162 110 16MB
German Pages 189 [388] Year 2022
Emma.
Vü» A u g u sr
Lafontaine.
Zweiter Band.
Berlin,
7n
Sanders B n ch h a n d ln n ß
i8to.
Emma.
Zweiter Theil.
Herz und Kopf im Streit.
Der Baron stand
an einer Marmor-
büste des Brutus, und fragte sich: Was ist das Leben! was die Tugend! Du lösetefl das Räthsel mit der Spitze eines Dolches; ich löse es anders, freundlicher, denk ich. ... Freundlicher? — Er versank in tiefe, schwere Träume. Seine Erschütte rung durch den nahmenlosen Brief dauerte fort. Wer wußte, was ihn der Nahme Lid i anging! wer konnte es wissen! — So eben trat ein Landrath herein, und sagte zu ihm mit leuchtenden Augen: Herr Baron, ein glückliches Land dankt durch mich dem Schuhgeiste, der es beglückte. Kann der Friede einer höheren Welt ein Herz aus Staub beseligen, so muß Ihr Herz selig seyn.
- .4 Was
--Ich?
wollen Sie?
Ich ver
stehe Sie nicht!" sagte der Baron in einem strengen Tone.
Waren Sie
nicht
groß
zu
für
jede
Belohnung, die Ihnen das Leben anbieten kann, so stände ich hier nicht, und konnte
danken, daß ein ganzes Land nur die Freu denfeste seines eigenen Glückes feiert.
zu groß für diese Freude,
Aber
zu groß für
den Anblick eines glücklichen Volkes, kann
kein Herz seyn — und wäre es auch nur Ein Freudengeschrei aus Millionen Seuf
zern,
es auch nur Eine Sekunde
schallte
lang aus der unermeßlichen Zeit! —
Ver
weigern darf Ihr Herz das Opfer der Dank
barkeit;
doch ntchr verachten!
. . .
Ich
wollte Sie nur sehen, Herr Baron, setzte er, sich verbeugend, hinzu, um mich Ihrer
Gesichtszüge
erinnern
zu
können,
wenn
mir das Bose im Leben die schönsten Hoff
nungen verdunkeln will, wie man ja be
wundernd die Bildsäule eines großen Man nes sieht.
Glück
Ich will Gott danken für das
meiner
Mitbürger,
nicht
dem
—
Manne,
5
—
das Glück nur sah,
der
nur
nicht hinderte.
Er ergriff des Barons Hand, der nun die (einige drückte und leise zu ihm sagte:
„Sehen Sie an meinen Augen, ob ich Ihren
Dank
verschmähe!
Es ist gut.
Aber schweigen Sie!
Ich danke Ihnen, Herr Land
rath, und danke Ihnen für mehr, als Sie
wissen.
Sie haben meinen schwankenden
Willen bestimmt. Sie,
zeihen
ich
(Er beugte sich.) bin
zu
gerührt.
Der-
Und
was wäre das Gute, wenn ... Rührung,
Thränen ...
Ich kenne Sie, Herr Land
rath; und daß Sie heute das Patent als Landes - D'vector erhalten, mag Jhiten sagen, daß der Fürst Sie zu Denen zahlt, die
Schweigen Sie!
wissen, was Pflicht ist.
Wir
kennen
einander
nicht.
Seltsam!
Was wäre das Gute, wenn es nichts als
ein Freudenfest wäre!
Und nun bitte ich
Sie, mich zu verlassen."
Der Landrath
ging mit einer seltsamen Empfindung im Herzen. Der Baron
war gerührt,
aber auch
bestimmt. „ Eine solche Minute, Alexander,"
6 dachte er, werde dkr als Belohnung zu Theil!
Und
kannst du
nicht glücklich?
alsdann sagen:
du seyst
Nein, ich führe den Plan,
den großen, einzigen, durch.
O Lidi! ...
o Emma! Er wurde ruhig; aber doch konnte er
sein Ohr nicht abwcnden von den beiden Nahmen Lidi und Emma.
Es war ihm,
als ruheten diese beiden Nahmen in einem drohenden Gewölke unten am lichten Ho
rizonte. Alexander
besuchte Valerien,
die von
ihm, glaubte er, durch die-klösterliche Klei
dung getrennt war.
Doch bei dem allen
sah er sehr wohl ein, daß er sich mit jedem
Tage tiefer in das verbotene Paradies hin
ein wagte, daß er Valerien immer stärker
liebte.
Mit beharrlichem Eigensinne hielt er
aber den Entschluß fest, Emma seine Hand
zu geben.
Herz und Kopf waren bei ihm
in Streit, wie bei seinem Oheim, nur mit dem Unterschiede, daß bei ihm immer das Herz
siegte,
und
bei dem Oheim der
Kopf.
Wenn er mit Valerien im Park ging.
7 und sie ihr weißes Reh an die Brust drück dann
te;
wünschte
er,
nur Einmal
in
diesen Armen, an dieser Brust voll Liebe, zu
ruhen,
an
diesen Lippen
dann zu sterben. mit
jedem Tage
In
den
Schmerzes
zu saugen
und
Seine Phantasie wurde zerrissener und wilder.
Stunden
eines
hoffnungslosen
nahm er sich oft vor,
sie in
feine Arme zu fassen, sie an sich zu drücken,
nur Einmal das Wort: „ich liebe dich!" aus ihrer Brust zu reißen, von ihren Lip
pen zu saugen, und dann zu den Füßen
seines Oheims zu sterben.
Doch —
auf
einmal wollte er sie bald gar nicht wie-
derschen, sondern sie heimlich verlassen, und in einen andern Melttheik fliehen, um da zu
seufzen und zu sterben; bald wollte er sich zu Emma flächten, um an ihrem treuen
Herzen Liebe Und Treue zu lernen, und — unglücklich zu seyn.
Doch zuletzt sank er, von dem vergeb
lichen Kampfe ermattet, still nieder, und ließ
sich
auf den Wogen
eines Glückes
treibet:, Las die Reue zu Schmerzen machte,
und
dem er nicht entsagen konnte.
Auf
8 seine eigene Untreue gründete er im Inner sten seines Herzen die Hoffnung, noch glück
lich zu werden. Denn konnte nicht auch Emma's Herz — ihn vergessen? Wäre es nicht eine Möglichkeit gewesen, daß Emma
und Er die Nollen mit einander vertauscht hätten? Fände Emma einen Jüngling,
der ein Gott wäre unter den Sterblichen, wie Daleria eine Göttin: so — wer weiß, was dann in ihrem Herzen vorgehen würde!
Und — war Emma's Fähigkeit zu einer Untreue nicht eine Entschuldigung der schon von ihm begangenen? war die Fähigkeit zu der Untreue nicht die Untreue selbst? So sann und grübelte ihn sein Kopf
um alle Ruhe, deren er noch fähig war. Doch immer siegte sein schönes Herz über
den sich verirrenden Kopf. ihr,
treu
brechen,
zu seyn: das
da
ungeheure
Zch versprach
liegt das
Ver
Verbrechen.
O
Himmel! nie möge aus meinem Herzen der Wunsch verschwinden, gerecht zu seyn! —
„Wie, wenn es nun so wäre, AleMNder?"
sagte'sein Oheim
ruhig.
„Daß
du Valerien liebst, ist doch kein Verbrechen?
9 Daß du Emma deln Wort brachest, scheint
dir eins.
Liebe ist also kein Verbrechen.
Wie, wenn nun Emma liebte?
kannst nicht
Und du
mein Sohn, daß
leugnen,
eine neue Liebe bei ihr möglich ist, da sie bei dir möglich war.
Wenn nun!”
Alexander sagte: Zch kann nie aus hören, Valerien zu lieben; und — liebt Emma so, wie ich Valerien? „Dann! oder eine neue Liebe wäre
dann eine neue Täuschung.”
Täuschung? Zst es Täuschung, so ... Was wäre dann wahr!
„Eine Täuschung
einsehen, und han
deln, mein Sohn.” Für eine Täuschung handeln? für eine Täuschung?
wieder
Warum denn?
So
will ich getäuscht seyn, wenn alles Täu schung ist!
So will ich für eigene Träu
me handeln, nicht für fremde!
„ Das thu!
Täuschung oder Wahrheit
fesselt dich noch. Aber — wenn nun auch Emma jetzt, indem wir darüber reden, aus einem finstern Traum erwachte, dei nem Glücke nicht mehr im Wege stände: —
10
ich sehe nur einen Fall, dessen Möglichkeit
du nicht laugnen kannst, Alexander —: würdest du wünschen, daß es anders wäre?
würdest du?" Alexander sann
nach,
und warf sich
dann an feines Oheims Brust, mit zuk-
kendem Herzen, mit verzagender Seele, mit tvllder Heftigkeit.
§6 würde mein Glück
retten, sagte er; aber ich wäre nicht glück riß er sich aus des Oheims
(Jetzt
lich.
Armen, und stand finster und starr, ent fernt von Hm, da.)
ich
kann
es
Nein, Oheim, nein!
nicht wünschen;
denn,
bei
Gott! bei der Quelle alles Guten! es giebt etwas Höheres, als Glück, und wäre es
Üuch das Gluck, an Valeriens Herzen zu ruhen.
Ich wünsche es nicht; nein, nein! nicht!
ewig
(Er wurde immer heftiger.)
Auf Emma's Treue ruhet Valeriens Treue. Ich sehe nichts vor mir, als Thränen, als
Schmerz.
Jetzt weiß
ich,
Oheim,
die
Hand des Todes muß den Knoten lösen, den Sie — fürchte ich — geknüpft haben.
O,
ich sehe es jetzt hell,
i'icht.
hell,
wie das
Sie spielten mit Herzen, die das
II
Leben nur zerschlagen konnte.
Nein, ich
wünsche nicht, daß Emma mich vergessen
möge.
Und so müssen wir einander lächelnd
ansehen, alle Hoffnungen aufgeben, und — sterben.
Das Leben tritt schaudernd von
uns zurück, weil es uns eben so wenig ver
einigen kann, als trennen.
Nur der Tod
kann uns vereinigen.
„Die Wendung laßt sich denken, Alex ander;
dein Herz mußte darauf fallen:
wie wäre es auch sonst dein Herz!
Wir
müssen dem Tode noch mehr zu lösen über lassen; fast alles.
Nur der Mensch ohne
Charakter, ohne Tugend, bindet alles an das Leben, löste alles im Leben.,. Was du
da sagtest, ist wahr; es gilt aber fast für
alles.
Doch wenn das Leben eine heftige
Leidenschaft
freundlich in ein frohes An
denken auflöstt, und in die Hand, die den
Dolch
des Selbstmörders
das Herz erhob,
langsam gegen
einen Blumenkranz der
Freude legt: so ist damit die Tugend noch
nicht verschwunden.
War die Liebe denn
Tugend? war sie denn Treue?
die Menge
Kannst du
der Möglichkeiten berechnen?
12
weißt bu, wie btt denken würdest, wenn
auf einmal Emma und Valeria lächelnd an deine Seite traten, und sagten: unser
Schmerz war ein Traum? Ist nicht auch das Glück eine Gabe der Vorsehung, die du achten würdest?
Ist dein Entschluß, Emma treu
zu seyn, nicht deine Pflicht allein? und weiter nichts? Müßte sie deine Hand
noch fordern, wenn eine andere sie glück licher machte?" Das sind Sophismen. ,,Ja, in dem Munde eines verächtlichen
Menschen, der noch Entschuldigungen sucht, das Verbrechen zu beschönigen, zu dem er entschlossen
ist.
Ein Bösewicht form bie
Wahrheit mißbrauchen; doch, hort sie
darum auf, Wahrheit zu seyn? Du sollst dein Verhältniß nur klar übersehen, Alex ander.
Dann wähle, wie ein Mann, den
Schmerz, den Tod, oder das
Glück,
freundlich bietet!
ziemt,
sey
es
wenn es seyn muß,
welches
das Leben dir
Was dem Jünglinge auch eine Tugend,
das
ziemt dem Manne nicht immer, obgleich
die Tugend stets Eins ist.
Wir vergrek-
—
i3
—
fen uns nur oft in dem Gegenstände der
Tugend. Berede Emma! Willigt sie ein —
ich bin es zufrieden. Seitdem ich sie kenne, kann ich meine Wünsche so gut ihr vertrauen, als Valerien; aber nicht so dein Glück, Alexander: das liegt in Valeriens
Herzen?' Das konnte der Baron aber keinesWeges; denn Valeria war des Fürsten Tochter, und in den Verhältnissen der gro
ßen Welt erzogen.
Sie paßte dahin, wo
Alexander stehen sollce; Emma aber ge hörte nur in die Einsamkeit: sie stand den tugendhaften entgegen..
Planen
deö
Barons ewig
Emma's Entschluß. Der Baron wußte nun, wie viel schwe
rer der Sieg über Alexander war, als er
vorher glaubte.
Er hatte geseben, welchen
tiefen Eindruck seine letzten Worte:
„Be
rede Emma!
Willigt sie ein — ich bin es
zufrieden!"
auf
seinen Neffen
machten.
—
i3
—
fen uns nur oft in dem Gegenstände der
Tugend. Berede Emma! Willigt sie ein —
ich bin es zufrieden. Seitdem ich sie kenne, kann ich meine Wünsche so gut ihr vertrauen, als Valerien; aber nicht so dein Glück, Alexander: das liegt in Valeriens
Herzen?' Das konnte der Baron aber keinesWeges; denn Valeria war des Fürsten Tochter, und in den Verhältnissen der gro
ßen Welt erzogen.
Sie paßte dahin, wo
Alexander stehen sollce; Emma aber ge hörte nur in die Einsamkeit: sie stand den tugendhaften entgegen..
Planen
deö
Barons ewig
Emma's Entschluß. Der Baron wußte nun, wie viel schwe
rer der Sieg über Alexander war, als er
vorher glaubte.
Er hatte geseben, welchen
tiefen Eindruck seine letzten Worte:
„Be
rede Emma!
Willigt sie ein — ich bin es
zufrieden!"
auf
seinen Neffen
machten.
—
—
14
der That bewunderte er dke Tugend
Zn
seines Neffen.
Sein Herz schlug einmal
wieder'froh, als der junge Mann mit Heftig
keit sagte:
„nein, nein!
wünschen!
Zch wünsche gewiß nicht, daß
Emma mich vergäße?'
ich kann eö nicht
Eö erschütterte ihn
tief, als der Neffe erblassend sagte: „nur
der Tod
kann
den Knoten lösen!"
Er
war jetzt nicht mehr ganz gewiß, ob nicht der junge Mann, mit ein Paar unvorher
gesehenen Zufällen, Recht haben könnte. Jetzt stieg die dunkle Wolke am Horizonte
mit einem
höher, Doch
—
er
lichten
konnte
den
Wetterstrahle. Knoten
nicht
wieder auflösen, den er geschlungen hatte:
das
sah
Emma!
er sehr deutlich.
Valeria oder
Zurück konnte er nicht mehr; und
so ging er, vorsichtig prüfend, auf seiner Bahn weiter. Indeß hoffte er, alles freund lich zu lösen.
Er fuhr nach Wiesen, um seinem Nef fen zuvor zu kommen.
Hier fand er Emma
mit Wangen, auf denen
die Rosen der
Freude wieder aufzublühen ansingen.
Sie
lebte in ihrem kleinen Reiche ruhig, sogar
— glücklich.
Das
15
sagte
— selbst Ludwig, dem
doch Emma gewiß ihren geheimsten Kum mer anvertrauete. Er nahm die Predigerwitwe bei Seite,
und fragte nach allen kleinen Umständen,
nach allem, was Emma gethan, gesagt, geträumt hätte; und hörte zu seiner großen
Freude, daß sie ihres kleinen Königreiches
recht mit Vergnügen genösse, und daß sie ruhig, glücklich gewesen wäre.
Jetzt kam wieder Freude in das freu
denlose Herz des Mannes.
Ec ging mit
Emma auf die Höhe hinten zwischen den
Felsen, wo sie eine Grotte hatte anlegen lassen, ringsum mit Geisblat und Winter grün bekleidet. ,, Ich habe von Ihrer Er
laubniß Gebrauch gemacht, Herr Baron. Sie werden es mir, hoffe ich, verzeihen,
um der Schönheit willen, welche die Ge gend dadurch gewonnen hat."
Sie führte
ihn in die Grotte, die in der That sehr kühl und angenehm war. Und haben Sie nicht noch andere Zdeen,
die Sie gern ausgeführt hätten? fragte er.
Sie schlug die Augen nieder.
Sehen Sie
--
ib
—
wohl, fuhr er freundlich fort, wie wenig
Vertrauen Sie noch immer zu mir haben?
Sie nannten einmal Alexandern: Bruder; und so wäre ich ja Ihr Vater, meine freund liche, gute Emma.
Aber ich liebe es nicht,
wenn zwischen Vater und Tochter ein an deres Band als Liebe Statt findet. Freiheit ist die Schutzwehr aller Tugenden, und der schönsten von allen, der Liebe. Und so ...
Hier habe ich ihnen
etwas mit
gebracht.
Er gab ihr ein Document, worin er ihr das Gut auf immer,
Eigenthum, abtrat. Emma erschrak;
als ein freies
er drang
aber mit
einer so unwiderstehlichen Freundlichkeit in
sie, fein Geschenk anzunehmen, daß sie es endlich thun mußte. — Ich bin also nun Ihr Gast. Alexander meinte, Sie würden
lieber in Waldweiler wohnen. Das blieb freilich ihr geheimer Wunsch; sie war aber zu furchtsam, ihn zu äußern,
und sagte: „es ist ja auch hier schön!"
Das meinte ich,
ob man gleich das
Häuschen in Waldweiler leicht zu einem recht
—
17
—
recht artigen Aufenthalt für Sie könnte ausbauen lassen. „£>, wie gütig sind Sie, Herr Ba ron!"
Nicht Vater, Emma?
nicht Vater?
Nennen Sie mich immer so! — Er faßte ihre Hand, und drückte sie,
in der That mit einem weicheren Gefühle, als je.
Za, nennen Sie mich Vater! ...
Zch habe der kleinen menschlichen Freu den viele entbehren müssen! ... Wenn
ich hieher komme — und ich werde Sie recht oft besuchen, wenn Sie mich gern
sehen —: so — will ich bei Ihnen ...
Er stand auf, und ging das Thal hin unter, weil ihn eine wundersame Weichheit
ergriff, eine kindliche Weichheit, ein kleines Glück, das aber sein ganzes Herz sanft
auflös'te. Hier will ich, fuhr er fort, — was ich Ihnen erst nicht gestehen wollte, Emma — will bei Ihnen nur ein
alles vergessen;
Mensch seyn, wie die andern.
Ich liebe
dich, mein Kind, mit deinem weichen, lie benden Herzen.
Es ist mir in diesem kleinen
Vafont, Emma. H.
2
—
i3
—
ruhigen Kreise der umgebenden Felsen, als wäre mir besser, als gäbe es noch ein an deres Leben, nicht bloß das harte, das ich führen muß. Bei diesen Worten legte er ihren Kopf an seine Brust. Er war wundersam ge rührt , in einem so engen Kreise, der einzigen Empfindung dieses Mädchens, da ss leicht glücklich hätte seyn können, und dessen Glück er selbst feindselig zerstört hatte. Doch bald raffte er sich wieder auf. Es ist gut, sagte er, daß das Glück so mannichfaltig ist, wie die Herzen, die es ertragen müssen. Aber, in der That, es ist mir hier wohl bei deiner genügsamen Seele, für die eine Blume zu einem Freuden kranze hinreicht. Alexander. . . „O, was macht Alexander?" Was kann er machen! Er macht mir Kummer. Du kennst Valerien, wie ich erst nachher erfahren habe. Er liebt sie, liebt sie unbeschreiblich. — Hier hätte Emma gern den Kopf wieder an seine Brust gelehnt; er blickte ihr aber finster
*9 in das ängstliche Auge, dessen Angst er nicht bemerkte, und fuhr fort: ich wußte das nicht, Emma; sonst wäre vieles am derö. Er sah Valerien, du kennst sie ja, und liebte sie, als er lange, lange von dir getrennt war. Du hast ihm verziehen, was allerdings sehr verzeihlich ist. Emma schwieg. Sie wollte nicht sa gen, was sie fühlte: daß sie nie einen Andern lieben würde. Er fuhr fort: Valeria liebt ihn. Da ist noch Ein wundes Herz. Wie soll da enden! wie dieser Knoten gelöst werden! Das fragen wir Alle, und sind Alle trostlos, weil wir keine Antwort wissen. AlexanderAntwort ist die finsterste von allen. Sie hatte den Muth nicht, zu fragen, was er meine. „Ich will ja nur seine Schwester seyn!" sagte sie zitternd. Das sagt dein Herz, Emma, und eerhebt dich; "ihn aber erniedrigt es nur mehr. Sie war treu, sagt er; sie ist so großmüthig. Und ich kann nichts seyn, alunglücklich ! Er fühlt, daß nur der Tod diesen Zwiespalt Eurer Herzen lösen kann.
20
Ich zittre für den Jüngling, der zu groß ist, sein Glück zu wählen, und lieber un tergeht, aber auch Emma und Valeria mit in den Abgrund seiner Verzweiflung zieht. Denn Emma würde ihn nicht überleben, und Valeria eben so wenig. Emma erblaßte. Um ihn zu trösten, sagte ich ihm: Em ma ist ruhiger, als du glaubst. „Das bin ich," sagte sie, die Hand, wie betheuernd, auf die Brust legend. Aber er hört mich nicht. Ich finde dich ruhiger, mein Kind, als ich selber dachte. -,Ja, ich bin ruhig." — Er erzählte ihr nun die ganze Unterre dung mit seinem Neffen. Emma wurde erschüttert. „Ich will ihm schreiben, mein Vater, wenn Sie glauben, daß eö gut ist." Thu das! Aber das wird den Knoten nicht lösen, so lange er überzeugt bleibt, daß du ohne ihn nicht glücklich seyn kannst. — Hier seufzte Emma tief. „Das kann ich zwar nicht," sagte sie leise; „doch ich
21
will ja gern unglücklich seyn um seinet willen." Das kann er nie wollen! „Was will er denn?" Sterben! Hier bebte Emma. Das eben ist das Ungeheure Eures Schicksals, daß nicht Einer von Euch glücklich seyn kann. Gabe Valeria ihre Hand einem Andern — wozu ihr Edelmuth sich Anfangs entschloß: — so wäre der Knoten gelost. Er würde trauern, dann aber zu Emma fliehen, und ihre Hand bekommen. Dann lernte er Emma wieder lieben; dann wäre er glücklich, und Emma mit ihm. Sie schüttelte den Kopf. „Ach, ich glaube, er würde Valerien nicht vergessen!... Sie war entschlossen, sagen Sie?" Völlig entschlossen, das edle Opfer zu bringen, welches Eure Herzen retten konnte; doch ihre Mutter, die das Mädchen unr aussprechlich liebt, war besorgt für ihr Leben. Valeriens Gesundheit ist so zart; ich fürchte,
L2
—
—
die Mutter wird doch einmal verzweifeln
müssen! Emma
ließ den Kopf auf die Brust
niedersinken,
und
brach sie nicht.
sann
nach.
Er unter«
Und nun auf einmal er
hob sie den Kopf wieder, nicht langsam, Nein schnell, wie eine Siegerin.
Dao Auge
funkelte in Thränen, die Wange brannte. Der Baron sah, daß die Feuerflamme, die er
in ihren Busen geworfen hatte, ihre
ganze Seele ergriff.
Sie warf sich mit großer Heftigkeit in seine Arme, und verließ ihn dann schnell, um die Höhe hinan zu steigen.
Der Ba
ron ging da« Thal hinunter, dem Hause zu, mit einem tiefer empfundenen Mttleiden, al« jemals, doch auch mit der schönen Hoffnung, daß noch alle« für Alle glücklich
enden könnte.
Die Predigerwitwe hatt« ihm erzählt, daß sein Bruder Versuche gemacht hätte, Emma
in Umgang
mit
Männern zu bringen.
einigen
jungen
Ach, sagte sie mit
Kopfschüttrln, wohin dachte der Herr Ober kammerherr!
Nachher
erzählte sie aber,
23 daß der Zufall Emma mit einem jungen Manne, einem ihrer Verwandten, aus der
Nachbarschaft
bekannt gemacht hätte,' der
einige Mal hier gewesen wäre, und der» wie sie aus seinen Reden schließen zu kön
nen glaubte, wohl eine geheime Neigung zu ihr haben möchte,
Der Baron
fragte,
wie In der Zer
streuung, nach dem Nahmen de« Manne«. Sie nannte ihn; es war ein Prediger In der Nähe. Nach Tische relf’fe der Baron wieder
ab,
und
fuhr
sogleich zu dem Prediger
Weißdorn auf einem seiner Dörfer, einem
vortrefflichen Manne, dem er die Pfarre selbst gegeben hatte. „Die
Predigerwitwe,"
hob
er
an,
„hat mir gesagt» daß Sie ein Paarmal
in Wiesen
gewesen sind.
Dort wohnt ein
Mädchen, Herr Prediger, für dessen Schick
sal Ich mich sehr interessire. Die Witwe hat mir genug erzählt» um an Sie die Frage
eines ehrlichen Mannes zu thun: interessirt diese Emma auch Sie?"
—
--4
—
Der Prediger erstaunte; doch, er kannte
den Baron. Za, Ew. Gnaden, das Mädchen interessirt mich sehr. Ich glaubte,
mich zurückzieben zu müssen, da, wie man sagt, schon eine Leidenschaft ... ,, Za, so ist es. Eine sehr unglückliche
Leidenschaft für meinen Neffen.
Sie wur
den Beide mit einander erzogen, und zwar früh getrennt, doch nicht früh ge nug
für
eine
jugendliche
Mein
Liebe.
Neffe tritt in die Welt. Er sucht die Zugend gespielin wieder auf, findet fie nicht, und, anstatt ihrer, ein höchst liebenswürdiges
Mädchen, ein Fräulein Paradisi.
Dieses
Mädchen liebt er nun mit der stärkeren,
heftigen Leidenschaft des erwachsenen Züngllngs. Er hat die Wünsche seiner Oheime für fich, die Einwilligung der Mutter, und
die
Liebe
des
vortrefflichen
Mädchens.
Es bedarf nur noch der Erklärung.
Da
findet er durch einen Zufall seine Spiel gefährtin wieder. Zhre reine Unschuld,
ihre Liebe, die sie in der Einsamkeit, worin fie lebte, ln dem rührenden Andenken an ihre Zugend, unverletzt erhalten hat, tritt
mächtig zwischen das neue Verhältniß. Mein Bruder — durch dessen Bekannte sie ohne Zweifel etwas von Emma'S Liebe gehört haben — tritt gewaltsam zwischen ein sehr zartes Gefühl der beiden jungen Leute, und sie fliegen einander in die Armer mein Neffe, aus Edelmuth; Emma aus Liebe. Doch das Herz meines Neffen hat feine Rechte so gut, wie sein Edel muth Pflichten. Er liebt das Fräu lein Paradisi. Emma sieht jetzt selbst ein, glaube ich, daß nur sie das nützliche Op fer bringen kann, zu welchem sich alle Drei erbieten. ... Zch weiß nicht, wie Sie über Liebe deyken, Herr Prediger; aber das alles mußten Sie voraus wissen, und zwar. durch mich, da ich wünschen darf, daß diese schwierige Verknüpfung freundlich gelös't werden möge." Hier, trat der Prediger ihm näher. Und Ewi Gnaden glauben,, daß sie freund lich .gelös't werden kann? „ Ich weiß nicht, wie Sie über die Liebe denken; ob .eine so heiße Liebe von der Zeit kälter gemacht werden kann, oder
26 nlcht; ob Sie glücklich mit einer Lebens gefährtin seyn würden, von der Sie wüß ten, daß sie schon einmal mit einer starken Leidenschaft liebte. Wenn Sie das Herz des einfachen, unschuldigen, gewiß höchst liebenöwerthen Mädchens rühren könnten, so, dünkt mich, würde des Mädchens Kopf Ihre Neigung vielleicht unterstützen. Doch vor allem müßten Sie wissen, ob Sie Emma glücklich machen können; denn die Liebe meines Neffen sowohl als ihr eigenes Unglück hat mir das Mädchen sehr theuer gemacht. Arm ist sie nicht. Zwar gilt dieser Umstand Ihnen nichts; wohl aber mir. Emma ist Besitzerin des Gutes Wiesen." Ich fürchte, Ew. Gnaden, daß mein Herz nur allzu geneigt ist, eine Hoffnung zu ergreifen, die ich mit Schmerz aufgegeben habe, und zu der Sie mir wieder Muth machen. Ich liebte Emma, unge achtet ihrer Leidenschaft. Ich liebte sie, sage ich, Herr Baron, und bin nicht un glücklich. Also kann ich nicht in Zweifel stehen, ob eine Leidenschaft vergänglich sey,
a? oder nicht. Ich liebte mit Leidenschaft, so gut, wie Emma Ihren Neffen. Hatte ich nun eine Andre geheirathet, so würde ich doch haben glauben muffen, glücklich mit einer Frau leben zu können, die. nicht meine erste Liebe hatte. Der Baron sah des Mannes Auge funkeln; und das warmehr, als alles, was er noch sagen konnte. „Nun wohl denn!" sagte er kalt; „Sie mußten das wiffen. — Daß ich wünschen konnte, Sie möchten mit Emma glücklich seyn, hat gar nichts mit der Sache zu thun; und daß Sie von dieser Unterredung nichts erzählen dürfen, brauche ich einem so feinen Manne nicht zu sagen. Das aber kann ich noch hinzusehen, daß ich Emma wie meine Tochter liebe, daß also auf keine Weise von Ueberredung, Ueberraschung, oder sanftem Zwange, die Rede seyn kann. Ich wünsche einen glück lichen Erfolg, doch nur auf dem Wege ei ner ganz natürlichen Entwickelung. Mein Bruder hat gar nichts mit der Sache zu thun. — (Er nahm des Predigers Hand.) — Ich wünsche Ihnen Giüch, wenn es
29
Ihnen gelingt; denn sie ist ein schönes und gutes Mädchen. Aber, Herr Prediger, ich wünsche auch Emma Glück, wenn es Ih nen gelingt. Als mir Ibr Nahme genannt wurde, war ich über den Ausgang sehr ruhig." Er nahm Abschied, und setzte sich in den Wagen. Bei seinem Bruder, zu dem er fuhr, verbat er sich alle Einmischung, und sag te ihm nur, so viel er wissen sollte. Nach drei Tagen war er wieder bet seinem un glücklichen Neffen. Für'S erste konnte er nichts thun, als den jungen Mann abhalten, Emma zu sehen. Daher bat er diesen, ihn doch zu seinem Busenfreunde Albert zu begleiten, der seinen edlen Neffen so gern kennen lernen wollte. Hier sah Alexander, wie sein Oheim lieben konnte. Er sah ihn in den Armen seines Freundes, und liebte ihn noch mehr, fühlte sich aber auch noch unglücklicher, daß er ihn nothwendig betrü ben mußte.
29
Der stille Entschluß. Emma blieb drei Tage still und einsam, mit sich selbst kämpfend, in ihren Felsen.
Sie
durchlief ihr Leben von dem ersten
Augenblicke an, da ein Engel sie in Alex anders Arme legte, bis jetzt; sie erinnerte sich des finsteren Tages wieder, da sie, als
Kind von zehn Zähren, neben der sterben den
Mutter
Alexanders
stand;
wie
die
Mutter mit der schon kalten Hand die ih rige ergriff, sie auf das Herz legte, das immer schwächer schlug, und dann mit der
sterbenden Stimme sagte: „liebe ihn, wie
deinen Bruder Emma! anders nicht!"
Sie nahm den Brief der Mutter her vor, küßte die Schriftzüge der theuren
Hand, und las die Worte:
„er sey dein
Bruder, nichts mehr!--------- Das Opfer
muß gebracht werden, was auch dein Herz
dagegen
sagen
mag,
spät
oder früher!
Bringe es früh, meine geliebte Tochter, früh,
um
seiner Ruhe,
um seines Glückes
willen!"--------Dann
las
sie weiter:
„Alexanders
30
Glück wohnt nicht kn Eurem Paradiese, nicht in den engen Wänden eines gläcklichm Wohnhauses!"------Es muß gebracht werden, sagte sie sanft weinend. Ach, gute Mutter, ich bringe es nur zu spat! Noch nie hatte sie das so gefühlt, wie in diesem Augenblick, und sie konnte nicht begreifen, wie sie den Brief so oft gelesen hatte, ohne mehr auf diesen Befehl zu ach« ten. Sie las die an Alexander gerichteten Zeilen, die so schlossen: „Emma hat nichts al» ihr Herz, was sie trösten kann; und das Opfer wird dennoch gebracht. Zch versichre dir: dennoch gebracht." Sie hatte Recht, die theure Prophetin km Grabe. Emma fing an, es wunderbar zu finden, daß dieses Opfer so feierlich von ihr verlangt wurde, als ob die Mut ter afieü voraus gewußt hätte. Die feste Versicherung: „Es wird dennoch gebracht? Ich versichere dir: dennoch gebracht!" er starrte ihr Herz; sie wagte es aber nicht mehr, das Opfer zu verweigern. So, wie jetzt, hatte sie den Brief nie
— 3i — verstanden. Die Dorhersagung war er füllt; das Opfer mußte gebracht werden. Er liebte ja Valerien, und drohete ja, den gewaltsam verschlungenen Knoten durch seinen Tod aufzulösen. Die fromme, de müthige Emma fand sich sogar mit einer Schuld beladen, weil sie den Befehl ihrer theuren Mutter nicht früher erfüllt hatte. Aber noch war es Zeit, ihn zu erfüllen, ihn in seinem ganzen Umfange, mit Freund lichkeit, mit Lächeln, zu erfüllen. Was jetzt dabei getragen werden mußte, war ja nur ihre Schuld. Sagte sie Alexander» früher mit Ernst, e» sey ihr fester Ent schluß, nie seine Gattin zu werden: so war alles geschehen, alle« sanft vollendet; so wurde Valeria jetzt seine Gattin; so lebte sie selbst in ungestörter Einsamkeit, ihm allein, dem Geliebten, dem sie nicht entsa gen konnte, angehörend, als seine Freundin, als seine Schwester; so blieb ein wehmü thiges Glück für sie übrig, ein schuldloses, freundliches Andenken an feine frühe Liebe in ihrer Jugend.
—
32
—
Das war jetzt nicht mehr möglich: denn er hatte ja geschworen, nie eine Andere an seine.Brust zu drücken, so lange sie ihm
treu wäre; auch hatte er ja seinem Oheim gesagt, daß nur der Tod das verschlungene
Band lösen konnte.
Auf einmal erschrak sie, und wurde bleich; denn plötzlich lag hell vor ihr, was sie thun müßte: hinein andern Manne ihre Hand geben. Aber, ach! das konnte sie ohne einen tödtlichen Schmerz nicht einmal
denken; um wie viel weniger erfüllen! Baleria war dies zu thun Willens ge wesen; sie hatte die Stärke gehabt, wel che Emma fehlte.
Aber sie konnte es sich
selbst nicht laugnen: es war ihre Schuld, daß sie jetzt mit einem tödtlichen Schmerze
das Opfer bringen mußte.
Brief aufs neue.
Sie las den
Ja, „das Opfer muß
dennoch gebracht werden!"
Da drangen der Todespfeil und der Ent
schluß, es Seele. Sie
zu
ging
bringen,
zugleich
in
ihre
in das Haus zurück;
mit
furcht-
furchtsamen Blicken, mit kalten Wangen. Ludwig kam ihr ängstlich entgegen.
Der Baron! sagte er. —
wenn ich ihn sehe.
Ich zittre,
Er bringt dir nichts
tiA Unheil, liebe Emma.
„Der Baron nicht, guter Ludwig; ich selbst!"
Ich
wollte,
wir
wohnten
noch
kn
Waldweiler.
„Dahin wollen wir, Ludwig; dahin!" rief sie eilig.
„0, jetzt weiß ich, was mir
fehlt! Dahin wollen wir, dahin must ich!"
(Ludwig stutzte.)
„Nur auf einige Tage.
Zch muß noch einmal den Ort sehen, wo ich so glücklich war, und so unglücklich. Noch einmal muß ich die Graber sehen, auf denen ich mit Alexander spielte." Ludwig wollte ihr den Gedanken auS-
reden; doch
das
war nicht möglich: er
mußte ihren Bitten nachgeben.
-
34
-
Graber und Opfer. Q*mma
und Ludwig fuhren,
ohne
alle
Begleitung, nach Waldweiler. Sie stiegen in dem Thale aufwärts. Hier, als Emu>a mitten im Thale stand, umringt von der
ganzen lieben Gegend, von ihrer ganzen glücklichen Jugend und von ihrem jetzigen tiefen Schmerze, — hier brachen alle ver
borgenen Quellen der Wehmuth und der
Freude hervor. Sie ging mit zitternden Knieen einen Schritt weiter, den Gräbern zu; doch bald verlor sie die Kraft zu ge hen, und mußte sich niedersehen.
sie
Ludwig dankte dem Himmel, als er nur im Haufe hatte. Er führte sie
auf das Zimmer, das der Wirth nicht be
wohnen durfte.
Ihr Blick siel sogleich auf
die Worte, die sie an die Wand geschrie ben hatte.
„Eine Welt liegt zwischen uns,
ein Leben.
O, so lebe wohl!"
Als sie
das mit leiser Stimme las, meinte Lud wig, sie dächte und sagte es erst in diesem
Augenblick.
Aber sie hatte sich diese schwere
Stunde schon vor Jahren prophezeiet.
35
Mit starren Augen hing sie ohne Un
terlaß an den Worten, die sie geschrieben hatte. Sie wollte diesen Tag nicht mehr hinaus in das Thal, well sie sich zu matt fühlte. Am folgenden Morgen erwachte sie
aus
einem erquickenden Schlafe.
Als sie
die Augen öffnete, sah sie durch den Riß der
beiden Berge, durch welchen die Sonne im Mai die ersten Strahlen fallen ließ.
Noch
halb schlaftrunken erblickte sie die beiden so oft gesehenen Berge, und erkannte den Ort, ohne noch zu wissen, wo sie wäre. Zn der
ruhigen Brust ging nun die alte Freude
auf. Sie sprang schnell aus dem Bette, eilte an's Fenster, und fand sich wieder in dem geliebten Waldweiler. Die süße Täuschung dauerte nur eine
Minute; denn sie war ja hier, um aufdem Grabe der Mutter das Opfer zu bringen.
Sie besuchte das Kloster, wo sie dem jun gen Alexander übergeben wurde, und dann ihr
kleines
Paradies.
Eine
freundliche
Täuschung unschwebte das heiß verwundete Herz.
Sie lächelte, ging an den Altar,
den Alexander hatte errichten lassen, und 3a
36 las
die
schönen Worte
einer.glücklichen,
nun völlig zertrümmerten Hoffnung. lange, so. kam Ludwig.
Nicht
Nun stand sie auf,
ging ihm freundlich entgegen, und reichte ihm lächelnd die Hand. Sie führte ihn langsam an die drei Gräber, und setzte sich auf daß Grab der
„Hier laß miß sitzen, Ludwig,
Mutter.
und der alten Tage gedenken, der schönen Zeit, die vorüber ist, und unseres Glückes. Die Zeit wird nicht wiederkommen, guter Ludwig!" Zch wollte-, du könntest nur Eins ver
gessen,
Emma!
...
Die
gnädige Frau
zitterte immer davor. Zch lächelte dazu; jetzt sitzen wir hier, und möchten darüber
weinen.
O,
könntest
du nur Eins ver
gessen ! „Das
Opfer muß
gebracht
werden;
und wird dennoch gebracht werden!" sagte sie, indem sie eine Blume von dem Grabe pflückte, und sie an ihre Brust steckte.
„Hier, Ludwig, lies mir den Brief der Mutter vor! Zch will ihn erfüllen."
37
-
-
O. das Lehe. Gott!... Eryahm den Brief. 7-Das wird er geben. - Lies nur!”
Er las den Brief langsam und deutlich,
mit dazwischen fallenden Thränen, Wort für
Wort.
Sie
Thränen, zu,
auch
mit fallenden
beugte sich
dann auf das
hörte,
Grab, und sagte,
wie zu der darin ru
henden Mutter: „ich will dir gehorchen, will das Opfer bringen, damit dem Alex-
ander glücklich werde.”
O, Emma! wollte doch Gott dich dazu
stärken! „Er hat.mich gestärkt. mich—
und
blieb
Und nun laß
Sie lehnte sich an das Grab,
so
den
ganzen Morgen,
fast
schlummernd, sihen, weil sie nichts mehr
denken mochte.
„O, verständ' ich es nur,”
sagte sie leise mit gen Himmel gewendeten Augen, „wieder Tod hier, die Gedanken
in meiner Seele zu verloschen! Den Schmerz wollt' ich gern ertragen!”
—
Sie blieb noch drei Tage im Thale, weil
der Aufenthalt
darin
sie erheiterte»
—
38
—
Wir tonnen ja hier wohnen, Emma, sagte
Ludwig.
„Das können wir nicht; denn — da
schwere Opfer muß gebracht werden." — Am
vierten Tage
fuhren sie wieder
nach Wiesen, und Ludwig wußte noch im mer nicht, was sie unter dem «erstände.
„Opfer"
Bald kam nun der Prediger Welsdorn, und der zermalmende Schrecken ergriff sie heftig; denn Ludwig hatte ihr, als er
sonst hier war, mehr als Einmal gesagt: ich wollte, daß dieser gute Mensch bis gefiele,
Emma.
Er liebt dich gewiß, und er darf
dich lieben.
Sie fioh jetzt la ein andres Zimmer; doch sie hatte ja dem Schatten ihrer Mut ter geschworen, Alerandern glücklich zu
machen.
Sobald sie sich erholt hatte, ging
sie wieder in das Zimmer, worin der Pre diger war. Er redete
sie an, mit sanfter Güte,
mit ausgezeichneter Achtung; und sie be
handelte ihn freundlich, freundlicher,
jemals.
als
-
39
Ludwig war glücklich. te er; nun bist du gut.
— O, Emma, sagr Gott gebe seinen
Segen, daß du so bleiben mögest! Sie erwiederte lächelnd: ich dich
„(So kann
also doch glücklich machen, Lud
wig."
O,
mehr Herzen,
als
das meinige,
Emma; auch des redlichen Mannes Herz! — Sie
schüttelte
sanft
und schwelgend den
Kopf.
Weisdorn
kam wieder.
Sie empfing
ihn jedes Mal erblassend, doch jedes Mal
freundlicher.
Wenn er sie darum bat, so
ging sie mit ihm in den Garten, und all-
mählich gewöhnte sie sich sogar an ihn, da er ein sanfter, edler und geistreicher Mann
war. Weiödorn kannte Emma's!Herz, und suchte trauen,
erst
zu
ihre
Freundschaft,
gewinnen.
Er sah,
ihr Ver
daß der
Baron den Zustand ihres Herzens richtig
beurtheilt hatte; und da sie immer freund lich gegen ihn war, so näherte er sich ihr
unmerklich immer mehr, ohne je durch ei nen unfreundlichen Dlkk von ihr zurückge-
4° wiesen zu werden.
Nach einigen Wochen
gab er dem Baron schriftliche Nachricht.
„Schreiben Sie mir so,” antwortete der Baron, „als hätten Sie erfahren, daß Emma's Hand von mir abhange, und
als hatten Sie ihre Bekanntschaft von um
gefahr gemacht, als möchten Sie erst gern wissen, was Sie von meinen Gesinnungen hoffen dürften, wenn es Ihnen gelänge, Emma's Herz zu gewinnen.” Der Baron bekam
nun einen Brief
von dem Prediger, in Alexanders Gegen wart. Er sah während des Lesens seinen
Neffen einige Mal aufmerksam an,
und
hielc dann den Brief unentschlossen in der
Hand.
Auf einmal, stand er auf,
und
sagte: „Alexander, ich darf hier kein Ge heimniß vor dir haben. Der Zufall muß nicht über eines Mannes Herz entscheiden,
sondern er selbst.
Alexander
Lies das!”
nahm
den Brief zitternd,
und las. „Ein Zufall, gnädiger Herr, hat mich
in Wiesen mit einem Mädchen bekannt ge macht, über dessen Nahmen und Schicksal
-
4- _
ein Schlier hangt, den ich-nicht anznr fassen wagen würde, wenn nicht das Wer fen dieses Mädchens mein -Herz so tief ge rührt hatte. Ich bin ein Verwandter der
Predigerwikwe in Wiesen, Md wollte sie besuchen.
So kam ich nach dem Dorfe,
Emma" — ich weiß keinen andern Nah men — beschäftigt mein Herz, das Herz
eines ehrlichen Mannes: das ist alles, was
ich von mir zu sagen weiß, außer, daß ich Prediger in Strauben, nahe bei Wie
sen, bin.
Ich befragte meine Verwandte,
die Predigerwitwe,
Emmaus
Gesellschaf
terin, um dieses junge Frauenzimmer; und sie sagte mir, daß Emma's Schicksal von
Ihnen abhmge."
„Ich ging noch einige Male hin, und
sah
Trauer in einem Gesichte, das zur
Freude bestimmt zu seyn scheint, und fand in Emma'ü Brust ein Herz, das mich glücklich machen würde, wenn es mich liebte." „Nun frage ich bei Ihnen an, Herr Baron, ob ich mir Hoffnung machen darf, Ihre Einwilligung zu einer Verbindung zu
4s erhalten, durch dle ich glücklich werden, und dle mir, wenn mich nicht alles triegt,
vielleicht Ernma's Herz nicht verweigern würde.?
„Sie nehmen Theil an dem Glücke dieses Mädchens, Herr Baron.
Wenn ein
redlicher Mann, und ein Herz voll Liebe, und eine Lage, die nicht von Nahrungs sorgen gedrückt ist, ein so einfaches Herz, wie die theure Emma es hat, beglücken
können, so bitte ich Sie, mir bald zu ant worten.
Von meinem Charakter können
Sie leicht etwas Näheres erfahren.
Ich
bin zehn Jahre lang Hofmeister bei dem Grafen Naucn gewesen;
er nennt^ mich
noch jetzt seinen Freund, ob er gleich mit
diesem Nahmen nicht freigebig ist." Beide,
Oheim und Neffe,
lange, ohne einander anzusehen.
schwiegen
Endlich
ging Alexander mit dem Briefe hinan-»
Als er wieder herein kam, fragte er angst, lich: Wer ist der Marrn?
„Ich kenne ihn nicht, ob er gleich durch mich die Pfarre, bekommen hat.
auf den
Er beruft
Nauen, der ein gera?
43 der, offener, und dabei ein kluger Mann
Du könntest ja zu ihm fahren."
ist.
Alexanders Hande zitterten. — Oheim!
Mein
... sagte er, und konnte nichts
weiter hervorbringen. — Nein, nein! nim
mermehr !
rief er endlich.
„ Du hast wohl nicht darauf Acht ge habt,
Ludwig,
daß er schreibt, er hoffe,
Emma'S Herz sey ihm gewogen, oder wie die.Worte sonst heißen, die in dem Briefe
stehen. auf;
Zch lege zwar keinen Werth dar
denn Emma ist freundlich gegen Ze-
-ermann ..." Und -das. halt der Mensch für Hoffnun
gen!
Weiter ist es nichts.. Das sieht man
ja deutlich, da er sich erst anSie wendet. „Kann seyn, Alexander. es mir selbst so vor.
Fast kommt
Ein" Paar Besuche —
er ist verwandt mit einer Frau, welche Emma sehr gütig ist.
gegen
Wer weiß,
ob nicht diese Frau — denn Heirathen stif
ten die Weiber alle gern — wer weiß, ob
die ihm nicht die Hoffnungen gemacht hat,
auf welche er sich beruft."
O gewiß! Das ist augenscheinlich, lie-
— 44 — Her Oheim.
Denn — beim Hlmmel!
0
bei Gott!-bei allen Schuhgerstern der Liebe
und der Tugend! nein, nein! es. ist nicht! es soll ntcht seyn!
„UeberdieS
ist Emma
unbedeutende Paktie,
eine, gar nicht
seitdem-ihr Wiesen
gehört." Zhr gehört? Wiesen?
„Das. wunderliche Verfahren
meines
Bruders hat Mich- erschreckt. < Sie könnte
-sich sonst in' irgend einer Minute einmal
nicht frei glauben; und das muß fie doch. Denn, Alexander,
ein Mädchen, das du
'einmal liebtest", mkß jedes Gut des Lebens
haben,
das
in
meiner
und
deiner Ge
walt steht.
Zch habe ihr Wiesen förmlich
abgetreten,
uhb
sie scheint den dortigen
Aufenthalt zu lieben." Alexander fiel ihm um den Hals.
nun ist es sonnenklar!
O,
Die Witwe, das
Gut: das ist die Liebe; das sind die Hoff nungen, die Emma gegeben haben soll!
„Auch mag er gehört haben, was kn der dortigen Gegend kein Geheimniß seyn kann, daß Emma eine Leidenschaft hat, die
45 wir nicht beigen.
Das alles, zusammen,
und dazu nun noch die Reitze des schönen Mädchens — so finde ich gar nichte Unna
türliches in seiner Liebe.
Aber, er beruft
sich'doch auf Emma,)und einq Antwort ryuß er haben.
Du fährst zu dem Grafen,
dessen Bekanntschaft ich dir ohnedies em pfehlen möchte?'
Alexander erfüllte dieses Verlangen. Unterweges fiel ihm zu seinem Schrecken ein:
wenn das abgemacht wäre!
Er traf Nie
manden zu Haufe, als den ältesten Sohn, des Grafen,
er
liebte,
einen edlen Menschen, den
der
und
besser! dachte er.
ihn
liebte.
Desto
„Sie kennen den Herrn
Prediger Weisdorn?"
Den Lehrer mich selbst.
sten,
meines Bruders?
Wie
Er ist einer der edelsten, still
freiesten,
uneigennützigsten, wüthig
sten Männer, welche die Erde trägt.
„Einer der freiesten?"
Der freieste vielleicht,
den ich kenne.
Mein Baten, wüßten die Ursache, warum Meine Tochter diese Ehre nicht annehmen könnte.
Ec antwortete Mir mit einer Art von Empfindlichkeit: i ch und S t e dürften seine Freundschaft verschmähen.
Dar
an," setzte er hinzu, „bin ich schon ge wöhnt! Aber Valeria ist meine Tochter, so
gut, wie die Zhrige, Frau von Paradlsi; und ich hoffe, Sie werden mir nicht überall in den Weg treten, und mich sogar an et was hindern wollen, das mir die Natur
selbst zur Pflicht macht." Als ich die Diplome und seine Geschenke
noch einmal ausschlug, wurde er recht ernst-
—
—
lich böse, und sagte: „Ich werde den Da
ran um Ihre Gründe befragen, ob es mir
gleich weh thut, daß ein Fremder etwas mir so Wichtiges weiß, das Sie mir ver
schweigen.
Aber sind diese Gründe wieder
bloßer Eigensinn, dem es Ihnen wohl schon sonst Bescheidenheit, Mäßigung oder so et
was, zu nennen beliebt hat, so befehle ich
ihm
und Ihnen, mich in meinen Absich-
ten nicht zu hindern." — Er verließ mich beleidigt, und recht ernstlich erzürnt. Dringen Sie ihn von seinen Geschen ken ab, Baron;
thigt,
sonst sehe ich mich genö
ihm offen zu sagen,
nicht seine Tochter ist. Eifersucht.
daß Valeria
Sie kennen seine
Nichts kann mich aber bewe
gen, ihm die wahren Umstände zu sagen;
denn Victoriens Ruhe dann auf dem Spiele.
und Glück
standen
Doch- Ihr Neffe,
und Valeria selbst, sollen und müssen noth wendig
alles
wissen.
Ich
will Valerien
nicht langer einen Vater vorenthalten, der ein so edler Mann ist; und Ihrem Neffen
darf ich nicht verschweigen,
daß er seine
Hand einem Mädchen giebt, welches nicht
28? einmal unter dem Schutze des Gesetzes ge boren wurde, nur unter dem Schutze der
reinsten, edelsten, doch unglücklichsten Liebe. Die Briefe, nebst den Beilagen, bitte
ich Sie,
mir wieder zu schicken,
sobald
Sie alles gelesen haben. Baron, ich kündigte Ihnen einmal ein Ungewitter an. gehalten.
Sie sehen, ich habe Wort
Sie versprachen damals, mir zu
verzeihen. Halten auch Sie Wort! Jetzt,
da Valeria nicht des Fürsten Tochter ist, zerfällt der Plan, den Sie auf diesen Ir-
thum baueten.
Wenn Ihr Neffe keinen
andern Magnet hat, als diesen, des Für sten Gunst auf sich zu ziehen, so ist er be
trogen.
Mich dünkt aber, es ist so besser,
für ihn und für Valerien.
Beide paffen
mehr in das einsame Thal meiner Jugend,
als an einen Hof.
Glauben Sie mir!
Antwort des Barons von Nord stein.
theure, großmüthige, unglückliche Frau! Ich habe Ihre Briefe gelesen. — O, auch
236 ich liebte, liebe noch jetzt, und wurde be trogen !
Doch ruhig!
das ist es ja nicht, was
ich Ihnen sagen wollte. dem Fürsten alles!
Verschweigen Sie
Warum soll eine Täu
schung aufhören, die so lange gedauert hat, und die Sie selbst veranlaßt haben! War um, großmüthige Frau, sollen alle Ihre Fehler edler seyn,
als Ihre Tugenden!
Warum sollen alle Ihre — verzeihen Sie mir das Wort; ich weiß kein anderes —
Ihre Unbesonnenheiten schönere Folgen ha ben, als ihre schwersten Opfer!
Warum
wollen Sie die schönsten Verhältnisse, die Sie so leichtsinnig selbst erfunden haben,
und die jetzt Aller Herzen so werth sind —warum
Fürst
wollen
Sie die zerstören!
liebt Valerien,
als
Der
seine Tochter:
warum soll er das auch nicht!
Zch liebe sie
ja eben so zärtlich, und doch findet bei mir keine Täuschung Statt,
welche
meiner Liebe veranlaßte.
Seltsame Frau,
mich
zu
die nicht begreifen will, daß Fehler zu Tu
genden werden, wenn man sie zu Quellen
des Glückes macht! Ich
—
—
239
Ich habe sogleich mit dem Fünften ge sprochen.
Er war finster.
„SEmron," hob
er an; „Sie haben Geheimnisse mit der Frau vonParadtsi, um die ich nicht weiß.
Ich bin von Ihnen an eine Treue, eine Aufrichtigkeit gewöhnt, die mich gegen jede kleine Verstecktheit argwöhnisch macht, und
sage Ihnen unverhohlen, daß ich eifersüch, tig bin auf die Freundschaft der Paradifi
und auf ihr Vertrauen. Sie wissen, war um die Paradisi meine Geschenke für Va lerien ausschlägt, und von Ihnen, sagte sie, soll ich ihre Gründe erfahren. Nun
denn! so reden Sie!
Aber ich hoffe, Sie
werden nicht mit mir spielen.
Was ich
einer Frau verzechen kann, verzeihe ich dem Manne nicht. Lassen Sie hören!
Aber aufrichtig, und ohne Zögern! Sonst müßte ich beinahe glauben, was der Neid
und die Bosheit mir so gern einreden möchr
ten: Valeria sey nicht meine Tochter." Um des Himmels
willen,
gnädigster
Herr! erwiederte ich. „Wirklich hat sich die Mutter nie recht bestimmt darüber erklärt." Emma. IE
19
290
Sie kennen ja die zarte Empfindlichkeit der Frau von Paradisi.
Sie eine Schweizerin,
Noch immer ist möchte gern
und
verbergen, daß sie mehr geworden ist, als ein
Schweizerisches
dünkt übrigens,
Landmädchen.
sie ist so
Mich
liebenswürdig,
daß sie alles vergessen machen kann, nur sich selbst nicht.
Er lächelte, und drückte mir die Hand. „ Unb daher kommt also vielleicht auch ihre
seltsame Weigerung,
Geschenke von mir
anzunehmen?"
Eben daher, gnädigster Herr. Er lächelte wieder, und verlor sich in die feinsten Lobeserhebungen über Sie, liebe
Frau von Paradisi.
„Man nehme mir alles," sagte er zu letzt sehr leidenschaftlich; „nur lasse man mir mein glückliches Volk, diese Frau und meine Tochter! —
Sie wissen also ge
wiß, daß Valeria meine Tochter ist?"
Ganz gewiß, gnädigster Herr. — — Warum, liebe Freundin,
wollen Sie
denn in die feinste Freude eines Menschen
greifen,
In den unschuldigsten Reitz eines
—
glücklichen Lebens l
2i)I
—
Ich frage Sie, liebe
Dernhardine — eö ist mir, seitdem ich Zhre Briefe gelesen habe, als müßte ich Sie von nun an bei diesem Nahmen neunen — ich frage Sie: wenn nun Jemand
Dictorien entdecken wollte, daß ihre Freun din eine Tochter von ihrem Manne habe: — hieße das nicht, die Liebe und das Glück
in Dictorienö Herzen zerstören? Und würde es Zhnen lieb seyn, wenn das geschahe?
Warum soll denn nun durch Sie in dem Herzen des Fürsten Liebe und Glück zer stört werden! Ich hoffe nicht, meine Freundin, nur darum, weil Sie bei Victorien ein schönes
Opfer, das Sie brachten, zu vertheidigen haben, Und bei dem Fürsten den Schein der Wahrheit erhalten können, wenn Sie ihn zum Opfer machen.
Sie haben zu
viele Tugenden, Dernhardine, als daß Sie noch des Scheins von einer mehr bedürf
ten, der Zhrern Herzen selbst zur Last seyn würde.
Ich bitte Sie, mir heute Abend eine Stunde unter vier Augen zu schenken; dann
19*
—
-2y2
—
hoffe Ich, Zhre Bedenklichkeiten ju heben. Leben Sie wohl!
Antwort der Fran von Paradisi. A
e
£)U spat, Baron; zu spat! Der Himmel hat anders entschieden; nicht Sie, nicht ich. — Ich bin noch außer mir! Diesen Morgen saß ich mit Valerien in dem innersten meiner Zimmer, und hatte Befehl gegeben, alles, selbst Ihren Neffen, abzuweisen. Ich umarmte Vale rien mit großer Empfindung, und gab ihr eben die Briefe, die Sie gehabt haben, und aus denen Sie nun meine Geschichte wissen. Da lies, Valeria, lies! und lerne endlich deine Mutter kennen! (Ich hatte das schöne Gemählde mit der Hütte an der Quelle des Tamin vor ihr aufgestellt.) Wenn du an die Stelle kommst, Valeria, wo wir, ich und meine Victorie, uns im Gebirge verirrten — sieh! in dieser Hütte lebte unser Retter.
—
-2y2
—
hoffe Ich, Zhre Bedenklichkeiten ju heben. Leben Sie wohl!
Antwort der Fran von Paradisi. A
e
£)U spat, Baron; zu spat! Der Himmel hat anders entschieden; nicht Sie, nicht ich. — Ich bin noch außer mir! Diesen Morgen saß ich mit Valerien in dem innersten meiner Zimmer, und hatte Befehl gegeben, alles, selbst Ihren Neffen, abzuweisen. Ich umarmte Vale rien mit großer Empfindung, und gab ihr eben die Briefe, die Sie gehabt haben, und aus denen Sie nun meine Geschichte wissen. Da lies, Valeria, lies! und lerne endlich deine Mutter kennen! (Ich hatte das schöne Gemählde mit der Hütte an der Quelle des Tamin vor ihr aufgestellt.) Wenn du an die Stelle kommst, Valeria, wo wir, ich und meine Victorie, uns im Gebirge verirrten — sieh! in dieser Hütte lebte unser Retter.
203
--
Sie las, und es flössen Thräne?: über ihre Wangen.
Don Zeit zu Zeit stand sie
auf, umarmte mich, und las dann weiter. So war sie gegen elf Ufjr bis an den letz ten Brief gekommen.
Da trat meine Kam
merjungfer in das Zimmer,
und sagte:
„es ist ein Mann draußen, der sich durchr
aus nicht will abweisen lassen.
neun Uhr fitzt er unten.
ängstlich, und seufzt.
Schon seit
Er ist unruhig,
WirAlle unten sind
besorgt?' — So bring' ihn herauf in mein Vorzimmer. Lies weiter, Valeria; ich will ihn so bald als möglich abfertigen.
Die Thür ging auf, und — o Ba ron ! — ich stürzte mit einem lauten Schrei in Rolls Arme. Valeria sprang auf, und rief, als sie
meine heftige Bewegung sah: „meine Mut
ter!
o, meine Mutter!" Jetzt war es, als ob Himmel und Erde
in meiner Brust zu Schmerz und zu Ent zücken vergingen. Ich hatte nur noch Kraft genug, zu sagen:
Valeria, das ist dein
Vater! das ist Roll!
Nun vergingen mir
die Sinne; ich taumelte auf den Sofa,
und wurde ohnmächtig. Als
ich die Augen wieder aufschlug,
fand lch den Vater meiner Valeria, fand ich die Tochter meines Roll, in meinen Armen.
Er betrachtete mich, vor mir stehend, und dabei flössen stille Thränen über das erstarrte Gesicht.
O, es war ein Anblick,
in dem festesten Herzen
Mitleiden zu erregen! Male reden: schon,
ein tugendhaftes Er wollte mehrere
feine Lippen bewegten sich
seine Brust
kamen nicht hervor.
hob sich;
doch Töne
Valeria warf sich vor
ihm nieder, hielt seine Kniee umfaßt, und rief mit einer jauchzenden Stimme immer das Wort: Vater! und diese jauchzenden Töne durchschnitten meine Seele. Zch hob endlich die matte Hand, und zeigte auf seine Tochrer; er schüttelte aber
immerfort den Kopf, wollte reden, und konnte nur weinen, bis er endlich abge brochen den Nahmen Dernhardine! mit einem lauten, heftigen Schluchzen her vorbrachte.
sgs —
--
Mutter! rief Valeria jetzt; mein Va ter will mich nicht für sein Kind erkennen!
O, mein Vater! mein Vater!
Er sah sie an; doch sogleich kehrte sein Blick auf mein Gesicht zurück. Jetzt sprang Valeria auf, und brachte ihm ihren Taufschein.
„Waü soll das?" fragte er mlt
leiser Stimme.
Er las, besann sich, ließ
den Schein aus der Hand fallen,
lag auf
einmal an dem Herzen seiner Tochter, und rief:
»sie ist es!
sie ist meine Tochter!
sie ist mein! mein!" — Er hatte hier, wo er sich nach mir er kundigt, gehört, daß Valeria des Fürsten
Tochter wäre.
Schnell holte ich jetzt ein
Billet von dem Fürsten, das den Tag, die
Stunde bezeichnet, in welcher ich mich ihm ergab.
Er verglich das Datum des Billets
mit dem Taufschein, und jenes war bei
nahe ein halbes Jahr spater geschrieben. Zeht umfaßte er seine Tochter aufs neue, und nun sank er vor meinen Füßen nieder.
Noch immer hatte er zu mir wei
ter nichts gesagt, als das einzige: „Bern-
hardine!"
und noch immer sah
er mich
—
2g6 —
ungewiß an. Gott Lob! sagte ich nun; ich kann dir zeigen, Roll, daß meine Schuld, über die ich Vorwürfe in deinem Gesichte lese, kleiner ist, als du glaubst. Sag' mir offen: was denkst du? Er antwortete mir leise, die Augen starr auf mich heftend: „Daß du mich betrogen, daß du mich nie geliebt hast; daß die Welt, der Hof, der Fürst dein Herz vergiftet haben?' Ich gab Hm die Briefe, die Valeria so eben gelesen hatte. Lies das, Roll; und dann urtheile über das Herz deiner Bernhardine! Wahrend er anfing zu lesen, führte ich Valerien in ein anderes Zimmer, und sagte weinend: o, werde ich nun auch glücklich seyn? O Gott! rief ich dann schnell, und stürzte zu Roll in das Zimmer: was macht meine Victorie? „Sie ist todt!" sagte er mit stiller Betrübniß; „aber sie ist glücklich gewesen. Hier! dies schrieb sie eine Stunde vorher, ehe sie die Erde verließ?' Er gab mir ein Billet. Es war ein
297
fürchterlicher Anblick,
ihn zu sehen;
er
starrte mich an, ohne die mindeste Bewe gung zu machen.
Ich ließ ihn bei den
Briefen, und ging mit dem Billet in das
Nebenzimmer. Es waren Dictorienü Schriftzüge, doch mit zitternder, schon kraftloser, Hand ge schrieben. „Ich sterbe, Dernhardine. Met„ne letzte Kraft gehöret dir, die ich so
„herzlich liebe.
Mein Geist, der sich nun
„bald zu dem Himmel
empor schwingt,
„dankt dir noch einmal. Ich bin unaus„sprechlich glücklich gewesen. O, Roll hat „mein Leben zu einem Himmel auf Erden
Er und du, Ihr Beide, seyd
„gemacht.
„Engst.
Jetzt werde auch ich einer, durch
„den Tod; Ihr wäret eö schon im Leben. „Knieen will ich nun vor Gottes Throne, „und dem Allmächtigen, allen Engeln und
„allen Heiligen nichts nennen, als die edlen
„Nahmen:
Bernhardine und Roll!
O
„Bernhardine, auch dort will ich dich lke-
„ben! dich und ihn.' Ich kann nicht mehr! „Mein Auge sieht kaum noch die Buchstaben.
—
296 —
„O, liebt einander! OBernhar------ " Sie hatte nicht vollendet. Als ich das gelesen hatte, knieete ich nieder, und hob die Arme zu Vwtorien empor; denn ich hatte ihr Wort gehalten: der Freundin meiner Jugend war tch treu geblieben bis zu ihrem Lode. Ich freuere mich, daß tch Valerien meine Briefe an Sie hatte lesen taffen. Jetzt konnte ich doch mit ihr über alles sprechen, und ihr auch DlLtoriens Billet mittheilen. Roll wurde mit dem Lesen meiner Briefe bald fertig; denn er las nur die letzten, von meiner Reise zu der Lance in Deutschland an, bis jetzt. Er sprang auf; ich öffnete in eben demselben Moment die Thür meines Cabmetö, und er stürzte mir zu Füßen, nannte mich wieder: „meine ge liebte Dernhardine!" umfaßte Valerien, und nannte sie: „Tochter! geliebte Va leria!" Auf einmal schien ein neuer Zweifel durch seine Seele zu fliegen. Er sah mich wieder unruhig an, und sagte: „Bernhar-
—
bist
dine,
du
wir
Wollen
299
endlich
mein?
auf VictorienS
Grabe
denn
nun
nun
dem Andenken ihrer und unsererLiebe leben? O, geliebte Bernhardine Za wohl! rief ich, in entzückter, jugend
licher Freude.
Freilich bin ich dein, mein
Geliebter;'dein auf ewig! ziehen
mit
Wohin du auch
willst — ich bin dein,
dir. —
Jetzt
und gehe
erinnerte mich Vale
riens blaffe Farbe an Alexandern, an ihre Liebe, an ihr Glück.
Eben wollte ich anfangen zu reden, als der Fürst in das Zimmer trat. Wir,
ich und Roll, hielten einander mit Einem
Arme umfaßt; Valeria hing an dem an dern Arm ihres Vaters, in einer Stellung,
die Niemand
verkennen
konnte:
es war
die Stellung und der Blick der innigsten
Liebe. Der Fürst blieb erstaunt auf der Schwel
le stehen.
Roll bemerkte ihn nicht, weil er
feine Augen fest auf mein Gesicht gehef
tet hatte. „Store
ich,
fragte der Fürst.
Frau
von Paradisi?"
3oo Gar
Sie
nicht,
sehen
Durchlauchtigster
Herr.
mich hier in der glücklichsten
Stunde meines Lebens.
Ich habe in die
sem Manne meinen lange entbehrten Gatr
ten wiedergefunden, und Valeria ihren nie gesehenen Vater.
Er sah mich starr an, und mit einem
Blicke, der aus Erstaunen und Verdruß ge
mischt war. cs
„Gatten? Vater? Wie geht
denn zu, Madame, daß ich von dem
allen nichts weiß?" — (Sein Ton wurde
heftiger.) einer
„Madame, so bin ich denn mit
Freude
falschen
getauscht
worden.
Ich hoffte zum Ausgange etwas Anderes, als diese Scene. Gatte!
Gatte! Vater! —
So sehe ich denn wohl, daß ich hier kein Recht wohl
mehr habe,
noch' ein
gar keins;
altes Recht,
aber doch
das
meine
aufrichtigere, so oft getäuschte, Freundschaft
verdient: das Recht auf Ihr Vertrauen. Wie
wurde
dieser
Mann
Ihr
Gatte?
Ich kannte Sie ja als unverheirathet, und
erbitte mir die näheren Umstände von die ser Sache."
Wenn Ihnen
die einzelnen Umstände
3oi
—
—
von der Geschichte eines sehr unglücklichen Weibes nicht widrig sind, gnädigster Herr,
so
finden
alles
sie
sehr ausführlich und
aufrichtig in den Briefen erzählt, die hier
liegen.
Er setzte sich mit finsterem Mißtrauen zum Lesen nieder. sen
Roll
mit
und
Ich ging während des
in
Valerien
meinen
Meiner Kammerjungfer sagte ich
Park.
vorher noch: sie sollte mir ein Zeichen ge ben, wenn sie merkte, daß der Fürst bei nahe mit dem Lesen zu Ende wäre.
Ich wurde gerufen; und der Fürst war
so
eben
bei dem letzten Briefe,
als ich
„Wo sind die Taufzeugutsse,
hereintrat.
von denen hier die Rede ist?” Hier.
(Ich
aufmerksam
gab sie ihm.)
durch;
dann
Er las sie
legte er sie zu
den Briefen.
„Frau von Paradisi,” hob
er nun an;
„ich kann nicht sagen, daß
ich von Ihnen betrogen bin.
Nein, Sie
haben den Mann nicht wiedergesehen, so lange Sie mit mir in Verbindung gewesen
sind.
Doch
diese Verbindung
selbst —
sehe ich nun — war Ihrem guten, schö-
302
nen Herzen nur ein Spiel, woran mein Herz keinen Theil hatte. Sie haben mich nie geliebt." Ich schlug dieAugen nieder. — Wenn eü auch Minuten gab, Baron, worin ich den Mann liebte —: der Fürst hatte immer nur meine Bewunderung. Jetzt konnte ich ihm das nicht sagen, und schwieg daher. „Nie geliebt!" wiederholte er heftiger. „Nie geliebt, sage ich!" (Ich mußte schwelgen.) „Alles," fuhr er fort, „ge hört dem glücklichen Menschen, alles: Ihr Herz, Ihr Andenken, Ihre Sehnsucht, Ihre Wünsche, Ihre Tochter. Elne Lehre haben Sie mir übrigens gegeben, Mada me, für dle ich Ihnen dankbar seyn muß: daß ein Fürst nie einen Freund, nie elne Geliebte finden kann; daß er sich mit Schmeichelei und der verächtlichen Wollust begnügen lassen muß. — Ich bitte Sie um Antwort, Madame." Sie haben dle geheime Geschichte mei nes Herzens gelesen. Jetzt sind Sie mein
3o3
—
—
Richter, gnädigster Herr; ich schweige voll Ehrfurcht.
.-Und noch immer glaube ich, ein all
zu
parteiischer
Richter.
O,
Paradisi!
Sie haben mich nur glücklich gemacht, um mich ihren Verlust
zu lassen!
desto tiefer empfinden
Aber — dieser Mann ist ja,
Ihren Briefen zu Folge, verheirathet." —
Dictorie ist todt.
Nun ist er wieder,
was er war: mein Gatte.
„Gatte denn! Garte! — Ihre Briefe haben mich gerührt, liebe Paradifi; wahr haftig, gerührt.
O, ich könnte Ihnen alles
verzeihen, unter Einer Bedingung." Roll ist mein Gatte, gnädigster Herr.
Ich bin mir ein Glück ohne Unruhe, dem
Manne, der mich liebte, eine Belohnung, und meiner Tochter ihren Vater schuldig. Verzechen Sie mir ohne Bedingung, gnä
digster Herr.
„Nun, so sey es! — Wir scheiden als Freunde,
Madame.
O,
warum
währte
diese schöne Täuschung nicht bis zu meinem
Grabe!"
(Er betrachtete mich wieder mit
finstern Blicken.)
„Diese Briefe sind an
den Baron Nordstein geschrieben. Sie re den darin von einem Plane, den er hat. Was für ein Plan ist das?" Der schönste, den ein Mensch entwer fen und haben kann: der, Zhr Volk zu beglücken, und den Nahmen des edelsten Fürsten durch die größten Wohlthaten in die Herzen seiner Unterthanen zu zeichnen. „ Wann erhielt der Baron Ihre Briefe?" Schon vor fünf Tagen. „Er wußte schon, daß Valeria nicht meine Tochter ist?" Erst aus diesen Briefen hat er eß er fahren. Er glaubte, sie wäre die Tochter eines größeren, erhabneren Mannes. „O Frau von Paradisi, ich könnte alles verzeihen, alles, und Allen, wenn Sie wollten." Roll, gnädigster Herr, ist mein Gatte! „Nun denn! ich kenne Zhren Kopf, Madame. Aber — (er betrachtete mich mit immer finsterern Blicken) — Sie müs sen nicht wegreisen, ohne ein Andenken
3o5 von mir, beinahe das einzige, das Sie je von mir erhielten." Ihre Gnade hat mich sehr reich ge macht, gnädigster Herr; nur allzu reich! „Meine Liebe war reicher, viel rei cher!" — Er zog ein Etui hervor. „Das war für meine Tochter bestimmt, Madame. Jetzt sey es Ihnen ein Andenken an meine Freundschaft, die Ihnen folgen wird, wo hin Sie auch gehen. Nein, ich kann mich nicht an den Gedanken gewöhnen, von Ihnen verlassen zu werden. — Sie bleiben doch wenigstens fur’ö erste noch, bis zue Derheirathung mei... Ihrer Tochter?" Ich hange von dem Willen meines Gat ten ab. „Nun denn, so leben Sie wohl." Er verbeugte sich, und verließ mich. Der edle, großmüthige Mann! Das Etui ist sehr kostbar, sehr präch tig. Ich habe es sogleich taxiren lassen, und den Betrag der Taxe an die Armen geschickt. Das Etui selbst will ich aufheben, als ein Andenken an einen wahrhaft edlen Lafont. Emma. JL 20
Zo6
—
Mann: einen Mann, den ich aufrichtig ehrte und liebte. Ich setzte mich sogleich nieder, Ihnen zu schreiben, damit Sie überdenken kön nen, was Sie dem Fürsten antworten wol len. Leben Sie wohl.
307
Es blitzt, und trifft. Staum hatte der Davon den Brief der Frau von Paradisi gelesen, so brachte ein fürst«
licher Läufer ein Billet.
Er erbrach es,
und las:
„Herr Baron, Sie wußten schon seit einigen Tagen, daß Baleria nicht meine Toch
ter ist; und noch gestern gaben Sie mir
die Versicherung, sie sey es.
Ihre Absicht
will ich nicht tadeln; aber wer ist gern ein Stein in einem Schachbrete, wäre es auch
die Königin unter den Steinen, und spielte
Philidor selbst das Spiel!" „Ich danke Ihnen für die vielen Dienste, die Sie mir und meinem Lande geleistet haben, und mochte Sie gern dafür beloh
nen, könnte auch sogar wünschen, daß Sie
in meinen Geheimen Rath eintraten.
Doch
ich weiß, daß auch Sie nicht der Mann dazu sind, sich zu einem Stein im Spiele gebrauchen zu lassen.
Und — das frage
ich Sie noch einmal — wer mag das gern!"
3o8
„Ich habe Ihnen nichts zu verzeihen; denn ich bin zu spät gewahr geworden, daß Sie nie an meinem Herzen Theil nahmen. Es thut mir weh, daß ich so von der letz ten meiner menschlichen Hoffnungen scheiden muß; Indeß da ich muß, so bin ich Ihr wohlaffektionirter Georg, Fürst von ***." Der Baron legte das Billet ruhig auf den Tisch, und sagte zu dem fürstlichen Läufer: es bedarf keiner Antwort. „Was Ist, lieber Oheim?" fragte Alex ander. Dom Hofe verwiesen: die hunderttausendmal aufgeführte Scene. Du trägst dei nen Freund nach Rom; vor Rom stößest du an einen Stein, und die ganze Reise ist vergessen. „Don dem Fürsten verwiesen?" Bon dem Fürsten! — weil er das Zep ter selbst führen will, mit einem Arme, der nur an Spiel gewöhnt ist. Laß das! Mein Plan ist zertrümmert. — Zertrümmert! wiederholte er heftiger. Die Prophetin hatte Recht; die Gewitterwolken, die sie mir an-
—
309 —
kündigte, sind herauf gezogen. Doch, ich verzeihe ihr. Das Leben soll aus seyn. Nun wohl denn! so sey es aus! — Alexander, fuhr er, nach einem langen tiefsinnigen Stillschweigen, fort: auch du hattest Recht. Komm, mein Sohn! wir wollen in Glarus leben, vor einem Wasserfall, in tiefer Einsamkeit. Za, du hattest Recht! Wir wollen jedes Mal vier und zwanzig Stunden leben, und dann wieder auf^s neue anfangen; wir wollen so amsig an unserm kleinen Glücke bauen, als rührte sich, außerhalb der Gränze von unserm Thale, kein Leben mehr. Wie Fastnachts gecken wollen wir unsere Kappen tragen, und uns einbilden, wir waren die Perso nen selbst, mit deren Kleidern wir ver mummt seyn werden. Es ist schrecklich, aus dem Spiele wieder ein Spiel zu ma chen ! Wir wollen in Ernst fortspielen, und glauben, es sey so. Die Frau von Paradisi hat ihren Mann wiedergefunden, Va leria ihren Vater. Wir ziehen in die Schweiz, wie die Nachtigall in den Früh-
3io
— fing,
—
um da zu singen,
um Nest und
Grab zu bauen. „Valeria ihren Vater?"
fragte Ale-
xander erstaunt, und eilte sogleich zu Da-
lerien. Sie empfing
ihn an der Thür,
und
zog ihn mit großer Heftigkeit in das Zim --Hier ist er!"
mer ihrer Mutter.
sagte
sie freudig; -»hier ist mein Alexander! Und dies, Alexander, ist mein Vater!" O, mein Sohn! sagte die Mutter. 2slfe
meine Wünsche sind jetzt erfüllt. das
Ich habe
ganze Glück meiner Jugend wieder.
Dies ist mein Mann, Valeriens Vater. —
Alexander lag an Roll's Brust, der seine Kinder segnete.
„Aber Sie versprechen mir, Alexander,
was mir Valeria schon zugesagt hat: daß Sie uns jedes Jahr auf vier Wochen in
unserm glücklichen Thale besuchen wollen. O Himmel! daß ein Glück doch immer die
Quelle eines neuen Kummers seyn muß!" Alexander sagte, vor Freude bestürzt: alle Ihre
Wünsche
theuerste Mutter.
sind
erfüllt,
meine
Ich und Valeria, wir
—
3ii
—
gehen mit Ihnen nach der Schweiz.
Mein
Oheim ist vom Hofe verwiesen. Er hat mir so eben angekündigt, daß er künftig in Glarus leben will. „O Himmel! ist das möglich? Valeria, das wäre möglich? Und Ihr Oheim will
uns begleiten? Nun, so will.ich noch ein mal seine Prophetin seyn.
ihm, wird.
Ich verspreche
daß unser Thal sein Herz heilen Dort soll er das Glück finden, wel
ches er hier erst erbauen wollte: ein durch Mäßigkeit und reine Sitten glückliches Volk,
dessen
Glück auf einem festeren Grunde
ruhet, als auf welchem er es hier gründen konnte, auf der Tugend, und die Tugend wieder auf der Freiheit. O, ist es mög
lich! Wollte das gütige Schicksal jeden mei ner Wünsche erfüllen! — Alle fühlten sich unaussprechlich glücklich.
„Und Emma?" sagte Valeria. — Die finstern Träume sind beim Erwachen ver schwunden.
Auch die wird zu uns kom
men, und unser friedliches Thal mit uns
theilen.
Dann hebe die Liebe unsre Her-
II2
gen so lange, bis sie im Grabe still ste hen!" —
Aber den Baron hatte der Blitz getrof fen.
Es war freilich sein bestimmter Ent
schluß, sich mit der ganzen Festigkeit seines
Wesens von dem Fürsten zu trennen., wie ihm das seine Ehre und sein Stolz gebo
ten; aber — sein Daseyn lag in der Aus führung seines Planes.
Dieser war jetzt
zertrümmert, und mit ihm verschwand al les Glück, dessen
war.
er noch fähig gewesen
Seines Neffen Braut war nun ein
Mädchen,
auf dessen Geburt
sogar eine
gewisse Schande haftete und für das man
cher ehrliche Bürger seinen Sohn zu gut gehalten hatte.
Das alles fiel auf einmal schwer auf sein Herz; doch er warf, wie er dessen ge
wohnt war,
dem
Schicksale mit kaltem
Trotz die Brust entgegen.
Er lächelte, wenn
er an seines Neffen Verbindung mit Va lerien dachte. gültig, jetzt,
was
Zetzt war ihm alles gleich da er alles verloren hatte,
ihm das Leben noch wünschenöwerth
machte.
Nur der Nahme: Emma! tönte,
3i 3
wie ein Wehgeschrei, vom Himmel herab in seine erstarrte Seele, und brachte sie wieder in Bewegung. Er allein von Allen konnte einen Zweifel darüber haben, ob Emma auch glücklich wäre; und er hatte ihn. Nur Er allein wußte, wie Emma zu ihrem Opfer beredet, verleitet worden war, und zitterte jeht vor dem Fußtritte jedes Menschen, der durch sein Vorzimmer ging. Er hatte ein Paar Herzen aus einander gerissen, die glücklich zu werden bestimmt waren, und zwar um eines Planes willen, den er jeht zertrümmert sah. „O," sagte er; „Schicksal! bist du nun versöhnt?" Nein! rief gerade eine Stimme im Vorzimmer. Der sonst so feste Mann zit terte vor diesem zufällig gesprochenen Nein, und noch mehr vor der Zukunft. Der Blih hatte ihn getroffen. Versöhnt war das Schicksal nicht mit dem Manne, der sich unterstand, das Schicksal selbst seyn zu wollen.
-
3i4
-
Der Hochzeittag. Der Hochzeittag war festgesetzt.
Weis-
dornö Briefe enthielten nichts als die fro hesten Hoffnungen und Freude; der Baron allein stand finster unter allen den Glück lichen da. Der schöne Tag, welcher vier Herzen,
Valeriens und Alexanders, Emma's und Weisdorns, beglücken sollte, kam naher.
Auch die Frau von Paradisi wollte sich an diesem Tage mit ihrem Geliebten durch die
kirchliche Ceremonie vereinigen lassen.
Sie
hatte ein kleines Fest veranstaltet, und meh rere Hofleute dazu eingeladen, welche aber Zhr, so wie
die Ehre sämmtlich ablehnten.
des Barons Haus war verlassen, als Hof
und Stadt erfuhren, daß sie in Ungnade gefallen waren. Bernhardine lächelte dar über; der Baron ertrug es schwerer.
Drei Tage vor der Hochzeit bekam Alex ander einen Brief mit einer Estafette.
Er
wurde bleich, als er ihn las, schrie furcht
bar auf, und befahl, daß man augenblick lich Postpferde bestellen sollte.
3i5 Sein Oheim stürzte, todtenbleich, wie
er selbst, zu ihm in das Zimmer, und sagte mit bebender Stimme: „Alexander,
ich muß
in diesem Augenblick verreisen.
Schiebe deine Hochzeit noch einige Tage auf!
Zch bin so eilig. Gott im Himmel!
Lebe wohl, Alexander." Alexander hatte ihn vor Angst kaum bemerkt und gehört, wenigstens nichts von
dem, was er sagte, verstanden.
Sein Be
dienter packte schnell; doch ehe er noch fer tig war, rollte schon des Oheime Wagen durch den Thorweg. Alexander schrieb in der ängstlichsten Verwirrung einige Worte
an Valerien.
„Ich
muß
diesen Augen
blick fort, meine Geliebte. Mir bleibt nur noch so viel Zeit übrig, daß ich dir Lebe
wohl sagen kann.
Ein unglücklicher Vor
fall drangt mich.
Lebe wohl, meine Ge
liebte! nur auf einige Tage!"
Er siegelte.
„Dies zu der Frau von Paradisi!
Laßt
Zohann den Weg nach Wiesen retten, und
allenthalben Postpferde bestellen!
Geld! er nimmt Courierpferde."
Hier ist
3t6 Johann bestellt auf dem Wege nach **g Posipferde für den Herrn Baron, „Nun, so muß ein andrer reiten, so
schnell er nur kann. len
auf
jeder
Die Postpferde sol
Station
angcschirrt
reit stehen, wenn ich ankomme.
be
Sech»
Pferde!" — Der Reitknecht ritt mit verhängtem Zü gel voraus. Alexander warf sich nach einer Viertelstunde in den Wagen, und selbst im schärfsten Trab gingen ihm die Pferde noch immer zu langsam.
Das Billet wurde Valerien gebracht.
Was ist denn? fragte ihre Mutter den Überbringer. — Gnädige Frau, es kam ein Brief mit einer Stafette.
Da rief
der junge Herr Baron nach Pferden; und kaum verging eine halbe Stunde, so war
er schon auf dem Wege nach Wiesen. (Va
leria erblaßte bei diesem Nahmen.) „Ist der Herr Baron
fragte die Mutter.
zu Hause?"
„Ich will ihn spre
chen."
Auch
schnell.
der ist verreis'/,
und eben so
3*7 „Auch nach Wiesen?"
Nein, nach **g.
Es muß etwa» sehr
Wichtiges seyn; ich habe die Herren nie In solcher Eil gesehen. —
Alexander las im Wagen den Brief,
den Weisdorn mit einer Estafette an ihn geschickt hatte, noch einmal mit halb erlosche
nen Augen. „Fassen Sie Sich, mein theuerster Freund! Ich habe Ihnen ein Unglück an« zukündigen.
Meine Hand zittert, und mein
Herz noch stärker."
„ Emma ist schnell krank geworden, und so krank, daß — o, der Himmel verhüte, daß meine Befürchtung nicht wahr wird!
Ich Unglücklicher!" „Mein theurer Baron, Ihre Ahndun
gen sind eingetroffen.
Emma machte au»
ihrem Herzen ein zu kostbares Opfer, um das Glück ihres Freundes fest zu stellen:"
„Meine Thränen verlöschen die Buch
staben, die ich schreibe." „Je näher der Tag kam, an welchem ich glücklich werden sollte, desto freundli
cher wurde das theure Mädchen.
Ich be»
—
30}
—
merkte mit einem geheimen Grauen, daß blässer wurde, als gewöhnlich, und
sie
sagte es Ludwigen. Der behauptete aber, sie wäre glücklich, und stritt mit mir über ihre Blässe, die er nicht sehen wollte."
„In
einer vertraulichen Stunde ent
deckt er ihr, was ich verschwiegen hatte: daß an eben dem Tage, an welchem sie die Meinige würde, Valeria Ihnen ihre Hand geben sollte. Sie will bei dieser Nachricht lächeln, fängt aber an zu zit tern, bewegt die Arme heftig, und reißt
mit einer gewaltigen Heftigkeit das Tuch von ihrer Brust, als müßte sie sich Luft verschaffen.
Dann stößt sie einen lauten
Schrei aus, und stürzt, hinten über, zu
Doden." „Ich kam fünf Minuten nachher, und fand sie auf dem Bette.
Sie reichte mir
mit einer Art von Heftigkeit die Hand, und lächelte. Aber ihre Brust voll reiner
Unschuld schlug heftig.
Sie sagte etwas,
das ich kaum verstehen konnte: eine Bitte, daß ich ihren Zufall verschweigen möchte."
„Wir liessen einen
Arzt
holen,
der
319 die Krankheit für eine Erschöpfung aller ihrer Kräfte erklärte."
„Er
blieb die Nacht bei der theuren
Kranken, und diesen Morgen sagte er offen: sie wäre in Gefahr. Wenn wir
sie nicht zu beruhigen wüßten, so könnte er nicht für ihr Leben stehen.
Da nannte ich
der theuern Emma Ihren Nahmen. Sie sah mich lächelnd an, und legte die Hand
auf ihr Herz."
„Nicht wahr? fragte sie; ich sterbe?
Dann
hob
sie
beide Arme
mit einiger
Heftigkeit auf, und sagte, so laut sie nur konnte: ich war treu bis zum Tode!" „Das erschütterte uns Alle. Ich eilte
in das Nebenzimmer, und schreibe Zhnen. Eine Estaffette wird Zhnen diesen Brief bringen. Der Himmel gebe, daß Sie zu Hause sind! Aber, wo Sie auch seyn mör gen — die Estaffette hat Befehl, Zhnen zu folgen."
„Gott segne Sie, und uns Alle! Zch schreibe in einer fürchterlichen Angst."
320
Alexander las dkesen Brief noch mehr als Einmal, und rief wenigstens jede Bier
stunde aus dem Wagen: „um Gottes wil
len, so eilt doch!"
Auf jeder Station fand
er die Pferde bereit; doch selbst das Aus-
und Anspannen wahrte ihm schon zu lange. Endlich war er in Wiesen, bei dem Ein
gänge des Dorfes. Er stieg aus dem Wagen, und ging leise in das Wohnhaus, wo er nun erst einen Andern zu sprechen wünschte.
So eben kam die Predigerwitwe mit blei chem Gesichte die Treppe herunter.
„Was
macht Emma?" fragte er sie zitternd. Sind Sie etwa der junge Herr Baron von Nordstein? —
„Ja.
Um Gottes willen! was macht
sie?" Der Herr Prediger Weiödorn hat ihr gesagt, daß Sie kommen würden. Seyn
Sie so gütig, noch ein wenig zu warten.
Wir müssen, glaube ich, die liebe Kranke erst vorbereiten. —
Alexander stand zitternd in einem Vor
zimmer.
Weiödorn kam zu ihm, und um
armte ihn schweigend. „Was
ß2I
--Was macht sie?" Mich
sie
dünkt,
befindet
sich
etwas
besser, Herr Baron, obgleich der Arzt das
nicht sagt.
Sie verlangt nach Ihnen.
Alexander
ging
zu
ihr hinein.
lag bleich auf einem Bette,
Sie
streckte ihm
freundlich die Hand entgegen,
und sagte
lächelnd: --mein Bruder Alexander!
Mir
ist nicht wohl; aber die Liebe meiner Freunde
will durchaus Gefahr sehen, wo sie vielleicht nicht einmal ist.
Man hat auch dich er
schreckt, wie ich merke."
Alexander setzte sich zu ihr,
und ver
barg den tödtlichen Schmerz in seiner Brust. Er hielt ihre Hand in der seinigen, und
drückte sie von Zeit zu Zeit an seine Lip pen oder an sein Herz.
Sie
wurde
immer
freundlicher,
ihre Augen fingen an zu strahlen. du,"
sagte
sie,
--daß
mir
und
--Siehst
recht wohl
wird?" — Alle waren außer sich vor Freude;
nur der Arzt blieb so besorgt, wie er es vomAnfänge an gewesen war. er nur: wir werden ja sehen! Vtvonf. C'iinn, H.
2l
Doch sagte
322
Alexander fragte sie von Zeit fju Zeit, wie sie sich befände. „O, recht wohl! gewiß, recht wohl!"
Weisdorn schaffte nach und nach alle
Andren aus dem Zimmer, und dann ging er selbst hinaus, um die Kranke mit Alexandern allein zu lassen, und an der Thüre Wache zu würden.
halten,
daß sie
nicht gestört
Nun beugte sich Alexander auf Emma herab, und küßte zum ersten Male wieder ihre schönen, obschon jetzt bleichen, Lippen. »Siehst du, wie glücklich ich bin, Alexander?" sagte sie, mit der holdseligen Freundlichkeit eines Engels.
du
Und von jetzt an, meine Emma, wirst immer so glücklich seyn; denn, bei
dem Heil deines Lebens! ich verlasse dich nicht wieder. (Sie lächelte.) Nie verlasse
ich dich wieder!
wiederholte er noch ein
mal. — O, meine Emma! denke, die ganze
Zeit zwischen dem Augenblicke,
da mein
Oheim den Knaben von seiner theuren Ge
spielin trennte,
und dem heutigen Tage,
da ich wieder neben dir sitze, sey ein Traum
323
gewesen!>
Bet
dem
allwissenden Gott!
mir ist sie eben so verschwunden, wir ein
Traum, wie die Stunde eines unruhigen Rausches.
Seite
Nun
bin
meiner Emma,
an der
wieder
ich
mein
und
ganzes
Meine Liebe ist
Herz gehöre dir allein.
in ihrer vollen Kraft wieder erwacht.
Du
bist mein, keines Andern! — Emma,
laß
mich zu dir mit dem alten herzlichen Ver
trauen
reden.
könnte
mich
wahrend
der
Glaub
mir,
fragen:
wo
ganzen
Zeit?
Emma,
ich
ich
denn
welch
einen
war
seltsamen Traum habe ich geträumt?
Es
kam mir ja so vor, als wäre ich von Emma getrennt, Mädchen,
als
gehörte
ich einem anderen
und sie einem anderen Manne.
Wie ging das zu? wie konnte ein Traum mich so täuschen!
Za, so konnte ich fra
gen, meine Emma.
Schenke mir dein altes
Vertrauen wieder! Emma, es darf nichts Fremdes mehr zwischen unseren Herzen blei ben.
Nicht wahr, du liebst mich noch mit
der alten herzlichen Liebe?
Sie legte die eine Hand über die Au gen, und zögerte mit der Antwort. 2[9
End-
-
324
-
lich sagte sie: „Alexander, ich habe meine
Hand einem andern Manne versprochen."
Das eben ist ja der unruhige Traum,
der uns Beide so lange ängstigte.
Nein,
Emma! wie könntest du einem Andern zu Theil werden, als mir!
Höre mich an,
meine Geliebte! Jetzt
hauchte
sie mit einem Seufzer
den Nahmen Valeria hervor. Valeria?
Die hat ihren wahren Va
ter gefunden, und ihre Mutter geht mit ihr in ihr Vaterland, die Schweiz. Sie laßt dich grüßen, Emma, recht von Her
zen
grüßen.
schon
Wahrscheinlich
ist
sie jetzt
auf dem Wege nach ihrem Vater
lande.
„Alexander!
Valeria
refft von hier
weg, in die Schweiz? O, sag' mir: wa rum denn? Träume ich? oder willst du mich aufs neue täuschen?"
Täuschen? Nein, meine Emma! her habe ich dich und mich getäuscht.
Vor Es
gab einen Augenblick, wo ich träumte, daß ich ohne meine Emma glücklich seyn könnte.
Doch jetzt täusche ich dich nicht, geliebte
Emma.
Alle
Täuschungen haben
aufge
hört; ich fühle jetzt, daß ich dich immer liebte,
und
nie aufgehört habe,
dich zu
lieben. Sieh, Emma! ich lege die Hand auf meine Brust, und schwöre dir, daß ich nun gänzlich dein bin!
„Um Gottes willen! Valeria ... O sage mir alles ausführlich."
Ihre Mutter fand den,lange entbehr ten Gatten wieder, wie ich meine Emma;
und Valeria ihren Vater. Sie sind nun so glücklich! Emma, laß auch mich es seyn! Zn Emma'ö Gesichte glänzte jetzt ein
Strahl der reinsten Freude, und eine sanfte Nöthe färbte die blassen Wangen. ^.Va leria glücklich? O, ist es denn gewiß,
Alexander?" Wie völlig gewiß es ist, das wirst du noch heute sehen; denn noch heute soll un
ser Schicksal auf immer unzertrennlich ver einigt werden.
„Gott! was meinst du damit?" Weisdorn soll noch heute unsre- Hände
—
32b
—
ln einander legen, und meine geliebte Emma wird meine Gattin seyn. „Um G'.ttres willen! Weiodorn ist ja mein Verlobter! Das weißt du nicht, Alexander? ” Dao weiß ich, Emma. ?(6cr der edle Mann tauschte sich eben so, wie wir 2((fe. Jetzt weiß er ja, daß du mich liebst. Sieh, diesen Brief hat er mir geschrieben. Er las ihr die Stelle vor: „Emma machte aus ihrem Herzen ein zu kostbares Opfer, um dao G ück ihres Freundes fest zu stellen." Sieh, meine theure, geliebte Emma, wie dich das Glück freundlich empfängt am Rande des Lebens, das du für mich auf opfern wolltest! steh, wie das Schicksal, die Vorsehung, schon die Liebe bereit halt, die dich froh in den Tempel deiner Freude einführen soll! — Nach der Trauung, sobald du wieder K'afte genug hast, gehen wir uifammen in unser heimisches Thal. Der Wer kehrt dennoch mit seinem Weibe liebend zurück. Dort, meine Emma, wol len wir wieder leben, wie Kinder, an un serm Airare, in unserm Paradiese, an den
-
327
-
Gräbern der Menschen, die und so theuer
waren, und die wir ewig lieben.
O, ver
sage mir deine Hand nicht, theure Emma!
„Gott! das ist wahr? Alexander, das alles ist wahr?
Du willst mich doch nicht
etwa nur beruhigen? alles, wie es ist.!
Nein, sage mir lieber Zch will ja gern ster
ben. ” Zn einer Stunde, Emma, bist du mit
mir getrauet. Emma erblaßte vor freudigem Schrek-
ken, und sagte: „Ach, wenn ich nur nicht sterben muß! Zeht würde ich doch nicht gern sterben." Lächelnd erwiederte Alexander: so krank nicht, meine Emma.
ruhig, nur heiter!
Du bist Sey nur
Und — setzte er fin
ster hinzu — stirbst du: so wird der treue
Ludwig auf deinem und meinem Grabe be
ten; denn ich bin ewig dein! Er rief den alten Ludwig. —
Emma,
sag ihm doch unsere schönen Hoffnungen, unser Glück. Zn einer Stunde bin ich mit
Emma getrauet. Weiodorn hatte dies Gespräch fast Sylbe
—
32Ö
—
für Sylbe gehört, und empfing den Daren
mit nassen Augen.
Ich will Sie bitten,
lieber Weisdorn ... „Ich mußte alles stand offen.
—
Horen;
die
Thür
Haben Sie alles über
legt, Herr Baron ?” Ich will nichts überlegen, wohl aber ein theures Leben retten, auch das mei nige, Valeriens Glück, meines Ohelmö Ruhe.
Dahin, bis nahe an das Grab
dieses theuren Mädchens, bin ich gebracht, weil ich fremden Rathe, Gehör
das
gab,
und
nicht
der Ueber(egung, meinem Herzen,
mir tausendmal sagte:
gute Emma todten! „Haben Sie an
das
du wirst die Fräulein
von
Paradisi gedacht?" Allerdings! Und stände sie hier — sie
würde mir rathen, zu thun, was ich thue.
Nur die Verzweiflung kann diesen Knoten lösen, nur der Tod; oder — meine Liebe und Valeriens Edelmuth. Ich liebe Emma; und riefe eine Stimme vom Himmel her
ab mir zu: du liebst Valerien! — so hielte ich das für eine Lüge. Ich liebe
—
32y
—
Emma, und habe von je her sie allein ge liebt. Nein, ich will, ich darf nichts hö ren.
Aber — dennoch kann sie sterben;
und dann werden Sie sehen, daß ich sie liebte. Ich beschwüre Sie, mein edlere gütiger Freund, unsre Hände in einander zu legen.
„Wenn Emma gerettet werden kann,
so ist dies das einzige Mittel. — Zch bin bereit."
Weisdorn zog so bald als möglich seine Amtskleidung an, und nun ging Alexan der zu Emma, um ihr zu sagen, daß alles
zu der Trauung bereit sey.
„Ach, dein
Oheim!" sagte sie nachdenkend. Mein Oheim? erwiederte er lächelnd.
Meine
daß
geliebte Emma,
ich
schwöre
dir,
er dich mit der größten Freude als
seine Tochter segnen wird. Seine ehrgeitzigen Plane hat der Himmel zerstört. Er
wird sich ruhiger, glücklicher fühlen, wenn du meine Gattin bist.
„Und Valeria?
O, die gute, sanfte
Valeria!"
Alexander nahm seine Brieftasche her-
33o vor, und
suchte
darin
eln
Billet,
das
Baleria ihm damals geschrieben hatte, als
sie entschlossen war, in ein Kloster zu ge
hen.
Er
ließ
Emma
die Stelle
lesen,
worin sie mit unverkennbarer Freude von Emmaus Glück in Alexanders Armen sprach; und nun war diese leicht überwunden. Jetzt trat Weiödorn an ihr Lager, und wünschte ihr mit zärtlichem Vertrauen Glück zu einer Verbindung, die alle seine
Wünsche erfüllte, wenn sie dadurch glück
würde.
lich
„ 0,”
sagte
die
Kranke:
„wie großmüthig sind alle Menschen gegen
mich! alle! und nur ich sott weiter nichts seyn, als die einzige Glückliche. O Weistornl gute Valeria! edler Oheim! ist es denn wahr, daß Zhr es so wollt! ist es
auch kein Traum in meiner Krankheit?" — Alexander küßte ihre Hand mit Zärtlichkelt.
Weisdorn hielt eine kurze Anrede an das Brautpaar, das nun die Ringe wech
selte.
Alexander
gab
seiner Emma
den
Ring, den er von Valeria bekommen hatte. Er bebte, als er diesen Ring vom Finger
331 zog; doch er wollte das große Opfer einer
ungeteilten Treue bringen. Weißdorn legte
die
zitternde Hand
auf Emma'ü Hand,
von der er gehofft hatte, daß sie ein An drer in die (einige legen sollte, und segnete
das Brautpaar ein. Die reine Freude darüber erhöhete Emma'S Herz, und stärkte ihre Gesundheit.
Sie befand sich wirklich etwas besser; der Arzt aber blieb noch immer bei seiner Besorgniß.
Es war jetzt, als ob auf einmal die süßeste Ruhe in Emma'ö Herz gekommen wäre.
Das Glücks
welches
sie fühlte,
war kein irdisches mehr; es war ein über irdisches, welches der,
ihren Körper un
tergrabende, Tod der feineren Seele noch gönnte. Sie wollte sogar aufstehen: so erquickt, so gestärkt, fühlte sie ihre Seele; und sie
wußte nicht zu begreifen, wie ihr Körper so matt seyn konnte. Die Banden, welche die Seele mit dem Körper vereinigten, hatte der Tod größten Theils schon zerris sen.
Ihre Seele war schon frei von der
332 Bürde der Erde und des Lebens; auf Ihre
letzten Stunden sollte sich noch das Ent zücken der Liebe, des Himmels, herab gie ßen.
Sie hielt sich schon für vollkommen
gesund, und lächelte, wenn sie die Unruhe bemerkte, welche ihre Umgebung doch nicht immer gänzlich verbergen konnte.
Ihr Glück verminderte sich nicht, wohl aber sanken nach und nach die Kräfte ih res Körpers
immer mehr.
Alexander den Arzt mit welche Hoffnung er hätte.
„Sie
ist
erschöpft,
Jetzt fragte großem Ernste
Herr Baron,"
-antwortete der Arzt sehr mitleidig.
„Der
Tod tritt der edlen Kranken immer näher,
doch mit sanften, unbemerkten Schritten." Alexander erblaßte; eö goß sich ein Zit tern, wie bei einem Fieberfroste, durch seine
Glieder, und endigte in seinem Herzen,
wo es Niemand bemerkte, als nur Er al lein,
mit unbeschreiblichem, verzehrendem
Leiden. Zst gar keine Hoffnung mehr? fragte er leise. —
tern.
Der Arzt zuckte die Schul
Nun blickte Alexander ihn wie ein
333 Sterbender an, und sagte: schweigen Sie! Und — so wendete er sich zu den Uebrtgen —
wer nicht Stärke genug zu dem Opfer hat, das ihr gebracht werden soll, der entferne
Zch bleibe bei ihr.
sich.
„Und ich!" sagte Ludwig; bin,
Gott Lob!
ein Greis,
„denn ich
und verliere
sie nur auf einige Tage." Du also, guter Ludwig? sagte Alexan
der.
Kannst du
lächeln?
von Hoffnung
reden, wenn du den Dolch, die brennende Flamme, im Herzen fühlst?
„Das kann ich."
So komm! — Beide gingen, freundlich lächelnd, zu der Kranken, die auf ihrem Lager matt ath
mete. Sie sah Alexandern lächeln. „Wenn du nicht lächeltest, mein geliebter Alexan
der, so würde ich glauben, ich wäre ge fährlich krank. zen
fühlte;
Nicht, als ob ich Schmer
nein,
ich' bin
ich selbst weiß nicht, wie.
glücklich,
—
Aber ich fühle
einen so ungewohnten, himmlischen Frie
den , als wäre in meiner Brust kein Leben
mehr, sondern nur Liebe zu dir."
334 Die langsam wiederkehrende Gesundheit, meine theure Emma.
„Giebt denn der Arzt noch Hoffnung?"
Die beste , von der Welt, die einzige, die ich wünsche: daß wir bald mit einan
der recht glücklich seyn werden. „Ich weiß nicht, lieber Alexander, es
ist mir, als sollte ich diese Hoffnung nicht haben; doch dafür habe ich etwas Besse
res: die Gewißheit, daß du mich liebst! — Sollte ich sterben müssen, so wünschte ich wohl, vorher unser Thal noch einmal zu
sehen." Wenn du es wünschest?
den Arzt darum fragen.
—
Wir wollen
Der Arzt
hatte gar nichts dawider, wenn sie sanft, auf Betten liegend, und gut verhüllt, da
hin getragen würde. Man traf sogleich die nöthigen Anstalten;
der Arzt rels'te mit, und Alexander ging
den ganzen Weg neben einer Art von In dischem Palankin her, den er in großer Ge
schwindigkeit hatte verfertigen lassen, und worin Emma nun nach Waldweiler getra
gen wurde.
Es war,
als man daselbst
335 ankam, ein so milder Tag, daß der Arzt der Kranken erlaubte, den Einen Vorhang
an dem Palankin aufzuztehen. Sie sah mit lächelnden Blicken das schöne Thal ih rer Jugend, die Graber ihrer Freunde, ihr kleines Paradies wieder, und zeigte freudig
mit der Hand auf die Schluft, wodurch
die Morgensonne im Mai hervorstrahlte. Sie wurde zu Bett gebracht, und zwar so, daß sie durch das Fenster neben ihr in
das Thal sehen konnte.
Diese schone Aus
sicht schien wohlthätig auf sie zu wirken;
sie wurde immer heiterer.
Das Schicksal zeigt dem Baron das Glück
deö Lebens.
Der Baron wurde, wie wir gehört haben, durch einen Brief zu seiner schnellen Ab reise bewogen.
Als er ihn erbrochen hatte,
erkannte er auf den ersten Blick die Schrift züge seiner Lidi. Er las mit pochendem
Herzen:
,, Endlich,
Nordsteln !
endlich !
335 ankam, ein so milder Tag, daß der Arzt der Kranken erlaubte, den Einen Vorhang
an dem Palankin aufzuztehen. Sie sah mit lächelnden Blicken das schöne Thal ih rer Jugend, die Graber ihrer Freunde, ihr kleines Paradies wieder, und zeigte freudig
mit der Hand auf die Schluft, wodurch
die Morgensonne im Mai hervorstrahlte. Sie wurde zu Bett gebracht, und zwar so, daß sie durch das Fenster neben ihr in
das Thal sehen konnte.
Diese schone Aus
sicht schien wohlthätig auf sie zu wirken;
sie wurde immer heiterer.
Das Schicksal zeigt dem Baron das Glück
deö Lebens.
Der Baron wurde, wie wir gehört haben, durch einen Brief zu seiner schnellen Ab reise bewogen.
Als er ihn erbrochen hatte,
erkannte er auf den ersten Blick die Schrift züge seiner Lidi. Er las mit pochendem
Herzen:
,, Endlich,
Nordsteln !
endlich !
336 Mein Bruder ist todt, und nun sind meu ne Eide gelös't.
Deine treue Lidi tritt
wieder in das frohe Licht des Lebens her vor.
Du bist mir treu gewesen, wie ich
dir. Mein Herz stiegt hoch in dem Ge fühle eines seltenen Glückes. Zch liebe dich noch immer, wie ehemals.
Komm in
die Arme deiner Lidi; dann sollst du alles
erfahren." Der Baron eilte nicht weniger, als fein
Neffe, und er fand Lidi in eben dem Haufe, auf eben dem Gartensaale, worin er mit ihr so glücklich gewesen war. O, welch ein Wiedersehen nach achtzehn Zähren!
Lidi!
sagte der Baron; welche schreckliche Jahre
habe ich verlebt!
Aber — hier nahm er
ihr Billet aus der Tasche — treu warst
du mir, Lidi?
Und doch heißest du jetzt
Lery. „Ich habe nie so geheißen; und von jetzt an führe ich den Nahmen meines Ge
mahles: Nordstein." Deines Gemahls?
Gemahls?
fragte
jetzt ein Frauenzimmer, das bisher mit ei
nem
—
337
nem kalten Gesichte, ohne alle Theilnahme,
da gesessen hatte. „Ja, Auguste, meines Gemahle." —
Die Andre, mit dem kalten Gesichte, setzte sich nun sogleich wieder in ihren Winkel. Lldi
erzählte. ist
Wochenbette
So
wie
sie
aus dem ihr
(so lange laßt man
Ruhe) und den mütterlichen Schmerz über den Tod
ihrer Tochter überwunden
hat,
treten Vater und Bruder in ihr Zimmer. Du glaubst, dein Spiel gewonnen zu ha
ben, sagt der Vater mit der grausamsten
Freude im Gesichte.
Nein, es ist verloren,
und auch der Mann,
den du liebst,
ist
verloren, wenn du nicht in alles willigst,
was wir zu thun entschlossen
sind.
Der
verhaßte Nordstein ist dein Geliebter. — Ltdi
Nicht
leugnet.
lange,
so
tritt ein
Mann in das Zimmer, mit einem Lächeln,
so
boshaft
wie die Hölle,
im
Gesichte.
Gnädige Gräfin, sagt der Mensch,
viel
leicht erinnern Sie Sich meiner noch aus Pyrmont her.
innerte sich
Sie sah ihn an, und er
seiner wirklich.
Larner! ”
V.tfcnt, Cnirrn. H.
0.2
„Herr von
336 Recht! wie sollten Sie mich auch ver
kennen!
und wie der Baron von Nord
stein! Aber Sie wissen wohl nicht, meine gnädige Gräfin, daß dieser Baron von
Nordstein mir in Pyrmont Schuld
gab,
ich sey ein falscher Spieler; ... „Gab er Zhnen das Schuld, so spiel
ten Sie auch falsch?' ... daß er mich im Ballsaale vor der
ganzen Brunnengesellschaft mißhandelte; daß er ... (Hier knirschte der Mensch mit den Zähnen.) Zch forderte ihn; er schrieb mir aber — sehen Sie! dies Billet schrieb er
mir. Lidl las es:
„Zch schlage mich nicht
mit einem Betrieger.
Nun wohl!
Nordstein."
fuhr er ruhiger fort; so
schlage ich mich mit ihm.
Ich blieb in
der Nähe von Pyrmont, und verfolgte, in der Kleidung
Schritte.
eines Dauern,
alle
seine
Da wußte ich denn bald, daß
er Sie liebte.
Zch folgte auch Zhnen, und
Sie verloren eines Tages dies Billet an ihn.
(Lidt erblaßte; es war ein Billet an
Nordstein, von ihrer eigenen Hand, und
—
j3y
—
voll der glühendsten Liebe.) bald,
wer Sie waren.
Ich erfuhr
Hinter das In-
cognito des Barons konnte ich nicht so bald
kommen; doch endlich erfuhr ich in Grohn« de auch seinen Nahmen aus seinem eiger Sie werden sich der Was-
nen Munde.
serfahrt auf der Weser noch erinnern. —
Nach einiger Zeit folgte ich ihm hteher. Zch hatte Ihren Herrn Bruder in Paris kennen lernen,
wo er
von dem stolzen
Nordstein eben so gemißhandelt wurde, wie
ich in Pyrmont. — Hier brach der bos hafte Mensch lächelnd ab, und verließ, auf
einen Wink, den er von dem Vater bekam, das Zimmer. Und was sagst du nun, Lidt? fragte der Vater.
Soll dein Bruder dir etwa
noch sagen, daß er Nordstein in den Gar
ten der Tante
hinein schleichen gesehen,
und ihn erkannt hat? Soll er das noch, um dich zum Geständnisse zu bringen?
„Nein, sagte Lidi entschlossen: er ist es.
Nordstetn ist mein Gemahl."
Gemahl? Gemahl? „Wir sind getrauet."
—
34°
—
So? Nun, so höre, meine werthe Frau Tochter! Wenn du nicht in alles willigst, was wir fodern, so bist du in vier Wochen Witwe: das schwöre ich dir bei meiner Ehre! Dieser falsche Spieler ist unser Mann. Nordstein hat ihn nicht aus Pyrmont allein, sondern von allen Spieltischen in Deutsch land vertrieben. Bei dem Hasse, den die ser Lery gegen ihn hat, kostet es nur einen Wink, und du bist Witwe! Daß ich den Wink ungestraft geben kann, weißt du. Es ist dir nicht unbekannt, in welchen Connexionen ich stehe. „Was soll ich thun, ihm das Leben zu retten! Fodern Sie alles, nur das Ein zige nicht, daß ich einen Andern heirathen soll; denn sonst mag er sterben!" Zuerst versprichst du mir, mit dem feierlichsten Eide, daß du ihm nicht ein Wort sagen, schreiben, oder bestellen las sen willst, auf welchem Wege es sey; und eben so wenig der Tante. Lidy hatte dem Baron erst vor wenigen Stunden ein Billet geschrieben, worin sie ihm ihre Treue zusicherte. Das konnte sie
—
34i
—
also dreist versprechen. Sie schwor ihrem Vater feierlich, ganz ruhig zu bleiben. Zweitens, fuhr dieser fort, du stellst dich, als gäbest du eben diesem Spieler, der hier Herr von Lery, aus Savoyen, heißt, deine Hand. Daß man das Mahrchen glauben soll, dafür werde ich sorgen. — Hierein wollte Lidt nicht willigen; doch das fürchterliche Wort --Witwe" schreckte und bestimmte sie. Sie sah schlechterdings kein Mittel, ihren Gemahl Zn warnen, da sie jetzt auf das allergenaueste bewacht tw* de; so mußte sie sich denn auch zu dieser Bedingung verstehen. Drittens. Dann gehst du, unter dem Nahmen Frau von Lery, nach Ungarn zu deiner Tante, und schreibst nicht, lassest deinen Verführer schlechterdings nicht er fahren, wo du dich aufhaltst. Brichst du deinen Eid, so ist er — und sollte ich ihn bis in einen andren Welttheil verfolgen — gewiß verloren!. Sie mußte, um ihren geliebten Nord stein zu retten, alles versprechen, was man verlangte. Die Tante wurde gerufen. Auch
—
3^2
—
diese zitterte; denn in dem fürchterlich grin
senden, tiegerartigen Gesichte des falschen Spielers stand sehr leserlich geschrieben, daß ihm eine Mordthat mehr nichts kostete»
Sie gab, in Gegenwart der Tante, ganz kalt dem Herrn von Lery, doch nur zum
Schein,
ihre Hand;
dann
aber
verhin
derte man es, daß sie nie wieder mit der
Tante allein seyn konnte. Die Verlobungs besuche wurden gemacht; die Trauung aber sollte
auf -einem entlegemm Landgute des
Grafen seyn.
Der Prediger wurde wirk
lich dazu bestellt,
und kam.
Nun sagte
ihm aber der Graf: seine Tochter und der
Herr von Lery waren schon
trauet;
er mochte
heimlich ge
diese Unbesonnenheit,
weil sie unangenehme Gerüchte zur Folge
haben
konnte,
verschweigen.
Für
diese
Gefälligkeit bekäme er dieses Papier (es war eine Banco - Note von beträchtlichem
Werth); aber — man würde sich fürchter lich an ihm rächen, wenn er irgend einem
Menschen entdeckte, daß er diejunge Gräfin nickt getrauet hätte.
Der Prediger, ein
habsüchtiger, und obendrein ein furchtsamer
343 Mann,
6er
den Charakter
des Grafen
schon aus vielen Proben als boshaft und rachsüchtig kannte, versprach, was von
ihm verlangt wurde, und hielt sein Ver sprechen. Lidi mußte,
als angebliche Baronesse
von Lery, förmliche Abschiedsbesuche ma
chen, ging dann aber, anstatt nach Savoyen, in Begleitung ihres Bruders, nach
Ungarn, wo sie äußerst sorgfältig bewacht
wurde, und wo sie keinen Brief, kein Bil let wegschicken durfte, ohne daß man es vorher gelesen hatte; und überdies glaubte sie, den von ihr geschwornen fürchterlichen
Eid halten zu müssen, da sie sonst das Le ben ihres geliebten Nordsteins in Gefahr
brachte. Endlich starb ihr Vater,
und dann,
nicht lange nachher, auch ihr Bruder. Nun verließ sie Ungarn, und ging in ihr Vater land zurück, ohne noch zu wissen, was ihr Schicksal seyn würde.
Ihre Freundin Au-
guste lebte noch; und zu der entschloß sie sich, zu reisen. Mit ängstlich schlagendem
Herzen fragte sie: lebt der Baron Nord-
344 stekn noch? und bekam zu ihrer Freude ein bestimmtes Za zu,- Antwort.
„Ist er verheirathet?" -Sifin! Lidi sank ohnmächtig nieder.
Alle Eide sind gelbs't. Das
erzählte
und Ausrufe
durch Liebkosungen
Lidi,
eines bewundernden Erstau
nens von dem Baron unterbrochen.
du nun mein,
bist
Lidi?
O, so
endlich mein!
ganz mein! „Za,
mein
theurer Nordstetn;
denn
mein Eid ist gelot’L” Zehe stand Auguste auf,
und fragte,
ohne ihre kalte Miene zu verändern:
ist
Lidt'ü Eid nun gelös't, Herr Baron? „ Der Himmel selbst hat ihn durch den
Tod
meine
gelös't.
Lidi;
Doch
du
er band
hättest
ihn,
dich
nie,
sobald
du
wolltest, brechen können."
Nun,
so sind auch
meine Ekbe ge-
344 stekn noch? und bekam zu ihrer Freude ein bestimmtes Za zu,- Antwort.
„Ist er verheirathet?" -Sifin! Lidi sank ohnmächtig nieder.
Alle Eide sind gelbs't. Das
erzählte
und Ausrufe
durch Liebkosungen
Lidi,
eines bewundernden Erstau
nens von dem Baron unterbrochen.
du nun mein,
bist
Lidi?
O, so
endlich mein!
ganz mein! „Za,
mein
theurer Nordstetn;
denn
mein Eid ist gelot’L” Zehe stand Auguste auf,
und fragte,
ohne ihre kalte Miene zu verändern:
ist
Lidt'ü Eid nun gelös't, Herr Baron? „ Der Himmel selbst hat ihn durch den
Tod
meine
gelös't.
Lidi;
Doch
du
er band
hättest
ihn,
dich
nie,
sobald
du
wolltest, brechen können."
Nun,
so sind auch
meine Ekbe ge-
—
—
345
los’s, Lldk. — Mit diesen Worten reichte ihr Auguste die Hand.
Dann sah sie den
Baron mit einem starren Blicke an. —
Sie bekamen vor einiger
Herr Baron,
Zeit einen Brief ohne Unterschrift, der Ih nen den Nahmen Li di
nannte.
Diesen
Brief schrieb ich, um Sie zu warnen. Ich nannte Ihnen darin auch noch sonst Jemand -r- ein Mädchen, das Sie ver folgten.
Ihr Unglück hatte Sie kalt, hart
gemacht. Das sollte das Unglück nie thun, sondern das Her; zum Mitleiden rühren, und zu dem bescheidenen, demüthigen Glau
ben erwecken, daß wir unter der Gewalt
der himmlischen Machte stehen. ten das nicht erkennen,
Sie woll
hatten gern sich
selbst auf den Thron des ewigen Schicksal stellen mögen, und kämpften gegen ihr ei genes Herz.
Ich war durch fürchterliche
Drohungen und Eide gezwungen, zu schwei
gen, wie Ltdi.
Sagen durste ich Ihnen
nichts, wohl aber Sie warnen. — Wo ist das Mädchen jetzt, dessen Nahmen ich
Ihnen in meinem Briefe nannte? Ist Emma glücklich, Herr Baron? Ich hoffe
346 es.
(Der Ton, worin Auguste sprach, er
regte einen stillen Schauder in des Barons
Herzen.) „Sie ist, hoffe Ich,
glücklich.
Seit
einigen Monathen lst sie die Braut eines
sehr edlen Mannes."
Ihres Neffen? „Nein, eines Predigers." Emma hätte, dünkt mich,
glücklicher
werden können, wenn Sie nicht in da«
feine Gewebe einer, so viel ich weiß, rei» nen, edlen Liebe gegriffen hätten. Diese
Emma, Lidi, — diese Emma ...ist deine Tochter! Sie lebt! ich habe ihr das Leben
erhalten. Der Baron erstarrte, und Lidi sank, vor Freude, vor Entzücken, in AugnstenS Arme.
„Wo ist sie?
wo ist sie?
kennst du sie, kennst sie ja!
O meine Tochters
Emma ist ihr Nahme?
Auguste?
O,
Nordstein, du
Wird sie mich lieben?
ist
sie tugendhaft?"
Der Baron legte seine Arme um Lidi, und sein Gesicht auf ihre Schulter, um
die Empfindungen seines Herzen« zu ver-
347
bergen. — 0, gewiß wird sie dich lieben, meine theure Lidt! Sie ist emer solchen Mut ter werth, und Lidi einer solchen Tochter. „OGott! allgütiger Gott! Sagemir, Auguste: wie hast du sie gerettet?” Ich nahm sie gleich nach der Geburt in meine Arme. Dein Bruder sagte mir im Nebenzimmer: für das Kind ist gesorgt, Cousine! Za, antwortete ich; denn ich gebe es nicht aus meinen Händen. Der Mann, der Muth genug hatte, den Va ter des Kindes ermorden zu wollen — würde der das Kind verschonen? Noch einmal: das Kind kommt nicht aus meinen Handen! — Jetzt kam der Vater, und verlangte von mir seine Enkelin. Herr Graf, sagte ich; Sie kennen mich und meine Entschlossenheit! Dieses Kind bleibt in meinen Armen, darauf können Sie Sich verlassen. Und sollte ich mich auch mit dem selben auf die Straße retten und alle Nachbarn zu Hülfe rufen — ich werde es thun, um das Leben des Kindes zu be schützen! — Mein kalter Ernst, und mein ruhiger, fester Ton, machte die beiden Her-
343 Sie schwiegen einige Secum
rtn scheu.
den, und winkten einander mit den Augem Ihnen, Cousine, sagte der Barer endlich,
wollen wir das Kind wohl anvertrauen z
denn Sie werden gewiß dafür zu sorgen wissen,
daß niemand erfahrt,
Mutter ist. schwören,
wer seine
Aber — Sie müssen uns
Ltdi
zu sagen,
ihr Kind
sey
todt, und ihr und allen Menschen zu ver schweigen, daß es noch lebt. — Ich war,
fuhr Auguste fort, wegen des Kindes in der höchsten Angst, und schwor den fürch
terlichsten Eid, daß ich thun wollte, was
Dann fuhr ich mit dem
man verlangte.
Kinde zu meinem Bruder nach Lehndorf,
und
übergab
es
ihm
auf
einige
Zeit;
und glücklicher Weise war gerade eine junge Mutter auf seinem Gute, die das Kind
saugen konnte.
Dir, Lidi, sagte ich, dein
Kind sey todt zur Welt gekommen.
Nach
deiner Abreise verließ ich das Haus deines Vaters, und ging zu meinem Bruder. Dort
erzog ich das liebe Mädchen, meine Emma, mit den Kindern meines Bruders, bis sie
drei Jahre alt war.
Doch — ich trauete
349 deinem Vater und deinem Bruder nicht,
so
lange sie den Aufenthalt des Kindes
wußten.
Ich sann umher, wo ich es uns
Da fiel mir endlich des
{erbringen könnte.
Barons Schwägerin, die Frau von Nord
stein in Waldweiler, die Gegend hin,
ein.
Ich fuhr in
und ließ mich heimlich
von Jemand umher führen, um dort alle
Wege und Stege kennen zu lernen. Jemand
An
aus dem Haufe der Frau von
Nordstein konnte ich nicht kommen; und doch beschloß ich, das Kind auf jeden Fall Ich hatte es bei mir,
ihr zu übergeben.
und saß damit hinter dem Altar eines ver
um es
fallenen Klosters, bringen.
in Schlaf zu
Da sah ich durch
das Gestein
einen schönen Knaben kommen, den Sohn der Frau
von Nordstein.
für eine Geistererfcheinung. ich nützen.
ihm,
Er hielt mich
Das konnte
Ich gab ihm das Kind, sagte
er möchte es seiner Mutter bringen,
und sah ihm nach, brs er ganz nahe an
ihrem Hause war.
Dann ging ich zurück
nach der andern Seite des Gebirges, mein Wagen
in
einem Dorfe hielt.
wo Ich
35o blieb noch einige Tage in der Nähe, er kundigte mich, hörte, die Frau von Nord
stein habe das Kind mit großer Liebe auf-
genommen, und reis'te nun wieder zu mei nem Bruder. — Nun erzählte der Baron seiner Lidi die
Geschichte Emmaus, mit Tonen, die bei nahe um Verzeihung dafür fleheten, daß er so hart gegen sie gewesen war.
Jetzt wurde Lldi'S Wunsch, ihre Toch ter zu sehen,
noch weit lebhafter.
und Auguste
Nordstein
Anstalten zu der Reise,
trafen
Sie,
geschwind
und fuhren den
Weg nach Wiesen.
Die dunkle Wolke hängt donnernd über
des Barons Haupte. Der Weg
nach Wiesen
führte an dem
Gute des Oberkammerherrn vorüber; und man beschloß, den Abend und die Nacht bei
ihm
zu
Unwille
bleiben.
Dieses Mal brach der
des Oberkammerherrn
durch alle
35o blieb noch einige Tage in der Nähe, er kundigte mich, hörte, die Frau von Nord
stein habe das Kind mit großer Liebe auf-
genommen, und reis'te nun wieder zu mei nem Bruder. — Nun erzählte der Baron seiner Lidi die
Geschichte Emmaus, mit Tonen, die bei nahe um Verzeihung dafür fleheten, daß er so hart gegen sie gewesen war.
Jetzt wurde Lldi'S Wunsch, ihre Toch ter zu sehen,
noch weit lebhafter.
und Auguste
Nordstein
Anstalten zu der Reise,
trafen
Sie,
geschwind
und fuhren den
Weg nach Wiesen.
Die dunkle Wolke hängt donnernd über
des Barons Haupte. Der Weg
nach Wiesen
führte an dem
Gute des Oberkammerherrn vorüber; und man beschloß, den Abend und die Nacht bei
ihm
zu
Unwille
bleiben.
Dieses Mal brach der
des Oberkammerherrn
durch alle
35i Schranken der feinen Lebensart.
So geht
es mit deiner Schonung, Bruder! solche erschreckliche Folgen haben deine halben Maßregeln! Schon Macchiavelli sagt, daß nur ganze etwas taugen; und ich — ich
war ja seiner Meinung. Aber du? Jetzt —
sieh! ich habe mein Statszimmer, wegen des ewig bejammernswerthen Unglücks, mit
schwarzem Tuche ausschlagen, und die Ge mählde unserer großen Ahnen verhängen lassen.
Rodogar aus dem elften ...
„Gott! was ist denn?" rief der Baron.
„Was auf
die
ist geschehen?
Du spannst mich
schrecklichste Folter.
Sag doch
heraus, was du hast!" Alexander hat das Mädchen, die Emma,
geheirathet. „Geheirathet? O Gott! ist das wahr?"
—
Der Baron, dieser blinde, vermessene
Mann, fiel auf die Kniee nieder, um dem Himmel zu danken, was er seit langer
Zeit nicht gethan hatte.
„Ist Vas auch
gewiß wahr, Bruder?" fragte er noch dm
mal. Er sank in Lidi'ö Arme. „O, meine Lidi! höre, wie mir Ein Glück des Lebens
352 nach dem andern aufblühet, um die lan gen Jahre des Schmerzes und der Trauer zu vergelten! Erst du; dann meine Toch ter; und nun mein Neffe, der meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt hat. Bruder! diese Emma ist meine Tochter! Hier meine Lidi, eine geborne Gräfin Traube, ist schon seit fast neunzehn Zähren meine Gemahim» O, erzähle mir! erzähle!" Das schwarze Tuch aus dem AudienzSaale! rief der Oberkammerherr den Be, dienten zu. — Gemahlin? Tochter? Ge schwind, Leute! Mitten unter meinen Ahnen muß ich hören, wie das zusammenhängt! „Alexander hat Emma geheirathet? Das ist nicht möglich, Bruder. So erzähle mir doch!" Geheirathet, sag’ ich dir! Er kommt nach Wiesen. Sie ist krank, weil der Tag nahe ist, an welchem sie den Predi ger heirathen soll. Da erwacht die alte Liebe, und der Prediger selbst, Schwarz dorn, oder Weisdorn — ich weiß nicht recht, wie er heißt; es wird mir schwer, solche gemeine Dürgernahmen zu behal ten —
353 ten — nun, der Prediger selbst hat ihn getrauet. Zch habe es aus der sichersten Quelle. „O Gott! ich muß fort, zu ihnen hin! in die Arme meiner Kinder! O, ich Ver messener, was wollte ich! Zch muß auf der Stelle fort. ” Sie sind nicht mehr in Wiesen, son dern in Waldweiler. Dahin hat Alexander seine — Gott sey Dank! hochwohlgeborne und hochfretherrliche — Frau Gemahlin auf eine Orientalisch-prächtige Weise in einem Palankin reisen lassen. Das ge fiel mir, Bruder, so böse ich auch über ihn zu seyn Ursache hatte, ehe ich das Wahre wußte; denn — so zu reisen, ist doch etwas Besonderes. Der Baron ließ sich nicht länger hal ten. Er, Lidi und August sehten sich un verzüglich wieder in den Wagen, und fuhren nach Waldweiler. Bei den unteren Häusern stiegen sie aus, und gingen durch das Thal auf die Wohnung zu. Ludwig kam ihnen an der Hausthür entgegen. Laforit. Emma. H.
2Z
354 Ist cs wahr, Ludwig, daß Alexander Enuna geheirathet hat?"
Za, Herr Baron. „Wo
sie?
sind
Ludwig
—
Mutter, meine Frau!"
freue dich?
Hier steht ihre
Emma ist meine Tochter.
Er wollte ei
lig in das Zimmer. Ludwig trat schweigend vor die Thür,
und legte die flache Hand auf die Brust
Er konnte erst nicht reden;
des Barons.
doch endlich sagte er leise: ich bedaure Sie,
Herr Baron. Gott
Aber
gehadert.
glücklich ! — nes Lippen
—
Sie haben mit
Wir Me sind sehr un
Hier fingen des alten Man gewaltsam an zu beben.
Er
fiel auf die Kniee, und sagte, leise weinend: zu
spat!
Baron,
Sie waren
ein Mensch Herr
und wollten mehr seyn!
tröste Sie nun?
Gott
Emma erlebt diesen Abend
nicht. Da ergriff Entsetzen das Herz des Ba
rons.
Er stand da, wie vom Himmel ver
nichtet, und starrte den alten guten Lud
wig an.
Emma, fuhr dieser leise fort, brachte
355 das Opfer, das Sie von ihr verlangten;
aber es kostet ihr das Leben. — Ich will Sie bei dem jungen Herrn melden.
Aber
— wie ist mir denn? sagten Sie nicht et
was von Ihrer Tochter? Der Baron
worten.
konnte nicht mehr
ant
„Emma ist des Herrn Baron-
Tochter,"
sagte Auguste zitternd;
„und
hier steht ihre Mutter."
Treten Sie so lange hier hinein, sagte Ludwig, und eröffnete ihnen die Thür ei nes andren Zimmers. Nach einer halben Minute trat Alexander bleich, mit der sanften Miene eines
Sein Oheim
geduldig Leidenden, herein.
ging
ihm
zitternd
entgegen.
lehnte sich an seine Brust,
eben so wie die Andern. sich Emma?" sehr ängstlich.
fragte
Alexander hob,
Alexander
und schwieg,
„ Wie befindet
endlich der Oheim,
anstatt zu antworten,
mit einem Blicke zum Himmel, die eine
Hand
sinken.
auf,
und ließ sie langsam wieder
„O," sagte er dann auf einmal:
„ich habe an ihrem Sterbebette schon tau-
356 send Tode gelitten! Warum ..." — Hier sah er seinem Oheim finster an; doch so,
gleich legte er das Gesicht wieder an des
„Es ist ja alles gut! alles!
sen Brust.
Emma, meine Emma! ich habe dir ja ver Manne,
dem
sprochen,
für
uns grub,
machen.
die Gräber
der
nicht Einen Borwurf zu
Oheim!
sie soll in diesen Ar
men, an diesem Herzen, sterben:
sprach ich ihr ja!
das ver-
O, mein Herz! wenn es
nur nicht früher aufhört zu schlagen, als
das ihrige! meine Herz
mein
stark zu machen gegen die Angriffe
des Todes, nicht
O, wer lehrt mich die Kunst,
fliehende Seele aufzuhalten,
daß
Emmaus
Wehgeschrei
es nicht
letzter
zerbricht,
daß
noch
ein
Athem
werden muß über ihren Alex
ander, der sie so treulos verließ, tausend mal verließ!
Tode!
O,
nur nicht vor ihrem
Ich muß ihr ja doch wenigsten
letzt treu seyn!"
Er wollte das Zimmer verlassen; doch
Auguste hielt ihn auf. — „Wer sind Sie?"
fragte Alexander befremdet.
Jetzt besann
rr sich, und sagte zu seinem Oheim: „woher
35? kommen Sie?
Wenn mir recht ist, so ...
Gerechter Gott! wäre es möglich? Emma'ö Vater! sagte mir ja der treue Ludwig."
Auguste erzählte ihm das Nöthigste in wenigen Worten, und setzte hinzu: eö wird der Sterbenden Freude machen, ihre Mutt ter noch kennen zu lernen, und zu erfah
ren , wer ihr Vater ist.
„Nein," sagte Alexander heftig; „nein! An
diesem Herzen
soll sie sterben;
an
keinem andern!" Darf ich die Kranke sehen? fragte Au Mich dünkt, sie muß vorher erfah
guste.
ren, wen sie sehen soll. Auguste Zimmer
ging mit Alexandern in das
der Kranken.
Wahrend
dessen
sagte der Baron in der schrecklichsten Be trübniß: Lldi, meine treue Lidi!
ich habe
nichts weiter für dich, als ein treues Herz
und
tödtlichen Zammer!
Zch
verachtete
das Leben , verachtete den Menschen, ver achtete das Herz, spottete des menschlichen
Schicksals und seiner sanften Täuschungen. Jetzt bin ich dafür bestraft.
Mein Herz
bricht in eben der Stunde, da der. Him-
358 niel mir alles, alles, was meinem Herzen
theuer ist, wieder giebt! —
Er bedeckte
sein Gesicht, und wendete sich ab. Endlich wurden der Vater und die Mut
ter zu ihrer Tochter herein gewinkt.
Emma
saß aufrecht im Bette, und empfing ihre
Eltern mit einem freundlichen Blicke; die Arme zu heben, hatte sie nicht mehr Kräfte
genug.
„Mein Herz," sagte sie schwach
und abgebrochen zu dem Baron, „betrog mich nicht. Ich liebte Sie immer, mein Vater. Und Sie, meine Mutter! wohl mir, daß ich auch Sie noch sehen sollte! Mutter, ein Engel überschüttet mein sinken
des Leben noch mit den größten Freuden der Erde. Der Arzt sagt, ich werde sanft einschlummern. Aber nein! das Entzücken
eines ganzen langen Lebens, das sich bei mir in Eine Stunde zusammendrängt,
wird mein Herz brechen.
Mein geliebtes
Thal, mein Alexander, mein edler Ludwig, und nun noch meine Eltern! und meine Wohlthäterin Auguste, die mein Leben er
hielt, damit ich diese Stunde des Ent zückens noch auf der Erde haben könnte!...
359 Warum
wollte
ich
nun nicht gern und
willig sterben! Kaun ich auf der Erde noch eine Stunde haben, die glücklicher
-O, mein Vater, weinen
wäre, als diese? Sie
(Der stolze, harte Mann
nicht!"
schluchzte laut.)
Alexander legte die Ster
wieder auf ihr Kissen, und
bende sanft
sagte: du mattest dich ab, meine Emma! „O, laß mich doch, Alexander! Wozu habe ich Zithern, als um mein Glück zu
preisen! wozu das Leben, als um dich und
meine Eltern zu lieben!" Am folgenden Morgen fand man Alexandern
in
einer
tiefen Ohnmacht,
und
Emma todt in seinen Armen, an seinem
Herzen.
Auch die Todte hatte im Sterben
ihre Arme fest um ihn geschlungen,
und
es war noch die Miene der reinsten, innig sten Liebe in ihrem Gesichte.
Ludwig riß
ihn aus ihren Armen, brachte ihn wieder in'ö Leben, und forderte, selbst weinend, die
Andern
auf,
daß
sie den tief gebeugten
Alexander trösten sollten.
Alexander hielt die kalte Hand der Todten in der fdntgen, und drückte seinen
3oo Mund stand
auf
ihre
kalten Lippen.
er auf, und sagte: „sie ist todt!
Seht ihr? ganz todt!
mehr,
Endlich
Sie athmet nicht
und ihre Brust ist kalt,
erstarrt,
todt!" Der Oheim ließ sich durch Alexanders anscheinende Ruhe täuschen.
Dieser ging
im Zimmer auf und nieder, und sah die Anwesenden alle, der Reihe nach, schweigend und lächelnd an. Nur zu Ludwig sagte er: „deine Tochter ist todt, alter treuer Freund! Nun, wir werden ja Alle sterben!
Man
muß sanft um die Todte trauern; denn sie
war so sanft!" Auf einmal hob er beide Arme auf, und rief mit den schmerzlichsten Tönen des
Jammers: „nun laß deine Himmel und die Sonne Zusammenstürzen und dieses unselige Grab,
verschlang!
herziger
das, ach!
das edelste Herz
O! ist denn nicht Ein Barm
auf der
Erde,
der mir zürnst:
Mörder!damit ich vor Entsetzen erstarre?"
Sein Oheim wollte ihn fassen; doch Alexander rief: „ Unglücklicher! wer kann meine Verzweiflung
hemmen!
Mörder!
36i Wo sind nun die Künste, mit denen der Zorn des Himmels entwaffnet werden sollte!
nun
der Mensch
Ist
stärker,
als sein
Schicksal?" Der Oheim zitterte, und sank ermattet
in die Arme seiner Lidi, als suchte er Schutz bei ihren thranenvollen Augen.
sagte
Ich bitte Sie, Alexander
Auguste.
,, Bitten?
bitten?
O,
bitte
Zeder
um Athem für diese Brust voll Liebe und
Treue, um Leben für dieses todte Auge! des Himmels
Alle Geschenke
sollten sich
auf dieses Haupt hernieder senken, diesen Leichnam aufs neue mit tausendfachem Le ben
beseelen;
denn
diente, zu leben.
Emma
allein
ver
Wir Andern, die wir
leben und in wahnwitziger Freude jauchzen, wir
sind,
gegen
sie,
schlechte,
treulose
Menschen! — Und da liegt sie nun todt!
und
des Himmels Allmacht thut für sie
kein Wunder! und die Natur erstarrt nicht mit ihrem Herzen, und die Stimmen des
Lebens verstummen nicht mit Emma's rüh render Stimme!
O, mich sollt Ihr nicht
Jb2
bitten! denn alles Andre, warum ihr sonst noch bitten könnt, als um das Leben der
edlen Emma, ist nichtswürdig.
Ware dec
Himmel gerecht — er gösse neues Leben in diese Brust, worin Liebe und Treue, jede
Tugend, alles Schöne und Gute der Erde,
alle Heiligkeit des Himmels wohnten! Und warum kann ich jetzt
dennoch todt!
O,
noch athmen!
warum will ich noch eine
Minute leben! Um mir zu fluchen, daß ich durch meine Untreue das schönste Glück zertrümmerte, welches meinem Leben zuge-
theilt war? Emma, ich suche mir ein Grab, und folge dir!"
Er wollte aus dem Zimmer; doch Lud
wig
faßte feine Hand.
du deiner Emma?
Was
versprachst
Willst du ihr noch ein
mal dein Versprechen nicht halten?
Diese Worte hemmten Alexanders Ver
zweiflung, und milderten seinen Schmerz ein wenig.
„Nun?
meiner Emma?
was versprach ich
Sag es!"
Ruhe versprachst du ihr,
ein sanftes
Andenken an sie, ein stilles Leben an ihrem
Grabe.
—
ijtij
—
Alexander sehte sich ruhig an Emma'» Lager, und faßte ihre Hand.
„Ja, ich
will mein Versprechen halten.
Emma, ich will lächeln, bis mein Herz erstarrt. Lebt wohl, Ihr Alle! Gott segne Euch!"
Liebe um Liebe. Emma wurde, wie sie es gewünscht hatte,
in ihrem Paradiese begraben.
Ludwig lei-
tete, durch sanfte Vorstellungen und Bit
ten, Alexanders Schmerz. Die Worte: „das wünschte Emma!" hatten eine mar gische Gewalt über den. trauernden. Der Baron ging tiefsinnig, und mit
wundem Herzen, im Thale auf und nie der.
Das jammerte den alten Ludwig;
und er sagte zu Alexandern: Emma befahl dir ja, deinen Oheim zu trösten.
Und —
er ist doch ihr Vater! Sogleich ging Alexander, zu. dem Oheim,
und sprach sanft mit ihm.
—
ijtij
—
Alexander sehte sich ruhig an Emma'» Lager, und faßte ihre Hand.
„Ja, ich
will mein Versprechen halten.
Emma, ich will lächeln, bis mein Herz erstarrt. Lebt wohl, Ihr Alle! Gott segne Euch!"
Liebe um Liebe. Emma wurde, wie sie es gewünscht hatte,
in ihrem Paradiese begraben.
Ludwig lei-
tete, durch sanfte Vorstellungen und Bit
ten, Alexanders Schmerz. Die Worte: „das wünschte Emma!" hatten eine mar gische Gewalt über den. trauernden. Der Baron ging tiefsinnig, und mit
wundem Herzen, im Thale auf und nie der.
Das jammerte den alten Ludwig;
und er sagte zu Alexandern: Emma befahl dir ja, deinen Oheim zu trösten.
Und —
er ist doch ihr Vater! Sogleich ging Alexander, zu. dem Oheim,
und sprach sanft mit ihm.
3b4 Sie, die Unschuldige, mußte so un glücklich seyn! sagte Emma'ö Vater. „Unglücklich ist nur, wer lebt!" er wiederte Alexander. „ Sie wurde dem Le ben, dgs heißt, dem Schmerz, entrissen. Ihr Tod ist unsre Strafe, Oheim. Lassen Sie uns den Schmerz, den wir verdien ten, sanft ertragen!" Es gelang Alexandern endlich, Emma's Vater zu trösten. Die Mutter wurde eher wieder ruhig, weit sie ihre Tochter nicht gekannt, und sie nur sterbend eine kurze Zeit gesehen hatte. Der Baron wollte seinen Neffen be reden , mit ihm auf seine Güter zu gehen. Alexander weigerte sich aber sanft, und sagte: „an dem Grabe meiner Emma muß ich bleiben, mein Oheim; ich und Ludwig! immer! so lange ich lebe!" Es war unmöglich, ihn von diesem Vorsatz abzubringem Auguste suchte den treuen Ludwig, dem Alexander in allen Stücken folgte, zu bereden, daß er die sen bewegen möchte, mit seinem Oheim zu reisen. Dar schlug aber Ludwig gerade-
3bj zu ab. Nein, sagte er; das Grab seiner Emma darf Alexander nicht verlassen! Er soll hier bleiben, und hier vor Schmerz und Sehnsucht sterben. Was wäre denn Emma's Liebe, und was die seinlge, wenn er je wieder glücklich werden könnte! Was wäre dann das Leben, gnädiges Fräulein! Ein bloßes Posscnspiel. Dann hätte der Herr Baron von Nordstein ja Recht ge habt! Alexander und Ludwig waren Beide nicht zu bewegen; und jehte nannte Au guste Alexandern den Nahmen: Baleria. Alexander sah sie mit starren Augen an; dann lächelte er schweigend. Sein Oheim und die beiden Frauenzimmer mußten al lein abreisen.
Es verging nach Alexanders Abreise aus der Residenz Ein Tag nach dem andern, ohne daß er etwas von sich hören ließ; und Valeria, so wie ihre Mutter, wurde nun sehr unruhig. Endlich schickte die Frau von Paradisi einen Bekannten nach Wiesen,
Job
—
Er brachte bei
der sich erkundigen sollte.
Nachricht mit,
seiner Rückkehr die
daß
Emma sehr krank wäre, und daß Alexander sich mit ihr hatte trauen lassen.
träumend
sich,
um
Frau
Valeria sah wie
von Paradisi erstaunte. und
schien nicht zu
wissen, wo sie sich befände. Der
Mutter.
dieses
abscheuliche Valeria
Schelten
Mensch!
stimmte
ein.
Sie
sagte
die
nicht mit ließ
in
alle
sich
Umstände noch einmal wiederholen; dann
verhüllte sie das blasse Gesicht in ihr Tuch, und seufzte. Man fürchtet, daß die Kranke in Kur
zem sterben wird,
setzte der Bote hinzu.
Jetzt sprang Baleria auf, und rief: „o,
woge Gott das edelste Opfer nicht unnütz machen!" —
Zhre Mutter wollte sie trö
sten; sie sagte aber: Trostes, liebe Mutter; einmal schon
„Ich bedarf keines
denn ich war ja
entschlossen,
das Opfer
zu
bringen, und ich sehe ja, daß Alexander
jetzt nicht anders konnte."
Nicht anders? Er war dein Verlobter; und nicht anders?
,, Er
-
367
-
„Er verdiente keines Mädchens Hand, wenn er nur eine Minute zweifelhaft seyn konnte, was er thun müßte; er wäre meir
ner Liebe nicht werth gewesen,
wenn ec
nicht meine Einwilligung vorausgesetzt hätte.
Meinen Schmerz wird er betrauern; aber doch brachte er dasselbe Opfer zum zweiten Mal, wenn es nöthig wäre.
Ach, liebe
Mutter! ich habe immer befürchtet,
daß
nur der Tod diesen unnatürlichen Knoten
losen würbe,’* • Wenn aber der Tod ihn zum zweiten
Male lös’te, und freundlicher, Baleria? Baleria erschreck.
--.Ich versiehe Sic
nicht, liebe Mutter; und wenn ich Sie verstände, so müßte ich zittern. Alles ist gelös't;
übrig.
es
bleibt
nichts
mehr
zu
lösen
Ich geh/ mit Ihnen in die Schweiz,
an das Grab Ihrer Victorie, nach Scheu;
nis, zu meiner Großtante.” Meine
verwickelte Geschichte
wurde
doch zweimal gelös't, Valeria. Aber beide Mal freundlich!
—
Was
der Tod gelös't hat, das soll die Hand des
L.nonr. Emma. IT.
2lI
—
3öö
Manschen nicht wkder ergreifen;
Emma's
Grab — das wollen Sie sagen, Mutter — Emma'ö
Grab
steht
ewig zwischen
mir
und Alexander. Stande eü nicht zwischen uns, so würde die Verachtung zwischen mich und ihn treten. — Wir gehen in die Schweiz." —
Der Sßron kam in dle Residenz zu rück. Er stellte der Frau von Paradist seine Gattin vor.
Als sie sich nach Emma
erkundigte, sagte er, vor Schmerz Leirucht verstummend: „sie ist todt! und — sie war meine Tochter!" — Jeht verstummte Valeriens Mutter, weil sie des unglück
lichen Mannes Schmerz mit empfand. Als einige Tage vorüber gegangen wa ren, fragte die Frau von Paradisi nach Alexandern. Mit einem tiefen Seufzer antwortete der Baron: „O, könnte ich ihn
glücklich machen! Valeria ..."
Er brach
ab, und Valeriens Mutter lächelte.
erklärten sich gegen einander, Blicke, dann durch Worte.
Beide
erst durch
Sie hatten
den Plan, ?tler andern durch Valerien wie der mit dem Leben zu versöhnen.
—
—
36g
Die Mutter traf Anstalten zu bet Abr
reise nach der Schwei;.
Sie glaubte, Va
leria sollte sich widersetzen; doch diese träll erte, und schwieg. Und willst du ihm denn nicht wenigstens Lebewohl sagen? fragte die Mutter. „O, um Erlaubniß dazu wollte ich
Sie bitten, liebe Mutter, wenn Sie ei nen Besuch bei ihm schicklich fänden."
Die Mutter lächelte, und reifte schon
am folgenden Tage mit ihrer Tochter nach Waldweilers Alexander saß am Grabe seiner Emma, als aus einmal Valeria Schönheit vor ihm stand.
in jugendlicher Er erschrak hef
tig, weil er ihren Geist zu sehen glaubte. Doch, bald hörte und fühlte er, daß sie lebte. Er stand auf, reichte ihr die Hand, und
sah ihr durch Thränen in die sanft benetz
ten Augen.
-,Zch komme," sagte Valeria freunde
lich-ernst, „dir auf ewig Lebewohl zu sagen, guter Alexander." Ich habe es gewünscht, Valeria, dich
*4a
—
—
noch einmal, c! noch einmal hier, an dern Grabe meiner geliebten Emma, zu sehen! Sterbend bat sie mich, dir einen Kuß von ihr zu bringen. Valeria bot ihm die schönen Lippen dar. „Und laßt sie mir nichts sagen, nicht ein Wort der £febe ? ” Sie laßt dir sagen, Valeria, du möch test vergessen, daß ich jemals Emma ge liebt hatte. Doch das darfst du nicht-ver gessen! Ich sagte ihr auch gleich: bi e Ditte konntest du nicht eiffitfcn. ,, Auch thar Emma sie nicht in Ernst, das glaube mir! O Alexander! du hast mich geliebt, und auch ich liebe dich noch jetzt. Von dir fern, und auf immer ge trennt, werde ich an dich und an dieses Grab denken, und du wirst zuweilen mei nen Nahmen seufzen." O, an dich denke ich täglich, Valeria! Täglich! denn — du weißt ja, du weißt gewiß, was ich dir einst sagen werde, wenn ... wenn das Leben aus diesem Grabe wieder hervorgegangen seyn wird.
371 Valeria reichte ihm die Hand, und Bei
de schworen einander ewige, treue Freund schaft. —
Sie wollten sich trennen, und
konnten nicht.
Endlich, erst nach langem
Zögern, rissen sie die Herzen blutig von einander, und schieden auf ewig.---------
Alexander und einsam.
lebte in seinem Thale still Er hatte den treuen Ludwig
begraben, den der Gram um Emma bald tödtete. Sein Oheim, jetzt ein sanfter, demüchiger, menschlicher Greis, besucht ihn jedes Jahr mit Lidl, und dann sitzen sie Alle
an Emma'ö Grabe,
und
reden
sanft von den dunklen Wegen der Vorse hung, von der Geduld des Menschen, und von der Hoffnung, die ihm stets zur Seite bleibt. Getröstet verläßt dann der Greis
das Thal, worin das Grab seiner Toch ter ist.
Valeria lebt bei ihren Eltern in Dies-
bach,
sanft
trauernd
um
den
verlornen
Freund, und auf eine bessere Stunde hos-
—
a7-
fenb, wo eine mächtigere Hand, als des Daronö, ihr Schicksal in einem schöneren £ebfn bestimmen wird. Nach dem Tode ihrer Eltern, wenn nicht die Traurigkeit den zarten Faden ihres Lebens früher zer reißt, will sie den Schleier tm Kloster Schennis nehmen. O, arme, arme Menschen! die Hoff nung tröste euch Alle!
Ende.
Berlin, 1810. Gedruckt bei Karl Friedrich Amelang.
9?cue Friedrichsüeaße No. 56,