs- oder Polizeifahrzeugen ist bei Fahrzeugen, die sonstigen öffentlichen Aufgaben dienen, die Besatzung nicht immun, s. Rn. 744. Das Schiff selbst kann, genau wie bei einem Staatsschiff mit hoheitlichen Befugnissen, in einem fremden Hafen ebenfalls nicht in die Kette gelegt (arrestiert) oder sonst am Auslaufen gehindert werden. 97 Es wäre nicht korrekt, nur den immunen Schiffen die Sammelbezeichnung Staatsschiffe vorzubehalten, weil manche Staaten eigene Schiffe nicht nur für hoheitliche Aufgaben, sondern auch für Handelszwecke verwenden; man denke hier insbesondere an die Staatshandelsreedereien des Ostblocks. Diese Schiffe werden zivilrechtlich demzufolge auch als Staatsschiffe zu bezeichnen sein.93 Diese Staatsschiffe, die am gewerblichen Handel teilnehmen, sind, insbesondere aufgrund der britischen Rechtsprechung, 94 und später auch in dem Abkommen über die Immunität der Staatsschiffe95 in wesentlichen Belangen den privaten Handelsschiffen gleichgestellt worden. Die Immunität soll nach der heute überwiegenden Ansicht der Staaten den Staatshandelsschiffen nicht zukommen. Im Einklang hiermit ist in Artikel 21 und 22 des Küstenmeerabkommens und in Artikel 8 und 9 des Abkommens über die Hohe See von 1958, ebenso in Artikel 32, 95 und 96 SRÜ bestimmt, daß Immunität nur die Schiffe genießen, die dem Staat gehören bzw. von ihm gechartet sind und nicht am gewerblichen Handel teilnehmen. 96 (Siehe dazu Rn. 744, 1308) Bei Zweifeln des Gerichtes über den staatlichen und nicht gewerblichen Charakter des Schiffes ist eine vom diplomatischen Vertreter oder einer anderen zuständigen Instanz des Flaggenstaates abgegebene Erklärung bindend. 97

cc) Sport- und Vergnügungsfahr^euge Eine rechtliche Eigenstellung kommt ferner den Vergnügungszwecken dienenden 429 Fahrzeugen zu. Kap.I Regel 3 der Anlage zu SOLAS 74/78 nimmt vom Anwendungsbereich der internationalen Sicherheitsbestimmungen u. a. aus: „Schiffe ohne mechanischen Antrieb, Holzschiffe einfacher Bauart, Vergnügungsyachten, die nicht dem Han-

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Siehe dazu den Charkieh-Fall betr. ein im Eigentum der Türkei stehendes Schiff, das für Handelszwecke eingesetzt wurde (Strupp-Schlochauer WdV Bd. 1 S. 272 f) und den Ice-King Fall, in dem vom RG bestätigt wurde, daß auch Handelsschiffe, wenn sie im Eigentum des Staates stehen, als Staatschiffe anzusehen seien (RGZ 103, 274). Vergl. dazu die Entscheidung des Court of Appeal (1880 5 RD.l 97) im Parlement Beige-Fall sowie die weiteren dazu in WdV Bd. 2 S. 74 aufgeführten Fälle. Es handelt sich um das Brüsseler Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10.04.1926 (RGBl. 1927 II S. 484). Das Abkommen, das mangels genügender Ratifizierungen nicht in Kraft getreten ist, wurde durch ein Zusatzprotokoll vom 24.05.1934 (RGBl. 1936 II S. 303) ergänzt. Geck (91) S. 336. Vergl. dazu die Ausführungen im Parlement-Belge-Fall WdV Bd. 2 S. 743 und den Ice-KingFall WdV Bd. 2 S. 3.

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C. Die Seeschiffahrt

delsverkehr dienen." Für einen Teil dieser Schiffe gelten nationale Sondervorschriften, so in der Bundesrepublik für Schiffe ohne mechanischem Antrieb der Teil C der Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (Schiffssicherheitsverordnung) 08.12.1986.98 dd) 430

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Sonderfahrzeuge Es bleiben Schiffe übrig, die besonderen Zwecken wie z. B. Forschung, Ausbildung u.ä. dienen und unter Umständen keiner der vorgenannten Schiffskategorien zugeordnet werden können oder nach Meinung des betr. Staates sollen (für die Bundesrepublik s. § 2 Abs. 1 bis 3 SchSV). In diesen Zusammenhang gehört der von der IMO erstellte „Code of Safety for Special Purpose ships"- IMO Resolution A 534 (13). Der Anlaß für diesen SPS-Code war, das neben der Besatzung an Bord befindliche Spezialpersonal nicht den Fahrgästen zuzuordnen und damit zu vermeiden, daß die Schiffe ausnahmslos den besonders weitgehenden Sicherheitsvorschriften für Fahrgastschiffe unterworfen würden. Der Kodex setzt sie im allgemeinen den Frachtschiffen gleich, stellt aber doch insbesondere hinsichtlich Bau- und Sicherheitsausrüstung höhere Anforderungen als für diese. d) Schiffe mit Spe^ialantrieb Von den mit Maschinenantrieb versehenen Schiffen werden in Sondervorschriften Schiffe der heute selteneren abweichenden Antriebsarten geregelt; es sind dies — Segelfahrzeuge, für die besondere Ausweichregeln, Lichter und Signalkörper vorgeschrieben sind (vgl. Regeln 10 und 25 der Internationalen Regeln von 1972); — die Reaktorschiffe, vgl. Teil VIII der Anlage zu SOLAS 1974/78 sowie den Kodex der IMO über Reaktorschiffe — Resolution 491 (XII); — Schiffe mit dynamisch unterstütztem Antrieb, worunter gegenwärtig die Luftkissenschiffe und Tragflächenboote fallen, für die es ebenfalls einen Kodex der IMO gibt - Resolution 373 (X) - . 2. Name und sonstige Unterscheidungsmerkmale des Schiffes; Schififsvermessung

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a) Der Schiffsname Die Schiffe werden von allen Kreisen der Seeschiffahrt als selbständige Wesen betrachtet; für den Seefahrer ist sein Schiff nicht nur ein Gefährt, sondern ein echter Lebensgefährte, und aus der sehr eigenartigen Liebe, die er ihm entgegenbringt, ist der Brauch erwachsen, den Schiffen bevorzugt weibliche Namen zu geben. Im Englischen werden daher auch die Schiffe nicht dem sächlichen, sondern dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. Dem Bedürfnis, ein Schiff von allen übrigen Schiffen deutlich zu unterscheiden, ist die durch die Gewohnheit geprägte Rechtsordnung gefolgt, indem sie für jedes Schiff einen Namen fordert. Eine positive Vorschrift, daß das Schiff einen Namen haben muß, gibt es im deutschen Recht nicht. Jedoch wird dessen Existenz in § 9 Abs. 1 F1G als selbstverständlich vorausgesetzt; dort wird vorgeschrieben, daß der Name an jeder Seite des Bugs und am Heck des Schiffes anzubringen ist. 95 Daß die Namensgebung alsbald nach der Fertigstellung des Schiffes zu erfolgen hat, ergibt sich mittelbar aus § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchRegO, wo bereits für die Anmeldung des Schiffes zur Eintragung in das 96 99

BGBl. 1986 I S. 2361. Dazu § 30 Abs. 2 F1RV.

III. Das Schiff

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Schiffsregister die Angabe des Namens gefordert wird; üblich ist die Namensgebung bei einer Schiffstaufe, die in Verbindung mit dem Stapellauf des Schiffes gefeiert wird. Anders als bei den Menschen, die ihren rechtmäßigen Namen in aller Regel Zeit ihres 433 Lebens behalten und ihn — jedenfalls nach deutschem Recht100 — nur unter erschwerten Bedingungen ändern dürfen, ist die Namensänderung der Schiffe häufig und im Anschluß an Verkäufe (namentlich ins Ausland) fast die Regel. Bei Seeschiffen, für welche ein Schiffszertifikat oder Schiffsvorzertifikat beantragt wird, schreibt § 9 Abs. 3 F1G eine rechtzeitige Anzeige des gewählten Namens an den Bundesverkehrsminister (BMV) vor. Die Anzeige ist an die Flaggenbehörde, d. h. das Bundesamt f. Seeschiffahrt nach Hydrographie, zu richten. Der BMV kann zur Wahrung des öffentlichen Interesses die Führung von bestimmten Schiffsnamen untersagen. Der Grund dafür ist, der fahrlässigen und ganz besonders der betrügerischen Verdunkelung der Identität (z. B. bei Schiffen, die den Sicherheitsanforderungen nicht genügen oder schlecht beleumundet sind) vorzubeugen. 101 Prause102 gibt als Grund das Bedürfnis an, politisch oder aus sonstigen Gründen unerwünschte Namen von der Handelsflotte fernzuhalten. Die Führung ein und desselben Namens ist unerwünscht, aber nicht ausgeschlossen. b) Der Heimathafen als Unterscheidungsmerkmal, besondere Kennzeichnung von Fischereifahrzeugen Eine deutliche Unterscheidung ist auch nicht mit dem Heimat- oder Registerhafen 434 (§ 480 Abs. 1 HGB; § 9 F1G) verbunden, dessen Namen zwar zusammen mit dem des Schiffes an seinem Heck anzubringen ist (§ 9 Abs. 1), sich aber nach Maßgabe der geschäftlichen Entscheidungen des Reeders ändern kann. In engem Zusammenhang mit der Angabe des Heimathafens steht bei den Fischereifahrzeugen die ergänzende Kennzeichnung, die sie aufgrund Landesrechtes nach Eintragung in eine neben dem Schiffsregister bestehende Liste erhalten, vgl. z. B. die Küstenfischereiordnungen Niedersachsens vom 27.04.1978 (§§ 8 — 10) und Schleswig-Holsteins vom 07.06.1983 (§ 17). Diese landesrechtlichen Vorschriften folgen der Forderung der Anlage IV des Übereinkommens von 01.06.1967 über das Verhalten beim Fischfang im Nordatlantik. c) Das Unterscheidungssignal Ein mit dem Schiff fester Verbundes Kennzeichen ist sein Unterscheidungssignal 435 (Kurzbezeichnung: U-Signal), welches zunächst dazu dient, die an Bord befindliche Seefunkstelle unverwechselbar zu kennzeichnen, damit aber gleichzeitig geeignet ist, das Schiff der Funkstelle von allen anderen Schiffen deutlich zu unterscheiden. Die tiefste rechtliche Grundlage der Unterscheidungssignale ist der Internationale Fernmeldevertrag vom 06.11.1982,103 der mehreren gleichnamigen Verträgen gefolgt ist.104 Artikel 83 des Vertrages besagt, daß die Bestimmungen des Vertrages durch Vollzugsordnungen ergänzt werden. Aus der dann folgenden Aufzählung interessiert hier die „Vollzugsordnung für 100

101 102 103 104

Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen vom 05.01.1938 (RGBl. I S. 9), geändert durch Gesetz vom 10.03.1975 (BGBl. I S. 685). Schaps-Abraham (77) 3. Aufl. Bd. 1 S. 337. Prause, Fritz, Das Recht des Schiffahrtskredits 3. Aufl. 1979, S. 175. Gesetz zu dem Vertrag vom 04.03.1985 - BGBl. II S. 425. Der neue Vertrag löst im Verhältnis zwischen den Vertragspartnern unmittelbar den Vertrag vom 25.10.1973 (BGBl. II S. 1089) ab.

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C. Die Seeschiffahrt

den Funkdienst" nebst einer dazu ergangenen Zusatz-Vollzugsordnung. Die Vollzugsordnung — in der Praxis kurz als „VO-Funk" bezeichnet — ist von der Union Internationale des Télécommunications (UIT) — meist mit der englischen Abkürzung ITU zitiert — erlassen worden 105 . Sie enthält in Artikel 25 nähere Bestimmungen über die Unterscheidungssignale der Seefunkstellen. Danach besteht jedes U-Signal aus vier Zeichen. Diese sind in aller Regel Buchstaben, von denen einer als internationaler Kennbuchstabe am Anfang steht, zwei von ihnen können aber auch Zahlen sein. Die ITU verteilt an alle angeschlossenen Verwaltungen in Anhang 13 A der VO-Funk „Zeichen für den Funkverkehr im beweglichen Seefunkdienst". 436

Die Bundesrepublik hat dabei die Buchstabengruppen D A A — DRZ erhalten. Diese sind — abgesehen von einem Kontingent des BMVtg dem BMV zugewiesen worden; in seinem Auftrag verteilt das DHI Gruppen an die einzelnen Schiffsregister sowie — zwecks Zuweisung an die Schiffe des Öffentlichen Dienstes — an die Wasser-und Schiffahrtsdirektionen, den Zoll und den Bundesgrenzschutz.

Aus dieser Regelung wird klar, daß ein Schiff sein Unterscheidungssignal behält, solange es — unabhängig von seinem jeweiligen Namen — seine Staatszugehörigkeit nicht ändert. Beim Flaggenwechsel allerdings erhält das Schiff ein neues U-Signal von dem Staat, dem es nunmehr zugehört. Da das U-Signal geeignet ist, ein Schiff regelmäßig noch dauerhafter zu kennzeichnen als sein Name, wird es in der Bundesrepublik wie dieser in der Ersten Abteilung des Schiffsregisters eingetragen (vgl. dazu § 27 SchRegO); so auch in der jährlich nach dem Stande vom 31.12. vom BMV im VkBl. bekanntgegebenen „amtlichen Liste der Seeschiffe der Bundesrepublik Deutschland".

437

438

d) Die Kennummer Die 15. Vollversammlung der IMO hat 1987 beschlossen - Res.A.600(15) - , für die sichere Kennzeichnung eines Seeschiffes eine Kennummer (Ship Identification Number) nach Maßgabe eines von der IMO vorzuhaltenden Schemas einzuführen. Anders als die bisher aufgezeigten veränderlichen Unterscheidungsmerkmale des Schiffes würde diese Kennummer während der ganzen Lebensdauer des Schiffes unverändert, nämlich auch vom Wechsel seiner Staatszugehörigkeit unberührt bleiben. Die Parallele zur Identifizierungsnummer der Kraftfahrzeuge ist unverkennbar. Den Mitgliedstaaten der IMO ist die Anwendung des neuen Kennzeichensystems lediglich empfohlen worden; jedoch ist kaum zu bezweifeln, daß ihm die Zukunft gehört. e) Die Schiffsvermessung Neben dem Namen und dem Unterscheidungssignal stellt der aufgrund amtlicher Vermessung errechnete Raumgehalt des Schiffes eine wichtige Kennzeichnung dar. Die Vermessung ist notwendige Voraussetzung für die Eintragung in das Schiffsregister, die für Schiffe ab 50 cbm Bruttoraumgehalt vorgeschrieben ist und bei Schiffen geringeren Raumgehalts vom Eigentümer beantragt werden kann. 106 Hauptzweck des nach der Vermessung errechneten Raumgehalts ist jedoch nicht die zusätzliche Kennzeichnung. Der Raumgehalt dient vielmehr 105 106

In der Bundesrepublik vom BMP herausgegeben. § 1 Abs. 1 der Schiffsvermessungsverordnung vom 05.07.1982 (BGBl. I S. 916).

III. Das Schiff

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— als Grundlage für die Berechnung zahlreicher öffentlicher Gebühren (Hafen-, Kanal-, Lotsgebühren u.s.w.) oder privater Dienstleistungsentgelte (Schlepper, Festmacher, Eisbrecher, Makler, Versicherung u.ä.); — zur Ermittlung der konkreten Anforderungen, die diverse Rechtsvorschriften von der Schiffsgröße abhängig machen, so die internationalen und nationalen Rechtsvorschriften über die Schiffsregister, die für die Sicherheit der Schiffe geforderten Voraussetzungen für die Konstruktion, die Ausrüstung sowie die Besetzung der Schiffe, das Verhalten im Verkehr sowie die Abfertigung der Schiffe durch Hafen-, Zoll und Gesundheitsbehörden. Das erste, auch für die deutsche Schiffsvermessung richtungsgebende Schiffsvermes- 439 sungssystem war das 1854 von Großbritannien eingeführte, nach seinem Verfasser benannte Moorsom-Verfahren. Vermessen werden danach — dieser Grundsatz wirkt trotz vieler späterer Änderungen bis in die Gegenwart fort — Innenräume des Schiffes. Aus den Längen-, Breiten- und Höhenmaßen wurde der Raumgehalt in englischen Kubikfuß berechnet; das ausgewiesene Maß war und ist die Registertonne (100 Kubikfuß) mit einem auf das metrische System umgerechneten Raumgehalt von 2.83 cbm. Festgestellt wurden zwei Raumgehalte: — der zwischen dem Schiffs-Doppelboden und bestimmten durch Decks und Aufbauten gebildeten oberen Begrenzungsflächen befindliche „Bruttoraumgehalt" und der nach Abzug bestimmter dem Schiffsbetrieb dienender Räume ermittelte Raumgehalt der unmittelbar dem Erwerb durch die Seefahrt dienenden Räume, der „Nettoraumgehalt". Das Deutsche Reich übernahm in seiner ersten Schiffsvermessungsordnung von 1872 440 das Moorsomsche Berechnungsverfahren, nicht aber dessen Regelungen betr. die Abzüge. Von einer Gleichstellung mit konkurrierenden Schiffen anderer Flaggen war man noch weit entfernt, da trotz einheitlicher Hauptabmessungen die vom Grundsystem abweichenden Vermessungsvorschriften der Schiffahrtsländer zu oft stark divergierenden Raumgehaltsergebnisse führten und für den Suez- und Panamakanal auch noch besondere Vermessungsvorschriften erlassen wurden. Für das Auseinanderklaffen der Vermessungsergebnisse nennt Klüver 107 einen Erzfrachter, der unter der Flagge der USA 12.860 BRT, unter der Flagge der Bundesrepublik hingegen 25.530 BRT haben würde. Wegen der mit dem Raumgehalt des Schiffes verbundenen wirtschaftlichen, insbes. finanziellen Folgen wurde in der Schiffahrtswelt auf Vereinheitlichung der Schiffsvermessung gedrängt. Der deutscherseits schon zwischen 1869 und 1872 unternommene Versuch, die Ver- 441 messungsregeln international festzuschreiben, war an der britischen Auffassung gescheitert, erst den Text des Merchant Shipping Act 1854 zum nationalen Gesetz zu machen und erst dann strittige Fragen einer internationalen Einigung zuzuführen. Deshalb wurden vor dem Ersten Weltkrieg vom Deutschen Reich zweiseitige Verträge geschlossen, die die gegenseitige Anerkennung von Schiffsmeßbriefen regelten. Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich 1926 der Völkerbund der Vereinheitlichungsfrage an; aber erst nachdem man Großbritannien die Federführung übertragen hatte, wurde 1939 ein Entwurf fertiggestellt. Er führt nach dem Zweiten Weltkrieg zu dem am 10.10.1947 in Oslo abgeschlos-

107

Klüver, Karl, J, Handb. der Werften 1985, Schiffsvermessung jetzt und in Zukunft.

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C. Die Seeschiffahrt

senen „Übereinkommen über ein einheitliches System der Schiffsvermessung", 108 dem sogenannten Oslo-Übereinkommen, das auf der Konferenz der Vertragsregierungen in Oslo am 21. Mai 1965 geändert wurde. 109 Auch dieses Übereinkommen war auf dem Wege zur weltweiten Vereinheitlichung nur ein Schritt, denn nicht mehr als 15 Staaten, unter ihnen die Bundesrepublik Deutschland, ratifizierten es; Belgien, obwohl Unterzeichnerstaat, ratifizierte nicht. 442

Die IMO setzte den Weg mit der Erarbeitung eines Übereinkommenentwurfs fort, lud schließlich zu einer Schiffsvermessungskonferenz nach London ein, die im Frühjahr 1969 stattfand und mit der Unterzeichnung des heute maßgeblichen „Übereinkommens über ein einheitliches System der Schiffsvermessung" vom 23.06.1969 endete. Dieses Übereinkommen ist am 18.07.1982 für die Vertragsstaaten in Kraft getreten. 110 Vertragsstaat ist auch die Bundesrepublik Deutschland, die bereits 1975 ratifiziert hatte 111 und mit Wirkung vom Tage des Inkrafttretens die Schiffsvermessungs-Ordnung vom 28.11.1962 durch die Verordnung über die Schiffs- und Schiffsbehältervermessung (Schiffsvermessungs-Verordnung, SchVmV) vom 05.07.1982 112 ersetzte. Diese Verordnung bildet die nationale Ergänzung des Übereinkommens und regelt im wesentlichen — die Verpflichtungen des Reeders betreffend Vermessungsantrag, Änderungsanzeigen und Mitwirkung am Vermessungsverfahren (§§ 1, 2, 8, 10), — das Verfahren des Bundesamtes für Schiffsvermessung für die Vermessung der Seeschiffe, welche die Bundesflagge führen (§§ 3 — 7), — die Form der Meßbriefe und -bescheinigungen (§ 9), — die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (§ 13) und — die Kosten des Verfahrens (§ 15).

443

Um die Schiffsvermessung in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium verständlich zu machen, sind nachfolgend nicht nur das neue Übereinkommen von 1969, sondern auch die allgemeinen Entwicklungstendenzen nach dem für die Vertragsstaaten zwar nicht mehr rechtsverbindlichen, aber dennoch praktisch wirksamen Oslo-Übereinkommen von 1947/1965 aufzuzeigen; dies besonders im Hinblick auf die mit Schwierigkeiten erstellten und immer noch umstrittenen Übergangsvorschriften, die bis 1994 für die beim Inkrafttreten des neuen Übereinkommens vorhandenen Schiffe gelten sollen. Ursprünglich war nur der Nettoraumgehalt von Interesse und diente sowohl der Statistik wie den Abrechnungen in den Häfen als Grundlage. Ende des letzten Jahrhunderts wurde für die Statistik und für auf das Schiff bezogene Vorschriften nach und nach das BruttoPrinzip eingeführt. Hingegen wurden Hafenabgaben usw. bis weit nach dem zweiten Weltkrieg auf Netto-Basis errechnet, so auch heute noch am Suez- und Panamakanal und an der ganzen amerikanischen Küste. Der Übergang auf die Abrechnung nach der Bruttotonnage ist darauf zurückzuführen, daß deren größere Zahl höhere Abgaben auf der gleichen Bemessungsbasis ermöglichte.

444

Da immer mehr nationale und internationale Vorschriften BRT-Zahlen als Parameter enthielten, sahen sich die Reeder und Werften veranlaßt, Schiffe zu bauen, die optimal 108

105 110 111 112

Dazu Gesetz vom 08.10.1957 (BGBl. II S. 1469); Berichtigung und nachträgliche Bekanntgabe von drei Konferenz-Empfehlungen siehe Bekanntmachung vom 05.02.1958 (BGBl. II S. 67). Gesetz vom 11.08.1967 - BGBl. II S. 2157. Siehe dazu Hansa 1982 Nr. 14 S. 908. Gesetz vom 22.01.1975 - BGBl II S. 65. BGBl. 1982 II S. 916.

III. Das Schiff

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an die vorgegebenen Grenzen (z. B. 500, 1000, 1600, 4000 BRT) heranreichten, die sogen. Paragraphen-Schiffe. Dabei wurden alle Möglichkeiten, welche die Vermessungsregeln des Oslo-Übereinkommens boten, ausgeschöpft. Früher war das Oberdeck auch das Vermessungsdeck gewesen. Als die britischen Regeln die abzugsfähigen „Offenen Räume" einführten, die nur in Aufbauten liegen konnten, mußte eine Unterscheidung getroffen werden, da das oberste Aufbaudeck ja auch vollständig von vorne bis achtern durchlaufen konnte. So wurde zusätzlich der Begriff „Vermessungsdeck" eingeführt. Für die Osloer Regeln war das Vermessungsdeck das zweite vollständige Deck von oben. Das Oberdeck bei den sogen. „Schutzdeckern" war mittels einer „Vermessungsöffnung" immer offen. Zur Definition der vorerwähnten Decksbezeichnungen: 445 — „Vollständig" ist ein Deck nur, wenn es von vorn bis achtern (mindestens zwischen den Piekschotten) und von Bord zu Bord durchläuft, einen festen Teil der Schiffskonstruktion darstellt und mit ordentlichen, insbesondere Festigkeitsanforderungen genügenden Lukenabdeckungen versehen ist. — „Oberdeck" ist das oberste vollständige, dem Wetter und der See ausgesetzte Deck, das ständige Einrichtungen hat, um alle dem Wetter ausgesetzten Öffnungen zu schließen. Unterhalb des Decks müssen Öffnungen mit wasserdichten Verschlüssen versehen sein. — „Vermessungsdeck" ist nun aber das Oberdeck lediglich bei Schiffen, die nur ein vollständiges Deck haben; hingegen ist bei Schiffen mit zwei oder mehr vollständigen Decks — und dies ist eine wesentliche Neuerung — Vermessungsdeck das vollständige nächste Deck unter dem Oberdeck. Sind hiemach Vermessungsdeck und Oberdeck nicht identisch, so wird der Kubikinhalt 446 des Raumes zwischen ihnen (Zwischendecks-Raumgehalt) zwar grundsätzlich dem Bruttoraumgehalt zugerechnet (Artikel 7); das gilt aber nicht — und das ist die Attraktion des Übereinkommens —, wenn nach Maßgabe des Artikels 58 Öffnungen in Decks, Seitenwänden oder Querschotten vorhanden sind und der so gestaltete „Schutzdeckraum" als offen anzusehen ist. Wegen des dergestalt zu erzielenden vorteilhaften Vermessungsergebnisses wurden viele offene Schutzdecker gebaut. Unter Beibehaltung der vorgegebenen Grenzen wurden sie immer größer, weil zunehmend mehr Laderäume oberhalb des einmessungspflichtigen „Unterdecks", die sogen, „offenen" Laderäume, geschaffen wurden. Dies wurde auch begünstigt durch die sich ändernden Beladungsanforderungen an Trockenfrachtschiffe. Hatte man früher loses Sack- und Stückgut, so begann bereits in den frühen 60er Jahren die Palettierung und später die „Containerisierung". Bei Bedarf konnten die offenen Schutzdecker durch einfaches Verschließen von Vermessungsluken in geschlossene Schutzdecker umgewandelt werden, bedurften dann aber wegen des damit gestiegenen Bruttoraumgehaltes eines anderen Meßbriefes, der zwecks Vermeidung von Missbrauch an Bord nicht zur Hand sein durfte, sondern in der Bundesrepublik von Bundesamt für Schiffsvermessung gegen den bisher verwendeten ausgewechselt werden mußte. Diese Wechselmöglichkeit blieb auch erhalten und wurde sogar gefördert, als das Oslo- 447 Übereinkommen 1965 geändert wurde. In Verfolg der schon 1963 gefaßten IMCOResolution 48 (III) wurde gefordert, auf beiden Schiffsseiten außenbords in näher bestimmter Weise bei der Freibordmarke (vgl. Rn. 512) Vermessungsmarken anzubringen, die dem jeweiligen Vermessungszustand entsprechen; dafür konnten dann aber im Inter-

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C. Die Seeschiffahrt

esse der Schiffssicherheit die Vermessungsluken definitiv geschlossen werden. Damit war aus dem offenen Schutzdecker der sogen. Freidecker geworden, ohne daß sich an der bisherigen Vergünstigung, der Nichteinmessung der Schutzdeckladeräume, etwas änderte. Freilich entstand damit nun eine noch offensichtlichere Ungleichbehandlung zwischen gleichgroßen Schiffen, den Freideckern einerseits und den als Volldecker vermessenen andererseits. Dieser Umstand war ausschlaggebend für die grundlegende Neuregelung der Schiffsvermessung in dem Internationalen Schiffsvermessungs-übereinkommen von 1969. 1,3 Das Übereinkommen von 1969 gilt für Schiffe in der Auslandsfahrt, d. h. für Seereisen zwischen einem Vertragsstaat und einem Hafen außerhalb desselben. Ohne Ausnahme gilt es für „neue" Schiffe, d. h. solche Schiffe, deren Kiel seit dem Inkrafttreten des Übereinkommens am 18.07.1982 gelegt worden ist. Für die an diesem Stichtag „vorhandenen Schiffe" gilt es ohne Ausnahme erst nach einer Frist von zwölf Jahren, d. h. ab 18.07.1994; vorher gilt es nur, wenn der Reeder es beantragt oder das Schiff umgebaut oder so verändert wird, daß sich der bisherige Bruttoraumgehalt nach Meinung der Verwaltung wesentlich ändert. Das Übereinkommen gilt nicht für Kriegsschiffe und für Schiffe von weniger als 24 m Länge. 114 448

Die wesentliche Neuerung des Übereinkommens von 1969 ist, daß das Vermessungsergebnis sich nicht mehr in der Angabe von Raumgehalten, sondern in reinen Zahlen niederschlägt, der Bruttoraumzahl (BRZ, englisch: gross tonnage) und der Nettoraumzahl (NRZ, englisch: net tonnage). Die „Regeln" für die Ermittlung der Brutto- und Nettoraum- Zahlen von Schiffen finden sich in der Anlage I des Übereinkommens; ein Anhang I dieser Anlage enthält erklärende Bilder, auf die in Regel 2 Abs. 5 Bezug genommen wird. Die Bruttoraumzahl errechnet sich aus zwei Faktoren, von denen der erste (V) der in Kubikmetern gemessene Raumgehalt aller geschlossenen Räume des Schiffes ist und der zweite (K) ein Beiwert, der aus dem Anhang II der Anlage des Übereinkommens zu entnehmen ist und dazu dient, die Bruttoraumzahl möglichst dem Ergebnis der früheren Raumgehaltsvermessung anzugleichen; mathematisch ausgedrückt also: B R Z = V x K. Zur Feststellung des Raumgehaltes werden jetzt alle geschlossenen Räume berücksichtigt, also der Schiffskörper von der Basis bis zum Oberdeck in den Bug- und Heckkonturen, die Oberdeckluken bis zur Oberkante der Lukenhülle und Lukenabdeckungen, die Aufbauten, die Deckshäuser, sonstige Bauteile wie Masten, Lüfterschächte, Kranfundamente, Schornsteine, Niedergänge usw. über dem Oberdeck. Dazu gehören auch die mit dem Schiffskörper festverbundenen Tanks, die auf oder über dem Deck stehen. Für Räume über dem Oberdeck ergeben sich gewisse Ausnahmen aus der Regel 2 Abs. 5. Die Bruttoraumzahl wird stets in einer abgerundeten Zahl ohne Dezimale angegeben. Die Nettoraumzahl ist, obwohl ihre mathematische Formel komplizierter erscheint, nur noch abhängig vom Inhalt aller Laderäume, dem Tiefgang und der Seitenhöhe des Schiffes sowie der zugelassenen Anzahl der Fahrgäste, wenn diese größer ist als 12.

113 114

Gesetz vom 22.01.1975 (BGBl. II S. 65). Für letztere enthält die Schiffsvermessungsverordnung Vorschriften in § 1 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 1.

III. Das Schiff

167

Das aufgrund der neuen Vermessung zu erstellende Schiffsdokument ist der „Inter- 449 nationale Schiffsmeßbrief 1969". Er wird von der Verwaltung des jeweiligen Vertragsstaates oder einer von ihr ordnungsgemäß ermächtigten Stelle ausgestellt. In der Bundesrepublik Deutschland ist das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (Rn. 1738) zuständig. Eine Vertragsregierung darf eine andere ersuchen, einen internationalen Schiffsmeßbrief in ihrem Namen auszustellen. Ein solcher Meßbrief enthält eine entsprechende Erklärung der ausfertigenden Vertragsregierung. Das Ubereinkommen legt fest, daß ein Internationaler Schiffsmeßbrief 1969 seine Gültigkeit verliert, wenn das Schiff seine Flagge wechselt; in diesem Falle soll der neue Flaggenstaat innerhalb von drei Monaten einen neuen Meßbrief ausfertigen. Ein Internationaler Schiffsmeßbrief 1969 ist gegen einen neuen auszuwechseln, wenn bauliche oder sonstige Änderungen zu einer Vergrösserung der Brutto- oder Nettoraumzahl führen (Artikel 10 Abs. 1). Bei einer Verringerung der NRZ soll ein neuer Internationaler Schiffsmeßbrief erst nach Ablauf von zwölf Monaten nach Ausstellung des bis dahin geltenden Meßbriefes erteilt werden; diese Regelung wurde eingeführt, um den bisher bei einer Reihe von Wechselschiffen üblichen Austausch von Meßbriefen einzuschränken. Die IMO-Resolutionen A.494 (XII), A.540 und 541 (13) berücksichtigen die Konse- 450 quenzen aus dem Internationalen Schiffsvermessungs-übereinkommen von 1969, wonach Schiffe, die große „offene" Räume — d. h. nichteingemessene Schiffsräume — haben, zukünftig ein bisweilen deutlich größeres Vermessungsergebnis aufweisen. Nach diesen Resolutionen kann für ein Schiff, für das ein Internationaler Schiffsmeßbrief 1969, d. h. in gross tonnage (Bruttoraumzahl), ausgefertigt wurde, übergangsweise auch eine Vermessung nach den alten „nationalen Vermessungsvorschriften" durchgeführt werden (für die Bundesrepublik also nach den Oslo-Regeln). Deren Ergebnis in Bruttoregistertonnen kann herangezogen werden für die Anwendung des SOLAS-Übereinkommens bei Schiffen unter 1600 BRT, für das Internationale Übereinkommen von 1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten sowie für MARPOL mit einer Tonnagegrenze von 400 BRT. Für Schiffe unter Bundesflagge stellt das Bundesaufsichtsamt auf Antrag des Reeders eine Bescheinigung entsprechend der Resolution A. 494 (XII) auch für Bordzwecke zur Verfügung. Es gibt eine Übereinkunft mit den deutschen Seehäfen und dem NOK, daß diese Bescheinigung wie die vergleichbare anderer Staaten für die Abrechnung in den Häfen herangezogen werden kann. Dieses ist ein Entgegenkommen an die Küstenschiffahrt, deren Trockenfrachter als sogen. Paragraphen-Schiffe in besonderer Weise von den alten Vermessungsregeln begünstigt waren. 3. Die Staatszugehörigkeit des Schiffes Neben den unter Abschnitt II 2) behandelten Merkmalen ist die Staatszugehörigkeit 451 ein Merkmal des Schiffes , dessen rechtliche Bedeutung jedoch die der vorgenannten wesentlich übertrifft. Wenn der Staat für ein Schiff das Recht verleiht, seine Flagge zu führen, entsteht leicht der Eindruck, daß dies nur geschehe, um dem Schiff ein seine Staatszugehörigkeit kennzeichnendes Merkmal zur Verfügung zu stellen. Dabei würde jedoch übersehen, daß das Recht zur Führung der Flagge nur eine Folge des sehr viel weiterreichenden Verwaltungsakts ist, da mit ihm der Staat das Schiff seiner Rechtsordnung unterstellt. Für das Schiff ist dieser staatliche Zuordnungsakt notwendig, weil es

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C. Die Seeschiffahrt

sonst auf der Hohen See, die den Hoheitsrechten der Küstenstaaten grundsätzlich entzogen ist, keiner Rechtsordnung unterläge und der Willkür an Bord Tür und Tor geöffnet wäre. Im folgenden wird daher nach den Regeln des Flaggenrechts auf die Rechtsordnung des verleihenden Staates und ihre Grenzen einzugehen sein; dies vor allem im Hinblick auf die neue Entwicklung des sogenannten Zweitregisters.

452

a) Flaggenrecht, Seeschiffsregister Völkerrechtliche Grundsätze über die Staatszugehörigkeit von Seeschiffen befinden sich in den Artikeln 4 — 7 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See vom 29.04.1958115; sie sind in die Artikel 90 - 92 und 94 SRÜ übernommen worden und besagen, daß jeder Staat, ob mit oder ohne Meeresküste, berechtigt ist, die Hohe See mit Schiffen zu befahren, die seine Flagge führen. Für die Staaten ohne Meeresküste war dies Recht bereits durch die Barcelona-Erklärung vom 20.04.1921 über die Anerkennung des Flaggenrechts der Staaten ohne Meeresküste verlautbart worden. Die Staaten sind verpflichtet, die Bedingungen festzulegen, unter denen sie einem Schiff die Staatszugehörigkeit zuerkennen, ihr Register öffnen, die Führung ihrer Flagge gestatten und die erforderlichen Schiffsdokumente erteilen. Bei der Festsetzung der Voraussetzungen hat der Staat lediglich zu beachten, daß zwischen Schiff und Staat wirklich eine „echte Verbindung" (genuine link) besteht; vgl. Artikel 4 und 5 des Übereinkommens über die Hohe See und Artikel 91 Abs. 1 SRÜ. Bisher fehlte eine nähere Bestimmung darüber, was als „echte Verbindung" anzuerkennen ist. Daher bot auch das Völkerrecht keine einwandfreie Grundlage gegen die Praxis der Staaten, die ihr Register ohne nennenswerte Hindernisse grundsätzlich allen Schiffen öffnen und erst durch die Registrierung eine Verbindung zwischen sich und dem registrierten Schiff herstellen (flags of convience) und wegen der dort möglichen Ersparnisse an Personalkosten und Steuern einen erheblichen Anreiz für Reeder aus anderen Ländern bieten (billige Flaggen). 116 Ein auf Betreiben der UNCTAD am 07.02.1986 abgeschlossenes Übereinkommen über die Bedingungen der Registrierung von Schiffen (Conditions for Registrations of ships) sucht die o. a. „echte Verbindung" zwischen Schiff und Staat durch Grundsätze über die Voraussetzungen und Konsequenzen der Registrierung näher festzulegen. Das Übereinkommen ist noch nicht in Kraft. Die EGMitgliedstaaten werden es erst ratifizieren können, wenn — ähnlich wie beim Verhaltenskodex für Linienkonferenzen (Rn. 396 ff) — dafür in der EG einheitliche Modalitäten festgelegt worden sind.

453

Jeder Staat hat über die Verleihung des Rechtes zur Führung seiner Flagge dem Schiff entsprechende Dokumente zu erteilen. Die Schiffe dürfen keine andere Flagge führen als die desjenigen Staates, dem sie zugehören. Entsprechend ist auch grundsätzlich nur dieser Staat berechtigt, auf Hoher See seine Hoheitsgewalt gegenüber dem Schiff anzuwenden. Schiffe, die wechselweise mehrere Flaggen führen, stehen wie staatenlose Schiffe dem Zugriff aller Staaten offen. 117 Die Bundesrepublik Deutschland genügt den Rechtsetzungsverpflichtungen des Artikels 92 SRÜ mit den nachstehend zu behandelnden Vorschriften: In Artikel 27 GG ist für die wichtigste Kategorie der deutschen Seeschiffe, die Kauffahrtei- oder Handelsschiffe, der 115

116

117

Gesetz zum Übereinkommen vom 29. April 1958 über die Hohe See vom 21.09.1972 - BGBl. II S. 1089. Dazu Breuer, Gerhard, Gegenwartsfragen des Verhältnisses Reeder — Flagge — Staat, Festschrift für Schlochauer, 1981, S. 216. Siehe Abschnitt C H I , Rn. 279.

III. Das Schiff

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Grundsatz festgelegt, daß sie eine einheitliche Handelsflotte bilden. Für sie ist damit gegenüber der Völkergemeinschaft verbindlich ausgesagt, daß mindestens für sie nur eine einheitliche Flagge, d. h. Staatszugehörigkeit, in Betracht komme; eine Festlegung, die auch innerstaatlich gegenüber den Ländern von Bedeutung ist. 118 Das Flaggenrechtsgesetz vom 08.02.1951 119 bestimmt auf dieser Grundlage, — andere 454 Schiffskategorien (Schiffe des öffentlichen Dienstes und Vergnügungsfahrzeuge) einbeziehend — in § 1 Abs. 1, daß alle Seeschiffe, deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben, die Bundesflagge zu führen haben. 120 In § 1 Abs. 2 stellt das Flaggenrechtsgesetz Handelsgesellschaften und juristische Personen, in denen ein näher definiertes deutsches Ubergewicht festzustellen ist, den natürlichen Personen gleich. Neben den Personen, deren Schiffe beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 an die Führung der Bundesflagge gebunden sind, öffnet § 2 das deutsche Schiffsregister noch für einen weiteren Personenkreis, deren Schiffe unter besonderen Umständen die Bundesflagge führen dürfen. Zu diesem Personenkreis gehören Deutsche ohne Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes (Abs. 1), Partenreedereien mit mindestens einem deutschen Mitreeder und Erbengemeinschaften, in denen Deutsche ein bestimmtes Übergewicht haben und vertretungsberechtigt sind (Abs. 2). Für eine weitere Gruppe von Schiffen kann das Recht zur Führung der Bundesflagge 455 im Wege besonderer Verleihungen durch den Bundesminister für Verkehr erlangt werden. Es handelt sich um die beiden in §§ 10 und 11 F1G genannten Fälle: — Nach § 10 F1G kann die Befugnis einem Seeschiff für die erste Überführungsreise in einen anderen Hafen verliehen werden, wenn das Schiff für einen Ausländer im Geltungsbereich des Grundgesetzes erbaut worden ist; — nach § 11 F1G kann die Befugnis einem deutschen Ausrüster mit Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes für ein Schiff ausländischer Flagge verliehen werden, wenn ihm das Schiff zur Bereederung in eigenem Namen für mindestens ein Jahr überlassen ist, das Schiff gemäß den Vorschriften des Bundesrechts besetzt wird, der Eigentümer dem Flaggenwechsel zustimmt und nicht fremdes Recht der Führung der Bundesflagge entgegensteht. § 11 F1G war 1951 beim Inkrafttreten des Flaggenrechtsgesetzes von großer praktischer Bedeutung, da nach dem Zweiten Weltkrieg die Reste der deutschen Handelsflotte sich in den Händen von Siegermächten befanden, von den USA und Großbritannien viele Schiffe zurückgechartert, aber ohne die genannte Sonderregelung nicht unter die Bundesflagge gebracht werden konnten.

Die logische Parallele zu § 11 bildet der § 7, wonach der Bundesminister für Verkehr 456 genehmigen kann, daß ein im deutschen Schiffsregister registriertes und ins Ausland verchartertes Schiff für eine Dauer bis zu zwei Jahren ohne Löschung im Register eine fremde Flagge führt, sofern der fremde Staat zustimmt. Zu einer solchen Zustimmung hat sich insbesondere Panama bereitgefunden. Damit war ein neuer Weg eröffnet, Vorteile einer „billigen" Flagge zu nutzen. Der deutsche Reeder verchartert das Schiff für zwei Jahre ins Ausland, das Schiff wechselt die Flagge und wird unter dieser zurückgechartert. Ist die Zwei-Jahres Frist abgelaufen, so wird eine neue Genehmigung beantragt und vom Bundesminister für Verkehr entgegen seiner früheren strengeren, mehr am Gesetzeszweck 1.8 1.9 120

Dazu Maunz-Dürig-Herzog Rn. 5 und 6, 15 bis 20 zu Art. 27. BGBl. 1951 I S. 79, neue Fassusng s. Bek. v. 04.07.1990 - BGBl. I S. 1342. Siehe Hoog, Günter, Deutsches Flaggenrecht, Werkheft 37 des Instituts für Internationale Angelegenheiten der Universität Hamburg, 1982.

170

C. Die Seeschiffahrt

orientierten Praxis auch erteilt, weil die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Antragsteller dies fordern und der Wortlaut des § 7 F1G nicht zwingend dieser milden Auslegung im Wege steht. Zweifelhafter ist schon, ob die Vorschrift des § 7 F1G mit den Artikeln 6 und 7 des Übereinkommens über die Hohe See oder Artikel 92 SRÜ noch in Einklang zu bringen ist, da das Schiff weder den Eigentümer wechselt, noch das Register, in dem nur die erteilte Genehmigung des Bundesministers für Verkehr vermerkt wird. 457

Nachstehende Vorschriften des Flaggenrechtsgesetzes regeln den Nachweis des Rechts zur Führung der Bundesflagge: — Seeschiffe, die nach §§ 1 oder 2 F1G zur Führung der Bundesflagge berechtigt sind, weisen ihr Recht durch das Schiffszertifikat nach und dürfen es vor seiner Erteilung nicht ausüben (§ 4 Abs. 1). — Entsteht das Recht bei einem Seeschiff, das sich im Ausland befindet, so kann dem Schiff vorläufig — auf die Dauer von 6 Monaten befristet — ein Schiffsvorzertifikat" erteilt werden (§ 5). Zuständig für die Erteilung ist nach § 2 F1RV121 das Konsulat, in dem sich auch das Schiff bei Entstehung des Rechts befindet.

458

Seeschiffe im Eigentum und öffentlichen Dienst des Bundes, eines Bundeslandes oder einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder Anstalt weisen sich wahlweise durch eine „Flaggenbescheinigung" aus (§ 3 Buchstabe c F1G), deren Ausstellung nach § 12 F1RV122 im allgemeinen der Flaggenbehörde (Bundesamt f. Seeschiffahrt und Hydrographie), bei Schiffen der Bundeswehr dem BMVert obliegt. 123 Seeschiffe, denen das Recht zur Führung der Bundesflagge nach §§10, 11 verliehen worden ist, weisen ihre Befugnisse durch einen „Flaggenschein" nach (§ 3 Buchstabe b). Einzelheiten über den Flaggenschein, insbesondere das Antragsverfahren, regeln §§ 6 bis 11 F1RV.124

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Seeschiffe schließlich, deren Rumpflänge 15 Meter nicht übersteigt, zum Nachweis ihres Rechtes wahlweise ein „Flaggenzertifikat" erhalten (§ 3 Buchstabe d F1G, §§ 14—18 F1RV). Alle Seeschiffe, welche die Bundesflagge führen, dürfen andere Flaggen nicht als Nationalflagge führen (§ 6 Abs. 1). Jedoch läßt es § 6 Abs. 2 ausdrücklich zu, daß Seeschiffe im öffentlichen Dienst anstelle oder neben der Bundesflagge eine Dienstflagge führen. Siehe ferner die Flaggenordnung für den Bundesgrenzschutz vom 17.12.1951125 und betreffend Führung der Postsignalflagge die Vierte DurchführungsVO zum Flaggenrechtsgesetz vom 05.12.1951. 126

460

Die gesetzlichen Vorschriften über Schiffsregister und die Schiffsurkunden enthält die Schiffsregisterordnung vom 26.05.1951; 127 Formvorschriften über die Einrichtung und Führung der Schiffsregister sowie allgemeine Verfahrensvorschriften enthält eine aufgrund 121 122 123 124 125 126 127

Flaggenrechtsverordnung vom 04.07.1990 - BGBl. I S. 1389. BAnz. Nr. 83 vom 02.05.1951. Vorher geltende Verwaltungsanordnungen sind im § 33 Nr. 4 F1RV aufgehoben. Die bisher maßgebliche 2. DVF1G ist durch § 33 F1RV aufgehoben. BAnz. 1952 Nr. 54 S. 2. BGBl. 1951 II S. 403. BGBl. 1951 I S. 359, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 04.07.1980 (BGBl. I S. 833); FN A 3 1 5 - 8 .

III. Das Schiff

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von § 91 SchRegO vom Bundesminister der Justiz (BMJ) mit Zustimmung des Bundesrates erlassene Durchführungsverordnung (SchRegDV) vom 24.11.1980. 128 Für die Führung der Schiffsregister begründet § 1 Abs. 1 ganz allgemein die Zuständigkeit der Amtsgerichte. Gerade im Hinblick auf die Seeschiffsregister haben jedoch die Landesregierungen von ihrem Recht (§ 1 Abs. 2) Gebrauch gemacht, nach Maßgabe der praktischen Bedürfnisse die Zahl der Registergerichte zu beschränken. Seeschiffsregister, nach § 3 Abs. 1 von den Binnenschiffsregistern getrennt, werden danach gegenwärtig bei folgenden Amtsgerichten geführt: Berlin, Brake, Bremen, Bremerhaven, Cuxhaven, Düsseldorf, Duisburg-Ruhrort, Emden, Flensburg, Hamburg, Itzehoe, Kiel, Köln, Lübeck, Stade, Wiesbaden, Mannheim und Wilhelmshaven. Ob angesichts der zurückgegangenen Zahl der Handelsschiffe, welche die Bundesflagge führen, diese Vielzahl von Registergerichten noch zeitgemäß und rationell ist, muß fraglich erscheinen. Seit dem 01.01.1981 können die Ländernach § 1 Abs. 3 Schiffsregisterordnung vereinbaren, daß bestimmte Schiffsregistersachen Gerichten eines anderen Landes zugewiesen werden. Das Schiff ist in das Schiffsregister seines Heimathafens einzutragen (§ 4 Abs. 1), d. h. 461 dem Hafen, an dem über den Einsatz des Schiffes entschieden wird, vgl. dazu § 480 HGB. Dem Eigentümer ist die Wahl des Schiffsregisters dann freigestellt, wenn das Seeschiff von einem ausländischen Hafen eingesetzt werden soll oder ein fester Heimathafen fehlt (§ 4 Abs. 2). Jedes Schiff erhält bei der Eintragung ein besonderes Registerblatt. Die Eintragung setzt eine Anmeldung des Eigentümers voraus (§ 9). Der Eigentümer ist hierzu verpflichtet, wenn der Bruttoraumgehalt seines Schiffes 50 cbm übersteigt (§10 Abs. 3). Bei der Anmeldung sind nach § 11 anzugeben der Name des Schiffes, die Gattung und der Hauptbaustoff, der Heimathafen, der Bauort, die Schiffswerft, auf der das Schiff erbaut worden ist, und das Jahr des Stapellaufes, die Vermessungsergebnisse, der Eigentümer, der Rechtsgrund für den Erwerb des Eigentums, die das Recht zur Führung der Bundesflagge begründenden Tatsachen, sowie bei einer (Parten-)Reederei der Korrespondentreeder. Die Angaben sind glaubhaft zu machen, die Tatsachen, die das Recht zur Führung der Bundesflagge begründen, sind jedoch nachzuweisen (§ 13). Der völkerrechtlichen Forderung, daß das Schiff nur eine Flagge führen darf, entspricht §14. Es ist glaubhaft zu machen, daß keine Eintragung in einem ausländischen Register besteht. Besteht eine solche Eintragung, so hat der Eigentümer dort die Löschung zu veranlassen; ist die Löschung erfolgt, so ist eine entsprechende Bescheinigung der ausländischen Registerbehörde vorzulegen. In das Registerblatt sind die nach § 13 Abs. 1 glaubhaft zu machenden Angaben über 462 das Schiff aufzunehmen; 129 ebenso das vom Registergericht zugeteilte Unterscheidungssignal (Rn. 435). Schließlich ist durch Eintragung festzustellen, nach welcher Bestimmung des Flaggenrechtsgesetzes das Schiff zur Führung der Bundesflagge berechtigt ist. Gleichen Inhalt wie das Registerblatt hat die nach § 60 vom Registergericht auszustellende Urkunde über die Eintragung des Schiffes, das Schiffszertifikat; das zu verwendende Muster findet sich in der Anlage A der SchRegDV. Dem Eigentümer ist auf Antrag ein beglaubigter Auszug aus dem Schiffszertifikat zu erteilen, aus dem sich alle kennzeichnenden Merkmale des Schiffes ergeben. Die wichtigste 128 129

BGBl. 1980 I S. 2169, geändert durch V O vom 07.07.1982 (BGBl. I S. 934). Dazu § 27 SchRegDV (128).

172

C. Die Seeschiffahrt

und für diese Belange entscheidende Feststellung des Zertifikats und des Auszuges lautet: „Es wird bezeugt, daß das Schiff... nach § .... des Flaggenrechtsgesetzes vom 08.02.1951 (BGBl. I S. 79) das Recht hat, die Bundesflagge der Bundesrepublik Deutschland zu führen, und daß ihm alle Rechte, Eigenschaften und Privilegien eines deutschen Schiffes zustehen." 463

Tatsachen, die der Reeder nach der Registereintragung anzumelden hat, sind in § 17 zusammengefaßt; es sind dies: — Änderungen der Schiffsmerkmale; im Falle einer Genehmigung nach § 7 F1G die Feststellung, daß und wie lange das Recht zur Führung der Bundesflagge nicht ausgeübt werden darf bzw.- bei vorzeitiger Zurücknahme — nicht ausgeübt wurde; — die Beendigung der Schiffseigenschaft bzw. des Rechts zur Führung der Bundesflagge. Im letztgenannten Fall wird das Schiff im Schiffsregister gelöscht (§ 20 Abs. 1). Das Schiffszertifikat ist mit den Eintragungen im Schiffsregister in Einklang zu halten (§ 61 ) bzw. bei Beendigung der Schiffseigenschaft oder bei Eigentumsübergang einzuziehen (§ 62). b) Die Rechtsordnung auf dem Schiff

464

Wie bereits hervorgehoben (Rn. 451), gilt auf dem Schiff grundsätzlich die Rechtsordnung des Staates, der ihm bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen das Recht zur Führung seiner Flagge verleiht. Diese Rechtsordnung gilt auf dem Schiff nicht nur im Hoheitsgebiet des Flaggenstaates, sondern — und dies ist der wahre Grund für den besonderen Verleihungsakt — auch auf der Hohen See, auf der ohne solchen konstitutiven Akt zwar eine Anzahl völkerrechtlicher Grundsätze gilt, aber keine geschlossene Rechtsordnung. Im Hoheitsgebiet eines fremden Staates, den das Schiff aufsucht, ist hingegen — wiederum grundsätzlich — das Schiff der Rechtsordnung des betr. Staates unterworfen. Der genannten für das Schiff maßgeblichen Rechtsordnung des Flaggenstaates bzw. des jeweiligen Aufenthaltsstaates sind einige völkerrechtliche Grundsätze vorgegeben und werden von den nationalen Rechtsordnungen umfaßt. Es handelt sich 1. auf der Hohen See um die Duldung gewisser Kontrollen (Rn. 283 ff), 2. im Küstenmeer und auf den zu den öffentlichen Häfen führenden Wasserstraßen um die friedliche Durchfahrt; Festnahmen und Untersuchungen an Bord nur im Falle des Art. 27 Abs. 5 SRÜ (Verstöße gegen den Umweltschutz); 3. im Verhältnis zwischen einem Aufenthaltsstaat und Schiffen fremder Flagge — um die Schiffssicherheit (Art. 21 Abs. 2 SRÜ) — nach einem Schiffszusammenstoß oder sonstigen Zwischenfall der Schiffsführung auf Hoher See um die Abstandnahme von strafprozessualen und disziplinaren Maßnahmen; siehe insoweit Art. 11 des Ubereinkommens über die Hohe See = Art. 97 SRÜ. (Im Verhältnis der Bundesrepublik zu 12 Staaten, die nicht mit ihr Mitgliedstaaten des Hohe See-Übereinkommens sind, gilt insoweit das Internationale Übereinkommen vom 10.05.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafrechtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen und anderen mit der Führung eines Schiffes zusammenhängenden Ereignissen; Gesetz vom 21.06.1972);130

130

Gesetz vom 21.06.1972; (BGBl. II S. 653, 668); betr. Entstehungsgeschichte und Inhalt siehe Breuer, Gerhard in Hansa 1955 S. 813.

III. Das Schiff

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— um nur begrenzte Maßnahmen der Strafgerichtsbarkeit des Küstenstaates an Bord (Art. 27 Abs. 1 bis 3 SRÜ); — gewohnheitsrechtlich um die Respektierung der Ordnung an Bord und der persönlichen Angelegenheiten der Schiffsbesatzung. Sowohl die Rechtsordnung des Flaggenstaates als auch die des jeweiligen Aufenthalts- 465 staates gelten übrigens wie gesagt nur grundsätzlich. Das bedeutet praktisch nur, daß für das Schiff als solches und die Ordnung an Bord jede der beiden genannten Rechtsordnungen bis zu der Grenze gilt, an der das Schiff den Geltungsbereich der einen verläßt und in den Geltungsbereich der anderen gelangt. Soweit es nicht um das Schiff als solches und die Ordnung an Bord geht, ist die Anknüpfung an eine sonstige Rechtsordnung nirgends ausgeschlossen; sie greift Platz, wenn der zu regelnde Lebensbereich mit einer anderen Rechtsordnung in engerer Verbindung steht. Das gilt insbesondere für die Regelung der Arbeitsbedingungen von Besatzungsmitgliedern, die nicht Staatsangehörige des Flaggenstaates sind. Die natürliche Anknüpfung ist hier mit der Lebens- und Rechtsordnung des Staates gegeben, dem das Besatzungsmitglied angehört und staatsbürgerliche Verpflichtungen zu erfüllen hat. Würde man hier an die Rechtsordnung des Staates anknüpfen, dem der Arbeitgeber (Reeder) angehört, so würde dies bei der Mehrzahl der ausländischen Besatzungsmitglieder, die von den Möglichkeiten des häufigen Wechsels des Schiffes Gebrauch machen, unnatürlich sein und zu praktischen Schwierigkeiten führen. Eine andere Beurteilung und die nach den Regeln des internationalen Privatrechts mögliche Wahl der Rechtsordnung des Flaggenstaates würde nur dann naheliegen, wenn das ausländische Besatzungsmitglied eine besondere, national geregelte Qualifikation des Flaggenstates erworben hat und daraufhin längere Zeit auf Schiffen dieses Staates Dienst tut. Dieser Beurteilung folgt auch das neuere internationale Privatrecht bei der Bestimmung 466 der für Arbeitsverhältnisse anwendbaren Rechtsordnung. Artikel 6 des (völkerrechtlich noch nicht in Kraft getretenen) Übereinkommens vom 19.06.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht und der mit ihm übereinstimmende neue Artikel 30 EGBGB131 lauten: „Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse von Einzelpersonen" (1) Bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, daß dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Absatz 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. (2) Mangels einer Rechtswahl unterliegen Arbeitsverträge und Arbeitsverhältnisse dem Recht des Staates, 1. in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist, oder 2. in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat, sofern dieser seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat verrichtet,

131

Gesetz zur Neuregelung des internationalen Privatrechts vom vom 25.07.1986 — BGBl. II S. 809.

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C. Die Seeschiffahrt

es sei denn, daß sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, daß der Arbeitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; in diesem Fall ist das Recht des anderen Staates anzuwenden." 467

Eine Sondervorschrift über die Arbeitsverhältnisse ausländischer Besatzungsmitglieder ist bei den Beratungen zwar erwogen, aber nicht aufgenommen worden. 132 Auch für den Abschluß von Heuerverträgen ausländischer Besatzungsmitglieder wird also primär zur Rechtswahl, d. h. der ausdrücklichen Vereinbarung der anzuwendenden Rechtsordnung aufgerufen. Fehlt solche Vereinbarung, dann ist gemäß der Regelung des Absatzes 2 die Rechtsordnung des Staates anzuwenden, welcher das Besatzungsmitglied angehört. Die hier vertretene Rechtsauffassung ist zwar vielfach bestritten worden, 133 und in dieselbe Richtung wie die der Kritiker weist § 1 SeemG, nach welchem die Vorschriften des Gesetzes für alle Kauffahrteischiffe gelten, die nach dem Flaggenrechtsgesetz die Bundesflagge führen. Aber das SeemG enthält, obwohl es viele Teilbereich des Heuerverhältnisses regelt, nichts über die zentrale Frage der Heuerbemessung und die insoweit maßgebliche Rechtsordnung; und der Widerpruch der genannten Autoren kann nicht mehr aufrechterhalten werden, nachdem der Gesetzgeber die Frage nach einer, zuletzt von Gewerkschaftseite sehr emotionsbeladenen Diskussion, im hier vertretenen Sinne entschieden hat.

468

Das Gesetz zur Einführung eines zusätzlichen Registers für Seeschiffe unter Bundesflagge im internationalen Verkehr vom 23.03.89 134 ändert das Flaggenrechtsgesetz u. a. in zwei hier interessierenden Punkten: 1. Nach § 13 wird eingefügt: 6. Internationales Seeschiffahrtsregister § 13 a (1) Zur Führung der Bundesflagge berechtigte Kauffahrteischiffe, die im Sinne des Einkommensteuergesetzes im internationalen Verkehr betrieben werden, sind auf Antrag des Eigentümers in das Internationale Seeschiffahrtsregister einzutragen. (2) Das Internationale Seeschiffahrtsregister wird vom Bundesminister für Verkehr eingerichtet und geführt.

2. In § 21 wird folgender Absatz 4 eingefügt: „(4) Arbeitsverhältnisse von Besatzungsmitgliedern eines im Internationalen Seeschifffahrtsregister eingetragenen Kauffahrteischiffes, die im Inland keinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, unterliegen beim Fehlen einer Rechtswahl vorbehaltlich der Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft nicht schon aufgrund der Tatsache, daß das Schiff die Bundesflagge führt, dem deutschen Recht. Werden für die in Satz 1 genannten Arbeitsverhältnisse von ausländischen Gewerkschaften Tarifverträge abgeschlossen, so haben diese nur dann die im Tarifvertragsgesetz genannten Wirkungen, 132

133 134

Denkschrift zum Übereinkommen (Bundesdrucksache 10/503) Bericht von Giuliano/Lagarde in Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht nach dem Inkrafttreten der Neuregelung von 1986, Beilage z. BAnz. v. 09.09.87 S. 358. Däubler, RIW 1987, S. 249; Kronke, DB 1984, S. 404; Gamillscheg, ZfA 1983, S. 342. BGBl. 1989 I S. 550. Dazu BT-Drucks. 11/2161; Dörr, D., Das Zweitregistergesetz, in AVR 26 (1988) S. 366; Werbke, A., Die neue Rechtslage nach der Einführung des Internationalen Seeschiffahrtsregisters, Heft 69 der Schriften des DVIS, Reihe A, 1989.

III. Das Schiff

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wenn sie der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen werden und die Gewerkschaft im Einklang mit dem Übereinkommen Nr. 87 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 9. Juli 1948 gebildet worden ist. Nach Inkrafttreten dieses Absatzes abgeschlossene Tarifverträge beziehen sich auf die in Satz 1 genannten Arbeitsverhältnisse im Zweifel nur, wenn sie dies ausdrücklich vorsehen." Die Regelung der Nr. 1 wirkt im Hinblick auf die in Nr. 2 geregelte Hauptfrage etwas zu pompös. Das „Internationale Seeschiffahrtsregister" ist kein Register im herkömmlichen Sinne, da es weder über die dinglichen Rechte am Schiff etwas aussagt noch für das Recht zur Führung der Bundesflagge von Bedeutung ist. Es handelt sich vielmehr um ein nicht vom Registergericht, sondern von der Verwaltung geführtes zusätzliches Verzeichnis, das allein dem Zweck dient, die fragliche Kollisionsnorm des internationalen Arbeitsrechts abschließend zu regeln. 4. Sicherheitsanforderungen Neben der Vermessung, Namensgebung und Kennzeichnung des Schiffes sowie der 469 Festlegung seiner Staatszugehörigkeit ist eine weitere öffentlich-rechtliche Forderung zu erfüllen, damit das Schiff eine Reise antreten kann. Es muß nämlich der Nachweis geführt werden, daß von dem Schiff, für die Menschen an Bord sowie für die Umwelt, in der es sich bewegen soll, keine Gefahr ausgeht. An Bau und Ausrüstung des Schiffes, an seine Beladung sowie an die Besatzung, die für den Schiffsbetrieb verantwortlich ist, werden daher bestimmte Anforderungen gestellt, deren Erfüllung überprüft und testiert wird. Erst danach darf das Schiff in Dienst gestellt werden. 135 Vor der Darstellung der Sicherheitsanforderungen, denen das Schiff schon vor Antritt seiner ersten Reise genügen muß, ist es ratsam, die allgemeinen Grundsätze der Schiffsicherheitsvorschriften in einem Überblick kennenzulernen. a) Schiffssicherheitsvorschriften; Allgemeines Sicherheitsvorkehrungen kosten in aller Regel Geld. Auch wenn dieser Kostenanteil 470 neben den Kosten für Kapitaldienst, Besatzung und Treibstoff verhältnismäßig gering ist. Da die Einsatzchancen des Schiffes durch seine Sicherheit verbessert werden, ist die Schiffsicherheit also auch ein Wettbewerbsfaktor, und die an sie zu stellenden Forderungen sind Gegenstand schiffahrtspolitischer Auseinandersetzungen. Die Seeleute sind bestrebt, ihr Leben auf See soweit wie nur möglich zu sichern und für die Sicherheit einen entsprechend hohen Aufwand zu fordern. Die Reeder hingegen müssen abwägen; auf der einen Seite muß ihnen an der Sicherheit des Schiffes, seiner Besatzung und seiner Reise sehr gelegen sein; auf der anderen Seite müssen sie darauf achten, daß ihr Aufwand nicht zu weit über dem liegt, was ihre Konkurrenten nach Maßgabe ihrer anderen nationalen Rechtsordnung aufzuwenden haben. Die Regierungen schließlich müssen für beide Seiten Verständnis aufbringen und sind in der Regel bestrebt, einen Kompromiß zu erreichen. 136 Diese Neutralität leidet dann, wenn eine Regierung sich selbst, um Gewinn — na- 471 mentlich Deviseneinnahmen — zu erzielen, dem Erwerb durch Schiffahrt widmet, also 135 136

§ 13 Abs. 12 SchSV vom 08.12.1986 (BGBl. I S. 2361). Die aufgezeigte Interessenverteilung spiegelt sich in dem bei der ILO üblichen „Tripartite"Verhandlungsverfahren.

176

C. Die Seeschiffahrt

in die Position des Reeders gelangt. Staatshandelsländer sind die Staaten des Ostblocks und, wenn auch graduell unterschiedlich, viele Entwicklungsländer. Diese Ausgangslage ist bei dem folgenden Überblick über die Schiffssicherheitsvorschriften im Auge zu behalten. Dabei wird erkennbar, daß der internationale Schiffahrtsmarkt zu möglichst weitgehender Vereinheitlichung drängt, die Sicherheitsanforderungen in den einzelnen Schiffahrtsstaaten aber wegen der sehr verschiedenen Gewichtung ihrer Sozialpartner die internationalen Normen teils mehr, teils weniger oder gar nicht überschreiten. 472

Die Sicherheitsvorschriften, denen die Seeschiffe nach Maßgabe der Rechtsordnung ihres Flaggenstaates unterliegen, umfassen Vorschriften über — Konstruktion, Ausrüstung und Betrieb des Schiffes, — die sachgerechte Beladung, des Schiffes, — die Stärke der Besatzung und die Qualifikation ihrer Mitglieder. Die Schiffsicherheitsvorschriften sind in großem Umfang, seit Bestehen der IMO noch verstärkt, durch Übereinkommen und ergänzende Resolutionen international vereinheitlicht worden:

473

Die technischen Sicherheitsanforderungen an Konstruktion, Ausrüstung, Betrieb und Beladung des Schiffes sind im wesentlichen in zwei internationale Übereinkommen zusammengefaßt, die wegen ihres engen sachlichen Zusammenhanges nach den Intentionen der IMO bei sich bietender Gelegenheit vereinigt werden sollen: — Das Internationale Übereinkommen vom 01.11.1974 zum Schutze des menschlichen Lebens auf See (Safety of Life at Sea) — international gebräuchliche Abkürzung: SOLAS 1974137 - wurde durch ein Protokoll vom 07.02.1978 ergänzt und bisher (siehe unten) 1981 und 1983 in dem vereinfachten Verfahren geändert. 138 — das Internationale Freibord-Übereinkommen vom 05.04.1966 mit Änderungen von 1971, 1975 und 1979. 139 Wichtig ist, daß diese von fast allen Schiffahrtsnationen angenommenen Sicherheitsvorschriften für alle Mitgliedstaaten in ihrem vollen Umfang gelten. Bemühungen von Entwicklungsländern, ihnen in SOLAS 1974 erleichterte Bedingungen einzuräumen, konnten nicht durchgesetzt werden, zumal die interessierten Länder andererseits mit ihren Schiffen voll am internationalen Wettbewerb teilnehmen wollten. (Für die im wesentlichen auf dem Indischen Ozean verkehrenden Wallfahrer-Schiffe u. a. gilt jedoch ein SonderÜbereinkommen, genannt „Simla-Rules"; dazu IMO-Resolution A 261). Beide Überein-

137

138

139

In der Bundesrepublik bei der Erörterung von Schiffssicherheitsfragen auch „Übereinkommen von 1974" gebräuchlich, vgl. § 2 Abs. 1 SchSV Verordnung über die Inkraftsetzung des Übereinkommens vom 11.01.1979 (BGBl. II S. 141); Berichtigung des Übereinkommens: Bekanntmachung vom 28.11.1983 (BGBl. II S. 784); zum Protokoll vom 17.02.1978: Verordnung vom 26.03.1980 (BGBl. II S. 525); Erste Verordnung über die Inkraftsetzung von Änderungen des Ubereinkommens von 1974 zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und des Protokolls von 1978 zu diesem Übereinkommen vom 05.06.1985 (BGBl. II S. 794); Zweite Verordnung pp. vom 25.06.1986 (BGBl. II S. 734). Gesetz vom 20.02.1969 (BGBl. II S. 249; 1977 II S. 164); zu den genannten Änderungen Verordnung vom 19.02.1981 (BGB1.II S. 98).

III. Das Schiff

177

kommen gelten nur für Schiffe, die in der Auslandsfahrt eingesetzt sind, 140 und nehmen, soweit nicht ausdrücklich anders bestimmt, aus ihrem Anwendungsbereich aus: — Kriegsschiffe, — kleine Frachtschiffe (SOLAS 1974: weniger als 500 BRT; Freibord 66: Länge von weniger als 24 m), — Vergnügungsjachten, die nicht dem Handelsverkehr dienen, — Fischereifahrzeuge. SOLAS 1974 nimmt ferner Schiffe ohne mechanischen Antrieb sowie Holzschiffe einfacher Bauart aus. 141 Was die Anforderungen an die Besatzung anbetrifft, so gibt es über die Besatzungs- 474 stärke noch keine internationale Regelung; hingegen gibt es über die Qualifikation und die Aufgaben der Besatzungsmitglieder — das Internationale Übereinkommen vom 07.07.1978 über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befahigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten. 142 Dem Kampf gegen unzulängliche Schiffe (substandard ships) gilt — das ILO-Übereinkommen Nr. 147 vom 29.10.1976 über Mindestnormen auf Handelsschiffen, sowie eine Übereinkunft westeuropäischer Staaten von 1982 über die Hafenstaatkontrolle. 143 Neben diesen Übereinkommen stehen zahlreiche Empfehlungen der IMO, anderer internationaler Organisationen oder der Konferenzen, welche die Übereinkommen beschlossen. Zusätzlich sind aber nach wie vor nationale Rechtsvorschriften maßgeblich, da viele 475 der internationalen Vorschriften — in ihrem räumlichen Anwendungsbereich beschränkt sind, — nicht für alle Schiffskategorien gelten, — nur Rahmenvorschriften sind, die der Ausfüllung bedürfen, — weitergehende Vorschriften des nationalen Rechts nicht ausschließen, zumal international beschlossene Empfehlungen der IMO u. a. sich an die einzelnen Staaten richten und nur durch deren Rechtsordnung die gewünschte zwingende Kraft erlangen können, — Verwaltungsmaßnahmen erfordern und vorschreiben, die nur durch die Vertragsstaaten ergriffen und organisiert werden können; solche Verwaltungsaufgaben sind hinsichtlich der Schiffe und ihrer Besatzung Besichtigungen, Ausbildung, Erteilen von Sicherheits- bzw. Befähigungszeugnissen sowie Kontrollen. In der Bundesrepublik finden sich derartige ergänzende Sicherheitsvorschriften in 476 Rechtsverordnungen, die aufgrund folgender Gesetzesermächtigungen erlassen wurden: 140

141 142 143

Auslandsfahrt ist eine Reise von einem Vertragsstaat nach einem Hafen außerhalb dieses Staates oder umgekehrt; siehe im übrigen SOLAS 74, Kap. I Regel 1 Abs. a/ 2 Abs. d, Freibordübereinkommen 66: Art. 4. SOLAS 74: Kap. I Regel 13; Freibordübereinkommen 66: Art. 5. Gesetz vom 25.03.1982 (BGBl. II S. 297). Gesetz vom 28.04.1980 (BGBl. II S. 606); Vereinbarung vom 26.01.1982, zuletzt geändert am 23.10.1985; Bekanntmachung vom 01.06.1982 (BGBl. II S. 585) und vom 21.05.1986 (BGBl. II S. 682).

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C. Die Seeschiffahrt

— § 9 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschiffahrt (Seeaufgabengesetz — SeeAufgG), 144 — § 708 der Reichsversicherungsordnung, — § 24 der Gewerbeordnung, — § 13 des Gesetzes über die Beförderung gefahrlicher Güter, 145 — §§ 142, 143 des Seemannsgesetzes. 146 Die nationalen Vorschriften über Konstruktion und Ausrüstung der Schiffe werden im Abschnitt b), die über die Beladung im Abschnitt c), die über die damit zusammenhängenden Verwaltungsmaßnahmen in Abschnitt d), die mit der Besatzung zusammenhängenden Vorschriften und Verwaltungsmaßnahmen jedoch in Verbindung mit den Personalfragen der Seeschiffahrt unter C IV 1 behandelt. 477

Das Gebiet der Schiffssicherheit wird besonders stark vom schnellen Fortschritt der technischen Entwicklung und Möglichkeiten beeinflußt. Das erfordert zeitgerechte Änderung der Rechtsvorschriften. Die Änderung der o. a. nationalen Vorschriften ist im Verordnungswege verhältnismäßig rasch möglich. Schwieriger ist dies bei den internationalen Ubereinkommen, obwohl auch dort Maßnahmen zur Beschleunigung ergriffen worden sind. Dies sei am Beispiel des SOLAS-Übereinkommens aufgezeigt.

478

Früher war es erforderlich, das Übereinkommen entweder durch Zusatzübereinkommen zu ändern oder im ganzen zu erneuern (so 1929, 1948, 1960). Hierzu bedurfte es zunächst einer Revisionskonferenz mindestens der Vertragsstaaten. Dieser Weg kann auch nach SOLAS 1974 Artikel VIII Abs. c weiterhin beschritten werden; aber der beschleunigten technischen Entwicklung und dem gemeinsamen Wunsche, ihr rasch nachzukommen, entspricht besser das in der IMO entwickelte Änderungsverfahren mittels Prüfung innerhalb der Organisation (Artikel VIII Abs. b). Dieses Verfahren ist wegen seines Hauptmerkmals, unter gewissen Voraussetzungen die Zustimmung eines Vertragsstaates, der sich nicht äußert, zu unterstellen, unter der englischen Bezeichnung: „Tacit Acceptance"- Verfahren bekanntgeworden: — Das Verfahren beginnt mit dem an den Generalsekretär der IMO zu richtenden Änderungsantrag einer Vertragsregierung; es folgen — Bekanntgabe an die anderen Vertragsstaaten, — Prüfung durch den Schiffssicherheitsausschuß der IMO, bei der Vertragsstaaten, die der IMO nicht angehören, teilnehmen können, — Änderungsbeschluß dieses erweiterten Schiffsicherheitsausschusses mit Zweidrittelmehrheit, sofern mindestens ein Drittel der Vertragsregierungen anwesend ist, — Übermittlung des Änderungsbeschlusses an die Vertragsstaaten, — Annahme jeweils sechs Monate, nachdem folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bei Grundsatzbestimmungen ausdrückliche Erklärung von zwei Dritteln der Vertragsstaaten, bei technischen Bestimmungen (Kapitel II — VIII der Anlage) durch Unterstellung, sofern nicht nach gesetzter Frist mehr als ein Drittel der Vertragsstaaten Einspruch eingelegt hat. 147 144

145 146 147

Gesetz vom 24.05.1965 i.d.F. der Bekanntmachung vom 21.01.1987 (BGBl. I S. 541), FN A Nr. 9 5 1 0 - 1 . Gesetz vom 06.08.1975 (BGBl. I S. 2121); FN A 9 2 4 1 - 2 3 . Gesetz vom 26.07.1957 (BGBl. II S. 713) mehrfach geändert; FN A Nr. 9 5 1 3 - 1 . Mit letzterer Methode ist SOLAS bisher zweimal — 1981 und 1983 — geändert worden; siehe dazu die beiden in Fußnote 138 zitierten Änderungsverordnungen. Eine dritte Änderung auf demselben Wege ist in IMO-Res. 515 (13) bereits angekündigt.

III. Das Schiff

179

Die Fortentwicklung der Konvention ist damit im wesentlichen in die Hände der IMO 479 gelegt, den Vertragsstaaten verbleibt neben ihrer Mitwirkung in der Organisation nur die für die Inkraftsetzung wichtige Aufgabe, Annahme oder Einspruch zu erklären oder beredt zu schweigen. Ist auf diesem Wege auch nach verhältnismäßig kurzer Zeit klargestellt, ob die fragliche Vorschrift völkerrechtlich in Kraft ist, so wird andererseits nicht erreicht, daß die Neuerungen für alle Vertragsstaaten verbindlich sind. Erklärt nämlich ein Staat bei den Grundsatzbestimmungen, also den Vorschriften des Übereinkommens oder des Kapitels I seiner Anlage, nicht ausdrücklich seine Annahme oder legt er bei den technischen Vorschriften (Kapitel II — VIII der Anlage) Einspruch ein, dann gilt die Neuerung für ihn nicht, obwohl er Partner des ursprünglichen Vertrages bleibt. Man nimmt also eine gewisse Uneinheitlichkeit in Kauf, belastet freilich damit die Kontrollorgane. Eine weitergehende und nicht vermeidbare Uneinheitlichkeit ist dadurch bedingt, daß 480 insbesondere neue Bauvorschriften zwar auf Schiffe, die nach dem Inkraftreten der Änderung neu gebaut werden, anzuwenden sind, aber nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang auf bereits vorhandene Schiffe, für welche man es in weitem Maße bei den alten Vorschriften bewenden läßt. 148 b) Sicherheitsanforderungen an Bau und Ausrüstung der Schiffe Die Sicherheitsvorschriften, die für den Bau und die Ausrüstung der Seeschiffe maß- 481 geblich sind, dienen zwei verschiedenen öffentlichen Anliegen allgemeiner Natur, nämlich der Schiffssicherheit und dem Arbeitsschutz. Unter „Schiffssicherheit" versteht man nach dem heutigen geläuterten Sprachgebrauch — vgl. insbesonders die „Schiffssicherheitsverordnung (SchSV)" — den Inbegriff aller Maßnahmen, die erforderlich sind, um von Menschen und Sachgütem, die sich an Bord oder in der Umgebung des Schiffes befinden, Gefahren abzuwenden, die von dem Schiff als Sache, d. h. körperliche Gegenstand (§ 90 BGB), 149 ausgehen. Die früher weit verbreitete Unsitte, diesem Begriff die gesamte „Sicherheit der Schiffahrt" unterzuordnen' 5 0 , ist nur noch selten festzustellen. Man stellt heute der „Schiffssicherheit" = Sicherheit des Schiffes die „Verkehrssicherheit" = Sicherheit der Verkehrsabläufe gegenüber. Vgl. international: Herausnahme der 1972 verselbständigten Internationalen Regeln zur Verhütung v o n Zusammenstößen auf See aus dem derart begrifflich eingeengten Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See; national: SchSV und Seeschiffahrtstraßenordnung.

Unter „Arbeitsschutz" versteht man den Inbegriff aller Maßnahmen zum Schutz des Menschen an seinem Arbeitsplatz. Befindet sich der Arbeitsplatz auf einem Seeschiff, dann können sich Maßnahmen der Schiffssicherheit und des Arbeitsschutzes überschneiden, so daß sich der reine Arbeitsschutz auf die Maßnahmen beschränkt, die nicht schon durch die Schiffssicherheit abgedeckt sind.

148

149 150

Vgl. hierzu in der Anlage zu S O L A S 1974: Für die Definition der Begriffe „neues" und „vorhandenes" Schiff Kap. I Regel 2, Buchstabe k und 1 und für die baulichen Vorkehrungen z. B. Kap. II-2 Regel 65, Kap. III Regel 1. R G Z 80, 132; Schiffe sind bewegliche Sachen. Dazu kritisch Lampe in Hansa 1960 S. 2.

180

C. Die Seeschiffahrt

482

Die Rechtsvorschriften über die konkreten Anforderungen an Bau und Ausrüstung finden sich im wesentlichen in dem SOLAS-Übereinkommen 1974 und, da das Übereinkommen nicht für alle Schiffe und nur für Auslandsreisen gilt und auch inhaltlicher Ergänzungen bedarf, in diversen nationalen Verordnungen. Hinzu kommen viele in Resolutionen der IMO enthaltene Empfehlungen, 151 die in der Bundesrepublik Deutschland meist in den erwähnten Rechtsverordnungen, oft aber auch hier lediglich in Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Das gesamte Gebiet ist weit ausgedehnt und aus den genannten Gründen schwer zu überblicken. Es kann daher hier, schon aus räumlichen Gründen, nur versucht werden, das Sachgebiet übersichtlich zu gliedern, die Rechtsvorschriften in ihren Umrissen und Zusammenhängen erkennbar zu machen und ihre Auffindbarkeit zu erleichtern. Die technischen Einzelheiten sind zwar selbstverständlich Teil des öffentlichen Rechts, müssen aber dem Studium der bezeichneten Rechtsvorschriften durch den interessierten Leser überlassen bleiben.

483

Die internationalen Anforderungen an Bau und Ausrüstung der Schiffe finden sich hauptsächlich im Anhang zu SOLAS 1974 in den Kapiteln II bis VI und VIII, — II Bauart der Schiffe, II — 1 Unterteilung und Stabilität,Maschinen, elektrische Anlagen, II — 2 Brandschutz, Feueranzeige und Feuerlöschung, — III Rettungsmittel und -Vorrichtungen, — IV Telegrafiefunk und Sprechfunk, — V Sicherung der Seefahrt, — VI Beförderung von Getreide — VIII Reaktorschiffe. Das Kapitel II ist wegen des stark gewachsenen Umfangs nachträglich in die beiden o. a. Unterkapitel eingeteilt worden; diese sind 1981 neu gefaßt worden und werden — siehe IMO-Resolution 515 (13) — bald erneut geändert werden. Die Änderungen betreffen im wesentlichen Fahrgastschiffe, unter ihnen vor allem die sogen. Ro-Ro-Schiffe (roll-on/ roll-off).

484

Von den Einzelvorschriften des Kapitels II-l über die Unterteilung und Stabilität (Teil B Regeln 4 — 25) gelten einige — gelegentlich mit geringfügigen Abweichungen — sowohl für Fahrgast- als auch für Frachtschiffe; vgl. die Vorschriften über die — Kollisionschotte (Regel 10 und 11), — Bauart und erste Prüfung von wasserdichten Schotten, Türen, Fenstern, Decks, Schächten u. a. (Regeln 14, 18 und 19), — die Lenzpumpenanlage (Regel 21), — aufgrund von Krängungsversuchen erstellten Stabilitätsunterlagen (Regel 20). Bei einem Krängungsversuch wird das Schiff durch Verschieben eines bestimmten Gewichts um eine bestimmte Strecke geneigt, um aus diesen beiden Faktoren sowie der gemessenen Neigung und Verdrängung des Schiffes die Lage des Gewichtsschwerpunktes zu ermitteln.

Die übrigen Regeln des Teils B (Regeln 4 — 25) sind zusätzliche Vorschriften für Fahrgastschiffe. Für diese können die Vorschriften des Teils B alternativ durch die IMOResolution A.265 (VIII) ersetzt werden. 151

Die lediglich an die Regierungen der Mitgliedstaaten gerichteten Resolutionen sind Gegenstand der von der I M O harausgegebenen Drucksachen „Assembly ....th Session, Resolutions and other Decisions".

III. Das Schiff

181

Von der Bundesrepublik befolgte Ergänzungen des Teils B stellen dar — für Frachtschiffe die IMO-Resolutionen 232 (VIII) und 330 (IX) betreffend Zugänge zu großen Tanks und Massengutladeräumen, — die IMO-Resolutionen A 167 (ES IV) und A 206 (VII) über die Stabilität von Schiffen unter 100 m Länge, — die IMO-Resolutionen A 560 bis 567.145 Der Stabilität der Schiffe dienen auch die Vorschriften des Freibordübereinkommens von 1966 (Rn. 473), auf das im nachfolgenden Abschnitt c) eingegangen wird. Der Teil C (Maschinenanlagen, Regeln 26 — 39) enthält neben Vorschriften über die 485 Hauptantriebsanlage Vorschriften über die Rückwärtsfahrt, die Ruderanlage, 152 die Steuerung der Maschinen, Dampfkessel und Kesselspeisesysteme, Dampfrohrleitungssysteme, die Druckluftsysteme, Lüftungssysteme, Lärmschutz sowie die ständige Verbindung zwischen Maschinenraum, Kommandobrücke und Unterkunftsräumen der Ingenieure. Allgemeiner Grundsatz: Die Anlagen müssen so eingebaut und geschützt sein, daß jede Gefahr für die Personen an Bord auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Teil D (elektrische Anlagen, Regeln 40—45) enthält Vorschriften über den Einbau und den Unfallschutz bei Haupt- und Notstromquellen der Schiffe. Teil E enthält in den Regeln 46 — 54 „zusätzliche Anforderungen für zeitweise unbesetzte Maschinenräume". Das Kapitel II-2 enthält Vorschriften über „Brandschutz, Feueranzeige und Feuerlö- 486 schung". Alle Regeln des in Teile A—D eingeteilten Kapitels sind von folgenden Grundsätzen der Regel 2 beherrscht: — Einteilung des Schiffes in senkrechte Hauptbrandabschnitte durch wärmedämmende und bauliche Unterteilungen, — Trennung der Unterkunftsräume vom übrigen Schiff durch wärmedämmende und bauliche Unterteilungen, — beschränkte Verwendung brennbarer Werkstoffe, — Anzeigen jedes Brandes im Abschnitt seiner Entstehung, — Begrenzen und Löschen jedes Brandes am Brandherd, — Sicherung der Fluchtwege oder der Zugänge für die Brandbekämpfung, — sofortige Verwendbarkeit der Feuerlöscheinrichtungen, — Herabsetzung der Möglichkeit der Entzündung entzündbarer Ladungsdämpfe auf ein Mindestmaß. Teil A (Allgemeines, Regeln 1 -22) enthält neben Begriffsbestimmungen für alle Schiffe 487 geltende allgemeine Vorschriften über Feuerlöscheinrichtungen, Feuermelde- und Anzeigesysteme, Lüftungssysteme, Brandschutzausrüstung, Aushang von Brandschutzplänen sowie die Möglichkeit der Zulassung gleichwertiger Vorkehrungen durch die Verwaltungen. Weitere — Teil — Teil — Teil

Vorschriften über Brandschutzmaßnahmen enthalten: B (Regeln 23 - 41) für Fahrgastschiffe, C (Regeln 42 — 54) für Frachtschiffe und D (Regeln 55 - 63) für Tankschiffe.

Aus diesen Vorschriften sind hervorzuheben Regel 24 über die senkrechten Hauptbrandabschnitte und waagerechten Brandabschnitte für Fahrgastschiffe, Regeln 28 und 45 über 152

Empfehlung betr. den Ruderantrieb für Tanker in IMO-Resolution 467 (XII).

182

C. Die Seeschiffahrt

die Fluchtwege, und für die Tankschiffe die Regeln 59 (Be- und Entlüften, Spülen, Gasfreimachen und Lüften), Regel 60 (Schutz der Ladetanks), Regel 61 (fest eingebaute Deckschaumsysteme) sowie Regel 62 (Inertgassysteme). Für das Sachgebiet des Kapitels II-2 gibt es mehrere Empfehlungen der IMO, insbesondere über Verfahren zur Prüfung der Feuerfestigkeit von Werkstoffen (Fire Test Procedures), die nach Kapitel II — 2 nicht brennbar oder schwer entflammbar sein sollen, 153 sowie über die Bauweise von tragbaren Feuerlöschern. 154 488

Das SOLAS-Kapitel III über „Rettungsmittel und -einrichtungen"ist durch Entschließung des Schiffsicherheitsausschusses der IMO vom 17.06.1983 -MSC 6 (48) — neu gefaßt worden 155 und ist für Schiffe, deren Kiel ab 01.07.1986 gelegt wird, verbindlich (siehe Teil A Regel 1). Für vorher gebaute Schiffe sind im wesentlichen die bisherigen SOLAS-Regeln anzuwenden. Bei besonderen Bedingungen der Schiffsreise hat die Verwaltung des Flaggenstaates nach Regel 2 bestimmte Befreiungsmöglichkeiten.

489

Das Kapitel III enthält nach allgemeinen Vorschriften (Teil A) in Teil B (Regeln 6 bis 29) „Vorschriften für Schiffe", welche die Ausrüstung mit Rettungsmitteln und -einrichtungen an Bord (Aufbewahrungsräume, Aussetz- und Einholvorrichtungen) regeln, und in Teil C (Regeln 30 bis 53) „Vorschriften für Rettungsmittel" mit den an diese zu stellenden technischen Anforderungen. Oberster Grundsatz des Kapitels ist die sofortige Verwendbarkeit aller Rettungsmittel und -einrichtungen im Notfall. Bei Rettungsmitteln (Life-saving Appliances) im engeren Sinne unterscheidet das Kapitel III zwischen „Überlebensfahrzeugen" (survival craft), welche die Überlebensboote (Lifeboats) und Überlebensflöße (Liferafts) umfassen, und den „Rettungsbooten" (Rescueboats). Aus den Definitionen der beiden Gruppenbezeichnungen im Kapitel III Regel 3 wird klar, daß man den früher viel umfassenderen Begriff „Rettungsboote" jetzt auf die Boote beschränkt, die wirklich in der Lage sind, Menschen, die ihr Schiff verlassen mußten, endgültig in Sicherheit zu bringen. Bei den begrifflich ausgesonderten „Überlebensfahrzeugen" handelt es sich hingegen um Einrichtungen, die der begrenzten Bestimmung dienen, die genannten Personen im Hinblick auf die Rettung durch Dritte sicher unterzubringen und zu versorgen.

490

Im weiteren Sinne sind Rettungsmittel nach Kapitel III ferner die „persönlichen Rettungsmittel", d. h. Rettungsringe (Regel 31), Rettungswesten (Regel 32), Eintauchanzüge (Regel 33) und Wärmeschutzvorkehrungen (Regel 34). Wegen ihrer besonders großen Bedeutung in Seenotfällen sei noch ausdrücklich auf die Anlagen und Geräte zur Nachrichtenübermittlung hingewiesen. Als Zubehör des Schiffes bzw. der Überlebensfahrzeuge sind sie bei den Rettungsmitteln (Kap. III Regel 6 Abs. 2), wegen ihrer funktechnischen Eigenschaften aber im Kapitel IV über das Funkwesen auf See (Regeln 13, 14, 14—1) geregelt. Es handelt sich um die Telegrafiefunkanlage, die mindestens auf einem Überlebensboot größerer Fahrgastschiffe (mehr als 199 Personen an Bord) vorhanden sein muß, die tragbaren Telefoniefunkgeräte für Überlebensfahrzeuge sowie die aufschwimmfähigen Funkbojen auf beiden Bordseiten des Schiffes.

491

Das Kapitel III enthält schließlich in den Regeln 8 bis 10 und 51 bis 53 Vorschriften für die Rettungsmannschaften (Sichherheitsrolle) und Anweisungen für den Notfall 153 154 155

IMO-Resolutionen 166 (ES. IV), 471 (XII), 472 (XII) 516 (13), 517 (13). IMO-Resolution 518 (13). S. Fußnote 138: Verordnung vom 25.06.1986 (BGBl. II S. 739).

III. Das Schiff

183

(Anleitungen für die Instandhaltung und die Bedienung des Geräts, Bemannung der Uberlebensfahrzeuge und Aufsicht). Auf diese Bestimmung wird in Abschnitt C IV zurückzukommen sein. Der Ergänzung des Kapitels III dienen Empfehlungen der IMO über folgende Sachgebiete (in Klammern Nummer der Resolutionen): — Vermehrung der Rettungsmittel in Anpassung an die zugelassene Personenzahl auf vorhandenen Fahrgastschiffen (A.276 (VIII) — für die Bundesrepublik siehe § 15 Abs. 1 und 3 SchSVo) — Wartung und Überwachung von aufblasbaren Rettungsflößen (A.273 (VIII) und 333 (IX)) — dazu Richtlinien der SeeBG-; — Verwendung lichtreflektierenden Materials für Rettungsmittel (A.274 (VIII)) — für die Bundesrepublik siehe § 281b UVV - ; — Typprüfung für neuartige Rettungsmittel und -Vorrichtungen (A.520 (13)) und Erprobung von Rettungsmitteln (A.521 (13)), in der Bundesrepublik durch Bekanntmachung des BMV vom 06.08.1986 eingeführt. 156 — Kennzeichnung der Rettungsmittel und ihrer Stationierung (A.603 (15)); — Instruktionen für Verhalten in Rettungsinseln und -booten (A.181 (IV) und A.216 (VII)); in der Bundesrepublik durch Leitfaden der SeeBG für die Ausbildung von Rettungsbootleuten eingeführt. Bau- und Ausrüstungsvorschriften enthält auch das 1981 und 1983 geänderte SOLAS- 492 Kapitel IV „Telegrafie- und Sprechfunk". 157 Das Kapitel steht sachlich in engem Zusammenhang mit der auch ausdrücklich in Bezug genommenen „Vollzugsordnung für den Funkdienst", die den Internationalen Fernmeldevertrag vom 06.11.1982'58 nach Maßgabe seines Artikels 83 ergänzt; die Vollzugsordnung ist von der ITU aufgestellt worden, aber von den Vertragsregierungen einzuführen (in der Bundesrepublik durch den BMP geschehen): In SOLAS-Kapitel IV, das aufgrund einer 1988 abgehaltenen Konferenz über ein neues Seefunksystem grundlegend geändert werden wird, — s. dazu Abschnitt VII 5f — bestimmen Regel 3 und 4, daß alle Fahrgastschiffe und die größeren Frachtschiffe (Raumgehalt von 1600 BRT und mehr) mit einer Telegrafiefunkstelle und alle kleineren Frachtschiffe mit einer Sprechfunkstelle auszurüsten sind. Ausnahmen sind nach Regel 5 unter bestimmten Voraussetzungen zwar möglich, aber unerwünscht. Über zusätzliche Einrichtungen für Funksprechanlagen (Notsender für Telegrafiefunk — IMO Resolution A.129 (V) —, Alarmzeichen-Tastgerät, Funkbake zur Kennzeichnung der Seenotposition) siehe § 46 Abs. 2 SchSV. In den „Technischen Vorschriften" (Teil C des Kap. IV) finden sich Vorschriften über die Unterbringung und Ausstattung der Funkstellen (Regeln 9 und 15), die Telegrafie-Funkanlagen (Regel 10), die selbsttätigen Funkalarmgeräte (Regel 11 und 18) — d.h. Geräte, die beim Empfang eines auf der Telegrafie-Notfrequenz ausgesandten Alarmzeichens in der Funkstelle und auf der Brücke anderer Schiffe lautes Klingeln als Warnzeichen auslösen —, Peilfunkgeräte, die auf den besonderen für Funkpeilungen, Seefunkfeuer und Notfälle zugeteilten Telegrafiefunkfrequenzen 4 Zeichen

156 157 158

BAnz. Nr. 221 a vom 28.11.1986. Verordnung vom 25.06.1986 (BGBl. II S. 734). Internationaler Fernmeldevertrag vom 06.11.1982, Gesetz vom 04.03.1985 (BGBl. II S. 425).

184

C. Die Seeschiffahrt

empfangen können (Regel 14), die Sprechfunkanlage (Regel 16), 159 die UKW-Sprechfunkanlage, die nach Regel 4 — 1 u.U. als Zusatzeinrichtung sowie für den Sicherungsfunk gefährdeter Gebiete in Hoheitsgewässern vorzuhalten ist (Regel 17). 493

Das der Sicherheit der Seefahrt dienende Funkwesen ist wegen der hier besonders raschen technischen Entwicklung grundlegenden Wandlungen unterworfen. Neue Geräte und Verfahren stehen zur Verfügung, aber ihr Einsatz kann nicht sofort geboten , sondern von der IMO nur für den freiwilligen Einsatz empfohlen werden; dies gilt für — das automatische selektive Anrufsystem (Digital Selective Calling System) — Res. A. 220 (VII), — das Peilen auf der Telefonie-Notfrequenz — Res. A. 221 (VII); — Radar-Rückstrahler auf Rettungsbooten für Zwecke des Such- und Rettungsdienstes - Res. A. 604 (15); — die im Hinblick auf das künftige weltweite Sicherheits- und Seenotsystem (Global Maritime Distress- and Safety System, GMDSS) fortentwickelten Sprechfunkgeräte für Mittelwelle - Res. A. 610 (15) - und für UKW - Res. 609 (15) - , bei letzteren insbesondere solche für die Verwendung auf Rettungsbooten — Res. A. 605 (15); — das Testen der automatischen Funktelefonie-Alarmsignale — Res. A. 571 (14); — Funkschreibeinrichtungen zur Aufnahme von Warnnachrichten (NAVTEX) — Res. 525 (13) und 617 (15).

494

Das 1981 geänderte SOLAS-Kapitel V „Sicherung der Seefahrt" 160 enthält zwar wesentliche Vorschriften über das Verhalten auf See und wird in diesem Zusammenhang (Abschn. C V) zu behandeln sein; aber um die erwähnten Tätigkeiten durchführen zu können, sind einige Ausrüstungsgegenstände erforderlich, die im Zusammenhang mit jenen vorgeschrieben sind. Im Einzelnen' handelt es sich um einen Signalscheinwerfer (Regel 11) und bei Schiffen, die voraussichtlich einen Lotsen annehmen werden, Lotsenleitern mit bestimmten Konstruktionsmerkmalen (Regel 17).161 Vor allem gehört hierher die Navigationsausrüstung (Regel 12); d. h. für alle Schiffe ab 500 BRT eine Echolotanlage, 162 für Schiffe ab 1600 BRT - neuere bereits ab 500 BRT - eine Radaranlage, 163 ein Funkpeilgerät 164 , neben dem Magnetkompaß 165 eine Kreiselkompaß-Anlage, 166 Funkausrüstung für Zielfahrt auf der Sprechfunk-Notfrequenz. 167 Schließlich sind in diesem 155

160 161

162 163 164 165 166 167

Sprechfunkanlage (Regel 16). Dazu Empfehlung für einheitliche Bedienungsvorkehrungen an Telefonie-Sendern und -Empfängern — IMO Res. A. 334 (IX) —, für die Bundesrepublik s. § 23 SchSV. Verordnung vom 05.06.1985 (BGBl II S. 794) siehe Anm. 138. Dazu IMO-Resolutionen A. 130 (V) betr. Lotsenleitern auf Fischereifahrzeugen und Schiffen von weniger als 500 BRT, A. 275 (VIII) betr. mechanische Lotsenaufzüge, A. 331 (IX) betr. Behinderung durch Scheuerleisten, A. 332 (IX) betr. Lotsenübernahme auf sehr großen Schiffen, A. 426 (XI) betr. Erleichterung des Lotsenwechsels. IMO Res. A. 224 (VII). IMO Res. A. 477 (XII). IMO Res. A. 422 (XI), durch IMO Res. A. 221 (VII) auch für kleinere Schiffe empfohlen. IMO Res. A. 382 (X). IMO Res. A. 424 (XI). IMO Res. A. 574 und 575 (XIV).

III. Das Schiff

185

Zusammenhang noch zwei Regeln zu nennen, nach denen bestimmte Unterlagen mitzuführen sind, nämlich das — Internationale Signalbuch (Regel 21) und nach Maßgabe der vorgesehenen Schiffsreise offizielle Seekarten und Veröffentlichungen — Seehandbücher, Nachrichten für Seefahrer - (Regel 20). Für einige Schiffsarten, die hinsichtlich ihrer Verwendung oder baulichen Gestaltung 495 Besonderheiten aufweisen, hat die IMO spezielle Codes geschaffen. Sie sind jeweils Gegenstand von Resolutionen, die an die Mitgliedstaaten gerichtet sind, und haben wie alle IMO-Resolutionen dieser Art zunächst nur den Charakter von Empfehlungen; die beiden nachfolgend zuerst genannten sind aber in dem später zu behandelnden Kapitel VII über die Verschiffung gefahrlicher Güter 1983 zum Bestandteil des Übereinkommens erklärt worden, siehe dazu für die Bundesrepublik § IIa GGV-See. Derartige Codes enthalten: — Resolution A.212 (VII): Code für den Bau und die Ausrüstung von Schiffen zur Beförderung gefährlicher Chemikalien als Massengut (Dangerous Chemicals in Bulk); 168 — Resolution A.328 (IX): Code für den Bau und die Ausrüstung von Schiffen zur Beförderung verflüssigter Gase als Massengut (Liquified Gases in Bulk); 169 — Resolution A.373 (X) Code über die Sicherheit von Tragflächen- und Luftkissenfahrzeugen (Dynamically Supported Craft), der mit der Empfehlung verbunden wurde, die genannten Schiffe, wenn sie dem Code entsprächen, so zu behandeln, als ob sie SOLAS 1974 genügten; — Resolution A. 414 (XI) Code für den Bau und die Ausrüstung von auf See beweglichen Bohrplattformen (Mobile Offshore Drilling Units), abgekürzt MODU CODE; dieser Code wurde entwickelt und 1988 aufgrund neuer Unfälle überarbeitet, um den Einsatz solcher Plattformen in den Hoheitsgewässern verschiedener Staaten zu erleichtern; er ist in der Bundesrepublik bisher nicht eingeführt, soll aber in der entstehenden Bergverordnung für den Festlandsockel berücksichtigt werden. — Resolution A.491 (XII): Code für mit Kernenergie angetriebene Handelsschiffe (Nu- 496 clear Merchant Ships), der das Kapitel VIII des Anhanges zu SOLAS 1974 ergänzt und auf Grund der Resolution I der Schiffsicherheitskonferenz erarbeitet wurde; die Bundesrepublik hatte im Hinblick auf ihr Reaktorschiff „Otto Hahn" intensiv an dem Code mitgearbeitet, führte ihn aber nach Fertigstellung nicht ein, da die „Otto Hahn" inzwischen außer Dienst gestellt worden war; — Resolution A. 534 (13): Code für Sonderfahrzeuge (Special purpose ships), Dieser Code definiert den Begriff „Sonderfahrzeuge" wie folgt: Schiff mit mechanischem Angriff, auf denen sich wegen ihrer Zweckbestimmung mehr als 12 Personen befinden, die nicht zu dem normalen Bestand der Besatzung gehören. Hierunter fallen Forschungsschiffe, Ausbildungsschiffe sowie Schiffe für die Verarbeitung der von anderen Schiffen eingebrachten lebenden Schätze des Meeres (Fische, Wale u. a.); schließlich fallen darunter die Schiffe, die eine Regierung, welche die Resolution anwendet, als 168

169

Bekanntmachung der SeeBG vom 21.03.1983 (BAnz Nr. 146a vom 09.08.1983); ergänzende Empfehlung betr. Inertgassystem für Chemikalientanker IMO-Res. A. 473 (XII). Bekanntmachung der SeeBG vom 21.03.1983, s. vorstehende Fußnote 161. Für die vor Inkrafttreten des Code bereits abgelieferten Schiffe enthält die gleichzeitig mit dem Code beschlossenen IMO-Res. A. 329 (X) die Aufforderung, den neuen Code so weit wie möglich anzuwenden.

186

C. Die Seeschiffahrt

gleichwertig klassifiziert. Der Code soll also klarstellen, daß ein „Frachtschiff wegen der 12 Personen übersteigenden Sonderfachkräfte nicht zum „Fahrgastschiff' (Vgl. dazu Abschn. III 1) wird. Nichtsdestoweniger werden in einigen Punkten-Vorschriften für Fahrgastschiffe für anwendbar erklärt (Stabilität, Unterteilung Feuerschutz, Rettungsmittel). Für die Sonderfahrzeuge wird ein besonderes Sicherheitszeugnis gefordert, das auf internationalen Reisen zusätzlich zu den üblichen Sicherheitszeugnissen vorhanden sein muß. Der Code wird in der Bundesrepublik als anerkannte Regel der Technik beachtet. 497

Nach diesem Überblick über die Internationalen Regeln für den Bau und die Ausrüstung der Schiffe, sind nunmehr die ergänzenden nationalen Vorschriften zu betrachten, die aus den in Rn. 475 darlegten Gründen erlassen worden sind. Besonders eng an das SOLAS-Übereinkommen 1974 angelehnt und daher in erster Linie zu nennen ist die Verordnung über die Sicherheit der Seeschiffe (Schiffssicherheitsverordnung-SchSV). 170 Es sei daran erinnert, daß SOLAS 1974 in Kap. I Regel 1 und 3 der Anlage aus seinem Anwendungsbereich alle nicht in der Auslandsfahrt eingesetzten Schiffe und außerdem Kriegs- und Marinehilfsschiffe, Holzschiffe einfachster Bauart, Vergnügungsyachten und Fischereifahrzeuge ausschließt. Von den genannten Schiffskategorien bleiben auch in der SchSV (§ 1 Abs. 2) ausgeschlossen: — Schiffe der Bundeswehr, also Kriegsschiffe im Sinne von SOLAS Kap I Regel 3; — Fahrzeuge der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, jedoch nur die, die nicht in der von SOLAS allein erfaßten Auslandsfahrt eingesetzt werden, — Sport- und Vergnügungsfahrzeuge (im Sinne von SOLAS Kap. 1 Regel 3 entweder Schiffe ohne mechanischen Antrieb oder Holzschiffe einfacher Bauart oder Vergnügungsyachten, die nicht am gewerblichen Handel teilnehmen).

498

Alle übrigen Schiffskategorien der Seefahrt werden von der SchSV erfaßt, die ihren Anwendungsbereich in § 1 Abs. 1 wie folgt umreißt: „Diese Verordnung gilt für Seeschiffe, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen". Sie gilt mit einigen Sonderregeln auch für Binnenschiffe, die in einem Schiffsregister der Bundesrepublik Deutschland eingetragen sind, wenn sie die Grenze der Seefahrt überschreiten. Die SchSV erfaßt demnach: — Schiffe, für die bereits SOLAS 1974 Anwendung findet und denen sie einen besonderen Teil B (§§ 3 3 - 4 9 ) widmet mit dem Titel: „Zusatzvorschriften für Schiffe, auf die das Übereinkommen von 1974 Anwendung findet"; — Schiffe, auf die das Übereinkommen von 1974 keine Anwendung findet, wobei sie — die meisten den besonderen Vorschriften des entsprechend betitelten Teils C (§§ 55—67) unterwirft, — hinsichtlich der Fischereifahrzeuge in § 1 Abs. 3 einen engeren Kreis anwendbarer Vorschriften der Verordnung umreißt, — hinsichtlich der Fahrzeuge des Öffentlichen Dienstes in § 8 Abs. 3 vorschreibt, daß sie von der Verordnung — einschl. des für sie anwendbaren Teils C — abweichen dürfen, soweit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung geboten ist.

170

Schiffssicherheitsverordnung vom 08.12.1986 (BGBl. I S. 2361); FN A Nr. 9 5 1 2 - 1 6 .

III. Das Schiff

187

Einige Sicherheitsvorschriften, die für die Schiffe der Teile B und C der Verordnung 499 gelten sollen (nautische Anlagen, Geräte, Instrumente und Drucksachen; Funkanlagen), werden in den §§18 bis 28 des Teils A vor die Klammer gezogen; ebenso in den §§14 bis 17 die erforderlichen Verwaltungsvorschriften, siehe dazu Abschnitt d (Rn. 517). Die Vorschriften, die für die einzelnen Schiffskategorien gegenwärtig gelten, werden am Ende dieses Abschnitts, der zunächst noch zu ergänzen ist, zusammengestellt. Es wurden nämlich mit der Darstellung der internationalen und nationalen Schiffsicherheitsvorschriften weder die für den Bau und die Ausrüstung der Schiffe maßgeblichen Sicherheitsvorschriften vollständig aufgezeigt, noch sind alle für die Sicherheit maßgeblichen Regeln in verbindlichen Rechtsvorschriften zu finden. Umfangreiche zusätzliche Vorschriften für den Bau und die Ausrüstung der Schiffe finden sich vor allem in den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der Seeberufsgenossenschaft (SeeBG), die sie aufgrund der Ermächtigung in § 708 RVO erlassen hat. Die hier interessierende Nr. 1 dieser Ermächtigungsvorschrift lautet: — „Die Berufsgenossenschaften erlassen Vorschriften über 1. Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu treffen haben, sowie die Form der Übertragung dieser Aufgaben auf andere Personen." Die Vorschriften werden von der Vertreterversammlung beschlossen und bedürfen nach § 709 RVO der Genehmigung des BMA, der vorher die für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Länderbehörden zu hören hat. Nach § 708 Abs. 2 RVO sind die Vorschriften öffentlich bekanntzumachen. Für die 500 „Öffentlichkeit" der Bekanntmachung genügt die Bekanntmachung in dem der Satzung entsprechenden Mitteilungsblatt der Berufsgenossenschaft. Die UVV sind den Mitgliedern bekanntzugeben: 171 Mitglied ist nach § 852 in Verb, mit §§ 658 und 835 RVO jeder Unternehmer, für dessen Rechnung ein der Seefahrt (Seeschiffahrt, Seefischerei) dienendes Unternehmen geht, bei den Seefahrzeugen der Reeder; die Versicherten (Seeleute) sind nicht Mitglieder, obwohl sie an der Leitung und der Festsetzung der Mitgliedsbeiträge der Berufsgenossenschaft teilnehmen. 172

Die Mitglieder ihrerseits sind zur Unterrichtung der Versicherten (Seeleute) verpflichtet. Die UVV der SeeBG haben in der Seeschiffahrt eine außerordentliche Bedeutung, weil 501 sie früher — weitergehend als heute nach § 708 RVO — zur Verhütung nicht nur von Arbeitsunfällen, sondern allgemein von Unfällen erlassen werden durften. Sie enthielten die ersten deutschen Schiffsicherheitsvorschriften und führten als erstes Schiffsicherheitszeugnis den Fahrterlaubnisschein (vgl. heute § 46 UVV) ein. Die gegenwärtig geltenden UVV-See vom 10.09.1980 sind am 01.01.1981 in Kraft getreten und seither durch sieben Nachträge geändert worden. Die SeeBG ist in ihren UVV bemüht, sich auf die Verhütung von Arbeitsunfällen zu beschränken und die UVV gegen die inzwischen bestehenden staatlichen Schiffsicherheitsvorschriften abzugrenzen; vgl. dazu die „Hinweise", die als Vorwort den UVV vorangestellt worden sind. Besonders für die Fischereifahrzeuge, die 171

172

Die SeeBG gibt die „UVVSee" als Loseblattausgabe heraus, die auch von Nichtmitgliedern bezogen werden kann. RVO in geltender Fassung s. Aichberger F., Text-Slg. „Sozialgesetzbuch, Reichsversicherungsordnung", Nr. 11.

188

C. Die Seeschiffahrt

in Abschnitt XIII der UVV behandelt werden, mußte allerdings, da es für diese Schiffskategorie internationale und nationale Rechtsvorschriften in vergleichsweise nur sehr geringem Umfang gibt, noch manche Vorschrift (z. B. Brandschutz und Rettungsmittel) aufgenommen werden, die man heute gemeinhin der „Schiffssicherheit" zuordnet. 502

Das Gebiet des technischen Arbeitsschutzes an Bord decken die UVV jedenfalls in solcher Vollkommenheit ab, daß die Bundesregierung bisher davon abgesehen hat, für das Sachgebiet eigene Rechtsverordnungen zu erlassen, wozu sie nach § 143 Nr. 10 des Seemannsgesetzes ermächtigt wäre. In den UVV finden sich Prüfungs- und Ausrüstungsvorschriften über die Sicherung von Zugängen, Treppen und Verkehrswegen, die Ausgestaltung der Betriebsräume, die Sicherung der Decks gegen Überbordfallen, die Besonderheiten der Zugänge zu Betriebstanks, die sichere Beschaffenheit von Leitern, die Bedienungssicherheit von Maschinen und elektrischen Einrichtungen, Umschlaggeräten und Hebezeugen, den Schutz gegen Lärm und Vibration u. a. Die SeeBG hat den UVV vielfach mit dem Buchstaben D gekennzeichnete „Durchführungsanweisungen" beigegeben. Sie sind zwar, wie die einführenden Hinweise der SeeBG besagen, lediglich dazu bestimmt, zu abstrakten Normen konkrete Anwendungs- und Verständnishilfen für den Nutzer zu geben; aber dort, wo sie etwa den in der Rechtsvorschrift verwendeten Begriff „ordnungsgemäß" inhaltlich ausfüllen, stellt die „Durchführungsanweisung" praktisch eine schriftlich fixierte „anerkannte Regel" dar, über deren rechtliche Natur nachstehend noch zu sprechen sein wird.

503

Neben der SchSV und den UVV gibt es noch besondere, auf § 24 der Gewerbeordnung beruhende, Rechtsvorschriften über „überwachungsbedürftige Anlagen". Als gewerbepolizeiliche Vorschriften dienen sie dem Schutz aller Personen, die im Gewerbebetrieb — in der Seefahrt also auf dem Schiff — mit den betreffenden Anlagen in Berührung kommen. Das sind in erster Linie die Besatzungsmitglieder, aber doch auch andere Personen, die sich auf dem Schiff aufhalten, sei es als Fahrgäste oder als Angehörige von Behörden (z. B. Schiffahrtspolizei), Körperschaften (z. B. Seelotsen), Dienstleistungsbetrieben (z. B. Stauer, Ausrüster) u. a.. Auf dem Gebiete der Seeschiffahrt bilden die Vorschriften ein Mittelding zwischen den Vorschriften der Schiffssicherheit einerseits und des Arbeitsschutzes andererseits. Die maßgeblichen Verordnungen wurden in überarbeiteter Form in der V O zur Ablösung von Verordnungen nach § 24 der Gewerbeordnung vom 27.02.1980 173 zusammengefaßt und bilden oder bildeten dort unter Beibehaltung ihres herkömmlichen Verordnungstitels jeweils einen Artikel dieser Verordnung.

504

Die für die Seeschiffahrt relevanten Artikel sind S. 173 — Artikel 1: V O über die Dampfkesselanlagen (Dampfkessel-VO); S. 184 - Artikel 2: Druckbehälter-Verordnung; diese V O ist durch VO vom 21.04.1989 (BGBl. I S. 843) ersetzt worden. Sie ist für die Druckbehälter auf Schiffen maßgeblich, für Seeschiffe als solche (Flüssiggastanker) gilt sie nicht.; S. 205 — Artikel 3: Verordnung über Aufzugsanlagen; S. 220 — Artikel 5: Acetylen-Verordnung. Den genannten Rechtsverordnungen ist gemeinsam, daß die darin geregelten Einrichtungen nur nach besonderer behördlicher Erlaubnis in Betrieb genommen werden dürfen. 173

BGBl 1980 I S. 173; FN A 7 1 0 2 - 3 8 , 39, 40 und 42.

III. Das Schiff

189

Die in den Artikeln 4 und 6 der Verordnung enthaltenen Verordnungen gelten für die Seeschiffahrt nicht; die in Artikel 4 enthaltene V O über elektrische Anlagen bestimmt dies in § 1 Abs. 5 ausdrücklich,die den Artikel 6 bildende V O über brennbare Flüssigkeiten gilt schon nach ihrem Titel nur für die Beförderung zu Lande.

Hiermit sind die Rechtsvorschriften, die für den Bau und die Ausrüstung der Schiffe 505 aus Gründen der Schiffssicherheit, des Arbeitsschutzes oder der Gewerbepolizei erlassen worden sind, in einer notgedrungen etwas summarischen Weise vorgestellt. Trotz des großen Umfanges der genannten Übereinkommen und Rechtsverordnungen bleiben hinsichtlich der Anforderungen an Bau und Ausrüstung der Schiffe unvermeidlich noch Lücken. Um sie zu schließen, wird heute noch ergänzend auf die „allgemein anerkannten Regeln der Technik" zurückgegriffen, die ursprünglich für den Schiffbau die allein maßgebliche Richtschnur darstellten und auf die § 6 SchSV ausdrücklich hinweist. Auch sie sind weitestgehend schriftlich fixiert. Obwohl sie keine verbindlichen Rechtsvorschriften sind, erlangen sie eine erhebliche gestaltende Kraft dadurch, daß sie in Versicherungsbedingungen für maßgeblich erklärt werden. An solchen Regeln gibt es: — für das Gebiet des Arbeitsschutzes zahl- und umfangreiche Richtlinien und Merkblätter der SeeBG, über die eine spezielle Aufstellung der SeeBG Auskunft gibt; 174 — neuerdings auch Richtlinien des BMV oder nachgeordneter Stellen, die nach § 6 SchSV erlassen und im Verkehrsblatt bekanntgegeben werden; — die Klassifikationsvorschriften des Germanischen Lloyds oder der renommierten ausländischen Klassifikationsgesellschaften (Lloyds Register, Bureau Veritas, Norske Veritas, American Bureau of Shipping u. a.); — anerkannte technische Normwerke wie DIN oder VDE. Alle vorgenannten Rechtsvorschriften und Regelwerke sind geeignet, internationale 506 Rechtsvorschriften, die nicht über ein Zustimmungsgesetz nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 GG Bestandteil des deutschen Rechts werden, sowie die Vielzahl völkerrechtlicher unverbindlicher Empfehlungen (namentlich der IMO) aufzunehmen und ihnen damit hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit innerhalb der deutschen Rechtsordnung den jeweils angemessenen Rang zu verleihen. Für die lediglich an die Regierungen gerichteten IMOEmpfehlungen (Resolutionen), die Sicherheitsfragen der Seeschiffahrt betreffen, wurde in den betreffenden Abschnitten dieser Darstellung angegeben, wo sie evtl. in der Bundesrepublik bereits ihren Niederschlag gefunden haben. Im Anschluß an die Rechtsvorschriften sowie die schriftlich fixierten und damit klar 507 umrissenen sonstigen Regeln für Bau und Ausrüstung ist für dieses Sachgebiet noch § 80 des Seemannsgesetzes zu beachten. § 80 des Seemannsgesetzes lautet: (1) Der Reeder ist verpflichtet, den gesamten Schiffsbetrieb und alle Geräte so einzurichten und zu unterhalten und die Beschäftigung sowie den Ablauf der Arbeit so zu regeln, daß die Besatzungsmitglieder gegen See- und Feuergefahren sowie gegen sonstige Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit so weit geschützt sind, wie die Art des Schiffsbetriebes es gestattet. Die Pflicht zur Unterhaltung der Geräte sowie zur Regelung der Beschäftigung und des Ablaufs der Arbeit trifft auch den Kapitän. (2) Unabhängig von den aufgrund des § 143 Abs. 1 Nr. 10 erlassenen Vorschriften kann die SeeBerufsgenossenschaft im Einzelfall anordnen, welche Vorkehrungen und Maßnahmen zur Durch174

Anhang A der UVVSee.

190

C. Die Seeschiffahrt

führung des Absatzes 1 zu treffen sind. Soweit die angeordneten Vorkehrungen und Maßnahmen nicht die Beseitigung einer dringenden Gefahr bezwecken, muß für die Ausführung eine angemessene Frist gelassen werden.

Da Absatz 2 auf § 143 Abs. 1 Nr. 10, die Ermächtigungsvorschrift zum Erlass staatlicher Arbeitsschutzvorschriften, verweist, wird klar, daß hier nur der durch die Schiffsicherheitsvorschriften nicht erfaßte Arbeitsschutz geregelt werden soll. Da die vorhandenen Arbeitsschutzvorschriften nicht auf Grund des § 143 Abs. 1 Nr. 10 erlassen worden sind, sondern den Gegenstand der UVV der SeeBG bilden, kann die im Einzelfall ergehende Anordnung der SeeBG nach Absatz 2 entweder eine abstrakte Forderung der UVV zur konkreten Forderung erheben; sie kann aber auch den Freiraum, der dem Reeder bzw. dem Kapitän nach Absatz 1 in ihrer Verpflichtung zum Schutz der Besatzungsmitglieder gegen Gefahren gelassen ist, beseitigen und durch Anordnung einer rechtlich nicht konkret vorgeschriebenen Arbeitsschutzvorkehrung ersetzen. Enthält die Anordnung eine neue, im generellen Regelwerk nicht vorgesehene Forderung, schafft sie also im Einzelfall zusätzliches Recht. Ihr Hauptzweck ist aber die Durchsetzung vorgegebenen Arbeitschutzrechts der Seeschiffahrt, gehört also in den Zusammenhang des folgenden Abschnittes d). 508

Die in Rn. 499 versprochene und nun folgende Übersicht erfaßt die Sicherheitsvorschriften in SOLAS 1974, SchSV und UVV für Bau und Ausrüstung der größten Schiffskategorien. Die entsprechenden Vorschriften des Freibordübereinkommens und des MARPOl-Übereinkommens werden bei der Behandlung dieser Übereinkommen dargestellt.

Der Überblick erfaßt nicht die allgemein gültigen, nach § 24 Gewerbeordnung erlassenen Vorschriften über Dampfkessel, Druckbehälter, Aufzugsanlagen und Acetylen — s. Verordnung vom 27.02.1980 (Rn. 503 f) — sowie die zahlreichen Richtlinien und Merkblätter. Der Überblick erfaßt auch nicht die folgenden Schiffskategorien: — Schiffe für Sonderzwecke (Special purpose ships), d. h. Schiffe, auf denen sich mehr als 12 Personen nicht primär zur Beförderung, sondern zur Erfüllung bestimmter Aufgaben befinden: Für sie siehe IMO-Resolution A 543 (13). 509 — Fischereifahrzeuge. Da SOLAS 1974 für Fischereifahrzeuge nicht gilt und eine internationale Spezialregelung für Fischereifahrzeuge zwar beschlossen, aber, da technisch überholt, noch nicht in Kraft getreten ist (vgl. dazu Teil F), gelten für die Fischereifahrzeuge gegenwärtig nur die in § 10 Abs.3 SchSV aufgeführten Vorschriften derselben sowie die UVV der SeeBG, und zwar neben den allgemeinen Vorschriften für alle (vgl. oben bei Fahrgastschiffe) folgende Zusatzvorschriften betreffend Bau und Ausrüstung: §§245—250a (Schiffbau, Stabilität), §§ 252—256 (Maschinenbau und elektrische Einrichtungen/besondere Einrichtungen), §§ 2 6 5 - 2 7 9 (Brandschutz), §§ 280 bis 289 (Rettungsmittel) § 41 UVV unterscheidet unter dem Oberbegriff „Fischereifahrzeuge" folgende Spezialkategorien: 5. Fischereifahrzeuge (mehr als 200 BRT) 6. Hochseekutter (bis zu 200 BRT, und nicht Küstenkutter) 7. Küstenkutter (gedeckte Fahrzeuge in der Küstenfischerei von nicht mehr als 37 BRT), 8. Fischereiboote (nicht mehr als 37 BRT in der Küstenfischerei).

III. Das Schiff

191

Sondervorschriften der UVV gelten für Küstenkutter und Fischereiboote; § 293 (Rettungsmittel) gilt für beide Kategorien, § 292 (Stabilität) nur für Küstenkutter. Katalog möglicher Zusatzforderungen der SeeBG für beide Schiffskategorien in § 290. - Sonderfahrzeuge (im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchSV und des § 41 Nr. 9 UVV): 510 Hierunter fallen folgende Schiffskategorien, für die SOLAS 1974 nicht gilt: a) Wasserfahrzeuge des Öffentlichen Dienstes, b) Schlepper (nur soweit sie nicht Frachtschiffe in der Auslandsfahrt sind, c) Kleinfahrzeuge bis 50 BRT, die für die gewerbsmäßige Beförderung von nicht mehr als 12 Personen zugelassen sind, d) Ausbildungsfahrzeuge bis 350 BRT für die Ausbildung zum Fahren von Sport- und Vergnügungsfahrzeugen, e) Wasserfahrzeuge ohne eigenen Antrieb, f) schwimmendes Arbeitsgerät (z. B. Bagger, Kräne, Bohrinseln, Produktionsplattformen). Für diese Schiffskategorien gelten nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 SchSV Vorschriften des Teils C der VO, und zwar im einzelnen: § 54 Abs. 4 (entsprechende Anwendung des SOLAS Kapitels II-l, Regeln 8, 9 und 19; SeeBG bestimmt zusätzliche Anforderungen an Unterteilung und Stabilität), § 55 Abs. 3 (SeeBG bestimmt Anforderungen an die Ruderanlage), § 57 Abs. 7 (SeeBG bestimmt im Einzelfall, inwieweit SOLAS Kapitel II-2 und SchSV hinsichtlich der Schiffsräume anzuwenden sind), § 60 (Rettungsmittel), § 61 (Ausrüstung der Rettungsboote), § 62 (Leinenwurfgerät) sowie § 67 (UKW-Sprechfunkanlage). Für gewerbsmäßig zu vermietende Sportfahrzeuge wird nur bei vorgeschriebener Ausrüstung das nach § 2 See-SportbootvermietungsV. vom 07.04.1981 175 erforderliche Bootszeugnis erteilt. — Kriegsschiffe sowie Sport- und Vergnügungsfahrzeuge fallen nicht unter die Schiffs- 511 Sicherheitsverordnung (SchSV) und, da nicht zu Unternehmen gehörend, die der SeeBG unterstehen, auch nicht unter die UVV. Das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie empfiehlt für seegehende Sportfahrzeuge die Verwendung von Radarreflektoren, Magnetkompassen und Ortungs-Funkanlagen. c) Der Freibord Handelsschiffe müssen dagegen geschützt werden, daß ihre Stabilität durch falsche 512 Beladung gefährdet wird. Auf Beladungsfehler wie z. B. ungenügende Sicherung gegen Verrutschen von Schüttgütern, zu schwere Container an Deck, unbefestigte Kraftfahrzeuge u.s. wird im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften einzugehen sein, die von der Schiffsführung während des Aufenthalts des Schiffes in Häfen (Rn. 706 ff) zu beachten sind. Einem gefährlichen Beladungsfehler, nämlich der Überladung und des dadurch bedingten zu großen Tiefgangs des Schiffes kann aber bereits durch eine Markierung der höchtzulässigen Eintauchtiefe vorgebeugt werden. Diesem Zweck dient das Internationale Freibord-Ubereinkommen von 1966 (Convention on Loadlines); 176 es hängt mit den allgemeinen Stabilitätsvorschriften in Kap. II — 1 der SOLAS-Anlage (Rn. 479) so eng zusammen, daß die IMO — vgl. Res. A 600 (15) — die beiden Rechtsquellen nach 175 176

BGBl. 1981 I S. 343; FN A 9 5 1 1 - 2 2 . Freibord-Übereinkommen vom 05.04.1966, Gesetz vom 20.02.1969, (BGBl. II S. 249 und 1977 II S. 164).

192

C. Die Seeschiffahrt

Bau- und Ausrüstungsvorschriften für Seeschiffe unter Bundesflagge (zu Rn. 508) Kategorie

SOLAS, Anlage 1

Fahrgastschiffe Kap. II - 1 — in der AuslandsB (Unterteilung/Stabifahrt lität) Regel 4 - 1 0 , 12, 13, 15-18 Abs. 1, 1 9 - 2 1 Abs. 2 22-25 C (Maschinenanlagen) Regel 2 6 - 3 9 D (Elektrische Anlagen) Regel 40 - 42, 44, 45 E (zeitweilig unbesetzte Maschine) Regel 54 Kap. II - 2 (Feuerschutz) Regel 1 - 4 1 Kap. III (Rettungseinrichtungen) Regel 1 - 2 5 , 3 0 - 5 1 Kap. IV (Funk) Regel 1 - 1 9 Kap. V (Sicherung der Seefahrt) Regel 11, 12, 17, 20, 21

— in der nationalen Fahrt, soweit nicht in den nachstehenden Unterkategorien

— Sonderfahrzeuge

SchSV

UVV -

See

§35

§§ 8 3 - 1 0 1

§36 § 37 Abs. 1, 2, 4

§§ 1 0 2 - 1 4 6

(§38)

§§ 39, 40

§§164-175

§§ 43, 45

zusätzlich: Besondere Einrichtungen §§ 6 2 - 7 2

§§46-48

Vorschr. gegen Lärm §193 Vorschr. gegen Vibration § 195 Vorschr. betr. Küche/ Bedienung §§ 1 9 6 - 1 9 8 ferner §§ 3 2 6 - 3 2 9 wie in der Auslandsfahrt

§ 50 mit herangezogenen entsprechend anwendbaren SOLASVorschriften § 50 Abs. 2 in Verb. mit §§ 35—48, sowie §§ 56, 58, 6 1 - 6 5 , 69 Abs. 2, 72 § 50 Abs. 1 mit herangezogenen, entsprechend anwendbaren SOLAS-Vorschriften §50 Abs. 2 (§§ 3 5 - 4 8 )

193

III. Das Schiff Fortsetzung Tabelle Bau- und Ausrüstungsvorschriften Kategorie

SOLAS, Anlage 1

§§ 54 Abs. 4, 55 Abs. 3, 57 Abs. 9, § 60 Abs. 11 ( 1 - 1 0 ) , §§ 6 1 - 6 5 § 50 Abs. 1 und 2 wie Sonderfahrzeuge § 53, 54 Abs. 1 und 2, 55 Abs. 1 und 2, 56, 59 Abs. 1, 61 Abs. 4, 64. § 50 Abs. 1 und 2 wie Sonderfahrzeuge §§ 53, 54 Abs. 2, 55 Abs. 1 und 2, 56, 59 Abs. 2, 61 Abs. 4, 64.

— Bäderboote

— Sportanglerfahrzeuge

Frachtschiffe Kap. II - 1 — in der AuslandsRegel 11, 14, 18 fahrt, soweit in Abs. 2, 19 21 Abs. 1 SOLAS nicht und 3, 2 2 - 5 3 ausgenommen Kap. II - 2 Regel 1 - 2 2 42-54 5 5 - 6 3 (für Tankschiffe)

Kap. III Regel 1 - 1 9 26-51 Kap. IV Regel 1 - 1 9 Kap. V Regel 11, 17, 20, 21 Kap. VII Teil B — in SOLAS ausgenommene Frachtschiffe

SchSV

UVV -

See

v. Abs. wie oben

§ 35 Abs. 6, 9, 10, §§ 36 Wie Fahrgastschiffe Nr. 1 u. 2, 37 Abs. 3 und 4, 38

§39 §41 §42

ferner betr. Luken, Pforten, Rampen §§ 2 0 0 - 2 0 5 Umschlagsgeräte §§ 2 1 0 - 2 3 1 Vorkehrungen für gefährliche Ladungen §§ 2 3 9 - 2 4 3

§43 §§ 44, 45

Tankschiffe §§ 3 2 9 a - m

§§ 4 6 - 4 8

§ 50 Abs. 1 mit herangezogenen, entsprechend anwendbaren SOLAS-Vorschriften. § 50 Abs. 2 in Verb, mit §§ 3 5 - 4 8 §57 Abs. 1 - 8 , §§ 6 0 - 6 2

wie bei den unter SOLAS fallenden Schiffen.

194

C. Die Seeschiffahrt

Möglichkeit zusammenfassen möchte, was allerdings wegen der Unterschiede im Mitgliederbestand schwierig zu realisieren sein dürfte. Die eingeführte Marke, die den Kontrollorganen die Feststellung erleichtert, ob das Schiff nicht überladen ist, hat folgendes Aussehen:

450mm (F = Frischwasser) (Tropen-Ladern.) (Sommer-Ladem.) (Winter-Ladern.) (Winter-Nordatlantik-Ladem.)

Die Marke kennzeichnet die obere Grenze der zulässigen Eintauchtiefe des beladenen Schiffes — daher der englische Übereinkommenstitel „Convention on Loadlines" — oder, was auf dasselbe herauskommt, die untere Grenze der sichtbar bleibenden über Wasser befindlichen Bordwand (des Freibords) — daher der deutsche Titel „Internationales Freibord-Übereinkommen von 1966". 513 Das Freibord-Übereinkommen vom 05.04.1966 hat 1971, 1975 und 1979 Änderungen erfahren, die in der Bundesrepublik Deutschland durch Rechtsverordnung übernommen worden sind. 177 International sind die Änderungen noch nicht in Kraft; ein 1988 beschlossenes Änderungsprotokoll, welches das uns im Prinzip schon bekante Tacit Acceptance Verfahren für das Freibord-Übereinkommen einführt, wird insoweit Abhilfe schaffen. Das Übereinkommen umfaßt 34 Artikel und als Anlagen — I. Regeln zur Bestimmung des Freibords, — II. Zonen, Gebiete und Jahreszeiten; — III. Zeugnisse. Wichtig ist zunächst der Anwendungsbereich des Übereinkommens. Nach seinem Artikel 4 gilt es für Schiffe, welche die Flagge eines Vertragsstaates zu führen berechtigt sind 178 177 178

Erste Verordnung vom 19.02.1981 (BGBl. II S. 98). Über die Voraussetzungen dieser Berechtigung s. Abschnitt C III 3 (Rn. 451 ff).

III. Das Schiff

195

und in der Auslandsfahrt eingesetzt sind, d. h. auf einer Reise vom Flaggenstaat zu einem ausländischen Hafen bzw. umgekehrt. Der Artikel 5 nimmt aus dem Anwendungsbereich des Übereinkommens aus die Kriegsschiffe, die Vergnügungsyachten und die Fischereifahrzeuge sowie von den übrigen Schiffen diejenigen mit einer Länge von weniger als 24 Metern. In der Bundesrepublik erklärt für die letztgenannte Gruppe von Schiffen § 29 Abs. 1 der SchSV die internationalen Regeln für anwendbar; die übrigen in Artikel 5 des Ubereinkommens genannten Schiffskategorien bleiben auch nach deutschem Recht von der Anwendung der Freibordvorschriften freigestellt. 179 Der Grundsatz des Artikels 3 besagt, daß ein Schiff eine Auslandsreise erst antreten 514 darf, wenn es nach der entsprechenden Besichtigung mit einer Freibordmarke und einem internationalen Freibordzeugnis (1966) versehen worden ist. Artikel 11 ergänzt den Grundsatz: Durchfährt ein Schiff auf seiner Reise Gebiete und Jahreszeitenzonen, für die Anlage II des Übereinkommens unterschiedliche Eintauchtiefen vorsieht (Tropische Zone, Sommerzone, Winterzone, besondere Winterzone für den Nordatlantik), so hat es diesen besonderen Erfordernissen zu genügen. Artikel 12 verdeutlicht, daß auf der ganzen Schiffsreise von der Abfahrt bis zur Ankunft von den an den Seiten des Schiffes angebrachten Freibordmarken jeweils diejenige, die der Jahreszeit sowie der durchfahrenen Zone entspricht, nicht untergetaucht sein darf. Das Übereinkommen umfaßt Tafeln, aus denen die Freiborde für Schiffe von 24 bis 515 365 m Länge zu entnehmen sind. Das Übereinkommen setzt für Flüssigkeitstanker andere Freiborde fest als für sonstige Handelsschiffe. Nach Anlage I Regel 7 sind Freibordkennzeichen auf beiden Seiten des Schiffes anzubringen; dabei ist auch die für die Bestimmung des Freibordes zuständige Klassifikationsgesellschaft oder sonstige Stelle bei der Freibordmarke, und zwar über dem den Kreis kreuzenden Linie, durch bis zu vier Buchstaben kenntlich zu machen. Dazu bestimmt § 30 Abs. 1 SchSV, daß bei Schiffen, denen die SeeBG (mit Unterstützung des Germanischen Lloyds) den Freibord erteilt, oberhalb des waagerechten Striches die Buchstaben S B G L anzubringen hat, wobei die Buchstaben SB links und G L rechts des Freibordringes stehen. Für die nach deutschem Recht (§ 29 Abs. 1 SchSV) in die Freibordregel einbezogenen 516 Fahrgastschiffe von unter 25 m Länge gilt noch eine Besonderheit: — Die Freibordmarke ist bei ihnen nicht nach Maßgabe der Anlage I des Übereinkommens zu errechnen, sondern nach § 30 Abs. 2 SchSV aufgrund einer Leckrechnung nach Maßgabe des Protokolls von 1978 zu S O L A S 74. — Die SeeBG kann ganz allgemein den Mindestfreibord erhöhen, wenn sie dies aus Stabilitätsgründen für erforderlich hält (§ 30 Abs. 3 SchSV). Hingewiesen sei noch auf zwei wichtige Punkte des Übereinkommens, auf die im Abschnitt d in größerem Zusammenhang einzugehen ist: — die den Schiffen zu erteilenden Freibordzeugnisse (Art. 16) Kein Freibordzeugnis erhalten Schiffe eines neu entwickelten Typs, (z. B. Luftkissenfahrzeuge) sowie Schiffe, die nur ausnahmsweise eine Auslandsreise durchführen.

— die Hafenkontrollen, zu denen die Vertragsstaaten nicht mehr (wie früher) nur berechtigt, sondern nunmehr nach Artikel 21 verpflichtet sind.

179

§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 3 SchSV.

196 517

518

C. Die Seeschiffahrt

d) Die Überwachung der Sicherheit betr. Bau, Ausrüstung und Freibord des Schiffes Für die Befolgung der Schiffsicherheitsvorschriften sind nach § 4 der Schiffssicherheitsverordnung der Eigentümer und der Besitzer und neben ihnen für die Ausrüstung und den Beladungszustand der Schiffsführer mit den für diese Dienstbereiche zuständigen Schiffsoffizieren verantwortlich. Da aber die Befolgung der umfangreichen und verstreut geregelten Sicherheitsanforderungen für Bau und Ausrüstung sowie Freibord des Schiffes im öffentlichen Interesse liegt, schaltet sich der Staat ein. Es stehen ihm hierfür zwei wirksame Maßnahmen zur Verfügung, nämlich die Besichtigung des Schiffes sowie die Erteilung bestimmter Sicherheitszeugnisse. Da alle Staaten daran interessiert sind, daß die Schiffe ihrer Flagge beim Anlaufen fremder Staatsgebiete keinen zeitraubenden Sicherheitskontrollen unterworfen werden, bot es sich an, über die Sicherheitsbesichtigungen und -Zeugnisse internationale Grundsätze aufzustellen und zwar so, daß jeder Staat beim Vorliegen eines gültigen Sicherheitszeugnisses auf die Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit der Besichtigung, die der Zeugnisausstellung vorangegangen ist, vertrauen darf. Diesen Forderungen entsprechen die Vorschriften der beiden oben behandelten Übereinkommen, die für fast alle in internationaler Fahrt eingesetzten Schiffe gelten, nämlich — hinsichtlich Bau und Ausrüstung des Schiffes SOLAS 1974 in Kapitel I der Anlage Regel 6—19; wegen der Form der Zeugnisse siehe Artikel 15 Abs. (b) nebst Anhang — hinsichtlich des Freibords das Übereinkommen von 1966 in Artikel 16, wegen der Form der Zeugnisse vgl. Anlage III. Für die Schiffe, die nicht unter diese beiden Übereinkommen fallen, gelten in entsprechender Weise die §§ 11 — 17 der Schiffssicherheitsverordnung vom 08.12.1986180 sowie hinsichtlich der Form der Zeugnisse deren Anlagen 1—5. Völkerrechtlich gilt der Grundsatz (Regel 6 des Kapitels I der SOLAS-Anlage), daß der Staat, dem das Schiff zugehört, die Besichtigungen des Schiffes und die ihnen folgende Erteilung von Zeugnissen grundsätzlich eigenen Beamten zu übertragen hat; wahlweise kann diese Aufgabe auch ernannten Besichtigern oder anerkannten Stellen übertragen werden, für welche der übertragende Staat jedoch die Verantwortung trägt. Das gleiche gilt für folgende in vielen Schiffsicherheitsvorschriften vorgesehene Verwaltungsakte: — die Zulassung für technische Vorkehrungen, die nur dem Typ nach bezeichnet werden — die Bewilligung zulässiger Ausnahmen; dazu gehören die Befreiungen für ein Schiff, das nur ausnahmsweise eine Auslandsfahrt unternimmt oder das neue Konstruktionsmerkmale aufweist (SOLAS Kap. I Regel 4 der Anlage) sowie die Zulassung gleichwertigen Ersatzes für vorgeschriebene Einrichtungen, Geräte oder Werkstoffe (SOLAS Kap. I Regel 5 der Anlage):

519

Die Bundesrepublik hat im Seeaufgabengesetz von der letzteren Möglichkeit Gebrauch gemacht. Die Besichtigung und Bewilligung sowie die Erteilung der Zeugnisse — nach § 1 Nr. 4 des Gesetzes Bundesaufgaben — sind nach Maßgabe des § 6 des Gesetzes im wesentlichen von der SeeBG auszuführen (vgl. dazu §§7 — 10 SchSV); sie wiederum hat sich der Hilfe des Germanischen Lloyds (GL) bei Angelegenheiten der Schiffstechnik sowie der Festlegung des Freibords zu bedienen. Das gleiche gilt für Überwachungs180

BGBl. 1986 I S. 2361.

III. Das Schiff

197

maßnahmen, die im Ausland durchzuführen sind, weil dann das vorhandene Vertreternetz des GL kostensparend verwendet werden kann. Die Beauftragung der SeeBG empfahl sich, da sie schon vor der Einführung staatlicher oder gar internationaler Schiffssicherheitsvorschriften nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht nur mit dem Erlaß von Unfallverhütungsvorschriften (UVV) beauftragt war, sondern auch mit der Überwachung ihrer Durchführung durch technische Aufsichtsbeamte. Die SeeBG hatte auch das erste Zeugnis entwickelt, ohne welches das Schiff seine Reise nicht antreten durfte, den Fahrterlaubnisschein, den es bei gewandelter Bedeutung und Reichweite auch heute noch gibt (§ 46 UVV). Auch das gesetzliche Gebot, in bestimmten Fällen die Hilfe des 1867 gegründeten Germanischen Lloyds in Anspruch zu nehmen, folgte dem Verfahren, auf welches schon die Reichsregierung bei dem Entschluß, die Aufgabe nicht mit eigenen Beamten durchzuführen, Wert gelegt hatte. Es gibt neben der SeeBG zwei weitere Behörden des Bundes, die auf Teilgebieten der 520 Schiffssicherheit, nämlich der Überwachung bestimmter Geräte allein zuständig sind. Es handelt sich um — das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, zu dessen Aufgaben es nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SeeAufgG gehört, die nautischen Instrumente und Geräte der Schiffsausrüstung auf ihre Eignung für den Schiffsbetrieb und ihre sichere Funktion an Bord zu prüfen und die Magnetkompasse zu regulieren; — den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen; er ist nach § 6 des Gesetzes über Fernmeldeanlagen 181 für die Überwachungsregelung hinsichtlich der Funkanlagen an Bord zuständig, die aufgrund des § 4 in Verbd. mit § 2 des vorgenannten Gesetzes nicht ohne seine Verleihung errichtet und betrieben werden dürfen. Nach erfolgreicher Prüfung erteilt der BMP eine Bescheinigung, während das DHI das geprüfte Gerät mit einer Prüfplakette versieht. Die SeeBG kann die für den Antritt der Schiffsreise erforderlichen Zeugnisse erteilen, wenn diese Testate vorliegen. Für die Prüfung der überwachungsbedürftigen Anlagen nach § 24 Gewerbeordnung 521 waren bisher die Arbeitsschutzbehörden der Länder zuständig. Trotz der lange Zeit geltend gemachten Bedenken der Arbeitsverwaltungen der Länder ist diese Zuständigkeit im Interesse der Verwaltungsvereinfachung durch das 2. Gesetz zur Bereinigung des Bundesrechts vom 16.12.1986 182 ebenfalls auf die vom GL unterstützte SeeBG übergegangen. Damit ist auf dem Gebiet der Schiffsicherheitsüberwachung eine für die Nutzer, d. h. die Reeder sehr wünschenswerte Konzentration auf eine Stelle eingetreten. Es ist gelegentlich bezweifelt worden, ob die Übertragung der staatlichen Aufgaben 522 auf dem Gebiet der Schiffssicherheit den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Artikel 87 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 89 Abs. 2 Satz 2 GG genügt. Der Bund hat nämlich nach diesen Bestimmungen die ihm durch Gesetz übertragenen, über den Bereich eines Landes hinausgehenden, staatlichen Aufgaben der Seeschiffahrt „in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau" zu führen. Die Seeberufsgenossenschaft (SeeBG) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit einer in der RVO geregelten Selbstverwaltung. Das Seeaufgabengesetz hat jedoch der SeeBG zusätzlich zu ihren Selbstverwaltungsaufgaben mit der Überwachung der Ausfüh181

182

Gesetz über Fernmeldeanlagen i.d.F. d. Bek. vom 17.03.1977 (BGBl. I S. 459, 573), geändert durch Gesetz vom 27.06.1986 (BGBl. I S. 948); FN A 9 0 2 0 - 1 . BGBl 1986 I S. 2441.

198

C. Die Seeschiffahrt

rung von Schiffsicherheitsvorschriften eine Staatsaufgabe des Bundes besonderer Art delegiert. Sie unterliegt insoweit nach § 6 Abs. 1 Satz 3 SeeAufgG der Fachaufsicht des Bundes; Grenzen und Umfang dieser Aufsicht richten sich nicht nach Grundsätzen der allgemeinen Aufsicht über Körperschaften, sondern nach dem fachlichen Inhalt der Bundesaufgabe. Da die SeeBG somit im Bereich der Schiffsicherheit als Organ der unmittelbaren Bundesverwaltung tätig wird, hat der Präsident des Bundesrechnungshofes in einem Gutachten von 1962 über die Wirtschaftlichkeit der Organisation der Überwachung der Schiffsicherheit verfassungsrechtliche Bedenken im Anschluß an eine Meinungsäusserung des Bundesminister der Justiz als unbegründet erachtet. 523

Die materiellen Vorschriften über die Besichtigungen und Zeugnisse finden sich in den Regeln 7—18 des Kapitels I der Anlage zu SOLAS 1974 sowie in §§11 — 13 der SchSV. Danach gilt folgendes: Alle Schiffe unterliegen nach den Regeln 7—10 a. a. O. vor der Indienststellung einer ersten Besichtigung. Nachfolgende Besichtigungen in regelmäßigen Zeitabständen sind ebenfalls vorgeschrieben, jedoch sind die Zeitabstände entsprechend der Schadensanfälligkeit der zu prüfenden Schiffsteile sowie der Tragweite der öffentlichen Verantwortung gegenwärtig noch verschieden.(Eine Harmonisierung ist 1988 mit einem Zusatzprotokoll beschlossen worden, kann aber erst ab 1992 in Kraft treten). Den unterschiedlichen Abständen zwischen den Wiederholungsuntersuchungen entspricht nach Regel 14 die Gültigkeitsdauer der verschiedenen nach Regel 12 zu erteilenden Sicherheitszeugnisse.

524

Für die Frachtschiffe gilt folgendes: — für den Schiffskörper und die Maschinen sowie die damit in engem Zusammenhang stehende Ausrüstung (Kessel, Druckbehälter, elektrische Anlagen u. a.) legt die Regel 10 die Besichtigungsintervalle nicht fest, sondern überläßt sie der Bestimmung des Vertragsstaates, der zu gewährleisten hat, daß die zu besichtigenden Teile dem Verwendungszweck des Schiffes voll entsprechen. Die Bundesrepublik hat im § 11 Abs. 1 Nr. 2 SchSV Wiederholungsbesichtigungen in regelmäßigen Abständen von fünf Jahren vorgeschrieben. Das für diesen Fachkomplex zu erteilende Zeugnis wird als „Bau- und Sicherheitszeugnis für Frachtschiffe" bezeichnet; — für die Sicherheitsausrüstung, die nicht schon im Bausicherheitszeugnis berücksichtigt ist, sind — Funkausrüstung ausgenommen — regelmäßige Besichtigungen im zeitlichen Abstand von 24 Monaten vorgeschrieben (Regel 8). Das insoweit vorgeschriebene Sicherheitszeugnis ist das „Ausrüstungs-Sicherheitszeugnis für Frachtschiffe". — Übrig bleiben die Funk- und Radaranlagen des Schiffes, für die nach Regel 9 alle 12 Monate eine Besichtigung vorgeschrieben ist. Das zu erteilende Zeugnis ist — je nach der Art der ordnungsgemäß geführten Funkanlage — das „Telegrafiefunk- bzw. Funksprech- Sicherheitszeugnis für Frachtschiffe". Fahrgastschiffe unterliegen nach Regel 7 hinsichtlich sämtlicher — bei den Frachtschiffen getrennt geregelten — Sachkomplexe alle 12 Monate einer zusammenhängenden Besichtigung, nach welcher das „Sicherheitszeugnis für Fahrgastschiffe" erteilt wird. Wird einem Schiff zulässigerweise eine Ausnahme gewährt, dann ist ein besonderes „Ausnahmezeugnis" zu erteilen, dessen Geltungsdauer demjenigen Zeugnis entspricht, auf das es Bezug nimmt.

525

Die Zeugnisse müssen einheitlichen Mustern entsprechen, die in der Anlage zu den Regeln enthalten sind, und in der Amtssprache des ausstellenden Staates abgefaßt sein (Regel 15). Sie sind auf dem Schiff gut sichtbar auszuhängen (Regel 16). Die Gemeinschaft

III. Das Schiff

199

der Vertragsstaaten kommt in zwei Regeln zum Ausdruck, nämlich in Regel 17, wonach die Vertragsstaaten ihre Zeugnisse gegenseitig anzuerkennen haben, und in Regel 13, wonach die Vertragsregierungen sich gegenseitig um Vornahme einer Besichtigung oder Zeugnisausstellung ersuchen können. Noch stärker kommt der Gemeinschaftsgedanke neuerdings bei den in der Regel 19 geregelten Hafenkontrollen zum Ausdruck, auf welche im Abschnitt über das Schiff auf der Reise einzugehen sein wird. Für Schiffe, auf die SOLAS 1974 keine Anwendung findet, sind dessen Besichtigungsregeln 7, 8 und 10 entsprechend anzuwenden (§11 Abs. 1 Satz 4 SchSV); lediglich für Sonderfahrzeuge ist die Regel 7 ausgenommen. Für die Zeugnisse, die diesen Schiffen zu erteilen sind, gelten die besonderen Vorschriften des § 13 Abs. 3 — 7 SchSV. Wer ein Schiff baut, hat im Hinblick auf die Besichtigungen durch die SeeBG drei 526 wichtige Vorschriften im § 11 SchSV zu beachten: — Schon vor Baubeginn hat er die Besichtigung bei der SeeBG unter Beifügung der erforderlichen Unterlagen schriftlich zu beantragen (§11 Abs. 6); — das Schiff ist bei der Fertigstellung auf der Bauwerft zur Besichtigung bereitzustellen (§ 11 Abs.5); — nach der Besichtigung dürfen an dem Schiff, seinen Einrichtungen und seiner Ausrüstung ohne Genehmigung der SeeBG keine Änderungen vorgenommen werden; wird der ordnungsgemäße Zustand des Schiffes beeinträchtigt, ist unverzüglich für die sachgemäße Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustandes zu sorgen (§11 Abs. 7). Bei den Besichtigungen des Schiffes werden Aufsichtsbeamte oft Kontrollen an Bord 527 durchzuführen haben. Nach § 8 SeeAufgG sind Reeder und Kapitäne verpflichtet, „den mit der Aufgabe betrauten Personen jederzeit das Betreten des Fahrzeuges und die Ausübung ihrer Befugnisse zu ermöglichen. Sie haben die bei der Überprüfung benötigten Arbeitskräfte und Hilfsmittel bereitzustellen sowie die Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen vorzulegen, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich sind. Das Grundrecht des Artikels 13 GG über die Unverletzlichkeit der Wohnung wird insoweit eingeschränkt". Entsprechende Verpflichtungen bestehen für den Reeder und den Kapitän gegenüber den prüfenden Aufsichtsbeamten bzw. Sachverständigen — nach § 13 der von der SeeBG erlassenen UVV, — nach § 24b der Gewerbeordnung, — nach § 102 Abs. 2 Seemannsgesetz. 5. Anforderungen an Bau und Ausrüstung des Schiffes aus anderen als Sicherheitsgründen An den Bau und die Ausrüstungen von Kauffahrteischiffen werden im Hinblick auf 528 die an Bord befindlichen Menschen auch bestimmte Anforderungen gestellt, die nicht deren Sicherheit, sondern ihrer angemessenen Pflege dienen. Solche Anforderungen finden sich in zwei Rechtsverordnungen: Die Verordnung über die Unterbringung der Besatzungsmitglieder an Bord von Kauffahrteischiffen vom 08.02.1973;183 Erste Änderungsverordnung vom 23.08.1976.184 Die 183 184

BGBl. 1973 I S. 66; FN A 9 5 1 3 - 1 - 3 . BGBl. 1976 I S. 2443.

200

C. Die Seeschiffahrt

Verordnung beruht auf der Ermächtigung des § 143 Abs. 1 Nr. 4 und 5 des Seemannsgesetzes. Sie gilt nach § 1 nicht für Fischereifahrzeuge bis zu 37 BRT. Die Bereitstellung der in § 2 näher definierten Unterkunftsräume ist eine der Fürsorgepflichten des Reeders, der in § 3 zum Schutz von Leben, Gesundheit und Wohlbefinden der Besatzungsmitglieder aufgerufen ist. Aus diesen Zielen ergibt sich die Verpflichtung des Reeders, den Vorschriften des Anhangs der Verordnung und im übrigen den allge. meinen anerkannten Regeln der Technik zu folgen, sowie nach § 4 das Recht der SeeBG, im Einzelfall, wenn erforderlich über § 3 hinausgehende Anforderungen, zu stellen. 529

Durch die vorgeschriebene Einschaltung der SeeBG ist die Befolgung der Verordnung gewährleistet. Ihre Zustimmung hat nach § 9 einzuholen, wer den Bau eines Schiffes in Auftrag gibt; ihr sind zu diesem Zwecke die Baupläne unter Angabe der Besatzungsstärke und des vorgesehenen Fahrtgebietes vorzulegen; ihnen müssen detaillierte Pläne über die Unterkunftsräume folgen, bevor mit deren Bau begonnen wird. Die Zuwiderhandlung gegen diese Pflichten ist nach § 13 eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 127 Nr. 3 des Seemannsgesetzes. Die SeeBG hat nach § 10 die Unterbringungseinrichtungen vor Eintragung in das Seeschiffsregister zu besichtigen. Sie kann von den Anforderungen des § 3 Ausnahmen zulassen; sie hat aber in diesem Fall vorher die Stellungnahme des „Fachausschusses für die Unterbringung der Besatzungsmitglieder auf Kauffahrteischiffen" einzuholen. Dieser im § 7 näher geregelte, vom BMA im Einvernehmen mit dem BMV berufene Ausschuß ist auch für die Erstellung der technischen Regeln (Anhang der Verordnung) sowie für die Beratung der vorgenannten Minister zuständig.

530

Die Verordnung über die Krankenfürsorge auf Kauffahrteischiffen vom 25.04.1972. 185 Die Verordnung ist auf Grund des § 142 Abs. 1 Satz 1 und 2 und des § 143 Abs. 1 Nr. 5 und 6 des Seemannsgesetzes erlassen. Besondere bauliche Vorkehrungen (Behandlungs-, Kranken- und Operationsräume) werden in den §§7 — 9 nur gefordert, wenn das Schiff in der mittleren oder großen Fahrt (Begriffsdefinitionen entgegen der überholten Verweisung in § 6 jetzt in § 2 Nr. 9 und 10 SchSV) eingesetzt werden soll und/oder eine bestimmte Personenzahl überschritten wird. Hingegen ist nach § 1 für alle Kauffahrteischiffe, welche die Bundesflagge führen, sowie ihre Rettungsboote und aufblasbaren Rettungsflöße eine nach Maßgabe der Anlagen zur Verordnung unterschiedliche Ausrüstung mit Arznei- und anderen Hilfsmitteln vorgeschrieben. Nach § 2 ist verantwortlich für die Ausrüstung der Reeder, für die Aufbewahrung der Mittel — Einzelheiten in den §§ 19 bis 21 — der Schiffsarzt bzw. der Kapitän.

531

Wie in der oben (Rn 528 f) behandelten Verordnung liegt die Überwachung hinsichtlich der baulichen Vorkehrungen nach § 4 Abs. 1 bei der SeeBG; Parallelvorschriften finden sich auch hinsichtlich der Einreichung von Plänen und des Zustimmungserfordernisses in § 12, für die Gewährung von Ausnahmen in § 13, wobei die SeeBG hier jedoch vor ihrer Entscheidung den „Arbeitskreis der Küstenländer für Schiffahrtshygiene" (§ 14) anzuhören hat. Die Ausrüstung mit Arznei- und sonstigen Hilfsmitteln ist nach § 4 Abs. 2 von einem „Arzt der Behörde" zu überprüfen. Die Befolgung der Verordnung wird weiterhin durch die Bußgeldvorschrift des § 24 gesichert, der auf die Bußgeldvorschriften in § 127 Nr. 3 des Seemannsgesetzes, § 15 Abs. 1 SeeAufgG und § 47 Abs. 1 Nr. 5 des Arzneimittelgesetzes verweist.

185

BGBl. 1972 I S. 734, geändert durch V vom 08.12.1987 (BGBl. I S. 2553); FN A 9 5 1 3 - 2 1 .

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

201

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt Nach den öffentlich-rechtlichen Anforderungen, die an die Seeschiffe gestellt werden, 532 sind nunmehr die Vorschriften und Maßnahmen zu behandeln, denen die an Bord befindlichen Personen unterworfen sind. Im öffentlich-rechtlichen Interesse sind folgende Sachbereiche geregelt worden: — die aus Sicherheitsgründen erforderliche Zahl und Qualifikation der Besatzungsmitglieder — die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Arbeitskraft der Besatzung zu pflegen und ihr Wohlbefinden zu gewährleisten, — die Ordnung, der alle an Bord befindlichen Personen (Besatzung Hilfskräfte, Fahrgäste, blinde Passagiere) unterworfen sind. Aus diesen Sachbereichen ergibt sich die Gliederung dieses Abschnittes. 1. Anforderungen an die Besatzung Zum Schutze des menschlichen Lebens auf See müssen nicht nur Bau und Ausrüstung 533 des Schiffes, sondern auch die Besatzung desselben bestimmten Mindestanforderungen genügen. Aus Abschnitt C III 4 wurde ersichtlich, daß die Anforderungen, denen das Schiff als solches vor Antritt einer Seereise genügen muß, umfangreich sind. Im Vergleich zu diesen technischen Vorschriften ist die Forderung, die das SOLAS- Ubereinkommen 1974 an den Umfang und die Qualifikation der Besatzung stellt, von fast erschreckender Kürze. Sie findet sich im Kapitel V Regel 13 der Anlage des Übereinkommens und lautet: Die Vertragsregierungen verpflichten sich, für Schiffe ihrer Flagge Maßnahmen beizubehalten oder erforderlichenfalls einzuführen, durch die gewährleistet wird, daß alle Schiffe hinsichtlich des Schutzes des menschlichen Lebens auf See ausreichend und sachgemäß besetzt sind.

Die Worte „sachgemäß besetzt" sind eine farblose Übersetzung von „efficiently manned". Was das Übereinkommen in seinem Urtext damit fordert, ist die zur Gewährleistung der Sicherheit auf See erforderliche Qualifikation der Besatzungsmitglieder. War der Erlaß von Rechtsvorschriften über Zahl und Qualifikation der Schiffsoffiziere 534 und Mannschaften bisher ausnahmslos eine Aufgabe jedes einzelnen Vertragsstaates, so besteht seit 1978 wenigstens hinsichtlich der Qualifikationsfrage ein SpezialÜbereinkommen, das internationale Mindestanforderungen aufstellt; es handelt sich um das am 07.07.1978 in London beschlossene „Übereinkommen über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten" (International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers 1978), das im Unterabschnitt b) zu behandeln sein wird. 186 Hingegen gibt es über die nach Größe und Fahrtgebiet des Schiffes jeweils erforderliche Besatzung trotz hierauf gerichteter Arbeiten der IMO noch keine internationale Regelung. Diese ist deswegen so 186

Neben dem Übereinkommen steht die demselben Zweck dienende, aber auch an die NichtMitgliedstaaten des Übereinkommens gerichtete IMO-Resolution A.481 (XII) von 1981 betr. Grundsätze über die Schiffsbesetzung, in der insbesondere die Einführung eines Schiffsbesetzungszeugnisses gefordert wird.

202

C. Die Seeschiffahrt

schwierig, weil viele Staaten versuchen, bei der Zahl der Besatzung und den damit unvermeidlich verbundenen Kosten ihre nationalen Forderungen möglichst gering zu halten, um auf diese Weise der Wettbewerbsfähigkeit ihrer Flotte zu dienen. 535

a) Stärke und Zusammensetzung der Schiffsbesatzung Für die Stärke und Zusammensetzung der Schiffsbesatzung sind demnach auch gegenwärtig noch ausschließlich nationale Rechtsvorschriften maßgeblich. In der Bundesrepublik regelt den größten Teil dieses Sachbereichs die Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV) vom 04.04.1984187, die lediglich die Besetzung mit bestimmten Spezialkräften anderen Rechtsverordnungen überläßt (siehe unten Rn. 541). Die Verordnung gilt nach § 1 für alle Kauffahrteischiffe, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen, und regelt die Besetzung mit Offizieren des nautischen und technischen Schiffsdienstes sowie mit Mannschaften des Decks- und Maschinendienstes. Die Zusammenfassung dieser beiden Besatzungsgruppen ist ein Fortschritt, denn vor Inkrafttreten der neuen Verordnung gab es getrennte Vorschriften: — für die Schiffsoffiziere die Schiffsbesetzungs- und Ausbildungsverordnung vom 19.08.1970188 mit Änderungen, — für den Mannschaftsbereich, die „Bemannungsvorschriften", die eine Anlage und damit Bestandteil des § 49 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschriften der SeeBG bildeten; letztere hatten ihrerseits bereits einen Fortschritt gegenüber den früheren und nicht rechtsverbindlichen „Bemannungsrichtlinien" der SeeBG dargestellt und konnten weitestgehend in die VO übernommen werden.

536

Die neue Verordnung geht auf die Erörterungen eines vom Seeverkehrsbeirat des BMV eingesetzten schiffahrtspolitischen Arbeitskreises zurück, in dem die beteiligten Reederverbände und Gewerkschaften vertreten waren. Dieser Arbeitskreis, der die Ursachen des Verbringens deutscher Tonnage unter fremde Flagge feststellen und Maßnahmen zur Behebung dieses Mißstandes erarbeiten sollte, hatte die Personalkosten als bedeutenden Grund erkannt, sich aber zu einem einheitlichen Vorschlag für diesen zentralen Punkt nicht durchringen können. 189

537

Zur Klärung dieser zentralen Frage erwies sich ein Gesetz als notwendig, das Gesetz zur Einführung eines zusätzlichen Registers für Seeschiffe unter Bundesflagge im nationalen Verkehr vom 23.03.1989 (s. Rn. 468). Seine Bedeutung konzentriert sich auf die Änderung des § 24 Abs. 4 FIG. und folgende nur dort zu findende Aussage: Arbeitsverhältnisse von Besatzungsmitgliedern eines Seeschiffes unterliegen nicht schon deswegen dem deutschen Recht, weil das Schiff die Bundesflagge führt. Das bedeutet: Ausländische Besatzungsmitglieder dürfen auf der Grundlage der in ihrem Heimatland üblichen Vergütungssätze angeheuert werden. Mit dieser gesetzlichen Klarstellung verband sich verständlicherweise die Sorge, daß die Anzahl der besonders qualifizierten deutschen Besatzungsmitglieder wegen der für sie maßgeblichen hohen Heuertarife in unvertretbarer Weise abnehmen könnte. Hier greift die 2. Verordnung zur Änderung der Schiffsbesetzungsordnung ein, die mittels einer Änderung des § 14 sicherstellt, daß 187

188 189

Dazu 1. und 2. V O zur Änderung der Schiffsbesetzungsverordnung vom 11.02.1985 (BGBl. I S. 366) und vom 29.05.1989 (BGBl. I S. 1010); FN A 9 5 1 3 - 2 8 . BGBl. 1970 I S. 1253 Zur Entstehungsgeschichte der Verordnung, Franz, in Hansa 1984 S. 1161

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

203

— die überwiegende Anzahl der insgesamt für das jeweilige Schiff vorgesehenen nautischen und technischen Schiffsoffiziere Inhaber eines deutschen Befähigungszeugnisses sein müssen und — hierfür entsprechende Ausbildungsmöglichkeiten im Mannschaftsbereich zu geben sind. Den deutschen Befähigungszeugnissen können gleichwertige ausländische Zeugnisse durch Zulassung durch den BMV (Offiziere) bzw. die SeeBG (Facharbeiter) gleichgestellt werden. Die sonstigen Grundsätze der Schiffsbesetzungsverordnung (SchBesV) sind: 538 Bei größeren Schiffskategorien wird die Regelbesatzung in der Verordnung selbst festgelegt. Auch für bestimmte kleinere Schiffskategorien gibt es eine Regelbesatzung, deren Festsetzung jedoch nicht in der Rechtsverordnung vorgenommen ist, sondern — was § 143 b des Seemannsgesetzes ermöglicht — der Seeberufsgenossenschaft übertragen wird. Die Seeberufsgenossenschaft kann auf Antrag die Besatzung abweichend von den genannten Regeln festsetzen, hat aber in der Regel vorher der Arbeitsschutzbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und den paritätisch aus Vertretern der Reederverbände und Gewerkschaften zusammengesetzten „Schiffsbemannungsausschuß" zu hören. Im einzelnen: Die Regelbesatzung ergibt sich für Kauffahrteischiffe, die nicht der Fischerei dienen, 539 aus dem 2. Abschnitt der Verordnung (§§ 6 bis 9). Für die Frachtschiffe von über 212 BRT Freidecker- oder 300 BRT Volldeckervermessung kann der Großteil der Regelbesatzung für die verschiedenen Schiffsgrößen aus der den § 6 Abs. 2 ergänzenden Anlage 4 abgelesen werden. Hier finden sich Tabellen mit Angaben über die Zahl der Besatzungsmitglieder für den nautischen Dienst und Decksdienst (Kapitän, Erster bis Dritter nautischer Offizier, Bootsleute, Facharbeiter und Fachkräfte Deck, Hilfskräfte Deck, Schiffsmechaniker) und für den technischen Dienst und Maschinendienst (Leitender und Zweiter bis Vierter technischer Schiffsoffizier, Facharbeiter und Fachkräfte Maschine sowie Hilfskräfte Maschine. 190 Die in den Tabellen nicht enthaltenen Angaben über die Regelbesatzung mit Schiffselektrotechnikern und Schiffselektrikern sind dem § 9 zu entnehmen. Für Fahrgastschiffe ist nach § 6 Abs. 3 die gleiche Besatzung vorgeschrieben mit dem 540 einzigen Unterschied, daß ein weiterer Schiffsoffizier des nautischen Schiffsdienstes erforderlich ist. Für Öl-, Chemikalien- und Flüssiggastankschiffe stellt § 6 a an die mit der Be- und Entladung sowie den Tanks beschäftigten Besatzungsmitgliedern zusätzliche Anforderungen betr. Fahrzeiten und besondere Lehrgänge. Für Schiffe mit automatisierter Maschine sind nach § 7 Abs. 1 und 2 im Bereich des technischen Dienstes und Maschinendienstes Erleichterungen möglich. Bei Gesamtschiffsbetrieb 191 gibt § 7 Abs. 6 die Möglichkeit, Schiffsleute des Decks- und Maschinendienstes abweichend von den Tabellen der Anlage 4 in bestimmter Weise zu ersetzen. 190 191

Für die Definition dieser Begriffe siehe Anlage 1 Teil B Abschnitt IV. Definiert in Anlage 1 Nr. 7 als „Schiffsbetrieb mit Einsatz von Besatzungsmitgliedern sowohl im Decks- als auch im Maschinendienst".

204

C. Die Seeschiffahrt

Die in Anlage 4 vorgeschriebenen Facharbeiter des Decks- und Maschinendienstes können nach § 7 Abs. 5 mit Zulassung der SeeBG in bestimmter Weise durch Fach- und Hilfskräfte ersetzt werden. Allgemein ist bei der Bemessung der Besatzung zu beachten, daß der ordnungsgemäße Wachdienst durch die in § 8 festgelegte Anzahl „wachbefähigter Schiffsleute des Decksund Maschinendienstes" (siehe hierzu Anlage 2 zu § 3) gewährleistet ist. 541

Durch die SeeBG festgesetzt wird die Regelbesatzung im Rahmen des 2. Abschnitts in den Fällen des § 6 Abs. 1 und 4: — für Fracht- und Fahrgastschiffe, die wegen ihrer geringen Größe nicht unter die Anlage 4 fallen, — für Schlepper und Versorgungsschiffe, — für Schiffe, deren Maschinenleistung höher ist als die in den Tabellen der Anlage 4 berücksichtigten. Für drei Kategorien von Besatzungsmitgliedern, die hinsichtlich Ausbildung und Verwendung an Bord eine Sonderstellung einnehmen, finden sich die Besetzungsvorschriften nicht in der Schiffsbesetzungsverordnung, sondern in anderem Zusammenhang in Spezialvorschriften; es handelt sich um — die Funkoffiziere und Sprechfunker: Da sie nicht nur den besonderen Sicherheitsbelangen des Schiffes, sondern auch dem Seefunkdienst im Rahmen des öffentlichen Fernmeldewesens dienen, ergibt sich die notwendige Besatzung aus den für beide Teilbereiche getrennt erlassenen Rechtsvorschriften: einmal Kapitel IV Regeln 6 und 7 der Anlage zum SOLAS-Übereinkommen 1974, zum anderen nach der Verordnung über die Besetzung der Kauffahrteischiffe mit Seefunkern für Zwecke des öffentlichen Seefunkdienstes vom 14.07.1981;192 — die Schiffsärzte und Pflegepersonen: Maßgeblich sind §§15 und 16 der Krankenfürsorgeverordnung vom 25.04.1972; 193 — das Küchen- und Bedienungspersonal: Maßgeblich ist Nr. 12 der Bemannungsvorschriften, die eine Anlage zu § 49 UVV bilden und die Mindestanforderungen des § 2 einer Verordnung des RMA vom 14.02.1935 berücksichtigen. 194

542

Für die Fischereifahrzeuge ergibt sich die Regelbesatzung aus dem 3. Abschnitt der SchBesV (§10). Für Fischereifahrzeuge von über 250 BRT kann die Regelbesatzung aus § 10 Abs. 2 und 3 abgelesen werden, für kleinere Fischereifahrzeuge ist in § 10 Abs. 1 die Festsetzung der Regelbesatzung durch die SeeBG vorgesehen. Der vierte Abschnitt der Verordnung regelt „Abweichungen von der Regelbesatzung, Schiffsbesatzungszeugnis, Ausnahmefälle"; nach § 11 bestimmt die SeeBG im Einzelfall die Regelbesatzung für die im zweiten und dritten Abschnitt nicht erfaßten Seeschiffe und — Schwimmkörper; nach § 12 kann die SeeBG auf Antrag des Reeders, der Arbeitnehmervertretung oder der Arbeitsschutzbehörde von jeder Regelbesatzung Abweichun192 193 194

BGBl. 1981 I S. 652; FN A 9 5 1 3 - 2 5 . BGBl. 1972 I S. 73; 1. Änderungsgesetz vom 08.12.1985 (BGBl. I S. 253), FN A 9 5 1 3 - 2 1 . RGBl. 1935 I S. 115, 176; Erste Verordnung auf Grund des Gesetzes über die Ermächtigung des RMA zum Erlaß sozialer Schutzvorschriften für die Besatzung von Seeschiffen und Hochseefischereifahrzeugen; § 7 betr. Ordnungswidrigkeiten geändert durch Art. 281 EGStGB vom 02.03.1974 (BGBl. I S. 469, 629). FN A Nr. 9 5 1 3 - 1 1 . Die VO ist noch in Kraft; anders die in ihrem Titel bezeichnete Ermächtigung, die durch das Seemannsgesetz abgelöst worden ist, vgl. dort die §§ 143 und 147 Nr. 5.

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

205

gen zulassen, hat jedoch in allen Fällen, in denen das betreffende Fahrzeug den Küstenbereich seewärts überschreiten darf, den aus Vertretern der Reederverbände und Gewerkschaften paritätisch zusammengesetzten Schiffsbesetzungsausschuß (§ 13) anzuhören. Der Reeder und der Kapitän sind nach § 2 dafür verantwortlich, daß das Schiff 543 entsprechend den in der Verordnung vorgeschriebenen oder danach festgesetzten Regeln besetzt ist. Die Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 16. Der § 4 Abs. 1 führt das von der IMO-Resolution 481 (XII) geforderte Schiffsbesatzungszeugnis ein. Es wird von der SeeBG nach dem Muster der Anlage 3 ausgestellt und bescheinigt, daß das Schiff ordnungsgemäß besetzt ist, wenn mindestens die in dem Zeugnis aufgeführte Besetzung an Bord ist; es erleichtert — namentlich in fremden Häfen195 — die Kontrollen der Schiffsbesatzung, auf die in Abschnitt C VI (Rn. 696) einzugehen ist. Das Zeugnis ist an Bord mitzuführen und auf Verlangen der Seeberufsgenossenschaft (SeeBG), den Seemannsämtern, den Arbeitsschutzbehörden, dem Bundesgrenzschutz, der Zollverwaltung und der Wasserschutzpolizei der Länder auf Verlangen vorzulegen; ein Abdruck ist an Bord an geeigneter Stelle auszuhängen. Für die Durchführung dieser Verpflichtung ist der Kapitän verantwortlich (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 und 4). Das Zeugnis ist, wenn nicht von der SeeBG anders bestimmt, zwei Jahre gültig und, wenn es wegen nachträglicher Veränderungen ungültig wird, einzuziehen (§ 4 Abs. 2 bis 4). Der § 5 überträgt die Überwachung der ordnungsgemäßen Besetzung der SeeBG und sichert ihr bei Kontrollen die Hilfe der Behörden zu, die für die schiffahrtspolizeilichen Vollzugsaufgaben allgemein zuständig sind. b)

Qualifikationsanforderungen Die traditionellen Schiffahrtsnationen haben die Anforderungen an die Qualifikationen 544 der Kapitäne und Besatzungsmitglieder in nationalen Vorschriften niedergelegt, die auf eine längere Entwicklung zurückblicken. Da die Seeschiffe im internationalen Verkehr jedoch im Ausland oft die Besatzung bei Kündigungen, Erkrankungen, Seeunfällen u. a. durch Personen ersetzen müssen, die nicht dem Flaggenstaat angehören, mußte darauf Wert gelegt werden, die Mindestanforderungen betr. Qualifikationserfordernisse für Kapitän, Schiffsoffiziere und Mannschaften des Decks- und Maschinendienstes zu vereinheitlichen. Um diesem Bedürfnis zu entsprechen, wurde im Rahmen der IMO das bereits oben erwähnte Übereinkommen über die Ausbildung, die Erteilung von Befahigungszeugnissen und dem Wachdienst von Seeleuten vom 07.07.1978 abgeschlossen. Die alten nationalen Qualifikationsvorschriften und das neue Übereinkommen beein- 545 flußten sich gegenseitig. Die Erfahrungen der nationalen Verwaltungen gingen nach rechtsvergleichenden Diskussionen in Form eines einheitlichen Kompromisses in das Übereinkommen über; dieses wiederum wurde der Ausgangspunkt für diverse nationale Maßnahmen, die den durch Ratifikation anerkannten internationalen Richtlinien folgten. Das Übereinkommen, das 1984 in Kraft getreten ist, folgt im Aufbau dem Vorbild von SOLAS 1974. Die wesentlichsten materiellen Bestimmungen finden sich also in „Regeln" einer umfangreichen Anlage, der das Übereinkommen in 17 Artikeln allgemeine Bestimmungen über die Definition von Begriffen, den Anwendungsbereich, Übergangsregeln, Kontrollverfahren und die weitere Entwicklung und Behandlung des Übereinkommens voranstellt. Die wichtigsten Artikel seien hier hervorgehoben. 195

Vgl. Vereinbarung vom 26.01.1982 über Hafenstaatskontrollen, Bek. vom 01.06.1982 (BGBl. II S. 585).

206 546

C. Die Seeschiffahrt

Nach Artikel III findet das Übereinkommen auf Seeleute Anwendung, die auf Seeschiffen Dienst tun, welche die Flagge einer Vertragspartei zu führen berechtigt sind. Seeschiffe sind nach der Spezialdefinition des Artikels II Buchst, g Schiffe, die nicht ausschließlich auf Binnengewässern oder besonders geschützten Küstengewässern verkehren; der Anwendungsbereich ist also weiter als der des SOLAS-Ubereinkommen 1974, das in der gesamten nationalen Fahrt, (d. h. einschließlich des nationalen Küstenmeeres) nicht gilt. Der Küstenstaat ist auch verpflichtet, in seinen nationalen Vorschriften über küstennahe Reisen für die Seeleute auf Schiffen fremder Flagge keine strengeren Anforderungen zu stellen als für seine eigenen Seeleute (Regel 1/3).

Das Übereinkommen gilt aber nach Artikel III nicht für Seeleute, die auf Fischereifahrzeugen, nicht gewerblich genutzten Vergnügungsfahrzeugen und Holzschiffen einfacher Bauart Dienst tun. Ein Spezial-Übereinkommen über die Sicherheit der Fischereifahrzeuge ist 1978 in Torremolinos abgeschlossen worden, aber noch nicht in Kraft getreten und inzwischen technisch überholt. Insbesondere große Fischereinationen wie Japan und die Sowjetunion sind nicht Mitglied geworden. Betreffend Wachgänger auf Fischereifahrzeugen von 24 m Länge und mehr gibt es aber die IMOResolution 539/13.

Auch für den Dienst auf Fahrzeugen des Öffentlichen Dienstes (einschließlich der Kriegsfahrzeuge) gilt das Übereinkommen nicht, jedoch ist der Vertragsstaat verpflichtet, insoweit entsprechende Vorkehrungen zu treffen. 547

Artikel VI Abs. 2 bestimmt, daß künftig erteilte Befähigungszeugnisse mit einem Vermerk zu versehen sind, der die Übereinstimmung mit dem Übereinkommen ausdrücklich testiert; die Form dieses Vermerks ist in der Regel 1/2 der Anlage festgelegt. Artikel VII erkennt die von einer Vertragspartei vor Inkrafttreten des Übereinkommens erteilen Befähigungszeugnisse ohne weiteres an und enthält Vorschriften für innerhalb einer Übergangsfrist erteilte Befähigungszeugnisse und Bescheinigungen. Artikel VIII gestattet dem Vertragsstaat, in außergewöhnlichen Notlagen Seeleuten mit generell nicht ausreichender Befähigung für einen bestimmten Dienstposten eine befristete Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Artikel XII regelt das Verfahren für die Fortbildung des Übereinkommens durch Änderungen. Änderungen der Artikel gelten für den Vertragsstaat, der sie angenommen hat; hingegen gilt für Änderungen der Anlage (Regeln) das uns bekannte Tacit-AcceptanceVerfahren; gebunden ist der Vertragsstaat, der nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt hat. Änderungen der Anlage des Übereinkommens, die sich im Rahmen der Ziele des Übereinkommens halten, können in der Bundesrepublik durch Rechtsverordnung in Kraft gesetzt werden (Ermächtigung in Artikel II des Zustimmungsgesetzes zu dem Übereinkommen vom 25.03.1982 196

548

Die umfangreiche Anlage des Übereinkommens 197 gibt den Staaten, die bisher keine genügenden nationalen Vorschriften über Ausbildung und Befähigung der Seeleute besitzen, insbesondere Entwicklungsländern, eine Regelung an die Hand, die sie unmittelbar 196 197

BGBl. 1982 II S. 297. Siehe BGBl. 1982 II S. 310 bis 371.

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

207

anwenden können. Für die Bundesrepublik Deutschland und andere traditionelle Schifffahrtsnationen bietet die Anlage lediglich Anlaß, die national gewachsenen mit den neuen internationalen Vorschriften, soweit erforderlich, in Einklang zu bringen. ,98 Wir begnügen uns daher hier mit einer von den Überschriften der Kapitel und Regeln orientierten summarischen Inhaltsangabe der Anlage des Übereinkommens sowie einer Darstellung der in der Bundesrepublik geltenden Regelungen, insbesondere den nationalen Rechtsverordnungen, die aufgrund der §§ 142 und 143 Seemannsgesetz erlassen worden sind. Die Anlage des Übereinkommens geht von den unterschiedlichen Dienstbereichen des 549 Schiffes aus, dem Decksbereich (Kapitel II), dem technischen Bereich (Kapitel III) und dem Funkbereich (Kapitel IV). Der Kapitän wird im Kapitel II behandelt — siehe Überschrift „Kapitän und Decksdienst" — zumal er alle Vorkehrungen für den Brückenwachdienst selbst zu treffen hat, während dies beim Maschinenwachdienst nach Absprache mit ihm Sache des Leiters der Maschinenanlage ist (Regel II — 1 Nr. 2, III/l Nr. 4 a); für den Funkbereich ist der Funkoffizier ohne weiteres verantwortlich.

In den Kapiteln werden zunächst Grundsätze für den Wachdienst aufgestellt oder — beim Funkbereich — in Bezug genommen. Den dort zu entnehmenden Pflichttätigkeiten folgen dann Regeln über die Mindestanforderungen an die Befähigungszeugnisse, welche die zum Wachdienst berechtigten Personen — Kapitän, Schiffsoffiziere, Schiffsleute — besitzen müssen. Die Mindestanforderungen sind: — die Seediensttauglichkeit, insbesondere Seh- und Hörvermögen, — bei Funkern auch Sprechvermögen, — bestimmte Seefahrtzeiten als Besatzungsmitglied bestimmter Qualifikation, — der Erwerb bestimmter Kenntnisse, — die Ablegung einer Prüfung. Die an die Ausbildung zu stellenden Anforderungen werden in den drei Kapiteln (II 550 bis IV) für die verschiedenen zum Wachdienst berechtigten Personen auf Schiffen unterschiedlicher Größe wie folgt eingeteilt: — Regel II/2: Kapitäne und Erste Offiziere des Decksdienstes auf Schiffen von 200 BRT und mehr, — Regel II/3: Kapitäne und nautische Wachoffiziere auf Schiffen von weniger als 200 BRT, — Regel II/6: Schiffsleute, die Brückenwache gehen, — Regel III/2: Leiter von Maschinenanlagen und Zweite technische Offiziere auf Schiffen mit einer Maschinenleistung von 3000 KW oder mehr, — Regel III/3: Leiter von Maschinenanlagen und Zweite technische Offiziere auf Schiffen mit einer Maschinenleistung von 750 bis 3000 KW, — Regel III/4: technische Wachoffiziere in einem herkömmlich besetzten Maschinenraum oder technische Offiziere im Bereitschaftsdienst in einem zeitweise unbesetzten Maschinenraum, — Regel III/6: Schiffsleute, die Maschinenwache gehen, — Regel IV/1: Funkoffiziere, — Regel IV/3: Sprechfunker. 198

Beide Möglichkeiten werden durch Artikel I des Übereinkommens gedeckt.

208

C. Die Seeschiffahrt

551

In den drei Kapiteln wird jeweils auch für die Zeit nach dem Erwerb von Befahigungszeugnissen gefordert, daß die berufliche Eignung aufrechterhalten und die erworbenen Kenntnisse auf dem laufenden gehalten (aktualisiert) werden müssen, siehe insoweit Regeln II/5, III/5 und IV/2. Die Anlage enthält schließlich noch zwei Kapitel, die Zusatzforderungen für Besatzungsmitglieder in speziellen Verwendungsbereichen aufstellen: Kapitel V, das für die Verwendung im Ladungsbereich auf Tankschiffen a) (Öl-, Chemikalien- und Flüssiggastankschiffen) zusätzlich einen entsprechenden Einführungskurs, eine bestimmte Zeit beaufsichtigten Dienstes des betreffenden Bereiches an Bord sowie einen Brandbekämpfungskurs an Land fordert; 199 Kapitel VI, das für die Verwendung als Rettungsbootsmann den Erwerb b) eines speziellen Befahigungszeugnisses verlangt und für den dafür erforderlichen Nachweis entsprechender Spezialkenntnisse wahlweise eine Prüfung oder eine ständig kontrollierte Tätigkeit in einem anerkannten Ausbildungslehrgang zuläßt.

552

In der Bundesrepublik sind für Kapitäne und Besatzungsmitglieder nicht unmittelbar die Vorschriften des Ubereinkommens, sondern folgende mit ihr in Einklang gebrachte Rechtsverordnungen maßgeblich: 200 — Die Verordnung über die Seediensttauglichkeit vom 19.08.1970, geändert durch VO vom 09.09.1975 201 — die Schiffsmechaniker-Ausbildungsverordnung (SMAusbV) vom 24.03.1983 — mit Änderungen, 202 — die Schiffsbetriebsmeister-Verordnung vom 18.04.1978, 203 — die Funkoffiziers-Ausbildungsordnung vom 30.11.1977, geändert durch Verordnung vom 18.07.1980,204 — die Verordnung über den Erwerb der Befähigungszeugnisse für Seefunker vom 23.11.1977, geändert durch Verordnung vom 05.11.1979, 205 — die Schiffsoffizier-Ausbildungsverordnung(SchOffzAusbV) vom 11.02.1985, geändert durch Verordnung vom 10.04.1986, 206 — die Verordnung über den Wachdienst auf Seeschiffen (Wachdienstverordnung) vom 15.10.1984. 207 Im Folgenden werden die wesentlichen Einzelheiten der oben genannten deutschen Rechtsverordnungen angegeben:

199

200

201 202

203 204 205 206 207

Dazu IMO-Resolution A 537 (13) betr. Unterweisung von Offizieren und Fachpersonal auf Schiffen, die gefährliche Güter befördern. Zur Vorgeschichte der Berufsausbildung in der Seeschiffahrt und ihre Einordnung in das allgemeine deutsche Berufsbildungssystem siehe Hoffmann, H.-W. S. 20 bis 41; vgl. auch Berufsbildungsgesetz vom 14.08.1969 (BGBl. I S. 1112), mehrfach geändert; FN A 8 0 0 - 2 1 . BGBl. 1970 I S. 1241 und BGBl. 1975 I S. 2507; FN A 9 5 1 3 - 1 7 . BGBl. 1983 I S. 338, ÄnderungsVO vom 21.03.1984 (BGBl. I S. 490) und 23.03.1988 (BGBl. I S. 402); FN A 9 5 1 3 - 1 - 1 0 . BGBl. 1978 I S. 514; FN A 9 5 1 3 - 1 - 8 . BGBl. 1977 I S. 2296 und BGBl. 1980 I S. 1059; FN A 9 5 1 3 - 2 3 . BGBl. 1977 I S. 2281, ÄnderungsVO vom 05.11.1979 (BGBl. I S. 1905); FN A 9 5 1 3 - 2 2 . BGBl. 1985 I S. 323 und BGBl. 1986 I S. 381; FN A 9 5 1 3 - 3 0 . BGBl. I S. 1282; FN A 9 5 1 3 - 2 9 .

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

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c) Die Verordnung über die Seediensttauglichkeit Die Verordnung ist aufgrund des § 143 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 sowie des § 143 Satz 553 1 Nr. 2, 3, 12 und 13 des Seemannsgesetzes erlassen. Nach § 1 ist seetauglich, wer nach seinem Gesundheitszustand geeignet und hinreichend widerstandsfähig ist, um an Bord von Kauffahrteischiffen beschäftigt zu werden und den zur Erhaltung der Schiffs- und Verkehrssicherheit gestellten besonderen Anforderungen seines Dienstzweiges zu genügen. (Die Verordnung verwendet nur den Begriff Schiffssicherheit, jedoch im früheren weiteren Sinne). Nach § 2 ist seedienstuntauglich, wer kleiner als 150 cm und leichter als 45 Kg ist. Er darf auch keine Mängel nach Anlage 1 der Verordnung aufweisen; die Anlage 1 ist eine aus 28 Posten bestehende Liste betreffend „Erkrankungen, gesundheitliche Schäden, Schwächen, die die Seediensttauglichkeit ausschließen". Mängel, die bei Nachuntersuchungen festgestellt werden, können u.U. hingenommen werden, wenn andere Personen oder die Schiffssicherheit nicht gefährdet werden. § 3 regelt die Anforderungen an das Hörvermögen. In drei Absätzen werden die Anforderungen an den Decksdienst, an den Maschinendienst und an andere Dienstzweige unterschiedlich geregelt; allgemeine Forderung ist das Verstehen von Flüstersprache auf 5 m, bei Nachuntersuchungen 3 m Entfernung. § 4 stellt die Anforderungen an das Sehvermögen und die Farbtüchtigkeit auf. Die Augen sind einzeln auf ihre Sehschärfe für die Ferne mit Sehproben in einem Abstand von 5 m zu prüfen; bei Kapitänen und Besatzungsmitgliedern des Decksdienstes ist auch die Sehschärfe für die Nähe mit Leseproben zu prüfen. Es darf keine Nachtblindheit vorliegen. Besatzungsmitglieder anderer Dienstzweige dürfen Brillenträger sein. Erreichen sie die Sehschärfe jedoch nur mit Brille, dann ist ihnen aufzuerlegen, die Brille ständig zu tragen und eine Ersatzbrille mitzuführen. Nach § 5 darf die Seeberufsgenossenschaft (SeeBG) für die Seediensttauglichkeitsun- 554 tersuchungen nur solche Ärzte ermächtigen, die besondere Kenntnisse der gesundheitlichen Anforderungen im Schiffsdienst besitzen. Nach § 6 ist jeder Bewerber einzeln ohne Anwesenheit von anderen zu untersuchen. Nach § 7 stellt der untersuchende Arzt, bei Seediensttauglichkeit das „Seediensttauglichkeitszeugnis" nach dem Muster der Anlage 2, bei Seedienstuntauglichkeit eine Bescheinigung nach dem Muster der Anlage 5 aus. Die Bescheinigungen sind auszuhändigen, auf Verlangen auch eine Abschrift. Das mit Siegelmarke verschlossene Seediensttauglichkeitszeugnis darf nur von einem untersuchungsberechtigten Arzt geöffnet werden. Der untersuchende Arzt hat über das Ergebnis der Untersuchung der SeeBG zu berichten. Nach § 8 bleibt das Seediensttauglichkeitszeugnis im allgemeinen zwei Jahre gültig, bei Jugendlichen, Personen über 65 Jahren, Personen, die auf Fischereifahrzeugen beschäftigt sind, sowie bei Küchenpersonal ist die Geltungsdauer ein Jahr. Läuft die Geltungsdauer während einer Reise des Schiffes ab, so verlängert sie sich bis zum Ablauf des 6. Tages nach Rückkehr in das Bundesgebiet. § 9 bestimmt, daß bei Nachuntersuchungen das Hör- und Sehvermögen nur nach Erreichung bestimmter Lebensalter zu prüfen ist. Die §§10 und 11 regeln die Aufstellung und das Verfahren eines Widerspruchsausschusses. Nach § 12 ist das Seediensttauglichkeitszeugnis während der Dauer der Beschäftigung auf einem Schiff vom Kapitän zu verwahren; dieser darf es nur der SeeBG oder der Arbeitsschutzbehörde vorlegen. d) Die Berufsbildungsverordnmgen der Seeschiffahrt Die Schiffsmechaniker-Ausbildungsverordnung (SMAusbV) 202 * gilt für die Berufsaus- 555 bildung auf nicht der Fischerei dienenden Kauffahrteischiffen, die berechtigt sind, die Bundesflagge zu führen. Der Ausbildungsberuf Schiffsmechaniker wird staatlich aner-

210

C. Die Seeschiffahrt

kannt (§ 2). Ausbildender ist ein Reeder, der die Berufsausbildung einem persönlich und fachlich geeigneten Ausbilder zu übertragen hat. Ausbildungsstätte ist ein Schiff, das vom Bundesminister für Verkehr (BMV) für die Berufsausbildung als geeignet anerkannt ist. Die Ausbildung wird durch die Berufsbildungstelle Seeschiffahrt e.V. mit Sitz in Bremen überwacht. Nach § 6 dauert die Ausbildung im allgemeinen drei Jahre; sie kann jedoch auf Antrag nach Anhörung der Beteiligten verkürzt oder verlängert werden. Nach § 7 ist ein schulisches Berufsbildungsjahr im Berufsfeld Metalltechnik auf die Ausbildungszeit anzurechnen. Nach § 8 sind Gegenstände der Berufsausbildung, — Arbeits- und Fertigungstechniken (Be- und Verarbeitung von Metall- , Holz-, Kunststoff und Tauwerk sowie Instandhaltungstechniken); — Fahrbetrieb (Brückendienst; Maschinendienst); — Ladungs- und Umschlagstechnik; — Schiffssicherung (Feuerschutz- und Rettungsdienst mit Sicherheitsmanövern; Unfallverhütung); — Kenntnisse der wichtigsten arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften. 556

Nach § 11 hat der Auszubildende ein Berichtsheft zu führen, das monatlich durch den Reeder bzw. den Ausbilder gegenzuzeichnen ist. Nach § 12 ist dem Auszubildenden bei jeder Abmusterung und bei Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses ein Zeugnis auszustellen, das über die erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten des Auszubildenden Auskunft gibt. Nach Ablauf von etwa der Hälfte der Ausbildung findet nach § 13 eine Zwischenprüfung statt; in ihrem Rahmen nimmt die SeeBG durch Technische Aufsichtsbeamte und nach Maßgabe besonderer technischer Richtlinien der SeeBG die spezielle Prüfung betr. Feuerschutz (insbesondere Brandbekämpfung) und Rettungsdienst ab (§ 13 Abs. 6). Das Ende der Ausbildung bildet die Abschlußprüfung (§ 14); sie kann zweimal wiederholt werden. Für die Zwischen- und Abschlußprüfung errichtet die Berufsbildungsstelle Seeschiffahrt Prüfungsausschüsse (§§ 15 bis 17). Die Prüfungsanforderungen finden sich für die Zwischenprüfung in § 13, für die Abschlußprüfung in § 22. Über die Zulassung zur Abschlußprüfung vgl. die Bestimmungen der §§18 bis 20. Wer die Abschlußprüfung bestanden hat, erhält einen Schiffsmechanikerbrief nach dem Muster der Anlage 3.

557

Die Schiffsmechaniker-Ausbildungsverordnung hat am 31.07.1986 die Matrosenausbildungsverordnung vom 23.05.1975 abgelöst. Wer nach dieser Verordnung einen Matrosenbrief erworben hatte, kann nach der Übergangsregelung des § 20 — bei Nachweis einer mindestens 7monatigen praktischen Bordtätigkeit im Bereich des Maschinenbetriebes oder der Teilnahme an einem mindestens dreimonatigen und von der Berufsbildunngsstelle anerkannten Praktikum sowie nach Teilnahme an einem anerkannten Ergänzungslehrgang (mindestens 360 Stunden) zur Abschlußprüfung zum Erwerb des Schiffsmechanikerbriefes zugelassen werden, — bei Erfüllung der besonderen Voraussetzungen des § 24 den Schiffsmechanikerbrief auf Antrag ohne Abschlußprüfung erhalten.

558

Auf den Kenntnissen und Fertigkeiten, die in der Berufsausbildung und in der anschließenden Berufspraxis im Schiffsbetrieb erworben werden, baut die Verordnung über die berufliche Fortbildung zum Schiffsbetriebsmeister und über den Erwerb des Schiffsbetriebsmeisterbriefes (Schiffsbetriebsmeister-Verordnung) 203 * auf. Sie sieht in § 1 zur Vorbereitung auf die Schiffsbetriebsmeisterprüfung Fortbildungslehrgänge vor, die von der Berufsbildungstelle Seeschiffahrt e.V. anerkannt sein müssen. Durch die Schiffs-

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

211

betriebsmeisterprüfung ist festzustellen, ob der Prüfungsteilnehmer die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten hat, um Meisterfunktionen im Gesamtschiffsbetrieb auszuüben und Auszubildende auszubilden (§ 2 Abs. 2 der Verordnung). Für die Zulassung zu den Fortbildungslehrgängen ist nachzuweisen, daß der Matrosenbrief oder ein Facharbeiter-(Gesellen-)brief oder (seit der später erlassenen Schiffsmechanikerverordnung) der Schiffsmechanikerbrief erworben und danach eine regelmässig 4jährige praktische Tätigkeit im Schiffsbetrieb ausgeübt worden ist. Die Dauer der Fortbildungslehrgänge (mindestens 1160 Unterrichtstunden) verkürzt sich auf die Hälfte, wenn die erfolgreiche Teilnahme an bestimmten von der Berufsbildungsstelle Seeschiffahrt anerkannten weiteren Lehrgänge (zum Bootsmann, Decksschlosser oder Maschinenvormann) nachgewiesen wird. Die §§ 10 bis 14 regeln die Prüfungsausschüsse und die Zulassung zur Prüfung und die §§16 — 20 den Inhalt der in vier Teile (fachtheoretischer, fachpraktischer, wirtschafts- und rechtskundlicher sowie berufs- und arbeitspädagogischer Teil) gegliederten Schiffsbetriebsmeisterprüfung, nach deren Bestehen der Schiffsbetriebsmeisterbrief (§ 24) nach dem Muster der Anlage 2 erteilt wird. Alle Personen, die bei einer deutschen Seefunkstelle den Funkdienst ausüben, benötigen 559 dafür ein anerkanntes Zeugnis. Dies gilt nicht nur für den Telegrafie- sondern auch für den Sprechfunk; der Erwerb eines Sprechfunkzeugnisses unterliegt aber erleichterten Bedingungen. Maßgeblich ist die Verordnung über den Erwerb der Befähigungszeugnisse für Seefunker vom 23.11.1977, geändert durch Verordnung vom 05.11.1979.205* Die Bewerber haben die deutsche Staatsangehörigkeit und das erforderliche Mindestalter nachzuweisen, können sich aber dann ohne Nachweis einer besonderen Ausbildung einer Prüfung unterziehen, für deren Abnahme die Oberpostdirektionen Bremen, Hamburg und Kiel zuständig sind und die aus einem praktischen, einem schriftlichen und einem kurzen mündlichen Teil besteht. Die Ausbildung und Befähigung von Kapitänen und Schiffsoffizieren regelt die gleich- 560 namige Verordnung mit der amtlichen Kurzbezeichnung „Schiffsoffizier-Ausbildungsverordnung (SchOffzAusbV)" vom 11.02.1985/10.04.1986.206* Während die Verordnung in ihrem Titel die Ausbildung an die Spitze stellt, geht ihr Text von den Befugnissen aus, welche der Inhaber der einzelnen Befahigungszeugnisse hat. Die Befähigungszeugnisse sind in drei Kategorien eingeteilt: Kategorie A für den nautischen Dienst auf Kauffahrteischiffen mit Ausnahme der Fischereifahrzeuge (§ 3), Kategorie B für den nautischen Dienst auf Fischereifahrzeugen (§ 4), Kategorie C für den technischen Dienst auf Kauffahrteischiffen (§ 5). Die §§ 3 bis 5 und der die Wertigkeit der Zeugnisse regelnde § 6 lauten: § 3 Befahigungszeugnisse für den nautischen Dienst auf Kauffahrteischiffen mit Ausnahme der Fischereifahrzeuge (1) Befähigungszeugnisse für Kapitäne und Schiffsoffiziere des nautischen Dienstes auf Kauffahrteischiffen mit Ausnahme der Fischereifahrzeuge sind 1. Für Kapitäne

a) AG — Kapitän A G mit folgenden Befugnissen Führen von Fracht- und Fahrgastschiffen aller Größen in allen Fahrtgebieten. Wahrnehmen der Aufgaben eines Ersten nautischen Schiffsoffiziers auf Fracht- und Fahrgastschiffen aller Größen in allen Fahrtgebieten

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C. Die Seeschiffahrt

b) AM — Kapitän AM mit folgenden Befugnissen Führen von Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 1600 BRT in allen Fahrtgebieten und von Fahrgastschiffen bis zu einem Raumgehalt von 500 BRT in der Küstenfahrt; Wahrnehmen der Aufgaben eines Ersten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 1600 BRT in allen Fahrtgebieten sowie auf Fahrgastschiffen bis zu einem Raumgehalt von 800 BRT in der Kleinen Fahrt. Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen aller Größen in allen Fahrtgebieten sowie auf Fahrgastschiffen bis zu einem Raumgehalt von 2000 BRT in der Kleinen Fahrt. c) AK — Kapitän AK mit folgenden Befugnissen: Führen von Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 500 BRT in der Kleinen Fahrt sowie von Fahrgastschiffen gleichen Raumgehalts in der Küstenfahrt; Wahrnehmen der Aufgaben eines Ersten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 500 BRT in der Kleinen Fahrt sowie auf Fahrgastschiffen gleichen Raumgehalts in der Küstenfahrt; Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 1000 BRT in der Mittleren Fahrt. d) AN — Kapitän AN mit folgender Befugnis: Führen von Frachtschiffen mit einem Raumgehalt von weniger als 200 BRT in der Nationalen Fahrt. 2. für Schiffsoffiziere a) AGW Nautischer Schiffsoffizier AGW mit folgender Befugnis: Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Fracht- und Fahrgastschiffen aller Größen in allen Fahrtgebieten. b)

AMW Nautischer Schiffsoffizier AMW mit folgenden Befugnissen — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 1600 BRT in allen Fahrtgebieten. — Wahrnehmen der Aufgaben eines Dritten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen aller Größen in allen Fahrtgebieten.

c)

AKW Nautischer Schiffsoffizier AKW mit folgenden Befugnissen: — Wahrnehmen der Aufgaben eines Ersten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 500 BRT in der Kleinen Fahrt.

— Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Frachtschiffen bis zu einem Raumgehalt von 1000 BRT in der Mittleren Fahrt. (2) Bei Schiffen, die als Volldecker vermessen sind, erhöhen sich die Tonnagegrenzen in Absatz 1 von 1600 auf 4000 BRT, von 1000 auf 1600 BRT und von 500 auf 1000 BRT. Bei Schiffen, deren Vermessungsergebnisse im Schiffsmeßbrief als Bruttoraumzahl ausgewiesen ist, entspricht diese Bruttoraumzahl bei der Anwendung dieser Verordnung der Zahl der Bruttoregistertonnen als Volldecker. Ist im Sicherheitszeugnis oder in einer vom Bundesamt für Schiffsvermessung ausge-

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

213

stellten Bescheinigung das Vermessungsergebnis in Bruttoregistertonnen festgestellt, ist dieses Ergebnis anzuwenden. § 4 Befahigungszeugnisse für den nautischen Dienst auf Fischereifahrzeugen.

562

Befähigungszeugnisse für Kapitäne und Schiffsoffiziere des nautischen Dienstes auf Fischereifahrzeugen sind — 1. für Kapitäne.

a) BG

Kapitän BG mit folgenden Befugnissen:

— Führen von Fischereifahrzeugen aller Größen in der Großen Hochseefischerei; — Wahrnehmen der Aufgaben eines Ersten nautischen Schiffsoffiziers auf Fischereifahrzeugen aller Größen in der Großen Hochseefischerei.

b) BK

Kapitän BK mit folgender Befugnis:

— Führen von Fischereifahrzeugen in der Kleinen Hochseefischerei.

c) Bkii Kapitän BKü mit folgender Befugnis: — Führen von Fischereifahrzeugen bis zu einem Raumgehalt von 75 BRT in der Küstenfischerei. 2. für Schiffsoffiziere

a) BGW Nautischer Schiffsoffizier BGW mit folgender Befugnis: — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten nautischen Schiffsoffiziers auf Fischereifahrzeugen aller Größen in der Großen Hochseefischerei.

b) BKW

Nautischer Schiffsoffizier BKW mit folgender Befugnis:

— Wahrnehmen der Aufgaben eines nautischen Schiffsoffiziers auf Fischereifahrzeugen in der Kleinen Hochseefischerei. § 5 Befähigungszeugnisse für den technischen Dienst auf Kauffahrteischiffen. Befähigungszeugnisse für Leiter von Maschinenanlagen, weitere Schiffsoffiziere und Alleinoffiziere des technischen Dienstes auf Kauffahrteischiffen in allen Fahrtgebieten sowie für Inhaber von nautischen Befähigunszeugnissen, die auch Aufgaben im technischen Dienst wahrnehmen, sind 1. für Leiter von Maschinenanlagen

a) CI

Schiffsingenieur CI mit folgender Befugnis: — Leiten von Maschinenanlagen auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung

b) CT Schiffsbetriebstechniker CT mit folgenden Befugnissen: — Leiter von Maschinenanlagen auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 8000 kW; — Wahrnehmen von Aufgaben eines Zweiten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung

563

214

C. Die Seeschiffahrt

c) CMa Schiffsmaschinist CMa mit folgenden Befugnissen: — Leiten von Maschinenanlagen auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 3000 kW; — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 8000 kW — Wahrnehmen der Aufgaben eines Dritten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung; 2. für weitere Schiffsoffizier und Alleinoffiziere a) CJW Schiffsingenieur CJW mit folgender Befugnis: — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung. b) CTW — Schiffsbetriebstechniker CTW mit folgenden Befugnissen: — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 8000 kW; — Wahrnehmen der Aufgaben eines Dritten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung. c)

CMaW: Schiffsmaschinist CMaW mit folgenden Befugnissen:

— Wahrnehmen der Aufgaben eines technischen Alleinoffiziers auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 1600 kW; — Wahrnehmen der Aufgaben eines Zweiten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit einer Maschinenleistung bis zu 3000 kW; — Wahrnehmen der Aufgaben eines Dritten technischen Schiffsoffiziers auf Schiffen mit jeder Maschinenleistung. 3. für Inhaber von nautischen Befähigungszeugnissen, die auch Aufgaben im technischen Dienst wahrnehmen: a) CNaut Schiffsmotorführer CNaut mit folgender Befugnis: — Wahrnehmen der Aufgaben eines technischen Schiffsoffiziers an automatisierten Maschinenanlagen mit einer Leistung bis zu 600 kW auf Fracht- und Fahrgastschiffen in der Mittleren Fahrt sowie auf Fischereifahrzeugen in der Großen Hochseefischerei. 564 § 6 Wertigkeit der Befähtgungs^eugnisse Die Befugnis eines Befahigungszeugnisses höherer Ordnung schließen die Befugnisse eines Befahigungszeugnisses niedrigerer Ordnung ein. Die mit dem Zusatz „W" gekennzeichneten Befahigungszeugnisse schließen nur die Befugnisse eines mit dem Zusatz „W" gekennzeichneten Befahigungszeugnisses niedrigerer Ordnung ein. Abweichend von Satz 2 schließt das Befähigungszeugnis AKW die Befugnis des Befahigungszeugnisses AN und das Befähigungszeugnis BKW die Befugnisse des Befahigungszeugnisses BKü ein, wenn der Inhaber das 20. Lebensjahr vollendet hat.

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

215

Die in der Kurzbezeichnung der Befähigungszeugnisse an die zweite Stelle gesetzten 565 Buchstaben sind beim technischen Dienst unmittelbar der Berufsbezeichnung entliehen (I, T, Ma); bei den „Kapitänspatenten" lassen sie ungeachtet der nicht mehr bestehenden Deckungsgleichheit die Fahrtgebiete anklingen, die in § 2 Abs. 4 Nr. 5 SchSV aufgeführt und auch im Rahmen der SchOffzAusbV anwendbar sind (siehe deren § 2 Abs. 1), d. h. G = Große Fahrt; M = Mittlere Fahrt; K = Kleine Fahrt; Kü = Küstenfahrt bzw. Küstenfischerei; N = Nationale Fahrt. Nach den Befahigungszeugnissen behandelt die SchOffzAusbV in den §§ 7 bis 19 und in den Anlagen 1 bis 8 die Voraussetzungen, welche für den Erwerb der Zeugnisse zu erfüllen sind. Eine allgemeine Zusammenfassung dieser Voraussetzungen bringt § 7: 5 7 Allgemeine Voraussetzungen für den Erwerb von Befahigungszeugnissen Die in den §§ 3 bis 5 genannten Befahigungszeugnisse können Deutsche im Sinne des Grundgesetzes erwerben, die 1. die persönliche Eignung (§ 8), 2. das vorgeschriebene Mindestalter (§ 9), 3. die vorgeschriebene praktische Ausbildung und Seefahrtzeit (§§ 10 bis 17), 4. die fachliche Eignung (§§ 18, 19), 5. den erfolgreichen Abschluß der Ausbildung zum Feuerschutz- und Rettungsbootsmann und 6. als Bewerber um die in den §§ 3 und 4 genannten nautischen Befahigunszeugnisse außerdem den Erwerb des Allgemeinen Sprechfunkzeugnisses für den Seefunkdienst nachweisen.

566

Wenn § 7 für den Erwerb eines Befähigungszeugnisses grundsätzlich die deutsche 567 Staatsangehörigkeit verlangt, so wird dieser Grundsatz durch § 24 gemildert; danach kann Personen, die nicht Deutsche im Sinne im Sinne des Artikels 116 GG sind, ein Befähigungszeugnis ausgestellt werden, ein Zeugnis für den nautischen Dienst jedoch nicht mit der Berechtigung zur Führung eines Schiffes unter der Bundesflagge. Zu der in § 7 Nr. 1 geforderten „persönlichen Eignung" stellt § 8 klar, daß es zwar nicht ausschließlich, aber doch sehr wesentlich auf die Seetauglichkeit (siehe oben Rn. 553 f) ankommt. Das nach § 7 Nr. 2 vorgeschriebene Mindestalter beträgt nach § 9 für Kapitäne und Leiter der Maschinenanalge 20 Jahre, für alle anderen Schiffsoffiziere 18 Jahre. Unter der nach § 7 Nr. 3 nachzuweisenden „vorgeschriebenen praktischen Ausbildung und Seefahrtszeit" sind die sowohl vor Schulbeginn als auch nach Erwerb des Wachoffizierspatent zu sammelnden Erfahrungen in der Seefahrt gemeint. Aus den §§10 bis 17, welche die Einzelheiten dazu regeln, ist hervorzuheben: — Die Vorlage des Schiffsmechanikerbriefes und der Nachweis bestimmter dadurch qualifizierter Fahrtzeiten genügt nicht nur, wie bereits dargelegt, für den Erwerb des Schiffsbetriebsmeisterbriefes, sondern auch für die Aufnahme der schulischen Offiziersausbildung; — in bestimmten Fällen genügt der Nachweis des Erwerbs eines Befahigungszeugnisses niedrigerer Ordnung (§ 10 - AGW, § 11 - AMW, § 15 - CIW, § 16 - CTW); — für Offiziersbewerber mit Hochschul- oder Fachhochschulreife ist alternativ eine praktische Ausbildung als Offiziersbewerber und Offiziersassistent vorgesehen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2; § 15 Abs. 1 Nr. 2). Die eigentliche Ausbildung, die zum Erwerb des Befähigungszeugnisses führt, erfordert 568 den Besuch spezieller Schulen (§ 7 Nr. 4 und 6, §§ 18 und 19). Die seemännischen Fachschulen sind Einrichtungen der Länder, weil diese die allgemeine Schulhoheit besitzen. Bei den Schulen sind zu unterscheiden:

216

C. Die Seeschiffahrt

— Fachhochschulen für die Bewerber, welche die Fachhochschulreife besitzen, die Ausbildung für nautische oder technische Offiziersbewerber nach Maßgabe der Anlagen 2 und 3 nachweisen und ein Befähigungszeugnis AG oder CI erwerben wollen, — Fachschulen für alle anderen Offiziersbewerber. Gegenwärtig gibt es folgende Schulen: Fachhochschulen — Hamburg, Fachbereiche Seefahrt und Schiffsbetriebstechnik, — Hochschule für Nautik Bremen, — Hochschule Bremerhaven, Fachbereich Schiffsbetriebstechnik — Fachhochschule Flensburg, Abtlg. Schiffsbetriebstechnik — Fachhochschule Oldenburg, Fachbereich Seefahrt in Elsfleth — Fachhochschule Ostfriesland, Fachbereich Seefahrt in Leer Fachschulen: — Fachschule Seefahrt Leer — Staatliche Seefahrtschule Cuxhaven — Seefahrtschule Grünendeich — Seefahrtschule Lübeck, Staatliche Fachschule für Seefahrt, — Fachschule für Technik, Flensburg, Abt. Schiffsbetriebstechnik und zusätzlich die — Staatlich anerkannte Fachschule der Marine für Schiffsbetriebstechnik bei der Technischen Marineschule I Kiel Die Dauer der Schulausbildung ist in § 18 Abs. 4 nach der Art des zu erwerbenden Befähigungszeugnisses unterschiedlich festgesetzt. Gefordert werden für das Zeugnis AN ein halbes Jahr, bei anderen Zeugnissen zwei, drei oder vier Halbjahre. 569

Auf den genannten Schulen werden auch die Kenntnisse vermittelt, die zum Erwerb des nach § 7 Nr. 6 geforderten Allgemeinen Sprechfunkzeugnisses notwendig sind. Hingegen ist die nach § 7 Nr. 5 ebenfalls erforderliche Ausbildung zum Feuerschutz- und Rettungsbootsmann Gegenstand besonderer Kurse, die an staatlichen und an gewerkschaftlichen Schulen angeboten werden.207" Die See-Berufsgenossenschaft nimmt, auch wenn die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise erworben wurden, nach § 55 Abs. 4 UVVSee Prüfungen für Rettungsboot- und Feuerschutzleute ab und stellt entsprechende Befähigungszeugnisse aus. Bewerber um ein Befähigungszeugnis nach der SchOffzAusbV weisen mit einem solchen Zeugnis der SeeBG nach, daß sie die Voraussetzungen des § 7 Nr. 5 der VO erfüllen. Nach Beendigung der Offiziersausbildung und vor Erteilung des Befähigungszeugnisses ist eine Prüfung abzulegen. Die Zuständigkeit für die Abnahme dieser Prüfung bereitete bei der Vorbereitung des Seeaufgabengesetzes, das nach Artikel 89 Abs. 2 GG eine genaue Abgrenzung der Verwaltungsaufgaben des Bundes gegenüber den Ländern erforderlich machte, besondere Schwierigkeiten.

570

Der Bund forderte für die Bordstellungen des Kapitäns und der Besatzungsmitglieder auf Schiffen unter der Bundesflagge eine Berufseingangsprüfung, während den Ländern das Recht zur Abnahme einer Schulabschlußprüfung nicht verwehrt werden konnte. Das 2073

Richtl. für die Durchführung von Sicherheitslehrgängen vom 14.10.1985 (VkBl. S. 734).

IV. Personelle Fragen der Seeschiffahrt

217

Ergebnis der Auseinandersetzung gibt § 2 Abs. 2 SeeAufgG wieder, auf den § 18 Abs. 2 SchOffzAusbV Bezug nimmt: „Die Überprüfung der Bewerber um Bordstellungen als Kapitän oder Besatzungsmitglied sowie der Führer von Sportfahrzeugen ist Aufgabe des Bundes. Der Bund kann durch Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern darauf verzichten, soweit durch eine Abschlußprüfung an einer staatlichen Schule die notwendigen Kenntnisse festgestellt und dabei die Rechtsvorschriften des Bundes über die Voraussetzungen und die Prüfungsanforderungen beachtet werden und wenn ein Vertreter des Bundes zu den Prüfungen zugelassen wird, der dem Prüfungsausschuß nicht angehört. Die Verwaltungsvereinbarungen nach Satz 2 sind im Bundesanzeiger bekanntzumachen."

Der Bund hat entsprechende Verwaltungsvereinbarungen mit den vier Küstenländern abgeschlossen; vergleiche für — Bremen: Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen 1965 Nr. 44, — Hamburg: Amtlicher Anzeiger der Freien und Hansestadt Hamburg, Bundesanzeiger 1971 Nr. 176; — Schleswig-Holstein: Bundesanzeiger 1973 Nr. 136. Die aufgrund der Prüfungen erteilten Befähigungszeugnisse sind solche des Bundes (§ 20 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 9 der Verordnung), also — wie in § 4 Seemannsgesetz gefordert — „staatliche" Befahigungszeugnisse. Die schuliche Ausbildung, dieselbe wie für Wachoffiziere, führt zunächst zum Erwerb 571 eines der sogen. Wachoffiziers-Befähigungszeugnisse, welche die Bezeichnungen mit dem Zusatz „W" tragen. Zur Erteilung der Befähigungszeugnisse AG, AM, BG, CI, CT, CNaut ist der Nachweis erforderlich, daß der Bewerber nach Schulabschluß 24 Monate als Wachoffizier zur See gefahren ist. Wird der Nachweis geführt, so erhält der Bewerber dieses Zeugnis, während das ihm nach Schulabschluß erteilte Befähigungszeugnis mit dem Zusatz „W", dessen Befugnisse von dem neuen Zeugnis — dem sogen. Vollpatent — umfaßt werden, nach § 20 Abs. 2 eingezogen wird. Die SchOffzAusbV enthält in den §§ 20 bis 23 und 26 weitere Vorschriften über die Ausstellung, den Ersatz und den Entzug von Befahigungszeugnissen und gewissen Zusatzzeugnissen. In den §§ 24 bis 27 wird der BMV ermächtigt, in bestimmten Sonderfallen Schwierig- 572 keiten auszuräumen oder Abweichungen von dem Ausbildungsgang zuzulassen. Er hat in solchen Fällen einen Fachausschuß zu hören, der nach § 28 von ihm und dem BMA zu bilden ist. Nach § 27 Abs. 2 kann der BMV auch generell Ausbildungen, Prüfungen und Verwendungen in der Bundesmarine als ausreichende Voraussetzungen für den Erwerb von Befahigungszeugnissen der zivilen Seefahrt anerkennen; dies ist insbesondere für den technischen Dienst durch eine Regelung vom 21.03.1986 geschehen. Dies liegt im Zuge der vielfältigen Bemühungen, gerade auf dem Personalsektor die Ausbildungsgänge der Bundesmarine und der Handelsflotte besser aufeinander abzustimmen, um Übergänge zu erleichtern und beide Zweige der deutschen Seeschiffahrt verstärkt als natürliche Einheit zu sehen. In diesem Zusammenhang sei an Artikel 53 der Verfassung des Deutschen Reiches vom 16.04.1871208 erinnert, in dem es hieß: Die gesamte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienst im Landheere befreit, dagegen zum Dienst in der Kaiserlichen Marine verpflichtet. 208

Text bei F.P. Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. Aufl. 1986, Nr. 261.

218

C. Die Seeschiffahrt

Für die Kapitäne und Schiffsoffiziere der Kauffahrteischiffe mit Ausnahme der Fischereifahrzeuge ist noch § 25 SchOffzAusbV von besonderer Bedeutung; wenn der erstmalige Erwerb eines Befähigungszeugnisses mehr als fünf Jahre zurückliegt, dann ist bei Antritt des Dienstes an Bord der Fortbestand der Befähigung nachzuweisen (Fahrzeiten, geeignete Tätigkeiten oder Wiederholungslehrgang). 573

Der zunehmende Verkehr von Sport- und Vergnügungsfahrzeugen auf den Seeschifffahrtstraßen und seewärts anschließenden Gewässern sowie die Erfahrung, daß die mit den besonderen Gefahren der Seeschiffahrt nicht vertrauten Führer solcher Fahrzeuge besonders oft in Seenot geraten, gaben Anlaß, von den Bootsführern den Erwerb sachdienlicher Kenntnisse und eines Führerscheins zu fordern. Da weder das oben genannte Übereinkommen von 1978 noch die ergänzenden nationalen Rechtsverordnungen für diesen Personenkreis anwendbar sind, wurde eine besondere Rechtsverordnung erlassen, die Verordnung über die Eignung und Befähigung zum Führen von Sportbooten auf den Seeschiffahrtstraßen (Sportbootführerscheinverordnung-See) vom 20.12.1973. 209 Nach § 1 ist zum Führen eines Sportbootes auf den Seeschiffahrtstraßen eine Fahrerlaubnis erforderlich, die durch eine amtliche Bescheinigung, den Sportbootführerschein, nachzuweisen ist. Nach § 2 kann eine Fahrerlaubnis erhalten, wer 16 Jahre alt ist, gesund und „auf Grund seines bisherigen Verhaltens zum Führen eines Sportbootes geeignet" ist und eine Befähigungsprüfung (§ 3) abgelegt hat. Für die Abnahme der Prüfung und die Ausstellung des Führerscheins sind nach § 4 zwei Verbände zuständig, der Deutsche Motoryachtverband und der Deutsche Segler- Verband. Die Verbände führen gemeinsam ein Verzeichnis der Inhaber einer Fahrterlaubnis. Der Sportbootführerschein (Muster siehe Anlage der 2. ÄnderungsVO) erleichtert auch das Anmieten eines Sportbootes, da nach § 7 der Verordnung über die gewerbsmäßige Vermietung und Benutzung von Sportbooten im Küstenbereich (See-SportbootvermietungsVO) vom 07.01.1981 210 nur an Personen vermietet werden darf, welche die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen. Dasselbe gilt nach § 8 für die mittelbare Überlassung.

574

Für die Ausbildung der Funkoffiziere ist nicht die SchOffzAusbV maßgeblich, sondern die Funkoffiziers-Ausbildungsordnung vom 30.11.1977, geändert durch Verordnung vom 18.07.1980,2