Einführung in die Transzendentalphilosophie [1 ed.] 3534062981, 9783534062980

Die transzendentale Frage nach der Philosophie stellen heißt: Die Philosophie auf diejenige Innenstruktur hin befragen,

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Einführung in die Transzendentalphilosophie [1 ed.]
 3534062981, 9783534062980

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Titelseite
Schmutztitel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Vorgreifende Gesamtüberschau
2. Kurzer geschichtlicher Überblick
a) Historisch-systematische Problemstellung bei Kant
b) Der Kantische Lösungsvorschlag
c) Der Deutsche Idealismus
d) Die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart
3. Philosophie als Zusammenfall von allgemeiner Systemtheorie und Systemkritik
a) Dialektik und Analektik als Vollzugsstruktur von Philosophie
b) Dreifache Begründungsfunktion der Transzendentalphilosophie
c) Grundzüge einer allgemeinen Systemtheorie, in Form von grundlegenden Postulaten
d) Relationalität als Fundamentalstruktur
4. Allgemeine prinzipienlogische Grundlegung
a) Geltung als Urteil und Synthesis
b) Die Sätze der Identität und Bezüglichkeit
5. Die transzendentale Frage nach Einheit schlechthin als letztbegründendem Prinzip
6. Iranszendentale Geltungskonstitution von formaler Logik überhaupt, als vielstufige Systematik
7. Transzendentale Erörterung des Begriffs und des Satzes vom Grund
8. Idealismus und Sein-an-sich-Problematik
a) Bewußtsein als transzendentale Bedingung von Gegenständlichkeit und Geltung
b) Die Problematik eines ‘Seins’ an sich
9. Der transzendentalphilosophische Aspekt der Sprache
10. Das transzendentale Problem in der Ethik
a) Der transzendentale Grund von Freiheit
b) Der transzendentale Grund von Sittlichkeit
c) Sittlichkeit unter ursprünglich inhaltlicher Rücksicht
11. Übergang zu spezielleren Fragestellungen, die Problematik der Erfahrung
a) Allgemeine systematische Vorüberlegungen
b) Die allgemeinste transzendentale Rahmen-Problematik von Erfahrung
c) Der Begriff der Lebenserfahrung: allgemeiner Horizont und Besonderheiten
d) Erfahrung unter ‘praktischer’ Rücksicht, im Horizont konkreter Freiheit
12. Das Ästhetische in transzendentaler Hinsicht
13. Transzendentale Fragen zur Geschichte
a) Vorerwägungen zu materie-orientierter menschlicher Praxis
b) Geschichte und Apriorität
14. Die transzendentale Frage nach der Einheit des Ich
a) Das Ich unter allgemein prinzipientheoretischer Hinsicht
b) Das Ich in sittlich-praktischer Hinsicht
c) Weitere Voraussetzungen eines ‘konkreten’ Ich
d) Das Problem der Interpersonalität
15. Die transzendentale Problematik eines schlechthin transzendenten Absoluten
Kurze, einführende Bibliographie
Verzeichnis der Eigennamen

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HARALD

HOLZ

EINFÜHRUNG

IN DIE

TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE

1973 : WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT

HARALD

HOLZ

EINFÜHRUNG

IN DIE

TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE

DIE PHILOSOPHIE Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Disziplinen

1973 WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT

HARALD

HOLZ

EINFÜHRUNG

IN DIE

TRANSZENDENTALPHILOSOPHIE

1973 WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT DARMSTADT

Bestellnummer:

6298

Schrift: Linotype Garamond, 9/11

©

1973 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Satz: L. C. Wittich, Darmstadt

Druck und Einband:

Wissenschaftlihe Budhgesellschaft, Darmstadt Printed in Germany

ISBN 3-534-06298-1

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

VII

.

. Vorgreifende Gesamtüberschau

. Kurzer geschichtlicher Überblick. . a) Historisch-systematische Problemstellung bei Kant b) Der Kantische Lösungsvorschlag c) Der Deutsche Idealismus

.

en

d) Die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart

.

.

. Philosophie als Zusammenfall von allgemeiner Systemtheorie und Systemkritik. a) Dialektik und Analektik als Vollzugsstruktur von Philosophie . b) Dreifache Begründungsfunktion der Transzendentalphilosophie . ND c) Grundzüge einer allgemeinen Systemtheorie, ;in Form von grundlegenden Postulaten d) Relationalität als Fundamentalstruktur . Allgemeine prinzipienlogische Grundlegung a) Geltung als Urteil und Synthesis . b) Die Sätze der Identität und Bezüglichkeit

.

. Die transzendentale Frage nach Einheit schlechthin als letztbegründendem Prinzip

. Iranszendentale Geltungskonstitution überhaupt, als vielstufige Systematik

von

formaler Logik

. Transzendentale Erörterung des Begriffs und des Satzes vom Grund

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20 22

26 29 31 31 34 38

42 47

VI

Inhaltsverzeichnis

. Idealismus und Sein-an-sich-Problematik .

a) Bewußtsein als transzendentale Bedingung von Gegenständlichkeit und Geltung b) Die Problematik eines ‘Seins’ an sich . Der transzendentalphilosophische Aspekt der Sprache

10. Das transzendentale Problem ın der Ethik

. a) Der transzendentale Grund von Freiheit . b) Der transzendentale Grund von Sittlichkeit . c) Sittlichkeit unter ursprünglich inhaltlicher Rücksicht...

11.

Übergang zu spezielleren Fragestellungen, die Problematik

der Erfahrung e. a) Allgemeine systematische Vorüberlegungen . b) Die allgemeinste transzendentale Rahmen-Problematik von Erfahrung à c) Der Begriff der Lebenserfahrung: allgemeiner Horizont und Besonderheiten . d) Erfahrung unter ‘praktischer’ Rücksicht, im Horizont konkreter Freiheit en

51 51 54 58 62 62 65 67

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74 75 78

12. Das Ästhetische ın transzendentaler Hinsicht .

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13. Transzendentale

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14. Die transzendentale Frage nach der Einheit des Ich .

Das Ich unter allgemein prinzipientheoretischer Hinsicht Das Ich ın sıttlich-praktischer Hinsicht . Weitere Voraussetzungen eines ‘konkreten’ Ich . Das Problem der Interpersonalität .

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15. Die transzendentale Problematik eines schlechthin transzendenten Absoluten

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Fragen zur Geschichte a) Vorerwägungen zu materie-orientierter menschlicher Praxis b) Geschichte und Apriorität . a) b) c) d)

Kurze, einführende Bibliographie .

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Verzeichnis der Eigennamen

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VORWORT Innerhalb der Schriftenreihe »Die Philosophie, Einführungen in Gegenstand, Methoden und Ergebnisse ihrer Disziplinen: sind bisher schon eine ganze Reihe von Bándchen erschienen, weitere sind im Erscheinen begriffen oder sind in absehbarer Zeit zu erwarten. Damit also der interessierte Leser nicht an mehreren Stellen auf ungefáhr dasselbe trifft, ist es nützlich, ja sogar notwendig, sich in manchem, was nicht der zen-

tralen Fragestellung der eigenen Thematik entspricht, auf die anderen, ergänzenden Publikationen in dieser Reihe zu beziehen. D. h. weiter, es wird notwendigerweise, obwohl es sich um eine Einführung handelt, doch nicht wenig vorausgesetzt, das an anderer Stelle ausführlicher behandelt worden ist. Dies Vorgehen ist gleichwohl sinnvoll, da eine Einführung in ein so komplexes Gebiet, wie es die Philosophie ist, ja unter mehreren Gesichtspunkten stattfinden kann, die alle in gewisser Hinsicht einander nebengeordnet werden können oder methodisch gleichrangig sind. Erst die Gesamtheit aller wesentlichen Einführungsbände vermag so die sachlich allein zureichende ‘Einführung’ zu ergeben. Nach dieser Sachlage hat sich somit auch der einzelne Einführungsband zu richten; sie ist auf der einen Seite hilfreich, da so ein nicht geringes Maß an Arbeit dem einzelnen Thema abgenommen wird, auf der anderen Seite verbindet sich damit eine gewisse methodische Mißlichkeit, nàmlich immer schon aufgrund von Voraussetzungen zu be-

ginnen, für welche andere die Verantwortung übernommen haben. —

Immerhin, gerade der Charakter einer Einführungsreihe vermag hier trotzdem eine gewisse Lósung zu bieten, da in ihr weniger die je ganz

individuelle philosophische Ausrichtung des einzelnen Verfassers zum Ausdruck kommen wird, sondern eher ein gewisses Übergewicht der sachlichen Probleme in der Darstellung gewährleistet erscheint. Nicht nur also die einander ergänzenden Disziplinen der Philosophie selber,

sondern auch eine gewisse Verschiedenartigkeit der Standpunkte, die aber doch zueinander relativ sind und eine gewisse Einheit im Problembewußtsein haben dürften, — dies ist es, was auch in dieser Einführungs-

reihe schon etwas vom Wesen philosophischer Arbeit, vom Wesen der philosophischen Reflexion selber aufscheinen läßt: die ja stets sowohl

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Vorwort

in einer Vielfalt gleichsam mehr ‘objektiver’ Gegebenheiten als auch mehr subjektiver Faktoren allein ihre Ganzheit hat. — Anders gesagt, ist dies in der Wechselbeziehung zwischen dem als Philosophiegeschichte objektiv gewordenen Reich der Resultate menschlichen philosophischen Bemühens, und dem je aktuellen Einsatz der gleichzeitig Philosophierenden, ihrem schöpferischen Prozeß gelegen. Für eine Einführung in die “Transzendentalphilosophie’ bedeutet dies: Einmal wird man hier nicht erwarten dürfen, was ausdrücklich in

der Einführung in die Philosophie im allgemeinen, in den Einführungen in die Metaphysik, Ethik, Religions-, Geschichts- und Sprachphilosophie schon ım zentralen Fragefeld gestanden und dort abgehandelt wurde. Wenn trotzdem in den folgenden Erörterungen stellenweise dort schon Behandeltes noch einmal aufgenommen wird, so ist dann doch ein ganz verschiedener Gesichtspunkt oder Blickwinkel für die Erörterung maßgebend. — Zum anderen wird man hier nicht in erster Linie Vermittlung von Sachwissen erwarten dürfen; vielmehr, da nach einem alten Wort die Philosophie primär gerade im Philosophieren selbst besteht, und man dies weniger als anderes Wissen im strengen Sinne ‘lernen’ kann,! man vielmehr ım Blick auf exemplarisches Philosophieren, wie es in den sog. klassischen Werken der Philosophiegeschichte Gestalt gewonnen hat, nach- und mitvollziehend zum eigenen Denken gelangen soll, — so wird auch im Rahmen einer Einführung, zumal in die Transzendentalphilosophie, ein gewisses Maß an sog. systematischem Einsatz zusammen mit dem Verf. von seiten des Lesers verlangt werden können.

! Vgl. dazu z. B. I. Kant, Kr. d. rein. Vern. B 865 f. (A 837 f.); Vorl. üb.

philos. Enzykl. (Ak. Ausg., Vorles. I, 1; Berlin 1961) S. 38, und a. a. O. 19.

1. VORGREIFENDE

GESAMTÜBERSCHAU

Transzendentalphilosophie einführend darzustellen, hat seine beson-

deren Schwierigkeiten, denn einerseits gibt sie sich den Anschein, nur neben vielen anderen Disziplinen eine derselben zu sein, so etwa neben der Erkenntnistheorie, der Ethik u. a., oder auch philosophiegeschicht-

lich als eine Strömung oder Richtung neben vielen anderen zu stehen,

so z. B. neben der älteren ‘Metaphysik’, der Phänomenologie, der Existenzphilosophie usw.; andererseits beansprucht sie mit größerer Intensitát, als es vielleicht manche anderen philosophischen Richtungen oder Disziplinen tun, auch heute noch, nach einer mehr als anderthalbhundertjährigen Vergangenheit, ebenso wie am Beginn ihrer Geschichte, den zentralen, grundlegenden Gesichtspunkt von Philosophie überhaupt zu ihrem eigentümlichen Fragegegenstand zu haben. Transzendentalphilosophie erhebt also den Anspruch, ihrem Selbstbegriff gemäß und in seiner Konsequenz Fundamentalphilosophie zu sein; sie hat damit ihrem Anspruch nach das Erbe der alten Metaphysik angetreten. — Sie hat damit natürlich auch die alte, systemtheoretische, Schwierigkeit des Verhältnisses zwischen einer philosophischen 'Kern'-Wissenschaft und dem wohlartikulierten Gesamtgebäude oder Gefüge von Philosophie im Ganzen als eines der ihr eigentümlichen Probleme übernommen. — Diese Problematik, die für die Philosophie ja im Ganzen gilt, gilt für sie nun insbesondere; wie ın einer allgemeinen Einführung, so wird nun auch besonders in einer solchen in die Transzendentalphilosophie dieses Problem, und zwar schon relativ zu Anfang, behandelt werden müssen.

Wenn man einmal in einer Zusammenfassung und vorgriffsweise Philosophie als Wissenschaft zu akzeptieren gewillt ist und dann das sie

von anderen Wissenschaften Unterscheidende in ihrer besonderen Frage-

weise sieht, so läßt sie sich als die Wissenschaft definieren, welche bemüht ist, alles menschliche Fragen in einen letzten und nicht mehr über-

bietbaren oder hintergreifbaren Kontext bzw. Horizont zu stellen; das

kann als ihre Absolutheit bezeichnet werden. Diese besteht des näheren darin, daß einzelne Fragen entweder in einen Kontext eines nicht mehr zu erweiternden Umfangs gestellt werden — so z. B. die Frage nach

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Gesamtüberschau

dem entscheidenden Kennzeichen der Menschenwürde für alle Menschen zu allen Zeiten (auch für die zukünftigen) und an allen Orten in allen kulturellen Verhältnissen — oder aber in einen Kontext eines nicht mehr zu überbietenden ‘Ernstes’, d. h. theoretischer Dringlichkeit oder auch eines praktisch-existenziellen Engagements — so etwa die Frage, ob es von allen raum-zeitlichen oder auch anthropologischen Bedingungen und Umständen unabhängige Wabrbeitskriterien bzw. -konstituentien gibt, und auf der anderen Seite, worin z. B. das Wesen einer absoluten Gerechtigkeit besteht, oder auch, was der Sinn von Mensch, Welt und Geschichte überhaupt sein soll. — Aber nicht nur diese Frage,

sondern auch das Fragen selber, sowie das gesamte wissenschaftliche Instrumentarium zur Gewinnung und Erweiterung all unserer theoretischen und praktischen Kenntnisse wird für die Philosophie zu einem Fragegegenstand, und zu einem keineswegs zweitrangigen oder nebensächlichen. Diejenige Frage, die in diesem Zusammenhang verhältnismäßig am leichtesten zu der spezifischen Form oder Frageweise der Transzendentalphilosophie zu führen vermag, ist die, worin ganz allgemein zwar auch nach dem letzten Grund für etwas gefragt wird, aber dann weiter

dieser

Grund

noch

in

einer,

wie

angedeutet,

besonderen

Weise auf seine Letzt-heit hin thematisiert wird: D. h. die Fragen nach dem ‘Woher’, "Wozu', Warum! usw. werden in den letztdenkbaren absoluten Kontext gestellt. Das aber meint in Hinsicht auf das Ganze von Transzendentalphilosophie dann nicht mehr eine Ausweitung des Fragens in der Richtung auf einen, gegenstándlich betrachtet, größeren Fragebereich oder -umfang, auch nicht in der Richtung auf ein intensiveres Engagement hinsichtlich des subjektiven Status, der Befindlichkeit des Fragenden; vielmehr liegt die Erweiterung des Fragens auf besagten Kontext darin, die Dimension des Grund-Seins von’ oder ‘Grund-Seins für’ selbst ‘absolut’ zu fassen: Das besagt dann, daß nicht nur alle tatsächlichen Begründungszusammenhänge, und zwar als solche, in ihrem faktischen Bestand, fragend thematisiert werden — seien diese Zusammenhänge dann auch des

weiteren unter sich äußerst vielfältig differenziert —, sondern es besagt, daß diese faktischen Begründungszusammenhänge selber

gerade als Resultate eines vorgángigen Begründungsganges bzw. eines Gründens ins Auge gefaßt werden. M.a. W. sie werden unter der Rücksicht, daß sie einmal als zu begründende oder begründbare möglich gewesen sind, zum Gegenstand des Fragens, oder noch anders:

Gesamtüberschau

3

sie werden unter der Rücksicht der Gründe und Bedingungen ihrer

Möglichkeit Frageobjekt.? Damit ist freilich noch ein weiterer Gesichtspunkt notwendig verbunden, ohne den das soeben Dargelegte unvollständig oder sogar mißverständlich würde. Denn die Gründe und Bedingungen der Möglichkeit von bzw. für Etwas im Kontext eines ‘letzthin’ oder absolut “eingestellten’ Fragens würden verfehlt, wenn diese Betrachtungsweise doch wieder in ihrer systematischen Anwendung, d. h. in ihrer operativen

Effizienz, zu einem Moment des rein faktisch gedachten Begründungs-

zusammenhanges reduziert würden. Dann wären damit lediglich äußere Bedingungen, Gelegenheiten und Umstände gemeint, wie z. B. die Bedingung der Möglichkeit, sich den Magen zu verderben, darin besteht, daß es tatsächlich in Geschäften oder Haushalten verdorbene Lebens-

mittel gibt. — Hier aber sind die Gründe und Bedingungen der Mög-

lichkeit von oder für Etwas gemeint, die in das Wesen der betreffenden Sache, des betreffenden Etwas selbst eingehen. Dies ‘Eingehen’ aber stellt wiederum selber den gesamten Begründungs- oder Gründens-Vorgang dar. Unter dieser Rücksicht tritt dann zur Frage nach Gründen der Möglichkeit diejenige nach Gründen und Bedingungen der Notwendigkeit a priori, der vom ‘Wesen’ der Sache, des Sachverhalts, ergänzend hinzu. D. h. dann z. B. etwa für die Frage, worin das Wesen wahrer oder gesicherter Erkenntnis bestehe, daß die Gründe und Bedingungen, aufgrund deren wahre oder gesicherte Erkenntnis möglich ist (oder wird), alleın und ausschließlich im Umkreis dessen zu suchen sınd, was seiner Wesenscharakteristik nach, schon von sich her und nicht vermittels irgendeiner anderen Instanz, Erkenntnis, oder auch deren Wahrheit oder Sicherheit besagt. Damit ist nun eigentlich nichts anderes gesagt,

als daß die ganze transzendentalphilosophische Betrachtungs-, und d. h.

hier: Frageweise primär vom Wesen der Sache aus, und das meint dann im Verhältnis zum erwähnten ‘äußeren’ Kontext der faktischen Gegebenheiten und Umstände: a priori vorgeht. Dem widerspricht im

übrigen nicht, daß z. B. auch alle faktischen Ursachen in Bezug auf die ? Damit ist auch schon das Wichtigste in Bezug auf den Namen *transzendental’ der Sache nach, wie er heute gebräuchlich ist, ausgeführt. Seit Kants

Definition in der Kritik der reinen Vernunft (B 40) ist der Sprachgebrauch im wesentlichen der gleiche geblieben. Zur weiteren philosophiegeschichtlichen Darstellung vgl. im Anhang bes. Nr. 3 u. 5, die dort angegebene Lit. enthält auch weitere bibl. Hinweise.

4

Gesamtüberschau

transzendentale Sichtweise eines Problems gewissermaßen ‘von außen dazu-kommend’ oder im Vergleich zu jener sich a posteriori verhalten oder anzusehen sind. — Man sieht leicht, daß mit der hier gegebenen Bestimmung des spezifischen transzendentalphilosophischen Frageansatzes eine Vielzahl möglicher weiterer Bestimmungen und besonderer Ausführungen dieser Konzeption gegeben ist; als Faktum läßt sich ein großer Teil davon in der neueren Philosophiegeschichte erheben.? Mit dem soeben Gesagten hängt aber ein Weiteres zusammen: der philosophiegeschichtlich, von Kant und Fichte bis zu Husserl und den heutigen Phänomenologen stets zu beobachtende Konnex mit einem gewissen, systematischen Idealismus. Dies hat seinen Grund in der besonderen Frage-Einstellung, wie schon skizziert. An sich wäre ja auch ein nicht-idealistischer Standpunkt denkbar, der sich diesen Frageansatz zu eigen machen würde. Das würde dann bedeuten, daß beispielsweise die Frage nach dem Wesen von Erkenntnis einerseits — transzendentalphilosophisch — auch noch einmal dies Fragen mitsamt dem fragenden Subjekt als einem unabdingbaren Bestandteil von Erkenntnis als solcher (und allen darin gelegenen Implikationen) in sich einbegreift; die Frage nach den Gründen und Bedingungen von Erkenntnis umschließt auch die Frage nach dem Wesen und der Struktur des diese Frage stellenden und sich darin — zumindest der Intention nach — erkennend verhaltenden Subjekts als dem Grund bzw. der Möglichkeit von Erkenntnis überhaupt, der allem faktischen Erkennen und seinen Resultaten vorausgeht, ihm a priori ist. Eben dies aber ist nichts anderes als die Grundstruktur eines jeden erkenntnistheoretischen Idealismus’, daß nämlich innerhalb des Ganzen von angezieltem Ergebnis (hier also der Klärung des Wesens, der wesentlichen Charakteristik von Erkenntnis) und dem Weg dorthin vorweg zu dem direkten Zugriff auf derartige Ergebnisse zuerst der ‘Weg’ auf seine Möglichkeit hin, zum Ziele zu führen, untersucht wird. — Andererseits aber wäre nach der nicht-idealistischen Voraussetzung das besagte A-priori gerade nicht in das Erkenntnis allererst und grundlegend ermöglichende Subjekt, genauer: ın eine derartige Subjektivität zu verlegen, sondern in irgendeine andere Instanz, beispiels-

weise in das Objekt selbst — die unbefriedigendste Lösung — oder aber

in ein anderes, transzendentes Subjekt; das aber dann sich zur erkennenden Subjektivität teils wiederum als Objekt, teils als stellvertretend

dessen Funktion übernehmend verhält. —

In jedem Fall aber wird

3 Vgl. dazu die bibliograph. Hinweise im Anhang.

Gesamtüberschau

5

damit das erkennende Subjekt selber nach dem Modell eines zu erkennenden Gegenstandes vorgestellt, wie auch das transzendente Subjekt, denn gerade die jeder solchen Aufgliederung vorausliegende Einheit der Pole von Subjektivität und Objektivität wird auf diesem Wege selber nicht mehr einsichtig, durchsichtig.4 Gerade dies letzte Moment aber ist es, was für eine zureichende Klärung des intendierten Problems unbedingt erfordert ist. — M.a.W. der genannte Idealismus ist ursprünglich methodischer Art; mit ihm von der Natur der Sache her schon weitere bestimmte inhaltliche Thesen zu verbinden, war (und ist) ein systematisches wie philosophiegeschichtliches Mißverständnis, das freilich manchen Vertretern selber ebenso wie Gegnern der Transzendentalphilosophie unterlaufen ist.

4 Man sieht, wie sich von dieser Position der Transzendentalphilosophie aus eine Vielzahl von Verbindungslinien vor allem von methodologischer Relevanz zu Themen und Problemen der modernen Wissenschaftstheorie, bes. der Natur-, aber auch der Gesellschafts- und Geschichtswissenschaften, sowie zu bestimmten Grundproblemen der Theologie und Religionswissenschaften ergibt. — Umgekehrt läßt sich die in der Vergangenheit zu beobachten gewesene Polemik von seiten beider eben genannter Wissenschaftsbereiche gegen die genuine Transzendentalphilosophie als auf Scheinproblemen beruhend aufzeigen.

2. KURZER

GESCHICHTLICHER

ÜBERBLICK

Bevor in die nähere sachliche und systematische Darstellung der Grundprobleme transzendentalen Philosophierens eingetreten wird, soll jedoch in einer kurzen Skizze eine Art von philosophiegeschichtlichem Querschnitt gegeben werden, in welchem die bisherigen Leistungen transzendental zu verstehenden Philosophierens an markanten Punkten aufgewiesen werden. Dabei soll sich die Betrachtung nicht auf die modernste Epoche beschränken, in der dieser Typ von Philosophie ausdrücklich geworden ist; vielmehr lassen sich, wie ja schon in der voraus-

gegangenen kurzen Übersicht gestreift, durchaus schon in älterer Zeit bestimmte, keineswegs willkürlich als solche zu bezeichnende Ansätze, zu fragen und methodisch vorzugehen, finden, die in der Sache eine starke Verwandtschaft zu der ausdrücklichen, modernen Gestalt dieses Philosophierens haben.5 — Selbstverständlich kann die Darstellung hier nur exemplarisch sein, also beispielhafte Positionen erörtern und erhebt keinerlei Anspruch auf irgendwelche Vollständigkeit.

4) Historisch-systematische Problemstellung bei Kant Im Mittelpunkt einer historischen Darstellung wird stets die Philosophie Kants zu stehen haben. In unserem Zusammenhang soll sein Denken, soweit es hier interessiert, jedoch zugleich auch schon stets in der Konfrontation mit seinen Gegnern bzw. Partnern gezeichnet werden; im übrigen wird diese Darstellung das über die besondere philosophiegeschichtliche Situation Kants hinausgreifende Typische eben seiner Position in einem noch weiteren geschichtlichen Kontext herauszu-

arbeiten suchen, so daß sich schließlich eine allgemeinere Struktur von transzendentalphilosophischer Systematik zeigen wird, für die Kant selber wiederum nur ein Beispiel darstellt. Natürlich kann es im Rahmen

5 Vgl. dazu v. Verf.: Spekulation und Faktizität (s. unten Anhang unter Nr. 7), bes. die Einltg., sowie W. Beierwaltes, Platonismus und Idealismus, Frankfurt/M. 1971.

Problemstellung bei Kant

7

dieser Einführung nicht um eine Darstellung des Systems der kritischen Philosophie Kants im Ganzen gehen; hier werden nur einige ausgewählte Aspekte zur Sprache kommen.* Philosophiehistorisch sah sich Kant vor die Aufgabe gestellt, zwischen den beiden einander strikt entgegengesetzten Auffassungen des Empirismus, vertreten vor allem durch D. Hume, und des Rationalismus, vertreten durch die von Chr. Wolff bestimmte Schulphilosophie, eine mittlere Position zu finden, die beide Standpunkte jeweils unter einem besonderen Blickwinkel als (wenigstens) teilweise berechtigt anzuerkennen vermochte, zugleich jedoch eine beide umfassende und sie erst begründende Basis für alles weitere Philosophieren darstellen konnte. Methodischer Einstiegspunkt wurde für Kant bekanntlich die Frage nach der

Möglichkeit synthetischer Urteile a priori, also von Urteilen, die ihren

Geltungsgehalt nicht durch bloße ‘Analyse’ der in den Begriffen von Urteilssubjekt und -prádikat, z. T. noch ganz unausdrücklich, enthaltenen weiteren Merkmale gewinnen, sondern in deren Setzung eine echte Synthesis oder Zusammenfügung und Vereinigung von zuvor prinzipiell getrennten, unverbundenen Gehalten stattfindet. Dabei geht es nicht um eine völlig einheitliche Ableitung aller Urteile aus einer einzigen Prinzipienstruktur, Kant erkennt durchaus auch sog. analytische Urteile an, bei denen der geltende Gehalt sich auf die genannte Weise ergibt; solche Urteile sind z. B. gewisse Grundsätze der formalen Logik wie der Satz der Identitát, des notwendigen Widerspruchsausschlusses (Kontradiktionsprinzip), ferner eine Reihe von rein mathematischen Gesetzmäßigkeiten. Es geht vielmehr um die allerersten, ursprünglichen Prinzipien von bestimmter Gegenstandserkenntnis überhaupt, die sich nur in Gestalt synthetischer Urteile, und zwar a priori denken lassen, ja die darüber hinaus den eigentlichen Struktur- oder Formgrund derartiger Urteile ausmachen. — Um dies gleich hier anzumerken, in der systematisch unverbundenen Trennung von sog. analytischen und synthetischen Urteilen a priori liegt bekanntlich eine der Schwächen des Kantischen Entwurfs; bei Fichte, Schelling und Hegel wird dies Problem bald ausdrücklich thematisiert. Die Frage, wie die in der Erfahrung uns begegnenden Mannigfaltigkeiten, etwa der Sinneserkenntnis, in der Weise eine Einheit werden können, daß sie — als durch Einheit geord6 Die Literatur zu Kant ist mittlerweile unübersehbar geworden; vgl. dazu im Literaturanhang Nr. 4, und die allgemeinen Darstellungen unter Nr. 3 und in Nr. 5.

8

Geschichtlicher Überblick

nete Vielheit — einen systematischen Zusammenhang ausmachen, so daß

diese Systematik sich in einem Gefüge von Sätzen ausdrücken läßt, die

so formulierte Frage ist nur eine andere Form für das Kant bewegende Problem: Worin gerade diese letztgenannte Einheit — des Systems bzw. der Systeme wissenschaftlichen Wissens — nun ihre eigentliche und letzte Begründung habe: Die bekannte Alternative, entweder aufgrund von Prinzipien ‘in den Dingen ursprünglich selbst, unabhängig von unserem Bewußtsein’ oder aber aufgrund einer bestimmten Art von “Bewußtseinsaktivität’, dient insofern der Auflösung der oben erstgenannten Frage, als ja alle Wissenschaften, die in irgendeiner Weise sich auf Er-

fahrung beziehen, aber zugleich nicht bloße Hererzählung oder Beschreibung, sondern eben Systematik, d. h. notwendiger Zusammenhang des Wissens (im Gewußten) sein wollen, genau diese Art von Urteilen zu ihrer Vollzugsform haben. Hier soll nur der grundlegende Zusammenhang interessieren. — In den beiden großen Kant vorliegenden Lösungskonzepten waren Antinomien enthalten. Alles, was wir an Erkenntnis über Erfahrenes artikulieren, ist, sofern es überhaupt als solches artikuliert ist, schon bestimmt durch gewisse Prinzipien (wie Kant sich ausdrückt) oder GrundStrukturen, wie wir heute eher sagen würden: Die Ordnung von Einheit und Vielheit, von Substrat-

und Eigenschaftscharakter, von Mög-

lichkeit, Tatsächlichkeit, Notwendigkeit und von manchem anderem noch, wie sie den Bestand und die Grundbeschaffenheit all unseres Urteilens, sei es in alltäglicher oder in wissenschaftlicher Erkenntnis, ausmacht, diese Ordnung ist dasjenige, was alle Einzelheiten von Erfahrung überhaupt erst als Erkenntnis ermóglicht und konstituiert. Als solches Moment kann sie aber weder den gleichen Ursprung noch die gleiche Geltungsstufe (Anspruch der Gültigkeit) haben wie das Erfahrene selber: So schloß Kant. Hume hingegen ließ sie prinzipiell aus der Erfahrung als solcher hervorgehen und beschränkte sie in ihrer Geltung strikt auf gewissermaßen pragmatische Regeln der Erkenntnis. Die damit gegebene Notwendigkeit ist letztlich eine solche der Gewohnheit, wenn

auch von

einem

äußerst hohen

Grade

von

Wahrscheinlichkeit,

sofern von der Vergangenheit, dem Gewohnten, auf die Zukunft geschlossen wird. Als schlagenden Gegenbeweis für die Apriorität gerade der oben genannten (und verwandten) Grundbegriffe und die in ihnen sich manifestierende Ordnung verweist Kant auf das Faktum der reinen Mathematik und der allgemeinen Naturwissenschaft. So wáre etwa der Satz von der Drittengleichheit oder die Form des Newtonschen Gravi-

Problemstellung bei Kant

9

tationsgesetzes (als Evidenz des mathematischen Formalismus) unmög-

lich durch eine „empirische Ableitung“ in ihrer Evidenz als notwendig zu erklären.” Die Apriorität solcher Urteile besteht somit darin, daß sie das Mannigfaltige der Struktur, welches in dieser Synthesis und durch sie zu einer Einheit wird oder sich als Einheit erweist, nicht der Erfahrung entnehmen, sondern daß es vorgängig zu einer jeden, und zwar auch möglichen, Erfahrung schon im Denken bzw. auch in der

reinen Anschauung als ein konstituierendes Strukturmoment eben dieses

Denkens bzw. der Anschauung gegeben ist; Kant spricht in diesem Zusammenhang auch von einer ‘reinen’ Synthesis. Damit kein Mißverständnis entsteht, jene Antinomie war nur zu lösen, indem die Frage nach dem Ursprung von Apriorität ın synthetischen Urteilen als Frage nach dem Geltungs- oder auch dem theoretischen Rechtsanspruch formu-

liert wurde; die Frage nach dem physischen Werdegang, der psycho-

logischen Genesis liegt demgegenüber auf einer methodologisch ganz

anderen Ebene. Gerade die Verwechslung beider Gesichtspunkte war z. B. Humes Verhängnis.

Die Antinomie bestand darın, daß auf der Gegenseite zwar grund-

sätzlich die Möglichkeit synthetischer Urteile a priori zugegeben wird,

ihre Begründung jedoch auf eine letzte transzendente Ursache hinführt:

den göttlichen Intellekt, der ‘in die Dinge’, also genauer: in ihre Wesenheiten jene besagte Ordnung einer grundlegenden Intelligibilität hinein-

gelegt hat, und auch dem menschlichen Geist die Fähigkeit ihrer Einsicht

— ım Nachhinein — verliehen hat. — Auch hier kann letztlich nicht geklärt werden, woran sich die Kriterien eben der Erkenntnis dieses Sachverhalts ausweisen sollten; denn besagte Ordnung wird dazu schon

als gültig vorausgesetzt. Jene oben genannten Fragen werden damit auch ihrer Natur nach Bestandteile einer anderen Theorie der Genese von Erkenntnis, nur diesmal nicht auf dem Boden eines psychologischen, sondern eines ontologischen Interesses. — Will man nun nicht, ähnlich wie Hume, auch hier die Frage nach der Rechtfertigung von vornherein für unzulässig erklären oder aber stets eine nicht geklärte Voraussetzung bei sich haben, so wird man der ganzen ontologischen Problematik eben diese Problematik der Erkenntnisrechtfertigung als vorweg zu klären vorschalten müssen.

Im Vergleich haben beide Male sehr verschiedene ‘Prinzipien’ die

gleiche Funktion: Im Empirismus ist das erste Prinzip, von dem alles 7 Kr. d. r. V. B 128.

10

Geschichtlicher Überblick

Weitere abhängt und wodurch alles letztlich bedingt ist, die Erfahrung

als solche, in ihrer unübersehbaren Vielfalt, sowohl der einzelnen Inhalte als auch in der Unberechenbarkeit ihres Verhältnisses zueinander: Die Erfahrung ist ein Strom, ein Fluß, von dem wir aber weder die Quelle, noch die Mündung, noch den genauen bisherigen, noch gar den zukünftigen Lauf kennen können. Natürlich besagt dies nicht schranken-

lose Chaotik; selbstverständlich gibt es Gesetze: der Assoziation, der Komplexion, der Kombination usw.; aber sie entsprechen letztlich voll-

ständig dem grundlegenden Modellbegriff des aus unendlich vielen Teilen bestehenden ‘Stromes’ von Erfahrung. Umgekehrt ist das entsprechende Prinzip in der ‘ontologischen’ Auffassung der absolute, göttliche Verstand (Intellekt),9 der alles der Mög-

lichkeit wie der Tatsächlichkeit nach begründet und verursacht und bis

ins Einzelne bestimmt hat. Man könnte hier auf die Idee der Abbildlichkeit als Modellbegriff verweisen: Eine ähnlich wie zuvor unübersehbare Vielfalt von Wirkungen hängt hier in einer bis ins Einzelne gehenden ‘Genauigkeit’ (Eindeutigkeit) von der Urkonzeption ab. War es zuvor die Metapher des Stromes oder Flusses, so ist es hier die Metapher des ‘Spiegels’, welche das Ganze anschaulich zu machen vermag. — Der Unerkennbarkeit der Struktur jenes Stromes entspricht hier die grundlegende Konzeption des absoluten Verstandes in seinem ersten Ansatz selbst: seiner ‘Option’. Das ‘Warum’ und ‘Wozu’ — und: *warum-gerade-so' und *weshalb-gerade-das' usw. — stößt hier auf eine ähnliche Undurchdringlichkeit wie zuvor: Der Unerkennbarkeit des

letzten Grundes von Erfahrung überhaupt, der erkenntnistheoretischen

Hyle, entspricht hier die Unerforschlichkeit des góttlichen Entschlusses, d. h. eines erkenntnistheoretischen Dekretismus'.?

8 Intellekt vom lateinischen "intellectus meint der Wortbedeutung nach mehr als ‘Verstand’, nämlich den umfassenden Inbegriff wahrer und höchster Einsichtsfähigkeit, also ungefähr soviel wie im Deutschen “Vernunft”. In unserem Kontext ist freilich ein Mißverständnis ausgeschlossen. ? Auch hier ist ein radikaler Skeptizismus letztlich impliziert, insofern in

äußerster Konsequenz sich eine in ihrem Ursprung rein voluntativ, also ebenfalls gánzlich irrational bestimmte Erkenntnistheorie abzeichnet.

Der Kantische Lösungsvorschlag

11

b) Der Kantische Lösungsvorschlag Ohne weiter in Einzelheiten einzugehen, läßt sich doch soviel fest-

stellen, daß in diesen beiden Konzeptionen

jeweils eine Grundfigur

philosophischen Denkens erscheint, die beide ähnlich — und gewisser-

maßen in ihrer philosophiehistorisch reineren Gestalt — schon gleich zu Beginn des abendländischen Philosophierens entworfen worden sind: In den Systemen von Demokrit und Epikur einerseits, von Parmenides andererseits. — Auf die teilweise recht intrikate Frage der Bedingtheit des neuzeitlichen Empirismus durch den antiken Atomismus und die

Gründe für die sich derart ausformende Umgestaltung des Problems

braucht hier nicht eingegangen zu werden. Die Rolle der Zufälligkeit im Zusammenspiel unbegrenzt vieler Elemente sowie die Typik aller darauf angewandten Gesetzmäßigkeiten gemäß der grundsätzlich graduellen Komplexion dürfte jedoch eine sehr wesentliche Ahnlichkeit in der Struktur aller Empirismen ausmachen. Und umgekehrt stellte sich für Kant ein sogar in seiner Grundanlage sehr reiner Typ eleatischer Systematik in der Philosophie Spinozas dar; wobei wiederum hier auf die

z. T. sehr heiklen Probleme ideengeschichtlicher Überlieferung und

Beeinflussung nicht eingegangen werden braucht. Immerhin ist die Rolle der Identifikation von Denken und Sein mitsamt der unabänderlichen Notwendigkeit, die vermittels eines grundsätzlich essenzial gedachten, d. h. durch die Naturbeschaffenheit einer Sache wirkenden Kausalzusammenhangs sich manifestiert, eine sehr wesentliche Struktur, die dem alten Eleatismus und den rationalistischen Systemen der Neuzeit gemeinsam ist. Kant sah sich demnach, zumindest in der Konsequenz der beiden gegnerischen Positionen, vor die Aufgabe gestellt, einerseits den erkenntnistheoretischen Skeptizismus zu vermeiden, aus dessen Problem-

bereich er paradigmatisch die in den beiden ersten Antinomien der

‘Dialektik der reinen Vernunft’ thematisierte Frage heraushob: nämlich die nach der Unendlichkeit der Welt, als der drohenden Gefahr ihrer grundsätzlichen Nicht-Erkennbarkeit bzw. der prinzipiellen Unsicherheit unserer Erkenntnis hinsichtlich der Welt und ihrer Grundbezüge; andererseits mußte der ontologische und ethische Determinismus vermieden werden, wie er sich in der in den beiden letzten Antinomien der reinen Vernunft thematisierten Problematik für Kant, wiederum paradigmatisch, niedergeschlagen hat: Die Frage ging auf die Vereinbarkeit menschlicher Freiheit mit einem absoluten Willen sowie die Erfüllung

12

Geschichtlicher Überblick

unseres Sinnstrebens als Personen. — So betrachtet, steht Kant in einer

sehr alten Tradition der Vermittlungsphilosophie: Beginnend mit Platon und Aristoteles, fortgeführt von Denkern der Hochscholastik wie Thomas v. Aquin und Johannes Duns Skotus, ist Kant nach Leibniz derjenige Denker, der methodologisch gesehen die Thematik eben der differenzierten Vermittlung als Lösungsweg aller skizzierten Probleme in einem umfassenden systematischen Zusammenhang bestimmt hat.

Die systematischen Lösungen Kants sind für sich selbst betrachtet für

uns Heutige zwar nur noch von ideenhistorischem Interesse; wegen ihrer Wirkungsgeschichte ist es jedoch durchaus sinnvoll, noch einige Gesichtspunkte hier zu erörtern, ist doch ohne Kant weder der Deutsche Idealismus noch auch ein großer Teil der nach-idealistischen Philosophie des 19. und sogar noch des 20. Jahrhunderts zu begreifen. — So verläuft denn die vermittelnde und darin zugleich das Niveau der traditionellen Fragestellung überbietende Lösung der skizzierten Thematik bei Kant im wesentlichen in zwei Strängen (wenn man einmal den Schwerpunkt auf die Grundlegung der theoretischen und ethisch-praktischen Philosophie legen will). — Innerhalb der theoretischen Problematik findet er im Anschluß an die Tafel der fundamentalen Urteile das, wie er glaubte, ausschöpfende System aller Begriffe, welche a priori, also grundsätzlich vorweg zur Erfahrung alle unsere Erkenntnis gegenständlicher Art in ihrer Strukturation konstituieren, d. h. überhaupt und ursprünglich erst möglich machen und zugleich damit schon ihre besondere Art und Weise in formaler Hinsicht bestimmen. Sie sind die obersten Kategorialbegriffe, Begriffe also, die unter der Rücksicht, daß all unser Denken in einer Ordnung der Art-Gattungs-Stufung sich vollzieht, oberste Prinzipien oder Ermöglichungs-Maßstäbe darstellen. — Sind damit die letztbegründenden Prinzipienbegriffe von erkannter, aber darüber hinaus von überhaupt erkennbarer Gegenständlichkeit schlechthin umrissen, so gibt es auf einem der konkreten Welt um einen Wesensgrad näheren Konstitutionsniveau den Kategorien analoge letztbegründende Prinzipien der Anschaulichkeit oder Anschauung selbst: die reinen Formen von Raum und Zeit. Als proportional letzter Grund der Möglichkeit eines anschaulichen Miteinander oder ‘Zusammen-mitť’ und eines entsprechenden Nacheinander muß allen Bestimmungen von Ráumlichkeit und Zeitlichkeit vorweg betreffs der ráumlichen und zeitlichen Daten, Gegebenheiten oder Ereignisse schon die ‘Form’ oder Struktur des Räumlich- wie des Zeitlich-Seins im Vollzug unseres betreffenden Erkennens wirksam sein. — Kant kennt ferner noch Formen

Der Kantische Lösungsvorschlag

13

der Vermittlung zwischen beiden Bereichen apriorischer Erkenntnis-

prinzipien, die ihrerseits auch noch einmal von apriorischer Struktur

sind, die sog. Schemata oder den Schematismus in der theoretischen Erkenntnis; er soll uns hier nicht weiter beschäftigen.!®

Die andere systematische Linie betrifft die Grundlegung der Ethik;

ihr diente aber auch schon indirekt die Grundlegung der theoretischen Philosophie, insofern die Prinzipien der Sittlichkeit zwar durch Mittel theoretischer Reflexion weder bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden können. Sofern sie ihrerseits — mitsamt den Problemen ihrer Anwendung — jedoch wiederum ein in sich konsistentes und, unter der Rücksicht ihres eigentlichen systematischen Zwecks, einsichtiges System ausmachen, stellen sie sozusagen den anderen Operationsbereich der Vernunft dar. — Hier sah sich Kant vor eine ähnliche Situation gestellt wie in der theoretischen Philosophie: Gegenüber einer empiristisch be-

gründeten und im Sinn eines teils hedonistisch, teils pragmatisch gedeu-

teten Eudämonismus einerseits und einer die sittlichen Forderungen auf eine letztlich rein theonom angelegte Wesensethik andererseits galt es, die Autonomie des sittlichen Sollens und seines Ursprungs im allgemeinen Sittengesetz zu wahren sowohl gegenüber dem Anspruch der Erfahrung, das letzte Kriterium sittlichen Handelns geben zu können, als auch gegenüber dem Anspruch eines göttlichen Willens, der auf dem Wege der Wesensordnungen und der ihr immanenten Teleologie — was ja dann auch für die rationalen Wesenheiten zutrifft — die letzte Norm des Gesollten darstellte. In beiden Fällen war die sittliche Heteronomie

durch Autonomie zu überwinden; der Konvergenzpunkt dieser Überwindung lag für Kant dann genau in einer gänzlich erfahrungsunab-

hángigen Normativität sittlicher Entscheidungskompetenz, die zugleich

ihren ausschópfenden Sinn darin hatte, funktionale Ermóglichung der freien Entscheidung des menschlichen Willens zu sein. Hier allein, in der sittlichen Tat, die ihren Inbegriff in der (vollzogenen) Entscheidung

selbst hat, ist dann dem Menschen auch ein Reich von Geltungen an sich 10 Vgl. dazu allgemein die Literatur zu Kant im Anhang, ferner insbeson-

dere V. Schulz, Das Problem des Schematismus bei Kant und Heidegger, (Diss.), München 1965; und noch H. J. Paton, Kant's metaphysic of experience, 2 Bde.,

London 21951; E. Marcus, Die Zeit- und Raumlehre Kants in Anwendung auf Mathematik und Naturwissenschaft, München

1927; H. G. Hoppe, Kants

Theorie der Physik, Frankfurt/M. 1969; schließlich noch W. Bartuschat, Zum systematischen Ort von Kants Kritik der Urteilskraft, Frankfurt/M. 1972.

14

Geschichtlicher Überblick

unmittelbar zugänglich, freilich so, daß sie der Problematik der Erkennbarkeit von Gegenständen an sich im Rahmen theoretischen Interesses entzogen bleibt.!! c) Der Deutsche Idealismus Die Erórterung der Philosophie Kants soll hier abgebrochen werden. — Von entscheidender Bedeutung und in ihrer Tiefenwirkung bis in die Breite noch heute grundlegender Fragestellungen hinein maßgebend geworden ist jedoch das Denken des Deutschen Idealismus, der es unternommen hat, die durch Kant aufgerissene Problematik zu systematisieren, und dabei ein außerordentliches Spektrum philosophischer Fragen überhaupt aufgerissen hat. Es ist selbstverstándlich in gar

keiner Weise móglich, hier auch nur einen kleinen Überblick über die Wirkungsgeschicdhte der Philosophie zu geben, die durch die Epoche

von Kant bis Hegel gekennzeichnet ist, auch wenn man sich außer auf

die soeben genannten nur noch auf Fichte und Schelling beschränken wollte. — So soll hier in noch ungleich subjektiverer Auswahl als hinsichtlich der Kantischen Philosophie nur der eine oder andere Gesichtspunkt erörtert werden, der für die spätere mehr systematische Betrachtung wichtig werden kann. — So nahm J. G. Fichte die Kantische Fragestellung einerseits im Punkt der systematischen Einbeit der gesamten Philosophie auf: hinsichtlich ihrer Grundlegung, Rechtfertigung und lückenlosen Ableitung; andererseits blieb ein gewisser Primat der Reflexion auf die sittliche Praxis der Intention nach auch für sein gesamtes Philosophieren maßgebend. Die bei Kant in der tatsächlichen Durchführung des Systems im letzten relativ unverbunden nebeneinanderstehenden Prinzipienkomplexe oder -spháren von reiner sittlich-praktischer und sog. theoretischer (reiner) Vernunft, ferner von Vernunft als dem systematischen Ort der alle Wissenschaft überhaupt bestimmenden Ideen und von Verstand als dem entsprechenden Ort der konstitutiven, also die "Wirklichkeit? betreffenden Erkenntnis, von Verstand wiederum 11 Auf die besonderen Fragen und Schwierigkeiten des Kantischen Unterschiedes von Erkennen und Denken im allgemeinen und der Denkbarkeit sittlicher Gehalte im besonderen kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu in der Lit. die Gesamtdarstellungen, sowie: Kritischer Kant-Kommentar, Zusammengestellt aus den Kritiken Fichtes, Schellings und Hegels, hrsg. v. E. v. Sydow, Halle 1913; im übrigen vgl. im bibl. Anhang Nr. 5—8.

Der Deutsche Idealismus

15

als dem Prinzipienboden solcher begrifflichen und den reinen Formen der Anschauung als dem systematischen Ort von ermóglichender wahrnehmender Erkenntnis: Diese verschiedenen Sphären von Prinzipien a priori, deren Aufzählung hier keineswegs erschópfend ist, werden von Fichte auf ein in sich konsistentes einheitliches Prinzipiengefüge zurückgeführt, welches dann in der sich selbst reflektiv einsichtigen Einheit seiner Selbstbegründung — im Rahmen von theoretischem Interesse — unmittelbar zugleich auch den letzten Begründungspunkt sittlicher Sollensnormativität in sich enthält. Schon das Spätwerk Kants weist allerdings in diese Richtung. Die Konsequenz seines Ansatzes führte Fichte dann zunehmend auf den Fragekomplex der Beziehung zwischen einem solcherart entworfenen Einheitsgrund, der in sich die umfassend proportionale Letztbegründung der gesamten (wirklichen und möglichen) Erfahrung zu leisten hat, und dem schlechthin, d. h. auch in der Modalität seiner Wirkensweise auf anderes hin, absoluten letzten Grund an und für sich selbst.

Zwischen dem Bezug der Begründung bzw. Fundierung von Welt durch den absoluten Vernunftgrund — zuerst von Fichte absolutes Ich, später urbildlicher Verstand genannt — und dem Bezug dieses Grundes, der seine Prinzipienfunktion wesentlich noch durch seine Hinordnung auf sein Begründetes erfüllt, als seinerseits noch einmal begründet auf ein schlechthin Absolutes, herrscht somit Analogie. Die Thematisierung dieses absoluten Bezugs stellt Fichtes ganz eigentümlichen Beitrag im ‘Konzert’ seiner idealistischen Zeitgenossen Schelling und Hegel dar.!? Schelling seinerseits thematisierte gerade die Begründung der Erfahrungswelt als Natur, als Welt der Kunst und Leben der Geschichte unter der Rücksicht einer unmittelbaren systematischen Rückbindung an einen einheitlichen absoluten Grund. Einer im Horizont des grundlegenden ethischen Systeminteresses gewachsenen transzendentalen Philosophie der Subjektivität (Fichte) setzte er so eine transzendentale Theorie um-

fassender Objektivität zunächst entgegen; später findet der Versuch

eines systematischen Ausgleichs zwischen dieser und der Fichteschen Position ein erstes Ergebnis in der sog. Identitätsphilosophie, die sich jedoch sehr bald vor die Frage nach der Einheit einer derart konzipierten transzendentalen Ontologie des Absoluten mit einer entsprechenden 12 Zur Einführung in die Philosophie des Deutschen Idealismus vgl. im Literaturanhang Nr. 5—8; zu Fichte bes. Nr. 6 (wichtig bes. D. Henrich u. W. Janke).

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Geschichtlicher Überblick

Theorie menschlicher Freiheit gestellt sah. Diese Problematik bestimmt das Philosophieren des späten Schelling. Hegel seinerseits nimmt die in der Polarisierung des Fichteschen und Schellingschen Ansatzes — der jeweiligen früheren Periode — im

Problembewußtsein ausgeweitete und methodisch vertiefte Entgegen-

setzung von primär praktischer und primär theoretischer Philosophie zum Anlaß einer weiteren systematischen Synthese. Jener von Kan: vererbte Gegensatz war in seiner Sicht von seinen Vorgängern zu einen. Gegensatz höherer Stufe fortgebildet worden, zu demjenigen einer je weils vermittelten Subjektivitäts- bzw. Objektivitätsphilosophie. — Der Ansatz dieser Synthese kann hier natürlich in nicht viel mehr als einer äußerst knappen Andeutung skizziert werden. Es ist der Überschritt über einen am thematischen Zentrum transzendentaler ‘MetaEthik’ orientierten und über einen am thematischen Zentrum transzendentaler ‘Meta-Objektivität’ orientierten Systementwurf, der ihn da: Zentrum seines eigenen systematischen Philosophierens im Prinzip de» beide anderen Entwürfe implizit mitbedingenden formalen Bezug: zwischen jenen Prinzipienansätzen finden läßt. Das aber besagt geger.. über dem Fichteschen Entwurf nicht nur eine größere ‘Formalıtät’ und systematischere Allgemeinheit, sondern geradezu auch wesentliche *Nicht-Subjektivitát. Und gegenüber dem Schellingschen Entwurf be: sagt dies eine Rückwendung in Gestalt der sich auf sich selbst appl:? zierenden Prinzipienreflexion, die entsprechend als “Nicht-Objektivitä*: gekennzeichnet werden kann. — Die über beide Einseitigkeiten hinaus’ gehende Relationsstruktur im ursprünglichen Prinzipiengefüge selbst ıs es aber genau, was das systematische Herzstück des Hegelschen Denkens bestimmt und was als Selbstbewegung der Idee charakterisiert worden ist. Die Idee ıst als der Inbegriff alles theoretischen und praktischen Bewußtseins mitsamt seiner Bestimmtheit als philosophischer Reflexion, die nach letzten transzendentalen Gründen in einem Horizont des Absoluten schlechthin fragt, zu verstehen.!3 Ihre Selbstbewegung stellt dann genau das Moment des Zusammenfalls von universaler Inhaltlichkeit — als Substanz oder als Subjekt: unter diesen Begriffen integriert Hegel jene erwähnten Einseitigkeiten seiner Vorgänger; oder auch als 13 Man kann auch Hegels Denken zum Typ der Transzendentalphilosophie rechnen, wenn man diesen Begriff sehr weit faßt. In unserem Zusammenhang ist dies freilich weniger problematisch, weil hier nicht primär philosophiehistorische, sondern systematische Gesichtspunkte maßgebend sind.

Entwicklung bis zur Gegenwart

17

Geist usw. — und ihrer Formstruktur als Relation dar: Dies geschieht nicht auf einen Schlag, durch Intuition, sondern durch einen alle differenten Momente zur Einheit vermittelnden Prozeß, durch Dialektik. Aber gleichwohl artikuliert sich das Ganze doch in einer bestimmten Einheit: der Art und Weise oder dem Modus, wie und gemäß dem sich das endgültige, absolute Resultat des Prozesses an seinem Ende zu sich selbst verhält; wobei nicht vergessen werden darf, daß ‘Prozeß’ hier einen gänzlich ‘qualitativen’ Charakter hat. d) Die weitere Entwicklung bis zur Gegenwart

Die weitere Entwicklung kann nur stichwortartig angedeutet werden. — Durch den späten Schelling, durch Kierkegaard und K. Marx

wurde das Absolute der Hegelschen Philosophie in einem weiteren Schritt, wenn auch jeweils sehr verschieden, auf die Unmittelbarkeit und Totalität menschlicher Praxis und ihr proportionales Prinzipienfeld bezogen.!14 — Der Neukantianismus präzisierte im methodischen Rückgriff auf die ‘kritizistischen’ Elemente in Kants Philosophie die Idee der Transzendentalphilosophie als allgemeine philosophische Grundlegungsdisziplin der Wissenschaften, seien es nun mehr die sog. exakten (Marburger Schule) oder die sog. Geisteswissenschaften (Badische Schule). Im Gegensatz zur modernen Thematisierung dieses Problems verstand er sich jedoch vorwiegend als allgemeine Erkenntnis14 Sowohl das Denken S. Kierkegaards wie auch das von K. Marx sind nur bedingt, im strengen Sinn allerdings überhaupt nicht, als Transzendentalphilosophie zu bezeichnen. Es ergibt sich jedoch ein Bezug, insofern bei beiden ein Thema in unmittelbarer und ursprünglicher Weise angegangen worden ist, das bisher von den transzendentaltheoretisch orientierten Denkern nur selten, oder am Rande behandelt wurde: das Problem einer als ganze solche noch einmal an Praxis selbst auszuweisenden Theorie. Was die klassische transzendentale Theorie, etwa im Neukantianismus, höchstens im übergeordneten Rahmen einer systemkonformen Ethik behandelt hatte, ist hier zum letztentscheidenden Kriterium von Philosophie überhaupt geworden. — Als solches Moment wird somit auch der Praxisbezug als solcher mit allen seinen Implikationen zur Thematik der Transzendentalphilosophie gehören müssen. — Unter dieser Rücksicht hat eine Analyse des Marxschen Denkens vom transzendentalphilo-

sophischen Standpunkt aus jüngst gegeben: K. Hartmann, Die Marxsche Theorie, Berlin 1970.

18

Geschichtlicher Überblick

theorie, nicht als formallogische Metatheorie im Umfeld mathematisier-

ter Wissenschaftlichkeit.!5 — Demgegenüber stellt die Phänomenologie E. Husserls eine Erweiterung in Richtung auf gegenstandstheoretische

Fragestellungen dar. Begonnen als eine transzendentale Metatheorie der Bewußtseinspsychologie, entwickelte sie sich zu einer umfassenden Analytik der apriorischen Strukturen des Bewußtseins, sofern dadurch im ausgezeichneten Sinne Gegenständlichkeit (intentional) in allen ihren Bedeutungen ermöglicht wird. Der zentrale methodische Begriff ist dabei — im Rückgriff auf Descartes zumindest ebensosehr wie auf Kant — derjenige der Evidenz.!6 — Bei M. Heidegger begegnet schließlich eine Erweiterung der phänomenologischen Problematik, insofern ihm das Bewußtsein in einer besonderen Sinnmotivation zum Gegenstand transzendentaler Analyse wird; diese Motivation aber hat ihren

konstitutiven Horizont in der Dynamik der sog. ontologischen Differenz von Sein und Seiendem, welche (Differenz) in menschlicher Existenz ihren besonderen Erscheinungsort hat. — Die von Husserl begründete Richtung der Phänomenologie wird man allerdings im Ganzen nur noch bedingt als Transzendentalphilosophie ansprechen kónnen. In noch höherem Maße gilt dies von der durch Heidegger inaugurierten Existenzphilosophie. — Ein transzendentalphilosophischer Neuansatz im strengen Sinn liegt endlich in verschiedenen Bemühungen vor, die aus der Konfrontation der durch Neukantianismus, Phänomenologie und Existenzphilosophie — im weiteren Sinn, nicht nur auf das Denken Heideggers eingeschránkt — sowie der Neuscholastik, bes. des Neuthomismus, geschaffenen Problemlage mit der Philosophie Kants bzw. mit Denkern des Deutschen Idealismus hervorgewachsen sind.18 — Bei 15 In Deutschland formierte sich diese Bewegung bes. in der genannten Marburger (H. Cohen, P. Natorp, E. Cassirer, A. Liebert, K. Vorländer u. a.) und der Badischen Schule (W. Windelband, H. Rickert, E. Lask, B. Bauch u. a.). In Frankreich müssen dazu gezählt werden vor allem Ch. Renouvier und O. Hamelin. — Zum äußerst vielfältigen Einfluß des Denkens Kants und des Deutschen Idealismus, bes. Hegels, vgl. die Philosophiegeschichtsschreibung; kurze Hinweise dazu siehe im Anhang Nr. 9. 16 Vgl. dazu im bibliogr. Anhang Nr. 10. 17 Vgl. dazu ebd. Nr. 11. 18 Vor allem wäre hier zu nennen ein Kreis von Philosophen in der Nachfolge Jos. Maréchals, der als erster eine insgesamt positive Begegnung von thomistischer und Kantischer Philosophie in die Wege leitete; Näheres s. dazu im bibliograph. Anhang Nr. 12. — Jünger sind die Arbeiten von H. Wagner und W. Cramer: vgl. ebd. Nr. 13.

Entwicklung bis zur Gegenwart

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einigen dieser Versuche geht es neben der Behandlung der ‘klassischen’, aus ihrer Geschichte tradierten, Probleme u. a. auch darum, die gegen-

wärtigen Auseinandersetzungen im Bereich der Grundlegung einer allgemeinen Wissenschaftstheorie sowie einer entsprechenden Grundlegung der Sozial- und Politikwissenschaft wie auch der Futurologie im Pro-

blemfeld von “Theorie und Praxis’ transzendental-theoretisch aufzuarbeiten.!®

19 Vgl. z. B. bei Wagner, Phil. u. Refl., $$ 24, 28 (32, 33).

3. PHILOSOPHIE ALS ZUSAMMENFALL VON ALLGEMEINER SYSTEMTHEORIE UND SYSTEMKRITIK Im folgenden soll nun in Gestalt eines systematisch vorgehenden Überblicks das Ganze transzendentalphilosophischer Problematik im Umriß aufgezeigt werden. Es braucht nicht erinnert zu werden, daß es im Rahmen einer Einführung nur darauf ankommen kann, einige sehr wesentliche Gesichtspunkte systematischer Art, wenn auch mehr als Hinweis oder Andeutung, vor Augen zu stellen. Indessen mag der Wert eines solchen Vorgehens gerade in der Einübung oder auch Herausforderung zum συμφιλοσοφεῖν oder 'Selbstdenken' liegen, — was dann nun wieder einer Einführung entsprechen würde.

a) Dialektik und Analektik als Vollzugsstruktur von Philosophie Der Schwerpunkt wird dabei nicht darauf liegen, ein System fertiger Antworten vorzuweisen, sondern die innere Dynamik der Probleme selber sich auswirken zu lassen. — Die hier durchgeführte Systematik wird somit in einer Dialektik von Fragen und Antworten bestehen, als deren innere Struktur sich die Dialektik überhaupt vom Fragen als solchem und vom Antwort-Geben als solchem aufweisen läßt.2° — Es sei einmal zugestanden, daß ein ursprüngliches Fragen, als der artıkulierte Ausdruck des urtümlichen Staunens über etwas, den Anfang von Philosophie überhaupt ausmacht. Dies Staunen ist wiederum Ausdruck einer Erkenntnis- oder Erkennenslage, die die Grenze des Selbstverständlichen, des selbstverständlich Gewußten, Getanen, Geglaubten, Erhofften überschritten hat und nun wissen will, ‘warum’, ‘wieso’, “weshalb’ usw. Das Selbstverständliche ist zum Nicht-Selbstverständlichen 20 Einen relativ breit angelegten Entwurf in dieser Richtung, der sich gleichwohl in wichtigen Punkten von dem hier vorgetragenen Ansatz unterscheidet, hat E. Coreth vorgelegt: Metaphysik, Innsbruck 1961; vgl. dazu vom Verf.: Frage oder Setzung, Kritische Bemerkungen zu einem Buch von E. Coreth, in: Kantstudien 59 (1968) 357—373.

Dialektik und Analektik

21

geworden. — Schon die bestimmte Formulierung dieser Sachlage bedeutet einen weiteren Schritt, nämlich aus der Fraglichkeit und Ungewißheit einer solchen Situation zu einer neuen Bestimmtheit des Wissens, Tuns usw. zu kommen. Denn in dieser Präzisierung wird Gewußtes und Nichtgewußtes,

das gewußt

werden

soll, in eine erste geordnete

Beziehung zueinander gesetzt: Geordnet ist dies In-Bezug-Setzen, insofern in einer gewissermaßen vorläufigen Voraus-Konzeption das nichtgewußte Element gerade in ein derartiges Verhältnis zum schon Gewußten gestellt wird, daß durch die tiefere Analyse des Gewußten dann das (bisher) Nichtgewußte auch zu einem Wißbaren, schließlich zu einem Gewußten wird. Und m. a. W.: auch das bisher schon Gewußte

wird, regressiv durch die Frage nach dem neu zu Wissenden, selbst noch

einmal neu gewußt. Es ist weiter klar, daß nun gerade dies In-Bezug-Setzen in einer wohlbestimmten Weise erfolgen muß, soll dies Verfahren den erhofften Erfolg haben. Genauer wird man hier auch von Analektik sprechen können; davon wird später noch ausführlicher die Rede sein.?! Der Unterschied zwischen Dialektik und Analektik in diesem Zusammen-

hang besteht darin, daß Analektik allein den Zusammenhang themati-

siert und meint, der zwischen gewußten und nichtgewußten Bestandsstücken innerhalb der betreffenden Frage selbst nach einer bestimmten Ordnung besteht; wohingegen Dialektik eben dieses Ganze (der Frage) in seiner Beziehung zur betreffenden Antwort ins Auge faßt, sofern diese in einem relativen Gegensatz zur Frage steht. — Um dies gleich

hier vorweg zu sagen, kann dann Analektik auch in ihrem Inbegriff,

der alle ihn möglichen Spezifikationen in einem einzigen Begriff einheitlich zusammenfaßt, das Beziehungsgefüge insgesamt, umfassend und ausschöpfend, von solchen Verhältnissen zwischen Gewußtem und Nichtgewußtem meinen, und dies wiederum derart, daß es die Gesamtheit aller solcher Einzelverhältnisse nach ihren jeweiligen Ordnungen umfaßt, oder aber auch so, daß nurmehr die allgemeinsten und prinzipiellsten Verhältnisse mitsamt der ihnen gemäßen Ordnung gemeint sind. — Dialektik aber wiederum meint dann demgegenüber zwar etwas Ähnliches, das sich jedoch zu jenem zugleich auch komplementär 51 Der Ausdruck ist, soviel ich sehe, erstmalig geprägt von B. Lakebrink, in seinem Buchtitel: Hegels dialektische Ontologie und die thomistische Analektik, Köln 1955. — Hier wird nur das Wort, nicht die Lakebrinksche Bedeutung übernommen.

22

Systemtheorie und Systemkritik

und konträr verhält: In ihrem Inbegrift kann ebenfalls das Ganze aller möglichen Fragen und Antworten gemeint sein, und auch dies wiederum derart, daß entweder das Gesamt aller solcher einzelnen Bezüge oder aber der allgemeinste und prinzipiellste Bezug zwischen ‘Frage’ und ‘Antwort’ ins Auge gefaßt ist. Für die Analyse ergibt sich dann, daß einerseits im Ansatz oder im Angehen jeder beliebigen Frage grundsätzlich eine gewisse Experimen-

tierlage gegeben ist: Das Bezugsmuster, nach dem Gewußtes und Nichtgewußtes einander zugeordnet werden, liegt nicht von vornherein schon

absolut fest. Vielmehr wird, wenn auch im Blick auf das schon Gewußte, sozusagen die günstigste Versuchsanordnung intuitiv gewählt und dann auf ihre (mögliche) Wahrheit geprüft, der Bewährung unterzogen. — Das besagt für das Gesamt von Frage und Antwort überhaupt, sofern dies als ein nach einer Ordnung verlaufender Prozeß verstanden wird, daß jeweils an den ursprünglichen Umschlagstellen immer auch ein Moment von Entscheidung oder theoretischer Option mitwirksam ist. — Auf der anderen Seite folgt aus dem über die Vertiefung des je schon Gewußten Gesagten, daß — wie jedes, wie alles Nichtgewußte zumindest einen Bezug auf Gewußtes, somit auch Gewußtes selbst: immerhin als Wißbares, in sich enthält — so auch alles Gewußte entsprechend in sich noch nicht Gewußtes, tiefer Wißbares — wenigstens im Bezug auf Nichtgewußtes — in sich schließt. Dieser Tatbestand ist für Analektik

und Dialektik als methodische Betrachtungs- und Verfahrensweisen gleichermaßen bedeutsam. Man sieht übrigens schon hier, daß im Zuge einer sauberen und klaren Gedankenführung beide Aspekte oder Momente, wie schon angedeutet, erhellen werden.

einander ergänzen,

bedingen

und

b) Dreifache Begründungsfunktion der Transzendentalphilosophie Für die Transzendentalphilosophie und ihren systematischen Einsatz hat dies dann unmittelbar Konsequenzen. Hat man, wie hier zuvor ($ 1) geschehen, Philosophie im allgemeinen als die Wissenschaft letzter Fragen und Transzendentalphilosophie im besonderen als diejenige Art

von Philosophie definiert, die der Philosophie im Ganzen ihre (letzte) Selbstbegründung gibt, — und nimmt man ferner an, daß das Univer-

sum all unserer faktischen und möglichen Fragen auf solche von letzter Universalität des Gegenstandes wie auch letzter Dringlichkeit oder

Dreifache Begründungsfunktion

23

Unbedingtheit des Interesses hin sich vereinheitlichen läßt, — so folgt daraus für den spezifischen sachlichen Anfang oder die Grundlegung von Transzendentalphilosophie folgendes: Sie wird in Entwurf und

Durchführung als ein geordnetes Ganzes zu denken sein, das seinen Berechtigungsgrund wie seinen ihm immanenten sachlichen Sinn in der

Bewältigung eines zusammenhängenden Komplexes oder einer aufeinander bezüglichen Mehrheit von Aufgaben hat. Als solches Ganzes ist sie von ihrem Ansatz her notwendigerweise ‘systematisch’, auch wenn dies zunächst so verstanden werden muß, daß jeder einzelne konkrete Versuch innerhalb der ablaufenden Philosophiegeschichte auf ein, im Je-Jetzt nur immer asymptotisch erreichbares, Ideal hin entworfen ist. — Ohne nun an dieser Stelle des weiteren auf die sich hier eröffnende

Problematik von Systematik und Geschichtlichkeit der Philosophie und

des Philosophierens einzugehen,?? mag für den jetzigen Stand unserer Reflexion und ihren weiteren Fortgang die Unterscheidung zwischen einer ausschöpfenden und einer je hinreichenden Kongruenz bzw. Darstellungsgleichheit genügen. Schon die zuletzt genannte Möglichkeit ist

für unsere, und für eine jede andere, systematische Reflexion oder Rückbesinnung in diesem Kontext ausreichend. Es muß sonach keineswegs die Möglichkeit der Verwirklichung eines absoluten, unbedingten Idealzustandes von Philosophie, und dies gar mit einem Mal: ein für alle Mal, gewährleistet sein, um eine dem höchsten Anspruch genügende Grund-

legung beginnen zu können: Mit dem 'hinreichenden' Anfang ist beispielsweise auch gesetzt, daß jener schon zu Beginn bestehende und maß-

gebende Anspruch dann nicht übergangen, sondern eingelöst ist, wenn er am ‘Ende’ des betreffenden systematischen Unternehmens zu seinem Recht gekommen sein wird.

Dieser

Anspruch

aber

charakterisiert

Transzendentalphilosophie

wesentlich: Anknüpfend an zuvor Gesagtes kann zugestanden werden, daß Philosophie im allgemeinen eine Begründungsfunktion für die einzelnen Wissenschaften, darüber hinaus aber auch für alle nicht-wissenschaftlichen Lebensbereiche, wie Kunst, Religion, Politik u. a., ausübt, und zwar im Sinn einer die jeweiligen fächer- oder bereichsspezifischen

Metatheorien übergreifenden Einheit oder Wechselbezüglichkeit der Reflexion, die ihr reales Pendant in der Einheit und Wechselbezüglichkeit des bestimmten, gelebten Lebens selbst hat. — Für die transzen-

55 Darauf wird im Kapitel 13 noch einmal unter anderer Rücksicht zurückzukommen sein.

24

Systemtheorie und Systemkritik

dentalphilosophische Betrachtung wird dann eine derartig konzipierte Philosophie selbst noch einmal Gegenstand ‘letzten Fragens’ werden, und dies gemäß allen Gesetzmäßigkeiten, die eben solches Fragen strukturieren, ja allererst ermöglichen. Die Grundaufgabe von Transzendentalphilosophie stellt sich demnach in dreifacher Weise dar: Es läßt sich erstens transzendentaltheoretisches Denken entwerfen, das ın besonderer Weise bereichsspezifisch verfährt, so mag es transzendentalanalytische Erörterungen

zur

Kunst,

Religion,

Politik,

zu

den

einzelnen

Wissenschaften oder zu ganzen Wissenschaftsgruppen und -bereichen geben. Ihre besondere Gestalt gewönne sıe hier insbesondere als allgemeine Wissenschaftstheorie, Methodologie und Hermeneutik, sofern darin gerade das Moment ıhrer besonderen Frageweise: nach Gründen und Bedingungen einer Sache, eines Sachverhalts, a priori zu ihrer Realität oder Faktizität: aus dem ‘Wesen’ eben dieser Sache, des Sach-

verhalts selbst, maßgebend ist. — Es läßt sich zweitens transzendentales Denken konzipieren, das die Grundaufgaben der Philosophie als solcher und im Ganzen reflektiert. Ihre besondere Gestalt auf dieser Ebene der Reflexion wird dann einerseits durch die Kritik der Philosophie selber und ihrer Geschichte bestimmt sein: als einer Form der Selbstkritik der Vernunft, die in ihrer philosophiegeschichtlichen wie systematischen (und zwar auch vermittels der Philosophiegeschichte) Erscheinung sich in dieser Weise jeweils wesentlicher auf sich selbst besinnt. Auf der anderen Seite wird die systematische Aufgabe der Philosophie als solcher ganzer die Gestalt ihrer Systematik bestimmen: wiederum unter dem Doppelaspekt, daß diese Aufgabe einmal philosophiegeschichtlich, zum anderen sachlich-systematisch (im engeren Sinn) akzentuiert erscheint. — Noch anders gewendet könnte man diese beiden Aspekte auch als zwei geschichtliche Dimensionen von Philosophie überhaupt auffassen: Der eine Blickwinkel thematisiert Philosophie als auf die Gesamtheit nicht nur alles Gegebenen hingerichtet, sondern auch auf sich selbst als auf ein Gegebenes, und d. h. als auf so Gewordenes, der andere Blickwinkel thematisiert sie als überhaupt erst Werdendes, noch genauer: als zu-Verwirklichendes, erst Sein-, Werden-Anfangendes. Im Wechselverhältnis von Systematik und Geschichte wäre dann das eine Mal mehr die historische, das andere Mal mehr die systematische Komponente methodisch zum Maßstab genommen.?? — Transzen23 Insgesamt läßt sich sagen, daß sowohl ‘Vergangenheit’ und ‘Zukunft’ als geschichtliche Kategorien, wie auch als ‘systematische’ und 'gesamt-geschicht-

Dreifache Begründungsfunktion

25

dentalphilosophie läßt sich drittens, und das wäre ihr strengster Begriff, als die systematisch entworfene und durchgeführte Prinzipien(Grundlagen-)Reflexion der Philosophie insgesamt und als solcher begreifen, jedenfalls soweit und sofern es sich dabei um

sog. ‘letzte’

(oder erste) Prinzipien handelt. Es wäre unter einem anderen, methodologischen Aspekt die Selbstanwendung von Philosophie auf sich selbst: in ihrer prinzipiellen Aufgabe und Leistung selber. Als ihre spezifische Gestalt auf dieser letzten Reflexionsebene würde sich dann eine fundamentale Prinzipienreflexion ergeben; darin wird sich die Reflexion auf die Prinzipien, aufgrund deren die Philosophie gewissermaßen die einheitliche ‘Meta-Theorie aller übrigen Wissenschaften (und Lebensbereiche) ist, überschneiden mit derjenigen auf die Prinzipien, aufgrund deren die Philosophie allgemeine Wissenschaft von letzten Gründen (als der Antworten auf letzte Fragen) ist, und beides wiederum wird sich überschneiden mit derjenigen Reflexion, aufgrund deren Philosophie überhaupt kritischer Reflexion ihrer selbst — und hier noch einmal eben auf dies kritische Instrumentarium in Hinsicht auf seine Funktion und Aufgabe — fähig ist. Transzendentalphilosophie wurde so schon oben in ihrem Vorbe-

griff als die Grund- oder Fundamentaldisziplin der Philosophie bezeich-

net. Dies läßt sich nunmehr noch näher bestimmen: Als fundamentale Prinzipienreflexion ist sie selber ein systematisches Ganzes, d. h. also ein Wissen, das nach den Regeln strengster Wissenschaftlichkeit die vielfältigen Aspekte, Momente und Elemente zu prinzipieller Einheit zusammendenkt und -sieht. Nach der Annahme dieser unserer ganzen Konzeption handelt es sich aber um eine Reflexion, die als letztbegründende nicht nur letzte Begründung alles übrigen Wissens, Geltens, Sollens, Hoffens usw. zu sein hat, sondern sachlich in-eins damit auch die eigene Reflexion, in welcher solches Begründen sich zur bewußtseinsmäßigen Erscheinung gelangt, noch einmal begründen muß, ohne doch auf ein anderes Denken, ein anderes Reflektieren verweisen liche’ Kategorien des Verständnisses von Philosophie im Ganzen sich selbst wiederum relational zueinander verhalten. Dies Verhältnis ist einer Auslegung durch das aktuale Philosophieren des einzelnen Philosophen fähig, wird somit jeweils neu durch die in der Gegenwart sıch artikulierende ‘Praxis’ des Philosophierens selber weiter bestimmt. Daß dabei jeweils — im einzelnen ungeheuer vielfältig kombinierbare — Akzentuierungen in dieser oder jener Richtung möglich, ja unausweichlich sind, liegt gerade im relationalen Grundcharakter der so gefaßten Philosophie begründet.

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Systemtheorie und Systemkritik

zu können. Sie muß somit letzt- und selbstbegründende Reflexion in unbedingter Weise zugleich sein und sich als solche von ihrem Anfang bis zu ihrem Ende bzw. Resultat vollziehen. c) Grundzüge einer allgemeinen Systemtheorie, in Form von grundlegenden Postulaten Mit dem Gesagten sind mehrere wesentliche, konstitutive Aspekte dieser Prinzipienreflexion in ihrer Systematik klar geworden: Ganz formell betrachtet zeichnet sich somit besagte Systematik einerseits ab als eine Vielbeit von Aspekten, die alle unmittelbar konstitutive Momente jener umfassenden Prinzipienreflexion sind und als solche weiter, wie sich zeigen wird, nicht in einem Verhältnis von Art- zu Gattungsbegriffen stehen, sondern sich logisch als einander gleichgeordnete Begriffe zueinander verhalten. Anderenfalls, so könnte man an dieser Stelle methodenkritisch argumentieren, entstünde ein Regressus in infnitum. — Die sich gleichwohl ebendarin auch manifestierende Einheit, von der die Rede war, muß somit von wesentlich anderer Art sein als

gewöhnlich. — Nur eine andere Sicht bedeutet es, wenn diese Einheit auch als ‘Grund’ bezeichnet wird. Die soeben erörterte Vielheit auf Prinzipienebene verhielte sich demgegenüber jedoch nicht als ein Abgeleitetes, sondern wiederum nur als ein anderer Aspekt eben dieser Einheit selbst.?4 In einer zum soeben Auseinandergelegten vergleichsweise mehr *in-

haltlichen’ Sicht lassen sich dann verschiedene Gesichtspunkte in Form allgemein methodologischer

oder systematischer —

was in unserem

jetzigen Kontext das gleiche bedeutet — Sätze festlegen. Sie können

vorweg als systematische Postulate aufgefaßt werden; im Verlauf der durchgeführten Prinzipienreflexion wird dieser ihr Charakter dann aufgehoben werden zugunsten von unbedingter prinzipialer Ein-

sicbt.?5 — Solche Sätze können vorweg allerdings noch einmal unterteilt 24 Dazu wird im Laufe des Gedankenganges weiter unten noch Verschiedenes auszuführen sein; vgl. unten Abschn. d, und Kapitel 5. 25 Noch einmal sei erinnert, daß wie diese ganze einführende Darstellung, so auch schon die einzelnen aufbauenden (systematischen) Gedankenschritte

abgekürzt, gleichsam exemplarisch und sozusagen nur in Auswahl vorgeführt werden können. Nur in der allerersten Hinführung zu unserem Thema wurde bisher eine relative Lückenlosigkeit des Gedankens angestrebt.

Allgemeine Systemtheorie

27

werden; erstens in solche, die primär und direkt rein theoretischen Charakter haben, d. h. deren Gegenstands- und Aufgabenbereich der Frage subsumierbar ist: Was ist — bzw.: ‘ist’ etwas, und warum, wozu, usw. ist etwas — Gegenstand des Erkennens bzw. Denkens und ist

damit, daß es solcher Gegenstand ist, völlig adäquat oder sachange-

messen vom menschlichen Subjekt erfaßt (sofern es überhaupt intentional, also auf Gegenstände hingerichtet, strukturiert ist)? — Zweitens können solche Sätze charakterisiert sein durch die Subsumierbarkeit unter die Frage: Was ist — bzw.: ‘ist’ etwas, und warum, wozu, usw. ist etwas — Gegenstand auch des Erkennens bzw. Denkens, aber so, daß damit schon allein noch nicht seine Gegenständlichkeit als solche im wesentlichen gekennzeichnet ist; vielmehr müssen weitere, praxisbezogene Frageaspekte zur völlig adäquaten Erfassung des Gegen-

standes durch das Subjekt hinzukommen, so daß der betreffende Gegen-

stand im wesentlichen insofern Denkobjekt ist, als er zugleich auch Gegenstand eines (des) Sollens, Glaubens, Hoffens, überhaupt auch eines Handelns (als Ziel) oder auch nur eines Erlebens (z. B. ästhetisch) ist. — Hier sollen zunáchst nur die in der Einteilung erstgenannten Sátze kurz erórtert werden.

Sie sind nach allem bisher Auseinandergelegten gleichbedeutend mit

den konstitutiven Ausgangs- oder Anfangssätzen einer jeden Systematik

überhaupt und als solcher, deren oberste und umfassendste die Philo-

sophie selber ist; sie sind somit hier selber unter dem 'System' als solchen verstanden, und dies genau nach den Gesichtspunkten ihrer 'transzendentalen’ Charakteristik. — Es handelt sich anders gesagt um Sätze, welche die Funktion der allgemeinsten und schlechthin unbedingten Prinzipien selbst ausdrücken oder darstellen. — An Gesichtspunkten, die in dieser Weise systemkonstitutiv wirken, lassen sich dann in einem kurzen Überblick, der keine restlose Vollständigkeit beansprucht, folgende angeben: 1. Eine jede solche Systematik stellt eine geordnete Einbeit dar, die ihren Einheitscharakter durch die Wirksamkeit oder die Leistung eines einzigen Prinzips erhält. — 2. Ein solches Prinzip macht je für sich die Systematik noch nicht aus, sondern erst seine Wirksamkeit an anderen Bestandsstücken oder Elementen des Systems; zu-

gleich ist damit klar, daß dies Prinzip nicht nur der Wirksamkeit (Operativität) nach den übrigen Bestandstücken sachlich und logisch vorgeordnet ist, sondern auch, daß es — unter gewissen noch näher zu

bestimmenden Umstánden — auf alle Elemente in der gleichen Weise

einwirkt. — Besagte Umstände werden noch näher zu bestimmen sein;

28

Systemtheorie und Systemkritik

vorerst sollen jedoch die formalen Prinzipiencharaktere noch weiter dargelegt werden: 3. Auch die Vielbeit, die innerhalb eines solchen Systems eine wesentliche Funktion oder Aufgabe hat, muß ihr eigentümliches Prinzip haben (so die Elemente als viele). — 4. Der hier zutage tretende Einheits- und Vielheitsaspekt darf weder dem Prinzip von Einheit, noch demjenigen von Vielheit (Mehrheit) widersprechen; d. h. beide müssen in ihrer Einander-Zuordnung schon jeweils eine Selbstapplikation ıhres eigenen Prinzipseins darstellen: Wenn prinzipiale Einheit gilt und fungiert, so muß sie dies auch in einem Gesamtzusammenhang, in welchem sıe selber ‘nur’ eine (formale) Teilfunktion oder ein Teilmoment ausmacht; ebenso die prinzipiale Vielheit. — Anders formuliert hieße das, beide Fundamentalaspekte dürfen nicht unvereinbar sein miteinander, und zwar aufgrund ihres je eigenen Prinzipseins selber. — 5. Die unmittelbare Folge dieses Sach- oder Leistungsverhalts ist, daß ein solches System prinzipiell formell widerspruchsfrei sein muß; damit ist nur der vorige Punkt expliziert. — 6. Alle weiteren im Begründungszusammenhang des systematischen Ganzen vorkommenden Momente, Aspekte und dgl., d. h. alle möglichen demgegenüber besonderen Erkenntnisse und Einsichten, müssen in einer grundsätzlichen, eindeutigen Beziehung auf die ersten und ursprünglichen Prinzipien (oder Prinzipienmomente) von Einheit und Vielheit, wie umschrieben, hingeordnet werden können; diese Beziehung kann unmittelbar oder vermittelt sein. Auch dieser Satz ist nur eine Folge aus den vorherigen. — Anders gesagt, wird ein derartiges weiteres Moment sich daher entweder als in einem solchen Bezug stehend und fungierend aufweisen lassen, oder es wird nicht zum System gehören. — 7. Die unmittelbare Folge ist: man könnte diesen Sachverhalt auch so ausdrücken, daß ein solches System in jedem seiner Teile “entscheidbar‘ — im Sinn der (festzustellenden, möglichen) Systemzugehörigkeit oder Systemnichtzugehórigkeit — sein muß. — 8. Entsprechend dem zuvor

(in Satz Nr. 4) Gesagten muß weiter auch das Ganze des so charakte-

risierten Systems als Ganzes für sich selbst beurteilbar sein: Dies ist eine Konsequenz aus dem Satz der Widerspruchsfreiheit (Nr. 5) und der

Entscheidbarkeit (Nr. 7). — Anders gewendet bedeutet das, daß dies

Ganze unbedingterweise und als solches unter keiner irgend möglichen oder tatsächlichen Rücksicht als “Teil’ bzw. als an Teil-Eigenschaften in spezifischer Weise teihabend angesehen werden kann. — Noch anders gesagt, meint dies nichts als die Fähigkeit des Ganzen zur Kritik an sich, als Selbstkritik. — 9. Die weitere unmittelbare Folge ıst, daß dies

Relationalität als Fundamentalstruktur

29

System im Ganzen wie in jedem seiner Teile — seien dies auch nur prinzipiale Aspekte, oder auch Beziehungsverhältnisse oder was immer —, sofern diese einen wesentlichen oder konstitutiven Bezug auf eben dies Ganze besagen, stets und grundsätzlich der Forderung einer Selbstapplikation muß gehorchen können; und dies in dem Sinn, daß darunter die Selbstanwendung eines jeden von allen konstitutiven Prinzipien oder Sach-(Leistungs-)Verhalten begriffen werden muß. — Unter einer etwas veränderten Rücksicht wird man im übrigen unter diesem letzten Satz den fundamentalphilosophischen Ursprung des in

abgeleiteteren Verhältnissen erblicken können.

so genannten

“Vollständigkeitsaxioms’

d) Relationalität als Fundamentalstruktur Damit soll die Reflexion auf den Komplex der ersten Prinzipien abgebrochen werden. Sıe könnte und müßte natürlich an sich noch entsprechend weiter ausgeführt werden unter den konstitutiven Gesichtspunkten etwa der Begriffe von Notwendigkeit, (unmittelbarer) Evidenz (Gewißheit), aber auch von Geltung (Wahrheit) u. à. — Ein wichtiges Ergebnis unseres Sätzekatalogs ist jedoch, daß schon jetzt, aus der bloßen ‘Systematik’ dieser Konstruktion heraus,?® eine bestimmte

Gesamtstruktur dieses Prinzipienzusammenhanges deutlich wird: Es handelt sich dabei, metaphorisch gesprochen, um eine Art von Ring-

struktur oder Zyklik, Zirkularität (bes. von Satz 1—4). Damit ist

schon von einem methodologischen Vorblick aus, im wesentlichen der

Sachverhalt gemeint, daß alle soeben vorgetragenen Sätze in einer

besonderen

und

so nicht

mehr

wiederholbaren

Weise

durch

ihren

wechselseitigen Bezug konstituiert sind. Man könnte sogar, in umgekehrter Blickrichtung, diese durchgängige Bezüglichkeit als die allen

jenen, in den einzelnen Sätzen bestimmten, Prinzipien-Verhalten immanente Prinzipialität erster und ursprünglichster Ordnung bezeich-

nen. Damit wäre jedoch kein seinem besonderen Gehalt nach neues, zusätzliches Prinzip gemeint, sondern nur die letzte, bislang verdeckte Konsequenz aus den Anfangssätzen gezogen: Diese Relationalität wäre

nichts anderes als die besondere Weise, in der sich die grundlegenden

26 Beides entspricht sich allerdings, wie spätestens am Ende der Satzreihe klar geworden ist.

30

Systemtheorie und Systemkritik

Prinzipienmomente

(Einheit, Vielheit) ursprünglich zueinander ver-

halten und gemäß der dann auch das Ganze strukturiert ist. Es liegt darin somit kein sachliches ‘Überprinzip’ vor, sondern darin drückt sich wesentlich die innere Logik dieser ersten Prinzipialität selbst aus. —

Für die besondere transzendentaltheoretische Problemlage ist freilich noch ein weiterer Punkt entscheidend. Er läßt sich sozusagen als methodologischer Zusatz so formulieren, daß jenes System schon nach Voraussetzung im strengen Sinn universal, allumfassend in seiner Geltung zu sein hat, so daß außerhalb seiner im strengen Sinn nur der Ungedanke, der Unbegriff, die Unvernunft, das Unding, der Unsinn einen problematischen Ort zu haben vermag.

4, ALLGEMEINE

PRINZIPIENLOGISCHE

GRUNDLEGUNG

Transzendentalphilosophie läßt sich heute aufgliedern in die beiden großen Zweige einer, mehr oder minder transzendentalen, Phänomeno-

logie und der Geltungstheorie im engeren Sinn. Sie können auch als

rein konstitutionsanalytisch und primär wahrheits-(geltungs-)theoretisch orientiert einander gegenübergestellt werden. Die Phänomeno-

logie geht, wie im Terminus schon angedeutet, in ihrem Ansatz auf die Erforschung der Gründe, Bedingungen und Strukturen aller Bewußtseinsgehalte aus, sofern sie durch Intentionalität auf Gegenständlichkeit

hin, zugleich aber auch durch Apriorität charakterisiert sind. — Die Geltungstheorie versteht sich im allgemeinen als Analytik von Geltungen überhaupt, deren oberste Dimensionen in den Begriffen von Wahr-

heit, Gewißheit, Stringenz sich bestimmen lassen. Anders gewendet,

könnte man auch von einer universellen Wahrheitsfrage sprechen, dergemäß nach ‘Wahrheit’ nicht nur im Hinblick (ebenfalls) auf Gegen-

ständlichkeit überhaupt, sondern darüber hinaus auch im Hinblick auf jede Denktätigkeit, gemäß der Berechtigung aus ihren Prinzipien her gefragt wird, und so dann auch die Reflexion auf unbedingte Prinzipien überhaupt; ‘Wahrheit’ würde dann natürlich in einem weiteren Sinn als gewöhnlich gebraucht.

a) Geltung als Urteil und Synthesis

Uns soll hier nur die zweite Perspektive weiter beschäftigen. Dabei besteht in methodischer Hinsicht die Ausgangsbasis in einer transzendentalen Urteilsanalytik, die auch philosophiehistorisch in der Mehrzahl transzendentaler Philosophien im engeren Sinne gegeben ist.?? — Dieser Ansatz ist weiter nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß seit Arıstoteles zu Recht diejenige Form von Erkenntnis oder von Wissen, die schon ihrer logischen Struktur nach, sozusagen strukturimma-

nent, den höchsten oder formal vollkommenen Grad von Sicherheit, 51 Vgl. dazu im bibl. Anhang bes. Nr. 12 u. 13.

32

Allgemeine prinzipienlogische Grundlegung

Gewißheit in sich schließt, als alleın im Urteilswissen bestehend gesehen

wurde; genauer: in einem Wissen, das sıch selbst als klare und deutliche

Vieleinheit bestimmt — unter relativem Absehen vom jeweiligen behaupteten Inhalt — und diese seine Bestimmtheit formal absolut setzt: dies meint der Begriff des Urteils in diesem Kontext. Die Frage nach der ‘Rechtfertigung’, der quaestio iuris, des Wissens findet hier durch die Form selbst dieses Wissens einen ersten Fixpunkt. — Natürlich ist damit die Frage nach der Rechtfertigung des jeweiligen Inhalts keineswegs aufgehoben, doch für unsere Fragestellung spielt dies zunächst keine besondere Rolle, da hier gerade die schlechthin allgemeinen Strukturen vorerst allein interessieren. Jene Frage würde hier zu stellen sein als die nach der Konstitution der Materie des Urteils ;» ihrem Bezug auf die Urteilsform. Hier hätten dann Phänomenologie, Sprachphilosophie neben anderem ihren systematischen Ort.?8 Wir beschránken uns hier jedoch streng auf den skizzierten prinzipientheoretischen Zusammenhang. Darin kann die Frage nach Bedeutung,

Funktion und systematisch-methodologischem Ort des Urteils leicht

beantwortet werden, wenn man beispielsweise darauf achtet, daß alle im vorigen formulierten Sätze allgemeinster systematischer Relevanz gar nichts anderes waren als Ausdruck allgemeinster und unbedingter Geltung: als eines unumgänglichen Faktors von Vernunft, von vernünftigem Denken überhaupt. Als solche Sätze bildeten sie einen

Urteils-Zusammenhang. — Das Eigentümliche aber war weiter, daß

gleichzeitig der gesamte ‘Inhalt’ dieses Urteilszusammenhangs eben diese Geltung, in ihrer schlechthin unbedingten, prinzipiellen Form zum Gegenstand hatte. Es ergibt sich also ein weiterer Aspekt der schon erwáhnten Selbstapplikation, insofern nàmlich zwischen dem als absolut gültig Behaupteten und seiner logischen Form, als geltungsrelevant, eine strenge Konvergenz dem Anspruch nach gegeben ist (bes. wie gesagt, was Satz 1—4 betrifft). Dazu kommt, daß das Urteil seiner formallogischen Struktur nach Synthesis besagt, Synthesisfunktion ausübt. In unserem Kontext der Prinzipienreflexion in Gestalt der erwähnten Sätze ist damit aber weiter gegeben, daß die Zirkularität des Ganzen, im Wechselbezug der einzelnen Prinzipienmomente mitsamt dem dieser Struktur immanenten

Gesamtprinzip von Relationalitát oder Bezüglichkeit schlechthin ihre 28 Vgl. dazu in der Reihe dieser Einführungen z. B. von E. Heintel, Einführung in die Sprachphilosophie, Darmstadt 1972 (dort auch weitere Lit.).

Geltung als Urteil und Synthesis

33

Entsprechung findet in der Formstruktur der Urteile, als welche die

besagten Sätze sich bestimmen. — Unter der Rücksicht der schlechthinnigen Universalität und Unbedingtheit des Prinzipienkomplexes hinsichtlich seines Geltungsanspruchs, auch sich selbst gegenüber, ergibt sich dann weiter als Konsequenz ein Zusammenfall von sog. ‘Form’ und sog. ‘Inhalt’ eben dieses Komplexes. — Das bedeutet, daß wie unter dem Blickpunkt des ‘inhaltlich’ Behaupteten, nämlich der systemtheoretischen ersten Prinzipien, auch die formallogische Struktur dieses Ganzen, als systematisch relevantes Etwas, diesen Prinzipien Genüge tun muß, umgekehrt auch diese Prinzipien in ıhrem Wechselverhältnis gleichbedeutend sind mit der Synthesis eines jeden Urteils, in welchem sie sich manifestieren und bestimmen, und mit der Synthesis aller dieser Synthesen.?? — Es resultieren an dieser Stelle eine Mehrzahl möglicher weiterer Konsequenzen von system- und geltungstheoretischem Belang: So wäre z. B. die Differenz von Intentionalität als von denkend (als Anspruch von Geltung) Verméintem, wie es hier nur verstanden werden kann, und dem sich darin kundtuenden Prozef$ der Vermittlung mitsamt dem ihm gemäßen Instrumentarium, gerade als (auch) einer transzendentalen Bedingung der Durchführung jenes Systemganzen unterliegend zu verstehen, u. à. Daraus soll hier im Folgenden nurmehr ein einziges Thema ausgewählt werden, an Hand von dessen Erörterung dann allerdings in exemplarischer Weise die gesamte weitere Vorgehensweise klarwerden kann. Gemeint ist die Beziehung, die zwischen der hier begonnenen Reflexion auf erste und ursprüngliche Prinzipialıtát und gewissen Grundprinzipien der formalen Logik, die ja die formellste Allgemein wissenschaft zu sein beansprucht, besteht. Dies Thema soll freilich so behandelt werden, daß nicht einseitig bloß eine

29 In einer anderen Disposition unseres Gesamtthemas hätte man zuvor an Hand der Begriffsstruktur die Differenz von sog. ‘Form’ und ‘Gehalt’ — die nicht zusammenfällt mit derjenigen von Umfang und Inhalt — klären und dann die Anwendung auf das Urteil machen kónnen. Indessen ging es uns hier darum, gerade den Aspekt des geltungstheoretisch identischen Ursprungs aler solcher systematisch relevanten Kategorialbegriffe, wenigstens in einer allerknappsten Darlegung, ins Licht zu stellen. — Insgesamt betrachtet läßt sich ein mehrfacher Anfang oder sachlicher Problemzugang konzipieren, zumindest mit Blick auf die ursprüngliche Mehrheit ursprünglicher, prinzipieller Bestimmungen. Grundsätzlich wird man hier strenge Gleichberechtigung ‘von Anfang an’ zugestehen müssen; und so ist denn der Fortschritt des Wissens in diesem Anfang keineswegs ‘linear’, sondern ‘komplex’.

34

Allgemeine prinzipienlogische Grundlegung

(transzendentale) Grundlegung etwa der formalen Logik das Ziel wäre, sondern daß damit mindestens sachlich zugleich die erkenntnisund wissenstheoretische Struktur des Komplexes erster Prinzipialität an sich selbst noch klarer: wird; dies aber wird sich dann gerade auf jenes Wechselverhältnis der Prinzipienmomente beziehen und unmittelbar verbunden damit auf den Aufbau einer exemplarischen Systematik als prinzipienlogischer Prozeß.

b) Die Sätze der Identität und der Bezüglichkeit Nochmals wird die Thematik einzugrenzen sein: So soll eine solche formal- und prinzipienlogische Analytik hier nur am Fall des sog.

Satzes

vom

Widerspruch

(eigentlich:

vom

Widerspruchsausschluß)

durchgeführt werden; unter leicht veränderter Rücksicht läßt sich dieser Satz auch als Satz der qualifizierten /dentität formulieren. — Die Beziehung zum oben Erörterten ist leicht herzustellen. Die umfassende und zu ihrem Komprinzip (Vielheit) korrelative Einheit war als fungierendes, leistendes Prinzip ganz formal bestimmt worden; d. h. daß diese Einheit in dem Vielen eben nichts als nur allein Einheit besagte, eine Bestimmung, die dann rein für sich genommen ‘Einheit’ in Potenz

(als rein möglich oder auch: streng für sich) und: ‘Einheit als wirksam’

wäre: beides in der gleichen strengen Formalität ‘eins’. Das meint Identität. — Eine recht strenge Definition des betreffenden Grundsatzes hat

man seit Platon und Aristoteles gefunden: Daß dasselbe demselben in

derselben Beziehung (oder: gemäß demselben) zukommt (von ihm gilt,

auf es zutrifft u. à.) und nicht zukommt, ist unmöglich3° Der Gedanke

läßt sich mehrfach nach je anderen Rücksichten oder Begriffen abwandeln; darauf kommt es hier aber nicht an. — Es soll noch kurz eine

Schwierigkeit in der Formulierung erwähnt werden: Gerade der Ge-

sichtspunkt ‘in derselben Beziehung’ ist nicht selten ersetzt worden durch eine Zeitbestimmung, nämlich die der Gleichzeitigkeit. Man sieht

sofort, daß damit keine strenge Definition von Identität in eindeutiger Ausdrucksweise möglich ist; denn was zur gleichen Zeit nicht möglich ist, kann dies sein zu verschiedenen Zeitpunkten. Die viel größere Schwierigkeit ist aber im Falle dieses Prinzipien-

80 Vgl. z. B. Aristot. Mer IV, 4 (1005 b 18—22) u. ὃ. — Bei Platon vgl.

Polit. IV, 12 (436 b, e, 437 a).

Identität und Bezüglichkeit

35

Satzes, eine genaue Definition sowohl von Identität als auch von Widersprüchlichkeit (vom Widerspruch) zu erhalten, und schließlich wäre auch dann immer noch die betreffende ‘Beziehung’ zureichend zu definieren. Genau besehen liegt ja im angeführten Satz zunächst und im strengsten Sinn nur eine Definition von Notwendigkeit vor, die allerdings unmittelbar eine Anwendung gestattet; wenn man einmal die hier

gegebene Notwendigkeit als Kontradiktion von (oder zu) absoluter

Unmöglichkeit nimmt. Die komplementäre Formulierung wäre dann: Daß dasselbe demselben in derselben Beziehung (nur) unter einer ausschließend einzigen Rücksicht zukommt, ist notwendig. Komplementär zur vorigen Formulierung wäre diese, insofern die Bestimmung von oben; ‘zukommt und nicht zukommt’ im Licht der jetzt relevanten Einzigkeitsbestimmung zu verstehen wäre: eben als ‘mehr als nur in einer Rücksicht. — Nun sieht man schon leichter, daß für “Identisches’ hier höchstens eine implizite Definition vorliegt, wohingegen Unmöglichkeit und Notwendigkeit ausdrücklich klar sind. Dennoch kann nunmehr mit Bezug auf die Negation, in der ersten Formulierung, und die Einzigkeit in der zweiten Formulierung definitorisch näher bestimmt

werden: Wenn man ‘Zukommen’ versteht als ‘Gesetztsein‘, so ergibt

sich der Satz: Wenn überhaupt irgend etwas in einer Beziehung steht, so ist allgemein gesprochen mit der Differenz von Bezogenem und Bezug (Beziehen) die Identität jedes Bezogenen wie auch des Beziehens selber für sich eben dadurch gesetzt. — Für unseren Fall nun ist zu setzen, daß sowöhl das Bezogene als auch der Bezug (das Beziehen) schlechthin und ausschöpfend allgemein verstanden werden: Es gibt nichts, unter welcher Rücksicht auch immer, das nicht entweder Bezogenes oder Bezug (Beziehen) wäre. — Die allgemeine Problematik der Prinzipienreflexion

im erwähnten Sinn kann somit speziell an Hand der Beziehungsstruktur erörtert werden.3! Als Sätze, die den Bereich (Leistungs-)weise erster Prinzipialität aussagen, diese: Ein Bezogenes ist dann und nur dann wenn es durch ein absolut (schlechthin) einziges

und die Wirkensergeben sich dann ein und dasselbe, Beziehen bestimmt

ist; insofern “ist” es ein und dasselbe (ein Identisches). Daraus fol-

gen die beiden schon genannten Sätze von der Unmöglichkeit eines Widerspruchs (an Identischem als solchem) und von der Notwendig31 Insofern ist mit dieser Betrachtung des Problems auch schon methodologisch der Rahmen für eine allgemeinste Beziehungslehre als philosophische Fundamentaldisziplin gelegt.

36

Allgemeine prinzipienlogishe Grundlegung

keit des Zusammenfalls von Einzigkeit und Bezüglichkeit (an Identischem als solchem).

Wichtig ist dann noch der Fall, daß das Beziehen selbst zu einem der-

artigen Bezogenen gemacht, als derartiges gesetzt wird. Es resultiert der

Satz: Ein Beziehen ist als solches dann und nur dann ein und dasselbe (identisch mit sich), wenn es — außer daß es Bestimmung eines (bezogenen: mit ihm, dem Beziehen, selber nicht identischen) Etwas ist —

einziges und absolutes Bestimmen seiner selbst ist. — Damit hätten wir sodann faktisch den Fall, daß strengste Identität als solche, schon ın der ganz formalen prinzipienlogischen Analytik, Einheit von ursprüng-

licher Selbst- und Fremdbestimmung besagt.3? Es dürfte weiterhin klar sein, daß der Grundsatz in seiner Geltung vom Beziehen als solchem keineswegs verwechselt werden darf mit dem Grundsatz, sofern er (nur) von Bezogenem gilt.

Damit sei die Erörterung vorläufig abgebrochen. An sich wären an dieser Stelle Konsequenzen in mehrfacher Richtung móglich, und auch systematisch notwendig; so wäre ähnlich wie schon in bezug auf Iden-

tität, Notwendigkeit usw. auch hinsichtlich von Setzung, Bestimmung,

Negation usw. zu argumentieren. Das, was aber auch für diese, hier

nicht mehr durchzuführenden Reflexionen schon durch diese eine erste, paradigmatische

Reflexion

als gültig erwiesen

worden

ist, ist dies:

Auf einer absolut ursprünglichen Reflexionsebene ist schlechthin überhaupt keinerlei geordnete Klärung auch nur anfangend zu erreichen, wenn

nicht schon zu Beginn sofort und ‘mit einem Schlage’33 eine

gewisse Mebrbeit prinzipieller Bestimmungen gesetzt ist, die jedoch

3? Es ließe sich ohne größere Schwierigkeit zeigen, daß damit das formale

Gerüst, jedenfalls im Grundansatz, des Kernstücks der prinzipientheoretischen Überlegungen etwa von Fichte, Schelling und Hegel getroffen ist, so z. B. die

Bestimmung Hegels, das Absolute sei nur als ‘Identität von Identität und

Nichtidentität’ zu begreifen. — Selbstverständlich ergeben sich auch für den hier vorgelegten Weg der Reflexion eine Fülle weiterer, z. T. erkenntnis-

theoretischer, z. T. auch ‘ontologischer’ Fragen: wovon z. B. nur eine wäre, ob

nicht neben der Charakterisierung von Relation weitere als ‘Setzen’ möglich wäre u. à.

als ‘Bestimmen’

noch eine

33 Anknüpfend an diesen Begriff wäre weiterführend z. B. mit Bezug auf

spätantikes 'prá-idealistisches Denken, wovon oben kurz die Rede war (vgl. Kap. 2, a u. b), eine System-Morphologie auszuarbeiten. Vgl. dazu hinführend die Untersuchungen von H. Blumenberg zur Metaphorologie (Paradigmen zu einer M., Bonn 1960).

Identität und Bezüglichkeit

37

eindeutig in einem Verhältnis immanenter Bezogenheit, als dynamische Einheit, zugleich begriffen sind. Damit ist nunmehr jene in den metho-

dologischen Grundsätzen zuvor schon gesetzte Maxime

einer Viel-

Einheit als des absolut ersten und fundamentalen Ausgangs einer jeden denkbaren Systematik überhaupt durch unmittelbare und vollzughaft sich erweisende Evidenz bestätigt. — Die hier vorliegende Denkform hat sich demnach auch metaphorisch betrachtet als 'zyklisch', ‘zirkulär’ bestätigt. — Als wesentlichstes Ergebnis kann man feststellen, daß sich auf der Ebene einer ursprünglichen, durch nichts sonst zu hintergreifenden, Prinzipienreflexion, wie hier fragmentarisch geschehen, als das alles entscheidende Konstruktionsgesetz die konstitutive Wechselseitigkeit hinsichtlich aller grundlegenden Begriffe und ihrer prinzipialen

Leistungen oder Primärfunktionen herausgestellt hat. Damit ist weiter

das methodische Prinzip eines strengen sachlichen ‘Zugleich’ oder ‘Zusammen’ in der Wirkens- oder Leistungsweise eben dieser Begriffe bzw. ihrer Funktionen im je entsprechenden Begriffsverband gesetzt. — Das berühmte sog. ‘erste Prinzip’ ist demnach nichts anderes als die Korrelation erster prinzipialer Momente.*4

% Vgl. dazu z. B. v. Verf.: Transzendentalphilosophie

(s. Anhang Nr. 12), $$ 20, 21.

und Metaphysik

5. DIE TRANSZENDENTALE FRAGE NACH EINHEIT SCHLECHTHIN ALS LETZTBEGRUÜNDENDEM PRINZIP

Mit dem zuletzt Ausgeführten nähert sich der Gang dieser Erörterungen nun der Frage nach der letzten Einheit, besser: dem letzten Prinzip des Einen und des Vielen auf einer schlechthin grundlegenden

Reflexionsstufe: dies aber für jetzt im Horizont einer bestimmteren Einheit, welche die verschiedenen Momente und Aspekte, die bisher

behandelt wurden, in strengerer Weise zusammenfaßt. Es gehen dabei

in diese Problematik vor allem die Ideenkomplexe ein, die ihren vor-

läufigen Abschluß in der Systematik der ersten Grundsätze von Bezüg-

lichkeit, Identität und Vielheit hatten. — Die Einheit hatte sich im erwähnten Kontext als Bezugsgefüge einer operationalen Identität erwiesen: In der (relativen) Entgegensetzung von Bezogenem (Relat) und Beziehen (Bezug) war beides vermittels eines bestimmten Selbstverhältnisses als identisch definiert worden, wobei freilich die Identität des Bezogenen in der Identität des Beziehens die Bedingung (a

priori) ihrer eigenen Möglichkeit hatte: Ein Bezogenes ist als ein solches überhaupt nur denkbar im Horizont oder mit Blick auf ein Beziehen

als solches; dieses hinwiederum ließ sich an und für sich definieren durch ein reines Selbstverhältnis (des Beziehens), wobei der Begriff des ‘Bezogenen’ nur analog fungierte. Einheit demnach als reines Beziehen im Verhältnis zu sich selbst schließt die Möglichkeit einer anderen Weise von Einheit, nämlich als ‘ein’ Bezogenes durch und aufgrund von ‘Beziehen’ nicht aus. Beide Verhältnisweisen sind als Bewußtseinsstrukturen in ihrem faktischen Gegebensein evident. — Es ist jedoch nach der inneren, d. h. sachlich vorausliegenden Notwendigkeit dieser Gesamtkonstellation zu fragen: genauer, worin die Notwendigkeit dieser Möglichkeit begründet ist. Dies umfaßt den (vorläufig) höchsten Stand des transzendentalen Problems und kennzeichnet den Kern aller Apriorität. Zu seiner Beantwortung muß auf die im früheren Kontext in unmittelbarer “logischer Nachbarschaft’ behandelten Sätze der Identität im engeren Sinn, als notwendige Gesetztheit eines Einzigen sowie als Ausschluß eines formell Widersprüchlichen, zurückgegriffen werden. — Zunächst scheint sich hier selber ein systematischer Widerspruch aufzu-

Die transzendentale Frage nach Einheit

39

tun: Die Einheit des uranfänglichen Prinzips, als Identität des Bezie-

hens, scheint auf den ersten Blick trotz des genannten Bewußtseins-

faktums in sich keinen Grund a priori, in bestimmter Struktur, für die

Möglichkeit von Vielem zu enthalten, ja enthalten zu können; denn ein Eines und Identisches, das als es selbst (in bezug auf sich) eben damit auch Bezug auf Anderes, nämlich Grund von (möglichem) Anderem zu sein hätte: träfe darauf nicht das Verdikt des Satzes vom Widerspruchsausschluß zu?35 Würde nicht dieses Eine-Erste-Identische als solches — nämlich insofern es: es (sich) selbst ist bzw. fungiert — sachlich und logisch zugleich nicht als solches fungieren — nämlich als nicht sich auf sich selbst, sondern eben auf ein Anderes sich beziehend, oder noch

anders gesagt: als sich zu sich als Beziehen und zugleich nicht sich zu

sich (als Beziehen), sondern sich zu Anderem — als Bezogenes (im strengen Sinn) — verhalten? M.a.W. die Frage nach dem letzten Grund a priori der Möglichkeit eines ‘Anderen’, d. h. also des Vielen, scheint Identität als Letztprinzip zu sprengen.36 Bei genauerem Zusehen zeichnet sich trotzdem eine Lösung ab: Es ist wahr, denkt man jene Identität, wie verborgen und unausdrücklich auch immer, stets noch nach dem Modellbegriff von Bezogenem oder

unterstellt man stillschweigend der Analogie des Bezugsbegriffs eine genau eindeutige (univoke), Analogie aufhebende Sinn- und Bedeutungsspitze, so verstrickt man sich in die genannten Schwierigkeiten.

Das Eigentümliche des Beziehungsbegriffs ist es jedoch, gerade darüber hinaus zu führen. Zur genaueren Klärung muß somit der Begriff des

Bezugs, besser: des Beziehens noch eingehender untersucht werden. —

Gleich vorweg dazu sei methodologisch festgestellt, daß dieser Begriff auf der hier gewonnenen Ebene der Reflexion in keiner Weise verwech-

selt werden darf mit seinen Bedeutungsgehalten oder Funktionsweisen auf abgeleiteteren Ebenen der Betrachtung. — ‘Beziehen’ in diesem Kontext wäre dann neu zu definieren, und zwar aufgrund einerseits der ungenügenden Bestimmungen dieses Begriffs in allen bisher erörterten, abgeleiteten Bedeutungen, aufgrund andererseits der unausweichlichen 55 Der Unterschied eines ‘Anderen’ zu diesem ersten Einen und Identischen als: faktisch oder möglich kann insofern vernachlässigt werden, als es hier stets um den 'Erstaspekt' der Sache (also des Anderen) geht: das aber besagt alle Mal primär seine ‘Möglichkeit’. 96 Ganz unklar würde dadurch weiter sofort die Frage, woher denn dann diese ‘Anderen’, das ‘Viele’ käme, wo die Gründe für spezifisch seine (allerersten) Möglichkeiten gelegen wären.

40

Die transzendentale Frage nach Einheit

Forderung nach einer vollauf zureichenden Bestimmung erster, absoluter Prinzipialität. M.a.W. ‘Beziehen’ wäre zu definieren als absolutes Selbstverhältnis (wie oben geschehen), das sich aber als es selbst so zu sich verhält, daß unmittelbar und in ein-und-demselben Bezug (bzw. formalen Vollzug seines Verhältnisses) damit die Möglichkeit eines Anderen — und damit grundsätzlich von Vielheit — notwendigerweise gesetzt ist. Über den zunächst noch etwas postulatorischen Charakter dieser Definition ist hinauszukommen, wenn man bedenkt, daß schon in der zu Anfang erarbeiteten Definition des Satzes von der Bezüglichkeit die absolute Identität ja gerade durch ein Verhaltnis, des Einenund-Identischen nämlich unter dem Gesichtspunkt von 'Mehrerem',

bestimmt worden war: Das alles Entscheidende war dort, im Licht der

jetzigen Problematik, nicht so sehr die Einzigkeitsperspektive, sondern vielmehr diejenige des Sich-Verhaltens, -Beziehens selbst als solche. Paradox formuliert wäre das Resultat dieser Überlegung dann folgendes: ‘Beziehen’ ist (fundiert) dann (und nur dann) schlechthin absolut

und ist als solches es selbst, wenn und sofern es sich bestimmen laßt als

die Einheit der Einzigkeit oder Identität seines Selbstbezugs mit dem Grundsein für Anderes in der Weise, daß diese Einheit noch einmal — und sachlich vorweg (a priori) — Bezug selber ist: und zwar so, daß genau das in der Zweiheit (Mehrheit, grundlegender Vielheit) der beiden Aspekte von strengem Selbstbezug oder Einzigkeit und Fremdbezug oder Mehrheit (der Relate, Resultate, der Vielen 'als Plural") gesetzte, immanent gültige Moment eines totaleren Selbstvollzugs: als Einheit (dieses Bezugsganzen) sich vollziehend gedacht ist. Beim vollziehenden Durchdenken dieses Gefüges leuchtet seine immanente Notwendigkeit wiederum unmittelbar ein.37 Methodisch und systematisch gesehen sind damit die Urbegriffe von Identität und Nichtidentität sowie von Einzigkeit und Mehrheit (Vielheit) aus ihrer monopolartigen Funktion gelöst und durch die ebenso ursprünglichen und grundlegenden Begriffe von Totalitát, Notwendigkeit und Einheit relativiert, freilich auf der ihnen gemäßen, eigentüm97 An dieser Stelle, wenn überhaupt irgendwo, bewahrheitet sich das im Vorwort Gesagte, daß Philosophieren nicht im Sinn eines Materialwissens gelernt, sondern nur mitvollziehend am ureigenen Objekt selbst ‘erworben’ werden kann. Als ein typisches Beispiel solchen Philosophierens mag denn dieses in sich ziemlich schwierige Stück auch in einer Einführung seinen didaktischen Ort haben.

Die transzendentale Frage nach Einheit

41

lichen Ebene selber. Das absolute Prinzip oder besser: absolute Prinzipialität als solche enthüllt sich demnach nicht unmittelbar und in einem

einzigen Angang, sondern stets und wie man gesehen hat, sachnotwen-

dig in einer analektisch-dialektischen Vermittlung, an deren Ende erst

die volle Einsicht zu erwarten ist. Die Begriffe, die hier in prinzipialer

Weise fungieren, verhalten sich auf dieser Reflexionsebene zueinander konvertibel, d. h. ihr Geltungsmodus ist so, daß jeder von ihnen unmittelbar auf alle anderen zutrifft und so, wie er von ihnen bedingt ist, selber seinerseits sie ebenso bedingt.38 Dem entspricht weiter, daß grundlegende Begriffe hier nunmehr in einer zweifach wechselseitigen Rückbezüglichkeit fungieren: Das besagt, daß alle diese Begriffe, die in ihrem ursprünglichen logischen Ort — wenn auch mit dem Anspruch, für das Ganze zu gelten (Einheit von Selbstbezug und Grundsein), so doch — faktisch zunächst nur in einer Teilfunktion gelten (Selbstbezug im Einzigkeitsaspekt, Vielheit im Begründungsaspekt), im Gang des (das Ganze) vollziehenden Denkens dann der besagten Struktur zufolge vom Ganzen und für das Ganze gelten: und dies aufgrund gerade jener Vermittlung durch die beiden Pole (Einheit — Vielheit) als Totalität

(die beiden Aspekte, je für sich: als Einheit). Gerade das Verhältnis

oder die Beziehung des solcherart charakterisierten und konstituierten Ganzen (der Prinzipien bzw. ihrer Momente) aber als dieses solches auf sich selbst gibt erst den vollen Aspekt, die volle Einsicht. Damit ist das

Absolute als transzendentales a priori letztbegründendes Prinzipien-

gefüge unter allseitiger Hinsicht als in sich relational erhellt. Die Frage nach dem letzten Ursprung von Vielheit wie Einheit beantwortet sich somit durch die grundlegende Struktur des Absoluten selbst: Beides ist in ihm letzthin grundgelegt. — Die beiden Sätze der Identität müssen somit einerseits ergänzt werden wenigstens durch einen Satz der vielheitlich bestimmten Unendlichkeit, sei es in Hinsicht auf Substrate als Relate, sei es in Hinsicht auf die besonderen Bezüge zwischen ihnen.?? Wesentlich aber ist dabei, daß eben dieses beides, Einheit und unendlichfältige Vielheit letztbezüglich sind auf besagte Prinzipienstruktur. 38 Man könnte hier der Vollständigkeit halber noch die Begriffe von Be-

stimmung und Setzung anfügen. Vgl. dazu außerdem noch bei Wagner a. a. O.

$$ 14, 15.

39 So wären als nächstliegende zu nennen: ‘Es gibt unendlich viel Bezogenes’; oder ‘Beziehbares’; die Bezugsmodi zwischen diesem Beziehbaren sind von einer konkret unbegrenzten Vielfalt; u. a. mehr.

6. TRANSZENDENTALE GELTUNGSKONSTITUTION VON FORMALER LOGIK ÜBERHAUPT, ALS VIELSTUFIGE SYSTEMATIK

Die nun folgenden Erörterungen werden sich vor allem mit der The-

matik

beschäftigen,

welche Aufbaurolle

die transzendental-philoso-

phische Sicht für die Philosophie insgesamt hat; es geht also vornehmlich um den zu Anfang an zweiter Stelle erwähnten Fragekreis. Dem-

gegenüber kann die andere Frage, wie transzendentaltheoretisch Philosophie überhaupt begründet zu werden vermag, in einem gewissen

exemplarischen Mindestmaß als beantwortet angesehen werden. — Selbstverständlich kann im Rahmen dieser Einführung wiederum nur ein gleichsam paradigmatischer Blick auf die hier nunmehr anstehenden

Probleme gegeben werden, wobei ebenfalls wie zuvor das Schwergewicht auf dem denkenden Mitvollzug der aufbauenden Methodik

liegen wird. — Das systematisch an dieser Stelle fällige Unternehmen eines im Ganzen wie im Einzelnen wohlgeordneten, auf jeder Stufe wohlbegründeten Ableitungs- oder Deduktionsganges, aufgrund dessen dann die ganze Vielfalt der philosophischen Einzelfragestellungen aus

einem zentralen Problemboden ausartikuliert werden kann, muß einer

anderen Arbeit überlassen bleiben. Hier soll dafür im Zuge besagter

Paradigmatik zunächst ein gewisser Grundrahmen

einer jeden mög-

lichen methodologischen, system- und modelltheoretischen, schließlich auch formallogischen Systematik entworfen werden. Das meint des näheren soviel wie den Aufweis der Abhängigkeit oder die Ableitung der formalen Logik, in einem bestimmten Kernbestand, vom bereits grundsätzlich gewonnenen Prinzipienboden.

Die zuvor dargestellten Sätze absoluter Prinzipalität lassen sich in

eine systematische, d. h. ın eine wohlgeordnete Bezugsganzheit bringen, in der die Sätze sich zueinander verhalten als Satz der Beziehung (als der absoluten Universalstruktur), als Satz der positiv und als Satz der negativ bestimmten Identität. Ergänzend zu den schon zuvor gegebenen Dafür mag ein sehr klares Beispiel etwa die Arbeit von H. Wagner sein: Philosophie und Reflexion, München/Basel 1959.

Transzendentale Geltungskonstitution

43

weiteren Bestimmungen mag hier nur erwähnt werden, daß man diesen

Sätzen wohl noch den Satz einer unbedingten Unhintergehbarkeit des Faktischen — auch wenn absolut an allem gezweifelt oder alles 'negiert’ wird, bleibt eben dadurch notwendig ein Minimum, das solche Negation

transzendiert*! — vorausschicken könnte, der aber dann gerade in

seiner inneren Notwendigkeit durch die genannten Sätze erst durch-

sichtig wird. — Diese Sätze nun alle zusammengenommen schließen dann folgende geltungsrelevante Charakteristiken für eine mögliche

Denkordnung ein: 1. Die unbedingte, absolute Notwendigkeit von

wenigstens einem Moment prinzipialer Geltung, weiter 2. die geltungsgleiche Notwendigkeit oder Unausweichlichkeit einer Mehrheit: wenigstens als einer (formal) bestimmten Zweiheit, 3. schließlich das Gesetz

der Unverwechselbarkeit beider Aspekte (als Regulierungsgrundsatz

des Bezugs zwischen beiden). — Dies wäre, jedenfalls in nuce, die ın der formalen Gesetzmäßigkeit ausschöpfende Darstellung einer jeden möglichen Systematik überhaupt; der Gegensatz dazu ist das schlechthin Undenkbare. Der Reflexion ist es aber nun möglich, sozusagen ihren Standort zu wechseln und, obwohl sie von jener ersten Systematik durchweg bestimmt bleibt, trotzdem einen zusätzlichen Gesichtspunkt beizubringen: Jene Geltungsordnung ursprünglichster Stufe, die auf ihrer eigenen Ebene nur vollzughaft (in intentione recta) letztlich anerkannt werden

konnte, vermag gerade in ihrem Vollzugscharakter von sich selbst

gleichsam distanziert zu werden und Gegenstandscharakter (im engeren

Sınn) anzunehmen: Der Urvollzug wird objektiviert; obwohl er selbstverständlich gerade als Bedingung der Möglichkeit solcher Objektivation zugleich implizit voll in Geltung ist.*? Damit aber erscheint sodann die gesamte betreffende Systematik um eine Stufe bedingter. An Stelle des vorherigen Gegensatzes von Denkbarkeit und Denkunmöglichkeit (als innerer Widersinn), von ursprünglicher Zweiheit, und des Ausschlusses eines gleichberechtigten zweiten Poles (mit jener ersten und

41 Die für die neuzeitliche Philosophie relevante Formulierung begegnet bekanntlich erstmalig bei Descartes. — Vgl. dazu v. Verf. Transzendentalphilosophie und Metaphysik (s. im Anhang unter Nr. 12), $$ 16, 17. 4? Dies ist möglich, weil wie jede genuine Beziehung, so auch die Reflexion als Denkakt der allgemeinen Struktur der Beziehung Genüge tut; er enthält somit außer seiner Selbstidentifikation als Akt auch die Möglichkeit, eben *anders' als nur bestimmt vom je unmittelbaren Denkthema sich zu vollziehen.

44

Transzendentale Geltungskonstitution

all-einen Geltung) — tritt nun erstens die Notwendigkeit einer solchen grundlegenden Polarität: Denkmöglichkeit überhaupt ist jetzt als in sich spezifizierbare zu sehen: Wenn somit überhaupt durch voll artikuliertes Denken, also urteilend, eine Setzung vollzogen wird, so wird sie nunmehr von vornherein als weiter qualifiziert gesetzt: als formal disjungiert, affırmativ oder negativ, derart, daß beides grundsätzlich von der gleichen Legitimität ıst wie auf jener vorausgehenden Stufe die Affirmation des einen allein (Denk-) Möglichen. — Es tritt zweitens auf die Notwendigkeit, eine weiterreichende Möglichkeit auf dieser selben Ebene, um der Klarheit und Genauigkeit willen, auszuschließen: außer Affirmation und Negation gibt es hier kein Drittes; dies jedenfalls insofern nicht, als der Vergleich mit der Systematik jener ersten Stufe hier allererst konstitutiv ist. — Eben damit ist aber auch unmittelbar schon eine weitere Perspektive eröffnet: Denn formal affırmativ und negatıv bestimmte Urteile bedürfen zu ıhrer kritischen Begründung als derart bestimmte notwendig eines Bezugspunktes, der über ihre eigene rein formale Struktur hinausgeht. Dies ist die Sphäre von Gegenständlichkeit im weitesten Sinn überhaupt: als Bedingung der Möglichkeit des *Urteilens-über...'. Damit aber tritt zu jener Polarität eine weitere ergänzend hinzu: diejenige von Wahrheit und Falschheit des Urteils. NB. Es sei in einer Zwischenbemerkung darauf hingewiesen, daß die Ein-

führung des Begriffs von Gegenständlichkeit als solcher in dieser Weise der

Idee von transzendentaler Theorie im strengsten Sinn entspricht; nur so wird die Frage nach der Legitimität eines derartigen Begriffs einsichtig bestimmt und beantwortet werden können. Das schließt freilich ebenfalls nicht aus, worauf ja schon hingewiesen, daß auch die Untersuchung des So-Seins-Apriori, der wesenhaften So-Bestimmtheit als Bezugspunkt von Bewußtsein überhaupt hieran anknüpfend in transzendentaler Weise zum Thema werden kann.

Analog zum Gefüge jener Sätze prinzipialer Geltung erster Stufe wird man dann auch hier ein ähnliches Gefüge, mit einer strukturell entsprechenden Einander-Zuordnung, aufstellen können: Die Folge wäre 1. der Satz von der Notwendigkeit der (stufenweisen) Spezifikation oder Differenzierung eines in der Differenz gleichmäßig geltenden Anspruchs (hier: der Setzung im Urteil); ferner 2. der Satz von der ‘Verifizierung’ dieser Differenzstruktur durch Gegenstandsbezug; endlich 3. der Satz, daß um der Klarheit und Bestimmtheit willen kein weiteres spezifizierendes Moment zuzulassen ist; wobei zu beobachten ist, daß ja gerade der Bezug auf die je nächst-einfachere Systematik des

Transzendentale Geltungskonstitution

45

Geltens hier konstitutiv ist. — Man erinnert sich: damit sind die sog. klassischen Prinzipien formallogischen Denkens formuliert. Zugleich fällt es auch nicht schwer, zu sehen, daß mit dieser soeben in äußerster Knappheit skizzierten Struktur auch das Grundgefüge der sog. Pyramidenstruktur der Art-Gattungsbegriffe in ihrer geltungslogischen Systematik abgeleitet erscheint. — Das Besondere ist hier allerdings, daß jene Begriffe, in ihrem Verhältnis zueinander aus der

Sicht der Bedingung ihrer (eigenen) Möglichkeit, nämlich durch Geltungsstrukturen, dargetan sind.

NB. Nur andeutungsweise sei die Richtung einer solchen Deduktion skizziert: Vorausgesetzt sei, daß es eine als Vielheit (anzahlmäßig) wohlbestimmte Gesamtheit oberster erster Begriffe mit prinzipialer Funktion gebe, weiter, daß diese Begriffe in eigentümlicher Weise geltungs- und bedeutungsmäßig 'konvertibe sind, ohne doch dadurch zu Tautologien zu werden. — Eine Besonderung wird dann erstmalig erreicht, wenn und sofern diese allgemeine Konvertibilitát aufgehoben wird: Sofort entsteht dann ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen diesen Begriffen derart, daß die einen sozusagen “akzidentelle’ Bestimmungen an anderen (am Substrat) zu werden vermögen. Damit ist die Grundfigur der aristotelischen Definitionsstruktur gewonnen: Der noch unbestimmtere Begriff fungiert als Gattungs-, wenigstens zwei bestimmtere Begriffe als Art- bzw. Differenzbegriff. — Dies gilt dann freilich mit einem Schlag für eine ganze Reihe von Begriffen, so daß es von vornherein eine Vielheit von Ableitungslinien von Substratbegriften gibt, die hinwiederum bezogen auf andere derartige Begriffe als differenzierende Begriffe fungieren. — Mit Einschluß aller möglichen Kombinationen ergibt sich dann eine unübersehbare Vielfalt von Begriffspyramidiken.*?

Der Reflexion ist es nun jedoch in einem weiteren Schritt wiederum möglich, auch hier noch einmal ihren Standort zu wechseln und auch die soeben vollzughaft konstitutiv gewesenen Prinzipienmomente, um eine Stufe weiter, zu “objektivieren’. — Ohne nun im einzelnen auf die Ableitungsschritte einzugehen, lassen sich dann schon an Hand dieser beiden Schritte beispielhaft allgemeine Gesetzmäßigkeiten aufzeigen, gemäß welchen alle möglichen weiteren Schritte der gleichen Art zu geschehen haben bzw. die jede weitere dergestalt konstituierte ‘Geltungssystematik’ in ihrem je eigenen Aufbau prinzipial bestimmen. Solche Gesetzmäßigkeiten können allgemein als die auf jeder geltungs43 Vgl. im übrigen dazu einführend: B. v. Freytag-Lóringhoff, Logik I,

Stuttgart 3 1955, bes. I. Teil.

46

Transzendentale Geltungskonstitution

systematischen Stufe in immer spezifischerer Weise gültigen Sätze 1. der Notwendigkeit eines Fundamentalprinzips, 2. der Zuordnung eines komplementären Prinzips und der Wohlbestimmtheit der Beziehungen zwischen beiden sowie 3. der Unmöglichkeit eines weiteren Prinzips (Ausschließlichkeits- oder allgemeines Vollständigkeitsaxiom) formuliert werden. In etwas formalisierter Gestalt ergäbe das, wenn man einmal beliebig viele (symbolisch: n) systematische Geltungsstufen annimmt: den Satz der Notwendigkeit von n-positiv bestimmten Prinzipien (oder gleichrangigen Prinzipienmomenten), den Satz eines komplementären spezifierenden Prinzips — insofern über den Komplex von n Prinzipien hinausgehend, jedoch im Begründungszusammenhang deduktiv von jenen abhängig und so ihnen untergeordnet, und den Satz vom Ausschluß eines Prinzips vom systematischen Stellenwert n + 1 (als Satz von der völligen Bestimmtheit aller systemimmanenten Bezüge). Es versteht sich, wie man schon ansatzweise im zweiten Fall gesehen hat, daß die Möglichkeit der Anwendung auf bestimmte Fälle, d. h. die Interpretation der betreffenden Geltungssystematik jeweils viel weiter reicht. — Nur als These sei hier endlich noch angemerkt, daß u. a. auch die sog. mathematische Logik in ihren, jedenfalls bisher vorliegenden, Gestaltungen einen schon abgeleiteteren logischen Ort in der hier im Entwurf vorgelegten Systematik innehat.*

44 Als Hinweis auf einen Beweis für diese Behauptung möge die sog. Antinomienproblematik genügen, die, wie es scheint, durchaus in einem weiter gespannten Sınn konstitutiv ist für die Grundlagenkonstellation der mathematischen Logik selber. — Der Unterschied dieses unseres Entwurfs zu jenen liegt aber gerade ın der lückenlosen Geltung des methodischen Postulats einer uneingeschränkten Selbstapplikation der (sog.) ‘ersten’ Prinzipien. Es kommt hinzu, daß hier die sog. 'Mehrwertigkeit formaler Logiken gewissermaßen in einer absteigenden Linie konzipiert ist; eine n-wertige Logik ist also ihrer Natur nach sehr viel spezieller als die hier ausgeführte Anfangsstufe.

7. TRANSZENDENTALE ERORTERUNG DES BEGRIFFS UND DES SATZES VOM GRUND 1. Schon öfter wurde bisher der Gedankengang als letztbegründend charakterisiert; der Funktion des Begründens oder “Gründens’ — in der Bedeutung einer letzten Instanz, auf die begründend zurückgegangen werden kann — waren dabei mehr oder weniger alle prinzipienlogi-

schen Überlegungen gewidmet. Begriff und Satz vom Grund verdienen

jedoch auch eine ausdrücklichere Behandlung; wie dies denn ja auch seit Leibniz in einer speziellen Weise üblich geworden ıst. Der Satz vom Grund und demzufolge der in ihm fungierende Begriff des Grundes erscheinen seither nicht mehr als ein Prinzipienbegriff neben verschiedenen anderen, so wie etwa in der platonischen oder aristotelischen Philosophie die Gründe und Ursachen (Archai, Aitia, usw.) ihre systematische Stelle wesentlich und primär im Kontext der Begriffe von Sein, Einheit, Vielheit, Bewegung, Beweisbarem, Unbeweisbarem u. à. erhalten. Vielmehr rückt nun dieser Begriff mit in die oberste Stelle der Prinzipien von Sein, Denken und Handeln selber ein.“ Hier soll von allen ideengeschichtlichen Filiationen abgesehen und nur die Sachproblematik in der Konsequenz unserer Konzeption etwas

näher geklärt werden. Anzuknüpfen ist dabei an das zuvor über Bezüg-

lichkeit als Prinzip Gesagte (vgl. Kapitel 4, b) und Kapitel 5). Es wurde schon dabei die Universalität des Begriffs der Bezüglichkeit nachgewiesen, sei es, daß irgend etwas bezogen ist, als Bezogenes (auf Anderes hin) fungiert, sei es, daß es selber beziehend und in unbedingter oder auch eingeschränkter Weise ‘Beziehen’ selbst ist, als solches fungiert. Nichts, was überhaupt in irgendeiner Weise artikuliert und nicht pures, finsteres Chaos (oder Nichts) ist, kann sich dem entziehen. Der Gesichtspunkt des Grundes im besonderen nun fügt diesem allgemeinsten Prin45 Bei Leibniz, Schelling und Heidegger wird dies deutlich durch die Thematisierung des Grundseins in der, bei allen dreien freilich etwas anders verstandenen Frage: Warum ist überhaupt etwas, und ist nicht nichts? — Belegstellen dazu siehe in: Spekulation und Faktizitát (s. Anhang Nr. 7) 231, Anm. 5.

48

Erörterung des Begriffs und des Satzes vom Grund

zipienverhalt eine weitere Bestimmung hinzu, daß nämlich der Objekts-

oder Geltensbereich dieses Prinzips nun seinerseits wiederum nicht, wenn auch in eingeschränkter Weise, gewissermaßen ein 'bedingtes Chaos’ darstellt, sondern in jeder möglichen Hinsicht geordnet oder bestimmt. Der ‘Grund’ dafür ist leicht einzusehen: Wäre dem nicht so, so wäre gerade die ‘Wahrheit’, das Gelten des Prinzips der Bezüglichkeit überhaupt in Hinsicht auf alle seine Anwendungsfälle ja schon von vornherein begrenzt. Der damit gesetzte Nominalismus dieses ersten Prinzips würde dann aber zur Konsequenz etwas haben, was der Prinzipienstruktur als solcher unmittelbar formell widerspräche: Es wäre etwas gesetzt, das eben doch nicht dem Gesetz der Bezüglichkeit in vollem Maß gehorchen, entsprechen würde: Es wäre etwas, das von sich aus — also nicht nur aus einer eingeengten Sicht unserer Subjektivität, unseres Denkens usw. heraus — weder eindeutig Bezogenes (auf Anderes) noch Beziehendes oder Beziehen wäre, trotzdem aber in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit irgendwelchem Anderen stünde, im Verhältnis zu dem es dann folgerichtig in irgendeiner Weise ein Nicht-Anderes, ein ‘Selbst’ wäre. — Auch im Fall einer nur wiederum eingeschränkten Konzeption einer solchen ‘unbezüglichen Welt’ gälte dies noch immer uneingeschränkt: Auch dann also, wenn nur gewisse, mehr oder weniger willkürlich ausgewählte Stellen in einem derartigen ‘Universum’ dieser besonderen Unbezüglichkeit entsprechen sollten und viele andere Komplexe in einer derartigen Welt sich zugleich auf eben diese unbezüglichen Punkte ihrerseits hinbezögen,?® so würde das ‘Bestehen’ oder “Fungieren’ solcher beziehungslosen Punkte,

auch in gleichsam eingegrenzter ‘Zahl’, genau die gleiche Schwierigkeit mit sich bringen: Es wäre damit ein Unbezügliches gesetzt, das gleichwohl als Bezugspunkt dienen würde, sei es für anderes, sei es, vermittels Anderer, auch für sich. — Dies gilt auch noch für den extremsten Fall eines gänzlich solipsistisch gedachten atomistischen Universums; denn auch hiermüßteeinMindestmaß anBestimmtheit wenigstens für jedes Atomon'

gegeben sein — wiederum: sei es im Hinblick auf Andere, sei es im Blick

auf sich selbst —; andernfalls wäre nur das reine Nichts gegeben. Ähnliches ließe sich auch vom Gesichtspunkt der Einheit aus (vgl. Kapitel 5) sagen, was aber nicht weiter ausgeführt zu werden braucht. Auch hier würde eine für sich ins Absolute gesteigerte Vielheit wiederum zur Chaotik, letztlich zum Nichts, d. h. zu nichts führen.

46 Analogien hierzu finden sich philosophiehistorisch z. B. im Atomismus.

Erörterung des Begriffs und des Satzes vom Grund

49

2. Die besondere Perspektive des Grundes aber ist damit schon insofern skizziert, als damit jenes Prinzip der Bezüglichkeit in seiner universalen Gestaltung zugleich auch als ein qualifiziertes Prinzip, um es einmal so zu nennen, gekennzeichnet ist. Es gilt wie auch die Perspektive und das Prinzip der Einheit gilt, und es gilt ausnahmslos. Eben dies aber besagt nicht nur, daß es für alle möglichen zahlenmäßigen Fälle gilt, sondern

auch

für alle möglichen

anderen,

die man

dann

etwa

‘zahlenanaloge’ Fälle nennen könnte. Darunter wären dann vor allem auch sog. ‘Bereiche’, ‘Sphären?’ oder Dispositionsfelder usw. zu fassen, die sich primär voneinander nicht durch numerische, sondern durch

strukturelle, formale Differenzen unterscheiden; selbstverständlich sind

auch hier Kombinationen möglich. Damit wáre eine erste Charakterisierung des Prinzips vom Grunde gegeben: Es wäre damit zugleich auch weiter ausgesagt, daß das innere Gesetz besagter Bezüglichkeit, seine ihm immanente oder seine Eigenstruktur genau das Gesetz der Identität ist, und dies weiter genau in dem Bedeutungs- und Sinn-Kontext von Einheit und Vielheit als prinzipialer Urbestimmung, wie zuvor erörtert. Es wäre damit weiter auch die erforderliche Konkretisierungsrichtung vorgezeichnet, die dann dieses Prinzip vom Grunde in Hinsicht auf die Vielfalt des Wirklichen auf angemessen vielfältige Weise selber näher bestimmt sein läßt: Die Deduktion seiner spezifischeren Bedeutung wird im wesentlichen analog der Deduktion von Geltungsstufen überhaupt, in Gestalt einer vielstufigen Systematik von formaler Logik (vgl. Kapitel 6), vonstatten gehen müssen. Als Ergebnis davon wäre dann weiter auch eine analoge Stufung des Begriffs vom Grunde bzw. des Gründens und Begründens selbst durch die entsprechende Ableitung zu. konzipieren. — In dieser Sicht stellte sich. das Prinzip vom Grund zunächst als notwendig von äußerster Formalität dar. Seiner inhaltlichen ‘Füllung’? hätte dann besagte weitere Ableitung zu dienen. Dies betrifft dann auch sogar die jeweilige Formulierung dieses Prinzips, je nach seiner Geltensstufe, wobei außerdem die größere oder geringere Mitberücksichtigung der ursprünglichen prinzipialen Begriffe oder Momente eine Rolle spielt. So lassen sich, um nur wenige ausge-

wählte Beispiele zu nennen, etwa folgende Formulierungen geben:

"Nichts ist ohne Grund’, gleichbedeutend mit: ‘Alles hat einen Grung’, oder auch: ‘Alles hat notwendig einen Grund’, oder eine Stufe weiter:

‘Alles hat seinen (je eigenen nämlich) Grund’, oder auch: ‘Nichts ist ohne

50

zureichenden

Erörterung des Begriffs und des Satzes vom Grund

Grund’.



Diese

bekannten

Formulierungen

wären

dann zu erweitern und fortzuführen etwa folgendermaßen: ‘Gründen

bzw. Begründetsein besagt, daß von Etwas Vielheit und Einheit in einer eindeutig bestimmten Ordnung gelten’, oder auch: ‘Eines (als ein Etwas) kann sich auf Vieles gründen’ und: ‘Vieles (als viele Etwasse) kann sich auf Eines gründen’, und: “Vieles ist begründet durch Vielheit und Einheit’, oder auch: ‘Eines (als Etwas) ist begründet durch Einheit und Vielheit’; vom Begründungsverhältnis zwischen Ein-heit und Viel-heit selber war schon zuvor die Rede. — Der qualifizierenden, zugleich kontinuierlich konkretisierenden Weiterbestimmung dieses Prinzipienverhalts durch stets weitergehende Formulierungen dürfte dann so bald kein Ende gesetzt sein, sei es nun, daß ihr Anwendungsbereich

mehr auf gnoseologischem, ontologischem, ethischem, wissenschaftstheo-

retischem u. ä. Gebiet liegt. Schließlich aber, und dies ist methodologisch von größter Bedeutung, stellen alle diese soeben wie die zuvor angestellten Gedankengänge nichts anderes dar als eine, in einer spezifischeren Bestimmtheit sich vollziehende, Selbstapplikation der grundlegenden Begriffe bzw. der prinzipialen Geltungsstrukturen, die in dieser Konzeption schon von Anfang an gültig waren.

47 Dies ist die berühmte Formulierung von Leibniz. Vgl. dazu Heidegger, Der Satz vom Grund, Pfullingen 1957; Belegstellen ebd. 29, 33, 44 f., 52, 63 f., 79.

8. IDEALISMUS

UND

SEIN-AN-SICH-PROBLEMATIK

Als weitere Frage soll uns hier der sog. transzendentale Idealismus, der weiter oben schon als methodischer Idealismus gekennzeichnet

wurde, und im Zusammenhang damit das Problem eines Seienden an sich beschäftigen. Unter anderer Rücksicht ist es auch die Frage nach dem ‘Rechtsgrund’ und der Tragweite der Bewußtseinsimmanenz als

Ausgangspunkt all unserer Prinzipien für Geltung und Konstitution von Bewußtseinsgehalten. — Der sog. Immanenzstandpunkt in der

Begründung von Philosophie besagt zunächst auf einer relativ äußerlichen Ebene der Betrachtung, daß alle Gegenstände unseres Bewußt-

seins, ob faktisch oder nur denkmöglich, außer ihrem bloßen, reinen

Faktisch-Gegebensein wenigstens noch einen anderen Aspekt zulassen, für den sie auch selbst die Bedingung seiner Möglichkeit in sich enthalten, wie zuvor dargelegt: Kein rein Gegebenes ist etwas völlig und total Isoliertes, Beziehungsloses; wenigstens noch auf den Gedanken seiner Unbezüglichkeit wäre es bezogen. — Z. Z. der sog. klassischen Tradition der Metaphysik und Ontologie 48 wurde als der umfassende und alle Möglichkeiten ausschöpfende Bezugspunkt der göttliche Intellekt als das unendlich vollkommene Urbild oder die entsprechende Urstruktur alles Erkennens angesehen: sofern ja gerade Erkennen (und Denken) eine wesentliche Weise von Beziehen ist. a) Bewußtsein als transzendentale Bedingung von Gegenständlichkeit und Geltung 1. Die Konsequenz einer radikalisierten Frage nach den kritisch zu

verantwortenden Gründen und Bedingungen eben der Möglichkeit,

überhaupt den unendlichen Bereich der Welt des Etwas als Einheit zu

setzen und zu bestimmen: nämlich durch ein grundlegendes Beziehen

48 Vgl. dazu beispielsweise u. a. B. Lakebrink, Klassische Metaphysik, Frei-

burg 1967, und H. Heimsoeth, Die sechs großen Themen der abendländischen Metaphysik, Berlin 5 1965.

52

Idealismus und Sein-an-sich-Problematik

als solches, führt so zur Frage, inwiefern das Bewußtsein selbst der systematisch vorgängige Ort solcher Bezugsordnung sei. Negativ gewendet würde das zunächst nur heißen, daß etwas Ungedachtes (Unerkanntes) ebenso wie etwas von sich her Undenkbares (als ein Etwas) bzw.

Unerkennbares

schlechthin

auch

nicht:

sein,

existieren

könne.

Positiv würde das einerseits besagen, daß alles Bewußtsein Beziehen von und auf etwas, insofern ‘Bewußtsein von . . ^ (Husserl), ist und nur als solches fungiert: dies aber wiederum so, daß seinerseits auch alles ‘Sein’ — Sein und Seiendes hier synonym genommen — aufgrund seiner Eigenstruktur allein insofern es selbst ist, als es Relat für Denken, Erkennen, Bewußtsein, kurz, für Intelligenz ist. — Dem widerspricht nicht, daß es faktisch einen unbegrenzt großen Bereich des tatsächlich nicht Erkannten, Gewußten gibt, gegeben hat und immer geben wird; denn bier geht es ja um die grundlegende Struktur der Möglichkeit, (überhaupt) erkannt, gewußt usw. zu werden. Eine solche Möglichkeit aber gilt von jedem aktuell Nicht-Erkannten. — Andererseits ist damit weiter die Unausweichlichkeit bzw. Notwendigkeit des Bewufstseins, oder der Intelligenz, und seiner Strukturation ausgesagt. Wäre nämlich nicht die Gesamtheit des Bewußtseins, bzw. der Intelligenz, in seiner

‘transzendentalen’ oder ermóglichenden Hinordnung a priori auf das Reich des Gegenständlichen wiederum seinerseits bezogen auf die strenge Einheit eines vollziehenden /ch-Bewußtseins oder des “Ich-denke’, wie Kant sich ausdrückt 49, so wäre letztlich die Ordnung unseres Denkens als nicht-eins, oder nur als zufällig ‘eins’ gekennzeichnet: Aber diese Nicht-Einheit bezóge sich dann nicht mehr auf die vielen Bewußtseinsinhalte, sondern gerade auf den letzten Grund für die Einheit unserer Fähigkeit, überhaupt etwas bewußt-haben zu können. M.a.W. schon die einfache Reflexion in Gestalt der Frage: worin ist es begründet, daß alles Gewußte und (möglicher- oder denkbarerweise) Wißbare bzw. als bewußt Vorstellbare seine grundlegende Ordnung in seinem Einheitsbezug auf das Denken eines Ich hat, — führt wieder auf den transzendentalen ‘Grund’. Dies Denken des Ich als eines aktuell sich reflex bewußten Ich ist dabei nicht wesentlich, es genügt der Vollzug eines praktisch bewußten Ich; damit ist die Möglichkeit dieser Selbstreflexion mitgegeben. Das soeben Dargelegte gilt für grundsätzlich alle Weisen, wie unser 49 Vgl. z. B. Krit. d. r. Vern. Kap. 2, b.

B

132ff.

u. ö.; ferner

auch

noch

oben

Bewußtsein als transzendentale Bedingung

53

Bewußtsein auf Gegenstände, was und wie diese auch immer sein mögen, bezüglich ist: als Bewußtsein. Nicht also ist unmittelbar davon die einzelwissenschaftliche oder alltäglich konkrete Betrachtungsweise von Gegenständen,

d. h. von

Dingen,

Situationen,

Konstellationen

usw.,

betroffen, sondern eben nur dies: das Bezugssystem, aufgrund dessen allein Bewußtseinsgehalte insgesamt allererst möglich sind. — Die Sicht, als ob unabhängig von unserem Denken (bzw. Bewußtsein) und vorgängig dazu schon ‘Gegenstände’ usw. gegeben wären, die dann von unserem Erkennen sich nur noch “anzuverwandeln’ wären, führt geradewegs von der transzendentalen Fragestellung ab und entweder zur Absurdität eines empirischen Idealismus — als ob die Dinge, Sachverhalte usw. in ihrer empirischen, konkreten So-Bestimmtheit als je diese durch unser Denken etwa ‘ursächlich’ gesetzt und bestimmt würden: das transzendentale Bewußtsein wäre als empirisches mißverstanden — oder aber auf die These eines bewußtseins-transzendenten (und Gegenstandsüberschreitenden) absoluten Verstandes.59 2. Was für die allgemeine Gegenstandskonstitution zutrifft, gilt wie schon zuvor angedeutet, noch in sehr viel stärkerem Maß für die eigentliche Geltung (im strengen Sinn): Auch der gesamte Bereich, in dem geurteilt wird und der im vorigen skizziert wurde, läßt die Frage zu nach den Bedingungen seiner Möglichkeit a priori, d. h. als genuin seiner wesenseigentümlichen Möglichkeit. Man hat gesehen, daß und (grundsätzlich) wie alle möglichen Urteilsordnungen — d. h. nicht nur der Einzelurteile, sondern auch des Urteilens als formalen Akts in seiner unübersehbaren Vielfalt — in einer Fundamentalsystematik begründbar sind bzw. sich darauf als ihren letzten Geltungsboden zurückführen lassen.5! — Nun ist zwar jene prinzipienlogische Systematik erster und ursprünglichster Geltungsstufe ebenfalls überhaupt nur denkbar, insofern sie als Struktur des Bewußtseins bzw. von Intelligenz als solcher und überhaupt gefaßt ist; sie ist genau die ursprüngliche und erste

Konstitutionsstruktur für so etwas wie: Urteilen-Kónnen. Die Möglich-

keit (ausschópfend) alles Urteilens und aller Urteile hat in der besagten

50 Eine ganz andere Frage ist jedoch, inwiefern nun auch die Frageweise der einzelnen Wissenschaften sowie des alltáglichen konkreten intelligenten Verhaltens vermittels einer transzendentaltheoretisch begründeten allgemeineren Wissenschafts- oder auch Handelnstheorie grundgelegt werden kann; dies

soll uns aber für jetzt nicht beschäftigen. 51 Vel..oben Kap. 4, a.

54

Idealismus und Sein-an-sich-Problematık

Systematik und ihrer Gesetzhaftigkeit letzthin ihren notwendigen Grund. — In ihrer reinen Form fordert dann eine solche Systematik, sofern sie in irgendeinem Substrat oder Medium ihres Vollzugs gedacht wird, für dieses eben diejenige Struktur, wie sie selbst sie ausdrückt. Das wird dann nichts anderes als Selbst-Bewußtsein sein können. — Selbstverständlich trifft dies wiederum im strengen Sinn nur auf die allererste Geltungsstufe selbst zu, für alle anderen Stufen läßt sich widerspruchsfrei ein Status denken, der nicht im strengsten Sinn Selbstbewußtsein besagt, m.a.W. graduell sich gewissermaßen selbst ‘entfremdet’ erscheint. Anders gewendet, läßt sich zwar grundsätzlich und immer ein Selbstbewußtsein in der Prinzipiensphäre seines Denkens als gemäß jener Systematik strukturiert denken, nicht aber ist umgekehrt der Schritt, besagte Systematik auch stets als ein (bestimmtes) Selbst(d. h. dann Ich-)Bewußtsein zu denken, von der gleichen Stringenz.?? Was sich stringent für ein jedes Selbst- bzw. Ich-Bewufstsein ergibt, ist dies: Daß mit jener Systematik eine absolute, schlechthin unbedingte Gesetzmäßigkeit oder Normativität alles Denkens und Erkennen, alles Bewufstseins, kurz: aller Intelligenz gesetzt ist, die jeder Willkür, Beliebigkeit oder Variation von sich aus schlechthin enthoben ist. In diesem Sinn bestátigt sich der zuvor gebrauchte Begriff einer allgemeinen transzendentalen und darin absoluten Subsistenz-Struktur. — Nur ange-

deutet werden mag an dieser Stelle, daß hier wohl ein Ansatzpunkt für

eine weiterreichende Problematik sein könnte, die dann den schlechthin ausschöpfenden Inbegriff eines Zusammenfalls beider Komplexe, Denken und Subsistenz, aufgrund einer in der Natur der Sache gelegenen Notwendigkeit zu denken hátte.5? b) Die Problematik eines ‘Seins’ an sich

1. Die vorhergehenden Erórterungen über die Bedeutung und die applikative Reichweite des Immanenzstandpunktes haben schon ansatzweise auf die Bedeutung von Gültigkeit “ar sich’ im Begriff der absoluten 5: Als Satz von der Unhintergehbarkeit eines faktischen Minimums hatte Ja Descartes in der Tat das Ich als den ersten Anwendungsfall dieser Prinzipienstruktur zu analysieren unternommen. — Vgl. auch oben Anm. 41. 53 Philosophiehistorisch wird man einen Großteil der Spätphilosophie von Fichte und Schelling als mit diesem Problem befaßt kennzeichnen können.

Problematik eines ‘Seins’ an sich

55

Normativität erster Geltungsprinzipien geführt. Sofern es sich dabei um eine, wie gesagt, ursprünglich von sich her dem Denken sich aufdringende Notwendigkeit handelt, kann man auch von einer absoluten Autonomie jener Prinzipialität sprechen und sie in diesem Sinn der Unabhängigkeit solcher Prinzipienautonomie von unserem Denken und Bewußtsein Sein an sich nennen. Freilich wäre der Begriff ‘Sein’ dann sehr analog aufgefaßt, es wäre nur ein anderer Ausdruck für eben diese Geltungs- oder Prinzipienautonomie. — Man wird allerdings an das im vorigen zuletzt Ausgeführte anknüpfend nochmals fragen kónnen, ob denn nun für diese Geltung an sich, wenn schon nicht für die eigentümliche Prinzipienstruktur, so doch für das Faktisch-Sein, das Bestehen, Gegebensein selbst solcher Geltung nicht auch das Bewußtsein als er-

möglichender Grund fungiere. Darauf wäre zu antworten, daß dies

wohl für das Gegebensein, Bestehen, und damit weiter für das Verbindlichsein in unserem Bewußtsein zutreffen mag: Dann jedoch sind diese Geltungsstrukturen gerade nicht in ihrem Allereigentümlichsten gesehen, sondern grundsätzlich eben als Bewußtseinsgehalt, neben anderen Gehalten, anvisiert. Ihre Geltung, der Anspruch als Norm, der mit jenen in Satzform bestimmten Erstprinzipien unmittelbar und unausweichlich gesetzt ist, d. h. für unser Denken sich setzt, hängt nach dem ebenso unmittelbaren Ausweis ihres einsichtigen Vollzuges in keiner Weise von dem tatsächlichen Gedachtwerden durch irgendein Subjekt, ebensowenig

von dem möglich-gedachtwerden (als in Zukunft faktisch) durch ein

Subjekt ab. — Wie allerdings schon oben angedeutet, erscheint die Frage legitim, unter welchen Bedingungen denn ein Ich-Bewußtsein zu denken wäre, das von sich aus die jener Geltungsstruktur völlig ad-

äquate Bewußtseins- oder Ichstruktur hätte.

2. Dem soeben Ausgeführten gänzlich entgegengesetzt pflegt aber die traditionelle Frage nach dem Ding, einem Sein an sich, gestellt zu werden. — Definiert man den Begriff eines Seins an sich als die Unabhängigkeit eines unserer Erkenntnis oder unserem Denken Gegebenen hinsichtlich des Ursprungs seines Gegebenseins (von sich her) von unserem Bewußtsein, so ergibt sich für die Verifizierung dieser Definition im

Bereich der besonderen Gegenständlichkeit eine mehrfache Möglichkeit. — Zunächst wird man in einem eher uneigentlichen Bedeutungs-

gehalt dem gesamten Bereich von Gegenständlichkeit überhaupt eine

Art von (analogem) An-sich-Sein zubilligen können, nämlich im Sinn des von Kant schon so genannten empirischen Realismus. D. h. daß z. B. die Funktionsweise unserer sinnenmäßigen Erkenntnis eigenen Gesetz-

56

Idealismus und Sein-an-sich-Problematik

mäßigkeiten gehorcht, die nicht sofort und ohne bestimmte Vermittlung auf jenes transzendentale Prinzipiengefüge, z. B. von Geltung, zurückgeführt werden können.54 In einem weitergehenden und schon strengeren Sinn könnte man auch von einem ‘Sein an sich’ in Hinsicht auf die, zumindest hypothetisch mögliche, Unerschöpfbarkeit all unseres gegenständlichen Wissens, nicht nur in seiner Ausdehnung, sondern auch in der immanenten Bezugsvielfalt von Bestimmungen, sprechen. Daß ein unerschöpfbarer Wissensprozeß nach allen Richtungen des Wißbaren nun außer der apriorischen Ermöglichungsstruktur von seiten transzendentaler Subjektivität auch noch einer entsprechenden Ermöglichungsstruktur von seiten des Objekts als solchen bedarf, liegt in der unhintergehbaren Realität dieses Prozesses selbst begründet. Daran ändert auch die Möglichkeit einer apriorischen allgemeinen Bestimmbarkeit des betreffenden zugehörigen Prinzips nichts; denn ein solches Prinzip vermag gerade so gedacht zu werden, daß es in seiner Allgemeinheit den Grund der Unableitbarkeit des Konkreten enthält. — Anders gesehen, wird man eine auch noch so subtil durchgeführte Analytık — als, vielleicht nur utopische, Gesamtstruktur unseres Gegenstandswissens — dann nicht widerspruchsfrei annehmen können, wenn schon die Grundelemente, die sich analytisch zueinander zu verhalten hätten, sich eben ‘synthetisch’, und zwar realiter a posteriori verhalten.55 In einem noch strengeren Sinn könnte man jenen Begriff endlich 54 Hier wäre allerdings zuvor noch die transzendentale Theorie z. B. der reinen Formen von empirischer Anschauung zu entwickeln, ferner die Theorie der Vermittlung solcher Formen mit abstrakten Geltungsstrukturen, aber außerdem auch noch eine transzendentale Theorie der Methodik und Problematisierungsstrukturen der Einzelwissenschaften zu geben. Hinweise in dieser Richtung finden sich hier im Literaturanhang. 55 Das Problem der Beziehungen zwischen sog. analytischen und synthetischen (aposteriori) Sätzen ist heute ein Streitpunkt der Logik und Wissenschaftstheorie. Für unsere Frage läßt sich hier soviel sagen, daß aus recht komplexen Gründen, die freilich schon eine recht ausführlich durchkonstruierte Transzendentalphilosophie als System voraussetzen, eine derartige Unerschópfbarkeit mit der ihr proportionalen Unendlichkeit von Welt sich zumindest als das weitaus wahrscheinlichere Theorem dartun lassen würde. — Vgl. dazu insgesamt etwa noch E. Stróker, Einführung in die Naturphilosophie, demnächst in dieser Reihe der Einführungen in die Philosophie, und H. Seiffert, Einführung in die Wissenschaftstheorie, München ? 1971, Bd. 2, 139—151.

Problematik eines ‘Seins’ an sich

57

reklamieren, wenn man den Grund für besagte Unabhängigkeit von

unserem transzendentalen Bewußtsein gar nicht mehr primär im Reich des theoretisch Relevanten ansetzt, sondern im Reich des freien Han-

delns im eigentlichen Sinn. Das meint, daß alle unsere faktischen und

möglichen Erkenntnisobjekte, die ihrem Wesen nach auf freiem menschlichen Handeln beruhen, wie vermittelt dies auch immer sein mag, eben

aufgrund des konstitutiven Beteiligtseins von Freiheit grundsätzlich

unserem Erkennen niemals gänzlich a priori, und ebensowenig oder vielmehr erst recht nicht ‘analytisch’ zugänglich sein können. In diesem Fall befinden wir uns einmal, sofern es sich um Strukturen a priori dabei handelt, in der Rolle eines in irgendeinem Sinn mitbetroffenen Partners auf gleicher Ebene — da es sich um ein sittlich-praktisches A-priori handelt, kann eine Deduktion im strengen Sinn hier niemals in Hinsicht auf das Konkretere statthaben; und zum anderen befinden wir uns in

der Rolle eines Geschichtsbetrachters, der kompetent stets nur im Nach-

hinein das Werk der geschichtlich handelnden Mitsubjekte zu verstehen imstande ist. — Überall dort also, wo man in einem Ursachenkomplex menschlichen Wirkens als Bestandteil auch Freiheit miteinbeziehen muß, wird es eine wenigstens relative, und im Einzelfall recht verschiedene, Unableitbarkeit a priori aus Strukturen des transzendentalen Bewufit-

seins (im eigentlichen Sinn) als Moment am Gegenstand geben; diese

kann

entsprechend

wie

zuvor,

die Bedeutung

eines

Seins

an

sich

haben. — Es ist demnach klar, daß der hier verwendete Begriff von Sein insgesamt nicht viel mehr als eine analoge Denk-Unabhängigkeit (Bewußtseins-Unabhängigkeit) besagt. — Freilich hat die sprachliche

Bevorzugung dieses Begriffs vor allem ideengeschichtliche Gründe, auf die hier aber nicht einzugehen ist.5®

56 soeth (vgl. Köln

Vgl.dazu etwa die schon genannten Arbeiten von B. Lakebrink, H. Heim(vgl. oben Anm. 48) und F. Kaulbadh, Einführung in die Metaphysik oben Anm. 1), sowie G. Martin, Einleitung in die allgemeine Metaphysik, 1957.

9. DER

TRANSZENDENTALPHILOSOPHISCHE DER SPRACHE

ASPEKT

Es bleibt ferner noch etwas zur Aufgabe und Leistung der Sprache, von Sprachlichkeit im allgemeinen und als solcher im Zusammenhang des uns hier besonders interessierenden Themas auszuführen. — Wenn bisher von Denken, Bewußtsein, Intelligenz u. à. die Rede war, so blieb die Rolle der Sprache in etwa unklar. Einerseits könnte sie als bloß äußerliches Vermittlungsinstrument von gedanklichem Gehalt aufgefaßt werden: so in der älteren Auffassung von Transzendentalphilosophie, z. B. im Neukantianismus; oder andererseits könnte man in ihr den Inbegriff, wie aller philosophischen bestimmten Reflexion, so auch der Form dieser Reflexion als Selbstkritik und -besinnung sehen: so

Jüngere Auffassungen, die —

von der mathematischen Logik oder

positivistischen Ansätzen herkommend — sich allzu undifferenziert angewöhnt haben, ‘Sprache’ als systematischen Höchstbegriff schlechthin zu verwenden. Noch anders endlich kann Sprache und Sprachlichkeit, ebenfalls system-universalistisch, als Letzthorizont aller Philosophie aufgefaßt werden, insofern sie als die wesentliche Ingestalt allen geistigen Lebens betrachtet wird: bei allen irgendwie primär hermeneutischen Theorien von Hamann bis Heidegger. — Im hier leitenden thematischen Kontext kann natürlich. — ein weiteres Mal sei es im

Rahmen dieser Einführung wiederholt — nur ein sehr kurz gefaßter

Ausblick auf die eine oder andere Problematik unter transzendentalphilosophischer Rücksicht gegeben werden.57 Sprache soll hier allgemein verstanden sein als ein Zeichensystem, das geeignet ist, alle möglichen Inhalte des Bewußtseins, von welcher Art sie auch immer sein mögen, nach ihrem Bedeutungsgehalt zwischen

beliebigen verschiedenen Subjekten oder Trägern eben dieses Bewußtseins zu vermitteln, d. h. sie mitzuteilen. — Die Frage nach der ur-

sprünglichen Konstitution einer Vielheit von solchen Subjekten, soll

hier, auch wenn dies ein wichtiges Arbeitsgebiet der transzendentalen

57 Vgl. dazu u. a. auch E. Heintel, Einführung in die Sprachphilosophie,

bes. zum transzendentalen Problemansatz die $$ 4, 10, 11.

Aspekt der Sprache

59

Analytik ist, nicht gestellt werden.58 Ebenfalls soll uns hier die Rolle der Sprache im Artikulationsgang von Erkenntnis überhaupt, auch beispielsweise schon in Hinsicht auf das einzelne Subjekt, also eine erkenntnistheoretische, erkenntnismetaphysische u. ä. Fragestellung, nicht interessieren. — Sprachlichkeit wäre dann in unserer Sicht die ursprüngliche Struktur des transzendentalen Bewußtseins, insofern dies sich als

intersubjektiv wie zugleich auch als leiblich, im umfassendsten Sinne

konstitutiv auf Leiblichkeit bezogen, bestimmt erweist. — Im Blick auf das bisher Auseinandergelegte und die ihm von sich her unmittelbar zukommende Evidenz oder Sacheinsichtigkeit wäre demnach Sprachlichkeit als Ort transzendentaler Leistung auch zu definieren: weniger als primärer Grund (im strengen Sinn) transzendentaler Leistung, d. h. der Ermöglichung von irgend etwas hinsichtlich von dessen Wesens-Was (a priori), sondern als eine Bedingung im eigentlichen Sinn von transzendentaler Art, nämlich als ein Moment im Begründungszusammenhang von Etwas, das als solches (Moment) spezifisch durch Beseitigung von Hindernissen mitfungiert. In unserem Fall ist freilich diese “Beseitigung’ konstitutiver Natur: Es käme überhaupt nicht zum ganzen Begründungszusammenhang als prinzipial leistendem Ganzen, und zwar wiederum weniger, weil die sog. äußeren Ursachen (geschichtlicher, raum-zeitlich-konkreter Art usw.), sondern weil ein inneres Moment des Ganzen fehlen würde. Das legt die Konzeption eines Begründungszusammenhangs von einer grundsätzlich mehrfältigen Wirkens- und Abhängigkeitsstruktur nahe, in dem gleichwohl jedoch 'fundamentalere Gründe’ im eigentlichen Sinn? und weniger fundamentale — eben Bedingungen — als Momente fungieren. Recht allgemein und eher sich thetischer Sprechweise annähernd kann demnach gesagt werden, daß Sprachlichkeit als Struktur mehr und wesenhafter anknüpft an das zuvor schon erörterte Ich-Bewußtsein, aber dann so, daß hier nun gerade ein mehr relatives, nicht ın der 58 Vgl. dazu vom Verf. das demnächst erscheinende Buch: Personalität als Wesen und Geschichte. 59 Der Unterschied zwischen beiden Begriffen ist seit alters dahingehend festgelegt, daß ‘Grund’ ein Prinzip bezeichnet, das zwar wohl seinerseits auf

anderes wirkt oder wirken kann, aber in keiner Weise eine, wesensmäßige, Rück-

Wirkung dieses Anderen auf sich zuläßt. Dies ist bei der Bedingung insofern der Fall, als sie ihren Funktionssinn primär durch den Bezug auf das Bedingte

hat.

60

Aspekt der Sprache

innersten Mitte des transzendentalen Konstitutionsgefüges befindliches und fungierendes Moment ausdrücklich thematisiert wird. Jenes Ich-

bewußtsein erweist sich gerade vermöge seiner Charakterisierung als

(auch) sprachlich damit zugleich prinzipiell (auch) als welthaft, als innerlich weltbezogen. — Es entsteht somit für unsere Analytik ein Gefüge, das als Ganzes durch eine Polarıtät der Begründungsmomente bestimmt ist, wobei diese Momente ihrerseits, je für sich betrachtet, eine prinzipienmäßig verschiedene Strukturation haben, zugleich jedoch zwischen beiden Polen dieses Verhältnisgefüges eine Beziehung der wechselseitigen Bestimmung herrscht. Diese aber ist weiterhin in der Art und Weise ihrer Wirksamkeit oder in ihrer Form ebenso wie ın der *Rangebene' ihrer prinzipialen Leistung wiederum unterschieden. Ist es daher richtig, daß ohne Mitwirken (Mitleisten) des je anderen keiner der beiden Pole zu seiner eigentümlichen Leistung gelangt, so ist es doch auch so, daß dabei ein gewisses prinzipiales Gefälle statt hat. Das besagt anders gewendet, daß sich in dieser Wechselseitigkeit zwei Bezugsrichtungen überschneiden, deren jede dann zwar die andere bedarf, wovon die eine aber aufgrund ihrer eigentümlichen Beziehung selber das Gesamtverhaältnis von beiden: als geprägt durch die Struktur einer “einsinnigen’ Beziehung bestimmt. Der Pol, welcher der Ausgangspunkt (terminus a quo) einer derartigen Gesamtstruktur ist und diese begründet, ist aber dann jenes Prinzipiengeflecht oder besagte

Systematik einer Geltung als solcher an sich. Sprachlichkeit erweist sich ihr gegenüber dann zwar gewiß als unabdingbar für das faktische Vollziehen besagter Geltungsstrukturen überhaupt, und zwar, wie schon gesagt, nicht allein erst in Raum-Zeit, Geschichte, konkreter Leiblich-

keit u. à., sondern schon als Mit-Bedingung der Möglichkeit einer Selbstvermittlung eben jener Prinzipiensphäre von Geltung auf alles Übrige.

Dies liegt ja der Möglichkeit nach auch in der ursprünglichen PrinzipienStruktur absoluter Geltung selbst begründet, wie die Analyse anläßlich des Grundsatzes der Bezüglichkeit gezeigt hat.90 Aber insgesamt gehört Sprachlichkeit, auch und gerade als transzendentale Bedingung im eigentlichen Sinn, nicht ursprünglich in den Bereich eben dieser Geltungskonstitution, sondern hat ihrer Sachnatur gemäß ihren systematischen Ort gleichsam auf der Seite der gegenstandskonstitutiven transzendentalen Prinzipien; dies freilich so, daß Sprachlichkeit nicht ohne weiteres auf ein konstitutives Prinzip allein 60 Vgl. oben Kap. 4, b.

Aspekt der Sprache

61

für je bestimmte Gegenständlichkeit eingegrenzt werden kann (dies ist sie auch), sondern so, daß in ihr von einer geltungsfreien Seite her die umfassendste Struktur einer Ermöglichung von Gegenständlichkeit im allgemeinen wie im besonderen vorgegeben ist. Darüber hinaus aber ist sie aufgrund eben dieser prinzipialen Funktion weiter als Medium

zu wirken geeignet auch hinsichtlich einer begrifflich erfolgenden Ob-

jektivierung jener ursprünglichen Geltungen, die als solche von sich her unabhängig von jeder je bestimmten Sprachlichkeit ihre Normativität

in sich tragen: für das sich geschichtlich, leibhaft usw. verhaltende jewei-

lige Philosophieren als solche läßt sich Abhängigkeit von Ganzen betrachtet

der einzelnen Philosophen. M.a.W. Sprachlichkeit so als Relat in der Funktionsweise einer bedingten seinem Bezugspunkt bestimmen (sie erfüllt so im die Stelle eines terminus ad quem). Dies gilt grund-

sätzlich für das gesamte Verhältnis von Sprachlichkeit zum Komplex transzendentaler Prinzipien von Geltung, seien diese nun mehr als theoretisch oder als ethisch-praktisch fungierende bestimmt. — Aus dem

Gesagten wird weiter die grundlegende Unabhängigkeit des gesamten

Geltungskomplexes in dem, was darin eigentlicher Anspruch ist, von

aller Sprachlichkeit einsichtig, aber ebenso die universale Aufgabe, die

Sprachlichkeit im Vollzug der Selbstverstándigung der Vernunft mit

sich zu erfüllen hat. — Ohne eine grundsätzliche Klärung ihrer transzendentalen Position wird sie daher fast notwendig in irgendeiner Weise mißverstanden werden.

10. DAS

TRANSZENDENTALE

PROBLEM

IN DER

ETHIK

Wenn die transzendentale Reflexion für die Philosophie insgesamt, wie anfangs gesagt, eine kritisch-konstruktive Funktion hat, so kann dies nicht auf die Bereiche vorwiegend theoretischer Reflexion beschränkt sein, sondern muß für die Philosophie im Ganzen, d. h. für den Fortgang unseres Gedankens jetzt auch hinsichtlich der praktischen

Philosophie gelten, und hier wiederum in Hinsicht auf deren fundamen-

tale Sphäre der freien Sittlichkeit (Ethizität). Transzendentale Prinzipienreflexion ist hier somit Reflexion auf die letzten und absoluten Gründe sittlich freien Handelns überhaupt. — Die zentrale Frage lautet hier: Wie und aus welchen Gründen, und unter welchen Bedin-

gungen ist sittlich freies Handeln a priori, d. h. aus dem Wesen des

sittlich handelnden Subjekts selber, möglich? Und auch: inwiefern ist es, unter gleichen oder entsprechenden Bedingungen, notwendig? — Sittliches und freies Handeln ist uns hier insofern gleichbedeutend, als es zwar auch freies Handeln gibt ohne: direkten Bezug auf Sittlichkeit,

dieser Bezug aber doch den Inbegriff dessen erfaßt, was einem freien Handeln an vollkommener Artikulierung seiner Aktwirklichkeit möglich ist. Dies Problem gliedert sich somit in zwei sachlich eng zusammenhängende, hier aber nacheinander zu behandelnde Einzelfragen auf: nämlich nach dem transzendentalen Grund von Freiheit und von Sittlichkeit. a) Der transzendentale Grund von Freiheit

Nicht eingeschlossen sind unter die genannten Bedingungen die äußeren Ursachen und Umstände, die zwar auch in das freie und das sittliche, moralische Handeln eingehen, aber eben nicht ursprünglich

konstitutiv sind; sie haben mehr eine Begleitfunktion. — Eine erste

solche Bedingung der Möglichkeit freien und sittlichen Handelns ist nun die Notwendigkeit eines vorausgesetzten “Woraufhin’, da ja wie

jedes Handeln, so auch sittlich freies Handeln ohne irgendeine Ziel-

möglichkeit überhaupt nicht zum Vollzug käme. Daraus ergibt sich weiter: Wir setzen für das spezifisch freie und sittliche Handeln den

Der transzendentale Grund von Freiheit

63

gesamten Bereich der Gegenständlichkeit, ebenso wie die Sphäre absoluter Prinzipialität, als Bedingung der Möglichkeit eines sittlich freien Vollzuges voraus. Aber auch dies ist noch keine im Wesen des solcherart, als frei Handelnden unmittelbar gelegene Möglichkeitsbedingung, sondern gehört mehr unter die allgemeinen Möglichkeitsbedingungen von Handeln überhaupt, wie auch immer. Die besondere und eigentümliche Fassung der Frage nach jenen Gründen und Bedingungen der Möglichkeit a priori sittlichen Handelns zielt demnach auf eine transzendentale Charakteristik des solcherart Handelnden selber als handelnden. Es mag zugleich damit die Frage nach der Notwendigkeit eben solchen Handelns unter bestimmten Gesichtspunkten entstehen; doch soll uns das erst etwas später beschäftigen. Die besondere und ganz eigentümliche Charakteristik unserer Freiheit ist schon, wenn auch sehr knapp, in einigen Grundzügen skizziert worden, nämlich dort, wo es um die Ableitung der logischen Systematik beliebig vieler Geltungsstufen ging.8! Dabei beruhte die Möglichkeit einer

solchen Ableitung u. a. wesentlich auch auf der Fähigkeit des im Vollzug

beteiligten Subjekts, seine Betrachtungsweise, d. h. seinen Standpunkt zu ändern, abzuwandeln, neu zu fassen. Auch wenn dies selber keineswegs willkürlich, sondern durchaus begründet und motiviert geschah, so zeigt doch schon das einfache Faktum des Standpunkt- Wechselnkónnens auch hinsichtlich der allerersten und ausnahmslos bzw. unbedingt geltenden Normen von Denken überhaupt eine Fähigkeit in diesem Subjekt auf, die bei aller Bestimmtheit durch eben jene Normen trotzdem noch etwas Eigenes besagt: eine in ihrem Grundansatz zwar nicht total absolute, d. h. also hier völlig bindungs- und beziehungslose, aber doch eine grundsätzliche Unabhängigkeit, Selbst- oder Eigenstándigkeit, oder m.a.W. eine durch und durch ‘praktische Autonomie. Diese kann auch noch anders gewendet definiert werden: als die im allerersten Ansatz durch nichts vorweg bestimmbare Unabhängigkeit der Wahl oder der Setzung einer von mehreren Möglichkeiten, als einer im Vergleich zu jenen bevorzugten. In noch anderer Weise kann man diese Fähigkeit auch schon in der Auseinandersetzung mit der radikalen Skepsis am Werk sehen. Bei Augustinus wie bei Descartes ist es zwar ganz zu Recht und unausweichlich das normative Denken in seinem letzten Grund, was den radikalen Zweifel aus seiner inhaltlichen Festgelegtheit zu einem methodischen 61 Vgl. oben Kap. 5.

64

Problem der Ethik

Zweifel

reduziert?

aber

die

vorausgehende

Möglichkeit

einer

derartigen Skepsis hat zu ihrem inneren Grund eben diese Fähig-

keit eines grundsätzlichen Abstandnehmens von vorgegebener Normativitát. Mit Bezug auf unsere systematische Darlegung wird man den sachimmanenten Grund (a priori) der Möglichkeit eines derartigen In-

Frage-Stellens nun gerade in der Negation von Vorgegebenbeit über-

haupt als einer schlechthin absoluten Normweise für das Denken sehen

kónnen. Die theoretische Zustimmung zur Geltungssystematik logisch erster und ursprünglichster Stufe beruht dann gerade nicht auf dem Zwang,

einer vorgefundenen

Gegenständlichkeit sich gewissermaßen

‘anpassen’ zu müssen, sondern darauf, daß solche Normativität sich als das ureigenste Gesetz eben des Denkens selbst erweist, sofern es am strengsten mit sich eins ist und sich als solches weif$: in seinem Vollzug, Vollziehen als solchem. — Daß hier überhaupt eine Differenz auf der

Ebene der Prinzipienreflexion, im Sinn radikaler Skepsis und absoluter Geltung schlechthin, gegeben und móglich ist, zeugt im übrigen weder von einer wesensmäßigen oder auch nur relativen Hinordnung unseres

Denkens auf Skepsis noch auch von einer unmittelbaren Verfügungs-

oder Erstellungsmacht des Absoluten selbst durch unser Denken. Auch hier zeigt sich daher unter einer nochmaligen Wendung der Perspektive die Relevanz jener ursprünglichen Relationsstruktur. Denn gerade so nämlich gerät ein Absolutes als solches selbst durch eine Vermittlungs-

struktur gánzlich eigener Ordnung in den Griff einer nur relativ ab-

soluten Subjektivität. Der 'Beweggrund' dieses gesamten operativen und prinzipiellen strukturellen Zusammenhanges kann dann darin gesehen werden, daß es zur Wesensbeschaffenheit menschlicher Subjektivitát als einer personalen Intelligenz gehört, besagter Normativität in ihrem ganzen

Umfang und Ausmaß nicht bloß immer nur de facto, im reinen gegen-

standsbezogenen Handeln und Operieren selber, zu genügen, sondern diese Normativitát — ohne daß dieser dadurch Eintrag geschähe —

durch einen ausdrücklichen Akt selbst noch einmal in die eigene Ver-

fügungsgewalt zu nehmen und jene Norm gewissermaßen als solche all-

gemeine zur aktual eigenen zu machen. Es hätte demnach auch einen 62 Über den grundlegenden Unterschied in den systematischen Konsequen-

zen beider Denker braucht hier kein Wort verloren zu werden. Vgl. dazu v.

Verf. ;Transzendentalphilosophie . . .«, S. 138 ff.

Der transzendentale Grund von Sittlichkeit

eminent ‘humanen’ Sinn, wenn menschliche Reflexion, wie beschrieben, sich den Grund intelligiblen Wirkens auseinanderfaltet.

65

Subjektivitát in einer der Geltung all ihres

b) Der transzendentale Grund von Sittlichkeit

Der Komplex des Sittlichen bringt nun die Frage nach der bestimm-

teren Norm als einem imperativischen Anspruch, einem Sollen im strengen Sinn zur Sprache. Auf dem Hintergrund des soeben Auseinandergelegten läßt sich dann, wiederum in äußerster noch möglicher Knappheit, der Grundcharakter jenes Sollens näher bestimmen. Dabei soll auf die historischen Positionen der Ethik Kants, des Deutschen Idealismus, der Neukantianer und der Späteren hier nicht weiter eingegangen werden; das oben Gesagte mag mit seinen Hinweisen genügen.9 — Das nunmehr anstehende Problem kann dann auch so

formuliert werden, daß jetzt nach den Gründen und Bedingungen der Möglichkeit jener ‘Freiheit’ oder Bewertungsautonomie gegenüber aller

theoretischen Normativitát gefragt wird, und zwar a priori oder als dem Wesen der in Frage stehenden Sache, also dieser Freiheit, im-

manent. — Man wird dazu allgemein fürs erste sagen können, daß auch

Freiheit, sofern sie überhaupt ein Vollzug ist und sich als solcher ausbestimmt, eines voraufgehenden “Woraufhin’ eben dieses Vollzuges bedarf; andernfalls er gar nicht zustande kommen kónnte. Dies Woraufhin ist aber nun nicht, sofern der Grund der Móglichkeit a priori eben

dieser Freiheit als solcher in Frage steht, das Gefüge jener allgemeinen

Geltungsnormativität (vgl. Kapitel 4—6); denn dann wäre ja wiederum

nicht die ursprüngliche Möglichkeit oder Fähigkeit des Wählenkönnens

aus eigener Vollmacht — nicht gemäß der Soseins-Struktur jener Prin-

zipien, aus der Vollmacht vielmehr des reinen Vollzugs als ‘Gültig-

setzens-für’ (unter Absehen von der notwendigen Bezüglichkeit dieses

Vollzugs auf jenes Sosein) — in ihrer Eigentümlichkeit als Form erklärt, begriffen. Jene universale Freiheit erfordert somit ein eigenes

Ermöglichungsprinzip, d. h. ein proportionales Prinzip mit gänzlich eigener Struktur. Worin ist dies zu erblicken? — Es wird dabei vor allem auf zwei Momente ankommen, die erst in ihrer besonderen Gemeinsamkeit unsere 63 Vgl. dazu auch den bibl. Anhang, bes. Nr. 9, aber auch Nr. 1—3.

66

Problem der Ethik

Frage beantworten werden: Es sind dies einerseits die ganz ursprüng-

liche Vollzugswirklichkeit des Selbst-Setzens (in angedeuteter Bedeu-

tung) und andererseits die auf diese Weise erfolgende Einvernahme eines nicht formal, sondern inhaltlich bestimmenden Absoluten an sich selbst für eben das einvernehmende Subjekt. Erst in dieser Konstellation wäre

dann tatsächlich keine Möglichkeit, jedenfalls de facto, mehr übrig, jene Fähigkeit noch weiter als Auswahlvermögen zu vollziehen. Sehen wir noch genauer zu: Man wird sich freilich hüten müssen, besagte Inhaltlichkeit allzusehr als gegenständliche im Sinn mundaner

Gegenständlichkeit aufzufassen; dann wäre ja gerade jene Auswahlfähigkeit nicht schlechthin erschöpft bzw. ausschöpfbar aktuiert. Aller-

dings wird man umgekehrt im Verhältnis zur Formalität jener Geltungssystematiken von oben mit ihrer logischen Ordnung untereinander hier

gleichwohl eine Instanz beanspruchen müssen, die jene Formalität wesenhaft überschreitet. Nur so erscheint es im ganzen denkbar, die im Verhältnis zur theoretischen Ordnung überhaupt eben nur mittelbar, und nicht von ihrem eigenen Ursprung

her als notwendig,

zu ak-

tuierende Setzung als freie, unabhängige, und in dieser Bedeutung ‘sub-

jektive aus der Ebene ihrer Distanzierungs- oder Wahlmöglichkeit heraus auf die Ebene ihres Prinzips zurückzuführen; denn in jener Weise gibt sich diese Freiheit eben immer nur als “in Aktion’, als je sich

schon erwirkt habende usw. Das Prinzip aber hat demgegenüber die Struktur der strengen Notwendigkeit, wenn auch selbstverständlich nicht für je diesen oder jenen einzelnen Akt mit der diesem oder jenem

eigentümlichen Intentionalität auf Gegenständlichkeit usw., sondern

allein unter der Rücksicht, daß überhaupt für alles solcherart Getätigte

ein in sich einheitliches Prinzip vorausgesetzt werden muß. — Es wird sich daher um eine sog. ‘Inhaltlichkeit’ ganz eigener Art handeln, die, wie gesagt, keineswegs nach dem Modell irgendeiner mundanen Gegenständlichkeit gedacht werden darf. Eher wird man sie mit dem Begriff einer eigenen, ursprunghaften Urständlichkeit charakterisieren kónnen.9* Im Vergleich also zu allen sog. materialen Apriori-Bestimmungen ist dieser Urgrund immer noch formal, gegenüber der geltungslogischen Struktur theoretischer Prinzipien aber ist er ‘inhaltlich’ bestimmt. Zu-

gleich wirkt er als Prinzip mit Notwendigkeit, anders gesagt geht auch ** Der Ausdruck spielt in Schellings Spätphilosophie, und wieder in Hei-

deggers Spätdenken eine Rolle. Hier ist jedoch nicht auf die ideengeschichtliche Vergangenheit dieses Terminus angespielt.

Sittlichkeit als Inhalt

67

hier von ihm ein nicht zu hintergreifender, nicht zu hintergehender und

unausweichlicher Anspruch aus. Dieser Anspruch aber hat zu seinem

Adressaten wiederum genau jene Subjektivität, genauer: jenes Subjekt,

das selbst sich im Ansatz gegenüber der theoretischen Ordnung als frei, in spezifischer Weise als autonom erwiesen hatte. M.a.W. es liegt eine

Gesetzmäßigkeit vor, die als ursprunghaft unabhängig von theoretischer

Prinzipialität, zugleich aber auch mit unausweichlicher Notwendigkeit

sich gegenüber dem frei vollziehenden Subjekt — das frei ist — zunächst (relativ) gegenüber jeder reinen theoretischen Prinzipienordnung, dann

aber damit auch gegenüber einer jeden anderen Ordnung — als Anspruch

erweist. Dieser Anspruch trägt alle wesentlichen Eigenschaften an sich, die seinem Ursprung zukommen: Das ist dann aber gar nichts anderes als das, was traditionell unter dem Sittengesetz verstanden wird. — Als

solcher aber wirkt er gerade in Hinsicht auf den Akt als rein sich

setzend, und dies in Unmittelbarkeit, wie skizziert. D. h. daß dies Gesetz seinem Wesen nach grundsätzlich und immer unmittelbar auf das Subjekt als das konkret seine Freiheit vollziehende, tätigende, sich bezieht. — Damit ist weiter endlich auch der Ort, an dem sich dies Gesetz als Anspruch in die jeweilige konkrete Situation hinein manifestiert, bestimmt: Es ist genau das, was traditionellerweise mit Gewissen bezeichnet worden ist. Wiederum, dies sei abschließend noch angemerkt, ist damit gerade der eigentümlichen Formalität zufolge, die hier gleichwohl waltet, ein

ım einzelnen unbeschränktes Möglichkeitsfeld eröffnet, auch andere

sachlich und prinzipiell nachgeordnete Momente diesem Gesetzesanspruch, ohne daß ihm Eintrag geschähe, zu integrieren. Dies meint dann, daß nicht nur möglicherweise ım einen oder anderen Fall, sondern sogar normalerweise und als allgemeine Gesetzmäßigkeit der Anwendung Bedingungen und Umstände aus anderen Bereichen, seien sie nun rein theoretischer Natur oder mögen sie aus der Welt bestimmterer, und dann auch mundaner, Gegenständlichkeit herstammen, hier in diesen einen Gesamtvollzug strukturell, d. h. modifizierend, qualifizierend usw. eingehen können.

c) Sittlichkeit unter ursprünglich inhaltlicher Rücksicht Damit ist jedoch ein weiteres Problemfeld angeschnitten, das wenigstens im Umriß noch dargelegt werden soll. Denn mit dem bisher Gesag-

68

Problem der Ethik

ten ist noch nicht der Schritt zu einer speziellen oder qualifizierten ‘Sittlichkeit’ getan, es ist vielmehr allein der Schritt zu einer ‘Gewissenhaftigkeit’ überhaupt getan, wodurch der Mensch als sittliches Wesen sowohl gegenüber dem Naturzusammenhang als auch gegenüber der Absolutheit eines schlechthin unbedingten Geistwesens, beispielsweise Gottes, eigentümlich charakterisiert ist. Für die innermenschliche und innergeschichtliche Sittlichkeit als solche ist aber gerade die weitere Differenzierung dieser allgemeineren Sittlichkeit als ‘gut? oder ‘böse’ erfordert; dafür sind Kriterien zu suchen. Diese kónnen der Natur der

Sache entsprechend dann nicht mehr von so allgemein formaler Art sein,

wie bisher auseinandergelegt, sondern werden — jene Grundlage vor-

aussetzend — wiederum mehr ¿inhaltlicher Natur sein müssen. — Mit

dem Blick auf jene zuvor entworfene Systematik von Geltungsstufen kónnte man nun auch hier eine analoge Struktur entdecken: Jene allgemeinste Sittlichkeit, die den Menschen als intelligibles Wesen schlechthin — wenn auch noch nicht in der auf dieser Stufe móglichen, ihr ent-

sprechenden inhaltlichen Vollkommenheit — zeigt, entspräche dort der allerersten Geltungsstufe überhaupt. Nunmehr geht es um die Skizzie-

rung einer Sittlichkeit, die in der Struktur der sie selbst konstituierenden systematischen Elemente und Momente eine Entsprechung genau zu der dort an zweiter Stelle abgeleiteten Geltungsstufe oder -systematik darstellt. ‘Gut’ und ‘böse’ hätten dann funktional oder systemisomorph ihre Entsprechung im Begriffspaar ‘wahr’ und ‘falsch’ bzw. 'affirmativ' und ‘negatıv’.65 Auch hier, dies sei festgehalten, handelt es sich immer noch durchaus um eine ‘formale’ Grundlegung sittlichen Handelns (bzw. Entscheidens) im allgemeinen, wenn auch um eine eingeschränktere *Formalitát'; die darum gegenüber jener Formalitát erster Stufe denn auch (relativ) als ‘inhaltlich’ angesprochen werden kann. — Was nun genau unter dieser weitergehenden Inhaltlichkeit verstanden ist, wird sofort geklärt werden: Für ein sittliches Handeln, das wesensgemäß sich selbst im Hinblick auf die Realitäten von Welt als solcher vollzieht, oder anders gesagt: das sich unter Wahrung seiner eigentlichen ‘Kern-Formalität” zugleich als in-der-Welt-seiend, in-Welt-wirkend erfährt und weif, — für

ein solches Handeln wird dann irgendeine auf die Gegenständlichkeit

65 Es bestünde somit eine doppelte Entsprechung: Dem 'affirmativ-negativ! dort wäre hier dann angemessen das *gesollt-nichtgesollt? (geboten-verboten).

Begriffspaar Begriffspaar

Sittlichkeit als Inhalt

69

von Welt überhaupt und als solcher, und zwar als Wirkensbereich des sittlichen Subjekts, bezogene Norm notwendig werden (sofern eben gerade konkret sittlich gehandelt werden soll). Das heißt natürlich nicht,

daß nun sofort etwa eine Fülle von konkreten, letztlich ‘material’, also

von ihrer jeweiligen inhaltlichen Qualität wirkenden Bestimmungen

die systematische Stelle dieser Normativität ausfüllen würden 88; vielmehr kann der — nochmals: in der Analogie zur oben als für alle unsere Bewußtseinsvollzüge formell normativ entworfenen Systematik

der Geltungsstufung — an dieser Stelle sinnvoll anzusetzende Normbegriff nur in der höchstmöglichen Allgemeinheit des inhaltlichen

Moments als solchen selber bestehen. M.a.W. wird man hier als sittliche

Norm genau die Beachtung der Forderung ansetzen können, daß alle möglichen inhaltlichen Bestimmungen von sittlicher Relevanz (Normativität) stets und notwendig in die, in der Ordnung des Sollens, Einander-Zuordnung ‘richtig’ gesetzt erscheinen, wenn und sofern sie unser

sittliches Handeln bestimmen. Diese Zuordnung ist freilich kein objektivistisch statischer Wert, sondern ist wiederum wesentlich bedingt durch das Gesamt oder die Totalitát des Verhältnisses des betreffenden Subjekts und seiner Subjektivitát zu dem es ‘umgebenden’? Ganzen des Seienden überhaupt. M.a.W. sie ist durchaus ein dynamischer Faktor, der von der Weltbegegnung insgesamt des betreffenden Subjekts ab-

hängt. — An formelhaften Grundsätzen wäre an dieser Stelle etwa der

Kantische kategorische Imperativ (in seinen verschiedenen Formulierungen) einzubringen.®?

Das Besondere dieses Entwurfs kann aber vielleicht darin gesehen werden, daß gerade die vergleichenderweise festzustellende Isoliertheit des Kantischen Sittengesetzes schon vom Ansatz her als überwunden

gelten kann. Denn wie die besagte sittliche Inhaltlichkeit (im eigentlicheren Sinn) erster Stufe selbst aufruht und fundiert ist in jener vorausgehenden Formalitát des ethischen Sollens überhaupt, so ist nun sie selbst wiederum von sich aus durchaus sowohl geeignet als auch dazu

bestimmt, wiederum systematisch schrittweise weiter bestimmte ethische

'Inhaltlichkeiten' zu begründen. — Der systematische Ableitungsgang

66 Ein solcher systematischer Entwurf liegt bekanntlich in der materialen Wertethik M. Schelers u. a. vor.

61 Ἐς wäre noch darauf hinzuweisen, daß auch das Konzept jener gänzlich

formalen Sittlichkeit allererster Stufe in gewissen Reflexionen bes. von Fichte

und Schelling eine Art Vorläufer oder Pendant hat.

70

Problem der Ethik

wird ebenfalls in der Analogie zur Deduktion der Geltungsstufen zu sehen sein. Nur ist es diesmal nicht allein die Freiheit des standpunktwählenden Subjekts — gehe dies auch ganz ‘systematisch’, d. h. schrittweise begründet, vor sich —, sondern darüber hinaus auch die Notwen-

digkeit, einem Sollen überhaupt genügen zu müssen, das den Anspruch in sich trägt, schlechthin universal 4nd zugleich total über den letzten und allein entscheidenden Gesichtspunkt unseres jeweiligen Daseins als eines Ganzen zu verfügen: d. h. das allein und vollständig den TotalSinn unser selbst konstituiert. Ging es dort, im Kontext der Geltungsgrundlegung, um die Klärung der Frage des ‘Alles oder Nichts’ innerhalb theoretischer Ordnungen überhaupt, so geht es hier um die gleiche Frage innerhalb der Ordnung des Sinnvollzugs der einzelnen Subjekte und des proportionalen Sollens.88 Sinn und Sollen sind unter dieser Rücksicht einander komplementär. Die Distanzierungsfähigkeit also, die den Übergang zu je bestimmteren Ausprägungen des Sollensanspruchs ermöglicht, hat ihren Grund in dem schlechthin umfassenden, aber dabei stets und wissensnotwendig auf das einzelne Subjekt des (sittlichen) Handelns sich beziehenden Sinnhorizont als solchen. Damit ist dann nicht nur die Möglichkeit wie im Fall theoretischer Ordnung, sondern, wie gesagt, außerdem noch die Notwendigkeit gesetzt: einer je entsprechenden Distanzierung von nur ‘einer’ einzigen Ebene der Sollens-Systematik, d. h. einer Idee von Sittlichkeit, die durch einen primär formalen oder auch inhaltlich-allgemeinsten Begriff, wie oben angezeigt, zureichend, jedoch auch vollständig auf ihr Wirksamwerden hin bestimmt ist. Der weitere Gang ıst dann analog wie ım Fall der reinen Geltungsdeduktion. Auch hier wird man durch eine — der ‘Objektivierung’ innerhalb der rein theoretischen Sphäre entsprechende — Relativierung der je deduzierten Prinzipiensphäre von Sittlichkeit vermittels der Idee des Sınnes, die zugleich damit einen volleren und vollkommeneren Begriff von Freiheit impliziert, schrittweise zu stets bestimmteren ‘Ebenen’ von Sittlichkeit gelangen. Die Reichweite dieser Systematiken insgesamt läßt sich dann beliebig auf das je einzelne Konkrete ‘verlängern’. — Es wird dann nochmals weiter in Analogie zum oben Aus-

einandergelegten auch hier die Unterscheidung zu treffen sein zwischen

68 Es sei übrigens zugestanden, daß auch innerhalb des rein theoretischen Bereichs ein gewisser allgemeiner Imperativ besteht, der ebenfalls das Denken als solcher zu einer je größeren Bestimmtheit und ‘Konkretisierung’ drängt.

Sittlichkeit als Inhalt

71

einem allgemeinen systematischen ‘Schema’ und den jeweiligen Inter-

pretationen eben dieser Schemata. — Und selbstverständlich wird in der

konkreten Praxis des Lebens eine ständige Kombination von Aspekten, Momenten, Elementen und Komponenten aus allen möglichen relevanten Ebenen — oder auch nur aus einem Teil derselben — unser Handeln,

wie ganz allgemein, so im besonderen: als sittliches und (im umschriebenen Bedeutungsgehalt) sinnbestimmtes, sinnorientiertes Handeln

charakterisieren. — Die jeweils durch ihre sollensbestimmte und insofern

wertsetzende Axiomatik gekennzeichnete Sittlichkeits-Stufe aber kann

dann auch mit einem der Tradition entnommenen Begriff als ein Ethos

bezeichnet werden. Solche Ethosformen gelten auch für sehr viel be-

grenztere Zusammenhänge in eigentümlicher Weise; so wäre z. B. schon innerhalb der eigentlichen Ethik das Feld einer allgemeinen direkt

person-bezogenen Sittlichkeit zu unterscheiden von einer auf abstrakte oder konkrete ‘Sachen’ bezogenen. Diese letzteren wiederum lassen sich in der vielfältigsten Weise gliedern (wenn man den Begriff nicht zu eng nimmt): So läßt sich ein Ethos für Institutionen, ein Ethos für ‘Kollek-

tive’ u. ä mehr konzipieren. — Doch damit soll die Erörterung über Sittlichkeit und ihre Grundlegung abgebrochen werden.

11. ÜBERGANG ZU SPEZIELLEREN FRAGESTELLUNGEN, DIE PROBLEMATIK DER ERFAHRUNG

a) Allgemeine systematische Vorüberlegungen Im folgenden Teil dieser Erörterungen wird es im wesentlichen darum gehen, die Rolle der Transzendentalphilosophie im Gesamt der philo-

sophischen Einzeldisziplinen darzustellen, soweit dies Gesamt unter repräsentativen Aspekten nicht schon immer mit im Blickfeld gewesen

ist. Infolgedessen wird nunmehr der Akzent nicht mehr auf allgemeiner systematischer Darstellung liegen, so bruchstückhaft diese auch gewesen sein mag, sondern wird sich mehr einer enzyklopädischen Darstellungs-

weise annähern; allerdings wird auch hier eine sehr ausschnittweise Behandlung angemessen sein. — Die Differenzierung der Philosophie insgesamt ist heute in sachlich-systematischer wie in historischer Hin-

sicht so weit fortgeschritten, daß eine erschöpfende Darstellung auch von der Sache her große Schwierigkeiten hätte und einem einzelnen

Philosophen unmöglich wäre. Dazu kommt, daß alle sog. sachlichen

Aspekte heute auch einen historischen Aspekt dazuerhalten haben, wie ja umgekehrt auch die außerordentlich breit bearbeitete Philosophiegeschichte mehr oder weniger ausdrücklich systematische Gesichtspunkte in sich schließt. Schließlich erhöhen sich die Schwierigkeiten einer Gesamtdarstellung auch dadurch, daß gleichzeitig mit dem geschilderten Tatbestand die verschiedenen Auffassungen und Standpunkte in fast jeder bedeutenderen Frage relativ zahlreich sind; dabei sind einige wenige große, weithin bestimmende Schulen nicht vorhanden, sondern das Philosophieren von heute ist in seiner Manifestation standpunktlich pluralistischer als je zuvor.9? Diese Schwierigkeit der Lage der Philosophie insgesamt bietet der Transzendentalphilosophie eine bisher noch nie so dringend gewesene Aufgabe: Ihrer ganzen Struktur nach, d. h. der Struktur ihrer Grund69 Wiederum: einen ersten Überblick wird man vermittels der schon erwähnten Handbücher, Philosophiegeschichten und enzyklopädischen Darstellungen erwerben kónnen; vgl. dazu den Anhang.

Systematische Vorüberlegungen

73

fragestellung wie auch ihrer wesentlichen Methodik nach dürfte keine

andere philosophische ‘Richtung’ so geeignet sein, die geforderte Ein-

heitlichkeit der Philosophie im Ganzen wie im Einzelnen begründet,

fundiert aufzuzeigen und kritisch durchzuführen. Anknüpfend an weiter oben schon Gesagtes (Kapitel 3) kann dann festgestellt werden: Die Rolle oder systematische Funktion eines transzendentaltheoretischen

Philosophierens liegt angesichts dieser Sachlage vor allem einmal in der

(methodisch-kritischen) Konstruktion des Gesamts oder der Totalität von Philosophie nach allen ihren wesentlichen besonderen Fragebereichen mitsamt der je zugehörigen Methodik, und zwar gerade so,

daß

die Beziehung

der Viel-Einheit

der philosophischen

'Sonder-

Problembereiche’ auf eine allen gemeinsame Ebene des Gründens in

der Konstitution jener Problembereiche selber durchsichtig bleibt. Zum

anderen gehórt zur Funktion transzendentaltheoretischen Philosophierens die, methodisch und systematisch fundierte, Kritik: in der Diskus-

sion der verschiedenen Auffassungen und Standpunkte die Möglichkeit

einer begründeten, eindeutigen Stellungnahme offenzuhalten; sehr oft

wird es gerade einem transzendentaltheoretisch orientierten Standpunkt

möglich sein, aufgrund der ihm eigentümlichen Frageweise beispielsweise antinomische Sackgassen zu hinterfragen und so einer Lösung zuzuführen.

Für unsere Zwecke und im hier geltenden Rahmen wird es genügen,

vor allem den erstgenannten Gesichtspunkt der systematischen Kon-

struktion in den Vordergrund zu stellen. Auf Vollstándigkeit muf dabei freilich von vornherein verzichtet werden. — Der dabei leitende Ge-

sichtspunkt wird aber wiederum ein doppelter sein: Zum einen wird es darum gehen, gewissermaßen in einer thematischen Zentralsphäre be-

sagte Totalität in einem ersten Entwurf wenigstens in den Umrissen aufzuweisen; diese Zentralsphäre läßt sich am besten und angemessensten durch die Kantische zusammenfassende Frage: Was ist der Mensch? bezeichnen. Es vérsteht sich von selbst, daß damit keinerlei empirisch

orientierte Anthropologie gemeint ist, sondern es ist die letzte Frage, die

über den Menschen gestellt werden kann;?? es handelt sich um eine

10 Es sei freilich eingeräumt, daß diese Frage durchaus noch ein weiteres Artikulationsspektrum übrig läßt, als dies bei Kant aufleuchtet; ferner wird man leicht einsehen, daß die Frage nach dem ‘Menschen’ selbst hier eine er-

heblich weitere Tragweite hat als an der bekannten Kantischen Stelle. Vgl. Kants Logik, Vorles. hrsg. v. G. B. Jásche, Einltg. III, (A 26).

74

Übergang zu spezielleren Fragestellungen

Metaphysik des Menschen. — Von dieser Sphäre grundgelegt aber wird zugleich etwas anderes für uns zum Fragegegenstand: der Bereich der

Schöpfungen des Menschen als eines Weltwesens im weitesten Sinne, von der Wissenschaft bis zur Kunst, von der Wirtschaft bis zur Politik,

von der Geschichte bis zur Religion usw. — Es ist klar, daß sich bei diesem Unternehmen gewisse Überschneidungen ergeben. Sofern es sich

bei dem Genannten weithin um ‘angewandte’ (Transzendental-)Philosophie handelt, ist dies sogar sachnotwendig, denn gerade im Felde der

Anwendung — von Prinzipien überhaupt, und so hier insbesondere —

läßt sich die jeweilige Thematik stets von mehreren Seiten aus betrachten. — Endlich liegt durchaus in der Konsequenz der zuletzt angestell-

ten Überlegungen ein weiterer Gesichtspunkt, der für die Art der Dar-

stellung im Folgenden wichtig sein wird; Es wird nun des öfteren ım wesentlichen eher darauf ankommen, die Problemstrukturen in mög-

lichster Schärfe

herauszuarbeiten

als irgendwelche

weitergehenden

Lösungen zu artikulieren; freilich sollen dabei doch auch gewisse Lösungs-Positionen aus transzendentaltheoretischer Sicht wenigstens in Umrissen angedeutet werden.

b) Die allgemeinste transzendentale Rahmen-Problematik von Erfahrung

So scheidet sich aus der sehr breit gefächerten einschlägigen Problemmasse ein erster in sich zusammenhängender Fragenkreis aus, der noch

in relativ enger Form an die Ausführungen angeknüpft werden kann, die zuvor zum Problemkreis der theoretischen Grundlegung gemacht wurden. Es ist dies die Problematik einer transzendentalen Begründung,

oder auch Ableitung, des Komplexes, den man einerseits als Erfahrung,

andererseits als Sinnenhaftigkeit — hier zunächst der Erkenntnis, dann

aber auch, weiterschreitend, des Handelns — zu bezeichnen pflegt.

Allerdings gilt es hier verschiedene Fragen voneinander zu unterschei-

den, die alle eine problemanalytisch wie auch methodisch verschiedenartige Behandlung erfordern: So wird man erstens die Frage nach der (transzendentalen) Konstitution sinnenhafter Erkenntnis als überhaupt

einer, unter bestimmten Bedingungen, sicheren Erkenntnisquelle zu stellen haben. Dabei wäre dann einmal vom philosophischen Standpunkt aus die Vielfalt der ursprünglichen sinnenhaften Erkenntnis zu untersuchen, zum andern das Moment gerade der philosophisch nach-

Begriff der Lebenserfahrung

75

prüfbaren ‘Verläßlichkeit’ solcher Erkenntnis und im Zusammenhang

damit dann auch eine schon hier sich zeigende Stufung von Einheit sowie proportional dazu des Grades oder des Maßes an “Vermittlungsgaran-

tie: für sog. ranghöhere Erkenntnisweisen (ranghöher: gemäß

Garantie für Klarheit und Sicherheit, vor dem

Forum

der

intelligibler

Erkenntnis). — Eine zweite Frage wäre die nach der Konstitution des

Ganzen oder der Totalität der sog. Alltagserfahrung, die ja aus dem

soeben genannten Problemkreis ihre Elemente nimmt, aber neu den

Aspekt einer restlos umfassenden Einheit, jedenfalls der Intention nach,

aller sinnenhaften Erkenntnis bringt. — Eine dritte, eng an die zweite

sich anschließende Frage wäre die zur Bestimmung einer besonderen, qualifizierten Art von Erfahrung: derjenigen nämlich, die man Erfahrungswissen im Unterschied beispielsweise zu rein apriorischem Wissen nennt. Hierher gehört die Erfahrung “eines langen Lebens’ ebenso wie die Erfahrung der ‘Experten’ u. ä.; man sieht leicht, daß sie eine bestimmte Ausformung der Frage nach der Erfahrung vor dem Hintergrund der im zweiten Punkt angeschnittenen Problematik darstellt. —

Hieran an schließt sich dann die vierte Frage nach der Erfahrung als wissenschaftsbegründend im engeren Sinn. Und wiederum wird man hier in Analogie zur Verschiedenartigkeit der zuvor genannten Fragenkreise Erfahrung als Grundlage — nicht die einzige, aber doch wesenhaft mitbestimmend — einerseits der sog. exakten, andererseits der sog.

beschreibend verfahrenden Wissenschaften betrachten können. Anders gesagt, vermag so Erfahrung als Grundlage bzw. als methodischer Ausgangspunkt, neben anderen Elementen, für die Naturwissenschaften und für werden.

die

historisch

orientierten

Wissenschaften

thematisiert

zu

c) Der Begriff der Lebenserfahrung: allgemeiner Horizont und Besonderheiten 1. Die Rolle transzendentaler Theoretisation in diesem notgedrungen

nicht ausschópfenden Überblick wird entsprechend vielfáltig sein, wenn

auch stets in einem methodischen Kontext, der je nach der besonderen

Fragestellung oder Problemlage mit anderen methodischen Momenten und Gesichtspunkten zusammenwirken wird. — Im wesentlichen wird

sie darin bestehen, auf dem weiten Feld der soeben skizzierten Themen den Aspekt der Frage gerade nach den Gründen und Bedingungen der Möglichkeit (a priori) von Erfahrung einzubringen, und dies jeweils

76

Übergang zu spezielleren Fragestellungen

gemäß dem besonderen Bedeutungssinn dieses Begriffs. Es wird also

beispielsweise wiederum um die Möglichkeit sinnenhafter Erkenntnis

überhaupt aus einer Gründungsstruktur apriorischer Natur gehen. Dabei wird man den Aspekt der Apriori-Struktur hier gegebenenfalls außerordentlich differenziert erörtern müssen: So mag es, wie bei Kant, ein relativ recht allgemeines Apriori von anschaulicher Raum-ZeitForm geben; doch wird es darüber hinaus innerhalb des sinnenhaften

Erkennens selbst noch eine Reihe weiterer weniger allgemeiner Struk-

turen geben, die untereinander sowohl hinsichtlich der Allgemeinheit ihres Wirkensbereichs als auch hinsichtlich ihrer besonderen Qualifikation in ‘inhaltlicher’ Rücksicht divergieren und variieren. Grundsätzlich wird man sogar so weit gehen kónnen, daf$ auch alle besonderen Strukturationen, die eigentliches Arbeitsfeld spezieller Einzelfragestel-

lungen, d. h. der Einzelwissenschaften sind, in einem einheitlichen Begründungsgang transzendental von einem ‘systematischen’ Zentral-

punkt aus zueinander in Beziehung zu setzen sind. Es kónnte dann schließlich so sein, daß überhaupt alle Strukturen, wie konkret sie auch immer sein mógen, nicht nur im allgemeinen — etwa durch das RaumZeit-Apriori u. à. —, sondern auch sehr im besonderen — als dies und

dies so und so Fungierendes —, sofern sie eben gerade dies: Struktur

sind, eine Grundlage apriorischer Natur haben, wie abgeleitet das im einzelnen auch immer sein mag. Damit ist selbstverständlich verbun-

den, daß für solche Konkretion jeweils stets eine sehr große oder jedenfalls relativ hohe Zahl an gleichzeitig wirkenden prinzipialen Struk-

turen konstitutiv beteiligt sind. — Erfahrung wäre danach die Totalitát aller in den konkreten welthaft bestimmten Erkenntnisprozeß (im weitesten Maß) integrierten Strukturen. Ihre Prinzipien wären die Prin-

zipien eben dieser Prozeßtotalität. Das Eigentümliche der transzenden-

talen Betrachtung wáre aber dann, wie gesagt, als Grundmuster dieses

Strukturationsganzen — in geeigneter Methodik — ein apriorisches

Bezugsgefüge auszuweisen. 2. In einem weiteren Fragegang wäre sodann vor diesem Gesamthorizont die Möglichkeit und die Bedeutung der je einzelnen oder der besonderen, spezifizierteren ‘Erfahrungen’ herauszuarbeiten, d. h. Erfahrung, sofern sie von je verschiedenen Subjekten in je verschiedener Subjektivität (Subjektlichkeit) oder auch zu verschiedenen Zeiten oder

auch nach verschiedenen subjektiven oder intersubjektiven Interessen bzw. Interessenfeldern bedingt oder konstituiert ist. — So wäre unter der letztgenannten Rücksicht beispielsweise auf der einen Seite -die sog.

Begriff der Lebenserfahrung

77

Alltäglichkeit oder sinnenhaftes Erkennen als direkte Aktwirklichkeit unserer Lebenswelt, auf der anderen Seite aber eben dies Erkennen in

seiner wissenschaftlichen Relevanz zu thematisieren. Erfahrung würde so einesteils zum Titel der Viel-Einheit sowohl spezifisch subjektiver

als auch intersubjektiver konstitutiver Verflochtenheit ihrer Resultierungen, von denen nur einige aufgezählt seien: so etwa die konkrete Genese von ‘Erfahrung’ als eines allgemein menschlichen Verhaltens in der Konkretheit des Lebens, das von der Geburt bis zum Tode ständig wächst, sich ausweitet, entfaltet, freilich auch einem (keineswegs nur linear, sondern) gegebenenfalls konfliktmäßig verlaufenden Ablaufgesetz

unterliegt; aber dies gerade vermittels einer wesenhaft vorausliegenden,

final immanent bestimmenden Struktur.?! An dieser Stelle hätte schließ-

lich auch jene Erfahrung ihren systematischen Ort, die eine besondere

Art von Wissen bereitstellt, und von der Aristoteles zum erstenmal, u. a. auch im Zusammenhang mit der Befähigung zur Politik gesprochen hat; gemeint ist ein Wissen, das z. B. sein ihm immanentes Ziel etwa in

der ‘Altersklugheit’ oder dem finden kann, was traditionellerweise so Weisheit’ genannt wurde.7? Auf der anderen Seite schließt eine systematische Erörterung auch die Problematik in sich, wie Erfahrung im soeben umrissenen Sinne Grundlage spezieller Wissenschaften zu werden vermag, inwiefern sie also

der ermöglichende Boden eines speziellen Typos von Wissenschafllichkeit werden kann. Dies würde, an die zuvor skizzierten Problemkreise

anknüpfend, eine besondere Art transzendentaler Wissenschaftstheorie

bedingen. — Dabei würde deren Ausführung, wie schon oben gesagt, wiederum ın zwei Hauptrichtungen zielen: einmal hinsichtlich der

Naturwissenschaften, und zum anderen der sog. Geisteswissenschaften. Auch hier wiederum wäre es die Aufgabe des transzendentalen An-

satzes, das jeweilige Apriori-Gefüge bzw. die jeweilig vorgängige, aber dem Wesen der gefragten Sache immanente Struktur der Ermöglichung aller dieser Wissenschaften und darüber hinaus der je besonderen Art 71 Das meint, daß ‘Erfahrung’ nichts anderes ist als die grundlegende und

prozessual ‘erste’ Weise, wie sich menschliche Subjektivität — und zwar als in ihrem Kern sich autonom verhaltende (und wissende), wie zuvor umrissen — in Welt überhaupt artikuliert und verhält. Dazu vgl. noch mehr unter

Abschnitt b.

12 Vgl. dazu Lit. im Histor. Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. J. Ritter, Darmstadt 1972, Bd. 2, 609—617, 619—623.

78

Übergang zu spezielleren Fragestellungen

von Wissenschaftlichkeit herauszuarbeiten. — So gesehen ist es völlig konsequent, eine transzendentale philosophische Theorie von sehr fundamentaler Art in eine allgemeine wie auch in eine spezifizierte Wissenschaftstheorie einmünden zu lassen.?3 d) Erfahrung unter 'praktischer' Rücksicht, im Horizont konkreter Freiheit Damit soll die Erórterung des genannten Themenkreises abgebrochen

werden. — Es bleibt als weiteres Aufgabengebiet transzendentalen Philosophierens, den Bereich der Praxis und insbesondere des als sittlich oder auch unter letzten Sinnaspekten relevanten Handelns skizzen-

artig in seinem Bezug auf Erfahrung zu erörtern. Der Ansatzpunkt wird dabei, im Gegensatz zur soeben behandelten Thematik, wiederum in der eigentlich intelligiblen Spháre, genauer noch: im Bereich der Freiheit selbst liegen.

Mit dem Blick sowohl auf die Ungebundenheit des Standpunktneh-

mens innerhalb der theoretischen, genauer; der geltungslogischen Systematik als auch auf die skizzierte Erfahrungsthematik wird man demnach Freibeit in theoretischer Sicht in einem erweiterten Rahmen zu

betrachten haben: Jene Unabhängigkeit von ‘theoretischer’ Gesetzmäßigkeit erschöpft sih — als auf diese bezogene — keineswegs in

besagtem Standpunkt-Nehmen-Können, sofern es sich dabei sozusagen

allein um eine Operation von nur theoretischem Belang handelt. Vielmehr reicht diese Unabhängigkeit unter eben dieser Rücksicht noch

erheblich weiter: sie erstreckt sich auch auf das gesamte Gebiet aller möglichen Interpretationen jener oben deduzierten formalen geltungslogischen Stufenleiter bis hin zur Logik n-ter Geltungsstufe als der

speziellsten. D. h. aber gar nichts anderes, als daß auch bis in die letzte Erfahrungsstruktur hinein, sofern damit in irgendeiner Weise Geltung oder ein Geltungsbezug verbunden ist, auch eben diese Unabhängigkeit oder Freiheit (des Standpunktnehmens und Interpretierens) reicht. Und

73 Systematische Ansätze dazu finden sich schon ausgearbeitet bei Kant in

der Kr. d. r. Vern., vgl. z. B. das ganze Kapitel über den Schematismus und die

Grundsätze, außerdem in der Kr. d. Ukr., bes. die Einltg. u. d. II. Teil; die intensivste Weiterarbeit hat ja dann bisher bekanntlich der Neukantianismus geleistet.

Erfahrung unter ‘praktischer’ Rücksicht

79

umgekehrt könnte man geradezu die entsprechenden Logiken formal sehr hoher, d. h. in ihrer Axiomatik sehr komplexer Stufe als das transzendentale Prinzipiengerüst eben derartiger Strukturen des Konkreten ansehen, sofern ihnen, wie gesagt, als einem Operations- oder

Prozeß-Seienden (einer Prozeßeinheit) Verbindlichkeit zukommt.74

Positiv betrachtet wäre diese ganze Systematik mitsamt ihrem universalen Interpretationsfeld — worunter dann konsequenterweise die gesamte ‘Erfahrung’ im umschriebenen Sinn fiele — wieder so etwas wie ein ‘Material’ oder eine Anwendungssphäre besagter Freiheit: aber dergestalt, daß diese sich nach selbstgesetzten Zwecken und Zielen in dem genannten universalen Strukturgefüge von Gesetzmäßigkeiten jeweils wahlweise ‘engagiert’ oder sich festlegt. Es wurde schon gezeigt, daß diese Freiheit im Bezug auf jenes Gefüge niemals sozusagen “frei schwebend’, sondern immer schon unter Zwecken stehend, auf Ziele hingerichtet, geltungsbezogen, und damit auch auf Ordnungen solcher Geltungen hingeordnet ist, sofern jedenfalls diese Freiheitszwecke im besonderen Sinn als sittlich relevant sich erweisen. — Umgekehrt aber käme damit auch gerade das Moment an der Autonomie freien Handelns bzw. Entscheidens in den Blick, das eben in der Polarität besteht, einerseits sich auf das Gesamt eines konkret unübersehbar vielfältigen Strukturgefüges hin zu beziehen, und andererseits sich zugleich doch als im Uransatz durch nichts derartiges letzthin gebunden oder genötigt bzw. gedrungen zu wissen, zu agieren und sich zu vollziehen. Besagte Freiheit aber wäre dann vor allem nach zwei Richtungen weiter zu thematisieren: einmal hinsichtlich des ihr zugeordneten Komplexes, in die Gesamtsphäre der Subjektivität einbezogenen Materialität: also der menschlichen Sinnenhaftigkeit und Leiblichkeit als eines aktiven, auf Ziele hin agierenden und strebenden Seins; und hier wäre wiederum eine transzendentaltheoretische Erörterung dieser Triebstruktur als unmittelbar auf ihre Gegenständlichkeit gerichtet der metho-

dische Ansatzpunkt, erst danach wäre methodologisch und systematisch die Frage zu stellen etwa nach einer 'ontologischen'

Interpretation

(spezieller Art). — Auf der anderen Seite wäre die Struktur dieser Freiheit an sich selbst mit Bezug auf die ihr gemäße Gegenständlichkeit

zu untersuchen: Das hätte wiederum einerseits eine ausgeführte Ethik

des Konkreten zur Folge, andererseits aber, dem noch vorweg oder

doch sachlich unmittelbar damit verknüpft und verflochten, eine allge7* Vgl. oben Kap. 9, Abschnitt c.

80

Übergang zu spezielleren Fragestellungen

meine transzendentale Theorie des Handelns bzw. des Entscheidens selber, und dies wiederum mit Blick auf das je einzelne freie Subjekt wie auch auf die gerade auf dieser Ebene anzusetzende Art von Intersubjektivität.?5

75 Einen größeren Überblick in diesem Sinne hat der Verf. zu geben ver-

sucht in dem genannten Werk: Personalität als Wesen und Geschichte. — Im übrigen vgl. dazu weiter unten Kap. 14, d.

12. DAS ASTHETISCHE IN TRANSZENDENTALER HINSICHT 1. Im Folgenden wendet sich der Gedankengang nun einem Bereich zu, der sich zu den beiden bisher behandelten Großbereichen philosophischer Reflexion im Verhältnis einer gewissen ‘nur’ mittleren Relevanz-Position befindet: Es ist die Sphäre des Ästhetischen. — Die transzendentale Frage wird auch hier wiederum auf die Gründe und Bedingungen seiner Möglichkeit a priori, d. h. aus den impliziten Gründen der befragten Sache, also des Asthetischen selbst abzielen. Zu ihrer Klärung soll hier vorerst eine genauere Bestimmung des Begriffs des Asthetischen gegeben werden. — Mit der reinen und 1m strengen Sinn theoretischen Reflexion teilt die ästhetische Betrachtungsweise gewissermaßen ihre grundsätzliche Unabhängigkeit oder das Freisein von sog. praktischen Zwecken, seien diese wie auch immer vorgestellt. Mit dem sittlich-praktischen Reflexionsbereich teilt sie aber gleichwohl ihre Vollzugsweise: das Subjekt verhält sich prinzipiell produktiv-praktisch; dies wird noch weiter zu klären sein. — Es ist wichtig, zu beachten, daß der Begriff des Asthetischen hier weiter gefaßt wird, als sonst im allgemeinen üblich. Genauer wird hier alles das darunter verstanden, was sinnen-

haft oder intelligibel für ein Subjekt eine Sinn-Befindlichkeit schafft,

und dies in der Weise, daß diese Befindlichkeit von seiten des Objekts

oder Gegenstandes aus der *Natur der in Frage stehenden Sache' her eine Immanenz des Objekt-Akt-Gefüges im Ganzen und von seiten des vollziehenden Subjekts einen Selbstvollzug als erfahrene Selbst-

bestátigung (allgemeinstes Wohlbefinden) — in Hinsicht freilich. auf

eben das besagte Objekt — impliziert; auch hier allerdings wiederum

derart, daß diese Selbstbestátigung ihr Genügen findet (immanent) im

Gesamt des in Frage stehenden Objekt-Akt-Gefüges. Weil und sofern diese Befindlichkeit stets auch objektgerichtet ist, kann man von einem ‘Wohlgefallen’ (oder Mißfallen) sprechen. So gesehen kann jenes “Wohlgefallen’ dann interpretiert werden als Lust, Freude, Harmonie-Erleb-

nis, ‘Glück’ oder (mit einem heute schon altertümlich gewordenen Aus-

druck) ‘Seligkeit’. Dies freilich darf nicht mißverstanden werden, als ob damit

schon

irgendwelche

besonderen

Inhalte,

so etwa

‘Schönheit’,

82

Das Asthetische

*Erhabenheit' u. ä., als prinzipiale Maßstäbe eingeführt wären; vielmehr muß diese Befindlichkeit zunächst ganz formal verstanden werden. — Nimmt man einmal Bezug auf die alte Definition, „schön sei, was im Anschauen gefalle“7° und sieht man dabei von der besonderen Charakterisierung als Schönes ab, so könnte man an jener alten Definıtion vor allem das Moment einer unmittelbaren Objektergreifung hervorheben; auch sıe dürfte aber ın erster Linie nicht durch dies oder jenes Objekt, und auch nicht durch eine einfache oder einzige Kategorie von Objekten ausgeschöpft sein (so daß immerhin auch in der älteren Philosophie eine gewisse Vorform des hier Gemeinten zu finden wäre). Was nun näherhin mit der ‘Formalität” des ästhetischen Vollzugs gemeint ist, ist ergänzend zum oben Gesagten in Hinsicht auf alle möglichen Objekte gerade die Fähigkeit, das ganze Kategoriensystem der Begriffe von ‘schön’ oder “häßlich’, ‘künstlerisch bedeutend’ oder “unbedeutend’, ‘erhaben?’ oder ‘trivial’, ‘faszinierend’ oder "langweilend"' und anderer ähnlicher mehr, überhaupt auf Gegenstände, Situationen,

irgendwelche besonderen Verhältnisse, anwenden zu können. Eben dies aber zeigt eine Apriori-Struktur, wie sie im ganzen Bereich transzendentaler Problematik festzustellen war. — Ähnlich wie in den voraufgegangenen Abschnitten wäre nun auch hier eine weitere Deduktion der

verschiedenartigen Formen des Ästhetischen durchzuführen bzw. in den Grundzügen ihrer strukturalen Möglichkeit aufzuzeigen. Davon soll

hier im wesentlichen abgesehen werden, was indessen gewisse Überlegungen zu einzelnen Punkten dieser Problematik nicht ausschließt. 2. So wäre an die alte Einteilung von Kunst und Natur anknüpfend die Unterscheidung eines Ästhetischen zu treffen, das sozusagen aus seiner Wesensbeschaffenheit heraus menschlicher Subjektivität in einer

ursprünglichen Weise so gegenübertritt, daß diese sich zur Materie des ästhetischen Gegenstandes nur passiv, rezeptiv zu verhalten vermag; demgegenüber stünde ein Asthetisches, das nicht nur in seiner Apriori-

Struktur — dies ja ohnehin —, sondern auch in der Gestaltung des er-

wähnten ‘Materials’ von menschlicher Subjektivität abhängt, durch sie bedingt ist. — Auf einer zweiten Stufe kónnte dann allerdings auch

dieser letzte Bereich Eigenschaften aufweisen, die für das einzelne, ästhetisch sich verhaltende Subjekt ebenfalls primär Passivitát be76 Vgl. dazu beispielsweise etwa E. de Bruyne, L'esthétique du Moyenäge,

Löwen 1947; allgemein (mit Lit.) den Artikel *Asthetik' im Histor. Wtb. d. Phil., Darmstadt

1971, Bd. 1, 555—581.

Das Asthetische

83

sagen. — Die konstitutiven Bedingungen der Möglichkeit, in menschlicher Subjektivität, wie definiert, einen Akt des Wohlgefallens (oder Mißfallens) auszulösen, liegen nun genauer darin, daß als Struktur des Objekts ein bestimmtes Verhältnisgefüge statuiert wird, dessen Relate dann jeweils sehr verschiedenartig hinsichtlich ihres Bedeutungsumfangs oder auch ihrer inhaltlichen Qualität sein können: So kann sich, im Rahmen der erwähnten Immanenz, Endliches zu Endlichem, aber auch Endliches zu Unendlichem verhalten, und dies beides wiederum in einer äußerst reichen Differenzierung und Spezifizierung. Dies trifft im übrigen grundsätzlich sowohl für ein mehr sinnenhaft als auch für ein mehr intelligibel beschaffenes Ästhetisches zu. — Der weite Bereich der Künste hat darin seine Grundstrukturation, und dies nicht nur, was die künstlerischen Leistungen auf hohem Niveau, sondern auch, was sie auf niederigerem oder sogar trivialem Niveau angeht; auch der Bereich des Pseudokünstlerischen lebt noch von der wohlbestimmten Defizienz der Bedeutungen derartiger Verhältnisgefüge. Aber dies gilt

auch noch für intelligible Sachverhalte: So läßt sich beispielsweise die

Mathematik als eine Region des Ästhetischen bestimmen, ähnlich auch die formale Logik (sofern sie von Mathematik zu trennen ist), und überhaupt jede wissenschaftliche Systematik als solche. 3. Noch einen anderen, sehr viel weiter reichenden Bereich mensch-

licher Verhaltensweisen vermag der Begriff des Asthetischen in seiner besonderen Charakteristik zu erfassen, wenn man ihn in seiner Bedeu-

tung noch weiter ausdehnt: nämlich den des (wie es einmal formuliert werden soll) ‘Spielhaften’. Damit ist nun ein Feld von Verhaltensweisen gemeint, deren eigentliches Wesens-Was nicht im strengen Sinn als nur ästhetisch charakterisiert werden kann, sondern an denen die ästhetische

Komponente etwas mehr oder weniger Dazukommendes ist: Dies um-

faßt beispielsweise den Bereich etwa der menschlichen gesellschafllichen Umgangsformen, seien sie nun von mehr privater oder von mehr ëffentlicher Bedeutung,;?? oder der Verfügung über die Zeit als über einen nach

dem anfangs genannten Immanenzmoment (des Asthetischen) gestalt-

baren ‘Gegenstand’, also der sog. Freizeitgestaltung, die zwar in elitärem Rahmen immer Bestandteil menschlicher Kultur war, die aber erst in der Gegenwart zu einem Massenphänomen geworden ist; von ΤΊ Das hier Gemeinte wurde früher z. T. auch ‘Etikette’ genannt; sie konnte

universaler oder partikulárer Natur sein. Ein Teil davon pflegt auch mitunter als ‘Zeremoniell’ bezeichnet zu werden.

84

Das Ästhetische

den besonderen Gründen und Ursachen des letzteren ist dabei hier nicht zu reden. — Von diesem 'Spielhaften' ist freilich auch ein sehr weit reichender Bereich der nicht-spielhaften, der ‘ernsten’ wesens-transeunten Lebensäußerungen, wie Arbeit oder Kampf, ergriffen worden. Es lassen sich auch hier Gründe und Bedingungen, zwar nicht für dieses jeweilige 'Ernsthafte' selber zeigen, aber doch für eine allgemeine Bestrebung, auch das seiner unmittelbaren Natur nach Nicht-Ästhetische — das somit einer sınn-erfüllenden Definition von sich auch zunächst nicht zu genügen imstande ist — unter das Gesetz und die Form eines 'Asthetischen zweiten Grades’ zu stellen. Die darin sich als wırksam erzeigende Teleologie scheint nun gerade in grundsätzlicher Weise auf dem Wege einer “Asthetisierung’ des Nicht-Asthetischen eine Humanisierung des an sich Nicht-Humanen, nicht Voll-Humanen erreichen zu wollen. — Die transzendentaltheoretische Betrachtungsweise ist nun gerade auch angesichts derartiger und ähnlicher Problemkonstellationen ın der Lage, auf verborgene Prinzipienstrukturen auch des kulturellen oder zivilisatorischen Lebens hinzuweisen, die anders nur schwer oder gar nicht in den Blick kämen. Dies ist freilich seit den Analysen des sog. ‘objektiven’, und ‘subjektiven’, Geistes durch Hegel und seine Schule etwas, das wesentlich mit zur Aufgabe einer transzendentalen Philosophie gehórt. 4. Ein letzter Gesichtspunkt sei schließlich noch gestreift: Es handelt

sich um den in der obigen Definition genannten Aspekt der Selbstbe-

stätigung des Subjekts im ästhetischen Vollzug. Hier kann nicht das ganze Bedeutungsspektrum dieses Gesichtspunktes ausgeleuchtet werden, doch soll nur darauf hingewiesen sein, daß gerade dieser Aspekt eine sehr fundamentale Funktion oder Rolle in einer Reflexion auf die transzendentalen Prinzipien menschlicher Existenz zu spielen imstande ist. Genauer wird damit noch eine besondere Modalitát des Existenzvoll-

zugs selbst anvisiert: Einmal gesetzt und zugestanden, daf sowohl autonome Sittlichkeit als unbedingte Norm wie auch damit zugleich der Sinn menschlicher Existenz auf einer fundamentalen Ebene vollzogen seien, so bleibt doch ein ebenso tiefes wie dringendes Bedürfnis a priori bestehen, das mit beidem — mit Sittlichkeit als Sinn — wesensmäßig Erreichte, Gewonnene, Vollzogene noch einmal in einer der betreffenden Subjektivitát als Erlebniszentrum gemäßen Weise sich vollziehend

78 Historische Entartungserscheinungen, sei es im einzelnen, sei es hinsichtlich ganzer Zeitalter, besagen grundsätzlich nichts hiergegen.

Das Ästhetische

85

anzueignen. In der Einheit seiner existenziellen Relevanz und zugleich gemäß der Struktur eines unmittelbar zu einem Ganzen, nämlich dem des existenziellen Sinns und Sollens, sich Verhaltenden besagt dies aber dann nichts anderes als genau den Aspekt von ‘Seligkeit’, von dem oben neben anderem die Rede war. Noch anders gewendet erscheint damit wiederum genau jenes Moment in seiner Allgemeinheit in den Blick

genommen, das bei Kant, in sehr viel eingeschränkterer Blickweise, innerhalb der Postulatenlehre zur Grundlage der Forderung nach Un-

sterblichkeit als dem unerschöpfbaren Medium

des Ausgleichs bzw.

Zusammenfalls von sittlichem Status und ihm entsprechender Erlebnisbefindlichkeit geworden ist. — Mit diesem Hinweis muß jedoch diese Thematik hier abgebrochen werden.7?

7? Das Thema birgt natürlich sehr vielschichtige Probleme; vgl. weiter-

führend dazu vom Verf. etwa das schon erwáhnte Werk (vgl. oben Anm. 75); ferner: Mensch und Menschheit, Entwürfe zu einer Grundlegung und Durch-

führung philosophischer Anthropologie, Bonn 1973, und: Philosophische und

theologische Antinomik bei Kant und Thomas v. Aquin, Kantstudien 61 (1970)

66—82; ferner allgemein im bibliogr. Anhang Nr. 12.

13. TRANSZENDENTALE

FRAGEN ZUR GESCHICHTE

2) Vorerwägungen zu materie-orientierter menschlicher Praxis An dieser Stelle wäre eigentlich eine Theoretisation menschlicher Praxis angebracht als weder unmittelbar ethisch noch direkt ästhetisch

strukturiert, sondern als allein sich gemäß den Zwecken menschlicher

Natur vollziehend, sofern sich diese Natur im weitesten Sınne auf die ursprüngliche Natur in ihrer Materialität hin bezogen erweisen läßt. Negativ läßt sich dies Gebiet weiter auch so charakterisieren, daß hierher alle Tätigkeiten — und entsprechend ihre ‘Erzeugnisse’ oder Hervorbringungen — gehören, die ihren Sinn weder im unmittelbaren Voll-

ziehen einer subjektiven Fähigkeit und der Verwirklichung ihrer im-

manenten Wesensstruktur selbst haben, wie dies beispielsweise sittlichen, aber auch schon beim theoretischen, Imperativ, jedoch etwa bei sinnenhaften ‘Trieb’ der Fall ist, noch auch ihren Sinn in relativen Absolutsetzung formaler Art und dem entsprechenden

beim auch einer Ob-

jektsbezug von sich aus selbst zu finden vermögen, wie dies beispiels-

weise beim Ästhetischen der Fall war. In ihrer Breite und Vielfalt können hier nur auszugsweise genannt werden: der Bereich der Arbeit und der Wirtschaft als einem unmittelbaren Verhältnis des Menschen zur Natur als solcher, die Folgen dieses Verhältnisses (im weitesten Sinne), sofern dadurch wiederum — neben der Sphäre des wissenschaftlichen Gedankens, des sittlichen und freien Wollens, des ästhetischen Verhaltens, sowie der je entsprechenden

sprachlichen Mitteilung — eine weitere Sphäre grundsätzlicher menschlicher Leistung eingegrenzt ist: Es ist das Reich einer Aumanisierung,

die sich unmittelbar auf das Naturseiende selbst bezieht und auch in ihren subtilsten Schöpfungen — der Technik und Zivilisation — diese direkte Konfrontation mit Natur als solcher als ursprünglichen Horizont hat, wie abgeleitet und vermittelt dies auch im einzelnen immer sein

mag. Daß das Feld der transzendental gesehen wichtigen Fragen hier wiederum außerordentlich breit ist, braucht im übrigen nicht eigens noch

betont zu werden, ergibt sich doch im Anschluß hieran eine besondere,

in ihrer Relevanz sehr fundamentale Perspektive von menschlicher

Geschichte und Apriorität

87

Gesellschaftlichkeit überhaupt. Die transzendentale Sicht wird dabei vor allem auf das infra- und interdisziplinäre Geflecht der hier spielenden essenzialen Gründe abzuzielen haben. Philosophie der Arbeit, der Tech-

nik und des Wirtschaftslebens mitsamt allem darin Implizierten als

Sozialphilosophie wird somit transzendental bedeutsam gerade durch den Rückbezug aller dieser Bereiche auf die eigentliche und zentrale Wesenssphäre des Menschlichen als solchen. — Damit muß jedoch auch dieser Hinweis abgebrochen werden.®° b) Geschichte und Apriorität 1. In einem gewissen sachlichen Zusammenhang mit dem soeben Skizzierten steht ein weiteres Feld transzendentalphilosophischer Reflexion:

Dies ist die Geschichte im weitesten Sinn; zugleich fungiert die philosophische Betrachtung der Geschichte, parallel zur Bestimmung der

Geschichtswissenschaft als materialer Gesamtwissenschaft, wiederum als systematisch integrierendes Element der philosophischen Sonderdisziplinen zu einem Ganzen in neuer Hinsicht. — Geschichte interessiert sozusagen das transzendentale Philosophieren nicht nur als Frageobjekt für die Suche nach dem Sinn und der Struktur des Geschichtsablaufs im Ganzen, sondern in speziellerer Weise noch einmal als Frage nach dem Sinn und der Struktur ihrer selbst: der Geschichte von Philosophie, des

Philosophierens. Insofern nun aber einerseits die allgemeine Philosophie

als die Grund- und Gesamtwissenschaft der Welt des Seienden insgesamt zu fungieren beansprucht, die “Iranszendentalphilosophie’ hinwiederum den Bereich der sich auf sich selbst besinnenden, auf ihren eigenen Grund reflektierenden Philosophie umzeichnet, — andererseits aber gerade Geschichte eine Fundamentalstruktur eben dieses Gegenstandes

von Philosophie insgesamt und überhaupt bedeutet: so kann transzendentales

Philosophieren

nicht

nur

nicht

an

einer

entsprechenden

Reflexion von Geschichte vorbeigehen, sondern dies zählt sogar zu 80 Man vergleiche die einschlägigen Stichwörter in den verschiedenen philosophischen Handbüchern und Enzyklopädien. — Den zusammenordnenden Aspekt bietet in dieser Problemkonstellation zweifellos die Soziologie bzw. Sozialphilosophie; einführend vgl. hier etwa H. Schoeck, Die Soziologie und die Gesellschaften, München 21964 (Orbis acad.), und F. Jonas, Geschichte der Soziologie, I—IV, Hamburg 1968/69 (rde. 302/09); speziell zu Karl Marx vgl. oben Ahm. 14.

88

Fragen zur Geschichte

ihren ureigensten Reflexionsgebieten; im Blick auf das soeben Gestreifte (menschlicher Sozialität) fungiert eine solche transzendentale philosophische Reflexion des Geschichtlichen dann natürlich auch methodologisch unter gewisser Rücksicht als integratives systematisches Moment. Selbstverständlich kann auch hier nicht mehr als eine fragmentarische Skizze einiger wesentlichster Probleme gegeben werden. So soll die folgende Erörterung sich beschränken auf die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von geschichtlichem Verhalten, d. h. genauer: von geschichtlich orientierter Reflexion in der Philosophie selbst, und dies ‘a priori’, d. h. nach Gesetzen des philosophierenden Subjekts oder der philosophierender Subjektivität selbst. 2. Allgemein läßt sich die Frage nach der Geschichte, als spezifische Frage der Philosophie nach ihrer eigenen Geschichte verstanden, auch stellen als Frage nach dem Verhältnis von geschichtlicher Vielheit und systematischer Einheit der Philosophie. Noch anders gewendet, erhebt sich dann konsequenterweise die Frage nach dem systematischen Wesen von Philosophie als solchem: Ist Philosophie überhaupt systematisch — und wir haben allen Grund, dies anzunehmen, wie man gesehen hat —, so läßt sich nach einem geschichtlich aufweisbaren Inbegriff solcher Systematik fragen. Umgekehrt aber deutet alles darauf hin, daß ein solcher Inbegriff, der somit in seiner konkreten Gestaltung das mit ihm, dem ‘System’, Gemeinte in vollkommener Form darbietet, geschichtlich überhaupt niemals als solcher realisierbar oder erreichbar sein wird. Das ‘System der Systeme’, das solcher Inbegriff von philosophischer Systematik zu erfüllen hätte, wäre nur ein wissenschaftliches /deal der Philosophie in asymptotischer Funktion.?! — Nur im Vorbeigehen sei noch bemerkt, daß die Beschränkung unserer Problematik auf das Selbstverstándnis der Philosophie-Geschichte keineswegs sachlich eine Eingrenzung bedeutet; denn insofern Philosophie gerade letztbegründende und damit auch letztmotivierende Reflexion des Praktischen ist, ist 516 dies wiederum nicht nur in allgemeinerer Art und Weise, wie in 8! Oder als Idee nur ein sog. regulatives, kein konstitutives Apriori, wie Kant sich ausdrückt; vgl. Kr. d. r. Vern. A 642, B 640 ff.: den ganzen » Anhang zur transzendentalen Dialektik«, und A 832, B 860: die Architektonik der reinen Vernunft. — Im Deutschen Idealismus wurde dies Anliegen u. a. unter dem Stichwort der ‘pragmatischen Geschichte des Geistes’ von Fichte, dann in abgewandelter Gestalt auch von Schelling und Hegel aufgenommen; das Interesse an der Philosophiegeschichte im Deutschen Idealismus war wesentlich auch systematisch bestimmt.

Geschichte und Apriorität

89

der Ethik, sondern auch auf die geschichtliche Konkretion bezogen, wie diese auf dem Felde des Rechts, des Staates, der Gesellschaft, der Zivilisation und der Politik sich herausgebildet hat und stets sich noch

herausbildet. So betrachtet umfaßt eine sachlich vollständige Reflexion

auf die Philosophie als auf ihre Geschichte zugleich ja auch ihren gesamten Gegenstandsbereich selbst. — Es sei hier weiterhin schon vorweggenommen, daß diese geschichtliche Betrachtungsweise von Philosophie einmünden dürfte in eine zukunfts-projektive oder auch -produktive Betrachtung der Rolle und Aufgabe der Philosophie überhaupt. 3. Das wichtigste Problemgebiet ist hierbei nun dasjenige des Bezugs der gegenwärtigen auf die vergangene Reflexion, des gegenwärtigen Philosophierens auf die früheren Philosophien. Damit aber scheint auch die bermeneutische Thematik einbezogen werden zu müssen; doch soll sie hier nur im Rahmen der transzendentalen Fragestellung behandelt werden. — Kurz skizziert stellt sich die Problemlage dann folgendermaßen dar: Eine jede historische Erkenntnis ist zu einem Teil gegenwartsbezogen, und dies in der Weise eines unreflektierten, ja teilweise anscheinend sogar unreflektierbaren Vorverständnisses; “unreflektierbar’ insofern, als erst der weitere Fortgang der Zeit selber immer neue

Aspekte an einem schon vergangenen Objekt enthüllt, aber gerade die

jeweilige so beschaffene Realität als solche allein im betreffenden zukünftigen Zeitpunkt ‘gehabt’ haben, zur Verfügung stehen kann.82 — Umgekehrt aber ist auch das in Frage stehende Objekt nicht völlig willkürlich interpretierbar, eine gewisse Eigenstruktur des vorweg möglichen Verstehens, der Verstehbarkeit, eignet ihm ın jedem Fall. Auch dem je gegenwärtigen Erkenntnisstandpunkt eignet seine Relativität, die ihm bei aller Bemühung um wissenschaftliche Objektivität bleibt,

letztlich gerade ın Hinsicht auf die grundsätzlich mögliche zukünftige

Kritik. — Die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit geschichtlicher Reflexion, d. h. geschichtlichen Vergleichens von geistigen Gehalten überhaupt, und zwar wiederum ‘a priori’, aus der Struktur der solcherart reflektierenden Subjektivität selbst, führt so schließlich noch

einmal unter anderer Rücksicht auf die Frage nach dem Verhältnis von Geschichte und Systematik der Philosophie. 8? Vgl. dazu 2. Teil, München München, 4 Bde. ‘Hermeneutik’ in

etwa einführend 1971; ferner W. 1970 ff.: II (1971) den verschiedenen

H. Seiffert, Wissenschaftstheorie, Bd. II, K. Essler, Wissenschaftstheorie, Freiburg/ 2. Kap. Nr. 7, 8; im übrigen das Stichwort Lexiken und Enzyklopädien.

90

Fragen zur Geschichte

4, Allgemein wird man die Lösung in einer Konzeption suchen müssen, die den jeweiligen historischen Bezugskontext, sofern er philo-

sophisch relevant ist, auf der Ebene eines um eine Stufe weniger historischen und mehr systematischen Bezugsgefüges thematisiert.83 Dies gilt ganz grundsätzlich für jede derartige Reflexion, die eben als solche mehr ist als bloße Begriffshistorie; andernfalls wären solche geschichtliche Erscheinungen wie die Rezeptionen früherer Philosophien, die strukturell allesamt sachlichen Synthesis-Charakter haben, nicht denkbar. — So kann, mit einem Ausblick in die Geschichte und mit großer Vereinfachung, die Philosophie von Aristoteles als ein systematischer Syntheseversuch von platonischem und demokritischem Denkansatz, das Denken etwa des Thomas von Aquin als entsprechender Syntheseversuch eines ‘lateinischen’ Aristotelismus mit einem neuplatonisierenden Augustinismus (oder augustinisierenden Neuplatonismus), und wiederum die

Philosophie Kants als systematische Synthesis von Empirismus und

Wolffschem Rationalismus, der das Erbe des Cartesianismus angetreten hatte, verstanden werden. Die Beispiele ließen sich beliebig vermehren

und enthalten in sich durchaus die Möglichkeit stets 'hóherstufiger'

Synthesen.54 — Man mag nun auf diese Weise eine immer weitergehende Systematisierung von *Historischem' innerhalb der lebendigen Philosophie als grundlegendes, sozusagen auch historisch sich langfristig bewährendes, Strukturmuster philosophischer Reflexion überhaupt ansehen, so bleibt doch ein Hiat, ein sachlicher Sprung übrig, als Rest. Dessen Ausdruck ist, daß auch eine solche, systematisch höhere Synthesis selbst immer noch wieder geschichtlich, d. h. als Materialgegebenheit,

charakterisiert werden kann (jedenfalls für die möglichen nächsthöheren

Synthesen). 5. Dieser Rest läßt sich innerhalb eines geschichtlichen Horizonts, der wesentlich und formal auf Philosophie als auf Vergangenheit — und sei sie auch noch so bedeutsam — hin festgelegt erscheint, nicht lösen. Auch die sog. Systematik vermag sich demgegenüber immer nur letztlich in einem antithetischen Verhältnis zu bewegen; die Unerschöpflichkeit hinwiederum des Vergangenen aber wird in der primär historischen 83 Dies muß selbst wiederum methodologisch nicht ausdrücklich artikuliert sein, das Faktum eines solchen Bezugs genügt. 84 So ist z. B. in Hinsicht auf die beiden letztgenannten Konzeptionen der Versuch Jos. Marechals einer Synthesis von Kantischem und thomistischem Denken erwähnenswert; vgl. dazu im bibliogr. Anhang Nr. 12.

Geschichte und Apriorität

91

Einstellung gleichsam naiv, unreflektiert, nur als denkend geschehendes

Faktum in Anspruch genommen. Wie jedoch schon angedeutet, läßt sich eine Lösung, wenigstens grundsätzlicher Art finden, insofern der Zukunftsaspekt — nicht als äußere Faktizität, die dem philosophischen Gedanken primär von seiten der Empirie widerfáhrt —, sondern als innere, d. h. wesenseigene, also apriorische Bedingung erfaßt wird:

Überhaupt philosophieren zu können ist der Philosophie notwendig.

Das meint zwar einerseits, daß der vollkommene, restlos adäquate Zusammenfall von systematischem und historischem Moment oder

Aspekt an der Philosophie ein in der konkreten Geschichte nur asym-

ptotisch zu erreichendes Ideal bleibt, daß aber andererseits der Punkt des besagten Zusammenfalls in einem Mindestmaß doch immer schon dem Philosophierenden in die Hand gegeben ist: Er liegt aber darin, die Grundaufgabe des Philosophierens überhaupt und als solche wahrzunehmen. Das aber ist nichts anderes, als die dem Menschen in seinem Wesen aufgegebene Selbstverwirklichung in der Weise der vernünftigen Aneignung — sei es durch Kritik, sei es durch reflexive Konstruktion oder Projektion, sei es durch Theorie oder durch Praxis, wiederum in Gestalt von Kritik oder Projektion — durchzusetzen. Dies aber ist eine stets und sachnotwendig zukunftsgerichtete, ja zukunftsschaffende Tätigkeit des menschlichen Geistes, insofern dadurch gerade seine eigene, sich vollendende Selbstwertung bestimmt ist. Philosophie aktuiert in ihrer so bestimmten Reflexion dann gerade die Vernünftigkeit menschlicher Autonomie ım Prozeß des Entwerfens, des Setzens und Bestimmens, kurz: im Prozeß ihres Sich-Erwirkens und -Vollendens schlechthin. — Die Autonomie der Philosophie ist so letztlich die Autonomie des Menschen als solchen, der Prozeß ihrer Artikulierung als Systematik in Geschichte aber der Prozeß besagter humaner Selbstverwirklichung ın der Form einer auch in der Weise des Vollzugs selber zu ihrer (grundsätzlichen) Vollkommenheit gelangten Selbst-Aneignung. — Diese systematisch-prozessuale Totalitát ist dann aber ein relationales Ganzes, das seine konstitutive Struktur gerade im Wechselbezug des in sich notwendig und immer Gültigen und der Weise seiner "Systematisierung? in geschichtlicher Gestalt dieser oder jener Philosophie erreicht. — Damit muß jedoch auch diese Thematik abgebrochen werden.

85 Damit verhält sie sich nur konsequent gemäß dem hier schon zu Beginn Auseinandergelegten: vgl. etwa Kap. 3, (bes. d), und Kap. 4.

14. DIE TRANSZENDENTALE FRAGE NACH DER EINHEIT DES ICH a) Das Ich unter allgemein prinzipientheoretischer Hinsicht Der Begriff des Ich läßt sich charakterisieren durch in mehrfache Richtung gehende Bestimmtheiten. So kann fürs Erste der ganze Komplex jener oben behandelten Prinzipialität®® als im eigentlichen Sinn für es zutreffend reklamiert werden. ‘Ich’ bedeutet im Sprachgebrauch des Deutschen Idealismus, der für die Transzendentalphilosophie in gewissen Grenzen bis heute maßgebend geblieben ist,$7 im wesentlichen somit das Bezugsgefüge uranfänglicher Prinzipienmomente und -aspekte, die für das Denken wie für seinen Gegenstand insgesamt und überhaupt gelten. Dies kann man insofern gelten lassen, als das Ichbewußtsein eben als von derselben Struktur sich ausweisen läßt; dadurch ist zugleich die Grundstruktur alles im strengen und eigentlichen Sinn Geistigen gegeben. — Damit ist natürlich nur. ein Gesichtspunkt am Ich, wenn auch ein sehr wesentlicher, angegeben. Für einen gleichsam abstrakten Begriff vom Ich mag dies sogar genügen; darauf wird auch weiter unten im Kontext des Absoluten als von etwas Transzendentem schlechthin die Rede sein.

b) Das Ich in sittlich-praktischer Hinsicht Diese Prinzipienstruktur ist nun zwar als solche für das Ich gültig, bedarf aber doch, damit nun ein spezifisches ‘Ich’ gegeben, gesetzt ist, noch einer weiteren gewissermaßen ‘inhaltlichen? Bestimmung; jedenfalls im Vergleich mit der eben genannten allgemeinen Struktur. Diese besondere Inhaltlichkeit, wodurch sich ein jedes Ich weiter als solches bestimmt, ist nun nichts anderes als Freiheit. — Zunächst erfüllt diese 88 Vgl. oben Kap. 5. 87 So vgl. beispielsweise die Begrifflichkeit bei W. Cramer, um nur einen zeitgenóssischen Transzendentalphilosophen zu nennen.

Ich in sittlich praktischer Hinsicht

93

gemäß ihrer Definition die allgemeine Prinzipienstruktur des ersten transzendentalen Grundes, wie zuvor angegeben: Die Fähigkeit, zu handeln oder nicht zu handeln, so oder anders zu handeln — wobei man ‘handeln’ beliebig ersetzen kann durch: ‘wollen’, ‘entscheiden’, ‘setzen’, aktuieren’ u. ä. —, hat zu ihrer eigenen immanenten Voraussetzung, d. h. zur Bedingung ihrer Möglichkeit a priori, notwendigerweise die Möglichkeit, zu ein und demselben Zeitpunkt durch ein und dieselbe Verfügungsmacht oder anders ausgedrückt: mit ein und demselben Akt (a priori) unter ein und derselben Rücksicht — nämlich eben diesen Akt wesensmäßig weiterzubestimmen (ihn: ‘diesen’ oder ‘jenen’

Akt in Unterscheidung zueinander sein zu lassen) — unmittelbar auf

Mebreres sich hinzuordnen oder akthaft hinzubeziehen. Der letzte und unmittelbare Grund für (von) Freiheit ist somit strukturell mit jenem Prinzipiengefüge ‘formal’ gleich. Das Besondere und Neue jedoch ist, daß eben jene Struktur nun nicht mehr als transzendentale Allgemeinheit gilt, sondern sozusagen in einen einzigen ontologischen (oder metaphysischen) Kraflpunkt konzentriert erscheint. Besagte Möglichkeit ist ja eine solche von Hinordnungen oder -beziehungen auf akthaftes, d. h. vollziehend gewirklichtes Sein. Als solche aber kann sie als der letzte, und strukturmäßig entsprechende, genau proportionale Grund jedenfalls “ἃ prior! und bezugsimmanent (als Grund der Folge) nicht frei schwebende Möglichkeit sein (für irgendein gleichgültiges Einerlei), sondern muß in diesem Sinn auch ‘Sein haben’ oder ‘sein’ (dies ist hier gleichbedeutend). Dies ist der Ursprung aller Autonomie. — Man sieht im übrigen auch leicht, daß zugleich hier allein der Boden aller menschlichen Würde zu finden ist. Das Besondere menschlicher Freiheit aber liegt weiter darin begrün-

det, daß genau diese Grundstruktur nun zwar das Wesen des Menschen

als Person ausmacht, aber dann für die — an sich ja zu fordernde — Adäquanz oder Sachübereinstimmung besagter Struktur und des genannten ontologischen ‘Punktes’ oder seiner ontologischen Personbzw. Individualstruktur 88 noch einmal neue, eigene Gesetzmäßigkeiten in Kraft treten. Diese kónnen, allgemein gesprochen, durchaus unterschiedlicher Art sein, von höchster, absoluter Vollkommenheit, oder aber auch von nur bedingter Vollkommenheit. Dies letztere trifft nun für den Menschen zu. Das meint, daß die Art und Weise der Durchfüh-

rung der besagten Adäquanz selber in ihrer Struktur bedingt ist, daß 88 Vgl. dazu oben Anm. 75.

94

Einheit des Ich

hier Gesetzlichkeiten maßgebend werden, die nicht allein und ausschließlich. von eben diesem Freiheitsgrund sich herleiten, sondern zugleich

auch von anderen Seins- und Wirkensbereichen; es liegt also im mensch-

lichen Wesen selbst auch ein gewisses Maß von Heteronomie beschlossen. Dies konstitutiv mitwirksame ‘Andere’ (zu seiner Freiheit) läßt sich dann weiter bezeichnen als Angewiesenheit auf Gegenständlichkeit einer Welt überhaupt, und sodann — noch einen Schritt weiter — als Angewiesenheit, im Rahmen solcher Gegenständlichkeitsorientierung überhaupt, auf spezifisch kórperhaftes, materielles Gegenstandssein. — Ein Widerspruch tritt im Wesen nicht auf, wenn man — ähnlich wie dies auch schon im Kontext von Sprachlichkeit der Fall war®® — nur genügend unterscheidet zwischen einer 'Sache selbst? als solcher mitsamt ihrem eigentümlichen Begründungsgefüge und einem bestimmten Bedingungsverhältnis, beispielsweise in der konkreten Vollzugsordnung, zu dem von seiten besagter ‘Sache selbst’ eine notwendige Hinordnung besteht; diese Notwendigkeit vermag dann von wesenhaft ‘niedrigerer’ oder “äußerlicherer’ Art zu sein, als sie z. B. die innere Struktur dieser ‘Sache’ mit sich führt.

c) Weitere Voraussetzungen eines ‘konkreten’ Ich Die sich hier ergebenden Fragen leiten dann schon über zu einer, wenn auch weitgefafsten, philosophischen Anthropologie. So sollen hier nur noch kurze Hinweise angefügt werden. — Zunächst sei einiges zur Gegenständlichkeit gesagt.” Die Funktion des Ich, Prinzipiengrund für universale Gegenständlichkeit zu sein, trifft zunächst einmal, wie angedeutet, für das Gegenstandsbewufitsein “erster Stufe’ zu (wie man auch sagen kónnte); hier geht es um die transzendentale Theoretisation von Gegenständen als primären Weltgegebenheiten: die Vielfalt von apriorischen Bestimmungen, welche Gegenstände allgemein als in Evidenz gegeben konstituieren, ist hier das Frageobjekt. Überflüssig zu sagen, daß zu dieser Thematik sich ein außerordentlich reich ausgearbeiteter Fragestand bis heute ergeben hat;?! darauf soll hier aber nicht 89 Vgl. oben Kap. 9. 99 Vgl. oben Kap. 4; Kap. 6, NB.; Kap. 8, a. 91 So sei erinnert an die gegenstandstheoretischen Überlegungen im Raum des Neukantianismus, etwa bei H. Rickert oder H. Cohen, oder im Rahmen

Voraussetzungen eines ‘konkreten’ Ich

95

weiter eingegangen werden. “Iranszendental’ aber ist diese Frage, insofern unser Erkennen und Denken selbst als Bedingung der Möglichkeit a priori von welthafter Gegenständlichkeit fungiert: nicht ‘empirisch’ oder mit Hinsicht auf ein An-sich-Sein derselben, sondern als erkannter

wie erkennbarer, als gedachter wie denkbarer Gegenständlichkeit überhaupt und im allerumfassendsten Sinn; das Entscheidende ist ja dabei, daß es von diesem Erkannt- und Gedachtwerden-Können schlechterdings gar keine Ausnahme gibt, daß es sie unbedingterweise nicht geben kann, oder daß sie, anders gesagt, selbst nicht ‘denkbar’ ist.?? — Wichtiger für unsere Zwecke und unsere Fragestellung ist die vor allem von E. Husserl aufgeworfene Frage wiederum nach dem adäquaten letzten Grund solcher Gegenstandskonstitution als Bewußtseinsstruktur.?3 Da all unser Bewußtsein von Gegenständen überhaupt an sich selbst die vorausliegende Charakteristik eines bewußtseinshaften ErlebnisStromes hat, dieser Bewußtseinsstrom

aber wiederum

sich bestimmen

läßt als ‘fließend’ oder sich bewegend aus unbegrenzter ‘Zukunft’, als dem Bereich des gegenständlich noch zu Konstituierenden, in unbegrenzte ‘Vergangenheit’, als dem Bereich des als je schon primär kon-

stituiert sich Gebenden: da dies so ist, bestimmt Husserl! den fundieren-

den Grund (der Möglichkeit a priori) jenes Bewußtseinsstromes als “transzendentale Zeitlichkeit’.% — Damit dürfte der genau proportionale, letzte Prinzipienboden für Gegenständlichkeit im Sinne transzendentaler Phänomenologie angegeben sein. Das Problem, wie sich ein derartiger, phänomenologisch bestimmter Prinzipienboden vereinen und zu einem einheitlichen Begriff bringen läßt mit dem bisher hier erarbeiteten Bewufstseinsbegriff und dessen systematischer Struktur, unterscheidet sıch nicht wesentlich von dem vorigen, wie sıch Ichbewußtsein als Prinzipienboden von Gegenständlichkeit mit dem Prinzipienboden von Geltung überhaupt vereinen läßt. Zeitlichkeit nun als traneiner ganz weiten. phänomenologischen Fragestellung, etwa teilweise bei Fr. Brentano, W. Schuppe, mehr noch aber bei A. v. Meinong, und weitaus am bedeutsamsten bei E. Husserl; vgl. dazu auch die beiden folgenden Anmerkungen. 9? Vgl. dazu oben Kap. 8, außerdem noch v. Verf.: Transzendentalphilosophie (s. Anhang Nr. 12), Kap. 6. 988 Zur Einführung in die Philosophie Husserls vgl. im Anhang Nr. 10. % Vgl. dazu bei Husserl: Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewufitseins, hrsg. v. M. Heidegger, Halle 1928; Cartesianische Meditationen, den Haag 1950, bes. $$ 35—37 u. ö.

96

Einheit des Ich

szendentale Struktur von Bewußtsein vermag aber dann wiederum als ein Index, eine Sachanzeige, dafür zu fungieren, daß der ‘Modus-quo’ oder die konkrete Vollzugsweise jener Synthesis von allgemeiner Gel-

tungsstruktur und ontologischem Substrat derselben, ebenso wie von

Freiheitsautonomie und ihrem vollinhaltlichen Vollzug, — daß diese Konkretionsweise gegenüber dem, was ihr Ermöglichungs- und Zielhorizont ist, relativ eigengesetzlich fungiert.

Dies trifft noch mehr zu für den ethisch-praktischen, wie überhaupt den praktischen Aspekt ganz im allgemeinen. So läßt sich der Sinn schlechthin des Ichs als Person definieren als den Vollzug einer umfas-

senden Synthesis oder Einheit von ursprünglichen und universalen Prinzipienstrukturen von Geltung einerseits mit der prinzipialen Struktur von Freiheit als solcher andererseits. Die Vollzugsweise jedoch gehorcht,

wie dargelegt, dabei ihrer (relativ) eigenen Gesetzmäßigkeit; es ist freilich zu erinnern, daß auch diese besondere ‘Weise’ unter jenen allge-

meinen Begriff von Vielheit fällt, wie er zuvor abgeleitet wurde. —

In dieser letzten Rücksicht gerät nun das transzendentale Philosophieren in eine gewisse Nähe zur Existenzphilosophie M. Heideggers und zum Existenzialismus J. P. Sartres. Es ist ja gerade auch dort das Sinnproblem menschlicher Existenz im Horizont von Zeitlichkeit als dem (dort) alles bestimmenden Prinzipienboden, was die eigentliche systematische Mitte ihres Denkens in je verschiedenem Ansatz ausmacht. — Für unsere Fragestellung aber ergibt sich endlich als methodisch-syste-

matisches Postulat eine letzte Synthesis, nämlich diejenige von ‘prinzipialer Sache’ an sich selbst — damit ist gemeint der volle intelligible Charakter des Ich als Person — als Ursprung und Ziel: mit dem Weg

oder dem ‘Verfahren’, der Methode bzw. der konkreten Durchführung zu diesem Ziel — damit ist gemeint Gegenständlichkeit, Zeitlichkeit,

Erfahrungs- und Materiebezogenheit. — Das Ich aber enthüllt sich so

letztlich als prinzipieller Bezugspunkt aller transzendental-axiologischen (geltungstheoretischen im engeren Sinn), transzendental-ontologischen (bewußtseins- wie existenzthematisch) und sogar transzendental-ethischen Strukturationen.

d) Das Problem der Interpersonalität Es bleibt weiter in diesem fragmentarischen Aufriß, noch ın aller Kürze Stellung zu nehmen zu einem Fragenkreis, der sich sachlich eng

Problem der Interpersonalität

97

an die soeben behandelte Problematik anschließen läßt: zu dem der sog.

Intersubjektivität. Anschließen an das Vorige läßt sich diese Thematik insofern, als es darin um die weitere Ausgestaltung der Sphäre von

Personalität im weitesten Sinn geht, und zwar auf der Ebene mensch-

licher Gemeinsamkeit als solcher. Die Notwendigkeit, menschliches Wesen von seinem allerersten Sachansatz als durch plurale Subjekte

verwirklicht, ja es als notwendigerweise überhaupt nur durch eine plurale Subjektlichkeit verwirklichbar zu denken, hat ihr Fundament

in der Gesamtstruktur menschlicher Wesenheit, wie sie bisher gedacht wurde. Das bedeutet des näheren: Es erscheint von vornherein aufgrund

der Sachlage und ihrer Strukturation unmöglich, daß die genannte Grundsynthesis, sowohl von ‘rein theoretischer’ und ethischpraktischer

Prinzipialität, als auch von solcher Prinzipialität insgesamt und ihrer (gestuft) konkreteren Verwirklichungs- und Durchführungsweise, —

daß eine dergestalt in sich ebenso vielschichtige wie dem Anspruch nach

umfassende Synthesis allein durch ein einziges Subjekt, dessen Aktuationsspielraum gerade durch seine das Totalverhältnis wesentlich mitbetreffende empirische Ver-Einzelt-heit fundamental charakterisiert ist, in ihrem potenzialen Sinn oder in der Teleologie, welche durch eine derartige Synthesisstruktur gesetzt ist, ausgeschöpft werden kann. Das

meint dann natürlich nicht bloß ein numerisch ‘einziges’ Subjekt, sondern betrifft die Kategorie überhaupt eines überschaubaren abzählbaren ‘Einzelnen’; eine auch noch so große “Anzahl’ einzelner Subjekte kann

niemals in der Lage sein, jenes Grundverhältnis, das sich in der genannten, in sich gedoppelten Synthesis manifestiert, aktuierend auszuschöpfen. Da in die Totalität, in das Ganze, besagter Synthesis wesenhaft, wie

schon gesagt, auch Materialität oder Körperlichkeit als auf diese Subjektlichkeit konstitutiv bezogen einbeschlossen ist, gilt nun diese grundsätzliche Sachlage der Notwendigkeit pluraler Subjektlichkeit auch, wenngleich unter Berücksichtigung der besonderen hier geltenden Ge-

setzmäßigkeiten, für den materiellen oder (wie man nunmehr auch sagen kann) leiblichen Aspekt des Einzel-Seins. Leiblichkeit erscheint hier somit als konstitutiv auf Personalität und zugleich damit auf Interpersonalität bezogen. — Dies umschließt selbstverständlich einen weite-

ren außerordentlich breiten Raum von Problemen, auf die hier jedoch

nicht mehr weiter eingegangen werden kann.94* %a Vgl. z. B. oben Kap. 9 u. 13a.

15. DIE TRANSZENDENTALE PROBLEMATIK EINES SCHLECHTHIN TRANSZENDENTEN ABSOLUTEN

Mit diesem letzten Abschnitt des hier vorgelegten Überblicks soll nun noch ein Thema in die Erörterung einbezogen werden, das man auch heute noch in gewisser Weise das Gottesproblem nennen könnte. — Es ist freilich wahr, nirgendwo anders mag es jetzt so viel Schwierigkeiten

und Mißverständnisse geben als bei diesem Thema, nirgendwo sonst dürfte eine breite Phänomenologie des Gottes-Bewußtsein als solchen angebracht, dürfte ein breiter deskriptiver Zugang zum eigentlichen Problem methodisch notwendiger sein. Und weiter sollte vorweg zu einer jeden sich beispielsweise auf die Existenzfrage einlassenden Überlegung eine die ganze Geschichte der Spekulation umfassende Klärung des mit dem Begriff Gottes Gedachten, und weiter: des hierunter vernünftigerweise Denkbaren, stattgefunden haben. Schließlich setzt die Gottesfrage im spezielleren Sinn, als Frage nach einem möglicher-, sinn-

voller- und vielleicht sogar notwendigerweise zu denkenden Dasein Gottes, die vorweg erfolgte Klärung einer ganzen Reihe sehr fundamen-

taler Fragen der Philosophie im allgemeinen voraus, an die anzu-

knüpfen, auf denen etwa aufzubauen wäre. Dies alles kann hier natür-

lich nicht geschehen. — So bleibt nur, aus der Not eine Tugend zu machen und nun unsererseits einfach, gleichsam den Gedanken von der Sache her immanent entwickelnd, im Rahmen des Bisherigen zu verbleiben und zu versuchen, die Konsequenzen aus dem Auseinandergelegten zu ziehen. — Dabei muß freilich in einer noch größeren Knappheit als bisher zu Werke gegangen werden. Es wurde schon gelegentlich hingewiesen auf die Möglichkeit eines auch in der Art und Weise, der Form der ‘Durchführung’ absoluten Ver-

hältnisses — oder auch eine ‘Synthesis’ (in anderer Begrifflichkeit) — zwischen jener allgemeinen Prinzipialität, teils theoretischer, teils axiologischer Art und der ontologischen Subjektlichkeit, von der schon die Rede war.” Nun lassen sich gewiß von einer transzendentalen Basis aus Wege und Möglichkeiten für die entsprechende Theoretisation, etwa 95 Vgl. z. B. oben Kap. 14.

Das transzendente Absolute

99

hinsichtlich der Gottesbeweise, aufzeigen, davon wird noch im Folgenden die Rede sein. Das viel entscheidendere Problem ist aber heute die Frage nach der Möglichkeit eben dieser Problematik als ganzer und

als solcher. Die Fragwürdigkeit solcher Problematisierung trifft freilich

eine transzendentale Fragestellung weniger, insofern bei ihr das entscheidende Moment zunächst einmal ‘a priori! aus dem Wesen der in Frage stehenden Sache selbst, d. h. hier also des Denkens als solchen (und seiner Konsequenzen) folgt, hier aber ein offensichtlich ım Vergleich zu ıhr selber von außen kommendes Moment, nämlich von seiten der allgemeinen Bewußtseins- und Geistesgeschichte herkommend, mit im Spiele ist. — Doch auch von einem transzendentalen Standpunkt aus, der für die Gottesproblematik offen ist, ist als erste Frage die nach dem möglichen Begriff Gottes zu behandeln, nicht nur um des existenzialen oder anthropologischen Sinnvollseins dessentwillen, was etwa zu thematisieren wäre, sondern sachlich voraus dazu wegen der syste-

matischen,

möglichen

Gesamtkonzeption vertreten wurde.

Einordnung

eines derartigen Begriffs

von menschlicher Autonomie,

in die

wie sie bisher hier

In der durch diesen Rahmen gegebenen Gestalt des Problems läßt

sich dann die These aufstellen, daß ein Gottesbegriff, der in seiner Wesensstruktur von der grundlegenden Relationalität der ersten Prinzipien als solchen sich bestimmt erweisen und infolgedessen auch in seinem Verhältnis zu seinem Anderen, also zu ‘Schöpfung’, von der Grundstruktur her gleichfalls relational bestimmt erweisen läßt —

jedenfalls, was das Verhältnis zum Menschen anbelangt —: daß ein

solcher Gottesbegriff dann in weiterer Konsequenz auch der Autonomie des Menschen nicht widerspricht, sondern sich grundsätzlich in eine ‘Systematik’ solcher Autonomie selber einordnen läßt. D. h. es wird sich somit bei dem Verhältnis Gottes zum Menschen um ein solches handeln, das grundsätzlich als Selbstverbáltnis eben dieser Autonomie, diese ganz allgemein und absolut begriffen, aufgefaßt werden kann. Die Voraus-

setzungen wiederum von seiten des Menschen, und d. h. letztlich, unter

einem methodologischen Blickwinkel, auch von seiten des Denkens oder der Philosophie, sind dann gerade mit seiner fundamentalen Intelligibi96 Solche von außen kommenden Momente sind z. B.: alle möglichen Einflüsse von seiten der Gesellschaft, der besonderen ideengeschichtlichen Situation,

überhaupt alles, was auf die spezielle Biographie des Einzelnen als solche (historisch) einzuwirken imstande ist.

100

Das transzendente Absolute

lität bzw. der sich darin aussprechenden Personalität gegeben; anders gesagt, es ist die hier analysierte intelligibel personale Grundstruktur seines Wesens, die den Menschen ‘befähigt’, den Begriff Gottes gleichsam ‘auszuhalten’ bzw. mit ihm ‘zu leben’ und ‘umzugehen’, zu ‘verkehren’, ohne den eigenen Stand, das eigene Selbst, den eigenen Sinn, das ureigenste Selbstinteresse seiner als Mensch verlieren zu müssen. — Damit allerdings wird die Frage nach Gott ım Grunde zu einer Frage der ursprünglichen Option, die der Philosophierende, er mag wollen oder nicht, zu vollziehen hat; und freilich nicht nur der Philosophierende, sondern dieser stellt nur den reflexeren Prototyp des vernünftigen, denkenden, freien Menschen als solchen dar.?? Die systematische Aufschließung des Komplexes der sog. Existenzbeweise Gottes kann dann wie folgt skizziert werden: 1. Außer dem schon genannten Weg, die Möglichkeit bzw. sogar die Notwendigkeit einer umfassenden, d. h. formal wie inhaltlich absoluten Synthesis von strukturaler (erster) Prinzipialität und ontologischem Subjektsein zu denken, wäre 2. innerhalb dieses allgemeinsten Rahmens wiederum ein engeres Problem dasjenige einer absoluten Einheit im Verhältnis zwischen sog. rein theoretischer Prinzipiensphäre einerseits und ethischpraktischer Prinzipiensphäre andererseits, anders gesagt von Verstandund Willenssphäre in einer schlechthin absoluten Vernunft. Ein noch anderer Zugang wäre 3. ferner über die Frage nach der zureichenden und hinsichtlich der möglichen Vollkommenheit ausschöpfenden Ausprägung der theoretischen Prinzipiensphäre, also einer absoluten Gestalt erster und universaler Geltungsstrukturen und ihrer Prinzipien, wie auch entsprechend nach der ausschöpfenden Ausprägung der ethischpraktischen Prinzipiensphäre, also von Freiheit sowie des proportionalen Sinnvollzuges, gemäß ihren schlechthin absoluten Strukturen bzw. Prinzipien: — jeweils beides für sich genommen, in einer gewissen methodischen ‘Isolierung’. Dabei dürfte bei dem zuletzt genannten Problemkreis wiederum eine Variation möglich sein, je nachdem, ob man mehr Sittlichkeit (und Freiheit), d. h. Normativität als freie Ver97” Der Philosoph wäre damit, ähnlich wie bei Platon (Politeia V, 17. — VI, 14), Kant (Kr. d. r. V. A 838, B 866 f.) und Fichte (Vorl. üb. d. Best. d. Gelehrten [1794], 4. Vorl.; Üb. d. Wesen d. Gel. [1805] 7. u. 8. Vorl.; Üb. d. Best. d. Gel. [1811] 3. Vorl.) als eine mögliche exemplarische Weise menschlicher Existenz überhaupt in den Blick genommen. Genauer noch: im Philosophen enthüllte sich ein exemplarisches Element allen Menschseins als solchen.

Das transzendente Absolute

101

pflichtetheit, oder den Sinn-Vollzug in Freiheit in den Vordergrund rückt. — Nicht zu vernachlässigen wäre schließlich 4. auch noch der Aspekt, demgemäß Gott auch als ein letzter, nicht mehr zu hintergreifender Horizont der Möglichkeit der Erfahrungswelt selbst zu thematisieren wäre; dabei wäre freilich ein — in Analogie vom Sein des Menschen als Bestandstück eben dieser Erfahrungswelt zu denkendes —

Sein an sich dieser Welt notwendig in die Thematik mit einzubeziehen.

Das formale Gerüst in allen diesen und noch manchen anderen möglichen Entwürfen, das Dasein Gottes rational zu erweisen, ist darauf angelegt, den Begriff bzw. die Funktion des Grundes unter einer letztmöglichen Hinsicht bzw. in äußerster Radikalisierung der Reflexion

aufzuzeigen. — Dies läßt sich unter Verwendung des ‘absoluten Wissens’? oder auch ‘absoluter Existenz’ als Mittelbegriffen in einem bei-

spielhaften Schlußverfahren zeigen: Unter Absehen aller weiteren Voraussetzungen, die für diese unsere Frage als geklärt anzusetzen sind, hätte der Hauptgedanke etwa diese Gestalt: 1. a) Wenn überhaupt irgendein Wissen gelten soll, so muf$ auch ein Wissen absoluterweise

gelten; b) Wenn ein Wissen absoluterweise gelten soll, so muf$ auch ein an und für sich selbst als absolut bestimmtes Wissen gelten. — Oder:

2. a) Wenn überhaupt irgend etwas existiert, so muf$ auch etwas abso-

luterweise oder unbedingterweise existieren; b) Wenn etwas unbedingterweise existiert, so muf$ auch etwas an und für sich selbst als

absolut Bestimmtes existieren. — Ahnliche Überlegungen ließen sich

fortsetzen. — Vorausgegangen wäre dann das Problem, inwiefern ein Wissen oder auch Existieren absoluterweise gelten (sein) soll. Aber dies ist exemplarisch oder sogar universal durch die entsprechende negative Gegenpos:tion geleistet: Hier spielt die radikale Skepsis in der Umsetzung in den kartesianischen universalen Zweifel ihre methodologisch wichtige Rolle: Wenn überhaupt gültiges Wissen geleugnet wird, oder: Wenn überhaupt bestimmte, strukturierte, ausgewiesene Existenz verneint wird, dann zeigt sich darin schon ein absolutes Moment, das mit dem Zweifel, der Leugnung, der Negation als solcher nicht zusammenfällt. Daraus resultiert sofort der jeweilige erste Satz, wie formuliert (wenn nicht absoluter Zweifel gelten, also: wenn überhaupt ein Wissen gelten soll, so...). — Und weiter: Impliziert ist in der jeweiligen zweiten Schlußfolgerung, daß das Moment oder der Begriff des Absoluten (hier noch als Neutrum) sein Wesen in einer

bestimmten Funktionsweise oder Struktur hat, als Prinzip wirksam

(operativ) zu sein; dies zeigt sich schon in der je ersten Schlußfolgerung:

102

Das transzendente Absolute

Wenn dies nun so sich verhält, so ist von der Natur der Sache her, d. h.

gemäß eben dieser logishen Funktionsstruktur, notwendig gefordert, daß eben dies Moment nicht nur sozusagen in einer nur ‘angewandten’

Form, sondern gerade in seiner formellen Reinheit gültig sein muß. Das

aber meint dann genau, daß ein Absolutes als solches sich nicht darin erschöpfen kann, lediglich in einem insgesamt kontingenten Zusammenhang — der Zweifel-Gewißheit-Strategie — ein dienendes Moment zu sein. Damit wäre ja nicht einmal das tatsächlich innerhalb eben dieser Strategie Geleistete letzthin plausibel gemacht. Es wäre damit ein weiteres Mal die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit a priori in äußerster Zuspitzung gestellt, formell und methodologisch, so daß dabei die Möglichkeitsbedingungen unmittelbar zugleich ihren Notwendigkeitsgrund in sich enthalten. Damit wird unser Thema abgebrochen werden müssen. — Nur ein letzter Gedanke sei noch angefügt. Wie schon erwähnt, hängt gerade die Behandlungsweise der zuletzt untersuchten Thematik von einer voraus-

gehenden Option ab. Diese betrifft freilich die Philosophie, die man

für sich jeweils als verbindlich in Anspruch genommen hat, insgesamt. Und dies gilt wiederum schon für die allerersten Dispositionen der thematischen, methodologischen usw. Grundlagen. — M.a.W. es zeigt sich uns am Schluß, daß alle Philosophie, und dann vorab allerdings gerade die transzendentale, an sıch selbst schon Praxis — wenn auch von besonderer Art — ist, mit Praxisanspruch auftritt. Dieser kann natürlich verdeckt, verschleiert, larviert, gebrochen, verunglückt, depraviert sein, — an seinem Bestehen, seiner Gültigkeit besteht kein Zweifel. Das

besagt endlich, daß nicht nur durch den besonderen Bezug dieser oder jener fachlichen Disziplin, etwa durch Ethik, Ästhetik, Philosophie der Politik u. ä., sondern dem allem vorweg schon von der ersten Sinnintention aller philosophischen Reflexion her vernunftvolle Praxis letzte Richtschnur, letzte Norm sein muß.

Anhang

KURZE,

EINFÜHRENDE

BIBLIOGRAPHIE

1. Einen ersten, komprimierten Überblick über das Thema “Transzendental-

philosophie’ (Transzendentalismus) erhält man vermittels der einschlägigen Nachschlagewerke. Allerdings bekommt man dabei zugleich auch schon einen

gewissen, wenn auch reichlich groben Einblick in das heute herrschende, nach

verschiedenen Sprach- und Kulturzonen durchaus unterschiedliche Problembewußtsein bzw. die entsprechende Interessenlage und Einstufung dieser Thematik. So läßt sich ein ausgeprägtes, auch sozusagen in der zeitgenössischen Begriffsgeschichte sich dokumentierendes Interesse hauptsächlich im deutschen Sprachraum feststellen; die hier verfügbaren Enzyklopädien philosophischer, theologischer oder auch allgemeiner Art notieren das Stichwort alle: Relig. in Gesch. u. Ggwt., Bd. 6 (31962) 988—989 (D. Henrich); Lex. f. Theol. u. Kirche, Bd. 10 (1965) 315—316 (K. Lehmann); Sacrament. Mundi, Theol. Lex. f. d. Praxis, Bd. 4 (1969) 979—986 (H. M. Baumgartner); das noch im Erscheinen begriffene Handb. philos. Grundbegriffe bringt immerhin das Stichwort ‘transzendental’ (Bd. 2, München, 1973), — ähnliches dürfte vom Historischen Wörterbuch d. Philosophie, hrsg. v. J. Ritter, gelten, sofern erst einmal das Stichwort an der Reihe ist (mit Einschluß von “Transzendentalphilosophie’), sowie für die beiden großen deutschen allgemeinen Enzyklopädien, von Brockhaus und Meyer. 2. Die italienische Enciclopedia Filosofica (21967) bringt das Stichwort ‘trascendentale’ (trascendentalismo) Bd. 6, 581—588 (A. Gazzana), 590 (A. Lantrua), worin die neuesten Entwicklungen, bes. im deutschsprachigen Raum jedoch nicht notiert sind und verweist im übrigen, typischerweise, etwa auf die Stichwörter: ‘Kritizismus’ (Bd. 2, 187—190; V. Sainatı) und ‘Logica tr.’ (Bd. 4, 73; A. M. Moschetti). — Von den englischsprachigen Enzyklopädien bringt als einzige die New Cathol. Encyclopedia (London/New York 1967) kurz das Stichwort: Bd. 14, 235—236 (J. B. Lotz). Die Encycl. of Philosophy

(1967) verweist charakteristischerweise weiter auf: German Philosophy (Bd. 3,

291—309; L. W. Beck), I. Kant (Bd. 5, 305—324; W. H. Walsch) und Neokantianism (Bd. 5, 468—473); L. W. Beck). — Dafür wird die Sonderströmung

des amerikanischen Transzendentalismus der Neu-England-Philosophie breiter erwähnt: a. a. O. Bd. 5, 479—480 (M. Moran), ferner in der New Cath. Enc. Bd. 14, 236—237 (J. F. Daly), urid sogar noch in der Enc. of the social Sciences (New York 1967) erscheint eben dieses Stichwort Bd. 15, 75—77 (H. W. Schneider); hier im übrigen mit dem Hinweis auf deutsche Einflüsse.

104

Bibliographie

3. Es erübrigt sıch, auf die an allen Stellen relativ breit angegebene Literatur zu verweisen, ebenso auf die verwandten Stichworte wie: Ápriori, Autonomie, Denken, Erkennen, Idealismus, Prinzip, Reflexion u. ä., sowie schließlich auf die wichtigsten Philosophen unseres Themenkreises. — Aus dieser schon hinreichend umfangreichen, ja überreichen Literatur sei nun im Sinne dieser Einführung ein sehr kleiner Ausschnitt von Literaturhinweisen gegeben, die als Anleitung und Hinführung jedenfalls im Blick auf die hier im Text genannten Autoren angesehen werden können. Als allgemeinere philosophiegeschichtliche Darstellungen können gelten: E. Cassirer, Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Berlin, 3 Bde., 8 1922/23, Bd. 4 (Nachl.) engl. 1950, dt. Stuttgart 1957; R. Hönigswald, Geschichte der Erkenntnistheorie, Darmstadt 1933; W. Windelband/H. Heimsoeth, Lehrbuh d. Gesch. d. Philosophie, Tübingen 15 1957.

4. Zu Kant: R. Zocher, Kants Grundlehre. Erlangen 1959; U. Schulz, Kant, Hamburg 1965 (rm, mit Bibl.: 168—182); F. Delekat, I. Kant, Heidelberg 21966; St. Körner, I. Kant, dt. Göttingen, 1967. (engl. 51970); G. Martin, I. Kant, Ontologie und Wissenschaftstheorie, Köln 41968: F. Kaulbach, I. Kant, (Sig. Góschen) Berlin 1969; J. E. Erdmann, Die Philosophie der Neuzeit, Geschichte der Philosophie VI. u. VII., Hamburg 1971 (rde 364/365), Bibl. 236—249. — Im übrigen sei verwiesen auf die Rezensionen in den KantStudien. 5. Zum Deutschen Idealismus: An Gesamtdarstellungen, wenn auch heute schon etwas veraltet, liegen vor: K. Fischer, Geschichte der neueren Philosophie, 10 Bde., Berlin/Leipzig 1908/12; N. Hartmann, Die Philosophie des Deutschen Idealismus, 2 Bde., Berlin/Leipzig 1923/29; R. Kroner, Von Kant bis Hegel, 2 Bde., Tübingen 21961; J. E. Erdmann, Versuch eirier wiss. Darstellung d. Gesch. d. neueren Philosophie, 6 Bde., (Nachdr.) Stuttgart 1932/33; ders., Philosophie der Neuzeit, (Gesch. d. Philosophie, VI. u. VII), Hamburg 1971 (Nachdr.). 6. Zu Fichte: H. M. Baumgartner/W. G. Jacobs, Fichtebibliographie, Stuttgart 1968; — ferner: D. Henrich, Fichtes ursprüngliche Einsicht, Frankfurt/M 1966; W. Janke, Fichte, Sein und Reflexion, Grundlagen der kritischen Vernunft, Berlin 1970; sowie noch Erdmann (op. cit.) 260—266 (Bibl.). 7. Zu Schelling: G. Schneeberger, W. J. v. Schelling, Bibliographie, 1954; H. J. Sandkühler, Schelling-Bibliographie 1954—1964, in: F. W. ling, Stuttgart, 1970; W. Kasper, Das Absolute ın der Geschichte, Mainz Harald Holz, Spekulation und Faktizität, Bonn 1970 (bei beiden Lit.); Erdmann (op. cit.) VII 226—231.

Bern Schel1966; ferner

Bibliographie

105

8. Zu Hegel: Da eine umfassende Hegel-Bibliographie z. Z. noch fehlt, vgl. vor allem die Rezensionen in den Hegelstudien (1961 ff.), ferner bei Erdmann (op. cit.) VII 240—254, dort 243 Bibl. 9. Eine Gesamtdarstellung des Neukantianismus, gar unter internationalen Gesichtspunkten, gibt es bis heute nicht; es ist hier auf die allgemeineren Darstellungen in der Philosophiegeschichtsschreibung (vgl. oben Nr. 3) und der enzyklopädischen Behandlung (vgl. oben Nr. 1) hinzuweisen. — Als die originellsten Denker dieser Richtung können heute im übrigen vielleicht H. Cohen, H. Rickert, B. Bauch und R. Hönigswald, in Frankreich die beiden oben Genannten angesehen werden (vgl. Anm. 15). 10. Einführend zu Husserl sind zu nennen: A. Diemer, E. Husserl, Versuch einer systematischen Darstellung seiner Phänomenologie, Meisenheim 1956; W. Szilasi, Einführung in die Phänomenologie E. Husserls, Tübingen 1959. — Speziell zum transzendentaltheoretischen Aspekt nehmen Stellung: G. Funcke, Zur transzendentalen Phänomenologie, Bonn 1957; ders., Transzendentale Phänomenologie als erste Philosophie, Stud. Gen. 11 (1958); Th. Seebohm, Die Bedingungen der Möglichkeit der Transzendentalphilosophie, Bonn 1962; I. Kern, Husserl und Kant, Eine Untersuchung zu Husserls Verhältnis zu Kant und zum Neukantianismus, den Haag 1964. 11. Zu Heidegger: H. M. Saß, Heidegger-Bibliographie, 1968; O. Pöggeler (Hrsg.), Heidegger, Perspektiven, Kóln 1969; Durchblicke (Festschr.), Frankfurt/M 1970; R. Wisser (Hrsg.), M. Heidegger im Gespräch, Freiburg/ München 1970; speziell zum transzendentalphilosophischen Gesichtspunkt vgl. C. H. Gethmann, Untersuchungen zum Methodenproblem in der Philosophie M. Heideggers, Bonn 1973. 12. Das Hauptwerk J. Marechals ist: Le point de départ de la métaphysique, I.—V., Brüssel/Paris: I.—III. 3 1943/44, IV. 1947, V. 21949. Er hat gewirkt

auf: B. Lonergan (Insight, London ? 1958), J. B. Lotz (Hrsg.: Kant und die Scholastik heute, Pullach 1950), K. Rahner (Geist in Welt, München ? 1957), O. Mud (Die transzendentale Methode, Innsbruck 1964), H. Holz (Transzendentalphilosophie und Metaphysik, Mainz 1966) u. a. 13. H. Wagner und W. Cramer erscheinen in ihrem philosophiehistorischen Ausgangspunkt beide beeinflußt von Hónigswald. — Von Wagner sind bisher zur Problematik erschienen: Kritische Betrachtungen zu Husserls Nachlaß, in: Phil. Rundschau 1 (1953/54) 1—22, 93—123; Philosophie und Reflexion, München/Basel 1959; Ist Metaphysik des Transzendenten möglich, in: Subjektivität und Metaphysik, Festschr. f. W. Cramer, Frankfurt/M. 1966; — von Cramer bisher: Die Monade, Stuttgart 1954; Grundlegung zu einer Theorie des

106

Bibliographie

Geistes, Frankfurt/M. 21965; Das Absolute und das Kontingente, Frankfurt/M. 1959; Spinozas Philosophie des Absoluten, Frankfurt/M. 1966. Die Gottesbeweise und ihre Kritik, Frankfurt/M. 1967. Im übrigen sei an die Namensstichworte in den einschlägigen Lexika und Enzyklopädien erinnert.

VERZEICHNIS

DER

Hamann, J. G. 58 Hamelin, O. 18

Aristoteles 12. 31. 34. 45. 47. 90 Augustinus 63. 90

Hartmann, K. 17 Hartmann, N. 104

Bartuschat, W. 13 Bauch, B. 18. 105 Baumgartner, H. M. 103. 104 Beck, L. W. 103 Beierwaltes, W. 6 Blumenberg, H. 36

Hegel, G. W. F. 7. 14. 15. 16. 17. 18. 36. 84. 88. 105

Heidegger, M. 18. 47. 50. 58. 66. 96. 105 Heimsoeth, H. 51. 57. 104

Heintel, E. 32. 58

Brentano, Fr. 95

Bruyne, E. de 82

Henrich, D. 103. 104

Hönigswald, R. 104. 105

Holz, H. (Verf.) 6. 37. 43. 59. 64. 80.

Cassırer, E. 18. 104 Cohen, H. 18. 94. 105 Coreth, E. 20 Cramer, W. 18. 92. 105

85. 95. 105

Hoppe, H. G. 13 Hume, D. 7. 8.9 Husserl, E. 4. 18. 52. 95. 105

Daly, J. F. 103 Delekat, F. 104 Demokrit 11. 90 Descartes, R. 18. 101 Diemer, A. 105

EIGENNAMEN

43.

54.

63.

90.

Duns Skotus, J. 12 Epikur 11 Erdmann, J. E. 104. 105 Essler, W. K. 89

Jacobs, W. G. 104 Janke, W. 104 Jäsche, G. B. 73 Jonas, F. 87 Kant VIII. 3. 4. 6. 7. 8. 9. 11. 12. 13. 14. 15. 17. 18. 52. 65. 69. 73. 76. 78. 85. 88. 90. 100. 104 Kasper, W. 104 Kaulbach, F. 57. 104 Kern, I. 105

Fichte, J. G. 4. 7. 14. 15. 16. 36. 54.

Kierkegaard, S. 17

Fischer, K. 104 Freytag-Löringhoff, B. v. 46 Funcke, G. 105

Lakebrink, B. 21. 51. 57

Gazzana, A. 103

Lantrua, A. 103 Lask, E. 18

69. 88. 100. 104

Gethmann, C. H. 105

Körner, St. 104 Kroner, R. 104

Lehmann, K. 103

108

Verzeichnis der Eigennamen

Leibniz, G. W. 12. 47. 50 Liebert, A. 18 Lonergan, B. 105 Lotz, J. B. 103. 105

Sartre, J. P. 96 Saß, H. M. 105 Scheler, M. 69

Marcus, E. 13 Maréchal, Jos. 18. 90. 105 Martin, G. 57. 104 Marx, K. 17. 87

Schneeberger, G. 104 Schneider, H. W. 103 Schoeck, H. 87

Schelling, F. W. 7. 14. 15. 16. 17. 36. 47. 54. 66. 69. 88. 104

Meinong, A. v. 95 Moran, M. 103

Moschetti, A. M. 103 Muck, O. 105

Natorp, P. 18

Schulz, V. 13. 104

Schuppe, W. 95 Seebohm, Th. 105 Seiffert, H. 56. 89 Spinoza, B. 11 Ströker, E. 56

Sydow, E. v. 14

Newton, I. 8

Szilasi, W. 105

Parmenides 11 Paton, H. J. 13

Thomas v. Aquin 12. 18. 90

Platon 12. 34. 47. 90. 100

Vorländer, K. 18

Rahner, K. 105

Wagner, H. 18. 19. 41. 42. 105 Walsch, W. H. 103

Pöggeler, O. 105

Renouvier, Ch. 18

Windelband, W. 18. 104 Wisser, R. 105

Rickert, H. 18. 94. 105 Ritter, J. 77.103

Wolff, Chr. 7. 90

Sainati, V. 103

Zocher, R. 104

Sandkühler, H. J. 104

Zu diesem Buch:

Die transzendentale Frage nach der Philosophie stellen heißt:

Die Philosophie auf diejenige Innenstruktur hin befragen, die sie selbst ermöglicht. Die weitere Klärung dieser Struktur schließt dann in sich Momente von Notwendigkeit, Universalität, Freiheit, von Entwurf und Vollzugsreflexion, die ihren

Prinzipiencharakter ausmachen. So eröffnet sich die Chance, im

Kosmos der Wissenschaften deren ‚archimedischen Punkt‘ zu sichten. Zur Person des Autors:

Harald Holz

Jahrg. 1930, ist seit März 1971 Wiss. Rat und Professor am In-

stitut für Philosophie an der Ruhruniversität Bochum. Selbständige Veröffentlichungen: Transzendentalphilosophie und Metaphysik, Mainz 1966; Spekulation und Faktizität (Zum späten Schelling), Bonn 1970; Mensch und Menschheit, Philos.

Anthropologie, Bonn 1973; ferner zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften, bes. zur Philosophie des Deutschen Idealismus, sowie der (Neu-) Scholastik und Spätantike.