Eine Stiftsjungfer im Dreißigjährigen Krieg: Das Leben westfälischen Adeligen Lucretia von Haren (1706-1675) 9783412212131, 9783412210960

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Eine Stiftsjungfer im Dreißigjährigen Krieg: Das Leben westfälischen Adeligen Lucretia von Haren (1706-1675)
 9783412212131, 9783412210960

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Renate Oldermann

Eine Stiftsjungfer im Dreißigjährigen Krieg Das Leben der westfälischen Adligen Lucretia von Haren (1605–1675)

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN



Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Landschaft des Fürstentums Osnabrück und der Altäbtissin des Stifts Börstel.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Wappen von Haren und Unterkirche des Stifts Börstel (Montage: Hans-Martin Schäfer, Bremen).

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, 50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Kornelia Trinkaus Umschlaggestaltung: Kluth Satz: Bettina Waringer Druck und Bindung: General Nyomda, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in Hungary 978-3-412-21096-0

Für Lydia



Inhalt

Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen . . . . . . . . . . 14 1. Die Familie: Von vornehmster Herkunft . 2. Leben auf der Burg.. . . . . . . . . . . . 3. Standesgemäße Erziehung. . . . . . . . . 4. Der Weg der Schwestern.. . . . . . . . . 5. Das Los der Brüder . . . . . . . . . . . .

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2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel . . . . . . . . . 38 1. Ankunft in einer vergangenen Welt. 2. Die Mitschwestern.. . . . . . . . . 3. Die feierliche Aufnahme . . . . . . 4. Alltag im Stift . . . . . . . . . . . . 5. Geistliches Leben . . . . . . . . . .

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3. Teil: Mühsal und Not während des Dreissigjährigen Krieges . . . . . . . . . . 58

1. Die Anfänge des langen Krieges. . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Die Visitation von 1625 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Die Reise nach Groningen 1627. . . . . . . . . . . . . . . 63

Inhalt

4. Schwedische Repressalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 5. Flucht nach Lingen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg. . . . . . . 76 1. Der Konflikt um Anna Maria Voß . 2. Bruch mit der Familie . . . . . . . . 3. Bemühungen um Rehabilitation.. . 4. Exil in Ostfriesland . . . . . . . . .

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5. Teil: Rückkehr nach Börstel . . . . . . . . . 98 1. Neuanfang und Tod im Kapitel . . . . . . . . . . . . . . . 2. Börstel bleibt lutherisch – Lucretia kehrt zurück . . . . . . 3. Adliges Standesbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Resümee: Lucretia als Vertreterin des „Adels im Wandel“ ..

Stammbaum von Haren . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stammbaum von Schade . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachkommen von Herbord und Margarethe von Haren.. Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Seit ich die ersten Spuren der jungen Adligen Lucretia von Haren im Börsteler Stiftsarchiv gefunden habe, hat mich das Schicksal dieser Frau, die vor vier Jahrhunderten gelebt hat, nicht mehr losgelassen. Wie muss es gewesen sein, 1614 als knapp zehnjähriges Mädchen in eine geistliche Gemeinschaft eingeführt zu werden und sich den dort herrschenden Regeln und dem von klösterlichen Traditionen bestimmten Lebensrhythmus anzupassen? Welchen Mut muss diese junge Frau besessen haben, als sie während des Dreißigjährigen Krieges unter Einsatz ihres Lebens gefahrvolle Wege und Verhandlungen mit niederländischen und schwedischen Heerführern für das Stift auf sich genommen hat? Wie schmerzhaft muss die junge Frau es empfunden haben, nach langjähriger Zugehörigkeit zum Stiftskapitel vom bischöflichen Landesherrn aus dem Stift ausgewiesen zu werden, und das nur, weil sie sich den Traditionen und Gebräuchen des Stifts verpflichtet fühlte. Traditionen bewahren, pflegen und weitergeben, das sind auch heute noch die Grundsätze, an denen sich die Konvente der evangelischen Frauenklöster und Damenstifte in Niedersachsen orientieren. Lucretia von Haren steht für eine unter vielen unbekannten geistlichen Frauen, die sich schon früh für den Erhalt dieser Werte eingesetzt haben und deren Geschichte sich hier nachlesen lässt. Dass diese Biographie zur Drucklegung gelangen konnte, dafür habe ich zuallererst dem Erblanddrosten des Fürstentums Osnabrück, Herrn Dr. Ludwig von Bar, und der von ihm vertretenen Landschaft

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Vorwort

des ehemaligen Fürstentums Osnabrück zu danken, die mein Projekt in großzügiger Weise finanziell gefördert hat. In gleicher Weise möchte ich mich sehr herzlich bei der Altäbtissin des Stifts Börstel, Frau Johanne von Bodelschwingh, bedanken, nicht nur für die ebenfalls großzügige finanzielle Unterstützung, sondern auch für das Vertrauen, das sie mir bei der Bearbeitung des Börsteler Stiftsarchivs geschenkt hat und für die vielen Jahre freundschaftlicher Zusammenarbeit. Mein besonderer Dank gilt zudem Frau Dr. Susanne Tauss, Bad Iburg, die mich mit der kritischen Lektüre des Manuskripts und mancherlei konstruktiven Anregungen sehr unterstützt hat. Bremen, im Dezember 2012 Renate Oldermann

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Einführung

Die Geschichte der Lucretia von Haren führt in das 17. Jahrhundert, in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Schauplatz des Geschehens ist das ehemalige, am Nordrand des einstigen Fürstentums Osnabrück gelegene Zisterzienserinnenkloster Börstel, das sich unter dem Einfluss der lutherischen Reformation von einem Kloster in ein evangelisches Damenstift wandelte. Protagonisten des Konflikts sind eine adlige Stiftsjungfer aus dem ehemaligen Niederstift Münster und einer der einflussreichsten weltlich-geistlichen Landesherren seiner Zeit, Franz Wilhelm von Wartenberg (1627–1661), Bischof zu Münster und Osnabrück. Lucretia von Haren stammte aus einer angesehenen Familie des westfälischen Niederadels, die im ehemaligen Amt Vechta ansässig war und über weitläufige Verwandtschaft in das ebenfalls niederstiftische Emsland verfügte. Eng verknüpft mit der Vita der jungen Lucretia ist die Geschichte des Zisterzienserinnenklosters Börstel, eine um 1244 erfolgte Gründung des oldenburgischen Grafenhauses. In alljährlichen Anniversarien hatten die Börsteler Sanktimonialen der Stifter Otto und Johann von Oldenburg zu gedenken und für deren Seelenheil und das von deren Eltern mit Vigilien und Totenmessen zu beten. Als sich der Konvent im Jahre 1532 der lutherischen Lehre zuwandte, wurden die Nonnen von ihren Ordensgelübden entbunden und die Klausur aufgehoben. Die neuen reformatorischen Freiheiten erlaubten den Stiftsjungfern eine individuellere Lebensgestaltung, wozu eigenständiges Wohnen, das Empfangen von Besuchern und die Möglichkeit, das Kloster zu verlassen, gehörten. Für die junge Lucretia und ihre Mit11

Einführung

schwestern war die Aufnahme in ein evangelisches Stift mit mehreren Vorteilen verbunden. Zum einen war ihnen mit der Entscheidung, in den geistlichen Stand zu treten, Zeit ihres Lebens ein standesgemäßes Auskommen garantiert. Zum anderen erhielten sie während der Ableistung eines obligatorischen Schuljahres neben der Ausbildung im Chorgesang die Möglichkeit zu vertiefter Bildung im Lesen und Schrei­ben. Durch die in der Regel zahlreichen Besucher des Stifts hatten die jungen Frauen Anteil an einem weitreichenden sozialen Kommunikations- und Bezugsgeflecht, das ihnen vielfältige Kontaktmöglichkeiten bot. Es kam daher nicht selten vor, dass eine Stiftsjungfer auch nach ihrer Einführung den Konvent verließ und sich verheiratete. Während des dreißig Jahre währenden großen Krieges wurde das soziale Leben der Gemeinschaft auf eine harte Probe gestellt. Plünderungen durch vagabundierende Söldner und Kontributionszahlungen an die verschiedenen Heerführer belasteten die Stiftskasse aufs Äußerste. Nur wenige Stiftsjungfern harrten in Börstel aus, das geistliche Leben kam fast ganz zum Erliegen. Nach Abschluss der Friedensverhandlungen 1648 gelangte das für die Geschichte der Region bislang eher unbedeutende Kloster zu verstärkter Aufmerksamkeit durch die besondere Verfassung, die es erhielt. Nicht nur, dass es als einziges Frauenkloster der Diözese Osnabrück der Augsburgischen Konfession zugezählt wurde, es stellte darüber hinaus zwei Plätze für katholische Kapitularinnen bereit. Das zunächst selbstverständliche Miteinander von lutherischen und katholischen Stiftsjungfern wurde empfindlich gestört, als der aus der Dynastie der bayrischen Wittelsbacher stammende Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg mit der Durchführung der Gegenreformation im Hochstift Osnabrück begann. Während der schwedischen Besatzung seit 1633 zunächst nach Köln verbannt, sammelte Wartenberg nach der Wiederaufnahme seiner Regierungsgeschäfte in Osnabrück 1651 alle Kräfte, um seine Diözese im Sinne seiner Überzeugung zu rekatholisieren. Von diesen Bemühungen war auch Stift Börstel betroffen. Bereits in der Endphase des Krieges war einer jungen, vom Bischof protegierten Anwärterin die Aufnahme gewährt worden, die offensichtlich den adligen Standeskriterien und der konfessionellen Über12

Einführung

zeugung der Stiftsgemeinschaft nicht entsprach. Der Konflikt, den Lucretia mit ihrer Gegenspielerin um Standesvorrechte und Glaubensgrundsätze ausfocht, führte schließlich zu ihrer von Franz Wilhelm verfügten Ausweisung aus dem Stift und damit zum Verlust der für ihren Lebensunterhalt notwendigen Einkünfte. Groß war ihre Enttäuschung, als die vom Stiftskapitel und der Familie erwartete Unterstützung ausblieb. Doch anstatt sich zurückzuziehen und dem Ideal der „eingezogenen stillen“ Kapitularin nachzuleben, setzte sie sich gegen den mächtigen Landesherrn zur Wehr. Diese ungewöhnliche Situation wirft die Fragen auf „Wer war diese Frau?“ und „Welche Antriebskräfte ließen sie den ungleichen Kampf mit allen für sie damit verbundenen persönlichen Nachteilen in Kauf nehmen?“ Der Weg, eine Antwort zu finden, folgt den prägenden Stationen in Lucretias Leben: Die adlige Lebenswelt um 1600, aufgezeigt an Herkunft und Kindheit inmitten einer großen Geschwisterschar, Aufnahme und Alltag in der Stiftsgemeinschaft, Überleben in hochbrisanten Kriegszeiten. Am Ende dieser allein schon nur unter Schwierigkeiten zu bewältigenden Lebensphase tut sich ein Konflikt auf, der Lucretia mit herrschaftlichem Machtanspruch konfrontiert und die Wurzeln ihrer adligen Identität berührt. Die gute Quellenlage ermöglichte es, einen für die Frühe Neuzeit ungewöhnlich guten Einblick in den Lebenslauf und die Lebensumstände einer jungen adligen Dame des 17. Jahrhunderts zu geben. Aus dem Westfälischen Adelsarchiv in Münster konnten Kenntnisse zur Herkunft und zu den familiären Zusammenhängen gewonnen werden, die ein exemplarisches Bild einer westfälischen niederadligen Familie entstehen ließen. Die im Stiftsarchiv Börstel verwahrten archivalischen Belege beleuchten Lucretias mutigen Einsatz für das Stiftskapitel während des Dreißigjährigen Krieges. Die ebenfalls dort verwahrten Originalbriefe bezeugen ihren Konflikt mit der von ihr als nicht standesgemäß angesehenen Expektantin. Schließlich bietet die im Staatsarchiv Osnabrück aufgefundene umfangreiche Korrespondenz mit ihrer Familie über die Nichtauszahlung des ihr zustehenden Erbteils eine Fülle von Hinweisen auf familiäre Strukturen und frühneuzeitliches Sozialverhalten. 13

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

1. Die Familie: Von vornehmster Herkunft Lucretia Wolborch von Haren wurde etwa um 1605 auf der Burg Hopen, südwestlich der Ortschaft Lohne im Amt Vechta gelegen, geboren. (Abb. 1 und 2) Sie war das zehnte Kind ihrer Eltern Herbord von Haren (†1616) und Margarethe geb. von Schade (†nach 1645) und hatte fünf Brüder und fünf Schwestern. Lucretia stammte aus einer einflussreichen Adelsfamilie, die im Hochstift Osnabrück und im Niederstift Münster begütert war. Die Vorfahren ihres Vaters gehörten seit dem Mittelalter zu den engsten Vasallen des Bischofs von Osnabrück. Sie waren Mitglieder der Burgmannschaft der westlich der Stadt Melle gelegenen Stiftsburg Grönenberg1 und hatten in Zeiten der Fehde ihrem Landesherrn zum Schutz der Stiftsburg sechs Gewappnete zu stellen. 1350 hatten sich die Brüder Rolf und Rabe von Haren mit 23 anderen Burgmännern zu einem Schutzbündnis zusammen geschlossen, das, wenn einem bedrohten Mitglied Unrecht geschah, die stattliche Zahl von 64 Gewappneten stellen konnte. Aus dieser Zeit des Burgmannsbundes stammte der Anspruch auf zwei Kannen Burgmannswein, die jeweils zu Martini von der Grönenberger Amtsverwaltung ausgegeben wurden. 1

Rudolf vom Bruch, Osnabrück, S. 147ff. 14

1. Die Familie: Von vornehmster Herkunft

Der Urgroßvaters Herbords, Rabodo von Haren, war seit 1426 Burgmann zu Grönenberg und hatte in der Folgezeit seinen Besitz beträchtlich erweitern können. 1442 erhielt er das vor Grönenberg gelegene Haus Rabingen zu Lehen, 1461 erwarb er den benachbarten Kuhhof zu Laer.2 Sein Enkel Caspar, Herbords Vater, gelangte 1534 außerdem in den Besitz der Mühle Laer und trat 1556 und 1567 als E ­ igentümer des mittlerweile landtagsfähigen Gutes Laer auf den ­Osnabrücker Landtagen auf. 1538 heiratete er Anna von Langen zu Crollage, deren Familie auf der zwischen Meppen und Haselünne gelegenen Kreyenburg begütert war. Anna von Haren spielte eine markante Rolle in der Familiengeschichte, da sie einen fast 50-jährigen Prozess mit ihrem Bruder und dessen Familie um das Familienerbe führte und gewann.3 Sie wurde 85 Jahre alt, lebte davon 45 Jahre als Witwe und muss eine streitbare und unerschrockene Frau gewesen sein. Ihr Sohn Herbord, Lucretias Vater, war Landrat4 der Osnabrücker Ritterschaft und seit 1579 mit den Gütern Rabingen und Laer belehnt.5 (Abb. 3) 1587 erbte er außerdem von seinem kinderlosen Onkel zweiten Grades,6 dem Drosten zu Vechta Johann von Dincklage, dessen im 2 3 4

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Vom Bruch, Osnabrück, S. 157ff. StAOs Rep 900 Nr. 544 Vol VII. Die Einrichtung eines Landrates hatten die Stände dem neuen Landesherrn Konrad von Rietberg im Kapitulationsvertrag von 1482 als Gegengewicht zum landesherrlichen Rat abgerungen. Aus einer von Domkapitel, Ritterschaft und Stadt Osnabrück vorgeschlagenen Personengruppe wählte der Landesherr fortan einen „Geschworenen Rat“, der die Kontrolle landesherrlicher Politik ermöglichen sollte. Vgl. Christine Van den Heuvel, Beamtenschaft, S. 57. Carl Heinrich Nieberding, Niederstift 2, S. 419 ff. Johanns Mutter, Anna von Haren (†1547), war die Schwester von Herbords Großvater Johann von Haren. Sie war verheiratet mit Herbord von Dincklage (†1522), zu Hopen und hatte zwei Kinder, Johann und Margarethe. Margarethe heiratete 1530 Gerhard von Langen gen. Kreyenribbe zu Beesten und hatte zwei Kinder, Herbert und Lucretia, die spätere Äbtissin des Stifts Börstel. Als Johann von Dincklage ohne Erben verschied, ging Hopen zunächst an den Sohn seiner Schwester Margarete, Herbert von Langen, gen. Kreyenribbe. Als auch dieser 1590 ohne Nachkommen verschied, ging Hopen an den Nacherben Herbord von Haren. 15

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

Amt Vechta gelegene Güter Dinklage und Hopen. Die Nichte Johann von Dincklages, Lucretia von Langen, gen. Kreyenribbe, war zu diesem Zeitpunkt Äbtissin (1575–1611) des Stifts Börstel. Nach der Belehnung 1591 zogen Herbord und seine Frau Margarethe, die er etwa um 1583 geheiratet hatte,7 auf die Burg Hopen. Dort verstarb Herbord etwa um 1616.8 Durch die Belehnung mit Hopen war Herbord nun auch im Niederstift Münster ansässig, zu dessen Territorialgebiet neben dem Amt Vechta die Ämter Cloppenburg und Meppen gehörten. (Karte 1) Im Vergleich zu den beiden anderen Ämtern war Vechta dicht mit Niederlassungen von Landadligen besiedelt, die als Burgmänner zunächst dem Schutz der Burgen des Landesherrn gedient und sich im Verlauf des Mittelalters ihre in der Umgebung gelegenen Güter zu festen Landsitzen ausgebaut hatten.9 Die Stadt Vechta unterschied sich von den anderen niederstiftischen Landstädten auch dadurch, dass der dort residierende Drost als Statthalter des Bischofs fungierte und über größte Selbstständigkeit in der Amtsführung verfügte. Die Zugehörigkeit zur Vechtaer Burgmannschaft galt daher als besonders exklusiv.10 Auch Lucretias Mutter Margarethe gehörte einer begüterten und einflussreichen Familie an. Margarethes Urgroßvater Heinrich Schade war 1489 mit der Ringburg Wesuwe im Bruch, in der Bauerschaft Bersede nördlich von Meppen gelegen, belehnt und 1495 in das Verzeichnis der münsterischen Ritterschaft aufgenommen worden.11 Sein Sohn Otto

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Beide sind gemeinsam erwähnt: WAM, Gutsarchiv Assen, Urkunden, Bd. 7, Nr. 1711: 1591 Sept. 29 Herbord von Haren zu Hopen und seine Frau Margaretha verkaufen dem Bürgermeister zu Wildeshausen eine Rente. 8 WAM, Gutsarchiv Assen, Urkunden, Bd. 8 Nr. 1930: 1616 Sept. 28 Es verkaufen Margaretha geb. Schade, Witwe von Haren zu Hopen und Lahr […] 1615 Sept. 29 ist Herbord noch am Leben. 9 Nieberding, Niederstift 2, S. 348–470; Wilhelm Kohl, Vechta unter münsterischer Herrschaft; Wolfgang Bockhorst, Geschichte des Niederstifts, S. 115–127. 10 Wolfgang Bockhorst, Das Burgmannskollegium. 11 Rudolf vom Bruch, Emsland, S. 66. 16

1. Die Familie: Von vornehmster Herkunft

Karte 1: Landkarte Niederstift Münster

Schade (†1521) hatte 1513 die im Amt Vechta gelegenen Güter Bakum und Ihorst erworben, wo die Familie alsbald auch ihren Wohnsitz nahm. 1540 trat dessen Sohn Heinrich von Schade, Margarethes Vater, in landesherrliche Dienste und übernahm das repräsentative Amt des Drosten zu Wildeshausen. Als Vertretung des Landesherrn hatte er hoheitliche Rechte bei der Verwaltung des Amtsbezirks wahrzunehmen, wozu die Überwachung der von den Untertanen einzuliefernden Abgaben und die Ausübung von Gerichtsrechten zählten. 1553 heiratete Heinrich von Schade Anna von Stael zu Sutthausen. Um 1560 schuf er aus drei Höfen in Ihorst einen Rittersitz und erbaute ein Herrenhaus. 17

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

(Abb. 4) Hier wuchs Lucretias Mutter Margarethe gemeinsam mit der Schwester Elske und vier Brüdern auf. Sowohl im Amt Wildeshausen als auch im Amt Fürstenau erwarb Heinrich von Schade weiteren Grundbesitz.12 Von den drei Brüdern Margaretes wurden Wilhelm (*um 1555) und Otto (*um 1558) ebenfalls Drosten zu Wildeshausen bzw. zu Vechta. Der jüngste Sohn, Heinrich erbte das alte Familiengut Wesuwe.13 Mehrere Frauen aus der Familie Schade waren in den geistlichen Stand getreten. Die Schwester von Heinrichs Vater Otto, Beata Schade, war 1496 als Nonne in das Kloster Börstel eingetreten, hatte 1508 das Amt der Kellnerin übernommen und amtierte dort von 1532 bis 1556 als erste evangelische Äbtissin. Drei Schwestern Heinrichs waren ebenfalls geistlich geworden. Anna Schade war 1533 Küsterin und von 1560 bis 1588 Priorin14 in dem zu diesem Zeitpunkt ebenfalls lutherischen Kloster Bersenbrück,15 Adelheid lebte als Nonne an unbekanntem Ort und Fredeke Schade stand von etwa 1573 bis 1588 als Äbtissin dem Zisterzienserinnenkloster Rulle vor.16 Wie fast die gesamte Bevölkerung des Amtes Vechta hatte sich auch die Familie von Haren früh der lutherischen Reformation zugewandt. Während die weltliche Herrschaft im Niederstift durch das Oberstift Münster ausgeübt wurde, lag die kirchliche Verwaltung bei der Diözese Osnabrück.17 Aus diesem Grunde nahmen die Ämter des Niederstifts 12 Vom Bruch, Osnabrück, S. 357f. 13 Sein Sohn, wiederum Heinrich, verkaufte das landtagsfähige Gut, das 1667 noch immer als Burg bezeichnet wurde, mit Mühle, Wiesen, Gehölz, Jagdund Fischereiberechtigungen an den Besitzer des Gutes Dankern, in dessen Besitzfolge es danach blieb. Vom Bruch, Emsland, S. 67. 14 Haimar Brünger, Die älteren Linien, S. 71. 15 Gerd Ahlers, Art. Bersenbrück, in: Ulrich Faust, Die Männer- und Frauenklöster, S. 63–89. 16 Werner Delbanco, Art. Rulle, in: Ulrich Faust, Die Männer- und Frauenklöster, S. 636–654, hier S. 647. 17 Diese Verwaltungsteilung hatte ihre Ursache darin, dass der ehemalige zur Diözese Osnabrück gehörende Besitz der Ravensberger und Tecklenburger 18

1. Die Familie: Von vornehmster Herkunft

auch Anteil an der reformatorischen Bewegung, die sich mit der Wahl Franz von Waldecks zum Bischof von Münster und Osnabrück, 1532, und der von ihm 1543 bestätigten Kirchenordnung für die Stadt Osnabrück etablieren konnte.18 Eine spezielle Landkirchenordnung19 für die gesamte Diözese ließ Franz von Waldeck im Amt Vechta 1543 von den Drosten zu Cloppenburg, Wilke Steding, und Vechta, Johann von Dincklage – Lucretia von Harens Großonkel – einführen.20 Die neue Ordnung sah regelmäßige Predigten und die Auslegung des Katechismus in der niederdeutschen Volkssprache vor und verpflichtete die Prediger zur Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt. Dagegen blieb die Verehrung der Heiligen im lutherischen Sinne als Gedenkfeiern bestehen, und auch die Beichte wurde nicht abgeschafft. Diese Beibehaltung der gewohnten Formen in neuer theologischer Ausdeutung erleichterte der Bevölkerung die Akzeptanz des reformatorischen Gottesdienstes und verhalf der Landkirchenordnung zu dauerhaftem Erfolg. Widerstände seitens der Geistlichkeit gegen die reformatorischen Neuerungen gab es keine, alle Pfarrstellen blieben im Besitz ihrer Inhaber.21 Auch nachdem das Osnabrücker Domkapitel in Folge der militärischen Niederlage der Protestanten im Schmalkaldischen Krieg 1547 die Rücknahme der lutherischen Reformen durch Franz von Waldeck erzwingen konnte, blieb die Kirchenordnung von 1543 im Niederstift fast siebzig weitere Jahre in Kraft. Hauptstütze des Protestantismus, der als prägende Kraft das kirchliche Leben bestimmte, war der Adel.

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Grafen in den Ämtern Vechta und Meppen im 13. Jahrhundert an das Bistum Münster verkauft und das Amt Cloppenburg um 1400 durch kriegerische Unternehmungen hinzugewonnen worden war. Auf diese Weise war ein geschlossenes Territorium unter münsterischer Landeshoheit, das seither so genannte Niederstift Münster, entstanden. Vgl. Werner Schwegmann, Visitationen im Niederstift, S. 23ff. Bockhorst, Geschichte des Niederstifts; Tim Unger, Niederstift Münster, S. 97ff. Vgl. Alois Schröer, Reformation in Westfalen 2, S. 197–237 und 274–510. EKO, Bd. 7 II, 1, S. 222–226. OlUB 5, Nr. 1034; Heinrich Hachmöller, Reformation, S. 96. Christian Hoffmann, Osnabrücker Fürstenreformation, S. 16. 19

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

2. Leben auf der Burg Ihre ersten Kindheitsjahre zwischen 1605 und 1614 verbrachte Lucretia auf der südlich von Lohne gelegenen Burg Hopen, die nach 1479 zunächst als eingeschossiges Gebäude aus Findlingssteinen errichtet worden war und erst 1780 aufgestockt und erweitert wurde.22 Westwärts gelegen überragte ein älterer, aus Kieseln erbauter Turm die Burg, der 1825 in die Gräfte stürzte.23 Den großen Burgplatz, auf dem sich neben dem Wohngebäude auch sämtliche Wirtschaftsgebäude – Backhaus, Brauhaus, Viehställe und Scheunen – befanden, umgab ein tiefer, breiter Wassergraben, über den eine Zugbrücke führte. Außerhalb des Burggeländes lagen eine Wassermühle und eine Walkmühle. (Karte 2) Gut vorstellbar ist es, dass das große Terrain, das zur Burg Hopen gehörte, ein ideales Spielfeld für Lucretia und ihre zehn Geschwister war. Ein 1766 erstelltes Inventar24 beschreibt die Aufteilung und Einrichtung eines vierstöckigen, durch einen Kamin beheizten Wohnturmes, offensichtlich des alten Turms. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich in den vier Etagen zwei Schreibstuben und zwei als Kabinett bezeichnete Räume. In den beiden Schreibstuben lagerten die Büchersammlungen der Familie und verschiedenes Archivmaterial: Ältere Lehnbriefe und auf niederdeutsch geschriebene Briefschaften, Trauerbriefe und Testamente in der ersten Etage, aktuelle Rechnungen, Quittungen und Briefe sowie Ein annotations buch über auffahrt, freybriefe, sterbfälle et von 1595–1742 in der dritten Etage. Dort wurde in einem verschließbaren Schränkchen auch ein silberer verguldeter hantel vom petschaft in eine futteral aufbewahrt. Darüber stand ein hölzernes Kruzifixbild, eingerahmt von zwei Figuren der Heiligen Johannes Nepomuk und Joseph. Auf die Interessensgebiete des adligen Hausherrn verwiesen die an der Wand beider Schreibstuben hängenden Büchsen und Flinten sowie ein verdorbenes Mathematisches Instrument. 22 Lohne (980–1980), S. 80–83; Clemens Pagenstert, Lohner Familien. 23 Nieberding, Niederstift 2, S. 419. 24 WAM, Gutsarchiv Assen, G 1713. 20

2. Leben auf der Burg

Karte 2: Karte von dem adligen Guthe Hopen, Carl Heinrich Nieberding, 1804

Zumindest bei der Aufnahme des Inventars des alten Wohnturms verfügte die Familie über einen ansehnlichen Bücherbestand. Genannt werden Theologica, Schulbücher, Historica, juridica, philosophische, moralische und politische Werke sowie kleine Bücher, rubriciret – amusantes. Auch wenn davon auszugehen ist, dass es in den anderthalb Jahrhunderten seit Lucretias Kindheit zahlreiche Neuerwerbungen gegeben hat, werden doch einige Bücher und Archivalien noch aus den Zeiten der früheren Bewohner der Burg – Johann von Dincklage und Herbord von Haren – gestammt haben. In der zweiten Etage lag ein als Kabinett bezeichneter Raum, möbliert mit einer blau verhängten Bettstätte, drei Tischen und fünf grün bezogenen Stühlen. Rings an den Wänden hingen dreizehn Familiengemälde und über dem Kamin ein Spiegel. In der vierten Etage befanden 21

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

sich die Herrenstube und ein weiteres kleines Zimmer vorm Thurm. Die Bettstelle hier war mit grünem Seidendamast verkleidetet, daneben stand ein mit rotem Taft verhangener Nachttisch. Sessel und Stühle, alle grün bezogen, und ein lackierter Tisch mit einem Spiegel in vergoldetem Rahmen sowie zwei Cheridons (Wandleuchter) bildeten das weitere Mobiliar. An den Wänden hingen fünf Portraits fürstlicher Personen. Das Zimmer vorm Thurm, wohl ein als Erker vorgelagertes Waschkabinett, war mit grünem Wachstuch ausgeschlagen und enthielt einen Spültisch und einen mit weißer Seide bezogenen Sessel. Auch hier hingen drei Gemälde. Während die im Wohnturm gelegenen Privat- und Arbeitsgemächer offensichtlich vom Hausherrn und der Hausfrau genutzt wurden, scheint das Haupthaus mit Küchenbereich, großem Saal und den Kammern für die Kinder der Wohnbereich der Familie gewesen zu sein. Neben ihrem Anwesen auf dem Lande besaß die Familie von Haren im 15. Jahrhundert zusätzlich einen Eigenhof in Osnabrück, der direkt neben der Katharinenkirche in der Hakenstraße Nr. 10 lag. Diese seinerzeit vornehmste der neueren Straßen in Osnabrück war die Stadt­ adresse zahlreicher adliger Grundbesitzer, die im Dienst des Landesherrn standen und hier ihren Verwaltungstätigkeiten nachgingen, die Landtage besuchten oder an Hoffestlichkeiten teilnahmen.25

3. Standesgemässe Erziehung Lucretia wuchs auf Hopen gemeinsam mit fünf Brüdern – Caspar, Heinrich, Johann, Herbord und Adam – und fünf Schwestern – Elisabeth, Anna Catharina, Anna Sophia, Margareta und Elisabeth – auf. Eine solche Kinderschar in die Welt zu setzen, war in den adligen Familien der Frühen Neuzeit keine Seltenheit. Das adlige Selbstverständ25 Der von Harensche Hof in der Hakenstr. 10 wurde 1488 von Dietrich von Haren an das Barfüßerkloster verkauft und diente nach der Säkularisation als Königlicher Posthof. Ludwig Hoffmeyer, Osnabrück, S. 377f.; Vom Bruch, Osnabrück, S. 442. 22

3. Standesgemäße Erziehung

nis verlangte einen möglichst zahlreichen Nachwuchs, um bei hoher Kindersterblichkeit – bis zu 10% der Säuglinge starben – den Fortbestand des Geschlechts zu sichern. Auch von den heranwachsenden Kindern wurden 40% nicht älter als etwa 13 Jahre.26 Welches Unglück für die Betroffenen sich hinter den dürren Zahlen verbarg, vermag ein Epitaph aus der Kirche zu Bakum sinnfällig verdeutlichen: (Abb. 5) Am 24. August 1608 hatte Agnesa Voß geb. von Schloen einen Sohn geboren, der noch am selben Tag starb und dem sie selbst am nächsten Tag folgte. Die Trauer ihres Mannes, Bernd Gier Voß, wird deutlich aus der lateinischen Inschrift, in der es übersetzt heißt:27 „Siehe, der edle Bernd Gier Voß hat in diesem Grabe beigesetzt die Gebeine seiner Gattin, der Freifrau. Die keusche, begabte, sehr fromme, gebildete, brave Agnes war entsprossen dem Geschlechte Schloen, genannt Gele. Weh mir! Als sie im Begriff stand, in Schmerzen einen Sprössling zu gebären, schied sie von der Welt, hier, wo sie nur 25 Jahre gelebt und zugleich, o weh, was soll ich noch hinzufügen, nur 44 Wochen als Ehefrau gewaltet hat. Nun gehe, theurer Gemahl, lebe wohl! Wenn mir die Erde einen Platz, die Welt einen Wohnsitz verweigert, so bitte ich, o Christus, verbirg du mich in deinen Wunden!“ Mögen auch die trauernden Angehörigen der Frühen Neuzeit den Tod ihrer Lieben aufgrund der ausgeprägten Frömmigkeitsmentalität als eine von Gott gegebene Prüfung begriffen haben, so ist doch der Schmerz des Bernd Gier Voß um den Tod von Frau und Kind sehr eindringlich nachvollziehbar. Zweimal bringt er seine Trauer durch die Worte „oh weh mir“ zum Ausdruck. Die vielen positiven Attribute, die er für seine Gemahlin findet, bezeugen die emotionale Bindung an seine Frau, ihre Wertschätzung und den zutiefst empfundenen Verlust. Trost bietet Bernd Voß nur die Hoffnung auf Christus, in dessen Obhut – wie es das anrührende Epitaph zeigt – er die beiden Verstorbenen 26 Klaus Arnold, Kind und Gesellschaft, S. 37. Arthur E. Imhof, Lebenserwartung, gibt an, dass „nur etwa die Hälfte der lebend geborenen Kinder das 15. Lebensjahr errichte,“ zitiert nach Heide Wunder, „Er ist die Sonn“, S. 34. 27 Übersetzung auf einer Tafel in der Kirche zu Bakum. 23

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

gibt. Die Familie von Voß, die auf dem Gut Bakum nahe Vechta ansässig war, gehörte zur Nachbarschaft und zur engeren Verwandtschaft28 von Lucretias Eltern, die bei der Beisetzung gewiss anwesend waren. Bei den von Harens erreichten zwar vier von fünf Söhnen das Erwachsenenalter, doch nur der älteste, Heinrich von Haren, überlebte auch die mittleren Jahre und konnte so das Familiengut Hopen und die Familie weiterführen. Allerdings waren die Überlebenschancen für die heranwachsenden Kinder in den wohlhabenderen adligen Haushaltungen größer als in den bäuerlichen und bürgerlichen Familien, da sowohl die Ernährung der Kinder als auch die Pflege und Beaufsichtigung durch das Hauspersonal besser gewährleistet werden konnten. Zu den Vorteilen des adligen Standes gehörte es, dass die adlige Hausfrau Margarethe von Haren von der sich gegen Lohn verdingenden Erwerbsarbeit freigestellt war, sich also ganz der Leitung und Beaufsichtigung des Hauswesens widmen konnte. In Zeiten allerdings, in denen der Hausherr aushäusig, beispielsweise beim Landtag in Münster war, hatte sich die Hausfrau auch den notwendigen verwaltungstechnischen Aufgaben zu stellen, die die Leitung eines großen Gutsbetriebes erforderte. Auch über medizinische Kenntnisse wird sie verfügt haben, da Frauen in diesen Kreisen in der Regel so viel Bildung besaßen, dass sie Rezepturen lesen und Erfahrungen bei der Heilung bestimmter Krankheiten nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich weitergeben konnten.29 Die Taufe Lucretias und ihrer Geschwister fand in der alten Feldsteinkirche St. Gertrud zu Lohne statt, deren gewölbter Kirchenraum nur zehn Meter lang und sieben Meter breit war und mit einem Chorgewölbe abschloss. In der Turmkapelle mit ihren zwei Meter tiefen Mauern stand der mit den Wappen der Stifter geschmückte Taufstein. Zu den Stiftern gehörte die Familie von Dorgelo auf Gut Brettberg, die 1609 ein weiteres Gewölbe hatte errichten und Emporen einbau28 Die Großmutter des Bernd Gier Voß, Elske von Schade, war eine Schwester von Lucretias Großvater Heinrich von Schade. 29 Anke Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 209f. 24

3. Standesgemäße Erziehung

en lassen. Auf einer dieser Emporen hatte die Orgel aus dem nach der Reformation aufgelösten Nonnenkloster in Vechta ihren Platz gefunden. An der Orgelbrüstung zeugte ein Gebet von der Reformation im Kirchspiel, dessen Text in niederdeutscher Mundart lautete:30 O Ewige Almechtige, gnädige Godt (Lehr) Uns to holden Dein Gebot Und na dinen Gottliken Sinn Unseren negsten alletit behülplich sien Und staen bi dem Apostolischen Grunde So geschrewen ut Göttliken Munde Und endlich salich Sterben Das Ewige Leben Erben. Wie in adligen Familien seit etwa 1600 üblich erhielt Lucretia zwei Namen, den ersten wohl nach Äbtissin Lucretia von Langen, den zweiten Namen Wolborch (Walburg) nach einer nicht bekannten Patin. Patin der ältesten Schwester Elisabeth war Margarethe von Harens Schwester Elske, verheiratete von Brawe zu Diekhaus, die beiden anderen Schwestern Anna Catharina und Anna Sophia erhielten ihre Erstnamen nach den beiden Großmüttern Anna von Langen zu Crollage und Anna von Stael zu Sutthausen. Bis etwa zu ihrem zehnten Lebensjahr wurden Lucretia, ihre Brüder und Schwestern – wie in adligen Haushalten üblich – gemeinsam erzogen und durch Hauslehrer im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet. Briefe Lucretias zeigen, dass sie trotz ungelenker Schrift über einige Fähigkeiten im Formulieren verfügte; als Schriftsprache wählte sie entsprechend der Umgangssprache das Niederdeutsche. Im Zentrum der Erziehungsvorstellungen jener Zeit standen weniger die intellektuelle Schulung der adligen jungen Frauen, als vielmehr die Unterweisung im Katechismus und die Einübung von Werten wie Gottes-

30 Bernhard Gr. Klönne, St. Gertrud, S. 12. 25

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

furcht, christliche Demut und Barmherzigkeit.31 Zur tätigen Ausübung eines christlichen Lebens gehörten regelmäßiger Kirchgang und die Begleitung des Tagesablaufs durch Gebete sowie die Lektüre von Bibel und christlicher Erbauungsliteratur. Auch außerhalb des Hauses praktizierten adlige Frauen christliche Tugenden, indem sie karitative Aufgaben in der Armen- und Krankenpflege im Umkreis ihrer Güter übernahmen. Ein ebenso wichtiges Erziehungsideal war das Einüben standesgemäßer Verhaltensweisen, wozu vor allem die Erziehung der Töchter zu Gehorsam, Unterordnung und Affektkontrolle gehörte. Diese Eigenschaften galten einerseits als wichtige Voraussetzungen für eine funktionierende Ehe, standen darüber hinaus in engem Kontext mit der Vorbildfunktion, die dem eigenen Stand zugeschrieben wurde. Die Einübung guter Umgangsformen, von Disziplin und Bescheidenheit, auf die bei den jungen Frauen besonderer Wert gelegt wurde, bot die Möglichkeit, sich von anderen Schichten abzusetzen und die Zugehörigkeit zur sozialen Elite zu betonen und zu legitimieren. Daneben lernten Lucretia und ihre Schwestern auch die praktischen Tätigkeiten, die zur Führung eines Hauswesens unerlässlich waren. Neben der Beaufsichtigung und der Anleitung des Dienstpersonals gehörten dazu das saisonbedingte Verarbeiten und Konservieren von Lebensmitteln, das Spinnen von Garn, das Bleichen von Leinen und verschiedene Handarbeitstechniken. Für die tägliche Zubereitung der Speisen waren jedoch in der adligen Küche eine Köchin und einige Mägde verantwortlich, so dass die von Harenschen Töchter nicht selber Hand anlegen mussten.

31 Die folgenden Ausführungen folgen den Untersuchungen zur Erziehung adliger junger Frauen, die Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 59ff., für den Weserraum vorgenommen hat und die in ähnlicher Weise auch für Lucretia gegolten haben werden. 26

4. Der Weg der Schwestern

4. Der Weg der Schwestern Drei ältere Schwestern Lucretias – Elisabeth, Anna Catharina und Anna Sophia – heirateten in adlige, im Emsland ansässige Familien ein. Eheschließungen hatten zu jener Zeit einen langen Vorlauf. Maßgeblich beteiligt bei der Vermittlung von Heiratskandidaten waren Freunde und Verwandte überwiegend aus der mütterlichen Familie, die die potenziellen Bewerber ins Spiel brachten.32 Im Fall der Schwestern von Haren scheinen die Vorschläge für geeignete Heiratskandidaten von den Frauen beider Familien eingegangen zu sein, von denen sowohl die Mutter als auch die Großmutter väterlicherseits, Anna von Langen, über die Stammgüter Wesuve und Kreyenburg familiäre Beziehungen ins Emsland hatten. Den Ausschlag bei der Auswahl unter den verschiedenen Bewerbern gab zwar der Vater, dennoch konnten die jungen Frauen wohl einen gewissen Einfluss geltend machen, wenn ihnen ein Kandidat ganz und gar nicht gefiel. Vermittlerin war dann die Mutter, die ihren Gatten vorsichtig von dessen Plänen abzubringen versuchte. Auswahlkriterien waren die ständische Ebenbürtigkeit der Verbindung, die konfessionelle und politische Ausrichtung sowie die Vermögensverhältnisse der neuen Familie, nur selten gab die Liebesbeziehung zwischen den Brautleuten den Ausschlag. Wie sollten sich die jungen Leute bei dem damals auf eine Tagesreise begrenzten Bewegungsradius der jungen Mädchen auch näher kennen lernen? Diese Möglichkeit war nur gegeben, wenn die jungen Mädchen auf entferntere Güter eingeladen wurden, etwa um hier eine Verwandte in der Haushaltsführung zu unterstützen, sie als Gesellschafterin zu unterhalten oder um ein adliges Hauswesen aus externer Perspektive kennen zu lernen. Eine solche Chance mag sich Elisabeth von Haren (1589–1644) geboten haben, deren Cousine Anna von Schade (1584–1644) seit 1610 mit Dodo von Inn- und Knyphausen vermählt war und auf der Klun-

32 Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 129ff. 27

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

derburg in Emden lebte.33 Annas Vater, Adam von Schade zu Ihorst, und Elisabeths Mutter Margarethe, waren Geschwister, und es ist gut vorstellbar, dass Elisabeth anlässlich eines Aufenthalts bei ihrer Cousine ihren späteren Ehemann Haro von Frydag zu Gödens34 (1578–1637) kennenlernte oder zumindest, dass Anna diese Ehe vermittelte. Haro war Annas Schwager, denn er hatte 1602 die Schwester Dodos, Katharina von Inn- und Knyphausen (1580–1609), geheiratet, die im März 1609 nach der Geburt ihrer ebenfalls nicht überlebenden Tochter Oriana im Kindbett gestorben war. Katharina hatte bereits zuvor zwei Kinder geboren, Almut (1604–1650) und Franz Ico (1606–1652).35 Haro scheint um seine Frau aufrichtig getrauert zu haben, denn anders als zu jener Zeit üblich, suchte er sich nicht sofort eine neue Ehefrau und Mutter für seine beiden kleinen Kinder. Vielmehr ließ er sich fast sechs Jahre Zeit mit einer erneuten Eheschließung und heiratete erst am 6. Januar 1615 Elisabeth von Haren. Das Ehepaar von Frydag lebte teils auf Schloss Gödens bei Sande, teils im 1551 errichteten Stadthaus in Emden.36 Bei der notwendigen Renovierung des Stadthauses 1619 wurde das Allianzwappen des Haro von Frydag und der Elisabeth von Haren über dem Eingangsportal eingefügt.37 (Abb. 6) Der Zeitpunkt der Renovierung kurz nach der Eheschließung deutet daraufhin, dass die Bauarbeiten mit Hilfe der Brautschatzgelder Elisabeths erfolgten, die ausweislich des Ehevertrages vom 7. Januar 1615 2.000 Reichstaler betrugen, zuzüglich dessen was Elisabeth nach dem Tod ihrer mit Caspar von Haren verheirateten Großmutter Anna von Langen zu erwarten hatte.38 33 Vgl. zur Klunderburg, Heike Düselder, Adel auf dem Lande, S. 29. 34 Sohn der Erbtochter Almut von Oldenbockum zu Gödens (1557–1601) und des Franz von Frydag zu Loringhove (†1606). 35 Almut heiratete 1624 Hero Moritz von Closter und Dornum, Franz Ico 1639 Margarethe Elisabeth von Westerholt. Ingeborg Nöldeke, Altar, S. 83. 36 Vgl. zum Haus Gödens, Düselder, Adel auf dem Lande, S. 28. 37 Nöldeke, Altar, S. 75f.; Heinrich Siebern, Emden, Das Gödenser Haus, S. 163–166. 38 StAAu PAWG 001.5 Pacta autalia des Haro v. Fridag mit Elsabe v. Haren: 28

4. Der Weg der Schwestern

Der umfangreiche Ehevertrag ermöglicht einen Blick auf die Rechte und Pflichten eines frühneuzeitlichen Ehepaares gehobenen Standes: Neben der Brautschatzvereinbarung enthält er Bestimmungen zur Darreichung der Morgengabe, die Haro nach gehaltener ehelicher beylage zu vermorgengaben erpietig sei, und die in der Regel aus einer langen goldenen Kette bestand. Im Falle einer Witwenschaft sollte Elisabeth das Haus Hebrichhausen mit allem Zubehör, Ländereien und Torfflächen zur Leibzucht erhalten. Adlige Ausstattung, Mobiliar und nötige Hausgeräte würden ihr aus dem Hause Gödens gestellt, dazu zwanzig untadelige Kühe, zehn Schweine und vier Pferde. Dies alles sollte nach ihrem Tod an das Haus Gödens zurückfallen. Als ihr persönliches Eigentum wurde dasjenige angesehen, was sie laut Inventar an Leinen, Zinn, Betten, Kisten und Kasten, mit dem was zu dero leib gehört, in die Ehe einbrachte. Während der Dauer ihres Witwenstandes standen ihr darüber hinaus hundert Reichstaler ostfriesischer Währung zu. Anwesend bei der Unterzeichnung des Ehevertrages waren neben dem Vater und Bruder Elisabeths, Herbord und Heinrich von Haren, auch die Brüder ihrer Mutter, Otto, Wilhelm und Heinrich Schade, sowie die Häuptlinge zu Lütetsburg, Dodo von Inn- und Knyphausen, und zu Gödens, Melchior Ernst Frydag. Als Glücksfall ist es anzusehen, dass sich zwei repräsentative Porträts auf Gut Hopen erhalten hatten,39 die Elisabeth im Jahr 1618 (Abb. 7) und Haro im Jahr 1614 zeigen (Abb. 8). So lässt sich, wenn auch nicht von Lucretia selbst, doch zumindest von ihrer Schwester eine Vorstellung gewinnen. Elisabeth, die auf dem Porträt 29 Jahre alt ist, hat ein schmales Gesicht, eine längliche Nase und blaue Augen. Das blonde krause Haar ist nach hinten gebunden und mit einem Diadem geschmückt. Elisabeth trägt ein schwarzes in sich gemustertes Kleid mit einem aufwändigen Spitzenkragen und Spitzenmanschetten an den Ärmeln. Darüber liegt ein schwarzer mit weißen Applikationen verzierter waß ihr nach außweisung der großmutter gemachtem testament zukommen wirt. 39 Die Bilder – Öl auf Kupfer in Postkartengröße – wurden 1997 bei Christie’s in Amsterdam versteigert. Gerd Dethlefs, Ahnengalerie, S. 106. 29

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

Umhang. Geschmückt ist sie mit mehreren Hals- und Perlenketten sowie mit einer um Brust und Taille geschlungenen doppelten Goldkette mit bunten Steinen, die auf der Brust mit einer Brosche verbunden ist. Um jedes Handgelenk liegt ein goldenes Armband, die Finger sind ohne Ringe. Obwohl die unberingten Hände für ein Brautwerbungsbild sprechen, verweist der prächtige Schmuck eher auf eine bereits standesgemäß verheiratete adlige Dame. So wurde das Gemälde vielleicht – wie Gerd Dethlefs vermutet – zur Erinnerung für ihre Eltern nach dem Auszug aus dem Elternhaus gemalt.40 Haros Bild von 1614 entstand dagegen wohl vor der Eheschließung für seine Auserwählte. Von den vier gemeinsamen Kindern des Paares starben der älteste Sohn Herbert (1616–1642) unverheiratet als Drost von Emden im Alter von 25 Jahren und die zweite Tochter Hebrich Ernestina (1623– 1636) bereits mit 13 Jahren. Von ihr heißt es, dass sie auf der Flucht vor auf Schloss Gödens plündernden Soldaten und der dort grassierenden Pest „in einem sehr kleinen Haus in Jever“ geboren wurde.41 Die 1621 geborene Tochter Margaretha Beata heiratete und der jüngste Sohn Johann Wilhelm von Frydag (1624–1674) war von 1648 bis 1653 Drost zu Aurich, danach Hofgerichtsassessor.42 Lucretias zweitälteste Schwester, Anna Catharina, heiratete vor 1618 Franz Engelbert von Beesten, Herr auf Schloss Dankern an der Ems.43 Sie gebar eine Tochter Elisabeth Margarethe, die Erbin von Dankern und Ehefrau von Heinrich von Mandelsloh wurde. Die dritte Schwester, Anna Sophia, vermählte sich 1621 mit Melchior von Heede, der 1617 mit den Gütern Heede und Landegge, süd-

40 Das Pendant zu diesem Bildnis, ein Porträt Haros von 1618 – und wie dasjenige Elisabeths mit der 16-Ahnenprobe auf der Rückseite versehen – wurde jetzt in einem Museum in Celje, Slowenien, entdeckt. Die Zusammenhänge erläutert Ingeborg Nöldecke in: Gödens, Hopen, Celje. 41 Nöldecke, Gödens, Hopen, Celje, S. 160. 42 Nöldecke, Altar, Stammtafel, S. 84. 43 Dankern war vermutlich die Schöpfung eines Landegger Burgmannes. Älteste Besitzer waren die Herren von Beesten. Vom Bruch, Emsland S. 46 f. 30

4. Der Weg der Schwestern

lich von Aschenburg an der Ems gelegen, belehnt worden war.44 Dem Ehepaar wurden der Sohn Johann Otto und drei Töchter geboren. Während zwei Töchter heirateten45 trat Anna Elisabeth 1649 in den Konvent des Stifts Börstel ein, wo sie 1656 vermutlich verstarb. Um die Vermögensverhältnisse der Familie stand es nicht zum Besten, so dass Melchior und Anna Sophia 1630 vor dem Richter zu Meppen und Haren, Alexander Morrien, ihr freies adliges Burglehen zu Landegge, genannt die Hoofwonunge, versetzen mussten. Nach dem Tode Melchiors fiel Heede an seinen Sohn Johann Otto, der wegen Totschlags nach Holland fliehen musste, wo er 1670 verstarb. Seine Schwestern konnten den verschuldeten Besitz nicht halten, der 1674 an den Freiherrn Franz Wilhelm von Galen zu Assen überging. Lucretias 1594 geborene Schwester Margareta wurde 1607 im Alter von dreizehn Jahren Stiftsjungfer in Börstel. Über ihre Aufnahme heißt es im Rechnungsregister, dass der Stiftskasse anlässlich ihrer Aufnahme in den geistlichen standt dreißig Taler Einnahmen und ein Goldgulden für ein Kissen sowie ein Taler für ein Bett zugeflossen seien. Lucretia selbst folgte ihrer Schwester 1614 im Alter von circa zehn Jahren nach Börstel. Für sie und ihre Schwester gilt die Frage nach den Beweggründen, die die beiden jungen Mädchen veranlassten, geistlich zu werden. Ob und wie weit die Neigung zum geistlichen Leben einen Ausschlag gegeben hat, wissen wir nicht. Aus jüngeren Quellen in besser dokumentierten Zeiträumen geht hervor, dass die vorsorgliche Anmeldung in einer geistlichen Einrichtung für alle Töchter einer Familie gelten konnte. Ergab sich für eine Tochter die Möglichkeit einer Eheschließung wurde die Anwartschaft auf die nächste „vererbt“. Andererseits gab es durchaus auch Fälle, in denen eine Tochter von sich aus den dezidierten Wunsch äußerte, sich nicht zu verheira44 Heede war Lehnsbesitz des Bischofs von Münster, die Heeder Kirche war zunächst Eigenkirche, gelangte später in bischöfliche Hand. Melchior wird von 1623 bis 1654 in den münsterischen Landtagslisten genannt. Vom Bruch, Emsland S. 30ff. und 42f. 45 Margarethe Lucia heiratete Johann Heinrich Clute, Katharina Walburg vermählte sich mit Bernhard von Buchholtz. 31

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

ten, sondern geistlich zu werden. So wusste sich die 15-jährige Helene von Fürstenberg (1581–1647) gegen die Pläne der Familie für eine Eheschließung durchzusetzen und entschied sich 1604 aus innerer Überzeugung für ein Leben in einer geistlichen Einrichtung.46 Auch Anna von Münchhausen (1605–1634) verwirklichte mit 28 Jahren ihren Wunsch, in das evangelische Stift St. Marien auf dem Berge vor Herford einzutreten, woraus deutlich wird, dass es sich um eine echte Glaubensentscheidung handelte.47 Im Falle der Töchter von Haren geht aus dem noch zu erörternden Leibzuchtsvertrag der Mutter Margarethe hervor, dass eine spätere Eheschließung ihrer Töchter aus dem Stift heraus nicht ausgeschlossen wurde. Dass man die heranwachsenden Mädchen zunächst in ein Stift gab, war nicht ungewöhnlich, bedenkt man, dass bereits mehrere Familienangehörige in Börstel, Rulle und Bersenbrück geistlich geworden waren. Das geringe Alter der beiden Schwestern bei der Aufnahme macht es zudem nicht wahrscheinlich, dass eine Entscheidung aus innerer Überzeugung getroffen wurde. Lucretias jüngste Schwester Elisabeth blieb auf Hopen, und es ist nicht bekannt, ob sie sich verheiratete, geistlich wurde oder in jungen Jahren starb.

5. Das Los der Brüder Die Brüder von Haren werden nach der ersten Unterrichtung durch einen Hauslehrer die Ratsschule in Wildeshausen besucht haben, da es in Vechta erst ab 1600 Ansätze gab, eine Lateinschule auszubauen.48 Anschließend stand üblicherweise ein Studium vornehmlich der Rechtswissenschaft an, um sich durch juristische Kenntnisse entweder für die Führung der eigenen Grundherrschaft oder zur Mitarbeit an

46 Anke Hufschmidt, Leben in Stiften und Klöstern, S. 98f. 47 Hufschmidt, Leben in Stiften und Klöstern, S. 108. 48 Vgl. Georg Sello, Geschichte der protestantischen Schulen; Franz Hellbernd, allgemeinbildende Schulen in Vechta. 32

5. Das Los der Brüder

Regierung und Verwaltung zu qualifizieren.49 Für die nachgeborenen Söhne bot sich als dritte Möglichkeit eines standesgemäßen Broterwerbs die militärische Laufbahn an. Näheres über den Werdegang der Brüder erfahren wir aus dem am 15. Februar 1618 geschlossenen Erbteilungsvergleich,50 in dem die Geschwister nach dem Tod Herbord von Harens die Verteilung der Güter unter die vier Brüder, die Abfindung der vier zu diesem Zeitpunkt unverheirateten Töchter und die Leibzucht der Mutter regelten. Der vermutlich älteste Bruder Caspar – benannt nach dem Großvater von Haren – war zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben, die beiden verheirateten Schwestern Elisabeth von Frydag und Anna Catharina von Beesten hatten nach der Auszahlung des Brautschatzes keine Erbansprüche mehr an die Familie. Durch den Erbteilungsvertrag von 1618 wurde Heinrich von Haren Erbherr auf Hopen und Johann von Haren mit den Gütern Laer und Rabingen belehnt. Erst jetzt nach dem Tod des Vaters bestand für diese beiden Brüder die Möglichkeit, sich zu verheiraten, denn zwei Haushalte unter einem Dach zu führen, wäre aufgrund der streng hierarchischen Struktur innerhalb einer adligen Haushaltung nicht möglich gewesen.51 Punkt vier des Vertrages bestimmte daher, dass sich beide Brüder an gute adlige Geschlechter verheiraten sollten, mit denen der semptlichen freuntschafft und den guitern gedienet sei. Im widrigen Fall – bei nicht standesgemäßer Eheschließung – sollten die gezeugten Kinder mit dem mütterlichen Brautschatz abgefunden und die Güter an die übrigen Brüder zurückfallen. Deutlich wird der vorrangige Sinn und Zweck einer frühneuzeitlichen Eheschließung, das väterliche Erbe zu bewahren und standesgemäß weiterzuführen. Heinrich, der sich 1620 in die Matrikel der münsterischen Ritterschaft einschreiben ließ, vermählte sich 1621 standesgemäß mit Anna Sophia von Harlingen (1599–1683) aus dem Hause Eversen bei Celle, deren Vater gräflicher Geheimer Rat und Landdrost zu Oldenburg 49 Düselder, Adel auf dem Lande, S. 141 ff. 50 StAOs Dep. 69 b, Nr. 325 (1618 15. Febr.). 51 Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 126f. 33

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

war.52 Aus der Ehe erwuchsen sieben Töchter und der Erbe Raban Johannes, der als einziger das familiäre Erbe fortführte.53 Vier Töchter wurden Stiftsdamen: Heberich und Petronella in Quernheim,54 Anna Sophia in Obernkirchen und Maria zeitweilig in Börstel. Drei weitere Töchter heirateten.55 Der Erbe Raban Johannes (†1684) vermählte sich 1664 mit Beate Agnes von Dincklage zu Schulenburg (†1716), mit der er zwölf Kinder zeugte, darunter den 1703 sein Erbe antretenden Sohn Herbord Daniel. Auch in dieser Generation traten zwei Töchter in den geistlichen Stand: Margaretha Lucia wurde 1675 Kapitularin in Börstel, Elisabeth Gertrud 1690 Stiftsdame in Bassum. Johann von Haren nahm seinen Wohnsitz auf der Burg Laer und war zunächst als Landrat der Osnabrücker Ritterschaft tätig. Bei der Erkundung der Glaubensverhältnisse der Osnabrücker Ritterschaft 1625 wurde er als lutherisch und caelebs (unverheiratet) bezeichnet.56 1633 stellte er sich in den Dienst des Grafen von Oldenburg und wurde dort – möglicherweise durch die Vermittlung des Vaters seiner Schwägerin – gräflicher Geheimer Rat und Kammerpräsident. Er heiratete die aus einer angesehenen Familie des Weseradels stammende Gertrud von Münchhausen (1599-1680) zu Schwöbber, starb aber bereits 1634. Die einzige, 1634 geborene Tochter Anna Sophie (1634–1711) vermählte sich 1650 mit dem Geheimrat, Hofmarschall und Großvogt zu Celle Hieronymus von Grapendorf57 und wurde Erbin von Laer und Rabingen. 52 WAM, GA Assen, Urkunden Bd. 8, 1985: 1621 Sept. 29 Eheleute Henderich und Anna Sophia geb. Harlingh zu Hopen … 53 WAM, Gutsarchiv Assen, 1714, S. 137. 54 Vgl. Wolfgang Schuler, Quernheim, S. 86. 55 WAM, Gutsarchiv Assen, 1714, S. 137, Nr. 3–9: Elisabeth heiratete einen Herrn von Kniphausen zu Nienorthen, Margaretha Christian von Bülow zu Eßenrode und Catharina Walburg 1648 Langen von Munster zu Surenburg (1603–1680). Sie wurde die Mutter der späteren Börsteler Äbtissin (1675–1680) Judith Anna von Munster. Vgl. Friedrich Hunsche, Rittersitze, Bd.2, S. 86ff. 56 Hermann Rothert, Glaubensbekenntnis, S. 149. 57 Vom Bruch, Osnabrück, S. 158. 34

5. Das Los der Brüder

Die beiden jüngeren Brüder Herbord und Adam von Haren, denen nur die militärische Laufbahn blieb, wurden im Erbteilungsvertrag mit je 4.000 Talern ausgesteuert. Dieses Kapital sollte zunächst vier Jahre lang verrentet und erst danach ausgezahlt werden. Da der Militärdienst zumeist keine langfristige Perspektive bot, vereinbarten die Brüder, dass ihnen nach Beendigung ihres Militärdienstes („wenn sie die Gelegenheit erhielten, einen Hausstand zu gründen“) das Haus Rabingen als Wohnsitz verheuert werden sollte. Dazu kam es jedoch nicht, da beide im Dreißigjährigen Krieg als Offiziere der schwedischen Armee fielen.58 Die beiden ältesten Brüder Heinrich und Johann waren als Grundherren auch für die Versorgung der weiblichen Familienmitglieder verantwortlich. Beide hatten gemeinsam zur mütterlichen Leibzucht jährlich achtzig Reichstaler aufzubringen, dazu jeder ein Mastrind und ein feistes Schwein – jedes zu fünf Talern gerechnet – sowie eine Milchkuh zu liefern. Im ersten Jahr sollte die Witwe vier dreylinghe Paderborner Bier erhalten. Die Brüder hatten außerdem für die notwendigen Hausgeräte und die Betten zu sorgen. Mit einer jährlichen finanziellen Zuwendung von achtzig Reichstalern lag die Witwe von Haren an der untersten Grenze dessen, was in der Frühen Neuzeit von Söhnen oder anderen Lehnsfolgern als standesgemäße Witwenversorgung gezahlt wurde.59 Auf das ihr in ihrem Ehevertrag zugesprochene Leibgeding sollte die Mutter laut Erbvertrag verzichten. An Stelle eines gesonderten Alterswohnsitzes behielt die Witwe von Haren ihre Wohnung auf der Burg Hopen. Diesen unüblichen Verzicht legte ihr die Familie wohl aus Kostengründen nahe, da die Instandhaltung eines Wohnhauses und die notwendige Beschäftigung einer oder mehrerer Mägde aus den geringen Einkünften nicht hätten bestritten werden können. Es 58 Nieberding, Niederstift 2, S. 421. 59 Nach Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 395, galt ein jährlicher Unterhalt von 100 Talern in der Frühen Neuzeit als das absolute Minimum der Zahlungen einer Familie an eine Witwe, wenn diese außerdem über eine Wohnung verfügte. 35

1. Teil: Kindheit auf Gut Hopen

wurde jedoch festgelegt, dass, falls eine ihrer beiden geistlich gewordenen Töchter sich verheiraten oder Stift Börstel wieder katholisch werden sollte und die Töchter deshalb austreten würden, sie bei einer der Beiden eine Wohnung nebst Feuerung erhalten sollte. Die vier unverheirateten Schwestern wurden mit einem Brautschatz von je 2.000 Reichstalern ausgesteuert, der ihnen vor einer Auszahlung auf vier Jahre mit dreißig Reichstalern verzinst werden sollte. Mit dieser Summe erhielten die Töchter von Haren den im Hochstift Osnabrück üblichen Standardwert.60 Zwar erbten sie nur die Hälfte des Aussteuerungsbetrages der Brüder, hatten jedoch zusätzlich Anspruch auf die Kosten für die rustungen, die Aussteuer beim Eintritt in die Ehe. Für die Schwestern Anna Sophia und die jüngere Elisabeth wurde vereinbart, dass sie vier Jahre mit einer eigenen Magd auf einem der Häuser Hopen oder Laer leben konnten, wo ihnen ein Bett mit Zubehör bereit gestellt werden sollte. Der standesgemäße Unterhalt der Schwestern war mit dem Bezug einer eigenen Wohnung und der Beschäftigung einer Magd zwar gewahrt, die Einkünfte von jährlichen dreißig Reichstalern aus der Verzinsung des Brautschatzes gewährten allerdings nur einen äußerst bescheidenen Lebensunterhalt.61 Die Kosten für die Ausrichtung einer eventuellen Hochzeit dieser beiden Schwestern – so die zusätzliche Vereinbarung – sei von beiden Brüdern gemeinsam aufzubringen. Die Betrachtung des familiären Umfeldes zeigt Lucretia als eine in ein weitgreifendes Verwandtschaftsgeflecht eingebundene junge Adels­ tochter. Nicht nur ihre eigene Herkunftsfamilie war mit zehn Geschwistern und den daraus erwachsenden ehelichen Verbindungen schon recht umfangreich. Auch aus der mütterlichen Familie gehörten die Geschwister Margaretes mit deren Ehepartnern und Kindern 60 Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 299. 61 Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 344f., errechnet als Unterhalt unverheirateter adliger Frauen des Weserraums in der Frühen Neuzeit 20 bis 150 Taler jährlich. 36

5. Das Los der Brüder

zum engeren Familienkreis. Herbord selbst scheint ohne Geschwister geblieben zu sein, seine Verwandtschaftskreise bezogen sich auf die Nachkommen der Geschwister aus der Großelterngeneration. Alle erwachsenen Familienmitglieder waren in einflussreichen Positionen als Drosten oder wie Lucretias Bruder Johann als Landesbeamter tätig. Während der ersten zehn Jahre wird man sich die junge Lucretia wohl versorgt auf einem Landgut aufwachsend vorzustellen haben, wobei sie ihre Eltern und älteren Geschwister im lebhaften Austausch mit Verwandtschaft und Freundschaft erleben konnte.

37

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

1. Ankunft in einer vergangenen Welt 1614 folgte Lucretia ihrer Schwester Margareta als Stiftsjungfer nach Börstel. Hier waren bereits ihre Urgroßtante Beata Schade (1532–1556) und die Großcousine ihres Vaters, Lucretia von Langen, gen. Kreyenribbe, (1575–1611) Äbtissinnen gewesen. Mit dem Eintritt der beiden Schwestern von Haren in das Stift wurde an vertrautes Brauchtum angeknüpft und eine Familientradition begründet, die sich über mehrere Generationen fortsetzte. Börstel war eine kleine Welt für sich, gelegen in der Einsamkeit tiefer Wälder und feuchter Moore an der nördlichen Grenze des Hochstifts Osnabrück. 1244 war das Kloster von Oldenburger Grafen gegründet, mit Eigengut und Ländereien ausgestattet und unter die Regel des Ordens der Zisterzienser gestellt worden.62 Motiv der Gründung war ein in der Stifterfamilie geschehener Brudermord, zu dessen Sühne der Nonnenkonvent auf die Memoria für das Grafenhaus und die Bitte für dessen Seelenheil verpflichtet worden war. Sieben Mal am Tag stiegen die Sanktimonialen auf die Nonnenempore, um mit Chorgesang und Gebet Gott zu loben und stellvertretend für die Menschheit um Gnade zu bitten. An den vier Altären der Kirche hatten sie zudem der Gläu62 UB 10. Vgl. Renate Oldermann, Oldenburgische Familienstiftung. 38

1. Ankunft in einer vergangenen Welt

bigen zu gedenken, die sich durch fromme Stiftungen zugunsten des Klosters jährliche Totengedächtnisse erworben hatten. Die geistlichen Frauen lebten in strenger Klausur, hatten auf Privateigentum zu verzichten und der Äbtissin Gehorsam zu leisten. Die Verpflichtung zu Armut, Keuschheit, Gehorsam und zur Beständigkeit des Ortes waren die Gelübde, die die Nonnen bei ihrem Eintritt in den Konvent ablegten. Dass das Leben dieser Frauen ziemlich asketisch gewesen sein muss, lassen die zahlreichen Stiftungen begüterter Landadliger und Kleriker in den beiden ersten Jahrhunderten erkennen, die für eine private Memoria häufig ein besseres und kräftigendes Essen aussetzten oder wärmende Gewänder für die geistlichen Frauen stifteten. Als Lucretia in Börstel einzog war die Zeit der Zisterzienserinnen bereits seit einem knappen Jahrhundert vorbei und das gottesdienst­ liche Leben von der lutherischen Reformation bestimmt. Äbtissin Beata Schade hatte die Klausur aufgehoben und den Frauen den Kontakt mit Besuchern und Verwandtschaft sowie das Ausreisen aus dem Kloster gestattet. Seit 1542 bezeichneten sich die geistlichen Frauen bei der Beurkundung von Rechtsgeschäften nicht mehr als dem Zisterzienserorden zugehörig, sondern als Stift und Konvent zu Börstel.63 Die Baulichkeiten, die Lucretia bei ihrer Ankunft vorfand, spiegelten allerdings noch unverändert die Lebenssituation ihrer Vorgängerinnen wider. An die kleine einschiffige Backsteinkirche (Abb. 9) schloss sich gen Norden ein vierflügeliger Kreuzgang (Abb. 10) an, der von weiteren Backsteingebäuden begrenzt wurde. Ein großes Gebäude im Westen, das Nonnenhaus, beherbergte zu ebener Erde den Kapitelsaal und im oberen Geschoss das Dormitorium, den ehemaligen gemeinsamen Schlafsaal der Zisterzienserinnen. Im Nordteil des Quadrums lagen die Jungfernküche, das Backhaus und das Brauhaus. Im östlichen Flügel befanden sich Ställe, Werkzeugkammern, Wirtschaftsräume und Schlafkammern des Personals. (Abb. 11 und 12) Außerhalb der Klausur, im Osten an die Kirche anschließend, lag die Abtei, das Wohnhaus der Äbtissin. Als sich mit der Einführung der Reformati63 UB 268. 39

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

on das Gemeinschaftsleben nach und nach auflöste, ließen sich einige Konventualinnen private Häuser auf dem Stiftsgelände bauen, andere richteten sich eigene Wohnräume im Dormitorium ein, wo mit Hilfe von hölzernen Trennwänden einzelne Stuben und Kammern von dem großen Saal abgezweigt wurden.64 Die Aufsicht über das Stift lag wie in den Jahrhunderten zuvor in den Händen der Äbtissin65, die neben der Fürsorge für die Stiftsjungfern und der Organisation des Stiftshaushaltes die Interessen des Stifts gegenüber der Landesherrschaft und den Ständen vertrat und als Grundherrin rund 120 bäuerliche Pachtverhältnisse zu überwachen hatte. Bei der Verwaltung des Stiftsbetriebes wurde sie von den Stiftsjungfern unterstützt, die verschiedene Ämter wahrnahmen und deren Tätigkeiten mit einer Extraration Roggen honoriert wurden: Die Kellnerin verwaltete die Bargeldeinnahmen des Stifts und verteilte die Armengelder. Aufgabe der so genannten Spiekerjungfer war es, das von den Bauern der Umgebung gelieferte und auf dem Speicher lagernde Korn abzumessen und auszuteilen. Die Kämmerin beaufsichtigte die Verteilung der im Stift gewebten Stoffe. In der Kirche waren die Küsterin tätig, die sich um die Ausstattung der Kirche kümmerte, und eine Sangmeisterin, die den Chorgesang leitete. Stellvertreterin der Äbtissin war die Priorin; die am längsten anwesende Konventualin wurde als Seniorin bezeichnet und war als Siegeljungfer verantwortlich für die Bewahrung des Klostersiegels. Einmal im Jahr hatten alle anwesenden Stiftsjungfern, an erster Stelle die Äbtissin und die Amtsträgerinnen, gemeinsam die Stiftsrechnung zu unterzeichnen. In diesen vom Amtmann geführten Registern wurden die Kornabgaben der eigenbehörigen Bauern,66 die Erträge aus 64 Vgl. Bernd Adam, Bauhistorische Untersuchung des Nonnenhauses, 2006. ASB 1.6.4.43. 65 Vgl. Heide Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen, S. 38–45. 66 Der Grundbesitz des Stifts war an die so genannten Kolonen ausgegeben, die ein erbliches Nutzungsrecht an dem Besitz hatten. Der Kolon war eigenbehörig, das heißt persönlich unfrei und mancherlei Beschränkungen 40

2. Die Mitschwestern

der Verpachtung des Vorwerks und der Mühlen sowie die Einkünfte aus Renten und aus den ungewissen Gefällen67 verzeichnet. Dagegen standen die Ausgaben für Gesindelohn, Dienstleistungen, Bauunterhaltung, Zukauf von Nahrungsmitteln und die Auszahlung von Zinsen und Präbenden für die Stiftsjungfern. Im Januar 161768 durfte Lucretia erstmals die Stiftsrechnung des Amtmanns Arnold Kennings für das Jahr 1615/16 gemeinsam mit den anderen unterschreiben.

2. Die Mitschwestern Als Lucretia nach Börstel kam, lebten dort acht weitere Stiftsjungfern, von denen die vier Ältesten noch zu Zeiten der zweiten nachreformatorischen Äbtissin Mette Maneel (1556–1575) Aufnahme gefunden hatten. Sophie von Wullen (1558–1626)69 stammte aus einer Iburger Burgmannsfamilie und war als Tochter von Gerlach von Wullen und Katharina von Dincklage auf der Wullenburg geboren worden.70 Über ihre Brüder waren schlimme Berichte im Umlauf: Asche war wegen Brandstiftung angeklagt und enthauptet, Heinrich wegen Mordes an seinem Schwager hingerichtet worden. Der dritte Bruder, Jasper, gehörte dagegen zum Mindener Domkapitel, und Sophies Schwester Immeke lebte im Augustinerinnenstift Quernheim.71 Sophie verbrachte

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68 69 70 71

hinsichtlich der Wirtschaftsführung und der Familienorganisation unterworfen. Die ungewissen Gefälle waren Gebühren, die der Kolon für alle vom Konsens der Äbtissin abhängigen Amtshandlungen zu entrichten hatte. Dazu zählten die Übernahme des Hofes durch den Anerben, die Brautschatzvereinbarung bei einer Eheschließung, die Altenteilsvereinbarung, die Ableistung der Sterbefallgelder und die Freikaufsgebühr. ASB 1.7.1.69. (1615/16) 19v. Die in Klammern angegebenen Jahre bezeichnen die Zeiten als Stiftsjungfern. Vom Bruch, Osnabrück, S. 45. Helmut Hüffmann, Art. Quernheim-Augustinerinnen, in: Westfälisches Klosterbuch 2, S. 269–275. 41

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

fast siebzig Jahre in Börstel und war bei Lucretias Eintritt Seniorin und Siegeljungfer. Agnese Voß (1561–1623), Tochter von Bernd Voß zu Quakenbrück und Elske Schade, war auf dem Gut Bakum im Amt Vechta aufgewachsen.72 Dieses Gut hatte Elske, eine Schwester von Lucretias Großvater Heinrich von Schade, mit in die Ehe gebracht. Diese Elske war die Großmutter – und Agnese die Tante – des bereits erwähnten, um seine früh verstorbene Ehefrau trauernden Bernd Gier Voß. Agnese übte seit 1577 das Amt der Kellnerin aus und verbrachte mehr als sechzig Jahre in Börstel. Agnese von Dorgelo (1570–1632), eines von fünfzehn Kindern des Otto von Dorgelo (†1584) und der Elske von Korff-Schmiesing zu Tatenhausen (†1607), war ebenfalls im Amt Vechta beheimatet und 1556 auf dem südlich von Lohne gelegenen Gut Brettberg73 geboren worden. Vier ihrer Schwestern waren ebenfalls geistliche Frauen, unter anderem im Stift Schildesche und im Stift St. Marien in Herford. Agnese bekleidete von 1612 bis 1628 das Amt der Priorin und lebte mehr als sechzig Jahre in Börstel. Äbtissin Gertrud von Althaus (1575–1646) stammte aus der Obergrafschaft Bentheim, ihr Vater war vermutlich Dietrich von Althaus (†1585), der 1578 um die Belehnung mit Gut Oldenhaus im Kirchspiel Veldhausen gebeten hatte.74 Von Gertruds drei Schwestern lebte Anne als Nonne im Benediktinerinnenkloster Wietmarschen75 und Elisabeth von 1600 bis 1637 als Äbtissin im Stift Weerselo.76 Gertrud wurde 1600 zur Priorin und 1611 zur Äbtissin gewählt. Bis zu ihrem Tod verbrachte auch sie 70 Jahre in Börstel. 72 73 74 75 76

Vom Bruch, Emsland, S. 66. Vom Bruch, Emsland, S. 85; Harald Schieckel, Familie von Dorgelo. Vom Bruch, Emsland, S. 193. Wilhelm Kohl, Art. Wietmarschen, in: Faust, Die Frauenklöster, S. 542–549. 1142 gegründetes Benediktinerinnenkloster, südwestlich von Nordhorn, nördlich von Oldenzaal in den Niederlanden gelegen. Ab 1523 Umwandlung in ein freiweltlich adliges Damenstift. Johannes Nicolaas Hinke, Weerselo; W.H. Dingeldein, Stift Weerselo. 42

2. Die Mitschwestern

Drei weitere Frauen – Elisabeth Kerstapel, Ida Elisabeth von Münster und Lucretias Schwester Margareta von Haren – hatte Äbtissin Lucretia von Langen (1575–1611) in den Konvent eingeführt. Elisabeth Kerstapels (1582–1652) Eltern waren Johann von Borghorst gen. Kerstapel und Katharina von der Streithorst,77 die auf der im Amt Iburg gelegenen Schleppenburg lebten. Elisabeth war eine Cousine der Sophie von Wullen und übernahm 1616 das Amt der Kämmerin und 1628 das der Priorin. Von 1635 bis 1646 übte sie gleichzeitig das Amt der Küsterin und Siegeljungfer aus. Bis zu ihrem Tod im Jahre 1652 hatte auch Elisabeth siebzig Jahre in Börstel gelebt. Die Einführung Ida Elisabeth von Munsters (1607–1631), einer Tochter des Rudolph von Munster zur Surenburg,78 hatte 1607 gemeinsam mit der von Lucretias Schwester Margareta (1607–1669) stattgefunden. Ida Elisabeth scheint bei ihrer Aufnahme noch sehr jung gewesen zu sein, denn 1617 musste noch Elisabeth Kerstapel für sie die Rechnungsabnahme unterschreiben. Zwei Jahre später, 1619, belegen ihre eigenen ungelenken Schriftzüge, dass sie mittlerweile schreiben gelernt hat. (Abb. 13) 1631 scheint sie gestorben oder ausgetreten zu sein. Nach ihrer Wahl zur Äbtissin nahm Gertrud von Althaus Elisabeth von Kobrinck (1611–1636), die Tochter des Rötger von Kobrinck79 zu Altenoyhte im Amt Vechta und der Margaretha von Reden, in den Konvent auf. Elisabeth übte ab 1629 das Amt der Kellnerin aus und heiratete 1636 den verwitweten80 Erblanddrosten Herbord von Bar (1582–1640), dem sie zwei Töchter gebar: Agnesa Sophia (*1638–1716) wurde Stiftsdame in Levern und Lucretia Margaretha (*1639–1707) 1654 Kapitularin und 1680 Äbtissin in Börstel. 77 Vom Bruch, Osnabrück, S. 41. 78 Bei Hörstel-Riesenbeck, in dem zum Oberstift Münster gehörenden tecklenburgischen Amt Bevergern gelegen. Hunsche, Rittersitze 2, S. 86 ff. 79 Christian Hoffmann, Familie von Kobrinck, S. 222, 226. 80 Die erste Ehefrau Herbords, Katharina von Deelen, hatte ihrem Mann vierzehn Kinder geboren und war am 21. Dezember 1633 an Typhus gestorben. Christian Hoffmann, Ritterschaftlicher Adel, S. 348. 43

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

Gemeinsam mit Lucretia (1614–1675) trat 1614 Magdalena von Dorgelo (1614–1674) in das Stift ein, die von der ebenfalls im Amt Vechta gelegenen Querlenburg stammte.81.Ihre Eltern waren Johann von Dorgelo (*ca. 1560, † nach 1624) und Fredeke von Bernefuer (*ca. 1565, † nach 1616).82 Gemeinsam mit den Familien von Haren zu Hopen und Schade zu Ihorst hatten die Dorgelos das bereits erwähnte Patronat über die Kirche St. Gertrud zu Lohne inne. Zwei Schwestern von Magdalenas Vater Johann, Anna (†1580) und Gisela von Dorgelo (†1612) hatten im Stift Fischbeck an der Weser gelebt. Magdalena hatte drei Brüder und zwei Schwestern. 1644 wird sie als Kämmerin bezeichnet, 1646 zur Äbtissin gewählt. Sie starb nach 60-jähriger Zugehörigkeit zum Kapitel. Drei Jahre nach Lucretias Einzug in Börstel, im März 1617, führte Äbtissin von Althaus ihre Großnichte gleichen Namens Gertrud von Althaus (1617–1633) ein, die Tochter ihres Neffen Johann Diederich von Althaus.83 Von 1629 bis 1633 war Gertrud Spiekerjungfrau und kümmerte sich auch um die Zukäufe von Gerste und Hafer. 1636 trat sie aus dem Konvent aus und heiratete den Leutnant Melchior Vogts. Gertruds Aufnahme war die letzte für fast dreißig Jahre. Eine der ersten, die sich in Börstel eigene Häuser gebaut hatten, war Sophie von Wullen. Ihre beiden Häuser waren an die Umfassungsmauern des nordwestlichen Kreuzganges angebaut.84 Zu den Häusern gehörten zwei Gärten, ein am Haus gelegener Küchen- oder Krautgarten und eine als beister garden bezeichnete Rinderweide. Das Haus, das sie bewohnte, war einfach eingerichtet: ein Bett mit Zubehör und zwei Kojen, ein Kleiderschrank, ein großer viereckiger Tisch, Bänke und

81 Der Adelssitz lag zwischen Dinklage und Lohne in der Bauerschaft Brockdorf. Das Gutshaus existierte bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, heute erinnert an den früheren Adelssitz nur noch die Straßenbezeichnung „An der Querlenburg“. Clemens Heitmann, Querlenburg, 1.3. 82 Heitmann, Querlenburg, 2.3.; Gustav Nutzhorn, Familie von Dorgelo, S. 43 f. 83 WAM, Gutsarchiv Assen, Urkunden Bd. 7. 84 ASB 1.1.2.1. 44

2. Die Mitschwestern

als Besonderheit ein Sessel bildeten das Mobiliar. Erwähnenswerte Ausstattungstücke in der Küche waren eine richtebank (Fleisch-Hackklotz), so hardt am scharthstein (dicht am Wasserbecken) gestanden, und ein molkenschaff, ein Schrank zur Aufbewahrung der Milch. Das zweite Haus hatte Sophie an ihre Cousine Elisabeth Kerstapel vermietet, der sie 1608 beide Häuser auch testamentarisch vermachte. Weitere Eigentümerin eines Hauses, zu dem ein Viehstall und ein Garten gehörten, war Gertrud von Althaus.85 Mit diesen Mitschwestern verbrachte Lucretia fortan ihre Tage. Ihre neue Großfamilie umfasste mehrere Generationen, die der Großmütter, Mütter und Schwestern. Das entsprach einer Familienstruktur, die Lucretia von Haus aus durchaus vertraut war. Die Hälfte der Frauen kam aus ihrer Heimatregion, dem Amt Vechta, und von daher aus bekannten Familien. Die andere Hälfte entstammte dem Amt Iburg, der Grafschaft Bentheim und dem Oberstift Münster. Fast alle Frauen hatten Schwestern oder Tanten in anderen geistlichen Einrichtungen. Über diese verwandtschaftlichen Vernetzungen war ein überregionaler Transfer von familiären Nachrichten gewährleistet, der – ebenso wie der Austausch über das Zeitgeschehen – eine wichtige Rolle im Leben der Stiftsjungfern gespielt haben wird. Bemerkenswert ist die dauerhafte Zugehörigkeit von 60 bis 70 Jahren der Mehrzahl der Frauen zum Stiftskapitel, mithin das hohe Lebensalter, das fast alle Frauen erreichten. Bedenkt man die bescheidenen Lebensverhältnisse in Bezug auf Ernährung und Wohnkomfort, die so gut wie nicht vorhandene ärztliche Versorgung und die Gefahren, die der aufziehende Dreißigjährige Krieg mit sich brachte, so ist diese Tatsache durchaus erstaunlich. Nur drei Frauen verließen das Stift nach circa zwanzigjähriger Zugehörigkeit, Elisabeth von Kobrinck und Gertrud von Althaus d. J., um sich zu verheiraten. Ida von Munsters Schicksal ist als einziges ungeklärt. Das alle Frauen seit ihrem Eintritt in die geistliche Gemeinschaft verbindende Element, die für den geistlichen Ort übernommene Verantwortung, war offensichtlich sehr prä85 ASB 1.1.1.2. 45

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

gend und bewirkte eine dauerhafte Verknüpfung mit den Geschicken des Stifts.

3. Die feierliche Aufnahme Über Lucretias und Magdalenas Aufnahme in den Konvent ist gegen Michaelis 1614 vermerkt: Von den beiden jungen stiffts junffern Lucretia Wollburgh von Haren und Magdalene von Dorgelo zu stiffts gebur 60 th.86 Die Betonung der Jugend der neu aufgenommenen Mädchen lässt vermuten, dass die beiden zu diesem Zeitpunkt noch keine zehn Jahre alt waren. Erst 1674 legte das Kapitel aus der Erkenntnis heraus, dass eine antrettende jungfrau … für dem zehendtem jahre ihres alters der praebenden nicht fähig sei, das Eintrittsalter auf über zehn Jahre fest.87 Lucretia und Magdalena werden sich bereits gekannt haben, da beide von benachbarten Gütern stammten, deren Bewohner miteinander in freundschaftlicher Verbindung standen. Während ihres der Aufnahme vorangehenden Schuljahres wurde Magdalena offensichtlich vom Heimweh geplagt, denn, nachdem sie im März 1614 von einem Besuch auf der Querlenburg zurückkehrte, hatte sie bereits zu Ostern wieder Besuch von ihrem Vater Johann von Dorgelo.88 Lucretia ging es wohl etwas besser, denn in ihrer älteren, jetzt zwanzig Jahre alten Schwester Margareta traf sie auf eine nahe Vertrauensperson. Möglicherweise hatte Lucretia ihre Schwester bereits früher einmal besucht und dabei einen Eindruck von ihrer neuen Heimat gewonnen. Das ausgeprägt selbstbewusste und unerschrockene Naturell, das im Verlauf von Lucretias weiterem Lebensweg deutlich wird, mag ihr zudem bei der Eingewöhnung in die neuen Lebensverhältnisse geholfen haben. Die Familie 86 ASB 1.7.1.67. (1613/14) 3v. 87 ASB 1.2.1.1. (1674 Mai 29). 88 ASB 1.7.1.67. (1613/14) 17v Uff Innocentium fur die pferde, so junffer Magdalene von Dorgelo widder anhero pracht. 18v An Oster dingstagk, gudestagk p., für Junker Johann von Dorgleo pferde. 46

3. Die feierliche Aufnahme

von Haren hielt zu beiden Töchtern engen Kontakt, Besuche der Mutter und des Bruders Heinrich waren nicht selten. Auch die Beziehung zu den verheirateten Schwestern blieb bestehen. Der Eintritt der jungen Mädchen in das Stift wurde von festen Ritualen begleitetet, die sich ganz an dem Muster sich verheiratender Bräute orientierten. Diese stiftsinternen Gebräuche wurden mündlich tradiert, von Generation zu Generation weitergegeben und erstmals 165689 aufgezeichnet. Die Einführung erfolgte während eines feierlichen Gottesdienstes; im Jahr von Lucretias Einführung begleitete der Börsteler Pastor Johann Christian Klinkhammer das Zeremoniell. Anschließend gelobten die neuen Jungfern Äbtissin Gertrud von Althaus Gehorsam und versprachen ihr, regelmäßig am Chorgesang teilzunehmen, nicht ohne ihre Erlaubnis aus dem Stift abzureisen sowie zu den vier großen Festtagen anwesend zu sein und am Gottesdienst teilzunehmen. Außerdem verpflichteten sie sich, friedlich und als eine geistliche juffer ihres standes gemeß miteinander zu leben. Im Anschluss an die kirchliche Zeremonie trafen sich die Stiftsgemeinschaft und die angereisten Familienmitglieder und Freunde zu einem gemeinsamen Festessen. Zu den Aufnahmeritualen in Börstel gehörte es, entweder einen silbernen Becher von acht Lot Silber oder ein mit den Wappen von Vater und Mutter versehenes Stuhlkissen mitzubringen. Diese Kissen dienten im nur mäßig beheizbaren Kapitelsaal nicht nur dem wärmeren Sitzen, sondern repräsentierten mit den eingewebten oder gestickten Wappen der Vorfahren – jedes Elternteil dokumentierte seine Herkunft durch zwei Abzeichen – zugleich die Herkunft aus dem adligen Geschlecht. Diese zunächst noch informelle Vier-Ahnen-Probe gewann im Verlauf von Lucretias weiterer Laufbahn als Stiftsjungfer zunehmend an Bedeutung. Zum persönlichen Gebrauch brachten die jungen Mädchen außerdem eine Aussteuer aus Kleidung und Wäsche mit. In Börstel waren 16 Ellen Flachsleinen für ein paar Betttücher und 12 Ellen biltwercks für Tischwäsche und Handtücher vorgeschrieben. 89 ASB 1.2.1.1. (1656). 47

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

Der Textilschatz wurde wie bei den heiratenden Schwestern in Truhen aufbewahrt, die mit den elterlichen Wappen geziert waren. Neben der Aufnahmegebühr von dreißig Reichstalern war ein Taler für ein Bett zu entrichten. Die Ausstattung eines Bettes90 spielte in der Frühen Neuzeit als Zeichen von Wohlhabenheit und ständischer Zugehörigkeit eine besondere Rolle und ist häufig als Bestandteil der Morgengabe von Bräuten oder des Leibgedings einer Witwe dokumentiert.91 Man wird sich ein hochbeiniges Himmelbett mit farbigen Vorhängen vorzustellen haben, zu dem eine Fußbank zum Einstieg gehörte.92 Das eigentliche Bettzeug bestand aus einem Unterbett und zwei Pfühlen (Stützkissen), einem Oberbett und zwei Kopfkissen, hinzu kamen Bettlaken und die mit Spitzen und Stickereien verzierte Bettwäsche. Die kostbare Ausstattung war umso wichtiger, als zum Zeitpunkt von Lucretias Aufnahme Wohnen und Schlafen räumlich noch nicht getrennt waren. Dass auch eine junge Stiftsjungfer sich je nach finanzieller Möglichkeit in gängiger Manier in Röcke und Übergewänder aus Samt oder Damast und Unterkleider aus Seide, Satin und Taft kleidete, zeigen erhaltene Inventare.93 Manche Stoffe waren mit bunten Borten verziert oder mit Perlen und emaillierten Metallstiften besetzt. Solch eine Ausstattung wurde nur zu besonderen Anlässen getragen und hielt nicht nur ein Leben lang, sondern wurde oft auch in der Familie weitervererbt. Unerlässlich war zudem eine Auswahl an Hauben, Baretten oder Mützen, denn eine adlige Stiftsjungfer verließ das Haus niemals ohne Kopfbedeckung. Einen Eindruck von der Bekleidung jener Zeit vermittelt das Porträt der Stiftsjungfer Amelia Steinhaus zu Steinburg (Abb. 14), die sich bereits 1604 vor Lucretias Eintritt ins 90 Vgl. Gertrud Angermann, Volksleben, S. 131, 268. 91 Auch im 1618 geschlossenen Erbteilungsvertrag der Familie von Haren wird der Witwe Margarethe von Haren zur mütterlichen Leibzucht die nötige haußreisschafft und beddunghe ausgesetzt. StOs Dep 69 b. 92 Anke Hufschmidt, Einblicke, S. 151. 93 Regina Fritsch, „Leinwand“, Samt- und Seidenkleider, S. 155ff.; Hufschmidt, Adlige Frauen, S. 329. 48

4. Alltag im Stift

Stift mit dem Osnabrücker Domherrn Hugo von Dincklage zu Loxten vermählt hatte. Amelia trägt ein aufwändig geschneidertes schwarzes Kleid mit einem nach unten spitz zulaufenden Einsatz aus Seide. Der weite Ausschnitt schließt mit einem Spitzenkragen ab und wird von einem elegant drapierten schwarzen Schleier verhüllt. Zwei Halsketten und eine elegante Kopfbedeckung vervollständigen den Eindruck einer wohlhabenden standesgemäß gekleideten adligen Dame. Das Epitaph Lucretia von Bars 1707 zeigt diese als Äbtissin im gelben Seidenkleid. (Abb. 15) Und dass auch Lucretia von Haren Wert auf Schmuckstücke legte, geht aus der in späteren Jahren erfolgten Bitte an ihren Bruder hervor, ihr doch die goldenen Ketten zu übergeben, die ihre Mutter für sie und ihre Schwester Anna Catharina von Beesten in einem Beutel aufbewahrt habe. Im Gegenzug zu der eingebrachten Aufnahmegebühr hatten die Stiftsjungfern für die Zukunft Anspruch auf eine so genannte Präbende, das heißt auf eine Wohnung, freie Kost und Feuerung sowie etwas Bargeld. Viele Frauen – so auch die Schwestern von Haren – erhielten zusätzlich Rentenzahlungen aus den Familiengütern oder Zinserträge aus eigenem Vermögen.

4. Alltag im Stift Während ihres Schuljahres lebten Lucretia und Magdalena zunächst bei Äbtissin von Althaus, um dort die für das Leben als Stiftsjungfer standesgemäßen Verhaltensweisen und nötigen Fertigkeiten zu erlernen. Kenntnisse im Lesen, Schreiben und Rechnen wurden vervollständigt, Chorgesang und Liturgie eingeübt. Zum Leben als Stifts­ dame gehörte außerdem das Ausführen von Hand- und Textilarbeiten. Neben dem Spinnen und Weben lernten die jungen Frauen das Nähen, um zumindest einfache Kleidungsstücke aus Baumwolle oder Leinen selbst anfertigen und ausbessern zu können. Beliebt war es seit dem frühen 17. Jahrhundert außerdem, Kleidungsstücke zu verfeinern und auszuschmücken. Dazu wurden Spitzen aus Leinengarn zur Verzierung von Kragen, Manschetten und Hauben angefertigt. Großer Bedarf be49

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

stand in Börstel an bestickten Taschentüchern und an so genannten Nasstüchern94 (wohl eine Art Waschlappen), die als Geschenke für fürstliche Beamte und Besucher Verwendung fanden. Auch gewisse Kenntnisse über die Wirkung von Heilpflanzen und -kräutern und über die Herstellung von Tinkturen und Salben werden an die Schülerinnen weitergeben worden sein. Schließlich war das Stift als Grundherrschaft die erste Anlaufstelle für in Not geratene oder erkrankte Menschen. Einen Arzt zog man nur im äußersten Notfall zu Rate und auch dieser musste erst aus Quakenbrück95 oder Osnabrück herbeigeholt werden, so dass sich sicherlich einige Stiftsjungfern auf die Heilkunst spezialisierten. Nach Ableistung des Schuljahres zogen die neuen Stiftsjungfern als so genannte Kostfräulein zu einer ansässigen Mitschwester und erwarben hier Kenntnisse über die Haushaltsführung. Da in Börstel nur fünf Wohnungen zur Verfügung standen, ergab sich die Möglichkeit, einen eigenen Haushalt zu führen, erst wenn eine der Älteren verstarb. Hierzu muss bemerkt werden, dass eine Wohnung im damaligen Sinne immer ein Wohnhaus mit allen für die Versorgung einer adligen Person der Frühen Neuzeit notwendigen Räumlichkeiten bedeutete. Neben den wenn auch bescheidenen Privaträumen der Stiftsjungfer waren verschiedene Wirtschafts- und Lagerräume für Naturalien, Stallgebäude für das Kleinvieh sowie eine Unterkunft für die Magd notwendig. Für Margareta und Lucretia bot sich diese Möglichkeit 1618, als sie ein Haus mit einem Stall für zwei Kühe und zwei Gärten bezogen. Dieses Haus war vermutlich neu gebaut und aus der Erbmasse des verstorbenen Vaters Herbord von Haren finanziert worden. Ihre Mutter hatte den beiden anlässlich ihrer Leibzuchtsregelung im Februar 1618 ein fettes Rind für den Zeitpunkt versprochen, an dem die beiden mit 94 Auf die brauchtümliche Funktion solcher Schnupftücher als Geschenke verweist Angermann, Volksleben, S. 292f. 95 So verschrieb ein Doktor Johannes Kramer aus Quakenbrück 1673 Tropfen um das Brustleiden der Äbtissin Magdalena von Dorgelo zu lindern. ASB 1.1.1.3. (1673 Juli 11). 50

4. Alltag im Stift

eigener Haushaltsführung beginnen würden: Zue demme da J. Margaretha und L. Wolborch ihre haußhaltunghe anfangen wurden, soll ihnen in die kuche ein fest beist verehret werden.96 Der Einzug mag im Juni 1618 stattgefunden haben, denn am 30. Juni kam Margarethe von Haren zu Besuch,97 vielleicht um die neue Behausung zu begutachten. Die Wohnstube war mit Stühlen, Bänken, Tischen und Betten möbliert. In Schränken und Truhen wurden das Leinen und die Wolle verwahrt. Zur Ausstattung der Küche, in der zwei Mägde tätig waren, gehörten Zinngeschirr, Kessel und Töpfe.98 Zwar führten die so genannten haushaltenden Stiftsjungfern einen eigenen Haushalt, waren aber dennoch von der Lebensmittelversorgung durch das Stift abhängig. Wenige Jahre vor Lucretias Eintritt in das Stift, 1601, hatten Äbtissin und Konvent die strukturelle Neuorganisation der Stiftswirtschaft beschlossen. Der Amtmann hatte damals notiert: Alß nu de verhurunge is gescheen, hebben de sembtlichen junffern mit der abdißinnen ein contract gemaket, also dat sie sulven (selbst) willen eher brodt backen und eigen roggen, wannehr de tidt is und geburett, van den spiker hebben. […] Erstlich am 24 aprilis 7 junffern gedaen von pacht 14 sch roggen.99

Die Reform war notwendig geworden, um die noch an der Gemeinschaftsspeisung ausgerichtete aufwändige und teure Haushaltsführung des Stifts den neuen Bedingungen des privaten Wirtschaftens der Stiftsjungfern anzupassen. Während im 16. Jahrhundert noch das gesamte Brot in der Abtei gebacken worden war, erhielt seit 1601 jede Jungfer alle zwei Wochen zwei Scheffel Roggen und jährlich ein weiteres Molt100 Roggen aus dem Kornspeicher und konnte von nun an ihr 96 97 98 99 100

StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1618 15. Febr.) ASB 1.7.1.71. (1617/18) 17v Den 30t Junii für die frawe von Haren pferde. ASB 1.1.2.8. ASB 1.7.1.53. (1600/1601) 16r. Für Börstel gilt 1 Molt (= Malter) = 12 Scheffel. 51

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

Brot nach Bedarf von dem im Backhaus tätigen Bäcker backen lassen. Das Bier im Brauhaus wurde dagegen weiterhin für die Gemeinschaft gebraut. Zusätzlich zu Brotkorn und Bier bezogen die Stiftsjungfern aus der Stiftswirtschaft jährlich ein gemästetes Schwein und zwei Schafe sowie aus den Naturalabgaben der eigenbehörigen Bauern jährlich zwei Hühner. In ihrer Eigenwirtschaft hielten sie Kühe und Kleinvieh, und in den Gärten zogen sie Obst und Gemüse, vor allem Kohl und Hülsenfrüchte, Wurzelgemüse, Zwiebeln und Gurken. Daneben mussten weitere Nahrungsmittel zugekauft werden, die anteilig an die Stiftsjungfern verteilt wurden. Einmal im Jahr reiste der Amtmann oder die Äbtissin selbst in die friesischen Marschengebiete, um Käse und Butter einzukaufen. Die Fracht, in der Regel sechs Fässer Butter, wurde per Schiff von Emden nach Meppen befördert, dort auf die Hase umgeladen und in Haselünne vom Stiftsdiener abgeholt. Salz, vom dem der Stiftshaushalt bis zu zwölf Tonnen jährlich zum Konservieren von Lebensmitteln und Tierhäuten benötigte, bezog man aus Oldenburg. Der Speiseplan der Stiftsjungfern war einfach. In der Regel aßen sie morgens im Winter warme Biersuppe und im Sommer Dickmilch mit Broteinlage oder Roggengrütze. Zur Hauptmahlzeit wurden einfache Gerichte wie Kohl, Erbsen oder Bohnen mit Speck oder Wurst und am Freitag Stockfisch aufgetischt. Quittenmarmelade und Apfelwein gehörten zu den traditionellen Möglichkeiten, die Mahlzeiten zu versüßen. Zu trinken gab es das selbst gebraute dünne Vesperbier, das den Vorteil hatte, keimfrei zu sein. Zweimal im Jahr war die Fastenspeise einzukaufen, denn auch im evangelischen Konvent wurden die Fastenzeiten eingehalten. Zu Advent und zu Ostern ließ die Äbtissin je eine Tonne Hering und Stockfisch (getrockneter Dorsch oder Kabeljau), Reis und Erbsen sowie dreißig Pfund weißes Olivenöl in Emden oder in Bremen einkaufen. Süßwasserfische züchtete man in Börstel in den eigens angelegten Fischteichen. Die Fastenzeiten endeten mit einem Festmahl, zu dem sechs Rinder geschlachtet wurden. Dazu gab es Weißbrot, Wein, Reis, Anis und Rosinen. Weißbrot besorgte der Bote in Quakenbrück oder 52

4. Alltag im Stift

Osnabrück, Rheinwein importierte man fassweise aus Köln. Sehr beliebt, aber auch teuer, waren Gewürze wie Ingwer, Muskat, Feigen und Rosinen, die die Frauen uth de apoteken101 in Berge bezogen. Weitere Festmähler wurden zum Neuen Jahr und zu Fastnacht ausgerichtet, zu denen Kalbfleisch auf den Tisch kam. Eine weiteres Festessen aus Wurzeln, Rüben und Zwiebeln gab es zur Kirchmesse, die im Oktober gefeiert wurde und zu der regelmäßig zahlreiche Adlige aus der Umgebung anreisten. Die Versorgung der vielen zum Stiftshaushalt gehörenden Menschen war eine immense Aufgabe. Die meisten Nahrungsmittel – Milchprodukte, Gemüse, Fleisch, Bier, Brot und Grütze – wurden in Börstel selbst zubereitet und konserviert. Zur Aufbewahrung der Milch diente ein Molkenkeller, im Wurzelkeller lagerten Möhren und Rüben auf Sand, um so eine Zeit lang frisch zu bleiben. Im vergitterten Weinkeller wurde eingesalzenes Fleisch in Pökelfässern und Sülzwerk, süß oder sauer eingelegt, in irdenen Töpfen aufbewahrt. Außerdem standen hier drei Buttertonnen und ein Seifenfass. Daneben wird ein Saatkeller erwähnt. Alle vier Keller befanden sich nahe der Abteiküche in dem unter dem Hochchor gelegenen Raum, der heute so genannten Krypta. In der Speckkammer auf dem Boden der Abtei hingen Speckseiten und geräucherte Würste. Kübel und Fässer standen im Bierkeller bereit, um das im Brauhaus gebraute Bier aufzubewahren. Im Backhaus wurde gebacken, und auf einer Käsebühne reifte selbst hergestellter Käse. In der Börsteler Haushaltung waren um 1614 acht Menschen tätig: der Diener und Bote Johann, die Köchin Hilleke, die Küchen- und Webermägde Alleke und Catharina, die für die Versorgung der Schweine und des Kleinviehs zuständige Meierin, ein Bäcker, ein Schäfer und ein Brauknecht. Der Lohn für die Mägde lag zwischen zwei und drei Talern, der Diener erhielt vier, Knecht und Bäcker je sechs Taler und der Schäfer einen Taler. Hinzu kamen für das Gesinde ein halber Taler für Schuhe und Hemdleinen. Alle Dienstboten wurden in der Abteiküche verpflegt, in der auch die Armen, die das Zinskorn abliefernden 101 ASB 1.7.1.8. (1555/56) 5r. 53

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

Bauern sowie durchziehende Soldaten warme Mahlzeiten erhielten. Neben dem Dienstvolcke standen ein Müller und ein Schütze im Dienst des Stifts. Pächter des Vorwerks waren Dirk Sievers und seine Ehefrau Catarina, die dafür jährlich siebzehn Molt Roggen und dreißig Reichstaler zu zahlen hatten.102 Ein festes Gehalt von fünfundzwanzig Talern bezog der Amtmann und von zwanzig Talern der Pastor, der auch tom morgenbrode in der Abteiküche erschien. Für den Einkauf von Dingen des persönlichen Bedarfs stand den Stiftsjungfern gegen Weihnachten ein Taler so genanntes Opfergeld, zu Ostern ein Paschetaler, dazu Fleischgeld in Höhe von eineinhalb Talern zu. Neben diesen dreieinhalb Talern regelmäßiger Barmittel erhielten sie ein variables Präsenzgeld, das zwischen einem halben und einem Taler differierte. Dieses Präsenzgeld war 1607 für die vor Ort anwesenden Stiftsjungfern eingeführt worden, um sie denjenigen gleichzustellen, die sich außerhalb des Stifts bei Freunden und Verwandten aufhielten und dort verköstigt wurden. Die Einführung des Präsensgeldes markiert gleichzeitig die offizielle Aufhebung der Residenzpflicht im Stift. Die Möglichkeit, das Stift für eine kurze Reise zu verlassen, wurde in zunehmendem Umfang wahrgenommen. Dabei scheint es üblich gewesen zu sein, dass sich die jüngeren Frauen zum Familienbesuch ein Pferd satteln, die älteren Damen die Stiftskutsche anspannen ließen. Entsprechend der ritterlichen Tradition hatten die adligen jungen Frauen nicht nur gemeinsam mit ihren Brüdern reiten gelernt, sondern waren auch selbst im Besitz von eigenen Reitpferden. Im Gegenzug suchte eine Vielzahl von Besuchern jährlich das Stift auf. Nicht selten wurden sie für mehrere Nächte beherbergt und ihre Pferde und Knechte im Reisigenstall des Stifts untergebracht und versorgt. Meist kamen Familienmitglieder, um nach ihren Töchtern oder Schwestern zu sehen, oder um den Wunsch nach Aufnahme einer weiblichen Angehörigen im Stift vorzutragen. Auch nach der Einführung blieb der Familienkontakt gewahrt und spielte die Pflege verwandtschaftlicher Beziehungen eine große Rolle. 102 ASB 1.6.2.1.1. 54

5. Geistliches Leben

5. Geistliches Leben Obwohl sich die traditionellen monastischen Strukturen in Börstel infolge der lutherischen Reformation weitgehend aufgelöst hatten, begriff sich der Konvent weiterhin als geistliche Gemeinschaft. Seit 1531/32 war in Börstel evangelisch gepredigt und das Abendmahl in beiderlei Gestalt gereicht worden, dabei jedoch einige katholischen Traditionen und Zeremonien zunächst beibehalten worden. Äbtissin Mette Maneel (1556–1575) ließ noch alljährlich ein Pfund Wachs für ein Licht vor dem Heiligen Sakrament kaufen, das am Gründonnerstag angezündet wurde.103 Auch die zu den katholischen zu rechnenden Festtage – so das Fest Maria Verkündigung und Fronleichnam – feierte man weiterhin. Äbtissin Lucretia von Langen (1575–1611) entzündete zwar kein Osterlicht mehr, dass die Chorsängerinnen jedoch weiterhin die Stundengebete einhielten, belegen die Ausgaben für die Neueinbindung der Chorbücher im Jahr 1588.104 Zu dieser Zeit leitete Gertrud von Althaus als Sangmeisterin den Chorgesang und bildete die Stimmen der Jungfern aus. Die von dem Osnabrücker Reformator Hermann Bonnus erlassene Horenordnung,105 die vermutlich auch in Börstel beachtet wurde, knüpfte weitgehend, allerdings in reduzierter Form, an den vorreformatorischen Chorgesang an. Vigilien und Oratorien für die Toten sowie die Anrufung der Heiligen fanden nicht mehr statt, dafür wurden jetzt mittwochs, freitags und sonntags Predigtgottesdienste abgehalten. Die Form des Chorgesangs hat sich im Statutenbuch des Stifts in einer Aufzeichnung von 1764 erhalten.106 Danach versammelten sich die Chorsängerinnen zu einer Gebetsstunde um 9 Uhr, die den gesamten altkirchlichen Kanon Mette, Laudes, Prim, Terz, Sext und Non um103 ASB 1.7.1.9. (1556/57) 25v Item ii ½ ß gegeven vor eyn punth wasses to bernen vor dem hyllygen sacrament up guden donderdach. 104 ASB 1.7.1.40. (1587/88) 22r Item einem bockbinder, so der junffern chorboeker wedder gereparert, vor arbeit gegeven v sch roggen. 105 Hermann Bonnus, Exercitium … pro ecclesiis collegiatis 1543. EKO 7, II. 1., S. 229–231. 106 ASB 1.2.1.5. 55

2. Teil: Stiftsjungfer in Börstel

fasste. Um 2 Uhr mittags trafen sich die Frauen zur Vesper, die um das Complet ergänzt war. Die Stundengebete umfassten den Gesang der Antiphon und von drei bis vier Psalmen, dazu wurde aus dem Evangelium gelesen. (Abb. 16) Anlässlich ihrer Wahl zur Äbtissin hatte Gertrud von Althaus 1611 das Bekenntnis zur Augsburgischen Konfession in ihre Wahlkapitulation aufnehmen lassen: Erstlich soll kunfftige abdißinne in alter christlicher religion keine veranderung machen und den junffern nichts auffleggen, das Godt und seinem heiligen worde zugegen, auch den kirchendienst halten und wahren, wie vor diesem gebreuchlich und bißhero gehalten ist. 107

1612 erwarb sie ein neues Kreuz für den Chor, um diesem Raum, der nun nicht mehr dem Klerus vorbehalten war, sondern als Abendmahlsraum diente, eine besondere Würde zu verleihen.108 Lucretia und Margareta von Haren waren – wie bereits dargestellt – von Haus aus überzeugte Lutheranerinnen. Der landsässige Adel im Niederstift Münster hielt auch dann weiter am Protestantismus fest, als unter Kurfürst Ferdinand von Bayern, Erzbischof von Köln und Bischof von Münster, die Gegenreformation mit absolutistischer Strenge durchgeführt wurde. Kurz vor Lucretias Übersiedelung nach Börstel, im März 1613, hatte Ferdinand von Meppen aus die Visitation des Niederstifts eingeleitet, um so die Wiederherstellung des katholischen Exerzitiums durchzusetzen.109 Bald hatten sich jedoch die Schwierigkeiten offenbart, die an der neuen Lehre festhaltende Bevölkerung zur Rückkehr zum katholischen Ritus zu bewegen. Gemeinsam mit den Städten setzten sich die Burgmannen an die Spitze des Widerstandes gegen die Gegenreformation und unternahmen alle Anstrengungen,

107 ASB 1.2.1.1. (1611). 108 ASB 1.7.1.65. (1611/12) 4v Für ein neweß creutz, […] und ander werk 7 tlr. 3 ß 6 d. 109 Hachmöller, Reformation, S. 106; Kohl, Vechta unter münsterscher Herrschaft, S. 77f; Gerd Steinwascher, Reformation im Niederstift, S. 204. 56

5. Geistliches Leben

den lutherischen Bekenntnisstand in ihrer Region zu wahren.110 1614 wandten sich Ritterschaft, Burgmänner und Städte des Niederstiftes mit einer Bittschrift111 an Domkapitel und Räte zu Münster und an weitere lutherische Reichsfürsten, in der sie geltend machten, dass ihre Vorfahren bereits seit 1544 nach der Augsburgischen Konfession gelebt hätten und baten darum, diese auch weiterhin zu tolerieren. Doch alle Bemühungen waren umsonst. Ferdinand ließ die reformatorischen Neuerungen des Hermann Bonnus annullieren und das katholische Exerzitium im Niederstift Münster wieder einführen. Mit Zwangsmaßnahmen gegen die Geistlichen, der Androhung ihrer Ausweisung und der Verhängung von Geldstrafen, erreichte der Kurfürst von Bayern die allmähliche Rückkehr der Bevölkerung zur katholischen Kirche.112 Weder die Zurückweisung der Bittschriften, noch ein Besuch Ferdinands in Vechta, Anfang Juni 1614, konnte allerdings den Adel dazu bringen, sich von ihrer lutherischen Konfession abzuwenden. In besonderer Weise war es Lucretias Onkel, der Drost zu Vechta, Otto von Schade, der alles daran setzte, die Rekatholisierung in seinem Amt zu verhindern. Alle Bemühungen Ferdinands, ihn abzusetzen, scheiterten am Widerstand der Stände.113 Erst 1620 legte Otto sein Amt aus Altersgründen nieder. Der Widerstand der Bevölkerung gegen die Rückkehr zur katholischen Kirche wurde erst gebrochen, als münsterische Truppen 1624 die Stadt Vechta besetzten. Lucretias Familie – wie auch die ihrer Mitschwester Magdalena von Dorgelo – hielten jedoch wie viele weitere Familien des landsässigen Niederadels114 an den reformatorischen Neuerungen fest. 110 Petition der Burgmannen von Vechta bei Hermann Dühne, Kirchen im Gau Dersaburg, S. 45–47. Bittschrift des niederstiftischen Adels: StAOL Best. 119 Tit. A Nr. 8 Vol. II Bl. 1. 111 StAOL Best. 110 Nr. 275 fol. 1–7, 9–11, 14–17, 20–21. 112 Schwegmann, Visitationen, S. 49 ff.; Heinrich Hachmöller, Rekatholisierung. 113 Hachmöller, Rekatholisierung, S. 85ff; Schwegmann, Visitationen, S. 166. 114 So die Familie von Lucretias Schwester in Heede, die Brawe in Steinbild, Caspar von Beesten in Wesuve und die von Monnich in Haselünne. (BAMs GV Hs. 28, fol. 229 f., 269v, 296v). Vgl. Schwegmann, Visitation, S. 211, Anm. 638. 57

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

1. Die Anfänge des langen Krieges 1619 erlebte Lucretia den Besuch des Osnabrücker Bischofs Philipp Sigis­mund in Börstel. Allerdings war nicht der Konvent Ziel seiner Reise, vielmehr nutzte er das Stift lediglich als Übernachtungsmöglichkeit auf einer Reise nach Kopenhagen. Nachdem 1618 der böhmisch-pfälzische Krieg ausgebrochen war, drohte auch das Hochstift Osnabrück in die Kriegshandlungen hineingezogen zu werden. An den Grenzen standen die Armeen der katholischen Liga unter Führung des Feldherrn Graf Tilly. Im Lande operierten als Verteidiger des Protestantismus die Verbündeten des böhmischen Königs Friedrich, Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg und Graf Ernst von Mansfeld. In dieser Situation bemühte sich der protestantische Bischof Philipp Sigismund um eine neutrale Haltung für das Hochstift und nahm Verhandlungen mit dem dänischen Königshaus auf, um die Nachfolge in seinem Amt zu sichern. Als zukünftigen Bischof hatte er den protestantischen dänischen Prinzen Friedrich, einen Neffen seines Bruders Heinrich Julius, ausersehen.115 Auf seiner Reise zu diesbezüglichen Verhandlungen begleiteten ihn Hofdiener und Spielleute, die alle im Stift 115 Vgl. Marie Thielemann, Philipp Sigismund, hier S. 85; Johann Carl Bertram Stüve, Geschichte des Hochstift 2, S. 512. 58

1. Die Anfänge des langen Krieges

beherbergt werden mussten und zu deren Bewirtung die Küche drei Schweine schlachten ließ und reichlich Wein bereitstellte. Das war wenig im Vergleich zum Besuch des Landesherrn im Februar des Jahres 1593, von dem die älteren Stiftsjungfern noch berichten konnten. Damals hatten die Kriegsunruhen des spanisch-niederländischen Religionskrieges Philipp Sigismund an die Nordgrenze des Hochstifts geführt, um gegenüber den spanischen und den Truppen der Generalstaaten die politische und konfessionelle Neutralität des Fürstbistums zu stärken. Zwei Tage lang hatte der Bischof mit seinem gesamten Hofstaat, zu dem vier Marschälle, ein Trompeter, vier Lakaien, zwei Trabanten, ein Silberknecht, ein Arzt, ein Weinschenk, ein Mundschenk, mehrere Köche und Jäger gehörten, im Stift Quartier bezogen. Für die Bewirtung des Bischofs und seines Gefolges hatte man Schlachtvieh, Bier, Wein und Branntwein sowie Weißbrot, Käse, Gewürze und Konfekt für 70 Reichstaler kaufen, dazu neununddreißig Pferde mit Stiftshafer versorgen müssen. Die Gastungspflicht für den Landesherrn, der das Stift nachkommen musste, hatte damals ein tiefes Loch in die ohnehin strapazierte Stiftskasse gerissen. Noch bevor auch in Börstel die Auswirkungen des böhmisch-pfälzischen Krieges spürbar wurden, nahmen Lucretia und Margareta von Haren an der Hochzeit ihrer Schwester Anna Sophia mit Melchior von Heede teil, die am 21. September 1621 gefeiert wurde. Gut Heede lag nicht allzu weit von Börstel entfernt, südlich von Aschenburg nahe der holländischen Grenze an der Ems. Eine Hochzeit wurde in adligen Kreisen mit großem Aufwand begangen und dazu eine große Schar von Gästen eingeladen. Als engste Verwandte werden sich die beiden Schwestern auf dem Fest nicht nur vergnügt, sondern die Brautleute auch bei der Versorgung und Unterbringung der weiblichen Gäste unterstützt haben. Nach der Einsegnung durch den Pfarrer in der Kirche von Heede erwartete die Hochzeitsgesellschaft eine Festtafel, die von frühneuzeitlicher Üppigkeit gewesen sein wird.116 In der Regel servierte man mindestens acht warme Fleisch-, Geflügel- und Fischgerichte, 116 Vgl. Eckehard Deichsel, Anke Hufschmidt, Hochzeitliche Ehrentage, S.  133ff. 59

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

dazu selbstgebrautes und importiertes Bier sowie Rheinwein. Den Abschluss bildete die Konfekttafel, an der kandierte Früchte und Nüsse, Torten und Honigkuchen gereicht wurden. Nach dem Hochzeitsschmaus spielten Musikanten zum Tanz auf. Erst zwei Monate nach Beendigung der Hochzeitsfeierlichkeiten, am 28. November, brachte Junker Melchior von Heede die beiden Schwestern persönlich nach Börstel zurück.117 Dies waren für lange Zeit vermutlich die letzten Lustbarkeiten, denn in den folgenden Jahren wurde Börstel allen Bemühungen zum Trotz in zunehmenden Maße mit den Begleiterscheinungen des böhmischpfälzischen Krieges konfrontiert. Immer wieder kam es zu Auftritten von Söldnern der verschiedenen Kriegsparteien, die auf der Suche nach Nahrung und Quartier das Stift heimsuchten, Geld und Fourage erpressten und die Pferde der Äbtissin stahlen. Während dieser Jahre hielten sich Lucretia und ihre Schwester nicht in Börstel auf, sondern lebten vermutlich bei ihrer Mutter und der Familie ihres Bruders auf Gut Hopen oder bei einer der Schwestern im Emsland. Erstmals waren Lucretia und Margareta bei der Rechnungsablage im Januar 1622 abwesend.118 Auch am 1. Oktober 1622, als der Konvent seiner Äbtissin eine Schuldverschreibung über 590 Reichstaler ausstellte,119 war Lucretia nicht dabei. Diese Summe hatte Gertrud von Althaus aus eigenen Mitteln zur Verfügung gestellt, um damit Schulden aus der Amtszeit ihrer Vorgängerin Lucretia von Langen zu begleichen und um notwendige Lebensmittel – Butter, Stockfisch, Salz und Heringe – für den Konvent einkaufen zu können. Vollends gefährlich wurde die Lage, als am 21. März 1623 Bischof Philipp Sigismund starb und das Hochstift zunächst von einer wenig handlungsfähigen Sedisvakanzregierung verwaltet wurde. Erst im Dezember 1624 wählte das Osnabrücker Domkapitel den katholischen Kardinal Eitel Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen zum neuen 117 ASB 1.7.1.76. (1621/1622) 15r. 118 ASB 1.7.1.74. (1619/20). 119 UB 388. 60

2. Die Visitation von 1625

Landesherrn, wodurch sich das politische Kräfteverhältnis im Fürstbistum zu Gunsten der katholischen Partei verschob. Während der ersten Jahreshälfte 1623 besetzte die katholische Liga das nahe gelegene Quakenbrück und die Stadt Vörden, so dass sich die protestantischen Truppen unter Herzog Christian von Braunschweig-Lüneburg zurückziehen mussten.120 In der Folge durchzogen protestantische und kaiserliche Truppenverbände mit schweren Plünderungen die Osnabrücker Nordlande. Auch Gut Hopen, wo sich Lucretia vermutlich aufhielt, wurde im August 1623 Opfer von Plünderungen durch Truppen Tillys.121

2. Die Visitation von 1625 Während Lucretia auch die Rechnungsabnahme im April 1624 nicht unterschrieb, ist ihre Anwesenheit für den 2. Mai 1625 wieder sicher belegt. Zu diesem Zeitpunkt fand in Börstel eine Kirchenvisitation statt, die Bischof Eitel Friedrich als erste Amtshandlung – noch vor seiner Wahl im Dezember 1624 – am 27. November 1624 für sämtliche Pfarrkirchen des Osnabrücker Landes angeordnet hatte.122 Durchgeführt wurde die Visitation durch den Generalvikar Albert Lucenius, dessen für Börstel erstelltes Visitationsprotokoll die spezielle Form des geistlichen Lebens zeigt, die sich in Börstel entwickelt hatte:123 Fünf evangelische, zwei katholische und drei unentschiedene Stiftsjungfern hielten gemeinschaftlich Gottesdienst in der Börsteler Kirche. Als katholisch bekannten sich gegenüber Lucenius die Priorin Agnese von Dorgelo und die Kämmerin Elisabeth Kerstapel. Äbtissin Gertrud von Althaus und die vier Damen aus dem Niederstift – die beiden Schwestern von Haren, Magdalena von Dorgelo und Elisabeth von Kobrinck – bezeichneten sich als lutherisch. Die bereits sehr betagte Seniorin Sophie 120 Vgl. Hermann Rothert, Quakenbrück. 121 Nieberding, Niederstift 2, S. 460–461; Lohne, S. 81. 122 Vgl. zur Position der lutherischen Prediger Wilhelm Wöbking, Konfessionsstand, S. 76ff. und speziell zu Börstel S. 95–97. 123 Max Bär, Kirchenvisitation, S. 272f. 61

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

von Wullen und die beiden jüngsten Stiftsjungfern Ida Elisabeth von Munster und Gertrud von Althaus gaben an dubiae fidei zu sein. Nicht anwesend bei der Visitation war Agnese Voß, die bereits 1623 gestorben war und ihrer Nichte Lucretia dreißig Reichstaler hinterlassen hatte.124 Zum Zeitpunkt der Visitation fand in Börstel bereits seit neunzig Jahren lutherischer Gottesdienst statt. Dies bestätigte im nachhinein die spätere Äbtissin Magdalena von Dorgelo, die 1656 bei einer Befragung angab, dass 1625 lediglich zwei Stiftsjungfern katholisch gewesen seien und in anderen Kirchen kommuniziert hätten.125 Die übrigen acht Damen hätten das Abendmahl in beiderlei Gestalt in der Börsteler Kirche gefeiert. Seit Advent 1624 predigte hier Pastor Conrad Cruse (1624–1644),126 der einer Pastorendynastie entstammte und 1590 als Sohn des gleichnamigen lutherischen Pfarrers und Enkel des Pfarrers Heinrich Cruse in Hagen geboren worden war.127 In Cruses Anstellungsvertrag vom 11. November 1624 heißt es nur vage, dass er sich mit seinen documentis ordinationum als eine genuchsamb qualificirte person ausgewiesen habe.128 Nach der Postulation Eitel Friedrichs und den von ihm zu erwartenden Rekatholisierungsbemühungen hielt sich Äbtissin von Althaus in der Beschreibung der Amtspflichten des Predigers offensichtlich lieber zurück. Der nach dem frühen Tod Eitel Friedrichs im Oktober 1625 gewählte jesuitisch erzogene Bischof Franz Wilhelm, Graf von Wartenberg, 124 StAOs Dep. 69 b, Nr. 325, 1635 27. April: Bestätigung einer Summe, welche die wollehrw. wolledle und vieltugentreiche junffer Lucretia Wollborch van Haren, ebenmessig stiffts junnfer auß deren erbschaft bekommen. 125 ASB 1.4.1.2. (1656 7. Februar) Doch konnen die zwei catholische prabenden wie sie ao. 1624 gewesen, in alles pleiben, auch auff die hohen festtage die zwei catholische junffern ihren catholischen dienst nach ihren belieben an anderen ortern abzuhalten. 126 ASB 1.7.1.79. (1624/1625) 2v Domino Conrado Krusio itziger pastori sp. archae 1 tlr. 4r Domino Pastori Con. Krusio uff ein jahr 20 tlr. 127 Aussage des Vaters Konrad Cruse in den Visitationsprotokollen. Wöbking, Konfessionsstand, S. 97; Wilfried Pabst, Konfessionelles Nebeneinander, S. 17. 128 ASB 2.1.3.7. 62

3. Die Reise nach Groningen 1627

setzte die Gegenreformation dann endgültig durch. Für den Konvent war die erneute Bischofswahl zunächst ein zusätzlicher Kostenfaktor, hatte das Stift doch nach altem Brauch dem neuen Landesherrn ein „unsträfliches“ Bett zu liefern,129 zu dem pfull, hovetkußen und decken gehörten. Die Anschaffung des Bettes kostete das Stift zehn Reichstaler. Darüber hinaus erhielt der Osnabrücker Kanzler neben einem schönen naßtuch noch einen Goldgulden. Selbstverständlich zahlte das Stift auch die Überbringungskosten und die Trinkgelder für die Bediensteten des Bischofs.

3. Die Reise nach Groningen 1627 Folgenschwerer für Börstel war es, dass die Bischofswahl 1626 den dänischen König Christian IV. – zugleich Herzog von Holstein und somit deutscher Reichsfürst – auf den Plan rief, der den Osnabrücker Bischofsstuhl für seinen Sohn, Prinz Friedrich, forderte. Als ein dänisches Heer im März 1626 Osnabrück belagerte und die Festung Fürstenau besetzte, bekam auch Börstel die Auswirkungen des dänischen Einfalls zu spüren: Bereits im Februar waren es zunächst fünfundvierzig spanische Reiter, die dem Stift 30 Reichstaler abpressten, später dann siebzehn niederländische Reiter, die Brot und Bier verlangten. Vor den Klöstern machten weder die spanischen Soldaten noch die protestantischen Niederländer halt. Im März musste sich das Stift dann gegenüber hundertfünfundzwanzig dänischen Soldaten mit 80 Reichstalern auslösen. Rittmeister Gerhard von Dincklage zu Schulenburg erwirkte daraufhin bei dem dänischen Heerführer, Herzog Johann Ernst von Sachsen-Weimar, eine Schutzwache für das Stift. Auch der Rentmeister Eberhard Morrien aus Fürstenau stellte eine Schutzwache, für die 25 Reichstaler zu entrichten waren. Zusätzlich erhielt die Wache sechs 129 Diese Leistung war jedem neu antretenden Landesherrn zu erbringen. Sie erfolgte „nach altem Herkommen“, dessen Ursprung nicht nachzuweisen ist und erst von König Georg IV. im Jahre 1820 aufgehoben wurde. Auch das Kloster Bersenbrück war zu dieser Abgabe verpflichtet. 63

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

Reichstaler und ein Nasstuch. Zum Amtsantritt des Rentmeisters verehrte der Konvent diesem einen Goldgulden, ein Nasstuch und zudem eine Nachtmütze. Auch den neuen dänischen Kommandanten, Kapitän Moritz von Damnitz, bemühten sich die Frauen mit einem Hemdlaken, dem unvermeidlichen Nasstuch und zwei Goldgulden günstig zu stimmen. Später im Jahr baten sie Kapitän von Damnitz zu gefattern des Stifts, was dieser sich wiederum mit zehn Reichstalern honorieren ließ. Nachdem das dänische Heer im August 1626 in der Schlacht bei Lutter am Barenberge geschlagen worden war, rückten ligistische Truppen in das Hochstift ein. Nun ließ sich der Konvent von dem in Quakenbrück stationierten ligistischen Oberstleutnant eine Schutz­ wache stellen, wofür neben etlichen Ellen Kleinleinwand fünf Reichstaler zu zahlen waren. Während dieses Jahres 1626 waren nicht nur die Wege in Richtung Osnabrück äußerst unsicher, sondern es herrschte auch die Pest, so dass der Börsteler Stiftsdiener keine Einkäufe in Osnabrück tätigen konnte. Das Jahr 1627 begann mit Einfällen von Soldaten der Generalstaaten, die – wie es im Register heißt – alles zerschlagen und zunichte gemacht haben. Diesen „Nachtdieben“ mussten das eine Mal 30 und das andere Mal 60 Reichstaler an Erpressungsgeldern gezahlt werden. Um den ständigen Plünderungen und Überfällen ein Ende zu setzen, entschlossen sich Margareta und Lucretia von Haren sowie Elisabeth von Kobrinck nach Groningen zu reisen und um eine Audienz bei dem Statthalter der Provinzen Groningen und Friesland, Graf Ernst Kasimir von Nassau, anzuhalten. Die Reise war ein gewagtes Unternehmen, das durch ein von Söldnerheeren durchsetztes Gebiet führte und für eine Wegstrecke drei Tagesreisen in Anspruch nahm. Tatsächlich gelang es den mutigen Stiftsjungfern, eine Audienz bei Graf Ernst Kasimir zu erwirken, dem sie die Lage in Börstel schilderten und – wie es heißt – über sulchen mutwillen klagten.130 Die gefährliche und kostspielige Reise (für die Verpflegung von Pferden und Dienern sowie die „Verehrung“ für den Statthalter waren insgesamt 70 Reichstaler aufzu130 ASB 1.7.1.82. (1627/28) 2r. 64

3. Die Reise nach Groningen 1627

bringen) war von Erfolg gekrönt, denn die Stiftsjungfern kehrten mit einem weiteren Schutzbrief zurück. Als Amtmann Arnold Kennings am 30. Juni 1627 die Rechnungen der Vorjahre zur Unterzeichnung vorlegte, war der Konvent deutlich geschrumpft.131 Sophie von Wullen war 1626 gestorben, die jüngeren Frauen – Ida von Munster, Elisabeth von Kobrinck und Magdalena von Dorgelo – hielten sich bei ihren Familien auf. Neben der Äbtissin, der Seniorin Agnese von Dorgelo und der Kämmerin Elisabeth Kerstapel harrten nur noch Lucretia und ihre Schwester Margareta sowie die jüngere Gertrud von Althaus in Börstel aus. Margareta hatte nach dem Tod von Agnese Voß 1623 das Amt der Kellnerin übernommen. Nachdem die katholische Liga im Januar 1628 die Stadt Fürstenau eingenommen und die Dänen vertrieben hatte, kehrte vorübergehend Ruhe im Hochstift ein. Im März 1628 konnte der bereits 1625 gewählte Bischof Franz Wilhelm endlich seine feierliche Amtsübernahme begehen. In der Folgezeit führte er in Stadt und Hochstift eine radikale Rekatholisierung durch. In Osnabrück ließ er die Protestanten aus ihren Kirchen St. Marien und St. Katharinen vertreiben, auf dem Lande die evangelischen Pfarrer ausweisen und den Besuch des katholischen Gottesdienstes bei hoher Geldstrafe erzwingen. Um der drohenden Ausweisung aus ihren Pfarren zu entgehen,132 wechselten viele Pfarrer – so auch der Börsteler Pastor Conrad Cruse – jetzt zur katholischen Konfession. Cruse hatte bereits im März 1625133 an der von Eitel Friedrich einberufenen Synode in Osnabrück teilgenommen, woraufhin das Osnabrücker Offizialat ein neues deutsches Agendenbuch nach Börstel übersandt hatte.134 Im März 1630135 nahm Cruse an der von Franz Wilhelm einberufenen Kirchensynode teil, in deren Anschluss der 131 ASB 1.7.1.80. (1625/26) 15v. 132 Wöbking, Konfessionsstand, S. 76ff. 133 ASB 1.7.1.79. (1624/1625) 2v Pastorn alhir zu synodalgelt und zerungh nach Oßenbrugh 2 tlr. 134 ASB 1.7.1.79. (1624/1625) 3r Fur ein new D. agendenbuch 1 tlr. 10 ß 6 d. 135 ASB 1.7.1.85. (1629/30) 13v Den 3. Martii alß unser pastor naher Osnabrugh ufen synodo reisete, vur die pferde 1 sch. 65

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

Bischof durch den Pastor aus Badbergen136 zwei weitere, nicht näher bezeichnete liturgische Bücher übersenden ließ.137 Dabei wird es sich um das 1628 in Köln erschienene deutsche Gesangbuch und das 1629 in Ingolstadt gedruckte ‚Pastorale Romanum Pro Usu Diocesis Osnabrugensis‘ gehandelt haben,138 das Franz Wilhelm zur Vereinheitlichung der liturgischen Praxis in den Kirchen eingeführt hatte. Einflüsse auf das liturgische Zeremoniell in Börstel hatten die Anweisungen aus Osnabrück zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht. Erst am 3. Januar 1630 war der Konvent bis auf Ida von Munster, die nicht wieder nach Börstel zurückkehrte, wieder vollständig zur Rechnungslegung versammelt.139 Im Mai wurde Lucretia zur Kellnerin140 ernannt, während ihre Schwester Margareta zur Siegeljungfer aufstieg. Lucretia führte nun die Aufsicht über die Kellnereikasse, in die vor der Reformation Einnahmen aus Vermächtnissen, Seelmessen und Memorienstiftungen geflossen waren. Die Zinsen dieser Stiftungen wurden nach der Reformation gleichmäßig an die Stiftsjungfern verteilt.141 Auch während der unsicheren Zeiten war der Kontakt der Familie von Haren nach Börstel nicht abgerissen. Im November 1624 hatte Margarethe von Haren ihre Töchter, im August 1626 Bruder Johann von Haren zu Laer und im Juni 1628 Junker Heinrich von Haren die Schwestern aufgesucht. Im August 1630 reiste Margarethe erneut nach Börstel, im Juni 1631 erschien Bruder Herbord und im Dezember 1632 erneut Bruder Heinrich. Die regelmäßigen Besuche machen die Sorge

136 1624 war Johann Jütting im Amt. Vgl. Heinrich Böning, Glaubenskämpfe, S. 34. 137 ASB 1.7.1.86. (1630/31) 3v Vür zwei bücher, so i. f. g. durch den pastoren zu Batbergen anhero in die kirchen geschickt, 2 tl 10 ß 6 g. 138 Vgl. Heinrich Kraienhorst, Erneuerung des geistlichen Lebens, S. 145; Friedhelm Jürgensmeier, Konfessionelle Weichenstellung, S. 595f. 139 ASB 1.7.1.81. (1626/27) 16r. 140 UB 394. 141 ASB 1.2.1.1. (1674 Mai 29) 19. Der kellnerey intraden sollen nach wie vor unter die abdißinn und samptliche capitular jungfrauen in gleiche theile vertheilet werden. 66

4. Schwedische Repressalien

der Familie um die beiden Töchter deutlich und zeigen den Beistand, den man ihnen und ihren Mitschwestern zu leisten versuchte. Guter Rat war nötig, um das Stift von den hohen Schulden zu befreien, die nach den wiederholt zu zahlenden Kriegskontributionen aufgelaufen waren. Bereits im Mai 1628142 hatte sich der Konvent gezwungen gesehen, ein Erbe in der Bauerschaft Schandorf für 200 Reichstaler zu verpfänden, um Barmittel zur Ablösung einer Schuld von 160 Reichstalern aufzubringen und um die anfallenden Kriegskosten zu bestreiten. Eine weitere Anleihe zur Auslösung von Schulden, diesmal in Höhe von 600 Reichstalern, wurde im April 1631 fällig und von allen Stiftsjungfern bis auf Magdalena von Dorgelo gemeinsam unterzeichnet.143

4. Schwedische Repressalien Die Niederlage der protestantischen Kriegsparteien hatte 1630 den schwedischen König Gustav II. Adolf auf den Plan gerufen, und während des nun beginnenden schwedischen Krieges (1630–1635) verschlechterten sich die Lebensbedingungen für das kleine Häuflein in Börstel ausharrender Stiftsjungfern zusehends. Lebensmittel wurden knapp, die Gebäude konnten nicht mehr instand gehalten werden und verfielen mehr und mehr. Die Angst vor Überfällen und Plünderungen bestimmte den Alltag der Frauen, die durch verschiedene Kundschafter über die Bewegung der schwedischen Truppen auf dem Laufenden gehalten wurden. Bei der Unterzeichnung der Stiftsrechnung am 3. Januar 1633 waren nur noch sechs Frauen anwesend:144 Neben der Äbtissin die Seniorin Elisabeth Kerstapel, die Schwestern von Haren sowie Elisabeth von Kobrinck und die jüngere Gertrud von Althaus. Agnese von Dorgelo war im Verlauf des Jahres 1631 gestorben, ihre Nichte Magdalena abwesend. Vollends in den Strudel der Ereignisse geriet Börstel im Februar 1633, als Herzog Georg von Braunschweig-Lüneburg zusammen mit 142 UB 391. 143 UB 395. 144 ASB 1.7.1.86. (1630/31) 15r. 67

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

General Dodo von Knyphausen an der Spitze schwedischer Verbände von Norddeutschland aus einen Feldzug Richtung Westfalen zur Vernichtung des kaiserlichen Heeres startete. Ende Februar hatten die beiden Feldherren Vechta, Quakenbrück, Cloppenburg, Meppen und Fürstenau eingenommen. Im September 1633 kapitulierte nach vierwöchiger Belagerung auch die Stadt Osnabrück vor der schwedischen Übermacht und verblieb für zehn Jahre unter schwedischer Besatzung. Bischof Franz Wilhelm floh nach Köln. Während der Belagerung der Stadt durch General von Knyphausen hatte Stift Börstel Proviant ins Lager der Schweden zu liefern. Getreulich notierte der neue Amtmann Nicolaus Glandorf, was er dem Kriegskommissar Klauberg an küchen provisiones ausgehändigt hatte: zwei feiste Schweine, ein Mastkalb, zwei Kühe, zwei Schlachtrinder, zwei Heidschnucken und mehrere Schafe sowie drei Tonnen Bier und zwei Scheffel Roggen. Der neue Landesherr, der außereheliche Sohn Gustav Adolfs, Gustav Gustavson, später Graf Wasaburg, ließ umgehend die kirchlichen Verhältnisse in Osnabrück wieder auf den Stand der Regierungszeit Philipp Sigismunds versetzen und die Bürgerkirchen an die lutherischen Konfessionsangehörigen zurückgeben. Anlässlich des Amtsantritts Gustav Gustavsons überbrachte Nicolaus Glandorf zweimal eine „Verehrung“ an die Küchen des Quartier- und des Generalproviantmeisters des Prinzen, wohl in der vergeblichen Hoffnung, von weiteren Forderungen verschont zu bleiben. Als nach der Kapitulation die Stadt Osnabrück 40.000 Reichstaler und das Domkapitel 20.000 Reichs­ taler an die Schweden zu entrichten hatten, musste sich auch das Stift mit einen Anteil von 200 Reichstalern beteiligen, die der Amtmann persönlich beim Domkapitel in Osnabrück ablieferte.145 Um das Geld aufzubringen, verkaufte der Konvent die noch verbliebenen Kühe und Pferde weit unter Wert an den Pächter des Vorwerks Johann Sievers. Wie groß die Not der Stiftsjungfern war, die sie zu diesem letzten Mit145 ASB 1.7.1.88. (1632/1633) 3r Unser ambtman neben der salvaguarden Henriche nach Oßnabrugh mit den pferden gewesen, die 200 Rht. dem thumb capitell gepracht und vier nachte außgewesen, verzehrt 3 tr. 15 ß 9 d. 68

4. Schwedische Repressalien

tel greifen ließ, wird aus dem Vertrag mit Sievers deutlich, in dem es heißt, dass sie wegen ihrer offenkundigen Mittellosigkeit, keine Möglichkeit mehr sähen, die militärische Exekution, mit der ihnen gedroht worden sei, zu verhindern.146 Am 14. Dezember 1633 unterzeichnete Lucretia als Kellnerin eine Schuldobligation über 100 Reichstaler zur Abtragung dieser Schuld.147 Neben ihr waren nur noch die Äbtissin, die Seniorin und ihre Schwester Margareta als Siegeljungfer anwesend. Bereits bei der Unterzeichnung der Stiftsrechnung am 21. Dezember ist Lucretia nicht mehr in Börstel. An ihrer Stelle sind Magdalena von Dorgelo und Elisabeth von Kobrinck zurückgekehrt. Obwohl von gleicher Konfessionszugehörigkeit wie der Konvent, verschonten auch die Schweden Börstel nicht. Im Oktober 1634 erschien der Hofmeister des schwedischen Generalmajors von Redewin, um eine Inventarisierung des Stiftseigentums vorzunehmen. Zunächst ließ er verschiedene in der Stiftskirche aufbewahrte Kisten öffnen, die jedoch den Börsteler „Hausleuten“, den Bewohnern der Höfe, gehörten, die darin ihr Hab und Gut – Textilien und Getreide – vor Brand geschützt aufbewahrten. Weiter erstellte er ein Verzeichnis über den Bestand der letzten noch zum Stift gehörenden Schafe. Pferde und Kühe hatten wie erwähnt verkauft werden müssen. Die Stiftsjungfern besaßen lediglich noch einige im Kreuzgang aufgestellte Kisten mit wenigen Scheffeln Roggen. Was der Hofmeister an gezeuge mitnehmen ließ, konnte der Konvent bei der Aufnahme des Protokolls nicht mehr feststellen, da schon zuvor so viel abhanden gekommen war. Das Protokoll schließt mit der Eingabe: bitten also umb Gottes willen, unser anoch weinigh habendes guth zu lassen, darmit wir als adliche persohnen mit dem bedelstab nicht davon gehen mogen.148 Nicht mit dem Bettelstab, je146 ASB 1.8.1.1. wegen unserer kentlichen unvermeigenheit, die gelder zu nehmen, gantz keine mittel wissen, damit die militerische execution, womit wir starck angedrawet, aufgehalten. 147 UB 411. 148 ASB 1.8.1.2. 69

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

doch mit wenig mehr als dem musste die Frauen in der nun folgenden Zeit mehrfach das Stift verlassen. Denn wiederum wendete sich das Kriegsglück der beteiligten Parteien. Als im Oktober 1635 erneut kaiserliche Truppen in den Nordwesten des Hochstifts vorrückten und am 1. Januar 1636 General von Knyphausen in einem Gefecht mit kaiserlichen Truppen bei Haselünne zu Tode kam,149 gewann die katholische Partei wieder die Oberhand. Die schwedischen Verbündeten mussten das Fürstbistum bis auf die Stadt Osnabrück und die Festung Meppen150 räumen. Stift Börstel wie die gesamte Landbevölkerung des Hochstifts sah sich nun erneut ständiger Bedrohung ausgesetzt, waren doch die Festungen Fürstenau und Vechta in kaiserlicher Hand, die Stadt Osnabrück und die Festung Meppen von schwedischen Truppen besetzt, die alles daran setzten die verlorenen Positionen zurückzuerobern. Erst von diesem Zeitpunkt an, als durch den militärischen Sieg der katholischen Partei ein erneuter Konfessionswechsel erzwungen wurde, wird der Einfluss der Gegenreformation auch in Börstel deutlich. Im Januar 1636 verweist die Entlohnung des Sohnes des Müllers, Frerk, auf veränderte liturgische Gepflogenheiten des Pastors Conrad Cruse. Dafür, daß er dem pastor zur messe gedienet,151 erhielt Frerk fünf Schilling und drei Denare.152 Zu Weihnachten 1636 wurde – und von da an Jahr für Jahr – für zwei Taler Wachs für die Kirche gekauft.153 1638 erwarb das Stift siebzehn Ellen Lüner Laken zur Anfertigung neuer Alben und Kelchtücher für den Altar.154 1638 und 1639 ließ Cruse geweih-

149 Vgl. Heiner Schüpp, Die Schlacht bei Haselünne, S. 294ff. 150 Mit dem Amt Meppen war General von Knyhausen für seine militärischen Verdienste belohnt worden. Johann Bernhard Diepenbrock, Amt Meppen, S. 431ff. 151 ASB 1.7.1.92. (1636/37) 10r. 152 1 Taler = 21 Schilling. 1 Schilling = 12 Denare. 153 ASB 1.7.1.92. (1636/37) 10r Und für zwei thlr wachß zur kirchen außgethaen. 154 ASB 1.7.1.93. (1637/38) 8v Den 28. Martii 17 ellen Lüner laken zue newen alffen und kellich tücher zum altare, dafür geben in sampt 3 tr. 7 ß. 70

5. Flucht nach Lingen

te Hostien aus Münster – neben einer doseken datzu155 – und 1640 und 1641 aus Osnabrück holen.

5. Flucht nach Lingen Erneut wendete sich das Schicksal im Juni 1637, als die Rückeroberung Vechtas durch schwedisch-hessische Truppenverbände die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzte. Nachrichten über alle Vorgänge in der Umgebung Börstels brachte der Müllersohn Frerk, der als Kundschafter unterwegs war. Zu diesem Zeitpunkt waren nur noch Gertrud von Althaus, Elisabeth Kerstapel und Magdalena von Dorgelo in Börstel anwesend. Elisabeth von Kobrinck und die jüngere Gertrud von Althaus hatten geheiratet, während sich Lucretia und Margareta von Haren vermutlich auf Gut Hopen aufhielten. Dort allerdings mussten sie miterleben, wie das Gut zu Pfingsten erneut geplündert wurde.156 Als sich die Lage im Juni zuspitzte, entschlossen sich die drei verbliebenen Frauen Börstel zu verlassen und vor der schwedischen Bedrohung zu fliehen. Mitsamt ihrem beweglichen Hab und Gut suchten sie zunächst die nahe gelegene Wasserburg Lonne auf, die sich im Besitz von Gertruds Vetter Rudolf von Snetlage befand. Mit den drei breiten Gräften und den umgebenden Ringwällen, die nur über eine Zugbrücke zu erreichen waren, versprach die Burg den Flüchtenden einigen Schutz. Bald wuchs jedoch auch hier die Bedrohung, so dass die drei Frauen am 14. Juni nach Lengerich und am 17. Juni sogar noch weiter in das von dem Prinzen von Oranien besetzte reformierte Lingen fliehen mussten.157 Wie richtig die Entscheidung zur Flucht war, erfuhren 155 ASB 1.7.1.94. (1638/39) 13v Den 4. Aprilis für grosse und kleine ostien in die kirchen, neben einer doseken datzu, so von Munster geholet 3 ß. 156 Lohne, S. 81. 157 ASB 1.7.1.92. (1636/1637) 13 r Den 14ten Junii wie die abdissinne und jufferen von Lonne getzogen, dem pforttener daselbsten geben 1 ß 6 d. Den 17ten Junii den dreen wagen, so die abdissinnen und juffern von Lengerke neben ihrer getzeuge nach Linge gefuhret, zue biergelde jedern wagen 6 stuver 7 ß 6 d. 71

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

die drei Frauen durch den Bericht eines Boten, der am 27. Juni in Lingen eintraf: Während der Abwesenheit des Konvents hatten schwedische Soldaten unter Generalmajor von Redewin den Kornspeicher des Stifts geplündert, den Reisigenstall, die Heuscheune, das Backhaus und die Kirchentüren aufgebrochen und vom Amtmann eine Kontributionszahlung über 100 Reichstaler gefordert. Umgehend kehrten die drei Geflüchteten zurück und ließen noch im Juli alle zerstörten Schlösser erneuern. Doch schon am 20. August mussten Äbtissin und Seniorin erneut nach Lengerich flüchten, während Magdalena von Dorgelo die schützenden Mauern der Querlenburg aufsuchte. Und noch ein drittes Mal brachten sich die beiden letzten Getreuen am 3. September in Lonne in Sicherheit. Erst im Oktober kehrten beide nach Börstel zurück. Diesmal war auch das Portal, das zur Nonnenempore führte, erbrochen, und erneut mussten Schloss und Riegel repariert und neue Schlüssel anfertigt werden. Im Oktober fand sich auch Lucretia wieder in Börstel ein, überbrachte ein Schreiben zur Querlenburg und reiste anschließend zu Generalmajor von Redewin nach Vechta, um mit ihm über die verlangte Kontributionszahlung zu verhandeln. Amtmann Glandorf notierte lediglich, dass ihr für ihre Auslagen zweieinhalb Taler zurückerstattet wurden.158 Welches Risiko Lucretia einging, durch ein von schwedischen Truppen kontrolliertes Gebiet nach Vechta zu reiten und mit dem unnachgiebigen Heerführer zu verhandeln, verzeichnen die Quellen nicht. Allen Bemühungen zum Trotz blieb Lucretias Mission erfolglos. Redewin ließ sich von seiner Forderung nicht abbringen, und so sandte man in Börstel Boten aus, um das Erpressungsgeld bei wohlgesonnenen Freunden aufzutreiben. Schließlich fand sich Anne von Althaus, Stiftsdame zu Wietmarschen, die Schwester der Äbtissin, bereit, dem Stift die Summe zu leihen. Im November reiste Nicolaus Glandorf nach Lingen, um sich die 100 Reichstaler aushändigen zu lassen. Nach der Übergabe des Geldes vertrank er mit Jungfer von Althaus 158 ASB 1.7.1.92. (1636/37) 14v Den 1. Novembris Juffer Lucretia W. von Haren, welches sie newlich zur Vechta außgelacht, wieder zugestellet 2 rt 5 ß 3 d. 72

5. Flucht nach Lingen

für zwei Reichstaler einige Maß Wein, was er in seiner Abrechnung getreulich notierte.159 Am 20. November überbrachte er Generalmajor von Redewin in Vechta für „Schutzdienste“ die stolze Summe von 150 Reichstalern.160 Zum Weihnachtsfest 1637 war Stift Börstel bis auf die Äbtissin und Seniorin völlig verwaist. Margareta und Lucretia von Haren sowie Magdalena von Dorgelo verharrten bei ihren Familien. Im Februar 1638 wurde das Stift erneut geplündert, diesmal durch hessische Truppen, denen Gertrud von Althaus aus eigenen Mitteln ein Schutzgeld von 21 Reichstalern zahlte. Dennoch ging das Leben weiter. In der vorösterlichen Zeit kaufte man die Fastenspeise – Stockfisch und Hering – für die beiden verbliebenen Frauen. Zu Ostern erhielten sie für die vier hochzeitlichen thage acht Maße Wein. Nur wenige Besucher wagten sich nach Börstel. Lediglich Elisabeth von Kobrinck, jetzt Frau Landdrostin von Bar, kam in der Woche nach Ostern zu Besuch. Bei der Austeilung des Roggendeputats im Mai nahmen die Mägde der abwesenden Schwestern von Haren und von Magdalena von Dorgelo, Catharina und Dorothea, das Korn in Empfang. Während des gesamten Sommers 1638 blieb Börstel bedroht. Nachts waren Kundschafter unterwegs, die in Löningen, Lingen, Haselünne, Ankum, Fürstenau, Wettrup und Lengerich das Kriegsgeschehen auskundschafteten. Anfang September brachte der alte Bäcker Everd die Nachricht aus Lengerich, dass schwedische Truppen im Aufbruch seien. Gertrud von Althaus und Elisabeth Kerstapel suchten daraufhin erneut die sichernden Mauern des Rittergutes Lonne auf. Dort erschienen in der Nacht zum 18. September zwei Boten mit der Mitteilung, dass schwedische Truppen erneut in Börstel stünden. Die Lage entspannte sich erst im November, als kaiserliche Truppen die Stadt Vechta zurückeroberten. Die beiden Frauen wagten die Rückkehr nach Börstel, ließen sich jedoch 159 ASB 1.7.1.92. (1636/37) 14v Den 12ten Novembris auch für etzliche masse weins, so mit juffer Annen Althauß verdruncken, in alles beleuffet zue 2 rt. 160 ASB 1.7.1.92. (1636/37) 14v Den 20ten Novembris herrn generallmajor Redewin für die schrifftliche salvaguarda insampt neben uncosten, so zur Vechta außgeben, 158 rt. 73

3. Teil: Mühsal und Not während des Dreißigjährigen Krieges

von dem Drosten zu Fürstenau für vier Reichstaler eine bischöfliche Schutzwache stellen. Erstmals nach eineinhalb Jahren kamen zu Weihnachten Margareta von Haren und Magdalena von Dorgelo zurück nach Börstel. Da Margareta zunächst in Börstel blieb, fragte man im Februar 1639 durch einen Boten in Haselünne an, ob ausreichend Erbsen für die Fastenspeise der Äbtissin und von zwei Jungfern vorhanden seien. Am 20. Februar kaufte der Diener für vier Reichstaler eine Tonne Salz in Löningen. Am 25. März wurden 80 Pfund Stockfisch, vier Liter Baumöl und eineinhalb Scheffel Erbsen aus Haselünne geliefert, wofür siebeneinhalb Reichstaler zu bezahlen waren. Und wieder drohte Kriegsgefahr, diesmal durch die Regimenter des schwedischen Generals Hans Christoph Graf von Königsmarck, so dass sich Äbtissin, Seniorin und Siegeljungfer am 30. April 1639 zum fünften Mal auf Burg Lonne in Sicherheit brachten. Erst nachdem sie im Mai von dem Kommandanten in Osnabrück erneut einen Schutzbrief erwirkt hatten, kehrten die zwei Dignitäten ohne Margareta von Haren nach Börstel zurück. Zur Rechnungsabnahme im Oktober 1639 und zum Osterfest 1640 waren Margareta von Haren und Magdalena von Dorgelo, nicht jedoch Lucretia, anwesend. Zu den wenigen Besuchern zählten im Oktober 1639 und im Mai 1640 die Schwester der Äbtissin, Anne von Althaus aus Witmarschen, und Junker Rütger Voß zum Rodenberg. Dennoch versuchte man die Traditionen zu wahren und schenkte den drei anwesenden Jungfern zu Pfingsten 1640 sechs Kannen Wein aus. Auch die folgenden Jahre ließen keine regelmäßigen Aufenthalte der Stiftsjungfern in Börstel zu. Zwar waren Ende des Jahres 1641 in Hamburg vorläufige Friedensbestimmungen getroffen und Osnabrück und Münster zu Kongressorten bestimmt worden, doch erst im Herbst 1643 kamen die schwedischen und kaiserlichen Gesandten in Osnabrück zusammen. Bischof Franz Wilhelm, der nicht nur für seine Diözesen Osnabrück, Verden und Minden, sondern auch als Bevollmächtigter des Kurfürsten-Kollegiums beteiligt war, traf erst im November 1644 in Münster ein. 74

5. Flucht nach Lingen

Lucretia hielt sich seit November 1637 fern von Börstel vermutlich bei ihrer Familie auf Hopen auf. Ihre Angelegenheiten in Börstel regelte derweil ihr Bruder Heinrich, der sich im April 1639 das Opferund Paschegeld seiner Schwester für die Jahre 1638 und 1639 in Höhe von acht Reichstalern auszahlen ließ.161 Ende Mai holte er den beiden Schwestern zustehenden Roggen ab, insgesamt vier Molt elf Scheffel. Erst am 13. Oktober 1640 kehrte Lucretia für vier Wochen nach Börstel zurück und unterzeichnete am 7. Dezember 1640 erstmals seit sieben Jahren gemeinsam mit den übrigen Stiftsjungfern die Rechnung. Inzwischen war Äbtissin von Althaus erkrankt. Sie wird mittlerweile etwa siebzig Jahre alt gewesen sein, von denen sie mehr als sechzig Jahre im Stift verbracht hatte. Die Aufregungen und Entbehrungen der schwedischen Besatzungszeit, während der sie das Stift getreulich bewacht und nur in größter Not verlassen hatte, müssen an ihren Kräften gezehrt haben. Am 28. Dezember – in den heiligen Weinachten tagen – erschien der ehemalige Amtmann Nicolaus Glandorf, jetzt Gerichtsschreiber in Fürstenau, um die Äbtissin, Ihr Ehrwürden in der kranckheit zu besuchen. Bereits am 3. November 1640 hatte sie in einem Schreiben an das Domkapitel wegen fortwährender leibßschwachheit um die Beiordnung einer Koadjutorin gebeten. In Anbetracht der von ihr geltend gemachten molestien, unruhe und überläuffs entsprach man umgehend ihrer Bitte.162 Stellvertreterin wurde Margareta von Haren.

161 ASB 1.7.1.94.(1638/39) 14 r Jungfer Lucretia von diesem und vorigen Jahre ihr opffergelt ist 8 Rt. 162 ASB 1.1.1.2. (1640 7./17. November) 75

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

1. Der Konflikt um Anna Maria Voss Trotz der unsicheren Verhältnisse hatte am 3. Dezember 1640 erstmals seit vielen Jahren eine neue junge Frau, Anna Maria Voß, Einzug in Börstel gehalten. Anna Maria war eine Tochter des Rütger Voß zum Rodenberg aus Münster und der Agnese von Althaus, der Tochter von Gertrud von Althaus’ Bruder Johann. Die Familie des Rütger Voß hatte ihren Sitz auf dem an der Emscher gelegenen Wasserschloss Rodenberg, heute Dortmund-Aplerbeck, seinerzeit zur Grafschaft Mark gehörig.163 Bereits 1631 hatte Gertrud von Althaus ihrer Großnichte eine Präbende in Aussicht gestellt, im April 1639 und im Mai 1640 war Junker Voß deswegen nach Börstel gekommen. 1641 trat Anna Maria ihr Schuljahr an, und im Verlauf des Jahres kam es zu ersten Unstimmigkeiten wegen der neuen Stiftsjungfer, aus denen im weiteren ein für Lucretia folgenreicher Streit mit dem Fürstbischof entbrannte. Während dieses Jahres führte Lucretia zunächst ihr unstetes Leben weiter. Im Februar besuchte sie ihren Cousin Heinrich von Schade auf

163 Die Burg, die 1290 von dem Ritter Diederich von dem Rodenberg bewohnt wurde, war seit 1422 im Besitz der Familie Voß zum Rodenberg. Vgl. Udo von Alvensleben, Rodenberg. 76

1. Der Konflikt um Anna Maria Voß

der Meppenburg.164 Im Mai hielt sie sich für zwei Wochen bei ihrer Schwester Anna Catharina von Beesten auf Schloss Dankern auf. Zurück in Börstel, siegelte sie am 14. Juli gemeinsam mit Äbtissin, Seniorin und ihrer Schwester eine Obligation.165 Den September verbrachte sie auf Hopen und kehrte am 12. Oktober zur Kirchmesse zurück. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Rütger Voß weder die Statutengelder für Anna Maria gezahlt, noch den Nachweis der adligen Abstammung vorgelegt, weshalb der Konvent seiner Tochter die weitere Teilnahme am Schulunterricht verweigerte. Jungfer Voß reiste daraufhin in Begleitung des Gerichtsschreibers Nicolaus Glandorf nach Münster zu ihren Eltern, die am 10. November durch den Gerichtsschreiber offiziellen Protest gegen die Ausgrenzung ihrer Tochter bei Äbtissin von Althaus einlegen ließen. Rütger Voß – so heißt es in dem Schriftstück – habe sich beklagt, dass einige Kapitularjungfern seine Tochter nicht als Mitglied des Kapitels anerkennen wollten, bevor diese ihre adligen Wappen vorgelegt habe.166 Zweifel bestünden besonders an der adligen Abstammung von Seiten des Vaters. Diese – so Voß – seien jedoch leicht zu widerlegen denn auch die Geschwister Anna Marias seien in adligen Stiften aufgenommen worden. Seine bisherige Weigerung, die Wappen zu präsentieren, erklärte Voß damit, keine bislang unbekannten Neuerungen im Kapitel einführen zu wollen. Wie schon oben dargelegt, war es bislang Usus gewesen, die adlige Herkunft einer angehenden Stiftsjungfer durch die Präsentation der vier großelterlichen Wappen auf den Stuhlkissen zu dokumentieren. Gegen die Herkunft der Mutter Anna Marias aus der Familie der Äbtissin von Althaus bestanden selbstverständlich keine Einwände. Anders scheint es sich bei Rütger Voß zum Rodenberg verhalten zu haben, dessen aus einer auswärtigen Region, der Grafschaft Mark, stammende 164 Heinrich von Schade zu Meppenburg war ein Sohn des Bruders ihrer Mutter Heinrich von Schade (†1626) und der Anna von Meppen. Vom Bruch, Emsland, S. 67. 165 ASB 1.4.3.1. S. 119r. 166 ASB 1.1.2.3. hier auch die folgenden Zitate. 77

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

Familie im Stift wohl unbekannt war. Vermutlich hatten die zweifelnden Kapitularjungfern – wie sie jetzt genannt werden – darüber einen schriftlichen Nachweis gefordert. Ein solches Zeugnis war nicht nötig, solange eine neue Stiftsjungfer aus dem Niederstift Münster oder dem Osnabrücker Hochstift stammte, deren Familien im Stift bekannt waren. Zu Recht empfand Voß daher die formelle Darlegung seiner adligen Herkunft als eine bisher nicht üblich gewesene Neuerung. Dieser Meinung schloss sich auch Gertrud von Althaus an, denn sie betonte gegenüber dem Konvent, dass die Wappenvorlage unserm bißhero erlebten gebrauch zuwieder sei. Gleichwohl habe sich Voß bereit erklärt, aus freien Stücken die Wappen nachzuweisen. Gerichtsschreiber Glandorf erinnerte zudem daran, dass die Konventualinnen die Verleihung der Präbende an Anna Maria Voß eigenhändig unterschrieben und bestätigt hätten. Sollten sie sich nicht an diese Zusage halten, würde die Angelegenheit dem Bischof vorgetragen und diesem darüber hinaus mitgeteilt, dass Junker Voß den Verdacht hege, die Ursache der Ablehnung sei in der Religion zu suchen – dass es wegen der religion eine ursache nehme. Diese Einlassung macht einen weiteren Grund der Ablehnung Anna Marias deutlich, der nicht nur in der umstrittenen adligen Herkunft zu suchen ist, sondern offensichtlich auch in der katholischen Konfession der Schuljungfer. Zu diesem Zeitpunkt war in Börstel nur noch die Seniorin Elisabeth Kerstapel katholisch, Äbtissin von Althaus, die Schwestern von Haren und Magdalena von Dorgelo waren lutherisch. Mit Schreiben vom 2. Dezember 1641 machte Rütger Voß nun persönlich seiner Empörung darüber Luft, dass seiner Tochter die Teilnahme an der geistlichen schulen nicht gestattet werden solle. Seit ihrer Einführung habe Anna Maria täglich am Chorgebet teilgenommen – bei thaglicher frequentation gemelten chorganges – und somit alle Pflichten einer zukünftigen Kapitularjungfer erfüllt. Besonders erbost zeigte er sich über die Verpflichtung zum Nachweis seiner Ahnen und über die damit verbundenen Zweifel an der adligen Herkunft seiner Familie. Wenn er wieder altes herkommen zum Nachweis seines Adels gezwungen werde, so erwarte er, dass auch die bereits zuvor Aufgenommenen 78

1. Der Konflikt um Anna Maria Voß

wie auch die zukünftig Aufzunehmenden einen solchen Nachweis erbrächten. Umgehend – so verlangte er – solle Anna Maria wieder zum geistlichen Unterricht zugelassen und den anderen Stiftsjungfern gleichgestellt werden. Danach würde er die Übersendung der Statutengelder veranlassen, im widrigen Falle aber Rechtsmittel einlegen, um den Anspruch seiner Tochter durchzusetzen. Als Hintergrund des Streites wird deutlich, dass es hier um eine Fixierung von Gebräuchen ging, die zwar bisher beachtet wurden, jedoch noch keinen formellen Rahmen gefunden hatten. Üblich war es zwar gewesen die 4-Ahnen-Probe aller Bewerberinnen vorauszusetzen, dies allerdings nur in stillschweigender Übereinkunft innerhalb des Konvents. Für die nachreformatorische Lebenswirklichkeit in Börstel ist dieser Brief darüber hinaus noch in mehrfacher Hinsicht von Interesse. Zum einen gibt er signifikante Hinweise auf den Schulunterricht der angehenden Kapitularjungfern und zum anderen auf die, auch im evangelischen Stift weiterhin bestehende Verpflichtung zum täglichen Chorgebet. In ihrer Antwort vom 7. Dezember an Voß weist Äbtissin von Althaus darauf hin, dass es besonders zwei Jungfern seien, die an der Eignung seiner Tochter als geistliche Schülerin zweifelten. Während einige Frauen seiner Bitte gern nachkommen würden (zweifelsohne sie selbst und die Seniorin), so hege vor allem Lucretia von Haren Zweifel am Wahrheitsgehalt der Darlegungen Anna Marias in der Abstammungsfrage, die erst ausgeräumt werden müssten. Wegen der Zuspitzung des Streits forderte sie Lucretia und Magdalena von Dorgelo am 29. Dezember auf, nach Börstel zurückzukehren, um über die Zulassung zum Chorgang der Jungfer Voß – wegen admission chori juffern Voßes – zu beraten.167 Lucretia und Magdalena von Dorgelo kamen der Aufforderung jedoch nicht nach, sondern kehrten erst zu Ostern 1642 zur Unterzeichnung der Stiftsrechnung zurück.168 Die Frage der Aufnahme von Anna 167 ASB 1.7.1.98. (1641/42) 16v. 168 ASB 1.7.1.97. 1640/41) 18v. 79

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

Maria Voß blieb zunächst ungelöst. Am 14. Juni reisten die Schwestern von Haren nach Venhausen bei Lingen zur Beerdigung des am 9. Juni verstorbenen Karl Viktor von Ripperda169 und ließen sich erst am 11. Juli mit der Kutsche der Ripperdas nach Börstel zurückfahren. In den nun folgenden Wochen scheint der Konvent den Konflikt um Anna Maria Voß ausführlich beraten und eine für die Zukunft richtungweisende Entscheidung getroffen zu haben. Wohl auf Betreiben der drei lutherischen Stiftsjungfern wurden neue Statuten formuliert, die für die Zukunft den erweiterten adligen Status des Stifts vorschrieben. Kenntnis über das neue Reglement vermittelt ein Registereintrag vom 17. Dezember 1642, nach dem das Stift für eine Abschrift dieser Artikel sowie die Anerkennung und Besiegelung durch das Domkapitel und Vertreter des Adels drei Schilling zahlte: Den 17. Decembris fur abschrifft der articulen, so vom thumbcapitull und ettelleuthen unterschrieben und placidiret, geben 3 ß.170 Inhalt der Statuten war die Verpflichtung zur adligen Ahnenprobe, nach der fortan nur noch Frauen mit sechzehn adligen Vorfahren Aufnahme in das Kapitel – wie es jetzt heißt – finden sollten. Dieses Regulativ wurde in den erhaltenen Staututen von 1674 bekräftigt.171 Bereits das Rechnungsregister des Jahres 1642/43 wird erstmalig – und fortan alle weiteren – unter der Bezeichnung „adliges Stift Börstel“ geführt.172 Währenddessen hatte Rütger Voß seine Klage dem Bischof vortragen lassen, und der dabei von Glandorf artikulierte Verdacht, Lucretia von Haren nehme Anstoß an der Religionszugehörigkeit der neuen 169 Ripperda war mit Lucretias Cousine Petronella von Schade zu Ihorst, der Tochter des Bruders ihrer Mutter, Otto, verheiratet. Das Begräbnis fand in der Kirche zu Plantlünne statt. Das Geschlecht von Ripperda, ein ursprünglich friesisches Häuptlingsgeschlecht aus der Gegend von Groningen, saß seit 1570 auf Haus Venhaus, das von Karl Victor von Ripperda 1632 neu erbaut wurde. Vom Bruch, Emsland, S. 137–139. 170 ASB 1.7.1.99. (1642/43) 4r. 171 ASB 1.2.1.1. 172 ASB 1.7.1.99. (1642/43) Titelblatt: Rechnungh der Einnahme und Außgabe Geldes des adelichn Stiffts Börstell de anno 1642. 80

1. Der Konflikt um Anna Maria Voß

Mitschwester, ließ den Landesfürsten umgehend tätig werden. Im April 1643 beauftragte er den Drosten zu Fürstenau, Koboldt von Tambach, den Konflikt um Jungfer Voß zu klären, woraufhin dieser zweimal den Rentmeister und den Gerichtsschreiber nach Börstel entsandte.173 Da offensichtlich keine Einigung zu erzielen war, befahl Franz Wilhelm nun, Lucretia von Haren die Präbende aufzukündigen, das hieß, ihr das Wohnrecht in Börstel und die damit verbundenen Einkünfte zu entziehen. Diesen Befehl ignorierte Lucretia jedoch zunächst. Derweil bezahlte Rütger Voß am 28. Oktober 1643 die Statutengelder für seine Tochter in Höhe von 30 Reichstalern, und am 30. Oktober 1643 fand mit knapp zwei Jahren Verzögerung die Investition Anna Marias statt.174 Um der Einführung nicht beiwohnen zu müssen, reiste Lucretia am 26. Oktober nach Emden.175 Im Dezember kehrte sie zurück und nahm ihr Opfergeld und den Paschetaler in Höhe von vier Talern in Empfang. Danach verließ sie Börstel erneut und ließ sich in der Folgezeit den ihr zustehenden Roggen durch eine militärische Patrouille liefern.176 Im Februar 1644 fand sie sich jedoch erneut in Börstel ein, und nun erreichte der Streit seinen Höhepunkt. Eine Auseinandersetzung mit Anna Maria führte offensichtlich zu Handgreiflichkeiten, denn diese beschwerte sich bei dem Drosten zu Fürstenau, Lucretia habe ihr einen blutigen Kopf geschlagen. Daraufhin erschien für einige Tage der Bruder Anna Marias in Börstel, um den Streit zu schlichten. Offensichtlich blieb er erfolglos, denn Ende Februar kehrte Anna Maria dem Stift den Rücken. Lucretia blieb dagegen in Börstel. 173 ASB 1.7.1.99. (1642/43) 9r Den 12. Aprilis der herr rentemeister und gerichtsschreiber, ex commissione des herrn drosten, wegen junffer Voß alhir angelanget. Und übermahls wegen selbiger sachen, folgenden vierten tagh auff mittwochen, den 15. huius, wieder kommen und pernoctiret in sambt deren pferden. 174 ASB 1.7.1.100. (1643/44) 2v Junffer Anna Maria Voß ist ahm 30. Octobris investiiret. 175 ASB 1.7.1.99. (1642/43) 5r J. Lucretia von Haren, auff sambstagh den 26. Octobris nach Embden vereiset. 176 ASB 1.7.1.100. (1643/44) 3r Junffer Lucretia ist heut (19. Dec.) verreist und hat durch prathillen empfangen laßen 4 scheffel. 81

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

Mittlerweile war Bischof Franz Wilhelm gleich nach Neujahr 1644 von Köln aus mit einem Umweg über das Stift Paderborn in sein Bistum Osnabrück gereist. Nach Besuchen in Reckenberg und Wiedenbrück hielt er im Juli 1644 eine Kirchenvisitation in Fürstenau, um die Verhältnisse im Pfarr-, Kirchen- und Schulwesen zu untersuchen.177 Missstände werden aus seiner Anweisung deutlich, die Unverletzlichkeit der kirchlichen Orte zu wahren und vor allem das Bierausschenken auf den Kirchhöfen zu unterbinden. Den Beamten zu Fürstenau untersagte er außerdem jegliche Einmischung in kirchliche Angelegenheiten. Gegenstand seiner Untersuchungen waren auch die Klöster Rulle und Bersenbrück, deren Äbtissinnen er die bessere Versorgung ihrer Pastoren aufgab. Nachrichten über einen Besuch in Börstel lassen sich weder seinen eigenen spärlichen Notizen, noch den Rechnungsregistern des Stifts entnehmen. Doch muss Franz Wilhelm zu Ohren gekommen sein, dass sich Lucretia weiterhin in Börstel aufhielt, was er zum Anlass nahm, Lucretia erneut nachdrücklich ihre Präbende aufzukündigen. Eine schriftliche Anweisung liegt nicht vor, jedoch wurden die Gebühren für die Ausfertigung des Befehls in den Registern festgehalten: Vermuege Juffern L W von Haren übergebener designation 1 Rt. 11 ß 6d.178 Noch bis zum 10. September 1644 bezog Lucretia ihr Roggendeputat, schrieb dann aber am 27. September an ihren Anwalt, dass ihre Einkünfte aus Börstel nunmehr unwiderruflich vom Bischof beschlagnahmt worden seien: unterdessen aber mir meine stiffts intraden zum Borstell notorie und ohnleugbahr von hr. Bischoff Fr. W. verarrestiret sind.179 Danach verließ sie Börstel endgültig und versuchte aus der Ferne ihre Rehabilitation und die Rückkehr in das Stift zu erreichen. Dass der Bischof ernst machte mit seiner Drohung, hatte Lucretia wohl nicht erwarten können. Dennoch verwundert ihre Hartnäckigkeit in der Ablehnung der Anna Maria Voß. Für sie ging es sowohl um die Wahrung ihrer eigenen adligen und konfessionellen Identität, als 177 Bernhard Anton Goldschmidt, Lebensgeschichte, S. 121. 178 ASB 1.7.1.100. (1643/44) 7v. 179 StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1644 27. Sept.). 82

2. Bruch mit der Familie

auch um das künftige Profil des Stifts. Börstel sollte ein Ort für die Töchter adliger Familien von nachzuweisendem alten Geschlecht bleiben. Und es sollten, wie in der Wahlkapitulation der Äbtissin formuliert, keine Änderungen in der Religion vorgenommen werden. Das galt vor allem für die neu aufzunehmenden Kapitularjungfern. Dass Äbtissin von Althaus sich in dieser Frage nicht auf ihre Seite stellen konnte, lag an ihrer verwandtschaftlichen Verflechtung mit der Familie Voß. Für Bischof Franz Wilhelm wiederum war der Konflikt ein Präzedenzfall, mit dem er seine eigenen Machtansprüche gegenüber dem Stift deutlich machen konnte. Dies mit umso größerer Vehemenz, als er die Möglichkeit sah, seine konfessionellen Vorstellungen zu verwirklichen.

2. Bruch mit der Familie Für Lucretia stellte sich nun die Frage des Überlebens. Die Einnahmen aus ihrer Präbende waren gestrichen, und eine adlige Dame wie Lucretia hatte keine Möglichkeiten, ihren standesgemäßen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Selbst einen eigenen Haushalt konnte sie nicht führen, da diese Möglichkeit in der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft an den „Besitz von Land oder Haus sowie an Vermögen gebunden war“.180 Frauen aber waren in der frühneuzeitlichen Gesellschaft von einer Erbschaft an Grund und Boden ausgeschlossen. Dies zeigte der Erbvertrag von 1618, der allein den Söhnen der Familie von Haren die Übernahme des Erbes an Land und Hausbesitz ermöglicht, die Töchter dagegen mit finanziellen Mitteln für eine standesgemäße Lebenshaltung ausgesteuert hatte. Und auch über ihr Vermögen konnte Lucretia nicht individuell verfügen, da dieses als Rente in den elterlichen Gütern stand und nur in Absprache mit der Familie ausgezahlt werden konnte. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, war Lucretia also auf das Wohlwollen ihrer Familie angewiesen Und nun tat sich ein zweiter Konflikt auf. Nicht nur, dass ihr das in der causa Voß gespalte180 Wunder, Herrschaft und öffentliches Handeln, S. 31f. 83

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

ne Kapitel keine Hilfe in der Auseinandersetzung mit dem Bischof war, auch ihre Familie weigerte sich, sie finanziell zu unterstützen. Von ihren fünf Brüdern lebte nur noch Heinrich mit seiner Frau Anna Sophie und acht Kindern auf Hopen, wo auch Lucretias Mutter ihre Wohnung hatte. Der Bruder Johann zu Laer war 1634 verstorben, und seine Witwe Gertrud hatte 1637 Johann Heinrich Voß zum Dieck geheiratet. Bereits 1634 hatte Margarethe von Haren ihre soeben Witwe gewordene Schwiegertochter Gertrud gebeten, Lucretia aus dem Erbe des Johann 110 Reichstaler auszuzahlen.181 Auch Lucretia selbst war 1634 deshalb nach Oldenburg gefahren, aber offensichtlich erfolglos geblieben. Im September 1641 hatte sie ihre Schwägerin erneut schriftlich um die Auszahlung eines Teils der ihr aus dem Gut Laer zustehenden Rente gebeten. Nachdem ihr zu Ohren gekommen sei, dass Gertrud derzeit Rentenzahlungen aus ihrem Brautschatz beziehe, sie mithin über Barmittel verfüge, bat sie um die Übersendung der ihr zustehenden Zinsen aus Gut Laer an die Schwester Anna Catharina von Beesten, bei der sie sich zu diesem Zeitpunkt aufhielt: das ych och geren eyn weyneych (wenig) geldes von meynen nach stheenden rendtten hette.182 (Abb. 17) Überlebenswichtig wurde die Geldzahlung im Jahr 1644 nach dem Verlust ihrer Präbende. Bereits im Frühjahr reiste Lucretia mehrfach nach Hopen und drängte ihren Bruder Heinrich und die Schwägerin auf Laer zur Auszahlung ihrer „kindlichen Filialquoten“ aus dem väterlichen Erbe. Im Erbvertrag von 1618 war festgesetzt worden, dass ihr, Margareta und ihren zwei damals unverheirateten Schwestern die Zinsen des ihnen verschriebenen Brautschatzes von je 2.000 Reichstalern zustünden. Auch ihre Schwester Margareta bemühte sich um Vermittlung und suchte ihren Bruder auf Hopen und Junker Johann Heinrich Voß auf Laer auf. Lucretia verlangte außerdem einen Anteil aus dem Erbe ihrer Brüder Adam und Herbord, denen das Haus Rabingen zugefallen war, in Höhe von 500 Reichstalern. Beide Brüder waren ohne Nachkommen 181 StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1638 29. März). 182 StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1641 23. Sept.). 84

2. Bruch mit der Familie

im Kriegsdienst gefallen, und Lucretia sah sich und ihre Schwestern als deren rechtmäßige Erben an. Aus dem Briefwechsel der Junker Haren und Voß vom Mai wird deutlich, dass Elisabeth von Frydag in Emden und Margareta von Haren in Börstel auf Anteile aus dem Erbe der gefallenen Brüder verzichtet, die Schwestern von Heede und von Beesten jedoch pro memoria 200 bzw. 100 Reichstaler bekommen hatten. Heinrich von Haren bemerkt gegenüber Johann Heinrich Voß zum Begehren seiner Schwester Lucretia nicht gerade freundlich, dass man ihr wohl wie den anderen Schwestern eine Kleinigkeit geben müsse, um sie los zu werden: mues man ihr geleich den andern eine ehrkentnuß geben, damit man ihrer loes wirt. Diesen Handel will er durch gute Freunde bewirken, den ich für dißmal nicht eben so woll mit ihr stehe.183 Um ihre Forderung gegenüber Bruder und Schwager auf Auszahlung der Zinsen aus ihrem Brautschatz durchzusetzen, schaltete Lucretia im August 1644 den Osnabrücker Regierungsrat Rudolf Abecker ein.184 In ihrer Stellungnahme beklagt sie, dass ihr zwar 1.000 Reichstaler gezahlt, die restlichen 1.000 Reichstaler aus ihrer filialquote aber seit geraumer Zeit nicht mehr verzinst worden seien. Da ihr der Bischof ihre Einkünfte aus dem Stift Börstel entzogen habe, benötige sie zu ihrem adligen Unterhalt dringend ihre im Hause Laer stehenden Filialquoten. Heinrich von Haren erkannte ihre Ansprüche aus den väterlichen Gütern zwar an, beruft sich jedoch im Schreiben an Voß vom September darauf, dass dieselben aber durch diß jegenwertige kriegswesen also in abgangk kommen, daß darauß ein solches unmuglich praestirt (geleistet) werden konnte. Dennoch sieht er ein, dass er seiner Schwester ein weinigh außzahlen lassen muss, da – wie er sich ausdrückt – der teuffel der unruhe sie ghar reitet, dem gantzen geschlecht und familien zu grossen despect. Er hofft, dass sie wieder zu sich selbst komme. Sie habe fürs erste mit dem Bischof von Osnabrück genug zu tun, der sie des Stifts verwiesen habe, so dass zu hoffen sei, sie solle unser […] vergessen.185 183 StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1644 15. Mai). 184 StAOs Dep 69 b, Nr. 325 (1644 16. August). 185 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 24. Sept.). 85

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

Lucretia allerdings vergisst nicht, sondern beauftragt ihren Anwalt, vor Gericht zu klagen, weile sie in guete nichts erhalten konen, und sie mit schweren lasten alhir daruff warte.186 Die Regierungskanzlei in Osnabrück setzte Heinrich Voß daraufhin eine vierzehntägige Frist zur Liquidation. Voß weiß jedoch im Oktober alle Vorwürfe zu entkräften und verlangt Aufschub bis zur Beibringung der Quittung über die von der Familie bereits an Lucretia ausgezahlten 1.000 Reichstaler. Unterstützt wird er durch Heinrich von Haren, der seinerseits in einem Entwurf an die Regierungskanzlei ausführt, er habe seinen Schwestern klar gemacht, dass sie aufgrund der von den Gütern seit 1618 zu tragenden Kriegslasten keine Zinszahlungen zu erwarten hätten: Weilen eben im folgenden jahr nach auffgerichteten vertrage der krieg in Deudtschland völlig angangen, dahero die vätterlichen gütter allgemach also in abgang gekommen, […] Es sein also die schwester die ruin derselben und kriegsschaden eben so woll von rechtens wegen zu tragen schuldig, alß die erbnemmende bruder.187 Mit anderen Worten, die Schwestern könnten nicht nur an den Einkünften aus den Gütern teilhaben, sondern müssten auch die Belastungen mittragen. Ein Blick auf die Einkünfte ihrer Schwester Margareta zeigt allerdings, wie sehr Lucretia in der Auseinandersetzung mit Bruder und Schwager abgestraft wurde. Margaretas ebenfalls auf den Laerschen Gütern stehende filial aussteur von 1.000 Reichstalern wurde ihr laut Obligation vom 31. März 1644 mit 60 Reichstalern jährlich verzinst und als Sicherheit das Gut Rablingen, das jährlich 80 Reichstaler abwarf, verschrieben.188 Hinsichtlich der Forderungen aus dem Erbteil der Brüder äußerte Heinrich, wan clegerinne keinen gudtlichen abstant tuhen (sich nicht freiwillig zufrieden geben) will, wirt man es ihr woll geben mußen. Jedoch solle sie keinesfalls mehr als 200 Reichstaler bekommen, denn wenn meine schwester alles ohne muhe frey genießen will, so trage sie auch

186 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 27. Sept.). 187 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 o. Dat.). 188 StAOs: Dep 69 b, Nr. 323 (1644 31. März). 86

2. Bruch mit der Familie

pro quota den kriegs schaden mit.189 Auch dieser Erbanspruch sollte also um den entstandenen Kriegsschaden reduziert werden. Obwohl Lucretia in dem Regierungsrat Rudolf Abecker einen Anwalt gefunden hatte, der ihre Klage vor der Regierungskanzlei vertrat, war sie letztlich doch vom Wohlwollen der männlichen Mitglieder ihrer Familie abhängig. Und deren Einschätzung von Lucretias Konflikt mit dem Bischof ging dahin, ihr die alleinige Schuld zuzuweisen. Die Beweggründe Lucretias wurden nicht hinterfragt. Würde sie sich wie eine wohlerzogene geistliche Kapitularjungfer verhalten haben, hätte sie jetzt nicht als Konsequenz die Ausweisung aus dem Stift zu tragen. Bruder Heinrich lässt verlauten: Da man auch mit seinen mitcanonissinnen schwester- und einiglichen, wie geistlichen junfern gepuhret, gelebt hätte, hette man sich keines exilii zu beklagen. Dazu gehöre es selbstverständlich auch, der landßfürstlichen obrigkeit gepuerlichen respect zu betzeigen. Das ganze Ungemach sei nicht nötig gewesen, da die Eltern ihrer Tochter eine Präbende im Stift gekauft hätten, von der sie Zeit ihres Lebens gut hätte leben können: sintemahl clegerinne von meinen eltern genugsam versehen ist und zu leben hatt, und weil ihr die gekauffte praebenda in ihrer filialquoten nit einmahl angerechnet, welches sie billig beobachten solte. Sie aber wolle alles mit storrigem kopffe durchteilen.190 Heinrich von Voß antwortet daraufhin lakonisch: es ist ein wunder handel in der welt: wegen einer schwester hadt man trawricheit ihres tots, von der andern widerwertigkeit ihres lebens halber.191 Mit diesen Worten bezieht er sich auf den Tod Elisabeth von Frydags in Emden, von dem die Familie im November 1644 erfahren hatte. Ganz offensichtlich nahm die gesamt Familie Anteil an Lucretias Schicksal. Mutter, Bruder und Schwestern – schreibt Heinrich an Voß – hätten beweglich genuch an sie gesuchet, die Streitigkeiten zu beenden, sie habe jedoch wedder mutterlich noch bruder- und schwesterliche gepurliche ehrinnerungh zur Kenntnis genommen. Heinrich dazu: So sehe 189 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 o. Dat.). 190 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 o. Dat.). 191 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 18. Nov.). 87

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

ich nicht wie ihr storriger kopff anders gebeuget werden könne, dan daß man ihr tisputerens mude mache, damit sie entlich zu sich selbst kommen muge.192 Vor allem von der Mutter heißt es, dass sie in höchster betrubnuß und traurigkeit […] mit iegenwertigen meiner schwester proceduren übel zu finden ist.193 Gut vorstellbar ist es, wie sehr sich die betagte Mutter über das Gebaren ihrer Tochter grämte, das so gar nicht mit den mütterlichen Vorstellungen vom standesgemäßen Verhalten einer adligen Stiftsjungfer zu vereinbaren war. Unter diesem Zerwürfnis litt auch Lucretia, denn vereinzelte Bemerkungen in ihren Briefen verweisen auf eine enge emotionale Beziehung zu ihrer Mutter. Von deren Besuchen in Börstel war schon die Rede. Im Gegenzug hatten auch Lucretia und Margareta während der Kriegsjahre immer wieder Zuflucht auf Hopen gesucht. Im Erbvertrag war vereinbart worden, dass Margarethe bei einer der beiden Töchter wohnen sollte, falls diese sich aus dem Stift heraus verheirateten. Auch in der nach ihrer Ausweisung aus Börstel mit Amtmann Conrad Busch geführten Korrespondenz erkundigte sich Lucretia nach dem Befinden ihrer erkrankten Mutter, um die sie offensichtlich in großer Sorge war. Ihre von ihrem Bruder monierte „Starrköpfigkeit“ in der Auseinandersetzung mit dem Landesherrn hatte zur Folge, dass Lucretia am Ende zwischen allen Stühlen saß. Im Stift fand sie aus Sorge vor Repressalien des Bischofs in der Endphase des Dreißigjährigen Krieges, als das Überleben und der konfessionelle Status der Einrichtung noch keineswegs gesichert war, keine Unterstützung. Mutter und Schwestern litten unter der Schande, die über das „alte Geschlecht“ der Familie gebracht worden war. Wie ein Lauffeuer wird ein solches Ereignis die Runde in den Adelsfamilien des Niederstifts gemacht und die Reputation des Namens von Haren bedroht haben. Für Bruder und Schwager schließlich standen die wirtschaftliche Situation der Güter und die Sicherheit des eigenen Auskommens an erster Stelle. Leicht ließen sich vertragliche Zusagen mit Verweis auf die durch Kriegslas192 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 13. Nov.). 193 StAOs: Dep 69 b, Nr. 325 (1644 o. Dat.). 88

3. Bemühungen um Rehabilitation

ten geschädigten Güter und deren drohende Zahlungsunfähigkeit vom Tisch wischen. Das nach ihrer Ansicht gravierende Fehlverhalten der Schwester wurde daher mit dem Einbehalt des Erbteils sanktioniert.

3. Bemühungen um Rehabilitation Nach ihrer Ausweisung aus Börstel und der von ihrem Bruder verweigerten Hilfeleistung zog sich Lucretia im September 1644 nach Emden zurück. Als jedoch Anna Maria Voß im Oktober nach Börstel zurückkehrte,194 reiste auch Lucretia noch einmal zu einem Treffen mit ihr an. Bei dem Gespräch, das im Beisein des Börsteler Pächters Johann Sievers stattfand, versprach Anna Maria, aus der Stiftsschule auszutreten und sich keiner geistlikeit alda ahnzumaßen.195 Auch gelobte sie eidlich, die Ungelegenheiten, in die Lucretia ihretwegen geraten war, wieder ins Reine zu bringen. Zurück in Emden forderte Lucretia sie mit Schreiben vom 8./18. Dezember auf, ihr Wort einzulösen und ihr das Versprochene schriftlich zu bestätigen. Entsprechend den protestantischen Gepflogenheiten arbeitete Lucretia mit dem doppelten Datum, was die Kommunikation erheblich beeinträchtigte.196 In einem zweiten Brief bat sie Amtmann Conrad Busch, zu ihr nach Emden zu kommen, um dort die Verzichtserklärung aufzusetzen und diese dann von Anna 194 ASB 1.7.1.101. (1644/45) 2r Junffer Voß hebet wieder an des 15. und 22. Octobris 1 schefffel. 195 ASB 1.1.2.3. hier auch die folgenden Zitate. 196 Papst Gregor XIII. hatte durch die Bulle vom 24. Februar 1582 einen neuen Kalender eingeführt, in dem ab dem 4. Oktober 1582 die zehn Tage übersprungen werden sollten, die der bislang geltende, astronomisch ungenaue Kalender Julius Caesars inzwischen vorangeeilt war. Im Hochstift Osnabrück hatte Bischof Eitel Friedrich den Gregorianischen Kalender am 16. November 1624 verbindlich eingeführt. Die Protestanten verweigerten bis 1700 die Anerkennung dieser allein kraft päpstlicher Autorität eingeführten Reform. Die Verdoppelung des Kalenders, besonders die der jeweiligen Feiertage, führte zu einer ungemeinen Erschwerung der Lebens- und Rechtsverhältnisse. Vgl. zu den Hintergründen der Kalenderreform Peter Aufgebauer, „Ein vielfaches Ärgernis in der Kirchen“. 89

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

Maria unterschreiben zu lassen. Weil aber in dießen landen vor die unbekandten ubell zu reisen ist, schreibt sie, wolle sie ihm den kommenden Freitag, am 13./23. Dezember, entgegenreisen und ihn morgens um 9 Uhr zu Wedde in den weißen winde (vermutlich ein Ort mit einem Gasthaus) erwarten. Wird er ihrer Aufforderung nachkommen, wird sie sich freuen, komme er nicht, würde sie sehr von ihm enttäuscht sein. Mit ihren Worten: Wirdt er es douen, daran geschickt mir ein sunderlich gefallen, doet er es aber nicht, das wirdt mihr hertzlich auf ihm verdrießen. Da das Schreiben Lucretias jedoch erst am 13./23. Dezember in Börstel durch einen Boten eintraf, wartete Lucretia vergeblich. In größtem Zorn ließ die streitbare Stiftsjungfer daraufhin am Silvestertag 1644 (bzw. am 10.1.1645) drei Expressbriefe an Gertrud von Althaus, Anna Maria Voß und den Drosten von Fürstenau aufsetzen. In dem an die Äbtissin gerichteten Schreiben hält sie dieser vor, für den Schimpf und Schaden, der ihr zugefügt worden sei, verantwortlich zu sein. Sie, Lucretia, habe eintzig und allein auff des stifftes uhralten löblichen gebräuchen, unterhalt und fortsetzungh gedrungen. Sie verlangte deshalb von der Äbtissin, innerhalb von acht Tagen zu reagieren und mit ihr in guetliche tractaten zu tretten. Im widrigen Fall wollte sie sich einen Rechtsbeistand suchen. Wenn dem Stift daraus Schaden entstünde, sei das nicht ihr, sondern allein Gertrud von Althaus zu verdanken. Zu diesem Zeitpunkt war die Erkrankung der Äbtissin allerdings schon so weit fortgeschritten, dass sie den Inhalt des Schreibens nicht mehr zur Kenntnis nehmen konnte. Conrad Busch sandte deshalb den Knecht Cord mit Kopien des Schreibens nach Hopen und Querlenburg.197 Doch weder Margareta von Haren als Stellvertreterin der Äbtissin, noch Magdalena von Dorgelo wollten sich zu dem Konflikt äußern und ließen zurückmelden, Busch möge die Originale der Schrei­ben dem Drosten in Fürstenau übergeben. Im Schreiben an Anna Maria Voß erinnerte Lucretia noch einmal daran, dass diese ihr am 6. Dezember eidlich erklärt habe, sie hätte nie197 ASB 1.7.1.101. (1644/45) 4r Beiners sohne nach Hopen und Querlenb. gesandt mit breven, so J. Lucretia Wolbergh auß Freißlandt 7ß. 90

3. Bemühungen um Rehabilitation

mals den Wunsch gehabt, im Stift Börstel eine geistliche Jungfer zu werden und wolle sich auch künftig nicht mehr als geistliche Schülerin betrachten – ins kunfftige einiger geistlichkeit sich im stifft alda anzumaßen. Erneut forderte sie von ihr, darüber stundlich und ohne weitere verzögerungh eine schriftliche Erklärung abzugeben. Andernfalls, so die Drohung, wolle sie die Verantwortung nicht tragen, wenn ihr oder ihren Verwandten einige ungelegenheit zustoßen würde. Anna Maria Voß hatte jedoch Börstel bereits wieder verlassen, denn am 21. Januar wurde sie bei der Roggenzuteilung nicht mehr berücksichtigt. Conrad Busch übersandte daher die beiden Briefe an den Drosten und an Anna Maria Voß per Boten nach Fürstenau, von wo sie jedoch am 13. Februar zurückgesandt wurden. Daraufhin stellte Busch den Brief an den Drosten persönlich zu. Das Schreiben an Anna Maria Voß ließ er bei Nicolaus Glandorf, der ihm versprach, dieses bei nächster Gelegenheit nach Münster mitzunehmen. Noch bevor Lucretia die Gründe für diese Verzögerungen bekannt geworden waren, erhielt Busch durch einen Boten des Vogts von Löningen am 22. Februar ein neuerliches Schreiben von ihr vom 29.1./8.2., in dem sie ihren gesamten Ärger an ihm ausließ. Zum einen beschuldigte sie Busch, den Brief an Anna Maria nach Münster nachgesandt zu haben, obwohl diese, wie sie erfahren habe, nicht nach Münster zu ihren Eltern gereist, sondern in Fürstenau geblieben sei, wo sie den Brief hätte empfangen können. Zum zweiten wollte sie die Krankheit der Äbtissin als Erklärung für deren Untätigkeit nicht akzeptieren, da solches nun einige jahre gewehret, welches keine entschuldigung gibt. Auch sollten die abwesenden Jungfern Margareta von Haren und Magdalena von Dorgelo nun endlich nach Börstel zurückkehren und die Angelegenheiten des Stifts regeln. Vehement forderte sie eine Empfangsbestätigung ihrer Briefe, wenn nicht durch die Äbtissin oder ihre Schwester, die ja deren Stellvertreterin sei, dann vertretungsweise durch ihn, Busch. Sollte diese nicht innerhalb von acht Tagen bei ihr eingehen, würde sie ihre Angelegenheit in andere Hände übergeben. Des Weiteren beauftragte sie Busch, sich von dem Drosten zu Fürstenau die Anklageschrift gegen sie aushän91

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

digen zu lassen und ihr diese auf ihre Kosten zuzusenden. Sie wolle endlich wissen, wer sie verklagt habe und weshalb sie angeklagt worden sei. Diese Anklage, mutmaßt sie, müsse wunderlich sein, dass man deshalb also scharff gegen sie prozessieren würde. In einer Nachbemerkung bittet sie um Nachricht über die Krankheit ihrer Mutter – mogte auch von meiner frau mutter kranckheit gerne verstendiget werden – und darum, die Magd Hylle nach Grafeld zu schicken, um sich dort ihr blaues Leinen aushändigen zu lassen und dieses bei nächster Gelegenheit nach Emden zu schicken. Am folgenden Tag sandte Busch Lucretias Schreiben lediglich mit seiner eigenen Empfangsbestätigung versehen an den Vogt zurück, da Margareta von Haren noch immer abwesend war, und die allein anwesende Elisabeth Kerstapel sich weigerte, irgendeine Verantwortung zu übernehmen: se gravabatum dare resolutionem vel consilium. Gleichzeitig teilte er Lucretia mit, dass der Drost ihm persönlich versichert habe, ihr bei nächster Gelegenheit die besagte Resolution nach Emden zu übersenden. Den Brief an Jungfer Voß habe er dem Fürstenauer Gerichtsschreiber übergeben müssen, da zur Zeit weder für Geld noch für sonst irgend etwas ein Bote nach Münster zu bekommen sei. Von ihrer Mutter habe er keine Nachricht, da ihre Schwester noch nicht wieder in Börstel sei und er auch nicht wisse, wann sie zurückkommen werde. Gegen ihr Misstrauen verwehrt er sich, maßen mihr is nicht nöhtigh, deßhalben Euer Wollehrwürdige Hochedelgeborene anders alß die warheit zu schreiben. Inzwischen hatte Lucretia mit einem auf der Festung Stickhausen bei Leer ansässigen Freund namens von Mommsen einen Fürsprecher in ihrer Angelegenheit gewonnen. Dieser wandte sich Anfang Januar 1645 ebenfalls mit der Bitte an Äbtissin und Kapitel, Lucretia ein entlastendes Schreiben auszustellen, mit dem sie gegenüber dem Bischof rehabilitiert werden könne: vermittels dessen selbige in integrum restituiret werde.198 Dazu solle Gertrud von Althaus einen Tag der Zusammenkunft festlegen, an dem die Sache ohne Verzug und auf friedliche Wei198 ASB 1.1.2.3. (1645 2. Januar). 92

3. Bemühungen um Rehabilitation

se beigelegt werden könne. Im widrigen Fall, so erneut die Drohung, dürfe sie sich über ihr entstehende Ungelegenheiten seitens der Freunde und Verwandten der Stiftsjungfer alß von vornehmen abkömbsten nicht wundern. Anfang Februar 1645 war auch bei von Mommsen noch keine Antwort eingegangen. Margareta von Haren wird es für ratsam gehalten haben, nicht in den Streit einzugreifen. Von Mommsen erneuerte daher seine Bitte und schlug einen fürstlichen Vergleich zwischen Lucretia und Anna Maria vor.199 Doch niemand scheint auf sein Insistieren reagiert zu haben. Die Verzweiflung Lucretias ist in ihren zahlreichen Schreiben mit Händen zu greifen. Da ist zum einen die Enttäuschung über die Unwahrhaftigkeit der Anna Maria Voß, die nicht zu ihrem Versprechen stand, sich aus Börstel zurückzuziehen und für Lucretias Rehabilitation zu sorgen. Da ist zum anderen der Zorn auf die Äbtissin und auf ihre Mitschwestern, die alle Verantwortung von sich wiesen und sich nicht einmischen wollten. Als besonders kränkend wird Lucretia empfunden haben, dass niemand in Börstel bereit war, sich auf ihre Seite zu schlagen, während sie selbst sich als Bewahrerin der alten und löblichen Gebräuche und Traditionen des Stifts empfand. Zum Dank für ihr Eintreten zugunsten des Stifts befand sie sich nun in exilio vel quasi, sozusagen im Exil. Erschüttert von der Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren war, lebte sie zudem in der Sorge um ihren dringend benötigten Lebensunterhalt. Immer wieder drohte sie daher mit dem Ungemach, das den Beteiligten zustoßen würde, wenn diese ihren Forderungen nicht nachkämen. Doch eine Reaktion blieb aus, Lucretia rannte gegen Wände. Auch Anna Maria Voß zog ihre Konsequenzen aus der verfahrenen Situation. Am 14. August erschien sie gemeinsam mit ihrem Vater in Börstel, woraufhin Conrad Busch umgehend zur Querlenburg ritt,200 199 ASB 1.1.2.3. (1645 4. Febr.) Ich will nicht verhoffen, das Euer Wohledelgeboren einem fürstlichen vergleich zwischen juffer Haren und juffer Voß abgeneigt sein werden. 200 ASB 1.7.1.101. (1644/45) 4v Nachr Quellenburgh gewesen, wegen juffer Voß, dass die juffern beisahme müsten, für bottenlohn und in die küchen verehret 13 ß. 93

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

um die Jungfern von Haren und von Dorgelo nach Börstel zurückzuholen. Am 19. August bezog Anna Maria im Beisein der übrigen Kapitularjungfern eine Wohnung,201 kehrte jedoch bereits am nächsten Tag Börstel wiederum den Rücken. Zwar nahm sie zu Weihnachten 1645 noch ihre Geldpräbende in Empfang, hielt sich aber im folgenden Jahre 1646 nur noch für vier Wochen in Börstel auf. Danach zog sie sich endgültig zurück und verheiratete sich mit dem Steuereinnehmer Dietrich Zwicker aus Münster. Nur noch einmal hörte man im Stift von ihr. Im Jahre 1653 erschien sie, jetzt Ehefrau des inzwischen zum fürstlich münsterischen Richter von Coesfeld avancierten Gatten, der sich nun Dietrich de Swerker nannte, auf dem nahe Börstel gelegenen Gut Huckelriede. Dort verkaufte sie der Kapitularjungfer Maria Elisabeth Steding ihr von Äbtissin von Althaus ererbtes Haus für 134 Reichstaler.202 Der Rückzug Anna Marias entzog dem Streit zwar jegliche Grundlage, doch konnte Lucretia keinen Nutzen mehr daraus ziehen. Weder kam es zu der von Lucretia verlangten Rehabilitationserklärung Anna Marias, noch ließ sich der von ihrem Fürsprecher von Mommsen vorgeschlagene gütliche Vergleich vor dem Landesfürsten durchsetzen. Im Jahr 1646, im Vorfeld der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück, stellten sich für Bischof Franz Wilhelm andere Aufgaben, als die Auseinandersetzungen zwischen zwei Stiftsjungfern zu schlichten.

4. Exil in Ostfriesland Acht Jahre lang, von 1644 bis 1652, musste Lucretia in Emden ausharren, obwohl der Stein des Anstoßes bereits nach zwei Jahren den Schleier der Kapitularjungfer mit dem der Braut vertauscht hatte. In Emden hatte Lucretia verwandtschaftliche Beziehungen zu den vornehmsten Adelsgeschlechtern Ostfrieslands, den Familien von Frydag 201 ASB 1.7.1.101. (1644/45) 7r Junker Voß gekommen, neben seiner dochter, so d. 19. huius capitulariter alhir installieret worden. 202 ASB 1.2.2.3. 94

4. Exil in Ostfriesland

und von Inn- und Knyphausen. Eine dieser beiden Familien wird ihr Zufluchtsstätte geworden sein. Ihre Schwester Elisabeth, die Witwe des 1637 verstorbenen Haro von Frydag, bewohnte das Haus Gödens. Von den vier Kindern der Elisabeth lebte dort – wie bereits oben ausgeführt – nur noch das jüngste, Johann Wilhelm (1624–1674). Auch Elisabeth starb bald nach Lucretias Eintreffen im Herbst 1644.203 Vorstellbar ist es, dass Lucretia nach dem Tod ihrer Schwester die Haushaltsführung für ihren Neffen Johann Wilhelm übernahm, bis dieser sich mit Johanna von Diepenbrock zu Empel verheiratete.204 Für eine enge Beziehung zu ihrem Neffen spricht, dass dieser am 14. Dezember 1647 in Börstel vermutlich in ihrer Angelegenheit vorsprach.205 Zum selben Zeitpunkt sind auch Besuche des Rittmeisters von Dincklage und der Junker von Ripperda und von Dorgelo zu Welpe und Querlenburg verzeichnet, die sich möglicherweise ebenfalls als Anwälte Lucretias betätigten. Als zweite Möglichkeit der Unterkunft ist die Adelsresidenz Klunderburg in Emden denkbar, der Wohnsitz von Lucretias Cousine Anna von Inn- und Knyphausen (1584–1644) (Abb. 18).206 Anna – auf die bereits im Zusammenhang mit Elisabeth von Harens Eheschließung hingewiesen wurde – war die Tochter des Adam von Schade, eines Bruders von Lucretias Mutter Margarethe, und der Margarethe von Melschede.207 Nachdem Adam bereits drei Monate vor der Geburt seiner Tochter, im März 1584, verstorben war, hatte Margarethe von Melschede Bernhard Vogt von Elspe geheiratet, auf dessen Gut im Sauerland Anna aufwuchs. Margarethe stammte aus einer in Ostfriesland begüterten Familie, über die eine Verbindung mit dem Reichsfreiherrn 203 StAOs Dep 69 b Nr. 325 (1644 18. Nov.). 204 Zwei seiner Söhne, Haro Henricus (1651–1705) und Wilhelm Friedrich (1656–1678) besuchten 1670 das Gymnasium Illustre in Bremen. Vgl. Thomas Achelis, Adolf Börtzler, Die Matrikel des Gymnasium Illustre. 205 ASB 1.7.1.104. (1647/48) 10r Juncker Freidach von Godens pferd. 206 Siebern, Emden, Die Klunderburg, S. 153–163; Anton Kappelhoff, Klunderburg, S. 127f. 207 C. Sattler, Knyphausen, S. 9ff. und Beilage I (Heiratsvertrag), S. 561. 95

4. Teil: Ausweisung durch Bischof Franz Wilhelm von Wartenberg

und kgl. schwedischen Feldmarschall Dodo von Inn- und Knyphausen (1583–1636) zustande gekommen sein wird, den Anna von Schade 1610 heiratete. Anna und Dodo bekamen sechs Söhne und zwei Töchter, von denen jedoch nur Enno Adam (1611–1654) und Eva Oriana, verheiratete von Lüdinghausen gen. Wolff, überlebten. Das Familienleben der Eheleute war höchsten Belastungen ausgesetzt. Nicht nur, dass Dodo viele Jahre auf Kriegszügen verbrachte, er ließ sich auch, wann immer es möglich war, von seiner Frau und den Kindern begleiten. Dass die Kinder dabei ständig höchsten Gefahren ausgesetzt waren und vermutlich unter den ungünstigen Bedingungen während der Feldzüge krank wurden und verstarben, versteht sich von selbst. Offensichtlich war aber die Beziehung zwischen beiden Eheleuten nach Ausweis erhaltener Briefe so innig, dass Gefahren und Risiken in Kauf genommen wurden.208 Dodo wird als unbeirrbarer Protestant beschrieben, der niemals die Partei wechselte und bis zuletzt in schwedischen Diensten stand.209 Nach einem bewegten kriegerischen Leben an wechselnden Schauplätzen fiel er – wie schon erwähnt – im Januar 1636 in der Schlacht bei Haselünne. Nach dem Tode Dodos residierte sein Sohn Enno Adam auf der Klunderburg, der mit Octavia Johanna, geb. Reichsfreiin von Ripperda, verheiratet war und 1640 als Oberst in holländische Dienste trat. 1639 wurden die jungen Eheleute Opfer eines bewaffneten Überfalls, als ein Haufen Schiffsknechte und Bootsgesellen mit einem Kapitän im Auftrag eines Gläubigers die Klunderburg mit Gewalt besetzten, 208 Dass die Bedeutung der adligen Ehefrau als Gefährtin ihres Ehemannes im Kriegsdienst einen höheren Stellenwert hatte als ihre Rolle als Erzieherin und Pflegerin der Kinder zeigt auch das Beispiel der Ursula von Kerssenbrock (1617–1662), die ihren Gatten Moritz von Donop (1613–1676) während des Militärdienstes begleitete und dabei neun Kinder gebar, von denen viele starben. Vgl. Hufschmidt, Adlige Frauen, S.213. Ein weiteres Beispiel vom Leben einer Offiziersfrau, die ihrem Mann durch halb Europa folgen musste, bietet Wunder, „Er ist die Sonn“, S. 18 ff. 209 Udo von Alvensleben, Lütetsburger Chronik, S. 98ff.; Walter Ordemann, Der schwedische Feldmarschall, S. 64f. 96

4. Exil in Ostfriesland

den Obristen Enno Adam niederschlugen, zur Tür hinauswarfen und ihm seinen Kragen vom Hals rissen. Während sich die Horde die gantze nacht mit fressen und sauffen dermaßen ubell aufführte, fiel Octavia Johanna, die mit ihrem kleinen kindlein in der wiegen dem Vorfall beiwohnte, in Ohnmacht und erkrankte schwer.210 Anna von Inn- und Knyphausen führte in dieser Angelegenheiten noch 1641 einen Prozess gegen den Bürgermeister des Stadt Emden. Sie starb am 15. Februar 1644.211 1637 war das Hofgericht von Aurich nach Emden in die Klunderburg übergesiedelt und verblieb dort bis 1650.212 In diesen Jahren wurde das Haus zu einem Sammelbecken für die Mitglieder der Familie von Inn- und Knyphausen, wozu auch Lucretia gehört haben könnte. Ihr Fürsprecher von Mommsen von der Festung Stickhausen war ebenfalls ein Freund der Familie aus der Zeit, als Dodo von Inn- und Knyphausen dort zwischen 1607 und 1610 das Amt des Drosten bekleidet hatte.213 Das familiäre Beziehungsgeflecht war also in Emden besonders ausgeprägt und wird für die materielle Unterstützung Lucretias und den juristischen Beistand in ihrer Angelegenheit gesorgt haben.

210 211 212 213

StAAu: Lütetsburger Hausarchiv Abtlg. III. d. Nr. 9. ULB Sa-An, 78 L 1810 (2) Christliche Leichpredigt, 1644. Siebern, Emden, Die Klunderburg, S. 154. von Alvensleben, Lütetsburger Chronik, S. 99. 97

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

1. Neuanfang und Tod im Kapitel In Börstel ging das Leben derweil ohne Lucretia weiter. Die Einführung zweier neuer Kapitularjungfern im März 1644, Maria von Haren zu Hopen und Anna Catharina von Dincklage zu Loxten, hatte sie noch miterlebt. Ein knappes Jahr später, im Januar 1645, wurde die Stiftsrechnung dagegen ohne sie unterzeichnet. Die neuen Mitschwestern entrichteten nicht nur 30 Reichstaler Statutengeld, sondern wurden bei ihrer Aufnahme auch erstmals als adlige, in den geistlichen Stand aufgenommene Jungfern bezeichnet.214 Beide junge Frauen blieben nicht lange in Börstel. Maria von Haren (Abb. 19), Tochter Heinrich von Harens und seit Martini 1647 Küsterin, verließ Börstel schon 1650215 und verheiratete sich mit Christoph von Schele zu Kuhof.216 Anna Catharina von Dincklage, Tochter des Gerhard von Dincklage und der Anna Sophia Nagel zu Lehdenburg, war 16 Jahre alt, als sie in 214 ASB 1.7.1.100. (1643/44) 3v Juffer Maria von Haren und juffer Anna Catharina Dincklage sein den 3. Martii alhir adelich dem geistlichen standt capitulariter investiiret, und hat nun j. Maria von Haren den 12 Martii ihren ersten roggen empfangen 1 sch. 215 ASB 1.7.1.105. (1648–1652) 3r Frau Maria von Stele (unter Stele durchgestrichen Haren) für 2 molt nachstendige roggen wegen des küsterey ampts im jahre 1649 10 rthallr. 216 Christoph von Schele starb bereits 1660. Aus der Ehe entstammte ein Sohn Daniel. Vom Bruch, Osnabrück, S. 260f. 98

1. Neuanfang und Tod im Kapitel

das Kapitel eintrat. Im Mai 1648 übernahm sie an Stelle der abwesenden Lucretia das Amt der Kellnerin und unterzeichnete im September 1648 erstmals die Stiftsrechnung. Dies war ihre erste und letzte Amtshandlung, denn kurze Zeit später fiel sie der schädlichen Seuche der giftigen Blattern217 zum Opfer und starb, erst 21 Jahre alt, am 12. März 1649 in Loxten. Auch als Gertrud von Althaus am 14. Februar 1646 verstarb,218 war Lucretia nicht anwesend. Schon am folgenden Tag wählte das Kapitel Magdalena von Dorgelo zur neuen Äbtissin und sandte anschließend Boten zum Domkapitel nach Osnabrück und zum Bischof nach Münster, um den Tod und die Neuwahl anzuzeigen. Bis alle Kondolenzbriefe eingegangen und die Trauergäste angereist waren, vergingen einige Wochen. Während dieser Zeit stand der mit den Wappen der Verstorbenen versehene Sarg auf dem Hochchor vor dem Altar. Sarg, Altar und Kanzel waren mit schwarzen Tüchern verhängt, ringsum von brennenden Kerzen umgeben, wozu zwei Pfund Wachs und zwei Pfund Tran gekauft worden waren. Zur Stunde der Beisetzung am 24. März219 läuteten die Glocken in Börstel und in den drei Patronatskirchen Berge, Menslage und Herzlake. Zu den Anwesenden zählten neben den Kapitularjungfern der ehemalige Amtmann Nicolaus Glandorf, Anne von Althaus und Rittmeister Johann Edwin von Dincklage zu Loxten, die alle einen Trauerflor trugen. Nach protestantischer Gepflogenheit hatte Gertrud von Althaus um die Abfassung einer leich oder trostpredige gebeten und dafür Pastor Alhardt Behlen aus Bippen fünf Reichstaler ausgesetzt. Die bei ihrem Begräbnis anwesenden Kapitularinnen erhielten laut Testament einen Dukaten und einen Reichstaler, die vier Pastoren aus Berge, Herzlake, Menslage und Börstel je zwei und der anwesende Küster einen Reichstaler. Dem Kapitel und den Stiftsarmen vermachte die Äbtissin aus einem Kapital von jeweils hundert Reichs217 Kommunalarchiv Minden, Leichenpredigt Nr. 26. 218 ASB 1.1.1.3. 1v (Autograph Magdalena von Dorgelos). 219 ASB 1.7.1.102. (1645/46) 3v Den 24. eiusdem (März) wie juffer Dorgelohe auff der s. werdigen frawen begräbnus 1 sch (Roggen). 99

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

talern eine jährliche Rente von fünf Reichstalern. Die Kapitularjungfern sollten diese untereinander aufteilen und die Armen ihren Anteil am Karfreitag erhalten. Darüber hinaus stiftete sie für den achten Tag nach ihrem Begräbnis ein almussen, eine aus Brot, Fleisch und Butter bestehende Armenspeisung.220 Den Altären der Stiftskirche schenkte sie Textilien aus ihrem Besitz, die zur Verwendung als Altarparamente gedacht waren, sowie eine jährliche Rente von fünf Reichstalern. Dem Abteibesitz übertrug sie zur gedechtnuß einige Bettlaken auß meiner groessen weisen laden oder schreine, ein Tischlaken, ein Handtuch, sechs Schüsseln und sechs Teller aus Zinn. Vom weiteren Geschehen in Börstel wird Lucretia durch ihre Schwester Margareta auf dem Laufenden gehalten worden sein, so auch über die letzten Überfälle auf Börstel. Noch während der Friedensvorverhandlungen hatten im Mai 1646 schwedische Truppen unter General von Königsmarck das stark befestigte Vechta angegriffen. Stift Börstel erwarb den üblichen kaiserlichen Schutzbrief und zwei Schutzwachen aus Fürstenau. Von Michaelis bis Weihnachten harrten nur Äbtissin Magdalena von Dorgelo und Elisabeth Kerstapel in Börstel aus. Als zu Ostern 1647 Margareta von Haren und ihre Nichte Maria zurückkehrten, wurden auch sie Zeuginnen erneuter Kriegsereignisse. Nach kurzer Belagerung der Festung Fürstenau unter dem schwedischen Generalmajor Christoph von Hammerstein, Anfang Juni 1647, hatte sich Kommandant Koboldt von Tambach ergeben und den Schweden Festung und Stadt überlassen müssen.221 Im Zusammenhang mit diesen Kämpfen kam es in Börstel ein letztes Mal zu Plünderungen. Die Geldregister verzeichnen, dass nach der belagerungh, wie alles wegk genommen, eine Tonne Salz aus Quakenbrück geholt werden musste. Auch der gesamte Roggenvorrat war geraubt worden, so dass in 220 ASB 1.1.1.2. p.8, Uff den achten tagh nach meiner gehaltenen begrebnuß soll von meinen executorn den armen zum Borstell eine unverweißliche almussen an brode, fleische undt butteren von den meinigen gegeben werden. 221 August Schröder, Geschichte des Dreißigjährigen Krieges; Lothar Lenski, Verteidigung des Schlosses Fürstenau, S. 244ff. 100

1. Neuanfang und Tod im Kapitel

der Abtei kein Brot mehr gebacken werden konnte.222 Die Eroberung der beiden Festungen Vechta und Fürstenau durch die schwedischen Truppen zog eine letzte Wende in konfessioneller Hinsicht nach sich: Nach ihrem Sieg veranlassten die Schweden umgehend die Wiederherstellung des evangelischen Gottesdienstes im Osnabrücker Nordland. Nach der Ausweisung Lucretias aus Börstel, der Verheiratung von Anna Maria Voß, dem Tod Anna Catharina von Dincklages und der bevorstehenden Heirat Maria von Harens führte Magdalena von Dorgelo 1649 vier neue Stiftsjungfern in Börstel ein:223 Eine davon war Anna Elisabeth von Heede (1649–1655), die Tochter von Lucretias Schwester Anna Sophia. Eine weitere, Christina Maria von Langen zu Sögeln (1649–1675), wurde 1674 zur Äbtissin gewählt. Zwei Jahre später, 1651, starb als letzte der noch im 16. Jahrhundert eingeführten Stiftsjungfern die Seniorin Elisabeth Kerstapel. Ein Bote überbrachte die begrebnußbrieffe zur Familie Kerstapel und von dort nach Osnabrück. Für das Aufsetzen der Todesanzeigen erhielt ein Schreiber einen Taler. Ihre letzte Ruhestätte fand die Seniorin im Kreuzinnenhof, wo ihr ein Holzkreuz errichtet wurde. Zur Beisetzung reisten Verwandte und Freunde der Familie an. Äbtissin, Kapitularinnen, Pastoren und Küster erhielten für die Teilnahme an dem Begräbnis einen Taler. Im Anschluss an die Bestattung fand in der Abtei ein Leichenschmaus statt. Auch die Armen wurden bedacht, sie erhielten Bier, Butter und Brot. Die Kosten zu einer ehrlichen begrebnus ihres corpers beliefen sich auf 32 Reichstaler.224 In ihrem Testament begünstigte die Verstorbene die Kapitularinnen mit den Zinsen einer Obligation über 20 Reichstaler und Äbtissin von Dorgelo mit einer Schuldverschreibung über 50 Reichstaler. Die Zinsen einer weiteren Obligation über 20 Reichstaler vermachte Elisabeth den Armen. Zehn Reichstaler stiftete sie zur Ausstattung der Klosterkirche, ebenfalls zehn Reichstaler erhielt die 222 ASB 1.7.1.104. (1648/49) 7v Weill in Fürstenawscher belagerungh der roggen von hier alle wegkgenommen worden, daß nichts übrigh verplieben. 223 ASB 1.7.1.105. (1648–1652). 224 ASB 1.2.2.2. 101

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

Magd, die sie bis zu ihrem Tod gepflegt hatte. Dem Abteibesitz übertrug sie aus ihrem Nachlass ein Paar der besten Bettlaken aus der grönen lade, eine weiße Bettdecke und den Geldwert einer Zinnkanne. Seit 1582, fast siebzig Jahre, hatte Elisabeth Kerstapel die Geschicke des Stifts begleitet. Während der Kriegsjahre war sie die einzige Stiftsjungfer, die beständig an der Seite von Gertrud von Althaus im Stift oder an den gemeinsamen Zufluchtsorten geweilt hatte. Wie Äbtissin Gertrud verfügte auch Elisabeth neben dem Legat für die Armen eine Armenspeisung und hielt an dem jahrhundertealten Brauch der Armenspende zum Zeitpunkt des Todes und des Begräbnisses von Verstorbenen fest.225

2. Börstel bleibt lutherisch – Lucretia kehrt zurück Nach langwierigen Verhandlungen hatten die beteiligten Parteien im August 1648 in Osnabrück den Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und der Krone Schwedens und im Oktober in Münster den Vertrag zwischen dem Kaiser und Frankreich verabschiedet. Das Bistum Osnabrück fiel danach an Bischof Franz Wilhelm zurück, gleichzeitig wurde aber für die Zukunft die alternierende Regierung zwischen einem katholischen Bischof und einem protestantischen Fürsten aus dem Hause Braunschweig-Lüneburg vereinbart.226 Designierter Nachfolger Franz Wilhelms war Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg. 225 Die heidnischen Totenmähler am Grab eines Verstorbenen, bei denen dieser als wirklich Teilnehmender erlebt wurde, wandelte die christliche Liturgie in Mahlfeiern zum Gedächtnis der Toten um, wobei stellvertretend für die Toten den Armen die Speisung zu Gute kam. Totengedenken und Armenspende blieben daher in den monastischen Gemeinschaften eng miteinander verknüpft. Vgl. Joachim Wollasch, Gemeinschaftsbewusstsein, S. 268ff.; Otto Gerhard Oexle, Memoria, S. 81. 226 Diese Regelung trat als Ersatz für die Ansprüche Braunschweig-Lüneburgs auf die Bistümer Ratzeburg, Bremen, Magdeburg und Halberstadt in Kraft, die als weltliche Fürstentümer an Schweden und Preußen fielen. Vgl. Mark Alexander Steinert, Die alternative Sukzession. 102

2. Börstel bleibt lutherisch – Lucretia kehrt zurück

Eine gesonderte Verabredung, Art. XIII. des Friedensvertrages, regelte die konfessionellen Verhältnisse im Hochstift Osnabrück. Wichtigstes Ergebnis dieser Capitulatio Perpetua, auf die sich das Osnabrücker Domkapitel, der amtierende und zukünftige Bischof im Juli 1650 in Nürnberg einigten,227 war der Beschluss, die Konfessionsverhältnisse im Osnabrücker Land nach dem Bestand des so genannten Normaljahrestermins vom 1. Januar 1624 wiederherzustellen. Jede einzelne Pfarrstelle sollte entsprechend dem Befund der Visitation des Generalvikars Albert Lucenius der damals ermittelten Konfession zugeordnet werden. Bei dieser konfessionellen Aufteilung der Kirchspiele wurde Stift Börstel als einziges Kloster im Hochstift der evangelischen Seite zugezählt.228 Der konfessionellen Zusammensetzung bei der Visitation vom Mai 1625 entsprechend legte man acht Plätze für evangelische und zwei Plätze für katholische Stiftsdamen fest. Die Äbtissin hatte evangelischer Konfession zu sein, und der Gottesdienst in der Stiftskirche blieb evangelisch-lutherisch. Nach Abschluss dieser Verhandlungen und dem allerdings nur langsam voranschreitenden Rückzug der Schweden konnte Franz Wilhelm in das Hochstift zurückkehren und die weltliche Regierung antreten. Am 18. Dezember 1650 hielt er nach 17-jähriger Abwesenheit seinen Einzug in die Stadt Osnabrück und nahm an diesem und am folgenden Tage die Huldigung der Geistlichkeit und der Landstände entgegen.229 Bereits im Dezember regelte er auf einer nach Iburg einberufenen Synode den konfessionellen Status in den Pfarren des Hochstifts. Die Verhältnisse in Börstel waren eindeutig: am 1. Januar 1624 hatte in Börstel der lutherische Pastor Heinrich Brüning gepredigt. Ab Advent 1624 hatte für zwanzig Jahre Conrad Cruse als evangelischer Pfarrer gedient, sich aber ab 1636 den gegenreformatorischen Bestimmungen gebeugt und neben der Predigt auch die Messe gefeiert. Die Messfeiern endeten 1647, als Schweden den evangelischen Gottes227 Text und Kommentar vgl. Erich Fink, Drucke. 228 Wöbking, Konfessionsstand, S. 95–97. 229 Goldschmidt, Lebensgeschichte, S. 162. 103

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

dienst wieder einführte und der zwischenzeitlich amtierende Pastor Bernhard Harnoven (1645–1648) das Stift verließ. 1648 hatte das Kapitel dann den aus Norden stammenden Theologiestudenten Henricus Nicolai zum neuen Pfarrer230 berufen, der sich im Januar 1649 an den Dechanten des Amtes Fürstenau, Magister Vitus Büscher, wandte, um zu erfahren, ob das stifft Börstell bey dem reinen exercitio religionis könne inskünfftige verbleiben.231 Büscher bestätigte das und wies das Kapitel gleichzeitig an, bei den evangelischen Konsistorialräten in Osnabrück um die Ordination Nicolais nachzusuchen. Dieses war eine vom Landesherrn eingeführte Neuerung, und Büscher beeilte sich, der Äbtissin zu versichern, dass sie ihr jus patronatus wie jederzeit zuvor also auch inskünfftige behalten werde. Sie solle dem Konsistorium lediglich mitteilen, dass sie gewillt sei, altem Gottseligen gebrauch nach, ihrem stifft einen evangelischen prediger anzusetzen. Die Ordination erfolgte noch vor Weihnachten in Osnabrück,232 und als erste Amtshandlung ließ Nicolai für den Altar ein Exemplar der evangelischen Kirchenordnung anschaffen.233 Neben seinem geistlichen Amt half Nicolai dem Kapitel auch bei der Abfassung von Briefen und Verträgen, wofür ihm neben seinem Jahresgehalt von zwanzig Reichstalern weitere drei Reichstaler gezahlt wurden. Nicolai war mit Magdalena Jansen verheiratet und bezog eine Wohnung im frisch renovierten Pfarrhaus. Obwohl die Zugehörigkeit Börstels zur evangelischen Konfession in der Verfassungsurkunde des Hochstifts, der Capitulatio Perpetua, festgeschrieben worden war, setzte Franz Wilhelm alles daran, um im Stift doch noch eine Änderung im Sinne der von ihm betriebenen Gegenreformation durchzuführen, wobei ihm vor allem daran gelegen 230 ASB 1.7.1.105. (1648–1652) 2v Pastor Henricus Nicolai zum weinkauf und zur zehrung auff der langen reise von Norden hirher geben 3 rthallr. 231 ASB 1.4.1.2. 232 ASB 1.7.1.105. (1648–1652) 3r Dem pastori Henrico Nicolai zu seinen unkosten, alß er ordinieret worden, verehret 3 rthallr. 233 ASB 1.7.1.105. (1648–1652) 3v Für die kirchenordnungh uff dem altar 1 rthallr. 5 ß 3 d. Dabei wird es sich um die Lüneburger Kirchenordnung von 1619/43 gehandelt haben. Vgl. EKO, Bd. 7, II. 1. S. 221. 104

2. Börstel bleibt lutherisch – Lucretia kehrt zurück

war, das Ergebnis der Normaljahrsvereinbarung zu revidieren. Dazu beauftragte er 1651 im Anschluss an die Osnabrücker Herbstsynode den Kommissar des Emslandes, Pastor Engelbert Müseler aus Haselünne, und den Drosten zu Fürstenau, Koboldt von Tambach, mit einer Visitation Börstels. Im Visitationsschreiben234 ließ er dem Kapitel mitteilen, dass er die Ausübung der Augsburgischen Konfession zwar gestatten wolle, mit den Prozessionen, den Gebräuchen und Zeremonien solle es aber so gehalten werden, wie es 1624 in schwang gewesen sei, allein das Amt der heiligen Messe könne unterbleiben. Auch das 1624 gebräuchliche Habit sollten die Kapitularinnen weiterhin innerhalb und außerhalb des Klosters tragen. Alle diese Ansinnen lehnte das Kapitel einstimmig und in langwierigem Briefwechsel ab. Die heutigen Stiftsjungfern – so das Argument – könnten den Gottesdienst nur auf Deutsch halten, weil sie des Lateins nicht mehr mächtig seien, und im übrigen seien die Brevierbücher abhanden gekommen. Darüber hinaus war der Bischof an der Stellung der katholischen Kapitularinnen interessiert, wobei sich sein Blick besonders auf die Höhe von deren Einkünften und Renten richtete. Im Originalton lautet die Anfrage des Bischofs: wie die catholische jungfern daselbst lehben, wie sie gehalten werden, und wie weith sich in diesen cloister die renthen und jede praebenden erstrecken. Ganz offensichtlich hatte Franz Wilhelm die Absicht, die beiden katholischen Präbenden mit den daran geknüpften Einkünften aus Börstel abzuziehen. Diese Intention wird deutlich, als er am 9. April 1652 befahl, die Stelle der 1651 verstorbenen Elisabeth Kerstapel zunächst nicht wieder zu besetzen. Über dieses Ansinnen setzte sich das Kapitel allerdings hinweg und nahm statt dessen – ganz im Sinne der Bestimmungen der Capitulatio Perpetua – zwei neue Kapitularjungfern katholischer Konfession – Adelheid Odilia von Droste zu Hülshoff (1654–1721) und Catharina Gertrud von Monnich zum Eickhof (1654–1657) – auf. Da sich Franz Wilhelm im Oktober 1652 zum Reichstag nach Regensburg begeben musste, der diesmal drei Jahre dauerte, konnte er sein Vorhaben zunächst nicht 234 ASB 1.4.1.2. 105

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

weiter verfolgen. Nach seiner Rückkehr im Januar 1656 betrieb er jedoch erneut eine Revision der Börsteler konfessionellen Verhältnisse und konfrontierte das Kapitel zum wiederholten Mal mit der Forderung, den Gottesdienst auf den Stand von 1624 zu versetzen, der angeblich mitt singen deß brevyrß, procession undt anders auff catholische weise gehalten worden und durch die Äbtissin aus eigenem Antrieb, propria authoritate, geändert worden sei.235 Würde sich das Kapitel weigern, seinen Anweisungen zu folgen, so sollten die beiden katholischen Präbenden aus dem Stift ausgegliedert werden. Darüber hinaus würde er dem Kapitel persönlich neue Statuten verordnen. Um dem zuvor zu kommen, ließ das Kapitel umgehend seine bisher mündlich tradierten Gebräuche und Gewohnheiten von einem Notar aufzeichnen und dem Bischof zukommen. In der Frage der Gottesdienstliturgie allerdings ließ sich das Kapitel nicht beirren. Franz Wilhelm wies die Äbtissin daher im März an, Catharina von Monnich den weiteren Aufenthalt in Börstel zu verbieten, ihre Einkünfte einzubehalten und ihm darüber Rechenschaft abzulegen. Doch auch diese und weitere Forderungen konnte das Kapitel so lange erfolgreich abwehren, bis der Tod des B ­ ischofs 1661 das Ringen um die konfessionelle Selbstständigkeit und um den Erhalt der katholischen Stellen endgültig beendete. Stift Börstel blieb eine evangelische Einrichtung, in der lutherischer Gottesdienst stattfand, während die zwei Katholikinnen die Messe in der katholischen Kirche zu Berge besuchten. Eine weitere Passage des Visitationsschreibens vom Oktober 1651 war für Lucretia von Haren, die während dieser Auseinandersetzungen noch immer in Emden lebte, von größter Bedeutung, enthielt sie doch den lang ersehnten fürstlichen Befehl, sie wieder in ihre alten Rechte einzusetzen. Dazu heißt es, dass deß cloisters vagirende (herumschweifende) junffer Haren in gnädigster ansehung verschiedener für selbiger eingekommener intercessionen (Fürsprachen) wiederum zu dem cloister kommen und daß ihrige geniesen 235 ASB 1.4.1.2. 106

2. Börstel bleibt lutherisch – Lucretia kehrt zurück

moge, jedoch daß dieselbe friedtlich und ruhig lehbe und mit ihren nebenjunferen sich dermaßen verhalte, damit alle klagten dieserthalben außer wegk pleiben, sonsten ihro hochfürstl. gnaden nicht unterlaßen würden, sie gäntzlich zu priviren (auszuschließen) und alle hoffnung zu einiger restitution (Wiedereinsetzung) abzuschneiden.236

Offensichtlich hatten die Bemühungen von Lucretias Freunden und Verwandten doch noch zum Erfolg geführt und eine Rückkehr nach Börstel für sie ermöglicht. Darüber hinaus lässt sich der Eindruck eines Tauschgeschäftes nicht ganz von der Hand weisen, bei dem es die Absicht des Bischofs gewesen zu sein scheint, die Zustimmung zur Ausgliederung der katholischen Präbenden aus Börstel durch die Wiedereinsetzung Lucretias in ihre Stiftsstelle zu erkaufen. Wann genau Lucretia zurückkehrte, ist nicht zu ermitteln. Die Tatsache aber, dass sie die Rechnungsabnahme am 10. Januar 1653 nicht unterschrieb, deutet darauf hin, dass sie nicht sofort zurückkam. Möglicherweise fehlte es an Wohnraum, da in dem von Harenschen Stiftshaus neben ihrer inzwischen zur Seniorin avancierten Schwester Margareta auch deren Nichte Elisabeth (1654–1673), eine weitere Tochter Heinrich von Harens, als Schülerin lebte. Fest steht, dass Lucretia erstmals am 23. März 1655 wieder zu den die Stiftsrechnung unterzeichnenden Kapitularinnen gehörte.237 In den folgenden Jahren scheint sie dauerhaft und ohne besonders in Erscheinung zu treten, in Börstel gelebt zu haben. 1656 ist der Besuch ihrer Schwägerin Gertrud Voß und deren Tochter Anna Sophie von Grapendorf vermerkt.238 Anna Sophie war inzwischen selbst Mutter einer Tochter Catharina Margareta, um deren Aufnahme in Börstel die beiden Damen vielleicht baten. Zu einer Aufnahme dieser Nichte kam es jedoch nicht.

236 ASB 1.4.1.2. 237 ASB 1.7.1.107. (1652/53) 13v. 238 ASB 1.7.1.110. (1655/56) 12r Der fraw Voschen von Lahr und fraw Grapendorpschen pferden. 107

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

3. Adliges Standesbewusstsein Wie zur Bestätigung der gegenüber Bischof Franz Wilhelm verteidigten konfessionellen Eigenständigkeit Börstels stiftete Margareta von Haren 1656 eine Orgel, die laut Inschrift zu Gottes ehren verehrt wurde. Die Orgelempore, auf der das Instrument über dem Hochaltar seinen Platz fand, wurde mit einer Brüstung versehen, an der Margareta die jeweils acht Wappen ihrer Eltern von Haren239 und von Schade240 anbringen ließ. (Abb. 20 und 21) dazwischen stehen die Psalmverse 150 (Lobet den Herrn in seinem Heiligtum) und 66 ( Jauchzet Gott alle Land). Neben dem Dank der Seniorin für den endlich eingekehrten Frieden hatte die Orgelstiftung wohl auch die Intention, die Festschreibung des lutherischen Gottesdienstes zu betonen, in dem das orgelbegleitete gemeinsame Singen deutschsprachiger Choräle eine wichtige Rolle spielte. Und Weiteres ist aus der aufwändigen Stiftung abzulesen: Die Präsentation der sechzehn Wappen hatte vor dem Hintergrund der gerade erfolgten Rückkehr ihrer Schwester auch die Funktion, adliges Standesbewusstsein zu demonstrieren und gegenüber unsicheren Kandidatinnen wie Anna Maria Voß den adligen Vorbehalt des Stifts Börstel zu verteidigen. Sichtbar für alle Gottesdienstbesucher prangte von nun an der Beweis für die exklusive adlige Geburt der Schwestern von Haren per 16-Ahnen-Probe direkt über dem Altar. (Abb. 22) Mit dieser Präsentation lag Margareta durchaus im Trend, war es doch seit dem 16. Jahrhundert eine der Strategien des Adels, der vom Humanismus initiierten Erziehung zu Tugend und bürgerlicher Gelehrsamkeit das Gewicht der langen Vorfahrenreihe entgegenzusetzen und diese durch die Zurschaustellung der adligen Wappen verstärkt zu präsentieren. Diese Beweise für die adlige Geburt wurden auf Epitaphien, Grabdenkmälern und Stammbäumen sowie als Embleme an Eingangsportalen von Wohnbauten, an Möbeln und Porträts zur Schau

239 Haren, Hoberg, Knehem, Monnich/Langen, Haren, Snetlage, Haren 240 Schade, Vullen, Dinklage, Weddesche/Stael, Langen, Oer, Middachten 108

3. Adliges Standesbewusstsein

gestellt.241 Siegelringe dokumentierten die adlige Geburt des Trägers ebenso wie die mit Familienwappen versehenen so genannten Fensterbierscheiben oder gusseisernen Ofenplatten, von denen sich in Börstel eine Reihe erhalten haben. Mit der Wappenpräsentation Margaretas fand die dynastische Sphäre erstmals Eingang in den kirchlichen Raum242 und übernahm die Funktion der kurze Zeit später in Börstel obligatorisch vorzulegenden Stammtafeln. Diese dienten nicht nur als Beweis der standesgemäßen Geburt, sondern sollten als Reflex auf den gerade ausgestandenen Konflikt auch die Einheit des adligen Kollektivs sichern. Der mit der Darstellung der Wappen verbundene Wunsch der Seniorin nach Außendarstellung der Familie und nach Betonung der verwandtschaftlichen Verflechtungen wie auch nach dauerhafter Memoria ging in Erfüllung. Die Orgel war von guter Qualität und versah in Börstel über zwei Jahrhunderte bis 1860 ihren Dienst. In Form der erhaltenen Wappentafeln, die heute rechts und links der Treppe zum Hochchor angebracht sind, wirkt die Traditionsstiftung Margareta von Harens sogar bis in die Gegenwart fort. Ein letztes Mal setzten Margareta und Lucretia am 2. April 1669 gemeinsam ihre Unterschrift unter die Stiftsrechnung. Ein halbes Jahr später, am 15. Oktober 1669, starb Margareta im Alter von 75 Jahren. In ihrem Testament243 setzte die Seniorin dem Stiftskapitel eine Obligation über 25 Reichstaler sowie dem Pastorat und der Orgel zu Börstel zwei Obligationen über je 20 Reichstaler aus. Den Armen vermachte sie insgesamt 45 Reichstaler an stehender Rente, ihre Mägde erhielten „zum Trauerkleid“ 20 Reichstaler. Den Hauptanteil des Vermögens vererbte Margareta ihrer Familie. Ihre Nichte Elisabeth von Haren erhielt einen Schuldenerlass über die 32 Reichstaler, die sie ihr zur Zahlung der Statutengelder in Börstel vorgestreckt hatte. Außerdem vermachte sie ihr das von Harensche Haus mit Hof und Gärten.244 Zum Inven241 Vgl. Anke Hufschmidt, Adliges Selbstverständnis, S. 25ff. 242 Vgl. Kilian Heck, Genealogie als Monument und Argument, S. 81. 243 ASB 1.1.2.8. 244 1672 ließ Elisabeth von Haren das Haus für vierzehn Reichstaler reparie109

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

tar gehörten stühle, bänke, dische, schappe, […] linnen, tinnen, wullen, keßel, pötte und zwei Kühe. Ein Tisch und das Bett der Verstorbenen, Laken und Kissenbezüge sollten in den Besitz ihrer Schwester Lucretia übergehen. Mit dem Haus zusammen vererbte Margareta ein in der Bauerschaft Hahlen angelegtes Vermögen über vierzehn Reichstaler, das mit einem jährlichen Leinenkontingent verrentet wurde. Ihren Goldschmuck, Ringe und Perlen hatte sie bereits zu Lebzeiten als Erinnerungsstücke verschenkt. Ihren Testamentsverwaltern hinterließ sie 30 Reichstaler für die Anfertigung eines Leichensteins, dessen Gestaltung dem bereits in der Orgelstiftung deutlich gewordenen ausgeprägten Sinn für die adlige Selbstdarstellung entsprach. (Abb. 23) Auftraggeberin dieser ältesten in Börstel erhaltenen Grabplatte einer Kapitularin wird Lucretia gewesen sein.245 Der Stein ist aus Sandstein gefertigt und mittig mit dem Allianzwappen Haren/Schade versehen. Vier ehemals farbig gefasste Wappen der Voreltern prangen in den vier Ecken. Linksseitig stehen die Wappen der väterlichen Seite (von Langen und von Knehem), rechtsseitig die der mütterlichen (von Stael und von Dincklage). Verschiedene Symbole – eine Eieruhr, ein Totenschädel und eine Fratze – verweisen auf den bevorstehenden Tod. Trost spendet ein Engel am oberen Rand des Epitaphs. Neben dem Todesdatum der Verstorbenen finden sich der christliche Trostspruch: Christus ist mein Leben Sterben ist mein Gewinn sowie ein Schriftzitat aus den Apokryphen (Sirach 1,13): Wer den Herren fürchtet dem wirds wollgehen in der letzten noth und wird Endtlich den Segen beholden. ren. Nachfolgende Erbinnen des Hauses waren die Großnichten Margareta von Harens, Judith Anna von Munster (1668–1680), Tochter der Catharina Walburg, und Margareta Lucia von Haren (1675–1721), Tochter des Raban von Haren. 245 Diese Grabplatte ist heute an der Nordwand des Hochchores angebracht. 110

3. Adliges Standesbewusstsein

Nach dem Tod ihrer Schwester verlieren sich Lucretias Spuren. Für den Januar 1670 ist vermerkt, dass sie von einem Besuch auf der Surenburg zurückkehrte.246 Dort lebte ihre Nichte Catharine Walburgis (Abb. 24), eine weitere Tochter Heinrich von Harens, die mit dem Erbherrn Langen von Munster verheiratet war. Deren Tochter, Lucretias Großnichte Judith Anna von Munster (*1655), war seit 1668 ebenfalls Kapitularin in Börstel und wurde 1675 zur Äbtissin gewählt. Bei der Unterzeichnung der Stiftsrechnungen in den folgenden Jahren ist Lucretia dauerhaft abwesend. Als ihre Nichte Elisabeth von Haren 1673 stirbt, erscheint deren Bruder Raban von Haren in Börstel247 und lässt ein Inventar ihres Hausstandes – von Leinwand, Bettzeug, Haushaltsgerät aus Zinn und Holz – aufnehmen. Darin ist vermerkt, dass sich in der mittleren Schublade des Schrankes in der Kammer zwei Päckchen Garn und Leinenzeug befinden, die Jungfer Lucretia von Haren gehörten.248 Aus dieser Bemerkung ist ersichtlich, dass Lucretia das Haus gemeinsam mit ihrer Nichte bewohnt hatte. Die Nebenbemerkung, dass Jungfer Voß (die 1661 eingeführte Catharina Hilborg Voß zu Mundelnburg) das Garn an sich genommen habe, deutet darauf hin, dass Lucretia zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dort lebte. Am 25. April 1674, abends um 10 Uhr, sei Äbtissin Magdalena von Dorgelo im Alter von 79 Jahren – so das Protokoll des Amtmannes – sanfft und seelig im Herren entschlaffen.249 Lucretia gehörte zu den abwesenden Stiftsjungfern, die am 17. Mai aufgefordert wurden, sich zur Neuwahl einer Äbtissin einzufinden. Sie war jedoch die einzige, die nicht erschein, weil sie – wie es heißt – nicht rechtzeitig angekommen sei. So gehörte sie auch nicht zu den Kapitularinnen, die am 29. Mai 1674 die Wahlkapitulation der gewählten neuen Äbtissin (1674–1675) 246 ASB 1.7.1.126. (1669/70) 13r Den 31. Jan. alß jfr. Lucretia Wolbrich von Haren mit jkr. Munsters pferden anhero kommen. 247 ASB 1.7.1.129. (1672/73) 11r Den 1.2. und 3. April jkr. Haren von Hopen mit 4 pferden anhero kommen. 248 ASB 1.1.2.8. Im mittelsten schuhte, geheret J. L. W. von Haren: alß 2 pakchen gahrn und linnen zeug. NB das gahrn hatt jfr. Voss zu sich genommen. 249 ASB 1.4.3.2., S. 1. 111

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

Christina Maria von Langen zu Sögeln unterschrieben.250 In diesem Vertrag gab sich das Kapitel neue Statuten und legte die für die nächsten Jahrhunderte richtungsweisenden Änderungen in der Stiftswirtschaft und bei den Aufnahmebedingungen fest. Zukünftig sollten nur noch Kapitularinnen von ritterschaftlichem Adel eingeführt werden, die sechzehn adlige Ahnen nachweisen und mit einer Stammtafel dokumentieren konnten. Neu war außerdem der förmliche Akt der Aufschwörung, bei der zwei nicht zur Verwandtschaft gehörende Angehörige der Ritterschaft die adlige Herkunft der Anwärterin zu beeiden hatten. Dass Lucretia bei der Verabschiedung dieses wichtigen Reglements nicht anwesend war, bleibt eine Merkwürdigkeit an Ende ihres Lebens. Schließlich hatte sie die neuen Statuten durch ihre Haltung in der Frage der Zulassung der Jungfer Voß doch zumindest angestoßen. Es bleibt daher unklar, ob sie entweder krank war oder andere Gründe hatte, die sie von einem letzten Federstrich für das Stift abhielten. Ein letztes Lebenszeichen von ihr bietet das Stiftsregister, das für den Januar 1675 die Ausgabe von zwei Scheffeln Bohnen an Lucretia notiert.251 Da das Protokollbuch für den 13. November 1675 die Aufschwörung ihrer Großnichte Margareta Lucia von Haren, Tochter des Raban von Haren, verzeichnet,252 ist es wahrscheinlich, dass Lucretia im Verlauf des Jahres verstorben ist und ihre Präbende an ihre Großnichte Lucia vergeben wurde. Erst im Oktober 1678 nutzte das Kapitel die Anwesenheit Raban von Harens als Zeuge bei der Einführung einer neuen Kapitularin, um die Erbschaftsangelegenheiten Lucretias zu regeln. Gegen Entrichtung von hundert Reichstalern überließ das Kapitel Raban von Haren alle Rechte aus der Erbschaft seiner Tante.253 Als Zeitpunkt der Auszahlung der Gelder wurde das Osterfest des nachfolgenden Jahres verabredet, zur Ausführung kam die Vereinba250 ASB 1.2.1.1. 251 ASB 1.7.1.131. (1674/75) 16r Ausgabe Bohnen: Den 16. Jan. Jfr Lucretien Wolbrich von Haren 2 scheffel. 252 ASB 1.4.3.2., S. 42. 253 ASB 1.4.3.2., S. 68 (1678, 26. Okt.). 112

4. Resümee: Lucretia als Vertreterin des „Adels im Wandel“

rung jedoch erst am 3. Februar 1680.254 Ein Testament hat sich nicht erhalten, war jedoch vorhanden, da Lucretia im Statutenbuch des Stifts von 1763 unter den Vermächtnissen für die Armenkasse255 mit einem Legat von zehn Reichstalern und für die Pastorey256 von 40 Reichstalern aufgeführt wird. Weder der Todestag Lucretias, noch der Ort, an dem sie starb, sind bekannt. Ihr mutiger Einsatz für das Stift während des Krieges wurde vergessen, ein Grabstein existiert nicht.

4. Resümee: Lucretia als Vertreterin des „Adels im Wandel“ Die Auseinandersetzungen zwischen Lucretia und Anna Maria Voß spiegeln sowohl die unklare konfessionelle Situation im Fürstbistum Osnabrück vor Abschluss des Friedensvertrages von 1648 wieder als auch den Wandel des adligen Selbstverständnisses in der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Mit dem Erstarken des modernen Territorialstaates gegen Ende des 16. Jahrhunderts hatte sich die Stellung des Adels als ehemals mächtigstem Teil der alten Stände grundlegend gewandelt.257 Zum einen hatte der durch das Vordringen von Warenhandel und Geldwirtschaft bewirkte Zerfall der alten mittelalterlichen Gesellschaft die auf Agrarproduktion und Naturalienaustausch beruhende wirtschaftliche Macht des ländlichen Adels verringert. Zum anderen stellten die Einflüsse von Humanismus und Reformation das alte Dreiständemodell in Frage. Teile des Adels konnten von den jeweiligen Landesfürsten in den modernen Staat eingebunden werden, indem sie entweder als Heerführer dienten oder Aufgaben im Verwaltungsbereich und bei Hofe übernahmen. Dies hatte jedoch auch zur Folge, dass die lange Zeit allein zählende Relevanz der Geburt langfristig durch 254 ASB 1.4.3.2., S. 80. 255 ASB 1.2.1.5. P. 332 Obiges Capital hat die hochwürdige hochwohlgeb. Fräulein Capitularinn Lucretia Wollbrig von Haren der Armen Cassa legiert. 256 ASB 1.2.1.5. P. 455. 257 Vgl. Heiner Borggrefe, „Die vom Adel“, S. 2ff. 113

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

das Gewicht der einflussreichen Funktion im Staatswesen verdrängt wurde. Der mit Grundbesitz begüterte Landadel bezog jedoch sein Selbstverständnis weiterhin aus Tradition und Herkunft und stand den neuen Werten von bürgerlicher Gelehrsamkeit und Bildung skeptisch gegenüber. Reaktion auf den sich anbahnenden Funktionsverlust des Adels und auf die Konkurrenz des in der Verwaltung tätigen gelehrten Bürgertums war eine immer schärfere Abgrenzung des niederen Adels gegenüber bürgerlichen Juristen und Gelehrten. Aber auch innerhalb des eigenen Standes distanzierte man sich sowohl von den nobilitierten Adligen, die vom Landesherrn wegen besonderer Verdienste in den Adelsstand erhoben wurden, als auch von den Adligen unbekannter Herkunft aus anderen Regionen. Dies zeigt sich im Falle Lucretia von Harens in der Ablehnung der Familie des in der Grafschaft Mark beheimateten Rütger Voß. Wichtigstes Mittel dieser Abgrenzungsstrategie war der Hinweis auf die adlige Herkunft, den „uralten“ Adel oder das „alte“ Geschlecht. Dahinter stand der Gedanke, dass sich die Qualitäten der Vorfahren und ihre Verdienste von Generation zu Generation vererbten und auf diese Weise die Vorrangstellung der Familie legitimierten.258 Diente der Adelsnachweis im Mittelalter noch zum Nachweis beispielsweise der Lehnsfolge innerhalb einer Familie, so wurde er in der Frühen Neuzeit zur Abgrenzung gegen andere Personengruppen instrumentalisiert. Bestimmte Ämter in der landesherrlichen Verwaltung und die Inanspruchnahme von kirchlichen Versorgungsmöglichkeiten, z. B. die Aufnahme in ein Domkapitel, wurden an den Nachweis einer bestimmten, sich ständig erhöhenden Anzahl von adligen Vorfahren geknüpft. Ab 1580 nahm das Domkapitel von Paderborn nur noch Kandidaten mit 16 adligen Wappen auf.259 Für Münster setzte sich dieses Regulativ seit 1591 durch,260 und für das Osnabrücker Domkapitel ist

258 Vgl. Hufschmidt, Adliges Selbstverständnis, S. 32ff. 259 Hoffmann, Ritterschaftlicher Adel, S. 250. 260 Ebd. 114

4. Resümee: Lucretia als Vertreterin des „Adels im Wandel“

die 16-Ahnen-Probe erstmals für das Jahr 1594 nachgewiesen.261 Als Kriterium für die Zulassung zum Landtag und für die Zugehörigkeit zur ritterschaftlichen Korporation übernahm die Osnabrücker Stiftsritterschaft den 16-teiligen Adelsnachweis im Jahrzehnt nach dem Westfälischen Frieden. In Osnabrück lässt sich die formelle Aufschwörung mit dem Nachweis der 16 Ahnen erstmals im Rezess des Erblanddrosten Nikolaus Herbord von Bar, 1651, nachweisen. Die Münsterische Stiftsritterschaft ließ die 16-Ahnen-Probe 1640 verbindlich einführen.262 Der durch den offensichtlich unvollständigen Adelsnachweis von Anna Maria Voß aufgebrochene Konflikt stellte auch in Börstel einen Wendepunkt für die Aufnahmeverfahren dar, die jetzt zunehmend strengeren Vorschriften unterlagen. Wie gezeigt, spielte die Vier-Ahnen-Probe zunächst nur eine informelle Rolle in den mündlich tradierten Gepflogenheiten des Stifts. Seit 1642 betonte man dann den Adelsstatus und verpflichtete die Anwärterinnen zur 16-Ahnenprobe, die in der Wappentafel Margareta von Harens erstmals eine Visualisierung erfuhr. In den Statuten von 1674 wurde der Adelsvorbehalt dann endgültig verankert und auf diese Weise die ständische Abgrenzung der Töchter der Osnabrücker und niederstiftischen Ritterschaft gegenüber Damen bürgerlicher Herkunft und landfremden Adligen festgeschrieben, eine Regelung, die in Börstel mehr als dreihundert Jahre lang ihre Gültigkeit behielt. Der Widerstand Lucretia von Harens als Vertreterin einer Adelsfamilie des Niederstifts Münster gegen die landfremde Aspirantin entspricht insofern den Strategien der Abgrenzung innerhalb der Ritterschaften in den beiden Hochstiften und spiegelt die Legitimationsproblematik des ersten Standes in der Frühen Neuzeit wieder. Und noch ein weiterer Aspekt wird am Beispiel des Konfliktes deutlich: Als Gegenreaktion auf den latenten Verdrängungsprozess des Adels schlossen sich die niederadligen Familien enger zusammen und bemühten sich, durch regelmäßig einberufene Geschlechtertage und Hilfestellung untereinander den drohenden Bedeutungsverlust abzu261 Hoffmann, Ritterschaftlicher Adel, S. 249. 262 Hoffmann, Ritterschaftlicher Adel, S. 326ff. 115

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

wenden. Deutlich wird das für Börstel an den zahlreichen Besuchen der Schwestern von Haren bei ihrer Verwandtschaft, bei Geschwistern und Cousinen, an ihrer Teilnahme an Hochzeiten und Begräbnissen. Selbstverständlich gehörte es zu dieser familiären Vernetzung, dass Lucretia auf den Adelshöfen ihrer Familienmitglieder in Emden über Jahre Zuflucht finden konnte. Häufig taucht in den Briefen Lucretias zudem der Verweis auf ihre einflussreichen Freunde und Familienangehörigen auf, die ihr beistünden und der Gegenseite Schaden zufügen könnten. Hier zeigt sich auch, dass das alte mittelalterliche Fehdeprinzip noch nicht ganz zum Erliegen gekommen war. Neben der von Lucretia betriebenen Verteidigung der adligen Standeszugehörigkeit ist nicht zu übersehen, dass auch eine konfessionelle Auseinandersetzung geführt wurde. Offensichtlich verlief das Zusammenleben der Kapitularinnen unterschiedlicher Konfession nicht immer harmonisch. Mag in der alten Generation von Stiftsjungfern, deren Aussagen 1625 durch Lucenius protokolliert wurden, noch gegenseitige Toleranz bestanden haben, so wandelte sich diese Haltung in den folgenden Jahrzehnten. Mit der von Bischof Franz Wilhelm forcierten rigiden Durchsetzung der Gegenreformation im Hochstift änderte sich das bis dahin relativ entspannte konfessionelle Miteinander innerhalb der Bevölkerung. Nun erst ist das Bemühen der Konfessionen zu erkennen, sich strikter gegeneinander abzugrenzen, kam es überhaupt erst „zur Ausbildung eines katholischen oder lutherischen konfessionellen Identitätsbewusstseins im Alltag.“263 Ein Rückwirken dieses Differenzierungsprozesses auch auf die persönlichen Beziehungen der Kaptularinnen untereinander ist zu vermuten und wird zur Einhaltung strengerer Verhaltensnormen bei der Bekundung des „rechtmäßigen“ Bekenntnisses geführt haben. Diese Abgrenzung gegeneinander ist ablesbar sowohl an verschiedenen dezidiert protestantischen Stiftungen für die Kirche als auch an differenzierten Formulierungen in den Testamenten katholischer und evangelischer Stiftsdamen des 18. Jahrhun-

263 Anton Schindling, Reformation, S. 49. 116

4. Resümee: Lucretia als Vertreterin des „Adels im Wandel“

derts.264 Mit der Ausgestaltung des Börsteler Kirchenraumes bot sich zunächst Margareta von Haren und danach mehreren nachfolgenden Stifterinnen eine konkrete Möglichkeit, ihre Position in Glaubensfragen sinnfällig zum Ausdruck zu bringen. Auch Margareta Lucia von Haren (1675–1721) finanzierte 1713 die Neudekoration der Kanzel mit den Bildern der Evangelisten, nicht ohne acht Familienwappen auf dem Schalldeckel der Kanzel anbringen zu lassen. Nicht nur der mangelhafte Nachweis der adligen Abstammung der Anna Maria Voß und ihre Herkunft aus der Grafschaft Mark werden daher Grund für Lucretia gewesen sein, an ihrer rechtmäßigen Aufnahme zu zweifeln, auch deren katholische Konfession wird sie zu entsprechendem Widerstand veranlasst haben. Dieser Hintergrund wiederum veranlasste Bischof Franz Wilhelm zu der drastischen Strafe, die die Ausweisung Lucretias darstellte. Darüber hinaus richtete er sein Augenmerk verstärkt auf die von ihm nicht akzeptierten Börsteler konfessionellen Verhältnisse. Seine Aufforderung an das Kapitel, zumindest teilweise zum katholischen Ritus zurückzukehren und die katholischen Stiftsstellen freizugeben, scheiterte am Widerstand der sich mittlerweile seit mehr als einem Jahrhundert als lutherisch begreifenden Kapitularinnen. Adliger Abgrenzungswunsch und lutherisches Bekenntnis ließen Lucretia in einem Maße agieren, das weit über den Handlungsspielraum hinausging, den der Bischof zu tolerieren bereit war und der generell den Frauen der Frühen Neuzeit zugestanden wurde. Auch die Herkunftsfamilie Lucretias war mit dieser Entwicklung einer ihrer Töchter überfordert. Nicht erwünscht und undenkbar war nicht nur der Widerstand gegen die Anweisungen des Landesherrn, sondern im Besonderen der Anspruch Lucretias auf die Inanspruchnahme der familiären finanziellen Ressourcen, auf die sie nach der Ausweisung aus Börstel angewiesen war. An dieser finanziellen Unterstützung stießen dann auch die familiären Bindungen – wie es der Briefwechsel zwischen Bruder und Schwager deutlich macht – an ihre Grenzen. An264 Vgl. Renate Oldermann-Meier, Studien, S. 217ff. 117

5. Teil: Rückkehr nach Börstel

dererseits scheint ihr aus der weiteren Familie und dem Freundeskreis Hilfestellung geleistet worden zu sein. Das zeigt die bereits erwähnte Tatsache, dass sie über viele Jahre in Emden Unterkunft und Auskommen finden konnte. Dass es letztlich der Einfluss dieses familiären Netzwerks war, der ihr zur Rückkehr nach Börstel verholfen hat, wird aus der bischöflichen Einlassung deutlich, der ihr, in gnädigster ansehung verschiedener für selbiger eingekommener intercessionen die Wiedereinsetzung in ihre Präbende gewährte. Für die Familie von Haren blieb Stift Börstel das bevorzugte standesgemäße Domizil ihrer nicht verheirateten Töchter. Nicht weniger als acht weibliche Familienmitglieder fanden hier bis zum Aussterben der Familie 1792265 zumindest zeitweilige Aufnahme. Für Börstel war das Wirken Lucretias von entscheidender Bedeutung. Nicht nur mit ihrem mutigen Einsatz für das Stift während des Dreißigjährigen Krieges und ihren gewagten Reisen, die sie im Auftrag des Konvents ausführte, setzte sie sich in gefährlichen Zeiten selbstlos für das Stift ein. Mit ihrer kritischen Haltung gegenüber der neuen Kapitularjungfer trug sie darüber hinaus dazu bei, das adlige und konfessionelle Selbstverständnis des Kapitels zu schärfen und für die folgenden Jahrhunderte festzuschreiben und somit den Erhalt der evangelischen Gemeinschaft zu sichern.

265 Dethlefs, Ahnengalerie, S. 119. 118

v. Knehem ∞ v. Monnich

119

Johann v. Haren

∞ 1538

Geseke v. Snetlage zu Lonne († vor 1587)

Johann v. Snetlage ∞ v. Haren

Anna v. Langen zu Crollage († vor 1605)

Rudolf v. Langen zu Crollage (†1532)

Herbord v. Haren (†1616) ∞ Margarethe v. Schade 1588 Burgmann zu Grönenberg 1590 Anfall von Hopen Landrat der Osnabrücker Ritterschaft

Magdalene v. Knehem zu Harenburg

Caspar v. Haren († vor 1568)





Rolf v. Langen ∞ Derike v. Haren zu Ostkreyenburg (†1494)

Anna v. Haren ∞ Herbord v. Dincklage zu Hopen Johann v. Dincklage, 1543 Drost zu Vechta Margarethe ∞ Gerhard v. Langen gen. Kreyenribbe zu Beesten Herbert v. Langen gen. Kreyenribbe (†1590) ∞ Bertha v. Keppel Lucretia v. Langen gen. Kreyenribbe, Äbtissin zu Börstel (†1611) Gösta v. Langen gen. Kreyenribbe ∞ Wichmann

Rabodo v. Haren ∞ Else v. Hoberg 1426–1461 Burgmann zu Tatenhausen zu Grönenberg, Rablingen und Laer

Von Haren zu Laer und Hopen

Stammbaum von Haren

Lambert v. Oer ∞ Ilse v. Middachten

120

Wilhelm v. Schade (*um 1555) ∞ 1584 Anna v. Morrien Drost zu Wildeshausen Elske v. Schade ∞ 1574 Hermann v. Brawe zu Campe und Diekhaus Adam v. Schade (†1584) ∞ 1583 Margarethe v. Melschede Anna v. Schade (1584–1644) ∞ 1610 Dodo v. Inn- und Knyphausen (†1636) Otto v. Schade (*um 1558) ∞ 1587 Petronella v. Budde Drost zu Vechta Margarethe v. Schade ∞ vor 1583 Herbord v. Haren (†1616) Heinrich v. Schade (1570–1626) ∞ Anna v. Meppen

Heinrich v. Schade (†1578) ∞ 1553 Anna v. Stael zu Sutthausen 1540 Drost zu Wildeshausen Elske Schade ∞ Bernd Voß Anna Schade, Priorin im Kloster Bersenbrück (1560-1588) Adelheid Schade, Nonne Frederke Schade, Äbtissin in Rulle (1573–1588)

Wilhelm v. Stael (†1556) ∞ 1515 Walpurga v.Oer zu Sutthausen zu Kakesbeck

Hugo v. Dincklage ∞ Hille v. Weddesche Dietrich v. Stael ∞ Margarete v. Langen zu Bakum zu Surenburg

Beata Schade, Äbtissin in Börstel (1532–1556) Otto Schade (†1521) ∞ Fredeke v. Dincklage

Heinrich Schade ∞ Else v. Wullen 1495 münst. Ritterschaft

von Schade zu Wesuve, Huntlosen, Aumühlen, Ihorst und Bruchhausen



Stammbaum von Schade

Abb. 1 und 2: Lohne, Gut Hopen

121

Abb. 3: Autograph Herbord von Harens unter einer Vollmacht, 1605

Abb. 4: Holdorf, Gut Ihorst, barocker Nachfolgebau, um 1700

122

Abb. 5: Bakum, St. Johannes Bapt., Epitaph Agnesa Voß, 1608

Abb. 6: Emden, Haus Gödens, Allianzwappen über dem Eingangsportal, 1619 123

Abb. 7: Elisabeth von Haren, 1618, Öl auf Kupfer, 15,4 x 12,5 cm

124

Abb. 8: Haro von Fridag, 1614, Öl auf Kupfer, 15,9 x 12,6 cm

125

Abb. 9: Stift Börstel, St. Marien, Südfront mit Portal

Abb. 10: Stift Börstel, Kreuzgang Richtung Osten

126

Abb. 11: Stift Börstel, Ostflügel

Abb. 12: Stift Börstel, Ostflügel und Kirche 127

Abb. 13: Autographe unter dem Rechnungsregister von 1617 (ASB 1.7.1.70. (1616/1617) 16r)

Abb. 14: Stift Börstel, Amelia Steinhaus, 1604

128

Abb. 15: Stift Börstel, Epitaph der Äbtissin Lucretia von Bar, 1707

Abb. 16: Stift Börstel, St. Marien, Aufgang zur Nonnenempore

129

Abb. 17: Autograph Lucretia von Haren, 1641, Sept. 23

130

Abb. 18: Anna von Schade (Gemälde 1893 in Lütetsburg verbrannt)

Abb. 19: Brautbildnis Maria von Schele zu Kuhoff geb. von Haren, 1650 oder 1656, Öl auf Kupfer 16,8 x 13,8 cm

131

Abb. 20: Börstel St. Marien, Wappentafel Haren, links

132

Abb. 21: Börstel St. Marien, Wappentafel Haren, rechts

133

Abb. 22: Börstel St. Marien, Orgelprieche, Aufnahme um 1950 (ASB)

134

Abb. 23: Börstel St. Marien, Grabmal Margareta von Haren, 1669

135

Abb. 24: Catharine von Haren, Porträt, Öl auf Leinwand, 1646

136

137

Elisabeth (1589–1644) ∞ 1615 Haro v. Frydag zu Gödens (1578–1637) Herbert (1616–1642) Margaretha Beata (*1621) 1. ∞ 1638 Wilhelm v. Ewsum zu Nienort 2. ∞ Rudolf Wilhelm v. Knyphausen Hebrich Ernestina (1623–1636) Johann Wilhelm (1624–1674) ∞ Johanna v. Diepenbrock zu Empel

Heinrich v. Haren zu Hopen († nach 1668) ∞ 1621 Anna Sophie v. Harlingen (1599–1683) Margaretha Sophia ∞ Christian v. Bülow zu Eßenrode und Brunßrode Heberich, Stiftsdame in Quernheim († um 1669) Petronella, Stiftsdame in Quernheim (1640–1693) Maria, Stiftsdame in Börstel (1644–1650) ∞ 1650 Christoph v. Scheele (1620–1660) Catharina Walburg ∞ 1648 Langen v. Munster zu Surenburg (1603–1680) Judith Anna (*1655), Äbtissin in Börstel (1675-1680) Anna Sophia, Stiftsdame in Obernkirchen Elisabeth, Stiftsdame in Börstel (1655–1673) Raban Johannes (†1684) ∞ 1664 Beate Agnes v. Dincklage zu Schulenburg (1646–1716) Elisabeth Gertrud, Stiftsdame in Bassum (1690–1728) Margaretha Lucia, Stiftsdame in Börstel (1675–1721) Herbord Daniel (1671–1742) 1.∞ 1705 Gertrud v. Hammerstein zu Loxten (1681–1710 Lucie Elisabeth, Stiftsdame in Bassum (1739–1740) 2.∞ 1711 Dorothea v. Münchhausen zu Oldendorf (1690–1742) Raban Ludwig Christian (1713–1786) ∞1743 Sophie v. Löw zu Steinfurt (um 1717–1796) Clemens August (1750–1792) ∞ 1777 Maria Anna v. Kurzrock Sophia Maria Amalia (*1752), Stiftsdame in Börstel (1773–1781) Johanna Friederike (*1731), Äbtissin in Fischbeck (1763-1783)

Caspar v. Haren (†1618)

Nachkommen von Herbord und Margarethe von Haren

Nachkommen von Herbord und Margarethe von Haren

Nachkommen von Herbord und Margarethe von Haren

138

Elisabeth ?

Lucretia (* ca. 1605), Stiftsdame in Börstel (1614–1675)

Adam v. Haren († vor 1644)

Herbord v. Haren († vor 1644)

Anna Sophia († vor 1669) ∞ 1621 Melchior v. Heede zu Heede und Landegge (†1654) Johann Otto v. Heede (†1665) Anna Elisabeth, Stiftsdame in Börstel (1649–1655)

Margareta (*1594), Stiftsdame in Börstel (1607–1669)

Anna Catharina ∞ vor 1618 Franz Engelbert v. Beesten zu Dankern († vor 1669) Elisabeth Margarethe ∞ Heinrich v. Mandelsloh zu Elmelo

Johann v. Haren zu Laer und Rabingen (†1634) ∞ Gertrud v. Münchhausen zu Schwöbber (1599–1680) 2.∞ 1637 Hinrich v. Voß zum Dieck Anna Sophie (1634–1711) ∞ 1650 Hieronymus v. Grapendorf (1618–1671) Catharina Margareta

Nachkommen von Herbord und Margarethe von Haren

Literatur- und Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen ASB: Archiv Stift Börstel StAOs: Niedersächsisches Staatsarchiv Osnabrück StAMs: Nordrhein-Westfälisches Staatsarchiv Münster: Altertumsverein Münster StAAu: Niedersächsisches Staatsarchiv Aurich BAOs: Bistumsarchiv Osnabrück BAMs: Bistumsarchiv Münster WAM: Westfälisches Archivamt Münster: Gutsarchiv Assen – Urkunden Kommunalarchiv Minden ULB Sa-An: Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle

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145

Abbildungsnachweise Titelblatt und Karte 1: Montage Hans-Martin Schäfer, Bremen Karte 2: StA Oldenburg: Best. 298 Z Nr. 1488 (Vorlage: Katalog zur Ausstellung: Maßarbeit. Zur Entwicklung des Vermessungswesens und der Kartographie; Lohne 2010) Abb. 3 StA Osnabrück: Rep. 900 RGK Nr. 544 Vol. VII. Abb. 7, 8 Privatbesitz, Fotos: Christie’s Amsterdam Abb. 14, 15, 23 Fotos: Klosterkammer Hannover Abb. 17 StA Osnabrück: Dep 69 b Nr. 325 Abb. 18 Vorlage: von Alvensleben, Lütetsburger Chronik, S. 107 (Foto: Albert Schuster, Norden) Abb. 19 Privatbesitz, Foto: Tomasz Samek, Münster Abb. 22 Foto: Archiv Stift Börstel Abb. 24 Felix-Nussbaum-Haus/Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück, A 477 (Foto: Christian Grovermann, Osnabrück) Alle anderen Aufnahmen: Verfasserin Dank: Für die Erlaubnis zur Reproduktion der Abbildungen danke ich dem Bürgermeister der Stadt Lohne und Herrn Benno Dräger, Heimatverein Lohne e.V. und Industrie Museum Lohne e.V. (Karte 2), Frau Dr. Birgit Kehne, Staatsarchiv Osnabrück (Abb. 3 und 17). Herrn Dr. Gerd Dethlefs, Westfälisches Landesmuseum Münster (Abb. 7, 8, 19), Frau Äbtissin Britta Rook, Stift Börstel (Abb. 13, 14, 15, 20–23) und Herrn Dr. Thorsten Heese, Felix-Nussbaum-Haus/Kulturgeschichtliche Museum in Osnabrück (Abb. 24)

146

Personenregister (Die mit * versehenen Seitenangaben verweisen auf die Fußnoten) Abecker, Rudolf, Regierungsrat aus Osnabrück 85, 87 Alleke, Küchen- und Webermagd 53 Althaus, Anne von, Nonne in Wietmarschen 42, 72, 74, 99 Althaus, Dietrich von 42 Althaus, Elisabeth von, Äbtissin in Weerselo (1600–1637) 42 Althaus, Gertrud, Stiftsdame (1575), Äbtissin in Börstel (1611–1646) 42, 45, 47, 49, 55, 56, 60–62, 71, 75, 76, 78, 79, 90, 92, 99, 102 Althaus, Gertrud d.J. von, Stiftsdame in Börstel (1617–1636) 44, 45, 62, 65, 67, 71 Althaus, Johann Diederich von 44 Althaus, Johann von 76

Beesten, Caspar von 57* Beesten, Franz Engelbert von 30 Behlen, Alhardt, Pastor in Bippen 99 Böhmen, Friedrich König von 58 Bonnus, Hermann, Reformator 55, 57 Borghorst, Johann von, gen. Kerstapel 43 Borghorst, Katharina von, gen. Kerstapel, geb. von der Streithorst 43 Braunschweig-Lüneburg, Christian von, protestantischer Feldherr 58, 61 Braunschweig-Lüneburg, Ernst August I. von, Fürstbischof von Osnabrück 102 Braunschweig-Lüneburg, Georg von, schwedischer Feldherr 67 Braunschweig-Wolfenbüttel, Heinrich Julius von 58 Braunschweig-Wolfenbüttel, Philipp Sigismund von, Administrator zu Osnabrück und Verden 58–60, 68 Brawe, Elske von, geb. von Schade 18, 25 Brawe, Familie von 57* Brüning, Heinrich, Pastor in Börstel (1621–1624) 103 Buchholtz, Bernhard von 31* Buchholtz, Katharina Walburg, geb. von Heede 31* Bülow, Christian von 34* Bülow, Margaretha von, geb. von Haren 34*

Bar, Agnesa Sophia von, Stiftsdame in Levern 43 Bar, Elisabeth von, geb. von Kobrinck, Stiftsdame in Börstel (1611–1636) 43, 45, 61, 64, 65, 67, 69, 71, 73, 101, 102 Bar, Herbord von, Erblanddrost des Hochstifts Osnabrück 43 Bar, Katharina von, geb. von Deelen 43* Bar, Lucretia Margaretha, Stiftsdame (1654), Äbtissin in Börstel (1680–1707) 43, 49 Bayern, Ferdinand von, Erzbischof von Köln 56, 57 Beesten, Anna Catharina von, geb. von Haren 22, 25, 27, 30, 33, 84, 85 147

Personenregister

Büscher, Vitus, Dechant in Fürstenau, Superintendent von Quakenbrück 104 Busch, Conrad, Stiftsamtmann in Börstel (1641–1651) 88–93

Donop, Ursula von, geb. von Kerssenbrock 96* Dorgelo zu Brettberg, Agnese von, Stiftsdame in Börstel (1570–1631) 42, 61, 65, 67 Dorgelo zu Brettberg, Elske, geb. von Korff-Schmiesing 42 Dorgelo zu Brettberg, Otto von 42 Dorgelo zu Querlenburg, Anna von, Stiftsdame in Fischbeck 44 Dorgelo zu Querlenburg, Fredeke von, geb. von Bernefuer 44 Dorgelo zu Querlenburg, Gisela von, Stiftsdame in Fischbeck 44 Dorgelo zu Querlenburg, Johann von 44, 46 Dorgelo zu Querlenburg, Magdalena von, Stiftsdame (1614), Äbtissin in Börstel (1646–1674) 44, 46, 49, 50*, 57, 61, 62, 65, 67, 69, 71–74, 78, 79, 90, 91, 94, 99, 100, 101, 111 Dorgelo zu Querlenburg, N.N. von 95 Dorgelo zu Welpe, N.N. von 95 Dorgelo, Familie von 24, 44 Dorothea, Magd 73 Droste zu Hülshoff, Odilia von, Stiftsdame zu Börstel (1654–1721) 105

Catharina, Küchen- und Webermagd 53 Catharina, Magd 73 Closter, Almut von, geb. von Frydag 28, 28* Closter, Hero Moritz von 28* Clute, Johann Heinrich 31* Clute, Margarethe Lucia, geb. von Heede 31* Cruse, Conrad, Pastor in Börstel (1624–1644) 62, 65, 70, 103 Cruse, Heinrich, Pastor in Hagen 62 Cruse, Konrad, Pastor in Hagen 62* Dänemark, Christian IV. König von 63 Dänemark, Friedrich Prinz von 58, 63 Damnitz, Moritz von, dänischer Feldherr 64 Dincklage zu Hopen Johann von, Drost zu Vechta 15, 15*, 19, 21 Dincklage zu Hopen, Anna von, geb. von Haren 15* Dincklage zu Hopen, Herbord von 15* Dincklage zu Loxten, Anna Catharina von, Stiftsdame in Börstel (1644–1649) 98, 101 Dincklage zu Loxten, Anna Sophia von, geb. Nagel 98 Dincklage zu Loxten, Gerhard von 98 Dincklage zu Loxten, Johann Edwin von 95, 99 Dincklage zu Schulenburg, Gerhard von 63 Donop, Moritz von 96*

Everd, Bäcker 53, 73 Frerk, Sohn des Müllers, 70, 71 Frydag zu Loringhove, Almut von, geb. von Oldenbockum 28* Frydag zu Loringhove, Franz von 28* Frydag, Elisabeth von, geb. von Haren 22, 25, 27, 29, 33, 85, 87, 95 Frydag, Franz Ico von 28, 28* Frydag, Haro Henricus von 95* Frydag, Haro von 28, 29, 95 148

Personenregister

Frydag, Hebrich Ernestina von 30 Frydag, Herbert von 30 Frydag, Johann Wilhelm von 30, 95 Frydag, Johanna von, geb. von Diepenbrock 95 Frydag, Katharina von, geb. von Innund Knyphausen 28 Frydag, Margaretha Beata von 30 Frydag, Margarethe Elisabeth von, geb. von Westerholt 28* Frydag, Melchior Ernst von, 29 Frydag, Oriana von 28 Frydag, Wilhelm Friedrich von 95* Fürstenberg, Helene von 32

Haren, Caspar von 15, 28 Haren, Caspar d. J. von 22, 33 Haren, Dietrich von 22* Haren, Elisabeth d.J. von, 22, 32, 35 Haren, Elisabeth Gertrud von, Stiftsdame in Bassum 34 Haren, Elisabeth von, Stiftsdame in Börstel (1654–1673) 107, 109, 109*, 111 Haren, Familie von 22, 44, 66, 83, 118 Haren, Heberich von, Stiftsdame in Quernheim 34 Haren, Heinrich von 22, 24, 29, 33, 35, 47, 66, 75, 84–87, 98, 107, 111 Haren, Herbord Daniel von 34 Haren, Herbord von 14–16, 16*, 21, 29, 33, 37, 50 Haren, Herbord d.J. von, 22, 35, 66, 84 Haren, Johann von 15* Haren, Johann von, Kammerpräsident in Oldenburg 22, 34, 35, 37, 66, 84 Haren, Lucretia von, Stiftsdame in Börstel (1614–1675) passim Haren, Margareta von, Stiftsdame in Börstel (1607–1669) 22, 31, 38, 43, 46, 50, 56, 59, 60, 61, 64–67, 69, 71, 73–75, 84–86, 88, 90, 91–94, 100, 107–110, 115, 117 Haren, Margaretha Lucia von, Stiftsdame in Börstel (1675–1721) 34, 110*, 112, 117 Haren, Margarethe von, geb. von Schade 14, 16, 16*, 18, 28, 32, 35, 47, 48*, 51, 66, 88, 95 Haren, Petronella von, Stiftsdame in Quernheim 34 Haren, Raban Johannes von 34, 110*, 111, 112

Glandorf, Nicolaus, Amtmann in Börstel (1628–1640) 68, 72, 75, 78, 80, 91, 99 Grapendorf, Anna Sophie von, geb. von Haren 34, 107 Grapendorf, Catharina Margareta 107 Grapendorf, Hieronymus von, Großvogt zu Celle 34 Gregor XIII., Papst (1572–1585) 89* Gustavson, Gustav, illegitimer Sohn König Gustav Adolfs von Schweden 68 Hammerstein, Christoph von, schwedischer Feldherr 100 Hannover, Georg IV. König von 63* Haren, Adam von 22, 35, 84 Haren, Anna Sophia von, geb. von Harlingen 33, 84 Haren, Anna Sophia von, Stiftsdame in Obernkirchen 34 Haren, Anna von, geb. von Langen 15, 27, 28 Haren, Beate Agnes von, geb. von Dincklage 34 149

Personenregister

Haren, Rabe von 14 Haren, Rabodo von 15 Haren, Rolf von 14 Harnoven, Bernhard, Pastor in Börstel (1645–1648) 104 Heede, Anna Elisabeth von, Stifts­ dame in Börstel (1649–1656) 31, 101 Heede, Anna Sophia von, geb. von Haren 22, 25, 27, 30, 31, 35, 59, 85, 101 Heede, Familie von 57* Heede, Johann Otto von 31 Heede, Melchior von 30, 31, 31*, 59, 60 Hilleke, Köchin 53 Hohenzollern, Eitel Friedrich von, Fürstbischof von Osnabrück 60–62, 65, 89* Hylle, Magd 91

Kniphausen zu Nienorthen, Elisabeth von, geb. von Haren 34* Kniphausen zu Nienorthen, N.N. von 34* Kobrinck, Margaretha von, geb. von Reden 43 Kobrinck, Rötger von, 43 Königsmarck, Hans Christoph von, schwedischer Feldherr 74, 100 Kramer, Johannes Dr., Arzt in Quakenbrück 50 Langen zu Sögeln, Christina Maria von, Stiftsdame (1649), Äbtissin in Börstel (1674–1675) 101, 112 Langen zu Beesten, Gerhard von, gen. Kreyenribbe 15* Langen zu Beesten, Herbert von, gen. Kreyenribbe 15* Langen zu Beesten, Lucretia von, gen. Kreyenribbe, Stiftsdame (1556), Äbtissin in Börstel (1575–1611) 15*, 16, 25, 38, 55, 60 Langen zu Beesten, Margarethe von, gen. Kreyenribbe, geb. von Dincklage 15* Lucenius, Albert, Generalvikar von Osnabrück 61, 103, 116 Lüdinghausen, Eva Oriana von, geb. von Inn- und Knyphausen 96

Inn- und Knyphausen, Anna von, geb. von Schade 27, 95–97 Inn- und Knyphausen, Dodo von, schwedischer Feldherr 27, 29, 68, 70, 70*, 96, 97 Inn- und Knyphausen, Enno Adam von 96, 97 Inn- und Knyphausen, Octavia von, geb. von Ripperda 96, 97 Johann, Stiftsdiener in Börstel 53 Jütting, Johann, Pastor in Badbergen, 66*

Mandelsloh, Elisabeth Margarethe von, geb. von Beesten 30 Mandelsloh, Heinrich von 30 Maneel, Mette, Äbtissin in Börstel (1556–1575) 55 Mansfeld, Ernst von, protestantischer Feldherr 58 Mommsen, N.N. von 92–94, 97 Monnich zum Eickhof, Catharina

Kennings, Arnold, Amtmann in Börstel (1611–1628) 41, 65 Kerstapel, Elisabeth, Stiftsdame in Börstel (1578–1652) 43, 61, 65, 67, 71, 78, 91, 100, 105 Klinkhammer, Johann Christian, Pastor in Börstel (1613–1614) 47 150

Personenregister

Gertrud, Stiftsdame in Börstel (1654–1657) 105, 106 Monnich zum Eickhof, Familie von 57* Morrien, Alexander, Richter in Meppen 31 Morrien, Eberhard, Rentmeister in Fürstenau 63 Münchhausen, Anna von 32 Munster zu Surenburg, Catharina Walburg von, geb. von Haren 34*, 110*, 111 Munster zu Surenburg, Ida Elisabeth von, Stiftsdame in Börstel (1607–1631) 43, 45, 62, 65, 66 Munster zu Surenburg, Judith Anna von, Stiftsdame (1668), Äbtissin in Börstel (1675–1680) 34*, 110*, 111 Munster zu Surenburg, Langen von 34*, 111 Munster zu Surenburg, Rudolph von 43 Müseler, Engelbert, Pastor in Haseünne 105

Sachsen-Weimar, Ernst von, dänischer Heerführer 63 Schade zu Meppenburg, Heinrich von 18*, 76, 77* Schade zu Wesuve, Anna von, geb. von Meppen 77* Schade zu Wesuve, Heinrich von 18, 29, 77* Schade, Adam von 28, 95 Schade, Adelheid, Nonne 18 Schade, Anna von, geb. von Stael 17, 26 Schade, Anna, Priorin in Bersenbrück 18 Schade, Beata, Äbtissin in Börstel (1532–1556) 18, 38, 39 Schade, Familie von 44 Schade, Fredeke, Äbtissin in Rulle 18 Schade, Heinrich 16 Schade, Heinrich von, Drost zu Wildeshausen 17, 18, 24*, 42 Schade, Otto 16, 18 Schade, Otto von, Drost zu Vechta 18, 29, 57, 80* Schade, Wilhelm von, Drost zu Wildeshausen 18, 29 Scheele, Christoph von 98, 98* Scheele, Daniel von 98* Scheele, Maria von, geb. von Haren, Stiftsdame in Börstel (1644–1650) 34, 98, 101 Schweden, Gustav II. Adolf König von 67 Sievers, Catharina 54 Sievers, Dirk, Pächter in Börstel 54, 68, 88 Snetlage zu Lonne, Rudolf von 71 Steding, Maria Elisabeth, Stiftsdame in Börstel (1649–1661) 94 Steding, Wilke, Drost zu Cloppenburg 19

Nassau, Ernst-Kasimir von, Statthalter von Friesland, Groningen und Drenthe 64 Nicolai, Henricus, Pastor in Börstel (1648–1656) 104 Nicolai, Magdalena, geb. Jansen 104 Redewin, N.N. von, schwedischer Feldherr 69, 72, 73 Rietberg, Konrad von, Fürstbischof von Osnabrück und Münster 15* Ripperda, Karl Viktor von 80, 80* Ripperda, N. N. von 95 Ripperda, Petronella von, geb. von Schade 80* Rodenberg, Diederich von dem 76* 151

Personenregister

Steinhaus, Amelia, Stiftsdame in Börstel (1577–1606) 48 Swerker, Dietrich de, Richter in Coesfeld 94

Voß zum Rodenberg, Agnese, geb. von Althaus 76 Voß zum Rodenberg, Anna Maria, Stiftsdame in Börstel (1645–1647) 76–82, 89–94, 101, 108, 112–114, 117 Voß zum Rodenberg, Rütger 74, 76–81, 113

Tambach, Koboldt von, Drost zu Fürstenau 81, 100, 105 Tilly, Johann Tserklas von, kaiserlicher Feldherr 58, 61

Waldeck, Franz von, Fürstbischof von Osnabrück und Münster 19 Wartenberg, Franz Wilhelm von, Fürstbischof von Osnabrück, Minden und Verden 62, 65, 74, 81–83, 94, 102–106, 108, 116, 117 Wullen, Asche von 41 Wullen, Gerlach von 41 Wullen, Heinrich von 41 Wullen, Immeke von, Stiftsdame in Quernheim 41 Wullen, Jasper von 41 Wullen, Katharina von, geb. von Dincklage 41 Wullen, Sophie von, Stiftsdame in Börstel (1558–1625) 41, 44, 62, 65

Vogt von Elspe, Bernhard 95 Vogt von Elspe, Margarethe, geb. von Melschede, verw. von Schade 95 Voigts, Melchior 44 Voß zu Bakum, Agnesa, geb. von Schloen 23 Voß zu Bakum, Agnese, Stiftsdame in Börstel (1562–1623) 42 Voß zu Bakum, Bernd 42 Voß zu Bakum, Bernd Gier 23, 24*, 42 Voß zu Bakum, Elske, geb. Schade 24*, 42 Voß zu Mundelnburg, Catharina Hilborg, Stiftsdame in Börstel (1661–1692) 111 Voß zum Dieck, Gertrud, geb. von Münchhausen, verw. von Haren 34, 84, 107 Voß zum Dieck, Johann Heinrich 84–87

Zwicker, Dietrich, Steuereinnehmer 94

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