Einführung in die Chemie und Technologie der Kunststoffe [Reprint 2021 ed.] 9783112531723, 9783112531716

159 82 176MB

German Pages 696 [716] Year 1977

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Einführung in die Chemie und Technologie der Kunststoffe [Reprint 2021 ed.]
 9783112531723, 9783112531716

Citation preview

Einführung in die Chemie und Technologie der Kunststoffe

EINFÜHRUNG IN DIE CHEMIE UND TECHNOLOGIE DER KUNSTSTOFFE

von PROF. DR. PHIL. F R A N Z R U N G E f Halle/Saale und DR. H A B I L . E B E R H A R D T A E G E R Halle/Saale und Rudolstadt/Schwarza

Mit 91 Abbildungen, 70 Tabellen und 4 Tafeln

AK AD E M I E - Y E R LAG 1976

BERLIN

4., bearbeitete und erweiterte Auflage Erschienen im Akademie-Verlag, 108 Berlin, Leipziger Straße 3 — 4 © Akademie-Verlag, Berlin, 1976 Lizenz-Nr.: 202 • 100/547/76 Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", 74 Altenburg Bestellnummer: 762 018 6 (6240) • LSV 1275 Printed in GDR EVP 8 8 , -

Vorwort zur vierten Auflage Nicht nur die überaus schnelle Entwicklung der Hochpolymerenchemie und -technologie allein gab Anlaß zu einer neuen Bearbeitung der „Einführung". Der aufmerksame Beobachter registriert schon seit geraumer Zeit eine spürbare Verschiebung der Schwerpunkte innerhalb des Gesamtbereiches der Chemie. Der Anteil der Wissenschaftler, die in Forschung, Entwicklung und Produktion in enger Beziehung zum Hochpolymerengebiet stehen, ist stetig im Steigen begriffen, wobei das Makromolekül nicht nur als Baustein der Werkstoffe, sondern auch als Träger spezieller physikalischer Effekte, von Informationen und katalytischer Selektivität in das Blickfeld der Chemiker aller Fachgebiete rückt. Dieser Tendenz entspricht, daß heute innerhalb des Fachstudiums Verfahrenschemie an den Hochschulen der DDR die Möglichkeit einer selbständigen „Vertiefungsrichtung Hochpolymerenchemie" gegeben ist. Ein Lehrbuch, das den Erfordernissen eines solchen Spezialstudiums gerecht zu werden vermag, scheint uns bisher zu fehlen. Um diesem Mangel Rechnung zu tragen, hat die vorliegende Einführung eine erhebliche Überarbeitung erfahren. Insbesondere bedurfte die Darstellung der theoretischen Grundprinzipien der Hochpolymerenchemie im allgemeinen Teil des Buches einer Erneuerung und Erweiterung. Hierbei wurden auch moderne Auffassungen über Kinetik und Mechanismus der Reaktionsabläufe und über einige wichtige Struktur-EigenschaftsBeziehungen aufgenommen. Diese Aufgabe der Abfassung des allgemeinen Teiles mußte nun auf jüngere Schultern gelegt werden. Das Buch erscheint deshalb nunmehr unter einer doppelten Verfasserschaft. Auch der spezielle Teil hat mit Rücksicht auf den weit fortgeschrittenen Entwicklungsstand eine Erneuerung und Erweiterung erfahren. Es wurde wie bisher Wert auf die Darstellung klassischer Verfahren, betont dann aber auch auf die moderner und zukunftsträchtiger Produktionsmethoden gelegt. Die verhältnismäßig breite Beschreibung der Hochpolymerenverarbeitung und -anwendung soll dem Studierenden ein Gefühl für das Verhältnis von Stoffeigenschaft und Stoffeinsatz vermitteln. Für ihre sorgfältige Mitarbeit beim Ordnen des Materials, Schreiben des Manuskriptes und Zeichnen der Formelbilder des allgemeines Teiles sind wir Frau R E G I N A T A E G E R ZU Dank verpflichtet. Bei der Überarbeitung des speziellen Teiles hat Herr Dr. J Ü R G E N R U N G E wesentliche Hilfe geleistet, wofür ihm hier ein besonderer Dank ausgesprochen sei.

VI

Vorwort zur vierten Auflage

Auch die 4. Auflage wendet sich somit wieder in erster Linie an den Studierenden. Wir glauben aber, daß sie auch dem Postgradualstudenten, der sich in das Hochpolymerengebiet einarbeiten will, hilfreich sein kann. Darüber hinaus wird auch der Praktiker gelegentlich gern die Möglichkeit eines Überblicks über sein Arbeitsgebiet wahrnehmen. FRANZ R U N G E EBERHARD T A E G E R

Vor dem Erscheinen der vorliegenden 4. Auflage riß im August 1973 der Tod Prof. Dr. phil. Franz Runge aus weiteren Vorarbeiten für die künftige Gestaltung dieser Veröffentlichung. Wir waren bemüht, die Arbeit an diesem Buch in seinem Sinne fortzuführen. EBERHARD T A E G E R JÜRGEN R U N G E

Inhalt Allgemeiner Teil 1.

Einleitung zum allgemeinen Teil

1

2.

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

7

2.1. 2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4. 2.1.4.1. 2.1.4.2. 2.1.4.3. 2.1.4.4. 2.1.4.5. 2.1.4.6. 2.1.5.

Die Kettenpolymerisation Charakteristik der Kettenpolymerisation Monomere für Kettenpolymerisationen Kettenpolymerisation und Depolymerisation Struktur der Polymeren Aspekte des Gesamtmolekülbaues Aspekte der am Makromolekülbau beteiligten Monomerarten Aspekte der Monomeranordnung im Makromolekül Aspekte der Monomerkonfiguration in Makromolekülen Aspekte der optischen Isomerie in Makromolekülen Einfache Beziehungen zwischen Struktur und Eigenschaften . Die radikalische Kettenpolymerisation mit homogen löslichen Initiatorsystemen Bedeutung der radikalischen Kettenpolymerisation und geeignete Monomere Die Initiierung radikalischer Kettenpolymerisationen Struktur organischer Radikale und ihre Eignung für die Polymerisationsauslösung Die chemische Initiierung Die thermische Initiierung ; Die UV-Licht-Polymerisation (Photopolymerisation) . • Initiierung mit energiereicher Strahlung Weitere Methoden der Startradikalerzeugung Die Startreaktion Die radikalische Kettenwachstumsreaktion Strukturprinzipien und Stereospezifität der radikalischeri Wachstumsreaktion Die radikalischen Kettenabbruchreaktionen Rekombination und Disproportionierung Künstlicher Kettenabbruch Die radikalischen Übertragungsreaktionen Kettenübertragung durch den Initiator Kettenübertragung durch das Monomere

2.1.5.1. 2.1.5.2. 2.1.5.2.1. 2.1.5.2.2. 2.1.5.2.3. 2.1.5.2.4. 2.1.5.2.5. 2.1.5.2.6. 2.1.5.3. 2.1.5.4. 2.1.5.4.1. 2.1.5.5. 2.1.5.5.1. 2.1.5.5.2. 2.1.5.6. 2.1.5.6.1. 2.1.5.6.2.

10 10 11 15 25 25 29 30 31 35 36 37 37 40 40 42 52 53 55 56 56 57 58 63 63 65 69 70 71

VIII 2.1.5.6.3. 2.1.5.6.4. 2.1.5.6.5. 2.1.5.7.. 2.1.5.7.1. 2.1.5.7.2. 2.1.5.7.3. 2.1.5.7.4. 2.1.5.7.5. 2.1.5.7.6. 2.1.5.8. 2.1.5.8.1. 2.1.5.8.2. 2.1.5.8.3. 2.1.5.8.4. 2.1.5.8.5. 2.1.5.8.6. 2.1.5.8.7. 2.1.5.8.7.1. 2.1.5.8.7.2. 2.1.5.8.7.3. 2.1.5.9. 2.1.5.9.1. 2.1.5.9.2. 2.1.5.9.3. 2.1.5.9.4. 2.1.5.9.5. 2.1.5.9.6. 2.1.6. 2.1.6.1. 2.1.6.1.1. 2.1.6.1.2. 2.1.6.1.3. 2.1.6.1.4. 2.1.6.1.5. 2.1.6.1.6. 2.1.6.1.7. 2.1.6.2. 2.1.6.3. 2.1.6.3.1. 2.1.6.3.2. 2.1.7. 2.1.7.1.

Inhalt Übertragungsreaktionen durch Lösungsmittel Übertragungsreaktionen durch Regler Übertragungsreaktionen durch Polymere Kinetik radikalischer Kettenpolymerisationen in homogener Phase . . . . Die Bruttopolymerisationsgeschwindigkeit in homogener reiner Monomerphase (Massepolymerisation) Kinetische Kettenlänge und Polymerisationsgrad Die Bestimmung der RG-Konstanten der Teilschritte Spezielle kinetische Effekte Die Molekulargewichtsmittelwerte Die Molekulargewichtsverteilung Die physikalischen Systeme der radikalischen Kettenpolymerisation und ihre kinetischen Besonderheiten Die homogene Massepolymerisation Die Massefällungspolymerisation Die homogene Lösungspolymerisation Die Lösungsfällungspolymerisation Die Suspensionspolymerisation Die Emulsionspolymerisation Spezielle physikalische Systeme der radikalischen Kettenpolymerisation . . Polymerisation im festen Zustand Polymerisation in Matrizen Die Popcorn-Polymerisation Die radikalische Multipolymerisation Die Kinetik der Copolymerisation Die Copolymerisationskurven Die Bestimmung der r-Werte Zusammenhang zwischen Monomerstruktur und r-Werten Die technische Bedeutung der Copolymerisation Die Terpolymerisation Die homogene anionische Kettenpolymerisation Die homogene anionische Kettenpolymerisation von olefinischen Monomeren Die Startreaktion mit Basen Die Startreaktion durch Elektronenübertragung Die Wachstumsreaktion Die Übertragungsreaktionen Die Abbruchreaktion Die Kinetik der abbruch- und übertragungsfreien homogenen anionischen Polymerisation (anionische Living-Polymerisation) Die anionische Copolymerisation Die homogene anionische Kettenpolymerisation von Monomeren mit Heteroatom-Kohlenstoff-Doppelbindung Die homogene anionische Ringöffnungspolymerisation von cyclischen Monomeren mit Heteroatom Die Ringöffnungspolymerisation von Epoxiden Die Ringöffnung von Lactamen Die homogene kationische Kettenpolymerisation Die homogene kationische Kettenpolymerisation von olefinischen Monomeren

72 75 76 79 80 83 89 92 97 102 111 111 112 113 113 114 115 120 120 121 121 123 123 125 129 132 138 149 141 142 142 146 148 152 154 155 162 164 166 166 168 172 173

Inhalt

IX

2.1.7.1.1. 2.1.7.1.2. 2.1.7.1.3. 2.1.7.1.4.' 2.1.7.1.5. 2.1.7.1.6. 2.1.7.1.6.1. 2.1.7.1.6.2. 2.1.7.1.6.3. 2.1.7.1.6.4. 2.1.7.1.7. 2.1.7.1.8. 2.1.7.1.9. 2.1.7.2.

Die Startreaktion mit einfachen Protonen-Säuren Die Startreaktion mit komplexen Protonen-Säuren Die Startreaktion mit Carboniumionen Weitere Möglichkeiten der kationischen Initiierung Die Wachstumsreaktion Die Übertragungsreaktionen Übertragungsreaktionen auf das Monomere Übertragungsreaktionen auf das Polymere Übertragung auf Lösungsmittel Kettenübertragung auf das Gegenanion Der Kettenabbruch Die Kinetik der homogenen kationischen Polymerisation Die kationische Copolymerisation Die homogene kationische Kettenpolymerisation von Monomeren mit Heteroatom-Kohlenstoff-Doppelbindung 2.1.7.3. Die homogene kationische Ringöffnungspolymerisation von heterocyclischen Verbindungen 2.1.7.3.1. Die Polymerisation cyclischer Äther 2.1.7.3.2. Die Polymerisation anderer heterocyclischer Verbindungen 2.1.8. Die homogene und heterogene koordinative Kettenpolymerisation an Übergangsmetallen 2.1.8.1. Die koordinative Polymerisation an den bimetallischen ZIEGLEK-NATTAKatalysatoren 2.1.8.1.1. Der Mechanismus der ZIEGLER-NATTA-Polymerisation 2 . 1 . 8 . 1 . 1 . 1 . Die a-Olefinpolymerisation an homogenen Z I E G L E R - N A T T A - S y s t e m e n . . . 2.1.8.1.1.2. Die a-Olefinpolymerisation an heterogenen ZIEGLER-NATTA-Systemen . . 2.1.8.1.1.3. D i e

2.1.8.2. 2.1.8.2.1. 2.1.8.2.2. 2.1.8.2.3. 2.1.8.2.4. 2.1.8.3. 2.1.9. 2.1.9.1. 2.1.9.2. 2.1.9.3. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.2.3. 2.2.3.1. 2.2.3.2.

Polymerisation

nicht-a-olefinischer

Monomerer

an

174 175 176 178 179 183 183 185 186 187 188 189 190 191 193 193 197 200 205 212 213

221

ZIEGLER-NATTA -

Systemen Die koordinative Polymerisation an monometallischen Systemen . . . . . Die Dienpolymerisation an ji-Allyl-Komplexen Die koordinative Polymerisation an aktivierten Übergangsmetalloxiden . . Die koordinative Polymerisation von Epoxiden an Eisen-III-chlorid-Propylenoxid-Katalysatoren Die Polymerisation vonDiazoalkanen an Übergangsmetallen Die koordinative Copolymerisation Die heterogene Kettenpolymerisation ohne Übergangsmetalle Die heterogene Kettenpofymerisation mit Alfin-Katalysatoren Die heterogene Kettenpolymerisation von Epoxiden an Katalysatoren mit Sauerstoff-Metallbindung Weitere Beispiele für heterogene Kettenpolymerisation ohne Übergangsmetall Die Stufenpolymerisation Charakteristik der Stufenpolymerisation Monomere f ü r Stufenpolymerisation und ihre technische Bedeutung . . . . Kinetik der Stufenpolymerisation Beziehungen zwischen Polymerisationsgrad und Umsatz bei der Bildung linearer Polymerer (bivalente Monomere) Beziehungen zwischen Polymerisationsgrad und Umsatz bei der Bildung vernetzter Polymerer

230 235 236 244 246 248 248 251 251 253 254 254 254 257 276 276 280

X

Inhalt

2.2.3.3. 2.2.3.4. 2.2.3.5. 2.2.4. 2.2.4.1. 2.2.4.1.1. 2.2.4.1.2. 2.2.4.1.3. 2.2.4.1.4. 2.2.4.1.5. 2.2.4.1.6. 2.2.4.2. 2.2.4.2.1. 2.2.4.2.2. 2.2.4.2.3. 2.2.4.2.4. 2.2.4.2.5. 2.2.4.3. 2.2.4.3.1. 2.2.4.3.2. 2.2.4.3.3. 2.2.4.3.4. 2.2.4.4. 2.2.4.5. 2.2.4.6. 2.2.4.7. 2.2.4.7.1. 2.2.4.7.2. 2.2.4.7.3. 2.2.4.7.4. 2.2.4.7.5. 2.2.4.7.6. 2.2.4.8. 2.2.4.9. 2.2.4.9.1. 2.2.4.9.2. 2.2.4.9.3. 2.2.4.9.4. 2.2.4.9.5. 2.2.4.10. 2.2.4.10.1. 2.2.4.10.2.

1

Die Geschwindigkeit von Stufenpolymerisationen . 281 Die Molekulargewichtsverteilung bei Stufenpolymerisationen mit bivalenten Monomeren 284 Die physikalischen Systeme der Stufenpolymerisation 285 Polymere durch Stufenpolymerisation 286 Lineare organische Polymere mit Ester- oder Peptidbindungen 286 Lineare Polyester 286 Lineare Polyamide 291 Lineare Polyurethane 296 Lineare Polyharnstoffe 297 Lineare Polyanhydride 298 Weitere lineare Polymere mit Ester- oder Peptid-Bindüngen 299 Lineare Polyäther und Polythioäther 300 Polyphenylenoxide 300 Polyphenylensulfide 303 Aliphatische und a l i p h a t i s c h e Polyäther und Polythioäther 304 Polyacetale und Polythioacetale 306 Polydisulfide und Poly-polysulfide 307 Polyarylene, Polyaralkylene, Polyalkylene, Polyalkine 309 Polyphenylene r. , Polyxylylene '. . ! Weitere Polyaralkylene und Polyalkylene Polyalkine Polyarylsulfone und Polyarylketone Polysulfonate und PolySulfonamide Polyazomethine und Polycarbodiimide Step-Ladder-Polymere

Polyimide Polybenzimidazole, Polybenzthiazole, Polybenzoxazole Polyoxadiazole, Polythiadiazole, Polytriazole Polyhydantoine Polychinoxaline, Polychinoxalone, Polybenzoxazinone, Polybenzoxazindione DiELS-ADLER-Polymere Ladder-Polymere ! Semiorganische Polymere Bororganische Polymere Phosphor- und arsenorganische Polymere Siliziumorganische Polymere Zinn-, blei- und germanium-organische Polymere Koordinationspolymere < Anorganische Polymere Anorganische Polymere mit Homoketten Anorganische Polymere mit Heteroketten unter Beteiligung der Elemente Sauerstoff, Schwefel, Stickstoff . 2.2.4.10.3. Anorganische Polymere mit Heteroketten unter Beteiligung einwertiger Elemente 2.2.4.11. Organische Präpolymere und ihre Vernetzung zu Duromeren 2.2.4.11.1. Ungesättigte Polyesterharz-Präpolymere (J7P.E-Harze)

309 311 313 316 316 319 319 320 320 322 324 325 325 327 328 329 329 330 332 334 334 337 338 339 343 344 345

Inhalt

XI

2.2.4.11.2. 2.2.4.11.3. 2.2.4.11.4. 2.2.4.11.5. 2.2.4.11.6. 2.2.4.11.7. 2.2.4.11.8. 2.2.4.11.9.

Gesattigte Polyesterharz-Präpolymere (Alkydharze) Chemisch härtbare Phenolharz-Präpolymere (Novolace) Thermisch härtbare Phenolharz-Präpolymere (Resol-Harze) Thermisch härtbare Ketonharz-Präpolymere Chemisch härtbare Epoxidharz-Präpolymere (EPH) Chemisch härtbare Polyurethan-Präpolymere (PUB) Harnstoff-Formaldehyd-Präpolymere Melamin-Formaldehyd-Präpolymere

3.

Die Aggregatzustände der Polymeren und ihre Strukturabhängigkeit

3.1. 3.1.1. 3.1.1.1. 3.1.1.2. 3.2. 3.2.1. 3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2. 3.2.2.3. 3.2.2.4. 3.2.3. 3.2.3.1. 3.2.3.2. 3.2.3.3. 3.2.3.4. 3.2.3.5.

Das nichtaggregierte Makromolekül Das Makromolekül in verdünnter Lösung Das ideale statistische Molekülknäuel Das reale Molekülknäuel . AggregierteJVlakromoleküle Der viskos-flüssige Zustand Der elastisch-weiche bis plastisch-weiche Zustand Die plastisch-weiche Schmelze Die elastisch-weiche Schmelze Der Gummizustand Der Gelzustand Der hart-spröde bis hart-zähe Zustand Der Glaszustand Der kristalline Zustand Die Temperaturumwandlungspunkte des harten Zustandes Die Dauerwärmeformbeständigkeit von Polymeren Die mechanischen Eigenschaften des harten Zustandes

361 362 364 366 370 373 374 376 376 378 380 382 382 383 386 395 398

4.

Vom Polymeren zum Werkstoff

402

4.1. 4.1.1. 4.1.1.1. 4.1.1.1.1.

Veränderung der Polymeren durch Zusatzstoffe 402 Polymere Verbünde 402 Mischungen organischer Polymerer 403 Heterogene zweiphasige Polymerblends aus harter durchgehender und elastischer disperser Phase 405 Heterogene zweiphasige Polymerblends aus harten Phasen 407 Heterogene zweiphasige Polymerblends aus elastischen Phasen 407 Homogene einphasige Polymerblends 407 Verstärkte und gefüllte Polymere 408 Die Stabilisierung von Polymeren gegen Abbaureaktionen 410 Antistatische Polymerzusatzstoffe 412 Flammhemmende Polymerzusatzstoffe 412 Die Farbgebung von Polymeren 413 Das Weichmachen von Polymeren 413 Veränderung der Polymeren durch polymeranaloge Reaktionen 415 Veränderung der Polymeren durch physikalische Maßnahmen 416

4.1.1.1.2. 4.1.1.1.3. 4.1.1.1.4. 4.1.1.2. 4.1.2. 4.1.3. 4.1.4. 4.1.5. 4.1.6. 4.2. 4.3.

346 346 349 352 352 355 357 360 . . . 361

5.

Die Verarbeitung der Kunststoffe

5.1.

Die Herstellung von Überzügen, Filmen und Folien (Gießen, Tauchen, Kaschieren, Spritzen, Imprägnieren, Lackieren) 419

418

XII 5.2. 5.3. 5.4. 5.5. 5.6. 5.7. 5.8. 5.9. 5.10.

Inhalt Das Kalandrieren Das Schäumen Das Pressen Das Spritzgießen und andere Gießverfahren Das Extrudieren Die Nachverarbeitung Das Dekorieren von Kunststoffertigteilen Das Spinnen Die Verarbeitung von Elastomeren

422 422 424 427 428 430 431 431 435

Spezieller Teil 6.

Einleitung zum speziellen Teil

437

7.

Überblick über die technische Darstellung der Ausgangsstoffe

438

7.1. 7.2. 7.3.

Ausgangsstoff Kohle Ausgangsstoff Erdöl und Erdgas Naturprodukte als Basis der Kunststoffsynthese Literatur

438 441 450 450

8.

Vollsynthetische organische makromolekulare Produkte

452

8.1. 8.1.1. 8.1.1.1. 8.1.1.2. 8.1.1.3. 8.1.1.4. 8.1.1.5. 8.1.1.6. 8.1.1.7.

Hochpolymere ohne Heteroatome in der Hauptkette Kohlenwasserstoffe Polyäthylen (PE) Polypropylen (PP) Höhere Poly-a-olefine Polydiene Polyacetylene Polymerisation von cyclischen Olefinen Polystyrol (PS) : Literatur

452 452 452 461 463 466 481 481 483 492

8.1.2. 8.1.2.1. 8.1.2.2. 8.1.2.3.

Halogenhaltige Vinylpolymere Polyvinylchlorid (PVC) . Polyvinylidenchlorid (PVdC) Fluorhaltige Vinylpolymere Literatur

494 494 505 505 508

8.1.3. 8.1.3.1. 8.1.3.2. 8.1.3.3. 8.1.3.4. 8.1.3.5. 8.1.3.6.

Sauerstoffhaltige Vinylpolymere Polyvinylester Polyvinylalkohol (PVA), Polyvinylacetale Polyvinyläther Polyacrylsäure und Polyacrylsäureester Polymethacrylsäuremethylester (PMMA) Polymere aus ungesättigten Dicarbonsäuren Literatur

509 509 511 514 516 519 521 522

8.1.4. 8.1.4.1. 8.1.4.2.

Stickstoffhaltige Vinylpolymere Poly(meth)acrylsäureamide Polyacrylnitril (PAN)

522 522 523

Inhalt 8.1.4.3. 8.1.4.4.

XIII Polyvinylidencyanid (Polyvinylidendicarbonitril) Polymerisate stickstoffhaltiger Vinyl-Ringverbindungen

526 528

Literatur 8.1.5.

529

Phenol-Formaldehyd-Kondensate (Phenolharze, Phenoplaste, PF)

. . . .

530

Literatur

539

8.2. 8.2.1. 8.2.1.1. 8.2.1.2. 8.2.1.3.

Hochpolymere mit C—O-Bindung in der H a u p t k e t t e Polyaldehyde Polyformaldehyd (Polyoxymethylen, Polyacetal, POM) Polymere höherer Aldehyde Polyacrolein Literatur

540 540 540 541 542 543

8.2.2. 8.2.2.1. 8.2.2.2. 8.2.2.3. 8.2.2.4.

Polyäther Polyäthylenoxid Polypropylenoxid Höhere aliphatische Polyäther Polyphenylenoxide (Polyphenylenäther)

. . :

543 543 546 > 546 547

Literatur 8.2.3.

550

Epoxidharze (EP)

550

Literatur

557

8.2.4. 8.2.4.1. 8.2.4.2. 8.2.4.3.

Polyester Gesättigte Polyester Ungesättigte Polyester (UP) Polycarbonate (PC)

558 559 567 570

8.3. 8.3.1. 8.3.2.

Hochpolymere mit C—N-Bindung in der H a u p t k e t t e Polyäthylenamine (Polyäthylenimine) Aminoplaste

Literatur

8.3.3. 8.3.4. 8.4. 8.4.1. 8.4.2. 8.5. 8.5.1.

571 . .

572 572 573

Literatur

579

Polyamide (PA)

579

Literatur

590

Polyurethane (PUR)

591

Literatur

597

Hochpolymere mit C—S-Bindung in der H a u p t k e t t e Polyalkylensulfide (Thioplaste) Polysulfone

597 597 599

Literatur

601

Hochpolymere mit Si—O-Bindung im Grundgerüst Silicone (81)

601 601

Literatur

610

8.6.

Sonderplaste

611

8.6.1. 8.6.1.1.

Hochtemperaturbeständige Kunststoffe Poly-p-xylylen

612 614

XIV

Inhalt

8.6.1.2. 8.6.1.3. 8.6.1.4. 8.6.1.5. g.6.1.6. 8.6.1.7. 8.6.1.8. 8.6.1.9. 8.6.1.10. 8.6.1.11. 8.6.2. 8.6.3.

Polyarylamide Polybenzoxazole (PBOZ) Polybenzimidazole (PBI) und verwandte Polymere Polyoxdiazole Polyimide und verwandte Polymere Polyimidazobenzophenanthroline Polyimidazopyrrolone („Pyrrone") Cyclisiertes Polybutadien Pyrolysiertes Polyacrylnitril Polymere mit Metallatomen im Grundgerüst Polymere als elektrische Halbleiter Unter natürlichen Bedingungen abbaubare Hochpolymere Literatur

615 615 616 617 618 621 621 622 623 624 626 629 630

9.

Halbsynthetische organische makromolekulare Produkte

632

9.1. 9.1.1. 9.1.2. 9.1.2.1. 9.1.2.1.1. 9.1.2.1.2. 9.1.2.1.3. 9.1.2.2. 9.1.2.3.

Kunststoffe aus Cellulose Holzaufschluß Umwandlung der Cellulose in einen Kunststoff Veresterung der Cellulose Cellulosexanthogenat (Viskose) Cellulosenitrat (Nitrocellulose) Celluloseacetat (Acetylcellulose) Verätherung der Cellulose Komplexbildung (Kupfercellulose) Literatur Kunststoffe aus Eiweiß Galalith (Kunsthorn) Kunstfaser Kunststoffe aus natürlichem Kautschuk Chlorkautschuk Kautschukhydrochlorid Cyclokautschuk

9.2. 9.2.1. 9.2.2. 9.3. 9.3.1. 9.3.2. 9.3.3.

Sachregister

632 634 635 636 636 641 643 644 646 ; 648 648 649 650 650 651 652 652 653

Allgemeiner Teil 1. Einleitung zum allgemeinen Teil Die makromolekulare Chemie, die sich mit der Synthese und Untersuchung von Polymeren befaßt, ist innerhalb der Chemie noch eine verhältnismäßig junge Wissenschaft. Erst seit etwa 50 Jahren besteht Klarheit über den strukturellen Aufbau der Polymeren. Einmal führte man damals das besondere Verhalten dieser Stoffe auf eine mehr oder weniger lockere Aggregation von kleinen Molekülen zu Assoziaten zurück, zum anderen glaubte man, die Beobachtungen am besten durch die Annahme sehr großer Moleküle erklären zu können, in denen sich Grundmoleküle durch Bindungen erster Ordnung zu Makromolekülen verktettet haben. Diese letztere Ansicht, von vielen bekannten Forschern zunächst ernsthaft in Zweifel gezogen, hat sich Dank der umfangreichen Arbeiten von S T A U DINGER und seiner Schule nach 1926 allmählich allgemein durchgesetzt. Staudinger, der für diese bahnbrechenden Untersuchungen 1953 den Nobelpreis für Chemie erhielt, bewies die Existenz von Makromolekülen dadurch, daß er sukzessive Riesenmoleküle aufbaute und für jeden Syntheseschritt die Bindung durch Hauptvalenz bewies. Außerdem führte er mit solchen Makromolekülen chemische Umsetzungen durch, wobei der ursprüngliche kolloidale Zustand erhalten blieb. Ein bloßes Molekülassoziat hätte dabei seinen Aggregatzustand geändert. Die makromolekulare Chemie umfaßt gleichermaßen die natürlichen und synthetischen, die anorganischen und organischen Polymeren. Ihr einigendes Element ist das Makromolekül, dessen exakte Definition allerdings weder von der Art der im Molekül bestehenden Bindungen noch von der Molekülgröße her möglich ist. Die Bindungen, die die Atome in einem Makromolekül zusammenhalten, können reine oder partielle, gerichtete kovalente Bindungen, Elektronenmangelbindungen oder auch stärkere Nebenvalenzen wie z. B. Wasserstoffbrückenbindungen sein. Ein reiner Ionenkristall z. B. des Natriumchlorids mit seinen elektrostatischen Ionenbindungen ist demnach nicht als Makromolekül anzusprechen, und genauso wenig verdienen viele niedermolekulare kristallisierte Stoffe wie Anthracen oder rhombischer Schwefel diese Bezeichnung, da der Zusammenschluß zum Kristall nur durch schwache VAN DER WAALsche Nebenvalenzkräfte zustande kommt. Als Grenzfälle wären z. B. kristallisiertes Methanol oder Eisessig zu bezeichnen. Die Methanolmoleküle sind durch Wasserstoffbrückenbindungen im Kristall zu

2

Einleitung zum allgemeinen Teil

endlosen Ketten vereinigt. Auch im flüssigen Zustand können Wasserstoffbrücken für die Existenz polymerer Moleküle verantwortlich sein, wie es uns z. B . von Fluorwasserstoff bekannt ist. Makromoleküle mit Elektronenmangelbindungen liegen u. a. in den Boranen, im festen Dimethylberyllium und in vielen nicht salzartigen festen anorganischen Verbindungen wie z. B . im Palladium-II-chlorid vor. Im weitesten Sinne sind auch die Metalle hierzu zu rechnen. Das Hauptinteresse der makromolekularen Chemie gilt naturgemäß den bindungsmäßig besonders stabilen Polymeren, in denen die Verknüpfung der kleinen Grundmoleküle durch reine oder weitgehend kovalente Bindungen erfolgt. Zahlreiche anorganische Polymere dieser Art kommen in der Natur vor wie Polysilikate, Polyphosphate, Polyalumosilikate, polymerer Schwefel, Sand, Diamant, Aluminiumoxid oder werden wie Glas, Porzellan, Ziegel, Polyphosphornitrilchlorid, Molekularsiebe als Werkstoffe synthetisch erzeugt. Noch umfangreicher ist die Palette der organischen Polymeren. Die natürlichen Vertreter spielen u. a. als Gerüstsubstanzen, Reservestoffe oder Träger von lebenswichtigen Katalysator- und Vererbungsfunktionen in der belebten Natur eine entscheidende Rolle. Polykohlenwasserstoffe wie Naturkautschuk und Guttapercha, Polysaccharide wie Cellulose, Stärke, Glykogen, Pektine, Chitin und Alginate, Polyester wie Poly-/?-oxybuttersäure, Ribonucleinsäure und Desoxyribonucleinsäure sowie Polypeptide wie Seide, Keratin, Kollagen, Gelatine, Myosin, Albumine, Globuline, Casein, Virus- und Hormonproteine sind wesentliche Bestandteile von Pflanzen, Tieren und Menschen. Vollsynthetische und halbsynthetische organische Polymere, die durch Totalsynthese aus kleinen Molekülen aufgebaut oder durch chemische Modifizierung natürlich vorgebildeter Makromoleküle gewonnen werden, machen im weiteren Sinne das große Gebiet der K u n s t s t o f f e aus, die in dieser allgemeinen Begriffsfassung in ihrer Chemie und Technologie in dem vorliegenden Buch behandelt werden. Im engeren Sinne werden als Kunststoffe vielfach nur die Thermoplaste (Plastomere) und die Duroplaste (Duromere) bezeichnet, und die künstlichen organischen Kautschuke und organischen Fasern als Elastomere bzw. Chemiefaserstoffe von diesen abgegrenzt. Diese Einengung des Begriffes „Kunststoff" ist indes nur für den Anwendungstechniker und nicht für den Chemiker sinnvoll. Bezüglich seiner Größe ist ein organisches Molekül in etwa dann als Makromolekül anzusehen, wenn in ihm mehr als 2000 Atome hauptvalenzmäßig aneinandergereiht sind. Dabei wiederholen sich bestimmte strukturelle Einheiten, die Monomerbausteine, in der Makromolekülkette ständig, so daß der Ausdruck „Polymere oder Hochpolymere" den Kern der Sache trifft. Die Anzahl der in einem Makromolekül vereinigten Monom ermoleküle wird als Polymerisationsgrad bezeichnet. Oligomere sind Moleküle mit geringerem Polymerisationsgrad. Oberhalb eines Polymerisationsgrades von ca. 1000 ändern sich verschiedene wichtige Eigenschaften wie Erweichungspunkt und mechanische Festigkeit mit weiter zunehmender Kettenlänge nur noch geringfügig, so daß hier die einzig reale Grenze zwischen Makromolekül und großen Oligomermolekülen gegeben scheint. Nach

Einleitung zum allgemeinen Teil

3

dieser Einteilung liegen in Lösung die Oligomeren als Hemikolloide oder Mesokolloide und die Makromoleküle als Eukolloide vor. Obwohl die Atome in den Makromolekülen von genau denselben Hauptvalenzkräften gebunden werden, die die Atome der niedermolekularen Verbindungen aneinanderketteri, bestehen zwischen beiden weitgehende Unterschiede in ihrer Reaktionsart und ihrem physikalischen Verhalten. Die Verbindungen von kleinem Molekulargewicht werden in erster Linie durch Fehlen oder Vorhandensein funktioneller Gruppen charakterisiert. Wir kennen dementsprechend Kohlenwasserstoffe, Säuren, Amine, Alkohole usw. Auch die makromolekularen Verbindungen können Kohlenwasserstoffe, Säuren usw. sein. Die funktionellen Eigenschaften treten jedoch hier zurück. Maßgeblich sind der Aufbau und die Gestalt der Makromoleküle, also z. B. die Frage, ob eine fadenförmige Gestalt der Makromoleküle vorliegt .und in welchem Ausmaß versteifende Kettenbestandteile, Molekülverzweigungen und -Vernetzungen vorhanden sind. Hieraus und aus der Lagerung der einzelnen Makromoleküle zueinander leiten sich im wesentlichen die physikalischen Daten der Polymeren ab. Ein kautschukelastischer Stoff kann z. B. als Polydien, als Polyalkan, Polyäther, Polyalkylpolysulfid, Polyamid oder polymere siliziumorganische Verbindung vorliegen. Die Eigenschaft der Elastizität ist also nicht an das Fehlen oder Vorhandensein von Heteroatomen im Makromolekül geknüpft. Weiterhin unterscheiden sich die makromolekularen Substanzen von den niedermolekularen dadurch, daß sie als polymerhomologe Stoffe ein kaum trennbares Gemisch von Makromolekülen unterschiedlicher Länge und ähnlicher aber oft nicht identischer Bauart darstellen. Erst In letzter Zeit ist es gelungen, Polymere weitgehend einheitlich in der Struktur und der Molekülgröße zu synthetisieren, wie es die Natur ja auch kann. Die organischen Kunststoffe traten zunächst als Ersatz von Naturprodukten auf, deren sich die Menschheit schon lange bediente, wie Knochen, Elfenbein, Horn und Bernstein. Wie bei den Farbstoffen versuchte die Synthese zunächst, das Naturprodukt nachzuahmen. Bald gelangte man aber zu ganz neuartigen Produkten, die in ihrer Zusammensetzung nichts und in ihren Eigenschaften kaum noch etwas mit irgendeinem Naturstoff gemein haben. Heute sind die Kunststoffe aus der Rolle des Ersatzstoffes weit herausgewachsen. Sie sind zu Werkstoffen der Gegenwart und Zukunft geworden, die den Naturstoffen in vielem überlegen sind. I n der Anfangsphase der Entwicklung überwogen die Duromeren, die mit den natürlichen Harzen wie Kopale, Kolophonium, Bernstein und Schellack konkurrierten, und halbsynthetische Fasern auf Cellulosebasis als Ersatz für Naturfasern wie Baumwolle, Wolle und Seide. Dann setzte der plötzliche Aufschwung der Thermoplaste ein, die in ihrem Produktionsumfang schnell alle anderen Kunststoffe überholte. Hinzu kamen die verschiedenen Synthesekautschuke und schließlich die modernen Chemiefaserstoffe mit ihren ausgezeichneten Eigenschaften. Von den Grundtypen scheint heute die Entwicklung der Kunststoffe einen 2

Runge

4

Einleitung zum allgemeinen Teil

gewissen Abschluß erreicht zu haben. Die Arbeiten konzentrieren sich mehr auf die Erzeugung neuer hochwertiger Eigenschaftsbilder bei weitgehender Beibehaltung der Monomerbasis, auf die Entwicklung neuer ökonomischer Produktionstechnologien und auf die Synthese von hochwertigen Spezialprodukten z. B. hoher Temperaturbeständigkeit, mit halbleitenden Eigenschaften usw.

Jahr Abb. 1. Welterzeugung von Kunststoffen

Zur Zeit beträgt bei den Kunststoffen das Verhältnis Plastomere: Duromere: Elastomere: Chemiefaserstoffe ca. 55:20:15:10. Bei diesen Relationen muß berücksichtigt werden, daß bei den Piastomeren entsprechende Vergleichsprodukte in der Natur nicht zur Verfügung stehen, bei den Duromeren die Naturharze als Konkurrent mengenmäßig sehr weit in den Hintergrund getreten sind, während die Elastomeren und Chemiefaserstoffe durch Naturkautschuk bzw. Wolle, Baumwolle und Cellulosefasern als Produkte der Landwirtschaft auch heute noch in bedeutendem Maße ergänzt werden. Die beeindruckende Entwicklung der Kunststoffproduktion geht am Beispiel der Plastomere und Duromere aus Abb. 1 hervor. Die in Tab. 1 prozentual dargestellte mengenmäßige Verteilung wird in erster Linie von den Monomerpreisen diktiert.

Einleitung zum allgemeinen Teil

5

H a l t e n die hohen W a c h s t u m s r a t e n in der Polymererzeugung weiter tin, so werden in den achtziger J a h r e n volumen- u n d w e r t m ä ß i g die K u n s t s t o f f e den traditionellen W e r k s t o f f S t a h l überholen (vgl. A b b . 2). E i n e n Überblick über die wichtigsten E i n s a t z g e b i e t e d e r K u n s t s t o f f e

ver-

mittelt Tab. 2.

Tabelle 1 Mengenmäßige

Verteilung der Plastomere

Polyäthylen (hochdr.) Polyäthylen (niederdr.) Polyvinylchlorid Polystyrol Polypropylen Phenoplaste Aminoplaste Polyesterharze

und Duromere in. % (1970)

23,4 9,0 17,0 18,5 5,5 5,0 2,6 3,4

Cumaron-Inden-Harze Alkyd-Harz Zellulose Epoxid-Harze Polyamid Polyacetal Polycarbonat Sonstiges

m [rn.m3]

m

300

zu 180

120 5« "I 60 i 30

Z4 18 12

S

/

1360

/

/

1910

Jahr

1380

1983

1390

Abb. 2. Weltverbrauch der wichtigsten Kunststoffe im Vergleich mit Stahl und Eisen (nach Kunststoffe, 60, 691 [1970]) 2*

2,0 1,7 1,0 0,8 0,6 0,3 0,2 9,0

6

Einleitung zum allgemeinen Teil

Tabelle 2 Verwendung von

Kumtstoffen

— Gegenstände des täglichen Bedarfs (Knöpfe, Kämme, Griffe, Eßbestecke, Geschirr, Behälter, Spielzeug, Fernsprecher, Radiogehäuse, Photoapparate, Schallplatten) — Ausrüstung von Kraftwagen, Flugzeugen, Eisenbahnen und Schiffen, einschl. organisches Glas — Technische Apparate und Maschinen bzw. Teile davon (Pumpen, Ventilatoren, Zahnräder, Achsenlager, Rohre, Gefäße, Filterpressen) — Häuserbau, Straßenbeläge, Kanalisation, Bodenverfestigung — Folien, Filme, Kunstleder (Verpackungsmaterial, Regenmäntel, Auskleidungen von Gefäßen und Apparaturen, photographische Filme) — Anstrichstoffe, Klebstoffe (Lackrohstoffe, Kleber) — Elastisches Material (Kunstkautschuk für Kraftwagenbereifung, Dichtungen, Puffer, Sanitätsmaterial) — Elektrisches und thermisches Isoliermaterial i Faserstoffe — Spezialgebiete (organische Halbleiter, optische Medien, Polymere mit Schalteffekten für Datenverarbeitung und Informationsspeicherung).

2. Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle Zurückgehend auf Definitionen von W . H . CAKOTHERS werden die Aufbaureaktionen für makromolekulare Verbindungen in Additions-Polymerisationen und Kondensations-Polymerisationen unterteilt. In der ersten Kategorie werden alle Reaktionen zusamengefaßt, bei denen sich die niedermolekularen Monomermoleküle ohne Abspaltung kleinerer Molekülfragmente zu Polymeren vereinigen. Die zur Verknüpfung erforderlichen Valenzen werden durch Doppelbindungs- oder Ringöffnung (Polymerisationen im engeren Sinne) oder durch Platzwechsel von Protonen (Polyadditionen) gewonnen, Das Molekulargewicht der Makromoleküle ergibt sich durch einfaches Summieren der Molekulargewichte der im Polymermolekül verbundenen Monomeren. Zu der zweiten Kategorie zählen alle Polymerbildungsreaktionen, in denen die Monomermoleküle unter Eliminierung niedermolekularer Spaltprodukte aneinandergekettet werden (Polykondensationen im engeren Sinne). Die zur Verknüpfung notwendigen Valenzen werden durch die gleichzeitige intra- oder intermolekulare Ablösung von Atomen oder Molekülgruppen frei. Dadurch liegt das Polymermolekulargewicht unter der Summe der Molekulargewichte der am Makromolekülaufbau beteiligten Monomermoleküle. Das genannte Einteilungsprinzip kann heute nicht mehr voll befriedigen, da die beiden Reaktionstypen keinen Oberbegriff für Kinetik und Grundmechanismus der Wachstumsschritte, d. h. der sich in einem Polymerisationssystem ständig wiederholenden Einzelschritte vom niedermolekularen Stoff zum Polymeren darstellen. Andererseits ist aber der kinetische Typ der Wachstumsreaktion z. B. für das in Abhängigkeit vom Umsatz erreichbare Molekulargewicht und damit für entscheidende physikalische Parameter des Polymeren von vorrangiger Bedeutung. Es ist deshalb sinnvoller, in Anlehnung an R . W. L E N Z die Polymerbildungsreaktionen nach ihrem Wachstumsmechanismus in Kettenwachstumspolymerisationen (Kettenpolymerisationen) und Stufenwachstumspolymerisationen (Stufenpolymerisationen) einzuteilen. K e t t e n p o l y m e r i s a t i o n e n sind im Sinne der Kinetik echte Kettenreaktionen. An der Bildung eihesPolymermoleküls ist in vereinfachter Betrachtung ein die kinetische Kette einleitender Startschritt, eine Vielzahl von äußerst schnell verlaufenden gleichartigen Wachstumsschritten und ein, das Wachstum und die kinetische Reaktionskette abschließender Abbruchschritt beteiligt. Bei jedem

8

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Wachstumsschritt nimmt die Länge des noch wachstumsfähigen Polymeren um e i n e Monomereinheit zu. Startschritt, Wachstumsschritte und Abbruchschritt sind in Mechanismus und Geschwindigkeit verschieden. Ihr Zusammenspiel wird von der für Kettenreaktionen typischen Kinetik erfaßt und ist für das erreichbare Molekulargewicht des Polymeren verantwortlich. Fertig gebildete Makromoleküle mit hohem Polymerisationsgrad liegen schon nach sehr geringem Umsatz vor. S t u f e n p o l y m e r i s a t i o n e n weisen keine in Mechanismus und Geschwindigkeit unterschiedlichen Teilreaktionen auf. Hier existiert nur der Reaktionstyp des Wachstums, der mit Start und Abbruch praktisch identisch ist und im Vergleich zum Wachstum bei Kettenpolymerisationen bedeutend langsamer verläuft. Fertig gebildete Makromoleküle mit hohem Polymerisationsgrad hegen erst nach sehr hohen Umsätzen vor, da sich die Monomereinheiten bis zu 50% Umsatz durchschnittlich nur zu Dimeren und Trimeren zusammenschließen, die sich dann Umsatz

Kettenpolymerisation

0%

25%



Stufenpolymerisation

lOOOikf

1000M

Startschritt und ., 1. Wachstumsschritt

^ 1. Wachstumsschritt

2. Wachstumsschritt P 3 + 997M I 247 weitere Wachstumsschritte -P 2 5 0 + 750M, P„ = 250

P 2 + 998.äf ^ 2. Wachstumsschritt 2P 2 + 996Jf I 248 weitere Wachstumsschritte 250P 2 + 500Ji, P„ = 2

Ablauf von 250 der 1000 möglichen Wachstumsschritte

50%



250 weitere Wachstums- - schritte -P 5 0 0 + 500M, P„ = 500

250 weitere Wachstums- r schritte 62,5P 4 + 125P3 + 62,5P 2 + 250Jf, P„ = 3

Ablauf von 500 der 1000 möglichen Wachstums-" schritte

75%

250 weitere Wachstums,, schritte -P 7 5 0 + 250Jf, P„ = 750

250 weitere Wachstums• - schritte + 62,5P 5 + 40P 4 + 15P 3 + 8,5P 2 + 62,5-M, P„ = 5

Abb. A 1. Abhängigkeit zwischen Umsatz und PoljTiierisationsgrad P„ bei Ketten- und Stufenpolymerisationen in vereinfachter qualitativer Darstellung. M = Monomermolekül, Px = wachstumsfähiges Polymeres aus x Monomereinheiten bestehend.

9

Kettenpolymerisation

bei höheren Umsätzen zu Tetrameren bis Hexameren und schließlich bis zu hochmolekularen Polymeren vereinigen. Bei Betrachtung eines kleinen, 1000 Monomermoleküle umfassenden Bereiches eines Polymerisationssystems bis 75%igem Umsatz lassen sich die Unterschiede zwischen Ketten- und Stufenpolymerisation qualitativ in Abb. A 1 darstellen, wobei für die Kettenpolymerisation e i n Startschritt innerhalb dieses Bereiches angenommen wird. "Ketten- und Stufenpolymerisationen zeigen also in den entscheidenden kinetischen Parametern charakteristische Unterschiede, die dieses Einteilungsprinzip rechtfertigen. Die von CAROTHERS gewählten Kriterien lassen sich mit diesem Prinzip nicht ink allen Fällen in Übereinstimmung bringen. Zwar sind Ketten- s polymerisationen'mit ihrem charakteristischen kinetischen Verlauf in zahlreichen Fällen Additions-Polymerisationen im Sinne CAROTHERS, doch sind auch solche Kettenpolymerisationen bekannt, die unter Abspaltung von Molekülgruppen, d. h. also als Kondensations-Polymerisationen abrollen. So ist z. B. die Polymerisation von Diazomethan mit Bortrifluorid-Atherat: n CH 2 N 2 -> - t C H 2 - C H 2 i „ / 2 + n N 2 ,

(A-1)

wie auch die WuRZ-Reaktion zwischen einem i C H 2 - C H 2 } „ .

(A-3)

Reaktion (A-2) dagegen ist vom Typ eine Stufenpolymerisation, die zu relativ niedrigmolekularem Polyäthylen führt. Das Entstehen relativ niedrigmolekularer Polymerer ist jedoch nicht immer für eine Stufenpolymerisation kennzeichnend. So ist z. B. entsprechend Gleichung (A-3) eine kationisch gestartete Äthylen-Kettenpolymerisation bekannt, die durch den Einfluß von Übertragungsreaktionen, deren spezielle Bedeutung in den folgenden Abschnitten noch untersucht wird, ein verzweigtes niedrigmolekulares Polyäthylen liefert. Auch aus der kationisch gestarteten Ringöffnimg von Cyclopropan: n CH 2 —CH 2 -> i C H 2 - C H 2 i 3 n / 2

(A-4)

CH 2

resultiert ein niedrigmolekulares, nichtlineares Polymeres, obwohl eine Kettenpolymerisation vorliegt. I n den nachstehenden Kapiteln sind die Besonderheiten von Ketten- und Stufenpolymerisationen noch ausführlicher dargelegt.

10

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

2.1. Die Kettenpolymerisation 2.1.1. Charakteristik der Kettenpolymerisation Der Ablauf von Kettenpolymerisationen wird von den generell bei Kettenreaktionen wirksamen Gesetzmäßigkeiten gesteuert. Die aktiven Träger der Reaktionsketten können freie Kohlenstoffradikale, mehr oder weniger im ionisierten und dissozierten Zustand vorliegende Carbanionen oder Carboniumionen und schließlich unbesetzte Koordinationsstellen in Koordinationskomplexen sein. Dementsprechend werden radikalische, anionische, kationische und koordinative Kettenpolymerisationen unterschieden. Zum Start der Reaktionsketten werden in der Mehrzahl der Fälle Initiatoren benötigt. Die Bezeichnung Katalysator für die Kettenpolymerisationen auslösende chemische Verbindung ist nicht exakt, da in allen Fällen Teile der Initiatorenmoleküle in die Makromolekülkettenenden eingebaut werden. Trotzdem hat sich diese Bezeichnung speziell bei koordinativen Polymerisationen in der Literatur eingebürgert und wird in diesem Zusammenhang auch in diesem Buch verwendet. Die Initiatoren bzw. Katalysatoren können im Polymerisationssystem löslich oder unlöslich sein. Folglich muß zwischen homogen oder heterogen initiierten Kettenpolymerisationen differenziert werden. Wird der aktive Initiator mit R* bezeichnet, wobei ,,*" eine Radikalstelle, eine positive oder negative Ladung oder die unbesetzte Stelle in einem Koordinationskomplex symbolisiert, so läßt sich die Startreaktion wie folgt veranschaulichen: R* + M (R-M)* (A-5) Die aktive Stelle bleibt also erhalten — entweder am Monomerende; R—M* z. B. bei radikalischen Kettenpolymerisationen, oder am Katalysatorende, R*—M z.B. bei koordinativen Kettenpolymerisationen, — und ermöglicht in der Folge die weitere rasche Addition von Monomermolekülen: (R—M)* —tiU (R—M—M)* (R-M2+n)* = P*, (A-6) die entweder am Kettenende oder als Einschub zwischen Katalysator und Kette abläuft. Bei dieser, sich in den Additionsschritten ständig wiederholenden Wachstumsreaktion, entsteht aus dem aktiven Polymerisationskeim (R—M)* ein aktives Polymermolekül P*. Das Wachstum des aktiven Polymermoleküls wird durch eine Abbruchreaktion oder eine Übertragungsreaktion beendet. Erstere bedeutet auch das Ende der kinetischen Reaktionskette, da die wachstumsaktive Stelle endgültig vernichtet wird: P* + A->P-A (A-7) Der kettenabbrechende Reaktionspartner A ist bei jedem Kettenpolymerisationstyp verschieden. Übertragungsreaktionen erfolgen mit Neutralmolekülen „N—X", wobei der Neutralmolekülbestandteil X auf das aktive Polymermolekül überführt wird: P* + N—X -> P-X + N* (A-8)

11

Kettenpolymerisation

Die wachstumsaktive Stelle liegt nun am Rest des Neutralmolebüls vor, das im weiteren Reaktionsverlauf die kinetische Kette fortsetzt: N* + nM -> P *

(A-9)

F ü r das Ausmaß und die Geschwindigkeit der einzelnen Teilschritte bei Kettenpolymerisationen ist die Art der aktiven Wachstumsstelle von vorrangiger Bedeutung. Die Addition ein und desselben Monomeren erfolgt bei gleicher Temperatur, gleichem Druck und gleichen Konzentrationsverhältnissen bei jadikalischen, ionischen und koordinativen Kettenpolymerisationen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Ähnlich verhält es sich mit Übertragungs- und Abbruchreaktionen, die in gewissen Kettenpolymerisationssystemen sogar gänzlich ausbleiben können. Da hier die Wachstumsfähigkeit der Polymermoleküle bei Ausschluß von Fremdstoffen praktisch unbegrenzt lange erhalten bleibt, wird in diesem Zusammenhang die Bezeichnung „lebende Polymere" verwendet. 2.1.2. Monomere für

Kettenpolymerisationen

Voraussetzung f ü r die prinzipielle Eignung niedermolekularer organischer Verbindungen f ü r Kettenpolymerisationen ist das Vorhandensein einer Mehrfachbindung oder eines cyclischen Molekülbestandteils. I n beiden Fällen ist durch Öffnung der Doppelbindung bzw. des Ringes das Freiwerden der zur Verknüpfung erforderlichen Valenzen gesichert. Bei den Monomeren mit Mehrfachbindungen kann es sich um Verbindungen mit Kohlenstoff-Kohlenstoff-Mehrfachbindungen oder mit Heteroatom-Mehrfachbindungen handeln. Es kommen also sowohl Olefine, konjugierte und nichtkonjugierte Diene, Vinylverbindungen, 1,1-disubstituierte Äthylene, 1,2-disubstituierte Äthylene, polysubstituierte Äthylene usw. wie auch Aldehyde, Ketone, Thioketone, Nitrile, AzoVerbindungen, Aldimine, S c H i F F S c h e Basen, S0 2 , Diazoalkane, Isocyanate u. a. in Frage. Die Palette der cyclischen Monomeren umfaßt die Cycloalkane, die cyclischen Äther, Lactame, cyclische Amide, cyclische Ester, Dioxolane und viele andere Heterocyclen. Die praktische Polymerisierbarkeit einer potentiell geeigneten Monomertype hängt von zwei Faktoren ab. Zunächst ist zu prüfen, ob unter den kinetisch und in der praktischen Ausführung realisierbaren, äußeren Bedingungen (Temperatur, Druck) die Kettenpolymerisation überhaupt thermodynamisch erlaubt ist. Diese Fragestellung wird im folgenden Abschnitt 2.1.3. genauer untersucht. Aber auch wenn die Kettenpolymerisation eines bestimmten Monomeren mit den thermodynamischen Grundgesetzen in Einklang steht, kann die praktische Polymerisation nach einigen oder auch nach allen bisher bekannten Kettenpolymerisationsmechanismen auf Grund kinetischer Hemmungen nicht ausführbar sein. Dieses Problem der kinetischen • Polymerisierbarkeit wird in den einzelnen Abschnitten der Kettenpolymerisationsmechanismen getrennt behandelt.

Theorie der Aufbaureaktionen f ü r Makromoleküle

12 Tabelle

Al

Monomeres

Polymeres

Kettenpolymerisationsmechanismus radikalisch

Kohlenwasserstoffe

anionisch

kationisch

koordinativ

++

++++

Äthylen

-tCH2-CH2i„

Propylen

-f-CH2—CH23-n I ch3

+++

Buten-1

-tCH2-CH*„

++

ch3

+++

i-Buten

-tCH2-C}„ I CHo

4-Methylpenten-1

-f-CH 2 -CH-J-„

++

HoC—CH—CH« i ch3 Vinylcyclohexan

-fCH 2 — CH-}-,, 1^1

Styrol

-fCH2-CHi„

+

I Ol Butadien

-tCH2-CH = C H - C H 2 i „

Isopren

-£CH2-CH = C - C H 2 } n

++ ++

++ +

CH 3 Chloropren

-t-CH 2 -CH = C - C H 2 i „

++

Cl Vinylverbindungen Vinylchlorid

-f-CH2 —CH-Jn I Cl

Vinylfluorid

-tCH2-CH+„

+++ + ++

+

Kettenpolymerisation

13

Tabelle Al (Portsetzung) Monomeres

Polymeres

Vinylverbindungen

Kettenpolymerisationsmechanismus radikalisch

anionisch

kationisch

koordinativ

+

-

+

Acrylnitril

-TCH 2 -CH*„

+++

Acrylsäure

CN -tCH2-CHi„

++

Acrylsäureester

"£-CH2 —CH-J-„

++

Vinylester

COOK -TCH 2 -CH}„

+++

COOH

+

+

OCR II O Vinylcarbazol

+CH2-CHIB

+ +

N

++

Vinyläther

-TCH 2 -CHI„

VinylpyTrolidon

OR -£CH2— CH„-J

++

Yinylsulfonsäure

/ N \ H2C CO I I H2C CH 2 -FCH2 — CH-J-B

++

S0 3 H Acrylsäureamid

-£CH2—CH-JN

++

CONH 2 1,1-disubstituierte Äthylene CI I Vinylidenchlorid

-F-C H 2 — C-J-„ CI

++

+

+

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

14 Tabelle A1 (Fortsetzung) Polymeres

Monomeres

Kettenpolymerisationsmechanismus radikalisch

1,1 -disubstituierte Äthylene

Vinylidencyanid

CN I -fCH2— G}„

++

Vinylidenfluorid

CN F I -fCH2—C}-B

++

anionisch

kationisch

koordinativ

F CH S Methacrylsäureester -£C H 2—C-J-„ COOR COOH I -fCH2— C J

Itaconsäure

++

+

++

CH2-COOH tetrasubstituierte Äthylene F F I I Trifluorchloräthylen -£C — G} n F F I Tetrafluoräthylen

Cl F I

"tC —G}„ F

++

+

F

Ringverbindungen Äthylenoxid Propylenoxid

Äthylenimin Cyclopenten

•£CH2-CH2-Oin -£CH2-CH-0}fl CH 3 {CH2-CH2-NH}„ fCH2-CH2-CH=CH-CH2in

++ ++

++

++

+

Kettenpolymerisation

15

Tabelle A1 (Fortsetzung) Monomeres

Polymeres

Kettenpolymerisationsmechanismus radikaiisch

anionisch

kationisch

CH 2 CI I 3,3-Bischlormethyl- - f C H 2 - C - C H 2 - 0 - J - n 1-ôxa-cyclobutan ! CH 2 CI

-



+ +

Lactame

•fCiCHjJ.jNH-}-,,



Trioxan

O {CH2-0}„

-

Ringverbindungen

+++

+

-

+ + +

koordinativ

Verbindungen mit Heteroatommehrfachbindungen O II Monoisocyanate

-f-N —C-J-„



-)--f-

Formaldehyd

R +CH 2 —0-}„



+ + +





+



+ + + + = Großproduktion (Massenplast, Massenelast) + + + = Produktion in mittlerem Maßstab (speziellere, aber konsumfreudige Einsatzgebiete) + + = Produktion in geringem Maßstab (Spezialpolymere, hochwertige Produkte für Sonderzwecke) + = Polymerisation möglich, keine technische Nutzung — = Polymerisation kinetisch gehemmt oder noch nicht untersucht An dieser Stelle wird in Tab. A 1 eine Übersicht der wichtigsten unter thermodynamischen Kriterien polymerisierbaren Monomeren gegeben, aus der sowohl der zum Polymerisationserfolg führende Mechanismus wie auch die technische Bedeutung der entsprechenden Polymeren ersichtlich ist.

2.1.3. Kettervpolymerisation

und

Depolymerisation

D i e Wachstumsschritte der Kettenpolymerisation sind reversibel. D i e rückläufige Reaktion wird als Depolymerisation bezeichnet: (R-Mn)*

+ M

{B-

JfB+1)*

(A-10)

16

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Bei Gleichgewichtseinstellung ist r, VD

_K-[(R-Mn)*]-[Mßl] kD • [(Ä-JfB+1)*]

Da sich [(.ß—Jf„)*] und [(.R—Jf B+1 )*] als identische Konzentrationsausdrücke herauskürzen, folgt ^ = K = _L_ kD [M6l\

(A-12)

[ M 6 I \ ist die Konzentration des Monomeren im Gleichgewicht. Die Lage des Gleichgewichtes wird also durch die Gleichgewichtskonstante K, d. h. den Quotienten der beiden Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten bestimmt. Diese Größe steht mit dem bei reversibel und isobar geführter Polymerisation freiwerdenden Enthalpiebetrag, der sogenannten freien Polymerisationsenthalpie AG0 in einfacher Beziehung: In [.M o l ] = - I n — = - I n K = AQOjRT kp

(A-13)

Nur wenn AG° einen negativen Zahlenwert annimmt, bei der Systemänderung Monomeres -> Polymeres also ein zur Arbeitsleistung nutzbarer Enthalpiebetrag abgegeben wird, ist die Polymerisation thermodynamisch möglich. Die freie Polymerisationsenthalpie ist nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik mit der Polymerisationsenthalpie (Polymerisationswärme) AH° und der Polymerisationsentropie ASa verknüpft: AG° = AH« - TA8°

(A-14)

Polymerisationen sind thermodynamisch folglich nur erlaubt, wenn die rechte Seite der Gleichung einen negativen Betrag annimmt. Bei endothermen Polymerisationen (AH° = positiver Betrag) ist eine Entropiezunahme. (Zl/S° = positiver Betrag) eine notwendige Bedingung. Die Polymerbildung kann in diesem Fall bei Temperaturänderung so lange ablaufen, wie — TAS° > AH° ist. Die Temperatur, bei der der negative Entropieterm der Endothermizität AH° entspricht, heißt Moor-Temperatur TF. -TfAS°

= AH°

(A-15)

Polymerisationen erfolgen nur oberhalb dieser FLOOR-Temperatur. Bei tieferen Temperaturen tritt Depolymerisation und Monomerrückbildung ein. Endotherme Polymerisationen sind Ausnahmefälle. Ein interessantes Beispiel ist die Ringöffnungspolymerisation von elementarem rhombischem Schwefel S 8 . Bis zu der Floor-Temperatur 2' f ( S c h w e t e l ) = 159 °C sind die monomeren achtgliedrigen Schwefelringe beständig. Oberhalb dieser Grenztemperatur bildet sich polymerer Schwefel, der bei Abkühlung wieder depolymerisiert.

17

Kettenpolymerisation

I n der Regel sind Polymerisationen exotherm (AH° = negativer Zahlenwert) und mit einer Entropieabnahme (ZIAS0 = negativer Betrag) verbunden. Die Verhältnisse liegen hier also gerade umgekehrt. Kettenpolymerisationen sind dann nur zu beobachten, wenn AH° > —TAS° ist. Die Gleichgewichtstemperatur, bei der: AH° = —TeAS°

ist,

(A-16)

wird als Ceiling-Temperatur Te bezeichnet. Nur unterhalb der Ceiling-Temperatur ist die Polymerisation durchführbar. Da hier [M G l \ schnell sehr kleine Werte annimmt, hegt das Gleichgewicht dann praktisch vollständig auf der Polymerseite. Oberhalb von Tc erfolgt Depolymerisation. Diese Überlegungen gelten als thermodynamische Kriterien unabhängig vom Kettenpolymerisationsmechanismus. Alle durch Kettenpolymerisation erzeugbaren Polymeren depolymerisieren also oberhalb ihrer CEn.mQ-Temperatur wieder, wobei sich die Depolymerisationstemperatur exakt beurteilt allerdings auf die aktiven, noch wachstumsfähigen Polymeren bezieht. Praktisch tritt aber die Depolymerisation auch bei den fertig gebildeten Polymeren im gleichen Temperaturbereich ein, wie es z. B. am Polystyrol, Polymethacrylat u. a. besonders gut zu beobachten ist. Andere Polymere wie Polyacrylnitril und Polyvinylchlorid erleiden schon unterhalb ihrer Depolymerisationstemperatur andersartige Zersetzungsreaktionen und bilden daher das Monomere nicht zurück. I m folgenden betrachten wir die Lage des Kettenpolymerisationsgleichgewichtes bei Doppelbindungsöffnungspolymerisationen: nx=y^-tx-y}„

(A-17)

und bei Ringöffnungspolymerisationen: " x

y -> - £ x - R - y } „

(A-18)

Für alle P o l y m e r i s a t i o n e n , die ü b e r D o p p e l b i n d u n g s ö f f n u n g der Monomeren verlaufen, kann nach einer Regel von D A I N T O N und Ivnsr mit einer Polymerisationsentropie von etwa —30cal/grad • Mol gerechnet werden. Der theoretische Hintergrund f ü r diese Regel ist leicht zu verstehen. Die Trägheitsmomente und Massen der Monomeren liegen in annähernd gleicher Größenordnung. Die translatorischen Bewegungsentropieanteile der Monomeren gehen bei jeder Kettenpolymerisation verloren, da die Monomermoleküle ja innerhalb der Polymerkette verankert werden. Die innerrotatorischen und vibratorischen Entropieanteile der Monomeren bleiben im Polymermolekül weitgehend erhalten. Die unabhängig von der Monomerart etwa konstante Polymerisationsentropie hat zur Folge, daß die Lage des Gleichgewichtes in erster Linie von der Exothermizität der jeweiligen Kettenpolymerisation bestimmt wird. Die Polymerisationswärme resultiert vorwiegend aus der Differenz zwischen den beim Poly-

18

Theorie der AufbaUreaktionen für Makromoleküle

merisationsprozeß gelösten jr-Bindungen der Monomeren und den zwischen den Monomeren gebildeten cr-Bindungen. Diese Bindungsenergiedifferenz und damit die Polymerisationswärme nimmt in der Reihenfolge ab: \ c = c {

> \ : = s >

\ : = o

~

N

)C=N- >

- N = N -

Darüber hinaus wirkt sich eine Resonanzstabilisierung der Monomerdoppelbindung und die Änderung von Ringspannungen, sterischen Spannungen und konformativen Wechselwirkungen beim Übergang Monomeres —>-~Polymeres auf den Betrag der Polymerisationswärme aus. Ä t h y l e n und seine M o n o s u b s t i t u t i o n s p r o d u k t e (a-Olefine, Diene, VinylVerbindungen) zeigen Polymerisationswärmen von 16—24 kcal/Mol. Unter Berücksichtigung einer Polymerisationsentropie von —30 cal/°Mol läßt sich für diese Verbindungsklasse eine Ceiling-Temperatur von durchschnittlich 400 °C ermitteln. Bis zu diesem Temperaturbereich sind derartige Monomere also thermodynamisch polymerisierbar. 1 , 1 - D i s u b s t i t u i e r t e Ä t h y l e n e erfahren zunächst durch die höhere Resonanzstabilisierung ihrer Doppelbindung eine gewisse Herabsetzung ihrer Polymerisationswärme. Entscheidend ist aber in erster Linie das Volumen der beiden Substituenten, speziell ihre Ausdehnung entlang der Polymerkette. In dieser Beziehung füllige Substituenten bewirken Valenzwinkeldeformationen, d. h. sterische Spannungen im Polymermolekül, die auf Kosten der Polymerisationswärme aufgebaut werden. Aus diesem Grunde besitzen z. B. 1,1-Diphenyläthylen, a-Methoxystyrol, a-Phenylacrylsäureester, 1 -Methyl- 1-/9-naphthyläthylen u. a. so niedrige Polymerisationswärmen, daß die entsprechenden Ceiling-Temperaturen weit unterhalb von 0°C liegen. Derartige Monomere sind thermodynamisch also nur bei sehr tiefen Temperaturen polymerisierbar. Die Polymeren sipd im Normaltemperaturbereich instabil und depolymerisieren. In der Mehrzahl der Fälle konnte eine solche Tieftemperatur-Kettenpolymerisation aus kinetischen Gründen überhaupt nicht realisiert werden. 1,1-disubstituierte Äthylene mit weniger sperrigen Substituenten wie z. B. Vinylidenchlorid, -Cyanid, -fluorid, Methacrylsäuremethylester, Methacrylnitril u. a. liefern brauchbare Polymerisationswärmen, die zu Ceiling-Temperaturen > -f-200°C führen. Der Kettenpolymerisation stehen daher keine thermodynamischen Schwierigkeiten im Wege, die Polymeren sind im Bereich der üblichen Einsatztemperaturen beständig. Im a-Methylstyrol liegt der interessante Fall vor, wo die Ceiling-Temperatur gerade im normalen Polymerisationstemperaturbereich liegt (Tc = + 6 1 °C). Unterhalb von + 6 1 °C kann bei anionischer Kettenpolymerisation das Wachstum von Polymerketten beobachtet werden, die aber oberhalb dieser Gleichgewichtstemperatur wieder rasch vom Kettenende her depolymerisieren. T r i - und t e t r a s u b s t i t u i e r t e Ä t h y l e n e sind aus den oben genannten Gründen nur bei sehr kleinvolumigen Substituenten thermodynamisch polymerisierbar.

Kettenpolyxnerisation

19

1 , 2 - d i s u b s t i t u i e r t e Ä t h y l e n e sind in der Doppelbindung etwas stärker resonanzstabilisiert als die entsprechenden 1,1-disubstituierten Verbindungen. Die daraus im Vergleich zu den 1,1-disubstituierten Isomeren resultierende stärkere Herabsetzung der Polymerisationswärme und Ceiling-Temperatur wird jedoch annähernd ausgeglichen, weil die sterischen Spannungen in den polymeren 1,2-disubstituierten Äthylenen und die so verursachte Senkung der Polymerisationsenthalpie grundsätzlich geringer sind als in den Polymeren der 1,1-Isomeren. 1,2-Disubstituierte Äthylene sollten folglich bei nicht allzu sperrigen Substituenten ausreichende Polymerisationswärmen und relativ hohe CeilingTemperaturen besitzen, die ihre praktische Kettenpolymerisation zu stabilen Polymeren gestatten. Im Gegensatz zu diesen Überlegungen konnte bisher diese Monomerklasse kaum für Kettenpolymerisationen genutzt werden. Die Ursache muß in einer kinetischen Hinderung gesehen werden (vgl. Abschnitt 2.1.5.1.). In Übereinstimmung damit eignen sich 1,2-disubstituierte Äthylene für Copolymerisationen. Vinylencarbonat, Acenaphthylen, Norbornen u. a. sind als 1,2-disubstituierte Äthylene zu verstehen, in denen die Substituenten zu einem Fünfring verbunden sind. Entsprechend sind im Cyclobuten die Substituenten zu einem Vierring geschlossen. Dieser Typ der 1,2-disubstituierten Äthylene ist einer Kettenpolymerisation unter Doppelbindungsöffnung zugänglich, da die Polymerisationswärme und die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante des Kettenwachstums durch die mit der Doppelbindungsöffnung verbundene Minderung der Ringspannung erhöht wird. Bei den K e t t e n p o l y m e r i s a t i o n e n , die über die Ö f f n u n g v o n H e t e r o a t o m m e h r f a c h b i n d u n g e n verlaufen, ist zunächst festzustellen, daß sich die Azogruppe nicht polymerisieren läßt, da N—N-jr-Bindungen stabiler als N—N-uBindungen sind und daher die Polymerisation endotherm, d. h. thermodynamisch unmöglich wird. Andere reine Heteroatom-Heteroatom-Mehrfachbindungen werden exotherm geöffnet. Polymerisationsbetrachtungen hierüber gehören jedoch in den Bereich der anorganischen Chemie, da die Polymerhauptketten keine C-Atome mehr enthalten. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an Schwefeltrioxid, Phosphornitrilchlorid, Bornitrid u. a., die als rein anorganische Hochpolymere mit hochanteilig kovalenten Bindungen in der Hauptkette vorkommen. In einigen Fällen ist wie beimBornitrid nur die hochpolymereForm(A-19) bekannt:

(A-19) B \

3

/

N

D

\

Bunge

,

B

B. N

/

D

\

K

N/

D

\

B .

N/

D

\

20

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

In anderen Fällen, wie z. B. beim Phosphornitrilchlorid, ist die bekannte niedermolekulare Form das cyclische Trimere: Cl

Cl

Cl I -[•N = P - J 3 b (anorganischer Kautschuk)

c/

P

YP N

x

ci

(A-20)

Cl

Mitunter existieren neben dep polymeren und oligomeren Formen auch die reinen Monomeren: iop

ior

nÖ=S++

* +0-S++i„

|OJ-

(A-21)

I O J .

Die Mehrzahl der rein anorganischen Hochpolymeren entstehen nicht durch Kettenpolymerisationen, sondern durch Stufenpolymerisationen, so z. B. die Metaphosphate, die Metaborate, die polymeren Silikate, Palladium-II-chlorid und viele andere (vgl. Abschnitt 2.2.4.10.). Im weiteren beschäftigen wir uns mit solchen Monomeren, die KohlenstoffHeteroatom-Mehrfachbindungen besitzen und damit echte organische Hochpolymere bilden können. Hier müssen wir berücksichtigen, daß die aktiven Polymerisationsketten nicht nur mit den Monomeren, sondern auch mit den cyclischen Trimeren im Gleichgewicht stehen können. Monomere

mit

einer T h i o n g r u p p e , ^)C=S,

besitzen

wahrscheinlich

relativ hohe Ceiling-Temperaturen, da die Öffnung der ^C=S-Doppelbindung eine beträchtliche Energie freisetzen sollte. In Übereinstimmung damit lassen sich z. B. Hexafluorthioaceton, Thiocarbonylfluorid u. a. zu stabilen Polymeren umsetzen. Thioaldehyde sind sogar ausschließlich als Polymere oder cyclische Trimere bekannt. Monomere m i t C a r b o n y l g r u p p e , ^ ) C = 0 , zeigen eine abnehmende Polymerisationswärme in der Reihenfolge: H\ ) C = 0

W

>

Rx W

) c = o

>

Rx Rr

) c = o

Während Formaldehyd mit einer Polynierisationswärme von 12,2 kcal/Mol noch eine Ceiling-Temperatur von etwa 130 °C besitzt und daher ohne Schwierig-

21

Kettenpolymerisation

keiten polymerisiert werden kann, zeigen alle höheren aliphatischen Aldehyde schon CEILING-Temperaturen < — 30 °C, sind daher nur noch bei sehr tiefen Temperaturen einer Polymerisation zugänglich, und die Polymeren erleiden schon bei Zimmertemperatur Depolymerisation. Eine Ausnahme stellen

(A 62

H-C-H

I

X-C-Y

Aus beiden Darstellungen ist ersichtlich, daß die gleichartigen Substituenten alternierend auf beiden Seiten der Kettenebene angeordnet sind.

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

34

Syndiotaktizität bei Polymeren aus cyclischen Monomeren mit einer ungeraden Anzahl von Ringatomen (X = Substituent, Y = H oder Substituent, X +

T):

i I H-C-H

X-C-Y

Y H V - ^ i

H

- X c/

c

y "

H V -

tri

(H-C-H)* Y-ï-X l

r

h

y

W

11

H

iy

T

h

< a - 63 >

11

Y-C-X

I H-C-H (H-Ç-H)^., Hier wird die alternierende Konfiguration der pseudoasymmetrischen C-Atome und die daraus resultierende gleichmäßige Seitenverteilung der Substituenten nur von der räumlichen Darstellung richtig erfaßt. — Di-syndiotaktizität bei Polymeren aus 1,2-disubstituierten Äthylenen (X, Y = gleichartige oder verschiedene Substituenten):

H Y -V/

H

X

Y

* H

y

V/

H

H / V/

X

Y ,H

* H

VA

I H —C—A" I V-C-H I X-C-H H-C-V H-C-X I V-C-H I X-C-H I H-C-V

(A-64)

Im Gegensatz zu den beiden Formen der Di-isotaktizität existiert nur e i n e di-syndiotaktische Struktur, in der, wie beide Darstellungen richtig angeben, die Substituentenserie XY alternierend angeordnet ist. Es muß schon hier beachtet werden, daß die Festlegung absoluter Raumrichtungen für die Substituenten taktischer Polymerer nur in einer maximal gestreckten Polymerkette erlaubt ist. I n dem wahrscheinlicheren ungestreckten Zustand ist die räumliche Substituentenstellung nur relativ zu der der benachbarten Struktureinheit, nicht aber absolut fixiert, da ja freie Drehbarkeit um die Hauptkettenbindungen besteht. Genau wie ataktische Ketten, nehmen daher

35

Kettenpolymerisation

taktische Polymere beliebige unregelmäßige verknäulte Formen an. Jedoch können eben nur letztere unter bestimmten Bedingungen regelmäßige Strukturen ausbilden. 2.1.4.5. Aspekte der optischen Isomerie in Makromolekülen Wie bereits erwähnt, ist die Taktizität einer Polymerkette nicht notwendigerweise mit der Bildung von asymmetrischen C-Atomen in der Hauptkette verbunden, da die beiden Kettenenden, die ein pseudoasymmetrisches C-Atom trägt, als gleichartige Substituenten zu betrachten sind (vgl. A-56). Diese Verhältnisse ändern sich naturgemäß an den Kettenenden: X

X

c

c*

(A-65)

Hier treten echte Asymmetriezentren auf, doch bewirken sie keine nennenswerte optische Aktivität der Polymeren. Für die Synthese optisch aktiver Polymerer stehen vom Prinzip her zwei Wege offen. Einmal ist es möglich, die Antipode eines Monomeren mit einem optisch a k t i v e n Zentrum im S u b s t i t u e n t e n wie z. B. bestimmte (L)-Acrylsäureester zu polymerisieren: nftJ-CH2= CH C=0 I 0' * H-C-/

ftJ-tCHz-CH-}^ C=0 (A-66) H-c-y I X

Zum anderen kann auch ein Kettenaufbau mit echten a s y m m e t r i s c h e n CAtomen in der H a u p t k e t t e realisiert werden. H /)ft;-CH2-C-CH3 0

R

C—C |

0

n(L)~ HN-C V 0 4

Runge

(L)—

(L)~

H -o-c-ch2ch3

H 0 I* II HN-C-C-

(A-67)

nC02

(A-68)

36

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Bei den Reaktionen (A-66), (A-67) und (A-68) handelt es sich um partielle asymmetrische Synthesen, da bereits die Ausgangsmonomeren optisch aktiv sind. Racemate liefern inaktive Polymere, es sei denn, man verwendet optisch aktive Initiatoren oder Katalysatoren. Letztere vermögen auch aus speziellen offenkettigen Monomeren ohne Asymmetriezentrum, wie z. B. 1,3-Pentadien, optisch aktive Polymere aufzubauen, wobei also eine totale asymmetrische Synthese gelingt: H n C H 2 = C H - C H = CH-CH3



--CH=CH-C-CH2--

(A-69)

CH3

Auch bei streng alternierender Copolymerisation werden bei bestimmter Monomerenwahl zahlreiche asymmetrische C-Atome in der Hauptkette neu erzeugt, die bei gleicher Konfiguration eine optische Aktivität des Polymeren hervorbringen können: X I

n CH2 = C

I

Y

n CH = CH

I

z

I

z

+CH2-C-CHZ-CHZ-F-

I

(A-70)

Y

2.1.4.6. E i n f a c h e B e z i e h u n g e n z w i s c h e n S t r u k t u r u n d E i g e n s c h a f t e n Zwischen S t r u k t u r und E i g e n s c h a f t e n der Polymeren bestehen naturgemäß enge Beziehungen, worauf an späterer Stelle eingegangen wird. Hier wird nur auf einige grundsätzliche Zusammenhänge hingewiesen. Eindimensionale und verzweigte zweidimensionale Polymere sind in der Regel thermoplastisch, d. h. bei höheren oder tieferen Temperaturen plastisch verformbar. Ihr Aggregatzustand ist eine Punktion der Temperatur und ihrer Strukturparameter. J e nach Temperatur kann ein und dasselbe Produkt als hochviskose Schmelze, plastisch oder elastisch zähe Masse oder als hart-zäher bis hart-spröder Festkörper vorliegen. Die Strukturparameter beeinflussen dabei wesentlich die Umwandlungstemperaturen. Dreidimensionale organische Polymere höheren Vernetzungsgrades sind duroplastisch, treten uns daher ausschließlich als Festkörper entgegen. Ihre Umwandlung in verformbare Aggregatzustände ist meistens nicht realisierbar, da die erforderlichen Temperaturen so hoch liegen, daß vorher vollständige Zersetzung des organischen Materials eintritt. Ähnlich liegen die Verhältnisse in der Regel bei den -organischen zweidimensionalen Polymeren mit Leiter- oder Schichtstruktur. Im Vergleich dazu sind zwei- oder dreidimensionale anorganische Polymere wegen ihrer geringen Zersetzungsempfindlichkeit thermisch so hoch belastbar, daß sie erweichen können (z. B. Schmelzpunkt von Quarz = 1705°C).

37

Kettenpolymerisation

Dreidimensionale schwach vernetzte Polymere bewegen sich vom Festkörper bis zum plastischen elastischen Material. Trotz ihrer Molekülgröße können Polymere kristallisieren. Der Grad der Kristallinität, der unter optimalen Kristallisationsbedingungen erzielt werden kann, hängt in erster Linie von der Gleichmäßigkeit im Makromolekülbau ab. Stark unregelmäßig verzweigte Polymere sowie unregelmäßig zwei- oder dreidimensional vernetzte Polymere sind daher vorwiegend amorph. Polymere mit regelmäßiger zweidimensionaler Vernetzung, d. h. reguläre Leiter- und Schichtpolymere sind kristallisationsfähig. Lineare Hochpolymere zeigen einen um so höheren Kristallisationsgrad, je größer die gleichmäßige Orientierung in der Monomeranordnung (Kopf-Schwanz-, 1,2-, 1,4-cis-, 1,4-trans-Verknüpfung) und die Taktizität (Polymere mit pseudoasymmetrischen C-Atomen) ist. Lineare Hochpolymere ohne pseudoasymmetrische C-Atome sind von vornherein zur Kristallisation besonders befähigt. Für lineare Copolymere sind streng alternierender Aufbau oder Blockaufbau wesentliche Voraussetzung für die Kristallisation. Dementsprechend sind statistische Copolymere genau wie ataktische Homopolymere weitgehend amorph.

2.1.5. Die radikalische

Kettenpolymerisation

mit homogen löslichen

Initiatorsystemen

£.1.5.1. B e d e u t u n g der r a d i k a l i s c h e n K e t t e n p o l y m e r i s a t i o n und g e e i g n e t e M o n o m e r e Für radikalische Kettenpolymerisationen sind in der Regel von der theoretisch in Frage kommenden Monomerpalette (vgl. 2.1.2.) die cyclischen Monomeren und solche mit Kohlenstoff-Heteroatom-Mehrfachbindungen nicht geeignet. Damit verbleibt für radikalische Kettenpolymerisationen das große i"eld der olefinisch ungesättigten Verbindungen. Jedoch sind auch hier noch zwei wesentliche Einschränkungen zu machen. 1 , 2 - d i s u b s t i t u i e r t e und h ö h e r s u b s t i t u i e r t e Ä t h y l e n e mit Substituentenvolumina > Fluoratome unterliegen einer kinetischen Polymerisationshemmung, die nach HAM auf eine sterische Hinderung im aktivierten Komplex des Wachstumsschrittes zurückgeführt wird:

u

v

\ i x

4*

Abb. A 5

38

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Wie ersichtlich tritt die sterische Behinderung zwischen dem /9-Substituenten der aktiven, wachstumsfähigen Polymerkette und einem der beiden Substituenten des additionsbereiten Monomermoleküls ein. Sie hängt damit, zusammen, daß das die radikalische Wachstumsstelle tragende ac-C-Atom trigonal, planar konfiguriert ist und die Winkel und Bindungsabstände im aktivierten Komplex solche Übergangswerte annehmen, daß die Substituenten auf Abstoßungsnähe zusammengeführt werden. Der Effekt ist auf den Übergangszustand beschränkt und darf nicht mit sterischen Spannungen im Polymermolekül verwechselt werden, die vergleichsweise bedeutend geringer sind und nur die Ceiling-Temperatur nicht aber die Kinetik beeinflussen (vgl. 2.1.3.). Als Resultat der sterischen Behinderung im aktivierten Komplex ist eine Erhöhung der negativen Aktivierungsentropie der Wachstumsreaktion zu erwarten, da die Konfiguration des aktivierten Komplexes im Vergleich zu einer nicht gehinderten Wachstumsreaktion eine geringere Wahrscheinlichkeit (erhöhte UnWahrscheinlichkeit) aufweist. Nach der Beziehung v o n EYRING u n d POLANYI :

k =

• eAS*lR • e-^H+/BT

(A-71)

führt ein höherer negativer Zahlenwert für AS* zu einer Senkung von k, in unserem Falle der ii!Gr-Konstanten des Kettenwachstums. Die Kettenwachstumsgeschwindigkeit wird damit so klein, daß Konkurrenzreaktionen, die die aktive Radikalstelle anderweitig vernichten, die Oberhand gewinnen. Als alleinige Erklärung für die prinzipielle Nichtpolymerisierbarkeit der 1,2disubstituierten Äthylene sind die dargelegten Vorstellungen zweifellos nicht ausreichend. Die Tatsache, daß diese kinetische Polymerisationshemmung auch bei den ionischen Mechanismen auftritt, läßt sich mit den'genannten Besonderheiten der Konfiguration des aktivierten Komplexes noch in Einklang bringen. Auch die Eignung der 1,2-disubstituierten Äthylene für Copolymerisationen mit Vinyl- oder Vinylidenmonomeren wirft keine Widersprüche auf, da ja beim Anwachsen eines 1,2-disubstituierten Äthylenmonomeren an eine aktive Kette ohne /9-Substituenten der sterische Effekt nicht zum Tragen kommt. Schwieriger ist jedoch zu verstehen, daß 1,2-disubstituierte Äthylene, deren Substituenten zum Fünfring geschlossen sind, wie z. B. Vinylencarbonat, nicht nur für radikalische Homopolymerisationen geeignet sind, sondern sogar wie z. B. Maleinsäureanhydrid ohne besondere spezielle Bedingungen mit Stilben, einem 1,2-disubstituierten Äthylen mit großvolumigen Substituenten, bereitwillig eine alternierende Copolymerisation eingehen. Möglicherweise ist eine von Lüssi gegebene Deutung der Kettenpolymerisationstendenz der substituierten Äthylene eine zutreffende Ergänzung. Lüssi drückte die Polymerisationsreaktivität der substituierten Äthylene mit Hilfe des Index der freien Valenz, d. h. der Differenz zwischen den summierten, nach wellenmechanischen Methoden aus den Bindungslängen errechneten Bindungsordnungen eines Atoms und der im gegebenen Hybridzustand maximal

39

Kettenpolymerisation

möglichen Bindungsordnung aus. Je geringer dieser Reaktivitätsindex ist, um so geringer ist die Stärke der delokalisierten Bindungen, die Reaktivität an diesem C-Atom. Die Berechnungen geben folgende Abstufungen der kinetischen Polymerisierbarkeit: X I CH2=C > C H 2 = C > CH=CH,

i

AA A

und zeigen, daß weniger die Substituentengröße, als vielmehr die Substitutionsart das entscheidende kinetische Kriterium ist. Unsubstituierte o l e f i n i s c h u n g e s ä t t i g t e Monomere mit einem der Doppelbindung benachbarten sekundären oder primären sp3-hybridisiertem C-Atom zeigen noch eine andere Art der kinetischen Polymerisationshemmung, die eine Polymerbildung bei vielen Monoolefinen, nichtkonjugierten Dienen, Allylverbindungen wie z. B. Propylen, Buten-1, Buten-2, i-Buten, Vinylcyclohexan, Cyclopenten, Pentadien-1,4, Isopren, Allylchlorid u. a. auf radikalischem Wege sehr erschwert. Die Ursache ist in einer mit der Wachstumsreaktion konkurrierenden Übertragungsreaktion mit dem Monomeren zu sehen: C H 2 - C H - C H 2 - C H • (II) CH2-CH- + CHA=CH I I CH. CH«

CH,

CH,

(A-72)

C H 2 - C H 2 + C H 2 = C H - C H 2 . (0 CH,

Wie am Beispiel des Propylens dargestellt, wird durch die Monomerübertragungsreaktion (£>), bei der ein Wasserstoffatom vom Monomeren auf das aktive Ketteneride übertragen wird, die Polymerkette durch das Monomere selbst abgebrochen. Solange diese Art der Abbruchreaktion keine ernsthafte Konkurrenz für die normale Wachstumsreaktion (a) darstellt, können sich hochpolymere Moleküle bilden. Bei Propylen und den oben genannten Monomeren spielt jedoch die Monomerübertragung eine dominierende Rolle, weil das ungesättigte Monomerradikal (7) eine größere Resonanzstabilisierung als das Kettenradikal (II) aufweist. Die Reaktion (6) ist also mit einem höheren Delokalisierungsenergiegewinn verbunden als Reaktion (a). Im Falle des Propylens entsteht ein Allylradikal, dessen Resonanzenergiegewinn sich leicht aus seinen Grenzstrukturen verstehen läßt: [ C H 2 - C H = CH 2 ^—^ C H 2 = C H - C H 2 ] = CH 2 ^CH-^CH 2

(A-73)

Entsprechend stabilisierte, energiearme Radikale bilden sich durch Monomerübertragungsreaktionen auch bei der Kettenradikalpolymerisation von i-Buten,

40

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Pentadien-1,4 usw.: CH, R- + C H 2 = C -

CH, R-H +

CH2=C

CH,

CH3

R- + C H 2 = C H - C H 2 - C H = CH2 C H 2 - C H = C H - C H = CH2 ^

(A-74)

CH2-C CH„

• RH + [ C H 2 = C H - C H - C H = CH2 - — 1

^ C H 2 = C H - C H = CH-CH2-]

(A-75)

In jedem Falle liefert also die Radikalkettenreaktion durch die thermodynamisch bedingte Begünstigung der Monomerübertragung nur kurzkettige Oligomere, da der Abbruch der Polymerkette schneller als ihr Wachstum zum Makromolekül erfolgt. Weil der Abbruch des Polymerwachstums praktisch durch das Monomere selbst erfolgt, spricht man hier von einer Selbstinhibierung (Autoinhibierung) der Polymerisation. Die Neigung zur Selbstinhibierung nimmt gemäß des Delokalisierungsenergiegewinnes bei der Monomerübertragungsreaktion bei einigen typischen Olef inmonomeren wie folgt zu: Isopren < a-Methylstyrol < Pentadien-1,3 < /9-Methylstyrol

Propylen

Pentadien-1,4

Von den zahlreichen Vinylmonomeren ist bisher nur bei den Vinyläthern eine kinetische Polymerisationshemmung bekannt geworden. In der praktischen Bedeutung liegt auch heute noch die Radikalkettenpolymerisation an der Spitze der Synthesemöglichkeiten für organische Polymere. Sie ist die am längsten bekannte und am eingehendsten untersuchte Kettenpolymerisation. Ihre führende wirtschaftliche Bedeutung gründet sich auf ihre relativ leichte Initiierung, ihre im Eigenschaftsbild der Polymeren äußerst variable Gestaltung und auf ihre relativ einfache Technologie, die wahlweise ein Arbeiten in Lösungsmitteln, Wasser oder reiner gasförmiger, flüssiger oder fester Monomerphase gestattet. 2.1.5.2. Die I n i t i i e r u n g r a d i k a l i s c h e r K e t t e n p o l y m e r i s a t i o n e n 2.1.5.2.1. S t r u k t u r o r g a n i s c h e r R a d i k a l e u n d i h r e E i g n u n g f ü r d i e ,Polymerisationsauslösun£f Zum Start radikalischer Polymerisationsketten sind anorganische und organische freie Radikale, d. h. Spezies mit ein oder mehreren ungepaarten Elektronen geeignet. In C-Radikalen befindet sich im allgemeinen das ungepaarte Elektron in einem senkrecht auf der Dreiecksebene des planaren sp 2 -hybridisierten C-Atoms stehendem reinen p-Orbital. Anorganische Radikale sind z. B. 0 2 , NO, Cl-, J-, •SO4, -OH. Ionen der Übergangsmetalle und der seltenen Erden (Ce^, Cr3-1-) sowie deren Komplexe mit ungepaarten Elektronen werden nicht als freie Radikale bezeichnet.

Kettenpolymerisation

41

Die Befähigung eines Radikals für einen Kettenstart läßt sich aus der Startreaktion ableiten: R-

+

CH2=CH ^ R - C H 2 - C H -

I

(Startradikal)

(A-76)

I

X

X (S (Monomerradikal)

Die thermodynamische Wahrscheinlichkeit der Monomerradikalbildung steigt bei konstanter Temperatur und schätzungsweise gleichem Entropieverlust mit der Exothermizität der Reaktion, wobei letztere von der Energieabgabe bei der Doppelbindungsöffnung und von der Differenz zwischen der Resonanzstabilisierungsenergie des Monomerradikals und des Startradikals abhängt. Damit regt ein Radikal eine Polymerisationskette um so besser an, je geringer seine eigene Resoijanzstabilisierung ist. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich die Startradikale einer Grobeinteilung unterziehen: — Stark resonanzstabilisierte, beständige freie Radikale. Sie bewirken keine Polymerisationsauslösung, sind dagegen wirksame Inhibitoren. Zum Beispiel o- und p-substituierte Triphenylmethylradikale, Semiehinone, o- und p-substituierts Diarylaminradikale, Diphenylpikrylhydrazyl (DPPH), Stickstoffmonoxid, Sauerstoff (vgl. 2.1.5.5.2.). — Resonanzstabilisierte, nicht beständige Radikale. Sie bewirken keinen erfolgreichen Kettenstart und zeigen nur eine kurze Inhibitorwirkung, da sie sich z. B.» durch Rekombination bald selbst verbrauchen. Zum Beispiel Allylradikale, Jodatome, Arylmercaptoradikale, Peroxiradikale. — Nicht oder nur schwach resonanzstabilisierte, energiereiche, kurzlebige Radikale.

Letztere lösen einen schnellen erfolgreichen Kettenstart aus. Zum Beispiel (R = Alkylrest): O - R a d i k a l e in der Reihenfolge ihrer Aktivität: HO - > R-0•

> R-C-O-

II 0

>

• S0 4 "

>

C-Radikale: • , CH2 = CH- >

H3C>> ff-CH2- > R-CH' I

Atome: z. B. Cl-, H-

Bei der gegebenen Einteilung muß natürlich bedacht werden, daß zur exakten Beurteilung der Fähigkeit eines Radikals, Ketten zu starten, auch die Resonanzstabilisierung der Monomerradikale sowie die äußeren Polymerisationsbedingungen

42

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Druck und Temperatur heranzuziehen sind. Inhibierend wirkende Radikale können folglich unter speziellen Bedingungen auch initiierende Funktionen wahrnehmen. So inhibiert z. B. das Sauerstoffradikal bei milden Polymerisationsbedingungen die Vinylchloridpolymerisation, initiiert dagegen unter gleichen Bedingungen die Polymerisation des Vinylidenchlorids, das im Vergleich zum Vinylchlorid energieärmere Monomer- und Kettenradikale bildet. Unter extremen Bedingungen (200 °C, > lOOOatm) läßt sich auch die Äthylenpolymefisation mit Sauerstoff starten. 2.1.5.2.2. Die chemische I n i t i i e r u n g Niedermolekulare Verbindungen oder Substanzgemische, die unter den äußeren Polymerisationsbedingungen in Startradikale zerfallen, werden als Initiatoren bezeichnet. Der thermische I n i t i a t o r z e r f a l l Geeignete, thermisch in radikalische Bruchstücke dissoziierende Substanzen sind vorwiegend Azoverbindungen und Peroxide. Die Azoverbindungen erleiden dabei einen einfachen, streng monomolekular verlaufenden Zerfall unter N2-Eliminierung, dargestellt am Beispiel des —SO,—O—O—C—CH» Cyclohexylsulfonylacetylperoxid (SPO) CH a x GH

CH-O-C-O-O-C-O-CH O

O

CH A CH 3

? W c = 4 0 h ; rH.5ö°C = 7 h; ^.to-C = 0,5 h

D i - i s o p r o p y l p e r o x i d i c a r b o n a t (DIPP)

CH 3 CH 3 I I CHJ-C C-O-O-C-CH3 I II I CH 3 O CH 3 t-Butylperoxipivalat

TH^c

= 84h;TH^c

=

20h;

=

13h;

?H.7o°c = 1.6 h

mittelreaktive Initiatoren

CUH„—C—O—O—C—CUH4 II II o o Lauroylperoxid (LPO) CH3\ /CH3 )CH-N = N-CH' CH A CH, CN CN

TH,u>°C = Thwc

=

teh;THi 5

h ; TH.oo'C = 70 h ;

h

schwer zerfallende Initiatoren _C_0-0-C(CHS)3

O

2h,85°c = 100h; r H .I05°c = 10h; ^.«»•c = 0' 0 1 5

h

t-Butylperbenzoat CH A -C-0-0-H

CH 3 Cumolhydroperoxid

y H)130 o C = 100h;T H . 16 „°c = 10 h; T a , ™ ° c = 0,015 h

47

Kettenpolymerisation

unter Ausschaltung der induzierten Initiatordissoziation erhalten wurden. Monomermoleküle sind nicht in jedem Falle so aktive Radikalfänger, daß sie den induzierten Zerfall voll unterbinden. Daher kann bei weniger aktiven Monomeren (Vinylacetat) die Halbwertszeit eines Peroxids beträchtlich herabgesetzt werden, während bei sehr reaktiven Monomeren (Styrol) die Halbwertszeit den angegebenen Werten weitgehend entspricht. Tabelle A 3 Tr-Benzoylperoxid

bei 80 °C

Monomeres

T H (h)

Acrylnitril Styrol Vinylacetat

4,5 4,5 0,5

Die T e m p e r a t u r a b h ä n g i g k e i t der iiö-Konstanten des Initiatorzerfalls wird von der „Arrheniusbeziehung" erfaßt: kz = A-

B

e-

*lRT

(A-89)

A = Stoßfaktor, maximaler fc2-Wert, der erhalten wird, wenn jeder Zusammenstoß zur Reaktion führen würde; Ez = Aktivierungsenergie des Zerfalls.

Tab. A 4 gibt eine Übersicht der fcz-Werte einiger Initiatoren und der dazugehörigen Aktivierungsenergien, die eine Umrechnung der ii (»'-Konstanten auf beliebige Temperaturwerte gestatten. Tabelle A 4 Initiator

k z [sec -1 ]

1,55 • 10- 1 Azoisobuttersäurenitril Diacetylperoxid 7,3 • 10"5 Dibenzoylperoxid 4,39 • 10- 6 Dilauroylperoxid 3,75 • 10- 4 Cyclohexylsulfonylacetyl9,63 • 10"5 peroxid Di-t-butylperoxid 7,81 • 10"8 Di-cumylperoxid 1,05 • 10- 4 t-Butylhydroperoxid 2,5 • lO"6 Cumolhydroperoxid 2,67 • 10"6 Di-isopropylperoxidicarbonat 5,0 • 10"8 t-Butylperpivalat 9,7 • 10- 6

Temp. [°C] 80 80 80 85 40 80 130 160 155 54 50

Lösungsmittel Toluol Toluol Benzol Benzol Benzol Benzol Benzol n-Octan Benzol Benzol Benzol

Aktivierungsenergie [kcal/Mol] '29,0 31,0 29,7 30,4 31,8 34,0 40,7 39,0 24,2 28,1 28,6

Die D r u c k a b h ä n g i g k e i t des Initiatorzerfalls, hängt vom Aktivierungsvolumen A V*, d. h. der Volumenänderung beim Übergang vom Ausgangszustand in den

48

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Übergangszustand ab. A V* spielt für die Druckabhängigkeit der i?Cr-Konstanten eine ähnliche Rolle wie die Aktivierungsenthalpie AH* für die Temperaturabhängigkeit (vgl. Gl. A-71). Der reine thermische Initiatorzerfall als monomolekulare Homolyse wird durch Druckerhöhung verlangsamt. Der induzierte bimolekulare Initiatorzerf all wird durch Drucksteigerung dagegen beschleunigt, da hier der Übergangszustand kleinvolumiger als der Ausgangszustand ist. Beide Effekte können sich in einem größeren Druckbereich überlagern, so daß bei Benzoylperoxid die Zerfallsgeschwindigkeit mit zunehmendem Druck zunächst abnimmt, dann aber wieder ansteigt. Die in Tab. A 4 angeführten AsRHENiusschen-Aktivierungsenergien des Initiatorzerfalls liegen alle in der Nähe von 30 kcal/Mol, d. h. die Zerfallsgeschwindigkeiten werden von einer Temperaturänderung relativ stark beeinflußt. Jeder Initiator ist also für den praktischen Fall einer Polymerisation nur in einem bestimmten Temperaturintervall brauchbar. Für radikalische Tieftemperaturpolymerisationen sind die bisher diskutierten Initiatoren wenig geeignet, da sie im Temperaturbereich von 0°C und darunter zu stabil sind, d. h. Startradikale mit viel zu geringer Geschwindigkeit liefern. Peroxide, die auch unterhalb von 0°C ausreichend schnell zerfallen, sind z. B. Trichloracetylperoxid, 2-Jodbenzoylperoxid, Methylsulfonsäure-per-t-butylester. Ihre Handhabung und Dosierung ist schwierig. Sie können im Polymerisationsansatz direkt erzeugt werden, z. B. Methylsulfonsäure-per-t-butylester: SOCI2 + CH3OH + HOOC(CH3)3 -» C H 3 - S 0 2 - 0 - 0 - C ( C H 3 ) 3 + 2HCI

(A-90)

Zweckmäßiger ist jedoch für radikalische Tieftemperaturpolymerisationen der Einsatz von Redox-Systemen (vgl. den folgenden Abschnitt). Von den a n o r g a n i s c h e n I n i t i a t o r e n besitzen Persulfate und Wasserstoffperoxid größere Bedeutung. Kaliumpersulfat zerfällt im alkalischen Medium bis V n = 8 streng monomolekular: S2Os-^ - > 2 0 3 S - 0 -

(A-91)

Die Aktivierungsenergie beträgt 33,5 kcal/Mol. I n saurem Medium kommt zu diesem rein thermischen Zerfall noch ein bimolekularer durch H+-Ionen induzierter Zerfall, der wenig erwünscht ist, da er keine Radikale liefert: S2Os— + H+

^ S04— + HSOr

(A-92)

Während Persulfate schon ab etwa 35 °C für praktische Zwecke genügend schnell Radikale liefern, zerfällt hochreines Wasserstoffperoxid erst oberhalb von 80°C, wobei sich an den monomolekularen ein induzierter Zerfall anschließt: H202 HOHO- + H 2 0'22 ^ H 2 0 + HOO-

(A-93) (A-94)

Rauhe Oberflächen, Metallspuren, Staubteilchen, dSe in technischen Polymerisationsansätzen stets enthalten- sind, katalysieren jedoch den Prozeß und

49

Kettenpolymerisation

senken so den für Polymerisationen interessanten Zerfallstemperaturbereich. OH~-Ionen katalysieren so stark, daß der Zerfall im alkalischen Medium für die Praxis zu rasch abläuft. Anstelle von Wasserstoffperoxid können auch anorganische Komplexe wie Natriumperborat, NaB0 2 • H 2 0 2 • 3 H 2 0 , Perborax, Na 2 B 4 0 7 • H 2 0 2 • 9 H 2 0 oder Percarbonate eingesetzt werden. Permanganate, Perchlorate, Dichromate sind keine echten PeroxiVerbindungen. Ihre Verwendung als Initiatoren ist nur zu verstehen, wenn einleitende Oxidationsprozesse, bei denen radikalische Zwischenstufen auftreten, eine Rolle spielen. Die Wahl eines Initiators richtet sich auch nach dem physikalischen System der Polymerisation (vgl. 2.1.5.8.). Die in der Monomerphase löslichen organischen Initiatoren werden bei Polymerisationen in Masse, Suspension und organischer Lösung benutzt. Wasserlösliche anorganische Initiatoren werden für Polymerisationen in wäßriger Lösung und Emulsion herangezogen. Die in der Praxis eingesetzten Initiatorkonzentrationen bewegen sich zwischen 0,1 bis 1 Gew.-% bezogen auf das Monomere. Die R e d o x - I n i t i i e r u n g Radikalische Kettenpolymerisationen liefern bei tieferen Temperaturen ( < +5°C) oftmals Produkte mit speziellen Qualitäten. So sind bei Tieftemperaturpolymerisaten im Vergleich zu entsprechenden Wärmepolymeren z. B. das Molekulargewicht sowie der Grad der Syndiotaktizität und der Monomerorientierung erhöht, der Verzweigungsgrad erniedrigt. Zur Initiierung von Tieftemperaturpolymerisationen haben' sich Redoxsysteme besonders bewährt, die aus einem peroxidischen Initiator und einer reduzierenden Komponente bestehen. In diesen Redox-Systemen liefert das Peroxid auch bei Temperaturen, wo es rein thermisch nur sehr langsam zerfällt, mit hoher Geschwindigkeit die erforderlichen Startradikale. Über Mechanismus und Kinetik der Redoxreaktionen besteht in vielen Fällen noch keine Gewißheit. Die AERHENitrsschen Aktivierungsenergien der RedoxRadikalbildung liegen bei einigen näher untersuchten Systemen mit Schwermetallionen als Reduktionsmittel etwa in der Größenordnung von 10 kcal/Mol und erreichen somit nur rund 30% der entsprechenden Beträge des thermischen Initiatorzerfalls. Diese geringe Temperaturabhängigkeit der Redox-Initiierung muß stets beachtet werden. Für w a s s e r l ö s l i c h e R e d o x s y s t e m e o h n e Zusatz von S c h w e r m e t a l l i o n e n wird vorwiegend auf Persulfate oder Wasserstoffperoxid als Ox-Komponente sowie Sulfite, Hydrogensulfite, Dithionite, Thiosulfate, Rongalit als reduzierende Verbindungen des Schwefels zurückgegriffen. Die Aufstellung der Redoxreaktionsgleichung ist einfach: r

rt

.

p

rt

so4— +

so4- +

s2o3-

(A-95) (A-96) (A-97)

50

Thaorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

jedoch entspricht die Kinetik der Reaktionen meistens nicht derartigen einfachen Formulierungen. Möglicherweise spielt die Spurenkatalyse des Peroxidzerfalls durch Fe++, Cu ++ u. a. Schwermetallionen eine bedeutende Bolle. Anstelle der Schwefelverbindungen können auch wasserlösliche organische Reduktionsmittel wie Fruktose, Ascorbinsäure, a-Oxysäuren u. a. eingesetzt werden. Für m o n o m e r l ö s l i c h e R e d o x s y s t e m e o h n e Zusatz von S c h w e r m e t a l l i o n e n kommen besonders Hydroperoxide, Acylperoxide und in Sonderfällen auch Sauerstoff als Oxidationsmittel sowie Vinylidenchlorid Acrylnitril > Methacrylnitril Acrylsäuremethylester > Methacrylsäuremethylester F ü r die experimentelle Bestimmung der ¿„-Daten gibt es mehrere Methoden, die bei gleichen Monomeren oft abweichende Werte liefern. Bei einem Vergleich von Wachstums-iiG'-Konstanten aus Literaturangaben muß deshalb die Bestimmungsmethode unbedingt berücksichtigt werden. 2.1.5.4.1. S t r u k t u r p r i n z i p i e n u n d S t e r e o s p e z i f i t ä t d e r r a d i k a l i s c h e n Wachstumsreaktion Von den beiden bezüglich der Monomerorientierung möglichen Additionsvarianten : —• CH,-CH-CH-CH,. («) I I CH 2 -CH- + CH 2 =CH R R (A-132) (b) I I -CH2-CH-CH2-CHR R

59

Kettenpolymerisation

ist die Kopf-Schwanz-Addition (b) in der Regel der stark bevorzugte Wachstumsschritt, da hier die Möglichkeit der Resonanzstabilisierung des Kettenradikals erhalten bleibt. Das Kettenradikal (a) ist dagegen energiereicher, das radikalische C-Atom ist nicht substituiert, die Reaktion ist thermodynamisch benachteiligt. In Übereinstimmung mit diesen Überlegungen wurden auch in radikalisch erzeugtem Polyvinylchlorid, Polystyrol, Polyvinylmethylketon keinerlei Anzeichen für eine Kopf-Kopf-Polymerisation gefunden. Die Geschwindigkeit der beiden Additionsschritte differiert bei diesen Polymeren also stark zugunsten der KopfSchwanz-Anlagerung (6), was sich in größeren Unterschieden in den Aktivierungsentropien und -enthalpien der Reaktionen (a) und (b) ausdrückt. Für Polystyrol wurde z. B. abgeschätzt, daß die Aktivierungsenergie der Kopf-Schwanz-Addition um etwa 10 kcal/Mol geringer als die der Kopf-Kopf-Anlagerung ist. In einigen Polymeren wie Polyvinylacetat, Polyvinylidenfluorid, Polyvinylfluorid wurden durch Abbaureaktionen oder mittels der NMR-Spektroskopie bis zu 30% Kettenanteile mit Kopf-Kopf-Verknüpfung nachgewiesen. Offenbar ist hier die kinetische Bevorzugung der Reaktion (b) bedeutend geringer. Bei Polyvinylacetat beträgt die Differenz der Aktivierungsenergien z. B. nur 1,25 kcal/Mol. Generell muß damit gerechnet werden, daß mit fallender Polymerisationstemperatur der Anteil der Kopf-Kopf-Verknüpfung auf Grund der Aktivierungsenergiedifferenz abnimmt. Hinsichtlich der Taktizität ist das Geschwindigkeitsverhältnis der beiden möglichen'Verknüpfungsschritte (c) und (d) ausschlaggebend. X CH2VCH2VCH2-C. fei

W. I

%

9 CH2. , C H 2 - C . F X A + CH2=C—I

®

Y

(£)(£)&> isotaktische Addition

^

X
^^C-O-CH2-CH »



0

2

(A-136)

0

Im Falle des Diallylphthalats wird neben dem cyclischen Wachstum gemäß Gleichung A-136 auch vernetzendes Wachstum beobachtet. Sogenannte „cyclisierende Polymerisationen" mit nahezu ausschließlich cyclisierendem Wachstumsschritt lassen sich mit Divinylmonomeren realisieren, die ein 2 oder 3 Kettenatome enthaltendes flexibles Mittelstück aufweisen und daher spannungsfreie 5- oder 6-Ringe schließen können:

+

n CH2=CH-C-0-C^CH=CH2 II 0

II 0

/CH 2

>h

2

(A-137)

-CH2—CH CH—CH2—CH CH—CH2—CH CHI

I

o - V ^ o

I

I

I I

n/,

Neben Acrylsäureanhydrid (Gl. A-137) sind z. B. Vinylcrotonat, 2,6-disubstituierte 1,6-Heptadiene, Diallylsilane für cyclisierende Polymerisationen geeignet. Die zu relativ steifen Polymerketten führende cyclisierende Wachstums reaktion bestimmter Alkylen-bis-allylcarbonate hat zur Erzeugung transparenter, oberflächenharter optischer Medien für Linsen u. dgl. Interesse gefunden. Norbornadiene schließen im radikalischen Wachstumsschritt durch transannulare Additionsreaktionen Dreierringe unter Bildung von Nortricyclenen:

R•

+

•-(Cr"

R' —'n

(A-138)

Kettenpolymerisation

2.1.5.5. D i e r a d i k a l i s c h e n

63 Kettenabbruchreaktionen

Kettenabbruchreaktionen zeichnen sich durch eine endgültige Vernichtung der Wachstumsaktivität aus, d. h. der Kettenabbruch beendet das Wachstum der Polymerketten und der kinetischen Reaktionsketten. Im Gegensatz dazu schließen Übertragungsreaktionen (vgl. 2.1.5.6.) nur das Wachstum der Polymerketten ab und beeinträchtigen nicht die kinetischen Reaktionsketten, die von anderen Molekülen fortgeführt werden. Bei dem radikalischen Kettenabbruch werden unvermeidbare, im Mechanismus der radikalischen Kettenpolymerisation begründete Reaktionen von künstlich herbeigeführten Abbruchreaktionen unterschieden. 2.1.5.5.1. R e k o m b i n a t i o n u n d D i s p r o p o r t i o n i e r u n g In der radikalischen Kettenpolymerisation treten Kettenradikalrekombination (Gl. A-139) und -disproportionierung (Gl. A-140) als unvermeidbare Abbruchreaktionen auf: —CH2-CH- + CH-CHa Je

X

> — CH2-CH-CH-CH2—

(A-139)

X X .

•H l

1

—CH2-CH- + CH-CH2—

— C H = CH + C H 2 - C H 2 —

(A-140)

X X X X Während sich bei der Rekombination beide Polymerradikale zu einem fertigen Makromolekül vereinigen, wird bei der Disproportionierung ein /?-Wasserstoffatom übertragen und beide Polymerradikale bleiben nach Verlust ihrer Radikalstellen voneinander getrennt.' Theoretisch erreicht also der Polymerisationsgrad der Makromoleküle bei ausschließlicher Rekombination den doppelten Wert wie bei einem nur über Disproportionierung verlaufenden Kettenabbruch. I n der Praxis wird jedoch der Polymerisationsgrad auch bei konstanten äußeren Polymerisationsbedingungen noch von anderen Faktoren, z. B. Übertragungsreaktionen (s. 2.1.5.6.) in hohem Maße beeinflußt, so daß Rückschlüsse auf das Verhältnis der beiden Übertragungsreaktionen nicht so einfach sind. Bei Rekombination enthält jedes Makromolekülende den charakteristischen Bestandteil der Initiatorradikale. Im Falle der Disproportionierung trägt nur ein Makromolekülende den Initiatorradikalrest. Dieser Unterschied läßt sieh bei Einsatz radioaktiver oder durch typische Heteroatome markierter Initiatoren ausnutzen, um durch radioaktive oder chemisch-analytische Endgruppenbestimmung das Verhältnis Rekombination/Disproportionierung zu ermitteln. Da die Disproportionierung mit der Übertragung eines Wasserstoffatoms verknüpft ist, besitzt sie eine höhere Aktivierungsenergie als der Rekombinationsabbruch, der praktisch keine oder nur eine sehr geringe Temperaturabhängigkeit

64

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

zeigt. Mit fallender Temperatur verändert sich also das Verhältnis der beiden Abbruchsvarianten immer mehr zugunsten der Rekombination, die schließlich unterhalb einer von der Monomerart abhängigen Grenztemperatur zur alleinigen Abbruchreaktion wird. Bei der Styrolpolymerisation z. B. kommt unterhalb von + 5 0 ° C die Disproportionierung praktisch zum Erliegen, der Abbruch erfolgt ausschließlich durch Rekombination, die Aktivierungsenergie im Temperaturbereich < 5 0 ° C liegt in der Nähe von Null. Bei Temperaturen > 60 °C setzt in steigendem Maße auch die Disproportionierung ein und es werden Aktivierungsenergien von einigen kcal/Mol gemessen. I m Gegensatz zur Styrolpolymerisation vollzieht sich beim Methacrylsäuremethylester der Kettenabbruch auch bei tieferen Temperaturen ( R-P

(A-143)

Der Einfluß dieser Art des Kettenabbruchs durch primäre Radikale ist bei praktischen Polymerisationen in der Regel vernachlässigbar. Ein merkbarer Effekt tritt bei hoher Initiatorradikalkonzentration, geringer Monomerkonzentration und sinkender Polymerisationstemperatur auf, da durch diese Faktoren das Verhältnis der Abbruchreaktion zur normalen Startreaktion: R- + M -> R-M•

(A-125)

zugunsten Gl. A-143 verschoben wird. Bei Auftreten eines Geleffektes gewinnt der Abbruch durch primäre Radikale relativ zur Rekombination und Disproportionierung ebenfalls an Bedeutung. 2.1.5.5.2. K ü n s t l i c h e r K e t t e n a b b r u c h Künstlicher Kettenabbruch wird durch Inhibitoren oder Abstoppmittel ausgelöst. Inhibitoren und Abstoppmittel sind Bezeichnungen für chemisch und in der Wirkungsweise identische Verbindungen. Inhibitoren werden den Monomeren zugesetzt, um diese gegen spontan einsetzende Polymerisationen durch Licht oder Wärme bei Transport, Lagerung und Destillation zu stabilisieren. Technische Monomere müssen deshalb von einer Polymerisation durch Destillation oder Adsorption von Inhibitoren befreit werden. Abstoppmittel werden bei Polymerisationen verwendet, um dje Reaktion nach einem bestimmten Umsatz abzubrechen. Das gezielte vorzeitige Beenden einer Polymerisation ist z. B. für kinetische Untersuchungen bei kleinen Umsatzintervallen, aber auch in der industriellen Praxis zur Verhinderung von Geleffekten (s. 2.1.5.7.4.) oder hohen Polymerverzweigungsgraden (s. 2.1.5.6.5.) notwendig.

66

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Die Wirkungsweise von Inhibitoren und Abstoppmitteln beruht entweder auf einer Radikalkombination oder auf der Bildung von reaktionsträgen, resonanzstabilisierten Radikalen. Im ersten Falle werden reaktionsträge, stabile Radikale wie Diphenylpikrylhydrazyl ( D P P H ) , Stickstoffmonoxid, p-substituierte Triphenylmethylradikale u. a. verwendet, z. B.: no 2 • +

no 2

(C6H5)2N-N-^P>-N02



(C6H5)2N-N-^^-N02

no 2

(A-144)

N0 2

Bei genügender Anzahl von derartigen Abfangradikalen relativ zur Konzentration von wachstumsfähigen Start- oder Polymerradikalen wird also jegliche Polymerisation verhindert. Bei steter Startradikalnachlieferung kommt die Polymerisation entsprechend dem zunehmenden Inhibitorverbrauch nach und nach in Gang. Sauerstoff als stabiles Diradikal inhibiert durch die Bildung von resonanzstabilisierten Peroxiradikalen: r P- + 0 2 -> [ P - O - O -

(__) P-O-Ol ^ ^

p-o=o

(A-U5)

Die energiearmen Peroxiradikale addieren sehr viel langsamer weiteres Monomeres als die aktiven Polymerradikale und verzögern so die Polymerisation. Ist die Anlagerung eines Monomeren vollzogen, so stabilisiert sich das gebildete Kettenradikal P-O—O—Msofort wieder unter Sauerstoffaddition, so daß als Resultat der Sauerstoffinhibierung mit geringer Geschwindigkeit polymere Peroxide in Form alternierender Copolymerer entstehen: P—O—O—M—O—O—M—O—O—M—O—O-

(A-146)

Darüber hinaus wirken die wachstumsträgen Peroxiradikale auch als Fänger für andere Polymerradikale: P-O-O•

+

P—^

(A-U7)

P—O—O—P

Die polymeren Peroxide sind in der Regel nur bei tiefen Temperaturen beständig. Bei normalen Polymerisationstemperaturen zerfallen sie in Aldehyde und Ketone: •i CH2 —CH—0—0—CH2 —CH—0—0-j—

t

R

R

_L

—*

2nCH 2 0 + 2nR~CH0

(A-148)

Kettenpolymerisation

67

Die Bildung resonanzstabilisierter, wachstumsträger Radikale R-* ist auch die Grundlage für die Wirksamkeit nichtradikalischer Inhibitoren und Abstoppmittel. Zu dieser Inhibitorgruppe gehören u. a. p-Benzochinon, Chloranil, Nitroaromaten, Methylenblau, Benzthiazin, Thiocarbamate, alkylsubstituierte Phenole und aromatische Amine, Nitrosoverbindungen und Aldehyde. Dem Inhibierungsmechanismus liegt entweder eine Übertragungsreaktion zugrunde, wie sie z. B. für alkylsubstituierte Phenole und aromatische Amine diskutiert wird:

P-H

(A-149)

+

~ P- + H 2 N—^D/

r

P - H

+

^ L

R

R

R

R*

HN= = 0 —

H P' +

¿hc 5 < x R?

-P (A-152)

Q.

Die z. T. aufgeführten Resonanzstrukturen sollen die Energiearmut der auftretenden Radikale R-* im Vergleich zu den aktiven Polymerradikalen P- ausdrücken. Die Radikale R-* können je nach Stärke ihrer Resonanzstabilisierung 6

Runge

68

Theorie der Aufbaureaktionen für Makrmoleküle

entweder überhaupt keine Monomere mehr addieren und verschwinden dann ausschließlich durch Kombination mit R-* oder P• (totale Inhibierung) oder sie wachsen wie bei den Peroxiradikalen bereits beschrieben mit sehr geringer Geschwindigkeit weiter (Verzögerung bzw. Verlangsamung der Polymerisation). Hydrochinon ist nach neueren Erkenntnissen im Reinstzustand kein wirksamer Inhibitor, ein abstoppender Effekt kommt hier nur in Gegenwart von Sauerstoff wahrscheinlich durch vorgelagerte Oxidation zum Chinon zustande. Ähnlich verhält es sich mit t-Butylcatechol. Übernehmen die Monomeren selbst, indem sie bereitwillig Übertragungsreaktionen eingehen, die Inhibierungsfunktion, so liegt der bereits besprochene Fall einer Selbstinhibierung (s. S. 39) vor. Gemäß der allgemeinen Beziehung: P- + Inhibitor

(A-153)

Inhibitionsprodukte

ist die Geschwindigkeit der Reaktion gegeben zu: Firn.. = ¿ W • [Inh.]

(A-154)

• [P-]

Der ^inh.-Wert eines gegebenen Initiators hängt dabei außer von der Temperatur auch von der Art der Polymerradikale ab, zeigt also bei konstanter Temperatur bei verschiedenen Monomeren oftmals stark unterschiedliche Beträge. Als quantitative Größe wird vielfach der Quotient klIälJkw verwendet, da die Inhibierung ja in direkter Konkurrenz zum normalen Kettenwachstum mit der .ßCr-Konstanten kw steht. Der Ausdfuck kinhJkw bewegt sich bei Inhibitoren bzw. Abstoppmitteln bei normalen Polymerisationstemperaturen im Bereich von 10 _1 bis 104 entsprechend einer wirksamen Konzentration von 0,1 bis 0,0001 Mol-% Inhibitor bezogen auf die Monomermenge. In Tab. A 8 sind für eine Polymerisationstemperatur von 50 °C einige Zahlenwerte zusammengestellt. Tabelle A 8 Inhibitor

polymerisierendes Monomeres

^inh/^w

Sauerstoff

Methacrylsäureester Styrol

3,3 • 10 4 1,46 • 104

DPPH

Methacrylsäureester

2,0 • 103

p-Benzochinon

Styrol Acrylnitril

5,18 • 102 9,1 • 10- 1

1,3,5-Trinitrobenzol

Vinylacetat Styrol Methacrylat

4,04 • 102 6,4 • 10 2,04 • 10" 1

Kettenpolymerisation

69

2.1.5.6. D i e r a d i k a l i s c h e n

Übertragungsreaktionen

Entsprechend der Gleichung: P• + X-N

(A-155)

^ PX + N•

sind Übertragungsreaktionen durch die Überführung eines radikalischen Molekülbausteins X — H-, Cl-, Br- usw. von einem Neutralmolekül N — X auf ein wachstumsfähiges Polymerradikal P• charakterisiert. Letzteres wird dabei abgesättigt, das Kettenwachstum und damit die Reaktionskette wird von dem verbleibenden radikalischen Rest des Neutralmoleküls N• fortgesetzt: N- + M

P-

N—M-

(A-156)

Das Ausmaß der Übertragungsreaktionen wird entscheidend von der Differenz der Resonanzenergie zwischen P- und N- bestimmt. Je mehr der radikalische Rest des Neutralmoleküls N• in seiner Resonanzstabiliserung die Mesomeriestabilität des Polymerradikals P- erreicht oder sogar übertrifft, um so eher ist mit einer entsprechenden Übertragungsreaktion zu rechnen. Als bimolekulare Vorgänge befolgen Übertragungsreaktionen das Geschwindigkeitsgesetz : Vü =

dt .

• [P-]

= kä • [N-X]

(A-157)

Übertragungsreaktionen sind hinsichtlich des erreichbaren Molekulargewichtes der Polymeren echte Konkurrenzreaktionen zur Kettenwachstumsreaktion. Bei Ausschaltung jeglicher Kettenübertragung läuft das Kettenwachstum bis zum Eintritt der unvermeidbaren Kettenabbruchreaktion ab. Übertragungsreaktionen beenden das Wachstum einer Polymerkette schon vor dem unvermeidbaren Kettenabbruch. Für die dadurch bedingte Senkung des Molekulargewichtes der Polymeren ist der Geschwindigkeitsquotient von Übertragung und Wachstum ein direktes quantitatives Maß: I i

Vw

= *••[*-*]•[*•]

kw.[M].[P.]

=

M

[M]

(A-158)

Der Quotient der beiden iüGr-Konstanten kü/kw wird als Übertragungskonstante Gä bezeichnet. Ein hoher O fi -Wert eines Neutralmoleküls drückt also die ausgesprochene Übertragungsneigung dieser Verbindung und damit ihren großen molekulargewichtssenkenden Einfluß aus. Zur Angabe des C fi -Wertes einer Verbindung gehört natürlich neben der Temperatur auch die Art der Polymerradikale, an denen die Übertragung gemessen wurde. Als Neutralmoleküle N — X kommen für radikalische Übertragungsreaktionen in Frage: Initiatormoleküle, Monomermoleküle, Lösüngsmittelmoleküle, Regler6*

70

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

moleküle (Verbindungen, die speziell zum Zwecke der Molekulargewichtsregulierung durch Kettenübertragung eingesetzt werden), wachsende oder abgebrochene Polymerketten. 2.1.5.6.1. K e t t e n ü b e r t r a g u n g d u r c h d e n I n i t i a t o r Von den Initiatoren neigen besonders Hydroperoxide zu reaktionen : P- + HOOR

^ PH + ROO-

(A-159)

In geringem Maße unterliegen auch Acylperoxide der Reaktion: P- + RCOOCR O

Übertragungs-

^ POCR + RCO-

O

O

k

(A-160)

O

Aus der Sicht der Initiatoren gesehen, liegt hier ein durch Kettenradikale induzierter Initiatorzerfall vor, wie er bereits im Abschnitt 2.1.5.2.2: besprochen wurde, der die Radikalausbeute des Initiators senkt und seine Gesamtzerfallsgeschwindigkeit erhöht. Vom Standpunkt der Polymerbildung ist mit einer Senkung des Molekulargewichtes zu rechnen. Praktisch ist jedoch auf Grund der geringen Initiatorkonzentration der Effekt in der Regel vernachlässigbar klein. Die in Tab. A 9 angegebenen Werte zeigen, daß bei einem für praktische Radikalkettenpolymerisationen angenähert gültigem Verhältnis [I]/[M] von 10~4 entsprechend der Beziehimg: YjLL — q Vw

Jil "'

(A-161)

[M]

die Wachstumsgeschwindigkeit 105- bis 106mal die Geschwindigkeit der InitiatorÜbertragung übersteigt. Mit wachsender Temperatur nehmen die /-Werte der Initiatoren zu, da die Aktivierungsenergie des Kettenwachstums Ew geringer als die der Initiatorübertragungsreaktion EÜJ ist. Tabelle A 9 CÜI-Werte einiger Initiatoren bei 60°C Kettenradikalart

Initiator

G.ü,l

Styrol

Cumolhydroperoxid Benzoylperoxid AIBN Benzoylperoxid AIBN

0,06 0,048 0,00 0,15 0,00

Vinylacetat

Bei AIBN Keß sich bisher keine meßbare Übertragungsneigung nachweisen.

71

Kettenpolymerisation

2.1.5.6.2. K e t t e n ü b e r t r a g u n g d u r c h d a s M o n o m e r e Bei der Übertragungsreaktion durch das Monomere sind die Reaktionspartner die gleichen wie bei der normalen Wachstumsreaktion: P- + CH2 = CH

PH + CH2 = C ,

(A-162)

jedoch bleibt die für das Wachstum charakteristische Addition des Monomeren durch Doppelbindungsöffnung aus. Das Polymerradikal P- wird abgebrochen, das entstehende ungesättigte Monomerradikal übernimmt je nach dem Grad seiner Mesomeriestabilisierung mehr oder weniger schnell die kinetische Reaktionskette, d. h. die Addition weiterer Monomermoleküle. Entsprechend der Gleichung: Va.M _

KM • [M] • [P-] kw • [M] • [P-]

_ k^M

=

c

(A-163)

ü,M

gibt die Übertragungskonstante CÜ:M exakt das Geschwindigkeitsverhältnis der Monomerübertragung zum Kettenwachstum an. Da auch hier Ew < EÜ.m

gilt, nehmen die

-Werte mit steigender Temperatur zu.

Tabelle A 10 Monomeres

CÜ.m (60 °C)

Methacrylsäuremethylester Acrylnitril Acrylsäuremethylester Styrol

2.5 • 10"6

Vinylacetat Methacrylnitril Vinylchlorid

2,4 • 10-4 5,8 • 10-4

1 - Vinylnaphthalin Allylchlorid Propylen ¡-Buten

3,1 • 10-2

CÜ,M als f(T)

2.6 • 10~5

3,2 • 10-5

6,0 • lO"5

1,2 • 10-

< IO-1

3

C ä i M = 0,4 •

C»,M = 0,2 • CüiM = 125 • e-'3°»/«T Ct,M = 3,0 •

72

Theorie der Aufbaureaktionen für Makromoleküle

Die in Tab. A 10 angegebenen Werte für das Verhältnis V ü:M jV w lassen sich formal in drei Gruppen einteilen. Bei den Monomeren der ersten Gruppe läuft das Kettenwachstum einige lf^mal schneller als die entsprechende Monomerübertragungsreaktion ab. Der Einfluß der Monomerübertragung auf das Molekulargewicht ist sehr gering. Die Monomeren der zweiten Gruppe zeigen bereits eine beträchtliche Übertragungstendenz. Nach 1000 bis 10000 Wachstumsschritten folgt schon ein Übertragungsschritt, d. h. das Molekulargewicht der Polymeren wird schon weitgehend von der Monomerübertragung und der entsprechenden Temperaturfunktion bestimmt. Bei den Monomeren der dritten Gruppe hat die Monomerübertragungsgeschwindigkeit etwa die Größenordnung des Kettenwachstums errreicht. Es entstehen keine Polymeren mehr. Nach einigen Wachstumsschritten erfolgt bereits Kettenabbruch zu Oligomeren durch Monomerübertragung. Der Energiegehalt der ungesättigten Monomerradikale ist vielfach auf Grund ihrer hohen Resonanzstabilisierung so gering, daß sie kein weiteres Wachstum eingehen. Neben dem Abbruch der Polymerkette ist also auch ein Abbruch der kinetischen Polymerisationskette zu verzeichnen, d. h. es liegt der Fall einer Inhibierung der Polymerisation durch das eigene Monomere vor (Selbstinhibierung), der bereits auf Seite 39 ausführlich diskutiert wurde. 2.1.5.6.3. Ü b e r t r a g u n g s r e a k t i o n e n durch L ö s u n g s m i t t e l Gemäß der Gleichung: ^

Vw

= Cä s

"'S [M]

S — Solvens

(A-164)

wird das Geschwindigkeitsverhältnis Lösungsmittelübertragung/Polymerwachstum und damit auch der Einfluß der Lösungsmittelübertragungsreaktion auf das Molekulargewicht von der Verdünnung des Monomeren durch das Solvens und von der entsprechenden Übertragungskonstanten bestimmt. Letztere ist eine Funktion der Temperatur sowie der Konstitution der Lösungsmittelmoleküle und der Kettenradikale. Ihre Kenntnis ist für praktische Polymerisationen in Lösungsmitteln von großer Bedeutung. Mit steigender Temperatur nehmen die CiiS-Werte zu, da Ew < Ea s. Bei gegebener Kettenradikalart ist bei unterschiedlichen Lösungsmitteln ein Konstitutionseinfluß z. B. als lockernde Wirkung von resonanzfähigen Allyl-, Propargyl- und Phenylgruppen auf die Übertragbarkeit von Wasserstoffatomen H' festzustellen, d. h. der Ci s-Wert eines Lösungsmittels wird wesentlich von dem Grad der Resonanzstabilität des zurückbleibenden radikalischen Restes des LösungsmittelmoJeküls bestimmt. Entsprechende quantitative Angaben sind in Tab. A l l zusammengestellt.

Kettenpolymerisation

73

Tabelle A 11 Gü s-Werte verschiedener Lösungsmittel gegenüber Polystyrolkettenradikalen bei 60°C Lösungsmittel

Konstitution

G,U,S

Benzol

2,3 • 10"«

H

Toluol

- C - H T

Äthylbenzol

^O/-C-H