Entstehung von Sprachen und Völkern: glotto- und ethnogenetische Aspekte europäischer Sprachen ; Akten des 6. Symposions über Sprachkontakt in Europa, Mannheim 1984 3484301627, 9783484301627

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Entstehung von Sprachen und Völkern: glotto- und ethnogenetische Aspekte europäischer Sprachen ; Akten des 6. Symposions über Sprachkontakt in Europa, Mannheim 1984
 3484301627, 9783484301627

Table of contents :
VORWORT
A. METHODIK UND GESCHICHTE DER GENESEFORSCHUNG
1. Methodologische Bemerkungen zur interdisziplinären Problematik der Ethno- und Glottogenese
2. Sprachkontakt und Glottogenese in Europa
B. HISTORISCHE UND ETHNISCHE ASPEKTE DER GENESE
3. Methodological Aspects of Glotto- and Ethnogenesis of the Germanic People
4. Kontinuität und Diskontinuität des Bewußtseins nationaler Eigenständigkeit im Mittelalter
5. Aspekte frühmittelalterlicher Ethnogenese in historischer Sicht
6. Strategie und Sprache - zu den Ethnogenesen des Frühmittelalters
7. Italien in Rom - Zur Entstehung des römischen Italien
8. Entstehung der lateinischen Standardsprache
9. Glottogenese in Italien - zur Entstehung und zu den Anfängen der italienischen Sprache
10. The Development of Insular Celtic
11. The Development of Insular Scandinavian - Languages as National Languages
12. Vom Dialekt zur Nationalsprache - Die Entwicklung des Kastilischen während der Reconquista
C. DIE IDENTITÄTSSTIFTENDE FUNKTION DER SPRACHE SPRACHPOLITIK UND ETHNOLINGUISTIK
13. Sprache, Nationalität, Volk und andere ethnostatistische Begriffe im Lichte der Kontaktlinguistik
14. Die ideologischen und ethnischen Grundlagen des nationalen Erwachens der Tschechen im frühen 19. Jahrhundert
15. Sprache als identitätsstiftender Faktor in Rumänien
16. The Relationship of the New Irish Nation to Gaelic since the 19th Century
17. The Renaissance of Scottish Gaelic as a Component of National Identity
18. Ein "neues" Italienisch - zur Wertung der jüngsten Sprachentwicklung
D. KODIFIZIERUNG UND STANDARDISIERUNG NIEDERLANDE UND BELGIEN
19. Herauslösung und Herausbildung des Niederländischen
20. Entstehung einer einheitlichen estnischen Schriftsprache
21. Ethnogenese und weitere Entwicklung der mordvinischen Sprachen
22. Die Bestrebungen zur schriftsprachlichen Vereinheitlichung der bündnerromanischen Idiome - Zur Vorgeschichte des 'Rumantsch Grischun'
23. Aspekte der Entstehung einer neuen Schriftsprache -das Rumantsch Grischun
24. Das Werden der slowenischen Schriftsprache
25. Die Sprachlichkeit des Makedonischen
26. Das Albanische als National- und Minderheitensprache
E. KREOLISIERUNG KARIBIK
27. Die Anfänge der Verschriftung einer Kreolsprache – Das Negerhollands im 18. Jahrhundert
MITARBEITERVERZEICHNIS

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Linguistische Arbeiten

162

Herausgegeben von Hans Altmann, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Entstehung von Sprachen und Völkern Glotto- und ethnogenetische Aspekte europäischer Sprachen Akten des 6. Symposions über Sprachkontakt in Europa, Mannheim 1984 Herausgegeben von P. Sture Ureland

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1985

CI P-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Entstehung von Sprachen und Völkern : Glotto- u. ethnogenet. Aspekte europ. Sprachen ; Akten d. (6. Symposions über Sprachkontakt in Europa, Mannheim 1984 / hrsg. von P. Sture Ureland. - Tübingen : Niemeyer, 1985. (Linguistische Arbeiten ; 162) NE: Ureland, Per Sture [Hrsg.]; Symposion über Sprachkontakt in Europa (06, 1984, Mannheim); GT ISBN 3-484-30162-7 ISSN 0344-6727 )Max Niemeyer Verlag Tübingen 1985 Alle Rechte vorbehalten. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus photomechanisch zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT A.

IX

METHODIK UND GESCHICHTE DER GENESEFORSCHUNG 1.

ERHARD OESER

Methodologische Bemerkungen zur interdisziplinären Problematik der Ethno- und Glottogenese 2.

1

P. STURE URELAND

Sprachkontakt und Glottogenese in Europa B.

7

HISTORISCHE UND ETHNISCHE ASPEKTE DER GENESE 3.

EDGAR POLOME*

Methodological Aspects of Giotto- and Ethnogenesis of the Germanic People

45

EUROPÄISCHES FRÜHMITTELALTER 4.

FRANTI$EK GRAUS

Kontinuität und Diskontinuität des Bewußtseins nationaler Eigenständigkeit im M i t t e l a l t e r 5.

71

JÖRG JARNUT

Aspekte frühmittelalterlicher Ethnogenese in historischer Sicht 6.

83

WALTER POHL

Strategie und Sprache - zu den Ethnogenesen des Frühmittelalters

93

ITALIEN 7.

HEINRICH CHANTRAINE

Italien in Rom - Zur Entstehung des römischen Italien 8.

ROBERT

SCHMITT-BRANDT

Entstehung der lateinischen Standardsprache 9.

. 1O3

.

.

.

. 121

GÜNTER HOLTUS

Glottogenese in Italien - zur Entstehung und zu den Anfängen der italienischen Sprache

133

VI

BRITISCHE INSELN UND IRLAND 10.

GEORGE BRODERICK

The Development of Insular Celtic ISLAND UND DIE 11.

153

FÄRÖER-INSELN

BJÖRN HAGSTRÖM

The Development of Insular Scandinavian - Languages as National Languages

181

DIE PYRENÄENHALBINSEL 12.

OTTO WINKELMANN

Vom Dialekt zur Nationalsprache - Die Entwicklung des Kastilischen während der Reconquista C.

DIE IDENTITÄTSSTIFTENDE SPRACHPOLITIK 13.

193

FUNKTION DER SPRACHE

UND ETHNOLINGUISTIK

HEINZ KLOSS

Sprache, Nationalität, Volk und andere ethnostatistische B e g r i f f e im Lichte der Kontaktlinguistik .

.

. 2O9

TSCHECHOSLOWAKEI 14.

FRIEDRICH PRINZ

Die ideologischen und ethnischen Grundlagen des nationalen Erwachens der Tschechen im frühen 19. Jahrhundert

219

RUMÄNIEN 15. ADAM T. SZABO Sprache als identitätsstiftender Faktor in Rumänien .

. 235

IRLAND 16.

DESMOND FENNELL

The Relationship of the New Irish Nation to Gaelic since the 19th Century

247

SCHOTTLAND 17.

DERICK S. THOMSON

The Renaissance of Scottish Gaelic as a Component of National Identity

261

VII

ITALIEN 18.

EDGAR RADTKE

Ein "neues" Italienisch - zur Wertung der jüngsten Sprachentwicklung D.

273

KODIFIZIERUNG UND STANDARDISIERUNG NIEDERLANDE 19.

UND BELGIEN

JAN GOOSSENS

Herauslösung und Herausbildung des Niederländischen FINNO-UGRISCHE 20.

.

.

287

SPRACHEN

PAUL KOKLA

Entstehung einer einheitlichen estnischen Schriftsprache 21.

3O5

WOLFGANG VEENKER

Ethnogenese und weitere Entwicklung der mordvinischen Sprachen

317

SCHWEIZ 22.

ALEXI DECURTINS

Die Bestrebungen zur s c h r i f t s p r a c h l i c h e n Vereinheitlichung der bündnerromanischen Idiome - Zur Vorgeschichte des 'Rumantsch Grischun" 23.

349

GEORGES DARMS

Aspekte der Entstehung einer neuen Schriftsprache das Rumantsch Grischun

377

JUGOSLAWIEN 24.

GERHARD NEWEKLOWSKY

Das Werden der slowenischen Schriftsprache 25.

391

NORBERT REITER

Die Sprachlichkeit des Makedonischen

4O3

ALBANIEN 26.

WALTER BREU

Das Albanische als National- und Minderheitensprache

.

415

VIII E.

KREOLISIERUNG KARIBIK 27.

PETER STEIN

Die Anfänge der Verschriftung einer Kreolsprache - Das Negerhollands im 18. Jahrhundert MITARBEITERVERZEICHNIS

437 459

VORWORT

Das 6. Internationale Symposion über Sprachkontakt in Europa war dem Thema der Entstehung europäischer Sprachen und Nationen

ge-

widmet. Das Symposion wurde vom linguistischen Arbeitskreis der Universität Mannheim mit f i n a n z i e l l e r Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft in zwei getrennten Veranstaltungen Universität Mannheim im Juni ( 8 . 6 ) und Oktober

an der

( l . 1 0 . - 3 . 1 0 . ) 1984

abgehalten. Eine A u f t e i l u n g des Symposions in zwei verschiedene Veranstaltungen erwies sich aus organisatorischen und f i n a n z i e l len Gründen als notwendig,

da die große Anzahl von über 30 an-

gemeldeten Vorträgen den für das Symposion gesetzten Rahmen zu sprengen drohte. Deshalb wurde ein eintägiges Vorsymposion über historisch-vergleichende Aspekte der Glottogenese im Juni 1984 zusätzlich durchgeführt,

das die Oktober-Tagung von fünf auf

drei Tage schrumpfen ließ. Auf dem Vorsymposion wurden die Vorträge von Edgar Polome, Robert Schmitt-Brandt, Günter Hol'tus, Edgar Radtke und George Broderick gehalten. Das Thema zur Genese von Sprachen des Gesamtsymposions 1984 ist das Ergebnis von Diskussionen innerhalb einer für die Planung des Symposions eigens gewählten Kommission, die sich noch während des 5. Symposions über Sprachkontakt in Europa im März 1982 spontan bildete. Diese Planungskommission leistete für die erfolgreiche Durchführung unverzichtbare H i l f e , was die Themenwahl und die Benennung entsprechender Referenten b e t r i f f t . Die Thematik zu Geneseprozessen der Sprachen und Völker in Europa war keineswegs von vornherein vorgegeben, sondern entstand im Laufe von drei Kommissionssitzungen in Mannheim und Bamberg durch die gemeinsamen Vorschläge der sieben Kommissionsmitglieder: P r o f . Dr. Istvan Batori ( K o b l e n z ) , P r o f . Dr. Annegret Bollee (Bamberg), Akademischer Oberrat Dr. Erwin Diekmann (Mannheim), P r o f . Dr. Hans Goebl ( S a l z b u r g ) , P r o f . Dr. Baidur Panzer (Heid e l b e r g ) , Prof. Dr. Horst Munske ( E r l a n g e n ) und P r o f . Dr. P.

Stu-

re Ureland ( M a n n h e i m ) . Ein Teilaspekt des im März 1982 veranstalteten Symposions bestand in dem Versuch, eine Typologie der Sprachkontakte zu erstel

len. Der im Anschluß zu diesem Symposion gemachte Vorschlag, eine Veranstaltung dem Thema der Glotto- und Ethnogenese zu widmen, wurde von den Kommissionsmitgliedern einhellig für gut befunden. Ein gesamteuropäischer Ansatz war von Anbeginn durch die Zusammensetzung der Kommission gewährleistet; der Kommission gehörten an: Vertreter der Romanistik, Germanistik, Slavistik, Finno-Ugristik, Nordistik, Keltologie und der Allgemeinen Linguistik. Die Kommission war sich darin einig, daß in dem Bemühen, gewisse gemeinsame Prozesse der Entstehung europäischer Sprachen zu ermitteln, die Entstehung kleinerer europäischer Sprachen eine gewisse Priorität haben sollte, da ihr Ursprung und ihre Geschichte für die meisten unbekannt sind. Mit Ausnahme des Lateinischen, Kastilischen und Italienischen wurden im Programm deshalb die größeren Sprachen Europas ausgeklammert. Diese Schwerpunktsetzung stand im Einklang mit der Forschungsausrichtung des Linguistischen Arbeitskreises Mannheim, der sich - wie auch der jetzt vorliegende Band zeigt - immer in besonderem Maße dem Thema der Sprach- und Kulturkontakte in den Randgebieten der größeren Sprachen gewidmet hat. Dies soll jedoch nicht heißen, daß die Entstehung der größeren Sprachen und Nationen in Europa für uns von geringerem Interesse wäre, es ist dies nur eine Frage der Beschränkung und Gewichtung. Dem Wunsch der Kommission entsprechend, eine ganzheitliche Behandlung der europäischen Glotto- und Ethnogenese anzustreben, konnten dank der wissenschaftlichen Kontakte der jeweiligen Kommissionsmitglieder Kenner der Geneseproblematik aus dem Bereich der Romanistik, Germanistik, Slavistik, Finno-Ugristik, Keltologie und Nordistik zu Vorträgen eingeladen werden. Es war von vornherein k l a r , daß eine der Themenstellung angemessene Vorgehensweise eine o f f e n e und interdisziplinäre Zusammenarbeit nicht nur mit Vertretern der oben erwähnten sprachlichen Teildisziplinen, sondern auch mit Vertretern der Geschichte-, Rechts-, Sozial- und Staatswissenschaften etc. erforderte. Eine solche breitgefächerte Interdisziplinarität wäre zwar wünschenswert gewesen, hätte jedoch den Rahmen der Veranstaltung gesprengt. Eine zufriedenstellende geographische Perspektive der Geneseprozesse vom Altisländischen im Norden bis zum Albanischen und

XI

Makedonischen im Süden, vom Irischen im Westen bis

zum Morvini-

schen im Osten konnte durch einen Teil der im vorliegenden Band publizierten Artikel erreicht werden; sie wird ergänzt durch eine historische Aspektuierung als Voraussetzung für ein Verständnis der sprachlichen und ethnischen Situation im heutigen Europa. Durch die Zusammenführung von Vertretern der Sprach- und Geschichtswissenschaften konnte so die Brücke zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit geschlagen werden, die gegenüber einer a l l z u engen und einseitig fachbezogenen Ausrichtung der Linguistik heute wichtiger denn je ist und die angesichts der internlinguistischen Theoriebildung in der Systemlinguistik

zum Still-

stand kam. Der ausgesprochen positiv zu bewertende Verlauf des Symposions ist

auf die starke internationale Komponente, die F ä c h e r v i e l f a l t

der sprachwissenschaftlichen Disziplinen und die soeben angesprochene Interaktion zwischen Sprach- und Geschichtswissenschaftlern z u r ü c k z u f ü h r e n . Es gelang, die zu behandelnde Thematik der Glotto- und Ethnogenese in Europa intensiv zu erörtern und neue Perspektiven für die verschiedenen europäischen Sprachräume und Sprachepochen zu gewinnen. Die im Inhaltsverzeichnis zum Ausdruck kommende Gliederung wurde nach zwei Kriterien vorgenommen: einmal historisch-typologisch, zum anderen additiv-geographisch. Diese grobe Unterteilung der insgesamt 27 hier v e r ö f f e n t l i c h t e n Artikel ergibt fünf Hauptabschnitte. Im Abschnitt A sind die beiden methodologisch und historiographisch orientierten Artikel von Erhard Oeser und P. Sture U r e l a n d enthalten. Im Abschnitt B sind die historischvergleichenden Artikel von Edgar Polome, Robert Schmitt-Brandt und George Broderick und die historischen und ethnolinguistischen Artikel von Günter Holtus, Björn Hagström und Otto Winkelmann zusammengestellt. Diese sprachhistorisch ausgerichteten Artikel behandeln die Genese der germanischen, lateinischen, italienischen, inselkeltischen, inselskandinavischen und kastilischen Sprache(n) aus einer historisch-ethnolinguistischen Perspektive, wobei auch Aspekten der K o d i f i z i e r u n g und Standardisierung Rechnung getragen wird. Im Abschnitt B sind auch unter der Überschrift Europäisches

XII

Frühmittelalter die Artikel von Frantisek Graus, Jörg Jarnut und Walter Pohl zu finden, was die Parallelität der Sehweise von Glotto- und Ethnogenese unter Sprachwissenschaftlern und Historikern unterstreichen soll. Wie gut eine solche historische und sprachwissenschaftliche Zusammenarbeit funktionieren kann, kommt in den Darstellungen der Glotto- und Ethnogenese in Italien von Heinrich Chantraine und Robert Schmitt-Brandt zum Ausdruck, die beide durch den Artikel von Günter Holtus über die Entstehung des Standarditalienischen wertvoll ergänzt werden. Im Abschnitt C kommt die identitätsstiftende Funktion der Sprache als Genesefaktor zur Geltung. Diese Funktion war bei der Planung des Symposions für das Gesamtsymposion in Form eines Untertitels vorgesehen, mußte aber im Laufe der Planung und bei der endgültigen Durchführung des Symposions aufgegeben werden, weil die althistorischen Vorträge auf diesen Faktor einfach nicht eingehen konnten und die historischen Quellen h i e r f ü r wenig Information liefern. Dazu kam, daß andere gleich wichtige Faktoren wie Kodifizierung, Standardisierung und Kreolisierung als unverzichtbare Prozesse in der Beschreibung der Genese europäischer Sprachen hinzugezogen werden mußten. Eine Hervorhebung der identitätsstif tenden Funktion der Sprachen auf Kosten anderer, gleich wichtiger Faktoren bei der Genese erschien uns deshalb nicht motiviert. Im Abschnitt C konnten alle Artikel mit Ausnahme des Beitrags von Heinz Kloss nach einem additiv-geographischen Prinzip geordnet werden, wobei hier die identitätsstiftende Rolle beim Geneseprozeß die Grundlage der Zusammenführung ausmacht, wie die Beiträge ge von Friedrich Prinz (Tschechoslovakei), Adam Szabo ( R u m ä n i e n ) , Desmond Fenneil ( I r l a n d ) , Derick S. Thomson (Schottland) und Edgar Radtke (Italien seit 1860) zeigen. Diese additiv-geographische Gliederung darf uns jedoch nicht zu einer Verengung der Perspektiven bzw. dazu verleiten, die typologisch ähnlichen Gerieseprozesse in der Entstehung der involvierten Standardsprachen zu verkennen. Indem wir die additiv-geographische Gliederung mit historischen, sozialen und ethnischen Genesefaktoren in den Überschriften kombiniert haben, soll die Interpendenz zwischen Genesetypen, geographischem Raum, historischer und ethnischer Dimension unter-

XIII

strichen werden. Es ist k l a r , daß viele der hier veröffentlichten Artikel sich gewissermaßen kreuzqualifizieren ließen, so daß z . B . der Beitrag von Günter Holtus zur Glottogenese in Italien, der j e t z t im historischen Abschnitt B zu finden ist, sich hätte ebenso auch im Abschnitt C unter der identitätsstiftenden Funktion der Sprache einordnen lassen können. Eine ähnliche "Kreuzklassifizierung" hätte auch mit dem Beitrag von Otto Winkelmann über die Entstehung des Kastilischen vorgenommen werden können. Da aber die Geneseprozesse in diesen beiden Beiträgen zeitlich weiter zurückliegen als die im Abschnitt C beschriebenen Geneseprozesse, für die wir eine bessere und noch lebendige Zeugnislage haben, erscheint uns die vorgenommene Einteilung begründet. Im Abschnitt D sind die Artikel zusammengefaßt, in denen die Genese durch Kodifizierung und Standardisierung zum Tragen kommt. Durch die Beiträge dieses Abschnitts l ä u f t dieser Genesefaktor wie ein roter Faden hindurch: vgl. die Beiträge von Jan Goossens (Entstehung des Niederländischen), Paul Kokla ( E s t n i s c h ) , Wolfgang Veenker (Mordvinisch), Alexi Decurtins und Georges Darms (Rumantsch G r i s c h u n ) , Gerhard Neweklowski (Slovenisch), Norbert Reiter (Makedonisch) und Walter Breu ( A l b a n i s c h ) . Ein besonders interessanter Fall von Genese liegt in der Entstehung von Pidgin- und Kreolsprachen (Kreolisierung) vor, der Gegenstand des Beitrages von Peter Stein ist. Auch wenn die Genese dieser auf den Dänischen A n t i l l e n gesprochenen Kreolsprache - Negerhollands - in der Karibik im 18. Jahrhundert außerhalb Europas stattfand, ist der Artikel doch eine wertvolle Ergänzung im Rahmen der aufgezeigten Genesefaktoren; er ist somit ein wichtiger Beitrag zu den Erkenntnissen der europäischen Glottogenese. Damit ist der Katalog der Genesefaktoren, wie sie sich in der Systematisierung unseres Inhaltsverzeichnisses niederschlagen, keineswegs beendet. In den verschiedenen Vorträgen und Diskussionen während des Symposions kam immer wieder eine Reihe von Faktoren zur Sprachgenese zur Sprache, die wir hier nur kurz aufzählen können: historisch-genealogische Aufsplitterung, die Ausgliederung von Dialekten, der Sprachkontakt, die Nationenbildung, religiöse Strömungen, die E t h n i z i t ä t , sprachliche Wiederbelungsver**·!

XIV

suche, Handel, Sklaverei und Plantagenwirtschaft und nicht zuletzt die sprachstiftende Leistung eines Individuums ( v g l . Abb. l in dem Beitrag von P. Sture U r e l a n d ) . Natürlich war man sich, was die Wirkungsweise der jeweiligen Genesefaktoren a n b e t r i f f t , nicht immer einig. Die Erstellung eines kompletten Genesekatalogs für jede Genese in jedem der hier behandelten Sprachgebiete konnte die Tagung im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Zeit nicht leisten. Jeder der hier aufgezählten Faktoren könnte für sich schon zum Thema eines umfassenden Symposions werden. Die Bewertung der so zahlreich ermittelten Genesefaktoren bereitete, wie Erhard Oeser hervorhob, den Teilnehmern Schwierigkeiten. Während die Sprachwissenschaftler die oben erwähnten Genesefaktoren expl-izit und modellhaft für die Beschreibung und Erklärung der europäischen Glottogenese heranziehen wollten, übten die Historiker eine a u f f ä l l i g e Zurückhaltung in ihrer Darstellung der Ethnogenese in Europa; dies b e t r i f f t in erster Linie die Bildung von Stamm, Gentilgruppen, Gens, ethnischen Großgruppen, Volk, Nation usw. (vgl. Abschnitt C) . über die identi·*· tätsstiftende Funktion solcher ethnischen Gruppen herrschte jedoch Einigkeit, auch wenn andere Faktoren als nur eine gemeinsame Sprache, wie z . B . gemeinsame Geschichte, Schicksalsgemeinschaft, gemeinsame soziale und ökonomische Entwicklung, für die Bildung eines Ethnos gleichbedeutend sein können. Diese zum Teil unterschiedliche Bewertung von Geneseprozessen durch die Historiker und die Sprachwissenschaftler lag natürlich auch an den unterschiedlichen methodologischen Vorgehensweisen, die diese beiden wissenschaftlichen Disziplinen bestimmen. So wurde gleich am ersten Tag des Oktober-Symposions deutlich, daß von selten der Sprachwissenschaftler der Versuch unternommen wurde, erklärende Schemata zur Glottogenese a u f z u s t e l l e n , um damit zu einer Genesetypologie zu kommen. Von ihrem Wissenschaftsverständnis her wollten sich die anwesenden Historiker auf einen solchen Versuch nicht festlegen lassen, da sie jeden historischen Prozeß für mehr oder weniger einmalig und daher unwiederholbar hielten. In der Schlußdiskussion am dritten Tag nahmen auch die Historiker konkret Stellung zu dem vorgeschlagenen

XV

Faktorenmodell der Sprachwissenschaftler und weigerten sich, sich auf ein solches schemahaftes Ergebnis für die Ethnogenese festlegen zu lassen, das ihrer Meinung nach nicht die ganze Wirklichkeit abdeckt. Solch ein abstraktes Modell würde nicht die Einzelerscheinungen in der Geschichte wiedergeben können und würde somit die Historiker unglaubwürdig machen: "Je abstrakter das Modell wird, umso weniger wird der Erkenntniswert für den konkreten E i n z e l f a l l "

(Jörg J a r n u t ) . Eine Monokausalität der Eth-

nogenese sei jedoch auszuschließen, vielmehr müsse von einer Fülle von erklärenden Momenten ausgegangen werden. Auch sei es weiterhin eine u n z u t r e f f e n d e Annahme, daß alle Faktoren der Ethnogenese wie politische Führungskraft, Rechtseinheit, Heiratsgemeinschaft, Sippengemeinschaft und Gemeinschaft der

Überliefe-

rung zusammenkommen müßten, um die Voraussetzung für eine Ethnogenese herbeizuführen. Im Frühmittelalter sei beispielsweise die herrschaftliche Erfassung von Kleingruppen und ihre Integration zu Großgruppen von entscheidender Bedeutung in der Genese eines Ethnos. In diesem Zusammenhang kam es z . B . zu einer sehr interessanten und kontrovers geführten Diskussion nach dem Vortrag von Jan Goossens, der eine primär sprachwissenschaftlich immanente Argumentation in seiner Beschreibung der Entstehung und Herauslösung des Niederländischen geführt hatte, der Jarnut mit historisch-politischen Argumenten entgegentrat. Die gemeinsamen Diskussionen über Ethno- und Glottogenese zwischen Historikern und Sprachwissenschaftlern gehörten

zweifellos

zu den ergiebigsten Resultaten des ganzen Symposions. Es versteht sich von selbst, daß die Thematik des Symposions keineswegs erschöpfend behandelt werden konnte, und daß - wie bereits betont - die Gewinnung weiterer Erkenntnisse für die sprachliche und ethnische V i e l f a l t in Europa, von der Heranziehung weivon Vertretern weiterer Disziplinen ( z . B . Sprachenrechtler, Politologen, Ethnologen, Soziologen etc.) abhängig ist

und für die

Z u k u n f t wünschenswert wäre. Für die Durchführung des Symposions im Juni 1985 war die

fi-

n a n z i e l l e Unterstützung durch das Dekanat für Sprach- und Literaturwissenschaft

der Universität Mannheim eine wichtige H i l f e , wo-

für ich mich recht h e r z l i c h bedanke. Die Erstattung von Reise-

XVI

und Übernachtungskosten der Referenten des Oktobersymposions und der teilnehmenden Kommissionsmitglieder, die in der Schlußdiskussion ihre jeweiligen fachlichen Disziplinen vertraten, wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft ermöglicht; im Namen des Linguistischen Arbeitskreises Mannheim (LAMA) möchte ich daher an dieser Stelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die gewährte f i n a n z i e l l e Unterstützung, ohne die eine Durchführung des Symposions unmöglich gewesen wäre, ausdrücklich danken. Mein besonderer Dank gilt auch allen Kommissionsmitgliedern, die durch ihre Mühewaltung maßgeblich zum Gelingen des Symposions beigetragen haben. Für die Herstellung druckfertiger Manuskripte möchte ich Frau Edith Lutz, Frau Anne Peter, Herrn Otmar Bettscheider, Herrn Paul Hopkins und besonders Herrn Joachim Born herzlich danken. P. Sture Ureland

METHODOLOGISCHE BEMERKUNGEN ZUR INTERDISZIPLINÄREN PROBLEMATIK DER ETHNO- UND GLOTTOGENESE

Erhard Oeser

Ziel dieses Symposions war es, in interdisziplinärer Weise "Einblicke in Entwicklungsschemata der Entstehung von Sprachen und Völkern" (Ureland) zu gewinnen. Die folgenden Bemerkungen versuchen die von den Teilnehmern und Referenten des Seminars sowohl intuitiv vorausgesetzten als auch e x p l i z i t dargestellten methodologischen Strukturen vom Standpunkt eines Wissenschaftstheoretikers darzustellen und zu systematisieren. Die Grundlage für einen solchen Versuch konnte jedoch von vornherein nicht ein festgelegter wissenschaftstheoretischer Überbau sein, der nach dem Muster der Standardkonzeption der gegenwärtigen Wissenschaftstheorie als fertiges metatheoretisches System über die einzelnen fachspezifischen Beiträge übergestülpt werden könnte. Ausgangspunkt war vielmehr das Konzept einer komparativen Wissenschaftstheorie, die zwar bestimmte Minimalstandards der logischen Korrektheit in der Begriffs- und Theorienbildung und in allen Fragen der empirischen Überprüfbarkeit voraussetzt, in a l l e n konkreten Analysen aber auf einem Methodenvergleich beruht. Systematisch gesehen ergaben sich während des Symposions drei grundsätzliche methodologische Hauptprobleme: 1.

Eine grundsätzliche methodologische D i f f e r e n z zwischen Historikern einerseits und Sprachwissenschaftlern andererseits.

2.

Eine allgemeine begriffstheoretische Schwierigkeit in der Analyse der logischen Struktur der B e g r i f f e "Volk", "Nation", "natürliche Einzelsprache", "Nationalsprache" usw. Die ebenso allgemeine wie grundsätzliche Fragestellung nach der logischen Struktur und dem Erklärungsanspruch von

3.

Entwicklungsschemata, die untrennbar mit der Frage nach der Zulässigkeit von Metaphern und Analogiemodellen aus anderen Wissensbereichen (Kosmologie, Biologie u . a . ) verknüpft war.

2

Die methodologischen Unterschiede zwischen Historikern und Linguisten traten gleich am ersten Tag des Symposions am stärksten hervor. Während von Seiten der Sprachwissenschaft von vornherein versucht wurde, Schemata von Faktoren der Glottogenese a u f z u s t e l l e n , um damit auch zu einer Genesetypologie der europäischen Sprachen und Völker zu kommen, waren solche Schemata in den Beiträgen der Historiker nicht zu f i n d e n ? ja,

sie wurden

auch gar nicht angestrebt. Der Grund d a f ü r liegt in dem Unterschied der Zielsetzungen der Historiker und Linguisten, der jeweils die allgemeine Vorgangsweise und die spezifische Methodenwahl bedingt. Grob ausgedrückt kann man sagen, daß der Historiker sich primär mit Prozessen beschäftigt, die als geschichtliche Prozesse irreversibel und einmalig sind. Dagegen beschäftigt sich der Linguist mit einem weitgehend stabilen Phänomen, das einen allgemein systematischen Charakter hat,

vor a l l e m , wenn es sich um eine Schrift-

sprache handelt. Denn zu jeder geregelten Sprache gehört ein bestimmter Wortschatz und eine bestimmte grammatikalische Struktur. Die Fragen nach dem geschichtlich Gewordensein werden darum erst nachträglich an das Phänomen Sprache gestellt. Trotzdem aber

ist

der Unterschied in der Zielsetzung und Methodologie nicht absolut

zu setzen. Denn System und Geschichte bilden keinen Gegen-

s a t z . In beiden Wissensgebieten, Geschichtswissenschaft wie Sprachwissenschaft, gibt es sowohl Synchronie als auch Diachronie. Die B e g r i f f e ,

die die Historiker verwenden, sind nur viel

stärker ihrer Definition und ihrem Inhalt nach an eine bestimmte Zeit gebunden. So ist,

wie die Beiträge der Historiker (Pohl,

J a r n u t ) gezeigt haben, der Begriff "Gens" weder eindeutig mit "Volk" noch mit "Stamm" zu übersetzen, ebensowenig mit "Nation", weil in diesem B e g r i f f eine geographische Komponente steckt ("geb ü r t i g a u s " ) , während der Begriff "Gens" zur Zeit der sog. "Völkerwanderung" der Ausdruck für ein mobiles Heer als eine Schicksals- und Kampfgemeinschaft

(Pohl, Jarnut in Anschluß an H. Wolf-

ram) war. B e g r i f f s t h e o r e t i s c h e Analysen und Reflexionen setzten sich in verschärfter

Form am zweiten Tag des Symposions f o r t , als es

ins-

besondere an den Beispielen der mazedonischen, slovenischen und

3 der mordvinischen Sprache um die Präge nach der identitätsstiftenden Funktion von Sprachen ging. Daß es sich beim Begriff der "Nation" nicht um einen k l a s s i f i k a t o r i s c h e n Begriff h a n d e l t , wurde am Beispiel der "makedonischen Nation" besonders d e u t l i c h . "Nation" wurde begriffstheoretisch als operationaler Begriff gedeutet und damit zugleich p r ä z i s i e r t . "Nation" ist dann ein Verfahren zur Umorganisation der Gesellschaft

( R e i t e r ) . Der B e g r i f f

beschreibt dann nicht eine logische Klasse von gleichartigen Individuen,

sondern ein Phänomen, das in seiner R e a l i t ä t immer

wieder hergestellt werden muß: "Nation" muß in diesem Sinne geübt werden, hat daher nicht nur retro-, sondern auch prospektiven Charakter. In der Retrospektive kommt es vielmehr zu Legenden ind Mythenbildung, indem der Ursprung der modernen Nationen ins Altertum zurückverlegt wird. Gegen diese radikale Operationalisierung des B e g r i f f s "Nation", die bedeuten würde, daß Nationen gemacht werden und nicht als natürliche Klassen entstehen, wurde der Einwand einer zu großen Subjektivität erhoben, welche die "objektiven"

Faktoren

(Graus) der Ethnogenese wie z . B . ge-

meinsame H e r k u n f t oder Abstammung, die organisch-physische Ähnlichkeiten der Individuen zur Folge hat,

zu wenig berücksichtigt.

Einig war man sich darin, daß monokausale Erklärungsschemata nicht zulässig sind. Sowohl Ethnogenese als auch Glottogenese beruhen letzten Endes auf einer Bündelung und Potenzierung mehrerer Faktoren,

so daß eine chronologisch diskontinuierliche

Entwicklung des Eigenbewußtseins eines Volkes zustandekommt. Methodologisch gesehen trat damit die Diskussion um die typologischen B e g r i f f e in den Vordergrund. Zum Unterschied von den klassifikatorischen B e g r i f f e n , die eine Menge identischer Individuen so umfassen, daß das dadurch entstehende B e g r i f f s f e l d ungegliedert und ungeordnet bleibt, haben die typologischen Beg r i f f e eine andere Erkenntnisfunktion. Sie sind definitorisch u n s c h a r f , weil man aufgrund der verschiedenen Faktoren und Merkmale nicht immer eindeutig angeben kann, ob ein Individuum unter diesen Begriff f ä l l t oder nicht. Sie sind aber deswegen keineswegs unpräzise,

weil sie positiv ausgedrückt innerhalb des Be-

g r i f f s f e l d e s zu einer strengen Ordnung f ü h r e n . Ein Individuum steht innerhalb eines typologischen B e g r i f f s auf einer Skala der

4

stärkeren und schwächeren Ausprägung der verschiedenen Merkmale. So kann man z . B . von einem "typischen Deutschen" oder "typischen Italiener" oder "typischen Griechen" sprechen, je nach Ausprägung bestimmter Merkmale. Der Rassismus beruht jedoch auf der falschen Gleichsetzung solcher typologischen Begriffe mit klassifikatorischen B e g r i f f e n . Als natürliche Klasse ist

nur der homo

sapiens anzusehen, während Rasse, Stämme und Völker nur infraspezifische Varietäten darstellen, die schon wegen der Vermischung durch Heirat nur schwer oder überhaupt nicht voneinander als geschlossene natürliche Fortpflanzungsgemeinschaften abzutrennen sind. Ethnische Gruppen, Völker oder Nationen sind daher schon längst nicht mehr Angehörige einer biologischen Abstammungsgemeinschaft, sondern einer Abstammungsgemeinschaft durch Überlieferung. Ihre Entstehung ist

keine Sache des Blutes, sondern der

Verfassung (Jarnut nach W o l f r a m ) . Die Individuen definieren sich innerhalb eines typologischen B e g r i f f s f e l d e s sozusagen gegenseitig und weisen sich innerhalb ihrer Handlungsgemeinschaft einen bestimmten Ort zu. Typologische B e g r i f f e haben daher auch topologischen Charakter. Aus dieser inneren logischen Struktur typologisch-topologischer B e g r i f f s b i l d u n g ist

auch die in fast allen

Referaten sowohl von den Historikern als auch Sprachwissenschaftlern hervorgehobene repräsentative Rolle von exzeptionellen

Per-

sönlichkeiten zu verstehen, die als Begründer oder Erneuerer von Nationen oder Nationalsprachen gelten, z . B . Krste Misirkov für Mazedonien, Primo? Trubar für die Slovenen, Ivar Aasen für Nynorsk, Gyspert Japicx und Douwe Kalma für das Westfriesische und Neuwestfriesische, Dobrovsky für die Tschechen usw. Das zielbewußte Wirken solcher historischer Persönlichkeiten bedeutet

jedoch nicht, daß sowohl die Sprachentstehung als auch das

nationale Erwachen ein geplantes a r t i f i z i e l l e s Unternehmen

ist.

Mit dem Hinweis auf W. Wundts Begriff der "Heteronomie der Zwekke" ( P r i n z ) wurde auf ein in der Philosophiegeschichte seit David Hume und Adam Smith bekanntes Erklärungsschema verwiesen, das auch Hegels Vorstellung von der "List der V e r n u n f t " bestimmt: einzelne historische Personen oder Gruppen verfolgen verschiedene Z i e l e und bringen ein komplexes Gesamtphänomen

her-

vor, daß von niemandem a l l e i n als Individuum geplant oder ge-

5

wollt war. Methodologisch wurde dadurch k l a r , daß die Kategorien künstlich und n a t ü r l i c h , subjektiv und objektiv im konkreten geschichtlichen Prozeß der Sprach- und Volksentstehung nicht zu trennen sind. Am dritten Tag des Symposions standen methodologisch gesehen die Probleme der A u f s t e l l u n g von Entwicklungsschemata im Vordergrund. Die heuristische Funktion von Metaphern aus verschiedenen Wissensgebieten wurde betont. Ihre Leistungsfähigkeit erweist sich jedoch nur, wenn sie zu Modellen ausgearbeitet werden.

Ins-

gesamt wurden von den Referenten mindestens fünf Metaphern oder Modelle genannt, die für die Sprachentstehung in Anspruch genommen worden sind 1.

das kosmologische Planetenentstehungsmodell nach Kant-Laplace (Goossens)

2.

das biologische Abstammungsmodell (Veenker, Goossens) im phylogenetischen Sinn

3.

eine ontogenetische Metapher über Geburt oder Wiedergeburt und Tod, Mord und Selbstmord einer Sprache (Zondag)

4.

das Modell der Überdachung (Kloss, Goossens)

5.

und das Wellenmodell (Goossens)

Zu einem Entstehungsmodell einer Sprache kommt man auch dann, wenn man innerhalb einer Liste von Faktoren eine Gewichtung oder Rangordnung angibt, was am Beispiel der Entwicklung des K a s t i l i schen zur Nationalsprache (Winkelmann) k l a r wurde, wo die m i l i tärisch-politische Macht als treibender Faktor angesehen wurde. Sprache ist

ein Dialekt, der über eine Armee v e r f ü g t .

Daß die Verwendung von Erklärungsmodellen aus anderen Wissensgebieten nicht unkritisch e r f o l g t e ,

läßt sich dadurch erkennen,

daß diese Modelle dort, wo sie am extensivsten gebraucht wurden, auch eine selbstkorrigierende und ergänzende Funktion haben. So ergänzt z . B . das Überdachungs- und Wellenmodell das Stammbaummodell dort, wo Sprachen mit höherer pragmatischer Funktion solche mit niedrigeren Funktionen überlagern oder wo nichtverwandte Sprachen miteinander in Kontakt kommen (Goossens). O f f e n bleibt

6

jedoch die Frage, ob eine hierarchische Systematisierung dieser Modelle zu einem integrierten Gesamtmodell der Glottogenese f ü h r t , das in a l l e n Punkten diesem komplexen Phänomen adäquat ist.

Die Gefahr der Idealisierung scheint bei der A u f s t e l l u n g

eines solchen Gesamtmodells, das die Vorzüge a l l e r anderen Modelle u m f a ß t , zu groß zu sein.

SPRACHKONTAKT UND GLOTTOGENESE

IN EUROPA

P. Sture U r e l a n d

0.

Einleitung

Die Entstehung der Sprachen und Völker in Europa gehört zu den faszinierendsten Problemen der modernen Geschichts- und Sprachforschung . Kaum ein anderer Kontinent ist

von so v i e l e n sprach-

lichen, politischen und ökonomischen Grenzen zerschnitten. Die Glotto- und Ethnogenese in Europa ist

deshalb ein Thema, das die

größte Aufmerksamkeit verdient und das sich in der l e t z t e n Zeit zu einem wichtigen Forschungsgegenstand entwickelt hat, nicht nur unter Historikern und Sprachwissenschaftlern, sondern auch unter Ethnologen, Soziologen und Politologen. Die Erforschung der Geneseprozesse, die zu den heutigen Nationen und Sprachen in Europa g e f ü h r t haben, gewinnt immer mehr an Aktualität,

da wir dadurch ein besseres Verständnis der sprachli-

chen V i e l f a l t auf unserem Kontinent bekommen und dadurch auch

ei-

nen Beitrag zu einer europäischen Einigkeit l i e f e r n können. Die katastrophalen Folgen eines fanatischen Nationalismus der jüngsten Geschichte müssen überwunden werden, weil diese Verzerrungen des Geistes uns a l l e zu w i s s e n s c h a f t l i c h e n und politischen Niederlagen g e f ü h r t haben. Die Erforschung der europäischen Ethnien und die Analyse der dahintersteckenden Geneseprozesse hat meiner Meinung nach die höchste P r i o r i t ä t . Eine Ganzheitsbetrachtung von Europa ist

ein selbstverständ-

licher Ansatz für jeden Forscher, der ein repräsentatives B i l d von der Glottogenese in Europa entwerfen w i l l . Ich werde mich in diesem Artikel auf die Bedeutung der Sprachkontakte für die europäische Glottogenese k o n z e n t r i e r e n , wobei ich gewisse Aspekte der Ethnogenese mitberücksichtigen muß ( v g l . Abschnitt 3 ) ; dabei möchte ich auch einige V o r s t e l l u n g e n und gel ä u f i g e Modelle erörtern, die im L a u f e der Zeit als E r k l ä r u n g d e r Glottogenese vorgeschlagen worden sind ( v g l . Abschnitt 4 ) .

8

1.

Faktoren der Glottogenese

Bevor ich einen historiographischen Überblick über die Aufassungen zum Zusammenhang zwischen Sprachkontakt und Glottogenese in Europa gebe, w i l l ich eine Skizze zeigen, die die wichtigsten Genesefaktoren zusammenfaßt ( v g l . Abb. 1), die im Laufe des Mannheimer Genesesymposions direkt oder indirekt von den Referenten erwähnt wurden. In diesem Artikel sollen jedoch nur drei von den elf hier a u f g e z ä h l t e n Faktoren in Abb. l aus deskriptiven Gründen eingehend erörtert werden: (1)

die historisch-genealogische A u f s p l i t t e r u n g ,

(2)

der Sprachkontakt mit Diglossie, Bilingualismus, Überdachung und Entlehnungsprozessen

(3)

die K o d i f i z i e r u n g und Standardisierung von Sprachen.

Auf die anderen acht Faktoren wird hier nicht näher eingegangen, obwohl es sich um gleich wichtige Faktoren in der europäischen Glottogenese handelt: (4)

die Ausgliederung von Dialekten durch Isolation, Migration und Eroberung,

(5)

die Pidginisierung

und Kreolisierung,

(6)

die Nationsbildung ( V o l k , Gens, Stamm, Staat, Nation)

(7)

die Ethnizität und identitätsstiftende Funktion.

Weiterhin muß hier auf eine D a r s t e l l u n g verzichtet werden, die (8) (9)

religiöse Strömungen (Kreuzzüge und die R e f o r m a t i o n ) , Wiederbelebungsversuche einer Sprache ( z . B . Hebräisch, Irisch, Nynorsk)

(10)

die Leistung einer Einzelpersönlichkeit

(Dante in

Ita-

lien, N e b r i j a in K a s t i l i e n , Luther in Deutschland, Japix in Friesland, Trubar in Slovenien, Aasen in Norwegen und Vassalli auf M a l t a ) . Der Faktor Handel ist

ohne Vergleich einer der wichtigsten au-

ßerlinguistischen Faktoren in der Entstehung der europäischen Sprachen und V ö l k e r . Was Europa b e t r i f f t ,

ist

in historischer Zeit

der Handelsfaktor nur in einigen F ä l l e n mit dem Pidginisierungsund Kreolisierungsfaktor

( v g l . Faktor 5 oben) direkt v e r k n ü p f t ,

wie z . B . bei der Entstehung der lingua franca im Mittelmeergebiet während des M i t t e l a l t e r s oder des Russe-Norsk in Nordnorwegen im 18. und 19. Jahrhundert. Auf die generelle R o l l e , die die Handels-

FAKTOREN ymsTORiscH-

GE N E. ALOGISCH E. AUFSPUTTE-RUNCt

DER CrLOTTOGEM E1£»E.

fy AUSOLIEDERUNQ-

*-» VON DIALEKTEN

X

(durch M» Option, Isolat ory^Eroberunq)

RELIGIÖSE. fiTROMUMCk-

qe, Reformation,, - Rc-forma-t\on)

6) NATlOhJSBlLDUMGr ( GroBqruppe, Stamm., Gens, Volk, 3taat) / X

GLOTTO-

I

GENESE

9JV/1E.DER-

STANDARDISIERUNG Trou.be d oard.1 cKtong, Plantegenwipfcadrxöif

Ka r\z.l Ä ve rwal-tunq, GKLndan von Sprach pol iti k)

l DIE LEISTUNG INDIVIDUUMS (Danta, Nebrija., Ludbher, r, Vae.sa.fli,

) SPRACH KOWTA VCT Sl B»i l \ nq ULal i imus Überdachung TransfercnzIntegration

Abb. 1: Faktoren der GLottogenese in Europa

na

10

kontakte im Laufe der europäischen Glottogenese gespielt haben, kann hier nicht eingegangen werden. Wie im Vorwort schon angedeutet, ist Abb. l als eine Zusammenfassung aller möglichen Genesefaktoren für die Entstehung von Sprachen in Europa zu sehen, und zwar ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Jeder der elf aufgezählten Faktoren ist mit P f e i l e n mit anderen gleichrangigen Faktoren verbunden, um die Verflochtenheit und die Komplexität der Glottogenese zu symbolisieren. Sowohl immanent-linguistische als auch extralinguistische Faktoren sind hier aneinandergekettet. Im Gegensatz zu der A u f f a s s u n g der am Mannheimer Genesesymposion teilnehmenden Historiker bin ich der Meinung, daß ein solches allgemeines Schema wie Abb. l eine H i l f e zur Typologisierung der Genesefaktoren d a r s t e l l t , das dann in der Beschreibung der spezifischen Glottogenese einer gegebenen Sprache in Europa herangezogen werden kann. Auch wenn jede Glottogenese eine Kette von einzigartigen historischen Prozessen darstellt, gibt es doch gewisse historische Gemeinsamkeiten wie die Christianisierung, die Kodifizierung und Standardisierung der nationalen Gesetzes- und Verwaltungssprache, die Übersetzung der Bibel, die Reformation und die Gegenreformation sowie die S c h a f f u n g normierter Literatursprachen und Nomenklaturen für technische Fachsprachen. A l l e diese historischen Prozesse sind für a l l e europäischen Sprachen mehr oder weniger gemeinsam, auch wenn sie unter verschiedenen Bedingungen und zu unterschiedlichen Zeitperioden stattf i n d e n . In dieser Hinsicht ist es jedoch von sprachwissenschaftlicher Seite angebracht und notwendig, über solche gemeinsamen Geneseprozesse generelle Aussagen zu machen, da wir sonst nicht zu einer Typologie der Glottogenese gelangen können. I n n e r h a l b eines solchen gesamteuropäischen Entwicklungsschemas muß die Entstehung einer spezifischen europäischen Sprache gesehen werden. "Eine Sprache entsteht nämlich nicht isoliert von anderen in der Nähe gesprochenen Sprachen, sondern in einer ständigen Interaktion durch Sprachund K u l t u r k o n t a k t e . Diese Sehweise der europäischen Glottogenese ist in den Standardwerken der meisten Philologien keineswegs vertreten, sondern andere von historisch und biologisch dominierten Denkschemata haben das Bild der Entstehung von europäischen Sprachen geprägt. Z i e l dieses Artikels ist es deshalb, den Entwick-

11 lungsgang von einer historisch-biologischen Darstellung der euro-

päischen Sprachen zu einer historisch-kontaktlinguistischen A u f fassung zu zeigen. Damit wird der Wert einer historisch-biologischen Sehweise nicht geleugnet. 2.

Vorwissenschaftliche E r k l ä r u n g der Glottogenese und der sprachlichen V i e l f a l t

Das Interesse an der Entstehung neuer Sprachen und Völker

ist

nicht neu. Der Mensch hat sich immer gefragt, warum es so viele Sprachen in der Welt gebe und warum es so schwierig sei,

mit Mit-

gliedern anderer ethnischer Gruppen zu kommunizieren. In der Bibel kommt dies im Ersten Buch Mosis zum Ausdruck: (1)

Die Menschen hatten damals noch eine einzige, a l l e n gemeinsame Sprache (Genesis l, 11).

Dieses Bibelzitat zeigt uns, daß eine monogenetische Sehweise unter

den Völkern des Nahen Ostens einmal vorherrschend war, um den

U r s p r u n g der Sprache zu verstehen. Jedoch im selben Kapitel wird auch eine E r k l ä r u n g gegeben, wie es zu einer solchen V i e l f a l t in der Welt kam: Sie ist

sprachlichen

eine S t r a f e Gottes wegen des

Übermuts der Menschen. Die A u f s p l i t t e r u n g der biblischen Ursprache in eine große A n z a h l von Sprachen ist

eine Folge vom Turmbau

zu Babel: (2)

Wenn sie diesen Bau v o l l e n d e n , wird ihnen nichts mehr unmöglich sein. Sie werden a l l e s a u s f ü h r e n , was ihnen in den Sinn kommt. Ans Werk! Wir steigen hinab und verwirren ihre Sprache, damit keiner mehr den anderen versteht. - So zerstreute sie der Herr über die ganze Erde (Genesis 11, 6 - 8 ) .

H o f f e n t l i c h wird niemand, der heute diese Zeilen liest und interpretiert, das Schicksal des Katharers Bonigrinus e r f a h r e n , der in Bologna im 13. Jahrhundert lebte. Er hatte nämlich behauptet, es gebe 72 Sprachen in der W e l t und f o l g l i c h auch 72 G l a u b e n s a u f f a s sungen ( f i d e s ) . In einer Untersuchung durch die heilige Inquisition wurde er zum Ketzer erklärt und im selben Jahr ( 1 2 9 6 ) hingerichtet. Heute haben wir den V o r t e i l , in einem günstigeren geistigen K l i m a zu leben, und wir wüden sagen, daß zu jeder Sprache ein gewisses W e l t b i l d gehört, das man automatisch erwirbt, wenn man eine neue Sprache l e r n t . Die göttliche monolinguale Epoche, wo Gott nur hebräisch mit Adam und Eva sprach,

ist

endgültig vorbei.

12

Wir wissen heute, daß die mittelalterliche Auffassung von 72 Sprachen in der W e l t , die nach- der Zerstörung vom Turm zu Babel entstanden sein sollen, eine viel zu kleine Zahl ist,

um die

5.000 bis 6 . 0 0 0 Sprachen abzudecken, die wir heute durch ethnolinguistische Untersuchungen kennen . Jedoch war dieses Topos von 72 Sprachen das ganze M i t t e l a l t e r hindurch vorherrschend und beeinflußte

das damalige religiöse und philosophische Denken . Für

jede ethnische Gruppe ist

es etwas Schreckliches, nicht das zu

verstehen, was in einer anderen ethnischen Gruppe in einer anderen Sprache gesagt wird. Das war im Mittelalter nicht anders als heute. Das Interesse an ethnischen Fragen und sprachlicher Vielf a l t ist

tief in der wahren Natur des Menschen verwurzelt, um

seinen ethnischen und sprachlichen Hintergrund zu verstehen. Die Suche nach ethnischer Identität ist ein intellektuelles Bedürfnis, das seit dem Anfang unserer Zivilisation dokumentiert 3.

ist.

Europa und der Nahe Osten als ethnische Ökosphäre

Für diese Identitätsfindung ist

eine kurze Orientierung über das

Ursprungsgebiet der weißen Rasse nutzbringend. Es ist

nämlich sehr

aufschlußreich, Europa und den Nahen Osten als ein zusammenhängendes Gebiet zu betrachten, das durch Prozesse k u l t u r e l l e r und sprachlicher Interaktion im Laufe von Jahrhunderten, ja Jahrtausenden zu einer gemeinsamen Ökosphäre des weißen Mannes gewachsen ist

(vgl. Karte 1 ) , Man könnte auch sagen, daß wir - in den Augen

der übrigen W e l t - zusammen in einem enormen cul-de-sac abgeschnitten gewesen sind, in einer k u l t u r e l l e n und sprachlichen Sackgasse, von wo aus die Versuche, in andere K u l t u r e n und Sprachen vor dem 15. Jahrhundert n . C h r . auszubrechen, sehr beschränkt waren. Die Periode 360 bis 1478 n . C h r . , die uns hier interessiert, beginnt mit den Migrationen der Hunnen im 4 . Jahrhundert und endet mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 sowie mit den großen Entdeckungsfahrten der Portugiesen und Spanier nach Indien

(1488) und Amerika ( 1 4 9 2 ) . Für die Genese der

europäischen Sprachen ist

diese Periode von 1200 Jahren außeror-

dentlich wichtig. In dieser Periode beginnen nämlich die ersten sozio-politischen und sprachlichen Umrisse der modernen europäischen Völker und Sprachen sich gegen den stürmischen Himmel Euro-

13

pas und des Nahen Ostens abzuzeichnen. Auf der heutigen Sprachkarte über Europa und den Nahen Osten sind die Auswirkungen

die-

ser gewaltigen ethnischen Prozesse heute noch zu sehen.

KARTE 1: Die ökosphäre des Weißen Mannes und die Ausbrechversuche zwischen 36O 1478 n.Chr. (nach McEvedy 1961:3)

Ausgehend von den Karten über die gemeinsame Ökosphäre in McEVEDY 1961: 2 wird der uns hier interessierende K u l t u r k r e i s im Norden durch den Polarkreis abgegrenzt, im Westen durch die atlantische Barriere, im Süden durch die Sahara und im Osten durch den Ural und die Suleiman-Gebirgskette. Vor dem 15. Jahrhundert gelang kein endgültiger Durchbruch aus diesem Gebiet, weil die Kommunikationsmittel vor diesem Jahrhundert dazu nicht ausreichend entwickelt waren, die es ermöglicht hätten, die atlantische Barriere permanent zu überbrücken, die Sahara-Wüste endgültig und wiederholt zu durchqueren oder sie zu umesegeln und die Ural-Suleiman-Linie zu durchdringen. Hier sind die vereinzelten Kontakte der Wikinger im Nordwesten des Gebietes mit Nordamerika (im 11. J h . ) , die Durchquerung der Sahara im Süden durch die Araber (im 13. J h . ) sowie im Südwesten die arabische Eroberung der Provinz Sind im Nordwesten Indiens (im 8. J h . ) ohne größere Bedeutung für die Gesamtentwicklung. Außer diesen kleineren Versuchen, aus der Ökosphäre des weißen Mannes auszubrechen,

14

blieben die Seidenstraßen über Turkestan nach China, Indien und den Fernen Osten die einzigen Verbindungen mit anderen Zivilisationen. Auch wenn das persische und makedonische Imperium eine indische Provinz umfaßte, gelang es keiner westlichen Armee während des ganzen M i t t e l a l t e r s hindurch, auf dem Landweg nach Indien zu kommen. Die Kontrolle der Nomaden (Hunnen, Mongolen und Türken) über die Pässe nach dem Fernen Osten blieb ungebrochen. Die Herrschaft der Nomaden über den Zugang zu den Pässen im Hindukusch und in Zentralasien nach dem Fernen Osten verhinderte einen direkten Kontakt, wenn man von den sporadischen Kontakten über die 4 Seidenstraße absieht . Wenden wir uns nach diesen kommunikationstechnischen Überlegunjen jetzt dem historischen Aspekt der Entstehung der europäischen Völker und Sprachen zu. Dank der Leistung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft und der modernen Archäologie wissen wir, daß Invasionen aus der Steppe entscheidend für die Entstehung der ökosphäre der weißen Rasse gewesen sind. Wir wissen, daß die Entstehung der europäischen Völker die Folge gewaltiger ethnischer und sprachlicher Sturmwellen aus dem Osten ist,

die mit großer

K r a f t von der Steppe in den Westen, Süden und Norden unseres Kontinents vor mehr als fünftausend Jahren hineinbrachen

- die Indo-

germanisierung Europas durch das Kurgan-Volk, zwischen 4 2 0 0 und 4000 v.Chr. in Kleinasien und auf dem Balkan, zwischen 3000 und 2800 v.Chr. in Nord- und Osteuropa und zwischen 3400 und 3200 v . C h r . in Süd- und Zentraleuropa (siehe Karte 2) . Es ist in diesem Zusammenhang interessant f e s t z u s t e l l e n , daß diese nach Ost-,

Süd- und Zentraleuropa eingewanderten Indoeuro-

päer später in der Geschichte selber Eroberungswellen aus dem Osten und Süden, aus der Steppe, haben erleben müssen, durch die A n g r i f f e und Migrationen der Hunnen, Mongolen, Tataren, Ungarn, Araber und Türken. Europa teilt dieses Schicksal mit anderen Gebieten im Nahen Osten, Indien und sogar im Fernen Osten ( C h i n a ) , die in ähnlicher Weise im Mittelalter von asiatischen Nomaden überrannt und zerstört wurden. Religiöse und vorwissenschaftliche Spekulationen sowie Mythen über die Entstehung von Sprachen und Völkern in Europa haben im

M i t t e l a l t e r eine nicht unwesentliche R o l l e für die damalige

15 eth-

nische Orientierung gespielt. Erst später im 19. und 20. Jh. konnten - dank der modernen Archäologie und historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft - systematisch w i s s e n s c h a f t l i c h e Theorien über Glottogenese f o r m u l i e r t werden. 4.

Genesemodelle in der Indogermanistik und der modernen Linguistik

Die V o r s t e l l u n g von einer gemeinsamen Ursprache lebte zwar weiter, wurde aber Ende des 18. Jahrhunderts anders a r t i k u l i e r t als in der Bibel. In einem Vortrag vor der Asiatick Society of Bengal in Calcutta,

im Februar 1786 ( v g l . JONES 1788), behauptet Sir W i l l i a m

Jones, daß Sanskrit und Altpersisch zwei mit Griechisch, Latein, Gotisch und Keltisch verwandte Sprachen seien. Dadurch wurde eine genealogisch-historische Grundlage e i n g e f ü h r t , die heute noch ihre Gültigkeit besitzt. Die Genesestadien, die wir anhand von McEvedys Karten und Gimbutas 1 archäologischen Funden rekonstruieren

können, sind im gro-

ßen und ganzen Ausdruck eines solchen evolutiven Schemas mit Schwerpunkt auf inhärenten Entwicklungsprozessen der Sprachen, wobei eine indoeuropäische Ursprache als Ausgangspunkt genommen wird und die modernen europäischen Sprachen als Endstationen gesehen werden ( v g l . Karte 2 ) .

KARTE 2: Geographisch-historische Darstellung der Ethnogenese in Europa (nach McEvedy 1 9 6 7 : 7 )

16

Kontaktbedingte Prozesse wie Assimilation und Mutation genetischer und sprachlicher Strukturen lassen sich in der Vergangenheit nicht so einfach beschreiben, da das konkrete historische Material f e h l t und nur die mutierten späteren Strukturen bewahrt sind. Der Mangel an kontaktlinguistischer Information in der Vergangenheit zwingt deshalb den historisch arbeitenden Sprachwissenschaftler, vorhistorische Prozesse weitgehend als biologische Prozesse zu behandeln. Es ist

deshalb kein Wunder, daß sich die

Sprachkontaktperspektive als wichtige Ergänzung zu der genealogisch-historischen Sehweise nicht hat durchsetzen können. Es liegt sicher daran, daß andere, den inhärenten Kräften

verpflich-

teten Konzeptionen (Junggrammatik, Strukturlinguistik und generative Grammatik) bis jetzt die Theoriebildung dominiert haben. In den zuletzt genannten Konzeptionen werden die indoeuropäischen Sprachen mehr von einer systemimmanenten Perspektive gesehen, besonders in der Phonologie und Morphologie, wobei innere K r ä f t e wie Lautgesetze, Analogien, D r i f t , Regelverlust, Regeladdition oder Regelumordnung als die wichtigsten Faktoren des sprachlichen Wandels und damit der Glottogenese hervorgehoben werden. Die genetisch-evolutive Sehweise dominiert deshalb seit Schleicher alle historischen Darstellungen der Glottogenese in den Handbüchern der Einzelphilologien. Die kontaktlinguistische

Sehweise andererseits betont die

ethnisch-sozialen Faktoren, wobei Sprachkontakte unter natürlichem oder gelerntem Bilingualismus als die wichtigste Ursache sprachlichen Wandels betrachtet werden. Durch Sprachkontakt entsteht in den Transferenzen und Interferenzen ein tertium quid, so daß eine neue linguistische Form oder eine neue linguistische Varietät entstehen kann. Es ist

nur eine Frage von sozialer, po-

litischer und k u l t u r e l l e r Akzeptanz, ob diese oder jene Interferenz- oder Transferenzstruktur in der Sprache der Zweisprachigen als Innovation im Sprachsystem (in der langue) akzeptiert oder als ein Fremdkörper abgestoßen wird. Die evolutiv-linguistische Vorgehensweise unter Hervorhebung des Systems als Primat des Sprachwandels war ein Produkt des Biologismus des vorigen Jahrhunderts und des funktionalen Strukturalismus dieses Jahrhunderts. Sie entspricht nicht der heutigen

17

Auffassung über die Genese der europäischen Sprachen und Völker. Dank der modernen Geschichts- und Sprachkontaktforschung wissen wir heute viel mehr über das große Spektrum der Genesefaktoren als vor hundert Jahren ( v g l . die multidimensionale Sehweise in Abb. l mit der eindimensionalen in Abb. 2 und 3 ) . Bevor ich zu der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten komme ( v g l . Abschnitt 4 . 3 . ) , möchte ich die Erörterung über die Genesemodelle im 19. Jahrhundert zu Ende f ü h r e n . 4.1.

Stammbaum- und Wellentheorie

Während August Schleicher 1865 in einem offenen Brief an Dr. Ernst Häckel noch die Sprachen Europas als Naturorganismen betrachtet: (3)

Die Sprachen sind Naturorganismen, die, ohne vom Willen des Menschen bestimmbar zu sein, entstunden, nach bestimmten Gesetzen wuchsen und sich entwickelten und wiederum altern und absterben (SCHLEICHER 1865: 6 ) . und die Ausgliederung der Sprachen mit H i l f e der Metapher des Stammbaums darstellt ( v g l . Abb. 2 ) , wird diese Metapher in der Kritik seines Schülers Johannes Schmidt 1872 durch eine andere Metapher abgelöst, die der W e l l e n . Gemäß Schmidts Wellentheorie, die mehr auf den Ergenissen der damaligen Dialektologie fußte als auf komparativen Rekonstruktionen wie bei Schleicher, konnte das Problem der zahlreichen lexikalischen Entlehnungen zwischen nahverwandten indogermanischen Sprachen besser erklärt werden, als es die divergenten Gabelungen im Schleicherschen Stammbaum erlaubte. s I

f

t

litaui/ch. ./"lawl/cH kelti/ch Hali/cK

. JU~>^

J>~S

indogermani/cht

, viz , was always [ h ] , e.g. mi shasta [ m ' i : ' h a : s t e ] "not satisfied", and lenited < f > , written < f h > , is zero, an fhir

e.g.

[ a n ' i r ' J Of the m a n " . Lenited and unlenited , earlier

and /, became and respectively, e.g. laim [ l a ;μ ' ] "hand"

Olr.

(ace./dat.) Mod.Ir. laimh [ I a ; v'3; Olr. camb,

camm [ k a m : ] "crooked 1 , Mod. Ir. cam [ k a m ( : ) ] · and tended also to vocalize and form u-diphthongs with a preceding vowel, e.g. Mod.Ir. abhainn [ s u a n ' ] , samhradh [ s a u r e ] 'summer'.

161

Vowel length was marked by an acute accent (a "Fada"), probably a development from tne Roman apex, e.g. säs 'snare, trap 1 [ s a i s ] . The occurrence is sporadic in early sources, later becoming regular. Goidelic preserves historical vowel quantity quite well in stressed syllables, but there is some lengthening in monosyllables before certain consonants or consonant groups, e.g. ceann 'head' [ k ' a : n ] or [ k ' a u N ] , also [ k ' a n ] . Length in unstressed syllables is preserved in some dialects, e.g. Conamara Irish fagail "leave" ~1O

[ ' f a : g a : l ' ] , but in Manx and in some dialects of Munster Irish such long (second) syllables take the stress, e.g. MX. [ f s ' g e : ! ' ] , Mun. Ir. [ f a ' g a i l ' ] , while in Scottish Gaelic and Ulster Irish the accent is unaffected and such long syllables are reduced in quantity, if not also in quality, e.g. ScG. [ ' f a t k a l ' ] Ulst. Ir. P f a i g a l '], [ " f a : g a l ']. 5.2.

Welsh

In Welsh the stress f e l l on the penultimate syllable , but when the Common Celtic final syllables were lost the stress in Old Welsh fell on the final syllable later (c. 11th century) moving back on to the penultimate syllable, and except for a few words has remained there. The rise in pitch on the final syllable (of disyllables) - one of the main characteristics of spoken Welsh some scholars believe may be relic of final stress from the Old Welsh period, e.g. brawd [ b r a u d ] "brother 1 , pi. brodyr C - b r o d f ;r ]. Historical quantity is not preserved in Brittonic, and except for monosyllables all vowels are relatively short, though longer in open than in closed syllables, e.g. (monosyllables) coch [ k o : x ] " r e d " ; the o in ceiniog [ " k a + n i o g ] "penny 1 would be shorter than, say, in Cymro [ ' k g r n r o ] "Welshman 1 . In open monosyllables the vowel is long, e.g. t£ [ H : ] "house"; in closed syllables length depends on the nature of the following consonant. Consonant groups and voiceless stops are associated with shortness in the vowel. Old Welsh used the same consonant system as Old Irish, but Middle • Welsh (and Cornish) came to adopt more general European conventions. Lenition and nasalization also occurred in Brittonic but in different ways. In Welsh the lenition of Common Celtic voiceless stops produced voiced stops, e.g. /p, t, k/ gave /b, d, g/, and

162

nasalization of voiceless stops produced voiceless nasals, e.g. Cymru [ ' k p m r + : ] 'Wales ' , yn Nghymru [ arj ' g o m r t : ] 'in Wales ' . The voiceless stops in Middle Welsh were written as ( before consonants and back vowels, otherwise < k > ) , and in medial position as , the voiced stops initially as , medially as or

, or , , and word-finally as or

, < t > , . The voiced fricatives are . = [ v ] , or = [ 3 ] ; lenited g_ is zero. The voiceless fricatives are = [ f ] , = [ θ ] , = [ χ ] , Lenited b and m are written as , < u > , or = [ v ] . In Modern Welsh many of these variants have been deleted (see below). Modern Welsh has three forms of mutation, viz. lenition, nasalization, and spirant mutation or aspiration, where the three voiceless stops are converted into the corresponding fricatives. The following Modern Welsh consonant phonemes can be affected by mutation: Modern Welsh

orthographic: p t c b d g l l m r h phonemic: / p t k b d g t m ς / lenition:

b d g f d d - 1 / b

nasalization:

d

g

ν

δ

l

v

ng -

-

-

-

-

-

-

-

-

mh nh ngh m n

-

f r r

/

o r / m h n h f]h / aspiration:

ph th ch / f

θ

χ

-

--/

Fig. 1

The following Modern Irish consonant phonemes (excluding palatal»ized variants) can be affected by mutation: Modern Irish orthographic: p t c phonemic: / p t k

b b

d g m n l r d g m N L R

s s

f f /

163 lenition:

ph th ch bh dh gh mh n /

nasalization:

f

h

x

v

y

y

v

n

l

r

sh fh

l

r

h

bp dt gc mb nd ng - - / b d g m N f ) - - -

!

- - bhf - - v , w /

Fig. 2

5.3. Morphology 5.3.1. The Noun in Irish The noun in Common Celtic had three genders: masculine, feminine, and neuter. The neuter was absorbed by the other two genders early on in Irish, and in Welsh it seems to have disappeared before the earliest texts. In Irish nouns are distinguished by three numbers: singular, plural, and dual, the latter occurring only with the numeral ' 2 1 ; in the later language it

is identical with some forms

of the singular (the numeral ' 2 ' in Irish is followed by the singular of the noun). The cases distinguished are: nominative, vocative (usu. with o/io-stems), accusative, genitive, and dative; with some early exceptions the dative is used only with a preposition. The IE stems continuing into Celtic are (vocalic) (io), long a (long ia) , i_, u; (consonantal) velar, dental, nasal, r and s_. The reduction or loss of final syllables usually leaves only the root intact, while modifications of internal vowels.and the quality of final consonants reflect lost endings. Taking an IE o-stem as an example of inflection with singular suffixes: -os, -e, -om, -I, -of plural: -i, -os (historically nominative), -ons, -om, -obhis (instrumental) . These give Proto-Goidelic -as, -i^, -an, -i, -\i; pi. -T, -us, -us, -an, -abis. So Old Irish fer 'man' (Lat. vir) would be declined thus (with the def. a r t . ) : sing. nom.

in fer

(neut. r)

voc. ace. gen. dat.

ä fir (palat. r) in fer n- (+ n a s . ) ind fir (palat. r) dond fiur (u-qual. in r)

pi. ind fir

(palat. r)

ä firu inna f i r u inna fer n- (+ nas.) donaib feraib

dual in da fer in da fer in da fer don dib feraib

164

In Modern Irish the declension is as follows (also with the def. art.):

sing. nom. voc. ace. gen. dat.

fear, an fear a fhir fear, an fear f i r , an fhir fear, an fhear

pi. fir, na fir a fhir f i r , na fir fear, na bhfear f i r , na fir

5 . 3 . 2 . The Noun in Welsh

Welsh, on the other hand, had developed morphologically much more rapidly than Irish, so that when we first meet it in the oldest documents the neuter gender, the dual number (with certain exceptions) , and practically the entire case system have disappeared. The variation in the forms of nouns (and adjectives) is therefore confined to the singular/plural contrast (with the exception of limited gender distinction in singular adjectives). The plural of nouns is either marked by umlaut, e.g. bardd 'poet 1 , pi. beirdd, or more usually by the addition of a s u f f i x , with or without modification of the singular form caused by the vowel of the suffix. These suffixes originally belonged to the full forms of the noun stem (in u and consonant stems); in the singular the whole final syllable is lost, e.g. IE cat-u-s 'battle', Mod.W. cad, pi. IE *cat-ou-es, Mod.W. cadau; IE *car-ant-s 'friend, relative' MW kar (Olr carae), pi. IE *car-ant-es, MW karant or kereint (+ lenition). Instances in which such suffixes are etymologically transparent are very few. The result is that, with the exception of derivative suffixes, the formation of noun plurals in Welsh is unpredictable. Some mass nouns or those met with in numbers rather than singly use the simple form as the plural or collective, and add a singulative s u f f i x -yn or -en (with or without modification of the stem vowel) to form the singular, e.g. plant 'children' (Ir. clann fern, s g . ) , plentyn ' c h i l d ' , tywarch ' t u r f , tywarchen 'a sod 1 . 5.4.

The Verb in Goidelic

The conjugation of the verb in Old Irish is quite complicated. The

165

various voices, moods and tenses are as follows: 5 . 4 . 1 . Indicative active a. present and imperfect: formed on the present stem, e.g. m6r(a)im(m)

Ί magnify',-m6r(a)in(η)

Ί used to m a g n i f y 1 .

b. future and secondary future (or conditional); the secondary future with the endings of the imperfect is formed on the future stem, e.g.

l e i c f e a ' I will let g o ' , · l e i c f i n ( n ) Ί would

1

let go . The future may be: 1. ^-future ( i . e . it contains an f_) : leicfea Ί

w i l l let go 1

2. reduplicated future: gainithir 'is b o r n 1 , gignithir (3rd sg.)

'will be born', canid ' s i n g s ' , « c e c h n a 'will s i n g ' ,

(the point, viz.

·, before verb-forms denotes the con-

junct form; see below). 3. long e_-future: berid ' b e a r s ' , »bera ( f u t . 3rd sg.)

'will

bear". 4. s-future ^

(with reduplication): m a ( i ) d i d ' b r e a k s ' ,

memais (3rd sg.)

'will break 1 ,

(without reduplication, i.e.

where the verb-stem is

preceded by two prepositions): du·fu-tharcair du'futharset

(3rd p i . )

c. preterite and perfect

"wishes',

'they will w i s h " .

(generally a modification of the pret-

erite).. The preterite may be: 1. s-preterite: ibid " d r i n k s ' , ibset (3rd p i . )

'they d r a n k ' .

2. ^-preterite: berid ' b e a r s ' , «bert (3rd sg.) 'he bore'. 3. reduplicated preterite: canid 'sings', cechan- ' s u n g ' . 4. unreduplicated

a-preterite: rethid ' r u n s ' , rath- ' r a n ' ,

unreduplicated JL-preterite: ern (a) id 'grants', »ir 'he granted'. These latter two types (3 & 4) are sometimes regared as suffixless preterites, as no s u f f i x intervenes between the stem and the ending. 5 . 4 . 2 . Subjunctive active a. present and past subjunctive; formed on the subjunctive 22 stem either: 1. as an a-subjunctive: mora Ί

may m a g n i f y ' , m 6 r ( a ) i d

166 'he may m a g n i f y ' ; (past) * m 6 r ( a ) i n ( η ) Ί might m a g n i f y 1 , •morad 'he might m a g n i f y ' , or 2. as an ^-subjunctive: tiagu Ί g o " , tiasu Ί may g o 1 , teis 'he may go 1 , »teissin Ί might go 1 . 5 . 4 . 3 . Imperative This is formed on the pres. indie, active stem, e.g. m6r (2nd sg.) ' m a g n i f y ! ' , morad 'let him m a g n i f y ! 1 , moram 'let us magn i f y ! 1 , m o r ( a ) i d 'magnify y e ! 1 , morat 'let them m a g n i f y ! 1 . The 1st sg. impv. is rare, e.g. tiag-sa 'let me go!' The imperative does not distinguish absolute and conjunct flexions (see below). 5 . 4 . 4 . Weak and Strong Verbs in Old Irish Depending on how these stems are formed two classes of verbs are discernible in Old Irish: weak and strong verbs. The weak verbs are for the most part denominative, i.e. formed from nouns or adjectives with the s u f f i x -ag_i- (or -ig_i- after palatals) and inflected as a deponent verb of the i.-class23 f e.g. (from nouns) fogur 'sound 1 , ·fogr(a)igedar 'sounds' (3rd sg. conjunct), s u ( i ) d e 'sitting 1 , «su(i)digedar 'sets'; (from adjectives) lobur 'weak, ill 1 , 'lobr(a)igedar 'weakens, is weak/ill' (3rd sg. c o n j u n c t ) , seim ' t h i n 1 , se(i)migedar 'attenuates 1 . The s_-preterite and the f-future (v. above) are the main characteristics of weak verbs. The strong verbs are without exception primary, i.e. they are not derived from nouns or adjectives. According to how the present active indicative is formed three classes of weak and fives classes of strong verbs are discernible. Another type of active, known as deponent, is distinguished with distinctive inflexions, i.e. ^-inflexion and ^-inflexion. The former are rare and are found usually in the relative form, e.g. labrathar 'who speaks 1 . The i^-class are more numerous. The deponent corresponds to the middle voice of other IE languages, and is characterized by the rr-ending in the middle (and .passive) voice, e.g. suidigidir 'places' (3rd sg. middle). In the imperfect indicative, past subjunctive, and secondary future their inflection is common with that of the active.

167

The verb is inflected in three persons singular and plural, the 3rd sg. and pi. (and 1st pi. in pres. and f u t . ) having relative forms, except in the imperfect, e.g. (pres.) m o r a s ( s ) ' ( h e ) who magnifies 1 , m6rm(a)e ' ( w e ) who m a g n i f y 1 , m o r d ( a ) e " ( t h e y ) who magnify1. 5 . 4 . 5 . The Passive Voice in Irish In Old Irish the true passive was restricted to the 3rd sg. and 3rd pi. For other persons the 3rd sg. was used with pronoun object, thus making the construction impersonal. To illustrate this the paradigms of the present and perfect passive of c a r ( a ) i d "loves' are given: Present Sg. 1

no-m«charthar Ί am loved' pi. 1 no-n*carthar

2

no-t'charthar

2

no-b«carthar

3

carth(a)ir,

3

c a r t ( a ) i r , «cartar

-carthar Perfect

Sg. 1 2 3

ro-m-charad "I have been loved' pi. 1 ro-t-charad 2 ro«carad 3

ro-n-carad ro-b*carad ro«cartha

(no and ro are preverbs with infixed pron. o b j . , exc. 3 sg./pl.) The impersonal construction gradually replaced the true passive, and by the Early Modern Irish period the 3rd pi. forms of the passive had disappeared.^4 The surviving old 3rd sg. required pronoun objects in all persons, e.g. Mod. Ir. feictear iad 'they are seen 1 ( l i t . ' i s seen t h e m 1 ) . 5 . 4 . 6 . Stress in Old Irish Verbs The range of tenses and inflectional forms is in reality doubled, since each personal form may occur in an 'absolute 1 or 'independent form, i.e. affirmatively in a main clause, or in a 'conjunct' or 'dependent' form, i.e. when preceded by a preverb of negation or interrogation, the verbal particles no and r o 2 ^ , relative particles, and subordinating conjunctions. The conjunct is usually a

168

shortened or reduced form of the absolute. Many verbs are compounded with one or more preverbs or prefixes (usually related to prepositions) which modify the meaning. In uncompounded verbs the stress falls on the f i r s t , the root syllable. In compound verbs it falls immediately after the first preverb, e.g. do* »moiniur Ί t h i n k ' , (with two rep.) do'«ad-bat 'shows', (with three) con'·tochm-airt 'thou hast shattered'. This is known as the deuterotonic form. On the other hand, the stress falls on the first preposition the prototonic form - in the following cases: a. in the imperative: 'com-id 'preserve 1 , except when a personal pronoun is attached to the first preposition, e.g. du'm«em-se 'protect m e ' ; b. after negative and interrogative conjunct particles (which require the conjunct form of the v e r b ) , e.g. ni'fo-dmat 'they do not endure', nicon'»choscram "we do not destroy', in'co-scram 'do we destroy? 1 , co-'acci 'how do you see?'; also cecha 'taibre 'whatsoever you may give 1 ; c. after prepositions in combination with the relative particle ( + c o n j u n c t ) , e.g. fu-a*·ta-barr 'under which is brought'; d. after the conjunctions ara 'in order t h a t ' , dia ' i f , when', co/con 'so that 1 (+ conjunct), e.g. ara'·fu-lsam 'so that we may support 1 , dia'»n-acomoltar 'if it is added', c o n ' . forcm-at "so that they preserve'.26 5.4.7.

Paradigmatic Changes from Old Irish to Modern Irish

The mobility of the accent and its consequences for succeeding syllables makes the paradigm in compound verbs unclear. This lack of clarity many believe may have contributed greatly to the simplification of the verbal system which took place in the Middle and Early Modern Irish period. The most regular types of formation were generalized leaving only a small group of irregular and defective verbs. The changes are as follows: a. the contrast between deuterotonic und prototonic forms (except in a few irregular verbs) was abandoned in favour of prototonic, so that the stress was stabilized on the first syllable. This meant that in compound verbs those

169 elements that were prototonic predominated, e.g. imperative, verbal noun, verbal adjective, and all conjunct forms; the contrast between the present stem and root was abandoned (as was reduplication), so that the stem formation of the verb was stabilized;27 the s_-future lost ground to the f_-future (with some use of the long e_-future, especially in weak verbs) , and the ssubjunctive lost out to the ^-subjunctive; the s-preterite (historically a perfect) predominated to the exclusion of the numerically much smaller suffixless and tpreterites; the conjunct predominated over the absolute forms, and it was only in the present and the future that the contrast was partially maintained (v. below). The conjunct 3rd sg. s u f f i x «ann (of uncertain origin), e.g. Mod. Ir. togann " l i f t s ' , replaced the absolute form -idh and the older zero suffix in the conjunct. This contrast, however, is maintained in Scottish Gaelic and Manx where the -idh s u f f i x 2 8 and zero suffix denote the future tense, e.g. ScG. cuiridh "will put' (absolute) , cha chuir 'will not put 1 ( c o n j u n c t ) , stem cuir ' p u t ' , MX. cluinnee 'will hear 1 , cha gluin "will not hear 1 , stem cluin 'hear 1 . In addition the imperfect had always had conjunct forms (v. footnote 2 O ) , the perfect (formed from the preterite by the use of a preverb) was found only with conjunct flexion, the two subjunctives and conditional (secondary future) usually found in subordinate clauses - were conjunct in form, and the imperfect indicative and the past subjunctive became identical, if not so already (v. above for e x x . ) ; the 3rd sg. conjunct form -ann came to replace other inflected forms of the present (to a varying degree in different dialects) and to be used with subject pronouns, particularly in the second and third persons singular and plural. In some Munster dialects, however, the following (more conservative) paradigm for the present indicative of tog ' l i f t 1 (vn. t6gail) is attested:

170 Present Indicative Sg. 1

t&gaim

2 togair 3m togann se f togann si

pi. 1 2 3

togamuid togann sibh t6gaid

In some dialects of Conamara and Ulster the -ann form plus pers. pron. is found also in the 2nd sg. and 3rd pi., e.g. togann tu y togann siad. 5.4.8.

The Copula and Substantive Verb in Irish

Two forms of the verb 'be 1 were distinguished in Celtic. In Old Irish is (3rd sg. pres. indie, absol.)(cognate with Lat. est) was used as the copula to link the subject and nominal or adjectival predicate, in the syntax of comparison, and to emphasize a part of the sentence, e.g. is he dia as^9 eola indium-sa 'it is God who is knowing in m e ' , inti as siniu 'he who is older 1 , ba^° he a n-gnlmsom molad da 'their work was to praise God 1 ( l i t . " i t was their work praising G o d ' ) . On the other hand, ata 31 (cognate with Lat. stat) was used as the substantive verb of existence. It is found in absolute flexion only in the 3rd sg. and pi.: a. after comparatives in nasalizing subordinate clauses introduced by ol- 'beyond' or by i n ( d ) - , dative of the neuter definite article, sometimes by a-, the neut. ace. of the def. art., e.g. 3rd sg. oldaas, indaas, pi. o l d ä t ( a ) e , i n d ä t ( a ) e ; b. in nasalizing relative clauses were ta/ta- means "to be angry, vexed 1 , e.g. iss ed daas in cenn 'that is what ails the head 1 ; c. the 3rd sg. with s u f f i x pronoun, e.g. tathunn "there is to us, we have'. Normally ata is found in conjunct flexion, viz. .tä, e.g. (with conj. part. + infixed pers. pron. with dative force) ni-n»tä 'there is not to us, we have n o t ' . The separate functions of the two verbs has remained quite stable down to modern times, though to a certain extent the substantive verb has gained ground from the copula. This is especially the case in Manx, e.g. Mod. Ir. is saor me 'I am a craftsman 1 ( l i t . ' i s a craftsman I 1 ) , MX. she seyr mish (with emph. p r o n . ) . Manx can also have ta mee seyr (Ir. *ta me saor); but this would be impossible

171

in Irish or Scottish Gaelic. 5.4.9.

Prepositional Phrases Expressing Durative and Iterative Aspect in Irish

The substantive verb was used as early as Old Irish with the preposition o£ ' a t ' (Mod. Ir. ag) plus verbal noun to convey a durative or iterative aspect (otherwise expressed only in the habitual present of the substantive v e r b ) , e.g. Mod. Ir. teighim Ί go', ta me ag dol Ί am going 1 (lit. 1 I am at going 1 ). This periphrastic form became more important in Scottish Gaelic and Manx, because there the future forms of the verb were (with few exceptions) replaced by the inflected present, e.g. Mod. Ir. teighim would in Manx (written hem with lenited t, i.e. theighim) mean Ί will go 1 . The periphrastic construction was then used to express all aspects of the present. At all periods it was possible to replace the inflected tenses by the corresponding tense of the verb ' d o ' 3 2 with the verbal noun as object, e.g. Mod. Ir. chuala me (pret.) Ί h e a r d 1 , rinn me cloiste il (periphr. pret.) Ί heard 1 ( l i t . 1 I did a hearing 1 ). This construction is used more in Scottish Gaelic and Manx than in Irish (where it is r a r e ) ; in Manx it developed into a complete double conjugation. By the Late Manx period, with a few exceptions particularly in irregular verbs, it had replaced the inflected forms, e.g. neeym soie Ί will sit 1 ( l i t . ' I will do a sitting 1 ) for soieym Ί will s i t ' ; ren mee soie Ί sat 1 (lit.Ί did a sitting 1 ) for hoie mee. 5.5.

The Verb in Brittonic

In Brittonic the complicated system as seen in Old Irish had largely disappeared before the earliest records, v i z . : 5.5.1. The Indicative Active (Middle Welsh) a. the contrast of absolute and conjunct had gone, most of the Welsh forms deriving from the old absolute formations. However, in the 3rd sg. (and pi.) the conjunct (i.e. zero for 3rd sg.) endings prevailed. But in the early period a number of 3rd sg. forms based on the old absolute are found, e.g. 1. in - ( h ) i t , -id: gwypit 'knows 1 , llicrid 'spoils'.

172

2. in -yt; llewychyt 'shines'. 3. in - ( h ) a w t (with future meaning): parahawt 'will last' 4. in -yd (? a relative ending): na welyd 'that he does not see'. The conjunct form (3rd sg. - zero ending), as noted, has come down to Modern Welsh, e.g. gwyr "knows 1 , vn. gwybod 1 know'. b. the formation of the preterite is mainly of the s_-type, e.g. cafas 'got', gwelas 'saw'3·^ with even fewer exx. of the t-preterite^4 f e.g. kymryt ' t a k e ' , kymerth/kymyrth (-rth < *-rt-) 'took 1 , of the suffixless preterite, e.g. (with ablaut): e (pres.)/aw (< *a)(pret.) dywed-af Ί say' dywawt, dywat 'said 1 ; with reduplication kigleu 'he heard' (stem cleu < *klou), vn. cly-bot, klyw-et. c. the stress in Welshes f being different from that of Irish, would not readily lend itself to use on the first preverb. 5.5.2.

Indicative active (Modern Welsh)

The inflected tenses of the indicative are: a. present-future, later becoming future or habitual present, e.g. of dysgu 'learn': Sg. 1 dysgaf pi. 1 dysgwn 2 dysgi 2 dysgwch 3 dysg 3 dysgant b. the imperfect, preterite, imperfect: Sg. 1 dysgwn 2 dysgit 3 dysgai preterite: Sg. 1 dysgais 2 dysgaist 3 dysgai pluperfect: Sg. 1 dysgaswn 2 dysgasit 3 dysgasai

and pluperfect: pi. 1 dysgem 2 dysgech 3 dysgent pi. 1 dysgasom 2 dysgasoch 3 dysgasant pi. 1 dysgasem 2 dysgasech 3 dysgasent

173 5.5.3.

Subjunctive active (Middle Welsh)

The subjunctive in Middle Welsh is characterized by -h- (which forms part of the ending added to the stem) derived from older -£»-. The e.g. may and

h coalesces with a preceding consonant, causing provection, dycko (stem dwg) 'may bring 1 ; (with orig. -s-) gwares 'he succour 1 . In Modern Welsh the -h- had completely disappeared, provection is rare. 36

5.5.4.

Subjunctive active (Modern Welsh)

The inflected tenses of the subjunctive are: present, imperfect, pluperfect. a. present: Sg. 1 dysgwyf 2 dysgych/ech 3 dysgo b. imperfect: Sg. 1 dysgwn 2 dysgit 3 dysgai c. pluperfect: Sg. 1 dysgaswn 2 dysgasit 3 dyggasai

pi. 1 dysgom 2 dysgoch 3 dysgont pi. 1 2 3

dysgem dysgech dysgent

pi. 1 dysgasem' 2 dysgasech 3 dysgasent

As will be noticed the imperfect and pluperfect subjunctive of the regular verbs are the same as the indicative. 5.5.5.

The Imperative

The imperative has no variation of tense, but has five personal forms, viz. (Modern W e l s h ) : Sg. 1 -37 pi. 1 dysgwn 38 2 dysg 2 dysgwch 3 3 dysged ^ 3 dysgent The imperative also has an impersonal form in -er which has the force of a jussive subjunctive, e.g. dyweder 'let it be said 1 = 'we will say, let us say"; dysger "let it be learned" = 'we will learn, let us learn 1 ; (v. also below).

174

The negative can be na/nag, e.g. nag ofna "do not f e a r ' , but more often than not paid a/peidiwch a + i n f . , e.g. peidiwch gadael iddo fynd 'don't let him go' (v. footnote 3 7 ) . 5.5.6.

Irregular Verbs in Welsh

The group of irregular verbs in Welsh is small, their main.irregularity being that they have several stems instead of one. Also they are partially similar to each other and the substantive verb bod 'be', e.g. 4f Ί go 1 , gwnHf Ί do', caf ' get 1 , byddaf Ί do cadd ' g o t ' , oedd 'was' (all 3rd

5.5.7.

The Copula and Substantive Verb in Welsh

Both the copula and substantive verb are found, the copula being used almost exclusively for emphasis. There is generally no formal distinction between the substantive verb and the copula in Welsh, e.g. (Modern Welsh) yr wyf yn mynd Ί am going 1 (i.e. substantive verb + yn + verbal noun); (Middle Welsh) with inversion of the verbal noun for emphasis: yn hela yd oedwn yn Iwerdon dydgueith 'a hunting I was in Ireland one d a y ' ; (MW) Brenhin corunawc wyf i "a crowned king am I ' , (MW) Arawn urenhin Annwuyn wyf i 'Arawn king of Annwn am I'. 1 * 0 Sometimes the (emphasized) predicate may in Middle Welsh be preceded by ys^ ( c f . Ir. is) , e.g. ys dewr a was wyti "it is a brave lad you are 1 , but it is not common, and in Modern Welsh it is entirely abandoned.^1 The substantive verb has two distinct forms in the present and imperfect. In the present the first form denotes present, e.g. (Modern Welsh) yr wyf fi yn canu Ί am singing 1 (lit.Ί am in singing'), the second form future or habitual present, e.g. byddaf yn canu Ί will be singing", or Ί usually sing'. In the imperfect the first form serves as imperfect, e.g. yr oeddwn i yn canu Ί was singing", the second habitual action and the conditional, e.g. byddwn i yn canu Ί was singing/used to sing" or Ί would sing". 5.5.8.

Prepositional Phrases Expressing Durative and Iterative Aspect in Welsh

More so than in Irish the periphrastic construction with bod +

175

yn + verbal noun is used to express the actual present and continuous imperfect, e.g. yr wyf fi yn canu (present), yr oeddwn i yn canu (imperfect) ( l i t . ' I was in s i n g i n g ' ) ; v. above and § 5 . 4 . 9 . for the use of this construction in Gaelic. 5.5.9.

The Passive Voice in Welsh

In Welsh the verb can have an impersonal form in the present (ending in -ir) and past (ending in -wyd), and as such can be used to express the passive, e.g. (Mod. W.) siaradir Cymraeg yma "Welsh is spoken here 1 (stem siarad ' s a y ' ) , ganwyd fi Ί was born" ( l i t . ' w a s born I/me)(stem geni "be b o r n ' ) . The passive can also be expressed by the periphrastic construction using cael ' g e t ' , e.g. yr wyf fi yn cael fy nysgu Ί am being taught' ( l i t . ' I am getting my teaching'). 5.6.

Cornish and Breton Characteristics

Cornish and Breton are similar to Welsh, particularly in the 'Middle' period. The main differences are: a. in the periphrastic present both use a different preposition before the verbal noun, i.e. Cornish ow, Breton ouz (= Welsh wrth " t o " ) , e.g. (Cornish) yma ow kelwel ely 'he is calling Elias'; b. both freely use 'do 1 with the verbal noun to form any tense, e.g. (Cornish) pan wruk an barra terry 'when he broke the bread 1 (lit.'when he did the bread b r e a k ' ) . In Middle Welsh this construction is confined to the narrative past, e.g. cyfodi a wnaeth a dyfod i Lyn Cuch 'he arose and came to Glyn Cuch' ( l i t . " a n arising which he did and a coming to Glyn Cuch'); c. both use the verbal adjective, Cornish -ys, Breton -et, as a past participle with 'be 1 to express a passive, e.g. (Cornish) the voth a vyth gurys 'your wish will be done 1 (from Lord's Prayer); d. though Breton and Cornish, like other Insular Celtic languages, are VSO languages, there is a frequent tendency in Breton and Cornish to front the subject and follow it with a relative pronoun + verb in the 3rd pers. sg., e.g. (Cornish)

176

my a gyrgh an guas Ί will get the s e r v a n t ' ( l i t . ' ( i t is) I who will get the servant 1 ); cf. also the example above in c) l i t . ' ( i t is) your wish which will be done', e. all three languages express 'have 1 in various ways; Welsh has y mae gennyf 'is with m e 1 , Cornish am bes and Breton am eus 'to-me is 1 , i.e. an infixed pronoun in a possessive capacity with the verb ' b e ' . Breton also uses this construction with the verbal adjective to form the perfect, e.g. klevet h o c ' h eus ar c'helou 'you have heard the news"(lit. 'heard to you is the n e w s ' ) .

Notes 1

2 3

4

5

The work on this article was supported financially by the Alexander von Humboldt-Stiftung while I was a Humboldt Fellow in Hamburg and Mannheim during the period 1984-85. Cornish and Manx are now defunct; see Section 3. c. 5OO BC is regarded as the period of the coming of the Hallstatt Celts to Britain, followed by the La Tene Celts in the 3rd century BC. Previous waves of Celtic speaking peoples are thought to have settled in the British Isles during the second millennium BC; v. Sommerfelt (1958:141-2). There is a view held by some scholars, notably Heinrich Wagner, that some of the pre-Celtic languages of Britain and Ireland may have been akin to some Hamito-Semitic languages of northern Africa and the Near East; cf. Wagner ( 1 9 8 2 ) . Jackson (1955:129-66) believes that there were both Celtic speaking and non-Celtic speaking Picts, the latter speaking a language very probably of non-IE origin, the former a form of P-Celtic similar to Gaulish or Gallo-Brittonic (i.e. before Gaulish and Brittonic were differentiated), but different from Brittonic spoken south of the Forth-Clyde line. The consolidated Pictish kingdom of the 5th-9th cent, (when it ceased to be independent) would contain peoples speaking two quite unrelated languages. Jackson also suggests that *Pritani (W. Prydain ' B r i t a i n ' ) refers to the people of the island of Britain as a whole and *Priteni (W. Prydyn 'Picts, Pictland, northern Scotland 1 ) to the people(s) north of the Forth-Clyde line only, but more especially to the Picts. The Old Irish would seem to have known the name Priteni rather than Pritani, as they would more likely have come into contact with the northern P-Celts than with the southern. Priteni in proto Old Irish would give *Quriteni or *Quritenii > Olr. Cruithin/Cruithni which in a Scottish context referred to the Picts. But in an Irish context it evidently referred to P-Celtic immigrants from northern England

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177 and southern Scotland into Ireland (more so into north-eastern Ireland), i.e. Brittones who would later adopt Irish as their language. They had nothing to do with the historical Picts, and are never called Picti by Irish writers. From the late 3rd cent, on, if not before, the Romans came to refer to all tribes north of the Antonine Wall as Picti, probably from the Latin verbal adj. picti 'painted p e o p l e " ( r e f e r r i n g to a practice of tattooing which survived longer in the north than the south), and may possibly translate Priteni. For further details v. Lewis & Pedersen ( 1 9 7 4 : 1 - 4 8 ) . Though Brittonic may have been spoken in parts of eastern Ireland before the Roman period; cf. O'Rahilly ( 1 9 4 6 ) . Goidelic in Wales and Cornwall was eventually absorbed. v. Chadwick 1962. For further details v. Bugge ( 1 9 1 2 : 2 9 1 - 3 0 6 ) , Sommerfelt (1952a: 226-36; 1 9 6 2 : 7 3 - 7 7 ) . For a suggestion (quoting Jackson) that pre-aspiration in Scottish Gaelic may be an internal development spreading from the central Scottish Highlands v. Oftedal ( 1 9 6 2 : 1 1 7 ) . Note also the P-Celtic language spoken by the Picts, which Jackson regards as a form of Gaulish or Gallo-Brittonic; v. note 5 above. The language of some texts, e.g. the Traditionary, or Manannan Ballad, may be as old as c. 1500. The term 'Middle Manx' is used to describe this period of the language because of some archaic features not met with in later periods. But in comparison with Irish it is clearly in the "Modern" period. For further information v. Jackson (1953, 1 9 6 7 ) , Thomson ( 1 9 6 9 ) Broderick ( 1 9 8 4 ) . e.g. at Würzburg, Milan (v. also note 1 6 ) , Turin, though the Milan (and Turin) glosses are of 9th cent. date. The Continental glosses appear on more or less contemporary mss., which remained unused since the glosses in them ceased to be understood there at an early date. The mss. of glosses written in Ireland (preserved in the Thesaurus Paleohibernicus) were constantly used, and so the texts are preserved only in later transcripts in which the language had undergone a number of changes. The Milan glosses are reckoned to have been written in Ireland; v. Thurneysen (197O § 6 ) . For f u l l details on the sources for Old Irish v. Thurneysen (1970:4-11), and for Old Welsh, Cornish and Breton v. Jackson (1953 and 1 9 6 7 : 1 5 f ) . Originally a neutral consonant assumed a-quality, and a consonant in assoc. with u or long u (or or long o) assumed u-quality. But the latter fell in with the former at a very early stage; cf. Thurneysen ( 1 9 7 0 : § 1 7 4 ) . Forward stress is also noticed in some dialects of East Connaught; v. O'Rahilly ( 1 9 7 2 : 1 0 0 f f . ) . The impf, indie., secondary f u t . , and past subj. occur

178

21 22

always in conjunct form (v. 5 . 4 . 6 . ) , as they are preceded by no or (an)other p r e v e r b ( s ) ; v. Thurneysen (1970:§§538, 580). These forms are the same as the absolute. An asigmatic future is found in some strong verbs; v. Thurneysen ( 1 9 7 0 : § 6 4 5 ) . Both types of subj. are independent of the present stem, even when resembling it. They are descended from the IE aorist; v. Thurneysen ( 1 9 7 0 : § 5 9 6 ) . The ^-subjunctive is found only in some 5O strong verbs whose root or verbal stem ends in a dental or velar stop or spirant or (in the pres. and pret.) in nn.

23

v. Thurneysen ( 1 9 7 0 : § 5 6 9 f f . ) .

24

As can be seen from the above exx., the phonological d i f f e r ence between the 3rd sg. and 3rd pi. passive was minimal, so the distinction was lost. For further information on their uses, v. Thurneysen (1970: § 5 2 6 f f . and §538).

25 26

27

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However, certain verbs compounded with one preposition drop the prep, whenever prototonic forms are required, i.e. after conjunct particles, in the imperative, and in replies to questions (v. Thurneysen ( 1 9 7 0 : § 3 8 , 3 a ) ) , hence the stress invariably falls on the stem syllable, e.g. ro'*cluinethar ' h e a r s 1 , r o ' « f i t i r ' k n o w s ' , ni'·cluinethar 'does not h e a r ' , 'cluinte 'hear!' ( 2 n d sg. i m p v . ) . Conversly other compounds avoid a shift of stress by repeating at the beginning one of their prep, whenever deuterotonic forms are required, e.g. ·tuit (

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The Renaissance of Scottish Gaelic as a Component of National Identity. DERICK S. THOMSON

We are very f a m i l i a r , in Europe, with a large variety of mismatches between nation and state, and with a succession of movements aimed at establishing, or improving, that match. And since political groupings arise also for reasons which are not ethnic or c u l t u r a l , we have to reckon with national identities which are not exclusively or perhaps even primarily of ethno-cultural origin Scotland provides a valuable case-study in this respect. Its inhabitants in early historical times spoke a variety of Celtic languages (British, i.e. a Welsh-type language, Pictish, and Gaelic) which by the llth century had been reduced to one dominant one ( G a e l i c ) , while already the seeds were sown of a f u t u r e dominance by Anglian, Scots and English. The Gaelic 'state 1 which had been achieved by the union of the Picts and the Scots (i.e. the G a e l s ) , was short-lived, and by the 12th century it was being gradually converted, at court and in other aspects of government, to a non-Gaelic state, while there was a more localised resurgence of Gaelic autonomy in the west, which became in due course the Lordship of the Isles. During the centuries from the 13th to the 17th, a long succession of power-struggles and political developments blurs ethnic and linguistic demarcations to some extent, and we f i n d Gaels involved in the Scottish Wars of Independence, but later attempting an alliance with the English Crown against the Scottish one; we find some important marriage alliances between Gaelic and Scottish potentates, and some powerful clan chiefs, notably the Campbells, developing a high profile in Scottish government. E v e n t u a l l y the union of the Scottish and English Crowns in 1603, and of the Parliaments in 1707, paradoxically brings some sense of unity to the Scottish diversity, so that we can think in terms of a Scottish nation which has both Scots and Gaelic elements, opposed to an English nation, as of course earlier in the Wars of Independence.

262

The intensity of this pan-Scottish patriotism varies,while there is an underlying antagonism and suspicion which are presumably of ethnic origin. The Gaelic people had their own methods of retaining and inculcating ethnic pride. Some of the most e f f e c t i v e of these were literary: the poets in particular cultivated ideas of ancient and heroic lineage, using eponymous figures such as Scota and Gaidheal Glas, prototypes of Scot or Gael, and emphasising earlier Gaelic power and even the primacy of the Gaelic language over all (MacINNES 1979)

comers

Although the sense of ethnic identity was very strong, and its rhetoric highly developed, there did not exist a matching political organisation. Indeed it can be argued that the weakness of the political reality produced the compensatory literary and rhetorical tradition, or at least kept it going in later times. It is true that there was a period, and a context, that of the Lordship of the Isles in the 14th and 15th centuries, in which the rhetoric seemed to be backed by political organisation. In this context we sense a coherent, purposeful Gaelic society, with its

own developed

structures and codes. But the more general picture is one which shows individual power-centres and occasional cooperation and solidarity,but a great deal of fission and f r i c t i o n , with interclan rivalries and conflicts dissipating the energy that was f a i l i n g to be channelled into positive and constructive development. The history of Gaelic Scotland is f u l l of destructive rivalries, between MacDonalds and Campbells, Macleans and Campb e l l s , Campbells and MacGregors, MacLeods and Mackenzies, and so on, nor did post-clan society see an end to these dissentions,

for

they appeared again in religious, territorial, political and cultural contexts. The transition from medieval to modern times, with such rearguard actions as the 18th century Jacobite Risings, shows the process of the Scottish central state g r a d u a l l y gaining f ü l l control over the Gaelic periphery, which is what it was now becoming. That control was being enforced in a variety of ways: political and legal (through m i l i t a r y Lieutenantries, m i l i t a r y roads, plantations of population, Privy Council edicts); educational and cultural

263

(schools, books); and economic ( l a n d use, clearances, improvements) . There was a series of rebellions and resistances: the Jacobite Risings; the assertions of Gaelic pride we f i n d in such a poet as the 18th c. Mac Mhaighstir Alasdair; the upsurge of antiquarianism and later romanticism mingled with nationalistic assertion that we see in James Macpherson's writings and much subsequent Gaelic collection and writing; the reaction against enforced clearances from traditional settlements, to make way for sheep farming and later deer forests; the rise of networks of schools, and an associated Gaelic literacy (this in the 19th century) ; and, late in the 19th century, the rise of a m i l i t a n t movement claiming basic rights of land tenure. In that series of references to resistance, we have suddenly moved from medieval and early modern times to the recent past, emphasising, as it were, the relatively late nature of this transition, for Gaelic society was an intensely conservative one in many respects. The evangelicalism which strongly a f f e c t e d part of Gaelic society from the 17th century onwards impinges on the questions of language and nationalism. The Scottish Reformation was led from the Lowlands, while parts of the Gaelic area stayed Catholic. In due course, a virulent Protestantism was linked to anti-Gaelic ethnic antipathy, producing a nasty strain of repression, as when the network of schools set up in the 18th century by the Scottish Society for the Propagation of Christian Knowledge was used to attempt to cure Highlanders of both Catholicism and Gaelic (CAMPBELL 1950) . To some extent, the work of the Gaelic Schools Societies, in the 19th century, reversed the prejudice against Gaelic,

pro-

ducing for the f i r s t time something approaching general Gaelic literacy (as opposed to literacy of an elite) (DURKACZ 1983) . But this movement towards Gaelic literacy was able to build on the foundations laid in the 18th century by the Gaelic translators of the Bible and of various kinds of religious literature. Some of these translators were not Evangelicals at a l l ,

but

rather .representatives of a Gaelic middle class, connected with tacksman f a m i l i e s ,

lesser c l a n septs, and hereditary professional

f a m i l i e s of the old Gaelic system. They were in a sense taking

264 on their shoulders the responsibilities of some of the earlier professional families, which societal change had eliminated, and they did so now in the light of their own new training, in the Universities. Since many of them were ministers they involved themselves in religious publication, but it is largely to them we owe the collection and preservation of earlier Gaelic poetry and lore. That line of 'Moderate 1 clergymen continued right down to modern times, but in the 19th c. came to be strongly opposed by 'Evangelical* clergymen, whose chief interest was their own kind of religion, and who may, in its light, have found national or ethnic or linguistic aspirations rather irrelevant. In their more extreme forms, the Presbyterian sects showed explicit hostility to all secular enthusiasms, with the exception perhaps of the enthusiasm for material advancement. Gaelic song, music, story-telling, dancing, etc. were all frowned on, not because they were Gaelic but because they were ' f r i v o l o u s ' . But such attitudes no doubt had the additional effect of undermining ethnic pride. There was indeed a transfer of praise-poetry to the clergy and the religious elite and the new praise-poetry drew liberally on the older heroic traditions. But it is clear that loyalties to ethnic traditions, to political creeds, and perhaps .even to language, s u f f e r e d . Those matters that contributed to the richness of the earthly kingdom seemed to have little significance for the heavenly one. Such attitudes often led to a strong polarization in the community, with youth finding itself allied to profligacy at times, and religion to narrowness of outlook. It did not produce a good formula for development of the society as a whole, and it often repelled the more energetic and creative elements in the population, hastening emigration. The long process of migration from Gaelic areas to non-Gaelic ones, i.e. chiefly the cities which were abel to o f f e r employment, created a pool of Gaelic-speaking people in these new environments They were often the more ambitious and energetic members of their original communities, and indeed they often achieved leadership in their new communities. Very noticeably also, it was there that many of the initiatives in the Gaelic cultural and political spheres were developed, e.g. the foundation of cultural and in-

265 tellectual societies, the development of Gaelic publishing, and

the generating of political movements such as the land-tenure

re-

form movement. In retrospect, some of these Highland and Gaelic initiatives can be seen to have been remarkably successful, and no doubt the

factor

of scale is an important one here. A century ago, Scottish society had a coherence which it no longer has, because it was both more purposeful and more insulated. By contrast, the society is

in-

f i l t r a t e d now by extraneous settlers and ideas, and belongs to a much wider world. Its

industry and institutions are often shared

and managed by extra-Scottish interests and personnel, and as the media grow in public importance and influence, the Scottish particularism finds itself shrunken and isolated. We may say that education and the media have been moving that way for a long time. The Scottish Education Act of 1872, which gave no place to Gaelic in the educational system, made English of prime importance in Highland schools. But there was a significant fight-hack in that situation. Now, as part of the enormously powerful English-language culture area, Scotland faces high odds in an attempt to preserve its

identity, and for Gaelic these odds seem in many ways to be

even higher. In these circumstances, some people see a way other than the nationalistic one towards the encouragement and preservation of identity. It is argued that cultural identity is something that belongs to the f o l k , and can be preserved by nurturing the arts practised and enjoyed by the f o l k . It

is a strategy that appeals

particularly to the socialist, and it has had some success in the Gaelic situation, though success of a partial and isolated nature. This strategy does not deal with the dangers of centralism, nor with the process of take-over which in many sectors of society eventually undermines local choice and development. The lack of any kind of Gaelic urban society may also be a serious handicap. There is,

for example, no town of 2000 inhabi-

tants or over which has a predominantly Gaelic l i f e . Though there are more than 2000 Gaelic speakers in Stornoway, English is clearly the f i r s t language of the community. And although there are some 10,000 Gaelic speakers in Glasgow, they are dispersed through a

266

huge population,

and at best provide a minority focus for them-

selves in that alien environment. Such factors of population tribution make it d i f f i c u l t

dis-

to achieve a Gaelic-staffed civil

ser-

vice, Gaelic media networks, developed Gaelic theatre etc. The minority focus is usually not s u f f i c i e n t l y

attractive to the

average citizen, who needs to identify with the larger mass, whether as a follower of football, as a listener to popular music, or in other matters of fashion. The more individual member of society, the idealist, the person strongly drawn to the arts or humanities, does not have these problems and can operate or share in a minority society with considerable success. It is largely in these latter respects that Gaelic identity has been developed in Scotland in more recent times, especially in the last 100 years, and these developments have gradually affected in certain ways the non-Gaelic population also. First of a l l ,

we may look at ways in which Gaelic has gained

prominence, relatively speaking, in the course of the last

century.

Reference has already been made to the Highland Land Movement, a quasi-political campaign for land rights which was successfully waged in the 1870's and 1880's, securing rights of tenure and the setting up of the Crofters Commission

(HUNTER 1 9 7 6 ) . This came

to a head late in the century that had seen the notorious Highland Clearances. These events generated a strong anti-landlord sentiment, which in turn appealed to Scottish egalitarian instincts and produced a feeling of general sympathy for the Highlanders. At the same time, the growth of separatist sentiment in Scotland (the Home Rule movement) had as an element in it

a re-

cognition of the separateness of Gaelic Scotland (and probably even some relics of Jacobitism), and this led gradually to exploration of the Highlands and to the adoption of certain elements of Gaelic culture as Scottish symbols. This process had been begun earlier with an admiration for James Macpherson's ' t r a n s l a t i o n s ' of Ossian, an interest in martial bagpipe music, George IV s patronage of the tartan, and Victoria's Highland sympathies, and continued with the p r o l i f e r a t i o n of Highland Games, piping contests, the popularisation of Gaelic music (or certain elements of i t ) , and the adoption of the k i l t as a form of Scottish national dress. Many of these factors continue to influence Lowland Scottish

267 thinking to the present, and at a variety of levels, from the Highland dress trappings of Scottish comics, to the Gaelic elements in the musical composition of Erik Chisholm and Ian Whyte, and in the work of painters and literary artists. The accompanying physical exploration of the Highlands sparked off an interest in Gaelic place-names, and in the Gaelic as a language, but a significant scale of interest in the language was late in appearing and did not become significant until the inter-war years, and more especially u n t i l the 1960's, when it can be linked to the growth in separatist sentiment once again. During this entire period - the last 100 years or so - we can also trace a conscious build-up of Gaelic institutions and structures. This movement evolved from within Gaelic society, though often it was the segment of Gaelic society in the towns and cities, influenced by developments in Ireland and Wales as well as producing its own thinking and initiatives. Thus, during this period Gaelic teaching has been extended through the school system, in the Gaelic-speaking area, and in a number of Scottish Universities and other institutes of higher education. There are, however, serious shortcomings in this provision. The provision of any kind of Gaelic school teaching outside the Gaelic area is still restricted largely to a few schools in Glasgow and Perthshire, with occasional exceptions elsewhere. And in all present instances, Gaelic is not the ' f i r s t ' language of instruction, even in the Gaelic area, while Gaelic's role as the medium of instruction is restricted, and is v i r t u a l l y unrecognised in the secondary school. An important initiative in bilingual education (Gaelic and English) was taken in the Western Isles in the mid-1970's and a good deal of very u s e f u l teaching material was generated. Gaelic as a subject has for many decades been well developed, and plays its f u l l part in the school and post-school examination system. University studies in Gaelic, both undergraduate and postgraduate, have been very significantly developed, especially in the last thirty years or so, and a number of important research projects are well established, e.g. the Linguistic Survey of Scotland, the Historical Dictionary of Scottish Gaelic, the Place-Names Survey, and the School of Scottish Studies (with its large archive of Gaelic songs, tales and other l o r e ) .

268

Related scholarly initiatives resulted earlier in the foundation of the Gaelic Society of Inverness in 1872, and its Transactions still continue to appear, while the Scottish Gaelic Texts Society was founded in 1934. A series of useful initiatives took place in Gaelic publishing, and in any modern society publishing must rate as a very important activity (THOMSON 1984) . Most Gaelic publishing until very recent times has been done in the Lowland towns and cities, and first Edinburgh and then Glasgow were the most prominent locations. Glasgow still continues to be the most prominent centre of Gaelic publishing. Gaelic publications include language manuals, grammars, dictionaries, schoolbooks and children's books, fiction, biography, poetry, song, music and religious texts. An important mechanism for stimulating further publishing activity was set up in 1968: the Gaelic Books Council, which makes publication grants to publishers, awards commissions and prizes to writers, and improves the distribution and general awareness by the public of Gaelic books. Yet the matter has to be put in sober perspective by stating that only some 30 Gaelic titles or less appear each year, and so there are many areas of Gaelic book deprivation. In the media, the Gaelic provision is patchy also. There is no Gaelic newspaper, and only occasional Gaelic columns in weekly publications. There is one all-Gaelic quarterly, Gairm, and various spasmodic publications of a periodical kind. There are several hours of Gaelic radio per week and an hour at best of Gaelic television. Radio and TV provision has been increasing slowly in recent years, and more is promised, but it is highly doubtful if the power of 'pulp 1 -radio and 'pulp 1 -television is going to be challenged in any significant way. The problem is a familiar one to any minority culture, and indeed to the thinking minorities in many majority cultures. A quick reference may s u f f i c e for other cultural and entertainment activities in Gaelic. The Gaelic Association, An Comann Gaidhealach, founded in 1891, developed branches, initiatives in education etc., and a system of local and national competitive festivals known as Mods, and the National Mod in particular is a popular annual event, attracting a good deal of media attention. Drama has not developed f a r , though there is a system of area

269 festivals and a few interesting recent plays. There is no regular Gaelic theatre and next to no radio or TV drama. Musical culture is represented mainly in instrumental, singing and choral work, with the native musical tradition still strongly represented in fiddle and pipe playing, occasionally on the clarsach or harp, and often with foreign grafts on guitar etc. There is a lively folksong movement, and some distinguished concert and recital work in Gaelic song. There is not much fresh musical creation, although adaptation to extraneous styles is wide-spread: some of the latter, played by groups, finds a ready non-Gaelic audience which results in a vague feeling for Gaelic music among youthful audiences. There is very little of a Gaelic nature to be seen on f i l m or even video as yet. The situation with regard to literature provides a striking contrast, especially in the case of poetry. From the 1940's onwards, as part of the ideology of the Scottish literary renaissance associated with Hugh MacDiarmid and others, the literary establishment in Scotland has made room for Gaelic, and for that and other reasons there has been a remarkable efflorescence of Gaelic writing. Modern Gaelic poetry (THOMSON 1974, MacAULAY 1976) is f a i r ly widely read, often in translations provided by the poets, and there has been some translation e.g. into Welsh, French, Italian and Swedish. The press occasionally and periodicals regularly carry reviews and articles on this poetry. There has been a little translation of short stories also e.g. into Welsh, Breton and Dutch. When we sum up all 'the Gaelic-orientated activities referred to, we can see that the potential exists for a f a i r degree of impact on the Scottish consciousness, and there can be no doubt that this has been achieved. It can be seen that the degree and kind of impact varies considerably, and sometimes produces informed, sometimes quite vague reactions. It is clear too that Gaelic sentiment can have political connotations, and one could no doubt chart the coded references to Gaelic that are used, or permitted, in d i f f e r e n t contexts. A modern Scottish Secretary of State can refer, on an informal occasion, to Gaelic as "our national language", but the Departments he controls are unlikely to make generous resources available for the teaching or study or public use of that 'national language'. All the political parties w i l l , to some de-

270

gree or other, pay lip-service to Gaelic aspirations, though only the Scottish National Party has a published o f f i c i a l policy, with much detail, on this issue (The f u l l e s t published statement of this policy is in Gaelic in Gairm, No. 104). It is still very d i f f i c u l t to persuade any branch of Government to give more than a cursory glance at specifically Gaelic issues. This situation has led in recent years to the formation of a variety of pressure groups and to language-activism. One group, Ceartas, has concerned itself largely with the question of using Gaelic oh road-signs, and there has been some limited progress there. Another is concerned with people's right to use Gaelic in legal processes. Another was mainly concerned to increase television coverage. And there are activist groups building up networks of Gaelic playgroups and adult learning classes. These two latter groups have recently been given Government funding, via the Highlands and Islands Development Board, which has also set up an umbrella Gaelic organisation, CNAG, to integrate certain educational Gaelic activities: its role is not as yet clearly defined. A recent report on the powers and functions of local authorities, the Montgomery Report, has queried the lack of any national policy with respect to Gaelic, and at present there is a good deal of lobbying going on to exploit this query. All these developments would have been virtually unthinkable forty years ago, and there can be little doubt that they arise from the cumulative e f f e c t of the various initiatives of these last few decades, as these have flowed into the new political consciousness of the more recent decades. Thus, we can say that in these political respects also, Gaelic has become a recognisable component of national identity. It would be appropriate to comment on the situation in which Gaelic finds itself in the light of its renaissance and its aspirations in a national context. Such aspirations move the language firmly from a context of local and domestic usage only, or from the context of quaint ethnic survival. In doing so they impose stringent obligations which may be d i f f i c u l t to f u l f i l . The language must be fitted for usage in unfamiliar domains and pressed into service in these domains. This implies both language development and political' manipulation. It was an item of Scottish Na-

271 tional Party policy that there should be set up a Secretariat to deal with Gaelic matters generally, and units to undertake different kinds of language development, but it seems unlikely that much w i l l be done on these lines pending a separate Scottish administration, which is not an imminent possibility. A good deal of spasmodic work has gone on over the last h a l f century, with a distinct quickening of pace in the last two decades. There was some development of the register for the conduct of meetings and committees in the 1920's and 1930's (by Ann Comann Gaidhealach). Registers for the discussion of current a f f a i r s and contemporary topics generally have been developed by the Gaelic periodical Gairm (since 1952) and by the Gaelic Department of the BBC (especially in the 1 9 7 0 ' s ) . Gairm also played a prominent part in developing other registers, e.g. literary criticism and one or two branches of science, notably biology (MacLEOID / MacTHOMAIS 1 9 7 6 ) . Various specialist glossaries have been compiled, e.g. of musical terms, and for accounting (the latter at the Gaelic-orientated businesses run by Ian Noble in Skye), and work is proceeding on a register for restaurant menus. Other business and secretarial terminology was developed by a short-term ad hoc unit in Stornoway and is used in secretarial courses run by. the organisation SCOTBEC, while some such terminology is also used in the Gaelic courses at Sabhal Mor Ostaigin Skye. In 1981 I produced a new English-Gaelic Dictionary which makes much newly and recently minted vocabulary available (THOMSON 1981). A f t e r the local government reorganisation of the mid-1970's, a new all-purpose authority was set up for the Western Isles or Outer Hebrides, and this new body adopted a bilingual policy which has by now resulted in f a i r l y extensive use of Gaelic in the work of two committees (education and social services), some use of Gaelic in advertising, but on the whole rather restricted use of the written language in Council business. Some organisations keep bilingual minutes, and conduct a small part of their correspondence in Gaelic. Lacking any generous commitment to Gaelic development on the part of central Government, and with the language still lacking legal or o f f i c i a l status in many respects, the work of development still depends largely on personal initiative, and it may often be d i f f i c u l t to give currency to new vocabulary or re-

272

gisters. Severe problems arise in deciding what language developments are realistic or possible: if biology, why not physiology or biochemistry; if these, why not mathematics or physics; should art and architecture be catered for as well as literary criticism; if accounting, why not computing, or oil technology etc. etc. There is not sufficient money, manpower or the means of dissemination to make many, let alone all, of those possibilities practical. Yet without them, some fear an ultimate relapse into the old state of usage severely restricted to a few domains. In sober truth there is a real danger that the notable advances which Gaelic has made as a component of national identity may be swept away by the blind, if often calculating, forces of international commercialism, communications development, and Americandominated entertainment. If such a fate is to be avoided, it will be by building resolutely on the careful foundations that have been laid in the past, by repairing the psychological damage done by hostile or careless political and educational agencies, and by concentrating on a political strategy that allows Gaelic a significant national role.

References CAMPBELL, J.L. ( 1 9 5 0 ) : Gaelic in Scottish Education and Life. Edinburgh: Saltire Society. DURKACZ, V . E . (1983): The Decline of the Celtic Languages. Edinburgh: John Donald. GAIRM. The Gaelic Quarterly 1952 -. Glasgow: Gairm Publications HUNTER, James ( 1 9 7 6 ) : The Making of the Crofting Community. Edinburgh: John Donald. MACAULAY, Donald ( 1 9 7 6 ) : Nua-bhärdachd Ghäidhlig: Modern Scottish Gaelic Poetry. Edinburgh: Canongate. MACINNES, John ( 1 9 7 9 ) : "The Panegyric Code in Gaelic Poetry and its Historical Background". Transactions Gaelic Society of Inverness 5O: 435-490. MACLEUID, R./MACTHÖMAIS, R. ( 1 9 7 6 ) : Bith-eölas. Glasgow: Gairm Publications. THOMSON, D.S. ( 1 9 7 4 ) : An Introduction to Gaelic Poetry. London: Gollancz

EIN "NEUES" ITALIENISCH IM 20.

JAHRHUNDERT?

ZUW WERTUNG DER JÜNGSTEN SPRACHENTWICKLUNG

Edgar Radtke

Grundsätzlich ist

bei der vorliegenden Thematik des Symposi-

ums die Frage voranzuschicken, wie im Rahmen einer Erörterung zur "Entstehung von Sprachen und Völkern" ein Beitrag zur jüngsten Phase der italienischen Sprachentwicklung überhaupt zu legitimisieren ist. Mir scheint trotz der anfänglichen eigenen Verwunderung das Heranziehen gegenwärtig beobachtbarer bzw. gut dokumentierter Phasen der Sprachentwicklung eine durchaus erörternswerte Möglichkeit zu sein, Prozesse und Selbtseinschätzungen von Sprechern zu ihrer Sprache bzw. deren Varietäten zu beschreiben. Freilich - um keine falschen Vorstellungen zu wecken die Entstehung einer "neuen" Sprache oder eines "neuen" italienischen Volkes möchte ich nicht suggerieren. Stattdessen soll das Italienische hier eine besonders günstige Ausgangslage darstellen, um Entstehungsschübe in folgender Hinsicht zu beurteilen: 1. Der italienischen Sprache wird von Sprachhistorikern

seit der

Einigung Italiens 1860/61 eine neue Qualität zugeschrieben. Läßt sich diese Neuerung in der inneren Sprachstruktur dokumentieren? Oder liegt hier einer der sprachwissenschaftlichen Gemeinplätze vor, die im Gefolge politischer Ereignisse radikale sprachliche Neuerungen ansetzen, ohne daß empirische Untersuchungen diese Annahmen einschlägig bestätigen könnten? In der Romanistik sei an die eklatanten Fälle der Französischen Revolution, die einen sprachlichen Veränderungsschub ausgelöst haben soll, oder an den 25. April 1974 in Portugal gedacht, der eine Bewegung in der Durchsetzung neuer Anredeformen im Portugiesischen ausgelöst hat (KILBURYMEISSNER 1982, HAMMERMÜLLER 1984, SCOTTI-ROSIN 1 9 8 4 ) .

2. Italien hat in jüngster Zeit eine vehemente Diskussion um die

274

sprachliche Selbsteinschätzung erlebt. Mit der Regression der Dialekte haben das Italienische und seine Varietäten im alltäglichen Leben einen Platz eingenommen, der Fragen der Sprachverwendung nicht ausschließlich den Linguisten überläßt. In diesem Zusammenhang sei an die Diskussion um die sog. nuova questione della lingua, die Pasolini in den 60er Jahren initiierte und die die italienische Öffentlichkeit intensiv beschäftigte, erinnert (PARLANGELI 1 9 7 1 ) . Die letzte divulgativ orientierte Publikation dieser Art stellt die Interviewsammlung des Journalisten Walter Della Monica, I dialetti e l'Italia. Inchiesta fra scrittori poeti sociologici specialist! von 1981 dar, die von der Befragung bekannter Persönlichkeiten bis zu zufälligen studentischen Stellungnahmen reicht. Oder man denke an die Feuilletonbeiträge der terza pagina, in denen namhafte Linguisten wie Tullio De Mauro im Paese Sera, Maria Corti in II Giorno oder in La Repubblica, Raffaele Simone in der letztgenannten Zeitung oder Maurizio Dardano in II Giorno die Frage nach der Qualität der Gegenwartssprache einem weit gestreuten Publikum nahebringen. 3. Demoskopische Befragungen zur Verwendung und zur Einstellung gegenüber Hochsprache und Dialekt nehmen zu. Auf statistische Erhebungen greift als erster DE MAURO 1963 zurück. Ohne eine Feinabstimmung innerhalb der Diglossiesituation vorlegen zu können, trennt dieser Zählungsversuch die Republik in italofoni und dialettofonl . Auch die Ergebnisse der Volksbefragung der Doxa (DOXA 1 9 7 4 , 1982, COVERI 1978) versuchen die Selbsteinschätzung der Sprachverwendung statistisch zu ermitteln. In den Ergebnissen legen die drei Bewertungsgrundlagen zumindest neue Tendenzen in der italienischen Gegenwartssprache nahe, die einer noch zu präzisierenden Kommwntierung bedürfen. Zu diesem Zweck möchte ich einige Stellungnahmen vorlegen, die diesen Eindruck seitens der Sprachwissenschaftler belegen. Als erstes sei eine Stelle aus der recht persönlich gehaltenen Schilderung des Sprachwissenschaftlers Carlo Battisti zitiert, der in dem Aufsatz "La lingua e il cinema: impressioni" sprachliche Beobachtungen aus seiner Nebentätigkeit als Schauspieler im Zusammenhang mit seiner Rolle in De Sicas Umberto D.

275

zum Besten gibt: Dobbiamo insomma riconoscere, non senza rammarico, ehe la lingua letteraria e venuta allontanandosi paurosamente dall'italiano parlato (BATTISTI 1952: 34). Battisti ist bestimmt nicht der erste, der die Diskrepanz zwischen italiano letterario und tatsächlich gesprochenem Italienisch konstatiert, aber seiner Beobachtung kommt insofern besondere Bedeutung zu, als sie mit dem neorealistischen Filmschaffen in Verbindung gebracht wird, das das Zurückweisen des italiano letterario in ihr Programm aufgenommen hat. Sehen wir dabei von Battistis offensichtlichem Unverständnis gegenüber der veränderten sprachlichen Situation ab, so muß in dieser knappen Bemerkung die Tatsache befremden, daß sich die lingua letteraria von der gesprochenen Sprache entfernt haben soll - als ob das gesprochene Italienisch in den Jahren zuvor mit der lingua letteraria faktisch zusammengefallen sei. Zudem wird die Wegentwicklung der lingua letteraria zugeschrieben, obwohl diese zumeist als statischer Fixpunkt angesehen wird. Wie dem auch sei: als neu wird die Kluft empfunden, die zwischen normierter und gesprochener Sprache k l a f f t . Battisti bleibt uns die Begründung schuldig, sie wird in den folgenden Jahren die Italianisten zunehmend beschäftigen. Dabei spielen im Gefolge der De Mauroschen Analyse die sprachexternen Faktoren die entscheidende Rolle: Das gesprochene Italienisch erreicht nach der Einigung neue, d.h. im Grunde nunmehr alle Bevölkerungsschichten, die Trennung in ausschließlich italophone und ausschließlich dialektophone Sprecher weicht zugunsten eines Modells, das allen Italienern obligatorisch Italienisch aufdrängt und die Dialekte als fakultative Verwendungsmöglichkeit in bestimmten Situationen beläßt. Mit dieser Umkehrung gegenüber den Gegebenheiten vor der Einigung verliert die lingua letteraria ihren elitären Charakter und verändert sich als Massenkommunikationsmittel unter Aufweichung der qualitativen Dimension. Als lingua di tutti flössen demnach neue Varietäten ein, so das italiano regionale oder das italiano popolare. Dabei bindet man die Verwendung dieser Varietäten an die soziale Schichtung, das italiano popolare erhält sogar die Zuweisung als Klassensprache (BERRUTO 1983: 87-8). Dieses gesprochene Italienisch, wie es vor der Einigung nicht gesprochen

276 werden konnte, löst eine neue Normkrise aus, indem die beiden genannten Varietäten von sprachwissenschaftlicher Seite einerseits anerkannt werden, andererseits aber keinesfalls ein neues genormtes Italienisch darstellen.

Italienisch gesprochen geschrieben vor 186 O/ 1861

- (?)

überwiegend von höheren sozialen

Dialekte gesprochen von allen

Schichten nach 1860/

von allen

von allen

nur noch fasive Phase

Dieses Schema

bedarf jedoch m.E. einiger Korrekturen, und zwar

in folgender Hinsicht: - Gesprochenes Italienisch läßt sich auch vor der Einigung dokumentieren, wenngleich authentisch gesprochene Sprache als solche nicht konserviert worden ist. Sehr vorsichtig äußern sich diesbezüglich beispielsweise PETROLINI 1981: 29-32, für das Cinquecento oder LÜDTKE 1985 für das Risorgimento. Letzterer stellt fest: Der Dialekt wird von der ganzen Sprachgemeinschaft in einem bestimmten Gebiet gesprochen; das Italienische wird geschrieben und bei einigen formellen Anlässen wie Gerichtsreden und Predigten (aber auch nicht überall) gesprochen. Soziale Relevanz als Sprechsprache hat im Grunde nur der Dialekt. Diese Situation wurde von den Italienern der damaligen Zeit als autonomer Zustand, als rückständig gegenüber Frankreich, Deutschland, England empfunden, ein Zustand, den es schnellstens zu überwinden gelte ( . . . ) . In der Tat bereitet das Risorgimento diesen Anschluß vor, trotz2 dem läßt sich nachweisen , daß bereits in dieser Zeit gesprochenes Italienisch in mehr oder weniger ausgeprägter Form existiert haben muß. Es ist dabei allerdings einzuschränken, daß es sich um Erscheinungen von geringer Relevanz handelt . Die geeigneten Textdokumente wie metasprachliche Aussagen, Tagebücher, Anleitungsbücher zum Erlernen des Italienischen, Buch-

277

haltungsdokumente u.a. mehr sind auf breiter Basis noch nicht

4 analysiert worden . Die Situationserfordernisse und die Gestal-

tung des gesprochenen Italienisch vor der Einigung sind zumindest rekonstruierbar, ungeachtet der dabei auftretenden Schwierigkeiten . - Konkrete Hinweise auf die Beschaffenheit einer Mischsprache zwischen Dialekt und Hochsprache fehlen in der Anfangsphase nach 1861. Wie schnell und unter welchen Umständen welche Gruppierungen in das Italienische der mündlichen Kommunikation vorgedrungen sind, ist noch nicht zufriedenstellend nachvollzogen worden. Diese Entwicklung umgeht die präskriptive Normdiskussion, und Battistis Aussage kennzeichnet letzten Endes den Abschluß dieser Phase. Das Desiderat eines geeigneten mündlichen Sprachniveaus durchzieht die gesamte Diskussion um die questione della lingua im 19. Jahrhundert. Der Verweis auf Pirandello mit seinen in Bonn 1890 getroffenen Aussagen möge hier für viele andere stehen: La nostra lingua, ehe a volerla cercare, non si saprebbe dove trovarla, in realtä non esiste ehe nell'opera scritta soltanto, nel campo cioe della letteratura (PIRANDELLO 31973 j.n SGROI 1982: 3 0 1 ) . Keine hundert Jahre später beansprucht diese Aussage für sich keine Gültigkeit mehr ebenso wie folgende Beobachtung: E il siciliano e il piemontese messi insieme a parlare, non faranno altro ehe arrotondare alia meglio i loro dialetti, lasciando a ciascuno il proprio stampo sintattico, e fiorettando qua e la questa ehe vuol essere la lingua italiana arlata in Italia delle reminiscenze di questo o i quel libro letto (PIRANDELLO 3 1971 in SGROI 1982: 302) .

f

Auch diesem Zustand scheint weitgehend abgeholfen zu sein, eine Form der gegenseitigen Verständigung, der intercomprensibilita, hat sich ausgebildet. Mit anderen Worten: In dem Maße, wie die Dialekte als untereinander divergierende mündliche Ausdrucksmittel nach 1860/61 schrumpfen, steigt der Stellenwert des gesprochenen Italienisch. Bleibt die Schriftsprache unabhängig von der politischen Einigung normgebunden und homogen, so muß ein "neues" gesprochenes Italienisch sich erst manifestieren, d.h. eine deskriptive Norm auf breiter Basis erlangen, um dem

278

neuen Erfordernis eines homogenen Kommunikationsmittels gerecht zu werden: Normierungsgrad normfrei Dialekte

normgebunden gesprochenes Italienisch

geschriebenes Italienisch

1860/61

innersprachliche Variabilität

starke Heterogenität

Tendenz zu verstärkter Homogenisierung

starke Homogenität

Somit setzt sich das gesprochene Italienisch durch seinen innovativen Grundcharakter von den starren, konservativen Sprachbereichen Dialekt und Schriftsprache ab und weist naturgemäß auch die größte innersprachliche Dynamik a u f , die beim Sprachbenutzer schnell zu Unsicherheiten führen kann. Diese Unsicherheit in der Frage nach einer akzeptablen Sprechsprache äußert sich etwa bei FRACASTORO MARTINI 1951, 89: La lingua dei nostri tempi e" caratterizzata da una certa prevalenza dello scritto sul parlato. Buona parte della gente legge e scrive molto di piu di quanto ascolti e parli. Die Klage fährt dann fort: Riguardo alia pronunzia, il frutto di questi anni di scuola elementare in complesso non puö definirsi vistoso.E 1 molto se il ragazzo ne esce sapendo scrivere alia meglio in italiano corretto, per la pronunzia non si pu s£ (eN bzw. Schriftsprache oks - eS os ' Z w e i g 1 , maksad massa£ 'du bezahlst' ) ; Jcs > ts (kaks - ka£s -» kai€s ' zwei 1 , läks lä€s -/ läi€s 'er g i n g ' ) ; tk · kk (sStkuda - sgftku 'trampeln, tret e n 1 ) ; h_t > tt (vaht - vat ' S c h a u m ' ) . Die Gemination in kontrahier•

ten Wörtern (pime - pimme e. *pime^ä ' f i n s t e r 1 , maqan - makka £ , > £, o ?· £ (meel - mil ' S i n n ' , looma Ifima ' s c h a f f e n ' , söök - s§R ' E s s e n ' ) . Im eS hat sich die Vokalharmonie bewahrt: küla - küla ' D o r f , pelgama - peüfeämmä

'fürchten',

s.

ärganud - heränü ' a u f g e w a c h t ' , küpsetamata - küDZämälDä ' ungeb a c k e n ' , moteldes - me.ttglDe.n ' d e n k e n ' , c^petajale - opp^tajale ' dem Lehrer' . 2.1.2.

Morphologie

Im Bereich der Flexion des Nomens ist vor allem das Pluralzeichen zu nennen. Dieses ist im Nominativ des eN - d, des eS - ?_, -0 (pered - perre? ' F a m i l i e n ' , hooned - hüne/ 'die Gebäude', lapsed - latse^ ' K i n d e r ' , tütred - tütre ? 'Töchter', hobused ' P f e r d e ' , hambad - hariiBa ' Z ä h n e ' ) ; in den obliquen Kasus ist im eN meistens der sog. d-Plural gebräuchlich, im eS der i-Plural

307 (pesadele - peZile ' a u f die N e s t e r ' , lastele - laTsile 'den K i n d e r n 1 , rikastele - rikkile 'den R e i c h e n ' , perenaistele pefnaiZile, "den H a u s f r a u e n 1 , tütardelt - tütreilt 'von den Töcht e r n 1 , akendest - aknist 'aus den Fenstern 1 , laudadest - lauwust "aus den B r e t t e r n ' , naeltega - naluGa 'mit den N ä g e l n 1 , silmadega - silmiGa 'mit den A u g e n ' ) ; die gewöhnliche Illativendung vieler Deklinationstypen ist im eN -sse, während im eS -he alltäglich ist (kirikusse - kerikkohe ' i n die K i r c h e ' , koormasse 'auf die L a s t 1 ) ; die Inessivendung ist im eN -£, im eS -n, -h, -hN (käes - käe*n 'in der H a n d 1 , lättes - läfeten ' i n der Q u e l l e 1 , veskis - vesfkin ' i n der M ü h l e 1 , suus - sah 'im M u n d 1 , käises käüsseh "im Ä r m e l ' , külas - külähN 'im D o r f ) ; die Trans lativendung ist im eN -ks, im eS -^ (külmaks ilmaks - külmäs iimäs 'zum kalten W e t t e r " , sugulaseks - suGulaZgs 'zum Verwandten'); die Abessivendung ist im eN -ta, in vielen Mundarten des eS -IDa^) (maata - mälDa^ Ohne L a n d 1 , rcfivata - reivalDa Ohne K l e i d e r ' ) ; das Komparativsuffix ist im eN -m, im eS -mB, -p ( lühem - lühemB ' k ü r z e r 1 , raskem - raZghgp ' s c h w e r e r ' ) . Beim Verb muß in erster Linie darauf hingewiesen werden, daß im eN das Imperfektzeichen -si- allgemein ist, dagegen im eS -_i(naersin - näri "ich l a c h t e ' , andis - arfo 'er g a b ' , taples tappe? "er prügelte 1 , parandasid - paranDiva ' soe r e p a r i e r t e n ' ) ; anstelle des eN Infinitiveuf fixes -ma tritt im eS oft -mähe, -made auf (tulema - tulgmahg 'kommen', jootma - lll-maDe^ 'tränk e n ' , seisma - saiZmaDg ' s t e h e n ' ) ; Partizipien: eN -nud, -tud/ -dud, eS -nu^ -ttu/-Pu, -£ (hakanud - nakkanu "angefangen 1 , jäänud - janü 'geblieben', läinud - lännü^ 'gegangen 1 , tehtud - te^tü 'gemacht 1 , tostetud - ngstgt ' a u f g e h o b e n ' , viidud - viDü " g e b r a c h t " ) . Bei den Konjugationsendungen gibt es mehrere Differenzen, von denen die folgenden die wichtigsten sind: 1. Pers. Sing. eN -n, eS -£ (die gleiche Erscheinung findet man aber auch im Inseldialekt und im Westdialekt) (saadan - ma saDa 'ich sende', motlen - ma mstle 'ich denke', keetsin - ma ke5i "ich kochte ' , ärkasin - -ma heraZi 'ich wachte a u f ) ; 2. Pers. Sing. eN -d, eS meistens -t. (pead - piäf. 'du m u ß t " , sffidad s&iDa£ "du f ä h r s t 1 ) ; 3. Pers. Sing, des Präsens eN -b, eS -£, -s, im Plural eN -vad, eS -va1^, -Ze(n (käib - käu "er geht",

308

läheb - lät 'er geht 1 , tuleb - tulg 'er kommt', elab - eläs 'er l e b t 1 , ärkab - heränes 'er wacht a u f , viivad - vivä' ' sie bring e n ' , saadavad - sa*tte_va? 'sie senden', elavad - eläZe* 'sie leb e n ' , toukavad - toukkaZe^ 'sie s t o ß e n ' ) . Bei negierten Formen des Verbs tritt im eS im Vergleich zum eN grundsätzlich eine unterschiedliche Struktur a u f : ma ei kuulnud - ma is kule.* 'ich hörte nicht, ta ei joudnud - ta is jouwa* 'er konnte n i c h t 1 , tema ei elanud - timä is elä^ 'er lebte nicht 1 , nemad ei saanud nimä is sa^ 'sie bekamen n i c h t ' . 2.1.3.

Wortschatz

Dazu soll eine Auswahl eN und eS lexikalischer Parallelen vorges t e l l t werden, wobei die hier gebrachten eS Wörter auch in der heutigen Schriftsprache Anwendung finden (teilweise natürlich mit stilistischen N u a n c e n ) : vend - veli ' B r u d e r ' , öde - so*sar 'Schwester', pulmad - saajad 'Hochzeit', koht - vats ' B a u c h ' , koer - peni ' H u n d ' , hunt - susi ' W o l f , loom - elajas ' T i e r ' , m u l l i k a s - ohv ' F ä r s e ' , lind - sirk "Vogel 1 , kukk - kikas ' H a h n ' , ööbik - sisask ' N a c h t i g a l l ' , uss - siug ' S c h l a n g e ' , kask - ko*iv ' B i r k e 1 , mänd - pedajas ' K i e f e r ' , nou - anum ' G e f ä ß ' , nuga väits 'Messer 1 , särk - harne ' H e m d ' , nöör - kabel ' S c h n u r ' , ring - soor ' K r e i s 1 , k a l l a s - perv ' U f e r ' , allikas - läte ' Q u e l l e ' , ving - karm ' K o h l e n g a s ' , uus - vastne ' n e u ' , punane - verev ' r o t ' , vasak - kura ' l i n k ' , süütama - läitma ' a n z ü n d e n 1 , vaatama - kaema ' s c h a u e n 1 , pesema - moskma 'waschen', surema - koolma 'sterben', kartma - pelgama ' f ü r c h t e n ' (KASK 1984: 2 0 6 - 2 0 8 ) . Hierbei darf man nicht vergessen, daß die eben als Beispiel angeführten, zum Grundwortschatz der Sprache gehörenden eN Wörter vor Jahrhunderten im eS Sprachraum mehr oder weniger unverständlich waren, was selbstredend auch auf den umgekehrten Fall zutrifft. 2 . 2 . Den außerlinguistischen Aspekt betrachtend, spielten bei der Herausbildung und beim langanhaltenden Fortbestehen der zwei Schriftsprachen historische, politische, administrative und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. So gehörten im Verlaufe der Geschichte Nordestland und Südestland zum Machtbereich verschiede-

309

ner Staaten (Schweden, P o l e n ) . Während der Zugehörigkeit zum Russischen Reich war Nordestland das Gouvernement Estland, aber Südestland bildete (zusammen mit Nordlettland) das Gouvernement Livland (allerdings stimmte die administrative Teilung nicht genau mit den Dialektgrenzen ü b e r e i n ) . Außerdem waren die Fortbewegungs- und Umsiedlungsmöglichkeiten der Bevölkerung in der Zeit des Feudalismus recht minimal. 3. Bis zum Beginn des 18. Jahrhundert hatte sich die eN Schriftsprache verhältnismäßig einheitlich entwickelt, beinhaltete aber dennoch Züge verschiedener Mundarten. In den vorangegangenen Jahrhunderten publizierte man hauptsächlich geistliche Literatur, kirchliche Handbücher und in geringem Maße weltliche Schriften mit didaktischem Inhalt. Bedeutsam war das Erscheinen des südestnischsprachigen Neuen Testaments "Wastne Testament" im Jahre 1686. Das "Uus Testament" kam in der eN Schriftsprache erst nach der Jahrhundertwende - 1715 - zur Veröffentlichung. Die Bibel als Ganzes druckte man in der Übersetzung von Anton Thor H e l l e 1739. Als erste estnischsprachige Zeitschrift kann das Wochenblatt "Lühhike öppetus". das 1766-67 in Poitsamaa herausgegeben wurde, genannt werden. Die Notwendigkeit der Schaffung einer einheitlichen Schriftsprache erkannte schon der P f a r r e r HUPEL (1780: 3 ) . Mit konkreten Überlegungen zur Schaffung dieser einheitlichen Schriftsprache trat als erster ROSENPLÄNTER (1782-1846), der in Pärnu die verdienstvolle, den Fragen der estnischen Sprache vorbehaltene Zeitschrift "Beiträge zur genauem Kenntniss der ehstnischen Sprache" (1813-32) herausgab, an die Ö f f e n t l i c h k e i t . Schon zu Anfang des Jahrhunderts prophezeit er: "Hört nun der dorptsche Dialect auf Schriftsprache zu sein, so wird er, wie die übrigen Dialecte, eine reiche Quelle für die ehstnische Gesammtsprache" (1814: 6 4 ) . Aus dem zitierten Satz geht deutlich die A u f f a s s u n g von Rosenplänter hervor: die einheitliche Schriftsprache entwickelt sich aus der nordestnischen Schriftsprache, während die südestnische Sprache zu deren Bereicherung dienen soll. Es folgten aber noch fast einhundert Jahre der Auseinandersetzung entgegengesetzter Standpunkte, bevor sich diese Worte vollständig bewahr-

310

heiteten. Zur Begründung seiner Ansicht äußert ROSENPLÄNTER, daß der Unterschied zwischen den Nord- und Süddialekten des Estnischen keineswegs so bedeutend sei,

daß dieser die Kommunikation

unmöglich machen würde ( i b i d . ) . Zum Erlangen der Einheit der Schriftsprache kamen auch andere Meinungen ins Gespräch. Zum Beispiel vertrat der Lektor für die estnische Sprache der Tartuer Universität MORITZ den Standpunkt, daß man, ausgehend von den zwei vorhandenen

Schriftspra-

chen, eine neue einheitliche Schriftsprache schaffen könnte. Dazu müßte man die beiden einander näherbringen, indem aus beiden die besten, passendsten und schönsten Elemente in den Sprachgebrauch Aufnahme finden

( " U e b e r . . . " 1815 / KASK 1952: 29 /

" N o c h . . . " 1817). Es gab auch Vertreter eines dritten Weges, die die Notwendigkeit zur S c h a f f u n g einer einheitlichen Schriftsprache nicht sahen.

Zu den Befürwortern dieser Richtung zählten vor allem kon-

servative P f a r r e r aus Südestland, die bestrebt waren, die Tradition der eS Schriftsprache fortzusetzen (s.

z . B . LEPIK 1936:

111 / KASK 1975: 176-177). Ein offenes Ohr und Unterstützung für seine Standpunkte fand Rosenplänter bei einer großen Autorität dieser Zeit in Sachen Sprachprobleme, bei MASING

(1763-1832) .

Nach Masing mußte man sich unbedingt von der eS Schriftsprache lossagen, und eine allgemeine Schriftsprache mußte auf dem landeinwärts gesprochenen Dialekt von Virumaa und auf dem Dialekt von Järvamaa basieren (1816). In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts gab er die nordestnischsprachige Wochenzeitung "Marahwa Näddala-Leht" heraus. In die gleiche Periode f ä l l t auch die Tätigkeit des bekannten K u l t u r s c h a f f e n d e n , S c h r i f t s t e l l e r s und Sprachforschers FAEHLMANN (1798-1850). Die allgemeine Schriftsprache gutheißend, schreibt er zum Wesen der estnischen Sprache "Finnen", Reval-Esten u n d Dörpt-Esten sprechen

e i n e

Sprache, d i e n u r

dialektisch auseinander geht" (1844: 6) und präzisiert: "Auch i n dieser Abhandlung habe i c h mich n u r a n

e i n e n

Dialekt

des Reval-Estnischen gehalten. Es ist aber dieser Dialekt der unverfälschteste, der am weitesten verbreitete und fast genau der Dialekt O. W. Masings's" ( i b i d . ) . Aus dem vorangegangenen wird e r s i c h t l i c h , daß die Hauptstütze

311

der eN Schriftsprache zu dieser Zeit schon festgelegt war. Die Gelehrte Estnische Gesellschaft (GEG) wandte sich in einem Rundschreiben aus dem Jahre 1841 mit folgender Frage an ihre Mitglieder: Was sollte die Gesellschaft im Interesse einer einheitlichen Schriftsprache unternehmen? Die herausragende Persönlichkeit der estnischen Nationalbewegung, der Zusammensteller des Epos "Kalevipoeg" Fr. R. Kreutzwald (1803-1882) antwortet, daß die GEG für ihre estnischsprachigen Ausgaben in Z u k u n f t einzig und a l l e i n die eN Schriftsprache gebrauchen müßte. Später tritt er wiederholt gegen südestnischsprachige Druckschriften a u f . Kreutzwald selbst stammte aus dem eN Sprachgebiet und hielt den Virumaa-Dialekt für den "deutlichsten". Deshalb gelangten in seinen Sprachgebrauch auch einige Züge des Heimatdialektes ( z . B . die Diphthonge anstelle langer Vokale: woeras pro vooras ' f r e m d ' , moet pro moot ' M a ß ' ) (KASK 1984: 128). Aber auf Dialekteinflüsse stößt man des öfteren auch in der Sprache anderer Autoren; z . B . kritisiert K r e u t z w a l d den bekannten K u l t u r s c h a f f e n d e n und Zeitungsherausgeber J. V. Jannsen (1819-1890) hinsichtlich der oft in seinen Arbeiten auftauchenden Formen des Westdialekts. Obwohl J. Hurt (1839-1907) aus dem in Südestland gelegenen Polva stammte, war er ein leidenschaftlicher Verfechter der allgemeinen eN Schriftsprache. Da er die eS Sprache aber gut kannte, machte er zahlreiche Vorschläge zur Aufnahme von eS Elementen in die S c h r i f t sprache ( z . B . zum o in nichtersten Silben, das sich im eN in dieser Position zu u verwandelt hatte, zu Formen des _i-Plurals u . a . m . ) (KASK 1984: 143). Der hervorragende Forscher des Estnischen und der verwandten Sprachen M. Veske (1843-1890) widmete der genauen Abgrenzung der dialektalen Basis der estnischen Schriftsprache große Aufmerksamkeit. Jedoch berücksichtigte er nicht die zur damaligen Zeit tief verwurzelten Traditionen'und empfahl Dialektismen als Normen ( z . B . die Diphthonge: kieel pro keel 'Sprache', puool pro pool ' H ä l f t e ' , den I l l a t i v auf - l i e nach einer nebenbetonten S i l b e ) ; auch versuchte er in der Orthographie Regeln zur D i f f e r e n z i e r u n g langer und überlanger Quantität anzuwenden (KASK 1984: 1 4 9 f f . ) . Solche Neuerungen wurden für nicht zweckmäßig gehalten.

312

4. Mit den Bestrebungen zur Schaffung einer einheitlichen Schriftsprache wurde das Problem der Orthographie aktuell. Die bisherige, sog. alte Schreibweise war s e i t , A n f a n g des 18. Jahrhunderts im Gebrauch. Mit deren Prinzipien trat 1686 B. G. Forselius an die Öffentlichkeit, und diese wurden durch die Sprachlehre von HORNUNG (1693) allgemein bekannt. Vorbild dieses Systems war. die Orthographie des Mittelhochdeutschen. Als deren Vorzug muß man das Streben nach Konsequenz im Vergleich zur früheren, sog. Schreibart von Stahl ansehen. Daß diese alte Schreibweise für das System der estnischen Sprache unangebracht war, wurde schon in der ersten H ä l f t e des 18. Jahrhunderts festgestellt und Ergänzungsvorschläge gemacht. So schlug THOR HELLE zur Präzisierung der Aussprache und zur Vermeidung von Verwirrungen vor, diakritische Zeichen in den Gebrauch aufzunehmen: murre (Aussprache murre) ' D i a l e k t ' , murre (mure) 'Sorge' (1732: 5 ) . Ähnlich lautende Empfehlungen kamen auch von Hupel und anderen. Schon früher hatte Rosenplänter die alte Schreibweise kritisiert und hielt es für notwendig, diese der Aussprache anzugleichen. Seine Empfehlungen brachte auch MASING vor. Es war eben sein Vorschlag, zur Bezeichnung des Lautes £ den Buchstaben cf einzuführen (1820 / 1824: 9 ) . In "Beiträgen..." ergreifen für die Veränderung der Orthographie noch J. W. Luce, K. J. Peterson, J. J. Hirschhausen u . a . das Wort. 1843 bringt Faehlmann vor der GEG, deren Präsident er seit 1843 war, Vorschläge zur Verbesserung der Orthographie und ruft die Mitglieder der Gesellschaft a u f , ihre Meinung dazu zu äußern. Faehlmanns Vorschläge lagen den früher von Masing vorgetragenen sehr nahe. Diese Variante der alten Schreibweise von Faehlmann wurde kurze Zeit angewandt. Die erste Empfehlung, in der estnischen Schriftsprache von der finnischen Orthographie auszugehen, kam 1822 von der Persönlichkeit der finnischen Nationalbewegung und dem Geschichtsforscher ARWIDSSON ( " U e b e r . . . " 1822 / KASK 1958: 5 3 ) . Lange Zeit gab es darauf kein Echo. Erst AHRENS (1803-1863), ein Sprachneuerer mit großen Verdiensten, äußert in seiner Sprachlehre (1843) konkrete Vorschläge zur neuen Orthographie, die eine prinzipielle Veränderung darstellten, d . h . zu einer Schreibweise, deren Vorbild größtenteils die Prinzipien der finnischen Schriftsprache waren,

313

überzugehen. Das erste gänzlich in der neuen Schreibweise gedruckte Buch - "Toomas Westen, Lapo rahva uso ärataja Norra maal" von G. H. Schüdlöffel - erschien 1844. Den "Ma-rahwa Kalender 1846"

gab man in einer Art Mischorthographie heraus. Ahrens hat-

te Teile aus dem Neuen Testament in die neue Schreibweise umgeschrieben und ließ diese 1845 drucken. Die neue Orthographie rief eine heftige Diskussion, besonders in kirchlichen Kreisen, hervor. 1844 traf E. Lönnröt aus Finnland zu einem längeren Aufenthalt in Estland ein und ließ es sich nicht nehmen, alle möglichen Vorzüge der neuen Schreibweise hervorzuheben. Zu dieser Zeit wurde in der GEG unter Leitung von Faehlmann das Problem der Schreibweise lebhaft diskutiert. Außerhalb Estlands fand die neue Orthographie auch bei Mitgliedern der Petersburger Akademie der Wissenschaften Zustimmung: die Forscher der finnisch-ugrischen Sprachen A. J. Sjögren, F. A. Schiefner und F. J. Wiedemann beg r i f f e n deren Brauchbarkeit für die estnische Sprache und befürworteten die Durchsetzung in der Sprachpraxis (TOMINGAS 1979:

734) . In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde Kreutzwald zum Begründer der neuen Schreibweise und zum Kämpfer für ihre Verbreitung. Er hatte entscheidenden Anteil bei der Durchsetzung der Orthographieneuerung. Im darauffolgenden Jahrzehnt war das Wirken von C. R. Jakobson (1841-1882) und J. von Bedeutung. Erwähnenswert ist

Hurt (1839-1907)

die Einführung neuer Schulbü-

cher von Jakobson in der neuen Schreibweise im Jahre 1867. In den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts erlangte die neue Orthographie in vollem Umfang Gültigkeit (KASK 1958: 198) . 5.

Bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhunderts war die auf dem

nordestnischen Zentraldialekt basierende Schriftsprache schon derart verbreitet, daß in der eS Schriftsprache im Jahresdurchschnitt nur 5% der gesamten Druckschriften erschienen 1952:

(KASK

3 7 ) . Die Ausdehnung des Einflußbereiches der eN Schrift-

sprache illustriert anschaulich die Tatsache, daß ab 1857 im eS Sprachgebiet in Tartu die nordestnischsprachige Zeitung "Tallorahwa postimees" v e r ö f f e n t l i c h t wurde.

314

6.

Auch im V e r l a u f e der letzten 100 Jahre ist

die estnische

Schriftsprache in einem Zustand ständiger Entwicklung gewesen. Diese Entwicklung hat sich auf der im vergangenen Jahrhundert festgelegten Dialektbasis und gemäß der im V e r l a u f e einer langen Zeit ausgearbeiteten Prinzipien vollzogen. Die radikalsten Veränderungen f a l l e n in die Zeit der Sprachneuerung, als deren Höhepunkt die Jahre 1912-24 angesehen werden (s. näheres bei AHVEN 1958: 4 7 f f . / KOKLA 1982, an gleicher Stelle die Bibliographie) . Abschließend sei noch die Aufmerksamkeit darauf gelenkt, daß die einheitliche Schriftsprache in nennenswertem Maße E i n f l ü s s e aus eS Dialekten in sich aufgenommen hat. Den Wortschatz betreffend wurden vorn Ausführungen gemacht (s. 2 . 1 . 3 . ) . Auch in der Morphologie werden südestnische Elemente angewandt: der h ä u f i g e Gebrauch von Formen des J^-Plurals in vielen Deklinationstypen, Die Zunahme des Anwendungsbereiches des geminderten I l l a t i v s im Singular ( m a j j a ' i n s H a u s 1 , eN m a j a s s e ) , der Modus obliquus mit vat-Konstruktion u . a . 7.

Die Schaffung einer nationalen Schriftsprache auf der Basis

der eN Sprache konnte dank mehrerer objektiver und subjektiver Voraussetzungen verwirklicht werden: (1) Im vergangenen Jahrhundert vollzogen sich in Estland wirtschaftliche und gesellschaftliche Veränderungen: der Kampf gegen die Überreste des Feudalismus. (2) Die Erkennntis, daß nur eine einheitliche nationale Schriftsprache in der komplizierten k u l t u r - und sprachpolitischen Situation der damaligen Zeit lebensfähig sein kann und a l l e Funktionen einer Kultursprache zu e r f ü l l e n vermag. (3)

Die K u l t u r s c h a f f e n d e n dieser Periode sahen die einheit-

liche nationale Schriftsprache als wesentlichen Bestandteil der Identität der Esten an und beschäftigten sich unermüdlich im Interesse der Entwicklung der Schriftsprache und deren Verbreitung in a l l e n Dialektgebieten. (4)

Diesem schließt sich ein durch die reale Sprachsituation

bedingter rein praktischer Aspekt an: obwohl in bestimmten Lebensbereichen die deutsche und russische Sprache üblich waren, gab

315 es unter den Esten dennoch keine nennenswerte Zweisprachigkeit.

Davon ausgehend konnte als einheitliche Schriftsprache keine andere außer der estnischen Sprache in Frage kommen, und die Übernahme der eN Schriftsprache auch im eS Sprachraum war völlig natürlich. (5) O f f e n s i c h t l i c h erwiesen sich die methodologischen Grundlagen der Sprachentwicklung, nach denen die Sprache der Dialektgruppe mit den meisten Sprechern - Nordestland - zur entscheidenden Basis der einheitlichen nationalen Sprache wurde, als richtig. Denn die typischen eS Dialekte waren doch auf einem weitaus kleineren Territorium - etwa 20 Kirchspiele - verbreitet.

Literatur AHRENS, Eduard (1843) : Grammatik der Ehstnischen Sprache Revalschen Dialektes. Reval: Laakmann. AHVEN, Eeva ( 1 9 5 8 ) : Eesti k i r j a k e e l e arenemine aastail 19001917. Eesti NSV Teaduste Akadeemia. Keele ja Kirjanduse Instituudi Uurimused IV. T a l l i n n : Eesti Riiklik K i r j a s t u s . FAEHLMANN, Friedrich R. ( 1 8 4 4 ) : Ueber die Declination der nischen Nomina. Dorpat.

est-

HORNÜNG, Johann ( 1 6 9 3 ) : Grammatica Esthonica. Riga: W i l c k KASK, Arnold (1952) : "Moningaid jooni eesti rahvuskeele kujunemisest". Teaduslikud tööd, pühendatud Tarti R i i k l i k u Ölikooli 150. aastapäevale. T a l l i n n : Eesti R i i k l i k K i r j a s t u s : 26-40. (1958) : vSfitlus vana ja uue k i r j a v i i s i vahel XIX sajandi eesti kirjakeeles. Eesti NSV Teaduste Akadeemia. Emakeele Seltsi Toimetised 2. T a l l i n n : Eesti R i i k l i k K i r j a s t u s . ( 1 9 7 5 ) : "Estonskij j a z y k " . Osnovy finno-ugorskogo jazykoz n a n i j a . P r i b a l t i j s k o - f i n s k i e , saamskij i mordovskie jazyki. Moskva: Nauka: 167-202. ( 1 9 8 4 ) : Eesti murded ja k i r j a k e e l . Eesti NSV Teaduste Akadeemia. Emakeele Seltsi Toimetised 16. T a l l i n n : Valgus. KOKLA, Paul (1982) : "Kielenuudistus ka kielensäätely viron j a k i e l e n kehittämismalleina". Sananjalka 2 4 : 83-96.

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LAANEKASK, Heli ( 1 9 8 3 ) : "Poleemika ühise eesti k i r j a k e e l e ümber a j a k i r j a s ' B e i t r ä g e ' " . Keel ja K i r j a n d u s : 191-201.

316

LEPIK^, Mart ( e d . ) ( 1 9 3 6 ) : Faehlmanni ja Kreutzwaldi kirjavahetus. Opetatud Eesti Seltsi Kirjad IV. Tartu: Opetatud Eesti Selts. MASING, Otto W. (1816): Ehstnische Originalblätter für Deutsche. Dorpat: Schünmann. ( 1 8 2 0 ) : Vorschläge zur Verbesserung der Ehstnischen Schrift. Dorpat: Schünmann. ( 1 8 2 4 ) : Beitrag zur Ehstnischen Orthographie. Dorpat. "Noch etwas über die Vereinigung der beiden ehstnischen Dialecte" (1817). Beiträge zur genauem Kennntiss der ehstnischen Sprache 7: 9-32. ROSENPLANTER, Johann H. (1814): "Ueber die Bildung und Bereicherung der ehstnischen Sprache" . Beiträge zur genauem Kenntniss der ehstnischen Sprache 3: 53-89. SAARESTE, Albert ( 1 9 3 2 ) : Die estnische Sprache. Tartu: Akadeemiline Kooperatiiv. SAARESTE, Andrus (1953): "L'estonien litteraire et les dialectes" Orbis II: 322-335. THOR HELLE, Anton ( 1 7 3 2 ) : Kurzgefasste Anweisung zur Ehstnischen Sprache. Halle. TOMINGAS, Silva (1979): "Eduard Ahrens ja uus kirjaviis". Keel j a Kirjandus: 7 3 4 - 7 4 0 . "üeber die ehstnische Orthographie. Von einem Finnländer" ( 1 8 2 2 ) . Beiträge zur genauem Kennntiss der ehstnischen Sprache 15: 124-130. "üeber die wechselseitige Annäherung der beiden ehstnischen Hauptdialekte, des revalschen und des dorptschen" (1815). Beiträge zur genauem Kenntniss der ehstnischen Sprache 4: 56-70.

ETHNOGENESE UND WEITERE ENTWICKLUNG DER MORDVINISCHEN

SPRACHEN

Wolfgang Veenker

0. Ich möchte meine Ausführungen zu diesem Thema in drei Abschnitte gliedern: (L) Zunächst werde ich ein paar einführende Worte zu den Mordvinen sagen, zu ihren Siedlungsgebieten, der Bevölkerungszahl und einigen anderen Punkten. Da hierzu zum Teil ausführliche Darstellungen in zugänglichen Publikationen existieren, kann ich mich kurz fassen. (2) Der zweite Teil wird sich befassen mit der Ausgliederung des Mordvinischen aus den verschiedenen sprachlichen Vorstufen, d.h. einen kurzen Entwicklungsgang von der uralischen Protosprache bis etwa zum Ende des 19. Jh.s darstellen. Aus terminologischen Gründen vermeide ich die Termini "Sprache", "Dialekt", "Mundart", ich verwende als Notbehelf den hier neutral gemeinten Terminus "Idiom", der bekanntlich in der Finnougristik schon früh Verwendung gefunden hat

(SAJNOVICS 1770/1972).

(3) Der dritte Teil ist der Entwicklung des Mordvinischen in diesem Jahrhundert gewidmet. Es sollen einige Bemerkungen zur Etablierung der mordvinischen Idiome als Schriftsprachen getroffen werden. Sprachliche Beispiele werde ich aus Platzmangel hier aussparen, doch den organisatorischen Entwicklungsgang, der weitgehend unbekannt sein dürfte, möchte ich umreißen. Während also der zweite Abschnitt weitgehend diachron ausgerichtet ist, handelt es sich hier um einen eigentlich synchronen Bereich, der aber infolge eines Zeitraums von ca. 70 Jahren auch bereits in die Diachronie einmündet. 1.

Einführung

Da ich schwerlich voraussetzen kann, daß außer bei den Finnougristen, ggf. Slavisten und evt. bei Historikern irgendwelche näheren Vorstellungen über die Mordvinen bestehen, möchte ich,

318

Abbildung 1 Die geographische Verbreitung der finnougrischen Sprachen

319

bevor ich mich dem anstehenden Thema zuwende, einige einleitende Bemerkungen vorausschicken. 1.1. Gemäß ihrer Sprache werden die Mordvinen zum finnougrischen oder uralischen Sprachstamm gerechnet (vgl. Abb. l, 2 ) , zusammen mit den Jeremissen werden sie genauer als Volgafinnen bezeichnet. Zwar mag sich die daraus entstehende Assoziation, daß die Mordvinen und Ceremissen in früher Zeit eine nur ihnen gemeinsame Epoche durchlebt hätten, bei Erwartung neuer Forschungsergebnisse als nicht richtig erweisen - bei grober Betrachtung ist der Name gar nicht so schlecht (besser zumindest als " o s t f i n n i s c h " ) , weil er dank seiner geographischen Komponente die Richtung weist, wo das Volk der Mordvinen im geographischen Raum zu suchen ist. Ich komme hierauf nachher zurück. 1.2. Nur. ein Teil der Mordvinen lebt heute in der Mordovskaja Avtonomnaja Sovetskaja Socialistic'eskaja Respublika, die ihrerseits einen Teil der RSFSR darstellt, die wiederum eine der 15 Unionsrepubliken der Sowjetunion ist. Nur ein finnougrisches Volk hat für sein Wohn- und Siedlungsgebiet den Rang einer Unionsrepublik - die Esten mit Estland -, die anderen Völker leben in administrativ-hierarchisch zweit- oder drittrangigen Einheiten. 1.3 Das Gebiet der Mordvinischen ASSR ist nicht sonderlich groß 2 - nur 2 6 . 2 0 0 km -; das entspricht etwa der Größe von Albanien 2 2 ( 2 8 . 7 4 8 km ) oder Hessen (21.110 km ) . Von der Gesamtbevölkerung der Mordvinischen ASSR, die mit 989.509 Bewohnern (1979) etwa der Einwohnerzahl von Köln entspricht, sind allerdings nur ein Drittel Mordvinen ( 3 3 8 . 8 9 8 ) , die restliche Bevölkerung der Mordvinischen ASSR setzt sich zusammen aus Russen ( 5 9 1 . 2 1 2 ) , Tataren ( 4 5 . 7 6 5 ) , ?uvasen und Angehörigen anderer Nationalitäten (vgl. iislennost 1 1984: 7 8 - 7 9 ) . 1.4. Insgesamt b e l ä u f t sich die Zahl der Mordvinen im Jahre 1979 auf 1.191.765 Menschen, davon benutzen 7 2 , 5 6 % Mordvinisch als ihre Muttersprache. Obwohl - wie ich später noch eingehender erörtern werde - die Mordvinen sich heute zweier Schriftsprachen bedienen und mithin in Erzanen und MokSanen zu untergliedern sind wird diesem Umstand bei der Volkszählung nicht Rechnung getragen,

320

Abbildung 2 J3 O B

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d . h . es gibt über das zahlenmäßige Verhältnis von Erz'anen zu MokSanen nur Schätzwerte. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Volkszählung von 1959 mit 1,285 M i l l . , davon 78,1% Muttersprachler 1970 mit 1,263 M i l l . , davon 7 7 , 8 % Muttersprachler ist die Zahl der Mordvinen geschrumpft; sicherlich spiegeln sich hier neben einem evt. biologisch zu erklärenden Bevölkerungsschwund der Mordvinen auch andere Faktoren wider, die außerhalb unserer Betrachtung bleiben sollen. Der Grad der Muttersprachlichkeit ist zudem von 78,1% (1959) auf 7 7 , 8 % (1970) und schließlich 7 2 , 5 6 % (1979) zurückgegangen . Die Mordvinen stellen heute nach ihrer Zahl das drittgrößte Volk der Finnougrier dar (nach den Ungarn und Finnen), innerhalb der Sowjetunion liegen sie im Vergleich zu anderen Völkerschaften an 20. Stelle, oder anders ausgedrückt: die Mordvinen stellen (1979) nur 0 , 4 5 % der sowjetischen Bevölkerung dar, unter den Finnougriern nur in der Sowjetunion machen sie allerdings 2 6 , 6 2 %

aus. 1.5. Durch die historischen Ereignisse bedingt, sind die Siedlungsgebiete der Mordvinen sehr z e r k l ü f t e t ; in ihrer eigenen Autonomen Republik leben 1979 nur 2 8 , 4 4 % aller Mordvinen, oder anders ausgedrückt: sie stellen gegenüber den Angehörigen der anderen Nationalitäten in ihrer Republik nicht die überragende Mehrheit dar. Die Mordvinen leben in mehr oder weniger kompakten Siedlungsräumen in den Gebieten Kujbysev, Penza, Orenburg, Ul'janovsk, G o f k i j , in der Baskirischen ASSR, der Tatarischen ASSR, im Gebiet Saratov, in der Cuvas*ischen ASSR u s w . , aber auch in kleineren Gruppen in Zentralasien und Sibirien (vgl. Abb. 3 ) . Im Sinne der Leninschen Nationalitätenpolitik wurden für die größeren oder mittelgroßen Nationalitäten eigene politisch-administrative Einheiten gebildet; bei den Mordvinen geschah dies aufgrund ihrer weitläufigen Siedlungsgebiete mit einer gewissen Verzögerung: am 10. Januar 1930 wurde das Mordvinische Autonome Gebiet (Mordovskaja avtonomnaja o b l a s t " ) gebildet, am 20. Dezember 1934 trat die Umwandlung in eine Autonome Republik ein.

322

Abbildung 3 Ethnische Karte der Mordvinisehen ASSR (nach KOZLOV 1960: 59) [1: Moksamordvinen, 2: Erfeamordvinen, 3: Russen, 4: Tataren, 5: Wälder]

323

2.

Zur Ethnogenese der mordvinischen Sprache(n)

2.1. Die ethnische Karte der finnougrischen Stämne formierte sich nach Meinung der Archäologen im Zeitraum ca. 1500 - 500 v. Chr. heraus ( v g l . auch Abb. 2 ) . Zu jener Zeit bildeten sich noch nicht die k u l t u r e l l e n Besonderheiten heraus, die später die einzelnen Gruppen der volgafinnischen Stämme aussonderten. Die Formierung und Absonderung der untereinander ( n a h ) verwandten Merja-, Muroma-, Moksa- und Erza-Stämme als besondere ethnische Gruppen gehört ins 1. Jahrtausend nach Christus - in die Periode des Z e r f a l l s der ursprünglichen Struktur und der Herausbildung der Klassengesellschaft. 2.2. Die Mordvinen stellen vermutlich die Urbevölkerung ihres heutigen Wohngebietes an der mittleren Volga dar. Auf die Ausgliederung aus den vorangehenden Sprachgemeinschaften (vgl. Abb. 2) komme ich gleich zurück. 2 . 3 . Zu Ende des ersten Jahrtausends nach Christus bewohnen die Mordvinen das Land zwischen der Oka bei Tula und der Volga zwischen dem heutigen G o f k i j ( N i z n i j Novgorod) und Penza; südwärts erstreckt sich ihr Gebiet bis in die Gegend von Vorones? und Saratov. Die frühesten historischen Nachrichten über die Mordvinen sind in der "Getica" des Jordanes aus dem 6. Jahrhundert nach Christus (Mordens - Mordans) und in der um 950 entstandenen Schrift "De administrando imperio" des Konstantinos Porphyrogennetos (Mordia) zu finden. Es wird angenommen, daß die Mordvinen seit dem 8. Jahrhundert zeitweilig unter dem E i n f l u ß der VolgaBolgaren und Chazaren gestanden haben. Im 10. Jahrhundert kommen die Mordvinen zuerst mit den vom Westen her vordringenden ostslavischen Stämmen, den späteren Russen, in Berührung. Das weitere historische Schicksal des Mordvinentums wird dann durch zwei von außen einwirkende K r ä f t e bestimmt: im Osten durch die Turkvölker, im Westen durch die Russen. Auf die historischen «Einzelheiten kann ich hier nicht näher eingehen, ich verweise hierzu vor allem auf die Studie von Bertold Spuler aus dem Jahre 1950, die 1982 mit einigen Ergänzungen nachgedruckt worden ist. Grob gerechnet kann man die Geschichte

324

der Mordvinen folgendermaßen

(1) (2)

periodisieren:

von ca. 700 bis 1236: Zeit des bolgarisch-türkischen Einflusses; von 1236 bis 1552: Zeit der tatarischen Herrschaft;

(3)

von 1552 bis zur Gegenwart: Zeit der russischen Herrschaft. Aus dieser Anführung wird auch erkennbar, welche Sprachen Einf l u ß auf das Mordvinische ausgeübt haben; allerdings waren diese E i n f l ü s s e bis zu einem gewissen Grade auch wechselseitig (vgl. hierzu SPULER 1950, 1982; oicSY 1965: 95-98; des weiteren Abb. 4, 5) . 2.4.

Das Problem der Ethnogenese des mordvinischen Volkes bzw.

der mordvinischen Sprachen ist sehr komplex: diesem Problemkreis ist 1964 eine wissenschaftliche Tagung in Saransk, der Hauptstadt der mordvinischen ASSR, gewidmet worden, die Materialien f ü l l e n einen stattlichen Band von 434 Seiten. Hieraus wird schon deutlich, daß ich nur einen ganz kleinen Teilaspekt der Problematik anreißen kann. Das Problem ist zudem interdisziplinärer Art: zumindest f ü n f Forschungszweige sind damit befaßt - Archäologie, Geschichte, Ethnographie, Anthropologie und Sprachwissenschaft (vgl. RYBAKOV / SEREBRENNIKOV / SMIRNOV 1965). Hinsichtlich der sprachwissenschaftlichen Fragestellungen werde ich mich auf einige Bemerkungen beschränken müssen, im übrigen ist die Stellung des Mordvinischen im Rahmen der uralischen bzw. finnougrischen Sprachfamilie in den einschlägigen Handbüchern hinreichend behandelt worden. 2.5. Nur auf einen Punkt möchte ich etwas näher eingehen, den ich zu Eingang schon kurz angedeutet habe: gab es eine volgafinnische Einheit? Wie schon erwähnt, bedient man sich zur Veranschaulichung des Grades der wechselseitigen Verwandtschaftsverhältnisse der uralischen Sprachen trotz des zeitweise umstrittenen Wertes der Darstellungsrichtigkeit gern des Stammbaummodells, in welchem bei einer feineren chronologischen Gliederung die zeitliche Dimension durch die Länge der Zweige angedeutet wird; analog wird dann ja auch von den einzelnen Sprachzweigen gesprochen. Hin-

325 Abbildung 4

Siedlungen der Mordvinen im 16. Jahrhundert und ihre Wanderungen im 16.-18. Jahrhundert (KOZLOV 1960: 8)

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Mordvinisehe Gräber 3,-8. Jh. Mordvinische Gräber 9.-12. Jh. Mordvinische Gräber 13·-15. Jh. Wälder Gebiete erfcanischer Siedlung Gebiete er&a.nisoher Waldwirtschaft Gebiete moksanischer Siedlung Migrationen der Mordvinen im 16. Jh. Migrationen der Mordvinen im 17. Jh. Migrationen der Mordvinen im 18. Jh. Richtung der hauptsächlichen Kolonisationsströme der Russen Die arabischen Ziffern bezeichnen verschiedene Gräber: 1: Armeevskij mogil'nik; 2: Panovskij m . ; J>·. Efaevskij m . ; 4: Ljadinskij m . ; 5: Muranskij m . ; 6: Kulikovskij m . ; 7: Atkarskij m.

II III IV V VI VII IX X XI XII

326

Abbildung 5 Siedlungsgebiete der Mordvinen um 1850/60 (nach KOZLOV 1960: 2 3 . ) [ 1 : Areal der mordvinisehen Siedlungen, 2: ungefähre Grenze des ursprünglichen mordvinischen Siedlungsareals]

^JTMa-i^STU

327 sichtlich der Gliederung der u r a l i s c h e n Idiome besteht weitgehend

Übereinstimmung. Schwierigkeiten bereiten einerseits die Einordnung des Lappischen, zum anderen die Zuordnung des Mordvinischen und Ceremissischen, die in der älteren F a c h l i t e r a t u r unter dem Sammelbegriff "volgafinnische Sprachen" oder "volgafinnischer Sprachzweig" zusammengefaßt werden, woran auch heute weitgehend 4 festgehalten wird . 2.6.

Bevor ich hierauf zurückkomme, noch eine Vorbemerkung, die

vor allem für die Nicht-Finnougristen von Wichtigkeit sein d ü r f te.

Da die uralischen Sprachen insgesamt über keine älteren

Sprachdenkmäler verfügen - der erste zusammenhängende Text in einer uralischen Sprache ist bekanntlich die sog. altungarische Leichenrede vom Ende des 12. Jahrhunderts - sind absolute zeitliche Angaben zur Ausgliederung der uralischen Sprachen nicht möglich. Die zahlreichen Daten aus Rekonstruktionsbemühungen haben in scharfsinniger Anordnung von E i n z e l f a k t e n unter Berücksichtigung analoger Erscheinungen in anderen Sprachbereichen zu einem kunstvollen Mosaik g e f ü h r t ; der hypothetische Charakter darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, wiewohl viele Vermutungen durch ihre wechselseitigen

Stützungen sowohl im theoretischen Mo-

dell wie auch durch die heutigen sprachlichen Fakten als hinreichend plausibel gelten können. Die besondere Problematik liegt darin, daß es aus durchaus einsichtigen Gründen nicht möglich ist,

die außersprachlichen Fakten ( z . B . der Archäologie) immer

in eindeutige Zuordnung zu den Sprachen b z w . Völkern und ihrem Material zu bringen. Als besonders schwierig erweist sich auch eine Antwort auf die Frage nach dem Tempo sprachlicher Veränderungen. Es scheint so zu sein, daß es Etappen und Idiome mit langsamer Evolution gegeben hat,

andererseits ist

innerhalb der uralischen Sprachen zu kon-

statieren, daß einschneidende Veränderungen o f f e n b a r auch in kurzem Zeitraum stattgefunden haben. Dies kann dazu f ü h r e n , daß auch eng verwandte Sprachen oder gar Dialekte starke Divergenzen a u f weisen: ich denke etwa an die ostjakischen

D i a l e k t e , die zum Bei-

spiel auch in morphologischer Hinsicht stark voneinander abweichen, vom phonologischen System ganz zu schweigen. Oder das Estnische hat sich etwa (sicherlich mitbedingt durch fremde Ein-

328

f l ü s s e ) vom Finnischen in mancher Hinsicht stark entfernt, indem es solche für die uralischen Sprachen spezifischen Züge wie etwa die Vokalharmonie oder die Possessivflexion in neuerer Zeit völlig aufgegeben hat (hier gibt es z . T . Sprachdenkmäler und Dialekte, die das Vorhandensein dieser Eigenschaften für frühere Zeiten bezeugen). Andererseits weisen z . B . Kasus- und Tempussystem weitgehende Übereinstimmungen a u f . Das bedeutet, daß alle sprachgeschichtlichen Rekonstruktionen mit größter Behutsamkeit vorzunehmen sind und daß es auch erlaubt sein muß, sie durch Erprobung oder Anwendung neuer Methoden in Frage zu stellen. 2.7.

Ich komme zurück zu den sog. volgafinnischen Sprachen:

ser Terminus ist len,

die-

- wie ich schon erwähnt habe - in seiner neutra-

auf die geographischen Wohnsitze der Träger hinweisenden Be-

deutung geeignet, er p r ä j u d i z i e r t jedoch, wenn man ihn attributiv zu Sprachzweig verwendet, daß es in der Vergangenheit eine nur dem Mordvinischen und Ceremissischen gemeinsame Sprachepoche gegeben habe - d.h. nach der Spaltung des PFU (Protofinnougrischen) in UGR (Ugrisch) und FIP (Finnopermisch) und einer weiteren A u f gliederung des FIP in PPR (Protopermisch) und FIV (Finnovolgaisch) habe sich das FIV (Finnovolgaische) in URF ( U r f i n n i s c h ) und VFI (Volgafinnisch)

gegliedert. Nach Ansicht der Vertreter einer

sol-

chen Annahme dauerte die VFI Epoche ( d . h . die den Vorfahren der heutigen Mordvinen und Ceremissen gemeinsame Epoche) von ca. 500 v . C h r . bis ca. 400 n . C h r . (es gibt auch andere Vorschläge von längerer D a u e r ) . Daraus hätten sich dann das Urmordvinische und das Urceremissische ausgegliedert, die sich dann später in zahlreiche Dialekte aufgespalten haben. Auf der Basis verschiedener Dialekte wurden in diesem Jahrhundert die Schriftsprachen

eta-

bliert: Er^amordvinisch

MokSaroordvinisch Wiesen-Ost-Ceremissisch

Bergc*eremissisch Auf diesen Prozeß komme ich im dritten Teil zurück. Die längst erloschenen Idiome der in russischen Chroniken und Urkunden belegten Völkerschaften der Muroma, Merja und MesTfera wären dann

329 g l e i c h f a l l s auf die volgafiranische Epoche zurückzuführen, wobei

nicht ganz einhellig ist,

welcher der heutigen Sprachformen sie

näher stehen, da hier die Materialien ganz ungünstig sind, nur Ortsnamen z . T . in deformierter Gestalt sind ü b e r l i e f e r t und belegt 5 . 2.8.

Es stellt sich also das folgende Problem: welche Schlüsse

lassen die sprachlichen Fakten der heutigen volgafinnischen Sprachen zu, um zu einer Entscheidung der Frage beizutragen, ob es eine gemeinsame urvolgafinnische Epoche und Sprache gab oder ob das Urmordvinische und Urceremissische unmittelbar - also ohne gemeinsame Zwischenstufe - aus dem FIV (Finnovolgaischen)

ent-

standen sind (also etwa gleichzeitig mit der Ausgliederung des Urfinnischen). 2.9.

Ich beschränke mich hier jetzt ausschließlich auf sprach-

liche Materialien. Als wichtigstes Zeugnis gelten immer noch die lexikalischen Übereinstimmungen (Etymologien). Eine entsprechende Durchsicht des Fenno-Ugric Vocabulary von Björn Collinder (wobei ich nur die von ihm als sicher bezeichneten Zusammenstellungen berücksichtigt habe) ergibt folgendes Bild: (a)

Collinder f ü h r t 471 Zusammenstellungen an, die auf die uralische Zeit zurückgehen, davon sind belegt im MDV 141 ( = 2 9 , 9 4 % ) und im SER 145 ( = 3 0 , 7 9 % ) ;

(b)

Collinder führt 499 Zusammenstellungen an, die auf die finnougrische Zeit zurückgehen,

davon sind belegt im

MDV 131 ( = 2 6 , 2 5 % ) und im ?ER 158 ( = 3 1 , 6 6 % ) ; (c)

von den von Collinder angenommenen 67 indogermanischen Lehnwörtern sind im MDV 37 ( = 5 5 , 2 2 % ) und im C*ER 18 ( = 2 6 , 8 7 % ) belegt;

(d)

von 72 Zusammenstellungen, die für eine entferntere genetische Verwandtschaft mit den altaischen Sprachen angenommen wird, sind im MDV 41 ( = 5 6 , 9 4 % ) , im CER e b e n f a l l s 41 ( = 5 6 , 9 4 % ) belegt.

Diese Zahlen, die entsprechend für die anderen finnougrischen Sprachen ermittelt werden müßten, würden zunächst für engere Verbindungen der MDV und CER Idiome zeugen. Zu einer anderen A u f f a s sung kann man jedoch gelangen, wenn j e t z t diese Zahlen dahinge-

330

hend aufgeschlüsselt werden, wieviele der erwähnten Zusammenstellungen jeweils gleichzeitig im MDV und CER belegt sind: für

die

Zusammenstellungen aus uralischer Zeit sind es 17,83%, aus finnougrischer Zeit 13,83%, bei den IDG Lehnwörtern 17,91% und bei dem ural-altaischen Material 4 8 , 6 1 % . Ich möchte dies hier nicht weiter ausführen, sondern nur ganz knapp andeuten, daß durch unterschiedliche Fragestellungen die e r z i e l t e n Ergebnisse beeinf l u ß t werden können ( v g l . auch Abb. 6 ) . 2.10.

Eine weitere Möglichkeit zur E r h e l l u n g der Frage ist mit

H i l f e der Phonologie möglich, und zwar nicht nur durch Vergleichung der phonologischen Inventare ggf. in diachroner Betrachtung, sondern unter Berücksichtigung

der Ergebnisse der Kombinatorik,

Distribution und Frequenz. Ich beschränke mich hier auf das letztere. Ich habe eine phonologische Statistik für die wichtigsten finnougrischen Sprachen angestellt, wobei ich nach einheitlicher Methode unter Verwendung eines einheitlichen, für a l l e finnougrischen Sprachen vorliegenden Textes die Zählungen und Auswertungen durchgeführt habe. Das bereits vorliegende Material erlaubt nun Vergleichungen, die über das Inventar hinausgehen, und es scheint sich zu zeigen - was noch im einzelnen nachzuweisen wäre -,

daß bei Lautveränderungen einzelner Phoneme dennoch

gewisse Systemverbundenheiten erhalten bleiben ( v g l . VEENKER 1980,

1981) . 2.11.

Zieht man aus dem angeführten und anderem hier aus P l a t z -

gründen ausgesparten Material den Schluß zu der gestellten Frage hinsichtlich der volgafinnischen Spracheinheit, so muß zugegeben werden, daß nach den Fakten des Wortschatzes,

nach den statisti-

schen Auswertungen der phonologischen Untersuchungen wie auch a u f grund der synchronen und diachronen Analyse der N o m i n a l f l e x i o n die Divergenzen die Konvergenzen überwiegen. Die heutigen Angaben lassen sich - soweit sie Übereinstimmungen aufweisen - auf Anlagen und fortwährende Tendenzen der finnougrischen Grundsprache z u r ü c k f ü h r e n , die nachhaltend wirksam sind. Die Annahme einer nur den Vorfahren der Mordvinen und Seremissen gemeinsamen Epoche m . E . vorerst nicht mehr notwendig, es ist

vielmehr zu vermuten,

daß die Sprachträger nach der allmählichen A u f l ö s u n g der FIV

ist

331

Abbildung 6

Wechselseitige Verwandtschaft der uralischen Sprachen nach typologischen Kriterien (HAJDU 1976: 44)

The interrelationships of the linguistic systems Quantity

Dual Nominative has full function

External and internal spatial cases X"-x---x"Preterite in 5 x-x-x-xjnfinitive in-/)/ _; Predicate declension 51/0 tendency

332

(finnovolgaischen) Spracheinheit noch längere Zeit in loser Verbundenheit gelebt haben. Das Schema in Abbildung 2 wäre also entsprechend zu revidieren. Die Veränderungen - die sich auch in anderen Bereichen zeigen - sind z . T . auf starken E i n f l u ß anderer Völker und Sprachen, vornehmlich verschiedener Turkstämme, zurückzuführen. Die archaischen Züge mancher Dialekte lassen sich durch ihre isolierte S t e l l u n g in der Diaspora erklären. Im Bereich der Nominalflexion z . B . sind mir keine solchen spezifischen Züge aufg e f a l l e n , die nur dem MDV und CER gemeinsam wären, anderen uralischen Sprachen indessen unbekannt wären. So müssen dann die Gemeinsamkeiten als Erbe aus finnougrischer oder uralischer Zeit angesehen werden. 3.

Zur Herausbildung der mordvinischen Schriftsprachen

3.1.

Ich komme zur Gegenwart und zur Herausbildung der mordvi-

nischen Schriftsprachen. Die ersten Schritte zur Untersuchung der mordvinischen Sprachen/Dialekte/Mundarten/Idiome in wissenschaftlicher Hinsicht wurden im vergangenen Jahrhundert in den Arbeiten von Ornatov, von der Gabelentz, Ahlqvist, Wiedemann, Budenz, Paasonen, §achmatov, Evsevev und anderen getan . Die Zeit der mordvinischen Sprachwissenschaft vor der Oktoberrevolution ist

dadurch charakterisiert, daß bei der Untersuchung

der phonetischen und morphologischen Besonderheiten der mordvinischen Sprachen die Forscher sich in der Regel wegen der vollkommenen Unerforschtheit der übrigen Dialekte auf irgendeinen beliebigen Dialekt beschränkt haben. Außerdem wurden die Fragen der Lexik wenig erforscht, und syntaktische Probleme wurden gar nicht berührt. Was jedoch im 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert bis zur Revolution getan worden war, diente als Basis und Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der mordvinischen Sprachwissenschaft. 3.2.

Seit den ersten Jahren der Sowjetmacht standen im Zusammen-

hang mit der Gründung von muttersprachlichen Schulen die Ausarbeitung von Normen des Schrifttums und die weitere Entwicklung der mordvinischen Sprachen auf der Tagesordnung. Diese Fragen waren eng miteinander verbunden, und ihre Lösung ging p a r a l l e l vor

333

sich. Es ist

ferner festzustellen, daß gleichzeitig und o f f e n b a r

unabhängig von den Konferenzen zu sprachlichen Problemen auch Schriftstellerkongresse stattfanden, ohne daß die Schriftsprachen bereits normiert waren. 3.3.

Die Ausarbeitung der Normen des Schrifttums

Bis 1933 erschienen die mordvinischen Druckerzeugnisse in

ver-

schiedenen Dialekten des Moksanischen und Erzanischen, wodurch natürlich das Verständnis erschwert wurde. Der Unterricht in den Schulen wurde im Heimatdialekt des Lehrers erteilt. Auch in der Geschäftskorrespondenz (soweit überhaupt durchgeführt) herrschte ein Durcheinander. All dies ergab die Notwendigkeit, Normen der Schriftsprache auf der Basis eines bestimmten Dialekts für jede Sprache auszuarbeiten

und das Schriftsystem, die Orthographie und

eine normative Grammatik zu s c h a f f e n , ohne die es unmöglich gewesen wäre, das Chaos in der schriftlichen Praxis abzuschaffen und Erfolge in der Lösung der Fragen der k u l t u r e l l e n Revolution zu erzielen. In der Geschichte der Ausarbeitung von Normen des Schrifttums der mordvinischen Sprachen hatten die Allrussische Arbeiterkonferenz für Bildung 1920 in Samara und eine Reihe von Konferenzen in Moskau in den Jahren 1924-1928. große Bedeutung., Zusammen mit organisatorischen und pädagogisch-methodischen

Pro-

blemen wurden auf diesen Konferenzen Fragen des Schrifttums und der Etablierung einheitlicher Schriftsprachen erörtert. 3.4.

Im Jahre 1925 wurde auf der mordvinischen Konferenz der

Lehrer der mordvinischen Schulen die Mundart des Dorfes Kozlovka des gleichnamigen Rayons ( j e t z t AtjaSevo) als Basis für die erzamordvinische Schriftsprache angenommen; als Dialektbasis für die moksamordvinische Schriftsprache wurde der Dialekt von Krasnoslobodsk-Temnikov ausgewählt. Die Dialektbasen sowohl für

die

erzamordvinische als auch die mokSamordvinische Schriftsprache wurden von M. E. EvsevVv, dem bedeutenden Kenner der mordvinischen Dialekte,

empfohlen.

Die Ausarbeitung der Normen des Schrifttums wurde dem 1932 gegründeten Mordvinischen Forschungsinstitut übertragen. Mit dem Ziel, die Probleme des Schriftsystems, der Orthographie,

der

334 normativen Grammatik und der Terminologie zu lösen, wurde vom Forschungsinstitut eine Reihe wissenschatflicher Konferenzen einberufen, an denen auch bedeutende Spezialisten aus Moskau und Leningrad, aus der Lehrerschaft und der Ö f f e n t l i c h k e i t Mordoviens teilnahmen. 3.5. Im März 1933 wurde die erste mordvinische sprachwissenschaftliche Konferenz einberufen, um die Vorschläge für Schriftsystem und Orthographie der erza- und moksamordvinischen Sprache, die von den Mitarbeitern des Instituts ausgearbeitet worden waren, zu beurteilen. 3 . 6 . Im April 1934 fand die zweite sprachwissenschaftliche Konferenz statt, auf der Fragen der Terminologie und Syntax behandelt wurden, und im Februar 1935 tagte die dritte Konferenz, auf der Fragen der normativen Grammatik erörtert wurden. Diese Periode kann man als den Beginn der wissenschaftlichen Kollektivarbeit an Problemen der mordvinischen Sprachwissenschaft bezeichnen. Die Ausarbeitung der Normen des mordvinischen Schrifttums wurde jedoch nicht bis zum Ende durchgeführt. In den Entscheidungen dieser Konferenzen wurde kein vollständiges Systems der Morphologie und Syntax der mordvinischen Sprachen vorgelegt. 3 . 7 . Im März 1938 wurde die vierte sprachwissenschaftliche Konferenz zu Fragen der Orthographie, Morphologie und grammatischen Terminologie für die mordvinischen Schriftsprachen einberufen. Sie überprüfte die bisherigen Beschlüsse zu den Problemen der Orthographie, Morphologie und grammatischen Terminologie, die auf den drei ersten Konferenzen gefaßt worden waren. Deutlicher formuliert wurde die Entscheidung über die Einteilung nach Wortarten, über die Grenzen der Wortflexion, wurden die Grundvorstellungen über die grammatischen Kategorien gegeben, die der einen oder anderen Wortart eigen sind. Eingehender ausgearbeitet wurden auch die Frage der Lehnwörter, die Frage der Rechtschreibung der weichen und harten, der stimmhaften und stimmlosen Konsonanten in den verschiedenen phonetischen Positionen. Die grammatische Terminologie wurde im Hinblick auf ihre Vereinheitlichung bzw. Angleichung an die russische grammatische Terminologie

überprüft.

335 Die Ausarbeitung der Normen der mordvinaschen Schrift-

sprachen auf der vierten sprachwissenschaftlichen Konferenz wurde unter Berücksichtigung derjenigen Bedingungen durchgeführt, die die Entwicklung der mordvinischen Sprachen begünstigen soll-

ten: (a)

"wohltuender" E i n f l u ß der russischen Sprache,

(b)

Entwicklung der Literatur in zwei nahverwandten Sprachen - Mokiamordvinisch und Eriamordvinisch

Daher wurde bei der Ausarbeitung der Normen der Grammatik und Orthographie z . B . des Moksamordvinischen alles Gleichartige, das mit dem Erzamordvinischen oder Russischen übereinstimmte, berücksichtigt. Bei der Ausarbeitung der Normen der Orthographie und Grammatik der er£amordvinischen Sprache wurde wiederum alles mit dem Moksamordvinischen und Russischen Gemeinsame berücksichtigt. Diese Gemeinsamkeiten äußerten sich: (a)

im gemeinsamen Schriftsystem,

(b)

in den gemeinsamen Regeln zur Bezeichnung der Sprachlaute in der Schrift durch die Zeichen des k y r i l l i schen Alphabets (Gebrauch der Buchstaben ,