Eventforschung: Aktueller Stand und Perspektiven [1. Aufl. 2019] 978-3-658-27651-5, 978-3-658-27652-2

Die Autorinnen und Autoren des Tagungsbandes ziehen anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der Wissenschaftlichen Konferen

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Eventforschung: Aktueller Stand und Perspektiven [1. Aufl. 2019]
 978-3-658-27651-5, 978-3-658-27652-2

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-X
Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke (Cornelia Zanger)....Pages 1-23
Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien (Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer)....Pages 25-46
Der Messestand der Zukunft – Perspektiven digitaler Trends in der Live Communication (David Ruetz)....Pages 47-63
Agiles Projektmanagement im Eventbereich (Colja M. Dams)....Pages 65-82
eSport-Events: Potentiale und Herausforderungen hybrider Erlebniswelten aus Sicht des Eventmarketing (André Schneider, Thomas Wendeborn)....Pages 83-98
Mobile Spiele als Instrument des aktivierenden Leveragings im Veranstaltungssponsoring (Jan Drengner)....Pages 99-116
Veranstaltungsmanagement 4.0 – Veranstaltungen der Zukunft und die Omnipräsenz des Datenschutzrechts (Mandy Risch-Kerst, Theresa Rath)....Pages 117-131
Der Einfluss von Unternehmens-Events auf die Identifikation und Motivation von Mitarbeitern – am Beispiel von Firmenläufen (Tatjana König)....Pages 133-149
Die Auswirkungen von Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen auf die Zufriedenheit und Unzufriedenheit der Akteure in der Veranstaltungsbranche (Doreen Biskup, Bernd Schabbing)....Pages 151-173
War unser Kongress wirkungsvoll? – ein möglicher Messansatz (Maria Klotz, Petra Kemter-Hofmann)....Pages 175-196
Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ (Richard von Georgi)....Pages 197-212
Dive into it! Immersion und Gamification im Live-Marketing (Detlef Wintzen)....Pages 213-225
Pervasive mobile Spiele und Virtual Reality als Instrumente der digitalen Ansprache von Veranstaltungsbesuchern: Auf schaz-Suche beim Rheinland-Pfalz-Tag 2018 (Jan Drengner, Werner König, Alexander Wiebel)....Pages 227-245
Erasmus+ Project „DiMenSion“ (Achim Kießig, Kenneth Hädecke)....Pages 247-252
Nachhaltigkeitsaspekte im Anlagenbau auf der Achema-Messe 2018 (Julia Krause)....Pages 253-257
Festivalisierung in der Meeting Industry: Von der Kontaktanbahnung zur Spaßgesellschaft und zurück. Ausgesuchte empirische Ergebnisse zum Digitalfestival re:publica, Berlin (Dirk Hagen)....Pages 259-264
Crowdmanagement bei Events: Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen, Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses und Kreation von wirkungszentrierten Szenarien durch Ex-Ante-Simulation (Stefan Luppold, Marcus Moroff)....Pages 265-270

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Cornelia Zanger Hrsg.

Eventforschung Aktueller Stand und Perspektiven

Markenkommunikation und ­Beziehungsmarketing Reihe herausgegeben von Cornelia Zanger, Chemnitz, Deutschland

In den letzten Jahren sind am Lehrstuhl für Marketing und Handelsbetriebslehre an der TU Chemnitz über 30 Dissertationen zu verschiedenen Forschungsgebieten im Marketing entstanden, die zum Teil bei Springer Gabler veröffentlicht werden konnten. Einen Schwerpunkt stellten Studien zu innovativen Fragen der Markenkommunikation wie Eventmarketing, Sponsoring oder Erlebnisstrategien dar. Ein weiteres zentrales Thema waren Arbeiten zum Beziehungsmarketing, die sich beispielsweise mit jungen Zielgruppen, der Entstehung von Vertrauen und mit der Markenbeziehung beschäftigten. Mit dieser Reihe sollen die Forschungsarbeiten unter einem thematischen Dach zusammengeführt werden, um den Dialog mit Wissenschaft und Praxis auszubauen. Neben Dissertationen, Habilitationen und Konferenzbänden, die am Lehrstuhl der Herausgeberin entstehen, steht die Reihe auch externen Nachwuchswissenschaftlern und etablierten Wissenschaftlern offen, die empirische Arbeiten zu den Themenbereichen Markenkommunikation und Beziehungsmarketing veröffentlichen möchten.

Reihe herausgegeben von Prof. Dr. Cornelia Zanger Technische Universität Chemnitz Deutschland

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12687

Cornelia Zanger (Hrsg.)

Eventforschung Aktueller Stand und Perspektiven

Hrsg. Cornelia Zanger Chemnitz, Deutschland

ISSN 2626-028X  (electronic) ISSN 2626-0263 Markenkommunikation und Beziehungsmarketing ISBN 978-3-658-27651-5 ISBN 978-3-658-27652-2  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort Bereits zum zehnten Mal trafen sich Vertreter der Wissenschaft und Eventpraxis sowie Studierende zur „Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung“ in Chemnitz. Die 2009 am Lehrstuhl für Marketing und Handelsbetriebslehre an der TU Chemnitz initiierte Veranstaltung hat sich in den letzten zehn Jahren als DIE Plattform des Austausches von Eventforschern und Praktikern aus dem DACH-Raum etabliert. Nach 10 Jahren stellte sich die Frage nach den bisherigen Ergebnissen und zukünftigen Themen der Eventforschung. Thematisch versuchte die Jubiläumskonferenz, mit 14 Beiträgen und einem Posterflash ein möglichst vielseitiges Schlaglicht auf die aktuellen Themen der Eventforschung zu werfen. In einer einführenden Keynote konnte ich die Weiterentwicklung der Eventforschung in den letzten 10 Jahren darstellen und einen Einblick in wichtige Ergebnisse geben. Ich konnte eine positive Bilanz ziehen und feststellen, dass sich die Eventforschung als eigenständiges Gebiet weiter etablieren konnte. Als einen Schwerpunkt konnten zahlreiche Forschungsarbeiten identifiziert werden, die versuchen, die Nutzung von Events als Instrument erlebnisorientierter Markeninszenierung besser zu verstehen und dem Eventmanagement Empfehlungen zur wirkungsvollen Eventinszenierung zu geben. Weitere Forschungsergebnisse wurden u. a. im Zusammenhang von Events mit der crossmedialen Kommunikation, mit der Emotionalisierung von Eventteilnehmern, dem Wertschöpfungsprozess und der Eventorganisation, sowie der Nachhaltigkeit und dem Tourismus gewonnen. Als drei zentrale Forschungsfelder der Zukunft konnten das Thema Events im digitalen Zeitalter, dem sich auch die 11. Eventkonferenz widmen wird, die Auseinandersetzung mit Events im Kontext gesellschaftlicher Entwicklungen wie Nachhaltigkeit, Sicherheit oder Fachkräftemangel sowie das Thema einer qualifizierteren Wirkungs- und Ergebnismessung in der Live Communication identifiziert werden. Viel Beachtung fanden auch die weiteren Keynotes. James Morgan von der University of Westminster stellte anhand zahlreicher Videos seine Forschungsarbeiten zum Customer Engagement bei integrierten Live- und Digitalkampagnen sehr anschaulich vor. Colja Dams von VOK DAMS aus Wuppertal sprach zum Thema agiles Eventmanagement und konnte eindrucksvoll verdeutlichen, wie die Eventorganisation mit der Digitalisierung und der Forderung der Kunden nach Flexibilität und Effizienz zurechtkommt und dabei gleichzeitig Motivation und Engagement der Mitarbeiter fördern kann. Detlef Wintzen von insglück Berlin stellte in seinem Beitrag sehr inspirierende Überlegungen zu Gamification und Immersion in der Live Communication an.

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Vorwort

Spannende Vorträge gab es zum Thema Messen. Hendrick Hochheim vom AUMA, dem Ausstellungs- und Messeausschuss der Deutschen Wirtschaft e.V., gab einen Überblick über die Ergebnisse von 20 Jahren AUMA-Messetrend, der repräsentativen Befragung von Ausstellern auf Fachmessen im B2B-Bereich. David Ruetz, der Geschäftsführer der ITB Berlin, stellte den Messestand der Zukunft vor und diskutierte dabei vor allem den Einsatz digitaler Tools. Das Thema Gamification behandelte auch der Vortrag von Professor Jan Drengner von der Hochschule Worms, der über die Entwicklung und den erfolgreichen Einsatz einer Spiele-App als Instrument der digitalen Ansprache von Besuchern auf dem RheinlandPfalz-Tag 2018 berichtete. Messansätze in der Live Kommunikation stellten Maria Klotz von der Universität Würzburg im Kontext von Kongressen und Professor Richard von Georgi von der SRH Hochschule der populären Künste Berlin im Kontext der Event-Erlebnisfähigkeit von Teilnehmern mittels des Event-Experience-Questionnaires vor. In die Anforderungen der neuen EU-Nachhaltigkeits-Berichtspflicht und deren Konsequenzen für den Event- und Messebereich führte Herr Jürgen May von 2bdifferent aus Speyer ein. Den Ergebnissen einer Befragung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu den Arbeitsbedingungen in der Event- und Messebranche widmete sich der Beitrag von Doreen Biskup und Kollegen vom VDVO, dem Verband der Veranstaltungsorganisatoren e.V., in dem deutlich wurde, auf welchen Feldern die Arbeitsbedingungen weiterentwickelt werden müssen, um diese Branche attraktiver für den Nachwuchs zu gestalten. Den positiven Möglichkeiten des Einsatzes von Events im Bereich der internen Unternehmenskommunikation widmete sich Professorin Tatjana König von der HTW Saarland. Sie konnte mit ihrer Untersuchung am Beispiel von Firmenläufen nachweisen, wie diese zur Motivation von Mitarbeitern beitragen. Eine besonders intensive Diskussion gab es zu den Einsatzmöglichkeiten von eSportEvents, die durch den Vortrag von Professor André Schneider von der Hochschule Mittweida und Matthias Meyer von der ELC Gaming GmbH inspiriert wurde. Im Mittelpunkt der sehr kontroversen Diskussion standen einerseits die aktuellen Entwicklungen und die Chancen sowie andererseits die Risiken und Limitierungen. Im Rahmen des Posterflash wurde das Erasmus+-Projekt „DiMenSion“ vorgestellt, in dem die Professur für Marketing und Handelsbetriebslehre der TU Chemnitz gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Mazedonien, Großbritannien, Italien und Griechenland ein berufsbegleitendes Qualifizierungsprogramm für die akademische Ausbildung von Eventmanagern entwickelt. Weitere interessante Themen des Posterflash waren das Crowdmanagement bei Events, die Festivalisierung in der Meetingindustrie am Beispiel

Vorwort

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empirischer Ergebnisse zum Digitalfestival re:publica und die Rolle der Nachhaltigkeit von Messeständen. Während der Konferenz wurde zum vierten Mal der durch die TU Chemnitz und den FAMAB Kommunikationsverband e. V. ausgelobte Deutsche Forschungspreis für Live Communication, der LiveComPreis 2018, verliehen. Der LiveComPreis zeichnet talentierte Nachwuchsforscher aus, die mit ihrer Bachelor- oder Masterarbeit eine sowohl wissenschaftlich interessante als auch praktisch relevante Aufgabenstellung aus dem Bereich der Live Communication (Events, Messen, Kongresse, Brandlands u. ä.) herausragend bearbeitet haben. In diesem Jahr wurden zwei Arbeiten ausgezeichnet, die die gesellschaftliche Dimension von Events beleuchten. Der Preis für die beste Bachelorarbeit ging an Frau Janina Ines Schirp von der DHBW in Mannheim, die sich mit dem Thema Inklusion bei Veranstaltungen auseinandersetzt und praktische Vorschläge für Eventmanager in Form einer Inklusionsmatrix unterbreitet. Die ausgezeichnete MBAArbeit von Frau Katharina Leest von der TU Chemnitz beschäftigt sich mit Events im Zeitalter der Angst und setzt sich mit dem Einfluss des Terrorismus auf die Eventnachfrage und die Chancen zur Intervention durch die Veranstalter auseinander. Auch für den vorliegenden Konferenzband zur 10. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung ist es uns wiederum gelungen, alle wissenschaftlichen Beiträge zusammenzufassen, um sie der interessierten Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Für ihre Mitwirkung an der Konferenz und ihre anregenden Beiträge zu diesem Konferenzband darf ich mich auch in diesem Jahr ganz herzlich bei allen Autoren bedanken. Ohne das Konferenzteam von Mitarbeitern und Studenten des Lehrstuhls für Marketing und Handelsbetriebslehre der TU Chemnitz wäre unsere Konferenz nicht denkbar, deshalb auch an sie alle mein Dank. Besonders hervorheben möchte ich die perfekte Konferenzorganisation unter der bewährten Leitung von Frau Simone Sprunk, die professionelle Programmplanung und große Geduld bei der Zusammenstellung des Konferenzbandes durch Frau Dr. Katja Lohmann sowie die exzellente Betreuung von Internet und Social Media Präsenz der Eventkonferenz durch Frau Conny Dick und Herrn Robert Tomala. Nun hoffe ich, dass Sie wiederum neugierig auf unseren 10. Sammelband zur Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung geworden sind und möchte Ihnen eine spannende Lektüre sowie viele Anregungen für Ihre eigene Arbeit im Event- und Messebereich wünschen. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Sie zu unserer 11. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung am 25. Oktober 2019 begrüßen dürfte. Die Konferenz 2019 wird wie

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Vorwort

schon genannt unter dem Thema „Events im digitalen Zeitalter“ stehen und ich darf Sie bereits heute herzlich nach Chemnitz einladen.

Cornelia Zanger

Inhaltsverzeichnis Eventforschung – aktueller Stand und Perspektiven Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke ..................................................... 1 Cornelia Zanger Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien .............................. 27 Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer Der Messestand der Zukunft – Perspektiven digitaler Trends in der Live Communication ............................................................................................................. 51 David Ruetz Agiles Projektmanagement im Eventbereich ................................................................ 69 Colja M. Dams eSport-Events: Potentiale und Herausforderungen hybrider Erlebniswelten aus Sicht des Eventmarketing ............................................................................................. 89 André Schneider, Thomas Wendeborn Mobile Spiele als Instrument des aktivierenden Leveragings im Veranstaltungssponsoring ........................................................................................... 107 Jan Drengner Veranstaltungsmanagement 4.0 – Veranstaltungen der Zukunft und die Omnipräsenz des Datenschutzrechts .......................................................................... 127 Mandy Risch-Kerst, Theresa Rath Weitere Forschungsergebnisse und praktische Erfahrungen Der Einfluss von Unternehmens-Events auf die Identifikation und Motivation von Mitarbeitern - am Beispiel von Firmenläufen............................................................. 145 Tatjana König Die Auswirkungen von Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen auf die Zufriedenheit und Unzufriedenheit der Akteure in der Veranstaltungsbranche. .............................. 165 Doreen Biskup, Bernd Schabbing War unser Kongress wirkungsvoll? - ein möglicher Messansatz ............................... 189 Maria Klotz, Petra Kemter-Hofmann

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Inhaltsverzeichnis

Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ. ........................................... 213 Richard von Georgi Dive into it! Immersion und Gamification im Live-Marketing .................................. 231 Detlef Wintzen Pervasive mobile Spiele und Virtual Reality als Instrumente der digitalen Ansprache von Veranstaltungsbesuchern: Auf schaz-Suche beim Rheinland-Pfalz-Tag 2018 .......................................................................................... 247 Jan Drengner, Werner König, Alexander Wiebel Kurzbeiträge Erasmus+ Project "DiMenSion" ................................................................................. 267 Achim Kießig, Kenneth Hädecke Nachhaltigkeitsaspekte im Anlagenbau auf der Achema-Messe 2018....................... 275 Julia Krause Festivalisierung in der Meeting Industry: Von der Kontaktanbahnung zur Spaßgesellschaft und zurück. Ausgesuchte empirische Ergebnisse zum Digitalfestival re:publica, Berlin ................................................................................. 281 Dirk Hagen Crowdmanagement bei Events: Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen, Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses und Kreation von wirkungszentrierten Szenarien durch Ex-Ante-Simulation ........................................ 289 Stefan Luppold, Marcus Moroff

Cornelia Zanger Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke 1

Rückblicke: Events als Forschungsgegenstand ........................................................ 3

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Einblicke: Systematisierung der zentralen Themen der Eventforschung ................ 5

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Ausblicke: Perspektiven für die Weiterentwicklung der Eventforschung ............. 18

Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 21

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_1

Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke

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1 Rückblicke: Events als Forschungsgegenstand Als die 1. Wissenschaftliche Konferenz zum Thema Eventforschung unter dem Schwerpunkt „Stand und Perspektiven der Eventforschung“ im Jahre 2009 an der TU Chemnitz stattfand, waren die Vortragsplätze schnell vergeben und über 200 interessierte Teilnehmer aus Eventforschung und -studium von Hochschulen und aus der Eventpraxis verfolgten gespannt die Vorträge und diskutierten intensiv. Mithin war klar: Die Eventforschung entwickelt sich im DACH-Raum und die in der Folge alljährlich stattfindende Eventkonferenz wurde schnell zur Plattform für den wissenschaftlichen Diskurs im Eventbereich. Die Forschungsergebnisse fanden weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis, da jährlich Konferenzbände beim renommierten Springer/Gabler Verlag erschienen. So wurden die Konferenzen zu einer inspirierenden Quelle für Wissenschaftler, Praktiker und Studenten bei der Auseinandersetzung mit Events. Anlässlich der 10. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung an der TU Chemnitz 2018 war es an der Zeit, Bilanz zu ziehen, die Ergebnisse der letzten zehn Jahre Eventforschung zu systematisieren und die zukünftigen Forschungsfelder zu identifizieren. Zunächst ist festzuhalten, dass sich das entwickelte Eventverständnis wissenschaftlich durchgesetzt hat und aktuell in allen wissenschaftlichen Veröffentlichungen (mit kleinen Individualisierungen durch die Autoren) wiedergegeben wird. Demgemäß sind unter Events als Instrumente der Live Kommunikation inszenierte Ereignisse in Form von Veranstaltungen und Aktionen zu verstehen, die dem Adressaten (Kunden, Händler, Meinungsführer, Mitarbeiter) firmen- oder produktbezogene Kommunikationsinhalte erlebnisorientiert vermitteln und auf diese Weise der Umsetzung der Marketingziele des Unternehmens dienen. Events, die diese Zielstellungen verfolgen, werden zur inhaltlichen Abgrenzung von sonstigen erlebnisorientierten Veranstaltungen wie Open Air Konzerten oder Sportveranstaltungen auch als Marketingevents bezeichnet (Zanger 2001, S. 439). Als übergeordneter Begriff hat sich in den letzten Jahren der aus der Event- und Messebranche kommende Begriff „Live Communication“ auch wissenschaftlich etabliert (Kirchgeorg/Springer/Brühe 2009, S. 17). Demgemäß umfasst Live Communication alle Instrumente der persönlichen, direkten, interaktiven Markenkommunikation wie Messen, Events, Brand Lands, Showrooms u. ä. Nach den ersten Anstößen zu einer intensiveren wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Event, die bereits Mitte der 1990er Jahre (Zanger/Sistenich 1996, S. 23ff.) von der TU Chemnitz kamen, konnte schon 2009 anlässlich der 1. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung eine rege wissenschaftliche Auseinandersetzung mit

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dem Eventthema sowohl im DACH-Raum als auch im angelsächsischen Raum konstatiert werden (Zanger 2010, S. 7). Dabei konnten drei Forschungsperspektiven herausgearbeitet werden (Zanger 2010, S. 7ff.):  Aus einer soziologisch und sozialpsychologisch geprägten Perspektive wird versucht, die Wirkungsmechanismen von Events und die Entstehung von Eventerlebnissen über das soziale Zusammenwirken der Akteure beim Event zu erforschen. Im Mittelpunkt steht das Erleben und Handeln der Eventteilnehmer in sozialen Interaktionen im Rahmen von sozialen Gemeinschaften, den Eventcommunities. Erklärungsansätze liefern beispielsweise die Rahmentheorie (Framing) und die Rollentheorie.  Aus einer psychologisch, verhaltenswissenschaftlich geprägten Perspektive heraus, beschäftigen sich die Arbeiten mit der Entwicklung und empirischen Überprüfung von (Partial)Modellen zur Messung der Kommunikationswirkung von Events. Dabei wurden in einer Vielzahl von Studien u. a. die Entstehung von Aufmerksamkeit und positiven Emotionen, die unterstützende Wirkung von Flow und positiven Stimmungen während des Events sowie die Passfähigkeit von Eventinhalten zum Eventveranstalter untersucht. Die Bekanntheit, der Aufbau von Markenwissen und auch komplexere Variablen wie Zufriedenheit, Einstellungen und Image wurden ebenfalls erforscht und zu entsprechenden Modellen zusammengeführt, um die Kommunikationswirkung empirisch zu messen.  Im Mittelpunkt einer wirtschaftlichkeitsorientierten Perspektive stehen Methoden zur Messung der Effizienz von Marketingevents mittels monetärer Größen (ROI) und die ökonomischen Primär-, Sekundär- und Tertiärwirkungen von Events sowie die Entwicklung von Konzepten zu einem ganzheitlichen Eventcontrolling. Diesen drei grundlegenden Forschungsperspektiven sind auch die Arbeiten der letzten zehn Jahre im Wesentlichen zuzuordnen. Interessant ist nun natürlich die Frage, welche inhaltlichen Themen die Eventforschung bestimmen.

Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke

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2 Einblicke: Systematisierung der zentralen Themen der Eventforschung Der Blick in die 9 bereits erschienen Konferenzbände und die darin enthaltenen 112 Beiträge auf 2.458 Seiten sowie in diesen 10. Konferenzband lässt die zentralen Arbeitsfelder der Eventforschung deutlich werden, die im Folgenden in zehn Themenfeldern zusammengefasst werden. Themenfeld 1: Event und (Brand) Experience Der Aufbau des Markenimages aber auch die Stabilisierung oder Neupositionierung einer Marke sind Aufgaben der Unternehmenskommunikation, für die der Einsatz von Events und anderer Live Kommunikationsmaßnahmen unverzichtbar sind. Events können die Marke in ihren wesentlichen und essentiellen Merkmalen für den einzelnen Eventteilnehmer multisensual erlebbar machen. Deshalb werden Events als Instrument erlebnisorientierter Markeninszenierung erforscht. Ausgangspunkt ist dabei das Erlebnis, das in der Eventforschung aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Aus psychologischer bzw. neuropsychologischer Sicht werden Erlebnisse als „Bündel“ von Emotionen und anderen psychischen Prozessen wie Wahrnehmung, Kognition und Imagination verstanden, die als Folge individuell bedeutsamer Situationen und Ereignisse während des Events hervorgerufen werden und einer inneren Verarbeitung (Reflexion) durch den Eventteilnehmer als Individuum unterliegen (Kroeber-Riel/Weinberg, 2003, S. 105f.; 116ff.; Zanger/Klaus 2004, S. 34, Bruhn/Hadwich 2012, S. 9). Durch die Verbindung von Erlebnissen während des Events mit einer Marke können einzigartige Markenerlebnisse generiert werden, die sich in der Gefühls- und Erfahrungswelt der Eventteilnehmer i. S. eines Imagetransfers verankern (Drengner 2008, Nufer 2009). Voraussetzung für das Gelingen dieser Kommunikationsstrategie ist jedoch die Passfähigkeit von Event und Markenimage sowie die Integration des Events in die Markenkommunikation des Unternehmens (Drengner/Jahn/Zanger 2011, S. 21ff.; Wiedmann 2018, S. 17 und S. 31ff.). Aus Sicht des in den Marketingwissenschaften stark reflektierten Ansatzes der Service Dominant Logic (Vargo/Lusch 2004, S. 1ff.) wird das Eventerlebnis zu einer Value Co-Creation, bei der der Eventteilnehmer die Wertangebote des Eventveranstalters annimmt, in dessen Ergebnis unterschiedliche (Marken)Erlebniskomponenten entstehen, die einen Erlebniswert für den Eventteilnehmer generieren. Komponenten von Eventerlebnissen können individuell-emotionale Erlebnisse, die Neugier, Freude, Spaß oder Begeisterung generieren und kollektiv-emotionale und re-

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lationale Erlebnisse, die das „Wir-Gefühl“ der Zusammengehörigkeit der Eventteilnehmer mit der Marke beschreiben, beinhalten. Sensorische Erlebniskomponenten entstehen durch spezielle Sinneseindrücke wie visuelle (Lasershow), auditive (Musik- und Klangerlebnisse), haptische (besonderes Dekorationsmaterial) oder olfaktorische und gustatorische (Cateringerlebnisse) Reize. Intellektuelle Erlebniskomponenten können durch die Lösung von geistig anspruchsvollen Aufgaben während des Events geschaffen werden. Symbolische Erlebnisse entstehen z. B. durch Stolz auf die Eventteilnahme und transzendente Erlebnisse durch die temporäre Entkoppelung von Raum und Zeit. Der Eventteilnehmer erlebt Flow durch das Eintauchen in die Markenerlebniswelt (Drengner 2014, S. 121ff.; Drengner 2017, S. 43ff.). Aus soziologischer und sozialpsychologischer Sicht wird die Interaktion von Teilnehmern auf dem Event untersucht. Erleben entsteht demgemäß im Erleben des „Selbst“ des Eventteilnehmers und in der Begegnung mit den anderen Teilnehmern in Echtzeit als Face-to-Face-Kommunikation (Wünsch 2017, S. 4). Spiegelphänomene spielen bei der Eventinteraktion eine wichtige Rolle, da sie ermöglichen, das zu imitieren und innerlich zu spiegeln, was andere Eventteilnehmer fühlen, denken und wie sie handeln (Herbst 2015, S. 23ff.). Die Emotionale Ansteckung konnte im Kontext der Interaktion von Eventteilnehmern als Mediator für Eventerlebnisse nachgewiesen werden. Emotionale Ansteckung kann als Prozess des Teilens von Emotionen zwischen den Eventteilnehmern erklärt werden. Sie beschreibt wie die Emotion eines Senders auf einen Empfänger übertragen wird und welche Mechanismen für diese Übertragung verantwortlich sind. Interessant und besonders wichtig für die Interaktion zwischen Eventteilnehmern ist dabei auch die Erkenntnis, dass die Verbindung zwischen der empfundenen Emotion und dem emotionalen Ausdrucksverhalten zweiseitiger Natur ist, d. h. es wirken sich nicht nur gefühlte Emotionen auf das Ausdrucksverhalten aus, sondern das gezeigte Ausdrucksverhalten führt über eine Feedbackreaktion auch dazu, dass der Empfänger die zugrundeliegende Emotion tatsächlich empfindet. Im Eventkontext ebenfalls sehr wichtig ist die Tatsache, dass sich Menschen in einer Interaktion gegenseitig beeinflussen, so kann der Empfänger auch die Rolle des Senders einnehmen. Dadurch können sich Emotionen vertiefen und nachhaltig relationale Erlebnisse, die dem Zusammengehörigkeitsbedürfnis des Menschen Rechnung tragen, schaffen (Lohmann/Pyka/Zanger 2015, S. 65ff.). Für die Entstehung und Qualität von Gruppenerlebnissen bei Events spielen kollektiv empfundene Emotionen wie sie durch emotionale Ansteckung entstehen eine wichtige Rolle (Schlesinger 2010, S. 137ff.). Gruppenerlebnisse der Eventteilnehmer entstehen aus sozialpsychologischer Sicht durch soziale Aktivierung sowie wechselseitiges

Eventforschung – Rückblicke, Einblicke, Ausblicke

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Rollenverhalten und Fördern die Kohäsion innerhalb der Gruppe Wolf/Jackson/Detlefsen 2012, S. 131ff.). Gegenstand der Erforschung der Entstehung von Markenerlebnissen sind auch weitere Instrumente der Live Kommunikation wie Brandlands und Messen, bei denen beispielsweise das Markenerlebnis am Messestand (Ermer/Kirchgeorg 2014, S. 41ff.; Ruetz 2018, S. 133ff.) und der Einfluss der Atmosphäre auf die Entstehung von Messeerlebnissen (Ermer/Wiedmann/Kirchgeorg 2014, S. 89ff.) untersucht wurden. Themenfeld 2: Event und Crossmedia Kommunikation Zur 1. Wissenschaftlichen Konferenz Eventforschung 2009 ging ein erstauntes Raunen durch die Reihen der Teilnehmer als Frank Behrend, damals in der Funktion des CEO von Ketchum Pleon Germany, während seiner Keynote sein Smartphone hochhob und ausführte: „Das Handy ist zum Massenkommunikationsmittel geworden … Die Welt verändert sich dramatisch … Das Event von morgen ist ein digitales Event“ (Behrend 2010, S. 16). Die Eventforschung hat sich mit dem veränderten Kommunikationsverhalten infolge der sozialen Netzwerke intensiv beschäftigt (Ahlf/Klein 2013, S. 31ff.) und eine grundlegend veränderte Rollenverteilung zwischen Unternehmen als Informationsanbieter und Konsumenten festgestellt (Zanger 2013, S. 3.). Durch die Nutzung von Social Media wandelt sich das klassische Sender-EmpfängerKommunikationsmodell zu einem interaktiven Kommunikationsmodell. Die Rolle Sender und Empfänger sind im Kommunikationsprozess nicht mehr vorbestimmt, sondern der Konsument als Empfänger der Kommunikationsbotschaft kann selbst zum Sender werden gegenüber dem Unternehmen, aber vor allem auch gegenüber anderen Konsumenten, die in der Folge wiederum selbst zum Sender von Botschaften werden. (Marketing)Botschaften verbreiten sich mittels elektronischer „Word-of-Mouth-Communication“ (eWOM) viral in den sozialen Netzwerken (Zanger 2013, S. 4ff.). Das sprunghafte Ansteigen der Kommunikation über soziale Medien stellt Unternehmen vor die Herausforderung ihre (Marken)Kommunikationsbotschaft i. S. einer ganzheitlichen, integrierten Kommunikation über alle Kommunikationskanäle inhaltlich, formal und zeitlich zu verknüpfen, um den Konsumenten zielgerichtet mit einer konsistenten Botschaft zu erreichen. Bei dieser abgestimmten Multichannel Kommunikation, die sowohl Online als auch Offline Kommunikation unter einer (Marken)Botschaft verbindet, wird gern von Crossmedialer Kommunikation gesprochen, von der Live Kommunikationsmaßnahmen wie Messen und Events partizipieren.

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Insofern sind in den letzten Jahren auch alle Live Kommunikationsmaßnahmen mit digitalen Elementen verknüpft. Aus der Verbindung von direktem persönlichen Erleben bei Events und Messen mit Social Media ergeben sich komplementäre Wirkungen und Synergiepotentiale, deren Ausnutzung Chancen für die Optimierung des Erfolgs von Events bietet (Zanger 2013, S. 7ff.):  Sowohl Live Kommunikation als auch Social Media Kommunikation orientieren auf Interaktion in der Kommunikation mit dem Konsumenten. Durch die crossmediale Verbindung der Kommunikationsmaßnahmen kann Customer Engagement unterstützt werden. Der Integrationsgrad der Teilnehmer kann erhöht werden. Durch die Integration von Social Media Plattformen können Konsumenten ihre Rolle als Co-Creator und Co-Producer von Events und Messen wirkungsvoller wahrnehmen.  Social Media schafft eine prinzipiell unbegrenzte Reichweite. Diese ist für für Events und Messen i. d. R. eingeschränkt und auf die unmittelbare Teilnehmerzahl begrenzt. Die Kommunikation von Eventbotschaften und Eventinhalten über Social Media Plattformen durch die Eventteilnehmer selbst oder den Eventveranstalter kann eine virale Verteilung der Informationen in der Community unterstützen.  Die Verbindung von Event und Social Media bietet die Möglichkeit zur zeitlichen Ausdehnung von Maßnahmen der Live Kommunikation, da der Dialog mit den Konsumenten als direkte Eventteilnehmer und als Eventteilnehmer im virtuellen Raum über die eigentliche Veranstaltung hinaus in das Vorfeld und das Nachfeld ausgedehnt werden kann (Wolf/Jackson/Keuchel 2013, S. 59).  Räumliche Limitierungen von Messen und Events können durch den Einsatz von Social Media Plattformen ebenfalls überwunden werden. Teilnehmer können global in virtueller Form teilhaben. Social Media ermöglicht die räumliche Ausdehnung von Events.  Social Media Plattformen bieten die Möglichkeit neue (jüngere) Zielgruppen mit Live Kommunikation zu erreichen und können zur Steuerung des Eventablaufs genutzt werden (Drengner/Jahn/Furchheim 2013, S. 153 ff.)  Crossmediale Kommunikation unterstützt den Kundendialog sowohl im Vorfeld der Live Kommunikation, während der Veranstaltung im Haupt- und Umfeld sowie im Nachfeld (Zanger/Drengner 2016, S. 113ff.) und kann bis zur Folgeveranstaltung fortgeführt werden. Die Nutzung von Social Media Plattformen ermöglicht so, die Instrumente der Live Kommunikation noch

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effizienter für die Entwicklung und Festigung von Kundenbeziehungen einzusetzen. Im Zusammenhang mit der crossmedialen Kommunikation sind aber auch die Forschungsergebnisse zur stärkeren Integration und Vernetzung der zwei zentralen Instrumente der Live Kommunikation – von Messen und Events – hervorzuheben. Messen und Events dienen als Kommunikationsinstrumente ähnlichen Zielen wie Bekanntheit, Imageaufbau und –pflege und dem Kundendialog und sind Mittel integrierter Kommunikation (Neven 2013, S. 1ff.) Sowohl der Trend zur „Eventisierung“ von Messen als auch der Trend zur Durchführung von Kundenevents in Form von Messen können nachgewiesen werden. Auf Messen werden dreidimensionale Markenerlebnisse durch Messearchitektur und Standdesign geschaffen. Events im Messekontext sollen dies unterstützen, emotionalisieren und Customer Experience generieren, um den Messebesuch in nachhaltiger Erinnerung der Besucher zu halten. Einerseits finden Events also Eingang in die Messekommunikation (Zanger 2014, S. 17 ff.). Andererseits zeigt der Blick in den Eventbereich, dass hier der Messegedanke ebenfalls erfolgreich in die Entwicklung von Eventkonzepten integriert wird. So werden Events beispielsweise in Form von „Hausmessen“ organisiert, die es ermöglichen, abgeschirmt vor dem neugierigen Blick der Konkurrenz ausgewählten Kunden einen exklusiven Einblick in neuentwickelte Produkt- und Leistungsangebote zu gewähren sowie die innovativen Produkte dabei multisensual in Szene zu setzen, um die Besucher der Hausmesse positiv zu emotionalisieren und an das Unternehmen zu binden (Zanger 2014, S. 21ff.). Themenfeld 3: Event und Wirkungs-/Wertschöpfungsprozess Wichtige Impulse erhält die Forschung zur Wirkung von Live Kommunikation aus den Neurowissenschaften, die die verhaltenswissenschaftlichen Erklärungsansätze zur Wirkung von Events erweitern und vertiefen. Gratifikationen bzw. Belohnungswerte können tieferliegende Motivstrukturen bei Eventteilnehmern erklären (Domning 2010, S. 73ff.; Wiedmann 2017, S. 13ff.). So kann beispielsweise die Teilnahme an einem Event, auf dem ein innovatives Produkt vorgestellt wird, einen hohen Informationsmehrwert für den Teilnehmer bieten. Seine generelle Teilnahmebereitschaft wird sich jedoch daran orientieren, welche Grundmotive angesprochen werden. Diese können nach dem Züricher Modell der Motivation den Kategorien Erregung (Arousel) z. B. das neue Produkt beim Event spannend inszeniert, spielerisch kennen lernen oder zu einem elitären Teilnehmerkreis gehören nach der Kategorie Autonomie (Autonomy) in der Ausprägung Dominanzmotiv. Eine dritte Kategorie von Grundmotiven bildet Sicherheit (Security), die durch Hinweise zur richtigen

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Bedienung des neuen Produktes beim Event befriedigt werden könnte. Gleichzeitig wird sich die Teilnahmeentscheidung aber auch daran orientieren, ob die signalisierten Belohnungen in Summe attraktiv genug sind, um ggf. wahrgenommene, das SchmerzZentrum aktivierende „Kosten“ i. S. von monetären und nicht-monetären Größen wie Zeitaufwand, Unbequemlichkeit oder soziale Risiken, überzukompensieren (Wiedmann 2017, S. 14). Ungesteuerte, implizite Verhaltensprogramme und Assoziationsmuster bestimmen die Erwartungen der Teilnehmer an eine Veranstaltung und lassen sich mit Framing und Priming steuern. Mit dem Eventkonzept wird festgelegt in welchen affektiven, kognitiven und semantischen Rahmen (Sender-Frame) das Event gesetzt werden soll und durch welche Hinweisreize (cues) die Zielgruppe vorbereitet bzw. präjudiziert wird (Priming). Durch Priming über das Motto der Veranstaltung, die Location, durch Keynotes o. ä. kann bei den Teilnehmern ein wirkungsvoller gedanklicher Informationsverarbeitungsrahmen (Rezipienten-Frame) aufgebaut werden (Wiedmann 2017, S. 23ff.) Der bereits angesprochene Ansatz der Service-Dominant Logic (Vargo/Lusch 2004) liefert in seiner Anwendung auf den Veranstaltungsbereich neue Erkenntnisse für das Verständnis von Wertschöpfungsprozessen im Kontext von Live Kommunikation. Auf der Mikroebene determinieren aus dieser Sicht Eventveranstalter und Eventteilnehmer gemeinsam den Wert der „Leistung“ Event. Der Eventveranstalter unterbreitet dem Eventteilnehmer lediglich ein Wertangebot, bei dem es sich um ein vom potentiellen Eventteilnehmer wahrgenommenes Versprechen handelt, dass der Eventveranstalter ihm einen bestimmten Service bietet, aus dem er Wert für sich schöpfen kann. Der Wert entsteht jedoch erst dann, wenn der Kunde während des Konsums der Leistung (Eventteilnahme) sein Wissen und seine Fähigkeiten (sog. Operante Ressourcen) einsetzt, um aus der Leistung einen Wert für sich zu extrahieren (Drengner 2013, S. 67). Der Eventteilnehmer ist nicht länger nur Eventkonsument sondern wird Co-Creator und Co-Producer of Value, d. h. Partner und Schöpfer von Wert gemeinsam mit dem Eventveranstalter. Dies kann beispielsweise schon im Vorfeld des Events über kreative Ideen in der Eventkonzeption (User generated Events) erfolgen (Hartmann 2012, S. 24ff.) bzw. kann er während des Events in Form aktiver Beiträge (User generated Conferences) zur Wertschöpfung beitragen (Luppold 2018, S. 95ff.). Auf der Makroebene stehen Marktakteure bei Events (Eventanbieter, Eventdienstleister, Eventteilnehmer, Sponsoren, regionale Partner, Medien) in wertschöpfenden Austauschprozessen und bilden Wertschöpfungsnetzwerke.

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Themenfeld 4: Eventinszenierung Marken müssen inszeniert werden, um in der Wahrnehmung der Kunden einzigartig und begehrenswert zu erscheinen. In den letzten Jahren wurden vor allem zwei Inszenierungstechniken wissenschaftlich intensiv diskutiert:  Das Konzept des Storytelling kann erfolgreich als Inszenierungstechnik von Markenerlebnissen im Rahmen von Events genutzt werden. Eventsinszenierungen erzählen Geschichten und folgen damit der Technik des antiken Dramas (Speth 2018, S. 48ff.). Storytelling unterstützt die Kommunikation von Markenerlebnissen besonders effektiv und effizient. Über die Perzeption und insb. Apperzeption der beim Event angebotenen Reize (Thema, Location, Bilder, Musik usw.) werden die Teilnehmer regelrecht in die Geschichte hereingezogen (Immersion), bringen der Geschichte eine starke Aufmerksamkeit entgegen, tauchen in die Markenerlebniswelt ein, vergessen Raum und Zeit, entwickeln eine kognitive und emotionale Identifikation mit der Marken/Eventstory und verankern die Inhalte im Gedächtnis, was bestehende Wissens- und Motivmuster, Einstellungs- und Handlungsschemata verändert (Wiedmann 2018, S. 27).  Der Einsatz von Spiel- und Wettbewerbssituationen in Eventkonzepten ist nicht neu. Seit den 2010er Jahren findet sich dafür der Begriff Gamification als Inszenierungstechnik im Rahmen von Eventkonzepten wieder und bedeutet die Anwendung von Spieleprinzipien und -mechanismen zur Inszenierung von multimedialen, emotionalen Erlebnisräumen (Drees 2017, S. 123ff.). Spiele als Eventbestandteil steigern die Interaktionsbereitschaft der Eventteilnehmer und beziehen alle Teilnehmer auf der aktiven Verhaltensebene ein. Belohnungssysteme im Gehirn werden direkt angesprochen. Ob klassisch analoge Gewinnspiele und Glücksspiele oder digitale Varianten bis hin zu eSport – alle Spiele bieten als Eventbestandteil Spaß, Spannung und Nervenkitzel. Als Bestandteil der Markenerlebniswelt können sie die Wissensvermittlung und die emotionale Markenbindung unterstützen. Vor dem Hintergrund der Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien und gesellschaftlicher Trends wie beispielsweise Nachhaltigkeit sind in den letzten 10 Jahren auch neue Eventformate entstanden, die wissenschaftliches Interesse erregt haben. Zu denken sind dabei an Flashmob Events, die Live Kommunikation mit Social Media Kommunikation verbinden und dadurch hohe Reichweiten erzielen (Bär 2012, S. 57ff.). Edutainment–Events können eingesetzt werden, um in emotionaler Weise auf gesellschaftlich relevante Themen aufmerksam zu machen wie z. B. ökologische Aufklärung zum Mobilitätsverhalten (Gaus/Müller 2012, S. 181ff.). Barcamps sind als interaktives Diskussionsformat auch im Eventkontext einsetzbar (Eberhardt/Hellmann 2015, S. 241ff.).

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Themenfeld 5: Eventorganisation/Eventmanagement Über viele Jahre war in der Eventbranche der klassische Projektmanagementansatz die Grundlage der Eventorganisation (Clausecker/Schneider 2013, S. 191ff.). Diese Vorgehensweise unterstellt, dass der vom Kunden erteilte Auftrag für die Entwicklung eines Eventkonzeptes und dessen Umsetzung bereits bei der Angebotsabgabe hinreichend gut beschreibbar ist. Für viele Eventprojekte trifft dies sicher noch immer zu, aber zunehmend mehr Eventprojekte sind durch Unsicherheiten zu Projektbeginn, ständige Anpassung an sich ändernde Kundenwünsche und kurzfristige Änderungen gekennzeichnet, d. h. von den Eventagenturen wird eine zunehmende Flexibilität im Prozess des Eventmanagements erwartet. Neue Perspektiven kann die Übertragung von aktuellen Vorgehensweisen aus der Projektorganisation schaffen. Der Ansatz des agilen Projektmanagement kommt aus der Softwareentwicklung und wird dort bereits seit den 1990er Jahren erfolgreich für die flexible Lösung von komplexen Entwicklungsaufgaben eingesetzt. Der Einsatz im Eventbereich erscheint vielversprechend, da diese Vorgehensweise eine Antwort auf die o. g. Herausforderungen der Eventbranche verspricht. Typisch für das agile Projektmanagement ist ein iteratives Vorgehen. Das bedeutet: Das Eventprojekt wird in zeitliche Etappen (Iterationen) unterteilt. Am Ende jeder Etappe steht ein Zwischenergebnis, das in der Agentur diskutiert und dem auftraggebenden Unternehmen zur Freigabe der nächsten Schritte in der Projektplanung vorgelegt wird. Anhand des Feedbacks wird am Eventprojekt weitergearbeitet. Da zu Beginn das Eventprojekt nicht vollständig durchgeplant wird, ist eine Anpassung an neue Anforderungen und sich ändernde Rahmenbedingungen auch während der Projektlaufzeit noch möglich (siehe auch Beitrag von Colja Dams in diesem Band). Das Thema Veranstaltungssicherheit ist nicht erst seit der Katastrophe auf der Love Parade 2010 in Duisburg (Funke 2012, S. 11ff.) ein wichtiger Bestandteil des Eventmanagements. Bisher wurde allerdings noch wenig wissenschaftliche Forschung aus Sicht des Eventmanagements geleistet. Nur Teilaspekte wie der Einsatz von Simulationssoftware zur Eventsicherheit wurden untersucht (Haid/Drengner 2014, S. 141ff.). Die Ergebnisse einer ersten umfassenderen empirischen Studie zur Veranstaltungssicherheit zeigen einerseits eine wachsende Sensibilisierung für das Thema. Dennoch sind im Hinblick auf das Sicherheits- und Risikomanagement von Veranstaltungen teilweise enorme Schwachstellen z. B. bei der Risikoanalyse und –bewertung, der Erarbeitung von zeitgemäßen Sicherheitskonzeptionen, dem Einsatz von Simulationssoftware und technischen Mitteln wie Überwachungsdrohnen festzustellen. Besondere Chancen bestehen deshalb im gezielten Aufbau einer neuen Sicherheitskultur in Agenturen und veranstaltenden Unternehmen in der Event- und Messebranche. Wichtig sind dabei klare

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Strukturen und Abläufe, um die notwendigen Maßnahmen effektiv und effizient umzusetzen und somit dem wachsenden Sicherheitsbedürfnis von Veranstaltungsbesuchern gerecht zu werden. Es muss aber auch mehr Fachwissen durch Schulungen und Fortbildungen erworben werden (Zanger/Klaus/Kießig 2017). Themenfeld 6: Event und Nachhaltigkeit Das Thema Nachhaltigkeit/Sustainability - eines der großen gesellschaftlichen Themen der letzten Jahrzehnte - wird mit Blick auf aktuelle klimatische, demografische und sozialpolitische Entwicklungen in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Das Leitkonzept der nachhaltigen Entwicklung geht auf die von den Vereinten Nationen eingesetzte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung zurück und basiert auf den drei verbundenen Säulen der ökologischen, ökonomischen und sozialen Nachhaltigkeit. Aktuell wird die Umsetzung der darauf aufbauenden 17 Sustainable Development Goals bis 2030 diskutiert. Da die Eventbranche per se ressourcenintensiv ist, ist ökologische Nachhaltigkeit seit Jahren ein wichtiges Forschungsthema in der Eventbranche. Von „Green Events“ kann dann gesprochen werden, wenn die Veranstaltung nach den Kriterien der Nachhaltigkeit geplant, organisiert und umgesetzt wird. Wesentliche Kriterien der Nachhaltigkeit von Green Events sind Energie- und Klimaeffizienz der An- und Abreise sowie der Veranstaltung selbst, Einsatz umweltfreundlicher Materialien und Produkte, Abfallmanagement, Reduzierung der Lärmbelästigung, Bindung von regionalen Eventdienstleistern, regionales Catering, Angebot regionaler Getränke und Produkte (Zanger 2012, S. 5ff.). Schwieriger gestaltet sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der sozialen Nachhaltigkeit (Wünsch 2012, S. 108). Die Schaffung regionaler Wertschöpfung und die Übernahme von sozialer Verantwortung z. B. im Sicherheitsmanagement stehen ebenso im Mittelpunkt der Betrachtung wie Fragen der sozialen Fairness der Beschäftigungsentgelte in der Eventbranche. Themenfeld 7: Event und digitale Tools Die Event- und Messebranche, die auf der Live Kommunikation, dem einzigartigen persönlichen Erlebnis aufbaut, wird durch den Trend zur Digitalisierung vor neue Herausforderungen gestellt. Die Erwartungen der Teilnehmer steigen sehr schnell. Außergewöhnliche Eventkonzepte werden über die sozialen Medien unendlich viel schneller verbreitet als im analogen Zeitalter. Was gestern noch überraschend und innovativ war, ist heute schon netzbekannt. Die neuen technischen Möglichkeiten müssen genutzt werden, um den Eventteilnehmern und Messebesuchern einen Zusatznutzen zu offerieren, der Brand Experience generiert. Eventformate müssen an die digitalen Möglichkeiten angepasst werden und

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diese Technologien können auch zur Entwicklung neuer Eventformate genutzt werden. Es geht folglich um die Digitalisierung von Events i. S. der Verbindung von Online und Offline Kommunikation (Rietbrock 2017, S. 243ff.). Der Einsatz digitaler Tools ist mehr als nur Staffage sondern konstitutiv für das Eventkonzept. Die Aktionsfelder für den Einsatz von digitalen Tools sind dabei sehr vielfältig geworden wie der Überblick von Ruetz zeigt (Ruetz 2018, S. 148ff.) und rufen umfangreiche Forschungsfragen auf, die erst im Ansatz diskutiert werden. Der Einsatz von Software für das Teilnehmermanagement bei Events und Messen ist seit langem Standard. Mit den aktuellen digitalen Tools wird ein neues Level erreicht. Einerseits kann ein durchgängiges digitales Teilnehmermanagement von der Einladung bis zur Nachbereitung erreicht und andererseits der Teilnehmer smart während der Events geführt und begleitet werden. Bereits im Einladungsprozess bieten soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter, LinkedIn oder XING die Möglichkeit zur zielgruppenfokussierten Einladung. Ist der Kontakt hergestellt, wird das Teilnehmermanagementsystem nicht nur passiv zur Verwaltung der persönlichen Daten genutzt, sondern kann aktiv zur Informationsvermittlung und zum Dialog mit dem Eventteilnehmer oder Messebesuchern eingesetzt werden. Insbesondere während der Veranstaltung bieten IDgestützte Systeme auf Smartphonebasis oder unter Verwendung von Gadgets (sensorbasierte, mobile drahtlose Units) die Möglichkeit Besucher digital zu führen (Wille/Wehn/Jensen 2014, S. 265ff.). Digitale Technologien wie mobile Event-Apps, Beacons, RFID-Chips oder Social Walls ermöglichen während einer Veranstaltung digitale Interaktion auf Basis individualisierter Angebote an den einzelnen Messebesucher oder Eventteilnehmer. So kann der Gast beispielsweise zu einem Quiz bzw. einem Wettbewerb (Drengner 2018, S. 167ff.) eingeladen oder auf Mitarbeiter und Führungskräfte des Unternehmens aufmerksam gemacht werden, die zum Dialog bitten. Sensorbasierte Systeme können die digitale Interaktion der Teilnehmer durch deren Vernetzung untereinander, das s. g. Matchmaking, unterstützen (Hagen/Luppold 2017, S. 253ff.). Interessierte Teilnehmer können sich untereinander vor oder während der Veranstaltung selbständig vernetzen sowie Zeitpunkt und Ort für ein persönliches Gespräch während des Events vereinbaren. Aber auch Unternehmen als Eventveranstalter können eingreifen und die "richtigen" Partner über entsprechende Vorschläge an die Eventteilnehmer zusammen bringen. Digitale Interaktion in der Gemeinschaft unterstützen beispielsweise Systeme der inszenierten digitalen Moderation, die die Interaktionsbereitschaft der Teilnehmer und den Erlebniswert von Vorträgen durch die Partizipation in der Teilnehmergruppe deutlich erhöhen (Michalski et al. 2017, S. 267ff.).

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Durch den Einsatz von Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) Technologien können für den Besucher ganz neuartige Erlebniswelten eröffnet werden, die eine Erweiterung der Realität ermöglichen. Mittels VR-Brille kann der Besucher in eine fiktive, digitale Markenwelt auf dem Messestand oder bei Events direkt eintauchen. ARApplikationen verknüpfen die Eventbausteine mit weiteren Ebenen. Der Eventbesucher erhält die Gelegenheit, tiefer in die Inhalte einzudringen. Erste empirische Studien bestätigen die Erlebniswirkung auf dem Messestand (Ruetz 2018, S. 143ff.) Hingewiesen sei auch darauf, dass die Digitalisierung in der Live Kommunikation neben den vielen genannten Chancen auch neue Risiken mit sich bringt, die der wissenschaftlichen Betrachtung bedürfen. Vor der Veranstaltung hinterlassen die Teilnehmer persönliche Informationen wie Adress- und Kontodaten, die vor externen Zugriffen geschützt werden müssen. Es entsteht umfangreiches Bildmaterial, das auf Social Media Plattformen verbreitet wird und über Gesichtserkennung sensible Informationen zu einzelnen Teilnehmern und deren Kontakten offenlegen kann. Dem Datenschutz in der Live Kommunikation muss deshalb nicht nur in Folge der EU-DSGVO ein besonderes Augenmerk gewidmet werden. Themenfeld 8: Event und Erfolgsmessung Das Thema Erfolgsmessung ist seit vielen Jahren ein zentrales Thema der Eventforschung.  Zur Messung von nicht-monetären Erfolgswirkungen von Events wurden aus wissenschaftlicher Sicht (Partial)Modelle zur Messung der affektiven, kognitiven und komplexen Kommunikationswirkung von Events entwickelt und empirisch überprüft (Köhler 2013, S, 87ff.). Da die Datenerhebung für die empirische Erfolgsforschung (Interviews, Fragebogen) i. d. R. aufwendig ist, muss festgestellt werden, dass die Messmodelle bisher nur eine geringe Akzeptanz und Verbreitung in der Eventbranche erfahren haben.  Die Messung von monetären/wirtschaftlichen Erfolgswirkungen von Events konzentrieren sich bisher auf Mega-Events im öffentlichen Raum wie Open Air Konzerte, Festivals und Sport-Großveranstaltungen, bei denen (regional)ökonomische Primär-, Sekundär- und Tertiärwirkungen gemessen werden können (Köhler/Drengner 2012, S. 203ff.). Die Ermittlung der ökonomischen Wirkungen von Marketingevents (ROI) konnte bisher wissenschaftlich noch nicht zu einer praktikablen Lösung entwickelt werden.  Die Entwicklung von Konzepten zu einem ganzheitlichen Eventcontrolling, seit vielen Jahren ein Forschungsthema (Zanger/Drengner 1999, S. 32ff.), ist bisher ebenfalls auf einer konzeptionellen Ebene geblieben, die keine breite praktische Akzeptanz erfahren hat (Drengner/Rück 2016, S. 227ff.).

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 Zu einem zukunftsfähigen Forschungsfeld hat sich in den letzten Jahren der Einsatz innovativer digitaler Messverfahren zur Event- und Messeerfolgsmessung entwickelt. Diese Verfahren weisen den großen Vorteil auf, dass das Verhalten der Eventteilnehmer oder Messebesucher direkt beobachtet werden kann und damit aufwendige Befragungen entfallen. Der Einsatz von RFID-, WLAN-, Beacon-Technologie, 3D-Kameras und UltrabreitbandSensortechnik bietet innovative Möglichkeiten zur Lokalisierung von Personen auf Veranstaltungen sowie zur Analyse von deren Verhalten und sozialen Interaktionen. Erste Studien wurden bisher auf Messen durchgeführt (Wille/Wehn/Jensen 2014, 266ff.; Lohmann/Pyka/Zanger 2017, S. 67ff.) Themenfeld 9: Event und Freizeitbereich/Tourismus Events im Freizeitbereich und Tourismus stehen in einer synergetischen Verbindung (Lohmann/Zanger 2016, S. 3ff.). Einerseits benötigen Eventinszenierungen immer eine außergewöhnliche Kulisse, einen magischen Raum oder eine faszinierende Architektur. Eventkonzepte für Marketingevents beziehen ihre Inspiration dabei oft aus der besonderen Destination und der Location, die für die Durchführung des Events sorgfältig ausgesucht wird. Andererseits können Eventangebote im öffentlichen Raum, die im Zusammenhang mit einer Destination stehen, für Touristen einen Zusatznutzen generieren, der die Attraktivität des Besuchs der Destination deutlich erhöht oder gar den Ausschlag für die Wahl einer bestimmten Destination gibt. Die Entwicklung kann bis hin zum Eventtourismus (Getz 2008) führen, d. h. das Event wird zum eigentlichen Anlass der Reise und die klassischen touristischen Leistungen wie Reise und Unterkunft dienen nur zu Arrondierung des Gesamtpaketes. Diese Perspektiven eröffnen ein interessantes und breit gefächertes Spektrum für die Eventforschung. Im Mittelpunkt stehen beispielsweise die vielfältigen Einsatzformen von Events im Tourismus (Rück 2016, S. 42ff.). Studien zeigen die Wirkung des Einsatzes von Events als Marketinginstrument im Destination- (Lohmann/Zanger 2016, S. 3ff.), Regional- (Zilt/Röder 2013, S. 181ff.) und Stadtmarketing (Weber/Wenisch 2016, S. 283ff.) auf. Interessante neue Wege eröffnet auch in diesem Forschungsfeld die Verbindung von realem Event und Social Media Kommunikation beispielsweise für Bekanntheits- und Imageaufbau für eine touristisch noch wenig erschlossene Destination (Hildebrandt/Korte/Erdogan 2016, S. 61ff.). Besondere Aufmerksamkeit wird der Forschung zur Nachhaltigkeit von Eventkonzepten im Tourismus gewidmet (Holzbauer/Luppold 2016, S. 151ff.). Gefordert werden nachhaltiger Tourismus mit Events, die ökoeffizient, ökoeffektiv und suffizient sind (Köhler/Schneider 2016, S. 123ff.).

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Themenfeld 10: Event und Gesellschaft Der wissenschaftliche Diskurs um Events als gesellschaftliches Phänom spannt einen weiten Bogen vom Einsatz von Events in Non-Profit-Bereichen wie Religion, Politik oder Wissenschaft und Hochschulen über Compliance Diskussionen im Event und insb. Incentive Bereich (Rück 2013, S.201ff.) bis hin zur Kritik an der postmodernen Erlebnis“industrie“ (Duschlbauer 2017, 225ff.). Eine zentrale bisher wissenschaftlich noch kaum betrachtete Frage betrifft das Berufsbild Event- und Messemanager sowie den aktuell gesellschaftlich beklagten Fachkräfte(mangel). Formal gesehen ist der Beruf Event- und Messemanager keine geschützte Berufsbezeichnung, so dass prinzipiell jeder in der Branche Tätige sich unabhängig von seinen Erfahrungen und seinem Qualifikationshintergrund Event- bzw. Messemanager nennen kann. Umso wichtiger wird es, ein klares Anforderungsprofil für das Berufsbild zu bestimmen. In einer umfassenden empirischen Studie zum Berufsbild Event- und Messemanager wird deutlich, dass mit der Professionalisierung der Eventbranche auch neue, höhere Anforderungen an Event- und Messemanager gestellt werden. Sie müssen einerseits als Generalisten agieren und Veranstaltungen strategisch planen sowie operativ umsetzen und steuern können. Andererseits ist zugleich immer mehr Spezialwissen in betriebswirtschaftlichen, rechtlichen, sicherheitstechnischen oder technischen Bereichen gefragt. Daraus ergibt sich ein breites Spektrum an Kompetenzen, die einen Event- und Messemanagermanager für zukünftige Herausforderungen fit machen (Zanger/Hädecke 2018):  Zunächst muss selbstverständlich fachliche und methodische Kompetenz aufgebaut werden. In der Studie wurde vor allem deutlich, dass neben den fachlichen Detailkenntnissen die Fähigkeit zum ganzheitlichen Denken im Sinne der integrierten Kommunikation entwickelt werden muss. Event- und Messemanager müssen in der Lage sein, Markenerlebnisse ganzheitlich zu inszenieren und crossmedial zu kommunizieren sowie im internationalen Kontext agieren können.  Auf der persönlichen Seite geht es um sozial-kommunikative Kompetenz. Benötigt wird hohe Kommunikationskompetenz ggü. Kunden sowie den zahlreichen Partnern und Mitarbeitern, die im Rahmen eines Event- bzw. Messeprojektes zusammenwirken. Notwendig sind aber auch Kreativität, Teamfähigkeit und hohe Flexibilität.  Organisationskompetenz wird in Bezug auf das Verständnis des Events bzw. der Messe als Projekt gefordert. Event- und Messemanager müssen die

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zunehmende Komplexität von Veranstaltungsprojekten durch eine effiziente Koordination der beteiligten Gewerke und Dienstleister beherrschen. Dabei ist der Einsatz moderner, flexibler Methoden wie agiles Projektmanagement zunehmend wichtig.  Besondere Bedeutung erlangen aktuell technische Kompetenzen. So müssen Event- und Messemanager mit der zunehmend komplexeren IT-Infrastruktur in der Agentur umgehen können. Dazu gehören Teilnehmermanagementsysteme ebenso wie Blogs und Teilnehmer-Apps oder soziale Medien wie Facebook, Twitter, Instagram oder Youtube, die beherrscht und flexibel in Veranstaltungskonzepte eingebaut werden müssen. Innovative digitale Tools wie beispielsweise Augmented oder Virtual Reality, Beacons, Chatbots oder Drohnen müssen in ihren Einsatzmöglichkeiten bekannt sein, um diese ggf. für Veranstaltungskonzepte zu nutzen.

3 Ausblicke: Perspektiven für die Weiterentwicklung der Eventforschung Die 10 betrachteten Themenfelder machen deutlich, dass es neben vielen interessanten Forschungsergebnissen, die die Eventforschung in den letzten 10 Jahren bereichern konnten, auch noch viele offene Fragen und Forschungsbedarf gibt. Kompakt soll an dieser Stelle auf drei zukünftig bedeutsame Forschungsfelder verwiesen werden. Forschungsfeld Digitalisierung und Live Kommunikation Die Event- und Messebranche wird mit dem Trend zur Digitalisierung in den nächsten Jahren wie alle Bereiche der Gesellschaft mit disruptiven Veränderungen konfrontiert sein. Forschungsbedarf wird es beispielsweise zur innovativen Veränderung und Neugestaltung der Formate der Live Kommunikation geben. Notwendig sind neue Wege der Erreichbarkeit von Messebesuchern und Eventteilnehmern und deren Einbeziehung in der Rolle als Co Creator of Value bzw. Co-Producer of Value. Dazu wird es erforderlich sein, die Customer Journey vor, während und nach Events bzw. Messen einer genaueren wissenschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Darüber hinaus wird es in der wissenschaftlichen Forschung um die effektive und effiziente Integration der Kommunikationsinstrumente, um den kundennutzenstiftenden Einsatz digitaler Tools und Techniken und um die Integration neuer Akteure am Event- und Messemarkt wie Blogger, Influencer und Opinion Maker gehen. Forschungsfeld Wirkungs- und Erfolgsmessung in der Live Kommunikation Trotz vieler singulärer Forschungsergebnisse zur Wirkung und dem Erfolg des Einsatzes von Instrumenten der Live Kommunikation, wird sich die weitere Forschungsarbeit um ein praktikables Modell zur Messung des wirtschaftlichen Erfolgs von Events (ROI)

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bemühen müssen. Ziel muss es sein, die Instrumente der Live Kommunikation innerhalb eines Unternehmens untereinander (z. B. verschiedene Events oder Messen, die in einem Unternehmen durchgeführt werden) bzw. unternehmensübergreifend in der Branche (z. B. verschiedene Corporate Events mit gleichem Themenbezug) vergleichbar zu machen. Darüber hinaus ist es wichtig Kennzahlen ähnlich dem Tausender-Kontakt-Preis in der Werbung zu entwickeln, um die Live Kommunikation mit anderen Kommunikationsinstrumenten im Marketing vergleichen zu können. Fortschritte sind dabei aus der Weiterentwicklung der Messmethoden insb. aus dem Einsatz digitaler Mess- und Beobachtungstools zu erwarten. Forschungsfeld Live Kommunikation und gesellschaftliche Werte Viele neue Forschungsfragen ergeben sich aus den zentralen gesellschaftlichen Trends und der Wertediskussion. Dabei ist beispielsweise an Fragen der Veranstaltungsethik, der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit von Veranstaltungen der Live Kommunikation, an die Veranstaltungssicherheit und an das Berufsbild Event- und Messemanager zu denken. Wissenschaftlich begleitet sollten Maßnahmen zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften in der Live Kommunikation entwickelt und die Veränderung des Aufgaben- und Kompetenzspektrums der Event- und Messemanager im Zuge der Digitalisierung (Event- und Messemanager 4.0) in den Blick genommen werden.

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Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien 1

Einleitung ............................................................................................................... 29

2

Mikroökonomische Langzeitbetrachtung von Messen: Der AUMA MesseTrend – die Ausstellerperspektive .................................................................................... 30

3

2.1

Ausgangslage................................................................................................... 30

2.2

Methode zur Bestimmung der Grundgesamtheit und der Stichprobe ............. 31

2.3

Ausgewählte Ergebnisse ................................................................................. 32

2.4

Fazit ................................................................................................................. 37

Makroökonomische Langzeitbetrachtung von Messen: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung ............................................................................................................... 37 3.1

3.1.1

Erhebungstechnischer Rahmen ............................................................... 38

3.1.2

Berechnungsverfahren ............................................................................ 39

3.2

4

Methodik ......................................................................................................... 38

Makroökonomische Langzeitbetrachtung ....................................................... 40

3.2.1

Vorbemerkungen ..................................................................................... 40

3.2.2

Direkte messeinduzierte Ausgaben ......................................................... 41

3.2.3

Gesamtwirtschaftliche Produktions- und Beschäftigungseffekte ........... 43

3.2.4

Fazit ......................................................................................................... 45

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen .......................................................... 46

Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 49

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_2

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

29

1 Einleitung Zum zehnjährigen Jubiläum der Konferenz Eventforschung an der TU Chemnitz soll die Chance genutzt werden, über die Entwicklung eines der wirtschaftlich bedeutendsten Instrumente der Live Communication zu sprechen, nämlich über Messen. Mit zwei Langzeitstudien über 20 Jahre, die am Institut der Deutschen Messewirtschaft im AUMA durchgeführt wurden, kann überprüft werden, wie sich die Messen in dieser Zeit entwickelt haben. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Digitalisierung, die vor 20 Jahren noch in den Anfängen steckte, kann dieser Blick zurück Entwicklungen aufzeigen, aus denen man auch einiges für die Zukunft wird ableiten können. Auch wenn die Messewirtschaft gelegentlich unter Begriffen wie Veranstaltungswirtschaft, Live Communication oder sogar Geschäftsreisetourismus subsumiert wird, kann sie als eigenständiger Wirtschaftszweig betrachtet werden (vgl. Neven 2016), weshalb aus wissenschaftlicher Sicht eine eigene Messeforschung und Messewissenschaft etabliert werden sollte (vgl. Hochheim 2018)1. Neben den eher betriebswirtschaftlich relevanten Indikatoren, haben Messen auch eine wichtige Funktion für die jeweiligen Branchen und damit für die gesamte Volkswirtschaft. Sie bilden ideale Plattformen für den grenzüberschreitenden Austausch von Wissen, Innovationen und das Knüpfen von Netzwerken (vgl. Bathelt/Schuldt 2010; Bathelt/Zakrzewski 2007; Moeran 2011; Prause et al 2012). In Forschung und Literatur herrscht deshalb weitgehend Einigkeit darüber, dass Messen nicht nur zu den ältesten Marketing-, Vertriebs- und Kommunikationsplattformen gehören (vgl. Denzel 2018; Rodekamp 2017; Schoop et al 2017), sondern dass sie nach wie vor wichtig für die Wirtschaft (Aussteller und Besucher) und gleichzeitig selber ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die jeweilige Region bzw. das Land sind. Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit der Entwicklung der Messen aus Ausstellersicht und mit den gesamtwirtschaftlichen Wirkungen der Messen in Deutschland. Zu Beginn sei ein kurzer Blick zurück erlaubt. Vor rund 20 Jahren begann der stetige Aufstieg des Internets und damit bis dato unbekannter, neuer Möglichkeiten auch in der Kommunikation, im Marketing und in der Kundenansprache. Zitate aus der damaligen Zeit belegen, dass Messen teilweise eine unsichere Zukunft prognostiziert wurde:  „Offlinemedien kriseln, das Internet floriert“ (Horizont 1999, S. 68)  „Wird Internet Messen ersetzen?“ (ter Weiler 2000, S. 26f.) 1

Eine Recherche in der gängigen Marketingfachliteratur zeigt, dass Messen und Messebeteiligungen oft nur am Rande betrachtet werden (beispielhaft Kotler/Keller/Opresnik 2017; Meffert/Burmann/Kirchgeorg 2012), was ihrer Bedeutung in der Praxis widerspricht.

30

Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

 „Die virtuelle Veranstaltung: Das Internet als Location der Zukunft?“ (events 2001, S. 10f.) Nachfolgend soll ein Realitätscheck mit objektiven Daten und Fakten aus Studienergebnissen zeigen, ob und inwieweit diese Aussagen Realität geworden sind. Dabei wird lediglich auf eher übergeordnete Entwicklungen geblickt, während der wichtige Teil der unternehmensinternen Erfolgsmessung auf Messen hier nicht berücksichtigt wird 2. Zur Einordnung ist anzumerken, dass es in den Studien ausschließlich um Messen im klassischen Sinn geht. Andere Live Communication-Instrumente wie Events und Kongresse, aber auch sogenannte virtuelle Messen werden nicht betrachtet. Zuerst wird anhand einer Langzeitstudie auf die Entwicklung der Messen auf mikroökonomischer Ebene, also auf Ebene der ausstellenden deutschen Unternehmen eingegangen (Kapitel 2). Anschließend werden die makroökonomischen Effekte der Messen für den Standort Deutschland beleuchtet (Kapitel 3).

2 Mikroökonomische Langzeitbetrachtung von Messen: Der AUMA MesseTrend – die Ausstellerperspektive 2.1 Ausgangslage Ende der 1990er Jahre stand die Messewirtschaft vor der Frage, wie Messen sich weiterhin entwickeln werden und welche Trends sich abzeichnen. Die Datenbasis für Aussagen darüber und über das Messeverhalten der deutschen Aussteller auf Fachmessen war nicht ausreichend. Die meisten Messegesellschaften hatten umfangreiche Daten über ihre Besucher und Aussteller, die sie regelmäßig befragten (vgl. Hochheim/Riemann 2017). Allerdings gab es keine validen, veranstaltungs- und branchenübergreifenden Daten. Es war z. B. nicht bekannt, wie viele Unternehmen sich auf deutschen Messen beteiligen (Nettozahl), da nur die Anzahl der gesamten Messebeteiligungen ungefähr bekannt war (Bruttozahl). Um die fehlenden Daten zu ermitteln, musste zuerst die Grundgesamtheit der deutschen ausstellenden Unternehmen bestimmt werden, die bis dato unbekannt war. Im Folgenden wird dargestellt, wie diese Grundgesamtheit der deutschen Aussteller valide ermittelt wurde. Außerdem werden ausgewählte Längsschnittergebnisse aus dem vor 20 Jahren gestarteten AUMA MesseTrend dargestellt (AUMA MesseTrend 2000-2019).

2

Zur Messung des Nutzens und Erfolgs von Messebeteiligungen vgl. z. B. Zanger 2017; Neven/ Hochheim 2017; Bielefeldt/Herbst 2016

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

31

2.2 Methode zur Bestimmung der Grundgesamtheit und der Stichprobe Die Grundgesamtheit der deutschen Aussteller wurde für die Studie AUMA MesseTrend erstmals 1999 bestimmt. Eine Neubestimmung wurde 2004, 2009 und 2017 vorgenommen (siehe dazu AUMA MesseTrend 2005, 2010 und AUMA 2018b). Die Analyse aus dem Jahr 1999 zur Bestimmung der Grundgesamtheit lieferte die Anzahl von rund 62.000 ausstellenden Unternehmen auf Fachmessen; 2004 waren es 56.000 Unternehmen, im Jahr 2009 wurden 59.000 Unternehmen ermittelt und 2017 schließlich 58.000 Unternehmen, die sich an mindestens einer Fachmesse in Deutschland beteiligt hatten (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Die Grundgesamtheit ausstellender deutscher Unternehmen auf Fachmessen Quelle: AUMA MesseTrend 2000; 2005; 2010; 2018

Bis 2009 wurde zur Bestimmung dieser Nettoanzahl aus forschungsökonomischen Gründen eine Stichprobenanalyse durchgeführt. Insgesamt wurden aus rund 380 Messen die 30 Messen mit der größten Ausstelleranzahl und 50 weitere nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Die Adressdaten dieser Messen wurden erfasst, abgeglichen und um Dopplungen bereinigt, so dass jedes ausstellende Unternehmen nur noch einmal auftauchte. Die Hochrechnung auf die Gesamtzahl der Messen erfolgte im zweiten Schritt

32

Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

durch ein Approximationsverfahren (Details zum Verfahren siehe AUMA MesseTrend 2000, 2005, 2010 und 2018b). Für die Analyse im Jahr 2017 wurde mittels eines Adressabgleichs der digitalen Messekataloge analysiert, wie hoch die Nettoanzahl deutscher Unternehmen und internationaler Unternehmen mit einem Firmensitz in Deutschland ist. Von allen 338 Fachmessen der Grundgesamtheit konnten 290 Ausstellerverzeichnisse identifiziert und für die Analyse herangezogen werden. Das sind 85,8% aller vorab definierten Fachmessen, weshalb bei der Stichprobenziehung, die die Grundgesamtheit widerspiegelt, von einer repräsentativen Stichprobe gesprochen werden kann. Beide Verfahren liefern vergleichbare Ergebnisse, wobei bei Variante 2 aus dem Jahr 2017 der Pool an Adressen für die Stichprobenziehung größer ist und deshalb ab jetzt bevorzugt wird. Aus der Grundgesamtheit wurden jeweils 500 Unternehmen nach Beteiligungshäufigkeit, Größe und Branchen für die Stichprobe ausgewählt und jährlich zur gleichen Zeit wieder befragt, so dass sich ein „Quasi-Panel“ ergibt. Der Datenpool umfasst in den 20 Jahren also insgesamt 10.000 Interviews. 2.3 Ausgewählte Ergebnisse Nachfolgend werden einige ausgewählte Ergebnisse aus der Untersuchung zum AUMA MesseTrend im Längsschnitt dargestellt. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der tatsächlichen Messebeteiligungen der Unternehmen mit Sitz in Deutschland auf deutschen Messen jeweils für zwei zurückliegende Jahre im Zeitraum von 1998 bis 2018. Die Beteiligungshäufigkeit schwankt zwischen 5 und 6 Teilnahmen. Einige Ausschläge sind teilweise durch turnusbedingte Schwankungen zu erklären, da nicht alle Messen immer jährlich stattfinden und es so eher messestärkere und messeschwächere Jahre gibt. Methodisch wird in der Studie durch die Abfrage der letzten beiden Jahre versucht, turnusbedingte Schwankungen auszugleichen. Zwei Ergebnisse sind aber besonders hervorzuheben. Erstens zeigt sich in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit, dass auch Messebeteiligungen auf dem Prüfstand stehen und sich mit gewisser Verzögerung Entwicklungen in der Wirtschaft auch auf Messen zeigen. So lag das Wirtschaftswachstum des BIP in Deutschland in den Jahren 2002 bei 0% und 2003 bei -0,7% (vgl. Destatis 2017, S. 7) und bei den Messebeteiligungen ist in den Jahren 2003/2004 ein Rückgang zu verzeichnen. Noch deutlicher zeigt sich dies in den Jahren nach der Wirtschaftskrise, die 2008 ihren Anfang nahm. Im Jahr 2009 ging das deutsche BIP um 5,6% zurück (vgl. Destatis 2017, S. 7). Zeitverzögert, da Messen in aller Regel längerfristig geplant und budgetiert

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

33

werden, gingen die Beteiligungen auf deutschen Messen ab 2009 für einige Jahre relativ deutlich zurück (siehe Abb. 2). Es kann konstatiert werden, dass sich nicht alle Schwankungen des BIP in den Messebeteiligungen widerspiegeln, dass aber offensichtlich größere Unsicherheiten oder Entwicklungen in der Gesamtwirtschaft durchaus ihren Niederschlag auch auf Messen finden. Zweitens ist festzuhalten, dass der langfristige Trend leicht rückläufig ist, was bedeutet, dass sich die deutschen Aussteller im Verlauf der vergangenen 20 Jahre tendenziell etwas weniger auf Messen im Inland präsentieren. Der Rückgang und der Trend bewegen sich statistisch allerdings auf einem kaum signifikanten Niveau und werden auch durch die oben beschriebenen Rückgänge beeinflusst, so dass erst die nächsten Jahre zeigen werden, ob es sich um einen stabilen Trend handelt oder lediglich eine Stagnation zu verzeichnen ist.

Abb. 2: Anzahl der Messebeteiligungen deutscher Unternehmen auf deutschen Messen (n= 500 Unternehmen) Quelle: AUMA MesseTrend, eigene Erstellung

Eine gegenläufige Entwicklung wird deutlich, wenn man sich die Messebeteiligungen deutscher Unternehmen weltweit inkl. deutscher Messen anschaut (siehe Abb. 3) Die Anzahl der weltweiten Messebeteiligungen je Unternehmen pendelt zwischen 8 und 10 Teilnahmen jeweils in zwei Jahren. Der langfristige Trend weist eine deutlich positive Steigung auf, was bedeutet, dass die deutschen Unternehmen sich in den letzten 20 Jahren immer stärker auf internationale Messen außerhalb Deutschlands fokussiert haben, während die Beteiligungen im Inland stagnierten oder leicht zurückgingen wie oben gezeigt. Überraschend ist dieser Befund aus zweierlei Gründen nicht. Einerseits hatten und haben die Aussteller auf deutschen Messen bereits ein sehr hohes Niveau erreicht, d. h. die Unternehmen stellen in aller Regel auf den für ihre Branche relevanten Fachmessen

34

Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

aus. Andererseits ist eine so stark vom Export und der internationalen Verflechtung geprägte Wirtschaft wie die deutsche auch immer auf der Suche nach neuen Märkten, was die gestiegene Beteiligungshäufigkeit im Ausland erklärt.

Abb. 3: Anzahl der Messebeteiligungen deutscher Unternehmen auf deutschen und ausländischen Messen (n= 500 Unternehmen) Quelle: AUMA MesseTrend, eigene Erstellung

Will man die Stellung der Messen im Vergleich zu anderen Instrumenten und Kanälen ermitteln, lohnt auch ein Blick auf den relativen Anteil des Messebudgets am gesamten Kommunikationsbudget. Unternehmen investieren ihr Geld in der Regel in vielversprechende und erfolgreiche (Marketing)Maßnahmen, die einen entsprechenden ROI bringen. Deshalb sind die Ausgaben für Marketing und Kommunikation und der Anteil der Messen an diesen ein sehr guter Indikator für die Bedeutung, die Messen in den Unternehmen haben. Betrachtet man die Entwicklung im 20-Jahres-Vergleich, zeigt sich ein ganz deutlicher, statistisch signifikanter Trend. Der Anteil des Messebudgets am gesamten Kommunikationsbudget ist in den Unternehmen von 38% in den Jahren 1998/1999 auf aktuell 47% gestiegen (siehe Abb. 4). Hält man sich vor Augen, dass in diesem Zeitraum zahlreiche neue digitale Kanäle überhaupt erst entstanden sind, in die mittlerweile ebenfalls erhebliche finanzielle Mittel fließen, ist dieser Befund noch bemerkenswerter. Die relativen Mittel, die in Messebeteiligungen investiert werden, haben in den letzten Jahren neue Höchstwerte erreicht, was den Schluss zulässt, dass Messen nach wie vor eine hohe Bedeutung für die Unternehmen haben.

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

35

Abb. 4: Anteil des Messe-Budgets am gesamten Kommunikationsbudget (n= 500 Unternehmen) Quelle: AUMA MesseTrend, eigene Erstellung

Abschließend soll betrachtet werden, warum Unternehmen überhaupt auf Messen ausstellen. Dazu soll ein Blick auf die Messeziele der Aussteller und deren eventuelle Veränderungen im Zeitablauf geworfen werden. Die Ziele der Messebeteiligungen wurden erst ab dem Jahr 2004 abgefragt, was aber trotzdem Trendaussagen ermöglicht (siehe Tab. 1). Bei den drei wichtigsten Zielen, der Stammkundenpflege, der Neukundengewinnung und der Steigerung der Bekanntheit des Unternehmens, der Produkte und Marken, sind im Längsschnitt kaum Veränderungen erkennbar. Ebenso verhält es sich bei den Verkaufs- und Vertriebszielen, die nur leicht schwanken, insgesamt aber weiterhin eine relativ hohe Bedeutung haben. Entgegen anderslautender Meinungen kann konstatiert werden, dass Messen nach wie vor auch wichtige Verkaufsund Vertriebsplattformen sind. Selbstverständlich haben sich Messen verändert und müssen sich weiter verändern, aber einige wirtschaftliche Grundfunktionen wie Neukundengewinnung und Vertragsabschlüsse sind auf Messen weiter wichtig. In diesem Punkt unterscheiden sich Messen vielleicht am stärksten von anderen Events, die oft nicht in erster Linie vertriebs- und verkaufsorientiert sind. Das Ziel, das am deutlichsten an Bedeutung gewonnen hat, ist die Gewinnung neuer Mitarbeiter (Recruiting). Das ist umso bedeutsamer, da in der Befragung nicht explizit Aussteller auf Karrieremessen befragt wurden, sondern der Fokus auf Ausstellern auf Branchenfachmessen lag. Die befragten Unternehmen nutzen ihre jeweiligen Fachmesseauftritte also immer stärker auch dazu, geeignetes Personal gezielt anzusprechen und

36

Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

anzuwerben. Denkt man an die Diskussionen um den Fachkräftemangel in vielen Branchen, ist ein solcher Schritt für die Unternehmen nur folgerichtig. Schließlich kommen auf Messen die Communities der jeweiligen Branchen als Aussteller und Besucher zusammen Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass ein, wenn auch relativ geringer, Teil der Aussteller angibt, gänzlich ohne Ziele zur Messe zu fahren. Die Frage, wie diese Unternehmen eine Erfolgskontrolle ihrer Messebeteiligung durchführen wollen, kann hier nicht erörtert werden. Tab. 1: Messebeteiligungsziele deutscher Aussteller (n= 500 Unternehmen) Messeziele / Befragungsjahr

2004

2012

2018

Stammkundenpflege

89%

95%

90%

Neukundengewinnung

92%

93%

89%

Bekanntheit steigern

92%

96%

89%

Imageverbesserung des Unternehmens / der Marken

88%

91%

83%

Präsentation neuer Produkte / Leistungen

90%

87%

77%

Gewinnung neuer Kooperationspartner

62%

74%

68%

Verkaufs- /Vertragsabschlüsse während u. nach der Messe

69%

73%

67%

Erschließung neuer Märkte

76%

79%

63%

Aufbau neuer Vertriebswege

44%

58%

49%

Marktforschung: Kundenverhalten, Trends, Akzeptanz

57%

56%

46%

Aufbau und Pflege von Beziehungen zu Medien

50%

50%

46%

Gewinnung neuer Mitarbeiter

9%

15%

23%

Keine Ziele im Vorfeld definiert

4%

2%

7%

Quelle: AUMA MesseTrend, eigene Erstellung

Nicht zuletzt erkennt man bei einem Blick auf die Messeziele der Aussteller, dass Messen sich sehr gut eignen, viele und teilweise auch sehr unterschiedliche Ziele mit diesem einen Marketinginstrument zu erreichen. In dieser Vielfalt der Ziele, die mit einem Messeauftritt erreicht werden können, sind Messen als Instrument noch immer unübertroffen.

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

37

2.4 Fazit Mit einigen ausgewählten Ergebnissen aus der Langzeitstudie AUMA MesseTrend konnte gezeigt werden, dass die Messebeteiligungen der deutschen Unternehmen auf deutschen Messen in den letzten 20 Jahren stagnieren bzw. im Trend leicht zurückgehen. Demgegenüber stehen verstärkte Engagements der Aussteller auf Messen im Ausland, so dass sich im Saldo eine insgesamt positive Entwicklung der Messebeteiligungen in den letzten 20 Jahren zeigt. Unterstrichen wird der positive Trend dadurch, dass die Unternehmen relativ gesehen aktuell deutlich mehr in Messebeteiligungen investieren als vor 20 Jahren. Schlussendlich zeigt ein Blick auf die Messebeteiligungsziele der Aussteller, dass Messen als Plattformen für die parallele Erreichung sehr unterschiedlicher Ziele nach wie vor unübertroffen sind. Das sollte aber nicht zu dem Schluss verleiten, dass Messen in den Unternehmen unumstrittene Instrumente sind. Auch sie stehen auf dem Prüfstand und müssen ihre Effektivität und Effizienz permanent nachweisen. Gefahr droht Messen vor allem an Stellen, an denen andere, insbesondere digitale Instrumente oder Kanäle einzelne Funktionen von Messen ersetzen. Die dargestellten mikroökonomischen Wirkungen der Messen führen auch auf makroökonomischer Ebene zu positiven Effekten. Diese gesamtwirtschaftliche Bedeutung wird im nächsten Kapitel anhand einer weiteren Langzeitstudie dargestellt.

3 Makroökonomische Langzeitbetrachtung von Messen: Gesamtwirtschaftliche Bedeutung Messen und Ausstellungen haben nicht nur aus einzelwirtschaftlich motivierten Überlegungen der Unternehmen (siehe Kapitel 2), sondern auch infolge ihrer gesamtwirtschaftlichen Funktionen einen hohen Stellenwert. Unter gesamtwirtschaftlicher Sicht sind beispielsweise die Handels-, Transparenz- und Wirtschaftsförderungsfunktion von Messen zu nennen (vgl. Kirchgeorg 2017, S. 36ff.). Darüber hinaus sind Messen aber auch für die Messestandorte sowie die gesamte Wirtschaft eines Landes von erheblicher Bedeutung, da Messeaussteller, -besucher und -veranstalter als Nachfrager von Leistungen auftreten, die in sehr unterschiedlichen Wirtschaftssektoren zum Teil erhebliche Produktions- und Beschäftigungseffekte induzieren. Das ifo Institut befasst sich seit vielen Jahren intensiv mit der deutschen Messewirtschaft. Im Auftrag des AUMA hat das ifo Institut vor rund 20 Jahren erstmals eine Studie zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Messen und Ausstellungen in Deutschland erstellt (vgl. Spannagel et al. 1999)3. Nach der Untersuchung für den Zeitraum 2005/08 (vgl. AUMA 2009) wurde im Jahr 2018 die dritte Studie veröffentlicht (vgl. 3

Diese Studie wurde vom ifo Institut in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle für den Handel (FfH) erstellt.

38

Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

AUMA 2018a). Da den drei Studien ein identischer Untersuchungsansatz zugrunde liegt (siehe Kapitel 3.1), ist es möglich, die Entwicklung der angestoßenen wirtschaftlichen Effekte zwischen den Jahren 1997 und 2017 zu analysieren (siehe Kapitel 3.2). 3.1 Methodik Die Quantifizierung der wirtschaftlichen Bedeutung von Messen und Ausstellungen erfolgt in einem mehrstufigen Verfahren. Im Folgenden werden der erhebungstechnische Rahmen der Untersuchungen (siehe Kapitel 3.1.1) und die einzelnen Berechnungsschritte (siehe Kapitel 3.1.2) dargestellt. 3.1.1 Erhebungstechnischer Rahmen Die Berechnung der wirtschaftlichen Effekte von Messen und Ausstellungen basiert ausschließlich auf den messeinduzierten Ausgaben der Messeakteure (Ausgaben der Aussteller für die Messebeteiligung, Ausgaben für den Messebesuch sowie Investitionen der Messeveranstalter in ihr Messegelände). Effekte angestoßener bzw. realisierter Aufträge4 bleiben ebenso unberücksichtigt wie etwaige Auslandsaktivitäten der Messeveranstalter. Des Weiteren dürfen auch die Umsätze/Erlöse der Messeveranstalter bzw. die Löhne deren Mitarbeiter(innen) nicht mit in die Berechnung einbezogen werden, da diese weitgehend aus den Aufwendungen der ausstellenden Unternehmen und Besucher (z. B. Standmiete, Messeeintritt) resultieren. Diese Aufwendungen werden aber bereits im Zuge der Befragungen bei den Ausstellern und Besuchern erfasst. Um einen detaillierten und empirisch fundierten Einblick in die wirtschaftlichen Wirkungen von Messeveranstaltungen zu erlangen, müssen die Ausgaben der Messebesucher und Aussteller nach verschiedenen Kategorien (z. B. Standmiete, Messeeintritt, Standbau, Übernachtung, Gastronomie, private Einkäufe, Unterhaltung, Freizeit, Reisekosten) und Regionen (Deutschland, Ausland)5 abgebildet werden. Ein zentraler methodischer Baustein der Ermittlung messeinduzierter Ausgaben sind daher Primärerhebungen bei Ausstellern und Besuchern. So wurden beispielsweise für die Berechnungen der wirtschaftlichen Effekte der Messen und Ausstellungen in Deutschland im Zeitraum 2014/17 die Angaben von rund 30.000 in- und ausländischen Ausstellern und rund 50.000 in- und ausländischen Messebesuchern verwendet.

4

Insbesondere für kleine und mittlere inländische Unternehmen eröffnet sich durch eine Messebeteiligung die kostengünstige Möglichkeit, neue internationale Kontakte zu knüpfen und Aufträge abzuschließen. Diese Aufträge könnten Investitionen auslösen und damit Arbeitsplätze sichern bzw. schaffen.

5

So könnten z. B. Standbauarbeiten im Ausland erbracht werden oder Reisekosten im Ausland anfallen.

Totgesagte leben länger: Messen im Spiegel von Langzeitstudien

39

Da Messeveranstaltungen sehr unterschiedliche Profile aufweisen, ist für eine repräsentative Hochrechnung der Messeausgaben eine Typisierung der Messeveranstaltungen erforderlich. Im Rahmen der Untersuchungen des ifo Instituts werden zwei übergeordneten Kategorien (internationale/nationale Messen, regionale Messen) jeweils drei Typen zugeordnet, deren Messen ein gemeinsames Veranstaltungsprofil aufweisen: 1. Internationale und nationale Messen Investitionsgütermessen Konsumgütermessen für Fachbesucher Konsumgüterausstellungen für Privatbesucher 2. Regionale Messen Fachausstellungen für Fachbesucher Fachbezogene Verbraucherausstellungen Allgemeine Verbraucherausstellungen Für Analysen im Messewesen ist die zeitliche Abgrenzung von großer Bedeutung, da einige Veranstaltungen nicht jährlich, sondern in einem mehrjährigen Turnus durchgeführt werden. Dementsprechend gibt es, gemessen an den Aussteller- und Besucherzahlen und damit auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen, „starke“ und „weniger starke“ Messejahre. Daher müssen Untersuchungen zu den wirtschaftlichen Effekten von Messen und Ausstellungen für ein repräsentatives (durchschnittliches) Messejahr durchgeführt werden. Das heißt, alle in Deutschland stattfindenden Messen und Ausstellungen sind bei den Berechnungen entsprechend ihrer Turnusperiodizität (Faktor) zu berücksichtigen.6 3.1.2 Berechnungsverfahren Auf Basis der Informationen aus den standardisierten Besucher- und Ausstellerbefragungen werden für die verschiedenen Messetypen Indikatoren ermittelt (z. B. regionale Herkunft der Besucher und Aussteller, Anteil der Fachbesucher, Dauer der Messe, Verweildauer der Fachbesucher, Ausstellerstruktur nach Standgrößen). Diese Indikatoren bilden die Grundlage für die Hochrechnung der Befragungsergebnisse zum Gesamtvolumen der Besucher- und Ausstellerausgaben. Das verwendete Hochrechnungsmodell stellt letztlich anhand der Messetypen und deren Indikatoren kausale Zusammenhänge

6

Beispielsweise die Konsumgütermesse Ambiente (jährlich) mit dem Faktor 1, die Kältetechnikmesse Chillventa (zweijährlich) mit dem Faktor 1/2, die Baumaschinenmesse bauma (dreijährlich) mit dem Faktor 1/3 und die Druckmaschinenmesse drupa (vierjährlich) mit dem Faktor 1/4.

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Hendrik Hochheim, Horst Penzkofer

zwischen den in die Befragungen eingegangenen Veranstaltungen und den nicht befragten Messen her. Die direkten Ausgaben der Messeakteure, die entsprechend ihrer Zielsetzung (z. B. Übernachtung, Verpflegung) auf die Wirtschaftszweige verteilt werden, bilden allerdings nur einen Teil der wirtschaftlichen Effekte ab. Infolge der ausgeprägten Arbeitsteilung werden in erheblichem Umfang Güter und Dienstleistungen von Unternehmen bezogen, die von den Ausgaben der Aussteller und Besucher nicht direkt betroffen sind. Diese indirekt begünstigten Unternehmen fragen ihrerseits wiederum Vorleistungen von Gütern und Dienstleistungen nach. Eine weitere indirekte Wirkung resultiert aus den Einkommen der privaten Haushalte, die infolge der Produktion entstehen. Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen marginalen zusätzlichen Konsum, da ein Basisverbrauch auch ohne zusätzliches Einkommen stattfindet (z. B. durch staatliche Transferzahlungen bei Arbeitslosigkeit). In Summe ergibt sich so eine Kette von leistungswirtschaftlichen Folgewirkungen über alle Wirtschaftszweige. Als Methode zur Berechnung der wirtschaftlichen Verflechtungen wird die Input-Output-Rechnung verwendet, die die Transaktionen zwischen den Produktionssektoren abbildet. Im Anschluss an die Quantifizierung der Produktionseffekte werden mit Hilfe von sektoralen Arbeitskoeffizienten die Beschäftigungseffekte ermittelt. Die Quantifizierung der wirtschaftlichen Wirkungen stellt dabei darauf ab, dass die durch die Messeausgaben „ausgelasteten“ Produktions- und Beschäftigungskapazitäten nicht durch andere Nachfrageaktivitäten tangiert bzw. genutzt werden, d. h. der etwaige Ausfall der Messeausgaben als Nachfragevolumen wird nicht durch Ausgaben anderer Unternehmen und Personen kompensiert. Die Studien zur volkswirtschaftlichen Bedeutung von Messen und Ausstellungen stellen somit eine auf die messeinduzierten Ausgaben der Messeakteure orientierte Impact-Analyse dar. Da die in Deutschland durchgeführten Messen und Ausstellungen aber ursächlich für die Aussteller- und Besucherausgaben sind, werden diese Ausgaben auf jeden Fall getätigt und nicht auf andere Nachfragezwecke umgeleitet. Würden also die Veranstaltungen in einem anderen Land durchgeführt, fielen diese veranstaltungsrelevanten Ausgaben und damit auch die wirtschaftlichen Effekte nicht zusätzlich in Deutschland, sondern in einem anderen Wirtschaftsraum an. 3.2 Makroökonomische Langzeitbetrachtung 3.2.1 Vorbemerkungen Während sich die beiden letzten Untersuchungen zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Messen und Ausstellungen in Deutschland auf ein durchschnittliches Messejahr (Zeitraum 2005/08 bzw. 2014/17) bezogen, wurde in der ersten Untersuchung nur ein

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Messejahr (1997)7 betrachtet. Für den Langzeitvergleich erfolgte eine Nachberechnung8 für den Zeitraum 1994/97, sodass nunmehr für die Zeiträume 1994/97, 2005/08 und 2014/17 jeweils die Ergebnisse von durchschnittlichen Messejahren auf Basis aller in den betreffenden Zeiträumen durchgeführten Messen verglichen werden können. Im Gegensatz zu den drei vorgelegten Untersuchungen, die auch die Investitionstätigkeit der Messeveranstalter beinhalten, sollen im Folgenden ausschließlich die Ausgaben der Aussteller und Messebesucher herangezogen werden, da die starken Schwankungen der Geländeinvestitionen9 den zeitlichen Vergleich verzerren würden. Dies lassen folgende Zahlen erkennen: Während im Jahr 1997 die Messegesellschaften rund 1 Milliarde Euro in ihre Messeplätze investierten, lag das Investitionsvolumen im Zeitraum 2014/17 bei jahresdurchschnittlich „nur“ rund 220 Millionen Euro10, also etwa einem Fünftel des Investitionsbetrags von 1997. Nur die Fokussierung auf die Ausstellerund Besucherausgaben ermöglicht daher eine aussagekräftige Langzeitanalyse der direkten Messeausgaben und deren gesamtwirtschaftlichen Effekte. 3.2.2 Direkte messeinduzierte Ausgaben In den zurückliegenden 20 Jahren haben die in Deutschland stattfindenden überregionalen (internationalen und nationalen) Messen deutlich an Anziehungskraft gewonnen.

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Dieser Ansatz wurde damals gewählt, da „wegen knapper zeitlicher und finanzieller Ressourcen“ umfassende Primärerhebungen von mehreren Veranstaltungsjahren nicht darstellbar waren. Zudem wurde das Messejahr 1997 – auch wenn es sich um ein vergleichsweise starkes Messejahr mit „ausgabenintensiven überregionalen Veranstaltungen“ handelte – zusammengenommen mit den regionalen Veranstaltungen als ein Jahr angesehen, dass einem repräsentativen Messejahr ziemlich nahekam. Bei den Studien für die Messejahre 2005/08 und 2014/17 gab es keine Einschränkungen hinsichtlich der Datenerhebung, da auf zahlreiche Messeerhebungen aus den betreffenden Jahren zurückgegriffen werden konnte. Dies war möglich, da Messegesellschaften wie z. B. Frankfurt, Düsseldorf, München, Köln, Nürnberg, Leipzig und Hamburg gesonderte Studien zu den wirtschaftlichen Effekten ihrer Messeveranstaltungen beim ifo Institut in Auftrag gegeben haben.

8

Die Nachberechnung berücksichtigte die Zahl der Aussteller und Besucher sowie die vermietete Standfläche für die Jahre 1994 bis 1997. Für die Ermittlung der direkten Messeausgaben und der insgesamt messeinduzierten wirtschaftlichen Effekte wurden anstelle der Jahreswerte 1997 die Durchschnittswerte im Zeitraum 1994/97 verwendet.

9

Es handelt sich hierbei um Erweiterungs- und Neubaumaßnahmen, aber auch um Ersatzinvestitionen älterer Hallenkapazitäten sowie Sanierungen und Verbesserungen des Aussteller- und Besucherservices.

10 Im Zeitraum 2005/08 waren es im Durchschnitt jährlich rund 440 Millionen Euro. Die stark abweichenden Investitionsbeträge in den untersuchten Zeiträumen sind vor allem auf die Bautätigkeiten in München (Eröffnung der Neuen Messe München im Jahr 1998), Leipzig (Eröffnung des neuen Geländes der Leipziger Messe im Jahr 1996), Hannover (Investitionen in den 90er Jahren im Vorfeld der Weltausstellung im Jahr 2000) und Stuttgart (Eröffnung der neuen Landesmesse im Jahr 2007) zurückzuführen.

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Während im Durchschnitt der Jahre 1994/97 rund 143.000 Aussteller auf einer Standfläche von knapp 6,1 Millionen qm ihre Produkte und Dienstleistungen präsentierten, waren es im Zeitraum 2014/17 rund 180.000 Aussteller auf einer Standfläche von über 6,7 Millionen qm. Die Zahl der Besucher stieg von rund 9,5 auf annähernd 10 Millionen an. Bemerkenswert ist hierbei, dass sich insbesondere im vergangenen Jahrzehnt die Zahl der ausländischen Messeakteure deutlich erhöht hat: Die Zahl der ausländischen Besucher stieg jahresdurchschnittlich um über 400.000 Personen an und die Zahl der ausländischen Aussteller wuchs von durchschnittlich rund 89.000 auf über 100.000 an. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich das Aussteller-, Flächen- und Besucherwachstum auf überregionalen Messen auch in einer steigenden Bedeutung der Messeausgaben dieser Messekategorie niederschlägt. Im Vergleich der vergangenen 20 Jahre erhöhte sich der Anteil der direkten Aussteller- und Besucherausgaben anlässlich von überregionalen Messen von 74 % auf aktuell fast 83 %. Regionale Veranstaltungen tragen dagegen aktuell nur zu rund einem Zehntel und lokale Veranstaltungen lediglich zu rund 7% zu den Gesamtausgaben bei. Insgesamt erhöhten sich zwischen den Zeiträumen 1994/97 und 2014/17 die direkten Messeausgaben der Aussteller und Besucher von 8,49 auf 14,32 Milliarden Euro, also um nominal rund 69 % (siehe Abb. 5). Hervorzuheben ist hierbei, dass die Steigerung bei den Ausstellerausgaben mit rund 83 % deutlich höher ausfällt als die der Besucherausgaben (rund 45 %). Zurückzuführen ist dies auf den enormen Zuwachs an Ausstellern auf überregionalen Messen in Deutschland. Während sich im Zeitraum 1994/97 bis 2014/17 die Anzahl der Aussteller um rund 26 % erhöhte, wuchs die Besucherzahl lediglich um rund 5%. Zusätzlich buchten die Aussteller zwischen 1994/97 und 2014/17 auch noch eine um rund 10 % größere Standfläche.

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Abb. 5: Die direkten messeinduzierten Ausgaben der Aussteller und Besucher in Deutschland; jeweils für ein Durchschnittsjahr im Vierjahreszeitraum Quelle: Berechnungen des ifo Instituts

Das überdurchschnittlich hohe Wachstum bei den Ausstellerausgaben brachte es auch mit sich, dass nunmehr das messeinduzierte Ausgabenvolumen vor allem von den Ausstellern getragen wird. Rund zwei Drittel der gesamten direkten Messeausgaben wurden im Zeitraum 2014/17 von den Ausstellern getätigt. Die hohe Wertschätzung des Instruments Messe seitens der ausstellenden Unternehmen verwundert aber nicht, da sich auf überregionalen Fachmessen in Deutschland Fachleute und Entscheidungsträger aus nahezu allen Ländern treffen, um sich über den Stand der Forschung sowie über neue Produkte und Dienstleistungen zu informieren. Eine Beteiligung auf diesen bedeutenden Messeveranstaltungen ist somit für Unternehmen von zentraler Bedeutung. Dort können sie ihre Innovations- und Leistungsfähigkeit demonstrieren sowie neue Produkte und Dienstleistungen dem internationalen Fachpublikum präsentieren. 3.2.3 Gesamtwirtschaftliche Produktions- und Beschäftigungseffekte Die in Deutschland durch Messen und Ausstellungen angestoßenen gesamtwirtschaftlichen (direkten und indirekten) Produktionseffekte belaufen sich aktuell für ein durchschnittliches Messejahr (Zeitraum 2014/17) auf rund 27,5 Milliarden Euro und sind damit um 9,6 Milliarden Euro höher als im Zeitraum 1994/97 (siehe Abb. 6); dies entspricht einem Zuwachs von nominal rund 54 %.

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Abb. 6: Die direkten und indirekten messeinduzierten Produktionseffekte in Deutschland; jeweils für ein Durchschnittsjahr im Vierjahreszeitraum Quelle: Berechnungen des ifo Instituts

Die Differenzierung der Produktionseffekte nach Wirtschaftszweigen zeigt, dass im Messejahr 2014/17 im Schnitt fast die Hälfte der gesamten Produktionseffekte auf den Dienstleistungssektor (inkl. Beherbergung und Gaststätten) entfällt. Gut ein Drittel der Produktionseffekte ist im produzierenden Gewerbe (verarbeitendes Gewerbe, Energie, Bau, Bergbau) angesiedelt und rund ein Sechstel der Produktionseffekte geht auf die Bereiche Handel und Verkehr zurück. Aus der mit der messeinduzierten Produktion verbundenen Beschäftigungswirkung ergibt sich, dass für ein durchschnittliches Messejahr (2014/17) die Erwerbstätigkeit von rund 228.100 Personen11 auf die Durchführung von Messen und Ausstellungen in Deutschland zurückzuführen ist (siehe Abb. 7). Über die Hälfte der messeinduzierten Beschäftigten gehört den verschiedenen Branchen des Dienstleistungssektors an (u. a. Hotellerie und Gastronomie, Messebauer, Spediteure). Insbesondere profitieren die Beschäftigten im Hotel- und Gaststättengewerbe. Knapp ein Drittel der messeinduzierten Arbeitsplätze ist in diesem Bereich angesiedelt.

11 Die ausgewiesenen Erwerbspersonen beziehen sich auf den hergestellten Output einer wirtschaftszweigbezogenen repräsentativen Arbeitsperson.

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Abb. 7: Die direkten und indirekten Beschäftigungseffekte in Deutschland; jeweils für ein Durchschnittsjahr im Vierjahreszeitraum Quelle: Berechnungen des ifo Instituts

Gegenüber der ersten Untersuchung für den Zeitraum 1994/97 ist dies eine Steigerung von über 31.000 Arbeitsplätzen oder rund 16 %. Die im Vergleich zu den Produktionseffekten geringere Zuwachsrate ist darauf zurückzuführen, dass sich die Zahl der Arbeitsplätze zum einen auf den realen Produktionsoutput bezieht und sich zum anderen Arbeitsproduktivitätseffekte auswirken. Aus der Steigerung der Beschäftigungseffekte wird aber auch offensichtlich, dass die in den letzten 20 Jahren erhöhten direkten Messeausgaben nicht nur zu nominalen gesamtwirtschaftlichen Zuwächsen, sondern zu deutlichen realen Effekten geführt haben. 3.2.4 Fazit Die in Deutschland stattfindenden internationalen und nationalen Messen haben im zurückliegenden Jahrzehnt deutlich an Anziehungskraft bei den ausländischen Unternehmen gewonnen. Mehr ausländische Fachbesucher und Aussteller bedeuten eine längere Verweildauer in Deutschland. Das führt unter anderem zu mehr Übernachtungen sowie mehr Ausgaben in der Gastronomie und demzufolge auch zu höheren gesamtwirtschaft-

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lichen Effekten. Die gestiegene Internationalität bei den internationalen und nationalen Messen ist somit ursächlich für die Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Messen und Ausstellungen in Deutschland.

4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die beiden vorgestellten Langzeitstudien, die seit 20 Jahren in unterschiedlichem Turnus methodisch vergleichbar die Messen und Messebeteiligungen in Deutschland untersuchen, stellen eine sehr gute Basis dar, um das Phänomen Messe auf makro- und mikroökonomischer Ebene zu beschreiben. Beide Studien liefern valide Längsschnittergebnisse, durch die Trends und Entwicklungen sichtbar werden. Im Artikel konnten nur einige Ausschnitte beleuchtet werden. Es konnte gezeigt werden, dass sich Messen in Deutschland in den letzten 20 Jahren auf Aussteller-, also Unternehmensebene als wichtige Plattformen im Konzert der Marketing- und Vertriebsinstrumente behauptet haben und deshalb positive Effekte auf makroökonomischer Ebene nach sich ziehen. In beiden Fällen ist eine starke Internationalisierung nachweisbar. Deutsche Unternehmen stellen verstärkt im Ausland aus. Gleichzeitig ist die Anzahl der ausländischen Aussteller und Besucher auf deutschen Messen deutlich gestiegen. Trotz zahlreicher neuer Instrumente, Medien und Kanäle, die in diesen 20 Jahren entstanden sind, können Messen mit ihrer jahrhundertealten Tradition auch im digitalen Zeitalter bestehen. Damit das auch zukünftig so bleibt, müssen Messen einerseits ihre Stärken herausarbeiten, diese kommunizieren und weiterentwickeln. Andererseits ist da die fast schon banale Feststellung, dass Messen nur stattfinden, wenn es die Interessengruppen, die die Messe repräsentieren, also die Aussteller und Besucher, wollen. So muss sich jeder Messeveranstalter jedes Mal aufs Neue die Frage stellen, welche Interessen diese jeweilige Community hat und wie diese in einer Veranstaltung umgesetzt werden können. Die im Artikel beschriebenen makroökonomischen Effekte gibt es nur, weil es Aussteller und Besucher gibt, die Messen besuchen. Für die Forschung ergibt sich daraus der Anspruch, vor allem die zukünftigen Entwicklungen zu untersuchen, die sich durch ein verändertes Kommunikationsverhalten und sich verändernde Ansprüche aller Marktteilnehmer ergeben. Neben den bewährten quantitativen Methoden, sollte künftig noch stärker auf eine qualitative Forschung gesetzt werden. Ein Ansatz könnte die Frage sein, worin sich Messen von anderen Instrumenten unterscheiden und welche dieser einzelnen Funktionen zukünftig evtl. durch andere Instrumente ersetzt werden könnten oder wo Synergieeffekte zwischen Messen und digitalen Tools existieren. Gleich einem Puzzle, das als Ganzes Sinn ergibt, besteht sonst

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die Gefahr, dass immer mehr einzelne Teile entnommen werden, so dass schlussendlich das gesamte Bild, in diesem Fall die Messe, nicht mehr erkennbar ist. All das unterstreicht die Notwendigkeit einer originären Messeforschung, weshalb die Autoren für eine Messewissenschaft plädieren (vgl. Hochheim 2018), bei der interdisziplinäre wissenschaftliche Ansätze, neben der Wirtschaftswissenschaft auch aus verschiedenen Bereichen wie der Psychologie, Soziologie, Wirtschaftsgeografie, Kommunikationstheorie, Verhaltenstheorie bis hin zur Anthropologie, zur Anwendung kommen sollten (vgl. bspw. Borghini et al. 2004).

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David Ruetz Der Messestand der Zukunft – Perspektiven digitaler Trends in der Live Communication 1

Einleitung ............................................................................................................... 53

2

Aktuelle Forschungsansätze ................................................................................... 54

3

Digitalisierung am Messestand .............................................................................. 59

4

Ergebnisse einer empirischen Untersuchung ......................................................... 61

5

Zusammenfassung und Ausblick ........................................................................... 64

Literaturverzeichnis ...................................................................................................... 67

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_3

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1 Einleitung Bei der mehrdimensionalen und multisensualen Kommunikation von Marken spielt insbesondere die Digitalisierung eine zunehmend wichtigere Rolle. Der Lehrstuhl Handelsbetriebslehre und Marketing der Technischen Universität Chemnitz hat hier mit seinen wissenschaftlichen Konferenzen zur Eventforschung, die seit über einem Jahrzehnt stattfinden, über die Jahre hinweg wichtige Impulse gesetzt.1 Augmented und Virtual Reality (AR und VR) werden in kommenden Jahren „zum Standard in Unternehmen“, postulierte unlängst eine Studie zur Investition in digitale immersive Technologien (vgl. Kern 2018).2 Aber wie lassen sich Postkarten am Messestand mit dem zunehmenden Anspruch auf eine digitale Ausrichtung vereinbaren?

Abb. 1: Postkarten-Aktion am Lufthansa-Messestand (Tourismusmesse ITB Berlin, März 2018) Foto: Autor

Wider Erwarten großen Zuspruch erhielt an dem - wegen seines digitalen Konzepts vielfach preisgekrönten - Messestand der Lufthansa Group auf der Tourismusmesse ITB Berlin 2018 eine vergleichsweise unaufwendige, analoge Grußkarten-Aktion: Sie bestand im Angebot für das reiseinteressierte Publikum am Messe-Wochenende, „klassische“ Postkarten zu beschriften und durch den Standbetreiber an einen Adressaten nach 1

vgl. dazu die einzelnen Konferenzbände in der Reihe „Markenkommunikation und Beziehungsmarketing“, Wiesbaden 2012ff. (Springer Gabler).

2

Siehe dazu auch die vollständige Studie von Capgemini (2018).

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Wahl versenden zu lassen. Hunderte, wenn nicht Tausende von Besuchern nutzten diese Möglichkeit. Der folgende Beitrag will die aktuelle Transformation in der Live Communication hin zur Digitalisierung - insbesondere bei Messen - beleuchten und einige der Herausforderungen herausarbeiten, die sich für den Messestand der Zukunft angesichts der Simultaneität von analogen und digitalen Ansätzen und Angeboten ergeben; er bietet damit nicht nur einen Ausblick auf die digitale Transformation im Messewesen und ihren Stakeholdern - Aussteller, Besucher, Veranstalter und Messegesellschaften -, sondern zeigt anhand eines konkreten Fallbeispiels Möglichkeiten und Chancen von Digitalisierung im Bereich 3D-Markeninszenierungen auf (siehe Abschnitt 4 - Ergebnisse einer empirischen Untersuchung).

2 Aktuelle Forschungsansätze Zu den Zielen in der Messestandforschung gehört es aktuell, zu ergründen, welche Rolle digitale interaktive Elemente am Messestand innerhalb der Live Communication spielen, welche Wirkung sie auf Nutzer haben und wie sich Live Communication mittels Messen im Hinblick auf die Digitalisierung ausrichten muss, um einen maximal sinnvollen Einsatz digitaler interaktiver Technologien3 am Messestand im Wechselspiel von „offline“-Markenkommunikation und analoger Begegnung zu erreichen. Zwar ist der Niedergang der Messe (und damit auch der mögliche Bedeutungsverlust des Messestandes als „überkommene“ Ausprägung von Markenkommunikation) zu vielen Zeiten und von vielen Seiten immer wieder heraufbeschworen worden. Aktuelle Erhebungen zeigen allerdings das Gegenteil – das Kommunikationsinstrument Messe scheint lebendiger denn je zu sein.4 Die Funktion von Messen beim Austausch von Informationen und Waren besteht seit Jahrhunderten; nicht erst seit der Festschreibung von Vorschriften zum Standbau in der Frankfurter Messe-Ordnung von 1406 bieten sich unterschiedliche Formen und Variationen von Messeständen für Handel mit Gütern und Dienstleistungen an.5 Insbesondere aus den Erfahrungen und aus Forschungen zu Retail und Marken3

Die Verwendung des Begriffs „digitale Tools“ bzw. „digitale Werkzeuge“ soll im Folgenden in Anlehnung an Kleinsteuber 2013, S. 62f. sowohl digitale als auch interaktive Gestaltungselemente am Messestand implizieren.

4

„Für die 174 internationalen und nationalen Messen des Jahres 2019 rechnet der AUMA erneut mit kleinen Zuwächsen auf der Ausstellerseite und stabilen Besucherzahlen. Unsicherheiten liegen vor allem in der weiteren Entwicklung von Messen im Automobilsektor“ (vgl. AUMA o. J.); siehe dazu auch: AUMA_Messetrend (2018, S. 21ff.).

5

Die früheste bekannte Definition von Messeständen in deutscher Sprache findet sich hier: „…hutten, kraeme oder schrene und des glîche, als von der mesze wegen gemacht und uffgeslagen…“ [Hütten, Krämerläden oder Schreine und Ähnliches, die anlässlich der Messe gebaut und aufgeschlagen wurden, Übertragung: David Ruetz], zitiert in: Brübach (1996, S. 166).

Der Messestand der Zukunft

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Shops hat sich die Art und Weise, Marken live darzustellen, in den vergangenen fünfzig Jahren kontinuierlich weiter entwickelt und verändert (vgl. Ruetz 2017, S. 96; siehe auch Jahn et al. 2018). Kroeber-Riel und Weinberg (2003, S. 116) stellten fest: „Dem Individuum der Erlebnisgesellschaft [geht es] um Selbstverwirklichung. In diesem Sinne […] verhilft […] das Erlebnismarketing zu mehr selbsterfahrener Lebensqualität.“. Bereits seit geraumer Zeit steht das Bedürfnis nach Erlebnis und Einzigartigkeit durch den Nachfrager auf dem Messestand im Blickpunkt der Forschung. Als wesentlich für einen gelungenen Messeauftritt gelten Faktoren wie Innovation, Individualität, Interaktion und Identifikation (vgl. de Vries 2008, S. 269ff.). Jüngere Untersuchungen zeigen auf, dass beim Messestand der Trend zu mehr „Erlebnisqualität, Entertainment und Escapism“ (Doppler/Steffen 2018, S. 222) führt. Dass die Digitalisierung in all ihren Ausprägungen diese Entwicklung zum Erlebnis hin befördern kann, scheint unbestritten. Überlegungen seitens Messeverantwortlicher gehen heute in die Richtung eines mit Robotern bestückten Standes. Bereits 2016 hatte der japanische Elektronik-Konzern Toshiba auf der Tourismusmesse ITB Berlin einen Prototyp des digitalen Humanoiden als Messestandpersonal vorgestellt; dabei handelte es sich um eine auf Sprache reagierende Puppe mit menschlichen Zügen, die auf den Namen Chihira Kanae hörte und von der ihre Entwickler sagten, ihre derzeit „größte Herausforderung [sei], langfristig der künstlichen Intelligenz die freie Rede und clevere Kommunikation zu ermöglichen“ (vgl. Bommer 2016).

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Abb. 2: Messe-Roboter Chihira Kanae mit Toshiba-Entwicklungschef Hitoshi Tokuda (ITB Berlin 2016) Foto: Messe Berlin

Bei einer weltweiten Umfrage zur Akzeptanz von Humanoiden im Tourismus beurteilten jedoch insbesondere deutsche Verbraucher mit einem Votum von 87% solche Systeme als „zu unpersönlich“, und nur 35% gaben an, sie könnten sich mit einem solchen Service in der Realität wirklich anfreunden (vgl. Higgins 2016). Damit der Messestand der Zukunft jedoch nicht zum ausschließlich von Humanoiden betreuten technologiegesteuerten Marktstand wird, ist dessen Ausrichtung nach den oben geschilderten Faktoren unumgänglich. Das Erlebnis am Messestand wird (bezogen auf die affektive Wahrnehmung) vom Messebesucher offenbar als „Gesamtbild der Reizsituation und deren Bewertung“ wahrgenommen (Lohmann/Pyka/Zanger 2017, S. 76); zu diesem Schluss kommen ebenfalls von Georgi und Wünsch (2018, S. 8): „Das Erlebnis wird als eine Gesamt-Atmosphäre empfunden und auch so in ein Narrativ (eine Story, eine Erzählung, eine Geschichte) ‚verpackt‘“. Sie postulieren, dass sich daher „Messen im Vergleich zum Unterhaltungsund Freizeitmarkt bewähren“ müssten (siehe ebda.). Ein Erklärungsansatz hierfür aus der Sozialforschung (vgl. Goffman 1979) könnte sein, dass der Besucher am Messestand nach Ordnungskategorien sucht, die es ihm – quasi als Rahmen – ermöglichen, „Ereignisse in ein bestehendes Deutungsmuster ein[zu]betten“ (v. Georgi/Wünsch 2018, S. 19). Die nachstehende Abbildung stellt die Polaritäten bei der Rahmung von Erlebnis

Der Messestand der Zukunft

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mit dessen vier Hauptfeldern Einzigartigkeit, Spannung, Unterhaltung und Begegnung dar.

Einzigartigkeit Unvergesslichkeit

Spannung Energie

Erlebnis: Polaritäten

Unterhaltung Sinnlichkeit

Begegnung Beteiligtsein

Abb. 3: Rahmung von Erlebnis als Vierfeld-Polarität Quelle: eigene Erstellung. in Anlehnung an von Georgi/Wünsch (2018)

All diese Entwicklungen weisen auf eine Messe-Architektur der Zukunft hin, die sich wohl immer mehr multisensual im weitesten Sinne ausrichten wird. Zanger et al. stellten in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen in der Event- und Messebranche fest, dass die Schaffung integrierter Markenerlebnisse „mehr und mehr als Gesamtkommunikationsaufgabe verstanden“ werde und dass die Bedeutung von „Mediatektur als Inszenierung von Räumen, Formen und Informationen“ immer weiter wachse (Zanger/Klaus/Kießig 2018, S. 4). Daher ist davon auszugehen, dass die Wirkungsforschung weiterhin einen zentralen Schwerpunkt in der Forschung zu Messe und Messestand bilden wird, um Praxis und theoretische Ansätze nutzbringend miteinander zu verknüpfen. Die nachstehende Abbildung visualisiert zusammenfassend die unterschiedlichen Strömungen, die aktuell die mit Live Communication befassten Akteure in Theorie und Praxis bewegen.

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Abb. 4: Wesentliche Entwicklungen und Strömungen im Bereich des Exhibition Design Quelle: Zanger/Klaus/Kießig (2018, S. 22)

Auch wenn die Digitalisierung als einer unter mehreren Entwicklungstreibern im Messewesen angesehen wird (vgl. Kirchgeorg 2017), muss es bei der Kreation von Erlebnissen darum gehen, den maximal sinnvollen Einsatz digitaler Technologien am Messestand im Zusammenspiel mit „analoger“ Markenkommunikation zu kombinieren - immer in Hinblick auf die Zielsetzung des Messeauftritts und unter Berücksichtigung der Zielgruppe und deren Bedürfnisse. Der eingangs beschriebene Erfolg des analogen Messestand-Elements „Postkarte“ lässt sich möglicherweise begründen mit dem Wunsch nach dem Haptischen und Traditionellen angesichts von immer mehr digitalen Angeboten. Als weiteres Beispiel aus der Praxis, das auf ein Zurück zu Analogem hinweist, soll die Aktion „Jutetaschen“ gelten, die auf der Tourismusmesse ITB Asia im Oktober 2018 in Singapur zu beobachten war: Die Marketing-Organisation Singapore Tourism Board lud auf ihrem Messestand die Besucher ein, gemeinsam mit Mitarbeitenden von Hand Jutetaschen in Siebdrucktechnik mit dem Singapur-Logo zu bedrucken – ein deutliches Zurück zum Analogen.6

6

Beobachtung des Autors, 15.10.2018, Marina Bay Sands Exhibition Center, Singapur; Stand Nr. B 71 / Singapore Tourism Board

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3 Digitalisierung am Messestand Im Event- und Kongressbereich schreitet die Digitalisierung und damit der Einsatz immersiver Technologien voran (siehe dazu die Auflistung von mehr als fünfzig in der Literatur belegter digitaler Anwendungen auf Messen und bei Events bei Ruetz 2018, S. 151f.). Untersucht man immersive Technologien bezüglich ihrer Eignung am Messestand, bilden sich unterschiedliche Einsatz-Szenarien heraus (vgl. Ruetz a. a. O.). Obwohl sich der Einsatz digitaler Tools in der Praxis auf einzelnen Messeständen bereits etabliert hat, beschränkt er sich allerdings zum Erscheinungszeitpunkt dieses Beitrags jedoch oft noch auf Screens oder LED-Wände sowie auf einige wenige Head-Mounted Displays (HMD) wie VR- oder AR-Brillen, je nach Erfordernis der Branche und deren Ausstellungsgegenständen. Die folgende Darstellung versucht zu erläutern, welche Ausprägung die Digitalisierung im Messewesen annimmt.

Digitale Trends als ubiquitäres Phänomen (vgl. u. a. Prühser 2013)

Digitale Trends im Umfeld von 3D-Marken-Kommunikation und Events (vgl. u. a. Zanger/Klaus/Kießig 2018)

Digitale Trends auf Messen/ Messegelände allgemein (Infrastruktur, Services) (vgl. u. a. Keck 2017)

Digitale Trends auf Messeständen (vgl. Ruetz 2018)

Abb. 5: Digitalisierung im Messewesen Quelle: eigene Erstellung

Eine Zunahme der Verwendung digitaler Werkzeuge - insbesondere von AR und VR in der Markenkommunikation und deren Einsatz auf Events und Messen lässt vermuten, dass beispielsweise VR und AR die Attraktivität des Messebesuchs optimieren könnten, um dazu beizutragen, dass auf der kognitiven, emotionalen und konativen Ebene Messestandbesucher anders aktiviert werden als durch analoge Elemente der Markenkommunikation.

60

David Ruetz

Die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Anteil von Ausstellern, die nicht zuletzt wegen teils sinkender, teils umverteilter Marketingbudgets auf einer immer reduzierteren Anzahl von Messen teilnehmen wollen, sich aus diesem Grund für ihre Messeauftritte konsequenterweise die jeweiligen Leitmessen der Branche aussuchen, scheint unumstritten. Dem Phänomen, dass bisher jedoch nur der kleinere Teil von ihnen sich digitaler Tools bedient, um ihre Produkte für den Nachfrager fassbar zu machen, ist bislang in der Forschung wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Ein möglicher Grund könnte bei ausstellenden Unternehmen aus Deutschland eine nach wie vor vorhandene Technologie-Skepsis sein (vgl. Capgemini-Studie 2018). Jedoch zeigt eine explorative Erhebung des Autors - zumindest auf den Leitmessen der Tourismusbranche sowohl in Shanghai als auch in Singapur - ähnliche Ergebnisse: Ein großer Teil der ausstellenden Unternehmen in Asien auf Tourismusmessen nutzt keine digitalen Elemente – wenn, dann sind es lediglich Bildschirme. Zu beachten ist bei dieser Betrachtung jedoch auch der Branchenbezug. Während auf Investitionsgütermessen (beispielsweise beim Maschinen- oder Fahrzeugbau) große Objekte oder Anlagen in der Realität nicht ausgestellt werden können, wird auf diesen Messen eher auf immersive Technologien gesetzt, um die Produkte sichtbar zu machen. Auch die Tourismusbranche, die im Bereich von Urlaubs-Destinationen und -Reisen keine haptisch fassbaren Produkte auf Messen präsentieren kann, könnte noch mehr davon profitieren, Virtual und Augmented Reality einzusetzen. Kritisch muss angemerkt werden, dass in der Praxis, zumindest in einem von uns - wie nachstehend geschildert - untersuchten Fall einer Branchenleitmesse im Tourismus mit rund tausend einzelnen Messeständen, der Einsatz digitaler Werkzeuge nicht so verbreitet ist, wie es ursprünglich zu erwarten war. Eine Erhebung, die auf der Tourismusmesse ITB Berlin 2018 durchgeführt wurde, zeigte, dass von 991 untersuchten Ständen nur knapp die Hälfte (58,73 %) digitale Instrumente überhaupt einsetzten.7 Nach Bildschirmen, die den größten Anteil bilden, kamen Touch Displays sowie VR-/AR-Anwendungen und andere interaktive Tools zum Einsatz, was die nachstehende Darstellung zeigt.

7

Der Autor dankt an dieser Stelle Hanna Koblenz, Messe Berlin Capital Services GmbH, für die zur Verfügung gestellten Daten.

Der Messestand der Zukunft

61

Nutzung digitaler Tools auf Messeständen

Anzahl der Stände ohne digitale Tools

41,27% 58,73%

60

Anzahl der Stände mit digitalen Tools

54

50 40 27

30 20

15

12

10

11

18

13

7

0 Interaktive Games

VR/AR

Touch Displays

Apps

Smartphone B2B Tools

Roboter

Sonstiges

Abb. 6: Verteilung der digitalen Elemente auf den Messeständen zur Messe ITB Berlin 2018 Quelle: eigene Erstellung

Innerhalb der Customer Journey bei Messen wird es immer mehr erforderlich sein, digitale Prozesse zur Unterstützung der Vor- und Nachbereitung des Messebesuchs einzuführen (vgl. Ruetz 2018, S. 140), wobei Nutzerfreundlichkeit und die sinnvolle sowie juristisch abgesicherte Nutzung von Big Data (hier sei auf die seit Mai 2018 geltende EU-Datenschutz-Grundverordnung DSGVO und ihre Implikationen verwiesen) Themen sind, die für den Standbetreiber am häufigsten im Vordergrund stehen.

4 Ergebnisse einer empirischen Untersuchung Im folgenden Abschnitt sollen beispielhaft für die vorausgegangenen Beobachtungen ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Untersuchung in Bezug auf Markenauftritte bei Messen unter Verwendung digitaler Elemente dargestellt werden. Aus Gründen der Realisierbarkeit des empirischen Forschungsteils beziehungsweise um die Anzahl der Variablen und Störgrößen einzuschränken, konzentrierte sich diese Feldstudie auf den Einsatz von VR auf einer Messe aus dem Bereich Tourismus sowie aus der Fülle der ausstellenden Unternehmen auf einen einzelnen Anbieter und dabei auf den Einsatz von VR beim B2C-Publikum am Messewochenende. Hierfür eignete sich als Forschungsgegenstand der Messestand der Lufthansa Group zur ITB Berlin im Jahr 2018 (Konzep-

62

David Ruetz

tion: ET Global Exhibit Group, Taunusstein; Konzeption der meisten digitalen Anwendungen: 3spin GmbH, Darmstadt). Das Ziel des Messeauftrittes der Lufthansa Group war es, die einzelnen Marken und Produkte des Konzerns sowohl der Fachwelt als auch dem reiseinteressierten Publikum am Wochenende näherzubringen. Exemplarisch für einen Messestand der Zukunft könnte man hier den Einsatz von digitalen interaktiven Werkzeugen nennen. Auf dem dreigeschossigen Messestand mit einer Gesamtfläche von 614m² wurde rund ein Dutzend digitaler Anwendungen eingesetzt unter anderem ein Medientisch, iPads mit Chatbot-Funktionen, Sonic Chairs und LEDGroßbildschirme. VR und AR kamen bei fast der Hälfte aller Anwendungen zum Einsatz. VR erwies sich für die vorgestellten Forschungen am Messestand am besten geeignet, da durch vier unterschiedliche Installationsorte am Stand auch bei Technik-Ausfällen oder Diebstahl ein Feldversuch nicht gefährdet war und weil es sich um eine ausgereifte Technologie handelte sowie eine Akzeptanz bei einer erheblichen Anzahl der Probanden bereits vorhanden war. Hinzu kam, dass die zu untersuchenden Variablen durch die VR-Nutzung am Messestand abgedeckt werden konnten. Mittels eines auf die Situation am Messestand angepassten Bezugsrahmens wurde zunächst theoretisch an die Fragestellungen herangegangen; danach wurden anhand eines computergestützten, standardisierten Fragebogens bei Privatbesuchern (d. h. im Business-to-Consumer-Umfeld) mit einer Stichprobe von n > 400 überprüft, inwiefern die Nutzung beziehungsweise Nicht-Nutzung digitaler Angebote Zufriedenheit, Markenwahrnehmung und Verhaltensabsicht gegenüber dem Aussteller und dessen Produkten abbildete. Die folgenden Variablen wurden mittels der nachstehend formulierten Fragestellungen überprüft: Variable Nähe zum idealen Messestand: „Wie nahe war der Messestand der LH am (Ihrer Meinung nach) ‚idealen‘ Messestand dran?“ Variable Lufthansa-Markenimage: „Nachfolgend finden Sie einige Eigenschaften. Bitte geben Sie spontan an, inwieweit diese Ihrer Meinung nach auf die Marke Lufthansa zutreffen“ (zur Auswahl standen Begriffe wie herzlich, kultiviert, hochwertig, innovativ, ehrlich und authentisch; Quelle: LH-Konzernmarketing, Marken- und ImagewerteBatterie). Variable Verhaltensabsicht: „Inwieweit trifft die folgende Aussage zur Lufthansa für Sie persönlich zu? ‚Ich kann mir vorstellen, nach dem Besuch des Messestandes eine höhere Reiseklasse zu buchen.‘“

Der Messestand der Zukunft

63

Um die Wirkung der VR-Anwendung aufzuzeigen, wurden Mittelwertvergleiche der Ausprägung dieser Variablen zwischen der Gruppe der Besucher, die VR nutzen und denjenigen, die VR nicht nutzten, durchgeführt und gleichzeitig die in der Stichprobe beobachteten Unterschiede einer statistischen Signifikanzprüfung unterzogen. Die Ergebnisse sind in der folgenden Übersicht tabellarisch dargestellt. Tab. 1: Untersuchungsergebnisse der Variablen Messestand, Markenimage und konatives Verhalten beim Besuch am Messestand der LH-Group, Tourismusmesse ITB Berlin 2018 Mittelwert VR genutzt

Mittelwert VR nicht genutzt

Signifikanzniveau

Einschätzung „idealer Messestand“

1,92

2,32

p.40 beinhaltet, dem positiven Affektbereich zuzuordnen ist (FUN, FLO, DEF, IMP). Aspekte der Motorik (MOV) und das klassische Experience Seeking (EXP) weisen Doppelladungen zu den verbleibenden zwei Dimensionen auf. Hierbei spiegeln sich in der zweiten Dimension (vgl. COG in Abb. 2) mit a>.40 vor allem kognitive Aspekte des positiven Erlebens wieder (SOC, COM, COS, CUR). Die letzte Dimension (vgl. AUT in Abb. 2) vereint in sich Momente der Selbstkontrolle und des Rückzugs sowie der Motorik (BOR, WIT, MOV). Dieser Zusammensetzung entspre-

222

Richard von Georgi

chend wurden die drei Primärdimensionen als Emotion, Kognition und Autonomie bezeichnet. Die Reliabilitätsanalysen ergaben hinreichende Schätzungen mit: Emotion (Spaßsuche, Flow, Ablenkung): α=.92; Kognition (kognitive und soziale Orientierung und (kognitive) Stimulation): α=.86; Autonomie (Kontrolle, Handlungsfreiheit, Selbstregulation): α=.81. Die Zusammenführung aller Items (Skalen) führt zu einem Gesamtscore des Event-Experience (EE), dessen Schätzung der Reliabilität mit α=.94 als sehr gut zu bezeichnen ist. Die rein statistische Analyse der Einzelitems des EEQ (vgl. Abb. 2 (rechts)) führte ebenfalls zu einer dreifaktoriellen Lösung. Zur Skalenkonstruktion wurden die zehn Items mit den höchsten Ladungen auf dem jeweiligen Faktor herangezogen, wobei darauf geachtet wurde Mehrfachladungen auf unterschiedlichen Faktoren zu vermeiden. Bei Durchsicht der Items fällt auf, dass diese fast ausschließlich den Skalen entspringen, die in der ersten Analyse ebenfalls die entsprechenden drei Dimensionen gebildet haben. Die Skalenbildung ergibt auch hier gute Reliabilitätsschätzungen (EE=.85, EMO=.88, COG=.81 und AUT=.87). Tab. 2: Interkorrelationen zwischen den EEQ-Skalen (habituell, 60 Items) und den Indikatoritems für Sensation Seeking, Offenheit und sozialer Orientierung

EMO: Emotion (Spaßsuche, Flow, Ablenkung); COG: Kognition (kognitive und soziale Orientierung und (kognitive) Stimulation); AUT: Autonomie (Kontrolle, Handlungsfreiheit, Selbstregulation); EE: Event-Experience. SOC: Social Orientation; FUN: Fun Seeking; FLO: Flow; DEF: Deflection; COM: Compulsive Needs; COS: Cognitive Stimulation; IMP: Impulsive; MOV: Movement; EXP: Experience Seeking; WIT: Withdrawal; BOR: Bordedom Suspectibility; CUR: Curiosity; SS_Extremsport: Gehen Sie, oder würden Sie gerne, Extremsportarten nachgehen (z. B. Fallschirmspringen, Paragliding)?; EXP_Reise: Reisen sie, oder würden Sie gerne, häufig in andere Städte und Länder reisen?; EXP_Neues: Probieren Sie, oder würden Sie gerne, häufig neue Gerichte und Getränke mit Ihnen bisher unbekannten Geruch und/oder Geschmack probieren?; DIS_Partys: Mögen Sie Partys, bei denen es „so richtig zur Sache“ geht?; BS_Langeweile: Haben Sie das Gefühl sich schnell zu langweilen?; Openess: Beschäftigen Sie sich, oder würden Sie sich gerne, mit philosophischen Themen und Themen über eine längere Zeit, die ihr Nachdenken fordern?; Social: Mögen Sie es, oder würden sie es mögen, mit vielen unbekannten Menschen zusammen etwas zu unternehmen?; (*): p≤.08; *: p≤.05; **: p≤.01; ***: p≤.001; nmin=167; nmax=197. Quelle: von Georgi (2018a)

Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ

223

Die Tabelle 2 zeigt die Korrelationen der zwölf Skalen mit den Indikatoritems für SS, Offenheit und soziale Orientierung. Es ist zu erkennen, dass die Skala COM (Kontrollund Sicherheitsbedürfnisse) deutlich negativ mit dem klassischem Konstrukt des SS korreliert ist. Des Weiteren zeigt sich, dass EXP, CUR und COG deutlich mit den Experience Seeking Items einhergehen. Das Indikatoritem für die Disinhibitiondimension des SS ist deutlich positiv mit dem positiven Affektbereich der EEQ korreliert (FUN, FLO, IMP, MOV, EMO). Sowohl das Indikatoritem Langeweile, Offenheit als auch soziale Orientierung ist ebenfalls positiv assoziiert mit den äquivalenten EEQ-Items. Die Korrelationsanalyse der soziodemographischen Variablen ergibt, dass ein jüngeres Alter, ein weibliches Geschlecht und ein geringeres Einkommen mit EMO, ein höheres Alter, männliches Geschlecht und ein geringerer Bildungsgrad mit COS korreliert ist (p≤.01). Auch zeigt sich, dass der Wunsch auf einer Messe Informationen zu bekommen, die Kenntnisse zu erweitern und Kooperationen anzustoßen ebenfalls mit COG einhergeht (p≤.001). Insgesamt zeigt sich somit bereits an dieser Stelle, dass die EEQSkalen mit vergleichbaren Konstrukten kovariieren und trotz vielfältiger Korrelationen eine Differenzierung möglich ist und so die Konstruktvalidität gegeben zu sein scheint. Zum Abschluss der vorliegenden Ergebnisdarstellung soll auf die Unterschiede in den EEQ-Primärskalen zwischen den unterschiedlichen Messebesuchern eingegangen werden. Es wird angenommen, dass Besucher von Fachmessen (Wasser Berlin International, Cleaning, Management) ein höheres Bedürfnis für kognitive Erlebnisaspekte aufweisen müssten (höhere Werte in der Skala COG) als Besucher von Publikumsmessen. Letztere sollten eher auf emotionale Aspekte Wert legen, also höhere Werte in der Skala EMO aufweisen. Die ONEWAY-Analysen ergaben für alle Skalen signifikante Gruppenunterschiede mit Ausnahme der Skala AUT (EE: df=5/484, F=3.01, p=.011, η2=0.03; EMO: df=5/489, F=27.32, p=.001, η2=0.22; COG: df=5/490, F=19.61, p=.001, η2=0.17; AUT: df=5/487, F=0.68, p=.637). In Abbildung 3 sind die Effekte grafisch dargestellt. Im Falle der Gesamtskala Event Experience (EE) zeigt sich über die Einzelvergleiche (Scheffé-Test) kein signifikanter Unterschied. Dennoch ist zu erkennen, dass die Gruppe der Besucher der Internationalen Grünen Woche, sowie die Online-Stichproben, bei denen ja nach einem beliebigen Event gefragt wurde, die höchsten Werte aufweisen. Bezüglich der Hypothese zeigt sich nun, das im Rahmen der vorliegenden Studie folgendes bestätigt werden kann: Besucher der Fachmessen (WBI, CMS) weisen die geringsten Werte im emotionalen Bereich (EMO) auf und die höchsten im kognitiven Bereich (COG). Umgekehrt verhält es sich bei den Personen der Publikumsmessen. Somit ergibt sich ein Hinweis darauf, dass die Skalen möglicherweise ebenfalls bezüglich eines Kriteriums valide sind.

224

Richard von Georgi

Abb. 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der Primärskalen des habituellen EEQ (30 Items); EE: Event-Erleben; EMO: Emotion; COG: Kognition; AUT: Autonomie; OLE: Online-Befragung (Event); OLM: Online-Befragung (Messe); WBI: Wasser Berlin International; CMS: Cleaning, Management, Services; IGW: Internationale Grüne Woche; ITB: Internationale Tourismusbörse; η2=0,03; EMO: η2=0.22; COG: η2=0.17 (ONEWAY: p ≤.05) (.01: schwacher Effekt; 06: mittlerer Effekt; .14: starker Effekt); *: Scheffé-Test mit p≤.05 (jeweils die kleinsten (höchsten) Werte sind von den jeweils höchsten (kleinsten) signifikant unterschiedlich) (EEQ-L). . Quelle: von Georgi (2018a)

5 Diskussion 5.1 Testkonstruktion und Anwendung Die Konstruktion des EEQ kann zusammenfassend als gelungen angesehen werden. Sowohl die habituelle (EEQ-h) als auch die situative Fassung (EEQ-s) des EEQ ergeben in den statistischen Analysen vergleichbare Ergebnisse sowohl in der faktoriellen Konsistenz als auch in den Reliabilitätsschätzungen über Cronbach’s α). Dies betrifft sowohl die Langfassung (EEQ-L: 60-Itemversion mit 12 Subskalen und drei Primärskalen) als auch die Kurzfassung (EEQ-K: 30-Itemversion mit drei Primärskalen). Insbesondere die faktorielle Konsistenz deutet darauf hin, dass die inhaltlich-qualitative Konstruktion des

Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ

225

EEQ theoretisch wie statistisch als sinnvoll anzusehen ist. Allerdings liegen mit den beiden Versionen L und K zwei unterschiedliche Konzeptualisierungen vor: die Langfassung mit den 12 Subskalen ist differenzierter und sollte vor allem bei Fragestellungen verwendet werden, bei denen eine detaillierte Beschreibung des Erlebens eines beliebigen Events im Vordergrund steht. Die Primärskalen (EMO, KOG, AUT) der L-Fassung (h und s) sind jedoch aufgrund der Doppelladungen einzelner Subskalen (MOV, EXP) nicht so trennscharf wie die Kurzfassung. Die Kurzfassung (h und s) ist demnach vor allem dann zu verwenden, wenn übergreifende und statistisch sichere Ergebnisse bezüglich der Unterschiede in den drei Primärskalen notwendig erscheinen. Zusammenfassend liegen somit vier unterschiedliche EEQ-Versionen vor, die je nach Anwendungsbereich für Praxis- und Grundlagenforschung verwendet werden können (EEQ-L-h, EEQ-L-s sowie EEQ-K-h und EEQ-L-s). Insbesondere die Verwendung der Skalen im Rahmen eines Soll-Ist-Vergleichs erscheint spannend und vielversprechend. Zusammen mit der bisher noch nicht eingesetzten EEQ-Bewertungsskala ist es möglich in der Praxis Großveranstaltungen auf deren differenziellen Wirksamkeit hin zu untersuchen, also die Frage „welche Personen Erleben was bei einer Veranstaltung auf welche Weise“ wissenschaftlich fundiert zu untersuchen und entsprechend Veranstaltungsangebote anzupassen. 5.2 Konstruktpsychologische Einbindung des Event-Erlebens Auf der Ebene der zwölf Subskalen des EEQ zeigt sich, dass die wesentlichen Momente, die auch im Rahmen eines allgemeinen Explorationsverhaltens diskutiert werden und in einem Zusammenhang mit dem positiven Affektsystem stehen (DeYoung 2016), mittels des EEQ erfasst werden. Sehr deutlich zeigt sich, dass das Erleben in besonderen Situationen sowohl eine emotionale als auch eine kognitive Komponente enthält, was in den bestehenden theoretischen Vorstellungen entspricht. Interessant, wenn auch nicht überraschend, ist der Befund, dass diese beiden Dimensionen nicht bei allen Personen bzw. Besuchern maximiert werden wollen. Bereits hieraus lässt sich ableiten, das beispielsweise auf Fachmessen vermehrt Denk- und Lern-Events das Publikum eher ansprechen dürften, als das reine positive Erleben in Form von Spaßmaximierung. Vor diesem Hintergrund zeigt die vorliegende Studie auch sehr deutlich, dass eine reine situative Erfassung von unstrukturierten Gefallensurteilen, wie es bei vielen Erhebungen der Fall ist, nicht nur an den eigentlichen psychologischen Motiven der Besucher vorbei geht, sondern (neben messtheoretischen Problemen) der Einfluss habitueller Merkmale nicht abschätzbar ist. Andererseits liegt bei den wenigen Studien, die entsprechende Merkmale wie Sensation Seeking oder Offenheit für neue Erfahrung berücksichtigen das Problem vor, das die verwendeten Skalen nur sehr eingeschränkt über Motive in Situationen Auskunft geben, da sie als transsituative Verfahren konstruiert sind – allgemeine Verhaltenstendenzen werden über das Verhalten in unterschiedliche Situationen erfasst. Dieses ermöglicht zwar den Zusammenhang zwischen der Präferenz für spezifische Situationen

226

Richard von Georgi

und der Person herzustellen (z. B. hoch Sensation Seeker präferieren z. B. Ausstellungen mit schnell wechselnden Inhalten oder sogenannte Rucksackreiseangebote) nicht jedoch eine Aussage über die Wirksamkeit der eigentlichen Situation. Der EEQ ermöglicht es nun tatsächlich die Motivlage, Interessen und Bedürfnisse innerhalb einer Situation (Veranstaltung) zu erfassen und greift dabei auf die bestehenden Erlebnisdimensionen aus der Literatur und Forschung zurück. Somit dürfte der EEQ nicht nur für die Eventforschung ein interessantes Verfahren darstellen, sondern insbesondere auch für die psychologische Grundlagenforschung eine Alternative darstellen. Wie gezeigt werden konnte korrelieren die EEQ-Skalen deutlich mit den Indikatoren des klassischen Sensation Seekings und anderen Variablen. Aufgrund des hohen situativen Bezugs des EEQ ist zu erwarten, dass Beziehungen zu weiteren psychologischen und eventbezogenen Variablen wesentlich deutlicher als mit den bisherigen Verfahren ausfallen dürften. Auch ist zu überlegen, ob die EEQ-Konstruktbereiche nicht in Kausalmodellen als mögliche Mediatorvariablen einen deutlichen Beitrag zur Varianzaufklärung leisten können. Fernab von solchen Überlegungen erscheint es erwähnenswert, dass neben den beiden häufig diskutierten Dimensionen der kognitiven und emotionalen Event-Orientierung eine weitere, dritte Dimension von Bedeutung zu sein scheint, die bisher kaum Berücksichtigung gefunden hat: Das Bedürfnis nach Autonomie, welches u. a. über den Wunsch nach Rückzugsmöglichkeiten und Selbstbezug einerseits (WIT), aber auch durch eine unbehinderte Motorik (MOV) und Angst vor Langeweile (BOR) andererseits, gekennzeichnet ist. Dieses betrifft somit nicht nur entsprechende Entspannungs-, Ruheräume oder andere Rückzugsmöglichkeiten, sondern auch Momente der selbstgesteuerten aktiven Bewegung, deren Einschränkung durchaus als sehr negativ erlebt werden kann (z. B. langes Anstehen, passives Zuschauen müssen, warten müssen etc.). Zu einem vergleichbarem Ergebnis kommt die qualitative Studie von Wünsch (2018), in der Experten zu den Grunddimensionen und wichtigen Variablen befragt wurden. Auch hier ergab sich eine weitere qualitative Dimension, die der hier beschriebenen Autonomie sehr ähnlich ist und ebenfalls Rückzug und Selbstbezug betont. Der Bereich der Autonomie kann theoretisch durchaus an das Explorationsverhalten angekoppelt werden, als das letzteres nur dann voll funktionsfähig ist, wenn gleichzeitig eine selbstregulierte Rückzugs- und Situationskontrollmöglichkeit besteht, die als ein Teil eines funktionierenden Bindungssystems verstanden werden kann (Green & Campbell 2000; Elliot/Reis 2001). Das Gleichgewicht beider Systeme reguliert letztlich das Erleben in neuen Situationen. Die Autonomiedimension kann somit durchaus weiter gefasst werden, als das einfache „sich vom Event zurückziehen können“. Hiervon unabhängig liegt mit dem EEQ zusammenfassend ein Inventar vor, das für unterschiedliche theoretische (z. B. Besuchertypisierung) und praxisorientierte Fragestellungen (z. B. Soll-Ist-Vergleich eines Events) eingesetzt werden kann und weit über die

Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ

227

herkömmlichen Verfahren hinaus geht, indem es unterschiedliche theoretische Ansätze in sich vereint. 5.3 Einschränkungen Trotz der vielversprechenden Ergebnisse muss an dieser Stelle auf einige wichtige Einschränkungen hingewiesen werden. Zunächst ist grundsätzlich anzuführen, dass eine einzelne Studie niemals ausreichend ist, um einen Test in seiner inhaltlichen oder faktoriellen Struktur oder bezüglich seiner Güte (Reliabilität, Validität) zu belegen. Die hier vorgelegten Ergebnisse können und sollten somit nur als erste Hinweise gewertet werden. Weitere Studien erscheinen dringend notwendig, um die Testgütekriterien im Detail zu prüfen und die faktorielle Struktur zu belegen. Des Weiteren sind die geringen Stichprobengröße(n) und Veranstaltungserhebungen der Studie zu nennen. Weitere Studien sollten Besucher unterschiedlicher Messe, Events und andere Veranstaltungen und Orte untersuchen, um die Differenzierungsfähigkeiten von Personen und Veranstaltungen mittels des EEQ nachzuweisen und so langfristig zu standardisierten Vergleichsstichproben zu gelangen. Trotz dieser Einschränkungen deuten zusammenfassend die hier und bei von Georgi (2018b) weiter angeführten Analysen bereits sehr deutlich auf eine angemessene und inhaltlich-theoretisch sinnvolle Ausrichtung des EEQs hin1.

1

Die vorliegende Studie wurde durch das Institut der Deutschen Messewirtschaft im AUMA sowie die ITB-Berlin gefördert und unterstützt. Ein besonderer Dank geht zudem an Prof. Ulrich Wünsch (hdpk Berlin) für die Unterstützung bei der Durchführung der Studie sowie MA Martin Weisse (hdpk Berlin) und BA Romina Damm (JLU Gießen) für die Umsetzung der Datenerhebung und aufbereitung.

Erfassung der Event-Erlebnisfähigkeit mittels des EEQ

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Detlef Wintzen Dive into it! Immersion und Gamification im Live-Marketing Prolog .......................................................................................................................... 233 1

Dive into it! ......................................................................................................... 233

2

Gedanken vor dem Sprung ................................................................................. 234

3

Immersion als Emotions-Booster........................................................................ 234

4

Wo sind die inspirierenden, stimulierenden Quellen von Immersion ................ 235

5

Die Sehnsucht danach ist alt ............................................................................... 236

6

Immersion in der Spielewelt ............................................................................... 237

7

Gamification – Spielend zu intensiven Erlebnissen ........................................... 238

8

Wo haben wir mit insglück bereits begonnen ..................................................... 240

9

Der Mix ist der Schlüssel .................................................................................... 242

Literaturverzeichnis .................................................................................................... 245

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_12

Dive into it! Immersion und Gamification im Live-Marketing

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Prolog „Immersion ist ein metaphorischer Begriff, abgeleitet von der physikalischen Erfahrung des Untertauchens in Wasser. Wir suchen nach demselben Gefühl einer psychologisch immersiven Erfahrung wie wir sie von einem Sprung ins Meer oder den Swimmingpool erwarten: Das Gefühl, von einer vollständig anderen Realität umgeben zu sein, so unterschiedlich wie sich das Wasser zur Luft verhält, die unsere gesamte Aufmerksamkeit auf sich zieht, unseren gesamten Wahrnehmungsapparat.“ Janet H. Murray, Hamlet on the Holodeck

1 Dive into it! Echte Erlebnisse gehören zum Grundprinzip im Wirkungsmechanismus des Live Marketings. Live-Kommunikation stützt sich dabei auf die intensive und persönliche, multisensorische Auseinandersetzung mit Inhalten und Menschen. In einer zunehmend „Experience“ geprägten Gesellschaft definieren sich die Konsumenten heute immer häufiger über die Summe ihrer „kommunizierbaren Erlebnisse“ und teilen diese über Facebook, Instagram, Twitter & Co. In Erinnerung bleibt, wer emotionale oder sensuell, starke Bilder schafft und ein Commitment erzielt, bei dem sich der Konsument mit der Marke identifizieren kann und sich mit ihr verbunden fühlt. Das gilt umso mehr für eine der wichtigsten heranwachsenden Zielgruppen, den Millennials. Sie sind die erste digitale Generation – bewaffnet mit Smartphones und anderen „Devices“ haben sie die Technologien des digitalen Zeitalters mit der Muttermilch aufgesogen. Gefüttert von den sozialen Medien, dazu clever, intuitiv und gebildet, fehlt ihnen die Geduld für zu vordergründige, zu offensichtliche Werbung auf klassischen Medien. Ihre Erwartungshaltung gegenüber Marken ist höher als die jeder Generation vor ihnen. Was es braucht sind Produkte, Content und Nutzererlebnisse mit Mehrwert. Vor allem aber, müssen Marken kongruent agieren und authentisch sein. So zählen im Live-Marketing einmal mehr die „Momente“ – die mitreißen, einbinden und anhaltend nachklingen – um Mensch und Marke zusammenzubringen. Durch das Eintauchen in fiktiv gestaltete oder virtuelle Welten und die Integration interaktiver Spielmechanismen können Erlebnisse intensiviert und rationale Inhalte, schwer erklärbare Produkte oder Dienstleistungen spielerisch vermittelt werden. Immersion und Gamification werden deshalb zukünftig immer häufiger integrative Bestandteile von Marketingevents sein.

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2 Gedanken vor dem Sprung Wie gesagt, entstehen wirksame Marketingevents über Inhalte und optimales Involvement der Zielgruppe – vor, während und nach der Veranstaltung. Die Bestandteile und Möglichkeiten sind hinreichend bekannt: Vorfreude dank einer ansprechenden Einladung und intensiver Vorfeldkommunikation über alle Kanäle. Vielfältige Sinneseindrücke hervorgerufen durch die perfekte Location und ihre räumliche Inszenierung, ein attraktives Programm, mit inspirierenden Inhalten, fesselndes Entertainment, ein gutes Food-Konzept etc. Das Post-Event trägt zusätzlich zur Community-Bildung bei – gemeinsam Erlebtes zu teilen, stärkt den Erfolg eines Marketingevents. Tagtäglich finden sie hundertfach statt und bedienen sich dieser Mechanismen – analog zu ihren angestrebten Zielen: Bindung, Motivation, Information, Bewusstseinsveränderung, Community-Building, Integration, Vernetzung. Doch im Zeitalter der Digital Natives werden neue Maßstäbe gesetzt. Live-Inszenierungen müssen immer häufiger „harte Kommunikationsnüsse knacken“, Inhalte sind gefragt und darüber hinaus die entsprechenden Techniken, um sie packend, emotional und direkt zu vermitteln. Ein Weg führt über die Verbindung von Immersion und Gamification. Laut Prof. Dr. Oliver Bendel, FHNW, Hochschule für Wirtschaft, Institut für Wirtschaftsinformatik, ist Gamification die Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge. Immersion, ist das „Eintauchen“ in Gedanken und Ideen im Rahmen einer Veranstaltung mit dem Ziel, Realität und Scheinwelt zielführend zu verbinden.

3 Immersion als Emotions-Booster Immersion fließt immer mehr in den Alltag ein. Mit zunehmender Digitalisierung begegnet sie uns überall in zahlreichen Facetten. Microsoft HoloLands, Oculus VR oder auch die Google Glass sind Technologien, die das Thema Virtual Reality der Gesellschaft zugänglich gemacht haben. Laut Wikipedia beschreibt Immersion den durch eine Umgebung der Virtuellen Realität (VR) hervorgerufenen Effekt, der das Bewusstsein des Nutzers, illusorischen Stimuli ausgesetzt zu sein, so weit in den Hintergrund treten lässt, dass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. Im Unterschied zur passiven, filmischen Immersion erlaubt die virtuelle Realität eine Interaktion mit der virtuellen Umgebung, und dadurch kann eine wesentlich höhere Intensität der Immersion erreicht werden. Die Technik der virtuellen Inszenierung schafft für das Live-Marketing einen essentiellen Mehrwert, denn sie kann die wirkliche Realität erweitern und bereichern. Das immersive Erlebnis verändert Wahrnehmung und Verhalten, und die emotionalen Mechanismen funktionieren hier genauso wie im wahren Leben. Fiktion wird Realität. Und je

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höher die Immersion, desto größer ist das emotionale Erlebnis und die Illusion des Realen. Im großen Unterschied zu klassischen Werbe- und Medienformaten, schafft Immersion außergewöhnliche Erlebnisse und Emotionen, die Kundenbindung und Markenerinnerung erheblich verstärken. Im richtigen Augenblick mit der richtigen Message und im richtigen Kontext adressiert, erzielen sie für Kunde und Marke die richtigen Ergebnisse: bleibende Erinnerungen mit Langzeitwirkung.

4 Wo sind die inspirierenden, stimulierenden Quellen von Immersion Die zeitgenössische Kunst macht’s uns vor: Sie bedient sich der Immersion in verschiedenen Formen, als gängiges Mittel kommt sie nicht nur virtuell zum Einsatz. Der französische Künstler Philippe Parreno, zum Beispiel, lotet seit jeher die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aus. Zuletzt verwandelte er den Martin Gropius Bau in einen riesigen Automaten, angetrieben von einem Bioreaktor. Mikroorganismen vermehrten sich, mutierten und setzten Architektur, Klänge und Bilder in Bewegung. So wurde man Teil einer größeren, wie von Geisterhand geführten Choreografie. In undurchschaubarer Systematik flackerte Licht oder jagten Sounds durch die Räume. In einem Raum schwebten aufblasbare Fische durch den Saal, die durch ein verstecktes Verwirbelungssystem in Bewegung gehalten wurden. Verzaubert stupsen die Besucher die übergroßen Guppys an. Alles in allem, verflossen hier die Grenzen zwischen Sehen, Hören, Interagieren und Erleben – Das war ein unglaubliches Erlebnis!

Abb. 1: Philippe Parrenos Kunstwerk "My Room is Another Fish Bowl" im Martin-Gropius-Bau 2018 in Berlin Foto: Wolfgang Kumm/dpa

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Oder der britisch-indische Künstler Anish Kapoor, dessen Installation „Leviathan“ im Pariser Grand Palais eine fast animalische Präsenz hatte. Das Kunst-Stück rund 100 Meter breit, bis zu 38 Meter hoch, wurde zusammengeschweißt aus tausenden PVC-Abschnitten und hatte ein Volumen von rund 80.000 Kubikmetern. Der Effekt im Inneren war atemberaubend: Das Blutrot, die gebogenen Formen, an denen das Auge keinen festen Halt mehr fand und den Betrachter taumeln und träumen ließen. Ein Gefühl, wie in einem überdimensionierten Blutgefäß, in einem ungeheuren Uterus, dunkel und warm.

Abb. 2: Im Inneren der Installation von Anish Kapoor: Leviathan, Monumenta 2011, Grand Palais in Paris Foto: Whatch the World/shutterstock

5 Die Sehnsucht danach ist alt Immersion ist aber nicht nur ein Gegenwarts-Phänomen. Nehmen wir die Planetarien. Seit fast 100 Jahren sind sie als Tor zum Sternenhimmel, Sehnsuchtsarchitektur und großes Kino. Bis heute ermöglichen sie Erlebnisse kollektiven Eintauchens in die unendlichen Weiten und eröffnen uns neue Perspektiven. Hier knüpfen übrigens die Full-Dome-Systeme an, die immer häufiger zum Einsatz kommen. So auch bei David OReilly’s „Eye of the Dream“. Der irische Künstler und Game Designer zeigte in einer mobilen Kuppel im Rahmen der Berliner Festspiele, die Entstehung des Universums, in weniger als zwei Stunden. Immer in Bewegung zog ei-

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nen die Echtzeit-Simulation in den Bann und brachte unendlich viele Variationen komplexer Formen und Strukturen hervor, jeder Augenblick einzigartig, unwiederholbar und unvergesslich.

Abb. 3: Blick in die Echtzeit-Simulation von David OReilly’s „Eye of the Dream“, Berliner Festspiele 2018 in Berlin Foto: Detlef Wintzen

Oder nehmen wir das Labyrinth. Seit Anbeginn berührt es mit seiner Symbolkraft die Menschen: Das bewusste Durchschreiten galt stets als existenzielle Zeichenhandlung. Darüber hinaus ist es ein Ur-immersives Erlebnis – man taucht ein, ist gefangen in dieser Welt, die nichts mit der Realität zu tun hat, und sucht seinen Weg. Zur Belustigung, entwickelten sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhundert die Irrgärten, künstliche Anlagen, die mit ihrem Netz aus Wegen, Abzweigungen, Kreuzungen, Sackgassen ein echtes „In-die-Irre-Gehen“ erlaubten. Auch hier kam in gewisser Weise bereits der Immersions- und Game-Aspekt zum Tragen.

6 Immersion in der Spielewelt Wir stehen noch am Anfang, und stecken doch – seit Urzeiten – mittendrin. Für die Generation Y, Z und Alpha ist Immersion allgegenwärtig. Doch auch die Generation vor ihr muss sich im Klaren sein, dass sie längst dort angekommen ist. Wagen wir den Blick in den Gaming-Bereich: Keine Branche versucht wirkungsvoller größere virtuelle Umgebungen zu simulieren als diese. Mit dem Ziel, dass der Spieler die reale Welt um sich herum vergisst und komplett ins Spiel eintaucht. Die virtuelle

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Umgebung wird für die Dauer des Spiels zur Primär-Realität – ähnlich wie in einem Traum. Der Trend zu Open-World-Spielen ist ungebrochen. Bei dieser Sorte Spiel geht es ausdrücklich darum, dass der Spieler komplett in die Scheinwelt eintaucht. Früher noch abstrakt, in 2D und verpixelt, ist der grafische Detailgrad mittlerweile so hoch, dass man selbst die Schweißperle auf der Haut des Avatars sehen kann. Die Zahlen belegen, mit welchem Erfolg die Branche sich entwickelt: Bereits 2,5 Milliarden Menschen spielen weltweit, die meisten, also dreiviertel der Weltbevölkerung, auf mobilen Endgeräten (vgl. Mobile Game Market Report 2016). Der deutsche Durchschnitts-Gamer zockt bis zu 110 Minuten am Tag (vgl. Bitkom Research). Das sind zwei Stunden täglich, nicht wenig Zeit. In der Game-Branche wurden in Deutschland zuletzt 3,35 Milliarden umgesetzt, Tendenz exponentiell steigend (vgl. Statista, 2018). Stichwort eSport, also das sportwettkampfmäßige Spielen von Video- bzw. Computerspielen: Die Weltmeisterschaft im Spiel League of Legends gehört zu den größten eSports-Events der Welt. Im August 2018 verfolgten 205 Millionen Zuschauer im Stream das WM-Finale. Laut SuperData gibt es mittlerweile ein größeres Publikum für GamingVideos und -Streams, als Zuschauer für HBO, Netflix, ESPN und Hulu zusammen. Noch ein Beispiel: Auf einer 3-wöchigen eSport-Veranstaltung in Moskau verfolgten täglich bis zu 150.000 Menschen auf den Leinwänden in der Halle, wie vier Gamer an ihren PCs den nächsten Move machten – man stelle sich vor, insgesamt drei Millionen, nur in Moskau, auf einem einzigen Event! Die Game-Branche läuft den traditionellen Branchen den Rang ab, nachvollziehbar, denn hier können Riesen-Gewinne gemacht werden.

7 Gamification – Spielend zu intensiven Erlebnissen Immersion ist also Alltag und wird, als Point of Attraction, in der Brand Communication eine zunehmende Rolle spielen. Unterstützt wird diese Entwicklung dank der wachsenden Möglichkeiten des digitalen Zeitalters. Die logische Konsequenz? Vielleicht das aus Star Trek bekannte Holo-Deck! Bis dahin dauert es vermutlich noch eine ganze Weile. Aber lassen sie mich noch einen anderen Aspekt aufgreifen: die Anwendung von GameMechanismen in nicht spielbezogenen Kontexten. Während Games, ausschließlich Game-Mechanismen ohne Lerninhalt beinhalten, steht beim Gamification der Lerninhalt im Fokus, ergänzt um einzelne Game-Mechanismen.

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Abb. 4: WM-Finale des Computerspiels "League of Legends" in der Mercedes-Benz-Arena in Berlin Foto: Paul Zinken/dpa

Gamification hat laut Oliver Bendel (vgl. Wirtschaftslexikon von Gabler), die Motivationssteigerung und Verhaltensänderung bei den Anwendern zum Ziel. Zu den spieltypischen Elementen gehören Beschreibungen über Ziele, Beteiligte, Regeln, Bewertungen, Punkte, Preise als Auszeichnungen und Vergleiche zwischen den Teilnehmern. Zu den spieltypischen Vorgängen zählt die Bewältigung von Aufgaben durch individuelle oder kollaborative Leistungen. Letzteres ist ein sehr willkommenes Element für das Live-Marketing. Gamification erzeugt Engagement. Besonders Belohnungen, öffentliche Leistungsvergleiche und Lernerfolge fordern den menschlichen Spieltrieb heraus. Je origineller, abgefahrener die spielerischen Ansätze, desto intensiver die Erlebnisse des Spielers, und umso leichter entwickelt er positive Assoziationen zur Marke. Hugendubel setzte unlängst auf Gamification in Kombination mit Augmented Reality, um den Traffic in seinen Filialen zu erhöhen. Die Grundidee: Die Verbraucher konnten ihr Wissen rund um aktuelle Bücher auf drei Leveln testen und verbessern. Das Ergebnis: Mit mehr als 100.000 Plays und mehr als 22.000 gespielten Stunden erzielte die Bookbuster 2.0-Kampagne extrem hohe Akzeptanz- und Interaktionsraten. Was sagt uns das: Der Mensch spielt nun mal gerne!

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8 Wo haben wir mit insglück bereits begonnen Auch für die Corporate Live-Kommunikation lassen sich verschiedene Anwendungsmöglichkeiten von Immersion und Gamification ableiten, wie einige Referenzprojekte von uns belegen: Mit der Privatkundenkampagne „Neue Zeit braucht neues Banking“ stellte die Deutsche Bank 2017 ihre digitale Neuausrichtung und das Kundenerlebnis in den Mittelpunkt. Die Vorteile des neuen Bankings sowie die neuen digitalen Services sollten für den Kunden erlebbar gemacht werden. Hierfür entwickelten wir ein interaktives und dialogorientiertes Format und übersetzten die Kampagne als kundennahe Story in einen immersiven, stereoskopen 360-Grad-VR-Film. Im Mittelpunkt des als Vignetten-Spot konzipierten Films stand Familie Blum, welche in ihren verschiedenen Lebenssituationen individuell und modern ihre Bankgeschäfte tätigt. Über die 360° VR Experience wurden die Zuschauer, mitten in das Geschehen hineinkatapultiert und erlebten die neuen, digitalen Möglichkeiten im direkten Lebensumfeld der Protagonisten. Die 360° Experience Tour beeindruckte, begeisterte und sorgte als „mitreißendes Erlebnis“ für zahlreiche Gesprächsanlässe. Bei der „Vision Zero Live Tour“ für Continental kamen spieldidaktische Ansätze zum Einsatz, um theoretisches Wissen zu vermitteln und nachhaltig kognitiv zu verankern. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit Spielentwicklern ein eigenes „Vision Zero Escape Game“ kreiert. Das Ergebnis: ein nachhaltiges Teamerlebnis, bei dem die Zielgruppe wissenswertes über das zentrale Thema Vision Zero und die Produktpalette von Continental lernte.

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Abb. 5: Neues Banking braucht neue Formate: 360° VR Experience Tour macht die neuen digitalen Services der Deutschen Bank am POS erlebbar Foto: insglück

Im Deutschen Pavillon auf der Expo 2017 in Astana standen nachhaltige Technologien und innovative Verfahren zur Energiewende „Made in Germany“ im Vordergrund. Future Energy – ein abstraktes, nicht gerade greifbares Leitthema, erst recht für das größtenteils kasachische Publikum. Das Kommunikationskonzept setzte deshalb klar auf das kollektive Erlebnis der Besucher. Ausgerüstet mit einem Smartstick konnten die Exponate im Deutschen Pavillon aktiviert und spielerisch erforscht werden. Mit jedem Auflegen sammelte der Besucher Wissen und sogenannte Smartpoints. Gamification, an der sowohl Kinder, als auch Erwachsene ihren Spaß hatten und sie dazu motivierte, die Themen intensiv und umfassend zu erforschen. Das große interaktive Spiel fand seinen Höhepunkt in der Energy Show. Konzipiert als Finale und Epilog entluden sich hier die gesammelten Smartpoints in Energieströme und aktivierten eine 360-Grad-Projektion aus Licht, Laser und Surround-Sound. Die Botschaft der Ausstellung „Your energy can change the world“ wurde in einer universell verständlichen Sprache für das internationale Publikum immersiv erlebbar gemacht.

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Abb. 6: Gamification und Immersion im Deutschen Pavillon Expo 2017, Astana Fotos: Andreas Keller

9 Der Mix ist der Schlüssel Die Anwendung spieltypischer Elemente und Abläufe in Verbindung mit Immersion schafft ideale Voraussetzungen für erfolgreiche Marketingevents. Die spielerische Vermittlung von Botschaften – unterstützt durch „Belohnungen“ – motiviert zur intensiven Auseinandersetzung mit den Inhalten und trägt zur kognitiven Immersion bei. Besondere Bedeutung hat dabei das kollektive Erlebnis: Denken sich mehrere Akteure in ein Problem hinein und konzentrieren sich auf die Lösung, verstärkt sich das emotionale Element. Vertieft wird dieser Mechanismus, wenn sich die Akteure mit der Handlung und den Figuren der Geschichte, mit der ich die Inhalte erzählen möchte, identifizieren können. Lässt man die Akteure hierfür in fiktiv gestaltete oder virtuelle Welten eintauchen und mit ihr interagieren, erhöht sich die Intensität der Immersion, die wiederum zu außergewöhnlichen Erlebnissen mit bleibenden Erinnerungen führt. Halten wir also fest, Produkte, Botschaften, Inhalte können immersiv und spielerisch intensiver erzählt und nachhaltiger erfahren werden.

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Der Einsatz von digitalen Technologien allein, schafft aber noch keine glaubwürdige Story, geschweige denn ein gutes Marketingevent. Content ist hier mehr denn je „King“. Es braucht nach wie vor starke Bilder und gute Geschichten, die Nähe und erinnerungsfähige Ereignisse schaffen. Hierfür sind hohe Kompetenz, umfassende Fach- und Branchenkenntnis der speziellen Thematik sowie Zielgruppe gefragt. Echte Erlebnisse und geteilte Momente haben für den Menschen nach wie vor die größte Bedeutung, denn nur real Erlebtes erzielt die nachhaltigste Wirkung, die jede Kampagne, jedes Event letztendlich auslösen will. Immersion und Gamification befruchten diese „echten“ Momente in der Form, dass sie sie wirkungsvoller gestalten und um ein Vielfaches intensivieren. Damit gehören diese beiden Techniken zukünftig zu den wichtigsten Bestandteilen von nachhaltigen, erlebnisintensiven und erinnerungsfähigen Maßnahmen in der Live-Kommunikation. Diese Entwicklung gilt es als langfristigen Trend zu akzeptieren und kreativ umzusetzen… eine wirklich schöne und inspirierende Herausforderung für alle Marketingverantwortlichen und Agenturen!

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Literaturverzeichnis MURRAY, JANET HOROWITZ (1997): Hamlet on the Holodeck: The Future of Narrative in Cyberspace, New York 1997. DOPPLER, S. (2016): B2B-Eventmarketing, Konstanz, München 2016. Internetquellen IMMERSION (VIRTUELLE REALITÄT): https://de.wikipedia.org/wiki/Immersion_(virtuelle_Realität) GAMIFICATION: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gamification-53874 GAMING; ESPORT-ZAHLEN: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/824576/umfrage/umsatz-im-gamingmarkt-in-deutschland/ https://de.statista.com/themen/1095/gaming/ https://www.pcgamer.com/more-people-watch-gaming-videos-and-streams-thanhbo-netflix-espn-and-hulu-combined/ BOOKBUSTER-KAMPAGNE 2.0 HUGENDUBEL: https://www.buchreport.de/2018/07/26/ gamification-2-0-hugendubel-ueberzeugt-mit-augmented-reality/

Jan Drengner, Werner König, Alexander Wiebel Pervasive mobile Spiele und Virtual Reality als Instrumente der digitalen Ansprache von Veranstaltungsbesuchern: Auf schaz-Suche beim RheinlandPfalz-Tag 2018 1

Einleitung ............................................................................................................ 249

2

Ziele des schaz-Projektes .................................................................................... 250

3

Entwicklung der Spiele-App und der Virtual-Reality-Anwendung ................... 252 3.1

Beschreibung des Entwicklungsprozesses .................................................... 252

3.2

Gestaltung des pervasiven mobilen Spiels .................................................... 253

3.2.1

Einbindung der zu vermittelnden Marketing-Botschaften ..................... 253

3.2.2

Gestaltung wesentlicher Elemente des Spiel-Designs............................ 255

3.3

Gestaltung der Virtual-Reality-Anwendung ................................................. 258

4

Vermarktung des schaz-Projektes ....................................................................... 259

5

Analyse des Erfolgs des schaz-Projektes ............................................................ 260

6

Fazit..................................................................................................................... 263

Literaturverzeichnis .................................................................................................... 265

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_13

Pervasive mobile Spiele und Virtual Reality als Instrument der digitalen Ansprache

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1 Einleitung Smartphones und die darauf installierten Softwareapplikationen (Apps) können im Kontext von Veranstaltungen verschiedenen Anspruchsgruppen einen Mehrwert stiften. Veranstaltern bieten sie die Möglichkeit, ihr Leistungsspektrum mit einer eigenen Veranstaltungs-App zu erweitern, indem sie beispielsweise den Gästen einen schnellen Zugang zu veranstaltungsspezifischen Informationen ermöglichen oder sie bei der Navigation auf dem Veranstaltungsgelände unterstützen (vgl. Rietbrock 2017, S. 245ff.; Dams/Luppold 2016, S. 3ff.; Luxford/Dickinson 2015). Destinationsmanagement-Organisationen können mit mobilen Diensten die Veranstaltungsbesucher über touristisch relevante Angebote (z. B. Unterkünfte, Restaurants, Sehenswürdigkeiten) der Region informieren (vgl. Drengner 2018). Für Veranstaltungssponsoren eröffnen Apps neue Wege, die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppe auf die Sponsoring-Botschaft zu lenken (vgl. Drengner 2019). Letztlich profitieren auch die Veranstaltungsbesucher von solchen digitalen Angeboten, da sie daraus zusätzlichen Wert für sich schöpfen können. Der vorliegende Beitrag zeigt anhand eines Fallbeispiels, wie die hier genannten Akteure (Veranstalter, Destinationsmanagement-Organisationen, Sponsoren, Besucher) mittels digitaler Technologien im Rahmen einer Veranstaltung Mehrwert für sich generieren konnten. Im Fokus steht dabei das Projekt „schaz – Wormser Schätze neu entdecken“, welches sowohl eine für Smartphones entwickelte Spiele-App (im Weiteren: schaz-App) als auch eine für Virtual-Reality-Brillen konzipierte virtuelle Welt (im Weiteren: schaz-VR) umfasst. Entwickelt und umgesetzt wurde das Projekt von der Hochschule Worms in Kooperation mit der Kultur und Veranstaltungs GmbH (KVG) der Stadt Worms anlässlich des Rheinland-Pfalz-Tages (RLP-Tag), welcher vom 01. bis 03. Juni 2018 in der Stadt Worms stattfand. Nach diesem Ereignis wurden alle veranstaltungsspezifischen Inhalte aus der App und der VR-Anwendung entfernt, sodass beide Angebote auch weiterhin für Einwohner und Besucher der Stadt nachhaltig nutzbar sind1. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Ziele des schaz-Projektes erläutert. Danach steht der Prozess der Entwicklung der schaz-App sowie der schaz-VR im Mittelpunkt der Diskussion. Der vierte Abschnitt gibt einen Überblick über die Vermarktung des Projektes im Vorfeld sowie während des RLP-Tages. Im fünften Abschnitt wird anhand empirischer Daten der Erfolg des Projektes analysiert. Der Beitrag endet mit einem Fazit.

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Weitere Informationen zum Projekt finden sich auf der Projekthomepage (www.schaz.de). Geplant ist ein Vertrieb der Spiele-App bis zum Jahr 2021.

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2 Ziele des schaz-Projektes Der seit 1984 stattfindende Rheinland-Pfalz-Tag ist das Landesfest des Bundeslandes Rheinland-Pfalz und wird im Auftrag der Landesregierung im jährlichen Wechsel von jeweils einer anderen rheinland-pfälzischen Stadt ausgerichtet. Im Rahmen des Ereignisses treten verschiedene Institutionen, wie etwa die Landesregierung, Landesämter, Verbände, Streitkräfte, Medien, Vereine, Kirchen oder Blaulichtorganisationen (Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste), mit eigenen Angeboten (z. B. Musikbühnen, Informationsständen, kulinarischen Angeboten, Angeboten für Kinder) auf und präsentieren den Besuchern somit die Vielfalt des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Mit regelmäßig mehr als 200.000 Besuchern kann der RLP-Tag als regional etablierte Eventmarke aufgefasst werden. In dieser Eigenschaft lässt er sich von den Ausrichterstädten als Instrument des Destinationsmarketings einsetzen (vgl. Drengner 2018, S. 169). So bietet der RLPTag aufgrund seines hohen Bekanntheitsgrades sowie der damit einhergehenden medialen Berichterstattung nicht nur das Potential, den Bekanntheitsgrad der Ausrichterstadt zu stärken, sondern auch Chancen zur Vermarktung ihrer Sehenswürdigkeiten. In Anbetracht der großen Besucherzahlen – in Worms waren es 320.000 Personen (vgl. Staatskanzlei Rheinland-Pfalz 2018) – bildet das Landesfest eine reichweitenstarke Plattform zur Ansprache diverser Zielgruppen. Zu letzteren zählen sowohl Tagestouristen als auch die Einwohner der Ausrichterstadt und ihres Einzugsgebietes. Als eine der ältesten Städte Deutschlands verfügt Worms mit dem Kaiserdom St. Peter, mit dem jüdischen Friedhof „Heiliger Sand“, mit seinen Verbindungen zum Nibelungenmythos sowie zu historischen Ereignissen (z. B. Luthers Widerrufsverweigerung vor dem Wormser Reichstag), mit den Nibelungenfestspielen und aufgrund seiner Lage in der Weinregion Rheinhessen über ein umfangreiches Angebot an Sehenswürdigkeiten und Attraktionen. Ein zentrales Ziel der schaz-App und ihrer VR-Erweiterung bestand darin, diese Artefakte den Besuchern des RLP-Tages (Tagestouristen, Einwohner) auf eine erlebnisorientierte Art zugänglich zu machen und damit zur Stärkung der Destinationsmarke Worms beizutragen. Konkret wurden diesbezüglich folgende Prioritäten gesetzt:  Thematisierung des Markenkerns: Da sich Worms in seinem Marketing als „Nibelungenstadt“ positioniert, wurde diese Facette der Destinationsmarke als die im Rahmen des Projektes zentral zu vermittelnde Markenbedeutung festgelegt.  Kommunikation wichtiger Markenattribute: Neben dem Nibelungenmythos greift das Destinationsmarketing von Worms mit Luther und der Reformation, dem jüdischen Worms, dem im romanischen Stil gebauten Dom sowie der Weinkultur weitere touristisch relevante Schwerpunkte der Stadt auf.

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Diese Themen sollten den Besuchern des RLP-Tages ebenfalls durch das schaz-Projekt nähergebracht werden.  Darstellung wichtiger Veranstaltungen: Da auch die in einer Destination stattfindenden Veranstaltungen die Wahrnehmung der Destinationsmarke nachhaltig prägen können (vgl. Drengner 2018, S. 162ff.; Rück 2016, S. 44; Chalip/Costa 2005), zielte das Projekt auch darauf ab, das umfangreiche städtische Angebot an überregional bedeutsamen Veranstaltungen darzustellen. Im Fokus standen insbesondere die „Nibelungen-Festspiele“ (Open-Air-Theater), „Worms: Jazz & Joy“ (Musikfestival), das „Wormser Spectaculum“ (Mittelaltermarkt) sowie das „Backfischfest“ (Wein- und Volksfest). Darüber hinaus dienten die schaz-App und die schaz-VR der KVG – als Organisator des RLP-Tages – in folgenden Bereichen als Instrument zur Vermarktung und Umsetzung des Landesfestes:  Verbesserung der Erlebnisqualität des RLP-Tages: Digitale Spiele (schazApp) sowie virtuelle Welten (schaz-VR) sollten die Gäste des RLP-Tages zum Spielen animieren und bei ihnen auf diese Weise vergnügliche Erlebnisse auslösen. Diese Gamifizierung (Gamification) zielte darauf ab, das Erlebnisspektrum des Landesfestes zu erweitern und somit seinen Besuchern zusätzliche Möglichkeiten der Wertgenerierung zu bieten (vgl. Huotari/Hamari 2017; Drengner 2017, S. 40ff.).  Nutzung als Kommunikationsinstrument: Aufgrund des Neuigkeitsgrades des Konzeptes der Gamifizierung des Landesfestes besaß das schaz-Projekt das Potential, die Aufmerksamkeit der Medien sowie der künftigen Gäste des Ereignisses zu erregen. Deshalb bildete das Projekt im Vorfeld des RLP-Tages einen zentralen inhaltlichen Bestandteil der Kommunikationspolitik der KVG. Weiterhin bot das Projekt die Chance, den RLP-Tag als moderne und innovative Veranstaltung zu positionieren.  Sponsorengewinnung: Gemäß der Studie Sponsor-Trend suchten im Jahr 2017 zwei Drittel der befragten 190 Unternehmen nach neuen, digitalen Wegen zur Kommunikation mit ihren Sponsoring-Zielgruppen (vgl. Repucom Deutschland GmbH 2017, S. 23). Entsprechend dieses Bedürfnisses wurde die schaz-App so konzipiert, dass sie potentiellen Unterstützern des RLP-Tages verschiedene Möglichkeiten bot, mit den Gästen des Landesfestes in Kontakt zu treten (vgl. Drengner 2019). Im Rahmen der Akquise von Sponsoren verfügte die KVG somit über eine zusätzliche innovative Komponente zur Gestaltung ihrer Sponsoringpakete.

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Insgesamt unterstützten 23 Sponsoren sowie 3 Medienpartner den RLP-Tag mit finanziellen Mitteln, Sach- und/oder Dienstleistungen. Das Engagement dieser Partner zielte hauptsächlich darauf ab, bei den Veranstaltungsbesuchern Aufmerksamkeit für ihre Marke bzw. ihr Leistungsangebot zu erregen.

3 Entwicklung der Spiele-App und der Virtual-Reality-Anwendung 3.1 Beschreibung des Entwicklungsprozesses Um bei allen beteiligten Akteuren (z. B. Hochschule, KVG, Sponsoren) ein einheitliches Verständnis für das schaz-Projekt aufzubauen, wurden die grundlegende Produktidee (Entwicklung einer Spiele-App sowie VR-Anwendung), die Ziele des Projektes (Stärkung der Destinationsmarke Worms, Verbesserung der Erlebnisqualität des Landesfestes, Vermarktung des Landesfestes, Generierung von Aufmerksamkeit für Sponsoren) sowie die damit zu erreichenden Zielgruppen (Tagestouristen, Einwohner) in Form einer Produktvision schriftlich fixiert. Zusätzlich umfasste die Produktvision eine Beschreibung des im Rahmen des Projektes zu schaffenden Wertangebotes (Value Proposition). Das Konzept des Wertangebotes bezeichnet dabei das auf eine bestimmte Leistung (z. B. App) bezogene Versprechen eines Anbieters an seine Kunden, dass diese aus der Inanspruchnahme der Leistung für sich ein bestimmtes Set an Wertvorteilen generieren können (vgl. Payne/Frow 2014, S. 240; Grönroos/Voima 2013, S. 145). So sollten die Zielgruppen durch die Nutzung der schaz-App und der schaz-VR hauptsächlich Vergnügen empfinden (hedonistischer Wert) sowie sich über die städtischen Attraktionen bzw. Sehenswürdigkeiten und über das Landesfest informieren können (ökonomischer Wert) (vgl. Drengner 2019, S. 112f.). Da beim Start des Projektes kein über die Produktvision hinausgehendes Konzept der schaz-App und schaz-VR bestand sowie eine Vielzahl von Akteuren in das Projekt involviert waren, erfolgte die Planung und Umsetzung der beiden digitalen Services mit Hilfe des agilen Projektmanagements (vgl. Drengner/König 2019). Im Gegensatz zu traditionellen Projektmanagement-Ansätzen, welche eine möglichst umfassende Planung zu Projektbeginn erfordern sowie die einzelnen Projektphasen sequentiell bearbeiten, basieren agile Ansätze auf einer evolutionären bzw. iterativen Entwicklung des Projektes. Für das schaz-Projekt eröffnete das agile Vorgehen somit Möglichkeiten zur Gewinnung neuer Erkenntnisse über die beiden Projektgegenstände und bot gleichzeitig ausreichend Flexibilität, das neu gewonnene Wissen anzuwenden, ohne einen bereits ausgearbeiteten detaillierten Projektplan verändern zu müssen (vgl. Wysocki 2004, S. 42ff.). Das agile Projektmanagement war eingebettet in einen erlebniszentrierten DesignProzess (vgl. Drengner/König 2017). Im Gegensatz zur klassischen Softwareentwicklung ist dieser darauf ausgerichtet, beginnend mit der Produktvision, über den Einsatz

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diverser nutzerzentrierter Konzepte (z. B. Personas, Kontextszenarien, User Stories) bis hin zur Nutzung verschiedener Evaluationsverfahren (z. B. Bewertung von Wireframes und Mock-ups, Usability-Tests, Feld-Tests) die Bedürfnisse der zukünftigen Anwender in allen Phasen des Entwicklungsprozesses zu berücksichtigen. Dieses Vorgehen stellte für das schaz-Projekt sicher, dass das in der Produktvision formulierte Wertangebot sowohl während der Konzeption als auch im Rahmen der technischen Umsetzung ausreichend Beachtung fand. Weiterhin ließen sich so eventuelle Probleme bei der Benutzerfreundlichkeit der App sowie der VR-Anwendung frühzeitig identifizieren und beheben. 3.2 Gestaltung des pervasiven mobilen Spiels 3.2.1 Einbindung der zu vermittelnden Marketing-Botschaften Die App „schaz – Wormser Schätze neu entdecken“ wurde als pervasives mobiles Werbespiel konzipiert. Mobile Spiele sind die in Deutschland am häufigsten genutzte Art digitaler Spiele (vgl. Bitkom Research 2018, S. 9). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zu herkömmlichen, auf Desktop-Computern oder Konsolen installierten Spielen, eine geringere Komplexität aufweisen sowie von Spielenden nur wenige Fähigkeiten erfordern. Deshalb werden solche Gelegenheitsspiele (Casual Games) vor allem zur kurzweiligen Unterhaltung im Alltag genutzt. Dies gilt auch für die schazApp: Sie umfasst 28 Mini-Spiele unterschiedlicher Genres (z. B. Quiz, Puzzle, Jump’n’Run, Shooting-Game), wobei jedes Spiel so gestaltet wurde, dass es die Anwender schnell und ohne große Übung bewältigen können. Damit eigneten sich die Spiele zur temporären Unterhaltung während des RLP-Tages, ohne die Gäste des Landesfestes übermäßig von den zentralen Veranstaltungsinhalten (z. B. Bühnenprogramme, Informationsstände, kulinarische Angebote, Festumzug) abzulenken. Bei mobilen Werbespielen handelt es sich um Gelegenheitsspiele, welche von Unternehmen zur Verbreitung von Marketing-Botschaften entwickelt werden. Um eine möglichst optimale Kommunikationswirkung zu erreichen, sind dabei die Funktionsweise des Spiels (Spiel-Mechaniken), sein ästhetisches Erscheinungsbild sowie – sofern vorhanden – das Storytelling möglichst genau an die zu vermittelnden werblichen Inhalte angepasst (vgl. Drengner 2019, S. 115ff.). Im Fall von „schaz“ beziehen sich die Marketing-Botschaften entweder auf die Sehenswürdigkeiten und Attraktionen der Stadt Worms oder auf die Marken bzw. Leistungen der Sponsoren und Medienpartner. Vermittelt werden diese jeweils über die Mini-Spiele, ergänzt durch kurze Werbetexte sowie passendes Bildmaterial (vgl. Tab. 1).

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Tab. 1: Beispiele von Mini-Spielen der schaz-App Name des Spiels

Beschreibung des Spiels

Zentrale Marketing-Botschaft

Bei den Köpfen der Reformation

Zur Bewältigung des Quiz-Spiels muss sich der Anwender zum Lutherdenkmal begeben. Dort trifft er auf die mittels Augmented Reality dargestellte Figur von Karl V., welche ihm mehrere Fragen zum Denkmal stellt. Die Fragen kann der Spielende nur dann richtig beantworten, wenn er sich das Denkmal im Detail anschaut.

Nach jeder Antwort erhält der Anwender weitere Informationen zu einzelnen Elementen des Denkmals (z. B. Inschriften, Wappen, Figuren) sowie zur Geschichte der Reformation, insb. dem Reichstag in Worms. So wird ihm das für die Destinationsmarke Worms wichtige Markenattribut „Luther und die Reformation“ näher gebracht.

WinzerRun

Zur Bewältigung dieses Jump’n’Run-Spiels muss sich der Anwender zur historischen innerstädtischen Weinlage „Luginsland“ begeben. Dort begegnet er der Figur eines Winzers, die er über drei Spiel-Level hinweg bei der Weinlese unterstützen muss.

Am Ende eines jeden Levels erhält der Anwender Informationen zur historischen Weinlage sowie zum Weinanbau in Worms. So wird ihm das für die Destinationsmarke wichtige Markenattribut der „Weinkultur“ näher gebracht.

Die Nibe- Das Bilder-Quiz kann ortsunabhängig gelungen in spielt werden. Der Anwender erhält Fragen Bildern zu verschiedenen Szenen aus dem Nibelungenmythos. Deren Beantwortung erfolgt durch die Auswahl des jeweils zur richtigen Antwort passenden Bildes aus einer Bildergalerie.

Nach jeder Antwort erhält der Anwender weitere Informationen zum Nibelungenmythos. So wird ihm der Markenkern der Nibelungenstadt Worms näher gebracht.

Zu Besuch Zum Spielen des Spiels muss der Anwender Bewältigt der Spielende eine Aufgabe, so im Gold- sich an die Filiale eines Sponsors aus der Fi- erhält er weitere Informationen zu dem Depot nanzbranche begeben. Dort erhält er ver- Sponsor und seinen Leistungen. schiedene Aufgaben (z. B. Identifikation einer gefälschten Goldmünze). Quelle: eigene Erstellung

Aufgrund der großen Zahl an Sponsoren und Medienpartner des RLP-Tages ließen sich nicht alle Unternehmen in Form eines eigenen Mini-Werbespiels in die schaz-App integrieren. Diese Partner wurden in Form von In-Game-Werbung2 eingebunden, indem am Ende ausgewählter Mini-Spiele sowohl ein expliziter Verweis auf das Unternehmen in Form seines Markenlogos erfolgte als auch die Chance bestand, einen von dem jeweiligen Partner gestifteten Preis zu gewinnen. Darüber hinaus besitzt die App ein systeminternes Informationssystem in Form einer virtuellen Zeitung namens „schaz-Anzei-

2

Eine Unterscheidung der Konzepte des Werbespiels und der In-Game-Werbung findet sich bei Drengner (2019, S. 118f.) sowie Terlutter/Capella (2013, S. 95f.).

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ger“. Mit dessen Hilfe erhalten die Nutzer während des Spielens Neuigkeiten zum Spielverlauf. Während des RLP-Tages wurden über diesen Weg zusätzliche Informationen zu den Sponsoren kommuniziert. Pervasiv ist ein Spiel dann, wenn es den räumlichen, zeitlichen oder sozialen Kontext, in dem sich der Spielende befindet, in das Spiel integriert (vgl. Montola 2009). Dies ist beispielsweise bei dem Spiel Pokémon GO der Fall, welches via GPS den Standort des Nutzers lokalisiert, was wiederum den Verlauf des Spiels beeinflusst. Auch bei der schaz-App fungiert der räumliche Kontext als steuerndes Element: Das Spiel ist als Schatzsuche konzipiert, bei der die Nutzer nach erfolgreicher Bewältigung eines MiniSpiels einen Teil des Schatzes als Belohnung erhalten. Insgesamt sind bzw. waren 17 der 28 Mini-Spiele über Geokoordinaten entweder an Standorte diverser Wormser Sehenswürdigkeiten (z. B. Gebäude, Denkmäler) oder an permanente (z. B. Unternehmens-Filialen) bzw. temporäre Standorte von Partnern (z. B. Musikbühnen von Medienpartnern sowie Promotion-Stände von Sponsoren während des RLP-Tages) gekoppelt. Somit müssen sich die Anwender mit Hilfe der GPS-Funktion ihres Smartphones an den jeweiligen Ort begeben, um diesen Teil des Schatzes zu heben. Mittels dieses Mechanismus wurde das Veranstaltungsgelände des Landesfestes zur Spielfläche. Dem Ziel der Vermittlung von Marketing-Botschaften folgend, beziehen sich die im jeweiligen Spiel vermittelten Informationen in den meisten Fällen unmittelbar auf den SpielOrt (vgl. Tab. 1). Um alle Spiele erfolgreich zu absolvieren, müssen die Spielenden eine durchschnittliche Wegstrecke von 7 km bewältigen. Die kumulierte Spieldauer liegt zwischen 6 und 7 Stunden. 3.2.2 Gestaltung wesentlicher Elemente des Spiel-Designs Gemäß des in der Produktvision beschriebenen Wertangebotes sollte die schaz-App hedonistischen Wert in Form von Vergnügen stiften und somit die Besucher des RLPTages zum Spielen motivieren. Beeinflussen lässt sich die Erlebnisqualität von digitalen Spielen und damit ihr Potential zur intrinsischen Motivation im Wesentlichen durch vier Elemente des Spiel-Designs: die Spiel-Mechaniken, das Storytelling, das ästhetische Erscheinungsbild sowie die Benutzeroberfläche des Spiels (vgl. Drengner 2019, S. 115ff.; Schell 2015, S. 51ff.). Die Spiel-Mechaniken umfassen all die Merkmale eines Spiels, die dessen Geschehen vorantreiben, wie etwa die vom Anwender zu bewältigenden Herausforderungen, die während des Spielens erlaubten Aktionen oder die Wirkung dieser Aktionen auf den Spielfortschritt (vgl. Drengner 2019, S. 115f.; Schell 2015, S. 158ff.; Adams 2014, S. 37). Die grundlegende Mechanik der schaz-App besteht darin, sich über das Veranstaltungsgelände des RLP-Tages zu bewegen und dabei verschiedene Arten von Aufgaben in Form von Mini-Spielen zu meistern, um damit einen

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Jan Drengner, Werner König, Alexander Wiebel

messbaren Spielfortschritt zu erzielen. Die Mini-Spiele besitzen wiederum eigene genrespezifische Mechaniken, die entweder intellektuelle (z. B. Quizz, Puzzle) oder sensomotorische Herausforderungen (z. B. Jump’n’Run, Shooting-Game) bereithalten. Indem sie mit Hilfe des Storytellings in eine Erzählung eingebettet sind, erhalten die abstrakten Spiel-Mechaniken der schaz-App eine tiefere, für die Spielenden nachvollziehbare Bedeutung (vgl. Drengner 2019, S. 117). Gemäß der zu Beginn des schaz-Projektes formulierten Zielsetzung, Worms als Nibelungenstadt zu thematisieren, dient der Mythos der Nibelungen als Ausgangspunkt für die narrative Gestaltung der App. So entstammt der Begriff „schaz“ der mittelalterlichen Erzählung des Nibelungenliedes (mittelhochdeutsch für „Schatz“), deren Handlung sich in größeren Teilen in Worms abspielt. Weiterhin begegnen die Anwender im Prolog und Epilog der App jeweils der Figur des „anonymen Dichters“, der das Nibelungenlied Ende des 12. Jahrhunderts verfasst haben soll (vgl. Höfler 1955, S. 167). Ausgewählte Strophen seiner Erzählung rezitierend, fordert der Dichter die Nutzer auf, sich auf Schatzsuche durch die Stadt zu begeben. Der zu findende Schatz umfasst sowohl Goldmünzen als auch sechs Segmente des sog. Rütelins. Letzteres ist ein kleiner Stab aus Gold, der laut Dichtung als besonders wertvoller Teil des Nibelungenhortes gilt (vgl. Heinzle 2013, Strophe 1121). Jedes Segment verkörpert dabei ein Markenattribut der Destinationsmarke Worms: a) Stadt der Nibelungen, b) Stadt des Judentums, c) Stadt der Reformation, d) Stadt der Romanik, e) Stadt der Geschichte sowie f) Stadt des Weins und der Lebensfreude. Das finale Ziel der Schatzsuche besteht darin, durch die erfolgreiche Bewältigung der in der Stadt verteilten Mini-Spiele, alle Segmente des Rütelins einzusammeln. Entsprechend ihrer Funktion als Instrument des Destinationsmarketings führt die App die Besucher des RLP-Tages somit zu den verschiedenen, das Image der Stadt prägenden Sehenswürdigkeiten. Mit jedem Spiel erhalten die Nutzer Informationen zu diesen Attraktionen (vgl. Tab. 1). Das Spiel endet schließlich im Nibelungenmuseum Worms, welches die Spielenden nach erfolgreicher Schatzsuche kostenfrei besuchen können. Zusätzlich erhalten sie vor Ort eine Belohnung in Form einer eigens für das Projekt geprägten Münze. Sowohl das Rütelin als auch die Figur des anonymen Dichters bilden zentrale Elemente des Museumskonzeptes. Damit greift die App – im Sinne eines ganzheitlichen Destinationsmarketings – auf bereits existente museumspädagogische Artefakte zurück. Im Rahmen des Storytellings der schaz-App begegnen die Nutzer neben dem anonymen Dichter noch weiteren Figuren, wie etwa Siegfried (Gestalt aus dem Nibelungenlied), Karl V. (historische Persönlichkeit) sowie virtuellen Mitarbeitern der Sponsoren und Medienpartner. Diese Akteure geben dem Spiel eine menschliche Anmutung und beeinflussen somit die Qualität des Spielerlebnisses (vgl. Schell 2015, S. 346ff.; Adams 2014,

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S. 181ff.). Außerdem fungieren sie als Interaktionspartner der Spielenden und vermitteln in Form kurzer Anekdoten (vgl. Drengner/König 2017, S. 315) Informationen zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt oder zu den Sponsoren sowie Medienpartnern. Die Gestaltung des ästhetischen Erscheinungsbildes erfolgte anhand einer Vielzahl unterschiedlicher audiovisueller Elemente, wie etwa Fotos und Illustrationen, Tönen, Musik, gesprochenem Text (z. B. Mario Adorf als Sprecher des anonymen Dichters), 360°-Aufnahmen, Augmented Reality sowie Animationen. Im Sinne der sinnlichen Schönheit des Spiels wurde dabei darauf geachtet, diese Elemente in harmonischer Weise entsprechend den Prinzipien der Gestaltungslehre anzuordnen (vgl. Drengner 2019, S. 116; Wagner 1999, S. 133). Obwohl sowohl das Nibelungenlied als auch das Konzept der Schatzsuche zunächst eher Assoziationen zum Mittelalter hervorrufen, erhielt die App ein modernes Erscheinungsbild. Im Sinne der expressiven Schönheit, welche sich mit den durch den ästhetischen Eindruck eines Artefaktes hervorgerufenen Assoziationen beschäftigt (Drengner 2019, S. 116; Wagner 1999, S. 133), wird so ein Bezug zur digitalen Gegenwart hergestellt. Nur an Stellen, an denen sich die Spielenden ausführlicher mit dem Nibelungenmythos auseinandersetzen (z. B. Begegnung mit dem anonymen Dichter), kommen Design-Elemente mit mittelalterlicher Anmutung (z. B. Musik, kalligraphische Schrift, mittelalterliche Kleidung der Figur) zum Einsatz. Mit Hilfe von Steuerungs- und Feedbackelementen ermöglicht die Benutzeroberfläche Interaktionen zwischen dem Anwender und dem Spiel (vgl. Adams 2014, S. 255ff.). Die Steuerung der App erfolgt weitestgehend mittels graphischer Elemente, beispielsweise durch das Berühren von Buttons oder durch das Verschieben von Spielfiguren, Puzzleteilen oder Kartenpins über Touch-Gesten. Darüber hinaus lassen sich einige MiniSpiele nur durch Spracheingabe sowie Bewegung des Smartphones meistern. So müssen etwa die Nutzer in einem Spiel durch Pusten in das Mikrofon ihres Smartphones Wind simulieren, um so mit einer virtuellen Windkraftanlage Energie zu erzeugen. Rückmeldungen auf ihre Aktionen erhalten die Anwender über eine Vielzahl audiovisueller Elemente. So symbolisieren zum Beispiel Münzen den Spielfortschritt oder färben sich die Rütelin-Segmente ein, wenn die Anwender sie eingesammelt haben. Innerhalb der Spiele sind themenspezifische visuelle Animationen integriert (z. B. Windrad dreht sich beim Pusten) sowie passende Sounds (z. B. Bewegungsgeräusch von Spielfiguren) oder Hintergrundmusik (z. B. gregorianischer Gesang in einem Spiel zum Dom) zu hören. Zusätzlich zur intrinsischen Motivation durch vergnügliche Spielerlebnisse sollten die Gäste des RLP-Tages auch durch extrinsische Anreize zum Spielen animiert werden. Zu diesem Zweck konnten alle Nutzer der App, die mehr als 20,0 % der im gesamten Spiel erreichbaren Punkte erspielt hatten, während des Landesfestes an einem von Sponsoren und Medienpartnern unterstützten Gewinnspiel teilnehmen. Die Bandbreite

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der mehr als 5.000 Preise reichte dabei von einfachen Merchandising-Artikeln bis hin zu größeren Sachpreisen, wie beispielsweise einem PKW oder einem 75-Zoll-Fernseher. Als weiteren extrinsischen Anreiz enthielt die App eine detaillierte Karte des Veranstaltungsgeländes mit Beschreibungen aller Veranstaltungsangebote und mit Hinweisen auf die schaz-VR. 3.3 Gestaltung der Virtual-Reality-Anwendung Das schaz-Projekt zielte auch darauf ab, den Besuchern des RLP-Tages die wichtigsten Wormser Veranstaltungen (Nibelungen-Festspiele, Worms: Jazz & Joy, Wormser Spectaculum, Backfischfest) in einer erlebnisorientierten Art und Weise näherzubringen. Dabei lag die Herausforderung darin, dass diese Veranstaltungen – im Gegensatz zu anderen Attraktionen der Stadt (z. B. Dom, Lutherdenkmal) – aufgrund ihres temporären Charakters während des Landesfestes nicht unmittelbar vor Ort erlebbar waren. Um den Gästen dennoch einen möglichst realitätsnahen Kontakt zu diesen vier Veranstaltungen bieten zu können, wurden diese mit Hilfe einer Virtual-Reality-Anwendung digital nachgebildet. Diese kombiniert computergenerierte interaktive virtuelle Elemente mit realen 360°-Video-Aufnahmen der Veranstaltungen. Zugänglich waren diese „virtuellen Veranstaltungswelten“ während des RLP-Tages in sechs auf dem Gelände des Landesfestes verteilten VR-Stationen. Hier konnten sich die Gäste mit Hilfe einer VR-Brille sowie einem dazu gehörenden Controller („Steuergriff“) unter Anleitung von geschultem Personal auf eine „virtuelle Reise“ zu den oben genannten Veranstaltungen begeben. In Anlehnung an den grundlegenden Bezug des schaz-Projektes zum Nibelungenlied beginnt die Reise in einer virtuellen Schatzkammer. Dort können die Anwender mit Hilfe des Controllers diverse virtuelle Artefakte (z. B. eine goldene Maske) aufheben und mit diesen interagieren (z. B. Aufsetzen der Maske). In Abhängigkeit vom gewählten Gegenstand führen die Interaktionen in eine von vier weiteren computergenerierten Umgebungen, welche jeweils inhaltlich und gestalterisch an eine der vier Veranstaltungen angepasst sind (z. B. Kulisse der Nibelungen-Festspiele). Haben die Anwender in dieser Umgebung eine einfache Herausforderung bewältigt (z. B. Verkleiden als Schauspieler), so werden sie in eine 360°-VideoAufnahme der jeweiligen Veranstaltung (z. B. Nibelungen-Festspiele) versetzt. Die 360°-Videos ermöglichen es den Nutzern die Veranstaltungen realitätsnah zu erleben. So finden sie sich beispielsweise mitten auf der Bühne zwischen Schauspielern in einer Szene der Nibelungen-Festspiele wieder. Um das „Live-Gefühl“ zu verstärken, wurden zusätzlich virtuelle Interaktionselemente in die 360°-Videos integriert. Zum Beispiel konnten die Anwender bei den Nibelungen-Festspielen – ähnlich einem Regisseur – aktiv wählen, aus welcher Kameraperspektive sie sich die Szene anschauen wollten.

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4 Vermarktung des schaz-Projektes Die Vermarktung der schaz-App und der schaz-VR erfolgte in drei Phasen. Die erste Phase umfasste die Zeit vor dem Launch der App und zielte darauf ab, bei verschiedenen Anspruchsgruppen, wie potentiellen Gästen des Landesfestes, den Medien, Politikern sowie potentiellen Sponsoren, Aufmerksamkeit zu erregen. Aufgrund seines innovativen Charakters und der Beteiligung einer Hochschule besaß das Projekt einen hohen Nachrichtenwert und eignete sich deshalb für die Öffentlichkeitsarbeit im Kontext des RLP-Tages. So berichteten insbesondere die Medienpartner des Projektes (Wormser Zeitung, RPR1, SWR), aber auch andere Medien bereits ca. ein Jahr vor dem Ereignis in regelmäßigen Abständen über den Prozess der Entwicklung der schaz-App und der schaz-VR. Auf zwei Pressekonferenzen zum RLP-Tag wurden neben den Medien auch Multiplikatoren aus Wirtschaft und Politik erreicht. Weiterhin sorgte die Präsenz des Projektes in Form einer VR-Station auf diversen regionalen und überregionalen Messen und Veranstaltungen, wie der Internationalen Tourismusbörse in Berlin, dem Tag der deutschen Einheit in Mainz, der Touristik-Messe „Caravan – Motor – Touristik“ (CMT) in Stuttgart oder dem Maimarkt Mannheim, für Aufmerksamkeit. Die zweite Phase der Vermarktung begann mit dem Launch der schaz-App ca. vier Wochen vor Beginn des RLP-Tages. Das Vermarktungsziel dieser Phase bestand neben dem Erregen von Aufmerksamkeit vor allem darin, die Konsumenten frühzeitig zum Download der App zu animieren. Damit sollten sowohl bereits im Vorfeld des Landesfestes Anwender gewonnen als auch Engpässe beim Download auf dem Veranstaltungsgelände vermieden werden. Zu diesem Zweck waren mit Veröffentlichung der schazApp in den Stores von Google und Apple bereits 6 der 28 Mini-Spiele sofort spielbar. Weiterhin erhielten die Nutzer ab diesem Zeitpunkt in regelmäßigen Abständen Zugang zu weiteren Spielen. Insgesamt ließen sich somit ca. 40,0 % aller Mini-Spiele bereits im Vorfeld des Landesfestes bewältigen, während die restlichen Spiele erst während des RLP-Tages bei einem Aufenthalt auf dem Veranstaltungsgelände freigeschaltet wurden. Dieses Vorgehen ermöglichte es den potentiellen Gästen des Landesfestes, die App bereits vor dem Ereignis zu testen. Gleichzeitig erhielten sie damit einen zusätzlichen Anreiz für einen Veranstaltungsbesuch. Neben der Öffentlichkeitsarbeit kamen in der zweiten Phase weitere Kommunikationsinstrumente zum Einsatz, wie etwa Plakate in der Außenwerbung sowie eine eigene Homepage mit Informationen zum schaz-Projekt. Um die Social-Media-Kommunikation zu unterstützen, besaß die App eine Schnittstelle zu Facebook. Somit hatten die Anwender während des Spielens die Möglichkeit (z. B. nach Erwerb eines Rütelin-Segments, bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl) ihr soziales Umfeld über ihren Spielerfolg zu informieren. Zusätzlich wurde auf den Facebook-Seiten der an der Organisation des RLP-Tages beteiligten Institutionen mehrfach auf die schaz-App sowie die VR-

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Stationen hingewiesen. Im Sinne einer kollektiven Marketing-Kommunikation machten letztlich sowohl die Medienpartner als auch die Sponsoren mittels eigener Kommunikationsmaßnahmen, etwa durch redaktionelle Beiträge in Kundenzeitschriften, Posts auf Social-Media-Kanälen, Bannerwerbung auf Internetseiten, Werbung in Filialen oder In-App-Werbung, auf das schaz-Projekt aufmerksam. Die dritte Vermarktungs-Phase umfasste alle kommunikativen Aktivitäten während des RLP-Tages. So wurden die anreisenden Gäste des Landesfestes bereits am Haupteingang zum Veranstaltungsgelände (Bahnhofsvorplatz) durch eine großformatige LEDWerbetafel sowie durch den auf einer Ausstellungsfläche platzierten Hauptpreis des schaz-Gewinnspiels (Automobil) auf das Projekt aufmerksam gemacht. Um eine möglichst enge Verknüpfung zwischen schaz-App und schaz-VR zu erreichen, konnten die Spieler zusätzliche Punkte erspielen, wenn sie auch die VR-Anwendung genutzt hatten. Zu diesem Zweck mussten sie eine der insgesamt sechs VR-Stationen auf dem Veranstaltungsgelände besuchen, die durch entsprechende Werbemittel (Plakate, Beachflags, Bekleidung der Mitarbeiter) im Corporate Design des Projektes gekennzeichnet waren. An einer Station erfolgte zusätzlich die Ausgabe der Preise des Gewinnspiels. Eine weitere Station – ausgerüstet mit drei VR-Ständen und einer Lounge – fungierte als zentrale Anlaufstelle für die Nutzer der Spiele-App. Hier erhielten die Spielenden persönliche Unterstützung bei technischen Problemen oder bei inhaltlichen Fragen zum Spiel. Außerdem befanden sich im Umfeld dieser Station mehrere WLAN-Hotspots, damit die Besucher des Landesfestes die App auch vor Ort installieren konnten. Darüber hinaus fand ein permanentes Monitoring der Nutzerbewertungen in den App-Stores statt, um auf Kritiken unverzüglich reagieren zu können.

5 Analyse des Erfolgs des schaz-Projektes In den drei Tagen des RLP-Tages nutzten ca. 4.500 Personen die schaz-App sowie mehr als 1.100 Personen die schaz-VR als zusätzliche Unterhaltungsangebote des Landesfestes. Aufgrund des Umfangs des pervasiven mobilen Werbespiels (7 km Wegstrecke, mehr als 6 h Spieldauer) sowie ihres Charakters als Gelegenheitsspiel verwundert es nicht, dass im Durchschnitt 7,7 Spiele gespielt wurden. Rund 250 Personen absolvierten alle Spiele an den drei Tagen vollständig. Gemäß den freiwilligen Angaben von 834 Nutzern der App im Rahmen ihrer Anmeldung für das Gewinnspiel lag deren Durchschnittsalter bei 36 Jahren, wobei sich Personen aller Altersklassen für das Spiel begeisterten (vgl. Abb. 1).

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Abb. 1: Altersstruktur der Nutzer der schaz-App Quelle: eigene Darstellung

Um den Erfolg des schaz-Projektes hinsichtlich seiner Wirkungen auf a) die Erlebnisse bzw. die Wertgenerierung während des Landesfestes, b) die Destinationsmarke Worms sowie c) die Erinnerung an die Sponsoren zu prüfen, wurde unter den Nutzern der schazApp und der schaz-VR jeweils eine Befragung durchgeführt (schaz-App: Online-Befragung in der App, schaz-VR: schriftliche Befragung vor Ort). Insgesamt nahmen 445 Personen (Durchschnittsalter: 40,6 Jahre; Geschlecht: 56,2 % Frauen, 43,8 % Männer) an der Befragung zur schaz-App teil, bei der schaz-VR waren es 334 Personen (Durchschnittsalter: 32,2 Jahre; Geschlecht: 42,7 % Frauen, 57,3 % Männer). Hinsichtlich der Generierung von hedonistischem Wert stimmten 93,1 % der Befragten der Aussage zu, dass ihnen das Spielen der schaz-App großen Spaß bereitet hat3. Bezüglich der schaz-VR lag dieser Wert bei 94,3 %. Weiterhin bewerteten mehr als 300 Nutzer (Stand: 04.06.2018) die App in den App-Stores von Apple und Google mit durchschnittlich 4,7 von 5,0 erreichbaren Punkten, wobei viele Personen ihr positives Urteil mit ihrem Spielerlebnis begründeten (z. B. „macht Spaß“, „grafisch sehr ansprechend“, „witzig“, „spannend“, „sehr kurzweilig und lustig“, „schön gestaltet“, „Top, um Zeit zu vertreiben“). Diese Ergebnisse legen nahe, dass sowohl das mobile Spiel als auch

3

Alle Messungen erfolgten anhand einer 5er-Skala (1=„stimme überhaupt nicht zu“ bis 5=„stimme voll und ganz zu“). Alle Werte beziehen sich auf die kumulierten Werte der Skalenpunkte 4 und 5.

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die VR-Anwendung positive emotionale Erlebnisse auslösten und damit hedonistischen Wert während des RLP-Tages stifteten. Im Rahmen der Befragung zur schaz-App mussten die Nutzer weiterhin das Image der Stadt Worms anhand verschiedener Statements bewerten. Dabei umfassten die zu beurteilenden Aussagen sowohl Inhalte, welche in der App explizit durch Mini-Spiele sowie Storytelling dargestellt werden (z. B. Nibelungen, jüdisches Worms), als auch Inhalte, die nicht Gegenstand der App sind (Kontrollvariable). Im Vergleich beider Gruppen von Statements verdeutlicht die folgende Abbildung, dass die Befragten die durch die App thematisierten Markenattribute stärker mit der Stadt assoziierten als die restlichen Aussagen. Insbesondere den Markenkern (Nibelungenstadt) verknüpfen sie mit Worms. Weiterhin stimmten 90,1 % der Nutzer darin überein, mit Hilfe des Spiels viel über die Sehenswürdigkeiten der Stadt Worms erfahren zu haben. Von den Anwendern der schaz-VR waren 56,8 % der Befragten der Meinung, dass sie durch ihren Ausflug in die Virtual Reality eine bessere Vorstellung von den Wormser Veranstaltungen erhalten haben. Befragt nach ihren Verhaltensintentionen, würden 73,0 % der zur App befragten Personen ihren Freunden einen Besuch in Worms empfehlen. Bei 72,0 % hat die App außerdem die Lust geweckt, die Stadt zukünftig nochmals zu erkunden. 65,7 % der zur schaz-VR befragten Personen gaben an, eine der in der virtuellen Welt gezeigten Veranstaltungen besuchen zu wollen. 69,0 % würden die Veranstaltungen weiterempfehlen. Zusammenfassend belegen diese Ergebnisse, dass sich pervasive mobile Werbespiele sowie der Einsatz von Virtual Reality durchaus als Instrumente des Destinationsmarketings, insbesondere zur Stärkung von Destinationsmarken eignen.

Abb. 2: Mit der Stadt Worms assoziierte Markenattribute Quelle: eigene Darstellung

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Weiterhin wurde in der Studie zur schaz-App die Erinnerung an die Sponsoren analysiert. Zu diesem Zweck mussten die Befragten aus einer Liste von Sponsoren und Nicht-Sponsoren (Kontrollvariable), die Marken auswählen, die ihrer Meinung nach den RLP-Tag als Sponsor unterstützen (gestützte Erinnerung). Die in Abb. 3 dargestellten Ergebnisse zeigen, dass Marken, die in der App in Form eines eigenen Mini-Werbespiels vertreten sind, die besten Erinnerungswerte erzielen. Marken, die nur mit Hilfe eines Markenlogos am Ende eines Mini-Spiels eingebunden wurden (In-Game-Werbung), schneiden hingegen schlechter ab.

Abb. 3: Gestützte Erinnerung an ausgewählte Sponsoren des RLP-Tages Quelle: eigene Erstellung

6 Fazit Das in diesem Beitrag vorgestellte Projekt verdeutlicht, dass Apps sowie VR-Anwendungen im Kontext von Veranstaltungen für verschiedene Akteure einen Mehrwert stiften können. Dieser bestand bei den Veranstaltungsbesuchern hauptsächlich in den – für einen RLP-Tag eher seltenen – spieltypischen Erlebnissen (hedonistischer Wert). Weiterhin konnten sie mit etwas Glück durch das Gewinnspiel ökonomischen Wert für sich generieren. Somit ist es der KVG – als Organisator des Landesfestes – gelungen, die Erlebnisqualität des Ereignisses und dessen Potential zur Wertgenerierung zu verbessern. Außerdem erwies sich das schaz-Projekt sowohl bei Akquise von Sponsoren als auch bei der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung für den RLP-Tag als hilfreich. Die Stadt Worms konnte mit Hilfe der schaz-App und schaz-VR die für das Image der Stadt prägenden Markenattribute deutlich herausstellen und damit die Destinations-

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marke stärken. Weiterhin gelang es den Veranstaltungssponsoren durch die hier beschriebene Art des aktivierenden Leveragings (vgl. Drengner 2019), die Aufmerksamkeit der Gäste des Landesfestes auf ihre Marke bzw. Leistung zu lenken. Weiterhin gibt der Beitrag konkrete Hinweise darauf, wie sich das Konzept der Gamifizierung (Gamification) sowohl im Kontext von Veranstaltungen als auch als Instrument des Destinationsmarketings einsetzen lässt. Eine zentrale Erkenntnis besteht darin, dass bei der Entwicklung solcher digitalen Angebote alle beteiligten Akteure (z. B. Veranstalter, Sponsoren, Konsumenten) möglichst frühzeitig in den Entwicklungsprozess eingebunden werden sollten. Hierzu eignet sich vor allem der Ansatz des agilen Projektmanagements in Verbindung mit dem Konzept des erlebniszentrierten Designs (vgl. Drengner/König 2019; Drengner/König 2017). Beim Design des Werbespiels ist vor allem darauf zu achten, die zu vermittelnden Marketing-Botschaften durch das Design der Spiel-Mechaniken, des Storytellings, des ästhetischen Erscheinungsbildes sowie der Benutzeroberfläche möglichst „tief“ in das Spiel zu integrieren. Weiterhin hat sich gezeigt, dass sich vor allem die Verknüpfung des Spiels mit der physischen Umwelt der Veranstaltung – sowohl als pervasives Spiel als auch durch VR-Stationen – positiv auf die Erlebnisqualität der Veranstaltung auswirken kann.

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Achim Kießig, Kenneth Hädecke Erasmus+ Project „DiMenSion“

1 Project Background and Objective Against the backdrop of a generally increasing orientation towards exceptional customer experiences across businesses (cf. Pine/Gilmore 1999), marketing events have become an integral part of effective marketing communications. According to recent sector research, companies’ budgets for Live Communication have constantly risen in past years, and further growth at rates between 4 % and 5 % is expected depending on the European country one look at (cf. LiveCom Alliance 2019). Beside a change in ways how companies address customers, this growth goes along with new developments and challenges faced by the event industry. Issues such as business ethics, social and environmental responsibility1, risk management (cf. Reid/Ritchie 2011, p. 331), agile project management practices and digital communication (cf. Gyimóthy/Larson 2015) are examples for some novel trends in the event management industry. In this context, a growing understanding for not only considering the financial dimension of business success, but also taking a non-financial dimension into account becomes increasingly obvious. Many of the current industry dynamics reveal that management practices change by an increasing consideration of social and environmental issues. Taken together, most of the trends can be condensed to the concept of sustainability, which comprises the economical, ecological and social dimensions of enduring business strategies (cf. Bansal/Song 2017), and therefore, has become a prevailing theme in the event management community. Sustainability issues already stimulate an intensive discourse among industry experts and research has just recently started to point out the need, as well as the potential of introducing the sustainability concept to the field of event management (cf. Pernecky 2015). The shift towards more responsible event management practices put new demands on the organisation and staging of marketing events, thereby necessitating the development of novel event management competencies, as well as a ‘sustainable mindset’ of event managers. With regard to the conveyance of event management knowledge and skills, event education programs have been rising in the last twenty years. Though a plethora of under-

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The growing importance of business ethics and compliance within the Live-Communication industry manifests in sector events such as, the “FAMAB-Sustainability Summit” (see: https://famab.de/sustainability-summit-2018/) or initiatives such as, the development of the “PanEuropean Code of Ethics” (see: http://www.livecomalliance.eu/wp-content/uploads/2017-Livecomalliance-code-of-ethics1.pdf [Accessed: 31. 01. 2019])

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_14

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graduate, graduate and executive level programs on event management exist (cf. El Kashef 2015, p. 2f.), programs that promote competencies related to the development and execution of event strategies that focus on balancing the economical, ecological and social dimension of event management are virtually non-existent2. In response to the increasing calls for more knowledge on how to manage events in a sustainable manner the project “Developing Marketing Solutions for Sustainable Brands (‘DiMenSion’)” has been initiated in 2018. The key objective behind the acronym DiMenSion is the conception and pilot run of an executive level event management education program, which equally considers the three facets of sustainable business practices, thereby helping to further introducing sustainability among event management practitioners.

2 Sustainable Event Management and Event Education In business contexts sustainability “refers to a company’s activities […] demonstrating the inclusion of social and environmental concerns in business operations and in interactions with stakeholders” (van Marrewijk/Werre 2003, p. 107). Therefore, a core objective of sustainable business strategies is to simultaneously striving for desirable economic, environmental and social interests (cf. Gao/Bansal 2013, p. 241 f.). On the one hand, the enhanced popularity of the sustainability concept is a ‘need-driven’ reaction to a generally enhanced requirement for more responsible business practices, which is caused by a strengthened and broad consensus on the human responsibility for an intact environment. On the other hand, sustainable business strategies and practices are also ‘opportunity-driven’, since the sustainability concept holds the potential to enhance business success. For example, past research has shown sustainable business activities to be positively related to financial performance, but also to non-financial results, including, for instance, improved corporate reputation, enhanced brand image, heightened innovative capabilities, risk reduction, improved stakeholder relationships and favourable public publicity (cf. Bansal/Song 2017, p. 112 ff.). Turning towards the area of event strategy as one part of an overarching business strategy, implementing the concept of sustainability in event management activities can be seen as an investment and a contribution to businesses overall success. This perspective does not reduce events to be means for promoting messages of sustainability, such as “eco” or “green”. Sustainable event management should instead apply a broader and holistic macro-perspective, which considers event management as a field of action that

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A benchmarking analysis of existing event management education programs across Europe has been conducted within the Erasmus+ project “DiMenSion”. Results of the analysis revealed a lack of education programs that systematically convey knowledge on enhancing sustainability practices in the event management industry.

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provide opportunities to put more sustainable business activities into practice (cf. Pernecky 2013), to aim for long lasting competitive advantages. In order to achieve this by realising the potential that can arise from planning and executing sustainable events, specific individual preconditions are necessary (cf. Bansal/Song 2017, p. 114 f.). This means in particular, that event managers need to deeply integrate sustainability concerns into their mental model of event management practice. In this vein, Bansal and Song (2017) provide an overview of existing research that points to the prerequisites of sustainable business practices. Important determinants of sustainability on an individual level are managers’ ethical commitment, collectivistic values, managerial compensation, transformational leadership qualities and ecological sensemaking (cf. Bansal/Song 2017, S. 114). To enhance sustainable practices in the event management context, event management education should act upon these determinants to add a ‘sustainability dimension’ to event managers’ mindsets. Despite the ‘sheer will’ for sustainability that stems from a ‘sustainable mindset’, it has to be emphasised that enhancing sustainability is an ambitious concern, often accompanied by many challenges. Sustainability is rooted in systems theory, which assumes the connectedness and interdependence of objects within and across different levels of systems (cf. Bansal/Song, 2017, p. 124 ff.). According to this logic, the three pillars of sustainability are closely intertwined and changes in one dimension will likely cause changes in another dimension. Economical, environmental and social objectives are therefore highly interdependent and can only be achieved by an equal consideration of all dimensions of the sustainability concept. This assumption also holds true in the event management context. The crucial challenge associated with increasing sustainability of marketing events, however, lies in a key premise of systems theory: A favourable state of one object in the system does not automatically imply a favourable condition of another object within the system and vice versa. Thus, economical, environmental and social objectives are often interrelated yet contradictory (cf. Hahn/Preuss/Pinske/ Figge 2015, p. 18 f.), which can lead to tensions that arise from conflicting business goals. One promising way to align conflicting objectives is to improve the efficiency of business activities. Enhanced efficiency provides the potential to free up resources, which can be used to reconcile competing goals. Combining economical with ecological and societal success without negative effects on one of the three sustainability dimensions, requires event managers to improve not only the effectiveness, but also the efficiency of all event management related processes. For example, new technologies for information exchange in shared work processes and innovative work practices, such as agile project management, allow managers to enhance their work efficiency to free up the necessary resources and align business objectives with social and environmental interests. Thus, beyond a ‘sustainable mindset’ event management education must also convey

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knowledge on how to successfully balancing interests of different stakeholders, by implementing innovative and efficient work practices, technologies and management tools.

3 Project “DiMenSion” In the period from January 2018 to September 2019 the Erasmus+ project DiMenSion develops and implements an event management education program. DiMenSion thereby addresses the two central objectives mapped out above. Firstly, the program aims at fostering a ‘sustainability mindset’ among event practitioners to further introduce the sustainability concept to the industry. Secondly, the education program is designed to convey knowledge on the management process of marketing events. The focus in this regard is on new technologies, as well as management practices and tools that provide potential to enhance the efficiency within the event management process chain. In order to do justice to the internationalisation and the growing importance of the intercultural dimension that accompanies the increasing professionalization of the event industry, DiMenSion is set up on an European level. Partners from five European countries have been jointly working together to develop and pilot run an executive level event management program. In the first part of the project, the involved institutions namely, Institute for Research in Environment, Civil Engineering and Energy – IECE (Macedonia), Chemnitz University of Technology (Germany), CESIE (Italy), Crystal Clear Soft (Greece) and ICQ Consulting (United Kingdom) designed a program of consecutive modules. The first step was to analyse the requirements of the event management industry in Europe by conducting a situation analysis and several benchmarking studies. The institutions then built on the results to develop the course content and teaching materials. Face-to-face meetings and multiple workshops have been taking place to discuss on open issues and to finalise the course, which consists of six modules. All modules (“Strategic Event Management”, “Event Concept and Design”, “Event Controlling and Performance”, “Sustainable Brand Management”, “Intelligent Event Leadership” and “Event Challenges and Trends”) have been designed to jointly contribute to the central objective of promoting sustainability and event management efficiency. In the second project phase, starting in 2019, the course is being implemented as a pilot run in the facilities of IECE in Skopje, Macedonia. In accordance with the course’s module structure, the participants of the pilot run are trained during six weekends between January and May 2019. As the course is designed as an executive level program, case study learning is the dominant mode of learning. Frontal teaching during the face-toface sessions is minimised.

Erasmus+ Project „DiMenSion“

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After the pilot run has been finished successfully and evaluated comprehensively in September 2019, it is considered to adapt and further roll out the program in other European countries under intensive use of the opportunities of E-Learning tools.

Erasmus+ Project „DiMenSion“

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Julia Krause Nachhaltigkeitsaspekte im Anlagenbau auf der Achema-Messe 2018

1 Einführung Eine nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft, welche ökologische, soziale und ökonomische Aspekte berücksichtigt, scheint besonders seit den im Jahr 2015 auf der UN-Klima-Konferenz in Paris vereinbarten 17 Nachhaltigkeitszielen einen enormen Schwung auch in der Wirtschaft aufgenommen zu haben. Über die Nachhaltigkeit wird nicht nur in der Industrie und der Politik, sondern auch an den deutschen Universitäten und diversen sozialen Einrichtungen nachgedacht und neue Konzepte zur nachhaltigen Bildung entwickelt1. Die Nachhaltigkeit agiert als Gesellschaftstrend, der sich auch auf die Messe- und Eventbranche auswirkt und mit welchem neue Standards und Normen gesetzt werden, um unsere Zukunft in allen Aspekten menschen- und umweltfreundlicher zu gestalten (vgl. Zanger 2012, S. 1071 ff.). Achema ist eine der führenden Messen auf dem Gebiet der innovativen Verfahren für die Chemie-, Pharma- und Lebensmittelindustrie, auf welcher weltweit führende Unternehmen ihr Knowhow dem internationalen Publikum darstellen. Die Messe ist seit langem zu „dem Event“ geworden, der die neuen Maßstäbe für die Industrie weltweit setzt und innovative Vorreiter auf diversen Gebieten präsentiert und würdigt. Der Gegenstand unserer Forschung, die in Form einer Beobachtung und eines teilstandardisierten Interviews mit 44 Vertretern des Maschinen- und Anlagenbaugeschäftes durchgeführt wurde, war der Umfang und der Grad der Implementierung des Nachhaltigkeitsgedanken in internen und externen Unternehmensprozessen am Beispiel einer Messe. Folgende Fragen bildeten den Schwerpunkt der Umfrage: Wie stark ist das Thema der Nachhaltigkeit auf der Messe präsent? Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit für deutsche Maschinen- und Anlagenbauunternehmen? Wie wird das Thema der Nachhaltigkeit auf der Messe und intern in Unternehmen kommuniziert? Die Untersuchung hatte zum Ziel das vorhandene Verständnis für die Nachhaltigkeit am Beispiel der Achema-Messe zu analysieren, die Befragten für das Thema zu sensibilisieren und Ansätze zur Konzeption des nachhaltigen Messeauftritts zu identifizieren, um auf diese Weise den Veranstaltern und Ausstellern der Industriemessen einige Impulse für die zukünftigen innovativen und nachhaltigen Events zu liefern.

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Z. B. BNE – Bildung für nachhaltige Entwicklung – ein internationales Bildungsprogramm zur Implementierung von nachhaltigen Entwicklungsprozessen mit ökologischen, ökonomischen und sozio-kulturellen Aspekten sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_15

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2 Die Nachhaltigkeit im Verständnis der deutschen Maschinen- und Anlagenbauaussteller auf der Messe – Resultate der Untersuchung Während sich alle Aussteller zu der Bedeutung der Nachhaltigkeitsthemen in ihrer Industrie und der Gesellschaft bekennen und diese in die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistungen berücksichtigen, spielt diese Thematik bei der Messeorganisation kaum eine Rolle, bzw. wird nicht explizit in diesem Zusammenhang wahrgenommen und somit sehr einseitig angegangen. Die ganze Nachhaltigkeitsthematik wird größtenteils in internen Produktionsprozessen auf zwei Themen reduziert: die Energieeffizienz und die Reduzierung von CO2-Abgasen. Diese heute in der Gesellschaft sehr präsenten Themen sind etwas, was der Kunde fordert und die Politik mit ihren Programmen vorantreibt. Somit fehlt vielen Unternehmen das grundlegende Verständnis der Vielschichtigkeit der Thematik. Nichtsdestotrotz gibt es bereits eine Reihe von Unternehmen, die aktiv an nachhaltigen Lösungen für die Wirtschaft und die Gesellschaft arbeiten und Produkte und Dienstleistungen anbieten, die der nachhaltigen Umweltgestaltung dienen: die Dräger AG, die durch Wiederverwendung von eigenen ausgedienten Produkten die Kreislaufwirtschaft fördert2 oder das multinationale Unternehmen Thyssen Krupp, welches eigenständig und in Kooperationen mit Forschungseinrichtungen an innovativen technologischen Lösungen für mehr Nachhaltigkeit und für mehr Umweltschutz arbeitet3. Es wird betont, dass das Thema der Nachhaltigkeit bei der Wahl der Technologie in einem Spannungsfeld mit Kundenmöglichkeiten und politischen Anforderungen steht und trotzdem in Ausschreibungsverfahren von großen Konzernen öfters explizit erwähnt wird und auch nicht nur die primären Produkte im Fokus hat, sondern die benachbarten Strukturen, wie das komplette Supply Chain Management und das komplexe Dienstleistungsmanagement, berücksichtigt. Dazu gehören auch die Öffentlichkeitsarbeit und die Messepräsentationen. Und diese bedürfen eines neuen Ansatzes und einer neuen Denkweise in Bezug auf die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit des Themas. Die

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Allerdings bedarf der Erfolg dieses beachtenden Ansatzes auch der Mitwirkung der Endkunden, die die gebrauchten Produkte an das Service-Zentrum zurück schicken. Diese „Kreislauf-Mentalität“ sei bei vielen Kunden des Unternehmens leider noch nicht ausgeprägt, bzw. bedürfe anderer Anreize.

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„Carbon2Chem“ hat als Ziel die bei der Stahlproduktion entstehenden Gase zu Chemikalien umzuwandeln. „Smart Energy Storage“ sucht nach Lösungen die erneuerbare Energie effizient zu „lagern“. „Oxyfuel“ fängt in der Zementindustrie die entstehenden hoch konzentrierten CO2–Gase ein. „BioTofuel“ untersucht die Herstellung von umweltfreundlichen Treibstoffen (Biodiesel und Biokerosin) für konventionelle Dieselmotoren in Autos, Zügen, Schiffen oder auch Flugzeugen. Im Projekt „E-Mobility“ wird an der Steigerung der Batteriekapazität der Elektromotoren gearbeitet.

Nachhaltigkeitsaspekte im Anlagenbau auf der Achema-Messe 2018

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Nachhaltigkeit von Messe- und Eventkonzepten soll nicht als „erhöhte Kosten“ betrachtet werden, sondern als „added value“ (vgl. Zanger 2012, S. 1071 ff.). Durch die Sensibilisierung der Gesellschaft für die Thematik und innovative nachhaltige Messekonzepte können die Unternehmen ihr Image positiv beeinflussen und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen (vgl. Lohmann/Pyka/Zanger 2017, S. 65 ff.), denn die Kunden von heute sind anspruchsvoll und bereit die „Nachhaltigkeitsaufwendungen“ besonders zu honorieren. Dabei ist es wichtig den Unternehmen eine Orientierung zu geben und über die Möglichkeiten der nachhaltigen Messegestaltung zu unterrichten (vgl. Holzbaur 2016, S. 159 ff.). Dies kann in Form eines Leitfadens erfolgen, an dem sich die Unternehmen selbst auf ihre aktive Nachhaltigkeit überprüfen können.

3 Ganzheitliche Herangehensweise zur Gestaltung von nachhaltigen Messen Die logistische Belastung der Umwelt durch solche Veranstaltungen, wie die AchemaMesse mit 3.737 Ausstellern aus 55 Ländern und 145 Tausend Besuchern (vgl. Achema 2018) rückt in den Vordergrund und stellt die größte Herausforderung in Bezug auf die Nachhaltigkeit dar. Neue Konzepte zur nachhaltigen Organisation aller Strukturelemente des Events müssen neu entworfen werden: Transportbündelung, Elektrotransporte, kürzere Wege, lokale Service-Leistungen, kooperative Ansätze auch unter Wettbewerbern, CO2-Kennzeichnungen, Kalkulation und Bepreisung von CO2-Emmissionen. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Messen, bei der Entwicklung des Messestandkonzeptes und -betriebes können zahlreiche Maßnahmen implementiert werden, wie regionales und saisonales Catering, langlebige und umweltfreundliche Materialien, Wiederverwendbarkeit der Stände, Möbel, Bodenbeläge, Vermeidung von Einweggeschirr, Digitalisierung usw. (vgl. Abele/Holzbaur 2011, S.8ff.). Auch die Veranstalter können viel zur Nachhaltigkeit auf Messen beitragen: Barrierefreiheit, nachhaltiger Energieverbrauch, Ressourcenschonung, Elektrofahrzeuge auf dem Gelände, Müllvermeidung, Vor-Ort-Recycling usw. (vgl. Zanger 2012, S. 6; Holzbaur 2015, S. 27ff.). Zertifizierung der nachhaltigen Messegestaltung kann ebenfalls ein wirkungsvolles Instrument sein, um den Nachhaltigkeitsgedanken weiter in der Welt zu verankern.

4 Fazit Es ist von enormer Bedeutung, dass alle Veranstaltungen und besonders innovative internationale Messen, die globale Akteure der internationalen Wirtschaft anlocken und ihnen einen Raum bieten, ihre innovativen Produkte dem breiten Publikum vorzustellen,

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Julia Krause

holistische Nachhaltigkeitskonzepte für die komplette Durchführung solcher Veranstaltungen entwickeln. Diese global agierenden und weltweit vernetzten Wirtschaftsakteure haben eine unglaubliche Kraft den Nachhaltigkeitsgedanken weiter zu tragen, als Vorbild den Unterlieferanten, den Kunden und anderen Stakeholdern zu dienen und auf diese Weise einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit auf der ganzen Welt zu leisten. Die Verantwortung für mehr Nachhaltigkeit liegt nicht nur auf der Managementebene. Um erfolgreich den Nachhaltigkeitsgedanken weiter zu verbreiten, müssen diverse Stakeholder im gesamtgesellschaftlichen Konzept für die Thematik sensibilisiert werden. Die Unternehmensleitung sollte sich jedoch tatsächlich zur nachhaltigen Organisation in allen ihren Facetten bekennen und diese vorleben, damit die Mitarbeiter, am Beispiel der Geschäftsführung orientierend, diese weiter in ihr persönliches Umfeld tragen können (vgl. Zanger 2012, S. 7). Die ganzheitliche Nachhaltigkeit bei der Organisation der Messen und der Events sollte zum Kriterium der Genehmigung der Veranstaltung und der Annahme des Ausstellers werden. Auch die Besucher sollten dem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken und die Innovation eines Produktes, einer Dienstleistung oder eines Unternehmens anhand diverser Nachhaltigkeitsthemen einschätzen und auf die systemische Herangehensweise prüfen. Dieser Prozess bedarf eines Bewusstseinswandels aller beteiligten Parteien. Die dafür notwendige Unterstützung können Schulen und Universitäten liefern, die sich dem Thema der nachhaltigen Gestaltung aller gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und ökonomischen Prozesse immer mehr widmen und eine neue Generation an umweltbewussten Fachleuten ausbilden und erziehen, die die Nachhaltigkeit in ihrer Ganzheit in sich tragen und durch ihre nachhaltige Einstellung die festgesetzten Traditionen durchbrechen können. Die Nachhaltigkeitsthematik soll ein fester Bestandteil nicht nur in den Curricula der Ausbildung im Messe- und Eventbereich sein, sondern auch aller wirtschaftswissenschaftlicher, ingenieurtechnischer und auch sozialer Fachrichtungen, denn das Thema ist so vielschichtig und auf alle Bereiche anwendbar. Ein Transfer des vorhandenen Wissens in beide Richtungen - von den Hochschulen in die Wirtschaft und auch umgekehrt - bildet eine grundlegende Voraussetzung für eine nachhaltige Implementierung des angestrebten Wandels und für die aktive Berücksichtigung und Umsetzung aller Aspekte der Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeitsaspekte im Anlagenbau auf der Achema-Messe 2018

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Dirk Hagen Festivalisierung in der Meeting Industry: Von der Kontaktanbahnung zur Spaßgesellschaft und zurück. Ausgesuchte empirische Ergebnisse zum Digitalfestival re:publica, Berlin

1 Einführung: Festivalisierung als Phänomen Schon 1993 erschien das von den Stadtsoziologen Häußermann und Siebel herausgegebene Buch „Festivalisierung der Stadtpolitik, Stadtentwicklung durch große Projekte“ (Häußermann/Siebel 1993). Das Herausgerberwerk der beiden deutschen Stadt- und Regionalforscher ist dabei im Kern eine kritische Auseinandersetzung mit Stadtmarketingbzw. Stadtplanungsstrategien, die durch heute als Mega-Events bezeichnete Großprojekte wie die Olympischen Spiele, die Weltausstellung EXPO oder die Documenta in Kassel vorangetrieben werden. Der im englischsprachigen Raum verwendete Begriff „Festivalization“ kann dagegen als eine Beschreibung der quantitativen Zunahme von Festivals als ein neues Phänomen verstanden werden. Die „Festivalisierung“ von Messen, Kongressen und Konferenzen – im Obergriff hier als „Meeting“ zusammengefasst – ist letztendlich aber eine noch junge Erscheinung, die insbesondere auf den Wandel von MICE-Formaten bzw. Messen hinweist. Im Folgenden soll in aller Kürze ein erster Einblick in dieses Phänomen geboten und am Beispiel des Digitalfestivals re:publica untersucht werden, ob diese neuen Eventformen noch als Kumulationsorte zur Herstellung von Kontakten – letztendlich zur Netzwerkbildung gesehen werden können.

2 Festival, Festivalization & Festivalisierung in der Meeting Industry Als eine Definition für „Festival“ kann die organisierte Reihung von besonderen Veranstaltungen wie musikalische Darbietungen, Theater, Filme etc. verstanden werden, die konzentriert an einem Ort bzw. in einer Stadt/Region und während eines bestimmten Zeitraums stattfindet. „Festivalization“ kann damit als eine Beschreibung der starken Dynamik derartiger Festivals aufgefasst werden (vgl. Sala et al. 2016), aber auch als ein Prozess, da kulturelle Aktivitäten, die zuvor in einem regelmäßigen, kontinuierlichen Muster bzw. einer Saison präsentiert worden sind, nun zu einem „neuen“ Event, einem Festival, umgestaltet werden (vgl. Négrier 2014, dazu auch vgl. Getz 2010). Für die Festivalisierung der Meeting Industry wiederum können zwei verschiedene Entwicklungen beschrieben werden: Auf der einen Seite beteiligen sich eher geschäftsorientierte Teilnehmer an schon vorhandenen Festivals, die sich dieser neuen Klientel öffnen, auf der anderen Seite wandeln sich MICE-Formate bzw. Messen hin zu einer neuen Festivalform. Ziel ist eine kollaborative, zum gegenseitigen Nutzen festivalisierte Eventform.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_16

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Dirk Hagen

2.1 Vom nordamerikanischen Trend zu deutschsprachigen Formaten Als ein Beginn des Trends zur Festivalisierung für „Meetings“ könnte die multidisziplinäre Programmentwicklung auf der „SXSW“ (South by Southwest Conference & Festival) in Austin, Texas, angesehen werden, aber auch weitere nordamerikanische Konzepte wie die „C2 Montreal“, sind festivalisierte Formate, bei denen Teilnehmer aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen wie Business, Technologie, Medien, Wissenschaft, Bildung, Kunst und Kultur ihre Ansichten über einen internationalen, globalen Wandel kollaborativ austauschen. Die Transformation der Cebit-Messe in Hannover 2018 in ein „Festival für Innovation und Digitalisierung“ führte dann dazu, dass dieser Trend auch einer breiten Öffentlichkeit in Deutschland bekannter wurde (vgl. z. B. Handelsblatt 2018). Die „alte“ Cebit, traditionell im Sinne einer Messe organsiert mit Messeständen und Fachbesuchern auf einer enorm großen Messefläche, verlor in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Das neue „Cebit-Festival“ wartete dagegen jetzt nicht nur mit einem vom Software- und IT-Riesen SAP gesponserten Riesenrad als MeetingPlattform, mit Foodmärkten und Outdoor-Areas auf, sondern bot auch Konzerte mit angesagten Stars wie Jan Delay. Ziel: Dem kontinuierlichen Besucherschwund und Bedeutungsverlust der letzten Jahre entgegentreten – und ein neues, jüngeres Publikum ansprechen. Letztendlich ist die „neue“ Cebit gescheitert, sicherlich auch deswegen, weil Deutschland in diesem Technologiebereich nur noch schwindende Bedeutung aufweisen kann. Dagegen weist das „Reeperbahn-Festival“ in Hamburg mit rund 40.000 Festivalbesuchern und gleichzeitigem Besuch von rund 5.000 Fachteilnehmern als eine herausragende europäische Musikwirtschaftszusammenkunft weiter Wachstumszahlen auf (vgl. Hamburger Abendblatt 2017). Hier finden dann Hunderte Konzerte, Partys etc. an verschiedenen Veranstaltungsorten im urbanen Ambiente statt. Auch das „OMR Online-Marketing-Rockstars-Festival“ in Hamburg, eine Kombination aus MarketingFachkonferenz, Fachausstellung und Konzertfestival, mit mittlerweile 40.000 Besuchern zeigt beeindruckende Wachstumswerte – vor sieben Jahren mit gerade einmal 150 Besuchern gestartet (vgl. Welt 2018). 2.2 Postmoderne und Digitalisierung: Creative Industry und Start-ups Die „Creative Industries“, die sogenannte Kultur- und Kreativwirtschaft, die zwar noch mit dem Kultur-Sektor verbunden sind, aber im Kern erwerbswirtschaftlich orientierte Betriebe darstellen, sind seit rund einem Jahrzehnt in den westlichen Volkswirtschaften stark wachsende Märkte (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie BMWi 2015). Insgesamt entsteht eine wachsende junge Start-Up-Szene, die vorangetrieben durch die digitale Transformation disruptive Geschäftsmodelle entwickelt. Gerade die Mitarbeiter und Manager dieser jungen Betriebe haben aber auch neue, ästhetische bzw. gesellschaftliche, postmoderne Ansprüche (vgl. Hagen 2016). Es ist damit eine neue Generation von jungen Managern bzw. Entrepreneuren entstanden, die durch Events im Sinne einer „Spaßgesellschaft“ (vgl. Hitzler 2011) sozialisiert worden ist, und diese

Festivalisierung in der Meeting Industry

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neuen Ansprüche auch in Meetings, Messen etc. wiederfinden will. Dieser Trend der Festivalisierung kann daher im Kontext einer Eventisierung der Gesellschaft gesehen werden, die als Folge einer Postmoderne von einer zunehmenden Pluralisierung und Individualisierung gekennzeichnet ist. Dabei wirken solche Zusammenkünfte wie Festivals bzw. Events identitäts- und gemeinschaftsstiftend (vgl. Gebhardt 2000). Diese postmodernen Gruppen forcieren nicht nur den Wandel der bisherigen MICE-Formate, sondern sie sind mit ihren neuen, häufig digitalgetriebenen Geschäftsmodellen für etablierte Unternehmen bzw. Investoren auch Hoffnungsträger bzw. potenzielle Kooperationspartner.

3 Festivalisierte Meetings als Orte für Kontakt- und Netzwerkbildung? Als eine Kernaufgabe für die verschiedensten „Meetings“ kann das mehrwertbildende Zusammenführen von Teilnehmern im Sinne von innovations- und wettbewerbstreibenden Kontakten bzw. Netzwerken verstanden werden. Sogenannten „weak ties“, schwache Beziehungen, im Vergleich zu den „strong ties“, den starken Beziehungen, die durch häufige und feste Kontakte geprägt sind, wird im netzwerktheoretischen Ansatz ein hohes Potenzial an innovationsfördernden Impulsen zugesprochen (vgl. Granovetter 1973). „Meetings“ sind dann bevorzugt Orte solch „schwacher“ Beziehungen. Solche Zusammenkünfte deuten dann auf die Funktion von „Brücken“ zwischen verschiedenen Netzwerken außerhalb des temporären Clusters eines z. B. festivalisierten Meetings hin (vgl. Hagen/Luppold 2017, Zenk et al. 2014). Ziel wäre es damit für Teilnehmer, neue Kontakte zu generieren und letztendlich die Bildung innovationstreibender Netzwerke zu ermöglichen (vgl. Bathelt et al. 2014). Ist diese Zielorientierung der Kontakt- und Netzwerkbildung auch für die Teilnehmer solcher festivalisierten Zusammenkünfte noch erkennbar oder tritt sie in den Hintergrund? 3.1 Empirische Forschung: Untersuchungsobjekt Digitalfestival re:publica Die re:publica, Berlin startete vor über 10 Jahren als ein Szene-Event in dem BerlinerMitte-Club Kalkscheune, um heute als größtes Digitalfestival in Europa zu gelten. Dabei handelt es sich um ein dreitägiges Festival mit Live-Musik, Workshops und über 100 Präsentationen bzw. Vorträgen aus den Bereichen Medien, Kultur, Technologie und Politik. Tatsächlich bezeichnete sich die re:publica lange Zeit als eine Konferenz, bevor eine Umbenennung zum Festival vorgenommen wurde. Festzuhalten ist aber, dass Musik, Party und disruptive Formen der Interaktion – von Räumlichkeiten über die Organisation bis hin zu einzelnen Formaten – schon immer Kern dieser Zusammenkunft war. Im Rahmen des Studienganges „Internationales Tourismus- und Eventmanagement“ bzw. in zwei Seminaren unter der Leitung von Prof. Dr. Dirk Hagen wurde die re:publica zum Untersuchungsobjekt. Anhand eines standardisierten Fragebogens, der sich in über

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Dirk Hagen

20 Fragen aufteilte, wurden an zwei Tagen im Mai 2017 während des Festivals Teilnehmer mündlich interviewt. Für die Befragung standen dafür Fragebögen in deutscher sowie englischer Sprache zur Verfügung. Insgesamt konnten 102 Fragebögen ausgewertet werden. 3.2 Ausgesuchte Ergebnisse der Untersuchung zum Digitalfestival re:publica Aufgrund des im Rahmen dieser Publikation für diesen Beitrag sehr eingeschränkten Umfangs kann hier nur ein einfaches, eingeschränktes Schlaglicht auf die Ergebnisse geboten werden. 90 % der Befragten geben an, dass ihr Ziel auf der re:publica darauf orientiert ist, dass sie neue Kontakte knüpfen bzw. alte Kontakte erneuern wollen, darunter geben zwei Drittel an, gerade neue Kontakte knüpfen zu wollen. Dies erscheinen signifikante Werte bezüglich der Zielorientierung der Teilnehmer. Mit 10 % ist die Menge der Teilnehmer, die angibt, auf der re:publica nicht auf das Knüpfen neuer Kontakte abzuzielen, relativ gering. Das zeigt deutlich, dass das Digitalfestival re:publica nur bei einer Minderheit als rein spaßorientiertes Event verstanden wird. Ist Ihr Ziel auf der re:publica eher darauf orientiert... 10%

Gar keine Kontakte zu knüpfen Alte Kontakte zu erneuern

28% 62%

Neue Kontakte zu knüpfen

Abb. 1: Mündliche Befragung re:publica 2017, n=102 Quelle: eigene Erhebung

Tatsächlich kann das Digitalfestival re:publica als ein Ort für Projekt- und Geschäftsanbahnung gesehen werden: Immerhin knapp ein Drittel der Befragten geht davon aus, vor Ort an den Veranstaltungstagen zumindest Verabredungen bzw. sogar Verträge für etwaige Projekte zu generieren. Insgesamt fast drei Viertel sehen hier zumindest die Möglichkeit für solche konkrete Projekt- und Geschäftsanbahnungen. Dies kann als ein durchaus hoher Wert angesehen werden und deutet hier die Option für konkrete Projektkollaboration an, wofür das Digitalfestival ganz offensichtlich die Plattform darstellt.

Festivalisierung in der Meeting Industry

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Gehen Sie davon aus, dass Sie hier vor Ort feste Verabredungen/Verträge für z.B. neue Projekte finden? 27%

30% Nein Vielleicht Ja

43% Abb. 2: Mündliche Befragung re:publica 2017, n=102 Quelle: eigene Erhebung

4 Fazit und Ausblick Mit den Ergebnissen, die sich hier nur auszugsweise und als Schlaglicht darstellen lassen, deutet sich klar an, dass das Digitalfestival re:publica von den Teilnehmern als ein Ort für Kontaktbildung verstanden wird. Für eine wesentliche Gruppe der Teilnehmer stellt die re:publica sogar den Ort der konkreten Projekt- und Geschäftsanbahnung dar. Ziele wie Kontaktbildung, Geschäftsanbahnung, Projektkollaboration – und letztendlich Netzwerkbildung – scheinen für die Besucher auch im Rahmen solch eines festivalisierten Meetings weiterhin im Vordergrund zu stehen. Damit wird deutlich, dass trotz eines innovativ-postmodernen, festivalisierten MICE- bzw. Eventformates die Netzwerkbildung für Teilnehmer als Ziel im Vordergrund steht. Abschließend ist davon auszugehen, dass aufgrund des postmodernen und wirtschaftlichen transformativen Wandels, bei gleichzeitigem Generationswechsel von Managern bzw. Entrepreneuren, der Trend der Festivalisierung in der Meeting Industry ggf. eher noch an Dynamik gewinnen könnte.

Festivalisierung in der Meeting Industry

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Literaturverzeichnis BATHELT, H.; GOLFETTO, F.; RINALLO, D. (2014): Trade shows in the globalizing knowledge economy, Oxford 2014. BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND ENERGIE (BMWi) (2015) (Hrsg.): Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2014, Kurzfassung, Berlin 2015. GEBHARDT, W. (2000): Feste, Feiern und Events. Zur Soziologie des Außergewöhnlichen, in: Gebhardt, W.; Hitzler, R.; Pfadenhauer, M. (Hrsg.): Events. Erlebniswelten, 2. Aufl., Wiesbaden 2000. GETZ, D. (2010): The nature and scope of festival studies, in: International Journal of Event Management Research, Vol. 5, No. 1, pp. 1-47. GRANOVETTER, M. S. (1973): The strength of weak ties, in: American Journal of Sociology, Vol. 78, 1973, No. 6, pp. 1360-1380. HAGEN, D. (2016): Kreativwirtschaft und Szeneviertel (Wissenschaftliche Beiträge, Reihe Sozialwissenschaften, Vol. 69) Marburg. 2016. HAGEN, D.; LUPPOLD, S. (2017): Matchmaking: Steuerungsinstrument für Interaktion und Netzwerkbildung – Ansatz zur Incentivierung und Emotionalisierung, in: Zanger, C. (Hrsg.): Events und Erlebnis – Stand und Perspektiven der Eventforschung, Wiesbaden 2017, S. 251-261. HAMBURGER ABENDBLATT (2017): Reeperbahn Festival bricht seinen Rekord, 24.09.2017. HANDELSBLATT (2018): Die Cebit will mit Festival-Konzept Start-ups anlocken. Die Cebit wandelt sich zum Digitalfestival. Das zieht auch Start-ups nach Hannover – nicht nur aus Deutschland, 14.06.2018. HÄUßERMANN, H.; SIEBEL, W. (1993) (Hrsg.): Festivalisierung der Stadtpolitik. Stadtentwicklung durch große Projekte, Leviathan Sonderheft 13/1993, Opladen. HITZLER, R. (2011): Eventisierung. Drei Fallstudien zum marketingstrategischen Massenspaß, Wiesbaden 2011. NÉGRIER, E. (2014): Festivalisation: Patterns and Limits. Festival in Focus, in: Essays in tribute to dragan Klaic.〈hal-01436610〉. SALA, L. (2016): Festivalization: the boom in events. Platform for change, outline of a new industry, 2nd Edition. WELT (2018): Die „Rockstars“ der Marketing-Szene werden politisch, 16.03.2018. ZENK, L.; SMUC, M.; WINDHAGER, F. (2014): Beyond the name tag, in: Lutz, B. (Hrsg.): Wissen nimmt Gestalt an, Krems 2014, S. 215-225.

Stefan Luppold, Marcus Moroff Crowdmanagement bei Events: Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen, Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses und Kreation von wirkungszentrierten Szenarien durch Ex-Ante-Simulation

Abstract Crowdmanagement wird als ein Planungskonzept für Veranstaltungen verstanden, es fokussiert die Sicherheit der Menschen bei Veranstaltungen, insbesondere die der Teilnehmer bzw. Besucher. Das Verständnis hierfür ist nicht explizit existent und muss generiert bzw. emendiert werden. Gleichzeitig mangelt es an der Vorstellungskraft, prospektiv in komplexe Situationen denkhandelnd einzutauchen, um Varianten im Umgang mit Menschen im dreidimensionalen Raum zu betrachten – und Schlussfolgerungen für (zusätzliche) Sicherheitsmaßnahmen zu ziehen. Schließlich fehlt bislang, im Kontext von Crowdmanagement, der positiv konnotierte Aspekt einer gestalterisch-kreativen Konzeption im Sinne von attraktiver Rauminszenierung und optimierter Szenografie (zur Besucherführung, Attraktivierung von räumlichen Bereichen, Betonung von Exponaten etc.). Ein Forschungsprojekt der IBH (Internationale Bodensee Hochschule) greift die Kompetenzen von Mathematikern und Informatikern auf, um ein digitales Modell für die Simulation von Teilnehmerbewegungen und Besucherströmen zur Diskussion dieser Fragestellungen zu nutzen. Dabei wird im Rahmen von Lehrveranstaltungen zu „Veranstaltungssicherheit“ auch die didaktische Perspektive (Vermittlungskompetenz) aufgegriffen (vgl. Internationale Bodensee Hochschule 2018).

1 Crowdmanagement „Duisburg“ ist in aller Munde, die Sicherheitskatastrophe schlechthin – die Loveparade 2010 war Impuls für ein Umdenken in Sachen Crowdmanagement und eine Positionierung des Themas an vorderer Stelle. Dies gilt, flankiert durch andere Unfälle und Terrorakte, auch für kleinere und nicht explizit in der Öffentlichkeit stattfindende Events. Die monokausale Ausprägung von Crowdmanagement sollte beendet werden, beispielsweise durch den positiven Aspekt einer szenografisch-inszenierenden Perspektive: Raumdimensionen und -attribute bestimmen nicht nur Sicherheitsszenarien, sondern bieten daneben die Möglichkeit zur Gestaltung von Besucherströmen und den Bewegungen der Gäste. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 C. Zanger (Hrsg.), Eventforschung, Markenkommunikation und Beziehungsmarketing, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27652-2_17

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Stefan Luppold, Marcus Moroff

Das Forschungsprojekt der IBH unter Beteiligung der DHBW (Duale Hochschule Baden-Württemberg) Ravensburg widmet sich ganzheitlich den Optionen, die eine Simulation im Planungsprozess von Events aufzeigen kann. Bestandteil des Projekts ist auch die edukative Komponente – letztlich ist die Vermittlung von Wissen, der Zugang zur Problemstellung, entscheidend für das Verständnis und eine umfänglichere Nutzung von Tools zur Simulation. 2.1

Primärer Fokus

Crowdmanagement wird als ein Planungskonzept für Veranstaltungen verstanden, das den Menschen, seine Sicherheit und auch sein persönliches Veranstaltungserlebnis in den Mittelpunkt stellt. Sicherheit und Wohlbefinden während einer Veranstaltung sind nicht explizit kongruent, jedoch interdependent. Daher müssen unter Berücksichtigung der äußeren und inhärenten Einflussfaktoren sowohl präventive Schutzmaßnahmen – also Maßnahmen, die vor dem eigentlichen Ereignis getroffen werden müssen, um gefährliche und unangenehme Situationen zu vermeiden – definiert, organisiert und umgesetzt werden als auch die sogenannten Repressivmaßnahmen als die Prozessschritte und Zuständigkeiten für den drohenden oder bereits eingetretenen Notfall festgeschrieben werden (vgl. Leber 2017). 2.2

Sicherheitskultur

Sicherheit entsteht nicht durch das Erstellen von Konzepten oder das Hinzuziehen eines geeigneten Dienstleisters – Sicherheit entsteht im Kopf der Beteiligten, muss von allen verinnerlicht und gelebt werden. Daraus entstehen brauchbare, belastbare, wirksame, gewollte und letztlich auch finanzierbare Konzepte, die gemeinsam umgesetzt werden. Jeder kann den Nutzen erkennen. Faktisch benötigen wir eine Sicherheitskultur, deren Gerüst stabile Regelabläufe darstellen. Idealerweise kennen sich die Beteiligten mit ihren Stärken und Schwächen (die es grundsätzlich gibt!), schätzen sich und vertrauen einander. Einer passt auf den anderen auf – allen ist der Eventerfolg wichtig. Alle arbeiten konzeptionell, strukturiert und umsichtig (vgl. Moroff/Luppold 2018). Hier greifen Support liefernde Simulationen und Visualisierungen von Situationen: was wie eintreten könnte, in Abhängigkeit von bestimmten Parametern. 2.3

Forschungskontext

Wissen und Qualifikationen sind zentrale Ressourcen des dezentral strukturierten Bodenseeraums, um im Standortwettbewerb international zu bestehen. Optimaler Aus- und Weiterbildung und deren nahtlosem Ineinandergreifen kommt daher eine Schlüsselrolle

Crowdmanagement bei Events

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zu. Oft kommt es jedoch zu Reibungsverlusten zwischen den unterschiedlichen Bildungskontexten. Dies zeigt sich z. B. zwischen dem Lernen in formellen Kontexten wie Schule, Berufsbildung oder Hochschule und informellen Kontexten wie Privatleben, Arbeitsleben oder auch zwischen verschiedenen Bildungsstufen (z. B. Schule und Hochschule). Neue Technologien ermöglichen es, immer und überall zu lernen, alleine oder in Gruppen. Aber auch bei der Integration digitaler Technologien müssen der Kontext und die Anforderungen der jeweiligen Lehr- / Lernszenarien berücksichtigt werden. Der Transfer von einer Situation, in der Lernen stattfindet und deren Anwendungsfeld oder einem darauf aufbauenden Bildungsabschnitt, ist nicht immer barrierefrei. Das Konzept des Seamless Learning reagiert hierauf und unterstützt kontextübergreifendes Lernen. Wird lebenslanges Lernen von Lerninteressierten eingefordert, ist Seamless Learning die notwendige Antwort der Bildungsanbieter. Es wird eine ganzheitliche didaktische Konzeption angestrebt, die den Anforderungen der verschiedenen Bildungsstufen und Bildungskontexten Rechnung trägt und Lerntechnologien zielführend einbindet. Ziel des IBH-Labs «Seamless Learning» ist es, das Konzept des Seamless Learning für den Bodenseeraum zu adaptieren und mittels Leuchtturmprojekten in verschiedenen Wissensdomänen umzusetzen. Im IBH-Lab «Seamless Learning» arbeiten wir auf der Basis eines design-based research Ansatzes. Pro Entwicklungsprojekt werden in einem ersten Schritt die Bedarfslagen gemeinsam mit Hochschulen, Schulen und Unternehmen der Bodenseeregion identifiziert. Darauf aufbauend werden didaktische Prototypen erarbeitet, erste Umsetzungen vorgenommen, die Erfahrungen evaluiert und weiterentwickelt. Das IBH-Lab «Seamless Learning» ermöglicht es, über Leuchttürme hinweg die zentralen didaktischen Prinzipien zu konkretisieren und an die Besonderheiten und Anforderungen der Bodenseeregion anzupassen. Über die vergleichende Evaluation können die Erfahrungen aufbereitet und für weitere Seamless Learning Projekte genutzt werden (vgl. Internationale Bodensee Hochschule 2018). Keine Panik! Wie können Menschenmassen – etwa bei Großveranstaltungen – sicher bewegt und optimal geleitet werden? Keine Panik! Eine bereits bestehende Software kann das simulieren. Ihre mathematischen Modelle dienen Studenten im Studiengang „Messe-, Kongress- und Eventmanagement“ ebenso wie angehenden Ingenieuren oder Softwareentwicklern im Grundlagenunterricht. Stichwort: Dichteverteilung. Mathematik hat im Unterricht bisher leider selten mit realen Anwendungen zu tun. Das Forschungsprojekt will deshalb einen didaktischen Prototyp zum Thema Crowd Management entwickeln, diesen in der relevanten Fachvorlesung testen und in entsprechenden Netzwerken der Bodenseeregion zur Verfügung stellen. Dabei soll auch der «Generation Gap» in Sachen Technologien zwischen Lehrenden und Lernenden überbrückt werden:

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Stefan Luppold, Marcus Moroff

Einerseits wird das selbständige Lernen und Erarbeiten – ohne Internet – gefördert. Andererseits kommen E-Learning-Technologien zum Einsatz. Zudem vermindert das Projekt Lernbrüche zwischen Theorie und Praxis sowie zwischen den einzelnen Schulstufen. Im Kontext von Event-Sicherheit spielt Crowd Management eine Rolle, bislang in den Fachvorlesungen allerdings ohne Simulationsmöglichkeit. Von dem Projekt versprechen sich die Autoren ein besseres Verständnis bei der Wissensvermittlung, eine qualifizierte Abbildung von Varianten und eine klare Identifikation von relevanten Gestaltungsfaktoren. Daneben sollen auch Szenarien entwickelt werden, bei denen die Ströme von Besuchern durch besonders attraktive Exponate oder Event-Sonderflächen als Teil eines Veranstaltungs-Setups beeinflusst werden. Solche Irritationen im Vorfeld zu kennen trägt nicht nur zu einem besseren Verständnis der Sicherheitssituation in der Praxis bei, sondern ist Orientierungshilfe für eine bewusste Lenkung. Im Projekt, das bis 2020 laufen wird, soll außerdem getestet werden, inwieweit aktuelle Visualisierungs-Technologien – beispielsweise Holografie oder Augmented Virtuality – einen Beitrag zum bestmöglichen Verständnis der Sicherheitssituation leisten können. 2.4

Simulation von Varianten

Im Vordergrund der Bewegung von Menschen bei Events steht der Sicherheitsaspekt, der verständlicherweise priorisiert wird. Dennoch müssen weitere Aspekte betrachtet werden, die im Zusammenhang mit der Bewegung einen möglicherweise direkten Bezug zu den Zielen der Veranstaltung aufzeigen. Ein Oberziel setzt sich aus mehreren Unterzielen zusammen, deren Beitrag zur Erreichung des Oberziels idealerweise quantifiziert wird. Ob nun eine Aktivierung der Wahrnehmung als affektiv-orientiertes externes Ziel oder eine aktive Auseinandersetzung der Teilnehmer mit einer Thematik als kognitiv-orientiertes externes Ziel: eine Event-Inszenierung beinhaltet in der Regel eine räumliche Positionierung der Teilnehmer und deren Veränderung im Verlauf der Veranstaltung (vgl. Nufer 2011). Der Besuch von Stationen, die Bildung von Teams, das Bearbeiten von Aufgabenstellungen: ein Hin wie ein Her schafft Menschenströme (im Kleinen wie im Großen) mit Bewegungs- und Verweilzeiten. Falsch geplante Transferzeiten, nicht berücksichtigte Stopps an interessanten Stellen unterwegs und andere logistische Elemente beeinträchtigen den Erfolg, sind ein Handikap, das gegebenenfalls durch Variantenbetrachtung reduziert werden kann.

Crowdmanagement bei Events

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Voraussetzung hierfür ist die klare Benennung der logistischen Elemente, eine die Simulation unterstützende Software sowie eine Bewertbarkeit von Alternativen, die sich auch qualitativ aus einer geeigneten Visualisierung speist.

3

Ausblick

Das Projekt wurde im Frühjahr 2018 gestartet, mit einer Gesamtlaufzeit von drei Jahren. Insbesondere folgende Aspekte werden im Kontext des Seamless-Learning-Ansatzes mit Fokus auf die (verbesserte) Wirkung beleuchtet:  Verortung einer Simulation zur Unterstützung von Crowdmanagement im Prozess der Planung und Realisierung von Events,  Bestimmungsfaktoren für eine potenzielle Verbesserung der Sicherheitsmaßnahmen bei Veranstaltungen,  Gestaltungselemente eines Events mit Relevanzbezug zu Teilnehmerbewegungen und -strömen,  didaktische Aspekte zur Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses.

Crowdmanagement bei Events

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Literaturverzeichnis DAMS, C. M.; LUPPOLD, S. (2016): Hybride Events. Zukunft und Herausforderungen für Live-Kommunikation, Wiesbaden 2016. GRAF, S.; LUPPOLD, S. (2017): Event-Regie. Der spannende Weg vom ersten Konzept zur finalen Show – eine 360-Grad-Betrachtung der Live-Inszenierung, Wiesbaden 2017. INTERNATIONALE BODENSEE-HOCHSCHULE (2018): IBH-Lab „Seamless Learning“, online verfügbar unter: http://www.bodenseehochschule.org/ibh-labs/ibh-lab-seamless-learning, zuletzt abgerufen am: 22.11.2018. LEBER, M. (2017): Crowdmanagement. Der Mensch im Mittelpunkt der Planung, in: Bühnert, C.; Luppold, S. (Hrsg.): Praxishandbuch Kongress-, Tagungs- und Konferenzmanagement: Konzeption & Gestaltung, Werbung & PR, Organisation & Finanzierung, Wiesbaden 2017, S. 343-355. LUPPOLD, S. (2017): Veranstaltungsmanagement-Systeme. Software für Kongresse, Tagungen und Konferenzen, in: Bühnert, C.; Luppold, S. (Hrsg.): Praxishandbuch Kongress-, Tagungs- und Konferenzmanagement: Konzeption & Gestaltung, Werbung & PR, Organisation & Finanzierung, Wiesbaden 2017, S. 599-614. MOROFF, M.; LUPPOLD, S.(2018): Planung und Umsetzung sicherer Events. Handeln und Lernen aus Erfahrungen bei Veranstaltungen, Wiesbaden 2017. NUFER, G.(2012): Event-Marketing und -Management, 4. Aufl., Wiesbaden 2012.