Ererbte Waffen: homerische Wörter aus dem Sachbereich "Kampf und Krieg" in den Argonautika des Apollonios Rhodios 9783631668436, 9783653060737, 3631668430

Die Argonautika des hellenistischen Dichters Apollonios Rhodios enthalten zahlreiche intertextuelle Anspielungen auf Hom

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Ererbte Waffen: homerische Wörter aus dem Sachbereich "Kampf und Krieg" in den Argonautika des Apollonios Rhodios
 9783631668436, 9783653060737, 3631668430

Table of contents :
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Einleitung
a. Die homerischen Epen und die Argonautika des Apollonios Rhodios
b. Das Heldentum in der epischen Tradition
c. Zielsetzung der Arbeit
d. Wortfelduntersuchungen zu Homer und Apollonios in der Forschung
e. Kriterien für die Auswahl des Vokabulars
f. Überblick über die Wortgruppen
g. Methode der Untersuchung
II. Wortuntersuchungen
1. Kampf, Schlacht, kämpfen
a. π(τ)όλεμος
b. Ἄρης / ἄρης
b1. Ἄρης als Person
b2. Ἄρης und Ἀρήιος in Eigennamen
b3. Ἄρης in Personenbeschreibungen
b4. ἄρης als Metonymie
b5. Zusammenfassung
c. δηϊοτής
d. δαΐς
e. σταδίη
f. ὑσμίνη
g. π(τ)ολεμίζω
h. μάρναμαι
i. δηριάομαι
j. πολεμήϊος
k. ἀρήϊος
l. Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘
2. Heer, Krieger / Soldat, Schlachtreihe
a. Heer (στρατός)
b. Krieger / Soldat
b1. πρόμος
b2. πεζός und ἱππεύς
c. Schlachtreihe (φάλαγξ)
3. Feind
a. δήϊος
b. δυσμενής
4. Kriegsgetümmel
a. κυδοιμός
b. μῶλος
c. ὅμαδος
d. ὅμιλος
e. κλονέω
f. Gesamtüberblick ‚Kriegsgetümmel‘
5. Bewaffnung und Rüstung (τεύχεα und ἔντεα)
a. τεύχεα und ἔντεα bei der Seefahrt
b. τεύχεα und ἔντεα bei der Bewaffnung
c. τεύχεα bei der Waffenprobe
6. Waffen
a. Panzer
b. Helme
c. Schilde
d. Lanzen / Speere
e. Schwerter
f. Bogen und Pfeile
g. βέλος
h. Gesamtüberblick ‚Waffen‘
7. rüsten
a. θωρήσσω
b. κορύσσω
8. angreifen
a. ἀΐσσω
b. ἐπαΐσσω
c. ἐνθορεῖν
d. ἐπιδραμεῖν
e. ἐπισσεύομαι
f. ἐπορούω
g. θύνω
h. ἰθύω
i. ὁρμάομαι
9. Verwendung der Waffen: schießen, schlagen, treffen, verwunden
a. βάλλω
b. ὀϊστεύω
c. τύπτω
d. οὐτάω / οὐτάζω
e. ὠτειλή
f. ἕλκος
10. töten, bezwingen
a. δαΐζω
b. δηϊόω
c. ἐναίρω
d. (ἐξ)εναρίζω
e. θείνω / (κατα)πεφνεῖν
f. βιάω / βιάζω
g. δάμνημι / δαμνάω / δαμάζω
11. im Kampf fallen
a. δουπέω
b. πίπτω
12. abwehren, verteidigen
a. ἀμύνω
b. ἀλέξω
13. Gesamtüberblick über das Vokabular der Gruppen 8–12
14. fliehen, Flucht
a. φέβομαι
b. φεύγω
c. φοβέω
d. τρέω
e. ἀλέομαι / ἀλεύομαι
f. (ἀνα)χάζομαι
g. ἀλεωρή
h. φόβος
i. φύγαδε
j. φύζα
k. Gesamtüberblick ‚fliehen‚ Flucht‘
15. Kriegsgeschrei und Kriegslärm
a. ἀυτή
b. βοή
c. ἀλαλητός
d. ἐνοπή
e. κέλαδος
f. κλαγγή
g. ὀρυμαγδός
h. δοῦπος
i. ῥοῖζος
j. αὔω
k. βοάω
l. ἰάχω
m. ἀραβέω
n. βραχεῖν
o. Die Abfahrt der Argo
p. Die Hylas-Suche
q. Die Harpyien
r. Die Symplegaden-Episode
s. Die Ares-Vögel-Episode
t. Medeas Aristie
u. Gesamtüberblick ‚Kriegsgeschrei und Kriegslärm‘
16. Kampfkraft
a. ἀλκή
b. βίη
c. κράτος / κάρτος
d. μένος
e. σθένος
f. Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘
17. Mut und Tapferkeit
a. ἠνορέη
b. θάρσος
c. Gesamtüberblick ‚Mut und Tapferkeit‘, (‚Kampfkraft‘)
18. mutig, tapfer
a. ἀρηΐθοος
b. δαΐφρων
c. θρασύς
d. θαρσαλέος
e. ἴφθιμος
f. κρατερός / καρτερός
g. φιλοπτόλεμος
h. Gesamtüberblick ‚mutig, tapfer‘
III. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
1. Sprachliche Beobachtungen
a. Wortbedeutungen
b. Wortwahl und Ausdrucksweise
2. Homerisches Kriegsvokabular im Kontext der Argonautika
3. Deutung und Ausblick
a. Heldencharakteristika und Katalog
b. Hypothesen und Reden
c. Schlachtbeschreibungen
d. Nicht-kriegerische Szenen
IV. Anhänge
Appendix 1: Orpheus’ Aristie
Appendix 2: Verwendung homerischer Vorbilder
Literaturverzeichnis
Stellenverzeichnis
Wörterverzeichnis

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174 Die Autorin untersucht intertextuelle Anspielungen auf die Epen Homers in den Argonautika des hellenistischen Dichters Apollonios Rhodios: Der Sachbereich ‚Kampf und Krieg‘ ist für Homer vor allem innerhalb der Ilias typisch und stellt ein wesentliches Kriterium für die Charakterisierung der Heldenfiguren dar. Die Argonautika enthalten kaum Schlachtszenen, adaptieren aber homerisches Vokabular aus dem kriegerischen Kontext in großem Umfang. Die Autorin analysiert anhand vergleichender Wortuntersuchungen Apollonios’ Imitations- und Variationstechnik für diesen Bereich. Sie zeigt im Detail, wie das Vokabular aus konventioneller Verwendung gelöst und in neue Kontexte sowie auf andere narrative Ebenen verschoben wird, und interpretiert die Ergebnisse im Hinblick auf das Heldenbild der Argonautika.

Studien zur klassischen Philologie

Herausgegeben von Michael von Albrecht

Christina Serafimidis

Ererbte Waffen

Christina Serafimidis hat in Frankfurt am Main Klassische Philologie studiert und wurde an der Johann Wolfgang Goethe-Universität promoviert.

www.peterlang.com

ISBN 978-3-631-66843-6

Christina Serafimidis · Ererbte Waffen

Homerische Wörter aus dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ in den Argonautika des Apollonios Rhodios

Peter Lang174

174 Die Autorin untersucht intertextuelle Anspielungen auf die Epen Homers in den Argonautika des hellenistischen Dichters Apollonios Rhodios: Der Sachbereich ‚Kampf und Krieg‘ ist für Homer vor allem innerhalb der Ilias typisch und stellt ein wesentliches Kriterium für die Charakterisierung der Heldenfiguren dar. Die Argonautika enthalten kaum Schlachtszenen, adaptieren aber homerisches Vokabular aus dem kriegerischen Kontext in großem Umfang. Die Autorin analysiert anhand vergleichender Wortuntersuchungen Apollonios’ Imitations- und Variationstechnik für diesen Bereich. Sie zeigt im Detail, wie das Vokabular aus konventioneller Verwendung gelöst und in neue Kontexte sowie auf andere narrative Ebenen verschoben wird, und interpretiert die Ergebnisse im Hinblick auf das Heldenbild der Argonautika.

Studien zur klassischen Philologie

Herausgegeben von Michael von Albrecht

Christina Serafimidis

Ererbte Waffen

Christina Serafimidis hat in Frankfurt am Main Klassische Philologie studiert und wurde an der Johann Wolfgang Goethe-Universität promoviert.

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Christina Serafimidis · Ererbte Waffen

Homerische Wörter aus dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ in den Argonautika des Apollonios Rhodios

Peter Lang174

Ererbte Waffen

Studien zur klassischen Philologie Herausgegeben von Prof. Dr. Michael von Albrecht

Band 174

Christina Serafimidis

Ererbte Waffen

Homerische Wörter aus dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ in den Argonautika des Apollonios Rhodios

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl.: Frankfurt (Main), Univ., Diss., 2012

D 30 ISSN 0172-1798 ISBN 978-3-631-66843-6 (Print) E-ISBN 978-3-653-06073-7 (E-Book) DOI 10.3726/978-3-653-06073-7 © Peter Lang GmbH Internationaler Verlag der Wissenschaften Frankfurt am Main 2016 Alle Rechte vorbehalten. PL Academic Research ist ein Imprint der Peter Lang GmbH. Peter Lang – Frankfurt am Main · Bern · Bruxelles · New York · Oxford · Warszawa · Wien Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Diese Publikation wurde begutachtet. www.peterlang.com

Inhaltsverzeichnis Vorwort...........................................................................................................................11 I. Einleitung.............................................................................................................13 a. Die homerischen Epen und die Argonautika des Apollonios Rhodios......................................................................................13 b. Das Heldentum in der epischen Tradition..............................................15 c. Zielsetzung der Arbeit.................................................................................18 d. Wortfelduntersuchungen zu Homer und Apollonios in der Forschung......................................................................19 e. Kriterien für die Auswahl des Vokabulars..............................................21 f.

Überblick über die Wortgruppen..............................................................22

g. Methode der Untersuchung........................................................................24

II. Wortuntersuchungen.....................................................................................27 1. Kampf, Schlacht, kämpfen..........................................................................27 a. π(τ)όλεμος...............................................................................................27 b. Ἄρης / ἄρης.............................................................................................34 b1. Ἄρης als Person...............................................................................35 b2. Ἄρης und Ἀρήιος in Eigennamen...............................................36 b3. Ἄρης in Personenbeschreibungen..............................................36 b4. ἄρης als Metonymie.......................................................................37 b5. Zusammenfassung..........................................................................40 c. δηϊοτής.....................................................................................................40 d. δαΐς...........................................................................................................44 e. σταδίη......................................................................................................45 f. ὑσμίνη.......................................................................................................45 g. π(τ)ολεμίζω.............................................................................................46 h. μάρναμαι..................................................................................................49 i. δηριάομαι................................................................................................50 5

j. πολεμήϊος................................................................................................51 k. ἀρήϊος.......................................................................................................52 l. Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘................................56 2. Heer, Krieger / Soldat, Schlachtreihe.......................................................59 a. Heer (στρατός).......................................................................................59 b. Krieger / Soldat......................................................................................60 b1. πρόμος...............................................................................................60 b2. πεζός und ἱππεύς............................................................................61 c. Schlachtreihe (φάλαγξ)........................................................................62 3. Feind.................................................................................................................63 a. δήϊος.........................................................................................................64 b. δυσμενής..................................................................................................69 4. Kriegsgetümmel............................................................................................72 a. κυδοιμός...................................................................................................72 b. μῶλος........................................................................................................74 c. ὅμαδος......................................................................................................75 d. ὅμιλος.......................................................................................................78 e. κλονέω......................................................................................................83 f. Gesamtüberblick ‚Kriegsgetümmel‘..................................................85 5. Bewaffnung und Rüstung (τεύχεα und ἔντεα).......................................86 a. τεύχεα und ἔντεα bei der Seefahrt.....................................................87 b. τεύχεα und ἔντεα bei der Bewaffnung..............................................89 c. τεύχεα bei der Waffenprobe................................................................91 6. Waffen..............................................................................................................92 a. Panzer.......................................................................................................93 b. Helme.......................................................................................................94 c. Schilde......................................................................................................98 d. Lanzen / Speere....................................................................................104 e. Schwerter...............................................................................................116 f. Bogen und Pfeile..................................................................................120 g. βέλος.......................................................................................................127 h. Gesamtüberblick ‚Waffen‘..................................................................130 6

7. rüsten.............................................................................................................132 a. θωρήσσω...............................................................................................132 b. κορύσσω................................................................................................133 8. angreifen.......................................................................................................135 a. ἀΐσσω.....................................................................................................136 b. ἐπαΐσσω.................................................................................................138 c. ἐνθορεῖν.................................................................................................142 d. ἐπιδραμεῖν.............................................................................................143 e. ἐπισσεύομαι..........................................................................................144 f. ἐπορούω.................................................................................................145 g. θύνω........................................................................................................146 h. ἰθύω.........................................................................................................147 i. ὁρμάομαι................................................................................................148 9. Verwendung der Waffen: schießen, schlagen, treffen, verwunden.....................................................................................152 a. βάλλω.....................................................................................................153 b. ὀϊστεύω..................................................................................................156 c. τύπτω......................................................................................................157 d. οὐτάω / οὐτάζω....................................................................................161 e. ὠτειλή.....................................................................................................164 f. ἕλκος.......................................................................................................165 10. töten, bezwingen.........................................................................................166 a. δαΐζω.......................................................................................................167 b. δηϊόω......................................................................................................169 c. ἐναίρω....................................................................................................172 d. (ἐξ)εναρίζω............................................................................................173 e. θείνω / (κατα)πεφνεῖν.........................................................................175 f. βιάω / βιάζω.........................................................................................177 g. δάμνημι / δαμνάω / δαμάζω..............................................................178 11. im Kampf fallen...........................................................................................184 a. δουπέω...................................................................................................184 b. πίπτω......................................................................................................185 7

12. abwehren, verteidigen...............................................................................187 a. ἀμύνω.....................................................................................................187 b. ἀλέξω......................................................................................................190 13. Gesamtüberblick über das Vokabular der Gruppen 8–12..................192 14. fliehen, Flucht..............................................................................................195 a. φέβομαι..................................................................................................196 b. φεύγω......................................................................................................198 c. φοβέω.....................................................................................................203 d. τρέω........................................................................................................208 e. ἀλέομαι / ἀλεύομαι.............................................................................210 f. (ἀνα)χάζομαι........................................................................................213 g. ἀλεωρή...................................................................................................215 h. φόβος......................................................................................................215 i. φύγαδε....................................................................................................219 j. φύζα........................................................................................................219 k. Gesamtüberblick ‚fliehen‚ Flucht‘....................................................220 15. Kriegsgeschrei und Kriegslärm................................................................221 a. ἀυτή........................................................................................................222 b. βοή..........................................................................................................230 c. ἀλαλητός...............................................................................................231 d. ἐνοπή......................................................................................................232 e. κέλαδος..................................................................................................233 f. κλαγγή...................................................................................................234 g. ὀρυμαγδός.............................................................................................235 h. δοῦπος....................................................................................................236 i. ῥοῖζος.....................................................................................................238 j. αὔω..........................................................................................................238 k. βοάω.......................................................................................................240 l. ἰάχω........................................................................................................241 m. ἀραβέω...................................................................................................245 n. βραχεῖν...................................................................................................245 o. Die Abfahrt der Argo..........................................................................246 8

p. q. r. s. t. u.

Die Hylas-Suche...................................................................................249 Die Harpyien........................................................................................253 Die Symplegaden-Episode.................................................................254 Die Ares-Vögel-Episode.....................................................................258 Medeas Aristie......................................................................................260 Gesamtüberblick ‚Kriegsgeschrei und Kriegslärm‘.....................262

16. Kampfkraft....................................................................................................263 a. ἀλκή........................................................................................................264 b. βίη...........................................................................................................282 c. κράτος / κάρτος...................................................................................292 d. μένος.......................................................................................................299 e. σθένος....................................................................................................306 f. Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘..........................................................310 17. Mut und Tapferkeit.....................................................................................314 a. ἠνορέη....................................................................................................314 b. θάρσος...................................................................................................322 c. Gesamtüberblick ‚Mut und Tapferkeit‘, (‚Kampfkraft‘)..............325 18. mutig, tapfer.................................................................................................325 a. ἀρηΐθοος................................................................................................327 b. δαΐφρων.................................................................................................327 c. θρασύς...................................................................................................328 d. θαρσαλέος.............................................................................................332 e. ἴφθιμος....................................................................................................333 f. κρατερός / καρτερός..........................................................................334 g. φιλοπτόλεμος.......................................................................................338 h. Gesamtüberblick ‚mutig, tapfer‘......................................................339

III. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse........................341 1. Sprachliche Beobachtungen.....................................................................341 a. Wortbedeutungen................................................................................341 b. Wortwahl und Ausdrucksweise.......................................................342 2. Homerisches Kriegsvokabular im Kontext der Argonautika............346 9

3. Deutung und Ausblick...............................................................................348 a. Heldencharakteristika und Katalog.................................................348 b. Hypothesen und Reden......................................................................355 c. Schlachtbeschreibungen.....................................................................356 d. Nicht-kriegerische Szenen.................................................................357

IV. Anhänge..............................................................................................................361 Appendix 1: Orpheus’ Aristie.........................................................................361 Appendix 2: Verwendung homerischer Vorbilder......................................377

Literaturverzeichnis...............................................................................................407 Stellenverzeichnis....................................................................................................421 Wörterverzeichnis...................................................................................................439

10

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2011/12 vom Fachbereich Sprachund Kulturwissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie überarbeitet. An erster Stelle danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Hans Bernsdorff, der die Arbeit angeregt, in jeder Phase begleitet und stets mit Interesse und Rat unterstützt und gefördert hat. Viele seiner Hinweise habe ich ohne weitere Kennzeichnung in die Arbeit aufgenommen. Weiterhin gilt mein Dank Prof. Dr. Thomas Paulsen für die Übernahme des Zweitgutachtens und hilfreiche Anmerkungen. Für weiterführende Gespräche sowie wertvolle und kritische Diskussionsbeiträge danke ich Prof. Dr. Jula Wildberger, Dr. Timo Christian und den Teilnehmern der öffentlichen und privaten Frankfurter Doktorandenkolloquien. Bei Dr. Heike Bottler bedanke ich mich für formale Anregungen und das Korrekturlesen einzelner Kapitel. Schließlich danke ich Prof. Dr. Michael von Albrecht für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der „Studien zur Klassischen Philologie“. Gewidmet ist dieses Buch meinen Kindern Eleni und Sophia.

11

I. Einleitung a. Die homerischen Epen und die Argonautika des Apollonios Rhodios Nach den Epen Homers sind die Argonautika des Apollonios von Rhodos (ca. 250 v. Chr.) das einzige vollständig erhaltene griechische Epos der vorchristlichen Antike.1 Schon immer wurden die Argonautika mit ihren großen Vorgängern Ilias und Odyssee verglichen und an ihnen gemessen. Dies lag gewiss auch in der Intention des Dichters.2 Die beiden homerischen Epen unterscheiden sich zwar in der Thematik - die Ilias erzählt aus dem Krieg der Achaier gegen Troja, in der Odyssee dagegen werden die Irrfahrt und die Abenteuer des Odysseus geschildert -, doch ist das Geschehen der Ilias auch in der Odyssee stets präsent, da Troja der Ausgangspunkt der Irrfahrt ist und in der Handlung der Odyssee immer wieder rezipiert wird: im Gesang des Demodokos, in den Erzählungen des Nestor, des Menelaos und des Odysseus selbst sowie auch in den Reden der Seelen verstorbener Helden des trojanischen Krieges. Vor der Folie dieser beiden archaischen Epen verfasst Apollonios in hellenistischer Zeit ein Epos über den Argonautenzug, das in mehreren Aspekten dem jüngeren homerischen Epos näher steht: Ebenso wie in der Odyssee ist auch in den Argonautika nicht der Krieg zentrales Thema, sondern eine Seereise, während der und an deren Ziel zahlreiche Abenteuer zu bestehen sind. Trotzdem wird wie in der Odyssee durchaus auch gekämpft. Aber Krieg und Kampf sind von sekundärer Bedeutung gegenüber dem Hauptthema, der Expedition nach Kolchis mit dem Ziel, das Goldene Vlies zu holen. Allerdings begegnen typische Elemente des homerischen Epos, die vor allem in der Ilias zu finden sind, auch in den Argonautika. Dazu gehören Götterapparat, Katalog, Gleichnis, Ekphrasis, typische Szenen, z.B. Rüstung und Schlachtbeschreibung.3 Ebenso kehren zahlreiche Motive und Formulierungen aus Ilias und Odyssee in den

1 Erst im 3. Jh. folgen die Posthomerika des Quintus Smyrnaeus, im 5. Jh. die Dionysiaka des Nonnos. 2 Herter (1973) 28: „A.’ Argonautika wollen an Homer gemessen werden.“ Dräger (2002) 583: „Ein hellenistisches Epos muss, ja will ständig vor dem Hintergrund des Alten Epos gesehen werden.“ 3 Lesky (1971) 823: „Der gewaltige Abstand von der Welt Homers steht in reizvollem Gegensatz zu der Tatsache, daß zahlreiche und wesentliche Elemente des alten Epos erhalten geblieben sind.“ Zimmermann/Rengakos (2014) 167: „Typische Elemente der homerischen Epen sind in den Argonautika allgegenwärtig: Nachahmungen homerischer Ausdrücke, stilistische Eigenschaften wie der ausgedehnte Gebrauch von Gleichnissen, wiederkehrende Szenen, z.B. von Opfern und Schlachten, typische Bestandteile des Epos wie Katalog, Ekphrasis und Götterapparat.“ 13

Argonautika wieder.4 Doch darf man Apollonios nicht etwa als reinen Imitator sehen. Denn immer lässt er seine eigene Kreativität durch Variation und Modifikation des von Homer Adaptierten mit einfließen. Worin aber bestehen diese Variationen? Und inwiefern nimmt auch die Kenntnis sowohl nachhomerischer als auch zeitgenössischer hellenistischer Literatur Einfluss? Bezüglich dieser Frage wurden in der Forschung vor allem die Charakterzeichnun­ gen der apollonianischen Helden, besonders der Person Jasons, beobachtet und inter­pretiert.5 Sind Jason und die Argonauten den homerischen Helden ähnlich oder was unterscheidet sie von ihnen? In diesem Punkt reichen die Deutungen von (a) der Auffassung eines traditionell epischen Heldenbildes in den Argonautika über (b) die These eines andersartigen, d.h. neuen, modernen Heldentums bis zur (c) Konstatierung eines defizitären oder negativen Heldenbildes, das dasjenige der homerischen Epen ironisch destruiert. Die meisten Interpretationen beziehen sich dabei auf die Figur des Protagonisten Jason, die in den Argonautika im Vordergrund steht und sehr ambivalent und widersprüchlich konzipiert zu sein scheint. Pietsch versucht nachzuweisen, dass Jasons Persönlichkeit dem traditionellen epischen Heldenbild entspreche, unter anderem, indem er Parallelen zwischen der Figur Jasons und der des Odysseus in der Odyssee aufzeigt.6 Ein verändertes, modernes Heldentum erkennt vor allem Fränkel, gefolgt von Clauss.7 Effe versteht das Heldenbild der Argonautika als „unheroisch“ und „modern-zeitgenössisch“.8 In eine etwas andere Richtung zielt Beyes Interpretation der Figur Jasons als „Love-hero“, dessen Stärke in seiner erotischen Anziehungskraft liege.9 Gänzlich abgesprochen wird Jason heroischer Charakter z.B. von Carspecken und Schwinge, die ihn als passiven, von der Droge abhängigen Helden verstehen, sowie von Lawall, der ihn als 4 Hunter (1989) 38: „A’s phrasing constantly echoes that of the Iliad and the Odyssey, even when there is no literary point to the echo.“ Die sprachlichen Parallelen zum Alten Epos, die sich in den Argonautika finden, sind nach Stellen aufgelistet bei Campbell (1981). Nach inhaltlichen Kriterien geordnet arbeitet Knight (1995) Allusionen auf die homerischen Epen heraus. Sprachliche und motivische Verbindungen zur Ilias zeigt sie z.B. für die Faustkampfszene (Knight 63–66) und vor allem für die Schlachtszenen (Knight 82–121) auf. Fantuzzi/Hunter (2004) 271–82 liefern eine Untersuchung der Athlos-Episode in Bezug auf die sprachlichen Vorbilder bei Homer. 5 Die ältere Forschungsliteratur ist zusammengestellt bei Herter (1944/55) 215–16, daran anschließend gibt Glei (2001) einen Überblick über die spätere Literatur bis 1999. Zum Forschungsstand s. auch Thiel (1996) 2–5, Pietsch (1999) 99–104, Scherer (2006) 192, Anm. 720. Die einschlägige, auch jüngere Literatur zu Apollonios ist aufgelistet bei Zimmermann/Rengakos (2014) 174–75. 6 Pietsch (1999) 99–151, besonders 110–113. Ähnliche Auffassung bereits bei Händel (1954) 105, der auch die Inanspruchnahme der Hilfe Medeas „durchaus als heroisches Verhalten“ versteht. 7 Fränkel (1968) 633–34, Clauss (1993) 3: „new, Hellenistic hero“. 8 Effe (1980) 164. 9 Beye (1982) 93. 14

„Anti-hero“ bezeichnet.10 Doch gibt es bei den beiden Letztgenannten den Ansatz, das Heldentum der Argonautika als ‚kollektiv‘ und ‚demokratisch‘ zu interpretieren.11 Nicht zu vergessen sind aber auch die zahlreichen Untersuchungen, die über die Figur Medeas und die detaillierte Ausgestaltung des Liebesthemas in den Argonautika angestellt wurden. So vertritt z.B. Natzel die These eines weiblichen Heldentums in den Argonautika.12 Alle diese Interpretationen zeigen die Kontroverse, die sich um das Verständnis des Heldesbildes in den Argonautika des Apollonios Rhodios entwickelt hat. Zur Klärung dieser Kontroverse möchte die vorliegende Arbeit einen Beitrag leisten, indem sie sich von sprachlicher Seite der Fragestellung nach der Position altepischer heroischer Wertvorstellungen in den Argonautika nähert und prüft, ob im semantischen Detail der Argonautika Belege für eine Destruktion des in den homerischen Epen dargestellten Heldenbildes zu finden sind.

b. Das Heldentum in der epischen Tradition Das Heldentum bei Homer gründet sich auf die Leistung, die der Krieger im Kampf erbringt. Nestor ermahnt im ersten Buch der Ilias Agamemnon und Achill anlässlich ihres Streites, dass es nötig sei, einem Heldenideal zu entsprechen, das in einer früheren Generation, der er selbst angehört, geprägt und erfüllt wurde: κάρτιστοι μὲν ἔσαν καὶ καρτίστοις ἐμάχοντο, […] καὶ μαχόμην κατ’ ἒμ’ αὐτὸν ἐγώ∙ κείνοισι δ’ ἂν οὔ τις τῶν οἳ νῦν βροτοί εἰσιν ἐπιχθόνιοι μαχέοιτο. (Α 267, 271–72)

10 Carspecken (1952) 101: „Such, then, is Jason […] subordinate to his comrades, except once, in every trial of strength, skill, or courage, a great warrior only with the help of magical charms, jealous of honour but incapable of asserting it, passive in the face of crisis, timid and confused before trouble …“ Schwinge (1986) 115: „…sein Heldentum ist ein Heldentum der Droge.“ Lawall (1966) 166: „an actor who […] reveals himself as anti-heroic, circumventive, pious, and reliant on the aid of others, both humans (Medea) and gods (especially Aphrodite).“ Vgl. auch Faerber (1932) 48: „Das Heroische liegt ihm ja überhaupt nicht.“ Zur Charakterisierung Jason s. auch ebd. 100–1. 11 Glei (Bd. 1, 1996): „Inhaltlich besteht die Innovation des Apollonios vor allem im Entwurf eines neuen, modernen Heldentyps, den man als ‚demokratisch‘ und ‚gruppenorientiert‘ bezeichnen könnte.“ Vgl. Carspecken (1952) 124: „The Argonauts are not portrayed as heroes but as group of ordinary men […] Together they encompass the many qualities necessary for success, but no one man, no one gift is responsible for bringing back the golden fleece.“ Zimmermann/Rengakos (2014) 163: „Anfang und Ende der Argonautika hingegen legen die Betonung auf ein kollektives Heldentum.“ 12 Bei Natzel (1992) 35–40 findet sich ebenso ein Überblick über den Forschungsstand zu Frauenbild und Heldentum bei Apollonios. 15

Auch in der Ilias werden stärkere und schwächere Charaktere dargestellt. Doch gelten diejenigen als die größten Helden, die sich am meisten im Kampf hervortun.13 In der Odyssee ist dieser Grundsatz zwar - wie der Krieg selbst - in den Hintergrund getreten, aber immer noch präsent. Auch Odysseus ist ein großer Krieger, hat im trojanischen Krieg gekämpft und ist immer noch voller Kampfkraft, wie er selbst betont: εἰ δ’ αὖ καὶ πόλεμόν ποθεν ὁρμήσειε Κρονίων σήμερον, αὐτὰρ ἐμοὶ σάκος εἴη καὶ δύο δοῦρε καὶ κυνέη πάγχαλκος ἐπὶ κροτάφοισ’ ἀραρυῖα, τῶ κέ μ’ ἴδοις πρώτοισιν ἐνὶ προμάχοισι μιγέντα, (σ 376–79)

Dass dies nicht nur leere Prahlerei ist, beweist Odysseus dann später in der Auseinandersetzung mit den Freiern. Der Erwerb von Ruhm (κλέος) basiert in der Ilias auf der Stärke und dem Sieg im Kampf,14 was z.B. in den Worten Achills zum Ausdruck kommt: εἰ μέν κ’ αὖθι μένων Τρώων πόλιν ἀμφιμάχωμαι, ὤλετο μέν μοι νόστος, ἀτὰρ κλέος ἄφθιτον ἔσται· (Ι 412–13)

Auch in der Odyssee ist diese Grundeinstellung noch erkennbar,15 z.B. in den Worten des Telemachos zu Odysseus: ὦ πάτερ, ἦ τοι σεῖο μέγα κλέος αἰὲν ἄκουον, χεῖράς τ’ αἰχμητὴν ἔμεναι καὶ ἐπίφρονα βουλήν∙ (π 241–42)

13 Nagy (1979) ix: „The hero is preeminently a warrior, one capable of inflicting harm.“ Pietsch (1999) 108 dagegen spricht dem kriegerischen Aspekt in den homerischen Epen die hohe Bedeutung ab und wertet es nur als Begleiterscheinung: „Denn schon für die Ilias wäre es verfehlt, in ihr ein vor allem auf ein kämpferisches Heldenideal ausgerichtetes Werk zu sehen. Das kriegerische Element wird lediglich als Teil der behandelten Situation [d.h. der Bewältigung des Konfliktes zwischen Agamemnon und Achill] ganz selbstverständlich in die Handlung mit einbezogen […] Umso mehr gilt das für die Odyssee. Im engeren Sinne kriegerische Ideale, Kämpfe im ‚homerischen Stil‘ und Aristien kommen, vom Freiermord abgesehen, nicht vor.“ Pietsch verweist hierbei auf Lesky (1971) 75, der aber seine These nicht recht stützt: „… das Dasein dieser Adligen erfüllt sich in der Schlacht. Sie allein zählen, wenn sie auf ihren Streitwagen über das Blachfeld stürmen oder im Kampfe von Mann zu Mann Bewährung suchen.“ Und: „Dass kämpferische Ideale in der Ilias stärker hervortreten, hängt mit ihrem Stoff zusammen, aber wenn Odysseus (12, 226) trotz Kirkes Weisung der Skylla in seiner Waffenrüstung mit zwei Speeren begegnen will, erkennen wir die Heroisierung uralter Seefahrergeschichten.“ 14 Edwards (1985) 73: „In the Ilias κλέος is something won through warfare, and its most common source is victory.“ 15 Edwards (1985) 73: „The κλέος won through victory is also found in the Odyssey, but it is not given such a central role in the poem.“ Besonders in den Worten der Seelen des Agamemnon und des Achill im letzten Buch der Odyssee kommt die Bedeutung des Kriegsruhms, auch wenn er den Tod brachte, deutlich zum Ausdruck (z.B. ω 30–34, ω 91–97). 16

So besingt Demodokos in der Odyssee - wie auch Achill in der Ilias (I 198) - mit seinem Gesang über die κλέα ἀνδρῶν (θ 73) die Kriegshelden der Ilias. In Anlehnung daran kündigt auch Apollonios zu Beginn seines Epos an, über die παλαιγενέων κλέα φωτῶν (1, 1) berichten zu wollen. So entsteht der Eindruck, dass er sein Werk im Stil des traditionellen Heroenepos zu konzipieren beabsichtigt.16 Demnach wäre auch zu erwarten, dass die Kriegssphäre bei Apollonios eine ebenso tragende Rolle spielt wie bei Homer, zumal es sich in der epischen Tradition auch noch in der Zeit nach Apollonios weiterhin so verhält: Alexander der Große und die Diadochen ließen ihre kriegerischen Ruhmestaten von Dichtern in Epen besingen.17 Zudem entstanden mythologische Epen mit heroischen Themen,18 aber auch historische Epen kriegerischen Inhalts: So weiß man z.B. von Pausanias, dass in den Messeniaka des Rhianos von Kreta der Held Aristomenes „keine geringere Rolle spielt als Achill in der Ilias“.19 Aus dem 1. Jh. v. Chr. sind schließlich historische Epen über die von Kriegen und Kämpfen geprägte römische Geschichte bekannt.20 In der römischen Literatur selbst entwickelte sich mit Ilias und Odyssee als Vorbildern eine 16 Dazu Hübscher (1940) 63: „Anfang und Schluß der ‚Argonautika‘ zeigen deutlich: der Dichter will ein ‚Heldenlied‘ singen“. Dass Apollonios mit diesem ersten Vers der Argonautika „sein Epos in die Tradition des herkömmlichen Heroenepos“ stelle, meint Schwinge (1986) 94. In diesem Sinn auch Fantuzzi/Hunter (2004) 90: „Apollonios marks his generic status in the opening verse through the frase which designs the subject of his song …“ Ebenso Scherer (2006) 74: „Kλέα φωτῶν […] evoziert den Ruhm als archaisches Heldenideal und stellt das Epos in die Tradition der archaischen Stilgattung.“ Vgl. dagegen Zimmermann/Rengakos (2014) 161, dass der Ausdruck παλαιγενέων κλέα φωτῶν „die zeitliche Kluft zwischen dem Dichter und der Welt der Helden“ betone und „zudem ein metapoetischer Hinweis darauf“ sei, „daß Apollonios beabsichtigt, ein neoterisches, unhomerisches Epos zu schreiben.“ 17 Z.B. dichtete Choirilos von Lampsakos für Alexander (SH 333), Simonides von Magnesia für Antiochos Soter (SH 723), so der Suda-Artikel: Σιμωνίδης Μάγης Σιπύλου, ἐποποιός, γέγονεν ἐπὶ Ἀντιόχου τοῦ Μεγάλου κληθέντος∙ καὶ γέγραφε τὰς Ἀντιόχου πράξεις καὶ τὴν πρὸς Γαλάτας μάχην, ὅτε μετὰ τῶν ἐλεφάντων τὴν ἵππον αὐτοῦ ἔφθειρεν. Weitere Namen bei Lesky (1971) 826, Schmitt (2005) 292, Ziegler (1966) 16–21, Zimmermann/Rengakos (2014) 155. 18 Thema waren z.B. die Heldentaten des Herakles oder der thebanische Mythos: Eine Thebais schrieben Menelaos von Agai (SH 551–557), Antagoras von Rhodos (Powell S. 121) und Demosthenes von Bithynien (Powell S. 25–27), über Herakles gab es ein Epos von Diotimos von Adramytion (SH 394) und Phaidimos von Bisanthe (SH 669), auch zwei weitere Argonautika gab es von Kleon von Kurion (SH 339) und Theolytos (Sch. Apoll. Rhod. 1, 623–26a), Vgl. Lesky (1971) 826, Schmitt (2005) 293, Ziegler (1966) 20. 19 Lesky (1971) 826. Vgl. Schmitt (2005) 292–93. Pausanias schreibt: Ῥιανῷ δὲ ἐν τοῖς ἔπεσιν οὐδὲν Ἀριστομένης ἐστὶν ἀφανέστερος ἢ Ἀχιλλεὺς ἐν Ἰλιάδι Ὁμήρῳ (4, 6, 3). Rhianos-Fragmente: Powell S. 9–21. Kost (2003) 192 listet Motive des Alten Epos auf, die in den Messeniaka wiederkehrten. 20 Ziegler (1966) 20: „Archias […] hat den Kimbrischen und Mithridatischen Krieg episch behandelt, Boethos von Tarsos die Schlacht bei Philippi, ein Anonymus die Schlacht bei Actium.“ 17

Ependichtung, die das Nationalbewusstsein der Römer zum Ausdruck brachte und der Selbstdarstellung diente. Neben mythologischen Themen wie in Vergils Aeneis, Ovids Metamorphosen, den Argonautica des Valerius Flaccus und der Thebais des Statius entstanden daher auch zeitgeschichtliche Epen wie das bellum Poenicum des Naevius, die Annalen des Ennius, das bellum civile des Lucan, die Punica des Silius Italicus. Kriegsmotiv und kriegerisches Heldentum standen hier im Vordergrund. Die Argonautica des Valerius Flaccus weisen daher im Vergleich zum Epos des Apollonios wesentlich zahlreichere und ausgedehntere Kampfszenen auf.21

c. Zielsetzung der Arbeit Die vorliegende Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, welche Rolle der Sachbereich ‚Kampf und Krieg‘, der im homerischen Epos ein wesentliches Kriterium für die Charakterisierung der Heldenfiguren ist, in den Argonautika spielt. Hat sich die Einstellung zu Krieg und Kampf gegenüber dem Alten Epos verändert, wie sich bereits durch die Themenwahl und geringe Zahl kriegerischer Szenen vermuten lässt? Wie bringt Apollonios eine möglicherweise neue Perspektive zum Ausdruck? Was bedeutet eine gegenüber Homer veränderte Haltung bezüglich des Heldenbildes, das in den Argonautika gezeichnet wird? An diese Fragestellungen soll nun nicht in erster Linie durch Interpretationen längerer Passagen, sondern auf der Grundlage vergleichender Wortuntersuchungen herangegangen werden. Da Krieg und Kampf in der Ilias den Schwerpunkt bilden, findet sich Vokabular aus diesem Sachbereich dort in großer Menge. In der Odyssee kommt dieses Vokabular zwar themenbedingt wesentlich seltener vor, trägt aber überwiegend dieselbe Bedeutung wie im älteren Epos.22 In welchem Umfang und in welcher Weise Apollonios homerisches Kriegsvokabular in den Argonautika einsetzt, homerische Ausdrucksweise adaptiert oder Wörter und Phrasen in Anlehnung daran in neuer Bedeutung und innerhalb neuer Kontexte verwendet, soll in dieser Untersuchung geprüft und interpretiert werden.23

21 Schenk (1999) 23. 22 Zur Datierung der beiden Epen und Priorität der Ilias als Gesamtwerk s. z.B. Szlezák (2012) 45: „Sicherheit, oder vorsichtiger: allgemeine Übereinstimmung, besteht nur in der Frage der relativen Datierung der Odyssee. Daß sie einige Zeit nach der Ilias niedergeschrieben wurde, sagen sowohl die wenigen, die heute noch glauben, daß ein und derselbe Dichter mit Namen ‚Homer‘ der Autor beider Epen war, als auch die Mehrheit, die im Verfasser der Odyssee eine andere Dichterpersönlichkeit zu erkennen glaubt.“ Paulsen (2004) 15: „Mit Sicherheit ist die Ilias das ältere Werk …“. Vgl. die Ergebnisse der Untersuchung zum Verhältnis von Ilias und Odyssee von Usener (1990) 204–214. Zur Geschichte des Textes mit Hinweis auf spätere Interpolationen wie die Dolonie s. die Zusammenfassung von West in Bierl/Latacz (Prolegomena, 2000) 28. 23 Dazu, dass hier nicht Wortfelder im strengen Sinn untersucht werden, sondern nach dem spezifischen Sachbereich ausgewählte Wortgruppen, s. unter I.e. (Kriterien für die Auswahl des Vokabulars). 18

d. Wortfelduntersuchungen zu Homer und Apollonios in der Forschung Die Beschäftigung mit Wortfeldern begann in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts. Der Terminus ‚Wortfeld‘ wurde 1931 von Jost Trier geprägt zur Bezeichnung einer strukturierten, einen Sachbereich abdeckenden Menge von begriffsverwandten Wörtern, die sich in ihrem Wortinhalt gegenseitig beeinflussen und begrenzen.24 Präzisiert wurde die Wortfeldtheorie in den 60er Jahren unter anderen von Coseriu mittels einer Komponentenanalyse, durch die Gesamtbedeutungen in kleinste Bedeutungselemente zerlegt und so die semantisch ähnlichen Wörter voneinander abgegrenzt werden.25 In der Homerforschung haben Untersuchungen zu Wortfeldern seit Mitte des letzten Jahrhunderts Tradition. Untersuchungen dieser Art führte z.B. Bruno Snell zu den Begriffen ‚Körper‘, ‚Geist‘ sowie dem Verb ‚sehen‘ in ihrem Gebrauch bei Homer durch. Hermann Fränkel beobachtete die Entwicklung des Wortfeldes ‚Zeit‘ von Homer bis in die klassische Epoche.26 Im Zusammenhang mit der Untersuchung zum Kriegsvokabular sei die Monographie von Trümpy (1950) über kriegerische Fachausdrücke bei Homer hervorgehoben, die sich, so Trümpy, „für eine solche Untersuchung besonders eignen, stehen sie doch im Zentrum der Ilias“.27 Auch vergleichende Untersuchungen zwischen der

24 Trier (1972) 930 definiert das semantische Feld als „Sinnbezirk, insofern er in sich gegliedert ist und auf seine Gliederung hin betrachtet wird“ und erachtet es als Aufgabe der Feldlehre, „die Stellenwerte der Wörter im F[eld] durch inhaltliches (auch stilistisches) Abwägen zu klären.“ 25 Coseriu (1967) 294: „Ein Wortfeld ist in struktureller Hinsicht ein lexikalisches Paradigma, das durch die Aufteilung eines lexikalischen Inhaltskontinuums unter verschiedene in der Sprache als Wörter gegebene Einheiten entsteht, die durch einfache inhaltsunterscheidende Züge in unmittelbarer Opposition zueinander stehen.“ 26 Snell (1946) 13–30, Fränkel (Wege und Formen 1955) 1–22. Wichtige Arbeiten zur Wortfeldforschung in der Klassischen Philologie überhaupt, die Snell schon 1922 mit seiner Arbeit „Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie, Göttingen 1922/Berlin 1924“ eingeleitet hat, sind bei Latacz (1966) 13, Anm. 4 und 5, aufgelistet. 27 Trümpy (1950) 5. Weitere Wortfelduntersuchungen zu Homer sind z.B.: Anastassiou, Ioannis: Zum Wortfeld ,Trauer‘ in der Sprache Homers, Hamburg 1973; Cebrian, Reyes Bertolin: Die Verben des Denkens bei Homer, Innsbruck 1996; Fritz, K. von: νοῦς and νοεῖν in the Homeric Poems, in: CP 38 (1943), 79–93; Handschur, Erna: Die Farb- und Glänzwörter bei Homer, Hesiod, in den homerischen Hymnen und den Fragmenten des epischen Kyklos, Wien 1970; Jahn, Thomas: Zum Wortfeld ,Seele-Geist‘ in der Sprache Homers, München 1987; Kloß, Gerrit: Untersuchungen zum Wortfeld ,Verlangen/Begehren‘ im frühgriechischen Epos, Göttigen 1994; Kurt, Christoph: Seemännische Fachausdrücke bei Homer, Göttingen 1979; Latacz, Joachim: Zum Wortfeld ,Freude‘ in der Sprache Homers, Heidelberg 1966; Mawet, Francine: Le vocabulaire homérique de la douleur, Brüssel 1977; Mawet, Francine: Recherches sur les oppositions fonctionelles dans le vocabulaire homérique de la 19

Sprache Homers und des Apollonios Rhodios in Bezug auf ausgewählte Sachbereiche wurden angestellt: Mawet hat ihre Untersuchungen zum Wortfeld ‚Schmerz, Trauer‘ bei Homer um einen Vergleich mit der Verwendung dieses Vokabulars bei Apollonios erweitert und zum Teil wesentliche Bedeutungsabschwächungen erkannt.28 Manakidou stellte in einer vergleichenden Analyse fest, dass der Gebrauch der Begriffe χόλος, μῆνις und νεῖκος bei Apollonios „im wesentlichen keine dramatische Funktion“ wie beispielweise der Zorn Achills in der Ilias erfülle, sondern nur dazu diene „auf ihre Verwendung in den homerischen Epen aufmerksam zu machen“ und die mit den Begriffen verhafteten altepischen Werte „in die hellenistische Welt einzuführen“.29 Innerhalb einer Interpretation des Heldenbildes in den Argonautika und der Figuren Jasons und Aietes’ hat Thiel eine - allerdings sehr kurz gefasste - Wortanalyse der Heldenbezeichnung ἥρως vorgenommen und eine Bedeutungsabschwächung, verbunden mit einer ironischen Nuance, attestiert.30 Ein ähnliches Ergebnis lieferte Thiels kurze Untersuchung des Epithetons ἀρήϊος.31 Eine vergleichende Untersuchung des gesamten kriegerischen Vokabulars bei Apollonios im Vergleich zu Homer liegt jedoch bisher nicht vor.

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31

20

douleur (autour de πῆμα - ἄλγος), Brüssel 1979; Muellner, Leonard Charles: The meaning of Homeric εὔχομαι through its Formulas, Innsbruck 1976. Mawet (1981) 513: „Cet affaiblissement des valeurs […] se marque précisément sur les termes fondamentaux du vocabulaire homérique, πῆμα et ἄλγος, qui perdent leur position centrale.“ Manakidou (1998) 259 macht darauf aufmerksam, dass die von ihr untersuchten Begriffe „innerhalb des hellenistischen Epos durchweg nur als Fingerzeig für die imitatio und die oppositio in imitando im Verhältnis zu den homerischen Epen“ dienten. Weitere vergleichende Untersuchungen zu Wortfeldern: Opelt, Ilona: Gefühlswörter bei Homer und in den Argonautika des Apollonios Rhodios, in: Glotta 56 (1978), 170–90. Rougier-Blanc, Sylvie: Le vocabulaire de la maison (δῶ, δῶμα, δόμος, οἶκος) chez Homère et Apollonios de Rhodes, in: REG 112 (1999), 15–17. Zu hapax legomena: Kyriakou, Poulheria: Homeric hapax legomena in the Argonautica of Apollonius Rhodius, Stuttgart, 1995; Kumpf, Michael M.: The Homeric hapax legomena and their Literary Use by Later Autors, Especially Euripides and Apollonius Rhodius, Columbus 1974. Dazu kommt die nicht auf ein bestimmtes Wortfeld bezogene Untersuchung von Rengakos (1994) zu den homerischen Lesarten in den Argonautika und deren Wert für die Homererklärung. Thiel (1996) 14 stellt fest, „daß der Begriff ἥρως in den Argonautika zumindest nicht immer positiv belegt ist, ja bisweilen sogar maliziös oder mit einem Einschlag von Ironie“, d.h., so Thiel 16, dass er „eine Bedeutungsabschwächung erfahren hat, ja daß ihm zuweilen beinahe etwas Pejoratives anhaftet“. Zu ἀρήϊος bemerkt Thiel (1996) 40, dass Apollonios dem Attribut „wieder andere Bedeutungsnuancen zumißt als die FOLIEN vorgeben“, dass nämlich „auch hier ein leicht launiger oder ironischer Unterton nicht zu überhören“ sei. Vgl. Thiels Untersuchung weiterer Helden-Epitheta (15–16).

e. Kriterien für die Auswahl des Vokabulars Kriegerisches Vokabular ist bei Homer nicht nur in großer Menge vorhanden, sondern auch semantisch sehr komplex. Viele Wörter werden in mehr als nur einer Bedeutung verwendet und gehören daher auch mehreren Wortfeldern an. So kann z.B. das Wort κράτος in der Ilias sowohl ‚Körperkraft, Stärke‘ als auch ‚Übermacht im Kampf‘ oder sogar ‚Sieg‘ heißen. In der Odyssee ist zudem die Entwicklung zur Bedeutung ‚Macht, Autorität‘ erkennbar, die sich in nachhomerischer Zeit etabliert. An letzterem Phänomen zeigt sich, dass die Wörter einer semantischen Entwicklung unterworfen sind, die dazu führt, dass sie im Laufe der Zeit in ein anderes Wortfeld übergreifen oder gar übertreten. Dies zeigt sich ansatzweise bereits in der Odyssee, häufiger jedoch sind solche entwicklungsbedingten semantischen Diskrepanzen zwischen dem Alten Epos und der nachhomerischen Literatur zu beobachten. Besonders deutlich wird das z.B. bei den homerischen Wörtern des Fliehens und der Flucht φοβέομαι und φόβος, die in der nachhomerischen Literatur mit der Bedeutung ‚fürchten‘ und ‚Furcht‘ zu finden sind. Bei vielen homerischen Wörtern des Sachbereichs ,Kampf und Krieg‘ entsteht die Bedeutungskomponente, die ein Wort zu einer Kriegsvokabel werden lässt, erst durch den Kontext, in dem es regelmäßig steht. Dies ist z.B. bei den Schallwörtern der Fall, die erst dadurch, dass sie vor allem im kriegerischen Kontext verwendet werden, die Bedeutung ‚Kriegsgeschrei, Kriegslärm‘ erhalten. Ähnlich verhält es sich mit den Begriffen für ‚Kampfkraft‘. In den Wortfeldern ‚Lärm‘ und ‚Kraft‘ finden sich dann aber jeweils nur Teilmengen an Wörtern, für die diese Spezifizierung gilt und die daher dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ zuzuordnen sind. Das Wortfeld eines Begriffs aus der Kriegssphäre enthält demnach zum einen Wörter, die die kriegerische Bedeutungskomponente an nahezu allen homerischen Belegstellen aufweisen, sowie auch andere, bei denen dies nur selten der Fall ist: Zum Wortfeld ‚Kampf‘ gehören dann beispielsweise Wörter wie πόλεμος, ἄρης, δηϊοτής, deren Bedeutung und Kontext ausschließlich kriegerisch sind, aber auch Begriffe wie ἔρις und νεῖκος, die zwar bisweilen eine kriegerische Auseinandersetzung bezeichnen, aber insgesamt ein komplexeres semantisches Spektrum aufweisen und auch sehr oft in der Bedeutung ‚Streit, Zank‘ im nicht-kriegerischen Kontext zu finden sind. Die vorliegende Untersuchung des Vokabulars aus dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ bewegt sich daher nicht auf der Grundlage von Wortfeldern an sich, sondern auf der Teilmenge des jeweiligen Wortfelds, die sich aus den Wörtern zusammensetzt, bei denen die kriegerische Bedeutungskomponente im Vordergrund steht, d.h. an den meisten homerischen Belegstellen vorhanden ist. Diese Teilmenge wird in der vorliegenden Untersuchung als ‚Wortgruppe‘ bezeichnet, da es sich nicht mehr um das gesamte Wortfeld handelt. Grundsätzliches Kriterium für die Auswahl zur Untersuchung ist die entweder exklusive oder überwiegend kriegerische Verwendung eines Wortes bei Homer: Es werden nur Wörter in die Untersuchung einbezogen, die an mindestens der Hälfte aller homerischen Belegstellen in kriegerischer Bedeutung oder kriegerischem 21

Kontext stehen. Wörter, die zwar demselben Wortfeld angehören, dieses Kriterium jedoch nicht erfüllen, werden nicht untersucht. So wird im Bereich ‚Waffen‘ nach kriegerischer Verwendung selektiert, d.h. Waffen, die hauptsächlich zu anderen Zwecken, wie z.B. Jagd oder Sport gebraucht werden (z.B. αἰγανέη) oder waffenähnliche Gegenstände, die nicht typischerweise als Kriegswaffe eingesetzt werden (z.B. Axt, Keule), werden außer Acht gelassen. Der in der Ilias gängigste Begriff für den Speer, δόρυ, ist sowohl bei Homer als auch bisweilen in der nachhomerischen Literatur in seiner Grundbedeutung ‚Holzbalken‘ belegt.32 In der Untersuchung werden nur die Belegstellen in den Argonautika untersucht, an denen die Waffe bezeichnet wird. Ebenso verhält es sich mit dem Verb βάλλω, das bei Homer meistens in der kriegerischen Sphäre mit der Bedeutung ‚schießen, werfen, treffen‘ verwendet wird, aber auch in anderen Bereichen zu finden ist. Da das Verb im kriegerischen Zusammenhang syntaktisch anders konstruiert wird als im nicht-kriegerischen, werden auch von den Apolloniosstellen nur diejenigen betrachtet, die dem kriegerischen Gebrauch entsprechen. Das Verb πίπτω, das in seiner Grundbedeutung ‚fallen‘ auch in unterschiedlichen Kontexten begegnet, steht bei Homer, wenn es für das ‚Fallen im Kampf‘ verwendet wird, meistens in festen Phrasen. Hier werden die Belege in den Argonautika geprüft, an denen auch Apollonios das Verb in solchen Wendungen gebraucht. Diese semantischen, morphologischen oder syntaktischen Eigenarten, die die Möglichkeit einer Selektion und Abgrenzung der kriegerischen Verwendung von den anderen Bereichen bieten, sollen daher als weiteres Kriterium für die Auswahl der zu untersuchenden Wörter dienen.

f. Überblick über die Wortgruppen Die Untersuchung umfasst in erster Linie Wörter, die direkt aufgrund ihrer Kernbedeutung dem Sachbereich ,Krieg und Kampf‘ zuzuordnen sind wie ‚Kampf‘, ‚Schlacht‘, ‚kämpfen‘, ‚Heer‘, ‚Krieger‘, ‚Soldat‘ sowie Bezeichnungen für Waffen und Verben des Verwundens und Tötens. Vervollständigt wird die Untersuchung durch die Betrachtung von Wortgruppen, die indirekt zum kriegerischen Sachbereich zählen. Diese Wörter haben eine neutrale Grundbedeutung, werden aber ausschließlich oder überwiegend im kriegerischen Kontext verwendet und zählen deshalb zum homerischen Kriegsvokabular. So dienen z.B. die meisten Schallwörter bei Homer dazu, Kriegslärm zu beschreiben, Wörter mit der Grundbedeutung ‚Kraft‘ werden meistens als ‚Kampfkraft‘ eingesetzt. Eine ursprünglich unkriegerische Grundbedeutung haben auch die Wörter der Gruppe ‚Kriegsgetümmel‘, die entweder eine Menschenansammlung, Tumult oder Lärm bezeichnen und bei Homer im kriegerischen Kontext eingesetzt werden. Für das Angreifen werden in den homerischen Epen meist Verben, die ursprünglich

32 LSJ s.v. I: „stem, tree, […] but commonly, plank or beam“. 22

nur eine schnelle Vorwärtsbewegung beschreiben, verwendet. Insgesamt umfasst die Untersuchung folgende Wortgruppen: •

Kampf, Schlacht, kämpfen Kampf, Schlacht: π(τ)όλεμος, Ἄρης/ἄρης, δηϊοτής, δαΐς, σταδίη, ὑσμίνη kämpfen: π(τ)ολεμίζω, μάρναμαι, δηριάομαι kriegerisch: πολεμήϊος, ἀρήϊος

• Heer, Krieger / Soldat, Schlachtreihe στρατός, πρόμος, πεζός, ἱππεύς, φάλαγξ • Feind δήϊος, δυσμενής • Kriegsgetümmel κυδοιμός, μῶλος, ὅμαδος, ὅμιλος, κλονέω •

Waffen a) Bewaffnung/Rüstung: τεύχεα, ἔντεα b) Panzer: θώρηξ c) Helme: κόρυς, κυνέη, πήληξ, τρυφάλεια d) Schilde: ἀσπίς, σάκος e) Lanzen/Speere: δόρυ, ἔγχος, ἄκων, μελίη, ἐγχείη, ξυστόν f) Schwerter: ξίφος, φάσγανον g) Bogen und Pfeil: τόξον, βιός, ἰός, ὀϊστός h) Geschoss: βέλος

• zum Kampf rüsten θωρήσσω, κορύσσω • angreifen ἐπαΐσσω, ἐνθορεῖν, ἐπιδραμεῖν, ἐπισσεύομαι, ἐπορούω, θύνω, ἰθύω, ὁρμάομαι • Verwendung der Waffen: schießen, schlagen, treffen, verwunden βάλλω, ὀϊστεύω, τύπτω, οὐτάω/οὐτάζω • Wunde, Verwundung ὠτειλή, ἕλκος • im Kampf töten (bezwingen) δαΐζω, δηϊόω, ἐναίρω, (ἐξ)εναρίζω, (κατα)πεφνεῖν, δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω • im Kampf getötet werden, fallen δουπέω, πίπτω • abwehren, verteidigen ἀμύνω, ἀλέξω

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• fliehen, Flucht φεύγω, φέβομαι, φοβέω, φοβέομαι, τρέω, ἀλέομαι/ἀλεύομαι, (ἀνα)χάζομαι, ἀλεωρή, φόβος, φυγή, φύζα • Kriegsgeschrei, Kriegslärm, schreien, lärmen ἀυτή, βοή, ἀλαλητός, ἐνοπή, κέλαδος, κλαγγή, ὀρυμαγδός, δοῦπος, ῥοῖζος, αὔω, βοάω, ἰάχω, ἀραβέω, βραχεῖν • Kampfkraft, Tapferkeit, Mut ἀλκή, βίη, κράτος, μένος, σθένος, ἠνορέη, θάρσος • tapfer, mutig ἀρηΐθοος, δαΐφρων, θρασύς, θαρσαλέος, ἴφθιμος, κρατερός, φιλοπτόλεμος

g. Methode der Untersuchung Durch Untersuchung des gesamten Belegmaterials der ausgewählten Wörter soll festgestellt werden, ob Apollonios das Kriegsvokabular auf homerische Art verwendet. Hierzu werden 1. die Bedeutung, 2. die syntaktische Konstruktion und 3. der Kontext und die narrative Ebene der Belegstelle geprüft. Zu Beginn jeder Wortuntersuchung wird die homerische Bedeutung anhand des Lexikons des frühgriechischen Epos [LfgrE] bzw. des Lexicon Homericum (Ebeling) dargelegt. Eventuelle Abweichungen und Unterschiede zwischen Ilias und Odyssee werden dann an entsprechender Stelle aufgezeigt. Im Vergleich dazu wird die Wortbedeutung an den Belegstellen der Argonautika geprüft. Dann werden Wortwahl und Syntax mit homerischen Parallelstellen verglichen, intertextuelle Bezüge aufgezeigt und bewertet.33 Die starke Formelhaftigkeit der homerischen Dichtung findet sich im hellenistischen Epos nicht.34 Apollonios vermeidet in den Argonautika weitgehend

33 Der Begriff Intertextualität ist bei Genette (1993) 10 definiert als „effektive Präsenz eines Textes in einem anderen Text“, und zwar in Form eines Zitats, Plagiats oder einer Anspielung. In der Entwicklung der Intertextualitäts-Theorie in Bezug auf antike Texte wurde von Pasquali (1942) 185–87 der Begriff der ‚arte allusiva‘ geprägt, eine Anspielungs-Technik, bei der der Autor einen dem gelehrten Rezipienten bekannten Prätext durch überlegte Modifizierung deutlich evoziert. Der Begriff wurde von Giangrande (1967) auf die alexandrinische Dichtung angewandt (s. Anm. 36). Eine Unterscheidung verschiedener Typen der als ,references‘ bezeichneten intertextuellen Bezüge nahm Thomas (1986) 175 anhand von Vergils Georgica vor. Auf die Beobachtungen von Giangrande zur hellenistischen Allusionstechnik bezogen definiert Thomas 177 als „single reference“ eine Anspielung, bei der der Kontext des zugrunde liegenden Prätextes beim Leser bewusst evoziert wird, so dass er diesen dann zur Interpretation der neuen Stelle heranzieht. 34 Einen zusammenfassenden Überblick über die Forschung zur Formelhaftigkeit bei Homer bieten Latacz/Bierl (Prolegomena, 2000) 39–57 mit Hinweisen auf die einschlägige Literatur. 24

Verwendung von Iteratversen, stereotypen Formeln und die Wiederholung ,typischer Szenen‘.35 Doch verwendet er nach alexandrinischer Manier homerische Wörter und Formulierungen entweder in wörtlicher (Zitat) oder variierter Form (variatio in imitando), die bisweilen auch einen Kontrast zum Vorbild oder eine gegenteilige Aussage erzeugt (oppositio in imitando).36 Daher gilt es zu zeigen, ob und in welcher Form Apollonios durch Zitate und Anspielungen auch auf homerische Iterata und Formeln aus Kampfszenen verweist, sowie zu untersuchen, ob er typische Wörter und Formulierungen aus der Kriegssphäre auf andere Kontexte überträgt und um welche Kontexte es sich dabei handelt.37 Dabei soll außerdem beobachtet werden, auf welcher narrativen Ebene die Wörter in den Argonautika verwendet werden. Bei Homer ist Kriegsvokabular zumindest in der Ilias vor allem auf der primären narrativen Ebene zu finden.38 Eine auffällig häufige Verwendung der Wörter auf der sekundären Ebene wie in Analepsen, Gleichnissen und Ekphraseis würde auf eine Marginalisierung kriegerischer Elemente hinweisen.39

35 Der Ansatz von Parry (1971) 429 („There are no formulaic lines, few formulaic phrases, and the formulaic quality of position is notably absent.“) wurde in der jüngeren Forschung relativiert, s. z.B. Fantuzzi/Hunter (2004) 266: „Apollonius uses repetition with great care, both internal, ‚quasi-formulaic‘ repetition, and repetition of Homer or of archaic epic more generally, and it is variety, not faithfulness, which is sought.“ Vgl. Cairns (1998) 65: „…Apollonios creates new formulas which are unhomeric although they may have Homeric models and/or analogues …“ Zu Apollonios’ neuer, unhomerischer Formularität, der sogenannten „para-formularity“ s. Fantuzzi (1988 und 2001), Fantuzzi/Hunter (2004) 268–82. Zur Verwendung typischer Szenen bei Apollonios s. Arend (1933) 127–28. 36 Zu den Charakteristika der alexandrinischen Anspielungstechnik s. vor allem Giangrande (1967) 11 („the two main characteristics of Alexandrian allusion to Homer, namely implied grammatical interpretation and oppositio in imitando“) mit Beispielen aus den Argonautika. 37 Zimmermann/Rengakos (2014) 167: „Apollonios [verwendet] homerische Wörter […] in unerwarteten Kontexten oder mit stark veränderter Bedeutung.“ 38 S. Latacz/Bierl (Prolegomena, 2000) 162: „(Einfacher) Erzähler-Text (‚simple narrator-text‘): Alle Textpassagen, in denen aussschließlich der (primäre) →Erzähler als Erzähler/→Fokalisator fungiert.“ In der Ilias findet sich das hier untersuchte Vokabular in der Regel im Erzählertext, aber auch oft in der Figuren-Rede, die das gegenwärtige Kriegsgeschehen zum Inhalt hat. In der Odyssee verlagert sich das Kriegsthema weitgehend auf die externe Analepse (s. Anm. 39), die die Erinnerungen des Odysseus an den Krieg zum Inhalt hat, begegnet aber auch in der Erzählung von den Abenteuern auf der Irrfahrt mit Odysseus als Figurenerzähler und in der Schilderung des Kampfes gegen die Freier. 39 Vgl. die Definition von Scherer (2006) 7–8: „Alle Elemente einer Erzählung, die die Linearität der erzählten Zeit unterbrechen (vorausweisend: Prolepsen; zurückweisend: Analepsen, anhaltend [temporale Nullstufe, narrative Pause]: Gleichnisse, Allegorien, mythische Paradigmata, Spiegelerzählungen, Parabeln, ekphraseis), kann 25

Die Vorgehensweise richtet sich bei jeder einzelnen Untersuchung nach den Gegebenheiten des Stellenmaterials, d.h. die Reihenfolge bei der Bearbeitung der Stellen erfolgt entweder nach semantischen, grammatikalisch-syntaktischen oder inhaltlichen Zusammenhängen, oder - wenn keines davon gegeben ist - nach der Reihenfolge der Belegstellen im Epos. Die inhaltliche Interpretation erfolgt bei der jeweiligen Wortuntersuchung oder, falls es sich um eine Belegstelle mehrerer Kriegsvokabeln handelt, dort, wo es am sinnvollsten erscheint. Bei der Untersuchung der Wortgruppe ,Kriegslärm und Kriegsgeschrei‘ bietet sich auf Grund der häufigen Verwendung der Wörter in bestimmten Episoden eine zusätzliche Betrachtung dieser Passagen im Ganzen an, die in den Kapiteln 15 o.–t. durchgeführt wird. Die Untersuchung einer Episode aus dem vierten Buch, in der die Figur des Orpheus eine wesentliche Rolle spielt, ist als Appendix 1 angehängt, da die inhaltliche Betrachtung weit über Wortuntersuchung und Kurzinterpretation hinausgeht.40

man als secondary narratives bezeichnen“. Die weitere Differenzierung der Analepse findet sich in dem von de Jong und Nünlist erstellen Glossar in Latacz/Bierl (Prolegomena, 2000) 159: „Zu unterscheiden sind (a) externe Analepse (Bezugnahme auf Ereignisse vor Einsetzen der Erzählung) und interne Analepse (Bezugnahme auf Ereignisse nach Einsetzen der Erzählung); (b) kompletive Analepse (enthalten zusätzliche Information) und repetitive Analepse (enthalten keine zusätzlichen Information).“ Entsprechendes zur Prolepse ebd. 168. Zudem können, dazu Scherer 6–7, nach der Erzählperspektive die aukoriale Analepse, d.h. „mit Perspektive außerhalb der Handlungsebene“, und die aktoriale Analepse, d.h. mit „Perspektive […] innerhalb der Handlungsebene“, unterschieden werden. 40 S. dazu in der Einleitung zu II.15. (Kriegslärm und Kriegsgeschrei). Eine entsprechende Untersuchung der Athlos-Episode liegt bereits bei Fantuzzi/Hunter (2004) 271–82 vor. 26

II. Wortuntersuchungen 1. Kampf, Schlacht, kämpfen Die Gruppe der Wörter, die Situation oder Durchführung einer kriegerischen Auseinandersetzung bezeichnen, nimmt eine zentrale Position in der Menge des von Homer verwendeten Kriegsvokabulars ein. Die beiden Wörter π(τ)όλεμος und μάχη sowie die entsprechenden Verben π(τ)ολεμίζω und μάχομαι weisen in den homerischen Epen das größte Belegmaterial in den Wortgruppen ,Kampf, Schlacht‘ und ,kämpfen‘ auf. Umso auffälliger ist es, dass μάχη, μάχομαι sowie auch die Bezeichnung für den Kämpfer μαχητής in den Argonautika nicht belegt sind. Dagegen aber verwendet Apollonios neben π(τ)όλεμος und den bei Homer recht gängigen Wörtern δηϊοτής und ὑσμίνη auch Wörter, die dort selten vorkommen wie δαΐς, μῶλος, σταδίη. An Verben für das kriegerische Kämpfen tauchen neben π(τ)ολεμίζω die seltener gebrauchten Verben μάρναμαι und δηριάομαι auf.

a. π(τ)όλεμος π(τ)όλεμος kommt in der Ilias mit 252 Stellen sehr häufig vor, in der Odyssee mit 29 Stellen dagegen selten.41 Bei Homer bezeichnet π(τ)όλεμος hauptsächlich den bewaffneten Konflikt generell, d.h. ‚Kampf‘ in der Schlacht oder im Krieg als Geschehen oder Tätigkeit, aber auch konkret den einzelnen ,Kampf‘, die ,Schlacht‘ selbst.42 Es handelt sich dabei grundsätzlich um einen Kampf gegen hostes.43 In der Ilias findet sich π(τ)όλεμος meistens (149 Stellen) in direkten Reden und bezeichnet den gegenwärtigen Kampf um Troja, oft aber auch den Kampf und die Kriegsmühe generell. Auch in der Odyssee begegnen π(τ)όλεμος und π(τ)ολεμίζω im Zusammenhang mit dem trojanischen Krieg, in diesem Fall in Analepsen oder in Reden (π(τ)όλεμος an 18 Stellen in direkter Rede). Außerdem werden an mehreren Stellen Kriegserfahrung und Kampfgeist des Odysseus thematisiert, zweimal bezeichnet π(τ)όλεμος den Kampf auf Ithaka gegen die Freier und ihre Anhänger (χ 152, ω 475).

41 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 1334, 1. 42 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 1334, 63–1335, 8: „(fighting in) battle (incl. single combat), (fighting in) war; may refer to the fighting (actual or envisaged) in a single bout, on a single occasion […] or in more extensive warfare […] a war, ref. to [fighting in] a whole war [transl. a/the war sometimes appropriate]“. Mit der Bedeutung „quarrelling, strife, Zwist“ kommt das Wort nur in I 64 vor (1342, 15–21). Trümpy (1950) 129–30 weist darauf hin, dass π(τ)όλεμος bei Homer an den meisten Stellen ‚Kampf‘, nicht aber ‚Krieg‘ bedeute: „Die Bedeutung ‚Krieg‘ ist bei Homer erst in statu nascendi.“ 43 Trümpy (1950) 130. 27

In den Argonautika des Apollonios ist π(τ)όλεμος an 12 Stellen belegt und damit im Verhältnis zum Werkumfang ungefähr so häufig wie in der Odyssee. Wie bei Homer hat π(τ)όλεμος auch bei Apollonios die Bedeutung ‚Kampf‘ oder ‚Schlacht‘ im kriegerischen Sinn. An mehreren Stellen dient π(τ)όλεμος dazu, Personen durch Beschreibungen ihrer Kriegstüchtigkeit oder Kriegserfahrung zu charakterisieren: Bei der Vorstellung des Argonauten Periklymenos im Argonautenkatalog wird dessen besondere Stärke im Kampf erläutert, die ihm sein Großvater Poseidon gewährte: ὅττι κεν ἀρήσαιτο / μαρνάμενος, τὸ πέλεσθαι ἐνὶ ξυνοχῇ πολέμοιο (1, 159–60). Der Ausdruck ξυνοχῇ πολέμοιο ist nicht homerisch, da συνοχή in Verbindung mit πόλεμος erst in hellenistischer Zeit belegt ist.44 Die Eigenschaft der Kriegserfahrung wird den Helden als Gesamtheit durch die homerische Phrase ἐπισταμένους πολέμοιο (2, 1222) in der Rede des Peleus im zweiten Buch zugeschrieben. Vergleichbar sind Β 611 (ἐπιστάμενοι πολεμίζειν) und Ν 223 (ἐπιστάμεθα πτολεμίζειν).45 Wie bei Periklymenos werden aber nicht etwa frühere kriegerische Taten oder Mut (so in Ν 223) als Beleg für die Kampferfahrung der Argonauten zugrunde gelegt, sondern die - zumindest teilweise (σχεδόν) vorhandene - Abstammung der Helden vom Blut der Götter (2, 1223). Mit ähnlichen Worten werden die Kolcher in 4, 1008 sogar als kampfgierig bezeichnet: ἐπειγομένους πολέμοιο. Vorbild ist vermutlich die Charakterisierung Achills als ἐπειγόμενός περ ἄρηος (Τ 142, 189),46 die Apollonios im 3. Buch der Argonautika zur Beschreibung der Erdgeborenen in der Athlos-Episode fast wörtlich übernimmt: ἐπειγομένους ἐς ἄρηα (3, 1385).47 An drei Belegstellen wird eine Person durch einen Hinweis auf frühere kriegerische Heldentaten charakterisiert. Auch hier greift Apollonios auf homerische Prätexte zurück: Als die Helden das Grab des Sthenelos passieren, wird in einer externen Analepse von dessen Kampf gegen die Amazonen berichtet. Das Wort πόλεμος kommt hier zweimal vor: In der Beschreibung des aus dem Krieg zurückgekehrten (Ἀμαζονίδων πολυθαρσέος ἐκ πολέμοιο / ἂψ ἀνιών (2, 912–13)) sowie des in den Krieg aufbrechenden Helden: πόλεμον δ’ ἴεν (2, 919). Beide Formulierungen finden sich einmal bei Homer: πόλεμόνδ’ ἴεν (Β 872), ἐκ πολέμου ἀνιόντα (Z 480). Auch ist dort 44 Fränkel (1968) 51, dazu LSJ s.v. συνοχή II.2: „conflict in battle“, als Belegstellen sind außer Apoll. Rhod. 1, 160 auch Quintus Smyrnaeus 4, 342 (ἐνὶ ξυνοχῇσιν ἀγῶνος) und eine Inschrift aus dem 3. Jh. v. Chr. (στυγερῶν ἐγ ξυνοχαῖς πολέμων (IG 9(1), 1064)) genannt. Vasilaros (2004) 149 nennt als Grundbedeutung des Wortes „συμπλοκή“, während die auf das Psychische übertragene Bedeutung „στενοχώρια, δύσκολη θέση, ἀνάγκη, θλίψη, βάσανο“ hauptsächlich in hellenistischer Zeit und vor allem im Neuen Testament belegt sei. Zum Gebrauch von μάρναμαι an dieser Stelle s. unter 1h. (μάρναμαι). 45 Vgl. auch Ν 238 und Π 243. 46 Ähnlich ist auch λιλαιόμενοι πολέμοιο (Γ 133). 47 S. dazu unter 1b4. (ἄρης als Metonymie). 28

πόλεμος mehrmals mit einem Genetiv, der den Kampfgegner und Kriegsinitiator bezeichnet - wie bei Apollonios Ἀμαζονίδων -, verbunden.48 Nicht homerisch ist dagegen die Kombination von πόλεμος und πολυθαρσής, für die Apollonios die einzige Belegstelle bietet.49 Eine weitere Analepse hat die Kriegsinitiative des Herakles gegen den Vater des Hylas Theiodamas und dessen Volk zum Thema: Ἵετο γὰρ πρόφασιν πολέμου Δρυόπεσσι βαλέσθαι / λευγαλέην (1, 1218–19). Die Wendung πρόφασιν πολέμου βαλέσθαι kommt bei Homer nicht vor.50 Das Epitheton λευγαλέος ist bei Homer einmal direkt mit πόλεμος (Ν 97) verbunden. Die apollonianische Junktur πρόφασις λευγαλέη, die ohne Vorbild und semantisch ungewöhnlich ist,51 erscheint als variatio dieser Homerstelle mittels Enallage-Technik. Die übertragen gebrauchte Wendung ἵετο γὰρ βαλέσθαι erinnert an das homerische ἵετο γὰρ βαλέειν (Π 383, 866), das dort aber eine konkrete Kampfhandlung beschreibt. Im Unterschied zu diesen Analepsen, die einen Einblick in die heroische Vergangenheit geben, ist die Rede des Idas im ersten Buch auf das zukünftige Unternehmen gerichtet, bei dem er erwartet, seine Kampftüchtigkeit unter Beweis stellen zu können. Voller Tatendrang setzt er allein auf seine Lanze zur Erlangung künftigen Ruhms: … περιώσιον ἄλλων / κῦδος ἐνὶ πτολέμοισιν ἀείρομαι (1, 466–67).52 Das Erwerben von Ruhm durch den Menschen selbst (κῦδος ἀείρομαι) begegnet bei Homer meistens in potentialen oder irrealen Formulierungen.53 Nur an einer Stelle in der Ilias wird berichtet, dass Kriegsruhm von den Helden erworben wurde: ἠρόμεθα μέγα κῦδος (X 393). Denn im Grunde sind es immer die Götter, die den 48 LSJ s.v. πόλεμος I: „π. Ἀχαιῶν, ἀνδρῶν, i.e. brought by them“, so in Γ 165, Η 343, Ω 8. S. auch Ebeling s.v. πόλεμος 1.k: „cum gen. H 343 π. Τρώων qua Tr. nos oppugnant, cf. H 331.“ 49 Das Adjektiv πολυθαρσής steht bei Homer immer neben μένος (Ρ 156, Τ 37, ν 387). 50 Das Wort πρόφασις begegnet bei Homer nur zweimal im adverbialen Akkusativ mit der Bedeutung „offensichtlich, wie jeder merken kann“ (V. Langholf, LfgrE 3, 1577, 60–62). Bei Thukydides jedoch findet sich πρόφασις τοῦδε τοῦ πολέμου κατέστη (1, 118, 1), πρόφασιν τοῦ πολέμου (5, 31, 3), s. auch 1, 126, 1; 1, 146,1 (πρόφασις τοῦ πολεμεῖν). Wie bei Apollonios hat πρόφασις auch an diesen Stellen die Bedeutung ‚Kriegsgrund‘ im Sinne von ‚Vorwand‘ im Gegensatz zu der ἀληθεστάτη πρόφασις in Thuk. 1, 23, 6 (s. dazu Gomme (1959) z.St.). So kann man davon ausgehen, dass die Thukydidesstellen Apollonios als Vorbild dienten. 51 Ein Attribut mit der Bedeutung ,jammervoll, elend‘ wie λευγαλέος findet sich in der Regel zur Verstärkung neben negativ belegten Abstrakta wie Tod, Verderben, Schicksal, Armut und auch Krieg, nicht aber neben einem rationalen Begriff wie πρόφασις. Zum sonstigen Gebrauch von λευγαλέος bei Homer s. unter 1c. (δηϊοτής). 52 Die Form πτολέμοισιν ist unhomerisch, bei Homer begegnet πόλεμος nicht im Dativ Plural. Die Junktur περιώσιον ἄλλων, die Idas gebraucht, um sich hervorzuheben, gleicht der Charakterisierung Jasons in der Rede des Argos zu Aietes: περιώσιον οὕνεκεν ἀλκῇ / σφωιτέρῃ πάντεσσι μετέπρεπεν Αἰολίδῃσιν (3, 334–35), s. dazu unter 16a. (ἀλκή). Zum Adjektiv περιώσιος s. Anm. 1135. 53 R. Führer, LfgrE 2, 1576, 9–29 (zu κῦδος). 29

Menschen κῦδος zuteilen oder gewähren, meistens Zeus, z.B.: Ζεὺς κῦδος ἔδωκεν (Α 279, Λ 300, Τ 204).54 Zu dieser homerischen Vorstellung steht die Aussage des Idas in einem Kontrast. Denn Idas sieht den Krieg als Quelle des Ruhms und glaubt sich mit seiner Stärke unabhängig vom Beistand der Götter: οὐδέ μ’ ὀφέλλει / Ζεὺς τόσον ὁσσάτιόν περ ἐμὸν δόρυ (1, 467–68).55 Doch kann er in der folgenden Handlung seine Kampfbegierde fast nie ausleben. Deshalb grollt er unablässig und fällt meist durch Kritik an Jasons Vorgehen und durch emotionale Ausbrüche auf.56 Zweimal begegnet π(τ)όλεμος im Kontext eines Kampfes auf der Erzählebene, der Schlacht gegen die Dolionen: In 1, 971 verwendet Apollonios mit πτολέμοιο μέλεσθαι eine homerische Phrase: Geschildert wird der durch ein Orakel motivierte freundliche Empfang der Argonauten durch Kyzikos: … μείλιχον ἀντιάαν μηδὲ πτολέμοιο μέλεσθαι. Im Unterschied zu Homer, wo der Iteratvers βῆ δὲ μετ’ Ἰδομενῆα, μέγα πτολέμοιο μεμηλώς (Ν 297, 469) die Kampfgier eines Kriegers beim Angriff auf seinen Gegner im Schlachtgeschehen beschreibt, wird bei Apollonios die Kriegsabsicht negiert in einem - zur Zeit noch - friedlichen Kontext.57 In 1, 1052 begegnet πόλεμος in der ersten kriegerischen Auseinandersetzung auf der primären Erzählebene.58 Die Beschreibung des irrtümlichen Kampfes der Argonauten gegen die Dolionen (1, 1025–52) ist eine Kampfschilderung, die nach homerischer Art gestaltet zu sein scheint, jedoch stark verkürzt ist.59 In der kurzen Darstellung der Szenerie nach der Niederlage der Dolionen wird der vorhergehende Kampf als πόλεμος bezeichnet: αἶψα δ’ ἀυτῆς / πλῆτο πόλις στονόεντος ὑποτροπίῃ πολέμοιο (1, 1051–52). Die Junktur στονόεις πόλεμος ist unhomerisch und hier zum ersten Mal belegt. Bei Homer ist στονόεις meist Epitheton für βέλος und ὀϊστός, einmal auch für ἀυτή.60 Auch ὑποτροπίη ist hier zuerst belegt.61 Sprachlich ähnlich ist Ζ 501 wo der aus dem Krieg zurückkehrende Hektor beschrieben wird: ὑπότροπον 54 R. Führer, LfgrE 2, 1576, 29–1577, 7. 55 S. dazu auch unter 6d. (Lanzen/Speere). 56 1, 462–65; 1, 485–91; 3, 556–63; 3, 1170; 3, 1252. Manakidou (1998) 252–54 gibt einen guten Überblick zur Darstellung der Figur des Idas als Vertreter des traditionellen Heldentums, der mit χόλος auf das Verhalten Jasons reagiert, das nicht dem homerischen Heldenideal entspreche. 57 Ähnlich und auch negiert ist οὐ πολέμοιο δυσηχέος ἐμνώοντο (Β 686) über die Myr­ midonen, die wegen Achills Zorn vom Kampf Abstand nehmen. 58 Zuvor fand nur der Kampf gegen die Erdgeborenen statt (1, 985–1015). 59 Zur Kampfbeschreibung selbst und dem dort verwendeten Vokabular s. unter 10c. (ἐναίρω). 60 βέλεα στονόεντα (Θ 159, Ο 590, Ρ 374), στονόεντες ὀϊστοί (φ 12, 60), στονόεσσαν ἀϋτήν (λ 383). Bei Hesiod findet sich: Ἄρηος / ἔργ’ […] στονόεντα (Op. 145–46). Nach Apollonios verwendet Quintus Smyrnaeus στονόεις häufig als Epitheton für πόλεμος (1, 20; 4, 60 u.ö.). 61 LSJ s.v. ὑποτροπίη: „poet. for ὑποτροπή, πολέμοιο turning of the fight“, mit Angabe der Apolloniosstelle. ὑποτροπίη begegnet dann in den Orphischen Argonautika: ὑποτροπίην Ἄργος θέτο (267), s. TLG, Bd. VIII, 461. 30

ἐκ πολέμοιο.62 Bei Apollonios ist ὑποτροπίῃ πολέμοιο jedoch als Niederlage der Dolionen und deren Rückzug in die Stadt aufzufassen.63 Dreimal begegnet πόλεμος in einem Gleichnis. Dies ist insofern bemerkenswert, da Homer das Wort nur viermal (Ε 861, Κ 8, Ξ 149, Ρ 548), also im Verhältnis zur Gesamtmenge der Belegstellen sehr selten, im Gleichnis einsetzt. Bei Apollonios dagegen machen die Belege in den Gleichnissen ein Viertel aller Stellen aus. Zwei von ihnen gehören zu der Fülle der Gleichnisse, die die Erzählung über Jasons Athlos begleiten: Das erste Gleichnis illustriert die Wirkung der Zaubermittel Medeas auf Jasons Körper direkt nach der Präparierung. In dieser Situation wird er mit einem Kriegspferd verglichen: Ὡς δ’ ὅτ’ ἀρήιος ἵππος, ἐελδόμενος πολέμοιο, σκαρθμῷ ἐπιχρεμέθων κρούει πέδον, αὐτὰρ ὕπερθε κυδιόων ὀρθοῖσιν ἐπ’ οὔασιν αὐχέν’ ἀείρει· (3, 1259–61)

Diese Passage evoziert ein homerisches Gleichnis mit nicht-kriegerischem Inhalt, das in der Ilias zweimal begegnet: In Ζ 506–11 wird Paris mit einem Pferd verglichen, in Ο 263–68 Hektor:

62 Hinweis auf diese Stelle auch bei Vasilaros (2004) 298. 63 Dräger (2002) 79 übersetzt „Rückkehr des Krieges“, ähnlich Campbell (1971) 409: „with the return of doleful war“. Glei (Bd. 1, 1996) 59 versteht den Ausdruck als „schlimme Wendung des Krieges“, dem entspricht die Bedeutung bei LSJ, s.o. Anm. 61 (so auch die Übersetzung von Seaton (1961) 75). Beide Übersetzungen passen nicht recht, da ,Rückkehr‘ einen vorherigen Krieg der Dolionen voraussetzt, von dem nirgends die Rede ist, ,Wendung‘ einen früheren Vorteil der Dolionen in diesem Kampf annehmen lässt, was auch nicht der Fall ist. Ardizzoni (1967) 238 interpretiert ὑποτροπίη πολέμοιο als Niederlage („sconfitta“), was inhaltlich sicher passend ist, von der Etymologie des Wortes her aber nicht wahrscheinlich ist (vgl. (zu ὑπότροπον) J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 762, 16–20: „returning […] always returning zu one’s home“ mit Hinweis auf Sch. D zu Z 367 (ἐξ ὑποστροφῆς ἀνεληλυθώς). Dagegen erklärt das Scholion zu 1, 1052: ὑποτροπίῃ· ὑποστροφῇ τουτέστι φυγῇ. Die Auffassung von ὑποτροπίη als Rückzug oder Flucht wird auch assoziiert durch den zweifache Ausdruck für ,fliehen‘ in den Versen zuvor: ὑπέτρεσαν (1, 1049) und ὑποτρέσσωσι (1, 1050). Semantisch entspräche der Ausdruck dann der homerischen Vorbildstelle Ζ 501. Dass die bei Homer in diesem Ausdruck übliche Präposition ἐκ bei Apollonios nicht zwingend stehen muss, zeigt eine vergleichbare Stelle in derselben Episode (1, 1030–31), an der mit δηιοτῆτος auch der separative Genetiv ohne ἐκ steht, s. dazu unter 1c. (δηϊοτής), vgl. auch ἀποτροπίη θανάτοιο (4, 1504). In diesem Sinn versteht auch Hunter (1993) 43 die Stelle: „…the city was full of lamentation because the men had returned in flight from this grievous war.“ Ebenso Clare (2002) 191: „the city was filled with lamentation at this turning back from grievous war.“ Zu ἀυτῆς πλῆτο πόλις s. unter 15a. (ἀυτή). 31

ὡς δ’ ὅτε τις στατὸς ἵππος, ἀκοστήσας ἐπὶ φάτνηι, δεσμὸν ἀπορρήξας θείηι πεδίοιο κροαίνων, εἰωθὼς λούεσθαι ἐϋρρεῖος ποταμοῖο, κυδιόων, ὑψοῦ δὲ κάρη ἔχει, ἀμφὶ δὲ χαῖται ὤμοις ἀΐσσονται· ὃ δ’ ἀγλαΐηφι πεποιθώς,  ῥίμφά ἑ γοῦνα φέρει μετά τ’ ἤθεα καὶ νομὸν ἵππων·

Der Kontext auf der Primärebene ist an beiden Iliasstellen kriegerisch. Die Schlacht tobt um die Helden herum, die sich jetzt, mit einem kräftigen Pferd vergleichbar, in den Kampf stürzen.64 Apollonios verkürzt das Pferdegleichnis Homers zwar, erweitert es aber um den kriegerischen Aspekt. Dass Apollonios nicht, wie Reitz meint, die Bezeichnung ἀρήιος ἵππος nur aus einem „Bedürfnis nach Präzision“ heraus wählt,65 sondern um dem Gleichnis einen martialischen Charakter zu geben, zeigt der Zusatz ἐελδόμενος πολέμοιο. Diese Junktur hat eine Parallele in der Ilias. Dort wird ein Krieger in einer Rede zum Kampf aufgefordert: νῦν τοι ἐελδέσθω πόλεμος κακός (Π 494).66 Bei Apollonios dagegen wird die kriegerische Szenerie in das Gleichnis gesetzt und die kriegerische Eigenschaft dem Pferd des Gleichnisses und nicht Jason selbst zugeschrieben.67 64 Zur Diskussion über die Position des Gleichnisses an den Iliasstellen siehe Reitz (1996) 84–85. Zu bemerken ist, dass sich Paris und Hektor in ihrer jeweiligen Situation vor dem Gleichnis gar nicht so sehr unterscheiden: Paris, obwohl kein kriegerischer Held, fasst durch die Kritik Hektors Mut und rüstet sich, um in die Schlacht zu ziehen. Hektor, der sich durch den Angriff des Aias geschwächt fühlt, kehrt nach einer Paränese durch Apollon mit frischer Kraft wieder in die Schlacht zurück. Jason ist in einer ähnlichen Situation: Er, der selbst nicht über genügend Stärke verfügt, erhält durch die Zaubermittel Medeas die Kraft, seine Aufgabe zu erfüllen. Dass Jasons mangelnder Kriegsmut mit der Charakteristik des Paris vergleichbar ist und seine Abhängigkeit von externer Hilfe der Situation Hektors entspricht, führt Effe (1996) 301 überzeugend aus. Auch in der lateinischen Literatur finden sich Pferdegleichnisse: bei Ennius (ann. 514–518) und Vergil (Aen. 2, 492–497), s. dazu die Interpretationen von v. Albrecht (1969). 65 Reitz (1996) 85, Anm. 229. Zur Junktur ἀρήιος ἵππος s. unter 1k. (ἀρήϊος). 66 Vgl. dazu Ψ 122 (über Maultiere): ἐλδόμεναι πεδίοιο. 67 V. Albrecht (1969) 342 begründet die Umgestaltung des homerischen Gleichnisses durch Apollonios damit, dass dieser das Gleichnis „in allen Einzelheiten der Situation anzupassen versucht“ und deshalb statt des homerischen Hengstes, der den Stuten zustrebt, das „Kriegspferd, das in den Kampf ziehen will“ wählt: „So gleicht der gelehrte Dichter einen ‚Widerspruch‘ aus und ‚korrigiert‘ Homer.“ Allerdings findet sich auch bei Apollonios keine direkte Analogie von Gleichnis und Erzählung: Obwohl Jason den Athlos vor sich hat, ist er selbst nicht kampfbegierig. Hunter (1989) 238 vermutet als zweites Vorbild ein Gleichnis bei Aischylos, in dem es um ein Kriegspferd geht: … μάχης ἐρῶν, / ἵππος χαλινῶν ὣς κατασθμαίνων μένει, / ὅστις βοὴν σάλπιγγος ὁρμαίνει μένων (Sept. 392–94). Der kriegerische Ausdruck μάχης ἐρῶν steht aber auch hier auf der Erzählebene und bezieht sich auf den Helden Tydeus. 32

Im zweiten Gleichnis wird das Töten der Erdgeborenen während des Athlos mit einer „Noternte in Kriegszeiten“68 verglichen: Ὡς δ’ ὁπότ’, ἀγχούροισιν ἐγειρομένου πολέμοιο, δείσας γειομόρος μή οἱ προτάμωνται ἀρούρας, ἅρπην εὐκαμπῆ νεοθηγέα χερσὶ μεμαρπὼς ὠμὸν ἐπισπεύδων κείρει στάχυν, οὐδὲ βολῇσι μίμνει ἐς ὡραίην τερσήμεναι ἠελίοιο· (3, 1386–90)

Das Thema der Ernte begegnet in einem homerischen Gleichnis, das in einen kriegerischen Kontext eingebettet ist, dem aber selbst der kriegerische Aspekt fehlt. In der Ilias werden die Kämpfer, die aufeinander zustürmen, mit Schnittern verglichen, die das Korn abmähen, wobei sie einander entgegen streben (Λ 67–69).69 Apollonios gibt dagegen dem Bild der Ernte im Gleichnis einen kriegerischen Hintergrund durch den Zusatz ἀγχούροισιν ἐγειρομένου πολέμοιο (3, 1386), der an die homerische Wendung Τρωσὶν ἐφ’ ἱπποδάμοισιν ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα (Δ 352, Τ 237) erinnert.70 Die Schilderung des Athlos selbst dagegen wird durch das Vokabular dem rustikalen Thema des Gleichnisses angeglichen: Die Aristie Jasons enthält, obwohl sie ein Kampf ist, weniger kriegerische Ausdrücke als solche aus dem Bereich des Landwesens: Jason wird Pflüger genannt (3, 1332, 1343), er jocht die Stiere an (1317–19), pflügt das Feld (1331–35; 1338–44), sät die Zähne (1335–37) und spannt den Pflug wieder ab (1344). Die Erdgeborenen werden als Getreide-Pflanzen dargestellt (1338, 1354, 1363, 1391, 1396–1403), sogar das Töten der Erdgeborenen wird an zwei Stellen als „mähen“ bezeichnet: ἀμώων (1382), κεῖρεν στάχυν (1391).71 Zwischen diese beiden Stellen ist das Erntegleichnis eingefügt, dessen Thema auf die Erzählung der Primärebene, der eine wirklich kriegerische Atmosphäre fehlt, übertragen wird. Dagegen wird das Kriegsthema, das beim iliadischen Vorbild den Kontext bildet, bei Apollonios in das Gleichnis integriert. In einem dritten Gleichnis schließlich dient πόλεμος unter anderen Schrecknissen dazu, die Verzweiflung der Argonauten angesichts ihrer ausweglosen Situation in der libyschen Wüste zu illustrieren: Οἷον δ’ ἀψύχοισιν ἐοικότες εἰδώλοισιν ἀνέρες εἱλίσσονται ἀνὰ πτόλιν, ἢ πολέμοιο ἢ λοιμοῖο τέλος ποτιδέγμενοι ἠέ τιν’ ὄμβρον ἄσπετον, … (4, 1280–83)

68 Reitz (1996) 95. 69 Der Vergleich gefallener Krieger mit abgemähten Feldfrüchten ist allerdings unhomerisch wie Kouremenos (1996) 237 anmerkt. 70 Die Formel ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα ist an weiteren Stellen belegt (Β 440, Θ 531, Σ 304). 71 Thiel (1996) 50 weist auf eine kriegerische Verwendung von κείρειν und στάχυς in der Tragödie hin (Aischyl. Hik. 666, Eur. Herakl. 5), was aber die rustikale Atmosphäre der apollonianischen Szene nicht schmälert. Hinzu kommt, dass Waffen im ersten Teil der Episode (Kampf mit den Ares-Stieren) nicht direkt beim Kampf eingesetzt werden, siehe dazu unter 6b. (Helme) und 6d. (Lanzen/Speere). 33

Die Verbindung von πόλεμος und λοιμός begegnet einmal bei Homer (Α 61). Auch der Ausdruck τέλος πολέμου/πολέμοιο ist homerisch, allerdings bezeichnet τέλος dort das Ende oder den Ausgang des Krieges, während es bei Apollonios ,Kriegsausbruch‘ bedeutet.72 Der oben zitierte Teil des Gleichnisses erinnert motivisch an zwei Iliasstellen: In Κ 5–10 ist der von Zeus gesandte Krieg (πτολέμοιο μέγα στόμα (Κ 8)) eines von drei Schreckensbildern.73 Auch in Ρ 548 sendet Zeus in einem Gleichnis ein τέρας […] πολέμοιο. Dass π(τ)όλεμος außer an diesen beiden Stellen nur noch zweimal in einem Gleichnis begegnet,74 zeigt, dass das Kriegsthema sich bei Homer auf die Erzählebene konzentriert, während in Gleichnissen fast immer nicht-kriegerische Themen begegnen.

Zusammenfassung Einige der untersuchten Belegstellen lehnen sich an homerische Formulierungen an, z.B. ἐπισταμένους πολέμοιο, πτολέμοιο μέλεσθαι. Mehrere Wendungen wie ἐελδόμενος πολέμοιο, ἐκ πολέμοιο ἀνιών und πόλεμον δ’ ἴεν gehen auf singuläre Homerstellen zurück. Aber auch unhomerische Junkturen wie ξυνοχῇ πολέμοιο und πρόφασιν πολέμου sind zu finden. Es zeigt sich die Tendenz, π(τ)όλεμος auf der sekundären narrativen Ebene, weniger aber in der Primärerzählung einzusetzen. Bei den Belegstellen handelt sich um einen Kampf 1. 2. 3. 4. 5.

in Katalog und Personenbeschreibung: in Analepsen: in Gleichnissen: auf der Erzählebene: in einer Rede/Hypothese:

1, 160; 2, 1222; 4,1008 2, 912; 2, 919; 1, 1218 3, 1259; 3, 1386; 4, 1281 1, 1052 1, 466; 1, 971

b. Ἄρης / ἄρης Der Gott Ares tritt in der Ilias als Person auf und greift durch seine Interventionen aktiv in das Kampfgeschehen ein. Daneben bezeichnet sein Name auch als Metonymie seinen Funktionsbereich, z.B.: ἵνα ξυνάγωμεν ἄρηα (z.B. Β 381), ἐγείρομεν

72 LSJ s.v. τέλος I.1 mit der Bedeutung „the coming to pass (outbreak) of“ für 4, 1282, für die Iliasstellen Γ 291, Π 630, Υ 101 dagegen „result“. S. auch Hunter (2015) 254: „τέλος with the genitive means principially ‚doom of, outbreak of‘ (LSJ s.v. I.4), but the periphrasis is chosen to evoke τέλος as ‚end, climax‘.“ 73 Außerdem entsprechen sich ὄμβρον / ἄσπετον (4, 1282 f., s. auch N 139) und πολὺν ὄμβρον (Κ 6). Zum Vergleich der beiden Gleichnisse s. Effe (1996) 298. Fränkel (1968) 591 f. bemerkt im apollonianischen Gleichnis einen Kontrast „a minori ad majus“, da „sich der Schock im Vergleichsbild weniger hart ausnimmt als jener, den in seiner Erzählung deren Personen erlitten.“ 74 Ε 860 f., Ξ 148 f., bei beiden handelt es sich um einen Quantitätenvergleich. 34

ὀξὺν ἄρηα (z.B. Β 440), μαχέσασθαι ἄρηϊ (Ρ 490). Doch begegnet Ares als handelnde Figur weit häufiger als der metonymische Gebrauch seines Namens.75

b1. Ἄρης als Person In den Argonautika wird Ares an sechs Stellen als Person genannt, die hier nur kurz aufgeführt werden sollen: In der Genealogie der Amazonen wird Ares zweimal genannt: δὴ γὰρ καὶ γενεὴν ἔσαν Ἄρεος Ἁρμονίης τε / Νύμφης, ἥ τ’ Ἄρηϊ φιλοπτολέμους τέκε κούρας (2, 990–91).76 An vier Stellen werden Gegenstände aus dem Besitz des Ares erwähnt: Der Schild des Ares in der Mantel-Ekphrasis (Ἄρεος […] σάκος (1, 743)), die Wurfscheibe des Ares in der Athlos-Episode (δεινὸν Ἐνυαλίου σόλον Ἄρεος (3, 1366).77 Der Speer des Ares, unter dem die Erdgeborenen fallen (Ἄρεος ἀμώοντος ὅσοι ὑπὸ δουρὶ λίποντο (3, 1187). Vergleicht man die ähnliche Formulierung bei Homer (ὅσσοι δ’ ἂν πολέμοιο περὶ στυγεροῖο λίπωνται (Τ 230)), kann Ἄρης an dieser Stelle auch metonymisch aufgefasst werden.78 Sprachlich ähnlich ist: ἔπασχον ὑπ’ Ἄρηος παλαμάων (Γ 128). Bei Homer steht Ἄρης jedoch nicht als possessiver Genetiv neben Waffen und anderen Gegenständen, sondern findet sich hauptsächlich in den Ausdrücken ἔρις ἄρηος (z.B. Ε 861), μῶλος ἄρηος (z.B. Β 401), μένος ἄρηος (z.B. Σ 264). Der Panzer des Aietes ist ein Geschenk des Ares: … Αἰήτης περὶ μὲν στήθεσσιν ἕεστο / θώρηκα στάδιον, τόν οἱ πόρεν […] Ἄρης (3, 1225–27).79 Die Formulierung ist homerisch, so sind z.B. auch

75 B. Mader, LfgrE 1, 1247, 26–1248, 9 zählt insgesamt 151 Stellen in der Ilias und 15 Stellen in der Odyssee auf und ordnet 35 Ilias- und 3 Odysseestellen dem metonymischen Gebrauch zu (1258, 7–1262, 13), wobei er sich jedoch nicht immer eindeutig festlegt: „appellativer bzw. metonymischer Gebrauch (in der Bed. Kampf u.ä.) […] ist rel. selten u. noch seltener mit Sicherheit nachweisbar …“ (1249, 15–17). 76 Ähnlich die Genealogie des Askalaphos und des Ialmenos: υἷες Ἄρηος / οὓς τέκεν Ἁστυόχη […] Ἀρηϊ κρατερῶι (Β 512–15). 77 Ἐνυάλιος, bei Homer sonst substantiviert, steht auch einmal in der Ilias als Epitheton neben Ares: ἄρης / δεινὸς ἐνυάλιος (Ρ 210–11). Während Ares dort mit zwei Attributen bedacht wird, ordnet Apollonios hier die Eigenschaft δεινός der Wurfscheibe zu. In der Ilias wird der σόλος bei den Leichenspielen für Patroklos zum Diskuswurf verwendet (Ψ 826–44); als Wettkampfgegenstand dient er auch an anderen Stellen in den Argonautika (4, 657; 851). In den Argonautika zeigt sich beim Heben des AresSteins Jasons magische Kraft, s. dazu Anm. 561. 78 So meint Hunter (1989) 227, schließt aber eine Beteiligung des Gottes als Person bei der Tötung der Erdgeborenen nicht aus, weil die verschiedenen Versionen des Mythos hier differieren. Das Bild des mähenden Ares findet sich auch in der Tragödie, z.B. Aischyl. Hik. 666: Ἄρης κέρσειεν ἄωτον. Gillies (1928) 116 weist außerdem auf Eur. Herakl. 252 hin. In den Argonautika wird das Töten der Erdgeborenen entsprechend auch an den anderen Stellen als ,Mähen‘ bezeichnet: In der Rede des Aietes (3, 416), s. dazu 6d. (Lanzen/Speere)), bei der Aristie Jasons (3, 1382; 1391, s. unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 9d. (οὐτάζω)). 79 S. auch unter 6a. (Panzer). 35

die Waffen des Areithoos ein Geschenk des Ares: τά οἱ πόρε χάλκεος Ἄρης (Η 146). Die Waffe des Kriegers als Geschenk ist ein gängiges Motiv bei Homer, das in Rüstungsszenen auftaucht. z.B. die Lanze des Achill (Τ 390). Vorbild der Stelle sowie auch der gesamten Rüstung des Aietes aber ist die Rüstung des Agamemnon in Λ, dessen Panzer ein Geschenk des Kinyras ist: … θώρηκα περὶ στήθεσσιν ἔδυνεν, / τόν ποτέ οἱ Κινύρης δῶκε ξεινήϊον εἶναι (Λ 19–20). Doch stammt dieses Geschenk nicht von einem Gott, sondern von einem Menschen.

b2. Ἄρης und Ἀρήιος in Eigennamen An weiteren 16 Stellen werden nach Ares benannte Orte oder ihm geweihte Tempel erwähnt, zu denen die Argonauten auf ihrer Fahrt gelangen. Auch diese sollen nur kurz genannt werden: die Ares-Insel (νῆσου Ἀρητιάδος, 2, 1031; 1047, νῆσον […] Ἄρηος (2, 1230)), die Ares-Vögel (Ἀρήιον […] ὄρνιν (2, 1033–34), ὄρνιθες Ἀρήιαι (3, 325)), der Ares-Tempel (νηὸν Ἄρηος (2, 1169)), die Ares-Ebene (πεδίον τὸ Ἀρήιον (2, 1268; 3, 409; 495; 1270)),80 das Feld des Ares (νειὸν Ἄρηος (3, 411; 3, 754)), der Temenos des Ares (Ἄρηος τέμενος φθισιμβρότου (3, 1357)),81 der Ares-Hain (ἄλσος Ἄρεος / Ἄρηος (2, 404; 4, 166)).

b3. Ἄρης in Personenbeschreibungen Zweimal dient Ares als Vergleich zum Ausdruck kriegerischer Eigenschaften: Aietes wird als mit Ares an Kriegsgeschrei und Stärke vergleichbar charakterisiert: καὶ δέ κεν Ἄρει / σμερδαλέην ἐνοπὴν μέγα τε σθένος ἰσοφαρίζοι (2, 1205–6). Ähnlich formulierte Vergleiche begegnen zweimal bei Homer, allerdings wird dort mit Menschen verglichen, nicht mit Göttern: μοι μένος ἰσοφαρίζεις (Φ 411),82 οὐδέ τίς οἱ δύναται μένος ἰσοφαρίζειν (Ζ 101). Bei Jasons Rüstung zum Athlos wird ihm Ähnlichkeit sowohl mit Apollon, als auch mit Ares zugeschrieben: ἄλλα μὲν Ἄρει / εἴκελος, ἄλλα δέ που χρυσαόρῳ Ἀπόλλωνι (3, 1282–83). Dies erinnert an den Vergleich Agamemnons mit mehreren Göttern in der Ilias: ὄμματα καὶ κελαφὴν ἴκελος Διὶ τερπικεραύνωι, / Ἄρεϊ δὲ ζώνην, στέρνον δὲ Ποσειδάωνι (Β 478–79).83 Aresvergleiche begegnen sonst bei Homer im Wortlaut ἶσος Ἄρηϊ (z.B. Hektor in Λ 295, Achill in Υ 46) und ἀτάλαντος Ἄρηϊ (z.B. Hektor in Θ 215, Aeneas und Idomeneus in Ν 500).84 Die homerischen Krieger

80 Bei Homer findet sich: πεδίον τὸ Ἀλήιον (Ζ 201). 81 Das Epitheton φθισίμβροτος kommt in der Ilias nur einmal vor und steht dort neben μάχη (Ν 339, außerdem noch einmal in χ 297). In der Ilias gibt es den Δήμητρος τέμενος (Β 696). 82 ἰσοφαρίζεις ist die von Allan bevorzugte Lesart, West schreibt ἀντιφερίζεις. 83 Der Vergleich mit Göttern ist bei Homer selten mit ἴκελος konstruiert (H.W. Nordheider, LfgrE 2, 427, 3–13). Β 478 ist die einzige thematisch vergleichbare Belegstelle (an den anderen 4 Stellen handelt es sich um den Vergleich von Frauen mit Göttinnen). 84 B. Mader, LfgrE 1, 1255, 28–1256, 5. 36

stürzen sich nach dieser Charakterisierung meistens in die Schlacht. Eine dahingehende Erwartung, die durch den Ares-Vergleich in den Argonautika aufgebaut wird, erfüllt sich aber nicht: Denn Aietes kämpft trotz Rüstung und kriegerischer Charakterisierung bei Apollonios gar nicht. Der Vergleich Jasons mit Apollon und Ares schreibt dem Helden einerseits jugendliche Schönheit, andererseits kriegerische Kraft zu.85 Im ersten Buch dagegen wird er nur mit Apollon verglichen (1, 307). Der Vergleich mit Ares kommt an einer Stelle hinzu, da Jason tatsächlich kriegerische Eigenschaften besitzt, die er sich aber nicht selbst erworben, sondern durch Medeas Zaubermittel erhalten hat.86

b4. ἄρης als Metonymie In zwei weiteren Personenbeschreibungen wird ἄρης metonymisch gebraucht, um Kriegstüchtigkeit zu bezeichnen: Im Heldenkatalog werden die Argonauten Ankaios und Erginos kriegs- und seefahrtskundig genannt (ἴστορε δ’ ἄμφω / ἠμὲν ναυτιλίης ἠδ’ ἄρεος εὐχετόωντο (1, 188–89)). Der Ausdruck ἴστωρ ἄρεος ist unhomerisch,87 ebenso die Verbindung von εὔχομαι (in der Bedeutung ‚sich rühmen‘) mit ἴστωρ.88 Εrginos und Ankaios begegnen in der folgenden Handlung der Argonautika nur noch im Zusammenhang mit der Seefahrt. Die beiden Helden bewerben sich um die Nachfolge des Tiphys als Steuermann der Argo; Ankaios wird gewählt (2, 894–898). Seine Kenntnisse in diesem Bereich werden später so sehr hervorgehoben, dass mit seiner eigenen Aussage in 2, 870–72 (Οὐ μὲν ἄρηος / ἴδριν ἐόντα με τόσσον ἄγει μετὰ κῶας Ἰήσων / […] ὅσον τ’ ἐπιίστορα νηῶν) sogar ein Widerspruch zu der Charakterisierung im Katalog entsteht.89 Die Amazonen werden als Kriegerinnen beschrieben, denen nur an den Werken des Ares, also an Kriegstaten gelegen sei: ἀλλ’ ὕβρις στονόεσσα καὶ Ἄρεος ἔργα

85 Hutchinson (1988) 115. 86 Thiel (1996) 72 bezeichnet Jason als „‚Ares‘ auf einen Tag“. Stanzel (1999) 252–53 versteht den zusätzlichen Ares-Vergleich als Hinweis darauf, „daß die kriegerischen Fähigkeiten dem Zaubermittel Medeas zu verdanken sind.“ 87 Das adjektivische ἴστωρ in der Bedeutung ,wissend, kundig‘ mit Genetiv findet sich in den Homerischen Hymnen einmal im nicht-kriegerischen Kontext: ἵστορες ᾠδῆς (32, 2), im kriegerischen Kontext dann bei Bakchylides: ἐ]γχέων / ἵστορες (Epin. 9, 43–44). 88 εὔχομαι mit dem NcI wird bei Homer hauptsächlich bei der Angabe von Abstammung und Herkunft, Rang und Alter sowie Beziehungen verwendet. So z.B. im Iteratvers ταύτης τοι γενεῆς τε καὶ αἵματος εὔχομαι εἶναι (Ζ 211, Υ 241). Aber auch das Vorhandensein hervorragender Eigenschaften im Vergleich zu anderen wird mit dieser Konstruktion ausgedrückt, z.B. ἄριστοι ἐνὶ στρατῶι εὐχόμεθ’ εἶναι (Ο 296). 89 Das mit ἴστωρ synonyme Adjektiv ἴδρις begegnet bei Homer nicht mit einem Genetiv, erste Belege finden sich lt. LSJ bei Ps.-Hesiod, Pindar, Archilochos und in der Tragödie. 37

μεμήλει (2, 989). Das μέγα ἔργον ἄρηος findet sich auch bei Homer (Λ 734), ebenso der Ausdruck ἔργα μεμήλει (Β 614).90 Eine enge Parallele ist aber Hesiod, erg. 145–46, wo es über die Menschen des ehernen Geschlechts heißt: οἷσιν Ἄρηος / ἔργ’ ἔμελε στονόεντα καὶ ὕβριες, … Auch dort wird ἄρης metonymisch gebraucht.91 Die kriegerischen Amazonen werden an mehreren Stellen in den Argonautika erwähnt, treten jedoch nicht als Figuren im Epos auf. Eine kriegerische Auseinandersetzung mit den Argonauten und deren Ausgang bleibt eine Hypothese (2, 985–86).92 Auch an folgenden weiteren Stellen begegnet ἄρης als Metonymie: In 1, 1023–24 bezeichnet Ἄρης als pelasgischer Kriegsgott das Heer der Makrieer, dessen Ankunft die Dolionen bei der zweiten Landung der Argonauten auf ihrer Insel befürchten: ἀνδρῶν / Μακριέων εἴσαντο Πελασγικὸν Ἄρεα κέλσαι·93 Die Formulierung ist ohne sprachliches Vorbild. Bei Homer ist das Verb κέλσαι nur in der Odyssee belegt und wird dort, immer in dem Ausdruck νήα κέλσαι, für das Landen und Anlegen eines Schiffes verwendet.94 Die irrtümliche Vermutung der Dolionen, dass die Makrieer auf ihrer Insel gelandet seien, führt zu einem Kampf mit den Argonauten, die unbeabsichtigt zur Insel zurückgetrieben wurden.95 An den weiteren Stellen bedeutet ἄρης ‚Kampf‘ oder ‚Krieg‘: In 2, 796–98 spricht Lykos über den vergangenen Angriff auf die Bebryker: οὐδὲ ἕ φημι / ἤματι τῷδ’ ἀέκητι θεῶν ἐπελάσσαι ἄρηα / […], Βέβρυξιν, … Ähnliche Wendungen mit ἄρης als Objekt in der Bedeutung ,den Krieg auf jemanden lostreiben, gegen jemanden erwecken, jemanden angreifen‘ begegnen in den Iteratversen Τρωσὶν ἐφ’ ἱπποδάμοισι φέρειν πολύδακρυν ἄρηα (Θ 516, Τ 318) und Τρωσὶν ἐφ’ ἱπποδάμοισιν

90 Ähnlich auch: οἷς οὔ τι μέλει πολεμήϊα ἔργα (Β 338), καὶ δὴ αὖ τοι πολεμήϊα ἔργα μέμηλε (μ 116), Ζεῦ πάτερ, οὐ νεμεσίζε Ἄρηι τάδε καρτερὰ ἔργα (Ε 757). 91 B. Mader, LfgrE 1, 1258, 26 dagegen fasst Ares in Hes. Op. 145–6 als Person auf. 92 Siehe dazu unter 1f. (ὑσμίνη). 93 Unter dem pelasgischen Heer ist das Heer der Makrieer zu verstehen, so das Scholion zu 1, 1024a. Eine metonymische Bedeutung von Ares an dieser Stelle nimmt Ardizzoni (1967) 235 an und führt weitere Belege für den Gebrauch von Ares in der Bedeutung ,Heer‘ aus der Tragödie an: z.B. ὁ Μυρμιδὼν Ἄρης (Eur. Iph. Aul. 237), ὁ χιλιόναυς Ἑλλάδος ὠκὺς Ἄρης (Eur. Andr. 106). Bei Homer allerdings ist dieser spezielle Gebrauch nicht zu finden. Auch Vasilaros (2004) 295 konstatiert den metonymischen Gebrauch von Ἄρης („μὲ τὴ σημασία ,πόλεμος/μάχη, στρατός‘“), der unabhängig von Groß- oder Kleinschreibung sei. Großschreibung wählt Vian (Bd. 1, 1976) 98, Anm. 3, in Anlehnung an Kallimachos Hymn. 4, 173 (Κελτὸν […] Ἄρηα). 94 Z.B. ι 546, κ 511, in diesen Sinn auch in den Argonautika 2, 1090: ἐνθάδε κέλσαι / ἀνδρῶν ἡρώων θεῖον στόλον, s. dazu LSJ s.v. κέλλω. 95 Der Kampf zwischen Dolionen und Argonauten wird in 1, 1030 als δηϊοτής, und in 1, 1052 als πόλεμος bezeichnet (s. unter 1c. und 1a.). Auch μάρναμαι in 1, 1039 bezieht sich darauf (s. unter 1i.). 38

ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα (Δ 352, Τ 237).96 Doch eindeutige sprachliche Vorbilder aus den homerischen Epen lassen sich nicht nachweisen.97 In 3, 183 erwägt Jason in einer Rede einen möglichen Kampf gegen Aietes (εἴ τ’ ἄρηι συνοισόμεθ’), nennt aber dann als Alternative eine kampflose Einigung: εἴ τέ τις ἄλλη / μῆτις ἐπίρροθος ἔσται ἐεργομένοισιν ἀυτῆς (3, 183–84).98 Das Verb συμφέρομαι ist bei Homer mit synonymen Begriffen für ‚Kampf‘ verbunden: συμφερόμεσθα μάχηι (Λ 736), συνοισόμεθα πτόλεμόνδε (Θ 400). Der Dativ ἄρηϊ dagegen steht ebenso mit anderen Verben in Wendungen ähnlicher Bedeutung, z.B. κρινώμεθ’ ἄρηϊ (Β 385) und μαχέσασθαι ἄρηϊ (Ρ 490). In 3, 393 bietet Jason Aietes an, ein feindliches Volk im Kampf für ihn zu unterwerfen und damit Gegenleistung und Dank für die freiwillige Herausgabe des Goldenen Vlieses abzustatten: πρόφρονές εἰμεν ἄρηι θοὴν ἀποτῖσαι ἀμοιβήν.99 Das Adjektiv θοός, hier ἀμοιβή zugeordnet, steht direkt hinter ἄρηι. Dies erinnert an das homerische Epitheton junger Krieger ἀρηΐθοος (z.B. ἀρηϊθόων αἰζηῶν (Θ 298, Ο 315, Υ 167)), das auch in den Argonautika einmal in einer Kampfschilderung neben einem dolionischen Krieger zu finden ist (1, 1042). In 3, 1385 wird beschrieben, wie einige der emporgewachsenen Erdgeborenen sofort zu Fuß in den Kampf eilen: τοὺς δ’ ἤδη καὶ ποσσὶν ἐπειγομένους ἐς ἄρηα.100 Die Junktur ποσσὶν ἐπειγομένους hat ein singuläres Vorbild in ε 399, das allerdings nicht im kriegerischen Kontext steht: ἐπειγόμενος ποσὶν ἠπείρου ἐπιβῆναι. Der Ausdruck ἐς ἄρηα ist bei Apollonios erstmals belegt.101 Eine Parallele zur Stelle ist ἐπειγόμενός περ ἄρηος (Τ 142, 189) mit der Bedeutung ‚nach Krieg verlangen‘, die Apollonios in 4, 1008 variiert.102 96

Vgl. B. Mader, LfgrE 1, 1259, 64–1260, 5. Die Wendung ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα kommt an drei weiteren Stellen vor, jeweils am Versende (Β 440, Θ 531, Σ 304). 97 Das Verb ἐπελάσαι findet sich bei Homer nur in der Bedeutung „(e. Metallschicht) darübertreiben“, s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 519, 77. Erst bei Herodot begegnet ἐπελαύνω im kriegerischen Kontext: ἐπήλασε τὴν στρατιήν (1, 164, 1), ἐλαύνων ἐπὶ Σκύθας στρατὸν (4, 91, 2). Das Verb ἐλαύνω in der Bedeutung ‚an-, vorantreiben‘ hat bei Homer fast ausschließlich Menschen, Tiere oder Schiffe als Objekte bei sich, aber keine Abstrakta, s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 516, 53, Ausnahme ist nur Α 575, mit κολῳός als Objekt (517, 66–67). 98 Zu Jasons Rede im dritten Buch s. unter 15a. (ἀυτή) und ausführlich unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 99 Fränkel (1968) 512 (Anm. 118) sieht die Ablehnung dieses Angebotes von Seiten des Aietes als Zeichen dafür, dass Apollonios nicht die Absicht hatte, „in seinem Epos möglichst viele Großtaten kriegerischer Art zu berichten und zu verherrlichen“, und weist auf einen Vergleich mit Valerius Flaccus hin, der über eine gesamte Buchlänge hinweg (5, 534–6, 753) sehr ausführlich über den Krieg des Aietes und der Argonauten gegen Perses berichtet. 100 Siehe dazu unter 1a. (π(τ)όλεμος). 101 Dann erst wieder bei Quintus Smyrnaeus (viermal, z.B. 3, 20) und Nonnos (siebenmal, z.B. Dion. 13, 198). 102 S. unter 1a. (π(τ)όλεμος). 39

b5. Zusammenfassung Mit acht Stellen kommt der Kriegsgott Ares als Metonymie in den Argonautika sehr häufig vor, als Figur wird er an 16 Stellen genannt (Verhältnis 1:2). In der Ilias beträgt das Verhältnis zwischen metonymischem und persönlichem Gebrauch etwa 1:5. Im Unterschied zur Ilias tritt Ares aber in den Argonautika nicht als handelnde Figur auf. Er bleibt, wie Fränkel formuliert, „als bloßer Schatten im Hintergrund“.103 Sein Name wird vielmehr zur Benennung von Gegenständen und Orten verwendet, die dadurch wie Relikte aus einer vergangenen Zeit wirken, in der Ares als Kriegsgott persönlich in Erscheinung trat. An zwei Stellen dient die Person des Ares als Vergleich in einer Personenbeschreibung. Die Stellen, in denen ἄρης in der Bedeutung ‚Krieg‘ oder ,Kampf‘ metonymisch verwendet wird, können nach ihrem Kontext folgendermaßen eingeordnet werden: Es handelt sich um einen Kampf 1. 2. 3. 4.

in Katalog, Personenbeschreibung: in Analepsen: auf der Erzählebene: in Hypothesen/Reden

1, 189; 2, 870; 2, 989 2, 797 3, 1385 1, 1024; 3, 183; 3, 393

Wie bei der Untersuchung von π(τ)όλεμος zeigt sich auch hier, dass die Belegstellen zum größten Teil auf der sekundären narrativen Ebene wie Katalog und Analepsen sowie in hypothetischen Aussagen in Reden, nicht aber auf der Erzählebene begegnen, wo sich nur eine Stelle im Kontext der Aristie Jasons findet.

c. δηϊοτής Das Wort δηϊοτής ist bei Homer an 30 Stellen (Ilias 26, Odyssee 4) belegt und hat meistens die Bedeutung ‚Feindseligkeiten, Kampf, Gemetzel‘.104 An 6 Iliasstellen zeigt sich die Entwicklung zur Bedeutung ‚Kampfgetümmel, Schlachtfeld‘ im lokalen Sinn.105 In Verbindung mit der Präposition ἐν ist δηϊοτής oft als adverbiale Bestimmung neben Verben des Kämpfens und Tötens zu finden (Ilias 9, Odyssee 3 Stellen).106 Oft begegnen auch formelhafte Wendungen am Versende, z.B. ein Hendiadyoin mit πόλεμος (viermal, z.B. Η 29: πόλεμον καὶ δηϊοτῆτα). Einziges Epitheton ist αἰνός, meistens im formelhaften Versschluss ἐν αἰνῇ δηϊοτῆτι (13 Stellen, z.B. Γ 20). Mehr als die Hälfte der Belege finden sich in Reden (Ilias 14, Odyssee 4 Stellen), in denen vor allem ein Ablassen vom gegenwärtigen Kampf, Rückzug oder Flucht thematisiert werden. Auf der Erzählebene dagegen steht δηϊοτής in Schlachtschilderungen.

103 104 105 106

40

Fränkel (1968) 632. R. Führer, LfgrE 2, 269, 7. R. Führer, LfgrE 2, 269, 47–56. R. Führer, LfgrE 2, 269, 34–47. In der Odyssee bezeichnet δηϊοτής in dieser Kon­ struktion einmal die Grausamkeiten des Ungeheuers Skylla (μ 257).

Bei Apollonios ist δηϊοτής achtmal belegt: Auf Lemnos warnt Polyxo Hypsipyle und die Lemnierinnen vor zukünftigen Leiden, die schrecklicher als ein Kampf seien: μυρία δηιοτῆτος ὑπέρτερα πήματα (1, 682). Die Junkturen ὑπέρτερα πήματα und δηιοτῆτος πήματα sind ohne Vorbild.107 Auch zum Vergleich dient δηϊοτής bei Homer nicht. In der Dolionen-Episode nimmt eine Prolepse aus auktorialer Perspektive den Tod des Kyzikos im Kampf gegen die Argonauten vorweg: οὐδ’ ὅ γε δηιοτῆτος ὑπὲρ μόρον αὖτις ἔμελλεν / οἴκαδε νυμφιδίους θαλάμους καὶ λέκτρον ἱκέσθαι (1, 1030– 31). Mit δηιοτῆτος steht hier ein separativer Genetiv allein, während bei Homer eine Rückkehr aus dem Krieg immer mit der Präposition ἐκ ausgedrückt wird,108 z.B. ἐλθόντ’ ἐκ πολέμοιο καὶ αἰνῆς δηϊοτῆτος (E 409). Der Ausdruck ὑπὲρ μόρον findet sich auch bei Homer (Υ 30, Φ 517, α 34, 35, ε 436), bezieht sich dort aber immer auf Leid, Tod und Zerstörung, während Apollonios mit οἴκαδε ἱκέσθαι eine positive Wendung der Vorbestimmung entgegensetzt, die allerdings nicht eintritt, da sie negiert ist:109 Kyzikos wird von Jason getötet und erfüllt so sein Los: μοῖραν ἀνέπλησεν (1, 1035), eine homerische Formulierung: μοῖραν ἀναπλήσηις βιότοιο (Δ 170).110 In der Ekphrasis des Aietes-Palastes wird der Pflug genannt, ein Dankesgeschenk des Hephaistos an Helios für eine freundliche Aufnahme nach dem Kampf gegen die Giganten: ὅς ῥά μιν ἵπποις / δέξατο Φλεγραίῃ κεκμηότα δηιοτῆτι (3, 233–34).111 Die Verbindung von δηϊοτής mit einem Eigennamen als Epitheton ist unhomerisch und begegnet nur bei Apollonios.112 Bei Homer findet sich ausschließlich das Attribut αἰνός

107 In der Ilias wird ὑπέρτερος nur verwendet, um ein hohes Maß an Ruhm (z.B. Λ 786, Μ 437) oder auch eine hohe Abstammung (Λ 290) auszudrücken, in der Odyssee begegnet es mit lokalem Sinn (z.B. γ 65, ζ 70). Dazu LSJ s.v. I.1: „mostly of Place, over or above, upper“; 2a: „metaph., nobler, more excellent εὖχος, κῦδος […] γενεῇ“, 2b: „stronger, mightier“, jedoch in physischem Sinn mit einer Belegstelle bei Sophokles (El. 455). Für eine Verbindung mit πῆμα oder ähnlichen Ausdrücken wird bei LSJ kein Beleg genannt. 108 Ardizzoni (1967) 236. Weitere Beispiele: ὑπότροπον ἐκ πολέμοιο (Ζ 501), φύγησιν / δηΐου ἐκ πολέμοιο καὶ αἰνῆς δηϊοτῆτος (Η 118–19, 173–74), νοστησέμεν ἐκ πολέμοιο (Ρ 239). Dagegen versteht das Scholion zur Stelle δηϊοτῆτος als von μόρον abhängigen Genetiv im Sinne von ὑπερσχὼν τὸν μόρον τῆς δηιοτῆτος. Vgl. auch die ähnliche Konstruktion ὑποτροπίῃ πολέμοιο in 1, 1052, s. dazu unter 1a. (π(τ)όλεμος). 109 Vgl. Dihle (1970) 165–66 zum Begriff ὑπὲρ μόρον bzw. ὑπὲρ αἶσαν bei Homer, wo der Vorsehung entgegengesetzte Ereignisse ebenso im Hypothetischen bleiben. 110 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 102. 111 Die Konstruktion Φλεγραίῃ κεκμηότα δηιοτῆτι wird von Nonnos imitiert: γυναικείῃ κεκαφηότα δηιοτῆτι (Dion. 46, 93). 112 Das Adjektiv Φλεγραίος ist zum ersten Mal in der Tragödie belegt, allerdings nicht als Epitheton zu ‚Kampf‘, sondern zur Angabe des Schauplatzes: Φλεγραῖον ἐς πεδίον (Eur. Herakl. 1192), Φλεγραίαν πλάκα (Aischyl. Eum. 295). Bei Apollonios begegnet Φλεγραίος noch einmal als Epitheton des Giganten Mimas, der von Ares auf dem Phlegraischen Feld getötet wurde (3, 1227). 41

neben δηϊοτής (s.o.). Der Kampf der Götter gegen die Giganten auf der Phlegraischen Ebene wird bei Homer nicht erwähnt.113 In 4, 338–39 äußert Apollinos in einem auktorialen Kommentar seine Überzeugung von einer sicheren Niederlage der Argonauten in einem hypothetischen Kampf gegen die Kolcher: Ἔνθα κε λευγαλέῃ Μινύαι τότε δηιοτῆτι / παυρότεροι πλεόνεσσιν ὑπείκαθον· Für die Junktur λευγαλέη δηιοτής bietet Apollonios hier die erste Belegstelle.114 Bei Homer ist das Adjektiv λευγαλέος, das sonst in Iteratversen oft neben θάνατος und πτωχός steht, einmal in Verbindung mit πόλεμος (πολέμοιο μεθήσετε λευγαλέοιο (Ν 97)) und einmal in der Wendung ἐν δαῒ λευγαλέηι (Ξ 387) zu finden. Die Aussage steht im Irrealis, denn statt eines Kampfes ist ein Vertragsschluss mit den Kolchern der Ausweg aus der aussichtslosen Lage: συνθεσίῃ μέγα νεῖκος ἀλευάμενοι (4, 340).115 Wenig später legt der Dichter ähnliche Worte Jason in den Mund, der eine kriegerische Auseinandersetzung aufgrund der quantitativen Überlegenheit der Kolcher zu vermeiden oder aufzuschieben sucht: ἀλλά τιν’ ἀμβολίην διζήμεθα δηιοτῆτος, / ὅσσον δυσμενέων ἀνδρῶν νέφος ἀμφιδέδηεν … (4, 396–97).116 Das Wort ἀμβολίη ist bei Homer nicht belegt, die Verbindung von ἀμβολίη mit δηϊοτής oder einem Synonym taucht hier erstmals auf.117 Auch die folgende Stelle thematisiert Kampfvermeidung: Alkinoos strebt eine kampflose Schlichtung des Konflikts zwischen Argonauten und Kolchern an: λελίητο γὰρ ἀμφοτέροισι / δηιοτῆτος ἄνευθεν ὑπέρβια νείκεα λῦσαι (4, 1009–10). Bei Homer wird δηϊοτής zwar oft in Formulierungen verwendet, die das Ablassen vom Kampf, das Weichen oder gar Fliehen beschreiben,118 nicht aber das grundsätzliche Verhindern eines Kampfes, wie es bei δηιοτῆτος ἄνευθεν der Fall ist.

113 Vgl. Sch. zu η 59: ὑπερθύμοισι γιγάντεσσι […] τὰ δὲ παρὰ τοῖς νεωτέροις οὐκ οἶδεν, […], οὔτε ὡς Φλέγραν ᾤκησαν, οὔτε ὅτι θεοῖς ἐμαχέσαντο. Die Gigantomachie wird jedoch bei Pindar (ὅταν θεοὶ ἐν πεδίῳ Φλέγρας Γιγάντεσσιν μάχαν / ἀντιάζωσιν (Nem. 1, 67–68)) und Hesiod (über Herakles: ἐν Φλέγρηι δ]ὲ Γίγαντας ὑπερφιάλους κατέπεφ[νε (fr. 43a 65 MW)) erwähnt. 114 Dann erst wieder bei Quintus Smyrnaeus: ἐν δηιοτῆτι / λευγαλέῃ (8, 436–37). Zu λευγαλέος s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος, zu 1, 1218–19) und Anm. 51. Zu παυρότεροι πλεόνεσσιν weist Hunter (2015) 130 auf N 739 als Parallelstelle hin. Dort rät Polydamas Hektor zur Beratung darüber, ob angesichts quantitativer Unterlegenheit weiterzukämpfen sei (N 740–44). Die große Zahl der Kolcher wird im Epos an mehreren Stellen betont, z.B. 4, 218 (ἀπειρέσιοι); 4, 397 (ὅσσον δυσμενέων ἀνδρῶν νέφος, s. unter 3b. (δυσμενής)), 4, 1001 (στρατὸς ἄσπετος, s. unter 2a. (στρατός)). Dazu Hunter (2015) 212 („the vast numbers of the Colchians is a recurrent motif“) mit weiteren Belegen. 115 S. unter 14e. (ἀλέομαι/ἀλεύομαι). 116 Zur Jasons Rede im vierten Buch s. auch unter 1d. (δαΐς) und 1g. (π(τ)ολεμίζω). 117 Dann erst wieder bei Quintus Smyrnaeus (ἀμβολίη πολέμοιο (1, 431)) und Nonnos: ἀ. πολέμοιο (Dion. 25, 273; 38, 11–12), κυδοιμοῦ / ἀ. (Dion. 36, 476–77; 38, 11–12). 118 Z.B. Μ 248, Ε 348, Η 119, 290, Ν 250. 42

In Kontrast dazu begegnet δηϊοτής auch zweimal in Aufforderungen, und zwar an beiden Stellen durch Medea: In 3, 1059–60 fordert sie Jason zum Kampf gegen die Erdgeborenen auf: καὶ δ’ αὐτὸς ἐπείγεο δηιοτῆτος / ἰθῦσαι. Das Verb ἰθύω mit einem objektiven Genetiv, wie hier von Apollonios konstruiert, findet sich bei Homer nur einmal in Ο 693, wo Hektors Angriff auf ein Schiff beschrieben wird: Ἕκτωρ ἴθυσε νεὸς κυανοπρώιροιο. Die Phrase καὶ δ’ αὐτὸς ist auch bei Homer zweimal mit der Beteiligung an einem Kampf verbunden. Eine enge Parallele ist ἐπειγέσθω δὲ καὶ αὐτός (Ζ 363, vgl. auch Ι 709). In 4, 420 verlangt Medea von Jason den Mord an ihrem Bruder und den Kampf gegen die Kolcher: κτεῖνέ τε καὶ Κόλχοισιν ἀείρεο δηιοτῆτα. Die Verbindung des Verbs ἀείρομαι mit πόλεμος, δηϊοτής oder Synonymen im Sinne von ‚einen Krieg/ Kampf beginnen‘ ist unhomerisch.119 Dass Jason an diesen beiden Belegstellen mit drei Imperativen zu Kampfhandlungen aufgefordert wird, weist auf die zögernde Haltung des Helden gegenüber kriegerischer Auseinandersetzung hin. Während Jason in den ersten beiden Fällen der Aufforderung nachkommt, d.h. gegen die Erdgeborenen kämpft und Apsyrtos tötet, weicht er der wirklich kriegerischen Auseinandersetzungen, nämlich dem Kampf gegen die Kolcher, bis zum Schluss aus, wo die Argonauten eine Abteilung der Kolcher ohne Jasons Beteiligung besiegen (4, 484–91).120

Zusammenfassung An den Belegstellen finden sich keine Anlehnungen an homerische Formulierungen oder die oben genannten formelhaften Junkturen,121 sondern Apollonios bildet neue Junkturen wie λευγαλέη δηιοτής, δηιοτῆτος πήματα, ἀμβολίη δηιοτῆτος, δηιοτῆτος ἄνευθεν, ἀείρεο δηιοτῆτα und die Verbindung von δηιοτής mit einem Eigennamen als Epitheton. Der Kontext zeigt δηϊοτής als Kampf

119 DGE s.v. δηϊοτής: „librar batalla“. Bei Herodot findet sich aber (als v. l.) οἱ βαρβάρῳ πόλεμον ἀειρόμενοι (7, 132, 2), bei Thukydides πόλεμον γὰρ αἰρομένων ἡμῶν (Thuk. 4, 60, 2), in der Tragödie πόλεμον ἄρασθαι νέον (Aischyl. Hik. 342), ἐγὼ δὲ νεῖκος οὐχ ἑκὼν τόδ’ ἠράμην (Eur. Herakleid. 986) und Komödie πόλεμος αἴρεται (Aristoph. av. 1188). 120 S. dazu unter 12a. (ἀμύνω). Zu dieser Szene und der negativen Darstellung Jasons s. Glei (Bd. 2, 1996) 194–95, Anm. 54: „… als ob der Meuchelmörder den offenen Kampf scheue.“ 121 Dazu Campbell (1994) 215: „Ap. has eight examples of δηιοτής, one of archaic epic’s staple words for ‚battle‘, ‚combat‘, sim. […], but no sharp echoes are discernible in any of them.“ Ein anderes Ergebnis liefert z.B. die Untersuchung der Schallwörter, bei der die Imitation formelhafter Iterata, wenn auch selten, durchaus festgestellt werden kann, s. z.B. ὦρτο δ’ ἀυτὴ (1, 310), οἱ δ’ ἀλαλητῷ (2, 589), πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς (4, 105), s. dazu in den Kapiteln 15a., c. und g. 43

1. in der Ekphrasis: 2. auf der Erzählebene: 3. in Hypothesen/Reden

3, 234 1, 1030 1, 682; 3, 1059; 4, 338; 4, 396; 4, 420; 4, 1010

Wie bei π(τ)όλεμος und ἄρης geht es nur an einer Stelle um einen wirklichen Kampf auf der Hauptebene der Erzählung. Wie bei π(τ)όλεμος handelt es sich um den Kampf gegen die Dolionen. An 6 Stellen dagegen findet sich δηϊοτής in Hypothesen oder Aufforderungen, davon viermal in Reden. Dabei ist die Verwendung in Reden mit negativen Aussagen zur Kampftätigkeit durchaus homerisch. Doch begegnet δηϊοτής dort nicht in Aufforderungen zum Kampf oder irrealen Formulierungen.

d. δαΐς Das Wort δαΐς kommt bei Homer an 3 Stellen in der Ilias vor, und zwar immer in dem Ausdruck ἐν δαΐ mit der Bedeutung ‚im Kampf, im Schlachtgetümmel‘,122 einmal in einer Schlachtschilderung (Ξ 387), zweimal in Reden, in denen Kampfabsicht (Ν 286) und Kampfleistung (Ω 739) thematisiert werden.

In den Argonautika begegnet das Wort in der Rede Jasons im vierten Buch, in der er seine Überzeugung von einer sicheren Niederlage der Argonauten in einem eventuellen Kampf gegen die Kolcher zum Ausdruck bringt: αὐτοὶ δὲ στυγερῷ κεν ὀλοίμεθα πάντες ὀλέθρῳ, / μίξαντες δαῒ χεῖρας (4, 401–2).123 Die Wendung μίξαντες δαῒ χεῖρας lehnt sich an mehrere homerische Vorbildstellen an: μιγήμεναι ἐν δαῒ λυγρῆι (Ν 286), μιγῆναι / ἐν δαῒ λευγαλέηι (Ξ 386–87), αὐτοσχεδίηι μεῖξαι χεῖράς τε μένος τε (Ο 510).124 Ohne Vorbild ist der Gebrauch des Dativs δαΐ ohne die Präposition ἐν.125 Ebenso wie δηϊοτής in 4, 338–39 begegnet δαΐς in einer hypothetischen Aussage, hier potential, über den negativen Ausgang einer Schlacht gegen die Kolcher.126

122 R. Führer, LfgrE 2, 195, 16. 123 Zu Jasons Rede im vierten Buch s. auch unter 1c. (δηϊοτής) und 1g. (π(τ)ολεμίζω). 124 Außerdem ähnlich: μιγήμεναι ἐν παλάμηισι (Φ 469). Das Verb μείγνυμι verwendet Apollonios auch in der Schilderung des Faustkampfes zwischen Polydeukes und Amykos zur Beschreibung kämpferischer Tätigkeit: χερσὶν ἐναντία χεῖρας ἔμιξεν (2, 78), ebenso in 2, 985–86, wo es um einem hypothetischen Kampf gegen die Amazonen geht; s. dazu unter 1f. (ὑσμίνη). 125 Kallimachos verwendet den Akkusativ, z.B. ἐς δάϊν (fr. 518, 1 Pf.). 126 Zur zögernden Haltung Jasons angesichts eines möglichen Kampfes gegen die Kolcher (4, 396–97) und zur Aussage des Dichters selbst zu diesem Thema (4, 338–39) s. unter 1c. (δηϊοτής). 44

e. σταδίη Das Adjektiv στάδιος, das die Eigenschaft der Nähe und Ständigkeit ausdrückt, steht bei Homer zweimal als Attribut neben ὑσμίνη, um einen Kampf als Nahkampf zu konkretisieren. Dreimal aber begegnet das Wort auch verselbstständigt in substantivierter Form. Es steht immer im Dativ, meistens mit der Präposition ἐν (ἐν σταδίῃ ὑσμίνῃ, ἐν(ὶ) σταδίῃ) und hat dann die Bedeutung ‚im Nahkampf‘.127

Der Ausdruck ἐν σταδίῃ findet sich auch an der einzigen Belegstelle in den Argonautika im Heldenkatalog: Iphiklos wird als guter Speerwerfer und erfahrener Kämpfer im Nahkampf charakterisiert: εὖ μὲν ἄκοντι, / εὖ δὲ καὶ ἐν σταδίῃ δεδαημένος ἀντιφέρεσθαι, / Θεστιάδης Ἴφικλος … (1, 199–201). Folgende Parallelen sind zu finden: ἀγαθὸς δὲ καὶ ἐν σταδίηι ὑσμίνηι (Ν 314), ἐπιστάμενος μὲν ἄκοντι, / ἐσθλὸς δ’ ἐν σταδίηι (Ο 282–83).128

f. ὑσμίνη ὑσμίνη ist ein bei Homer häufig belegter (Ilias 46, Odyssee 2 Stellen) Ausdruck für ‚Kampf(getümmel), Schlacht‘.129 Meist tritt das Epitheton κρατερός hinzu. Die Mehrzahl der Belegstellen findet sich in Schlachtschilderungen, oft begegnet ὑσμίνη aber auch in Reden (Ilias 17, Odyssee 1), in denen z.B. zum Kampf aufgefordert oder Kampfgeschehen kommentiert wird.

An der einzigen Belegstelle in den Argonautika wird ein hypothetischer Kampf zwischen Argonauten und Amazonen aus auktorialer Perspektive im Irrealis thematisiert: Bei einem längeren Verweilen der Argonauten im Land der Amazonen wäre es zu einem blutigen Kampf gekommen, erklärt Apollonios: Καί νύ κε δηθύνοντες Ἀμαζονίδεσσιν ἔμιξαν / ὑσμίνην, καὶ δ’ οὔ κεν ἀναιμωτί γ’ ἐρίδηναν (2, 985–86). Bei Homer steht ein mit μείγνυμι verbundener Ausdruck für ‚Kampf‘ oder ‚Schlacht‘ nicht im Akkusativ, sondern im Dativ, meist mit der Präposition ἐν, z.B. Ξ 386–87.130 In der Konstruktion vergleichbar ist der Vers Τρῶες καὶ Δαναοὶ σύναγον κρατερὴν ὑσμίνην (Ξ 448, P 764). Das von Apollonios verwendete Verb ἐριδαίνω steht bei Homer nur selten im Kontext eines kriegerischen Kampfes.131 Als Parallele zu 2, 986 findet sich Ρ 363: οὐδ’ οἳ γὰρ ἀναιμωτεί γ’ ἐμάχοντο. Der Kontext ist dort 127 D. van Eyndhoven, LfgrE 4, 188, 18–21: „close, stationary (combat), always cha­ racterising warriors, their fighting ability und tactic; […] 2x adj. […] 3x elliptically substantivised […] as opp. to that from afar, w. (throwing-)spears and bow and arrow“. 128 Hinweis auf diese Stelle bei Vasilaros (2004) 156. 129 V. Langholf, LfgrE 4, 768, 37–38: „Kampfgetümmel […] (niemals ‚Kampf-Terrain‘, sondern stets Kampf als Aktion“; Ebeling, s.v.: „Handgemenge, Feldschlacht“. 130 S. o. unter 1d. (δαΐς). Ein Kampf steht im Akkusativ neben μείγνυμι bei Alkai­ os μείξαντες ἀλλάλοισ’ Ἄρευα (fr. 330 LP) und bei Sophokles: Ἄρη μείξουσιν (OK 1046). 131 R. Führer, LfgrE 2, 695, 73. 45

allerdings eine Kampfschilderung auf der Erzählebene, nicht eine Hypothese wie in den Argonautika.

g. π(τ)ολεμίζω Das Verb π(τ)ολεμίζω (Ilias 55, Odyssee 4 Stellen) wird bei Homer immer in der Bedeutung ‚kriegerisch kämpfen‘ verwendet.132 Wie π(τ)όλεμος bezeichnet auch das Verb das Kämpfen mit hostes, meistens in der Thematik des trojanischen Krieges. Die Belege finden sich vorwiegend in Reden (Ilias 35, Odyssee 2), in denen generelle Kampffähigkeit und -absicht bekundet oder konkrete Kampfsituationen kommentiert werden.133

Bei Apollonios ist π(τ)ολεμίζω viermal belegt und bedeutet wie bei Homer ‚kämpfen‘ im kriegerischen Sinn. Wie πόλεμος dient auch πολεμίζω im Argonautenkatalog zur Beschreibung der Kriegstüchtigkeit eines Helden: In 1, 41–43 geht es um frühere kriegerische Taten des Argonauten Polyphemos, der einst im Krieg der Lapithen gegen die Kentauren kämpfte (Εἰλατίδης, ὃς πρὶν μὲν ἐρισθενέων Λαπιθάων, / ὁππότε Κενταύροις Λαπίθαι ἐπὶ θωρήσσοντο, / ὁπλότερος πολέμιζε),134 dem heute zwar immer noch kriegerischer Mut (μένεν δ’ ἔτι θυμὸς ἀρήιος ὡς τὸ πάρος περ (1, 44)), aber nicht mehr die zugehörige Kraft übrig geblieben sei.135 Polyphemos wird auch in der Ilias genannt, und zwar von Nestor, der ihn unter anderen Helden als früheren Kampfgenossen erwähnt und seine Stärke im Kampf gegen die Kentauren betont (Α 264–68). Die Charakterisierung des Polyphemos in den Argonautika erinnert aber auch an die des Nestor selbst, von dem gesagt wird, er sei πάλαι πολέμων εὖ εἰδώς (Δ 310). Denn auch Nestor befindet sich im fortgeschrittenen Alter, auch bei ihm stehen dem

132 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 1330, 6 und 38: „do battle (with), fight in war (with)“. S. auch Trümpy (1950) 130f. und 239. 133 Vgl. J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 1330, 40–41: „usu. ref. to one battle, fighting on a particular occasion […] but also to whole war or part of war beyond a single battle.“ 134 Entgegen der Überlieferung übernimmt Fränkel (1961) die Konjektur von Meineke (1860) 155 (προμάχιζε statt πολέμιζε). Vgl. dazu Glei (1996, Bd. 1) 169: „Wegen des Genetivs in V. 1,41 jedenfalls braucht nicht geändert zu werden, er hängt von ὁπλότερος ab.“ Derselbe Hinweis bei Vasilaros (1993) 128. Als weiteres Indiz für die Präferenz der überlieferten Lesart kann die Tatsache gelten, dass Apollonios die ganze Wortfamilie von μάχη mit allen Derivaten und Komposita im gesamten Epos meidet. Das Verb προμάχιζε wäre also in diesem Sinne singulär. Das Adjektiv ὁπλότερος wird auch in der Ilias für den jungen Krieger verwendet (z.B. Δ 325). 135 Die ganze Stelle ist sprachlich angelehnt an E 806 (αὐτὰρ ὃ θυμὸν ἔχων ὃν καρτερόν, ὡς τὸ πάρος περ) und an Τ 164 f., wo es um die Notwendigkeit einer Stärkung durch Speise und Trank vor dem Kampf geht: εἴ περ γὰρ θυμῶι γε μενοινάαι πολεμίζειν, / ἀλλά τε λάθρηι γυῖα βαρύνεται. Zur Verbindung von θυμός und ἀρήϊος s. unter 1k. (ἀρήϊος). 46

kriegerischen θυμός altersschwache Knie entgegen (Δ 313–25).136 Doch im Gegensatz zur Charakterisierung des Polyphemos werden die Qualitäten des homerischen Helden als noch gegenwärtig gegeben dargestellt. Er sei der Einzige, heißt es, der mit Menestheus als Feldherr wetteifern könnte. Und trotz seines Alters führt er wie die anderen Fürsten seine Truppen zur Schlacht (Β 553–56). Während also Nestor seine körperliche Schwäche später außer Acht lässt und doch zu den Waffen greift (K 78), kehrt sich bei Polyphemos der Gegensatz zwischen θυμός und körperlichem Zustand im Verlauf der Handlung offensichtlich um: Der Held lässt keinen kriegerischen θυμός erkennen. Denn er betätigt sich weder wie Nestor durch Beratung und Paränese am Unternehmen und an den Kämpfen der Argonauten, noch legt er selbst Waffen an. Dass seine kriegerischen Leistungen der Vergangenheit angehören, wird im Katalog sprachlich deutlich: Zusätzlich zu den Vergangenheitstempora von θωρήσσοντο und πολέμιζε weisen πρὶν und ὁππότε auf vergangenes Geschehen hin,137 während im weiteren Verlauf der Vorstellung keine Fortsetzung der kriegerischen Leistung in Aussicht gestellt wird: τότ’ αὖ βαρύθεσκέ οἱ ἤδη / γυῖα, … (1, 43–44).138 Die schwerfälligen Knie des Polyphemos sind jedoch auf einmal sehr beweglich, als es darum geht, Hylas zu suchen (1, 1240–54). Sein Motiv ist dort aber nicht kriegerisch, sondern eventuell sogar erotischer Art.139 An der zweiten Belegstelle wird der frühere Kriegszustand zwischen Mariandynern und Bebrykern erwähnt, den die Argonauten durch ihren Sieg über die Bebryker beendet haben: ἐπεὶ ἦ μάλα τοί γ’ ἐπὶ δηρὸν / ἀντιβίην Βέβρυξιν ὑπερφιάλοις πολέμιζον (2, 757–58). Der Ausdruck ἀντιβίην πολέμιζον ist eine variatio des homerischen ἐναντίβιον πολεμίζειν (fünfmal, z.B. z.B. Ο 179) bzw. ἀντίβιον πολεμίζειν (Γ 435).140 Das Adverb ἀντιβίην begegnet dort aber nur in Verbindung mit πειρηθῆναι und ἐριζέμεναι.141 Heranzuziehen wäre noch Ps.-Hesiod asp. 150: ἀντιβίην πόλεμον Διὸς υἷι φέροιεν. Der Krieg zwischen Mariandynern und Bebrykern wird auch in 2, 138–41 erwähnt, dort wird das Verb μάρναμαι verwendet.142 An beiden Stellen handelt

136 In der Ilias bescheinigt Agamemnon Nestor kriegerischen θυμός: ὦ γέρον, εἴθ’ ὡς θυμὸς ἐνὶ στήθεσσι φίλοισιν, / ὥς τοι γούναθ’ ἕποιτο, βίη δέ τοι ἔμπεδος εἴη (Δ 313–14). Dass er immer noch kampfwillig ist, obwohl das Alter ihn hemmt, sagt auch Nestor selbst: Ἀτρεΐδη, μάλα μέν κεν ἐγὼν ἐθέλοιμι καὶ αὐτός / ὣς ἔμεν, ὡς ὅτε δῖον Ἐρευθαλίωνα κατέκταν (Δ 318–19). 137 Zu θωρήσσοντο s. unter 7a. (θωρήσσω). 138 Kühlmann (1973) 161 weist darauf hin, dass der Katalog die zeitliche Einordnung der Argonautenfahrt ermöglicht, die „durch den Hinweis auf den früheren Kampf der Lapithen und Kentauren in V. 44ff und 57 ff“ vorgenommen werden kann. Ebenso Kühlmann 163 zur Person des Polyphemos: „Das hohe Alter des Polyphem scheint, wie gesagt, nur um der zeitlichen Einordnung willen erwähnt worden zu sein.“ 139 S. dazu unter 15p. (Die Hylas-Suche). 140 Außerdem ἀντίβιον μαχέσασθαι (Γ 20, Η 40, 51). 141 E.-M. Voigt, LfgrE 1, 932, 9–19. 142 S. dazu unter 1h. (μάρναμαι). 47

es sich um eine externe Analepse, die eine Hintergrundinformation vermittelt, nicht aber um eine Schlachtschilderung. Des Weiteren findet sich πολεμίζω zweimal in Hypothesen: Die Kampfstärke des Herakles wird nach seiner Zurücklassung aus auktorialer Perspektive angesichts der offensichtlichen kriegerischen Stärke des Aietes erwähnt, gegen den der Held als Einziger mit Aussicht auf Erfolg hätte kämpfen können: ὅ κεν οἶος ἐναντίβιον πτολέμιξε (3, 1234). Der Ausdruck ἐναντίβιον πολεμίζειν ist in der Ilias gängig (s.o.), doch kommt π(τ)ολεμίζω bei Homer nicht in einer irrealen Aussage vor, sondern findet sich nur im Präsens- und Futurstamm.143 In seiner Rede im vierten Buch erklärt Jason Medea schließlich seine Bereitschaft gegen die Kolcher zu kämpfen: οὐδ’ ἂν ἐγὼ Κόλχοισιν ὑπείξω μὴ πτολεμίζειν / ἀντιβίην (4, 408–9).144 Zur Junktur πτολεμίζειν / ἀντιβίην s.o. (zu 2, 757–58). Dass Jasons Kampfbereitschaft jedoch nur für den Notfall besteht, wird im ersten Teil der Rede deutlich, wo er seine Absicht, dem Kampf auszuweichen, zum Ausdruck bringt (4, 396).145 Grund dafür ist seine Überzeugung, eine sichere Niederlage zu erleiden (4, 401–2),146 die auch der Dichter selbst zum Ausdruck bringt (4, 338).147

143 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 1330, 40. Die zahlreichen Belegstellen, an denen πολεμίζειν bei Homer in Reden auftaucht, sind eng mit dem auf der Erzählebene stattfindenden Kampf verbunden, d.h. Krieger bekunden Kampffähigkeit, Kampfgeist und Mut (s.u.) oder bringen ihre Haltung zu den vor kurzem erlebten Kampfsituationen zum Ausdruck (z.B. I 322, 326). Daher hängt der an 27 Stellen belegte Infinitiv πολεμίζειν oft von Verben des Könnens, Wollens und Aufforderns (ἐπίσταμαι, θέλω, μέμονα, ἐπόρνυμι, ἐφορμάω, ἐποτρύνω) ab, z.B. Β 611 (ἐπιστάμενοι πολεμίζειν), Ν 223 (ἐπιστάμεθα πτολεμίζειν), H 159 (πάντες ἄρ‘ οἵ γ‘ ἔθελον πολεμίζειν), N 74 (θυμὸς […] ἐφορμᾶται πολεμίζειν ἠδὲ μάχεσθαι), H 152 (ἐμὲ θυμὸς ἀνῆκε […] πολεμίζειν), N 262–63 (ὀίω / ἀνδρῶν δυσμενέων ἑκὰς ἱστάμενος πολεμίζειν). 144 Vian (Bd. 3, 1981) 164 präferiert für 4, 408 die Konjektur von Gerhard ὑπείξω μη πτολεμίζειν. Dagegen argumentiert Hunter (2015) 138–39, der die überlieferte Lesart ὑπείξομαι πτολεμίζειν mit crux versehen abdruckt („the required sense is probably ,I would not refuse to fight the Colchians…‘“) mit Skepsis gegenüber Gerhards Konjektur („a breach of ‚Naeke’s Law‘“). Zur Konjektur von Brunck ὑπείξαιμι vgl. dagegen Fränkel (1968) 486. Platts Konjektur, die Änderung des Infinitivs πτολεμίζειν in ein Partizip πτολεμίζων ist unnötig, da ὑπείκω mit Infinitiv gut belegt ist, z.B. bei Homer in ε 332, auch bei Apollonios selbst (4, 1658; 1676). Eine Änderung ergäbe einen verfälschten Sinn: Jason ist eigentlich bestrebt, einen Kampf zu vermeiden. Die Aussage, er werde vor einem eventuellen Kampf (πτολεμίζειν) nicht zurückschrecken, entspricht seiner Haltung besser als die Behauptung, er werde beim Kämpfen (πτολεμίζων) nicht zurückweichen, was einen Kampf schon als sicher voraussetzt. Vgl. Hunter (2015) 138: „Platt’s πτολεμίζων cannot be adopted in ignorance of the preceeding text.“ 145 S. unter 1c. (δηϊοτής). 146 S. unter 1d. (δαΐς). 147 S. unter 1c. (δηϊοτής). 48

Dieser Pessimismus lässt die Erklärung der Kampfbereitschaft Jasons am Ende seiner Rede wenig glaubwürdig erscheinen.148

Zusammenfassung An drei der vier Belegstellen nimmt Apollonios den homerischen Ausdruck ἔναντίβιον/ ἀντίβιον π(τ)ολεμίζω auf und variiert ihn: ἀντιβίην πολέμιζον, ἐναντίβιον πτολέμιξε, πτολεμίζειν / ἀντιβίην. Keine der untersuchten Belegstellen beschreibt eine kriegerische Auseinandersetzung auf der Primärebene. Das Verb findet sich immer auf sekundärer Erzählebene und in Hypothesen: 1. Personenbeschreibung / Katalog: 2. Analepse: 3. Hypothese/Rede:

1, 43 2, 758 3, 1234; 4, 408

h. μάρναμαι Das Verb μάρναμαι kommt in der Ilias an 45 Stellen, in der Odyssee an 11 Stellen vor und bedeutet mit nur zwei Ausnahmen ‚kämpfen in der Schlacht‘.149 Mehr als die Hälfte der Belege in der Ilias (24) findet sich in Schlachtschilderungen, an den weiteren wird der aktuelle Kampf in Reden thematisiert. In der Odyssee begegnet das Verb fast immer in Reden, die meist den trojanischen Krieg zum Inhalt haben.

In den Argonautika ist μάρναμαι an vier Stellen belegt: Im Argonautenkatalog wird die Verwandlungsfähigkeit des Periklymenos beschrie­ben: …ὅττι κεν ἀρήσαιτο / μαρνάμενος τὸ πέλεσθαι ἐνὶ ξυνοχῇ πολέμοιο (1, 159–60).150 Auch Hesiod erwähnt die Gabe, die Periklymenos von Poseidon erhalten hat (ὧι] πόρε δῶρα Ποσειδάων ἐνοσίχθων / παντο]ῖ’ (fr. 33a 13 MW)) und stellt sie in den folgenden Versen detailliert dar: πολέας δ’ ἀπόλεσσε καὶ ἄλλους / μαρνάμενος Νηλῆος ἀγακλειτοῦ περὶ τεῖχος / ο[ὗ] πατρός (fr. 33a 19–21 MW). Eine Darstellung der Mantel-Ekphrasis zeigt den Kampf der Teleboer und der Söhne Elektryons um eine Rinderherde: ἀμφὶ δὲ βουσὶ / Τηλεβόαι μάρναντο καὶ υἱέες Ἠλεκτρύωνος (1, 747–48). Mit ἀμφί ist μάρναμαι auch zweimal bei Homer verbunden: In der Odyssee wird in der Rede Athenes der Kampf um Helena thematisiert: ὅτ’ ἀμφ’ Ἑλένῃ λευκωλένῳ εὐπατερείῃ / εἰνάετες Τρώεσσιν ἐμάρναο (χ 227–28). In Ρ 387–88 kämpfen Antilochos und Trasymedes um den Leichnam des Patroklos: 148 Die Intention, eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden, wird in Jasons Rede im dritten Buch besonders deutlich zum Ausdruck gebracht (3, 183–84). S. dazu unter 1b4. (ἄρης als Metonymie), 15a. (ἀυτή) und ausführlich unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 149 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 37, 1, gibt als Bedeutung „fight in battle (65 out of 68 x […])“ an, wobei die Hesiod-Stellen eingerechnet sind, von denen eine zu den drei Ausnahmen zählt. 150 Zur Beschreibung des Periklymenos s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 16a. (ἀλκή). 49

μαρναμένοισιν / ἀμφ’ ἀγαθὸν θεράποντα ποδώκεος Αἰακίδαο.151 Motivisch scheint die Darstellung der Ekphrasis an eine Szene in der Schildbeschreibung Homers angelehnt, die auch den Überfall auf eine Herde zum Thema hat (Σ 523–29). In 1, 1037–39 wird das Schicksal des Kyzikos, das ihn in der Nacht des Kampfes mit den Argonauten ereilt, beschrieben: ὣς τὸν […] αὐτῇ ὑπὸ νυκτὶ πέδησε / μαρνάμενον κείνοισι. Bei Homer ist μάρναμαι häufig mit dem Dativ des Gegners verbunden, z.B. μάρνασθαι δηίοισι (Λ 190, 205), Τρώεσσιν ἐμάρναο (χ 228, s.o.). Der Kampf zwischen Argonauten und Dolionen wird in 1, 1030 als δηϊοτής, in 1, 1052 als πόλεμος bezeichnet. Ein Beleg findet sich in einer Analepse über den Krieg zwischen Bebrykern und Mariandynern: αἰεὶ γὰρ μάρναντο σιδηροφόρου περὶ γαίης (2, 141). Der Ausdruck μάρναμαι περί ist homerisch,152 z.B. μαρνάμενοι περὶ ἄστυ (Z 256), περὶ πτόλιν αἰπύ τε τεῖχος / μαρνάμενοι (Z 327–28). In weiteren Berichten über denselben Krieg wird in 2, 758 πολεμίζω, in 2, 797 ἄρης verwendet.

Zusammenfassung An allen untersuchten Belegstellen bezeichnet μάρναμαι das kriegerische Kämpfen. Homerisch sind die Wendungen μάρναμαι ἀμφί /περί. Offensichtliche Anlehnungen an homerische Phrasen sind aber nicht zu finden. Inhaltlich steht das Verb jeweils einmal 1. 2. 3. 4.

in einer Personenbeschreibung / Katalog: in einer Ekphrasis: in einer Analepse: auf der Erzählebene:

1, 160 1, 748 2, 141 1, 1039

i. δηριάομαι Das im Aktiv gebrauchte Verb δηριάω, das in den Argonautika an fünf Stellen begegnet, ist zuerst bei Pindar belegt. Dort bezeichnet es den Wettstreit um einen Preis.153 Im Medium/Passiv kommt das Verb bei Homer an 7 Stellen (Ilias 5, Odyssee 2) vor, von denen vier Iliasstellen im kriegerischen Kontext, davon zweimal in einer Rede, stehen und das Kämpfen mit Waffen beschreiben. An den nicht-kriegerischen Stellen wird wie beim aktiven Gebrauch ein verbales Streiten bezeichnet (Μ 421, θ 76, 78).154

151 Quintus Smyrnaeus setzt den Genetiv: μάρνασθ’ ἀμφὶ πόληος (11, 432). 152 Sprachlich der Apolloniosstelle ähnlich, jedoch mit lokalem Sinn ist Σ 453: πᾶν δ’ ἦμαρ μάρναντο περὶ Σκαιῆισι πύληισιν· 153 LSJ s.v.: „contest a prize“. 154 R. Führer, LfgrE 2, 280, 36–45: „streiten […] mit Waffen (= kämpfen)“. Vgl. Trümpy (1950) 142 („… wird für privaten Streit und für kriegerischen Kampf verwendet“), der eine abwertende Konnotation sowie das „Element der Anstrengung“ in der Bedeutung des Verbs wie auch des zugehörigen Substantivs δῆρις, das bei Homer nicht für den kriegerischen Kampf verwendet wird, konstatiert. 50

Bei Apollonios stehen aktive Formen in 1, 493 und in 4, 1729 im Kontext eines verbalen Streits,155 in 2, 89 in einem Gleichnis, das mit dem Kampf zweier Stiere um eine Kuh den Faustkampf zwischen Polydeukes und Amykos illustriert. Im Medium/ Passiv begegnet das Verb dreimal: Eine dieser Stellen findet sich wie eine der aktiven Formen (2, 89) in der Faustkampf-Episode, und zwar in der Rede des Amykos, der den Besten der Argonauten zum Kämpfen herausfordert: Τῶ καί μοι τὸν ἄριστον ἀποκριδὸν οἶον ὁμίλου / πυγμαχίῃ στήσασθε καταυτόθι δηρινθῆναι (2, 15–16). Verbaler Streit unter Gefährten wird in 1, 1343 erwähnt, jedoch ohne sprachliche Parallelen zu den entprechenden Homerstellen wie θ 76 und 78: Ἔολπα δέ τοι σὲ καὶ ἄλλῳ / ἀμφ’ ἐμεῦ […] δηρίσασθαι (1, 1342–43). In einem agonalen Kontext steht δηριάομαι im vierten Buch und beschreibt den Wettlauf der Argonauten beim Wasserholen, der zugleich ein Aition für eine spätere Wettkampftradition bei den Myrmidonen darstellt: Αἶψα δὲ τοί γε / ὑδρείης πέρι δῆριν ἀμεμφέα δηρίσαντο (4, 1766–67).156 In diesem Sinn begegnet das Wort nicht bei Homer, aber möglicherweise ist Pindar Vorbild (z.B. Nem. 11, 26). Die bei Apollonios verwendete Form δηρίσαντο taucht aber auch in der Odyssee auf, und zwar in einer Analepse, in der zweimal der Streit zwischen Odysseus und Achill erwähnt wird: ὥς ποτε δηρίσαντο θεῶν ἐν δαιτὶ θαλείῃ / ἐκπάγλοισ’ ἐπέεσσιν, ἄναξ δ’ ἀνδρῶν Ἀγαμέμνων / χαῖρε νόῳ, ὅ τ’ ἄριστοι Ἀχαιῶν δηριόωντο (θ 76–78). Die in θ 78 verwendete Form δηριόωντο ist zudem als varia lectio für 4, 1767 belegt.157

Zusammenfassung Apollonios setzt δηριάομαι in drei verschiedenen Kontexten ein: Zweikampf, verbaler Streit und Wettkampf. Auffällige sprachliche Parallelen zu homerischen Formulierungen sind nicht zu finden.

j. πολεμήϊος Das Adjektiv πολεμήϊος begegnet bei Homer mit 8 Stellen (Ilias 7, Odyssee 1) viel seltener als π(τ)όλεμος und π(τ)ολεμίζω. Es fungiert dort meistens als Epitheton zu ἔργα (siebenmal), einmal auch zu τεύχεα (Η 193), und findet sich stets in Reden, die den aktuellen oder vergangenen Kriegszustand zum Thema haben.158

In den Argonautika ist das Adjektiv zweimal belegt. An beiden Stellen werden homerische Junkturen verwendet:

155 Zu 4, 1729 s. Hunter (2015) 311: „τοῖα … δηριόωνται ‚dispute in such a way‘“. 156 Vgl. den aktiven Gebrauch des Verbs in 4, 1772. 157 Vgl. Livrea (1973) 482, der die Lesart δηρίσαντο vorzieht: „perché Ap. riproduce con intenzionali variazioni…“ Hinweis auf θ 76–78 auch bei Hunter (2015) 317. 158 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 1329, 50–52: „of war, of battle; epith. of τεύχεα, ἔργα; only in dir. speech in Hom.“. 51

3, 562–63: Idas fordert in seiner Rede die Helden ironisch kritisierend dazu auf, die Hilfe wehrloser Frauen in Anspruch zu nehmen, statt sich um πολεμήια ἔργα zu bemühen: Ἔρρετε, μηδ’ ὔμμιν πολεμήια ἔργα μέλοιτο, / παρθενικὰς δὲ λιτῇσιν ἀνάλκιδας ἠπεροπεύειν. Die Junktur πολεμήϊα ἔργα kommt bei Homer siebenmal vor, davon zweimal wie bei Apollonios in Verbindung mit dem Verb μέλειν (z.B. μέλει πολεμήϊα ἔργα (Β 338),159 und steht fast immer am Versende, außer in μ 116 (τοι πολεμήϊα ἔργα μέμηλε), wo die metrische Position der Apolloniosstelle entspricht. Der Kontext ist auch dort eine kritisierende Rede, die mit der Rede des Idas auffällig kontrastiert: Kirke tadelt Odysseus dafür, dass er daran denkt, mit Gewalt und Kampf gegen Skylla vorzugehen, statt ihrem Rat zu folgen und der Gefahr unter Aufopferung von sechs Gefährten klug zu entgehen. Es geht also darum, Kirkes Rat und damit weibliche Hilfe anzunehmen, statt mit Gewalt zu agieren, während Idas umgekehrt den Plan der Argonauten, Medeas Hilfe in Anspruch zu nehmen, kritisiert und zu kriegerischer Aktivität aufruft. Inhaltlich erinnert die Idas-Rede auch an die Kritik Nestors an den Achaiern in Β 338, wo es ebenso um die πολεμήϊα ἔργα geht: νηπιάχοις, οἷς οὔ τι μέλει πολεμήϊα ἔργα. Im Unterschied zu Nestors Aufforderung zur Besinnung auf das ursprüngliche Kriegsvorhaben nimmt Idas Anstoß daran, dass es von Seiten Jasons gar kein Kriegsvorhaben gebe. Der Weg des geringsten Widerstands, den Jason mit Medeas Hilfe zu gehen beabsichtigt, ist Idas ein Dorn im Auge, da er es vorziehen würde, das Ziel durch kriegerische Aktivität zu erreichen. 4, 1180: Bei der Hochzeit von Jason und Medea wird die Rüstung der Phaiaken beschrieben: πολεμήια τεύχεα δύντες. Apollonios verwendet einen homerischen Ausdruck für die Wappnung, z.B. πολεμήϊα τεύχεα δύω (Η 193). Doch ein Kampf, in den die Phaiaken involviert sind, findet in den Argonautika nicht statt.160 Ihr kriegerischer Aufzug ist vergleichbar mit dem Verhalten der Argonauten, die in derselben Szene ihre Waffen schwingen (4, 1156).161

k. ἀρήϊος Das aus dem Namen des Kriegsgottes abgeleitete Adjektiv ἀρήϊος taucht bei Homer (Ilias 27, Odyssee 7 Stellen) als Epitheton für Helden und Waffen auf.162 Sehr oft wird Menelaos als ἀρήϊος bezeichnet (z.B. Γ 339), aber auch andere Helden wie Achill (Π 166) und Idomeneus (Λ 501). Mehrmals belegt ist das Attribut auch in den Katalogen (Β 698, 708, Π 179, 193). In der Ilias finden sich 11, in der Odyssee 5 Stellen in Reden.

159 Im Homerischen Athenehymnos begegnet außerdem: … ᾗ σὺν Ἄρηϊ μέλει πολεμήϊα ἔργα (Hymn. Hom. 11, 2). Vgl. hierzu auch 2, 989 (Ἄρεος ἔργα μεμήλει), s. unter 1b4. (ἄρης als Metonymie). 160 Siehe dazu auch unter 5b. (τεύχεα und ἔντεα). 161 Siehe dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). 162 Frisk (1973) s.v. Ἄρης: „davon […] das Adjektiv Ἄρειος, ion. Ἀρήϊος, …“. C.J. Ruijgh, LfgrE 1, 1239, 15–28. 52

In den Argonautika ist ἀρήϊος an 10 Stellen belegt. Entsprechend dem homerischen Gebrauch dient das Adjektiv zur Charakterisierung von Helden. Zwei Belege finden sich im Argonautenkatalog: In 1, 44 wird Polyphemos ein θυμὸς ἀρήιος zugeschrieben, eine Junktur, die bei Homer nicht belegt ist.163 In 1, 95 erhält Butes das Epitheton ἀρήϊος. Doch in der Handlung der Argonautika wird er nur noch einmal genannt, als er betört durch die Stimmen der Sirenen ins Wasser springt und dann von Aphrodite gerettet wird (4, 912–19). Jason selbst wird in den Argonautika zweimal als ἀρήϊος bezeichnet. Die Formulierungen sind identisch: 1, 349–50: Ἀνὰ δ’ αὐτὸς ἀρήιος ὤρνυτ’ Ἰήσων / γηθόσυνος … (Jason erhebt sich, als er zum Anführer der Argonauten bestimmt wird). 2, 122: σὺν δέ σφιν ἀρήιος ὤρνυτ’ Ἰήσων (Jason erhebt er sich, als die Argonauten gegen die Bebryker kämpfen). Ähnlich ist Π 166: ἐν δ’ ἄρα τοῖσιν ἀρήϊος ἵστατ’ Ἀχιλλεύς. Im Kontext der Anführerwahl fällt diese Charakterisierung Jasons besonders auf: Nachdem Jason die Argonauten aufgefordert hat, den Besten unter ihnen als Anführer zu wählen, fällt die erste Wahl der Helden auf Herakles, der jedoch ablehnt und Jason als Anführer vorschlägt. Die Argonauten nehmen den Vorschlag an. Nun wird Jason, der nicht im Heldenkatalog vorgestellt und charakterisiert wurde, zum ersten Mal beschrieben: Er ist ἀρήϊος und reagiert γηθόσυνος (1, 350) auf seine Wahl zum Anführer.164 In der Ilias ist Agamemnon γηθόσυνος, nachdem Idomeneus und Nestor ihm Treue und Beistand gelobt haben (Δ 272, 326). Das Attribut ἀρήϊος ist bei Homer auf den kriegerischen Kontext festgelegt.165 Als Epitheton eines einzelnen Helden steht es in der Ilias immer in Zusammenhang mit der Rüstung zum Kampf oder einer Kampfhandlung. In der Odyssee wird es nur für die Helden des trojanischen Krieges (Aias (γ 109), Diomedes (γ 167)) verwendet, nicht für Odysseus oder andere Personen in der Handlung der Odyssee. Dass Jason in den Argonautika

163 Bei Homer fungiert ἀρήϊος nur als Epitheton für Menschen und Waffen. θυμὸς ἀρήϊος taucht dann bei Quintus Smyrnaeus an fünf Stellen auf (z.B. 1, 27). Zum Kontext dieser Stelle s. ausführlich unter 1g. (π(τ)ολεμίζω). 164 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 46 hält die Bezeichnung γηθόσυνος für unpassend, da es zweifelhaft sei, ob Jason Grund zur Freude habe, da er nicht durch die ausdrückliche Präferenz der Argonauten, sondern durch den Willen des Herakles zum Anführer bestimmt worden sei. Ähnlich Mori (2008) 54, dass die Wahl „not through democratic vote, in the manner of the Athenian democracy, but as a result of the political pressure exerted by Heracles“ zustande gekommen sei. Vgl. dagegen die These von Pietsch (1999) 132, dass Jason für das Anführeramt eigentlich zu jung sei. Demnach freue sich Jason nun über den unerwarteten Vertrauensbeweis durch Herakles, der ihm das Amt zuweist (s. auch Anm. 167). 165 So auch C.J. Ruijgh, LfgrE 1, 1239, 45–47: „Dans l’Odyssée, ἀ. est employé quant aux personnes, seulement en parlant des héros de la guerre de Troie.“ 53

im Kontext der Anführerwahl als ἀρήϊος bezeichnet wird, wirkt deplatziert. Durch dieses Epitheton steht Jason gleichwertig neben Herakles, der nach seiner Wahl das Epitheton θρασύς erhält (1, 341). Allerdings stellt ἀρήϊος einen noch engeren Bezug zur Kampfessphäre her als θρασύς.166 Möglicherweise soll hiermit das Defizit an kriegerischen Fähigkeiten, das Jason gegenüber Herakles hat, verbal ausgeglichen werden.167 Die andere Stelle, an der Jason das Epitheton trägt, steht im kriegerischen Kontext des Kampfes gegen die Bebryker. Doch auch hier will die Bezeichnung Jasons als ἀρήϊος nicht recht passen, betrachtet man die Schilderung dieser Schlacht: Diese ist antiklimatisch gestaltet mit einer deutlich erkennbaren semantischen Abschwächung der Verben im Verlauf der Schilderung: Zu Beginn werden die Kampfhandlungen einzelner Helden (4 Argonauten gegen 4 Bebryker) auf homerische Art mit Verben des Verletzens und Tötens geschildert: ἤλασ’ (2, 103), πλῆξε (107), ἐν κονίῃσι βάλεν (107), ἤλασε (108), δρύψε (109), οὖτα (111), κατέπεφνεν (112), στυφέλιξεν (115). Danach folgt eine Beschreibung des angreifenden Ankaios, der unter die Feinde springt, und zweier weiterer Argonauten, die auf die Feinde zu stürmen. Hier drücken die Verben ἔνθορε (120) und ἐσσεύοντο (121) zumindest noch eine Bewegung in Richtung der Feinde aus. Zuletzt wird Jason erwähnt, der zusammen mit den zuletzt Genannten aufspringt (ὤρνυτ’), jedoch nicht weiter agiert.168 Im Unterschied dazu markiert das Aufspringen eines Kriegers (ὤρνυτο, ὦρτο) bei Homer den Beginn

166 In der Ilias werden Hektor und sein Wagenlenker θρασύς genannt, nicht immer im direkten Zusammenhang mit dem Kampf (z.B. M 60, 210, N 725). Zur Bedeutung s. unter 18c. (θρασύς). 167 Thiel (1996) 40 wertet die Bezeichnung Jasons als ἀρήϊος in Gegenüberstellung zu θρασὺς Ἡρακλῆς (1, 341) als ironisch. Ebenso Beye (1982) 83 „,warlike‘ assaults our ears as almost too insistently ironic.“ Auch Hunter (1993) 18 spricht von einem „parodic epithet“, stellt aber in seiner Interpretation die Führungsqualitäten Jasons dagegen. Aber auch zu diesen diplomatischen Fähigkeiten Jasons mag das Attribut ἀρήϊος nicht recht passen. Pietsch (1999) 110 bewertet das Adjektiv in 1, 349 und 1, 222 als Attest für Jasons „Tauglichkeit im Krieg“, geht aber gar nicht auf den jeweiligen Kontext ein. Zur Anführerwahl meint Pietsch 107, Jason sei aufgrund seiner Jugend überhaupt nicht in Frage gekommen für das Führeramt, das Herakles ihm dann aber als „Chance zur Profilierung“ großherzig überlassen habe. Hier stellt sich nun allerdings die Frage, ob zu dieser Deutung eines „kaum eben erst erwachsen gewordenen jungen Mannes“ (Pietsch 132) die Bezeichnung ἀρήϊος nicht in einem Widerspruch steht. Denn die Bedeutung ‚kriegstauglich’ für ἀρήϊος, die Pietsch (110 und 126) annimmt, entspricht nicht dem homerischen Gebrauch, wo z.B. Menelaos oder Achill in der Ilias mit ἀρήϊος nicht als ‚kriegstauglich‘, sondern als ‚kriegerisch‘ oder ‚kampferprobt‘ angesehen werden (s. dazu LSJ s.v. Ἄρειος: „warlike, martial“, sowie C.J. Ruijgh LfgrE 1, 1239, 32 „belliqueux, martial, guerrier“), also eine Eigenschaft zugeschrieben bekommen, die zu einem erfahrenen Krieger passt. 168 Zur Bebrykerschlacht und dem verwendeten Vokabular s. auch unter 9d. (οὐτάζω). 54

einer Kampfhandlung (z.B. Menelaos in Γ 349 und Ρ 45, Diomedes in Ε 17, Aias in Η 211, Patroklos in Π 479), die bei Jason fehlt.169 Jason ist von allen genannten Helden am wenigsten am Kampf beteiligt. Das Attribut ἀρήϊος wirkt in dieser Situation wie ein Ersatz für Jasons fehlende Aktivität, zumal die anderen beteiligten Helden keine kriegerischen Epitheta tragen (Ausnahme ist der als μενεδήιος bezeichnete Iphitos (2, 114–15)), dafür aber im Kampf aktiv sind.170 Eine weitere Charakterisierung Jasons begegnet in einem Gleichnis: In 3, 1259 wird er mit einem Kriegspferd (ἀρήιος ἵππος) verglichen. Die Junktur ἀρήιος ἵππος ist ohne Vorbild.171 Die Helden als Kollektiv werden bei der Tötung der Erdgeborenen im 1. Buch ἀρήϊοι genannt: ἥπτοντο φόνοιο / Γηγενέων ἥρωες ἀρήιοι (1, 999–1000). Die Verbindung von ἀρήϊος mit ἥρως ist bei Homer einmal belegt: ἥρως Πρωτεσίλαος ἀρήϊος (B 708). Im Plural begegnet das Adjektiv dort achtmal, davon siebenmal in der Formel ἀρήϊοι υἷες Ἀχαιῶν (z.B. Λ 800), einmal in der Junktur ἄνδρες ἀρήϊοι (Ν 499).172 Ein weiterer Plural taucht in 2, 397 auf, wo Phineus die Kolcher ἀρήϊοι nennt, als er den Argonauten eine geographische Beschreibung der Länder und ihrer Bewohner auf dem zukünftigen Weg der Fahrt gibt: αὐτοὶ Κόλχοι […] ἀρήιοι. Entsprechend der homerischen Verwendungsweise begegnet ἀρήϊος in den Argonautika auch als Epitheton für Waffen: Vor der Abfahrt von Jolkos befiehlt Jason den Dienern, die Waffen aufzuheben: ἀρήια τεύχεα ἀείρειν (1, 266). In 4, 206 taucht Jason in seine Waffen: δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια.173 Die Junktur ἀρήϊα τεύχεα kommt bei Homer fünfmal vor, einmal auch in dem Ausdruck ἀρήϊα τεύχεα δύω (Ζ 340). Diese 169 Vgl. dazu Knight (1995) 95–96: „… the appearance of a warrior on the battlefield, which in Homer signals that he will be prominent, is not followed up with actual fighting.“ 170 Schwinge (1986) 95 dagegen betont die Beteiligung Jasons „als Mitkämpfer“, der „an prominenter Stelle“, d.h. am Ende des „Katalog[es] der Einzelkämpfe“ genannt werde. Auch Pietsch (1999) 109 meint, Jason stehe „Im Kampf […] den übrigen Argonauten in nichts nach“. Und Natzel (1992) 187 bezeichnet ihn als „tüchtige[n] Kämpfer in der Schlacht gegen die Bebryker“, räumt aber ein: „wenn er auch nicht besonders hervorsticht.“ Hübscher (1940) 9–10 schließlich schreibt Jasons fehlende Aktivität in dem Kampf der „feststehenden Überlieferung“ zu. 171 Das Attribut ἀρήϊος steht bei Homer nicht neben Tieren (vgl. Anm. 163). Bei Theokrit findet sich: πολεμισταί / ἵπποι (eid. 15, 51–52), wobei es sich aber nicht um Kriegspferde, sondern um Wettkampf- oder Paradepferde zu handeln scheint (vgl. Phot. Lex. Π 438, 19). Sonst heißt das Kriegspferd πολεμιστήριος ἵππος (Hdt. 1, 192, 3, Demosth. 42, 24, Xen. Ages. 9, 6). Zum Pferdegleichnis und der Charakterisierung Jasons an dieser Stelle s. unter 1a. (π(τ)όλεμος). 172 Der Sieg über die Erdgeborenen ist hauptsächlich das Verdienst des Herakles, der sie mit seinem Bogen bezwingt (1, 993–94). Hunter (1993) 41–42 macht auf die Anonymität der anderen am Kampf beteiligten Argonauten aufmerksam (ἀνδράσιν ὁπλοτέροισιν (1, 992), ἥρωες ἀρήιοι (1, 1000)): „… there is no individual kleos.“ 173 Zu diesen beiden Stellen s. unter 5a/b. (τεύχεα und ἔντεα). 55

Wendung begegnet auch bei Ps.-Hesiod: δύσεο τεύχε’ ἀρήια (asp. 108). Mit nachgestelltem Epitheton wie in 4, 206 ist die Junktur außer an dieser Ps.-Hesiodstelle nur einmal in der Odyssee belegt: χρὴ τεύχε’ ἀρήϊα κατθέμεν εἴσω (τ 4). Anders als bei Homer, wo ἀρήϊος nur mit τεύχεα und ἔντεα verbunden ist,174 steht das Attribut in den Argonautika in 4, 1156 auch neben einem bestimmten Waffentyp: Die Helden schwingen ihre Lanzen, um bei der Hochzeit von Jason und Medea einen eventuellen Feindesangriff abzuwehren: Οἱ δ’ ἐνὶ χερσὶ / δούρατα νωμήσαντες ἀρήια (4, 1155–56). Im Kontext der Hochzeitsfeier wirkt das Angriffsgebaren der Argonauten trotz der nachfolgenden Begründung einer möglichen Gefahr deplatziert.175

Zusammenfassung ἀρήϊος ist in den Argonautika dreimal auf homerische Art Epitheton für Eigennamen. Homerische Parallelen finden sich auch zu den Junkturen ἥρωες ἀρήιοι und ἀρήια τεύχεα. Zum ersten Mal bei Apollonios belegt sind die Junkturen θυμὸς ἀρήιος, ἀρήιος ἵππος und δούρατα ἀρήια. Inhaltlich dient das Attribut an sieben Stellen zur Charakterisierung eines oder mehrerer Helden. Zweimal geschieht dies im Kontext von Kampfhandlungen, einmal durch ein Gleichnis. Die zweifache Bezeichnung Jasons als ἀρήϊος wird dabei durch die - für Apollonios ungewöhnliche wörtliche Wiederholung der Wendung ἀρήιος ὤρνυτ’ Ἰήσων besonders markiert. An drei Stellen fungiert ἀρήϊος als Epitheton für Waffen, allerdings ohne Zusammenhang mit einer Kampfhandlung.

l. Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘ Folgende Übersicht zeigt die Verwendung der Vokabeln mit der Bedeutung ‚Kampf, Schlacht‘, ,kämpfen‘ und ‚kriegerisch‘ nach ihrem Kontext:176

174 C.J. Ruijgh LfgrE 1, 1240, 16–33, s. auch unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα). 175 Lt. Wifstrand (1993) 104 zeigt sich dieses Paradox auch anhand der Wortstellung: Durch das nachgestellte ἀρήια liege die Betonung auf den deplatzierten δούρατα. Im Gegensatz dazu stehe die Bekränzung der Argonauten in 4, 1158 in „natürliche[r] Wortfolge“: εὐφύλλοις […] ἀκρεμόνεσσιν. 176 Das Verb δηριάομαι ist hier nicht mit aufgeführt, da die Belegstellen, die sich alle im unkriegerischen Kontext im Sinne von Wettkampf oder verbalem Streit finden, sich nicht in das Schema einordnen lassen. 56

Katalog/ Analepse Hypothese, Wappnung Realer Gleichnis, PersonenKampfverohne Kampf auf Ekphrasis beschreimeidung, Kampf Erzählbung Aufforderung ebene zum Kampf π(τ)όλεμος Ἄρης / ἄρης

177

3

3

2

1

5

1

3

1

6

1

1

1

1

3

2

1

4

6

6

δηϊοτής δαΐς σταδίη

3

1 1

ὑσμίνη

1

π(τ)ολεμίζω

1

1

μάρναμαι

1

1

πολεμήϊος

2 1

ἀρήϊος

4

Gesamt

15

6

16

1

177

Die Übersicht zeigt, dass die Vokabeln für ‚Krieg / Kampf / Schlacht‘ und ‚kämpfen‘ sehr oft zur Charakterisierung von Personen, meist im Argonautenkatalog, dienen. Allerdings ist den Helden, die im Heldenkatalog mit kriegerischem Vokabular beschrieben werden, gemeinsam, dass sie sich in der Handlung der Argonautika nicht als Krieger hervortun: Der kriegerische Butes (1, 95) verfällt dem Gesang der Sirenen und wird dann von Aphrodite gerettet. Periklymenos mit seiner besonderen göttlichen Gabe (1, 156–60) wird in der Handlung der Argonautika nicht mehr genannt. Die kriegs- und schiffskundigen Argonauten Ankaios und Erginos (1, 187–189) tun sich nur durch Schiffskundigkeit hervor. Der in Nah- und Fernkampf bewährte Iphiklos (1, 199–201) wird in keinem Kampf der Argonautika erwähnt. Der altersschwache Polyphemos (1, 40–44) und der stärkste Kämpfer der Argonauten Herakles werden in Mysien zurückgelassen. Auch bei Homer dient Vokabular dieser Art zur Hervorhebung kriegerischer Tüchtigkeit der Helden in den Katalogen wie dem Schiffskatalog und der Teichoskopie der Ilias. Eine Diskrepanz zwischen den im Katalog genannten kriegerischen Fähigkeiten und der später in der Handlung erbrachten Leistung des/der Helden bleibt dort aber eine Ausnahme.178 177 Eingeordnet sind hier die beiden Stellen, an denen Ἄρης zum Vergleich in einer Personenbeschreibung dient sowie die Stellen, an denen der Name metonymisch gebraucht wird. 178 Z.B.: Die Arkadier sind ἐπιστάμενοι πολεμίζειν (Β 611), spielen aber im Kampfgeschehen der Ilias keine Rolle mehr, Protesilaos (ἀρήϊος (Β 698, 708)) ist bereits gefallen (Β 699, 701); Philoktet (τόξων ἐῢ εἰδὼς (B 718)) wird auf Lemnos 57

Meist bewähren sich die derart charakterisierten Krieger später im Kampf.179 Bei Apollonios kommen dagegen die im Katalog beschriebene Kriegskundigkeit und Kriegstüchtigkeit der Helden generell in der Handlung nicht zur Geltung. Bisweilen erscheinen diejenigen der oben genannten Argonauten, die noch einmal im Epos erwähnt werden, in einem sogar unheroischen Licht (z.B. Butes). Sehr viele Belege des untersuchten Vokabulars begegnet auch in hypothetischen Aussagen, die meist einen Kampf der Argonauten gegen Aietes und die Kolcher zum Thema haben: Acht dieser Stellen finden sich daher in Reden, vor allem Jasons, der von einem solchen Kampf als möglichem oder zu vermeidendem Geschehen spricht, aber auch in den Reden Medeas, die Jason zum Kampf auffordert. Auch bei Homer begegnen die Wörter dieser Gruppe nicht nur auf der Erzählebene, sondern sehr oft auch in Reden. In der Ilias sprechen Krieger über die Kämpfe, die auf der Erzählebene detailliert geschildert werden. Die Argonautika dagegen entbehren Kampfbeschreibungen dieser Art. Das Vokabular findet sich dagegen oft in Hypothesen über Kampfhandlungen, die auf der Erzählebene nicht realisiert werden wie z.B. der Kampf gegen die Amazonen. Vor allem der Kampf gegen die Kocher ist das Thema zahlreicher Reden und Hypothesen im gesamten Epos. Allein die Belegstellen des bisher untersuchten Vokabulars, an denen dieser Kampf von Idas, Jason oder Medea verbal thematisiert wird, ergeben 12 Verse. Im Vergleich dazu sehr knapp wirkt die Schilderung des tatsächlichen Kampfes, die sich über nur fünf Verse (4, 484–89), von denen zwei ein Gleichnis enthalten, erstreckt.180 Unabhängig von diesen Belegen in Reden ist an zwei Stellen ein hypothetischer Kampf Gegenstand einer im Irrealis formulierten auktorialen Äußerung. Zu dieser Verwendung lässt sich kein Vorbild unter den homerischen Belegstellen der untersuchten Wortgruppe finden. Nur sechs der untersuchten Stellen stehen im Kontext eines realen Kampfes auf der Erzählebene. Bei drei dieser Stellen handelt es sich um die Schlacht gegen die Dolionen, zwei Stellen betreffen die Kämpfe gegen die Erdgeborenen auf der Dolioneninsel und im Athlos. Die Dolionenschlacht basiert bei Apollonios jedoch nicht auf feindlicher Motivation, sondern auf einem unglücklichen Zufall, der zu

zurückgelassen und kämpft nicht in der Ilias, (ist aber später für die Eroberung Trojas unentbehrlich). 179 Z.B. Agamemnon: κρατερός τ’ αἰχμητής (Γ 179), Aias: πελώριος, ἕρκος Ἀχαιῶν (Γ 229), Aias: ἐγχείηι δ’ ἐκέκαστο Πανέλληνας καὶ Ἀχαιούς (Β 530), Menestheus: τῶι δ’ οὔ πώ τις ὁμοῖος ἐπιχθόνιος γένετ’ ἀνήρ / κοσμῆσαι ἵππους τε καὶ ἀνέρας ἀσπιδιώτας (Β 553–54), Meges: ἀτάλαντος Ἄρηϊ (Β 627), Meriones: ἀτάλαντος Ἑνυαλίωι ἀνδρειφόντηι (Β 651), Tlepolemos: δουρικλυτὸς (Β 657). 180 S. dazu auch unter 10b. (δηϊόω). 58

einem irrtümlichen Angriff der Dolionen führt.181 Dadurch verliert diese kriegerische Episode weitgehend ihren feindlich-kriegerischen Charakter.182

2. Heer, Krieger / Soldat, Schlachtreihe a. Heer (στρατός) στρατός (Ilias 60, Odyssee 5 Stellen) bedeutet bei Homer ‚Heer‘, hat aber als Bezeichnung für den Standort eines Heeres auch lokalen Charakter, der sich vor allem in den Präpositionalausdrücken ἀνὰ στρατόν und κατὰ στρατόν zeigt.183 Als handelndes Subjekt fungiert στρατός bei Homer selten. Nur zweimal begegnet der Nominativ: τύμβον / χεύαμεν Ἀργείων ἱερὸς στρατὸς αἰχμητάων (ω 80–81), πόλιν ἀμφὶ δύω στρατοὶ εἵατο λαῶν / τεύχεσι λαμπόμενοι (Σ 509–10). Die Hälfte der Belege findet sich in Kampfschilderungen, die andere Hälfte in Reden, die das aktuelle Kampfgeschehen thematisieren.

Bei Apollonios ist στρατός an den beiden einzigen Belegstellen Subjekt: 1, 678–79: Die Lemnierinnen fürchten den Angriff eines feindlichen Heeres: αἴ κεν ἐπιβρίσῃ Θρῆιξ στρατὸς ἠέ τις ἄλλος / δυσμενέων. Bei Homer begegnet eine ähnliche Formulierung mit πόλεμος als Subjekt: μή ποτ’ ἐπιβρίσηι πόλεμος Τρώων ἀγερώχων (Η 343).184 4, 1001–2: Das Heer der Kolcher erscheint zur Verfolgung der Argonauten: ὧδε μάλ’ ἀγχίμολον στρατὸς ἄσπετος ἐξεφαάνθη / Κόλχων. Die Junktur στρατὸς ἄσπετος kommt bei Homer nicht vor. Das Adjektiv, das eine besondere Größe oder

181 Nach anderen Quellen beruhte die Schlacht zwischen Argonauten und Dolionen nicht auf einem Irrtum. Nach Angaben in den Scholien (zu 1, 1037–38b) ist bei Ephoros wie auch bei Kallisthenes eine durchaus feindliche Absicht der Dolionen überliefert. Händel (1954) 55–56 zur Version des Apollonios: „Daraus macht Apollonios die friedfertigen Dolionen, indem er den Kampf aus böser Absicht durch das Mittel des Windes zu einem unfreiwilligen und unglücklichen Kampf umbildet, der nächtlicherweile, ohne Möglichkeit gegenseitigen Erkennens, stattfindet“. 182 Zur Schlachtbeschreibung s. unter 10c. (ἐναίρω). 183 G. Markwald, LfgrE 4, 235, 37 („Heer(lager), überw. abstr., wie dt. ‚Heer‘“) und ebd. 41–43: „auffällig ist d. häufige auch metr. bedingte […] Vbd. mit Präp.n, die auf räuml. Vorst. weist, ebenso wie auch die Epith. εὐρύς, πᾶς, πολύς“. Ebeling s.v.: „exercitus“. Der lokale Charakter beruht vermutlich auf der ursprünglichen Bedeutung ‚Heerlager‘, s. dazu G. Markwald, LfgrE 4, 234, 62–63. 184 Das Verb ἐπιβρίθω kommt bei Homer an 5 Stellen (Ilias 4, Odyssee 1) vor und bedeutet an 2 Iliasstellen „sich durchsetzen im Kampf (R. van Bennekom, LfgrE 2, 97, 23–24). Zur Bedeutung des Wortes und zur übertragenen Verwendung als kriegerisches ‚Angreifen‘ vgl. Vasilaros (2004) 250 mit dem Hinweis auf diesen Gebrauch in H 343 und die metrischen Position. Ebenso Mooney (1912) 122 und Ardizzoni (1967) 184: „dinanzi alla cesura pentem., come in Omero Η 343 […], che A. dovette avere presente qui.“ 59

Quantität im meist nicht-kriegerischen Kontext bezeichnet, ist im kriegerischen Sinn zweimal neben κυδοιμός belegt (Κ 523, Σ 218).185

b. Krieger / Soldat Trotz mehrerer Kampfszenen und der häufigen Erwähnung von Kampf und Krieg in Katalog, Analepsen, Gleichnissen und Reden findet sich in den Argonautika keines der typisch homerischen Wörter für ‚Krieger‘ oder ‚Kämpfer‘. Die bei Homer verwendeten „zentralen Ausdrücke für ‚Krieger‘“ αἰχμητής, μαχητής, πολεμιστής sind in den Argonautika nicht belegt.186 Das Wort ἥρως, mit dem Apollonios oft die Argonauten und auch andere Figuren (z.B. Apsyrtos) benennt, weist schon bei Homer ein weites semantisches Spektrum auf und ist in den Argonautika nicht auf kriegerische Fähigkeiten bezogen.187

b1. πρόμος πρόμος ist eine bei Homer seltene (Ilias 7 Stellen, Odyssee 1 Stelle) Bezeichnung für den ‚Vorkämpfer‘, die synonym mit πρόμαχος ist und fast immer in Reden steht.188

Bei Apollonios ist πρόμος viermal belegt, bezeichnet aber nur in zwei Fällen einen Krieger: Im Kampf gegen die Dolionen wird der Dolione Artakes πρόμος ἀνδρῶν genannt (1, 1047). Im zweiten Buch stellt sich Polydeukes der Herausforderung des Amykos zum Zweikampf: αἶψα δ’ ἑῶν ἑτάρων πρόμος ἵστατο (2, 21). Die Wendung πρόμος ἵστατο findet sich auch bei Homer, z.B. τοῖσι δ’ Ἐρευθαλίων πρόμος ἵστατο (H 136). 185 S. dazu H. W. Nordheider, LfgrE 1, 1422, 29–1425, 30. Die Junktur στρατὸς ἄσπετος kehrt wieder bei Nonnos (Dion. 39, 301). Zum Motiv der großen Anzahl der Kolcher s. Anm. 114. 186 Trümpy (1950) 176 (und 180) nennt außer den drei zentralen Begriffen für den Kämpfer die „Trabantenwörter“ ἀσπιστής, ἀσπιδιώτης, θωρηκτής, κορυστής. Bei J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 49, 14–15 werden noch ἀκοντιστής und κοῦρος zum Wortfeld hinzugezählt. Von diesen Vokabeln findet sich nur κοῦρος in den Argonautika, meist in der Bedeutung ‚Knabe, Sohn‘; einmal werden die Argonauten als κοῦροι bezeichnet (1, 447), jedoch nicht im kriegerischen Zusammenhang. 187 Zum Bedeutungsfeld bei Homer s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 939, 46–64, dort auch zum nachhomerischen Gebrauch: „Später nur von Kultheroen und Sagenhelden“ (ebd. 939, 63–64). Thiel (1996) 10–12, der Bedeutung und Verwendung von ἥρως bei Apollonios im Vergleich zu Homer untersucht, stellt eine „Bedeutungsabschwächung“ fest: „Bei Apollonios hat das Wort ἥρως allem Anschein nach eine geringere Wertigkeit als bei Homer, es dient eher als allgemeine Anredeform eines oder mehrerer Expeditionsteilnehmer als zur preisenden Herausstellung eines oder mehrerer Helden, …“ 188 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 1560, 43: „foremost fighter […], champion“. LSJ s.v.: „foremost man, in Hom. always = πρόμαχος“. Rengakos (1994) 133: „Aristarch […] deutete das Wort als gekürzte Form von πρόμαχος.“ 60

An den zwei weiteren Belegstellen in den Argonautika hat πρόμος die nachhomerische Bedeutung ‚Anführer‘ im allgemeinen Sinn:189 In 1, 713 wird diese Bezeichnung für Jason verwendet (νηὸς πρόμον), in 2, 752 für Lykos (κείνης πρόμον ἠπείροιο).

b2. πεζός und ἱππεύς Von den homerischen Begriffen für die Mitglieder von Infanterie und Kavallerie hat πεζός als prädikatives Adjektiv die Grundbedeutung ‚zu Fuß‘ (Ilias 11, Odyssee 9 Stellen). Als Substantiv bezeichnet es bei Homer - immer im Plural - den ‚Infanteristen‘ (Ilias 9, Odyssee 3 Stellen).190 πεζός findet sich meist auf der Erzählebene, an 6 Iliasstellen und 1 Odysseestelle aber auch in Reden. Das Wort ἱππεύς (Ilias 25 Stellen, Odyssee 1 Stelle) bedeutet ‚Wagenkämpfer‘ und steht ebenso meistens im Plural im kriegerischen Kontext,191 an 11 Stellen in Reden. Bei Homer sind die beiden Wörter oft verbunden: z.B. πεζοί θ’ ἱππῆές τε (B 810, Θ 59, ω 70).

Bei Apollonios hat πεζός zweimal die Grundbedeutung ‚zu Fuß‘: Beide Belege finden sich in analeptischen Berichten über Herakles: ὅτε δεῦρο δι’ Ἀσίδος ἠπείροιο / πεζὸς ἔβη (2, 777–78), Ἤλυθε δ’ οὖ κἀκεῖνος, ἅ τε χθόνα πεζὸς ὁδεύων (4, 1441). An der einzigen Belegstelle von ἱππεύς in den Argonautika tauchen πεζοί und ἱππῆες wie bei Homer als Begriffspaar auf: ὁππότ’ ἄεθλα καταφθιμένοιο ἄνακτος / κηδεμόνες πεζοῖσι καὶ ἱππήεσσι τίθενται (3, 1273–74). Allerdings handelt es sich hier nicht um Krieger, sondern um Wettkämpfer in einem Gleichnis der AthlosEpisode, das die Länge einer Wegstrecke verdeutlichen soll. In einem ähnlichen Kontext begegnet ἱππεύς auch bei Homer einmal als Bezeichnung für den Wagenlenker beim Wettrennen, das anlässlich der Leichenspiele für Patroklos stattfindet: ἱππεῦσιν μὲν πρῶτα ποδώκεσιν ἀγλά’ ἄεθλα / θῆκε (Ψ 262–63). Eine weitere Analogie ist der Anlass des Wettkampfes, da auch die Wettspiele im Gleichnis für einen Toten veranstaltet werden. Dem Wettrennen der Gespanne fügt Apollonios noch das der Läufer hinzu. Doch scheint die Bedeutung ‚Wettläufer‘ für πεζός außer bei Apollonios nicht belegt zu sein.192

189 LSJ s.v.: „later, generally, chief “. Rengakos (1994) 133 weist auch dem Beleg in 1, 1047 die Bedeutung „Führer“ zu. 190 S.R. van der Mije, LfgrE 3, 1090, 64–1091, 1; 1092, 1. 191 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 2, 1202, 52: „,horseman‘, charioteer, Wagenkämpfer; usu. (24 out of 28 x) pl.“ (hier sind die Hesiodstellen mit eingerechnet); ebd. 1202, 57–58: „pl: mostly in martial context, of that part of army […] using chariots“. 192 Bei LSJ s.v. ist keine Belegstelle mit dieser Bedeutung angegeben. Für die Läufer des bei den Leichenspielen in der Ilias (Ψ 748–97) sowie auch bei den Kampfspielen der Phaiaken (θ 120–125) stattfindenden Wettlaufs werden Paraphrasen verwendet: πόδεσσι […] ἐσθλὸν ἐόντα (Ψ 636), ἐλαφρότατος ποσσὶ κραιπνοῖσι (Ψ 749), νέους ποσὶ πάντας ἐνίκα (Ψ 756), ἐπειρήσαντο πόδεσσι (θ 120), θέειν ὄχ’ ἄριστος (θ 123). 61

c. Schlachtreihe (φάλαγξ) φάλαγξ (Ilias 34 Stellen) heißt bei Homer immer ‚Schlachtreihe‘193 und findet sich meist in Kampfszenen auf der Erzählebene, an 4 Stellen auch in Reden. Erst in nachhomerischer Literatur ist φάλαγξ auch in der ursprünglichen Bedeutung ‚Holzwalze‘ belegt,194 in der es sich an 5 von 7 Stellen in den Argonautika (1, 375; 376; 388; 2, 843, 848) findet, die hier nicht untersucht werden.

Nur an den folgenden zwei Stellen bedeutet φάλαγξ Schlachtreihe: Im Heldenkatalog wird die Kriegserfahrung des Oileus beschrieben: Ὀιλεύς, / ἔξοχος ἠνορέην καὶ ἐπαΐξαι μετόπισθεν / εὖ δεδαὼς δηίοισιν, ὅτε κλίνειε φάλαγγας (1, 74–76).195 Die Wendung φάλαγγας κλίνειν hat kein homerisches Vorbild, doch begegnet κλίνειν μάχην (‚die Schlacht wenden‘, Ξ 510) sowie Τρῶας δ’ ἔκλιναν Δαναοί (Ε 37, ähnlich auch ι 59). Dort heißt κλίνω ‚in die Flucht schlagen‘, eine Bedeutung, die auch für die Apolloniosstelle passend ist.196 Das Durchbrechen einer Phalanx wird an folgenden Homerstellen geschildert: Δαναοὶ ῥήξαντο φάλαγγας (Λ 90), Πάτροκλος δ’, ἐπεὶ οὖν πρώτας ἐπέκερσε φάλαγγας, / ἂψ ἐπὶ νῆας ἔεργε παλιμπετές (Π 394–95). In der Ares-Vögel-Episode wird das Geschrei der Argonauten in einem Gleichnis mit dem Lärm verglichen, der entsteht, wenn Krieger in einer Schlachtreihe mit ihren Waffen gegeneinanderstoßen: Οἵη δὲ κλαγγὴ δηίου πέλει ἐξ ὁμάδοιο / ἀνδρῶν κινυμένων, ὁπότε ξυνίωσι φάλαγγες (2, 1077–78). Die Bewegung der Schlachtreihen zum Kampf wird bei Homer mit den Worten συνορινόμεναι κίνυντο φάλαγγες (Δ 332) oder ἐς πόλεμον πυκιναὶ κίνυντο φάλαγγες (Δ 281, ähnlich auch Δ 427) beschrieben. Beim Zusammenstoß der Heere selbst jedoch kommt das Wort φάλαγξ nicht vor, dort heißt es z.B. οἳ δὲ ξύνισαν μεγάλωι ἀλαλητῶι (Ξ 393), ὅσση ἄρα Τρώων καὶ Ἀχαιῶν ἔπλετο φωνή / δεινὸν ἀϋσάντων, ὅτ’ ἐπ’ ἀλλήλοισιν ὄρουσαν (Ξ 400–1). Kriegerisches Geschehen begegnet bei Homer in der Regel nicht in Gleichnissen.197 Ausnahme ist z.B. ein formelhaftes Gleichnis der Ilias, in dem das Gebrüll des Ares oder des Poseidon mit dem Geschrei der Krieger beim Zusammenprall der Heeresmassen verglichen wird: ὅσσόν τ’ ἐννεάχειλοι ἐπίαχον

193 V. Langholf, LfgrE 4, 813, 47: „milit. t.t., Schlachtformation, -reihe“, s. auch Ebeling s.v.: „ordo militaris“. 194 V. Langholf, LfgrE 4, 813, 48–51 („Eine wohl ursprünglichere, aber erst nach dem fgrE belegte Bed. -ξ ‚Holzstange‘ […] i.S.v. ,Speer‘, ,Lanze‘ (diese spez. Bed. jedoch nirgends belegt […] scheint im fgrE Spuren hinterlassen zu haben.“) mit Hinweis auf einige Stellen, an denen diese Bedeutung auch passend wäre (813, 64–814, 14). LSJ s.v. II: „round piece of wood, trunk, log“. Diese Bedeutung ist zuerst bei Herodot belegt (3, 97, 3). 195 Zur Interpretation der Stelle s. unter 17a. (ἠνορέη). 196 Zu den Homerstellen und der Bedeutung von κλίνω dort s. G. Markwald, LfgrE 2, 1448, 16–20. 197 Dazu Faerber (1932) 42, dass in der Ilias „niemals der Lärm der Schlacht […] und damit die Schlacht selbst […] auf die vergleichende Stufe herabgedrückt werden.“ 62

ἢ δεκάχειλοι / ἀνέρες ἐν πολέμωι ἔριδα ξυνάγοντες ἄρηος (E 860–61, Ξ 148–49).198 Der Kontext, in den dieses Gleichnis eingebettet ist, ist ebenfalls kriegerisch. In der Regel finden sich Szenen dieser Art bei Homer auf der Hauptebene der Erzählung, während die Gleichnisse nicht-kriegerische Themen haben. Z.B. werden in Γ 2–3 Kriegslärm und Kriegsgeschrei der Erzählung mit einem Gleichnis illustriert, in dem das Geschrei von Vögeln beschrieben wird. In den Argonautika dagegen erscheinen umgekehrt die Vögel auf der Erzählebene, der Kriegslärm aber im Gleichnis.199 Ein Kampf findet dort nicht statt, sondern nur Maßnahmen zur Vertreibung der Vögel. Durch die kriegerische Atmosphäre im Gleichnis wirken aber die Handlungen der Argonauten heroischer als sie realiter sind.200

3. Feind Zur Bezeichnung des Feindes, d.h. des Gegners im Kampf und Krieg, werden bei Homer, wenn die Gegner nicht namentlich genannt werden, zwei Wörter eingesetzt: δήϊος und δυσμενής. Wörter wie ἐχθρός, πολέμιος oder auch ἐναντίος sind zumindest in dieser Bedeutung erst in der nachhomerischen Literatur belegt.201 Apollonios übernimmt das von Homer verwendete Wortfeld und setzt δήϊος und δυσμενής im Sinne von ‚feindlich‘ ein. Die übrigen genannten Wörter kommen in den Argonautika nicht vor.

198 Hinweis auf diese Stellen auch bei Drögemüller (1956) 139, der für möglich hält, dass ὁπότε ξυνίωσι φάλαγγες eine Umbildung von ἔριδα ξυνάγοντες ἄρηος ist. 199 Vian (Bd. 1, 1976) 228, Anm. 2: „la situation est inversée“. Effe (1996) 306: „In auffälliger Weise kehrt Apollonios das Verhältnis von Erzählung und Gleichnis um.“ Zu 2, 1077–78 und Γ 2–3 s. auch unter 3a. (δήϊος) und 15f. (κλαγγή). 200 Fränkel (1968) 277, Anm. 335, notiert als besonderes Merkmal dieses Gleichnisses, „daß hier das ,wie‘ nicht eine Analogie einführt die nur der Dichter und die Leser aus dem Abstand vollziehen; vielmehr haben die Argonauten absichtlich, um ihre Feinde abzuschrecken, das Gebrüll einer Armee imitiert die zur Schlacht anrückt.“ Vgl. auch Hunter (1993) 134: „Such narrative ‚confusion‘, effected through a Homeric model, is another way in which Apollonius breaks down the barriers between narrative and simile.“ Zur gesamten Szene s. unter 15s. (Die Ares-VögelEpisode). 201 Das Wort ἐχθρός wird im Sinne von ‚feindlich‘ oder substantiviert ‚Feind‘ erst ab Hesiod und Pindar verwendet, bei Homer erscheint es nur in der Bedeutung ,verhasst‘ (vgl. LSJ s.v.). Auch das in der nachhomerischen Literatur in der Bedeutung ‚feindlich im kriegerischen Sinn‘ gängige Wort πολέμιος ist erst ab Pindar belegt (s. LSJ s.v. II.1). ἐναντίος taucht bei Homer nur in dem lokalen Sinn ‚gegenüber‘ oder ‚entgegen‘ auf, wobei es meist adverbial verwendet wird; der feindliche Aspekt des Gegenüberstehens oder -tretens ist hier Nebenbedeutung (z.B. E 497). Als ‚feindlich, Feind‘ begegnet das Wort erst in der Tragödie (s. LSJ s.v. I.2.a). 63

a. δήϊος Das Adjektiv δήϊος ist bei Homer an 43 Stellen ausschließlich in der Ilias belegt und steht dort immer im kriegerischen Kontext, meistens in Reden (26 Stellen). Als Epitheton wird das Adjektiv in festen Junkturen verwendet: Mit der Bedeutung ‚zerstörerisch‘ steht es neben πῦρ (9 Stellen) und πόλεμος oder Ἄρης (8 Stellen),202 mit der Bedeutung ‚feindlich‘ bei ἀνήρ (8 Stellen). An 18 Stellen ist δήϊος substantiviert und hat - immer im Plural - die Bedeutung ‚Feinde‘.203

Bei Apollonios ist δήϊος an neun Stellen belegt, davon fünfmal als Adjektiv, viermal substantiviert im Plural: Im Argonautenkatalog wird Oileus als Held beschrieben, der seine Feinde zu verfolgen weiß: …Ὀιλεύς, / ἔξοχος ἠνορέην καὶ ἐπαΐξαι μετόπισθεν / εὖ δεδαὼς δηίοισιν, ὅτε κλίνειε φάλαγγας (1, 74–76).204 Die Wendung ἐπαΐξαι μετόπισθεν […] δηίοισιν erinnert an die homerischen Junkturen μάρνασθαι δηίοισι (viermal, z.B. Λ 190) und δηίοισι μάχεσθαι (∆ 373). In der Rede des Peleus werden die Kolcher δήϊοι genannt: Ἤδη νῦν κέλομαι νύκτωρ ἔτι νῆ’ ἐπιβάντας / εἰρεσίῃ περάαν πλόον ἀντίον ᾧ ἐπέχουσι / δήιοι (4, 495–97). Hier bestehen keine sprachlichen oder inhaltlichen Parallelen zu Homer. Beim Vergleich der beiden Belegstellen fällt auf, dass im Argonautenkatalog eine Konfrontation mit Feinden präsent ist (ἐπαΐξαι μετόπισθεν). Die Rede des Peleus dagegen hat den Zweck, eine feindliche Begegnung durch einen gezielten Reiseplan zu verhindern. Es zeigen sich also auch hier folgende Tendenzen: 1. Kampfhandlungen und kriegerische Leistungen begegnen in den Argonautika auf der sekundären Handlungsebene wie in Katalog, Analepsen und Gleichnissen. 2. Auf der Erzählebene bleibt Kampf weitgehend im Hypothetischen, wird aber unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung oft in Reden thematisiert. In den Bereich der Vermeidung feindlicher Konfrontation fällt auch die dritte Belegstelle: Die Argonauten übergeben den Hyleern bei der Ankunft einen der

202 R. Führer, LfgrE 2, 268, 6: „Grundbed. zerstörerisch“. Wahrscheinlich besteht eine etymologische Verwandschaft mit dem Verb δαίω ‚brennen‘ (s. dazu R. Führer, LfgrE 2, 207, 45); daher steht das Adjektiv auch regelmäßig neben Feuer. In der nachhomerischen Literatur taucht das Adjektiv häufig in der dorischen Form δάϊος in der Tragödie auf. Dort bedeutet es auch ‚feindlich‘ und fungiert als Epitheton zu Subjekten verschiedenster Art, z.B. auch nach homerischem Vorbild zu πῦρ (z.B. Aischyl. sept. 222, Eur. Hel. 197). 203 R. Führer, LfgrE 2, 268, 36–37: „von Menschen: feindlich, Feinde“. Vgl. auch Trümpy (1950) 137: „Als Substantiv bezeichnet das Wort ausschließlich hostes und kommt nur im Plural vor.“ Zur Bedeutung des Adjektivs: „Das Etymologicum magnum gibt für δήιος drei Bedeutungen an: πολεμικός (bei ἀνήρ!), καυστικός (bei πῦρ!) und διακοπτικός. Offensichtlich gehört die letzte Bedeutung zur Junktur δήιος πόλεμος.“ 204 Zur Interpretation der Stelle s. unter 17a. (ἠνορέη). 64

beiden Dreifüße, die Jason vom delphischen Orakel erhalten hat.205 Der Ort, an dem die Dreifüße aufgestellt werden, heißt es, werde dann nicht von Feinden heimgesucht: πέπρωτο δ’, ὅπῃ χθονὸς ἱδρυθεῖεν, / μή ποτε τὴν δηίοισιν ἀναστήσεσθαι ἰοῦσι (4, 532–33). An der vierten Belegstelle geht es - diesmal in der Rede des Alkinoos - um eine diplomatische Lösung, was die Auslieferung Medeas an die Kolcher betrifft: λέκτρον δὲ σὺν ἀνέρι πορσαίνουσαν, / οὔ μιν ἑοῦ πόσιος νοσφίσσομαι, οὐδὲ γενέθλην / εἴ τιν’ ὑπὸ σπλάγχνοισι φέρει δηίοισιν ὀπάσσω (4, 1107–9).206 Die Bedeutung von ὀπάζω kommt einem ‚Ausliefern‘ nahe.207 Apollonios verbindet also ein Verb, das eigentlich ein freundliches Geben und Gewähren bezeichnet, mit dem Dativ δηίοισιν, der bei Homer mit Verben des Kämpfens wie μάρνασθαι (viermal, z.B. Λ 190) und μάχεσθαι (Δ 373), χάρμα γενέσθαι (Z 82) verbunden ist. Diese Kombination deutet auch sprachlich die diplomatische Haltung des Alkinoos an (vgl. 4, 1009–10), der die Auslieferung Medeas von einer Bedingung abhängig macht, die ihm rechtlich und moralisch vertretbar erscheint.208 Als Adjektiv begegnet δήϊος bei Apollonios an fünf Stellen. Anders als bei Homer steht es als Epitheton nicht in festen Junkturen. In 2, 1077 ist δήϊος Attribut einer als ὅμαδος bezeichneten Kriegsschar in einem Gleichnis, das den von den Argonauten zur Vertreibung der Ares-Vögel produzierten Lärm illustriert: Οἵη δὲ κλαγγὴ δηίου πέλει ἐξ ὁμάδοιο / ἀνδρῶν κινυμένων, ὁπότε ξυνίωσι φάλαγγες (2, 1077–78).209 δήϊος bedeutet hier ‚feindlich‘ wie auch bei Homer, wenn es in Verbindung mit Menschen, d.h. neben ἀνήρ, oder als

205 Zu den Dreifüßen „mit der besonderen Segenskraft“ als Geschenk Apollons vgl. Fränkel (1968) 501. 206 Hunter (1993) 74 bezieht δηίοισιν auf die Kinder Medeas: „,… if she is carrying a child in her womb I will not hand it over to its enemies.‘ […] Who were the enemies of Medeas’ children? Our knowledge of the future makes this question particularly insistent.“ 207 Das Verb ὀπάζω bedeutet einerseits ,zuteilen‘ von Kriegern oder Untergebenen an einen Anführer oder ,mitschicken‘ von Begleitpersonen (vgl. R. Führer, LfgrE 3, 727, 1–34), andererseits ‚gewähren‘ oder ‚zur Verfügung stellen‘ von materiellen oder mentalen Gütern aus Freigebigkeit und Güte, oft mit Göttern als Subjekt und z.B. κῦδος als Objekt, aber auch mit Menschen als Subjekt im Sinne von ‚geben, vermachen‘ von Totenspende, Mitgift, Erbe oder Gastgeschenk an eine verbundene Person (vgl. R. Führer, LfgrE 3, 727, 40–728, 54), nicht aber eine feindliche Person. Zur Form ὀπάσσω verweist Livrea (1973) 315 auf die beiden Belege bei Homer (θ 430, φ 214). 208 Auf das diplomatische Ziel der Kampfvermeidung bei Alkinoos weist auch Mori (2008) 132 hin: „Rather than planning to side with the Greeks in a conflict, Alcinous wishes to obviate war entirely. While Arete is thinking of her Greek allies, she lacks Alcinous’ dedication to peace.“ Zur Rolle von Alkinoos und Arete vgl. auch Hunter (2015) 222–23. 209 Zum Gleichnis s. auch 2c. (φάλαγξ) und 15f. (κλαγγή). 65

Substantiv verwendet wird.210 Möglicherweise liegt auch eine Enallage vor mit dem eigentlichen Sinn ἐξ ὁμάδοιο δηίων ἀνδρῶν, entsprechend dem in M 57 und Ο 533 belegten Genetiv δηίων ἀνδρῶν. Im pseudo-aischyleischen Prometheus beschreibt das Adjektiv auch eine kriegerische Menschenmenge: δάϊος στρατός (Prom. 423). Homerisch ist die Verwendung als Epitheton des Feuers in 3, 1304: τὸν δ’ ἄμφεπε δήιον αἶθος …211 Doch steht das Adjektiv bei Homer wie erwähnt immer in der Junktur δήιον πῦρ bzw. πυρὸς δηίοιο (9 Stellen, z.B. I 347, B 415), die fast ausnahmslos als Synonym für den feindlichen Angriff in der tobenden Feldschlacht verstanden werden kann und vor allem im Kontext des Kampfes um die Schiffe begegnet, bei dem Feuer auch konkret als Waffe eingesetzt wird.212 Apollonios dagegen bildet die neue Junktur δήιον αἶθος für das Feuer, das die ehernen Stiere des Aietes beim Athlos aus ihren Mäulern schnauben.213 Das Wort ὁ αἶθος ist zuerst bei Euripides belegt (Hik. 208). Das synonyme Neutrum τὸ αἶθος begegnet zuerst bei Apollonios, danach nur noch in den Orphischen Lithica (174).214 Im pseudo-euripideischen Rhesos steht αἶθος auffälligerweise in demselben Kontext wie die Junktur δήιον πῦρ an den meisten Belegstellen bei Homer, nämlich dem Angriff der Troer auf die Schiffe der Achaier: Ἀχαιῶν ναυσὶν αἶθον ἐμβαλεῖν (Rhes. 990),215 vgl. νήεσσιν ἀλεξέμεναι δήιον πῦρ (I 674), λεύσσω δὴ παρὰ νηυσὶ πυρὸς δηίοιο ἰωήν (Π 127), νηῶν μὲν ἀπωσάμενοι δήιον πῦρ (Π 301), τοὶ δ’ ἔμβαλον ἀκάματον πῦρ / νηῒ θοῆι (Π 122–23). Indem Apollonios αἶθος - wenn auch in einem anderen Genus - aus dem Rhesos übernimmt, stellt er einen Bezug zum iliadischen Kontext des Kampfes um die Schiffe her. Dass er dazu das Epitheton δηϊος, das in der Ilias mehrfach neben dem Synonym πῦρ in ebendiesem Kontext verwendet wird, neben αἶθος einsetzt, verstärkt diesen Bezug.

210 S. Anm. 203. Pompella (2002) 163 übersetzt: „clangor hostili exstitit e tumultu“. 211 Vgl. eine ähnliche Wendung Πάσας δὲ πυρὸς ὣς ἄμφεπεν αἴγλη in 4, 1145 über das Strahlen des Vlieses bei der Hochzeit von Jason und Medea. 212 Z.B. ἀλεξέμεναι δήιον πῦρ (I 347, 674). Nur in Θ 181 scheint konkret ,Feuer‘ gemeint zu sein, aber auch dort im Kontext der Kampfhandlungen. S. R. Führer, LfgrE 2, 268, 17–18: „stets in milit. Zush. […] Auff. ‚feindl.‘ […] mögl. außer B 415, Θ 181.“ Vgl. Trümpy (1950) 137: „Mit Feuer verbunden, bedeutet das Adjektiv nach Aristonikos soviel wie καυστικός. Man darf diese Bedeutung annehmen, obschon δήιον πῦρ an allen Stellen irgendwie als Waffe dient, die Bedeutung ‚feindlich (=von den Feinden gebracht)‘ also nicht unpassend erscheint.“ 213 Zur Bedeutung von δήϊος hier Hunter (1989) 243 „burning“. Vgl. R. Führer, LfgrE 268, 6 („Grundbed. zerstörerisch“), 15–16 („von unpers. Vorgängen bzw. Gewalten: verheerend“), 36–37 („von Menschen: feindlich, Feinde“). Dagegen LSJ s.v. δάϊος Ι.1: „esp. as epith. of πῦρ, burning, consuming“.vgl. dazu auch Anm. 212. 214 LSJ s.v. und DGE s.v.; Mooney (1912) 295 („neuter here, but masc. in Eur. Supp. 208.“) und Drögemüller (1956) 141, Anm. 12 („das Neutrum nur hier.“). 215 Campbell (Studies 1983) 83 vermutet tragischen Einfluss auf die Wortwahl in 3, 1304 („Tragic influence hereabouts in Ap. could be indicated by the phrase δήιον αἶθος“) mit Hinweis auf Rhes. 990 und Hik. 208. 66

Zu dieser Analogie kommen weitere homerische Reminiszenzen in der Szene: Die feuerschnaubenden Stiere werden in den Versen 3, 1299–1303 mit den Blasebälgen einer Schmiede verglichen. Dieses Gleichnis erinnert an die Szene im 18. Buch der Ilias, in der die Schmiede des Hephaistos beschrieben wird, der sich anschickt, die Waffen Achills zu schmieden (Σ 470–73).216 In 3, 1305 wird die Glut des Feuers, die Jason trifft, durch das Bild des Blitzes illustriert: βάλλον ἅ τε στεροπή. Auch dieser Vergleich erinnert an Waffen: Denn bei Homer wird vor allem das Strahlen von Waffen und Rüstungen mit einem Blitz verglichen, z.B. λάμφ’ ὥς τε στεροπὴ πατρὸς Διός (K 154, Λ 66).217 Auch das Wort φλόξ, das in 3, 1303 das Feuer der Stiere bezeichnet, steht in der Ilias oft im kriegerischen Kontext, besonders im Zusammenhang mit Hephaistos und den Waffen Achills: In Σ 206 beschreibt es das Strahlen der Waffen des Achill, in Φ 333 und 349 wird es als Waffe des Hephaistos genannt, mit der er in den Kampf gegen Skamandros zieht. Der Ausdruck φλογὶ εἴκελος ist formelhaft (6 Stellen, z.B. Ν 53, einmal auch φλογὶ ἶσοι (N 39)) und charakterisiert kämpfende Krieger. Es zeigt sich also, dass die Beschreibung des Feuers der ehernen Stiere 1. durch die Junktur δήιον αἶθος auf einen feindlichen Angriff - vor allem im Kontext des Kampfes um die Schiffe in der Ilias -, 2. durch das Schmiede-Gleichnis auf die Waffen des Achill, 3. durch den Blitz-Vergleich auf Waffen generell anspielt. Dadurch wird nicht nur die Wirkung des δήιον αἶθος als Waffe der Stiere im Athlos verstärkt, sondern auch eine homerisch-kriegerische Atmosphäre geschaffen. Die Verwendung von δήϊος als Epitheton für Waffen und Geschosse wie an den folgenden drei Stellen ist bei Homer nicht belegt:218 In 1, 635 wird die Rüstung der Lemnierinnen beschrieben: δήια τεύχεα δῦσαι. Das Wort τεύχεα ist bei Homer oft mit Epitheta wie καλός (z.B. Γ 328), ποικίλος (z.B. Γ 327), περικαλλής (z.B. Z 321), κλυτός (z.B. E 435) oder mit den kriegerischen 216 Hunter (1989) 242 nennt Σ 470–73 als Vorbild des Gleichnisses und weist auf die weitere Verwendung durch Ovid hin (Met. 7, 104–11): „The epic starting-point is the description of Hephaestus’ bellows“. Kyriakou (1995) 34–35 stellt fest, dass Apollonios die homerischen hapax legomena χόανος aus Σ 470 und βρόμος aus einem homerischen Gleichnis, das Kriegslärm bei der Schlacht mit dem Lärm eines Bergbrandes vergleicht (Ξ 396), im Gleichnis (3, 1299 und 1302) einsetzt. Bei Kyriakou 35 auch der Hinweis darauf, dass die Stiere von Hephaistos geschaffen wurden. Somit bestehen weitere Bezüge zu Hephaistos’ Waffenschmiede und zur Kriegssphäre generell. 217 Zum Blitzvergleich in 3, 1305 s. Drögemüller (1956) 141: „ein ganz konventioneller Kurzvergleich ohne eikastischen Gehalt“. In den Argonautika gilt ein weiterer Blitzvergleich dem goldenen Vlies: Θάμβησαν δὲ νέοι μέγα κῶας ἰδόντες / λαμπόμενον στεροπῇ ἴκελον Διός (4, 184–85). Zur Beschreibung glänzender Waffen in den Argonautika s. auch unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα, zu 1, 544–45)) und unter 6b. (Helme, zu 3, 1355–57). 218 Vgl. Cuypers (1997) 166: „the adjective is apparently not used elsewhere of weapons …“. Es findet sich jedoch die dorische Form in der Tragödie, (s. DGE s.v. δάϊος Ι.1), s. dazu Anm. 221. 67

Epitheta ἀρήϊος (z.B. Z 340) und πολεμήϊος (H 193) verbunden. Sprachlich angelehnt scheint die Stelle an E 435 (κλυτὰ τεύχεα δῦσαι). Es ist denkbar, dass Wendungen wie ἀρήϊα τεύχεα δύω (Z 340) und πολεμήϊα τεύχεα δύω (H 193) als semantische Vorbilder dienten, so dass die Bedeutung ‚kriegerisch‘ für δήϊος angenommen werden kann.219 Die Rüstung der Lemnierinnen ist eine zentrale Szene im ersten Buch der Argonautika. Die Wendung τεύχεα δύω kommt in diesem Abschnitt an zwei weiteren Stellen vor: χάλκειά τε δύνειν / τεύχεα (1, 627–28), δῦν’ ἐνὶ τεύχεσι πατρός (1, 638). Damit wird ein potentieller Kampf thematisiert und die Rüstung dafür von den Lemnierinnen durchgeführt. Doch die Versammlung der Frauen entscheidet sich nach einer Beratung dann im Gegenteil dafür, die Helden freundlich bei sich aufzunehmen.220 Epitheton einer einzelnen Waffe ist δήϊος im Kontext des Krieges zwischen Bebrykern und Mariandynern: Πέρθοντο γὰρ ἠμὲν ἀλωαὶ / ἠδ’ οἶαι τῆμος δηίῳ ὑπὸ δουρὶ Λύκοιο / καὶ Μαριανδυνῶν ἀνδρῶν (2, 138–40). Die Kombination von δόρυ mit einem Epitheton, das ‚feindlich‘ bedeutet, kommt bei Homer nicht vor.221 Noch einmal in Zusammenhang mit Waffeneinsatz findet sich δήϊος in 4, 201, wo Jason die Argonauten auffordert, das Schiff gegen die Geschosse der Kolcher zu schützen:222 τοὶ δὲ βοείας / ἀσπίδας ἡμίσεες δηίων θοὸν ἔχμα βολάων / προσχόμενοι νόστῳ ἐπαμύνετε (4, 200–2). Im Sinne von ‚(feindlichem) Geschoss‘ ist βολή bei Homer nicht gängig und begegnet dort nicht direkt im kriegerischen Kontext. Doch wird das Wort in der Odyssee (ρ 283, ω 161) für feindselige Würfe der Freier auf Odysseus verwendet.223 219 Pompella (2002) 163: „bellicis armis indutae“. 220 S. dazu 5b. (τεύχεα und ἔντεα) und 3b. (δυσμενής, zu 1, 678–79). 221 Cuypers (1997) 166 vermutet hier Enallage („,under the inimical spear of Lycus‘, i.e. under the spear of their enemy Lykus.“) mit dem Hinweis darauf, dass das Adjektiv nirgends für Waffen verwendet wird und auch kein Beleg für ein ähnliches Epitheton bei einem Speer existiert. Allerdings findet sich bei Sophokles: ἐγχέων φόβημα δαΐων (OK 699), vgl. auch Eur. Tr. 1301 (δαΐῳ τε λόγχᾳ). Gegen die Enallage-These spricht außerdem, dass δήϊος als Epitheton von Eigennamen (außer in Soph. Ai. 784) nicht belegt ist. Denn bei der offensichtlichen Anwendung der Enallage an anderen Stellen der Argonautika variiert Apollonios mit diesem Stilmittel homerische Junkturen, z.B. πρόφασιν πολέμου […] / λευγαλέην (1, 1218–19) nach πολέμοιο […] λευγαλέοιο (N 97) oder χόλον […] πικρὸν ὀιστῶν (4, 1404) nach πικρὸν ὀϊστόν (z.B. Δ 118), δηίου ἐξ ὁμάδοιο / ἀνδρῶν (2, 1077–78) nach δηΐων ἀνδρῶν (M 57, O 553). Zu den Epitheta bei δόρυ und zur Verbindung von ὑπὸ δουρὶ mit Eigennamen s. unter 6d. (Lanzen/Speere). 222 Inhaltlich vergleichbar ist diese Szene mit der Ares-Vögel-Episode, wo es ebenso um die Sicherung des Schiffes gegen feindliche Angriffe geht. S. dazu unter 15s. (Die Ares-Vögel-Episode). 223 W. Beck, LfgrE 2, 13, 12–17. Als Bezeichnung für ein Geschoss in der Schlacht wird das Wort in der Theogonie Hesiods (ἰωὴ / ἀσπέτου ἰωχμοῖο βολάων τε κρατεράων (theog. 682–83)) und in der Meropis (οὐ γὰρ [ὁμοῖαι] [ἀ]θάναται θνηταῖσι βολ[αὶ κατὰ] γαῖαν ἔασιν (fr. 4, 3 KM) verwendet. 68

b. δυσμενής Das Adjektiv δυσμενής ist bei Homer an 32 Stellen (Ilias 17, Odyssee 15) belegt und hat sich von der etymologischen Bedeutung ‚übelgesinnt, übelwollend‘ auf ‚feindlich‘ meist im kriegerischen Sinn - spezialisiert.224 Das Wort begegnet nur im Plural als Bezeichnung eines Kollektivs, entweder als Epitheton für ἄνδρες oder substantiviert (13 Stellen). δυσμενής bezeichnet in der Ilias den ‚Feind‘ bzw. ‚feindlich‘ im kriegerischen Sinn, während es in der Odyssee für den Feind im Allgemeinen und besonders für die Gruppe der Freier verwendet wird.225 Fast alle Belegstellen (außer X 403) finden sich in Reden.

An drei der vier Belegstellen in den Argonautika bedeutet δυσμενής wie in der Ilias ‚Feind‘ im kriegerischen Kontext: In 1, 678–79 fürchten sich die Lemnierinnen vor dem potentiellen Angriff eines feindlichen Heeres: αἴ κεν ἐπιβρίσῃ Θρῆιξ στρατὸς ἠέ τις ἄλλος / δυσμενέων. Die Junktur στρατὸς δυσμενέων begegnet bei Homer einmal in K 221, dort aber mit δυσμενής als Adjektiv: ἀνδρῶν δυσμενέων δῦναι στρατὸν ἐγγὺς ἐόντων / Τρώων (K 221–22).226 Eine ähnliche Konstruktion wie in 1, 678–79 findet sich in 4, 1157, wo es bei der Hochzeit von Jason und Medea ebenso um Vorkehrungen gegen einen möglichen feindlichen Angriff geht: Οἱ δ’ ἐνὶ χερσὶ / δούρατα νωμήσαντες ἀρήια, μὴ πρὶν ἐς ἀλκὴν / δυσμενέων ἀίδηλος ἐπιβρίσειεν ὅμιλος (4, 1155–57). Die Verbindung von δυσμενέων und ὅμιλος ist einmal in der Odyssee belegt, doch ist δυσμενής auch dort Adjektiv: πρῶτος κ’ ἄνδρα βάλοιμι ὀϊστεύσας ἐν ὁμίλῳ / ἀνδρῶν δυσμενέων (θ 216–17).227 An beiden Argonautikastellen variiert Apollonios eine singuläre homerische Junktur, indem er δυσμενής als Substantiv verwendet statt als Adjektiv. Das ebenso an beiden Stellen verwendete Verb ἐπιβρίθω begegnet in einer vergleichbaren Konstruktion in H 343, wo Nestor zu Waffenstillstand und Verschanzung zum Schutz gegen einen potentiellen feindlichen Angriff rät: μή ποτ’ ἐπιβρίσηι πόλεμος Τρώων ἀγερώχων.228 In den beiden Argonautika-Szenen folgen auf Rüstung und Abwehrhaltung keine Kämpfe. Hypothetisch bleibt der Kampf auch in der Rede Jasons, die einen Aufschub des Krieges gegen die Kolcher zum Thema hat: ἀλλά τιν’ ἀμβολίην διζήμεθα δηιοτῆτος, / ὅσσον δυσμενέων ἀνδρῶν νέφος ἀμφιδέδηεν … (4, 396–97). Hier 224 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 365, 66–69: „feindlich: dies wohl (krieger.) Spezialisierg. der etym. Bed. übelgesinnt, -wollend (so nur ζ 184 in 2 c), die aber immer mitgehört werden konnte“. 225 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 365, 74: „Von der jew. and. Partei in e. Konflikt: Gegner im Kampf, Beutezug, von Seeräubern, Freiern.“ 226 Zu 1, 678–79 s. auch unter 2a. (στρατός). Zur Lemnos-Episode s. unter 5b. (τεύχεα und ἔντεα) und 3a. (δήϊος). 227 S. auch unter 4d. (ὅμιλος). Zu Junktur ἀίδηλος ὅμιλος s. Anm 280. 228 Zu ἐπιβρίθω s. Anm. 184. 69

verwendet Apollonios die homerische Junktur δυσμενέων ἀνδρῶν,229 kombiniert sie aber neu mit νέφος, das bei Homer eine Menschenmenge als militärische Einheit bezeichnet, z.B. νέφος εἵπετο πεζῶν (Δ 274, Ψ 133), κυάνεον Τρώων νέφος ἀμφιβέβηκεν (Π 66).230 Bei Apollonios ist νέφος die Menge der Kolcher, die Jason zu groß erscheint, um einen Kampf zu wagen. Seine Rede, mit der er sich gegen Medeas Vorwürfe verteidigt, ist von Pessimismus geprägt und zeigt wie auch die Rede im dritten Buch die Absicht, eine kriegerische Auseinandersetzung zu vermeiden.231 In 4, 448 fordert der Dichter in einer Apostophe den Gott Eros auf, sich gegen die Kinder seiner Feinde zu rüsten:232 δυσμενέων ἐπὶ παισὶ κορύσσεο, δαῖμον, ἀερθείς, … Die Wörter κορύσσεο und δυσμενέων lassen den Gott kampfestüchtig wirken.233 Unterstützt wird dieser Eindruck durch die vorhergehende Charakterisierung des Eros als μέγα πῆμα, μέγα στύγος ἀνθρώποισιν (4, 445), von dem ἔριδες, στοναχαί τε πόνοι τε, / ἄλγεα […] ἀπείρονα (4, 446–47) ausgehen, d.h. Begriffe, die bei Homer oft mit Krieg und Kampf verbunden sind.234 Eros, so fordert der Dichter, soll sich ebenso gegen die Kinder seiner Feinde erheben wie er Medea mit Verblendung geschlagen habe (4, 449). Mit dieser Anspielung bereitet die Apostrophe auf den Mord an Apsyrtos als schrecklichste Auswirkung der von Eros bewirkten Verblendung Medeas vor. Das κορύσσεσθαι des Eros ist kein gewöhnliches Rüsten, ihm folgt kein offener Kampf: Ebenso wie Eros Medea aufgelauert hat, um sie mit dem fatalen Pfeil zu treffen, lauern nun Medea und Jason dem Apsytos auf. Die in der Apostophe genannten Übel, die durch Eros verursacht werden, entstehen durch List und Hinterhalt ohne Verteidigungsmöglichkeit für den Gegner. Dass der „sonst äußerst zurückhaltende Dichter“ an dieser einzigen Stelle in solcher Weise Stellung

229 δυσμενέες ἄνδρες bzw. ἄνδρες δυσμενέες ist bei Homer an 19 Stellen (11 Ilias, 8 Odyssee) belegt. Livrea (1973) 130 nennt 9 Belegstellen für den Genetiv δυσμενέων ἀνδρῶν bzw. ἀνδρῶν δυσμενέων. 230 H.W. Nordheider, LfgrE 3, 352, 12: „Wolke als (unzählbare dichte, an- und abschwellende) Menge einzelner (Sg. mit adnom. Gen.) = Schwarm, Schar von Kriegern, Vögeln.“ Vgl. auch πολέμοιο νέφος (Δ 243). Nach Δ 274 folgt zudem ein Gleichnis, das noch einmal das für die Heeresmassen verwendete Bild der Wolke verdeutlicht (Δ 275–79). 231 Hunter (2015) 137 weist auf den Kontrast zu Z 326–29 hin, wo Hektor dem Paris Kampfscheu vorwirft. Dort findet sich zudem die Form ἀμφιδέδηε als sprachliche Parallele: „Ap. follows Homer in using it metaphorically of war, …“. Zum Motiv der quantitativen Überlegenheit der Kolcher s. unter 1c. (δηϊοτής), Anm. 114. Zur Rede s. auch unter 1c. (δηϊοτής) und 1d. (δαΐς). Vgl. auch Jasons Rede im dritten Buch (3, 171–93), s. dazu unter 16a. (ἀλκή). 232 Zur Form der Apostrophe Fränkel (1968) 493 „In der rituellen Form des Gebets …“. Hunter (1993) 116: „the apotropaic denuniation“. Vgl. auch Hunter (2015) 143: „an invocation by the narrator to Eros in form related to that of the ἀποπομπή or prayer to god to leave one alone and exercise destructive powers on others …“. 233 Zum Ausdruck κορύσσεσθαι ἐπί s. unter 7b. (κορύσσω). 234 S. z.B. Α 177, Β 39, Γ 157, Δ 214, Δ 240, Ε 861, Ρ 688, Τ 214. 70

nimmt,235 ist ein Hinweis darauf, welch hohen Stellenwert Apollonios dem Liebesmotiv und der Darstellung der Auswirkung fataler Leidenschaft beimisst.

Zusammenfassung Apollonios verwendet die beiden Adjektive δήϊος und δυσμενής in homerischer Bedeutung. Enge Parallelen zu homerischen Phrasen sind selten. Die homerische Junktur δυσμενέων ἀνδρῶν kommt einmal vor. An zwei weiteren Stellen werden homerische Junkturen durch Substantivierung variiert: στρατὸς δυσμενέων gegenüber dem homerischen ἀνδρῶν δυσμενέων στρατὸν, ebenso δυσμενέων ὅμιλος gegenüber dem homerischen ἐν ὁμίλῳ ἀνδρῶν δυσμενέων. Außerdem variiert Apollonios durch Bildung neuer Junkturen mit Epitheta, z.B. durch Synonymtausch wie bei δήιον αἶθος (bei Homer: δήϊον πῦρ), möglicherweise auch bei δήια τεύχεα δῦσαι (vgl. das homerische ἀρήϊα/πολεμήϊα τεύχεα δύω). In Anlehnung an Formulierungen wie ἐν ὁμίλῳ δηίων ἀνδρῶν wird durch Enallage die neue Wendung δηίου ἐξ ὁμάδοιο ἀνδρῶν konstruiert. Der Kontext ist zwar oft kriegerisch, jedoch finden sich die Belege meist in hypothetischen Aussagen und auf der sekundären narrativen Ebene: 1. Katalog, Personenbeschreibung, Analepse: 2. Gleichnis: 3. Rüstung ohne Kampf: 4. kriegerischer Kampf in der Erzählung: 5. nicht-kriegerischer Kampf in der Erzählung: 6. hypothetischer Kampf / in Reden

1, 76, 2, 1077 1, 635 2, 139 3, 1304 1, 679; 4, 201; 4, 397; 4, 448 4, 533; 4, 497; 4, 1109; 4, 1157

D.h. Feinde und Feindliches sind in den Argonautika in Reden und Hypothesen präsent sowie bei Rüstung und Vorkehrungen für eventuell bevorstehende Kämpfe, die jedoch nicht realisiert werden. An vier Stellen beziehen sich δήϊος und δυσμενής in den Reden Jasons oder anderer Figuren auf die Kolcher oder deren Waffen. Die häufige Verwendung der Wörter in Reden hat ein homerisches Vorbild, nicht aber die fehlende Umsetzung des Kriegsthemas in der Erzählung. Auf der Primärebene steht eine Belegstelle im Kontext der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Bebrykern und Mariandynern, eine weitere im Kontext des Athlos. 235 Fränkel (1968) 493 mit der Auffassung, dass Apollonios an dieser Stelle „dem Abscheu […] Ausdruck [gebe,] den in dieser Phase der epischen Handlung Medeas mörderische Heimtücke in ihm auslöst.“ Hunter (1993) 117 erkennt in der Ansprache und Charakterisierung des Eros eine Sturmwellen-Metapher („images from storm-waves“) und betont die Analogie eines solchen Bildes zur Situation Medeas: „Such images have a general appropriateness for Medea, wandering over the sea in hasty flight“. Ebd. auch der Hinweis auf die Imitation der Passage bei Catull (64, 94–98). Zur weiteren inhaltlichen Interpretation dieser Stelle s. Fränkel (1968) 493–96, Hunter (1993) 116–17, Natzel (1992) 104–5, Hunter (2015) 143–44. 71

4. Kriegsgetümmel An das Wortfeld ‚Kampf, Schlacht‘ angrenzend bzw. sogar zum Teil in dieses übergreifend findet sich das Wortfeld ‚Kriegsgetümmel‘, das Wörter enthält, die den Tumult und das Durcheinander beim Kampf auf dem Schlachtfeld beschreiben. Die meisten dieser Wörter sind nicht auf diese Bedeutung eingegrenzt, sondern können auch als Synonym für den ‚Kampf‘ selbst fungieren oder eine Heerschar oder eine Truppe in lokalem Sinn bezeichnen.236 Zudem führt der akustische Aspekt eines Kampfgetümmels zu einer Überschneidung mit dem Wortfeld ‚Kampfgeschrei‘. Daher heißt μῶλος auch Kampf,237 ὅμιλος bezeichnet außer dem Getümmel auch die kämpfende Masse und die Kriegsschar,238 κυδοιμός dient zur Beschreibung des panikartigen, lauten Durcheinanders der Heeresmassen während der Schlacht oder bei der Flucht,239 ὅμαδος weist ein noch weiteres sematisches Spektrum auf, das von Lärm und Tumult des Schlachtgeschehens bis zur Bezeichnung einer bestimmten Menschengruppe reicht.240 Aus der Reihe der Wörter, die bei Homer in der Bedeutung ‚Kriegsgetümmel‘ vorkommen (κλόνος, κυδοιμός, οὐλαμός, ὅμαδος, ὅμιλος, ἰωχμός, μόθος, μῶλος), finden sich nur die am häufigsten belegten Wörter auch bei Apollonios: κυδοιμός, ὅμαδος, ὅμιλος, μῶλος sowie das von κλόνος abgeleitete Verb κλονέω.241

a. κυδοιμός Das Wort κυδοιμός kommt bei Homer siebenmal in der Ilias vor und hat dort meistens die Bedeutung ‚Kampfgetümmel‘.242 Alle Belegstellen finden sich in Kampfbeschreibungen.

236 Auch bei ὑσμίνη (s. unter 1g.) zeigt sich eine Überschneidung der Wortfelder ‚Kampf‘ und ‚Kampfgetümmel‘, vgl. V. Langholf, LfgrE 4, 768, 37–38 (Anm. 129). 237 R. Führer, LfgrE 3, 290, 18–54, Trümpy (1950) 160–61. 238 W. Beck, LfgrE 3, 682, 37–685, 65, Trümpy (1950) 145–46. 239 R. Führer, LfgrE 2, 1574, 36–57, Trümpy (1950) 158–59. 240 M. Schmidt, LfgrE 3, 673, 22–674, 10, Trümpy (1950) 159. 241 κλόνος kommt mit homerischer Bedeutung nur noch einmal bei Ps.-Hesiod (asp. 148) und gelegentlich in der Tragödie vor (Aischyl. Pers. 106, Ag. 405, Eur. Ion 206), sehr häufig dann erst wieder bei Nonnos und Quintus Smyrnaeus. In späterer Prosa verliert das Wort den Bezug zum Kriegswesen, vgl. LSJ s.v. I: „trembling, confusion, […] agitation of mind“. οὐλαμός taucht nach Homer erst wieder bei Polybios häufiger auf und hat dort die spezielle Bedeutung ‚(Reiter)trupp‘ (z.B. 6, 28, 3); vgl. LSJ s.v. II: „later as t.t., troop of cavalry“. ἰωχμός kommt außer bei Homer bei Hesiod einmal (theog. 683), dann erst wieder bei Theokrit (eid. 25, 279) vor, häufiger später bei Quintus Smyrnaeus. Auch μόθος begegnet einmal bei Ps.Hesiod (asp. 158), einmal auch in den Homerischen Hymnen (Ar. 17), dann aber erst wieder bei Nikander, Oppian, Quintus Smyrnaeus und Nonnos. 242 R. Führer, LfgrE 2, 1574, 39. „Durcheinander, Getümmel, Verwirrung, Panik“. Vgl. LSJ s.v.: „din of battle, uproar, hubbub“. Trümpy (1950) 158–59 zählt κυδοιμός zu 72

Bei Apollonios ist κυδοιμός einmal belegt, und zwar im Kontext der Dolionenschlacht. Hier, heißt es, sei nach dem irrtümlichen kriegerischen Zusammenstoß mit den Argonauten ein schrecklicher κυδοιμός über das Volk der Dolionen hereingebrochen: Ἐν δὲ κυδοιμὸς / δεινός τε ζαμενής τε Δολιονίῳ πέσε δήμῳ (1, 1028–29). Angelehnt ist der Versschluss in 1, 1028 einerseits an die homerische Klausel ἐν δὲ κυδοιμόν (Λ 52, 538).243 Dort ist κυδοιμός Objekt und wird von einem Gott, z.B. ἐν δὲ κυδοιμόν / ὦρσε κακὸν Κρονίδης (Λ 52–53), oder einem Menschen (Λ 538–39, s.u.) erregt. Dieselbe Wendung mit κυδοιμός als Subjekt begegnet einmal bei Homer (Σ 535) und einmal bei Ps.-Hesiod (asp. 156), allerdings mit metrischer Position vor der trochaischen Zäsur. Beide Stellen finden sich in einer Ekphrasis, κυδοιμός ist neben Eris und Ker personifiziert (ἐν δ’ Ἔρις, ἐν δὲ Κυδοιμὸς ὁμίλεον (ἐθύνεον), ἐν δ’ ὀλοὴ Κὴρ).244 Die apollonianische Junktur κυδοιμὸς δεινός hat jedoch kein altepisches Vorbild. Das Attribut δεινός ist bei Homer sehr selten Epitheton für Kampfgeräusche oder Kampfgebrüll,245 gar nicht aber für Kampf oder Kampfgetümmel. Doch ist es im frühgriechischen Epos häufig Attribut von Göttern, vor allem bedrohlicher Götter und der Kriegsgötter, z.B. Ares (P 211, Ps.-Hes. asp. 148), Eris (Ps.-Hes. asp. 71), Athene (z.B. Hes. theog. 925, E 839, Z 380, η 41). Damit stellt das Epitheton einen weiteren Bezug der Argonautikastelle zum personifizierten Κυδοιμός bei Homer und Ps.-Hesiod her. Das weitere von Apollonios verwendete Epitheton ζαμενής begegnet nicht in den homerischen Epen, sondern nur einmal im Homerischen Hermeshymnos (307), und zwar als Attribut des Apollon.246 Auch dieser singuläre Beleg des Adjektivs neben einem Gott weist auf die Anlehnung an Vorbildstellen mit personifiziertem κυδοιμός hin.

243

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der Gruppe der „Wörter für ‚Kampfgetümmel‘, die nie ‚Kampf‘ bedeuten“ und schreibt ihm „im Unterschied zu μόθος oder κλόνος eine psychische Ursache“ und die Nähe zu Wörtern mit der Bedeutung ‚Furcht‘ und ‚Flucht‘ (φόβος und φύζα) zu. In nachhomerischer Literatur wird das Wort auch für „unkriegerische Tumulte“ (Trümpy 159) verwendet, z.B. Aristoph. Ach. 573 (dazu LSJ: „mock-heroic“), Theokr. eid. 22, 72. Im homerischen Sinn ist das Wort z.B. bei Lucian (bis acc. 10) und Polybios (5, 48, 5) gebraucht, oft dann bei Nonnos und Quintus Smyrnaeus. Ardizzoni (1967) 236 zu ἐν δὲ κυδοιμός: „è riprodotta e adattata a una diversa sintassi una clausola iliadica“, mit Hinweis auf Λ 52 und Λ 538. Inhaltlich vergleichbar ist Λ 537–39, wo Hektor in der Schlacht Verderben über die Achaier bringt: ὃ δὲ ἵετο δῦναι ὅμιλον / ἀνδρόμεον ῥῆξαί τε μετάλμενος· ἐν δὲ κυδοιμόν / ἧκε κακὸν Δαναοῖσι, … Vgl. auch die Personifizierung in Ε 593, s. LSJ s.v. („Kυδοιμός personified, as companion of Ἐνυώ and Ἔρις“); κυδοιμός als Subjekt sonst nur noch in K 523: ἄσπετος ὦρτο κυδοιμός. Zu δεινός als Epitheton für Kriegslärm s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 237, 28–33 und 237, 75–77; eine mit κυδοιμὸς δεινός synonyme Junktur findet sich in Ν 621 (δεινῆς ἀκόρητοι ἀυτῆς), da ἀυτή dort auch als ‚Kampf‘ aufgefasst werden kann. Sonst ist δεινός oft Adverb neben Verben des Schreiens (z.B. Λ 10). W. Beck, LfgrE 2, 854, 38: „wildly enraged“. 73

Wie bei Homer steht κυδοιμός auch an der Apolloniosstelle im kriegerischen Kontext. Zwei semantische Auffassungen sind möglich: 1. Mit κυδοιμός wird das Kampfgetümmel, d.h. der Tumult des Kampfes bezeichnet. Somit würde die Aussage „Ein schreckliches und wildes Kampfgetümmel aber brach über das Volk der Dolionen herein“ die Beschreibung des Angriffs und Zusammenstoßes (1, 1025–1028) noch einmal zusammenfassen und den tragischen Ausgang andeuten.247 2. κυδοιμός bezeichnet den mit Lärm verbundenen Aufruhr oder Tumult, d.h. die Verwirrung oder Panik, die unter den Dolionen durch den plötzlichen Beginn des Kampfes entsteht.248 Gegen letztgenannte Variante spricht die vorherige Beschreibung der Rüstung und des Angriffs der Dolionen sowie des Kampfbeginns (1, 1025–26). Da der Angriff von den Dolionen ausgeht, ist eine große Verwirrung wie nach einem Überraschungsangriff der Argonauten nicht plausibel. Dagegen macht die parallele Gestaltung der Aussagen über das Volk der Dolionen und ihren jungen König Kyzikos, der dem Kampf nicht entgeht (οὐδ’ ὅ γε δηιοτῆτος ὑπὲρ μόρον αὖτις ἔμελλεν / οἴκαδε νυμφιδίους θαλάμους καὶ λέκτρον ἱκέσθαι (1, 1030–31)) die erste Variante wahrscheinlicher: Der κυδοιμός, der über das Volk hereinbricht, steht hier parallel zur δηιοτῆς, der der König nicht entrinnen kann.

b. μῶλος Das bei Homer siebenmal (Ilias 6 Stellen, Odyssee 1 Stelle) belegte Wort μῶλος hat die Grundbedeutung ‚Getümmel‘ und erhält durch die Verbindung mit ἄρης in dem Ausdruck μῶλος ἄρηος (viermal, z.B. B 401) seine kriegerische Konnotation, die es aber auch ohne diesen Zusatz an zwei Stellen in der Ilias behält.249 In der Odyssee dagegen

247 So Glei (Bd. 1, 1996) 57: „ war plötzlich ein schreckliches, erbittertes Kampfgetümmel über das ganze Volk der Dolionen hereingebrochen.“ Den akustischen Aspekt betont Ardizzoni (1967) 73: „terrible e furibondo strepito di battaglia s’abbattè sul popolo dei Dolioni.“ Vgl. Delage in Vian (Bd. 1, 1976) 98: „Le tumulte de la bataille, dans sa terrible tempête, fondit sur le peuple dolion.“ Clare (2002) 189: „A terrible and furious din of battle fell upon the Doliones.“ 248 So Dräger (2002) 77: „Das Dolionen-Volk befiel aber schreckliche, gewaltige Verwirrung.“ 249 R. Führer, LfgrE 3, 290, 29–30: „([…] Ἄρηος = Kampf-)Getümmel i.S.v. koll. Kampf(gewühl)“. Vgl. LSJ s.v.: „toil and moil of war“. Auch Trümpy (1950) 161–62 geht von einer Grundbedeutung ‚Anstrengung, Mühe‘ aus, die sich dann auf den Sachbereich Kampf spezialisierte, so dass das Wort sogar in der Bedeutung ‚Kampf‘ begegnet, vgl. Sch. D zu Π 245c (zu μῶλος): τὴν μάχην ἀπὸ τοῦ παρεπομένου; Sch. zu Apoll. Rhod. 1, 164: μῶλος δὲ ἡ μάχη. Das Wort kommt nach Homer auch bei Ps.-Hesiod (asp. 257) und Archilochos (fr. 3 West) jeweils einmal vor. Häufiger gebraucht aber erst später bei Oppian und Quintus Smyrnaeus. 74

bezeichnet μῶλος einen Zweikampf (σ 233). Dort und dreimal in der Ilias steht μῶλος in einer Rede.

So auch an der einzigen Belegstelle in den Argonautika, wo Medea Jason zum Kampf gegen die Kolcher auffordert: Τύνη μὲν κατὰ μῶλον ἀλέξεο δούρατα Κόλχων (4, 414).250 Der Vers erinnert sprachlich und inhaltlich an eine Homerstelle in direkter Rede, dort ist die Aussage allerdings negiert: ἀλλὰ σὺ μὲν μή πω καταδύσεο μῶλον ἄρηος (Σ 134). Der Ausdruck κατὰ μῶλον ist zwar unhomerisch, doch findet sich die synonyme Junktur κατὰ μόθον (Σ 159, 537, Φ 310).251 Ähnliche Aufforderungen Medeas begegnen in 3, 1059–60 (ἐπείγεο δηιοτῆτος / ἰθῦσαι) und 4, 420 (κτεῖνέ τε καὶ Κόλχοισιν ἀείρεο δηιοτῆτα).252

c. ὅμαδος Das Wort ὅμαδος kommt bei Homer an 13 Stellen (Ilias 12, Odyssee 1) vor und bezeichnet dort je nach Kontext eine Menschenmenge, in der entweder Lärm oder Unordnung herrscht.253 Im kriegerischen Kontext steht ὅμαδος an 7 Iliasstellen in den Bedeutungen

250 S. zu dieser Stelle auch unter 12b. (ἀλέξω). 251 LSJ s.v. μόθος: „battle-din“. Denselben Sinn haben außerdem πόλεμον κάτα δακρυόεντα (P 512) und die formelhaften Klauseln κατὰ κρατερὴν ὑσμίνην (achtmal, z.B. E 84) und κατὰ κρατερὰς ὑσμίνας (sechsmal, z.B. Β 345). μῶλος selbst steht dreimal in dem Ausdruck μετὰ μῶλον nach einem Verb der Bewegung (H 147, Π 245, Σ 188). 252 S. unter 1c. (δηϊοτής). 253 M. Schmidt, LfgrE 3, 673, 37–42 („Lärm, Tumult, Getümmel, Haufen“) nennt zwei mögliche Entwicklungen der Wortbedeutung von ursprünglich ‚Kampf‘ oder ‚kriegerischer Haufen‘ mit späterer Ergänzung des zugehörigen Lärms oder umgekehrt die Entwicklung eines ursprünglichen Lärmwortes (wie bei ἀυτή) mit „Erweiterung zu ‚Lärm im Krieg‘, Getümmel, Haufen“. Vgl. Sch. zu 2, 638–39a: ὅμαδος δὲ παρὰ τὸ ὁμοῦ ᾄδειν, ὁμόαδός τις ὤν. Trümpy (1950) 159 nimmt dagegen als „ursprüngliche Bedeutung […] ‚Zusammentreffen‘“ an und ordnet das Wort der Gruppe „Wörter für ‚Kampfgetümmel‘, die nie ‚Kampf‘ bedeuten“ zu. Vgl. Ebeling s.v. 1: „turba, hominum“, 2. „trop. Getümmel, tumultus, clamor inconditus“. Krapp (1964) 12–13: „So bezeichnet ὅμαδος an mehreren Stellen das laute Getümmel, sowohl einer lärmenden Menge, als auch speziell des Kampfgeschehens und der Flucht. Das akustische Element gehört wesentlich zur Bedeutung des Wortes dazu.“ Tichy (1983) 192–93: „Soweit mit ὅμαδο- in der homerischen Sprache ein Sinneseindruck wiedergegeben wird, bedeutet es tatsächlich wie θόρυβο- ‚Lärm, Unruhe einer größeren Menschenansammlung‘, speziell in einer Ratsversammlung: […] Im Übrigen wird ὅμαδο- teils als Konkretum, teils als Abstraktum mit Bezug zum Kampfgeschehen gebraucht.“ Das Wort wird auch in der nachhomerischen Literatur für den Lärm einer Menschenmenge sowohl in kriegerischen als auch im nicht-kriegerischen Kontext verwendet, vgl. LSJ s.v. I: „noise, din, esp. of the confused voices of a number of men“ (nicht-kriegerisch z.B. K 13, Pind. Nem. 6, 38, Eur. Hel. 184) und LSJ s.v. III: „din of battle“ (z.B. Ps.-Hes. asp. 155, 257, Pind. 75

‚kriegerischer Haufen‘‚ ,Tumult im Kampf‘ bis zu ‚Kampflärm‘ oder gar ‚Kampf‘.254 An zwei Iliasstellen steht das Wort in einer Rede.

Bei Apollonios finden sich fünf Belegstellen: In der Aufforderung des Herakles, Jason als Anführer zu bestimmen, bezeichnet ὅμαδος die Schar der Argonauten ohne akustischen Aspekt: Αὐτὸς ὅ τις ξυνάγειρε καὶ ἀρχεύοι ὁμάδοιο (1, 347).255 Ebenso bedeutet ὅμαδος an einigen Homerstellen ‚Kriegerschar‘, ohne dass in diesem Zusammenhang Lärm oder Tumult betont werden, z.B. ὃ μὲν μετὰ λαὸν Ἀχαιῶν / ἤϊ’, ὃ δ’ ἐς Τρώων ὅμαδον κίε (H 306–7, s. auch O 689).256 In Jasons Rede im vierten Buch ist ὅμαδος die Kriegsschar des Aietes: δὴ γάρ που μάλ’, ὀίομαι, εἶσιν ἐρύξων / Αἰήτης ὁμάδῳ πόντον δ’ ἴμεν ἐκ ποταμοῖο (4, 197–98). Auch hier ist in erster Linie die Menge der Krieger gemeint, die Aietes mit sich bringt, nicht der Lärm.257 Apollonios konstruiert ὅμαδος als soziativen Dativ, den er sonst nicht für Personen gebraucht.258 Isthm. 8, 25a). In der Bedeutung ,lärmender (kriegerischer) Haufen‘ taucht das Wort offenbar erst wieder bei Quintus Smyrnaeus häufiger auf. Vgl. LSJ s.v. II: „noisy throng or mob of warriors“ mit der einzigen unhomerischen Belegstelle bei Platon mit metaphorischem Gebrauch (rep. 364e). 254 M. Schmidt, LfgrE 3, 673, 57–674, 6. 255 Pompella (2002) 487 übersetzt ὅμαδος an dieser Stelle mit ‚coetus‘. Fränkel (1968) 69 verweist auf die Textvariante des 1966 publizierten Papyrus der Società Italiana (Nr. 1478), der ὁμίλου statt ὁμάδοιο enthält, und merkt an, dass für die „Schar der Argonauten“ bei Apollonios gewöhnlich ὅμιλος stehe, aber auch die Verwendung von ὅμαδος „ohne den Nebensinn ‚Lärm, Getümmel‘“ durch die Iliasstellen H 307, O 689 und P 380 gerechtfertigt sei. S. auch Anm. 256. (Die Variante ist nicht aufgeführt in der Ausgabe von Pompella (2006). Vian (Bd. 1, 1976) 66 notiert die Version des Papyrus ]οσομιλο[.) 256 Vgl. Tichy (1983) 193: „An mehreren Stellen bildet es [sc. ὅμαδο-] - ohne aus dem Kontext erkennbaren Bedeutungsunterschied - das Gegenstück zu λαό-, […] Wenn man ὅμαδο- in diesen Kontexten mit ‚lärmende Kriegerschar‘ und nicht lediglich ‚Kriegerschar‘ übersetzt, so nur deshalb, weil ὅμαδο- an den eingangs genannten Stellen ,Lärm, Unruhe einer Menschenansammlung‘ bedeutet. Vgl. Krapp (1964) 12: „So stellt der Dichter H 306f. ὅμαδος dem akustisch neutralen λαός gegenüber. Nach dem Zweikampf trennen sich die beiden Kontrahenten: Aias geht ‚zum Volk der Achaier‘, Hektor ‚zum lauten Haufen der Troer‘.“ 257 Pompella (2002) übersetzt hier: „cum multitudine“. Hunter (2015) 108: „‚with a throng of men‘. The basic sense of the noun is ‚din, loud inarticulate noise‘ (cf. 2.1077), and thus it prepares for the comparision of the Colchians to Homer’s noisy Trojan mass, …“ 258 Linsenbarth (1887) 66 zur syntaktischen Funktion von ὁμάδῳ: „Pro sociativo habendus est et vertendus: ,cum turba hominum‘. ὅμαδος vocem de hominum multitudine intellegi posse probant loci Homerici H 307, O 689, P 380 praeter Apollonianum I 347 ἀρχεύοι ὁμάδοιο. Nusquam alibi Ap. dativum sociativum de personis usurpat. Neque Homeri elocutionis is usus peculiaris esse videtur.“ 76

In 3, 270–71 bezeichnet ὅμαδος die Menge der Menschen, die im Dienst des Aietes stehen und Arbeiten verschiedener Art verrichten:259 Τὸ δ’ αὐτίκα πᾶν ὁμάδοιο / ἕρκος ἐπεπλήθει· Als Menschenansammlung im nicht-kriegerischen Sinn wird ὅμαδος auch in K 13 gebraucht. Eine motivisch ähnliche Stelle in der Odyssee beschreibt die Situation im Palast des Alkinoos: πλῆντο δ’ ἄρ’ αἴθουσαί τε καὶ ἕρκεα καὶ δόμοι ἀνδρῶν / ἀγρομένων (θ 57–58). Im kriegerischen Kontext steht ὅμαδος in der Schilderung der Dolionenschlacht. Dort wird der Tumult bei der Flucht der Dolionen beschrieben: ἐς δὲ πύλας ὁμάδῳ πέσον ἀθρόοι (1, 1051). Sprachlich erinnert die Stelle an eine Szene vor dem Flusskampf in der Ilias. Dort fallen die Troer auf der Flucht vor Achill in den Fluss hinein: ἐν δ’ ἔπεσον μεγάλωι πατάγωι (Φ 9).260 Eine ähnliche Formulierung beschreibt den Beginn des Götterkampfes in Φ 387: σὺν δ’ ἔπεσον μεγάλωι πατάγωι. Eine varia lectio kommt der Wortwahl in den Argonautika noch näher: σὺν δ’ ἔπεσον μεγάλωι ὁμάδωι.261 An beiden Homerstellen wird die Lautstärke des Geschehens betont. In einer homerischen Fluchtszene bezeichnet ὅμαδος sowohl den Lärm als auch den tumultartigen Zustand der Menschenmenge: τοὶ δ’ ἐφόβηθεν / Τρῶες θεσπεσίωι ὁμάδωι (Π 294–95).262 Die Flucht der Dolionen wird von Apollonios ebenso charakterisiert.263 Eine sprachliche und motivische Parallele ist außerdem eine weitere Fluchtszene im 21. Gesang der Ilias: Dort fliehen die Troer vor Achill in die Festung: τόφρ’ ἄλλοι Τρῶες πεφοβημένοι ἦλθον ὁμίλωι ἀσπάσιοι προτὶ ἄστυ· πόλις δ’ ἔμπλητο ἀλέντων. (Φ 606–7)

259 So auch Delage in Vian (Bd. 2, 1980) 61–62 („Bientôt toute la cour était pleine de monde.“) und Ardizzoni (1958) 23 („Tutto il cortile era ormai pieno di gente.“). Dagegen Pompella (2002) 487: „cum tumultu“. 260 Diese Szene weist auch motivische Analogien zur Flucht der Dolionen auf, s. dazu 15a. (ἀυτή, zu 1, 1051–52). 261 Auch Rengakos (1993) 162 notiert diese Parallele. 262 M. Schmidt, LfgrE 3, 673, 57–58 zählt Π 295 zu den Belegen mit der Bedeutung „Tumult“, nennt aber auch in LfgrE 1, 1593, 18–19 ὅμαδος neben πάταγος als in Fluchtbeschreibungen gebrauchtes Synonym des Lärmwortes ἀυτή, das in diesem Kontext bei Homer nicht verwendet wird. Krapp (1964) 66: „Die Situation des nicht mehr geordneten lauten Durcheinanders ist die Massenflucht.“ Ein weiteres Indiz für den akustischen Aspekt von ὅμαδος in Π 295 ist, dass das Adjektiv θεσπέσιος bei Homer als Epitheton für ‚Lärm‘ verwendet wird, nicht aber für eine Menschenmenge, s. dazu H.W. Nordheider, LfgrE 2, 1024, 18–20: „zu Nom.act. für (Kriegs-, Sturm-)Lärm (meist Geschrei von Angreifern [Tr.], Fliehenden, Gierigen [ψυχαί], Streitenden), Flucht, Schrecken, Unwetter, …“ 263 Die Übersetzung von Dräger (2002) 79 „in Menge“ bezieht den akustischen Aspekt der Flucht nicht mit ein, ähnlich Delage in Vian (Bd. 1, 1976) 99: „Vers les portes, en masse, ils se ruèrent tous à la fois“. Vgl. auch Clare (2002) 191: „In a disorderly throng they rushed to the gates;“ Lärm und Unruhe kommt zum Ausdruck in der Übersetzung von Glei (Bd. 1, 1996) 59 („unter Geschrei“), Seaton (1961) 75 („with a din“), Ardizzoni (1967) 75 („Tumultuosamente si precipitarono in massa verso le porte“). 77

Bei den in die Stadt fliehenden Dolionen handelt es sich ebenso wie bei den Troern nur um einen Teil der Krieger, ὁμάδῳ entspricht dem homerischen ὁμίλωι. Wie bei Homer wird das Bild der von Fliehenden angefüllten Stadt auch in den Argonautika beschrieben: Οἱ δ’ ἄλλοι εἴξαντες ὑπέτρεσαν, ἠύτε κίρκους ὡκυπέτας ἀγεληδὸν ὑποτρέσσωσι πέλειαι. Ἐς δὲ πύλας ὁμαδῷ πέσον ἀθρόοι· αἶψα δ’ ἀυτῆς πλῆτο πόλις στονόεντος ὑποτροπίῃ πολέμοιο. (1, 1049–52)264

Kriegerisch ist auch das Thema des Gleichnisses in der Ares-Vögel-Episode, in dem der Zusammenstoß lärmender Heeresmassen beschrieben wird: Οἵη δὲ κλαγγὴ δηίου πέλει ἐξ ὁμάδοιο / ἀνδρῶν κινυμένων, ὁπότε ξυνίωσι φάλαγγες (2, 1077–78). Hier bezeichnet ὅμαδος den Heereshaufen, während der akustische Aspekt des Bildes von κλαγγή abgedeckt wird.265 Eine ähnliche Verbindung von κλαγγή und κυδοιμός begegnet in der Dolonie der Ilias: Τρώων δὲ κλαγγή τε καὶ ἄσπετος ὦρτο κυδοιμός / θυνόντων ἄμυδις (K 523–24).

d. ὅμιλος Das Wort ὅμιλος kommt bei Homer an 90 Stellen (Ilias 76, Odyssee 14) vor und hat die Grundbedeutung ‚Menge, Gruppe, Ansammlung, Gedränge‘.266 In der Ilias steht ὅμιλος meistens (66 Stellen) im kriegerischen Kontext, davon an 12 Stellen in Reden. In der Odyssee überwiegt die Verwendung im nicht-kriegerischen Sinn (10 Stellen), die wenigen kriegerischen Belege finden sich meist in Reden (3 Stellen).267 In der nachhomerischen Zeit, besonders auch in der Geschichtsschreibung, wird ὅμιλος hauptsächlich in der Bedeutung ‚Schar‘ verwendet.268

264 Zu 1, 1051–52 s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 15a. (ἀυτή). 265 S. zu dieser Stelle auch unter 15f. (κλαγγή). Zur Junktur (δήϊος ὅμαδος) s. unter 3a. (δήϊος), zum Gleichnis unter 2c. (φάλαγξ), zur Ares-Vögel-Episode unter 15s. 266 W. Beck, LfgrE 3, 683, 5: „crowd, throng, mass, assembly, group“. 267 W. Beck, LfgrE 3, 683, 64–685, 60 („military uses“), 683, 27–64 („basic social, nonmilitary use“) und 685, 60–65 („bucolic, in similes of a group of hunters opp. a lion“). Vgl. Mooney (1912) 71: „Aristarchus pointed out that in the Il. ὅμιλος always means ,the battle throng‘; with the exception of 10.338; the sense of ,assembly‘, ,company‘, is confined to the Od.“ Ebeling s.v. 1: „turba, tumultus, Gedränge, pugnantium, Schlachtgetümmel“, 2: „omnino acervus, coetus“ mit 5 Ilias- und 10 Odysseestellen. 268 Trümpy (1950) 146: „Herodot und Thukydides verwenden ὅμιλος mit der Bedeutung ‚Schar‘. Ein einziges Mal braucht es Herodot (9, 59) für ‚Kampfgewühl‘.“ Vgl. LSJ s.v. 2: „throng of battle“ mit ausschließlich homerischen Belegstellen, und „generally, tumult, confusion“ mit den Herodotstellen 9, 59 und 3, 127. Bétant (1961) s.v. nennt als einzige Bedeutung bei Thukydides ‚turba‘, zu Herodot s. Powell (1960) s.v.: „1. (18) multitude, crowd, 2. (3) confusion“. 78

Bei Homer ist ὅμιλος eine eher starre Menschenmenge, eine Heeresmasse, vergleichbar mit στρατός, deren Tätigkeit, auf Stehen oder Gehen begrenzt ist. Als Subjekt ist ὅμιλος daher nur bei Verben des Seins, Stehens und Gehens (πέλομαι (α 225), ἵσταμαι (Σ 603, Ω 712), ἕπομαι (θ 109)) zu finden.269 Auch die häufige Verwendung in präpositionalen Ausdrücken wie z.B. ἀν’ ὅμιλον, ἐς ὅμιλον, καθ’ ὅμιλον, μεθ’ ὅμιλον zeigt den lokalen Charakter des Wortes. Entsprechend ist ὅμιλος auch oft Objekt zu (κατα)δύω (12 Stellen, z.B. Γ 36, Δ 86).270

Bei Apollonios begegnet ὅμιλος an 23 Belegstellen und bezeichnet meistens die Schar der Argonauten.271 Ähnlich ist ὅμιλος bei Homer oft die Menge der eigenen Krieger (Ilias 27 Stellen, Odyssee 1 Stelle), aber auch die gegnerische Schar oder Truppe (Ilias 21, Odyssee 3 Stellen) oder das Gemisch der gegnerischen Massen beim Zusammentreffen (17 Stellen Ilias). Der homerischen Konstruktionsweise entsprechend ist ὅμιλος an den folgenden Belegstellen Objekt oder Ziel einer Bewegung im präpositionalen Ausdruck. Diese Stellen begegnen vor allem im Argonautenkatalog, wo über die Motivation einiger Helden zur Teilnahme an der Fahrt berichtet wird: 1, 47–48: Iphiklos wurde durch die Verwandtschaft mit Jason zur Mitfahrt verlasst: τῆς μιν ἀνώγει / πηοσύνη καὶ κῆδος ἐνικρινθῆναι ὁμίλῳ. Die Wendung ἐνικρινθῆναι ὁμίλῳ im Sinne von ‚sich unter die Schar mischen, zur Schar gezählt werden‘ ist nur bei Apollonios belegt.272 Sie kommt im Katalog ein weiteres Mal in 1, 227 vor, wo über Akastos und Argos berichtet wird: ἀλλ’ ἄρα καὶ τὼ μέλλον ἐνικρινθῆναι ὁμίλῳ. Vergleichbar ist die Formel μίκτο δ’ ὁμίλωι (Λ 354, Π 813), die in der Ilias den Rückzug eines Kriegers in den Heerhaufen beschreibt. 1, 109–10: Tiphys wurde von Athene zur Teilnahme bewegt: Αὐτή μιν Τριτωνὶς ἀριστήων ἐς ὅμιλον / ὦρσεν Ἀθηναίη, … In der Ilias motiviert Athene die achaischen Krieger zum Kampf, die Formulierung ist ähnlich: αὐτὰρ Ἀχαιούς / ὦρσε Διὸς θυγάτηρ κυδίστη Τριτογένεια / ἐρχομένη καθ’ ὅμιλον (Δ 514–16). 1, 195–96: Meleagros kam als noch junger Mann zu den Argonauten: ὧδ’ ἔτι κουρίζων περιθαρσέα δῦνεν ὅμιλον / ἡρώων·273 Die Wendung (κατα)δῦναι ὅμιλον ist bei Homer an 12 Stellen (Ilias 11, Odyssee 1) belegt, steht in der Ilias immer im kriegerischen Kontext und markiert oft den Kampfbeginn eines bestimmten Helden, z.B. des Hektor in Λ 537–38 (ὃ δὲ ἵετο δῦναι ὅμιλον / ἀνδρόμεον ῥῆξαί τε

269 Vgl. außerdem ὅμιλον ἀολλισθήμεναι (O 588). 270 Ansonsten ist ὅμιλος an einzelnen Stellen Objekt zu ὁράω (Ο 616, π 29), καταλείπω (K 338), ἀλεύομαι (ρ 67) und ὑποδείδω (ρ 564). Auch in diesen Junkturen zeigt sich die lokale Komponente des Wortes. 271 Hunter (2015) 107: „often used of the crew of Argonauts without a defining genitive“. 272 Mooney (1912) 84 zu ἐνικρινθῆναι: „,to be numbered amongst,‘ Lat. inseri“. Vgl. LSJ s.v. ἐγκρίνω: „reckon in or among […] 2. of persons, select, admit“. Wyss (1931) 18: „der Ausdruck ἐνικρινθῆναι ὁμίλῳ [wird] zum erstenmal gebraucht.“ 273 Zum Adjektiv περιθαρσής s. unter 16a. (ἀλκή, zu 1, 153). 79

μετάλμενος) oder des Achill in Υ 75–77 (αὐτὰρ Ἀχιλλεύς / Ἕκτορος ἄντα μάλιστα λιλαίετο δῦναι ὅμιλον / Πριαμίδεω), oder auch den Eingriff eines Gottes in das Kampfgeschehen (z.B. Δ 86, K 517). In Präpositionalausdrücken mit lokaler Bedeutung wie in 1, 109 steht ὅμιλος auch an folgenden Stellen: 3, 434: Aietes fordert Jason nach dem Gespräch auf, zu den Argonauten zu gehen: Ἔρχεο νῦν μεθ’ ὅμιλον, … Der Ausdruck μεθ’ ὅμιλον mit der Bedeutung ‚zur Schar, ins Getümmel’ begegnet bei Homer dreimal, immer in Schlachtbeschreibungen (Ξ 21, Ρ 149, Υ 47).274 3, 1165–66: Nach dem Gespräch mit Medea kehren Jason und zwei seiner Gefährten zu den Argonauten zurück: ὦρτ’ ἰέναι σὺν τοῖσι, πιφαυσκόμενος τὰ ἕκαστα, / ἡρώων ἐς ὅμιλον· Mit dem Ausdruck ἐς ὅμιλον wird an allen drei Belegstellen in der Ilias das Ziel eines Rückzugs aus dem Kampf beschrieben, z.B. ἀναδῦναι / ἂψ λαῶν ἐς ὅμιλον (H 217–18), ἐς ὅμιλον ἰὼν ἀνεχάζεθ’ ἑταίρων (Ρ 129), vgl. auch T 402.275 Mit dem sprachlichen Anklang an diese kriegerischen Szenen wirkt der Rückzug Jasons aus dem Gespräch mit Medea wie ein Rückzug aus dem Schlachtgeschehen. 4, 183–84: Medea und Jason kommen nach dem Raub des Vlieses wieder zu den Argonauten: τοὶ δ’ ἐς ὅμιλον / ἷξον. Ähnliche homerische Formulierungen sind: αὐτὰρ ἐπεὶ πύργόν τε καὶ ἀνδρῶν ἷξεν ὅμιλον (X 462), ἷξον δ’ ἐς Πυλίων ἀνδρῶν ἄγυρίν τε καὶ ἕδρας (γ 31). 4, 1058: Medea wird während ihres Aufenthalts bei den Argonauten von Kummer geplagt: Στρευγομένης δ’ ἀν’ ὅμιλον … Der Ausdruck ἀν’ ὅμιλον bedeutet bei Homer ‚durch das Heer, durch das Getümmel‘ und kommt dort neunmal vor, davon siebenmal in Kampfschilderungen, z.B. Ἀτρείδης δ’ ἀν’ ὅμιλον ἐφοίτα θηρὶ ἐοικώς (Γ 449).276 Bei Apollonios heißt ἀν’ ὅμιλον ‚bei der Schar‘.277 2, 882–83: In der Rede des Peleus zur Wahl eines neuen Steuermannes steht der lokale Dativ ohne Präposition: ἡμῖν μὲν γὰρ ἔασι κυβερνητῆρες ὁμίλῳ / καὶ πολέες. Eine sprachliche Parallele ist H 73 (ὑμῖν μὲν γὰρ ἔασι ἀριστῆες Παναχαιῶν), wo es um die tapfersten Krieger im Heer der Achaier geht.278

274 W. Beck, LfgrE 3, 684, 34 zur Bedeutung von μετά: „direction, ‚in among‘“. Mooney (1912) 248 zur Bedeutung: „,Go now to thy comrades,‘ ὅμιλος being used of the heroes as in 4, 183, etc.“ 275 In der Odyssee begegnet die Wendung μνηστήρων ἐς ὅμιλον an zwei von drei Stellen in der Schilderung eines Angriffs auf die Freier (μνηστήρων ἐς ὅμιλον ἀκοντίσαι/-σαν (χ 263, 282)). 276 W. Beck, LfgrE 3, 684, 3 zur Bedeutung von ἀνά: „throughout“. 277 So auch Delage in Vian (Bd. 3, 1981) 115 („Tandis qu’elle se livrait au désespoir au milieu de leur troupe, …“) und Livrea (1973) 516: „Mentre si tormentava fra la schiera, …” Vgl. LSJ s.v. ἀνά C.I.3 zu ξ 286 (ἀν’ Αἰγυπτίους ἄνδρας): „among them“. 278 Vian (Bd. 1, 1976) 218 nimmt in 2, 882 die überlieferte Lesart (mit μὲν) in den Text. Die Konjektur von Merkel beruft sich auf eine varia lectio zu H 73 und lautet δ’ ἐν statt μὲν (vgl. Rengakos (1993) 160). Dadurch entsteht der Präpositionalausdruck 80

An zwei Stellen fungiert ὅμιλος als Subjekt zu Verben des Gehens, eine Kon­ struktion, die bei Homer nur in θ 109 belegt ist: 1, 313–14: Das schnelle Voranschreiten der Argonautenschar beim Aufbruch macht es der Priesterin Iphias unmöglich, Jason anzusprechen: οὐδέ τι φάσθαι / ἔμπης ἱεμένη δύνατο προθέοντος ὁμίλου, … 1, 680: Auf Lemnos spricht Polyxo über die unvermutete Ankunft der Argonauten: ὡς καὶ νῦν ὅδ’ ὅμιλος ἀνωίστως ἐφίκανεν. Die Junktur ὅδ’ ὅμιλος begegnet einmal in α 225: τίς δὲ ὅμιλος ὅδ’ ἔπλετο; An einigen weiteren Stellen ist ὅμιλος Subjekt diverser weiterer Handlungen über das Stehen und Gehen hinaus, eine Verwendung, die erst in nachhomerischer Literatur begegnet.279 An zwei dieser Stellen bezeichnet ὅμιλος wieder die Gruppe der Argonauten: 2, 857: Die Helden bestatten Idmon: Ἀβαντιάδαο νέκυν κτερέιξεν ὅμιλος. Besonders hier verhält sich der ὅμιλος der Argonauten im Unterschied zur starren Heeresmasse Homers wie eine aktive Person, die vielfältige Handlungen ausführt. 4, 75–76: Phrontis antwortet, von den Argonauten aufgefordert, auf die Rufe Medeas: Τρὶς μὲν ἀνήυσεν, τρὶς δ’ ὀτρύνοντος ὁμίλου / Φρόντις ἀμοιβήδην ἀντίαχεν· In 4, 1156–57 ist ὅμιλος eine feindliche Kriegsschar, gegen deren potentiellen Angriff die Argonauten ihre Speere zur Wappnung schwingen: μὴ πρὶν ἐς ἀλκὴν / δυσμενέων ἀίδηλος ἐπιβρίσειεν ὅμιλος, …280 Außerdem fungiert ὅμιλος auch als Objekt zu Verbalhandlungen, die zeigen, dass das Wort den lokalen Charakter, den es bei Homer hat, bei Apollonios nicht mehr besitzt: 1, 242–43: Kurz vor der Abfahrt der Argo sprechen die Männer von Pagasai über die Helden, die Pelias schickt: Ζεῦ ἄνα, τίς Πελίαο νόος; Πόθι τόσσον ὅμιλον / ἡρώων γαίης Παναχαιίδος ἔκτοθι βάλλει; Die Junktur τόσσος ὅμιλος begegnet nur hier.281 1, 875 erzählt von der Kritik des Herakles am Verhalten der Argonauten auf Lemnos: Ὣς νείκεσσεν ὅμιλον· Die Formulierung erinnert an Δ 444–45, wo Eris Streit sät: ἥ σφιν καὶ τότε νεῖκος ὁμοίιον ἔμβαλε μέσσωι / ἐρχομένη καθ’ ὅμιλον, ὀφέλλουσα στόνον ἀνδρῶν.

ἐν ὁμίλῳ, der bei Homer an 8 Stellen (Ilias 5, Odyssee 3), meist im Kontext von Kampf und Krieg, belegt ist. 279 Z.B. bei Herodot (z.B. Οὗτος ὁ πολλὸς ὅμιλος τί ταῦτα πολλῇ σπουδῇ ἐργάζεται; (1, 88, 3)) und Thukydides (ὕστερον δ’ αὖθις οὐ πολλῷ, ὅπερ φιλεῖ ὅμιλος ποιεῖν, στρατηγὸν εἵλοντο … (2, 65, 4). 280 Hunter (2015) 239 weist auf ψ 303 als Vorbild für die Junktur ἀίδηλος ὅμιλος hin, die dort die Gruppe der Freier bezeichnet. Zur Junktur δυσμενέων ὅμιλος s. unter 3b. (δυσμενής). Zur Stelle außerdem unter 16a. (ἀλκή). Vgl. die ähnliche Formulierung in 1, 678–79, s. dazu unter 2a. (στρατός). 281 Vgl. ὁ πολλὸς ὅμιλος bei Herodot 1, 88, 3. 81

4, 488–89: Die Argonauten vernichten die ganze Schar der Kolcher: Οὐδ’ ἄρα τις κείνων θάνατον φύγε, πάντα δ’ ὅμιλον / πῦρ ἅ τε δηιόωντες ἐπέδραμον.282 Die Junktur πάς ὅμιλος begegnet vor Apollonios bei Herodot (9, 67, 1), Euripides (Ion 1205–6) und Thukydides (2, 36, 4, vgl. auch 6, 30, 2). An den übrigen Belegstellen steht ὅμιλος in Konstruktionen ohne Vorbild, z.B. zweimal in dem Präpositionalausdruck νόσφιν ὁμίλου, d.h. ‚von der Argonautenschar entfernt‘, der zuerst bei Apollonios belegt ist und an das homerische νόσφιν ἑταίρων (δ 367) erinnert:283 In 1, 1207–8 über Hylas (Τόφρα δ’ Ὕλας χαλκέῃ σὺν κάλπιδι νόσφιν ὁμίλου / δίζητο κρήνης ἱερὸν ῥόον), in 4, 345–46 über Medea (αὐτὰρ Μήδειαν […] / παρθέσθαι κούρῃ Λητωίδι νόσφιν ὁμίλου).284 Eine Absonderung von der Argonautenschar drückt auch die Wendung ἀποκριδὸν οἶον ὁμίλου aus in der Rede des Amykos, der einen Zweikampfgegner fordert: Τῶ καὶ μοι τὸν ἄριστον ἀποκριδὸν οἶον ὁμίλου / πυγμαχίῃ στήσασθε καταυτόθι δηρινθῆναι (2, 15–16). Als partitiver Genetiv begegnet ὁμίλου nur einmal in der Ilias: ὕστατον […] ὁμίλου (N 459).285 Eine weitere singuläre Junktur ist δοῦπος ὁμίλου in 2, 194.286 Beschrieben wird Phineus, der die Argonauten bei ihrer Ankunft hört: Αὐτίκα δ’ εἰσαΐων ἐνοπὴν καὶ δοῦπον ὁμίλου. Sprachlich und motivisch ähnlich ist κ 556–57, wo Elpenor die Gefährten aufbrechen hört: κινυμένων δ’ ἑτάρων ὅμαδον καὶ δοῦπον ἀκούσας / ἐξαπίνης ἀνόρουσε. An nur vier von 23 Stellen wird mit ὅμιλος nicht die Argonautenschar bezeichnet, z.B. an den folgenden zwei Belegstellen: 2, 27–29: Amykos wird vor dem Zweikampf mit Polydeukes mit einem Löwen verglichen, der von einer Schar Jäger bedrängt wird: ὁ δ’ ἰλλόμενός περ ὁμίλῳ τῶν μὲν ἔτ’ οὐκ ἀλέγει, ἐπὶ δ’ ὄσσεται οἰόθεν οἶον ἄνδρα τὸν ὅς μιν ἔτυψε παροίτατος, οὐδ’ ἐδάμασσεν.287

Auch in einem Löwengleichnis der Ilias bezeichnet ὅμιλος eine Schar Jäger, die einen Löwen bedrängt: … ἰθὺς φέρεται μένει, ἤν τινα πέφνηι / ἀνδρῶν, ἦ’ αὐτὸς φθίεται πρώτωι ἐν ὁμίλωι (Υ 172–73). 282 Zu dieser Stelle s. ausführlich unter 8d. (ἐπιδραμεῖν) und 10b. (δηϊόω). 283 Später begegnet der Ausdruck νόσφιν ὁμίλου nur noch einmal bei Nonnos (Dion.  29, 243). 284 Zur Interpretation dieser Stelle s. zu 3, 951–52. 285 Dazu Mooney (1912) 154, dass ὁμίλου von οἶον abhänge und nicht zu ἄριστον gehöre, mit Hinweis auf 1, 1240 (οἶος ἑταίρων) und Λ 74 (οἴη […] θεῶν). Ebenso Cuypers (1997) 48: „word-order and rhythm suggest, ὁμίλου and οἶον should be taken together as explaining ἀποκριδόν; one might punctuate ἀποκριδόν, οἶον ὁμίλου.“ 286 S. DGE s.v. δοῦπος. Zur Stelle s. auch unter 15h. (δοῦπος). 287 Mooney (1912) 155 zu ἰλλόμενος: „,pressed closely by,‘ Hom. ἐελμένος, cf. 1. 129, 329.“ 82

3, 951–52: Die Gruppe der Mägde Medeas wird ὅμιλος genannt: οὐδέ ποτ’ ὄσσε / ἀμφιπόλων μεθ’ ὅμιλον ἔχ’ ἀτρέμας, … Der Ausdruck μεθ’ ὅμιλον begegnet bei Homer dreimal, hat die Bedeutung ‚zur Schar, ins Getümmel‘, und steht immer in Schlachtbeschreibungen (Ξ 21, Ρ 149, Υ 47).288 Dort bezeichnet ὅμιλος die Kriegsschar oder das Schlachtgetümmel in lokalem Sinn als Ziel einer Bewegung. In den Argonautika gibt μεθ’ ὅμιλον die Richtung des Blicks Medeas auf die Gruppe der Mägde an, den sie aus Unruhe nicht zu halten vermag. Trotzdem bringt μεθ’ ὅμιλον Medeas Zugehörigkeit zu den Mädchen zum Ausdruck und steht damit in Kontrast zu νόσφιν ὁμίλου in 4, 346,289 wo die Absonderung Medeas von der Gruppe der Argonauten beschrieben wird. Die beiden Stellen spiegeln Medeas Situation im gesamten Epos wider: Bis zum Ende des dritten Buches besteht die feste Zugehörigkeit des Mädchens zu ihrem Volk und ihre Rolle in der Gruppe der Frauen, die sich nun langsam aufzulösen beginnt. Nach ihrer Flucht im 4. Buch erhält Medea aber ihren Platz in der Schar der Argonauten nicht, was auch in ihrer Rede zum Ausdruck kommt (4, 355–90). Beide Präpositionalausdrücke sind nicht nur im lokalen Sinn zu verstehen, sondern drücken auch einen gesellschaftlichen und sozialen Status aus.

e. κλονέω Ein weiteres homerisches Wort mit der Bedeutung ‚Kriegsgetümmel‘, κλόνος, ist bei Apollonios nicht belegt, dafür aber das Denominativum κλονέω, das den Bezug zur Kriegssphäre erhalten hat.290 Bei Homer begegnet das Verb an 22 Iliasstellen, steht dort meistens im kriegerischen Kontext, davon auch viermal in Reden und dreimal in Gleichnissen, die Kriegsgeschehen illustrieren. Medial oder intransitiv hat κλονέω die Bedeutung ‚sich zusammenballen‘ von Heeresmassen und Schlachtreihen, z.B.

288 S. auch zu 3, 434. 289 Dass sich Medea bis zur Entscheidung über ihr weiteres Schicksal von den Helden gesondert aufzuhalten hat, wird in dem Vertrag zwischen den Kolchern und den Argonauten vereinbart (4, 345–49). Hunter (2015) 131 erklärte dies damit, dass Medeas Jungfräulichkeit ein wichtiges Kriterium für die Entscheidung über ihre Zukunft sei: „one of the reasons for this provision is the possible impropriety of Medea staying unprotected with a group of young men.“ Vgl. auch die Entscheidung des Alkinoos in 4, 1107–9, s. unter 3a. (δήϊος). 290 Ähnlich κυδοιμέω, das in der Ilias zweimal in der Bedeutung „Schrecken verbreiten, Verderben säen, wüten (gg.)“ (R. Führer, LfgrE 3, 1574, 28–34) vorkommt, aber bei Apollonios nicht belegt ist. ὁμιλέω, das bei Homer an einigen Stellen in der Bedeutung ‚kämpfen, am Kampf teilnehmen‘ verwendet wird (vgl. W. Beck. LfgrE 3, 682, 2–22, Trümpy (1950) 146–47), kommt in den Argonautika nur einmal im nichtkriegerischen Kontext in der unhomerischen Bedeutung ‚sich beschäftigen mit‘ vor (1, 630), vgl. LSJ s.v. V: „of things or business, which one has to do with, attend to, busy oneself to“. ὁμαδεύω hat schon bei Homer die allgemeine Bedeutung ‚Lärm machen’, vgl. M. Schmidt, LfgrE 3, 673, 13–19. 83

κλονέοντο φάλαγγες (E 93).291 Meist steht Plural oder kollektiver Singular. Nur an sechs Stellen der Ilias wird das Verb im Aktiv Singular gebraucht. An fünf dieser Stellen bedeutet κλονέω ‚durcheinanderwirbeln‘ feindlicher Schlachtreihen (z.B. Λ 496) oder ‚vor sich herjagen‘ von Feinden (z.B. X 188).292

In den Argonautika ist das Wort an drei Stellen belegt, von denen zwei sich in einem Gleichnis finden, das in den kriegerischen Kontext der Haupthandlung eingebettet ist: Die von den Argonauten besiegten und fliehenden Bebryker werden mit Bienen verglichen, die sich in ihrem Stock zusammendrängen: Ὡς δὲ μελισσάων σμῆνος μέγα μηλοβοτῆρες ἠὲ μελισσοκόμοι πέτρῃ ἔνι καπνιόωσιν, αἱ δ’ ἤτοι τείως μὲν ἀολλέες ᾧ ἐνὶ σίμβλῳ βομβηδὸν κλονέονται, ἐπιπρὸ δὲ λιγνυόεντι καπνῷ τυφόμεναι πέτρης ἑκὰς ἀίσσουσιν· ὣς οἵ γ’ οὐκέτι δὴν μένον ἔμπεδον, ἀλλὰ κέδασθεν εἴσω Βεβρυκίης, … (2, 130–36)

Die Form κλονέονται kommt bei Homer dreimal vor und beschreibt das Getümmel der Krieger im Kampf oder bei der Flucht (Ξ 59, Σ 7, Φ 554). Das Adverb βομβηδόν ist zuerst an dieser Stelle bei Apollonios belegt und bezeichnet das Summen der Bienen.293 Inhaltlich kontrastiert das Gleichnis mit einem Bienengleichnis der Ilias, das keine Flucht, sondern die Standhaftigkeit zweier Lapithen, die das troische Tor verteidigen, illustriert: … ὥς τε σφῆκες μέσον αἰόλοι ἠὲ μέλισσαι οἰκία ποιήσωνται ὁδῶι ἔπι παιπαλοέσσηι, οὐδ’ ἀπολείπουσιν κοῖλον δόμον, ἀλλὰ μένοντες ἄνδρας θηρητῆρας ἀμύνονται περὶ τέκνων, … (M 167–70).

291 R. Führer, LfgrE 2, 1455, 9–14: „(Med.) sich zus.ballen, sich verknäueln, (Akt.) milit. ([…] von hinten) aufrollen, durcheinanderwirbeln, ([…] vor sich her)jagen“. Die 22 Iliasstellen sind „außer Ψ 213 […] nur auf Kampfgeschehen bzg. […], bes. auf ungeordnete […] Flucht […] oder Massentötg.“ Vgl. Trümpy (1950) 157. 292 An einer Stelle ist der Wind Subjekt in einem Gleichnis, das ebenfalls das Schlachtgetümmel illustrieren soll (Y 492). 293 Sch. zu 2, 132–34a: βομβηδὸν δὲ ἀντὶ τοῦ μετὰ ἤχου καὶ βόμβου. βόμβος δέ ἐστιν ὁ τῶν μελισσῶν ἦχος, … Nach Apollonios nur noch bei Lucian (Pisc. 42) und Nonnos (Dion. 42, 7). Bei Homer wird mit der Formel χαμαὶ/χαμάδις βόμβησε πεσοῦσα das Dröhnen einer zu Boden fallenden Waffe beschrieben (zweimal in der Ilias (N 530 und Π 118), vgl. auch σ 397). 84

Der Gegensatz kommt in den Verben zum Ausdruck, die bei Apollonios eine Flucht (ἀίσσουσιν, οὐκέτι δὴν μένον), bei Homer dagegen den Widerstand beschreiben (ἀμύνονται, μένοντες).294 4, 485–87: Die Argonauten werden beim Sieg gegen die Kolcher mit Löwen verglichen, die eine Schafherde in ihren Ställen aufscheuchen: ἠύτε κίρκοι / φῦλα πελειάων ἠὲ μέγα πῶυ λέοντες / ἀγρότεροι κλονέουσιν ἐνὶ σταθμοῖσι θορόντες. Kyriakou weist auf O 323–24 als Vorbild hin, wo κλονέω in einem ähnlichen Gleichnis auftaucht. Dort werden Hektor und Apollon mit Raubtieren verglichen, die Schafe vertreiben: οἳ δ’ ὥς τ’ ἠὲ βοῶν ἀγέλην ἢ πῶϋ μέγ’ οἰῶν / θῆρε δύω κλονέωσι.295 An der dritten Belegstelle setzt Orpheus in der Sirenen-Episode lauten Gesang ein, um Verwirrung zu stiften: ὄφρ’ ἄμυδις κλονέοντος ἐπιβρομέωνται ἀκουαὶ / κρεγμῷ (4, 908–9). Hier kann das Verb nur als ‚verwirren‘ aufgefasst werden, eine Übertragung in den psychischen Bereich, die erst in nachhomerischer Zeit belegt ist.296

f. Gesamtüberblick ‚Kriegsgetümmel‘ An nur zwei der 30 untersuchten Stellen ist die Bedeutung ‚Kriegsgetümmel‘ passend, einmal für κυδοιμός und einmal für μῶλος. An beiden Stellen bestehen Parallelen zu homerischen Formulierungen. Das Wort ὅμαδος findet sich dreimal im kriegerischen Kontext, einmal als ‚Tumult‘ bei einer Flucht, zweimal als ‚Kriegsschar‘, davon einmal in einem Gleichnis. Ebenso bezeichnet ὅμιλος zweimal eine feindliche Kriegsschar. ὅμιλος hat bei Apollonios immer die Bedeutung ‚Schar‘, meist im unkriegerischen Kontext, und wird nie als ‚Kriegsgetümmel‘ gebraucht. Das entspricht der Verwendung in der nachhomerischen Literatur. ὅμαδος hat an vier von fünf Stellen die Bedeutung ‚Schar‘, davon zweimal sogar im kriegerischen Sinn. An einer Stelle bedeutet ὅμαδος ‚Tumult‘. Insgesamt überwiegt die Zahl der Belegstellen, an denen - meist mit ὅμιλος (19 Stellen), einmal mit ὅμαδος - die Schar der Argonauten im nicht-kriegerischen Kontext bezeichnet wird. Dabei lassen sich nur an fünf Stellen grammatische und syntaktische Parallelen zu homerischen Formulierungen feststellen. Dort werden meist präpositionale Ausdrücke verwendet, die ihr Vorbild in homerischen Schlachtschilderungen haben (ἀν’ ὅμιλον, ἐς ὅμιλον, μεθ’ ὅμιλον). Das trifft auch für die Wendung δῦναι ὅμιλον zu, die einmal begegnet. Dabei werden Ausdrücke, die sich in homerischen Kampfbeschreibungen finden, in einen nicht-kriegerischen Kontext gesetzt. Die Argonautenschar erfüllt dann die Funktion, die bei Homer 294 Vgl. ein weiteres Bienengleichnis in B 86–92, in dem das zu einer Versammlung laufende Heer mit einem Bienenschwarm verglichen wird. 295 Kyriakou (1995) 202, Anm. 46. Hinweis auf diese Stelle auch bei Hunter (2015) 150, außerdem auf E 161–62 und X 138–44. 296 Vian (Bd. 3, 1981) 179: „κλονέω signifie ,jeter la confusion‘“. Vgl. LSJ s.v. I.1: „generally, harass, agitate“ mit Belegstellen bei Sophokles (Trach. 146, OK 1244). Zu dieser Szene s. unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie). 85

die kämpfende Masse der Krieger hat: δῦναι ὅμιλον heißt in der Ilias ‚sich in die Schlacht stürzen‘, in den Argonautika ,zu den Argonauten hinzustoßen‘. ἐς ὅμιλον beschreibt in der Ilias den Rückzug aus dem Kampf, in den Argonautika ebenfalls das Hinzustoßen zur Argonautenschar. μεθ’ ὅμιλον bezeichnet in der Ilias den Weg zum Heer oder in die Schlacht, in den Argonautika den Weg zur Argonautenschar. An den übrigen Stellen fallen besonders bei ὅμιλος unhomerische syntaktische Konstruktionen auf, z.B. der häufige Gebrauch als Subjekt und Objekt, sowie Junkturen, die nur bei Apollonios begegnen, z.B. τόσσος ὅμιλος, ἄριστον ὁμίλου, νόσφιν ὁμίλου.

5. Bewaffnung und Rüstung (τεύχεα und ἔντεα) Die Begriffe für die kriegerische Ausrüstung und Bewaffnung τεύχεα und ἔντεα haben die Grundbedeutung ‚Gerät‘. Doch werden τεύχεα (Ilias 161, Odyssee 31 Stellen) bei Homer „in erster Linie für Waffen“ gebraucht.297 Auch ἔντεα (Ilias 29, Odyssee 3 Stellen) werden bei Homer fast ausschließlich in der Bedeutung ‚Waffen‘ verwendet.298 Auffällig ist die häufige Verwendung von τεύχεα in Formeln: in Bewaffnungs- oder Rüstungsszenen, z.B. τεύχεα δύω (viermal, z.B. Z 340), σὺν τεύχεσι θωρηχθέντες (sechsmal, z.B. Θ 530), zur Beschreibung der vollen Bewaffnung kurz vor einem Kampf, z.B. ἐξ ὀχέων σὺν τεύχεσιν ἄλτο χαμᾶζε (8 Stellen, z.B. Γ 29), oder beim Fall eines Kriegers, z.B. ἀράβησε δὲ τεύχε’ ἐπ’ αὐτῶι (10 Stellen, z.B. Δ 504), ἀμφὶ δέ οἱ βράχε τεύχεα ποικίλα χαλκῶι (dreimal, z.B. M 396). Ungefähr ein Drittel der Stellen (Ilias 58, Odyssee 10) findet sich in Reden. Das Wort ἔντεα begegnet ähnlich wie τεύχεα in Wappnungsszenen (z.B. viermal ἔντεα δύνειν, z.B. Γ 339), bezeichnet aber auch an einigen Stellen Rüstung und Waffen des getöteten Kriegers.299 Die häufige Verwendung in Formeln fehlt, doch kommt fünfmal der Ausdruck σὺν ἔντεσι (z.B. E 220) vor, sowie dreimal der Ausdruck ἐν ἔντεσιν (z.B. Λ 731). An 10 Iliasstellen und 1 Odysseestelle steht ἔντεα in Reden.

In den Argonautika ist ἔντεα an sieben, τεύχεα an 13 Stellen belegt. Beide Wörter werden gemeinsam untersucht, um die Reihenfolge nach dem Kontext richten zu können. Inhaltlich konzentriert sich das Belegmaterial auf drei Bereiche, die Seefahrt, Wappnung und Rüstung sowie die Waffenprobe vor dem Athlos, und wird daher in entsprechenden Unterkapiteln angeordnet.

297 Trümpy (1950) 76. D. van Eyndhoven, LfgrE 4, 425, 55 „(suit of) armour (I) and […] ships‘ tackle (II)“ nennt zu II nur o 218. Ebeling s.v. zählt zu „1. instrumenta, armamenta“ nur 4 Odysseestellen, die restlichen Stellen zu „2. arma“. LSJ s.v. I: „implements of war, armour, arms, freq. in Ep“. 298 W. Beck, LfgrE 2, 607, 32 und 608, 10–11 nennt als Belegstellen zu den anderen Bereichen: „utensils“: η 232, „tackle“: Hymn. Hom. Ap. 489. 299 In verschiedenen Formulierungen in K 298, Λ 755, M 195, O 343. 86

a. τεύχεα und ἔντεα bei der Seefahrt Mehrmals begegnen τεύχεα in der Schilderung der Vorbereitungen zur Abfahrt der Argo: Kurz vor dem Auslaufen sieht man die Argonauten σὺν τεύχεσιν ἀίσσοντας (1, 241). Die Formulierung hat ein homerisches Vorbild, dessen metrische Position Apollonios übernimmt: σὺν τεύχεσιν ἐσσεύοντο (I 80). Diese Iliasstelle steht, wenn auch indirekt, im kriegerischen Kontext. Zwar wird kein Kampfgeschehen geschildert, doch bereiten sich Krieger auf die Nachtwache vor, d.h. sie bewaffnen sich und begeben sich auf ihren Posten. Der Ausdruck σὺν τεύχεσιν kommt bei Homer an weiteren 25 Stellen vor, davon achtmal in der Formel ἐξ ὀχέων σὺν τεύχεσιν ἄλτο χαμᾶζε (s.o.), mit der das Herabspringen eines Kriegers vom Streitwagen beschrieben wird. Dem Herabspringen folgt - meist nach einer Kampfaufforderung oder Kampfparänese an die Truppen - der Beginn von Kampfhandlungen in einer Schlacht.300 Die Formel σὺν τεύχεσι θωρηχθέντες (6 Stellen, z.B. Θ 530) bezeichnet meist in Reden gerüstete Krieger beim Aufbruch in einen Kampf. Die sprachliche Anlehnung an diese Stellen verleiht der Szene, in der Vorbereitungen und Aufbruch zur Fahrt der Argo geschildert werden, eine kriegerische Atmosphäre.301 Vor dem Aufbruch befiehlt Jason den Dienern ἀρήια τεύχε’ ἀείρειν (1, 266). ἀρήϊα τεύχεα finden sich bei Homer viermal (z.B. Z 340), einmal auch τεύχε’ ἀρήϊα (τ 4).302 Der Ausdruck τεύχεα ἀείρειν begegnet auch bei Homer, z.B. ἀρήϊα τεύχεα […] ἀείρας (π 284–85).303

300 Ausnahme von diesem Handlungsablauf ist Γ 29, wo Paris vor Menelaos, nachdem dieser von Wagen herabgesprungen ist, flieht, von Hektor kritisiert wird und sich dann zum Zweikampf stellt. 301 Im Unterschied zu homerischen Rüstungsszenen ist die Stimmung in den Argonautika aber nicht von kriegerischer Motivation und Ehrgeiz für die bevorstehenden Abenteuer geprägt, sondern von Sorgen und Kummer der Angehörigen Jasons (1, 261–69). Vgl. Fränkel (1968) 60: „Die übliche Wappnung wird in Vs. 266 f. nur eben angedeutet […], und sie ist nicht durch den Glanz kommender Taten erhellt, sondern durch die Niedergeschlagenheit der Diener umdüstert.“ So auch Clauss (1993) 39, Anm. 6: „Apollonius places Jason in a setting usually allotted to the brave soldier and his noble family; in this episode Jason and his parents will appear less than noble and scarcely heroic.“ Zur möglichen Parallele, der Trauerszene über Hektors Tod im Haus der Priamos (Ω 160–68) s. Clauss (1993) 40–42. Zur Abfahrtsszene s. auch unter 15o. (Die Abfahrt der Argo). 302 Wie C.J. Ruijgh, LfgrE 1, 1240, 16–23, erläutert, erhielten die τεύχεα / ἔντεα mit ihrer ursprünglichen Bedeutung ,Gerät‘ durch das Adjektiv ἀρήϊος kriegerische Eigenschaft und damit die Bedeutung ,Waffen‘. Mit der Spezialisierung von τεύχεα/ ἔντεα auf die Kriegssphäre wurde das Attribut dann aber zu einem epitheton ornans. 303 Ähnlich auch: ἀνά τε κλυτὰ τεύχε’ ἀείρας (X 399), περικαλλέα τεύχε’ ἀείρας (ω 165). 87

Die Argonauten nehmen im Schiff neben ihren Waffen Platz: σφετέροισι παρ’ ἔντεσιν (1, 530). Der Ausdruck παρ’ ἔντεσιν ist unhomerisch;304 vor ἔντεα finden sich bei Homer nur die Präpositionen σύν, ἐν, ἀπό und διά. Bei der Fahrt der Argo schließlich blitzen die Waffen in der Sonne: Στράπτε δ’ ὑπ’ ἠελίῳ φλογὶ εἴκελα νηὸς ἰούσης / τεύχεα (1, 544–45).305 νηὸς τεύχεα finden sich bei Homer nicht. Abgesehen davon, dass τεύχεα in der Bedeutung ‚Schiffsgerät‘ dennoch in o 218 ein homerisches Vorbild hat,306 ist die von Vasilaros vorgeschlagene Auffassung von νηὸς ἰούσης als Genetivus absolutus hier möglich. Somit wäre für die ohne den abhängigen Genetiv νηὸς stehenden τεύχεα auch die Bedeutung ‚Waffen‘ denkbar.307 Unterstützt wird diese Auffassung durch eine Parallele bei Ps.-Hesiod (asp. 451), wo das Wort τεύχεα, ebenso in der Junktur φλογὶ εἴκελα τεύχεα, die Bedeutung ‚Waffen‘ hat, sowie auch durch die bei Homer zweimal belegte Klausel νηὸς ἰούσης (A 482, β 428), die dort ebenso als Genetivus absolutus aufzufassen ist.308 Der Vergleich φλογὶ εἴκελος, den Hesiod wie Apollonios auf Waffen anwendet, kommt bei Homer an sechs Stellen vor, ist aber immer auf Menschen bezogen (an 5 Stellen Hektor, z.B. Ἕκτωρ τε Πριάμοιο πάϊς φλογὶ εἴκελος ἀλκήν (Σ 154), einmal Idomeneus (N 330)), nicht auf Gegenstände.309 Als strahlend oder glänzend beschriebene Waffen begegnen τεύχεα aber z.B. in Δ 431–32: ἀμφὶ δὲ πᾶσιν / τεύχεα ποικίλ’ ἔλαμπε.310 Eine Szene in Buch 4 steht im Kontext der Seefahrt, könnte aber auch unter 4b. eingeordnet werden. Denn hier gestaltet Apollonios die Abfahrt der Argo zur Heimreise nach einer Rede Jasons, die den Charakter einer Kampfparänese hat (4, 190–205),311 wie eine homerische Rüstungs- und Angriffsszene:

304 Vasilaros (2004) 215 fasst ἔντεα an dieser Stelle als ,Schiffsgerät‘ auf („προκειμένου περὶ πλοίου ἡ λέξη σημαίνει ξάρτια, ἄρμενα“), beruft sich auf Hymn. Hom. Ap. 489 und weist zudem auf das Scholion zur Stelle hin ( νῦν ταῖς κώπαις). 305 στράπτω kommt vor Apollonios nur in Soph. OK 1515 vor (Ardizzoni (1967) 163), s. auch LSJ s.v.; Apollonios verwendet das Verb auch in 3, 1018 und 1216. 306 Heubeck/Hoekstra (1989) 245 zu o 218: „τεύχε’ here probably not ,weapons‘ […], but either ,vessels for victuals‘ […] or ,the oars and rigging‘ (schol.)“. 307 Vasilaros (1993) 98–99. Die Bedeutung ‚Waffen‘ nehmen auch Fränkel (1968) 85, Seaton, Ardizzoni, Delage (Vian), Glei an. Anders Dräger (2002) 45: „das Gerät des fahrenden Schiffes“. Zum poetischen Bild der strahlenden Geräte auf der Argo s. Kulessa (1938) 17, der auch τεύχεα mit νηὸς verbindet und als Schiffsgeräte auffasst. Vasilaros kommt zu dem Schluss „dass die Entscheidung, ob νηὸς ἰούσης ein GA ist, eine Interpretationsfrage ist, da beide Bedeutungen von τεύχεα möglich sind und hier passen würden.“ 308 Vgl. Ardizzoni (1967) 163. 309 Faerber (1932) 47: „Charakteristisch für den Epiker Apollonios aber ist der zugefügte Kurzvergleich φλογὶ εἴκελα, ein Homerismus, der seinen eigentlichen Wert eingebüßt hat.“ 310 Vgl. auch Y 45–46, außerdem Hesiod, theog. 186. 311 Zur Rede Jasons Hutchinson (1988) 124, der auf Aischylos, Pers. 402–5 als Parallele hinweist (Anm. 64): „Jason uses the language conventional in exhortations 88

Ὧς φάτο, δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια· τοὶ δ’ ἰάχησαν θεσπέσιον μεμαῶτες. Ὁ δὲ ξίφος ἐκ κολεοῖο σπασσάμενος πρυμναῖα νεὼς ἀπὸ πείσματ’ ἔκοψεν· ἄγχι δὲ παρθενικῆς κεκορυθμένος ἰθυντῆρι Ἀγκαίῳ παρέβασκεν· (4, 206–10)

Jason rüstet sich (δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια),312 seine Krieger sind μεμαῶτες und schreien laut auf (τοὶ δ’ ἰάχησαν).313 Die dann folgende Wendung ξίφος ἐκ κολεοῖο / σπασσάμενος assoziiert einen bevorstehenden Angriff Jasons, der schließlich die Haltetaue des Schiffes durchschlägt ἀπὸ […] ἔκοψεν.314 Die Beschreibung Jasons als κεκορυθμένος erinnert an den homerischen Iteratvers βῆ δὲ διὰ προμάχων, κεκορυθμένος αἴθοπι χαλκῶι (siebenmal, z.B. Δ 495).315 Doch Jason läuft hier nicht durch die Vorkämpfer, sondern tritt neben den Steuermann Ankaios und befindet sich in einer „martialischen Pose“, ohne dass ein Feind in Sicht ist.316 Die ganze Szene mit der vorhergehenden Paränese Jasons wirkt durch Wortwahl und Formulierungen wie eine Wappnung und der Beginn einer homerischen Kampfszene, die damit ironisch beleuchtet wird.317

b. τεύχεα und ἔντεα bei der Bewaffnung Über das Fehlen einer kriegerischen Bewaffung wird im Argonautenkatalog bei der Vorstellung des Ankaios berichtet. Denn dessen Großvater versteckte die Waffen, um ihn an der Mitfahrt zu hindern, so dass der Held nur mit einer Axt ausgestattet an der Fahrt teilnimmt: ἔντεα γάρ οἱ / πατροπάτωρ Ἀλεὸς μυχάτῃ ἐνέκρυψε καλιῇ (1, 169–70). Das Motiv ist aus der Ilias bekannt: Dort erzählt Nestor, dass sein Vater ihn wegen mangelnder Erfahrung nicht in den Krieg ziehen lassen wollte und darum sein Pferd versteckte: οὐδ’ ἐμὲ Νηλεύς / εἴα θωρήσσεσθαι, ἀπέκρυψεν δέ μοι ἵππους (Λ 717–18). Wie bei Homer wird auch in den Argonautika τεύχεα δύω als Ausdruck der Wappnung verwendet (s.o. zu 4, 206). Oft taucht die Wendung in der Lemnos-Episode im 1. Buch auf. Die Lemnierinnen werden vorgestellt als Frauen, denen es leichter fällt,

312 313 314 315 316 317

before battle …“ S. auch Hunter (2015) 109, der ebenso auf die Aischylosstelle sowie auf O 661–64 verweist. Vgl. Anm. 317. Parallelen dazu: ἀρήϊα τεύχεα δύω (Z 340), δύσεο τεύχε’ ἀρήια (Ps.-Hesiod, asp. 108). S. auch unter 1k. (ἀρήϊος). S. dazu unter 15l. (ἰάχω) und (zur Gesamtszene) unter 15o. (Die Abfahrt der Argo). Zu dieser Stelle s. unter 6e. (Schwerter). S. dazu unter 7b. (κορύσσω). Fränkel (1968) 468. Fränkel (1968) 468: „In den Argonautika kommen fünf Massengefechte vor […], aber niemals sonst hat Ap. in traditioneller Weise solche Zurüstung dafür geschildert oder eine anspornende Rede des Führers wiedergegeben.“ Vgl. Faerber (1932) 100: „nach einer Rede, deren Schluß hohen Pathos bemüht: 204/5 […] hier fehl am Ort.“ Ebenso Glei (Bd. 2, 1996) 192: „Das Pathos der Kampfparänese geht ins Leere.“ 89

χάλκειά τε δύνειν / τεύχεα (1, 627–28), als typische Frauenarbeiten zu verrichten. Als die Argo nach Lemnos kommt, eilen die Lemnierinnen zu den Waffen: δήια τεύχεα δῦσαι (1, 635).318 Hypsipyle legt die Waffen ihres Vaters an: δῦν’ ἐνὶ τεύχεσι πατρός (1, 638). Dazu finden sich mehrere Parallelen bei Homer: Das ‚In-die-Waffen-Tauchen‘ wird auch dort zweimal mit den Worten ἐν τεύχεσσιν ἔδυνον (Ψ 131, ω 496) beschrieben. In der Ilias trägt Achill die Waffen seines Vaters: ἐν ἔντεσι πατρὸς (Ρ 197), in der Odyssee spricht Telemachos über die ἔντεα πατρὸς (τ 17). Die Junkturen χάλκεια τεύχεα und δήια τεύχεα sind jedoch unhomerisch.319 Die wiederholt erwähnte Rüstung der Lemnierinnen führt aber letztlich zu keinem Kampf, sondern zu erotischen Beziehungen zwischen Hypsipyle und Jason, zwischen den Lemnierinnen und den Argonauten.320 Oft begegnet in den Argonautika der Ausdruck σὺν τεύχεσιν / σὺν ἔντεσιν, z.B. in der Rede des Peleus, der die Stärke der Argonauten in einem hypothetischen Kampf mit Aietes hervorhebt: Οὔτε γὰρ ὧδ’ ἀλκὴν ἐπιδευόμεθ’ ὥς τε χερείους / ἔμμεναι Αἰήταο σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι (2, 1220–21). Derselbe Versschluss findet sich auch bei Homer: πρίν γ’ ἐπὶ νὼ τῶιδ’ ἀνδρὶ σὺν ἵπποισιν καὶ ὄχεσφιν / ἀντιβίην ἐλθόντε σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι (E 219–20).321 σὺν ἔντεσι kommt dort noch viermal vor (z.B. Z 418). An vier weiteren Stellen beschreibt σὺν ἔντεσιν die Bewaffnung der Argonauten bei verschiedenen Anlässen: Bei der Totenfeier für Kyzikos erscheinen die Argonauten χαλκείοισι σὺν ἔντεσι (1, 1059),322 ebenso beim Begräbnis des Mopsos: σὺν ἔντεσι (4, 1535). Als Jason zu Aietes aufbricht, fordert er die Argonauten auf, mit ihren Waffen beim Schiff zu warten: κατὰ νῆα σὺν ἔντεσι (3, 176). Auch während des Aufenthalts bei den Phaiaken bleiben die Argonauten bewaffnet beim Schiff (παρὰ νηὶ σὺν ἔντεσιν (4, 1124)), bis der Herold ihnen den Plan Aretes überbringt. An keiner dieser Stellen verwenden die Argonauten ihre Waffen, um die von Peleus erwähnte Stärke zu zeigen.323 Auffällig ist, dass Apollonios nur für die Beschreibung

318 Vgl. E 435: ἀπὸ κλυτὰ τεύχεα δῦσαι. 319 S. unter 3a. (δήϊος). Bei Hesiod jedoch finden sich χάλκεα […] τεύχεα (Op. 150). Bei Homer stehen bei τεύχεα oft Epitheta wie καλός (z.B. Γ 328), ποικίλος (z.B. Γ 327), περικαλλής (z.B. Ζ 321), κλυτός (z.B. Ε 435). An kriegerischen Epitheta werden ἀρήϊος (z.B. Z 340) und πολεμήϊος (z.B. H 193) verwendet. 320 In den ‚Lemnierinnen‘ des Sophokles muss dagegen von einem Kampf die Rede gewesen sein, wie die Scholien zu 1, 769–73 bezeugen: Σοφοκλῆς δὲ ἐν ταῖς Λημνίαις καὶ μάχην ἰσχυρὰν αὐτοῖς συνάψαι φησίν. Zur Lemnos-Episode s. auch unter 3a. (δήϊος) und 3b. (δυσμενής). 321 Außerdem ähnlich: ἀντίβιον σὺν τεύχεσι πειρηθείης (Λ 386), σὺν τεύχεσι πειρηθέωμεν (X 381). 322 Zu χάλκεια τεύχεα s.o. (zu 1, 627–28). 323 Dazu Campbell (1994) 152: „they will be under arms, but not actively so“, s. auch ebd. 159: „They must be in full alert, but take no direct action themselves. - The noun’s nautical associations (cf. κατὰ νῆα) suggest the possibility that there is a whiff of irony in the air.“ 90

der bewaffneten Argonauten ἔντεα verwendet, die Bewaffnung anderer Personen wird mit τεύχεα formuliert, z.B. bei der Rüstung der Lemnierinnen (s.o.) und an folgenden Stellen: 1, 1025: Die Dolionen rüsten sich zum Kampf gegen die Argonauten und greifen an: τῶ καὶ τεύχεα δύντες ἐπὶ σφίσι χεῖρας ἄειραν. Eine sprachlich und metrisch enge Parallele ist χ 201: τῶ δ’ ἐς τεύχεα δύντε. Der Dual ist dort singulär, da τεύχεα δύω bei Homer sonst immer nur für die Bewaffnung einzelner Krieger gebraucht wird. Die Phrase ἐπὶ σφίσι χεῖρας ἀείρειν beschreibt bei Homer keinen kriegerischen Zusammenstoß.324 3, 499: In einer aktorialen Prolepse kündigt Jason den Argonauten an, dass die Erdgeborenen fertig bewaffnet (χαλκέοις σὺν τεύχεσιν) aus dem Boden empor schießen werden.325 4, 1098–99: Alkinoos erklärt gegenüber Arete seine grundsätzliche Bereitschaft zu einem Kampf gegen die Kolcher: καί κεν σὺν τεύχεσιν ἐξελάσαιμι / Κόλχους.326 4, 1180: Die Phaiaken erscheinen bewaffnet zur Hochzeit von Jason und Medea: πολεμήια τεύχεα δύντες. Die gleiche Wendung findet sich bei Homer: πολεμήϊα τεύχεα δύω (H 193). 4, 214: Die Kolcher kommen nach der Flucht der Argonauten in Waffen zu einer Versammlung: Ἐς δ’ ἀγορὴν ἀγέροντ’ ἐνὶ τεύχεσιν. Der Ausdruck ἐνὶ τεύχεσιν findet sich bei Homer beim Anlegen der Waffen: ἐν τεύχεσσιν ἔδυνον (Ψ 131, ω 496). Die Wendung ἐς δ’ ἀγορὴν ἀγέροντο begegnet auch in der Ilias, wo die Troer zu einer Versammlung zusammenkommen (Σ 245).327 Eine Bewaffnung wird dort aber nicht erwähnt. An den drei letzten Stellen folgt auf die fertige Bewaffnung kein Kampf. Weder Alkinoos und die Phaiaken kämpfen noch die Kolcher, die sich in der Beratung aufhalten, bevor sie die Argonauten verfolgen.

c. τεύχεα bei der Waffenprobe Nach Anwendung des Zaubermittels versuchen sich die Argonauten an Jasons Waffen, können aber den Speer nicht biegen: Ἀμφὶ δ’ ἑταῖροι πείρησαν τευχέων βεβιημένοι, οὐδ’ ἐδύναντο κεῖνο δόρυ γνάμψαι τυτθόν γέ περ, … (3, 1248–50)

324 Ähnliche Wendungen dort nur ἀθανάτοισι φίλας ἀνὰ χεῖρας ἀείραι (H 130) und ποτὶ γαίῃ χεῖρας ἀείρων (λ 423), beide Stellen nicht in Zusammenhang mit einem Angriff beim Kampf. Hinweis auf beide Parallelen auch bei Vasilaros (2004) 296. 325 Zur Junktur χάλκεια τεύχεα s.o. (zu 1, 627–28). 326 Hunter (2015) 232: „,also with arms I could drive [the Colchians] away‘; the καί marks that this would be an alternative to the agreement which has been reached.“ 327 Hunter (2015) 111. 91

Zur Wendung πείρησαν τευχέων βεβιημένοι gibt es keine homerischen Parallelen.328 Die Szene selbst aber ist der Bogenprobe in der Odyssee nachgebildet: τῷ ῥα νέοι θάλποντες ἐπειρῶντ’, οὐδ’ ἐδύναντο ἐντανύσαι, πολλὸν δὲ βίης ἐπιδευέες ἦσαν. (φ 184–85)

Βei Apollonios nimmt der Speer die Stelle des Bogens ein. Beide können nicht gebogen werden. Doch während in der Odyssee der Bogen gespannt werden soll, wie es zum Gebrauch der Waffe nötig ist, wird in den Argonautika der Speer bezüglich seiner Unzerbrechlichkeit geprüft. In der Odyssee wird durch die Probe die Stärke des Odysseus hervorgehoben, in den Argonautika dagegen die Kraft der Zaubermittel Medeas, die den Speer unzerbrechlich gemacht haben. Dass die Freier vergeblich versuchen, den Bogen des Odysseus mit warmem Talg biegsam zu machen (φ 183–84), kontrastiert zusätzlich mit der Härtung des Speers durch das aufgetragene Zaubermittel in den Argonautika.

Zusammenfassung An den untersuchten Stellen finden sich τεύχεα und ἔντεα häufig in bei Homer gängigen Wendungen für das Bewaffnen: So wird in den Argonautika an 5 Stellen τεύχεα δύω verwendet, einmal δύω ἐνὶ τεύχεσι, an 5 Stellen kommt σὺν ἔντεσιν vor, an 3 Stellen σὺν τεύχεσιν, an 2 Stellen heißt es ἐνὶ τεύχεσιν. Doch nur einmal wird ein solcher Ausdruck im Kontext eines kriegerischen Kampfes verwendet, bei der Rüstung der Dolionen. An den anderen Stellen findet im Anschluss an die Wappnung kein Kampf statt. Die Waffen der Argonauten werden oft im Kontext der Abfahrt erwähnt, ohne dass ihre Funktion klar wird. Durch Anlehnung an homerische Formulierungen aus der Kriegssphäre wird ein heroisches Bild geschaffen, ohne dass heroische Taten vollbracht werden.

6. Waffen Die folgende Untersuchung der Wörter für die einzelnen Waffenarten wird in Unterkapitel zu jedem Waffentyp gegliedert. In diesen Unterkapiteln werden die Synonyme gemeinsam untersucht, um einen besseren Überblick über den Kontext zu gewährleisten. Die inhaltliche Interpretation der Passage findet an der Stelle statt, wo es am sinnvollsten erscheint.

328 Thiel (1996) 28: „die ganze Wendung πείρησαν τευχέων βεβιημένοι (1249) ist neu gebildet.“ 92

a. Panzer Der Panzer heißt bei Homer immer θώρηξ. Das Wort ist an 34 Stellen in der Ilias belegt und findet sich dort in Rüstungsszenen und Kampfschilderungen. In der Odyssee kommt das Wort gar nicht vor.329

In den Argonautika begegnet ein Panzer nur bei der Rüstung des Aietes: Καὶ τότ’ ἄρ’ Αἰήτης περὶ μὲν στήθεσσιν ἕεστο / θώρηκα στάδιον, τόν οἱ πόρεν ἐξεναρίξας / σφωιτέρῃς Φλεγραῖον Ἄρης … (3, 1225–27).330 Hier variiert Apollonios den Iteratvers δεύτερον αὖ θώρηκα περὶ στήθεσσιν ἔδυνεν, der in den großen Rüstungsszenen der Helden Alexandros, Agamemnon, Patroklos und Achill das Anlegen das Panzers beschreibt (Γ 332, Λ 19, Π 133, Τ 371). Die Junktur θώρηξ στάδιος ist jedoch unhomerisch. Das Adjektiv στάδιος, das bei Homer nur neben ὑσμίνη auftaucht,331 hat hier die Bedeutung ‚steif, ohne Gelenke‘.332 Kallimachos verwendet es als Epitheton für χιτών.333 Die homerischen Helden rüsten sich in festgelegter Reihenfolge: Zuerst werden die Beinschienen angelegt, da der dann folgende Panzer „das Herabbeugen erschwert“,334 danach werden das Schwert und der Schild um die Schultern gehängt, der Helm aufgesetzt und zum Schluss die Lanze(n) genommen.335 Im Vergleich dazu erfolgt die Wappnung des Aietes unter Auslassung von Rüstungsstücken in veränderter Reihenfolge: Die Beinschienen fehlen, nach dem Panzer folgt nun zunächst 329 330 331 332

B. Mader, LfgrE 2, 1098, 17. S. auch unter 1b1. (Ἄρης als Person). S. dazu unter 1e. (σταδίη). Diese Bedeutung ist erst nach Homer belegt. S. dazu LSJ s.v. στάδιος I.3: „standing upright or straight“, mit Kallim. Hek. fr. 293 Pf. als Beleg, zu θώρηξ στάδιος: „a stiff breastplate, plate-armour“. Vgl. Sch. zu 3, 1226: θώρηκα στάδιον· ὅτι οὐκ ἦν ἀλυσιδωτός, ἀλλὰ σταδιαῖος ἀπὸ τῆς στάσεως ἐσχημάτισται. τινὲς δὲ στάδιον τὸν εὐπαγῆ, ὃν καὶ ὁ Καλλίμαχος λέγει· ,στάδιον δ’ ὑφέεστο χιτῶνα‘. Die Scholien zu Aristophanes kennen den Ausdruck θώραξ στατός (zu Pax 1228a). 333 S. Zitat in den Scholien (Anm. 332). Dazu Trümpy (1950) 13, dass der χιτών an einigen homerischen Stellen als „etwas Panzerähnliches“ aufzufassen sei, mit Verweis auf Sch. A zu N 439a: ὅτι σαφῶς τὸν θώρηκα χιτῶνα χαλκοῦν. S. auch Ebeling s.v. χιτών z.B. zu B 416 („loricam“) und H.W. Catling, Arch. Hom. E 79–80. Helbig (1887) 288 dagegen hält den „eherne[n] Chiton“ an diesen Iliasstellen nur für einen „poetische[n] Ausdruck für Panzer“. Vgl. B. Mader, LfgrE 2, 1099, 18–20: „d. Chiton […] ist kein weiterer Bestandteil d. Rüstg. […] sondern d. normale Kleidg.“ G. Markwald, LfgrE 4, 1217, 62–63 weist darauf hin, dass der Chiton unter der Rüstung getragen wurde. Möglicherweise führte dies zum metonymischen Gebrauch, z.B. in N 439, s. dazu G. Markwald, LfgrE 4, 1219, 36–52. 334 B. Mader, LfgrE 2, 1100, 20–22. 335 Bei der Rüstung des Alexandros (Γ 330–38), des Agamemnon (Λ 17–45), des Pa­ troklos (Π 131–39), des Achill (T 364–91). Arend (1933) 93: „Die Reihenfolge beim Anlegen der einzelnen Waffen entspricht der Wirklichkeit: zuerst Beinschienen, dann Panzer […], zuletzt der Helm …“ 93

der Helm (3, 1228).336 Das Schwert fehlt. Bei Schild und Lanze weicht Apollonios dann von der homerischen Szenerie ab und lässt Aietes diese Waffen schwingen wie kurz vor einem Angriff (3, 1231).337

b. Helme κόρυς kommt in der Ilias an 44 Stellen, in der Odyssee nur an 2 Stellen vor und ist das gängige Wort für ‚Helm‘.338 Die κόρυς begegnet meistens in Schilderungen von Kampfhandlungen und zum Ausdruck der Wehrkraft. Nur einmal wird sie als Rüstungsstück bei der Wappnung erwähnt (Σ 611), öfter aber beim Ablegen (zweimal: Z 472, X 112) oder Entreißen (dreimal z.B. Λ 375) der Rüstung.339 Zwei Iliasstellen finden sich in Reden. κυνέη ist in der Ilias nur an 20 Stellen belegt, in der Odyssee aber mit acht Stellen häufiger als κόρυς.340 Viermal in der Ilias und einmal in der Odyssee heißt κυνέη ‚Lederkappe‘ oder ‚Tarnkappe‘, sonst ist der kriegerische Helm gemeint.341 κυνέη ist öfter als κόρυς Rüstungsstück (fünfmal Ilias, z.B. E 743, sechsmal Odyssee), begegnet in Kampfschilderungen und dient auch als „Behältnis beim Losen“.342 Drei Odysseestellen finden sich in Reden. τρυφάλεια (Ilias 14 Stellen, Odyssee 1 Stelle) steht bei Homer meist in der Schilderung von Kampfhandlungen, aber auch in Wappnungsszenen (z.B. T 380).343 Zwei Stellen finden sich in Reden. πήληξ (Ilias 9, Odyssee 1 Stelle) bedeutet an zwei Iliasstellen ‚Helmbusch‘,344 sonst ‚Helm‘ und wird dann immer in der Beschreibung eines fallenden Kriegers oder eines Waffenraubs verwendet.345

Bei Apollonios ist κόρυς dreimal belegt, κυνέη zweimal, τρυφάλεια einmal. πήληξ kommt dreimal vor.

336 S. dazu unter 6b. (Helme). 337 S. dazu unter 6c. (Schilde) und 6d. (Lanzen/Speere). Rengakos (1993) 56–57 weist darauf hin, dass die Reihenfolge in dieser „einzigen ausgeführten Wappnungsszene des hellenistischen Epos“ der Reihenfolge im zenodoteischen Homertext entspreche und außerdem der Reihenfolge in der Rüstungsszene des Herakles in Ps.-Hesiods scutum (Beinschienen, Panzer, Köcher mit Pfeilen, Lanze, Helm, Schild (asp. 124–321)) ähnlich sei. 338 G. Markwald, LfgrE 2, 1492, 47 u. 1493, 24–26. 339 G. Markwald, LfgrE 2, 1493, 37–1494, 26. 340 G. Markwald, LfgrE 2, 1590, 1. 341 G. Markwald, LfgrE 2, 1590, 30–48. 342 G. Markwald, LfgrE 2, 1590, 51–64. 343 G. Markwald, LfgrE 4, 648, 20–32 nennt zur Verwendung „als Teil d. Waffenrüstg.“ 5 Iliasstellen und 1 Odysseestelle. 344 G. Markwald, LfgrE 3, 1225, 65–1226, 4. Zur ursprünglichen Bedeutung ‚Helmbusch‘ s. H. Borchhardt, Arch. Hom. E 57–58. 345 G. Markwald LfgrE 3, 1225, 65–1226, 24. 94

In den Argonautika begegnet ein Helm zum ersten Mal in der homerisch wirkenden Beschreibung des altepischen Helden Sthenelos, dessen Grab die Argonauten auf ihrem Weg passieren: ἀμφὶ δὲ καλὴ / τετράφαλος φοίνικι λόφῳ ἀπελάμπετο πήληξ (2, 919–20). Der Ausdruck ἀμφὶ δὲ πήληξ kommt bei Homer dreimal vor (N 805, O 608, O 647).346 Apollonios verwendet zwei Epitheta, die dort nur bei Synonymen stehen: τετράφαλος bei κυνέη (M 384) und κόρυς (X 315), καλός bei κόρυς (Σ 612) und τρυφάλεια (χ 183). Das Glänzen von Helmen wird auch bei Homer beschrieben, z.B. κόρυθος […] λαμπομένης (Π 70–71), ἣ δ’ ἀστὴρ ὣς ἀπέλαμπεν / ἵππουρις τρυφάλεια (Τ 381–82). Ein purpurfarbener Helmbusch wie bei Sthenelos wird in Ο 538 erwähnt: [sc. λόφος] νέον φοίνικι φαεινός. In der Ares-Vögel-Episode dienen die Waffen der Argonauten zur Bildung einer Phalanx, um die Vögel abzuwehren. Helme werden zweimal erwähnt: Zunächst in der Aufforderung des Amphidamas: Ἀνθέμενοι κεφαλῇσιν ἀερσιλόφους τρυφαλείας … (2, 1060). Apollonios verwendet hier das Verb ἀνατίθημι, das bei Homer einmal in übertragener Bedeutung vorkommt (Χ 100).347 Das Epitheton ἀερσίλοφος ist hapax legomenon bei Apollonios.348 Das auf die Aufforderung folgende Aufsetzen der Helme (Ἀμφὶ δὲ χαλκείας κόρυθας κεφαλῇσιν ἔθεντο / δεινὸν λαμπομένας, ἐπὶ δὲ λόφοι ἐσσείοντο / φοινίκεοι (2, 1069–71)) wirkt homerisch durch die Epitheta χάλκειος (vgl. χαλκείη κόρυς (Μ 184, Υ 398)) und λαμπόμενος (Π 70–71, s.o., vgl. auch κορύθων ἄπο λαμπομενάων (N 341)) und die wehenden Helmbüsche, die in der Ilias z.B. mit der Formel δεινὸν δὲ λόφος καθύπερθεν ἔνευεν (5 Stellen, z.B. Γ 337) beschrieben werden.349 Allerdings begegnet κόρυς bei Homer nicht in Beschreibungen des Helmaufsetzens.350

346 Markwald LfgrE 3, 1225, 58–1226, 3, nimmt für πήληξ in N 805 und O 608, wo es um die Beschreibung der Bewaffnung geht, die Bedeutung ‚Helmbusch‘ an. In O 647–48 (ἀμφὶ δὲ πήληξ / σμερδαλέον κονάβησε περὶ κροτάφοισι πεσόντος) ist der Helm selbst gemeint. Dort wird ein fallender Krieger beschrieben. 347 Eine Kombination von τίθημι, κυνέη und der Präposition ἀνά findet sich in K 466, wo Odysseus die Rüstung des Dolon auf einen Baum legt: [sc. κυνέην] θῆκεν ἀνὰ μυρίκηι. 348 S. TLG, Bd. I.1, 771; DGE s.v.: „de alto penacho“. LSJ s.v.: „high-crested“. Vgl. Sch. zu 2, 1060: ὧν οἱ λόφοι ἐπηρμένοι εἰσὶ καὶ μετέωροι. Bei Nonnos begegnet das Attribut dann dreimal als Epitheton für τρυφάλεια, z.B. Dion. 15, 129, aber auch in anderer Verwendung, z.B. als Attribut für Tiere und Gebäude. 349 Ein purpurner Helmbusch begegnet auch in 2, 920, vgl. dazu O 538. Fränkel (1968) 269 zur Wirkung des Helmbuschs: „…obwohl die Übergröße des gewappneten Kriegers nur künstlich war, schüchterte sie doch den Gegner unwillkürlich ein, und das unruhige Wippen des grellen Buschs […] so harmlos es an sich war, irritierte ihn …“ 350 Das Aufsetzen des Helms wird bei Homer mit κυνέη oder τρυφάλεια beschrieben, meist in Formeln, z.B. ἀμφὶ δέ οἱ κυνέην κεφαλῆφιν ἔθηκεν (K 257, 261), κρατὶ δ’ ἐπ’ ἰφθίμωι κυνέην εὔτυκτον ἔθηκεν (Γ 336, Ο 480, Π 137, χ 123), κρατὶ δ’ ἐπ’ ἀμφίφαλον κυνέην θέτο τετραφάληρον (Ε 743, Λ 41). 95

Im Kontext des Athlos kommen Helme sowohl bei Rüstung und Wappnung, als auch in der Schilderung des Athlos selbst vor: In der Rüstungsszene des Aietes folgt der Helm nach dem Panzer: χρυσείην δ’ ἐπὶ κρατὶ κόρυν θέτο τετραφάληρον / λαμπομένην (3, 1228–29).351 Apollonios variiert hier die Beschreibung der Wappnung Athenes in Ε 743–44 (κρατὶ δ’ ἐπ’ ἀμφίφαλον κυνέην θέτο τετραφάληρον / χρυσείην) durch Änderung der Wortfolge.352 Zudem setzt er wieder κόρυς an die Stelle von κυνέη. Jasons Helm wird an drei Stellen erwähnt. Allerdings dient er nicht als Rüstungsstück, sondern zum Aufbewahren der Drachenzähne:353 … ἕλε παμφανόωσαν / χαλκείην πήληκα θοῶν ἔμπλειον ὀδόντων … (3, 1280–81). Eine sprachliche Parallele ist Z 472–73, wo das Absetzen eines Helms beschrieben wird (s.u.): κόρυθ’ εἵλετο […] παμφανόωσαν. Das Epitheton χάλκειος ist in M 184 und Y 398 mit dem Synonym κόρυς verbunden.354 Die κυνέη findet auch bei Homer Verwendung als Aufbewahrungsgefäß, sie dient „als Behältnis beim Losen“.355 Für πήληξ aber ist ein solcher Gebrauch nicht belegt.356 Das Ablegen des Helms vor dem Anjochen der Stiere (κυνέην δ’ ἀποκάτθετ’ ἐρείσας (3, 1287)) wirkt wie das homerische Ablegen eines Helms in verkürzter Form. Dort heißt es z.B. ἀπὸ κρατὸς κόρυθ’ εἵλετο […] / καὶ τὴν μὲν κατέθηκεν ἐπὶ χθονὶ … (Z 472–73).357 Das Kompositum ἀποκατατίθημι ist bei Apollonios zuerst belegt.358 Jason lehnt (ἐρείσας)359 seinen Helm vermutlich an die zuvor erwähnte Lanze (…ὄβριμον ἔγχος ἔπηξεν / ὀρθὸν ἐπ’ οὐριάχῳ (3, 1286–87)), damit die darin aufbewahrten Zähne nicht herausfallen.360 In der Ilias werden der Helm und mit ihm 351 Vorbildstellen zu κόρυν […] λαμπομένην s. zu 2, 1069. Der Akkusativ κόρυν ist nur in N 131 und Π 215 belegt, sonst steht bei Homer κόρυθα. 352 E 743 wiederholt sich noch einmal bei der Rüstung des Agamemnon in Λ 41. 353 Gillies (1928) 124 nimmt an, dass Jason mit zwei Helmen in den Athlos geht, einen, den er ständig trägt, und einen, in dem er die Zähne aufbewahrt und die anderen Tätigkeiten ausführt: „His own helmet, of course, he would be wearing all the time.“ Diese These lässt sich aber anhand des Textes nicht belegen. 354 πήληξ hat bei Homer dreimal das Epitheton φαεινός bei sich (N 527, 805, Π 105), steht sonst aber ohne Attribut. 355 G. Markwald, LfgrE 2, 1590, 61–64, nennt Γ 316, Η 176, 182, 187, Ψ 861, κ 206. 356 πήληξ steht in der Ilias immer im Zusammenhang mit dem Fall eines Kriegers oder Waffenraub (s. G. Markwald LfgrE 3, 1225, 65–1226, 24). 357 Ähnlich auch: αὐτίκ’ ἀπὸ κρατὸς κυνέην εὔτυκτον ἔθηκα (ξ 276), εἰ δέ κεν ἀσπίδα μὲν καταθείομαι ὀμφαλόεσσαν / καὶ κόρυθα βριαρήν, δόρυ δὲ πρὸς τεῖχος ἐρείσας … (X 111–12). 358 TLG, Bd I.2, 1463–64. LSJ s.v.: „lay aside“. DGE s.v. nennt auch Belegstellen bei Nonnos und in einem Papyrus aus dem 3. Jh. Bei Apollonios ist das Verb auch in 3, 817 belegt. 359 ἐρείδω ist auch bei Homer einmal mit einem Helm als Objekt verbunden: ἀσπὶς ἄρ’ ἀσπίδ’ ἔρειδε, κόρυς κόρυν, ἀνέρα δ’ ἀνήρ (N 131, Π 215). Dazu R. Führer, LfgrE 2, 685, 45: „Schild stieß an (eigtl. stützte) Schild “. 360 Hunter (1989) 242: „so that nothing is spilled“. 96

die anderen Waffen bei Kapitulation (z.B. X 111–12) oder zur Kampfpause (z.B. von Hektor beim Gespräch mit Andromache in Z 472–73) abgelegt. Jasons nimmt den Helm nach dem Anjochen wieder auf: καὶ γέντο θοῶν ἔμπλειον ὀδόντων / πήληκα βριαρὴν δόρυ τ’ ἄσχετον (3, 1321–22). Die Wiederholung der Junktur θοῶν ἔμπλειον ὀδόντων aus 3, 1281 betont die Funktion des Helms als Aufbewahrungsgefäß. πήληξ hat auch hier mit βριαρός ein Epitheton, das im homerischen Epos nur bei Synonymen steht (sechsmal bei κόρυς (z.B. Λ 375), einmal bei τρυφάλεια (Τ 380–81). Nach der Aussaat der Zähne erhält der Helm einen neuen Verwendungszweck: Er dient zum Wasserschöpfen: Ὁ δ’ ἐκ ποταμοῖο ῥοάων / αὐτῇ ἀφυσσάμενος κυνέῃ σβέσεν ὕδατι δίψαν (3, 1348–49). Mit (ἐν) κυνέῃ wird bei Homer das Sammeln der Lose im Helm beschrieben, z.B. Γ 316. Die Wendung ἀφύσσαμαι ὕδωρ kommt dreimal in der Odyssee vor (δ 359, ι 85, κ 56). Die Metapher σβέσεν δίψαν scheint vor Apollonios nicht belegt zu sein.361 Motivisch erinnert die Stelle an eine Szene in der Schildbeschreibung der Ilias. Dort trinken Pflüger nach dem Pflügen Wein (Σ 545–46). Durch diesen Bezug wird die rustikale Atmosphäre der Athlos-Szene noch verstärkt.362 Gleichzeitig wird damit der Einsatz des Rüstungsstückes ironisch beleuchtet.363 Jasons Helm wird nach dem Einsatz als Schöpf- und Trinkgefäß nicht wieder erwähnt. Dagegen ist die Beschreibung der bewaffneten Erdgeborenen auf dem Temenos des Ares homerisch gestaltet: … φρῖξεν δὲ περὶ στιβαροῖς σακέεσσιν δούρασί τ’ ἀμφιγύοις κορύθεσσί τε λαμπομένῃσιν Ἄρηος τέμενος φθισιμβρότου· (3, 1355–57)

Prätext ist vermutlich N 339–43: ἔφριξεν δὲ μάχη φθεισίμβροτος ἐγχείηισι μακρῆις, ἃς εἶχον ταμεσίχροας· ὄσσε δ’ ἄμερδεν αὐγὴ χαλκείη κορύθων ἄπο λαμπομενάων θωρήκων τε νεοσμήκτων σακέων τε φαεινῶν, ἐρχομένων ἄμυδις.

Als Parallele zu κορύθεσσί λαμπομένῃσιν findet sich außer Π 70–71 und N 341 auch P 269: λαμπρῆισιν κορύθεσσι. Das Verb φρίσσω bezeichnet bei Homer das Strotzen der Feldfrüchte (Ψ 599),364 bisweilen aber auch metaphorisch die aufrecht

361 Ardizzoni (1958) 239, so auch Hunter (1989) 248: „the image is not found before A., although thirst is frequently associated with fire.“ 362 Zur rustikalen Atmosphäre in der Szene s. unter 1a. (π(τ)όλεμος, zu 3, 1386–90). 363 Dazu Hunter (1989) 248: „That the helmet which had just held the magical teeth is put to this homely use […] is an effect typical of Hellenistic poetry“. Faerber (1932) 52: αὐτῇ ἀφυσσάμενος κυνέῃ ein ohne Scheu vor dem αἰσχρόν realistischer Zug.“ 364 LSJ s.v. I.1: „to be rough or uneven on the surface, bristle“. 97

stehenden Lanzen in Beschreibungen von Schlachtschauplätzen, z.B. τῶν δὲ στίχες εἵατο πυκναί / ἀσπίσι καὶ κορύθεσσι καὶ ἔγχεσι πεφρικυῖαι (H 61–62).365 Bei Apollonios kommen beide Bedeutungen zum Tragen, da die Erdgeborenen in der Episode als Feldfrüchte dargestellt werden.366

Zusammenfassung Bei der Zuordnung der Epitheta konstruiert Apollonios meist neue Junkturen durch Synonymtausch, z.B. καλὴ τετράφαλος πήληξ, χαλκείην πήληκα und πήληκα βριαρὴν. Auch in typischen Szenen (z.B. Helmaufsetzen) werden die bei Homer gängigen Begriffe durch Synonyme ersetzt. Die meisten Belegstellen finden sich im Kontext von Wappnung und Rüstung. Doch weder die Helme der Argonauten in der Ares-Vögel-Episode noch der Helm Jasons im Athlos dienen zu Kampfzwecken. Nur die homerisch ausgerüsteten Erdgeborenen stehen kurz vor einem Kampf, in dem sie sich aber gegenseitig töten.

c. Schilde ἀσπίς kommt bei Homer an 96 Stellen vor (Ilias 93, Odyssee 3 Stellen), meist in Kampfschilderungen auf der Erzählebene, an 11 Iliasstellen und einmal in der Odyssee in Reden. σάκος (insgesamt 79 Stellen) findet sich in der Ilias an 67 Stellen, wird aber in der Odyssee mit 12 Stellen häufiger gebraucht als ἀσπίς.367 Dort steht das Wort öfter in Reden (7 Stellen) als in der Ilias (4 Stellen).

Bei Apollonios ist ἀσπίς an 9, σάκος an 13 Stellen belegt: Ein Schild begegnet zuerst in der Mantelekphrasis im ersten Buch. Auf dem Mantel Jasons ist Aphrodite dargestellt, die den Schild des Ares in der Hand hält: … Κυθέρεια / Ἄρεος ὀχμάζουσα θοὸν σάκος (1, 742–43). Die Junktur θοὸν σάκος findet sich bei Homer nicht, das Epitheton θοός steht dort bei βέλος (χ 83) oder Personen (Krieger, Ares, z.B. E 430, N 295).368 Auch das Verb ὀχμάζω kommt bei Homer nicht vor.369 Laut

365 Imitiert wird dieses Bild der starrenden Waffen dann von Vergil Aen. 7, 525. 366 Fantuzzi/Hunter (2004) 279–80. 367 G. Markwald, LfgrE 4, 64, 23–24 (zu σάκος): „Schild, Schutzwaffe, dementspr. im frgE weit häufiger schützend dargestellt als versagend“. C. Calame – B. Mader, LfgrE 1, 1427, 38–62 erklären, der Ausdruck σάκος sei „poetischer u. heroischer“, während ἀσπίς sich „in der Umgangssprache, aus der σάκος später verschwand, zur allg[emeinen] Schildbez[eichnung]“ entwickelte. S. dort auch zur Diskussion über Material und Form der Schilde (1428, 32–1430, 36). 368 Zur Diskussion um die Bedeutung von θοός in 1, 743 s. Rengakos (1994) 98. 369 Lt. LSJ s.v. ist ὀχμάζω mit der Bedeutung „grip fast“ in der Tragödie belegt (Ps.Aischyl. Prom. 5, 618, 621, Eur. Kykl. 484, El. 817, Or. 265), mit der Bedeutung „bear, carry“ zuerst an dieser Stelle bei Apollonios, dann bei Oppian hal. 3, 374. 98

den Scholien steht ὀχμάζω in der nachhomerischen Literatur meist im kriegerischen Kontext.370 In der Ekphrasis wird zudem beschrieben, wie Aphrodite sich in dem Schild spiegelt: τὸ δ’ ἀντίον ἀτρεκὲς αὔτως / χαλκείῃ δείκηλον ἐν ἀσπίδι φαίνετ’ ἰδέσθαι (1, 745–46). Bei Homer findet sich: ἀσπίδα […] χαλκείην (M 294–95). Der Ausdruck ἐν ἀσπίδι begegnet bei Homer nur in Ξ 377 und bezeichnet die Deckung mit dem Schild: ὃ δ’ ἐν ἀσπίδι μέζονι δύτω. Apollonios versetzt mit diesem Bild einen kriegerischen Gegenstand in den Bereich der Schönheit und Erotik. Der Schild des Kriegsgottes wird zum Spiegel der Liebesgöttin. Bei Kallimachos hält Aphrodite dagegen einen normalen Spiegel in den Händen: Κύπρις δὲ διαυγέα χαλκὸν ἑλοῖσα (lav. Pall. 21).371 Homerisch wirkt der Einsatz von Schilden beim Kampf der Argonauten gegen die Dolionen: Σὺν δ’ ἔλασαν μελίας τε καὶ ἀσπίδας ἀλλήλοισιν (1, 1026). Es finden sich wörtliche Anklänge an zwei identische Iliasstellen, die jeweils auch einen Kampfbeginn beschreiben: σύν ῥ’ ἔβαλον ῥινούς, σὺν δ’ ἔγχεα καὶ μένε’ ἀνδρῶν χαλκεοθωρήκων· ἀτὰρ ἀσπίδες ὀμφαλόεσσαι ἔπληντ’ ἀλλήληισι, πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ὀρώρει. (Δ 447–49, Θ 61–63)

Das Verb ἐλαύνω hat bei Homer jedoch keinen Schild als Objekt bei sich.372 Nach dem Kampf auf der Dolioneninsel werden beim Waffentanz zu Ehren des getöteten Kyzikos Schilde aneinander geschlagen: ἄμυδις δὲ νέοι Ὀρφῆος ἀνωγῇ σκαίροντες βηταρμὸν ἐνόπλιον εἱλίσσοντο  καὶ σάκεα ξιφέεσσιν ἐπέκτυπον, … (1, 1134–36)

Die Stelle erinnert an den Waffentanz der Amazonen, der im Artemis-Hymnos des Kallimachos beschrieben wird: αὐταὶ δ’, Οὖπι ἄνασσα, περὶ πρύλιν ὠρχήσαντο πρῶτα μὲν ἐν σακέεσσιν ἐνόπλιον, αὖθι δὲ κύκλῳ στησάμεναι χορὸν εὐρύν· (Artem. 240–42)

370 Sch. zu 1, 743: ὀχμάζουσα· κατέχουσα, βαστάζουσα, καίτοι μὴ οὖσα πολεμική, ἀλλ’ ὡς ἐραστῇ χαριζομένη. […] κυρίως δὲ λέγεται τὸ ἐν μάχῃ κρατῆσαι, ἀπὸ τῆς αἰχμῆς. Jedoch sind bei LSJ zu dieser Verwendung keine Belegstellen angegeben. 371 Manakidou (1993) 106–7, mit Hinweis auf motivische Parallelen in hellenistischer Literatur (ebd. 106, Anm. 18 u. 20): Das Bild der bewaffneten Aphrodite kommt oft in hellenistischen Epigrammen vor (AP 9, 321; 16, 171 und 173–77). Dazu auch Huber (1926) 52–53, der jedoch nicht auf die Umfunktionierung des Schildes bei Apollonios eingeht. 372 In Υ 259 ist eine Lanze Objekt, vgl. Nordheider LfgrE 2, 518, 48–54. Vgl. außerdem die Verbindung mit χαλκός (Ω 421) und ὀϊστός (E 399–400). 99

Eine Analogie besteht auch im aitiologischen Charakter des Tanzes in beiden Szenen: Die Schilderung des Waffentanzes bei Kallimachos ist umrahmt von zwei Hinweisen auf das an dieser Stelle erbaute Heiligtum der Artemis. Der Waffentanz ist als Kultakt mit der Errichtung des Kultbildes verbunden. In den Argonautika bildet die Kyzikos-Episode den Rahmen für mehrere Aitien wie hier das der Kulthandlungen für die Göttin Rhea, die ab diesem Ereignis in Phrygien mit Tamburin und Pauke gnädig gestimmt worden sei (1, 1138–39).373 In der Ares-Vögel-Episode werden sämtliche Waffen der Argonauten eingesetzt. Auch Schilde finden sich in der Anweisung des Amphidamas: δούρασί τε ξυστοῖσι καὶ ἀσπίσιν ἄρσετε νῆα (2, 1062). Das Verb ἀραρίσκω begegnet bei Homer in Beschreibungen von Kriegern, die sich dicht zu einer Phalanx aufstellen und eine Wand aus Schilden zur Abwehr bilden, und wird entweder mit Schilden und anderen Waffen als Instrumentalis (z.B. οἳ δ’ ἐπεὶ ἀλλήλους ἄραρον τυκτῆισι βόεσσιν (M 105))374 oder Objekt (ἄραρον κόρυθές τε καὶ ἀσπίδες ὀμφαλόεσσαι (Π 214)) konstruiert.375 In der Odyssee findet sich ἀραρίσκω aber auch in der allgemeinen Bedeutung ‚ausstatten mit‘,376 z.B. νῆ’ ἄρσας ἐρέτῃσιν ἐείκοσιν (α 280). Da es in den Argonautika nicht nur um die Ausstattung des Schiffes, sondern um Maßnahmen zur Abwehr und Deckung gegen die Ares-Vögel geht, ist es sehr wahrscheinlich, dass Apollonios hier ἀραρίσκω zur Beschreibung einer Phalanxbildung einsetzt.377 Dies zeigt sich deutlicher an den folgenden Belegstellen: In 2, 1072 setzen die Argonauten die Anweisung des Amphidamas in die Tat um: τοὶ δ’ αὖτ’ ἐγχείῃσι καὶ ἀσπίσι νῆ’ ἐκάλυψαν. Der Ausdruck ἀσπίσι καλύπτω hat homerische Vorbilder: Der Krieger in der Ilias schützt sich mit seinem Schild: ἀσπίδι ταυρείηι κεκαλυμμένος εὐρέας ὤμους (Π 360).378 An Stelle der Schultern des Kriegers, d.h. des Kriegers selbst, ist 373 Ausführlich dazu Manakidou (1993) 213–220 mit einem Vergleich der gesamten Szenen bei Kallimachos und Apollonios. 374 LSJ s.v. ἀραρίσκω A.I: „join together, fasten […] when they had knitted themselves one to another with their shields“. 375 Eine Wehrmauer aus Schilden und Lanzen wird auch in N 130 beschrieben: φράξαντες δόρυ δουρί, σάκος σάκεϊ προθελύμνωι. 376 LSJ s.v. A.III.1: „fit, equip, furnish with a thing“. H. Voss – E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1182, 71–72. „versehen mit, ausrüsten mit, nur Odyssee, meist nicht im technischen Sinn“. 377 Marxer (1935) 55–56 nimmt hier sogar die Bedeutung ‚bedecken‘ an, nach dem Vorbild in β 353: δώδεκα [sc. ἀμφιφορῆας] δ’ ἔμπλησον καὶ πώμασιν ἄρσον ἅπαντας. Vgl. LSJ s.v. ἀραρίσκω A.III.1: „fit all [the jars] with covers“ mit dem Hinweis auf die Apolloniosstelle. Dagegen Rengakos (1994) 54–55: „Die geläufige transitive Bedeutung des Verbums ,versehen, ausrüsten mit‘ […] genügt jedoch zur Erklärung der Argonautikastelle, zumal da in α 280 […] eine näherliegende Parallelstelle als β 353 besteht.“ 378 Der Dativ ἀσπίσι begegnet nur zweimal bei Homer (Γ 135, instrumental nur in Η 62). Zur Deckung anderer Krieger wird bei Homer häufiger das σάκος verwendet, „mit dem man besser als mit der ἀ. auch noch andere decken kann“ (C. Calame - B. Mader, LfgrE 1, 1432, 60–63), z.B. οἱ σάκος ἀμφεκάλυψεν (Θ 331, Ν 420), ἀμφὶ Μενοιτιάδηι σάκος εὐρὺ καλύψας (P 132). 100

bei Apollonios das Schiff das geschützte Objekt. Hier zeigt sich der Ansatz zu einer personifizierten Darstellung der Argo, die an anderen Stellen der Handlung deutlicher herausgearbeitet ist.379 Nach einem Gleichnis, das die Maßnahmen der Argonauten durch das Bild des Dachdeckens illustriert,380 wird die Phalanxbildung mit einer Variation der Formulierungen von 2, 1062 und 2, 1072 geschildert: ὣς οἵ γ’ ἀσπίσι νῆα συναρτύναντες ἔρεψαν (2, 1076). Das Verb συναρτύνω ist nur bei Apollonios belegt.381 Ähnlich wie in der Ares-Vögel-Episode dienen die Schilde später auch bei der Heimfahrt den Argonauten zum Schutz: τοὶ δὲ βοείας / ἀσπίδας ἡμίσεες δηίων θοὸν ἔχμα βολάων / προσχόμενοι … (4, 200–202). βοείας ἀσπίδας findet man auch bei Homer (E 452–53, M 425–26). Eine ähnliche Formulierung beschreibt in der Ilias, wie der Schild vor andere Krieger gehalten wird, um sie zu schützen: z.B. πρόσθε δέ οἱ δόρυ τ’ ἔσχε καὶ ἀσπίδα πάντοσ’ ἐΐσην (E 300, P 7).382 Als zweite Abwehrmaßnahme gegen die Ares-Vögel wird durch Aneinanderschlagen der Schilde Lärm erzeugt: σὺν κελάδῳ σακέεσσι πελώριον ὄρσετε δοῦπον (2, 1067), σακέεσσιν ἐπέκτυπον (2, 1081).383 Der durch aneinander krachende Waffen entstehende Lärm wird auch in der Ilias beschrieben (z.B. Π 635–37), entsteht dort aber durch die Kampfhandlung und wird nicht wie bei den Argonauten nur zur Abschreckung produziert. Sehr viele Belegstellen der Waffen finden sich in der zentralen Passage der Argonautika, der Athlos-Episode, sowie in deren weiterem Kontext wie z.B. der Rüstung des Aietes und den Instruktionen Medeas, die dem Athlos vorausgehen: Statt den Schild wie bei einer Rüstung anzulegen oder zu ergreifen schwingt Aietes ihn zusammen mit der Lanze wie kurz vor einem Angriff: Ἂν δὲ πολύρρινον νώμα σάκος, ἂν δὲ καὶ ἔγχος / δεινόν, ἀμαιμάκετον (3, 1231–32). Das Epitheton πολύρρινος ist hier zuerst belegt.384 Das Verb νωμάω ist bei Homer nur einmal mit einem Schild als Objekt verbunden: οἶδ’ ἐπὶ δεξιά, οἶδ’ ἐπ’ ἀριστερὰ νωμῆσαι βῶν / ἀζαλέην, τό μοί ἐστι ταλαύρινον πολεμίζειν (H 238–39). Beschrieben wird dort das Bewegen des Schildes von einer Hand zur anderen zur besseren Verteidigung während des Kampfes.385 Bei Aietes ist das Schwingen der Waffen nur Drohgebärde. Denn nach der Flucht der Argonauten hält Aietes immer noch seinen Schild in den 379 S. dazu z.B. 15l. (ἰάχω) und 15o. (Die Abfahrt der Argo). 380 Zum Gleichnis und zur gesamten Szene s. unter 15s. (Die Ares-Vögel-Episode). 381 In übertragener Bedeutung noch einmal in 4, 355, s. TLG, Bd. VII, 1246. Vgl. Sch. zu 2, 1076: συναρτύναντες· συναρμόσαντες. LSJ s.v.: „fit out, furnish with“. 382 Ähnlich auch: πρόσθεν δὲ σάκεα σχέθον ἐσθλοὶ ἑταῖροι (Δ 113), πάροιθεν / ἀσπίδας εὐκύκλους σχέθον αὐτοῦ (Ξ 427–28). 383 Der Dativ σακέσσι/σάκεσιν begegnet in Δ 282, Ρ 268, 354, ξ 479 und π 474. Das Verb ἐπικτυπέω ist bei Homer nicht belegt. 384 TLG, Bd. VI, 1417 mit 3, 1231 als einziger Belegstelle. LSJ s.v.: „with many hides“, s. auch Thiel (1996) 21. 385 W. Beck, LfgrE 3, 452, 6: „wield, ply staff“, LSJ s.v. νωμάω II.1: „of weapons, implements, etc. handle, wield“. 101

Händen, ohne ihn eingesetzt zu haben: ἐνὶ χειρὶ σάκος δινωτὸν ἀείρων (4, 222). Der Ausdruck σάκος ἀείρω kommt bei Homer nicht vor.386 Das Adjektiv δινωτός begegnet nur in N 406–7 als Epitheton eines Schildes: τὴν [sc. ἀσπίδα] ἄρ’ ὅ […] / δινωτὴν φορέεσκε.387 Zur Anweisung Medeas für den Gebrauch des Zaubermittels (πρὸς δὲ καὶ αὐτῷ δουρὶ σάκος πεπαλαγμένον ἔστω / καὶ ξίφος (3, 1046–47)) findet sich eine enge sprachliche Parallele in der Odyssee, wo der alte Schild des Laertes beschrieben wird: σάκος εὐρὺ γέρον, πεπαλαγμένον ἄζῃ (χ 184). Das Verb παλάσσω ist bei Homer sonst meistens in der Kampfessphäre mit αἷμα oder λύθρος im instrumentalen Dativ verbunden, z.B. παλάσσετο δ’ αἵματι θώρηξ (E 100).388 Bei der Präparierung der Waffen verwendet Apollonios dann das sonst nicht belegte Kompositum ἀμφιπαλύνω:389 φάρμακα μυδήνας ἠμὲν σάκος ἀμφεπάλυνεν / ἠδὲ δόρυ βριαρόν, περὶ δὲ ξίφος (3, 1247–48). Nach der Anwendung des Zaubermittels schwingt auch Jason Schild und Lanze: ἔνθα καὶ ἔνθα μετάρσιον ἴχνος ἔπαλλεν, / ἀσπίδα χαλκείην μελίην τ’ ἐν χερσὶ τινάσσων (3, 1263–64). Eine sprachliche Parallele findet sich in der BogenprobenSzene der Odyssee: [sc. τόξον] ἐνὶ χερσὶ / νωμᾷ ἔνθα καὶ ἔνθα (φ 399–400). Die Junktur ἀσπίδα χαλκείην ist in Μ 294–95 belegt. Das Verb τινάσσω hat aber bei Homer keinen Schild als Objekt bei sich.390 Auch der Ausdruck ἐν χερσί kommt dort nicht in Verbindung mit einem Schild vor. Motivisch gleicht das Verhalten Jasons dem eines homerischen Kriegers kurz vor dem Angriff. Er schwingt Arme, Beine und seine Waffen wie Achill in seiner Rüstungsszene in Τ 364–91, als er die Beweglichkeit seiner Glieder in der Rüstung prüft (T 384–85) und die Lanze zur Hand nimmt, die nur er schwingen kann (T 387–89). In den Argonautika wird die Rüstung durch die Anwendung des Zaubermittels ersetzt. Nur das Schwingen der Glieder und Waffen wird übernommen.

386 σάκος ἀείρειν findet sich dann in einem anonymen Epigramm: Τί μοι σάκος ἀντίον αἴρειν (AP 16, 174, 3) und bei Christodoros: σκαιῇ δὲ σάκος χαλκεῖον ἀείρειν (AP 2, 1, 293). 387 Hinweis auf N 406–7 auch bei Rengakos (1994) 70 und Hunter (2015) 112. 388 W. Beck, LfgrE 3, 940, 25–26: „(be)spatter (w.) adhesive body fluids, brains, catachr.: mould“ , nennt unter der Kategorie „thing bespattered armor w. blood […] w. mould“ (940, 51–54) nur Ε 100 und χ 184 als Belegstellen. 389 S. TLG, Bd. I.2, 245. DGE s.v.: „rociar por ambos lados“. LSJ s.v.: „sprinkle all over“. Das Simplex παλύνω wird bei Homer an sechs von sieben Stellen für das Streuen von Gerstenmehl verwendet, z.B. Λ 640. Zum Gebrauch des Wortes bei Homer vgl. die Ausführungen von Thiel (1996) 30–35 (s. auch 37–38), der eine rituelle Handlung annimmt und somit eine Parallele zwischen dem homerischen Gebrauch und der Apolloniosstelle zieht. 390 Als Objekte bei τινάσσω begegnen Lanze(n) (z.B. M 298), einmal ein Schwert (X 311), einmal die Aigis (P 595), die lt. M. van der Valck, LfgrE 1, 254, 72 „gelegentlich auch die Funktion eines Schildes erfüllt ([…] E 738, Φ 400)“. S. dazu auch H. Borchhardt, Arch. Hom. E 52. 102

Der dann folgende Aufbruch zum Athlos (δή ῥα τότε ξὺν δουρὶ καὶ ἀσπίδι βαῖν’ ἐς ἄεθλον (3, 1279)) erinnert an den Ansturm des Aeneas in einer Kampfszene:391 Αἰνείας δ’ ἀπόρουσε σὺν ἀσπίδι δουρί τε μακρῶι (E 297). Der Ausdruck σὺν ἀσπίδι, der bei Homer nur dort belegt ist, begegnet bei Apollonios auch in 3, 1288, wo Jason mit dem Schild bewaffnet den Stieren folgt:392 Βῆ δ’ αὐτῇ προτέρωσε σὺν ἀσπίδι. Im weiteren Verlauf der Erzählung wird der Schild bei unterschiedlichen Handlungen genannt: Jasons schützt sich vor dem Feuer der Stiere, indem er den Schild vor sich hält (Πρόσθε δέ οἱ σάκος ἔσχεν ἐναντίον (3, 1296)) und nimmt damit eine bei Homer typische Angriffshaltung ein, für die dort aber meistens ἀσπίς verwendet wird.393 Sprachlich ähnlich ist πρόσθεν δὲ σάκεα σχέθον (Δ 113); dort schützen aber Krieger mit ihren Schilden einen anderen Krieger. Vor dem Anjochen der Stieren wirft Jason seinen Schild zu Boden: Εὐρὺ δ’ ἀποπροβαλὼν χαμάδις σάκος (3, 1311). Das Verb ἀποπροβάλλω ist nur hier belegt.394 Homerische Parallelen sind: εὐρὺ […] σάκος in Λ 527 (s. auch χ 184), ὅ [sc. ξίφος] ῥ’ Ἀγέλαος ἀποπροέηκε χαμᾶζε in χ 327, … γυμνὸν, ἄτερ κόρυθός τε καὶ ἀσπίδος, οὐδ’ ἔχεν ἔγχος, / ἀλλὰ τὰ μέν ῥ’ ἀπὸ πάντα χαμαὶ βάλε in Φ 50–51. Nach dem Anjochen der Stiere legt Jason den Schild auf seinen Rücken: ὁ δ’ ἄρ’ αὖτις ἑλὼν σάκος ἔνθετο νώτῳ / ἐξόπιθεν (3, 1320–21). Für die Verbindung von ἑλεῖν und σάκος finden sich bei Homer mehrere Belege: z.B. χερσὶν ἑλὼν […] σάκος ὤμωι (O 474), σάκος εἷλε (Ξ 9).395 Der homerische Krieger wirft seinen Schild bei der Flucht auf den Rücken, wenn er sich vom Feind abwendet: ὄπιθεν δὲ σάκος βάλεν ἑπταβόειον (Λ 545).396 Der Schild hat dann die Funktion, den Krieger bei der Flucht zu schützen. Bei Jason erfüllt er jedoch nicht diesen Zweck. Da Jason die Stiere angejocht hat und nun beginnt, das Feld zu pflügen, besteht keine Gefahr, dass er von hinten angegriffen wird. Auch zur Wappnung gegen die Erdgeborenen ist der Schild noch nicht nötig. Denn nach dem Aussäen der Zähne ist sogar Zeit für eine Kampfpause. Eine genaue Funktion des Schildes ist in dieser Passage nicht erkennbar. Zum Schutz dient der Schild aber wieder in 3, 1369–70, wo Jason sich unter ihm verbirgt: αὐτὸς δ’ ὑφ’ ἑὸν σάκος ἕζετο λάθρῃ / θαρσαλέως· Diese Handlung ist auch 391 Zu ἐς ἄεθλον s. unter 6d. (Lanzen/Speere). 392 Gillies (1928) 124 vermutet, dass Jason auch die weiteren Waffen mit sich führt: „,shield and all‘, not ‚with shield alone‘“. 393 Z.B. πρόσθεν δ’ ἔχεν ἀσπίδα (N 157, 803). Weitere Formulierungen dieser Art: ἀσπίδα μὲν πρόσθ’ ἔσχετο (M 294, Φ 581), ἀσπίδα θοῦριν / πρόσθεν ἔχε στέρνοιο (Y 162–63), τὴν […] πρόσθε σχόμενος (M 298). Mit einem σάκος findet sich: πρόσθεν δὲ σάκος στέρνοιο κάλυψεν (X 313). Bei Fantuzzi/Hunter (2004) 274 zusätzlich der Hinweis auf E 300, P 7 (πρόσθε δὲ οἱ δόρυ ἔσχε καὶ ἀσπίδα): „…this echo once again underlines the paradox that Jason fights without using a spear.“ 394 S. TLG, Bd. I.2, 1624, DGE s.v.: „dejar caer lejos hacia adelante“, LSJ s.v.: „throw far away“. 395 S. außerdem O 125, T 374. 396 C. Calame - B. Mader, LfgrE 1, 1432, 71–72: „Bei der Abwendung vom Feind nimmt man den Schild auf den Rücken (häufig bei σάκος […])“, s. Z 117–18. 103

bei Homer gängig. Die einzige Parallele mit σάκος ist jedoch Θ 267: στῆ δ’ ἄρ’ ὑπ’ Αἴαντος σάκεϊ Τελαμωνιάδαο. Öfter begegnet ἀσπίς in diesem Zusammenhang, z.B. N 405: κρύφθη γὰρ ὑπ’ ἀσπίδι πάντοσ’ ἐΐσηι).397 Wie auch bei Homer üblich verwendet Apollonios in einer zusammenhängenden Passage der Erzählung immer denselben Begriff für Jasons Schild.398 Vor Beginn des Athlos wird ἀσπίς gebraucht (3, 1264, 1279, 1288), bei der Aristie selbst (ab 3, 1296) jedoch durchgehend σάκος. In der Beschreibung des vor bewaffneten Erdgeborenen strotzenden Temenos des Ares werden auch Schilde genannt: στιβαροῖς σακέεσσιν (3, 1355).399 Vorbild für diese Junktur ist der formelhafte Ausdruck σάκος μέγα τε στιβαρόν τε (fünfmal, z.B. Γ 335).

Zusammenfassung Apollonios greift an den untersuchten Belegstellen oft auf singuläre oder seltene homerische Junkturen und Konstruktionen zurück, z.B.: ἀσπίδα χαλκείην, εὐρὺ σάκος, ἐν ἀσπίδι, σὺν ἀσπίδι, ὑφ’ ἑὸν σάκος. Weiterhin kombiniert er ἀσπίς und σάκος mit sonst nicht belegten Wörtern wie πολύρρινος, ἀμφιπαλύνω, ἀποπροβάλλω oder Wörtern, die bei Homer nicht vorkommen, z.B. ὀχμάζω, ἐπικτυπέω. Außerdem bildet er Junkturen mit Wörtern oder Ausdrücken, die sich bei Homer nicht in Verbindung mit einem Schild finden, z.B. ἐλαύνω, ἀείρω, τινάσσω, ἐν χερσί, θοός. Der Schild wird in den Argonautika zur Rüstung und Abwehr, jedoch mit Ausnahme der Schlacht gegen die Dolionen nicht im kriegerischen Kampf verwendet. Viele Belegstellen sammeln sich in denselben Passagen wie die der Helme: In der Ares-Vögel-Episode, bei der Rüstung des Aietes, beim Athlos. Eine besondere Verwendung findet der Schild des Ares, der in der Ekphrasis Aphrodite als Spiegel dient.

d. Lanzen / Speere Die beiden geläufigsten Begriffe für ‚Lanze, Speer‘ sind bei Homer δόρυ (als Waffe: Ilias 216, Odyssee 27 Stellen) und ἔγχος (Ilias 205, Odyssee 35 Stellen).400 Das Wort δόρυ hat die ursprüngliche Bedeutung ‚Baumstamm‘ oder ‚Holzbalken‘,401 mit der es bei Homer in Relation zur Gesamtmenge der Belegstellen (Ilias 222, Odyssee 39 Stellen) selten

397 Auch Kampfhandlungen finden ὑπ’ ἀσπίδος statt (Λ 259, 424). Außerdem begegnet bei Homer der Ausdruck ὑπασπίδια (dreimal, z.B. ὑπασπίδια προποδίζων (N 158)). 398 G. Markwald, LfgrE 4, 65, 21–23: „die Aufteilung (σ.- ggüber ἀσπίς-Trägern) auf Einzelpersonen od. Personengruppen ist im wesentl., m. nur wenigen Ausn., stimmig durchgeführt.“ Trümpy (1950) 31–32, s. auch ebd. 125: „Wenn σάκος und ἀσπίς in unmittelbarer Nähe stehen, dann bezeichnen sie mit einer einzigen Ausnahme nie die Waffe des nämlichen Trägers“. S. dazu auch H. Borchard, Arch. Hom. E 5. 399 Vollständiges Zitat und homerische Parallelstellen s. unter 6b. (Helme). 400 W. Beck, LfgrE 2, 392, 69. 401 W. Beck, LfgrE 2, 337, 20: „a long piece of wood “. 104

verwendet wird, meistens in der Odyssee.402 Die aus der Grundbedeutung entwickelte Bedeutung ‚Lanzenschaft‘ wird als pars pro toto zu einer Bezeichnung für den ganzen Speer.403 Bei δόρυ handelt es sich im Unterschied zu ἔγχος eher um einen Wurfspeer, der seltener zusammen mit σάκος-Trägern auftaucht, dagegen öfter in Verbindung mit βάλλω steht und auch im Dual vorkommt (ἔγχος nicht), was auf die Handhabung von zwei Wurfspeeren schließen lässt.404 Beide Wörter begegnen meistens in Kampfbeschreibungen auf der Erzählebene, seltener in Reden.405 Weniger häufig tauchen die weiteren Begriffe für Speer oder Lanze auf:406 ἐγχείη (Ilias 21, Odyssee 2 Stellen) ist etymologisch verwandt und bedeutungsgleich mit ἔγχος.407 Das Wort findet sich meist in Kampfschilderungen, an 6 Iliasstellen auch in Reden. ἄκων (Ilias 17, Odyssee 4 Stellen) wird bei Homer nicht mehr in seiner ursprünglichen Bedeutung ‚Speerspitze‘ verwendet, sondern nur noch als Bezeichnung für ‚Speer‘. Er wird „als Wurfwaffe im Kampf gegen Menschen und Tiere“ eingesetzt,408 findet sich aber meistens im kriegerischen Kontext, an 2 Ilias- und 2 Odysseestellen auch in Reden. μελίη (Ilias 13 Stellen, Odyssee 3 Stellen) bedeutet ‚Esche‘ (als Baum) und begegnet in dieser Bedeutung zweimal in der Ilias (Ν 178, Π 767). Speziell bezeichnet μελίη aber den „Lanze(nschaft) aus Eschenholz“,409 somit also auch die ‚Lanze‘. Das Wort findet sich fast immer in Kampfbeschreibungen. ξυστόν kommt sechsmal in der Ilias auf der Erzählebene vor und bedeutet eigentlich „das Geglättete unmittelbar vom Schaft“, ist aber bei Homer „ausschließl. pars pro toto für die Lanze […] bzw. den ‚Schiffsspeer‘“, und fungiert „in beiden Varianten nur [als] Nahkampfwaffe“ und damit als Synonym für ἔγχος.410

402 W. Beck, LfgrE 2, 337, 20–21 zählt unter die Gruppe 1: „a tree-stalk, a timber (for building i.e. beam, plank etc.)“ 6 Ilias- und 12 Odysseestellen (337, 26–54), die meistens in Zusammenhang mit dem Schiffsbau stehen (oft: δόρυ νήϊον). 403 W. Beck, LfgrE 2, 337, 54. In nachhomerischer Zeit bezeichnet ἔγχος auch andere Waffen, z.B. Schwert (Soph. Ai. 287), Pfeile (Pind. Pyth. 9, 28), Feuer (Eur. Herakl. 1098), s. dazu LSJ s.v., DGE s.v. I.2 und Rengakos (1994) 74. 404 W. Beck, LfgrE 2, 337, 58–66. 405 δόρυ steht in der Ilias an ca. 20 %, in der Odyssee an ca. 37 % der Stellen, an denen das Wort eine Waffe bezeichnet, in Reden. Bei ἔγχος sind es in beiden Epen jeweils 16–17 % der Belege). 406 Die von diesen Wörtern am häufigsten verwendete αἰχμή (33 Stellen Ilias) und auch andere Wörter dieser Wortfamilie, die bei Homer belegt sind (z.B. αἰχμητής, αἰχμάζω), kommen in den Argonautika nicht vor. 407 W. Beck, LfgrE 2, 392, 6. 408 Cl. Willeke, LfgrE 1, 447, 24–27. 409 H.W. Nordheider LfgrE 3, 107, 44. 410 B. Mader, LfgrE 3, 477, 29–33. 105

In den Argonautika ist δόρυ an 34 Stellen belegt, davon an 13 Stellen in der Bedeutung ‚Holzbalken‘, meist in Zusammenhang mit dem Schiffsbau. An den anderen 21 Stellen heißt δόρυ ‚Speer‘. ἔγχος dagegen findet sich mit 4 Stellen sehr selten. Für ἐγχείη gibt es drei, für ἄκων und μελίη jeweils zwei Belegstellen, ξυστόν kommt einmal vor. Die erste Belegstelle begegnet im Argonautenkatalog, wo Iphiklos als besonders kriegstüchtig charakterisiert wird: εὖ μὲν ἄκοντι, / εὖ δὲ καὶ ἐν σταδίῃ δεδαημένος ἀντιφέρεσθαι, / Θεστιάδης Ἴφικλος … (1, 199–201). An der homerischen Vorbildstelle heißt es über Thoas: ἐπιστάμενος μὲν ἄκοντι (O 282).411 Iphiklos setzt jedoch seine Kampfkraft in den Argonautika nicht ein.412 Im weiteren Verlauf des ersten Buches hebt Idas seine eigene Tapferkeit in einer Rede auf prahlerische Weise hervor und kündigt seinen künftigen Ruhm an: Ἴστω νῦν δόρυ θοῦρον, ὅτῳ περιώσιον ἄλλων / κῦδος ἐνὶ πτολέμοισιν ἀείρομαι, οὐδέ μ’ ὀφέλλει / Ζεὺς τόσον ὁσσάτιόν περ ἐμὸν δόρυ (1, 466–68). Die Junktur δόρυ θοῦρον begegnet nicht bei Homer,413 ἐμὸν δόρυ jedoch zweimal (Θ 111, Ν 830). Idas ruft hier seinen Speer als Zeugen seines Schwurs an wie Hektor in Κ 329 Zeus anruft: ἴστω νῦν Ζεὺς αὐτός. Der Erwerb von Ruhm als uneingeschränkte Eigenleistung des Menschen widerspricht der homerischen Vorstellung, dass Ruhm von den Göttern gewährt wird.414 So findet sich auch bei Homer kaum ein instrumentaler Dativ - wie hier bei Apollonios -, der ausdrückt, mit welchem Mittel der Mensch sich κῦδος erwirbt. Nur an einer Stelle heißt es im Irrealis: Ἀργεῖοι δέ κε κῦδος ἕλον καὶ ὑπὲρ Διὸς αἶσαν / κάρτεϊ καὶ σθένεϊ σφετέρωι (P 321–22). Im Vertrauen auf seinen Speer und mit dem Zweifel am Beistand der Götter gleicht Idas aber z.B. Parthenopaios bei Aischylos: ὄμνυσι δ’ αἰχμὴν ἣν ἔχει, μᾶλλον θεοῦ / σέβειν πεποιθὼς (sept. 529–30).415 Mit dieser Haltung vergleichbar ist auch die fehlende Gottesfurcht der Kyklopen in der Odyssee (ι 275–76). Der Speer des Idas wird dann aber nur gegen einen angreifenden Eber in Szene gesetzt:416

411 Vasilaros (2004) 157 weist darauf hin, dass ἄκοντι für den Fernkampf mit den leichten Wurfspeeren stehe, während ἐν σταδίῃ den Nahkampf bezeichne. 412 S. dazu auch unter 1e. (σταδίη). 413 θοῦρος steht bei Homer zweimal neben ἀσπίς (Λ 32, Υ 162), sonst aber immer neben Ἄρης oder ἀλκή. 414 S. dazu auch unter 1a. (π(τ)όλεμος, zu 1, 466–67). 415 Fränkel (1960) 8 nennt als Vorbild noch den Lanzeneid des Lapithen Kaineus. 416 Idas wird zwar im Katalog der Kämpfer in der Schlacht gegen die Dolionen aufgezählt (1, 1044). Die meiste Aufmerksamkeit erregt er aber durch seine Kritik an der defensiven Haltung Jasons und der Argonauten (s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 1k. (πολεμήϊος)). Auch sein Versuch, bei der Waffenprobe mit seinem Schwert die Lanze Jasons zu zerschlagen, scheitert (2, 1252–53, s. unter 6e. (Schwerter)). Pietsch (1999) 140 und Anm. 158 weist auf „Idas’ primitive[.] Vorstellungen vom Heroentum, das für ihn in gewalttätiger Kraftanwendung besteht“ hin, interpretiert seine Charakterisierung aber „nicht als generelle Kritik 106

ἔσσυτο δ’ αὖτις ἐναντίος· ἀλλά μιν Ἴδας οὔτασε, βεβρυχὼς δὲ θοῷ περικάππεσε δουρί. (2, 830–31).

Das Epitheton θοός, das Apollonios auch in 1, 743 für einen Schild verwendet, steht bei Homer nicht neben Waffen,417 begegnet aber als Adverb beim Gebrauch von Waffen, z.B. ἀκόντισε δουρὶ θοῶς (E 533). Die Wendung περικάππεσε δουρί ist ohne Vorbild.418 Ähnliche Szenen beschreiben in der Ilias einen getroffenen Krieger, z.B. ὃ δε σχόμενος περὶ δουρί / ἤσπαιρ’ (N 570–71)419 oder δὴ τότε γ’ αὖον ἄϋσεν ἐρεικόμενος περὶ δουρί. / δούπησεν δὲ πεσών (N 441–42). Dort schreit das getroffene Opfer, während der Körper um den Speer herum zerbirst, bevor er fällt. Eine Parallele begegnet auch bei Sophokles. Dort ist die Waffe ein Schwert: πεπτῶτα τῷδε περὶ νεορράντῳ ξίφει (Ai. 828). Der Prätext der Eberkampfes-Szene in den Argonautika ist offensichtlich der Eberkampf des Odysseus in der Odyssee (τ 439–54), wo Vokabular und Wortfolge der Argonautikastelle weitgehend entsprechen. Dort stellt sich der Eber Odysseus und seinen Gefährten entgegen (ὁ δ’ ἀντίος […] στῆ ῥ’ αὐτῶν σχεδόθεν), dann greift Odysseus ihn als Erster an, indem er mit dem Speer auf ihn zu stürmt (…Ὀδυσσεὺς / ἔσσυτ’ ἀνασχόμενος δολιχὸν δόρυ χειρὶ παχείῃ, / οὐτάμεναι μεμαώς). Nachdem der Eber Odysseus verletzt hat, trifft der ihn aber mit seinem Speer tödlich (τὸν δ’ Ὀδυσεὺς οὔτησε), so dass er fällt (κὰδ δ’ ἔπεσ’ ἐν κονίῃσι μακών). Ähnliche Analogien lassen sich auch zu einer weiteren Szene in der Odyssee feststellen. Dort wird ein gegen Odysseus anstürmender Freier von Telemachos getroffen und fällt: Ἀμφίνομος δ’ Ὀδυσῆος ἐείσατο κυδαλίμοιο ἀντίος ἀΐξας, εἴρυτο δὲ φάσγανον ὀξύ, εἴ πώς οἱ εἴξειε θυράων. ἀλλ’ ἄρα μιν φθῆ Τηλέμαχος κατόπισθε βαλὼν χαλκήρεϊ δουρὶ ὤμων μεσσηγύς, διὰ δὲ στήθεσφιν ἔλασσε· δούπησεν δὲ πεσών, … (χ 89–94)

Apollonios evoziert also mit der Beschreibung des Eberkampfes homerische Szenen wie den Eberkampf der Odyssee, aber auch Formulierungen aus Schlachtschilderungen der Ilias. In der Lemnos-Episode finden sich zwei Belegstellen: In der Mantelekphrasis wird der Angriff des Oinomaos auf Pelops bei einem Wagenrennen beschrieben: προτενὲς δόρυ χειρὶ μεμαρπώς (1, 756). Das Verb μάρπτω begegnet bei Homer nicht im Zusammenhang mit Waffen. Das Adjektiv προτενής ist hier zuerst am alten, homerischen Heldentum“, sondern als Kritik „gegen ein depraviertes Heldenverständnis“. 417 Einmal findet sich: πῆξε θοὸν βέλος (χ 83), vgl. dazu 6c. (Schilde, zu 1, 743). 418 Siehe dazu unter 11b. (πίπτω). 419 AHC z. St.: „ἑσπόμενος dem Stoß nachgebend d. i. unter demselben hinsinkend, περὶ δουρὶ d. i. den Speer im Leib“. 107

belegt.420 Ähnlich formuliert ist eine Stelle aus der Odyssee: ἀνασχόμενος δολιχὸν δόρυ χειρὶ … (τ 448). Vor dem Gang zu Hypsipyle ergreift Jason seine Lanze: Δεξιτερῇ δ’ ἕλεν ἔγχος ἑκηβόλον. ὅ ῥ’ Ἀταλάντη / Μαινάλῳ ἔν ποτέ οἱ ξεινήιον ἐγγυάλιξε (1, 769–70). Die Junktur ἔγχος ἑλεῖν kommt bei Homer häufig vor, z.B. εἵλετο δ’ ἄλκιμον ἔγχος (achtmal, z.B. Γ 338) und εἵλετο δ’ ἔγχος (zweimal, K 24, 178). Sprachlich ähnlich ist auch τῆι δ’ ἑτέρηι ἔχεν ἔγχος ἀκαχμένον (Φ 72). Das Ergreifen der Lanze ist bei Homer der „Abschluss der Rüstung oder des Sich-Anziehens zum Ausgang“, so z.B. bei der Rüstung des Agamemnon in Λ 43–44: εἵλετο δ’ ἄλκιμα δοῦρε δύω, κεκορυθμένα χαλκῶι / ὀξέα·421 Die Junktur ἔγχος ἑκηβόλον ist neu und auffällig, da es sich bei ἔγχος eher um eine Nahkampfwaffe handelt, ἑκηβόλος aber in Zusammenhang mit Schusswaffen zu finden ist.422 Bei Homer ist ἑκηβόλος (neunmal in der Ilias) außerdem immer Epitheton oder Antonomasie Apollons (so auch bei Apollonios in 1, 420).423 Dadurch wird Jason in Beziehung zu Apollon gesetzt, worauf zwei Vergleiche auch explizit hinweisen (1, 307–10; 3, 1283). Da das tertium comparationis die männliche Schönheit ist, wird damit der Bogen zur Begegnung mit Hypsipyle geschlagen. Der Hinweis, dass die Lanze ein Geschenk der Atalante ist (1, 770), weist ebenso auf den erotischen Kontext hin, kontrastiert aber andererseits mit der Rüstung des Aietes, dessen Panzer ein Geschenk des Ares ist.424 Auf der Dolioneninsel werden Speere als Waffen eingesetzt, z.B. beim Töten der Erdgeborenen: ἥπτοντο φόνοιο / Γηγενέων ἥρωες ἀρήιοι, ἠμὲν ὀιστοῖς / ἠδὲ καὶ ἐγχείῃσι δεδεγμένοι (1, 999–1001). Die Formulierung ist homerisch: δεδεγμένος ἔγχεϊ (O 745), τόξοισι δεδεγμένος (Θ 296).

420 LSJ s.v.: „of a spear, in rest, couched“, nennt als Beleg nur diese Stelle bei Apollonios. Nach Vasilaros (2004) 267 ist προτενής ein hapax bzw. proton legomenon, später imitiert von Oppian (hal. 2, 122, kyn. 2, 304), Nonnos (Dion. 25, 411). 421 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 356, 62. Vasilaros (2004) 270 und Vian (Bd. 1, 1976) 83, Anm. 2, weisen darauf hin, dass Apollonios hier wie auch in anderen Szenen (z.B. durch ἀμφ’ ὤμοισι beim Anlegen des Mantels in 1, 721, vgl. die Rüstung Agamemnons in Λ 29) homerischen Bewaffungsszenen folgt. So auch Vian (Bd. 1, 1976) 86, Anm. 1: „Apollonios se souvient encore […] des scènes homériques de l‘ armement du guerrier.“ Zimmermann/Rengakos (2014) 163: „Jasons Ankleidung für sein Treffen mit Hypsipyle entspricht der Vorbereitung eines homerischen Kriegers auf die Schlacht.“ Fränkel (1968) 104 dagegen vermisst die Funktion der Lanze an dieser Stelle: „aber sie bleibt doch für ihn entbehrlich, denn das weit auffälligere Prachtgewand hätte vollauf genügt.“ 422 LSJ s.v. ἑκηβόλος: „attaining his aim“. Zu ἔγχος als Nahkampfwaffe s. H.-G. Buchholz, Arch. Hom. E 314. 423 Als Epitheton für Waffen kommt ἑκηβόλος aber in der Tragödie vor, und zwar für Bogen (Aischyl. Eum. 628, Ps.-Aischyl. Prom. 711) und Schleudern (Eur. Phoe. 1142). Dionysios von Halikarnass verwendet das Adjektiv neben μάχαι (10, 16). 424 S. unter 6a. (Panzer). Zum Motiv der Waffe des Kriegers als Geschenk s. unter 1b1. (Ἄρης als Person). 108

Die Schilderung des Kampfes gegen die Dolionen selbst beginnt mit den Worten: Σὺν δ’ ἔλασαν μελίας τε καὶ ἀσπίδας ἀλλήλοισιν (1, 1026). Eine Lanze ist Objekt zu ἐλαύνω / διελαύνω in Υ 259 (ἐν δεινῶι σάκεϊ ἔλασ’ ὄβριμον ἔγχος) und Π 318 (λαπάρης δὲ διήλασε χάλκεον ἔγχος),425 wo jedoch konkrete Kampfhandlungen zwischen einzelnen Kriegern geschildert werden, während Apollonios einen generellen Zusammenstoß der gegnerischen Truppen beschreibt. In der zentralen Szene der Episode, in der Jason Kyzikos tötet (ἀλλά μιν Αἰσονίδης τετραμμένον ἰθὺς ἑοῖο / πλῆξεν ἐπαΐξας στῆθος μέσον, ἀμφὶ δὲ δουρὶ / ὀστέον ἐρραίσθη (1, 1032–34)) variiert Apollonios homerische Formulierungen:426 ῥῆξεν δ’ ὀστέον ἔγχος (Π 310), αἰχμὴ […] ῥῆξ’ ὀστέον (M 185, Y 399), ἀμφὶ δὲ καλόν / φάσγανον ἐρραίσθη (Π 338–39). ἀμφὶ δὲ δουρί findet sich nicht bei Homer, ein ähnliches Bild des gefallenen Kriegers beschreibt aber die formelhafte Phrase: αἷμα κελαινὸν ἐρωήσει περὶ δουρί (Α 303, π 441). In der Ares-Vögel-Episode werden zur Bildung der Phalanx außer Helmen, Schilden auch Speere zur Abwehr der Vögel eingesetzt. Das Verb ἀραρίσκω, das in der Anweisung des Amphidamas die Phalanxbildung beschreibt (δούρασί τε ξυστοῖσι καὶ ἀσπίσιν ἄρσετε νῆα (2, 1062)), ist bei Homer nicht mit Speeren verbunden.427 Doch begegnen dort Speere im instrumentalen Dativ in Schilderungen von Kampfhandlungen: dreimal δούρασι (z.B. Φ 162), dreimal ξυστοῖσι (z.B. Λ 565), ἐγχείηισι an 10 Stellen (z.B. N 339). Helmbüsche und hochragende Speere sollen die Vögel abschrecken: … ὄφρα κολῳὸν ἀηθείῃ φοβέωνται / νεύοντάς τε λόφους καὶ ἐπήορα δούραθ’ ὕπερθεν (2, 1064–65). Das Adjektiv ἐπήορος ist zuerst bei Apollonios belegt.428 In 2, 1072 wird die Bildung der Phalanx noch einmal mit dem Verb καλύπτω beschrieben, das bei Homer auch nicht mit Speeren verbunden ist: τοὶ δ’ αὖτ’ ἐγχείῃσι καὶ ἀσπίσι νῆ’ ἐκάλυψαν. Während eine Deckung durch Schilde plausibel ist,429 wird die Funktion der Speere in diesem Zusammenhang nicht klar.430 Motivisch vergleichbar ist eine Stelle in einem homerischen Gleichnis, in dem Hirten ihre Schafe mit Hilfe von Hunden und Speeren schützen: σὺν κυσὶ καὶ δούρεσσι φυλάσσοντας περὶ μῆλα (M 303). Dies ist ein seltener Beleg für Waffen in einem Gleichnis, da

425 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 518, 48–54 gibt als Bedeutung von ἐλαύνω an: „e. langen Ggst. in etw. hineintreiben, -stoßen […] e. Waffe“. Eine sprachliche Parallele ist auch σ 98: σὺν δ’ ἤλασ’ ὀδόντας. Zu den homerischen Vorbildszenen (Δ 447–49, Θ 61–63) s. unter 6c. (Schilde). 426 Zu dieser Szene s. auch unter 8b. (ἐπαΐσσω). 427 Zur ἀραρίσκω in Verbindung mit Schilden s. unter 6c. (Schilde). 428 TLG, Bd. III, 1506. Zur Bedeutung s. LSJ s.v.: „uplifted“. Bei Apollonios außerdem in 3, 856 und 4, 142, dann siebenmal bei Nonnos, z.B. ἐπήορον ἔγχος ἰάλλων (Dion. 40, 71). 429 S. unter 6c. (Schilde). 430 Fränkel (1968) 270: „Von Seiten der Argonauten hat es sein Bewenden bei dem bloßen Spektakel und dem leeren Bluff“. 109

diese sonst auf der Primärebene mit den typischen Kampfhandlungen „Schlag, Stoß, Schuss“ eingesetzt werden.431 In der Athlos-Episode hat der Speer unter den Waffen Jasons eine besondere Bedeutung. Dies zeigt sich auch an der exponierten Stellung im ersten Beleg in der Anweisung Medeas: πρὸς δὲ καὶ αὐτῷ δουρὶ σάκος πεπαλαγμένον ἔστω / καὶ ξίφος (3, 1046–47). Das Verb παλάσσω ist bei Homer nicht mit einem Speer verbunden.432 Doch ist auch bei Homer das Bestreichen von Waffen mit einer Substanz, die die Wirkung der Waffe verstärken soll, geläufig. So werden z.B. in der Odyssee Pfeile mit Gift bestri­chen (α 260–62). Diese Praxis wendet auch Herakles an (4, 1403–4).433 Die dann bei der Präparierung des Speers verwendete Junktur δόρυ βριαρόν (3, 1248) ist neu,434 βριαρός steht bei Homer ausschließlich bei Helmen (meistens κόρυς). Das nach der Präparierung folgende Lanzenschwingen (ἀσπίδα χαλκείην μελίην τ’ ἐν χερσὶ τινάσσων (3, 1264)) hat homerische Vorbildstellen mit δόρυ: z.B. χερσί τε δοῦρα / μακρὰ τινάσσοντας (χ 148–49).435 Das Schwingen von Waffen beschreibt Apollonios an drei weiteren Stellen mit den synonymen Verben νωμάω und σείω: In seiner Rüstungsszene schwingt Aietes Schild und Speer: Ἂν δὲ πολύρρινον νώμα σάκος, ἂν δὲ καὶ ἔγχος / δεινόν, ἀμαιμάκετον (3, 1231–32). Die Junktur ἔγχος δεινόν ist nicht homerisch, doch findet sich σείων Πηλιάδα μελίην […] δεινήν (X 133–34). Das Adjektiv ἀμαιμάκετος fungiert bei Homer nicht als Epitheton zu einer Waffe.436 Die Junktur ἔγχος νωμάω begegnet einmal in der Ilias, wo Ares in einer Schlachtschilderung beschrieben wird: Ἄρης δ’ ἐν παλάμηισι πελώριον ἔγχος ἐνώμα (E 594). Die Verbindung des Aietes mit Ares, hier durch Verwendung einer singulären Junktur angedeutet, wird an mehreren Stellen in den Argonautika konkret thematisiert: Der Panzer der Aietes sei ein Geschenk des Ares (3, 1226–27), er selbst wird mit Ares verglichen (2, 1205–6). Außerdem erinnert die Hervorhebung des Speers, dem kein

431 Fränkel (1968) 268. 432 παλάσσω begegnet mit Rüstungsstücken in E 100 (θώρηξ) und χ 184 (σάκος), s. unter 6c. (Schilde). 433 S. unter 6f. (Bogen und Pfeile). 434 δόρυ βριαρόν findet sich dann auch bei Quintus Smyrnaeus (8, 248; 11, 468). Zur Stelle insgesamt (3, 1247–48) und dem dort verwendeten Verb ἀμφιπαλύνω s. unter 6c. (Schilde). 435 τινάσσω hat bei Homer noch zweimal Lanze(n) als Objekt bei sich, allerdings nicht μελίη: δύο δοῦρε τινάσσων (Μ 298), τίνασσε δὲ χάλκεον ἔγχος (Y 163). ἐν χερσί findet sich einmal mit Lanzen: δύο δοῦρε / μάκρ’ ἐν χερσὶν ἑλὼν (μ 228–29). Zur Szene und dem Motiv des Waffenschwingens s. unter 6c. (Schilde). 436 ἀμαιμάκετος steht zweimal neben der Chimaira (Z 179, Π 329) und einmal neben einem Schiffsmast (Ξ 311), bei Hesiod neben dem Feuer (theog. 319), was für Thiel (1996) 22 ein Zeichen für die „Aura der Bedrohung“ in der Beschreibung des Aietes ist. Rengakos (1994) 46 versteht die Zusatzinformation, dass nur Herakles den Speer des Aietes zu bekämpfen fähig sei, als Hinweis darauf, dass Apollonios das Wort als Ableitung von μάχη, μάχομαι verstanden habe. 110

Gegner außer Herakles gewachsen sei (τὸ μὲν οὔ κέ τις ἄλλος ὑπέστη / ἀνδρῶν ἡρώων, ὅτε κάλλιπον Ἡρακλῆα / τῆλε παρέξ, ὅ κεν οἶος ἐναντίβιον πτολέμιξε (3, 1232–34)) an den Speer des Achill, den außer ihm selbst keiner schwingen kann: τὸ μὲν οὐ δύνατ’ ἄλλος Ἀχαιῶν / πάλλειν, ἀλλά μιν οἶος ἐπίστατο πῆλαι Ἀχιλλεύς / Πηλιάδα μελίην (Π 141–43). Mit dieser Allusion lenkt Apollonios den Fokus vom Besitzer des Speers auf Herakles als dessen einzig fähigen Gegner. Trotzdem erinnert die Rüstungsszene des Aietes an die großen homerischen Helden wie Agamemnon und Achill und weckt damit die Erwartung auf eine Kampftätigkeit, die in der Ilias den Rüstungsszenen und dem einleitenden Schwingen von Schild und Speer folgt.437 Die Rüstung des Aietes scheint durch das Fehlen von Rüstungsstücken und die durch das Waffenschwingen angedeutete Angriffshaltung sogar noch schneller zu einem Kampf zu führen als die Rüstung homerischer Krieger. Doch dieser Kampf bleibt aus und Aietes setzt seine Waffen während der ganzen Handlung der Argonautika nicht ein. So bleibt, wie Glei formuliert, „die bombastisch epische Rüstungsszene […] völlig funktionslos: Aietes ist nur Zuschauer.“438 Er wirkt auch statisch und unbeteiligt, als er schließlich im vierten Buch die Argonauten bei der Flucht beobachtet, während seine Lanze neben ihm nach vorne gestreckt ist: πὰρ δέ οἱ ἔγχος / ἀντικρὺ τετάνυστο πελώριον (4, 223–24).439 Auch diese Stelle zeigt durch die Junktur ἔγχος πελώριον einen Bezug zur Beschreibung des Ares in Ε 594 (s.o.).440 Sprachlich ähnlich ist außerdem die Schilderung einer Kampfhandlung in N 595: ἀντικρὺ διὰ χειρὸς ἐλήλατο χάλκεον ἔγχος. Der Ausdruck πὰρ δέ οἱ ἔγχος ist vermutlich ein Zitat von ἐν δέ οἱ ἔγχος (P 523), das in einer Kampf­szene zu finden ist. Aietes, der in 4, 228–35 die Kolcher unter Drohungen zur Verfolgung der Argonauten auffordert, tritt danach in den Argonautika nicht mehr auf. In der Beschreibung der waffenschwingenden Argonauten in 4, 1055–56 (σεῖον δ’ ἐγχείας εὐήκεας ἐν παλάμῃσιν / φάσγανά τ’ ἐκ κολεῶν) kombiniert Apollonios zwei homerische Vorbildstellen: σείοντ’ ἐγχείας (Γ 345, ähnlich auch E 563) und ἐν παλάμηισι πελώριον ἔγχος ἐνώμα (E 594). Das hapax εὐήκης ist Epitheton des Speers, den Achill in X 319–20 schwingt (… αἰχμῆς […] εὐήκεος, ἣν ἄρ’ Ἀχιλλεύς / πάλλεν δεξιτερῆι), um damit gegen Hektor zu kämpfen, den er in X 326 tötet. Bei Apollonios dagegen wird mit dieser Geste nur Kampfbereitschaft signalisiert, ohne

437 So Knight (1995) 103, bes. Anm. 94, s. dazu auch Griffin (1989) 36: „When a hero is shown putting on his armour, this means that he will have a notable part to play in the fighting which follows; the greater the aristeia, the fuller the arming-scene which precedes it.” 438 Glei (Bd. 2, 1996) 188. 439 Vgl. dagegen Hunter (2015) 112: „Aietes represents the same ‚monstrous‘ threat as the dragon“ mit Hinweis auf die Beschreibung der Schlange in 4, 127–29, wo πελώριον adverbial gebraucht das Zischen der Schlange beschreibt. 440 Ein πελώριον ἔγχος findet sich auch in Θ 424. 111

dass ein Kampf direkt bevorsteht.441 Der durch das Epitheton hergestellte Verweis auf den Kampf des Achill lässt jedoch die Argonauten kriegerisch erscheinen. Ähnlich verhält es sich bei der Hochzeit von Jason und Medea in 4, 1155–56, wo die Argonauten wieder ihre Waffen schwingen: Οἱ δ’ ἐνὶ χερσὶ / δούρατα νωμήσαντες ἀρήια. Bei Homer hat νωμάω nicht δόρυ als Objekt bei sich, jedoch einmal ἔγχος (E 594 s.o.) und einmal ξυστὸν […] ναύμαχον (O 677).442 δούρατα ἀρήια finden sich nicht bei Homer.443 Auch hier folgt auf das Waffenschwingen der Argonauten kein Kampf. Jasons Speer wird jedoch in der Athlos-Episode weiterhin hervorgehoben: Zunächst bei der Waffenprobe, wo die Argonauten vergeblich versuchen, den Speer nach der Präparierung zu biegen: οὐδ’ ἐδύναντο / κεῖνο δόρυ γνάμψαι τυτθόν γέ περ (3, 1249–50). Ähnliche Formulierungen bei Homer sind: ἐπιγνάμψας δόρυ μείλινον (Φ 178), ἀνεγνάμφθη δέ οἱ αἰχμή (Γ 348, Η 259, Ρ 44). Auf die Bogenprobe in der Odyssee (φ 184–85) als Prätext wurde bereits in 5c. (τεύχεα) hingewiesen. Beim Aufbruch zum Athlos wird der Speer zusammen mit dem Schild genannt: δή ῥα τότε ξὺν δουρὶ καὶ ἀσπίδι βαῖν’ ἐς ἄεθλον (3, 1279).444 Der Ausdruck σὺν / ξὺν δουρί kommt bei Homer fünfmal vor,445 davon zweimal verbunden mit βαίνω: ξὺν δουρὶ […] βεβήκει (Π 864), βῆ σὺν δουρὶ (Y 407). ἄεθλος heißt in einer vergleichbaren Formulierung ‚Wettkampf‘: ἀλλ’ ὅτε δὴ τάχ’ ἔμελλον ἐπαΐξεσθαι ἄεθλον (Ψ 773).446 Vor dem Anjochen der Stiere steckt Jason den Speer mit dem Schaftende in den Boden: Χρίμψε δ’ ἔπειτα κιών, παρὰ δ’ ὄβριμον ἔγχος ἔπηξεν / ὀρθὸν ἐπ’ οὐριάχῳ (3, 1286–87). Die Junktur ὄβριμον ἔγχος ist bei Homer an 15 Stellen belegt (z.B. Γ 357). Hunter merkt an, dass das Schaftende des Speers (οὐρίαχος) oft mit einer Spitze versehen wurde, damit es in Boden gesteckt werden konnte.447 Bei Homer 441 Dazu Grajev (1934) 49: „Das ist eine Geste, die sich von der Wirklichkeitsnähe des epischen Stils entfernt, da sie aus dem Kampf selbst herausgenommen ist und hier nur Ausdruck der Kampfbereitschaft ist, was sie eigentlich nicht sein kann.“ Zum aitiologisch-rituellen Charakter des Auftritts s. Hunter (2015) 238. Zu εὐήκης s. auch unter 6e. (Schwerter). 442 An je zwei Stellen findet sich aber δόρυ τινάσσειν (M 298, χ 148, s. Anm. 390) und δόρυ πάλλειν (Γ 18–19, Ε 495). 443 S. unter 1k. (ἀρήϊος). 444 Zur homerischen Parallele E 297 s. unter 6c. (Schilde). 445 Bei Aristophanes findet sich: ξὺν δορὶ ξὺν ἀσπίδι (vesp. 1081) zurückgehend wohl auf Achaeos (fr. 29, 1 Snell). 446 Wörtlich findet sich ἐς ἄεθλον bei Herodot: ἔγωγε ἂν οὐκ ἤια ἐς ἄεθλον τοιόνδε (1, 42, 1). 447 Hunter (1989) 237. Auch Trümpy (1950) 59 sieht den οὐρίαχος als „untere[.] Spitze“. LSJ s.v. gibt dagegen die Bedeutung „butt-end of the spear“, so auch Mooney (1912) 292 mit Hinweis auf Leaf (Bd. 2, 1902) 34 (zu N 443), der jedoch nur bemerkt, dass der οὐρίαχος nicht grundsätzlich eine Spitze trägt wie der σαυρωτήρ. In den Scholien zu K 153 werden die beiden Begriffe gleichgesetzt: σαυρωτὴρ δέ ἐστι τὸ ἀπολῆγον μέρος τοῦ δόρατος, ὅπερ ἀντίκειται τῇ αἰχμῇ, ὃν καὶ οὐρίαχον καλοῦσιν. 112

findet sich eine ähnliche Stelle mit dem Begriff σαυρωτήρ: ἔγχεα δέ σφιν / ὄρθ’ ἐπὶ σαυρωτῆρος ἐλήλατο (K 152–53). Die Junktur ἔγχος πήγνυμι beschreibt bei Homer zweimal das Stecken der Speere in den Boden: Während des Gesprächs zwischen Glaukos und Diomedes: ἔγχος μὲν κατέπηξεν ἐπὶ χθονὶ πουλυβοτείρηι (Z 213). Ebenso beim Waffenstillstand vor dem Zweikampf zwischen Menelaos und Paris: παρὰ δ’ ἔγχεα μακρὰ πέπηγεν (Γ 135).448 Die Waffen werden dort also zur Kampfpause in den Boden gesteckt, während Jason in den Argonautika seinen Speer vor dem Kampf mit den Stieren zur Seite stellt, wie er es auch mit dem Helm tut. Beim Pflügen wird der Speer dann eingesetzt: γέντο […] δόρυ τ’ ἄσχετον, ᾧ ῥ’ ὑπὸ μέσσας / ἐργατίνης ὥς τίς τε Πελασγίδι νύσσεν ἀκαίνῃ / οὐτάζων λαγόνας (3, 1321–24). An einer Stelle findet sich bei Homer γέντο δὲ δοῦρε (N 241). ἄσχετος fungiert bei Homer nicht als Epitheton zu Waffen.449 Jason wird mit einem Landmann verglichen, der sein Vieh mit einem spitzen Stock (ἀκαίνῃ) voran treibt.450 Handlung und Vergleich greifen ineinander, so dass das Verb νύσσω, dass bei Homer das Verletzen gegnerischer Krieger beschreibt,451 mit beiden Subjekten verbunden ist. Die ganze Szene wird auch bei Pindar beschrieben: … ἐμβάλλων τ’ ἐριπλεύρῳ φυᾷ / κέντρον αἰανὲς … (Pyth. 4, 235–36). Dort verwendet Jason einen gewöhnlichen Stachelstock (κέντρον). Das Vorantreiben der Stiere (Δηρὸν δ’ οὐ μετέπειτα κελευόμενοι ὑπὸ δουρὶ / ἤισαν (3, 1330–31)) wird mit dem Ausdruck ὑπὸ δουρί geschildert, der bei Homer das Treffen, Besiegen und Töten von Kriegern mittels des Speers oder im Kampf generell bezeichnet: z.B. ἐμῶι δ’ ὑπὸ δουρὶ δαμέντα (E 653, Λ 444), ἐμῶι ὑπὸ δουρὶ δαμέντες (Λ 749, Π 848), ἐμῶι ὑπὸ δουρὶ τυπεὶς (viermal z.B. Λ 433). Apollonios versetzt den Ausdruck aus der Kampfessphäre in die rustikale Atmosphäre der Aristie-Szene, wo er eine abgeschwächte Bedeutung erhält. ὑπὸ δουρί begegnet in den Argonautika an folgenden weiteren Stellen: Im weiteren Kontext des Athlos stehen zwei Belege, an denen die Tötung der aus den Drachenzähnen emporgewachsenen Erdgeborenen erwähnt wird. In der Rede des Aietes (τοὺς δ’ αὖθι δαΐζων / κείρω ἐμῷ ὑπὸ δουρὶ περισταδὸν ἀντιόωντας (3, 415–16)) wird der Ausdruck ἐμῶι ὑπὸ δουρὶ verwendet, der bei Homer achtmal (z.B. Λ 433) begegnet. Unhomerisch ist jedoch die Kombination mit κείρω, die zur

448 Wörtlich findet sich ἔγχος ἔπηξεν in N 570 bei der Verwundung eines Kriegers. 449 Dagegen oft als Epitheton zu πένθος und μένος (s. H. Brandt – E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1469, 10–64). 450 Zum Ausdruck ἀκαίνῃ erklären die Scholien: ἀντὶ τοῦ κέντρῳ. ἄκαινα δέ ἐστι μέτρον δεκάπουν, Θεσσαλῶν εὕρεμα, ἢ ῥάβδος ποιμενικὴ παρὰ Πελασγοῖς ηὑρημένη. Dazu auch bei Kallimachos: δεκάπ[ο]υν δ’ εἶχεν ἄκαιναν ὅγε, / ἀμφ˼ότερον κέντρον τε βοῶ˻ν˼ κ̣αὶ μέτρον ἀρούρης (ait. 24, 6–7). 451 Das Verb νύσσω hat bei Homer dreimal δόρυ und einmal ἔγχος im Instrumentalis bei sich: ὀξέϊ δουρί / νύξ’ (Λ 95–96, Υ 488–89), δουρὶ […] / νύξεν (Λ 424–25), δουρὶ τυχήσας / νύξ’ (M 394–95), ἔγχεϊ νύξε (Π 404). 113

rustikalen Atmosphäre der Athlos-Szene passt.452 Den gleichen Effekt hat das synonyme Verb ἀμάω in 3, 1187: In einer Analepse wird vom Mythos der Drachenzähne und den im Kampf verschonten Erdgeborenen erzählt: Ἄρεος ἀμώοντος ὅσοι ὑπὸ δουρὶ λίποντο· Ares ist metonymisch aufzufassen und bezeichnet den Kampf, den die Erdgeborenen gegeneinander führen und in dem sie sich gegenseitig niedermetzeln.453 Dieser Vorgang wird in der Athlos-Szene in 3, 1374–75 variierend beschrieben: οἱ δ’ ἐπὶ γαῖαν / μητέρα πῖπτον ἑοῖς ὑπὸ δούρασιν. Der hier verwendete Plural kommt bei Homer nicht vor. Die zuvor getroffene Aussage, dass die Erdgeborenen sich gegenseitig töten (Οἱ δ’ […] / ἀλλήλους βρυχηδὸν ἐδήιον (3, 1373–74)) wird durch die Angabe, dass dies durch ihre eigenen Waffen (ἑοῖς ὑπὸ δούρασιν (3, 1375)) geschieht, konkretisiert.454 Das reflexiv gebrauchte Possessivpronomen ἑοῖς erzeugt dabei eine ironische Wirkung, besonders vor der Folie der Aussage des Aietes in 3, 416 (κείρω ἐμῷ ὑπὸ δουρὶ).455 Ebenso kontrastiert die Erzählung mit der Beschreibung der durch ihre Bewaffnung bedrohlich wirkenden Erdgeborenen auf dem Aresfeld in 3, 1355–56: φρῖξεν δὲ περὶ στιβαροῖς σακέεσσι / δούρασί τ’ ἀμφιγύοις κορύθεσσί τε λαμπομένῃσιν …456 Bei Homer findet sich neunmal der Ausdruck ἔγχεσιν ἀμφιγύοις/οισι(ν), z.B. in einer der Apolloniosstelle ähnlichen Formulierung: βεβρίθει δὲ σάκεσσι καὶ ἔγχεσιν ἀμφιγύοισι (π 474). In übertragener Bedeutung beschreibt der Ausdruck ὑπὸ δουρί in einer Analepse die Zerstörung materieller Güter im Krieg zwischen Bebrykern und Mariandynern: Πέρθοντο γὰρ ἠμὲν ἀλωαὶ / ἠδ’ οἶαι τῆμος δηίῳ ὑπὸ δουρὶ Λύκοιο / καὶ Μαριανδυνῶν ἀνδρῶν (2, 138–40). Ähnlich metaphorisch begegnet ὑπὸ δουρί nur einmal in der Ilias, wo es um die Zerstörung der Stadt Troja geht: οὔ νύ τοι αἶσα / σῶι ὑπὸ δουρὶ πόλιν πέρθαι Τρώων ἀγερώχων (Π 707–8). Der Ausdruck ὑπὸ δουρί ist bei Homer nur zweimal mit einem Eigennamen verbunden, und zwar in der formelhaften Beschreibung eines sterbenden Kriegers: … ὑπ’ Αἴαντος μεγαθύμου δουρὶ δαμέντι (Δ 479, Ρ 303).457 Die Junktur δήιον δόρυ ist bei Homer nicht belegt.

452 Bei Homer ist ὑπὸ δουρί nur mit den Verben δαμάζω, τύπτω, πέρθω verbunden. Das Bild des Mähens wird in den Argonautika regelmäßig für das Töten der Erdgeborenen verwendet, außer in 3, 416 und 3, 1187 auch bei der Aristie Jasons (3, 1382; 1391), S. dazu unter 1a. (π(τ)όλεμος), 1b1. (Ἄρης als Person) und 9d. (οὐτάζω). 453 Zur metonymischen Auffassung von Ares an dieser Stelle s. oben unter 1b1. (Ἄρης als Person). Zur Verbindung des Ausdrucks ὑπὸ δουρί mit Eigennamen s. unten (zu 2, 138–39). 454 Vergleichbar ist eine Hesiodstelle: καὶ τοὶ μὲν χείρεσσιν ὑπὸ σφετέρῃσι δαμέντες (erg. 152). Hinweis auf diese Stelle bei Gillies (1928) 131. 455 Die lokale Auffassung bei Dräger (2002) 289 („die fielen […] unter ihren eigenen Speeren“), wirkt dagegen unverständlich und übersieht diese Ironie. Auch die Übersetzung von Glei (1196, Bd. 2) 77 „fielen unter ihren eigenen Speeren auf die Erde“ trifft den Sinn nicht ganz. 456 S. dazu oben unter 6b. (Helme) und 6c. (Schilde). 457 Cuypers (1997) 166: „The expression ὑπὸ δουρὶ Λύκοιο is conventional“ mit weiteren Belegstellen. 114

Dort werden Waffen vor allem mit Attributen versehen, die ihre materielle und optische Beschaffenheit, Funktionstüchtigkeit und Größe näher beschreiben, z.B. χάλκεος, μακρός, ὀξύς.458 Als Variation zu ὑπὸ δουρί verwendet Apollonios auch einmal den Ausdruck ὑπ’ ἄκοντι, der bei Homer nicht belegt ist: Der Blick des Amykos nach den Worten des Polydeukes wird mit dem eines vom Speer getroffenen Löwen verglichen: ὥς τε λέων ὑπ’ ἄκοντι τετυμμένος (2, 26). Bei Homer ist ἄκων nicht mit dem Verb τύπτω verbunden, vermutlich da ἄκων eine Wurfwaffe ist und τύπτω eine Nahkampfhandlung beschreibt.459 Apollonios nimmt für seinen Vergleich den Anfang und das Ende eines homerischen Gleichnisses auf: ὥς τε λέων (M 299) … ἔβλητ’ […] ἄκοντι (M 306).460 Im 4. Buch kommt ein Kampf mit Speeren nur hypothetisch in den Reden Medeas vor, die Jason zum Kampf gegen die Kolcher auffordert: Τύνη μὲν κατὰ μῶλον ἀλέξεο δούρατα Κόλχων (4, 414).461 Vorbild ist vermutlich eine Odysseestelle, an der es um die Abwehr der von den Freiern geworfenen Speere geht: δούρατ’ ἀλεύαντο μνηστήρων (χ 260). Später wirft Medea den Argonauten vor, nur um des Vlieses willen gegen Aietes und die Kolcher gekämpft zu haben: κῶας ἑλεῖν μεμαῶτες, ἐμίξατε δούρατα Κόλχοις / αὐτῷ τ’ Αἰήτῃ ὑπερήνορι (4, 1050–51). Der Ausdruck μείγνυμι δούρατα ist bei Homer nicht belegt, der homerische Ausdruck für ‚kämpfen‘ αὐτοσχεδίηι μεῖξαι χεῖράς τε μένος τε (O 510), den Apollonios in 4, 402 übernimmt (μίξαντες δαῒ χεῖρας), wird hier variiert.

Zusammenfassung Apollonios setzt die Begriffe für Speere und Lanzen an mehreren Stellen in homerischen Formulierungen ein, z.B. ὄβριμον ἔγχος, πελώριον ἔγχος, ἐμὸν δόρυ, ἐγχείῃσι δεδεγμένοι, ξὺν δουρὶ βαῖν’, ὑπὸ δουρί. Häufiger aber konstruiert er neue Junkturen, besonders durch Zuordnung von Epitheta, die sich bei Homer nicht neben Speeren oder Lanzen finden, z.B. δόρυ θοῦρον, δόρυ θοόν, δόρυ βριαρόν, ἐπήνορα δούρατα, ἔγχος ἑκηβόλον, ἔγχος δεινὸν ἀμαιμάκετον, δόρυ ἄσχετον, δηίῳ ὑπὸ δουρί. An wenigen Stellen entstehen neue Junkturen durch Synonymtausch, z.B. ἐγχείας εὐήκεας (bei Homer: αἰχμῆς εὐήκεος), δούρασι ἀμφιγύοις (bei Homer: ἔγχεσιν ἀμφιγύοις/-οισι(ν)). Ebenso begegnen neue Kombinationen mit Verben wie θοῷ περικάππεσε δουρί, προτενὲς δόρυ χειρὶ μεμαρπώς, ὑπ’ ἄκοντι τετυμμένος, δούρασί τε ξυστοῖσι […] ἄρσετε νῆα, ἐγχείῃσι […] νῆ’ ἐκάλυψαν, κείρω ἐμῷ ὑπὸ δουρὶ, ἐμίξατε δούρατα.

458 Dazu s. auch unter 3a. (δήϊος). Zu den Epitheta für δόρυ s. W. Beck, LfgrE 2, 340, 19–26. 459 S. dazu auch unter 9c. (τύπτω). 460 Zum inhaltlichen Vorbild-Gleichnis Y 164–73 s. unter 9c. (τύπτω). 461 S. auch unter 4b. (μῶλος) und 12b. (ἀλέξω). 115

Inhaltlich werden Lanzen und Speere oft bei Rüstung und Kampfvorbereitung bis zur Angriffshaltung, die nicht zum Kampf führt, erwähnt. Ebenso wird das Waffenschwingen ohne nachfolgende Kampfhandlung beschrieben: Am auffälligsten zeigt sich diese Technik in der Rüstungsszene des Aietes und bei der AthlosVorbereitung Jasons. Aber auch in der Lemnos-Episode und in der Beschreibung der speerschwingenden Argonauten folgt auf Rüstung oder Angriffshaltung kein Kampf. Im Argonautenkatalog und in mehreren Analepsen stehen Speere dann aber auch im kriegerischen Kontext. Mehrmals begegnet die Waffe zudem in hypothetischen Aussagen wie der Rede des Idas oder den Worten Medeas. Auf der Dolioneninsel werden Speere auf der Primärebene im Kampf eingesetzt, ebenso beim Kampf der Erdgeborenen untereinander in der Athlos-Szene. Jason allerdings verwendet seinen Speer beim Athlos nicht direkt zum Kämpfen, sondern zum Vorantreiben der ehernen Stiere.

e. Schwerter ξίφος ist die bei Homer gängigste Bezeichnung für das als Kriegswaffe eingesetzte Schwert (Ilias 42, Odyssee 23 Stellen).462 Weniger als halb so häufig ist φάσγανον belegt (Ilias 15, Odyssee 10 Stellen). Dass beide synonym verwendet werden, erklären die Scholien: τὸ δὲ πολεμιστήριον ἄορ, ξίφος, φάσγανον καλοῦσιν· συνώνυμα γάρ (Sch. zu Γ 271).463 Anhand der Belegstellen zeigt sich, dass das Schwert bei Homer eine weit weniger bedeutende Waffe ist als der Speer. In der Ilias stehen beide Wörter fast immer auf der Erzählebene, in der Odyssee begegnet ξίφος achtmal und φάσγανον viermal in Reden.

Auch in den Argonautika kommen Schwerter seltener vor als Speere: ξίφος begegnet an 12 Stellen, φάσγανον an 6 Stellen (das ergibt insgesamt 18 x Schwerter gegenüber 33 x Lanzen = Verhältnis 1 : 1,8). Damit besteht ungefähr dasselbe quantitative Verhältnis wie in der Odyssee (1 : 1,7). In der Ilias ist die Differenz viel größer (1 : 7). Zum ersten Mal finden sich Schwerter in den Argonautika beim Waffentanz der Argonauten, die anlässlich der Totenfeier für Kyzikos mit ihren Schwertern an die Schilde schlagen: σάκεα ξιφέεσσιν ἐπέκτυπον (1, 1136). Sprachlich vergleichbar ist ω 527, wo eine Kampfhandlung beschrieben wird: τύπτον δὲ ξίφεσίν. Eine ähnlich Formulierung begegnet im dritten Buch: Dort schlägt Idas bei der Waffenprobe mit seinem Schwert an den Schaft des unzerbrechlichen Speers Jasons: Αὐτὰρ ὁ τοῖς ἄμοτον κοτέων Ἀφαρήιος Ἴδας / κόψε παρ’ οὐρίαχον μεγάλῳ ξίφει (3, 1252–53). Die Junktur μέγα ξίφος ist bei Homer gängig (siebenmal, z.B. Α 194). Ähnlich sind folgende Parallelen aus Kampfszenen: χεῖρας ἀπὸ ξίφεϊ πλήξας ἀπό τ’ αὐχένα κόψας (Λ 146), ξίφεϊ μεγάλωι κληῗδα παρ’ ὦμον / πλῆξ’ (E 146–47).

462 W. Beck, LfgrE 3, 471, 49 u. 472, 3–4. 463 Vgl. J.N. O’Sullivan, LfgrE 4, 828, 7. Dazu kommt bei Homer noch ἄορ (Ilias 15, Odyssee 8 Stellen), das in den Argonautika nicht belegt ist. 116

Das Schwert ist die Waffe des Polyphemos, mit der er sich auf die Suche nach Hylas begibt: Er zieht es beim Aufbruch: Αἶψα δ’ ἐρυσσάμενος μέγα φάσγανον ὦρτο δίεσθαι (1, 1250).464 Die Phrase ἐρυσσάμενος φάσγανον begegnet auch bei Homer, z.B. φάσγανον ὀξὺ ἐρυσσάμενος (A 190), εἰρύσσατο φάσγανον ὀξύ, / […] μέγα τε στιβαρόν τε (X 306–7).465 Weiter wird beschrieben, wie Polyphemos sein Schwert schwingt: γυμνὸν ἐπαΐσσων παλάμῃ ξίφος (1, 1254). Die Junktur γυμνὸν ξίφος, die auch in 3, 1381 und 4, 465 auftaucht, ist neu. Das Adjektiv γυμνός steht in der Odyssee einmal bei einem Bogen (λ 607), einmal bei einem Pfeil (φ 417), sonst ist es bei Homer immer Attribut für Menschen.466 παλάμῃ ist bei Homer zweimal mit einer Lanze verbunden (α 137, β 10), nicht aber mit einem Schwert. ἐπαΐσσω findet sich bei Homer mit einem Schwert im Instrumentalis: ἐπαΐξας ξίφει (E 584).467 Die in 1, 1250 verwendete Junktur ἐρυσσάμενος φάσγανον begegnet noch einmal in 2, 101–2 und beschreibt die Argonauten beim Angriff der Bebryker: τοῦ δὲ πάρος κολεῶν εὐήκεα φάσγαν’ ἑταῖροι / ἔσταν ἐρυσσάμενοι. In M 190 findet sich eine Parallele mit ξίφος: ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ. Das homerische hapax εὐήκης ist Epitheton für die Lanze des Achill in X 319. Apollonios verwendet das Adjektiv auch in 4, 1055 neben Lanzen.468 Im Kontext dieser Schlacht variiert Apollonios den homerischen Ausdruck ὑπὸ δουρί durch das hier zuerst belegte ὑπὸ ξίφεϊ: ἦ τάχ’ ἔμελλεν / αὐτὸς [sc. Ἄρητος] δῃώσεσθαι ὑπὸ ξίφεϊ Κλυτίοιο (2, 116–17).469 In der Harpyien-Episode begegnen Schwerter mehrmals als Waffen der Boreaden, die diese gegen die heranstürmenden Harpyien einzusetzen versuchen:470 ἐγγύθι δ’ ἄμφω / στῆσαν, ἵνα ξιφέεσσιν ἐπεσσυμένας ἐλάσειαν (2, 264–65). Das Verb ἐλαύνω steht bei Homer häufig mit einem Schwert im Instrumentalis: z.B. ξίφει ἤλασε (E 584, N 576, Y 475), ἐλάσειε / φασγάνῳ (χ 97–98). Diese Konstruktion findet sich auch in den Argonautika noch einmal in der Rede der Iris am Ende der Episode, als die Göttin den Boreaden schließlich einen Angriff

464 Gegen die Versumstellung von Fränkel (s. Fränkel (1964) 34, Anm. 2, Fränkel (1968) 146), der die Verse 1250–1252 vor 1243 versetzt, so dass Polyphemos erst sein Schwert zieht und dann losstürzt wie ein wildes Tier, überzeugend Köhnken (1970) und Köhnken (1965) 70, Anm. 2. Zur gesamten Szene s. unter 15p. (Die Hylas-Suche). 465 Das Partizip ἐρυσσάμενος hat bei Homer sehr häufig ein Schwert als Objekt bei sich: neunmal ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ, z.B. M 190, ἐ. ξίφος ἀργυρόηλον (Γ 361, Ν 610), dreimal ἄορ ὀξὺ ἐ., z.B. Φ 173. μέγα φάσγανον findet sich noch einmal in Ψ 824. 466 Theokrit verwendet γυμνός neben μάχαιρα (eid. 22, 146). In der lateinischen Literatur findet sich der ‚ensis nudus‘ dagegen oft, z.B. Verg. Aen. 9, 548, Sil. 1, 219. 467 Zu 1, 1254 und zur Konstruktion von ἐπαΐσσω bei Homer s. unter 8b. (ἐπαΐσσω). 468 S. dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). 469 S. Cuypers (1997) 148. Diesen Ausdruck nimmt Quintus Smyrnaeus auf (5, 357; 13, 354). Zu ὑπὸ δουρί, s. unter 6d. (Lanzen/Speere). Zu δῃώσεσθαι s. unter 10b. (δηϊόω). 470 Zu dieser Episode s. unter 15q. (Die Harpyien). 117

auf die Harpyien verbietet: Οὐ θέμις, ὦ υἱεῖς Βορέω, ξιφέεσσιν ἐλάσσαι / Ἁρπυίας (2, 288–89). In 2, 273–74 sind die Schwerter der Boreaden Objekt zu ἐπέχω, das hier ‚ausstrecken‘ heißt:471 Τάων δ’ αὖ κατόπισθε δύω υἷες Βορέαο / φάσγαν’ ἐπισχόμενοι ὀπίσω θέον. Das Partizip ἐπισχόμενος findet sich einmal in der Odyssee in der Bedeutung ‚zielen‘ mit einem Pfeil im Instrumentalis:472 Ὀδυσεὺς κατὰ λαιμὸν ἐπισχόμενος βάλεν ἰῷ (χ 15). Das Schwert ist die Waffe, die Jason beim Athlos und auch in der späteren Handlung der Argonautika einsetzt. Es wird zunächst zusammen mit den anderen Waffen in der Anweisung Medeas zur Präparierung genannt (… πεπαλαγμένον ἔστω / καὶ ξίφος (3, 1046–47),473 dann bei der Präparierung selbst: ἠμὲν σάκος ἀμφεπάλυνεν / […], περὶ δὲ ξίφος (3, 1247–48).474 Der Ausdruck περὶ δὲ ξίφος begegnet bei Homer in einer formelhaften Wendung, die beschreibt, wie das Schwert um die Schultern gehängt wird: περὶ δὲ ξίφος ὀξὺ θέτ’ ὤμῳ (β 3, δ 308, υ 125). περί bezieht sich dort auf ὤμῳ, bei Apollonios aber auf ξίφος, das rundherum mit Zaubermittel bestrichen wird.475 Die Junktur ξίφος ἀμφ’ ὤμοις (3, 1282) in der Beschreibung des zum Athlos aufbrechenden Jason ist homerisch, z.B. ἀμφὶ δ’ ἄρ’ ὤμοισιν βάλετο ξίφος (fünfmal, z.B. B 45), ἀμφ’ ὤμοισι θέτο ξίφος (θ 416), bei Apollonios allerdings elliptisch, d.h. ohne das Verb, das das Anlegen oder Tragen des Schwertes bezeichnet. Auch das Ziehen des Schwertes in 3, 1381 ist verkürzt ausgedrückt: γυμνὸν δ’ ἐκ κολεοῖο φέρεν ξίφος.476 Der Ausdruck ἐκ κολεοῖο kommt bei Homer zweimal vor, jeweils aber als Ergänzung zu einem Verb mit der Bedeutung ‚ziehen‘, z.B.: εἵλκετο δ’ ἐκ κολεοῖο μέγα ξίφος (A 194), ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ (M 190).477 Mit φέρω sind ξίφος und κολεός bei Homer zweimal verbunden, allerdings mit anderem Sinn: dort wird die Übergabe eines Schwertes als Geschenk beschrieben: δῶκε ξίφος […] / σὺν κολεῶι τε φέρων (H 303–4, s. auch Ψ 824–25). Ebenso elliptisch formuliert ist 4, 1055–56, wo die Argonauten ihre Waffen schwingen: σεῖον δ’ ἐγχείας εὐήκεας ἐν παλάμῃσιν / φάσγανά τ’ ἐκ κολεῶν. Der Ausdruck ἐκ κολεῶν ist im Plural ohne Vorbild (vgl. 2, 101), ebenso die Junktur mit 471 Livrea (1973) 227: „protendendo“, s. dazu auch LSJ s.v. III.1: „hold or direct towards“. Mit einer Waffe als Objekt steht ἐπέχω auch bei Pindar (Ol. 2, 89: ἔπεχε νῦν σκοπῷ τόξον) und Euripides (Herakl. 984: ἄλλωι δ’ ἐπεῖχε τόξ’). 472 B. Mader, LfgrE 2, 848, 44–45. 473 Zu παλάσσω in Verbindung mit Waffen s. unter 6c. (Schilde) und 6d. (Lanzen/ Speere). 474 Zur Stelle insgesamt (3, 1247–48) und dem Verb ἀμφιπαλύνω s. unter 6c. (Schilde). 475 Lt. Ardizzoni (1958) 231 wird mit περὶ δὲ ξίφος („e soprattutto la spada“) schon angedeutet, dass Jason später mit dem Schwert allein die Erdgeborenen tötet (3, 1381ff.). Hunter (1989) 237 übersetzt περὶ δὲ: „and particularly“. 476 Zu γυμνὸν ξίφος s. zu 1, 1254. 477 Zu elliptischen Formulierung in 3, 1381 s. Köhnken (1965) 69, Anm. 3: „wo auch zu ἐκ κολεοῖο ein Wort wie ἐρυσσάμενος gedanklich zu ergänzen ist“. 118

φάσγανον.478 Das Verb σείω kommt bei Homer nicht in Verbindung mit Schwertern vor und hat auch in 4, 1055 vor allem die Lanzen als Objekt bei sich.479 Nach homerischem Vorbild gestaltet ist wiederum die Abfahrtsszene im 4. Buch, wo Jason sein Schwert zieht und damit die Haltetaue des Schiffes durchschlägt: Ὁ δὲ ξίφος ἐκ κολεοῖο / σπασσάμενος πρυμναῖα νεὼς ἀπὸ πείσματ’ ἔκοψεν (4, 207–8). Prätext ist der Bericht des Odysseus von der überstürzten Abfahrt auf der Flucht vor den Laistryngonen in der Odyssee: ἐγὼ ξίφος ὀξὺ ἐρυσσάμενος παρὰ μηροῦ / τῷ ἀπὸ πείσματ’ ἔκοψα νεὸς κυανοπρῴροιο (κ 126–27).480 Weitere sprachliche Parallelen sind: ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ (M 190), σπασσάμενος τανύηκες ἄορ παχέος […] ἀπέκοψε (Π 473–74). Das Verb σπάω hat bei Homer jedoch nicht ξίφος als Objekt bei sich, sondern nur φάσγανον und ἄορ.481 Ebenfalls im 4. Buch finden sich weitere Szenen, in denen das Schwert Jasons erwähnt wird oder zum Einsatz kommt: In einer verzweifelten Rede fordert Medea Jason auf, ihr beizustehen oder sie anderenfalls mit den Schwert zu töten: ἢ σύ γ’ ἔπειτα / φασγάνῳ αὐτίκα τόνδε μέσον διὰ λαιμὸν ἀμῆσαι (4, 373–74). Eine ähnliche Formulierungen bei Homer ist: μὴ λαιμὸν ἀπαμήσειε σιδήρωι (Σ 34).482 Eingesetzt wird das Schwert dann in der zentralen Szene des Mordes an Apsyrtos: αὐτίκα δ’ Αἰσονίδης πυκινοῦ ἔκπαλτο λόχοιο / γυμνὸν ἀνασχόμενος παλάμῃ ξίφος (4, 464–65).483 Enge Parallelen zu Homer finden sich nicht, sprachlich ähnlich sind folgende Stellen: ἔσσυτ’ ἀνασχόμενος δολιχὸν δόρυ χειρὶ παχείῃ (τ 448), ἐρυσσάμενος ξίφος ἀργυρόηλον / πλῆξεν ἀνασχόμενος κόρυθος φάλον (Γ 361–62). Zur Sühne wird das Schwert danach bei Kirke in den Boden gestoßen:484 αὐτὰρ ὁ κωπῆεν μέγα φάσγανον ἐν χθονὶ πήξας / ᾧ πέρ τ’ Αἰήταο πάιν κτάνεν (4, 696–97). 478 Hunter (2015) 227: „and swords [which they had drawn] from their scabbards“. Vgl. ἐκ κολεοῖο ξίφος (s. zu 3, 1381). 479 S. dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). 480 Zu dieser Szene s. unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα). Glei (Bd. 2, 1996) 192, Anm. 20, bezeichnet das Durchschlagen der Schiffstaue als einen „eher symbolische[n] Akt“, (der auch von Vergil in Aen, 4, 579f. übernommen wurde): „denn bei aller Eile wäre doch noch Zeit gewesen, die Taue einzuholen, Merkwürdigerweise sind sie bei der nächsten Landung (V. 4,244) wieder unversehrt.“ Arend (1933) 84 weist darauf hin, dass das Haltetau bei Homer üblicherweise gelöst wurde und nur in κ 126 variiert wird: „…in Todesgefahr zerhaut Odysseus das Haltetau mit dem Schwerte.“ Tatsächlich wirkt die Situation in der Odyssee viel dringlicher als in den Argonautika, wo diese Szene imitiert zu sein scheint. 481 Die Formel σπασσάμενος τανύηκες ἄορ findet sich auch in κ 439 und λ 231. ἐσπασμένος τὸ ξίφος kommt dann bei Strabon (4, 4, 3) vor. 482 Zu διὰ … ἀμῆσαι s. Hunter (2015) 134: „‚cut through‘, an very expressive ‚tmesis‘; the aorist infinitive is here used as an imperative.“ 483 Zu γυμνὸν ξίφος sowie παλάμῃ ξίφος s. zu 1, 1254. 484 Lorimer (1921) 143 erläutert, dass es zum regulären Prozedere bei der Sühnung einer Blutschuld gehörte, das Schwert, mit dem die Tat begangen worden war, in den Boden zu heften. Zu den Mordsühneriten s. Schaaf (2014) 284–96, zu dieser 119

Bei Homer begegnet eine ähnliche Formulierung mit einer Lanze: ἔγχος μὲν κατέπηξεν ἐπὶ χθονὶ (Z 213, vgl. auch Γ 135). Nur einmal ist πήγνυμι dort mit einem Schwert verbunden, das aber in seine Scheide zurückgesteckt wird: ξίφος ἀργυρόηλον / κουλεῷ ἐγκατέπηξ’ (λ 97–98). Die Junktur κωπῆεν φάσγανον hat homerische Vorbilder (φάσγανα καλὰ μελάνδετα κωπήεντα (O 713), ξίφει […] κωπήεντι (Π 332, Υ 475), ebenso μέγα φάσγανον (X 306–7, Ψ 824).

Zusammenfassung An den untersuchten Stellen zeigen sich mehrere homerische Junkturen wie μέγα φάσγανον, κωπῆεν φάσγανον, ἐρυσσάμενος φάσγανον, ξιφέεσσιν ἐλάσσαι. Neue Junkturen und Ausdrücke sind γυμνὸν ξίφος (dreimal), ὑπὸ ξίφεϊ, φάσγαν’ ἐπισχόμενοι. Inhaltlich werden Schwerter ebenso wie Speere und Lanzen selten zum Kampf verwendet. Das Ziehen oder Schwingen des Schwertes wird an mehreren Stellen ohne nachfolgende Kampfhandlung beschrieben, z.B. bei Polyphemos und den Argonauten im 4. Buch. Die Verfolgung der Harpyien durch die Boreaden ist erfolglos. Das Schwert des Idas kommt nur bei der Waffenprobe zum Einsatz. Dagegen wird das Schwert Jasons im Unterschied zu seinen anderen Waffen oft eingesetzt, im Kampf gegen die Erdgeborenen, beim Mord an Apsyrtos. Zweimal werden Schwerter auch im kriegerischen Kontext, der Schlacht gegen die Bebryker, erwähnt.

f. Bogen und Pfeile Das gängigste Wort für den Bogen ist bei Homer τόξον (Ilias 53, Odyssee 62 Stellen).485 βιός kommt dagegen selten vor (Ilias 7, Odyssee 10 Stellen), wird aber „parallel mit τόξον“ gebraucht.486 In der Ilias spielt die Verwendung des Bogens eine untergeordnete Rolle, wie Trümpy anmerkt: „Die großen Helden verwenden Pfeile nicht.“487 Die Pfeile kommen - im Unterschied zu den Bogen - in der Ilias viel öfter vor als in der Odyssee. Mit der Bedeutung ‚Pfeil‘ begegnen zwei Wörter: ὀϊστός (Ilias 39, Odyssee 15 Stellen) und ἰός (Ilias 28, Odyssee 10 Stellen).488 Bogen und Pfeile finden sich besonders in der Odyssee - bedingt durch den Einsatz in der Bogenproben-Episode und beim Freierkampf - sehr oft in Reden, τόξον sogar an fast zwei Dritteln der Belegstellen.489

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Szene ebd. 289, dass die „satzungsgemäßen […] rituellen Zeichen - Schweigen, Verbergen des Gesichts beziehungsweise Niederschlagen der Augen, sowie Einrammen der Mordwaffe in den Boden - sogleich auf die Schwere des begangenen Verbrechens“ schließen ließ. Hunter (2015) 181 verweist auf Aischyl. Eum. 40–43 als Parallele für ein mit Mordblut besudeltes Schwert. V. Langholf, LfgrE 4, 579, 1–2: „Bogen Pl. auch koll. i.S.v. Bogen / Bögen mit Zubehör (wie Pfeilen, Köcher“. M. Schmidt, LfgrE 2, 62, 40–41. Trümpy (1950) 66. Zu ὀϊστός J.N. O’ Sullivan, LfgrE 3, 612, 55. Zu ἰός W. Beck, LfgrE 2, 1199, 33. Belegstellen in Reden: τόξον: Ilias 16, Odyssee 40; βιός: Ilias 2, Odyssee 8; ὀϊστός: Ilias 9, Odyssee 7; ἰός: Ilias 10, Odyssee 3.

In den Argonautika ist τόξον an 13 Stellen belegt, βιός an drei. Für ‚Pfeil‘ verwendet Apollonios sechsmal ὀϊστός und fünfmal ἰός. Im Heldenkatalog begegnet ein Bogen in der Genealogie der Argonauten Klytios und Iphitos, deren Vater Eurytos diese Waffe von Apollon bekam: Εὐρύτου ᾧ πόρε τόξον Ἑκηβόλος (1, 88).490 Auch der Bogen des Pandaros in der Ilias ist ein Geschenk des Apollon: Πάνδαρος, ὧι καὶ τόξον Ἀπόλλων αὐτὸς ἔδωκεν (B 827). Ebenso die Pfeile und der Bogen Hektors: ἰοί / ὠκύμοροι καὶ τόξον, ὅ τοι πόρε Φοῖβος Ἀπόλλων (O 440–41). Anlässlich des Besuchs der Argonauten am Grab des Sthenelos wird berichtet, dass der Held durch einen Pfeilschuss starb: βλήμενος ἰῷ κεῖθεν, ἐπ’ ἀγχιάλου θάνεν ἀκτῆς (2, 914). Die Formulierung ist homerisch, z.B. βλήμενος ἰῶι (Θ 514, Λ 191, 206). In den Argonautika sind Bogen und Pfeil die Waffen des Herakles. Im ersten Buch wird Hylas als deren Träger und Hüter vorgestellt: ἰῶν τε φορεὺς φύλακός τε βιοῖο (1, 132). φορεύς ist ein homerisches hapax legomenon.491 Der mit φύλαξ gleichbedeutende φύλακος kommt ebenfalls bei Homer nur einmal vor.492 Gegen Ende des ersten Buches setzt Herakles seinen Bogen ein und tötet damit die Erdgeborenen auf der Dolioneninsel: Ἡρακλέης, ὃς δή σφι παλίντονον αἶψα τανύσσας / τόξον, ἐπασσυτέρους πέλασε χθονί (1, 993–94). Das Adjektiv παλίντονος ist bei Homer fünfmal belegt und zwar immer als Epitheton zu τόξον, z.B. παλίντονα τόξα τιταίνων (Θ 266). Das Verb τανύω ist in der Ilias nicht mit τόξον verbunden, in der Odyssee dagegen oft (auch ἐντανύω), z.B. τανύσσαι / τόξον (φ 254–55), τάνυσεν μέγα τόξον Ὀδυσσεύς (φ 409). Die Phrase ἐπασσυτέρους πέλασε χθονί ist - mit der metrischen Position - aus dem Iteratvers πάντας ἐπασσυτέρους πέλασε χθονὶ πουλυβοτείρηι (Θ 277, Μ 194, Π 418) übernommen, der in der Ilias das Töten mehrerer Krieger beschreibt. Auch die anderen Argonauten bekämpfen die Erdgeborenen mit Pfeilen und Lanzen: … ἠμὲν ὀιστοῖς / ἠδὲ καὶ ἐγχείῃσι δεδεγμένοι, εἰσόκε πάντας / […] ἐδάιξαν (1, 1000–2).493 Bei Homer findet sich eine ähnliche Formulierung in der Rede des Teukros während seiner Aristie: τόξοισι δεδεγμένος ἄνδρας ἐναίρω (Θ 296). Bogen und Pfeile des Herakles kommen auf der Erzählebene nicht mehr im Kampf zum Einsatz. Sie werden aber noch zweimal erwähnt im Zusammenhang mit der Beschaffung eines neuen Ruders. In 1, 1194–95 werden sie abgelegt: Ῥίμφα δ’ ὀιστοδόκην 490 Mooney (1912) 74 weist darauf hin, dass τόξον hier (wie lt. Eustathios auch in O 441) nicht als Waffe, sondern als Metapher für die Technik des Bogenschießens aufzufassen sei. Eurytos setzte den Bogen dann gegen den Gott selbst im Wettbewerb des Bogenschießens ein und wurde aus Zorn darüber von Apollon getötet (vgl. θ 224–28). 491 Σ 566, dort ist φορεύς in der Ekphrasis ein Träger bei der Weinlese, vgl. Ardizzoni (1967) 119. 492 Ω 566, dort bedeutet φύλακος Türwächter. Burg- oder Torwächter sind auch gemeint bei Herodot in 1, 84, 2 und 1, 89, 3. Das Wort ist außerdem belegt bei Theokrit (eid. 29, 38) und als Femininum bei Kallimachos (Hek. fr. 260, 28 Pf.). 493 Zu dieser Szene s. unter 1k. (ἀρήϊος) und 6d. (Lanzen/Speere). 121

μὲν ἐπὶ χθονὶ θῆκε φαρέτρην / αὐτοῖσιν τόξοισιν, … Das Epitheton ὀιστοδόκος ist nur bei Apollonios belegt, möglicherweise als variatio des bei Homer dreimal neben φαρέτρη verwendeten ἰοδόκος (O 444, φ 12, 60).494 Der soziative Dativ mit αὐτός, mit dem Apollonios die Einheit von Bogen, Pfeilen und Köcher betont, kommt auch bei Homer vor, z.B. αὐτοῖσ’ ὀβελοῖσιν (ξ 77) und auch in Ι 542:495 Für das Ablegen von Rüstungsgegenständen und Waffen auf den Boden wird bei Homer meistens die Wendung κατατίθημι / ἀποτίθημι ἐπὶ χθονί verwendet, die jedoch nicht in Verbindung mit φαρέτρη oder τόξον begegnet.496 Das Ablegen eines Bogens findet sich z.B. in O 478, wo ein Krieger mitten im Gefecht vom Bogenkampf zum Speerkampf wechselt und deshalb den Bogen zur Seite legt: ὃ δὲ τόξον μὲν ἐνὶ κλισίηισιν ἔθηκεν. Ein Bogen wird auch abgelegt bei der Bogenprobe der Odyssee (φ 136) sowie beim Freierkampf (χ 120–21). Nach dem Ablegen des Bogens folgt in Ο und χ jeweils eine kurze Rüstungsszene, in der sich der Krieger mit Schild, Helm und Speer bewaffnet, um den Kampf fortzusetzen (O 479–83, χ 122–25).497 In den Argonautika dagegen legt Herakles seinen Bogen ab, um einen Baum auszureißen. Danach nimmt er die Waffen wieder auf: Ὁμοῦ δ’ ἀνὰ τόξα καὶ ἰοὺς / δέρμα θ’ ἑλὼν ῥόπαλόν τε (1, 1205–6). Das Begriffspaar τόξα καὶ ἰούς begegnet einmal in den Homerischen Hymnen (27, 16).498 Die Junktur τόξον ἑλεῖν kommt auch bei Homer vor, z.B. εἵλετο τόξον (I 559).499 Boden und Pfeile des Herakles werden danach nur noch in Analepsen über die Tötung der Schlange Ladon erwähnt. Zunächst wird über die Wirkung der giftigen Pfeile berichtet: ἐν δὲ λιπόντων / ὕδρης Λερναίης χόλον αἵματι πικρὸν ὀιστῶν (4, 1403–4).500 Das Adjektiv πικρός, bei Homer oft Epitheton für ὀϊστός (11 Stellen, z.B. Δ 118), wird hier durch Enallage mit χόλος verbunden, eine Junktur ohne Vorbild.501 494 S. dazu, Marxer (1935) 43. Ardizzoni (1967) 257 begründet die von ihm präferierten Lesart ὀιστοδόκον damit, dass das Wort als Adjektiv sonst nicht belegt sei (an der Belegstelle bei Pollux (1, 142) ist ὀιστοδόκη Substantiv, s. TLG, Bd. V, 1835). 495 Dort reißt ein Eber in einer Analepse Bäume aus und wirft sie auf den Boden mitsamt Wurzeln und Früchten: χαμαὶ βάλε δένδρεα μακρά / αὐτῆισιν ῥίζηισι (I 541–42). Zum soziativen Dativ s. KG, I 433. Diesen Dativ verwendet Apollonios sogar zweimal in dieser Episode: Erst wirft Herakles seinen Köcher mitsamt dem Bogen zu Boden (αὐτοῖσιν τόξοισιν), dann reist auch er einen Baum mitsamt den Erdklumpen aus: σὺν αὐτοῖς ἔχμασι γαίης (1, 1200). 496 z.B. κατέθηκεν ἐπὶ χθονὶ (den Helm in Z 473, s. dazu auch unter 6b. (Helme)), τεύχεα κάλ’ ἀποθέσθαι ἐπὶ χθονὶ (Γ 89). 497 Vgl. Arend (1933) 95–96. 498 Und bei Asklepiades: οὐδ’ ἐπὶ σοὶ μούνῳ κατεθήξατο τόξα καὶ ἰοὺς / πικρὸς Ἔρως (AP 12, 50, 3–4), dann wieder bei Nonnos: τόξα καὶ ἰοὺς (Dion. 5, 523). 499 Um Waffenraub geht es in K 458–59: ἕλοντο / […] καὶ τόξα παλίντονα. Ähnlich ist auch τόξον λάβε καὶ βέλος ὠκύ (φ 148). 500 Bei Sophokles wird erzählt, dass der Pfeil, mit dem Herakles Nessos tötete, auch mit dem Gift der Hydra präpariert gewesen sei: μελαγχόλους / ἔβαψεν ἰοὺς θρέμμα Λερναίας ὕδρας (Trach. 573–74). S. dazu auch Hunter (2015) 271. 501 χόλος wird selten in der Bedeutung ‚Galle‘ verwendet. Bei LSJ s.v. I.1 („rarely in physical sense (later = χολή), gall, bile“) wird als Belegstelle nur Π 203 genannt. 122

Dann erzählt Aigle von dieser Tat des Helden: … τόξα τε, τοῖσι πέλωρ τόδ’ ἀπέφθισεν ἰοβολήσας (4, 1440).502 Das Verb ἰοβολέω kommt nicht bei Homer vor.503 In der Symplegaden-Episode dienen Pfeil und Bogen zum Vergleich: 2, 591–92: Die Ruderstangen der Argo werden mit gekrümmten Bögen verglichen: ἐπεγνάμπτοντο δὲ κῶπαι / ἠύτε καμπύλα τόξα, βιαζομένων ἡρώων. Der Ausdruck καμπύλα τόξα findet sich bei Homer an acht Stellen (z.B. Γ 17). Das Verb ἐπιγνάμπτω ist bei Homer nur einmal mit einer Waffe als Objekt verbunden: ἆξαι ἐπιγνάμψας δόρυ μείλινον (Φ 178).504 2, 600: Die Argo selbst wird mit einem Pfeil verglichen: Ἡ δ’ ἰκέλη πτερόεντι μετήορος ἔσσυτ’ ὀιστῷ.505 Das Adjektiv πτερόεις findet sich bei Homer auch als Epitheton von Pfeilen (ὀϊστός (E 171), ἰός (Δ 116–17, Π 773, Υ 68), steht aber sonst meist ist der Formel ἔπεα πτερόεντα προσηύδα (107 Stellen, z.B. A 201). In der Ares-Vögel-Episode werden Bogen und Pfeile anders als die anderen Waffen nicht zur Abschreckung der Vögel verwendet, sondern begegnen zunächst beim Versuch des Klytios, einen Vogel zu treffen: … πρὸ γὰρ ἀγκύλα τείνατο τόξα (2, 1043). Der Ausdruck ἀγκύλα τόξα kommt bei Homer dreimal vor (E 209, Z 322, φ 264). Das Spannen des Bogens wird dort aber nur einmal mit τείνω beschrieben:506 μέγα τόξον ἔτεινεν (Δ 124). Sonst verwendet Homer τανύω oder τιταίνω, ähnlich ist z.B. ἐτιταίνετο καμπύλα τόξα (E 97). Dann aber äußert Amphidamas die Vermutung, dass Pfeile allein nicht zur Abwehr der Ares-Vögel genügen: ἐγὼ δ’ οὐκ ἔλπομαι ἰοὺς / τόσσον ἐπαρκέσσειν εἰς ἔκβασιν (2, 1048–49). Als Begründung dafür gibt er an, dass auch Herakles die stymphalischen Vögel mit seinem Bogen allein nicht vertreiben konnte: Οὐδὲ γὰρ

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Nach Homer heißt ‚Galle‘ χολή. Bei Sophokles findet sich πικρὰν […] χολήν (fr. 854 Radt). Apollodor verwendet χολή für das Gift der Hydra: τὸ δὲ σῶμα τῆς ὕδρας ἀνασχίσας τῇ χολῇ τοὺς ὀιστοὺς ἔβαψεν (2, 80, 4–5). S. auch Hunter (2015) 271: „χόλον venom“. Schwinge (1986) 114 fasst die Erzählung als „analoge[.] Situation“ zum Raub des Goldenen Vlieses durch Jason auf: Der Drache, der das Vlies bewacht, wird mit Gift eingeschläfert, so dass Jason das Vlies an sich nehmen kann. Herakles tötet die Schlange Ladon mit vergifteten Pfeilen, um die Äpfel der Hesperiden zu rauben. Doch während Herakles „auf direktem Weg“, d.h. mit Einsatz seiner Waffen, dieses Ziel erreiche, sei Jason wiederum, wie auch bei seinem Athlos, auf die Hilfe Medeas angewiesen. Das Verb ἰοβολέω beschreibt jedoch den Schuss des Eros in den hellenistischen Epigrammen des Alkaios von Messene (ἐπ’ ἐμὴν ἰοβολεῖ κραδίην (AP 5, 10)) und des Leonidas von Tarent: ἰοβολῶν (AP 5, 188). Auch bei Euripides dient der Bogen als tertium comparationis, dort um das Biegen eines Baumes zu illustrieren: κυκλοῦτο δ’ ὥστε τόξον (Bakch. 1066). Der Vergleich der Schnelligkeit des Schiffes mit der des Pfeils wird von Vergil übernommen: fugit illa per undas / ocior et iaculo et ventos aequante sagitta (Aen. 10, 247–48). Das Verb τείνω steht bei Homer dagegen oft in Zusammenhang mit Zügeln (fünfmal ἡνία, z.B. Γ 261). 123

Ἡρακλέης […] / πλωάδας ὄρνιθας Στυμφαλίδος ἔσθενε λίμνης / ὤσασθαι τόξοισι (2, 1052–54). Die Verbindung des Verbs ὠθέω, das hier die Bedeutung ‚vertreiben‘ hat, mit τόξον im instrumentalen Dativ ist unhomerisch. Als Attribute des Gottes Apollon werden Pfeil und Bogen zum ersten Mal in der Rede des Idmon erwähnt, der Idas vor dem Schicksal der frevelhaften Aloeus-Söhne warnt: ἔμπης δὲ θοοῖς ἐδάμησαν ὀιστοῖς / ἄμφω Λητοΐδαο (1, 483–84). Das Verb δαμάζω ist bei Homer zweimal mit ὀϊστός als Subjekt verbunden (E 278, Λ 478). Die Junktur θοοῖς ὀιστοῖς ist neu, ähnlich ist nur χ 83 (θοὸν βέλος).507 Das Motiv ist homerisch: In der Ilias wird berichtet, dass Apollon die Söhne der Niobe aus Zorn über deren Frevel mit seinem Bogen getötet habe (Ω 605–6). Im zweiten Buch besingt Orpheus, wie Apollon Python mit seinem Bogen getötet habe: ὥς ποτε πετραίῃ ὑπὸ δειράδι Παρνησσοῖο / Δελφύνην τόξοισι πελώριον ἐξενάριξε (2, 705–6).508 Das Verb ἐξεναρίζω ist bei Homer nicht mit Bogen oder Pfeil im Instrumentalis verbunden.509 In der Handlung der Argonautika tritt Apollon zweimal auf: In 2, 678–79 schwingt er seinen silbernen Bogen: λαιῇ δ’ ἀργύρεον νώμα βιόν, ἀμφὶ δὲ νώτοις / ἰοδόκη τετάνυστο κατωμαδόν. Bei Homer ist die Junktur νωμάω βιόν nicht belegt, doch begegnet in der Odyssee dreimal τόξον νωμάω (φ 245, 393, 400). Als ἀργύρεος βιός wird der Bogen des Apollon auch in der Ilias bezeichnet (A 49, Ω 605). Außerdem wird der Gott selbst Ἀργυρότοξος genannt (A 37). Apollonios verwendet das bei Homer neben φαρέτρη stehende Adjektiv ἰοδόκος (O 444, φ 12, 60) als Substantiv ἰοδόκη (außerdem noch in 3, 156 und 3, 279).510 Im ersten Gesang der Ilias werden Bogen und Pfeile des Apollon beschrieben, die einen schrecklichen Klang von sich geben: τόξ’ ὤμοισιν ἔχων ἀμφηρεφέα τε φαρέτρην·/ ἔκλαγξαν δ’ ἄρ’ ὀϊστοὶ ἐπ’ ὤμων χωομένοιο (A 45–46). Das Erscheinen des Gottes zieht dort einen aktiven Eingriff in die Handlung nach sich: Apollon erhört die Gebete des Priesters Chryses und setzt seine Waffen ein, um den Achaiern eine todbringende Seuche zu schicken. In den Argonautika dagegen beschränkt sich der Auftritt des Gottes auf ein bloßes Erscheinen ohne Aktivität. Das Schwingen seines Bogens bleibt ebenso ineffektiv wie das Schwingen der Waffen durch Aietes (3, 1231) und die Argonauten (4, 1055).511

507 Zu θοός in Verbindung mit Waffen s. unter 6d. (Lanzen/Speere, zu 2, 830). 508 Vgl. Hymn. Hom. Ap. 300–1 (δράκαιναν κτεῖνεν ἄναξ / Διὸς υἱὸς ἀπὸ κρατεροῖο βιοῖο) und Kallim. Ap. 100–2 (Πυθώ […]. τὸν μὲν σὺ κατήναρες ἄλλον ἐπ’ ἄλλῳ / βάλλων ὠκὺν ὀϊστόν). 509 Zum Instrumentalis bei ἐξεναρίζω s. unter 10d. ((ἐξ)εναρίζω). 510 Dazu Marxer (1935) 43. Kallimachos gebraucht dagegen den homerischen Ausdruck φαρέτρας / ἰοδόκους (Dian. 212–13). ἰοδόκος φαρέτρη und ἰοδόκη werden in hellenistischer und späterer Dichtung oft für den Köcher des Eros verwendet, Belege bei Campbell (1994) 138. 511 S. unter 6d. (Lanzen/Speere). 124

Bei seiner zweiten Erscheinung in 4, 1709–10 hebt Apollon seinen - jetzt goldenen Bogen empor: δεξιτερῇ χρύσειον ἀνέσχεθες ὑψόθι τόξον· / μαρμαρέην δ’ ἀπέλαμψε βιὸς πέρι πάντοθεν αἴγλην. Ähnlich formuliert ist eine Szene in der Dolonie, wo Odysseus den Bogen des Dolon (καὶ τόξα παλίντονα (K 459)) zu Athene emporhebt: καὶ τά γ’ Ἀθηναίηι ληΐτιδι δῖος Ὀδυσσεύς / ὑψόσ’ ἀνέσχεθε χειρὶ (K 460–61). Einen goldenen Bogen wie Apollon trägt auch Artemis in den Homerischen Hymnen: παγχρύσεα τόξα (27, 5). ἀπέλαμψε βιὸς ist ohne homerisches Vorbild. Das Verb ἀπολάμπω beschreibt dort aber das Glänzen von Helm (T 381) und Lanze (X 319). Im dritten Buch dominieren Pfeil und Bogen als Waffen des Eros. Sie werden in 3, 95–97 zunächst wie Spielzeuge dargestellt, die Aphrodite zur Strafe zu zerbrechen droht: Καὶ δή οἱ μενέηνα […] / αὐτοῖσιν τόξοισι δυσηχέας ἆξαι ὀιστοὺς / ἀμφαδίην.512 Das Adjektiv δυσηχής ist bei Homer nicht Epitheton für Waffen, sondern nur für πόλεμος (siebenmal, z.B. B 686) und θάνατος (dreimal, z.B. Π 442). Die Zuordnung dieses negativ konnotierten, eine fatale Wirkung beschreibenden Attributs zu den Pfeilen des ungehorsamen kleinen Eros wirkt ironisch.513 Die Form ἆξαι findet sich bei Homer mit einer Lanze als Objekt: ἆξαι ἐπιγνάμψας δόρυ μείλινον (Φ 178). Dass diese Szene motivisch auf die Drohung des Pandaros, seinen Bogen zu zerbrechen (ἐγὼ τάδε τόξα φαεινῶι ἐν πυρὶ θείην / χερσὶ διακλάσσας (E 215–16)), anspielt, wird dadurch wahrscheinlich, dass auch der Schuss des Pandaros Vorbild für den Schuss des Eros ist (s.u.). Im Zusammenhang mit dem Schuss auf Medea werden Bogen und Pfeile des Eros noch zweimal genannt. In 3, 156–57 nimmt der Gott beim Aufbruch seinen Bogen zur Hand: Αὐτίκα δ’ ἰοδόκην χρυσέῃ περικάτθετο μίτρῃ, / πρέμνῳ κεκλιμένην, ἀνὰ δ’ ἀγκύλον εἵλετο τόξον. Die Formulierung ist homerisch: ἀγκύλα τόξα (E 209, Z 322, φ 264), εἵλετο τόξον (I 559). ἰοδόκη bezeichnet in hellenistischer und späterer Dichtung oft den Köcher des Eros.514 In 3, 278–79 spannt Eros den Bogen zum Schuss und nimmt einen Pfeil aus dem Köcher: Ὦκα δ’ ὑπὸ φλιὴν προδόμῳ ἔνι τόξα τανύσσας / ἰοδόκης ἀβλῆτα πολύστονον ἐξέλετ’ ἰόν.515 Mit πολύστονον ἰόν übernimmt Apollonios eine singuläre homerische Junktur aus einer Kampfszene, in der ein Krieger von einem Pfeil getroffen wird (αὐχένι γάρ οἱ ὄπισθε πολύστονος ἔμπεσεν ἰός (O 451)) und setzt sie in den Kontext der Medea-Handlung: Das Attribut πολύστονος drückt das durch den Pfeil verursachte Leid aus,516 das in der Ilias aus Verwundung und Tod, in den Argonautika dagegen aus den Liebesqualen Medeas

512 Zum Dativ αὐτοῖσιν τόξοισι s. zu 1, 1195. 513 Rengakos (1994) 73 zeigt die aus zwei möglichen Ableitungen (aus ἠχή oder ἄχος) entstandene „Ambiguität“ des Adjektivs („mißtönend, schlimmtosend“ bzw. „schmerzvoll“ mit Bezug auf den Medea-Schuss in 3, 279), die hier zum Tragen kommt. 514 S. dazu Anm. 510 (zu 2, 679). 515 Zu ἰοδόκη s. zu 2, 679 (Anm. 510) und 3, 156. Zu τόξα τανύσσας s. zu 1, 993–94. 516 J. N. O‘ Sullivan, LfgrE 3, 1430, 2: „having much groaning“. 125

besteht.517 Als Prätext der gesamten Szene aber diente der Pandaros-Schuss in der Ilias. Dort spannt Pandaros seinen Bogen (τόξον […] τανυσσάμενος (Δ 105–12)), und entnimmt dann dem Köcher einen Pfeil, um auf Menelaos zu schießen: ἐκ δ’ ἕλετ’ ἰόν / ἀβλῆτα πτερόεντα (Δ 116–17). Pandaros und Eros erhalten den Auftrag zum Schuss durch eine Göttin, die damit einen bestimmten Zweck verfolgt: Pandaros wird durch Athene verleitet, auf Menelaos zu schießen, Eros erhält den Auftrag zum Schuss auf Medea durch seine Mutter Aphrodite und indirekt durch Hera. Bezüglich Zweck und Wirkung des Schusses zeigt sich jedoch ein Kontrast: Durch den Schuss des Pandaros wird das Ende des Waffenstillstandes zwischen Achaiern und Troern provoziert und damit der Kampf neu initiiert. Der Schuss des Eros dagegen markiert den Beginn des zentralen Themas der Argonautika, Medeas Liebe zu Jason, durch die ein offener Kampf zwischen Argonauten und Kolchern verhindert wird. In der Beschreibung des Schusses selbst werden dann schließlich weder Bogen noch Pfeil des Eros noch einmal erwähnt (3, 282–86), da in der folgenden äußerst detaillierten Schilderung nicht mehr der ganze Pfeil im Fokus steht, sondern nur noch die Kerben (γλυφίδας) des Pfeils, nicht mehr der Bogen, sondern nur noch die Sehne des Bogens, an die die Kerbe gelegt wird: μέσσῃ ἐνικάτθετο νευρῇ (3, 282). Genau wird auch geschildert, wie Eros mit beiden Händen die Sehne spannt und auf Medea schießt: ἰθὺς δ’ ἀμφοτέρῃσι διασχόμενος παλάμῃσιν / ἧκ’ ἐπὶ Μηδείῃ (3, 283–84). So stehen zwischen dem Spannen des Bogens in 3, 278 und dem Schuss selbst (3, 284) fünf Verse. Der Schuss des Pandaros in der Ilias wird mit neun Versen noch detaillierter beschrieben. Auch dort wird geschildert, wie Pandaros den Pfeil auf die Sehne legt: αἶψα δ’ ἐπὶ νευρῇ κατεκόσμει πικρὸν ὀϊστόν (Δ 118). Noch genauer ist dann die Beschreibung des Spannens (εἷλκε δ’ ὁμοῦ γλυφίδας τε λαβὼν καὶ νεῦρα βόεια· / νευρὴν μὲν μαζῶι πέλασεν, τόξωι δὲ σίδηρον (Δ 122–23)) und Abschießens (Δ 124–26). In den Bereich des Wettkampfs fällt die letzte Belegstelle: Die Argonauten erfreuen sich am Strand mit Diskuswurf und Pfeilschießen: Τοὺς δ’ εὗρεν παρὰ νηὶ σόλῳ ῥιπῇσί τ’ ὀιστῶν / τερπομένους (4, 851–52). Zu ῥιπῇσί τ’ ὀιστῶν findet sich keine homerische Parallele.518 Eine inhaltlich ähnliche Szene ist in der Ilias zu finden, wo die Myrmidonen sich am Strand mit Wettspielen erfreuen: λαοὶ δὲ παρὰ ῥηγμῖνι θαλάσσης / δίσκοισιν τέρποντο καὶ αἰγανέηισιν ἱέντες / τόξοισίν θ’ (B 773–75).519

517 So auch Paduano (1972) 116, der in der Vorgehensweise, homerische Formulierungen in einen anderen Kontext zu setzen, ein Muster erkennt, das die gesamte Argonautika prägt und das Verhältnis zwischen Innovation und Tradition ausdrückt: „La definizione πολύστονον ἰόν (279) è di derivazione omerica; costituisce anzi uno di più precisi canoni de misura del rapporto semantico tra innovazione e tradizione all’interno dell’opera de Apollonio: questo rapporto conduce ad esprimere con un linguaggio preso da Omero una tematica lontanissima da Omero, …“ 518 Doch findet sich bei Pindar: βελέων ὑπὸ ῥιπαῖσι (Nem. 1, 68). 519 Diese Parallele nennt auch Hunter (2015) 200, außerdem Ι 186. 126

Zusammenfassung An den untersuchten Belegstellen begegnen einige homerische Junkturen: παλίντονον τόξον, ἀγκύλα τόξα, πτερόεντι ὀιστῷ, πολύστονος ἰός (bei Homer singulär), τανύσσας τόξον, βλήμενος ἰῷ, εἵλετο τόξον. An neuen Konstruktionen finden sich θοοῖς ὀιστοῖς, δυσηχέας ὀιστούς, ἀπέλαμψε βιός, ῥιπῇσί τ’ ὀιστῶν sowie die Neubildung ὀιστοδόκος. Ιnhaltlich stechen Pfeil und Bogen vor allem als Attribute von Apollon und Eros heraus. Der Schuss des Eros ist dem Pandaros-Schuss der Ilias nachgebildet. An mehreren Belegstellen, sowohl in Analepsen als auch in der Erzählung, sind Pfeil und Bogen die Waffen des Herakles. Von den Argonauten werden die Waffen gegen Erdgeborene und Ares-Vögel sowie für den sportlichen Wettkampf eingesetzt. Außerdem finden sich Bogen und Pfeil jeweils einmal in einem Vergleich.

g. βέλος βέλος (Ilias 75, Odyssee 14 Stellen) kann nicht direkt den Waffen zugezählt werden, da es von βάλλω abgeleitet und nicht auf eine spezielle Waffe festgelegt ist. βέλος ist das ‚Geschoss‘, der geworfene oder abgeschossene Gegenstand, der eine Waffe (Pfeil, Speer) sein kann oder auch ein anderer Gegenstand, der zum Werfen oder Schießen dient (z.B. Stein).520 In der Ilias ist βέλος öfter belegt als die beiden Begriffe für ‚Pfeil‘ zusammen (67 Stellen),521 meist in der Beschreibung von Kampfhandlungen auf der Erzählebene, an 23 Ilias- und 8 Odysseestellen auch in Reden.

Apollonios verwendet das Wort siebenmal: Im zweiten Buch wird die Feder eines Ares-Vogels, die Oileus getroffen hat, als βέλος bezeichnet: οἱ δὲ τάφον πτερόεν βέλος εἰσορόωντες (2, 1038). Diese Feder ist mit einem Pfeil vergleichbar, der an seinem Ende auch mit Federn ausgestattet ist: πτερόεντες ὀϊστοί (E 171).522 Als Epitheton zu βέλος fungiert πτερόεις bei Homer jedoch nicht.523 Aber auch der Pfeil, den Klytios dann auf den Vogel abschießt,524 wird βέλος genannt: ἧκέ τ’ ἐπ’ οἰωνὸν ταχινὸν βέλος (2, 1044). Bei Homer kommt das

520 W. Beck, LfgrE 2, 50, 19–22: „missiles, projectile […], a generic term for anything cast or propelled with intent to damage: of arrows, spears or stones but also of objects of a non-military nature“. Im Ilias-Kommentar des Eustathios heißt es z.B. über die Bedeutung von βέλος in Θ 159: Βέλη δέ φησιν ὀϊστούς, λίθους, δόρατα, καὶ εἴ τι ἄλλο ἀφίεται μήκοθεν, ὁποῖα Τρῶες καὶ Ἕκτωρ ἀφιᾶσι κατὰ Διομήδους φύγαδε τραπέντος. 521 W. Beck, LfgrE 2, 49, 63. 522 S. dazu die Ausführungen von Fränkel (1968) 266. 523 Später jedoch bei Nonnos (z.B. Dion. 22, 360). Zu πτερόεις s. unter 6f. (Bogen und Pfeile, zu 2, 600). 524 Zu dieser Szene s. auch unter 6f. (Bogen und Pfeile). 127

Epitheton ταχινός nicht vor,525 doch steht dort ταχύς neben Pfeilen, z.B. Μενελάωι ἔπι προέμεν ταχὺν ἰόν (Δ 94).526 Sprachlich evoziert die Stelle den Schuss des Apollon im ersten Gesang der Ilias: ἧκε δ’ ἐπ’ Ἀργείοισι κακὸν βέλος (A 382). An drei Stellen wird mit βέλος der Pfeil des Eros bezeichnet.527 Zunächst in Heras Rede, in der sie ihren Plan erläutert: αἴ κε πίθηται / κούρην Αἰήτεω πολυφάρμακον οἷσι βέλεσσι / θέλξαι ὀιστεύσας ἐπ’ Ἰήσονι (3, 26–28).528 Bei Homer ist ὀϊστεύω nicht mit βέλεσσι verbunden, jedoch einmal mit τόξῳ (μ 84).529 Der Ausdruck οἷσι βέλεσσι evoziert die Worte des Priesters Chryses in der Ilias, der Apollon bittet, die Danaer mit seinen Pfeilen zu strafen: τείσειαν Δαναοὶ ἐμὰ δάκρυα σοῖσι βέλεσσιν (A 42).530 Eine weitere Analogie ist das metaphorische Bild eines Schusses als Auslöser von Leid. Der Schuss des Apollon bewirkt Krankheit und Tod, der Schuss des Eros dagegen Medeas Liebesleid. Als Geschoss von Göttern ist βέλος bei Homer gängig, jedoch taucht die Verbindung mit Eros wie auch Eros selbst erst nach Homer auf.531 In 3, 153 überredet Aphrodite Eros zu der Tat: … εἴ κεν ἐνισκίμψῃς κούρῃ βέλος Αἰήταο. Bei Homer findet sich ἐνισκίμπτω zweimal in der Kampfessphäre, wenn ein Speer sich, nachdem er einen ausweichenden Gegner verfehlt hat, in den Boden bohrt: … δόρυ μακρὸν / οὔδει ἐνισκίμφθη (Π 611–12, Ρ 527–28).532 Apollonios dagegen verwendet dieses Verb noch einmal in übertragener Bedeutung: ἀνίας / ἀκάματοι πραπίδεσσιν ἐνισκίμψωσιν Ἔρωτες (3, 764–65). An beiden Stellen wird ein physischer Vorgang aus dem kriegerischen Kontext auf einen psychischen Vorgang in den erotischen Kontext übertragen. Motivisch spielt die Szene wieder auf die Pandaros-Episode an. Wie dort Athene Pandaros Versprechungen macht, damit er auf Menelaos schießt (Δ 95–99), so verspricht Aphrodite ihrem Sohn ein Geschenk für den Schuss auf Medea (3, 152).

525 LSJ s.v.: „poet. and late Prose for ταχύς“. Belegt ist das Adjektiv auch bei Theokrit (eid. 2, 7; 14, 18) und Kallimachos (ov. 56), jedoch nicht als Epitheton für Waffen. Campbell (1971) 415 zu ταχινός: „This is a good hellenistic word (Callimachus, Theocritus, Aratus), […] (the obvious one is Homer’s ὠκύ).“ 526 Außerdem: ταχέες […] ὀϊστοί (Φ 492), ταχέας […] ὀϊστοὺς (χ 3, ω 178). 527 Vgl. dazu auch 6f. (Bogen und Pfeile). 528 Zur Lesart ὀιστεύσας s. unter 9b. (ὀϊστεύω, zu 3, 28). 529 Dann aber bei Nonnos: βελέεσσιν ὀιστεύων (Dion. 1, 261): Ähnlich auch bei Proklos: Ἔρωτες / […] ὀιστεύουσι βελέμνοις (hymn. 2, 3–4). 530 Der Dativ βέλεσσι in Verbindung mit Ἔρως findet sich bei Oppian (kyn. 2, 410–12: Ἔρως […] βελέεσσι δὲ σοῖσι) und Musaios (149: τόν σοι ἔρως ἤγρευσεν ἑοῖς βελέεσσι κιχήσας) wieder. 531 Nach LSJ s.v. ἔρως II: „the god of love“ ist Eros als Person zuerst bei Anakreon (z.B. PMG 357, 1) belegt. 532 R. Führer, LfgrE 4, 150, 4: „ein(ge)ramm(t werd)en, im Boden strecken bleiben“. 128

Schließlich wird die Wirkung des Schusses beschrieben: βέλος δ’ ἐνεδαίετο κούρῃ / νέρθεν ὑπὸ κραδίῃ, φλογὶ εἴκελον (3, 286–87).533 Die Verbindung des Verbs (ἐν)δαίω mit βέλος ist ohne homerisches Vorbild. Der Vergleich φλογὶ εἴκελος beschreibt bei Homer einen kampfeswütigen Krieger, meistens Hektor (Ν 53, 688, Ρ 88, Υ 423).534 Der Vergleich zwischen Feuer und dem Geschoss des Eros begegnet auch in der Tragödie: οὔτε γὰρ πυρὸς οὔτ’ ἄστρων ὑπέρτερον βέλος οἷον τὸ τᾶς Ἀφροδίτας ἵησιν ἐκ χερῶν Ἔρως ὁ Διὸς παῖς. (Eur. Hipp. 530–32).

In Kontrast zu dem Geschoss des Eros, das Medea wirklich trifft, stehen in deren Monolog die Geschosse der Artemis, von denen sie wünscht bezwungen worden zu sein, um ihrem Liebesleid zu entgehen: Ὡς ὄφελόν γε / Ἀρτέμιδος κραιπνοῖσι πάρος βελέεσσι δαμῆναι / πρὶν τόν γ’ εἰσιδέειν (3, 773–75). Bei Homer ist κραιπνός nicht Epitheton für βέλος oder Waffen.535 Mit dem Verb δάμνημι ist βέλος bei Homer einmal verbunden: σῶι βέλεϊ δμηθέντα (Δ 99).536 Die Pfeile der Artemis werden auch in der Odyssee als βέλεα bezeichnet: … Ἄρτεμις ἁγνὴ / οἷσ’ ἀγανοῖσι βέλεσσιν ἐποιχομένη κατέπεφνεν (ε 123–24, ähnlich auch λ 173, 199). Die Worte Medeas klingen an die Rede Achills in Φ 277–79 an: ἥ μ’ ἔφατο […] ὀλέεσθαι Ἀπόλλωνος βελέεσσιν. / ὥς μ’ ὄφελ’ Ἕκτωρ κτεῖναι, … Motivisch kann außerdem T 59 herangezogen werden, wo Achill den Wunsch äußert, Artemis hätte Briseis mit dem Pfeil getötet: τὴν ὄφελ’ ἐν νήεσσι κατακτάμεν Ἄρτεμις ἰῶι. Im vierten Buch werden die von Talos geworfenen Felsbrocken, denen die Argonauten ausweichen müssen, βέλεα genannt: καὶ τοὶ μὲν ὑπὲκ βελέων ἐρύσαντο / νῆ’ ἐπ’ ἐρετμοῖσιν (4, 1659–60). Die Formulierung ist homerisch: αὐτὰρ Ἀχαιοί / ἀσπασίως Πάτροκλον ὑπεκ βελέων ἐρύσαντες (Σ 231–32), ἐκ βελέων ἐρύσαντο νέκυν (Σ 152). Wie bei der Deckung mit den Schilden in der Ares-Vögel-Episode537

533 Das Verb δαίω ist bei Homer zwar an mehreren Stellen mit göttlichem oder von Göttern bewirktem Feuer oder Glanz verbunden wie πῦρ, φλόγα, σέλας (vgl. R. Führer, LfgrE 2, 208, 26, 43), aber nicht mit einer Waffe. Oft steht das Verb in der Kriegssphäre, z.B. für das Lodern des Kampfes (6 Stellen, z.B. Ζ 329). In ähnlichem Zusammenhang wie bei Apollonios steht ἐνδαίειν aber auch bei Pindar: γλυκὺν ἡμιθέοισιν πόθον ἔνδαιεν Ἥρα (Pyth. 4, 184). Dieses Motiv der wie eine innere Flamme verzehrenden Liebe übernimmt auch Vergil (Aen. 4, 2). 534 Bei Apollonios wird mit φλογὶ εἴκελος außerdem das Glänzen der Waffen (1, 544, s. unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα) und des Goldenen Vlieses (4, 173) beschrieben. 535 κραιπνός begegnet bei Homer mehrmals in der Junktur ποσὶ κραιπνοῖσι (5 Stellen, z.B. Z 503), oft auch in adverbialer Verwendung. Doch findet sich eine Parallele bei Pindar: βέλος Ἀρτέμιδος […] κραιπνόν (Pyth. 4, 90). 536 Mit βέλος als Subjekt auch noch in E 106, 278, Ξ 439. 537 S. unter 6c. (Schilde). 129

wird auch hier die Hilfe, die die Helden Homers einem anderen Krieger leisten, auf das Schiff übertragen, das daher wie eine Person wirkt.538

Zusammenfassung An zwei Belegstellen begegnen homerische Konstruktionen: βελέεσσι δαμῆναι, ὑπὲκ βελέων ἐρύσαντο. Die Verbindungen von βέλος mit Epitheta sind unhomerisch und bis auf eine Ausnahme neu: πτερόεν βέλος, ταχινὸν βέλος, κραιπνοῖσι βελέεσσι. Die neuen Konstruktionen mit Verben in der Eros-Szene resultieren aus der metaphorischen Bedeutung von βέλος als Liebesleid verursachendes Geschoss: βέλεσσι ὀιστεύσας, ἐνισκίμψῃς βέλος, βέλος ἐνεδαίετο. Daneben bestehen aber auch Anlehnungen an homerische Formulierungen aus dem Kampfgeschehen wie z.B. βελέεσσι δαμῆναι (s.o.), φλογὶ εἴκελον. βέλος kommt in den Argonautika nicht in Kampfschilderungen vor. Zweimal begegnet es in der Ares-Vögel-Episode, einmal bezeichnet es den Steinwurf des Talos. An vier Stellen ist βέλος der Pfeil eines Gottes. Diese Stellen stehen alle im Kontext der Medea-Handlung.

h. Gesamtüberblick ‚Waffen‘ Die sprachliche Untersuchung der Belege für die kriegerischen Waffen zeigt fast durchgängig eine variatio in imitando. Apollonios verwendet das Vokabular in homerischer Bedeutung, übernimmt aber selten homerische Formulierungen als Ganzes, sondern variiert sie, indem er andere Epitheta zuordnet, statt der festgelegten Waffenbezeichnungen in typischen Szenen Synonyme einsetzt (besonders auffällig bei Helmen und Schilden), mehrere homerische Wendungen kombiniert und homerische Ausdrücke durch neue Wörter ergänzt. Auch werden typische homerische Szenen in ihrem Ablauf verändert, wie z.B. bei der Rüstung des Aietes. Einen Gesamt-Überblick über die Verwendung der Waffen in ihrem Kontext gibt die folgende Tabelle:

538 Hunter (2015) 301: „ὑπὲκ βελέων ἐρύσαντο in Homer this would mean ‚dragged away from the missiles‘, cf. Il. 18.152, 232, but Ap. varies the Homeric model by using ἐρύομαι in the sense ,hold, protect‘ […] If the verb is understood as ‚dragged, moved‘ […] ἐπ’ ἐρετμοῖσιν is very difficult to construe.“ Vgl. Vian (Bd. 3, 1981) 205, der auch auf Σ 232 hinweist: „Le sens est: ‚Ils tirèrent le navire hors des traits sur les rames.‘ Il n’y a pas contradiction avec le v. 1657 qui n’implique pas que le navire soit déjà hors d’atteinte quand Médée prend la parole.“ Zur personifizierten Darstellung der Argo s. unter 15l. (ἰάχω) und 15o. (Die Abfahrt der Argo). 130

Wappnung Einsatz Kampf gg. Waffen ohne folgenbei Tiere / der Götter den Kampfkrieg. Fabelwesen einsatz/ Kampf Waffen ohne oder Mord Funktion (Belege in Reden)

sonstige Verwendung von Waffen ohne Kampfeinsatz

Katalog / Personenbeschr. Analepse Gleichnis Ekphrasis

πήληξ

2

1

κυνέη

2

Panzer θώρηξ

1

Helme κόρυς

1

2

τρυφάλεια

1

Schilde ἀσπίς

1

σάκος

2

1

6

1

9

1

1

10

1

4

Lanzen/ Speere δόρυ

1

ἔγχος

3

1 (4)

1

ἐγχείη

1

2

ἄκων

2

μελίη

1

ξυστόν

1 1

Schwerter ξίφος

2

2

6

2

φάσγανον

2

1

1

2

Bogen u. Pfeil τόξον

2

βιός

5

2

2

4 1

ἰός

1

1

1

2

ὀϊστός

1

2

1

2

3

4

47

14

14

18

Geschoss βέλος Gesamt

14

6 (4)

131

Bereits die Zusammenfassungen zu jedem Waffentyp haben gezeigt, dass die homerischen Waffen bei Apollonios nur selten in kriegerischen Auseinandersetzungen zum Einsatz kommen, d.h. an 10 von 117 Stellen, davon viermal in Reden. Am häufigsten werden Waffen in den Argonautika im Kampf gegen oder zur Abwehr von Tieren oder Fabelwesen (Ares-Vögel, Harpyien, Stiere des Aietes, Erdgeborene) eingesetzt. Einen großen Anteil nehmen in diesem Bereich z.B. die Maßnahmen der Argonauten gegen die Ares-Vögel und Jasons Athlos ein. Oft tauchen Waffen auch auf sekundärer Erzählebene wie in Analepsen, Gleichnissen, Katalog oder Ekphrasis auf. Auffällig ist auch die Zahl der Stellen, an denen Waffen in Rüstungsszenen, denen kein Kampf folgt, begegnen oder ohne erkennbare Funktion bleiben. An einigen Stellen werden Waffen bei nebensächlichen Handlungen erwähnt. Hier sei vor allem der Helm Jasons genannt, der als Behältnis für die Drachenzähne und zum Wasserschöpfen dient. Dass die Liebesthematik die Handlung der Argonautika weitgehend bestimmt, zeigt sich auch bei der Verwendung der Waffen. Ein großer Teil der Belege für ,Bogen/Pfeile‘ und ,Geschoss‘ steht im Kontext des Eros-Schusses. Symbolischen Gehalt hat das Bild der Aphrodite in der Mantel-Ekphrasis, die den Schild des Ares zu einem Spiegel umfunktioniert.

7. rüsten Außer τεύχεα δύω werden bei Homer einige Verben mit der Bedeutung ‚zum Kampf rüsten‘ verwendet (θωρήσσω, ζώννυμι, κορύσσω, ὁπλίζω). Von diesen begegnen ζώννυμι und ὁπλίζω sehr oft im allgemeinen Sinn als ‚herrichten‚ bereit machen‘, während ‚rüsten zum Kampf‘ nur Nebenbedeutung ist.539 Aus diesem Grund sollen hier nur die beiden Verben untersucht werden, deren Belegstellen sich fast ausschließlich im kriegerischen Kontext finden:

a. θωρήσσω θωρήσσω (Ilias 41 Stellen, Odyssee 3 Stellen) bedeutet bei Homer im Aktiv ‚sich rüsten lassen, kampfbereit machen‘.540 Das Verb steht aber meist im Medium mit der Bedeutung ,Waffen anlegen, sich rüsten‘ und im weiterführenden Sinn auch ‚in den Kampf ziehen und kämpfen‘.541 Die Hälfte der Belegstellen in der Ilias findet sich in Reden, in denen eine bevorstehende Rüstung oder Schlacht thematisiert oder zur Rüstung aufgefordert wird.

539 J.G.-J. Abbenes, LfgrE 3, 738, 27–31 und 49–51, nennt für ὁπλίζω nur 3 von 37 Stellen im kriegeri­schen Bereich. J. N. O’ Sullivan, LfgrE 2, 879, 42–44, gibt für ζώννυμι unter der Bedeutung „arm in general“ nur zwei von insgesamt 11 Homerstellen an. 540 B. Mader, LfgrE 2, 1102, 22. 541 B. Mader, LfgrE 2, 1100, 45 und 71–72: „im Med. bzw. Med.Pass. […] Waffen anlegen, sich rüsten, wappnen […], geleg. verkürzter Ausdruck für in den Kampf ziehen, kämpfen“. 132

Eine der beiden Belegstellen bei Apollonios begegnet im Heldenkatalog: In 1, 43 wird der Kampf der Lapithen gegen die Kentauren erwähnt, an dem Polyphemos teilnahm: ὁππότε Κενταύροις Λαπίθαι ἐπὶ θωρήσσοντο. Die Verben des Rüstens sind bei Homer oft mit dem Wort ‚Kampf‘ im Sinne von ‚zum Kampf rüsten‘ verbunden, meist in der Wendung ἐς πόλεμον θωρήσσομαι (sechsmal, z.B. A 226). Die Konstruktion θωρήσσομαι ἐπὶ … mit der Bedeutung ‚sich rüsten gegen‘ findet sich dort jedoch nicht.542 Die Wappnung von Kriegern wird auch im iliadischen Schiffskatalog erwähnt - die Form θωρήσσοντο ist in B 526, 587 und 818 belegt -, bezieht sich dort aber auf den bevorstehenden Krieg in Troja, während im Katalog der Argonautika in einer externen Analepse von der Vergangenheit des Helden berichtet wird.543 In 4, 1000 kündigt der Dichter in einer Prolepse die Rüstung der Argonauten an: Μέλλον δὲ βοῇ ἔπι θωρήξεσθαι·544 Auch hier ist θωρήσσω mit ἐπί konstruiert, wobei diese Wendung aber ähnliche Bedeutung wie das homerische ἐς πόλεμον θωρήσσομαι (s.o.) hat. Allerdings hat βοή bei Homer nicht wie hier die Bedeutung ‚Kampf‘, sondern bezeichnet nur das Geschrei im Kampf oder auch in anderen Bereichen.545 Die Rüstung der Argonauten und ein folgender Kampf bleiben durch die Vermittlung des Alkinoos (4, 1008–10) hypothetisch.

b. κορύσσω κορύσσω (Ilias 23, Odyssee 3 Stellen) heißt bei Homer im Aktiv ‚rüsten, erregen‘, im Medium ‚sich rüsten‘, und begegnet meist im kriegerischen Sinn auf der Erzählebene.546

In den Argonautika finden sich fünf Belegstellen: Zweimal bezeichnet κορύσσω in einem Gleichnis das Aufbrausen von Wellen: ἅ τε κῦμα θαλάσσης / τρηχὺ θοὴν ἐπὶ νῆα κορύσσεται (2, 70–71), ὅσσα τε πόντου / κύματα χειμερίοιο κορύσσεται ἐξ ἀνέμοιο (4, 214–15). In derselben Bedeutung findet sich das Verb auch zweimal bei Homer: πόντωι μέν τε πρῶτα κορύσσεται (Δ 424), κόρυσσε δὲ κῦμα ῥόοιο / ὑψόσ’ ἀειρόμενος (Φ 306–7).547 Beide Stellen sind mit dem kriegerischen Rüsten verbunden: In Φ 306–7 rüstet der Flussgott Skamandros seine

542 543 544 545 546

Nach Apollonios verwendet Nonnos diesen Ausdruck (Dion. 26, 173; 218; 295). Zur Charakteristik des Polyphemos s. unter 1g. (π(τ)ολεμίζω). Hunter (2015) 221: „μέλλον is almost ‚it was their destiny to …‘;“ S. dazu unter 15b. (βοή). G. Markwald, LfgrE 2, 1494, 41 und 1494, 71–1495, 2: „verb. denom. zu κόρυς; Grundbed. ‚behelmen‘, meist (24 x) Med. sich d. Helm aufsetzen wird zu sich rüsten, da d. Aufsetzen d. Helmes d. Vollend. d. Rüstens bez.“. 547 Die zitierten Homer- und Argonautikastellen sind aufgeführt bei LSJ s.v. II: make crested […] reared his crested wave […] Pass., rear its head, of a wave“. Vgl. Hunter (2015) 111 („κορύσσεται ,rise to peak‘“) mit Hinweis auf Sch. zu 2, 70–74a: καθάπερ, φησί, κῦμα μετεωριζόμενον νηὶ προσπίπτει. 133

Wellen zum Angriff.548 In Δ 424 wird in einem Gleichnis die Rüstung des Heeres zum Angriff durch das Bild der aufwogenden Wellen illustriert.549 Apollonios vergleicht in 2, 70–71 das Erheben der Fäuste beim Zweikampf zwischen Polydeukes und Amykos mit dem Erheben der Meereswoge, in 4, 214–15 die Zahl der Kolcher, die sich zur Verfolgung der Argonauten gerüstet und versammelt haben (ἀγέροντ’ ἐνὶ τεύχεσιν), mit der Menge der Wellen, die sich im Winter auf dem Meer erheben.550 In ähnlicher Bedeutung verwendet Apollonios κορύσσω auch in 1, 1027–28, wo das Lodern des Feuers beschrieben wird: ὀξείῃ ἴκελοι ῥιπῇ πυρός, ἥ τ’ ἐνὶ θάμνοις / αὐαλέοισι πεσοῦσα κορύσσεται. Auch hier handelt es sich um ein Gleichnis, diesmal in einer Kampfszene: Der Zusammenprall der Argonauten und Dolionen wird mit der Kraft des Feuers verglichen, das, in ein trockenes Gebüsch gefallen, auflodert. Apollonios variiert hier Δ 424, indem er die Meereswoge durch Feuer ersetzt.551 Im vierten Buch bezeichnet das Partizip κεκορυθμένος den bewaffneten Jason nach der Abfahrt aus Kolchis: ἄγχι δὲ παρθενικῆς κεκορυθμένος ἰθυντῆρι / Ἀγκαίῳ παρέβασκεν (4, 209–10). Die Partizipialform findet sich bei Homer im Iteratvers βῆ δὲ διὰ προμάχων, κεκορυθμένος αἴθοπι χαλκῶι (siebenmal, z.B. Δ 495).552 Eine Waffe im Instrumentalis wie bei Homer immer αἴθοπι χαλκῶι fehlt bei Apollonios neben κεκορυθμένος. Zudem kontrastieren die beiden Versanfänge βῆ δὲ διὰ προμάχων

548 An dieser Stelle ist die Bedeutung ‚rüsten‘ noch passend, während sich die Tendenz zur Übertragung auf Meereswogen schon zeigt. Vgl. G. Markwald, LfgrE 2, 1495, 11–12: „Skam. rüstete s. Wogen wie e. Feldherr s. Heer zum Angriff“. 549 G. Markwald, LfgrE 2, 1495, 25–26: „Rüsten u. Feindberührg. e. Heeres werden m. Wogen u. Brandg. d. Meeres vgl.“ Dazu Marxer (1935) 56–57: „Eine erweiterte Verwendung von κορύσσω ‚bewaffnen‘ findet Apollonios bereits bei Homer Δ 424 vor […] in der ganz abgeschwächten Bedeutung ‚sich erheben‘. Nun ist aber diese Stelle ihrerseits von Φ 306 abhängig, wo vom Flussgott Skamander gesagt wird: κόρυσσε κῦμα, was in diesem Zusammenhang durchaus im eigentlichen Sinn gemeint ist.“ Vgl. Livrea (1973) 75: „… la catacresi sembra nascere direttamente da Φ 306–7“. 550 Zur Bedeutung von κορύσσω in 4, 215 s. Hunter (1993) 117, Anm. 69: „At 4.215 the two basic senses of the Verb (cf. LSJ s.v.) are both felt: the context, ἐνὶ τεύχεσι, allows this linguistic depth.” Effe (1996) 301–2 erkennt an beiden Stellen einen „antihomerischen Akzent“, der durch die Zuordnung des „heroisierende[n] Gleichnis[ses]“ zur Erzählung entstehe: In 2, 70 f. werde das Gleichnis auf die „blinde Kampfeswut des Barbarisch-Unzivilisierten“ übertragen. In 4, 214 f. (und in diesem Fall ist die Begründung Effes plausibler) werde zwar - wie bei Homer - eine kampfeinleitende Szene dargestellt, die aber „leer verpufft, da kein Kampf folgt“. 551 Dazu Faerber (1932) 41: „Feuer als homerisches Motiv für Kampf war ebenso geläufig (z.B. Λ 596, Ν 53), daß es sich mit Leichtigkeit einstellte […]. Κορύσσεται, […] hier (1028) auf das Feuer übertragen, wohl einfach nach Δ 424, ohne Bewußtsein einer besonderen Wirkung.“ 552 Hunter (2015) 110 verweist außerdem auf φ 433–34 als Parallele: ἄγχι δ’ ἄρ’ αὐτοῦ / πὰρ θρόνον ἑστήκει κεκορυθμένος αἴθοπι χαλκῷ. 134

und ἄγχι δὲ παρθενικῆς. Der homerische Krieger läuft bewaffnet durch die Vorkämpfer, Jason befindet sich bewaffnet nahe bei der Jungfrau.553 In 4, 448 fordert der Dichter in einer Apostrophe den Gott Eros auf, sich gegen die Kinder seiner Feinde zu rüsten: δυσμενέων ἐπὶ παισὶ κορύσσεο, δαῖμον, ἀερθείς. Wie θωρήσσομαι verwendet Apollonios auch κορύσσομαι mit ἐπί in der Bedeutung ‚sich rüsten gegen‘, was bei Homer nicht vorkommt (s.o.).554 Apollonios verbindet hier zwei Wörter aus der Kriegssphäre (δυσμενέων, κορύσσεο) mit der Person des Liebesgottes, wobei sich zeigt, dass es sich nicht um einen harmlosen, friedlichen Kontext handelt: Denn Eros wird als μέγα πῆμα, μέγα στύγος ἀνθρώποισιν (4, 445) bezeichnet, der Leiden bewirkt, die sonst Krieg und Kampf mit sich bringen.555

Zusammenfassung Das Verb κορύσσω steht an drei der untersuchten Stellen in abgeschwächter Bedeutung in einem Gleichnis. Einmal beschreibt das bei Homer gängige Partizip κεκορυθμένος den bewaffneten Jason, jedoch ohne Zusammenhang mit einem Kampf. Einmal wird Eros aufgefordert sich zu rüsten. An keiner Stelle geht es um das Wappnen für den kriegerischen Kampf.

8. angreifen Da es im Griechischen kein spezielles Wort mit der Bedeutung ‚angreifen‘ gibt, werden in den homerischen Epen, um den Angriff im Kampf zu beschreiben, Verben verwendet, die eine schnelle Vorwärts- oder Sprungbewegung bezeichnen.556 Verben der Bewegung sind sehr vielseitig einsetzbar, so dass ‚angreifen‘ meistens eine von mehreren Bedeutungsnuancen ist. Auch bei Homer stehen diese Wörter nicht ausschließlich im kriegerischen Kontext, sondern begegnen ebenso in ihrer 553 Zur Szene s. auch Hunter (2015) 110 mit Hinweis auf die Rezeption des bewaffneten Jason neben Medea bei Philostrat (Im. 11, 1). Zum weiteren Kontrast zwischen ἰθυντῆρι / Ἀγκαίῳ παρέβασκεν und βῆ δὲ διὰ προμάχων sowie zur gesamten Szene s. unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα). 554 Marxer (1935) 57 dagegen versteht κορύσσομαι hier mit der erweiterten Bedeutung ‚sich erheben‘: „Auch in 4, 448 ist κορύσσεο im erweiterten Sinne zu erfassen, da die eigentliche Bedeutung zu Eros nicht recht paßt, und außerdem das Verbum von Apollonios selbst durch das danebenstehende ἀερθείς kommentiert ist.“ Ähnlich Hunter (1993) 117: „rear up“. 555 Zur inhaltlichen Interpretation der Apostrophe s. unter 3b. (δυσμενής). 556 Kurz (1966) 141: „Zur Bezeichnung des Angriffs sind keine eigentlichen ‚Fachausdrücke‘ vorhanden - allenfalls ἰθύειν -, die die Angriffssituation als solche kennzeichnen.“ Die verwendeten Verben stammen lt. Kurz 140 meist aus „dem Bereich der raschen, heftigen Bewegung“ wie ἐπορούω, ὁρμάομαι, (ἐπι)σεύομαι, ὄρνυμι, (ἐπ)αΐσσω, ἐπιδραμεῖν und οἰμάω (von einem Menschen nur Hektor in X 308). Seltener werden „Verben aus dem Bereich ‚springen‘“ verwendet, z.B. Komposita der Verben θορεῖν und ἅλλομαι. 135

Grundbedeutung. Für die Untersuchung werden die Verben ausgewählt, die an mehr als der Hälfte aller Belegstellen bei Homer im kriegerischen Kontext stehen, so dass ihre martialische Bedeutungskomponente überwiegt. Zudem sollen durch eine morphologische und syntaktische Analyse der kriegerischen Stellen bei Homer typische Konstruktionen aufgezeigt werden. Mit diesem weiteren Kriterium lässt sich bei Wörtern mit einem so komplexen Bedeutungsfeld m. E. relativ sicher zeigen, ob Apollonios durch Anlehnung an diese Formulierungen auf die homerische Kriegssphäre anspielt oder die Wörter in ihrer Grundbedeutung verwendet.

a. ἀΐσσω Das Verb ἀΐσσω bezeichnet eine schnelle Bewegung und wird bei Homer nicht nur für das Anstürmen im kriegerischen Kontext verwendet, sondern für den eiligen Lauf in verschiedenen Zusammenhängen, oft z.B. das Herabstürmen eines Gottes vom Olymp (9 Stellen, z.B. B 167), aber auch das schnelle Laufen von Pferden (o 183) oder den Flug eines Adlers (o 164).557 Das Simplex begegnet im kriegerischen Kontext meist als maskulines Partizip im Nominativ Singular (ἀΐσσων/ἀΐξας) und ist mit einem finiten Verb verbunden, das eine Kampfhandlung (oder auch wie in O 694 ebenso ein feindliches Anstürmen) beschreibt. D.h. es wird jeweils der Angriff eines als Subjekt fungierenden einzelnen Kriegers geschildert, der zu einer Kampfhandlung führt: z.B. μάχετ’ […] ἵπποις ἀΐσσων (P 460), ἔτλη / πρόσσω ἀΐξας περὶ νεκροῦ δηριάασθαι (Ρ 733–34). Oft ist eine Waffe im instrumentalen Dativ beigestellt, z.B. φασγάνωι ἀΐσσων/ἀΐξας (viermal, z.B. Ε 81, Θ 88).558

Bei Apollonios ist ἀΐσσω an insgesamt 31 Stellen belegt, die hier nicht untersucht werden, da das Verb dort in seiner Grundbedeutung das schnelle Laufen im allgemeinen Sinn bezeichnet und die Formulierung nicht an die o.g. homerische Konstruktion angelehnt ist. Genauer betrachtet werden soll aber eine Belegstelle, an der das Partizip im Singular wie oben beschrieben konstruiert wird.559 Diese Stelle findet sich im Kontext des Athlos: 557 F. Scholz, LfgrE 1, 376, 55–58 gibt als Bedeutung „sich aus eigenem Antrieb eilig, heftig, schnell bewegen; dahineilen, -stürmen; c. dat sich mit etwas in der Hand rasch bewegen (z.B. φασγάνῳ ἀΐσσων, ἀΐξας), auf Pferden einherfahren“ an. Zur Verwendung s. ebd. 376, 60–61: „Von Göttern, Menschen, Tieren und Waffen gebraucht.“ Auch weitere Dinge wie z.B. ἅρμα (Ψ 368) und Abstakta wie νόος (O 80) oder αὐγή (Σ 211) fungieren als Subjekte. Von den 35 Stellen (Ilias 26, Odyssee 9), an denen das Verb lt. Scholz (ebd. 377, 7–58) als Simplex verwendet wird (d.h. ohne Präfix und auch nicht mit Adverb (vgl. 377, 60 ff.), stehen 12 Stellen (davon ein Gleichnis, das einen Angriff veranschaulicht) im kriegerischen Zusammenhang, doch bezeichnet das Wort dort nicht nur die Angriffsbewegung, sondern auch die rasche Bewegung bei der Flucht (z.B. P 579, Φ 247). 558 Das Aorist-Partizip ἀΐξας kommt bei Homer an insgesamt 10 Stellen vor. 559 Die feminine Form ἀίξασα ist noch in 1, 1089 und 2, 547 belegt und steht wie bei Homer nicht im kriegerischen Kontext. Das Partizip Präsens ἀΐσσων kommt bei Apollonios nicht vor. 136

Im Kampf gegen die Erdgeborenen wirft Jason einen Felsbrocken auf seine Gegner: τόν [sc. πέτρον] ῥ’ ἀνὰ ῥεῖα λαβών, μάλα τηλόθεν ἔμβαλε μέσσοις / ἀίξας (3, 1368–69).560 Mit auffälligem Enjambement folgt das Partizip ἀίξας dem finiten Verb ἔμβαλε. Diese Konstruktion begegnet auch bei Homer wie hier als hysteron proteron mit dem Verb des Kämpfens vor dem Verb des Angreifens, z.B. ἔλασ’ ὦμον / φασγάνωι ἀΐξας (E 80–81). Dort trifft der Angreifende einen Gegner. Jason stürmt heran, um den Stein des Ares, den vier Männer nicht heben konnten (3, 1365–67),561 unter seine Gegner zu werfen, die sich daraufhin gegenseitig bekämpfen. An mehreren weiteren Stellen in den Argonautika bezeichnet das Partizip in anderen Kasus angreifende Personen oder Tiere. Diese Stellen sollen nur kurz erwähnt werden: Im Faustkampf wird zweimal der anstürmenden Amykos beschrieben, dem Polydeukes ausweicht: ὁ δ’ ἄρ’ αἰὲν ἀνούτατος ἣν διὰ μῆτιν / ἀίσσοντ’ ἀλέεινεν (2, 75–76),562 ὁ δ’ ἀίσσοντος ὑπέστη (2, 92).563 An vier Stellen beschreibt das Partizip 560 Hunter (1989) 250 übersetzt ἀίξας: „darting forward“. 561 Das homerische Motiv des Steins, den zwei Sterbliche nicht heben können, das in E 302–4, M 380–83, 445–49 und Y 285–87, begegnet, wird hier durch die Erhöhung auf vier Männer gesteigert, so dass die durch das Zaubermittel bewirkte gewaltige Kraft Jasons zum Ausdruck kommt. S. dazu Glei (Bd. 2, 1996) 188, Anm. 87, und Hunter (1989) 250 („A. ,out-Homers‘ Homer“). Dass es sich um den Wurfstein des Ares handelt, gibt der Szene zusätzlich einen martialischen Zug. Zur Kraft Jasons im Athlos s. unter 16a. (ἀλκή) und 16f. (Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘). 562 ἀίσσοντ’ ist eine Konjektur von Pierson, die von Fränkel und Vian (Bd. 1, 1976) in den Text genommen wurde. Die Konjektur wird diskutiert und akzeptiert von Cuypers (1997) 111–12. Die überlieferte Form ἀίσσων, die als Partizip auf Polydeukes bezogen wäre, ist wegen des Widerspruchs mit ἀλέεινεν nicht wahrscheinlich. Ein Widerspruch bestünde aber auch zu διὰ μῆτιν: Ein taktierendes Vorgehen lässt sich wenig mit einem impulsiven Anstürmen vereinbaren. Kurz darauf beschreibt das Partizip im Genetiv den angreifenden Amykos, dem Polydeukes standhält (2, 92). Die parallel konstruierten Verben (ἀίσσοντ’ ἀλέεινεν und ἀίσσοντος ὑπέστη) machen es wahrscheinlich, dass ἀΐσσω an beiden Stellen die angreifende Person, also Amykos beschreibt, während die beiden anderen Verben die Reaktion und Gegenwehr des Polydeukes auf den Angriff schildern. Geht man von der Lesart ἀίσσοντα aus, fungiert das Partizip, das den Angreifenden bezeichnet, als Objekt. Bei Homer begegnet die Form ἀΐσσοντα einmal in der Odyssee im friedlichen Kontext (κ 99), außerdem zweimal als varia lectio für ἀΐξαντα in der Ilias (Λ 423, Υ 401, s.u.). Nach Homer kommt ἀίσσοντα erst wieder bei Apollonios vor, der die Form gleich viermal verwendet. In der Ilias steht das Aorist-Partizip ἀΐξαντα dreimal im kriegerischen Kontext, beschreibt dort aber nicht einen angreifenden, sondern einen vom Wagen herabspringenden (καθ’ ἵππων ἀΐξαντα (Λ 423, Υ 401)) oder sich zur Flucht wendenden (ἀΐξαντα φόβονδε (P 579)) Krieger. 563 Für die von Apollonios verwendete Konstruktion des Verbs ὑφίσταμαι mit dem Genetiv gibt es wohl keine Parallele. Auf den ersten Blick inhaltlich passend ist die Erklärung von Cuypers (1997) 129 „moved from under his (i.e. Amycus’) attack“. Denn der folgende Vers zeigt, dass Polydeukes seinem Gegner etwas zur Seite ausweicht. Doch fängt er trotzdem mit der Schulter den Schlag des Amykos 137

heranstürmende aggressive Vögel, und zwar die Ares-Vögel in 2, 1033–34 und 2, 1088–89, den Adler im Prometheus-Mythos in 2, 1249–50 und 2, 1258–59.564 Im vierten Buch werden die Argonauten, als sie zur Wassersuche losstürmen, mit Hunden verglichen: Λυσσαλέοις δἤπειτ’ ἴκελοι κυσὶν ἀίσσοντες / πίδακα μαστεύεσκον (4, 1393–94). Unter den homerischen Belegstellen von ἀΐσσω begegnen mehrere Hundevergleiche, die das Angriffsverhalten von Kriegern illustrieren, z.B. ἴθυσαν δὲ κύνεσσιν ἐοικότες, οἵ τ’ ἐπὶ κάπρωι / βλημένωι ἀΐξωσι πρὸ κούρων θηρητήρων (P 725–26), vgl. auch O 579–80: Ἀντίλοχος δ’ ἐπόρουσε κύων ὥς, ὅς τ’ ἐπὶ νεβρῶι / βλημένωι ἀΐξηι. Apollonios integriert einen solchen Vergleich in die Schilderung einer nebensächlichen, nicht-kriegerischen Tätigkeit der Argonauten.565

b. ἐπαΐσσω Das Kompositum ἐπαΐσσω bedeutet bei Homer ‚(da)hinstürmen‘ und wird an 23 von 28 Iliasstellen (davon zweimal im Gleichnis) und an allen 4 Odysseestellen in Zusammenhang mit Kampfhandlungen gebraucht.566 Meist findet sich das Verb auf der Erzählebene, an 6 Ilias- und 2 Odysseestellen in Reden. Sehr oft begegnet das Partizip (16 Stellen, davon achtmal ἐπαΐξας) oder der Infinitiv (fünfmal ἐπαΐξαι). An einigen Stellen hat das Verb Waffen im Instrumentalis bei sich, z.B. Lanzen (K 348, 369, Λ 361, ξ 281).

Bei Apollonios ist ἐπαΐσσω an sieben Stellen belegt: Bei der Vorstellung des Oileus im Argonautenkatalog wird seine Fähigkeit, Feinde zu verfolgen, hervorgehoben: Σὺν καὶ τρίτος ᾖεν Ὀιλεύς, / ἔξοχος ἠνορέην καὶ ἐπαΐξαι μετόπισθεν / εὖ δεδαὼς δηίοισιν, ὅτε κλίνειε φάλαγγας (1, 74–76). Hier

ab, so dass die Bedeutung ‚standhalten‘ immer noch treffend wäre. Außerdem kommt die Form ὑπέστη bei Apollonios an drei weiteren Stellen vor, an zwei dieser Stellen bedeutet das Verb ‚standhalten‘, an einer Stelle ‚versprechen‘. Das Scholion zu 2, 90–93 erklärt ἀίσσοντος offensichtlich als Genetivus absolutus, m. E. die plausibelste Lösung für das Verständnis des Partizips: ἐπιόντος δὲ αὐτοῦ ὁ Πολυδεύκης ὑπέστη καὶ παρακλίνας τὴν κεφαλὴν τῷ ὤμῳ αὐτοῦ ἐδέξατο τὸν πῆχυν. 564 An einer Stelle in der Odyssee ist ein Adler Subjekt des ἀΐσσειν (o 164), aber nicht in Zusammenhang mit einem Angriff. Doch begegnen in der Ilias Adler-Gleichnisse in Kampfszenen: In O 690 ff. wird Hektor beim Angriff auf ein Schiff mit einem Adler verglichen: ἀλλ’ ὥς τ’ ὀρνίθων πετεηνῶν αἰετὸς αἴθων / ἔθνος ἐφορμᾶται. In Φ 254 wird Achill, als er vor Skamandros fliehend davonstürmt, mit einem Adler verglichen: τῶι εἰκὼς ἤϊξεν. In den Argonautika taucht der Adler nicht im Gleichnis, sondern in der Erzählung auf. 565 Vgl. Livrea (1973) 393: „La derivazione omerica conferisce dignità epica ad una situazione non epica: […] Elementi portanti della similitudine sono la velocità (ἀίσσοντες) e la rabbia dei cani in corsa.“ 566 F. Scholz, LfgrE 1, 378, 73–75: „dahinstürmen, sich heftig auf etwas oder jem. zu, an etwas oder jem. heran (c. dat. oder acc.), sich auf etwas hinauf (c. gen. oder acc.) bewegen.“ 138

bedeutet ἐπαΐξαι μετόπισθεν ‚hinterher stürmen‘.567 In demselben Sinn steht das Verb bei Homer in einem Gleichnis, in dem Achill bei der Verfolgung Hektors mit einem Falken verglichen wird, der eine Taube jagt: ὃ δ’ ἐγγύθεν ὀξὺ λεληκώς / ταρφέ’ ἐπαΐσσει (X 141–42). In der Beschreibung des Polyphemos auf der Suche nach Hylas kann ἐπαΐσσω nur ‚schwingen‘ bedeuten; ein Schwert ist Objekt: γυμνὸν ἐπαΐσσων παλάμῃ ξίφος (1, 1254). Die transitive Konstruktion von ἐπαΐσσω begegnet selten, bei Homer nur einmal im Passiv.568 Das Präsens-Partizip ἐπαΐσσων kommt bei Homer viermal vor, davon dreimal mit einer Lanze im Instrumentalis (K 369, Λ 361), einmal mit einem Schwert ἐπαΐξας ξίφει (E 584). Apollonios setzt eine Formulierung, die an das Verhalten homerischer Krieger in der Schlacht erinnert, in den Kontext der Suche nach Hylas, die vermutlich erotisch motiviert ist.569 Im vierten Buch beschreibt ἐπαΐσσω das Losstürmen der Argonauten zur Suche nach Herakles: καὶ ἀμειβομένων οἵ τ’ ἄρμενοι ἐς τόδε ἔργον, / ἔκριθεν ἄλλυδις ἄλλος ἐπαΐξας ἐρεείνειν (4, 1461–62). Das Partizip ἐπαΐξας steht bei Homer an sieben von acht Stellen in Schlachtszenen und wird wie auch das Simplex ἀΐσσων / ἀΐξας durch ein finites Verb, das eine Kampfhandlung beschreibt, ergänzt,

567 S. dazu die Erklärung im Scholion zu 1, 75–76: καὶ ἐπαῗξαι· ἀντὶ τοῦ ἐπιδιῶξαι. περιττὸν μὲν τὸ μετόπισθεν, λείπει δὲ ὁ καί· καὶ ὅτε κλίνειαν φάλαγγας, εἰς φυγὴν τρέψειεν. Ardizzoni (1967) 109 weist darauf hin, dass Apollonios dem Oileus Qualitäten zuschreibt, die in der Ilias seinem Sohn Aias zugewiesen werden: „Apollonio attribuisce qui ad Oileo (che non figura nella lista di Apollodoro), la particolare bravura nel non dar tregua ai nemici in fuga, che Omero attribuiva a suo figlio Aiace, Ξ 520–22: πλείστους δ’ Αἴας εἷλεν, Ὀϊλῆος ταχὺς υἱός· / οὐ γάρ οἵ τις ὁμοῖος ἐπισπέσθαι ποσὶν ἦεν / ἀνδρῶν τρεσσάντων, ὅτε τε Ζεὺς ἐν φόβον ὦρσεν.“ Ebenso Vian (Bd. 1, 1976) 243: „Le poète lui attribue les qualités qu’Homère prête a son fils (Ξ 520–22).“ Zur Vorstellung des Oileus s. auch unter 17a. (ἠνορέη). 568 Ardizzoni (1967) 267: „‚agitando‘, ‚brandendo la spada‘“. ἐπαΐσσων ist die überlieferte Lesart. Die Konjektur von Ruhnken ἐπισσείων stützt sich auf O 230 (τῇ [sc. αἰγίδι] μάλ’ ἐπισσείων) oder auf die parallele Formulierung in 4, 1055 (σεῖον δ’ ἐγχείας εὐήκεας ἐν παλάμῃσι). Ardizzoni (ebd.) verweist auf Ψ 628, den einzigen Beleg für transitiven Gebrauch von ἐπαΐσσω, allerdings im Passiv, sowie auf die varia lectio ἔγχε’ ἐπαΐσσων in Κ 348, die Apollonios hier vielleicht als Vorbild diente, und den transitiven Gebrauch im Aktiv bei Euripides (Hek. 1071). Hinweis auf diese Stelle und Ψ 628 auch bei Mooney (1912) 146, vgl. auch LSJ s.v. II: „later, with acc. of the Instrument of motion“ (mit Eur. Hek. 1070 und der Apolloniosstelle als Belegen). Köhnken (1965) 69, Anm. 3, hält den Vers für elliptisch (mit fehlendem ἔχων zu γυμνὸν ξίφος) und fasst ἐπαΐσσων absolut auf im Sinne von „auf ihn (sc. Herakles) losstürzend“, tendiert aber auch zur Konjektur von Ruhnken. 569 S. dazu ausführlich unter 6e. (Schwerter) und 15p. (Die Hylas-Suche). 139

z.B. οὔτασ’ ἐπαΐξας (N 546). Die Konstruktion mit einem finalen Infinitiv findet sich dort nicht.570 Auch für das Angreifen in Kampfsituationen wird ἐπαΐσσω in den Argonautika verwendet: 1, 1032–34: Jasons Angriff auf Kyzikos wird beschrieben mit den Worten: ἀλλά μιν Αἰσονίδης, τετραμμένον ἰθὺς ἑοῖο / πλῆξεν ἐπαΐξας στῆθος μέσον, ἀμφὶ δὲ δουρὶ / ὀστέον ἐρραίσθη· Homerisch ist das hysteron proteron mit der Stellung des Partizips, das den Angriff beschreibt, hinter dem finiten Verb der Verwundung, so z. B. in N 545–46: Ἀντίλοχος δὲ Θόωνα μεταστρεφθέντα δοκεύσας / οὔτασ’ ἐπαΐξας, ἀπὸ δὲ φλέβα πᾶσαν ἔκερσεν, … Als Vorbild ist auch Γ 361–63 aus der ZweikampfSzene zwischen Paris und Menelaos denkbar: Ἀτρείδης δὲ ἐρυσσάμενος ξίφος ἀργυρόηλον πλῆξεν ἀνασχόμενος κόρυθος φάλον· ἀμφὶ δ’ ἄρ’ αὐτῆι τριχθά τε καὶ τετραχθὰ διατρυφὲν ἔκπεσε χειρός.

Denn für den Versbeginn von Γ 362 bietet eine varia lectio den Wortlaut πλῆξεν ἐπαΐξας,571 den auch Apollonios gebraucht. Auffällig ist auch die Weiterführung der Schilderung in beiden Szenen mit ἀμφὶ δὲ, allerdings mit dem Unterschied, dass bei Homer das Schwert des Menelaos um den Helm des Paris herum zerbricht, bei Apollonios aber die Knochen des Kyzikos um die Lanze Jasons herum brechen.572 In der Bebrykerschlacht werden die Argonauten mit Wölfen verglichen, die Schafe in ihren Ställen angreifen: ὡς δ’ ὅτ’ ἐνὶ σταθμοῖσιν ἀπείρονα μῆλ’ ἐφόβησαν ἤματι χειμερίῳ πολιοὶ λύκοι, ὁρμηθέντες λάθρῃ ἐυρρίνων τε κυνῶν αὐτῶν τε νομήων, μαίονται δ’ ὅ τι πρῶτον ἐπαΐξαντες ἕλωσι, πόλλ’ ἐπιπαμφαλόωντες ὁμοῦ, τὰ δὲ πάντοθεν αὔτως στείνονται πίπτοντα περὶ σφίσιν· (2, 123–28)

Formulierung und Motiv wirken homerisch und klingen an folgende Iliasstellen an: In der Dolonie der Ilias begegnet eine ähnliche Verbindung von ἐπαΐσσω und ἑλεῖν: αὐτὸν ἐπαΐξαντες ἕλωμεν / καρπαλίμως (K 345–46). Ein kurzer Wölfe-Vergleich markiert auch den Schlachtbeginn im vierten und elften Gesang der Ilias. Dort 570 Unter anderem wegen dieser ungewöhnlichen Syntax schlägt Campbell (1969) 284 vor, die überlieferte Lesart ἐπαΐξας in ἀναΐξας zu ändern, da er das Präfix ἐπfür einen von dem Wort ἐπηλίνδητ’ in der nächsten Zeile herrührenden Fehler hält. Ihm folgt Livrea (1973) 412. Das Hauptargument, dass dem Verb ein Objekt fehle („,rushed at‘ what?“) lässt sich jedoch nicht halten, da das Kompositum bei Homer absolut gebraucht wird (s. F. Scholz, LfgrE 1, 378, 73: „dahinstürmen“), z.B. E 98, K 369, Λ 361. Zur Konstruktion mit dem finalen Infinitiv s. auch unter 8e. (ἐπισσεύομαι, zu 1, 758). 571 F. Scholz, LfgrE 1, 379, 28–30. 572 S. auch unter 6d. (Lanzen/Speere). 140

werden die semantisch ähnlichen Verben ἐπορούω und θύνω verwendet: οἳ δὲ λύκοι ὥς / ἀλλήλοις ἐπόρουσαν (Δ 471–72), οἳ δὲ λύκοι ὥς / θῦνον (Λ 72–73). Ein ausführliches Wölfe-Gleichnis illustriert eine Schlachtszene im 16. Gesang der Ilias: ὡς δὲ λύκοι ἄρνεσσιν ἐπέχραον … (Π 352). Dort folgt auf das Gleichnis der Bericht von Schrecken und Fluchtgedanken der Troer: ὣς Δαναοὶ Τρώεσσιν ἐπέχραον· οἳ δὲ φόβοιο / δυσκελάδου μνήσαντο, λάθοντο δὲ θούριδος ἀλκῆς (Π 356–57). Auch bei Apollonios wird nach dem Gleichnis erwähnt, wie die Argonauten die Bebryker durch ihren Angriff aufschrecken: ὣς ἄρα τοί γε / λευγαλέως Βέβρυκας ὑπερφιάλους ἐφόβησαν (2, 128–129). An zwei Stellen bezeichnet ἐπαΐσσω den Angriff von Naturgewalten: 2, 169–71: Eine berghohe Welle stürzt auf die Argonauten zu: Ἔνθα μὲν ἠλιβάτῳ ἐναλίγκιον οὔρεϊ κῦμα / ἀμφέρεται προπάροιθεν ἐπαΐξοντι ἐοικός, / αἰὲν ὑπὲρ νεφέων ἠερμένον·573 Wasser und Wellen dienen bei Homer zum Vergleich in Kampfschilderungen: An mehreren Stellen der Ilias illustriert das Bild einer Welle einen heranstürmenden Krieger oder Heeresmassen, z.B. den angreifenden Hektor in Ο 623–29 (αὐτὰρ ὃ […] ἔνθορ’ ὁμίλωι, / ἐν δ’ ἔπεσ’ ὡς ὅτε κῦμα θοῆι ἐν νηῒ πέσησιν …), die in die Schlacht ziehenden Danaer in Δ 422–28, ähnlich auch die Wellen-Gleichnisse in Ξ 393–95 und Ο 379–84. Ein angeschwollener Fluss wird in Ε 87 mit dem in der Schlacht tobenden Diomedes verglichen: θῦνε γὰρ ἂμ πεδίον ποταμῶι πλήθοντι ἐοικώς. Ähnlich auch der Vergleich eines Kriegers mit einem Schneegebirge: ὡρμήθη ὄρεϊ νιφόεντι ἐοικώς (N 754). Fasst man den Ausdruck ἐπαΐξοντι ἐοικός als Vergleich auf,574 zeigt sich vor der Folie der homerischen Wellengleichnisse eine Umkehrung von Vergleich und Handlung. Denn das Partizip ἐπαΐσσων beschreibt in der Ilias einen angreifenden Krieger (z.B. Λ 360), der in den Argonautika als Vergleich dient, während die Welle bei Homer in Gleichnissen, in den Argonautika dagegen auf der Erzählebene zu finden ist.

573 Vian (Bd. 1, 1976) 184 nimmt als Konjektur die sonst nicht belegte Form ἐπαΐξοντι in den Text statt der überlieferten Form ἐπαΐσσοντι, die bei Homer und auch in der nachhomerischen Literatur vor Apollonios nicht belegt ist. Nach Apollonios nur bei Nonnos (Dion. 2, 34; 37, 249). 574 Das Scholion zu 2, 170 erklärt zu ἐπαΐσσοντι: ἀντὶ τοῦ ἐπενεχθησομένῳ. Fränkel (1968) 166 hält die Lesart ἐοικός für problematisch: „… auf ἐπαΐσσοντι allein bezogen, würde es leugnen dass die berggleiche Welle wirklich und wahrhaftig ‚heraneilt‘ - was sie doch sicherlich tut.“ Cuypers (1997) 186 argumentiert in Bezug auf die Anmerkung Fränkels, dass ἐοικώς mit dem Partizip im Dativ bei Homer wie bei Apollonios „offensichtlich etwas tun“ ausdrücke („‚for the onlooker […] it is clear that‘; ‚obviously‘ often seems a good rendering“) und nennt dazu Belegstellen bei Homer, die aber inhaltlich eher als Vergleiche zu interpretieren sind, z.B. ist Iros in σ 240 nicht wirklich betrunken, sondern gleicht, nachdem er von Odysseus im Faustkampf besiegt wurde, in seiner Kraftlosigkeit einem Betrunkenen: ἧσται νευστάζων κεφαλῇ, μεθύοντι ἐοικώς, … Nur an den beiden von Cuypers genannten Argonautikastellen ist die von ihm präferierte Auslegung eindeutig möglich (1, 460–61; 1, 739). 141

4, 828–31: Hera fordert Thetis auf, die Argonauten vor einer Vorüberfahrt an der Skylla zu bewahren: Σκύλλης Αὐσονίης ὀλοόφρονος […], μή πως σμερδαλέῃσιν ἐπαΐξασα γένυσσι / λεκτοὺς ἡρώων δηλήσεται· Das feminine Partizip kommt bei Homer nur in Ω 711 vor (ἐπ’ ἄμαξαν ἐΰτροχον ἀΐξασαι, das Kompositum dort in Tmesis),575 das Simplex ἀΐσσω begegnet dort dagegen neunmal in der Form ἀΐξασα, die immer Athene oder Hera bezeichnet. Keine der Stellen steht im kriegerischen Kontext. Viermal ist ἐπαΐσσω bei Homer mit einem Instrumentalis verbunden, immer mit einer Waffe, z.B. ἐπήϊσσον μελίῃσιν (ξ 281), δουρὶ δ’ ἐπαΐσσων (K 369, Λ 361).576 Bei Apollonios besteht die Waffe der Skylla aus ihren Kinnbacken, mit denen sie ihre Opfer zerreißt (γένυσσιν), als finites Verb drückt δηλήσεται das Vernichten der Opfer aus.577

Zusammenfassung ἐπαΐσσω findet sich in den Argonautika an vier Stellen in der homerischen Bedeutung ‚angreifen‘. Einmal heißt das Verb ‚schwingen‘, einmal ‚lostürmen‘ ohne aggressiven Aspekt, einmal wird ein Verfolgen beschrieben. Wie Homer verwendet Apollonios vor allem Partizipialformen, z.B. viermal das Aoristpartizip ἐπαΐξας, das bei Homer am häufigsten vorkommt. Inhaltlich beschreibt ἐπαΐσσω nur einmal ein Angreifen in einer kriegerischen Kampfszene auf der Erzählebene. Dreimal begegnet das Verb im aggressiven/kriegerischen Sinn in einer Passage auf sekundärer Ebene, zweimal im Gleichnis oder Vergleich, einmal im Argonautenkatalog. An zwei Stellen, davon einmal in einer Rede, steht ἐπαΐσσω im Kontext von Auseinandersetzungen mit Naturgewalten, die durch homerische Anklänge eine martialische Färbung erhalten.578

c. ἐνθορεῖν Die Komposita ἐνθορεῖν (Ilias 5, Odyssee 1 Stelle) und ἐσθορεῖν (Ilias 2 Stellen) des Verbums θρῴσκω kommen bei Homer nur im Aorist vor und werden fast ausschließlich für aggressives Hineinspringen im Sinne eines feindlichen Angriffs in Kampfschilderungen verwendet.579

575 Die Form ἐπαΐξασα begegnet zuerst bei Apollonios und Kallimachos (Del. 67). Vgl. auch Hunter (2015) 198: „ἐπαΐξασα varies the Homeric ἐφορμηθεῖσα (Od. 12.22).“ 576 Livrea (1973) 246 zu ἐπαΐξασα γένυσσιν: „Allusione etimologica a σκύλλειν ,lacerare‘. Cfr. µ 89 sgg.; da Ap. deriva a sua volta Nonn. Dion. 9.196 σμερδαλέαις γενύεσσιν.“ 577 Das Verb δηλέομαι hat bei Homer die Bedeutung ‚Schaden zufügen‘ oder ‚zerstören‘ von Sachobjekten, oft auch im übertragenen Sinn, s. dazu R. Führer, LfgrE 2, 271, 46–272, 13. In der Odyssee bezeichnet das Verb einmal das Töten mit einer Waffe: μή με περισθενέων δηλήσεται ὀξέϊ χαλκῷ (χ 368). 578 Zur Tendenz, kriegerisches Vokabular auf den Kampf mit Naturphänomenen zu übertragen, s. auch unter 15r. (Die Symplegaden-Episode). 579 R. Führer, LfgrE 2, 1068, 38–63. Ausnahme ist nur Ω 79. Auch das Gleichnis in E 161 illustriert einen kriegerischen Angriff. 142

ἐσθορεῖν kommt bei Apollonios nicht vor. Die beiden Belegstellen für ἐνθορεῖν haben homerische Vorbilder: Der Argonaut Lykurgos, der in der Schlacht mitten unter die feindlichen Bebryker springt (ἔνθορε μέσσῳ / ἐμμεμαὼς Βέβρυξιν (2, 120–21)) hat Ähnlichkeit mit Achill, der unter die Troer springt: ἐν δ’ Ἀχιλεὺς Τρώεσσι θόρε (Y 381). Sprachliches Vorbild ist sicher auch der Sprung des Achill in den Fluss Skamandros: … ἔνθορε μέσσωι / κρημνοῦ ἀπαΐξας (Φ 233–34). Der Sprung des Butes ins Meer (ἔνθορε πόντῳ / Βούτης (4, 913–14)) ist vielleicht an den Sprung der Iris in der Ilias angelehnt (ἔνθορε μείλανι πόντωι (Ω 79))580 und bezeichnet wie dieser ein Hineinspringen ohne aggressive Motivation. Diese Szene in der Sirenen-Episode steht in einem Kontrast zur Kampfessphäre, in der das Verb bei Homer und auch bei Apollonios in 2, 120 begegnet. Denn Butes kann dem verführerischen Gesang der Sirenen nicht widerstehen und springt darum ins Wasser. Er wird von Aphrodite gerettet. Die gesamte Szene steht also in einem - wenn auch subtilen - erotischen Kontext.

d. ἐπιδραμεῖν Das Wort ἐπιδραμεῖν ist bei Homer an 11 Stellen (Ilias 8, Odyssee 3) belegt und wird an 5 Iliasstellen im Sinne eines feindlichen Angreifens oder Verfolgens auf der Erzählebene verwendet. Das Verb ist aber keine typische Kriegsvokabel, da es auch von Rennpferden (dreimal, z.B. Ψ 447) und im übertragenen Sinn von Himmelserscheinungen (ζ 45, υ 357) gebraucht wird.581

Doch da es bei Apollonios in der Schilderung der entscheidenden Schlachtszene im vierten Buch vorkommt, sollen die beiden Belegstellen in den Argonautika genauer betrachtet werden: Apollonios verwendet zweimal die Form ἐπέδραμον, die bei Homer zweimal in der Ilias und einmal in der Odyssee belegt ist und an den zwei Iliasstellen ein feindliches Angreifen bezeichnet, davon einmal im kriegerischen Sinn (Ξ 421). Bei Apollonios steht die Form einmal im friedlichen und einmal im kriegerischen Kontext. In 1, 878 laufen die lemnischen Frauen zu den Argonauten, die im Begriff sind, die Insel zu verlassen: Ταὶ δέ σφιν ἐπέδραμον. In der Ilias schildern die Worte οἳ δὲ μέγα ἰάχοντες ἐπέδραμον einen Angriff der Achaier (Ξ 421). In den Argonautika beschreibt die Formulierung im Gegensatz dazu eine schnelle Bewegung auf geliebte oder begehrte Personen zu. Ähnlich wie bei ἐνθορεῖν in 4, 913 tendiert Apollonios also auch hier dazu, ein Verb, das bei Homer einen Angriff auf einen Feind bezeichnet, auf einen erotischen Kontext zu übertragen.582 Mit wenigen Worten wird im vierten Buch vom Sieg der Argonauten gegen die Kolcher erzählt: πάντα δ’ ὅμιλον / πῦρ ἅ τε δηιόωντες ἐπέδραμον (4, 488–89). In der kurzen Schilderung finden sich mit ὅμιλος, δηϊόω und ἐπιδραμεῖν insgesamt 580 Ω 79 ist auch bei Livrea (1973) 265 als Parallele notiert, der außerdem zur Kon­ struktion mit dem Dativ auf Ο 623, Φ 233 und ρ 233 hinweist. 581 R. Führer, LfgrE 2, 347, 5–6. 582 S. dazu auch unter 8b. (ἐπαΐσσω, zu 1, 1254) und 8c. (ἐνθορεῖν). 143

drei Wörter, die auch in homerischen Kampfszenen zu finden sind.583 An den beiden Belegstellen der Form ἐπέδραμον in der Ilias bedeutet das Wort ‚heranstürmen‘ zum Angriff und ist jeweils wie bei Apollonios mit einem vorgeschalteten Partizip kombiniert: ἰάχοντες ἐπέδραμον (Ξ 421), προϊδόντες ἐπέδραμον (Σ 527). Im Unterschied zu diesen beiden Stellen handelt es sich bei Apollonios um ein hysteron proteron, da das vorgeschaltete Partizip ein Verb des Tötens ist.

Zusammenfassung Wie es auch bei ἐνθορεῖν der Fall ist, findet sich ἐπιδραμεῖν einmal mit der Bedeutung ‚angreifen‘ im kriegerischen Kontext auf der Erzählebene und mit der abgeschwächten Bedeutung ,losstürzen‘ in einem erotischen Kontext.

e. ἐπισσεύομαι Das Kompositum ἐπισσεύω ist bei Homer an 47 Stellen (Ilias 33, Odyssee 14) belegt, hat transitiv die Bedeutung ‚jemanden hetzen auf‘, steht aber meistens im intransitiven Medium mit der Bedeutung ‚sich stürzen auf, anstürmen‘.584 Das Verb findet sich an 26 Ilias- und 4 Odysseestellen im kriegerischen Kontext, davon an zwei Iliasstellen in Reden und zweimal in einem Gleichnis, das Kampfgeschehen illustriert. Oft findet sich das Verb in Formeln, z.B. ἐπέσσυτο δαίμονι ἶσος (siebenmal, z.B. Ε 438) oder ἐπεσσύμενον βάλε(ν) πέτρωι / ἰῶι (dreimal, z.B. Π 411, 511).

In den Argonautika ist das Wort an 6 Stellen belegt: In der Mantel-Ekphrasis wird beschrieben, wie Oinomaos den Pelops beim Wagenrennen mit einem Speer angreift: ἐπεσσύμενος Πελοπήια νῶτα δαΐξαι (1, 758). Hier hat das Partizip, das den Angreifenden bezeichnet, einen finalen Infinitiv bei sich, eine Konstruktion, die bei Homer einmal mit einem Krieger als Subjekt vorkommt: ὃ δ’ ἐπέσσυτο ποσσὶ διώκειν (Φ 601). In der Schilderung der Schlacht gegen die Bebryker wird das Verb homerisch verwendet: Πρῶτός γε μὲν ἀνέρα Κάστωρ / ἤλασ’ ἐπεσσύμενον κεφαλῆς ὕπερ (2, 102–3). Das Partizip ἐπεσσύμενον bezieht sich auf den angreifenden Bebryker, den Kastor tödlich trifft. Diese Konstruktion begegnet auch bei Homer, meistens in der Wendung: ἐπεσσύμενον βάλε(ν) πέτρωι / ἰῶι (Π 411, 511, Υ 288, s. auch Μ 388). Eine sprachliche Parallele in der Odyssee (πλῆξεν ἐπεσσύμενον (ε 431)) steht nicht im kriegerischen Kontext, Subjekt ist dort eine große Welle. Als Objekt fungieren auch die heranstürmenden Harpyien, die die Boreaden mit ihren Schwertern zu treffen versuchen:585 ἐγγύθι δ’ ἄμφω / στῆσαν, ἵνα ξιφέεσσιν

583 S. unter 4d. (ὅμιλος) und 10b. (δηϊόω). 584 R. Führer, LfgrE 4, 101, 40–102, 46. 585 Das Scholion zu 2, 264–65a erklärt: τὸ δὲ ἐπεσσυμένας πρὸς τὴν ἀθρόαν πτῆσιν τῶν Ἁρπυιῶν εἴρηται. 144

ἐπεσσυμένας ἐλάσειαν (2, 264–65). Die feminine Form des Partizips kommt bei Homer nicht vor, sondern ist zuerst bei Apollonios belegt.586 Der Angriff Jasons auf die Erdgeborenen erinnert an kriegerische Angriffsbeschreibungen in der Ilias: τοῖος ἄρ’ Αἴσονος υἱὸς ἐπέσσυτο γηγενέεσσι, / γυμνὸν δ’ ἐκ κολεοῖο φέρεν ξίφος (3, 1380–81). Die Form ἐπέσσυτο begegnet auch bei Homer einmal mit den angegriffenen Gegnern im Dativ: Τρώεσσιν ἐπέσσυτο δαίμονι ἶσος (Φ 227). Das bei Apollonios beschriebene Ziehen des Schwertes erfolgt bei Homer vor dem Angriff auf einen feindlichen Krieger, z.B.: αὖτις δ’ ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ / Ἀντιφάτην μὲν πρῶτον ἐπαΐξας δι’ ὁμίλου (M 190–91).587 An zwei Stellen in den Argonautika verliert das Verb den aggressiven Charakter und erscheint in einer abgeschwächten Bedeutung: Bei der Landung der Argonauten auf der Dolioneninsel bedeutet ἐπισσεύομαι ‚sich beeilen‘: ᾗ πέρι πείσματα νηὸς ἐπεσσύμενοι ἐβάλοντο (1, 1020). Die Form ἐπεσσύμενοι kommt einmal in der Schilderung des Freiermords in der Odyssee vor: ὣς ἄρα τοὶ μνηστῆρας ἐπεσσύμενοι κατὰ δῶμα / τύπτον ἐπιστροφάδην (χ 307–8). Die schwache Bedeutung ‚sich nähern‘ hat ἐπισσεύομαι in 2, 868, wo Ankaios ein Gespräch mit Peleus beginnt: Πηλῆα δ’ ἐπεσσύμενος προσέειπεν· Dieselbe Bedeutung hat das Verb einmal in der Odyssee in einer ähnlichen Situation. Dort geht der Freier Leiodes auf Odysseus zu, um ihn um Gnade zu bitten: Λειώδης δ’ Ὀδυσῆος ἐπεσσύμενος λάβε γούνων / καί μιν λισσόμενος ἔπεα πτερόεντα προσηύδα (χ 310–11).

Zusammenfassung Das Verb ἐπισσεύομαι begegnet bei Apollonios meistens als Partizip, während bei Homer häufiger finite Formen vorkommen. Die in Kampfbeschreibungen und im Athlos verwendeten Formen (ἐπεσσύμενος, ἐπέσσυτο) sind auch bei Homer belegt. Inhaltlich findet sich ἐπισσεύομαι dreimal im Kampfgeschehen auf der Primärebene, davon aber nur einmal in einem Kampf gegen menschliche Gegner. An den beiden anderen Stellen wird gegen Harpyien und Erdgeborene gekämpft. Zweimal steht das Verb mit einer abgeschwächten Bedeutung in einem friedlichen Kontext. Einmal begegnet ἐπισσεύομαι in der Ekphrasis, d.h. auf sekundärer Εbene.

f. ἐπορούω Das Verb ἐπορούω kommt bei Homer an 29 Stellen (Ilias 28, Odyssee 1) vor und bezeichnet an 25 Iliasstellen ein aggressives Angreifen auf der Erzählebene.588

586 ἐπεσσυμένας findet sich später bei Oppian und Quintus Smyrnaeus. In 2, 268 wird mit einem anderen Kompositum beschrieben, wie die Harpyien sich auf die Speisen stürzen: … ἐσσεύοντο / κλαγγῇ μαιμώωσαι ἐδητύος (2, 268–69). S. dazu unter 15q. (Die Harpyien). 587 S. dazu unter 6e. (Schwerter). 588 R. Führer, LfgrE 3, 815, 13–57, nennt als Bedeutung „adgredi, meist feindl.“ und ordnet 24 Iliasstellen dem Unterpunkt „prägnant (milit.): aggressiv anspringen i.S.v. […] losstürmen auf“ zu. 145

Bei Apollonios begegnet nur eine Belegstelle, die im kriegerischen Kontext steht: Beim Kampf gegen die Bebryker trifft Polydeukes Itomeneus mit dem Fuß: τὸν μὲν ὑπὸ στέρνοιο θοῷ ποδί, λὰξ ἐπορούσας / πλῆξε καὶ ἐν κονίῃσι βάλεν (2, 106–7). Die Junktur θοῷ ποδί hat kein sprachliches Vorbild bei Homer.589 Vergleichbar ist eine Stelle in der Odyssee, an der ein von Odysseus getroffener Freier mit dem Fuß einen Tisch umstößt: θοῶς δ’ ἀπὸ εἷο τράπεζαν / ὦσε ποδὶ πλήξας (χ 19–20). Bei Homer wird ἐπορούω an einigen Stellen durch einen instrumentalen Dativ ergänzt, wobei es sich immer um eine Waffe handelt (δούρι / ἔγχει, Γ 380, Π 319, Υ 446). Die Verbindung mit einem Verb des Verletzens und einer Waffe im Instrumentalis findet sich in Ν 541–42 (ἔνθ’ Αἰνέας Ἀφαρῆα Καλητορίδην ἐπορούσας / λαιμὸν τύψ’ ἐπὶ οἷ τετραμμένον ὀξέϊ δουρί) und Υ 445–46 (τρὶς μὲν ἔπειτ’ ἐπόρουσε ποδάρκης δῖος Ἀχιλλεύς / ἔγχεϊ χαλκείωι, τρὶς δ’ ἠέρα τύψε βαθεῖαν).590 Da Polydeukes nach seinem Faustkampf gegen Amykos keine Waffe bei sich trägt, bekämpft er beim plötzlichen Angriff der Bebryker seinen Gegner mit einem Fußtritt, eine Kampfart, die bei Homer nicht begegnet.591 Die Formulierung ὑπὸ στέρνοιο θοῷ ποδί, λὰξ ἐπορούσας erinnert an die homerische Formel ὃ δὲ λὰξ ἐν στήθεσι βαίνων (Ν 618, Π 503, vgl. auch Ε 620 und Ζ 65), die die Handlung eines siegreichen Kriegers an seinem getöteten Gegner beschreibt, dem er die Ferse auf die Brust stemmt, um seine eigene Waffe aus dem Leichnam herauszuziehen oder die Waffen des Getöteten zu rauben.

g. θύνω Das Verb θύνω kommt bei Homer an 13 Stellen (Ilias 12, Odyssee 1) vor, hat die Bedeutung „hin u. her stürmen, herumwirbeln“ und steht immer im kriegerischen Kontext.592 Als Subjekte begegnen nur Helden.593

Bei Apollonios ist das Wort einmal belegt, und zwar in einem friedlichen Kontext: Als Subjekt fungieren die Maultiere Medeas, die zur Stadt stürmen: οἱ δὲ πόλιν δὲ / θῦνον ἐπειγόμενοι ποτὶ δώματα (3, 1154–55). Eine Parallele mit identischer metrischer 589 Cuypers (1997) 142 macht darauf aufmerksam, dass die Kombination des instrumentalen Dativs Singular ποδί mit einem Adjektiv eher für die tragische Sprache typisch ist (z.B. κραιπνῶι ποδὶ (Aischyl. Pers. 109), ἀθέωι ποδὶ λὰξ ἀτίσηις (Eum. 541), λαιψηρῶι ποδί (Eur. El. 549). Zu λάξ s. die Ausführungen von Cuypers (1997) 143. Bei Homer begegnet der Ausdruck ‚schnellen Fußes‘, der aber meistens nur in Zusammenhang mit der Fortbewegung, nicht mit einer Kampfhandlung steht, z.B. διερῷ ποδὶ φευγέμεν (ι 43), σεῦα […] ταχέεσσι πόδεσσι (Y 189), μεταΐξας μάρψηι ταχέεσσι πόδεσσιν (Φ 564, hier kriegerischer Kontext, aber keine Kampfhandlung). 590 Das Partizip ἐπορούσας kommt bei Homer dreimal vor (Ν 541, Π 330, Ρ 481) und steht dort immer - wie auch an der Apolloniosstelle - am Versende. 591 Cuypers (1997) 141: „not a technique any Homeric hero is ever said to practise“. 592 R. Führer, LfgrE 2, 1091, 27–28: „stets im Zush. von Kampf(vorbereitg. […], -nachspiel […]) od. […] Verfolgg.“ 593 F. Scholz, LfgrE 1, 376, 65–66 (zu ἀΐσσω). 146

Position findet sich in einer Schlachtbeschreibung der Ilias. Über Danaer und Troer wird gesagt: οἳ δὲ λύκοι ὥς / θῦνον (Λ 72–73). Ähnlich wird auch die Vorbereitung der griechischen Fürsten nach dem Aufruf Agamemnons zur Schlacht beschrieben: οἳ δ’ ἀμφ’ Ἀτρείωνα διοτρεφέες βασιλῆες / θῦνον κρίνοντες (B 445–46). In der Ilias gehorchen die griechischen Fürsten dem Anführer Agamemnon, der zur Schlacht gerufen hat, in den Argonautika gehorchen die Maultiere dem Mädchen Medea. Motiv des Losstürmens ist in der Ilias die Kampfgier, in den Argonautika Medeas Liebe zu Jason.594

h. ἰθύω ἰθύω kommt bei Homer an 15 Stellen (Ilias 12, Odyssee 3) vor, hat die Bedeutung ‚darauf losgehen, vorstoßen‘, aber auch ‚sich anschicken‘ und steht an 10 Iliasstellen im kriegerischen Kontext.595 In der Odyssee taucht die Bedeutung ‚sich anschicken / sich bemühen zu‘ auf, die in der Ilias noch nicht belegt ist.596 Das Verb wird dann durch einen Infinitiv ergänzt.

Apollonios verwendet ἰθύω meistens in abgeschwächter Bedeutung: In den Argonautika begegnen 6 Belegstellen, von denen 5 nicht im kriegerischen Kontext stehen: In 1, 323 heißt ἰθύω ‚aufbrechen‘ und bezeichnet den eiligen Aufbruch von Akastos und Argos zu den Argonauten: πασσυδίῃ Πελίαο παρὲκ νόον ἰθύοντας·597 Die Partizipialform ἰθύοντας ist nur bei Apollonios belegt. Das Adverb πανσυδίῃ / πασσυδίῃ bedeutet ‚in aller Eile‘ und steht bei Homer, wo es fünfmal in der Ilias belegt ist, immer in Zusammenhang mit der Rüstung zum Kampf.598 In 2, 326–27 warnt Phineus die Argonauten vor unüberlegtem Vorpreschen: μηδ’ αὔτως αὐτάγρετον οἶτον ὀλέσθαι / ἀφραδέως ἰθύετ’ ἐπισπόμενοι νεότητι.599

594 Zur Übertragung kriegerischer Formulierungen auf erotischen Kontext s. auch unter 8b. (ἑπαΐσσω), 8c. (ἐνθορεῖν) und 8d. (ἐπιδραμεῖν, zu 1, 878). 595 R. Führer, LfgrE 2, 1167, 15–17: „(geradeaus) vorstoßen […], (frontal) vorpreschen, (geradewegs) drauf los gehen, darauf aus sein, dazu ansetzen, sich anschicken“. Führer zählt zu der Kategorie 1 („prägnant, in Kampfschilderg. […] od. […] -Gl.“) 10 Iliasstellen, davon stehen drei in einem Gleichnis, das eine Kampfszene illustriert. 596 LSJ s.v. II: „c.inf., to be eager, strife to do“. 597 ἰθύοντας ist eine Konjektur von Brunck (lt. Vian (Bd. 1, 1976) 65 ist diese Lesart auch in einem Papyrus zu finden) für das überlieferte ἰθύνοντας. Mooney (1912) 90: „the reading of the MSS. ἰθύνοντας is impossible, as ἰθύνω is transitive. ἰθύω is used by Ap. (1) absolutely, (2) c. gen. 3. 1360, (3) c. acc. 2. 950.“ 598 W. Beck, LfgrE 3, 964, 57–60: „in all haste, w. all speed […] w. or near θωρήσσω“. So z.B. in der Formel θωρῆξαί ἑ κέλευε κάρη κομόωντας Ἀχαιούς / πασσυδίηι (B 11–12, 28–29, 65–66) oder in Λ 725: ἔνθεν πασσυδίηι σὺν τεύχεσι θωρηχθέντες … 599 ἰθύετ’ ist eine Konjektur von Pierson für das überlieferte ἰθύνετ’. 147

In 3, 652 wird die innere Zerrissenheit Medeas beschrieben: Ἤτοι ὅτ’ ἰθύσειεν, ἔρυκέ μιν ἔνδοθεν αἰδώς· Hier hat ἰθύω eine noch schwächere Bedeutung und drückt mehr eine Absicht als ein tatsächliches Aufbrechen aus. Eine Übertragung ins Psychische findet sich an zwei weiteren Stellen: In der Bedeutung ‚heftig wünschen/verlangen‘ - mit oder ohne Objekt - kommt das Verb wohl zum ersten Mal bei Apollonios vor:600 Eine Stelle betrifft wie 3, 652 die Entscheidungsfindung Medeas: … ὥς κεν ἑῇσι μετὰ φρεσὶν ἰθύσειεν (3, 629). Der gleiche Wortlaut begegnet in 2, 950 in einem Aition … ὅ κεν ᾗσι μετὰ φρεσὶν ἰθύσειεν. Semantisch vergleichbar sind nur zwei Odysseestellen (λ 591, χ 408). Dort hat ἰθύω in der Bedeutung ‚begierig sein‘ aber einen Infinitiv bei sich.601 Eine ähnliche Übertragung in den psychischen Bereich findet sich bei einigen Verben des Fliehens.602 Nur an einer Stelle in den Argonautika steht ἰθύω in Zusammenhang mit einem Kampf, allerdings in einer Aufforderung Medeas an Jason vor seinem Athlos: καὶ δ’ αὐτὸς ἐπείγεο δηιοτῆτος / ἰθῦσαι (3, 1059–60).603 Ein Vordringen zum Kampf wird in der Ilias auf ähnliche Weise mit ἰθύω beschrieben: ἴθυσεν δὲ καὶ ὃ πρόφρων Δαναοῖσι μάχεσθαι (P 353).

Zusammenfassung Das Verb ἰθύω hat in den Argonautika vor allem die abgeschwächte Bedeutung ‚vorstoßen‘ sowie die in der Odyssee gebräuchliche Bedeutung ‚sich anschicken‘ und wird sogar zweimal ganz im Sinne von ‚verlangen‘ auf den psychischen Bereich übertragen. Semantische Nähe zum Gebrauch des Wortes in der Ilias findet sich nur an einer Stelle in der Medea-Rede, die als Einzige in Zusammenhang mit Kampfgeschehen steht.

i. ὁρμάομαι Das Verb ὁρμάω kommt bei Homer an 64 Stellen (Ilias 46, Odyssee 18) vor, steht meistens im Medium und bezeichnet eine Vorwärtsbewegung.604 Im transitiven Aktiv bedeutet das Wort ‚jemanden antreiben‘, intransitiv oder im Medium reicht das semantische Spektrum vom schwachen ‚sich aufmachen‘ bis zum feindlichen ‚angreifen‘.605 Mit dieser Bedeutung steht das Simplex an 26 (Ilias 25, Odyssee 1) von 39 Stellen (Ilias

600 LSJ II.2: „c.acc., desire eagerly“ mit Angabe der Argonautikastelle 2, 950. 601 S. LSJ s.v. und Hunter (1989) 166 zu ἰθύσειεν: „intransitive here and in 652, governing the genitive in 1060 and transitive in 2, 950. A. does not reproduce the Homeric use with the infinitive (,be eager to‘). Others, less plausibly, suggest that A. has here ,confused‘ ἰθύω and ἰθύνω.“ 602 S. dazu unter 14k. (Gesamtüberblick ‚fliehen, Flucht‘). 603 Hunter (1989) 215 übersetzt: „hasten to head straight for the battle“. Zu δηιοτῆτος ἰθῦσαι s. auch unter 1c. (δηϊοτής). 604 R. Führer, LfgrE 3, 782, 40: „(vorwärts)streben“. Ebeling s.v. II: „Med. surgo, ruo“. 605 R. Führer, LfgrE 3, 783, 46–47 und 784, 9–11. 148

33, Odyssee 6) im kriegerischen Kontext, meist auf der Erzählebene, dreimal auch in Reden.606 Bereits bei Homer begegnet die neutrale Bedeutung ‚beginnen zu …‘, ‚aufbrechen, um …‘,607 wobei ein abhängiger Infinitiv die Handlung, die begonnen wird, bezeichnet.608 Diese Handlungen sind bei Homer noch meist kriegerischer Art, während in nachhomerischer Literatur das Verb den Bezug zur Kriegssphäre verliert. Das lässt sich auch an der homerischen Konstruktion mit einem Akkusativ oder Präpositionalausdruck zur Angabe des Ziels eines Ansturms oder Angriffs beobachten, während ὁρμάομαι in nachhomerischer Literatur meistens nur ‚eilen zu, aufbrechen nach‘ im lokalen Sinn bedeutet.609

Bei Apollonios ist das Simplex an 14 Stellen belegt. Das Kompositum ἐφορμάομαι, das bei Homer meistens als ‚angreifen‘ im kriegerischen Sinn verwendet wird,610 kommt bei Apollonios nicht vor. Bei der Vorstellung des Argonauten Koronos im Argonautenkatalog wird über den wiederholten vergeblichen Ansturm der Kentauren auf dessen Vater Kaineus erzählt: οἱ δ’ ἔμπαλιν ὁρμηθέντες / οὔτε μιν ἀγκλῖναι προτέρω σθένον οὔτε δαΐξαι (1,  61–62). Das Verb heißt hier ‚angreifen‘ im kriegerischen Sinn wie auch an der einzigen Belegstelle der Partizipialform ὁρμηθέντες in der Ilias: ἀλλ’ ἀθρόοι ὁρμηθέντες / Τρωσὶν ἐφ’ ἱπποδάμοισιν ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα (T 236–37). Eine Parallele ist auch der Ausdruck δεύτερον ὁρμηθείς (Π 402, 467), der wie ἔμπαλιν in den Argonautika ein zweites Angreifen in einer Schlachtschilderung beschreibt. An einer weiteren Stelle im Argonautenkatalog wird berichtet, dass Herakles gegen den Willen des Eurystheus zu den Argonauten aufgebrochen sei: αὐτὸς δ’ ᾗ ἰότητι παρὲκ νόον Εὐρυσθῆος / ὡρμήθη (1, 130–31). Beim Vergleich der beiden Analepsen fällt auf, dass im Bericht von der hero­ ischen Vergangenheit und den Heldentaten des Kaineus ὁρμάομαι die kriegerische Bedeutung des Angreifens hat, während in der Erzählung über die aktuelle Teilnahme des Herakles an der Argonautenfahrt die abgeschwächte Bedeutung des Aufbrechens im nicht-kriegerischen Kontext vorliegt. Diese Bedeutung hat das Verb auch in 2, 537; 3, 1093; 4, 521; 4, 1464; 4, 1253 (hier eher ‚fahren‘ als ‚aufbrechen‘). In 4, 314 drückt ὁρμάομαι eine schnelle Fortbewegung aus. Kontext ist die Verfolgung der Argonauten durch die Kolcher: Ἄψυρτος Κόλχοι τε θοώτερον

606 607 608 609

R. Führer, LfgrE 3, 783, 37–58. LSJ s.v. A.II: „start“. LSJ s.v. A.II.1 und B.1. Dazu LSJ s.v. A.II.2: „rush headlong at one“, im feindlichen Sinn mit Belegstellen bei Herodot, Thukydides, Xenophon und in der Tragödie, dann aber auch „without any sense of hostility“ mit Belegstellen bei denselben Autoren. Vgl. LSJ s.v. B.2. mit unterschiedlichen Kontexten der Belegstellen. Besonders in der Geschichtsschreibung wird das Verb als ‚aufbrechen‘ in lokalem Sinn gebraucht, mit Angabe des Ausgangspunkts durch die Präposition ἐκ, vgl. LSJ s.v. B.2.b. 610 R. Führer, LfgrE 3, 785, 9–12: „aggressiv angehen, anfallen […] angreifen“. 149

ὡρμήθησαν. Eine Parallele mit Assonanz ist αὐτοσχεδὸν ὡρμήθησαν / μακροῖσι ξυστοῖσι (N 496–97).611 Eilig ist auch Medeas heimliche Flucht aus der Stadt: οὐδέ τις ἔγνω / τήνδε φυλακτήρων, λάθε δέ σφεας ὁρμηθεῖσα (4, 48–49).612 Die Partizipialform taucht wenig später noch einmal in Medeas Rede auf: μηδ’ ἔνθεν ἑκαστέρω ὁρμηθεῖσαν … (4, 90). Als sprachliches und motivisches Vorbild kommt eine Stelle im Homerischen Demeterhymnos in Frage: λάθρῃ δ’ ὁρμηθεῖσα δι’ ἠπείροιο μελαίνης / φεῦγον ὑπερφιάλους σημάντορας (Dem. 130–31).613 Im zweiten Buch findet sich ὁρμάομαι in einem Gleichnis, das einen kriegerischen Kampf auf der Erzählebene illustriert: In der Bebrykerschlacht werden die Argonauten mit Wölfen verglichen, die sich Schafen in deren Ställen nähern und sie aufscheuchen: Ὡς δ’ ὅτ’ ἐνὶ σταθμοῖσιν ἀπείρονα μῆλ’ ἐφόβησαν / ἤματι χειμερίῳ πολιοὶ λύκοι ὁρμηθέντες / λάθρῃ ἐυρρίνων τε κυνῶν αὐτῶν τε νομήων, … (2, 123–25).614 Raubtiere begegnen bei Homer mehrmals als Subjekte des Kompositums ἐφορμᾶσθαι, z.B. Wölfe in der Odyssee (κ 214). Vergleiche mit Wölfen wie hier in den Argonautika finden sich aber auch im Zusammenhang mit Angriffen in den Schlachtszenen der Ilias, z.B. οἳ δὲ λύκοι ὥς / ἀλλήλοις ἐπόρουσαν (Δ 471–72), vgl. auch Π 156–63, Π 352–55).615 Im Unterschied zu den Wölfen in der Ilias greifen die Wölfe in den Argonautika nicht offen an, sondern nähern sich den Schafen unbemerkt. ὁρμηθέντες hat also hier die abgeschwächte Bedeutung ‚anschleichen‘, während ἐπόρουσαν bei Homer ein aggressives Angreifen bezeichnet.616 An einer weiteren Stelle ist ein Tier Subjekt des ὁρμᾶσθαι. In der EberkampfSzene zielt Peleus auf den fliehenden Eber: Ὀρέξατο δ’ αἶψ’ ὀλοοῖο / Πηλεὺς αἰγανέῃ φύγαδ’ εἰς ἕλος ὁρμηθέντος / καπρίου (2, 828–30). Εine enge sprachliche Parallele begegnet im Kampfgeschehen der Ilias: Αἴας δ’ ὁρμηθέντος ὀρέξατο δουρὶ φαεινῶι / Ἕκτορος (N 190–91). Statt einer Kriegslanze wie Aias verwendet Peleus in den Argonautika einen Jagdspeer.617 Das Motiv des Angriffs auf einen Fliehenden findet sich auch in homerischen Kampfszenen, z.B. ὃ μὲν φύγαδ’ ἔτραπεν ἵππους, / τῶι δὲ μεταστρεφθέντι μεταφρένωι ἐν δόρυ πῆξεν … (Θ 257–58, ähnlich in Λ 446–47). 611 Livrea (1973) 104 zu θοώτερον ὡρμήθησαν: „Forse variazione dell’omerico αὐτοσχεδὸν ὡρμήθησαν (N 496 = 526).“ 612 Hunter (2015) 9: „ὁρμηθεῖσα ‚as she hastened‘“. 613 Die Parallele notiert auch Livrea (1973) 23. Vgl. außerdem ὁρμηθέντες / λάθρῃ ἐυρρίνων τε κυνῶν αὐτῶν τε νομήων in 2, 124–25 und λάθον ὁρμηθέντες in 2, 537. 614 Zitat des gesamten Gleichnisses s. unter 8b. (ἐπαΐσσω, zu 2, 126). 615 Reitz (1996) 43–45 stellt Gemeinsamkeiten des Wolfsgleichnisses in den Argonautika mit dem Wolfsgleichnis in Π 352–55 fest. Der Angriff ist dort folgendermaßen formuliert: ὡς δὲ λύκοι ἄρνεσσιν ἐπέχραον ἢ ἐρίφοισι / σίνται, … (Π 352–53). 616 Drögemüller (1956) 29 zeigt anhand dieses Gleichnisses, dass das hellenistische Gleichnis die „Befindlichkeit der handelnden Person“ zum Ausdruck bringe, während es bei Homer auf das Wesen ankomme. 617 Zur Vorbildszene, dem Eberkampf in der Odyssee τ 439–54, s. unter 6d. (Lanzen/ Speere). 150

Im Sinne eines feindlich kriegerischen Angreifens wird ὁρμάομαι in der Überlegung des Aietes, ob er die Argonauten töten oder sie auf die Probe stellen soll, gebraucht: ἤ σφεας ὁρμηθεὶς αὐτοσχεδὸν ἐξεναρίζοι, / ἦ ὅ γε πειρήσαιτο βίης (3, 398–99). Die verwendeten Wörter tauchen in homerischen Kampfbeschreibungen auf, wenn auch nicht in der von Apollonios verwendeten Konstruktion: Das Partizip ὁρμηθείς ist bei Homer sechsmal (Ilias fünfmal, Odyssee einmal) belegt und steht an allen Iliasstellen im Zusammenhang mit einer Kampfhandlung, z.B. οὔτασε δουρί / ἐγγύθεν ὁρμηθείς (Ο 528–29). Das Adverb αὐτοσχεδόν ist bei Homer dreimal neben ὁρμάομαι in der Beschreibung eines Angriffs zum Nahkampf zu finden, z.B. οἳ δ’ ἀμφ’ Ἀλκαθόωι αὐτοσχεδὸν ὡρμήθησαν (N 496, 526). Auch die Wendung σφεας […] ἐξενάριξε (E 151) ist Teil einer Kampfschilderung.618 Im Gegensatz dazu hat ὁρμάομαι an einer weiteren Belegstelle im selben Kontext eine abgeschwächte Bedeutung. Hier warnt Aietes die Argonauten vor einem zweiten Versuch, ihn zur Herausgabe des goldenen Vlieses zu bewegen: ἦ τ’ ἂν ἀπὸ γλώσσας τε ταμὼν καὶ χεῖρε κεάσσας / ἀμφοτέρας, οἴοισιν ἀποπροέηκα πόδεσσιν, / ὥς κεν ἐρητύοισθε καὶ ὕστερον ὁρμηθῆναι (3, 378–80). ὁρμηθῆναι kann hier mit ‚sich aufmachen‘ oder ‚Versuch unternehmen‘ übersetzt werden.619 Im Gegensatz zu der Überlegung des Aietes über seine eigenen Handlungsmöglichkeiten in 3, 398 handelt es sich nicht um einen Angriff, sondern um den Versuch, durch ein Gespräch ans Ziel zu gelangen.620 Dass Aietes sich möglicherweise durch einen solchen Versuch angegriffen fühlt, wird durch das semantisch komplexe Verb ὁρμηθῆναι zum Ausdruck gebracht, das sowohl ein zaghaftes Herangehen im Sinne eines Versuchs, als auch einen tatsächlichen Angriff im kriegerischen Sinn bezeichnen kann. Vergleichbar ist diese Ausdrucksweise mit der Szene vor dem Faustkampf, als Polydeukes sich durch die Drohungen des Amykos getroffen fühlt (2, 20). Auch 618 So auch Campbell (1994) 339: „The murderous thoughts of this killing-machine (415f.) are expressed in language familiar from the Iliadic battlefield“, zu ἐξεναρίζω s. unter 10d. 619 Hunter (1989) 141 interpretiert die Stelle: „To prevent you from making any subsequent attempt“. Glei (Bd. 2, 1996) 23 übersetzt: „damit ihr auch später daran gehindert wärt, es zu versuchen“. Die Interpretation der AietesWorte von Delage in Vian (Bd. 2, 1980) 123 („Aiétès menace de trancher les mains des Argonautes pour se prémunir contre leurs attaques et de leur couper la langue parce qu’ils ont menti.“) setzt die gewalttätige Absicht der Argonauten voraus. Vgl. auch Campbell (1994) 325 zur Parallelstelle μ 126: „where ὁρμ. has an aggressive colouring, as here“. 620 Bei Homer kommt der Ausdruck ὕστερον ὁρμηθῆναι zweimal vor: in Ξ 313 geht es um den Aufschub von Heras vorgetäuschten Reiseplänen in der Dios Apate: Ἥρη, κεῖσε μὲν ἐστι καὶ ὕστερον ὁρμηθῆναι· In der Odyssee rät Kirke Odysseus, Krataiis um Hilfe anzurufen, damit sie einen nachträglichen Angriff der Skylla verhindere: ἥ μιν ἔπειτ’ ἀποπαύσει ἐς ὕστερον ὁρμηθῆναι (μ 126). Dort wird das Verb als ‚angreifen‘ im feindlichen Sinn verwendet. Im kriegerischen Kontext steht die Form ὁρμηθῆναι auch in N 559 (σχεδὸν ὁρμηθῆναι). Dort ist ein Angriff im Nahkampf gemeint. 151

dort bezeichnet ein Verb (τύπτω), das eigentlich eine Kampfhandlung beschreibt, einen psychischen Affekt.621

Zusammenfassung ὁρμάομαι findet sich in den Argonautika hauptsächlich in Partizipialformen oder als Infinitiv. Es handelt sich immer um Formen, die bei Homer oder, was die femininen Formen betrifft, in den Homerischen Hymnen belegt sind, und meist im kriegerischen Kontext stehen. In den Argonautika dagegen wird ὁρμάομαι nur an zwei Stellen im kriegerischen Sinn verwendet, und zwar nicht auf der primären Erzählebene, sondern im Katalog und in einer Rede. An zwei Stellen sind angreifende Tiere Subjekt, einmal im Gleichnis, einmal in der Erzählung. An den meisten Stellen aber bedeutet ὁρμάομαι ‚aufbrechen, sich aufmachen‘ im nicht-kriegerischen Kontext.

9. Verwendung der Waffen: schießen, schlagen, treffen, verwunden Auch die meisten Verben, die bei Homer für die Beschreibung von Kampfhandlungen - mit oder ohne Waffen - verwendet werden, sind nicht auf die Kriegssphäre eingegrenzt, sondern weisen ein breites Verwendungsspektrum auf. Wörter mit der Bedeutung ‚schlagen, hauen‘ wie θείνω, κόπτω, πλήσσω z.B. begegnen zwar häufig im kriegerischen Kontext, aber auch mindestens genauso oft in anderen Zusammenhängen.622 Das Verb ἐλαύνω wird oft in Kampfschilderungen eingesetzt, doch ist ‚treffen, verletzen‘ nur eine Nebenbedeutung. Für die Untersuchung werden nur die Wörter ausgewählt, die bei Homer vorwiegend im kriegerischen Kontext stehen. Dies trifft auf folgende Verben zu: βάλλω, das bei Homer am häufigsten den Gebrauch einer Fernkampfwaffe bezeichnet, ὀϊστεύω, das speziell den Schuss mit dem Bogen beschreibt,623 sowie οὐτάζω und τύπτω, die bei Homer fast ausschließlich für Nahkampfhandlungen verwendet werden. Des Weiteren werden in diesem Kapitel

621 S. dazu unter 9c. (τύπτω). 622 Zu θείνω s. unter 10e. (θείνω/(κατα)πεφνεῖν). Das Verb κόπτω begegnet bei Homer in verschiedenen Kontexten für das Schlagen mit Händen, Füßen und Gegenständen wie Waffen und Werkzeugen, z.B. bei Opferhandlungen (Ρ 521, ξ 425), Kampfspielen (Ψ 690, 726), bei handwerklichen Tätigkeiten (Σ 379), selten bei feindlichen Kampfhandlungen (N 203, χ 477), s. R. Führer, LfgrE 2, 1486, 43–1487, 2. Das Verb πλήσσω kommt zwar in Kampfschilderungen vor, wird aber häufiger im nicht-kriegerischen Kontext gebraucht; z.B. bezeichnet es oft das Schlagen der Hüften als Geste des Ärgers oder der Trauer (J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 1291, 65–1292, 13), aber auch Fußtritte von Pferden (E 504, 588) und das Einschlagen des Blitzes (Θ 455, Ο 117, μ 416, χ 306). 623 Das ebenfalls bei Homer nur kriegerisch verwendete ἀκοντίζω kommt in den Argonautika nicht vor. 152

auch zwei Substantive mit der Bedeutung ‚Wunde‘ untersucht, da diese Begriffe das Resultat der Kampfhandlung bezeichnen.

a. βάλλω Das Verb βάλλω (Ilias 382 Stellen, Odyssee 206 Stellen) wird bei Homer auf drei verschiedene Arten syntaktisch konstruiert: I: Bedeutung ‚werfen‘; der geworfenen Gegenstand als Akkusativ-Objekt.624 II: Bedeutung ‚bewerfen, beschießen, treffen‘; Akkusativ-Objekt ist die getroffene Person oder Sache, meistens ist das Wurfgeschoss im instrumentalen Dativ ergänzt.625 III: Intransitiver Gebrauch in der Bedeutung ‚sich werfen, sich schnell bewegen‘.626 Konstruktion I wird fast nur im nicht-kriegerischen Sinn gebraucht, nur selten begeg­ net eine Waffe als Objekt.627 Passive Formulierungen sind selten. Konstruktion II steht bei Homer meistens im kriegerischen Kontext.628 Passive Formulierungen begegnen öfter (Ilias 32, Odyssee 2 Stellen) als bei Konstruktion I, z.B. βέβληται γὰρ ἄριστος Ἀχαιῶν (E 103), ὅσσοι δὴ βέλεσιν βεβλήαται (Λ 657). Konstruktion III findet sich nicht im kriegerischen Kontext. Eine differenzierte semantische Verwendung liegt bei den beiden Perfektstämmen vor: Nur der Stamm βεβλη- bezeichnet das konkrete ‚Treffen‘ im kriegerischen Kontext, der Stamm βεβολη- begegnet nur im Passiv und beschreibt im übertragenen Sinn den Zustand des Betroffen-Seins durch einen psychischen Affekt (Trauer, Kummer).629

An 58 der 73 Belegstellen in den Argonautika ist βάλλω gemäß I mit dem Akkusativ des geworfenen Gegenstandes oder im Passiv mit dem geworfenen Gegenstand als Subjekt konstruiert und steht nicht im kriegerischen Kontext. An einer Stelle findet sich diese Konstruktion aber im kriegerischen Zusammenhang: Beim Kampf gegen die Bebryker schlägt Polydeukes den Itomeneus und wirft ihn zu Boden: τὸν μὲν ὑπὸ στέρνοιο θοῶι ποδί, λὰξ ἐπορούσας / πλῆξε καὶ ἐν κονίῃσι βάλεν (2, 106–7).630 Die zwei homerischen Vorbildstellen gehören zu den wenigen 624 625 626 627

A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 25, 52–53; 26, 9–10. A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 25, 53–54; 31, 73–75. A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 35, 13–14. Trümpy (1950) 104 nennt E 317, 346 (χαλκόν), ι 495 (βέλος), υ 62 (ἰός). A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 26, 9–11: „Akk.-Obj. ist das Bewegte: […] selten Waffe“. 628 A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 32, 24–34, 44. 629 A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 34, 44–45: „Pf.st. βεβλη- (Akt. u. Pass.), nur treffen mit Wurfggst. in feindl. Aktion“. Ebd. 34, 78–35, 2: „Pf.st. βεβολη- […] nur Pass., bez. Zustand des Getroffen- (‚Betroffen‘)-seins von πένθος / ἄχος tw. mit Akk. der Bzhg.“ mit 3 Belegstellen. In der nachhomerischen Literatur gilt βολέω als eigenständiges Verb, s. LSJ s.v. βολέω. DGE s.v. βολέω 2: „perf. βεβολήατο, βεβολημένος v. βάλλω“. 630 Zur Bebrykerschlacht insgesamt s. unter 9d. (οὐτάζω). Zu 2, 106–7 unter 8f. (ἐπορούω), zu πλήσσω Anm. 622. 153

Belegen von βάλλω in der Konstruktion I im kriegerischem Kontext: In E 588 stoßen Pferde einen getöteten Krieger zu Boden: ὄφρ’ ἵππω πλήξαντε χαμαὶ βάλον ἐν κονίηισι. In Θ 156 spricht Nestor zu Diomedes über dessen Kampf gegen die Troer: τάων ἐν κονίηισι βάλες θαλεροὺς παρακοίτας. An weiteren 8 Stellen in den Argonautika wird βάλλω intransitiv gemäß Kon­ struktion III gebraucht. Diese Stellen werden nicht untersucht. Nur selten verwendet Apollonios βάλλω in der Konstruktion II: An vier dieser Stellen ist das Subjekt allerdings keine Person, sondern eine Sache oder ein Abstraktum. Der Wurfgegenstand als Ergänzung im instrumentalen Dativ fehlt. Beides ist bei Homer und in der nachhomerischen Literatur selten:631 An zwei Stellen trifft Lärm die Ohren der Argonauten: δοῦπος ἀρασσομένων πετράων / νωλεμὲς οὔατ’ ἔβαλλε (2, 553–54), μυκηθμός τε βοῶν αὐτοσχεδὸν οὔατ’ ἔβαλλε (4, 969). Die homerische Vorbildstelle findet sich auch nicht im kriegerischen Kontext: ἵππων μ’ ὠκυπόδων ἀμφὶ κτύπος οὔατα βάλλει (K 535). Ιn 3, 1304–5 trifft das Feuer der Stiere Jason wie ein Blitz: τὸν δ’ ἄμφεπε δήιον αἶθος / βάλλον ἅ τε στεροπή·632 In 4, 885 trifft die Sonne den Himmel: Ἦμος δ’ ἄκρον ἔβαλλε φαεσφόρος οὐρανὸν Ἠώς. Auch hier ist die homerische Parallele nicht kriegerisch: τοὺς [sc. θάμνους] […] / οὔτε ποτ’ ἠέλιος φαέθων ἀκτῖσιν ἔβαλλεν (ε 478–79). Apollonios lehnt sich also mit Konstruktion II an die seltenen nichtkriegerischen Homerstellen dieser Art an. Als finites Verb wird βάλλω nur an einer einzigen Stelle in den Argonautika im Sinne einer Kampfhandlung verwendet.633 Doch auch hier ist kein Krieger das Subjekt und keine Waffe Instrument. Berichtet wird nämlich, wie ein Hirte den Argonauten Kanthos tötet, indem er ihn mit einem Stein trifft: ὅ σ’ ἑῶν μήλων πέρι, […] ἀλεξόμενος κατέπεφνε / λᾶι βαλών (4, 1487–89). Auch bei Homer werden Steine als Wurfwaffen verwendet,634 an zwei Stellen stehen sie im instrumentalen Dativ bei βάλλω: βάλε […] ὀξέϊ λᾶϊ (Π 737–39), λάεσσί τ’ ἔβαλλον (Γ 80). In den Argonautika versucht Kanthos, das Vieh des Kaphauros zu rauben und wird von dem Hirten göttlicher Abstammung mit einem Stein tödlich getroffen.635 Das Partizip Aorist Passiv verwendet Apollonios an drei Stellen in homerischer Ausdrucksweise: Über Sthenelos wird berichtet: ἐκ πολέμοιο / ἂψ 631 A. Mette – W. Beck, LfgrE 2, 32, 54–61, zählen nur 5 Stellen. Subjekte sind dort Lärm, Staub, Wind, Sonnenstrahlen, jedoch keine Waffen. Dazu auch LSJ s.v. A.I.2: „less freq. of things […] of the sun […] strike the senses, of sound“. 632 Vgl. dazu Ψ 217, dort treffen Winde eine Flamme. 633 Vgl. Rengakos (1994) 65: „βάλλω [wird] im unkriegerischen Argonautenepos nur einmal im Sinne von ,treffen‘ gebraucht“. 634 Th. Vlachodimitris, LfgrE 2, 1607, 43, zählt zu λᾶας in der Bedeutung „Feldstein als Wurfgeschoß gg. Feind“ 9 Stellen (von insgesamt 23). 635 S. dazu Bernsdorff (2001) 75–76, der auf eine Umkehrung in der ArgonautikaSzene im Vergleich zu einem homerischen Vorbild hinweist: In M 445–58 wird Hektor, der einen Stein zum Wurf erhebt, mit einem Hirten verglichen, der Wolle trägt. Bei Apollonios dagegen wirft nicht der Held den Stein, sondern der Hirte. 154

ἀνιών […] / βλήμενος ἰῷ κεῖθεν (2, 912–14). Ähnlich ist z.B. Λ 663–64: ἤγαγον ἐκ πολέμοιο, / ἰῶι ἀπὸ νευρῆς βεβλημένον. Vgl. auch: βλήμενος ἰῶι (Θ 514, Λ 191, 206), κέαται βεβλημένοι (Λ 659, 826, Π 24). Das Partizip dient auch zur Beschreibung des von der Feder des Ares-Vogels getroffenen Oileus (μεθέηκε δὲ χερσὶν ἐρετμὸν / βλήμενος (2, 1037–38)) und des vom Blitz des Zeus getroffenen Typhaon: Διὸς Κρονίδαο κεραυνῷ / βλήμενον (2, 1211–12). κεραυνός ist auch bei Homer Instrument des βάλλειν mit Zeus als Subjekt, z.B. Ζεύς […] βαλὼν ἀργῆτι κεραυνῶι (ε 128).636 In 4, 597 variiert Apollonios und beschreibt Phaeton als τυπεὶς […] κεραυνῶι.637 Den zweiten Perfektstamm βεβολη-, der bei Homer metaphorisch den psychischen Zustand des Betroffenseins beschreibt, verwendet Apollonios an 7 Stellen, im Unterschied zu Homer jedoch nicht immer im übertragenen Sinn, z.B. in 3, 1310: Jason bringt den Stier mit einem einzigen Stoß zu Fall: ὧς δὲ καὶ ἄλλον / σφῆλε γνὺξ ἐριπόντα, μιῇ βεβολημένον ὁρμῇ (3, 1309–10).638 Laut den Scholien hat das Partizip βεβολημένος hier die Bedeutung des homerischen βεβλημένος.639 Doch hat Jason den Stier wohl mit einem Fußtritt getroffen und niedergeworfen. Da βάλλω als Verb des Fernkampfes in der Bedeutung ‚treffen‘ in Verbindung mit einem Fußtritt sehr ungewöhnlich erscheint, ist es auch denkbar, dass es hier mit der Bedeutung ‚werfen‘ in der Konstruktion I steht. D.h. der Stier wird durch einen Stoß niedergeworfen.640 Bei Homer findet sich das Perfekt (im Perfektstamm βεβλη-) jedoch nur in der Konstruktion II mit der Bedeutung ‚treffen‘.641 Bei Apollonios dagegen steht an zwei anderen Stellen auch der Perfektstamm βεβλη- in der Konstruktion I mit der Bedeutung ‚werfen‘, jedoch nicht im kriegerischen Kontext: φηγὸν […] ᾗ ἔπι κῶας / βέβλητο (4, 124–25), βέβλητο ποτὶ στύπος (4, 1401). Möglicherweise handelt es sich bei 3, 1310 um eine dritte Stelle dieser Art.

Zusammenfassung An den untersuchten Stellen nimmt Apollonios vor allem Bezug auf homerische Formulierungen aus dem nicht-kriegerischen Kontext, wobei es sich um seltene

636 S. auch μ 387, ψ 330 und (in Konstruktion I) ξ 305 (… ἔμβαλε νηὶ κεραυνόν). 637 S. unter 9c. (τύπτω). 638 Eine weitere auffällige Stelle ist 1, 262, wo Jasons Mutter, die ihm um den Hals fällt, mit den Worten μήτηρ τ’ ἀμφ’ αὐτὸν βεβολημένη beschrieben wird. Vgl. LSJ s.v. βολέω II, s. dazu Anm. 629. Dazu Garson (1972) 5: „Apollonios occasionally blurs Homeric distinctions.“ Rengakos (1994) 65: „Ebensowenig wird der Unterschied zwischen den beiden Formen des Perfekts […] von Apollonios eingehalten.“ 639 Sch. zu 3, 1310b: βεβλημένον καὶ πληγέντα. Vgl. Rengakos (1994) 65 („βεβoλημένος statt τετυμμένος“) mit Hinweis auf entsprechende Konstruktion in 1, 1269. 640 So auch Köhnken (1965) 49, Anm. 4: „der Stier war von einem einzigen Schwung (Jasons) ‚zu Boden geworfen‘ worden“. Inhaltlich ist die Stelle der Szene in 2, 106–7 ähnlich, wo Polydeukes den Itomeneus zu Boden wirft (s.o. zu 2, 106–7). 641 S. Anm. 629. 155

Belege nicht-kriegerischen Gebrauchs in der sonst kriegerisch verwendeten Kon­ struktion II handelt, z.B. δοῦπος οὔατ’ ἔβαλλε, τὸν δήιον αἶθος βάλλον. Im kriegerischen Sinn verwendet Apollonios mit τὸν ἐν κονίῃσι βάλεν die bei Homer meist nicht-kriegerisch verwendete Konstruktion I. Die gängige kriegerisch verwendete Konstruktion II begegnet beim Kampf eines Hirten (σ’ κατέπεφνε λᾶι βαλών) und an mehreren Stellen in Form des Partizips Perfekt Passiv des Stammes βεβλη-/βλη-, das Verwundete beschreibt. Von den drei Verwundeten wurde aber nur Sthenelos im kriegerischen Kampf getroffen, in den anderen beiden Fällen sind die Waffen, durch die der Verwundete getroffen wurde, ungewöhnlich: Ein Blitz und die Feder eines Ares-Vogels. Die Szene in der Ares-Vögel-Episode findet sich als einzige der drei Stellen auf der Hauptebene der Handlung, die beiden anderen Stellen stehen in Analepsen.

b. ὀϊστεύω Das Verb ὀϊστεύω ist von ὀϊστός abgeleitet und deshalb auf den Pfeilschuss spezialisiert.642 In der Ilias kommt das Verb selten (4 Stellen) vor, in der Odyssee jedoch öfter (10 Stellen, davon siebenmal das Kompositum διοϊστεύω), bedingt durch den Einsatz bei der Bogenprobe. ὀϊστεύω steht meistens (Ilias 3, Odyssee 7 Stellen) in Reden.

In den Argonautika bezeichnet das Verb dreimal den Pfeilschuss von Göttern: 1, 759–61: In einer Darstellung der Mantel-Ekphrasis schießt Apollon einen Pfeil ab: Ἐν καὶ Ἀπόλλων Φοῖβος ὀιστεύων ἐτέτυκτο, / […] Τιτυὸν μέγαν. Bei Homer steht das Ziel des Schusses im Genetiv, im Akkusativ wie hier begegnet es erst später.643 3, 27–28: Nach dem Plan Heras soll Eros Medea mit einem Pfeilschuss für Jason bezaubern: … κούρην Αἰήτεω πολυφάρμακον οἷσι βέλεσσι / θέλξαι ὀιστεύσας ἐπ’ Ἰήσονι·644 Mit den gleichen Worten gibt Aphrodite Eros den entsprechenden Auftrag: σὺ δὲ παρθένον Αἰήταο / θέλξον ὀιστεύσας ἐπ’ Ἰήσονι (3, 142–43). Die Junktur θέλξαι / θέλξον ὀιστεύσας ist eine Kontrastimitation des homerischen Ausdrucks ὀϊστεύσας ἔβαλεν (Δ 196, 206); der Effekt des ὀϊστεύειν wird von ἔβαλεν (‚treffen‘ im Sinne von ‚verwunden‘) auf θέλξαι / θέλξον (‚bezaubern‘) übertragen.645 Durch die Verklammerung der beiden Hyperbata κούρην / παρθένον […] ὀιστεύσας und 642 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 612, 27: „shoot an arrow“. Ebeling s.v. „sagittas mitto“. S. dazu auch Trümpy (1950) 67 und 109. 643 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 612, 28: „gen. of target (at)“. Mooney (1912) 117: „ὀιστεύειν c. acc. is late Greek.“ Bei LSJ s.v. II sind Belegstellen bei Archias (AP 5, 57: ἄλλον ὀιστεῦσαι) und Nonnos (Dion. 15, 322: Κύπριν ὀιστεύσεις) angegeben. 644 Mit der überlieferten Lesart ὀιστεύσας, die von Vian (Bd. 2, 1980), Hunter (1989) und Campbell (1994) 40 präferiert wird, ist die Konstruktion als von der vorhergehenden Parenthese αἴ κε πίθηται abhängig aufzufassen. Mit Bruncks Konjektur ὀιστεύσαντ’ entsteht eine Abhängigkeit von 3, 26a (παιδὶ ἑῷ εἰπεῖν ὀτρύνομεν), die von Fränkel empfohlen wird. S. dazu Glei (Bd. 2, 1996) 205. 645 Die Verbindung von θέλγω und Ἔρως findet sich in der Tragödie: θέλγει δ’ Ἔρως (Eur. Hipp. 1274), Ἔρως δέ νιν / […] θέλξειεν (Soph. Trach. 354–55). Zum Einsatz 156

θέλξαι / θέλξον […] ἐπ’ Ἰήσονι (ABAB) und die Funktion von κούρην / παρθένον als Objekt beider Verben wird an beiden Stellen deutlich die enge Verknüpfung von Schuss und Bezauberung zum Ausdruck gebracht.

c. τύπτω τύπτω (Ilias 28, Odyssee 14 Stellen) bedeutet ‚schlagen‘ und wird in der Ilias meist im kriegerischen Sinn verwendet, an 13 Stellen in Reden. Im Unterschied zu βάλλω bezeichnet τύπτω den Einsatz einer Nahkampfwaffe.646 In der Odyssee begegnet τύπτω oft im Zusammenhang mit dem Rudern, z.B. in der Formel ἅλα τύπτον ἐρετμοῖς (siebenmal, z.B. δ 580). Die Aoristformen des Verbs stehen jedoch fast ausschließlich im kriegerischen Kontext.

Bei Apollonios ist τύπτω zehnmal belegt: Im vierten Buch wird berichtet, wie Herakles mit dem Fuß an einen Felsen stößt, unter dem dann Wasser hervorströmt: τὴν [sc. πέτρην] ὅ γ’ […] / λὰξ ποδὶ τύψεν ἔνερθε· τὸ δ’ ἀθρόον ἔβλυσεν ὕδωρ (4, 1445–46). Homerisches Vorbild für einen solchen Fußtritt ist Ψ 764: ἴχνια τύπτε πόδεσσι … Das Motiv selbst ist gängig und findet sich z.B. in der Septuaginta, wo Moses mit einem Stab an den Felsen schlägt, aus dem dann Wasser fließt (Ex. 17, 6). Bei Hesiod wird die durch einen Hufschlag des Pegasos entstandene Hippokrene erwähnt (theog. 6, vgl. Arat. 1, 219–20, Paus. 9, 31, 3, Strab. 8, 31, 3, Ov. met. 5, 262–64). Bei Kallimachos schlägt Rhea mit ihrem Stab an einen Bergfelsen, so dass Wasser hervor strömt (ov. 30–32). Zieht man aber Belegstellen aus homerischen Kampfschilderungen zum sprachlichen Vergleich heran, fallen folgende Szenen besonders auf: Bei Homer verletzt ein Krieger seinen Feind durch einen Stoß mit Schwert oder Lanze, danach fließt Blut aus der Wunde, z.B. in Φ 116–19: Ἀχιλεὺς δὲ ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ / τύψε κατὰ κληῗδα παρ’ αὐχένα […] ἐκ δ’ αἷμα μέλαν ῥέε, δεῦε δὲ γαῖαν. Oder es fallen sogar die Eingeweide aus dem Körper des Sterbenden: γαστέρα γάρ μιν τύψε παρ’ ὀμφαλόν, ἐκ δ’ ἄρα πᾶσαι / χύντο χαμαὶ χολάδες (Φ 180–81). Vergleicht man damit die Apolloniosstelle, scheint hier eine typisch homerische Kampfschilderung in eine andere Szenerie und ein weit harmloseres Bild umgesetzt zu sein: Bei Apollonios wird der Stoß mit einem Fuß statt mit der Waffe vollzogen, das Opfer ist ein Stein statt eines Feindes, was herausfließt, ist Wasser statt Blut.

kriegerischen Vokabulars im erotischen Kontext s. z.B. unter 8b. (ἐπαΐσσω), 8c. (ἐνθορεῖν) und 8d (ἐπιδραμεῖν, zu 1, 878). 646 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 674, 43–45 („strike“) teilt die Belege in kriegerischen und nicht-kriegerischen Gebrauch ein und zählt zur ersten Kategorie 23 Ilias- und 5 Odysseestellen. Vgl. Trümpy (1950) 99, LSJ s.v. I.1: „beat, strike, smite […] in Hom. mostly with weapons of war [ξίφει], δουρί, ἄορι“; ebd. I.2: „Hom. opposes τύπτειν to βάλλειν“. So auch Ebeling s.v., der als einzige Ausnahme N 573 nennt: „percutio, caedo. Saepe distinguuntur βάλλειν et τύπτειν, cum illud sit eminus, hoc cominus vulnerare.“ 157

In 2, 20 wird τύπτω ins Psychische übertragen: Die Drohung des Amykos trifft Polydeukes: πέρι δ’ αὖ Πολυδεύκεα τύψεν ὁμοκλή· Ähnlich metaphorische Bedeutung hat das Verb an einer Stelle bei Homer (τὸν δ’ ἄχος ὀξὺ κατὰ φρένα τύψε βαθεῖαν (T 125)),647 die vermutlich auch das Vorbild für 4, 866 ist, wo Kummer den Peleus trifft, als er Thetis sieht: Τὸν δ’ ἄχος αἰνὸν ἔτυψεν. In der Faustkampf-Episode wird Amykos bei seiner Reaktion auf die Worte des Polydeukes, der seine Herausforderung annimmt, mit einem Löwen verglichen, der von einem Speer getroffen wurde: ὥς τε λέων ὑπ’ ἄκοντι τετυμμένος (2, 26). Bei Homer findet sich die einzige Belegstelle des Partizips Perfekt Passiv auch im kriegerischen Kontext: …, μακρῆισι τετυμμένω ἐγχείηισιν / ἀμφοτέρω κατὰ χεῖρα (N 782–83).648 Apollonios nimmt das erste und letzte Wort eines homerischen Gleichnisses auf, in dem Sarpedon mit einem Löwen verglichen wird: ὥς τε λέων (M 299) - ἔβλητ’ […] ἄκοντι (M 306). Dort wird jedoch das zum Einsatz einer Wurfwaffe (ἄκων) passendere Verb βάλλω verwendet.649 Motivisches Vorbild ist zudem vermutlich ein homerisches Gleichnis, in dem Achill mit einem Löwen verglichen wird, der in seiner Kampfeswut noch rasender wird, nachdem er von einem Speer getroffen wurde (Υ 164–73). Doch besteht ein Unterschied in der jeweiligen Ausgangssituation auf der Erzählebene: Während Achill mitten im Gefecht steht und von feindlichen Kriegern bedroht wird, wie auch der Löwe des Gleichnisses, hat Amykos keinen Grund zur Raserei, da die Argonauten bereit sind, auf seine Bedingungen einzugehen und Polydeukes seine Herausforderung annimmt.650 An einer weiteren Belegstelle in demselben Gleichnis starrt der Löwe den Mann an, der ihn getroffen, aber noch nicht bezwungen hat: ἐπὶ δ’ ὄσσεται οἰόθεν οἶον / ἄνδρα τὸν ὅς μιν ἔτυψε παροίτατος οὐδ’ ἐδάμασσεν (2, 28–29). Der Ausdruck μιν τύψε findet sich einmal bei Homer und bezeichnet eine kriegerische Kampfhandlung (Φ 180). Der Vergleich eines Kriegers mit einem Löwen, der verletzt, aber nicht

647 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 676, 40 zählt unter „metaph., subj. abstr.“ nur T 125 auf. Auch Ebeling s.v. nennt T 125 als einzige Belegstelle mit metaphorischer Bedeutung („Transfertur vocabulum“). Die metaphorische Verwendung findet sich aber auch bei Herodot (3, 64, 1), Pindar (Nem. 1, 53) und in der Tragödie (Aischyl. Eum. 509, Eur. Ion 766). Zu den metaphorischen Apolloniosstellen s. auch Rengakos (1994) 65. 648 Als weitere Parallele vgl. auch ὑπὸ δουρὶ τυπεὶς (viermal z.B. Λ 433). 649 S. auch unter 6d. (Lanzen/Speere). 650 So Effe (1996) 302–3, der auch den Unterschied zwischen dem „herausragenden kriegerischen Helden“ der Ilias und dem „wilde[n] Draufgängertum eines Barbaren, der die Normen zivilisierter Umgangsformen mit Füßen tritt“ herausstellt und „eine abwertende und damit antihomerische Funktion“ des Gleichnisses konstatiert. Dagegen Reitz (1996) 40, Anm. 115, mit dem Einwand, dass der „Effekt beider Gleichnisse […] auf dem Vorausdeuten vor Ausbruch der eigentlichen Feindseligkeiten“ beruhe, demnach also kein wesentlicher Unterschied in der Ausgangssituation bestehe. In seiner Art, eine psychische Wirkung durch ein konkretes Bild darzustellen, hat das Gleichnis Ähnlichkeit mit 1, 1265, s. dazu Anm. 654. 158

getötet wird, begegnet in Ε 136–41: ὅν ῥά τε ποιμὴν […] / χραύσηι μέν τ’ αὐλῆς ὑπεράλμενον, οὐδὲ δαμάσσηι (E 137–38). Dort entspricht die Situation im Gleichnis dem Geschehen auf der Erzählebene, da Diomedes kurz zuvor leicht verletzt wurde (E 97–100). In den Argonautika liegt dagegen in der Erzählung eine psychische Regung vor, für die τύψεν im übertragenen Sinn eingesetzt wird (2, 20). Im Gleichnis wird dann das Verb sogar zweimal wieder aufgenommen zur Beschreibung einer physischen Verletzung: τετυμμένος (2, 26), ἔτυψε (2, 29).651 Die körperliche Verwundung, die Amykos später im Zweikampf gegen Polydeukes erhält (2, 94–96), führt im Unterschied zu der des Löwen zum Tod. In der Ilias dagegen entsprechen sich Erzählung und Gleichnis in diesem Punkt: Wie der Löwe wird auch Diomedes nur verletzt, aber nicht getötet. Das Partizip τετυμμένος taucht in einem weiteren Gleichnis auf: Herakles, der vom Verschwinden des Hylas hört, wird mit einem Stier verglichen, der von einer Bremse gestochenen wurde: Ὡς δ’ ὅτε τίς τε μύωπι τετυμμένος ἔσσυτο ταῦρος … (1, 1265). In der Bedeutung ‚stechen‘ ist τύπτω erst nach Homer belegt.652 Am Ende des Gleichnisses variiert Apollonios dieselbe Aussage mit βάλλω: κακῷ βεβολημένος οἴστρῳ (1, 1269).653 Ein ähnliches Gleichnis findet sich auch im dritten Buch der Argonautika. Dort wird Eros, als er sich Medea nähert, mit einer Bremse verglichen, die Rinder attackiert (3, 275–77). Da das Verhalten des Herakles durch die Liebe zu Hylas bestimmt ist, kann man sagen, dass in beiden Szenen die Macht des Eros eine Wirkung erzeugt, die mit dem Stich einer Bremse vergleichbar ist. Nimmt man als Vorbild beider Gleichnisse ein Gleichnis aus der Odyssee an, in dem die Freier beim Freiermord mit von einer Bremse gescheuchten Rindern verglichen werden (χ 299–301),654 erkennt man eine Verschiebung der Thematik auf der Erzählebene. 651 Reitz (1996) 41. 652 LSJ s.v. I.3: „later sting“. Hier werden für Insektenstiche zwei Belegstellen genannt (Aristot. hist an. 553b6, Xen. Hell. 4, 2, 12). 653 Zur Konstruktion von βάλλω s. unter 9a. Apollonios verwendet hier den Perfektstamm, der bei Homer nur metaphorisch verwendet wird. 654 Drögemüller (1956) 59–60 nimmt χ 299–301 für beide Gleichnisse als motivisches Vorbild an. Im Unterschied zum Gleichnis der Odyssee, das einen technischen Vorgang verifiziere, zeige sich in den Gleichnissen der Argonautika zudem ,semantisches‘ Interesse, das in der „zeichenhafte[n] Bedeutung“ der Gleichnisträger in Erscheinung trete: „der schmerzlich stechende μύωψ ist ein wertsetzendes Zeichen für die Nachricht, die Herakles erhält; der Stich ist also ähnlich konkretisiertes psychisches Geschehen wie der ‚Lanzenschuß‘ 2, 26.“ Denn auch in diesem Gleichnis wird ein psychischer Vorgang durch das Bild des schmerzhaften Stechens illustriert, vgl. Anm. 650. James (1969) 84 nennt χ 299–301 als Vorbild für 1, 1265–69: „Homer’s emphatic indication of season is ignored, and βόες is replaced by the singular ταῦρος. These changes and the seemingly original way in which Apollonius elaborates his simile are clearly determined by the paramount consideration of creating a precise parallel with the narrative.” Vgl. Blumberg (1931) 26 über die Analogie des Gleichnisses zur Haupthandlung: „der Stier [sucht] nicht, er rast planlos herum, weil der Schmerz bohrt. Ich kann nicht umhin, hier 159

Während der Ausgangspunkt dort die Wirkung kriegerischer Gewalt ist“,655 werden die Gleichnisse bei Apollonios in einen erotischen Kontext gesetzt.656 Das Partizip Aorist Passiv τυπείς, das bei Homer immer im kriegerischen Kontext steht (meistens δουρὶ τυπεὶς (z.B. Λ 191, 206, 433)), nimmt Apollonios in 4, 597 auf: In einem Aition wird von Phaethon erzählt, der von einem Blitz getroffen wurde: ἔνθα ποτ’ αἰθαλόεντι τυπεὶς πρὸς στέρνα κεραυνῷ / ἡμιδαὴς Φαέθων πέσεν … (4, 597–98). Bei Homer bezeichnet τύπτω meist das Treffen und Verletzen mit einer Nahkampfwaffe.657 Ein Blitz ist aber eher mit einer Fernkampfwaffe gleichzusetzen. κεραυνός ist bei Homer demnach auch mit βάλλω verbunden, so auch bei Apollonios in 2, 1211–12.658 Im Unterschied zu Homer setzt Apollonios das Partizip auch in andere Kasus: In 1, 1003 bezeichnet er gefällte Baumstämme in einem Gleichnis, das die Tötung der Erdgeborenen auf der Dolioneninsel illustriert, als τυπέντα: Ὡς δ’ ὅτε δούρατα μακρὰ νέον πελέκεσσι τυπέντα / ὑλοτόμοι στοιχηδὸν ἐπὶ ῥηγμῖνι βάλωσιν (1, 1003–4).659 Die Verwendung in Gleichnissen - hier zum vierten Mal in den Argonautika - hat homerische Vorbilder (Λ 306, 561); allerdings stehen Aoristformen dort nur im kriegerischen Kontext. In 2, 827 wird Idmon von einem Eber angefallen. Die Argonauten erwidern das Ge­schrei des Getroffenen: οἱ δ’ τυπέντος / ἀθρόοι ἀντιάχησαν (2, 827–28).660 In 4, 467 wird Apsyrtos in der Mord-Szene, die Medea nicht ansehen möchte, als τυπείς bezeichnet: …, μὴ φόνον ἀθρήσειε κασιγνήτοιο τυπέντος· In der Schilderung einen Vergleich mit der rasenden, bohrenden Liebe des Helden zu fühlen, einer Liebe, die ihm im Moment des Verlustes besonders zum Bewußtsein kommt und ihn wild umhertoben läßt.“ Berkowitz (2004) 143: „Heracles’ reaction to Hylas’ absence, however, belongs to an erotic context.“ Dort auch der Hinweis darauf, dass die Bremse in der nachhomerischen Literatur auch im erotischen Kontext begegnet, z.B. im Hippolytos des Euripides (1300) und Apoll. Rhod. 3, 276. 655 So Effe (1996) 310–11. 656 Zur Übertragung von Formulierungen aus der Kriegssphäre auf den erotischen Kontext s. auch unter 8b. (ἐπαΐσσω), 8c. (ἐνθορεῖν) und 8d. (ἐπιδραμεῖν, zu 1, 878). 657 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 675, 6–676, 13 listet die meisten Stellen unter „weapon held in the hand“ auf. S. dazu auch Anm. 646. 658 S. dazu unter 9a. (βαλλω). Rengakos (1994) 65 weist darauf hin, dass Apollonios sich u.a. bei τύπτω nicht immer an die homerische Unterscheidung zwischen Nah- und Fernkampfhandlung halte. Zu bereits bei Homer belegten Ausnahmen dieser Art s. Trümpy (1950) 101. Bei Antiphanes findet sich τύπτειν κεραυνός metaphorisch gebraucht (fr. 195, 4 Kock), dazu LSJ s.v. κεραυνός II: „a thunderbolt for striking“. Vgl. aber einmal: πληγέντι κεραυνῶι (Ο 117), dazu Schmidt (1879) 299. 659 In der Odyssee wird in einer ähnlichen Formulierung für das Fällen der Baumstämme τάμνω verwendet: δούρατα μακρὰ ταμὼν (ε 162). 660 Die Konjektur von Fränkel δ’ἐρυγόντος wird von Vasilaros (1993) 68 unterstützt mit dem Argument der Korrespondenz mit Ὀξὺ δ’ ὅ γε κλάγξας in 2, 827. Doch da die überlieferte Lesart syntaktisch und inhaltlich plausibel ist, ist die Konjektur nicht notwendig. Vgl. Glei (Bd. 1, 1996) 180. 160

des Mordes selbst verwendet Apollonios πλήσσω:661 Tὸν δ’ ὅ γε […] / πλῆξεν (4, 468– 69). Eine ähnliche Formulierung findet sich bei Homer in einer Kampfhandlung: τὸν δ’ υἱὸς Τελαμῶνος ἐπαΐξας δι’ ὁμίλου / πλῆξ’ (P 293–94).

Zusammenfassung Die Aoristformen des Verbs τύπτω, die bei Homer nur im kriegerischen Kontext verwendet werden (τύψεν, ἔτυψε, τυπεὶς), begegnen bei Apollonios in verschiedenen nicht-kriegerischen Kontexten, meist aber im konkreten physikalischen Sinn mit unterschiedlichen Urhebern wie Fußtritt, Blitz, Bremse, Eber, Äxten und Waffe. An drei Stellen in Gleichnissen reichen die Bedeutungsnuancen von ‚schlagen‘ über ‚treffen‘ bis zu ‚stechen‘, wobei zweimal eine Waffe als Instrument genannt wird. Zwei dieser Gleichnisse dienen zur Illustration emotionaler Regungen auf der Erzählebene, zweimal zeigt sich eine direkte Übertragung auf den psychischen Bereich. Nur eine Belegstelle findet sich, an der (mit dem Partizip τυπέντος) ein mit einer Waffe verletzter Mensch auf der Erzählebene beschrieben wird, jedoch nicht im kriegerischen Kontext, sondern in der Mord-Szene im vierten Buch.

d. οὐτάω / οὐτάζω Das Verb οὐτάω / οὐτάζω (Ilias 73, Odyssee 8 Stellen) beschreibt bei Homer meistens abgegrenzt von βάλλω - die Verwundung im Nahkampf,662 begleitet durch eine Waffe im instrumentalen Dativ. Oft ist auch der verletzte Körperteil Objekt oder folgt nach der Präposition κατά. 14 Stellen (Ilias 12, Odyssee 2) stehen in Reden.

Bei Apollonios kommt οὐτάω / οὐτάζω siebenmal vor: Während des Faustkampfes zwischen Amykos und Polydeukes lassen die Kämpfer nicht voneinander ab: Oὐδ’ ἔλληξαν ἐπισταδὸν οὐτάζοντες, / ἔστε περ οὐλοὸν ἆσθμα καὶ ἀμφοτέρους ἐδάμασσε (2, 84–85). Hier variiert Apollonios den homerischen Ausdruck αὐτοσχεδὸν οὐτάζοντο (H 273, ähnlich auch in λ 536). Bei Homer bezeichnet οὐτάζω immer das Verletzen durch eine Waffe (meist Lanze oder Schwert),663 nicht wie bei Apollonios durch Faustschläge oder Fußtritte. Die Beschreibung einer Verletzung im Kampf zwischen Bebrykern und Argonauten (Ὠρείτης δ’ Ἀμύκοιο βίην ὑπέροπλος ὀπάων / οὖτα Βιαντιάδαο κατὰ λαπάρην Ταλαοῖο (2, 110–11)) ist homerisch formuliert, z.B. τὸν δὲ κρείων Ἀγαμέμνων / οὖτα κατὰ λαπάρην (Z 63–64), οὔτασε κὰλ λαπάρην (Ξ 447, 517).664

661 Zu πλήσσω s. Anm. 622. 662 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 881, 17 u. 62–64 („strike or wound with a thrust or stab […] wound in gener. […] wound with a spear-cast”) zählt zur letzten Kategorie nur Π 467. 663 J.N. O’Sullivan, LfgrE 3, 882, 32–884, 11, s. auch LSJ s.v. οὐτάω 1: „wound, hurt, hit with any kind of weapon“. 664 S. unter Anm. 675. 161

Die Schlacht gegen die Bebryker ist die einzige Massenschlacht in den Argonautika, die über eine katalogartige Auflistung der Tötungen hinausgeht.665 Im Unterschied zum Kampf gegen die Dolionen, der fast ausschließlich mit Verben des Tötens beschrieben wird,666 dominieren in dieser Kampfschilderung die Verben des Verletzens. Da nicht das gesamte Vokabular der Szene in die Untersuchung einbezogen werden kann,667 soll das Zitat der ganzen Passage (2, 101–17) an dieser Stelle einen Eindruck von der Darstellung geben: 101 τοῦ δὲ πάρος κολεῶν εὐήκεα φάσγαν’ ἑταῖροι ἔσταν ἐρυσσάμενοι. Πρῶτός γε μὲν ἀνέρα Κάστωρ ἤλασ’ ἐπεσσύμενον κεφαλῆς ὕπερ· ἡ δ’ ἑκάτερθεν ἔνθα καὶ ἔνθ’ ὤμοισιν ἐπ’ ἀμφοτέροισι κεάσθη· 105 Αὐτὸς δ’ Ἰτυμονῆα πελώριον ἠδὲ Μίμαντα,   τὸν μὲν ὑπὸ στέρνοιο θοῷ ποδί λὰξ ἐπορούσας πλῆξε καὶ ἐν κονίῃσι βάλεν· τοῦ δ’ ἆσσον ἰόντος δεξιτερῇ σκαιῆς ὑπὲρ ὀφρύος ἤλασε χειρί, δρύψε δέ οἱ βλέφαρον, γυμνὴ δ’ ὑπελείπετ’ ὀπωπή. 110 Ὠρείτης δ’ Ἀμύκοιο βίην ὑπέροπλος ὀπάων  οὖτα Βιαντιάδαο κατὰ λαπάρην Ταλαοῖο, ἀλλά μιν οὐ κατέπεφνεν, ὅσον δ’ ἐπὶ δέρματι μοῦνον νηδυίων ἄψαυστος ὑπὸ ζώνην τόρε χαλκός. Αὔτως δ’ Ἄρητος μενεδήιον Εὐρύτου υἷα 115 Ἴφιτον ἀζαλέῃ κορύνῃ στυφέλιξεν ἐλάσσας, οὔ πω κηρὶ κακῇ πεπρωμένον· ἦ τάχ’ ἔμελλεν αὐτὸς δῃώσεσθαι ὑπὸ ξίφεϊ Κλυτίοιο.

Obwohl die Kampfschilderung auf den ersten Blick auf homerische Art gestaltet zu sein scheint,668 weisen einige Auffälligkeiten auf eine Distanzierung von homerischen Darstellungen dieser Art hin: Nachdem die Argonauten in 2, 101–2 ihre Schwerter gezogen haben, begegnet in der ganzen Passage keine typisch kriegerische Waffe mehr, bis das Schwert des Klytios im letzten Vers in einer Prolepse erwähnt wird (2, 117). Kastor spaltet den Kopf seines Gegners, ohne dass sein Schwert genannt wird (2, 103–4). An den homerischen Parallelstellen findet sich dagegen auch eine Waffe, z.B. τὸν δ’ ἰθὺς μεμαῶτα βάλ’ ἔγχεϊ δῖος Ἀχιλλεύς / μέσσην κὰκ κεφαλήν· ἣ δ’ ἄνδιχα πᾶσα κεάσθη, … (Y 386–87). Polydeukes ist unbewaffnet. In 2, 107 wirft er 665 Cuypers (1997) 135: „The verses 2.98–117 are the poem’s only detailed account of a series of killings, as frequently occur in the Iliad.“ 666 S. dazu unter 10c. (ἐναίρω). 667 Außer οὐτάω/οὐτάζω werden die Wörter βάλλω, καταπεφνεῖν, δηϊόω, ξίφος in den entsprechenden Kapiteln untersucht. Die anderen Vokabeln stehen bei Homer nicht vorwiegend im kriegerischen Kontext und werden deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen. 668 Die homerischen Parallelen zu dieser Kampfschilderung sind aufgelistet bei Cuypers (1997) 139–46 und Knight (1995) 93–95. 162

daher seinen Gegner zu Boden (βάλεν), den er zuvor mit dem Fuß getroffen hat.669 Als er dann aber seinen nächsten Gegner am Auge trifft, so dass das Lid abgeschält wird, steht seine Hand im Instrumentalis (2, 108–9). Ein Beispiel für eine Verletzung am Auge findet sich bei Homer in Ξ 493–95, dort wird ein Speer genannt: τὸν τόθ’ ὑπ’ ὀφρύος οὖτα κατ’ ὀφθαλμοῖο θέμεθλα, / ἐκ δ’ ὦσε γλήνην· δόρυ δ’ ὀφθαλμοῖο διὰπρo / καὶ διὰ ἰνίου ἦλθεν, … Nur bei der Verletzung des Talaos durch Oreites (2, 111) wird χαλκός als Waffe erwähnt - wenn auch erst 2 Verse später (2, 113) nach dem homerischen Vorbild in Ξ 517–18, wo die Verletzung aber zum Tod führt: οὔτασε κὰλ λαπάρην, διὰ δ’ ἔντερα χαλκὸς ἄφυσσεν / δηιώσας· (An den anderen Vorbildstellen Ζ 63–64, Ξ 446–47 ist ein Speer als Waffe im Einsatz). Knight macht zudem darauf aufmerksam, dass - im Kontrast zu homerischen Schilderungen dieser Art - in der gesamten Schlacht kein Blut erwähnt wird.670 Auch die Beschreibung des auf die Verletzung folgenden Todes des Kriegers, die bei Homer fast immer auf eine Einzelkampfschilderung folgt, fehlt bei Apollonios ganz.671 Trotz homerisierender Darstellungsweise fehlen in den verkürzten Schilderungen bei Apollonios wesentliche Elemente homerischer Schlacht­beschreibungen. Nach dem Kampf versuchen die Argonauten die Wunden der Verletzten zu heilen: ἕλκεά τ’ ἀνδρῶν / οὐταμένων ἀκέοντο (2, 155–56). ἕλκος bezeichnet bei Homer meistens eine Wunde, die von einer Wurfwaffe verursacht wurde,672 während οὐτάζω eine Nahkampfhandlung beschreibt. Eine ähnliche Szene begegnet in Π: Vier Krieger werden verletzt (βεβλημένοι οὐτάμενοί τε (Π 24)), Agamemnon und Odysseus durch Lanzen (οὔτασται δ’ Ὀδυσεὺς δουρικλυτὸς ἠδ’ Ἀγαμέμνων (Π 26)), Diomedes und Eurypylos durch Geschosse. Die Wunden, die dann anschließend behandelt werden, werden als ἕλκεα bezeichnet: τοὺς μέν τ’ ἰητροὶ […] ἀμφιπένονται, / ἕλκε’ ἀκειόμενοι (Π 28–29).673 Ebenfalls im 2. Buch trifft Idas den Eber, der Idmon tötete, mit seiner Lanze tödlich: ἔσσυτο δ’ αὖτις ἐναντίος· ἀλλά μιν Ἴδας / οὔτασε, βεβρυχὼς δὲ θοῷ περικάππεσε δουρί (2, 830–31). In Φ 402 findet sich: μιν Ἄρης οὔτησε. Die Junktur μιν […] / οὔτησε begegnet nach Homer nur bei Apollonios.674

669 Zu dieser Stelle s. unter 9a. (βάλλω). 670 Knight (1995) 96, Anm. 61, nennt dazu zwei homerische Beispiele für die Erwähnung von Blut in einem Einzelkampf (Y 470–71) und in der Beschreibung eines Schlachtfeldes (Λ 534–37). 671 So auch Knight (1995) 95: „Battle encounters in Homer also usually end with the death of one of the participants, or with the wounded party being carried away to recover.“ Zur Darstellung bei Apollonios: „The combats are left open-ended and incomplete.“ 672 S. Anm. 679. 673 Die Verbindung von οὐτάζω und ἕλκος findet sich noch einmal bei Homer: Aphrodite wurde von Diomedes mit einer Lanze verletzt: … ἕλκος, ὅ με βροτὸς οὔτασεν ἀνὴρ … (E 361). 674 Die apollonianische Form μιν […] / οὔτασε wird später von Quintus Smyrnaeus (viermal, z.B. 4, 594) imitiert. Zur homerischen Vorbildszene, dem Eberkampf in der Odyssee τ 439–54, s. unter 6d. (Lanzen/Speere). 163

In 3, 1322–24 verwendet Jason seinen Speer wie einen Stachelstock, um die Stiere anzutreiben: δόρυ τ’ ἄσχετον, ᾧ ῥ’ ὑπὸ μέσσας / ἐργατίνης ὥς τίς τε Πελασγίδι νύσσεν ἀκαίνῃ / οὐτάζων λαγόνας· Das Verletzen der Weichen wird bei Homer mit οὖτα κατὰ / οὔτασε κὰλ λαπάρην (dreimal, z.B. Ζ 64, Ξ 447) beschrieben.675 In Jasons Kampf gegen die Erdgeborenen wird das kriegerische οὐτάζειν mit dem Bild des Mähens verbunden: Oὖτα δὲ μίγδην / ἀμώων (3, 1381–82). Über die Erdgeborenen, die abgemähten Ähren, heißt es dann auch entsprechend: Πολλοὶ δ’, οὐτάμενοι πρὶν ὑπὸ χθονὸς ἴχνος ἀεῖραι (3, 1396).676 An der homerischen Parallelstelle geht es dagegen um Kriegsopfer: πολλοὶ δ’ οὐτάμενοι χαλκήρεσιν ἐγχείῃσιν, / ἄνδρες ἀρηΐφατοι (λ 40–41).

Zusammenfassung οὐτάω / οὐτάζω bezeichnet bei Apollonios öfter eine Verletzung im Kampf als τύπτω und begegnet in den Schilderungen des Faustkampfes, der Schlacht gegen die Bebryker, des Eberkampfes und des Athlos auch in homerischen Formulierungen wie οὖτα κατὰ λαπάρην und μιν οὔτασε sowie deren Variationen, z.B. ἐπισταδὸν οὐτάζοντες, οὐτάζων λαγόνας.

e. ὠτειλή ὠτειλή (Ilias 11 Stellen, Odyssee 3 Stellen) bezeichnet bei Homer meistens eine im Nahkampf beigebrachte, im Vergleich mit ἕλκος wohl gefährlichere Wunde.677

Bei Apollonios ist ὠτειλή nur einmal belegt: In der Mord-Szene des vierten Buches fällt Apsyrtos, von Jasons Schwert getroffen, nieder und versucht, mit seinen Händen das Blut aus der Wunde aufzufangen: Τοῦ ὅ γ’ ἐνὶ προδόμῳ γνὺξ ἤριπε· λοίσθια δ’ ἥρως θυμὸν ἀνoπνείων χερσὶν μέλαν ἀμφοτέρῃσιν αἷμα κατ’ ὠτειλὴν ὑποΐσχετο· (4, 471–73).

675 Verwundungen der als λαγόνες bezeichneten Weichen, finden sich z.B. bei Euripides: παίει σιδήρωι λαγόνας ἐς πλευράς ἱείς (Iph. Taur. 298), Aristophanes: παίουσ’ αὐτοῦ / γαστέρα, πλευράς, λαγόνας, πυγήν (ran. 1094–95), Theokrit: φάσγανον ὦσε διαπρό / Τυνδαρίδης λαγόνος τε καὶ ὀμφαλοῦ (eid. 22, 201–2). 676 Zur Bezeichnung ,mähen‘ für das Töten der Erdgeborenen s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος), 1b1. (Ἄρης als Person), 6d. (Lanzen/Speere). 677 J.N. O’ Sullivan, 4, 1359, 1: „wound; fresh […] and bleeding“. Ebd. 1359, 14: „wound from spear-thrust“ mit 6 Belegstellen aus der Ilias. Ebd. 1359, 27: „sword-stroke“ mit 1 Iliasstelle. Ebd. 1359, 34: „spear-cast“ mit 1 Odysseestelle. Ebd. 1359, 35: „arrow“ mit 2 Iliasstellen. S. auch Ebeling s.v.: „proprie volnus cominus illatum“. J.N. O’ Sullivan, LfgrE 2, 553, 30–31: „ὠτειλή […] rel. often fatal or in corpse“. 2 Iliasstellen und 1 Odysseestelle finden sich in Reden. 164

Wie beim Homer handelt es sich um eine Wunde, die durch eine Nahkampfwaffe das Schwert Jasons - verursacht wurde. Die Sterbeszene enthält viele homerische Reminiszenzen, z.B. γνὺξ δ’ ἔριπ’ (Ε 68, Υ 417), γνὺξ ἐριπὼν (E 309, Θ 329, Λ 355), θυμὸν ἀποπνείων (Δ 524, Ν 654), χερσὶ […] ἀμφοτέρῃσι (ξ 351), μέλαν αἷμα (achtmal, z.B. Δ 149), αἷμα μέλαν (viermal, z.B. Λ 813), ἔρρει δ’ αἷμα κατ’ οὐταμένην ὠτειλήν (P 86).678 Auch das homerische Bild vom sterbenden Krieger, der seine Eingeweide noch zu halten versucht (προτὶ οἷ δ’ ἔλαβ’ ἔντερα χερσὶ λιασθείς (Y 418), ἔντερα χερσὶν ἔχοντα (Y 420)) übernimmt Apollonios und variiert es, indem er Apsyrtos sein Blut auffangen lässt.

f. ἕλκος ἕλκος kommt in der Ilias mit 22 Stellen häufiger vor als ὠτειλή, in der Odyssee dagegen gar nicht. ἕλκος bezeichnet meistens eine Wunde, die von einer Wurfwaffe verursacht wurde.679 Im Unterschied zu ὠτειλή wird eine als ἕλκος bezeichnete Wunde oft überlebt und kann geheilt werden.680 Daher findet sich das Wort auch in Reden (11 Stellen), in denen meist über die Behandlung einer Wunde gesprochen wird.

Bei Apollonios ist ἕλκος an fünf Stellen belegt: Homerisch wirkt die Szene nach dem Kampf gegen die Bebryker, in der Argonauten die Wunden der Verletzten behandeln: ἕλκεά τ’ ἀνδρῶν / οὐταμένων ἀκέοντο (2, 155–56). Die Junktur ἕλκος ἀκέομαι begegnet auch in Π 523 (ἕλκος ἄκεσσαι) und Π 29 (ἕλκε’ ἀκειόμενοι).681 In der Ares-Vögel-Episode zieht Erybotes die Feder eines Aresvogels aus der Schulter des Oileus und verbindet die Wunde: Καὶ τὸ μὲν ἐξείρυσσε παρεδριόων Ἐριβώτης, / ἕλκος δὲ ξυνέδησεν (2, 1039–40). In einer ähnlichen Szene in der Ilias stammt die Wunde dagegen aus dem Kampf: Agenor zieht eine Lanze aus der Hand des Helenos und verbindet die Wunde: καὶ τὸ μὲν ἐκ χειρὸς ἔρυσεν μεγάθυμος Ἀγήνωρ, / αὐτὴν δὲ ξυνέδησεν … (N 598–99). Im vierten Buch wird geschildert, wie die Fliegen austrocknen, die auf den Wunden der von Herakles getöteten Schlange Ladon sitzen: μυῖαι πυθομένοισιν ἐφ’ ἕλκεσι τερσαίνοντο (4, 1405). Auffällig ist die detaillierte Beschreibung der Wunde, die Herakles der Schlange zugefügt hat (4, 1403–5). Dasselbe gilt für den Schlangenbiss, durch den Mopsos sein Ende findet. Hier kommt ἕλκος sogar zweimal vor:682 Nach dem Schlangenbiss betastet Mopsos seine Wunde, die nicht übermäßig schmerzt: ὁ δὲ φοίνιον ἕλκος ἄφασσε / θαρσαλέως,

678 Parallelen z.T. auch notiert bei Hunter (2015) 147. 679 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 2, 553, 32–33: „usu. caused by missiles, mostly arrows, rarely spear-thrust (contrast ὠτ.)“. 680 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 2, 553, 29–32: „the wounded […] survive the ἕ. […], so ἕ. often in connect with healing“. 681 Zur Verbindung von οὐτάζω und ἕλκος s. unter 9d. (οὐτάζω). 682 Dazu Vian (Bd. 3, 1981) 200: „la répétition d’ ἕλκος peut être volontaire.“ 165

ἕνεκ’ οὔ μιν ὑπέρβιον ἕλκος ἔτειρε (4, 1522–23). Das Epitheton φοίνιος ist ein homerisches hapax und steht bei αἷμα in der Faustkampf-Episode der Odyssee (σ 97).683 Die Wendung ἕλκος ἀφάσσειν findet sich bei Homer nicht,684 jedoch eine Parallele zu ἕλκος ἔτειρε: τεῖρε γὰρ αὐτόν / ἕλκος (Π 510–11). Eine Wunde, die durch Schlangenbiss verursacht wurde, bezeichnet ἕλκος im Bericht über Philoktetes: μιν λίπον υἷες Ἀχαιῶν / ἕλκει μοχθίζοντα κακῶι ὀλοόφρονος ὕδρου (B 722–23).

Zusammenfassung Apollonios verwendet die Wörter für ‚Wunde‘ wie Homer immer im konkreten physischen Sinn.685 Die Wunden an den betrachteten Belegstellen stammen in drei Fällen von Tieren (Verletzung durch Ares-Vogel-Feder und Schlangenbiss), in einem Fall trägt eine Schlange die Wunde. Eine durch Menschen zugefügte Wunde findet sich in der Mord-Szene und in der Schilderung der Bebrykerschlacht. In den kurzen Kampfschilderungen der Argonautika wird mit wenigen Ausnahmen auf die Beschreibungen der Verwundungen ganz verzichtet. Nur in der Erzählung über den Tod des Kyzikos (1, 1032–34) und den Kampf gegen die Bebryker (2, 98–122) beschreiben 3 Verse eine und 15 Verse (2, 102b–17) fünf Verwundungen. Die Verwundung des Mopsos durch die Schlange und sein Tod (4, 1505–31) wird dagegen mit 26 Versen genauso detailliert beschrieben wie die Verwundungen der Krieger bei Homer. Fränkel merkt an, dass Apollonios „sich, in schroffem Gegensatz zum Alten Epos, fast nur dann in solchem Detail ergeht wenn keine normale Schlacht im Gange ist, sondern etwas Ungewöhnliches geschieht“.686 An folgenden weiteren Stellen werden Verwundungen beschrieben: 2, 92–97 (Faustkampf zwischen Polydeukes und Amykos), 2, 825–27 (Verletzung des Idmon durch den Eber), 2, 1034–41 (Verletzung des Oileus durch eine Vogelfeder, s.o.), 4, 471–74 (Ermordung des Apsyrtos), 4, 1679–88 (Fall des Riesen Talos).

10. töten, bezwingen Im homerischen Wortschatz begegnen viele Wörter mit der Bedeutung ‚töten‘. Untersucht werden hier aber nur die Wörter, die das Töten im Kampf bezeichnen. Die Auswahl fällt daher auf fünf Verben, die ‚im Kampf töten, niedermetzeln‘ bedeuten und fast immer im kriegerischen Kontext stehen.

683 Das Adjektiv ist auch bei Pindar und in der Tragödie belegt, aber auch dort nicht in Verbindung mit ἕλκος (LSJ s.v.). 684 Beides wird von Nonnos übernommen: φοίνιον ἕλκος (Dion. 17, 323), ἕλκος ἀφάσσων (Dion. 29, 102; 154). Erbse (1953) 188 macht auf die medizinisch-therapeutische Bedeutung von ἀφάσσω in 4, 1522–23 aufmerksam, in diesem Sinn wird das Verb auch bei Hippokrates gebraucht (z.B. morb. 2,30 u. 41). 685 Dagegen im übertragenen Sinn: ὑποκάρδιον ἕλκος bei Theokrit (eid. 11, 15). 686 Fränkel (1968) 130. 166

Um das Bezwingen oder Überwältigen eines Gegners zu schildern, werden bei Homer außer den Verben des Verletzens und Tötens auch die Verben νικάω, βιάω/ βιάζω und δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω verwendet. νικάω ist bei Apollonios nicht belegt. Die anderen beiden Verben sind trotz der Bedeutung ‚bezwingen‘, die Kampf und Gewalt voraussetzt, bei Homer keine typischen Kriegsvokabeln. Bei βιάω/βιάζω überwiegen die Stellen im nicht-kriegerischen Kontext. Dennoch sollen zwei für die Untersuchung relevante Belegstellen in den Argonautika kurz beleuchtet werden. Bei δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω überwiegen die homerischen Belege im kriegerischen Kontext, so dass das Verb in die Untersuchung einbezogen wird.

a. δαΐζω Das Verb δαΐζω (Ilias 20, Odyssee 2 Stellen) hat die Grundbedeutung ‚gewaltsam zerteilen‘, steht mit wenigen Ausnahmen (4 Ilias- und die beiden Odysseestellen) immer im kriegerischen Kontext und bedeutet dann „mit scharfer Waffe […] tödlich treffen, hinmorden, niedermetzeln“.687 An vier Iliasstellen wird das Töten im aktuellen Kampf in Reden thematisiert. Häufiger als im Aktiv findet sich δαΐζω im Passiv, meistens als Partizip Perfekt in der Beschreibung getöteter Krieger, z.B. in den formelhaften Wendungen δεδαϊγμένος ὀξέϊ χαλκῷ (5 Stellen, z.B. Σ 236) und δεδαϊγμένος κεῖσθαι (6 Stellen, z.B. Π 535–36).688

Bei Apollonios ist δαΐζω mit 11 Stellen sehr häufig belegt. An fünf Stellen verwendet Apollonios das Verb im Infinitiv Aorist, der bei Homer nur zweimal vorkommt, jeweils in der formelhaften Phrase χιτῶνα περὶ στήθεσσι δαΐξαι (B 416, Π 841), mit der die Absicht, Hektor zu töten, umschrieben wird. Auch bei Apollonios wird von dem Versuch oder der Absicht zu töten erzählt: Im Katalog über den vergeblichen Versuch der Kentauren, Kaineus zu töten: οὔτε μιν ἀγκλῖναι προτέρω σθένον οὔτε δαΐξαι (1, 62). In der Mantel-Ekphrasis über die Anstrengung des Oinomaos, den Rücken des Pelops mit einem Speer zu durchbohren: … ἐπεσσύμενος Πελοπήια νῶτα δαΐξαι (1, 758).689 In der Behauptung des Aietes, dass die Argonauten die Höfe der Hirten durch Angriffe verwüsten wollen: οἷσι μέμηλεν / […] αὔλια δυσκελάδοισιν ἐπιδρομίῃσι δαΐξαι (3, 590–93). Bei Homer ist δαΐζω nicht mit Orten als Objekt verbunden, die Bedeutung ‚vernichten, verwüsten‘ ist nachhomerisch.690 In 3, 499–500 ist das Töten keine Absicht, sondern Notwendigkeit: Jason erklärt den Argonauten, dass er im bevorstehenden Athlos die Erdgeborenen töten müsse: ἤματι δ’ αὐτῷ / χρειὼ τούς γε δαΐξαι. Verhindert wird das Töten in 2, 432: Zetes

687 R. Führer, LfgrE 2, 196, 49, 67–72. 688 R. Führer, LfgrE 2, 196, 49, 71–73. 689 Ähnlich formuliert ist die Handlung des rasenden Achill in Φ 33: … ἐπόρουσε δαϊζέμεναι μενεαίνων. 690 LSJ s.v. 3: „destroy it utterly“: Belege finden sich in der Tragödie, z.B. πόλιν δαΐζων (Aischyl. Hik. 680). Vgl. auch 1, 244 (s. dazu unter 10b. (δηϊόω)). 167

erzählt den Helden, wie Iris ihn und Kalais davon abhielt, die Harpyien zu töten: … ὡς Ἶρις ἐρύκακε τάσδε δαΐξαι. An den drei folgenden Stellen verwendet Apollonios δαΐζω im Aorist Indikativ: 1, 1001–2: Die Argonauten bekämpfen die Erdgeborenen auf der Dolioneninsel mit Pfeilen und Lanzen, bis sie alle getötet haben: εἰσόκε πάντας / ἀντιβίην ἀσπερχὲς ὀρινομένους ἐδάιξαν. Die Formulierung erinnert an eine Drohung Hektors in der Ilias: … Ἀχαιούς / δηιώσειν παρὰ τῆισιν ὀρινομένους ὑπὸ καπνοῦ (I 242–43). 2, 7: Nach der Landung der Argonauten bei den Bebrykern wird in einer Analepse berichtet, dass Amykos bereits viele getötet habe: πολέας δὲ περικτιόνων ἐδάιξε. Vgl. die Formulierung in M 226–227: πολλοὺς γὰρ Τρώων καταλείψομεν, οὕς κεν Ἀχαιοί / χαλκῶι δηιώσωσιν … 2, 768: Eine interne Analepse hat den Kampf der Argonauten gegen Amykos und die Bebryker zum Thema: καὶ Βέβρυκας ὅπως Ἄμυκόν τ’ ἐδάιξαν. Bei Homer wird in Schilderungen dieser Art nicht der Aorist verwendet, sondern der Präsensstamm, z.B. wird im Imperfekt erzählt, wie Achill troische Krieger tötete: τοὺς Ἀχιλεὺς ἐδάϊζε (Φ 147). Oft begegnet auch das Präsenspartizip δαΐζων (fünfmal). Daraus ist zu schließen, dass der durative oder iterative Aspekt des Tötungsvorgangs bei Homer bedeutsam ist. Apollonios dagegen wählt den komplexiven Aorist für einen kurzen Bericht über die Tötung ohne genauere Beschreibung des Tötungsvorgangs und der Art des Tötens. Der von Homer oft gesetzte Instrumentalis (ὀξέϊ) χαλκῷ findet sich an keiner Stelle. Der passive Aorist begegnet schließlich in einer Analepse, in der die von Herakles getötete Schlage erwähnt wird: Δὴ τότε γ’ ἤδη κεῖνος ὑφ’ Ἡρακλῆι δαϊχθεὶς / μήλειον βέβλητο ποτὶ στύπος (4, 1400–1).691 Nur einmal verwendet Apollonios das Präsenspartizip δαΐζων, und zwar im Bericht des Aietes über die Tötung der Erdgeborenen: τοὺς δ’ αὖθι δαΐζων / κείρω ἐμῷ ὑπὸ δουρὶ περισταδὸν ἀντιόωντας (3, 415–16). In einer ähnlichen Formulierung bei Homer in Ω 393 (Ἀργείους κτείνεσκε δαΐζων ὀξέϊ χαλκῶι) bezieht sich der durative oder iterative Aspekt des Präsens-Partizips auf eine einzelne Szene, d.h. auf die Dauer der entsprechenden Kampfhandlung oder auf das ständige Töten innerhalb dieser Kampfhandlung, so z.B. auch in Λ 496–97 (ὣς ἔφεπε κλονέων πεδίον τότε φαίδιμος Αἴας, / δαΐζων ἵππους τε καὶ ἀνέρας). Bei Apollonios dagegen beschreibt das Partizip eine Gewohnheit, die unabhängig von einer bestimmten Zeit wie ein Sport zu verschiedenen Gelegenheiten wiederholt ausgeübt wird. An zwei weiteren Stellen steht das Verb im Passiv, jeweils als Partizip: In einer Analepse berichtet Hypsipyle, dass junge Mädchen auf Lemnos von ihren Stiefmüttern misshandelt wurden, ohne dass der Vater es beachtete: Oὐδὲ πατὴρ ὀλίγον περ ἑῆς ἀλέγιζε θυγατρός, εἰ καὶ ἐν ὀφθαλμοῖσι δαϊζομένην ὁρόῳτο μητρυιῆς ὑπὸ χερσὶν ἀτασθάλου· (1, 813–15)

691 Hunter (2015) 270 zu δαϊχθεὶς: „pierced“. 168

Denkbar ist die motivische Anlehnung an eine Odysseestelle, an der Feinde den Sohn vor den Augen des Vaters töten: εἴ οἱ […] φίλον υἱὸν / χαλκῷ δηϊόῳεν, ὁ δ’ ὀφθαλμοῖσιν ὁρῷτο (δ 225–26). Apollonios ersetzt den Sohn durch eine Tochter, die Feinde durch die Stiefmutter und verschiebt damit das kriegerische Bild in eine zivile, familiäre Sphäre. Das Verb δαΐζω wird damit semantisch abgeschwächt von ‚töten, schlachten‘ zu ‚misshandeln‘.692 Die Ergänzung ὑπὸ χερσίν macht deutlich, dass es sich um eine körperliche Misshandlung handelt und nicht etwa nur um eine psychische, wie homerische Vorbildstellen mit übertragener Bedeutung des Verbs vermuten lassen könnten, z.B. δαϊζόμενος κατὰ θυμόν (Ξ 20), ἔχων δεδαϊγμένον ἦτορ (ν 320).693 Der Ausdruck ὑπὸ χερσίν steht bei Homer oft in Verbindung mit δαμνάω (12 Stellen, z.B. Β 860), meistens im kriegerischen Kontext.

Zusammenfassung δαΐζω begegnet bei Apollonios oft in der zwar homerischen, aber dort seltenen Form des Infinitiv Aorist. Auch für finite Formen verwendet Apollonios den Aorist in Zusammenhängen, in denen bei Homer der Präsensstamm gebräuchlicher ist. Die Bedeutung entspricht der homerischen bis auf zwei Stellen, an denen δαΐζω als ‚verwüsten‘ und ‚misshandeln‘ aufzufassen ist. An 10 von 11 Stellen ist das Verb auf der sekundären Erzählebene zu finden und bezeichnet an fünf Stellen hypothetische, beabsichtigte oder negierte Handlungen, an weiteren fünf Stellen in der Vergangenheit erfolgte Handlungen, jeweils in Katalog, Ekphrasis und auktorialen oder aktorialen Analepsen. Nur an einer Stelle wird auf der Erzählebene über die Tötung der Erdgeborenen auf der Dolioneninsel berichtet.

b. δηϊόω δηϊόω ist bei Homer ebenso häufig (Ilias 21, Odyssee 2 Stellen) belegt wie δαΐζω und bedeutet auch ‚gewaltsam töten, niedermetzeln‘.694 An den meisten Stellen steht das Verb im kriegerischen Kontext,695 davon zehnmal in Reden. An acht Stellen findet sich eine formelhafte Verbindung mit χαλκῷ, die am Versbeginn steht, z.B. χαλκῶι δηιόων (P 566).696

692 So in den Übersetzungen von Dräger (2002) 63, Glei (Bd. 1, 1996) 47, Scheffer (1940) 30, Delage in Vian (Bd. 1, 1976) 88: „maltraitée“. Ardizzoni (1967) 59 dagegen übersetzt „uccidere“ und Seaton (1961) 59: „done to death“. 693 R. Führer, LfgrE 2, 197, 41–42 zu ν 320: „ein gemartertes Herz“. 694 R. Führer, LfgrE 2, 270, 5 („Grundbed. metzeln“) ordnet die Belegstellen in 3 Gruppen mit jeweils ähnlichen Bedeutungsangaben: 1. (ohne Objekt): „mörderisch wüten, ein Gemetzel veranstalten“ (270, 16–30), 2. (mit Objekt im Plural): „Schilde zerhauen (2 x sonst:) Menschen niedermetzeln“ (270, 30–32), 3. (mit Objekt im Singular): „(meist Helden) niederstrecken, töten“ (270, 47–48). 695 R. Führer: LfgrE 2, 270, 8–10: „außer Ψ 176 (< P 566) und δ 226, nur milit. (indir. auch in den Raubtier-Gl. Π 158 u. Ρ 65)“. 696 R. Führer, LfgrE 2, 270, 7. 169

In den Argonautika kommt das Verb achtmal vor: Im Heldenkatalog kündigt eine Prolepse das Schicksal des Idmon und des Mopsos an: … πλαγχθέντας Λιβύης ἐπὶ πείρασι δῃωθῆναι (1, 81). Der Infinitiv δῃωθῆναι kommt bei Homer nicht vor,697 bei Apollonios jedoch noch einmal in einer Rede Medeas, die den Argonauten mit der Vergeltung der Götter droht, wenn sie in die Hände des Aietes geraten und getötet werden sollte: … εἰς χεῖρας ἰούσης / Αἰήτεω λώβῃ πολυπήμονι δῃωθῆναι (4, 1043–44).698 Hypothetisch sind die Worte des Volkes von Jolkos, das glaubt, dass die Argonauten die Häuser des Aietes an einem Tag mit Feuer vernichten können: Aὐτῆμάρ κε δόμους ὀλοῷ πυρὶ δῃώσειαν / Αἰήτεω (1, 244–45). Bei Homer hat δηϊόω nur Personen oder Schilde als Objekte bei sich.699 In der Bedeutung ‚vernichten‘ von Städten, Ländern o.ä. taucht δηϊόω erst in der nachhomerischen Literatur auf.700 Apollonios verwendet das Verb noch zweimal in dieser Bedeutung: In der Lemnos-Episode wird in einer Analepse von den Kriegszügen der Lemnier nach Thrakien erzählt: … Θρηικίην δηιοῦντες (1, 614). Im Kontext der Bebrykerschlacht wird berichtet, dass die Argonauten nach dem Kampf Ställe und Gehöfte der Bebryker zerstörten: Oἱ μὲν δὴ σταθμούς τε καὶ αὔλια δηιάασκον (2, 142).701 Im selben Kontext begegnet das Verb auch einmal mit homerischer Bedeutung: Hier wird in proleptischer Weise geschildert, wie der Argonaut Klytios den Bebryker Aretos tötet: ἦ τάχ’ ἔμελλεν / αὐτὸς δῃώσεσθαι ὑπὸ ξίφεϊ Κλυτίοιο (2, 116–17). Die Verbindung mit ὑπὸ ξίφεϊ findet sich bei Homer nicht.702 Dort steht δηϊόω mit dem instrumentalen Dativ ohne Präposition, meist χάλκῳ, einmal auch ἔγχεϊ (Σ 195). Homerisch wirkt auch der Kampf zwischen Argonauten und Kolchern im vierten Buch. Der Kampf selbst wird nicht ausführlich beschrieben. Die Argonauten, so heißt es, steuern ihr Schiff neben das der Kolcher. Es fehlt die Schilderung des Angriffs und der Reaktion der Kolcher sowie schließlich die Kampfbeschreibung selbst. Die vollständige Vernichtung der Kolcher wird in 4, 485 kurz zusammengefasst (Κόλχον δ’ ὄλεκον στόλον). Nach der Illustration durch ein Gleichnis wird das Geschehen noch einmal in 4, 488–89 ausführlicher dargestellt: Oὐδ’ ἄρα τις

697 Im Gegensatz zu δαΐζω wird δηϊόω bei Homer nur selten im Passiv verwendet. Der passive Aorist kommt dort nur an zwei Stellen als Partizip zur Bezeichnung gefallener Krieger vor (Δ 417, ι 66). 698 Hunter (2015) 226: „if I fall into Aietes’ hands to be killed with horrible suffering“. 699 S. Anm. 694. 700 LSJ s.v. II: „after Hom., waste, ravage a country“, DGE s.v. II.2: „arrasar, saquear, devastar“, z.B. Hdt. 5, 89; 7, 133. Eine Parallele ist auch ἄστυ δῃώσειν πυρί (Soph. OK 1319). Vgl. 3, 590–93, s. unter 10a. (δαΐζω). 701 Die Form δηιάασκον ist lt. Rzach (1878) 172 eine Falschbildung, die aufgrund der Annahme des Dichters, es gebe ein Verb δηριάω, entstanden sei. Cuypers (1997) 168 weist darauf hin, dass Iterativformen der Bildung -ὄεσκ- in der überlieferten griechischen Poesie nicht belegt, solche auf -αασκ- jedoch gängig seien. 702 S. dazu unter 6e. (Schwerter). 170

κείνων θάνατον φύγε, πάντα δ’ ὅμιλον / πῦρ ἅ τε δηιόωντες ἐπέδραμον.703 Beide Verbformen, die das Töten der Kolcher bezeichnen, finden sich bei Homer in der Beschreibung eines Massenkampfes: πεζοὶ μὲν πεζοὺς ὄλεκον φεύγοντας ἀνάγκηι, ἱππῆς δ’ ἱππῆας - ὑπὸ δέ σφισιν ὦρτο κονίη ἐκ πεδίου, τὴν ὦρσαν ἐρίγδουποι πόδες ἵππων χαλκῶι δηϊόωντες. (Λ 150–53)

Doch während Massenkämpfe dieser Art in den Kampfschilderungen der Ilias zur Variation zwischen Einzelkampfszenen eingeschoben werden,704 wird bei Apollonios der Kampf gegen die Kolcher nur komprimiert dargestellt.705 Dies steht in einem auffälligen Kontrast zu der häufigen verbalen Thematisierung einer kriegerischen Auseinandersetzung in der Handlung, die eine möglichst detaillierte Darstellung der Kampfhandlungen als Höhepunkt erwarten ließe.706 An eine homerische Formulierung angelehnt scheint auch eine Belegstelle im Kontext des Athlos: Es wird geschildert, wie die Erdgeborenen sich gegenseitig töten: Oἱ δ’ ὥς τε θοοὶ κύνες ἀμφιθορόντες / ἀλλήλους βρυχηδὸν ἐδήιον (3, 1373–74). Die Form ἐδήιον ist nur hier belegt.707 In Ο 707–8 töten sich Achaier und Troer gegenseitig: Ἀχαιοί τε Τρῶές τε / δήιουν ἀλλήλους αὐτοσχεδόν· Während aber dort die beiden gegnerischen Seiten aufeinandertreffen, töten bei Apollonios die Erdgeborenen ihre Artgenossen statt gegen Jason zu kämpfen.

Zusammenfassung Zu den untersuchten Stellen finden sich kaum enge homerische Parallelen wie z.B. zu ἀλλήλους ἐδήιον. Öfter begegnen unhomerische Formen wie δῃωθῆναι oder Konstruktionen wie δῃώσεσθαι ὑπὸ ξίφεϊ. Dreimal hat δηϊόω die nachhomerische Bedeutung ‚zerstören, verwüsten‘. Bis auf eine Ausnahme finden sich die Belege im Kontext kriegerischer Auseinandersetzung oder Kampfhandlung. Von den acht Belegstellen begegnen allerdings drei in hypothetischen oder proleptischen Aussagen, eine in einer Analepse. Nur drei Stellen finden sich auf der Erzählebene, im Kontext der Kämpfe gegen Bebryker und Kolcher sowie in der Athlos-Episode.

703 Zu dieser Stelle s. auch unter 4d. (ὅμιλος) und 8d. (ἐπιδραμεῖν). 704 Zur Massenkampfform s. Anm. 712. 705 Hunter (2015) 150 weist auf die auffällige Anonymität der Kolcher als Kontrast zu dem ausführlich geschilderten Mord an Apsyrtos (4, 468–73) hin: „the rest of the Colchians die as nameless herd, …“ 706 S. dazu unter 1l. (Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘). 707 Hunter (1989) 251. 171

c. ἐναίρω Das Verb ἐναίρω (Ilias 16 Stellen, Odyssee 3 Stellen) hat bei Homer fast immer die Bedeutung ‚in der Schlacht töten‘,708 an 6 Iliasstellen auf der Erzählebene, sonst in Reden.

Die einzige Belegstelle in den Argonautika begegnet in der Schilderung des Kampfes gegen die Dolionen und ist homerisch formuliert. Die bei Homer einzig belegte Aoristform ἐνήρατο (fünfmal) steht - wie mit nur einer Ausnahme auch bei Homer vor der bukolischen Diärese:709 Ἡρακλέης μὲν ἐνήρατο Τηλεκλῆα ἠδὲ Μεγαβρόντην· (1, 1040–41)

Der Satz ist auf zwei Verse aufgeteilt, während eine ähnlich konstruierte Formulierung bei Homer in einen Vers gefasst ist: Τεῦκρος δὲ Προθόωνά τ’ ἐνήρατο καὶ Περιφήτην (Ξ 515). Abgesehen von der Beschreibung der Tötung des Kyzikos durch Jason (1, 1032–35)710 besteht die Schilderung der Schlacht gegen die Dolionen aus einer Aufzählung der Tötungen, in der die Verben des Tötens variiert werden: Da innerhalb dieser Untersuchung nur drei dieser Verben betrachtet werden können,711 soll das Zitat der ganzen Passage einen Eindruck von der Darstellungstechnik geben: … Πολεῖς δ’ ἐπαρηγόνες ἄλλοι 1040 ἔκταθεν· Ἡρακλέης μὲν ἐνήρατο Τηλεκλῆα ἠδὲ Μεγαβρόντην· Σφόδριν δ’ ἐνάριξεν Ἄκαστος· Πηλεὺς δὲ Ζέλυν εἷλεν ἀρηίθοόν τε Γέφυρον· αὐτὰρ ἐυμμελίης Τελαμὼν Βασιλῆα κατέκτα· Ἴδας δ’ αὖ Προμέα, Κλυτίος δ’ Ὑάκινθον ἔπεφνε, 1045 Τυνδαρίδαι δ’ ἄμφω Μεγαλοσσάκεα Φλογίον τε· Οἰνεΐδης δ’ ἐπὶ τοῖσιν ἕλε θρασὺν Ἰτυμονῆα ἠδὲ καὶ Ἀρτακέα, πρόμον ἀνδρῶν· (1, 1039–47)

In 8 Versen wird berichtet, wie die Argonauten 12 Dolionen töten. Keine Waffe wird genannt, die einzelnen Tötungen werden mit 7 Verben nur aufgezählt. Solche katalogartigen Auflistungen findet man auch in der Ilias (z.B. Ζ 29–36, Ξ 513–15), doch sind diese Passagen nur kurze, der Variation dienende Unterbrechungen der 708 O’Sullivan LfgrE 2, 570, 19 u. 40–59 zählt unter die Bedeutung „kill in battle“ 15 Ilias- und 2 Odysseestellen, unter „kill animals in the hunt“ nur 1 Stelle (Φ 485), unter „destroy, disfigure“ nur τ 263. 709 O’Sullivan LfgrE 2, 570, 36–37. 710 S. dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). 711 Außer ἐναίρω noch ἐναρίζω und πεφνεῖν. Die anderen Verben werden bei Homer nicht vorwiegend im kriegerischen Kontext verwendet und werden deshalb nicht in die Untersuchung einbezogen. Auch das Adjektiv ἐυμμελίης, in 1, 1044 Attribut des Telamon, steht nur an 3 von 8 Belegstellen bei Homer im kriegerischen Kontext und dient sonst meist als epitheton ornans für Priamos (vgl. M. Goossens, LfgrE 2, 784, 3–4). Daher wird es hier auch nicht untersucht. 172

detaillierten Schilderung von Einzelkämpfen innerhalb der Schlacht.712 Dass Apollonios dagegen seine Kampfschilderung auf diese kurze Auflistung beschränkt, zeigt lt. Hunter die Absicht des Dichters, die Sinnlosigkeit der Tötungen zu betonen.713 Umso detaillierter beschreibt Apollonios die Folgen der irrtümlichen Schlacht bis zum Selbstmord der unglücklichen Ehefrau des Kyzikos (1, 1048–77).714

d. (ἐξ)εναρίζω (ἐξ)εναρίζω (Ilias 47, Odyssee 2 Stellen) heißt ursprünglich ‚einem im Kampf getöteten Feind die Rüstung abnehmen‘. Da diese Handlung das vorherige Töten integriert, wird das Verb auch in der Bedeutung ‚töten‘ verwendet.715 Das Kompositum ἐξεναρίζω kommt bei Homer häufiger vor als das Simplex, trägt aber dieselbe Bedeutung.716 Das Verb findet sich an den meisten Belegstellen (Ilias 38) in Kampfbeschreibungen, an wenigen Stellen in Reden (Ilias 9, Odyssee 2).

712 So auch Hunter 43 (1993): „Such lists are, however, only a very small part of Iliadic fighting.“ Nach der Klassifizierung der Schilderungsmethoden von Latacz (1977) 76–77 handelt es sich bei der Katalogform (neben der nichtzeremoniellen Zweikampfform und der Aristie-Form) um eine von drei Formen der Einzelkampfschilderung, für die es „zahlreiche[.] Variations- und Erweiterungsmöglichkeiten“ gibt „(verschiedene Verwundungs- und Todesarten, eingebettete Genealogien und Biographien der Opfer; Rede und Gegenrede der Kontrahenten vor dem Wurf bzw. Stoß, Triumphrede des Siegers danach, usw.)“. Es ist also erkennbar, dass Apollonios sich auf einen Katalog in seiner kürzesten Form beschränkt. Winter (1956) 127 weist darauf hin, dass es sich bei Ξ 513–15 um eine Katalogmitte handelt, der ausführliche Tötungsbeschreibungen vorausgehen und nachfolgen. Auf Ξ 513–15 als Parallele weist auch Levin (Argonautica Re-examined 1971) 102 hin. 713 Hunter (1993) 43: „Apollonius imitates the driest kind of Homeric catalogue to represent killing without meaning, a confused nocturnal slaughter possible only within the safe boundaries of martial epic.“ Vgl. Natzel (1992) 186, Anm. 27: „Gerade durch die vielen homerischen Anklänge […] wird die Absurdität dieser Schlacht deutlich.“ Effe (1996) 307 erkennt eine ironische Note in der Darstellung: „wenn ausgerechnet dieser Pseudo-Krieg in zwar verknappter, ansonsten aber betont homerisierender Weise dargestellt wird, so liegt darin ein Moment ironischer Absetzung.“ So auch Goldhill (1991) 317: „Yet the description of the battle itself […] forcefully parodies a Homeric narrative“. Dort (318) auch der Hinweis darauf, dass diesem „catalogue of war dead“ eine Heroisierung der getöteten Dolionen-Kämpfer folgt (1, 1047–48), eine Art von Heroenkult, die sich bei Homer nicht findet. 714 Dazu Carspecken (1952) 92. Händel (1954) 50–56 macht auf den aitiologischen Charakter der Kyzikos-Episode aufmerksam. Ebenso Stoessl (1941) 16–17, der hierin den Grund für das mangelnde Interesse des Dichters an einer ausführlichen Kampfschilderung sieht: „der Ort war wichtig, nicht die Menschen und ihre Handlungen.“ 715 W. Beck, LfgrE 2, 574, 48 u. 68–69: „to despoil a vanquished (hardly one still alive […] enemy (1) and hence to slay (2 and 3).“ 716 W. Beck, LfgrE 2, 574, 69–70: „no diff. between ἐ., ἀπε. (DP only) and ἐξε.“ 173

Der einzige Beleg des Simplex in den Argonautika begegnet auch im Dolionenkampf: Σφόδριν δ’ ἐνάριξεν Ἄκαστος (1, 1041). Ähnlich bei Homer ist z.B. Εὐρύπυλος δὲ Μελάνθιον ἐξενάριξεν (Z 36).717 An vier weiteren Stellen verwendet Apollonios ἐξεναρίζω: Im Heldenkatalog wird erzählt, dass die Aiakiden ihren Bruder aus Unbesonnenheit töteten: … ὅτε Φῶκον ἀδελφεὸν ἐξενάριξαν / ἀφραδίῃ (1, 92–93). Hier kann ἐξεναρίζω nur als ‚töten‘ aufgefasst werden, ein Waffenraub ist ausgeschlossen. Ohne den Aspekt des Waffenraubs wird das Verb bei Homer selten verwendet.718 Apollonios variiert hier wohl eine motivisch ähnliche Stelle in der Odyssee, an der auch von einer Tötung aus Unverstand berichtet wird: παῖδ’ […] Ἴτυλον φίλον, ὅν ποτε χαλκῷ / κτεῖνε δι’ ἀφραδίας (τ 522–23). Das Thema des Orpheus-Liedes im zweiten Buch ist die Tötung der Schlange Python durch Apollon: ὥς ποτε […] / Δελφύνην τόξοισι πελώριον ἐξενάριξε (2, 705–6). Wie in 1, 92 ist ἐξεναρίζω hier nur mit der Bedeutung ‚töten‘ aufzufassen. Eine homerische Parallelstelle ist E 842: ὃ μὲν Περίφαντα πελώριον ἐξενάριζεν. Eine Ergänzung des Verbs durch einen instrumentalen Dativ wie τόξοισι in 2, 706 begegnet bei Homer fast nie (Ausnahme Ζ 30–31: ἐξενάριξεν / ἔγχεϊ χαλκείωι). Dass Apollonios das Verb an zwei Stellen in der abgeleiteten Bedeutung gebraucht, zeigt die Distanz zur Kriegssphäre, in der Waffenraub mit dem Töten verbunden ist. Zudem fungiert bei Homer nur Ares als göttliches Subjekt zu (ἐξ)εναρίζω (s.u.), ein weiterer Hinweis auf die Verbundenheit des Verbs mit dem kriegerischen Kampf, die bei Apollonios nicht mehr gegeben ist. Auf homerische Art wird ἐξεναρίζω an folgenden Stellen gebraucht: Zur Überlegung des Aietes, ob er die Argonauten gleich töten oder auf die Probe stellen solle (ἤ σφεας ὁρμηθεὶς αὐτοσχεδὸν ἐξεναρίζοι, / ἦ ὅ γε πειρήσαιτο βίης (3, 398–99)) finden sich an sprachlichen Parallelen: ὁρμηθείς (N 562 u. öfter), αὐτοσχεδὸν ὡρμήθησαν (N 496, 526), σφεας […] ἐξενάριξεν (E 151). Motivisches Vorbild ist vermutlich die Überlegung Achills im ersten Buch der Ilias, ob er Agamemnon töten oder seinem Zorn Einhalt gebieten solle:719 ἢ ὅ γε φάσγανον ὀξὺ ἐρυσσάμενος παρὰ μηροῦ τοὺς μὲν ἀναστήσειεν, ὃ δ’ Ἀτρεΐδην ἐναρίζοι, ἦε χόλον παύσειεν ἐρητύσειέ τε θυμόν. (A 190–92)

In der Rüstungsszene des Aietes wird erzählt, dass Ares den phlegraischen Mimas getötet und dessen Panzer Aietes geschenkt habe: … θώρηκα στάδιον, τόν οἱ πόρεν ἐξεναρίξας / σφωιτέρῃς Φλεγραῖον Ἄρης ὑπὸ χερσὶ Μίμαντα (3, 1226–27). Hier

717 Zum Dolionenkampf s. unter 10c. (ἐναίρω). 718 W. Beck LfgrE 2, 575, 51–56, zählt zu Kategorie 3 („instances where despoil seem definitely excluded“) nur 3 Belegstellen (Ilias 2, Odyssee 1). 719 Dazu Hunter (1989) 142–43: „A reworking of a standard Homeric description of making a decision. […] This is the only example in Arg., and it marks Aietes as a grim ,warrior‘ figure.“ Zur Stelle s. auch unter 8i. (ὁρμάομαι). 174

bedeutet ἐξεναρίζω ,töten‘ inkl. Waffenraub, der geraubte Panzer dient danach als Geschenk. Wie bei Homer ist Ares Subjekt zu ἐξεναρίζω, allerdings in einer Analepse mit mythischem Inhalt, während die beiden Belegstellen in der Ilias sich auf der Hauptebene der Handlung finden (E 842, 855).

Zusammenfassung An zwei Stellen heißt (ἐξ)εναρίζω ‚töten‘ ohne den Aspekt des Waffenraubs, der bei Homer selten fehlt. Doch sind einige Stellen an homerische Formulierungen aus Schlachtszenen angelehnt, z.B. Δ. πελώριον ἐξενάριξεν, σφεας ὁρμηθεὶς αὐτοσχεδὸν ἐξεναρίζοι. Von den fünf Belegstellen finden sich drei in Analepsen, eine in einer hypothetischen Aussage. Der Kontext ist jedoch nur zweimal kriegerischer Art. Ein Beleg begegnet in einer Kampfschilderung auf der Erzählebene.

e. θείνω / (κατα)πεφνεῖν (κατα)πεφνεῖν (Ilias 47, Odyssee 27 Stellen) ist der Aorist des Verbums θείνω (Ilias 8, Odyssee 3 Stellen). Im Präsensstamm hat das Verb die Bedeutung ‚schlagen‘, meist mit dem Schwert als Waffe, oft mit fataler Wirkung, und steht an 4 Ilias- und 1 Odysseestelle im Kontext kriegerischer oder feindlicher Auseinandersetzung.720 Der Aorist πεφνεῖν bedeutet ‚töten‘ mittels Waffen verschiedenster Art.721 Das Kompositum καταπεφνεῖν hat dieselbe Bedeutung wie das Simplex.722 Meistens bezeichnet das Verb das Töten von Personen durch Personen (Menschen oder Götter), aber auch Tiere können als Täter oder Opfer involviert sein.723 In der Ilias wird das Verb meistens (41 Stellen) im kriegerischen Kontext verwendet, dabei auffällig oft in direkter Rede (zwei Drittel der Stellen) und in Rückblenden auf die jüngste Vergangenheit. In der Odyssee dagegen begegnet (κατα)πεφνεῖν, fast immer in Reden, in Zusammenhang mit Mord (hauptsächlich mit der Ermordung Agamemnons) oder dem Tod durch die Geschosse des Apollon oder der Artemis, an neun Stellen aber auch im kriegerischen Kontext oder im Kontext des Freiermords.

Der Präsensstamm begegnet bei Apollonios nur einmal in der Genealogie des Koronos im Argonautenkatalog, dessen Vater Kaineus von Baumstämmen begraben wurde und zu Tode kam: θεινόμενος στιβαρῇσι καταΐγδην ἐλάτῃσιν (1, 64).

720 J.N. O’Sullivan, LfgrE 2, 985, 19: „strike“; 985, 32: „fatal (sword …“. Die Stellen im nicht-kriegerischen Kontext finden sich meist in der Götterhandlung (z.B. A 588, Φ 49). 721 J.N. O’Sullivan, LfgrE 2, 985, 48–50: „kill whether with sword, spear (thrust or cast) or arrow, also thunderbolt (ε 128), lion’s jaws (Π 487)“. 722 J.N. O’Sullivan, LfgrE 2, 986, 60–63. 723 J.N. O’Sullivan, LfgrE 2, 985, 58–986, 20, zählt unter „human kills human (incl. murder […])“ 43 Stellen sowie unter „have been killed and so lie dead […] subj. always pers. (killed by pers.)“ 13 Stellen (986, 42–59). 175

Von den neun Belegstellen zu (κατα)πεφνεῖν finden sich zwei in homerischen Formulierungen in Kampfszenen: Im Kampf gegen die Dolionen tötet Klytios den Hyakinthos: Κλυτίος δ’ Ὑάκινθον ἔπεφνε (1, 1044). Die Form ἔπεφνε(ν) kommt bei Homer an 21 Stellen vor, z.B. Πήδαιον δ’ ἄρ’ ἔπεφνε Μέγης (E 69).724 Im Kampf gegen die Bebryker verletzt Oreites den Talaos an den Weichen, tötet ihn aber nicht: Ὠρείτης δ’ […] / οὖτα Βιαντιάδαο κατὰ λαπάρην Ταλαοῖο, / ἀλλά μιν οὐ κατέπεφνεν (2, 110–12).725 Die Form κατέπεφνε(ν) ist bei Homer an 16 Stellen belegt. Die Wendung μιν κατέπεφνε findet sich in ε 128. Von einem nicht-kriegerischen Kampf wird dagegen im vierten Buch erzählt, wo ein Hirte den Argonauten Kanthos im Kampf um seine Schafe mit einem Steinwurf tötet: … ἀλεξόμενος κατέπεφνε / λᾶι βαλών (4, 1488–89). In 4, 1497 wird dasselbe Ereignis noch einmal erwähnt: … Κάφαυρον, / ὃς τότε Κάνθον ἔπεφνεν ἐπὶ ῥήνεσσιν ἑοῖσιν (4, 1496–97). Für beide Formulierungen finden sich Parallelen bei Homer: μιν κατέπεφνε βαλὼν ἀργῆτι κεραυνῷ (ε 128), ὅς μοι ἑταῖρον ἔπεφνε … (Y 426, ähnlich Φ 96).726 Damit ist „Kanthos ist der einzige Argonaut, der während der Expedition im Kampf gefallen ist“.727 Es findet zwar kein kriegerischer Kampf statt, doch hat auch der Kampf um Vieh und der dabei erlittene Tod homerische Vorbilder (z.B. λ 401–2) und wurde nicht als unheroisch, wenn auch nicht als ideal angesehen.728 Zwei Stellen handeln von den Taten des Herakles vor und nach der Argonautenfahrt: In 1, 1213–14 wird in einer Analepse berichtet, dass Herakles Theiodamas, den Vater des Hylas, getötet habe: δίου Θειοδάμαντος, ὃν ἐν Δρυόπεσσιν ἔπεφνε / νηλειῶς βοὸς ἀμφὶ γεωμόρου ἀντιόωντα. Das Adjektiv νηλειής ist bei Homer oft Epitheton für χαλκός, immer im Instrumentalis (νηλέϊ χαλκῶι (19 Stellen, z.B. Γ 292)), wird aber nicht wie hier adverbial gebraucht. In 1, 1304–5 wird in einer Prolepse erzählt, dass Herakles die Boreaden später aus Rache tötet: Ἄθλων γὰρ Πελίαο δεδουπότος ἂψ ἀνιόντας / Τήνῳ ἐν ἀμφιρύτῃ πέφνεν. Die Form πέφνε(ν) ist bei Homer fünfmal belegt, eine Parallele zu der Apolloniosstelle findet sich jedoch nicht. Die weiteren Belegstellen begegnen in Analepsen und Aitien: 724 Zum Dolionenkampf s. unter 10c. (ἐναίρω). 725 Zur Bebrykerschlacht s. unter 9d. (οὐτάζω). 726 Livrea (1973) 417 zur Wendung ἀλεξόμενος κατέπεφνε: „Riecheggia Ω 759 ἐποιχόμενος κατέπεφνεν.“ Zu 4, 1488–89 s. auch unter 12b. (ἀλέξω). 727 Fränkel (1968) 602. 728 Bernsdorff (2001) 75: „Der Tod im Kampf um Vieh ist durchaus etwas, das dem Heros erwartungsgemäß zustoßen kann“ und ebd. 76: „Als Opfer eines Steinwurfs stirbt Kanthos also einen heldischen Tod.“ Dräger (2002) 552: „Unter den vier Todesfällen der Argonauten […] ist Kanthos der Einzige, der im ‚heroischen (Einzel-) Kampf‘(mit einem Hirten, vgl. Odyssee 11,401 f.) stirbt.“ So auch Hunter (2015) 156 mit Hinweis auf λ 401–3: „Cattle-rustling belongs to the heroic, epic world and is not to be considered ‚dishonourable‘.“ S. auch Hunter (2015) 281: „Rustling, such as Kanthos attempted, is a familiar feature of the epic-heroic world.“ 176

Lykos sprich zu Polydeukes über die Tötung des Amykos: ὅτ’ ἀνέρα κεῖνον ἔπεφνες (2, 798). Die Form ἔπεφνες kommt bei Homer viermal vor. Auch in der Ilias steht (κατα)πεφνεῖν oft in wörtlichen Reden, ähnlich ist z.B. γνωτὸν ἐμόν, τὸν ἔπεφνες (P 35), τοῦ δὴ ἑταῖρον ἔπεφνες (P 204). Im dritten Buch wird berichtet, dass Kadmos die Schlange getötet habe, deren Zähne Aietes Jason zum Säen übergibt: … ὀδόντας / Ἀονίοιο δράκοντος, ὃν Ὠγυγίῃ ἐνὶ Θήβῃ / Κάδμος, ὅτ’ Εὐρώπην διζήμενος εἰσαφίκανεν, / πέφνεν … (3, 1177–80). Ähnlich wird in Z 181–83 erzählt, wie Bellerophontes die Chimaira tötete: πρόσθε λέων, ὄπιθεν δὲ δράκων, μέσση δὲ χίμαιρα, / […] / καὶ τὴν μὲν κατέπεφνε θεῶν τεράεσσι πιθήσας. In einem Aition wird von dem tödlichen Kampf des Hyllos um Rinder berichtet: καί μιν ἔπεφνον / Μέντορες, ἀγραύλοισιν ἀλεξόμενον περὶ βουσίν (4, 550–51).729 Ähnlich formuliert ist χ 359: μιν ἔπεφνε Φιλοίτιος. Die Form ἔπεφνον ist bei Homer singulär (Φ 55), jedoch als 1. Person Singular.730 Motivisch ähnlich ist Λ 674–76, wo Nestor erzählt, wie er einen Hirten tötete, der sein Vieh verteidigte: ὃ δ’ ἀμύνων ἧισι βόεσσιν / ἔβλητ’ ἐν πρώτοισιν ἐμῆς ἀπὸ χειρὸς ἄκοντι, / κὰδ δ’ ἔπεσεν·

Zusammenfassung An den Belegstellen des Verbs (κατα)πεφνεῖν greift Apollonios hauptsächlich auf die gängigsten homerischen Formen zurück: dreimal ἔπεφνε(ν) (bei Homer 21 Mal), zweimal κατέπεφνε(ν) (bei Homer 16 Mal), zweimal πέφνε(ν) (bei Homer fünfmal), zweimal ἔπεφνες (bei Homer viermal). Vier Belegstellen finden sich auf sekundärer Handlungsebene. Nur zwei Belegstellen stehen im kriegerischen Kontext. Bei Homer begegnet (κατα)πεφνεῖν nicht im Kontext eines Kampfes um Vieh, während dies bei Apollonios viermal der Fall ist. Der Tod des Kanthos, der als Einziger der vier Helden, die während der Argonautenfahrt sterben, von einem Menschen getötet wird, wird hier mit zwei Belegstellen besonders markiert.

f. βιάω / βιάζω Das Verb βιάω / βιάζω ist bei Homer an 19 Stellen belegt (Ilias 13, Odyssee 6 Stellen) und hat die Bedeutung ‚Gewalt antun, überwältigen‘.731 In den meisten Fällen (13 Stellen) bezeichnet das Verb die Anwendung physischer Gewalt, aber nur an 7 Iliasstellen im kriegerischen Sinn. Subjekte der Handlung sind meist Menschen, seltener Tiere und Naturgewalten (κῦμα), aber auch psychische Zustände wie Trauer oder Schmerz (ἄχος) oder äußere Umstände wie Not (χρειώ). Als Instrumente der Bedrängung oder Bezwingung werden bei Homer an mehreren Stellen Geschosse genannt, die im instrumentalen

729 Zu 4, 550–51 s. auch unter 12b. (ἀλέξω). 730 Im Plural findet sich (κατα)πεφνεῖν bei Homer nur an 5 Stellen, in der 3. Person nur einmal: … Ἠελίοιο βόας κατέπεφνον ἑταῖροι (ψ 329). 731 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 55, 77–56, 1: „Gewalt antun; durat. bedrängen, nötigen (1); punkt. überwältigen, bezwingen, durch phys. Gewalt, Macht, Drohung u.ä. (2. 3)“. 177

Dativ stehen: βιάζομαι βελέεσσι(ν) (Λ 576, 589, Ο 727, Π 102). Objekte der Handlung sind entweder Menschen oder Tiere, aber an keiner Stelle stehen Sachen in dieser Funktion.

Da das Verb bei Homer nicht vorwiegend im kriegerischen Kontext steht, wird es nicht grundsätzlich in die Untersuchung einbezogen. Hingewiesen sei dennoch auf zwei Belegstellen, die in zentralen Szenen begegnen und für die Gesamtinterpretation einen Beitrag leisten können: An einer dieser beiden Stellen geht es um die hypothetische Auseinandersetzung mit den Kolchern: Hier negiert Argos gegenüber Aietes die Absicht der Gewaltanwendung von Seiten Jasons und der Argonauten: οὐ γὰρ ἱκάνει / χερσὶ βιησόμενος, μέμονεν δέ τοι ἄξια τίσειν / δωτίνης (3, 350–52). Der Instrumentalis χερσί begegnet in der Ilias in einer negierten Aussage ähnlichen Inhalts in Verbindung mit μάχεσθαι, und zwar in der Rede des Achill, der sich weigert wegen Briseis zu kämpfen: χερσὶ μὲν οὔ τοι ἐγώ γε μαχήσομαι εἵνεκα κούρης (A 298). Die Junktur χερσὶ βιησόμενος ist zwar ohne Vorbild,732 doch tauchen im archaischen Epos ähnliche Wendungen mit dem Synonym δαμάζω auf, bei Homer z.B. oft der Ausdruck ὑπὸ χερσὶ δαμάζειν/δαμῆναι (z.B. B 860), bei Hesiod ὅ μιν τάχ’ ἔμελλε βίῃ καὶ χερσὶ δαμάσσας / τιμῆς ἐξελάαν (theog. 490–91). Den Worten des Argos ähnlich sind mehrere weitere Stellen in den Argonautika, an denen es um die Auseinandersetzung der Argonauten mit Aietes und den Kolchern geht. Besonders in dieser Thematik ist das Prinzip der Kampfvermeidung deutlich erkennbar, z.B. in den Reden Jasons (ἐεργομένοισιν ἀυτῆς (3, 184), ἀμβολίην διζήμεθα δηιοτῆτος (4, 396)) und des Alkinoos (δηιοτῆτος ἄνευθεν (4, 1010)), aber auch auf der Handlungsebene im Bericht über den Vertragsabschluss mit den Kolchern: συνθεσίῃ μέγα νεῖκος ἀλευάμενοι (4, 340).733 Im Kontext der Sirenenepisode im vierten Buch wird beschrieben, wie Orpheus mit seiner Musik den Gesang der Sirenen übertönt: παρθενίην δ’ ἐνοπὴν ἐβιήσατο φόρμιγξ (4, 909). Diese Stelle wird ausführlich unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie) untersucht.

g. δάμνημι / δαμνάω / δαμάζω Das Verb δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω kommt bei Homer an 167 (Ilias 118, Odyssee 49) Stellen (inkl. Kompositum ὑποδάμνημι) vor und hat im transitiven Aktiv und Medium die Bedeutung ‚zähmen, bezwingen, vernichten‘. Im intransitiven Medium und Passiv heißt das Verb ‚erliegen, bezwungen werden, untertan sein‘.734 Als Objekte fungieren nicht nur Lebewesen, sondern auch Abstrakta wie z.B. θυμός und μένος. Andererseits können negative Zustände wie Strapazen, Krieg, Schicksal, Tod, aber auch Schlaf Subjekt oder Agens sein.735 Solche Konstruktionen stehen auch mehrmals im kriegerischen

732 Das Futurpartizip βιησόμενος kommt zuerst bei Apollonios vor. βιάω/βιάζω steht bei Homer oft mit der instrumenalen Ergänzung βελέεσσι(ν) (z.B. Λ 576). 733 S. unter 1c. (δηϊοτής), 15a. (ἀυτή), 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 734 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 213, 40–42. 735 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 214, 44–72. 178

Kontext. Die größte Gruppe bilden aber die 101 Belegstellen (Ilias 83, Odyssee 18), davon in beiden Epen mehr als die Hälfte in Reden, an denen das Verb die Bedeutung ‚bezwingen‘ im Kampf oder bei der Jagd hat.736 Folgende Handlungen können aktiv oder passiv formuliert sein: 1. Gott oder göttliche Waffe bezwingt Person, 2. Mensch oder menschliche Waffe bezwingt Person, 3. Gott lässt Person anderer Person erliegen oder unterwirft sie anderer Person. In den homerischen Epen sind also sehr oft Götter direkt oder indirekt involviert, wenn Menschen bezwungen oder unterworfen werden.

Bei Apollonios kommt das Verb an 23 Stellen vor: Zu Beginn der Argonautika wird in einer Analepse von dem Orakel erzählt, das Pelias prophezeite, er werde durch das Betreiben des Mannes mit nur einer Sandale bezwungen: Τοίην γὰρ Πελίης φάτιν ἔκλυεν, ὥς μιν ὀπίσσω / μοῖρα μένει στυγερή, τοῦδ’ ἀνέρος ὅν τιν’ ἴδοιτο / δημόθεν οἰοπέδιλον ὑπ’ ἐννεσίῃσι δαμῆναι (1, 5–7). Das Motiv der schicksalhaften Bezwingung durch einen Mann begegnet an zwei sprachlich ähnlichen Stellen in der Ilias: ὅ τέ μοι Σαρπηδόνα φίλτατον ἀνδρῶν / μοῖρ’ ὑπὸ Πατρόκλοιο Μενοιτιάδαο δαμῆναι (Π 433–34), … εἰ καὶ μοῖρα παρ’ ἀνέρι τῶιδε δαμῆναι (P 421).737 Bei Apollonios bezeichnet δαμῆναι nicht das konkrete Bezwungen-Werden im Kampf, sondern ein Unterliegen in Bezug auf den Herrschaftsanspruch. Der Ausdruck ὑπ’ ἐννεσίῃσι δαμῆναι ist möglicherweise an die Wendung ὑπὸ Τρώεσι δαμῆναι angelehnt, die in der Ilias zweimal im kriegerischen Kontext steht (N 98, 668). Apollonios ersetzt die troischen Krieger durch ein Abstraktum. Der Ausdruck ὑπ’ ἐννεσίῃσι ist zum ersten Mal bei Apollonios belegt und kommt dort insgesamt dreimal vor (1, 7; 2, 1110; 2, 1166). Das Wort ἐννεσίη wird bei Homer und auch bei Apollonios für das Walten der Götter gebraucht,738 so

736 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 214, 72–216, 12 zählt unter die Gruppe mit der Bedeutung „in Kampf u. Jagd bezwingen (d.h. ‚besiegen‘, was ‚töten‘ einschließen kann)“ 50 Ilias- und 12 Odysseestellen. Das Kompositum ὑποδάμνημι / δάμνημι ὑπό steht an 33 von 34 Iliasstellen und an 6 von 9 Odysseestellen im kriegerischen Kontext, vgl. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 216, 18–67. 737 Hinweis auf diese Stellen bei Ardizzoni (1967) 100, mit Anmerkung zu μοῖρα μένει, dass das Motiv des auf eine Person wartenden Schicksals nicht homerisch sei, sondern nur bei Aischylos vorkomme (Ch. 103–4). 738 Bei Homer begegnet ἐννεσίη nur einmal als Instrumentalis in der Rede des Zeus zu Ares, als er Hera für dessen Verletzung verantwortlich macht: τώ σ’ ὀΐω κείνης τάδε πάσχειν ἐννεσίηισιν (E 894). Außerdem ist das Wort jeweils einmal bei Hesiod (theog. 494) und in den Homerischen Hymnen (Dem. 30) belegt. Dort wird wie bei Homer der ‚Ratschluss‘ oder ‚Plan‘ eines Gottes bezeichnet. Außer an diesen drei Stellen vor Apollonios nur noch einmal bei Empedokles: Νείκεος ἐννεσίηισιν (fr. 22, 7 DK). Apollonios setzt ἐννεσίη achtmal als Instrumentalis ein, davon dreimal Ἥρης ἐννεσίῃσι (3, 818; 4, 646; 4, 774). Dieselbe Formulierung taucht auch bei Kallimachos auf (Artem. 108). Zu ἐννεσίῃσιν bei Apollonios vgl. auch Fränkel (1968) 283–84. Mooney (1912) 68: „,designs‘ literally ,suggestions‘ (ἐνίημι inicio).“ 179

dass hier die Assoziation einer Intervention durch Götter oder Schicksal entsteht.739 Die Junktur τοῦδ’ ἀνέρος ἐννεσίῃσι ist eine neue Konstruktion, bei der die Gottheit durch einen Menschen ersetzt wird. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich in der Rede des Argos über die Unterwerfung der Sauromaten in 3, 353 und 394–95 sowie in den Worten Medeas in der Talos-Episode (4, 1654–58).740 Ein Abstraktum als Subjekt oder Agens begegnet an weiteren Stellen, die nicht im kriegerischen Kontext stehen: ὑπερβασίη (1, 609–10), ἆσθμα (2, 85), τάρβος (1, 464–65)741 μοῖρα (4, 1475),742 ὕπνος (1, 1081–82; 2, 407),743 δύη (4, 1649). An folgenden Stellen bezeichnet das Verb ein konkretes Bezwingen. Zunächst zwei Belege im Zusammenhang mit dem Athlos: In den Worten des Argos ist der Infinitiv δαμήμεναι von τάρβος ἐσσετ’ abhängig: Argos plädiert gegenüber Jason dafür, die Hilfe Medeas in Anspruch zu nehmen, um den Athlos unversehrt zu überstehen: Tὴν εἴ κεν πεπίθοιμεν, ὀίομαι, οὐκέτι τάρβος / ἔσσετ’ ἀεθλεύοντι δαμήμεναι (3, 479–80).744 Eine ähnliche Konstruktion liegt an folgender Stelle vor, an der der passive Infinitiv von αἶσα abhängig ist: In 3, 468–69 erwägt Medea die Möglichkeit einer Niederlage Jasons beim Athlos: εἰ δέ μιν αἶσα / δμηθῆναι ὑπὸ βουσί, … Der Infinitiv δμηθῆναι ist bei Apollonios zum ersten Mal belegt. Eine ähnliche von αἶσα abhängige Konstruktion begegnet Π 707–8: Apollon erklärt Patroklos, es sei diesem nicht gewährt, dass Troja durch seinen Speer zerstört werde: οὔ νύ τοι αἶσα / σῶι ὑπὸ δουρὶ πόλιν πέρθαι Τρώων ἀγερώχων, …745 Ein Bezwingen durch Verletzung mit Waffen wird an folgenden Stellen beschrieben: 1, 483–84: In seiner Rede zu dem überheblichen Idas führt Idmon das Schicksal der Aloeus-Söhne als negatives Beispiel an. Hier stehen die Pfeile des Apollon im Instrumentalis: ἔμπης δὲ θοοῖς ἐδάμησαν ὀιστοῖς / ἄμφω Λητοΐδαο, … Die passive 739 Vgl. dazu die Stellen, an denen tatsächlich das Schicksal (logisches) Subjekt des Bezwingens ist (3, 468–70; 4, 1475). 740 S. zu δαμάζω an diesen Stellen. 741 Ein psychischer Affekt wie τάρβος ist als Subjekt zu δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω bei Homer nicht belegt. DGE s.v. δαμνάω zu 1, 464: „del miedo“. Vergleichbar höchstens Ξ 316 mit ἔρος als Subjekt. τάρβος erscheint in der Ilias zweimal als Subjekt in der Formel: μηδέ τί οἱ θάνατος μελέτω φρεσὶ μηδέ τι τάρβος (Ω 152, 181). Vgl.: περίφοβόν μ’ ἔχει τάρβος ἐτητύμως (Aischyl. Hik. 736). 742 μοῖρα ist auch bei Homer Subjekt zu δαμάζω, z.B. Σ 119, χ 413, s. Livrea (1973) 414. 743 ὕπνος ist als Agens zu δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω bei Homer gängig, s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 214, 47–53. Prätext zu 1, 1081–82 (ὧλλοι μέν ῥα πάρος δεδμημένοι εὐνάζοντο / ὕπνῳ ἀριστῆες πύματον λάχος) ist sicher die Beschreibung der schlafenden Achaier zu Beginn der Dolonie der Ilias: ἄλλοι μὲν παρὰ νηυσὶν ἀριστῆες Παναχαιῶν / ηὗδον παννύχιοι, μαλακῶι δεδμημένοι ὕπνωι (K 1–2). 744 Hunter (1989) 150 weist auf K 38–39 als motivische Parallele hin: „An echo of the Doloneia […] suggests the need for cunning rather than brawn.“ 745 Campbell (1994) 380 meint, dass Apollonios hier Ω 224–26 imitiere: εἰ δέ μοι αἶσα / τεθνάμεναι παρὰ νηυσὶν Ἀχαιῶν χαλκοχιτώνων / βούλομαι· 180

Form ἐδάμησαν ist bei Homer nicht belegt.746 Die Verbindung von δαμάζω und ὀϊστός begegnet zweimal, aber jeweils mit ὀϊστός als Subjekt (Ε 278, Λ 478). Das Motiv ist homerisch: In der Ilias wird berichtet, dass Apollon die Söhne der Niobe aus Zorn über deren Frevel mit seinem Bogen getötet habe: τοὺς μὲν Ἀπόλλων πέφνεν ἀπ’ ἀργυρέοιο βιοῖο / χωόμενος Νιόβηι (Ω 605–6). Eine ähnliche Formulierung begegnet auch in Medeas Monolog, in dem sie den Wunsch, vor der Begegnung mit Jason von den Geschossen der Artemis bezwungen worden zu sein, zum Ausdruck bringt: Ὡς ὄφελόν γε / Ἀρτέμιδος κραιπνοῖσι πάρος βελέεσσι δαμῆναι, / πρὶν τόν γ’ εἰσιδέειν (3, 773–75). Die Verbindung von βέλος und δάμνημι findet sich in Δ 99: Athene veranlasst Pandaros, einen Pfeil auf Menelaos abzuschließen, um diesen getroffen (βέλεϊ δμηθέντα) zu sehen.747 Die Apolloniosstelle klingt auch an die Worte Achills in Φ 277–79 an: ἥ μ’ ἔφατο […] ὀλέεσθαι Ἀπόλλωνος βελέεσσιν. / ὥς μ’ ὄφελ’ Ἕκτωρ κτεῖναι … Inhaltlich ähnlich ist der Wunsch Achills in Τ 59, Artemis hätte Briseis mit dem Pfeil getötet: τὴν ὄφελ’ ἐν νήεσσι κατακτάμεν Ἄρτεμις ἰῶι. In der Faustkampf-Episode wird Amykos nach der Rede des Polydeukes mit einem Löwen verglichen, den ein Jäger getroffen, aber nicht bezwungen hat: ἐπὶ δ’ ὄσσεται οἰόθεν οἶον / ἄνδρα τὸν ὅς μιν ἔτυψε παροίτατος οὐδ’ ἐδάμασσεν (2, 28–29). Eine ähnliche Situation begegnet in einem Löwengleichnis der Ilias. Dort wird Diomedes nach Athenes Kampfparänese mit einem Löwen verglichen, den ein Hirte nur leicht verwunden, aber nicht töten konnte: ὥς τε λέοντα / ὅν ῥά τε ποιμὴν ἀγρῶι ἐπ’ εἰροπόκοις ὀΐεσσιν / χραύσηι μέν τ’ αὐλῆς ὑπεράλμενον οὐδὲ δαμάσσηι (E 136–38).748 Eine sprachliche Parallele findet sich außerdem im Kontext einer Kampfschilderung in Π 812–13: ὅς τοι πρῶτος ἐφῆκε βέλος, Πατρόκλεις ἱππεῦ, / οὐδὲ δάμασσ’. In einer Analepse berichtet Lykos über den Sieg des Herakles über die Mygdoner: Αὐτὰρ ὁμοῦ Μυσοῖσιν ἐμῷ ὑπὸ πατρὶ δάμασσεν / Μύγδονας (2, 786–87). Der Ausdruck ἐμῷ ὑπὸ πατρὶ lehnt sich wahrscheinlich an das homerische ἐμῶι ὑπὸ δουρὶ an, das sich sechsmal in zwei verschiedenen Formeln entweder in Verbindung mit δαμέντες (Λ 749, Π 848) oder τυπείς (viermal, z.B. Λ 433) findet. In der Rede des Argos, der Aietes die Unterwerfung der Sauromaten durch Jason verspricht, steht das Verb zweimal im kriegerischen Kontext: … Σαυρομάτας, τοὺς σοῖσιν ὑπὸ σκήπτροισι δαμάσσει (3, 353),749 εἴτ’ οὖν Σαυρομάτας γε λιλαίεαι εἴ τέ τιν’ ἄλλον / δῆμον σφωιτέροισιν ὑπὸ σκήπτροισι δαμάσσαι (3, 394–95). Vorbild ist

746 Vor Apollonios taucht die Form nur einmal bei Bakchylides auf: ὅ]σαι τ’ ἄλλαι θεῶν / ε[ὐναῖς ἐδ]άμησαν (Epinicia 9, 63–64). Erst bei Quintus Smyrnaeus kommt ἐδάμησαν zweimal vor (1, 812; 8, 485). 747 Mit βέλος als Subjekt auch noch in Ε 106, 278, Ξ 439. Hunter (1989) 181 zum Inhalt: „Very different, however, is the arrow which really has struck Medea (284).“ 748 Zu E 136–38 s. Cuypers (1997) 56 u. 60. Reitz (1996) 39–41 vergleicht das Gleichnis mit Υ 164–173, ebenso Vian (Bd. 1, 1976) 177, Anm. 4, und Cuypers (1997) 56. Auch Fränkel (1968) 156 hält Υ 164–173 für das Vorbild. 749 Zur Futurform δαμάσσει s. Marxer (1935) 8. 181

vermutlich Z 159: Ζεὺς γάρ οἱ ὑπὸ σκήπτρωι ἐδάμασσεν.750 Jason nimmt in 3, 353 und 3, 394–95 die Stelle des Subjekts ein, die bei Homer Zeus innehat. In der Ilias verleiht der Gott dem Proitos seine Macht, während in den Argonautika Jason dem Aietes zum Sieg über die Sauromaten verhelfen will. In ihrem machtpolitischen Kontext ist diese Stelle mit 1, 5–7 vergleichbar, wo es um den Sturz des Pelias durch Jason geht (s.o.). In einer auktorialen Frage nach dem Schicksal des Apsyrtos in 4, 450–51 ist Medea Subjekt: Πῶς γὰρ δὴ μετιόντα κακῷ ἐδάμασσεν ὀλέθρῳ / Ἄψυρτον; Bei Homer findet sich der Instrumentalis ὀλέθρῳ nicht bei δαμάζω, mehrmals jedoch bei anderen Verben des Tötens oder Sterbens, z.B. ἕκαστος ἀπώλετο λυγρῷ ὀλέθρῳ (γ 87), κτεῖναί μ’ οἰκτίστῳ ὀλέθρῳ (ψ 79), vgl. auch α 46, δ 489, ο 268. Die Form ἐδάμασσεν ist bei Homer fünfmal belegt (Ilias 2, Odyssee 3). In der Odyssee ist immer der Gott Poseidon Subjekt. Eine Frau kommt als Subjekt des δαμάζειν bei Homer nicht vor. Bei Apollonios aber erscheint Medea noch zweimal in dieser Funktion, als sie über die Bezwingung des Talos spricht (4, 1645–61): 4, 1654–55: Medea äußert ihre Überzeugung, den Riesen Talos allein bezwingen zu können: μούνη γὰρ ὀίομαι ὔμμι δαμάσσειν / ἄνδρα τόν ὅς τις ὅδ’ ἐστί, … Die Junktur ἄνδρα δαμάζω begegnet auch einmal bei Homer, und zwar in der Rede des Achill nach dem Sieg über Hektor: … ἐπεὶ δὴ τόνδ’ ἄνδρα θεοὶ δαμάσασθαι ἔδωκαν (X 379). Beim Vergleich dieser beiden Stellen fällt auf, wie sehr das δαμάζειν bei Homer von der Initiative der Götter abhängig ist (θεοὶ ἔδωκαν), während die Figuren in den Argonautika auf ihre eigenen Kräfte vertrauen (μούνη γὰρ ὀίομαι). Zudem kontrastiert die Aussage Medeas sprachlich und inhaltlich mit der Vorstellung, dass Götter eine Frau einem Mann unterwerfen, wie z.B. in Σ 432 ausgedrückt:751 μ’ ἀλλάων ἁλιάων ἀνδρὶ δάμασσεν. In diesen Worten der Thetis ist Zeus Subjekt, sie selbst das Objekt, das einem Mann unterworfen wird. Bei Apollonios ist Medea Subjekt, der Mann (ἄνδρα), in dem Fall Talos, aber das Objekt, das den Argonauten unterworfen wird. 4, 1658: Medea fordert die Argonauten auf, sich bis zur Überwindung des Talos fernzuhalten: εἵως κεν ἐμοὶ εἴξειε δαμῆναι. Der passive Infinitiv δαμῆναι, abhängig von einem vorgeschalteten finiten Verb, begegnet einmal in der Odyssee und ist auch dort final aufzufassen: ἀλλ’ ὅτε δή μιν μοῖρα θεῶν ἐπέδησε δαμῆναι (γ 269). Apollonios verwendet diese Konstruktion noch an zwei weiteren Stellen: Zum einen im Bericht über die Bezwingung des Talos: ὑπόειξε δαμῆναι / Μηδείης βρίμῃ

750 Eine ähnliche Wendung kommt nach Apollonios noch einmal bei Alkaios Messenios vor, der in einem Epigramm Zeus gegen Philipp V. von Makedonien anruft: Χθὼν μὲν δὴ καὶ πόντος ὑπὸ σκήπτροισι Φιλίππου / δέδμηται (AP 9, 518, 3–4). 751 Vgl. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 214, 15–25 („Mann unterwirft (sich) die Frau“) und ebd. 215, 16–17: „Götter lassen jem. einem anderen unterliegen“. Σ 432 wird unter beiden Punkten genannt. 182

πολυφαρμάκου (4, 1676–77).752 Zum anderen in der Aussage über das Schicksal Idmons: ἐπεὶ χρεὼ ἦγε δαμῆναι (2, 817).753 Bei Homer beschreibt das Verb nur zweimal das Unterwerfen einer Frau (Σ 432, γ 269);754 bei Apollonios begegnet es viermal in diesem Zusammenhang (1, 218; 2, 954; 4, 542), jedoch ohne sprachlichen Parallelen zu homerischen Formulierungen. Diese Stellen finden sich in Aitien oder Genealogien.755 Da weder die Homer- noch die Apolloniosstellen im kriegerischen Kontext stehen, werden diese Belege hier nicht untersucht.

Zusammenfassung An den untersuchten Belegstellen finden sich mehrere Zitate homerischer Formulierungen, z.B. μοῖρα δαμῆναι, οὐδ’ ἐδάμασσεν, ὑπὸ σκήπτροισι δαμάσσει/ δαμάσσαι. An einigen Stellen werden homerische Formulierungen variiert: ὑπ’ ἐννεσίῃσι δαμῆναι (bei Homer: ὑπὸ Τρώεσι δαμῆναι), βελέεσσι δαμῆναι (bei Homer: βέλεϊ δμηθέντα), δαμάσσειν ἄνδρα (bei Homer: ἄνδρα δαμάσασθαι). Apollonios setzt zwar Formen ein, die bei Homer gängig sind, konstruiert aber andere Junkturen und Wendungen, z.B. ἐδάμησαν ὀιστοῖς. Neu ist auch der Infinitiv δμηθῆναι. Im konkreten Sinn steht das Verb fast immer in hypothetischen Aussagen, Reden, Analepsen und im Gleichnis. Auf der Erzählebene findet sich nur einer der Belege in der Talos-Episode. Metaphorischer Gebrauch liegt an sechs Stellen vor mit Abstrakta wie Schicksal, Schlaf, Furcht oder Unglück als Subjekt oder Agens. Auffällig oft werden bei Apollonios unbestimmte Kräfte wie Schicksal, Verderben und Unglück als Auslöser der Bezwingung genannt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu Homer, wo das δαμάζειν oft von den Göttern ausgeht. Zudem begegnet mit Medea an mehreren Stellen eine Frau als Subjekt. Dies steht außerdem in einem auffälligen Kontrast zu dem in der griechischen Literatur gängigen Motiv des γυναῖκα δαμάζειν, das auch bei Apollonios an 3 Stellen begegnet, allerdings nicht auf der Primärebene, sondern immer in Genealogien und Aitien. Besonders deutlich wird

752 LSJ s.v. ὑπείκω II zu 4, 1676: „submit to be conquered“. Vgl. 4, 408, s. dazu unter 1g. (π(τ)ολεμίζω). Livrea (1973) 460 fasst die Klausel ὑπόειξε δαμῆναι als „conflatio“ der beiden Homerstellen γ 269 (ἐπέδησε δαμῆναι) und π 42 (ὑπόειξεν Ὀδυσσεύς) auf. Das Wort βρίμη kommt vor Apollonios nur einmal in den Homerischen Hymnen vor. Dort bezeichnet es die Kraft der Göttin Athene: μέγας δ’ ἐλελίζετ’ Ὄλυμπος / δεινὸν ὑπὸ βρίμης γλαυκώπιδος (Hom. Hymn. 28, 9–10). 753 Vgl. Soph. Phil. 199–200. Dort geht es um das Schicksal Trojas: χρόνος, ᾧ λέγεται / χρῆναί σφ’ ὑπὸ τῶνδε δαμῆναι. 754 S. Anm. 751. Bei Hesiod kommt das Verb, meistens als Partizip (ὑπο)δμηθεῖσα, in dieser Bedeutung häufiger vor, H.W. Nordheider, LfgrE 2, 214, 15–25 und 216, 24–30 zählt insgesamt 11 Stellen. 755 Vgl. zu diesem Kontext 4, 909 (Sieg des Orpheus über den Gesang der Sirenen): παρθενίην δ’ ἐνοπὴν ἐβιήσατο φόρμιγξ. Ausführlich dazu unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie). 183

der Gegensatz in der Wendung δαμάσσειν ἄνδρα in einer Rede Medeas, die Subjekt einer Handlung ist, zu der Frauen sonst als Objekte fungieren.

11. im Kampf fallen Der homerische Wortschatz enthält zahlreiche Wörter und Periphrasen mit der Bedeutung ‚sterben‘. In die vorliegende Untersuchung werden jedoch nur die Wörter einbezogen, die das Sterben im Kampf bezeichnen. Es handelt sich um zwei Verben, die bei Homer typischerweise in Beschreibungen fallender Krieger begegnen:

a. δουπέω δουπέω (Ilias 22, Odyssee 2 Stellen) hat die Grundbedeutung ‚dumpf aufschlagen‘ und daraus entwickelt ‚im Kampf fallen‘ und steht immer auf der Erzählebene.756 An 21 Stellen wird es in der Formel δούπησεν δὲ πεσών zur Beschreibung eines „zu Tode getroffenen Krieger[s]“ verwendet.757

In den Argonautika ist das Verb dreimal belegt, davon zweimal als Partizip δεδουπότος, das den gefallenen Pelias (1, 1304: Πελίαο δεδουπότος) und den gefallenen Apsyrtos (4, 557: δεδουπότος Ἀψύρτοιο) bezeichnet. Vorbild ist wohl die einzige Belegstelle dieses Partizips bei Homer: δεδουπότος Οἰδιπόδαο (Ψ 679).758 In 2, 1055–56 dagegen wird δουπέω auf einen nicht-kriegerischen Kontext übertragen. Es wird berichtet, wie Herakles die stymphalischen Vögel vertrieb, indem er mit einer Klapper Geräusche erzeugte: ἀλλ’ ὅ γε χαλκείην πλαταγὴν ἐνὶ χερσὶ τινάσσων / δούπει ἐπὶ σκοπιῆς περιμήκεος. Dieses Vorgehen dient als Vorbild für die Argonauten zur Abwehr der Ares-Vögel. In seiner Grundbedeutung für Geräusche allgemeiner Art wird das Verb erst in nachhomerischer Zeit verwendet.759 756 M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 32–33. 757 M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 37. Rengakos (1994) 71–72 weist darauf hin, dass Aristarch für δουπέω „überall im homerischen Epos die Bedeutung ‚im Kampf fallen, sterben‘ annimmt“. Vgl. Hunter (2015) 158: „δουπεῖν originally referred to the clashing sound of a warrior falling dead in his armour.“ LSJ s.v.: „sound heavy or dead; in Hom., of the heavy thud of a corpse, opp. the clashing of the armour“. Nur in Λ 45 bezeichnet die Form ἐγδούπησαν das ‚Donnern‘ der beiden Göttinnen Hera und Athene. Dazu M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 45–46: „auch wenn sonst nur Zeus donnert, and. Bed. kaum mögl.“ 758 Rengakos (1994) 71–72 hält für diese beiden Apolloniosstellen die Bedeutung „gewaltsam sterben“ ohne Einschränkung auf den Tod im Krieg für wahrscheinlich: „auf keinen Fall hat er unter δεδουπότος einen ‚normalen‘ Tod verstanden.“ Hunter (2015) 158 und Livrea (1973) 173 weisen auf N 426 als einzige Belegstelle, an der das Verb - nicht in der Formel δούπησεν δὲ πεσών - ‚sterben‘ bedeutet und die evtl. Apollonios und anderen Autoren als Vorbild diente. 759 Bei LSJ s.v. sind als Belegstellen für Geräusche anderer Art z.B. Eur. Alk. 104 und Xen. an. 1, 8, 18 genannt. 184

b. πίπτω πίπτω kommt bei Homer sehr häufig vor (Ilias 173, Odyssee 60 Stellen) und bedeutet ‚fallen‘ in den verschiedensten Situationen. An 65 Stellen in der Ilias und 10 Stellen in der Odyssee bezeichnet πίπτω das Fallen von „Kriegern im Kampf mit tödl. Ausgang“,760 meistens in festen Konstruktionen: So beschreibt z.B. die Formel δούπησεν δὲ πεσών an 21 Stellen einen getöteten Krieger (Ilias 19 Stellen, Odyssee 2 Stellen). In Verbindung mit ὑπό heißt πίπτω ‚getötet werden von/durch‘ (5 Stellen). In Verbindung mit ἐν κονίῃσιν wird das Verb an 20 von 25 Stellen für Körper oder Körperteile getöteter Krieger verwendet. Bei den fallenden Kriegern finden sich Adjektive wie νέκυς/νεκρός (2 Stellen), πρηνής (8 von 9 Stellen) oder ὕπτιος (8 von 10 Stellen). Als Ergänzung begegnen Adverbien wie χαμαί, χαμάδις, προπάροιθε.761

Von den 30 Belegstellen des Verbs in den Argonautika stehen die meisten nicht im kriegerischen Kontext, acht Stellen aber weisen Analogien zu den oben beschriebenen homerischen Konstruktionen auf: Die Beschreibung des getöteten Dolionenkönigs Kyzikos, den die Helden am Morgen nach der Schlacht sehen (… ἰδόντας / ἥρωας Μινύας Αἰνήιον υἷα πάροιθεν / Κύζικον ἐν κονίῃσι καὶ αἵματι πεπτηῶτα (1, 1054–56)) ist nach χ 383–84 gestaltet. Dort sieht Odysseus die toten Freier in seinem Haus liegen: τοὺς δὲ ἴδεν μάλα πάντας ἐν αἵματι καὶ κονίῃσι / πεπτεῶτας πολλούς. Die unhomerische Wendung οὔδει πέσεν, die in der Eberkampf-Szene den Fall des Idmon bescheibt (Ὀξὺ δ’ ὅ γε κλάγξας οὔδει πέσεν (2, 827)) ist möglicherweise eine variatio der homerischen Ausdrücke χαμαί / χαμάδις / ἐν κονίῃσιν πίπτω.762 Den fallenden Krieger beschreibt aber auch die Wendung ὃ δ’ ὕπτιος οὔδει ἐρείσθη (H 145, Λ 144, Μ 192). Das Fallen des Ebers selbst bezeichnet πίπτω mit zwei Formen: βεβρυχὼς δὲ θοῷ περικάππεσε δουρί. / Καὶ τὸν μὲν χαμάδις λίπον αὐτόθι πεπτηῶτα (2, 831–32). Das Kompositum περικαταπίπτω ist zuerst bei Apollonios belegt und steht immer im Aorist.763 Doch wird καταπίπτω bei Homer an 13 von 28 Stellen vom Fallen des Kriegers gebraucht, meist in der Form κάππεσε(ν) (8 Stellen).764 Der Fall eines Ebers wird auch in der Odyssee beschrieben: κὰδ δ’ ἔπεσ’ ἐν κονίῃσι μακών (τ 454).765 In 2, 832 (χαμάδις πεπτηῶτα) ist πίπτω wie bei Homer mit χαμάδις 760 761 762 763

G. Markwald, LfgrE 3, 1259, 32–42 und 1259, 54–1260, 34. Vgl. G. Markwald, LfgrE 3, 1263, 21–34. Ähnlich ist aber z.B. eine Stelle aus der Tragödie: πεσεῖν πρὸς οὖδας (Eur. Hek. 405). Außer an dieser Stelle noch in 3, 543. LSJ s.v. zur Bedeutung hier: „fall upon so as to be pierced“. Das Verb kommt dann auch bei Quintus Smyrnaeus (siebenmal, z.B. 3, 281: δουρὶ δαμεὶς περικάππεσε) und bei Triphiodor (576: περικάππεσεν αἰχμῇ) vor, auch immer im Aorist (s. TLG, Bd. VI, 842). Bei Aristophanes findet sich περιπεσοῦσα τῷ ξίφει (Vesp. 523). 764 Z.B. ὃ δ’ ὕπτιος ἐν κονίηισι / κάππεσεν (Δ 522–23, Ν 548–49, Π 289–90), ὃ δ’ (ἄρα) πρηνὴς ἐπὶ γαίηι / κάππεσεν (Π 310–11, Π 413–14, ähnlich auch Π 579–80). Vgl. G. Markwald, LfgrE 3, 1262, 42–65. 765 Zur Stelle und τ 439–54 als Vorbild s. unter 6d. (Lanzen/Speere). 185

verbunden (Η 16, Ο 435, 714, Π 118). Ein Perfekt-Partizip begegnet in χ 383–84: ἐν αἵματι καὶ κονίῃσι / πεπτεῶτας πολλούς.766 In der Talos-Episode variiert Apollonios die homerische Formel δούπησεν δὲ πεσών (s.o.), um den Fall des Talos zu beschreiben: ἀπείρονι κάππεσε δούπῳ (4, 1688).767 Homerisch wirkt auch das Fallen der Erdgeborenen in der Aristie Jasons. Zum Teil töten sie sich gegenseitig: πῖπτον ἑοῖς ὑπὸ δούρασιν (3, 1375). Der Ausdruck πίπτω ὑπό ist jedoch bei Homer nicht mit Waffen verbunden, sondern immer mit Personen, manchmal auch in einer Periphrase wie Ἀτρείδεω ὑπὸ χερσί (Λ 180).768 Zum Teil fallen die Erdgeborenen aber auch durch das Schwert Jasons: Πῖπτον δ’, οἱ μὲν ὀδὰξ τετρηχότα βῶλον ὀδοῦσιν / λαζόμενοι πρηνεῖς (3, 1393–94). Vorbild ist möglicherweise die homerische Wendung ὃ δ’ (ἄρα) πρηνὴς ἐπὶ γαίηι / κάππεσεν (Π 310–11, Π 413–14) oder das Gebet des Agamemnon um den Tod Hektors: πολέες δ’ ἀμφ’ αὐτὸν ἑταῖροι / πρηνέες ἐν κονίηισιν ὀδὰξ λαζοίατο γαῖαν (B 417–18). An mehrere Homerstellen klingt die Szene in der libyschen Wüste an, in der die Argonauten sich in der Absicht zu sterben in den Sand fallen lassen: … ἵν’ ἄνδιχα δῆθεν ἕκαστος / θυμὸν ἀποφθίσειαν ἐνὶ ψαμάθοισι πεσόντες (4, 1291–92). Apollonios variiert mit ἐνὶ ψαμάθοισι das homerische Vorbild ἐν κονίῃσιν. In der Ilias ist das Fallen des Kriegers auch mit dem Verlust des θυμός verbunden: ὃ δ’ ὕπτιος ἐν κονίῃσι / κάππεσεν, ἄμφω χεῖρε φίλοις ἑτάροισι πετάσσας, / θυμὸν ἀποπνείων (Δ 522–24), κὰδ δ’ ἔπεσ’ ἐν κονίηισι μακών, ἀπὸ δ’ ἔπτατο θυμός (Π 469). Während der homerische Krieger von einer Waffe getroffen zu Boden fällt und sein Leben verliert, ist es bei den Argonauten die Verzweiflung über die aussichtslose Lage, die sie dazu bringt, sich zu Boden zu werfen in der Absicht zu sterben. Hier bezeichnet πίπτω nur den Vorgang des Fallens, ohne dass ,sterben‘ mitverstanden wird.

Zusammenfassung An mehreren Stellen lassen sich Anlehnungen an homerische Formulierungen beobachten: Zweimal verwendet Apollonios die bei Homer singuläre Form δεδουπότος, nach homerischem Vorbild gestaltet sind die Wendungen ἐν κονίῃσι καὶ αἵματι πεπτηῶτα, χαμάδις πεπτηῶτα und πῖπτον πρηνεῖς sowie die variierten Konstruktio­ nen κάππεσε δούπῳ (bei Homer: δούπησεν δὲ πεσών), οὔδει πέσεν, ἐνὶ ψαμάθοισι πεσόντες (bei Homer: ἐν κονίῃσιν πίπτω). Inhaltlich wird πίπτω siebenmal für das Fallen eines oder mehrerer zu Tode Getroffener verwendet. Nur einmal geschieht dies im kriegerischen Kampf, zweimal beim Kampf gegen den Eber, außerdem werden fallende Erdgeborene und der Fall des Riesen Talos beschrieben. In der Schilderung der Situation der verzweifelten

766 Vgl. außerdem Φ 503 (von heruntergefallenen Pfeilen). 767 S. auch unter 15h. (δοῦπος). 768 Zu ἑοῖς ὑπὸ δούρασιν s. unter 6d. (Lanzen/Speere). 186

Argonauten in der Wüste Libyens liegt eine abgeschwächte Bedeutung vor, die den Tod der Fallenden nicht impliziert.

12. abwehren, verteidigen Die Verteidigung, das Abwehren eines Feindes, findet sich in den homerischen Epen vor allem in Schlachtszenen. Verteidigt wird einerseits zum Schutz der eigenen Person, andererseits aber auch als Hilfeleistung für Kriegskameraden in Bedrängung. An einigen Stellen begegnet aber auch das Abwehren von Gefahren für Verwandte und Freunde im zivilen Kontext. Bei Homer werden zwei Verben synonym in der Bedeutung ‚abwehren, verteidigen‘ gebraucht:

a. ἀμύνω Das Verb ἀμύνω kommt bei Homer an 96 Stellen (Ilias 81, Odyssee 15) vor und ist „charakteristischer kriegerischer Fachausdruck“, der „ausschließlich die - überwiegend nicht auf eine Einzelaktion beschränkte - defensive Kampftätigkeit“ bezeichnet.769 Die verteidigten Personen/Sachen stehen im Genetiv oder Dativ. Objekte der Abwehr sind oft abstrakte Ausdrücke des Verderbens oder Schadens, seltener konkrete feindliche Personen oder Waffen. Ungefähr drei Viertel der Belege finden sich in Reden, die in der Ilias meist das aktuelle Kampfgeschehen zum Thema haben, in der Odyssee den Kampf gegen die Freier. Sonst begegnet das Verb - bis auf zwei Stellen in Gleichnissen - auf der Erzählebene.

Bei Apollonios kommt ἀμύνω achtmal vor: In der Bedeutung ,abwehren im Kampf‘ begegnet ἀμύνω in der Mantelekphrasis. Dargestellt wird ein Kampf um Rinder: ἀμφὶ δὲ βουσὶ / Τηλεβόαι μάρναντο καὶ υἱέες Ἠλεκτρύωνος, / οἱ μὲν ἀμυνόμενοι, ἀτὰρ οἵ γ’ ἐθέλοντες ἀμέρσαι, / ληισταὶ Τάφιοι (1, 747–50).770 Derselbe Versanfang wie in 1, 749 begegnet in der Schilderung eines Kampfes um einen gefallenen Krieger in der Ilias: οἳ δ’ ἀλλήλους ὀλέκουσιν, / οἳ μὲν ἀμυνόμενοι νέκυος πέρι τεθνηῶτος, / οἳ δὲ ἐρύσσασθαι προτὶ 769 J. Latacz, LfgrE 1, 651, 48–64: „und zwar überwiegend die Kampftätigkeit eines menschlichen oder göttlichen Promachos zum Schutze bzw. zur Kampfunterstützung bedrängter Gefährten bzw. Schützlinge, Gefallener, der Schiffe bzw. der Stadt und ihrer Einwohner (Frauen und Kinder), bisweilen auch die des Besitzers zur Verteidigung seines Besitzes (Haus od. Herde), im Med. dagegen die eines Helden zu primär seinem eigenen Schutze“. Vgl. Schmidt (1879) 677: „Genauer betrachtet aber verhält sich die Sache so, dass ἀλέξειν den konkreten Begriff der Abwehr oder Verteidigung durch Gewalt hat, ἀμύνειν aber nur den Begriff der Fernhaltung eines Übels, der Feinde u.s.w. hat, so dass es auch da wo es für ἀλέξειν eintritt nicht die konkrete Vorstellung jenes Wortes erzeugt.“ 770 Von den zwei Varianten der Überlieferung ἀμυνόμενοι und ἀμειβόμενοι präferieren Fränkel (1961) - mit Hinweis auf Σ 173 und Ι 531 -, Vian (Bd. 1, 1976) und Pompella (2006) die erste, wenn auch weniger bezeugte. 187

Ἴλιον ἠνεμόεσσαν / Τρῶες ἐπιθύουσι (Σ 172–75). Eine weitere Parallele ist I 531–32: Αἰτωλοὶ μὲν ἀμυνόμενοι Καλυδῶνος ἐραννῆς, / Κουρῆτες δὲ διαπραθέειν μεμαῶτες ἄρηϊ. Auch an diesen Stellen werden die verteidigende und die angreifende Partei gegenübergestellt. Das Abstraktum λώβη findet sich als Objekt der Abwehr in der Rede Hypsipyles auf Lemnos, die das frühere Verhalten der Männer ihres Volkes kritisiert, hier der Söhne, die ihre Mütter nicht vor Schande bewahrten: οὐδ’ ἀπὸ μητρὸς / λώβην ὡς τὸ πάροιθεν ἀεικέα παῖδες ἄμυνον, … (1, 815–16). ἀμύνω ἀπό mit dem Genitiv der verteidigten Person oder Sache begegnet bei Homer nur zweimal im Iteratvers οὐ γὰρ ἔπ’ ἀνήρ, / οἷος Ὀδυσσεὺς ἔσκεν, ἀρὴν ἀπὸ οἴκου ἀμῦναι (β 58–59, ρ 537–38), der den Schutz der eigenen Familie vor Krieg zum Thema hat. Objekte der Abwehr sind bei Homer negative Situationen wie Schaden oder Unglück. λώβη erscheint dort nicht in dieser Funktion,771 vergleichbar ist aber τ 373–74: τάων νῦν λώβην τε καὶ αἴσχεα πόλλ’ ἀλεείνων / οὐκ ἐάᾳς νίζειν. Ähnlich sind außerdem die Worte des Glaukos über die unterlassene Hilfeleistung des Zeus für seinen Sohn Sarpedon: ὃ δ’ οὐδ’ ὧι παιδὶ ἀμύνει (Π 522). Doch während es sich dort um eine kriegerische Situation handelt, geht es in den Argonautika um einen zivilen, familiären Missstand. Eine Hilfeleistung beschreibt ἀμύνω auch an einigen weiteren Stellen, meist in Reden: Die Verwendung ist durchaus homerisch, bezieht sich dort aber auf die Hilfe beim Abwehrkampf.772 Bei Apollonios geht es an einer Stelle um die Hilfe der Boreaden für Phineus, die, wie Jason sagt, von einem Gott initiiert wurde: Ἦ ἄρα δή τις ἔην, Φινεῦ, θεὸς ὃς σέθεν ἄτης / κήδετο λευγαλέης, καὶ δ’ ἡμέας αὖθι πέλασσε / τηλόθεν, ὄφρα τοι υἷες ἀμύνειαν Βορέαο (2, 438–40). Wie bei Homer steht die verteidigte Person im Dativ.773 Dass ein Gott eine Person einer anderen Person zur Hilfe schickt, ist ein bei Homer gängiges Motiv (z.B. O 254–55, Φ 230–31). Dreimal wird in Reden und Hypothesen die Inanspruchnahme der Hilfe Aphrodites oder Medeas für das Unternehmen thematisiert: 1. In der Rede des Mopsos, der empfiehlt, Aphrodite um Hilfe anzurufen: Ἀλλὰ φίλοι, Κυθέρειαν ἐπικλείοντες ἀμύνειν, / ἤδη νῦν Ἄργοιο παραιφασίῃσι πίθεσθε (3, 553–54).774 2. Bei der Bemühung 771 J. Latacz, LfgrE 1, 651, 64–68 nennt als Abwehrobjekte: „überwiegend […] allgemeine Ausdrücke für Verderben und Schaden […] (λοιγόν, ἀρήν, νηλεὲς, ἦμαρ, κῆρας, κακόν, ὄλεθρον, usw.), selten sind es konkrete Einzelobjekte (βέλος, πῦρ) oder Personen (ἄνδρα).“ λώβη dagegen fungiert bei Homer oft als Objekt zu τίνειν (4 Stellen z.B. Λ 142). 772 J. Latacz, LfgrE 1, 653, 68–69: „für jn. (abwehrend, verteidigend) kämpfen; jm. bei der Abwehr, Verteidigung, beim (Abwehr-)Kampfe helfen der Unterstützte kämpft selbst mit.“ Vgl. auch die ebd. 654, 30–46 mit der Bemerkung „noch stärker zur Bed. helfen tendierend“ aufgeführten Belegstellen. 773 J. Latacz, LfgrE 1, 653, 43–654, 46. 774 Zum metaphorischen Gebrauch von ἐπικλείοντες an dieser Stelle s. Vian (Bd. 2, 1980) 15: „Quand Mopsos invite les Argonautes à ‚implorer l’aide de Cythérée‘ (3, 553; cf. 549 s., 559), il parle par métaphore et ses compagnons ne feront ni sacrifice ni prière à la déesse.“ Vgl. Hunter (1989) 157–58: „as we do not see what 188

des Argos um Vermittlung durch seine Mutter: Τόφρα δὲ μητέρ’ ἑήν, μετιὼν δόμον Αἰήταο, / Ἄργος παντοίοισι παρηγορέεσκεν ἔπεσσιν / Μήδειαν λίσσεσθαι ἀμυνέμεν (3, 609–11). Die Verbindung von ἀμύνω mit λίσσομαι begegnet in I 574–76: τὸν δὲ λίσσοντο γέροντες / Αἰτωλῶν, […] ἐξελθεῖν καὶ ἀμῦναι. Vgl. auch Σ 448–50: τὸν δὲ λίσσοντο γέροντες / Ἀργείων, καὶ πολλὰ περικλυτὰ δῶρ’ ὀνόμαζον. / ἔνθ’ αὐτὸς μὲν ἔπειτ’ ἠναίνετο λοιγὸν ἀμῦναι, … Dort wird die Hilfe eines Kriegers im Abwehrkampf erbeten, bei Apollonios besteht sie in der Anwendung der Zaubermittel. 3. In der Überlegung Medeas, ob ihre Schwester sie wohl um Hilfe für ihre Söhne bitten werde: Φῆ ῥα κασιγνήτης πειρωμένη, εἴ κέ μιν αὐτὴ / ἀντιάσειε πάροιθεν ἑοῖς τεκέεσσιν ἀμύνειν (3, 693–94).775 Eine Parallele ist Π 265: ἀμύνει οἷσι τέκεσσιν. Dort werden die Myrmidonen mit Wespen verglichen, die ihre Kinder beschützen. Thema der Rede Jasons im vierten Buch ist ein potentieller Kampf mit den Kolchern. Seine Furcht vor einer Niederlage ist begründet durch die große Zahl der Kolcher, die bereit seien, Apsyrtos bei der Rückholung Medeas zu unterstützen: Πάντες γὰρ ὅσοι χθόνα τήνδε νέμονται / Ἀψύρτῳ μεμάασιν ἀμυνέμεν, ὄφρα σε πατρί, / οἷά τε ληισθεῖσαν, ὑπότροπον οἴκαδ’ ἄγοιντο (4, 398–400). Die Junktur μέμονα ἀμύνειν findet sich bei Homer nicht, das Synonym ἀλέξω steht jedoch viermal in dieser Konstruktion, z.B. Ἀχαιοί / ἐν θυμῶι μεμαῶτες ἀλεξέμεν ἀλλήλοισιν (Γ 8–9).776 In der gleichen Junktur bedeutet das Kompositum ἐπαμύνω in 4, 490 auch ,helfen im kriegerischen Kampf‘. Dort heißt es nach der Schlacht gegen die Kolcher, Jason sei - gewillt zu helfen - erst spät zu den Argonauten gestoßen: μεμαὼς ἐπαμυνέμεν.

Zusammenfassung An einer Stelle hat ἀμύνω die Bedeutung ‚abwehren‘ im Kampf, doch nicht auf der Erzählebene, sondern in der Ekphrasis. An einer weiteren Stellen bedeutet das Verb ‚abwehren‘ mit einem Abstraktum als Objekt. An fünf Stellen heißt ἀμύνω ‚helfen‘. Im Kontext des Argonauten-Kolcher-Konflikts ist das Verb im kriegerischen Sinn zu verstehen. Doch wird das ἀμύνειν dort nicht in die Tat umgesetzt, sondern ist hypothetisch in Jasons Rede, nur beabsichtigt in der Handlung. An drei Stellen der Medea-Handlung zeigt sich eine Übertragung vom homerischen ,Helfen beim Abwehrkampf‘ auf die Hilfe durch Magie, die hier noch im Hypothetischen bleibt, später aber in der Handlung umgesetzt wird.

the Argonauts do after 575, this cannot be dismissed as a purely metaphorical use of the verb …“ 775 Zu ἀμύνω mit dem Dativ s. zu 2, 440. 776 Im Infinitiv steht ἀμύνω bei Homer an mehreren Stellen in Abhängigkeit von Verben des Antreibens (Ξ 369), Bittens (s.o.) oder Wollens, z.B. … ὅτινας μινύθηι τε καὶ οὐκ ἐθέληισιν ἀμύνειν (O 492, vgl. auch P 563). Die Form μεμάασιν kommt in der Odyssee in Kombination mit einem Verb des Tötens vor. Dort wird über die Freier gesagt: Τηλέμαχον μεμάασι κατακτάμεν ὀξέϊ χαλκῷ … (δ 700). 189

b. ἀλέξω Wie ἀμύνω hat das Synonym ἀλέξω (Ilias 24, Odyssee 7 Stellen) hauptsächlich kriegerische Bedeutung und bezeichnet das kämpfende Abwehren und Verteidigen, wird aber auch sehr oft übertragen verwendet.777 Das Verb steht an den Iliasstellen fast ausschließlich im kriegerischen Kontext auf der Erzählebene oder in Reden (10 Stellen). An den Odysseestellen bezeichnet ἀλέξω, fast immer in Reden, das Abwehren von Unheil, vor allem durch Götter.

Bei Apollonios ist das Verb an 3 Stellen belegt: Im vierten Buch fordert Medea Jason zum Kampf gegen die Kolcher auf: Τύνη μὲν κατὰ μῶλον ἀλέξεο δούρατα Κόλχων (4, 414).778 Das Medium ἀλέξομαι ist auch bei Homer in der Bedeutung ‚sich wehren gegen‘ mit dem Akkusativ verbunden, allerdings immer als Infinitiv oder Partizip.779 Der Imperativ ἀλέξεο taucht vor Apollonios nur in einem Archilochos-Fragment auf: ˹ἀναδευ δυσμενῶν˺ δ’ ἀλέξ προσβαλὼν ἐναντίον / στέρνον (fr. 128, 2–3 West). Der Imperativ des Synonyms ἀμύνω begegnet dagegen mehrmals in der Ilias, z.B. ἔγχεϊ δ’ αἰεί / Τρῶας ἄμυνε νεῶν, … (O 730–31).

777 J. Irigoin, LfgrE 1, 472, 74: „écarter quelque chose de quelqu’un, d’où protéger.“ Das Verb kann sowohl mit der abzuwehrenden Person oder Sache im Akkusativ, als auch mit der zu verteidigenden Person oder Sache im Dativ oder Genetiv konstruiert werden (s. ebd. 472, 75–77), steht aber auch im Medium absolut mit der Bedeutung ‚sich verteidigen‘ (s. ebd. 472, 77–78: „écarter de soi, éviter, échapper à, repousser, se protéger“). Als abzuwehrende Objekte begegnen Personen und Tiere, Krieg und Kampf (πόλεμος, δήϊον πῦρ), aber auch andere Abstraktα wie κῆρα, θάνατος, ἄλγος, λοιγόν, κακὸν ἦμαρ. Zur Ähnlichkeit mit ἀμύνω s. J. Latacz, LfgrE 1, 651, 72–75 („im Gebrauch sind beide Verben offenbar weitgehend bedeutungsgleich.“) und Schmidt (1879) 677, s. Anm. 769. 778 Fränkel (1968) 487 tendiert zur Konjektur τῆμος […] ἀλεύεο, (Bedeutung: „Zunächst vermeide eine Massenschlacht mit den Kolchern“) mit der Begründung, dass in Medeas Rede die Reihenfolge der folgenden Ereignisse eingehalten werden müsse und Jason demnach zuerst Apsyrtos töten und dann gegen die Kolcher kämpfen solle. Allerdings ist die Überlieferung eindeutig und der Text in der vorliegenden Lesart verständlich, nimmt man eine Ringkomposition an wie Vian (Bd. 3, 1981) 164 oder geht man davon aus, dass in der Rede einer innerlich sehr aufgewühlten Medea eine exakte Reihenfolge des gewünschten Plans nicht erwartet werden muss (dazu Livrea (1973) 134). Giangrande (1973) 32 versteht τύνη […] ἀλέξεο im Sinne der von Fränkel gesuchten Bedeutung ‚vermeiden‘. An anderer Stelle bei Apollonios bedeutet ἀλέξομαι jedoch eindeutig ‚sich kämpfend verteidigen‘: ἀλεξόμενον περὶ βουσίν (4, 551), ἀλεξόμενος κατέπεφνε (4, 1488). So auch Hunter (2015) 139 zu ἀλέξεο: „keep off, defend yourself against“. 779 N 475, ι 57, σ 62, dazu J. Irigoin, LfgrE 1, 473, 57–65. 190

In einem Aition anlässlich der Landung der Helden im Hylleerland wird erzählt, dass die Mentorer den Hyllos im Kampf um Rinder töteten: καί μιν ἔπεφνον / Μέντορες, ἀγραύλοισιν ἀλεξόμενον περὶ βουσίν (4, 550–51).780 Die Formulierung hat Ähnlichkeit mit der bereits untersuchten Belegstelle von ἀμύνω in der Mantelekphrasis (1, 748–49).781 Der Ausdruck ἀλέξομαι περί ist in 4, 551 zum ersten Mal belegt.782 Bei Homer begegnet die entsprechende Konstruktion mit dem Synonym ἀμύνω in der Bedeutung ‚(verteidigend) kämpfen um‘, z.B. ἀμυνόμενον περὶ πάτρης (Ω 500). Apollonios verwendet περί mit dem Dativ. Entsprechendes ist in der Odyssee zweimal bei μάχομαι zu finden: μαχέσσασθαι περὶ δαιτί (β 245), ὁππότ’ ἀνὴρ περὶ οἷσι μαχειόμενος κτεάτεσσι / βλήεται ἢ περὶ βουσὶν ἢ ἀργεννῇσ’ ὀΐεσσιν (ρ 471–72).783 Auch der Argonaut Kanthos wird im Kampf um Vieh, das er einem Hirten rauben will, getötet: ὅ σ’ ἑῶν μήλων πέρι, τόφρ’ ἑτάροισι / δευομένοις κομίσειας, ἀλεξόμενος κατέπεφνε / λᾶι βαλών (4, 1487–89).784 Einen Hirten, der seine Herden kämpfend verteidigt, beschreibt ρ 471–72 (s.o.).

780 Livrea (1973) 170 präferiert die Lesart ἀλεξόμενοι, eine Konjektur von Castiglioni, die sich auf 4, 1488 (ἀλεξόμενος κατέπεφνε) und λ 401–3 (ἦέ σ’ ἀνάρσιοι ἄνδρες ἐδηλήσαντ’ ἐπὶ χέρσου / βοῦς περιταμνόμενον ἠδ’ οἰῶν πώεα καλὰ / ἠὲ περὶ πτόλιος μαχεούμενον ἠδὲ γυναικῶν) stützt, räumt dann aber ein: „Tuttavia, anche se Illo è certamente l’aggressore e non l’aggredito, la lez. ms. ἀλεξόμενον si potrebbe serbare.“ So auch Hunter (2015) 139: „The transmitted ἀλεξόμενον is certainly possible, but it is perhaps slightly more probable that it was the newcomers from the south who were doing the rustling, not vice versa.“ Trotz der von Livrea (1973) genannten Parallelen hält Vian (Bd. 3, 1981) 168 an der überlieferten Lesart fest: „il est donc imprudent de corriger avec L. Castiglioni ἀλεξόμενον en ἀλεξόμενοι, d’autant plus qu’Apollonios rapporte une tradition favorable à Hyllos qui pouvait le présenter en état de légitime défense. Les parallèles ne permettent pas de faire un choix.“ Zu 4, 550–51 s. auch unter 10e. (θείνω/(κατα)πεφνεῖν). 781 S. unter 12a. (ἀμύνω). 782 LSJ s.v. 1 und DGE s.v. II.1 nennen zur Konstruktion ἀλέξομαι περί τινι/τινος nur die beiden Belegstellen bei Apollonios (4, 551 und 4, 1488, s.u.). Mooney (1912) 334 zu ἀλεξόμενον περὶ βουσίν: „‚defending his cattle‘. This constr. is only found here; in 1488 we have περί c. gen.“ Livrea (1973) 170 meint Einfluss von Ps.-Hes. asp. 12 (χωσάμενος περὶ βουσί) und Hymn. Hom. Herm. 236 (χωόμενον περὶ βουσὶν) zu erkennen. Livrea (1973) 134 zu beiden Stellen (4, 414 und 1488): „facile sviluppo semantico dall’omerico ,difendersi‘“. 783 Livrea (1973) 170 merkt an, dass auch bei Homer bei περί regelmäßig Dativ statt Genetiv steht mit Hinweis auf ρ 471. 784 Zur Konstruktion ἀλέξομαι περί s. Anm. 782. Zu 4, 1488–89 s. auch unter 10e. (θείνω/(κατα)πεφνεῖν). 191

Zusammenfassung Bei Apollonios steht ἀλέξω an allen drei Belegstellen im Medium, einmal mit der Bedeutung ,sich wehren gegen‘, zweimal mit dem Sinn ,verteidigend kämpfen um‘. Sowohl die Form ἀλέξεο als auch der Ausdruck ἀλέξομαι περί sind unhomerisch. Eine Belegstelle findet sich in einer Aufforderung zum Kampf in der Rede Medeas. An zwei Stellen geht es um einen Kampf um Rinder, davon einmal in der Ekphrasis.

13. Gesamtüberblick über das Vokabular der Gruppen 8–12 Die folgende Tabelle zeigt, in welchen Kontexten und auf welchen narrativen Ebenen die untersuchten Verben des Angreifens, Verletzens und Tötens, Fallens, Abwehrens und die Wörter für ‚Wunde‘ bei Apollonios verwendet werden. Dabei sind die Belegstellen nach ihrem Kontext folgendermaßen klassifiziert: 1. Kriegerischer Kontext auf der primären narrativen Ebene (Erzählebene). Dazu zählen auch Zweikampf- oder Mord-Szenen, wenn sie im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen stehen (z.B. Faustkampf zwischen Polydeukes und Amykos, Mord an Apsyrtos). Inkludiert sind auch Stellen in Gleichnissen, die (mit nicht-kriegerischem Inhalt) kriegerisches Kampfgeschehen auf der Erzählebene illustrieren, da dies der homerischen Darstellungsweise entspricht. Sie sind aber gesondert in eckigen Klammern aufgeführt. 2. Kriegerisches Geschehen auf der sekundären narrativen Ebene wie Katalog, Ekphrasis, Gleichnis, Analepse, Aition. 3. Kriegerisches Geschehen in hypothetischen Aussagen oder in Reden. 4. Kampf nicht-kriegerischer Art, d.h. gegen Tiere, Fabelwesen, Götter oder Kampf im zivilen Kontext (z.B. Kampf der Hirten um Rinder) auf der Erzählebene. 5. Kampf nicht-kriegerischer Art (s.o.) auf der Sekundärebene wie Katalog, Ekphrasis, Gleichnis, Analepse, Aition, in hypothetischen Aussagen oder Reden. 6. Sonstiger nicht-kriegerischer Kontext auf der Erzählebene. 7. Sonstiger nicht-kriegerischer Kontext auf der Sekundärebene wie Katalog, Ekphrasis, Gleichnis, Analepse, Aition, in hypothetischen Aussagen oder Reden. An vielen Belegstellen weisen Verben abgeschwächte oder übertragene Bedeutungen auf. Diese Stellen sind gesondert in runden Klammern angegeben.

192

193

1

1

(1)

2

1

1

(2)

3

οὐτάω/ οὐτάζω

1

1

ὠτειλή

ἕλκος

Wunde

1 (1) [2]

1

τύπτω

ὀϊστεύω

βάλλω

schießen, schlagen, treffen, verwunden

ὁρμάομαι 1

3

4

1 (1)

4

1

1

1

1

(3)

(5)

(2)

1

ἐπορούω

(1) [1]

1

ἐπισσεύομαι

(1)

(1)

(2)

ἰθύω

1

ἐπιδραμεῖν

1

6. sonst. nicht-krieger. Kontext Erzählebene

(1)

1

ἐνθορεῖν

2

5. Kampf nicht-krieger. Art Sekundärebene / Rede / Hypothese

θύνω

1 [1]

ἐπαΐσσω

angreifen

1. krieger. Kon- 2. krieger. Kon- 3. krieger. Kon- 4. Kampf nichttext Erzählebe- text Sekundär- text Hypothese krieger. Art ne / [Gleichnis] ebene Rede Erzählebene

3

1

(4)

(3)

7. sonst. nichtkrieger. Kontext Sekundärebene / Rede / Hypothese

194

1

1

2

(1)

ἐναίρω

(ἐξ)εναρίζω

(κατα) πεφνεῖν

δάμνημι/ δαμνάω/ δαμάζω

1

πίπτω

24 (3)

1 26 (2)

1

(1)

6 (1)

8 (3)

1

2 3

ἀλέξω 10 (1)

6

1

2

1

5

Gesamt

2

1

1

1

1

1 (1)

20 (5) [4]

2

1

1 (1)

1 (1)

5. Kampf nicht-krieger. Art Sekundärebene / Rede / Hypothese

(1)

(1)

ἀμύνω

abwehren

1

δουπέω

im Kampf fallen

(1)

2 (1)

δηϊόω 1

2

δαΐζω

töten, bezwingen

1. krieger. Kon- 2. krieger. Kon- 3. krieger. Kon- 4. Kampf nichttext Erzählebe- text Sekundär- text Hypothese krieger. Art ne / [Gleichnis] ebene Rede Erzählebene

3 (19)

1

(2)

6. sonst. nicht-krieger. Kontext Erzählebene

6 (19)

(4)

1

1 (7)

(1)

7. sonst. nichtkrieger. Kontext Sekundärebene / Rede / Hypothese

Die Stellen unter 1. zeigen, dass Apollonios die Wörter in ihrer homerischen Bedeutung im kriegerischen Kontext durchaus einsetzt. Die Verben des Verletzens und Tötens sind diejenigen Wortgruppen, die von dem gesamten kriegerischen Vokabular am häufigsten in Kampfszenen auf der Erzählebene zu finden sind. Auch auf der sekundären narrativen Ebene wie in Analepsen, Gleichnissen, Ekphraseis oder Aitien (2.) sowie in Hypothesen und Aufforderungen (3.) werden die Wörter oft im kriegerischen Kontext eingesetzt. Doch zeigt sich in 1.–3. eine geringere Anzahl an Belegstellen als im Kontext nicht-kriegerischer Kämpfe (4./5.). Die Stellen im sonstigen nicht-kriegerischen Kontext (6.) finden sich vor allem bei den Verben des Angreifens, was bereits darauf hindeutet, dass Apollonios die Verben nicht in der bei Homer gängigen Bedeutung verwendet. Tatsächlich bezeichnen die Verben in diesen Fällen nur eine bestimmte Form der Bewegung statt ein aggressives Angreifen wie bei Homer, z.B. θύνω, das statt wütenden Kriegern laufende Pferde beschreibt, ὁρμάομαι, das meistens nur ‚aufbrechen‘ heißt. Sehr schwach erscheint in den Argonautika das Verb ἰθύω, das statt ‚angreifen‘ an den meisten Stellen die sehr abgeschwächte Bedeutung ‚sich anschicken‘ oder nur ‚heftig wünschen‘ hat. Das Verb des Abwehrens ἀμύνω bedeutet an vielen Stellen nur ‚helfen‘. Auch von den Verben des Verletzens, Tötens und Fallens werden vier (τύπτω zweimal, δαΐζω zweimal, δηϊόω dreimal, δουπέω einmal) in einer nachhomerischen, abgeschwächten Bedeutung verwendet. Besonders hinzuweisen ist auf Stellen, an denen die Verben zwar abgeschwächte Bedeutungen haben, sich aber trotzdem auf homerische Vorbilder stützen, die einen kriegerischen Angriff beschreiben. So wird z.B. die Formulierung für angreifende Krieger in der Ilias auf die Lemnierinnen übertragen, die den Argonauten aus Kummer über deren Abfahrt an den Hafen folgen. Wie dort finden sich auch bei anderen Verben des Angreifens sowie auch bei denen des Bezwingens und Abwehrens feminine Subjekte, wie z.B. die Harpyien, die sich auf die Speisen des Phineus stürzen, oder Medea, deren Hilfe für die Argonauten mehrmals als ἀμύνειν bezeichnet wird.

14. fliehen, Flucht Angriff und Kampfhandlungen führen auf der einen Seite zu Überwältigung und Sieg, auf der anderen Seite aber steht die Niederlage in Form des Getötet-Werdens oder auch des Fliehens.785 Das Fliehen, ob es nun aus Feigheit oder aus taktischen Gründen geschieht, gehört ebenso zur homerischen Kriegssphäre wie Rüsten, Angreifen, Kämpfen und der Waffeneinsatz. Dazu zählen sowohl Verben, die das Fliehen an sich beschreiben wie φεύγω, φέβομαι, φοβέομαι (auch die aktive Form φοβέω soll der Vollständigkeit halber betrachtet werden) und τρέω, als auch solche, die ein

785 Trümpy (1950) 212: „Die Flucht bedeutet darum in gewissem Sinne soviel wie ,Niederlage‘.“ 195

Zurückweichen oder Ausweichen ausdrücken wie χάζομαι.786 Des Weiteren gehören Substantive, die bei Homer für die Flucht aus dem Kampf verwendet werden, wie φυγή, φόβος, φύζα und φύξις dazu.

a. φέβομαι Das Verb φέβομαι kommt bei Homer an 12 (Ilias 11, Odyssee 1) Stellen vor und hat die Bedeutung ‚fliehen‘, ‚auf der Flucht sein‘.787 Das Wort beschreibt in der Ilias immer das Fliehen im kriegerischen Kontext, viermal auch in Reden; in der Odyssee steht es im Kontext der Saalschlacht. Es begegnen vor allem die Formen (ἐ)φέβοντο (8 Stellen), z.B. in den Klauseln οἳ δὲ φέβοντο (Θ 342, Λ 178, am Versbeginn auch in χ 299) und οὐδ’ ἐφέβοντο (dreimal, z.B. E 527), und φέβεσθαι (zweimal in den Iteratversen ἀλλ’ ἄγ’ ἐμῶν ὀχέων ἐπιβήσεο, ὄφρα ἴδηαι / οἷοι Τρώϊοι ἵπποι, ἐπιστάμενοι πεδίοιο / κραιπνὰ μάλ’ ἔνθα καὶ ἔνθα διωκέμεν ἠδὲ φέβεσθαι (E 221–23, Θ 105–7)). An den meisten Stellen beschreibt φέβομαι das Fliehen einer Menge.788

786 Die Auswahl der Verben richtet sich nach den Auflistungen von Kurz (1966) 141–47 und Trümpy (1950) 212–30. Bei Letzterem sind auch die entsprechenden Substantive aufgezählt. Einige weitere Verben werden bei Homer in dem zu untersuchenden Bedeutungsfeld verwendet. Von diesen stehen ἀλυσκάνω und χωρέω oft im kriegerischen Kontext, sind aber in den Argonautika nicht belegt. Die Verben ἀλεείνω, ἀλύσκω und εἴκω können aus folgenden Gründen nicht zum typisch homerischen Kriegsvokabular gezählt werden: ἀλεείνω bezeichnet das Vermeiden und Ausweichen in Situationen verschiedenster Art und steht nur an 9 Ilias- von 26 Stellen (Ilias 19, Odyssee 7) im kriegerischen Kontext, davon siebenmal im Iteratvers ἂψ δ’ ἑτάρων εἰς ἔθνος ἐχάζετο κῆρ’ ἀλεείνων (z.B. Γ 32), in dem das Zurückweichen im Kampf durch χάζομαι beschrieben wird, während ἀλεείνω mit dem Objekt κῆρα verbunden ist (vgl. Trümpy (1950) 225: „ἀλεείνω […] hat dieselbe Bedeutung wie das eben besprochene Verb [sc. ἀλέομαι/ἀλεύομαι] wird aber überhaupt nie für eine Flucht im Kampfe verwendet.“). ἀλύσκω (34 Stellen (Ilias 11, Odyssee 23)) ist bei Homer meist mit abstrakten Begriffen wie Tod oder Schicksal verbunden und hat die Bedeutung ‚(dem Schicksal) entkommen‘, (mit dem Leben) davonkommen‘ (s. G. Knebel, LfgrE 1, 585, 8–9) in verschiedenen verhängnisvollen Situationen, die in der Ilias zwar in der Regel kriegerisch sind; die meisten Belegstellen finden sich aber in der Odyssee und stehen dort bis auf wenige Ausnahmen im nicht-kriegerischen Kontext. εἴκω ist bei Homer mit 47 Stellen (Ilias 31, Odyssee 16) sehr oft belegt, hat die Bedeutung ‚weichen, nachgeben‘ (R. Führer, LfgrE 2, 328, 31), ist aber nur an 13 Iliasstellen und 1 Odysseestelle im kriegerischen Kontext als ‚zurückweichen im Kampf‘ gebraucht. Das Verb wird außer für die konkrete Bewegung des Zurückweichens auch im übertragenen Sinne als ‚nachgeben‘ in verschiedensten Bereichen verwendet (R. Führer, LfgrE 2, 329, 5–36). 787 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 831, 42–43: „(aufgescheucht) weglaufen, fliehen, auf der Flucht sein“. 788 Kurz (1966) 141: „Ein spezielles Verbum für die Flucht im Kampf ist φέβεσθαι, das nur im Präsensstamm vorkommt (nie Partizip), am häufigsten in der Form φέβοντο (7mal) zur Bezeichnung der Massenflucht.“ 196

Nach Homer ist das Wort erstmals bei Apollonios belegt,789 und zwar an drei Stellen: In 2, 1056 begegnet die homerische Klausel οἳ δὲ φέβοντο (s.o.) in variierter Form; beschrieben wird die Flucht der Stymphalischen Vögel vor der Klapper des Herakles: αἱ δ’ ἐφέβοντο / τηλοῦ ἀτυζηλῷ ὑπὸ δείματι κεκληγυῖαι (2, 1056–57). Auffällig ist die Variation der homerischen Formel durch das feminine Subjekt. In 3, 1345 bezeichnet der Infinitiv φέβεσθαι das Fliehen der ehernen Stiere, nachdem sie beim Athlos von Jasons abgeschirrt und verscheucht wurden: Kαὶ τοὺς μὲν πεδίον δὲ διεπτοίησε φέβεσθαι· Wie bei Homer steht der Infinitiv am Versende. Wie in E 222–23, Θ 106–7 (s.o.), wo die Schnelligkeit der troischen Kriegspferde beschrieben wird, handelt es sich um das Fliehen von Tieren mit πεδίον als Richtungsangabe. Ein zweites Mal findet sich der Infinitiv im vierten Buch. Dort wird die Flucht Medeas, von Hera initiiert, als Alternative zu ihrem Tod genannt: Καί νύ κεν αὐτοῦ τῆμος ὑπὲρ μόρον ὤλετο κούρη φάρμακα πασσαμένη, Ἥρης δ’ ἁλίωσε μενοινάς, εἰ μή μιν Φρίξοιο θεὰ σὺν παισὶ φέβεσθαι ὦρσεν ἀτυζομένην. (4, 20–23)

Wie in 2, 1056 handelt es sich um die Flucht eines weiblichen Subjekts. Die Wendung φέβεσθαι ὦρσεν ἀτυζομένην enthält mehrere Anlehnungen an Formulierungen aus der homerischen Kriegssphäre: φέβεσθαι steht auch hier am Versende (s.o. zu 3, 1345). Das Partizip ἀτυζόμενος begegnet bei Homer an zwei Stellen im Kontext einer Flucht aus dem Kampf in Verbindung mit dem synonymen Verb φοβεῖσθαι: ἀτυζόμενοι φοβέοντο (Ζ 41, Φ 4).790 Die Initiative der Göttin, die Medea zur Flucht antreibt, wird durch die Form ὦρσεν ausgedrückt, die in der Ilias häufig das Anspornen der Krieger zum Kampf beschreibt, z.B. τότε δὲ Ζεὺς ὦρσε μάχεσθαι (Ν 794). Inhaltlich wiederholt die Szene eine Situation im dritten Buch, in der Medea ebenfalls durch Hera von ihren Selbstmordabsichten abgebracht wird (Ἥρης ἐννεσίῃσι μετάτροπος (3, 818).791 Das Wort ἐννεσίη taucht bei Homer nur einmal auf und bezeichnet auch dort den Ratschluss der Göttin Hera,792 der nach der Aussage des Zeus ihren Sohn Ares zu Kampf und Leid treibe: τώ σ’ ὀΐω κείνης τάδε πάσχειν ἐννεσίηισιν (E 894). Hera ist also dort indirekt eine Initiatorin kämpferischer Aktivität wie sie auch in den Argonautika die Handlungen Medeas in Gang setzt: Im dritten Buch führt die Initiative der Göttin dazu, dass Medea nicht sich selbst mit Gift tötet, sondern 789 Kurz (1966) 142: „Das Verbum ist auf die epische Sprache beschränkt.“ Bei LSJ s.v. sind nur Belege von Homer und Apollonios aufgeführt, worauf Kurz ebd., Anm. 65, hinweist. Allerdings kommt das Verb lt. TLG, Bd. VIII, 689–90 auch bei Quintus Smyrnaeus vor. 790 Hinweis auf diese Stellen auch bei Livrea (1973) 12. S. auch Hunter (2015) 88: „φέβεσθαι / ὦρσεν ἀτυζομένην again evokes the rout of Iliadic warriors, cf. e.g. Il. 6.41, 21.4.“ 791 Natzel (1992) 89 und 146, Knight (1995) 25–26. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen beiden Szenen arbeitet Hunter (1993) 65 heraus. 792 S. dazu Anm. 738. 197

Jason mit Zaubermittel hilft. Im vierten Buch verwendet Medea - auch hier von Hera umgestimmt (4, 24) - wiederum das Zaubermittel nicht, um sich zu vergiften, sondern um den Drachen, der das goldene Vlies bewacht, zu betäuben (4, 157–58).793 An beiden Stellen führt die Intervention der Göttin zu einer Handlung Medeas, die für das Unternehmen der Argonautika entscheidend ist und die jeweils sogar einen Kampf ersetzt: Im dritten Buch den Kampf gegen Aietes, im vierten Buch den Kampf gegen den Drachen.

Zusammenfassung An allen drei Belegstellen werden die bei Homer am häufigsten belegten Formen des Verbs φέβομαι verwendet. Die Bedeutung ist auch identisch. Der Kontext ist unterschiedlich, aber nie kriegerisch. Einen auffälligen Kontrast zur Kriegs- und damit auch maskulinen Sphäre bei Homer bilden die femininen Subjekte zu φέβομαι an zwei Stellen bei Apollonios. An einer dieser Stellen wird Medeas Flucht vor ihrem Vater und aus ihrer Heimat - hier als Hypothese - thematisiert. Im Zusammenhang mit dieser Flucht stehen auch mehrere andere Wörter des Fliehens und der Flucht (s.u.).

b. φεύγω Das Simplex φεύγω ist bei Homer an 139 Stellen (Ilias 94, Odyssee 45) belegt.794 Das Verb, das sehr oft in Reden begegnet (Ilias 54, Odyssee 35 Stellen), steht in der Ilias meistens im kriegerischen Kontext (75 Stellen). Dort geht es um die Flucht einzelner Krieger oder Truppen vor dem Feind, vor dem Kampf an sich oder vor dem Tod im Kampf.795 In der Odyssee sind die nicht-kriegerischen Stellen in der Überzahl, dort bezeichnet φεύγω oft eine Landesflucht (Flucht vor Blutrache).796

Bei Apollonios ist φεύγω mit 19 Stellen (das Simplex an 17, das Kompositum προφεύγω an 2 Stellen) am häufigsten von allen Wörtern des Fliehens und der Flucht belegt. Markante Parallelen zu homerischen Formulierungen finden sich nur wenige. Doch werden einige Junkturen wörtlich zitiert oder in variierter Form übernommen, z.B. in 4, 488–89, wo über den vernichtenden Kampf der Argonauten gegen die Kolcher berichtet wird: Οὐδ’ ἄρα τις κείνων θάνατον φύγε, πάντα δ’ 793 Ausführlich Fränkel (1968) 455. 794 Kurz (1966) 141: „Das allgemeinste und häufigste Verbum für ,fliehen‘ ist φεύγειν“. 795 Verbindungen des Verbs mit abstrakten Begriffen, die zur Kriegssphäre gehören, sind hier zur Verwendung im kriegerischen Bereich hinzugerechnet. Anders Trümpy (1950) 212: „Dabei zeigt das Verb bei Homer und später ganz unkriegerische Verwendungsmöglichkeiten. Nicht nur Gegner finden sich als Objekte, sondern - sogar in den meisten Fällen - Abstrakta, z.B. θάνατον, κῆρα, ὄλεθρον, πῆμα, κακότητα, νείκεα πατρός, πόλεμον (X 487).“ 796 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 861, 25–51: „Sondergebr. fliehen vor Blutrache, Nachstellungen von Machthabern od. δῆμος […] landflüchtig (im Exil, ἱκέτης) sein …“ In diese Kategorie fallen 3 Ilias- und 7 Odysseestellen. 198

ὅμιλον / πῦρ ἅ τε δηιόωντες ἐπέδραμον. Die Junktur θάνατον φυγεῖν bzw. φυγεῖν θάνατον taucht bei Homer an 14 Stellen (Ilias 8, Odyssee 6) auf. θάνατον φυγεῖν ist in hypothetischen Aussagen, oft in Reden, zu finden, das Verb steht meistens im potentialen Optativ.797 Ähnlich wie 4, 488 formuliert ist z.B. μήτε τις οὖν Τρώων θάνατον φύγοι (Π 98).798 Die umgekehrte Wortstellung φυγεῖν θάνατον dagegen begegnet zwar auch in Reden, aber immer in indikativischer Form in Analepsen, z.B. ἐξ αὖ νῦν ἔφυγες θάνατον (Λ 362, Υ 449, vgl. auch ἐξέφυγεν θάνατον bei Hesiod fr. 76, 22 und 35, 9 MW). Bei Apollonios weist dagegen der Tatsachenbericht θάνατον φύγε - in diesem Fall negiert - die Wortstellung auf, die bei Homer für hypothetische Aussagen verwendet wird. Ein singuläres Vorbild in der Odyssee hat die Junktur φυγεῖν μόρον in 3, 468; dort bittet Medea im Gebet an Hekate um Jasons Entkommen: Ναὶ δὴ τοῦτό γε, πότνα θεὰ Περσηί, πέλοιτο, / οἴκαδε νοστήσειε φυγὼν μόρον (3, 467–68).799 An der homerischen Parallelstelle erzählt Odysseus, wie er und seine Gefährten dem Tod bei den Kikonen entkamen: οἱ δ’ ἄλλοι φύγομεν θάνατόν τε μόρον τε (ι 61). Ein weiteres Mal taucht diese Junktur mit dem Kompositum προφεύγω in der Rede Jasons auf, in der er Medea verspricht, sie nach der Rückkehr in seine Heimat nicht zu vergessen:800 Καὶ λίην οὐ νύκτας ὀίομαι οὐδέ ποτ’ ἦμαρ / σεῦ ἐπιλήσεσθαι, προφυγὼν μόρον, εἰ ἐτεόν γε / φεύξομαι ἀσκηθὴς ἐς Ἀχαιίδα … (3, 1079–81). An beiden Stellen bezeichnet (προ)φεύγω μόρον Jasons wohlbehaltenes Entrinnen aus den Gefahren, die in Kolchis auf ihn lauern. Auf die Odyssee verweist die Junktur πέτρας φυγεῖν im Bericht über das Symplegaden-Abenteuer der Argonautika: Κυανέας πέτρας φύγον (2, 770). Denn mit Felsen als Objekt ist φεύγω zweimal in der Odyssee verbunden, und zwar im Bericht über die Flucht aus der felsigen Bucht der Laistrygonen (ἀσπασίως δ’ ἐς πόντον ἐπηρεφέας φύγε πέτρας / νηῦς ἐμή (κ 131–32)) und in der Skylla und Charybdis-Episode: πέτρας 797 So auch bei Theognis (θάνατον φύγοι (1, 727; 1187). Die Belegstellen bei Euripides stehen - auch in dieser Wortstellung - ebenso im hypothetischen Kontext, wenn auch nicht im Optativ (Or. 723, fr. 645, 2 Kannicht, fr. 66, 27 Austin). 798 Livrea (1973) 156: „Comunissima iunctura omerica, nelle piú varie combinazioni grammaticali e metriche, ma mai in questa forma precisa.“ 799 Hunter (1989) 149 interpretiert die zentrale Bedeutung dieser Stelle für die zukünftige Handlung und den Fortgang des Mythos: „The prayer to Hecate foreshadows the means by which Jason will ‚escape doom‘ and begins to prepare Medea to offer that help; it is, of course, precisely when Jason has got back safely to Greece that the power which Hecate gives Medea brings him real harm.“ 800 Hunter (1989) 217 zeigt die motivische Parallele zur Odyssee auf: „Jason’s opening verse picks up Odysseus’ promise to honour Nausicaa ‚for all days‘ in his last word to her (Od. 8.367–8), just as Medea had begun with an echo of Nausicaa’s last speech (1069).“ Vgl. Natzel (1992) 80, die nicht auf das homerische Vorbild eingeht: „Zunächst schwört er ewiges Gedenken - ein üblicher Topos, der noch nicht viel bedeutet.“ Wichtig hier die Feststellung Natzels („Bei allem Liebesgeplänkel denkt Jason stets an sich.“), wozu der Einschub προφυγὼν μόρον sozusagen als Bedingung für das Gedenken an Medea passt. 199

φύγομεν (μ 260, s. dazu unten). Apollonios übernimmt diese Junktur zwar in 2, 770 (vgl. auch 2, 414: τάσδ’ […] προφυγοῦσιν), variiert die Konstruktion aber an den folgenden anderen Stellen der Symplegaden-Episode: In der Rede des Phineus kommt die Variation durch den Einschub von σύνδρομα zustande: Ἢν δὲ φύγητε / σύνδρομα πετράων ἀσκηθέες ἔνδοθι Πόντου, /αὐτίκα […] νήσου Θυνηίδος ὅρμον ἵκησθε (2, 345–50). Diese Stelle verweist auf μ 260–62 aus der Skylla und Charybdis-Episode der Odyssee als Prätext: αὐτὰρ ἐπεὶ πέτρας φύγομεν δεινήν τε Χάρυβδιν / Σκύλλην τ’, αὐτίκ’ ἔπειτα θεοῦ ἐς ἀμύμονα νῆσον / ἱκόμεθ’. Auch dort steht φεύγω in Verbindung mit unheilbringenden Felsen. Ebenso wird an beiden Stellen nach der Flucht eine Insel angesteuert. An den folgenden beiden Stellen sind dem Verb präpositionale Ausdrücke beigestellt: In 2, 420–21 erhalten die Felsen mit ὀλοός ein Epitheton, das ihre verhängnisvolle Gefährlichkeit unterstreicht:801 Ὦ τέκος, εὖτ’ ἂν πρῶτα φύγῃς ὀλοὰς διὰ πέτρας, / θάρσει.802 Ähnlich formuliert ist 2, 616: διὲκ πέτρας φυγέειν. Im Kontext der Flucht Medeas wird die homerische Wendung φεύγω σὺν νηυσὶ, die eine Abfahrt mit dem Schiff beschreibt (B 74, 140, I 27, ähnlich I 47),803 durch Austausch der Präposition variiert: Ἀλλ’ ἐπὶ νηὶ / φεύγωμεν πρὶν τόν γε θοῶν ἐπιβήμεναι ἵππων (4, 85–86).804 Der Aspekt der Flucht kommt hier deutlicher als an den Homerstellen zum Ausdruck. In der Lemnos-Episode taucht das Verb in der Analepse über die Flucht des Thoas auf. Hier steht φεύγω wie auch oft bei Homer im effektiven Aorist und bedeutet ‚entkommen‘: λάρνακι δ’ ἐν κοίλῃ μιν ὕπερθ’ ἁλὸς ἧκε φέρεσθαι, / αἴ κε φύγῃ (1, 622–23).805 Unklar ist an dieser Stelle, ob Thoas dem Männermord entgeht. Ähnlich

801 ὀλοός dient bei Homer als Epitheton vor allem für μοῖρα und κήρ, aber auch für πῦρ, πόλεμος, πόνος, μάχη, φόβος. 802 Der Ausdruck διὰ πέτρας (s. auch 2, 412) ist vor Apollonios nur jeweils einmal bei Euripides (Iph. Taur. 355, 889–90) und Platon (Tim. 59 b 4, dort im physikalischen Zusammenhang) belegt. 803 φεύγω hat dort die abgeschwächte Bedeutung ‚abfahren, absegeln‘ und wird synonym mit Verben wie οἴχεσθαι oder νεῖσθαι gebraucht, s. H.W. Nordheider, LfgrE 4, 859, 57 zu B 74 „abfahren (Schadewaldt), den Rückzug antreten“ und 860, 57 zu B 140 und I 28 „fahren wir ab (Schadewaldt)“. 804 ἐπὶ νηί ist überliefert. Die Konjektur von Brunck ἐνὶ νηί wird von Vian (Bd. 3, 1981) 73 mit Hinweis auf 2, 397; 2, 960 und 3, 525 für richtig gehalten („fort. recte“), aber nicht übernommen. Livrea (1973) druckt ἐνὶ νηί ab. Hunter (2015) 95: „Brunck’s ἐνὶ νηί or Fränkel’s ἐπὶ νηί may be correct, as Ap. normally uses these forms.“ 805 Vgl. H.W. Nordheider, LfgrE 4, 861, 52–862, 4. Vgl. Fränkel (1968) 91 zu 2, 623: „,in der Hoffnung, dass er diese eigenartige Seereise lebend überstünde‘ […] φυγεῖν u.ä. kann nicht nur (a) für ein ‚Entgehen = nicht hineingeraten‘ gebraucht werden, wie z.B. θάνατον φυγεῖν, sondern auch (b) von dem glücklichen Bestehen einer Gefahr, die man tatsächlich durchgemacht hat“. 200

hypothetisch formuliert sind z.B. H 118–19, 173–74 (αἴ κε φύγησιν / δηΐου ἐκ πολέμοιο καὶ αἰνῆς δηϊοτῆτος).806 An mehrere Homerstellen klingt die Beschreibung der fliehenden Ares-Vögel an: αὐτίκ’ ἄρ’ οἵ γε / μυρίοι ἔνθα καὶ ἔνθα πεφυζότες ἠερέθοντο (2, 1081–82). Die Form πεφυζότες, die hier zum ersten Mal in der nachhomerischen Literatur wieder belegt ist, beschreibt in der Ilias viermal die vor Achill fliehenden Troer, z.B. in Φ 6: τῆι ῥ’ οἵ γε προχέοντο πεφυζότες.807 In Φ 10–11 wird das Fliehen der Troer als ein Sich-Zerstreuen geschildert: οἳ δ’ ἀλαλητῶι / ἔννεον ἔνθα καὶ ἔνθα ἑλισσόμενοι περὶ δίνας. Den Ausdruck ἔνθα καὶ ἔνθα setzt Apollonios zur Beschreibung der fliehenden Vögel ein. An den anderen Stellen begegnet φεύγω in Formulierungen ohne enge Parallelen zu Homer, z.B. in der Schilderung des Taube-Habicht-Vorzeichens: Τρήρων μὲν φεύγουσα βίην κίρκοιο πελειὰς / ὑψόθεν Αἰσονίδεω πεφοβημένη ἔμπεσε κόλποις (3, 541–42). Die Junktur φεύγω βίην ist bei Homer nicht belegt; doch begegnet dort zweimal die Wendung προφυγόντα μένος καὶ χεῖρας (Z 502, H 309) im kriegerischen Kontext. Das feminine Subjekt erinnert an die Flucht der Stymphalischen Vögel in 2, 1056 (αἱ δ’ ἐφέβοντο).808 Im Gegensatz zu ähnlichen homerischen Vogelzeichen wird in den Argonautika der schwache Vogel gerettet und findet Zuflucht, während der Raubvogel zu Fall kommt.809 Ein Synonymtausch liegt möglicherweise auch in 4, 1503 vor, wo der Tod des Mopsos geschildert wird: Ἔνθα καὶ Ἀμπυκίδην αὐτῷ ἐνὶ ἤματι Μόψον / νηλειὴς ἕλε πότμος· ἀδευκέα δ’ οὐ φύγεν αἶσαν / μαντοσύναις· οὐ γάρ τις ἀποτροπίη θανάτοιο (4, 1502–4).810 Die neue Junktur φύγεν αἶσαν verweist auf die häufige homerische Junktur φύγε κῆρα / (ὑπ)έκφυγε κῆρα (8 Stellen, z.B. οὐδὲ γὰρ οὐδὲ βίη Ἡρακλῆος φύγε κῆρα (Σ 117)). Auch mit weiteren Begriffen für ‚Schicksal, Los‘ oder ‚Untergang‘ ist φεύγω bei Homer verbunden, z.B. (ὑπεκ)φυγεῖν αἰπὺν ὄλεθρον (10 Stellen, Ilias 3, Odyssee 7, z.B. ἀλλά τιν’ οὐ φεύξεσθαι ὀΐομαι αἰπὺν ὄλεθρον (χ 67)).811

806 Diese Stellen nennen auch Ardizzoni (1967) 174 und Campbell (1981) 11. Vgl. außerdem: ἤν περ γὰρ πόλεμόν γε φύγηι πολύδακρυν Ἀχαιῶν (X 487) und κεῖνον μὲν ἐάσομεν, ἤ κεν ἁλώῃ / ἦ κε φύγῃ καί κέν οἱ ὑπέρσχῃ χεῖρα Κρονίων (ξ 183–84, v.l. εἴ κε φύγῃ). Inhaltlich ähnlich ist auch die Sorge Penelopes um Telemachos: ὁρμαίνουσ’, ἤ οἱ θάνατον φύγοι υἱὸς ἀμύμων (δ 789). 807 Zur etymologischen Erklärung der Form s. Trümpy (1950) 216, Anm. 614. 808 Eine Parallele ist auch Hesiod erg. 619–20 (Beschreibung von Gestirnen), mit femininen Subjekten, der Verbindung von φεύγω mit ,Kraft‘ als Objekt sowie πίπτω als folgende Handlung (wie in 3, 542): εὖτ’ ἂν Πληιάδες σθένος ὄβριμον Ὠρίωνος / φεύγουσαι πίπτωσιν ἐς ἠεροειδέα πόντον. 809 Knight (1995) 179 weist auf die Beschreibung eines Vorzeichens in Θ 247–52 hin, außerdem auf υ 242–43. Zur Interpretation des Vorzeichens in den Argonautika s. unter 14c. (φοβέω) und 16b. (βίη, zu 3, 541). 810 Zu ἀδευκέα s. Hunter (2015) 283: „‚bitter‘ or ‚unexspected‘“. 811 Vgl. außerdem φυγὼν μόρον in 3, 467–68 und 3, 1080 sowie θάνατον φυγεῖν in 4, 488. 201

Mit der Formulierung in χ 67 vergleichbar ist eine weitere Stelle bei Apollonios, an der das Entkommen aus einer Gefahr, die durch eine große Welle droht, beschrieben wird: οὐδέ κε φαίης / φεύξεσθαι κακὸν οἶτον (2, 171–72). Die Junktur κακὸς οἶτος (Ilias 4, Odyssee 3 Stellen) ist bei Homer oft mit Verben des Zugrundegehens im kriegerischen Kontext verbunden, z.B. dreimal im Formelvers οἵ κεν δὴ κακὸν οἶτον ἀναπλήσαντες ὄλωνται (z.B. Θ 34). Der Argonautikastelle ähnlich konstruiert ist ν 384: φθείσεσθαι κακὸν οἶτον.812 In 2, 654 bezeichnet φεύγω eine Landesflucht in einem Aition, in dem berichtet wird, dass Phrixos, der aus Orchomenos geflohen war, von dem Hirten Dipsakos aufgenommen wurde:813 … ὁππόθ’ ἅμα κριῷ φεῦγε πτόλιν Ὀρχομενοῖο. In dieser Bedeutung begegnet das Verb auch bei Homer, ebenso mit einer Ortsangabe als Objekt, z.B. πατρίδα φεύγων in o 228.814 Zu den neuen Wendungen φεύγω δόλον in 3, 191, κάκ’ ἐλέγχεα φεύγω in 3, 800 und ἐμῇ ἰότητι πεφυγμένον in 3, 1116 finden sich keine homerischen Parallelen und auch keine nachhomerischen Belege.815

812 Cuypers (1997) 187 weist auf dieselbe metrische Position der Junktur κακὸς οἶτος in Θ 34 sowie auf die Assonanz in ν 384 hin: „φθίσεσθαι κ.ο., of which Ap.’s φ.κ.ο. also reminds phonetically“. 813 Zum Kontext dieser Stelle vgl. Bernsdorff (2001) 78 und Fränkel (1968) 221, die auf den Kontrast zwischen der Haupthandlung, in der die Argonauten mit großer Kraftanstrengung rudern, um möglichst schnell voranzukommen, und dem idyllischen Bild des Hirten-Daseins des Dipsakos, der Phrixos Rast gewährt, aufmerksam machen. 814 S. Anm. 796. 815 Porzig (1942) 141–42 zählt die bei Homer belegten Objekte zu φεύγω auf. Erst wieder bei Plutarch begegnet φεύγει τὸν δόλον (soll. an. 977. B.9). - Die Junktur κάκ’ ἐλέγχεα begegnet bei Homer zweimal im Iteratvers αἰδώς, Ἀργεῖοι, κάκ’ ἐλέγχεα, εἶδος ἀγητοί (Ε 787, Θ 228), der jeweils den Anfang einer Kampfparänese bildet. So auch zu Beginn der Rede Athenes in Hesiods Theogonie (theog. 26). Die Verbindung mit φεύγω aber ist bei Apollonios singulär. - Das Partizip πεφυγμένον, mit dem Medea in 3, 1116 den durch ihren Willen entkommenen Jason bezeichnet, ist auch bei Homer belegt; jedoch ist die Verbindung mit ἐμῇ ἰότητι ohne Vorbild. Das Wort ἰότης ist in der Ilias (4 Stellen) immer der Wille oder Beschluss von Göttern. In der Odyssee bezeichnet es ausnahmsweise zweimal menschlichen Willen (λ 384, σ 234). In λ 384 ist dies der Wille Klytaimnestras, durch deren Initiative Agamemnon nach seiner Heimkehr den Tod findet. In den Argonautika handelt es sich ebenso um den Willen einer Frau, der aber das Gegenteil, nämlich die Rettung bewirkt. Jasons Rettung wird in 3, 786 noch einmal von Medea thematisiert, auch dort taucht die Wendung ἐμῇ ἰότητι auf: ὁ δ’ ἐμῇ ἰότητι σαωθεὶς / ἀσκηθής, ἵνα οἱ θυμῷ φίλον, ἔνθα νέοιτο (3, 786–87). Hunter (1989) 221 weist darauf hin, dass diese Verse auf Euripides’ Medea (446–626) hindeuten, wo es ebenso um die Rolle Medeas bei Jasons Rettung in Kolchis geht. Medeas Kräfte sind mit göttlichen Kräften vergleichbar, da Medea mit ihrer von Hekate verliehenen Magie Unbesiegbarkeit und Unverletzbarkeit bewirkt, was einer Götterintervention gleicht. 202

Zusammenfassung An mehreren Belegstellen übernimmt Apollonios homerische Junkturen, in denen φεύγω in übertragener Bedeutung mit Abstrakta verbunden ist wie z.B. θάνατον φυγεῖν, φυγεῖν μόρον. Zudem ist an mehreren Stellen eine variatio durch Synonymtausch erkennbar, z.B. φεύγουσα βίην, φύγεν αἶσαν und φεύξεσθαι κακὸν οἶτον. Das in der Odyssee belegte πέτρας φυγεῖν taucht mehrmals wörtlich oder variiert auf. Neue Junkturen in den Argonautika sind φεύγειν δόλον und κάκ’ ἐλέγχεα φυγοῦσα. Wenn es um das Entkommen aus lebensgefährlichen Situationen wie z.B. Schlacht, Athlos, Schlangenbiss geht, ist φεύγω mit Begriffen des Todes und negativen Schicksals verbunden: θάνατον, μόρον, αἶσαν, κακὸν οἶτον. Durch Negation fungieren dann Wendung wie Οὐδ’ ἄρα τις κείνων θάνατον φύγε und οὐδέ κε φαίης / φεύξεσθαι κακὸν οἶτον als Umschreibung für ‚sterben‘. In der Bedeutung ‚fliehen‘ als körperliche Bewegung hat das Verb oft Tiere oder weibliche Subjekte bei sich (stymphalische Vögel, Ares-Vögel, Taube, Medea). Nur eine Belegstelle steht im kriegerischen Kontext, und zwar in dem kurzen Bericht über den Sieg der Argonauten über die Kolcher. An drei Stellen ist das unversehrte Entkommen Jasons aus den Gefahren des Athlos Thema. Einmal geht es um die Flucht Medeas zusammen mit den Argonauten. Vier Stellen stehen im Kontext der Symplegaden-Episode, meistens in Reden. Noch an einer weiteren Stelle wird das Entkommen angesichts drohender Naturgewalten, d.h. Felsen und Wellen, beschrieben. Es zeigt sich wie bei anderen Ausdrücken der Flucht (s. auch unter φόβος), dass sich ein großer Teil des Belegmaterials auf Seefahrts-Szenen konzentriert.

c. φοβέω Das Verb φοβέω ist bei Homer an 39 Stellen (Ilias 38, Odyssee 1) belegt und hat im Aktiv die Bedeutung ‚jemandem einen Schreck einjagen, der ihn fliehen macht, in die Flucht schlagen‘, im Medium ‚aufgeschreckt fliehen‘.816 Die Komponente der Furcht entwickelte sich erst langsam ab der homerischen Zeit und schwingt daher selten in der Bedeutung mit.817 An den im Aktiv formulierten Stellen, die alle im kriegerischen Kontext stehen, ist meistens ein Gott (oder mehrere Götter) Subjekt, seltener ein Krieger (5 Stellen, z.B. Achill in Y 187), einmal ein Tier in einem Gleichnis (Λ 173), das eine Situation in der Schlacht illustriert. Im Medium kommt das Wort öfter als im Aktiv vor (Ilias 25 Stellen, Odyssee 1 Stelle). Bis auf die Odysseestelle π 163 (dort fliehen Hunde vor Athene) und Π 507 (Fluchtversuch der Pferde) stehen alle Stellen im kriegerischen

816 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 965, 53–59. Vgl. auch Trümpy (1950) 221–222. 817 Trümpy (1950) 222: „Die später so wichtige Bedeutung ‚Furcht‘ ist bei Homer eben noch am Rande aufgetaucht, …“. Kurz (1966) 142: „Von den drei Verben φεύγειν, φέβεσθαι und φοβεῖσθαι drückt φοβεῖσθαι schon in der Ilias den Aspekt des Schreckens und der Furcht am stärksten aus, auf den sich seine Bedeutung schließlich verengt.“ 203

Kontext, davon an 15 Stellen in Reden, viermal auch in einem Gleichnis, das auch in einen kriegerischen Kontext eingebettet ist (Ε 140, Μ 46, Φ 575, Χ 141).818

Bei Apollonios begegnet das Verb an 6 Stellen im Aktiv: In der Boxkampf-Szene scheucht Amykos Polydeukes, der ihm ausweicht: ὣς ὅ γε Τυνδαρίδην φοβέων ἕπετ’ οὐδέ μιν εἴα / δηθύνειν, ὁ δ’ ἄρ’ αἰὲν ἀνούτατος ἣν διὰ μῆτιν / ἀίσσοντ’ ἀλέεινεν (2, 74–76). Das Partizip φοβέων ist bei Apollonios zuerst belegt. Semantisch entspricht das Verb dem homerischen Gebrauch mit der Bedeutung ‚in die Flucht schlagen‘ im Sinne von ‚scheuchen, zum Ausweichen bringen‘.819 In der dargestellten Situation scheint es, als wäre Amykos, da er Polydeukes scheucht, im Vorteil, und Polydeukes würde nur auf seine Attacken reagieren.820 Wahrscheinlicher aber ist, dass es sich um die Taktik des Polydeukes handelt, der überlegter kämpft als der impulsive Amykos.821 Das Ausweichen des Polydeukes wird im Folgenden durch ἀλεείνω ausgedrückt, ein Verb, das bei Homer nicht als Ausweichen vor einem angreifenden Gegner im Kampf verwendet wird.822 Vergleichbar ist nur eine Stelle, an der Krieger Geschossen ausweichen: μεταπαυόμενοι δὲ μάχοντο, / ἀλλήλων ἀλεείνοντες βέλεα στονόεντα (P 373–74). In die Schilderung der Schlacht zwischen Argonauten und Bebrykern ist ein Gleichnis eingebettet, in dem die Argonauten mit Wölfen verglichen werden, die Schafe in ihren Ställen aufscheuchen: Ὡς δ’ ὅτ’ ἐνὶ σταθμοῖσιν ἀπείρονα μῆλ’ ἐφόβησαν / ἤματι χειμερίῳ πολιοὶ λύκοι ὁρμηθέντες / … (2, 123–24). In der Ant­ apodosis wird die Verbform wiederholt:823 ὣς ἄρα τοί γε / λευγαλέως Βέβρυκας ὑπερφιάλους ἐφόβησαν (2, 128–29). Die Verbindung von φοβέω mit einem Eigennamen als Objekt ist bei Homer gängig, z.B. … Δαναοὺς ἐφόβησε Κρονίων (Λ 406), ἐφόβησε δ’ Ἀχαιούς (P 596). Das Epitheton der Bebryker ὑπερφίαλος begegnet bei Homer an mehreren Stellen als Attribut der Troer, z.B. Τρῶας δ’ οὐ πρὶν λήξω 818 Trümpy (1950) 222: „Das Verwendungsgebiet des Stammes φεβ-/φοβ- ist auf jeden Fall viel enger als bei φεύγειν. Es ist beschränkt auf Kämpfe unter Kriegern und unter Tieren.“ Vgl. Kurz (1966) 142: „es ist jedoch nicht auf die Flucht im Kampf beschränkt“. 819 Cuypers (1997) 111 zur Bedeutung von φοβέων an dieser Stelle - Bezug nehmend auf das Scholion und die Übersetzung von Delage - : „,putting (him) up, to flight‘ (Σ: ταράσσων) rather than ‚trying to scare him‘ (so Delage) - and certainly not ‚scaring him‘.“ Hinweis darauf, dass φοβέων ein konkretes Verscheuchen, das den Gegner in Bewegung setzt, bezeichnet, gibt das folgende οὐδέ μιν εἴα / δηθύνειν. 820 Köhnken (1965) 113. 821 Vgl. Cuypers (1997) 111: „one might say that he has the initiative in letting Amycus have the initiative.“ Zur Methode des Polydeukes s. auch unter 16c. (κράτος/ κάρτος, zu 2, 77). 822 S. Anm. 786. 823 Drögemüller (1956) 52: „Die Gleichsetzung mit der Handlung […] kann bei der durch ἐφόβησαν (123, 129) stark betonten Parallelität mühelos vollzogen werden.“ Zur Antapodosis ebd. 54: „Λευγαλέως … ἐφόβησαν enthält den Ansatz zur letzten Stufe des Kampfes, die im Bienengleichnis dargestellt wird.“ 204

ὑπερφιάλους ἐναρίζων (Φ 224).824 Auch zum Gleichnis finden sich sprachliche und motivische Parallelen bei Homer, z.B. ein Gleichnis, in dem die vor Agamemnon fliehenden Troer mit Rindern verglichen werden, die ein Löwe scheucht: φοβέοντο βόες ὥς, / ἅς τε λέων ἐφόβησε μολὼν ἐν νυκτὸς ἀμολγῶι / πάσας (Λ 172–74). Wie bei Apollonios kommt in dieser Szene das Verb zweimal vor: In der Apodosis im Medium mit den Troern als Subjekt, im Gleichnis im Aktiv mit dem Löwen als Subjekt.825 Das homerische Gleichnis illustriert eine Flucht aus dem Kampf. Dagegen werden die Schafe im Gleichnis der Argonautika zusammengedrängt, ebenso die Bebryker, deren Flucht erst nach dem Bienengleichnis beschrieben wird: ὧς οἵ γ’ οὐκέτι δὴν μένον ἔμπεδον, ἀλλὰ κέδασθεν / εἴσω Βεβρυκίης, … (2, 135–36).826 Das Wort φοβέω bedeutet hier also eher ‚in Panik versetzen‘, hat also eine psychologisierende Tendenz, während das Moment der Bewegung in den Hintergrund tritt. Auffällig ist, dass in beiden längeren Schlachtbeschreibungen der Argonautika die Situation der unterlegenen Gegner mit einem Gleichnis illustriert wird. Beim Kampf gegen die Dolionen ist es das Gleichnis von Tauben und Habicht (1, 1049–50), in der Schlacht gegen die Bebryker das Gleichnis von Schafen und Wölfen.827 Unhomerisch ist ein Abstraktum als Subjekt zu φοβέω, wie es an drei Stellen in den Argonautika auftaucht. Diese Verwendung ist durch die semantische Entwicklung des Verbs zur Bedeutung ,erschrecken‘, ,in Panik versetzen‘ bedingt und taucht zuerst in der Tragödie auf, z.B. Aisch. Pers. (ἔκπληξις), Soph. OT 296 (ἔπος), Eur. Hipp. 572 (δύναμις), Soph. Phil. 864 (πόνος). In den Argonautika begegnen zwei Stellen in der Medea-Handlung: Schlimme Träume sind Subjekt in einer Rede Medeas: Δειλὴ ἐγών, οἷόν με βαρεῖς ἐφόβησαν ὄνειροι (3, 636). Lärm ist Subjekt in einem Gleichnis, das die aufgeschreckte Medea mit einer Hirschkuh vergleicht, die von Hundegebell in Panik versetzt wird: τρέσσεν δ’ ἠύτε τις κούφη κεμὰς ἥν τε βαθείης / τάρφεσιν ἐν ξυλόχοιο κυνῶν ἐφόβησεν ὁμοκλή (4, 12–13).828 An einer dritten Stelle erschreckt die ,Nacht des Verderbens‘ die Argonauten: αὐτίκα δὲ Κρηταῖον

824 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 146 macht darauf aufmerksam, dass das Attribut der Bebryker (ὑπερφίαλοι) nicht zu dem Bild der Schafe im Gleichnis passt und kommt zu dem Schluss „that the adjective in question was being used here in a concessive sense: ‚terrified the Bebryces into flight, arrogant though they were‘.“ 825 Cuypers (1997) 153 nennt drei Wolfsgleichnisse der Ilias als Modelle: Π 351–57, Ο 321–26, Ε 139–41. Reitz (1996) 43–45 vergleicht mit Π 352–55 (s. Anm 615). Mooney (1912) 161 weist auf Vergleiche von Kriegern mit Wölfen in Δ 471 und Π 156 hin. 826 Zum Bienengleichnis s. unter 4e. (κλονέω). 827 Diese Feststellung auch bei Rose (1984) 131 mit der Schlussfolgerung: „These images imply sympathy for the victims and condemnation of their victors.“ Zum Taube-Habicht-Gleichnis s. auch unter 14d. (τρέω). 828 Zu dieser Stelle s. auch unter 14d. (τρέω), zur gesamten Szene unter 14h. (φόβος). 205

ὑπὲρ μέγα λαῖτμα θέοντας / νὺξ ἐφόβει τήνπερ τε κατουλάδα κικλήσκουσιν / νύκτ’ ὀλοήν (4, 1694–96).829 Das Medium φοβέομαι taucht bei Apollonios an vier Stellen auf, davon dreimal als Perfektpartizip πεφοβημένος, das bei Homer auch dreimal begegnet (K 510, O 4, Φ 606) und immer Krieger beschreibt, die im Schlachtgeschehen auf der Flucht sind, einmal im hypothetischen Sinn (K 510).830 Bei Apollonios dagegen wird das Partizip an den folgenden Stellen für den Zustand des Erschreckt-Seins verwendet und steht nicht in Verbindung mit einer Flucht oder einem Entkommen. Das Verb wird also in der nachhomerischen Bedeutung verwendet, die z.B. auch bei Herodot (9, 70, 4) und Thukydides (z.B. 2, 89, 1) gängig ist:831 In 2, 176 sind die Argonauten der Gefahr der großen Welle bereits entgangen, als sie als πεφοβημένοι bezeichnet werden:832 … ἀσκηθεῖς μέν, ἀτὰρ πεφοβημένοι (2, 176). πεφοβημένοι bedeutet hier ‚voll Furcht’ oder ‚voll Schrecken‘ und steht dem vorhergehenden ἀσκηθεῖς μέν gegenüber. Im vierten Buch ist Jason πεφοβημένος, als er Medea folgt, die Hekate um Hilfe für den Raub des Vlieses anruft: Εἵπετο δ’ Αἰσονίδης πεφοβημένος (4, 149). Auch hier hat πεφοβημένος nachhomerische Bedeutung und beschreibt den angesichts des Drachen furchterfüllten Jason. Denn in der homerischen Bedeutung ‚auf der Flucht‘ würde das Partizip in einem direkten Gegensatz zu dem Prädikat εἵπετο stehen. Die Hilflosigkeit Jasons, sonst durch das Attribut ἀμήχανος angedeutet, wird hier drastischer als regelrechte Furcht beschrieben.833 Besonders im Hinblick auf die Kräfte Medeas, die mit Hilfe des Hypnos (4, 146) und der Hekate (4, 147) allein fähig ist, das Vlies aus der Bewachung des Drachen zu entwenden,834 wirkt Jason hilflos. Nur durch ihre Initiative und auf ihre Anweisung hin kann Jason das Vlies an sich nehmen, ist also nur ausführende Hand. In dieser Szene wird das im

829 Zu dieser Szene s. Glei (Bd. 2, 1996) 203, Anm. 148, und Hunter (2015) 306. 830 Cuypers (1997) 190 zählt auch die nachhomerischen Belegstellen des Partizips auf, u.a. eine Stelle in einem Hesiod-Fragment (fr. 165, 20 MW). 831 Vgl. LSJ s.v. B.II: „to be seized with fear, be affrighted“. 832 S. dazu auch unter 14b. (φεύγω, zu 2, 172). 833 Galinsky (1972) 108: „Jason’s amēchania, helplessness, is a leitmotif in the Argonautica.“ Vgl. Natzel (1992) 94: „Iason folgt πεφοβημένος (4,149), eine für ihn typische Reaktion.“ Anders Faerber (1932) 48: „über dem Bedürfnis, die Furchtbarkeit des Drachens anschaulich zu machen, hat der Dichter nicht bemerkt, daß er Jason auf diese Weise herabsetzte.“ Vgl. auch Hunter (2015) 102: „Jason’s ‚natural‘ fear, like that of the mothers of young babies (136–8), accentuates Medea’s supernatural powers and her protection of him.“ 834 Natzel (1992) 94–95: „Die Zauberszene ruft dem Leser ins Gedächtnis, daß Iason das Pflügen mit den Aresstieren und den Kampf mit den Erdgeborenen nur mit Medeas Hilfe bestehen konnte; auch der Drache ist ,erdgeboren‘ (4,151), und auch er kann - entgegen der Tradition - nur von Medea besiegt werden.“ 206

Athlos gezeigte Kräfteverhältnis noch gesteigert: Medeas Einfluss ist noch größer, Jason ist noch ohnmächtiger.835 In der Schilderung des Taube-Habicht-Vorzeichens wird die Taube als πεφοβημένη bezeichnet. Dort kommen mit φεύγω und φοβέομαι zwei Verben der Flucht vor: Τρήρων μὲν φεύγουσα βίην κίρκοιο πελειὰς / ὑψόθεν Αἰσονίδεω πεφοβημένη ἔμπεσε κόλποις (3, 541–42).836 πεφοβημένη als ‚fliehend‘ aufzufassen ist zwar möglich, doch wäre die Kombination mit φεύγουσα pleonastisch; daher ist auch hier eher die Bedeutung ‚voll Schrecken‘ anzunehmen. Die Kombination beider Verben findet sich auch bei Theokrit: Πενθεὺς μὲν φεῦγεν πεφοβημένος (eid. 26, 16). Motivisch und sprachlich lehnt sich die Schilderung des Vorzeichens an ein homerisches Gleichnis an, in dem der vor Achill fliehende Hektor mit einer Taube verglichen wird, die vor einem Habicht flüchtet. Auch dort kommt das Verb φοβέομαι vor, das aber eindeutig Bewegungscharakter hat und als ‚flüchten‘ aufzufassen ist: ἠΰτε κίρκος ὄρεσφιν, ἐλαφρότατος πετεηνῶν, ῥηϊδίως οἴμησε μετὰ τρήρωνα πέλειαν, ἣ δέ θ’ ὕπαιθα φοβεῖται, ὃ δ’ ἐγγύθεν ὀξὺ λεληκώς ταρφέ’ ἐπαΐσσει, ἑλέειν τέ ἑ θυμὸς ἀνώγει, … (X 139–42)

In der Ares-Vögel-Episode, in der φοβέομαι als finite Form auftaucht, sind beide Bedeutungs-Komponenten, sowohl die des Erschreckt-Seins als auch des Fliehens, enthalten: Nach dem Vorschlag des Amphidamas sollen die Ares-Vögel durch Waffenlärm und die Bewegungen der Argonauten erschreckt werden, damit sie fliehen:837 … ὄφρα κολῳὸν ἀηθείῃ φοβέωνται / νεύοντάς τε λόφους καὶ ἐπήορα δούραθ’ ὕπερθεν (2, 1064–65). Für die Schilderung der Flucht selbst wird in 2, 1082 das Partizip πεφυζότες verwendet. Die Ambiguität des Verbs an dieser Stelle spielt 835 Hutchinson (1988) 123: „Jason does not even kill the serpent that guards the Fleece. All depends on Medea. She makes the spell, elaborately evoked by the poet.“ S. auch ausführlicher zum Verhalten Jasons Natzel (1992) 94–95: „Weil Iasons Aristie trotz ihres Erfolgs nicht zum Ziel geführt hat, ist er nun erneut auf Medea angewiesen, und diesmal degradiert sie ihn zum bloßen Zuschauer.“ Hunter (1987) 132: „His complete dependence upon her, emphasised by εἵπετο δ’ Αἰσονίδης, πεφοβημένος …“. Diese Szene kommentiert auch Pike (1993) 32–33: „Probably the most vivid picture of the hero of this ,anti-epic‘ is to be found early in Book 4, where Jason and Medea confront the great serpent which guards the Golden Fleece.“ Schwinge (1986) 114 weist auf den naheliegenden Vergleich mit der Bezwingung der Schlange Ladon durch Herakles (4, 1395–1405) hin: „Im Gegensatz zu Jason jedoch überwindet Herakles nun die Schlange auf direktem Weg“; d.h. im Gegensatz zu Jason, „der sich ja der Hilfe einer fremden Person und deren Gifte bedient.“ 836 Zum Taube-Habicht-Vorzeichen s. auch unter 14b. (φεύγω) und ausführlicher 16b. (βίη), vgl. auch Hunter (1989) 156. 837 Fränkel (1968) 268: „Noch galt es, ehe man die Insel betrat, die gesamte Masse der Vögel aus ihren Nistplätzen aufzuscheuchen und wegzutreiben, und sie mußten dabei gründlich eingeschüchtert werden“. 207

auf den homerischen Gebrauch von φοβέομαι als ‚fliehen‘ an, wie auch die gesamte Episode auf homerische Kampfszenen anspielt.838

Zusammenfassung Die aktiven Formen von φοβέω beschreiben an den meisten Belegstellen nicht direkt das Bewirken einer Flucht, sondern das Erzeugen von Schrecken oder Panik: Der von Amykos gescheuchte Polydeukes weicht zwar aus, flieht aber nicht. Die Schafe im Gleichnis werden zusammengedrängt, ebenso die Bebryker, deren Flucht erst nach dem Bienengleichnis beschrieben wird. Auch Medeas Träume und die Nacht des Verderbens, die die Argonauten erschreckt, führen nicht direkt zur Flucht. Nur im Bild der Hirschkuh, mit der Medea, von Hera in Panik versetzt, verglichen wird, wird die bevorstehende Flucht angedeutet. Auch bei den medialen Formen schwingt der Aspekt der Flucht kaum in der Bedeutung mit. Als Jason beim Raub des Vlieses als πεφοβημένος bezeichnet wird, fehlt sie ganz. Die nachhomerische Bedeutung ,Furcht erregen‘ für φοβέω und ,sich fürchten‘ für φοβέομαι ist insgesamt vorherrschend. Unhomerisch ist zudem die Verwendung von Abstrakta als Subjekt des φοβεῖν und Auslöser des φοβεῖσθαι. Anlehnungen an homerische Szenen und Formulierungen finden sich an den beiden Belegstellen in der Bebryker-Episode, d.h. dort, wo auch der Kontext wie bei Homer kriegerisch ist.

d. τρέω Das Verb τρέω ist bei Homer an 24 Stellen (Ilias 23, Odyssee 1), Komposita eingeschlossen, belegt und steht an den meisten Stellen im kriegerischen Kontext, davon an 6 Iliasstellen in Reden. Die Grundbedeutung ist ‚zurückschrecken‘, wobei entweder die Komponente des Schreckens, Fürchtens oder die des Fliehens überwiegt.839 Im nicht-kriegerischen Zusammenhang beschreibt τρέω einmal das Erschrecken vor einer göttlichen Erscheinung (T 15), zweimal steht es in einem Gleichnis, das aber eine kriegerische Szene illustriert (Λ 554, Ρ 663). In der nachhomerischen Literatur wird das Verb ähnlich wie φοβέομαι in der Bedeutung ‚fürchten‘ verwendet.840

Das Simplex begegnet bei Apollonios zweimal:

838 S. dazu unter 15s. (Die Ares-Vögel-Episode). 839 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 613, 58–614, 64 nennt mit der Bedeutung „flinch in fear, be afraid“ 3 Iliasstellen, während er die anderen Belege der Bedeutung „withdraw, retreat, flee from a (perceived) source of danger“ zuordnet. Trümpy (1950) 223: „Daß das meist intransitive Verb bei Homer ‚fliehen‘ bedeutet, unterliegt keinem Zweifel.“ Kurz (1966) 143 stellt fest, dass τρεῖν im Unterschied zu φέβεσθαι und φοβεῖσθαι „überwiegend von Einzelpersonen ausgesagt“ wird. 840 LSJ s.v. II: „trans., fear, dread, be afraid of “. 208

In 4, 12 wird die erschreckte Medea, die sich zur Flucht anschickt, mit einer aufgescheuchten Hirschkuh verglichen: τρέσσεν δ’ ἠύτε τις κούφη κεμὰς …841 Bei Homer ist die Form τρέσσε zweimal belegt, steht am Versanfang und beschreibt die Flucht eines Kriegers aus dem Schlachtgeschehen (Λ 546, Ρ 603). In Λ 546 folgt wie bei Apollonios ein Gleichnis, in dem der fliehende Krieger mit einem Raubtier verglichen wird: τρέσσε δὲ παπτήνας ἐφ’ ὁμίλου θηρὶ ἐοικὼς. In 4, 1521–22 flieht Medea gemeinsam mit ihren Mägden vor einer Giftschlange: Ἀτὰρ Μήδεια καὶ ἄλλαι / ἔτρεσαν ἀμφίπολοι.842 Ähnlich formuliert ist die Flucht der Krieger nach dem Tod ihres Anführers in der Ilias: ἀτὰρ μεγάθυμοι Ἐπειοί / ἔτρεσαν ἄλλυδις ἄλλος, ἐπεὶ ἴδον ἄνδρα πεσόντα / ἡγεμόν’ ἱππήων (Λ 744–46). Hier steht ἔτρεσαν wie bei Apollonios am Versbeginn, an den 6 weiteren Stellen bei Homer jedoch vor der bukolischen Diärese. Vor der Folie der kriegerischen Fluchtszene wirkt die Flucht junger Mädchen vor einer Schlange dramatisch.843 Außer dem Simplex kommt bei Apollonios dreimal das Kompositum ὑποτρέω vor, das bei Homer die Bedeutung ‚fliehen‘ hat.844 Zwei Belegstellen finden sich in der Schilderung des Dolionenkampfes: In der Apodosis, in der die Flucht der Dolionen beschrieben wird, sowie in dem darauf folgenden Gleichnis, mit dem die Szene durch das Bild der vor Habichten fliehenden Tauben illustriert wird: Οἱ δ’ ἄλλοι εἴξαντες ὑπέτρεσαν, ἠύτε κίρκους / ὠκυπέτας ἀγεληδὸν ὑποτρέσσωσι πέλειαι (1, 1049–50).845 Im Vorbild-Gleichnis der Ilias liegt der Fokus auf dem Verfolger Achill 841 Zur Bedeutung von τρέσσεν an dieser Stelle s. Vian (Bd. 3, 1981) 147: „τρέω a le sens de ,fuir‘ que possède clairement ὑποτρέω en 1, 1049, 1050; 4, 1507.“ Vgl. Hunter (2015) 86 („she panicked, was terrified“), der die Bedeutung ‚fliehen‘ („The standard sens is ‚fled‘“) auch in Erwägung zieht, aufgrund der folgenden Erzählstruktur, in der das Fliehen in 4, 21 erwähnt wird, aber in Frage stellt. Ablehnend dagegen zur Bedeutung ‚zittern‘ aufgrund unzureichender Belege für diese Bedeutung. Nelis (1991) 250–51 zieht für die Bedeutung ‚fliehen‘ Verg. Aen. 6, 69–73 heran. Zu dieser Szene s. auch unter 14h. (φόβος, zu 4, 11) und 14c. (φοβέω, zu 4, 13). 842 Livrea (1973) 424 und Hunter (2015) 287 weisen auf die Parallele in der NausikaaEpisode der Odyssee hin: ἅμα τῇ γε καὶ ἀμφίπολοι κίον ἄλλαι (ζ 84). In dieser Szene geht es jedoch nicht um eine Flucht. Diese findet erst später statt, als die Mägde Odysseus sehen: τρέσσαν δ’ ἄλλυδις ἄλλη ἐπ’ ἠϊόνας προὐχούσας (ζ 138). In der Odyssee aber bleibt Nausikaa zurück, als ihre Mägde fliehen (οἴη δ’ Ἀλκινόου θυγάτηρ μένε (ζ 139)), während in den Argonautika Medea mit ihrem Mägden zusammen flieht. 843 Vian (Bd. 3, 1981) 135, Anm. 2: „Médée a aussitôt compris le danger et le caractère irrémédiable de la blessure…“ Dagegen Hunter (1987) 130: „they behave like ordinary young girls.“ 844 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 615, 18: „run away before source of danger“. 845 Ardizzoni (1967) 238 weist darauf hin, dass ὑπέτρεσαν in 1, 1049 an einer bei Homer gängigen metrischen Position steht: „nella stessa posizione, tra la cesura femminile e la dieresi bucolica, in cui ricorre sempre in Omero (O 636, P 275, 587, H 217).“ Das Motiv der vor einem Habicht fliehenden Taube findet sich bei Apollonios noch einmal im dritten Buch, wo diese Szene in der Haupthandlung 209

als Habicht, während der fliehende Hektor mit einer Taube verglichen wird: ἠΰτε κίρκος ὄρεσφιν, ἐλαφρότατος πετεηνῶν / ῥηϊδίως οἴμησε μετὰ τρήρωνα πέλειαν, / ἣ δέ θ’ ὕπαιθα φοβεῖται, … (X 139–41). Die Form ὑπέτρεσαν taucht bei Homer einmal in einem ähnlichen Kontext wie bei Apollonios auf: In einem Gleichnis werden die vor Hektor fliehenden Achaier mit Kühen verglichen, die vor einem Löwen fliehen: αἳ δέ τε πᾶσαι ὑπέτρεσαν· ὣς τότ’ Ἀχαιοί / θεσπεσίως ἐφόβηθεν ὑφ’ Ἕκτορι καὶ Διὶ πατρί / πάντες (O 636–38).846 An der dritten Belegstelle wird der Tod des Mopsos geschildert. Hier heißt es, die Schlange wäre wohl einem Flüchtenden nicht entgegengestürmt: οὐδ’ ἂν ὑποτρέσσαντος ἐνωπαδὶς ἀίξειεν (4, 1507). In Verbindung mit einem Verb des Verfolgens oder Angreifens steht τρέω auch einmal bei Homer, wo die Qualitäten des Aias als Verfolger Flüchtender gerühmt werden: οὐ γάρ οἵ τις ὁμοῖος ἐπισπέσθαι ποσὶν ἦεν / ἀνδρῶν τρεσσάντων (Ξ 521–22).

Zusammenfassung τρέω hat bei Apollonios die homerischen Bedeutung ‚fliehen‘. Sprachliche Anlehnungen und motivische Parallelen finden sich vor allem in der Fluchtszene der Dolionen-Episode. Aber auch die Flucht Medeas und ihrer Mägde in der Mopsos-Szene sowie Medeas Ansatz zur Flucht vor ihrem Vater erinnern sprachlich an homerische Kampfszenen. Auffällig oft ist τρέω mit weiblichen Subjekten verbunden wie Medea und ihren Mägden, der Hirschkuh und den Tauben im Gleichnis.

e. ἀλέομαι / ἀλεύομαι Das Verb ἀλέομαι / ἀλεύομαι kommt bei Homer an 27 Ilias- und 18 Odysseestellen vor und bedeutet ‚zu entgehen suchen, vermeiden‘, bezeichnet also eher ein Ausweichen als eine Flucht.847 In der Ilias steht das Verb meistens im kriegerischen Kontext (19 Stellen), seltener als Flucht aus dem Kampf,848 öfter als Ausweichen und Meiden von Geschossen und Feindesangriffen. Daher sind oft Wurfwaffen Objekt, z.B. im Formelvers ἀλλ’ ὃ μὲν ἄντα ἰδὼν ἠλεύατο χάλκεον ἔγχος (6 Iliasstellen, z.B. N 184, an weiteren 7 Stellen Speere und Geschosse). An einigen Stellen bedeutet ἀλέομαι / ἀλεύομαι ‚dem Tod/ Verderben entkommen‘, z.B. in der Formel ἀλεύατο κῆρα μέλαιναν (4 Iliasstellen, z.B. Γ 360), oder ‚den Zorn der Götter meiden‘ (4 Stellen, z.B. E 444). 7 Iliasstellen finden sich in Reden. In der Odyssee ist der Kontext meist nicht kriegerisch, sondern bezieht

als positives Vorzeichen gedeutet wird. S. dazu unter 14b. (φεύγω, zu 3, 541) und ausführlicher 16b. (βίη, zu 3, 541). Vgl. auch Hunter (1989) 156. 846 Hinweis auf dieses Gleichnis bei Glei (Bd. 1, 1996) 99 und Mooney (1912) 134. 847 G. Knebel, LfgrE 1, 474, 52, 474, 67–68 und 475, 15–16 differenziert zwischen der Bedeutung im Präsensstamm („‚zu entgehen suchen‘, ‚meiden‘“), im Aoriststamm („‚vermeiden‘, ‚zu vermeiden suchen‘“) und im Perfektstamm („‚entgehen‘, ,entkommen‘“). Vgl. Ebeling s.v.: „Devito ut me tuear“. 848 Trümpy (1950) 225: „Nur ganz wenige Stellen betreffen die Flucht im Kampfe.“ 210

sich auf anderweitig gefährliche Orte und Situationen (Insel des Helios, Sirenen, Götterzorn), meist in Reden. In nachhomerischer Zeit verliert ἀλέομαι/ἀλεύομαι den Bezug zur Kriegssphäre völlig. Schon in den opera Hesiods bezeichnet das Verb das Meiden bestimmter Zeiten und Situationen bei der Landarbeit (z.B. erg. 446, 505).

Bei Apollonios ist ἀλέομαι / ἀλεύομαι an 7 Stellen belegt und hat viermal die zu vermeidende Person oder Sache als Objekt bei sich. Nur die Verbindung mit χεῖρας im Bericht über den Tod des Argonauten Kanthos hat ein homerisches Vorbild: Der Hirte Kaphauros, heißt es, sei den Argonauten nach seiner Tat nicht entkommen: Oὐδ’ ὅ γ’ ἀριστήων χαλεπὰς ἠλεύατο χεῖρας, / ὡς μάθον οἷον ἔρεξε (4, 1498–99). Die Parallelstelle in der Ilias, an der Poseidon vor der Stärke des Zeus gewarnt wird, ist mit dem Kompositum ὑπεξαλέομαι formuliert: σὲ δ’ ὑπεξαλέασθαι ἀνώγει / χεῖρας (O 180–81). Die Form ἠλεύατο ist bei Homer sechsmal in dem Iteratvers ἀλλ’ ὃ μὲν ἄντα ἰδὼν ἠλεύατο χάλκεον ἔγχος (z.B. N 184, ähnlich auch X 274) zu finden.849 An drei weiteren Belegstellen ist ἀλέομαι / ἀλεύομαι mit Objekten verbunden: In 3, 885–86 ist es Medeas Blick, dem die Leute in der Stadt ausweichen: ὣς αἵ γ’ ἐσσεύοντο δι’ ἄστεος, ἀμφὶ δὲ λαοὶ / εἶκον ἀλευάμενοι βασιληίδος ὄμματα κούρης. An der Stelle feindlicher Krieger oder Waffen, des Todes oder des Götterzorns, die bei Homer sonst, vor allem in der Ilias, Objekt sind, steht der Blick Medeas, der ebenso eine gefährliche Kraft ausstrahlt.850 Vergleichbar ist eine Stelle in der SirenenEpisode der Odyssee, wo die Stimme der Sirenen Objekt des ἀλεύασθαι ist (μ 159). In einem Stundenbild, das den frühen Morgen des Aufbruchs zum Goldenen Vlies illustriert, meiden die Jäger die Morgenröte: οἵ τε […] οὔ ποτε νύκτα / ἄγχαυρον κνώσσουσιν, ἀλευάμενοι φάος ἠοῦς (4, 110–11).851

849 Hinweis auf diese Stellen auch bei Livrea (1973) 419, außerdem auf homerische Parallelen zum Hyperbaton χαλεπὰς […] χεῖρας (vgl. auch 4, 39), z.B. χαλεπὴ […] μῆνις (E 178, N 624). 850 So Hunters (1989) 196 Interpretation: „The people avoid Medea’s gaze not just out of deference to a princess, but for fear of the magical powers she carries in her eyes.“ Ebenso Schaaf (2014) 162, der die Szene als „Fingerzeig sowohl auf die magischen Helios-Augen der Medea überhaupt, als auch im konkret-proleptischen Sinne auf die unheimliche Bezwingung des Talos“ in 4, 1669–70 versteht. Anders dagegen Fränkel (1968) 397, der das Vermeiden des Blickkontaktes nur auf die „königliche Würde von Medeas Erscheinung“ bezogen sieht (vgl. besonders ebd. Anm. 107), nicht aber auf ihren blendenden Blick, der von ihrer Abstammung vom Sonnengott Helios oder gar von ihrer magischen Wirkung herrührt. Hunter (1993) 65 weist auf den Kontrast der beiden Szenen im dritten und im vierten Buch hin, in denen Medea jeweils den Palast verlässt: „in Book 3 the people looked away for fear of catching her eye, but in Book 4 she must cover her face for fear of being seen.“ 851 Fränkel (1968) 463 weist auf ähnliche Bilder für die Morgenstunde bei Pindar (Pyth. 9, 23–26) und Euripides (Eur. Bakch. 692) hin und beurteilt die „Beziehung des Bildes zur Erzählung“ als „auffallend locker“. Drögemüller (1956) 144 hält eine durch das Bild hervorgerufene „Assoziation der beginnenden kolchischen 211

In 4, 340 bezeichnet νεῖκος als Objekt die kriegerische Auseinandersetzung mit den Kolchern, die durch den Vertrag umgangen wurde: ἀλλὰ πάροιθεν / συνθεσίῃ μέγα νεῖκος ἀλευάμενοι, ἐτάμοντο … (4, 339–40). Auffällig ist die Junktur μέγα νεῖκος ἀλευάμενοι,852 da μέγα νεῖκος bei Homer fast immer mit ὄρνυμι, das als ‚sich erheben, ausbrechen, entstehen‘ gegenteilige Bedeutung hat, verbunden ist (5 Stellen, 3 Ilias, 2 Odyssee, z.B. δὴ γὰρ μέγα νεῖκος ὄρωρεν (N 122). Hier zeigt sich wie an vielen weiteren Stellen in den Argonautika das Prinzip der Kampfvermeidung auf Seiten der Argonauten.853 An drei Stellen wird eine Flucht oder das Vermeiden von Situationen ohne bestimmtes direktes Objekt beschrieben: Im Argonautenkatalog wird die Landesflucht der Aiakos-Söhne Telamon und Peleus, die ihren Bruder Phokos töteten, erwähnt: Τοῖσι δ’ ἐπ’ Αἰακίδαι μετεκίαθον […] νόσφιν γὰρ ἀλευάμενοι κατένασθεν / Αἰγίνης, ὅτε Φῶκον ἀδελφεὸν ἐξενάριξαν / ἀφραδίῃ (1, 90–93). ἀλεύομαι hat hier also die Bedeutung ‚fliehen‘.854 Beim Mord an Apsyrtos versucht Medea vergeblich das Besudeln ihres Gewandes mit dem Blut ihres Bruders zu vermeiden: τῆς δὲ καλύπτρην / ἀργυφέην καὶ πέπλον ἀλευομένης ἐρύθηνεν (4, 473–74). Diese Handlung symbolisiert Medeas Versuch, sich auch der Schuld des Mordes an ihrem Bruder zu entziehen.855 Ein Vermeiden oder Ausweichen bezeichnet das Verb auch in Heras Rede zu Thetis, in der sie erklärt, Thetis sei aus Angst vor ihr einer Verbindung mit Zeus aus den Weg gegangen: οὐκ ἔτλης εὐνῇ Διὸς ἱεμένοιο / λέξασθαι […], ἀλλ’ ἐμέ γ’ αἰδομένη καὶ ἐνὶ φρεσὶ δειμαίνουσα / ἠλεύω (4, 793–97). Darauf weist auch das parallel gesetzte οὐκ ἔτλης hin.

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Verfolgung“ für möglich. Vgl. dagegen Hunter (2015) 97: „An elaborate timedescription […] has, as often, some of the functions of a simile: Medea and Jason are indeed like hunters eager to secure their prey before the sun comes up.“ Eine homerische Parallele mit einem Verb des Vermeidens wäre I 448 in der Rede des Phoinix (φεύγων νείκεα πατρὸς). Vgl. z.B. in Jasons Rede im 3. Buch, s. dazu unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). DGE s.v. I.2 („retirarse, alejarse“) mit Angabe der Apolloniosstelle. Mooney (1912) 75 („fleeing for their lives they settled far from Aegina“) verweist auf E 28 als sprachliche Parallele: Τρῶες δὲ μεγάθυμοι ἐπεὶ ἴδον υἷε Δάρητος / τὸν μὲν ἀλευάμενον, τὸν δὲ κτάμενον (E 27–28). Zum symbolischen Gehalt dieser Befleckung s. Fränkel (1968) 498: „Apsyrtos […] beschmierte damit die beiden Gewandstücke seiner Schwester, um ihr physisch und symbolisch den Makel anzuheften.“ Natzel (1992) 105: „Medea […] wird aber dennoch vom Blut des Ermordeten bespritzt - ein Umstand, dessen Symbolik kaum der Erklärung bedarf.“ Hunter (2015) 148: „The deliberateness of Apsyrtos’ staining of Medea, his marking of her with blood-guilt and with the blood that will remain visible to the Fury (475–6), contrasts with the blood that covered Clytemnestra at the killing of her husband“. S. dazu auch Schaaf (2014) 276–78.

Zusammenfassung ἀλέομαι / ἀλεύομαι begegnet bei Apollonios nur einmal in homerischer Bedeutung als ‚ausweichen‘, ‚entkommen‘ im konkreten Sinn (ἠλεύατο χεῖρας) in Anlehnung an eine homerische Parallelstelle. Sonst bezeichnet das Verb wie in nachhomerischer Zeit ein Meiden von Objekten und Situationen verschiedenster Art. Dabei tritt der Aspekt der körperlichen Bewegung, der bei Homer immer mitschwingt, in den Hintergrund.

f. (ἀνα)χάζομαι Das Verb (ἀνα)χάζομαι kommt bei Homer oft in der Ilias (42 Stellen), aber nur selten in der Odyssee vor (2 Stellen) und hat die Bedeutung ‚(zurück)weichen, sich zurückziehen‘.856 Die Belege in der Ilias finden sich in der Kampfessphäre. Neunmal begegnet die Formel ἂψ δ’ ἑτάρων εἰς ἔθνος ἐχάζετο (z.B. Γ 32), die das „Zurückweichen eines Einzelkämpfers“ beschreibt.857 Die Odysseestellen stehen nicht im kriegerischen Kontext, sondern bezeichnen ein räumliches Zurücktreten oder Zurückweichen im allgemeinen Sinn.858 An 10 Stellen steht (ἀνα)χάζομαι in Reden, die meist Aufforderungen enthalten (8 Stellen), z.B. im Imperativ χάζεο (4 Stellen, z.B. E 440).

Von den sechs Belegstellen bei Apollonios wird das Verb zweimal als Aufforderung verwendet: Medea gibt Jason Anweisungen im Zusammenhang mit dem Athlos und fordert ihn zunächst auf, nach einer Opferhandlung von Hekates Altar zurückzutreten: ἂψ ἀπὸ πυρκαϊῆς ἀναχάζεο (3, 1038). Vergleichbar ist die Anweisung des Teiresias an Odysseus in der Nekyia der Odyssee: ἀλλ’ ἀποχάζεο βόθρου (λ 95), vgl. auch ἀναχασσάμενος (λ 97). Weiterhin ermahnt Medea Jason, im Athlos selbst nicht zurückzuweichen oder nachzulassen, da die Wirkung der Zaubermittel nur einen Tag lang anhalte: σύ δε μή ποτ’ ἀέθλου / χάζεο (3, 1050–51). Die Konstruktion mit Genetiv-Objekt begegnet in homerischen Kampfschilderungen, z.B. μίνυνθα δὲ χάζετο δουρός (Λ 539), Δαναοὶ χάζοντο κελεύθου (M 262), νεκροῦ χάζεσθαι ἀνώγει (P 357), besonders aber in der Aufforderung μὴ δή πω χάζεσθε μάχης (O 426). An diesen Iliasstellen bezeichnet χάζομαι als Verb der Bewegung einen konkreten

856 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 1087, 47. Trümpy (1950) 228 zählt χάζομαι zu den Verben mit der Bedeutung ‚sich zurückziehen‘ und grenzt es gegen die Verben des Fliehens ab: „Während ein Fliehender kampfunfähig ist, kann auf einem Rückzuge noch gekämpft werden, wie etwa E 605 f. zeigt.“ Ebenso Kurz (1966) 144: „Das Zurückweichen wird als besondere Situation von der Flucht unterschieden; häufigste Bezeichnung ist das Verbum (ἀνα)χάζεσθαι.“ S. auch die Analyse des homerischen Gebrauchs bei Kurz 144–46. 857 Kurz (1966) 144. Trümpy (1950) 228: „Das Verb […] ist fast ganz auf die kriegerische Sphäre beschränkt.“ 858 Vgl. Kurz (1966) 144, Anm. 78, zu den Odysseestellen. 213

Rückzug bzw. ein Ausweichen.859 Nur in Λ 539 ist auch eine übertragene Auffassung möglich,860 zu der auch die Wendung ἀέθλου χάζεο tendiert, die ein Nachlassen in der Kampftätigkeit ausdrückt. In 3, 1319–20 wird berichtet, wie Kastor und Polydeukes sich nach einer Hilfestellung für Jason beim Athlos zurückziehen: Καὶ τὼ μὲν ὑπὲκ πυρὸς ἂψ ἐπὶ νῆα / χαζέσθην· Inhaltliche und sprachliche Parallele ist die o.g. homerische Formel ἂψ δ’ ἑτάρων εἰς ἔθνος ἐχάζετο. An beiden Stellen wird der Rückzug in eine sicherere Umgebung (Menge der Gefährten / Schiff) beschrieben. Unhomerisch ist dagegen die Verbindung von χάζομαι mit dem Infinitiv im Sinne von ‚zögern zu …‘ in 4, 190, wo Jason zur Heimfahrt auffordert: Μηκέτι νῦν χάζεσθε, φίλοι, πάτρην δὲ νέεσθαι·861 Sprachlich vergleichbar und metrisch analog ist Ο 426 (μὴ δή πω χάζεσθε μάχης (s.o.)).862 Während dort aufgefordert wird, nicht (räumlich) aus dem Kampf zu weichen, wird in den Argonautika das Zögern angesichts einer Handlung bezeichnet. Der Bewegungscharakter des Verbs ist dabei nicht mehr erkennbar. Ebenso übertragen wird χάζομαι im 1. Buch gebraucht, wo Jason Hypsipyles Angebot, König von Lemnos zu werden, ablehnt: ἔγωγε μὲν οὐκ ἀθερίζων / χάζομαι, ἀλλά με λυγροὶ ἐπισπέρχουσιν ἄεθλοι (1, 840–41). Ein rein lokales Ausweichen ist dagegen wiederum in 4, 1241 beschrieben. Doch Subjekt ist nicht, wie grundsätzlich bei Homer, eine Person, sondern die Meeresflut: … καὶ γάρ τ’ ἀναχάζεται ἠπείροιο / ἦ θαμὰ δὴ τόδε χεῦμα, … (4, 1241–42). Zur Kon­ struktion mit Genetiv-Objekt s. zu 3, 1050–51. 859 S. z.B. H.W. Nordheider, LfgrE 4, 1088, 26–31 zu O 426 (μάχης): „weicht nicht von Kampf (platz)“. Das Zurückweichen vom Kampf als Tätigkeit wird dagegen mit anderen Verben konstruiert: „ἔσχοντο / παυσώμεσθα / οὐδ’ ἀπέληγε / ὑπόεικε / μεθιέντα μάχης, sc. ‚Kampftätigkeit‘“. Vgl. auch Kurz (1966) 145: „Das Zurückweichen ist der in Bewegung umgesetzte Ausdruck seiner Unterlegenheit“. Trümpy (1950) 228: „Das Verb wird immer für eine konkrete Rückwärtsbewegung verwendet …“ 860 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 1088, 56–1089, 2: „wich, ließ nur wenig ab vom Speer (sc. dem eigenen, jew. wenn er ihn geworfen hatte […], od. ließ es nur wenig am Speer(kampf) fehlen […] od. wich nicht vom Speer (der Gegner) zurück, hielt sich nur wenig aus Speerwurfweite?“ 861 Zur varia lectio φράζεσθαι s. Livrea (1973) 68, der als Parallele für die Konstruktion χάζομαι mit Infinitiv Eur. Or. 1116 nennt: δις θανεῖν οὐ χάζομαι. Dagegen LSJ s.v. χάζω B.2: „οὐχ ἅζομαι, οὐχ ἅζεται (not οὐ χάζ-) shd. be written in E.Or. 1116, Alc. 326, A.Eu.389“. 862 Möglicherweise mit Bezug auf diese Iliasstelle Vian (Bd. 3, 1981) 154: „Le premier hémistiche du vers sonne comme un appel au combat: il prélude ici en réalité à la fuite:“ Ähnlich Hunter (2015) 107: „in Il. this verb is standardly used of withdrawing or slinking away from the fighting: Jason thus begins (and then continues) as if exhorting his men to combat, rather than to a ‚hasty getaway‘; the unparalleled use of χάζεσθαι with an infinitive is a syntactic marker of the paradoxical surprise of πάτρηνδε νέεσθαι, which may make us think of speeches such as Agamemnon’s deception-speech urging retreat (Il. 2.137–41).“ Zur Rede Jasons vor der Rückfahrt s. auch Anm. 311 und 317. 214

Zusammenfassung Im homerischen Sinn beschreibt (ἀνα)χάζομαι in den Argonautika an drei Stellen ein konkretes räumliches Zurückweichen, wobei aber das Sachsubjekt in 4, 1241 unhomerisch ist. An drei Stellen zeigt sich ein Wechsel zur übertragenen Bedeutung, die von der körperlichen Bewegung weg bis hin zur rein psychischen Haltung des Zögerns führt (4, 190). Mit dieser Bedeutung ist das Verb ist nur einmal in der Tragödie belegt und dort in zweifelhafter Lesart.863 Möglicherweise führt Apollonios hier eine semantische Neuerung ein. Der Kontext ist nie kriegerisch, eine Stelle bezieht sich aber auf Jasons Kampf im Athlos.

g. ἀλεωρή Das von dem Verb ἀλέομαι / ἀλεύομαι abgeleitete Substantiv ἀλεωρή ist bei Homer an vier Iliasstellen belegt (in Π 134 nur als varia lectio) und bezeichnet immer das Entkommen aus dem kriegerischen Kampf oder die Abwehr feindlicher Krieger oder Geschosse,864 dreimal auf der Erzählebene, einmal in einer Rede.

Apollonios verwendet das Wort zweimal: In 1, 694 bezeichnet ἀλεωρή einen Ausweg für die lemnischen Frauen aus der schicksalhaften Lage der Kinderlosigkeit: νῦν γὰρ δὴ παρὰ ποσσὶν ἐπήβολός ἐστ’ ἀλεωρή, / εἴ κεν ἐπιτρέψητε δόμους καὶ ληίδα πᾶσαν / ὑμετέρην ξείνοισι καὶ ἀγλαὸν ἄστυ μέλεσθαι (1, 694–96). Der Umgang mit den Argonauten, durch den diese ἀλεωρή nach dem Ratschlag der alten Polyxo erreicht werden soll,865 steht im Kontrast zur kriegerischen Abwehr, für die ἀλεωρή bei Homer gebraucht wird und zu der die Lemnierinnen sich angesichts der Landung der Argonauten zunächst rüsten (1, 633–39). In 4, 1045 ist ἀλεωρή in der Rede Medeas der Beistand, den sie von den Argonauten zum Schutz vor dem Tod durch ihren eigenen Vater erwartet: … οὐκ ἀλεωρὴν / ἄλλην, οἰόθι δὲ προτιβάλλομαι ὑμέας αὐτούς (4, 1045–46). An beiden Stellen bezeichnet ἀλεωρή die Abwehr eines schlimmen Schicksals von Frauen, nicht wie bei Homer die direkte Abwehr feindlicher Angriffe durch kriegerische Aktivität.

h. φόβος Das Wort φόβος kommt wie viele andere Flucht-Wörter fast nur in der Ilias vor (Ilias 39 Stellen, Odyssee 1 Stelle). Es hat dort die Bedeutung ‚Panik (die zur Flucht führt),

863 S. Anm. 861. 864 F. Scholz, LfgrE 1, 476, 48–49: „1. Vermeidung → Abwehr (c. gen.), 2. Vermeidung → Entkommen“. Trümpy (1950) 226: „ἀλεωρή bedeutet an einer Stelle ‚Flucht, Entweichen im Kampfe‘: Ω 216 […] An den anderen Stellen ist das Wort mit ‚Schutz‘ zu übersetzen, also ist auch hier das Element der Bewegung vergessen.“ 865 Mooney (1912) 113 übersetzt: „a way of escape lies open to you“. 215

Flucht‘.866 Es handelt sich dabei immer um eine Flucht aus dem Kampf.867 Erreger des φόβος ist oft ein Gott oder Krieger, so dass Wendungen wie Ζεὺς […] ἐν φόβον ὦρσε (Λ 544) meist einen Wendepunkt im Kampf markieren.868 Die Figur des Dämons Φόβος tritt an 5 Stellen als Metonymie in Erscheinung. Außerdem wird φόβος formelhaft für die Funktionsbeschreibung von Kriegern verwendet: μήστωρα / μήστωρε φόβοιο (6 Stellen z.B. Z 97). An 11 Stellen (Ilias 10, Odyssee 1) begegnet das Wort in Reden. In der nachhomerischen Literatur erhält φόβος die Bedeutung ‚Furcht‘.869

Bei Apollonios heißt φόβος wie in der nachhomerischen Literatur ,Furcht‘. Zwei von acht Stellen begegnen in der Symplegaden-Episode: Nach der Durchfahrt (Οἱ δέ που ὀκρυόεντος ἀνέπνεον ἄρτι φόβοιο (2, 607)) sowie in der folgenden Rede Jasons: Ἀλλ’ ὅτε πέτρας / Πληγάδας ἐξέπλωμεν, ὀίομαι οὐκέτ’ ὀπίσσω / ἔσσεσθαι τοιόνδ’ ἕτερον φόβον, … (2, 644–46).870 An mehreren Stellen bezeichnet φόβος die Furcht Medeas: In 3, 633–34 wird sie von einem Traum aufschreckt: Παλλομένη δ’ ἀνόρουσε φόβῳ, περί τ’ ἀμφί τε τοίχους / πάπτηνεν θαλάμοιο·871 Die psychologische Komponente ist hier besonders ausgeprägt, der Aspekt der Flucht dagegen gar nicht mehr vorhanden. Mit ähnlichen Worten klagt Medea dann in 3, 636 über ihre Träume: … με βαρεῖς ἐφόβησαν ὄνειροι.872 In 4, 11–13 gibt Hera Medea Furcht ein und veranlasst sie damit zur Flucht:873 Τῇ δ’ ἀλεγεινότατον κραδίῃ φόβον ἔμβαλεν Ἥρη· τρέσσεν δ’ ἠύτε τις κούφη κεμὰς ἥν τε βαθείης τάρφεσιν ἐν ξυλόχοιο κυνῶν ἐφόβησεν ὁμοκλή.

866 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 969, 25–30: „Panik (=Schrecken, der fliehen macht), Flucht […] bez. die ‚seel.‘ Ursache / Emotion durch die äußerl. sichtbare Wirkung / Körperbewegung (also komplexe Vorstellung: Panik“. LSJ s.v. I.1: „panic flight, the usual sense in Hom.“. Trümpy (1950) 219: „φόβος ist das zentrale Wort für ‚Flucht‘ bei Homer und damit nicht nur Nomen zu φέβομαι, sondern in suppletiver Weise auch zu φεύγω.“ 867 Trümpy (1950) 219: „Es handelt sich immer um einen Rückzug im Kampfe; doch ist dieser Rückzug häufig die Folge eines Schrecks, genau wie bei φύζα.“ 868 H.W. Nordheider, LfgrE 4, 970, 15–19. 869 LSJ s.v. II.1: „panic fear“. Zur semantischen Entwicklung s. auch Trümpy (1950) 219–22. 870 An einer weiteren Stelle in 2, 552 (πολλὸν δὲ φόβῳ προτέρωσε νέοντο) ist das überlieferte φόβῳ unverständlich und wurde daher von Fränkel mit crux versehen. S. dazu Glei (Bd. 1, 1996) 179: „Die Argonauten haben zwar Angst, werden aber natürlich nicht dadurch nach vorn getragen.“ Konjekturversuche gab es von Platt (πολλῷ δὲ πόνῷ) und Keydell (σάλῷ). Dagegen Livrea (1973) 23, der die Stelle mit 4,48 (s.u.) vergleicht: „… dove la crux fränkeliana è inutile.“ 871 Zum Dativ s.u. zu 4, 47–48. 872 S. dazu auch unter 14c. (φοβέω). 873 S. unter 14c. (φοβέω) und 14d. (τρέω, zu 4, 12). 216

Die Wendung φόβον ἐμβάλλω findet sich einmal in der Ilias (P 118). Dort erregt Apollon Panik: θεσπέσιον γάρ σφιν φόβον ἔμβαλε Φοῖβος Ἀπόλλων.874 In den Argonautika führt die Intervention der Göttin zur Flucht Medeas. Der göttliche Eingriff wirkt einerseits überflüssig, da Medeas Furcht vor der Konfrontation mit ihrem Vater als natürliche Reaktion auf den Verlauf der Ereignisse erscheint,875 andererseits setzt er die Initiative, die Medea zur Unterstützung Jasons bewegte, fort und veranlasst sie nun zur Hilfe beim Raub des goldenen Vlieses.876 In ihrer Panik wird Medea mit einer Hirschkuh verglichen, die von Hundegebell aufgeschreckt wurde.877 Inhaltlich und kompositorisch besteht eine Ähnlichkeit mit einer Szene aus der Ilias: Dort gibt Zeus Aias Furcht ein und veranlasst ihn damit zur Flucht. Als Fliehender wird er mit einem flüchtenden Raubtier verglichen, das von Hunden aufgescheucht wird: Ζεὺς δὲ πατὴρ Αἴανθ’ ὑψίζυγος ἐν φόβον ὦρσε, στῆ δὲ ταφών, ὄπιθεν δὲ σάκος βάλεν ἑπταβόειον, τρέσσε δὲ παπτήνας ἐφ’ ὁμίλου, θηρὶ ἐοικὼς ἐντροπαλιζόμενος ὀλίγον γόνυ γουνὸς ἀμείβων. ὡς δ’ αἴθωνα λέοντα βοῶν ἀπὸ μεσσαύλοιο ἐσσεύαντο κύνες τε καὶ ἀνέρες ἀγροιῶται, … (Λ 544–49)

874 Livrea (1973) 7 verweist außerdem auf Eur. Or. 1354–55 (ὅπως ὁ πραχθεὶς φόνος / μὴ δεινὸν Ἀργείοισιν ἐμβάληι φόβον) sowie auf 2, 865–66, wo Hera dem Argonauten Ankaios Mut eingibt: … Ἀγκαίῳ περιώσιον ἔμβαλεν Ἥρη / θάρσος, s. dazu unter 17b. (θάρσος). 875 Zur Diskussion über das Nebeneinander von göttlicher Intervention und Eigenmotivation Medeas in der Handlung vgl. (mit Bezug auf Händel (1954) 110–16, der die äußere Motivation durch die Göttin als für die Wendung der Handlung notwendig ansieht,) Fränkel (Rez. Händel 1955) 512: „ein und derselbe Vorgang wird in zwei Perspektiven gezeigt.“ Herter (1944/55) 279: „hier ist das Göttliche nicht ein technisches Hilfsmittel, sondern die andere Perspektive des menschlichen Seelenvorgangs“. Livrea (1973) 7: „Non è ammissibile né ritenere Medea un passivo strumento della volontà divina […], né considerarla una creazione poeticamente mancata perché, in un mondo psicologico già affrancato dalla potenza divina, ella ha bisogno dell’intervento di Era per decidersi …“ Vgl. dagegen Klein (1931) 232: „Eigenentwicklung der Dinge und Göttereingreifen stehen in offenem Widerspruch.“ Reitz (1996) 101–2: „… daß der Gedanke an Flucht ebenfalls nicht aus rationaler Erwägung, sondern auf Heras Eingabe entsteht, erhöht auch nicht eben die psychologische Glaubwürdigkeit der Szene.“ 876 S. Reitz (1996) 101–2. Vgl. Natzel (1992) 146: „Medea ist für Hera ausschließlich Mittel zum Zweck, die Gefühle des Mädchens, die der Erzähler in den Mittelpunkt des dritten Buches gestellt hat, sind für sie nicht von Bedeutung. Auch Heras weiteres Eingreifen ist von derselben Kälte und Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid Medeas geprägt“. 877 S. dazu unter 14c. (φοβέω, zu 4, 13). Zum Vorbild-Gleichnis in der Dolonie (K 360–62) s. Reitz (1996) 103–4, zum Bezug auf das Artemis-Gleichnis in der Nausikaa-Episode (ζ 102–4) Rengakos (1994) 102. 217

Der Vergleich des Kriegers mit einem Raubtier relativiert einen möglichen negativen Eindruck der Flucht und lässt den Krieger nicht feige wirken. Der Vergleich Medeas mit einem Fluchttier wie dem Hirsch passt dagegen zu ihrem furchtsamen Wesen, das an dieser Stelle zum Ausdruck gebracht wird. Schließlich flieht Medea voll Furcht aus ihrem Elternhaus: Καρπαλίμως δ’ ἀίδηλον ἀνὰ στίβον ἔκτοθι πύργων / ἄστεος εὐρυχόροιο φόβῳ ἵκετ’… (4, 47–48). Bei Homer ist die Dativform nur einmal belegt: οἳ δὲ ἰαχῆι τε φόβωι τε / πάσας πλῆσαν ὁδούς (Π 373–74). Dort bezeichnet φόβος das Getümmel der Krieger bei der Flucht. Der adverbial gebrauchte Dativ bedeutet dagegen bei Apollonios ‚aus Furcht‘ oder ‚mit Furcht‘ wie in der nachhomerischen Literatur, wo er wohl zuerst in der Tragödie auftaucht.878 Dasselbe gilt für 3, 633–34 und für folgende weitere Stellen:879 4, 317: Die Argo passiert eine Insel, auf der die Bewohner aus Furcht vor Schiffen (νηῶν φόβῳ), die sie für Ungeheuer halten, ihre Herden im Stich lassen. 4, 640–42: Der Warnschrei Heras löst bei den Argonauten Schrecken und Furcht aus: Ἀλλ’ Ἥρη σκοπέλοιο καθ’ Ἑρκυνίου ἰάχησεν / οὐρανόθεν προθοροῦσα, φόβῳ δ’ ἐτίναχθεν ἀυτῆς / πάντες ὁμῶς· δεινὸν γὰρ ἐπὶ μέγας ἔβραχεν αἰθήρ.880 An den beiden letzten Stellen steht das Objekt der Furcht im Genetiv, eine Konstruktion, die erst in nachhomerischer Zeit vorkommt.881 Ähnlich wie in der Medea-Handlung begegnet φόβος noch einmal im vierten Buch im Zusammenhang mit Träumen: Kirke besänftigt in einem Albtraum ihre Furcht, indem sie ein Feuer mit Mordblut löscht: τὴν [sc. φλόγα] δ’ αὐτὴ φονίῳ σβέσεν αἵματι πορφύρουσαν, / χερσὶν ἀφυσσαμένη, λῆξεν δ’ ὀλοοῖο φόβοιο (4, 668–69). Das Epitheton ὀλοός begegnet bei Homer zweimal neben φόβος, an beiden Stellen in der Wendung οὐδ’ ἕτεροι μνώοντ’ ὀλοοῖο φόβοιο, die das beharrliche Durchhalten im Kampf beschreibt (Λ 71, Π 771). ὀλοός φόβος ist dort die verderbliche Flucht, an die die Krieger in der Ilias nicht denken, während es bei Apollonios der verhängnisvolle Schrecken ist, der Kirke ergriffen hat. Obwohl die Bedeutung von φόβος eine andere ist als bei Homer, wird das homerische Epitheton beibehalten.

Zusammenfassung φόβος bedeutet bei Apollonios an keiner Stelle ‚Flucht‘, sondern immer ‚Schrecken‘ oder ‚Furcht‘, wird also grundsätzlich in nachhomerischer Bedeutung gebraucht. 878 Livrea (1973) 23: „Impiegata avverbialmente“. Vgl. Aischyl. Pers. 206, Soph. Antig. 270, OT 118, s. LSJ s.v. II.1.b: „by or through fear“. 879 Im Dativ steht φόβος auch in 2, 552, s. dazu Anm. 870. 880 Dieser Szene verleihen homerisch-martialische Schallwörter (ἀυτή, ἰάχω, βραχεῖν) eine kriegerische Atmosphäre. S. dazu unter 15a. (ἀυτή). 881 LSJ s.v. II.1.a: „c. gen. obj., fear or dread of..“ mit Belegen bei Aischylos (Pers. 116) und Thukydides (1, 9, 2). Allerdings findet sich lt. TLG, Bd. VIII, 967 in einer v.l. zu Ps.-Hes. asp. 144: δράκοντος φόβος. 218

Auch die Tatsache, dass das Wort an vier von acht Belegstellen im Dativ (φόβῳ) steht, zeigt diesen Bedeutungsunterschied zu Homer, wo φόβος als ‚Flucht‘ nicht im kausalen oder modalen Dativ konstruiert wird (zur Ausnahme Π 374 s.o.). φόβος steht an fünf von acht Stellen in Zusammenhang mit weiblichen Figuren, die entweder Furcht empfinden (Medea, Kirke) oder Furcht auslösen (Hera). Keine Stelle steht im Kontext eines Kampfes oder Krieges.

i. φύγαδε Das Adverb φύγαδε kommt bei Homer an fünf Stellen in der Ilias vor und bezeichnet immer in Kampfbeschreibungen die Wendung zur Flucht, davon dreimal in der Phrase φύγαδε τράπε (ἵππους) (z.B. Θ 157).882

Nach Homer ist φύγαδε erst wieder bei Apollonios belegt und steht im 2. Buch im Kontext des Eberkampfes: Ὀρέξατο δ’ αἶψ’ ὀλοοῖο / Πηλεὺς αἰγανέην φύγαδ’ εἰς ἕλος ὁρμηθέντος / καπρίου (2, 828–30).883

j. φύζα Das Wort φύζα ist bei Homer an 7 Stellen (Ilias 5, Odyssee 2) belegt, hat die Bedeutung ‚Panik, Flucht‘ und steht immer im kriegerischen Kontext.884 An vier Stellen wird φύζα durch einen Gott erregt: φύζαν ἐνόρνυμι (O 62, 366), φύζαν βάλλω (ξ 269, ρ 438).

Die einzigen Belegstelle begegnet in einer Überlegung aus auktorialer Perspektive, ob Medeas Verhalten auf Verblendung beruhe oder schmachvolle Flucht zu nennen sei: … ὁρμαίνοντι / ἠέ μιν ἄτης πῆμα δυσίμερου ἦ τό γ’ ἐνίσπω / φύζαν ἀεικελίην ᾗ κάλλιπεν ἔθνεα Κόλχων (4, 3–5). Das Adjektiv ἀεικέλιος ist bei Homer nicht Epitheton für ‚Flucht‘.885 φύζα taucht dort aber durchaus mit negativ wertenden 882 H.W. Nordheider, LfgrE, 4, 1047, 1–3. Vgl. Trümpy (1950) 213: „… findet sich nur bei Homer und wird immer in der Kriegersphäre verwendet.“ 883 Zum Eberkampf s. ausführlich unter 8i. (ὁρμάομαι). 884 H.W. Nordheider, LfgrE, 4, 1048, 8–9. 885 Vgl. R. Philipp, LfgrE 1, 159, 72–75 zur Bedeutung von ἀεικέλιος: „‚was sich nicht schickt‘, ‚unziemlich‘ […] = die Grenze des Schicklichen, Ziemlichen überschreitend (mit der Nebenbedeutung ‚schmählich, verabscheuungswürdig‘)“. Fränkel (1968) 454 dagegen hält das Epitheton ἀεικέλιος an dieser Stelle nicht für negativ besetzt („Hier kann kein moralischer Vorwurf in dem Wort liegen.“) und vermutet einen semantischen Unterschied zwischen ἀεικής und ἀεικέλιος bei Apollonios (vgl. ἀεικέα φύξιν in 4, 748, s. dazu Anm. 887). Ähnlich Hunter (2015) 85. „particularly in the mouth of the narrator, need not carry moral reproof, i.e. ‚shameful‘“. Dagegen Rengakos (1994) 36: „ein Synonym von ἀεικής ,schmählich‘“. Gegen die Auffassung von Fränkel s. Livrea (1973) 5: „‚Terrore pieno di vergogna‘, ché alla certezza della punizione si oppone il ritegno verginale ad abbandonare la casa paterna.“ Entsprechend auch das Scholion zu 4, 1–5a: πότερον ἐρωτικῷ πάθει ἢ κακώσεως φυγὴν ποιουμένη κατέλιπε τὴν πατρίδα. Vgl. Natzel (1992) 219

Attributen auf: ἀνάλκιδα φύζαν (O 62), φύζαν κακὴν (ξ 269, ρ 438).886 In Kirkes Rede in 4, 747–48 erhält Medeas Flucht ein ähnliches Ephiteton: οὐ γὰρ ἔγωγε / αἰνήσω βουλάς τε σέθεν καὶ ἀεικέα φύξιν.887 Medeas Flucht wird also im 4. Buch der Argonautika mit drei verschiedenen Begriffen bezeichnet: φύζα (4, 5), φύξις (4, 748) und φυγή (4, 1023).

k. Gesamtüberblick ‚fliehen‚ Flucht‘ Die Wörter des Fliehens und der Flucht werden in den Argonautika durchaus im konkreten Sinn eingesetzt, d.h. um eine Flucht oder ein Entrinnen aus einer Situation zu beschreiben. Im kriegerischen Kontext werden die Wörter zwar sehr selten verwendet, dafür aber in zentralen Szenen wie der Symplegaden-Episode, die eine der gefährlichsten Situationen der Fahrt schildert, und im Zusammenhang mit dem Athlos. Daneben aber zeigt sich bei einigen der Wörter die Tendenz zu einer übertragenen Bedeutung, die sich ab Homer, aber vor allem in der nachhomerischen Zeit entwickelt hat. Vor allem die Wörter, bei denen ein semantischer Übergang von der körperlichen Flucht-Bewegung zur seelischen Bewegung der Furcht zu verzeichnen ist wie φοβέω / φοβέομαι, φόβος, werden in der jüngeren Bedeutung eingesetzt, die sich erst nach Homer stärker etabliert. Die Verben mit der Bedeutung ‚ausweichen‘ wie ἀλέομαι / ἀλεύομαι und (ἀνα)χάζομαι verlieren ihren Bewegungscharakter und bezeichnen vermehrt das Vermeiden von Tätigkeiten und Situationen. Aber auch Wörter, die auch bei Apollonios ‚fliehen, entkommen‘ bedeuten wie φεύγω, werden durch Verbindung mit abstrakten Begriffen des Todes oder Verderbens im übertragenen Sinn gebraucht. Dies zeigt sich vor allem in den Medea-Szenen, 86–87 zur offensichtlichen Wendung in der Charakterzeichnung Medeas und dem „Umschwung in der Beurteilung der Protagonistin durch den Autor“, der „neben die dem Leser vom dritten Buch her bekannte unglückliche Liebe jetzt programmatisch das Urteil, d.h. die Verurteilung durch die Gesellschaft“ stelle. Natzel 87 kommt zu dem Schluss, dass das Proömium sich auf den „Wandel in Medeas Selbsteinschätzung“ beziehe, die „die gesellschaftliche Verurteilung verinnerlicht habe“, in ihrer Erkenntnis, von Jason nur benutzt worden zu sein: „Der ,Bruch‘ liegt nicht in ihrem Charakter, sondern im Wandel ihrer Gefühle, der durch Jasons liebloses Verhalten begründet ist.“ 886 Zur Interpretation der Epitheta an diesen Homerstellen vgl. Trümpy (1950) 214–15. 887 Fränkel (1968) 454, Anm. 2: „Kirke dagegen, die Medeas Handlungsweise streng verurteilen wird […] bezeichnet deren νόστος und φύξις als ἀεικής ‚schändlich‘, und nicht als ἀεικέλιος.“ Vgl. dagegen Hunter (1987) 137: „Circe’s speech of dismissal to Medea at 739–48 is framed by echoes of the φύζα ἀεικελίη of the proem“. Natzel (1992) 86: „Am Schluß charakterisiert Kirke Medeas Verhalten mißbilligend als ἀεικέα φύξιν (4,748), was offenbar synonym zur Wendung des Proömiums ist.“ Natzel 86–87 versteht Kirke als Sprachrohr der konventionellen gesellschaftlichen Meinung. Ebenso Hunter (1987) 138: „Circe’s view is plainly the Colchian view of Medea’s behavior.“ 220

wo Wörter des Fliehens und der Flucht zur Darstellung des inneren Konflikts der Protagonistin dienen. An vielen der untersuchten Belegstellen stehen weibliche Figuren im Mittelpunkt (Medea, ihre Mägde, Kirke), sind Subjekte zu den Verben des Fliehens oder Vermeidens oder empfinden Furcht. Auch Tiere in Handlung und Gleichnissen stehen im femininen Genus (Stymphalische Vögel, Tauben, Hirschkuh). Sehr auffällig ist, dass mit Ausnahme von (ἀνα)χάζομαι jedes der untersuchten Wörter mindestens einmal im Zusammenhang mit Medea auftaucht. Dabei wird der Aspekt der Furcht, die Medea seit dem ersten Gedanken an eine Unterstützung für Jason gefangen hält, mit dem Aspekt der konkreten Flucht verknüpft, der erst in Hypothesen oder Gedanken auftaucht, aber dann auch in die Tat umgesetzt wird: φόβος ist die Furcht Medeas, die nach dem Athlos von außen durch Hera motiviert wird (4, 11), im Grunde aber schon vorher vorhanden ist (3, 633), verursacht durch Träume, die sie aufschrecken lassen (3, 636). Dieser φόβος hält Medea auch noch weiter fest, als sie aus dem Elternhaus zu den Argonauten flieht (4, 48). Ob das auf Heras Intervention folgende τρέσσεν (4, 12) nur das Aufschrecken oder bereits die Bewegung der Flucht beschreibt, ist zweifelhaft. Dasselbe gilt für die Hirschkuh im Gleichnis, die das Hundegebell erschreckt (φόβησεν).888 Erst nach dieser Szene jedenfalls entsteht in Medea der Gedanke an das konkrete Fliehen mit den Argonauten (φέβεσθαι (4, 22)), den sie noch später erst in Worte fasst (φεύγωμεν (4, 87)). Vom Dichter wird Medeas Flucht φύζα (4, 5) genannt, von Kirke φύξις (4, 748), von Medea selbst φυγή (4, 1023). In der Medea-Handlung schöpft Apollonios den Spielraum des homerischen Wortfelds ‚fliehen, Flucht‘ weit aus. Dabei nutzt er die semantische Entwicklung einiger Wörter, um sowohl Medeas Flucht als Bewegung aus ihrem Elternhaus und Heimatland, als auch die psychische Bewegung, die sie zu ihrer Handlung veranlasst, zu beschreiben.

15. Kriegsgeschrei und Kriegslärm In den homerischen Epen werden Kampfschilderungen meist durch Beschreibung akustischer Phänomene, die zum Kampfgeschehen gehören, ausgeschmückt und intensiviert. Zur Beschreibung des Schlachtgebrülls beim Angriff und während des Kampfes, für den Lärm der zusammenprallenden und klirrenden Waffen sowie auch für den Schmerzensschrei und das Angst- und Wehgeschrei bei der Flucht werden immer wieder Schallwörter eingesetzt, die fast wie der Einsatz der Waffen zum homerischen Kampfgeschehen gehören: „Kampf und Schreien gehören also eng zusammen; der Kampf der Ilias ist ein lauter Kampf, leiser Kampf ist ihr fremd.“889

888 Fränkel (1968) 455: „… das leichtfüßige Reh des Bildes läuft noch nicht davon (wie es Medea bald tun wird) sondern steht zitternd still, wie gebannt“. 889 Krapp (1964) 53. 221

Die wichtigsten Schallwörter, die bei Homer das menschliche Geschrei in der Kampfessphäre ausdrücken, sind ἀυτή, βοή, ἠχή, ἰαχή und die Verben αὔω, βοάω, ἰάχω. Seltener, aber auch meist in Kampfbeschreibungen begegnen ἀλαλητός, ἐνοπή, κέλαδος, κλαγγή, ὀρυμαγδός, φλοῖσβος890 Dazu kommen mit δοῦπος und κτύπος Wörter, die in der Ilias den mechanischen Lärm der Waffen bezeichnen, sowie ῥοῖζος für das ‚Schwirren der Pfeile‘ und die Verben κοναβέω/κοναβίζω, ἀραβέω, βραχεῖν, δουπέω.891 Nur wenige der genannten Schallwörter, d.h. ἀυτή, ἀλαλητός, αὔω und ἀραβέω, begegnen bei Homer ausschließlich im kriegerischen Kontext. Für die anderen Wörter besteht eine solche Eingrenzung nicht. Sie werden in ihrer Grundbedeutung auch in anderen Kontexten eingesetzt. Dennoch sind sie aufgrund ihrer häufigen Verwendung im kriegerischen Kontext zum Kriegsvokabular zu zählen. Da in den Argonautika Kampfszenen einen sehr geringen Raum einnehmen, wäre zu erwarten, dass die entsprechenden Schallwörter bei Apollonios entweder selten belegt sind oder auf ihre Grundbedeutung reduziert in andere Bereiche übertragen werden. Es zeigt sich aber, dass die Wörter in den Argonautika hauptsächlich in einigen markanten Szenen zusammen mit weiterem spezifischem Kriegsvokabular verstärkt auftreten. Diese Szenen werden daher zusätzlich zur Wortuntersuchung in ihrem Kontext betrachtet, um sie auf sprachliche Anlehnungen und motivische Anspielungen auf homerische Schilderungen aus dem Kampfbereich zu untersuchen. Im Fall der Sirenen-Episode im vierten Buch geht diese Betrachtung durch eine Interpretation der Figur des Orpheus weit über die übliche Wortuntersuchung und Kurzinterpretation hinaus. Daher ist sie als Appendix 1 angehängt.

a. ἀυτή ἀυτή ist im frühgriechischen Epos im Unterschied zu den meisten anderen Schallwörtern, die auch für ‚Lärm‘ anderer Herkunft verwendet werden, auf die Bedeutung ‚Kriegsgeschrei‘ eingegrenzt und wird bei Homer nur in ganz wenigen Fällen nicht in Zusammenhang mit Krieg und Kampf verwendet.892 An einigen Stellen nähert sich

890 Krapp (1964) 14–15, 46–57. 891 Krapp (1964) 185–194. δουπέω bezeichnet den Lärm bei Aufprallen eines Leichnams und wurde daher bereits in der Wortgruppe ‚im Kampf fallen‘ untersucht. Die Wörter ἠχή, ἰαχή, φλοῖσβος, κοναβέω / κοναβίζω und κτύπος kommen in den Argonautika nicht vor. 892 M. Schmidt, LfgrE 1, 1591, 61–64: „lautes, unartikuliertes Gebrüll, Geschrei von Männern im Kampf, Kriegsgeschrei; Kampfgetümmel, Kampf; Gebrüll von Männern in der Heeresversammlung; Geschrei allg.“; und ebd. 1592, 6–7: „Gebrüll im Kampf dürfte also die im fgrE maßgebliche Bed. von ἀ. sein.“ An Synonymen, die auch in anderen Bereichen verwendet werden, nennt Schmidt βοή, ἐνοπή, ἠχή, ἰαχή, κλαγγή, ὅμαδος, φωνή (1592, 1). Zum Bereich „Männergebrüll in nicht unmittelbar kriegerischem Zusammenhang“ zählt Schmidt nur zwei Belegstellen von ἀυτή, an denen die Truppen der Achaier bei einer Versammlung (B 97) und beim Besteigen 222

ἀυτή dort sogar der Bedeutung ‚Kampf‘ an.893 Das Wort kommt bei Homer an 28 Stellen vor (Ilias 24, Odyssee 4 Stellen) und findet sich meistens auf der Erzählebene, an 9 Iliasstellen aber auch in Reden, die das gegenwärtige Kampfgeschehen thematisieren. Auch die Odysseestellen stehen in Reden.

Bei Apollonios ist ἀυτή an 13 Stellen belegt. An drei Belegstellen steht ἀυτή wie bei Homer im kriegerischen Kontext und kann auch als ‚Kampf‘ aufgefasst werden, z.B. in der Rede Jasons, in der er eine Möglichkeit erwägt, den Kampf gegen Aietes zu vermeiden: εἴ τέ τις ἄλλη / μῆτις ἐπίρροθος ἔσται ἐεργομένοισιν ἀυτῆς (3, 183–84). Vorbild für die Junktur ἐεργομένοισιν ἀυτῆς ist vermutlich N 525, wo die durch Zeus an der Kampfbeteiligung gehinderten Götter erwähnt werden: … θεοὶ ἦσαν, ἐεργόμενοι πολέμοιο.894 Im Gegensatz zu den homerischen Göttern hält Jason die Kampfenthaltung für eine erstrebenswerte Lösung.895 Mit ähnlicher Formulierung, allerdings negiert, erklärt Jasons in einer weiteren Rede seine Absicht, nicht weiterhin als kampfscheu zu erscheinen: ἦ γὰρ ἔοικε / μηκέτι δὴν κρύπτεσθαι, πτήσσοντας ἀυτήν (3, 570–71). Das Verb πτήσσω bezeichnet bei Homer intransitiv immer ein konkretes ‚sich ducken‘.896 Im übertragenen Sinn

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der Schiffe zur Heimfahrt Geschrei erheben (B 153). Im Bereich „θῆλυς ἀυτή“ ist nur ζ 122 als Belegstelle genannt (ebd. 1597, 58–1598, 9). Trümpy (1950) 153 und Ebeling s.v. nehmen eine von der Grundbedeutung ausgehende Spezialisierung des Wortes auf den kriegerischen Bereich bei Homer an. M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 12–24 dagegen geht davon aus, dass das Wort bereits ursprünglich die spezifische Bedeutung „Gebrüll im Kampf“ hatte. M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 31–41 nennt als eindeutige Beispiele Λ 802 und Π 44, weist aber auch darauf hin, dass ἀυτή „aber dennoch nicht allg. als Synon. zu μάχη oder πόλεμος angesehen werden“ kann. Trümpy (1950) 154 nennt λ 383 als Beleg für die Bedeutung ,Krieg‘. Vgl. dagegen Krapp (1964) 53–54: „Aus keiner einzigen Stelle indes ist eindeutig zu erschließen, dass ἀϋτή beispielsweise oder ἐνοπή ihre ursprüngliche akustische Bedeutung gänzlich abgestreift haben und nur mehr ‚Kampf‘, ‚Schlacht‘ bedeuten.“ Gillies (1928) 24 bezeichnet die Wendung ἐεργομένοισιν ἀυτῆς („if we refrain from battle-cry“) als „piece of Homeric criticism; Ap. has taken Il. 13.525 ἐεργόμενοι πολέμοιο in this sense, against the scholia and Hesych. εἰργόμενοι· κωλυόμενοι“ mit Hinweis auf denselben Gebrauch bei Sophokles OT 890: τῶν ἀσέπτων ἔρξεται, „refrain from deeds of lawlessness“. Vgl. dagegen H.W. Nordheider, LfgrE 2, 405, 48–49, der die Iliasstelle unter die Bedeutungsgruppe „ab-, ausschließen, fernhalten“ zählt, demnach mit ἐεργόμενοι in passivem Sinn, was für die Iliasstelle inhaltlich durchaus treffend ist. Lt. TLG, Bd. III, 1983 ist die reflexiv-mediale Bedeutung seit Herodot gebräuchlich: „non tam passiva notatione ponitur quam reciproca, quasi Arcere sese, Retinere sese, i.e. Abstinere.“ Dort auch Hinweis auf 2, 18: βουλόμενοι θηλέων βοῶν μὴ ἔργεσθαι. Zur Interpretation der Rede unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 186–87). R. Führer, LfgrE 3, 1609, 38–40: „intrans. (konkr. […]): sich niederducken (aus Angst / um sich zu verbergen …“ Gillies (1928) 63 übernimmt die Konjektur von Pierson 223

begegnet das Verb erst in der Tragödie.897 Ιn Verbindung mit einem Ausdruck des Scheuens oder Vermeidens findet sich ἀυτή bei Homer nicht.898 In Jasons Rede, die den Eindruck einer Kampfscheu ausräumen soll, weisen besonders die Verben auf eine große Unsicherheit des Sprechers hin: ἔοικεν drückt nicht den eigenen Willen und wirkliche Absicht aus, sondern thematisiert die Außenwirkung des Verhaltens. Danach dominieren κρύπτεσθαι und πτήσσοντας sprachlich und metrisch so sehr, dass das Wort ἀυτή am Versende kaum zur Geltung kommt. Die Negation (μηκέτι) dieser beiden hier negativ belegten medial oder intransitiv gebrauchten Verben drückt eine passive und defensive Haltung aus. Im vierten Buch wird von der Kriegsdrohung der Kolcher erzählt: … ἠὲ στονόεσσαν ἀυτὴν / νωμήσειν χαλεπῇσιν ὁμόκλεον ἀτροπίῃσιν (4, 1005–6). Die Junktur στονόεσσαν ἀϋτήν begegnet in λ 383, wo ἀυτή wie in 4, 1005 als ‚Kampf‘ aufgefasst werden kann: οἳ Τρώων μὲν ὑπεξέφυγον στονόεσσαν ἀϋτήν.899 Unhomerisch ist dagegen die Junktur ἀυτήν νωμήσειν mit der Bedeutung ‚Kriegsgeschrei erheben, Krieg beginnen‘.900 Die Belegstelle findet sich in einer Passage der Argonautika, in der eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Argonauten und Kolchern mit variierten Synonymen thematisiert wird: Zunächst wird der drohende Kampf durch zwei Schallwörter ausgedrückt: βοή in 4, 1000, wo Argonauten und Phaiaken im Begriff sind, sich zum Kampf zu rüsten (Μέλλον δὲ βοῇ ἔπι θωρήξεσθαι),901 ἀυτή in der oben zitierten Kriegsdrohung der Kolcher. Danach steigert und konkretisiert der Dichter durch zwei Wörter mit der Grundbedeutung ‚Kampf‘: πόλεμος in der Charakterisierung der Kolcher in 4, 1008 (ἐπειγομένους πολέμοιο), δηϊοτής im Bericht über den Schlichtungsversuch des Alkinoos in 4, 1010.902 Die Spannung, die in den Versen 4, 1000–8 über den zu erwartenden Kampf aufgebaut wurde, wird

897 898 899 900

901 902 224

ὑποπτήσσοντας; das Kompositum ist ein homerisches hapax (Β 312), Ardizzoni (1958) 174 weist auf auf dieselbe syntaktische Verwendung des Kompositums bei Ps.-Aischylos hin: ὑποπτήσσειν τε τοὺς νέους θεούς (Prom. 960). Fränkel (1961) fügt vor dem Partizip ἅτε ein. Diese Version wurde von Vian (Bd. 2, 1980) übernommen. LSJ. s.v. II.3: „c.acc.rei, crouch for fear of “ mit Hinweis auf Ps.-Aischyl. Prom. 173–74 (ἀπειλὰς / πτήξας). An einer einzigen inhaltlich vergleichbaren Stelle in der Odyssee geht es um ein Entrinnen aus dem Krieg: οἳ Τρώων μὲν ὑπεξέφυγον στονόεσσαν ἀϋτήν (λ 383). Die Junktur στονόεσσα ἀυτή begegnet außer an diesen beiden Stellen bei Homer und Apollonios nur noch in einem Hipponax-Fragment (fr. 148b1 West) und in einer Inschrift aus dem 6. Jh. v. Chr. (IG 9(1) 868). Zu λ 383 s. auch Anm. 898. Das Verb νωμάω bedeutet bei Homer meist konkret ‚bewegen, schwingen‘, metaphorisch wird es nur im mentalen Sinn als ‚im Geiste bewegen, überlegen‘ verwendet, s. W. Beck, LfgrE 3, 451, 66: „distribute, ply, wield“ mit Sachen und Körpergliedern als Objekt sowie ebd. 452, 28: „mental ply, keep in motion“. Das Erheben von Kriegsgebrüll wird bei Homer nur zweimal mit ἀυτή als Objekt ausgedrückt: θῆκε πολὺν κέλαδον καὶ ἀϋτήν (I 547), ὄρνυτ’ ἀϋτήν (O 718). S. unter 15b. (βοή). S. unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 1c. (δηϊοτής).

durch diese letzte negierte Aussage (δηιοτῆτος ἄνευθεν) aufgelöst: Der Kampf bleibt eine Hypothese.903 In 1, 1051–52, wo ἀυτή auch im kriegerischen Kontext steht, ist die Bedeutung ,Kampf‘ nicht möglich. Nach der Schlacht gegen die Argonauten, heißt es dort, erfüllt das Geschrei der Dolionen die Stadt: αἶψα δ’ ἀυτῆς /πλῆτο πόλις στονόεντος ὑποτροπίῃ πολέμοιο. Da das Geschrei erst nach der Schlacht entsteht, kann es sich dabei nicht um Angriffs- oder Kampfgebrüll handeln, sondern um das Geschrei unter den Stadtbewohnern nach der Niederlage und der Flucht der Dolionen. ἀυτή ist hier demnach als ‚Wehgeschrei‘ oder ‚Geschrei bei der Flucht‘ aufzufassen, was bei Homer nicht begegnet.904 Auch die Verbindung von ἀυτή und πίμπλημι ist dort nicht belegt.905 Inhaltlich erinnert die Stelle an Π 373–74: οἳ δὲ ἰαχῆι τε φόβωι τε / πάσας πλῆσαν ὁδούς. Dieser Szene geht ein Kampf voraus, in dem Patroklos und die Myrmidonen die Troer in die Flucht schlagen. Sprachlich ähnlich ist zudem die Wendung τάχα δ’ ἐς πόλιν ἵκετ’ ἀϋτή, die in der Odyssee zweimal das bis zur Stadt hin schallende Kriegsgeschrei beschreibt (ξ 265, ρ 434). Die Flucht der Dolionen weist motivische Parallelen zu einer Flucht-Szene im 21. Gesang der Ilias (Φ 6–16) auf: Vor dem Flusskampf in der Ilias ist die Menge der Troer zweigeteilt. Ein Teil flieht in Richtung Stadt, der andere Teil wird zum Fluss abgedrängt. Ähnlich ist die Teilung der unterlegenen Gegner in den Argonautika: Dort wird ein Teil der Dolionen im Kampf getötet, der andere Teil flieht zurück in die Stadt. In der Ilias fallen die Troer auf der Flucht vor Achill in den Fluss hinein (ἐν δ’ ἔπεσον μεγάλῳ πατάγωι (Φ 9)), in den Argonautika fallen die fliehenden Dolionen in die Tore der Stadt ein (ἐς δὲ πύλας ὁμάδῳ πέσον ἀθρόοι (1, 1051)). Das Geschehen wird jeweils vom Geschrei der Fliehenden begleitet: οἳ δ’ ἀλαλητῶι / ἔννεον ἔνθα καὶ ἔνθα … (Φ 10–11), αἶψα δ’ ἀυτῆς /πλῆτο πόλις (1, 1051–52). Beide Schilderungen werden durch ein Gleichnis illustriert: Die Troer werden mit einem Schwarm Heuschrecken verglichen, die vor dem Feuer ins Wasser fliehen (Φ 12–13). Die Dolionen werden mit einem Taubenschwarm verglichen, der vor einem Habicht flieht (1, 1049–50).906

903 Knight (1995) 116 weist darauf hin, dass die Bewaffnung der Argonauten außer in 4, 1000 auch noch in 4, 1055–56, 1124 und 1156 erwähnt wird, ohne aber dass nach der kurzen Schlachtbeschreibung in 4, 485–89 ein weiterer Kampf gegen die Kolcher stattfindet: „Instead, the Colchians agree to abide by Alcinous’ judgement (4, 1206–10); […] diplomacy is used to avoid open warfare.“ 904 M. Schmidt, LfgrE 1, 1593, 14–18: „… nicht bei der Beschreibung […] einer Flucht“. Nur in B 153 ist ἀυτή das Geschrei bei einem Rückzug. Dort streben die Achaier mit Geschrei zu den Schiffen, um die Heimfahrt anzutreten. Tatsächlich ist die Szene keine überstürzte Flucht nach einer Niederlage, wird aber wie eine solche beschrieben, vgl. M. Schmidt, LfgrE 1, 1597, 63–69. 905 Doch findet sich eine Parallele in der Tragödie: ἀυτῆς πᾶν τόδ’ ἐπλήσθη στέγος (Eur. Herakleid. 646). 906 Das Gleichnis selbst ist freilich einem Gleichnis in Φ 139–42 nachgebildet, wo die Flucht einer Taube vor einem Habicht beschrieben und damit die Flucht Hektors vor Achill illustriert wird. Vgl. Knight (1995) 91. 225

Auch das Geschehen vor den Fluchtszenen ist ähnlich: Der Flucht der Troer geht eine Aristie Achills voraus, in der er mehrere Troer der Reihe nach tötet (Y 455–503). Der Flucht der Dolionen geht die Schlachtschilderung in Form eines Katalogs der Tötenden und Getöteten voraus (1, 1026–47). Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch in der Motivation der Kämpfenden: In der Ilias rächt ein hasserfüllter Achill den Tod des Patroklos an den Troern, in den Argonautika entsteht ein irrtümlicher Kampf im Kontext einer gastfreundschaftlichen Begegnung (1, 961–71). Damit macht Apollonios in der ersten Schlachtszene seines Epos den Kampf zum einem Paradoxon. An vier Stellen ist ἀυτή das Geschrei einer Menschenmenge im nicht-kriegerischen Kontext: 1, 310–11: Beim Auftritt Jasons vor der Abfahrt der Argo erhebt sich Geschrei im Volk: ὦρτο δ’ ἀυτὴ / κεκλομένων ἄμυδις. Vorbild ist sicher die formelhafte homerische Klausel ὦρτο δ’ ἀϋτή, die dreimal in der Ilias begegnet und immer den „Beginn eines Massenkampfes“ markiert (M 377, O 312, Y 374).907 Y 374 ist durch ἄμυδις eine noch engere Parallele: τῶν δ’ ἄμυδις μίχθη μένος, ὦρτο δ’ ἀϋτή. Syntaktisch und metrisch analog gestaltet ist zudem K 523–24: ὦρτο κυδοιμός / θυνόντων ἄμυδις· Diese Stelle beschreibt in der Dolonie den lauten Aufruhr der Troer angesichts der Ermordung des Rhesos und der Thraker. Die Form κεκλομένων findet sich vor Apollonios (vgl. 2, 640) nur einmal bei Hesiod, wo das Partizip auch mit einem Schallwort verbunden ist: φωνὴ δ’ ἀμφοτέρων […] / κεκλομένων (theog. 685–86). Auch diese Stelle steht im kriegerischen Kontext und schildert den Zusammenstoß der Kämpfenden in der Titanenschlacht. Offensichtlich ist die Beschreibung des Geschreis in der friedlichen Szene während der Vorbereitung auf die Abfahrt der Argo an mehrere Prätexte aus dem kriegerischen Kontext der frühgriechischen Epen angelehnt. Damit zeigt sich die Tendenz, die Fahrt der Argo als eine mit martialischer Aktion vergleichbare heroische Handlung darzustellen.908 1, 342–43: Die Argonauten äußern sich mit Geschrei zur Wahl des Herakles als Anführer: μιῇ δέ ἑ πάντες ἀυτῇ / σημαίνειν ἐπέτελλον. Der Dativ ἀυτῇ begegnet bei Homer nur dreimal: κεκμηότας ἄνδρας ἀϋτῆι / ὤσαισθε/ὤσαιμεν προτὶ ἄστυ (Λ 802–3, Π 44–45),909 δηίων ἐν ἀϋτῆι (P 167). Die ἀυτή der Argonauten, hier mit 907 M. Schmidt, LfgrE 1, 1593, 37. Die Klausel taucht außer bei Apollonios nur noch bei Quintus Smyrnaeus auf (9, 73). Von Nonnos wird 1, 310–11 variierend imitiert (ὦρτο δ’ ἰωή / κεκλομένων (Dion. 39, 131–32)) und in den kriegerischen Kontext gesetzt. Die Wendung ὦρτο δ’ ἰωὴ ist auch in den Argonautika belegt und bezeichnet in 3, 708 das kummervolle Geschrei Medeas und Chalkiopes. ἰωή begegnet bei Homer nicht in der Bedeutung ‚Kriegsgeschrei‘, jedoch bei Hesiod (theog. 682) und bei Kolluthos (56). 908 Vgl. ähnliche Beobachtungen auch in den Untersuchungen anderer Wortgruppen: 15c. (ἀλαλητός), 15g. (ὀρυμαγδός), 15l. (ἰάχω), 16c. (κράτος/κάρτος). 909 Hier sind zwei Auffassungen möglich, da ἀϋτῇ entweder kausal mit κεκμηότας oder modal mit ὤσαισθε/ὤσαιμεν verbunden werden kann. Dazu M. Schmidt, LfgrE 1, 1595, 53–70: „…keinesfalls ist -ῇ als dat. instr. zu ὤσαισθε zu ziehen, um die Bed. ‚Gebrüll‘ zu erhalten (wie sch. Λ 802a Erbse, Ebeling s.v., Krapp a.O. S. 54 226

einem Verb des Aufforderns verbunden, erinnert motivisch an das Reaktions- oder Zustimmungs-Geschrei der Truppen, das bei Homer z.B. im formelhaften Vers οἳ δ’ ἄρα πάντες ἐπίαχον υἷες Ἀχαιῶν (H 403, I 50) begegnet, aber mit einem zusätzlichen Aspekt: Denn mit ihrem Ruf stimmen die Helden nicht nur einer Aufforderung oder einem Vorschlag zu, sondern treffen auch eine Wahl. μιῇ ἀυτῇ kann daher sogar als ‚einstimmig‘ aufgefasst werden.910 ἀυτή erhält dadurch einen Bedeutungsaspekt, der weder bei Homer noch in der nachhomerischen Literatur vor Apollonios zu finden ist. Denn die Junktur μιῇ ἀυτῇ ist singulär und im homerischen Sinn sogar widersprüchlich, da das Schallwort dort immer das kollektive Geschrei einer Menge ausdrückt und somit eine Einstimmigkeit im konkreten Sinn ausgeschlossen ist.911 Erst bei Quintus Smyrnaeus begegnet μίη ἀυτή an einer Stelle als überlieferte Lesart. Dort wird ein Schlachtbeginn beschrieben mit ἀυτή in der homerischen Bedeutung ‚Kampfgeschrei‘: μίη δ’ ἑκάτερθεν ἀυτὴ / λευγαλέη (9, 132–33).912 Zweimal bezeichnet ἀυτή das Gebrüll der Argonauten zur Vertreibung der Ares-Vögel: Zunächst in der Aufforderung des Amphidamas an die Helden: αὐτὰρ πασσυδίῃ περιώσιον ὄρνυτ’ ἀυτὴν / ἀθρόοι (2, 1063–64).913 Vorbild ist vermutlich die Aufforderung Hektors zum Kriegsgebrüll in der Schlacht um die Schiffe in O 718 (ἅμα δ’ αὐτοὶ ἀολλέες ὄρνυτ’ ἀϋτήν), die den einzigen weiteren Beleg für die Wendung ὄρνυτ’ ἀυτήν bietet. An die Stelle von ἀολλέες setzt Apollonios das synonyme Adjektiv ἀθρόοι.914 Bei der Realisierung des Plans steigt das Geschrei zum Himmel

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Anm. 1). […] Also gehört -ῇ zu κεκμηότας. Mögl. wäre Annahme eines lok. Dativs […] Näher liegt aber Dat. des Grundes (zu κεκμηότας), wenn auch ein solcher weder in Vbd. mit Schallwörtern noch mit κάμνειν belegt ist.“ Auch bei AHC (z. St.) der Hinweis, ἀϋτῇ sei zu κεκμηότας zu ziehen. Krapp (1964) 54, Anm. 1, dagegen weist auf die Möglichkeit hin, ἀϋτῇ „als dativus instrumentalis, abhängig von ὤσαιμεν auf[zu]fassen: ,durch Geschrei‘, ,mit Geschrei‘.“ In der nachhomerischen Literatur vor Apollonios ist der Dativ nur einmal bei Aischylos für den Ton einer Trompete belegt (Pers. 395). In ähnlichem Sinn wird bei Lukian φωνή gebraucht: ἀναβοῆσαι μιᾷ φωνῇ πάντας ὥσπερ ἐσκεμμένους, συγγνώμην ἀπονέμειν αὐτῷ τοιαῦτά γε ἀμπεχομένῳ (Nigr. 14, 7–8). M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 24–25. „ἀ. steht nur vom Gebrüll mehrerer …“ S. dazu ebd. 1593, 21–24, dass mit nur einer Ausnahme „beide Heere […] Urheber der ἀ.“ sind, d.h. die feindlichen Seiten gegeneinander brüllen, das Gegenteil einer Einstimmigkeit (z.B. ὦρτο δ’ ἀϋτή / ὀξεῖ’ ἀμφοτέρωθεν (O 312–13)). Die überlieferte Lesart wurde übernommen in der Ausgabe von Pompella (2002). Die früheren Editoren, z.B. Vian (1966) halten sich an die Konjektur von C.L. Struve (μιη […] ἀυτὴ), die vermutlich durch den oben erwähnten Widerspruch veranlasst wurde. Zum Adjektiv περιώσιος s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 334). Zur Bedeutung von ἀολλέες als „Zuordnung von Führer u. geschlossener Masse“ s. M. Schmidt, LfgrE 1, 1594, 58–59. Dort (1594, 61–62) auch der Hinweis, dass ἀυτή als Angriffsgebrüll einer Partei in Ο 718 wohl singulär ist. Rengakos (1994) 40 und Anm. 92 weist darauf hin, dass Apollonios das Adjektiv ἀθρόος häufig mit 227

auf: τοίη ἄρ’ ὑψόθι νηὸς ἐς ἠέρα κίδνατ’ ἀυτή (2, 1079). Das Verb κίδναμαι wird bei Homer nur zweimal für das Aufgehen des Morgenlichtes verwendet (Θ 1, Ψ 227). Apollonios variiert an dieser Stelle möglicherweise die homerischen Formeln ἀϋτὴ δ’ οὐρανὸν ἷκεν / ἵκει (Β 153, Μ 338, Ξ 60) und ὦρτο δ’ ἀϋτή (dreimal, z.B. M 377).915 Unhomerisch ist ἀυτή als Geschrei nicht-menschlichen Ursprungs in 2, 270: Dort bezeichnet ἀυτή das Geschrei der Harpyien, als sie vor den Argonauten fliehen: αἱ δ’ ἅμ’ ἀυτῇ / […] ὑπὲρ πόντοιο φέροντο (2, 270–71). Bei Homer ist ἀυτή immer menschliches Gebrüll, als Lärm anderen Ursprungs begegnet das Wort erst in nachhomerischer Literatur.916 Das Synonym κλαγγή findet sich jedoch in ähnlicher Formulierung in einem homerischen Gleichnis: Die unter Kampfgeschrei zur Schlacht ziehenden Troer werden mit Vögeln verglichen, die vor dem Winter fliehend mit Geschrei zum Meer ziehen: αἵ τ’ ἐπεὶ οὖν χειμῶνα φύγον καὶ ἀθέσφατον ὄμβρον / κλαγγῆι ταί γε πέτονται ἐπ’ Ὠκεανοῖο ῥοάων (Γ 4–5). Apollonios überträgt dieses Bild der fliehenden, schreienden Vögel auf die Harpyien und lehnt sich dabei sprachlich an das homerische Gleichnis an. Diese Technik, Themen homerischer Gleichnisse nicht-kriegerischen Inhalts, die Kriegsgeschehen illustrieren, in die Haupthandlung der Argonautika zu setzen, zeigt sich an weiteren Belegstellen der Schallwörter: z.B. verweist das Lärmen der Küsten bei den Symplegaden (βόων δ’ ἁλιμυρέες ἀκταί (2, 554)917 auf ein Gleichnis in P 264–65, das Kriegsgeschrei verdeutlicht (ἄκραι / ἠϊόνες βοόωσιν). Das Brausen des Aithers in derselben Episode (πάντῃ δὲ περὶ μέγας ἔβρεμεν αἰθήρ (2, 567)) geht wohl auf ein homerisches Gleichnis zurück, mit dem das Kriegsgeschrei der aufeinandertreffenden Heere illustriert wird: ἄνεμος […] ὅς τε μάλιστα μέγα βρέμεται χαλεπαίνων (Ξ 398–99). Abweichend vom homerischen Gebrauch als kollektives Gebrüll bezeichnet ἀυτή in den Argonautika an vier Stellen den Schrei einer einzelnen Person:918

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Schallwörtern verbindet: „Bei Homer ist nach Ausweis der Lexika eine ähnliche Verbindung nicht belegt.“ Fränkel (1958) 118: „Wir werden an jene Homerstellen erinnert, an denen es hieß: der Kriegslärm der Heerscharen stieg (durch den Äther hindurch) bis zum Himmel auf“. S. dazu auch die Anmerkung von Fränkel (1968) 276, dass das Geschrei bei Apollonios nicht wie bei Homer zum Himmel steige, sondern nur bis zur Luft oberhalb des Schiffes, was „der eigentliche Aktionsraum“ zur Vertreibung der Vögel sei: „Was sonst ‚kosmisch‘ empfunden und pathetisch stilisiert zu werden pflegt, ist hier pragmatisch und zweckmäßig geworden.“ M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 26. Zu ἀυτή als nicht-menschlicher Lärm vgl. LSJ s.v. mit Belegstellen für einen Trompetenton bei Aischylos (Pers. 395) und das Knarren einer Achse bei Parmenides (fr. B 1, 6 DK). DGE s.v. I.1 nennt Belege für den Schrei von Tieren (Panther, Stier, Elefant) bei Oppian (hal. 3, 39, cyn. 2, 58; 79, cyn. 3, 542). S. dazu 15k. (βοάω). Zu ἀυτή als kollektives Gebrüll bei Homer s. Anm. 911. Einzige Ausnahme bietet die varia lectio in Λ 466, in der ἀυτή statt φωνή das Schreien des Odysseus bezeichnet, von dem Menelaos berichtet: ἀμφί μ’ Ὀδυσσῆος ταλασίφρονος ἵκετ’ ἀϋτή. Vgl. zu dieser Stelle Schmidt, LfgrE 1, 1598, 10–18 ablehnend aus eben diesem Grund, dass ἀυτή „als das laute Rufen eines einzelnen […] singulär“ wäre.

1, 1249: Bei der Hylas-Suche wird das vergebliche Rufen des Polyphemos geschildert: μελέη δέ οἱ ἔπλετ’ ἀυτή. Die Versklausel ἔπλετ’ ἀυτή erinnert an die singuläre homerische Wendung ἔπλετο φωνή, die das Gebrüll der Troer und Achaier beschreibt: ὅσση ἄρα Τρώων καὶ Ἀχαιῶν ἔπλετο φωνή / δεινὸν ἀϋσάντων (Ξ 400–1).919 Die Junktur μελέη […] ἀυτή ist ohne homerisches Vorbild.920 1, 1272: Auch das Gebrüll des Herakles auf der Suche nach Hylas wird als ἀυτή bezeichnet: μεγάλῃ βοάασκεν ἀυτῇ. In seiner Funktion als inneres Objekt „zu Verben des Rufens oder Brüllens“ ist der Dativ ἀυτῇ ohne Vorbild.921 Bei Homer hat ἀυτή selten Epitheta bei sich, die Junktur μεγάλη ἀυτή kommt dort nicht vor.922 Das Attribut μέγας ist aber mehrmals mit anderen Schallwörtern wie ἀλαλητός (Μ 138, Ξ 393, ω 463), πάταγος (Φ 9, 387), ὀρυμαγδός (Φ 256) verbunden.923 4, 641–42: Mit einem Warnschrei erschreckt Hera die Argonauten: φόβῳ δ’ ἐτίναχθεν ἀυτῆς / πάντες ὁμῶς. Als Genetiv-Objekt ist ἀυτή bei Homer meist bei Ausdrücken zu finden, die das Initiieren von Kampfgebrüll, z.B. μήστωρες/-ρας ἀϋτῆς (viermal, z.B. Δ 328), oder das Begehren von Krieg und Schlacht bezeichnen, 919 Überliefert ist in 1, 1249 die Lesart ἔπλετο φωνή, die ihr Vorbild in Ξ 400 hat. Mit diesem Argument hält Ardizzoni (1967) 266 an der Überlieferung fest. Vian (Bd. 1, 1976) 266 nimmt statt φωνή die durch Testimonien überlieferte, von Aristarch auch für Λ 466 und Ξ 400 bevorzugte Variante ἀυτή (s. dazu Anm. 918) an dieser Stelle in den Text. Die Lesart ἔπλετο ἀυτή für wahrscheinlicher halten auch Köhnken (1965) 69, Anm. 1, mit dem Argument der zu erwartenden variatio gegenüber Theokrit (ἀραιὰ δ’ ἵκετο φωνά (eid. 11, 59)) und Campbell (1971) 410 mit dem Hinweis auf die zahlreichen Wiederholungen in den Beschreibungen des Polyphemos und des Herakles, für den in 1, 1272 auch ἀυτή verwendet wird. Überzeugend auch Campbells Argument der Vorliebe des Apollonios für das Wort ἀυτή, das er an 12 weiteren Stellen, immer am Versende, einsetzt, während φωνή nur dreimal in einem anderen Kontext als Stimme der Medea (3, 635; 4, 29; 70) begegnet. Auch der Hinweis von Schmidt (Anm. 911), dass ἀυτή bei Homer nur vom Geschrei mehrerer gebraucht wird, ist kein Argument für die Lesart φωνή, da Apollonios ἀυτή an zwei weiteren Stellen für den Schrei einer einzigen Person verwendet (4, 641 (Schrei Heras), 4, 874 (Schreckensschrei des Peleus)). 920 Das Adjektiv μέλεος steht bei Homer z.B. in Verbindung mit εὖχος (Φ 473), αἶνος (Ψ 795), ὁρμή (ε 416), nicht aber in Zusammenhang mit Schallwörtern. Vgl. R. Führer, LfgrE 3, 104, 62–63. Ardizzoni (1967) 266 nennt als Parallele ε 416: μελέη δέ μοι ἔσσεται ὁρμή. Zur Interpretation der Szene s. unter 15p. (Die Hylas-Suche). 921 M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 66–68 mit dem Hinweis, dass diese Konstruktion im frühgriechischen Epos insgesamt selten vorkomme. Ausnahme ist das Wort φωνή, das an mehreren Stellen so konstruiert wird (z.B. Γ 161, ω 530). Vgl. Krapp (1964) 223. 922 M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 78–1593, 2: „es fehlen die zahlreichen Epith. synon. Schallwörter, die das gewaltig-übermenschliche oder unauslöschliche eines Lärms ausdrücken“. ἀυτή steht nur an vier Stellen mit Epitheton: δεινή (N 621), ὀξεῖα (O 312–13), θῆλυς (ζ 122), στονόεσσα (λ 383). Vgl. M. Schmidt, LfgrE 1, 1592, 77, Trümpy (1950) 154. 923 Krapp (1964) 223–24. 229

z.B. μεμαυῖ’ ἔριδος καὶ ἀϋτῆς (E 732), δεινῆς ἀκόρητοι ἀϋτῆς (N 621), nicht aber neben einem Ausdruck der Furcht.924 4, 874–75: Beim Anblick des kleinen Achill in der Flamme stößt Peleus einen Schreckensschrei aus: ἧκε δ’ ἀυτήν / σμερδαλέην ἐσιδών. Hier erinnert auch das Adjektiv σμερδαλέος an die homerische Kriegssphäre, wo es als Epitheton für Waffen oder als Adverb neben Schallverben, die im kriegerischen Kontext stehen, begegnet.925 Apollonios setzt das Attribut als Epitheton zu ἀυτή, eine Junktur, die bei Homer nicht vorkommt.926 Zudem ist die Bedeutung ‚Schreckensschrei‘ für ἀυτή bei Homer nicht belegt. Eine motivische Parallele ist der Jammer der Hekabe beim Anblick des getöteten Hektor: κώκυσεν δὲ μάλα μέγα παῖδ’ ἐσιδοῦσα (Χ 407).

Zusammenfassung Bei Apollonios besitzt ἀυτή einen wesentlich weiteren semantischen Spielraum als bei Homer, wo es als immer als ‚Kriegsgeschrei‘ im kriegerischen Kontext steht. In den Argonautika bezeichnet ἀυτή ‚Geschrei‘ verschiedener Art in sowohl kriegerischen als auch friedlichen Kontexten.927 In der spezifisch homerischen Bedeutung ‚Kampfgeschrei‘ oder sogar ‚Kampf‘ kommt ἀυτή dreimal vor, allerdings in hypothetischen Aussagen. In einer Kampfszene wird ἀυτή dagegen als ‚Geschrei‘ bei einer Flucht nach einer im Kampf erlittenen Niederlage verwendet. Zwei der vier Belegstellen im kriegerischen Kontext sind an homerische Formulierungen angelehnt: Die Junktur στονόεσσαν ἀυτήν wird einmal wörtlich zitiert. Dass ἀυτή an dieser Stelle auch ‚Kampf‘ heißen kann, zeigt die synonyme Junktur στονόεντος πολέμοιο in 1, 1052.928 Umgekehrt wird die homerische Wendung ἐεργόμενοι πολέμοιο zu ἐεργομένοισιν ἀυτῆς. Bei Homer nicht belegt ist ἀυτή als ‚Schreckensschrei‘, zustimmender Ruf bei einer Wahl, Geschrei von Fabelwesen und Schrei oder Ruf einer einzelnen Person. Während in Beschreibungen kollektiven Geschreis im nicht-kriegerischen Kontext Homerstellen aus Kampfszenen zitiert werden (z.B. ὦρτο δ’ ἀυτή bei Abfahrt der Argo, ὄρνυτ’ ἀυτήν in der Ares-Vögel-Episode), weisen die Belegstellen für Schreie einer einzelnen Personen neue, unhomerische Junkturen wie μελέη ἀυτή, μεγάλη ἀυτή, φόβῳ ἀυτῆς, ἀυτὴν σμερδαλέην auf.

b. βοή Das Wort βοή ist bei Homer mehr als doppelt so oft belegt wie ἀυτή (Ilias 51 Stellen, Odyssee 16 Stellen). Seine Bedeutung ist aber nicht auf den kriegerischen Bereich eingegrenzt, sondern schließt auch allgemeines Geschrei und ‚Wehklage‘ im

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S. dazu auch unter 14h. (φόβος). S. unter 15d. (ἐνοπή), Anm. 938, und 15j. (αὔω), Anm. 969. Zu den Epitheta bei ἀυτή s. Anm. 922. LSJ s.v.: „cry, shout“. S. unter 1a. (π(τ)όλεμος).

nicht-kriegerischen Kontext ein.929 Doch steht βοή meistens im kriegerischen Kontext, vor allem in der Formel βοὴν ἀγαθός (Ilias 42, Odyssee 9 Stellen), die dem Namen eines Feldherrn (meist Menelaos oder Diomedes) als Epitheton beigestellt ist und diesen aufgrund seiner Feldherrnqualitäten charakterisiert,930 oft bei Kampfhandlungen oder in Redeeinleitungen. Selten aber findet sich βοή in den Reden selbst (Ilias 5, Odyssee 5 Stellen).

An der einzigen Belegstelle bei Apollonios ist βοή der potentielle Kampf gegen die Kolcher, für den die Argonauten im Begriff sind sich zu rüsten: Mέλλον δὲ βοῇ ἔπι θωρήξεσθαι (4, 1000).931 Da die Stelle an die homerische Wendung ἐς πόλεμον θωρήσσoμαι (sechsmal, z.B. A 226) angelehnt zu sein scheint, liegt es nahe, βοή als ‚Kampf‘ aufzufassen.932 Im Unterschied zu ἀυτή kommt βοή in dieser Bedeutung bei Homer nicht vor.933 Doch findet sich ein Beleg bei Theokrit: βοᾶς δ’ ἔτι μηδ’ ὄνομ’ εἴη (eid. 16, 97).934

c. ἀλαλητός Das Wort ἀλαλητός ist bei Homer an 8 Stellen (Ilias 7, Odyssee 1) belegt und hat die Bedeutung „Schreien, Rufen (vor oder während des Kampfes)“.935

929 M. Schmidt, LfgrE 2, 71, 70–77: „Kriegsruf (1), Alarmruf (2), Hilferuf (3), Wehklage (4), Lärm von Musikinstrumenten (5); β. ist immer laut, nicht notw. artikuliert, außer (5) nur von Menschen (Sg. u. Pl.). Meist krieg. Kontext, dann häufiger (aber oft formelh.) Geschrei im Kampf als Ruf zu den Waffen (als t.t.); Hilferuf nicht sicher, da dann immer auch allg. ‚Geschrei‘ oder ‚Wehklagen‘ mögl. Grundbed. ‚Notruf‘ = ‚Ruf zu den Waffen‘ […] vom Befund her mögl.“. 930 M. Schmidt, LfgrE 2, 71, 51; 54 sowie 72, 6–14: „(Kommando-)Ruf des Anführers“. Zur Bedeutung s. F. Mehmel – P. Herrmann, LfgrE 1, 24, 56–25, 14: „,Gute Kommandostimme‘ als Voraussetzung des Führers in der Schlacht“. Vgl. Krapp (1964) 56: „,gut im Ruf‘. Eine kräftige, durchdringende ‚Kommandostimme‘ ist in dem lauten Kampfgeschehen der Ilias von großer Bedeutung; sie ist eine wesentliche Voraussetzung für die Qualität eines Führers. Es sind daher auch fast ausschließlich Feldherren mit diesem Beiwort geehrt.“ 931 S. Oswald (1904) 135 zur Konjektur ἔπι an Stelle des überlieferten ἔνι. 932 Pompella (2002) s.v. „(clamor militaris)“ und zur Stelle: „erant tamen ad proelium se amaturi“. Hunter (2015) 222: „βοῆι ἔπι ,for combat‘; βοή is the ,cry‘ which marks the start of hostilities“. 933 M. Schmidt, LfgrE 2, 72, 11: „β. nie ‚Kampf, Schlacht‘ (and. ἀυτή u.a.)“. Vgl. dagegen Fränkel (1968) 269, Anm. 313: „Die Geräusche waren für das Alte Epos ein so integrierter Bestandteil der Kampfhandlung, dass βοή und ἀυτή als Deckwörter für ‚Kampf‘ benutzt werden konnten.“ 934 Hinweis auf eid. 16, 97 auch bei Hunter (2015) 222. Zur Bedeutung von βοή dort s. LSJ s.v. I: „let there be not even the name of war“. 935 F. Scholz, LfgrE 1, 447, 70. Bei Homer (sowie auch bei Hesiod und Pindar) ist ἀλαλητός meistens ‚Kriegsgeschrei‘ im direkten Zusammenhang mit dem Kampf, 231

Auch ἀλαλητός begegnet bei Apollonios nur einmal und bezeichnet das Gebrüll der Helden beim Rudern: οἱ δ’ ἀλαλητῷ / κόπτον ὕδωρ (2, 589–90). Wie auch meistens bei Homer steht ἀλαλητός hier im Dativ und am Versende, vgl. z.B. τοὶ δ’ ἀλαλητῶι / νῆας ἔπ’ ἐσσεύοντο (B 149–50), οἳ δ’ ἀλαλητῶι / πᾶν πεδίον κατέχουσι, μάχηι νικῶντες Ἀχαιούς (Π 78–79) und οἳ δ’ ἀλαλητῶι / ἔννεον ἔνθα καὶ ἔνθα (Φ 10–11).

d. ἐνοπή Das Wort ἐνοπή kommt in den homerischen Epen an 8 Stellen vor (Ilias 7, Odyssee 1) und bezeichnet an 5 Iliasstellen das Geschrei, Getöse oder Getümmel im Kampfgeschehen, davon einmal in einer Rede.936

In den Argonautika ist ἐνοπή an 6 Stellen belegt: 2, 1205–6: Aietes wird bezüglich seines Kampfgebrülls und seiner Kraft mit Ares verglichen:937 καὶ δέ κεν Ἄρει / σμερδαλέην ἐνοπὴν μέγα τε σθένος ἰσοφαρίζοι. In den homerischen Epen hat ἐνοπή kein Attribut bei sich.938 Die Charakterisierung eines Kriegers durch sein Schlachtgebrüll begegnet zwar oft in der Formel βοὴν ἀγαθός (Ilias 42, Odyssee 9 Stellen).939 Als tertium comparationis dient das Gebrüll dort jedoch nicht. Dagegen begegnen bei Homer Vergleiche bezüglich der Kraft eines Kriegers, z.B.: οὐδέ τίς οἱ δύναται μένος ἰσοφαρίζειν (Z 101). An den anderen Stellen bezeichnet ἐνοπή die menschliche Stimme im nicht-kriegerischen Kontext, was bei Homer nur einmal in der Odyssee zu finden ist (κ 147):

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939 232

doch wird es an wenigen Stellen auch als Geschrei allgemein (B 149, ω 463) und als ‚Wehgeschrei‘ bei Flucht und Niederlage (Σ 149, Φ 10) verwendet. M. Schmidt, LfgrE 2, 605, 16–17: „Geschrei, Lärm von Stimmen (1), Kampfgeschrei, -getümmel (2), Schall von Musik (3)“. In direktem Zusammenhang mit dem Kampfgeschehen steht ἐνοπή zweimal neben dem Kampf selbst (μάχη ἐνοπή τε (Μ 35, Π 246), einmal neben κλαγγή (Γ 2) und zweimal in der Junktur Τρώων ἐξ ἐνοπῆς (Π 782, Ρ 714). An einer Stelle bedeutet ἐνοπή Wehgeschrei (Ω 160), einmal wird das Tönen von Musikinstrumenten bezeichnet (Κ 13). Außerhalb der homerischen Epen hat das Wort diesen Bezug zum Krieg weitestgehend verloren, Ausnahme ist ein Epigramm des Meleager (HE 4651), wo es in der Bedeutung ‚Kampf‘ gebraucht wird. Vgl. LSJ s.v. und Trümpy (1950) 154–55: „In der Poesie lebt fast nur die Grundbedeutung weiter…“ Zum Aresvergleich und zur Verbindung des Aietes mit Ares s. unter 6d. (Lanzen/ Speere). Zum Kriegsruf des Ares bei Homer s. Krapp (1964) 56: „Daß der Kriegsgott Ares eine besonders gewaltige Stimme hat, versteht sich; βριήπυος ‚laut schreiend‘ heißt er Ν 521.“ M. Schmidt, LfgrE 2, 605, 24. Das Adjektiv σμερδαλέος findet sich dort als Epitheton zu Waffen oder als Adverb zu Schallverben, jedoch nicht als Adjektiv neben einem Schallwort, s. auch unter 15a. (ἀυτή, zu 4, 874–75) und 15j. (αὔω, zu 2, 566–67), Anm. 969. Zu βοὴν ἀγαθός s. Anm. 930.

2, 194: Phineus hört den Lärm der herankommenden Argonauten: Αὐτίκα δ’ εἰσαΐων ἐνοπὴν καὶ δοῦπον ὁμίλου …940 4, 580–82: Die Stimme der Argo wird ἐνοπή genannt: Αὐτίκα δ’ ἄφνω / ἴαχεν ἀνδρομέῃ ἐνοπῇ μεσσηγὺ θεόντων / αὐδῆεν γλαφυρῆς νηὸς δόρυ.941 Der Dativ begegnet bei Homer einmal: Τρῶες μὲν κλαγγῆι τ’ ἐνοπῆι τ’ ἴσαν (Γ 2). 4, 146–47: Medea ruft den Schlafgott Hypnos mit lieblicher Stimme um Hilfe an: Ὕπνον […] καλέουσα / ἡδείῃ ἐνοπῇ, …942 Ein vergleichbares Motiv findet sich in der Ilias: Hera bittet Hypnos darum, Zeus einzuschläfern, damit Poseidon ungestört den Achaiern helfen kann (Ξ 231–37). 1, 26–27: Orpheus soll mit seinem Gesang sogar die Natur bezaubern können: … Αὐτὰρ τόν γ’ ἐνέπουσιν ἀτειρέας οὔρεσι πέτρας / θέλξαι ἀοιδάων ἐνοπῇ ποταμῶν τε ῥέεθρα. In der Dolonie der Ilias begegnet ἐνοπή einmal im musikalischen Kontext: αὐλῶν συρίγγων τ’ ἐνοπὴν (K 13). Auch im Homerischen Hermeshymnos kommt das Wort zweimal in diesem Zusammenhang vor (422: ἰωὴ θεσπεσίης ἐνοπῆς, 512: συρίγγων ἐνοπὴν). In 4, 909 dagegen ist ἐνοπή der Gesang der Sirenen, den Orpheus mit seiner Musik besiegt: παρθενίην δ’ ἐνοπὴν ἐβιήσατο φόρμιγξ.943

Zusammenfassung In den Argonautika steht ἐνοπή an drei Stellen im bei Homer singulären Dativ. Kein homerisches Vorbild haben die wechselnden Epitheta, die sich an drei Stellen finden. Bei Apollonios bezeichnet ἐνοπή fast immer den Laut der (meist menschlichen) Stimme generell, d.h. der Stimmen der Argonauten, der menschlichen Stimme der Argo und besonders der Stimmen, die Zauber auslösen (θέλγειν): der Gesang des Orpheus, die Stimme der Medea, als sie den Gott Hypnos um Hilfe anruft, und die Stimmen der Sirenen. Nur in der Beschreibung des Aietes steht ἐνοπή im kriegerischen Sinn.

e. κέλαδος κέλαδος ist bei Homer dreimal (Ilias 2, Odyssee 1) belegt als Geschrei und Lärm in Verbindung mit kriegerischer Auseinandersetzung und Streit, z.B. ἣ δ’ ἀμφ’ αὐτῷ θῆκε πολὺν κέλαδον καὶ ἀϋτήν (I 547).944

940 Zur semantischen Unterscheidung zwischen mechanischem Lärm (δοῦπος) und dem Laut der menschlichen Stimme (ἐνοπή) s. auch unter 15e. (κέλαδος). 941 Zur Stelle s. auch unter 15l. (ἰάχω). 942 Zum Dativ ἐνοπῇ s. zu 4, 580–82, zu Attributen bei ἐνοπή s. zu 2, 1205–6. 943 Zu dieser Stelle s. ausführlich unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie). 944 M. Schmidt, LfgrE 2, 1368, 33–34: „(Streit-)Lärm, Tumult, immer im Kontext bzw. als Indiz krieg. Auseinandersetzg., Streit“. Die zwei Belegstellen bei Hesiod (theog. 852, 926) zeigen noch deutlicher die Verbindung mit Krieg und Kampf. In nachhomerischer Zeit dagegen wird das Wort in den verschiedensten Bereichen eingesetzt: 233

An der einzigen Belegstelle bei Apollonios ist κέλαδος das Geschrei der Argonauten zur Vertreibung der Ares-Vögel: …, δὴ τότ’ ἔπειτα / σὺν κελάδῳ σακέεσσι πελώριον ὄρσετε δοῦπον (2, 1066–67). Wie bei Homer, wo in Kampfbeschreibungen zwei Arten des Lärms, nämlich Geschrei und mechanischer, durch aneinander krachende Waffen entstehender Lärm unterschieden werden, (z.B. τόσσος γὰρ κτύπος ἦεν, ἀϋτὴ δ’ οὐρανὸν ἷκεν, / βαλλομένων σακέων τε καὶ ἱπποκόμων τρυφαλειῶν (M 338–39)),945 so setzt auch Apollonios κέλαδος als Geschrei, δοῦπος als Waffenlärm ein.946

f. κλαγγή κλαγγή (Ilias 6, Odyssee 2 Stellen) hat bei Homer nicht die Bedeutung ‚Kriegsgeschrei‘, begegnet aber trotzdem an einigen Stellen im kriegerischen Kontext als Begriffspaar zusammen mit ἐνοπή (Τρῶες μὲν κλαγγῆι τ’ ἐνοπῆι τ’ ἴσαν (Γ 2)) oder κυδοιμός (Τρώων δὲ κλαγγή τε καὶ ἄσπετος ὦρτο κυδοιμός (K 523)).947 In A 49 bezeichnet κλαγγή den Klang des Bogens beim Abschuss (δεινὴ δὲ κλαγγὴ γένετ’ ἀργυρέοιο βιοῖο). Außer den beiden Belegen im Vogel-Gleichnis (s.u.) finden sich alle Stellen auf der Erzählebene.

In den Argonautika ist κλαγγή an vier Stellen belegt: 2, 267–69: Die Harpyien stürmen mit Lärm heran: αἱ δ’ ἄφαρ […] / ἀπρόφατοι νεφέων ἐξάλμεναι ἐσσεύοντο / κλαγγῇ μαιμώωσαι ἐδητύος. Die Formulierung erinnert an Γ 4–5, wo das Kriegsgeschrei der Troer mit dem Geschrei von Vögel verglichen wird: αἵ τ’ ἐπεὶ οὖν χειμῶνα φύγον καὶ ἀθέσφατον ὄμβρον / κλαγγῆι ταί γε πέτονται ἐπ’ ὠκεανοῖο ῥοάων. Als κλαγγή wird in dieser Passage sowohl das Geschrei der Troer (Γ 2) als auch zweimal das der Vögel (Γ 3 und 5) bezeichnet.948

als laute Stimme oder ‚Schrei‘ generell (z.B. Tragödie), auch als Musik, Zirpen von Grillen oder Zwitschern von Vögeln, Belegstellen s. LSJ s.v. 945 M. Schmidt, LfgrE 1, 1594, 22–23: „das menschliche Gebrüll wird vom mechanischen Lärm (κτύπος) unterschieden“. κτύπος ist bei Homer der mechanische Lärm durch „Getrampel von Schritten“ oder „Dröhnen von Waffen od. vom Fallen der Männer“ (M. Schmidt, LfgrE 2, 1567, 23–24; 35–36). δοῦπος wird synonym gebraucht (M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 66 ff.). ἀυτή dagegen ist das menschliche Gebrüll, meistens als Kampfgebrüll (M. Schmidt, LfgrE 1, 1591, 61–72). 946 Zu δοῦπος s. unter 15h. 947 M. Schmidt, LfgrE 2, 1431, 21–22. 948 Dazu Cuypers (1997) 277 („κλαγγή is often used with birds“) mit weiteren Belegstellen bei Antipater, Meleager und Quintus Smyrnaeus. Bei Homer wird das Wort an zwei von 8 Stellen für das Geschrei von Vögeln verwendet, an weiteren zwei Stellen für das Geschrei von Menschen, das mit dem der Vögel verglichen wird, s. M. Schmidt, LfgrE 2, 1431, 25–43. Vgl. Krapp (1964) 50, Anm. 1: „κλαγγή bedeutet jeden schrillen Ton und charakterisiert vor allem das kreischende Schreien des Kranichs, so Γ 3, und jeder größeren Masse: B 100, K 523.“ Vgl. LSJ: „any sharp sound, […] scream of birds, esp. cranes, to which are compared confused cries of a throng“. 234

Im vierten Buch wählt Apollonios die gleiche Junktur wie in 2, 269, um das Geschrei der Kolcher, die zur Verfolgung der Argonauten drängen, zu beschreiben: κλαγγῇ μαιμώοντες (4, 219).949 2, 1077–78: Das Geschrei der Argonauten zur Abwehr der Ares-Vögel wird in einem Gleichnis mit dem Lärm verglichen, der entsteht, wenn Krieger in einer Schlachtreihe mit ihren Waffen gegeneinander stoßen: Οἵη δὲ κλαγγὴ δηίου πέλει ἐξ ὁμάδοιο / ἀνδρῶν κινυμένων, ὁπότε ξυνίωσι φάλαγγες.950 Vorbild ist sicher Γ 3 aus dem bereits genannten Vogel-Gleichnis der Ilias: ἠΰτε περ κλαγγὴ γεράνων πέλει οὐρανόθι πρό. 3, 632: Medea erwacht durch den Schrei ihrer Eltern (3, 631), von dem sie träumt: Τὴν δ’ ὕπνος ἅμα κλαγγῇ μεθέηκεν. Für einen Schrei beim Aufwachen findet sich eine Belegstelle bei Aischylos. Dort wird das verwandte Verb κλάζω verwendet: ἡ δ’ ἐξ ὕπνου κέκλαγεν ἐπτοημένη (Ch. 535).951

Zusammenfassung Apollonios lehnt sich an zwei der vier Belegstellen an das Vogel-Gleichnis der Ilias an, das Kriegsgeschehen illustriert. Nur an einer Belegstelle steht κλαγγή im kriegerischen Kontext und beschreibt die aggressiven Kolcher.

g. ὀρυμαγδός ὀρυμαγδός (Ilias 13, Odyssee 3 Stellen) bedeutet ,Lärm, Getöse, Getümmel‘ und begegnet bei Homer nicht nur im kriegerischen Kontext.952 Jedoch hat das Wort in der Formel πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ὀρώρει (fünfmal, z.B. Β 810) immer die Bedeutung ‚Kriegslärm‘.953 Oft bezeichnet ὀρυμαγδός auch das Getümmel oder den Lärm des gegnerischen Heeres. Zwei Stellen finden sich in einem Gleichnis, das Kampfgeschehen illustriert, 3 Stellen stehen in Reden.

An der einzigen Belegstelle in den Argonautika wird der homerische Versanfang πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς (s.o.) übernommen: Bei der Abfahrt der Argonauten zum

949 Hunter (2015) 112: „lit. ‚raging with a din‘, i.e. ‚shouting and raging‘.“ 950 Zum kriegerischen Thema dieses Gleichnisses im Vergleich zu Homer s. unter 2c. (φάλαγξ) und 3a. (δήϊος). 951 Hunter (1989) 166 („It is a common experience that dreaming of a loud sound often wakes the dreamer.“) versteht das Aufwachen Medeas durch ihren Schrei im Traum als Kontrast zu dem Klytaimnestras bei Aischylos, da dort das Schreien erst nach dem Aufwachen stattfindet. 952 M. Schmidt, LfgrE 3, 819, 54–820, 26 zählt unter nicht-kriegerischen Gebrauch 4 Ilias- und 2 Odysseestellen. Dazu gehören die 2 Gleichnisse in der Ilias. 953 In nicht-kriegerischem Kontext (Gleichnis) steht Κ 185–86: πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ἐπ’ αὐτῶι / ἀνδρῶν ἠδὲ κυνῶν. 235

heiligen Hain, wo sich das Goldene Vlies befindet, entsteht Lärm: πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ἐπειγομένων ἐλάτῃσιν / ἦεν ἀριστήων (4, 105–6).954

h. δοῦπος δοῦπος bezeichnet bei Homer an 6 von 13 Stellen (Ilias 9, Odyssee 4) das ‚Dröhnen‘, d.h. den durch aneinander krachende Waffen entstehenden Lärm,955 meist im Kampfgeschehen, dreimal auch in Reden. Der Ausdruck δοῦπος ἀκόντων (dreimal, z.B. Λ 364) ist fast synonym mit ‚Kampf‘. Formelhaft ist auch die Junktur δοῦπος ὀρώρει (I 573, M 289, s. auch Hesiod, theog. 70, 703, fr. 158,1 MW).

Bei Apollonios ist das Wort an 7 Stellen belegt: In der Ares-Vögel-Episode lehnt sich Apollonios an die altepische Formel δοῦπος ὀρώρει (s.o.) an, um den Waffenlärm zu beschreiben, den die Argonauten nach Aufforderung des Amphidamas mit ihren Schilden erzeugen sollen: σὺν κελάδῳ σακέεσσι πελώριον ὄρσετε δοῦπον (2, 1067). Apollonios variiert, indem er das homerische Subjekt δοῦπος zum Objekt macht und das bei Homer intransitive Verb transitiv gebraucht. Die syntaktische Konstruktion spiegelt den inhaltlichen Kontrast wider: Bei Homer entsteht der Lärm von selbst als Nebeneffekt der Kampfhandlungen. In den Argonautika dagegen erzeugen die Helden aktiv den Lärm, ohne dass eine Kampfhandlung stattfindet. Die homerische Junktur δοῦπον ἀκούω (5 Stellen, z.B. Κ 354) / κλύω (Δ 455) wird variiert mit einem synonymen Verb in 2, 194, wo Phineus die Argonauten kommen hört: Aὐτίκα δ’, εἰσαΐων ἐνοπὴν καὶ δοῦπον ὁμίλου.956 An die homerische Formel δούπησεν δὲ πεσών angelehnt scheint die Beschreibung des mit lautem Getöse fallenden Talos in 4, 1688: ἀπείρονι κάππεσε δούπῳ.957

954 Vasilaros (1993) 104 weist darauf hin, dass sich der Genetiv ἐπειγομένων ἀριστήων sowohl an ὀρυμαγδός als auch an ἐλάτῃσιν anschließen kann, „obwohl der Dativ ἐλάτῃσιν, genau wie bei εἰρεσίῃ (Vs. 210) als Dativus instrumentalis bei ἐπειγομένων (bzw. ἐπείγετο) steht (vgl. LSJ s.v. ἐπείγω)“ und nimmt ν 115 als Parallelform für das Beispiel an. 955 M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 66–67: „Dröhnen dumpfer Lärm (der bei Auf-, Zusammenprall entsteht)“ zählt unter „von Ggst., Waffen“ 6 von insgesamt 13 Stellen (ebd. 343, 5–12). 956 Zur Unterscheidung zwischen menschlichem und mechanischem Lärm s. unter 15e. (κέλαδος). Das Motiv einer den Lärm einer herannahenden Menge hörenden oder dadurch sogar aufwachenden Person findet sich auch bei Homer, an einer Stelle mit δοῦπος als Objekt zu einem Verb des Hörens: κινυμένων δ’ ἑτάρων ὅμαδον καὶ δοῦπον ἀκούσας / ἐξαπίνης ἀνόρουσε (κ 556–57). Eine weitere Parallele ist: τῶν μιν ἐπερχομένων ὅμαδος καὶ δοῦπος ἔγειρεν (Ψ 234). Beide Stellen stehen wie auch die Apolloniosstelle nicht im direkten Zusammenhang mit dem Kampfgeschehen. 957 S. unter 11a. (δουπἐω). 236

An den weiteren Stellen wird das Hören von Geräuschen umschrieben. δοῦπος fungiert jeweils als Subjekt, was bei Homer nur in den Junkturen δοῦπος ὀρώρει / ὄρνυτο (s.o.) und δοῦπος ἔγειρεν (Ψ 234) vorkommt: In der Faustkampf-Episode werden die Geräusche, die beim Kampf entstehen (2, 82–83), im Gleichnis mit dem Dröhnen der Hämmer beim Schiffsbau verglichen: ἐπ’ ἄλλῳ δ’ ἄλλος ἄηται / δοῦπος ἄδην (2, 81–82). Die Verbindung von ἄημι mit einem Schallwort als Subjekt ist ohne Vorbild.958 In der Symplegaden-Episode ist δοῦπος das Dröhnen der aufeinander prallenden Felsen, das die Argonauten hören: ἤδη δέ σφισι δοῦπος ἀρασσομένων πετράων / νωλεμὲς οὔατ’ ἔβαλλε (2, 553–54). In der Odyssee wird das Dröhnen der Charybdis, das Odysseus hört, auch δοῦπος genannt: καπνὸν καὶ μέγα κῦμα ἴδον καὶ δοῦπον ἄκουσα (μ 202). Ellinger versteht die Phrase δοῦπος […] οὔατ’ ἔβαλλε an dieser Stelle als bewusste Steigerung des homerischen Vorbilds.959 In der Dolonie der Ilias findet sich ein mögliches sprachliches Vorbild mit dem Synonym κτύπος: ἵππων μ’ ὠκυπόδων ἀμφὶ κτύπος οὔατα βάλλει (K 535). Das Adverb νωλεμέ(ω)ς (‚unaufhörlich, unablässig, unermüdlich, unerbittlich‘) kommt bei Homer an 17 Stellen (Ilias 10, Odyssee 7) vor und steht an 8 Stellen neben einem Verb des Kämpfens, an 2 Stellen neben einem Verb des Tötens.960 In 3, 1038–39 wird das Geräusch von Fußschritten beschrieben: μηδέ σε δοῦπος / ἠὲ ποδῶν ὄρσῃσι. Hier ist δοῦπος Subjekt des aktiven, transitiv gebrauchten Verbs ὄρνυμι, das in der homerischen Junktur δοῦπος ὀρώρει / ὄρνυτο immer intransitiv oder medial die Entstehung von Kriegslärm beschreibt. Fußschritte bezeichnet δοῦπος auch mehrmals bei Homer, in π 10 werden Füße als Urheber des Geräusches ausdrücklich genannt:961 ποδῶν δ’ ὑπὸ δοῦπον ἀκούω. Ähnlich formuliert ist 3, 954–55, doch hier rührt das Geräusch außer von Fußtritten auch von Winden her, was bei Homer nicht vorkommt: … ὁππότε δοῦπον / ἢ ποδὸς ἢ ἀνέμοιο παραθρέξαντα δοάσσαι. Der von δοάσσαι abhängige AcP δοῦπον παραθρέξαντα ist aktiv formuliert und beschreibt ein vorüberhuschendes, von Medea nur erahntes Geräusch, das vom Kriegslärm der Ilias weit entfernt ist.

Zusammenfassung Zweimal variiert Apollonios mit ὄρσετε δοῦπον und κάππεσε δούπῳ homerische Phrasen aus Kampfbeschreibungen. Die Junkturen εἰσαΐων δοῦπον und δοῦπος οὔατ’ ἔβαλλε sind durch Synonymtausch entstandene Variationen. An den anderen Stellen finden sich neue Konstruktionen mit δοῦπος in Subjektsfunktion, was bei Homer nicht vorkommt: ἄηται δοῦπος, δοῦπος ὄρσῃσι, δοῦπον παραθρέξαντα. 958 Cuypers (1997) 119: „‚is tossed (or wafted) by the wind,‘ giving something like ‚the wind carries the sound of blow after blow unceasingly‘.“ 959 Elliger (1975) 309, Anm. 11. 960 R. Führer, LfgrE 3, 450, 51–71. 961 M. Schmidt, LfgrE 2, 342, 77–343, 2 nennt 4 Homerstellen (je 2 in Ilias und Odyssee) für den Lärm von Schritten, dazu kommen 2 Hesiodstellen. 237

Im kriegerischen Kontext begegnet δοῦπος bei Apollonios nicht, jedoch in einem Gleichnis, das zur Illustration der Faustkampf-Szene dient, sowie in der Beschreibung des besiegten Talos.

i. ῥοῖζος Das von dem Verb ῥοιζέω abgeleitete Substantiv ῥοῖζος ist bei Homer jeweils einmal in Ilias und Odyssee belegt und bezeichnet an der Iliasstelle das Zischen der Pfeile im Kampf: ὀϊστῶν τε ῥοῖζον καὶ δοῦπον ἀκόντων (Π 361). In der Odyssee ist ῥοῖζος das Pfeifen des Polyphemos bei Viehtrieb: πολλῇ δὲ ῥοίζῳ πρὸς ὄρος τρέπε πίονα μῆλα / Κύκλωψ (ι 315–16).962

Die drei Belege bei Apollonios, die von der Flexionsform dem Beleg in der Odyssee entsprechen, beschreiben Tiergeräusche: Das Geräusch des Adlerfluges in 2, 1251 (ὀξέι ῥοίζῳ), das schreckenerregende Zischen der Schlange im Hain des Ares in 4, 138 (ῥοίζῳ, vgl. auch ῥοίζει δὲ πελώριον (4, 129)) sowie das Zischen einer Schlange, mit der die Argo in einem Gleichnis verglichen wird: ῥοίζῳ δ’ ἔνθα καὶ ἔνθα κάρη στρέφει (4, 1543). Als ‚Zischen einer Schlange‘ kommt ῥοῖζος wohl nur bei Apollonios vor.963 Doch im indirekten Zusammenhang mit einer Schlange steht das Verb ῥοιζέω bei Hesiod: ἄλλοτε δ’ αὖ ῥοίζεσχ’ (theog. 835).

j. αὔω Das Verb αὔω kommt bei Homer an 47 Stellen (Ilias 44, Odyssee 3) vor und wird fast ausschließlich im kriegerischen Kontext auf der Erzählebene verwendet: für das Schlachtgebrüll von Menschen und Göttern, den Aufruf zum Kampf, das Triumphgeschrei, aber auch im übertragenen Sinn den Waffenlärm.964

Bei Apollonios finden sich drei Belege: Bei der Abfahrt der Argo wird der Ruf des Tiphys beschrieben: Κεκλόμενος δ’ ἤυσε μάλα μέγα (1, 383). Vorbild ist sicher der Ruf des Apollon in der Ilias: ἄϋσε μάλα μέγα (O 321); auch die metrische Position zwischen der Hebung des zweiten Metrums und der bukolischen Diärese ist identisch.965 Das Partizip κεκλόμενος/-οι ist bei Homer an 7 Stellen belegt und steht immer im kriegerischen Kontext.966 Oft sind dort auch αὔω und κέλομαι kombiniert: κέκλετ’ ἀΰσας (Δ 508, Φ 307), ἐκέκλετο 962 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 50, 33–34 („of a loud ‚shishing‘ sound“) gibt zu Π 361 die Bedeutung „whirring“, zu ι 315 die Bedeutung „zischen“ an. 963 LSJ s.v.: „hissing of a serpent“ mit den Belegstellen bei Apollonios. 964 M. Schmidt, LfgrE 1, 1688, 75–1693, 38, zur Bedeutung ebd. 1689, 62–63: „laut brüllen, den Schlachtruf erheben, von Massen in der Schlacht“; 1690, 20–21: „übermenschlich laut brüllen, den Schlachtruf erheben, von einem Gott“. 965 Ardizzoni (1967) 146. 966 Das Verb κέλομαι steht bei Homer an 16 Iliasstellen von insgesamt 64 Ilias- und 34 Odysseestellen im kriegerischen Kontext mit der Bedeutung „exhort in battle, 238

μακρὸν ἀΰσας (neunmal, z.B. Z 110). Anders als Homer setzt Apollonios κέλομαι als Partizip und αὔω als finite Form ein. In der Symplegaden-Episode hört man das bedrohliche Lärmen des Meeres: αὖε δὲ πόντος / σμερδαλέον (2, 566–67). Sachsubjekte zu αὔω sind bei Homer stets Waffen im Kampf.967 Apollonios ist vielleicht der Erste, der das Verb für das Rauschen des Meeres gebraucht, das damit martialisch wirkt.968 Verstärkt wird dies noch durch das Adverb σμερδαλέον, das bei Homer und Hesiod oft bei akustischen Verben steht, zwar nicht bei αὔω, jedoch z.B. bei βοάω: σμερδαλέον δ’ ἐβόησεν (Θ 92, θ 305, ω 537).969 Die Form αὖε findet sich bei Homer viermal, davon zweimal mit nachfolgendem Subjekt, z.B. Y 48: αὖε δ’ Ἀθήνη (s. auch Y 51). Im Hain des Ares ruft Medea Hekate um Hilfe an: αὖε δ’ ἄνασσαν (4, 147). Außer den Göttinnen taucht bei Homer nur einmal eine Frau als Subjekt zu αὔω auf (ζ 117).970 Transitiv ist das Verb dort dreimal konstruiert,971 z.B. als Hilferuf an die Gefährten im Schlachtgeschehen: αὖε δ’ ἑταίρους (Λ 461, Ν 477).

Zusammenfassung Im Unterschied zu dem abgeleiteten Substantiv ἀυτή wird das Verb αὔω bei Apollonios gar nicht im kriegerischen Sinn verwendet. Sprachlich spielen jedoch alle drei Belegstellen auf homerische Formulierungen aus Kriegsszenen an.

967 968 969

970 971

often with element of summon“ (W. Beck, LfgrE 2, 1379, 19–20, Stellen aufgelistet ebd. 1370, 21–45). Vgl. auch Krapp (1964) 52. M. Schmidt, LfgrE 1, 1693, 9–38. S. auch Krapp (1964) 48, Anm. 1: „N 408. 441 vom ‚Schreien‘ getroffener Waffen.“ LSJ s.v. 3: „of the sea, roar“; DGE s.v. I.2: „del mar bramar“ mit Angabe von 2, 566. Zur martialischen Wirkung der Naturbeschreibung s. unter 15r. (Die Symplegaden-Episode). LSJ s.v. σμερδαλέος 2: „terrible to hear, esp. in neutr. as Adv.“ Vgl. außerdem σμερδαλέα ἰάχων (8 Stellen z.B. E 280) und σμερδαλέον κονάβησαν ἀϋσάντων ὑπ’ Ἀχαιῶν (B 334, Π 277). Vom Lärm der Natur s. z.B. Hes. theog. 839–41: ἀμφὶ δὲ γαῖα / σμερδαλέον κονάβησε καὶ οὐρανὸς εὐρὺς ὕπερθε / πόντός τ’ Ὠκεανοῦ τε ῥοαὶ καὶ τάρταρα γαίης; Hymn. Hom. 28, 10–11: ἀμφὶ δὲ γαῖα / σμερδαλέον ἰάχησεν. In der nachhomerischen Literatur vor Apollonios wird das Adjektiv nicht adverbial gebraucht. Als Attribut im Kontext von Lärm z.B. bei Lukian (Tim. 1, 7; Icar. 33,11). Später imitiert Quintus Smyrnaeus Apollonios: Σμερδαλέον δ’ ἤυσε μέγας θεός (3, 37). Vgl. M. Schmidt, LfgrE 1, 1691, 30–40; dort ist der Schrei der Athene in Y 48 nicht aufgelistet. M. Schmidt, LfgrE 1, 1689, 18–17: „Selten trans., dafür sonst καλέω u.a.“; vgl. auch ebd. 1692, 61–1693, 9 zur Bedeutung: „jem. laut (mit Namen?) rufen, um Hilfe schreien, einen Toten anrufen“. 239

k. βοάω Das Verb βοάω hat die Bedeutung ‚laut rufen‘ und wird bei Homer in verschiedenen Kontexten verwendet. Es steht an 10 (Ilias 9, Odyssee 1) von 28 (Ilias 17, Odyssee 11) Stellen im direkten Zusammenhang mit Kampfhandlungen auf der Erzählebene, beschreibt als artikuliertes Rufen oft eine Aufforderung zum Kampf, an einigen Stellen auch den „Kriegsruf in der Schlacht“ oder den Hilferuf.972

Bei Apollonios kommt das Verb an 7 Stellen vor, davon einmal als Kompositum ἐκβοάω.973 An zwei dieser Stellen wird das Rufen oder Schreien einer Person bezeichnet, jedoch nicht im kriegerischen Kontext: 1, 1272: Herakles brüllt beim Verlust des Hylas: μεγάλῃ βοάασκεν ἀυτῇ. Die Iterativform ist nur bei Apollonios belegt (dreimal βοάασκεν, s.u.).974 Mit einem Schallwort als innerem Objekt ist βοάω einmal in den Homerischen Hymnen verbunden: ἐβόησα δ’ ἄρ’ ὄρθια φωνῇ (Dem. 432). 2, 588–89: In der Symplegaden-Episode fordert Euphemos die Argonauten mit Gebrüll zum Rudern auf: Εὔφημος δ’ ἀνὰ πάντας ἰὼν βοάασκεν ἑταίρους / ἐμβαλέειν κώπῃσιν ὅσον σθένος. Vorbild sind sicher die Worte des Odysseus: ἑτάροισι δ’ ἐποτρύνας ἐκέλευσα / ἐμβαλέειν κώπῃσ’ (ι 488–89, κ 128–29). Der Ausdruck ἀνὰ πάντας ἑταίρους mit der Bedeutung ‚zwischen allen Gefährten hindurch‘, entspricht dem homerischen Ausdruck ἀνὰ στρατόν (‚durch das Heer‘, z.B. βὰν δ’ ἰέναι καθ’ ὅμιλον ἀνὰ στρατὸν εὐρὺν Ἀχαιῶν (Δ 209)). Apollonios verbindet βοάω, hier als ‚zurufen‘ oder ‚auffordern‘ aufzufassen, mit einem Infinitiv. Parallelen zu dieser Kon­ struktion finden sich erst in der Tragödie.975 Bei Homer hängen dagegen sowohl Inhalt, als auch Adressat der Aufforderung immer von einem zweiten Verb ab.976

972 M. Schmidt, LfgrE 2, 69, 52–70, 55 („Subj. i. d. R. Männer, meist in krieger. Zus.h.“). In der Odyssee überwiegen die Belege im nicht-kriegerischen Kontext, z.B. die Anrufung eines Gottes, Zuruf oder Hilferuf im sonstigen Zusammenhang, Namensnennung. Hier begegnet das Verb fünfmal in Reden, in der Ilias dagegen nur einmal. 973 ἐκ δ’ ἐβόησαν (3, 631). Das Kompositum, das bei Apollonios in Tmesis steht, kommt bei Homer nicht vor. Erste Belege finden sich bei Xenophon (Cyn. 6, 10) und Platon (rep. 492b), vgl. LSJ s.v. ἐκβοάω. 974 Vgl. Rzach (1878) 172. Zur Stelle s. auch unter 15a. (ἀυτή). 975 LSJ s.v. II.5: „c. inf., cry aloud or command in a loud voice to do a thing“, mit Hinweis auf Soph. OT 1287–88 und Eur. Andr. 297–98. DGE s.v. B.I.2 nennt außerdem Thuk. 8, 86 und Xen. an. 1, 8, 19. 976 M. Schmidt, LfgrE 2, 70, 7–8: „Befehl oder Aufforderung, Inhalt jeweils durch and. Verb best., zu dem der Adressat Akk.- oder Dat.-Obj.“, z.B. Ἀτρεΐδης δ’ ἐβόησεν ἰδὲ ζώνυσθαι ἄνωγεν / Ἀργείους (Λ 15–16), σμερδαλέον δ’ ἐβόησεν ἐποτρύνων Ὀδυσῆα (Θ 92). Auch die transitive Verwendung kommt erst in nachhomerischer Literatur vor, z.B. zuerst bei Pindar und Herodot. LSJ s.v. II.1: „c. acc. pers., call to one, call on“. Belege: Pind. Pyth. 6, 36; Hdt. 8, 92, 2; Xen. Kyr. 7, 2, 5. 240

An zwei weiteren Belegstellen in der Symplegaden-Episode (βόων δ’ ἁλιμυρέες ἀκταί (2, 554)) und in der Charybdisszene im vierten Buch (τῇ δ’ ἄμοτον βοάασκεν ἀναβλύζουσα Χάρυβδις (4, 923)) bezeichnet βοάω das Lärmen in der Natur. In diesem Sinn begegnet das Verb an 2 von 28 Stellen bei Homer, jeweils in einem Gleichnis, das Schlachtgebrüll beim Kampf verdeutlichen soll (Ξ 394, Ρ 265).977 Mögliches Vorbild für 2, 554 ist P 264–65: ἄκραι / ἠϊόνες βοόωσιν. Im Kontext der Medea-Handlung erscheint βοάω zweimal: In 3, 631 wird mit dem Kompositum ἐκβοάω in Medeas Traum das Aufschreien ihrer Eltern nach der Entscheidung ihrer Tochter für Jason beschrieben: ἐκ δ’ ἐβόησαν / χωόμενοι (3, 631–32).978 In 3, 792–93 bezeichnet βοάω in den sorgenvollen Gedanken Medeas den befürchteten Klatsch der Stadtbewohner über ihr Schicksal: τηλοῦ δὲ πόλις περὶ πᾶσα βοήσει / πότμον ἐμόν· Das hier verwendete aktive Futur βοήσει findet sich erst in nachklassischer Literatur.979 Auch die transitive Verwendung mit dem Inhalt des Rufes als Objekt kommt bei Homer nicht vor,980 sondern begegnet erst in der Tragödie: βοῶντος ἄτης τῆσδ’ ἐπίσκοπον μέλος (Soph. Ai. 976), ἄλγος βοᾶις (Eur. Tr. 1310). Bei Aischylos findet sich eine Parallele mit einer Stadt als Subjekt: βοᾷ δ’ ἐκκενουμένα πόλις (sept. 330). Motivisch ähnlich ist außerdem eine Stelle bei Sophokles: Ἦ που τάλαινα, τήνδ’ ὅταν κλύῃ φάτιν, / ἥσει μέγαν κωκυτὸν ἐν πάσῃ πόλει (Ai. 850–51).

Zusammenfassung Das Verb βοάω steht bei Apollonios nicht im kriegerischen Kontext. Dreimal begegnet eine nur bei Apollonios belegte Iterativform, einmal ein dort zuerst belegtes Futur. Die Belegstelle in der Symplegaden-Episode ist an eine Odyssee-Szene angelehnt, sonst bestehen keine engen Parallelen zu homerischen Formulierungen.

l. ἰάχω Das Verb ἰάχω heißt bei Homer nicht immer ,schreien in der Schlacht‘, sondern oft auch ,aufschreien‘ als Reaktion auf verschiedene Ereignisse, fast immer auf der Erzählebene.981 An 21 (Ilias 19, Odyssee 2) von 43 Stellen (Ilias 37, Odyssee 6) steht das Verb aber als ,brüllen beim Angriff‘ oder ,schreien während der Schlacht‘ im direkten

977 M. Schmidt, LfgrE 2, 69, 53–54 und 70, 55–61. 978 S. dazu Anm. 973. 979 LSJ s.v.: „fut. βοήσομαι […]; later βοήσω“ mit Angabe der Apolloniosstelle und einer Stelle bei Julianos (AP 7, 32). DGE s.v. nennt als Beleg für das dorische Futur βοάσομαι Aristoph. nub. 1154. Gillies (1928) 85 erwägt die Möglichkeit, dass es sich bei περὶ … βοήσει um ein Kompositum handelt, das hier zuerst belegt wäre, und verweist auf das attische Adjektiv περιβόητος. 980 Vgl. Anm. 976. 981 M. Schmidt, LfgrE 2, 1113, 29–1114, 4. Nur 3 Stellen (Ilias 2, Odyssee 1) finden sich in Reden, 3 Iliasstellen in Gleichnissen. 241

Zusammenhang mit kriegerischen Handlungen,982 und zwar entweder als Kompositum ἐπιάχω (fünfmal, davon zweimal in Tmesis),983 meistens aber als Partizip (achtmal σμερδαλέα ἰάχων, zweimal μέγα ἰάχων), zweimal auch in der Wendung μέγα ἴαχον.984

In den Argonautika ist ἰάχω an 13 Stellen und ἐπιάχω an einer Stelle belegt. Ebenso finden sich die Komposita ἀνιάχω (2, 270,985 3, 253) und ἀντιάχω (2, 828; 4, 76), die aber nicht bei Homer vorkommen und daher nicht untersucht werden. An mehreren Stellen beschreibt (ἐπ)ιάχω das kollektive Geschrei der Argonauten oder der Kolcher bei verschiedenen Anlässen: 1, 387: Die Argonauten schreien auf, als sie die Argo zu Wasser lassen: οἱ δ’ ἑκάτερθεν ἐπίαχον ἀίσσοντες. Mögliche sprachliche Vorbilder sind: Ἀργεῖοι δ’ ἑτέρωθεν ἐπίαχον (N 835) und οἳ δ’ ἄρα πάντες ἐπίαχον (H 403, I 50). 2, 573: Auf den Ausgang der Taubenprobe reagieren die rudernden Argonauten mit Gebrüll: ἐρέται δὲ μέγ’ ἴαχον. Vorbild ist sicher die homerische Formel Ἀργεῖοι δὲ μέγ’ ἴαχον (viermal in der Ilias, z.B. B 333), die in den Argonautika noch an folgender Stelle imitiert wird: 3, 1370–71: Die Kolcher schreien als Reaktion auf die Heldentat Jasons: Κόλχοι δὲ μέγ’ ἴαχον, ὡς ὅτε πόντος / ἴαχεν ὀξείῃσιν ἐπιβρομέων σπιλάδεσσιν. Ihr Geschrei wird auf homerische Art in einem Gleichnis mit dem ‚Brüllen‘ des Meeres verglichen, ebenso wie das Gebrüll der Achaier, die zur Heeresversammlung zusammenlaufen: οἳ δ’ ἀγορήνδε / αὖτις ἐπεσσεύοντο […] / ἠχῆι, ὡς ὅτε κῦμα […] βρέμεται, σμαραγεῖ δέ τε πόντος (B 207–10). Die beiden Schallwörter ἐπιβρομέω bei Apollonios und βρέμω bei Homer sind etymologisch verwandt.986 Die Verbindung von πόντος und ἰάχω ist bei Hesiod zu finden: δεινὸν δὲ περίαχε πόντος ἀπείρων (theog. 678). 2, 96–97: Die Helden schreien auf beim Sieg des Polydeukes über Amykos: οἱ δ’ ἰάχησαν / ἥρωες Μινύαι. Dies erinnert an das Reaktionsgeschrei der Achaier in der Ilias: οἳ δ’ ἄρα πάντες ἐπίαχον υἷες Ἀχαιῶν (H 403, I 50). Geschrei als Reaktion auf den Fall eines Gegners begegnet in P 317: ὃ δ’ ἐν κονίῃσι πεσὼν ἕλε γαῖαν ἀγοστῶι. […] / Ἀργεῖοι δὲ μέγα ἴαχον (P 315–17).987 Der Aorist ist in den homerischen Epen 982 M. Schmidt, LfgrE 2, 1112, 45–1113, 29 zählt unter Punkt 1 („aufschreien, (laut) brüllen, bei krieger. Angriff oder als Teil krieger. Aktion“) 15 Ilias- und 2 Odysseestellen auf. Dazu kommen 4 Iliasstellen, an denen das Verb Reaktionsgeschrei im Kampf bezeichnet. 983 Das Kompositum kommt außerdem noch zweimal als Zustimmungsgeschrei in der Formel Ὣς ἔφαθ’, οἳ δ’ ἄρα πάντες ἐπίαχον υἷες Ἀχαιῶν (H 403, I 50) vor. 984 In Verbindung mit dem Adverb μέγα oder μεγάλα begegnen weitere Formen des Verbs, jedoch nicht nur im kriegerischen Kontext, s. dazu M. Schmidt, LfgrE 2, 1111, 47–1114, 53. 985 Zur dieser Stelle s. unter 15q. (Die Harpyien). 986 Gillies (1928) 131 zu ἐπιβρομέων: „a late form of the Homeric ἐπιβρέμω“. Vgl. M. Schmidt, LfgrE 2, 94, 65. 987 Ähnlich das Geschrei der Achaier nach dem Sturz Hektors: ὣς ἔπεσ’ Ἕκτορος ὦκα χαμαὶ μένος ἐν κονίηισι· / […] / οἳ δὲ μέγα ἰάχοντες ἐπέδραμον υἷες Ἀχαιῶν (Ξ 418–21). 242

nicht belegt, die Form ἰάχησαν begegnet zuerst bei Apollonios (dreimal, s. auch 4, 206 und ἀντιάχησαν in 2, 828) und Theokrit (eid. 24, 56).988 4, 206–7: Ähnlich formuliert ist der Aufschrei der Argonauten beim Aufbruch zur Rückfahrt: τοὶ δ’ ἰάχησαν / θεσπέσιον μεμαῶτες.989 Das Adjektiv θεσπέσιος ist bei Homer oft Epitheton für Kriegslärm in der Junktur ἠχῆι θεσπεσίηι (neunmal, z.B. Θ 159), aber auch für Flucht, Schrecken oder Unwetter.990 Die adverbiale Form begegnet jedoch erst bei Herodot (3, 113, 1).991 Als μεμαῶτες werden in der Ilias fast immer kampfbegierige Krieger bezeichnet, z.B. Τρῶες δὲ […] Ἕκτορι Πριαμίδῃ ἄμοτον μεμαῶτες ἕποντο, / ἄβρομοι αὐίαχοι (N 39–41).992 An drei der bisher betrachteten Stellen heißt ἰάχω ,schreien‘ als Reaktion auf ein Ereignis. Als Reaktionsgeschrei begegnet ἰάχω bei Homer an 9 Stellen, immer im kriegerischen Kontext, z.B. bei Kampferfolgen, -misserfolgen oder Aufforderungen zum Kampf. An 3 Stellen ist ἰάχω das unartikulierte Schreien einer einzelnen Person: Zweimal bezeichnet das Partizip ἰάχοντος den schreienden Hylas: Τοῦ δ’ ἥρως ἰάχοντος ἐπέκλυεν οἶος ἑταίρων / Εἰλατίδης Πολύφημος (1, 1240–41), ἐγὼ δ’ ἰάχοντος ἄκουσα (1, 1260). Die Form ἰάχοντος findet sich bei Homer nur einmal, auch dort als Objekt zu einem Verb des Hörens: τρὶς δ’ ἄϊεν ἰάχοντος ἀρηΐφιλος Μενέλαος (Λ 463). Im vierten Buch schreit Hera zur Warnung für die Argonauten: Ἀλλ’ Ἥρη […] ἰάχησεν (4, 640).993 Auffällig sind die Belegstellen, an denen die Stimme der Argo beschrieben wird: 1, 524–25: Vor der Abfahrt hört man, wie die Argo und der Hafen aufschreien: Σμερδαλέον δὲ λιμὴν Παγασήιος ἠδὲ καὶ αὐτὴ / Πηλιὰς ἴαχεν Ἀργὼ ἐπισπέρχουσα νέεσθαι· Die homerische Junktur σμερδαλέα ἰάχων (achtmal, z.B. Ε 302), die hier variiert wird, steht immer im kriegerischen Kontext. Eine Parallele in den Homerischen Hymnen schildert mit σμερδαλέον ἰάχησεν den Lärm bei einem Erdbeben (28, 11).994

988 Später nur bei Nonnos (sechsmal, z.B. Dion. 28, 23) und Quintus Smyrnaeus (4, 205 (Οἳ δ’ ἰάχησαν / Ἀργεῖοι); 9, 465). Bei Homer werden hauptsächlich die Imperfektformen ἴαχον (13x inkl. Komposita) und ἴαχε(ν) (13x) verwendet, zweimal findet sich in den Homerischen Hymnen die Aoristform ἰάχησε(ν) (Dem. 20; 28, 11). 989 Zur Form ἰάχησαν s.o. zu 2, 96–97. 990 Das Adjektiv θεσπέσιος hat die ursprüngliche Bedeutung ‚göttlich‘, heißt aber meistens ‚gewaltig, außerordentlich‘, aber auch ‚herrlich‘ oder ,schrecklich‘. Zu ἠχῇ θεσπεσίῃ s. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 1024 (θεσπέσιος), 7–9 und 18–20, M. Schmidt, LfgrE 2, 952 (ἠχή), 21–36. 991 Vgl. auch Theokrit: θεσπέσιον δ’ ὑλάοντες (eid. 25, 70). 992 μεμαῶτες steht sonst allerdings meist mit Inf. z.B. διαρραῖσαι μεμαῶτες (viermal, z.B. B 473); s. auch R. Führer, LfgrE 3, 122, 61–62 zu μέμονα mit Inf.: „prägnant in krieg. Kontext vom energ. agress. Drang“. Vgl. Hunter (2015) 110 zu θεσπέσιον μεμαῶτες in 4, 207: „filled with extraordinary enthusiasm.“ 993 Zur Form ἰάχησεν s. zu 4, 592. 994 Zu σμερδαλέον in Verbindung mit Schallwörtern s. auch unter 15j. (αὔω), besonders Anm. 969. 243

Zwei Belegstellen im vierten Buch bilden den Rahmen für die Rede des Schiffes an seine Besatzung: 4, 581: ἴαχεν ἀνδρομέῃ ἐνοπῇ. Ähnliche Formulierungen im Homerischen Demeterhymnos bezeichnen einen unartikulierten Aufschrei: ἰάχησε δ’ ἄρ’ ὄρθια φωνῇ (20), ἐβόησα δ’ ἄρ’ ὄρθια φωνῇ (432). Auch in den homerischen Epen ist ἰάχω immer unartikuliertes Aufschreien, als Angriffsgebrüll, Reaktionsschrei von Menschen oder das Aufheulen von Tieren, Natur und Sachen.995 Erst in späterer Literatur und dann auch nur selten wird das Verb für artikuliertes Schreien verwendet, z.B. bei Euripides, dann erst bei Apollonios und Agathias.996 Dass die Argo in menschlicher Sprache spricht, zeigen die Verse 4, 586–591, die konkrete Handungsanweisungen für die Argonauten in indirekter Rede enthalten.997 Danach schließt die Szene mit nochmaliger Erwähnung des Aufschreis: Ὧς Ἀργὼ ἰάχησεν ὑπὸ κνέφας (4, 592). Die Form ἰάχησεν ist nicht bei Homer belegt, aber in den Homerischen Hymnen (28, 11 und Dem. 20), dann bei Euripides (El. 1150, Or. 826). Artikuliertes Schreien bezeichnet ἰάχω auch in 1, 1314, wo Glaukos den Argonauten zuruft (ἴαχεν ἐσσυμένοισιν) und ihnen den Willen des Zeus mitteilt (1, 1316 ff.). Hier leitet ἰάχω sogar eine direkte Rede ein, was bei Homer nicht vorkommt.998 Dort hat ἰάχω auch kein Dativobjekt bei sich, da das Verb das Aufschreien und nicht das Zurufen bezeichnet. An den drei letztgenannten Belegstellen steht ἰάχω im Zusammenhang mit einer prophetischen Aussage. Auch eine solche Verwendung ist nicht bei Homer belegt sondern findet sich erst bei Aristophanes: φράζευ, Ἐρεχθεΐδη, λογίων ὁδόν, ἥν σοι Ἀπόλλων / ἴαχεν ἐξ ἀδύτοιο διὰ τριπόδων ἐριτίμων (equ. 1016–17).999 Homerisch ist dagegen ἰάχω als Lärmen der Natur, außer im Gleichnis in 1, 1371 (s.o.) auch in 4, 129–30, wo das Zischen der Schlange ein Echo in der Natur ringsum 995 M. Schmidt, LfgrE 2, 1112, 22–23: „Bei Menschen nie von artikulierter Rede (auch nicht in REinlV.)“, zu Bedeutung und Gebrauch des Verbs 1112, 45–1114, 53. 996 LSJ s.v. 1: „sts. of articulate speech, of a herald“ mit den Belegstellen Eur. El. 707, Apoll. Rhod. 4, 581, AP 5, 299, 10. 997 Zur Problematik der indirekten Rede und der daraus resultierenden Unsicherheit über die Quelle der vom Argo-Balken verkündeten Botschaft s. Hunter (1993) 146. Zur indirekten Rede vgl. auch Gaunt (1972) 118. 998 S. Anm. 995. S. auch Krapp (1964) 48–49 zur Verwendung von ἰάχω: „Zum Unterschied von αὔω bezeichnet es nirgends einen Ruf, der in wörtlicher Rede folgt, sondern meint immer den Schrei.“ (Zum Unterschied zwischen ‚Schrei‘, der aus dem Affekt kommt, durch Richtungslosigkeit gekennzeichnet und unartikuliert ist, und ‚Ruf‘, der „an jemand gerichtet ist, also ein Objekt hat“ und artikuliert ist, s. Krapp 47, freilich mit Einschränkungen dieser Definition). Lt. Krapp 48 wird αὔω bei Homer zur Einleitung von direkten Reden verwendet („… ist es Charakterisierung eines Rufes, dem eine ausgeführte wörtliche Rede folgt“). 999 Dazu Neil (1966) 141: „ἰάχω is not used in Homer of divine voices: here probably it means the shriek of the Pythia coming from the holy place through the collection of tripods dedicated to the god.“ Zur Aristophanesstelle auch LSJ s.v. ἰάχω 3: „proclaim it to him“. 244

verursacht: ἀμφὶ δὲ μακραὶ / ἠιόνες ποταμοῖο καὶ ἄσπετον ἴαχεν ἄλσος. Die Formulierung wird in den Orphischen Argonautika imitiert: ἰάχησε δὲ σύσκιον ἄλσος (997). Für den Lärm in der Natur als Widerhall des Lärms in einer Fluchtszene wird ἰάχω in Φ 10 verwendet: ὄχθαι δ’ ἀμφὶ περὶ μεγάλ’ ἴαχον.1000 Auf kriegerischen Kontext weist auch das adverbial gebrauchte Adjektiv ἄσπετον, das in dieser Verwendung bei Homer in der Kampfparänese Apollons singulär ist (P 332).1001

Zusammenfassung Mehrmals übernimmt Apollonios homerische Formulierungen aus der Kriegssphäre, z.B. οἱ δ’ ἐπίαχον, μέγ’ ἴαχον, σμερδαλέον ἴαχεν. Dreimal verwendet Apollonios mit ἰάχησαν und ἰάχησεν Formen, die bei Homer nicht belegt sind. An drei Stellen bezeichnet ἰάχω das artikulierte Schreien göttlichen Ursprungs. Beides ist erst in nachhomerischer Zeit belegt. Keine Belegstelle des Verbs steht im kriegerischen Kontext.

m. ἀραβέω Das Verb ἀραβέω beschreibt bei Homer immer das Rasseln der Waffen beim Fall eines getöteten Kriegers in der Formel ἀράβησε δὲ τεύχε’ ἐπ’ αὐτῶι (zehnmal, z.B. ∆ 504).1002 An der einzigen Belegstelle in den Argonautika werden die Boreas-Söhne bei der Verfolgung der Harpyien mit Jagdhunden verglichen, die mit den Zähnen klappern: τυτθὸν δὲ τιταινόμενοι μετόπισθεν / ἄκρῃς ἐν γενύεσσι μάτην ἀράβησαν ὀδόντας (2, 280–81). Bei Ps.-Hesiod bezeichnet ἀραβέω das Zähneklappern der Keren, die in einer Schlacht um die Gefallenen streiten, weil sie ihr Blut trinken wollen: λευκοὺς ἀραβεῦσαι ὀδόντας (asp. 249). Auf das homerische Vorbild, die Beschreibung des zähneklappernden Dolon in K 375 (ἄραβος δὲ διὰ στόμα γίγνετ’ ὀδόντων) weist Cuypers hin.1003

n. βραχεῖν Das Verb βραχεῖν, das bei Homer an 14 Stellen (Ilias 12, Odyssee 2 Stellen) immer in der 3. Person Singular auf der Erzählebene vorkommt, findet sich meistens in der Kampfessphäre und bezeichnet entweder das Aufschreien eines Lebewesens (z.B. der Aufschrei des getroffenen Ares: ὃ δ’ ἔβραχε χάλκεος Ἄρης (E 859, außerdem E 863)), oder bei Gegenständen meist das Dröhnen metallener Schutzwaffen (sechsmal: Δ 420,

1000 Ähnlich auch ι 395 und zwei Stellen in den Homerischen Hymnen, z.B. ἀμφὶ δὲ γαῖα / σμερδαλέον ἰάχησεν (28, 10–11). Eine Parallele für den Lärm des Waldes aufgrund von Tiergeräuschen ist Hymn. Hom. 27, 7–8: ἰαχεῖ δ’ ἔπι δάσκιος ὕλη / δεινὸν ὑπὸ κλαγγῆς θηρῶν. 1001 H.W. Nordheider, LfgrE 1, 1422, 64–65: „unsagbar = sehr“; s. auch ebd. 1425, 18–20. 1002 T. Gelzer, LfgrE 1, 1164, 36–1165, 2. Krapp (1964) 189, Anm. 3. 1003 Cuypers (1997) 288. 245

Π 566, Τ 13 und in der Formel ἀμφὶ δέ οἱ βράχε τεύχεα ποικίλα χαλκῶι (dreimal, z.B. Μ 396)).1004

In den Argonautika kommt das Wort dreimal vor: 1, 1235–36: Als Hylas aus der Quelle schöpft, rauscht das Wasser um den Krug herum, in den es hineinfließt: περὶ δ’ ἄσπετον ἔβραχεν ὕδωρ / χαλκὸν ἐς ἠχήεντα φορεύμενον.1005 Die Wortwahl erinnert an Stellen der Ilias, an denen das Dröhnen von Metallwaffen beschrieben wird: δεινὸν δ’ ἔβραχε χαλκὸς (Δ 420), ἀμφὶ δέ οἱ βράχε τεύχεα ποικίλα χαλκῶι (dreimal, z.B. M 396). Wie in den Kampfszenen der Ilias die metallene Rüstung um den Krieger dröhnt, wenn er sich bewegt oder fällt, so dröhnt in den Argonautika das Wasser um einen ehernen Krug herum. 2, 573–74: In der Symplegadenszene feuert der Steuermann Tiphys die Helden mit Geschrei zum kräftigen Rudern an: Ἔβραχε δ’ αὐτὸς / Τῖφυς ἐρεσσέμεναι κρατερῶς. Hier enthält der Ruf des Steuermanns auch ein Kommando.1006 Bei Homer ist βραχεῖν dagegen immer unartikuliertes Schreien, z.B. ὃ δ’ ἔβραχε χάλκεος Ἄρης (E 859).1007 4, 642: Beim Aufschrei der Hera dröhnt der Äther: δεινὸν γὰρ ἐπὶ μέγας ἔβραχεν αἰθήρ. Das Kompositum ἐπιβραχεῖν, hier in Tmesis, ist zuerst bei Apollonios belegt.1008 Bei Homer ist βραχεῖν mit μέγα als Adverb verbunden, z.B. μέγα δ’ ἔβραχε τεύχεα φωτῶν (Π 566). Apollonios setzt das Adjektiv als Epitheton zu αἰθήρ. Den Lärm in der Natur beschreibt βραχεῖν an zwei Stellen in der Ilias (Φ 9, 387). Eine dieser Stellen findet sich in der Schilderung des Götterkampfes: σὺν δ’ ἔπεσον μεγάλωι πατάγωι, βράχε δ’ εὐρεῖα χθών (Φ 387). Dort wird das Krachen der Erde durch den Kriegslärm, der beim Aufeinandertreffen der Götter entsteht, hervorgerufen. In den Argonautika ist das Dröhnen des Äthers eine Begleiterscheinung des Rufs der Hera.

Zusammenfassung Apollonios verwendet βραχεῖν immer in der homerischen Form der 3. Person Singular. An einer Stelle hat das Verb eine erweiterte Bedeutung als artikuliertes Rufen. Der Kontext ist nie kriegerisch, die Formulierungen erinnern jedoch an homerische Szenen aus der Kampfessphäre.

o. Die Abfahrt der Argo Vor der Abfahrt der Argo schreitet Jason durch die versammelte Menge des Volkes, die ein Geschrei erhebt: ὦρτο δ’ ἀυτὴ / κεκλομένων ἄμυδις (1, 310–11). Durch 1004 M. Schmidt, LfgrE 2, 92, 76–93, 34. 1005 Zu ἄσπετον s. unter 15l. (ἰάχω, zu 4, 129–30). 1006 LSJ s.v. („shout a command, c. inf.“) und DGE s.v. 2.1 („c. inf.“) jeweils mit 2, 573 als einzigem Beleg. Vgl. auch Sch. zu 2, 573: τὸ δὲ ἔβραχε τὸ ἐβόησε σημαίνει. 1007 M. Schmidt, LfgrE 2, 93, 6: „(auf-)brüllen (von Lebewesen)“. 1008 LSJ s.v.: „echo, resound“. TLG, Bd. III, 1545 nennt 2, 573 als einzige Belegstelle. S. auch Hunter (2015) 170. 246

Verwendung der Formel ὦρτο δ’ ἀϋτή wirkt diese Szene wie der Beginn eines homerischen Massenkampfes. Durch weitere Parallelen zu Schlachtschilderungen bei Homer und Hesiod, z.B. τῶν δ’ ἄμυδις μίχθη μένος, ὦρτο δ’ ἀϋτή (Υ 374) und φωνὴ δ’ ἀμφοτέρων ἵκετ’ οὐρανὸν ἀστερόεντα / κεκλομένων (theog. 685–86), wird der martialische Eindruck noch verstärkt. Als die Argo zu Wasser gelassen wird, treibt Tiphys die Helden durch lautes Rufen an: Kεκλόμενος δ’ ἤυσε μάλα μέγα (1, 383). Dies erinnert an den Schlachtruf des Apollon in O 321 (ἄϋσε μάλα μέγα) oder die anfeuernden Rufe, mit denen Heerführer ihre Truppen zum Kampf antreiben: κέκλετ’ ἀΰσας (Δ 508, Φ 307), ἐκέκλετο μακρὸν ἀΰσας (neunmal, z.B. Z 110). Auch die Helden schreien auf, während sie zu beiden Seiten des Schiffes dahinstürmen: οἱ δ’ ἑκάτερθεν ἐπίαχον ἀίσσοντες (1, 387). Ihr Geschrei ist eine Reaktion auf das des Tiphys. Vorbild könnte eine Stelle aus dem 13. Gesang der Ilias sein, wo auf die Rede Hektors das Geschrei der Troer, die ihm folgen, auf der einen Seite und das der Achaier, die den Ansturm erwarten, auf der anderen Seite folgt: τοὶ δ’ ἅμ’ ἕποντο / ἠχῆι θεσπεσίηι, ἐπὶ δ’ ἴαχε λαὸς ὄπισθεν· / Ἀργεῖοι δ’ ἑτέρωθεν ἐπίαχον (N 833–35).1009 Der Hafen und die Argo selbst spornen die Argonauten schließlich durch Schreien zur Abfahrt an: Σμερδαλέον δὲ λιμὴν Παγασήιος ἠδὲ καὶ αὐτὴ / Πηλιὰς ἴαχεν Ἀργὼ ἐπισπέρχουσα νέεσθαι (1, 524–25). In der Ilias begegnet der Aufschrei von Schiffen als Widerhall des Gebrülls der Achaier: Ἀργεῖοι δὲ μέγ’ ἴαχον - ἀμφὶ δὲ νῆες / σμερδαλέον κονάβησαν ἀϋσάντων ὑπ’ Ἀχαιῶν (B 333–34). Die Argo dagegen gibt selbst Laute von sich, wie im vierten Buch noch ausführlicher erklärt wird. Der Aufschrei des Hafens dagegen kann nur durch Widerhall zustande kommen und müsste dann nach Fränkel von einem vorherigen, nicht erwähnten Gebrüll der Argonauten herrühren.1010 Die Wendung σμερδαλέα ἰάχων beschreibt bei Homer das Angriffsgebrüll eines Heerführers wie Hektor, Achill oder Patroklos, einmal auch zusammen mit einer Aufforderung zum Kampf: … Ἀχιλλεύς / σμερδαλέα ἰάχων, ὦρσεν δ’ ἥρωας Ἀχαιούς (T 40–41). Bei Apollonios ist der Schrei der Argo entsprechend mit der Aufforderung zur Abfahrt verbunden (ἐπισπέρχουσα νέεσθαι). Die Übertragung martialischer Ausdrücke auf die Seefahrt zeigt sich auch in der häufigen Verwendung der Wörter τεύχεα und ἔντεα in der Abfahrts-Szene, deren Bedeutung (Schiffsgerät oder Waffen) nicht immer klar ist. Die Vorbereitungen zur Abfahrt wirken wie eine Rüstung und die mit ihren Waffen dahineilenden Helden wie Krieger beim Aufbruch in den Kampf, z.B. σὺν τεύχεσιν ἀίσσοντας (1, 241).1011

1009 Vgl. außerdem οἳ δ’ ἄρα πάντες ἐπίαχον υἷες Ἀχαιῶν (Η 403, Ι 50). 1010 Fränkel (1968) 83: „Es wäre doch ein kleines Wunder, wenn der Hafen zwar brüllte ‚und sogar die Argo selbst, zur Fahrt treibend‘, die Argonauten aber fein stille geblieben wären.“ S. auch ebd. 83, Anm. 149 mit den Hinweis darauf, dass die Argonauten bei Antritt der Rückfahrt (4, 206 f.) brüllten. Vgl. Gaunt (1972) 117, der den Aufschrei des Hafens als Widerhall des Schreis der Argo auffasst, dabei aber die Problematik der Erzählfolge einräumt. 1011 S. dazu unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα). 247

Im 4. Buch ist die Abfahrt zum heiligen Hain, wo sich das Goldene Vlies befindet, mit Lärm verbunden: πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ἐπειγομένων ἐλάτῃσιν / ἦεν ἀριστήων (4, 105–6). Hier wird die Formel πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ὀρώρει (fünfmal, z.B. B 810) verwendet, die bei Homer den Lärm bei Angriff oder Zusammenstoß der Heere beschreibt. Noch offensichtlicher wird die Übertragung in der Szene des Aufbruchs der Argonauten von Kolchis zur Rückfahrt. Jason hält eine Rede nach Art einer Kampfparänese (4, 190–205).1012 Auch der Aufbruch selbst (4, 206–10) enthält viele martialische Formulierungen: Nach seiner Rede wappnet sich Jason (δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια). Das folgende Geschrei der Argonauten (τοὶ δ’ ἰάχησαν) erinnert an das Kriegsgeschrei der Achaier in der Ilias, das nach Kampfparänesen oder Kampferfolgen folgt: Ἀργεῖοι δὲ μέγ’ ἴαχον (z.B. B 333, Ρ 317). Die weitere Charakterisierung der Helden als θεσπέσιον μεμαῶτες deutet ebenso auf die homerische Kriegssphäre hin.1013 Die Szene wirkt insgesamt wie ein Aufbruch in die Schlacht nach der Ermahnung durch den Heerführer, ist aber in Wirklichkeit ein Aufbruch in die Heimat. Zwar wird eine Phalanx gegen einen eventuellen Angriff der Kolcher gebildet, doch besteht keine Kampfabsicht, sondern nur der Wunsch, unversehrt zu entkommen.1014 Auf ihrer Fahrt bewahrt Hera die Argonauten mit einem Schrei vor einer Seenot und versetzt mit dem Dröhnen des Äthers die Helden in Angst und Schrecken: Ἀλλ’ Ἥρη σκοπέλοιο καθ’ Ἑρκυνίου ἰάχησεν / οὐρανόθεν προθοροῦσα, φόβῳ δ’ ἐτίναχθεν ἀυτῆς / πάντες ὁμῶς, δεινὸν γὰρ ἐπὶ μέγας ἔβραχεν αἰθήρ (4, 640–42). Die Kombination von Götterschrei und Lärm der Natur erinnert an den Götterkampf der Ilias: Wie Heras Schrei schallen auch die Kriegsrufe der Götter meist von oben her: αὖε δ’ Ἄρης […] / ὀξὺ κατ’ ἀκροτάτης πόλιος (Υ 51–52), δεινὸν δὲ βρόντησε πατὴρ ἀνδρῶν τε θεῶν τε / ὑψόθεν (Υ 56–57). Der Lärm der Natur ergänzt das Szenario (z.B. βράχε δ’ εὐρεῖα χθών (Φ 387)),1015 dessen furchterregende Wirkung beschrieben wird: ἀλλὰ καὶ ὃς δείδοικε Διὸς μεγάλοιο κεραυνόν / δεινήν τε βροντήν, ὅτ’ ἀπ’ οὐρανόθεν σμαραγήσηι (Φ 198–99).1016 Ιn diesen Szenen sind akustische Phänomene eng mit dem Kampf verbunden. Vor diesen Folien wirkt Heras Schrei martialisch, obwohl er nur der Warnung dient.1017

Zusammenfassung Apollonios lässt die Fahrt der Argo von Jolkos nach Kolchis mit Hilfe kriegerischer Schallwörter und Formulierungen, die an homerische Kampfszenen angelehnt sind, 1012 S. dazu Anm. 311, 317 und 862. 1013 Zu dieser Szene s. auch unter 5a. (τεύχεα und ἔντεα bei der Seefahrt). 1014 Vgl. Hutchinson (1988) 124: „It seems as though, with the return journey, we have come back to the sphere of uncomplicated courage and strength.“ 1015 Vgl. auch z.B. αὖε δ’ Ἀθήνη / […] ἐπ’ ἀκτάων ἐριδούπων μακρὸν ἀΰτει (Y 48–50), ähnlich außerdem Y 57–66. 1016 Vgl. auch die Gigantomachie in der Theogonie Hesiods (839–58). 1017 Clare (2002) 139: „… Hera […] prevents them by shouting a warning“. 248

wie einen Kriegszug erscheinen. Die Abfahrt wirkt wie ein Aufmarsch zum Angriff, die Besatzung gleicht einem Heer, der Steuermann Tiphys einem Feldherrn oder einem Gott, der mit seinem Gebrüll die Krieger zum Kampf aufruft. Die Argo selbst schreit wie der rasende Achill und spornt die Argonauten zur Abfahrt an wie ein Feldherr seine Krieger zum Angriff. Das Geschrei der Argonauten gleicht der Reaktion kriegerischer Truppen auf eine Kampfparänese oder wirkt wie kriegerisches Angriffsgebrüll. Hera schreit von oben herab wie bei einem Eingriff in das iliadische Kampfgeschehen, und die Erde dröhnt dazu wie es in der Götterschlacht der Ilias und der Theogonie Hesiods der Fall ist. Dass der Feind nach dieser Analogie die Natur selbst ist, das Meer und die Hindernisse und Abenteuer auf der Fahrt, zeigt auch die Symplegaden-Episode im 2. Buch der Argonautika.1018

p. Die Hylas-Suche Eine wesentliche Rolle spielen homerische Schallwörter, besonders solche, die für menschliches Geschrei verwendet werden, in der Hylas-Episode im ersten Buch der Argonautika.1019 Als Hylas, der junge Begleiter des Herakles, von einer Quellnymphe entführt wird, hört Polyphemos ihn schreien: ἰάχοντος (1, 1240). Davon berichtet er wenige Verse später dem Herakles: ἐγὼ δ’ ἰάχοντος ἄκουσα (1, 1260). Vorbild ist vielleicht eine Stelle in der Ilias, an der Menelaos in der Schlacht das Schreien des verwundeten Odysseus hört: τρὶς δ’ ἄϊεν ἰάχοντος ἄρηΐφιλος Μενέλαος (Λ 463).1020 Polyphemos stürzt nach dem Schrei des Hylas zur Quelle und wird dabei in einem Gleichnis mit einem Raubtier verglichen, das rasend vor Hunger vergeblich eine in Ställen eingeschlossene Herde zu erreichen versucht (1, 1243–47). Dabei entspricht der Hilferuf des Hylas dem Blöcken der Schafe (γῆρυς)1021 und der in 1, 1249 folgende Schrei des Polyphemos dem Brüllen des Löwen (στενάχων βρέμει).1022 Reitz nennt als mögliche Prätexte zwei Löwen-Gleichnisse aus Kampfszenen der Ilias: In Λ 548–55 1018 S. unter 15r. (Die Symplegaden-Episode). 1019 Die Bedeutung des Schreiens in der Episode betont Köhnken (1996) 455 („Apollonios […] macht die akustischen Signale zum Leitmotiv seiner Darstellung …“), allerdings ohne auf die Bezüge zu Homer hinzuweisen. 1020 S. dazu Anm. 1031. 1021 Das Wort γῆρυς ist homerisches hapax und steht dort im kriegerischen Kontext, da es die Vermischung der Sprachen im Schlachtruf der Troer erläutert (Δ 436–37). Vgl. M. Schmidt, LfgrE 2, 147, 21–22: „Stimme, entweder svw. (Schlacht)ruf als nom. rei actae oder Sprache (e. best. Sprachgemeinschaft)“. Dazu auch Kyriakou (1995) 68, die sich mit ihren Ausführungen aber auf eine andere Belegstelle des Wortes in den Argonautika bezieht (4, 1342). 1022 Das Verb βρέμω wird bei Homer oft zur Beschreibung des Lärms von Wind und Meer als Vergleich für den Kriegslärm verwendet. Nach Homer bezeichnet es den Kriegslärm auch direkt (LSJ s.v. II: „after Hom., of arms, clash, ring […] of men, clamour, rage“, s. auch Krapp (1964) 172, Anm. 1), besonders in der Tragödie, z.B. Aischyl. sept. 378, Eur. Herakleid. 832, Phoin. 113, Ps.-Aischyl. Prom. 424. 249

wird der vor den Troern weichende Aias mit einem Löwen verglichen, der hungrig versucht, Rinder zu rauben, aber von den Hirten vertrieben wird. In Σ 161–62 wird Hektor beim Kampf um die Leiche des Patroklos mit einem Löwen verglichen, den die Hirten nicht vertreiben können.1023 Während aber die räuberische Gier eines Löwen bei Homer mit der Gier nach Kampf und Beute in der Schlacht korrespondiert, hat sie bei der Hylas-Suche keine Entsprechung dieser Art.1024 Nach der Deutung Gummerts kann eine erotische Motivation des Polyphemos eine Erklärung für das Bild des gierigen Tieres geben, was auf eine Sagenversion anspiele, nach der Polyphemos der Liebhaber des Hylas ist.1025 Polyphemos lässt, als er sich in rasender Eile auf die Suche nach Hylas begibt, ein Geschrei ertönen: … μεγάλ’ ἔστενεν, ἀμφὶ δὲ χῶρον / φοίτα κεκληγώς, μελέη δέ οἱ ἔπλετ’ ἀυτή (1, 1248–49). Eine Anlehnung besteht an das Angriffsgebrüll der Achaier in Ξ 400: ὅσση ἄρα Τρώων καὶ Ἀχαιῶν ἔπλετο φωνή. Das Adjektiv μέλεος drückt die Wirkungslosigkeit des Rufens aus. Eine ähnliche Konstruktion beschreibt in der Odyssee die Nutzlosigkeit eines Landeversuchs des schiffbrüchigen Odysseus: μελέη δέ μοι ἔσσεται ὁρμή (ε 416).1026 Wie seine Anstrengung Odysseus nicht retten kann, kann auch das Rufen des Polyphemos, dessen Anstrengung noch im Gleichnis

1023 Zur Interpretation des Raubtier-Gleichnisses anhand der Vorbilder s. Effe (1992) 303–6, Effe (1996) 303, Gummert (1992) 111–114 und Reitz (1996) 27–32. 1024 Zu dieser Problematik vgl. Effe (1992) 303, Effe (1996) 303, Fuchs (1969) 64, Reitz (1996) 28–29, Drögemüller (1956) 27. 1025 Gummert (1992) 112–113 und Hunter (1993) 39–40 deuten die Reaktion des Polyphemos auf den Schrei des Hylas als Hinweis auf die Version des Mythos, nach der Hylas sein Geliebter und nicht der des Herakles sei. Auf eine solche Überlieferung weist auch das Scholion zu 1, 1207b hin: Σωκράτης δὲ ἐν τῷ Πρὸς Εἰδόθεόν φησι τὸν Ὕλαν ἐρώμενον Πολυφήμου καὶ οὐχ Ἡρακλέους γενέσθαι. Vgl. auch Levin (Argonautica Re-examined 1971) 118: „… the poet has availed himself of the tradition which made Polyphemus rather than Heracles the lover of Hylas.” Beye (1982) 94: „perhaps also Hylas’ lover“; s. auch Clauss (1993) 193–94, Faerber (1932) 43, Anm. 1, Herter (1944/55) 354–55, Köhnken (1965) 73, Kyriakou (1995) 94–96, Levin (Argonautica Re-examined 1971) 115–118, Reitz (1996) 28–29. Gummert (1992) 113–14 zieht ein weiteres homerisches Löwengleichnis aus der Odyssee (ζ 130–36) und das Löwengleichnis aus dem Hylasidyll des Theokrit (eid. 13, 61–65) heran, in dem Herakles auf der Suche nach Hylas mit einem hungrigen Löwen verglichen wird. Vgl. dagegen Köhnken (1996) 448, Anm. 38.: „Polyphem kommt schon auf Grund seines Alters […] für ‚erotische Freßgier‘ kaum noch in Frage.“ S. auch ebd. 451: „…mit einem Löwen hat er nicht mehr die Kraft oder Schnelligkeit gemeinsam, sondern nur noch die heroische Tapferkeit.“ Köhnken (1965) 75 versteht Polyphemos „als Mittler zwischen Hylas und Herakles“, der „zu einem notwendigen Bestandteil der Handlung“ werde, um Herakles über das Verschwinden des Hylas zu berichten. 1026 Ardizzoni (1967) 266. 250

zum Ausdruck gebracht wird (ὄφρα κάμῃσιν (1, 1247)),1027 Hylas nicht helfen und retten. Die Reaktion des Polyphemos auf den Verlust des Hylas gleicht außerdem dem des Zyklopen Polyphem in der Odyssee:1028 σμερδαλέον δὲ μέγ’ ᾤμωξεν, περὶ δ’ ἴαχε πέτρη (ι 395). Beide geben eine Mischung aus Stöhnen und Schreien von sich. Der Argonaut wendet sich schreiend in alle Richtungen, während das Geschrei des Zyklopen von den Felswänden rundherum widerhallt. Danach zieht Polyphemos sein Schwert (1, 1250) und schwingt es (1, 1254),1029 so dass die Szene durch Kriegsruf, Raubtiergleichnis und Waffenzücken wie ein kriegerischer Angriff wirkt. Doch trifft der Held nicht auf einen Feind, sondern auf seinen Freund Herakles, dem er vom Verlust des Hylas berichtet. Dieser läuft wie von einer Bremse gestochen davon, bleibt bald aber wieder stehen und gibt ebenso ein lautes Brüllen von sich:1030 ὣς ὅ γε μαιμώων ὁτὲ μὲν θοὰ γούνατ’ ἔπαλλε / συνεχέως, ὁτὲ δ’ αὖτε μεταλλήγων καμάτοιο / τῆλε διαπρύσιον μεγάλῃ βοάασκεν ἀυτῇ (1, 1270–72). Ähnlich ist das Verhalten Hektors beim Kampf um die Leiche des Patroklos. Auch er stürzt sich abwechselnd ins Gewühl und bleibt dann wieder stehen und schreit (Σ 158–60): ὃ δ’ ἔμπεδον ἀλκὶ πεποιθώς / ἄλλοτ’ ἐπαΐξασκε κατὰ μόθον, ἄλλοτε δ’ αὖτε / στάσκε μέγα ἰάχων. Die Verwendung der Schallwörter bei der Schilderung der Hylas-Suche und der Geschehensablauf erinnern an die bereits erwähnte Szene nach der Verwundung des Odysseus im 11. Buch der Ilias (s.o.): Hylas schreit um Hilfe, als die Nymphe ihn ins Wasser hinab zieht, ebenso wie Odysseus schreit, als er verwundet wird (Λ 462).1031 Polyphemos hört den Schrei des Hylas (1, 1240) wie auch Menelaos den Schrei des 1027 Vgl. Vian (Bd. 1, 1976) 266, so auch Campbell (1971) 410, Anm. 1, der μελέη deshalb als „kraftlos, schwach“ auffasst, was diese Erschöpfung durch das Schreien ausdrückt. 1028 So auch Knight (1995) 129: „The Argonaut Polyphemus’ reaction to the loss of Hylas shares some details with the behaviour of the Cyclops as his eye is put out.“ Die Parallelen, die sie angibt, beziehen sich jedoch auf die Ähnlichkeit zwischen dem Zyklopen und Herakles: das Zu-Boden-Werfen eines Holzpfahls (ι 398; 1, 1263), die Hitze des Blutes (ι 398; 1, 1262) und das Geschrei, das auch Herakles mit den Zyklopen Polyphem verbindet (ι 395; 1, 1272). Zum Herakles-Polyphem-Vergleich s. auch Clauss (1993) 186–89, Hunter (1993) 39, Anm. 120, Kyriakou (1995) 89–93. 1029 S. dazu unter 6e. (Schwerter). 1030 Zum Kontrast der Figuren Polyphemos und Herakles in der Episode s. z.B. Lawall (1966) 127, Levin (Argonautica Re-examined 1971) 125–28. Vgl. auch Beye (1982) 94–96, Carspecken (1952) 88, Hunter (1993) 39–40, Kyriakou (1995) 95–102. 1031 Ein intertextueller Bezug zur Odysseus-Szene der Ilias (Λ 462–63) wurde für den Ruf des Herakles im Hylas-Idyll Theokrits (eid. 13, 58–59) erkannt, besonders durch die Übernahme des dreimaligen Rufens, s. dazu Gow (1952) 242, Köhnken (1965) 78 (mit Hinweis darauf, dass Apollonios das Ilias-Vorbild an anderer Stelle in den Argonautika einsetzt (4, 75–76: der Hilferuf der Medea)), Köhnken (1996) 454–455. Doch besteht bei Theokrit ein Unterschied in der Rollenverteilung: Während in der Ilias der Hilferuf des Odysseus vom potentiellen Helfer Menelaos gehört wird, ruft bei Theokrit der suchende Herakles, und der in Not befindliche Hylas hört 251

Odysseus hört (Λ 463). Dann trifft Polyphemos auf Herakles und erzählt ihm, dass er den Schrei gehört habe (1, 1260).1032 Ebenso erzählt Menelaos dem Aias, der sich in der Nähe befindet, dass er den Schrei des Odysseus gehört habe (Λ 464–68). Beide äußern eine Vermutung, was wohl mit dem Schreienden geschehen sein könnte: Polyphem meint, Hylas sei, als er allein unterwegs war (μοῦνον ἐόντ’), von Räubern oder wilden Tieren verschleppt worden (1, 1251–52; 1259–60). Menelaos meint, Odysseus sei, allein unter den Troer (μοῦνον ἐόντα), von den Feinden überwältigt worden (Λ 467–68). Wie Polyphemos zuvor rast nun auch Herakles los, um Hylas zu suchen (1, 1243; 1263–64). In der Ilias stürzen Menelaos und Aias sich ins Getümmel, um Odysseus zu retten (Λ 472). Aias wird bei der Rettung des Odysseus vor den Troern mit einem Löwen verglichen, der die Schakale vertreibt, um an die Beute, den Hirsch, zu kommen (Λ 474–81).1033 Auch Polyphemos wird auf der Suche nach Hylas mit einem beutegierigen Raubtier verglichen (1, 1243–48). Aias stürzt sich mit der Lanze auf die Feinde: ὅ γ’ ἥρως / ἀΐσσων ὧι ἔγχει (Λ 483–84). Polyphemos, der in dieser Episode auch ἥρως genannt wird, schwingt sein Schwert auf der Suche nach Hylas: γυμνὸν ἐπαίσσων παλάμῃ ξίφος (1, 1254). Ein Kontrast zeigt sich allerdings in der Handlungsmotivation: In der Ilias setzt eine Kriegsverwundung, in den Argonautika dagegen die Entführung durch eine verliebte Nymphe das Geschehen in Gang.1034 Zum anderen unterscheidet sich der Ausgang beider Szenen: Während Odysseus trotz Verletzung und tobender Schlacht gerettet werden kann, gibt es für Hylas keine Rettung. Dies zeigt sich auch beim Vergleich der beiden Gleichnisse: In der Ilias erhält Aias als Löwe seine „Beute“, in den Argonautika Polyphemos als Raubtier nicht. Diese Szene zeigt die Wirkung der Macht Aphrodites, die die Quellnymphe zu der Entführung bewogen hat, auf das Geschehen in den Argonautika. Der größte Kämpfer der Argonauten wird bereits am Ende des ersten Buches durch eine Episode ausgeschaltet, die von Aphrodite initiiert wurde. Dass Herakles nicht weiter am Argonautenzug teilnehmen kann, wirkt sich wiederum auf den weiteren Verlauf der Fahrt und die Bedeutung von Kampf und Krieg in den Argonautika aus.

das Rufen. Bei Apollonios stimmt die Rollenverteilung mit der Ilias überein, wenn auch keine enge sprachliche Anlehnung besteht. 1032 Hunter (1993) 39, Anm. 119, stellt auch eine Parallele zum Bericht des Antilochos in Σ 15–21 fest, der Achill vom Tod des Patroklos erzählt. Diese Parallele betrifft jedoch den Bericht über das Schicksal des Opfers, während die hier aufgezeigte Analogie sich auf das Hören des Schreis bezieht. Im Unterschied zu Antilochos, der sich als Augenzeuge über das Schicksal des Patroklos sicher ist, stellt Polyphemos über das Schicksal des Hylas nur Vermutungen an, wie es auch Menelaos in Λ über das Schicksal des Odysseus tut. 1033 Hier zeigt sich die Unstimmigkeit, dass das Bild des Hirsches, den der Löwe verschlingt, nicht zu Odysseus passt, den Aias aus der feindlichen Menge rettet, s. Fränkel (1921) 66. 1034 Hunter (1999) 283. „… the situation of Herakles and his eromenos stands in ironic counterpoint to the ‚heroic‘ military pattern.“ 252

q. Die Harpyien Während ihres Besuchs bei Phineus beobachten die Argonauten, wie die Harpyien mit Lärm heranstürmen, um sich auf die Speisen zu stürzen: ἀπρόφατοι νεφέων ἐξάλμεναι ἐσσεύοντο / κλαγγῇ μαιμώωσαι ἐδητύος (2, 268–69). Die Stelle erinnert an das Vogelgleichnis der Ilias, in dem durch das Wort κλαγγή eine Verbindung zwischen dem Kriegsgeschrei der Troer und dem Geschrei von Vögeln hergestellt wird (Γ 2–5). Bei Apollonios treffen martialisch wirkendes Angriffsverhalten und vogelhaftes Wesen in den Gestalten der Harpyien aufeinander.1035 Das Heranstürmen der Harpyien ist außerdem ähnlich formuliert wie das einer Lanze in der Ilias: αἰχμὴ δὲ (στέρνοιο) διέσσυτο μαιμώωσα (E 661, O 542).1036 Zuvor werden die Harpyien mit Wirbelwinden und Blitzen verglichen:1037 ἠύτ’ ἄελλαι ἀδευκέες ἢ στεροπαὶ ὥς (2, 267). Das Wort στεροπή beschreibt bei Homer ausschließlich glänzende Waffen (fünfmal χαλκοῦ στεροπή, z.B. Λ 83) oder den Blitz des Zeus, mit dem die Waffen verglichen werden: ὥς τε στεροπὴ πατρὸς Διὸς (K 154, Λ 66).1038 Vermutlich ist diese formelhafte Phrase Vorbild für 2, 267.1039 Die sprachlichen Analogien deuten auf die Absicht hin, die Harpyien wie Waffen darzustellen. Dass das Wort κλαγγή, das bei Apollonios das Geschrei der Harpyien bezeichnet, in der Ilias für den Klang des Bogens beim Abschuss verwendet wird (δεινὴ δὲ κλαγγὴ γένετ’ ἀργυρέοιο βιοῖο (A 49)) verstärkt diesen Eindruck. Apollonios kehrt also die bei Homer mehrmals zu beobachtende Darstellung beseelter Waffen, die auch an den oben zitierten Stellen (E 661, O 542) vorliegt,1040 um und lässt Lebewesen wie Waffen wirken. Als die Argonauten die Harpyien sehen, schreien sie auf: Οἱ δ’ ἐσιδόντες / ἥρωες μεσσηγὺς ἀνίαχον (2, 269–70). Das Kompositum ἀνιάχω ist bei Homer nur als varia

1035 Zur Darstellung der Harpyien in Kunst und Literatur als Mischwesen aus Frau und Vogel s. Cuypers (1997) 207 mit Belegen. 1036 Diese Parallele ist nicht notiert bei Campbell (1981) und Cuypers (1997). 1037 Zur Identifikation der Harpyien mit Winden s. Cuypers (1997) 207, 275. 1038 Cuypers (1997) 275 mit der zusätzlichen Anmerkung, dass auch in den homerischen Beispielen der Aspekt der Schnelligkeit impliziert sei („metal in motion does not ‚shine‘ but ‚flashes‘“), ein Argument, das die Annahme einer Anspielung auf die homerischen Vergleiche stützen würde, da das tertium comparationis bei den Harpyien ihre Schnelligkeit beim Heranstürmen ist. Allerdings kann dieser Aspekt bei Homer nicht generell mitgedacht werden, da die Krieger der Ilias sich beim Aufblitzen ihrer Waffen zwar meist in Bewegung, aber nicht im Heranstürmen ähnlich den Harpyien befinden. In Κ 154 werden auf diese Art sogar die Waffen schlafender Krieger beschrieben. 1039 An drei weiteren Stellen verwendet Apollonios den Blitzvergleich: In 3, 1266 für den Glanz der Waffen Jasons, in 3, 1305 für die Flammen der Stiere, in 4, 185 für den Glanz des Goldenen Vlieses. 1040 Zur Personifikation der Waffen bei Homer s. Christian (1915) 154–161 mit weiteren Belegen. 253

lectio in N 41 belegt,1041 wo eine Kampfszene einen ähnlichen Handlungsablauf zeigt: In der Ilias werden die Troer mit einer Flamme und einem Sturm verglichen (φλογὶ ἶσοι ἀολλέες ἠὲ θυέλληι (N 39)), ebenso wie die Harpyien bei Apollonios: ἠύτ’ ἄελλαι ἀδευκέες ἢ στεροπαὶ ὥς (2, 267). In der Ilias schreien die Troer danach auf und folgen Hektor in den Kampf: Ἕκτορι Πριαμίδηι ἄμοτον μεμαῶτες ἕποντο / ἄβρομοι αὐίαχοι (N 40–41). Bei Apollonios schreien die Helden auf (οἱ δ’ […]/ ἥρωες μεσσηγὺς ἀνίαχον (2, 269–70)), kurz bevor die Boreas-Söhne mit gezückten Schwertern die Verfolgung der Harpyien aufnehmen: Τάων δ’ αὖ κατόπισθε δύω υἷες Βορέαο / φάσγαν’ ἐπισχόμενοι ὀπίσω θέον (2, 273–74). Die Harpyien fliegen dann mit Geschrei davon: αἱ δ’ ἅμ’ ἀυτῇ / πάντα καταβρώξασαι, ὑπὲρ πόντοιο φέροντο (2, 270–71). Das Geschrei begleitet sowohl den Ansturm der Harpyien auf die Speisen, als auch ihren Abflug nach deren Raub, was wiederum auf das Vogelgleichnis der Ilias hinweist: αἵ τ’ […] / κλαγγῆι ταί γε πέτονται (Γ 4–5).

Zusammenfassung Die Erzählung von der Begegnung der Argonauten mit den Harpyien enthält mehrere Anklänge an homerisches Kampfgeschehen. Die Harpyien schreien wie die Vögel im iliadischen Gleichnis, das den Beginn einer Schlacht illustriert. Auch die Argonauten schreien wie angreifende Troer. Der Ansturm der Harpyien wirkt wie ein Angriff, sie selbst sind wie Waffen dargestellt. Wie in der Ares-Vögel-Episode (s. unter 15s.) sind die Gegner der Argonauten geflügelte Wesen. Dort sind die Federn der Ares-Vögel gefährliche Geschosse, hier wirken die Harpyien selbst wie Geschosse. In beiden Fällen können die Argonauten die Angreifer vertreiben, aber nicht besiegen. Die angedeuteten Kampfszenen beschränken sich also auf Rüstung (bei den Ares-Vögeln), Angriff und Verfolgung (bei den Harpyien), der Kampf selbst bleibt aus, es findet keine Berührung mit dem Gegner statt.

r. Die Symplegaden-Episode Sehr viele Schallwörter finden sich in der Symplegaden-Episode im 2. Buch der Argonautika.1042 Die bevorstehende Durchfahrt zwischen den zwei immer wieder gegeneinander prallenden Kyanischen Felsen hatte Phineus den Argonauten angekündigt. In der Nähe der Symplegaden angekommen hören die Argonauten das Dröhnen der aneinander krachenden Felsen: ἤδη δέ σφισι δοῦπος ἀρασσομένων πετράων / νωλεμὲς οὔατ’ ἔβαλλε (2, 553–54). Vorbild für diese Formulierung ist

1041 Vgl. Cuypers (1997) 278 zur v.l. ἀνίαχοι in N 41, nicht überzeugt von einer Abhängigkeit, die Janko (1992) 47 und Rengakos (1993) 135 annehmen. Vgl. auch Campbell (1994) 228. 1042 Scherer (2006) 165: „… akustische Effekte stehen im Vordergrund.“ S. auch Ellinger (1975) 309. 254

einerseits das Dröhnen der Charybdis in μ 202.1043 Andererseits erinnert die Junktur δοῦπος ἀρασσομένων πετράων aber auch an den Ausdruck δοῦπος ἀκόντων aus der homerischen Kampfsphäre. Auch das Adverb νωλεμέ(ω)ς ist bei Homer vor allem im kriegerischen Kontext zu finden. Die Untersuchung von Kyriakou zur Symplegaden-Episode zeigt, dass weiteres Vokabular der Passage aus dem kriegerischen Kontext der Ilias stammt. Die Verwendung einiger homerischer hapax legomena und selten belegter Wörter und Formen erinnert an die homerische Kampfessphäre, so dass der Kampf der Argonauten gegen die Felsen und Wellen eine martialische Färbung erhält.1044 Kyriakou nennt in diesem Zusammenhang die Wörter ἀμφικαλύπτω, κατεφάλλομαι, βαρύθω, βρομέω, ἀσκηθεῖς, sowie die Form ἔφθη.1045 Zu dieser Auflistung können einige Stellen hinzugefügt werden, an denen sich zeigt, dass bei der Beschreibung akustischer Phänomene homerische Kriegsszenen evoziert werden:1046 Direkt nach dem Dröhnen (δοῦπος) der Felsen wird der Lärm beschrieben, der von den Küsten zu hören ist: βόων δ’ ἁλιμυρέες ἀκταί (2, 554). Das Vorbild P 264–65 (ἀμφὶ δέ τ’ ἄκραι / ἠϊόνες βοόωσιν …) steht in einem Gleichnis, das das Geschrei der Troer beim Angriff illustriert. Nach dem Durchflug einer Taube, der den Argonauten als Probe dient, krachen die Felsen laut wieder zusammen: Ταὶ δ’ ἄμυδις πάλιν ἀντίαι ἀλλήλῃσιν / ἄμφω ὁμοῦ ξυνιοῦσαι ἐπέκτυπον (2, 564–65). Die Formulierung erinnert an das Zusammentreffen gegnerischer Heeresmassen zu Beginn einer Schlacht.1047 Denn σύνειμι hat bei Homer die Bedeutung „(als Kampfparteien) zusammenkommen, aufeinander losgehen“.1048 Dieses Zusammentreffen ist meistens mit Lärm verbunden, sei es Schlachtgeschrei (οἳ δὲ ξύνισαν μεγάλωι ἀλαλητῶι (Ξ 393)) oder auch der Lärm der aneinander krachenden Waffen: οἳ δ’ […] ξυνιόντες […] πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς ὀρώρει (Δ 446–49, Θ 60–63).1049 1043 Dass das gesamte Symplegaden-Abenteuer der Argonauten dem Abenteuer bei Scylla und Charybdis in der Odyssee nachgebildet ist, hat besonders Knight (1995) 41–48 ausführlich gezeigt und weiterhin auf motivische und sprachliche Parallelen zu anderen Episoden der Odyssee, wie z.B. dem Polyphem-Abenteuer, hingewiesen. Vgl. auch Kyriakou (1995) 22–24, Ellinger (1975) 307–10, Faerber (1932) 82–88. 1044 S. Anm. 1055. 1045 Kyriakou (1995) 19–33, zum genannten Vokabular ebd. 25–28. Diese Wörter werden bei Homer im kriegerischen Kontext verwendet, gehören aber nicht aufgrund ihrer Bedeutung zum Kriegsvokabular, sondern bewirken durch ihre singuläre oder seltene Verwendung in Kampfszenen kriegerische Assoziationen. 1046 Auf die „starke Herausarbeitung des akustischen Effekts“ und die hohe „Zahl der Klangwörter“ macht auch Elliger (1975) 309 aufmerksam, allerdings ohne auf die Beziehung zu den Kampfbeschreibungen der Ilias hinzuweisen. 1047 Vgl. dazu auch die Beschreibung der Symplegaden in der Prophezeiung des Phineus: ξυνίασιν ἐναντίαι ἀλλήλῃσιν (2, 321). 1048 R. Führer, LfgrE 2, 468, 57–58. 1049 S. außerdem οἳ δ’ […] σύμβαλον […] / δεινὸν ἀΰσαντες· μέγα δ’ ἔβραχε τεύχεα φωτῶν (Π 563–66), τόσσος ἄρα κτύπος ὦρτο θεῶν ἔριδι ξυνιόντων (Y 66). 255

Gleich nach dem Zusammenprall der Felsen wird das Lärmen des Meeres beschrieben: αὖε δὲ πόντος / σμερδαλέον (2, 566–67). Das Meer wirkt hier wie ein Krieger im Kampf, z.B. Diomedes, der Odysseus anfeuert oder Odysseus im Kampfrausch: σμερδαλέον δ’ ἐβόησεν (Θ 92, ω 537).1050 Vor allem aber dürfte Υ 48, eine Stelle aus dem Götterkampf der Ilias (ὦρτο δ’ Ἔρις κρατερὴ λαοσσόος, αὖε δ’ Ἀθήνη) Vorbild für die Formulierung des Apollonios in 2, 565–66 sein: Ὦρτο δὲ πολλή / ἅλμη ἀναβρασθεῖσα, νέφος ὥς· αὖε δὲ πόντος.1051 In der Ilias-Szene rüsten sich die Götter an dieser Stelle zum Kampf und ihr Kampfgebrüll wird mit dem Lärm der Natur verbunden und verglichen: Athenes Schrei hört man an den Küsten: ἄλλοτ’ ἐπ’ ἀκτάων ἐριδούπων μακρὸν ἀύτει (Υ 50). Der Schrei des Ares gleicht einem finsteren Sturm: αὖε δ’ Ἄρης ἑτέρωθεν, ἐρεμνῆι λαίλαπι ἶσος (Υ 51), Zeus erzeugt ein Donnern und Poseidon ein Erdbeben (Υ 56–60). Während die Naturphänomene dort zum Vergleich dienen oder Nebeneffekt sind, sind sie in den Argonautika Element der Handlung. Auf Themen und Formulierungen homerischer Gleichnisse verweisen weitere Stellen, z.B. das Brausen des Aithers in 2, 567: πάντῃ δὲ περὶ μέγας ἔβρεμεν αἰθήρ.1052 Denn βρέμω bezeichnet in der Ilias das „Branden des Meeres“ (s.o. Β 210) und das „Brausen des Windes“ meist in Gleichnissen zur Illustration von Kriegslärm,1053 z.B.: ἄνεμος […], ὅς τε μάλιστα μέγα βρέμεται χαλεπαίνων (Ξ 398–99), ὡς ὅτε κῦμα πολυφλοίσβοιο θαλάσσης / αἰγιαλῶι μεγάλα βρέμεται, σμαραγεῖ δέ τε πόντος (B 209–10). Die Taubenprobe geht nur knapp glücklich aus. Beim Zusammenprall schlagen die Felsen dem Vogel die Schwanzfedern ab: Ἄκρα δ’ ἔκοψαν / οὐραῖα πτερὰ ταί γε πελειάδος (2, 571–72). Die Parallele zur Drohung Hektors, die Schnäbel der griechischen Schiffe abzuschlagen (στεῦται γὰρ νηῶν ἀποκόψειν ἄκρα κόρυμβα (I 241)), ist besonders signifikant, da die Taube in der Probe die Rolle der Argo einnimmt. Die Argonauten reagieren auf den Ausgang der Taubenprobe mit Geschrei: ἐρέται δὲ μέγ’ ἴαχον (2, 573). Hier zitiert Apollonios die homerischen Formel Ἀργεῖοι δὲ μέγ’ ἴαχον (viermal in der Ilias, z.B. B 333), die in der Ilias das Reaktionsgebrüll auf Kampfparänesen und Kampferfolge beschreibt. Der ‚Kommando-Ruf‘ des Steuermanns Tiphys, der die Helden auffordert, noch kräftiger zu rudern (Ἔβραχε δ’ αὐτὸς / Τῖφυς ἐρεσσέμεναι κρατερῶς (2, 573–74)) erinnert an den Schrei des Ares in E 859: ὃ δ’ ἔβραχε χάλκεος Ἄρης.

1050 Vgl. außerdem den Formelvers σμερδαλέον κονάβησαν ἀϋσάντων ὑπ’ Ἀχαιῶν (B 334, Π 277) und den Angriff des Patroklos Π 784–85. 1051 Blumberg (1931) 41 analysiert die Satzstruktur und Metrik der Passage (2, 562–75) und stellt fest, dass die Beschreibung des Naturschauspiels durch den Rhythmus der Verse, den Gebrauch onomatopoetischer Wörter und Lautmalerei unterstrichen wird, z.B. „αὖε wirkt an betonter Stelle wie ein Aufschrei.“ 1052 Ähnlich auch die Beschreibung des Phineus in 2, 323: πέρι στυφελὴ βρέμει ἀκτή. 1053 Krapp (1964) 172, Anm. 1, vgl. M. Schmidt, LfgrE 2, 93, 70–78: „Vgl.punkt Kriegsgeschrei“. In nachhomerischer Zeit beschreibt βρέμω auch den Waffenlärm selbst, s. Anm. 1022. 256

Auch das Gebrüll der Argonauten bei der Durchfahrt (οἱ δ’ ἀλαλητῷ / κόπτον ὕδωρ (2, 589–90) hat sein Vorbild im Gebrüll eines iliadischen Heeres beim Laufen oder Kämpfen, z.B. τοὶ δ’ ἀλαλητῶι / νῆας ἔπ’ ἐσσεύοντο (B 149–50), οἳ δ’ ἀλαλητῶι / πᾶν πεδίον κατέχουσι, μάχηι νικῶντες Ἀχαιούς (Π 78–79). Das Verb κόπτω, das in der Taubenprobenszene den Schlag der Felsen gegen die Federn der Taube beschreibt, bezeichnet hier den Schlag der Argonauten gegen das Wasser.

Zusammenfassung Die Dramatik der gesamten Episode wird durch die Beschreibung des Lärms der Natur und des Gebrülls der Argonauten verstärkt. Durch Verwendung der Wörter aus der homerischen Kriegssphäre wirkt das Meer martialisch. Es zeigt sich die Technik, Inhalte homerischer Gleichnisse, die durch Beschreibung akustischer Phänomene Kriegsgeschehen illustrieren, auf die Erzählebene der Argonautika zu übertragen.1054 Die dadurch entstehende kriegerische Atmosphäre wird zudem durch Waffenvergleiche ergänzt: Die Ruder der Argo krümmen sich wie Bogen und werden mit einer Junktur beschrieben (καμπύλα τόξα (2, 592)), die in der Ilias fünfmal (z.B. Γ 17) im Zusammenhang mit Kampfszenen begegnet. Weiterhin wird die Argo, als sie mit Athenes Hilfe zwischen den Felsen hindurch schießt, mit einem gefiederten Pfeil verglichen: Ἡ δ’ ἰκέλη πτερόεντι μετήορος ἔσσυτ’ ὀιστῷ (2, 600). Ein mögliches Vorbild ist E 171 (πτερόεντες ὀϊστοί) in einer Rede des Aeneas, der Pandaros zum Kampf mit Pfeil und Bogen gegen Diomedes auffordert. Durch diese Umkehrung von Gleichnis/Vergleich und Handlung entsteht der Eindruck eines Kampfes, eines Duells zwischen der martialisierten Natur (Felsen, Wasser, Wind) und den Argonauten.1055 Die Gegenüberstellung von Mensch und Natur zeigt sich sprachlich besonders in 2, 555, wo sich Euphemos, der die Taube für die Probe in der Hand hält, erhebt (ὁ μὲν ὦρτο …) und 2, 565–66, wo sich die aufgewirbelte Salzflut erhebt (Ὦρτο δὲ πολλὴ / ἅλμη ἀναβρασθεῖσα). Die Form ὦρτο beschreibt an 18 Stellen in der Ilias einen Krieger, der sich zum Kampf oder Wettkampf erhebt, z.B. ὦρτο δ’ ἐπ’ αὐτούς (E 590, Λ 343), an 4 Stellen auch das Aufkommen von Kampfgetümmel oder Kriegslärm, z.B. ὦρτο δ’ ἀϋτή (M 377). Die Taubenprobe ist eine List und gewissermaßen eine Waffe der Argonauten im Kampf gegen die Natur. Hier zeigt sich ein Kontrast zur Skylla und Charybdis-Episode der Odyssee, wie Knight bereits gezeigt hat.1056 Dort greift Odysseus, während er zum Bug des Schiffes geht, gegen Kirkes Rat zu seinen Waffen: αὐτὰρ ἐγὼ καταδὺς κλυτὰ τεύχεα καὶ δύο δοῦρε / μάκρ’ ἐν χερσὶν ἑλὼν εἰς ἴκρια νηὸς ἔβαινον / πρῴρης (μ 228–30). Euphemos geht wie Odysseus zum Bug des Schiffes, setzt aber - dem Rat des Phineus folgend - die Taube ein: δὴ τότ’ ἔπειθ’ ὁ μὲν ὦρτο, πελειάδα χειρὶ μεμαρπώς / Εὔφημος πρῴρης 1054 Zu beobachten ist diese Technik z.B. auch in der Ares-Vögel-Episode (2, 1077–78). 1055 Kyriakou (1995) 25: „…the martial connotation of the Argonauts’ duel with the wave…“; ebd. 26: „Apollonios does present Tiphys’ struggle against the soaring wave as a duel between Iliadic warriors“. 1056 Knight (1995) 43. 257

ἐπιβήμεναι (2, 555–56). Während Odysseus vergeblich versucht, mit martialischer Kraft gegen das Naturphänomen vorzugehen, gebrauchen die Argonauten mit der Taubenprobe die richtige Technik, um der Gefahr erfolgreich zu entkommen. Dieses Prinzip, Kunstgriffe statt Gewalt einzusetzen, zieht sich durch die Handlung der Argonautika und ist besonders in den weiteren zentralen Episoden wie der AthlosSzene oder der Ares-Vögel-Episode präsent.

s. Die Ares-Vögel-Episode Bei der Konfrontation mit den Ares-Vögeln im 2. Buch begegnen die Argonauten der Gefahr, indem sie eine Phalanx bilden und Lärm erzeugen:1057 Vorbild ist Herakles (2, 1055–56), der die stymphalischen Vögel durch den Lärm einer Klapper in die Flucht geschlagen hat. Die Anweisung des Amphidamas zur Rüstung und Sicherung des Schiffes mit Waffen (Ἀνθέμενοι κεφαλῇσιν ἀερσιλόφους τρυφαλείας, / […] / δούρασί τε ξυστοῖσι καὶ ἀσπίσιν ἄρσετε νῆα (2, 1060–62)) erinnert an Formulierungen aus homerischen Rüstungsszenen, z.B. Μ 105, Π 214, Τ 380–81.1058 Die weitere Aufforderung, lautes Geschrei zu erheben (αὐτὰρ πασσυδίῃ περιώσιον ὄρνυτ’ ἀυτὴν / ἀθρόοι (2, 1063–64)) hat ihr Vorbild in den Worten Hektors an die Troer kurz vor dem Kampf: ἅμα δ’ αὐτοὶ ἀολλέες ὄρνυτ’ ἀϋτήν (O 718). Das Aneinanderschlagen der Schilde soll zusätzlichen Lärm erzeugen: … σὺν κελάδῳ σακέεσσι πελώριον ὄρσετε δοῦπον (2, 1067). Hier werden die Wörter κέλαδος und δοῦπος, die bei Homer Kriegslärm bezeichnen (z.B. I 547, Π 635), verwendet. Auf homerische Art wird beschrieben, wie die Argonauten ihre Helme aufsetzen, (Ἀμφὶ δὲ χαλκείας κόρυθας κεφαλῇσιν ἔθεντο / δεινὸν λαμπομένας, ἐπὶ δὲ λόφοι ἐσσείοντο / φοινίκεοι (2, 1069–71), vgl. z.B. K 257, 261),1059 und das Schiff mit ihren Waffen sichern: ἐγχείῃσι καὶ ἀσπίσι νῆα κάλυψαν (2, 1072, vgl. z.B. Π 360).1060 Der Ablauf der Episode weist zudem Analogien zu einer Rüstungs- und Angriffsszene im 17. Buch der Ilias auf: In der Ilias hält Achill eine Rede und fordert die Krieger der Myrmidonen zum Kampf auf (Π 200–210). Seine Worte haben eine ermutigende Wirkung auf die Krieger, die daraufhin ihre Reihen zu einer dichten Phalanx zusammenschließen (Π 211). In den Argonautika hält Amphidamas eine Rede, in der er seinen Plan darlegt, der auf Zustimmung der übrigen Argonauten stößt (2, 1044–68). Nach seiner Anweisung bilden die Helden eine Schutzphalanx mit ihren Schilden und Waffen. Danach folgt in beiden Epen ein Gleichnis, das die Dichte der Phalanx durch das Bild des Dachdeckens zum Schutz gegen Wind und Unwetter illustriert:

1057 Vgl. die ausführliche Interpretation dieser Szene bei Fränkel (1968) 264–273. 1058 S. dazu auch die Untersuchungen unter 6b. (Helme), 6c. (Schilde), 6d. (Lanzen/ Speere). 1059 S. dazu unter 6b (Helme). 1060 S. dazu unter 6c. (Schilde). 258

ὡς δ’ ὅτε τοῖχον ἀνὴρ ἀράρηι πυκινοῖσι λίθοισι δώματος ὑψηλοῖο, βίας ἀνέμων ἀλεείνων, … (Π 212–13) Ὡς δ’ ὅτε τις κεράμῳ κατερέψεται ἑρκίον ἀνήρ, δώματος ἀγλαΐην τε καὶ ὑετοῦ ἔμμεναι ἄλκαρ, ἄλλῳ δ’ ἔμπεδον ἄλλος ὁμῶς ἐπαμοιβὸς ἄρηρεν· (2, 1073–75)

In der Antapodosis nach dem Gleichnis werden die Maßnahmen der Argonauten zum Schutz der Argo mittels der Schilde noch einmal mit anderen Worten beschrieben: ὣς οἵ γ’ ἀσπίσι νῆα συναρτύναντες ἔρεψαν (2, 1076). So auch in der Ilias: ὣς ἄραρον κόρυθές τε καὶ ἀσπίδες ὀμφαλόεσσαι (Π 214).1061 In der Ilias erheben die Myrmidonen beim Angriff Geschrei: βοὴ δ’ ἄσβεστος ὀρώρει (Π 267). Nach Bildung der Front erheben die Argonauten ein Geschrei, um die Vögel zu vertreiben: τοίη ἄρ’ ὑψόθι νηὸς ἐς ἠέρα κίδνατ’ ἀυτή (2, 1079). Das Motiv des „aufsteigenden“ Geschreis oder Lärms findet sich auch in der Ilias: Dort heißt es an mehreren Stellen, dass das Kriegsgeschrei der Heere bis zum Himmel aufsteige (M 338, Ξ 60, Ρ 424–25).1062 Das Geschrei der Argonauten wird zuvor in einem Gleichnis mit dem Lärm verglichen, der entsteht, wenn Krieger in einer Schlachtreihe mit ihren Waffen gegeneinanderstoßen (2, 1077–78). Das Kriegsthema, bei Homer auf der Erzählebene zu finden, z.B. Ξ 393, Ξ 400–1, erscheint im Gleichnis. Umgekehrt stehen Vögel in der Ilias auf der Vergleichsstufe (Γ 2–3), während sie bei Apollonios auf der Erzählebene erscheinen.1063

Zusammenfassung Die aus dem Kampfbereich der Ilias adaptierten Formulierungen zeigen die Absicht, die Episode wie eine homerische Kampfszene zu gestalten. Die Ares-Vögel-Episode wirkt wie Rüstung, Vorbereitung und Beginn einer Schlacht. Die Aufstellung einer Phalanx ist homerisch-kriegerisch, dient hier jedoch nicht zur Deckung gegen feindliche Geschosse, sondern zum Schutz vor den Federn der Ares-Vögel. Kriegsgeschrei und Kriegslärm sind bei Homer eng mit dem Kampf selbst verbunden. Dort entsteht der Lärm beim Kampf und durch den Kampf. In den Argonautika dagegen wird Lärm produziert, um einen Kampf zu vermeiden.1064 Die Vorgehensweise des Herakles, der die stymphalischen Vögel durch den Lärm einer Klapper vertrieben hat, wird durch 1061 Auf die Analogie dieser beiden Stellen macht auch Vian (Bd. 1, 1976) 228, Anm. 1, aufmerksam. 1062 S. Anm. 915. 1063 Zur Umkehrung von Erzählung und Gleichnis sowie Hinweis auf die Sekundärliteratur zur Stelle unter 2c. (φάλαγξ). 1064 Dagegen Effe (1996) 307: „Der homerische Kampf wird zum Vogelkampf.“ Ein Kampf findet aber definitiv nicht statt. Fränkel (1968) 269 spricht von einem ‚psychologischen Kampf‘: „… ohne eine physische Einwirkung auf die Feinde, allein durch sinnreiche psychologische Kampfmittel, die genau auf die Natur der Gegner zugeschnitten war.“ 259

das große Aufgebot an Waffen gesteigert und übertrieben;1065 gleichzeitig wird auf die homerische Kriegssphäre parodisierend angespielt.1066

t. Medeas Aristie In der Erzählung über den Raub des goldenen Vlieses begegnen die Schallwörter ῥοῖζος, ἰάχω, ἐνοπή und αὔω. ῥοῖζος ist in der Ilias das Zischen von Pfeilen, in den Argonautika das Zischen der Schlange im Hain des Ares (ῥοίζει δὲ πελώριον (4, 129), ῥοίζῳ (4, 138)),1067 das in der Natur weithin hörbar widerhallt (ἀμφὶ δὲ μακραὶ / ἠιόνες ποταμοῖο καὶ ἄσπετον ἴαχεν ἄλσος (4, 129–30). ἐνοπή begegnet bei Homer als Kampfgeschrei, hier als Stimme Medeas, mit der sie den Schlafgott Hypnos um Hilfe anruft, damit er das Tier einschläfere (Ὕπνον ἀοσσητῆρα, θεῶν ὕπατον, καλέουσα / ἡδείῃ ἐνοπῇ, θέλξαι τέρας (4, 146–47)). Auch nach Hekate schreit Medea und erfleht ihre Unterstützung: αὖε δ’ ἄνασσαν / νυκτιπόλον, χθονίην, εὐαντέα δοῦναι ἐφορμήν (4, 147–48). Mit ähnlichen Worten wird in der Ilias zweimal ein Hilferuf aus dem Gedränge der Schlacht beschrieben: αὖε δ’ ἑταίρους (Λ 461, Ν 477). Medeas Hilferuf ist an zwei Götter gerichtet, wobei sie Hekate um generellen Beistand, Hypnos aber um eine konkrete Handlung bittet (θέλξαι τέρας). Das Verb θέλγω drückt bei Homer eine - meiste negative - Beeinflussung eines Menschen, seines Geistes oder eines seiner Organe mit Hilfe physisch gewaltloser Mittel wie Zauberei oder Gesang bis zum Verlust der Selbstkontrolle des Opfers aus und kann als ‚bezaubern‘ oder ‚verzaubern‘ aufgefasst werden.1068 Das Subjekt des Verzauberns ist bei Homer in den meisten Fällen ein Gott. In der Ilias greifen Götter auf diese Weise in das Kampfgeschehen ein, indem sie z.B. den Verstand oder Mut oder ein körperliches Organ eines Kriegers außer Kraft setzen (M 255, N 435, O 322, 594, in diesem Sinne auch π 298). In der Odyssee bewirkt vor allem Kirke die Verzauberung durch Zauberkräfte oder Zaubermittel. Die Fähigkeit des ‚Bezauberns‘ mit Hilfe

1065 Faerber (1932) 42 macht darauf aufmerksam, dass Apollonios in der Episode die Maßnahme des Schild­dachs, die er wohl erfunden habe, stärker herausarbeitete als den Lärm, der als Vorgehen des Herakles gegen die stymphalischen Vögel überliefert sei. Fränkel (1968) 269: „Es gab kaum ein Stück ihrer kriegerischen Ausrüstung das nicht jetzt eine gute Verwendung fand.“ Hutchinson (1988) 111: „There the μῆτις was still related to warfare (they used their shields) …“ 1066 Vian (Bd. 1, 1976) 228, Anm. 2: „Tout le passage (v. 1060–1065, 1069–1080), où abondent les épithètes ornantes, se présente comme un pastiche amusé des préliminaires de combat homériques“. Effe (1996) 306: „In seiner Tendenz, sich von der homerischen Heroisierung von Kampf und Krieg abzusetzen, gerät Apollonios gelegentlich in die Nähe der Parodie.“ 1067 Fränkel (1958) 465, Anm. 28, weist darauf hin, dass die beiden Belegstellen für ῥοῖζος 4, 129 und 138 den Anfang und das Ende einer Ringkomposition markieren. 1068 I.J.F. de Jong, LfgrE 2, 988, 62–67. 260

der Rede oder des Gesangs wird in den homerischen Epen nur den Sirenen und Odysseus zugeschrieben (Sirenen: μ 40, 44, Odysseus: ρ 514, 521).1069 In den Argonautika kommt θέλγω an 13 Stellen vor, davon siebenmal in Zusammenhang mit Medea: An 4 Stellen im 3. Buch wird sie als Verzauberte genannt (4; 28; 86; 143), an drei Stellen im 4. Buch bewirkt sie selbst Zauber durch ihre Worte oder Zaubermittel (147; 150; 436). Ihre eigene Bezauberung durch den Pfeil des Eros bewirkt den Einsatz ihrer eigenen Fähigkeit zum Verzaubern. Nachdem sie Jason mit ihren Zaubermitteln bereits zum Sieg über Stiere und Erdgeborene verholfen hat, führt sie ihn schließlich auch zum Ziel des Unternehmens. Sie verzaubert die Schlange, damit Jason das Goldene Vlies an sich nehmen kann. Hutchinson weist auf den Parallelismus dieser beiden Taten hin, der auch dadurch verstärkt wird, dass Medea jeweils vor der Anwendung des Zaubers Hekate anruft (3, 961; 4, 147). In beiden Szenen hängt alles von der Zauberkunst Medeas ab, nichts vom Mut und der Kampfkraft Jasons, der besonders beim Raub des Vlieses völlig hilflos wirkt.1070 Die Aufforderung Medeas an Jason, das Vlies an sich zu nehmen, wird mit dem Verb κέλομαι ausgedrückt, das bei Homer Kampfaufforderungen beschreibt: κούρης κεκλομένης (4, 163).1071 Das Vlies befindet sich im Hain des Ares (2, 1268; 4, 166). Doch wird durch die Handlung kein Bezug zum Kriegsgott hergestellt, da keine Kampfhandlung stattfindet und die Schlange nicht einmal getötet wird wie z.B. bei Pindar (Pyth. 4, 249).1072 Dies steht auch im Kontrast zu zwei weiteren Stellen in den Argonautika: Im 2. Buch singt Orpheus einen Hymnos über Apollon, der die Schlange Python erlegt (2, 703–7). Die bevorstehende Konfrontation der Argonauten mit der Schlange wird hier antizipiert. Der Bezug wird durch den Vergleich Jasons mit Apollon im 1. Buch verstärkt (1, 307–10). Jason handelt aber nicht nach dem Vorbild des Gottes, sondern überlässt es Medea, das Ungeheuer unschädlich zu machen. Dagegen berichtet eine Analepse im 4. Buch von Herakles, der die Schlange Ladon mit seinen Pfeilen erlegte (4, 1400–1). Auf der Erzählebene dagegen setzt Medea statt einer Waffe ihre magischen Kräfte gegen die Schlange ein.1073 Generell dominiert in den letzten beiden Büchern der Argonautika das Thema der Zauberkünste Medeas, mit denen sie den Argonauten zum Erfolg ihrer Fahrt verhilft. Magische Kräfte und die Wirkung von Wort und Gesang sind präsenter als physische Gewalt. 1069 Zu θέλγω: Parry (1992) 24–25, Pucci (1987) 193–195. S. auch unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie). 1070 S. dazu unter 14c. (φοβέω). 1071 Zu κέλομαι s. unter 15j. (αὔω), Anm. 966. Zu 4, 163 s. Hutchinson (1988) 124: „the appended clause makes her the decisive figure.“ 1072 Hutchinson (1988) 123, Anm. 63, mit weiteren Belegen für diese Version des Mythos, z.B. Pindar (Pyth. 4, 249), außerdem Pherekydes (FGrH 3 F 31) und Herodorus (FGrH 31 F 52). 1073 Lt. Hunter 32–33 markieren auch die „different methods of dealing with the Colchian and African serpents“ den Kontrast zwischen den beiden Helden Herakles und Jason. Vgl. dagegen auch das Verhalten des Orpheus in der Sirenen-Episode: IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie). 261

u. Gesamtüberblick ‚Kriegsgeschrei und Kriegslärm‘ Im Kontext eines Kampfes auf der Erzählebene, der Schlacht gegen die Dolionen, kommt Kriegslärm nur in Form des Wehgeschreis bei der Flucht vor. Dagegen macht Apollonios in den Episoden, die keine Kampfhandlungen enthalten, reichlich Gebrauch von martialischen Schallwörtern. Am auffälligsten ist dies bei der Abfahrt der Argo und in der Symplegaden-Episode. Die Untersuchungen der einzelnen Stellen haben ergeben, dass nicht nur durch die Verwendung der Wörter an sich, die auf eine Bedeutungs- und Verwendungserweiterung auf nicht-kriegerische Bereiche schließen lassen könnte, sondern besonders durch Imitation und Variation homerischer Formulierungen aus dem kriegerischen Kontext ein enger Bezug zur homerischen Kriegssphäre geschaffen wird. Somit entstehen kriegerische Assoziationen, ohne dass die Handlung selbst kriegerisch ist. Wenn also die Argonauten bei der Abfahrt der Argo und beim „Kampf“ gegen die Symplegaden Kriegsgebrüll anstimmen oder bei der Konfrontation mit den Ares-Vögeln zusätzlich noch Waffenlärm erzeugen, wird ein wichtiges Element homerischer Schlachtbeschreibungen, das in den wenigen Kampfszenen der Argonautika fehlt, gezielt auf einen anderen Bereich übertragen. Die folgende Tabelle zeigt zusammenfassend, in welcher Häufigkeit homerische Schallwörter in den inhaltlich betrachteten Episoden vorkommen.1074

ἀυτή

Seefahrt/ Argo

Hylas

1

2

Harpyien Sympleg. 1

AresVögel

Medea- OrpheusSchlange Sirenen

2

βοή ἀλαλητός ἐνοπή

1 1

1

κέλαδος κλαγγή ὀρυμαγδός

1

1

1

δοῦπος

1

1

ῥοῖζος αὔω

1 1

βοάω ἰάχω

2

1

5

1 1

2

2

1

ἀραβέω

1

1

βραχεῖν

1 9

6

1 3

7

5

3

2

1074 Auch die Belege in der Sirenen-Episode (s. unter IV. Appendix 1 (Orpheus’ Aristie)) sind hier integriert. 262

16. Kampfkraft Die homerische Sprache kennt eine Reihe von Wörtern, die Kampfkraft, Kampfgeist oder den Mut eines Kriegers bezeichnen.1075 Zu diesem Wortfeld gehören nach Mader die Wörter βίη, σθένος, ἴς, κῖκυς, ἰσχύς,1076 κράτος/κάρτος und μένος,1077 eine Aufzählung, in der man ἀλκή vermisst.1078 Eder untersucht in seiner Dissertation „Kraft, Stärke und Macht in der Sprache Homers“ außer den bei Mader genannten Wörtern auch ἀλκή, δύναμις, ἠνορέη (ἀγηνορία, ῥηξηνορία), αἰών, ἐρωή.1079 Schmidt unterscheidet in seiner „Synonymik der griechischen Sprache“ vier Gruppen nach dem Kriterium der Abstraktion.1080 Die Auswahl der hier zu untersuchenden Wörter richtet sich zunächst nach den bei Mader und Eder aufgeführten Wortgruppen. Wichtigstes Auswahlkriterium ist zudem wie bei den anderen Wortgruppen der überwiegend kriegerische Kontext eines Wortes bei Homer. Die Wörter δύναμις, ἴς und κῖκυς sind bei Apollonios nicht belegt, werden also auch hier nicht betrachtet. Dasselbe gilt für das Wort ἰσχύς, das bei beiden Epikern nicht vorkommt. Bei den Wörtern αἰών und ἐρωή ist ‚Kraft‘ nur eine seltene Nebenbedeutung.1081 Das Wort ἠνορέη zählt zum Wortfeld ‚Tapferkeit‘ und wird daher unter 17. ‚Mut und Tapferkeit‘ behandelt.1082 Die Menge der Begriffe für ‚Kampfkraft‘ führt zu der Überlegung, ob die Wörter synonym gebraucht werden oder unterschiedliche semantische Nuancen aufweisen. Doch zeigen die Definitionsversuche in der Forschung die Problematik, einzelne Begriffe genau voneinander abzugrenzen und ihnen eindeutige Positionen innerhalb des

1075 Die Bedeutung ‚Mut‘ taucht freilich im Wortfeld ‚Kampfkraft/Kampfgeist‘ nur sporadisch als eine aus dem psychisch verstandenen ‚Kampfgeist‘ übertragene Bedeutungsnuance auf. Die Wortgruppe ‚Mut‘ wird unter 17. untersucht. 1076 Dieses Wort ist bei Homer nicht belegt. 1077 B. Mader, LfgrE 2, 58, 37–38. Vgl. R. Führer, LfgrE 3, 138, 37–39, der im Lemma zu μένος die Wörter ἀγηνορίη, αἰών, ἀλκή, ἀνδροτής, Ἄρης, βίη, βουλή, δύναμις, ἥβη, ἠνορέη, θάρσος, θυμός, ἴς, κράτος, μυελός, οἶμα, σθένος, χάρμη, χόλος, ψυχή nennt. 1078 Dass ἀλκή auf jeden Fall in diese Reihe gehört, zeigt die Bedeutungsanalyse von E.-M. Geiß, LfgrE 1, 494, 72–495, 38 (zu ἀλκή). 1079 Eder (1939) 2. Dort werden nur ἴς, σθένος, βίη, ἀλκή, κράτος ausführlich untersucht, die restlichen Wörter werden in einem Kapitel zusammengefasst. 1080 Schmidt (1879) 657 teilt das Wortfeld, zu dem für ihn die Wörter ῥώμη, ἴς, ἰσχύς, κῖκυς, σθένος, δύναμις, κράτος, ἀλκή, βίη mit den entsprechenden Derivaten gehören, in eine erste Gruppe der „nähere[n] Abstrakzion“ mit der Bedeutung ‚Kraft, Stärke‘, eine zweite Gruppe der „entferntere[n] Abstrakzion“ mit der Bedeutung ‚Vermögen, können‘, eine dritte Gruppe mit der Bedeutung ‚Macht‘, sowie eine vierte Gruppe mit der Bedeutung ‚Gewalt‘ ein. 1081 R. van Benne kom, LfgrE 2, 731, 3–4 zu ἐρωή: „2 disparate Bedd. […]: Schwung, Drang (I) u. Nachlassen, Ruhe (II)“. 1082 S. unter 17a. (ἠνορέη). 263

Wortfeldes zuzuweisen.1083 Die Übergänge sind fließend, mehrere Wörter bezeichnen sowohl die psychische als auch die körperliche Kraft; Wirkung und Verfügbarkeit sind nicht für jedes Wort eindeutig definiert. Die Einengung eines Wortes auf eine bestimmte Form oder Ausprägung der Kraft ist entweder aus der Etymologie oder aus dem auffällig häufigen Gebrauch in dem entsprechenden Kontext erklärbar. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Wort auch als ‚Kraft‘ in einem ganz anderen Bereich verwendet wird, wie z.B. die auf ‚Abwehrkraft‘ spezialisierte ἀλκή auch als Offensivkraft fungieren kann. Die Ansätze zur Bedeutungsdefinition jedes Wortes und der Abgrenzung zu Synonymen, die in der Forschungsliteratur zu finden sind, werden jeweils zu Beginn jedes Unterkapitels erläutert.

a. ἀλκή ἀλκή kommt bei Homer sehr oft vor (insgesamt 75 Stellen, 63 Ilias, 12 Odyssee). Das Wort hat die Grundbedeutung ‚Wehrkraft, Widerstandskraft‘: Von der Etymologie her bezeichnet ἀλκή eine Defensivkraft, enthält also den Aspekt der Verteidigung und des Widerstandes, der Bestandteil eines Kampfes ist.1084 Von dieser Grundbedeutung aus entwickelte sich einerseits die Bedeutung ‚Kampfkraft‘ an sich, ob im defensiven oder offensiven Bereich. Weitergehend bezeichnet ἀλκή an einigen Stellen sogar den ‚Kampf‘ selbst. Zum anderen kommt die psychische Komponente in der Bedeutung ‚Widerstands-‘ bis zu ‚Kampfgeist‘ und ‚Mut‘ zum Tragen.1085 Die Bedeutung ‚körperliche Kraft‘ hat sich

1083 Besonders auffällig ist die Uneinigkeit über die physische oder psychische Auffassung der ‚Kampfkraft‘, s. besonders bei μένος (Anm. 1257). Benveniste (1969) 72, der vor allem die Bedeutung von κράτος und ἀλκή analysiert, zeigt die Problematik der Abgrenzung der einzelnen Synonyme auf: „bía, ís, iskhús, sthénos, alkē, dúnamis. Ce foisonnement crée bien des difficultés aux traducteurs. Mais le choix des équivalents ne peut être guidé que par des définitions exactes, c’est-à-dire par une notion exacte des différences entre ces sept manières de désigner la ,force‘. Ici règnent encore l’arbitraire et l’incertitude. On traduit au jugé, et chaque exemple différemment.“ 1084 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 494, 74–495, 11: „Als nom. act. zu ἀλέξω und ἀμύνω ‚Abwehr‘ feindlichen Einwirkens von sich, seinem Haus und Besitz“, auch ‚Hilfe‘, ‚Möglichkeit abzuwehren‘.“ Eder (1939) 46: „Für ἀλκή weisen die verwandten Sprachen auf den Sinn ,Kraft‘, die als Wehrkraft Schutz bietet.“ Snell (1969) 45: „… die ἀλκή, das ,Abwehrvermögen‘, war sowohl Stärke wie Behendigkeit.“ Latacz (1966) 29: „Von der Etymologie her ist ἀλκή als die Kraft, Fähigkeit, der Wille, sich zu wehren, bestimmt, und tatsächlich wird ein μνήσασθαι ἀλκῆς vorwiegend in bedrohlichen Situationen gefordert, wo es sich zu verteidigen, zu wehren gilt.“ 1085 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 494, 77–495, 11: „Als Terminus der Kriegersprache ,Verteidigung‘, sowohl ‚Etwas-Verteidigen‘ […] als ‚Sich-Verteidigen‘, ‚Widerstand‘ […], als auch ‚Sichgegenseitig-Verteidigen‘ […], weiter ‚Wille oder Fähigkeit etwas oder sich zu verteidigen‘ = ‚Widerstandsgeist, -kraft‘“ kam ἀλκή „Da fast jede kriegerische Aktion als eine dieser drei Arten der Verteidigung aufgefaßt werden kann“ zu der Bedeutung „,das 264

erst später entwickelt und kommt nur in der Odyssee vor.1086 In der Ilias steht ἀλκή immer im kriegerischen Kontext,1087 an mehr als der Häfte der Belegstellen (34) in Reden, in denen der aktuelle Kampf thematisiert, zum Kampf aufgerufen oder ermuntert wird,1088 z.B. in formelhaften Wendungen wie μνήσασθε δὲ θούριδος ἀλκῆς (siebenmal, z.B. Ζ 112). In der Odyssee findet sich die Hälfte der Stellen im kriegerischen Kontext, meist in Reden (9 Stellen). Nicht kriegerisch gebraucht ist ἀλκή z.B. als Kraft des Zyklopen Polyphem (ι 214, 514) oder des Hundes Argos (ρ 315).

Bei Apollonios ist ἀλκή an 14 Stellen belegt. Zweimal begegnet das Wort im Argonautenkatalog:1089 Über Lynkeus und Idas wird gesagt, dass sie aufgrund ihrer Kraft wagemutig seien: Οἱ δ’ Ἀφαρητιάδαι Λυγκεὺς καὶ ὑπέρβιος Ἴδας / Ἀρήνηθεν ἔβαν, μεγάλῃ περιθαρσέες ἀλκῇ / ἀμφότεροι (1, 151–53). Der Dativ ἀλκῇ ist bei Homer nur einmal

1086

1087 1088 1089

Kämpfen‘, ‚Kampf ‘, dann ‚Wille oder Fähigkeit zu kämpfen‘ = ‚Kampfgeist, -kraft‘, überhaupt ‚Tüchtigkeit im Krieg‘“. LSJ s.v. I: „strength as displayed in action, prowess, courage“. Schmidt (1879) 675 zur Bedeutung von ἀλκή: „Wehrkraft, d.h. die im Kampf sich äußernde standhaltende und die Feinde zurückdrängende Kraft. Das Wort ist eine nähere Abstakzion, bedeutet also nur die unmittelbare Kraft des Helden - die oft göttlicher Einwirkung zugeschrieben wird - und da diese nicht one Spannung des geistigen Strebens gedacht werden kann, so wird sie von Homer auch in nahe Bezihung zu dem Mute gebracht.“ Benveniste (1969) 73: „faire face au péril sans jamais reculer, ne pas céder sous l’assaut, tenir fermement dans la cors à corps, violà l’alkḗ.“ Zur psychischen Komponente des Wortes s. auch Eder (1939) 49: „viel häufiger [als die reine Körperkraft] bezeichnet ἀλκή die Dynamik, die ständig nach Äußerung drängt, sei es im Kampf (Ansturm oder Abwehr) oder in der seelischen Haltung als Mut, Ausdauer und Bereitschaft.“ Latacz (1966) 28: „ἀλκή bezeichnet […] eine psychische (ursprünglich möglicherweise magische) Kraft, nämlich die Kraft oder den Willen, sich zu wehren und läßt sich häufig treffend wiedergeben mit ‚Abwehrwille, Widerstandsgeist‘.“ E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 14–15. Vgl. Eder (1939) 48 und 84, der es als „problematisch“ bezeichnet, ἀλκή „im Sinne von reiner Körperkraft zu fassen“, die Anmerkung von Fränkel (1927) 383 („ἀλκή (‚Kampf‘; auch dies Wort bezeichnet nie die Körperkraft)“) aber als „zu schroff “ empfindet (Eder (1939) 48, Anm. 1). Vgl. auch Fraenkel (1962) 64: „In early Greek in general […] and also in Aeschylus, ἀλκή has, besides its principal meaning ,defence, protection, defensive action‘ the closely related sense of ,warlike strength‘, but not ,strength‘ or ,power‘ in all senses.“ B. Mader, LfgrE 2, 58, 45–48 (zu βίη): „ἀλκή (s.d.) ist ähnl. ständig verfügbare Kraft, umfaßt aber die ganze Pers. (stark seel. Kompon.: Bereitschaft) u. manifestiert sich ausschließl. im Kampf“. E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 23–25. „… oft in der Paränese verwandt …“. Auch das derivative Adjektiv ἀλκήεις, das in den Homerischen Hymnen einmal belegt ist, und zwar als Epitheton für Athene (Hymn. Hom. 28, 3), kommt im Katalog zweimal vor: 1, 71: Εἵπετο δ’ Εὐρυτίων τε καὶ ἀλκήεις Ἐριβώτης; 1, 190–91: Οἰνεΐδης δ’ ἐπὶ τοῖσιν ἀφορμηθεὶς Καλυδῶνος / ἀλκήεις Μελέαγρος ἀνήλυθε. 265

belegt,1090 und zwar in einer Rede des Odysseus, der seinen Sohn Telemachos auf die ἀλκή aufmerksam macht, durch die sich sein Geschlecht auszeichne: ἀλκῇ τ’ ἠνορέῃ τε κεκάσμεθα πᾶσαν ἐπ’ αἶαν (ω 509).1091 Apollonios verwendet diesen Dativ an weiteren drei Stellen (3, 185; 334; 849, s. dazu unten). Das Adjektiv περιθαρσής ist bei Apollonios zuerst belegt (s. auch 1, 195).1092 Es entspricht semantisch dem Adjektiv πολυθαρσής, das dreimal in der Ilias zu finden ist und dort immer in Kombination mit μένος eine Junktur bildet, die mit der Bedeutung ‚vielkühne Kampfkraft‘ im kriegerischen Kontext steht, z.B. Τρώεσσι μένος πολυθαρσὲς ἐνείη (P 156).1093 Bei Apollonios wird die Eigenschaft der Kühnheit den Helden zugeordnet, während ἀλκῇ limitative Ergänzung zu περιθαρσέες ἀμφότεροι ist. Sprachlich und inhaltlich erinnert diese Konstruktion an die homerische Formel ἀλκὶ πεποιθώς, die bei Homer an sechs (Ilias 5, Odyssee 1) Stellen vorkommt und an allen Iliasstellen im kriegerischen Kontext steht, davon viermal in einem Gleichnis, das eine Kampfszene illustriert.1094 Die Junktur μεγάλη ἀλκή, die Apollonios verwendet, ist bei Homer zweimal belegt und bezeichnet übermenschliche Kraft, zum einen des Zyklopen Polyphem selbst (ι 214), zum anderen eines in dessen Vorstellung ebenbürtiges Gegners (ι 513–14).1095 Apollonios weist mit einer an diese Stellen angelehnten Junktur den beiden Argonauten übermenschliche Kraft zu. Idas wird zudem mit einem weiteren Attribut (ὑπέρβιος) charakterisiert, das diesen Eindruck unterstützt,1096 da es bei 1090 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 21 und 63–64, s. auch Anm. 1124. Sonst steht der formelhafte Dativ ἀλκί, dazu Eder (1939) 49: „Erst eine späte Stelle übernimmt den Dativ ἀλκῇ und bildet den normalen, nun nicht mehr formelhaften Casus (ω 509).“ 1091 Eder (1939) 54 interpretiert die beiden an dieser Stelle verwendeten Begriffe ἀλκή und ἠνορέη: „In ἀ. liegt die ganze dynamische Kraftentfaltung eines Helden; ἠνορέη ist das Mannestum schlechthin. Beide schließen körperliche und seelische Eigenschaften in sich.“ 1092 S. TLG, Bd. VI, 829 und LSJ s.v. mit Angabe der beiden Belegstellen bei Apollonios. In 1, 195 steht περιθαρσής - wiederum im Argonautenkatalog - als Epitheton für die als ὅμιλος bezeichnete Argonautenschar, s. unter 4d. (ὅμιλος). 1093 Ardizzoni (1967) 121 zu περιθαρσής: „composto apolloniano, che ricorre solo qui e infr. 195, equivalente all’ omerico πολυθαρσής (Ρ 156, Τ 37, ν 387).“ So auch Vasilaros (2004) 149. 1094 Vgl. Eder (1939) 49 mit dem Hinweis zu zwei Belegstellen der Formel ἀλκὶ πεποιθώς in der Ilias, dass das durch ein Gleichnis beschriebene Vertrauen des Aineas auf seine Kraft in E 299 „sich mit der Lust zum Kampf κτάμεναι μεμαώς“ paare, und dass der hauptsächlich in Gleichnissen gebrauchte Ausdruck in Σ 158 auf einen Kämpfer übertragen werde. Bei Aischylos findet sich dieser Ausdruck mit dem Dativ ἀλκῇ (Ch. 237). Vgl. auch ἀλκᾶι πίσυνος in Hik. 352. 1095 Eder (1939) 48 versteht ἀλκή an diesen Stellen „am ehesten“ als „reine Körperkraft“. Das Attribut μέγας findet sich auch bei Synonymen, die meist die Stärke kriegerischer Helden bezeichnen, z.B. μέγα σθένος (7 Stellen, z.B. Λ 11). μεγάλῃ βίῃ (Ω 42). μέγα δὲ κράτος (6 Stellen, z.B. Ζ 387). 1096 Zu ὑπέρβιος s. V. Langholf, LfgrE 4, 734, 39: „übergewaltig“. Im frühgriechischen Epos begegnet das Wort als Attribut von Personen nur an einer Stelle in einem 266

Hesiod auch einmal in Zusammenhang mit Zyklopen gebraucht wird: Γείνατο δ’ αὖ Κύκλωπας ὑπέρβιον ἦτορ ἔχοντας (theog. 139). Der Argonaut Periklymenos hat seine besondere Kraft von Poseidon erhalten: Ποσειδάων δέ οἱ ἀλκὴν / δῶκεν ἀπειρεσίην, … (1, 158–59). Das Adjektiv ἀπειρέσιος bedeutet im Singular ‚unendlich (groß)‘ und steht auch bei Homer in λ 621 neben einem Abstraktum (ὀϊζύς).1097 Apollonios setzt die Junktur ἀλκὴ ἀπειρεσίη auch in 3, 1043–44 (s.u.) ein, um die unendlich große Kraft Jasons nach Anwendung der Zaubermittel zu beschreiben. An beiden Stellen handelt es sich um eine übernatürliche Kraft, die im Kontext eines magisch wirkenden Zaubers steht. Denn ἀλκὴ ἀπειρεσίη ist zum einen die besondere Fähigkeit des Periklymenos, sich während des Kampfes zu verwandeln, zum anderen die unbesiegbare Kraft, die Jason durch Medeas Magie verliehen wird.1098 Im frühgriechischen Epos wird ἀλκή nur selten - wie hier bei Periklymenos - von den Göttern verliehen, im Unterschied zu μένος, das sehr oft, und κράτος und σθένος, die auch an einigen Stellen Gabe der Götter sind.1099 Die Junktur ἀλκὴν (ἐ)δῶκεν findet sich daher nur in Ι 39 (ἀλκὴν δ’ οὔ τοι δῶκεν, ὅ τε κράτος ἐστὶ μέγιστον) und in einem Hesiod-Fragment: ἀλκὴν μὲν γὰρ ἔδωκεν Ὀλύμπιος Αἰακίδηισι (fr. 203, 1 MW). Weitere Homerstellen mit Synonymen sind inhaltlich mit der Argonautikastelle vergleichbar, z.B. die Beschreibung der Rüstung des Diomedes, der seine Kampfkraft von Athene erhält (ἔνθ’ αὖ Τυδείδηι Διομήδεϊ Παλλὰς Ἀθήνη / δῶκε μένος καὶ θάρσος … (Ε 1–2) und die Beschreibung des Aias in der Rede Hektors (Αἶαν, ἐπεί τοι δῶκε θεὸς μέγεθός τε βίην τε / καὶ πινυτήν, περὶ δ’ ἔγχει Ἀχαιῶν φέρτατός ἐσσι (Η 288–89)).

Fragment der Phoronis, das der Apolloniosstelle ähnelt: Kέλμις Δαμναμενεύς τε μέγας καὶ ὑπέρβιος Ἄκμων (fr. 2, 3 Kinkel). Bei Homer und Hesiod wird es nur von psychischen Lasten und Hybris gebraucht. Als Adverb beschreibt das Wort mit der Bedeutung ‚überheblich‘ in der Odyssee das Verhalten der Freier (ξ 92, π 315), s. V. Langholf, LfgrE 4, 734, 51–52: „(‚mit dem [trügerischen] Gefühl von Überstärke‘, ‚präpotent‘) überheblich, vermessen“. In der nachhomerischen Literatur begegnet eine Belegstelle bei Pindar (Ol. 10, 15), an der das Wort als Epitheton für Herakles verwendet wird (LSJ s.v. I: „of overwhelming strength or might“). Vgl. LSJ s.v. II: „mostly in bad sense, overweening, lawless, wanton“). 1097 Im Plural ist ἀπειρέσιος Attribut von ἄποινα und ἕδνα und wirkt als steigernder Ausdruck für eine Größe oder Menge, vgl. G. Beck, LfgrE 1, 1011, 26–29 („mit der Funktion eines verstärkten πολλοί“). So auch bei Apollonios in 4, 218 für die große Menge der Kolcher. 1098 Zu ἀλκή im Zusammenhang mit Medeas Magie s. zu 3, 1043–44 und 3, 1256–58. 1099 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 31–32: „Sofern von Göttern verliehen, nur als dauernde, charakteristische Eigenschaft“ mit Angabe von I 39 als einziger Belegstelle für ἀλκή als von Göttern gegebene Kraft. Benveniste (1969) 74 weist zudem auf Θ 140 hin, wo Nestor Diomedes zur Flucht treibt, da die von Zeus kommende ἀλκή ihn nicht begleite: … ὅ τοι ἐκ Διὸς οὐχ ἕπετ’ ἀλκή. Die ἀλκή des Zeus dient noch an einer weiteren Stellen zum Schutz des Menschen (Ο 490), doch bleibt sie an diesen Stellen im Aktivitätsbereich des Gottes und wird nicht dem Menschen verliehen. 267

Im Gegensatz zu diesen beiden homerischen Helden setzt der Argonaut seine besonderen Fähigkeiten im weiteren Verlauf der Handlung nicht ein. Er wird nicht einmal mehr namentlich erwähnt, obwohl er gemäß seiner Einführung mit Verwendung mehrerer Kriegsvokabeln (μάρναμαι, πόλεμος, ἀλκή) für eine Rolle in einer der Schlachtbeschreibungen prädestiniert zu sein scheint. Dasselbe geschieht mit mehreren anderen Argonauten, die im Katalog als besonders kriegerisch und kampftüchtig hervorgehoben werden.1100 Weitere zwei Belegstellen finden sich in der Faustkampf-Episode: 2, 44–45: Vor dem Faustkampf gegen Amykos wird beschrieben, wie sich die Kampfkraft des Polydeukes steigert: ἀλκὴ / καὶ μένος ἠύτε θηρὸς ἀέξετο. Mit dem Hendiadyoin ἀλκὴ καὶ μένος variiert Apollonios eine häufige homerische Junktur, die an fünf Stellen begegnet, z.B. τὸ γὰρ μένος ἐστὶ καὶ ἀλκή (I 706, T 161).1101 μένος ist dort immer vorangestellt. Die umgekehrte Stellung ist also neu und singulär. In I 706 und T 161 wird die Notwendigkeit von Essen und Trinken für den Erhalt von μένος und ἀλκή in der Schlacht thematisiert.1102 Gemäß Eders Erklärung („D.h. also: μένος und ἀλκή ergeben zusammen die Harmonie von seelischer Bereitschaft und körperlicher Fähigkeit.“) liegt es daher nahe, μένος und ἀλκή als zwei unterschiedliche Komponenten aufzufassen, die zusammen die Kampffähigkeit des Kriegers ausmachen.1103 Außer mit Eder μένος als inneren Drang und ἀλκή als körperliche Kraft zu verstehen, gibt es noch die Möglichkeit, μένος als Drang nach vorne, d.h. Angriffskraft zu interpretieren, während ἀλκή wie erwähnt die Widerstandskraft, die Fähigkeit zur Abwehr ist.1104 Die Verbindung von μένος und αὐξάνω/ἀέξω findet sich einmal in Hesiods Theogonie. Dort wird über den heranwachsenden Zeus gesagt: Καρπαλίμως δ’ ἄρ’ ἔπειτα μένος καὶ φαίδιμα γυῖα / ηὔξετο τοῖο ἄνακτος (theog. 492–93).1105 Der Vergleich ἠύτε θηρὸς erinnert daran, dass ἀλκή bei Homer oft in Gleichnissen verwendet wird, vor 1100 Butes (1, 95), Ankaios und Erginos (1, 187–189), Iphiklos (1, 199–201), Polyphemos (1, 40–44), Oileus (1, 74–76), s. dazu unter 1l. (Gesamtüberblick ‚Kampf, Schlacht, kämpfen‘). Zu Periklymenos s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος) und 1h. (μάρναμαι). Glei (Bd. 1, 1996) 151, Anm. 33: „Auch der wandlungsfähige Periklymenos kommt mit seiner ,unglaublichen Fähigkeit‘ niemals zu Zuge.“ 1101 Weitere Belege: Ζ 265, Χ 226, χ 282. 1102 Eder (1939) 48. 1103 Eder (1939) 58, Vgl. auch R. Führer, LfgrE 3, 142, 13 zu μένος καὶ ἀλκή in Ι 706, Τ 161: „Energie u. Widerstandskraft“, mit Hinweis auf χ 226: οὐκέτι σοί γ’, Ὀδυσεῦ, μένος ἔμπεδον οὐδέ τις ἀλκή. Zum psychischen Aspekt von μένος s. Anm. 1222. Fränkel (1968) 158 übersetzt „erwuchs jetzt Mut und Grimm in ihm wie bei einem wilden Tier“ und fasst damit beide Begriffe im psychischen Sinn auf. 1104 Vgl. die Auffassung von E.-M. Geiß, LfgrE 1, 496, 75–76: „,Angriffs- und Widerstandsgeist‘, was zusammen die volle Kampfkraft ausmacht.“ 1105 Cuypers (1997) 79 verweist auf eine Parallele in den Argonautika 3, 520: τοίῳ οἱ ἀείρετο κάρτεϊ θυμός, s. dazu unter 16c. (κράτος/κάρτος). Vgl. 2, 641 aus der Rede Jasons nach seiner Peira: ὑμετέρῃ ἀρετῇ ἔπι θάρσος ἀέξω. Vian (Bd. 1, 1976) 178, Anm. 2, zum Gebrauch von ἀέξω: „Ἀέξω signifie souvent dans l’épopée ,posséder 268

allem in der Formel ἀλκὶ πεποιθώς,1106 aber z.B. auch bei der Beschreibung der Myr­ midonen vor dem Kampf, die in ihrer Gier den Wölfen gleichen und auch dieselbe ἀλκή im Herzen haben: οἳ δὲ λύκοι ὣς / ὠμοφάγοι, τοῖσίν τε περὶ φρεσὶν ἄσπετος ἀλκή (Π 156–57). 2, 64: Der Kampfgeist des Polydeukes wird kurz vor dem Kampf von Kastor und Talaos zusätzlich angestachelt: μάλα πολλὰ παρηγορέοντες ἐς ἀλκήν· Das Verb παρηγορέω ist erst in der Tragödie belegt (z.B. Aischyl. Pers. 530).1107 Der unhomerische Ausdruck ἐς ἀλκήν kommt im vierten Buch noch einmal vor, wo ἀλκή als ‚Kampf‘ aufzufassen ist.1108 Hier jedoch ist die Bedeutung ‚Tapferkeit‘ oder ‚Kampfgeist‘ am wahrscheinlichsten.1109 Die Rolle von Kastor und Talaos beim Faustkampf des Polydeukes ist vergleichbar mit der Rolle des Diomedes beim Faustkampf des Euryalos, des Enkels des Argonauten Talaos, gegen Epeios in der Ilias (Ψ 677–84).1110 Auch Diomedes spricht Euryalos Mut zu: θαρσύνων ἔπεσιν, μέγα δ’ αὐτῶι βούλετο νίκην (Ψ 682). Es bestehen zudem sprachliche Parallelen zwischen den beiden Kämpfen.1111 Allerdings kennt die Ilias das Bewirken der ἀλκή durch Zureden oder Anfeuern nicht. Einzig das Eingeben der ἀλκή durch Götter ist entfernt vergleichbar.1112 Der Ausdruck ἐς ἀλκήν begegnet noch einmal in 4, 1156: Das Angriffsverhalten der Argonauten bei Jasons und Medeas Hochzeit wird mit mehreren Kriegsvokabeln beschrieben: Οἱ δ’ ἐνὶ χερσὶ / δούρατα νωμήσαντες ἀρήια, μὴ πρὶν ἐς ἀλκὴν / δυσμενέων ἀίδηλος ἐπιβρίσειεν ὅμιλος, … (4, 1155–57). Hier ist ἀλκή als ‚Kampf‘

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(une qualité) à un haut degré‘, et ἀέξομαι, ,être grand‘: cf., pour Apollonios, 1, 206, 1339; 2, 641.“ S. zu 1, 151–53 (Anm. 1094). Vgl. dazu Cuypers (1997) 100, der auf weitere Belege vor, bei und nach Apollonios hinweist. Das Scholion erklärt παρηγορέοντες an dieser Stelle: ἀντὶ τοῦ προτρεπόμενοι. S. zu 4, 1155–57. Campbell (1994) 164 hält die Bedeutung ‚Kampf‘ auch in 2, 64 für möglich („perhaps“). Pompella (2002) 39: „cohortantes ad fortitudinem“, Cuypers (1997) 100 übersetzt „speaking fiery words to raise his fighting spirit“ mit Verweis auf 3, 1347–48, wo Jason vor seinem Kampf gegen die Erdgeborenen von den Gefährten aufgemuntert wird. Dort auch zum homerischen Ausdruck μάλα πολλὰ. Vian (Bd. 1, 1976) 179, Anm. 1: „Pour seconder Castor, Apollonios a choisi Talaos parce que le petit-fils de celui-ci, Euryalos, a lutté au pugilat contre Épeios dans l’ Iliade (Ψ 677–680). Les deux héros remplissent auprès de Pollux le même office que Diomède auprès d’Euryalos (Ψ 681–684); mais, chez Homère, c’est le boxeur lui-même qui semble attacher ses courroies.“ Vgl. auch Cuypers (1997) 99: „the presence of Talaus is no doubt motivated in the first place from the fact that his grandson is one of the contestants in the Iliadic boxing-match: cf. Ψ 677–80 …“ S. dazu unter 16d. (μένος, zu 2, 68–69). E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 24–32: „… nicht als lebendige Kraft empfunden, die sich im Menschen ‚regt‘, kann daher auch nicht angeregt, in Bewegung gebracht werden. […] Sofern von Göttern verliehen, nur als dauernde, charakteristische Eigenschaft“. 269

aufzufassen.1113 Diese Bedeutung hat das Wort auch an einigen Stellen bei Homer und wird damit zum Synonym von Wörtern wie μάχη und πόλεμος.1114 Die Verbindung mit einer Präposition ist unhomerisch,1115 findet sich aber bei Euripides: κακή τ’ ἐς ἀλκὴν καὶ σίδηρον εἰσορᾶν (Med. 264). An dieser Stelle bedeutet ἀλκή auch ‚Kampf‘ wie öfters in der Tragödie.1116 Das Verhalten der Argonauten ist an dieser Stelle aber nur eine Vorsichtsmaßnahme und führt nicht zu einem Kampf. Die folgenden Stellen stehen im Kontext einer Auseinandersetzung der Argonauten mit Aietes und begegnen ausschließlich in Reden: 2, 1220–21: Peleus betont die Kampfkraft der Argonauten angesichts einer eventuell bevorstehenden Konfrontation mit Aietes: Οὔτε γὰρ ὧδ’ ἀλκῆς ἐπιδευόμεθ’ ὥστε χερείους / ἔμμεναι Αἰήταο σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι. Die Wendung ἀλκῆς δεύεσθαι steht bei Homer zweimal im kriegerischen Kontext (N 786, ψ 128). An der Iliasstelle verspricht Paris Hektor, im Kampf mutig zu sein: ἡμεῖς δ’ ἐμμεμαῶτες ἅμ’ ἑψόμεθ’, οὐδέ τί φημι / ἀλκῆς δευήσεσθαι, ὅση δύναμίς γε πάρεστι (N 785–86). In der Odyssee spricht Telemachos dieselben Worte zu seinem Vater vor dem Kampf gegen die Freier (ψ 127–28).1117 Die Verbindung von ἀλκή mit „Verben der geistigen Tätigkeit“ wie ‚erinnern‘, ‚erstreben‘, ‚kümmern‘, ‚vergessen‘, ‚ablassen‘,1118 z.B. μνήσασθε δὲ θούριδος ἀλκῆς (s.o.), ἔπαυσε δὲ θούριδος ἀλκῆς (O 250), ist bei Homer gängig. Diese Wendungen haben ähnliche Bedeutung wie entsprechende Konstruktionen mit Wörtern für ‚Kampf‘, z.B. ἔπαυσε μάχης (O 15) und πολέμου ἀπέπαυσαν (Λ 323).1119 Auch das von Apollonios verwendete δεύεσθαι ist bei Homer mit ‚Kampf‘ verbunden, z.B. μάχης ἄρα πολλὸν ἐδεύεο (P 142), οὔ ποθι ἔλπομαι οὕτω / δεύεσθαι πολέμοιο […] Ἀχαιούς (N 309–10). In Nachbildung dieser Wendungen nähert sich ἀλκή in N 786 und ψ 128 der Bedeutung ‚Kampf‘ an, so dass sich der Sinn „im Kampfe nachstehen“ ergibt,1120 der auch in 2, 1220 möglich wäre.

1113 Pompella (2002) 39: „ne prius ad proelium hostium … irruet exercitus“. Hunter (2015) 239: „for battle“. 1114 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 497, 55: „Bei Hom. mindestens an einigen Stellen (O 527 u.a., s.u.) ‚Kampf ‘“. Weitere Belegstellen aufgezählt in 498, 66–499, 7. Indiz für die Bedeutung ‚Kampf‘ an diesen Stellen ist die Verwendung von ἀλκή in Wendungen, die sonst mit μάχη, πόλεμος formuliert sind. 1115 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 15–19: „In der Bed. ‚Kampf ‘ nähert ἀ. sich Wörtern wie χάρμη, μάχη, πόλεμος, steht aber nie mit praep., Verben der Bewegung oder im dat.: also nicht der Kampf, in den man geht oder aus dem man kommt, durch oder in dem etwas geschieht.“ 1116 Vgl. LSJ s.v. III: „battle, fight“, dort die zitierte Euripidesstelle und drei Aischylosstellen (sept. 498, 569, 878) als Belege. Der Ausdruck ἐς ἀλκήν, der bei Apollonios noch in 2, 64 auftaucht, findet sich auch bei Herodot, jedoch mit ἀλκή in der Bedeutung ‚(Ab)wehr‘ (2, 45, 1; 3, 110), ebenso bei Thukydides (2, 84, 3; 3, 108, 1). 1117 Diese beiden Odysseeverse wurden in den maßgeblichen Ausgaben athetiert. 1118 Eder (1939) 46. 1119 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 498, 66–76. 1120 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 498, 74–75. 270

Fränkel verweist in diesem Zusammenhang auf die Worte Medeas in 4, 1049–52 und stellt sie der durch die Peleus-Rede vermittelten Haltung der Argonauten gegenüber.1121 Denn Medea wirft den Argonauten vor, im Bemühen um das Vlies zu jedem Kampf bereit gewesen zu sein, nach Erreichen des Ziels aber den Mut vergessen zu haben: νῦν δὲ λάθεσθε / ἠνορέης (4, 1051–52).1122 In beiden Reden werden die Argonauten als κῶας ἑλεῖν/ἄγειν μεμαῶτες/μεμαότες bezeichnet (2, 1198; 4, 1050). Durch das Partizip μεμαῶτες, das bei Homer mit Verben der Kampftätigkeit verbunden ist, z.B. διαρραῖσαι μεμαῶτες (viermal, z.B. Β 473), μ. ἀλεξέμεν (Γ 9), μ. ῥήξειν (B 544), κτεῖναι μ. Ἄρηϊ (υ 50), erinnern die Argonauten an kampfgierige homerische Krieger. Die Motivation der Helden ist jedoch allein auf die Erlangung des Vlieses, nicht auf einen Kampf gerichtet. Der Wechsel in der Haltung der Argonauten zeigt sich durch gegensätzliche Aussagen in den Reden: Peleus: οὔτε ἀλκῆς ἐπιδευόμεθ’ - Medea: νῦν λάθεσθε ἠνορέης. Während Peleus in seiner Rede einem möglichen Kampf durchaus positiv gegenüber zu stehen scheint,1123 beabsichtigt Jason von vornherein nicht, die Kampfkraft der Argonauten einzusetzen. Dies kommt besonders in seiner Rede vor der Begegnung mit Aietes zum Ausdruck: Dort erläutet er seinen Plan, Aietes zunächst nicht durch Gewalt, sondern mit Worten zur Herausgabe des Vlieses zu bewegen: Μηδ’ αὔτως ἀλκῇ, πρὶν ἔπεσσί γε πειρηθῆναι, / τόνδ’ ἀπαμείρωμεν σφέτερον κτέρας (3, 185–86). Der hier verwendete instrumentale Dativ ἀλκῇ kommt bei Homer nicht vor.1124 Das Wort αὔτως verstärkt die Aussage, nicht direkt den Weg der Gewalt einschlagen zu wollen.1125 Die Wendung ἔπεσσι πειρηθῆναι, die in der Jason-Rede noch einmal auftaucht (πειρήσω δ’ ἐπέεσσι (3, 179)), hat homerische Vorbilder, jedoch mit einer anderen Bedeutung des Verbs πειράομαι: In der Ilias, wo Agamemnon das Heer auf die Probe stellen will (πρῶτα δ’ ἐγὼν ἔπεσιν πειρήσομαι (B 73)), bezeichnet es keinen Versuch wie bei Apollonios, sondern eine Versuchung, die als Prüfung dient. In der Odyssee stellt Odysseus seinen Vater mit einer Rede auf die Probe, ob er ihn erkenne: πρῶτον κερτομίοισ’ ἔπεσιν διαπειρηθῆναι (ω 240).1126 Jasons Rede nach der Landung der Argonauten in Kolchis, in der die vorliegende Stelle begegnet, zeigt ausgeprägt die Tendenz, homerische Kriegsvokabeln in hypothetischen und vor allem negierten Aussagen einzusetzen. Wörter mit der 1121 Fränkel (1968) 315. 1122 S. dazu unter 17a. (ἠνορέη). 1123 Dazu Fränkel (1968) 339, Peleus hätte von einem offenen Krieg in 2, 1220–25 „dreist dahergeredet“. Dagegen erklärt Levin (Argonautica Re-examined 1971) 211, Peleus ziehe ganz im Unterschied zu Idas den Kampf nur als Notlösung in Betracht: „Peleus makes clear that the might of Argonautic warriors should be applied only if Aeëtes fails to respond favorably to negotiation.“ 1124 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 20–21 („…nie im instr. dessen, wodurch man siegt oder sich auszeichnet“) nennt die einzige homerische Belegstelle für ἀλκῇ (ω 509) als Ausnahme. S. auch Anm. 1090 und 1134. 1125 Zur Bedeutung von αὔτως vgl. Hunter 118: „,straight off‘, ,without further ado‘“. 1126 Auch Vian (Bd. 2, 1980) 117 weist auf ω 240 hin. 271

Bedeutung ‚Krieg‘ und ‚Kampf‘ stehen dort im Zusammenhang mit den Überlegungen zu den Möglichkeiten der Vermeidung von kriegerischen Auseinandersetzungen: εἴ τ’ ἄρηι συνοισόμεθ’ εἴτε τις ἄλλη / μῆτις (3, 183–84), ἐεργομένοισιν ἀυτῆς (3, 184), Μηδ’ αὔτως ἀλκῇ (s.o.); ὅ κεν μόλις ἐξανύσειεν / ἠνορέη (3, 188–89). Dabei sind die Wörter ἄρης, ἀυτή, ἀλκή und ἠνορέη fast als Synonyme aufzufassen;1127 das Wort πόλεμος meidet Jason in seiner Rede ebenso, wie er es in der Handlung versucht zu vermeiden.1128 Dagegen plädiert Jasons für ein Gespräch mit Aietes (Πειρήσω δ’ ἐπέεσσι παροίτερον (3, 179)), da mit Worten leichter zu erreichen sei, was Tapferkeit (ἠνορέη) nur mit Mühe schaffe (3, 188–89).1129 Die Antithese ‚Kampfkraft/Tapferkeit‘ - ‚Wort/ Rede‘ zieht sich durch die ganze Rede: Μηδ’ ἀλκῇ – πρὶν ἔπεσσί / πάροιθεν λωίτερον μύθῳ (3, 185; 186–87) ῥέα μῦθος – μόλις ἠνορέη (3, 188–89)1130

Die kriegerischen Begriffe werden durch μηδ’ und μόλις negiert oder sehr eingeschränkt, während die verbale Kommunikation durch πρὶν / πάροιθεν und ῥέα in ihrer Priorität betont wird. In Jasons Antizipation der möglichen Reaktion des Aietes taucht außerdem die Antithese ‚Freundlichkeit‘ - ‚Gewalt‘ auf: εἴ κ’ ἐθέλοι φιλότητι δέρος χρύσειον ὀπάσσαι, / ἦε καὶ οὔ, πίσυνος δὲ βίῃ μετιόντας ἀτίσσει (3, 180–81). Die hier erwähnte βίη des Aietes steht zudem der ἀλκή der Argonauten (3, 185) gegenüber. Dabei erscheinen beide Begriffe im Dativ. Auch hier fällt auf, dass die ἀλκή der Argonauten in der Negativaussage steht (Μηδ’ αὔτως ἀλκῇ …), während die βίη des Aietes als dessen Vertrauensbasis hervorgehoben wird (πίσυνος δὲ βίῃ).1131 Des Weiteren stellt Jason dem hypothetischen Kampf einen möglichen anderen, und zwar gewaltlosen Plan gegenüber. Hier stehen ἄρης und μῆτις in Antithese: … εἴ τ’ ἄρηι συνοισόμεθ’ εἴτε τις ἄλλη / μῆτις ἐπίρροθος ἔσται ἐεργομένοισιν ἀυτῆς (3, 183–84). Die sehr kurz gehaltene erste der beiden von Jason aufgezeigten Alternativen, nämlich der Kampf (ἄρηι συνοισόμεθ’), wird durch die ausführlichere Betonung 1127 Campbell (1994) 164 zu ἀυτή („,fighting‘, ,battle‘“), zu ἀλκή („here force of arms or just battle, combat“) und ebd. 167 zu ἠνορέη („(brute) force“). 1128 Campbell (1994) 164: „the blunt πόλεμος being totally avoided by Jason“. Im Gegensatz dazu spricht Peleus es offen aus (2, 1222). 1129 Dazu Fränkel (1968) 339, dass Jason mit diesen Worten versuche, „ein Ansuchen an Aietes als aussichtsreich zu erweisen. Dazu bedient er sich eines Denkstils der sonst nie ähnlich in dem Epos wiederkehrt: er verklärt den μῦθος, das Prinzip des guten Zuredens, und schreibt ihm eine überlegene Macht zu.“ 1130 Vgl. Schwinge (1986) 108: „Es folgt ein werbendes Ausspielen des μῦθος, des ,Prinzip des guten Zuredens‘ (Fränkel) gegen Kraft und Stärke (ἠνορέη), das Prinzip des Kampfs (188–193).“ Bei Homer begegnet ἀλκή als Oppositum zu Begriffen der Flucht (z.B. Φ 528, χ 305, μ 120, vgl. auch E.-M. Geiß, LfgrE 1, 4985, 30), eine Antithese zu verbaler Kommunikation oder Verhandlung findet sich dort aber nicht. 1131 Zu dieser Stelle s. auch unter 16b. (βίη). 272

der zweiten Alternative (τις ἄλλη / μῆτις ἐπίρροθος ἔσται) und vor allem durch eine erweiternde Aussage (ἐεργομένοισιν ἀυτῆς), die in ihrer Endstellung dominiert, gleich wieder außer Kraft gesetzt. Die Rede Jasons ist also insgesamt sowohl inhaltlich als auch stilistisch sehr antimartialisch konzipiert.1132 3, 334–35: Argos betont in seiner Rede zu Aietes die hervorragende ἀλκή Jasons: περιώσιον οὕνεκεν ἀλκῇ / σφωιτέρῃ πάντεσσι μετέπρεπεν Αἰολίδῃσιν, … An der einzigen Belegstelle bei Homer ist der Dativ ἀλκῇ (ω 509) ebenso wie hier als limitativer Dativ mit einem Verb des Sich-Auszeichnens oder Herausragens verbunden:1133 ἀλκῇ τ’ ἠνορέῃ τε κεκάσμεθα πᾶσαν ἐπ’ αἶαν. Sowohl die singuläre Form als auch Bedeutung und Syntax, die bei Homer nur an dieser einen Stelle begegnen,1134 werden von Apollonios übernommen. Das Adjektiv περιώσιος steht - wie bei Homer ausschließlich - als adverbial gebrauchtes Neutrum mit der Bedeutung ‚übermäßig‘.1135 1132 Fränkel (1968) 339 weist darauf hin, dass Jason das Prinzip der Kampfvermeidung und den Vorzug einer List nicht offen ausspricht: „Beim Namen nennt er es jedoch nicht, es klingt nicht gut in Heldenohren: die einzige Alternative zur Aneignung mit Waffengewalt ist Diebstahl.“ Die Absicht, einen Kampf zu vermeiden, spiegelt sich lt. Fränkel (ebd.) auch im Aufbau der Rede: „Da der Wunsch (184) ‚einen Waffengang auszuschalten‘ auch schon die erste Phase des Plans […] beherrscht, benutzt der Sprecher seinen Hinweis auf den Wunsch als einen Angelpunkt, um (mit Vs. 185) zu dieser früheren Phase zurückzuschwenken und dem ersten Schritt auf dem von ihm vorgeschlagenen Weg, einer Verhandlung mit Aietes, von Neuem 9 Verse zu widmen.“ Vgl. Schwinge (1986) 106: „Die gesamte Rede ist von der Intention Iasons bestimmt, einen Kampf gegen Aietes unter allen Umständen zu vermeiden.“ Dagegen Hunter (1993) 25 zu den ersten Versen der Rede (3, 171–75): „There is no suggestion in this passage that he has anything against the use of force if more peaceful methods prove fruitless.“ 1133 Zu πάντεσσι μετέπρεπεν Αἰολίδῃσιν macht Gillies (1928) 41 auf die Parallele πᾶσι μετέπρεπε Μυρμιδόνεσσιν (Π 194) aufmerksam. Zum Dativ ἀλκῇ s. auch zu 1, 151–53 und 3, 185 (Anm. 1090 und 1124). 1134 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 495, 63–64, die ἀλκή in ω 509 als ‚Tüchtigkeit im Kampf‘ auffasst: „die Vorstellung, daß man sich durch ἀ. (hier = ἀρετή) vor anderen auszeichnen könne, nur hier“. S. dazu auch Anm. 1090 und 1124. 1135 LSJ s.v. περιώσιος II: „beyond measure“. Das Adjektiv ist bei Homer an zwei Stellen im nicht-kriegerischen Zusammenhang belegt (Δ 359, π 203). Lt. Mooney (1912) 243 ist περιώσιον in 3, 334 zu dem vorhergehenden Hauptsatz (τόνδε τις ἱέμενος πάτρης ἀπάνευθεν ἐλάσσαι / καὶ κτεάνων βασιλεύς, … (3, 333–34) zu ziehen: „with ἱέμενος, ‚being fain with exceeding vehement spite‘“. Campbell (1994) 299 fasst dagegen das Adverb als zu μετέπρεπεν gehörig auf. Dort auch der Hinweis, dass der Gebrauch des Wortes περιώσιον „not common in the Hellenistic era“ sei (je eine Belegstelle bei Theokrit, Simias und Nikander). In den Argonautika ist περιώσιος jedoch insgesamt an 12 Stellen belegt, mehrmals im kriegerischen Kontext, z.B. in der Behauptung des Idas im ersten Buch, er erwerbe weit über die anderen hinaus mit seinem Speer Ruhm in Kriegen (δόρυ θοῦρον, ὅτῳ περιώσιον ἄλλων / κῦδος ἐνὶ πτολέμοισιν ἀείρομαι (1, 466–67), s. dazu unter 1a. (π(τ)όλεμος). In 2, 865 steht das Wort als Adjektiv neben θάρσος. Dort verleiht Hera dem Argonauten 273

3, 407: Aietes erklärt, mit dem Athlos Jasons Mut und Kraft auf die Probe stellen zu wollen: Πεῖρα δέ τοι μένεός τε καὶ ἀλκῆς ἔσσετ’ ἄεθλος. Das Hendiadyoin μένος καὶ ἀλκή ist bei Homer gängig (5 Stellen, z.B. X 282: μένεoς ἀλκῆς τε). Apollonios setzt μένεός τε καὶ ἀλκῆς im Unterschied zu 2, 44 in dieselbe Wortfolge wie Homer, zitiert aber dennoch nicht wörtlich. An einer vergleichbaren Stelle in der Odyssee erprobt Athene während des Kampfes gegen die Freier die Stärke des Odysseus und seines Sohnes: σθένεός τε καὶ ἀλκῆς πειρήτιζεν (χ 237).1136 Apollonios setzt μένεός τε καὶ ἀλκῆς an dieselbe metrische Position wie das homerische Begriffspaar,1137 nimmt dabei aber einen Synonymtausch vor. Sowohl das Begriffspaar ἀλκή und μένος in der Ilias als auch die letztgenannte Odysseestelle stehen im kriegerischen Kontext; in den Argonautika dagegen wird der Athlos thematisiert. Im Kontext der Athlos-Episode stehen auch die folgenden Belegstellen: 3, 849–50: Das Zaubermittel Medeas, heißt es, bewirke Kraft und Überlegenheit für den Tag des Athlos: ἀλλὰ καὶ ἀλκῇ / λωίτερος κεῖν’ ἦμαρ ὁμῶς κάρτει τε πέλοιτο.1138 Der Komparativ λωίτερος steht bei Homer immer im prädikativen Neutrum und wird erst bei Apollonios und Kallimachos attributiv verwendet.1139 Zur Semantik von ἀλκή und κάρτος an dieser Stelle gibt es verschiedene Ansätze, wobei auch die Funktion des Wortes ὁμῶς unterschiedlich aufgefasst wird. Denn ἀλκή und κάρτος als Synonyme aufzufassen, erscheint problematisch, da ὁμῶς mit der Bedeutung ‚gleichzeitig‘ das Vorhandensein zweier unterschiedlicher Eigenschaften anzeigt und nicht eine durch ein Hendiadyoin beschriebene allgemeine Kampfkraft, die ein ὁμῶς überflüssig machen würde.1140 Ardizzoni übersetzt ἀλκή und κάρτος daher nicht als Synonyme, sondern ἀλκή als ‚Mut‘ und κάρτος als ‚Stärke‘, so dass

Ankaios übermäßige Kühnheit, so dass er sich als künftiger Steuermann zur Verfügung stellt. In 2, 1063 ist es Epitheton für das als ἀυτή bezeichnete Geschrei der Argonauten zur Vertreibung der Ares-Vögel. Zu περιώσιος bei Apollonios s. auch Fränkel (1968) 446. 1136 S. Campbell (1994) 344 mit Hinweis auf diese beiden Homer-Stellen. Bettenworth (2005) 12 zur Parallele χ 237: „Hier wie dort wird der Ausdruck mit einem Begriff aus der Wortfamilie πεῖρα verbunden.“ 1137 Bettenworth (2005) 12. 1138 Zu κεῖν’ ἦμαρ s. Anm. 1248. 1139 R. Führer, LfgrE 2, 1732, 7–8, LSJ s.v. λωΐων: „also Comp. λωΐτερος, α, ον, also used by Hom. only in neut. […] masc. in A.R. 3.850, etc.: fem. in Call. Aet. 4.1.7, AP 5.111.6 (Phld.).“ Gillies (1928) 24 (zu 3, 187) und 89 (zu 3, 850): „,superior‘ […] the masculine is here only.“ 1140 Hunter (1989) 189 übersetzt „for that day he would be invincible in might and strength [cf. 1043–4] equally“ mit Ablehnung von Fränkels Interpretation des Wortes ὁμῶς: „Fränkel understands ‚equally [i.e. without lessening] throughout that day‘, and Vian-Delage adopt this; but this does not seem a natural way to interpret ὁμῶς.“ Dräger (2002) 253 übersetzt „an jenem einen Tag sogar gleichmäßig an Stärke und Kraft überlegen“, wobei ,gleichmäßig‘ in dieser Übersetzung nicht festgelegt wirkt. 274

die Aussage, Jason verfüge gleichzeitig über Mut und Kraft, einen Sinn ergibt.1141 Dies würde jedoch voraussetzen, dass das Zaubermittel auch den Mut Jasons steigert und ihm nicht nur die Kraft gibt, die ihn unbesiegbar macht.1142 Bei Homer finden sich die Wörter ἀλκή und κάρτος nicht als Begriffspaar,1143 tauchen aber trotzdem einmal in Verbindung miteinander auf. In I 39 spricht Diomedes in einer Schmährede zu Agamemnon, der die Achaier zur Flucht zu überreden versucht: [sc. Ζεύς] ἀλκὴν δ’ οὔ τοι δῶκεν, ὅ τε κράτος ἐστί μέγιστον. Diese Stelle veranlasste Benveniste zu einer genaueren Bedeutungsanalyse der Wörter ἀλκή und κάρτος. Er kommt zu dem Schluss, dass ἀλκή als Wehr- und Widerstandskraft die Voraussetzung für das κάρτος, die Überlegenheit im Kampf, sei.1144 Auch bei Apollonios ist diese Auffassung der beiden Begriffe passend. Jason erhält durch das Zaubermittel diese beiden Arten der Kraft: Während ἀλκή der Kampfgeist und die ‚Kraft, sich zu verteidigen‘, d.h. die Widerstandskraft ist,1145 beschreibt κάρτος die überlegene Kraft, die Kraft des Stärkeren, die zum Sieg führt.1146 3, 1043–44: Medea erklärt Jason die Wirkung des Zaubermittels für seinen Körper: ἐν δέ οἱ ἀλκὴ / ἔσσετ’ ἀπειρεσίη μέγα τε σθένος, …1147 Bei Homer stehen ἀλκή und σθένος an drei Stellen als Begriffspaar nebeneinander (P 212, 499, χ 237). Inhaltlich der Argonautikastelle ähnlich ist P 211–12: πλῆσθεν δ’ ἄρα οἱ μέλε’ ἐντὸς / ἀλκῆς καὶ σθένεος. Dort wird Hektor mit Kampfkraft dadurch erfüllt, dass der 1141 Ardizzoni (1958) 64. Vgl. hierzu die homerische Wendung ἠνορέῃ πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9), in der ebenfalls Mut und Kraft nebeneinander gestellt sind. 1142 Vgl. Fränkel (1968) 438, der eine „psychische und physische Wirkung der Droge“ erkennt, s. auch Anm. 1158. 1143 Dagegen ist κάρτος an mehreren Stellen mit βίη und σθένος verbunden, z.B. κάρτεΐ τε σθένεΐ τε (Ο 108, Ρ 322, 329), βίῃ καὶ κάρτεϊ (ν 143, σ 139). 1144 Benveniste (1969) 75: „Il y a donc, selon les circonstances, des conditions diverses du krátos, les unes tenant à l’âge et à l’état physique, les autres à des facultés comme l’alkḗ.“ Zur Definition von ἀλκή vgl. Benveniste (1969) 73 (vgl. Anm. 1083). Eder (1939) 53 fasst an dieser Stelle ἀλκή als ‚Mut‘ und κράτος als ‚Autorität‘ auf: „Diese ἀλκή fehle dem Agamemnon, der persönliche Mut, ὅ τε κράτος ἐστὶ μέγιστον, was dem König erst volle Autorität verschafft. […] Dass ἀλκή ,Mut‘ heißt, wird durch 42 gestützt, wo der θυμός den Agamemnon zur Heimkehr treibt.“ Die von Eder (1939) angenommene Bedeutung von κράτος wäre für die Argonautikastelle jedoch unpassend. 1145 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 494, 72–495, 38. Benveniste (1969) 73, vgl. Anm. 1083. 1146 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 1527, 49–50. Vgl. Eder (1939) 60: „Überwiegend hat κράτος die Bedeutung von Übermacht, Sieg.“ 1147 Vian (Bd. 2, 1980) 94, Anm. 3, erklärt zur Lesart: „Οἱ est correct: le corps est indépendant de l’individu (cf. P 212). Au v. 1045, on devra donc sous-entendre δέμας à côté d’ἰσαζέμεν: ,tu pourrais le comparer (ou ,tu pourrais dire qu’il est comparable‘) non à celui des hommes, mais à celui des dieux‘.“ Hunter (1989) 214 präferiert auch die Lesart οἱ und nennt zwei Möglichkeiten der Interpretation: 1. für σοι, d.h. Jason selbst, 2. τοι, d.h. seinen Körper. τοι ist nur in einer HS überliefert. 275

Kriegsgott Ares ihn auf das Zunicken des Zeus hin durchdringt (P 209–11, s.u. zu 3, 1256–58). An der Stelle dieser Götterintervention stehen in der Handlung der Argonautika Medea und ihre Zaubermittel.1148 Der Ausdruck ἐν δ’ Ἀλκή findet sich bei Homer in der Beschreibung der Aigis (E 740). Dort ist Ἀλκή personifiziert als Gottheit dargestellt.1149 Möglicherweise spielt Apollonios mit seiner Formulierung auf diese Darstellung an, so dass das Zaubermittel wie eine Gottheit wirkt, die Jason durchdringt und mit Kraft erfüllt. Die Ähnlichkeit mit P 209–11 wäre dann noch deutlicher. Zudem versieht Apollonios ἀλκή mit dem Epitheton ἀπειρέσιος, das sich auch in derselben Funktion in der Beschreibung der gottgegebenen, übernatürlichen Fähigkeiten des Periklymenos im Argonautenkatalog findet (s. zu 1, 158–59). Auch dies scheint ein Hinweis auf den göttlichen Ursprung der durch die Zaubermittel Medeas hervorgerufenen unbesiegbaren Kampfkraft Jasons zu sein. 3, 1256–58: Zuletzt wird die Wirkung des Zaubermittels nach der Anwendung vom Dichter selbst beschrieben: Kαὶ δ’ αὐτὸς μετέπειτα παλύνετο· δῦ δέ μιν ἀλκὴ σμερδαλέη ἄφατός τε καὶ ἄτρομος, αἱ δ’ ἑκάτερθεν χεῖρες ἐπερρώσαντο περὶ σθένεϊ σφριγόωσαι.

Apollonios setzt zu ἀλκή die drei Epitheta σμερδαλέη, ἄφατoς und ἄτρομος. Das Adjektiv σμερδαλέος hat die Bedeutung ‚furchtbar‘ und ist bei Homer meistens Epitheton für Waffen (z.B. σάκος, αἰγίς, ἀορτήρ) oder Adverb zu Schallverben.1150 Das Adjektiv ἄφατος kommt zuerst bei Hesiod vor und ist dort einmal belegt (βροτοὶ ἄνδρες ὁμῶς ἄφατοί τε φατοί τε (Op. 3)). Dort hat es noch die Grundbedeutung ‚unbenannt, namenlos‘,1151 während es schon bei Pindar und in der Tragödie ‚unsagbar, unsäglich‘ oder auch ‚gewaltig‘ (z.B. Pind. Nem. 1, 47, Eur. Ion. 782, Soph. OT 1314) heißt.1152 ἄτρομος steht bei Homer nicht neben ἀλκή, aber einmal neben θυμός (Π 163) und zweimal neben μένος (ἐν γάρ τοι στήθεσσι μένος πατρώϊον ἧκα / ἄτρομον (E 125–26), vgl. auch P 156–57).1153 Diese Stellen, deren Wortlaut Apollonios offensichtlich durch Synonymtausch variiert, stehen im kriegerischen

1148 Zum genaueren Vergleich der beiden Szenen s. unten (zu 3, 1256–58). 1149 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 497, 27–28: „zugrunde liegt wohl jedenfalls die Vorstellung einer magischen Kraft“. 1150 S. Anm. 969. 1151 M. Schmidt, LfgrE 1, 1699, 25: „von denen (Pl.) niemand spricht, ruhmlos“. LSJ s.v. 1: „not uttered or named, nameless“ mit Angabe der Hesiodstelle. 1152 LSJ s.v. 2: „unutterable, ineffable […] monstrous“. Bei Pindar steht das Wort auch im Kontext der Beschreibung einer körperlichen Verfassung, und zwar als Attribut der Glieder (μέλεα) der Schlange, die Herakles als Kind tötet. Auch das weitere Epitheton σμερδαλέη beschreibt in der Odyssee den Körperteil eines Ungeheuers, der Skylla (σμερδαλέη κεφαλή (μ 91)), vgl. dazu auch Thiel (1996) 39. 1153 Thiel (1996) 39: „die Junktur ἀλκὴ ἄτρομος ist Variation zum homerischen μένος ἄτρομον, die chthonische Magie verleiht unerschrockene Kampfkraft.“ 276

Kontext und beschreiben die unerschrockene Kampfeswut der Krieger, in Π 163 durch ein Gleichnis. Die Phrase δῦ δέ μιν ἀλκὴ lehnt sich möglicherweise an die homerische Junktur ἀλκὴν δῦναι an, die zweimal Achills Rüstung zum Kampf beschreibt, in der Rede des Odysseus (εἰ μὴ σύ γε δύσεαι ἀλκήν (I 231)) sowie in der Aufforderung von Thetis: αἶψα μάλ’ ἐς πόλεμον θωρήσσεο, δύσεο δ’ ἀλκήν (T 36). An beiden Stellen und bei Apollonios steht die Wendung zwischen der bukolischen Diärese und dem Versende. Diese syntaktische Umkehrung, bei der Apollonios die ἀλκή, die bei Homer Objekt ist, als Subjekt einsetzt und den Helden, der bei Homer Subjekt ist, als Objekt, entspricht dem inhaltlichen Kontrast: Der homerische Krieger taucht in die ἀλκή wie in eine Rüstung, die ihn stark oder gar unbesiegbar macht.1154 Dem steht bei Apollonios das Zaubermittel Medeas gegenüber, das von außen aufgetragen wird und dann wie eine undurchdringliche Rüstung wirkt. Der Held Achill hat aus Zorn dem Kampf entsagt und wird aufgefordert, wieder zu kämpfen. Die Initiative dazu läge bei ihm, er müsste in die ἀλκή wie in eine Rüstung eintauchen, sie anziehen und damit Kampfbereitschaft zeigen, um siegreich zu sein. Jason dagegen ist abhängig von einer fremden Initiative. Sein Wille und seine Kampfbereitschaft reichen nicht aus. Er benötigt die Hilfe Medeas und ihres Zaubermittels. Er ist Objekt und die ἀλκή muss in ihn eintauchen, damit er siegreich ist. Noch eine weitere sprachliche Parallele lässt sich zur Interpretation der Stelle heranziehen: Der Versausgang δῦ δέ μιν ἀλκὴ ist sicher der homerischen Klausel δῦ δέ μιν ἄρης (P 210) nachempfunden.1155 Zudem zeigen die Kontexte beider Stellen einen ähnlichen Ablauf der Vorbereitung auf einen Kampf: In der Ilias passt Zeus Hektor die Rüstung des Achill an, nachdem dieser sie dem getöteten Patroklos geraubt hat. Daraufhin wird Hektor vom Kriegsgeist erfüllt und stürzt sich wieder in die Schlacht: Ἕκτορι δ’ ἥρμοσε τεύχε’ ἐπὶ χροΐ, δῦ δέ μιν ἄρης δεινὸς ἐνυάλιος, πλῆσθεν δ’ ἄρα οἱ μέλε’ ἐντός ἀλκῆς καὶ σθένεος. (P 210–12)

1154 E.-M. Geiß, LfgrE 1, 496, 4–7 (allerdings bezogen auf die Wendung εἱμένος ἀλκήν): „…liegt wohl die Vorstellung von einer (magischen) Kraft zugrunde, die den Träger wie eine Rüstung umgibt und bewirkt, dass der Gegner sich anzugreifen scheut“. Motivisch vergleichbar ist die Materialisierung von κάλλος in σ 92. 1155 Ardizzoni (1958) 231: „variazione di frase omerica: P 210 …“. So auch Thiel (1996) 38: „Zu δῦ δέ μιν ἀλκὴ ist die FOLIENstelle Ilias 17, 210 ff. wo Zeus Hektor, der in Achilleus’ wunderbare Waffen ‚getaucht‘ war […] große Stärke verleiht.“ Zum Vergleich von 3, 1256–57 und P 210–11 s. auch Knight (1995) 100–1, die darauf aufmerksam macht, dass die göttliche Hilfe bei Homer durch einen direkte Intervention erfolgt, während Hera in den Argonautika den Umweg über weitere Götter und Menschen vorzieht: „… in Apollonius the causal chain which gives Jason divine help is convoluted, involving a human intermediary, Medea, and two other gods, Eros and Aphrodite, …“ Ebenso Fantuzzi/Hunter (2004) 276, Anm. 92. 277

Jasons Vorbereitung auf den Athlos entspricht in auffälliger Weise dieser Rüstung Hektors: Zu Beginn der jeweils drei zu vergleichenden Verse bei Homer und bei Apollonios (3, 1256–58) steht die Präparierung des Körpers, was den Großteil des ersten Verses ausmacht: Während Zeus Achills Rüstung dem Körper Hektors anpasst (Ἕκτορι δ’ ἥρμοσε τεύχε’ ἐπὶ χροΐ (P 210)), salbt Jason seinen Körper mit Zaubermittel: Καὶ δ’ αὐτὸς μετέπειτα παλύνετο (3, 1256). Danach folgt bei beiden am Ende des Verses das Eintauchen der (göttlichen) Kampfkraft: δῦ δέ μιν Ἄρης bei Homer, δῦ δέ μιν ἀλκὴ bei Apollonios. Da Ares an der Iliasstelle metonymisch aufzufassen ist, erscheint die ἀλκή bei Apollonios als Synonym des homerischen Kampfgeistes, für den der Name des Kriegsgottes steht. An der Stelle des Ares steht also nun die Wirkung der Zaubermittel Medeas.1156 Zu Beginn des zweiten Verses wird die Kampfkraft, die den Krieger beseelt, mit verstärkenden Epitheta versehen: Der Ἄρης Homers ist δεινὸς ἐνυάλιος (P 211), die ἀλκή bei Apollonios ist σμερδαλέη ἄφατός τε καὶ ἄτρομος (3, 1257). An dieser Stelle zeigt sich die Tendenz, die durch Magie übernatürliche ἀλκή mit Hilfe steigernder Epitheta als besonders gewaltig darzustellen.1157 Ab der zweiten Hälfte des zweiten Verses beginnt die Beschreibung der Wirkung auf den Körper: Hektors Glieder werden mit Kraft erfüllt: πλῆσθεν δ’ ἄρα οἱ μέλε’ ἐντὸς / ἀλκῆς καὶ σθένεος (P 211–12). Bei Jason regen sich beide Arme und strotzen vor Kraft: αἱ δ’ ἑκάτερθεν / χεῖρες ἐπερρώσαντο περὶ σθένεϊ σφριγόωσαι (3, 1257–58). Bei Apollonios tauchen wie bei Homer die beiden Wörter ἀλκή und σθένος auf. Doch in der Ilias bezeichnen beide Wörter die Wirkung im Körper Hektors, während sie bei Apollonios auf die Beschreibung von Ursache und Wirkung aufgeteilt sind, so dass ἀλκή dem homerischen Ἄρης entspricht, σθένος aber dem homerischen Begriffspaar ἀλκή und σθένος.1158 Der grundsätzliche Unterschied zwischen den beiden Szenen ist folgender: Bei Homer ist Zeus der Initiator der Stärkung Hektors. Nach seinem Willen wird die 1156 Vgl. Knight (1995) 101: „Although ‚Ares‘ in the Homeric passage could simply be a metonymy for fighting spirit, the change removes the god’s name and replaces it with the strength Jason feels as Medea’s magic takes effect.“ 1157 Vgl. ἀλκὴ […] ἀπειρεσίη in 3, 1043–44. 1158 Eder (1939) 24 erklärt die Bedeutungen von ἀλκή und σθένος in P 212: „Auch wenn Ares P 212 den Hektor stärkt und dessen Glieder sich mit ἀλκή und σθένος füllen, können wir wie bisher σθένος als die dem Körper zugehörige Kraft fassen; ἀλκή enthält einen Nebensinn von Angriffskraft.“ Interpretiert man auch an der Apolloniosstelle die Wörter in diesem Sinn, würde das bedeuten, dass durch die Angriffskraft, die Jason aufgrund der Zaubermittel erfüllt, sich seine ihm zugehörige Kraft regt und verstärkt. Zu bemerken ist hier das Fehlen des Gottes, der bei Homer der Initiator der Krafterfüllung ist. In den Argonautika verselbständigt sich die als ἀλκή bezeichnete Angriffskraft. Fränkel (1968) 438 fasst offenbar ἀλκή als psychische Komponente auf: „Die Verse 1256–62 schildern die psychische und physische Wirkung der Droge:“ Ganz richtig weist Schwinge (1986) 115 darauf hin, dass Jason jetzt „im Besitz jener Stärke“ (ἀλκή) sei, „gegen die er früher das Prinzip des guten Zuredens ausgespielt hatte“. S. dazu unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 278

von Patroklos getragene Rüstung des Achill dem Körper Hektors angepasst, so dass ihn die Kraft des Ares erfüllt.1159 In den Argonautika dagegen nimmt Medea die Rolle des Zeus ein, da sie aufgrund ihrer Zauberkraft die Initiatorin der Krafterfüllung ist. Medeas Zaubermittel steht an der Stelle der Rüstung Achills, da es ebenso wie diese durch die Berührung mit dem Körper des Helden Wirkung zeigt.1160 Die Beschreibung der Wirkung des Zaubermittels durch den Dichter ist eng mit der Rede Medeas verbunden, in der sie Jason die Anwendung erklärt. An beiden Stellen werden ἀλκή und σθένος als Resultate genannt: In 3, 1043–44 sind sie parallel gestellt, in 3, 1256–58 in unterschiedlichen Funktionen gebraucht. Auffällig ist außerdem die Assonanz in den beiden Klauseln ἐν δέ οἱ ἀλκὴ (1043) und δῦ δέ μιν ἀλκὴ (1256).1161 3, 1350–53: Nach dem Pflügen stärkt sich Jason mit Wasser und wird mit Kraft erfüllt. Dann wird seine Kampfgier mit einem Gleichnis illustriert:1162 γνάμψε δὲ γούνατ’ ἐλαφρά, μέγαν δ’ ἐμπλήσατο θυμὸν   ἀλκῆς, μαιμώων, συῒ εἴκελος ὅς ῥά τ’ ὀδόντας θήγει θηρευτῇσιν ἐπ’ ἀνδράσιν, ἀμφὶ δὲ πολλὸς ἀφρὸς ἀπὸ στόματος χαμάδις ῥέε χωομένοιο.

Eine zentralen Szene der Ilias hat offensichtlich als sprachliches Vorbild gedient, wobei Apollonios wieder einen Synonymtausch vornimmt: Achill wird vor seinem letzten Angriff auf Hektor mit wilder Kampfeswut erfüllt: ὡρμήθη δ’ Ἀχιλεύς, μένεος δ’ ἐμπλήσατο θυμόν / ἀγρίοο (X 312–13).1163 Zum zweiten Mal wird Jason mit ἀλκή erfüllt. Während dies in 3, 1256–57 nach dem Auftragen des Zaubermittels geschieht, geschieht es hier nach dem Trinken

1159 Vgl. Kullmann (1956) 65 über die Rolle des Zeus, dessen Eingreifen sich in dieser Szene darauf beschränke, die „Waffen passend“ zu machen: „Das Erfülltwerden mit Widerstand und Kraft ist dann die Folge davon.“ 1160 Thiel (1996) 38–39 vergleicht die die beiden Arten der Magie des Göttervaters Zeus in der Ilias und der Göttin Hekate, der Medea als Priesterin dient: „Die FOLIE markiert den Unterschied zwischen der weißen Magie des Göttervaters und der Hekates: Der oberste Gott verleiht einem homerischen Heros große Kampfkraft, Hekate (Medea) große Kampfkraft einem apollonianischen ‚Heros‘; die furchtbare Macht der Göttin ist der des Gottes überlegen, denn Hektor wird sterben, Jason überleben.“ 1161 Vian (Bd. 2, 1980) 147 notiert die Analogien: Vers 1247 entspricht 3, 1042 und 1046 f. (Bestreichen der Waffen mit Zaubermittel), 1256–58 entspricht 3, 1042–45 (Einreiben des Körpers und Erfüllung mit Kampfkraft). Ebd. auch der Hinweis darauf, dass Jason Medeas Anweisungen in umgekehrter Reihenfolge befolge, indem er zuerst die Waffen mit Zaubermittel bestreiche, dann seinen Körper damit einreibe. 1162 Faerber (1932) 52: „Die nun noch folgenden weiteren vier Verse (1350–53) dienen der Heroisierung Jasons.“ 1163 Ardizzoni (1958) 239: „immagine omerica“, mit Hinweis auf X 312. Ebenso Fantuzzi/Hunter (2004) 276. 279

des Wassers.1164 Diese äußeren Vorgänge (Auftragen des Mittels, Trinken des Wassers) veranschaulichen die Wirkung der Magie. Der erste Teil des Verses 3, 1350, der beschreibt, wie Jason seine Glieder lockert, erinnert an den Iteratvers γυῖα δ’ ἔθηκεν ἐλαφρά, πόδας καὶ χεῖρας ὕπερθεν (E 122, N 61, Ψ 772), mit dem beschrieben wird, wie ein Gott die Glieder eines Kriegers leicht macht.1165 Dem Vers Ν 61 geht das Erfüllen mit Kraft voraus (πλῆσεν μένεος κρατεροῖο (N 60)),1166 ein Vorgang, der bei Apollonios nach dem Lockern der Knie folgt. Die Form μαιμώων (3, 1351) kommt bei Homer nur einmal vor und beschreibt den kampfeswütigen Aias, als er die Schiffe verteidigt und eine Menge der Troer tötet (μαιμώων ἔφεπ’ ἔγχεϊ ὀξυόεντι (O 742)),1167 erinnert also auch an eine homerische Kampfszene. Apollonios verwendet das Partizip noch einmal in 1, 1270 für den wütenden Herakles nach dem Verlust des Hylas.1168 Der Vergleich συῒ εἴκελος (3, 1351) findet sich an zwei Stellen der Ilias: In Δ 253 wird Idomeneus während des Kampfes bezüglich seiner ἀλκή mit einem Eber verglichen (Ἰδομενεὺς μὲν ἐνὶ προμάχοις, συῒ εἴκελος ἀλκήν), in Ρ 281 begegnet eine ähnliche Aussage über Aias (ἴθυσεν δὲ διὰ προμάχων συῒ εἴκελος ἀλκήν).1169 Es ist also erkennbar, wie Apollonios auf Formulierungen aus besonders kriegerischen homerischen Szenen zurückgreift, um Jason während des Athlos wie einen homerischen Krieger wirken zu lassen.1170 Dass ein weiteres homerisches Eber-Gleichnis (N 471–75) und ein solches in Ps.Hesiods scutum (386–91) ebenso für diese Stelle als Vorbilder relevant sind, wurde 1164 Fränkel (1968) 439 schreibt die Erfüllung durch die ἀλκή der Stärkung durch das Wassertrinken zu: „Jason war erschöpft von dem ersten Teil seiner Aufgabe, aber ein Trunk aus dem Fluß schenkt ihm Kampfgeist (ἀλκή) den er für den zweiten Teil nötig hatte.“ 1165 Knight (1995) 101 weist beim Vergleich auf die fehlende Götterintervention bei Apollonios hin. 1166 Hinweis auf N 60 bei Gillies (1928) 129. 1167 Hinweis auf O 742 auch bei Ardizzoni (1958) 239 („il participio è omerico“) und Fantuzzi/Hunter (2004) 276 mit Hinweis auf dieselbe metrische Position von μαιμώων in 3, 1352. Campbell (Studies 1983) 86: „full of martial rage“. 1168 Bei Theokrit beschreibt μαιμώων einen wütenden Löwen, der von Herakles angegriffen wird: ὣς ἐπ’ ἐμοὶ λὶς αἰνὸς ἀπόπροθεν ἀθρόος ἆλτο / μαιμώων χροὸς ἆσαι (eid. 25, 252–53). Sonst ist die Form nur noch je einmal bei Oppian (hal. 3, 311) und bei Quintus Smyrnaeus (13, 220) belegt. 1169 Gillies (1928) 129. Reitz (1996) 91: „Auch dieses Bild entstammt dem Fundus traditioneller Gleichnisse, mit denen homerische Kampfszenen ausgestattet sind.“ 1170 Campbell (Studies 1983) 86 beschreibt Jasons martialische Wirkung: „It is almost as if the magic is forgotten; as if Jason is at last playing the part of an Homeric warrior in all his awesome splendour.“ Vgl. Manakidou (1998) 245: „hervorgehoben werden die Tapferkeit und die kriegerische Eigenschaft Jasons.“ Zur Passage auch Hutchinson (1988) 115. „The extraordinary number of similes produces a kind of hyper-Iliadic effect.“ Dagegen Stanzel (1999) 255: „Funktion dieser Gleichnisse: Jasons Heldentum wird näher bestimmt und von dem homerischer Helden abgegrenzt.“ 280

bereits erkannt.1171 Im Unterschied zu den Gleichnissen im Alten Epos begegnet das Eber-Gleichnis in den Argonautika nicht in einer Kampfszene, in der ein Krieger, der selbst angreift oder den Angriff eines Feindes abwehrt, mit einem Eber verglichen wird, sondern illustriert einen Moment, in dem Jason, der gerade seinen Durst gelöscht hat, sich noch keinem Gegner gegenüber sieht. Vor dem Hintergrund der homerischen Vorbilder wirkt das Gleichnis daher deplatziert.1172 An einer Stelle hat ἀλκή die abgeschwächte Bedeutung:‚Abhilfe‘, und zwar in der Rede der von psychischen Qualen geplagten Medea: οὐδέ τις ἀλκὴ /πήματος (3, 772–73). Die Wendung οὐδέ τις ἀλκή begegnet bei Homer viermal, z.B. ἀλλ’ οὐκ ἔστι βίη φρεσὶν οὐδέ τις ἀλκή (Γ 45). An einer Stelle in der Ilias hat die Phrase ähnlichen Sinn wie bei Apollonios, bezeichnet jedoch konkret die Abwehr eines Angriffs: οὐδέ τις ἀλκή / γίγνεθ’ (Φ 528–29).1173 Als ,Hilfe gegen‘ mit dem Genetiv findet sich ἀλκή zweimal bei Hesiod: κακοῦ δ’ οὐ γίνεται ἀλκὴ / ἀνδράσιν (theog. 876–77), κακοῦ δ’ οὐκ ἔσσεται ἀλκή (erg. 201).1174 Die Argonautikastelle ist insofern bedeutsam, da Medea, der hier ἀλκή fehlt, später Jason durch ihre Zaubermittel ἀλκή zur Verfügung stellen kann.

Zusammenfassung Bei der grammatischen und syntaktischen Verwendung von ἀλκή lehnt sich Apollonios öfter an mehrfach belegte homerische Formulierungen an: ἀλκῆς ἐπιδευόμεθ’ geht auf ἀλκῆς δεύεσθαι zurück, auch mit ἀλκὴ καὶ μένος und μένεός τε καὶ ἀλκῆς werden homerische Junkturen variiert. Wörtlich übernommen ist die Phrase οὐδέ τις ἀλκή, die bei Homer viermal vorkommt, wobei ἀλκή bei Apollonios aber die nachhomerische Bedeutung ‚Hilfsmittel‘ hat. 1171 Ardizzoni (1958) 239: „la similitudine prende le mosse da omerico P 281, ma si sviluppa poi in parte sull’ esempio di N 471 sgg., e di [Esiodo] Scu. 386–391, da cui sembra specialmente derivare.“ Faerber (1932) 6: „Zweimal findet sich noch wörtlicher Hinweis auf das Homergleichnis, welches umgebildet wird.“ 1172 So die Kritik Faerbers (1932) 6, dass aufgrund des fehlenden Kampfes „das homerische Gleichnis seine überzeugende Wirkung eigentlich eingebüßt“ habe. Ähnlich Reitz (1996) 92: „Die Situationen sind jedoch verschieden, denn die homerischen Helden werden meist in der unmittelbaren Kampfsituation mit den wilden Tieren verglichen, Jason dagegen steht zwischen zwei gefährlichen Situationen in einer Ruhepause.“ Vgl. auch Effe (1996) 308: „… bei genauerem Hinsehen wird der Leser einer befremdlichen Inkongruenz gewahr: Eigentlich ist Jason der Jäger, und das Moment wild tobender Kampfeswut (durch das Detail des Schaums vor dem Maul noch unterstrichen) paßt eher auf seine Gegner als auf Jason selbst.“ Dagegen Hunter (1989) 248: „A vivid ‚epic‘ simile marks Jason as a martial hero“. 1173 Gillies (1928) 83. 1174 Vgl. zu dieser Bedeutung von ἀλκή Benveniste (1969) 74, vgl. auch LSJ s.v. II: „ἀ. τινος defence or aid against thing“ und DGE s.v. I.2: „ayuda, defensa, protección contra c. gen. obj.“ mit weiteren Belegstellen bei Pindar (Nem. 7, 96) und Sophokles (OT 218). 281

An mehreren Stellen begegnen in den Argonautika Formen und Junkturen, die bei Homer singulär sind, vor allem viermal die Form ἀλκῇ, außerdem die Junktur ἀλκὴν δῶκεν. Sehr oft finden sich Variationen durch Synonymtausch mit anderen Begriffen für Kampfkraft. Zudem werden mehrmals steigernde Epitheta, z.B. ἀπειρεσίη, eingesetzt, die bei Homer nicht neben ἀλκή stehen. Der nachhomerische Ausdruck ἐς ἀλκήν kommt an zwei Stellen vor. Inhaltlich betrachtet begegnet ἀλκή dreimal in Personenbeschreibungen, davon zweimal im Argonautenkatalog. Dies erinnert an den Einsatz von Wörtern mit der Bedeutung ‚Krieg/Kampf/Schlacht‘, die bei Apollonios zu fast einem Drittel der Belegstellen in Personenbeschreibungen zu finden sind. Auf einen kriegerischen Kampf bezogen taucht das Wort zweimal in hypothetischen Aussagen auf, einmal in der Beschreibung des Angriffsgebarens der Argonauten, dem kein Kampf folgt. An den beiden Belegstellen im Kontext des Faustkampfes zwischen Amykos und Polydeukes zeigen sich keine sprachlichen Parallelen zu Homer. An vier Stellen findet sich aber ἀλκή zur Beschreibung der durch die Zaubermittel hervorgerufenen und dann im Athlos eingesetzten Kraft Jasons. Dass die Kampfkraft auf Magie und nicht auf Tapferkeit und Fähigkeiten des Helden beruht, fällt besonders in 3, 1256–58 und 3, 1350–53 auf, da dort deutliche Parallelen die Möglichkeit eines direkten Vergleichs mit homerischen Kampfschilderungen geben. Jason wird durch sprachliche Nachahmungen wie δῦ δέ μιν ἀλκή und ἐμπλήσατο θυμὸν ἀλκῆς mit Helden wie Achill und Hektor gleichgesetzt. Durch steigernde Epitheta (σμερδαλέη, ἄφατος, ἄτρομος) wird der heroische Eindruck übertrieben. Eine Entfernung von der kriegerischen Bedeutung zeigt sich an einer Stelle, an der ἀλκή ein Hilfsmittel gegen Medeas Leid bezeichnet.

b. βίη Das Wort βίη bedeutet ‚Körperkraft‘ und ‚Durchsetzungskraft‘ und kommt bei Homer sehr oft vor (Ilias 61, Odyssee 42 Stellen).1175 Mit βίη wird nicht nur die Körperkraft an sich, sondern die relativ große Kraft bezeichnet,1176 die immer einen Aspekt der Gewalt enthält.1177 In der Ilias steht βίη an 34 von 61 Stellen im kriegerischen Kontext,

1175 B. Mader, LfgrE 2, 58, 33–34: „Körperkraft, Stärke; Durchsetzungs-Kraft (I 1); Gewalt, -tat, -tätigkeit (I 2); Macht (I 3)“. Schmidt (1879) 678 dagegen versteht βίη in der Grundbedeutung potentiell: „Βία kann bei Homer nicht aufgefasst werden gleich ῥώμη oder ἰσχύς als die Körperkraft an und für sich, auch nicht einfach als die sich offenbarende, zu Tage tretende: sondern es ist genauer die Kraft als Offenbarung des inneren Strebens.“ 1176 B. Mader, LfgrE 2, 58, 76–77. 1177 B. Mader, LfgrE 2, 58, 48–51: „stets mit e. Element des Gewaltsamen, evtl., weil β. die Fähigkeit ist, durch rel. kurzen, aber intensiven Einsatz von Körperkraft e. Widerstand zu überwinden“. Ebd. 58, 60: „überw. anläßl. krieg. Betätigg.“ Ähnlich Schmidt (1879) 680: „βία [ist] von Homer an, und in der Prosa fast ausschließlich, die ausgeübte Gewalt, d.h. die Gewalttätigkeit“. 282

in der Odyssee beziehen sich wenige Stellen (9 von 42) auf gewalttätiges Verhalten der Freier.1178 In beiden Epen finden sich viele Belegstellen in Reden (Ilias 37, Odyssee 32). In der Ilias wird dabei meist der Einsatz der eigenen Stärke, vor allem im kriegerischen Kampf, thematisiert, in der Odyssee der Freier-Konflikt oder die Bogenprobe. In der Handlung umgesetzt wird βίη im Vergleich dazu recht selten, in der Ilias zwölfmal, davon an 10 Stellen im kriegerischen Kampf, in der Odyssee nur fünfmal im nichtkriegerischen Kontext. Von den 21 (Ilias 18, Odyssee 3) Periphrasen, in denen βίη eingesetzt wird, stehen sechs Iliasstellen im Kontext einer kriegerischen Tätigkeit, d.h. eine Person wird umschrieben, die kriegerisch tätig war, ist oder sein sollte, z.B. ἕστασαν ἀμφὶ βίην Διομήδεος ἱπποδάμοιο (E 781). Sonst begegnen solche Periphrasen oft in Genealogien (z.B. B 658, 666).

Bei Apollonios ist βίη an 15 Stellen belegt. Wie bei Homer begegnet das Wort in einer Periphrase, und zwar bei der Vorstellung des Herakles im Heldenkatalog: Οὐδὲ μὲν οὐδὲ βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος / πευθόμεθ’ Αἰσονίδαο λιλαιομένου ἀθερίξαι (1, 122–23). Apollonios übernimmt nicht die an sechs Stellen belegte homerische Schlussformel βίη Ἡρακληείη (z.B. B 658), sondern die dort singuläre Periphrase βίη Ἡρακλῆος, die sich Σ 117 in der Versmitte findet, und setzt sie als Klausel ein. Dadurch ergibt sich, was bei der gängigen homerischen Klausel βίη Ἡρακληείη nicht der Fall ist, ein versus spondiacus. Weiterhin ergänzt Apollonios das Epitheton κρατερόφρων, das dann wie in Ξ 324 (und Ps.-Hes. asp. 458), wo es dem Namen des Herakles nachgestellt ist, vor der bukolischen Diärese steht.1179 Durch Kombination mehrerer homerischer Vorbilder entsteht sowohl eine neue als auch durch das Epitheton gesteigerte Periphrase.1180 1178 B. Mader, LfgrE 60, 55–60. 1179 S. Ardizzoni (1967) 117 und Fantuzzi/Hunter (2004) 270. Dort richtig der Hinweis, dass in den Argonautika keine weitere Herakles-Periphrase mit βίη vorkomme, nicht richtig allerdings, dass „only the non-periphrastic ,Heracles‘ is subsequently found“, s. 1, 531 (s. Anm. 1180). Ardizzoni nennt 11 weitere Belegstellen der Klausel Ἡρακλῆος (-ι, -α), verweist auf eine Stelle bei Kallimachos (hy. 3, 108) und sechs Stellen bei Theokrit. Vasilaros (2004) 142 nimmt an, dass zusätzlich hesiodeische Periphrasen, z.B. ἴς Ἡρακλῆος (theog. 951) und homerische Periphrasen anderer Helden (Ε 781, Β 409, Ψ 720) die Formulierung beeinflusst haben. 1180 Mori (2008) 60: “Apollonius plays with the Homeric epithets for the great hero […] but varies the syntax and inverts the word order so that Heracles’ Homeric might (βίη) and strong will (κρατερόφρονος) literally precede him.” Natzel (1992) 197 bezeichnet die Periphrase βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος als „altepische[.] Formel“, doch handelt es sich hier strenggenommen nicht um eine Formel aus dem Alten Epos, sondern um eine von Apollonios neu geschaffene Konstruktion. Zur Wirkung der Umschreibung jedoch Natzel richtig, dass sie „ihn von vornherein als antiquiert erscheinen lässt.“ Beim Aufbruch der Argo begegnet eine variierte Periphrase: Mέσσῳ δ’ Ἀγκαῖος μέγα τε σθένος Ἡρακλῆος / ἵζανον (1, 531–32). S. dazu unter 16e. (σθένος). 283

Zur Charakterisierung von Personen dient βίη an zwei weiteren Stellen: 2, 110: Beim Kampf der Argonauten gegen die Bebryker wird Oreites als der wegen seiner Kraft überhebliche Gefolgsmann des Amykos vorgestellt: Ὠρείτης δ’, Ἀμύκοιο βίην ὑπέροπλος ὀπάων, … Das Adjektiv ὑπέροπλος wird im frühgriechischen Epos nicht für Personen verwendet.1181 Bei Hesiod dient das Wort je zweimal als Epitheton zu ἠνορέη (theog. 516, 619) und βίη (theog. 670, fr. 43a, 59 MW), dort jeweils in der formelhaften Wendung βίην ὑπέροπλον ἔχοντες/ἔχοντα, die auch bei Mimnermos zu finden ist (fr. 9, 3 West). Apollonios variiert die Junktur βίην ὑπέροπλον, indem er das Adjektiv zur Person des Oreites setzt und βίη als limitativen Akkusativ ergänzt.1182 Zumindest die Theogoniestelle steht im kriegerischen Kontext und dient zur Charakterisierung der Kämpfer in der Schlacht der Götter gegen die Titanen. Auch das Wort ὀπάων enthält eine kriegerische Konnotation: Es ist bei Homer viermal in Kampfschilderungen Attribut des Meriones, des Kriegsgenossen des Idomeneus (z.B. Θ 263–64). In der Rede des Lykos findet sich eine Analepse über den Sieg des Herakles über Titias, der als überragend an Gestalt und Kraft charakterisiert wird: ἀθλεύων, Τιτίην ἀπεκαίνυτο πυγμαχέοντα καρτερόν, ὃς πάντεσσι μετέπρεπεν ἠιθέοισιν εἶδός τ’ ἠδὲ βίην, χαμάδις δέ οἱ ἤλασ’ ὀδόντας. (2, 783–85)

εἶδος und βίη sind parallel gestellt und drücken als gleichwertige Begriffe die Überlegenheit des Titias aus. Bei Homer wird an zwei der drei gemeinsamen Belegstellen von εἶδος und βίη auf mangelnde Konformität zwischen Körperbau und Kraft hingewiesen: καλόν / εἶδος ἔπ’, ἀλλ’ οὐκ ἔστι βίη φρεσὶν οὐδέ τις ἀλκή (Γ 44–45), οὐδέ οἱ ἦν ἲς / οὐδὲ βίη, εἶδος δὲ μάλα μέγας (σ 3–4).1183 An beiden Stellen werden die einander widersprechenden Eigenschaften Personen zugeschrieben, die im weiteren 1181 Bei Homer steht ὑπέροπλος nur an zwei Stellen im adverbial gebrauchten Neutrum neben εἰπεῖν. 1182 βίην ὑπέροπλος steht in den Argonautika an derselben metrischen Position wie βίην ὑπέροπλον bei Hesiod. Andere Varationen der Junktur βίην ὑπέροπλον ἔχοντες tauchen bei Theokrit (Ἀμφιτρυωνιάδαο βίην ὑπέροπλον ἰδόντες (eid. 25, 152)) und bei Quintus Smyrnaeus (ὅς τις ὑποκρίναιτο βίην ὑπέροπλον Ἀχαιῶν (12, 35), ἀκαμάτῳ Τιτῆνι βίην ὑπέροπλον ἐοικώς (14, 550)) auf. Hinweis auf diese Stellen auch bei Cuypers (1997) 145. 1183 B. Mader, LfgrE 2, 59, 24–33 über den Zusammenhang zwischen βίη und εἶδος bei Homer: „β. zeigt sich i. d. R. im Körperbau“ mit Hinweis auf die Parallelstellung von μέγεθος und βίη in Η 288 (Αἶαν, ἐπεί τοι δῶκε θεὸς μέγεθός τε βίην τε / καὶ πινυτήν …). Eder (1939) 92: „Für gewöhnlich entspricht der Körpergrösse die Stärke. Da, wo es einmal anders ist, bedarf es eines ausdrücklichen Hinweises […]. Besonders betont ist der Gegensatz beim Bettler Iros …“ Doch zeigen Η 288, Φ 316 sowie mehrere Odysseestellen (z.B. φυήν γε μὲν οὐ κακός ἐστι, / μηρούς τε κνήμας τε καὶ ἄμφω χεῖρας ὕπερθεν / αὐχένα τε στιβαρὸν μέγα τε σθένος (θ 134–36, vgl. außerdem ι 513–14), dass auch die Analogie an mehreren Stellen einer ausdrücklichen Erwähnung für Wert befunden wurde, z.B. bei Aias, s. dazu unter Anm. 1315. 284

Handlungsverlauf im Zweikampf unterliegen: in Γ 44–45 Paris, der von Menelaos besiegt wird, in σ 3–4 der Bettler Iros, den Odysseus besiegt.1184 Diese Szene in der Odyssee steht auch im Kontext eines Faustkampfes und weist als weitere Parallele das Verb μεταπρέπειν auf, mit dem der Bettler Iros als ‚unter anderen hervorstechend‘ beschrieben wird: Ἦλθε δ’ ἐπὶ πτωχὸς πανδήμιος, ὃς κατὰ ἄστυ πτωχεύεσκ’ Ἰθάκης, μετὰ δ’ ἔπρεπε γαστέρι μάργῃ ἀζηχὲς φαγέμεν καὶ πιέμεν· οὐδέ οἱ ἦν ἲς οὐδὲ βίη, εἶδος δὲ μάλα μέγας ἦν ὁράασθαι. (σ 1–4)

Auffällig ist außerdem die übereinstimmende metrischen Position der sprachlichen Parallelen: μετὰ δ’ ἔπρεπε bei Homer und μετέπρεπεν bei Apollonios enden beide vor der bukolischen Diärese. οὐδὲ βίη, εἶδος bei Homer und εἶδός τ’ ἠδὲ βίην bei Apollonios stehen am Versanfang und reichen bis zur Penthemimeres. Dass Apollonios zudem für den Fall des Titias (2, 785) denselben Versschluss verwendet, der in der Odyssee den Fall des Iros beschreibt (κὰδ δ’ ἔπεσ’ ἐν κονίῃσι μακών, σὺν δ’ ἤλασ’ ὀδόντας (σ 98)), zeigt deutlich, dass er sich bei der Gestaltung der drei Verse auf den Faustkampf der Odyssee bezieht.1185 Die syntaktische Verbindung des Verbs μεταπρέπειν mit dem limitativen Dativ in σ 2 ist in der Odyssee singulär, hat aber ihre Vorbilder in Heldencharakterisierungen der Ilias, von denen sich die Formulierung μετὰ δ’ ἔπρεπε γαστέρι μάργῃ negativ abhebt.1186 Dazu kommt, dass σ 2 die einzige Stelle bei Homer ist, an der das Verb nicht mit dem Dativ der Personen steht, unter denen sich der Held auszeichnet,1187 z.B. πᾶσιν δὲ μετέπρεπεν ἡρώεσσιν (Β 579), ὃς πᾶσι μετέπρεπε Μυρμιδόνεσσιν (Π 194). Apollonios lehnt sich mit ὃς πάντεσσι μετέπρεπεν ἠιθέοισιν an die iliadischen Heldencharakterisierungen an und spielt durch die Parallelen in 2, 785 und die inhaltlichen Gemeinsamkeiten auf den Faustkampf in der Odyssee an. Während aber dem unterlegenen Iros ein Mangel an Kraft und eine Diskrepanz zwischen Kraft und Körperbau 1184 An einer dritten Belegstelle für die Verbindung von εἶδος und βίη will Skamandros den göttergleichen Achill aufhalten, so dass ihm seine Kraft, sein Körperbau und seine Waffen nicht mehr helfen: φῆμι γὰρ οὔτε βίην χραισμησέμεν οὔτέ τι εἶδος / οὔτε τὰ τεύχεα καλά, … (Φ 316–17). 1185 So auch Vian (Bd. 1, 1976) 278: „Titias apparaît sous un jour peu favorable, car sa défaite rappelle la mésaventure du mendiant Iros (cf. σ 27–28, 98).“ 1186 Bernsdorff (1992) 78 weist darauf hin, dass das Verb μεταπρέπειν in der Ilias vor allem verwendet werde, „um das positive Hervorstechen einzelner Heroen aus einer Gruppe zu beschreiben“, wobei eine limitative Ergänzung durch den Dativ „ausschließlich heroische Vorzüge“ heraushebe, und stellt weiterhin fest, dass das Verbum in σ 2 als einziger Stelle der Odyssee diese limitative Ergänzung enthalte, die zudem negativ belegt sei: „In diesem Wortgebrauch zeigt sich das Bemühen, den unheroischen Charakter einer Person gerade durch die Anwendung eines für die Heroencharakterisierung gebräuchlichen Vokabulars zu verdeutlichen.“ 1187 Vgl. R. Führer, LfgrE 3, 1529, 29–30. 285

eigen sind, zeichnet den Titias die Konformität dieser beiden Eigenschaften aus. So betrachtet ist der Sieg des Herakles über diesen Helden eine größere Leistung als der des Odysseus über Iros. Doch im Unterschied zur Odyssee handelt es sich bei dem in den Argonautika beschriebenen Faustkampf um eine Episode aus längst vergangener Zeit, eine frühere Heldentat des Herakles, der inzwischen nicht mehr unter den Argonauten ist und nicht mehr durch heroische Taten zur Handlung beiträgt. Wie an mehreren anderen Stellen zeigt sich hier die Technik, Heroisches durch Analepsen und Personenbeschreibungen in die Handlung einfließen zu lassen und dem Geschehen auf der Erzählebene durch diese Einblicke in die Vergangenheit einen heroischen Charakter zu geben.1188 Die darstellte heroische Vergangenheit ist sogar dem homerischen Heldentum überlegen, wo Aussehen und Kampfkraft auseinander klaffen können. Zur Charakterisierung einer Person dient auch die Phrase πίσυνος δὲ βίῃ, mit der Jason Aietes in 3, 181 beschreibt.1189 πίσυνος ist bei Homer nur in Θ 226 und Λ 9 mit einem Ausdruck für ‚Kraft‘ verbunden (ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν).1190 Der Singular πίσυνος begegnet in dieser Konstruktion in der Ilias nur in Verbindung mit Zeus (z.B. πίσυνος Διί (Ι 238), außerdem Ω 295, 313).1191 Bei Aischylos findet sich jedoch auch ἀλκᾷ πίσυνος (Hik. 352).1192 πίσυνος δὲ βίῃ ist also eine neue durch Synonymtausch entstandene Junktur.1193 Allerdings ist das Motiv des Vertrauens auf Stärke oder Kraft gängig. In einem Aition in 4, 273–74 ist auch die Formulierung homerisch: Die Stärke und Tapferkeit der Truppen werden als Vertrauensbasis des Pharaos Sesostris erwähnt:1194 Εὐρώπην Ἀσίην τε, βίῃ καὶ κάρτεϊ λαῶν / σφωιτέρων θάρσει τε πεποιθότα. Das 1188 Weitere Verweise auf Herakles begegnen nach dem Faustkampf zwischen Polydeukes (2, 145) und Amykos und im Kontext der Auseinandersetzung mit Aietes (3, 1234). Hier werden in irrealen Hypothesen kriegerische Handlungen des Hera­ kles, wenn er nicht zurückgelassen worden wäre, thematisiert. Blumberg (1931) 30: „So ist immer wieder gern auf den großen Helden zurückgewiesen.“ 1189 Zur gesamten Szene s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185). 1190 Θ 226 ist jedoch nur in wenigen Handschriften überliefert. Zu diesen Parallelstellen s. auch unter 16c. (κράτος/κάρτος, zu 1, 1162 und 2, 559). 1191 Campbell (1994) 162 weist auf den Unterschied dieses Gottvertrauens der homerischen Helden zur Haltung des Aietes hin: „πίσυνος Διί [but not our Aietes!]“. Dies erinnert an die Einstellung des Idas zu den Göttern, der im ersten Buch aussagt, dass sein Speer ihm mehr nütze als Zeus: οὐδέ μ’ ὀφέλλει / Ζεὺς τόσον ὁσσάτιόν περ ἐμὸν δόρυ (1, 467–68). S. dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). Zur inhaltlichen Interpretation von 3, 181 s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 1192 Hinweis auf diese Parallele auch bei Gillies (1928) 24. 1193 Campbell (1994) 162 nennt als Parallele auch die formelhafte Klausel πεποιθότες ἠδὲ βίηφι (dreimal z.B. Μ 135), die Apollonios in 4, 273–4 mit βίῃ […] πεποιθότα übernimmt. 1194 Sesostris wird in den Argonautika nicht namentlich erwähnt, aber von Herodot in einer ähnlichen Abhandlung benannt (2, 102). S. Clare (2002) 128: „Apollonius’ principal source for Sesostris is the account of Herodotus, with all of its emphasis on cultural links between Colchis and Egypt.“ Vgl. auch Hunter (2015) 120. 286

Hendiadyoin βίῃ καὶ κάρτεϊ begegnet zweimal in der Odyssee (ν 143, σ 139).1195 Für die Verbindung des Partizips πεποιθώς mit Begriffen für Kraft und Stärke finden sich zahlreiche Parallelen im kriegerischen Kontext der Ilias,1196 z.B. ὡς δὴ ἴδον ἀνέρας ἄλλους / κάρτεΐ τε σθένεΐ τε πεποιθότας ἠνορέηι τε (P 328–29), wo Apollon, als angesichts der Überlegenheit der Danaer (P 321–22) eine Niederlage der Troer droht, in Gestalt eines Herolds in einer Kampfparänese die troischen Krieger mit mutigeren Kriegern früherer Zeit vergleicht. Das Vertrauen auf die Kraft ist ein wesentliches Merkmal des homerischen Heldentums, auf das Apollonios mit dem Bericht über Sesostris Bezug nimmt.1197 In der Ilias zeigt die Rede des Apollon sofort Wirkung in einem neuen Kampfbeginn (ab P 335). Aufforderung und Reaktion sind so eng verbunden, dass die Erinnerung an die tapferen ἀνέρας ἄλλους in das Kampfgeschehen involviert ist. Das Aition in den Argonautika aber bezieht sich auf eine Gründungssage und hat nicht den Zweck, das künftige Handeln der Argonauten zu beeinflussen. An drei Stellen zeigt βίη die Tendenz zur Bedeutung ‚Gewalt‘. An zwei dieser Stellen begegnen βίη und χεῖρες als Begriffspaar: Orpheus besingt in seinem Lied im ersten Buch den gewaltsamen Sturz des Ophion und der Eurynome durch Kronos und Rheia: ὥς τε βίῃ καὶ χερσὶν ὁ μὲν Κρόνῳ εἴκαθε τιμῆς, / ἡ δὲ Ῥέῃ, … (1, 505–6). Die Parallelstellung des Hendiadyoins βίη und χεῖρες ist homerisch (z.B. σῆι τε βίηι καὶ χερσὶ καὶ ἔγχεϊ φέρτερος εἶναι (Γ 431)) und begegnet dort fast immer kriegerischen Kontext.1198 Die deutlichste sprachliche wie 1195 S. dazu auch unter 16c. (κράτος/κάρτος). 1196 S. auch z.B. χείρεσσι πεποιθότες ἠδὲ βίηφιν (Μ 135), der Versschluss πεποιθότες ἠδὲ βίηφιν findet sich an zwei weiteren Stellen (Μ 153, 256), ἀλκὶ πεποιθώς (sechsmal, davon fünfmal in der Ilias z.B. E 299). Zur Form βίηφι bei Homer s. Eder (1939) 34, Anm. 2: „In der Verbindung mit πεποιθέναι (πιθῆσαι) hat βίη immer -φι Form; wahrscheinlich liegt dazu Verszwang vor.“ 1197 Auf den Unterschied, dass die homerischen Helden in erster Linie auf ihre eigenen Kräfte vertrauen als auf die ihrer Truppen, weist Clare (2002) 128 hin: „The characterisation of Sesostris as one who trusts in the force, strength and courage of his armies […] is a play upon the persona of the Homeric hero, who is typically more self-reliant in this respect.“ Doch zeigt Ρ 329–30 (κάρτεΐ τε σθένεΐ τε πεποιθότας ἠνορέηι τε / πλήθεΐ τε σφετέρωι καὶ ὑπερδέα δῆμον ἔχοντας), dass das Vertrauen auf die Masse der Krieger bei Homer auch Relevanz hat. Apollonios intensiviert dieses Moment, indem er alle drei Begriffe der Kraft und des Mutes auf die Truppen (λαῶν) bezieht. 1198 An fünf von sechs Stellen steht das Wortpaar βίη καὶ χεῖρες bei Homer im Dativ, davon dreimal als limitative Ergänzung beim Komparativ φέρτερος (Γ 431, φ 373, vgl. auch βίην καὶ χεῖρας ἀμείνων in Ο 139) oder Superlativ φέρτατοι (μ 246), zweimal als Dativ-Objekt neben Partizipien der Verben des Vertrauens: χερσίν τε βίηφί τε ἧφι πιθήσας (φ 315), χείρεσσι πεποιθότες ἠδὲ βίηφι (Μ 135). Nur in Γ 431 begegnet wie bei Apollonios die Reihenfolge βίηι καὶ χερσὶ. An allen anderen Stellen folgt die Form βίηφι an zweiter Stelle hinter χερσίν / χείρεσσι. Γ 431, Μ 135 und Ο 139 stehen im kriegerischen Kontext, φ 373 im Kontext des Freierkampfes, in μ 246 geht es um das Skylla-Abenteuer in der Odyssee. 287

inhaltliche Parallele aber findet sich in der Theogonie Hesiods, wo es heißt, dass Zeus Kronos bald vom Thron stürzen werde: ὅ μιν τάχ’ ἔμελλε βίῃ καὶ χερσὶ δαμάσσας / τιμῆς ἐξελάαν (theog. 490–91).1199 Abgelehnt wird die Gewaltanwendung von Hera, die einen listenreichen Plan präferiert: Οὔ τι βίης χατέουσαι ἱκάνομεν οὐδέ τι χειρῶν, / ἀλλ’ αὔτως ἀκέουσα τεῷ ἐπικέκλεο παιδί / παρθένον Αἰήτεω θέλξαι πόθῳ Αἰσονίδαο (3, 84–86).1200 Der von Hera propagierte Verzicht auf die als βίη und χεῖρες bezeichnete Gewalt entspricht den Prinzipien ihres Schützlings Jason. Ebenso entsprechen sich die alternativen Lösungen: Bei Hera ist es das Gespräch mit Aphrodite, um die Bezauberung Medeas zu veranlassen, bei Jason das Gespräch mit Aietes, um ihn zur Herausgabe des Goldenen Vlieses zu bewegen.1201 Negiert wird βίη auch in den Worten des Polydeukes, der Amykos auffordert, sich zurückzuhalten und keine schlimme Gewalt zu zeigen: Ἴσχεο νῦν, μηδ’ ἄμμι κακήν, ὅ τις εὔχεαι εἶναι, / φαῖνε βίην (2, 22–23). Eine ähnliche Formulierung begegnet bei Hesiod in der Aussage, Zeus habe seine Kampfeswut nicht zurückgehalten, sondern Gewalt gezeigt: Οὐδ’ ἄρ’ ἔτι Ζεὺς ἴσχεν ἑὸν μένος, ἀλλά νυ τοῦ γε / εἶθαρ μὲν μένεος πλῆντο φρένες, ἐκ δέ τε πᾶσαν / φαῖνε βίην (theog. 687–89).1202 Apollonios übernimmt die Junktur φαῖνε βίην; allerdings ist φαῖνε hier nicht Imperfekt wie bei Hesiod, sondern ein mit μηδ’ negierter Imperativ. Die Negation, die bei Homer vor ἴσχεν steht, verschiebt sich also bei Apollonios zu φαῖνε βίην. Das Wort βίη steht bei Homer selten mit Attribut, niemals aber mit einem Epitheton, das negativ belegt ist wie κακός.1203 An vielen Belegstellen bezeichnet βίη die Kraft der Argonauten oder wiederum eine Kraft anderer Art, die den Helden entgegensteht: 1199 So auch Fränkel (1968) 77: „Als Vorbild hat wohl Hesiod Theog. 490 f. gedient; nach der Umbildung durch Ap. hängen die Dative βίῃ καὶ χερσίν etwas in der Luft.“ 1200 Zu βίη und χεῖρες s. zu 1, 505. Zu χατέουσαι s. Gillies (1928) 12: „in need of“. 1201 Zu Jasons Haltung s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). Zur Analogie der Pläne Heras und Jasons vgl. Fränkel (1968) 337. 1202 Diese Stelle notiert auch Cuypers (1997) 53. Fränkel (1968) 156 zur Bedeutung von φαῖνε an dieser Stelle: „φαίνειν (‚erweisen‘) steht hier für ‚ins Werk setzen, eintreten lassen‘ vgl. Od. 20.309 (sowie 4.159).“ 1203 Abgesehen von ἴσος in H 205 begegnen nur Adjektive, die Größe und Stärke der βίη betonen wie μέγας (Ω 42) und κρατερός (dreimal, z.B. Φ 501), öfters das prädikativ gebrauchte ἔμπεδος (fünfmal, z.B. Δ 314) sowie je einmal auch μείζων (I 498) und νήπιος (Λ 561), das zumindest eine leicht negative Konnotation aufweist. Köhnken (1965) 99 deutet die Worte des Polydeukes ironisch mit der Begründung, dass Apollonios „das Attribut κακήν durch die Anrede ὅτις εὔχεαι εἶναι (,wer bist du denn überhaupt‘) von seinem Beziehungssubstantiv βίην trennt und […] damit dieser ,schlimmen Gewalt‘ eine abschätzige Nuance“ gebe. Ihm folgt Cuypers (1997) 54: „The position of the relative clause, between κακήν and its noun βίην, should no doubt convey scorn […], but it is hard to pin down exactly how. κακός and ,who do you think you are?‘ seem mutually reinforcing in their suggestion that Amycus may be overrating his ability to exact βίη this time.“ 288

In 3, 398–99 beabsichtigt Aietes die βίη der Argonauten zu prüfen: ἤ σφεας ὁρμηθεὶς αὐτοσχεδὸν ἐξεναρίζοι, / ἦ ὅ γε πειρήσαιτο βίης. Ähnlich formuliert ist die weitere Überlegung, mit dem Athlos Jasons Kraft auf die Probe zu stellen: Πεῖρα δέ τοι μένεός τε καὶ ἀλκῆς ἔσσετ’ ἄεθλος (3, 407).1204 Ähnliche Kraftproben begegnen auch bei Homer: Beim Freierkampf prüft Athene die Kraft des Odysseus, indem sie ihre Unterstützung zurückhält: σθένεός τε καὶ ἀλκῆς πειρήτιζεν (χ 237). Eine Parallele findet sich auch bei der Bogenprobe: ἀλλ’ ἄγ’ ἐμοὶ δότε τόξον ἐΰξοον, ὄφρα μεθ’ ὑμῖν / χειρῶν καὶ σθένεος πειρήσομαι, ἤ μοι ἔτ’ ἐστὶν / ἴς, … (φ 281–83).1205 Die Kraft der Stiere, die Medea in 3, 753 fürchtet (δειδυῖαν ταύρων κρατερὸν μένος)1206 macht Jasons sich beim Athlos zu Nutzen, um den Acker zu pflügen: Ὀκριόεσσα δ’ ἐρείκετο νειὸς ὀπίσσω, / σχιζομένη ταύρων τε βίῃ κρατερῷ τ’ ἀροτῆρι (3, 1331–32). Die Junktur ταύρων βίη ist im Unterschied zu ταύρων μένος in 3, 753 ohne Vorbild. Als Kraft von Tieren wird βίη bei Homer nur zweimal in einem Gleichnis für Löwen gebraucht, um die Kraft eines großen Helden zu illustrieren (Π 826, Ω 41–43). In der Beschreibung des Götterzeichens im dritten Buch ist βίη noch einmal Kraft oder Gewalt eines Tieres, und zwar des Habichts, vor dem eine Taube flieht. Die Taube fällt in den Gewandbausch Jasons, während der Habicht zu Fall kommt: Τρήρων μὲν φεύγουσα βίην κίρκοιο πελειὰς / ὑψόθεν Αἰσονίδεω πεφοβημένη ἔμπεσε κόλποις· / κίρκος δ’ ἀφλάστῳ περικάππεσεν (3, 541–43). Bei Homer steht das Verb φεύγω an zwei Stellen mit ‚Kraft‘ als Objekt:1207 Αἴαντος προφυγόντα μένος καὶ χεῖρας … (H 309), προφυγόντα μένος καὶ χεῖρας Ἀχαιῶν (Z 502). Eine weitere Parallele begegnet bei Hesiod: εὖτ’ ἂν Πληιάδες σθένος ὄβριμον Ὠρίωνος / φεύγουσαι πίπτωσιν ἐς ἠεροειδέα πόντον (erg. 619–20). Eine fliehende Taube begegnet in der Ilias in einem Vergleich: θεὰ φύγεν ὥς τε πέλεια, / ἥ ῥά θ’ ὑπ’ ἴρηκος κοίλην εἰσέπτατο πέτρην, … (Φ 493–95). Motivisch heranzuziehen ist eine OdysseeSzene, die einen überlegenen Habicht als günstiges Vorzeichen zeigt: ὣς ἄρα οἱ εἰπόντι ἐπέπτατο δεξιὸς ὄρνις, κίρκος, Ἀπόλλωνος ταχὺς ἄγγελος· ἐν δὲ πόδεσσι τίλλε πέλειαν ἔχων, κατὰ δὲ πτερὰ χεῦεν ἔραζε μεσσηγὺς νηός τε καὶ αὐτοῦ Τηλεμάχοιο. (o 525–28)

1204 Zu 3, 398–99 und 3, 407 vgl. die Worte des Peleus in 2, 1220–21: οὔ τι γὰρ ὧδ’ ἀλκῆς ἐπιδευόμεθ’ ὥστε χερείους / ἔμμεναι Αἰήταο σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι. S. dazu unter 16a. (ἀλκή). 1205 Αuch das Wort βίη begegnet bei der Bogenprobe (φ 126, 185, 253). 1206 S. dazu unter 16d. (μένος). 1207 βίη ist Objekt z.B. bei Pindar, wo es heißt, die Argonauten hätten einen Kampf gegen die Kolcher und Aietes begonnen: ἔνθα κελαινώπεσσι Κόλχοισιν βίαν / μεῖξαν Αἰήτᾳ παρ’ αὐτῷ (Pyth. 212–13). Hunter (1989) 156 fasst βίην κίρκοιο als Periphrase auf: „the archaic periphrasis (cf. 1.122 of Heracles) marks the hawk als an aggressive warrior.“ 289

Bei Apollonios dagegen sind die erfolgreiche Flucht der Taube und der Sturz des Habichts ein positives Zeichen für die Argonauten.1208 Symbolisch spiegelt diese Konstellation einer schwächeren, aber trotzdem dem viel stärkeren Habicht entkommenden Taube die Situation der Argonauten wider, die sich gegenüber Aietes in einer viel schwächeren Position befinden und zudem noch auf die Hilfe einer vermeintlich schwachen weiblichen Person zurückgreifen, die angesichts der überlegenen kriegerischen Macht ihres Vaters und seiner Truppe scheinbar nicht viel auszurichten vermag.1209 Die Wendung φεύγουσα βίην weist auf das Prinzip der Kampfvermeidung seitens der Argonauten hin, das z.B. in der Rede Jasons deutlich zum Ausdruck gebracht wird.1210 In der Schilderung des Stapellaufs der Argo ist βίη die Kraft des Wassers: ἵν’ εὖ ἀραροίατο γόμφοις / δούρατα καὶ ῥοθίοιο βίην ἔχοι ἀντιόωσαν (1, 369–70). Als Kraft von Naturgewalten begegnet βίη bei Homer nur zweimal von Winden (Π 213, Ψ 713), einmal vom Feuer in der Periphrase des Namens Hephaistos (Φ 367).1211 Die Junktur ῥοθίοιο βίην ist neu. Die Phrase βίην ἔχω begegnet auch im frühgriechischen Epos (Hes. theog. 670, fr. 43a, 59 MW) mit der Bedeutung „Kraft besitzen“, während Apollonios ἔχω in der Bedeutung ‚standhalten, aufhalten‘ gebraucht. Mit dieser Bedeutung begegnet das Verb auch bei Homer. Als Objekt fungieren dort Gegner und Angreifer, nicht aber ein Begriff der Kraft wie bei Apollonios mit βίη.1212 Der Kraft des Wassers steht βίη in 1, 1156–57 als die zum Rudern eingesetzte Kraft der Argonauten gegenüber: Οἱ δὲ γαληναίῃ πίσυνοι ἐλάασκον ἐπιπρὸ / νῆα βίῃ· Vorbild ist vermutlich μ 276 aus der Odyssee: ἀλλὰ παρὲξ τὴν νῆσον ἐλαύνετε

1208 Reitz (1996) 126, Anm. 343: „Das Vogelzeichen bestätigt den Plan der Phrixossöhne, Medea in die Intrige einzubeziehen.“ Dräger (2002) 493: „Die Umkehrung eines homerischen Gleichnisses (Ilias 22,139–142, Odyssee 15,525–534), wo der siegreiche Habicht als gutes Omen gilt.“ Hunter (1989) 156 („here, however, βίην will give way before βουλή“) macht außerdem auf die Parallele Ψ 877–81 aufmerksam, wo eine getroffene Taube sich auf den Schiffsmast setzt und dort schließlich stirbt. Bei Apollonios kommt der Habicht am Heck des Schiffes zu Fall: „Here the dove escapes and the hawk comes to grief.“ Vian (Bd. 2, 1980) 127: „Apollonios inverse la situation et s’oppose ainsi à la conception homérique de l’épopée: le faucon symbolise Aiétès et le signe favorable est donné par la colombe, oiseau d’Aphrodite …“ Campbell (1971) 417 fasst die Vorzeichen-Szene als scherzhafte Einlage auf mit Hinweis auf eine ähnliche Passage in 3, 927 ff. 1209 Eine detaillierte Aufzählung der durch das Vorzeichen antizipierten Ereignisse der Handlung findet sich bei Hunter (1989) 156, der Hinweise auf die Hilfe der Göttin Aphrodite, Medeas Flucht, ihre Beziehung zu Jason und das Überleben der Argonauten erkennt. 1210 S. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). Zu 3, 541–42 s. auch unter 14c. (φοβέω) und 14b. (φεύγω). 1211 So auch in Hymn. Hom. Herm. 115. 1212 Vgl. B. Mader, LfgrE 2, 839, 65–77. 290

νῆα μέλαιναν.1213 Die βίη der Argonauten wird zum Rudern eingesetzt, gleichzeitig vertrauen die Helden auf die Windstille (γαληναίῃ πίσυνοι). Anders in der Ilias: Dort ist der Plural πίσυνοι zweimal mit der eigenen Kraft der Helden Achill und Ajas verbunden: τοί ῥ’ ἔσχατα νῆας ἐΐσας / εἴρυσαν, ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 225–26, Λ 8–9).1214 In der Rede des Peleus wird die Kraft der Argonauten zum Tragen der Argo gefordert: Ἀλλά μιν ἀστεμφεῖ τε βίῃ καὶ ἀτειρέσιν ὤμοις / ὑψόθεν ἀνθέμενοι ψαμαθώδεος ἔνδοθι γαίης / οἴσομεν … (4, 1375–77). Die parallele Stellung von βίη und ὦμοι erinnert an das Begriffspaar βίη und χεῖρες, das bei Homer dreimal auftaucht (Γ 431, Ο 139, φ 373).1215 Diese Stellen stehen im kriegerischen Kontext. In den Argonautika dagegen wird die Kraft zur Fortbewegung der Argo eingesetzt, aber in diesem Fall nicht in der Seefahrt an sich, sondern beim Tragen der Argo durch die Wüste. Der Dichter selbst preist die Argonauten für ihre Einsatzkraft bei der Durchquerung der Wüste: ὑμέας, ὦ πέρι δὴ μέγα φέρτατοι υἷες ἀνάκτων, ᾗ βίῃ, ᾗ ἀρετῇ Λιβύης ἀνὰ θῖνας ἐρήμους νῆα μεταχρονίην ὅσα τ’ ἔνδοθι νηὸς ἄγεσθε  ἀνθεμένους ὤμοισι φέρειν δυοκαίδεκα πάντα ἤμαθ’ ὁμοῦ νύκτας τε. (4, 1383–87)

Die Parallelstellung von βίη und ἀρετή findet sich bei Homer zweimal, allerdings mit Voranstellung von ἀρετή. In Ψ 578 sind die Begriffe limitative Ergänzung in der Charakterisierung des Menelaos: αὐτὸς δὲ κρείσσων ἀρετῆι τε βίηι τε. In Ι 498 ist noch τιμή als dritter Begriff aufgeführt, um die Götter zu charakterisieren: … θεοὶ αὐτοί, / τῶν περ καὶ μείζων ἀρετὴ τιμή τε βίη τε (I 497–98).1216 Auffällig ist, dass βίη der einzige Begriff für ‚Kraft, Stärke‘ ist, der mit ἀρετή kombiniert wird.1217 1213 Die Imperfektform ἐλάασκον verwendet Apollonios auch in 1, 733 und 2, 1071, an letztgenannter Stelle ebenso für das Rudern. Ardizzoni (1967) 193: „questo imperfetto iterativo è peculiare di A. […] Non ricorre invece mai in A. l’aoristo iterativo omerico ἐλάσασκεν B 199.“ ἐπιπρό begegnet bei Homer als Präverbum (z.B. Δ 94, Ρ 708), taucht aber als Adverb nicht vor Apollonios und Kallimachos auf. Vgl. Ardizzoni (1967) 106 mit einer Auflistung der Belegstellen und Positionen bei Apollonios und Kallimachos (Hek. fr. 138, 22 Pf.). 1214 Zu diesen Stellen s. Anm. 1190 sowie 16c. (κράτος/κάρτος, zu 1, 1162 und 2, 559). 1215 S. zu 1, 505. Das Adjektiv ἀστεμφής, ‚fest, unerschütterlich‘, kommt bei Homer viermal vor, davon aber nur einmal als Epitheton neben βουλή (Β 344), an den anderen drei Stellen im adverbialen Gebrauch. 1216 Dazu E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1232, 32–33: „ἀ. bestimmt durch zweigliedrigen Ausdruck“. 1217 S. hierzu die Auflistungen von Eder (1939) 8–9, 23, 33, 47, 60. E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1231, 54–59 zu ἀρετή als „Ansehen, Autorität“ mit Angabe der beiden Iliasstellen: „Es fällt auf, dass ἀ. in dieser Bed. immer mit parallelen Begriffen verbunden ist.“ AHC (zu Ψ 578) übersetzen ἀρετῆι τε βίηι τε: „an angesehener Stellung und an Macht“. Vgl. LSJ s.v. ἀρετή I.1.a: „In Hom. esp. of manly qualities“. Zum Bezug des Wortes 291

Der Krafteinsatz der Argonauten beim Tragen der Argo wirkt durch die Wortwahl mit den Leistungen der homerischen Krieger in Krieg und Wettkampf vergleichbar.1218 Dass Wörter für ‚Kraft‘ in den Argonautika häufig im Bereich der Seefahrt und des Kampfes gegen die Naturelemente eingesetzt werden (vgl. z.B. 1, 369–70; 1, 1157–58), zeigt sich auch hier, allerdings mit der Besonderheit, dass das Rudern durch das Stemmen der Argo sowie Wind und Wellen durch die Wüste ersetzt werden.

Zusammenfassung Auch an den Belegstellen von βίη zitiert Apollonios homerische oder hesiodeische Junkturen und Begriffspaare wörtlich, z.B. βίῃ καὶ κάρτεϊ, βίῃ καὶ χερσίν, oder variierend, z.B. ᾗ βίῃ, ᾗ ἀρετῇ (bei Homer: ἀρετῆι τε βίηι τε), βίην ὑπέροπλος (bei Hesiod: βίην ὑπέροπλον ἔχοντες/ἔχοντα), auch mit Synonymtausch, z.B. πίσυνος δὲ βίῃ (bei Homer: ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ). Auffällig ist die Kombination mehrerer Vorbilder in der Periphrase des Herakles: βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος. Inhaltlich fällt der häufige Einsatz des Wortes im Kontext der Seefahrt auf, wo βίη die Widerstandskraft des Wassers, vor allem aber die Kraft der Argonauten als Ruderer oder Träger bezeichnet. Durch sprachliche Parallelen zu homerischen Formulierungen aus dem kriegerischen Kontext wirken diese Tätigkeiten wie heroischer Ersatz,1219 und die Naturgewalten (Wasser, Wüste) wie martialische Gegner. Zweimal bezeichnet βίη die Kraft von Tieren: die Kraft des Habichts beim Götterzeichen sowie die Kraft der Stiere beim Athlos. Vier Belege finden sich in narrativen Randbereichen wie Katalog, Aitien und Analepsen. In den Reden Heras, Jasons und des Polydeukes sowie in den Überlegungen des Aietes sind die Aussagen zu βίη negiert oder haben hypothetischen Charakter. Nur an einer Stelle steht βίη im kriegerischen Kontext, dort wird ein Krieger in der Bebrykerschlacht als βίην ὑπέροπλος bezeichnet.

c. κράτος / κάρτος κράτος oder κάρτος, bei Homer an 31 Ilias- und 12 Odysseestellen belegt, bedeutet ‚Körperkraft, Stärke‘, mit dem Aspekt der Überlegenheit, bezeichnet aber auch die auf Überlegenheit beruhende ‚Macht‘ eines Gottes oder Herrschers.1220 κράτος ist die

zur Kriegssphäre s. E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1230, 36–58: „spezifische Qualitäten der Männer: als Krieger (Kriegstüchtigkeit)“ mit 8 Belegstellen, z.B. Λ 90 zur Bedeutung ‚Kraft, Tüchtigkeit‘ im Kampf: τῆμος σφῆι ἀρετῆι Δαναοὶ ῥήξαντο φάλαγγας. 1218 Hunter (2015) 266: „1375, like 1384, evokes a heroic ethos for what will be the most amazing of all the feats in the poem.“ 1219 Dieselbe Tendenz lässt sich auch bei der Verwendung von κράτος erkennen, s. unter 16c. (κράτος/κάρτος). 1220 H.W. Nordheider, LfgrE 2, 1527, 49–57: „überlegene Kraft; (1) unter dem Aspekt ihrer Wirkg.: > Sieg; wird aktuell von d. Göttern gegeben od. errungen […] od. ist 292

‚überlegene Kraft‘, d.h. die Kraft zum Siegen, so dass sich daraus die Bedeutung ,Übermacht im Kampf‘ oder sogar ‚Sieg‘ entwickeln konnte (N 486, Σ 308, Ρ 613).1221 An den meisten Iliasstellen (24 von 31) steht das Wort im kriegerischen Kontext. Oft gilt κράτος als Gabe eines Gottes, (13 Stellen, z.B. Π 524, Ψ 120, φ 280).1222 Die Belegstellen in der Odyssee weisen keinen Zusammenhang mit kriegerischem Kampf auf. Hier ist die Entwicklung zur Bedeutung ‚Macht, Autorität‘ erkennbar (z.B. α 359, ε 4, λ 353, ζ 197), die sich in nachhomerischer Zeit stärker etabliert.1223 In beiden Epen finden sich die meisten Belegstellen (Ilias 24, Odyssee 10) in Reden. Oft wird dort die durch Götter zugeteilte Kraft oder die Macht der Götter selbst thematisiert.

Bei Apollonios ist das Wort an 12 Stellen belegt und bezeichnet meistens die Körperkraft eines oder mehrerer Helden, die z.B. bei der Seefahrt eingesetzt wird: 1, 383–85: Die Helden wenden Kraft auf, um die Argo zu Wasser zu lassen: τοὶ δὲ παρᾶσσον / ᾧ κράτει βρίσαντε μιῇ στυφέλιξαν ἐρωῇ / νειόθεν ἐξ ἕδρης. Mehrere Wörter dieser Formulierung erinnern an die homerische Kriegssphäre, obwohl die syntaktische Struktur kein Vorbild in den homerischen Epen hat. Der Dativ κράτεϊ / κάρτεϊ ist bei Homer an 9 Stellen belegt, instrumental aufzufassen jedoch nur dreimal, davon zweimal in einer kriegerischen Szene: τὸν Λυκόοργος ἔπεφνε, δόλωι, οὔ τι κράτεΐ γε (H 142), Ἀργεῖοι δέ κε κῦδος ἕλον καὶ ὑπὲρ Διὸς αἶσαν / κάρτεϊ καὶ σθένεϊ σφετέρωι (P 321–22). Das Verb βρίθω wird an mehreren Stellen für ein Angreifen oder Andrängen im Kampf verwendet.1224 Das Aorist-Partizip ist in der Ilias nur einmal

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als vorhanden vorausgesetzt, insofern auch dauernde überlegene (königl.) Macht […]; beruht im wesentl. auf Körperkraft, Stärke […], die aktiv auch als überschießende, unbeherrschte Gewalttätigkeit […] passiv als phys. Unnachgiebigkeit, Härte […] erscheinen kann;“ Schmidt (1879) 668: „κράτος ist vielmehr die Obmacht, d.h. die Macht, welche den Ausschlag gibt. […] Das Wort […] bezeichnet immer die Macht insofern sie den Vorrang gegen andere verschafft, diese zum weichen und nachgeben zwingt (Sieg) oder in untergeordnete Stellung bringt (Herrschaft).“ Eder (1939) 59 fügt zu dieser Definition Schmidts, die sich auch auf die nachhomerische Literatur bezieht, hinzu, dass κράτος in seiner ursprünglichen Bedeutung bei Homer „auch die körperliche Kraft bezeichnete.“ Benveniste (1969) 71: „Krátos ne signifie ni ,force physique‘ (iskhús, sthénos), ni ,force d’âme‘ (alkḗ), mais ,supériorité, prévalence‘, soit au combat, soit à l’assemblée.“ Trümpy (1950) 204: „… sie ist die ‚überlegene Kraft‘ und damit Garant des Sieges. […] Schließlich wird ,die überlegene Kraft‘, welche Voraussetzung zu einem Siege ist, für den Sieg selbst verwendet.“ Kullmann (1956) 65 (zu P 206): „Es ist mit κράτος weder hier noch sonst wo die persönliche Körperstärke gemeint, sondern nur die relative Stärke in Bezug auf den Gegner, also die Überlegenheit, …“ Trümpy (1950) 204: „Psychisches bildet mit Körperlichem zusammen das κράτος. Häufig stammt es von den Göttern …“ Zur religiösen Vorstellung, die von κράτος διδόναι ausgeht, s. Kullmann (1956) 64. S. dazu LSJ s.v. II. Vgl. dazu R. van Bennekom, LfgrE 2, 96, 71–97, 1. Dort werden 5 Iliasstellen von insgesamt 12 Ilias- und 6 Odysseestellen aufgezählt, die im kriegerischen Kontext 293

belegt und beschreibt die angreifenden Troer: οἳ δ’ ἰθὺς Δαναῶν βρίσαντες ἔβησαν / δούρατ’ ἀνασχόμενοι (P 233–34). Das Wort ἐρωή bezeichnet oft den Schwung, Ansturm oder die Reichweite von Waffen, z.B. βελέων ἀπερύκοι ἐρωήν (Δ 542, Ρ 562), δουρὸς ἐρωή (O 358, Φ 251, Ψ 529). In Ξ 488–89 ist ἐρωή der Angriff eines Kriegers: ὃ δ’ οὐχ ὑπέμεινεν ἐρωήν / Πηνελέωιο ἄνακτος, …1225 Das Verb στυφελίζω bedeutet an mehreren Stellen ‚treffen, verletzen‘ im Kampf, z.B. διάπρο / ἤλυθεν ἐγχείη, στυφέλιξε δέ μιν μεμαῶτα (Η 260–61, Μ 404–5). Vorbild für die Wendung στυφέλιξαν […] ἐξ ἕδρης könnte Α 581 sein, wo Hephaistos über die Macht des Zeus spricht, der die Götter von ihrem Thron zu stoßen vermag: ἐξ ἑδέων στυφελίξαι. 1, 1161–63: Beim Rudern zeigt sich, dass die Kraft des Herakles größer als die der übrigen Argonauten ist: αὐτὰρ ὁ τούς γε / πασσυδίῃ μογέοντας ἐφέλκετο κάρτεϊ χειρῶν / Ἡρακλέης, ἐτίνασσε δ’ ἀρηρότα δούρατα νηός.1226 Die Junktur κάρτεϊ χειρῶν begegnet vor Apollonios nur bei Homer: ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9).1227 Beschrieben wird dort, wie Achill und Aias nach der Landung in Troja ihre Schiffe als Schutzwall gegen Angriffe der Feinde am äußeren Rand des Schiffslagers auf das Land ziehen.1228 Die Form ἐφέλκετο/ἐφείλκετο ist bei Homer einmal belegt: In N 597 schleppt der von Menelaos an der Hand getroffene Helenos die schwere Lanze auf der Flucht mit sich: τὸ δ’ ἐφείλκετο μείλινον ἔγχος. Mit dem Einsatz der singulären Form an derselben metrischen Position weist Apollonios auf diese Iliasstelle hin.1229 Der kriegerische Kontext der Vorbildstellen wird gegen die Szenerie der Seefahrt ausgetauscht. Die Kraft des größten Helden wird zum Rudern statt zum Kämpfen eingesetzt.1230

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stehen. Zur Dualform βρίσαντε s. Vasilaros (2004) 190, der homerische Vorbilder für die Verwendung des Duals an Stelle des Plurals anführt (Δ 407, Π 371), Vian (Bd. 1, 1976) 68, Anm. 2, nennt außerdem noch Hom. Hymn. Ap. 456, 487. R. van Bennekom, LfgrE 2, 731, 4–7: „der Schwung (1), d.h. die kinetische Energie e.s rel. schweren Körpers (Mann, Speer; bei Hes. psychisch); dann auch dessen Resultat, der Wurf (2) e.s Speeres.“ Zum instrumentalen Dativ κράτεϊ /κάρτεϊ s. zu 1, 384. Fränkel (1968) 140 übersetzt κάρτεϊ χειρῶν: „…durch die Überlegenheit (κάρτεϊ) seiner Arme“. Zu diesen Stellen s. unter 16b. (βίη, zu 1, 1157–58), sowie Anm. 1190. So erklärt das Scholion zu Λ 8–9: τεῖχος τῶν ἄλλων νεῶν ἐποίησαν τὰς ἰδίας, ὡς καὶ αὐτοὶ τῶν Ἀχαιῶν ἦσαν. S. auch zu 2, 559. Ardizzoni (1967) 252 lehnt die Konjektur von Rzach ἐφείλκετο (überliefert in nur einer HS) zugunsten der unaugmentierten Form ab mit dem Verweis auf die überlieferte Form ἐφέλκετο in N 597 (West dagegen druckt hier die augmentierte Form ἐφείλκετο ab.) und dem Hinweis, dass Apollonios zusätzlich zu dieser singulären Form auch ihre metrische Position zwischen der trochäischen Zäsur und der bukolischen Diärese übernehme. Den sprachlichen Bezug der Schilderung des Ruderns in den Argonautika zur homerischen Kriegssphäre hat bereits Bernsdorff (2001) 78 an Stellen wie z.B. 2, 649 (ἀλίαστον ἔχον πόνον) erkannt. Die Tendenz zum Einsatz von κάρτος bei der Seefahrt lässt sich an mehreren Stellen erkennen (s.u. 2, 332–34; 2, 558–59, vgl. auch 1, 384), Vgl. ein ähnliches Ergebnis bei 16b. (βίη) und 16d. (μένος).

An die Wendung ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν aus Θ 226, Λ 9 lehnen sich wohl auch folgende Belege an: In 2, 332–34 begegnet die Junktur κάρτεϊ χειρῶν wieder im Zusammenhang mit dem Rudern, und zwar in der Rede des Phineus, der die Argonauten darauf hinweist, dass für die Fahrt durch die Symplegaden weniger Gebete als die Kraft beim Rudern von Nutzen seien: ἀλλ’ εὖ καρτύναντες ἑαῖς ἐνὶ χερσὶν ἐρετμὰ / τέμνεθ’ ἁλὸς στεινωπόν, ἐπεὶ φάος οὔ νύ τι τόσσον / ἔσσετ’ ἐν εὐχωλῇσιν ὅσον τ’ ἐνὶ κάρτεϊ χειρῶν.1231 In den Worten des Phineus klingt die apollonianische Philosophie der Dualität von göttlicher Hilfe und menschlichem Einsatz an, die sich dann auch in der folgenden Handlung widerspiegelt:1232 Einerseits befolgen die Helden den Rat des Phineus (2, 554–59 (s.u.), 573–74; 585–90 und 591–92). Andererseits ist aber trotz

1231 Fränkel (1968) 174 weist vorsichtig auf O 741 als mögliches Vorbild hin. Dort wird in der Kampfaufforderung des Aias die Betätigung der Arme dem Kämpfen gleichgesetzt: τὼ ἐν χερσὶ φόως, οὐ μειλιχίηι πολέμοιο. 1232 Fränkel (1968) 173–74 formuliert, dass innerhalb eines Prinzips des „unbedingten Gehorsams“ gegenüber den Göttern „eine Sphäre von total verschiedener Art ausgespart“ werde, über die „souverän die menschliche Leistung als ein Dreiverein von Gewalten [herrscht]: die Macht der Arme (332 χερσίν, 334 ἐνι κάρτει χειρῶν), mühselige Arbeit (335 πονέεσθαι), und kecke Zuversicht (336 θαρσαλέως).“ Die Vorstellung, dass zusätzlich zum Vertrauen auf die Götter auch größtmöglicher menschlicher Einsatz notwendig ist (Fränkel (1968) 174: „Demnach schenken die Götter keineswegs dem Menschen seine Erfolge […], sondern im günstigsten Fall erlauben sie ihm den Erfolg, unter der Bedingung daß er die erforderliche Leistung von sich aus aufwendet.“), begegnet in der Odyssee χ 236–38, wo Athene Odysseus und seinem Sohn den Sieg nicht ohne Prüfung der menschlichen Kraft gewährt (s. Fränkel (1968) 174, Anm. 58), und wird in den Argonautika in 1, 870–71 wörtlich formuliert: οὐδὲ τὸ κῶας / αὐτόματον δώσει τις ἑλὼν θεὸς εὐξαμένοισιν. Vgl. Vian (Bd. 1, 1976) 192, Anm. 1, zu 2, 334: „Le scholiaste, en rapprochant de ce passage 1, 870 s., souligne un aspect important de la philosophie d’Apollonios. Les hommes ne sont pas de simples marionnettes, bien que les dieux viennent constamment au secours de leur ἀμηχανίη. Pour bénéficier de l’aide divine, ils doivent d’abord faire tout ce qui est en leur pouvoir, tout en sachant que leurs forces sont insuffisantes.“ So auch Hunter (1993) 87: „‚God helps those who help themselves‘ was an idea familiar to the Greeks as it is to us. Apollonios rejects the Homeric structure by which gods intervene as soon as they arrive on earth, in favour of allowing the mortal struggle to be fully displayed before a saving intervention.“ Berkowitz (2004) 15 weist auf die motivische Ähnlichkeit zu μ 124–26 hin, wo Kirke Odysseus rät, kräftig rudernd an der Skylla (μάλα σφοδρῶς ἐλάαν) vorbeizufahren, hält aber auch den Unterschied fest: „Unlike Phineus, though, Kirke explicitly says that praying will have an effect.“ Pietsch (1999) 83–84: „Phineus gibt damit nicht nur eine allgemeine theologische Auffassung wieder, sondern er benennt damit exakt den Punkt, an dem in den Argonautika die Hilfe der Götter tatsächlich einzusetzen pflegt.“ 295

aller Kraftanstrengung die Hilfe Athenes nötig, die im entscheidenden Moment erfolgt (2, 598–99).1233 2, 557–59: Die Stärke der Argonauten wird beim Rudern durch die Symplegaden eingesetzt: Τίφυος Ἁγνιάδαο θελήμονα ποιήσαντο / εἰρεσίην, ἵν’ ἔπειτα διὲκ πέτρας ἐλάσειαν / κάρτεϊ ᾧ πίσυνοι. Auch für den Plural πίσυνοι sind Θ 226 und Λ 9 als einzige homerische Belege maßgeblich.1234 An diesen Stellen werden wie schon erwähnt Mut und Kraft der Helden Achill und Aias durch die exponierte Stellung ihrer Schiffe bei der Errichtung des Schiffslagers hervorgehoben. Die auf das Land gezogenen Schiffe sind Ausdruck einer Kampfbereitschaft (Δ 248, Ν 682, Ξ 30, 32, 35, Ο 654, Σ 69), während das Zu-Wasser-Lassen der Schiffe an mehreren Stellen eine Flucht oder das Ende eines Kampfes markiert (z.B. Ξ 76, 79). In den Argonautika ist das Vertrauen der Helden auf ihre Kraft dagegen notwendig, um eine gefährliche Situation in der Seefahrt zu meistern.1235 An zwei weiteren Stellen, an denen πίσυνοι im Kontext der Seefahrt verwendet wird, vertrauen die Argonauten nicht ihren eigenen Fähigkeiten, sondern den Naturkräften: Οἱ δὲ γαληναίῃ πίσυνοι ἐλάασκον ἐπιπρὸ / νῆα βίῃ (1, 1156–57),1236 ἐκ δ’ ἔχεαν πίσυνοι ἀνέμῳ λίνα (2, 902). In der Faustkampf-Szene bezeichnet κάρτος die Körperkraft des Amykos, auf dessen Aktionen Polydeukes besonnen reagiert: Ἀπηνέα δ’ αἶψα νοήσας / πυγμαχίην, ᾗ κάρτος ἀάατος ᾗ τε χερείων, / στῆ ῥ’ ἄμοτον καὶ χερσὶν ἐναντία χεῖρας ἔμιξεν (2, 76–78). Das Adjektiv ἀάατος kommt bei Homer dreimal vor, hat die Bedeutung ‚unverletzlich, gewaltig, untadelig‘ und ist in der Ilias Attribut zum Wasser des Styx (Ξ 271), in der Odyssee zweimal Epitheton zu ἄεθλος (φ 91, χ 5). Sonst ist es nur bei Apollonios belegt, wo es ‚schädlich‘ bedeutet.1237 Im Mittelpunkt der Kampfszene 1233 Fränkel (1968) 174, Anm. 58. Vgl. Vian (Bd. 1, 1976) 192, Anm. 1: „Lors du passage des Symplégades, Athena n’a pu intervenir au moment décisif que parce que les héros n’ont jusqu’au bout compté que sur eux-mêmes.“ 1234 Zu diesen Stellen s. Anm. 1190. Zu πίσυνος in Verbindung mit einem Begriff der Kraft s. auch unter 16b. (βίη, zu 3, 181, vgl. auch 1, 1157–58). 1235 Dass die Durchfahrt der Symplegaden wie ein Kampf gegen die Naturphänomene dargestellt wird, wurde bereits bei der Untersuchung der Wortgruppe ‚Kriegslärm und Kriegsgeschrei‘ (s. unter 15r.) festgestellt. 1236 S. unter 16b. (βίη). 1237 Cuypers (1997) 114 („probably ‚dangerous, harmful‘“) mit folgender Übersetzung der Stelle „in what points he was dangerous in might, and in what inferior.“). So auch Rengakos (1994) 28: „Apollonios verstand das Wort eindeutig als ‚sehr schädlich‘, wie aus 1, 803* (Proekdosis) καὶ τοτ’ ἔπειτ’ ἀνὰ δῆμον ἀάατος ἔμπεσε λύσσα hervorgeht. Der Vers wurde dann wohlgemerkt durch 1, 803 Κύπριδος, ἥ τέ σφιν θυμοφθόρον ἔμβαλε ἄτην ersetzt (ἀάατος≈θυμοφθόρον). Dieselbe Bedeutung liegt auch in 2, 77 […] vor.“ Vian (Bd. 1, 1976) 267: „Littéralement: ,dès qu’il eut observé sa façon sauvage de boxer, en quoi il était dangereux par sa brutalité et en quoi il lui était inférieur‘. Suivant l’interprétation admise par certains commentateurs anciens […] Apollonios donne à ἄατος (2, 232) le sens de βλαβερός et voit dans l’ἀd’ἀάατος un préfixe intensif (τὸ λίαν βλαπτικώτατον) l’adjectif se retrouve encore en 1, 803*.“ Die Bedeutung, die H. Seiler, LfgrE 1, 3, 10, für ἀάατος in φ 91 angibt, 296

steht allerdings nicht die Kraft des Amykos, sondern die kluge Vorgehensweise, das αἶψα νοήσαι des Polydeukes. Während Amykos versucht, mit roher Kraft im Kampf zu bestehen, handelt Polydeukes besonnen, reagiert mehr als er agiert und verwendet seine Kraft nur sparsam, aber effektiv.1238 Daher überwiegen Formulierungen wie διὰ μῆτιν / ἀίσσοντ’ ἀλέεινεν (2, 75–76), αἶψα νοήσας (76), στῆ ῥ’ ἄμοτον (78), ὁ δ’ ἀίσσοντος ὑπέστη (92) bis zur Entscheidung des Kampfes, die aus der einzigen konkreten aktiven Kampfhandlung des Argonauten besteht: κόψε μεταΐγδην ὑπὲρ οὔατος, ὀστέα δ’ εἴσω / ῥῆξεν (2, 95–96). Auch in der Faustkampf-Szene ist also das in den Argonautika durchgängige Prinzip erkennbar, einen Kampf zunächst zu vermeiden, ihm auszuweichen und nur im Notfall zur Gewalt zu greifen.1239 Mehrere Belegstellen haben die Konfrontation mit Aietes und den Athlos zum Thema: 3, 506–7: Angesichts der Jason bevorstehenden Aufgabe erklärt Peleus, dass die Stärke der Arme mehr nütze als ein Plan: οὐ μὲν ἔολπα / βουλῆς εἶναι ὄνειαρ ὅσον τ’ ἐπὶ κάρτεϊ χειρῶν. Eine homerische Parallele zu ὅσον τ’ ἐπὶ ist z.B.: ὅσον τ’ ἐπὶ λᾶαν ἵησιν (Γ 12). Motivisch und sprachlich vergleichbar ist die Aussage des Phineus in 2, 334 (ὅσον τ’ ἐνὶ κάρτεϊ χειρῶν).1240 Peleus’ Worte kontrastieren mit Jasons Aussage in 3, 188–89 (Πολλάκι τοι ῥέα μῦθος, ὅ κεν μόλις ἐξανύσειεν / ἠνορέη, τόδ’ ἔρεξε κατὰ χρέος), der eine verbale Konfliktlösung propagiert,1241 während Peleus die Effektivität physischer Kraft für den Athlos betont.1242

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ist dazu gegenteilig: „Wettkampf, bei dem ‚kein Schaden entstand‘, ‚unschädlich‘“. Die Bedeutung ‚unbesiegbar‘ ist angegeben bei LSJ s.v. III: („later, invincible“ mit Angabe von 2, 77) und Frisk (1973) s.v. zu 2,77: „(‚unüberwindlich‘?)“. Levin (Argonautica Re-examined 1971) 137: „Polydeukes’ scientific tactics will render ineffective Amycus’ brute force.“ Vgl. dagegen Glei (Bd. 2, 1996) 184, Anm. 46, der Polydeukes zu den Argonauten zählt, die mehr auf Kraft als auf Klugheit setzen, s. Anm. 1242. S. dazu auch unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185). Vgl. Levin (Argonautica Re-examined 1971) 149, der die Vorgehensweise des Polydeukes im Faustkampf der generellen Handlungsweise der Argonauten zuordnet: „Yet victory over Amycus, like the acquisition of the Golden Fleece itself, must depend not on force alone […], but on a sort of collaboration between physical prowess and clever contrivance.“ Hunter (1989) 152 präferiert die Lesart ἐνὶ mit Hinweis auf ἐνὶ κάρτεϊ in 2, 334: „ἐπί ‚depending upon‘ […] would be very strained.“ Ardizzoni (1958) 168 zur Wendung ὅσον τ’ ἐπὶ κάρτεϊ: „in Omero è un’espressione avverbiale (equivalente ad ἐφ’ ὅσον τε) ed occupa, come qui, nell’ esametro la quarta sede […]. Qui invece ὅσον è riferito al precedente ὄνειαρ, ed ἐπὶ regge κάρτει. La stessa struttura sintattica, ma alquanto più limpida, si trova in 2, 333–34 […] dove la presenza di τόσσον, e l’ ἐνὶ al posto di ἐπὶ, rendono impossibile ogni confusione con le espressioni omeriche sopra citate.“ Zu Jason-Rede s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185). Zu Peleus vgl. Glei (Bd. 2, 1996) 184, Anm. 46: „Die Helden, die der Kraft der Fäuste mehr vertrauen als der Klugheit, sind einschlägig bekannt: Peleus, Telamon, Idas, Kastor und Polydeukes.“ 297

3, 520: Der junge Meleagros, der sich unter anderen Helden meldet, um an Jasons Stelle die Aufgabe des Athlos zu übernehmen, zieht seinen Mut aus seiner Körperkraft: τοίῳ οἱ ἀείρετο κάρτεϊ θυμός.1243 Motivisch weist 3, 518–20 auf H 161–69 hin, wo die Helden der Achaier sich nach der Mahnrede des Nestor erheben, um sich einem Zweikampf mit Hektor zu stellen.1244 Meleagros wird im Katalog als ἀλκήεις vorgestellt (1, 191).1245 Er tut sich im ersten Buch im Kampf gegen die Dolionen hervor (1, 1046).1246 3, 849–50: Das Zaubermittel, heißt es, bewirke eine Überlegenheit an Kraft für einen Tag: ἀλκῇ / λωίτερος κεῖν’ ἦμαρ ὁμῶς κάρτει τε πέλοιτο.1247 Bei Homer begegnet der limitative Dativ κράτεϊ / κάρτεϊ an zwei Stellen, um die Überlegenheit einer Person an Macht oder Gewalt auszudrücken: ὅ τε κράτεϊ προβεβήκηι (Π 54), κάρτεΐ τε σθένεΐ τε διακριδὸν εἶναι ἄριστος (O 108). Motivisch vergleichbar ist die Hervorhebung des Agamemnon durch Zeus für einen Tag in B 482–83 (τοῖον ἄρ’ Ἀτρείδην θῆκε Ζεὺς ἤματι κείνωι / ἐκπρεπέ’ ἐν πολλοῖσι καὶ ἔξοχον ἡρώεσσιν.1248 3, 1262: Nach der Anwendung des Zaubermittels freut sich Jason über seine Stärke: τοῖος ἄρ’ Αἰσονίδης ἐπαγαίετο κάρτεϊ γυίων. Die Junktur κάρτεϊ γυίων ist eine variatio der homerischen Junktur κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9).1249 Das Verb ἐπαγαίομαι ist zum ersten Mal bei Apollonios belegt.1250 Auch die kausale Verwendung des Dativs κάρτεϊ ist unhomerisch. Die folgenden Belege finden sich auf der sekundären narrativen Ebene wie das folgende Aition, in dem κράτος die Kampfkraft eines Heeres bezeichnet, auf die Pharao Sesostris sein Vertrauen setzt: … βίῃ καὶ κάρτεϊ λαῶν / σφωιτέρων θάρσει τε πεποιθότα (4, 273–74).1251 An den zwei weiteren Stellen hat κράτος die Bedeutung ‚Gewalt‘ im Sinne von ‚Macht‘: Im Lied des Orpheus ist κράτος die Macht über den Olymp, die Ophion und Eurynome zunächst innehatten und dann an Kronos und Rhea abtreten mussten: Ἤειδεν

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Zum instrumentalen Dativ κράτεϊ/κάρτεϊ s. zu 1, 384. Vian (Bd. 2, 1980) 126. Zu ἀλκήεις vgl. Anm. 1089. Vgl. dagegen Glei (Bd. 2, 1996) 184, Anm. 46: „Nur der junge Meleagros war noch nicht hervorgetreten […] und wird dies auch in Zukunft nicht.“ Mit anderen Worten wird dieses Thema in den Anweisungen Medeas wiederholt (3, 1043–50), s. dazu unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 1043) und 16e. (σθένος, zu 3, 1044). Vgl. Vian (Bd. 2, 1980) 86, Anm. 4: „Les v. 846–850 seront développés dans les prescriptions de Médée (v. 1029–1051).“ Zu λωίτερος und ὁμῶς s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 850). Ardizzoni (1958) 199 weist darauf hin, dass der Ausdruck κεῖν’ ἦμαρ in den Argonautika noch an vier weiteren Stellen vorkommt (1, 278; 2, 760; 1029; 4, 1622) und vermutlich auf den ähnlichen homerischen Ausdrücken αὐτῆμαρ (Α 81, bei Apollonios auch in 3, 1050) παντῆμαρ (ν 31), πᾶν δ’ ἦμαρ (Σ 453) basiert. Vgl. außerdem ἐν δὲ βίην ὤμοισι καὶ ἐν γούνεσσιν ἔθηκεν (P 569). S. LSJ s.v. S. dazu unter 16b. (βίη).

δ’ ὡς πρῶτον Ὀφίων Εὐρυνόμη τε / Ὠκεανὶς νιφόεντος ἔχον κράτος Οὐλύμποιο (1, 503–4).1252 Die Wendung ἔχω κράτος hat kein homerisches Vorbild, findet sich aber in der Tragödie (πᾶν κράτος ἔχων χθονός (Aischyl. Hik. 426), τῆς καλλικάρπου κράτος ἔχων Πελασγίας (Eur. Herkl. 464)) und bei Herodot (κράτος ἔχοντα (3, 69, 2; 8, 2, 2)).1253 In 4, 803–4 gibt Hera eine Erklärung für Zeus’ Verzicht auf Thetis: der Grund sei die Angst vor dem Verlust seiner Herrschaft: … μή τις ἑοῦ ἀντάξιος ἄλλος ἀνάσσοι / ἀθανάτων, ἀλλ’ αἰὲν ἑὸν κράτος εἰρύοιτο.1254 Sprachliches Vorbild ist vermutlich M 214, wo Polydamas über die Autorität Hektors als Feldherr spricht: σὸν δὲ κράτος αἰὲν ἀέξειν.1255 Einen Tendenz zur Bedeutung ‚Kraft‘ als ‚Macht des Herrschers‘ weist κράτος auch bereits an einigen weiteren Belegstellen der Ilias auf (z.B. B 118, I 25) doch wird das Wort in der Odyssee häufiger in diesem Sinn gebraucht (z.B. α 359, ε 4, ζ 197, λ 353).1256

Zusammenfassung An 9 von 12 Stellen steht κράτος in den Argonautika im Dativ. Homerische Junkturen werden übernommen, z.B. viermal κάρτεϊ χειρῶν, einmal πίσυνοι κάρτεϊ, und mehrmals von der homerischen Kriegssphäre auf die Seefahrt übertragen: So ist κράτος an vier Stellen die Kraft, die zum Rudern eingesetzt wird. Dreimal begegnet κράτος in Aitien oder Analepsen, davon zweimal mit der Bedeutung ‚Macht‘. Als Kampfkraft steht κράτος einmal in der Faustkampf-Szene, viermal im Kontext des Athlos, davon einmal in einer hypothetischen Rede. An keiner Stelle wird das Wort in der Schilderung eines kriegerischen Kampfes auf der Erzählebene gebraucht.

d. μένος Das Wort μένος kommt bei Homer mit insgesamt 183 Stellen sehr häufig vor (Ilias 136, Odyssee 47 Stellen) und bezeichnet körperliche Energie und Elan, aber auch den (aggressiven) inneren Drang.1257 μένος ist also nicht die aktuell wirkende Körperkraft,

1252 S. zu dieser Stelle auch unter 16b. (βίη). 1253 Glei (Bd. 1, 1996) 29 dagegen übersetzt κράτος ἔχειν mit ,Gipfel bewohnen‘. Die Phrase ἔχον κράτος Οὐλύμποιο erinnert an die Formel Ὀλύμπια δώματ’ ἔχοντες/ ἔχουσαι/ἐχόντων, die im frühgriechischen Epos oft belegt ist (13 Stellen bei Homer (z.B. A 18), 9 Stellen bei Hesiod, z.B. theog. 75. 1254 Die Konstruktion ἀλλ’ αἰὲν ἑὸν κράτος εἰρύοιτο ist lt. Mooney (1912) 348 elliptisch durch das Fehlen von ὄφρα: „that he might guard his power for ever“. Ebenso Livrea (1973) 239: „che richiederebbe un ὄφρα“. Auch Pompella (2002) 389 nimmt in seiner Übersetzung eine Ergänzung vor: „sed - ut – semper imperium servaret“. 1255 Livrea (1973) 239: „Tale licenza si spiega forse con il desiderio di echeggiare un enoplio come M 214 …“ 1256 B. Mader, LfgrE 2, 1528, 23–35. 1257 R. Führer, LfgrE 3, 137, 27–34: „unbändige […] pot. […] Energie (im Ggs. zu ἐρωή, ἰωή, ὁρμή, ῥιπή als kinet.), elementare […] Gewalt (als dynam. Potenz im Ggs. zu κράτος als empir. Stärke), vitaler Elan […] spontaner Drang […] spez. 299

sondern die potentielle Tatkraft, d.h. die noch nicht freigesetzte Energie und speziell auf die kriegerische Betätigung bezogen die ‚Kampfeswut‘. In der Ilias steht das Wort an den meisten (101 von 136) Stellen im kriegerischen Kontext. In der Odyssee dagegen überwiegt mit 38 von 47 Stellen die nicht-kriegerische Verwendung, und μένος wird auch als ,Kraft‘ von Tieren, Naturgewalten wie Feuer und Winden (z.B. E 524, Ψ 177, ε 478, κ 160) oder in Periphrasen für Personen, z.B. Alkinoos (11 Stellen, z.B. η 167, θ 2), gebraucht. In den Kampfbeschreibungen der Ilias fällt die häufige Beteiligung einer Gottheit auf, die das μένος einem Krieger einflößt, es vergrößert oder hemmt.1258 Je nach Situation kann μένος entweder der Mut oder die Energie zu Angriff und Kampf sein, aber auch die Wut, die Angriffslust oder der Rachedurst.1259 Oft begegnet μένος in Reden (Ilias 55, Odyssee 22 Stellen).

[…] Kampfeswut […], selten Zorn“. LSJ s.v. I.1: „might, force […] 2. of animals, strength, fierceness, […] 3. of things, force, might, […] 4. life, […] II. of the soul, spirit, passion, […] 2. intent, purpose“. Irmscher (1950) 13: „Dieses μένος bezeichnet die Energien im Menschen, die das Leben ausmachen, den ‚Drang‘, die Tatkraft, die Aktivität […] ja wird gar auf die wesenhaft gedachte Lanze bezogen (Ν 444). Da solche Lebensenergie sowohl die körperlichen wie auch die geistig-seelischen Kräfte des Menschen erfaßt, findet μένος auf beide Bereiche, die erst späteres dualistisches Denken von einander absetzte, Anwendung“. Die Auffassung, dass μένος nicht körperlich, sondern rein psychisch aufzufassen sei, vertreten Fränkel (1927) 382 („Verfehlt ist hier ,might‘ für μένος […]. Μένος, das früher vielfach auch bei uns mit ‚Kraft‘ übersetzt wurde […] bezeichnet ‚die Seele‘ […] und gewisse intensive Seelenzustände […]; allenfalls das ‚Leben‘ als dem Leibe innewohnende Seele, nie aber Körperkraft.“) und ihm folgend Böhme (1929) 11, der μένος zu den „Seelenbezeichnungen […] die sich in körperlicher Bedeutung nicht nachweisen lassen“ zählt und zu der Definition des Wortes (ebd. 16) kommt: „μένος ist also Aktivität, ist Wille, ,Drang zum Handeln‘ und ist als solcher sehr häufig mit körperlicher Kraft verbunden, ja scheint manchmal sie allein zu bezeichnen. Aber eine primäre körperliche Bedeutung des Wortes μένος darf man daraus nicht erschließen.“ Eder (1939) 77: „Das Wort wird festgelegt als ,Drang körperlicher und seelischer Art‘, es ist nicht Seele selbst, sondern eine Funktion von ihr.“ B. Mader, LfgrE 2, 58, 44–45: „eher seel. Impuls mit Auswirkg. auf die körperl. Leistungsfähigk.“ Latacz (1966) 22 fasst μένος „als körperliches Symptom“ auf: „eine körperliche drängende Kraftempfindung“. Jahn (1987) 44 beruft sich auf die Ergebnisse von Fränkel und Latacz, stellt aber bei der Analyse von μένος bei Homer fest, dass die „Bedeutung dieses Lexems im Bereich ‚körperlich-materielle Kraft, Aktivität, Energie‘ liegt“, und kommt zum Schluss, dass es „seinen Platz nicht in der innerlich-psychischen, sondern in der äußerlich-körperlichen Ebene hat.“ 1258 R. Führer, LfgrE 3, 138, 50–139, 57. 1259 R. Führer, LfgrE 3, 140, 6–8 interpretiert μένος an 22 Ilias- und 3 Odysseestellen als „krieg. Impetus, der vorangetragen wird, aufeinanderprallt, dem man ausgesetzt ist bzw. den man niederringt“, aber auch die meisten anderen Belegstellen der Ilias stehen im kriegerischen Kontext. Böhme (1929) 15–16: „Μένος kommt am häufigsten vor bei Kampfbeschreibungen. Als ,Vorwärtstragen des μένος‘ erscheint der 300

Bei Apollonios ist das Wort an 11 Stellen belegt. Mehrmals begegnet μένος in Zusammenhang mit der Seefahrt: 1, 542–43: Die Argonauten setzen ihre Kraft beim Rudern ein: Ἀφρῷ δ’ ἔνθα καὶ ἔνθα κελαινὴ κήκιεν ἅλμη / δεινὸν μορμύρουσα ἐρισθενέων μένει ἀνδρῶν. Die Junktur μένος ἀνδρῶν begegnet bei Homer viermal (Ilias 3, Odyssee 1) und bezeichnet an den drei Iliasstellen die Kampfeswut der Krieger in der Schlacht, z.B. in dem Iteratvers σύν ῥ’ ἔβαλον ῥινούς, σὺν δ’ ἔγχεα καὶ μένε’ ἀνδρῶν (Δ 447, Θ 61).1260 Das Adjektiv ἐρισθενής bedeutet ‚überaus stark, gewaltig‘ und wird im frühgriechischen Epos nur als Epitheton für Götter gebraucht, bei Homer viermal für Zeus (N 54, T 355, Φ 184, θ 289), bei Hesiod auch viermal für Zeus (z.B. theog. 4), einmal für Poseidon (fr. 150, 27 MW)). Zusätzlich zur Anlehnung an die homerische Kriegsphäre durch μένει ἀνδρῶν versieht Apollonios die Helden mit diesem starken Epitheton,1261 das besonders bei der Tätigkeit des Ruderns, die hier noch nicht einmal in einer Gefahrensituation stattfindet, überzogen wirkt. Es zeigt sich also auch hier die Absicht, die Seefahrt generell und das Rudern an dieser Stelle speziell als Heldentat darzustellen.1262 2, 612–14: Der Argo wurde beim Bau von Athene Kraft eingehaucht: Ἀθήνη, / ἥ οἱ ἐνέπνευσεν θεῖον μένος, εὖτέ μιν Ἄργος / γόμφοισιν συνάρασσε. Die Junktur θεῖον μένος ist ohne Vorbild und auch nach Apollonios erst in christlicher Literatur belegt.1263 Sprachlich vergleichbar ist Hesiod, theog. 31–32 in der überlieferten Lesart: ἐνέπνευσαν δέ μοι αὐδὴν / θείην.1264 Die Vorstellung des von einer Gottheit aktivierten μένος ist homerisch: An 36 Stellen wird Kriegern oder auch Pferden μένος durch einen Gott eingeflößt oder vergrößert. Die Junktur ἐμπνέω μένος beschreibt bei Homer an 8 Stellen (Ilias 7, Odyssee 1) das Einhauchen von μένος durch einen Gott, z.B. ω 520 (καί ῥ’ ἔμπνευσε μένος μέγα Παλλὰς Ἀθήνη), wo Athene dem Laertes Kraft für den Kampf einhaucht, Ρ 456 (ὣς εἰπὼν ἵπποισιν ἐνέπνευσεν μένος ἠΰ) und Ω 442 (ἐν δ’ ἔπνευσ’ ἵπποισι καὶ ἡμιόνοις μένος ἠΰ), wo Zeus und Hermes Pferden Kraft für einen schnellen Lauf einhauchen. An diese Stellen erinnert Athenes Intervention in den Argonautika. Direkt nach der mit Athenes Hilfe geglückten Durchfahrt durch die Symplegaden wird die Schnelligkeit der Argo thematisiert. Dass ein Vergleich der Argo mit homerischen Kriegspferden intendiert

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Angriff; als Vermengung von μένος und χεῖρες, als Zusammentreffen der Waffen und des μένος erscheint der Kampf.“ Irmscher (1950) 13: „Das Lebenselement des heroischen Menschen sind Kampf und Sieg; als Streben nach Selbstbehauptung äußert sich daher seine Lebensenergie zu allermeist.“ Vgl. LSJ s.v. II.1: „μ. ἀνδῶν the battle-rage of men“. Außerdem in 1, 41 für die Lapithen, s. dazu unter 1g. (π(τ)ολεμίζω). S. dazu unter 16c. (κράτος/κάρτος) und 15r. (Die Symplegaden-Episode). Bernsdorff (2001) 78 nennt 1, 543 in einer Reihe von Passagen, die die Auffassung des Ruderns als heroische Tätigkeit, „in der sich typisch heroische Qualitäten, nämlich Kraft und Ausdauer beweisen“, aufzeigt. Gregor von Nazianz (carmina dogmatica 408, 11). Die meisten Editoren haben für diese Stelle die Konjektur von Goettling θέσπιν (statt θείην) übernommen, vgl. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 988, 32–35. 301

ist, zeigen weitere Analogien: Die Pferde, denen Zeus Kraft eingibt (s.o. Ρ 456), sind die unsterblichen Pferde des Achill, ein Geschenk der Götter an Peleus (Π 381, 867, Ρ 443–44). Auch sie können sprechen (T 392–424) wie die Argo (4, 580–83).1265 Auch sie haben daher bereits etwas Göttliches in sich ebenso wie die Argo, die nach den Anweisungen Athenes gebaut wurde (1, 19) und einen von Athene eingesetzten göttlichen Holzbalken enthält (δόρυ θεῖον (1, 526–27), vgl. auch 4, 581–83). Auch die Pferde benötigen trotzdem noch die situationsbedingte zusätzliche Hilfe eines Gottes wie die Argo die Hilfe Athenes bei den Symplegaden. Durch das Einhauchen des μένος verstärkt Apollonios zudem das Bild der Argo als Lebewesen, das bereits durch die Beschreibung ihrer Sprachfähigkeit entwickelt wurde, und schafft damit einen weiteren Bezug zu den Pferden. 2, 1098: Auch die Kraft des Nordwinds, dessen Wehen zum Schiffbruch der PhrixosSöhne führt, entsteht durch Götterintervention: Ζεὺς δ’ ἀνέμου βορέαο μένος κίνησεν ἀῆναι. Bei Homer wird μένος einmal von Winden gebraucht: μένος Βορέαο καὶ ἄλλων / ζαχρειῶν ἀνέμων (E 524–25).1266 Im Gleichnis werden die Danaer, die angesichts des Kampfes furchtlos stehen, mit Wolken verglichen, die fest auf den Bergen verharren, obwohl die zur Zeit noch ruhigen Winde bereits im Begriff sind, sie mit ihrem Wehen zu zerstreuen. Apollonios versetzt Thema und Wortlaut des Gleichnisses, das in der Ilias zur Illustration eines Heeres kurz vor dem Angriff dient, auf die Primärebene der Argonautika mit den Winden als Träger der Handlung. Da das homerische Gleichnis in einen kriegerischen Kontext der Erzählung eingebettet ist, wird durch die Anspielung auf die singuläre Junktur μένος Βορέαο eine kriegerische Atmosphäre erzeugt. 2, 1108–9: Beim Schiffbruch selbst begegnet μένος in derselben Verwendung: Ἱστία δ’ ἐξήρπαξ’ ἀνέμου μένος ἠδὲ καὶ αὐτὴν / νῆα διάνδιχ’ ἔαξε, τινασσομένην ῥοθίοισιν. Das Motiv des vom Wind zerrissenen Segels ist aus der Odyssee bekannt (ι 71).1267 Weitere Belegstellen finden sich in der Faustkampf-Episode: 2, 44–45: Die Kraft und Angriffswut des noch jungen Polydeukes werden betont: ἀλλά οἱ ἀλκὴ / καὶ μένος ἠύτε θηρὸς ἀέξετο. μένος begegnet auch bei Homer einmal in Verbindung mit ἀέξω:1268 Dort dient Wein zur Stärkung für die Schlacht: ἀνδρὶ δὲ κεκμηῶτι μένος μέγα οἶνος ἀέξει (Z 261). Eine weitere Parallele findet sich in der 1265 S. dazu unter 15d. (ἐνοπή) und 15l. (ἰάχω). 1266 Außerdem begegnet ἀνέμων μένος zweimal bei Hesiod, und zwar in der Junktur ἀνέμων μένος ὑγρὸν ἀέντων (erg. 625, theog. 869). Vgl. außerdem βίας ἀνέμων (Π 213, Ψ 713). 1267 In ι 71 wird dafür die Junktur ἲς ἀνέμοιο verwendet: ἱστία δέ σφιν / τριχθά τε καὶ τετραχθὰ διέσχισεν ἲς ἀνέμοιο (ι 70–71). Als weitere Analogie zwischen dem Odysseevers und der Argonautikastelle stellt Vian (Bd. 1, 1976) 229, Anm. 4, den Überfluss an Gutturallauten fest: „On notera l’harmonie imitative due à l’abondance des gutturales dans les v. 1108s.; on relève un effet analogue en ι 71.“ Vgl. außerdem μ 409–10, wo Schiffstaue vom Wind zerrissen werden. 1268 Zum Gebrauch von ἀέξω und zur Verbindung von ἀλκή und μένος s. unter 16a. (ἀλκή). 302

Theogonie Hesiods. Dort wird über den heranwachsenden Zeus gesagt: Καρπαλίμως δ’ ἄρ’ ἔπειτα μένος καὶ φαίδιμα γυῖα / ηὔξετο τοῖο ἄνακτος (theog. 492–93). 2, 68–69: Zu Beginn des Faustkampfes richten die Kämpfer ihre Kräfte gegen­ einander: αὐτίκ’ ἀνασχόμενοι ῥεθέων προπάροιθε βαρείας / χεῖρας, ἐπ’ ἀλλήλοισι μένος φέρον ἀντιόωντες. Die Wendung μένος φέρειν ist homerisch und beschreibt in E 506 (οἳ δὲ μένος χειρῶν ἰθὺς φέρον) und Π 602 (μένος δ’ ἰθὺς φέρον αὐτῶν) einen Angriff in der Schlacht.1269 Mit den Worten ἀλλ’ ἄγε δὴ πρόφερε κρατερὸν μένος (K 479) fordert Odysseus Diomedes zum Kampf auf.1270 Die Verbindung von μένος und ἀντιάω begegnet in anderer syntaktischer Konstruktion in der Phrase δυστήνων δέ τε παῖδες ἐμῶι μένει ἀντιόωσιν (Z 127, Φ 151, vgl. auch Φ 431) jeweils in einer Homilie eines Kriegers vor einem Zweikampf. Ein Prätext ist auch der Faustkampf zwischen Euryalos und Epeios im 23. Gesang der Ilias. So scheint die Formulierung αὐτίκ’ ἀνασχόμενοι ῥεθέων προπάροιθε βαρείας / χεῖρας ihr Vorbild in Ψ 686–87 zu haben: ἄντα δ’ ἀνασχομένω χερσὶ στιβαρῆισιν ἅμ’ ἄμφω / σύν ῥ’ ἔπεσον, σὺν δέ σφι βαρεῖαι χεῖρες ἔμιχθεν.1271 Sprachliche Ähnlichkeiten bestehen zudem zur Schilderung des Kampfes zwischen Polydeukes und Amykos bei Theokrit: Der Phrase ἐπ’ ἀλλήλοισι μένος φέρον ἀντιόωντες entspricht etwa eid. 22, 82: ἐς μέσσον σύναγον φόνον ἀλλήλοισι πνέοντες.1272 In der Rede des Phineus wird mit μένος die Intensität des Gestanks der Harpyien bezeichnet: πνεῖ τόδε μυδαλέον τε καὶ οὐ τλητὸν μένος ὀδμῆς (2, 229). Bei Homer beschreibt μένος an einigen Stellen die Energie elementarer Naturgewalten wie Feuer, Wind und Wasser.1273 Sonst aber wird das Wort nur für Lebewesen gebraucht. Apollonios gibt dem μένος ὀδμῆς zwei ungewöhnliche Epitheta, μυδαλέος und οὐ τλητός. Das Adjektiv μυδαλέος, ‚nass, tropfend‘, ist hapax bei Homer und steht dort 1269 Vgl. außerdem Heras Worte zu Artemis in der Götterschlacht: χαλεπή τοι ἐγὼ μένος ἀντιφέρεσθαι (Φ 482). 1270 Außerdem in den Worten Athenes über Aphrodite in Φ 431: ἦλθεν Ἄρηι ἐπίκουρος ἐμῶι μένει ἀντιόωσα· 1271 Durch die Verwandtschaft zwischen Euryalos und Talaos, der in den Argonautika der Sekundant des Polydeukes ist (s. dazu unter 16a. (ἀλκή, zu 2, 63–64)), wird der Zusammenhang inhaltlich angedeutet. Vgl. Vian (Bd. 1, 1976) 179, Anm. 1. Ψ 687 ist wohl auch Vorbild für 2, 78 (χεῖρας ἔμιξεν). Zum Vergleich der Faustkampfszene in den Argonautika (2, 63–96) mit ebensolchen Szenen in Ilias (Ψ 681–91) und Odyssee (σ 56–99) s. Knight (1995) 70–72. 1272 Hinweis auf Ψ 686–87 und eid. 22, 82 bei Vian (Bd. 1, 1976) 179, Anm. 1 und 2. Köhnken (1965) 88 weist zudem auf das „sehr ähnliche Enjambement“ βοείας / χεῖρας in eid. 22, 80–81 im Vergleich zu βαρείας / χεῖρας in 2, 68–69 hin und zeigt (ebd. 89, Anm. 1) den inhaltliche Unterschied zwischen 2, 69 und eid. 22, 82 auf, „daß bei T. (82) die beiden Gegner φόνον ἀλλήλοισι πνέοντες aufeinander losgehen, Amykos am Ende jedoch sein Leben behält, während es bei A. (69) viel harmloser und sportlicher heißt ἐπ’ ἀλλήλοισι μένος φέρον ἀντιόωντες, Amykos aber am Ende mit dem Kampf zugleich sein Leben verliert.“ Zur Diskussion über die Frage der Priorität s. Köhnken (1965) 84–87 und 118–21. 1273 R. Führer, LfgrE 3, 142, 40–71. 303

in einer Beschreibung des Zeus, der mit Blut getränkten Tau von Himmel herabschüttet, eine Szene, die den Schlachtbeginn im elften Gesang der Ilias markiert: ἐν δὲ κυδοιμόν / ὦρσε κακὸν Κρονίδης, κατὰ δ’ ὑψόθεν ἧκεν ἐέρσας / αἵματι μυδαλέας ἐξ αἰθέρος (Λ 52–54). Bei Apollonios erfährt das Wort einen Bedeutungswandel, es heißt hier ‚modrig, faulig‘,1274 und wird an drei Stellen verwendet, z.B. steht es in 2, 191, auch im Kontext der Harpyien-Episode, als Epitheton direkt neben ὀδμή. Die Eigenschaft der blutigen, todverheißenden Flüssigkeit in der Ilias wird also in den Argonautika auf Gestank übertragen. Dies spielt auf den Wechsel von der altepischen Kriegssphäre zur Konfrontation mit abstoßenden Fabelwesen an. Die Wendung μένος πνεῖν ist homerisch, begegnet z.B. in der formelhaften Klausel μένεα πνείοντες Ἀχαιοί (Γ 8, Λ 508, Ω 364, vgl. außerdem Β 536, χ 203) und steht immer im kriegerischen Kontext. Die Übertragung auf die Ausdünstung der Harpyien wirkt wie eine Parodie auf diese Formel. Denn während aus den kampfbegierigen Kriegern der Ilias förmlich die Kampfkraft herausströmt, entströmt in den Argonautika den von den Harpyien berührten Speisen ein kräftiger Gestank. Im Gegensatz dazu wird μένος in 2, 613 nicht ausgeatmet, sondern der Argo eingehaucht (ἐνέπνευσεν θεῖον μένος).1275 Ebenso erhalten die Gegner der Harpyien, die Boreaden, μένος von Zeus: Ἐν γὰρ ἕηκε / Ζεὺς μένος ἀκάματόν σφιν (2, 274–75). Die Junktur μένος ἐνίημι beschreibt bei Homer an sieben Stellen das Eingeben von μένος, z.B. ἐν γὰρ Ἀθήνη / ἵπποις ἧκε μένος (Ψ 399–400), wo Athene die Pferde beim Wagenrennen mit μένος zur Steigerung ihrer Schnelligkeit versieht. An vier weiteren Iliasstellen gibt ein Gott Pferden μένος ein, davon zweimal im unmittelbaren kriegerischen Kontext (P 451, 456).1276 Die Schnelligkeit der Boreaden spielt eine große Rolle bei der Verfolgung der Harpyien. Dieser Aspekt wird durch den Bezug zu den Homerstellen hervorgehoben. Ein weiterer Prätext findet sich bei Ps.-Hesiod: ἐν γάρ σφιν μένος ἧκε θεὰ γλαυκῶπις Ἀθήνη (asp. 343). Auch hier werden Pferde durch Athene mit μένος versehen. Die einzige Belegstelle für die Junktur ἀκάματον μένος vor Apollonios begegnet in einem Hesiod-Fragment: ἀκάματον δέ οἱ ὦρσε θεὰ μένος (fr. 294, 3 MW). Dort ist μένος die von Hera gegebene Energie zur Wachsamkeit des Argos. Das Adjektiv ἀκάματος steht bei Homer ausschließlich (Ilias 8, Odyssee 2 Stellen) als Epitheton zu πῦρ, meistens im kriegerischen Kontext.1277 Die Verbindung von μένος und Feuer, die durch das gemeinsame Epitheton ἀκάματος an den genannten Parallelstellen zum Ausdruck kommt, begegnet auch im vierten Buch der Argonautika, an der das Feuer des Hephaistos, das Hera 1274 LSJ s.v. II: „mouldy“ mit Arg. 2, 191 als einziger Belegstelle. In 2, 1106 hat das Wort die bei Homer belegte Bedeutung. 1275 S. oben (zu 2, 613). Zur Harpyien-Episode s. auch unter 15q. (Die Harpyien). 1276 S. auch zu 2, 613. 1277 In der Ilias ist das ἀκάματον πῦρ ein zu Kampfzwecken eingesetztes Feuer (z.B. Ο 598, 731), außerdem dient es zweimal zur Beschreibung der furchterregenden Erscheinung eines kriegerischen Helden (Ε 4, Σ 225), einmal steht es in einem Gleichnis, das eine Massenflucht illustriert (Φ 13), einmal ist es ein Totenfeuer (Ψ 52). 304

zur Sicherheit der Argo zurückhalten möchte, als πυρὸς μένος beschrieben wird (4, 818–19; 4, 834–35). Die Junktur πυρὸς μένος kommt bei Homer an 6 Stellen vor und bezeichnet viermal ein Totenfeuer, einmal auch die Kriegswut Hektors, die im Unterschied zu den Feuern des Hephaistos in den Argonautika nicht aufgehalten werden kann: ἀλλ’ Ἕκτωρ πυρὸς αἰνὸν ἔχει μένος, οὐδ’ ἀπολήγει / χαλκῶι δηιόων (P 565–66). Zweimal begegnet μένος im Kontext des Athlos: In 3, 407 ist μένος die Kraft Jasons, die Aietes auf die Probe stellen will: Πεῖρα δέ τοι μένεός τε καὶ ἀλκῆς ἔσσετ’ ἄεθλος …1278 In 3, 752–53 versetzt die Kraft der Stiere die schlaflose Medea in Furcht um Jason: πολλὰ γὰρ Αἰσονίδαο πόθῳ μελεδήματ’ ἔγειρε / δειδυῖαν ταύρων κρατερὸν μένος, … Das Epitheton κρατερός taucht bei Homer sechsmal neben μένος auf. Ein ταύρου μένος begegnet einmal in Hesiods Theogonie (832), einmal bei Herodot (οὐ γὰρ τὸν ταύρων σχήσει μένος οὐδὲ λεόντων ἀντιβίην (7, 220, 4).1279 Das Motiv der Furcht oder Flucht vor einem μένος findet sich auch bei Homer: Αἴαντος προφυγόντα μένος (H 309), οὐδὲ σύ γ’ ἔδδεισας μένεα πνείοντας Ἀχαιούς (Ω 364). Das Synonym βίη steht an einer Stelle als Objekt zu δείδω: οἳ δὲ καὶ αὐτοί / οὔτε βίας Τρώων ὑπεδείδισαν οὔτε ἰωκάς, … (E 520–21).1280 Alle diese Homerstellen stehen im kriegerischen Kontext. D.h. das μένος, das gefürchtet oder vor dem geflohen wird, ist die kriegerische Kampfwut des Gegners. In den Argonautika dagegen wird die Furcht einer Frau vor der Kraft der Fabelwesen beschrieben, der sie nicht mit Gegenkraft, sondern mit List und Zauberei begegnet.

Zusammenfassung Das Wort μένος steht im Unterschied zu ἀλκή oft in homerischen Junkturen, z.B. μένος ἀνδρῶν, πυρὸς μένος, ἐνέπνευσεν μένος, μένος φέρον, ἐν γὰρ ἕηκεν μένος. Mit ἀνέμου βορέαο μένος greift Apollonios zweimal auf eine bei Homer singuläre Junktur zurück. Formulierungen, die bei Homer im kriegerischen Kontext oder in einem Gleichnis, das eine Kampfszene illustriert, stehen, werden bei Apollonios in Seefahrtsszenen eingesetzt, aber auch im Kontext des Faustkampfes, des Athlos und der Harpyien-Episode. Unhomerisch und ohne Vorbild ist μένος als Kraft des Gestanks der Harpyien in 2, 229 (πνεῖ τόδε μυδαλέον τε καὶ οὐ τλητὸν μένος ὀδμῆς).1281 Diese Stelle fällt besonders durch den Kontrast zum homerischen ἐνέπνευσεν μένος ἠΰ (Ρ 456) und zu ἐνέπνευσεν θεῖον μένος bei Apollonios selbst (2, 613) auf.

1278 Zu dieser Stelle s. unter 16a. (ἀλκή). 1279 In Verbindung mit Stieren findet sich μένος in der Odyssee: Dort beschreibt die Phrase λῦσεν δὲ βοὸς μένος die Tötung eines Opfertieres (γ 450). 1280 Zur Erklärung der Form δειδυῖαν bei Apollonios s. Marxer (1935) 21. 1281 S. TLG, Bd. V, 787. 305

e. σθένος Das Wort σθένος, bei Homer an 37 Stellen in der Ilias, aber nur an 4 Stellen in der Odyssee belegt, bedeutet ‚Körperkraft‘ sowohl einzelner menschlicher oder göttlicher Personen als auch von Gruppen,1282 die meist auf der Erzählebene, aber auch in Reden (Ilias 11, Odyssee 3 Stellen) erwähnt wird. Als physische Kraft von Tieren und Naturgewalten begegnet σθένος ausschließlich in Gleichnissen (7 Iliasstellen).1283 An 27 Ilias- und einer Odysseestelle steht das Wort im kriegerischen Kontext.1284 An sieben Stellen ist σθένος Teil einer Namens-Periphrase, davon fünfmal nicht im kriegerischen Kontext. Dreimal wird die Macht des Zeus beschrieben (z.B. Θ 32).

Bei Apollonios ist σθένος an 11 Stellen belegt: Homerisch wirkt die Periphrase des Herakles beim Aufbruch der Argonauten in 1, 531–32: Μέσσῳ δ’ Ἀγκαῖος μέγα τε σθένος Ἡρακλῆος / ἵζανον, … Die zahlreichen Herakles-Periphrasen bei Homer (z.B. βίη Ἡρακλῆος (Σ 117), βίηι Ἡρακληείηι (B 658, vgl. dazu auch 1, 122: βίην Ἡρακλῆος)) sind jedoch nicht mit σθένος gebildet. Die Junktur σθένος Ἡρακλῆος ist eine variatio der singulären homerischen Periphrase βίη Ἡρακλῆος (Σ 117), die auch in 1, 122 wörtlich, aber an anderer metrischer Position begegnet.1285 Die Junktur μέγα σθένος taucht bei Homer an sieben Stellen auf (Ilias 6, Odyssee 1), davon dreimal in Periphrasen, z.B. μέγα σθένος Ὠκεανοῖο (Σ 607), ebenso einmal im Frauenkatalog Hesiods: μέγα σθ̣ένος̣ Ἰ̣δ̣ο̣μ̣[ενῆος (fr. 204, 56 MW). Der Wortlaut μέγα τε σθένος (s. auch in 2, 1204; 3, 1044) ist aus θ 136 zitiert: Dort spricht Laodamas bei den Phäaken über die Stärke des Odysseus: αὐχένα τε στιβαρὸν μέγα τε σθένος. Ähnlich wie in 1, 122 kombiniert Apollonios seine Herakles-Periphrase aus mehreren Vorbildern. Damit betont er nicht nur den altepischheroischen Charakter des Helden, sondern übersteigert ihn auch. Auf ironische Weise wird diese überladene Darstellung durch das Gewicht des Herakles, das die Argo tief ins Wasser senkt (1, 532–33), illustriert.1286 Wie βίη und κράτος begegnet auch σθένος als Krafteinsatz beim Rudern, speziell in der Symplegaden-Episode: Εὔφημος δ’ ἀνὰ πάντας ἰὼν βοάασκεν ἑταίρους / ἐμβαλέειν κώπῃσιν ὅσον σθένος, … (2, 588–89). Der Ausdruck ὅσον σθένος ist zum ersten Mal bei Aischylos belegt (Pers. 167), dann bei Theokrit (eid. 1, 42), und kommt 1282 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 112, 35–114, 34: „bodily strength (1), vital force (2), a force of men (3)“. Eder (1939) 23: „Zunächst heißt σθένος beim Menschen die Körperkraft.“ 1283 J.N. O’ Sullivan, LfgrE 4, 113, 58–114, 10. 1284 Eder (1939) 24: „Häufig äußert sich diese Kraftveranlagung im Kampf, entweder indem man eine aggressive Kampfhandlung ausführt oder sich gegen die anstürmende Kampfkraft verteidigt.“ 1285 S. dazu unter 16b. (βίη). Die Periphrase σθένος Ἡρακλῆος wird dann von Quintus Smyrnaeus zweimal imitiert: 3, 772; 6, 199. 1286 Natzel (1992) 197–98: „Herakles’ Heldentum erweist sich dadurch als zwar großartig, aber doch anachronistisch“ - „Burlesk wirkt auch die Angabe, daß Herakles [μέγα τε σθένος Ἡρακλῆος 1,531] in der Mitte der Argo sitzen mußte, offenbar weil sie sonst Schlagseite bekommen hätte.“ 306

bei Apollonios an drei weiteren Stellen vor, an denen Figuren ihre Unterstützung für das Unternehmen versichern: 1. Argos, als er sich mit seinem Bruder den Argonauten anschließt: … ἡμέτερον μὲν ὅσον σθένος οὔ ποτ’ ἀρωγῆς / σχήσεται οὐδ’ ἠβαιόν, ὅτε χρειώ τις ἵκηται (2, 1200–1). 2. Hera in der Götterszene: Τὸν μὲν ἐγών […] / ῥύσομαι, ὅσσον ἐμοῖσιν ἐνὶ σθένος ἔπλετο γυίοις, … (3, 61–63). 3. Medea, die Chalkiope die Hilfe für Jason zusagt: …, ὅσσον σθένος ἐστὶν ἐμεῖο, / μή σ’ ἐπιδευήσεσθαι, ἀνυστά περ ἀντιόωσαν (3, 716–17). Die Wendung ὅσον σθένος ἔπλετο / ἐστὶν ist möglicherweise eine Variation der homerischen Phrase ὅση δύναμίς γε πάρεστι(ν), die dreimal vorkommt (Θ 294, Ν 786, ψ 128) und immer in einer Rede den Einsatz der Kraft im kriegerischen Kampf beschreibt. Auch bei Apollonios findet sich ὅσον σθένος an allen vier Stellen in Reden. Die Rede Heras (2.) ist angelehnt an die Aussage des Zeus in der Ilias über die Rettung des Herakles (τὸν μὲν ἐγὼν ἔνθεν ῥυσάμην (O 29)) und hat außerdem Ähnlichkeit mit den Worten des Achill angesichts zahlreicher feindlicher Krieger: ἀλλ’ ὅσσον μὲν ἐγὼ δύναμαι χερσίν τε ποσίν τε / καὶ σθένει … (Υ 360–61). Homerisch formuliert ist der Vergleich des Aietes mit Ares in 2, 1205–6: καὶ δέ κεν Ἄρει / σμερδαλέην ἐνοπὴν μέγα τε σθένος ἰσοφαρίζοι.1287 Hier kombiniert Apollonios das singuläre μέγα τε σθένος (s. 1, 531) mit ähnlichen homerischen Vergleichen, die mit μένος formuliert sind: οὐδέ τίς οἱ δύναται μένος ἰσοφαρίζειν (Z 101, vgl. außerdem die varia lectio in Φ 411: μοι μένος ἰσοφαρίζεις). Die Kraft des Ares ist auch Thema der Rede des Idas: In der Periphrase ist der Kriegsgott metonymisch aufzufassen: … οὐκέτ’ Ἐνυαλίοιο μέγα σθένος, ἐς δὲ πελείας / καὶ κίρκους λεύσσοντες ἐρητύεσθε ἀέθλων (3, 560–61).1288 Die Voranstellung des Namens in der Periphrase ist selten, z.B. Ψ 837: Λεοντῆος κρατερὸν μένος ἀντιθέοιο. Mehrere Belegstellen stehen im Kontext des Athlos: 3, 1043–44: In der Beschreibung der Wirkung des Zaubermittels finden sich ἀλκή und σθένος als Hendiadyoin: ἐν δέ τοι ἀλκὴ / ἔσσετ’ ἀπειρεσίη μέγα τε σθένος, …1289 3, 1257–58: Nach dem Einsalben strotzen Jasons Arme vor Kraft: αἱ δ’ ἑκάτερθεν / χεῖρες ἐπερρώσαντο περὶ σθένεϊ σφριγόωσαι.1290 Das Verb σφριγάω hat die Bedeutung ‚strotzen‘ und ist zuerst in der Tragödie belegt, z.B. καὶ μὴ σφριγῶντα θυμὸν ἰσχναίνῃ βίᾳ (Aischyl. Prom. 380). Die Junktur σθένεϊ σφριγόωσαι erinnert an die homerische Formel σθένεϊ βλεμεαίνων / βλεμεαίνει (sechsmal, z.B. Θ 337, Ρ 22), die auch ‚vor Kraft strotzen‘ oder ‚mit der Kraft protzen‘ bedeutet.1291 περί ist hier nicht als 1287 S. auch unter 15d. (ἐνοπή). 1288 Zur Rede des Idas s. unter 1a. (π(τ)όλεμος). Zur Junktur μέγα σθένος in Periphrasen s.o. zu 1, 531. 1289 Zu dieser Stelle s. auch unter 16a. (ἀλκή). Zu μέγα τε σθένος s.o. zu 1, 531. 1290 Zum Kontext dieser Stelle s. unter 16a. (ἀλκή). 1291 Eder (1939) 25 (zu σθένεϊ βλεμεαίνων) differenziert zwischen der Verwendung des Verbs für Tiere („vor ,Krafterfülltheit (ist gleich Mut, Trotz) funkelnd‘, aber mir scheint die Bedeutung ,strotzen‘ wahrscheinlicher …“) und der Verwendung für Menschen (z.B. Hektor in Θ 337, Ι 237): „Er ,protzt‘ mit seiner Kraft, gerade weil 307

Präposition aufzufassen, sondern als Adverbiale wie auch an der einzigen Belegstelle der Junktur περὶ σθένεϊ in P 22 (περὶ σθένεϊ βλεμεαίνει),1292 die eventuell auch für die Formulierung des Apollonios als Vorbild gedient hat. Die Form ἐπερρώσαντο des homerischen dis legomenon ἐπιρρώομαι findet sich einmal in der Ilias und beschreibt dort die wallenden Locken des Zeus, als er zunickt, die Troer zu unterstützen (χαῖται ἐπερρώσαντο (A 529)).1293 3, 1306–8: Jason kämpft mit aller Kraft gegen die Stiere: Καί ῥ’ ὅ γε δεξιτεροῖο βοὸς κέρας ἄκρον ἐρύσσας / εἷλκεν ἐπικρατέως παντὶ σθένει, ὄφρα πέλασσῃ / ζεύγλῃ χαλκείῃ. Die Junktur παντὶ σθένει ist unhomerisch und begegnet zum ersten Mal bei Aischylos (Hik. 147) und Sophokles (fr. 904,2 Radt), dann öfter in der klassischen Prosa und sehr oft in der Literatur der Kaiserzeit.1294 Bei Ps.-Hesiod ihm Gott hilft und er es weiß“. Vgl. auch E.-M. Voigt, LfgrE 2, 66, 4–7: „am ehesten entweder Steigerg. von πεποιθώς u.ä., etwa durchdrungen von, im Vollgefühl (s. Kraft) oder […] (mit, in s. Kraft) prangend“. Das Scholion zu Apoll. Rhod. 3, 1258 erklärt den Sinn der Argonautikastelle: ἀκμάζουσαι ῥωμαλεώτεραι τῇ δυνάμει ἐγένοντο, εὐτονοῦσαι ἐρρωμένως ἐκινοῦντο, τεταμέναι καὶ τῇ δυνάμει σφριγῶσαι· σφριγανὸν γάρ ἐστι τὸ ἰσχυρὸν καὶ στερεόν. 1292 LSJ s.v. περί E.II: „before or above others […] exceedingly, only Ep.“; P 22 ist als Belegstelle unter E.II.2. aufgeführt. Hunter (1989) 237 zu περί bei Apollonios: „probably adverbial, ‚exceedingly‘, rather than governing σθένεϊ, or being in tmesis with the verb.“ 1293 Vian (Bd. 2, 1980) 147: „Ἐπιρρώεσθαι, ,se mouvoir avec vigueur‘ prépare la comparaison qui suit. Grâce à la drogue de Médée, Jason est empli du μένος, du furor qui caractérise le guerrier.“ Die Form ἐπερρώσαντο findet sich sonst noch bei Hesiod (von den Musen: ἐπερρώσαντο δὲ ποσσίν (theog. 8)). Rengakos (1994) 88 dazu, dass der „Anklang an ῥώμη, ἐπιρρώνυμαι durch den Zusammenhang nahegelegt wird, χεῖρες ἐπερρώσαντο περὶ σθένεϊ σφριγόωσαι (vgl. 1256 ἀλκή), d.h. Jasons Arme ,wurden stärker‘ und zugleich ,regten sich‘. Der Scholiast hat richtig ἐρρωμένως ἐκινοῦντο paraphrasiert.“ So auch Hunter (1989) 237: „ἐπερρώσαντο ‚moved swiftly‘, from ἐπιρρώομαι; the form could, however, derive from ἐπιρρώνυμι ‚strengthen‘, and the second half of the verse, which suggest a connection with ῥώμη, allows both possible meanings of ἐπερρώσαντο to be felt.“ Thiel (1996) 39 erkennt einen „Frauenbezug“ durch die Verwendung der beiden Verben ἐπιρρώομαι und σφριγάω, die sich in υ 207 (ἐπερρώοντο γυναίκες), Hes. theog. 8 (s.o.) und Eur. Andr. 196 (σφριγῶντι σώματι) auf Frauen beziehen. 1294 Das Scholion ΣΤ zu Σ 274 (νύκτα μὲν εἰν ἀγορῇ σθένος ἕξομεν) vermutet, dass mit σθένος an dieser Iliasstelle die Heeresmacht bezeichnet wird und beruft sich dabei auf die Sophoklesstelle. Auch bei Aischylos und an weiteren Stellen der klassischen Literatur wie bei Thukydides und Xenophon wird der Ausdruck im militärischen Sinn gebraucht. Vgl. Johansen / Whittle (1970) 124 zu Aischyl. Hik. 147: „a phrase used in military contexts“, mit Hinweis auf das Sophokles-Fragment, Thuk. 1, 86, 3, Xen. Cyr. 6, 1, 42, rep. Lac. 4, 5, Demosth. 3, 6; „esp. in treaties of alliance“ mit Hinweis auf Thuk. 5, 23, 3, Xen. Hell. 6, 5, 2, Cyr. 8, 5, 25 und Inschriften (SIG 122, 6; 142, 26–8; 147, 51); „It is used in other contexts“ mit Hinweis auf Plat. leg. 646a, 854b, die Apolloniosstelle und Achilles Tatios (5, 10, 7). 308

steht παντὶ μένει im kriegerischen Kontext: ἤλασα μηρὸν / παντὶ μένει σπεύδων (asp. 363–64). Das Adverb ἐπικρατέως kommt dreimal in der Ilias vor, und zwar immer in Kampf- oder Wettkampfschilderungen (Π 67, 81, Ψ 863). Dasselbe gilt für die drei Belegstellen des Wortes bei Ps.-Hesiod,1295 z.B. asp. 418–19: αὐχένα γυμνωθέντα θοῶς ὑπένερθε γενείου / ἤλασ’ ἐπικρατέως.1296 Apollonios setzt ἐπικρατέως in 3, 1307 an dieselbe metrische Position wie Homer und Ps.-Hesiod.1297 Bei Pindar wird die Gewaltanwendung durch Jason mit den Worten βοέους δήσαις ἀνάγκᾳ (Pyth. 4, 234) beschrieben, während Apollonios mit εἷλκεν ἐπικρατέως παντὶ σθένει (3, 1307) wesentlich ausführlicher die Kraftanstrengung betont.1298 Das Wort ἀνάγκη hat im Unterschied zu σθένος keinen direkten Bezug zur Kriegssphäre, daher wirkt die Szene bei Pindar nicht martialisch wie es bei Apollonios durch die Verwendung von σθένος und ἐπικρατέως der Fall ist.1299 3, 1314: Aietes bewundert Jasons Kraft: Θαύμασε δ’ Αἰήτης σθένος ἀνέρος. Die Junktur σθένος ἀνέρος begegnet einmal in der Ilias, wo die Flüsse Skamandros und Simoeis die Kraft des wütenden Achill bändigen wollen (φίλε κασίγνητε σθένος ἀνέρος ἀμφότεροί περ / σχῶμεν, … (Φ 308–9)),1300 später auch bei Euripides: ἦ βραχύ τοι σθένος ἀνέρος (fr. 27, 1 Kannicht). Bei Pindar wird die Reaktion des Aietes auf Jasons Leistung ähnlich beschrieben: ἴυξεν δ’ ἀφωνήτῳ περ ἔμπας ἄχει / δύνασιν Αἰήτας ἀγασθείς (Pyth. 4, 238–39).1301

1295 R. Führer, LfgrE 2, 641, 64–642, 3. Nur in Hes. erg. 206 steht das Wort nicht in Zusammenhang mit physischer Gewalt. 1296 Campbell (Studies 1983) 83: „It is worth noting that 1305f. also harbour ,Hesiodic‘ […] borrowings“, mit Hinweis auf asp. 419. 1297 Ausnahme ist auch hier die nicht-kriegerische Stelle Hes. erg. 206. 1298 Vian (Bd. 2, 1980) 106, Anm. 1, zeigt Reminiszenzen der 4. Pythischen Ode Pindars (Pyth. 4, 227, 234–37) in Apollonios’ Beschreibung des Stierkampfes (3, 1305–25) auf: Pyth. 4, 233 zu 3, 1305, Pyth. 227 zu 3, 1307–8, Pyth. 237 zu 3, 1314, Pyth. 234–35 zu 3, 1317–18, Pyth. 235 zu 3, 1322–24. Von diesen Parallelen ist noch maßgeblich für die besprochene Stelle: τοὺς ἀγαγὼν ζεύγλᾳ πέλασσεν μοῦνος (Pyth. 227, doch ist hier Aietes Subjekt) zu ὄφρα πέλασσεν / ζεύγλῃ χαλκείῃ (3, 1307–8). Vgl. Fränkel (1968) 445: „Mit denselben Worten beschreibt Pindar (Pyth. 4.227) was Aietes zu tun pflegte.“ Ein weiterer Hinweis Vians (Bd. 2, 1980) 106, Anm. 3, betrifft die Parallele in der Beschreibung des Kampfes des Theseus gegen den Stier von Marathon in der Hekale des Kallimachos: θηρὸς ἐρωήσας ὀλοὸν κέρας (fr. 258 Pf.) zu 3, 1306 (Καί ῥ’ ὅγε δεξιτεροῖο βοὸς κέρας ἄκρον ἐρύσσας). Auf diese Parallele weisen auch, jedoch vorsichtiger, Campbell (Studies 1983) 79 („but only a vague similarity“) und Knight (1995) 105 („probably“) hin. 1299 Vian (Bd. 2, 1980) 106, Anm. 3, zur Verwendung von Vokabular aus dem Wettkampfbereich in dieser Szene („Il utilise aussi le vocabulaire de la lutte“) mit Hinweis auf Ψ 726 (vgl. Quintus Smyrnaeus 4, 229) zu 3, 1309 und Ψ 719 zu 3, 1310. 1300 Campbell (Studies 1983) 83 weist außerdem auf Ps.-Hes. asp. 420 hin: μέγα γὰρ σθένος ἔμπεσε φωτός, vgl. Anm. 1296. 1301 S. die von Vian aufgezeigten Pindar-Parallelen Anm. 1298. 309

Zusammenfassung Die gängige homerische Junktur μέγα σθένος begegnet an mehreren Belegstellen, meist in dem Wortlaut μέγα τε σθένος, der bei Homer nur einmal belegt ist. Zitat einer singulären Junktur ist auch σθένος ἀνέρος. Außerdem variiert Apollonios durch Synonymtausch: σθένος Ἡρακλῆος (bei Homer: βίη Ἡρακλῆος) und σθένος ἰσοφαρίζοι (bei Homer: μένος ἰσοφαρίζειν). Andererseits verwendet er Konstruktionen, die erst in der Tragödie belegt sind wie ὅσον σθένος und παντὶ σθένει. Zweimal steht σθένος in Periphrasen (des Herakles und des Ares). Im Kontext der Seefahrt begegnen zwei Stellen. Drei Belege finden sich in Reden, in denen eine Unterstützung zugesagt wird. Auffällig ist, dass zwei dieser Aussagen von Frauen getroffen werden, der Göttin Hera und Medeas Schwester Chalkiope. Einmal ist σθένος die Stärke des Aietes, dessen Aristie man im ganzen Epos jedoch vermisst. Negiert wird σθένος in der Kritik des Idas am Mangel des kriegerischen Einsatzes. Vier Stellen finden sich im Kontext des Athlos und bezeichnen Jasons Kraft.

f. Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘ Die Untersuchung zeigt, dass die Mehrzahl der Belege der Wortgruppe ‚Kampfkraft‘ zum einen in der Faustkampf-Episode und im Athlos, zum anderen im Bereich der Seefahrt zu finden ist. Außerdem fällt die häufige Verwendung in hypothetischen Aussagen auf. Einen Überblick über den Kontext der untersuchten Belegstellen gibt die Tabelle, die unter 17c. die Gruppen ‚Kampfkraft‘ und ‚Mut und Tapferkeit‘ zusammenfasst.

‚Kraft‘ beim Faustkampf und im Athlos Nach der Zahl der Belegstellen stehen zwei Episoden im Mittelpunkt: der Faustkampf zwischen Polydeukes und Amykos (6 Stellen) und der Athlos Jasons (12 Stellen). Als Prätext für den Faustkampf der Argonautika kommt einerseits der Boxkampf bei den Leichenspielen für Patroklos im 23. Gesang der Ilias, andererseits der Faustkampf zwischen Odysseus und Iros in Buch σ der Odyssee in Frage. Jasons Athlos ist ein Kampf gegen Fabelwesen. Das fantastische Abenteuer mit den feuerspeienden Stieren und den bewaffneten Erdgeborenen unterscheidet sich wesentlich von der Handlung der Ilias. Zum Vergleich können fantastische Episoden der Odyssee herangezogen werden, auf denen aber nicht der Handlungsschwerpunkt des Epos liegt, wie es in den Argonautika der Fall ist.1302

1302 Hunter (1993) 9 weist darauf hin, dass fantastische Elemente in der Odyssee nicht den Schwerpunkt bilden, sondern dazu dienen, die Realität der sozialen Strukturen in Ithaka zu definieren und zu kontrastieren. In den Argonautika aber fehle eine solche „Realität“, wodurch die fantastischen Episoden in den Mittelpunkt der Handlung rückten: „these scenes are the heart of the epic, and as such destroy the assumptions upon which epic heroism is based.“ 310

Die 12 Belegstellen der Wörter mit der Bedeutung ‚Kraft‘ in der Athlos-Episode sind inhaltlich wie folgt aufgeteilt: 1. 2. 3. 4.

Kraft als Wirkung der Zaubermittel, unabhängig von Jason: Kraft als Wirkung der Zaubermittel auf Jason vor dem Athlos: Kraft Jasons während des Athlos: Kraft der Stiere:

2 Stellen 5 Stellen 3 Stellen 2 Stellen

Die Aufstellung zeigt, dass insgesamt 7 Stellen dazu dienen, Kraft als magische Wirkung des Zaubermittels zu beschreiben, ob in der allgemeinen Beschreibung der Zaubermittel bei der Vorbereitung Medeas (1.) oder bereits bei der Anwendung durch Jason (2.). Von den acht Stellen, an denen Jasons Kraft in der Episode erwähnt wird (2., 3.), schildern fünf Stellen die Wirkung des Zaubermittels bei der Rüstung (2.), aber nur drei Stellen das Geschehen des Athlos selbst (3.). Das Zaubermittel steht also ganz klar als Auslöser und Träger der Kraft im Mittelpunkt. Betrachtet man dagegen die Charakterisierung Jasons in den gesamten Argonautika, fällt auf, dass seine Kraft nur einmal außerhalb des Athlos, d.h. außerhalb des Einflusses der Zaubermittel, erwähnt wird: Nur in der Rede des Argos, die den Zweck verfolgt, Aietes ein möglichst beeindruckendes Bild von Jason zu vermitteln, wird Jasons eigene Kampfkraft als besonders herausragend hervorgehoben (3, 334–35).1303 Das Bestehen des Athlos und die dazu nötige körperliche Kraft sind also in den Argonautika völlig abhängig von der Magie Medeas. Ein Vergleich mit der Handlung bei Pindar bestätigt dies: Jasons Charakterisierung bei Pindar enthält insgesamt wenig kriegerische Attribute und betont seine Stärke auch während des Athlos nicht in übertriebenem Maß: Zu Beginn der Ode wird Jason αἰχματάς genannt (Pyth. 4, 12). Während des Athos wird seine Stärke durch zwei Epitheta hervorgehoben: βιατὰς […] ἀνήρ (Pyth. 4, 236), καρτερὸν ἄνδρα (Pyth. 4, 239). Seine Kräfte werden von Aietes bewundert: δύναμιν Αἰήτας ἀγασθείς (Pyth. 4, 238). Das Zaubermittel wird im Vergleich zu den Argonautika nur sehr knapp erwähnt: ἀντίτομα στερεᾶν ὀδυνᾶν / δῶκε χρίεσθαι (Pyth. 4, 221–22). Während des Athlos heißt es nur, dass das Feuer Jason aufgrund der Weisungen Medeas nichts anhaben konnte: πῦρ δέ νιν οὐκ ἐόλει παμφαρμάκου ξείνας ἐφετμαῖς (Pyth. 4, 233). Insgesamt wirkt Jasons Kriegstüchtigkeit nicht übertrieben und seine Kraft scheint viel weniger abhängig von Medeas Magie zu sein als bei Apollonios und wirkt damit natürlicher und ihm eigener.1304 1303 Pietsch (1999) 109 dagegen lässt die rhetorische Prämisse dieser Stelle außer Acht und nimmt sie als Beleg für Jasons Heldentum an. 1304 So auch Köhnken (2000) 64: „Bei Pindar heißt es nur, Medea habe Jason ein schmerzstillendes, abhärtendes Mittel zum Einreiben gegeben (V. 221–2), so daß die Flammen aus den Mäulern der Stiere des Aietes ihm nichts anhaben konnten (V. 233). Selbstverständliche Voraussetzung für das Bestehen des ἄεθλος bleibt jedoch Jasons ungewöhnliche heroische Leistungskraft. In der Fassung des Apollonios dagegen verleiht Medeas Wundersalbe Jason außerdem eine Kraft, die er vorher nicht besaß (3,1256–7 […]) und deren irrationale Wirkung auf fast komische Weise veranschaulicht wird …“ 311

Obwohl die Untersuchung der Wortgruppe ‚Kampfkraft‘ kein Gesamtbild der Heldencharakterisierung geben kann, gibt sie einen Hinweis darauf, welchen Stellenwert die menschliche Kraft, die in den homerischen Epen in erster Linie für den Kampf eingesetzt wird, in den Argonautika hat und in welchem Bereich sie sie hat: Im Mittelpunkt der Argonautika steht der Athlos Jasons mit dem Kampf gegen die ehernen feuerspeienden Stiere und dem anschließenden Kampf gegen die Erdgeborenen. Im Mittelpunkt dieses Kampfes steht der Held Jason. Gerade in dieser zentralen Episode aber basiert die nötige Kraft des Helden auf der Hilfe Medeas und der Zaubermittel.1305 Die Verwendung typischer Kriegswörter betont diesen Kontrast zur Darstellung homerischer Helden.

‚Kraft‘ bei der Seefahrt Ungewöhnlich groß erscheint die Menge der Stellen, an denen die Kraft, die man aus den homerischen Epen als Kampfkraft in kriegerischen Szenen kennt, in verschiedenen Situationen im Bereich der Seefahrt eingesetzt wird, ob es nun die Kraft der Argonauten ist, die zum Rudern oder zum Tragen der Argo dient, ob es die Kraft der Argo selbst ist, die ihr von Athene eingegeben wurde, oder ob es die Kräfte der Wellen und des Windes sind, gegen die sich die Argo und ihre Besatzung zur Wehr setzen müssen. Schon der Stapellauf wirkt kriegerisch: Jedes Wort der Formulierung κράτεϊ βρίσαντε μιῇ στυφέλιξαν ἐρωῇ (1, 384) erinnert an die homerische Kriegssphäre. Nicht nur die Argonauten sind mit der nötigen Kraft für dieses Unternehmen ausgestattet, sondern auch die Argo selbst. Ihr wird von Athene μένος eingehaucht 1305 Richtig zwar die Feststellung von Thiel (1996) 73, dass „während der gesamten sogenannten ,Aristie‘ die MAGIE nie ganz aus dem Blickfeld gerät und Jasons Verhalten trotz seiner augenblicklichen Unbesiegbarkeit nie wirklich heldische Züge trägt.“ Vorschnell jedoch m. E. ein verallgemeinernder Schluss (ebd. 86), der auf einer Untersuchung der Athlosszene und einer knappen Analyse des Wortes ἥρως und der für die Helden verwendeten Epitheta basiert: „Achilleus ist, wenn wir auf das Ganze des Iliasuniversums schauen, ein bedeutender Krieger und überragender Heros, Jason innerhalb der Argonautika nicht, auch nicht ansatzweise, wie wir gesehen hatten.“ Die Heldenhaftigkeit Jasons im Athlos positiv sieht Händel (1954) 117–18: „Wenn auch der Sieg nicht eigentlich Jasons Sieg ist, so gebraucht doch der Held die Mittel, die ihm an die Hand gegeben werden, mit einzigartiger Bravour: das ist die Leistung, die ihn als Helden, als Führer des Zuges bestätigt.“ Dazu auch Pietsch (1999) 109, Anm. 46: „Daß das Gewicht der Schilderung dieser Szene trotz Medeas Hilfe auf Iasons Heldentum liegt, …“ Dagegen bewertet Schwinge (1986) 116 die Abhängigkeit Jasons von der Magie Medeas ausschließlich negativ: „Aber dieser große, heldische Jason ist eben immer der narkotisierte Jason.“ Fantuzzi/Hunter (2004) 276–77 stellen fest, dass homerische Parallelen Jason zunächst wie einen iliadischen Krieger („as a strong and brave warrior“) wirken lassen, der Leser aber dann durch die Erzählung vom Wurfstein des Ares (s. Anm. 561) an die Magie erinnert werde, auf der Jasons Kraft beruhe. 312

wie einem homerischen Kriegspferd, um ihr Schnelligkeit zu geben. Der Einsatz der Kräfte in diesem Bereich wird in einigen zentralen Szenen besonders hervorgehoben wie in der Symplegaden-Episode, in der die Kraft der Ruderer am meisten gefragt ist (2, 559; 2, 589–90), und beim Transport der Argo durch die libysche Wüste (4, 1375; 4, 1384). Als gegnerische Kraft taucht das ἀνέμου μένος in der Schilderung des Schiffsbruchs der Phrixos-Söhne auf (2, 1098; 2, 1108) oder die Kraft des Wassers, gegen das die Argo gerüstet ist (1, 370). Die Untersuchung der Wortgruppe ‚Kampfkraft‘ zeigt zum großen Teil ähnliche Ergebnisse wie die der Schallwörter. Die Wörter beider Wortgruppen werden durch ihren Einsatz im kriegerischen Kontext des homerischen Epos als Kriegsvokabeln definiert: Lärm und Geschrei sind bei Homer an den meisten Stellen ‚Kriegslärm‘ und ‚Kriegsgeschrei‘. Ebenso findet sich ,Kraft‘ bei Homer meistens im kriegerischen Kontext als ‚Kampfkraft‘ der Krieger und des Heeres. In ihrer Grundbedeutung sind ‚Lärm‘, ‚Geschrei‘ und ‚Kraft‘ aber auch vielfältig außerhalb der kriegerischen Sphäre einsetzbar. Die Wörter für ‚Kraft‘ finden sich zu fast einem Drittel im Kontext des Faustkampfs und des Athlos, also zum großen Teil in einem der Kriegssphäre benachbarten Bereich. Dies ist bei der Verwendung der Schallwörter, die hauptsächlich in Episoden ohne Kampfhandlung begegnen, nicht der Fall. Eine Übereinstimmung besteht aber im häufigen Einsatz der Wörter in Seefahrtsszenen. Denn ein Viertel der Schallwörter sammelt sich in Beschreibungen der Argofahrt und in der Symplegaden-Episode. Die Menge der Wörter für ‚Kraft‘ in diesem Bereich ist mit 14 von 63 Stellen, d.h. gut einem Fünftel, zwar nicht so groß, aber doch bemerkenswert. Es kann daher zusammenfassend gesagt werden, dass Apollonios diejenigen Wortgruppen des Kriegsvokabulars, die sich problemlos in ihrer Bedeutung verallgemeinern lassen wie ‚Lärm‘, ‚Geschrei‘ und ‚Kraft‘, bevorzugt im Kontext der Seefahrt einsetzt. Die Verwendung solcher Wörter in einem Epos, in dem eine Seereise im Zentrum steht, ist naheliegend. Doch die fehlenden Belege für einen ähnlichen Einsatz solcher Wörter in der Odyssee zeigen, dass die Intention des Dichters dahin geht, durch Anspielungen auf martialische Formulierungen der Ilias auf die dortige Kriegssphäre zu verweisen.

‚Kraft‘ in hypothetischen Aussagen An mehreren Stellen begegnen die Wörter aber auch im homerischen Sinn als ‚Kampfkraft‘ im Krieg. Doch diese Stellen finden sich bis auf eine Ausnahme immer in hypothetischen Aussagen, wie z.B. der Rede des Peleus und Jasons in Anbetracht einer möglichen kriegerischen Auseinandersetzung mit Aietes. Es wird also nicht tatsächlich gekämpft, sondern nur die Möglichkeit thematisiert. Vergleichbar ist die bei der Untersuchung der Wortgruppe ‚Krieg, Kampf, Schlacht, kämpfen‘ festgestellte häufige Verwendung in Hypothesen. Auch die Kampfkraft Jasons für den Athlos wird oft in Reden erwähnt, jedoch überwiegen hier die Stellen auf der Primärebene.

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17. Mut und Tapferkeit Wie die Kampfkraft homerischer Helden in Rede und Handlung thematisiert wird, so gehören auch Mut und Tapferkeit zu den Eigenschaften eines kriegerischen Helden, die immer wieder erwähnt werden. Da die meisten Ausdrücke für ,Kraft‘ nicht nur die rein physische Eigenschaft bezeichnen, sondern auch die psychische Komponente der Kraft, d.h. die Energie und den inneren Tatendrang, besteht eine semantische Nähe zwischen den Wortfeldern ,Kampfkraft‘ und ,Mut/Tapferkeit‘. Die Untersuchung der Wörter für ,Mut/Tapferkeit‘ ist daher eine Ergänzung der bereits untersuchten Wortgruppe ,Kampfkraft‘. Bei Homer werden zur Bezeichnung von Mut und Tapferkeit die Wörter ἠνορέη, θάρσος und bisweilen ἀρετή verwendet. ἀρετή deckt ein weites Bedeutungsspektrum ab und bezeichnet eine hohe charakterliche Qualität, die im privaten, agonalen, politischen oder militärischen Leben in Erscheinung treten kann. Das Wort steht daher in verschiedenen Kontexten,1306 so dass es nicht zum typischen Kriegsvokabular zählt. ἠνορέη und θάρσος begegnen dagegen bei Homer fast ausschließlich im kriegerischen Kontext und sind daher Gegenstand der folgenden Untersuchung.

a. ἠνορέη Das Wort ἠνορέη wird an 5 (Ilias 4, Odyssee 1) von 6 (Ilias 5, Odyssee 1) Homerstellen für die kriegerische Tapferkeit verwendet,1307 an vier Stellen in Reden. Meistens ist das Wort mit πεποιθώς / πίσυνος verbunden (4 Stellen, z.B. Δ 303, Θ 226). An den beiden Belegstellen bei Hesiod hat ἠνορέη in Verbindung mit ὑπέροπλος die negative Bedeutung der Überheblichkeit.1308

In den Argonautika begegnet ἠνορέη - verglichen mit den wesentlich längeren homerischen Epen - mit 9 Belegstellen sehr oft. An zwei Stellen im Argonautenkatalog werden kriegerische Qualitäten beschrieben: 1, 74–75: Die kriegerische Tapferkeit des Oileus wird mit dem Ausdruck ἔξοχος ἠνορέην ausdrücklich betont: Σὺν καὶ τρίτος ᾖεν Ὀιλεύς, / ἔξοχος ἠνορέην … Als Prätext kommt die Genealogie des Diomedes in seiner Rede in Frage: τρίτατος δ’ ἦν ἱππότα Οἰνεύς / πατρὸς ἐμοῖο πατήρ· ἀρετῆι δ’ ἦν ἔξοχος αὐτῶν (Ξ 117–18). Eine limitative Ergänzung im Akkusativ bei ἔξοχος begegnet bei Homer nur in Γ 227, 1306 E.-M. Voigt, LfgrE 1, 1229, 76–77 nennt als Bedeutung „(hohe, hervorragende) Qualität, Vorzüglichkeit, Ansehen, Autorität; Segen, Gedeihen“ in verschiedenen sowohl kriegerischen als auch - meistens - nicht-kriegerischen Kontexten. 1307 W. Beck, LfgrE 2, 926, 22–31 zur Bedeutung: „manliness (cf. Lat. virtus)“. Zum Kontext der meisten homerischen Stellen: „of warriors and heroes […] in battle, usu. in a very dangerous posit. or sit.“ LSJ s.v.: „poet. word for ἀνδρεία, manhood, prowess“. Eder (1939) 75 zählt ἠνορέη zu den Substantiven, die „in einer Bedeutungsnuance mitunter den Sinn Kraft, der aber zugleich Mut und Mannestum“ enthalten. 1308 Z.B. εἵνεκ’ ἀτασθαλίης τε καὶ ἠνορέης ὑπερόπλου (theog. 516, weitere Belegstelle: 619). 314

wo Priamos in der Teichoskopie Helena über den Telamonier Aias befragt:1309 τίς τὰρ ὅδ’ ἄλλος Ἀχαιὸς ἀνὴρ ἠΰς τε μέγας τε, / ἔξοχος Ἀργείων κεφαλὴν ἠδ’ εὐρέας ὤμους (Γ 226–27). Auch hier handelt es sich um eine Personenbeschreibung in einem Heldenkatalog. Die kriegerischen Fähigkeiten des Aias, die in den folgenden Versen auch durch das Attribut ἕρκος Ἀχαιῶν (Γ 229) ausgedrückt werden,1310 und seine Tapferkeit werden von dem Helden in der Handlung der Ilias zur Genüge unter Beweis gestellt. Im Unterschied dazu kommt die Kriegserfahrung des Argonauten, die im Katalog noch weiter beschrieben wird (… καὶ ἐπαΐξαι μετόπισθεν / εὖ δεδαὼς δῄοισιν, ὅτε κλίνειε φάλαγγας (1, 75–76)),1311 in der Handlung der Argonautika gar nicht zur Geltung. Oileus wird nur noch einmal erwähnt, als die Feder eines AresVogels seine Schulter trifft: Τὸ δ’ ἐν λαιῷ πέσεν ὤμῳ / δίου Ὀιλῆος (2, 1036–37). Der Versbeginn Σὺν καὶ τρίτος ᾖεν Ὀιλεύς erinnert an die Aufzählung der troischen Helden, die in die Schlacht ziehen und gemeinsam mit Hektor und Polydamas (καί σφιν Κεβριόνης τρίτος εἵπετο (M 91)) oder Helenos und Deiphobos (τρίτος δ’ ἦν Ἄσιος ἥρως (M 95)) jeweils einen Teil der Truppen anführen.1312 Auch diese Parallelen stellen einen Bezug zur Kriegssphäre her, der aber in der Handlung der Argonautika keine Entsprechung findet. 1, 204–5: In der Beschreibung des Palaimonios stehen Gestalt und Tapferkeit parallel: Ἀτὰρ δέμας οὔ κέ τις ἔτλη / ἠνορέην τ’ ὀνόσασθαι.1313 Das Wort δέμας begegnet im frühgriechischen Epos nicht in Verbindung mit ἠνορέη oder einem anderen Wort für ‚Tapferkeit, Mut‘ oder ‚Kraft‘. ἠνορέη steht bei Homer an mehreren Stellen parallel zu Begriffen für ‚(Kampf)kraft‘ (Θ 226, Λ 9, Ρ 329, ω 509). In Verbindung mit äußerlichen Qualitäten findet sich das Wort in der Beschreibung des Bellerophontes

1309 Vgl. W. Beck, LfgrE 2, 617, 23–25: „normally w. gen., resp. […] dat. excellent among; acc. Graec. Γ 227, inst. Dat Ξ 118; Hes. fr. 43 a, 83, …“ 1310 Bernsdorff (1992) 49: „… der Ausdruck ἕρκος Ἀχαιῶν, der eine ein hohes Maß an kämpferischer Tüchtigkeit voraussetzende militärische Funktion andeutet.“ Zu Aias s. auch Anm. 1315. 1311 S. unter 2c. (φάλαγξ), 3a. (δήϊος) und 8b. (ἐπαΐσσω). Ardizzoni (1967) 109 macht darauf aufmerksam, dass Apollonios dem Oileus homerische Attribute zuweist, die sein Sohn Aias in der Ilias besitzt (mit Hinweis auf Ξ 520–22). Ebenso Vian (Bd. 1, 1976) 243 („Le poète lui attribue les qualités qu‘Homère prête à son fils …“), Mooney (1912) 73 und Fränkel (1968) 42, Anm. 42: „Mit Rückspiegelung der Qualitäten des Sohns […] auf den Vater …“. 1312 Hinweis auf Μ 91, 95 und Ξ 117–18 (s.o.) bei Campbell (1981) 2. 1313 Fränkel (1961) nimmt χέρας statt δέμας in den Text mit Hinweis auf Ν 287 (οὐδέ κεν ἔνθα τεόν γε μένος καὶ χεῖρας ὄνοιτο), wofür es jedoch keine Veranlassung gibt, da die Überlieferung eindeutig und der Text verständlich ist. Glei (Bd. 1, 1996) 170 weist die Konjektur mit inhaltlichen Argumenten zurück: „Fränkels Konjektur χέρας würde zu sehr einschränken, und das ebenfalls von ihm erwogene μένος wäre fast synonym zu ἠνορέη (V. 1,205).“ 315

in Z 156: κάλλός τε καὶ ἠνορέην ἐρατεινήν.1314 Bei Hesiod steht ἠνορέη einmal parallel zu εἶδος καὶ μέγεθος (theog. 619).1315 Über den an den Füßen verkrüppelten Hephaistossohn Palaimonios, der im Argonautenkatalog trotz seines körperlichen Mangels als untadelig in Gestalt und Tapferkeit beschrieben wird,1316 wird weiterhin gesagt, dass er Jasons Ruhm vergrößere (Ἰήσονι κῦδος ἀέξων (1, 206)). Die Junktur κῦδος ἀέξων hat kein homerisches Vorbild.1317 κῦδος wird bei Homer entweder von den Göttern gegeben, z.B. Τρωσὶν δὲ καὶ Ἕκτορι κῦδος ὄπαζεν (M 255, O 327), Ζεὺς ἐπὶ Τυδείδηι Διομήδεϊ κῦδος ὀρέξηι (E 225), oder von den Helden selbst erworben, z.B. κῦδος ἀρέσθαι (Ρ 287, Υ 502, Φ 543, Φ 596).1318 Trotz der Ankündigung seiner ruhmreichen Taten wird aber Palaimonios in der Handlung der Argonautika nicht noch einmal erwähnt. Sowohl die übertriebene Aufzählung kriegerischer Fähigkeiten bei Oileus in 1, 74–76, als auch die Rolle des Palaimonios, die für die Handlung angedeutet wird, bauen eine Erwartungshaltung auf, die das Epos nicht erfüllt.1319 Dieses Prinzip, im

1314 Die Junktur ἠνορέη ἐρατεινή (Ζ 156) weist eine erotische Konnotation auf (vgl. LSJ s.v. ἠνορέη: „manly beauty“), was aber die Heldenhaftigkeit der beschriebenen Person nicht ausschließt, vgl. W. Beck, LfgrE 2, 926, 41–42: „but ἠ. ref. also to B.’s singlehanded exploits“. Ebenso Eder (1939) 76: „Die Götter verleihen diese ἠνορέη zusammen mit κάλλος dem Bellerophontes (Z 156), also neben Schönheit alles, was zum Helden gehört, Kraft, Tapferkeit und Mut.“ 1315 Zur Konformität von Gestalt und Kraft bei Homer und Apollonios s. unter 16b. (βίη, zu 2, 785, besonders Anm. 1183). Ein Beispiel fur die Analogie von Gestalt und Tat ist der zu 1, 74–75 erwähnte Aias (Γ 226–27, Ρ 279, λ 550). Dazu Barck (1976) 63: „Des Aias Gestalt ist ein Musterbeispiel für entsprechendes Verhalten“. 1316 Pietsch (1999) 91: „Dies [sc. δέμας, ἠνορέη] sind Charakteristika, die ihren Besitzer in besonderer Weise als kraftvoll und kampftauglich ausweisen.“ Glei (Bd. 1, 1996) 152, Anm. 39, weist darauf hin, dass die Behinderung des Hephaistos von einem Unfall herrühre und daher eine vererbte Behinderung seines Sohnes nicht einleuchtend sei. Zur Differenzierung zwischen den hinkenden Füßen und der restlichen untadeligen Gestalt s. ebd. 170. 1317 Das Wort κῦδος steht an den meisten Homerstellen an derselben metrischen Position wie bei Apollonios. Phonetische Ähnlichkeit besteht außerdem zwischen dem Versschluss κῦδος ἀέξων und der homerischen Klausel κῦδος Ἀχαιῶν (10 Stellen, z.B. Ι 673), die einen siegreichen, ehrenvollen Krieger beschreibt. 1318 Nur an zwei Stellen findet sich bei Homer die Aussage, dass das κῦδος eines Kriegers durch einen Menschen verliehen oder vermehrt wird oder werden könnte, doch dort handelt es sich jeweils um einen unterlegenen Gegner, dessen Tod dem Sieger Ruhm verleiht: Ἕκτορι κῦδος ὑπέρτερον ἐγγυάλιξεν (O 644), μηδὲ μέγα κῦδος ὀρέξηις / Πηλείδηι (X 57–58). Zu κῦδος s. auch unter 1a. (π(τ)όλεμος, zu 1, 466–67). 1319 Pike (1993) 32: „The ,heroes‘ are not as ,heroic‘ as they might at first appear.“ Zur Diskrepanz zwischen den Charakteristika im Katalog und der Handlung vgl. auch Kühlmann (1973) 163. 316

Katalog das Bild eines heroischen Kriegers zu zeichnen,1320 das dann in der Handlung nicht umgesetzt wird, zeigt sich auch bei der Untersuchung anderer Wortgruppen.1321 Auch im Zusammenhang mit Herakles taucht ἠνορέη auf. In 1, 1197–99 bezeichnet ἠνορέη die Tapferkeit des großen Helden Herakles, die sich zeigt, als er einen Baum ausreißt, um sich ein neues Ruder zu beschaffen: ἀμφοτέρῃσι περὶ στύπος ἔλλαβε χερσὶν / ἠνορέῃ πίσυνος, ἐν δὲ πλατὺν ὦμον ἔρεισεν / εὖ διαβάς. An dieser Stelle kann ἠνορέη sogar als ‚Kraft‘ aufgefasst werden, die für das beschriebene Unternehmen vor allem notwendig ist. Die Wendung ἠνορέῃ πίσυνος hat ihr Vorbild in Θ 226, Λ 9 (ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν). Auf diese Stellen verweist auch die vorausgehende Szene in den Argonautika, in der Herakles einen Ruderwettstreit (1, 1153–54) gewinnt (αὐτὰρ ὁ τούς γε / πασσυδίῃ μογέοντας ἐφέλκετο κάρτεϊ χειρῶν / Ἡρακλέης (1, 1161–63)),1322 der dann mit dem Zerbrechen seines Ruders endet (1, 1167–68). Der Ausdruck εὖ διαβάς kommt bei Homer nur einmal vor und ist dort wie in 1, 1198–99 mit dem Verb ἐρείδειν verbunden: Beschrieben wird Hektor, der einen schweren Stein wirft, um das Tor der Achaier zu sprengen. Er stützt sich dabei ab und steht mit gespreizten Beinen, um einen möglichst kraftvollen Wurf zu vollbringen: καὶ ἐρεισάμενος βάλε μέσσας, / εὖ διαβάς (M 457–58).1323 In den Argonautika aber werden die Phrasen ἠνορέῃ πίσυνος und ἔρεισεν / εὖ διαβάς nicht verwendet, um Tapferkeit und Aktivität im Kampf darzustellen, sondern um die Kraftanstrengung des Herakles beim Ausreißen des Baumstammes zu beschreiben.1324 Bezüglich der rohen Gewalt, die Herakles in der Szene der Ruderbeschaffung und beim Ruderwettstreit zuvor anwendet, kann er mit dem Zyklopen Polyphem in der Odyssee verglichen werden. Dass es motivische und sprachliche Anlehnungen an die Zyklopen-Episode gibt, wurde bereits gesehen.1325 Auch ein Gleichnis, in dem 1320 Pietsch (1999) 91 zählt „21 Argonauten […], die mit erkennbar heroisch-kriegerischen Eigenschaften versehen werden. Körperliche Stärke, Kampfkraft und Mut werden am häufigsten genannt.“ Zusammenstellung aller Belege bei Pietsch 91, Anm. 234. Vgl. auch die Zusammenfassung der im Argonautenkatalog beschriebenen Fähigkeiten und Qualitäten der Helden bei Pike (1993) 27–28 und die ausführlichen Analysen zum Katalog bei Scherer (2006) 74–77. 1321 S. unter 1l. (Gesamtüberblick ‚Kampf, Schlacht, kämpfen‘) und 16a. (ἀλκή, zu 1,158–60). 1322 S. dazu unter 16c. (κράτος/κάρτος, zu 1, 1162). 1323 Diese Parallele ist auch notiert bei Campbell (1981) 21. Knight (1995) 128–29 weist auf ι 382 hin, wo das hapax legomenon ἐνερείδω, das bei Apollonios in Tmesis steht, belegt ist. Dort geht es auch um einen Baumstamm, und zwar den Olivenstamm, mit der Odysseus und seine Gefährten den Zyklopen Polyphem blenden: οἱ μὲν μοχλὸν ἑλόντες ἐλάϊνον, ὀξὺν ἐπ’ ἄκρῳ, / ὀφθαλμῷ ἐνέρεισαν (ι 382). So auch Kyriakou (1995) 92. Weiterer Hinweis von Knight 77, Anm. 56, auf ε 428 (ἀμφοτέρῃσι δὲ χερσὶν ἐπεσσύμενος λάβε πέτρης) als Parallele zu 1, 1197. 1324 Blumberg (1931) 27: „In epischer Breite schildert der Dichter das Fällen der Fichte, kein Wort sparend, das die gewaltige Kraft des Helden veranschaulichen könnte.“ 1325 Clauss (1993) 186 mit Hinweis auf ι 319–24: „In describing the tree that Heracles plans to use for his oar, Apollonius imitates a line from an episode of the Odyssey 317

Herakles mit einem Orkan verglichen wird, der den Mastbaum eines Schiffes ausreißt (1, 1201–6), wurde in Bezug zu ι 322–23 gedeutet.1326 Der Baum, den Herakles ausreißt, entspricht dem Baumstamm, den Odysseus und seine Gefährten für die Blendung des Polyphemos verwenden. In beiden Szenen beschafft jeweils die vor Kraft strotzende Figur, d.h. Polyphem in der Odyssee (ι 319–21) und Herakles in den Argonautika, einen Baumstamm, um ihn einem bestimmten Verwendungszweck zuzuführen. Doch besteht der wesentliche Unterschied, dass der Baumstamm dem Zyklopen entwendet und als Waffe gegen dessen rohe Gewalt eingesetzt wird. Trotz aller List wird eine heroische Tat geschildert, die Tapferkeit und Kraft erfordert. Dies ist in den Argonautika nicht der Fall. Die Kraft des Herakles dient zur Beschaffung eines neuen Ruders. Nur die Kräfte der Natur stehen ihr entgegen, d.h. die Wellen des Wassers beim Rudern, die verwurzelte Stärke des Baumstammes. Die Reaktion des Herakles auf das Brechen des Ruders in der Szene zuvor, als er zur Seite fällt und sprachlos umherblickt (1, 1168–71), sowie der Bezug zu dem Zyklopen der Odyssee verleihen der Darstellung des Helden einen komischen Zug.1327 Die Ruderszene und das Ausreißen des Baums weisen aber auch durch Phrasen aus homerischen Kampfbeschreibungen auf die Taten der großen iliadischen Helden Achill, Aias und Hektor hin. Die Szene zeigt also einerseits die Tätigkeit des Ruderns als Schwerpunkt des Krafteinsatzes der Argonauten und damit die Tendenz, Seefahrt als eine heroische Tat darzustellen.1328 Andererseits werden durch die übertriebene und burleske Darstellung des Herakles in diesem Zusammenhang homerische Heroenbeschreibungen und Kampftätigkeiten parodiert. in which another club-wielding figure of legend played a central role, the Cyclops Polyphemus.“ Zum Vergleich des Herakles mit dem Zyklopen s. auch Knight (1995) 129. 1326 In der Polyphem-Episode der Odyssee wie in dieser Szene in den Argonautika wird der Baumstamm mit einem Schiffsmast verglichen. Doch dient das Gleichnis in den Argonautika, wie Clauss (1993) 187 bemerkt, nicht zur Illustration der Größe des Baumstammes, sondern der Kraft der Herakles. 1327 Knight (1995) 129: „The Cyclops is deceived and ridiculed by Odysseus, and does not suspect the trick which is played on him; Heracles too can appear ridiculous, as he does in the rowing match which leads up to the present scene.“ Vgl. auch Beye (1982) 93: „With ,glancing around‘ Apollonius betrays Heracles into the extreme of heroic vulnerability: he is made to appear as a fool in the eyes of the group …“ Clauss (1993) 182 bezieht das Verhalten des Herakles mit Hinweis auf sprachliche Parallelen auf eine Szene in der Odyssee, in der die Bestrafung des Aias durch Poseidon beschrieben wird (δ 504–10). Zum komischen Aspekt der Herakles-Darstellung in den Argonautika insgesamt s. Pike (1980) 43: „He is somewhat like the proverbial bull in a china-shop.“ Auf die burleske Wirkung des Herakles macht auch Natzel (1992) 197–98 aufmerksam (s. Anm. 1286). Vgl. dagegen Blumberg (1931) 27, Anm. 32, zur Charakterisierung des Herakles in den Argonautika: „bei Apollonios ist er keine komische Figur.“ Fränkel (1957) 6–7, Anm. 5: „bei Apollonios ist Herakles das Urbild enthaltsamer Pflichterfüllung“. 1328 S. dazu 15r. (Die Symplegaden-Episode) und 16f. (Gesamtüberblick ,Kampfkraft‘). 318

Eine elementare Eigenschaft ist auch die Kraft der Aloiden, die Idmon gegenüber Idas als Exempel der Mannhaftigkeit nennt: υἷας Ἀλωιάδας, οἷς οὐδ’ ὅσον ἰσοφαρίζεις / ἠνορέην (1, 482–83). Die Junktur ἰσοφαρίζεις / ἠνορέην ist wohl eine variatio der homerischen Klausel μένος ἰσοφαρίζειν (Z 101, varia lectio in Φ 411).1329 Die Worte des Idmon enthalten außerdem den Vorwurf der ἀτασθαλία (σὺ δ’ ἀτάσθαλα πάμπαν ἔειπας (1, 480)), an den sich der Vergleich mit den Aloeus-Söhnen bezüglich der ἠνορέη anschließt. Durch die Verbindung der Wörter ἀτάσθαλος und ἠνορέη besteht ein Bezug zu einer Hesiodstelle, an der Menoitios charakterisiert wird: εἵνεκ’ ἀτασθαλίης τε καὶ ἠνορέης ὑπερόπλου (theog. 516). Das Wort ἠνορέη enthält dort die negative Konnotation des überheblichen Übermuts. Wie Menoitios mit Überheblichkeit und Übermut gegen Zeus frevelte und dafür bestraft wurde, frevelten auch die Aloiden gegen die Götter (1, 481–82) und wurden mit dem Tod bestraft (ἔμπης δὲ θοοῖς ἐδάμησαν ὀιστοῖς / ἄμφω Λητοΐδαο (1, 483–84).1330 ἠνορέη ist weniger die Tapferkeit der Aloiden als ihre große Körperkraft, die sie jedoch nicht vor diesem Schicksal bewahren konnte. Idmon nennt sie als warnendes Beispiel für Idas, der sich mit überheblichen Worten über seine Kriegstüchtigkeit und seine Unabhängigkeit von den Göttern äußert (1, 467–70), obwohl er nicht einmal dieselbe Kraft wie die Aloiden besitzt.1331 In Bezug auf Tapferkeit ist die Figur Jasons ambivalent dargestellt, was sich an den folgenden Belegen des Wortes ἠνορέη ablesen lässt. Auf der einen Seite steht seine von Vermeidungsstrategie geprägte Haltung gegenüber kriegerischer Auseinandersetzung am Anfang des dritten Buches. Auf der anderen Seite wird seine Tapferkeit und Kraft in der zweiten Hälfte im Athlos eingefordert. Eine zentrale Stelle, die Jasons Haltung bezüglich der Konfrontation mit Aietes zum Ausdruck bringt, ist seine Rede im dritten Buch mit der Aussage, dass Worte oft mehr erreichen als Tapferkeit: Πολλάκι τοι ῥέα μῦθος, ὅ κεν μόλις ἐξανύσειεν / ἠνορέη, τόδ’ ἔρεξε κατὰ χρέος … (3, 188–89). Hier bedeutet ἠνορέη ‚Gewalt‘ im kriegerischen Sinn und steht in Antithese zu μῦθος.1332 Beide Wörter fungieren als Subjekt, was ihren Stellenwert unterstreicht.1333 Jason macht deutlich, dass er 1329 Vgl. 2, 1206: σμερδαλέην ἐνοπὴν μέγα τε σθένος ἰσοφαρίζοι. S. dazu unter 16e. (σθένος). 1330 Zu 1, 483–84 s. unter 10g. (δάμνημι/δαμνάω/δαμάζω). 1331 Zum Charakter des Idas und seiner Kampfgier im Gegensatz zu der Haltung der übrigen Argonauten, besonders Jasons, s. unter 1j. (πολεμήϊος, zu 3, 562)), 16a. (ἀλκή, zu 3, 571)) Zum Frevel des Idas gegen die Götter auch 6d. (Lanzen/Speere, zu 1, 466–68). 1332 LSJ s.v. ἠνορέη: „force“ mit Angabe von 3, 189. Campbell (1994) 167 („(brute) force“) nimmt diese Bedeutung auch für 1, 1198 und („probably“) für 3, 1053 an mit dem Argument „The physical aspect of ‚manliness‘ is quite often the dominant one“ und Hinweis auf Hesiod, theog. 516, 619: „ὑπερ-ήνωρ (associated with δύναμις), ἀνδρεῖα and related terms“. S. auch ebd. zu τόδ’ ἔρεξε: „firmly in the context of military activity.“ 1333 Vor Apollonios kommt ἠνορέη nicht als Subjekt vor. 319

eine verbale Lösung einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Aietes vorziehen würde.1334 Auf eine mögliche Schwäche der ἠνορέη Jasons weist Peleus hin, der sich bereit erklärt, im Zweifelsfall den Athlos zu übernehmen: εἰ δ’ οὔ τοι μάλα θυμὸς ἑῇ ἐπὶ πάγχυ πέποιθεν / ἠνορέῃ, μήτ’ αὐτὸς ἐπείγεο μήτε τιν’ ἄλλον / τῶνδ’ ἀνδρῶν πάπταινε παρήμενος (3, 511–13). Ιn der Odyssee begegnet die Verbindung des Kompositums ἐπιπείθομαι mit θυμός als Subjekt: ἡμῖν δ’ αὖτ’ ἐπεπείθετο θυμὸς ἀγήνωρ (β 103).1335 Die Junktur πέποιθεν ἠνορέῃ lehnt sich sicher an zwei Vorbildstellen in der Ilias an (ἠνορέηφι πεποιθώς / πεποιθότας ἠνορέηι (Δ 303, Ρ 329)), die beide im kriegerischen Kontext in Reden stehen, die der Aufmunterung zum Kampf dienen. In Δ 303 ermahnt Nestor die Krieger, sich weder auf eigene Stärke und Mut vertrauend allein in der Schlacht nach vorne zu wagen noch zurückzuweichen. In Ρ 329 erinnert Apollon Aeneas an den Mut früherer Helden. Im Unterschied zu diesen Stellen wird das Vertrauen auf den Mut in der Rede des Peleus durch οὔ μάλα πάγχυ eingeschränkt. Medea gibt Jason für den Athlos den Ratschlag, seine Hände und seine Tapferkeit beim Pflügen einzusetzen: ὦκα δὲ πᾶσαν / χερσὶ καὶ ἠνορέῃ στυφελὴν διὰ νειὸν ἀρόσσῃς (3, 1052–53). Der instrumentale Dativ ἠνορέῃ ist bei Homer nicht belegt. Auch die Junktur χερσὶ καὶ ἠνορέῃ kommt bei Homer nicht vor, ist aber möglicherweise eine Variation der Phrase ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9).1336 Der Dativ χερσί findet sich jedoch bei Homer in Verbindung mit Begriffen der ‚Kampfkraft‘, z.B. βίηι καὶ χερσὶ καὶ ἔγχεϊ φέρτερος (Γ 431), ὑπὸ χερσὶ καὶ ἔγχεϊ ἶφι δαμῆναι (σ 156). Auffällig ist, dass in den Argonautika der Ausdruck χερσὶ καὶ ἠνορέῃ mit dem Verb ἀρόω verbunden ist, das eine landwirtschaftliche Tätigkeit bezeichnet und nicht wie bei Homer eine kriegerische Aktivität.1337 ἠνορέη hat also auch hier die elementare Bedeutung der ‚Körperkraft‘ wie in 1, 483 und 1, 1198. Die Kräfte, die Jason, aber auch die Stiere beim Pflügen aufwenden, werden z.B. auch in 3, 1332 thematisiert.1338 In einer Rede im vierten Buch hält Medea den Argonauten vor, dass sie nun nach dem Raub des Vlieses nicht mehr den Mut hätten, gegen die Kolcher zu kämpfen: νῦν δὲ λάθεσθε / ἠνορέης, ὅτε μοῦνοι ἀποτμηγέντες ἔασιν (4, 1051–52).1339 Die Junktur 1334 Zur Interpretation der Stelle s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). Für das Motiv der Worte, die in ihrer Effektivität dem Kampf gleichkommen oder ihn übertreffen, weist Mooney (1912) 234 auf Euripides Phoen. 516–17 hin: πᾶν γὰρ ἐξαιρεῖ λόγος / ὃ καὶ σίδηρος πολεμίων δράσειεν ἄν. 1335 Zur Tmesis ἐπι-πέποιθεν s. Hunter (1989) 152, vgl. auch Gillies (1928) 58 („The intransitiv perfect of the compound is first found here.“) mit Hinweis auf P 154 (εἴ τις ἐμοὶ Λυκίων ἐπιπείσεται ἀνδρῶν) und auf Quintus Smyrnaeus 5, 137, wo der Versschluss ἐπὶ πάγχυ πέποιθεν imitiert wird. 1336 Zu diesen Stellen s. Anm. 1190. 1337 Hunter (1989) 214: „Word-order reinforces meaning: Jason’s might (χερσὶ καὶ ἠνορέηι) splits ‚the whole field‘ and he ploughs ‚through‘ the ‚hard field‘. There is a similar effect at 1331“. 1338 S. dazu unter 16b. (βίη) und 18f. (κρατερός/καρτερός). 1339 Zur Medea-Rede im Gegensatz zur Peleus-Rede in 2, 1220 s. unter 16a. (ἀλκή). 320

λάθεσθε ἠνορέης ist eine variatio der homerischen Wendung ἀλκῆς λαθέσθαι, die an acht Stellen belegt ist und immer im kriegerischen Kontext steht, z.B. μένεος ἀλκῆς τε λάθωμαι (Z 265, X 282). Von diesen acht Stellen finden sich vier in Reden, davon eine in einer Kampfparänese, die wie die Rede Medeas den Zweck hat, Personen zum Kampf aufzufordern: Τυδείδη, τί παθόντε λελάσμεθα θούριδος ἀλκῆς (Λ 313).1340 Apollonios ersetzt ἀλκή durch ἠνορέη. Im Unterschied zu den homerischen Kampfparänesen, in denen Vorwürfe der Feigheit dazu dienen, die Kampfgier der Krieger anzustacheln, sind Medeas Vorwürfe ernst gemeint. Sie beschuldigt die Argonauten, nur solange zu einem Kampf mit den Kolchern bereit gewesen zu sein, bis sie das Goldene Vlies in ihrem Besitz hatten: κῶας ἑλεῖν μεμαῶτες, ἐμίξατε δούρατα Κόλχοις / αὐτῷ τ’ Αἰήτῃ ὑπερήνορι (4, 1050–51).1341 An einer Belegstelle hat ἠνορέη die abgeschwächte Bedeutung ,Mut‘: Erzählt wird von Kanthos, den Schicksal und Mut zur Suche nach Herakles antreiben: Τὸν μὲν ἄρ’ αἶσα θεῶν κείνην ὁδὸν ἠνορέη τε / ὦρσεν, ἵν’ Ἡρακλῆος ἀπηλεγέως πεπύθοιτο, / Εἰλατίδην Πολύφημον ὅπῃ λίπε (4, 1468–70). ἠνορέη fungiert hier als Subjekt (vgl. 3, 189) parallel zu αἶσα θεῶν.1342 Im transitiven Gebrauch hat ὄρνυμι bei Homer nur Personen (Gottheit oder Mensch) als Subjekt bei sich.1343 Meistens treibt eine Gottheit Menschen an oder erregt eine Eigenschaft in einem Menschen z.B. Τρώεσσιν Ὀλύμπιος ἐν μένος ὦρσεν (Θ 335).

Zusammenfassung An keiner der Belegstellen von ἠνορέη wird Homer wörtlich zitiert. Doch übernimmt Apollonios mehrmals typisch homerische Junkturen in leicht variierter Form, z.B. ἠνορέῃ πίσυνος. Auffällig ist die variatio durch Synonymersatz an zwei Stellen: λάθεσθε ἠνορέης (bei Homer: ἀλκῆς λαθέσθαι), ἰσοφαρίζεις ἠνορέην (bei Homer: μένος ἰσοφαρίζειν). Außerdem schafft Apollonios z.B. mit den Begriffspaaren δέμας ἠνορέην τ’ und χερσὶ καὶ ἠνορέῃ neue Junkturen. Ebenso vor Apollonios nicht belegt ist ἠνορέη als Subjekt. 1340 Fränkel (1968) 559 weist auf die motivische Analogie zwischen dem Kampfaufruf Medeas an die Argonauten und der Epipolesis der Ilias (Δ 250–421, besonders 370– 400, 413–18) hin. Vgl. Knight (1995) 255, die auch einen Bezug zur Versöhnungsrede Agamemnons zu Achill in Τ 86–138 erkennt: „In both speeches the speaker pleads his or her sexual restraint (4.1024–25, Il. 19.261–3).” 1341 S. dazu unter 6d. (Lanzen/Speere). 1342 Livrea (1973) 413 weist überzeugend den Vorschlag von Fränkel (1961), εὐνοίη τε statt ἠνορέη τε zu lesen, zurück: „Non si capisce perché Fränkel proponga in app. εὐνοίη τε: la motivazione umana (ἠνορέη) accanto alla τύχη (αἶσα θεῶν) costituisce un tratto ,moderno‘ tipicamente apolloniano.“ 1343 M. Schmidt, LfgrE 3, 794, 12–15: „häufig Gotth. Subj. […] ὄ. fast t.t. für (‚normales‘, nicht gewaltsames) göttl. Eingreifen in menschl. Denken und Handeln u. in Natur“. Menschliche Fähigkeiten und Verhaltensweisen sind an wenigen Stellen Subjekt beim medialen Gebrauch des Verbs, z.B. θυμός (τ 377, 524), σθένος (Λ 827), ἀλκή (Ε 532, Ο 564). 321

Von den untersuchten Belegstellen steht keine im kriegerischen Kontext auf der Erzählebene. Im kriegerischen Sinn ist ἠνορέη nur auf sekundärer Ebene und in Reden gebraucht. Zwei Stellen im Argonautenkatalog beschreiben die kriegerische Tapferkeit zweier Argonauten, die aber dann dieser Charakterisierung in der Handlung nicht gerecht werden. In Jasons Rede über die Auseinandersetzung mit Aietes wird ἠνορέη generell negativ bewertet, ebenso die ἠνορέη der Argonauten in Bezug auf einen Kampf mit den Kolchern in Medeas Rede. Die ἠνορέη Jasons für den Athlos ist an zwei Stellen Thema in Reden. Auf der Hauptebene der Handlung findet sich nur die ἠνορέη des Herakles beim Ausreißen des Baums sowie der nebensächliche Bericht über die Suche des Kanthos nach Herakles.

b. θάρσος Das Wort θάρσος ist bei Homer an 13 Stellen (Ilias 8, Odyssee 5) belegt und bedeutet an 7 Ilias- und 2 Odysseestellen ‚Tapferkeit, Mut‘ im Kontext von Krieg oder Kampf.1344 An den meisten Stellen gibt ein Gott θάρσος ein (θάρσος διδόναι/ἐντιθέναι/ἐμβάλλειν/ ἐμπνέειν), so auch an den drei Odysseestellen, die nicht im kriegerischen Kontext stehen.1345 An 5 Stellen (Ilias 3, Odyssee 2) findet sich θάρσος in Reden.

In den Argonautika ist θάρσος viermal belegt. Eine Belegstelle begegnet in der Aussage der Hypsipyle, dass ein Gott den Frauen in Lemnos den gewaltigen Mut eingegeben habe, ihre Männer nicht mehr in die Stadt zu lassen: … εἰσόκε τις θεὸς ἄμμιν ὑπέρβιον ἔμβαλε θάρσος / ἂψ ἀναερχομένους Θρῃκῶν ἄπο μηκέτι πύργοις / δέχθαι, … (1, 820–22). Die Wendung θάρσος ἐμβάλλω findet sich bei Homer einmal in Φ 547, wo Apollon dem Agenor Mut eingibt, damit er Achill entgegen tritt: ἐν μέν οἱ κραδίηι θάρσος βάλε.1346 Das Eingeben von Mut durch einen Gott geschieht bei Homer einmal auch bei einer Frau: In ζ 139–40 gibt Athene Nausikaa Mut ein (τῇ γὰρ Ἀθήνη / θάρσος ἐνὶ φρεσὶ θῆκε) und nimmt ihr die Furcht vor der Begegnung mit dem fremden Odysseus. Die Junktur ὑπέρβιον θάρσος ist neu. Das Adjektiv ὑπέρβιος, bei Homer 10 Mal belegt, ist dort zweimal Epitheton für θυμός.1347 Dort wird einmal Achill (Σ 262)

1344 W. Beck, LfgrE 2, 975, 34–35: „courage, […] audacity“. 1345 In α 321 und γ 76 gibt Athene Telemachos Mut ein für die Suche nach seinem Vater, in ζ 140 Nausikaa, um ihr die Furcht zu nehmen. 1346 Vian (Bd. 1, 1976) 89, Anm. 1, und Ardizzoni (1967) 207 weisen außerdem auf T 88 hin: οἵ τέ μοι εἰν ἀγορῇ φρεσὶν ἔμβαλον ἄγριον ἄτην. 1347 Sonst steht das Adjektiv ὑπέρβιος dreimal neben ὕβρις (s. Anm. 1096) und fünfmal als Adverb. Apollonios verwendet das Adjektiv im Vergleich zu Homer mit 14 Stellen sehr oft. Er setzt es als Epitheton einzelner Helden ein (Idas, Ankaios (1, 151, 188, 426), vgl. zur Verwendung als Attribut für Personen Pi. O. 10, 15), zu mehreren Personen in 2, 468 und 2, 1117, außerdem steht es neben χεῖρες (1, 944), ὅρκος (3, 714), ἕλκος (4, 1523), δείματα (4, 735), κύματα (4, 823), νείκεα (4, 1010), ἔργα (4, 1321). Zur metrischen Position von ὑπέρβιος bei Apollonios im Vergleich mit Homer s. Ardizzoni (1967) 121. 322

und einmal Nestor (o 212) übergewaltiger Mut zugesprochen.1348 θάρσος begegnet bei Homer nur in ι 381 mit einem Epitheton, wo ein Daimon Odysseus und seinen Gefährten Mut eingibt, um den Zyklopen Polyphem zu blenden: αὐτὰρ θάρσος ἐνέπνευσεν μέγα δαίμων. Die Junktur ὑπέρβιον θάρσος des Apollonios ist möglicherweise eine variierende Kombination der homerischen Junkturen θυμός ὑπέρβιος (Σ 262, ο 212) und θάρσος μέγα (ι 381). In der Rede Hypsipyles wirkt ὑπέρβιον θάρσος übertrieben verglichen mit den genannten Iliasstellen oder der Polyphem-Episode in der Odyssee. Mit diesem übergewaltigen Mut, den die Frauen von Lemnos von dem Gott erhalten haben, müssten sie zu größeren und gewaltigeren Taten fähig sein, als nur ihre Männer fernzuhalten, und zwar Taten, die vergleichbar sind mit den Kampfhandlungen des Agenor und des Achill oder mit der Gewalttat des Odysseus und seiner Gefährten an Polyphem. Eine solche Gewalttat, die ja von den Lemnierinnen tatsächlich begangen wurde, wird zwar in der Rede Hypsipyles nicht erwähnt,1349 aber in 1, 820 angedeutet. Die bei Homer singuläre Wendung θάρσος ἐμβάλλω (Φ 547) verwendet Apollonios auch in 2, 865–66, wo Hera Ankaios gewaltigen Mut eingibt, so dass er die Aufgabe des Steuermannes übernimmt: Ἀγκαίῳ περιώσιον ἔμβαλεν Ἥρη / θάρσος. Auch hier versieht Apollonios θάρσος mit einem starken Epitheton (περιώσιος) und hebt damit wie in 1, 820 die Wendung gegenüber dem homerischen Vorbild steigernd hervor.1350 Bereits im Katalog wird Ankaios als kriegs- und seefahrtskundig beschrieben (1, 188–89). Seine Kriegserfahrung kommt in der Handlung nicht zur Geltung, wohl aber seine Erfahrung in der Seefahrt. In der Aussage, dass Ankaios auf die Eingebung Heras hin das Amt des Steuermannes übernimmt, wirkt περιώσιον θάρσος überzogen. Durch diese Eigenschaft wirkt Ankaios wie ein großer Held, der eine gewaltige Aufgabe auf sich zu nehmen hat. Da die Seefahrt in den Argonautika durch homerisches Vokabular und Formulierungen aus der Kampfessphäre als heroische Handlung dargestellt wird und sowohl das Rudern als auch das Tragen der Argo durch die Wüste wie Leistungen kriegerischer Kämpfer erscheinen,1351

1348 Dreimal steht das Adjektiv bei Homer auch in der formelhaften Klausel ὑπέρβιον ὕβριν ἔχοντες/ἔχουσι (α 368, β 321, π 410), die die negative Eigenschaft der Hybris beschreibt. 1349 Vgl. Hunter (1993) 51: „… and we are teased with the possibility that she will tell the truth; in fact, this act of boldness turns out to be turning their husbands away at the gates.“ Levin (Argonautica Re-examined 1971) 77 u. Anm. 3 weist auf die Zweideutigkeit in Hypsipyles Aussage hin: „… because ὑπέρβιον θάρσος could conceivably be interpreted as ,wanton temerity‘.“ 1350 Zu περιώσιος bei Homer und Apollonios s. unter 16a. (ἀλκή, zu 3, 334), Anm. 1135. Im Unterschied zu 3, 334, wo das Wort in der Wendung περιώσιον οὕνεκεν ἀλκῇ […] μετέπρεπεν als Adverb steht, wird περιώσιος in 2, 865 attributiv gebraucht, was zum ersten Mal bei Theognis (τὰ γὰρ περιώσια πάντα / χρήματ’ (1, 725–26)) auftaucht, vgl. auch Empedokles (ἀνὴρ περιώσια εἰδώς (fr. 129, 1 DK)). Dort hat das Wort freilich eine andere Bedeutung, s. LSJ s.v. I.2: „unusual, rare“. 1351 S. dazu z.B. unter 15r. (Die Symplegaden-Episode), 16b. (βίη), 16c. (κράτος) und 16d. (μένος). 323

ist die göttliche Initiative für den Steuermann, der die Führung dieser Heldentaten übernimmt und dafür besonderen Mut braucht, konsequent. In 2, 641 begegnet θάρσος in der Aussage Jasons, dass sein Mut durch die Tapferkeit der Argonauten vergrößert werde: Ὦ φίλοι, ὑμετέρῃ ἀρετῇ ἔπι θάρσος ἀέξω. Eine Ps.-Hesiod-Stelle scheint als Vorbild gedient zu haben: μέγα δὲ φρεσὶ θάρσος ἀέξων (asp. 96). Die Junktur θάρσος ἀέξω(ν) steht an beiden Stellen am Versende.1352 Jasons Rede folgt nach der positiven Reaktion der Argonauten auf seine Peira, in der er Angst und Unsicherheit wegen des bevorstehenden Weges vorgibt.1353 Die Aussage über den Zuwachs seines Mutes zeigt eine Abhängigkeit des Anführers von seinen Gefährten und den Einfluss ihres Charakters und ihrer Stärke auf das Unternehmen.1354 Tatsächlich aber ist Jason weniger von Tapferkeit und Kraft seiner Gefährten abhängig als von der Hilfe Medeas. In einem aitiologischen Bericht über den Pharao Sesostris (βίῃ καὶ κάρτεϊ λαῶν / σφωιτέρων θάρσει τε πεποιθότα (4, 273–74)) steht θάρσος in Verbindung mit βίη und κάρτος.1355 Vorbild ist sicher P 329 (κάρτεΐ τε σθένεΐ τε πεποιθότας ἠνορέηι τε), wobei das Prinzip des Synonymtausches hier besonders deutlich wird, da Apollonios βίη statt σθένος und θάρσος statt ἠνορέη einsetzt. Denn noch an einer weiteren Stelle begegnet die Junktur ἠνορέηφι πεποιθώς (Δ 303), mit θάρσος ist das Partizip aber bei Homer nicht verbunden.

Zusammenfassung Zweimal verwendet Apollonios die singuläre homerische Junktur θάρσος ἐμβάλλω und fügt steigernde Epitheta hinzu, die bei Homer nicht in dieser Verbindung belegt sind. Mit θάρσος ἀέξω spielt er auf eine singuläre Hesiodstelle an. βίῃ καὶ κάρτεϊ […] θάρσει τε πεποιθότα ist eine variatio durch Synonymtausch. Zwei der vier Belegstellen finden sich in Reden mit unterschiedlichen Themen. In der Rede Hypsipyles wird in einer Analepse der Mut der lemnischen Frauen in der Auseinandersetzung mit ihren Männern thematisiert, während Jason in der Peira über seinen Mut das Gesamtunternehmen betreffend spricht. Eine Stelle begegnet in einem Aition. Der einzige Beleg auf der Primärebene der Handlung findet sich im Zusammenhang mit der Seefahrt und beschreibt den Mut des neuen Steuermannes Ankaios. 1352 Zu ἀέξω im Zusammenhang mit Begriffen der ‚Kraft‘ s. 16a. (ἀλκή, zu 2, 44). 1353 Zur Interpretation der Peira-Rede s. Natzel (1992) 189–190 mit weiterer Literatur und Pietsch (1999) 144–45. Ibscher (1939) 37 bemerkt, dass θάρσος in dieser zweiten Ansprache Jasons an die Gefährten prägnant dem in der Peira-Rede geäußerten ἄχος gegenüberstehe. 1354 Vergleichbar ist die zu ἠνορέη in 1, 204–5 besprochene Aussage, dass Palaimonios den Ruhm Jasons mehren werde: Ἰήσονι κῦδος ἀέξων (1, 206). 1355 Zur Interpretation der Stelle s. unter 16b. (βίη, zu 4, 273–74). Zur Verbindung des Partizips πεποιθώς mit Ausdrücken der ‚Kraft‘ bei Homer s. unter 16b. (βίη, zu 3, 181). 324

c. Gesamtüberblick ‚Mut und Tapferkeit‘, (‚Kampfkraft‘) Die folgende Tabelle zeigt einen Überblick über den Kontext der Belegstellen von ἠνορέη und θάρσος sowie der Wörter der Gruppe ‚Kampfkraft‘: Kriegerischer Kampf, Faustkampf Handl. ἀλκή

3 3

βίη

1 1

μένος

2

σθένος

2

ἠνορέη

3

3

11

3

2

1

1

4

3

1

4

2

1

4

4

θάρσος 6

Seefahrt Personen- Analepse, Sonstiger beschreiAition nichtbung krieger. Katalog Kontext

Rede Handl. Rede Hypoth. Hypoth.

2

κράτος

nicht-krieger. Kampf

13

1

2 1 2

2

1 1

9

16

4 3

2 1

1

2 1 2

6

9

6

Anders als bei der Wortgruppe ‚Kampfkraft‘ ist die Verwendung der Begriffe der ‚Tapferkeit‘ nicht eindeutig auf bestimmte Handlungsbereiche wie Athlos und Seefahrt konzentriert, auffällig ist jedoch bei beiden Wortgruppen der häufige Einsatz in Reden, in denen kriegerischer oder nicht-kriegerischer Kampf thematisiert wird. In dieser Wortgruppe sind zwar auch bei Homer viele Belege in Reden zu finden. Doch wird dort meist die Kraft oder Tapferkeit der Krieger im aktuellen Krieg thematisiert, die Figuren sprechen über die eigenen Fähigkeiten oder die ihrer Gegner. In den Argonautika wird dagegen an vielen Stellen über den Krafteinsatz in hypothetischen Kämpfen gesprochen, die im Anschluss meist nicht stattfinden.1356 Ein ähnliches Ergebnis liefert die Untersuchung der Wortgruppe ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘.1357

18. mutig, tapfer Als Ergänzung zur Untersuchung der Ausdrücke für ‚Kampfkraft‘ sowie für ‚Tapferkeit, Mut‘ sollten auch die Adjektive mit der Bedeutung ‚stark, kräftig‘ und ‚mutig, tapfer‘ sowie Verben mit der Bedeutung ‚stark sein‘ und ‚tapfer, mutig sein‘ betrachtet werden. Zur Gruppe der Adjektive zählen z.B. Derivate der bereits untersuchten Wörter für ‚Kampfkraft‘ und ‚Tapferkeit‘ wie ἄλκιμος, κρατερός, θρασύς 1356 S. unter 16f. (Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘ - ‚Kraft‘ in hypothetischen Aussagen). 1357 S. dazu unter 1l. (Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘). 325

und θαρσαλέος.1358 Jedoch kennt die homerische Sprache eine viel größere Zahl an Attributen dieser Art.1359 Bei Apollonios allerdings ist die Vielfalt wesentlich geringer:1360 Von den homerischen Wörtern im genannten Bedeutungsbereich, die Classen aufführt,1361 ist nur ein kleiner Teil in den Argonautika zu finden. Auffällig ist, dass Wörter, die bei Homer sehr häufig vorkommen, wie ἄλκιμος (Ilias 36, Odyssee 12 Stellen) und φέρτερος (Ilias 24, Odyssee 10 Stellen) in den Argonautika gar nicht belegt sind. In die Untersuchung einbezogen werden nur Adjektive, die bei Homer vorwiegend im kriegerischen Kontext stehen. Von den Verben, die von den Wörtern mit der Bedeutung ‚Kampfkraft‘ und ‚Tapferkeit‘ abgeleitet sind, hat θαρσέω bei Homer die abgeschwächte Bedeutung ‚vertrauen auf‚ zuversichtlich sein‘ und begegnet nur selten im kriegerischen Kontext.1362 Bei Apollonios steht das Verb in der Bedeutung ‚vertrauen‘ (1, 300) und ‚guten Mutes sein‘ auch nicht im kriegerischen Kontext.1363 βιάζω wird zwar für gewaltsame Handlungen, aber nicht vorwiegend im kriegerischen Kontext verwendet,1364 σθένω ist bei Homer noch nicht belegt.1365 Einzig κρατέω drückt bei Homer das Innenhaben einer überlegenen Kraft aus und wird an mehreren Stellen für Helden in der Aristie verwendet,1366 ist aber bei Apollonios nicht belegt. Die genannten Verben werden also von der Untersuchung ausgeschlossen.

1358 Das von βίη abgeleitete Adjektiv βίαιος kommt bei Homer nicht im kriegerischen Kontext vor, sondern hat die negative Bedeutung des widerrechtlich Gewaltsamen, vgl. H.W. Nordheider, LfgrE 2, 55, 28. Zu ἀλκήεις s. unter 16a. (ἀλκή), Anm. 1089. 1359 Classen (2008) 67–68: „…. kaum übersehbar ist die Zahl der Adjektive, die durch ihre Etymologie, durch das Nebeneinander mit anderen ähnlicher Bedeutung oder durch den Zusammenhang offenkundig als positiv wertend gekennzeichnet werden. Teilweise verwendet der Dichter sie in allgemeinerer Bedeutung: ,mannhaft‘, ,kriegerisch‘, ,mutig‘, ,kühn‘, ,sehr mutig‘ oder ,kampfbereit‘, teilweise gebraucht er sie mit spezielleren Nuancen wie ,Männerreihen durchbrechend‘, ,voranstürmend‘, ,im Nahkampf kämpfend‘ und ,schnell im Kampf‘, ferner ,standhaft‘, ,unermüdlich‘ und ,furchtlos‘.“ 1360 So auch Thiel (1996) 15 in seiner kurzen Abhandlung über die Epitheta der Helden (15–16), die aber Charakteristika im Allgemeinen umfasst. 1361 Classen (2008) 68, Anm. 11 und 12. 1362 Zu θαρσέω s. W. Beck, LfgrE 2, 974, 44: „be of good heart, be confident“. Die Verbindung des Verbs mit μάχομαι, die an mehreren Stellen zu finden ist (E 124, Y 338), stellt den Bezug zur Kriegssphäre her. 1363 Vgl. Reich VI, 426 zu 1, 300: „vertraue“; zu 2, 421: „sei getrost“. 1364 S. unter 10f. (βιάω/βιάζω). 1365 Bei Apollonios beschränkt sich die Bedeutung an allen vier Belegstellen auf ‚können, imstande sein‘, vgl. LSJ s.v. σθένω 4: „c. inf., to have strength or power to do, be able“. Vgl. auch Pompella (2002) 584: „possum, valeo“. 1366 H. W. Nordheider, LfgrE 2, 1526, 48–50. 326

a. ἀρηΐθοος Das Adjektiv ἀρηΐθοος kommt bei Homer dreimal in der Ilias vor, bedeutet ‚kriegstüchtig‘ und findet sich zweimal in einer Kampfszene (Θ 298, Ο 315) und einmal in einem Gleichnis, das eine Kampfszene illustriert (Υ 167).1367 In der nachhomerischen Literatur vor Apollonios ist das Adjektiv nicht belegt.

Die Verbindung von ἀρηΐθοος mit einem Eigennamen wie in der Beschreibung eines Kriegers im Dolionenkampf (Πηλεὺς δὲ Ζέλυν εἷλεν ἀρηίθοόν τε Γέφυρον (1, 1042)) ist unhomerisch.1368 Denn in der Ilias begegnet nur die Junktur ἀρηϊθόων αἰζηῶν, z.B. πολλὰ δὲ δοῦρα θρασειάων ἀπὸ χειρῶν / ἄλλα μὲν ἐν χροῒ πήγνυτ’ ἀρηϊθόων αἰζηῶν (O 314–15). Mit den Ilias-Szenen gemeinsam ist jedoch die Zuordnung des Epithetons zum unterlegenen Kämpfer.

b. δαΐφρων Das Adjektiv δαΐφρων kommt bei Homer an 59 (Ilias 38, Odyssee 21) Stellen vor, bedeutet in der Ilias meistens ,kampfesmutig‘, in der Odyssee fast immer ‚erfahren‘.1369 Das Wort, das sehr oft in Reden (Ilias 21, Odyssee 9 Stellen) begegnet, ist immer Attribut für Personen, meistens Kriegshelden, in der Odyssee aber auch für Personen ohne Bezug zum Kampf.1370

In den Argonautika ist das Wort nur in 1, 560 belegt: Οἱ δ’ ὅτε δὴ λιμένος περιηγέα κάλλιπον ἀκτὴν φραδμοσύνῃ μήτι τε δαΐφρονος Ἁγνιάδαο Τίφυος, … (1, 559–61)

Als Epitheton des Steuermanns Tiphys hat δαΐφρων die Bedeutung ‚erfahren‘ und bezeichnet eine Eigenschaft, die durch φραδμοσύνῃ μήτι τε betont wird. Im Gegensatz zu Herakles, der einige Verse zuvor mit roher Kraft agiert (1, 531–33; 542–43) geht Tiphys beim Steuern des Schiffes besonnen und klug vor.1371 Lt. Clauss weisen diese gegensätzlichen Charakterisierungen auf die Diskrepanz zwischen dem von 1367 C.J. Ruijgh, LfgrE 1, 1237, 59: „agile au combat“. 1368 Quintus Smyrnaeus setzt das Epitheton dann ebenso wie Apollonios neben Eigennamen (3, 309; 10, 122). Reich II, 119 übersetzt das Wort in 1, 1042 mit „kampfschnell, streitbar“. Pompella (2002) 93: „fortis, velox in pugna“. 1369 R. Führer, LfgrE 2, 206, 17–21: „(1) dessen Sinn (φρήν) auf Kampf (vgl. δαΐ ) gerichtet ist […] (2) erfahrenen [vgl. δαῆναι, bes. θ 448] Sinn besitzend“. Rengakos (1994) 68: „in der Ilias ,auf Kampf sinnend‘, in der Odyssee ,verständig‘“. 1370 R. Führer, LfgrE 2, 207, 24–41 nennt 9 Odysseestellen. 1371 Clauss (1993) 93 zeigt, dass die Beschreibung des Tiphys parallel zur HeraklesBeschreibung in 1, 531–33 gestaltet ist („… the brief description of the massive Heracles at his seat with his club at hand parallels in the second subsection the sketch of Tiphys, who skilfully wields the rudder as he steers the ship out of the harbor.“) und stellt die Eigenschaften der beiden Helden μέγα τε σθένος (1, 531–32) 327

Herakles verkörperten altepischen und dem modernen, durch Jason repräsentierten Heldentum hin.1372 Sprachlich adäquat zu einem moderneren Führungsstil ist die in der Odyssee gängige Bedeutung von δαΐφρων, die von der Kriegssphäre der Ilias wegführt:1373 Bei Homer ist δαΐφρων an 9 Stellen, davon achtmal in der Odyssee, Epitheton von Odysseus und steht an sechs Stellen in der formelhaften Junktur Ὀδυσῆα δαΐφρονα ποικιλομήτην (z.B. η 168), die kluge Besonnenheit zum Ausdruck bringt. Diese Eigenschaft passt zum Charakter des Tiphys. Für Herakles wird dagegen das traditionelle Epitheton θρασύς gebraucht (1, 1316), das sich vor allem in der Ilias im kriegerischen Kontext findet.1374

c. θρασύς θρασύς ist bei Homer an 23 Stellen (Ilias 20, Odyssee 3) belegt, hat die Bedeutung ‚tapfer, mutig‘ und wird mit drei Ausnahmen im kriegerischen Sinn gebraucht.1375 Das Adjektiv steht bei Homer fast immer in festen Junkturen: als Epitheton von Personen wie Hektor (7 Stellen), Hektors Wagenlenker (3 Stellen), Odysseus (1 Stelle), neben πόλεμος (4 Stellen, davon einmal als varia lectio), in der Klausel θρασειάων ἀπὸ χειρῶν, die das Schleudern von Waffen beschreibt (7 Stellen, z.B. Λ 553). An 4 Ilias- und 2 Odysseestellen steht θρασύς in Reden. In der nachhomerischen Literatur erhält das Attribut die negative Konnotation des Übermütigen.1376

und φραδμοσύνῃ μήτι […] τεχνηέντως (1, 560–61) sowie ihre Instrumente ῥόπαλον (1, 532) und πηδάλια (1, 562) als antithetisch gegenüber. 1372 Clauss (1993) 94: „The difference between Heracles’ and Tiphys’s contribution to the driving of the ship compares quite closely with the different heroic styles of Heracles and Jason. The former always depends on his great strength for success, while the latter achieves his goals by skilfully manipulating people and circumstances. It is essential to note that right here, at the beginning of the expedition, we can observe how φραδμοσύνη and μῆτις can just be as effective as σθένος.“ 1373 Vgl. Reich III, 200, der das Wort hier als „verständig, klug“ versteht. So auch Pompella (2002) 147: „prudens“. Rengakos (1994) 68–69 fasst die Verwendung des Adjektivs an dieser Stelle als Markierung der Bedeutung „erfahren, verständig“ auf: „,Kriegerisch‘ kommt für Tiphys an dieser Stelle überhaupt nicht in Frage.“ 1374 S. unter 18c. (θρασύς). 1375 W. Beck, LfgrE 2, 1058, 15–16 gibt die Bedeutung „bold, courageous“ aber auch „foolhardy“ an (s. Anm. 1376). Im nicht-kriegerischen Kontext steht das Adjektiv bei den Händen eines Kämpfers beim Wettkampf in der Ilias (Ψ 714), als Epitheton des Odysseus im Zusammenhang mit der Zyklopen-Episode (κ 436) und seiner Hände im Kampf gegen die Wellen des Meers (ε 434). 1376 LSJ s.v. I.2: „more freq. in bad sense, over-bold, rash“. Hier ist als einzige homerische Belegstelle κ 436 angegeben, wo es in einer Rede um die Vermessenheit des Odysseus in der Zyklopen-Episode geht, vgl. dazu W. Beck, LfgrE 2, 1058, 43–46, der κ 436 als einzigen Beleg für die Bedeutung „foolhardy“ nennt. Bei Pindar steht das Wort neben dem Klagegesang der Gorgonen (Pyth. 12, 7). In der Bedeutung „audacious, arrogant, 328

Bei Apollonios ist das Adjektiv an 7 Stellen belegt:1377 Homerisch ist θρασύς als Epitheton eines Helden wie des Herakles in 1, 341 und in 1, 1316.1378 Anders als bei Homer, wo θρασὺν Ἕκτορα in der Versmitte steht, z.B. in der Formel … Πουλυδάμας θρασὺν Ἕκτορα εἶπε παραστάς (M 60, 210, N 725), findet sich die entsprechende Junktur an beiden Belegstellen am Versende (θρασὺν Ἡρακλῆα). Herakles wird an zwei markanten Stellen des Epos als θρασύς bezeichnet: Zunächst bei seiner Wahl zum Anführer (1, 341). Dass Herakles gerade hier das Attribut θρασύς erhält, zeigt, dass körperliche Kraft und Kriegstüchtigkeit in dieser Situation auch von den Argonauten als wesentliche Eigenschaften eines Anführers empfunden wurden.1379 In 1, 1316 begegnet das Attribut in der Rede des Glaukos, der die angestrengte Suche der Argonauten nach dem verschwundenen Herakles kritisiert und sie auffordert, diesen zurückzulassen. An beiden Stellen kommt der Wunsch der Argonauten zum Ausdruck, Herakles in das Unternehmen zu integrieren, ob als Anführer oder als Mitglied der Schar auf der weiteren Fahrt. In beiden Fällen wird der Wille der Argonauten nicht erfüllt, im ersten Fall durch die Ablehnung des Herakles selbst (1, 345–46), im zweiten Fall durch göttliche Entscheidung (1, 1315). Zweimal ist θρασύς Epitheton für Kämpfer in Schlachtschilderungen, in der Dolionenschlacht (Οἰνεΐδης δ’ ἐπὶ τοῖσιν ἕλε θρασὺν Ἰτυμονῆα (1, 1046)) und der Bebrykerschlacht (Καὶ τότ’ ἄρ’ Ἀγκαῖος Λυκοόργοιο θρασὺς υἱὸς / […] ἔνθορε μέσσῳ / ἐμμεμαὼς Βέβρυξιν (2, 118–21)). Möglicherweise Vorbild für beide ist die einzige Iliasstelle, an der θρασύς nicht in einer der o.g. festen Junkturen steht: ἔνθ’ αὖ Μηριόνης Τρώων ἕλεν ἄνδρα κορυστήν / Λαόγονον, θρασὺν υἱὸν Ὀνήτορος (Π 603–4). Die Junktur θρασὺς υἱός ist bei Homer singulär. Bei Ps.-Hesiod steht das Epitheton θρασυκάρδιος neben υἱός, bezogen auf die Person des Herakles: οὐ γάρ τοι θέμις ἐστὶν ἀπὸ κλυτὰ τεύχεα δῦσαι / Ἡρακλέα κτείναντα, Διὸς θρασυκάρδιον υἱόν (asp. 447–48). Möglicherweise ist auch diese Stelle Vorbild für 1, 341; 1, 1316 und 2, 118. Keine homerischen Vorbilder finden sich für θρασύς im Plural als Epitheton der Helden im Argonautenkatalog, wo es über Butes heißt, er nehme an der Fahrt

insolent“ taucht θρασύς in der Tragödie und Komödie auf. Es ist dort Attribut zu verschiedenen Substantiven, oft auch zu ‚Rede‘ und ‚Wort‘. 1377 Reich VI, 436 gibt die Bedeutung „kühn, verwegen“ an, die die pejorative Entwicklung des Wortes zeigt. Vgl. Pompella (2002) 323: „audax, animosus“. 1378 Der TLG, Bd. IV, 411 reiht 1, 341 unter die Minderheit der positiv belegten Belegstellen von θρασύς ein: „Aliquando vero in bonam partem pro Magnanimus, Fortis, Strenuus: ut quum [Homerus θρασὺν Ἕκτορα dicit Il. Θ 89 et al.,] Apoll. Rh. [1, 341] Herculem appellat θρασύν.“ 1379 Vgl. Clauss (1993) 63–65 („It is obvious that they understand the ,best‘ among the group to be a man of strength.“), der außerdem eine Parallele in T 74–111 erkennt und die beiden Szenen sowie die involvierten Charaktere Achill und Agamemnon miteinander vergleicht: Ebenso wie Agamemnon Achill Genugtuung verschafft und ihm seine Ehre zurückgibt, gibt Herakles die Ehre, die ihm nach Meinung der Argonauten gebührt, an Jason weiter, den er für den rechtmäßigen Anführer hält. 329

teil, damit er unter den Helden hervorsteche: ἵνα θρασέεσσι μεταπρέποι ἡρώεσσι (1, 100).1380 Unhomerisch ist auch die Junktur θρασὺς ἵμερος in 3, 653 (αἰδοῖ δ’ ἐργομένην θρασὺς ἵμερος ὀτρύνεσκε), da θρασύς bei Homer nicht mit Sachen und Abstrakta verbunden wird. Einzige Ausnahme ist πόλεμος θρασύς (z.B. K 28),1381 zu dem der θρασὺς ἵμερος, der ein erotisch motiviertes Verlangen ausdrückt,1382 in einem Gegensatz steht. Dass ἵμερος bei Apollonios ebenso wie πόλεμος bei Homer das einzige Abstraktum ist, das mit dem Attribut θρασύς versehen wird, verstärkt diese oppositio in imitando, da das Adjektiv bei beiden Dichtern sonst nur für Personen (bei Homer auch neben χεῖρες) gebraucht wird. Auch der Ausdruck θρασέες Ἔρωτες in 3, 687 kontrastiert mit dem homerischen πόλεμος θρασύς: Die Eroten treiben Medea an, die Initiative zur Untersützung Jasons zu ergreifen.1383 Hunter weist auf den Einfluss der ‚kühnen‘ Eroten auf Medeas Verhalten hin, das darum selbst kühn wird und damit im Widerspruch zu ihrem eigentlichen Charakterzug der αἰδώς steht.1384 Die durch die Liebesgötter motivierte Kühnheit bringt Medea dazu, Jason zu helfen und selbst zu einer Heldin des Epos zu werden. Es zeigt sich an dieser Stelle deutlich die Verlagerung der handlungsaktivierenden Kraft von der körperlichen Stärke und der Kampfestüchtigkeit kriegerischer Helden auf die durch Liebe initiierte weibliche Motivation.

Zusammenfassung Zweimal ist θρασύς Epitheton eines Kriegers in einer Schlachtbeschreibung. Der Kontext der anderen Belegstellen ist nicht kriegerisch. Im ersten und auch noch im zweiten Buch der Argonautika ist das Adjektiv wie bei Homer Attribut kriegerischer Helden. Die Verwendung als Epitheton für Herakles, den herausragenden Helden altepischer Tradition, entspricht der sonstigen Charakteristik des Herakles, z.B. in den Periphrasen βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος (1, 122) und μέγα τε σθένος

1380 Ardizzoni (1967) 113 macht hier auf die Parallele B 579 (πᾶσιν δὲ μετέπρεπεν ἡρώεσσιν) aufmerksam. Vgl. auch Ψ 645 (μετέπρεπον ἡρώεσσιν). 1381 Bei Thukydides findet sich dann ἐλπὶς ὅμως θρασεῖα τοῦ μέλλοντος (7, 77, 3). ἵμερος ist bei Homer an 18 Stellen belegt. Als einziges Epitheton begegnet an sieben dieser Stellen γλυκύς. Bei Hesiod ist der Ἵμερος an zwei von drei Belegstellen personifiziert und steht in theog. 201, wo er zusammen mit Eros das Geleit der Aphrodite bildet, mit dem Epitheton καλός. 1382 Reich VI, 436: „kühnes Verlangen“. 1383 Reich VI, 436: „verwegene Liebe“. Fränkel (1968) 366: „…von ‚dreister‘ Liebe (653 und 687) vorwärts gedrängt“. 1384 Hunter (1989) 172: „the ‚bold‘ Loves make Medea herself bold and reckless, cf. 653 where θρασὺς ἵμερος opposes αἰδώς.“ Natzel (1992) 63: „Apollonios spricht von θρασέες Ἔρωτες (3,687), d.h. er charakterisiert ihr Verhalten als kühn, keck, frech eben so, wie es einem Mädchen, das den überlieferten griechischen Vorstellungen entsprach, nicht zukommt.“ 330

Ἡρακλῆος (1, 531).1385 Nachdem Herakles aber den Schauplatz des Geschehens verlassen hat, findet sich auch die Eigenschaft der verwegenen Kühnheit in der folgenden Handlung selten bei den Argonauten.1386 Zwar werden die Helden in ihrer Gesamtheit im Katalog als θρασέες bezeichnet, dann aber taucht das Epitheton bei einem Argonauten nur noch einmal in der Schlacht gegen die Bebryker auf. Für die Hauptfigur Jason wird das Attribut θρασύς gar nicht verwendet. Im dritten Buch begegnet θρασύς aber dann in Zusammenhang mit der Initiative Medeas und wird mit der Liebesthematik, die ab diesem Zeitpunkt die Handlung bestimmt, verbunden. Durch die Kühnheit Medeas kann das Unternehmen der Argonauten erfolgreich vonstatten gehen.1387 Die Verwendung des Attributs verschiebt sich also im Verlauf der Handlung von dem durch Herakles verkörperten traditionellen Heldentum in einen im Grunde gegensätzlichen Bereich, der durch Medea und ihre von den Eroten motivierten Handlungen repräsentiert wird.1388 Der Kontrast dieser beiden Bereiche wird durch die Antithese der neuen Junkturen θρασέες ἥρωες und θρασέες Ἔρωτες und durch θρασὺς ἵμερος als Kontrastimitation von πόλεμος θρασύς zum Ausdruck gebracht.

1385 Vgl. Thiel (1996) 15: „mit ἄριστος (1, 1285), θρασύς (1, 341; 1316), πελώριος (1, 1242), der Periphrase μέγα … σθένος Ἡρακλῆος (1, 531) und ihren homerischen Vorlagen ist Herakles wiederum deutlich als ,urtümlicher Heros‘ gekennzeichnet.“ Natzel (1992) 196: „Der Erzähler macht damit unmißverständlich deutlich, daß Herakles an ἀρετή - Tapferkeit, Stärke, Mut, Kampfkraft etc. - alle anderen weit überragt.“ Zu den Periphrasen s. unter 16b. (βίη) und 16e. (σθένος). 1386 Clauss (1993) 202 begründet die Zurücklassung des Herakles mit dessen Individualität, die nicht mit dem Gruppenzusammenhalt vereinbar sei: „Heracles, who can drive the Argo by himself, and take the golden apples of the Hesperides from a tree guarded by Ladon by himself, is out of place in such a group. His independence stands in opposition to the unity of the group.“ 1387 Natzel (1992) 63 erkennt in Medeas Verhalten männliche Züge („Medea zeigt in ihrer Liebe geradezu männliche Charakteristika“), allerdings ohne diesen Eindruck am Text zu begründen. Die Eigenschaft der Kühnheit, die von den Eroten auf Medea übertragen wird, mag einen Beitrag zu dieser Wirkung leisten. Bei Homer wird das Adjektiv θρασύς nicht für Frauen verwendet, der erste Beleg findet sich bei Pindar (z.B. Nem. 3, 50) dann in der Tragödie (Soph. El. 521, 1446, Eur. Herakleid. 978, vgl. auch Aristoph. Thesm. 523). 1388 Blumberg (1931) 30 betont die Unvereinbarkeit von Herakles’ Heldentum mit der Medeahandlung: „Sein Benehmen anläßlich des lemnischen Aufenthaltes zeigt, daß es unmöglich war, diesen Frauenhasser, wie er hier geschildert ist, mit nach Kolchis zu nehmen, wo alles von weiblicher Hilfe abhängt.“ Ihm folgt Natzel (1992) 197 und begründet ebenso die Zurücklassung des Herakles damit, dass seine Anwesenheit unvereinbar mit dem Plan, Medeas Hilfe in Anspruch zu nehmen, gewesen wäre: „Herakles’ Ablehnung der Frauen hätte, trotz aller seiner ἀρετή, den Erfolg des Unternehmens letztlich verhindert.“ 331

d. θαρσαλέος Das Adjektiv ist bei Homer an 16 (Ilias 7, Odyssee 9) Stellen belegt und hat die Bedeutung ‚tapfer, mutig‘.1389 An allen Iliasstellen steht θαρσαλέος im kriegerischen Kontext in Reden und beschreibt mutige Krieger, davon viermal in der formelhaften Junktur θαρσαλέος πολεμιστής (E 602, Π 493, Χ 269, Φ 589). Einmal ist θαρσαλέος Epitheton zu ἦτορ (T 169). In der Odyssee verschiebt sich die Verwendung des Wortes in den nicht-kriegerischen, vor allem verbalen Bereich: An sechs Stellen begegnet das Adverb θαρσαλέως und bezeichnet das mutige oder sogar übermütige Sprechen (z.B. α 382, σ 390). An den anderen Odys­ seestellen ist θαρσαλέος im nicht-kriegerischen Kontext Attribut von Personen, zweimal auch mit negativer Konnotation der Überheblichkeit (ρ 449, τ 91).

In den Argonautika ist θαρσαλέος an zehn Stellen belegt, wird aber an sieben Stellen als Adverb verwendet. Diese Stellen sollen hier nur kurz angesprochen werden, da das Adverb θαρσαλέως bei Homer nicht im kriegerischen Kontext steht, sondern ausschließlich mit ἀγορεύω verbunden ist (s.o.). Apollonios variiert diese homerische Junktur dreimal durch den Einsatz synonymer Verben: κέκλεο θαρσαλέως (1, 707), θαρσαλέως […] ἀμείψατο (2, 1218), θαρσαλέως […] ἔειπεν (3, 505). In 4, 836 ist das Adjektiv in den Worten der Thetis prädikativ gebraucht (θαρσαλέη φαίην).1390 Eine mutige Artikulation drückt auch die Junktur θαρσαλέοις ἐπέεσσιν in 2, 639 aus.1391 Apollonios verbindet das Adverb θαρσαλέως aber auch mit anderen Tätigkeiten, was generell erst nach Homer begegnet.1392 Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die Anstrengung, Mühe oder Schmerz beinhalten (πονέεσθαι (2, 335), ὀρόθυνον ἐπιμνήσασθαι ἀέθλου (2, 877), ὑποδέχθαι (3, 425), ἕλκος ἄφασσε (4, 1522)). Die Verbindung des Adverbs mit Verben dieser Art ist ohne Vorbild. In 3, 1370 taucht θαρσαλέως dann im Kontext des Athlos auf, als Jason sich während des Kampfes gegen die Erdgeborenen unter seinen Schild duckt: αὐτὸς δ’ ὑφ’ ἑὸν σάκος ἕζετο λάθρῃ / θαρσαλέως (3, 1369–70). Handlung und adverbiale Ergänzung stehen hier in einem Widerspruch, da das Ducken zumindest einen Rückzug, möglicherweise sogar Feigheit ausdrückt, während θαρσαλέως die Eigenschaft des Mutes in diesem Moment zuweist.1393 1389 W. Beck, LfgrE 2, 974, 4: „bold(ly), courageous(ly)“. 1390 Livrea (1973) 247 weist auf eine Parallele bei Kallimachos hin (θαρσαλέη τάδ’ ἔλεξας (Del. 201)): „Ap. usa θαρσαλέος nelle due accezioni semantiche omeriche: 1) ,fiducioso, coraggioso‘ qui ed in 2.639 = 1218 […] 2) ,protervo, oltracotante‘ 1.477.“ 1391 Reich VI, 426: „mit ermutigendem Zuruf“. Fränkel (1968) 219 interpretiert: „… und antworteten darauf mit tumultuarischen Zurufen, die einer kühnen Entschlossenheit Ausdruck gaben.“ 1392 In der nachhomerischen Literatur ist das Adverb θαρσαλέως nur selten belegt. Bei Thukydides (3, 93, 2), bei Isokrates (1, 7, 5) und Theokrit (eid. 24, 117) steht es mit den Verben ἰέναι, μένω und ὑπομένω. 1393 Fränkel (1968) 438–39, Anm. 201, sieht keinen Widerspruch: „Bald darauf, nachdem es ihm gelungen ist, den überschweren Stein zwischen die erstehenden Riesen zu werfen, sieht er θαρσαλέως (1370) den weiteren Ereignissen entgegen.“ 332

In 1, 477 steht θαρσαλέoς neben κῆρ und ist negativ belegt: Die Stelle findet sich in der Rede des Idmon zu Idas, dem er vorwirft, durch Trunkenheit zur Verblendung zu gelangen: ἦέ τοι εἰς ἄτην ζωρὸν μέθυ θαρσαλέον κῆρ / οἰδάνει ἐν στήθεσσι, … (1, 477–78). Vorbild ist möglicherweise die singuläre Junktur θαρσαλέον ἦτορ in der Ilias: θαρσαλέον νύ οἱ ἦτορ ἐνὶ φρεσίν (T 169).1394 An beiden Stellen ruft Wein die Wirkung des mutigen Herzens hervor. Doch bei Homer dient der Wein (οἶνος, T 167) zusammen mit der Speise zur Stärkung des Kriegers, der neue Kraft und neuen Mut für weitere Kämpfe sammelt, hat also positive Wirkung. In den Argonautika dagegen tadelt Idmon die Überheblichkeit des Idas, die durch ein Übermaß an Wein (hier μέθυ, 1, 473; 477) hervorgerufen wurde.1395 Die negative Konnotation, die das Adjektiv θαρσαλέoς dadurch in den Argonautika erfährt, begegnet in der Ilias nicht, jedoch zweimal in der Odyssee (ρ 449, τ 91).

Zusammenfassung Die Belegstellen von θαρσαλέoς weisen entweder auf den Gebrauch in der Odyssee hin, da das Wort als Adverb oder prädikativ in Zusammenhang mit dem Sprechen verwendet wird, oder bieten neue Konstruktionen, z.B. die Verbindung mit anderen Verben. Nur die Junktur θαρσαλέον κῆρ lehnt sich möglicherweise an das θαρσαλέον ἦτορ der Ilias an. Keine der Belegstellen steht im kriegerischen Kontext.

e. ἴφθιμος ἴφθιμος kommt bei Homer an 44 (27 Ilias, 17 Odyssee) Stellen vor und bedeutet ‚stark, kräftig‘.1396 Das Adjektiv ist meistens Attribut menschlicher oder auch göttlicher Personen, findet sich aber auch neben Körperteilen der Krieger, meistens in Zusammenhang mit der Rüstung, z.B. κρατὶ δ’ ἐπ’ ἰφθίμωι κυνέην εὔτυκτον ἔθηκεν (Γ 336). An 23 von 27 Iliasstellen und an 5 von 17 Odysseestellen steht ἴφθιμος im kriegerischen Kontext.1397

1394 Hinweis auf T 169 auch bei Livrea (1973) 247, der für 1, 477 die Bedeutung „protervo, oltracotante“ annimmt. 1395 Reich VI, 426 zu θαρσαλέον κῆρ: „dein dreistes Herz“. Neutraler Pompella (2002) 314: „audacem animum“. Zu dieser Rede des Idmon und zur Charakterisierung des Idas s. unter 17a. (ἠνορέη, zu 1, 483). 1396 W. Beck, LfgrE 2, 1260, 3–4: „strong, mighty“. 1397 An den nicht-kriegerischen Belegstellen der Ilias wird das Adjektiv ἴφθιμος in Y 511 als Epitheton für Sthenelos im Wettkampf gebraucht, zweimal wird es für Frauen verwendet (E 415, T 116), einmal auch für Tiere (Ψ 265). In der Odyssee wird das Adjektiv im nicht-kriegerischen Kontext als Epitheton für die Götter Hades (κ 534, λ 47) und Proteus (δ 365), die Gefährten des Odysseus in der ZyklopenEpisode (υ 220, ψ 313), an den meisten Stellen aber für Frauen verwendet (6 Stellen, z.B. λ 297). Zweimal ist ἴφθιμος Attribut zu ἄνδρες, die in τ 110 Untertanen eines Königs im friedlichen Kontext eines Gleichnisses, in ω 26 die von Agamemnon vor Troja befehligten Heerscharen im militärischen Kontext bezeichnen. 333

In der Ilias kommt ἴφθιμος selten (4 Stellen), in der Odyssee dagegen öfter (10 Stellen) in Reden vor.

Bei Apollonios ist das Adjektiv viermal belegt: Homerisch verwendet ist ἴφθιμος als Epitheton einzelner Personen wie in 1, 118–19 (Ἀργόθεν αὖ Ταλαὸς καὶ Ἀρήιος, υἷε Βίαντος, / ἤλυθον ἴφθιμός τε Λεώδοκος) und 1, 224–26: Οὐδὲ μὲν οὐδ’ αὐτοῖο πάις μενέαινεν Ἄκαστος / ἰφθίμου Πελίαο δόμοις ἔνι πατρὸς ἑοῖο / μιμνάζειν. Beide Stellen finden sich im Argonautenkatalog, bei 1, 224 handelt es sich um die Genealogie eines Helden. Bei Homer dagegen begegnet ἴφθιμος als Epitheton von Kriegern, die im aktuellen Schlachtgeschehen eine Rolle spielen, z.B. ἴφθιμος Πελάγων (E 695), ἴφθιμον Μελάνιππον (O 547), ἴφθιμον Μενέλαον (P 554), ἴφθιμος Σθένελος (Ψ 511). Homerisch ist auch die Wendung ἴφθιμος περ ὤν in 1, 484: Idmon vergleicht in seiner Rede Idas mit den Aloiden, die trotz ihrer Stärke von Apollon bezwungen wurden: … υἷας Ἀλωιάδας, οἷς οὐδ’ ὅσον ἰσοφαρίζεις / ἠνορέην, ἔμπης δὲ θοοῖς ἐδάμησαν ὀιστοῖς / ἄμφω Λητοΐδαο, καὶ ἴφθιμοί περ ἐόντες (1, 482–84).1398 Mit derselben Wendung werden in der Ilias starke Krieger beschrieben, deren Kraft jedoch für ein schwieriges Vorhaben im Kampf nicht ausreicht, z.B. ἀργαλέον δ’ ἐμοί ἐστι καὶ ἰφθίμωι περ ἐόντι / τοσσούσδ’ ἀνθρώπους ἐφέπειν καὶ πᾶσι μάχεσθαι (Y 356–57).1399 Auch die Verwendung als Attribut für eine Frau wie in 4, 896–97 für Persephone in der Genealogie der Sirenen (Δηοῦς / θυγατέρ’ ἰφθίμην) hat zwei homerische Vorbilder in der Odyssee: θυγατέρ’ ἰφθίμῃ (κ 106, ο 364).1400 Bei o 364 handelt es sich auch um eine Genealogie.

Zusammenfassung Das Adjektiv ἴφθιμος ist wie bei Homer Epitheton von Helden. Der homerische Ausdruck ἴφθιμος περ ὤν sowie die Junktur θυγάτηρ ἰφθίμη kommen jeweils einmal vor. Doch charakterisiert das Adjektiv in den Argonautika Personen im Argonautenkatalog, in Genealogie und Analepse, nicht aber auf der Erzählebene und im kriegerischen Kontext.

f. κρατερός / καρτερός Das Adjektiv kommt bei Homer sehr häufig vor (κρατερός Ilias 133, Odyssee 30 Stellen, καρτερός Ilias 17, Odyssee 11 Stellen), wird meistens in Bezug auf Körperkraft gebraucht

1398 Zu dieser Rede des Idmon und zur Charakterisierung des Idas s. unter 17a. (ἠνορέη, zu 1, 483). 1399 Vgl. außerdem ἀργαλέον δέ μοί ἐστι καὶ ἰφθίμωι περ ἐόντι / μούνωι ῥηξαμένωι θέσθαι παρὰ νηυσὶ κέλευθον (Μ 410–11), Αἰνεία, χαλεπόν σε καὶ ἴφθιμόν περ ἐόντα / πάντων ἀνθρώπων σβέσσαι μένος (Π 620–21). Ähnlich auch Δ 534–35, 625–26. 1400 Hinweis auf diese Stellen auch bei Hunter (2015) 206. 334

und charakterisiert oft einen kraftvollen Krieger (Ilias 55, Odyssee 8 Stellen),1401 meistens Diomedes (26 Stellen Ilias, z.B. Δ 401). An wenigen Stellen (Ilias 3, Odyssee 1) betont das Adjektiv die Stärke von Körperteilen, jedoch nicht im kriegerischen Sinn. Fünfmal ist κρατερός Attribut zu ,Wort‘, z.B. in der Formel κρατερὸν δ’ ἐπὶ μῦθον ἔτελλε (viermal, z.B. z.B. A 25), zweimal auch zu ,Taten‘ (κρατερὰ ἔργα (E 757, 872)), mehrmals auch zu Sachen, z.B. zur Betonung der Stärke und Unnachgiebigkeit von Waffen und Rüstungsgegenständen (Ilias 5, Odyssee 1), zur Intensivierung von Zuständen, z.B. bei Abstrakta wie Schmerz, Leid und Furcht (Ilias 7, Odyssee 5 Stellen), Kraft und Drang (μένος Ilias 6 Stellen, Odyssee 1 Stelle; ἴς (Ψ 720), βίη (ι 476, μ 210)), außerdem in Verbindung mit ἀνάγκη (Z 458, κ 273), δεσμός (E 386, θ 336), ὅρκος (7 Stellen, Ilias 2, Odyssee 5). Auffällig ist der häufige Gebrauch neben ὑσμίνη (26 Stellen, Ilias 25, Odyssee 1, z.B. B 40). Viele Belegstellen begegnen in Reden, in der Odyssee sogar die Mehrzahl (29 Stellen, Ilias 71 Stellen).

Bei Apollonios ist das Adjektiv an 15 Stellen belegt: Wie bei Homer ist κρατερός Epitheton für Eigennamen, und zwar des Polydeukes im Argonautenkatalog: Καὶ μὴν Αἰτωλὶς κρατερὸν Πολυδεύκεα Λήδη / Κάστορά τ’ ὠκυπόδων ὦρσεν δεδαημένον ἵππων / Σπάρτηθεν (1, 146–48). Polydeukes wird auch in einem Hesiod-Fragment als κρατερός bezeichnet: καί νύ κε δὴ Κάστωρ τε καὶ ὁ κρατερὸς Πολυδεύκης … (fr. 197, 3 MW).1402 Für die Verwendung im Kontext eines Katalogs gibt es ein homerisches Vorbild: Im Schiffskatalog der Ilias erhält Diores das Epitheton: τῶν δ’ Ἀμαρυγκείδης ἦρχε κρατερὸς Διώρης (B 622). Neben einem Eigennamen steht κρατερός auch in einer Analepse, in der über den Kampf des Herakles gegen Titias berichtet wird: [sc. Ἡρακλέης] Τιτίην ἀπεκαίνυτο πυγμαχέοντα / καρτερόν (2, 783–84).1403 Im vierten Buch begegnet das Adjektiv als Epitheton des Kaphauros in einer Genealogie: ἡ δ’ ἄρα οἱ Νασάμωνα τέκε κρατερόν τε Κάφαυρον (4, 1496). Eine Referenz für die Verbindung des Adjektivs κρατερός mit dem Verb τίκτω findet sich in der Rede der Thetis in der Ilias, die über Achill sagt: ἥ τ’ ἐπεὶ ἂρ τέκον υἱὸν ἀμύμονά τε κρατερόν τε, / ἔξοχον ἡρώων (Σ 55–56). Im vierten Buch ist κρατερός noch einmal Epitheton für Personen, und zwar für die rudernden Argonauten: Ὑπεκπρὸ δὲ πόντον ἔταμνε / νηῦς ἤδη, κρατεροῖσιν ἐπειγομένη ἐρέτῃσιν … (4, 225–26). Die Junktur κρατεροῖσιν ἐρέτῃσιν ist ohne Vorbild. Dass körperliche Kraft in den Argonautika oft in Zusammenhang mit der Seefahrt erwähnt wird, besonders auch in Verbindung mit dem Rudern, wurde bereits festgestellt.1404

1401 H. W. Nordheider, LfgrE 2, 1522, 32–35: „stark, kraftvoll, von Kriegern (geleg. Göttern, Tieren), Kräften, Sachen: überlegen, überwältigend, unwiderstehlich, unbändig, od. defensiv unnachgiebig, unbeugsam, hart, fest“. LSJ s.v.: „in Hom. mostly of bodily strength“. 1402 Hinweis auf das Fragment bei Campbell (1981) 3. 1403 Zur Analepse s. unter 16b. (βίη, zu 2, 785). 1404 S. unter 16f. (Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘). 335

In der Athlos-Episode wird die durch Medeas Zaubermittel bewirkte Kraft Jasons oft hervorgehoben.1405 In 3, 1332 wird Jason ‚starker Pflüger‘ genannt (κρατερῷ τ’ ἀροτῆρι), eine Junktur, die an die Speerkämpfer bei Homer (κρατερῶι αἰχμητῆι (Δ 87), κρατερός τ’ αἰχμητής (Γ 179)) erinnert, zumal sie sich auch am Versende befindet.1406 Hier ersetzt die Bezeichnung des Landmannes die des Kriegers und erhält durch das Epitheton heldenhafte Züge. Dass in der Athlos-Szene kriegerisches mit rustikalem Vokabular kombiniert wird, wurde bereits festgestellt.1407 Bei Homer - wenn auch selten - belegt ist die Verbindung von κρατερός mit Körperteilen. Die Junktur κρατερῇσιν παλάμῃσιν, die zuerst bei Apollonios in der Schilderung der Waffenprobe vor dem Athlos auftaucht und die Wirkungslosigkeit der Körperkraft gegen den durch Magie unzerbrechlichen Speer beschreibt ([sc. δόρυ] ἀαγὲς κρατερῇσιν ἐνεσκλήκει παλάμῃσιν (3, 1251)),1408 hat ein Vorbild in δ 287–88: ἀλλ’ Ὀδυσεὺς ἐπὶ μάστακα χερσὶ πίεζε / νωλεμέως κρατερῇσι, σάωσε δὲ πάντας Ἀχαιούς· Homerische Vorbilder hat die Verbindung des Adjektivs mit μένος in 3, 753, wo es um Medeas Furcht um Jason geht: πολλὰ γὰρ Αἰσονίδαο πόθῳ μελεδήματ’ ἔγειρε / δειδυῖαν ταύρων κρατερὸν μένος (3, 752–53). Das κρατερὸν μένος begegnet bei Homer sechsmal (z.B. Ἕκτορος ὄρσωμεν κρατερὸν μένος ἱπποδάμοιο (H 38)). Βei Apollonios steht die Junktur an derselben metrischen Position wie an allen sechs homerischen Belegstellen, d.h. vor der bukolischen Diärese. Doch wird bei Apollonios das κρατερὸν μένος, das den homerischen Kriegern zu eigen ist,1409 den ehernen Stieren zugeschrieben, die Medea um Jason fürchten lassen.1410 Als direktes Epitheton steht das Wort bei den Stieren in der Rede Medeas, in der sie Jason Anweisungen für den Athlos gibt: Αὐτίκ’ ἐπὴν κρατεροὺς ζεύξῃς βόας, ὦκα δὲ πᾶσαν / χερσὶ καὶ ἠνορέῃ στυφελὴν διὰ νειὸν ἀρόσσῃς (3, 1052–53). Die Verwendung als Epitheton für Tiere ist bei Homer selten, nur in der Odyssee taucht das Adjektiv an zwei Stellen neben Löwen in einem Gleichnis auf (δ 335, ρ 126). Die Kraft der Stiere wird auch in 3, 1332 erwähnt (ταύρων τε βίῃ). In der Szene des Athlos ist κρατερός Epitheton für die Hörner der Stiere, die beim Angriff auf Jason als Waffe eingesetzt werden: οἱ δέ μιν ἄμφω / μυκηθμῷ κρατεροῖσιν ἐνέπληξαν κεράεσσιν (3, 1296–97). In Verbindung mit Tieren steht κρατερός bei Homer nur als Epitheton für Löwen im Gleichnis (s.o.). Auch in Verbindung mit 1405 S. dazu unter 16f. (Gesamtüberblick ‚Kampfkraft‘). 1406 Das Adjektiv κρατερός steht bei Homer auch oft neben Heldennamen, meistens Diomedes (κρατερὸς Διομήδης, 20 Stellen, z.B. Δ 401, davon an 19 Stellen am Versende). 1407 S. unter 1a. (π(τ)ολεμος). 1408 Die Junktur κρατερὴ παλάμη ist nur noch bei Quintus Smyrnaeus (4, 508) und Oppian (Cyn. 2, 476) belegt. 1409 In Ρ 742 wird κρατερὸν μένος einem Gespann zugeschrieben, das aber in einem Gleichnis wiederum die Kraft der Krieger verdeutlicht, in λ 220 wird Feuer damit beschrieben. 1410 S. zu dieser Stelle unter 16d. (μένος, zu 3, 752–53). 336

Körperteilen wird das Adjektiv nur für die Zähne von Löwen gebraucht, wiederum im Gleichnis. Die Löwenzähne werden wie die Hörner der Stiere als Waffen eingesetzt: (συν)έαξε λαβὼν κρατεροῖσιν ὀδοῦσιν (Λ 114, 175, Ρ 63). Auch die Nackensehnen der Stiere, die vor der Abfahrt der Argo geopfert werden, erhalten das Attribut κρατερός: Ἀγκαῖος δ’ ἑτέροιο κατὰ πλατὺν αὐχένα κόψας / χαλκείῳ πελέκει κρατεροὺς διέκερσε τένοντας (1, 429–30).1411 Vorbild für die Stelle ist vermutlich die Opferszene in γ 449–50: πέλεκυς δ’ ἀπέκοψε τένοντας / αὐχενίους, λῦσεν δὲ βοὸς μένος· An zwei Stellen steht κρατερός neben einem Abstraktum: Homerisch ist die Verbindung mit ἀνάγκη in der Rede des Amykos zu den Argonauten in 2, 17–18: Εἰ δ’ αὖ ἀπηλεγέοντες ἐμὰς πατέοιτε θέμιστας, / ἦ κέν τις στυγερῶς κρατερῇ ἐπιέψετ’ ἀνάγκῃ. Die Junktur κρατερὴ ἀνάγκη taucht bei Homer in Z 458 und κ 273 auf, außerdem im Ηomerischen Aphroditehymnos (130) und bei Hesiod (theog. 517). Mit ἀνάγκη wird bei Apollonios der Zwang oder die Gewalt bezeichnet, mit der Amykos den Argonauten droht.1412 Der κρατερὴ ἀνάγκη in der Amykos-Rede entspricht βίη in der Antwort des Polydeukes: … μηδ’ ἄμμι κακήν, […] / φαῖνε βίην (2, 22–23).1413 Die Junktur κρατερὸν νεῖκος in 1, 1284 (Ἐν δέ σφιν κρατερὸν νεῖκος πέσεν) lässt daran denken, dass das Attribut κρατερός bei Homer an mehreren Stellen neben ἔρις steht (Ν 358, Π 662, Υ 48) sowie oft mit ,Kampf‘ und ,Schlacht‘ verbunden ist, z.B. κρατερὴ ὑσμίνη (s. Einleitung zu κρατερός), φυλόπιδος κρατερῆς (Σ 242, π 268). νεῖκος dagegen wird mit dem Epitheton μέγα verbunden (N 122, O 400, P 384, π 98, 116, σ 264). Bei Homer wird νεῖκος von Eris erregt: ἥ σφιν καὶ τότε νεῖκος ὁμοίιον ἔμβαλε μέσσωι / ἐρχομένη καθ’ ὅμιλον, ὀφέλλουσα στόνον ἀνδρῶν (Δ 444–45). Es handelt sich dabei um eine Schlacht, während νεῖκος in den Argonautika ein Streit unter den Argonauten wegen der Zurücklassung des Herakles ist. Generell ist κρατερός bei Homer zwar mit Abstrakta wie Zuständen, Worten und Taten verbunden, neben materiellen Dingen begegnet es aber nur bei δεσμός (Ε 386, θ 336) oder bei Waffen, Werkzeugen und Rüstungsgegenständen (E 104, Σ 477, Θ 279, ω 170, Γ 349, Π 45).1414 Die Junktur κρατεροὺς γόμφους in einem Gleichnis (1, 1005) ist daher unhomerisch. Das Gleichnis selbst, in dem die getöteten Erdgeborenen mit gefällten Bäumen verglichen werden, erinnert an ähnlich gestaltete homerische Gleichnisse, die den Fall eines Kriegers illustrieren, z.B. N 178–80, 389–91, P 482–86.1415 Dasselbe gilt für die Verbindung mit δόρυ in der Bedeutung ‚Holz- /Schiffsbalken‘: Τοὺς δ’ ἄμυδις κρατερῷ σὺν δούρατι κύματος ὁρμὴ / υἱῆας Φρίξοιο μετ’ ἠιόνας βάλε

1411 Zur Bedeutung siehe Fränkel (1968) 286, vgl. Anm. 1417 (zu 3, 1291). 1412 Cuypers (1997) 50 übersetzt „fierce force“ und interpretiert: „If the Argonauts do not obey Amycus’ rules, the king will recur to force …“ 1413 Cuypers (1997) 50. Zu 2, 22–23 s. unter 16b. (βίη). 1414 Bei Hesiod findet sich das Wort auch neben σίδηρος (theog. 864), im Homerischen Hermeshymnos bei χῶρος (354). 1415 So Knight (1995) 84: „They become prey for birds and fishes, the dread of the Homeric warrior.“ Zum Gleichnis insgesamt s. Reitz (1996) 24–26. 337

νήσου / νύχθ’ ὕπο λυγαίην (2, 1118–20).1416 Ganz ungewöhnlich ist die Verbindung mit einem Wort wie βόαυλα:1417 Οἱ δ’ ἔκποθεν ἀφράστοιο / κευθμῶνος χθονίου, ἵνα τέ σφισιν ἔσκε βόαυλα / καρτερά, … (3, 1289–91).

Zusammenfassung Es fällt auf, dass κρατερός bei Apollonios oft als Attribut für Gegenstände verwendet wird. Während sich die Verbindung mit materiellen Dingen bei Homer auf Waffen und Rüstungsgegenstände beschränkt, stehen bei Apollonios Schiffsbalken, Bolzen und Rinderställe in Junktur mit dem Adjektiv. Des Weiteren fällt die häufige Verbindung des Adjektivs mit den ehernen Stieren des Athlos auf. Sowohl die Kraft der Stiere, als auch ihre Hörner und die Tiere selbst werden mit dem Attribut versehen. Dass die Kraft der ehernen Stiere in der Athlos-Szene betont wird, wurde schon bei der Untersuchung der Wörter für ‚Kampfkraft‘ festgestellt. In 3, 1332 z.B. steht die Kraft der Stiere neben der Kraft Jasons, der sie sich zu Nutzen machen kann: ταύρων τε βίῃ κρατερῷ τ’ ἀροτῆρι. Die drei Stellen, an denen κρατερός für Personen verwendet wird, stehen nicht im kriegerischen Kontext. Dass das Adjektiv Epitheton für ‚Pflüger‘ und ‚Ruderer‘ ist, zeigt die Entfernung von der homerischen Kriegssphäre, wo sich das Wort in Junkturen wie κρατερὸς αἰχμητής findet.

g. φιλοπτόλεμος Das Adjektiv φιλοπτόλεμος hat die Bedeutung „kriegslüstern, kriegerisch“, begegnet bei Homer an 10 Iliasstellen, davon sechsmal in Reden, und steht bis auf eine Ausnahme immer im Dativ Plural bei Volksgruppen,1418 z.B. Μυρμιδόνεσσι φιλοπτολέμοισι (Π 65, Ψ 129), Τρωσὶ φιλοπτολέμοισιν (dreimal, z.B. Π 90).

An den beiden Belegstellen bei Apollonios wird φιλοπτόλεμος als Attribut der Amazonen verwendet, in 2, 778–79 als Epitheton der Hippolyte (ζωστῆρα φιλοπτολέμοιο κομίζων / Ἱππολύτης), in 2, 991 als Epitheton der Amazonen: ἥ τ’ Ἄρηϊ φιλοπτολέμους τέκε κούρας. Bei beiden Stellen handelt es sich um Analepsen. D.h. die Eigenschaft der Kriegsliebe findet sich nicht auf der primären Erzählebene.

1416 Fränkel (1968) 286–87 hält einen Abschreibefehler (Dativ κρατερῷ statt eines auf κύματος bezogenen Genitivs κρατεροῦ) für möglich. 1417 βόαυλα ist in der Literatur vor Apollonios nicht belegt, in der zeitgenössischen Literatur nur bei Theokrit (eid. 25, 108), dann wieder bei Nonnos (dreimal, z.B. Dion. 10, 313). Zur Bedeutung von κρατερός an den letzten beiden Belegstellen vgl. Fränkel (1968) 286–87: „Allerdings tendiert das Adjektiv schon etwas zu ,widerstandsfähig, fest‘ hin“. 1418 G. Markwald, LfgrE 4, 929, 6–8. 338

h. Gesamtüberblick ‚mutig, tapfer‘ Die folgende Tabelle zeigt, bei welchen Bezugwörtern und in welchen Sachbereichen die Adjektive, die bei Homer meistens im kriegerischen Kontext verwendet werden, bei Apollonios stehen: Person, kriegerischer Kontext Erzähl­ ebene ἀρηΐθοος

1 2

θαρσαλέος

1

2

2

1

ἴφθιμος

2 4

κρατερός

3

φιλοπτόλεμος Gesamt

Tiere/ Abstrakta / Sachen, Körper- nicht-krie- materiell, teile/ gerischer nicht-krieKraft von Kontext gerischer Tieren Kontext

1

δαΐφρων θρασύς

Person / Person in Körperteil, Katalog / nicht-krieg. Analepse/ Kontext GenealoErzähl­ gie / Rede ebene

3

4

2

3

4

6

3

2 3

6

11

Es zeigt sich, dass mit 11 von 33 Belegstellen ein großer Teil der untersuchten Adjektive nicht auf der primären Erzählebene zu finden sind, sondern im Argonautenkatalog, in Analepsen, Genealogien und Reden. An 9 Stellen sind die Adjektive Epitheta für Personen auf der Erzählebene, jedoch nur dreimal im kriegerischen Kontext. In diesem Bereich ist die Verwendung differenziert. An einigen Stellen wird die traditionelle Heldenqualität der Körperkraft betont wie bei Herakles. Andererseits tauchen auch neue Verbindungen auf, die sich von der Kriegssphäre entfernen und modernere Auffassungen der Attribute zeigen wie z.B. bei Tiphys. Mehrere Belegstellen des Adjektivs κρατερός finden sich in der Athlosszene, doch wird das Epitheton häufiger für die Stiere eingesetzt als für den Helden Jason, der nur einmal bei seiner Arbeit als Pflüger κρατερός genannt wird. Insgesamt zeigt sich die Tendenz, die Epitheta auf traditionelle Weise in Kontexten einzusetzen, die den altepischen Bereich repräsentieren wie Genealogien, Heldenkatalog und Charakterisierung des Herakles. An den anderen Stellen zeigt die Verwendung aber eine Entwicklung, die vom altepischen Gebrauch wegführt. So ist die Verbindung der Adjektive mit Wörtern wie ἀροτήρ, ἐρέτης, ἵμερος oder Ἔρωτες und die häufige Verwendung für Abstrakta und Sachen neu und zeigt die Verlagerung heroischer Eigenschaften in andere Bereiche. Besonders auffällig ist die Verbindung mit dem Liebesmotiv in Buch 3, die mit der Verlagerung des Schwerpunkts der Handlung auf Medea einhergeht.

339

III. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 1. Sprachliche Beobachtungen Der Stellenwert von Krieg und Kampf ist in den Argonautika nicht derselbe wie in den homerischen Epen. Zwar ist das Epos des Apollonios mit der Odyssee in der vorwiegend nicht-kriegerischen Thematik vergleichbar. Doch zeigt sich ein großer Unterschied darin, dass in den Argonautika das Vokabular des Sachbereichs ‚Krieg und Kampf‘ in großer Menge begegnet, während dies in der Odyssee nicht der Fall ist.1419

a. Wortbedeutungen Wesentliche semantische Veränderungen der Wörter im Vergleich zu Homer lassen sich nur selten feststellen. Die homerischen Bedeutungen werden beim kriegerischen Kernvokabular, d.h. den Wörtern für ‚Krieg, Kampf und Schlacht‘, den Bezeichnungen für Heer, Soldaten, Schlachtreihe, Waffen sowie den Verben des Rüstens, Verletzens, Tötens und Fallens, bis auf wenige Ausnahmen beibehalten. Eine semantische Entwickung fällt z.B. bei φάλαγξ auf: Die homerische ‚Schlachtreihe‘ findet sich an 5 von 7 Stellen in den Argonautika in der nachhomerischen Bedeutung ‚Holzwalze‘. Sonst handelt es sich eher um Verschiebung von Bedeutungsnuancen als um wirkliche Veränderungen: Der Kriegsgott Ares trägt in metonymischer Verwendung an einer Belegstelle die spezielle Bedeutung ‚Heer‘, die erst in der Tragödie belegt ist. Die Verben des Angreifens weisen als eigentliche Verben der Bewegung eine große semantische Vielfalt auf. Apollonios setzt diese Wörter meist in ihrer Grundbedeutung ein, z.B. bedeutet ἐνθορεῖν ‚hineinspringen‘, ἐπιδραμεῖν und θύνω ‚schnell laufen‘ oder ‚stürmen‘. ὁρμάομαι heißt oft nur ‚aufbrechen‘ ebenso wie ἰθύω, das noch weiter abgeschwächt in der Bedeutung ‚sich bemühen, beabsichtigen‘ verwendet wird. Das Verb ἀμύνω heißt öfter ‚helfen‘ als ‚abwehren‘. Mit diesen abgeschwächten Bedeutungen setzt Apollonios die Verben im nicht-kriegerischen Kontext ein. Auch bei den Verben des Verletzens und Tötens finden sich solche semantischen Verschiebungen mehrmals: Dort haben τύπτω und δαΐζω jeweils einmal und δηϊόω zweimal eine nachhomerische Bedeutung (τύπτω als ‚stechen‘, δαΐζω und δηϊόω als ‚vernichten, verwüsten‘). Andere Nuancen oder Abschwächungen haben homerische Vorbilder: Bei der Verwendung von κορύσσω stützt Apollonios sich hauptsächlich 1419 Viele der untersuchten Wörter finden sich im Verhältnis zum Werkumfang häufiger in den Argonautika als in der Odyssee, einige haben sogar eine höhere absolute Häufigkeit, unabhängig vom Werkumfang, z.B. δηϊοτής, ὅμαδος, ὅμιλος, ἔντεα, κορύσσω, ἀσπίς, σάκος, ἐγχείη, ξυστόν, ἕλκος, δαΐζω, δηϊόω, ἐξεναρίζω, ἀυτή, ἐνοπή, δοῦπος, ἰάχω, ἀλκή, σθένος, ἠνορέη. 341

auf die wenigen homerischen Stellen, an denen das Verb mit einer abgeschwächten Bedeutung im Gleichnis steht. Das Verb δουπέω, das bei Homer das Geräusch beim Fall eines getöteten Kriegers beschreibt und dadurch an die Bedeutung ‚sterben‘ heranreicht, wird in den Argonautika an einer Stelle (2, 1055) in seiner Grundbedeutung für das allgemeine Erzeugen von Lärm verwendet. Größere semantische Unterschiede zum homerischen Gebrauch zeigen sich bei den Wortgruppen, die aufgrund ihrer Verwendung in kriegerischen Kontexten bei Homer zum homerischen Kriegsvokabular zu rechnen sind. Eine Bedeutungserweiterung gegenüber Homer lässt sich z.B. bei den Wörtern der Gruppe ‚Kriegsgeschrei und Kriegslärm‘ beobachten: Das semantische Spektrum des typisch homerischen Wortes für ‚Kriegsgeschrei‘ ἀυτή reicht in den Argonautika von ‚Geschrei, Gebrüll‘ aller Art, bis zu der speziellen Bedeutung ‚Kampf‘, die sogar bei Homer selten vorkommt. Ebenso setzt Apollonios das Wort βοή, das bei Homer immer seine akustische Bedeutung behält, als Synonym für ‚Kampf‘ ein. Die meisten anderen Schallwörter werden bei Apollonios gar nicht im kriegerischen Sinn, sondern nur für das Schreien in anderen Kontexten verwendet.1420 Bei den Wörtern der Gruppe ‚Kriegsgetümmel‘ ist die kriegerische Bedeutung nur an zwei der 30 untersuchten Belegstellen passend, einmal für κυδοιμός und einmal für μῶλος. ὅμαδος und ὅμιλος werden an mehreren Stellen für eine feindliche Kriegsschar verwendet. An den meisten Stellen wird aber - meist mit ὅμιλος (19 Stellen), einmal mit ὅμαδος - die Schar der Argonauten im nicht-kriegerischen Kontext bezeichnet. Die Wörter der Wortgruppe ‚Kampfkraft‘ haben an vielen Stellen die Bedeutung ‚Kraft‘ im allgemeinen Sinn, eingesetzt in verschiedenen Bereichen, vor allem aber bei der Seefahrt und im Athlos. Allein bei den Wörtern der Flucht und des Fliehens ist eine Tendenz zur Übertragung auf den psychischen Bereich zu beobachten, d.h. die Wörter φοβέω/φοβέομαι und φόβος werden in ihrer nachhomerischen Bedeutung ‚erschrecken/fürchten‘ und ‚Furcht‘, die Wörter ἀλέομαι/ἀλεύομαι und (ἀνα)χάζομαι in der Bedeutung ‚vermeiden‘ verwendet.

b. Wortwahl und Ausdrucksweise Bei der Variation homerischer Vorbilder zeigt Apollonios viel Kreativität: Er variiert Verbformen, ändert die Wortfolge, tauscht Synonyme aus. An einigen Stellen bildet er aber auch neue Junkturen und Konstruktionen:1421 1420 Ausnahme sind hier das Wort ἐνοπή, das einmal in der Bedeutung ‚Kriegsgeschrei‘ begegnet, und das Wort δοῦπος, das einmal im Kontext des Faustkampfes steht. 1421 Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf das in dieser Arbeit untersuchte Belegmaterial zu den homerischen Wörtern aus dem Sachbereich ,Kampf und Krieg‘. Inwiefern ähnliche Phänomene auch bei der Verwendung der Wörter anderer Sachbereiche in den Argonautika zu beobachten sind, kann im im Rahmen dieser Untersuchung nicht festgestellt werden. Allerdings wurde eine kurze 342

Epitheta In den Argonautika sind vielen Wörtern Epitheta zugeordnet, die bei Homer nur neben deren Synonymen oder sogar nur neben Wörtern eines anderen Wortfelds, das meist auch im kriegerischen Bereich zu finden ist, verwendet werden, z.B. schreibt Apollonios λευγαλέῃ δηιοτῆτι, Homer dagegen ἐν δαΐ λευγαλέηι und πολέμοιο λευγαλέοιο. Unhomerisch ist auch μεγάλη ἀυτή. Das Attribut μέγας steht bei Homer aber mehrmals bei anderen Schallwörtern wie ἀλαλητός, πάταγος, ὀρυμαγδός. Die häufige homerische Junktur ἔγχεσιν ἀμφιγύοις tauscht Apollonios gegen δούρασι ἀμφιγύοις aus. Die Junktur ὑπέρβιον θάρσος ist mit dem homerischen θυμὸς ὑπέρβιος vergleichbar. Apollonios verbindet πόλεμος mit στονόεις und πολυθαρσής. Bei Homer steht στονόεις bei βέλος, ὀϊστός oder ἀυτή. πολυθαρσής findet sich dort immer neben μένος. Weitere unhomerische Junkturen sind κυδοιμὸς δεινός (bei Homer steht δεινός bei Kriegslärm und Kriegsgöttern), δόρυ ἄσχετον (bei Homer steht ἄσχετος bei πένθος und μένος), θοὸν σάκος (bei Homer steht θοός bei βέλος, Kriegern und Ares), δυσηχέας ὀιστούς (bei Homer steht δυσηχής nur bei πόλεμος und θάνατος), θυμὸς ἀρήιος und ἀρήιος ἵππος (bei Homer steht ἀρήϊος nur bei Menschen und Waffen). Am häufigsten zeigt sich eine solche Verschiebung der Epitheta bei den Waffen, wo oft Synonymtausch erkennbar ist, aber auch Attribute gewählt werden, die bei Homer gar nicht neben Waffen stehen. Hier nur einige weitere sehr auffällige Beispiele: γυμνὸν ξίφος, δήια / χάλκεια τεύχεα, θώρηκα στάδιον, δούρατα ἀρήια, ἔγχος ἑκηβόλον, δόρυ θοῦρον, δόρυ βριαρόν. Einige Wörter für ,Kampfkraft‘ haben mehrmals unhomerische Epitheta bei sich, die ihre Wirkung unterstreichen; z.B. steht ἀλκή mit ἀπειρέσιος, σμερδαλέος, ἄφατος und ἄτρομος. Eine ähnliche Verbindung ist bei Homer nur ἄτρομος mit dem Synonym μένος. Zu μένος setzt Apollonios die Epitheta θεῖος, μυδαλέος, οὐ τλητός und ἀκάματος. Nur letztere Junktur ist in einem Hesiodfragment belegt. Neu ist auch κάρτος ἀάατος. Die Wörter für ,Kraftkraft‘ und ,Tapferkeit‘ werden an mehreren Stellen als limitative Ergänzungen in unhomerischen Junkturen mit zum Teil unhomerischen Adjektiven verbunden, was ebenso der Verstärkung ihrer Wirkung dient: z.B. ἔξοχος ἠνορέην, περιθαρσέες ἀλκῇ, βίην ὑπέροπλος.

Aufhebung von Spezialisierungen Bei Homer besteht bei der Verwendung der Waffen in einigen typischen Szenen (wie z.B. Helmaufsetzen) offensichtlich eine Spezialisierung der Begriffe, an die sich Apollonios nicht hält, sondern Synonyme der von Homer verwendeten Wörter setzt: Während Homer z.B. beim Helmaufsetzen nicht κόρυς verwendet, sondern κυνέη oder τρυφάλεια, schreibt Apollonios zweimal in einer solchen Beschreibung κόρυς. πήληξ wird bei Homer nur bei der Beschreibung fallender Krieger verwendet, Apollonios Sichtung des Belegmaterials der Wörter βουλή, μῆτις, νόος und φρήν/φρένες zum Vergleich vorgenommen. S. dazu Anm. 1526. 343

gebraucht das Wort nur in anderen Situationen. Für das Vorhalten des Schildes verwendet Homer meistens ἀσπίς, Apollonios dagegen σάκος. An anderer Stelle schreibt Apollonios ὑφ’ σάκος während bei Homer meistens ὑπ’ ἀσπίδος/-δι steht. Auch bei der Anwendung der Waffen variiert Apollonios und verbindet z.B. Wurfwaffen mit Verben, die bei Homer für den Nahkampf verwendet werden, z.B. ἄκοντι τετυμμένος - bei Homer dagegen ἔβλητ’ ἄκοντι, τυπεὶς κεραυνῶι.1422

Homerische hapax legomena An einigen Stellen verwendet Apollonios ein homerisches hapax legomenon, setzt es aber in eine andere Junktur als Homer, z.B. ἐγχείας εὐήκεας und εὐήκεα φάσγαν’ (Homer: αἰχμῆς εὐήκεος) - φοίνιον ἕλκος (Homer: φοίνιον αἷμα) - μυδαλέον μένος ὀδμῆς (Homer: ἐέρσας αἵματι μυδαλέας). Die homerischen Belege stehen jeweils im kriegerischen Kontext. In den Argonautika jedoch wechselt die Szenerie mit einer Ausnahme zu nicht-kriegerischen Situationen, in zwei Fällen in Verbindung mit Tieren oder Fabelwesen. Bei letztgenanntem Beispiel zeigt sich durch die Übertragung vom blutigen Tau des Zeus als Metapher des Krieges auf den Gestank der Harpyien der stärkste Kontrast, der auch mit einem Bedeutungswechsel des Epithetons einhergeht. Hier erkennt man deutlich den Symbolcharakter, der eine Abgrenzung zur homerischen Kriegsszenerie zum Ausdruck bringt.1423

Neue Formen und Wörter In den Argonautika begegnen einige Verbformen, die bei Homer selten oder gar nicht belegt sind, z.B. δαΐζω im Aorist, πολεμίζω als Irrealis, die Partizipialformen von τύπτω und δουπέω, das Futur βοήσει, die Aoristform ἰάχησαν. Eine Besonderheit betrifft das Verb βάλλω; es wird bei Apollonios hauptsächlich in syntaktischen Kon­ struktionen verwendet, die bei Homer nicht oder sehr selten im kriegerischen Kontext zu finden sind. Man sieht also, dass Apollonios sich mit seinen Formulierungen auf seltene Ausnahmen bei Homer stützt oder neue Junkturen schafft. So finden sich außerdem:  nhomerische Verbindungen von Substantiv und Präposition, z.B. παρ’ ἔντεσιν, • U ἐς ἄρηα, ἀμφὶ δὲ δουρί, ὑπὸ ξίφεϊ, ἐνὶ πτολέμοισιν. • Unhomerische Verbindungen von Verb und Objekt, z.B. Ἄρεα κέλσαι, ἐπελάσσαι ἄρηα, δόρυ χειρὶ μεμαρπώς, ἐμίξατε δούρατα, ἕλκος ἄφασσε. • Sonstige unhomerische Formulierungen wie z.B. θωρήσσω / κορύσσω ἐπί.

1422 Rengakos (1994) 64–65. 1423 Die Übertragung homerischer hapax legomena auf einen anderen Kontext bei Apollonios zeigt auch Kyriakou (1995), z.B. zur Symplegaden-Episode (Kyriakou 19–33), in der viele hapax legomena, die sich bei Homer im kriegerischen Kontext finden, auf die Seefahrtsszene übertragen werden. S. unter II.15r. (Die Symplegaden-Episode). 344

Weiterhin werden Junkturen verwendet, die Vorbilder in der nachhomerischen Literatur haben, z.B. πρόφασιν πολέμου kommt bei Thukydides vor. Zu ξυνοχῇ πολέμοιο finden sich erst in hellenistischer Zeit Parallelen, zu κραιπνοῖσι πάρος βελέεσσι gibt es eine Parallele bei Pindar. Die Wendung ἀείρεο δηιοτῆτα hat Vorbilder bei Herodot, ebenso der Ausdruck ἐς ἀλκήν. Die Junkturen ὅσον σθένος und παντὶ σθένει sind in der Tragödie belegt. Auch bildet Apollonios neue Konstruktionen, indem er Wörter, die ausschließlich oder zuerst bei ihm belegt sind oder seltene Wörter mit homerischem Kriegsvokabular verbindet: • Apollonianische hapax legomena oder zuerst bei Apollonios belegte Wörter finden sich in folgenden Junkturen: ὑποτροπίῃ πολέμοιο, ἀερσιλόφους τρυφαλείας, πολύρρινον σάκος, ὀιστοδόκην φαρέτρην, ἐπήορα δούραθ’, σάκος ἀμφεπάλυνεν ἠδὲ δόρυ, κυνέην δ’ ἀποκάτθετ’, ἀποπροβαλὼν σάκος, ἀσπίσι νῆα συναρτύναντες, περικάππεσε δουρί • Seltene, bei Homer nicht belegte Wörter in Verbindung mit homerischem Kriegsvokabular: Φλεγραίῃ δηιοτῆτι, σακέεσσιν ἐπέκτυπον, σάκεα ξιφέεσσιν ἐπέκτυπον, ταχινὸν βέλος

Oppositio in imitando Mehrere Kontrastimitationen scheinen mit einer bestimmten Intention durchgeführt worden zu sein. Sie zeigen eine Verschiebung von der homerischen Kriegsthematik zur Liebesthematik der Argonautika mit einer Frau als Protagonistin. In folgenden Fällen zeigt sich die oppositio in imitando bereits auf sprachlicher Ebene: –– ὀ  ϊστεύσας ἔβαλεν (Δ 196, 206): → θέλξον ὀιστεύσας (3, 143): Die homerische Kampfhandlung wird bei Apollonios zur Bezauberung durch den Liebesgott. –– πόλεμος θρασύς (z.B. K 28) → θρασὺς ἵμερος (3, 653): Der homerische Krieg wird zum kühnen Liebesverlangen. –– βῆ δὲ διὰ προμάχων, κεκορυθμένος (z.B. Δ 495) → ἄγχι δὲ παρθενικῆς κεκορυθμένος (4, 209): Bei Homer geht der Krieger geht durch die Vorkämpfer, bei Apollonios steht der bewaffnete Jason neben der jungen Frau. –– γυναῖκα δαμάζειν → δαμάσσειν ἄνδρα (4, 1654–55): Bei Homer bezwingt der Mann die Frau, bei Apollonios bezwingt die Frau den Mann. Eine sprachlich-motivische Kontrastimitation liegt in folgendem Fall vor: Bei Homer kritisiert Kirke Odysseus dafür, Waffengewalt anzuwenden statt ihrem Ratschlag zu folgen: τοι πολεμήϊα ἔργα μέμηλε (μ 116). Bei Apollonios kritisiert Idas die Argonauten dafür, weibliche Hilfe anzunehmen statt zu kämpfen: μηδ’ ὔμμιν πολεμήια ἔργα μέλοιτο (3, 562). Auf motivischer Ebene bewegt sich die oppositio in imitando in folgenden Fällen: 345

–– E  in Bremse-Rinder-Gleichnis illustriert in der Odyssee den Freiermord (χ 299–300), in den Argonautika den Verlustschmerz des Herakles (1, 1265). –– Der Schuss des Pandaros (Δ 105–26) bewirkt in der Ilias den Neubeginn des Kampfes, der Schuss des Eros (3, 278–87) bewirkt in den Argonautika die Liebe Medeas.

2. Homerisches Kriegsvokabular im Kontext der Argonautika Die inhaltliche Untersuchung der Belegstellen zeigt folgendes Ergebnis: Obwohl die Argonautika homerisches Kriegsvokabular in einer Menge enthalten, die für ein nichtkriegerisches Epos ungewöhnlich ist, steht dieses Vokabular sehr selten im kriegerischen Kontext der Erzählung. Die wenigen Kampfszenen sind derart verkürzt,1424 dass sie keinen besonders großen Verwendungsbereich für Kriegsvokabular bieten. Je nach semantischem Spielraum der Wörter ist der Kontext, in dem sie in den Argonautika stehen, mehr oder weniger von dem homerischen Standard der Kampfschilderung entfernt. Folgende Ergebnisse brachten die Untersuchungen der größeren Wortgruppen:

Krieg, Kampf, Schlacht, kämpfen Über 90 % des Vokabulars dieser Gruppe begegnen nicht im kriegerischen Kontext auf der Primärebene der Handlung: Ein großer Teil der Wörter ist in Personenbeschreibungen und Charakteristika, meistens im Heldenkatalog, zu finden. Oft taucht dieses Vokabular auch in Analepsen auf, die frühere Heldentaten der Argonauten oder auch anderer Helden zum Inhalt haben.1425 Zudem fällt die häufige Verwendung in hypothetischen oder negierten Aussagen, meist in Reden, auf. Krieg und Kampf werden zwar verbal thematisiert, es fehlt aber im Unterschied zu Homer an der Umsetzung auf der Erzählebene.

Waffen a) Die einzelnen Waffentypen begegnen an weniger als 10 % der Belegstellen in der Beschreibung kriegerischer Aktivitäten. Mehr Stellen finden sich dagegen in Rüstungsszenen, die nicht zu Kämpfen führen, oder bei Handlungen ohne erkennbare Funktion der Bewaffnung. 1424 Vgl. Knight (1995) 82: „The inclusion of battles is one way of lessening the imbalance in the poem’s relationship to the two Homeric epics, by making it an Iliad as well as an Odyssey.“ 1425 Dazu, dass die Helden, denen durch Verwendung des Kriegsvokabulars besonders kriegerische Eigenschaften zugeschrieben werden, in der Handlung nicht mehr vorkommen oder sich nur noch bei nicht-kriegerischen Aktivitäten zeigen, s. unter II.1l. (Gesamtüberblick ‚Kampf, Schlacht, kämpfen‘). 346

Mehr als ein Drittel der Stellen stehen im Kontext von Kämpfen gegen Tiere und Fabelwesen. An einigen Stellen findet sogar eine zweckentfremdete Verwendung von Waffen statt, z.B. der Helm als Trinkgefäß, der Schild als Spiegel. b) Die Wörter τεύχεα und ἔντεα stehen sehr oft im Kontext der Seefahrt und des Aufenthalts beim Schiff. Mehrere Belegstellen finden sich wie auch bei den einzelnen Waffenarten in Rüstungen ohne folgenden Kampf.

Verben des Verletzens, Tötens, Getötet-Werdens, Fallens Auch die Untersuchung der Verben des Verletzens, Tötens und Getötet-Werdens ergab, dass die Wörter nur an ca. 16 % der Stellen im kriegerischen Kontext der Haupthandlung stehen, d.h. Kampfhandlungen kriegerischer Art beschreiben. Fast ein Viertel der Belegstellen dieser Verben taucht aber in Kampfbeschreibungen nicht-kriegerischer Art auf, z.B. beim Kampf gegen den Eber oder beim Kampf gegen Erdgeborene. Fast ein Drittel der Stellen findet sich auf der Sekundärebene, d.h. in Analepsen, Gleichnissen und Ekphraseis. Doch ist die Gruppe dieser Verben diejenige mit dem höchsten Prozentsatz der Verwendung in kriegerischen Kampfszenen auf der Primäreebene der Erzählung, da die katalogartigen Schlachtbeschreibungen vor allem aus Verben des Verletzens und Tötens bestehen.

Kriegslärm, Kriegsgeschrei Die Untersuchung der Wörter der Gruppe ‚Kriegslärm und Kriegsgeschrei‘ hat gezeigt, dass eine Eingrenzung auf den kriegerischen Kontext oder zumindest die vorwiegende Verwendung in diesem Bereich, wie es bei Homer der Fall ist, bei Apollonios nicht mehr besteht. Daher begegnen die Schallwörter in den Argonautika als ‚Lärm‘ oder ‚Geschrei‘ in Kontexten unterschiedlicher Art. Weniger als 10 % der Belegstellen stehen im kriegerischen Kontext. An mehr als zwei Dritteln der Stellen finden sich die Wörter dagegen im nicht-kriegerischen Kontext der Erzählung und konzentrieren sich dort zum großen Teil auf einige Episoden wie z.B. die Symplegaden-Episode, die Ares-Vögel-Episode, die Hylas-Geschichte. Ein Viertel der Stellen steht in Zusammenhang mit der Seefahrt. Apollonios macht besonders in den Episoden, die keine Kampfhandlungen enthalten, reichlich Gebrauch von homerisch-martialischen Schallwörtern. Am auffälligsten ist dies bei der Abfahrt der Argo und in der Symplegaden-Episode. Durch Imitation von Formulierungen aus dem kriegerischen Kontext wird an diesen Stellen ein enger Bezug zu homerischen Vorbildern aus der Kriegssphäre hergestellt, obwohl die Handlung in den Episoden der Argonautika keine kriegerischen Aktionen enthält.

Kampfkraft, Tapferkeit Bei der Untersuchung der Wortgruppen ‚Kampfkraft‘ und ‚Tapferkeit‘ hat sich ähnlich wie bei den Wörtern der Gruppe ‚Kriegslärm‘ eine Verlagerung von der homerischen 347

Kriegssphäre in andere Bereiche gezeigt: Die Wörter der Gruppe stehen nur an 14 % der Belegstellen im kriegerischen Kontext, begegnen dort aber bis auf eine Ausnahme immer in hypothetischen Aussagen in Reden. Thema ist meist die kriegerische Auseinandersetzung mit den Kolchern, die während des gesamten Epos immer wieder verbal thematisiert wird. Mehr als ein Viertel der Belegstellen steht im Kontext des Athlos und des Faustkampfes. Auch bei dieser Wortgruppe finden sich zudem viele, d.h. fast 20% der Belegstellen im Zusammenhang mit der Seefahrt. In diesem Punkt besteht eine Gemeinsamkeit mit den Wörtern der Gruppe ‚Kriegslärm und Kriegsgeschrei‘.

Gesamttendenz Insgesamt kann folgendes Prinzip beobachtet werden: Wenn die Wörter durch ihre semantische Eingrenzung nur im kriegerischen Kontext eingesetzt werden können wie z.B. bei den Wörtern für ‚Kampf, Schlacht, kämpfen‘, sind sie in den Argonautika zwar auch im kriegerischen Kontext zu finden, dann aber meist in narrativen Randbereichen, wie z.B. in Katalog und Analepse, oder in hypothetischen Aussagen statt in der Schilderung realen Geschehens. In diesen Passagen ist der Sprachgebrauch oft homerisch, doch findet die Darstellung nicht auf der primären Erzählebene statt. Waffen werden oft erwähnt, aber selten zum Kampf eingesetzt. Sie werden vielmehr für Drohgebärden oder zur Abschreckung gebraucht, bleiben funktionslos oder erhalten eine neue, unkonventionelle Funktion. Wenn der semantische Spielraum der Wörter einen breiter gefächerten Verwendungsbereich zulässt, werden sie sehr oft in einen nicht-kriegerischen Kontext versetzt. Dies ist oft der Fall bei den Wörtern für ‚Kriegslärm‘ und ‚Kampfkraft‘, die ihre kriegerische Spezialisierung verlieren und meist nur noch ,Lärm‘ und ,Kraft‘ heißen. Diese beiden Wortgruppen setzt Apollonios z.B. oft in Seefahrtsszenen ein, wo der Kräfteeinsatz der Argonauten beim Rudern mit lautem Gebrüll begleitet wird. Vor den sprachlichen homerischen Vorbildern wirkt das Rudern dann wie eine heroische Tätigkeit.

3. Deutung und Ausblick a. Heldencharakteristika und Katalog Zwei große Bereiche, in denen homerisches Kriegsvokabular, besonders Wörter aus der Gruppe ‚Krieg Kampf, Schlacht, kämpfen‘, aber auch Wörter, die ‚Kampfkraft‘, ‚Tapferkeit‘ und ‚Mut‘ bedeuten, in den Argonautika eingesetzt wird, sind Personen­ beschreibungen, sei es im Argonautenkatalog oder an anderen Stellen, und Analepsen, in denen über frühere Taten der Helden oder anderer Personen berichtet wird. Zum Teil blicken die Helden, die im Argonautenkatalog vorgestellt werden, auf eine heroische Vergangenheit zurück, die mit entsprechendem Vokabular beschrieben wird. Besonders markante Beispiele hierfür sind die Vorstellung des alternden Polyphemos, der einstmals als Jüngster im Kampf der Lapithen gegen die Kentauren 348

mitgekämpft hat (1, 41–43),1426 und die des Koronos (1, 59–64), in der nicht über ihn, sondern über die Heldentaten seines Vater berichtet wird. In ähnlicher Art wie im Katalog setzt Apollonios kriegerisches Vokabular in Analepsen, d.h. Rückblenden, Vorzeithandlungen, Mythen und Beschreibungen von Heroen früherer Zeit ein, wie z.B. in der des Sthenelos, der zusammen mit Herakles einst tapfer gegen die Amazonen kämpfte (2, 911–20). Im Unterschied zu diesem realen Kampf des Sthenelos und des Herakles wird eine kriegerische Auseinandersetzung der Argonauten gegen die Amazonen in Hypothesen thematisiert. Denn als die Helden sich dem Gebiet der Amazonen nähern, heißt es, dass ein Kampf ihnen eine blutige Niederlage gebracht hätte (2, 985–86).1427 Die Argonauten können und wollen sich nicht im Kampf mit den Amazonen, die sich schon für eine Schlacht rüsten, messen, sondern segeln mit einem günstigen Wind an deren Küste vorbei. Ebenso wie Sthenelos sind auch die Amazonen Relikte aus einer vergangenen heroischen Zeit, die zwar erwähnt werden und wie Schemen auftauchen, aber nicht in die Handlung involviert werden. Indem Apollonios das der homerischen Kriegssphäre zugehörige Vokabular in Katalog und Analepsen einsetzt, weist er kriegerische Eigenschaften und Handlungen einer früheren heroischen Zeit und damit dem Alten Epos zu. Dass der Kern des Kriegsvokabulars, die Begriffe für den Kampf und die Schlacht selbst, sich kaum auf der Primärebene der Erzählung finden, sondern vor allem in den Randbereichen der Handlung, ist ein Zeichen dafür, dass die Schlacht auch tatsächlich nicht in die Erzählung der Argonautenfahrt gehört, dass es sich bei dem Heldentum traditioneller Art um einen status quo der Vergangenheit handelt, der für Helden einer früheren Generation wie Polyphemos oder die Väter der Argonauten maßgeblich war. Die Argonauten aber stehen am Grab des Helden Sthenelos und ziehen an den Amazonen vorbei, d.h. sie lassen etwas Vergangenes hinter sich. Die Themen der traditionellen Ependichtung gehören somit der Vergangenheit an und treten in den Argonautika noch - wie der Held Sthenelos - in einzelnen Szenen in Erscheinung. Dagegen geht es - wie an der Insel der Amazonen vorbei - in eine andere Richtung der Ependichtung. Dies zeigt sich auch daran, dass die kriegerischen Eigenschaften, die viele Helden laut Katalog mitbringen, nicht zum Einsatz kommen. Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum homerischen Katalog: In der Ilias besteht ein Bezug der im Katalog beschriebenen kriegerischen Eigenschaften zur bevorstehenden Handlung. Zukunftsbezogene Kampftüchtigkeit und Kampfgier lassen sich z.B. bei der Vorstellung der Abanter B 542–44 beobachten: … Ἄβαντες […] / αἰχμηταὶ, μεμαῶτες ὀρεκτῆισιν μελίηισι / θώρηκας ῥήξειν δηίων ἀμφὶ στήθεσσιν. In den Argonautika dagegen liegt der Fokus bei der Personencharakterisierung auf einer heroischen Vergangenheit: Die Argonauten, denen Kriegserfahrung, Kampfkraft

1426 Zu Polyphemos im Argonautenkatalog s. unter II.1g. (π(τ)ολεμίζω). 1427 Knight (1995) 115, Anm. 148: „Apollonius’ observation that the battle would not have been bloodless (2.986) may be a pointed comment on the lack of blood in the first two battles.“ 349

und Tapferkeit aufgrund früherer Taten bescheinigt wird, werden in der Handlung der Argonautika entweder nicht wieder erwähnt, finden sich im nicht-kriegerischen Kontext oder vermitteln gar ein unheroisches Bild.1428 Der Katalog baut also eine Erwartungshaltung für den weiteren Verlauf der Handlung auf, die dann aber nicht erfüllt wird.1429 Das Paradox ist dabei, dass die Helden der Ilias wiederum der den Argonauten nachfolgenden Generation angehören.1430 Bisweilen zeigt die Diskrepanz zwischen der Charakterisierung eines Helden im Katalog und der späteren Darstellung in der Handlung einen Wechsel zu einem neuen Themenschwerpunkt: Der im Katalog als kriegerisch bezeichnete Butes beispielsweise lässt sich im vierten Buch von den Sirenen verzaubern,1431 springt ins Meer und wird von Aphrodite gerettet. Würde man das Schicksal dieses Argonauten symbolisch deuten, zeigte es die Machtlosigkeit des kriegstüchtigen Helden gegenüber den Kräften und Gefahren, die ihm durch Magie und Verzauberung drohen, und die Notwendigkeit der göttlichen und weiblichen Hilfe, die durch Liebe motiviert ist. Der Übergang von kriegerischer zu erotisch motivierter Handlung ist auch in der Lemnos-Episode im ersten Buch erkennbar. Denn die Lemnierinnen wirken auf den ersten Blick mit ihren kriegerischen Eigenschaften wie Epigoninnen der

1428 S. unter II.1l. (Gesamtüberblick ‚Kampf, Schlacht, kämpfen‘), II.16a. (ἀλκή, zu 1,158–60), 17a. (ἠνορέη). Anders verhält es sich mit Helden, die magische Eigenschaften haben, eine besondere Fertigkeit besitzen oder großes Wissen in einem bestimmten Bereich: Der Sänger Orpheus, im Katalog als Erster vorgestellt mit einem ausführlichen Bericht über seine besondere musische Gabe, mit der er sogar leblose Dinge verzaubern kann (1, 23–34), wird im vierten Buch wichtig, als er die Argonauten vor dem Gesang der Sirenen rettet. Mopsos beherrscht die Seherkunst und deutet die entscheidenden Vogelzeichen (1, 1083–1102; 3, 543–554). Ausführlich wird auch Tiphys vorgestellt, der über die Gabe der Vorsehung und Nautik verfügt (1, 105–110). Er spielt bei der Durchfahrt der Symplegaden eine wichtige Rolle. 1429 Scherer (2006) 74: „Spiel mit der Erwartungshaltung des Lesers.“ Vgl. auch Glei (Bd. 1, 1996) 148, Anm. 9: „Der Katalog als literarische Form gehört zu den ältesten Bestandteilen des Epos. […] daher wirkt der Argonautenkatalog als solcher schon geradezu anachronistisch. […] Indem Apollonios so die Altertümlichkeit seines Epos übertreibt, verweist er in paradoxer Weise auf dessen Modernität.“ Zur Diskrepanz zwischen Charakterisierung der Helden im Katalog und Umsetzung in der Handlung s. unter II.17a. (ἠνορέη, zu 1,74–76 und 1, 204–5) mit Hinweisen auf die entsprechende Sekundärliteratur (Anm. 1319 und 1320). 1430 Die Chronologie des Mythos und die literarische Entwicklung stehen in einem Widerspruch, wie auch Gummert (1992) 64, Anm. 12, Bezug nehmend auf die nicht-„zeitgemäße“ Darstellung des Idas, formuliert: „,Veraltet‘ […] bezieht sich nicht auf den chronologischen Standort des Mythos - sagenchronologisch liegt die Argonautenfahrt ja vor dem Troianischen Krieg -, sondern auf die literarische Epoche, auf die Sichtweise, in der die alten Mythen betrachtet werden.“ 1431 Zum erotischen Aspekt der Szene s. Hunter (2015) 209 zu 4, 914: „,warmed in his heart‘ by erotic longing“. 350

Amazonen.1432 Sie rüsten sich, als die Argonauten sich nähern, sind aber wenig entschlossen, denn sie haben zudem noch die Eigenschaft der Furcht und Ratlosigkeit (Ἀμηχανίῃ δ’ ἔσχοντο / ἄφθογγοι, τοῖόν σφιν ἐπὶ δέος ᾐωρεῖτο (1, 638–39)), worin sie wiederum Jason ähneln.1433 Der kriegerische Zusammenstoß zwischen Argonauten und Lemnierinnen, der nach der Rüstung erwartet wird, bleibt dann nicht nur aus, sondern schlägt sogar ins Gegenteil um, nachdem die Lemnierinnen sich entschlossen haben, sich die Anwesenheit der Argonauten auf der männerlosen Insel zu Nutze zu machen (1, 849–52).1434 Die Lemnierinnen, die sich der Situation anpassen und die hypothetische Feindschaft zu realer Freundschaft und sogar Liebesbeziehung werden lassen, sind in der Handlung präsent, während die Amazonen, die in ihrer Angriffslust verharren, im Dunkeln bleiben. Ein heftiger Kritiker des Abenteuers mit den Lemnierinnen ist Herakles, der als alter Kriegsheld in die Sphäre der Amazonen gehört.1435 Er ist eine der Personen, die im Katalog als traditioneller Heldencharakter vorgestellt werden, und lässt einen heroischen Einfluss auch auf die Handlung des Epos erwarten.1436 Der Heros alter Schule wird zwar mit der Periphrase βίην κρατερόφρονος Ἡρακλῆος (1, 122) eingeführt,1437 ist dann aber nur im ersten Buch am Unternehmen beteiligt. Mit seiner Person sind viele Belegstellen des Kriegsvokabulars verbunden, jedoch begegnen diejenigen, die im kriegerischen Kontext stehen, vor allem in Analepsen, die seine Vergangenheit als Held mit übermenschlichen Kräften illustrieren.1438 Auf der Erzählebene wird er nur 1432 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 61: „Thus they have come to resemble the Amazones …“ 1433 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 49, Anm. 2, zählt alle Belegstellen für ἀμηχανίη, ἀμήχανος und ἀμηχανέων in den Argonautika, die meisten auf Jason bezogen, auf. 1434 Clauss (1993) 111–14 weist darauf hin, dass die Lemnierinnen im ersten Teil der Episode als Ersatz für die ermordeten Männer die Rolle männlicher Krieger spielen, im zweiten Teil aber wieder in ihre weibliche Rolle zurückfallen. Ebenso ambivalent ist die Rolle Jasons in dieser Episode: Die Ekphrasis seines Mantels erinnert an die Schildbeschreibung der Ilias, das Ankleiden an eine Rüstungsszene vor dem Kampf. Das Zusammentreffen mit Hypsipyle ist dann aber nicht kriegerisch. S. Clauss (1993) 138: „His arming scene, accordingly, was the prelude to the kind of battle that Jason will always win; his aristeia lies in bed (ἐνὶ λέκτροις, 872).“ 1435 An mehreren Stellen wird in den Argonautika darauf hingewiesen, dass Herakles mit den Amazonen gekämpft hat (2, 779; 913; 966–69). 1436 So Scherer (2006) 77, der die Teilnahme-Motivation der einzelnen Argonauten prüft: „Heldische Motivation findet sich expliziter z.B. bei Herakles …“ Vgl.auch Effe (1980) 164: „In den Argonautika werden in der Gestalt des Herakles alle wesentlichen Eigenschaften des traditionellen epischen Helden vereinigt.“ 1437 Mit dieser Charakterisierung des Herakles nimmt Apollonios durch Variation mehrerer Vorbilder eine Steigerung homerischer Herakles-Periphrasen vor, s. dazu unter II.16b. (βίη, zu 1, 122–23)). 1438 In 2, 783–85 z.B. berichtet Lykos über den Sieg des Herakles über den starken Titias. Mit Sthenelos hat er gegen die Amazonen gekämpft (2, 913, s.o.). In der 351

zweimal kämpferisch tätig, in der Schlacht gegen die Erdgeborenen und die Dolionen im 1. Buch. Herakles repräsentiert in den modernen Argonautika den Helden des Alten Epos bzw. einen noch archaischeren Heldentyp als Homer ihn darstellt.1439 Durch die Darstellung seiner Figur scheint Apollonios die Abgrenzung zu Homer besonders betonen zu wollen: Schon zu Anfang des Epos zeigt sich, dass Herakles, dessen Kraft mit der weiteren Periphrase μέγα τε σθένος Ἡρακλῆος (1, 531) hervorgehoben wird, im Grunde zu schwer und wuchtig für die Argo ist, so dass er in der Mitte sitzen muss, damit das Schiff nicht Schlagseite bekommt. Es wird beschrieben, wie tief das Schiff durch sein Gewicht im Wasser liegt (1, 532–33).1440 Auch in der weiteren Handlung ist erkennbar, dass die große körperliche Kraft des Herakles nur bedingt nützlich ist. Da er keine weitere Gelegenheit zum Kampf erhält, wird seine gewaltige Stärke beim Rudern beschrieben. Aber dort ist seine Kraft, die wiederum mit homerischen Worten (κάρτεϊ χειρῶν (1, 1162)) beschrieben wird, schon zu groß, da er damit das Ruder zerbricht (1, 1168).1441 Seine grobmotorische Art hilft also dem Unternehmen nicht weiter. Ebenso ungeeignet wie Herakles für das Unternehmen ist die traditionelle Art der Ependichtung für die Argonautika des Apollonios.1442 Sie ist buchstäblich auch zu „schwer und wuchtig“, wird zurückgelassen und muss einem modernen Epos, in dem andere Themen wie Liebe und Magie den Schwerpunkt bilden, Platz machen. An der Beschreibung eines weiteren Argonauten zeigt sich dieser Wandel ebenso: Wie ein Sprachrohr des Alten Epos wirkt Idas: Während seine Charakterisierung als ὑπέρβιος negativ belegt ist,1443 seine Rede im ersten Buch (1, 462–71) dazu noch von Hybris zeugt, drückt sein Vorwurf an die Argonauten durch die homerischen Worte μηδ’ ὔμμιν πολεμήια ἔργα μέλοιτο (3, 562) genau das aus, was die Argonautika im Theiodamas-Analepse (1, 1207–11) erscheint seine Vorgehensweise sogar rücksichtslos und brutal. 1439 Galinsky (1972) 108: „… this poeta doctissimus presents us with a more consistently archaic Herakles than even Homer had portrayed.“ 1440 Clauss (1993) 92–93, Faerber (1932) 93 und Mooney (1912) 102 machen auf den Hinweis in den Scholien aufmerksam, dass es sich hier um eine Anspielung auf eine Version des Mythos handeln könnte, in der Herakles wegen seines Gewichts zurückgelassen wurde, vgl. Sch. zu 1, 1167–68b und Sch. zu 1, 1289–91a. Zu Herakles als „man of strength“ s. Clauss (1993) 92–94. 1441 Galinsky (1972) 109: „He is, then, the hero of the old order, the man who relies on brawn because he has got more of it than others.“ Beye (1982) 96 stellt fest, dass Apollonios die Figur des Herakles ungeachtet modernerer Interpretationen aus dem 4. Jh. traditionell konzipiert: „Apollonius returns to the classical conception of Heracles, the man of physical strength and impulsive if not wanton action.“ Scherer (2006) 76: „Herakles selbst repräsentiert bis ins Burleske den Typus archaisch-heldischer Stärke“. 1442 Vgl. Galinsky (1972) 108: „The Argonautica was his courageous attempt to revive epic, which contemporary critics, notably Callimachus, dismissed as an outmoded type of literature.“ 1443 S. unter II.16a. (ἀλκή, zu 1, 152). 352

Vergleich zum traditionellen Epos vermissen lassen.1444 Seine Kritik am Plan Jasons und der Argonauten, die Hilfe Medeas in Anspruch zu nehmen, ist vergleichbar mit der Kritik des Herakles am Aufenthalt auf Lemnos (1, 865–74). Der Protest des Idas gegen diese in seinen Augen unheroische Haltung wird durch den Versuch, die durch Medeas Magie präparierte Lanze Jasons zu zerbrechen, symbolisiert. Doch Idas scheitert und mit ihm die konventionelle Art des Kampfes.1445 In den Argonautika verlassen sich die Helden nicht mehr auf ihre körperliche, kriegerische Kraft, sondern bedienen sich der List und machen sich abhängig von magischen, übermenschlichen Kräften. So bleibt es Idas nur übrig, seinen Mut und seine Kraft im Kampf gegen einen Eber einzusetzen (2, 824–34).1446 Dass Helden wie Idas und Herakles nicht geeignet sind, eine Hauptrolle in den Argonautika zu spielen, zeigt sich bei der Wahl des Anführers im ersten Buch. Nachdem im Katalog die zum Teil sehr heroischen und kriegerischen Eigenschaften der Argonauten aufgezählt wurden, erwartet der Rezipient ein heroisches Epos. Ebenso geht es den Argonauten, die sich, als die Wahl des Anführers ansteht, einstimmig für Herakles entscheiden, da er der größte Heros ist. Doch Apollonios lässt Herakles

1444 Zur Interpretation der Rolle des Idas s. Fränkel (1960) 5–6, der die These vertritt, Apollonios habe Idas als Folie zur Kontrastierung seines modernen Haupthelden Jason mit einem „archaischen Heldentypos“ gestaltet: „Der Idas des Apollonios ist gleichsam ein Relikt aus der Urzeit, denn er repräsentiert einen Typos von Sagenhelden, der bereits in der altepischen Epoche, ein halbes Jahrtausend vor Apollonios, veraltet war.“ Schwinge (1986) 101 schreibt der Figur des Idas Kontrastfunktion zu den Helden in ihrer Gesamtheit zu. Mori (2008) 60 („Like Heracles, Idas also represents a traditional heroism that is founded on physical strength”) arbeitet einige charakterliche Unterschiede zwischen Herakles und Idas heraus. Vgl. dazu Gummert (1992) 64, Anm. 13: „Auch Herakles vertritt in den Argonautika altes Heldentum, jedoch eines, das die eigenen Ansprüche auch einzulösen vermag.“ 1445 Manakidou (1998) 253–54: „Idas zürnt, und seine Wut wendet sich vergebens gegen eine neue epische Welt, in der die Männer von weiblichen Kunstgriffen und Zaubereien abhängig sind.“ 1446 Lawall (1966) 142 macht auf die Ironie dieser Szene aufmerksam: „It is ironic that Idas should be the one to ,avenge‘ Idmon’s death by slaying the boar, and it is significant that this warrior, who claimed that no harm would come to the expedition with him present, even if god should oppose it, is too late to save Idmon from his fated death.” Levin (Argonautica Re-examined 1971) 57 fügt hinzu, dass die zweite Situation, in der Idas seine Waffe einsetzen konnte, die Tötung des Promeus in der Dolionenschlacht sei „who turned out to be a friend, not foe“, eine Szene, die auf makabre Art ironisch ist. Schwinge (1986) 101 stellt fest, dass die „Isolierung“ des Idas erst im dritten Buch einsetzt, nachdem der Plan, Medeas Hilfe an Anspruch zu nehmen, gefasst wurde. 353

ablehnen und auf Jason als Anführer hinweisen,1447 der einen neuen Heldentypus verkörpert und den durch Herakles symbolisierten alten Heldentypus ersetzt.1448 An dieser zentralen Stelle wird Jason ἀρήιος genannt: Ἀνὰ δ’ αὐτὸς ἀρήιος ὤρνυτ’ Ἰήσων (1, 349). Diese Eigenschaft wird einerseits betont durch ein Iteratum in 2, 122: σὺν δέ σφιν ἀρήιος ὤρνυτ’ Ἰήσων, andererseits ad absurdum geführt durch den Kontext. Denn weder bei der Anführerwahl noch beim Kampf gegen die Bebryker (s.u.) wirkt Jason kriegerisch. Dass Jason nicht der Held ist, der seine Ziele mit körperlicher Kraft und Waffengewalt verfolgt, zeigt sich an vielen Stellen der Untersuchung. Er zieht die Verhandlung mit Aietes in jedem Fall der kriegerischen Auseinandersetzung vor und scheut sich nicht, die Unterstützung Medeas in Anspruch zu nehmen.1449 1447 Nach einigen Versionen des Mythos ist Herakles tatsächlich der Anführer der Argonauten, s. dazu Adamietz (1970) 29, Pietsch (1999) 133–34. Schwinge (1986) 89 meint, dass Apollonios mit Absicht den „Tausch“ integriert habe: „Er ist seine Aufforderung an den Leser, den uneigentlichen Führer von Beginn an am eigentlichen zu messen.“ Dagegen Natzel (1992) 185: „dieser [sc. Jason] ist damit aber keineswegs nur ein ,uneigentlicher Führer‘ […], sondern durchaus der eigentliche. Kriterium der Führerrolle ist bei Apollonios nicht mehr, wie noch im alten Epos, die ,Bestheit‘ (ἀρετή), sondern es sind andere Qualitäten, unter anderem eben die gewissermaßen demokratische Gesinnung, die Jason gleich zu Beginn an den Tag legt.“ Pietsch (1999) 133–34 versteht die Vergleichsmöglichkeit mit Herakles bezüglich der Führungsqualitäten als Motivation für die Gestaltung Jasons bei Apollonios. 1448 Beye (1982) 93: „Heracles is the foil which illuminates Jason’s special nature.“ Auch Effe (1980) 164 interpretiert die Figur des Herakles in den Argonautika als „übermenschliche Folie zur schärferen Profilierung des unheroischen, modern-zeitgenössischen Heldentums der Hauptfigur des Epos: Jason.“ Vgl. Lawall (1966) 124: „He serves as a foil not only to Jason, but also to the rest of the Argonauts as a group.“ Zu den Charakterisierungen der beiden Figuren s. auch Beye (1982) 97: „Heracles, the brute, is an older fellow, an experienced hero before Jasons’ moping and indecision. But he is yesterday’s man, the heroic has-been …“ Mori (2008) 60: „The diplomatic Jason and the violent Heracles represent different heroic types.“ Clauss (1993) 32–36 stellt fest, dass die antithetischen Heldentypen der Argonautika („the man of skill and the man of strength“) bereits in der Struktur des zweigeteilten Argonautenkatalogs erkennbar seien. Symbolisch ausgedrückt seien die beiden Typen außerdem durch die Kleidung der Helden; z.B. stehe der stilvolle Mantel des Jason dem Löwenfell des Herakles gegenüber. In der Handlung zieht sich die Antithese Geschicklichkeit Kraft weiter durch das erste Buch und wird besonders deutlich bei der Wahl des ‚Besten‘ als Anführer, wo sich mit Jason und Herakles die jeweiligen Vertreter gegenüber stehen. Zur Symbolik der Kleidung s. auch Levin (Argonautica Reexamined 1971) 44. Zum Gegensatz zwischen Herakles und Jason s. Beye (1982) 117–8, Lawall (1966) 123, Levin (Apollonius’ Heracles 1971) 23. 1449 Schwinge (1986) 114 versteht den Umstand, dass Jason auf die Möglichkeit der List zurückgreift, statt gegen Aietes zu kämpfen, als Zeichen eines defizitären Heldentums. 354

Wenn der „neue“ Held Jason dann aber doch kriegerisch tätig wird, wirkt die Aktion deplatziert und unangebracht. In der Dolionen-Episode beispielsweise tötet Jason den befreundeten König Kyzikos in einer Einzelkampfschilderung. Die Tötung des Kyzikos wird vor der Auflistung der anderen Tötungen mit fast vier Versen relativ ausführlich beschrieben und damit hervorgehoben.1450 Dass Jason bei seiner einzigen kriegerischen Aktivität einem Irrtum unterliegt und einen Freund tötet, ist ein Exempel für die Unvereinbarkeit des eigentlich antimartialischen Charakters mit der traditionellen Beschreibung kriegerischer Schlachtszenen. Jason erscheint als kriegerischer Held in einer Situation, die das Gegenteil erfordert. Er, der meist zögert, ist zielstrebig in einer Situation, in der Zögern nützlich gewesen wäre. Ganz anders wird sein Verhalten in der Schlacht gegen die Bebryker dargestellt: Wo es angebracht wäre, bleibt er passiv und erhebt sich erst ganz zum Schluss, als der Kampf schon entschieden ist (2, 122). Die Tötung des Kyzikos aber, betrachtet in ihrem Kontext der makabren Ironie, zeigt die Handlungen Jasons und ihn selbst in einem negativen Licht, wenn es um kämpferische Auseinandersetzungen geht.1451 Vergleichbar ist die Szene des Apsyrtos-Mordes, in der Jason auch kämpferisch tätig wird, und zwar gegen den Bruder seiner Braut Medea. Es handelt sich nicht um einen offenen Kampf, sondern um einen hinterhältigen Angriff, der eine gewisse Feigheit birgt und Jason - wieder in Zusammenhang mit einer Tötung - negativ darstellt, noch negativer als in der Kyzikos-Szene.1452 In den zahlreichen Analepsen zeigt sich die generelle Verschiebung kriegerischer Thematik auf die sekundäre Handlungsebene. Wird aber in der Gegenwart gekämpft, dann nicht aus heroischer Motivation, sondern auf Grund von Irrtum oder Notwendigkeit, oder mit Hilfe von List.

b. Hypothesen und Reden Ein weiterer großer Bereich, in dem Apollonios Kriegsvokabular verwendet, sind hypothetische Aussagen in der Erzählung und in Reden. Besonders in den Handlungen und Reden Jasons wird - abgesehen von den beiden zuvor beschriebenen Szenen und 1450 Levin (Argonautica Re-examined 1971) 102: „Yet so economically has the poet operated that the entire account covers only a few verses …“ 1451 Beye (1982) 101: „the Cyzikus episode demonstrates his failure as a traditional fighter, …“ Den Kontext bei der Beurteilung der Leistung Jasons außer Acht lassen Schwinge (1986) 95 („Im Kampf gegen die Dolionen bewährt sich Iason …“) und Natzel (1992) 186, die Jasons Rolle in dieser Schlacht positiv beurteilt: „… bei aller Tragik doch ein Beweis, dass Iason im Notfall zu kämpfen versteht und nicht etwa feige ist, wie ihm Idas vorgeworfen hatte.“ 1452 Galinsky (1972) 114: „the Hellenistic citizen hero Jason is no better than the barbarians who live at the fringe of the world. […] Jason here is a combination of Herakles, the murderer of Iphitos in the Odyssey, the blasphemous Herakles of the Trachiniae, and the godless Lycus of Euripides’ Herakles.“ Schwinge (1986) 144: „die Tat ist eine Unrechtstat“. Natzel (1992) 194–96 klammert die ApsyrtosEpisode in ihrem Kapitel „Iason als negativer Held“ aus und beschränkt sich auf die Interpretation des Verhaltens Jasons gegenüber Frauen wie z.B. Hypsipyle. 355

der Episode des Athlos, in der die kämpferische Leistung auf magischer Hilfe basiert, - Krieg und Kampf nur hypothetisch und dann meist ablehnend und negativ thematisiert. Vor allem was einen kriegerischen Konflikt mit den Kolchern angeht, lässt sich ganz klar das Prinzip der Kampfvermeidung in der Planung Jasons erkennen. Am deutlichsten wird das in seiner Rede im dritten Buch (3, 171–93), in der die Begriffe ‚Kampf‘ und ‚Wort/Rede‘ antithetisch gegenübergestellt werden, wobei die Wörter, die die Seite des Kampfes repräsentieren, in irgendeiner Form negiert oder negativ bewertet sind.1453 Auch sonst begegnen Vokabeln dieser Art häufig in hypothetischen Aussagen. Das betrifft vor allem die Wörter ‚Kampf, Schlacht‘ und ‚kämpfen‘ sowie ‚Kampfkraft‘ und ‚Mut, Tapferkeit‘. D.h. Wörter, die sonst hauptsächlich in Personencharakterisierungen des Katalogs und narrativen Rückblenden begegnen (s.o.), stehen dann, wenn sie sich auf der primären Erzählebene finden, zumeist nur in hypothetischen Aussagen, nicht aber in Beschreibungen realer Handlungen.1454

c. Schlachtbeschreibungen Bei Betrachtung der beiden einzigen längeren kriegerischen Kampfschilderungen in der Erzählung, der Dolionenschlacht und der Bebrykerschlacht,1455 fällt auf, dass was die Verwendung kriegerischen Vokabulars angeht - hauptsächlich Verben eingesetzt werden, mit denen ein kurzgefasster und distanzierter Bericht gegeben wird. Die Auflistung der Einzelkämpfe in Katalogform, aus der die Schilderung des irrtümlichen Kampfes der Argonauten gegen die Dolionen (1, 1026–52) vor allem besteht, ist so knapp formuliert, dass sie abgesehen von Jasons Kampf gegen Kyzikos nur aus Namen und Verben des Tötens besteht und weder die Waffe, die verwendet wird, noch der Angriff und die Art der Verletzung, noch das Sterben des Gegners näher beschrieben werden. Solche Kataloge begegnen bei Homer zur Variation innerhalb größerer detaillierterer Kampfbeschreibungen. Bei Apollonios ist dieser Kurzbericht die ganze Schlachtbeschreibung.1456 1453 S. dazu unter II.16a. (ἀλκή, zu 3, 185–86). 1454 S. dazu unter II.1l. (Gesamtüberblick ,Kampf, Schlacht, kämpfen‘) und II.16f. (Gesamtüberblick ,Kampfkraft‘). 1455 Fränkel (1968) 468 zählt „fünf Massengefechte[.]“ in den Argonautika, an anderer Stelle vier (ebd. 471). Außer den drei wirklich kriegerischen Auseinandersetzungen gegen Dolionen, Bebryker und Kolcher zählt er noch den Kampf gegen die Erdgeborenen auf der Dolioneninsel und eventuell Jasons Athlos dazu. Zum Dolionenkampf s. unter II.10c. (ἐναίρω), zum Bebrykerkampf unter II.9d. (οὐτάζω). 1456 S. dazu unter II.10c. (ἐναίρω). Vgl. Blumberg (1931) 22: „Nur wie Jason den Kyzikos erschlägt, ist zu Anfang breiter geschildert, die weitere Aufzählung der Getöteten und ihrer Überwinder soll dann geradezu weitere Einzelheiten des Kampfes ersetzen.“ Faerber (1932) 40 kommt zu dem Urteil, dass der „unkriegerische[.] Charakter des Epos“ durch die geringe Zahl der Kampfszenen und „mehr noch ihre Substanzlosigkeit“ offenbart werde. Auch Effe (1996) 296, Anm. 25, macht die Beobachtung, „daß Kampfschilderungen bei Apollonios nur einen geringen Raum einnehmen und zudem aus einer spezifisch gebrochenen, unhomerischen Perspektive erfolgen.“ 356

Die Kampfszene gegen die Bebryker (2, 101–17) ist ausführlicher gestaltet, aber auch dort zeigt sich, dass wesentliche Bestandteile, die eine homerische Szene dieser Art aufweist, fehlen: Die Verwundungen werden beschrieben, aber auch hier sind kaum Waffen genannt.1457 Es fließt kein Blut, die Reaktion der Getroffenen wird nicht geschildert, genauso wenig wie ihr Fall und Sterben.1458 Verben, die in der Beschreibung von Einzelkämpfen bei Homer verwendet werden, scheinen auf die beiden Schlachtszenen aufgeteilt: Die Bebrykerschlacht wird dominiert von Verben des Verwundens, auch des Angreifens, während die Dolionenschlacht wie eine Synonymik der Verben des Tötens wirkt. Die restlichen Bereiche kriegerischen Vokabulars fehlen fast gänzlich: Weder die Waffen noch der Kriegslärm, der homerische Schlachten begleitet, noch die Kraft und Tapferkeit der kämpfenden Krieger, auf die in homerischen Kampfschilderungen immer wieder hingewiesen wird, werden erwähnt.

d. Nicht-kriegerische Szenen In den Argonautika begegnen mehrere Szenen, in denen Waffeneinsatz oder Verwundungen beschrieben werden, die in ihrer Lebendigkeit und Intensität die kriegerischen Kampfschilderungen übertreffen. Doch diese Szenen finden sich nicht im kriegerischen Kontext, z.B.:  er Schuss des Eros (3, 275–87): Es wird erzählt, wie Eros sich anschleicht, den • D Bogen spannt, nach dem Vorbild des Pandaros-Schusses in der Ilias den Pfeil aus dem Köcher nimmt, Stellung bezieht, den Pfeil auf die Sehne des Bogens legt, den Bogen spannt und abschießt, sogar wie er sich dann zurückzieht. Danach folgt eine genaue Beschreibung der Wirkung seines Geschosses (3, 287–298). • Der Kampf gegen den Eber (2, 824–34): Detailliert wird geschildert, wie der Eber Idmon angreift, wie er ihn mit seinen Zähnen am Bein verletzt, wie Idmon zu Boden fällt, wie Peleus mit der Lanze gegen das Tier kämpft und wie Idas es dann schließlich verletzt (μιν Ἴδας / οὔτασε) und zu Fall bringt. Es findet sich dieselbe Menge an Kriegsvokabeln wie in der Szene des Bebrykerkampfes: zwei Waffen, vier Verben des Verletzens, dreimal das Verb ‚fallen‘. Doch werden nur zwei Verletzungen beschrieben, die Idmons und die des Ebers. • Der Tod des Mopsos durch einen Schlangenbiss (4, 1519–27): Es wird beschrieben, wie sich die Schlange um das Bein des Mopsos schlängelt und ihn mit ihrem Biss verletzt, wie Mopsos die Wunde betastet, wie das Gift zu wirken beginnt und der Held schließlich stirbt.

1457 In 36 Versen wird über fünf Verwundungen oder Tötungen berichtet, doch gehören davon 11 Verse zu zwei Gleichnissen, die in der Kampfbeschreibung enthalten sind. Nur zweimal werden Waffen erwähnt, jedoch finden sich auch hier viele Verben, siebenmal ‚verletzen‘ und zweimal ‚töten‘, zweimal ‚angreifen‘. 1458 S. die Hinweise von Knight (1995) 95–96. 357

Es zeigt sich auch sonst, dass das Vokabular, das die Kampfszenen vermissen lassen, in anderen Kontexten auftaucht: So wird z.B., obwohl keine Rüstungsszenen den Schlachtbeschreibungen vorausgehen, eine große Menge an Kriegsvokabular in den Argonautika für die Beschreibungen von Rüstungen und Bewaffnungen verwendet. Diese Rüstungsszenen stehen jedoch nicht im Zusammenhang mit den Schlachtbeschreibungen und führen nicht zum Kampf, sondern tauchen entweder effektlos in der Handlung auf wie z.B. die Rüstung des Aietes (3, 1225–34), der Argonauten und der Phaiaken (4, 1000), oder resultieren in Handlungen nicht-kriegerischer Art, wie z.B. die Rüstung der Lemnierinnen (1, 635 ff.), die zur erotischen Begegnung mit den Argonauten führt, das Angriffsverhalten des Polyphemos (1, 1240–54), das zur Suche nach Hylas führt, die Rüstung und Angriffspose Jasons vor der Abfahrt von Kolchis (4, 206–10).1459 Auch die Bildung einer Phalanx in der Ares-Vögel-Episode ist mit der Wappnung für einen Kampf zu vergleichen. Die Argonauten rüsten sich mit ihren Waffen aus. Der Aufbau einer Schlachtreihe, in der die Schilde zur Abwehr feindlicher Waffen und Geschosse dienen, wird imitiert. Zudem erheben die Helden homerisches Kampfgeschrei und schlagen Waffen aneinander. Doch es folgt kein Kampf; der Einsatz der Waffen dient nur zur Abwehr der Vogelfeder-Pfeile und zur Erzeugung von Lärm, um die Vögel, die den Namen des Kriegsgottes tragen, zu erschrecken und zu vertreiben. Symbolisch gedeutet könnte man der Szene die Intention beimessen, die Vertreibung des Krieges aus dem Epos darzustellen. Eine andere Art der Rüstung ist die Vorbereitung Jasons auf seinen Athlos. Die Rüstungsszene wird durch eine Waffen-Präparierungs-Szene ersetzt (3, 1246–64), in der keine Rüstung angelegt, sondern Körper und Waffen mit Medeas Zaubermittel präpariert werden, um sie unbesiegbar zu machen. Bloße Kampfkraft und Waffen an sich reichen nicht aus, um die Aufgabe zu lösen. Die Magie Medeas ist notwendig.1460 In der zentrale Episode des Athlos sind an homerischen Kriegsvokabeln vor allem Waffen und Ausdrücke für ‚Kampfkraft‘ belegt.1461 Der häufige Einsatz letzterer konzentriert sich hauptsächlich auf die Beschreibung der Wirkung des Zaubermittels, nicht aber auf den Kampfeinsatz des per se kraftvollen Helden. Die Waffen werden in dieser Episode nicht auf die konventionelle kriegerische Weise verwendet. In der ersten Hälfte des Athlos, in der das Anjochen der ehernen Stiere, das Pfügen des Feldes und die Aussaat der Drachenzähne beschrieben werden, finden sich 13 Belege für Waffen. Doch es kommt keine Waffentat im eigentlichen Sinne vor: Der Schild wird nicht gegen die Waffen anderer Krieger eingesetzt, sondern gegen den Feueratem der Stiere, danach hat er keine Funktion mehr; es wird 1459 Fränkel (1968) 470: „Die Antwort lautet dahin, dass in den Argonautika entweder keine Waffentaten nachfolgen, oder dass das Vorspiel fehlt. Apollonios ist also konsequent dem altepischen Schema ausgewichen.“ 1460 Vgl. Schwinge (1986) 115: „ Jasons Rüstung ist eine Rüstung mit den Mitteln der Magie.“ 1461 Mehr als ein Fünftel der Belegstellen der einzelnen Waffentypen finden sich in der Athlos-Episode. 358

aber beschrieben, wie er weggeworfen, wieder aufgenommen und auf den Rücken gelegt wird. Der Helm dient als Behältnis für die Drachenzähne und als Gefäß zum Wasserschöpfen und Trinken. Dazwischen wird er ähnlich wie der Schild weggelegt und wieder aufgenommen. Auch den unzerbrechlichen Speer stellt Jason zunächst zur Seite, bevor er ihn wieder zur Hand nimmt und dann wie einen Ochsenstachel gebraucht. Dieser Einsatz der Waffen verstärkt die rustikale Atmosphäre, die durch entsprechendes Vokabular in der Athlos-Episode erzeugt wird.1462 Sehr deutlich wird eine Zweckentfremdung auch in der Mantelekphrasis der Lemnos-Episode. Dort wird eine Waffe zu einem Gebrauchsgegenstand umfunktioniert, der im Dienste der Schönheit und Liebe steht: Die Liebesgöttin Aphrodite hält den Schild des Ares und verwendet ihn als Spiegel (1, 742–47). Im Handlungsrahmen der Ekphrasis wird die Verschiebung martialischer Elemente in einen erotischen Kontext wiederholt: Die Rüstung der Lemnierinnen führt nicht zum Kampf, sondern wird durch das Liebesabenteuer mit den Argonauten fortgesetzt. Die Darstellung der Ekphrasis, die Aphrodite mit dem Schild des Ares beschreibt, zeigt symbolisch eine immer wieder zu erkennende Technik bei der Verwendung des homerischen Kriegsvokabulars in den Argonautika: die Übertragung kriegerischer Elemente auf nicht-kriegerische Kontexte. Nicht mehr Ares hält seinen Schild: also hat der Schild als Kriegswaffe ausgedient, wie auch Ares, d.h. der Krieg selbst, nicht mehr präsent ist. Der Schild ist noch vorhanden, dient aber einem neuen Zweck, bekommt eine neue Funktion als Spiegel. Ebenso verfährt Apollonios mit dem Kriegsvokabular, das nicht in der traditionellen Funktion zur Beschreibung kriegerischer und heroischer Handlungen erscheint, sondern mit neuem Verwendungszweck in einem neuen Kontext steht. Die offenbare Degradierung eines Gegenstands, der sich sonst auf dem Schlachtfeld in den Händen ruhmvoller Krieger findet, zu einem Gebrauchsgegenstand erzeugt parodistische Wirkung. Ähnliches geschieht mit den Waffen der Argonauten, die benutzt werden, um die Argo als Vogelscheuche auszustaffieren. Ähnliches geschieht mit dem Helm Jasons, wenn er mit Wasser gefüllt als Trinkbecher dient. Oder mit der Lanze Jasons, die als Ochsenstachel eingesetzt wird.1463 Das geschieht aber auch mit dem Pfeil des Pandaros, der zum Pfeil des Eros wird und keine Feinde mehr tötet, sondern nur noch für die Verzauberung eines Mädchens sorgt. Während aber Waffen nur begrenzt in anderen Bereichen einsetzbar sind, ist die Verwendungsmöglichkeit anderer Gruppen des homerischen Kriegsvokabulars wie der Schallwörter universell, da Geschrei und Lärm in fast jeder Situation zum Einsatz kommen können. Bei Homer auf martialischen Einsatz beschränkt, werden diese Wörter bei Apollonios aus dieser Eingrenzung herausgelöst und auf andere Kontexte übertragen.

1462 S. dazu unter II.1a. (π(τ)όλεμος, zu 3, 1386–90). 1463 Hatte Apollonios hierbei vielleicht die Umfunktionierung von Waffen zu alltäglichen Gebrauchsgegenständen im ‚Frieden’ des Aristophanes (Pax 1210–64) vor Augen? 359

Vor allem Schallwörter begegnen in den Argonautika sehr oft in Seefahrtsszenen wie z.B. beim Rudern oder bei der Durchfahrt der Symplegaden. Auch Ausdrücke für ‚Kampfkraft‘ werden in diesem Bereich oft eingesetzt. Wie der Krieg das Thema der Ilias ist, ist das Thema der Argonautika die Expedition mit der Argo. Besonders dieser Schwerpunkt wird bewusst durch den Einsatz homerischer Schallwörter, die in Anlehnung an Schlachtschilderungen verwendet werden, martialisch gefärbt. Dadurch werden die geschilderten Szenen hervorgehoben, dramatisiert und erhalten zudem einen typisch epischen Charakter, der den Kampfszenen mit Absicht vorenthalten wird. Die Untersuchung hat Aufschluss über die in der Einleitung gestellte Frage nach der Bedeutung des kriegerischen Elementes in den Argonautika gegeben: Die aus den homerischen Epen bekannte traditionelle Schlachtbeschreibung gehört der Vergangenheit an und wird von Apollonios durch die Ausgrenzung des Vokabulars in marginale Bereiche der Erzählung, die meist in narrativen Rückblenden bestehen, dorthin verwiesen.1464 Kriegerische Fähigkeiten, die zumindest einige der Argonauten zweifels­frei besitzen, gehören der Vergangenheit an und werden demnach in der Handlung den Helden nur selten abgefordert, da andere Mittel wie List, Magie oder auch Mord eingesetzt werden, um das Ziel der Fahrt zu erreichen.1465 Gleichzeitig werden jedoch Elemente der traditionellen Ependichtung verwendet, um sie mit neuen Themen zu verknüpfen und so Kombinationen zu schaffen, die sich nicht nur vom Alten Epos unterscheiden, sondern sogar vor dessen Folie eine parodistische Wirkung erzeugen. Kriegerisches Vokabular wird dem kriegerischen Kontext entzogen und anderen Verwendungszwecken zugeführt: Martialische Posen führen zu unkriegerischen Handlungen, Waffen werden nicht in ihrer eigentlichen Funktion, sondern zu unkonventionellen Zwecken gebraucht. Krafteinsatz findet beim Rudern statt, das zudem durch Kriegsgebrüll begleitet wird. Das homerische Kriegsvokabular erfüllt also die Funktion des Materials, mit dem Apollonios Neues schafft, um sich so vom traditionellen Epos abzugrenzen und zu distanzieren. Besonders die Tatsache, dass der Held Jason, der im Mittelpunkt des Geschehens steht, die ihm eigene Kampfkraft in moralisch fragwürdigen oder gar negativ zu bewertenden Szenen wie der Dolionenschlacht und dem Apsyrtos-Mord einsetzt, lässt eine Kritik an der traditionellen Heldendichtung, die ihren Schwerpunkt in der Kampf- und Kriegssphäre hat, erkennen. Dass zudem immer wieder Passagen sprachliche Vorbilder aus dem Alten Epos auf die oben beschriebene ironische Weise beleuchten, trägt dazu bei, die Glorifizierung des altepischen Heroentums in Frage zu stellen.

1464 Beye (1982) 84: „… the story of the Argonautica can be called an allegory of the obsolescence of the hero in the Alexandrian age as well as a symbolic statement about the end of conventional epic poetry, …“ 1465 Vgl. Schwinge (1986) 95: „denn das Heldenepos überhaupt sollte paralysiert werden, indem, in einem Heldenepos, das Unheldische zum Hauptträger des Geschehens wird. Anders würde womöglich verschwinden, wogegen sich die Spitze richtet.“ 360

IV. Anhänge Appendix 1: Orpheus’ Aristie Bereits im Argonauten-Katalog wird erklärt, dass der Sänger Orpheus die Gabe habe, mit seiner Stimme sogar die Natur zu bezaubern: Αὐτὰρ τόν γ’ ἐνέπουσιν ἀτειρέας οὔρεσι πέτρας / θέλξαι ἀοιδάων ἐνοπῇ ποταμῶν τε ῥέεθρα (1, 26–27).1466 Wie bei der Beschreibung der Stimme Medeas steht auch hier ἐνοπή in Verbindung mit dem Verb θέλγω.1467 Doch während das θέλγειν bei Medea weniger der Qualität ihres Gesangs zugeschrieben werden kann, sondern eher der Wirkung ihrer magischen Kunst, schafft es Orpheus durch sein Leierspiel und seine Gesangskunst, eine solche Wirkung zu erzeugen.1468 In einer Episode im 4. Buch der Argonautika spielt Orpheus die Hauptrolle: Er überbietet mit seiner Musik den Gesang der Sirenen, der dort ebenfalls ἐνοπή genannt wird: Die Argonauten, heißt es, hätten an der Insel der Sirenen angelegt und wären damit ihrem sicheren Untergang entgegen gegangen, εἰ μὴ ἄρ’ Οἰάγροιο πάις Θρηίκιος Ὀρφεύς, Βιστονίην ἐνὶ χερσὶν ἑαῖς φόρμιγγα τανύσσας, κραιπνὸν ἐυτροχάλοιο μέλος κανάχησεν ἀοιδῆς, ὄφρ’ ἄμυδις κλονέοντος ἐπιβρομέωνται ἀκουαὶ κρεγμῷ· παρθενίην δ’ ἐνοπὴν ἐβιήσατο φόρμιγξ. Νῆα δ’ ὁμοῦ Ζέφυρός τε καὶ ἠχῆεν φέρε κῦμα πρυμνόθεν ὀρνύμενον· ταὶ δ’ ἄκριτον ἵεσαν αὐδὴν. (4, 905–11)

Betrachtet man die Konfrontation der Argonauten mit den Sirenen, denkt man zuerst an die Sirenen-Episode in der Odyssee (μ 39–54, 153–200). Deshalb ist es naheliegend, einen Vergleich zwischen beiden zu ziehen:1469 Bei Homer wagt es der Held Odysseus 1466 Scherer (2006) 121 bemerkt die auffällige Positionierung des Dativs ἐνοπῇ zu Beginn des Argonautenkatalogs, die ihr Vorbild in der einzigen Belegstelle für diese Form in der Beschreibung der Troer nach dem Ende des Schiffskatalogs der Ilias hat: Τρῶες μὲν κλαγγῇ τ’ ἐνοπῇ τ’ ἴσαν ὄρνιθες ὣς (Γ 2). ἐνοπῇ steht an beiden Stellen an derselben metrischen Position: „Während in der Ilias der Kriegslärm der Troer auf den Schiffskatalog antwortet, steht also bei Apollonios der bezaubernde Schall der Orpheïschen Musik am Anfang des Kataloges.“ 1467 S. unter II.15t. (Medeas Aristie). 1468 Zum Unterschied des θέλγειν bei Orpheus und Medea, vor allem auch zur positiven und negativen Wirkung s. Clare (2002) 231–60. 1469 Ein detaillierter Vergleich zwischen den Sirenen-Episoden in Argonautika und Odyssee z.B. bei Knight (1995) 200–5: „Orpheus improvises the method for passing them safely, drowning them out by playing his lyre and singing loudly.“ (ebd. 202) und Händel (1954) 121–22: „Es scheint, die ganze Sirenengeschichte bei Apollonios ist eine raffinierte Variation der homerischen.“ Vgl. auch Goldhill 361

als Einziger, angebunden an den Schiffsmast, dem Sirenengesang zuzuhören, während er seinen Gefährten zur Sicherheit Wachs auf die Ohren streicht. In den Argonautika schafft es der Sänger Orpheus, den Gesang der Sirenen durch sein Leierspiel und seinen Gesang zu übertönen. Der Held Odysseus übt keinen Einfluss auf die Sirenen aus und handelt nicht zum Wohl seiner Gefährten, indem er den Gesang hört. Der Sänger Orpheus dagegen geht sozusagen als Sieger eines Sängerwettstreits aus der Begegnung mit den Sirenen hervor, macht diese damit unschädlich und rettet seine Gefährten vor dem Untergang. Die Beschreibung des Orpheus-Sieges ruft eine auffällige Assoziation hervor: Die Verwendung von Wörtern und Formulierungen aus der homerischen Kriegssphäre führt dazu, dass Orpheus wie der Sieger eines Kampfes wirkt. Dies wurde bereits von Kyriakou festgestellt und in einer sprachlichen Untersuchung der Episode dargelegt.1470 Zunächst lässt die Wendung φόρμιγγα τανύσσας an das Spannen eines Bogens denken. Zu dieser Assoziation führt, dass das Verb τανύω bei Homer an zehn Stellen das Spannen des Bogens bezeichnet (Ilias 1, Odyssee 9 Stellen), aber nur an einer Odysseestelle das Spannen der Saite einer Leier (φ 407).1471 Wie auch (1991) 298–300 und Faerber (1932) 91–92: „… die hübsche Erfindung, wie die Argonauten, anders als Odysseus, den Sirenen entgehen.“ 1470 Kyriakou (1995) 190–210, deren Untersuchung des Vokabulars der zitierten Verse sich vor allem auf die Wörter τανύω, καναχέω, ἐπιβρομέω, κλονέω, βιάω und die Parallelen zu Homer bezieht: „The contest between Orpheus and the Sirens […] is presented as a Homeric martial confrontation. Almost all the Homeric allusions are chosen from, and relate to each other in such a way that recalls violent Homeric scenes.“ (ebd. 192). Knight (1995) 203–4 dagegen stellt die Verwendung von Vokabeln und Wendungen, die in der Komödie belegt sind, fest. 1471 Die Ausführungen von Kyriakou 199 zu τανύω („In Homer τανύω occurs mostly in violent contexts and in the Odyssey primarily in connection with Odysseus’ bow.“) sind hier ungenau. Das Verb, das außerdem für die Beschreibung des besiegten Kriegers (6 Stellen, z.B. N 396: κεῖτο τανυσθεὶς) verwendet wird, kommt bei Homer nur an insgesamt 16 von 53 Stellen (Ilias 25, Odyssee 28 Stellen) im Zusammenhang mit Kampf vor. Das Spannen der Leier bezeichnet τανύω in den Homerischen Hymnen noch einmal (Herm. 51). Zur Bedeutung s. H.W. Nordheider, LfgrE 4, 311, 24–30: „den Bogen (be)spannen, indem man (das eine Schaftende gg. das andere drückt,) die Sehne anzieht und in die κορώνη (‚Ring‘, ‚Öse‘ Δ 111) einhakt […]; entspr. (h.Merc.51) die Saite(n) der Phorminx durch Befestigg. am κόλλοψ (‚Wirbel‘) spannen“. In der Ilias wird meistens τιταίνω für das Spannen des Bogens verwendet (vgl. Ebeling s.v. und LSJ s.v). Nach LSJ s.v. ist τανύω in Verbindung mit dem Bogen außer bei Homer nur noch bei Archilochos belegt: οὔτοι πόλλ’ ἐπὶ τόξα τανύσσεται (fr. 3 West) An 17 Stellen der Odyssee wird das Bogenspannen mit dem Kompositum ἐντανύω beschrieben, z.B. ὃς δέ κε ῥηΐτατ’ ἐντανύσῃ βιὸν ἐν παλάμῃσι (φ 75), s. H.W. Nordheider, LfgrE 4, 314, 12–13: „Bogen(sehne), […] Lederriemen einspannen“ vgl. auch LSJ s.v.: „poet. and Ion. for ἐντείνω, stretch tight, of the bow-string, νευρὴν ἐντανύσαι […] also, stretch a bow tight, i.e. bend or string it“. Bei Apollonios wird τανύω nur an 2 von 18 Stellen für das Spannen eines Bogens verwendet (Herakles in 1, 993 und Eros in 3, 278, an beiden Stellen 362

von Kyriakou gesehen wurde, handelt es sich bei letzterer Odysseestelle um ein Gleichnis, in dem Odysseus beim Spannen des Bogens mit einem Leierspieler beim Spannen der Leier-Saite verglichen wird:1472 Dort bezeichnet τανύω sowohl das Spannen der Saiten als auch das Spannen des Bogens: ὡς ὅτ’ ἀνὴρ φόρμιγγος ἐπιστάμενος καὶ ἀοιδῆς ῥηϊδίως ἐτάνυσσε νέῳ περὶ κόλλοπι χορδήν, ἅψας ἀμφοτέρωθεν ἐϋστρεφὲς ἔντερον οἰός, ὣς ἄρ’ ἄτερ σπουδῆς τάνυσεν μέγα τόξον Ὀδυσσεύς. δεξιτερῇ δ’ ἄρα χειρὶ λαβὼν πειρήσατο νευρῆς· ἡ δ’ ὑπὸ καλὸν ἄεισε, χελιδόνι εἰκέλη αὐδήν. (φ 406–11)1473

Das Odyssee-Gleichnis zeigt das Spannen als Analogie zwischen Bogen und Leier; das tertium comparationis ist die Tätigkeit des Aufspannens der Sehnen oder der Saiten.1474 Darauf, dass das Gleichnis möglicherweise Vorbild für die Darstellung des Orpheus-Sieges ist, deuten weitere sprachliche Parallelen hin: φ 410: φ 399–400: Arg. 4, 906: φ 406: Arg. 4, 906–7: φ 411: Arg. 4, 911:

δεξιτερῇ δ’ ἄρα χειρὶ λαβὼν πειρήσατο νευρῆς ὡς ἐνὶ χερσὶ / νωμᾷ ἔνθα καὶ ἔνθα ἐνὶ χερσὶν ἑαῖς φόρμιγγα τανύσσας φόρμιγγος ἐπιστάμενος καὶ ἀοιδῆς φόρμιγγα τανύσσας […] μέλος κανάχησεν ἀοιδῆς ἡ δ’ ὑπὸ καλὸν ἄεισε, χελιδόνι εἰκέλη αὐδήν ταὶ δ’ ἄκριτον ἵεσαν αὐδήν

Auffällig ist, dass gerade zu den beiden Versen φ 410–11, die für Leier und Bogen gemeinsam gelten,1475 diese Analogien bestehen. Durch die Verwendung des Gleichnisses als Prätext und die sprachlichen Anlehnungen an diese beiden Verse scheint Apollonios den Bezug zwischen Bogen und Leier besonders herausarbeiten zu wollen. Gleichzeitig spielt er aber auch auf die Gegensätze zwischen Bogen und Leier bzw. Bogenschütze und Leierspieler an, indem er, wie auch Kyriakou bereits gesehen hat, die Rollen der Figuren in Gleichnis und Haupthandlung vertauscht: In den Argonautika wird der Leierspieler aus dem Gleichnis der Odyssee in der Person des Orpheus

1472 1473

1474 1475

auch das Partizip τανύσσας), sonst oft vom Ausstrecken der Hände oder Flügel, auch vom Spannen des Segels. Kyriakou 199. Das Gleichnis hat wohl auch Philostrat verwendet: παραψάλλει δὲ αὐταῖς Ἔρως ἀνακλίνας τοῦ τόξου τὸν πῆχυν, καὶ ἡ νευρὰ παναρμόνιον ᾄδει καί φησι πάντα ἔχειν ὅσα ἡ λύρα, … (Im. 2.1.4.), s. Reichel (1901) 119, Anm. 1. Zum HomerGleichnis s. Fränkel (1921) 57–58. Zur Ähnlichkeit der Handhabung des Spannens s. S. Wegner, Arch. Hom. U 3 und Reichel (1901) 118–119. Fränkel (1921) 58 mit Hinweis darauf, dass die Verse 410–11 für Leier und Bogen gelten: „Nun bekommt die Schilderung erst ihren eigentlichen Schwung: wie eine Leier erklingt die Bogensehne, …“ 363

zum Protagonisten auf der Primärebene. Die Tätigkeit des Bogenschützen, die in der Odyssee auf der ersten Erzählebene erfolgt, wird in den Argonautika durch die Verwendung des Vokabulars und der Syntax evoziert.1476 Ebenso korrespondieren die Figuren Odysseus und Orpheus: Odysseus, der Bogenschütze, hat auch auf dem Gebiet der Dichtung Talent und gleicht als Geschichtenerzähler einem Dichter oder Sänger.1477 Diese Analogie wird verstärkt durch die Verwendung des Wortes θέλγω in der Odyssee und in den Argonautika:1478 Bei Homer ist Odysseus außer den Sirenen (ρ 40, 44) der Einzige, für den das Verb in Zusammenhang mit der Kunst des Gesangs oder des Geschichtenerzählens verwendet wird (ρ 514, 521).1479 In den Argonautika ist Orpheus außer den Sirenen (4, 893–94) der Einzige, für den θέλγω im Zusammenhang mit Gesang verwendet wird (1, 27; 31, vgl. auch 1, 515). Folgende weitere Beobachtungen zeigen m. E. die Absicht des Dichters, die Leier des Orpheus wie einen Bogen darzustellen: –– W  enn das Bespannen eines Bogens bei Homer beschrieben wird, hat das Verb τανύω immer und ἐντανύω meistens - wenn ein Objekt genannt ist - den Bogen als Objekt bei sich. Nur an 3 Stellen ist eine Bogen-Sehne (νευρή) Objekt zu ἐντανύω. Beim Bespannen der Leier dagegen ist an der Odysseestelle und im Hermeshymnos die Saite der Leier (χορδή) Objekt zu τανύω. Da Apollonios die

1476 S. Anm. 1492. 1477 Moulton (1977) 151–52 und Thalmann (1984) 175–76 beziehen die Verbindung von Bogen und Leier im Gleichnis auf die Fähigkeiten des Odysseus als Sänger/ Dichter einerseits und Held/Krieger andererseits. (In dieser Art ist auch Achill in der Ilias dargestellt, der in I 186–89 die Leier spielt und singt, vgl. Thalmann 176–77). Thalmann 172 zeigt die Fähigkeit des Odysseus anhand der Belege aus der Odyssee: „The way Odysseus presents his story resembles a poetic performance“. Entsprechend Goldhill (1991) 66 zum Odyssee-Gleichnis: „The poet who has had Odysseus tell his tales like a poet, now has the hero prepare his bow for battle … like a poet string a lyre. Using this bow to rid his home of the suitors will be like playing a (heroic) song.“ Die Ironie des Vergleichs liegt lt. Goldhill darin, dass die als Begleitung der Feste gelobte Leier nun dem Bogen gleichgesetzt wird, der das Fest der Freier zerstören wird. Kyriakou 199 nimmt Odysseus deshalb in seiner zweifachen Charakterisierung als Vorbild für Orpheus an. 1478 Zur Bedeutung des Wortes s. unter ΙΙ.15t. (Medeas Aristie). Zu θέλγω in der antiken Literatur s. Parry, bei Homer: Pucci (1987) 193–208, in der Odyssee: Goldhill (1991) 60–66. 1479 In ρ 518–21 (ebenso auch in λ 367–69) wird Odysseus als Geschichtenerzähler mit einem Sänger verglichen, wie er auch als Bogenschütze mit einem Leierspieler verglichen wurde. Zum Sänger-Gleichnis und zu den Parallelen zur OrpheusBeschreibung s. Clare (2002) 233–34. Zu in θέλγω in Verbindung mit Gesang oder Erzählung s. I.J.F. de Jong, LfgrE 2, 989, 28–36. 364

ganze Phorminx als Objekt setzt und nicht die Saite, wählt er die für das Spannen des Bogens gängige Formulierung.1480 –– Das Partizip τανύσσας beschreibt an den zwei weiteren Belegstellen in den Argonautika tatsächlich das Spannen eines Bogens: In 1, 993–94 tötet Herakles mit seinem Bogen die Erdgeborenen auf der Dolioneninsel: Ἡρακλέης, ὃς δή σφι παλίντονον αἶψα τανύσσας / τόξον, ἐπασσυτέρους πέλασε χθονί. Hier trägt der Bogen das Epitheton παλίντονος, was einerseits an die homerische Verwendung des Epithetons neben τόξον erinnert, z.B. παλίντονα τόξα τιταίνων (Θ 266). Andererseits wird das Attribut aber von Heraklit auch der Leier zugesprochen: παλίντονος ἁρμονίη ὅκωσπερ τόξου καὶ λύρης (fr. 51 DK).1481 –– Das Heraklit-Fragment bezieht sich ebenso wie das Odyssee-Gleichnis auf eine Analogie zwischen Bogen und Leier, und zwar auf die Spannung, die in beiden Gegenständen vorhanden ist.1482 Beide Texte sind literarische Zeugnisse für die 1480 Dagegen Vian (Bd. 3, 1981) 179: „Sans doute expression abrégée pour ,tendre les cordes de sa cithare‘: cf. φ 407; H. hom. Herm., 51. On pourrait aussi comprendre: ,levant sa cithare‘; cf. 1, 495.“ 1481 LSJ s.v. παλίντονος I.1: „bent backward, i.e. the opposite way to that in which they were drawn, τόξα, in Hom. of the bow whether strung“ und ebd. I.3: „caused by opposite tensions“ mit Angabe der Heraklitstelle. Zur Bedeutung s. auch KirkRaven-Schoffield (1983) 193, Anm. 2: „,counter-stretched‘, i.e. tending equally in opposite directions. A tension in one direction automatically produces an equivalent tension in the other; if not, the system collapses.“ Auch in der nachhomerischen Literatur findet sich das Adjektiv als Epitheton zu τόξα, z.B. bei Herodot (7, 69, 1) und Sophokles (Trach. 11). S. dazu auch Kranz (1967) 125. Das HeraklitFragment wird in späteren Literatur oft zitiert, z.B. von Platon: τὸ ἓν γάρ φησι „διαφερόμενον αὐτὸ αὑτῷ συμφέρεσθαι,“ „ὥσπερ ἁρμονίαν τόξου τε καὶ λύρας.“ (Symp. 187a 4–6). Sämtliche Stellen aufgezählt bei Kranz (1967) 124. 1482 Zur Interpretation des Fragments s. Gigon (1935) 23: „Bogen und Leier sind aus zwei Teilen zusammengefügt, von denen der eine, das Holz oder was es sei, aus einer gewaltsam krummen Lage herausstrebt, der andere, die Sehne, ihn zusammenzieht, so dass das Holz gespannt im Bogen laufen muß. So entsteht aus zwei Stücken, die gegensätzlich streben, die Einheit des Instruments.“ Kirk-RavenSchoffield (1983) 194: „there is […] a connection or means of joining […] through opposite tensions, which ensures this coherence – just as the tension in the string of bow or lyre, being exactly balanced by the outward tension exerted by the arms of the instrument, produces a coherent, unified, stable and efficient complex.“ Marcowich (1967) 282: „Also die beiden κορῶναι, κέρα des Bogens (dann auf die πήχεις, κέρα der Leier übertragen) bilden das Gegensatzpaar […], die bindende Sehne νευρά (ζυγόν, Querstab bei der Leier) spielt die Rolle der συμφορά, ἁρμονίη oder Logos …“ Vermutlich falsch ist die Deutung, dass die Handhabung der Waffe/des Instruments beschrieben werden soll, z.B. Neesse (1982) 76 in seiner Erklärung des Heraklit-Fragments: „Die gleichsam schlummernde Spannung wird geweckt, erregt beim Spannen des Bogens, beim Schlagen, Zupfen, Streichen der Saite. Die Spannung löst sich und wird dadurch zu Aktion: die Sehne des Bogens schnellt den Pfeil ab, die Saite der Leier gibt den Klang frei.“ Vgl. Diels/Kranz 365

Parallelität von Bogen und Leier.1483 Analogien zwischen diesen Gegenständen lassen sich sowohl für die Materialien und Herstellung, als auch für Aufbau und Handhabung nachweisen.1484 Eine Kombination der beiden Gegenstände zeigt sich schließlich an der Figur des Gottes Apollon, der Bogenschütze und Leierspieler ist und sowohl Bogen als auch Leier als seine Attribute trägt.1485 –– Die Beschreibung eines Pfeilabschusses in der Pandaros-Szene im vierten Gesang der Ilias zeigt Ähnlichkeit mit der Apolloniosstelle: Dort geben Bogen und Sehne beim Abschuss einen Laut von sich: αὐτὰρ ἐπεὶ δὴ κυκλοτερὲς μέγα τόξον ἔτεινεν, λίγξε βιός, νευρὴ δὲ μέγ’ ἴαχεν, ἄλτο δ’ ὀϊστός ὀξυβελής, καθ’ ὅμιλον ἐπιπτέσθαι μενεαίνων. (Δ 124–26)

Die sprachlichen Parallelen sind deutlich erkennbar: Βιστονίην ἐνὶ χερσὶν ἑαῖς φόρμιγγα τανύσσας, κραιπνὸν ἐυτροχάλοιο μέλος κανάχησεν ἀοιδῆς, ὄφρ’ ἄμυδις κλονέοντος ἐπιβρομέωνται ἀκουαὶ κρεγμῷ· (4, 906–9)

(DK, 1951–52) 162: „An die Tätigkeit des bogenanziehenden Schützen […] kann hier nicht gedacht sein, da die des Kitharaspielers eine andere ist.“ 1483 Aristoteles nennt in seiner Rhetorik den Bogen eine saitenlose Leier: τόξον φόρμιγξ ἄχορδος (rhet. 1413a1). 1484 So gibt es Hinweise auf Ähnlichkeiten in Aufbau und Material: Sowohl beim Bogen als auch bei der Leier wurden die sogenannten „Arme“ πήχεις genannt. In den Homerischen Epen wird πῆχυς nur als Bezeichnung für den Arm des Bogens verwendet. Doch im Homerischen Hermeshymnos (50) findet sich dasselbe Wort auch als Bezeichnung für den Arm der Leier. S. dazu auch M. Wegner, Arch. Hom. U 2. Der Bogen des Pandaros in der Ilias ist aus Ziegenhorn gefertigt (Δ 104–10), zu Horn als Material für den Bogen vgl. auch φ 394. Zur genauen Verfertigung des Horns für den Bogen sowie zur Bogenkonstruktion insgesamt s. Lorimer (1950) 276–77 und speziell für den Bogen bei Homer ebd. 289–305, Snodgrass (1967) 56 und Reichel (1901) 112–114. Im Hermeshymnos steht zwar keine Materialangabe für die πήχεις der Phorminx. Doch gibt es in der späteren Literatur Zeugnisse für πήχεις aus Horn auch bei der Leier: So z.B. in einem Sophokles-Fragment (fr. 244 Radt) und bei Philostrat (imag. 1, 10, 2). Die Sehne des Bogens heißt νευρή oder νεῦρον, wurde wohl meistens aus Rindersehne hergestellt und trägt bei Homer das Epitheton ἐϋστρεφής, vgl. W. Beck, LfgrE 3, 344, 50–53. Die Saite der Leier wird bei Homer χορδή genannt und besteht dort aus Schafdarm (φ 408: ἐϋστρεφὲς ἔντερον οἰός), in späterer Zeit aber wohl auch aus Sehnen, wie man z.B. in den Scholien zu Aristophanes (Sch. zu ran. 231) lesen kann. Außerdem gibt es Belege für die Bezeichnung der Leier-Saite als νεῦρον, vgl. LSJ s.v. νεῦρον II.3. Auch deutet das bei Homer für Sehne und Saite gleichermaßen verwendete Epitheton ἐϋστρεφής bereits auf dieselbe Verarbeitung von Rindersehne und Schafsdarm hin. Zum Material der Leier s. Abert (1920) 1762. 1485 S. Anm. 1503. 366

In beiden Szenen wird das Spannen von Bogen bzw. Leier beschrieben: τόξον ἔτεινε - φόρμιγγα τανύσσας. Danach folgt der Klang der Bogensehne bzw. der Ton des Instruments: μέγ’ ἴαχεν - μέλος κανάχησεν.1486 An der Stelle des Pfeils in der Ilias (ὀϊστὸς ὀξυβελής) steht bei Apollonios die Melodie, die schnell wie ein Geschoss ist: Die Junktur κραιπνὸν μέλος evoziert durch ihren Anklang an eine Pindar-Stelle (Τιτυὸν βέλος Ἀρτέμιδος θήρευσε κραιπνόν (Pyth. 4, 90)) ein Geschoss.1487 Zuletzt wird das Ziel des Pfeils bzw. die Wirkung der Melodie als Ergebnis der Handlung genannt: der Pfeil des Pandaros fliegt in eine ungeordnete Heeresmasse: καθ’ ὅμιλον ἐπιπτέσθαι, Orpheus stiftet mit seinem Lied Verwirrung in den Ohren der Zuhörer (κλονέοντος). Diese beiden Stellen sind insofern vergleichbar, als dass κλονέω Denominativum des Substantivs κλόνος ist, das bei Homer auch als Synonym zu ὅμιλος fungiert. Beide Wörter bezeichnen das Schlachtgetümmel, den Tumult in der Schlacht, eine meist ungeordnete Menge von Kämpfenden, das Verb κλονέω entsprechend das Entstehen oder Auslösen eines Getümmels im Kampf oder einer panikartigen Verwirrung, etwa bei der Flucht (z.B. Φ 527–28: αὐτὰρ ὑπ' αὐτοῦ / Τρῶες ἄφαρ κλονέοντο πεφυζότες).1488

1486 Im Odyssee-Gleichnis wird auch der Klang der Bogensehne wie der Ton einer Leier beschrieben: ἡ [sc. νευρή] δ’ ὑπὸ καλὸν ἄεισε, χελιδόνι εἰκέλη αὐδήν (φ 411). 1487 Braswell (1988) 184 hält die Lesart κραιπνόν an der Pindar-Stelle für fehlerhaft und nimmt als korrekte Lesart das in drei Handschriften überlieferte τερπνόν an mit dem Hinweis auf denselben Fehler an der Apolloniosstelle (4, 907). Dort ist jedoch κραιπνόν mit der Ausnahme einer Handschrift, die τερπνόν aufweist, mehrheitlich überliefert. Gegen einen Fehler in der Pindar-Überlieferung spricht auch, dass Apollonios an einer weiteren Stelle offensichtlich in Anlehnung an Pindar das Epitheton κραιπνόν zu βέλος setzt: Ἀρτέμιδος κραιπνοῖσι πάρος βελέεσσι δαμῆναι (3, 774). Dass dieses Epitheton auch in 4, 907 gewählt wird, spricht dafür, dass die Melodie des Orpheus wie ein Pfeil dargestellt werden soll. Zur Lesart vgl. auch Livrea (1973) 263, dort auch der Hinweis auf Pindar Pyth. 4, 90. 1488 Zu κλονέω s. unter II.4e. Zur Bedeutung von κλόνος s. R. Führer, LfgrE 2, 1456, 3: „Gewühl, Getümmel“; von ὅμιλος s. W. Beck, LfgrE 3, 683, 5: „crowd, throng, mass, assembly, group“. Vgl. dazu auch Trümpy (1950) 145 und 157. Das Verb κλονέω beschreibt das Verursachen eines solchen Tumultes. Ebenso verursacht auch ein Pfeil, der in ein Schlachtgetümmel fliegt, Tumult oder trägt zu seiner Vergrößerung bei. An der zitierten Stelle handelt es sich um den Pfeil des Pandaros, aufgrund dessen der Kampf in der Ilias wieder beginnt (Δ 222). Als Vorbild für 4, 487 hat Kyriakou 202, Anm. 46, eine Szene in der Ilias erkannt, in der das Verb κλονέω in Zusammenhang mit dem Kriegsschrei des Gottes Apollon auftaucht (O 320–26). Der Schrei des Apollon (ἄϋσε μάλα μέγα) führt zur Flucht der Achaier. Dann werden Hektor und Apollon mit Raubtieren verglichen, die Schafe vertreiben (κλονέωσι). Demnach ist auch dort - wie in der Orpheus-Szene - das Verb κλονέω mit einem akustischen Phänomen verbunden. In den Argonautika führt der Gesang des Orpheus dazu, dass die Stimmen der Sirenen und das Gehör der Zuhörer verwirrt werden. Vgl. Hunter (2015) 208: „The use of κλονεῖν, ,to harass, confound‘ of Orpheus’ playing leads to a difficult compression of meaning […] Whereas Odysseus’ men pass the Sirens 367

Die Tatsache, dass der Abschuss des Pfeils in der Ilias einen Ton hervorbringt, führt bei Apollonios wieder zu einer Umkehrung: Beim Bogen ist der Ton Begleiterscheinung des tatsächlich abgeschossenen Pfeils. Bei der Leier des Orpheus wirkt die tatsächlich hervorgebrachte Melodie durch die Formulierung wie ein Geschoss. Noch ein weiteres Wort in dieser Episode verbindet man unwillkürlich mit kämpferischen und gewalttätigen Handlungen: βιάω/βιάζω hat bei Homer die Bedeutung ‚Gewalt antun, überwältigen‘ und beschreibt die Anwendung physischer Gewalt, mehrmals auch im kriegerischen Sinn.1489 An einigen Stellen stehen Geschosse im instrumentalen Dativ (Λ 576, 589, Ο 727, Π 102).1490 Als Subjekte begegnen meistens Personen oder Tiere.1491 Die Phorminx des Orpheus jedoch ist als Subjekt zu einem Verb, das meist im gewalttätigen Kontext steht, auffällig. Ein Bogen ist dagegen bei Homer Subjekt in einer Junktur mit dem synonymen Verb δαμάζω: τοὺς δ’ ἤδη ἐδάμασσε βιὸς καὶ ταρφέες ἰοί (χ 246). Die Stelle findet sich im 22. Gesang der Odyssee und betrifft den Freiermord durch Odysseus. Über den Mord spricht Odysseus in den Versen, die dem Bogen-Leier-Gleichnis folgen: Er kündigt an, den Freiern ein Nachtmahl mit Leier und Tanz (μολπῇ καὶ φόρμιγγι (φ 430)) bereiten zu wollen, beabsichtigt aber in Wirklichkeit die Freier zu töten. Damit wird die Verbindung von Bogen und Leier, die im Odyssee-Gleichnis hergestellt wurde, in der Handlung der Odyssee weitergeführt. Bei Apollonios ist das Verhältnis von realem Geschehen und Andeutung umgekehrt. Denn Orpheus singt tatsächlich nur ein Lied, sein Übertönen der Sirenen wirkt aber wie der Sieg in einem Kampf. Bei Odysseus ist der Bogenkampf real, die Leier angedeutet, bei Orpheus ist das Leierspiel real, der Bogen angedeutet.1492

without hearing anything at all, the Argonauts are bombarded with a superfluity of sound.“ 1489 S. unter II.10f. (βιάω/βιάζω). 1490 S. Kyriakou 202, Anm. 47, zum Gebrauch des Verbs an diesen Stellen: „… used for warriors hard-pressed by arrows …“ Wie von Kyriakou 202–3 und 209 bereits erläutert, kommt die Form ἐβιήσατο bei Homer nur zweimal vor. An beiden Stellen steht das Wort in einem Gleichnis: In Λ 558 wird der zurückweichende und die Troer abwehrende Aias mit einem Esel verglichen, der sich erfolgreich gegen Knaben durchsetzt (ὡς δ’ ὅτ’ ὄνος παρ’ ἄρουραν ἰὼν ἐβιήσατο παῖδας), die ihn mit Stöcken aus dem Feld treiben wollen. In Π 823 wird Hektor, der Patroklos tötet, mit einem Löwen, der einen Eber bezwingt, verglichen: ὡς δ’ ὅτε σῦν ἀκάμαντα λέων ἐβιήσατο χάρμηι. Beide Gleichnisse illustrieren kriegerische Szenen, das zweite sogar die zentrale Szene von der Tötung des Patroklos. Außerdem ist die Form ἐβιήσατο auch noch bei Hesiod (theog. 423) und Herodot (4, 43, 2) belegt. 1491 Außerdem dreimal der Kummer/Gram (ἄχος, in Κ 145, 172, Π 22), einmal die Welle des Meeres (κύμα, η 278). 1492 Kyriakou 199: „Apollonius apparently reverses his model’s analogy. Odysseus uses his bow as a lyre, […] Orpheus […] uses his lyre as a bow“. 368

Die Phorminx als Subjekt zu βιάω ruft gemeinsam mit der Wendung φόρμιγγα τανύσσας drei Verse zuvor recht deutlich die Assoziation des Bogens hervor.1493 Objekte zu βιάω sind bei Homer fast immer Personen. Daher ist der als παρθενίη ἐνοπή bezeichnete Gesang der Sirenen als Objekt ungewöhnlich.1494 Allerdings zeigt sich durch das Epitheton παρθένιος eine Parallele zu einer Herodotstelle, die von der Vergewaltigung eines Mädchens erzählt: ἐβιήσατο παρθένον (4, 43, 2). So entsteht auch durch die Verbindung des Verbs mit dem Epitheton der Eindruck der Gewalttätigkeit.1495 Der Gesang der Sirenen wird - wie auch der Gesang des Orpheus im Argonautenkatalog - als ἐνοπή bezeichnet. Dieses Wort hat in den homerischen Epen meistens die Bedeutung ‚Kampfgeschrei‘.1496 In den Argonautika wird ἐνοπή besonders für Stimmen, die Zauber auslösen (θέλγω) verwendet: der Gesang des Orpheus (1, 27: θέλξαι ἀοιδάων ἐνοπῇ), die Stimme der Medea (4, 147: ἡδείῃ ἐνοπῇ) und die Stimmen der Sirenen (4, 893–94: Σειρῆνες […] ἡδείῃσι / θέλγουσαι μολπῇσιν, in 4, 909: ἐνοπή).1497 Durch den Zauber der Stimmen besteht also eine Verbindung zwischen

1493 Kyriakou 202, Anm. 47: „Thus this verb [sc. βιάω] reinforces the suggestion that Orpheus’ lyre functions as a bow.“ Vgl. dagegen Hunter (2015) 208 mit Hinweis auf 4, 896–88 und die Rolle der Sirenen im Persephone-Mythos: „there is a clear suggestion of rape which perhaps picks up the Sirens’ role in the story of Persephone“. 1494 ἐνοπή ist bei Homer nur „Objekt von ‚hören‘ Κ 13, κ 147“ (M. Schmidt, LfgrE 2, 605, 23–24). 1495 LSJ s.v. βιάω II: „force, ravish“ mit Angabe der Herodotstelle. Auch bei Lysias wird das Verb in diesem Zusammenhang gebraucht (1, 32). Knight (1995) 203–4 erkennt eine erotische Färbung der Apolloniosstelle und einen Hinweis auf das Thema Frauenraub. In den homerischen Epen findet sich das Substantiv βίη in Zusammenhang mit Gewalt gegenüber Frauen bzw. Frauenraub, vgl. B. Mader, LfgrE 2, 60, 33: „I 2 Gewalt, Gewalttat, Gewalttätigkeit […] 2a Instr.; Besitz rauben, bes. Frauen.“ Im Homerischen Demeterhymnos werden βιάζω und βίη im Kontext des Raubs der Persephone verwendet (Dem. 68, 124). Jedoch gibt es keine wörtlichen Anklänge. Bei Homer begegnet das synonyme Verb δαμάζω in Zusammenhang mit der Ausübung von Zwang gegenüber Frauen: ἐκ μέν μ’ ἀλλάων ἁλιάων ἀνδρὶ δάμασσεν, / Αἰακίδηι Πηλῆϊ, καὶ ἔτλην ἀνέρος εὐνήν / πολλὰ μάλ’ οὐκ ἐθέλουσα (Σ 432–34). Vgl. dazu das Wortspiel, das Nonnos vielleicht in Anlehnung an Apollonios vornimmt: φόβος δ’ ἐβιήσατο φωνήν (Dion. 6, 366), Oὐδέ τις ἱμερόεσσαν ἑλὼν ἐβιήσατο νύμφην (Dion. 35, 17). Fränkel (1958) 133–34 betont in seiner Interpretation der Stelle den Ausdruck der Gewalt bei Apollonios: „der Schall von Orpheus’ Leier bombardierte (ἐπιβρομ.) das Gehör der Vorbeifahrenden mit überlegener Gewalt (ἐβιήσατο).“ 1496 S. dazu unter II. 15g. (ἐνοπή). Vgl. auch Anm. 1466. Kyriakou bezieht ἐνοπή nicht in ihre Untersuchung mit ein. 1497 Bei Homer wird die Stimme der Sirenen ὄψ (μ 52, 185, 187) genannt (wie auch bei Apollonios in 4, 903, 914), ihr Gesang ἀοιδή (μ 44). 369

Medea, Orpheus und den Sirenen. Daher ist der Wettbewerb zwischen Orpheus und den Sirenen ein Wettkampf unter Gleichen.1498 In den homerischen Epen ist ἐνοπή nicht mit Attributen versehen, in den Homerischen Hymnen jedoch zweimal mit dem Epitheton θεσπέσιος (Ap. 360, Herm. 422). Im Apollonhymnos bezeichnet ἐνοπή das Röcheln, das die Schlange Python von sich gibt, nachdem Apollon sie mit dem Pfeil getroffen hat (357–58). Die Schlange windet sich vor Schmerzen am Boden und gibt endlose schreckliche Laute von sich (θεσπεσίη δ’ ἐνοπὴ γένετ’ ἄσπετος (360)), bis sie schließlich stirbt (361–62).1499 So besteht zwischen der Orpheus-Sirenen-Episode in den Argonautika und der Python-Szene im Apollonhymnos ein wörtlicher, aber auch ein motivischer Bezug: Apollon erlegt mit Pfeil und Bogen die Schlange Python, die ein Schrecknis und Unheil für die Menschen war (355–56). Die Stimme des Ungeheuers wird ἐνοπή genannt. Orpheus bezwingt mit seiner Leier die Sirenen, deren Gesang für viele Menschen zum Verhängnis wurde (4, 901–2). Auch ihre Stimme bzw. ihr Gesang wird ἐνοπή genannt.1500 In beiden Szenen handelt es sich um unheilvolle Fabelwesen. Auch die Erzählfolge ist gleich: Erst wird die unheilvolle Wirkung der Wesen beschrieben, dann die Bezwingung geschildert. Die Ähnlichkeit beider Szenen und die Analogie zwischen Python-Schlange und Sirenen zeigen folgende weitere Beobachtungen:  ie Stimme der Python-Schlage im Apollonhymnos wird θεσπεσίη δ’ ἐνοπὴ, –– D die der Sirenen bei Apollonios παρθενίην δ’ ἐνοπὴν genannt. Die Assonanz ist deutlich erkennbar. –– Das Epitheton θεσπέσιος, im Apollonhymnos für die Stimme der Schlange verwendet (s.o.), steht in der Odyssee bei den Sirenen selbst (Σειρήνων μὲν πρῶτον ἀνώγει θεσπεσιάων / φθόγγον ἀλεύασθαι (μ 158–59)), bezieht sich aber auch auf ihren Gesang.1501 –– Die enge Beziehung zwischen den beiden Protagonisten Apollon und Orpheus macht eine Übertragung des Pythonmythos auf die Sirenen-Episode wahrscheinlich: Apollon ist bereits in der Ilias sowohl als Bogenschütze als auch als 1498 Clare (2002) 255 („In one way this is a contest between like and like.“) mit Hinweis darauf, dass die Sirenen Musentöchter sind wie auch Orpheus der Sohn der Muse Kalliope ist. Ebenso Kyriakou 192: „all contestants are offspring of a Muse and they have the power to charm their audience“, Segal (1989) 107–8 vergleicht die Wirkung des Gesangs von Orpheus und Medea in Senecas Tragödie Medea. Zu Orpheus und Medea als Konkurrenten bezüglich der ‚magischen‘ Hilfe in den Argonautika vgl. Lawall (1966) 147 und Clare (2002) 251–52. 1499 ἐνοπή bezeichnet hier lt. M. Schmidt, LfgrE 2, 605, 37 „e. Art „Todesröcheln“, und lt. Förstel (1979) 468, Anm. 673, „die Laute, die das getroffene Untier selbst von sich gibt“ und „bezieht sich wahrscheinlich auf das ,laute Röcheln‘ von V. 359a.“ 1500 Knight (1995) 203 führt die Verwendung von ἐνοπή an dieser Stelle darauf zurück, dass Apollonios hier durch ein Wort mit der Bedeutung ‚Schrei‘ die Undeutlichkeit des Gesangs der Sirenen hervorheben wollte, vgl. auch αὐδή in 4, 911. 1501 So M. Schmidt, LfgrE 4, 86, 64–65: „dort […] θεσπέσιος als Qualität von Gesang“. 370

Leierspieler bekannt.1502 So sind auch Bogen und Leier seine häufigsten Attribute.1503 Der Sänger Orpheus hat in der literarischen Tradition eine besondere Beziehung zu Apollon, dem Schutzgott der Dichter und Sänger.1504 Auch zeigen sich deutliche Analogien zwischen der Figur des Apollon im Apollonhymnos und der des Orpheus in den Argonautika. Beide werden vor ihrem Kampf gegen die unheilvollen Wesen als Sänger eingeführt. Zudem kann für eine weitere Episode im 2. Buch der Argonautika (2, 672–704) eine Passage im Homerischen Apollonhymnos (Ap. 399–519) als Prätext angenommen werden: Orpheus übernimmt dort die Rolle, die im Apollonhymnos der Gott selbst spielt.1505 Durch 1502 Φοῖβος Ἀπόλλων, / […] τόξ’ ὤμοισιν ἔχων ἀμφηρεφέα τε φαρέτρην (A 43–45), φόρμιγγος περικαλλέος ἣν ἔχ’ Ἀπόλλων (A 603, vgl. auch Ω 63). Thalmann (1984) 176 nimmt diese Tradition der Verbindung von Leier und Bogen bei Apollon auch als Vorbild für das Bogen-Leier-Gleichnis der Odyssee an. 1503 Noch deutlicher wird die Verbindung der beiden Attribute des Gottes in den Homerischen Hymnen. Dort spricht Apollon gleich nach seiner Geburt: εἴη μοι κίθαρίς τε φίλη καὶ καμπύλα τόξα (Ap. 130–31); und in einer Auseinandersetzung mit Hermes: μή μοι ἀνακλέψῃς κίθαριν καὶ καμπύλα τόξα (Herm. 130–31). S. Wernicke (1896) 109, 40 f. und 110, 30. Die Leier des Apollon wird im Hymnos auch Phorminx genannt (Ap. 182–83). Zum Gebrauch des Wortes φόρμιγξ s. auch Hunter (1996) 141, der sie als „Apolline and Orphic instrument“ bezeichnet. LSJ s.v. φόρμιγξ 1: „freq. in Hom. as the instrument of Apollo“. Besonders betont wird die zweifache Zuständigkeit mit den dazugehörigen Attributen des Apollon auch im Hymnos des Kallimachos: κλείουσιν ἀοιδοί / ἢ κίθαριν ἢ τόξα, Λυκωρέος ἔντεα Φοίβου (Ap. 18–19), ἥ τε λύρη τό τ’ ἄεμμα τὸ Λύκτιον ἥ τε φαρέτρη (Ap. 33, vgl. auch Ap. 42–44). Auch in der römischen Literatur findet sich die Darstellung der doppelten Zuständigkeit des Gottes: In einer Elegie des Properz wird der Wechsel des Bogens und der Leier Apollons zum Zeichen für den Wechsel zwischen Krieg und Frieden: … citharam iam poscit Apollo / victor et ad placidos exuit arma choros (4, 6, 69–70). Dazu Hutchinson (2006) z. St. mit Hinweis auf Apollons Wechsel vom Bogen zur Leier im Homerischen Apollonhymnos (Ap. 3–12 und 181–206). Zu den (ingesamt) drei „timai“ des Apollon s. Clay (1989) 43f. mit weiterführender Literatur (Anm. 85), vgl. auch Thalmann (1984) 69. 1504 Orpheus soll seine Inspiration von Apollon selbst erhalten haben. Es gibt sogar Zeugnisse, in denen Apollon als Vater des Orpheus bezeichnet wird, z.B. bei Pindar: ἐξ Ἀπόλλωνος δὲ φορμιγκτὰς ἀοιδᾶν πατήρ / ἔμολεν, εὐαίνητος Ὀρφεύς (Pyth. 4, 176 f.) Zur Diskussion darüber, ob hier eine tatsächliche Vaterschaft oder nur die künstlerische Herkunft gemeint ist, s. Ziegler (1939) 1217–19 und Braswell (1988) 255–56. Wenige Belege geben an, „dass der Gott ihm die Lyra gegeben und ihn die Kunst des Saitenspiels gelehrt habe“. Dazu Ziegler (1939) 1224 mit dem Hinweis auf Ps.-Eratosthenes: μετέλαβε δ’ αὐτὴν Ἀπόλλων καὶ συναρμοσάμενος ᾠδὴν Ὀρφεῖ παρέδωκεν (kat. 1, 24). 1505 Die Analogien in Handlung und Erzählfolge zeigen die Szene des Apollonhymnos deutlich als Prätext der Szene im zweiten Buch der Argonautika. Während im Apollonhymnos der Gott selbst bei seiner Erscheinung zu den Kretern spricht und ihnen Befehle erteilt, schweigt er bei seiner Erscheinung in den Argonautika. An 371

diese Parallele wird die Identifikation des Sängers mit dem Gott intensiviert. Das stützt m. E. die These, dass mit dem Sieg des Orpheus über die Sirenen der Sieg des Apollon über Python evoziert werden soll. Das Lied, das Orpheus nach der Szene im zweiten Buch singt, verstärkt noch einmal die Verbindung zwischen dem Homerischen Apollonhymnos und der Sirenen-Episode der Argonautika, da es genau diesen Mythos von der Bezwingung der PythonSchlange erzählt:1506 … πάις Οἰάγροιο Βιστονίῃ φόρμιγγι λιγείης ἦρχεν ἀοιδῆς· ὥς ποτε πετραίῃ ὑπὸ δειράδι Παρνησσοῖο Δελφύνην τόξοισι πελώριον ἐξενάριξε, … (2, 703–6)

In kurzem Abstand steht hier beim singenden Orpheus die Phorminx im Instrumentalis, bei Apollon dagegen der Bogen. Das Attribut Βιστονίη, nach dem Herrschaftsgebiet des Orpheus (1, 34), trägt die Leier nur hier und in der Sirenen-Episode.1507

Orpheus als Selbstdarstellung des Apollonios? Der Sänger der Odyssee Demodokos wurde bereits in der Forschung als Vorbild für die Figur des Orpheus gesehen.1508 Dass Demodokos als Selbstdarstellung des seiner Stelle spricht Orpheus und gibt Anweisungen. Damit übernimmt der Sänger die Rolle, die der Gott im Homerischen Hymnos selbst spielt. Das reicht bis zum Singen des Preisliedes, das im Apollonhymnos Apollon selbst zusammen mit den Kretern, in den Argonautika Orpheus zusammen mit den Argonauten anstimmt. 1506 Zum Hymnus des Orpheus s. Hunter (1986) 55–60, besonders zum Vergleich mit dem Apollonhymnos des Kallimachos. Auch dort wird der Python-Mythos erzählt (Ap. 100–2). Das Motiv der Schlangentötung mit Pfeil und Bogen taucht auch in den Argonautika noch einmal auf: Im 4. Buch wird berichtet, dass Herakles die Schlange Ladon mit seinem Pfeil getötet habe (4, 1396–1405). In 4, 147 steht ἐνοπή in Verbindung mit einer Schlange, wenn auch nur indirekt. Dort ruft Medea den Gott Hypnos um Hilfe an, die Schlange beim Goldenen Vlies zu bezaubern: Ὕπνον […] καλέουσα / ἡδείῃ ἐνοπῇ, θέλξαι τέρας. 1507 Bistonien galt als Heimat und Herrschaftsgebiet des Orpheus. (Apoll. Rhod. 1, 34, s. Ziegler (1939) 1221 und Oberhummer (1899) 504 mit Verweis auf Orph. Arg. 78). Die Bistonen waren ein thrakischer Volksstamm (Hdt. 7, 110), und das Attribut ‚bistonisch‘ steht oft als Synonym für ‚thrakisch‘ (Sch. zu 2, 704), besonders in der römischen Poesie (Oberhummer 504–5). Dort finden sich auch mehrere Belege dafür, dass die Bistonen, deren Stammvater Biston als Sohn oder Enkel des Ares galt (s. dazu Hoefer (1899) 504), ein sehr kriegerisches Volk und Anhänger des Ares waren (Sil. 1, 433; 2, 76, Stat. Theb. 2, 586, silv. 1, 1, 18, Lucan 7, 569, s. auch Apollod. 2, 5, 8). Es ist möglich, dass dieser Aspekt auch dem Attribut anhaftet. Nonnos verwendet es als Epitheton für die Lanze des Oiager (Dion. 22, 170: ἔγχεϊ Βιστονίῳ). 1508 Nelis (1992) 153–170, Busch (1993) 322–23, Hunter (1993) 149, vgl. auch Scherer (2006) 117. 372

Odyssee-Dichters verstanden werden kann, ist communis opinio. Daher liegt es nahe, auch Orpheus als den einzigen Sänger in den Argonautika in Anlehnung an das homerische Vorbild als mögliche Identifikationsfigur für Apollonios selbst anzunehmen.1509 Zwei Lieder des Orpheus in den Argonautika wurden bereits mehrfach aufgrund ihres Kontextes, vor allem aber aufgrund ihres Inhalts bezüglich poetologischer Aussagen ausgewertet: Auf eine mögliche Identifikation des Apollonios mit Orpheus weist z.B. der Wechsel von indirekter zu direkter Rede im Apollonhymnos des Orpheus im 2. Buch (2, 701–13) hin: Es entsteht der Eindruck, als richte Apollonios selbst die Worte des Hymnos an Apollon.1510 Auch das kosmogonische Lied (1, 496–511) bietet durch Inhalt und Einbettung in den Kontext eine Grundlage für eine solche Deutung der Orpheus-Figur.1511 Kyriakou erkennt in der Darstellung des Orpheus in der Sirenen-Episode eine poetologische Aussage des Apollonios. Die Situation eines „Sängerwettstreits“ bietet tatsächlich einen Anlass, Apollonios in Konkurrenz zu einem anderen Dichter zu 1509 Dazu Busch (1993) 323–24 mit dem Hinweis, dass „die besondere Verbindung des Sängers zu Apollon, dem ‚Patron‘ der alexandrinischen Dichter (und im übrigen auch Apollonios’ Namenspatron) […] einen zusätzlichen Anhaltspunkt“ für eine Identifikation biete, Scherer (2006) 117 spricht der Positionierung des Orpheus am Anfang des Heldenkatalogs die Funktion zu, „nach der Anrufung des Musengottes Apollo im Prooemium und vor Beginn der eigentlichen Handlung einen autoreferentiellen Subtext zu produzieren.“ Ebenso Hunter (1993) 149: „Moreover, the poet’s quasi-identification with Orpheus has been established in the Catalogue.“ Zur Gegenposition vgl. Köhnken (2006) 109, der Orpheus nicht für eine Identifikationsfigur, „sondern eine ‚Integrationsfigur‘ (d.h. eine unabhängige autoritative Instanz mit faszinierender und besänftigender Wirkung auf seine Zuhörer)“, die den „Zusammenhalt der in sich heterogenen Gruppe“ sichere, hält. 1510 Albis (1996) 30: „It is idle to try to resolve the matter, since the ambiguity is significant, serving to blur the lines between Orpheus and Apollonius.” Vgl. auch Beye (1982) 18–19, Fränkel (1968) 227–28, Goldhill (1991) 297–98, DeForest (1994) 81–82. Kyriakou 190, Anm. 19, bezeichnet den Apollonhymnos des Orpheus (2, 703–13) als „most telling instance of Apollonius’ identification with Orpheus“. 1511 Busch (1993) 324 konstatiert nach seiner Interpretation des kosmogonischen Liedes (305–17) eine „Verquickung von Orpheus’ traditioneller Gedankenwelt mit Apollonios’ eigener, so daß in den Worten des Sängers auch - in dem für das Epos zulässigen Maße - die Ansichten des Dichters selbst ausgesprochen werden“, und kommt zu dem Schluss, dass „das Lied des Orpheus als eine Schlüsselstelle für die Rolle des Orpheus in den Argonautika und damit auch für das dichterische Selbstverständnis des Apollonios gelten“ könne. Hunter (1993) 149 bemerkt zum kosmogonischen Lied des Orpheus, dass die Identifikation des Dichters sich durch die Wiederaufnahme des Schlussthemas des Liedes am Beginn der Mantelekphrasis und durch die Einbettung des Liedes in den narrativen Kontext (Streit in der Erzählung, Streit im Lied, Kraft des Zeus in der Erzählung und im Lied) zeige, sowie durch die Unklarheit, ob die letzten 6 Verse des Liedes von Orpheus oder Apollonios stammen: „Orpheus und the poet have become one.“ DeForest (1994) 92–95 deutet das kosmogonische Lied poetologisch im Hinblick auf die Beziehung des Apollonios zu Homer. 373

sehen. Wenn Orpheus als Selbstdarstellung des Apollonios gedeutet werden kann, stellt sich nun die Frage, wen die Sirenen verkörpern, über die er triumphiert. Nach der These Kyriakous sind die Sirenen einerseits als Verkörperung Homers und des Alten Epos,1512 andererseits aber auch als Darstellung der Dichtung des Kallimachos (s.u.) zu deuten. Mit ihrer Interpretation des Orpheus-Sieges als Auseinandersetzung mit der Dichtung Homers folgt Kyriakou Goldhill, der den Sieg des Orpheus als Triumph über die ganze alte Dichtung versteht.1513 Für die Deutung der Sirenen als Verkörperung des Alten Epos kann man Interpretationen des Sirenen-Liedes der Odyssee heranziehen, auf die auch Kyriakou hinweist: Bereits Eustathios nimmt in seinem Odyssee-Kommentar die Sirenen aufgrund ihrer Aussagen und ihres Wissens über Troja ähnlich wie Demodokos als Selbstdarstellung Homers an.1514 Die These, dass die Sirenen in der Odyssee als Musen der Ilias dargestellt sind, hat Pucci in seiner sprachlichen Untersuchung des Sirenen-Liedes der Odyssee überzeugend augeführt.1515 Die Sirenen wurden also bereits als Darstellung Homers und Repräsentanten des Alten Epos aufgefasst und sind als solche etabliert. Da sie auch mit der Mythologie des Alten Epos fest verbunden sind, ist eine solche Deutung auch für die Sirenen-Episode der Argonautika plausibel. Kyriakou zieht in ihrer Deutung der Sirenen-Episode zudem eine Verbindung des Orpheus-Sieges zum Aitienprolog des Kallimachos (fr. 1, 10–40 Pf.),1516 der eine poetologische Aussage enthält: Der Dichter wehrt sich in der ersten Person mit einer in Metaphern dargestellten Charakterisierung seines Dichtungsideals gegen die Vorwürfe der Telchinen, er können kein langes zusammenhängendes Lied mit vielen tausend Versen über Könige und Heroen schreiben, indem er das helltönende Lied der Zikaden (29: λιγύν ἦχον) als Dichtungsideal dem Lärm der Esel (29–30: θόρυβον […] ὄνων) und dem Donnern des Zeus (20: βροντᾶν […] Διός) gegenüberstellt.1517 1512 Kyriakou 203: „The possibility that Apollonius pitted Orpheus’, i.e. his own, song against Homer’s readily suggest itself …“ 1513 Die These von Kyriakou 203–5, findet sich ähnlich formuliert bereits bei Goldhill (1991) 299 („Apollonius, the ‚ideal poet‘ within the poem, plays over the voices of the earlier figures of knowledge and song.“), der das ‚Übertönen‘ durch Apollonios auch auf andere Dichter, z.B. Sappho, bezieht. 1514 Eustathios 1708, 62–1709, 10, zu Demodokos als Selbstdarstellung Homers, s. außerdem 1584, 48–49; 1605, 50–52. 1515 Pucci (1998) 1–9 stellt in einer Untersuchung des Sirenen-Liedes der Odyssee, das das Thema der Ilias zum Inhalt hat, auch die Verwendung von gängigem iliadischem Vokabular, das aber in der Odyssee nur an dieser Stelle belegt ist, fest: „The Sirens look like Muses and speak with the diction of the Iliad.“ 1516 Kyriakou 206–10: „…Apollonius seems to have composed the Sirens episode with […] Callimachus in mind …“ (ebd. 206). 1517 Zur poetologischen Interpretation des Aitienprologs und zur Identifikation der Telchinen s. Asper (1997) 145 ff. Als Argument dafür, dass der apologetische Angriff des Kallimachos im Aitienprolog sich nicht gegen Apollonios richte, wurde mehrfach das Florentiner-Scholion angeführt, das die Namen möglicher Kritiker listet, wobei der Name Apollonios wohl nicht auftaucht. Dazu z.B. Wehrli (1941) 374

Nach Kyriakous Interpretation spielt Apollonios mit der Charakterisierung des Orpheus-Gesangs auf den Aitienprolog an und nimmt eine Gegenposition zu Kallimachos und seinem Dichtungsideal ein.1518 Gestützt ist diese These im Wesentlichen auf zwei Beobachtungen: 1. In der Sirenen-Episode der Argonautika wird das Attribut λιγύς dem Gesang der Sirenen zugeschrieben (λίγειαι / Σειρῆνες (4, 892–93), Σειρήνων λιγυρῇ ὀπὶ (4, 914)),1519 während Orpheus die Sirenen vor allem durch seine Lautstärke überbietet.1520 2. Durch die Form ἐβιήσατο besteht ein Bezug des Orpheus-Sieges zum homerischen Esel-Gleichnis, in dem sich ein Esel gegen Knaben wehrt: ὡς δ’ ὅτ’ ὄνος παρ’ ἄρουραν ἰὼν ἐβιήσατο παῖδας (Λ 558). Kyriakou deutet nun die Darstellung der Sirenen als Anspielung auf Kallimachos, die des Orpheus als Anspielung auf den siegreichen Esel des homerischen Gleichnisses.1521 Doch abgesehen davon, dass über die relative Chronologie von Aitienprolog und Argonautika Uneinigkeit besteht,1522 stößt diese Interpretation noch auf folgende weitere Schwierigkeiten: 1. Das Adjektiv λιγύς ist als ein für Sänger gängiges Attribut eine zu schwache Parallele zwischen Aitienprolog und der Sirenen-Episode, um für sich allein eine Anspielung plausibel zu machen. Die These Kyriakous stützt sich daher hauptsächlich auf die Annahme, dass Apollonios und Kallimachos dieselben homerischen Quellen

18, Nisetich (2001) 62. Asper (1997) 146–47 dagegen hält den Scholiasten nicht für vertrauenswürdig, stellt „die Historizität einer Telchinen-Invektive überhaupt“ in Frage und hält Rezeptionssteuerung als vorwiegende Funktion des Aitienprologs für möglich. 1518 Kyriakou 209: „… this combination was bound to evoke the Callimachean programmatic imagery provocatively turned on its head.“ 1519 So auch bei Homer (Σειρῆνες λιγυρῇ θέλγουσιν ἀοιδῇ (μ 44)) und Hesiod (Σειρήνων τε λίγε]ι[α]ν̣ ὄπ]α κλύον (fr. 150, 33 MW)). 1520 Vgl. dazu Kyriakou 206: „the poet does not attribute Orpheus’ victory to superior musical qualities but to totally different factors: the song’s volume, tempo, and the accompaniment of the militant lyre.“ 1521 Kyriakou 209: „Orpheus behaves like the donkey of the Homeric simile and […] emerges victorious over the Sirens […]. Callimachus, the impersonation of the Sirens […] now verily comes across as a weak-voiced child.“ 1522 Nach Asper (2004) 26 ist unklar, wann der Aitienprolog zu den vermutlich in zwei Fassungen vor 270 und nach 245 v. Chr. herausgegebenen Aitien hinzugefügt wurde. Zu den zwei Editionen der Aitien s. Asper (1997) 59, Anm. 152, mit weiterführender Literatur. Vgl. Kyriakou 188, Anm. 14, mit Argumenten für die Priorität des Aitienprologs mit weiterführender Literatur. Hopkinson (1988) 7 und 181 meint, dass Aitien und Argonautika als „work in progress“ schon Jahre vor ihrer Publikation bekannt gemacht worden seien, so dass die Dichter während der Zeit der Entstehung aufeinander Bezug nehmen konnten. Köhnken (2001) 78–80 weist auf die Abhängigkeit einer großen Zahl an Aitien in den Argonautika von den Aitien des Kallimachos hin: „It should therefore not be in doubt that Apollonius draws on Callimachus throughout and, as far as we can see, on all four books of the Aitia, …“ 375

benutzen, um aufeinander Bezug zu nehmen.1523 Diese Quellen sind das oben zitierte Esel-Gleichnis (Λ 558) und ein Vergleich der Ältesten Trojas mit Zikaden (… δημογέροντες […] γήραϊ […] τεττίγεσσιν ἐοικότες, οἵ […] ὄπα λειριόεσσαν ἱεῖσιν (Γ 149–52)). Es handelt sich hierbei um zwei verschiedene, voneinander unabhängige Stellen, was bereits gegen einen Zusammenhang spricht. 2. Die Darstellung der Stilantithese „helltönend – laut“ im Aitienprolog beschränkt sich auf die Verse 29–32. Danach wechselt Kallimachos das Thema und erörtert das Problem des Alters und seinen Wunsch nach Rückkehr der Jugend (32–38). Kyriakou zeigt auch für diesen Teil des Prologs sprachliche Parallelen zu den Homerstellen auf,1524 die aber für ihre These keine Relevanz haben, da das neue Thema des Prologs in keinem Zusammenhang mit der zuvor ausgeführten Stilantithese hat und somit auch nicht für eine Auseinandersetzung mit der SirenenEpisode der Argonautika herangezogen werden kann. 3. Die Form ἐβιήσατο, die im homerischen Esel-Gleichnis und bei Apollonios vorkommt, ist noch einmal bei Homer (Π 823), außerdem bei Hesiod (theog. 423) und Herodot (4, 43, 2) belegt.1525 Apollonios muss also nicht unbedingt auf das EselGleichnis angespielt haben. 4. An der zweiten o.g. Homerstelle werden die Ältesten Trojas mit Zikaden verglichen. Der Gesang der Sirenen in den Argonautika (ἵεσαν ἐκ στομάτων ὄπα λείριον (4, 903)) wird mit denselben Worten beschrieben wie der Gesang dieser Zikaden: τεττίγεσσιν ἐοικότες οἵ […] ὄπα λειριόεσσαν ἱεῖσιν (Γ 151–52). Die Ähnlichkeit des Sirenen-Gesangs mit den Zikaden, d.h. den Ältesten Trojas, stützt die Verbindung der Sirenen mit den Alten Epos und ihre Sicht als Musen der Ilias, da auch die Ältesten Trojas mit der Ilias und dem Alten Epos eng verbunden sind. Dagegen ist es unwahrscheinlich, dass Kallimachos mit dem λιγὺν ἦχον / τέττιγος, den er selbst anstrebt, auf die Ältesten Trojas anspielt, da er seine Dichtung gerade von der epischen Gesangsweise grundsätzlich abgrenzen will. 5. Die hauptsächliche Problematik der These Kyriakous besteht aber darin, den Sirenen-Gesang einerseits als Symbol des Alten Epos, andererseits als Darstellung der kallimacheischen Dichtung aufzufassen, die doch im Gegensatz zueinander stehen. Apollonios würde sich tatsächlich gleichzeitig in Opposition zu Homer und zu Kallimachos begeben. Während also eine Auseinandersetzung des Apollonios mit Homer, verkörpert durch die Sirenen, in dieser Szene durchaus denkbar ist, erscheint eine Auseinandersetzung mit Kallimachos nicht plausibel.

1523 Kyriakou 195–96, 202. 1524 παῖδας in Ait. fr. 1, 37 Pf. und Λ 558; γῆρας in Ait. fr. 1, 33 Pf. und γήραϊ in Γ 150. 1525 S. dazu Anm. 1490. 376

Appendix 2: Verwendung homerischer Vorbilder1526 An ca. einem Drittel der insgesamt untersuchten Belegstellen lassen sich Formulierungen in den Argonautika auf ein homerisches oder manchmal auch hesiodeisches Vorbild zurückführen. Dabei wird entweder das Vorbild wörtlich zitiert (30 % der Stellen, die auf ein Vorbild anspielen), oder in Flexionsform, Wortfolge oder durch Synonymersatz variiert. Bei den wörtlichen Zitaten werden auch die metrischen Positionen der Vorbilder meist beibehalten. In diesen Zitaten kommen vor allem Wörter aus den Gruppen ‚Waffen‘ und ‚Kampfkraft‘ vor, z.B.: σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι (E 219–20 → 2, 1220–21), ἔγχος ἔπηξεν (N 570–73 → 3, 1286), εἵλετο τόξον (I 559 → 3, 157), κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9 → 1, 1162; 2, 334), βοείας / ἀσπίδας (E 452–53, M 425–26 → 4, 200–1). Mehr als doppelt so häufig wie wörtliche Zitate begegnen Variationen homerischer Vorbildstellen, z.B. in Wortfolge (ἐκ δ’ ἕλετ’ ἰόν / ἀβλῆτα (Δ 116–17) → ἀβλῆτα […] ἐξέλετ’ ἰόν (3, 279)) oder Flexionsform (ἀσπίδα […] χαλκείην (M 294–95) → χαλκείῃ […] ἀσπίδι (1, 746)). Oft finden sich auch entweder beim Vorbild, beim Zitat oder bei beiden Zusätze, z.B. ἐν δ’ Ἀλκή (E 740) → ἐν δέ οἱ ἀλκή (3, 1043), ἧκε δ’ ἐπ’ Ἀργείοισι κακὸν βέλος (A 382) → ἧκε δ’ ἐπ’ οἰωνὸν ταχινὸν βέλος (2, 1044), εἵλκετο δ’ ἐκ κολεοῖο μέγα ξίφος (A 194), αὖτις δ’ ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ (M 190) → γυμνὸν δ’ ἐκ κολεοῖο φέρεν ξίφος (3, 1381) Eine sehr häufige Art der Variation ist der Synonymtausch, bei dem ein Wort aus der Wortverbindung des Vorbilds bei der Übernahme durch ein Synonym ersetzt wird z.B. σθένεός τε καὶ ἀλκῆς (χ 237) → μένεός τε καὶ ἀλκῆς (3, 407), τόξοισι δεδεγμένος (Θ 296) → ὀιστοῖς […] δεδεγμένοι (1, 1000–1). Dabei tauchen meist auch andere Formen der Variation auf, wie z.B. die Änderung der Wortfolge μένεος δ’ ἐμπλήσατο θυμόν (X 312) → ἐμπλήσατο θυμὸν / ἀλκῆς (3, 1350–51), die Änderung der Flexionsform: χαλκείη κόρυς (M 184, Y 398) → χαλκείην πήληκα (3, 1281). Bisweilen scheint es auch mehrere Vorbilder zu geben: πολέμοιο […] λευγαλέοιο (N 97), ἐν δαῒ λευγαλέηι (Ξ 387) → λευγαλέῃ […] δηιοτῆτι (4, 338). Der Austausch von Synonymen lässt sich häufig bei der Verwendung von Epitheta beobachten (s. dazu unter 1c.). Sonst verwendet Apollonios diese Technik auch bei den Wörtern der Gruppen ‚Waffen‘, ‚Kampfkraft‘ und ,Tapferkeit und Mut‘: ὑπ’ ἄκοντι (bei Homer: ὑπὸ δουρί) - δούρατα νωμήσαντες (bei Homer: ἔγχος ἐνώμα) - νώμα 1526 Die hier zusammengefassten Ergebnisse zu Apollonios’ Imitationstechnik beziehen sich nur auf die zum Sachbereich ,Kampf und Krieg‘ untersuchten Belegstellen. Eine zum Vergleich durchgeführte oberflächliche Betrachtung der Belege zu den Wörtern βουλή, μῆτις, νόος und φρήν/φρένες aus dem Sachgebiet ,geistige Fähigkeit‘ liefert folgendes Ergebnis: An weit mehr als der Hälfte der Belegstellen lehnt sich Apollonios an homerische Formulierungen an, indem er zu 40 % zitiert und zu 60 % variiert. Das Verhältnis von singulären Vorbildern und Iterata beträgt ca. 50/50. Bei den Variationen kann auch der Synonymtausch beobachtet werden, z.B. viermal μῆτις statt βουλή (Iteratum bei Homer), einmal μῆδος statt μῆτις, einmal νόος statt φρένες. 377

βιόν (bei Homer: τόξον ἐνώμα) - ἕλε παμφανόωσαν […] πήληκα (bei Homer: κόρυθ’ εἵλετο […] παμφανόωσαν) - Πεῖρα […] μένεός τε καὶ ἀλκῆς (bei Homer: σθένεός τε καὶ ἀλκῆς πειρήτιζεν) - μένος ἰσοφαρίζειν (bei Homer: ἰσοφαρίζεις / ἠνορέην) - λάθεσθε ἠνορέης (bei Homer: ἀλκῆς λαθέσθαι) - ὑπέρβιον θάρσος (bei Homer: ὑπέρβιος θυμός) - βίῃ καὶ κάρτεϊ λαῶν […] θάρσει τε πεποιθότα (bei Homer: κάρτεΐ τε σθένεΐ τε πεποιθότας ἠνορέηι τε) - θαρσαλέον κῆρ (bei Homer: θαρσαλέον ἦτορ). An der Hälfte aller Stellen, die auf ein Vorbild zurückgeführt werden können, stützt sich Apollonios auf singuläre homerische Junkturen, die meistens auch in der nachhomerischen Literatur vor Apollonios gar nicht belegt sind, so dass die Anlehnung an eine bestimmte Vorbildstelle umso auffälliger ist. Am häufigsten finden sich an Stellen, die auf ein singuläres Vorbild zurückgehen, Wörter der Gruppen ‚Waffen‘, und ‚Kampfkraft‘. Besonders auffällig ist, dass das Zitat hier des Öfteren in einem ganz anderen Kontext steht als das Vorbild, z.B. ἔγχος ἔπηξεν beschreibt in N 570 das Verletzen eines Kriegers in der Schlacht, in 3, 1286 wird mit dieser Junktur beschrieben, wie Jason seine Lanze, die während des Athlos nicht gebraucht wird, in den Boden steckt. ἄϋσε μάλα μέγα (O 321) beschreibt den Schrei Apollons während der Schlacht, ἤυσε μάλα μέγα in 1, 383 den Zuruf des Tiphys bei der Abfahrt der Argo. ἀολλέες ὄρνυτ’ ἀϋτήν ist in O 718 die Aufforderung Hektors zum Kampf, in 2, 1063 dagegen fordert Amphidamas zur Vertreibung der AresVögel auf: ὄρνυτ’ ἀυτὴν / ἀθρόοι. In Ξ 377 schützt sich ein homerischer Krieger ἐν ἀσπίδι, in 1, 746 dagegen spiegelt sich Aphrodite ἐν ἀσπίδι. Besonders bei der Verwendung singulärer Junkturen zeigt sich die bewusste Übertragung der Stellen auf nicht-kriegerische Kontexte. Mit Vorliebe greift Apollonios seltene homerische Formulierungen auf und variiert sie. So findet sich für die Verbindung von Substantiv und Epitheton manchmal nur eine homerische Vorbildstelle, die er aufgreift, während das entsprechende Epitheton sonst bei Homer neben anderen Wörtern steht, z.B. πτερόεντι ὀιστῷ (das Epitheton πτερόεις steht bei Homer meistens neben ἔπος, nur einmal neben ὀϊστός). Für λευγαλέῃ δηιοτῆτι finden sich nur zwei mögliche Vorbilder mit Synonymen bei Homer: πολέμοιο λευγαλέοιο und ἐν δαῒ λευγαλέηι. Der Synonymtausch wird dadurch besonders markant. Auch für viele andere Junkturen lässt sich nur jeweils ein homerisches Vorbild finden, z.B. πόλεμον δ’ ἴεν (Homer: πόλεμόνδ’ ἴεν) - ἐελδόμενος πολέμοιο (Homer: ἐελδέσθω πόλεμος) - δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια (Homer: ἀρήϊα τεύχεα δύω) - ξὺν ἀσπίδι (Homer: σὺν ἀσπίδι) - νώμα καὶ ἔγχος (Homer: ἔγχος ἐνώμα) - κόψε ξίφει (Homer: ξίφεϊ κόψας) - τείνατο τόξα (bei Homer: τόξον ἔτεινεν) Bei der Übernahme häufiger belegter homerischer Junkturen und Formeln überwiegen die Belegstellen mit den Wörtern der Bedeutungsgruppen ‚Waffen‘ und ‚Kampfkraft‘, seltener auch ‚Krieg, Kampf, Schlacht‘ und Verben des Verletzens. Auch hier werden die homerischen Vorbilder häufig in einen anderen Kontext versetzt: In der Ilias steht ὦρτο δ’ ἀϋτή dreimal am Beginn eines Massenkampfes (z.B. M 377), in den Argonautika bei der Abfahrt der Argo (1, 310). Ausdrücke, die bei Homer im kriegerischen Kontext der Erzählung stehen, werden bei Apollonios zu Gleichnissen, z.B. begegnet die Junktur καμπύλα τόξα (acht Stellen, z.B. Γ 17, ι 156, φ 362) bei Homer 378

in Kampfbeschreibungen, in den Argonautika dient sie zum Vergleich mit den gebogenen Rudern der Argonauten (2, 592). Der bei Homer in Kampfschilderungen beschriebene gefiederte Pfeil, z.B. ἰοί τε πτερόεντες (Π 773), πτερόεντες ὀϊστοί (E 171), taucht in den Argonautika als Vergleich für die schnelle Argo auf: ἰκέλη πτερόεντι […] ἔσσυτ’ ὀιστῷ (2, 600). Ein Vergleich, der sich bei Homer in kriegerischer Sphäre der Erzählung findet, wird bei Apollonios in ein nicht-kriegerisches Umfeld gesetzt: φλογὶ εἴκελα beschreibt bei Homer kampfeswütige Krieger (N 52, 688, P 88, Y 423), in den Argonautika dagegen Schiffsgeräte (1, 544), das Geschoss des Eros (3, 287) und das Goldene Vlies (4, 173). Hier zeigt sich die Übertragung kriegerischer Wörter und Formulierung auf Seefahrtsszenen.1527 Die in der Untersuchung zum Sachbereich Kampf und Krieg aufgezeigten Homerund Hesiod-Parallelen sind in der folgenden Tabelle klassifiziert:1528 Der Kontext der jeweiligen Homer- und Apolloniosstelle ist angegeben, um die Übertragungen auf andere Kontexte zu zeigen. Es ist klar ersichtlich, dass die meisten Homerstellen sich in Kampfbeschreibungen finden, das Gros der Argonautikastellen dagegen im Kontext von Seefahrt, Katalog, Personenbeschreibung, Analepse, in Reden oder Hypothesen. Belege aus Kampfszenen der Argonautika begegnen wenige (Tötung der Erdgeborenen auf der Dolioneninsel, Faustkampf, Athlos). Aus den kriegerischen Schlachtschilderungen sind nur 6 Belege aufgelistet. Klassifizierung: Gruppe A: Wörtliches Zitat – Vorbild singulär A1: Zitat singulärer Textstelle: Eine bei Homer (oder Hesiod) singuläre Wortverbindung wird wörtlich (d.h. mit Flexionsformen und Wortfolge) übernommen. A2: Zitat singulärer Junktur mit Zusatz: Wörtliches Zitat singulärer Wortverbindung mit vom Prätext abweichender Ergänzung, z.B. ἐν δ’ Ἀλκή → ἐν δέ οἱ ἀλκή. A3: Zitat singulärer Junktur mit Kürzung: Wörtliches Zitat singulärer Wortverbindung mit vom Prätext abweichender Kürzung, z.B. σάκος εὐρὺ γέρον, πεπαλαγμένον ἄζῃ → σάκος πεπαλαγμένον. 1527 S. z.B. unter II.15r. (Die Symplegaden-Episode). 1528 Vgl. die Sammlung von Parallelstellen in den Arbeiten zur Homer- und Apolloniosrezeption Vergils, vor allem die Untersuchung von Knauer (1964) zur Imitationstechnik Vergils mit Listen der Homerzitate in der Aeneis inkl. Szenenentsprechungen. Knauer 363–65 nimmt eine Klassifizierung der Parallelen vor, indem er zwischen Zitat, Variation und starker Variation/nur möglicher Anspielung unterscheidet. Außerdem weist er auf bestimmte Kontexte (Reden, Gebete, Gleichnisse), sowie auf Formelimitation und metrische Entsprechung hin. Nelis (2001) zeigt anhand einer auf Episoden bezogenen Untersuchung von ,windowreferences‘ (die einen imitierten Prätext durch gleichzeitige Anspielung auf dessen Vorlage gleichsam korrigieren), die Bedeutung der Argonautika des Apollonios für die Homer-Rezeption Vergils. Auch hier sind Listen beigefügt, das Klassifizierungssystem von Knauer wird dabei weitgehend übernommen. 379

A4: Zitat singulärer Junktur mit unterschiedlichen Zusätzen: Wörtliches Zitat singulärer Wortverbindung, wobei bei Prätext und Zitat voneinander abweichende Ergänzungen aufweisen, z.B. μιν Ἄρης οὔτησε → μιν Ἴδας οὔτασε. Gruppe B: Zitat – Vorbild Iteratum B1: Zitat eines Iteratums: Wortverbindung, die bei Homer mehrmals in demselben Wortlaut belegt ist (Iteratum), wird wörtlich übernommen. B2: Zitat eines Iteratums mit Zusatz: Iteratum wird mit einer vom Prätext abweichenden Ergänzung übernommen. B3: Zitat eines Iteratums mit Kürzung: Iteratum wird mit einer vom Prätext abweichenden Kürzung übernommen. B4: Zitat eines Iteratums mit unterschiedlichen Ergänzungen: Zitat eines Iteratums, wobei Prätext und Zitat voneinander abweichende Ergänzungen aufweisen. Gruppe C: Zitat – Vorbild variatio C1: Zitat einer mehrfach, aber variiert belegten Junktur: Wörtliches Zitat einer Wortverbindung, deren Wortlaut bei Homer in weiteren Varianten (d.h. mit Variation in Morphologie bzw. Wortstellung) belegt ist, z.B. πρόμος ἵστατο, πρόμος ἵσταται, μὴ δὲ πρόμος ἵστασο → πρόμος ἵστατο. C2:  Zitat einer mehrfach, aber variiert belegten Junktur mit Zusatz: Eine Variante einer bei Homer mehrfach, aber variiert belegten Junktur wird wörtlich, aber mit einer vom Prätext abweichenden Ergänzung übernommen, z.B. z.B. ἔμπνευσε μένος μέγα, ἐνέπνευσεν μένος ἠΰ, ἐν δ’ἔπνευσ’[…] μένος ἠΰ → ἐνέπνευσεν θεῖον μένος. C3: Zitat einer mehrfach, aber variiert belegten Junktur mit Kürzung: Eine Variante einer bei Homer mehrfach, aber variiert belegten Junktur wird wörtlich, aber mit einer vom Prätext abweichenden Kürzung übernommen. C4: Zitat einer mehrfach, aber variiert belegten Junktur mit unterschiedlichen Ergänzungen: Eine Variante einer bei Homer mehrfach, aber variiert belegten Junktur wird wörtlich übernommen, wobei Prätext und Zitat aber voneinander abweichende Ergänzungen aufweisen. Gruppe D: Übernahme Variatio D1: Variierende Übernahme einer singulären Junktur: Eine bei Homer nur einmal belegte Wortverbindung wird übernommen, wobei aber Änderungen in Flexionsform (F), Wortstellung (WS), Wortart (WA, Austausch gegen ein etymologisch verwandtes Wort einer anderen Wortart, z.B. Substantiv statt Verb: ἐπιστάμενοι πολεμίζειν → ἐπισταμένους πολέμοιο) vorgenommen werden, zusätzlich (!) evtl. auch Zusatz (Z), Kürzung (K) oder unterschiedliche Ergänzungen (E) beiderseits. D2: Variierende Übernahme eines Iteratums: Wortverbindung, die bei Homer mehrmals in demselben Wortlaut belegt ist (Iteratum), wird mit Änderungen (wie bei D1 aufgeführt) übernommen.

380

D3: Neue Variation einer mehrfach, aber variiert belegten Junktur: Eine mehrfach, aber variiert belegte Wortverbindung wird übernommen, wobei keine Variante wörtlich zitiert, sondern eine neue, bei Homer nicht belegte Variation gebildet wird, z.B. ἠνορέηφι πεποιθώς / πεποιθότας ἠνορέηι → πέποιθεν / ἠνορέῃ. Änderungen wie bei D1 aufgeführt. E: Enallage: Ein Attribut/Epitheton wird bei Übernahme mit einem anderen bereits im Prätext vorhandenen Substantiv, z.B. Ἄρηος / ἔργ’ […] στονόεντα καὶ ὕβριες → ὕβρις στονόεσσα καὶ Ἄρεος ἔργα, oder mit einem neu ergänzten Substantiv, z.B. πολέμοιο […] λευγαλέοιο → πρόφασιν πολέμου […] / λευγαλέην verbunden. Gruppe F: Synonymersatz F1: Synonymersatz bei Übernahme einer singulären Junktur: Singuläre homerische Wortverbindung wird übernommen, dabei aber ein Wort gegen ein Synonym ausgetauscht (S), z.B. σθένεός τε ἀλκῆς → μένεός τε καὶ ἀλκῆς. Zusätzlich evtl. Änderung wie bei D1 aufgeführt. F2: Synonymersatz bei Übernahme eines Iteratums: Iteratum wird übernommen, dabei aber ein Wort gegen ein Synonym ausgetauscht (S). Zusätzlich evtl. Änderung wie bei D1 aufgeführt. F3: Synonymersatz bei einer häufigen, aber in verschiedenen Variationen belegten Junktur: Junktur, die bei Homer in verschiedenen Variationen belegt ist, wird übernommen, dabei aber ein Wort gegen ein Synonym ausgetauscht. Zusätzlich evtl. Änderung wie bei D1 aufgeführt. Weitere Angaben: Wortgruppen: K: Kampfkraft, L: Kriegslärm, S: Schlacht, Kampf, kämpfen, V: Verben der Waffenverwendung, Verwundung, des Tötens und Sterbens, W: Waffen, G: Kampfgetümmel, Z: sonstige Metrische Analogie: Vorbild und Zitat stehen an derselben metrischen Position. Weitere Belege: Nachhomerische Belege vor Apollonios sind bei ‚Homer /Hesiod‘ aufgeführt, Belege nach Apollonios bei ‚Apollonios‘.

381

382

K

K

K

L

L

L

S

V

W

W

A1

A1

A1

A1

A1

A1

A1

A1

A1

A1

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι (E 219–20) [nein]

Kampfaufforderung des Aeneas an Pandaros

2, 1220–21: σὺν ἔντεσι πειρηθῆναι [nein]

4, 223: πὰρ δέ οἱ ἔγχος [Quintus]

ἐν δέ οἱ ἔγχος (P 523) [nein]

Kampfszene

2, 706: Δελφύνην […] πελώριον ἐξενάριξεν [nein]

2, 919: πόλεμον δ’ ἴεν [nein]

2, 1063: ὄρνυτ’ ἀυτὴν / ἀθρόοι [nein]

1, 383: ἤυσε μάλα μέγα [nein]

4, 1005: στονόεσσαν ἀυτὴν [Philopon]

Περίφαντα πελώριον Kampfszene ἐξενάριξεν (E 842) [nein]

Schiffskatalog

Aufforderung Hektors in der Schlacht

ἀολλέες ὄρνυτ’ ἀϋτήν (O 718) [nein] πόλεμόνδ’ ἴεν (B 872) [nein]

Schlachtszene

Kriegserinnerung des Odysseus

ἄϋσε μάλα μέγα (O 321) [nein]

στονόεσσαν ἀϋτήν (λ 383) [Hipponax]

Titanenkampf

φαῖνε βίην (Hesiod, theog. 687–89) [nein]

2, 23: μηδ’[…] / φαῖνε βίην [nein]

Rede des Laodamas mit 1, 531; 2, 1206; 3, 1043: Beschreibung des Odysseus μέγα τε σθένος [nein]

μέγα τε σθένος (θ 136) [nein]

σθένος ἀνέρος (Φ 308) [Euripides]

1, 505: ὥς τε βίῃ καὶ χερσὶν [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Flusskampf des Achill, Rede 3, 1314: σθένος ἀνέρος des Flussgottes [nein]

Kampfaufforderung Helenas an Paris

σῆι τε βίηι καὶ χερσὶ (Γ 431) [nein]

K

A1

ja

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Hypothetische Aussage in Rede des Peleus

Beschreibung des Aietes

Gesang des Orpheus

Analepse

Aufforderung von Amphidamas zur Abwehr der Ares-Vögel

Abfahrt der Argo

Kriegsdrohung der Kolcher

Faustkampf

Abfahrt der Argo

Athlos

Mythos im Gesang des Orpheus

Kontext Apollonios

383

K

W

W

K

V

W

A2

A2

A2

A3

A3

A3

nein

nein

nein

nein

ja

nein

nein

3, 1046: σάκος πεπαλαγμένον ἔστω [nein]

σάκος εὐρὺ γέρον, πεπαλαγμένον ἄζῃ (χ 184) [nein]

Alter Schild des Laerthes

4, 1488–89: κατέπεφνε / λᾶι βαλών [nein]

κατέπεφνε βαλὼν ἀργῆτι Zeus wirft Blitz κεραυνῷ (ε 128) [nein]

Rüstung für Athlos

Tod des Kanthos (Steinwurf)

Argonautenkatalog

Abfahrt der Argo

1, 544–45: φλογὶ εἴκελα νηὸς ἰούσης / τεύχεα [nein] 1, 158–59: οἱ ἀλκὴν / δῶκεν [nein]

Ares im Kampf gegen Herakles

Rüstung zur Abfahrt

Medea-Rede: Wirkung des Zaubermittels

4, 206: τεύχε’ ἀρήια [nein]

3, 1043: ἐν δέ οἱ ἀλκή [Quintus]

3, 1286: ἔγχος ἔπηξεν [nein]

ἀλκὴν δ’ οὔ τοι δῶκεν Rede des Diomedes an (I 39), ἀλκὴν […] ἔδωκεν Agamemnon (Hesiod, fr. 203, 1 MW) [nein]

φλογὶ εἴκελα τεύχεα (Ps.-Hesiod, asp. 451) [nein]

τεύχε’ ἀρήϊα (τ 4), τεύχε’ Vorbereitung auf ἀρήια (Ps.-Hesiod, asp. Freierkampf 108) [nein]

ἐν δ’ Ἀλκή (E 740) [nein] Beschreibung der Aigis

ἔγχος ἔπηξεν (N 570) [nein]

ἐν ἀσπίδι (Ξ 377) [Euripides, Septuaginta]

Athlos, Lanze wird in den Boden gesteckt

W

A1

ja Verwundung in Kampfszene

Ekphrasis, Aphrodite spiegelt sich im Schild

Schlachtbeschreibung

W

A1

1, 746: ἐν ἀσπίδι [nein]

Bogen des Eros

εἵλετο τόξον (I 559) [nein]

Mythos in Rede des Phoinix 3, 157: εἵλετο τόξον [nein]

ja

W

Kontext Apollonios

A1

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

384 Vorausschau auf Sturz des Kronos durch Zeus

S

V

W

W

W

W

W

A4

A4

A4

A4

A4

A4

A4

nein

ja (A 194)

ja

ja

ja

ja

nein

Kontext Apollonios

2, 1044: ἧκέ τ’ ἐπ’ οἰωνὸν Schuss auf den Aresταχινὸν βέλος [nein] Vogel

ἧκε δ’ ἐπ’ Ἀργείοισι κακὸν βέλος (A 382) [nein]

Kampfbeschreibung

Achill zieht Schwert gegen Agamemnon

εἵλκετο δ’ ἐκ κολεοῖο μέγα ξίφος (A 194), αὖτις δ’ ἐκ κολεοῖο ἐρυσσάμενος ξίφος ὀξύ (M 190) [nein] ἀσπίδα […] χαλκείην (M 294–95) [nein]

Rede in Schlachtbeschreibung

εὐρὺ […] σάκος (Λ 527) [nein]

3, 1264: ἀσπίδα […] χαλκείην [Nonnos]

3, 1381: γυμνὸν δ’ ἐκ κολεοῖο φέρεν ξίφος [Nonnos]

3, 1311: Εὐρὺ […] σάκος [Quintus]

1, 199–200: εὖ μὲν ἄκοντι, / εὖ δὲ καὶ ἐν σταδίῃ [nein]

ἐπιστάμενος μὲν ἄκοντι / Beschreibung des Thoas – ἐσθλὸς δ’ ἐν σταδίηι Versammlung (O 282–83) [nein] Schuss des Apollon

Eberkampf

2, 830–31: μιν Ἴδας / οὔτασε [Quintus]

μιν Ἄρης οὔτησε (Φ 402) Götterkampf [nein]

Rüstung für Athlos

Athlos, Kampf gegen Erdgeborene

Athlos

Argonautenkatalog

Rüstung des Aietes

1, 505–6: βίῃ καὶ χερσὶν Mythos ὁ μὲν Κρόνῳ εἴκαθε τιμῆς [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

τά οἱ πόρε χάλκεος Ἄρης Waffenraub nach Tod eines 3, 1226–27: τόν οἱ πόρεν (Η 146) [nein] Kriegers […] Ἄρης [nein]

βίῃ καὶ χερσὶ δαμάσσας / τιμῆς ἐξελάαν (Hes. theog. 490–91) [nein]

K

A4

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

385

G

K

K

K

K

K

B1

B1

B1

B1

B1

B1

ja

ja

ja

ja

ja

ja / Ρ 149 nein

Achill und Aias

Achill und Aias

οὐδέ τις ἀλκή (4x, z.B. Γ 45) [nein]

κρατερὸν μένος (6x, z.B. Η 38) [Hesiod]

Kraft zum Kämpfen, Abwehr

Rede der Athene, Rede des Odysseus, Periphrase, Gleichnis

Kontext Apollonios

Rede des Phineus: Aufforderung zum kräftigen Rudern

2, 334: ἐνι κάρτεϊ χειρῶν [Quintus, Oppian, Themistios]

3, 772: οὐδέ τις ἀλκή [Plutarch, Oppian, Quintus]

3, 753: κρατερὸν μένος [Quintus u.a.]

Heilmittel gegen psychisches Leid

Athlos, Kraft der Stiere

Rede des Idas mit Vorwurf an Argonauten

Herakles, der Stärkste beim Rudern

Aietes-Rede

1, 1162: κάρτεϊ χειρῶν [Quintus, Oppian u.a.]

3, 434; 953: μεθ’ ὅμιλον [Oppian u.a.]

3, 1166: ἡρώων ἐς ὅμιλον Rückkehr Jasons zu [Quintus: δυσμενέων / Argonauten nach Δανάων ἐς ὅμιλον] Gespräch mit Medea

Apollonios [Belege nach Apollonios]

5 Stellen, z.B. μέγα Krafteingebung durch Gott, 3, 560: Ἐνυαλίοιο μέγα σθένος [Quintus u.a.] σθένος Ὠκεανοῖο Periphrase (Σ 607, Hesiod fr. 204,56) [Euripides]

κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9) [nein]

κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9) [nein]

μεθ’ ὅμιλον (Ξ 21, Ρ 149, Υ 47) [nein]

Rede in Kampfszene, Kampfszene

I: Rückkehr aufs Schlachtfeld, O: Freierkampf

Δαναῶν ἐς ὅμιλον (Τ 402), μνηστήρων ἐς ὅμιλον (dreimal, z.B. χ 263, 282) [Pindar: ἐς ἄνδρῶν μακάρων ὅμιλον]

G

B1

ja

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

386

V

V

W

W

W

B1

B1

B1

B1

ja (Hälfte)

ja

ja

ja

ja

Rede, fast immer in Schlachtszene

Umhängen des Schwertes

περὶ δὲ ξίφος ὀξὺ θέτ’ ὤμῳ (β 3, δ 308, υ 125) [nein] ἐμῶι ὑπὸ δουρὶ (6x, z.B. Λ 433 [Ps.-Hesiod], ἐμῶι δ’ ὑπὸ δουρὶ (zweimal z.B. E 653) [nein]

Schlachtbeschreibungen

βοείας / ἀσπίδας (E 452–53, M 425–26) [nein]

3, 416: ἐμῷ ὑπὸ δουρὶ [nein]

3, 1248: περὶ δὲ ξίφος [nein]

4, 200–1: βοείας / ἀσπίδας [nein]

1, 994: ἐπασσυτέρους πέλασε χθονί [nein]

ἐπασσυτέρους πέλασε χθονὶ πουλυβοτείρηι (Θ 277, Μ 194, Π 418) [nein]

Schlachtbeschreibung

4, 472: θυμὸν ἀποπνείων [nein]

θυμὸν ἀποπνείων (Δ 524, Kampfszenen Ν 654) [nein]

πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς (6x, z.B. B 810) [Ps.-Hesiod]

4, 105: πολὺς δ’ ὀρυμαγδὸς [nein]

B1

nein

ὦρτο δ’ ἀϋτή (dreimal, z.B. M 377) [nein] Kampfszenen

L

B1

ja

1, 310–11: ὦρτο δ’ ἀυτὴ [Quintus]

L

B1

4, 819; 834: πυρὸς μένος [Quintus, Oppian]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kriegsgeschrei in der Schlacht

Totenfeuer, Kriegswut Hektors

πυρὸς μένος (4x, z.B. Z 182) (+ 2x mit Z) [Hesiod, Aristophanes]

K

B1

ja/ Ψ 277 nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Aietes’ Athlosbeschreibung

Präparierung des Schwertes

Sicherung der Argo

Herakles tötet Erdgeborene

Apsyrtos-Mord

Abfahrt zum Hain

Geschrei des Volkes bei Abfahrt der Argo

Hephaistos’ Feuer

Kontext Apollonios

387

Bebrykerkampf

2, 111: οὖτα Βιαντιάδαο κατὰ λαπάρην Ταλαοῖο [nein]

V

K

L

W

Z

B2

B3

C1

C1

C1

H 136, X 85 ja

nein/ Θ 514 ja

ja

nein

nein

ja

Angriff in der Schlacht

οἳ δὲ μένος χειρῶν ἰθὺς φέρον (E 506), μένος δ’ ἰθὺς φέρον αὐτῶν (Π 602) [nein]

πρόμος ἵστατο (H 136) [nein], πρόμος ἵσταται (O 293), μὴ δὲ πρόμος ἵστασο (X 85)

ἢ βλήμενος ἰῶι (Λ 191, 206), βλήμενος ἢ ἰῶι (Θ 514) [nein]

2, 914: βλήμενος ἰῷ [nein]

2, 589: οἱ δ’ ἀλαλητῷ [nein]

Rückblick Nestors, Rede des 2, 21: πρόμος ἵστατο Thoas über Hektor, Hekate [Nonnos] zu Hektor

Kampftaktik und Kampfbeschluss in Reden

τοὶ δ’ ἀλαλητῶι (B 149), Kriegsgeschrei οἳ δ’ ἀλαλητῶι (Π 78, Φ 10), οἳ δ’ […] ἀλαλητῶι (Ξ 393, ω 463) [Hesiod]

Kampfszenen

οὖτα κατὰ λαπάρην (Z 63–64, v.l. in Ξ 447, 517) [nein], (ω: οὔτασε κὰλ λαπάρην (Ξ 447, 517) [nein]

ἐμβαλέειν κώπῃσ’ (ι 488–89, κ 128–29) [nein]

2, 69: μένος φέρον ἀντιόωντες [nein]

Symplegaden

2, 588–89: ἐμβαλέειν κώπῃσιν [nein]

Flucht vor Zyklop und Laistrygonen

Z

B1

Polydeukes im Faustkampf

Analepse Sthenelos

Gebrüll beim Rudern

Faustkampf

Vergleich

2, 592: καμπύλα τόξα [nein]

καμπύλα τόξα (8x, z.B. Γ 17, ι 156, φ 362) [Hom. Hymn., Platon]

Aufbruch in Schlacht, Zweikampf, Götterkampf

ja / Γ 17 nein

W

Kontext Apollonios

B1

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

388

V

G

K

C4

D1

D1

nein

nein

ja/ Λ 240 nein

nein

F, Ε

(F), WS, K

W

ταύρου […] μένος (Hes. theog. 832) [Herodot: ταύρων μένος]

Götterkampf

σὺν δ’ ἔπεσον μεγάλωι ὁμάδωι (Φ 387) [nein]

Beschreibung des Typhoeus 3, 753: ταύρων κρατερὸν Athlos μένος [nein]

1, 1051: ἐς δὲ πύλας ὁμάδῳ πέσον ἀθρόοι [nein]

Dolionenschlacht

Apsyrtos-Mord

Kampfszene

τὸν δ’ […] / πλῆξ’ (E 146–47, P 293–94, Λ 240)

4, 468–69: Tὸν δ’ ὅ γε […] / πλῆξεν

Athlos

ἑλὼν […] σάκος (O 474) Rede des Aias in 3, 1320: ἑλὼν σάκος [nein], σάκος εἷλε (Ξ 9), Schlachtbeschreibung, [nein] εἵλετο καὶ σάκος (O 125, Aufbruch Nestors in Kampf vgl. T 374)

ἀμφὶ δὲ πήληξ (O 608, 647), ἀμφὶ δέ […] πήληξ (N 805) [nein]

Athene haucht Argo Kraft ein

Kontext Apollonios

2, 919–20: ἀμφὶ δὲ καλή Beschreibung Sthenelos / τετράφαλος […] πήληξ [nein]

C3

nein

Rüstungen

V

C2

ἔμπνευσε μένος μέγα Παλλὰς Ἀθήνη (ω 520), ἵπποισιν ἐνέπνευσεν μένος ἠΰ (P 456), ἐν δ’ ἔπνευσ’ ἵπποισι καὶ ἡμιόνοις μένος ἠΰ (Ω 442) [Pindar]

Gott haucht Kraft ein, dem 2, 613: ἐνέπνευσεν θεῖον Laertes für den Kampf, den μένος [nein] Pferden für Schnelligkeit

nein

K

C2

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

389

K

S

S

S

S

S

S

D1

D1

D1

D1

D1

D1

WS, K

nein

nein

nein

nein

nein

WS, K

WA, K

F, Z

F, WS

F

ja (ἀρήιοι) F, K

nein

Rede in der Schlacht

ἴκελος […] / Ἄρεϊ (Β 478–79) [nein]

ὑπότροπον ἐκ πολέμοιο (Ζ 501) [nein]

ἐκ πολέμου ἀνιόντα (Z 480) [nein]

2, 912–13: ἐκ πολέμοιο / ἄψ ἀνιών [Batrachomyomachia: ἐκ πολέμου ἀνιοῦσαν]

2, 989: Ἄρεος ἔργα [Quintus, Batrachomyomachia]

3, 1259: ἐελδόμενος πολέμοιο [Quintus]

Vergleich Agamemnons

Dolionenschlacht

Analepse Sthenelos

Beschreibung d. Amazonen

Gleichnis

Kampf gegen Erdgeborene

Zeus gibt den Boreaden Kraft

Seesturm

Kontext Apollonios

3, 1282–83: Ἄρει / εἴκελος Vergleich Jasons bei [nein] Rüstung

negierte Hypothese über 1, 1052: ὑποτροπίῃ Rückkehr Hektors aus dem πολέμοιο [nein] Krieg

Rede Hektors über Astyanax

μέγα ἔργον ἄρηος Nestor-Rede (Λ 734) [Hom.Hymn., Simonides]

ἐελδέσθω πόλεμος (Π 494) [nein]

1, 1000: ἥρωες ἀρήιοι [nein]

ἥρως Πρωτεσίλαος ἀρήϊος (B 708) [nein]

Schiffskatalog

2, 274–75: Ἐν γὰρ ἕηκε / Ζεὺς μένος ἀκάματόν σφιν [Quintus: Διὸς μένος ἀκαμάτοιο]

ἀκάματον δέ οἱ ὦρσε θεὰ Hera gibt Argos μένος Wachsamkeit (Hesiod, fr. 294, 3 MW) [Empedokles]

μένος Βορέαο καὶ ἄλλων / ζαχρειῶν ἀνέμων (E 524–25) [Hesiod: ἀνέμων μένος]

D1

F, WS, K Gleichnis, das Angriffsszene 2, 1098: ἀνέμου βορέαο veranschaulicht μένος [nein]

nein

K

D1

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

390

T

T

T

T

T

T

V

V

D1

D1

D1

D1

D1

D1

D1

D1

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

ja

F, WS, E

F, WS, E

K

WS, E

WS, K

F

F

F

1, 1046: ἕλε θρασὺν Ἰτυμονῆα

ἕλεν […]/ Λαόγονον, θρασὺν υἱὸν Ὀνήτορος (Π 603–4) [nein]

4, 1523: μιν ὑπέρβιον ἕλκος ἔτειρε [nein]

τεῖρε γὰρ αὐτόν / ἕλκος (Π 510–11) [nein]

Kampfszene

2, 107: πλῆξε καὶ ἐν κονίῃσι βάλεν [nein]

πλήξαντε χαμαὶ βάλον Pferde stoßen getöteten ἐν κονίηισι (Ε 588) [nein] Krieger zu Boden

Schlangenbiss Mopsos

Faustkampf

Schlachtbeschreibung

2, 865–66: ἔμβαλεν Ἥρη / Hera gibt Steuermann θάρσος Ankaios Kraft

ἐν μέν οἱ κραδίηι θάρσος Kampfszene, Apollon gibt βάλε (Φ 547) [nein] Agenor Kraft Schlachtbeschreibung

1, 820: θεὸς ἄμμιν Hypsipyle-Rede über ὑπέρβιον ἔμβαλε θάρσος Frauen von Lemnos [Polybios, Quintus, Nonnos]

ἐν μέν οἱ κραδίηι θάρσος Kampfszene, Apollon gibt βάλε (Φ 547) [nein] Agenor Kraft

Argonautenkatalog

1, 146: κρατερὸν Πολυδεύκεα [Theokrit, Orph. Arg.]

κρατερὸς Πολυδεύκης (Hesiod, fr. 197, 3 MW) [nein]

2, 118: Ἀγκαῖος Schlachtbeschreibung Λυκοόργοιο θρασὺς υἱὸς [Nonnos, Quintus]

Λαόγονον, θρασὺν υἱὸν Schlachtbeschreibung Ὀνήτορος (Π 604) [nein]

Jasons Rede

Gleichnis, Ausbruch eines Krieges

Kontext Apollonios

2, 641: θάρσος ἀέξω [Nonnos]

4, 1281–82: ἢ πολέμοιο / ἢ λοιμοῖο τέλος [oft, z.B. Polybios, Diodor]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

θάρσος ἀέξων (Ps.-Hesiod, asp. 96) [nein]

τέλος πολέμοιο (Γ 291, Π 630, Υ 101) [Aristoteles]

Zweck oder Entscheidung des Krieges

WS, Z

S

D1

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

391

W

W

W

W

D1

D1

D1

D1

nein

nein

nein

nein

ja/nein

WS, Z

F, WS, E

F, WS

F, K

WS, E

F

Schlachtbeschreibung

Schuss des Pandaros

ἀσπίδα […] χαλκείην (M 294–95) [nein] ἐκ δ’ ἕλετ’ ἰόν / ἀβλῆτα (Δ 116–17) [nein]

δεδεγμένος ἔγχεϊ (O 745) Kampf [nein]

ἀρήϊα τεύχεα […] ἀείρας Rede des Odysseus, (π 284–85) [nein] Rüstung für Freierkampf

Rüstung Athenes

W

D1

ja

F, E

κρατὶ δ’ ἐπ’ ἀμφίφαλον κυνέην θέτο τετραφάληρον / χρυσείην (E 743–44) [nein]

W

D1

ja

Rede des Aias vor Zweikampf

Kampfszene

τῶ δ’ ἐς τεύχεα δύντε (χ 201) [nein]

W

D1

πολεμήϊα τεύχεα δύω (H 193) [nein]

Kampf um Patroklos’ Leichnam

ὕπεκ βελέων ἐρύσαντες (Σ 232) (ἐκ βελέων … öfter) [nein]

F

W

D1

ja

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Kampfhandlung Dolionen

Talos-Episode, Flucht vor Felsgeschossen

Kontext Apollonios

Schuss des Eros

Ekphrasis, Aphrodite spiegelt sich im Schild

1, 746: χαλκείῃ […] ἐν ἀσπίδι [Theokrit, Nonnos] 3, 279: ἀβλῆτα […] ἐξέλετ’ ἰόν [nein]

Tötung der Erdgeborenen

Bericht über Befehl Jasons vor Abfahrt der Argo

Rüstung des Aietes ohne Kampf

1, 1000–1: ἐγχείῃσι δεδεγμένοι [nein]

1, 266: ἀρήια τεύχε’ ἀείρειν [nein]

3, 1228–29: χρυσείην δ’ ἐπὶ κρατὶ κόρυν θέτο τετραφάληρον / λαμπομένην [nein]

4, 1180: πολεμήια τεύχεα Rüstung der Phaiaken δύντες ohne Kampf [nein]

1, 1025: τῶ καὶ τεύχεα δύντες [Oppian: ἐς τ.δ.]

4, 1659: ὑπὲκ βελέων ἐρύσαντο [Quintus: ἐκ βελέων ἐρύσασθαι]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

392

W

W

W

Z

Z

Z

K

D1

D1

D1

D1

D1

D1

D2

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

F, E

WA, F, WS, E

WA, F, WS, E

F, K

F, WS, Z

F, WS, E

F, Z

Kampfgier in Rede des Diomedes

Rede des Odysseus über seine Kampfkünste

Kriegerischer Kontext

ἀνδρῶν δυσμενέων δῦναι στρατὸν (K 221) [nein] ἐν ὁμίλῳ / ἀνδρῶν δυσμενέων (θ 216–17) [nein] οὐδέ τί φημι / ἀλκῆς δευήσεσθαι (N 785–86, ψ 127–28) [nein]

Hypothese

Hypothese

Gebet Medeas an Hekate

2, 1220: Οὔτε γὰρ ὧδ’ Hypothetische Rede ἀλκῆς ἐπιδευόμεθ’ [nein] des Peleus

4, 1156: δυσμενέων ἀίδηλος ἐπιβρίσειεν ὅμιλος [Quintus: δυσμενέων ἐς ὅμιλον]

1, 678–79: στρατὸς ἠέ τις ἄλλος / δυσμενέων [Pausanias, Nonnos, Quintus: δ. σ.]

3, 467–68: φυγὼν μόρον [Nonnos]

Flucht vor den Kikonen

φύγομεν θάνατόν τε μόρον τε (ι 61) [Aischylos]

Erscheinung des Apollon

3, 1253: κόψε […] μεγάλῳ Waffenprobe ξίφει [Flavius Josephus: ξίφεϊ κόψας]

Vergleich der Argo mit Pfeil

2, 600: πτερόεντι μετήορος ἔσσυτ’ ὀιστῷ [Nonnos, Oppian]

4, 1709: δεξιτερῇ […] ἀνέσχεθες ὑψόθι τόξον

Kampfszene

Athlos

Kontext Apollonios

3, 1279: ξὺν δουρὶ καὶ ἀσπίδι [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

τά [sc. τόξα] / ὑψόσ’ Tod des Dolon ἀνέσχεθε χειρὶ (K 60–61)

ξίφεϊ […] κόψας (Λ 146) [nein]

πτερόεντες ὀϊστοί (E 171) Pfeile des Pandaros [Pindar]

σὺν ἀσπίδι δουρί τε μακρῶι (E 297) [nein]

Kampfbeschreibung

WS

W

D1

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

393

S

T

T

T

V

D2

D2

D2

D2

D2

nein

nein

nein

ja

ja

ja

F, WA, WS, K

F, WS, K

F

F

F, WA

F, E

F, N

Achill und Aias

ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9) [nein]

δούπησεν δὲ πεσών Kampfszenen (21 Stellen) [Thukydides: πεσοῦσα δοῦπον ἐποίησεν]

Achill und Aias

Laistrygonen-Tochter, Ktimene

Schiffskatalog, Rede des Idomeneus während Schlacht

ἠνορέηι πίσυνοι (Θ 226, Λ 9) [nein]

θυγατέρ’ ἰφθίμῃ (κ 106, ο 364) [nein]

ἐπιστάμενοι πολεμίζειν (B 611) / ἐπιστάμεθα πτολεμίζειν (N 223) [nein]

Charakterisierung Achills in Rede Agamemnons

S

D2

ja

F, WS, E

ἐπειγόμενός περ ἄρηα (T 142, 189) [nein]

S

D2

nein Schlachtgeschehen

kriegerischer Kontext

πεποιθότες ἠδὲ βίηφιν (M 135, 153, 256) [nein]

K

D2 πτολέμοιο μεμηλώς (N 297, 469) [nein]

Achill und Aias

ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9)

WS, E

K

D2

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Herakles reißt Baumstamm aus.

Persephone in Genealogie der Sirenen

Charakterisierung der Argonauten in Rede

Charakterisierung der Erdgeborenen

Kyzikos-Prophezeiung

Rede des Argos mit Aition

Rudern durch die Symplegaden

Kontext Apollonios

4, 1688: κάππεσε δούπῳ [nein]

Tod des Talos

3, 1053: χερσὶ καὶ ἠνορέῃ Medeas Anweisung für [nein] den Athlos

1, 1198: ἠνορέῃ πίσυνος [Quintus, Oppian]

4, 897: θυγατέρ’ ἰφθίμην [Anthologie]

2, 1222: ἐπισταμένους πολέμοιο [Quintus]

3, 1385: ἐπειγομένους ἐς ἄρηα [nein]

1, 971: μηδὲ πτολέμοιο μέλεσθαι [Quintus, Batrachomyomachia]

4, 273–74: βίῃ […] πεποιθότα [nein]

2, 559: κάρτεϊ ᾧ πίσυνοι [Quintus: πίσυνοι […] κάρτεϊ]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

394

W

W

W

W

W

W

Z

G

K

D2

D2

D2

D2

D2

D2

D2

D3

D3

ja

ja (11x), nein (1x)

ja (Ilias)

nein/ asp. ja

nein

nein

nein

nein

ja/ φ 409 nein

F

F

F

F,(WS), Z

WS, Z

WS, E

F, Z

F

F

Kontext Homer/Hesiod

Rede, fast immer in Schlachtszene

3, 1375: ὑπὸ δούρασιν [Quintus]

1, 993–94: τανύσσας / τόξον

Apollonios [Belege nach Apollonios]

2, 110: βίην ὑπέροπλος [Theokrit, Quintus, Strabo]

βίην ὑπέροπλον Titanenkampf ἔχοντες/ἔχοντα (Hesiod, theog. 670, fr. 43a, 59 MW) [nein]

2, 1056: αἱ δ’ ἐφέβοντο [Quintus]

4, 206: δῦνε δὲ τεύχε’ ἀρήια [Orph. Arg.]

1, 195: δῦνεν ὅμιλον [Simplicios]

Kampfschilderung

Rede des Paris nach Ermahnung Hektors

(κατα)δῦναι, Kampfgeschehen καταδύντες, κατεδύσεθ’ ὅμιλον (11 Stellen, z.B. Λ 537)

οἳ δὲ φέβοντο (Θ 342, Λ 178, χ 299) [nein]

ἀρήϊα τεύχεα δύω (Z 340), [Ps.-Hesiod: δύσεο τεύχε’ ἀρήια]

3, 1225–26: μὲν στήθεσσιν ἕεστο / θώρηκα [nein]

I: Kampfszene O: Bogen des 1, 993–94: παλίντονον Odysseus […] / τόξον [nein]

θώρηκα περὶ στήθεσσιν Rüstung ἔδυνεν (Γ 332, Λ 19, Π 133, Τ 371) [Ps.-Hesiod]

τόξον […] παλίντονον (O 443, φ 11, 59) [nein]

Rede des Pandaros, Waffen 3, 157: ἀγκύλον εἵλετο ἀγκύλα τόξα (E 209, τόξον [Nonnos] Z 322, φ 264) [Euripides] des Paris, Bogenprobe

ὑπὸ δουρί (9x Ilias) [Ps.-Hesiod]

τανύσσαι / τόξον Bogenprobe (φ 254–55), τάνυσεν μέγα τόξον (φ 409) [Hesiod]

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Schlachtbeschreibung

Versammlung der Argonauten

Harpyien

Rüstung zur Abfahrt

Rüstung des Aietes

Herakles tötet Erdgeborene

Bogen des Eros

Erdgeborene fallen durch eigene Speere

Herakles tötet Erdgeborene

Kontext Apollonios

395

K

K

K

S

S

D3

D3

D3

D3

D3

ja

ja

nein

nein

nein

F, (WS)

F

F, E/Z

F, E

(F), WS, E

3, 1234: ἐναντίβιον πτολέμιξε [Porphyrios]

Rede der Iris über Zeus, Kampfparänese des Apollon, Rede der Artemis zu Apollon

οἷς οὔ τι μέλει πολεμήϊα Kritisierende Rede des ἔργα Nestor, Rede Kirkes an (B 338), πολεμήϊα ἔργα Odysseus μέμηλε (μ 116) [Hom. Hym.]

ἐναντίβιον πολεμίξων (Κ 451, Ο 179), ἐναντίβιον πολεμίξειν (Υ 85), ἐναντίβιον πολεμίζειν (Φ 477) [nein]

2, 274–75: Ἐν γὰρ ἕηκεν / Ζεὺς μένος ἀκάματόν σφιν [nein]

Stärkung der Kriegspferde

ἐν γὰρ Ἀθήνη / ἵπποις ἧκε μένος (Ψ 399–400), ἐν γάρ σφιν μένος ἧκε […] Ἀθήνη (Ps.-Hesiod, asp. 343) [nein]

3, 562: μηδ’ ὔμμιν πολεμήια ἔργα μέλοιτο [nein]

2, 45: μένος ἠύτε θηρὸς ἀέξετο [Theokrit: μένος […] ἀέξει]

Heranwachsen des Zeus / Wein als Stärkung

μένος καὶ φαίδιμα γυῖα / ηὔξετο (Hesiod, theog. 492–93), μένος μέγα οἶνος ἀέξει (Z 261) [nein]

3, 1384: ᾗ βίῃ, ᾗ ἀρετῇ [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Charakterisierung des Menelaos/der Götter

Kontext Homer/Hesiod

ἀρετῆι τε βίηι τε (Ψ 578), ἀρετὴ τιμή τε βίη τε (Ι 498) [nein]

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Kritisierende Rede des Idas

Charakterisierung des Herakles in irrealer Aussage des Dichters

Zeus gibt den Boreaden Kraft

Faustkampf

Tragen der Argo durch die Wüste

Kontext Apollonios

396

ja

ja

D3

nein

D3

T

S

D3

F

F, E

F, (WA), Z

Analepse

Jasons Rede zu Medea

Kontext Apollonios

ἴφθιμόν περ ἐόντα (Π 620), ἰφθίμωι περ ἐόντι (Μ 410, Y 356) [Hesiod]

nachlassende Kampfkraft der Krieger

1, 484: ἴφθιμοί περ ἐόντες Analepse, Mythos [nein]

κρατερή δ’ ἐπικείσετ’ Zwang/Notwendigkeit im 2, 18: κρατερῇ ἐπιέψετ’ Gewalt des Amykos ἀνάγκη (Ζ 458), κρατερὴ nicht-kriegerischen Kontext ἀνάγκῃ [Oppian, Diodor, δέ μοι ἔπλετ’ ἀνάγκη Athenaios u.a.] (κ 273), κρατερῆς ὑπ’ ἀνάγκης (theog. 517) [Hom. Hym. Theognis, Herodot u.a.]

ἀντίβιον […] πολεμίζειν Rede der Helena zu ἠδὲ μάχεσθαι Paris über Kampf gegen (Γ 435), ἐναντίβιον Menelaos πολεμίζειν (Φ 477), ἀντιβίην πόλεμον […] φέροιεν (Ps.-Hesiod asp. 150) [nein]

2, 758: ἀντιβίην […] πολέμιζον [nein]

4, 408–9: πτολεμίζειν / ἀντιβίην [nein]

ἀντίβιον […] πολεμίζειν ἠδὲ μάχεσθαι (Γ 435), ἐναντίβιον πολεμίζειν (Φ 477), ἀντιβίην πόλεμον […] φέροιεν (Ps.-Hesiod asp. 150, 163) [nein]

Rede der Helena zu Paris über Kampf gegen Menelaos, Streit unter Göttern

WS, (F), (WA)

S

D3

nein

Apollonios [Belege nach Apollonios]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

397

V

V

W

W

W

D3

D3

D3

D3

D3

nein

nein

nein

ja (Θ 156)

πρόσθεν δὲ σάκεα σχέθον (Δ 113), πρόσθεν δ’ ἔχεν ἀσπίδα (N 157, 803) [nein]

γνὺξ δ’ ἔριπ’ (Ε 68, Υ 417), γνὺξ ἐριπὼν (E 309, Θ 329, Λ 355) [nein] Kampfszenen

Kampfszenen

3, 1296: Πρόσθε δέ οἱ σάκος ἔσχεν [nein]

4, 471: γνὺξ ἤριπε [nein]

2, 107: ἐν κονίῃσι βάλεν Pferde stoßen einen βάλον ἐν κονίηισι (Ε 588), ἐν κονίηισι βάλες getöteten Krieger zu Boden, [Oppian, Quintus] Nestor-Rede (Θ 156)[nein]

3, 511–12: πέποιθεν / ἠνορέῃ [Oppian]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

(F), (WS)

ξίφεϊ μεγάλωι (E 146, Kampfszene N 576–77, Y 459), ξίφεσιν μεγάλοισι (O 712), μέγα ξίφος (A 194, 220, κ 261) [nein]

3, 1253: μεγάλῳ ξίφει [Quintus, Cassius Dio, Dion Chrys.]

Gedanken des Achill, 1, 1250: ἐρυσσάμενος (F), (WS), E φάσγανον ὀξὺ ἐρυσσάμενος (A 190), Kampfszene Achill-Hektor, μέγα φάσγανον [nein] εἰρύσσατο φάσγανον Freierkampf ὀξύ / […] μέγα τε (X 306–7, χ 79–80) [nein]

F, WS, Z

F, (K)

F, (WS)

ἠνορέηφι πεποιθώς / πεποιθότας ἠνορέηι (Δ 303, Ρ 329) [nein]

Kampfparänese

F, (WS)

T

D3

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Waffenprobe

Hylas-Suche

Athlos

Apsyrtos-Mord

Faustkampf

Peleus-Rede über Jason

Kontext Apollonios

398

W

W

W

W

Z

S

D3

D3

D3

D3

D3

E

teils

nein/ χ 201 ja

nein

nein

nein

F, (WS)

WS, K

WS, (K)

F, E

Kampfszenen

πολέμοιο […] λευγαλέοιο Rede des Idomeneus während Schlacht (N 223) (Junktur singulär) [nein]

Schlachtszene

Rüstung Dolionen, Rüstung Phäaken

1, 1218–19: πρόφασιν Analepse πολέμου […] / λευγαλέην [Quintus: πολέμοιο […] λευγαλέου]

4, 488: Οὐδ’ ἄρα τις κείνων θάνατον φύγε [θ. φ.: Plutarch]

1, 1025; 4, 1180: τεύχεα δύντες [Oppian: ἐς τ.δ.]

Aufbruch zu Versammlung, 3, 1282: ξίφος ἀμφ’ ὤμοις Athlos, Gang zum Zweikampf, Rüstung Aga- [Quintus: ἀμφ’ […] Aresfeld memnon, Patroklos, Achill ὤμοισιν […] ξίφος]

μήτε τις οὖν Τρώων Ilias: Schlachtszenen θάνατον φύγοι (Π 98), φύγοι (δ 789, ο 300), ἔφυγες θάνατον (Λ 362, Υ 449), φύγομεν θάνατον (ι 61, 469) [θ. φ.: gängig]

τεύχεα δύω/δῦσαι (9x, z.B. Z 340, 9x Hesiod) [nein]

ἀμφὶ δ’ ἄρ’ ὤμοισιν βάλετο ξίφος (5x, z.B. B 45), ἀμφ’ ὤμοισι θέτο ξίφος (θ 416) [nein]

Argonautenkatalog, Genealogie

1, 88: Εὐρύτου ᾧ πόρε τόξον Ἑκηβόλος [nein]

Kontext Apollonios

ὧι καὶ τόξον Ἀπόλλων Schiffskatalog, Rede des αὐτὸς ἔδωκεν (B 827), Aias zu Teukros καὶ τόξον, ὅ τοι πόρε Φοῖβος Ἀπόλλων (O 441) [Hesiod]

Apollonios [Belege nach Apollonios] 3, 1228–29: κόρυν […] / Rüstung des Aietes λαμπομένην [Themistios] ohne Kampf

Kontext Homer/Hesiod

κόρυθος […] λαμπομένης Rede Achills zu Patroklos (Π 70–71), κορύθων ἄπο über seinen Helm, λαμπομενάων (N 341) Kampfszene [nein]

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

399

K

K

K

K

K

K

F1

F1

F1

F1

F1

F1

nein

nein

nein

ja (Teil)

ja

Schüsse des Pandaros, weitere Kampfszenen

Schlachtszene

πικρὸς ὀϊστός / πικρὸν ὀϊστόν (häufige Junktur 11x, z.B. Δ 118, 134) [nein] δῦ δέ μιν Ἄρης (P 210) [nein]

S, (F), WS, Z

S

S

S, WS

Beschreibung der Amazonen

Kontext Apollonios

Periphrase Analepse

Kampfparänese des Apollon 4, 273–74: βίῃ καὶ κάρτεϊ Rede des Argos mit mit Erwähnung früherer λαῶν / σφωιτέρων Aition Vorbilder θάρσει τε πεποιθότα [nein]

κάρτεΐ τε σθένεΐ τε πεποιθότας ἠνορέηι τε (P 329) [nein]

1, 531: σθένος Ἡρακλῆος Periphrase, Abfahrt der [Quintus] Argo

Athlos

βίη Ἡρακλῆος (Σ 117) [Hesiod, Theokrit]

3, 1307: παντὶ σθένει [Athenaios]

Kampfszene

Athlos

παντὶ μένει (Ps.-Hesiod asp. 364) [παντὶ σθένει: Sophokles, Thukydides, Platon u.a.]

3, 1350–51: ἐμπλήσατο θυμὸν / ἀλκῆς [nein]

Aietes-Rede

Wirkung des Zaubermittels

Kampfszene

3, 407: Πεῖρα δέ τοι μένεός τε καὶ ἀλκῆς [nein]

3, 1256: δῦ δέ μιν ἀλκὴ [nein]

4, 1403: χόλον […] πικρὸν Analepse ὀιστῶν [nein]

2, 989: ὕβρις στονόεσσα καὶ Ἄρεος ἔργα

Apollonios [Belege nach Apollonios]

μένεος δ’ ἐμπλήσατο θυμόν (X 312) [nein]

Freierkampf Odyssee, S, WA, WS σθένεός τε καὶ ἀλκῆς πειρήτιζεν (χ 237) [nein] Prüfung durch Athene

S

W

E

ja

ehernes Geschlecht

S

E Ἄρηος / ἔργ’ […] στονόεντα καὶ ὕβριες (Hesiod Op. 145–46)

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

400

L

L

L

L

L

L

S

S

T

T

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

nein

nein

nein

nein

nein

nein

nein

ja

ja

(ja)

S, WS, E

χερσὶ πίεζε / νωλεμέως κρατερῇσι (δ 287–88)

Trojanisches Pferd

Diomedes über seinen Großvater

Kampfsparänese des Aias

αὐτοσχεδίηι μεῖξαι χεῖρας (O 510) [nein]

1, 1251: κρατερῇσιν ἐνεσκλήκει παλάμῃσιν [Moschos, Quintus]

1, 75: ἔξοχος ἠνορέην [Nonnos]

4, 402: μίξαντες δαῒ χεῖρας [nein]

1, 1052: στονόεντος […] πολέμοιο, vgl. 4, 1005 [Quintus]

Analepse, Heimkehr aus Krieg

στονόεσσαν ἀϋτήν (λ 383) [nein]

2, 553–54: δοῦπος […] οὔατ’ ἔβαλλε [nein] 1, 310–11: ἀυτὴ / κεκλομένων [Oppian, Nonnos (ἰωὴ κεκλομένων)]

Pferdegetrampel

Rede Jasons

Ruf des Polyphem nach Hylas

Geschrei des Volkes bei Abfahrt der Argo

Kontext Apollonios

Waffenprobe

Katalog

Hypothetische Aussage in Rede Jasons

Dolionenschlacht

Geschrei des Volkes bei Abfahrt der Argo

Symplegaden

2, 554: βόων δ’ ἁλιμυρέες Symplegaden ἀκταί

φωνὴ δ’ ἀμφοτέρων […] / Schlachtbeschreibung κεκλομένων (Hesiod, theog. 685) [nein]

κτύπος οὔατα βάλλει (K 535) [nein]

S, F, WS, K ἀρετῆι δ’ ἦν ἔξοχος (Ξ 118) [nein]

S, F, WS

S, F, Z

S, K

S, F, Z

Gleichnis

Kampfverbot für Götter

ἐεργόμενοι πολέμοιο (N 525)

3, 184: ἐεργομένοισιν ἀυτῆς

1, 1249: ἔπλετ’ ἀυτή [Quintus]

Kriegsgeschrei in Kampfszene

ἔπλετο φωνή (Ξ 400) [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios] 1, 310–11: ὦρτο δ’ ἀυτὴ / κεκλομένων ἄμυδις [nein]

Kontext Homer/Hesiod

ὦρτο κυδοιμός / Schlachtbeschreibung θυνόντων ἄμυδις (K 523) [nein]

S, F, WS, E ἄκραι / ἠϊόνες βοόωσιν (P 264–65)

S, F,

S

S, E

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

401

W

W

W

W

W

W

W

W

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

F1

nein

nein

nein

nein

nein

nein

Nein

ja

1, 241: σὺν τεύχεσιν ἀίσσοντας [nein] 4, 414: ἀλέξεο δούρατα Κόλχων [nein] 1, 1000–2: ὀιστοῖς  / ἠδὲ καὶ ἐγχείῃσι δεδεγμένοι, εἰσόκε πάντας / […] ἐδάιξαν [nein]

σὺν τεύχεσιν ἐσσεύοντο Vorbereitung der (Ι 80) [nein] Nachtwache δούρατ’ ἀλεύαντο Freierkampf μνηστήρων (χ 260) [nein] τόξοισι δεδεγμένος ἄνδρας ἐναίρω (Θ 296) [nein]

S, WS, E

S, WS

S, WS, E

4, 374: φασγάνῳ αὐτίκα τόνδε μέσον διὰ λαιμὸν ἀμῆσαι [nein]

S, F, WS, Z μὴ λαιμὸν ἀπαμήσειε σιδήρωι (Σ 34) [nein]

2, 1043: ἀγκύλα τείνατο τόξα [nein] 3, 1280–81: ἕλε παμφανόωσαν / χαλκείην πήληκα [nein]

ἐτιταίνετο καμπύλα τόξα Kampfszene (E 97) [nein] κόρυθ’ εἵλετο […] παμφανόωσαν (Z 472–73) [nein]

Hektor nimmt Helm, Kampfhandlungen

4, 207–8: ξίφος […] / σπασσάμενος πρυμναῖα νεὼς ἀπὸ πείσματ’ ἔκοψεν [nein]

σπασσάμενος τανύηκες Kampfszene ἄορ παχέος […] ἀπέκοψε (Π 473–74) [nein]

Achills Reaktion auf Tod des Patroklos

1, 993–94: παλίντονον αἶψα τανύσσας / τόξον [nein]

Rede des Teukros in Schlachtszene

Kontext Apollonios

Jason nimmt den Helm zum Sähen.

Schuss auf Ares-Vogel

Abfahrtszene

Medeas Aufforderung an Jason

Herakles tötet Erdgeborene

Tötung der Erdgeborenen

Aufforderung Medeas

Vorbereitung zur Abfahrt der Argo

1, 477–78: θαρσαλέον Überheblichkeit des κῆρ / οἰδάνει ἐν στήθεσσι Idas

Apollonios [Belege nach Apollonios]

S, F, WS, Z παλίντονα τόξα τιταίνων Kampfszene (Θ 266) [nein]

S, F, Z/E

S, F, WS

S

θαρσαλέον νύ οἱ ἦτορ ἐνὶ φρεσίν (Τ 169)

Mut eines Kriegers

S, E

T

F1

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

402

K

S

S

F2

F2

nein

S, F, K

S, F, K

S, WS

4, 1008: ἐπειγομένους πολέμοιο

Charakterisierung Achills Rede über Kampfabsichten

ἐπειγόμενός περ ἄρηος (Τ 142, 189) ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα (B 440, Δ 352, Τ 237) [Dionysios]

3, 1386: ἐγειρομένου πολέμοιο [Dionysios: ἐγείρομεν ὀξὺν ἄρηα]

2, 1108: ἀνέμου μένος

ἲς ἀνέμοιο (4x, z.B. Seesturm P 739), ἲς ἀνέμου (O 383) [Hesiod, Theokrit]

3, 1262: κάρτεϊ γυίων [Oppian]

Achill und Aias

F2

S

κάρτεϊ χειρῶν (Θ 226, Λ 9) [Apoll. Rhod. s.o.]

K

3, 181: πίσυνος δὲ βίῃ

F2

S, F, E

Achill und Aias

K

F2

S, F

2, 1200–1: ὅσον σθένος […] / σχήσεται, 3, 63: ὅσσον […] σθένος ἔπλετο, 3, 716: ὅσσον σθένος ἐστὶν [Theokrit, Nonnos, Oppian]

ἠνορέηι πίσυνοι καὶ κάρτεϊ χειρῶν (Η 226, Λ 9)

K

F2

S, F

3, 541: φεύγουσα βίην [Quintus]

Einsatz der Kraft im kriegerischen Kampf

ὅση δύναμίς γε πάρεστι (Θ 294, Ν 786, ψ 128) [Aischylos: ὅσσον σθένος]

K

F2

Kontext Apollonios

Gleichnis

Charakterisierung der Kolcher

Seesturm

Wirkung des Zaubermittels

Jason-Rede über Aietes

Vogelzeichen

Rudern bei der Schiffahrt, Initiative Heras und Medeas.

2, 26: ὥς τε λέων ὑπ’ Gleichnis ἄκοντι τετυμμένος [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

προφυγόντα μένος kriegerischer Kontext (Z 502, H 309) [Euripides: ἐκφυγεῖν μένος]

Gleichnis

ὥς τε λέων […] ἔβλητ’ […] ἄκοντι (M 299–306) [nein]

S, E

W

F1

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

403

W

W

W

W

K

K

F2

F2

F2

F2

F3

F3

nein (nur O 386)

ja

Rede Hektors zu Hekabe und Achill

T

F2

S, F

S

S, Z

S, F

S, F, Z

S, F

3, 1356: δούρασί τ’ ἀμφιγύοις [nein]

Kampfszenen

I: Kampfaufforderung, Kampfszene, Rede der Athene an Ares, O: Rede des Telemachos

Helenos’ Rede über Achills 2, 1206: σθένος Kraft, Rede Athenes im ἰσοφαρίζοι [nein, Julian Götterkampf von Ägypten: μένος ἰσοφαρίζει]

ἔγχεσιν ἀμφιγύοις/οισι(ν) (9x, z.B. N 147) [nein] βίηι καὶ χερσὶ (Γ 431), χερσίν τε βίηφί τε (φ 373), βίην καὶ χεῖρας (O 139) [Hesiod] μένος ἰσοφαρίζειν (Z 101, v.l. Φ 411: μένος ἰσοφαρίζεις [nein]

4, 1375: βίῃ καὶ […] ὤμοις, vgl. 1, 505 [Orphica, Quintus: βίῃ καὶ χερσὶ καὶ ὤμοις (4, 295)]

2, 26: ὑπ’ ἄκοντι τετυμμένος [Quintus]

ὑπὸ δουρὶ τυπεὶς (4x, z.B. Kampfszenen Λ 433) [Ps.-Hesiod].

Beschreibung des Aietes

Rede des Peleus: Tragen der Argo durch die Wüste

Athlos

Gleichnis

Rüstung des Diomedes und 2, 1069: Ἀμφὶ δὲ Vertreibung der Aresdes Odysseus χαλκείας κόρυθας Vögel κεφαλῇσιν ἔθεντο [nein]

ἀμφὶ δέ οἱ κυνέην κεφαλῆφιν ἔθηκεν (K 257, 261) [nein]

3, 1281: χαλκείην πήληκα Weg zum Athlos vgl. 2, 1069 [Quintus: κόρυν Ἀστεροπαίου χαλκείην]

Medea-Rede

Kontext Apollonios

Kampfhandlungen

4, 1051–52: λάθεσθε / ἠνορέης

Apollonios [Belege nach Apollonios]

χαλκείη κόρυς (Μ 184, Υ 398) [nein]

S, F, WS, K z.B. ἀλκῆς τε λάθωμαι (Z 265, X 282) [Aischylos]

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

404

S

T

T

V

W

F3

F3

F3

F3

F3

ja (Η 273)

nein

nein

S, WS

S, F

S, WS

S, F, Z

S, WS, E

Achills Kraft, Rede Athenes 1, 483: ἰσοφαρίζεις / im Götterkampf ἠνορέην [nein, s.o.] Kampfszene, irreale Aussage

μένος ἰσοφαρίζειν (Z 101, v.l. Φ 411: μένος ἰσοφαρίζεις [nein] αὐτοσχεδὸν οὐτάζοντο (Η 273), αὐτοσχεδίην οὐτασμένος (λ 536) [Tyrtaios] χερσί τε δοῦρα / μακρὰ Kampfszenen τινάσσοντας (χ 148–49), δύο δοῦρε τινάσσων (M 298), τίνασσε δὲ χάλκεον ἔγχος (Y 163) [Tyrtaios: τ. ἔγχος]

4, 274: θάρσει τε πεποιθότα [Oppian: ἠνορέῃ πεποιθὼς]

Kampfparänese

ἠνορέηφι πεποιθὼς / πεποιθότας ἠνορέῃ (Δ 303, Ρ 329) [Apoll. Rhod. 5, 311]

3, 1264: μελίην τ’ ἐν χερσὶ τινάσσων [Quintus: δούρατα […] ἐν παλαμῃσι τινάσσων]

2, 84: ἐπισταδὸν οὐτάζοντες [nein]

4, 338: λευγαλέῃ […] δηιοτῆτι [Quintus, auch πολέμοιο λευγαλέου]

3, 399: πειρήσαιτο βίης [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios]

πολέμοιο […] λευγαλέοιο Kampfparänese Poseidons, (N 97), ἐν δαῒ λευγαλέηι Kampfbeginn (Ξ 387) [nein]

σθένεος πειρώμενος (Ο 359), σθένεος πειρήσομαι (φ 282), σθένεός τε καὶ ἀλκῆς πειρήτιζεν (χ 237)

Bogenprobe

S, F, WS

K

F3

nein

Kontext Homer/Hesiod

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Athlos, Waffenschwingen nach ZaubermittelAnwendung

Faustkampf

Kritik des Idmon an Idas

Aition

auktoriale Hypothese über Kampf gegen Kolcher

Rede Aietes

Kontext Apollonios

405

W

W

W

W

F3

F3

F3

F3

S

S, (WS)

S, F, Z/E

S, WS,

κόρυθα βριαρήν (3x, z.B. Waffenraub, Kampfszene, Λ 375), ἐν κόρυθι βριαρῇ Rüstung, Waffen Achills (3x, z.B. Π 413) [nein]

3, 1322: πήληκα βριαρὴν Athlos

Beschreibung des Sthenelos

Waffenschmiede, Freierkampf

κόρυθα […] / καλήν (Σ 611–12), καλὴν τρυφάλειαν (χ 183) [nein]

2, 919–20: καλὴ / […] πήληξ [nein]

2, 919–20: ἀμφὶ δὲ καλὴ Beschreibung des / τετράφαλος φοίνικι Sthenelos λόφῳ ἀπελάμπετο πήληξ [nein]

Rüstungsszenen, Kampfszenen

Feder des Ares-Vogels

Kontext Apollonios

τετράφαλον κυνέην (M 384), κυνέην θέτο τετραφάληρον (E 743, Λ 41), κόρυθι […] φαεινῆι / τετραφάλωι (X 314–15) [nein]

Apollonios [Belege nach Apollonios] 2, 1038: πτερόεν βέλος [Nonnos, Oppian: ὀϊστῷ […] πτερόεντι]

Kontext Homer/Hesiod

ἰοί τε πτερόεντες (Π 773), Kampfszene, Götterkampf, ἰὰ πτερόεντα (Υ 68), Pandarosschuss ἰόν / ἀβλῆτα πτερόεντα (Δ 116–17), πτερόεντες ὀϊστοὶ (Ε 171) [Pindar]

Klasse Wort- Metrische Art der Homer / Hesiod gruppe Analogie Änderung [nachhomerischer Beleg]

Literaturverzeichnis Abkürzungen Die Abkürzungen der antiken Autoren und Werke erfolgen nach dem Abkürzungsverzeichnis des Lexikon der Alten Welt bzw., wenn dort nicht aufgeführt, nach dem Verzeichnis des LSJ. Die Abkürzungen der Zeitschriften richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis der Année philologique.

Weitere Abkürzungen DGE AHC:

AP: Arch. Hom.:

Austin: DK: FGrH HE: IG: Kannicht: KG:

Adrados, Francisco R. (ed.): Diccionario GriegoEspañol, Vol. I ff., Madrid 1989–. Ameis, C.F. / Hentze, C. / Cauer, P.: Homers Ilias für den Schulgebrauch erklärt, Leipzig 1894–1913, Ndr. Amsterdam 1965 bzw. Ameis, C.F. / Hentze, C. / Cauer, P.: Homers Odyssee für den Schulgebrauch erklärt, Leipzig 1894–1920, Ndr. Amsterdam 1964. Anthologia Graeca, Griechisch-Deutsch von H. Beckby, 4 Bde., München 21965–1968. Archaeologia Homerica, Die Denkmäler und das frühgriechische Epos. Im Auftrag des Deutschen Archäologischen Instituts hrsg. von F. Matz und H.-G. Buchholz, Göttingen 1967 ff. Austin, C.: Nova fragmenta Euripidea in papyris reperta, Berlin 1968. Diehls, Hermann: Die Fragmente der Vorsokratiker, griechische und deutsch, hsg. von W. Kranz, 3 Bd., 6 1951–52 (ND Zürich 2004–5). Jacoby, Felix: Die Fragmente der griechischen Historiker, Berlin/Leiden 1923–1958. Gow, A.S.F. / Page, D.L.: The Greek Anthology: Hellenistic Epigrams, 2 Bde., Cambridge 1965. Inscriptiones Graecae, Berlin 1873 ff. Kannicht, Richard (ed.): Tragicorum Graecorum fragmenta: Vol. 5. Euripides, Göttingen 2004. Kühner, R. / Gerth, B.: Ausführliche Grammatik der griechischen Sprache, zweiter Teil: Satzlehre, 2 Bde., 3. Auflage, Hannover/Leipzig 1898–1904.

407

Kinkel: Kock: LfgrE: LSJ: LP: KM:

MW: Nauck: Pf.: PMG: Powell Radt: RE: SH: Snell: TLG West:

408

Epicorum Graecorum Fragmenta, collegit, disposuit, commentarium criticum adiecit G. Kinkel, Vol.  I, Leipzig 1877. Kock, T. (ed.): Comicorum Atticorum fragmenta, vol. 2 (Novae comoediae fragmenta), Leipzig 1884. Lexikon des frühgriechischen Epos, bgr. von B. Snell, 4 Bde., Göttingen 1955–2010. Liddell, Henry G. / Scott, Robert / Jones, Henry S.: A Greek-English Lexicon, 9. Auflage with revised Supplement, Oxford 1996. Lobel, Edgar / Page, Denys (ed.): Poetarum Lesbiorum Fragmenta, Oxford 1955 (repr. 1969). Koenen, L. / Merkelbach R., Collectanea Papyrologica I (Texts Published in Honor of H. C. Youtie, ed. A. E. Hanson), Nr. 1 (Papyrologische Texte und Abhandlungen 19), Supplementum Hellenisticum 903A, Bonn 1976. Merkelbach, Reinhold / West, Martin L.: Fragmenta Hesiodea, Oxford 1967. Tragicorum Graecorum fragmenta, rec. August Nauck, Leipzig 21889 (repr. Hildesheim 1964). Pfeiffer, Rudolf: Callimachus, 2 Bde. Oxford 1949– 1953. Page, D. L.: Poetae melici Graeci, Oxford 1962. Powell, John U. (ed.), Collectanea Alexandrina, Oxford 1925. Radt, Stefan (ed.): Tragicorum Graecorum fragmenta, 3. Aeschylus, Göttingen 1985, Vol. 4. Sophocles, Göttingen 1977. Wissowa G. et al. (Hrsg.): Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Stuttgart 1893–1980. Lloyd-Jones, Hugh / Parsons, Peter J. (ed.): Supplementum Hellenisticum, Berlin /New York 1983. Snell, Bruno (ed.): Tragicorum Graecorum fragmenta, Vol. 1., Göttingen 1971. Thesaurus Graecae Linguae, ab Henrico Stephano constructus, Vol. I–VIII, Paris 1831–1865. West, M.L.: Iambi et elegi Graeci, vol. 1. Oxford 1971.

Zitierte Textausgaben Argonautika: Apollonios de Rhodes: Argonautiques, Bd. 1–3. Texte établi et commenté par F: Vian et traduit par É. Delage. Paris 21976–1981. Apolloniosscholien: Scholia in Apollonium Rhodium vetera, ed. C. Wendel, Berlin 1935. Homer: Homerus: Ilias, rec. Martin L. West, Vol. 1–2, Stuttgart/München/Leipzig 1998–2000. Homeri Odyssea, rec. P. von der Mühll, Basel 1956.

Sonstige Textausgaben, Kommentare, Scholien und Übersetzungen zu Apollonios Ardizzoni: Apollonio Rhodio: Le Argonautiche, Libro I. Testo, traduzione e commentario a cura di Anthos Ardizzoni, Rom 1967. − Apollonio Rhodio: Le Argonautiche, Libro III. Testo, traduzione e commentario a cura di Anthos Ardizzoni, Bari 1958. Campbell, Malcolm: A Commentary on Apollonios Rhodios Argonautica III, 1–471, Leiden/New York/Köln 1994. Cuypers, Martine: Apollonius Rhodius: Argonautica 2.1–310. A Commentary, Leiden 1997. Dräger: Apollonios von Rhodos: Die Fahrt der Argonauten, Griechisch/Deutsch, hrsg., übersetzt und kommentiert von Paul Dräger, Stuttgart 2002. Fränkel: Apollonii Rhodii Argonautica, rec. brevique adnotiatione critica instruxit Hermann Fränkel, Oxford 1961. Gillies: The Argonautica of Apollonius Rhodius, Book III, ed. with Introduction and Commentary by Marshall M. Gillies, Cambridge 1928. Glei: Apollonios von Rhodos: Das Argonautenepos, hrsg., übersetzt und erläutert von Reinhold Glei und Stephanie Natzel-Glei, Bd. 1–2, Darmstadt 1996. Hunter: Apollonius of Rhodes: Argonautica, Book III, ed. by Richard L. Hunter, Cambridge 1989. − Apollonius of Rhodes: Argonautica, Book IV, ed. by Richard L. Hunter, Cambridge 2015. Lachenaud: Scholies à Apollonios de Rhodes, Textes traduites et commentées par Guy Lachenaud, Paris 2010. Livrea: Apollonii Rhodii Argonauticon, Liber IV, introduzione, testo critico, traduzione e commento a cura di Enrico Livrea, Florenz 1973. Mooney: The Argonautica of Apollonius Rhodius, ed. with Introduction and Commentary by George W. Mooney, Dublin 1912. 409

Pompella: Apollonio Rhodio: Le Argonautiche, Libri I–II, testo, traduzione e note a cura di Giuseppe Pompella, Neapel 1968. − Apollonii Rhodii Argonautica, recogn. Giuseppe Pompella, Lehrs transl. in Latinum sermonem addita, Hildesheim 2006. Scheffer: Apollonios Rhodios: Die Argonauten, verdeutscht von Thassilo von Scheffer, Leipzig 1940. Seaton: Apollonius Rhodius: The Argonautica, ed. with an English translation by R.C. Seaton, London/Cambridge/Mass 1912, Ndr. 1961.

Weitere Textausgaben und Kommentare zu Homer Allen, T. W., Homeri Ilias, 3 vols., Oxford 1931. Ameis, C.F. / Hentze, C. / Cauer, P. [AHC]: Homers Ilias für den Schulgebrauch erklärt, Leipzig 1894–1913, Ndr. Amsterdam 1965. Ameis, C.F. / Hentze, C. / Cauer, P. [AHC]: Homers Odyssee für den Schulgebrauch erklärt, Leipzig 1894–1920, Ndr. Amsterdam 1964. Heubeck, Alfred / Hoekstra, Arie: A Commentary on Homer’s Odyssey, vol. II, Books IX–XVI, Oxford 1989. Janko, Richard: The Iliad: A Commentary, Volume IV: books 13–16, Cambridge 1992. Latacz, Joachim / Bierl, Anton (Hrsg.): Homers Ilias, Gesamtkommentar (Basler Kommentar/BK), auf der Grundlage der Ausgabe von Ameis-Hentze-Cauer (1868–1913), München/Leipzig 2000–. Leaf, Walter: The Iliad, ed. with apparatus criticus, prolegomena notes, and appendices, Vol. I–II, London 1900–2.

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Stellenverzeichnis (in Auswahl) Aischylos Hik. 147

308

1, 95

53, 57

Hik. 352

286

1, 100

330

Pers. 167

306

1, 109–10

79

sept. 330

241

1, 118–19

334

1, 122

306, 330, 351

1, 122–23

283

1, 130–31

149

1, 132

121

1, 146–48

335

1, 151–53

265

1, 158–59

57, 267

1, 159–60

28, 49, 57

1, 169–70

89

1, 188–89

37, 57, 323

1, 195–96

79

1, 199–201

45, 57, 106

1, 204–5

315

1, 224–26

334

1, 227

79

1, 241

87, 247

1, 242–43

81

1, 244–45

170

1, 266

55, 87

1, 310–11

226, 246

1, 313–14

81

1, 323

147

Ps.-Aischylos Prom. 423

66

Apollonios Rhodios 1, 1

17

1, 5–7

179

1, 26–27

233, 361

1, 27

369

1, 41–43

46–47, 57, 349

1, 43

133

1, 44

46, 53

1, 47–48

79

1, 59–64

349

1, 61–62

149

1, 62

167

1, 64

175

1, 74–76

62, 64, 138, 316

1, 81

170

1, 88

121

1, 90–93

212

1, 92

174

421

1, 341

329

1, 638

68, 90

1, 342–43

226

1, 638–39

351

1, 347

76

1, 678–79

59, 69

1, 349

354

1, 680

81

1, 349–50

53

1, 682

41

1, 369–70

290

1, 694–96

215

1, 383

238, 247

1, 742–43

98

1, 383–85

293

1, 742–47

359

1, 384

312

1, 745–46

99

1, 387

242, 247

1, 747–48

49

1, 429–30

337

1, 747–50

187

1, 466–68

29–30, 106

1, 756

107

1, 467–70

319

1, 758

144, 167

1, 477–78

333

1, 759–61

156

1, 482–83

319

1, 769–70

108

1, 483–84

124, 180, 319, 334

1, 813–15

168

1, 503–4

298–99

1, 815–16

188

1, 505–6

287

1, 820–22

322

1, 524–25

243, 247

1, 840–41

214

1, 530

88

1, 849–52

351

1, 531

306, 330–31, 352

1, 875

81

1, 878

143

1, 542–43

301

1, 971

30

1, 544–45

88

1, 993–94

121, 365

1, 559–61

327

1, 999–1000

55

1, 614

170

1, 999–1001

108

1, 622–23

200

1, 1000–2

121

1, 627–28

68, 90

1, 1001–2

168

1, 633–39

215

1, 1003–4

160

1, 635

67, 90

1, 1005

337

422

1, 1020

145

1, 1197–99

317

1, 1023–24

38

1, 1205–6

122

1, 1025

91

1, 1207–8

82

1, 1026

99, 109

1, 1213–14

176

1, 1026–52

356

1, 1218–19

29

1, 1027–28

134

1, 1235–36

246

1, 1028–29

73–74

1, 1240–41

243, 249

1, 1030–31

41, 74

1, 1240–54

47, 358

1, 1032–34

109, 140, 166

1, 1240–64

251–52

1, 1037–39

50

1, 1243–47

249

1, 1039–47

172

1, 1248–49

250

1, 1040–41

172

1, 1249

229

1, 1041

174

1, 1250

117, 251

1, 1042

327

1, 1254

1, 1044

176

117, 139, 251–52

1, 1046

329

1, 1260

243, 249

1, 1047

60

1, 1265

159, 346

1, 1049–50

205, 209, 225

1, 1269

159

1, 1049–52

78

1, 1270–72

251

1, 1051

77

1, 1272

229, 240

1, 1051–52

30–31, 225

1, 1284

337

1, 1054–56

185

1, 1304

184

1, 1059

90

1, 1304–5

176

1, 1081–82

180 (Anm. 743)

1, 1314

244

1, 1134–36

99

1, 1316

328

1, 1136

116

1, 1342–43

51

1, 1156–57

290–91, 296

2, 7

168

1, 1161–63

294, 317

2, 15–16

51, 82

1, 1162

352

2, 17–18

337

1, 1194–95

121–22

2, 20

158–59

2, 21

60 423

2, 22–23

283

2, 128–29

204

2, 26

115, 158–59

2, 130–36

84

2, 27–29

82

2, 138–40

68, 114

2, 28–29

158, 181

2, 141

50

2, 44–45

268, 302

2, 142

170

2, 64

269

2, 155–56

163, 165

2, 68–69

303

2, 169–71

141

2, 70–71

133

2, 171–72

202

2, 74–76

204

2, 176

206

2, 75–76

137

2, 194

82, 233, 236

2, 76–78

296

2, 229

303

2, 81–82

237

2, 264–65

117, 144–45

2, 84–85

161

2, 267

253–54

2, 92

137

2, 268–69

234, 253

2, 95–96

297

2, 269–70

253–54

2, 96–97

242

2, 270–71

228, 254

2, 98–122

166

2, 273–74

118, 254

2, 101–17

161–62, 357

2, 274–75

304

2, 101–2

117

2, 280–81

245

2, 102–3

144

2, 288–89

118

2, 103–21

54

2, 326–27

147

2, 106–7

146, 153

2, 332–34

295

2, 110

284

2, 345–50

200

2, 110–12

176

2, 397

55

2, 116–17

117, 170

2, 420–21

200

2, 118–21

329

2, 432

167–68

2, 120–21

143

2, 438–40

188

2, 122

53, 354–55

2, 552

216 (Anm. 870)

2, 123–25

150, 204

2, 553–54

154, 237, 254

2, 123–28

140

2, 554

228, 241

424

2, 555–56

257–58

2, 827

185

2, 557–59

296

2, 827–28

160

2, 565–66

256

2, 828–30

150, 219

2, 566–67

239, 256

2, 830–31

107, 163

2, 571–72

256

2, 831–32

185

2, 573

242, 256

2, 857

81

2, 573–74

246, 256

2, 865–66

323

2, 588–89

240, 306

2, 868

145

2, 589–90

232, 257

2, 870–72

37

2, 591–92

123, 257, 379

2, 882–83

80

2, 600

123, 257, 379

2, 911–20

349

2, 607

216

2, 912–13

28

2, 612–14

301, 304

2, 912–14

154–55

2, 641

324

2, 914

121

2, 644–46

216

2, 919

28

2, 654

202

2, 919–20

95

2, 672–704

371

2, 950

148

2, 678–79

124

2, 985–86

38, 349

2, 703–6

124, 174, 372

2, 989

37–38

2, 757–58

47

2, 990–91

35

2, 768

168

2, 991

338

2, 770

199

2, 1037–38

155

2, 778–79

338

2, 1038

127

2, 783–84

335

2, 1039–40

165

2, 783–85

284

2, 1043

123

2, 786–87

181

2, 1044

127

2, 796–98

38

2, 1048–49

123

2, 798

177

2, 1052–54

123–24

2, 817

183

2, 1055–56

184, 258

2, 824–34

353, 357

2, 1056–57

197

425

2, 1060

95

3, 153

128

2, 1060–62

258

3, 156–57

125

2, 1062

100, 109

3, 171–93

356

2, 1063–64

227, 258

3, 176

90

2, 1064–65

109, 207

3, 179–89

271–73

2, 1066–67

234

3, 181

286

2, 1067

101, 236, 258

3, 183–84

39, 223

2, 1069–71

95, 258

3, 188–89

297, 319

2, 1072

100, 109, 258

3, 191

202

2, 1073–76

259

3, 233–34

41

2, 1076

101

3, 270–71

77

2, 1077–78

62, 65, 78, 235, 259

3, 275–77

159

2, 1079

228, 259

3, 275–87

357

2, 1081

101

3, 278–79

125

2, 1081–82

201

3, 282–86

126

2, 1098

302, 313

3, 286–87

129

2, 1108–9

302

3, 334–35

273

2, 1118–20

337–38

3, 350–52

178

2, 1200–1

307

3, 353

181

2, 1205–6

36, 232, 307

3, 378–80

151

2, 1211–12

155

3, 393

39

2, 1220–21

90, 270

3, 394–95

181

2, 1222

28

3, 398–99

151, 174, 289

2, 1251

238

3, 407

274, 289, 305

3, 26–28

128, 156

3, 415–16

113, 168

3, 61–63

307

3, 434

80

3, 84–86

288

3, 467–68

199

3, 95–97

125

3, 468–69

180

3, 142–43

156

3, 479–80

180

3, 143

345

3, 499

91

426

3, 499–500

167

3, 885–86

211

3, 506–7

297

3, 951–52

83

3, 511–13

320

3, 954–55

237

3, 520

298

3, 1038

213

3, 541–42

201, 207

3, 1038–39

237

3, 541–43

289

3, 1043–44

275, 279, 307

3, 553–54

188

3, 1046–47

102, 110, 118

3, 560–61

307

3, 1050–51

213

3, 562

345, 352

3, 1052–53

320, 336

3, 562–63

52

3, 1059–60

43, 75, 148

3, 570–71

223

3, 1079–81

199

3, 590–93

167

3, 1116

202

3, 609–11

189

3, 1154–55

146

3, 629

148

3, 1165–66

80

3, 631–32

241

3, 1177–80

177

3, 632

235

3, 1187

114

3, 633–34

216

3, 1225–27

35, 93

3, 636

205, 216

3, 1225–34

358

3, 652

148

3, 1226–27

110, 174

3, 653

330, 345

3, 1228–29

96

3, 687

330

3, 1231–32

101, 110

3, 693–94

189

3, 1232–34

111

3, 716–17

307

3, 1234

48

3, 752–53

305, 336

3, 1247–48

102, 118

3, 753

289

3, 1248

110

3, 772–73

281

3, 1248–50

91

3, 773–75

129, 181

3, 1249–50

112

3, 792–93

241

3, 1251

336

3, 800

202

3, 1252–53

116

3, 849–50

274, 298

3, 1256–58

276–79

427

3, 1257–58

307

3, 1355

104

3, 1259–61

31, 55

3, 1355–57

97, 114

3, 1262

298

3, 1365–69

137

3, 1263–64

102

3, 1366

35

3, 1264

110

3, 1369–70

103, 332

3, 1273–74

61

3, 1370–71

243

3, 1279

103, 112

3, 1373–74

114, 171

3, 1280–81

96

3, 1375

114, 186

3, 1282

118

3, 1380–81

145

3, 1282–83

36

3, 1381

117

3, 1286–87

96, 112

3, 1381–82

164

3, 1287

96

3, 1385

28, 39

3, 1288

103

3, 1386–90

33

3, 1289–91

338

3, 1393–94

186

3, 1296

103

3, 1396

164

3, 1296–97

336

4, 3–5

219

3, 1304–5

66–67, 154

4, 11–13

216

3, 1306–8

308

4, 12–13

205, 209

3, 1309–10

155

4, 20–23

197

3, 1311

103

4, 47–48

218

3, 1314

309

4, 48–49

150

3, 1319–20

214

4, 75–76

81

3, 1320

103

4, 85–86

200

3, 1321–22

97

4, 90

150

3, 1322–24

113, 164

4, 105–6

236, 248

3, 1330–31

113

4, 110–11

211

3, 1332

289, 336, 338

4, 129

238, 260

3, 1345

197

4, 129–30

244, 260

3, 1348–49

97

4, 138

260

3, 1350–53

279

4, 146–47

233, 260

428

4, 147

239, 369

4, 402

115

4, 147–48

260

4, 408–9

48

4, 149

206

4, 414

75, 115, 190

4, 163

261

4, 420

43

4, 183–84

80

4, 448

70, 135

4, 190

214

4, 450–51

182

4, 190–205

88, 248

4, 464–65

119

4, 197–98

76

4, 467–69

160–61

4, 200–2

101, 68

4, 471–73

164

4, 206

55

4, 473–74

212

4, 206–7

243

4, 485

170

4, 206–10

89, 248, 358

4, 485–87

85

4, 207–8

119

4, 488–89

4, 209–10

134, 345

82, 143, 170–71, 198–99

4, 214

91

4, 490

189

4, 214–15

133

4, 495–97

64

4, 219

235

4, 532–33

65

4, 222

102

4, 550–51

177, 191

4, 223–24

111

4, 557

184

4, 225–26

335

4, 580–82

233, 302

4, 273–74

286, 298, 324

4, 581

244

4, 314

149–50

4, 592

244

4, 317

218

4, 597

155, 160

4, 338–39

42

4, 640–41

243

4, 340

42, 178, 212

4, 640–42

218, 229, 248

4, 345–46

82

4, 642

246

4, 373–74

119

4, 668–69

218

4, 396–97

42, 69

4, 696–97

119

4, 398–400

189

4, 747–48

220

4, 401–2

44, 48

4, 793–97

212

4, 803–4

299 429

4, 818–19

305

4, 1107–9

65

4, 828–31

142

4, 1124

90

4, 834–35

305

4, 1155–57

4, 851–52

126

56, 69, 81, 112, 269

4, 866

158

4, 1180

52, 91

4, 874–75

230

4, 1241–42

214

4, 885

154

4, 1280–83

33

4, 892–93

375

4, 1291–92

186

4, 893–94

364

4, 1375–77

291

4, 896–97

334

4, 1383–87

291

4, 903

376

4, 1393–94

138

4, 905–11

361–76

4, 1400

168

4, 908–9

85

4, 1403–4

122

4, 909

178, 233

4, 1440

123

4, 913–14

143

4, 1445–46

157

4, 914

375

4, 1461–62

139

4, 923

241

4, 1468–70

321

4, 969

154

4, 1487–89

154, 176, 191

4, 1000

133, 231, 358

4, 1496

335

4, 1000–10

224

4, 1496–97

176

4, 1001–2

59

4, 1498–99

211

4, 1008

28

4, 1502–4

201

4, 1009–10

42

4, 1507

210

4, 1043–44

170

4, 1519–27

357

4, 1045–46

215

4, 1521–22

209

4, 1050–51

115, 321

4, 1522–23

165

4, 1051–52

271, 320

4, 1535

90

4, 1055–56

111, 118–19

4, 1543

238

4, 1058

80

4, 1654–55

182, 345

4, 1098–99

91

4, 1658

182

4, 1659–60

129

430

4, 1676–77

182–83

theog. 678

242

4, 1688

186, 322

theog. 685–86

226, 247

4, 1694–96

205–6

theog. 687–89

288

4, 1709–10

125

theog. 832

305

4, 1766–67

51

theog. 835

238

fr. 33a 19–21 MW 49

Archilochos fr. 128, 2–3 West

190

Euripides Herakleid. 646

225 (Anm. 905)

Hipp. 530–34

129

Med. 264

270

Ps.-Euripides Rhes. 990

66

Heraklit fr. 51 DK

365

Herodot 4, 43, 2

369, 376

Hesiod erg. 145–46

38

erg. 619–20

201 (Anm. 808) 289

theog. 31–32

301

theog. 139

267

theog. 490–91

288

theog. 492–93

268, 303

theog. 516

319

theog. 670

284

fr. 43a, 59 MW

284

fr. 197, 3 MW

335

fr. 203, 1 MW

267

fr. 294, 3 MW

304

Ps.-Hesiod asp. 96

324

asp. 108

56

asp. 150

47

asp. 156

73

asp. 249

245

asp. 343

304

asp. 447–48

329

asp. 451

88

asp. 458

283

Homer, Ilias A 42

128

A 49

253

A 190

117

A 190–92

174

A 194

118

Α 267–72

15

A 298

178

A 382

128

431

A 482

88

Δ 206

156, 345

B 73

271

Δ 303

320, 324

B 149–50

232, 257

Δ 352

33, 38–39

B 207–10

242

Δ 424

133–34

Β 333–34

247

Δ 447

301

Β 338

52

Δ 447–49

99

Β 478–79

36

Δ 471–72

141

B 542–44

349

Δ 495

89, 134, 345

Β 611

28

Δ 514–16

79

B 708

55

Ε 1–2

267

B 773–75

126

Ε 136–38

159, 181

B 827

121

E 146–47

116

Β 872

28

E 171

257

Γ 2–3

63, 233, 253, 259

E 215–16

125

Γ2

233

E 219–20

90

Γ 4–5

228, 234, 254

E 297

103

Γ 44–45

284

E 300

101

Γ 135

113

E 409

41

Γ 149–52

376

E 506

303

Γ 179

336

E 524–25

302

Γ 226–27

315

E 584

117, 139

Γ 332

93

E 588

154

Γ 361–62

119, 140

E 594

110

Γ 431

287, 291, 320

E 661

253

Γ 435

47

E 740

276

Δ 87

336

Ε 743–44

96

Δ 113

103

E 842

174

Δ 105–26

126, 346

E 859

246, 256

Δ 124–26

366

E 860–61

62–63

Δ 196

156, 345

Z 36

174

432

Z 63–64

161

I 497–98

291

Z 101

36, 232, 307, 319

K 1–2

180 (Anm. 743)

Z 159

182

K 28

330, 345

Z 213

113

K 221–22

69

Ζ 340

55, 68

K 345–46

140

Z 458

337

Κ 375

245

Z 472–73

96

K 459–61

125

Z 480

28

K 523–24

78, 226

Ζ 501

30–31

K 535

154, 237

Ζ 506–11

31–32

Λ9

H 73

80

286, 291, 294–96, 298, 317, 320

H 136

60

Λ 19

93

H 193

68, 91

Λ 19–20

36

H 238–39

101

Λ 52–53

73

Η 288–89

267

Λ 52–54

304

H 303–4

118

Λ 71

218

Η 343

59, 69

Λ 72–73

141

Θ 61–63

99

Λ 146

116

Θ 61

301

Λ 150–53

171

Θ 156

154

Λ 172–74

205

Θ 226

286, 291, 294–96, 298, 317, 320

Λ 313

321

Λ 462–84

251–52

Θ 267

104

Λ 463

243, 249, 252

Θ 277

121

Λ 466

228 (Anm. 918)

Θ 296

121

Λ 537–38

79–80

I 80

87

Λ 538–39

73 (Anm 243)

Ι 39

267, 275

Λ 544–49

217–18

I 241

256

Λ 548–55

249–50

Ι 412–13

16

Λ 558

375

Λ 717–18

89

433

M 91

315

Ξ 421

143

M 95

315

Ξ 515

172

M 167–70

84–85

O 180–81

211

M 185

109

Ο 263–68

31–32

M 190

117–19

Ο 282

106

M 190–91

145

O 282–83

45

M 194

121

O 321

238, 247

M 294–95

99

O 323–24

85

M 299–306

115, 158

Ο 426

213

M 457–58

317

O 440–41

121

N 39–41

243

O 451

125

N 60–61

280

O 542

253

Ν 97

42

Ο 623–29

141

Ν 223

28

Ο 707–8

171

N 241

113

O 718

227, 258

Ν 297

30

O 742

280

Ν 314

45

O 745

108

N 339–43

97

Π 24–29

163

N 406–7

102

Π 78–79

232, 257

Ν 469

30

Π 133

93

N 525

223

Π 141–43

111

N 545–46

140

Π 212–14

259

N 598–99

165

Π 265

189

N 785–86

270

Π 267

259

Ν 833–35

247

Π 294–95

77

Ξ 117–18

314

Π 310

109

Ξ 148–49

62–63

Π 338–39

109

Ξ 324

283

Π 352–57

141

Ξ 377

99

Π 360

100

Ξ 400–1

229, 259

Π 373–74

218

434

Π 418

121

Σ 231–32

129

Π 433–34

179

Σ 245

91

Π 494

32

Σ 262

322–23

Π 602

303

Σ 535

73

Π 603–4

329

Σ 607

306

Π 707–8

114, 180

T 40–41

247

Π 771

218

T 125

158

P7

101

Τ 142

28, 39

P 22

308

T 169

333

P 118

217

Τ 189

28, 39

P 156

266

Τ 237

33, 38–39

Ρ 197

90

Τ 371

93

P 210–12

277–79

Y 48

239, 256

P 264–65

241, 255

Υ 75–77

80

P 321–22

106, 293

Y 356–57

334

P 328–29

287

Y 374

226, 247

P 329

315, 320

Y 381

143

Ρ 363

45

Y 399

109

Ρ 387–88

49–50

Φ 6–11

201

P 421

179

Φ 6–16

225

Ρ 456

301

Φ9

77, 246

P 523

111

Φ 10

245

P 725–26

138

Φ 10–11

201, 225, 232

Σ 34

119

Φ 72

108

Σ 117

283, 306

Φ 116–19

157

Σ 134

75

Φ 178

112, 123, 125

Σ 152

129

Φ 180–81

157

Σ 158–60

251

Φ 233–34

143

Σ 161–62

250

Φ 277–79

129, 181

Σ 172–75

187–88

Φ 306–7

133

435

Φ 308–9

309

θ 136

306

Φ 387

77, 246

θ 216–17

69

Φ 411

36, 307, 319

ι 214

266

Φ 528–29

281

ι 319–24

317–18

Φ 547

322

ι 395

251

Φ 606–7

77

ι 488–89

240

X 139–41

207, 210

ι 513–14

266

X 306–7

117

κ 106

334

X 312–13

279

κ 126–27

119

X 319–20

111

κ 128–29

240

X 379

182

κ 273

337

Ψ 131

90

κ 556–57

82

Ψ 578

291

λ 383

224

Ψ 679

184

μ 116

52, 345

Ψ 686–87

303

μ 158–59

370

Ω 79

143

μ 202

237, 255

Ω 393

168

μ 228–30

257

Ω 442

301

μ 260–62

200

Ω 711

142

ν 143

275, 287

ξ 265

225

o 212

323

o 218

88

ο 364

334

o 525–28

289

π 241–42

16

π 284–85

87

π 474

114

ρ 434

225

σ 1–4

285

σ 98

285

σ 139

275, 287

Homer, Odyssee β3

118

β 428

88

δ 225–26

169

δ 287–88

336

δ 308

118

ε 128

155, 176

ε 399

39

ε 416

250

θ 73

17

θ 76–78

51

436

σ 376–79

16

Herm. 422

τ4

56

Herm. 512

233

τ 439–54

107

27, 16

122

τ 454

185

28, 11

243, 244

τ 522–23

174

υ 125

118

φ 184–85

92, 112

φ 281–83

289

φ 399–400

102, 363

φ 406–11

363–65

φ 430

368

χ 19–20

146

χ 89–94

107

χ 148–49

110

Pyth. 4, 12

311

χ 184

102

Pyth. 4, 90

367

χ 201

91

Pyth. 4, 221–39

311

χ 227–28

49

Pyth. 4, 234

309

χ 237

274, 289

Pyth. 4, 235–36

113

χ 246

368

Pyth. 4, 238–39

309

χ 260

115

χ 299–301

159, 346

χ 383–84

185

ω 496

90

ω 509

266, 273

ω 520

301

ω 527

116

Homerische Hymnen Ap. 357–62

370

Ap. 399–519

371

Dem. 130–31

150

233, 370

Kallimachos Artem. 240–42

99–100

lav. Pall. 21

99

fr. 1, 10–40 Pf.

374

Orphische Argonautika 267

30 (Anm. 61)

Pindar

Quintus Smyrnaeus 9, 132–33

227

Sophokles Ai. 828

107

fr. 904,2 Radt

308

Theokrit eid. 1, 42

306

eid. 22, 82

303

eid. 26, 16

207

437

Wörterverzeichnis ἀάατος

296 (Anm. 1237)

ἀρήϊος

20, 52–57, 87

ἀερσίλοφος

95

Ἄρης/ἄρης

34–40, 57

αἰγανέη

22

ἄσπετος

59–60, 245

αἶθος

66

ἀσπίς

98–104, 131

αἰνός

40–41

ἄσχετος

113 (Anm. 449)

ἀΐσσω

136–38

ἄτρομος

276

ἀκάματος

304

ἀυτή

222–230, 262

ἄκων

105–6, 115, 131

αὐτοσχεδόν

151

ἀλαλητός

222, 231–32

αὔω

222, 238–39, 262

ἀλέξω

190–92, 194

ἄφατoς

276

ἀλέομαι/ἀλεύομαι 210–13, 220

βάλλω

22, 152–56, 193

ἀλεωρή

215

βέλος

127–31

ἀλκή

263–82, 325

βιάω / βιάζω

ἀλκήεις

265 (Anm. 1089), 298

167, 177–78, 368–69

βίη

263, 282–92, 325

ἀμαιμάκετος

110 (Anm. 436)

βιός

120–27, 131

ἀμβολίη

42

βοάω

222, 240–41, 262

ἀμύνω

187–90, 194

βοή

ἀμφιπαλύνω

102 (Anm. 389)

133, 222, 224, 330–31, 262

ἀναχάζομαι

196, 213–15, 220–21

βολή

68

βομβηδόν

84 (Anm. 293)

ἀντιβίην

47

βραχεῖν

222, 245–46, 262

ἀπειρέσιος

267, 276

βρέμω

ἀποκατατίθημι

96

242, 249 (Anm. 1022), 256

ἀποπροβάλλω

103

βριαρός

97, 110

ἀραβέω

222, 245, 262

βρίθω

266

ἀραρίσκω

100, 109

γῆρυς

249 (Anm. 1021)

ἀρετή

291, 314

γυμνός

117

ἀρηΐθοος

327, 339

δαΐζω

167–69, 194 439

δαΐς

44, 57

ἐπήορος

δαΐφρων

327–28, 339

ἐπιβρίθω

59 (Anm. 184), 69

δαίω

129 (Anm. 533)

ἐπιβρομέω

242

δάμνημι/δαμνάω/ 129, 167, 178–84, δαμάζω 194

ἐπιδραμεῖν

143–144, 193

δεινός

73 (Anm. 245), 110

ἐπικρατέως

309

ἐπιρρώομαι

308

δήϊος

63–68

ἐπισσεύομαι

144–45, 193

δηϊοτής

40–44, 57

ἐπορούω

145–46, 193

δηϊόω

169–71, 194

ἐρείδω

96 (Anm. 359)

δηριάομαι

50–51

ἐρισθενής

301

δινωτός

102

ἐρωή

263, 294

δόρυ

22, 68, 104–116, 131

εὐήκης

111, 117

εὔχομαι

37 (Anm. 88)

δουπέω

174, 194

ζώννυμι

132 (Anm. 539)

δοῦπος

222, 236–38, 262

ἠνορέη

δυσηχής

125

263, 272, 314–22, 325

δυσμενής

63, 69–71

θαρσαλέος

326, 332–33, 339

ἐγχείη

105–116, 131

θάρσος

314, 322–25

ἔγχος

105–116, 131

θείνω

152, 175

ἑκηβόλος

108

θέλγω

ἕλκος

165–66, 193

260–61, 361, 364, 369

ἐναίρω

172, 194

θεσπέσιος

77 (Anm. 262), 243, 370

ἐναρίζω s. ἐξεναρίζω

θοός

39, 98, 107, 124

ἐνθορεῖν

142–43, 193

θρασύς

328–31, 339

ἐνισκίμπτω

128

θρῴσκω

142

ἐννεσίη

179–80, 197

θύνω

146–47, 193

ἐνοπή

222, 232–33, 260, 262, 361, 369–70

θώρηξ

93–94, 131

ἔντεα

86–92

θωρήσσω

132–33

ἐξεναρίζω

124, 173–75, 194

ἰάχω

222, 241–45, 262

ἐπαΐσσω

117, 138–42, 193

ἰθύω

43, 147–48

ἵμερος

330 (Anm. 1381)

440

109 (Anm. 428)

ἰοβολέω

123

λιγύς

ἰοδόκη

124–25

μάρναμαι

27, 49–50, 57

ἰός

120–27, 131

μάχη

27

ἱππεύς

61

μάχομαι

27

ἴστωρ

37 (Anm. 87)

μείγνυμι

ἴφθιμος

333–34, 339

44 (Anm. 124), 45, 115

ἰωχμός

71 (Anm. 241)

μέλεος

229 (Anm. 920), 250

μελίη

105–6, 109–10, 131

μέμονα (μεμαῶτες)

189, 243, 271

μένος

263, 268, 299–305, 325

καρτερός s. κρατερός κάρτος s. κράτος

374–75

καταπεφνεῖν

175–77, 194

κέλαδος

211, 233–34, 262

κέλομαι

238 (Anm. 966), 261

κλαγγή

78, 222, 234–35, 253, 262

μεταπρέπω

285

μόθος

72 (Anm. 241), 75

κλονέω

72, 83–85, 367

μυδαλέος

303–4

κλόνος

72 (Anm. 241)

μῶλος

72, 74–63

κολεός (ἐκ κολεοῖο/ κολεῶν)

118

νέφος

70

νύσσω

113 (Anm. 451)

κόπτω

152 (Anm. 622)

νωλεμέ(ω)ς

237, 255

κόρυς

94–98, 131

νωμάω

κορύσσω

70, 133–35

101, 110, 112, 124, 224 (Anm. 900)

κραιπνός

129 (Anm. 535), 367

ξίφος

116–20, 131

ξυστόν

105–6, 109, 131

κρατερός

305, 334–38

ὀϊστεύω

128, 152, 156, 193

κρατερόφρων

283

ὀιστοδόκος

122

κράτος

263, 274–75, 292–299, 325

ὀϊστός

120–27, 131

ὀλοός

κυδοιμός

72–74

200 (Anm. 801) 218

κυνέη

94–98, 131

ὅμαδος

72, 75–78, 85

λευγαλέος

29 (Anm. 51), 42

ὅμιλος

72, 78–83, 85–86

441

ὀπάζω

65 (Anm. 207)

πτερόεις

123, 127

ὁπλίζω

132 (Anm. 539)

πτήσσω

223 (Anm. 896)

ὁρμάομαι

148–52, 193

ῥοῖζος

222, 238, 260, 262

ὁρμάω

148

σάκος

98–104, 131

ὀρυμαγδός

222, 235–36, 262

σείω

110, 119

οὐλαμός

72 (Anm. 241)

σθένος

οὐτάω/οὐτάζω

152, 161–64, 193

263, 278–79, 306–10, 325

ὀχμάζω

98 (Anm. 369)

σμερδαλέος

παλάσσω

102, 110

230, 232 (Anm. 938), 239 (Anm. 969), 276

παλίντονος

121

σπάω

119

πανσυδίῃ/ πασσυδίῃ

147

σταδίη

27, 45, 57

πεζός

61

στάδιος

45, 93

πελώριος

111

στονόεις

30 (Anm. 60)

περιθαρσής

266

στρατός

59–60

περικαταπίπτω

107, 185

στυφελίζω

294

περιώσιος

273 (Anm. 1135), 323

συναρτύνω

101

συνοχή

28 (Anm. 44)

πήληξ

94–98, 131

τανύω

121, 362–64

πικρός

122

ταχινός

πίπτω

22, 185–87, 194

127–28 (Anm. 525)

πλήσσω

152 (Anm. 622)

τεύχεα

67–68, 86–92

πολεμήϊος

51–52, 57

τινάσσω

102, 110 (Anm. 435)

π(τ)ολεμίζω

27, 46–49, 57

τόξον

120–27, 131

π(τ)όλεμος

27–34, 57

τρέω

195, 208–10

πολυθαρσής

29, 266, 343

τρυφάλεια

94–95, 131

πολύρρινος

101

τύπτω

πολύστονος

125

115, 152, 157–61, 193

πρόμος

60–61

ὑπέρβιος

προτενής

107–8

πρόφασις

29 (Anm. 50)

266–67 (Anm. 1096), 322 (Anm. 1347)

ὑπέροπλος

284

442

ὑπέρτερος

41 (Anm. 107)

φοίνιος

166

ὑπερφίαλος

204

φορεύς

121

ὑποτροπίη

30 (Anm. 61), 31 (Anm. 63)

φρίσσω

97–98

ὑσμίνη

27, 45–46, 57

φυγή

196, 198, 220, 221

φάλαγξ

62–63

φύζα

196, 219–21

φάσγανον

116–20, 131

φύλακος

121

φέβομαι

195–98, 221

φύξις

220, 221

φεύγω

195, 198–203, 220–21

φιλοπτόλεμος

338–39

φλόξ

67

φοβέω/φοβέομαι

195, 203–8, 220–21

φόβος

196, 215–19

χάζομαι s. ἀναχάζομαι χόλος

122 (Anm. 501)

ὠτειλή

164–65, 193

443